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PLÄDOYER FÜR DEN TEE

Es könnte so einfach sein: Teeblätter und heißes Wasser – was braucht man mehr
für eine gute Tasse Tee? Doch weit gefehlt, sollte man den Meinungen der
Herrscharen von Experten Glauben schenken. Ein ganzer Literaturzweig widmet
sich dem kostbaren Blatt und seiner vollendeten Zubereitung. Der richtige Umgang
mit Tee gerät zum Glaubensbekenntnis. Dabei gilt es nur ein paar Dinge zu beachten,
alles andere ist Geschmacksache. Und über den lässt sich bekanntlich nicht streiten.
TEXT ANDREAS BREHM

Tee wird heute in einer nie dagewesenen Vielfalt angeboten. In den gemeine Laie gerne als „Früchte- oder Kräutertee“ zu sich nimmt,
Regalen findet man Tee in allen Facetten – von weiß bis schwarz, schafft es im Fachjargon nur zu einem „teeähnlichen Aufguss“. So-
von mild, süß oder würzig bis kräftig-rauchig, von der „Heißen Lie- mit hätten hier wohl auch das Rangverhältnis geklärt. China ist
be“ bis zum „Yin Zen Silver Needle“. Die Fülle des Vorhandenen ohne Zweifel das Mutterland des Tees und heute mit einem Ern-
schafft bei Unkundigen eine gewisse Verunsicherung. FTGFOP, teertrag von über 1,3 Millionen Tonnen jährlich größter Teeprodu-
SFTGFOP und First Flush? Broken, Tippy, Dust und Fannings? Galt zent der Welt. Aber auch anderen Länder wie Indien, Sri Lanka,
Tee neben Wasser nicht als das weltweit am meisten konsumierte Japan, Indonesien und Taiwan sind groß in der Teeerzeugung – und
Getränk? Richtig! Doch keine Angst vor zu viel Fachchinesisch – in Lebensweise und Kultur stark von der Produktion des Blattes
andere finden doch auch zu einer guten Tasse Tee. geprägt. Damit der Tee auch seinen Weg in unsere Geschäfte findet,
wird er gepflückt, gewelkt, gedämpft, manchmal geröstet, fermen-
tiert, getrocknet, verlesen, sortiert und verpackt. Was jetzt aus dem
DER LANGE WEG ZUM TEE Blatt wird, entscheidet der Konsument. Hier beginnt das Dilemma.
Mit „Tee“ ist nur der einzig wahre Tee gemeint, der vom Strauch
der Camellia sinensis stammt. Bekannteste Erzeugnisse dieser Ur-
VON SPITZENWEINEN UND TEESORTEN
sprungspflanze sind die Schwarzen- und Grünen Tees in ihren
verschiedensten Ausprägungen. Damit klar: auch Weißer-, Gelber- Was hat Wein mit Tee zu tun? Nichts – aber auch fast alles! Gibt
oder Oolong Tee stammen von der selben Pflanze ab. Was der es doch so unendlich viele Weinsorten wie Teesorten. Deren Auf-

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zählung mit den verschiedenen Herkunftsgebieten, unterschiedli- der richtigen Teeblattmenge sei gesagt: mehr Gramm Teeblätter
chen Geschmacksrichtungen, Eigenheiten, und Wirkungen würde pro Liter bringen nicht automatischen einen besseren Tee hervor:
den Umfang dieses Hefts sprengen. Und trotzdem: da stehen sie, weniger ist hier mehr. Die für viele Tees angegebene Teeblattmen-
die Verpackungen mit ihren verwirrenden Etiketten, mal elegant, ge von 10-12 Gramm pro Liter ist oftmals viel zu hoch, ausreichend
mal bunt und poppig, wieder andere funktional und puristisch. sind meist 6-8 Gramm pro Liter. Ein geschmacklich stärkeres Er-
Wie bei Wein gibt es unter den Tees die Champagner und die gebnis ergibt sich in diesem Zusammenhang eher aus Variationen
Grands Crus – das Qualitätserzeugnis wie das einfache Produkt. in der Ziehzeit. Diese benötigt der Tee, damit sich die verschiedenen
Doch Tee wie Wein gibt das Geheimnis seines Inhalts nur Preis, Inhalts- und Geschmacksstoffe in den Aufguss lösen. Grüne und
wenn man ihn probiert. So wie ein guter Weinhändler Weinproben helle Schwarztees brauchen eine eher kurze Ziehzeit, kräftige
anbietet, offerieren mittlerweile auch gute Teehändler Proben der Schwarztees sowie Kräuter- und Früchtetees vertragen eine län-
jeweiligen Sorten. Ob Profi oder Laie, die Entscheidung, ob ein Tee gere Ziehzeit.
schmeckt, muss jeder alleine treffen. Hier gilt: was vorher an Qua-
lität nicht enthalten war, lässt sich auch hinterher durch die Zu-
bereitung nicht mehr hinein zaubern. Auch die grundsätzliche VON BEUTELAUSDRÜCKERN UND
Entscheidung, ob Schwarzer oder Grüner oder doch lieber ein Wei- FREIHEITSLOBBYISTEN
ßer Tee trifft jeder nach seinem ganz eigenen Geschmack. Spätes-
Ja, es gibt sie und sie sind zahlreich: die Gegner des Teebeutels,
tens wenn man sich für eine bestimmte Sorte, aus einem
dieses „Banausensacks“, der dem Blattfrevel Tür und Tor geöffnet
bestimmten Land, vielleicht sogar für eine bestimmte Lage ent-
hat. Hartnäckig halten sich die Gerüchte um den schlechten Bei-
schieden und sich mit seinem Tee angefreundet hat, ist das Inter-
geschmack des Aufgussbeutels, ja sogar von „chemischen Reaktio-
esse an dem oben erwähnten Fachchinesisch geweckt. Um seinen
nen“ wird mancherorts gesprochen.
Wissensdurst zu stillen, muss man sich nicht durch seitenlange
Selbstverständlich entfalten sich die kostbaren Teeblätter bes-
Tee-Almanache quälen, denn gute Informationen zum Thema Tee
ser, wenn sie frei, hemmungslos und ohne jegliche Barriere in einer
finden sich auch online.
Aufgusskanne floaten können. Aber mal ehrlich – wer hat schon
zwischen dem Neun-Uhr-fünfzehn-Termin und der Zehn-Uhr-Sit-
zung Zeit für eine ausgiebige Teezeremonie für die optimale Zube-
reitung? Wenn es mal flott gehen muss, sind Teebeutel in erster
Linie einfach praktisch. Dass sich in ihnen nur der Abfall befindet,
die letzten Krümel, das was beim Ausfegen der Produktionshalle
noch zusammen kommt, ist böse Verunglimpfung.
Der verpönte Beutel hat mittlerweile beachtliche Fortschritte
gemacht und erstrahlt in durchsichtigem Gewand in neuer Pyra-
midenform. Zwar geht den „Freiheit-für-die-Teeblätter-Fordern-
den“ auch diese mehr raumgebende Form nicht weit genug.
Dennoch kann sich der Inhalt oft sehen lassen. Aber auch hier gilt
der Grundsatz: was an Qualität nicht drin ist, lässt sich auch hin-
terher durch eine richtige Zubereitung nicht mehr hinzufügen. Bei
einem Preis von 99 Cent für zwanzig Beutel kann man bezüglich
der Qualität seine eigenen Schlüsse ziehen. Wie dem auch sei: Tee-
beutel bedeuten heute bei Zeit- und Lustmangel nicht mehr den
totalen Verzicht auf eine gute Tasse Tee.
Manch Beuteltee ist besser als sein Ruf, jedoch ist Qualität auch hier unter anderem
eine Frage des Preises.
TEETRINKER – DIE BESSEREN MENSCHEN?
DIE SACHE MIT DEM WASSER Ruhig und ausgeglichen sollen sie sein, gelassen, sozial eingestellt
und naturverbunden. Sie genießen angeblich mehr, leben bewuss-
Frisch soll es sein, sprudelnd, keinesfalls abgestanden, nicht zu ter und sind Optimisten. Oftmals wird Teetrinkern auch eine bes-
heiß, aber auch nicht zu kalt und nur ja nicht zu kalkhaltig. Am sere Gesundheit attestiert als Kaffeetrinkern, aber stimmt das
besten gefiltert, oder lieber gleich aus der Flasche? Tee ist das in- wirklich? Ganz ehrlich? Keine Ahnung! Wahrscheinlich ist auch
dividuellste Getränk der Welt. Die Geschmacksvielfalt des Tees ist dies eine Frage, der jeder selbst auf den Grund gehen muss. Egal ob
durch die verschiedenen Sorten und Produktionsmethoden so groß, im Beutel oder lose, ob „echter“ Tee oder „teeähnlicher“ Aufguss, ob
dass jeder für sich selbst herausfinden muss, wie er sein Wässer- Bio oder konventionell, mit Aroma oder naturbelassen – probieren
chen trüben möchte. Sie es aus, die Sache mit der guten Tasse Tee! Und wer weiß – viel-
Das gilt nicht nur für das Wasser, sondern auch für die Ziehzeit leicht macht es Sie ja zu einem besseren Menschen. ↔
oder die richtige Teeblattmenge. Doch bei allen Überlegungen soll-
ten man nicht vergessen, wie es um die Wasserqualität in den
Ländern steht, in dem Tee seinen Ursprung hat. Einige grundsätz-
liche Empfehlungen können bei all diesen Geschmacksfragen hel- Andreas Brehm ist Inhaber und Mitgrün-
fen: Schwarzer Tee ebenso wie Kräuter- und Früchtetees werden der von Pure Tea (www.puretea.de). Der
mit sprudelnd kochendem Wasser aufgegossen. Grüner und Weißer 2005 mit Freunden gegründete Teever-
Tee, ebenso wie die meisten Oolong Tees hingegen vertragen es sand hat sich dem Ursprung des Tees ver-
besser, wenn man das frisch aufgekochte Wasser auf siebzig bis schrieben und setzt auf aktive Kundenbe-
achtzig Grad abkühlen lässt. Kräftige Schwarztees kaschieren har- teiligung durch Tea Tasting.
tes Wasser besser als ein zarter milder Weißer oder Grüner Tee. Zu

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