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• die » Kommunikationsrevolution« , die einen Übergang von
der Industrie- zur Wissens- und Informationsgesellschaft
einleitet (vgl. den Beitrag von Eßer).
Die Ausdehnung und Verdichtung lokal-national-globaler
Beziehungsnetzwerke führt sicher nicht zu einer Weltgesell-
schaft im Sinne einer » Mega-Nationalgesellschaft« (Beck 1997:
31) mit einer Weltregierung an der Spitze. Die skizzierten
Entwicklungstrends setzen jedoch ganz sicher die etablierten
Institutionen, Regelwerke und eingespielten Mechanismen der
Politik in den nationalen Gesellschaften unter enormen An-
passungsdruck (vgl. den Beitrag von Altvater).
Franz-Xaver Kaufmann (1997: 12) warnt angesichts der
Globalisierung vor Prozessen sozialer Desintegration, wenn er
schreibt: » Der Nationalstaat war die historisch wohl letzte und
umfangreichste Form eines die Menschen in allen Lebensbezügen
umfassenden Gemeinwesens, in dem (...) das individuelle und das
kollektive Wohl plausibel in einem gemeinsamen Sinnzusammen-
hang vermittelt werden konnte. Im Zuge von Internationalisierung,
Globalisierung und Transnationalisierung werden diese Grenzen
unscharf, und eben deshalb der gesellschaftliche Zusammenhang
fragwürdig.« Auch Ralf Dahrendorf (1997: 15), der das Ende
des sozialdemokratischen Jahrhunderts vielfach beschworen
hatte, fürchtet nun eine » wilde und erbarmungslose Globalisie-
rung« , die nur noch den Gesetzen der Konkurrenz folgt, zu-
nehmend größere gesellschaftliche Gruppen überfordert und
daher zum Ausschluß » einer beträchtlichen Zahl von Menschen«
aus der Gesellschaft führen könnte. Das hieße aber, so Dah-
rendorf, » daß eine solche Gesellschaft nicht mehr überzeugend
verlangen kann, daß ihre Mitglieder sich an die Regeln von Recht
und Ordnung halten« – sich verschärfende innergesellschaftli-
che Konflikte und die Gefährdung des sozialen Zusammenhal-
tes wären die Folge. Schwingt hier vielleicht die Sehnsucht
eines Liberalen nach den sozialen Integrationsleistungen der
von ihm lange scharf kritisierten westlichen Wohlfahrtsstaaten
mit?
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Nimmt man diese Warnungen von zwei Intellektuellen
wahr, die keineswegs zu den notorischen Kassandra-Rufern
ihrer Zunft gehören, so müssen im Übergang zum 21. Jahr-
hundert dringend Strategien entwickelt werden, um die Glo-
balisierung institutionell einzubetten und politisch zu gestal-
ten. Verharren Institutionen und Politik in den etablierten
Strukturen und Formen der Arbeitsteilung, wird zunehmen-
des Politikversagen die Folge sein.
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CNN, unterstützt die Arbeit der Vereinten Nationen (UN) mit
einer Spende von einer Milliarde US-$, während die US-
Regierung nicht willens ist, ihre Schulden bei den UN endlich
zu tilgen.
Aus diesem Panorama lassen sich zwei wichtige Trends he-
rauslesen, die einen tiefgreifenden Wandel der Weltpolitik
anzeigen, welche lange als Staatensystem organisiert war.
Erstens sind in der internationalen Politik die Nationalstaaten
längst nicht mehr unter sich. Sie müssen sich die globale Sze-
nerie mit immer mehr global players der dynamisch wachsen-
den globalen Wirtschaftswelt und einer entstehenden global
engagierten Gesellschaftswelt teilen: Multinationale Unter-
nehmen, inter- und supranationale Organisationen, Nicht-
Regierungsorganisationen und Einzelpersonen mischen sich
zunehmend in die globale Politik ein. Die monozentrische
Machtstruktur rivalisierender Nationalstaaten innerhalb des
internationalen Systems transformiert sich in eine polyzentri-
sche Machtverteilung (Rosenau 1990).
Zweitens werden die Trennungslinien zwischen Innen- und
Außenpolitik immer unschärfer. Über transnationale Bezie-
hungen mischen sich Akteure von außen in die » inneren An-
gelegenheiten« der Nationen ein; aufgrund ökonomischer
Verflechtungen lassen sich Krisen kaum mehr auf ein Land
beschränken; die Verdichtung von Kommunikation und Ver-
kehr vernetzt Ökonomien und Gesellschaften immer enger
miteinander; nationale Gesellschaften, Regionen, Kommunen
werden zunehmend durch die Auswirkungen von Entschei-
dungen betroffen, die an weit entfernten Orten getroffen wur-
den; ein Vielzahl von Umweltproblemen sind a priori globaler
Natur und daher nur durch gemeinsames Handeln über nati-
onale Grenzen hinweg lösbar. Der Nationalstaat zieht Gren-
zen, Globalisierungsprozesse und globale Phänomene zerset-
zen und durchlöchern sie. In der Welt- und Außenpolitik ging
es bisher vor allem um die Durchsetzung und Absicherung
nationaler Interessen, um Hegemonie, Friedenssicherung und
internationale Stabilität durch Abschreckung sowie um die
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Herstellung von Machtgleichgewichten. In den nationalen
Gesellschaften stand die Ausgestaltung des Gemeinwesens
und die politische Problemlösung durch die souveränen und
demokratisch legitimierten Nationalstaaten im Mittelpunkt.
Diese Trennung in Innen und Außen führt in der » neuen Ära
des Globalismus« (Kaiser 1995: 498) zu einem stetigen Verlust
an politischer Steuerungsfähigkeit. Eine Krise der National-
staaten sowie der Politik könnte die im nationalen Rahmen
organisierten Demokratien bedrohen. Sie gründen sich auf
Übereinstimmung zwischen denen, die an Prozessen der
demokratischen Legitimation beteiligt sind, und denen, die
von den so legitimierten Entscheidungen betroffen sind
(Scharpf 1996: 13). Die politischen und institutionellen Mecha-
nismen zur Lösung globaler, grenzüberschreitender Probleme
sind unterentwickelt. Aufgrund der sich verdichtenden inter-
nationalen Interdependenzen und des zunehmenden Prob-
lemdrucks globaler Fragen müssen sich die Nationalstaaten
daher tiefgreifend verändern. Die Politik muß entlang der
Achse lokal-global reorganisiert werden, um zu verhindern,
daß die Gesellschaften immer stärker durch eigendynamische
Sach- und Systemlogiken beherrscht werden. Global Gover-
nance wird zu einer der großen Herausforderungen des
nächsten Jahrhunderts.
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eingeläutet – so zum Beispiel Edgar Grande (1997), der mal ein
Fragezeichen anfügt, dann wieder darauf verzichtet. Innerhalb
der Gruppe derer, die von einem weitgehenden Bedeutungs-
verlust des Nationalstaates ausgehen, lassen sich wiederum
drei divergierende Deutungsmuster unterscheiden:
• Edgar Grande (1996, 1997) ist zuversichtlich, daß die politi-
schen Handlungsspielräume, die im Globalisierungskontext
auf nationaler Ebene verloren gehen, auf europäischer Ebe-
ne zurückgewonnen werden können, wenn der Prozeß der
europäischen Integration zielstrebig vorangetrieben wird.
• Ähnlich optimistisch argumentiert Jessica T. Mathews
(1997), die jedoch ganz andere Hoffnungsträger ausmacht,
die das Vakuum, das der Nationalstaat hinterläßt, ausfüllen
sollen: Vor allem nicht-staatliche Akteure und die globale
Zivilgesellschaft werden (wohl etwas voreilig) zu den
handlungsmächtigen global players der Zukunft hochstili-
siert.
• Jean-Marie Guéhenno (1995) stimmt zwar ebenfalls in den
Abgesang auf den Nationalstaat ein, sieht jedoch mit dessen
Niedergang auch den » Tod der Politik« und das » Ende der
Demokratie« gekommen, die er beide nur im nationalstaat-
lichen Rahmen für organisierbar hält.
2. Der Nationalstaat bleibt aufgrund des Mangels an tragfähi-
gen Alternativen und der Schwäche supranationaler Struktu-
ren zentraler Ort der Politik bei generellem Verlust politischer
Steuerungsfähigkeit. Wolfgang Streeck (1997, vgl. auch seinen
Beitrag für den vorliegenden Band) konstatiert einen spürbaren
Substanzverlust nationalstaatlicher Politik, insbesondere infol-
ge der ökonomischen Globalisierung, kann jedoch keine ernst-
haften Ansätze ausmachen, durch staatsähnliche Strukturen
auf internationaler Ebene verlorengegangene Handlungsspiel-
räume wiederzugewinnen. Er sieht daher keine Alternative
zur Verteidigung des nationalen Monopols auf öffentliche
Gewalt mit dem Ziel der Zivilisierung des globalen Kapitalis-
mus. Der demokratische Nationalstaat könnte, so Streeck
(1997: 325), » das einzige [sein], das wir haben, und gleichzeitig viel
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weniger als notwendig wäre, um eine globale Ökonomie sozial, und
vielleicht auch wirtschaftlich, lebensfähig zu machen« .
3. Internationale Organisationen, Multilateralismus und ei-
ne kooperative Außenpolitik als Antwort auf die Globalisie-
rung: Von Theoretikern auf dem Feld der Außenpolitik, die
die veränderte Dynamik der Weltpolitik und die globalen
Verflechtungszusammenhänge als politische Herausforderung
wahrnehmen, wird die wachsende Bedeutung des Multilate-
ralismus konstatiert und eine stärker kooperativ ausgerichtete
Außenpolitik eingefordert. Oft wird funktionalistisch von
grenzüberschreitenden Interdependenzbeziehungen auf quasi
automatisch » nachwachsende« internationale Regulierungen
geschlossen (Corbey 1995). Die Nationalstaaten, die ihre zwi-
schenstaatlichen Beziehungen intensivieren, multilaterale Re-
gime auf- und ausbauen und so » die Bündelung von Teilen der
Souveränität (und ihr Interdependenzmanagement) klug weiterent-
wickeln« (Kaiser 1995: 509), bleiben in dieser Perspektive die
zentralen politischen Akteure; die oben beschriebenen » neuen
Akteure« der Weltpolitik kommen kaum vor. In diesen Kon-
zepten werden darüber hinaus zwei Problemkontexte unter-
belichtet: Erstens werden die Rückwirkungen der Globalisie-
rungsprozesse auf die nationalstaatlich organisierte Politik
unterschätzt; Anpassungs- und Veränderungsbedarf wird
primär jenseits des Nationalstaates ausgemacht. Durch » mehr
Multilateralismus« soll die Funktions- und Leistungsfähigkeit
des Nationalstaates und der Politik wiederhergestellt werden.
Ausgeblendet werden die tiefgreifenden Veränderungen der
Institutionen der Nationalstaaten, weil die bisherige Innen-
und Außenpolitik auf eine neue Art und Weise miteinander
verknüpft werden müssen, die im Rahmen der bestehenden
institutionellen Strukturen (zum Beispiel der nach » innen«
oder » außen« orientierten Ministerien) kaum möglich ist.
Traditionelle Innen- und Außenpolitik müssen sich letztlich in
ein neu entstehendes Global Governance-System transformie-
ren, in dem von der lokalen bis zur globalen Ebene politische
Steuerungsversuche und Beiträge zur Lösung inter- und
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transnationaler Probleme koordiniert und gebündelt werden.
Zweitens neigen die » Multilateralisten« zu einem impliziten
Steuerungsoptimismus. Zumindest werden Steuerungs- und
Koordinationsprobleme, die zum Beispiel Streeck mit guten
Argumenten betont und mit denen er seine grundsätzliche
Skepsis gegenüber der Leistungsfähigkeit supranationaler
Institutionen begründet, selten thematisiert.
4. Transformation der Politik in der Global Governance-
Architektur: Global Governance umfaßt mehr als die Summe
der Aktivitäten der Nationalstaaten, ergänzt um einen sich
verdichtenden Multilateralismus (Commission on Global
Governance 1995; Messner/Nuscheler 1996). Die Nationalstaa-
ten bleiben die zentralen politischen Akteure – entgegen dem
vielstimmigen Chor derjenigen, die bereits den » Abschied
vom Nationalstaat« kommen sehen. Sie müssen sich jedoch
transformieren. Der Nationalstaat büßt seine Rolle als
» allmächtiger und allzuständiger Problemlöser« tendenziell
ein. Der demokratisch legitimierte Rechtsstaat bleibt jedoch
die entscheidende Instanz, die das Gemeinwohlinteresse
wahrzunehmen hat. Wer sonst sollte darüber wachen, daß
gesellschaftliche Gestaltungsaufgaben wahrgenommen und
soziale Lasten sowie ökonomische Kosten gesellschaftlicher
Veränderung möglichst gerecht verteilt werden, eine tragfähi-
ge öffentliche Infrastruktur gewährleistet bleibt und die Macht
organisierter Partikular-interessen begrenzt wird? Aber die
Rolle des Nationalstaates verändert sich drastisch: Die Früh-
erkennung von Problemen, die Erarbeitung von Lösungsalter-
nativen sowie die Implementierung von Politiken müssen in
vielen Problemfeldern » nach oben« (also auf die internationale
Ebene, an multilaterale und supranationale Organisationen)
delegiert werden. Regionale Integrationsprojekte werden
weltweit an Bedeutung gewinnen und Aufgaben übernehmen,
die bisher den Nationalstaaten oder den Vereinten Nationen
zugeschrieben wurden. Die Global Governance-Architekur
muß auf leistungsfähigen » regionalen Kernen« aufbauen. Die
Europäische Union ist hier – trotz aller Probleme und Hemm-
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nisse – auf dem Weg der Überwindung nationaler Engstirnig-
keiten und der Verdichtung kooperativer Politik das fortge-
schrittenste Laboratorium für » regional governance« in der
Global Governance-Archi-tektur. Das Ordnungsprinzip der
nationalen Souveränität wird Schritt für Schritt durch ein
System wechselseitiger Abhängigkeiten und Verwundbarkei-
ten abgelöst.
Zugleich gewinnen die lokalen und regionalen Ebenen in-
nerhalb des Nationalstaates an Bedeutung, und nicht-
staatliche Akteure übernehmen Funktionen, die bisher dem
Staat zugeschrieben wurden. In vielen Politikbereichen muß
der Staat mit gesellschaftlichen Gruppen (wie Sozialverbän-
den, Kammern, Gewerkschaften, Wissenschaft) gemeinsame
Problemlösungsstrategien entwickeln, weil das Wissen um
Wirkungszusammenhänge sowie Implementations- und Kon-
trollkapazitäten breit gestreut ist. Konturen einer Netzwerkge-
sellschaft entstehen, in der der Nationalstaat Scharnier- und
Integrationsfunktionen nach innen und außen wahrnimmt und
in der auch nicht-staatliche Institutionen und Privatunterneh-
men Verantwortung für die Entwicklung des Gemeinwesens
übernehmen müssen, wenn Konflikte und Krisen entschärft
und gelöst werden sollen (Messner 1995).
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Schaubild 1: Handlungsebenen und Akteure in der Global
Governance-Architektur
Regionale Integrati-
onsprojekte
(EU, NAFTA, etc. )
Nationalstaaten
Lokale Politik
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tischen Institutionenlandschaften entstehen und wirken, auf
diversen Handlungsebenen bearbeitet werden. So auch in der
Klimapolitik: Es existieren Klimaschutzmaßnahmen, die inter-
national abgestimmt werden müssen (zum Beispiel völker-
rechtliche Vereinbarungen über Emmissionsminderungsziele);
es gibt andere Klimaschutzmaßnahmen, die besser internatio-
nal abgestimmt werden sollten, wo dies aber nicht zwingend
notwendig ist (zum Beispiel Energiesteuern); und es verblei-
ben auch weiterhin vielfältige Spielräume für Maßnahmen, die
keiner internationalen Abstimmung bedürfen (zum Beispiel
Wärmedämmung für Gebäude, Abwärmenutzung im indus-
triellen Bereich, Tempolimits).
Ein interessantes Beispiel für neue Formen globaler Politik
sind die internationalen Verhandlungen zum Verbot von
Personenminen. Der Verhandlungsprozeß wurde wesentlich
durch nordamerikanische Nicht-Regierungsorganisationen
angestoßen, denen es gelang, eine internationale Kampagne zu
entfachen und die Weltöffentlichkeit für dieses Thema zu
interessieren. Das Ende 1997 im Rahmen der Regierungsver-
handlungen beschlossene Dokument, das ein Verbot der Mi-
nen festschreibt, wurde zunächst von wichtigen Regierungen
(zum Beispiel der USA und Rußlands) nicht unterschrieben.
Die Vergabe des Friedensnobelpreises von 1997 an die Initia-
torin der privaten Kampagnen zur Ächtung der Personenmi-
nen erhöhte die Legitimation der NGOs und ihren politischen
Einfluß. Bill Clinton und Boris Jelzin sahen sich zu der Erklä-
rung genötigt, ihre Beschlüsse noch einmal zu überdenken.
Damit ist noch nicht der Erfolg dieses Prozesses gesichert,
aber eine neue Qualität von Politik in der Weltgesellschaft
zeichnet sich ab.
Politik wird in immer stärker horizontal und vertikal ver-
netzten Strukturen stattfinden: Netzwerkstrukturen in und
zwischen Gesellschaften gewinnen an Bedeutung, hierarchi-
sche Steuerung durch eine Politikinstanz wird zur Ausnahme;
das Konzept nationalstaatlicher Souveränität wird perforiert
durch Systeme geteilter Souveränitäten; das internationale
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System der Staatenwelt wird überlagert durch eine Mehrebe-
nen-Struktur der Global Governance-Architektur, in der eine
Vielzahl privater und öffentlicher Akteure agiert. Die Trans-
formation der Politik in diese Richtung ist längst im Gange;
die Herausforderung besteht darin, in diesem Prozeß durch
gezielte Beiträge zur Herausbildung eines leistungsfähigen
Global-Governance-Systems die Handlungsspielräume von
Politik erneut zu erweitern (Messner/Nuscheler 1997).
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Schaubild 2: Problemdimensionen von Global Governance
Herausforderungen
− effektive Problembearbeitung
− Demokratie/Legitimation
− soziale Integration in Gesellschaften und Lern-
partnerschaften zwischen Gesellschaften
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Organisationen kann aber ebenfalls Legitimationsdefizite nach
sich ziehen. Es ist aussichtslos, Grundprinzipien westlicher
Demokratiemodelle, die im nationalstaatlichen Kontext funk-
tionieren und verankert sind, auf die komplexe Global Gover-
nance-Architektur zu übertragen (Scharpf 1996). Lothar Brock
hat in seinem Beitrag für diesen Band wichtige Ansatzpunkte
für Mechanismen demokratischer Legitimation der Politik im
globalen Kontext entwickelt.
Drittens stellt sich die Frage, wie in einer interdependenten
Welt soziale Integration möglich ist, also gesellschaftliche
Bindekräfte mobilisiert und stabilisiert werden können. Prin-
zipiell werden Gesellschaften durch drei Integrationsweisen,
die sich komplementär ergänzen, zusammengehalten
(Kaufmann 1997). Die Reproduktion der Integrationsmodi ist
unter den Bedingungen der Globalisierung keineswegs gesi-
chert, und sie müßten im Gefüge der Global Governance-
Architektur erst verankert werden. Gesellschaften werden
erstens durch gemeinsam geteilte, substantielle und prozedu-
rale Normen und Werte zusammengehalten. Mögliche Äqui-
valente wären im globalen Kontext die Menschenrechte sowie
Maßstäbe für die Findung globaler Problemlösungen, die von
allen Beteiligten als fair und gerecht angesehen werden. Die
schwierigen Diskussionen um die Reduktionsfahrpläne für
klimagefährdende Stoffe im Rahmen der Klimaverhandlungen
in Berlin (1996) und Kyoto (1997) haben unterstrichen, wie
wichtig gerade der letztgenannte Punkt ist. Demokratische
Gesellschaften werden zweitens durch ihre Rechtsordnungen
integriert, die Gleichheitsgrundsätzen folgen, Teilhaberechte
festschreiben und wechselseitige Erwartungen stabilisieren.
Die Stärkung globaler Rechtsstaatlichkeit und die Weiterent-
wicklung des Völkerrechts ist dementsprechend ein Imperativ,
um in der Global Governance-Architektur die Herrschaft des
Rechts gegen die im internationalen System noch vorherr-
schende Dominanz der Mächtigen durchzusetzen. Plurale
Gesellschaften werden drittens durch dichte Kommunikati-
onsnetze, vielfältige intermediäre Strukturen und Gemein-
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schaftsbildung auf der Grundlage wechselseitiger moralischer
Anerkennung der Mitmenschen als Gleiche, trotz ihrer Ver-
schiedenheit, integriert. Im globalen Maßstab muß die » Kultur
der Belehrung« , die zum Beispiel noch oft die internationale
Entwicklungszusammenarbeit kennzeichnet, durch eine
» Kultur des gemeinsamen Lernens« abgelöst werden. Interna-
tionale Dialoge und Mechanismen globaler Solidarität müssen
ausgebaut werden. Dabei wird mit dem Begriff des Dialogs
das Verschiedene und mit dem Begriff der Solidarität das
Gemeinsame im Verhältnis zwischen den Menschen, Gesell-
schaften und Kulturen thematisiert (Kaufmann 1997: 12).
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ren zu wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Ländern,
Regionen und Akteursgruppen.
• Einseitig auf Wettbewerb und die Durchsetzung von Ei-
geninteressen orientierte Strategien in Politik und Wirt-
schaft weisen eine begrenzte Reichweite auf und bergen er-
hebliche Risiken, da sich Erfolg bzw. Mißerfolg kaum vor-
hersehen lassen.
• Es besteht generell eine hohe Unsicherheit, die für alle
beteiligten Akteure aus der Eigendynamik ungesteuerter
Systeme – wie den internationalen Finanzmärkten, der Lo-
gik des globalen Standortwettbwerbs oder der technologi-
schen Entwicklung – resultiert.
Um handlungsleitend sein zu können, muß ein normativ
orientiertes Global Governance-Konzept um die Einflußfakto-
ren (und auch Fallstricke) wissen, die die Dynamik globaler
Politik bestimmen und » politische Möglichkeitsräume« eröff-
nen oder auch verengen. In Schaubild 3 werden sechs sich
wechselseitig beeinflussende Determinanten skizziert, die es
erlauben, die Komplexität der Global Governance-Problematik
zu strukturieren.
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Schaubild 3: Strukturdeterminanten von Global Governance
Problemtypen
− globale öffentliche Güter
− grenzüberschreitende Probleme
− globale (Krisen-) Phänomene
− globale Interdependenzprobleme
− Systemwettbewerb
− Komplexität der Global-Governance-
Typologie » globaler Probleme« Architektur
sungsstrategien:
orientierung (Kaldor-Optimum)
Jeweils unterschiedliche Akteure sind invol-
Interessenkonstellationen
− komplementäre Interessen
viert, Aktivitäten auf unterschiedlichen
− konvergierende Interessenkonstellationen Handlungsebenen
− konfliktive Interessenkonstellationen
entlang der Lokal-Global-Achse − Indifferenz erforderlich, problemspezifi-
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sche institutionelle Arrangements und Innovationen notwen-
dig. Generell lassen sich sechs Problemtypen unterscheiden:
1. » Global goods and bads« – » globale öffentliche Güter« : Ange-
sprochen sind hier zum einen Probleme mit weltweiter Di-
mension (zum Beispiel Klimaveränderungen, Ozonloch, vo-
ranschreitende Wüstenbildung, Bedrohung der Biodiversität,
Weltfrieden), bei denen es um den Schutz globaler Güter geht.
Die Probleme können durch einige Akteure ausgelöst oder
verschärft werden (zum Beispiel CO2-Ausstoß der Industrie-
länder), übersetzen sich jedoch in weltumspannende Gefähr-
dungen. Zum anderen verlangt die Globalisierung der Öko-
nomie, insbesondere der Kapitalmärkte, danach, weltumspan-
nende Regeln zur Stabilisierung der Weltwirtschaft zu
entwickeln. Zur institutionellen Einbettung der » global goods
and bads« bedarf es einerseits internationaler Regime und
verbindlicher Konventionen (wie zum Beispiel des erfolgrei-
chen Montrealer Protokolls zum Schutz der Erdatmosphäre),
um weltweit verbindliche Regeln (wie Reduktionsfahrpläne
für Fluorchlorkohlenwasserstoffe/FCKWs) und Strategien
festzulegen. Andererseits sind in der Regel vielfältige Aktivi-
täten auf allen Ebenen der Global Governance-Architektur
notwendig, um die internationalen Vereinbarungen umzuset-
zen (zum Beispiel Programme zur Steigerung der Energieeffi-
zienz, um die Klimaproblematik zu entschärfen) und zu ü-
berwachen. » Global commons-Probleme« tangieren die Welt-
gemeinschaft als Ganzes, verlangen ein hohes Maß an
internationaler Kooperation und machen in vielen Bereichen
weltweite Ordnungspolitik notwendig. Fortschritte sind, wie
zum Beispiel die Klimaverhandlungen in Berlin und Kyoto
gezeigt haben, aufgrund der oft komplexen Interessenkons-
tellationen und der hohen Zahl der Beteiligten schwierig und
langwierig – aber, wenn der Problemdruck von zentralen
Akteuren wahrgenommen wird, auch möglich, wie die Ver-
einbarungen zum Schutz der Atmosphäre zeigen.
2. Grenzüberschreitende Probleme: Phänome wie Migration
(zum Beispiel Arbeitsmigration im Rahmen der EU), die Ver-
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schmutzung der Nordsee oder der saure Regen übersteigen
die Reichweite nationaler Politik, auch wenn sie keine welt-
weite Dimensionen annehmen. Sie verlangen ein steigendes
Maß an Kooperation und den Willen zur gemeinsamen Prob-
lemlösung zwischen Nationalstaaten und beteiligten Akteurs-
gruppen. Viele der grenzüberschreitenden Probleme können
im Kontext regionaler Integrationsprojekte bearbeitet werden.
3. Globale Phänomene: Unregierbarkeit von Mega-Städten,
Krisen hierarchischer Großorganisationen und staatlicher
Verwaltungen oder Prozesse zunehmender gesellschaftlicher
Fragmentierung sind Probleme, die weltweit auftreten, ohne
notwendigerweise durch grenzüberschreitende Interdepen-
denzbeziehungen hervorgerufen zu sein. Dieser Typus von
Weltproblem kann und muß weiterhin im Rahmen national-
staatlicher Politik bearbeitet werden. Es eröffnet sich jedoch
ein weites Feld für » Lernpartnerschaften« entlang der » Lokal-
Global-Achse« : Erfahrungen anderer Länder und Regionen
können systematisch ausgewertet werden, bi- und multilate-
rale Pilotprojekte zur Lösung ähnlich gelagerter Probleme
wären denkbar; São Paulo, Jakarta, Paris und New York haben
in vielen Bereichen untereinander sicherlich mehr Gemein-
samkeiten und Ansatzpunkte für gemeinsame Lernprozesse
als mit den Klein- und Mittelstädten ihrer Länder (lokal-lokale
Zusammenarbeit in der Weltgesellschaft). Zukünftig werden
sich die Länder besonders dynamisch entwickeln, die erfolg-
reich von den Erfahrungen anderer lernen. Staaten und nicht-
staatliche Organisationen haben hier Nachholbedarf gegen-
über weltweit agierenden Unternehmen, die Innovationsakti-
vitäten und Lernpartnerschaften längst über nationale Gren-
zen hinweg aufbauen (vgl. den Beitrag von Meyer-Krahmer).
4. Globale Interdependenzprobleme: Wirtschaftskrisen verur-
sachen Verelendungprozesse, die Migrationsströme auslösen
können; Umweltkrisen können zu Kriegsursachen werden;
Welthandelsströme erhöhen den Wohlstand der Nationen,
können aber über steigende Transportbewegungen die Um-
weltsysteme überfordern usw. Die Sicherung von Politikkohä-
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renz und das Management von Interdependenzen zwischen
Politikfeldern und Problembereichen ist schon im nationalen
Rahmen schwierig und unterentwickelt (Messner 1995). Im
internationalen Rahmen besteht hier noch größerer Hand-
lungsbedarf. Die handlungsmächtigen internationalen Organi-
sationen (zum Beispiel die Welthandelsorganisation (WTO)
und der Internationale Währungsfonds (IWF)) sind klassische
single issue-Organisationen, die sich auf Einzelfragen konzent-
rieren und die komplexen Folgewirkungen ihres Handelns
kaum berücksichtigen. In den Dokumenten der Weltkonferen-
zen der 90er Jahre sind viele dieser Interdependenzprobleme
herausgearbeitet worden (Messner/Nuscheler 1996). Von der
lokalen bis zur globalen Ebene mangelt es jedoch an Instituti-
onen, die an den Schnittstellen zwischen wichtigen Problem-
bereichen arbeiten, Wechselwirkungen beobachten, Koordina-
tionsfunktionen wahrnehmen und Problemlösungsansätze
bün-deln (vgl. zur Umweltpolitik den Beitrag von Simonis).
5. Systemwettbewerb der Nationalstaaten in der Weltwirtschaft:
Die Globalisierung der Ökonomie und weltweite Liberalisie-
rungsschübe haben den Systemwettbewerb zwischen den
Nationalstaaten verschärft. Nicht nur ökonomische Institutio-
nen, sondern auch Sozial- und Umweltregulierungssysteme
stehen in der Weltwirtschaft miteinander im Wettbewerb.
Wird dieser Wettbewerb nicht institutionell eingebettet, dro-
hen Deregulierungs- und Unterbietungswettläufe, die die
Weltwirtschaft destabilisieren und soziale sowie umweltpoliti-
sche Errungenschaften aushebeln (Altvater/Mahnkopf 1996;
Scharpf 1997). Wirtschaftspolitische Antworten müssen auf
nationaler, regionaler und multilateraler Ebene entwickelt
werden (Messner 1997). In vielen Bereichen bleiben nationale
(vor allem produktbezogene) Regulierungen weiterhin mög-
lich, in einigen Fällen sind sogar aufgrund der Globalisierung
Angleichungen von Regulierungen » nach oben« zu beobachten
(zum Beispiel steigende Umweltstandards in exportorientier-
ten Entwicklungsländern). Im Rahmen der EU sind eine enge-
re wirtschaftspolitische Koordination (zum Beispiel der Mak-
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ropolitiken) sowie Harmonisierungen notwendig: so zum
Beispiel der Steuerpolitiken und der Genehmigungsverfahren;
denkbar wäre auch eine europäische Konvention, die Unter-
grenzen für den Gesamtsozialaufwand im Verhältnis zum
Bruttosozialprodukt pro Kopf festlegt (Scharpf 1997). Auf
internationaler Ebene bedarf es weltwirtschaftlicher Ord-
nungsrahmen, um die Welthandelsordnung weiterzuentwi-
ckeln sowie eine tragfähige Weltfinanz- und eine internatio-
nale Wettbewerbsordnung aufzubauen. Erfolgreiche Politiken
auf den unterschiedlichen Ebenen der Global Governance-
Archi-tektur zur Eingrenzung des Systemwettbewerbs sind
angesichts der weltweiten Konkurrenz um Investitionen
schwierig.
6. Komplexität der Global Governance-Architektur: Wenn es
gelingt, die Transformation der Politik in Richtung einer aus-
differenzierten und vielfältig vernetzten Global Governance-
Architektur weiterzuentwickeln und so der » Entmachtung der
Politik« entgegenzuwirken, wird die Global Governance-
Architektur angesichts ihrer Komplexität selbst zum globalen
Problem. Grenzen und Fallstricke politischer Steuerung sind
im nationalen Kontext gut erforscht, im globalen Maßstab
werden sich qualitativ neue und zusätzliche Problemkonstella-
tionen herausbilden.
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Verhandlungsblockaden und Vetopositionen mächtiger Ak-
teure sind denkbar.
Das für Global Governance zentrale » Problem der großen
Zahl« (Messner 1995: 216ff.) stellt sich jedoch nicht immer in
gleicher Weise. Schon Thompson (1967) hat Ende der 60er
Jahre auf drei unterschiedliche Typen von Interdependenz
hingewiesen, die für die Diskussion über globale Interdepen-
denzen fruchtbar gemacht werden können.
In Fällen von » pooled interdependence« geht es um die Ver-
ständigung über gemeinsame Standards (coordination by stan-
dardization), um Handlungsblockaden zu überwinden. Als
Beispiele können technische Normierungsverfahren, Qualitäts-
und Umweltstandards gelten, um Unterbietungswettläufe
zwischen Unternehmen oder auch Gesellschaften durch die
Einigung auf gemeinsame Standards zu verhindern und
Transaktionskosten zu senken. In diesem Bereich hat sich in
der Weltgesellschaft in den vergangenen zwei Dekaden viel
bewegt: Internationale Banken konnten sich auf Mindesteinla-
gen verständigen, in der EU wurden viele technische Normen
in unterschiedlichsten Wirtschaftssektoren angeglichen, Flug-
gesellschaften einigten sich auf international verbindliche
Sicherheitsstandards usw. Die Vielzahl der global verbindli-
chen technischen Standards ist in einem Werk zusammenge-
faßt, das seit Ende der 70er Jahre bis heute von 3.400 auf
20.000 Seiten angewachsen ist (vgl. Zürn 1997: 39). Im Verlauf
der Lösung dieser Interdependenzprobleme kann es durchaus
harte Konflikte über die Wahl zwischen konkurrierenden
Standards geben. Sind jedoch erst einmal verbindliche Regeln
und Normen definiert und akzeptiert, können die Akteure auf
dieser Grundlage autonom agieren. Interdependenzprobleme
dieser Art sind also relativ leicht lösbar, weil sie durch das
Aufstellen gemeinsamer Regeln überwunden werden können.
Entsprechend sind internationale Initiativen in Feldern, in
denen dieser Typus von Interdependenz vorherrscht, weit
vorangeschritten.
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Im zweiten Fall geht es um » sequentielle Interdependenz« ,
zum Beispiel wenn im Rahmen der Klimaverhandlungen
Prioritäten hinsichtlich der klimagefährdendsten Stoffe defi-
niert und für Ländergruppen unterschiedliche Fahrpläne zur
Reduzierung von Emissionen zeitlich aufeinander abgestimmt
werden müssen. Eine » coordination by plan« (Koordination
durch Aufstellung von Plänen und zeitlichen Abfolgen) kann
dazu beitragen, diesen Typus von Interdependenz zu bearbei-
ten. Auch in diesem Fall sind langwierige Interessenkonflikte
wahrscheinlich, die beteiligten Akteure können jedoch auf der
Grundlage der abgestimmten zeitlichen Sequenzen autonom
agieren und Maßnahmenpakete entwickeln, um die eingegan-
genen Verpflichtungen umzusetzen.
Am kompliziertesten sind Fälle » reziproker Interdependenz« .
Hier sind die Entscheidungsmöglichkeiten der beteiligten
Akteure vom jeweiligen Verhalten der anderen abhängig,
denn die Ergebnisse der Handlungen der einen werden zu den
Voraussetzungen der Handlungsoptionen der anderen. Dieses
Interdependenzmuster stellt hohe Koordinations- und Koope-
rationsanforderungen an die beteiligten Akteure, weil es hier
nicht ausreicht, sich einmal auf gemeinsame Regeln zu einigen
oder Handlungssequenzen zu verabreden: Kontinuierliche
Abstimmungsprozesse sind notwendig. Thompson spricht
von der Notwendigkeit zur » coordination by mutual adjustment«
(Koordination durch eng aufeinander abgestimmte und inei-
nandergreifende Strategien). Vieles spricht dafür, daß Wirt-
schaftspolitik in der zunehmend globalen Ökonomie in vielen
Bereichen auf diesem schwierigen Muster reziproker Interde-
pendenz basieren wird: Nur mit einer Vielzahl von Akteuren
abgestimmte und verzahnte Strategien auf unterschiedlichen
Ebenen der Global Governance-Architektur können zu einer
institutionellen Einbettung der Weltwirtschaft beitragen.
Gerade in solchen Konstellationen komplexer wechselseitiger
Abhängigkeit verfügen Einzelakteure über beträchtliche Veto-
und Blockademacht – politische Fortschritte sind also mühse-
lig.
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Macht in der Global Goverance-Architektur
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internationalen Beziehungen und globaler Politik kann diese
vordemokratischen Zustände überwinden helfen. Das oben
skizzierte Beispiel der Verhandlungen über ein Verbot von
Personenminen zeigt allerdings auch, daß zivilgesellschaftli-
cher Druck auf mächtige Akteure erfolgreich sein kann.
4. Bedeutsam ist, daß sich im Prozeß der ökonomischen
Globalisierung die Machtpotentiale von den politischen Ak-
teuren zu privaten Unternehmen verlagert haben. Ohne deren
Beteiligung an und Einbindung in die Global Governance-
Architektur ist kooperationsbasierte globale Politik kein aus-
sichtsreiches Projekt.
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gerade durch ihre Fähigkeit aus, permanente Konfliktregulie-
rung friedlich zu bewerkstelligen. In nationalstaatlichen De-
mokratien stehen jedoch Mechanismen zur Findung von
Mehrheitsentscheidungen und letztlich entscheidungsfähige
Regierungen (in deren » Schatten« Netzwerksteuerung statt-
findet) zur Verfügung, während supranationale Lösungen in
der Global Governance-Architektur auf Verhandlungsprozes-
se angewiesen sind, die komplexeren Regeln gehorchen.
Aber nicht nur konfliktive Interessen können effektive glo-
bale Politik behindern; auch Gleichgültigkeit handlungsmäch-
tiger Akteure gegenüber wichtigen globalen Problemen blo-
ckiert Global Governance (» tote Winkel« der Interessenhori-
zonte): Die Armut Afrikas ist für die starken global players
vielleicht ein moralisches Problem, über diverse Vermittlungs-
zusammenhänge könnte es sich aber auch in ein für sie rele-
vantes Problem verwandeln (Armut in Afrika oder Osteuropa
– Bürgerkriege – Migration nach Westeuropa). Zunächst je-
doch bedroht das » globale Problem« der Armut vor allem die
davon betroffenen Armen und deren Gesellschaften. Die
Indifferenz der Industrieländer gegenüber den globalen Ar-
mutsproblemen ist in jedem Falle so groß, daß die Mittel für
Entwicklungszusammenarbeit seit Jahren sinken. Ganz an-
ders, wenn die unmittelbaren Eigeninteressen der mächtigen
Akteure betroffen sind: Zur Stabilisierung des südkoreani-
schen Finanzsystems werden Ende 1997 unter der Ägide des
IWF und in Kooperation mit den G 7-Ländern binnen kurzer
Frist an die 50 Mrd. US-$ mobilisiert, um den Zusammen-
bruch eines wichtigen Wirtschaftspartners, Dominoeffekte in
Asien und eine Beeinträchtigung des internationalen Kapital-
marktes zu verhindern.
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Entscheidungsfindungsprozesse in netzwerkförmigen Ver-
handlungssystemen der Global Governance-Architektur wer-
den nicht nur durch Macht- und Interessenkonstellationen,
sondern auch die jeweiligen Handlungsorientierungen der
Akteure beeinflußt (Messner 1995: 260ff.). Generell können
drei Handlungsorientierungen und Stile der Entscheidungs-
findung voneinander unterschieden werden (Scharpf 1991):
• Die Tausch- und Aushandlungsorientierung beschreibt die
typische egoistische Perspektive, die in der Public Choice-
Theorie den Individuen und in der (neo-)realistischen
Schule internationaler Beziehungen staatlichen Akteuren
zugeschrieben wird. Die Akteure werden hier ausschließ-
lich durch ihr individuelles Interessenkalkül geleitet.
• Die Konfrontationsorientierung impliziert, daß der eigene
Nutzen gemessen wird am gegenüber anderen erzielten
Vorteil. Es geht also nicht nur um Nutzenmaximierung, wie
im Fall der Tausch- und Aushandlungsorientierung, son-
dern darum, andere Beteiligte zu » besiegen« .
• Die Problemlösungsorientierung der Akteure ist auf die Suche
nach dem zu erwartenden gemeinsamen Nutzen ausgerich-
tet.
Die Auswirkungen dieser Handlungsorientierungen auf Ver-
handlungsprozesse, die jeweils unterschiedliche Formen von
miteinander vernetzten, interdependenten Problemen lösen
sollen, können spieltheoretisch rekonstruiert werden (Messner
1995: 151ff.). Im Kern ergeben sich folgende Ergebnisse: Je
komplexer und verwobener die Probleme sind, desto wahr-
scheinlicher ist es, daß eine individualistische Tausch- und
Aushandlungsorientierung der Akteure in » endlosen« Ver-
handlungsblockaden mündet. » Endloser« Streit ist wahr-
scheinlich, weil alle Seiten zwar an einer Problemlösung inte-
ressiert sind, sich jedoch wegen der Beharrung der Akteure
auf ihren egoistischen Interessen nicht einigen können (vgl. die
Verhandlungen zur Entwicklung einer internationalen Wald-
konvention oder einer Biodiversitätskonvention). Eine Kon-
frontationsorientierung vereitelt oft bereits gemeinsame Ver-
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handlungen (vgl. zum Beispiel die jahrlange Blockade des
Friedensprozesses zwischen Israel und den Palästinensern),
kann zur Konfliktverschärfung beitragen und verhindert in
jedem Fall die Aussicht auf kooperative und effektive Prob-
lemlösung in der Global Governance-Architektur. Ein auf
gemeinsame Problemlösung orientierter Entscheidungsfindungs-
stil kann demgegenüber dazu beitragen, Verhandlungsblocka-
den zu begrenzen und die kollektive Wohlfahrt zu steigern.
Nur wenn kooperationswillige und -fähige Akteure darauf
ausgerichtet sind, nicht unbedingt ihre, sondern eine für alle
Seiten annehmbare oder gar in bezug auf das globale Problem
möglichst optimale Lösung durchzusetzen, eröffnet sich ein
Weg aus der Konfrontation und endlosen Verhandlungsblo-
ckaden. Eine Vielzahl der oben skizzierten Probleme (zum
Beispiel die Indifferenz mächtiger Akteure gegenüber wichti-
gen Weltproblemen; die Politikblockade durch einseitige
Machtpolitik; Probleme, die durch reziproke Interdependenz
charakterisiert sind) läßt sich nur überwinden, wenn sich die
Akteure auf gemeinsame Problemlösung hin orientieren. Die
der (neo-)realistischen Schule der Außenpolitik zugrundelie-
gende Ausrichtung an engen nationalen Interessen blockiert
die Herausbildung einer leistungsfähigen Global Governance-
Architektur.
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namik globaler Politik. Die Ostpolitik Willy Brandts, die Ver-
söhnungspolitik Nelson Mandelas, die politische Integration
Europas nach zwei verheerenden Weltkriegen waren zunächst
auch realitätsfern erscheinende Projekte.
Ein aktuelles Beispiel für die Kraft von Ideen und Leitbil-
dern ist, daß es im Verlauf der letzten Jahre einer unermüdli-
chen internationalen Expertengemeinschaft gelungen ist, die
Bedeutung von CO2-Reduktionen für die Lösung wichtiger
Umweltprobleme » in den Köpfen der Menschen« zu veran-
kern. Tatsächlich sind in diesem Bereich positive Entwicklun-
gen in Bewegung gekommen (vgl. den Einstieg in CO2-
Reduktionsprozesse infolge der Klimakonferenz in Kyoto). In
anderen Bereichen ist es (noch) nicht gelungen, die weltweite
Dominanz von Deregulierungskonzepten zu durchbrechen,
obwohl es keineswegs sicher ist, daß die Verteilungseffekte
und Anpassungzwänge der in Gang gesetzten Klimavereinba-
rungen (auch für die mächtigen Industrieländer) geringer
ausfallen, als sie es zum Beispiel bei Einführung der Tobin-
Steuer auf spekulative Kapitalbewegungen wären (Zürn 1997:
47). Der Erfolg von Global Governance hängt also auch davon
ab, ob es Politik und Wissenschaft gelingt, dessen essentielle
Bedeutung für eine friedliche Weiterentwicklung innerhalb
der Weltgesellschaft und zur Abwehr der » Entmachtung der
Politik« herauszuarbeiten.
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