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Anatomie der weiblichen Geschlechtsorgane

Klinikleitfaden
­Gynäkologie
­Geburtshilfe
8. Auflage

Herausgeber:
Dr. med. Kay Goerke, Schwetzingen
Dr. med. Joachim Steller MBA, Titisee-Neustadt
Dr. med. Axel Valet, Herborn/Dillenburg

Weitere Autoren: Prof. Dr. med. Arno J. Dormann, Köln; Dr. med. Volker Duda, Marburg;
Prof. Dr. med. Gisela Enders, Stuttgart; Dr. med. Jan-Bernd Jürgens, Titisee-Neustadt;
Dr. med. Franz Koettnitz, Delfzijl, Niederlande; Prof. Dr. med. Marcus Krüger, Freiburg/
Breisgau; PD Dr. med. Michael Löttge, Magdeburg; Prof. Dr. med. Uwe Wagner, Marburg
Zuschriften an:
Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, Hackerbrücke 6, 80335 München
E-Mail medizin@elsevier.de

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Die Erkenntnisse in der Medizin unterliegen laufendem Wandel durch Forschung und klinische Er-
fahrungen. Herausgeber und Autoren dieses Werkes haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass die
in diesem Werk gemachten therapeutischen Angaben (insbesondere hinsichtlich Indikation, Dosie-
rung und unerwünschter Wirkungen) dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Das entbindet
den Nutzer dieses Werkes aber nicht von der Verpflichtung, anhand weiterer schriftlicher Informati-
onsquellen zu überprüfen, ob die dort gemachten Angaben von denen in diesem Werk abweichen
und seine Verordnung in eigener Verantwortung zu treffen.
Für die Vollständigkeit und Auswahl der aufgeführten Medikamente übernimmt der Ver-
lag keine Gewähr.
Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden in der Regel besonders kenntlich gemacht (®).
Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann jedoch nicht automatisch geschlossen werden, dass es
sich um einen freien Warennamen handelt.

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fie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de/ abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten


8. Auflage 2013
© Elsevier GmbH, München
Der Urban & Fischer Verlag ist ein Imprint der Elsevier GmbH.
13 14 15 16 17 5 4 3 2 1

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Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb
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strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die
Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Um den Textfluss nicht zu stören, wurde bei Patienten und Berufsbezeichnungen die grammatika-
lisch maskuline Form gewählt. Selbstverständlich sind in diesen Fällen immer Frauen und Männer
gemeint.

Begründer der Reihe: Dr. Arne Schäffler, Ulrich Renz


Planung: Inga Dopatka, München
Lektorat: Petra Schwarz, München
Redaktion: Karin Beifuss, Ohmden
Herstellung: Sibylle Hartl, Valley
Satz: abavo GmbH, Buchloe/Deutschland; TnQ, Chennai/Indien
Druck und Bindung: L.E.G.O. S.p.A., Lavis (TN)/Italien
Umschlaggestaltung: SpieszDesign, Neu-Ulm

ISBN Print 978-3-437-22214-6


ISBN e-Book 978-3-437-16795-9

Aktuelle Informationen finden Sie im Internet unter www.elsevier.de und www.elsevier.com.


Vorwort
Im Dezember 1991 erschien der Klinikleitfaden Gynäkologie Geburtshilfe in erster
Auflage. Aus der täglichen Arbeit in den Sprechstunden, auf den Stationen, im OP
und im Kreißsaal der Universitätsfrauenklinik Marburg heraus hatten sich die
Herausgeber und Autoren bemüht, ein praxisorientiertes Kitteltaschenbuch zu
erstellen, das auf 600 Seiten dennoch ein schnelles Auffinden von wichtigen Daten
und klinischen Entscheidungsgrundlagen ermöglichen sollte. Statt klassischem
Lehrbuchwissen lieferte der Klinikleitfaden in zahlreichen Übersichten, Checklis-
ten und Abbildungen Aussagen zur Klinik, Diagnostik, Differenzialdiagnose und
Therapie wichtiger gynäkologischer Krankheitsbilder. Zugleich deckte der Klinik-
leitfaden weitgehend die späteren Schwerpunkte des Fachgebiets – die gynäkolo-
gische Onkologie, die gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedi-
zin sowie die spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin – ab.
Nicht zu allen Krankheitsbildern lagen zu dieser Zeit evidenzbasierte Erkenntnis-
se und Behandlungsstrategien vor. Dort wo diese bislang fehlten, leiteten die Her-
ausgeber und Autoren Diagnose- und Therapieempfehlungen aus den bewährten
Behandlungsabläufen einer Universitätsfrauenklinik ab. Die späteren Leitlinien-
diskussionen bestätigten die Notwendigkeit der Vereinheitlichung von Diagnose-
und Therapieentscheidungen zur Verbesserung einer patientenorientierten Ver-
sorgung, bildeten diese Standards doch zugleich eine Grundlage für das Entstehen
einer evidenten krankheitsspezifischen Wissensgrundlage.
Der Klinikleitfaden Gynäkologie Geburtshilfe schloss mit seinem Erscheinen ge-
wissermaßen eine bis dahin bestehende Marktlücke, nämlich jungen Ärzten beim
Einstieg in ihre klinische Tätigkeit alle für ihre praktische Arbeit am Patienten
notwendigen und relevanten Informationen bereitzustellen. Darüber hinaus fand
der Klinikleitfaden zunehmend Interesse bei erfahrenen Berufskollegen in Klinik
und Praxis, aber auch bei Hebammenschulen und in der Berufspraxis von Heb-
ammen sowie bei Studierenden im Praktischen Jahr.
Genauso wie die Herausgeber und Autoren im Laufe ihres Berufslebens neue Di-
agnose- und Behandlungsstrategien sowie Erfahrungen sammeln und umsetzen
konnten, mussten sich diese zeitnah auch im Klinikleitfaden wiederfinden. Eine
grundlegende Voraussetzung dieses Buchs war daher seine stetige Aktualisierung.
Für die Möglichkeit, dass aktuelle medizinische Erkenntnisse und Wissensfort-
schritte im Klinikleitfaden Gynäkologie Geburtshilfe stets ihren Niederschlag fin-
den konnten, bedanken wir uns beim Verlag recht herzlich.
Dass das erfolgreiche Konzept des Klinikleitfadens Nachahmer finden musste,
war eine logische Folge. Umso mehr freut es uns, dass der Klinikleitfaden Gynäko-
logie Geburtshilfe unverändert seinen Platz in den Kitteltaschen und auf den Stati-
onen der meisten Frauenkliniken in Deutschland und im deutschsprachigen Aus-
land gefunden hat. Mit einer türkischen und einer bulgarischen Übersetzung fin-
det er aber auch über die Sprachgrenzen hinweg klinische Anwendung.
Auch für die 8. Auflage wurden alle Kapitel des Klinikleitfadens sorgfältig aktuali-
siert und überarbeitet. Zugleich wurden, um das Konzept eines Kitteltaschen-
buchs aufrechterhalten und den Klinikleitfaden Gynäkologie Geburtshilfe weiter-
hin preisgerecht anbieten zu können, Randkapitel gekürzt und zugleich Fachkapi-
tel, dort wo erforderlich, erweitert.
Es ist uns eine große Freude, mit dieser 8. Auflage unseren Lesern einen aktuellen
Leitfaden für ihre berufliche Tätigkeit anbieten zu können. Zugleich danken wir
VI Vorwort/Danksagung  

unseren Autoren für das damit verbundene große Engagement. Nicht zuletzt be-
danken wir uns bei allen Lesern recht herzlich, die mit ihren Rückmeldungen und
ihrer Kritik ganz wesentlich zur Aktualisierung des Buchs und zur Berücksichti-
gung der Nutzerinteressen beigetragen haben.

Schwetzingen, Titisee-Neustadt, Herborn, im September 2012


Dr. med. Kay Goerke
Dr. med. Joachim Steller MBA
Dr. med. Axel Valet

Danksagung
Für die hilfreiche Kritik und die zahlreichen Anregungen bei der Realisierung des
Klinikleitfaden Gynäkologie Geburtshilfe bedanken wir uns bei:
• Frau Prof. Dr. med. Gisela Enders, Institut für Virologie, Infektiologie und
Epidemiologie Prof. G. Enders & Partner, Stuttgart, für ihre stets kompetente
und fachliche Unterstützung bei der Erstellung des Kapitels „Infektionen in
graviditate“ sowie für ihre erneute umfangreiche Neubearbeitung des Kapitels
• Herrn Oberarzt Dr. Jan Jürgens, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshil-
fe, HELIOS Klinik Titisee-Neustadt, für die Bearbeitung des Kapitels „Fetale
Herzrhythmusstörungen“
• Herrn Dr. Alexander Benner, Chefarzt der Abteilung für Anästhesie, HELIOS
Klinik Titisee-Neustadt, für seine Ratschläge im Bereich der Intensivmedizin
• Herrn Oberarzt Prof. Dr. med. Marcus Krüger, Zentrum für Kinderheilkunde
und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, für die umfassende
Überarbeitung des Kapitels „Neonatologie“
• Herrn PD Dr. med. Dr. h.c. Michael Löttge, Chefarzt der Klinik für Frauen-
heilkunde und Geburtshilfe, Klinikum Magdeburg, für die fachlich kompe-
tente Bearbeitung der Urogynäkologie
• Herrn Prof. Dr. Peyman Hadji, Leiter des Schwerpunkts Gynäkologische En-
dokrinologie, Reproduktionsmedizin und Osteologie, Klinik für Gynäkologie,
Endokrinologie und Onkologie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg,
Standort Marburg, für die Unterstützung bei allen Fragen zum Thema Osteo-
porose.
Für die kompetente Mitarbeit bedanken wir uns weiterhin bei Herrn Prof. Dr.
med. Heribert Kentenich, Chefarzt der Frauenklinik, DRK Klinikum Berlin, bei
Frau Dr. Friederike Siedentopf, Berlin, bei Herrn Dr. Thomas Beerboom, Her-
born, sowie bei allen Mitautorinnen und Mitautoren.
Außerdem danken wir Frau Karin Beifuss für die kompetente Redaktion und Frau
Petra Schwarz, Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, München, für das Lekto-
rat und die konstruktive Zusammenarbeit.
Ganz herzlich bedanken möchten wir uns für die hilfsbereite Unterstützung durch
unsere Partnerinnen Gabriele Schmitz-Ziegler, Christina Steller und Regina Schula.

Schwetzingen, Titisee-Neustadt, Herborn, im September 2012


Dr. med. Kay Goerke
Dr. med. Joachim Steller MBA
Dr. med. Axel Valet
VI Vorwort/Danksagung  

unseren Autoren für das damit verbundene große Engagement. Nicht zuletzt be-
danken wir uns bei allen Lesern recht herzlich, die mit ihren Rückmeldungen und
ihrer Kritik ganz wesentlich zur Aktualisierung des Buchs und zur Berücksichti-
gung der Nutzerinteressen beigetragen haben.

Schwetzingen, Titisee-Neustadt, Herborn, im September 2012


Dr. med. Kay Goerke
Dr. med. Joachim Steller MBA
Dr. med. Axel Valet

Danksagung
Für die hilfreiche Kritik und die zahlreichen Anregungen bei der Realisierung des
Klinikleitfaden Gynäkologie Geburtshilfe bedanken wir uns bei:
• Frau Prof. Dr. med. Gisela Enders, Institut für Virologie, Infektiologie und
Epidemiologie Prof. G. Enders & Partner, Stuttgart, für ihre stets kompetente
und fachliche Unterstützung bei der Erstellung des Kapitels „Infektionen in
graviditate“ sowie für ihre erneute umfangreiche Neubearbeitung des Kapitels
• Herrn Oberarzt Dr. Jan Jürgens, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshil-
fe, HELIOS Klinik Titisee-Neustadt, für die Bearbeitung des Kapitels „Fetale
Herzrhythmusstörungen“
• Herrn Dr. Alexander Benner, Chefarzt der Abteilung für Anästhesie, HELIOS
Klinik Titisee-Neustadt, für seine Ratschläge im Bereich der Intensivmedizin
• Herrn Oberarzt Prof. Dr. med. Marcus Krüger, Zentrum für Kinderheilkunde
und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, für die umfassende
Überarbeitung des Kapitels „Neonatologie“
• Herrn PD Dr. med. Dr. h.c. Michael Löttge, Chefarzt der Klinik für Frauen-
heilkunde und Geburtshilfe, Klinikum Magdeburg, für die fachlich kompe-
tente Bearbeitung der Urogynäkologie
• Herrn Prof. Dr. Peyman Hadji, Leiter des Schwerpunkts Gynäkologische En-
dokrinologie, Reproduktionsmedizin und Osteologie, Klinik für Gynäkologie,
Endokrinologie und Onkologie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg,
Standort Marburg, für die Unterstützung bei allen Fragen zum Thema Osteo-
porose.
Für die kompetente Mitarbeit bedanken wir uns weiterhin bei Herrn Prof. Dr.
med. Heribert Kentenich, Chefarzt der Frauenklinik, DRK Klinikum Berlin, bei
Frau Dr. Friederike Siedentopf, Berlin, bei Herrn Dr. Thomas Beerboom, Her-
born, sowie bei allen Mitautorinnen und Mitautoren.
Außerdem danken wir Frau Karin Beifuss für die kompetente Redaktion und Frau
Petra Schwarz, Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, München, für das Lekto-
rat und die konstruktive Zusammenarbeit.
Ganz herzlich bedanken möchten wir uns für die hilfsbereite Unterstützung durch
unsere Partnerinnen Gabriele Schmitz-Ziegler, Christina Steller und Regina Schula.

Schwetzingen, Titisee-Neustadt, Herborn, im September 2012


Dr. med. Kay Goerke
Dr. med. Joachim Steller MBA
Dr. med. Axel Valet
Adressen
Herausgeber 
Dr. med. Kay Goerke, GRN-Klinik Schwetzingen, Klinik für Gynäkologie und Ge-
burtshilfe, Bodelschwinghstr. 10, 68723 Schwetzingen
Dr. med. Joachim Steller MBA, HELIOS Klinik Titisee-Neustadt, Klinik für Frauen­
heilkunde und Geburtshilfe, Jostalstr. 12, 79822 Titisee-Neustadt
Dr. med. Axel Valet, Gynäkologische Praxisgemeinschaft und endokrinologisches
Institut, Bahnhofstr. 7–9, 35745 Herborn; Dill-Kliniken Dillenburg, Frauenklinik,
Rotebergstr. 2, 35683 Dillenburg
Autoren 
Prof. Dr. med. Arno J. Dormann, Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Krankenhaus
Holweide, Medizinische Klinik, Neufelder Str. 32, 51067 Köln
Dr. med. Volker Duda, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Seno-
logische Diagnostik, Baldingerstr. 1, 35043 Marburg
Prof. Dr. med. Gisela Enders, Institut für Virologie, Infektiologie und Epidemio-
logie Prof. G. Enders & Partner, Rosenbergstr. 85, 70193 Stuttgart
Dr. med. Jan-Bernd Jürgens, HELIOS Klinik Titisee-Neustadt, Klinik für Frauen-
heilkunde und Geburtshilfe, Jostalstr. 12, 79822 Titisee-Neustadt
Dr. med. Franz Koettnitz, Ommelander Ziekenhuisgroep (OZG), Locatie Delf-
zicht, Jachtlaan 50, 9930 RA Delfzijl, Niederlande
Prof. Dr. med. Marcus Krüger, Universitätsklinikum Freiburg, Zentrum für Kin-
derheilkunde und Jugendmedizin, Mathildenstr. 1, 79106 Freiburg
PD Dr. med. Dr. h.c. Michael Löttge, Klinikum Magdeburg gGmbH, Klinik für
Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Birkenallee 34, 39130 Magdeburg
Prof. Dr. med. Uwe Wagner, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH,
Klinik für Gynäkologie, Gynäkologische Endokrinologie und Onkologie, Baldin-
gerstraße, 35043 Marburg
Nach der 7. Auflage ausgeschiedene Autoren 
Prof. Dr. med. Jörg Braun, Hamburg (Kapitel „Tipps für die Stationsarbeit“)
Prof. Dr. med. Michael Stark, Berlin (Kapitel „Geburtshilfliche Operationen“)

Abbildungsnachweis
Der Verweis auf die jeweilige Abbildungsquelle befindet sich bei allen Abbildungen im
Werk am Ende des Legendentextes in eckigen Klammern. Alle nicht besonders
gekennzeichneten Grafiken und Abbildungen © Elsevier GmbH, München.

E622 Mit freundlicher Genehmigung von Springer Science+Business Media:


Neugeborenenintensivmedizin – Evidenz und Erfahrung. 8. Aufl. 2011.
Maier, Rolf F.; Obladen, Michael (Hrsg.). Abb. 13.3.
L106 Henriette Rintelen, Velbert
L157 Susanne Adler, Lübeck
L190 Gerda Raichle, Ulm
M453 Dr. med. Axel Valet, Herborn/Dillenburg
M454 Dr. med. Joachim Steller MBA, Titisee-Neustadt
M455 Dr. med. Volker Duda, Marburg
T192 Dr. med. Kay Goerke, Schwetzingen
Adressen
Herausgeber 
Dr. med. Kay Goerke, GRN-Klinik Schwetzingen, Klinik für Gynäkologie und Ge-
burtshilfe, Bodelschwinghstr. 10, 68723 Schwetzingen
Dr. med. Joachim Steller MBA, HELIOS Klinik Titisee-Neustadt, Klinik für Frauen­
heilkunde und Geburtshilfe, Jostalstr. 12, 79822 Titisee-Neustadt
Dr. med. Axel Valet, Gynäkologische Praxisgemeinschaft und endokrinologisches
Institut, Bahnhofstr. 7–9, 35745 Herborn; Dill-Kliniken Dillenburg, Frauenklinik,
Rotebergstr. 2, 35683 Dillenburg
Autoren 
Prof. Dr. med. Arno J. Dormann, Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Krankenhaus
Holweide, Medizinische Klinik, Neufelder Str. 32, 51067 Köln
Dr. med. Volker Duda, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Seno-
logische Diagnostik, Baldingerstr. 1, 35043 Marburg
Prof. Dr. med. Gisela Enders, Institut für Virologie, Infektiologie und Epidemio-
logie Prof. G. Enders & Partner, Rosenbergstr. 85, 70193 Stuttgart
Dr. med. Jan-Bernd Jürgens, HELIOS Klinik Titisee-Neustadt, Klinik für Frauen-
heilkunde und Geburtshilfe, Jostalstr. 12, 79822 Titisee-Neustadt
Dr. med. Franz Koettnitz, Ommelander Ziekenhuisgroep (OZG), Locatie Delf-
zicht, Jachtlaan 50, 9930 RA Delfzijl, Niederlande
Prof. Dr. med. Marcus Krüger, Universitätsklinikum Freiburg, Zentrum für Kin-
derheilkunde und Jugendmedizin, Mathildenstr. 1, 79106 Freiburg
PD Dr. med. Dr. h.c. Michael Löttge, Klinikum Magdeburg gGmbH, Klinik für
Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Birkenallee 34, 39130 Magdeburg
Prof. Dr. med. Uwe Wagner, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH,
Klinik für Gynäkologie, Gynäkologische Endokrinologie und Onkologie, Baldin-
gerstraße, 35043 Marburg
Nach der 7. Auflage ausgeschiedene Autoren 
Prof. Dr. med. Jörg Braun, Hamburg (Kapitel „Tipps für die Stationsarbeit“)
Prof. Dr. med. Michael Stark, Berlin (Kapitel „Geburtshilfliche Operationen“)

Abbildungsnachweis
Der Verweis auf die jeweilige Abbildungsquelle befindet sich bei allen Abbildungen im
Werk am Ende des Legendentextes in eckigen Klammern. Alle nicht besonders
gekennzeichneten Grafiken und Abbildungen © Elsevier GmbH, München.

E622 Mit freundlicher Genehmigung von Springer Science+Business Media:


Neugeborenenintensivmedizin – Evidenz und Erfahrung. 8. Aufl. 2011.
Maier, Rolf F.; Obladen, Michael (Hrsg.). Abb. 13.3.
L106 Henriette Rintelen, Velbert
L157 Susanne Adler, Lübeck
L190 Gerda Raichle, Ulm
M453 Dr. med. Axel Valet, Herborn/Dillenburg
M454 Dr. med. Joachim Steller MBA, Titisee-Neustadt
M455 Dr. med. Volker Duda, Marburg
T192 Dr. med. Kay Goerke, Schwetzingen
Benutzerhinweise
Der Klinikleitfaden ist ein Kitteltaschenbuch. Das Motto lautet: Kurz, präzise und
praxisnah. Medizinisches Wissen wird komprimiert dargestellt. Im Zentrum ste-
hen die Probleme des klinischen Alltags. Auf theoretische Grundlagen wie Patho-
physiologie oder allgemeine Pharmakologie wird daher weitgehend verzichtet.
• Vorangestellt: Tipps für die tägliche Arbeit und Arbeitstechniken.
• Im Zentrum: Fachwissen nach Krankheitsbildern bzw. Organsystemen
geordnet – wie es dem klinischen Alltag entspricht.
• Zum Schluss: Praktische Zusatzinformationen.
Wie in einem medizinischen Lexikon werden gebräuchliche Abkürzungen ver-
wendet, die im Abkürzungsverzeichnis erklärt werden.
Um Wiederholungen zu vermeiden, wurden viele Querverweise eingefügt. Sie
sind mit einem Dreieck ▶ gekennzeichnet.

Wichtige Zusatzinformationen sowie Tipps

Notfälle und Notfallmaßnahmen

Warnhinweise

Internetadressen: Alle Websites wurden vor Redaktionsschluss im Juli 2012 ge-


prüft. Das Internet unterliegt einem stetigen Wandel – sollte eine Adresse nicht
mehr aktuell sein, empfiehlt sich der Versuch über eine übergeordnete Adresse
(Anhänge nach dem „/“ weglassen) oder eine Suchmaschine. Der Verlag über-
nimmt für Aktualität und Inhalt der angegebenen Websites keine Gewähr.
Die angegebenen Arbeitsanweisungen ersetzen weder Anleitung noch Supervisi-
on durch erfahrene Kollegen. Insbesondere sollten Arzneimitteldosierungen und
andere Therapierichtlinien überprüft werden – klinische Erfahrung kann durch
keine noch so sorgfältig verfasste Publikation ersetzt werden.
Abkürzungen
Symbole B
®
Handelsname bakt. bakteriell/e/er
↔ normal (im Normbereich) BAL bronchoalveoläre Lavage
↑, ↑ hoch, erhöht BB Blutbild
↓, ↓ tief, erniedrigt bds. beidseits, bilateral
▶ siehe (Verweis) BE Broteinheit, base excess
→ vgl. mit, daraus folgt BEL Beckenendlage
∅ durchschnittlich, bes. besonders
­Durchmesser BGA Blutgasanalyse
Bili Bilirubin
A BPD biparietaler Durchmesser
bpm beats per minute (Schläge
A(a). Arterie/n pro Minute)
AAP anterior-posteriorer BSG Blutkörperchensenkungsge-
Abdomendurchmesser schwindigkeit
ACA Akrodermatitis chronica BTK Basaltemperaturkurve
atrophicans Btl. Beutel
ACTH adrenokortikotropes BWK Brustwirbelkörper
Hormon BWS Brustwirbelsäule
ACV Aciclovir BZ Blutzucker
Ätiol. Ätiologie bzw. beziehungsweise
afl anteflektiert
AFP Alpha-1-Fetoprotein C
AGA Appropriate for gestational
age ca. circa
AHB Anschlussheilbehandlung Ca2+ Kalzium
AID artificial insemination by Ca Karzinom
donor = Fremdinsemination C-C-C Zervix-Korpus-Kürettage
oder heterologe ­Insemination (fraktionierte Abrasio)
allg. allgemein/e/er/es CCT kraniales Computertomo-
Ak Antikörper gramm
Amp. Ampulle CHE Cholinesterase
ant. Anterior chron. chronisch/e/er/es
ANV akutes Nierenversagen CIN zervikale intraepitheliale
a.p. anterior-posterior Neoplasie
AP alkalische Phosphatase, CK Zervikalkanal
Austreibungsperiode Cl Chlorid
art. Arteriell CMV Zytomegalievirus
AS Aminosäure CO2 Kohlendioxid
ASS Acetylsalicylsäure comp. compositum
atv antevertiert CPAP continuous positive airway
AU Abdomenumfang pressure
a.-v. arteriovenös CPR kardiopulmonale
AVK arterielle Verschlusskrank- ­Reanimation
heit cran. kranial
AZ Allgemeinzustand CRP C-reaktives Protein
X Abkürzungen  

CT Computertomogramm F
CTG Kardiotokografie
CVS chorionic villi sampling F Frauen, Faktor
(Chorionzottenbiopsie) Fe Ferrum, Eisen
FFP Fresh Frozen Plasma
D FG Frühgeborenes
FHF fetale Herzfrequenz
d die; Tag FL Femurdiaphysenlänge
DD Differenzialdiagnose FP Follikelphase
DEGUM Deutsche Gesellschaft für FOD frontookzipitaler
Ultraschall in der Medizin ­Durchmesser
desc. descendens FTA Fluoreszenz-Treponemen-
d. h. das heißt Antikörper-Test
DHEA-S Dehydroepiandrosteron- 5-FU 5-Fluorouracil
Sulfat FW Fruchtwasser
Diab. mell. Diabetes mellitus
Diagn. Diagnostik, Diagnose G
DIP Dezeleration, Absinken der
fetalen Herzfrequenz G1–3 Grading (Einteilung der
DK Dauerkatheter histologischen Differenzie-
DNA Desoxyribonukleinsäure rung eines Tumors)
Drg. Dragee/-s Gew. Gewicht
GFR glomeruläre Filtrationsrate
E GG Geburtsgewicht
ggf. gegebenenfalls
E2 Estradiol GHD Gesamtherddosis
E3 Estriol GIT Gastrointestinaltrakt
EBV Epstein-Barr-Virus GKV gesetzliche Krankenversiche-
Echo Echokardiografie rung
EE Ethinylestradiol GN Glomerulonephritis
EGT errechneter Geburtstermin GnRH Gonadotropin-Releasing-
EIA Enzymimmunoassay Hormon
E’lyte Elektrolyte GOT Glutamat-Oxalacetat-Transa-
EK Erythrozytenkonzentrat minase
EKG Elektrokardiogramm GPT Glutamat-Pyruvat-Transami-
EP Eröffnungsperiode nase
E’phorese Elektrophorese Grav. Gravidität
EPH Edema + Proteinurie + GSG Gesundheitsstrukturgesetz
Hypertonie GV Geschlechtsverkehr
ER Östrogenrezeptor Gy Gray (Radiother.)
Erkr. Erkrankung gyn. gynäkologisch
Erw. Erwachsene/r γ-GT Gamma-Glutamyl-­
Ery Erythrozyten(-konzentrati- Transferase
on)
ET Embryotransfer H
EUG Extrauteringravidität
evtl. eventuell h hora; Stunde
EZ Ernährungszustand HAH Hämagglutinationshemmtest
Hb Hämoglobin
HbF fetales Hämoglobin
   Abkürzungen XI

HCG humanes Choriongonadotro- K


pin
HF Herzfrequenz K+ Kalium
HHL hintere Hinterhauptslage KBR Komplementbindungsreak­
HIV human immunodeficiency tion
virus KG Krankengymnastik,
Hkt Hämatokrit Körpergewicht
HMV Herzminutenvolumen kg Kilogramm
HPL human placental lactogen /kg KG Dosierungen pro Kilogramm
HPV humanes Papillomavirus Körpergewicht
HSG Hysterosalpingografie KH Kohlenhydrate
HSV Herpes-simplex-Virus KHK koronare Herzkrankheit
HT Herzton KI Kontraindikation/en
HVL Hypophysenvorderlappen KO Komplikation/en
HWK Halswirbelkörper KOH Kalilauge
HWS Halswirbelsäule konj. konjugiert
HWZ Halbwertszeit kons. konservativ
Konz. Konzentration
I KM Knochenmark,
­Kontrastmittel
i.a. intraarteriell Kps. Kapsel/n
i.Allg. im Allgemeinen Krea Kreatinin
i.c. intrakutan KSE Kopfschwartenelektrode
ICI intrakavitäre Insemination KU Kopfumfang
ICR Interkostalraum K-Urin Katheterurin
ICSI intrazytoplasmatische
Spermieninjektion L
i. d. R. in der Regel
IE Internationale Einheiten LA Lokalanästhesie
IFT Immunfluoreszenztest LÄK Landesärztekammer
IgG, IgM Immunglobulin G/M lat. lateral
IKZ Inkubationszeit LCM Lymphochoriomeningitis
i. m. intramuskulär LCMV Lymphochoriomeningitis-
Ind. Indikation Virus
Inf. Infektion Leuko/s Leukozyten
inf. inferior LDH Laktatdehydrogenase
insb. insbesondere LGA large for gestational age
Insuff. Insuffizienz LH-RH luteinizing hormone
Intox. Intoxikation releasing hormone
intraop. intraoperativ li links
IUI intrauterine Insemination Lig. Ligamentum
IUP Intrauterinpessar („Spirale“) Lj Lebensjahr
i. v. intravenös L1–L5 Lumbalsegment 1–5
IVF In-vitro-Fertilisation Lk Lymphknoten
Lm Lebensmonat
J LP Lutealphase
LPD Lutealphasendefekt
J. Jahre Lsg(n). Lösung(en)
JÜR Jahresüberlebensrate LT Lebenstag
XII Abkürzungen  

LUF luteinized unruptured follicle O


(luteinisierter nichtruptu-
rierter Follikel) o.B. ohne (pathologischen)
Lw Lebenswoche Befund
LWS Lendenwirbelsäule OGGT oraler Glukose-Toleranz-
LWK Lendenwirbelkörper Test
OH Ovulationshemmer
M OP Operation
op. operativ
M Männer Ov. Ovulation
M., Mm. Morbus; Musculus, Musculi
max. maximal P
MBU Mikroblutanalyse
MCV mittleres korpuskuläres p. a. posterior-anterior
Volumen path. pathologisch
Mg2+ Magnesium Päd. Pädiatrie
MHz Megahertz PAP zytologische Beurteilung
min. minimal (nach Papanicolaou)
Min. Minute/n Pat. Patient, Patientin
mind. mindestens pAVK periphere arterielle
Mio. Million Verschlusskrankheit
ml Milliliter p.c. post conceptionem
MM Muttermund PCO polyzystische Ovarien
MMR Mumps/Masern/Röteln PCT Postkoitaltest
Mon. Monat/e PCR Polymerase-Kettenreaktion
MRE multiresistente Erreger PDA Periduralanästhesie
MRSA Methicillinresistente PEP Postexpositionsprophylaxe
Staphylococcus-aureus- periop. perioperativ
Stämme PgE2 Prostaglandin E2
MRT Magnetresonanztomografie p.i. post infectionem
ms Millisekunden PID pelvic inflammatory disease
M-Urin Mittelstrahlurin PIT Postinseminationstest
µ Mikro p.m. post menstruationem
PMS prämenstruelles Syndrom
N p. o. peroral, post ovulationem
pos. positiv
N., Nn. Nervus, Nervi post. posterior
n Nano; normal postop. postoperativ
Na+ Natrium p.p. post partum, per primam
NAU Narkose-Untersuchung (komplikationslose
neg. negativ Wundheilung)
NG Neugeborenes PR Progesteronrezeptor
NMR Kernspintomografie präop. präoperativ
n. n. bez. Nicht näher bezeichnet PRIND prolonged reversible ischemic
NNR Nebennierenrinde neurological deficit
NSAID nichtsteroidale Antiphlogisti- PROM premature rupture of
ka membranes (vorzeitiger
NW Nebenwirkung/en Blasensprung)
Prog. Progesteron
   Abkürzungen XIII

PTC perkutane transhepatische sup. superior


Cholangiografie Supp. Suppositorium/-en
PTT partielle Thromboplastinzeit (Zäpfchen)
Sy. Syndrom
Q Syn. Synonym/a
Szinti Szintigrafie
QF Querfinger
T
R
T3, T4 Thyroxin (dreifach, vierfach
re rechts jodiert)
RE Rötelnembryopathie tägl. täglich
respir. respiratorisch TAM Tamoxifen
rezid. rezidivierend Tbc Tuberkulose
rfl retroflektiert Tbl. Tablette/n
RG Rasselgeräusch Ther., ther. Therapie, therapeutisch/e/er
Rh Rhesus Thrombos Thrombozyten
RI Resistance Index TIA transitorisch-ischämische
RKI Robert Koch-Institut Attacke
Rö Röntgen TL Teelöffel
RR Blutdruck nach Riva-Rocci TPHA Treponema-pallidum-Hä-
rtv retrovertiert magglutinations-Test
Tr. Tropfen
S TRH Thyreoidea releasing
s.c. subkutan hormone
SCMC Spermien-Zervixschleim- TSH Thyreoidea stimulating
Kontakt-Test hormone
S1–S5 Sakralsegment 1–5 TZ Thrombinzeit
Sek. Sekunde/n
SEM Standardabweichung U
SGA small for gestational age U/l Units/Liter
Sgl. Säugling U1 1. Neugeborenen-Untersu-
serol. serologisch chung, direkt nach Geburt
SHT Schädel-Hirn-Trauma u. a. unter anderem
SIH schwangerschaftsinduzierte UKG Ultraschallkardiografie
Hypertonie US Ultraschall
SL Schädellage u. U. unter Umständen
s.l. sublingual
Sono Sonografie V
SSL Scheitelsteißlänge
SSW Schwangerschaftswoche V. Vena
s. o. siehe oben V. a. Verdacht auf
Staph. Staphylokokken v. a. vor allem
STD sexually transmitted diseases vag. vaginal/e
stdl. stündlich VDRL venereal disease research
StGB Strafgesetzbuch laboratory test
STIKO Ständige Impfkommission VE Vakuumextraktion
Strept. Streptokokken vHHL vordere Hinterhauptslage
s. u. siehe unten VHL Vorderhauptslage
XIV Abkürzungen  

VIN vulväre intraepitheliale WW Wechselwirkung/en (von


Neoplasie Arzneimitteln)
Vit. Vitamin
VSD Ventrikelseptumdefekt Z
VZIG Varizellen-Hyperimmunglo-
bulin z. B. zum Beispiel
VZV Varicella-Zoster-Virus ZNS zentrales Nervensystem
z. T. zum Teil
W ZT Zyklustag
z. Zt. zurzeit
weibl. weiblich/e/er ZVD zentraler Venendruck
Wo. Woche/n ZVK zentraler Venenkatheter
WSA wiederholte Spontanabort-
neigung
1 Tipps für die Stationsarbeit
Joachim Steller, Axel Valet und Kay Goerke

1.1  atientenaufnahme  3
P 1.6 Sterben und Tod einer
1.1.1 Spezielle gynäkologische ­ atientin  24
P
­Anamnese  3 1.6.1 Die sterbende Patientin  24
1.1.2 Spezielle geburtshilfliche 1.6.2 Totenbescheinigung
­Anamnese  3 (Leichenschauschein)  24
1.1.3 Weiteres Vorgehen  4 1.6.3 Totgeburt  25
1.2 Untersuchungen  6 1.6.4 Obduktion  25
1.2.1 Allgemeine körperliche 1.7 Die Problempatientin  26
­Untersuchung  6 1.7.1 Alkoholabhängigkeit
1.2.2 Gynäkologische Unter­ und Entzugsdelir  26
suchung  9 1.7.2 Die suizidgefährdete
1.2.3 Perkussion und Auskultation ­Patientin  28
von Herz und Lunge  11 1.7.3 Die verwirrte Patientin  29
1.2.4 Neurologische Unter­ 1.8 Meldepflichtige Infektions-
suchung  13 krankheiten  29
1.2.5 Verhalten in Krisensituationen 1.8.1 Deutschland  29
des Arzt-Patient-Verhältnisses 1.8.2 Österreich  30
in Klinik und Praxis  15 1.8.3 Schweiz  30
1.3 Rezeptausstellung  17 1.9 Multiresistente Erreger
1.3.1 Betäubungsmittelver­ (MRE)  31
ordnung  17 1.10 Prophylaxe nach beruflicher
1.4 Arzneimitteleinnahme vor HIV- oder Hepatitis-­
­geplanten Operationen  19 Exposition  33
1.5 Die Entlassung der 1.10.1 Vorgehen nach
­Patientin  21 HIV-­Exposition  33
1.5.1 Die Entlassung  21 1.10.2 Vorgehen nach
1.5.2 Der gynäkologische HBV-­Exposition  34
­Arztbrief  22 1.10.3 Hepatitis C  35
1.5.3 Der geburtshilfliche
­Arztbrief  23
1.5.4 Poststationäre Angebote  23
1.11 Abrechnungsmodalitäten  35
1.11.1 Wichtigste gynäkologisch-­
geburtshilfliche ICD-10-­
Ziffern  35
1.11.2 DRG-relevante Neben­
diagnosen: Hitliste  48
   1.1  Patientenaufnahme  3

1.1 Patientenaufnahme
Bei der Anamneseerhebung ist zu beachten, dass gynäkologische Probleme in
ganz besonderem Maße die Intimsphäre tangieren. Für die gynäkologische Ana-
1
mnese bedarf es eines vertraulichen Verhältnisses zwischen Arzt und Pat. Im Ide-
alfall ist der Untersucher bei der Anamnese mit der Pat. allein.

Gliederung der Anamnese


• Jetzige Anamnese.
• Eigenanamnese unter besonderer Berücksichtigung der gynäkologischen
Vorgeschichte.
• Familienanamnese.
• Soziale Anamnese.
• Medikamentenanamnese.
• Identasuche (bei Medikamenten ohne Verpackung): www.gelbe-liste.de/
pharmindex/identa/suche/

1.1.1 Spezielle gynäkologische Anamnese


• Jetzige Beschwerden, Dauer, Stärke, Art und Ort, Beziehung zu Funktionen,
Einnahme von Hormonpräparaten, Schwangerschaftsverhütung.
• Menarche, Zyklusdauer, Blutungsstärke, Schmerzen vor, während oder nach
der Regel.
• Termin und Art der letzten Regel, Menopausenblutung.
• Auffälligkeiten in der Menstruationsrhythmik: Amenorrhöen, Oligo-, Poly-
menorrhöen, evtl. Zykluskalender.
• Auffälligkeiten im Blutungscharakter: Hypermenorrhöen, Meno-, Metrorrha-
gien (Kaltenbach-Schema ▶ 13.1.1).
• Zyklusunabhängige Blutungen: Kohabitations-, Postmenopausenblutungen.
• Zyklusabhängige Schmerzen: Dysmenorrhöen.
• Zyklusunabhängige Schmerzen: Deszensus, Entzündungen, Ovarialtumoren,
Uterus myomatosus, EUG.
• Schmerzen oder Knoten in den Mammae (▶ 10.1), Hautveränderungen, Ga-
laktorrhö.
• Vag. Fluor: Konsistenz, Farbe, Geruch, Pruritus (▶ 11.1).
• Vorausgegangene Geburten, Aborte, EUG, Gyn-OPs, Entzündungen im klei-
nen Becken.
• Inkontinenz: Harndrang, Harnverlust bei Husten, Niesen, körperlicher Belas-
tung.
• Virilisierungszeichen: Hirsutismus, Klitorishypertrophie, Stimmveränderun-
gen.

1.1.2 Spezielle geburtshilfliche Anamnese


• Ausbleiben der Regelblutung, Zeitpunkt Schwangerschaftstest pos., Konzepti-
onstermin, Embryonentransfer.
• Vorausgegangene Geburten oder geburtshilfliche Operationen (▶ 7.2, ▶ 7.4).
• Vorausgegangene Fehlgeburten (▶ 5.5).
4 1  Tipps für die Stationsarbeit  

• Risikofaktoren aus der Anamnese: schwere Allgemeinerkr., Sterilitätsbehand-


lung, Uterus-OP, komplizierte Geburten, Multipara, junge Erstpara, wieder-
1 holte Spontanabortneigung, Nikotin, Alkohol.
• Besonderheiten im jetzigen Schwangerschaftsverlauf: Blutungen, EPH-Gesto-
se, Rh-Konstellation, pos. AK-Titer, drohende Frühgeburt, SGA, unklarer
Termin, Diab. mell., Hepatitis, HIV.

1.1.3 Weiteres Vorgehen
Nach der Aufnahmeuntersuchung (▶ 1.2) muss entschieden werden über:

Bettruhe
• Absolute Bettruhe: z. B. bei Blutungen in der Schwangerschaft, vorzeitiger
Wehentätigkeit, Lungenembolie.
• Keine Ind.: Thrombophlebitis, Pneumonie, alte Pat., tiefe Beinvenenthrom-
bose, entgleister Diab. mell.

Nahrungskarenz
Nahrungskarenz, solange dringender op. Eingriff nicht ausgeschlossen ist (z. B.
bei EUG-Verdacht) oder geburtshilflicher Eingriff unmittelbar ansteht.

Diät
Eine besondere Diät ist indiziert bei Diab. mell. (Standard = 14 BE; Diabetes in
grav. ▶ 3.4), Hypertonie, Niereninsuff., Fettstoffwechselstörungen, Gicht, Pankre-
atitis.
• Diät bei Adipositas: Behandlungspflichtig sind die mittelschwere und schwe-
re Adipositas. Body-Mass-Index: kg KG/(Körpergröße in m)2, Normal F: 18–
25. Zur Einleitung der Gewichtsreduktion 300–1.000 kcal Diät als ballaststoff-
reiche Mischkost, ggf. mit Vit.-Supplement. Strenge Ind.-Stellung für Null-
Diät, da KO-reich. Ideal ist kontinuierliche, schonende Gewichtsabnahme.
Keine Extremdiäten, z. B. nur Eiweiß. Langfristig tolerierbar ist faserreiche,
vitaminreiche Reduktionskost mit mind. 50 g Eiweiß und 100 g Kohlenhydra-
ten pro Tag (keine Gewichtsreduktion in der Grav.; Ernährung in der
Schwangerschaft ▶ 5.3.2).
• Schonkost: Ein Großteil der früher üblichen „Schonkosten“ bei gastrointesti-
nalen Erkr. ist obsolet.
Parenterale Ernährung ▶ 2.7.

Thromboseprophylaxe
Zur Thromboseprophylaxe in der Klinik haben sich heute allg. die niedermoleku-
laren Heparine (NMH) durchgesetzt (▶ Tab. 1.1). Sie werden auch in der Schwan-
gerschaft gut vertragen und rufen nur selten NW hervor. Heparin ist nicht plazen-
tagängig. Hinweise auf teratogene oder embryotoxische Risiken liegen nicht vor.
Normale Schwangerschaft ist keine Kontraindikation. Strenge Ind.-Stellung bei
Abortus imminens. NMH geht in geringem Maße in die Muttermilch über. Ein
gerinnungshemmender Effekt auf den Säugling ist nicht wahrscheinlich. Dauer
und Dosierung der Prophylaxe richten sich nach individuellem Risiko, hereditä-
rer oder erworbener Thromboseneigung. Bei Schwangeren mit mittlerem Risiko
sollte die Anwendung von NMH 10–12 h vor der Geburt, vor Weheninduktion
   1.1  Patientenaufnahme  5

oder einem Kaiserschnitt abgesetzt werden. Bei Schwangeren mit therapeutischer


Anwendung ggf. auf aPTT-adjustiertes i. v. appliziertes UFH umzustellen.
1
Bei Schwangeren mit geringem oder mittlerem Thromboserisiko zur früh-
zeitigen Erfassung einer heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT) in
den ersten 3 Wo. 2 × pro Wo. Thrombozytenzahl bestimmen. Bei hohem
Risiko soll der Anti-Xa-Spiegel 3 h nach Injektion zwischen 0,35 und
0,7 Einheiten/ml liegen. Bei gleicher Effektivität sind NMH sicherer und
mit einem geringeren Blutungsrisiko verbunden als UFH.

Tab. 1.1  Dosierung der NMH


Substanz Beispielpräpa- Thromboseprophylaxe
rat (1× tgl. s.c.) Therapie der
tiefen Bein­
Niedriges bis Hohes Risiko venenthrom-
mittleres Risiko bose (TVT)

Certoparin Monoembolex® 3.000 IE 3.000 IE

Dalteparin Fragmin® 2.500 IE 5.000 IE 1 × 200 IE/kg/d


s. c.

Enoxaparin Clexane® 2.000 IE 4.000 IE 2 × 100 IE/kg/d


s. c.

Nadroparin Fraxodi®, 2.850 IE 5.700 IE 2 × 85 IE/kg/d


F­ raxiparin® s. c.

Tinzaparin Innohep® 3.500 IE 50 IE/kg

Reviparin Clivarin® 4.200 IE

Schmerzmittel und Schmerztherapie


▶ 6.3, ▶ 21.3.6 und ▶ 5.21.2 und ▶ Abb. 1.1.
Schlafmittel
Behandlung auf wenige Tage beschränken. Keine Kombinationspräparate! Barbi-
turate wegen langer HWZ und hohem Abhängigkeitspotenzial meiden. Kurz
wirksame Benzodiazepine, z. B. Oxazepam 5 mg/d p. o. 2 h vor dem Schlafen (z. B.
Adumbran®) sind Mittel der Wahl. Paradoxe Reaktionen v. a. bei alten Pat. sind
u. a. auf Überdosierung zurückzuführen → Dosisreduktion! Bei arterioskleroti-
schen Verwirrtheitszuständen Chloralhydrat 0,5–1 g (z. B. Chloraldurat®) mit ei-
nem vollen Glas Wasser 30 Min. vor dem Schlafen, Koffein (z. B. 1 Tasse Kaffee
oder 15–20  Tr. einer Koffeinlsg.). Cave: Schwangerschaft und Stillperiode
(▶ 5.21.21). Bei chron. Schmerzen WHO-Stufenschema (▶ Abb. 1.1).

Psychopharmaka, Antiepileptika
▶ 5.21.21 und ▶ 5.21.8.
Abführmittel
Der Wahl im Krankenhaus sind z. B.
6 1  Tipps für die Stationsarbeit  

• Laktulose 10–20 g/d p. o. (z. B. Bifiteral®); Wirkungseintritt nach 8–10 h, Vor-


sicht bei Diab. mell.
1 • Natriumpicosulfat 50–250 mg/d p. o. (Laxoberal ); Wirkungseintritt nach
®

2–4 h.
• Laxanzien in Schwangerschaft und Stillperiode ▶ 5.21.18.
Ist die Pat. blind oder schwerhörig, Personal informieren, sich immer vor-
stellen, deutlich artikulieren.

3. Stufe
Starke Opioide
2. Stufe plus/minus
nicht-opiathaltige Analgetika
Nicht-Opioide
1. Stufe plus • Morphin (z.B. MST,
„schwache” Opioide Sevredol®)
Nicht-Opioide initial ab 10 mg austitrieren
• Tramadol (z.B. Tramal®) retardierte Dosis alle 8 h
50–100 mg/4 h • Hydromorphon (z.B.
retardiert: 100–200 mg/8 h Palladon®)
• Tilidin+Naloxon (z.B. ab 4 mg/8–12 h
• Ibuprofen (z.B. Imbun®) Valoron®) • Buprenorphin(Transtec)-
4–6 x 400 mg 50–100 mg/4 h Pflaster
• Metamizol (z.B. retardiert: 100–200 mg/8 h 35–70 ug/h, Wechsel alle
Novalgin®) • Dihydrocodein ret. (z.B. 48–72 h
4–6 x 500–1000 mg DHC®) • Buprenorphin Sublingualtbl.
• Paracetamol (z.B. PCM®) 60–180 mg/8–12 h initial ab 0,2–0,4 mg/6–8 h
4–6 x 1000 mg • Buprenorphin • Fentanyl (Durogesic)-
• Flupirtin (z.B. Katadolon®) (Transtec)-Pflaster Pflaster
3 x 100–200 mg 35–70 ug/h, Wechsel alle 25–400 ug/h, Wechsel alle
48–72 h 48–72 h

Abb. 1.1  Stufenschema der WHO für Tumorschmerz (auch anwendbar für nicht­
maligne Schmerzen): Bei Akutschmerz Bedarfsmedikation rektal, i. v. oder oral.
Bei chron. Schmerz fest nach Zeitschema, Dosierungsintervalle nach Pharmakoki­
netik. Applikation rektal oder oral, nur ausnahmsweise parenteral, i. m. Injektion
möglichst vermeiden [L157]

1.2 Untersuchungen
1.2.1 Allgemeine körperliche Untersuchung
Allgemeines
• Allgemein-(AZ) und Ernährungszustand (EZ): jeweils gut, reduziert oder
stark reduziert.
• Bewusstseinslage, Konzentrationsfähigkeit: Orientierung zu Raum, Zeit und
Person (Verwirrtheit ▶ 1.7.3), Kontaktfähigkeit, Körperhaltung. Diagn. und
Vorgehen bei Koma und Präkoma ▶ 3.6.

Inspektion von Haut und Schleimhäuten


• Exsikkosezeichen: „stehende“ Hautfalten, Haut und Schleimhäute trocken,
trockene, borkige Zunge, weiche Augenbulbi, flacher schneller Puls, RR ↓.
   1.2  Untersuchungen  7

• Zyanose: Konz. des reduzierten Hb im Kapillarblut > 5 g/dl.


– Zentrale Zyanose: O2-Sättigung im arteriellen Blut < 85 % mit blauer Haut
und Zunge bei Lungenerkr., Herzvitien. 1
– Periphere Zyanose: lokal begrenzte oder generell erhöhte O2-Ausschöp-
fung bei normaler O2-Sättigung des Bluts in der Lunge mit blauer Haut
und Akren, Zunge dagegen nicht. Ursache z. B. Herzinsuff.
• Ikterus: Gelbfärbung der Skleren ab Serum-Bili > 1,5 mg/dl (> 26 μmol/l),
Juckreiz, evtl. Cholestase.
• Anämie: Konjunktiven blass bei Hb < 9 g/dl. Koilonychie = Einsenkung der
Nagelplatte bei Eisenmangelanämie. Anämie zusammen mit Ikterus kann
Hinweis auf Hämolyse oder Malignom sein.
• Ödeme: prätibial, periorbital oder sakral, ein- oder beidseitig. Anasarka. SIH/
Gestose ▶ 5.8.
• Haut: Behaarung, Pigmentierung, Exantheme, Enantheme, Ekzeme, Petechi-
en, Spider naevi z. B. bei Lebererkr.

Hände
• Trommelschlägelfinger und Uhrglasnägel sprechen für chron. Hypoxämie.
• Ölfleck-, Tüpfel- und Krümelnägel bei Psoriasis.
• Braunfärbung an Endgliedern von D2 und D3 bei Raucherinnen.
• Palmarerythem (bei Lebererkr.).
• Dupuytren-Kontraktur: idiopathisch, Leberzirrhose, Alkoholismus, Epilepsie.
• Schwellungen im proximalen Interphalangealgelenk sprechen für rheumati-
sche Arthritis (meist mit Morgensteifigkeit und Ulnardeviation).
• Seitlich der distalen Interphalangealgelenke liegende Knötchen sprechen für
Arthrose (Heberden-Knötchen).
• Tremor bei chron. Alkoholismus, Hyperthyreose, Parkinsonismus, Leberaus-
fallkoma (Flapping Tremor ▶ 1.7.1, ▶ 3.6).

Kopf und Hals


• Pupillen: direkte und konsensuelle Lichtreaktion, Konvergenz, Isokorie, Kon-
junktiven.
• Mundhöhle: Rötung oder Entzündung des Rachenrings, der Tonsillen. Zahn-
status, Gaumensegeldeviation, Belag, Ulzera, Aphthen oder Enantheme auf
Zunge oder Mundschleimhaut:
– Blaue Zunge bei zentraler Zyanose.
– Himbeerzunge bei Scharlach.
– Hunter-Glossitis bei megaloblastärer Anämie.
– Vergrößerte Zunge z. B. bei Akromegalie.
– Foetor ex ore: Alkohol, säuerlicher Geruch z. B. bei Gastritis, Azeton bei
diab. Ketoazidose, Foetor hepaticus bei Leberkoma, urinartig bei Urämie.
– Mikrostomie (zu kleine Mundöffnung) bei Sklerodermie.
• Hirnnerven, Druckschmerz von Nervenaustrittspunkten (NAP).
• Kopf: Druck- oder Klopfschmerz, Druckschmerz von Temporalgefäßen, Oh-
renstatus.
• Hals: Struma, Lk-Vergrößerung, Halsvenenstauung (im Sitzen oder bei
45°-Oberkörperneigung).
8 1  Tipps für die Stationsarbeit  

Thorax
Thoraxform (Fassthorax, Trichterbrust, Kyphoskoliose), Mammae und regionale
1 Lk inspizieren und palpieren (▶ 10.2.1), Lungenuntersuchung ▶ 1.2.3.

Herz und Kreislauf


• Puls: Seitenabweichung, abgeschwächter Femoralispuls bei pAVK, Aortenis-
thmusstenose. Frequenz (Tachykardie > 100/Min., Bradykardie < 60/Min.),
Rhythmus (regelmäßig, unregelmäßig, peripheres Pulsdefizit, Pulsus parado-
xus: Pulsamplitude wird in Inspiration kleiner, z. B. bei Asthma bronchiale).
• Blutdruck: Seitendifferenz > 20 mmHg path., Manschette sollte 3⁄5 des Ober-
arms bedecken (bei kleineren Manschetten falsch hohe Werte). Distaler Rand
mind. 3 cm oberhalb der Ellenbeuge. Cave: Bei Dialysepat. nie am Shuntarm
messen, bei Hemiplegikerinnen nicht an der gelähmten Seite, bei mastekto-
mierten Pat. nicht an der operierten Seite.
• Herzinspektion, -palpation und -perkussion: Pulsationen (z. B. bei Aortenin-
suff. im 2. ICR parasternal), Herzspitzenstoß (normal im 5. ICR MCL; bei
Linksherzhypertrophie hebend, verbreitert und nach außen unten verlagert),
relative Herzdämpfung (kräftige Perkussion von außen nach innen), absolute
Herzdämpfung (leise Perkussion von innen nach außen, bei Lungenemphy-
sem fehlend oder verkleinert). Auskultation ▶ 1.2.3.

Abdomen
Inspektion 
• Zeichen der Lebererkr.: „Abdominalglatze“, Venenzeichnung.
• Aufgetriebener Bauch: Faustregel zur DD „Fett, Fetus, Fäzes, Flatus (Luft),
Flüssigkeit (Aszites) und Tumor“.
• Pulsationen.
Palpation 
• Im schmerzarmen Bereich beginnen. Druckschmerz, Resistenzen mit Ver-
schieblichkeit, Schmerz, Größe.
• Bauchdecken weich oder Abwehrspannung, Loslassschmerz, Bruchpforten.
• Leberpalpation: Größe, Konsistenz, Leberpulsation (Trikuspidalinsuff.),
Courvoisier-Zeichen (pralle, tastbare Gallenblase); hepatojugulärer Reflux
bei Leberpalpation, Lebermetastasen.
• Milzpalpation: wenn tastbar, bereits vergrößert, z. B. bei CML, Osteomyelo­
sklerose, Speicherkrankheiten, hämolytischer Anämie, Inf.
Perkussion 
• Lebergrenzen mit Kratzauskultation bestimmen.
• Klopfschall über Abdomen (tympanitisch, gedämpft).
• Ggf. Aszitesausdehnung abschätzen (Perkussion und Palpation der fortgelei-
teten Flüssigkeitswelle; Aszites).
Auskultation  Darmgeräusche (DG) mit „Totenstille“ bei paralytischem Ileus
und gesteigerten, hoch gestellten, spritzenden, metallisch klingenden DG bei me-
chanischem Ileus.
Rektale Untersuchung  Pat. in Linksseiten- oder Rückenlage, Beine angewinkelt.
Während Pat. presst, Zeigefinger in Handschuh oder Fingerling mit Gleitmittel
(z. B. Vaseline) unter leichter Drehung in Analkanal einführen.
   1.2  Untersuchungen  9

• Anus: Fissur, Fisteln, Perianalthrombose, prolabierte Hämorrhoiden, Maris-


ken, Tumor, Ekzem.
• Analkanal: Sphinktertonus, Schmerzen, Stenose (Ca, M. Crohn), Infiltration 1
oder Resistenzen (Ca, thrombosierte Hämorrhoiden).
• Ampulla recti: Normal ist weiche verschiebliche Darmwand, ventral derbe
Portio, dorsal Os sacrum, lateral weicher Trichter des M. levator ani. Patholo-
gisch ist fixierte, indurierte Schleimhaut (Ca), druckdolenter (z. B. Appendizi-
tis), fluktuierender (Douglas-Abszess) oder vorgewölbter Douglas-Raum;
multiple knotige Auflagerungen auf dem Douglas-Peritoneum (Endometrio-
se, Ovarial-Ca), Ausbuchtung der vorderen Darmwand (Rektozele).
• Stuhl: bei Rückzug des Fingers Blut am Fingerling bei Hämorrhoiden, Rek-
tumkarzinom, Polypen, M. Crohn, Colitis ulcerosa, Teerstuhl bei oberer GIT-
Blutung.

Nieren und ableitende Harnwege


Nierenlager palpieren (Tumor, Klopfschmerz), Nierengefäßgeräusche paraumbi-
likal.

Wirbelsäule
Angabe von Stauch- oder Klopfschmerz, Form (Kyphose, Lordose, Skoliose, Gib-
bus), Muskelverspannung, Beweglichkeit.

Extremitäten
Beweglichkeit (Spastik, Rigor, Zahnradphänomen), Gelenke (Rötung, Bewe-
gungsschmerz), trophische Störungen (z. B. Purpura jaune d‘ocre an den unteren
Extremitäten bei chron. venöser Insuff.), Temperatur und Umfang (im Seitenver-
gleich!), Ödeme, Varikosis (Gefäßerkr. ▶ 31.5).

Lymphknoten
Aurikulär, submandibulär, nuchal, zervikal, supra- und infraklavikulär, axillär,
inguinal, kubital, popliteal nach Lk tasten. Angaben über Lage, Form, Größe,
Oberfläche, Abgrenzbarkeit, Konsistenz, Verschieblichkeit, Schmerzhaftigkeit.

1.2.2 Gynäkologische Untersuchung
Vorbereitung
Untersuchung aus psychologischen, technischen und forensischen Gründen nur in
Anwesenheit einer weiblichen Hilfsperson (Krankenschwester, Arzthelferin). Vor der
Untersuchung sollte die Pat. die Blase entleeren, Urin für evtl. Diagn. zurückstellen.
Der Untersuchungsstuhl sollte mit einem Wandschirm teilweise abgedeckt sein (Dis-
kretion). Nach Entkleidung der Genitalregion (Ablegen von Slip und ggf. Hüfthalter,
erst später Entkleiden des Oberkörpers) Lagerung der Pat. auf dem Untersuchungs-
stuhl in Steinschnittlage. Schutz des Untersuchers und ggf. der Hilfsperson durch un-
durchlässige Einmalhandschuhe (bei Pat. mit Latexallergie latexfreie Handschuhe).

Inspektion
Bereits während der Anamnese auf äußere Besonderheiten achten (z. B. vermehr-
te Behaarung des Gesichts, Haaransatz am Kopf, Akne, Stimmmodulation).
10 1  Tipps für die Stationsarbeit  

Abdomen  Straff oder schlaff, adipös oder schlank, eingesunken oder aufgetrie-
ben, Hernien, Narben.
1 Äußeres Genitale 
• Normaler und infantiler Status ▶ 18.2.
• Behaarungstypus: Begrenzung der Schambehaarung zum Nabel hin, Über-
greifen auf die Oberschenkel (Nomenklatur nach Tanner ▶ 18.3). Verminder-
te oder fehlende Behaarung.
• Weitere Virilisierungszeichen, Größe von Klitoris und kleinen Labien (▶ 17.5).
• Vulva: entzündliche Veränderungen wie Vulvitis, Bartholinitis, Kondylome,
Herpes genitalis, parasitäre Erkr. (▶ 11.3.7), Ulzera, Leukoplakien, Lichen
scle­rosus (▶ 11.5), Vulvakarzinom (▶ 11.8), Narben, Verletzungen, Hämato-
me, Fehlbildungen, Bisexualität (▶ 18.7.6).
• Hymen intakt, Introitus klaffend, Hymenalatresie (▶ 18.7.1).
• Nach Spreizen der kleinen Labien lässt man die Pat. nach unten pressen: Her-
vortreten der vorderen oder hinteren Vaginalwand bei Zystozele oder Rekto-
zele, Prolaps des Uterus, Harninkontinenz (▶ 12.2).
Inneres Genitale  Auswählen des Spekulums nach Introitusweite, schräges Ein-
führen des benetzten hinteren Rinnenspekulums bei 4:00 Uhr, anschließend Dre-
hung nach hinten um ca. 45°. Dann Einführen des vorderen Blattes. Selbsthalte-
spekula ebenfalls schräg einführen (schwieriger zu platzieren).
• Vaginalwände: Entzündungen, Ulzera, Tumoren (▶ 11.8, ▶ 11.9), Vaginalsep-
tum.
• Portio: Muttermundbeschaffenheit, vermehrte Absonderung, entzündliche
Reizung, Polypen, Erythroplakie, Leukoplakie, klinisches Ca (Exophyt, Ulkus,
Krater; ▶ 13.2.1).
Kolposkopie ▶  13.2.2, Nativpräparat ▶  12.2.3, Zytologie ▶  13.2.3, spezielle Ab-
strichdiagn. ▶ 13.2.4, Schiller-Jodprobe ▶ 11.2.2.

Palpation
Nach Spreizen der Labien Einführen
des behandschuhten, angefeuchteten
Zeigefingers, bei ausreichend weiter
Vagina auch des Mittelfingers, mit
leichtem Druck in Richtung Damm.
Die äußere Hand liegt oberhalb der
Symphyse flach auf und drückt die
Bauchwand mit den Fingerbeeren des
2., 3. und 4. Fingers sanft gegen den zu
palpierenden Uterus bzw. gegen die
Adnexe (▶ Abb. 1.2).
• Vagina: mobil oder immobil, evtl.
Länge, Stenosen, Narbenspangen.
• Portio: Stand hoch oder tief, vorne
oder hinten, re oder li, Gestalt klo-
big oder zapfenförmig, Emmet-
Riss, Exophyt, Krater, Portioschie-
be- oder Elevationsschmerz
(▶ 14.1.1). Abb. 1.2  Bimanuelle Tastuntersuchung
zur Beurteilung der Adnexregion [L157]
   1.2  Untersuchungen  11

• Uterus: Lage anteflektiert, gestreckt,


retroflektiert oder verzogen, Größe
und Form hypoplastisch, normal, 1
vergrößert oder myomdeformiert,
Fehlbildungen (▶ 13.2.1, ▶ 13.4.1);
Beweglichkeit mobil oder fixiert.
• Adnexe: dolent, nicht dolent, ver-
dickt, prall-elastische Resistenz,
derbe Resistenz, Größe, Beweglich-
keit (▶ 14.2.1).
Rektovaginale Untersuchung  Nach Ein­
führen des behandschuhten Mittelfin-
gers in das Rektum und des behand-
schuhten Zeigefingers in die Vagina
hinteres Scheidengewölbe austasten
(▶ Abb. 1.3):
• Parametrien: Infiltrationen, Tumor-
bildungen (▶ 13.8). Abb. 1.3  Rektovaginale Untersuchung
• Douglas-Raum: Knoten oder Flüs- zur Beurteilung der Parametrien
sigkeitsansammlungen (Ovarial-Ca [L157]
▶ 14.9).
• Septum rectovaginale (Endometriose ▶ 13.5).
• Rektale Untersuchung (▶ 1.2.1).
Weitere Untersuchungen
Nach Beendigung der gynäkologischen Untersuchung sollte die Pat. ihren Unter-
körper wieder ankleiden, um anschließend den Oberkörper frei zu machen. Es
folgt die klinische Untersuchung der Mammae (▶ 10.2.1), falls erforderlich nach
vorheriger Abnahme des Prolaktinspiegels, sowie die weitere Klärung von Andro-
genisierungserscheinungen (▶ 17.6).

Geburtshilfliche Untersuchung
Äußere Untersuchung ▶ 5.1.1, innere Untersuchung ▶ 5.1.2, Beckenmaße ▶ 5.1.3.

1.2.3 Perkussion und Auskultation von Herz und Lunge


Auskultation
Durchführung ▶ Abb. 1.4 und ▶ Abb. 1.5.
Rhythmus  Frequenz, Regelmäßigkeit, peripheres Pulsdefizit (Hinweis auf Vor-
hofflimmern).
1. Herzton  Tiefer „Myokardanspannungs- bzw. AV-Klappenschlusston“. Punc-
tum maximum über Erb. An der Herzspitze lauter als der 2. HT.
• Laut bei „Stress“, Fieber, Anämie, Grav.
• Paukend bei Mitralstenose.
• Gedämpft bei Kontraktilitätsverminderung durch Myokarditis, Infarkt, In-
suff., Perikarderguss.
• Hörbar gespalten bei Schenkelblöcken und bei Extrasystolie.
12 1  Tipps für die Stationsarbeit  

2. Herzton  Höherfrequenter „Semilu-


narklappenschlusston“. Punctum maxi- Aorta Pulmonalis
mum über der Herzbasis (3. ICR li pa-
1 rasternal):
• Laut bei Aortensklerose, Hyperto-
nus. Erb-Punkt
• Gedämpft oder fehlend bei Aor-
tenstenose.
• Physiologische, bei Inspiration ver-
stärkte Spaltung: Aortenklappe Trikuspidalis Mitralis
schließt vor Pulmonalisklappe.
• Paradoxe Spaltung: Pulmonalis-
klappe schließt vor Aortenklappe,
bei Exspiration verstärkt. Bei Links-
schenkelblock, Hypertonus, Aorten­
Abb. 1.4  Auskultationsareale. Aorten­
isthmusstenose. klappe: 2. ICR re parasternal. Pulmo­
• Fixierte Spaltung bei Vorhofsep- nalklappe: 2. ICR li parasternal. Mitral­
tumdefekt. klappe: 5. ICR medioklavikulär. Erb-
• Weite Spaltung bei pulmonaler Hy- Punkt: 3. ICR li parasternal. Trikuspi­
pertonie und Rechtsschenkelblock. dalklappe: 4. ICR re Parasternal. [L106]

1. HT 2. HT
MÖT *
Mitralstenose

3. HT
Mitralinsuffizienz
4. HT
Aortenstenose

Aorteninsuffizienz
* = Mitralöffnungston

Abb. 1.5  Typische Auskultationsergebnisse bei Klappenfehlern [L190]

Tab. 1.2  Stärkegrade der Herzgeräusche


1
⁄6 Sehr leise, nur während Apnoe in geräuschloser Umgebung zu hören
2
⁄6 Leise, auch während der Atmung zu hören
3
⁄6 Mittellautes Geräusch, nie Schwirren
4
⁄6 Lautes Geräusch, meistens Schwirren
5
⁄6 Sehr lautes Geräusch, immer Schwirren
6
⁄6 Lautes Geräusch, bis 1 cm Abstand von Thoraxwand zu hören.
   1.2  Untersuchungen  13

Physikalische Untersuchung der Lunge


• Thorax: Form (Fassthorax, Trichterbrust), Mammae und regionäre Lk inspi-
zieren und palpieren. 1
• Atmungstyp: Kussmaul-, Schnapp- oder paradoxe Atmung.
• Lungenpalpation: Stimmfremitus (99 mit tiefer Stimme).
• Lungenperkussion: Pat. vorher abhusten lassen! Klopfschall (KS) ist sonor
(= normal), gedämpft bei Infiltraten, Pleuraerguss oder Pleuraschwarte, hy-
personor bei Emphysem und Pneumothorax, tympanitisch über Lungenka-
vernen oder Darmschlingen.
• Lungengrenzen: Atemverschieblichkeit bestimmen, Seitenvergleich der Lun-
gengrenzen.

Tab. 1.3  Vergleich typischer physikalischer Lungenbefunde


Diagnose Perkussionsbefund Stimmfremitus Auskultation

Kardiale Gedämpft (oder Normal oder ↑ Feuchte, eher spätinspiratori­


Stauung normal) sche, nicht klingende RG

Pneumo­ (Stark) gedämpft ↑ Feuchte, ohrnahe, frühinspirato­


nisches rische, klingende RG
­Infiltrat

Pleura­ Gedämpft, aber Aufgehoben Fehlendes Atemgeräusch, oft


erguss ­lageveränderlich feuchte RG im Grenzbereich

Große Gedämpft ↓ Abgeschwächtes bis fehlendes


Atelektase Atemgeräusch

Chron. Normal Normal Trockene RG, auch feuchte,


Bronchitis nichtklingende RG, verschärftes
Exspirium

Pneumo­ Hypersonor bis Aufgehoben Fehlendes Atemgeräusch


thorax ­tympanitisch

1.2.4 Neurologische Untersuchung
Muskeleigenreflexe
Monosynaptisch; Auslösung nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip; keine Ermü-
dung. Bahnung (d. h. erleichterte Auslösung) durch Jendrassik-Handgriff (Finger-
hakeln mit sich selbst für die Beinreflexe bzw. Aufeinanderbeißen der Zähne für
die Armreflexe).

• Ein Reflex gilt nur als fehlend, wenn die Bahnung erfolglos war.
• Funktionsstörungen der Pyramidenbahnen führen zur Steigerung, peri-
phere Nervenschädigungen zur Abschwächung der Eigenreflexe.

• Patellarsehnenreflex (PSR, L2–L4): Schlag gegen das Lig. patellae 1 cm unter-
halb der Kniescheibe → Kontraktion des M. quadriceps femoris.
• Achillessehnenreflex (ASR, S1–S2): Schlag auf die Achillessehne, am besten
bei dorsalflektiertem Fuß → Plantarflexion des Fußes. Ausfall oft als erstes
Zeichen einer Polyneuropathie oder beim Bandscheibenvorfall.
14 1  Tipps für die Stationsarbeit  

• Adduktorenreflex (L2–L4): Schlag auf die Innenseite des Kniegelenks → Ad-


duktion des Oberschenkels. Seitendifferenz (z. B. re > li) oder gekreuzter Re-
1 flex (d. h. Schlag auf die re Seite führt zu beidseitiger Adduktion) ist Zeichen
einer Pyramidenbahnschädigung (in diesem Fall re).
• Bizepssehnenreflex (BSR, C5–C6): Schlag auf den auf die Bizepssehne geleg-
ten Zeigefinger → Kontraktion des M. biceps brachii.
• Radiusperiostreflex (RPR, C5–C6): Schlag auf den auf das distale Drittel des
Radius gelegten Finger (Hand soll in Mittelstellung zwischen Pro- und Supi-
nation stehen) → sichtbare Kontraktion des M. brachioradialis.
• Trizepssehnenreflex (C7–C8): Schlag auf die Trizepssehne 2 cm oberhalb des
Olekranons → Kontraktion des M. triceps.

Fremdreflexe
Polysynaptisch; Lebhaftigkeit ist abhängig von Reizstärke; ermüdbar.

Der Verlust der Fremdreflexe ist ein feiner Indikator für eine Pyramiden-
bahnschädigung.

• Bauchhautreflex (BHR, Th9–Th12): am besten in drei Höhen prüfen; mit


stumpfer Nadelspitze rasch und energisch von lateral nach medial über die
Bauchhaut streichen → sichtbares Zucken der Bauchmuskulatur; falsch neg.
Ergebnisse bei Adipositas, Narben, Schwangerschaft; Ausfall als Frühzeichen
einer multiplen Sklerose; wichtig zur Höhenlokalisation von Rückenmarkläsi-
onen.

Pathologische Reflexe

Frühzeichen einer ipsilateralen Pyramidenbahnläsion.

• Babinski-Reflex: Bestreichen des äußeren Rands der Fußsohle mit Holzstab;


„Babinski pos.“ heißt tonische Dorsalflexion der großen Zehe, meist mit Ab-
spreizung und Plantarflexion der Zehen II–V.
• Gordon-Reflex: Wadenmuskulatur kneten → wie „pos. Babinski“.
• Oppenheim-Reflex: kräftiges Streichen entlang der Tibiakante von proximal
nach distal → wie „pos. Babinski“.

Tab. 1.4  Merkregel für wichtige Reflexe und ihre Segmente*


Reflex ASR PSR RPR BSR TSR

Segment 1–2 (S) 3–4 (L) 5–6 (C) 5–6 (C) 7–8 (C)

* Ansteigende Folge der Segmentzahlen, wenn Reflexe am Körper von unten nach
oben getestet werden

Sensibilität
Allgemein: „-algesie“ = Schmerz, „-ästhesie“ = Empfindung. Pat. soll Reize mit
geschlossenen Augen erkennen.
   1.2  Untersuchungen  15

Untersuchung verschiedener Modalitäten der Sensibilität


• Berührung: Wattebausch.
• Schmerzprüfung: Nadel, Nadelrad. 1
• Temperaturempfindung: Reagenzgläser mit Eis und heißem Wasser.
• Vibrationsempfinden: Stimmgabel mit Amplitudenskala zur Quantifizie-
rung.
• Lageempfinden: Richtung geführter Bewegungen von Fingern, Zehen.
• Zahlenerkennen: Zahlen mit dem Finger auf die Haut schreiben.
• 2-Punkte-Diskrimination: Greifzirkel (path. bei zentraler Sensibilitätsstö-
rung).

Befunde 
• Schmerzen.
• Parästhesie: Missempfindung, Kribbeln, Ameisenlaufen, Brennen, Taubheits-
gefühl.
• Dysästhesie: Empfindung einer falschen Modalität, z. B. Kälte als Schmerz.
• Anästhesie: fehlende Empfindung.
• Hyperästhesie: Überempfindlichkeit.
Nervendehnungsschmerz
• Lasègue: Gestrecktes Bein aus Rückenlage senkrecht anheben. Schmerzen bei
Wurzelirritation L5–S1 oder Meningitis.
• Kernig: Pat. liegt mit im Hüft- und Kniegelenk um 90° gebeugtem Bein auf
dem Rücken. Schmerzen beim Strecken des Beins senkrecht nach oben. Hin-
weis auf Wurzelirritation L5–S1 oder Meningitis.
• Umgekehrter Lasègue: Prüfung wie Lasègue, nur in Bauchlage. Wurzelrei-
zung L3–L4.
• Brudzinski: Bei passiver Kopfbewegung nach vorn kommt es bei meningea-
ler Reizung zu einem reflektorischen Anziehen der Beine.
• Lhermitte-Nackenbeugezeichen: Ruckartiges Beugen des Kopfes nach vorn
führt zu Dysästhesien in Armen und Rücken. Bei multipler Sklerose, HWS-
Trauma und Halsmarktumoren.

1.2.5 Verhalten in Krisensituationen des Arzt-Patient-


Verhältnisses in Klinik und Praxis
Das Arzt-Pat.-Verhältnis ist von Vertrauen und Verständnis geprägt. Gleichzeitig
wird es jedoch durch die oft zu hohen Erwartungen der Pat. an den medizinischen
Fortschritt auch belastet. Durch die oft zu leichtfertig propagierte Omnipotenz
der Medizin wird den Pat. beinahe zwangsläufig eine umfassende Machbarkeit in
der Medizin suggeriert.
Bei Nichteintreten eines bestimmten Heilerfolgs bzw. einer gewünschten Ände-
rung eines körperlichen Zustands entsteht bei den Pat. der Verdacht auf ein ärzt-
liches Fehlverhalten, wobei der Gedanke an eine schicksalhafte Entwicklung ver-
drängt wird. Häufig bestimmen Angehörige und andere Fremdpersonen den wei-
teren Verlauf der Krisensituation, die sich dann ohne weitere Einflussmöglichkeit
der behandelnden Ärzte verselbstständigt.
16 1  Tipps für die Stationsarbeit  

Die Pat. erwarten i. Allg. jedoch auch in Krisensituationen eine Aufrechterhaltung


des Arzt-Pat.-Verhältnisses – diese Chance sollte durch besondere Sensibilität des
Arztes genutzt werden. Ärzte fühlen sich jedoch gerade in dieser Situation unge-
1 recht behandelt und beleidigt und setzen sich zur Wehr, v. a. wenn sie sich in ihrer
Existenz und der ihrer Familie bedroht sehen.

Häufigste Arten von Krisensituationen


• Eine Pat. beschwert sich in der Praxis oder im Krankenhaus über einen an-
geblichen Behandlungsfehler oder ein Fehlverhalten des medizinischen
Personals:
Sofortiges Angebot eines klärenden Gesprächs, möglichst im Beisein eines
Zeugen (emotionale Entgleisungen vermeiden!), sorgfältige Dokumentation.
Fragen, ob die Pat. alles verstanden hat. Rechtfertigungsversuche sollten un-
terbleiben, da sie häufig das Gefühl erzeugen, dass etwas schief gelaufen sei
und zur Klage führen. Im Problemfall sollte der poststationäre Verlauf beob-
achtet werden. Kontaktaufnahme mit dem behandelnden Arzt.
• Bei Entlassung klagt die Pat. über Beschwerden, die im gesamten stationä-
ren Verlauf nicht angegeben wurden.
– Sofortige Abklärung, Oberarzt hinzuziehen. Je nach Befund Entlassung
verschieben, bis alle Unklarheiten bereinigt sind, ggf. konsiliarische Mit-
behandlung veranlassen.
– Bei Nichtbeachten droht hier im schwersten Fall eine Klage wegen unter-
lassener Hilfeleistung.
– Ausführliche Dokumentation, v. a. wenn die Pat. auf einer Entlassung be-
steht. Aufklärung über mögliche KO, Kontaktaufnahme mit dem einwei-
senden Arzt!
• Bei der Pat. ist es während der stationären/ambulanten Behandlung zu ei-
nem nachweisbaren Schadensereignis gekommen, z. B. Verbrennungswun-
den nach Elektrokauterisation, Sturz aus dem Bett etc.
– Die Pat., ggf. die Familienangehörigen sind umgehend vom Oberarzt über
das Schadensereignis (und die möglichen Ursachen) zu informieren. Der
Schaden ist im Krankenblatt genau, evtl. mit Foto, zu dokumentieren.
– Konsiliarärztliche Mitversorgung der Pat. z.B. vom Chirurgen oder D-
Arzt.
• Längere Zeit nach abgeschlossener Therapie erscheint die Pat. unangemel-
det, häufig im Beisein ihres Rechtsbeistands und fordert ohne weitere Be-
gründung die Herausgabe ihrer Krankenunterlagen.
– Rechtsgrundlage: Eigentümer der Krankenunterlagen wie Karteikarten,
Akten etc. sind der Arzt bzw. das Krankenhaus. Die Pat. hat keinen Her-
ausgabeanspruch, lediglich ein Einsichtsrecht, soweit es sich um naturwis-
senschaftlich objektivierbare Befunde sowie die Behandlung handelt
(BGH NJW 1983, 328). Nicht zur Einsichtnahme für Pat. sind persönliche
Wertungen der Ärzte, z. B. in der Anamnese, aus Informationen von Fa-
milienangehörigen oder Verdachtsdiagn. Üblicherweise werden aber Ko-
pien (gegen Kostenerstattung) für den Rechtsbeistand angefertigt. Grund-
sätzlich besteht eine Holschuld. Herausgabe von Akten nur auf staatsan-
waltliche Anordnung an ermächtigte Personen (Kriminalpolizei).
– Sofortige Information des verantwortlichen Arztes, der entscheidet, wel-
che Unterlagen herausgegeben bzw. kopiert werden. Versuch eines
   1.3  Rezeptausstellung  17

­ esprächs mit der Pat. über die Gründe für das Begehren. Bei Kenntnis
G
einer Schadensklage sofortige Information an die Haftpflichtversicherung.
• Konfrontation mit Schuldzuweisungen an andere Ärzte: 1
Häufigste Krisensituation, denen nachbehandelnde Ärzte gegenüberstehen.
Sensibilität ist gefragt. Es empfiehlt sich, ein neutrales Verhalten zu bewah-
ren, insb. bei Kenntnis über laufende Schadensklagen.

Ein Abbruch des Arzt-Pat.-Verhältnisses bei gestörtem Vertrauensverhältnis


ist durch den Arzt nur aus schwerwiegenden Gründen möglich. Da die Pat.
einen Anspruch auf Behandlung hat, empfiehlt sich die vorherige Kontakt-
aufnahme mit der Rechtsabteilung der zuständigen Ärztekammer.

1.3 Rezeptausstellung
Die Verschreibung von rezeptpflichtigen Arzneimitteln muss enthalten:
• Name, Berufsbezeichnung und Anschrift des Arztes/Tierarztes/Zahnarztes.
• Datum der Ausstellung.
• Name und Geburtsdatum der Pat.
• Bezeichnung des Fertigarzneimittels bzw. Wirkstoffs einschl. der Stärke.
– Bei Rezepturen die Zusammensetzung, bei Teilmengen die Bezeichnung
des Fertigarzneimittels.
• Darreichungsform.
• Abzugebende Menge.
• Gebrauchsanweisung bei Rezepturen, die in der Apotheke hergestellt werden.
• Gültigkeitsdauer der Verschreibung (Privatrezepte gelten ohne Angaben
3 Mon., Kassenrezepte sollten i. d. R. innerhalb von 4 Wo. eingelöst werden).
• Eigenhändige Unterschrift des Arztes/Tierarztes/Zahnarztes.

1.3.1 Betäubungsmittelverordnung
Die Novelle der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) hat die
Rezeptur von Betäubungsmitteln erheblich vereinfacht. Der Arzt (sowie Zahn-
und Tierarzt) darf für eine Pat. an einem Tag ein Betäubungsmittel bis zu der an-
gegebenen Höchstmenge (www.gesetze-im-internet.de/btmvv_1998/__2.html)
verordnen. Im Rahmen der festgesetzten Höchstmenge darf nur der Bedarf von
bis zu 30 Tagen, je Tag nicht mehr als 1⁄10 der Höchstmenge, verschrieben werden.
In Einzelfällen kann mehr als ein Betäubungsmittel verordnet, die jeweiligen
Höchstmengen und der Bedarf über 30 Tage hinaus überschritten werden (diese
Verordnung ist innerhalb von 30 Tagen der jeweiligen Länderbehörde schriftlich
anzuzeigen). BtM-Rezepte müssen innerhalb von 1 Wo. eingelöst werden. Substi-
tutionsmittel dürfen ab dem 1.7.2002 nur noch mit der Fachkunde „Suchtmedizi-
nische Grundversorgung“ verordnet werden.

Betäubungsmittelrezept
Die dreiteiligen amtlichen BtM-Rezepte (▶ Abb. 1.6; Blatt 1 und 3 zur Vorlage bei
der Apotheke, Blatt 2 muss vom ausstellenden Arzt 3 J. aufbewahrt werden) kön-
18 1  Tipps für die Stationsarbeit  

nen unter Vorlage einer beglaubigten Approbationsurkunde angefordert werden


beim:
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
1 – Bundesopiumstelle –
Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3
53175 Bonn
Das BtM-Rezept muss enthalten:
• Patientenangaben.
• Ausstellungsdatum.
• Arzneimittelbezeichnung, Stückzahl, Darreichungsform in Gramm oder Mil-
ligramm. Bei Überschreitung der Höchstmenge Kennzeichnung durch ein
„A“ (= Ausnahme-Verschreibung) in einem Kreis, Meldung an die jeweilige
Landesbehörde.
• Gebrauchsanweisung, ggf. „gemäß schriftlicher Anweisung“ (eigenhändig).
• Name, Anschrift, Telefonnummer des Arztes.
• Eigenhändige Unterschrift.
• Evtl. Zusatz „in Vertretung“ (i. V., eigenhändig).

techn. Datum

Abb. 1.6  BtM-Rezept [L190]

Betäubungsmittelanforderungsschein
Für den Stationsbedarf dürfen weiterhin alle Betäubungsmittel ohne Höchst-
mengen von den Abteilungsleitern und ihren Vertretern auf dem Betäubungsmit-
telanforderungsschein rezeptiert werden. Der Verbleib des BtM ist auf Karteikar-
ten oder in BtM-Büchern nachzuweisen (Bezugsquelle: Bundesinstitut für Arznei-
mittel und Medizinprodukte), die vom Arzt (z. B. Stationsarzt) mindestens 1×
monatlich überprüft werden müssen. Die Unterlagen sind 3 J. aufzubewahren.
Eine Verschreibung auf einem BtM-Anforderungsschein (▶ Abb. 1.7) muss fol-
gende Angaben enthalten (§ 11 Abs. 1):
   1.4  Arzneimitteleinnahme vor geplanten Operationen  19

1. Name/Bezeichnung und Anschrift


der Einrichtung, für die der Stati-
onsbedarf bestimmt ist.
2. Ausstellungsdatum.
1
3. Arzneimittelbezeichnung.
4. Menge des verschriebenen Arznei-
mittels in:
– Milligramm oder Milliliter.
– Stückzahl der abgeteilten Form
oder
– Größe und Anzahl der Pa-
ckungseinheiten.
5. Name und Telefonnummer des ver-
schreibenden Arztes.
6. Unterschrift, im Vertretungsfall zu- 19.02.2008
sätzlich der Vermerk „i. V.“.
Wie auf dem BtM-Rezept muss das ent-
haltene BtM jetzt eindeutig bezeichnet
werden, die Wiederholung der Stück- Abb. 1.7  BtM-Anforderungsschein für
zahl in Worten ist nicht mehr erforder- Stationsbedarf [L190]
lich. Die Angaben zu 1–5 können durch
eine andere Person als den Verordneten
erfolgen.

1.4 Arzneimitteleinnahme vor geplanten


Operationen
Viele Medikamente können OP und/oder Narkose beeinflussen. Bei Elektiv-
eingriffen sollten deshalb bereits bei der OP-Planung mögliche KO beachtet
werden.

• Metformin: Das Biguanid Metformin kann eine potenziell lebensbedrohliche


Laktatazidose verursachen. Lt. Fachinformation muss das Antidiabetikum
48 h vor Vollnarkose abgesetzt werden. Die Fortsetzung der Ther. soll nicht
früher als 48 h nach dem Eingriff erfolgen. Dies wird jedoch kontrovers dis-
kutiert, da die HWZ von Metformin lediglich 6 h beträgt. Das Bundesinstitut
für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hält an der o. g. Empfehlung
fest. Damit Einzelfallentscheidung, Fortsetzen bis zum Vorabend der OP
möglich. Glibenclamid am OP-Tag absetzen, BZ-Kontrollen!
• ASS: Bei koronaren Hochrisikopat. tritt das periop. Blutungsrisiko gegenüber
der erwiesenen Prophylaxe in den Hintergrund. Absetzen nur bei OPs mit
hohem Blutungsrisiko 7–10 Tage vorher. Bei koronaren Hochrisikopat. sollte
die Med. mit ASS 100 nur bei absoluter KI unterbrochen werden. Antidepres-
siva weitergeben mit Beachtung der Interaktionen der Anästhesie!
• Digitalis: bei normofrequenter Arrhythmia absoluta weitergeben, Nutzen des
Absetzens wg. hoher HWZ unsicher.
20 1  Tipps für die Stationsarbeit  

• Glukokortikoide: unabhängig von der Cushing-Schwelle weitergeben, ggf.


periop. Substitution i. v.
1 • Statine: weitergeben.
• Cumarine: Einzelfallentscheidung, ggf. Bridging mit Heparin.
Tab. 1.5  Medikamente mit möglicher Auswirkung auf Narkose/Operation
Substanzgruppe Präparate (Bsp.) Mögliche Maßnahmen
­Komplikationen

Reversible/selektive Aurorix® Interaktion mit Nar­ Nutzen-Risiko-Ab­


MAO-Hemmer kose möglich wägung (psychia­
(Moclobemid, trisches Konsil)
L-Deprenyl)

Cumarine Marcumar®, Blutungsgefahr Umsetzen auf He­


­Coumadin® parin etwa 8 Tage
präop.

Acetylsalicylsäure Aspirin®, Alka-Selt­ Vermehrte Blutungs­ Evtl. Absetzen


zer®, Thomapyrin® neigung 7 Tage präop.

Diclofenac Voltaren® Vermehrte Blutungs­ Absetzen 4 Tage


neigung präop.

Indometacin Indocolin® Vermehrte Blutungs­ Absetzen 4 Tage


neigung präop.

Metformin Glucophage S®, Hypoglykämie, bis Evtl. Absetzen am


Meglucon® zu 50 h nach letzter Vorabend präop.
Einnahme

Glibenclamid Euglucon® Hypoglykämie Am OP-Tag abset­


zen

Neuroleptika Haldol®, Neurocil®, β-Rezeptorblockade, Evtl. am Vor­


Atosil® verminderter Anäs­ abend und am
thetikabedarf OP-Tag absetzen

Antidepressiva Saroten®, Anafra­ Tachykardie, Hyper­ Evtl. am Vor­


nil®, Hypnorex® tonie. „Narkose­ abend und am
überhang“ OP-Tag absetzen

Diuretika Lasix®, Aldactone®, Hypovolämie, Herz­ Am Vorabend


Esidrix®, Diamox® rhythmusstörungen und am OP-Tag
absetzen

Digitalis Novodigal® Hypokaliämie, Herz­ Am OP-Tag abset­


rhythmusstörungen zen, bei nor­
mofrequenter
„Absoluta“ wei­
tergeben

Betablocker Beloc®, Lopresor® Rebound-Gefahr Weitergeben


beim Absetzen

Thyreostatika Irenat®, Favistan® Hyperthyreose Weitergeben

Schilddrüsenhor­ L-Thyroxin®, Hypothyreose Weitergeben


mone ­Euthyrox®
   1.5  Die Entlassung der Patientin  21

Tab. 1.5  Medikamente mit möglicher Auswirkung auf Narkose/Operation


(Forts.)
Substanzgruppe Präparate (Bsp.) Mögliche Maßnahmen 1
­Komplikationen

Antihypertensiva Adalat®, Nepresol®, Hypertonie Weitergeben


Presinol®, Catap­
resan®

Antikonvulsiva Tegretal®, Rivotril®, Vermehrte Krampf­ Weitergeben


Luminal® bereitschaft

Glukokortikoide Betnesol®, Akute Nebennieren­ Weitergeben,


oberhalb der ­Celestan® insuff. (Addison-Kri­ ggf. Dosis erhö­
­Cushing-Schwelle se) hen, i. v. Gabe
(= 30 mg Hydrokor­
tison)

Kontrazeptiva ▶ 16.4 Evtl. Minderung Weitergeben,


oder Aufhebung Low-Dose-Hepari­
der Wirkung durch nisierung, Aufklä­
narkosebedingte rung über fehlen­
Enzym­induktion in den Konzeptions­
der Leber schutz

1.5 Die Entlassung der Patientin


1.5.1 Die Entlassung
Folgende Probleme müssen geklärt sein:
• Transportart: Ist eine Fahrt mit Taxi oder öffentlichen Verkehrsmitteln
möglich und zumutbar (Alltagskleidung und Schuhe vorhanden)?
• Transportkosten: Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für Fahrten ein-
schließlich der Krankentransporte, wenn sie aus zwingenden medizinischen
Gründen notwendig sind (§ 60 Abs. 1 SGB V). Können die Selbstbeteiligun-
gen für den Transport (mind. 5, max. 10 Euro) aufgebracht werden oder lie-
gen die Voraussetzungen zur Befreiung vor?
• Zukünftige Fahrtüchtigkeit: Hat die Pat. einen Führerschein, muss der Arzt
sie auf eine neu eingetretene Fahruntüchtigkeit aufmerksam machen. Ist die
Pat. nicht einsichtig, ist der Arzt zur Meldung an das örtliche Straßenver-
kehrsamt berechtigt (nicht jedoch verpflichtet).
• Soziale Versorgung: Sind Angehörige, Nachbarn oder das (wieder-)aufneh-
mende Altenheim informiert? Evtl. – z. B. bei Tumorpat. – auch Hausarzt an-
rufen, um rechtzeitige Hausbesuche sicherzustellen.
• Selbstversorgung
– Hat die Pat. einen Hausschlüssel, um in die Wohnung zu gelangen?
– Hat die Pat. zu essen? Keine Entlassung z. B. von alleinstehenden Diabeti-
kerinnen am Samstagnachmittag!
– Hat die Pat. die lebenswichtigen Verhaltensregeln verstanden (z. B. Flüs-
sigkeitsrestriktion bei schwerer Herzinsuff., kaliumarme Diät bei dialyse-
pflichtiger Niereninsuff.)?
22 1  Tipps für die Stationsarbeit  

– Hat die Pat. Medikamente? „Tagesration“ bis zum Hausarztbesuch mit-


geben, ggf. Rezept an Angehörige aushändigen.
1
Evtl. Information des Krankenhaus-Sozialdienstes (z. B. AHB nach Tumor­
erkrankung).

1.5.2 Der gynäkologische Arztbrief

Absender (Briefkopf)
Anschrift
Testfrau, Kerstin, geb. 1.9.1962, Mühlenstr. 20, 79104 Freiburg

Sehr geehrte Frau Kollegin,


Sehr geehrter Herr Kollege,
wir berichten Ihnen über oben genannte Pat., die sich vom 3.9.2012 bis zum
7.9.2012 in unserer stationären Behandlung befand.
Diagnosen:
Therapieresistente Dauerblutung bei myohyperplastischem Uterus: ICD-10:
N92.1
Eisenmangelanämie: ICD-10: 50.0
Therapie:
Laparoskopische Hysterektomie LAH: ICPM: 5–683.03
Histologie: Hysterektomiepräparat mit unauffälliger Portio und Cervix uteri
sowie einem Uterus myomatosus nebst initial proliferierendem Endometrium.
Kein Anhalt für Malignität.
Labor bei Aufnahme: Hb 10,2 g/dl, Leukozyten 5,9  tsd/ml, Thrombozyten
343 tsd/l, übrige Routineparameter im Normbereich. Hb vom 5.9.2012: 10,1 g/dl.
Blutgruppe AB Rh pos.
Anamnese: Die 45-jährige Pat. wurde wegen einer therapieresistenten Dauer-
blutung mit Eisenmangelanämie zur Hysterektomie stationär eingewiesen. Die
Pat. hat zwei Kinder spontan geboren.
Aufnahmebefund: Bauchdecken weich, Vulva, Vagina und Portio unauffällig.
Palpatorisch ist der Uterus retroflektiert, gut faustgroß, mobil, Adnexregion
beidseits frei. Vaginalsonografisch retroflektierter Uterus 102 × 62 mm, unauf-
fällige Adnexe.
Verlauf: Nach den üblichen Vorbereitungen wurde am 4.9.2012 eine laparo­
skopische Hysterektomie komplikationslos durchgeführt. Der postop. Verlauf
war bis auf die bereits vorbestehende Anämie komplikationslos. Die Wundhei-
lung war regelrecht. Die Pat. erhielt eine orale Eisensubstitution.
Entlassbefund und Empfehlung: Spekulum: Scheidenstumpf reizlos. Palpato-
risch im kleinen Becken alles weich. Inzisionen reizlos. Vaginalsonografisch
Scheidenende reizlos, kein Hämatom, keine freie Flüssigkeit.
Wir entließen die Pat. am 7.9.2012 bei Wohlbefinden wieder nach Hause und
empfahlen ihr eine Wiedervorstellung bei Ihnen in etwa 4 Wochen.
Besten Dank für die freundliche Zuweisung der Pat.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Chefarzt Oberarzt Assistenzarzt
   1.5  Die Entlassung der Patientin  23

1.5.3 Der geburtshilfliche Arztbrief

Absender (Briefkopf) 1
Anschrift

Sehr geehrte Frau Kollegin,


Sehr geehrter Herr Kollege,
vielen Dank für die freundliche Einweisung Ihrer o. g. Pat., die sich vom
25.9.2012 bis zum 29.9.2012 in unserer stationären Behandlung befand.
Anamnese:
31 Jahre – II. Para – II. Grav. – mit 40 + 5 SSW
Blutgruppe: A Rh-pos., Rötelnschutz vorh.
Geburt:
Spontanentbindung am 26.9.2012 um 3:15  Uhr aus II. HHL. Damm intakt.
Anästhesie: keine. Nachgeburtsperiode: Plazenta vollständig
Entlassung:
Zeitgerechte Uterusinvolution – Fundusstand: N/4 – Portio formiert – Lochi-
alfluss: regelrecht
Mammae: laktierend. Labor: Hb 10,3 g/dl
Kind:
Jakob (m), Geburtsgewicht: 3.510 g, Länge: 53 cm, Kopfumfang: 35,0 cm, Apgar:
9/10/10, NapH: 7,32, NvpH: 7,30. Kind wurde voll gestillt, Entlassungsgewicht:
3.560 g; U2: keine Auffälligkeiten. Bili: 12,1 mg/dl. Erweitertes Stoffwechsel-
screening wurde durchgeführt, OAE-Screening (Hörscreening) unauffällig.
Eine gynäkologisch-fachärztliche Kontrolluntersuchung in 4–6 Wochen wur-
de empfohlen.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Chefarzt Oberarzt Assistenzarzt

1.5.4 Poststationäre Angebote
• Gemeindeschwester und ambulante Krankenpflegeeinrichtungen: besucht die
Pat. für Verbandswechsel, Insulinspritze, Stoma- oder Ulkuspflege. Kosten
werden bei medizinischer Notwendigkeit i. d. R. von den Krankenkassen
übernommen.
• Essen auf Rädern: bietet auch Diäten an (z. B. Diabetes-Diät, cholesterinarme
Diät).
• Heimkrankenpflege.
• Wohlfahrtsverbände (Diakon. Werk, Caritas, Malteser Hilfswerk, ASB u. a.)
bieten in „Pflegestationen“ Hilfsmittel an (verstellbares Bett, Toilettenstuhl,
Rollstuhl).
• Sozialpsychiatrischer Dienst übernimmt Nachsorge z. B. bei Drogenabhän-
gigkeit oder psychotischen Erkr. Kann bei Rückfall-, Suizidgefährdung oder
erneutem Psychoseschub die Klinikeinweisung veranlassen.
• Selbsthilfegruppen bieten der Pat. die Möglichkeit der Konfliktbearbeitung.
• Tumorzentren: „Brückenschwestern“ v. a. übernehmen z. B. die Heimkran-
kenpflege schwerst tumorkranker Pat., evtl. Aufnahme im Hospiz.
24 1  Tipps für die Stationsarbeit  

• Hebammenpflege: Von den Krankenkassen werden bis zu 16 Hausbesuche


durch eine Hebamme innerhalb der ersten 8 Wo. nach der Geburt erstattet.
1 Darüber hinaus sind weitere Besuche möglich, wenn eine entsprechende ärzt-
liche Bescheinigung über die Notwendigkeit vorliegt.
• Pflegeversicherung leistet je nach Einstufung der Pflegebedürftigkeit finanzi-
elle Zuschüsse. Vor Entlassung Kontakt mit Pflegekasse (meist Krankenkasse)
aufnehmen. Sozialmedizinischen Dienst des KHS rechtzeitig vor geplanter
Entlassung einschalten.

1.6 Sterben und Tod einer Patientin


1.6.1 Die sterbende Patientin

Der Tod einer Pat. darf nicht mit ärztlichem Versagen gleichgesetzt werden.

Liegt eine Pat. im Sterben, sollte der Arzt folgende Fragen prüfen:
• Können Sorgen der Pat. erleichtert werden (z. B. der Wunsch, ein Testament
zu schreiben, ihre Kinder noch einmal zu sehen, zu Hause zu sterben)?
• Ist die Pat. schmerzfrei?
• Können für die Pat. quälende Diagn. und Therapieformen (Bestrahlung, Che-
mother., parenterale Ernährung, Blutentnahmen) abgesetzt werden?
• Ist ggf. dafür gesorgt, dass keine Reanimation vorgenommen wird (Hinweis
an den diensthabenden Arzt, ggf. schriftliche Festlegung in der Krankenakte
oder am Bett)?
• Sind die Angehörigen und ggf. der Hausarzt informiert?
• Hat die Pat. noch Fragen, oder wünscht sie Beistand durch einen Seelsorger?
• Ist alles getan, dass die Pat. in Ruhe (Einzelzimmer) und würdevoll sterben kann?
Diagnosekriterien des klinischen Todes
• Pulslosigkeit, Atemstillstand, Bewusstlosigkeit, weite reaktionslose Pupil-
len.
• Sichere Todeszeichen: Totenflecken (nach 0–4 h, rotviolette Flecken v. a.
in abhängigen Körperpartien, die nach spätestens 24 h nicht mehr weg-
drückbar sind), Leichenstarre (nach 2–6 h, schreitet vom Kopf zur Peri-
pherie hin fort und löst sich nach 2–3 Tagen).

1.6.2 Totenbescheinigung (Leichenschauschein)
Landesrechtliches Dokument, das von dem Arzt ausgefüllt wird, der die Leichen-
schau (möglichst innerhalb von 24 h nach dem Tod) vornimmt. Es besteht meist
aus einem offenen Teil für amtliche Zwecke und einem vertraulichen mit medizi-
nischen Angaben zur Todesursache (Grundlage der amtlichen Todesursachensta-
tistik). Eingetragen werden müssen:
• Personalien der Toten, Todesfeststellung, Todeszeitpunkt.
• Todesart (erfordert Kenntnisse der Vorgeschichte):
   1.6  Sterben und Tod einer Patientin  25

! Bei übertragbarer Krankheit im Sinne des Infektionsschutzgesetzes Amts-


arzt im örtlichen Gesundheitsamt benachrichtigen.
! Bei unklarer Todesursache (z. B. unbekannte Pat.) oder Beteiligung von Ge- 1
walt, Verletzungen, Suizid, Alkohol, Vergiftung, Vernachlässigung, OP oder
Anästhesie (V. a. unnatürliche Todesursache) Staatsanwaltschaft informie-
ren.

Totenschein nur unterschreiben, wenn mind. ein sicheres Todeszeichen vor-


handen ist und eine Untersuchung am unbekleideten Körper möglich war!
Der Totenschein darf nicht durch den behandelnden Arzt ausgestellt werden.

1.6.3 Totgeburt
Ist ein Kind tot geboren oder unter der Geburt verstorben, muss dies spätestens
am folgenden Werktag dem Standesamt mitgeteilt werden (§ 24 Personenstands-
gesetz).
• Totgeburt: Unmittelbar p. p. hat weder das Herz geschlagen, noch die Nabel-
schnur pulsiert, noch die natürliche Lungenatmung eingesetzt, und das Ge-
wicht des Neugeborenen (NG) beträgt mind. 500 g. Es erfolgt eine standes-
amtliche Registrierung. Bis zu einem Gewicht von 1.000 g besteht nicht in al-
len Bundesländern Bestattungspflicht.
• Lebendgeburt: Hat sich auch nur eines der genannten Lebensmerkmale ge-
zeigt, gilt das Kind nicht als tot geboren, sondern als Lebendgeborenes, auch
wenn sein Gewicht unter 500 g liegt. Auch hier erfolgt die standesamtliche
Registrierung.
• Fehlgeburt: Wenn sich keines der genannten Lebensmerkmale gezeigt hat
und das Gewicht des Embryos oder Fetus unter 500 g liegt, besteht eine Fehl-
geburt. Sie wird in den Personenstandsbüchern nicht beurkundet. Eine Be-
stattung von Fehlgeburten ist in den meisten Bundesländern nicht vorgese-
hen, dennoch möglich (Bestattungsanspruch). Für die Bestattung reicht eine
formlose ärztliche Bescheinigung zur Vorlage beim Friedhofsamt, eine To-
desbescheinigung ist nicht erforderlich. Werden fehlgeborene Kinder nicht
bestattet, dann sind Kliniken verpflichtet, für die „hygienisch einwandfreie
und dem sittlichen Empfinden entsprechende Beseitigung“ zu sorgen (Besei-
tigungspflicht). Viele Kliniken organisieren hierzu anonyme Sammelbestat-
tungen.

Für tot geborene Kinder < 500 g sowie für Fehlgeburten besteht ein Bestat-
tungsrecht, ab einem Gewicht > 500 g bzw. 1.000 g sowie für alle Lebendge-
borenen besteht Bestattungspflicht. Die Bestattungskosten müssen die El-
tern tragen.

1.6.4 Obduktion
Eine Obduktion erfolgt i. d. R. nach Einwilligung der Angehörigen, evtl. auch nach
Ablauf einer 24-h-Frist, innerhalb der die Angehörigen Einspruch erheben kön-
nen. Näheres regelt der Krankenhausbehandlungsvertrag zwischen Pat. und
26 1  Tipps für die Stationsarbeit  

Krankenhausträger. Erzwingbar ist die Obduktion bei Seuchenverdacht (nach


amtsärztlichem Gutachten!) und vor einer Feuerbestattung, sofern die Todesursa-
che nicht anders geklärt werden kann. Die gerichtliche Sektion wird vom Staats-
1 anwalt beantragt.

Berufsgenossenschaften können zur Klärung eines Kausalzusammen-


hangs zwischen Arbeitsunfall und Tod eines Versicherten eine Obdukti-
on verlangen. Eine „versorgungsrechtlich“ begründete Obduktion kann
auch vom Stationsarzt im Einverständnis mit den Angehörigen angeord-
net werden, um die spätere Beweislage der Hinterbliebenen zu verbes-
sern.

1.7 Die Problempatientin
1.7.1 Alkoholabhängigkeit und Entzugsdelir

Alkoholiker ist, wer länger als 1 J. große Mengen Alkohol konsumiert, die
Kontrolle über den Alkoholkonsum verloren hat und dadurch körperlich,
psychisch und in seiner sozialen Stellung geschädigt ist.
Das Anerkennen der Diagn. durch die Pat. ist Voraussetzung für eine erfolg-
reiche Behandlung. Daher ist bei gesicherter Diagn. eine offene Aussprache
notwendig. Auch dem Arzt muss dabei klar sein: „Weniger trinken“ kann
nicht funktionieren!

Klinik
Alkoholfötor, verschlechterte Konzentrationsfähigkeit, Störung der motori-
schen Koordination, übersteigertes Selbstbewusstsein, verlangsamte Reaktions-
zeit, Amnesie. Periphere Gefäßerweiterung (gerötetes Gesicht), erhöhte Wär-
meabgabe, gehemmte Thermoregulation mit Folge der Unterkühlung. Erbre-
chen, Polyurie (gehemmte ADH-Sekretion). Hypoglykämie, Azidose. Bewusst-
losigkeit, Areflexie, Atemdepression, RR-Abfall. Cave: Auf Begleiterkr. (s. u.)
achten!

Initialtherapie
• Stabile Seitenlage, bei Bewusstlosigkeit Intubation und Beatmung.
• Schockbehandlung (▶ 3.5).
• Thiamin (Vit. B1) 100 mg/d i. v. vor Glukosegabe.
• Glukose 20 % 50 ml i. v. bei V. a. Hypoglykämie (häufig!).
• Glukose 5 % oder 10 % 500 ml i. v. bei Volumenmangel.
• Natriumbikarbonat 8,4 % (ml Lsg. = neg. BE × kg KG × 0,3) bei Azidose.
! An andere Komaursachen denken, z. B. Meningitis bei alkoholinduzierter
Abwehrschwäche, Drogenintoxikation, SHT, zerebrale Blutung, Apoplex,
thyreotoxische Krise, diabetisches Koma, akute oder chron. Leberinsuff.
   1.7  Die Problempatientin  27

Weiterbehandlung
Sedativa
Indikation  Unruhe und Angst. 1
Dosierung  Clorazepat 25–100 mg/d i. v. (z. B. Tranxilium®) oder Diazepam
2–6 × 10 mg i. v. (z. B. Valium®). Dosisanpassung nach Wirkung.

Bei schwerer Leberinsuff. kürzer wirksame Benzodiazepine (Lorazepam,


Oxazepam) anwenden.

Clonidin (z. B. Paracefan®)


Indikation  Vegetative Symptome (Tremor, Schwitzen, Tachykardie).
Dosierung  Beginn mit Bolusinjektion von 0,15–0,6 mg i. v. (z. B. 1–4 Amp. Para-
cefan®), in Einzelfällen bis zu 0,9 mg Clonidin innerhalb von 10–15 Min. Weiterbe-
handlung mit 0,3 bis über 4 mg/d Clonidin (durchschnittlich 1,8 mg/d Clonidin =
12 Amp. Paracefan® i. v.). Dosisanpassung nach Wirkung (RR, Bradykardie!).

• Nicht unterdosieren. In Extremfällen bis 10 mg/d Clonidin notwendig.


Therapie nicht zu früh und nicht abrupt beenden; über 3 Tage aus-
schleichen.
• Unter Clonidin (bradykarde) Herzrhythmusstörungen, v. a. bei
E’lytstörungen (Monitorüberwachung!) möglich.

Haloperidol
Indikation  Psychotische Symptome (Angst, Halluzinationen, Wahn).
Dosierung  5 mg langsam i. v. (z. B. 1 Amp. Haldol®), Dosisanpassung nach Wir-
kung, max. 40 mg/d.

Restriktive Anwendung; Kardiotoxizität durch Clonidin verstärkt → Rhyth-


musstörungen (Monitorüberwachung!).

Clomethiazol (Distraneurin®)
Dosierung  Initial 4–5  ×  1–2  Kps. (= 192–384 mg) Distraneurin® bzw. 4–6  ×
5–10 ml (= 157,5–315 mg) Distraneurin® Mixtur tägl. oder Distraneurin® 0,8 %
500–1.500 ml/d i. v. Intensivüberwachung obligat.
Nebenwirkungen  Atemdepression, Bronchospasmus, gesteigerte Bronchialse-
kretion (evtl. Atropin 1–2 × 0,25 mg/d).
Kontraindikationen  Pneumonie, Thoraxverletzung, respiratorische Insuff.

Vermeidbare Fehler
• Alkoholgabe ist obsolet.
• Fehlende Überwachung einer desorientierten Pat.
• Distraneurinüberdosierung. Erschwerte Verlaufsbeobachtung durch zu
hohe Dosierung.
28 1  Tipps für die Stationsarbeit  

Alkoholassoziierte Erkrankungen
• GIT: chron. Gastroduodenitis, chron. rezid. Pankreatitis, Alkoholhepatitis
1 • (Fieber, Ikterus, Erbrechen), Fettleber, Leberzirrhose.
ZNS: hirnorganisches Psychosy., akute Psychose, Korsakow-Sy. (Störung des
Kurzzeitgedächtnisses, Desorientiertheit, Konfabulation), Wernicke-Enzepha-
lopathie (zerebelläre Ataxie, Augenmuskellähmung, Areflexie, Bewusstseins-
störungen), zerebrale Krampfanfälle (v. a. im Alkoholentzug), Polyneuropathie.
• Blut: makrozytäre Anämie (MCV oft > 100 nl). γ-GT ist bei chron. Alkohol­
abusus meist erhöht → empfindlichster Laborparameter!
• Herz: oft dilatative Kardiomyopathie, Arrhythmien.
• Stoffwechsel: Diab. mell., Neigung zu Hypoglykämien.
Alkoholentzugsdelir
• Prädelir: dauert Tage bis Wochen. Pat. zeitlich und örtlich meist orientiert,
keine illusionären Verkennungen, Tremor der Hände v. a. morgens, quälende
Unruhe, zunehmende Reizbarkeit, Schweißausbrüche, Erbrechen (Gastritis).
• Delir: dauert Tage; Beginn akut, meist nachts:
– Psychotische Symptome: örtliche und zeitliche Desorientierung, szenen-
hafte visuelle Halluzinationen („kleine Tiere“), hochgradige psychomoto-
rische Unruhe, nestelnde, fahrige Bewegungen, grobschlägiger Tremor,
Schlaflosigkeit, erhaltene autopsychische Orientiertheit, Mischung von
Angst und Euphorie.
– Körperlicher Befund: Körpertemperatur ↑, profuse Schweißausbrüche,
Exsikkose, Erbrechen, Diarrhö, Tachypnoe, Tachykardie, Hypotonie, epi-
leptiforme Anfälle mit Zungenbiss, Ataxie, Gleichgewichtsstörungen.

1.7.2 Die suizidgefährdete Patientin

Jährlich ca. 12.000 Selbsttötungen und über 100.000 Suizidversuche in


Deutschland. 90 % aller Pat., die sich das Leben nehmen, sind psychisch
krank.
• Mehr als 2⁄3 davon sind depressiv (v. a. „endogen“, seltener reaktiv), 40 %
von ihnen haben vorher bereits suizidales Verhalten gezeigt.
• 15 % sind Alkoholiker und Drogenabhängige.
• 15 % verteilen sich auf andere Psychosen (Schizophrene, [früh-]demente
Pat. und andere hirnorganisch Kranke).
• Weitere Gründe sind Alter, Vereinsamung und chron. Krankheiten.
Diagnostik  Schwerpunkt für das Erkennen einer vermuteten, aber nicht geäu-
ßerten Suizidalität liegt auf der Beurteilung der Depressivität der Pat. Fragen nach
Schlafstörungen, Abendhoch/Morgentief, Konzentrationsverlust, Libidoverlust,
Appetit- und Gewichtsverlust sowie Anhedonie („Das Leben macht keinen echten
Spaß mehr“). Im Zweifelsfall Psychiater hinzuziehen.
Therapieansätze 
• Suizidalität ansprechen!
• Nie die Pat. nach einem ersten Gespräch „ins Leere“ entlassen, sondern wei-
tere Termine fest vereinbaren und für Pat. erreichbar bleiben.
   1.8  Meldepflichtige Infektionskrankheiten  29

• Medikamentöse Akutther. initial z. B. mit vorwiegend sedierendem Neuro-


leptikum (Neurocil®, Atosil®). Weitere Ther. durch Psychiater.
• Nach Möglichkeit statt Rezept Tabletten in kleinen Mengen mitgeben. 1
• Einweisung bzw. Überweisung zur psychiatrisch-stationären Behandlung bei
akuter psychotischer Selbsttötungsgefährdung.
• Zwangseinweisung, jedoch wenn irgend möglich, keine Entscheidungen
„übers Knie brechen“.
! Aus rechtlichen Gründen empfiehlt sich eine sorgfältige Dokumentation der
durchgeführten diagn. und ther. Maßnahmen.

1.7.3 Die verwirrte Patientin


Ursachen 
• Plötzliche Änderung der Umgebung (Krankenhauseinweisung!).
• Medikamentenüberdosierung (z. B. Benzodiazepine oder Neuroleptika).
• Medikamentenabusus (z. B. Lexotanil®, Tavor®, Rohypnol®).
• Durchgangssy. nach OP, Suizidversuch, E‘lyt-Entgleisung.
• Exsikkose, Fieber, Herzinsuff., Hypoglykämie, Meningoenzephalitis. Aus-
führliche DD von Präkoma und Koma ▶ 3.6.
Vorgehen 
• Psychiatrische Basisuntersuchung: Orientierung zu Ort, Raum und Zeit,
Kurzzeitgedächtnis, „Lebensgefühl“, Wünsche an Gegenwart und Zukunft.
• Körperliche Untersuchung: Exsikkose, Tremor, Nackensteifigkeit.
• Diagn.: Anämie, Leukozytose, Hyponatriämie, ggf. TSH basal, bei rascher
Progredienz CCT (z. B. subdurales Hämatom, Tumor).
• Gespräch mit Angehörigen und Hausarzt: Hat sich die Pat. verändert? Be-
steht Medikamenten- und/oder Alkoholabusus?
• Absetzen offenbar ungeeigneter Neuroleptika und Hypnotika.
• Sedierung: Nur wenn unbedingt nötig – besser ist oft die vorsichtige Regulie-
rung des Tag-Nacht-Rhythmus durch niedrig dosierte Neuroleptika abends
und Aktivierung am Tag – im Akutkrankenhaus am besten durch Kranken-
gymnastik (stärkt zudem das Selbstwertgefühl der Pat.).

Bei postoperativem Durchgangssyndrom


Haloperidol 2,5 mg i. v. oder i. m. (z. B. Haldol®), Diazepam 5 mg i. v. oder
i. m. (z. B. Valium®), Lorazepam 1 mg s. l. (Tavor® 1,0 Expidet).

1.8 Meldepflichtige Infektionskrankheiten
1.8.1 Deutschland
Die aktuellen Vorgaben für die Meldepflicht können beim Robert Koch-Institut
(www.rki.de) abgefragt werden. Oft meldet bereits das Labor.
30 1  Tipps für die Stationsarbeit  

1.8.2 Österreich

1 Meldung binnen 24 Stunden!

Nach dem Epidemiegesetz 


• Erkr., Sterbefälle an: Bang-Krankheit, Diphtherie, virusbedingten Menin-
goenzephalitiden, invasiven bakteriellen Erkr., Meningitiden und Sepsis,
Keuchhusten, Legionärskrankheit, Malaria, Röteln, Scharlach, Rückfallfieber,
Trachom, Trichinose, Tuberkulose, hervorgerufen durch Mycobacterium bo-
vis.
• Verdachtsfälle, Erkr., Sterbefälle an: Cholera, Gelbfieber, virusbedingtem hä-
morrhagischem Fieber, infektiösen Hepatitiden, Inf. mit dem Influenzavirus
A/H5N1 oder einem anderen Vogelgrippevirus, Poliomyelitis, bakterieller
und viraler Lebensmittelvergiftung, Lepra, Leptospiren-Erkr., Masern, Milz-
brand, Psittakose, Paratyphus, Pest, Pocken, Rickettsiose durch R. prowazekii,
Rotz, übertragbarer Ruhr (Amöbenruhr), SARS (schweres akutes respiratori-
sches Syndrom), Tularämie, Typhus (Abdominaltyphus), Puerperalfieber und
Wutkrankheit (Lyssa) sowie Bissverletzungen durch wutkranke oder -ver-
dächtige Tiere, Hundebandwurm (Echinococcus granulosus) und Fuchs-
bandwurm (Echinococcus multilocularis).
• Todesfälle durch subakute spongiforme Enzephalopathien.
Nach dem Tuberkulosegesetz  Jede Erkr. und jeder Todesfall an Tuberkulose
(hervorgerufen durch Mycobacterium tuberculosis), die ärztlicher Behandlung
oder Überwachung bedarf.
Nach dem AIDS-Gesetz  Jede manifeste AIDS-Erkr. (Nachweis einer HIV-Inf.
und zumindest einer Indikatorerkr.) und jeder Todesfall (auch wenn bereits eine
Meldung über den vorausgegangenen Krankheitsfall erfolgt ist).
Nach dem Geschlechtskrankheitengesetz 
• Tripper.
• Syphilis.
• Weicher Schanker.
• Lymphogranuloma inguinale.

1.8.3 Schweiz
Meldepflicht für Ärzte 
• Innerhalb von 1 Tag: Anthrax, Pocken, Diphtherie, SARS, Epiglottitis, Tular-
ämie, Meningokokkenerkr., hämorrhagisches Fieber, Botulismus, Gelbfieber,
Poliomyelitis, Tollwut.
• Innerhalb von 1 Woche: AIDS, Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, Malaria, Ma-
sern.
Meldepflicht für Labors 
• Innerhalb von 1 Tag: Bacillus anthracis, Clostridium botulinum, Corynebac-
terium diphtheriae, Francisella tularensis, Haemophilus influenzae, hämor-
rhagische Fieberviren.
• Innerhalb von 1 Wo.: Campylobacter, Mycobacterium tuberculosis, Chlamy-
dia trachomatis, Neisseria gonorrhoeae, enterohämorrhagische E. coli, Plas-
   1.9  Multiresistente Erreger (MRE)  31

modien, Hepatitis-A-, -B-, -C-Viren, Prionen, HIV, Salmonella, Influenzavi-


rus, Shigella, Legionella, Streptococcus pneumoniae, Listeria monocytogenes,
Zeckenenzephalitisvirus, Masernvirus.
1
1.9 Multiresistente Erreger (MRE)
• ESBL-bildende Erreger (Extended-Spectrum β-Lactamasen): Im Unter-
schied zum grampos. MRSA handelt es sich dabei um gramneg. Keime, die
im menschlichen Darm als Normalflora (Enterobakterien) angesiedelt sind.
Kontaminationen beim Umgang mit Fäkalien sind am wahrscheinlichsten.
Dabei können die Keime, insb. bei bettlägerigen Pat., auch an anderen (Kör-
per-)Stellen persistieren. Übertragung überwiegend über kontaminierte Hän-
de des medizinischen Personals oder von Flächen in der Umgebung des Pat.
Präventiv Kittelpflege und konsequente Händedesinfektion.
• VRE (vancomycinresistente Enterokokken): Inf. mit VRE können einen
schweren Verlauf nehmen, da sie nur mit wenigen Reserveantibiotika behan-
delt werden können. Durch Screeninguntersuchungen, konsequente Hygiene-
und Isolierungsmaßnahmen soll die Weiterverbreitung verhindert werden.
• Multiresistenter Staphylococcus aureus (MRSA): Frühere Bezeichnung: me-
thicillinresistenter S. aureus, nach einem nicht mehr verwendeten Antibioti-
kum, bei dem die Resistenz in den 1960er-Jahren erstmals auftrat. Staph. aur.
ist Bestandteil der Hautflora, beim Menschen sind meist vordere Nase und
Leistenregion besiedelt. In Krankenhäusern werden zunehmend methicillin-
resistente Erreger (MRSA in Deutschland in 20–25 %, Tendenz steigend, in
Südeuropa in > 50 %!) nachgewiesen.
• cMRSA (community acquired methicillin resistant staphylococcus aureus):
Unabhängig von einer Krankenhausbehandlung auftretende Erreger. Bei den
Pat. fehlen die üblicherweise bekannten Risikofaktoren wie z. B. vorheriger
Krankenhausaufenthalt oder vorliegende Behandlung mit Antibiotika.

MRSA
Aufgrund der besonderen klinischen und epidemiologischen Relevanz müssen
entsprechende Daten monatlich gesondert erfasst werden → eindeutige Zuord-
nung der Zahl der betroffenen Pat. pro Einrichtungseinheit (z. B. Station). Ne-
ben dem unkritischen Einsatz von Antibiotika gelten insuffiziente prophylak-
tische Hygienemaßnahmen und unzureichende Schulung des medizinischen
Personals mit als Grund für den starken Anstieg der MRE-Besiedlung in Kran-
kenhäusern sowie in Alten- und Pflegeheimen. MRE-Inf. verlängern die Ver-
weildauer von Pat. und erhöhen deren Morbidität und Mortalität (ca.
19.000 Todesfälle in den USA jährlich). Ab dem 1.1.2011 gilt z. B. in Baden-
Württemberg eine neue Hygieneverordnung für Kliniken, Vorsorge- und Re-
habilitationseinrichtungen, um die Anzahl der Klinikinf. einzudämmen und
um eine landeseinheitliche Grundlage für die Infektionsprävention zu schaf-
fen.

Eigenschaften 
• Im Vergleich zu anderen Bakterienarten unempfindlich gegen Austrocknung,
können auf trockenen Oberflächen/Gegenständen lange überleben.
32 1  Tipps für die Stationsarbeit  

• Produziert ein verändertes penicillinbindendes Protein, dadurch Resistenz ge-


genüber allen Betalaktamen (Penicilline, Cephalosporine und Carbapeneme).
1 Risikofaktoren 
• Intravasale Katheter (ZVK, Arterie, Dialyse-Shunt).
• Wunddrainagen.
• Wundflächen (postop., Verbrennungen).
• Chron. Hautläsionen (Ulcus cruris, Dekubitus).
Die Übertragung erfolgt v. a. über die Hände.

Klinik 
• Wichtigster Erreger nosokomialer Inf.: schwere Wundinf., Pneumonien und
Septitiden.
• Zunehmend ambulant erworbene sog. cMRSA: multiple Hautabszesse, ne­
krotisierende Pneumonie, nekrotisierende Fasziitis.
Diagnostik 
• Erregernachweis z. B. im Trachealsekret, Wundabstrich, Katheterspitze.
• Nachweis bei Personal zunächst im Nasenabstrich; ist dieser pos., Hautab-
klatsch. Ist auch dieser pos. → kein Pat.-Kontakt, Sanierung. Wird MSSA
(methicillinsensibler Staph. aur.) nachgewiesen (10–20 % der Bevölkerung),
keine Ther. notwendig.
Das Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt Screeningabstriche:
• Bei Pat. mit chron. Pflegebedürftigkeit, liegenden Kathetern, chron. Wunden
etc.
• Beim Krankenhauspersonal bei gehäuftem Nachweis von MRSA bei mehr als
zwei Pat. bei räumlichem und zeitlichem Zusammenhang und bei nachgewie-
sener klonaler Identität des MRSA.
Therapie 
• Kolonisation: MRSA-Nachweis ohne Inf. → Isolierung, keine Antibiose, Ver-
such der Sanierung mit lokalen Desinfizienzien, z. B. Waschen mit Chlorhe-
xidinseife, Gurgeln (Chlorhexidin). Mupirocin intranasal (z. B. Turixin®-
Salbe).
• Isolierung: im Einzelzimmer oder Kohortenisolierung; Schutzkittel, Hand-
schuhe und eine chirurgische Maske bei allen Tätigkeiten am Pat. Besucher
benötigen routinemäßig keine Schutzkittel (sorgfältige Händedesinfektion ist
i. d. R. ausreichend: vor und nach dem Pat.-Kontakt und nach Verlassen des
Pat.-Zimmers). Pflegeutensilien patientenbezogen einsetzen, im Zimmer be-
lassen. Andere Kliniken oder Pflegeheime informieren (z. B. vor Verlegung).
Pat. möglichst nicht transportieren. Alle Kontaktpersonen (möglichst wenige,
aber Pat. nicht zusätzlich sozial isolieren!), auch Reinigungsdienst, Kranken-
gymnasten, Angehörige informieren und aufklären! Entsorgung von Abfällen
und Wäsche im Zimmer oder in der Schleuse in Spezialbehältern. Bei Verle-
gung oder Entlassung Scheuerwisch-Desinfektion.
• Infektion: antibakterielle Ther. Reserveantibiotika wie Vancomycin und
Daptomycin, Tigecyclin oder Quinupristin/Dalfopristin (auch gegen vanco-
mycinresistente Staph. aur. wirksam). Tigecyclin und Daptomycin gelten ne-
ben Vancomycin als Mittel der Wahl.
   1.10  Prophylaxe nach beruflicher HIV- oder Hepatitis-Exposition  33

• Wegen hoher Persistenz von MRSA ist ein früher MRSA-pos. Pat. bei
Wiederaufnahme bis zum Beweis des Gegenteils weiterhin als koloni-
siert anzusehen. 1
• Keine Antibiose bei bloßer Kolonisation ohne Inf., eine Sanierung ist
fast nie zu erreichen.
• Regelmäßige Schulung des Personals.

1.10 Prophylaxe nach beruflicher HIV- oder


Hepatitis-Exposition
Das Übertragungsrisiko einer HIV-Inf. liegt nach perkutaner Exposition gegen
Blut von HIV-Infizierten statistisch bei ca. 0,3–0,4 %, bei Schleimhautexposition
und Exposition entzündlich veränderter Hautpartien deutlich unter 0,1 %. Das
Infektionsrisiko kann in begründeten Fällen durch den Einsatz einer medikamen-
tösen Postexpositionsprophylaxe (PEP) um etwa 80 % reduziert werden. Ange-
sichts des NW-Risikos ist diese nur bei deutlichem HIV-Übertragungsrisiko ge-
rechtfertigt.

1.10.1 Vorgehen nach HIV-Exposition


• Nach Nadelstich- oder Schnittverletzung ≥ 1 Min. bluten lassen, möglichst
rasche Reinigung der Wunde mit viel Wasser und Seife, anschließend Desin-
fektion mit einem viruswirksamen Hautdesinfektionsmittel ≥ 10 Min.
• Inspektion der Wunde auf Verletzungstiefe und Eröffnung von Blutgefäßen
(ggf. kurzer Druck auf die Umgebung der Wunde).
• Bei Kontamination von Schleimhäuten oder entzündlich veränderten Haut­
arealen rasche, gründliche Spülung mit viel Wasser.
• Kontamination des Auges: unverzüglich reichliches Ausspülen des Auges mit
Ringer-, Kochsalzlösung oder Wasser.
• Bei Kontamination der Mundschleimhaut nach Ausspeien 5× Spülung mit ei-
ner bis 80-prozentigen alkoholischen Lösung, notfalls mit Leitungswasser.
• Inspektion des Instruments, das die Verletzung verursacht hat, auf sichtbare
äußere Kontamination mit Blut.
• Durch Arzt abklären lassen, ob tatsächlich eine HIV-Exposition vorliegt, eine
medikamentöse PEP erforderlich ist und das Risiko einer Hepatitis-B-Virus-
Exposition besteht.
• Bei Entscheidung für eine medikamentöse PEP schnellstmögliche Einnahme
der 1. Dosis, ab der 2. Dosis von Indinavir 1 h vor und 2 h nach Einnahme
keine fett- und proteinreichen Mahlzeiten.
• Bei Ungeimpften Einleitung einer aktiven und passiven Hepatitis-B-Immuni-
sierung.
• Umgehende Meldung beim D-Arzt und Dokumentation als Arbeitsunfall.
• Überprüfung des Infektionsstatus (HIV, HBV, HCV) sofort, nach 6 Wo.,
nach 3 und 6 Mon.
• Formlose schriftliche oder telefonische Meldung an das RKI.
34 1  Tipps für die Stationsarbeit  

Tab. 1.6  Empfehlungen zur PEP – berufliche Exposition


Perkutane Verletzung mit Injektionsnadel oder anderer Hohl­ Empfehlen
1 raumnadel (Körperflüssigkeit mit hoher Viruskonz.: Blut, Liquor,
Punktat, Organmaterial, Viruskultur)

Tiefe Verletzung (z. B. Schnittverletzung), sichtbares Blut Dringend emp-


fehlen

Nadel nach i. v. Injektion Dringend emp-


fehlen

Oberflächliche Verletzung (z. B. mit chirurgischer Nadel) Anbieten

Ausnahme, falls Indexpat. AIDS oder eine hohe HI-Viruskonz. hat Empfehlen

Kontakt von Schleimhaut oder verletzter/geschädigter Haut mit Anbieten


Flüssigkeiten bei hoher Viruskonz.

Perkutaner Kontakt mit anderen Körperflüssigkeiten als Blut Nicht empfehlen


(wie Urin oder Speichel)

Kontakt von intakter Haut mit Blut (auch bei hoher Viruskonz.) Nicht empfehlen

Haut- oder Schleimhautkontakt mit Körperflüssigkeiten wie Urin Nicht empfehlen


und Speichel

Standardprophylaxe
• Medikamente:
– Truvada® (Viread®, Tenofovir 300 mg + Emtriva®, Emtricitabin
200 mg) oder
– Combivir® (Retrovir®, AZT 2 × 300 mg + Epivir®, Lamivudin 2 ×
150 mg) und
– Kaletra Tbl.® (Lopinavir/r, 2 × 400/100 mg) oder
– Sustiva® (Efavirenz 600 mg).
• Vorgehensweise:
– Beginn der HIV-Prophylaxe möglichst schnell.
– Dauer der HIV-Prophylaxe 4 Wo.
– Die besten Ergebnisse sind bei einem Prophylaxebeginn innerhalb von
24 h, besser noch innerhalb von 2 h zu erwarten. Liegen bereits mehr
als 72 h zwischen der Exposition und dem möglichen Prophylaxebe-
ginn, so kann nach derzeitigem Kenntnisstand eine Prophylaxe nicht
mehr empfohlen werden

1.10.2 Vorgehen nach HBV-Exposition


Unter den durch Blut übertragbaren Infektionserregern nimmt das Hepatitis-B-
Virus (HBV) eine Sonderstellung ein, da – je nach Konz. des Erregers – eine ex­
trem hohe Übertragungswahrscheinlichkeit von bis zu 100 % besteht.

Aktiv gegen Hepatitis B geimpfte Personen


Ist die exponierte Person vollständig und erfolgreich aktiv gegen Hepatitis B ge-
impft (d. h. Anti-HBs nach der Grundimmunisierung bzw. der letzten Booster-
   1.11  Abrechnungsmodalitäten  35

Impfung > 100 IE/l) und die letzte Impfung weniger als 10 J. zurückliegt, keine
spezielle Maßnahmen erforderlich.
Falls die erfolgreiche Grundimmunisierung mehr als 10 J. zurückliegt, sind eben-
falls keine speziellen Maßnahmen bzgl. Hepatitis B erforderlich, wenn:
1
a. ein aktueller Anti-HBs-Titer von > 100 IE/l vorliegt oder
b. bei der letzten betriebsärztlichen Untersuchung (die nicht länger als 3 J.
zurückliegt) ein ausreichender Schutz gegen Hepatitis B festgestellt wurde.
Wenn weder a) noch b) zutrifft, sofortige Bestimmung des Anti-HBs-Titers. Wei-
teres Vorgehen je nach aktuellem Anti-HBs-Titer: bei Anti-HBs-Titer > 100 IE/l
keine speziellen Maßnahmen bzgl. Hepatitis B erforderlich, bei Anti-HBs-Titern
< 100 IE/l Booster-Impfung mit Aktiv-Impfstoff.

Nicht gegen Hepatitis B geimpfte Personen


Bei nicht Geimpften und beispielsweise einer Nadelstichverletzung mit Blut eines
Hepatitis B-Infizierten wird die Simultanimpfung durch Gabe von Hepatitis-B-
Immunglobulin (passive Immunisierung) zusammen mit einer aktiven HBV-
Impfung empfohlen.

1.10.3 Hepatitis C
Gegen Hepatitis C gibt es keine Impfung. Der Betroffene sollte jeweils 2–4, 12
und 24  Wo. nach Exposition untersucht werden (Serostatus bzw. HCV-RNA-
Test). Bei Nachweis einer akuten Inf. sollte bei Anstieg der Transaminasen und
bei Nachweis von Anti-HCV-Ak eine Interferon-Monother. zur Vermeidung ei-
ner Chronifizierung eingeleitet werden.

1.11 Abrechnungsmodalitäten
1.11.1 Wichtigste gynäkologisch-geburtshilfliche ICD-10-Ziffern

Tab. 1.7  Wichtigste gynäkologisch-geburtshilfliche ICD-10-Ziffern


Mamma

Abszess N61

Akzessorischer Drüsenkörper (axillär) Q83.1

Agalaktie O92.3

Diffus zystische Mastopathie N64.9

Fibroadenose N60.2

Fibroadenom D24

Fissur der Brustwarze N64.0


• Im Wochenbett O92.1

Galaktorrhö O92.6

Galaktorrhö (ohne Wochenbett) N64.3

Gutartige Dysplasie N60.3


36 1  Tipps für die Stationsarbeit  

Tab. 1.7  Wichtigste gynäkologisch-geburtshilfliche ICD-10-Ziffern (Forts.)


Mamma
1
Gutartige Neubildung D24

Gynäkomastie N62

Hypertrophie der Brustdrüse N62

Suspekter Mammabefund N64.9

Suspekter Mammografiebefund (z. B. Mikrokalk) R92

Mammahypoplasie Q83.8

Mammakarzinom C50.9
• In situ: DCIS (duktales Karzinom in situ) D05.1
• In situ: CLIS (lobuläres Karzinom in situ) D05.9

Thoraxwandrezidiv C79.88

Mastitis N61
• Puerperalis O91.20

Mastodynie N64.4

Mastopathie N64.9

Metastasen C79.8
• Gehirn C79.3
• Knochen C79.5
• Leber C78.7
• Lymphknoten C77
• Lunge C78.0
• Pleurakarzinose C78.2
• Peritonealkarzinose C78.6

Multiple Milchgangpapillome C80

Milchstau O92.7

Neubildung unbekannten Charakters D48.6

Solitärzyste der Brustdrüse N60.0

Uterus

Suspekter Genitalbefund R87.6

Adenomyosis uteri int. N80.0

Deszensus/Prolaps, n. n. bez. N81.8

Descensus vag. (ohne Uterus) N81.1

Descensus uteri et vaginae N81.4

Totalprolaps N81.3

Redeszensus N99.3

Enterozele N81.5
   1.11  Abrechnungsmodalitäten  37

Tab. 1.7  Wichtigste gynäkologisch-geburtshilfliche ICD-10-Ziffern (Forts.)


Uterus
1
Endometriose des Uterus N80.0

Fremdkörper im Uterus T19.3

Harninkontinenz N39.3
• Stress N39.42
• Drang
Harnverhalt R33

Lageanomalie des Uterus N85.4

Myom D21.9

Myohyperplastisch vergrößerter Uterus N85.2

Sonstige Affektion des Uterus N85.9

Stuhlinkontinenz R15

Submuköses Myom in statu nascendi D21.9

Uterus myomatosus D25.9

Corpus uteri

Endometritis
• N. n. bez. N71.9
• Chron. N71.1
• Akut N71.0
• Endometritis puerperalis O85

Endomyometritis N71.9

Suspekter Endometriumbefund N85.9

Endometrium-Ca C54.1
• In situ D07.0

Uterussarkom des Endometriums C54.1

Uterussarkom des Myometriums C55

Hämatometra N85.7

Lochiometra O90.8

Pyometra N71.9

Pyometra im Wochenbett O85

Hyperplasie, adenomatöse N85.1

Hyperplasie, glandulär-zystische N85.0

Korpus-Ca N84.8

Korpuspolyp N84.0

Myometritis N71.9
38 1  Tipps für die Stationsarbeit  

Tab. 1.7  Wichtigste gynäkologisch-geburtshilfliche ICD-10-Ziffern (Forts.)


Corpus uteri
1
Synechie N85.6

Uterus myomatosus D25.9


• Intramural D25.1
• Submukös D25.9
• Subserös D25.2

Cervix uteri

Ca in situ D06.

Dysplasie N87.9

Ektopie N88.9

Leukoplakie N88.0

Striktur/Stenose N88.2

Suspekter zytologischer Abstrich N87.9

Zervix-(Kollum-)Ca C53.0
• In situ D06.

Zervixverschlussinsuffizienz O34.9

Zervizitis
• Akut, chron., nicht venerisch N72
• Senil, atroph N72
• Gonokokken N54.0
• Chlamydien A56.0
• Herpes A60.0
• Trichomonaden A59.0

Zervixpolyp N84.1

Vulva und Vagina

Abszess der Bartholini-Drüse N75.1

Atrophe Kolpitis N95.2

Atrophie der Vulva N90.5

Bartholini-Zyste N75.0

Dystrophie der Vulva, Craurosis vulvae N90.4

Endometriose der Vagina N80.4

Fisteln der Harn- u. Geschlechtsorgane N82.9


• Vesikoureterovaginal N82.1
• Vesikovaginal N82.0
• Vesikorektal N32.1
• Rektovaginalfistel N82.3

Fremdkörper (Vulva/Vagina) T19.2

Hymenalatresie Q52.3
   1.11  Abrechnungsmodalitäten  39

Tab. 1.7  Wichtigste gynäkologisch-geburtshilfliche ICD-10-Ziffern (Forts.)


Vulva und Vagina
1
Hymenalfehlbildung Q52.4

Kolpitis
• Akut N76.0
• Chron. N76.1
• Candida B37.3
• Chlamydien A56.0
• Herpes A60.0
• Trichomonaden A59.0

Kondylom A63.0

Nicht entzündliche Affektionen der Zervix N88.9

Nicht entzündliche Vulvaerkr. N90.9

Sonstige Abszesse der Vulva N76.4

Soormykose der Vagina B37.3

Vaginal-Ca C52
• In situ D07.2

Vaginalpolyp N84.2

Vulva-Ca C51.9
• In situ D07.1

Vulvatumor D39.7

Vulvazyste N90.7

Vulvitis N76.2
• Condylomata ac. A63.0
• Kandidose B37.3
• Trichomonaden A59.0

Vulvovaginale Candidiasis N77.1

Vulvovaginitis (akut) N76.0

Adnexe

Abgeschlossene Familienplanung Z30.2

Akute Adnexitis/Salpingitis N70.0

Chron. Adnexitis/Salpingitis N70.1

Endometriose N80.9

Endometriose der Tube N80.2

Endometriose des Ovars N80.1

Neubildung unbekannten Charakters D39.1

Nicht entzündliche Affektion Tube/Ovar N83.9


40 1  Tipps für die Stationsarbeit  

Tab. 1.7  Wichtigste gynäkologisch-geburtshilfliche ICD-10-Ziffern (Forts.)


Adnexe
1
Ovarial-Ca C56
• In situ D07.3

Ovarialzyste (benigne) N83.2

Zystadenom D36.9

Pyovar N70.9

Sterilität N97.9

Stieldrehung des Ovars N83.5

Tubenkarzinom C57.0
• In situ D07.3

Tuboovarialabszess N70.9

Verwachsungen (Adhäsionen)
• Bei Frauen im Becken N73.6
• Nach med. Maßnahmen bzw. postop. in Becken, Peritoneum N99.4
• Peritoneum, Darm K66.0
• Periovariell, tuboovariell N73.6
• Uterus (zur Beckenwand) N73.6
• Uterus (im Inneren) N85.6
• Zervix N88.1

Sterilisationswunsch Z30.2

Fehlgeburt

Abortus imminens O20.0

Abortus incompletus/completus O06.4/O06.9

Abortus spontaneus O03.-

Blasenmole O01.9

Extrauteringrav. O00.9

Habitueller Abort N96


• Mit Komplikationen O04.8

Interruptio O04.-

Missed Abortion O02.1

Komplikation
• Nach Abort O06.8
• Im Anschluss an A. imminens O03.-

Tubarabort O00.1

Risikograv. Z35.–
   1.11  Abrechnungsmodalitäten  41

Tab. 1.7  Wichtigste gynäkologisch-geburtshilfliche ICD-10-Ziffern (Forts.)


Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett
1
Amnioninfektionsyndrom O41.1

Anämie (Fe-Mangel) D50.9

Asphyxie, intrauterin P20.9

Asphyxie, intrauterin bei Wehen P20.1

Beckenendlage
• Als KO O32.1
• Als Hindernis O64.1

Beckenanomalie bei Gravidität O33.0

Beckenringlockerung M53.28

Blutung ante partum O46.8

Dammriss I. Grades O70.0

Dammriss II. Grades O70.1

Dammriss III. Grades O70.2

Dammriss IV. Grades O70.3

Dammriss n. n. bez. O70.9

Diabetes in grav.
• Vor Grav. bestehend O24.3
• Gestationsbedingt O24.4

Entbindung, normale O80.9

EPH-Gestose O14.9
• Albuminurie O12.1
• Mit Hypertonus (= Präeklampsie) O14.9
• Mit Ödem O12.2

Extrauteringrav. O00.9
• Tubar O00.1
• Abdominell O00.0
• Ovariell O00.2

Frühgeburt (< 37. SSW) P07.3

Geburtsstillstand O75.9

HELLP-Syndrom O14.2

Hyperemesis O21.1
• Schwer O21.0
• Leicht
Hirnblutung des NG P52.9

Icterus neonatorum P59.9


42 1  Tipps für die Stationsarbeit  

Tab. 1.7  Wichtigste gynäkologisch-geburtshilfliche ICD-10-Ziffern (Forts.)


Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett
1
Infektionen der Mutter O86.4
Röteln O98.5

Kreislauflabilität in der Schwangerschaft O99.4

Lageanomalie des Feten

Beckenendlage
• Als KO O64.1
• Entbindung aus O83.1

Querlage
• Als KO O32.2
• Als Hindernis O64.8

Gesichts-/Stirnlage
• Als KO O32.3
• Als Geburtshindernis O64.3

Lochiometra/Lochialstau O90.8

Mechanisch behinderte Geburt


• Durch Lage-, Haltungs-, Einstellungsanomalie des Feten O64.9
• Durch knöcherne Anomalie des Beckens O65.9

Mehrlingsgrav. O30.9
• Zwillingsschwangerschaft O30.0
• Drillingsschwangerschaft O30.1

Missverhältnis (zwischen Becken und Fetus) O33.9


• Als KO O33.9
• Als Geburtshindernis O65.4

Nabelschnurkomplikation O69.9

Nabelschnurvorfall O69.0
Nabelschnurumschlingung O69.1

Normale Entbindung O80

Oligohydramnie O41.0

Ovarialvenenthrombose N94.8

Plazentainsuffizienz O36.5

Placenta praevia
• Mit Blutung O44.1
• Ohne Blutung O44.0

Plazentalösung, vorzeitige O45.9

Plazentareste, mit Blutung O72.0

Polyhydramnie O40

Pyometra im Wochenbett O85

Wochenbettkomplikationen O90.9
   1.11  Abrechnungsmodalitäten  43

Tab. 1.7  Wichtigste gynäkologisch-geburtshilfliche ICD-10-Ziffern (Forts.)


Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett
1
Puerperalfieber/-sepsis O85

Pulmonale Insuff. beim NG P28.5

Querlage
• Als KO O32.2
• Als Hindernis O64.4

Retentio placentae O72.0

Schulterdystokie
• Geburtshindernis durch großen Feten O66.2
• Geburtshindernis durch Lageanomalie O64.9

Thrombophlebitis in grav. O22.2

Thrombembolie im Wochenbett O88.2

Thrombose im Wochenbett O87.9

Übertragung O48

Verzögerte Entbindung O63.9

Vorzeitiger Blasensprung O42.9

Wachstumsrestriktion P05.9

Wehen, vorzeitige/drohende O47.0


• Ohne Entbindung O60.0
• Mit Entbindung O60.1
• Frühgeburtsbestrebungen O62.9

Wehenschwäche
• Prim. O62.0
• Sek. O62.1
• N. n. bez. O62.2

Wochenbettdepression F53.0

Wochenbettpsychose F53.1

Zervizitis in grav. O23.5

Zystitis in grav. O23.1

Blutungsstörungen

Amenorrhö N91.2

Dysmenorrhö N94.6

Hypo-/Oligomenorrhö N91.5

Menometrorrhagie N92.1

Menorrhagie N92.0

Metrorrhagie N92.1

Hypermenorrhö N92.0
44 1  Tipps für die Stationsarbeit  

Tab. 1.7  Wichtigste gynäkologisch-geburtshilfliche ICD-10-Ziffern (Forts.)


Blutungsstörungen
1
Periklimakterische Menorrhagie N92.4

Polymenorrhö N92.0

Postmenopausenblutung N95.0

Menstruationsstörung N92.6

Menstruationsbeschwerden N94.9

Unregelmäßige Zyklen N92.6

Dysfunktionelle Blutung N93.8

Genitale Infektionen

Amnioninfektionssy. O41.1

Fieber unbekannter Ursache R50.9

Gonorrhö A54.9

Harnwegsinfekt N39.0

Kolpitis
• Akut N76.0
• Chron. N76.1
• Candida B37.3
• Chlamydien A56.0
• Herpes A60.0
• Trichomonaden A59.0

Lues A53.9

Puerperalfieber O85

Sepsis A41.9

Toxoplasmose B58.9
• Der Mutter mit Schädigung des Feten P00.2

Infertilität

Fehlende Ovulation N97.0

Hypothalam.-hypophysäre Ursache E23.0

Sterilität N97.9
• Ovarielle Sterilität E28.9
• Tubare Sterilität N97.1
• Uterine Sterilität N97.2
• Verwachsungssitus N73.6
• Zervikale Sterilität N97.3
• Asthenospermie R86.9
• OAT-Sy. N46
• Faktoren des Partners N97.4
• Angeborene Uterusanomalie N97.2

Überstimulationssy. N98.1

Sterilisation Z30.2
   1.11  Abrechnungsmodalitäten  45

Tab. 1.7  Wichtigste gynäkologisch-geburtshilfliche ICD-10-Ziffern (Forts.)


Internistische Krankheitsbilder
1
Absolute Arrhythmie I48

Anämie (tumorbedingt) D51.0

Anämie, sek. durch Blutverlust D50.0

Angina pectoris I20.9

Apoplektischer Insult I64

Asthma bronchiale
• Allergisch o. n. A. J45.0
• Nichtallergisch J45.1

Bronchopneumonie J18.0

Cholezystolithiasis K80.2

Diab. mell. E14.90

Digitalisintoxikation T46.0

Extrasystolie I49.4

Gastritis K29.7

Gastroenteritis
• Nichtinfektiös K52.9
• Infektiös A09.9

Hämorrhoidalvenenthrombose/Analvenenthrombose I84.3

Hemiplegie, Halbseitenlähmung G81.9

Hepatitis, infektiöse B15.9

Herzinfarkt, akut I.21.9

Herzinsuff. I50.9

Herzrhythmusstörungen I49.9

Hirnblutung I61.9

Hyperthyreose E05.9

Hypertonie, essenzielle I10.9

Hypothyreose E03.9

Hypotonie I95.9

Kolon-Ca C18.9

Koronare Herzkrankheit I25.9

Kreislaufbeschwerden I99

Kreislaufkollaps R57.9

Lungenembolie I26.9

Niereninsuff., kompensierte N19


46 1  Tipps für die Stationsarbeit  

Tab. 1.7  Wichtigste gynäkologisch-geburtshilfliche ICD-10-Ziffern (Forts.)


Internistische Krankheitsbilder
1
Nierensteine N20.0

Nierenversagen, akutes N17.9

Nikotinabusus F17.1

Pleuraerguss, begleitend J90

Pneumonie
• Viral J12.9
• Bakteriell J15.9
• Broncho- J18.0
• Lobär- J18.1

Pneumothorax J93.9

Pulmonale Insuff. J98.4

Pyelonephritis N12

Rektum-Ca C20

Sigmadivertikulitis K57.32

Sigmadivertikel K57.30

Struma E04.9

Subarachnoidalblutung I60.9

Tiefe Venenthrombose, Bein I80.2

Thrombophlebitis I80.9

Thrombophlebitis in grav. O22.2

Thrombophlebitis im Wochenbett
• Tiefe O87.1
• Oberflächliche O87.0

Vorhofflimmern I48

Varikosis I I83.9

Sonstige

Abdominalschmerz R10.4

Adipositas E66.9
• Lokalisiert (z. B. Fettschürze) E65

Akutes Abdomen R10.0

Alkoholabusus F10.1

Anämie D64.9

Angstneurose F41.1

Anorexia nervosa F50.0


   1.11  Abrechnungsmodalitäten  47

Tab. 1.7  Wichtigste gynäkologisch-geburtshilfliche ICD-10-Ziffern (Forts.)


Sonstige
1
Appendizitis
• Akute K35.8
• Rezid. K36

Aszites, maligner R18

Bauchdeckenabszess L02.2

Behinderung
• Geistige F79.9
• Körperliche R62.8

Blasenentleerungsstörung R39.1

Demenz, senile F03

Depression F32.9

Depressive Verstimmung F32.9

Dyspareunie N94.1

Empfängnisregelung Z30.9

Epilepsie G40.9

Erschöpfungsreaktion F32.9
• Durch Gravidität O26.88

Erysipel A46

Grand-Mal-Anfall G40.6

Grippaler Infekt J06.9

Hämorrhoiden, äußere I84.5

Hemiplegie, Halbseitenlähmung G81.9

Hernia ventralis K43.9

Hirnblutung I61.9

Ileus
• Paralytisch K56.0
• Mechanisch K56.6
• Subileus K56.7

Karzinophobie F45.2

Klimakterische Beschwerden N95.1

Kontrazeption Z30.0
• Kontrolle IUP Z30.1
• Disloziertes IUP T83.3
• Definitive Kontrazeption Z30.9

Leistenhernie K40.9

Lumboischialgie M54.4
48 1  Tipps für die Stationsarbeit  

Tab. 1.7  Wichtigste gynäkologisch-geburtshilfliche ICD-10-Ziffern (Forts.)


Sonstige
1
Lk-Metastasen, inguinal C77.4

Lk-Metastasen, intraabd. C77.5

Migräne G43.9

Mobbing Z56

Mononukleose, infektiöse B27.9


• Durch Gamma-Herpes-Viren (Epstein-Barr) B27.0
• Durch Zytomegalie-Viren B27.1

Multiple Sklerose G35.0

Nachblutung T81.0

Pelveopathia spastica F45.8

Pelveoperitonitis N73.5

Prämenstruelles Sy. N94.3

Psychose F29

Psychosomatische Erkr. F45.9

Schlafstörung G47.9

Sexuelle Störung F66.2

Tumornachsorge Z09.9

Tumorschmerzen R52.1

Unbekannter Primärtumor D48.9

Wundheilungsstörung T79.9

Zystitis, akute N30.0

1.11.2 DRG-relevante Nebendiagnosen: Hitliste


Tab. 1.8  DRG-relevante Nebendiagnosen
ICD Text OP-CCL Med. CCL

Internistische Begleiterkrankungen

D50.0 Eisenmangelanämie nach Blutverlust 1,2,3,4 1,2

D50.9 Eisenmangelanämie, n. n. bez. 1,2,3,4 1,2

D52.9 Folsäuremangelanämie 2,3 1,2,3

D53.8 Sonstige, n. n. bez. alimentäre Anämien 2,3 1,2,3

D68.0 Willebrand-Jürgens-Sy. 2,3 1,2,3

D68.2 Hereditärer Gerinnungsfaktorenmangel 2,3 1,2,3


   1.11  Abrechnungsmodalitäten  49

Tab. 1.8  DRG-relevante Nebendiagnosen (Forts.)


ICD Text OP-CCL Med. CCL
1
Internistische Begleiterkrankungen

D68.6 Sonstige Thrombophilien 2,3 1,2,3

D68.8 Sonstige n. n. bez. Koagulopathien 2,3 1,2,3

E05.9 Hyperthyreose mit Struma 2 1,2

E10.90 Diab. mell. Typ I, nicht entgleist 2 2,3

E11.81 Diab. mell. Typ II, nicht entgleist 2 2,3

E46 Energie- und Eiweißmangelernährung 2,3,3 1,2,3

E61.1 Eisenmangel 2,3,4 2,3

E87.6 Hypokaliämie 1,2 1,2

I11.00 Hypertensive Herzkrankheit 1,2 1,2

I42.9 Kardiomyopathie 1,2,3 1,2

I45.9 Kardiale Erregungsleitungsstörung 2,2 2,3

I50.9 Sek. Rechtsherzinsuffizienz 2,3,4 2,3

K70.3 Alkoholische Leberzirrhose 2,3 2

K80.50 Cholezystolithiasis 2,3,4 2,3

R18 Aszites 1,2,3 2,3

R63.3 Ernährungsprobleme/unsachgemäße 1,2 1,2


­Ernährung

Infektionen (außer Gyn./Geb.)

J01.9 Akute Sinusitis 2 2

J11.0 Grippe mit Pneumonie 2,3,4 2,3

J11.1 Grippe mit Atemwegserkr. 2 2

J15.9 Bakterielle Pneumonie 2,3,4 2,3

J16.8 Pneumonie, sonstige Erreger 2,3,4 2,3

J20.9 Akute Bronchitis 2 1,2

K35.8 Akute Appendizitis 2,4 2,3

K52.0 Gastroenteritis/Kolitis nach Strahlenbe­ 2,4 2,3


handlung

K65.0 Akute Peritonitis 3,4 3

K65.9 Sonstige Peritonitis 3,4 3

A04.9 Bakterielle Darminf. 2 2

A009.0 Infektiöse Gastroenteritis, Kolitis 2 2


50 1  Tipps für die Stationsarbeit  

Tab. 1.8  DRG-relevante Nebendiagnosen (Forts.)


ICD Text OP-CCL Med. CCL
1
Infektionen (außer Gyn./Geb.)

A40.9 Streptokokkensepsis 3,4 3

A49.0 Staphylokokkeninf. 3,4 3

A49.1 Streptokokkeninf. 3,4 3

A49,2 Haemophilus-influenzae-Inf. 3,4 3

B02.8 Zoster mit sonstigen KO 2,4 2

B17.9 Akute Virushepatitis 1,2,3,4 1,2,3

B18.8 Chron. Virushepatitis 1,2,3,4 1,2,3

B23.8 HIV-Erkr. 1,2,3 1,2,3

B37.88 Candidose 3,4 3

B58.8 Toxoplasmose mit Organbeteiligung 2 2

B60.8 Protozoenerkr. 2 2

Onkologie

C26.8 Bösartige Neubildung des Verdauungs­ 1,2,3 1,2


trakts, mehrere Organe betroffen

C77.3 Axilläre Lk-Metastasen 2,3,4 2,3

C77.4 Leisten-Lk-Metastasen 2,3,4 2,3

C77.5 Intrapelvine Lk-Metastasen 2,3,4 2,3

C77.8 Lk-Metastasen mehrerer Regionen 2,3,4 2,3

C77.9 N. n. b. Lk-Metastasen 1,2,3 1,2

C78.0 Lungenmetastasen 2,3 2,3

C80.0 CUP 1,2,3,4 1,2

M84.49 Pathologische Fraktur 2,3,4 1,2,3

Neurologisch/Psychiatrische Begleiterkrankungen

G80.9 Spastische tetraplegische Zerebralpare­ 2,4 2,4


se

G80.8 Sonstige infantile Zerebralparese 2,4 2,4

G81.9 Hemiparese/Hemiplegie 2,3 2,3

M62.39 Immobilitätssy. (paraplegisch) 2 2

F00.9 Demenz 2,3,4 2,3

F23.8 Psychotische Störung 2 2

F33.9 Rezidivierende depressive Störung 2 2


   1.11  Abrechnungsmodalitäten  51

Tab. 1.8  DRG-relevante Nebendiagnosen (Forts.)


ICD Text OP-CCL Med. CCL
1
Neurologisch/Psychiatrische Begleiterkrankungen

F50.9 Essstörung 1,2 1,2

F84.9 Entwicklungsstörung 1,2 1,2

G35.9 Multiple Sklerose 2 2

G80.9 Spastische tetraplegische Zerebralparese 2,4 2,4

G80.8 Sonstige infantile Zerebralparese 2,4 2,4

G81.9 Hemiparese/Hemiplegie 2,3 2,3

OP/Post-OP

R58 Blutung 1,2,3 1,2

S37.20 Verletzung der Harnblase 2,3,4 2,3

T86.50 Durchblutungsstörung eines Hauttrans­ 2,3,4 2,3


plantats

T86.51 Nekrose eines Hauttransplantats 2,3,4 2,3

T88.4 Schwierige Intubation (Fieberoptik) 2,3,4

K91.3 Postop. Ileus 3,4 3

L89.99 Dekubitus 3,4 2,3

M62.9 Muskeldiastase 2 2

N32.0 Blasenobstruktion 2,3,4 1,2

N32.2 Blasenfistel 2,3,4 2,3

Gynäkologie allg.

N39.42 Urge-Inkontinenz (Dranginkontinenz) 0,1 0,1

N39.48 Harninkontinenz, sonstige 0,1 0,1

N39,47 Rezidivinkontinenz 0,1 0,1

N70.0w Akute Adnexitis 2 2

N71.0w Akute Endo-/Myometritis 2 2

N73.3w Akute Pelveoperitonitis der Frau 2 2

N75.1w Bartholinischer Abszess 2 2

N76.4w Vulvaabszess 2 2

Abort

O03.0w Spontanabort, inkomplett mit Inf. 2 2

O03.1w Spontanabort, inkomplett mit 2 2


­Nachblutung
52 1  Tipps für die Stationsarbeit  

Tab. 1.8  DRG-relevante Nebendiagnosen (Forts.)


ICD Text OP-CCL Med. CCL
1
Abort

O03.2w Spontanabort, inkomplett mit Embolie 2 2

O03.3w Spontanabort, inkomplett mit anderen 2 2


KO (z. B. psychisch)

O03.8w Spontanabort, komplett mit anderen 2 2


KO (z. B. psychisch)

O08.0w Entzündung nach Abort/EUG/Mole 2 2

O08.9w Komplikation nach Abort/EUG/Molen­ 2 2


schwangerschaft

Schwangerschaft

O11w Präexistente Hypertonie in der 2 2


­Schwangerschaft

O13w SIH (Schwangerschaftsinduzierte 2 2


­Hypertonie)

O14.1w Leichte bis mäßige Präeklampsie 2 2

O14.1w Schwere Präeklampsie 2 2

O14.2w HELLP-Syndrom 2 2

O14.9 Präeklampsie, n. n. bez. 2 2

O15.0w Eklampsie während der Schwanger­ 2 2


schaft

O15.1w Eklampsie während der Geburt 2 2

O15.2w Eklampsie im Wochenbett 2 2

O20.0w Abortus imminens 2 2

O22.2 Oberflächliche Thrombophlebitis in der 2 2


Schwangerschaft

O22.3w Tiefe Venenthrombose in der Schwan­ 2 2


gerschaft

O23.1w Zystitis in der Schwangerschaft 2 2

O23.4w Harnwegsinf. in der Schwangerschaft 2 2

O23.9w Inf. des Urogenitaltrakts in der 2 2


­Schwangerschaft

O24.9w Diab. mell. in der Schwangerschaft 1,2 1,2

O26.6w Lebererkr. in der Schwangerschaft 2 2

O29.4w Kopfschmerzen nach Peridural-/Spinal­ 2 2


anästhesie in der Schwangerschaft
   1.11  Abrechnungsmodalitäten  53

Tab. 1.8  DRG-relevante Nebendiagnosen (Forts.)


ICD Text OP-CCL Med. CCL
1
Schwangerschaft

O29.5w Sonstige Komplikationen nach Peridu­ 2 2


ral-/Spinalanästhesie in der Schwanger­
schaft (z. B. Hypotonie)

O44.0w Tiefer Plazentasitz ohne Blutung 2 2

O44.01w Placenta praevia o. Blutung 2 2

O44.10w Tiefer Plazentasitz mit Blutung 2 2

O44.11w Placenta praevia mit Blutung 2 2

O46.9w Präpartale Blutung 2 2

O67.9w Intrapartale Blutung 2 2

O71.0w Uterusruptur vor Wehen 2 2

O71,1w Uterusruptur unter der Geburt 2 2

O72.3w Postpartale Gerinnungsstörung 2 2

O74.1w Pulmonale KO bei Anästhesie während 2 2


Wehen/Geburt

O75.3w Sonstige Inf. unter der Geburt 2 2

O85w Puerperalfieber 2 2

O86.0w Wundinf. nach geburtshilfl. Eingriff 2 2

O86.8w Inf. des Urogenitaltrakts nach Geburt 2 2

O87.0w Thrombophlebitis im Wochenbett 2 2

O87.1w Tiefe Beinvenenthrombose im Wochen­ 2 2


bett

O88.1w FW-Embolie 2 2

Neugeborenes

P07.00 Geburtsgewicht < 500 g 2,3,4 1,2,3

P07.01 Geburtsgewicht 500–750 g 2,3,4 1,2,3

P07.02 Geburtsgewicht 750–1.000 g 2,3,4 1,2,3

P07.2 Extrem unreifes NG 2,3,4 1,2,3

P21.0 Schwere Asphyxie unter der Geburt 1,2 2

P35.0 Rötelnembryopathie 2,4 2

P35.9 Angeborene Viruserkr. des NG 2 2

P74.4 Elektrolytstörung des NG 2,3,4 2,3


54 1  Tipps für die Stationsarbeit  

Tab. 1.8  DRG-relevante Nebendiagnosen (Forts.)


ICD Text OP-CCL Med. CCL
1
Neugeborenes

P92.0 Erbrechen des NG 1,2 1,2,3

P92.2 Trinkunlust des NG 1,2 1,2,3

Q03.9 Angeborener Hydrozephalus 2,3 1,2,3

Q86.0 Alkoholembryopathie 3,4 3

Q90.9 Trisomie 21 3,4 3


2 Ärztliche Arbeitstechniken
Axel Valet

2.1 Stufenschema zur Haut­ 2.5  ransfusionen  66


T
desinfektion  56 2.5.1 Transfusionsgesetz  66
2.2 Diagnostische und thera­ 2.5.2 Blutkomponenten und
peutische Punktionen  56 ihre Indikationen  67
2.2.1 Periphere Venenpunktion  56 2.5.3 Eigenblutspende  68
2.2.2 Pleurapunktion  58 2.5.4 Nabelschnur-Blutentnahme
2.2.3 Peritonealpunktion zur Stammzellkonser­
(Aszitespunktion)  59 vierung  70
2.2.4 Zystoskopie  61 2.5.5 Vorgehen bei
2.2.5 Rektoskopie  61 ­Bluttransfusion  70
2.3 Entnahme von Material für 2.5.6 Thrombozytentransfusion  72
bakteriologische Unter­ 2.5.7 Rechtliche Fragen  73
suchungen  62 2.5.8 Transfusionsreaktionen  73
2.3.1 Blutkulturen  62 2.5.9 Infektionsrisiko durch Blut-
2.3.2 Urin  62 komponenten  74
2.3.3 Stuhl  63 2.6 Infusions- und Ernährungs­
2.3.4 Abstriche  63 therapie  75
2.3.5 Venenkatheterspitzen  64 2.6.1 Substrate der parenteralen
2.4 Drainagen  64 ­Ernährungstherapie  75
2.4.1 Blasenkatheter  64 2.6.2 Prinzipien der parenteralen
2.4.2 Postoperative Drainage ­Ernährung  77
­(Redon- oder Robinson-­ 2.6.3 Stufenkonzept der
Drainage)  65 ­parenteralen Ernährung  77
2.7 Sondenernährung über
­Magensonde  79
56 2  Ärztliche Arbeitstechniken  

2.1 Stufenschema zur Hautdesinfektion


Kategorie I (geringes Infektionsrisiko)
Intra-, subkutane und Injektionen und Blutentnahmen.
Hautdesinfektionsmittel auftragen (Spray oder getränkte Tupfer). Abwischen der
Haut mit trockenem Tupfer. Bei alkoholischen Desinfektionsmitteln ist die Ein-
wirkzeit beendet, wenn der Feuchtglanz der Haut durch Verdunsten des Alkohols
verschwunden ist (ca. 30  Sek.). Cave: Hände- und Hautdesinfektionsmittel sind
2 nicht identisch. Erstere (z. B. Sterilium®) enthalten rückfettende Zusätze, die bei der
Hautdesinfektion jedoch stören, weil sie die Haftung von Pflastern herabsetzen.

Kategorie II (mittleres Infektionsrisiko)


I. v. Verweilkanülen und -katheter, i. m. Injektionen, Blutkulturen.
Reinigen der Haut mit Desinfektionsmittel und sterilem Tupfer. Erneutes Auftra-
gen des Desinfektionsmittels und Abwischen der Haut mit sterilem Tupfer. Ein-
wirkzeit ca. 30 Sek.

Kategorie III (hohes Infektionsrisiko)


Operationen, Punktionen von Körperhöhlen, insb. Gelenkpunktionen.
Reinigung der Haut, Enthaarung und Entfettung, falls erforderlich. Zweimaliges Auf-
tragen des Desinfektionsmittels (z. B. Braunoderm® oder Octenisept®) für je 2,5 Min.,
Gesamteinwirkzeit 5 Min. Arzt muss sterile Handschuhe und Mundschutz tragen.

Sterile Tupfer aus Packungen mit 2–6  Stück oder Steriltrommeln entneh-
men. Sterilisierte = „einfache“ Tupfer befinden sich in Spendern.

2.2 Diagnostische und therapeutische


Punktionen
2.2.1 Periphere Venenpunktion

Tab. 2.1  Zusätze in Blutröhrchen


Zusätze Zweck

Plastikkügelchen Serologie, Kreuzprobe, klinische Chemie

Na-Zitrat 3,8 % Gerinnungstests, BSG

Na-Heparin Blutgase, HLA-Typisierung, ionisiertes Ca2+

EDTA Hämatologie

Na-Fluorid Laktat und Glukose

KO: Hämolyse durch zu schnelles Aspirieren des Bluts oder Einspritzen des
Bluts in die Röhrchen ohne vorherige Entfernung der Kanüle. Gerinnung bei
langwieriger Venenpunktion.
   2.2  Diagnostische und therapeutische Punktionen  57

Punktion mit Verweilkanüle (Braunüle®, Abbo-Cath®, Venflon®)


Bei häufigen Punktionen mit distalen Venen beginnen, um kaliberstärkere Venen
zu schonen. Sinnvolle Reihenfolge: Unterarm, Handrücken, Ellenbeuge.

Tab. 2.2  Durchflussraten von Verweilkanülen


Gauge (G) 22 20 18 17 16 14

Farbe Blau Rosa Grün Gelb Grau Weiß

Außendurchmesser (mm) 0,8 1,0 1,2 1,4 1,7 2,0


2
Innendurchmesser (mm) 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,7

Durchfluss ml/Min.

• Wässrige Infusion 31 54 80 125 180 270

• Blut 18 31 45 76 118 172

Material  2–3 Braunülen verschiedener Größe (Standard beim Erw. für wässrige
Infusionen 17 G/Gelb oder 18 G/Grün), Pflasterverband, ggf. Lokalanästhetikum
mit 25-G-Kanüle und 2-ml-Spritze, bei gleichzeitiger Blutabnahme 20-ml-Spritze
und Blutröhrchen, 5 ml physiologische NaCl-Heparin-Lsg. zum Durchspülen der
Braunüle, Verschluss mit Stöpsel oder Mandrin, unsterile Latexhandschuhe.
Durchführung  ▶ Abb. 2.1. Desinfektion Kategorie II (▶ 2.1), Handschuhe anzie-
hen. LA bei empfindlichen Pat. und großen Braunülen (> 17 G). Dabei genügen
0,1 ml 1-prozentiges Lidocain, was die Haut bei i. c. Applikation nur weißlich er-
scheinen lässt und keine Quaddel bildet. Vene stauen, möglichst proximal einer
Y-Vereinigung. Haut fixieren. Im 1. Schritt (▶ Abb. 2.1 li) Haut rasch durchste-
chen (ca. 45° zur Hautoberfläche) und Vene flach punktieren. Wenn Blut am
transparenten Kanülenansatz einströmt, Braunüle ca. 5 mm im Venenlumen vor-
schieben, Punktionsnadel zurückziehen und gleichzeitig Plastikkanüle vorschie-
ben (▶ Abb. 2.1 re); Stauschlauch lösen; Nadel entfernen, dabei mit einem Finger
die Vene proximal der Kanülenspitze abdrücken, Braunüle mit Stopfen oder
Mandrin verschließen. Fixieren und ggf. regelmäßig durchspülen.

Punktion und Vorschieben Platzierung der


der Kanüle Verweilkanüle

Abb. 2.1  Venenpunktion mit Verweilkanüle [L106]


58 2  Ärztliche Arbeitstechniken  

Komplikationen 
• Vene „platzt“: evtl. zu steil punktiert und Hinterwand durchstochen oder
„bindegewebsschwache“ Gefäße (z. B. nach Glukokortikoiden). Hilfe: So-
fort nach Punktion Stauschlauch lösen oder Punktionsversuch ohne Stau-
ung.
• Schmerzhafte Punktion: Hautpunktion zu flach oder Punktion durch „Desin-
fektionsmittelpfütze“.
• „Paralaufen“ der Infusion oder Thrombophlebitis: Braunüle entfernen! Je-
2 de an der Punktionsstelle dolente Braunüle sofort entfernen: „Die Pat. hat
immer Recht, auch wenn man nichts sieht“. Je nach Schwere der Reizung
Arm hochlagern und ruhigstellen, Alkoholumschläge, ggf. Heparinsalbe,
lokal oder systemisch Antiphlogistika, evtl. niedermolekulares Heparin
(▶ 1.1.3).
• Hindernis: Kunststoffkanüle lässt sich nicht vorschieben, obwohl sie im Lu-
men liegt, z. B. bei störenden Venenklappen. Mit NaCl durchspülen und
gleichzeitig vorschieben.

2.2.2 Pleurapunktion
Indikationen  Diagn. oder ther. Punktion eines Ergusses, Zytostatika-Instillati-
on, Pleuraempyem, Pneumothorax.
Kontraindikation  Blutungsanomalien (z. B. Hämophilie, Marcumar®-Ther.).
Material  Entweder Punktions-Set mit Rotanda-Spritze oder 50-ml-Spritze mit
Dreiwegehahn und sterilen Verbindungsschläuchen, 2  Punktionskanülen (z. B.
Abbocath®) 16 G – Grau oder 17 G – Gelb, vorzugsweise ventilgesichert (z. B. Fre-
kasafe®). 10 ml Lidocain 1 % mit 1 Kanüle (z. B. 21 G – Grün). 4–5 Proberöhrchen,
Blutkulturflaschen (aerob/anaerob), großes Gefäß. 2  Paar sterile Handschuhe,
Desinfektions-Lsg., braunes Pflaster, sterile Tupfer.
Komplikationen  Pneumothorax, Hämatothorax, Inf., Verletzung der Interkos-
talgefäße, Lungenödem (e vacuo) bei zu schneller Punktion durch Unterdruck,
Verletzung intraabdomineller Organe.
Durchführung 
• Evtl. Prämedikation mit Antitussivum, z. B. Paracetamol 1 g p. o. und Codein
50 mg p. o.
• Pat. mit angehobenem Arm bequem sitzend platzieren (Pat. im Bett: Arm auf
Nachttisch mit Kissen. Pat. auf Stuhl: Arm auf Stuhllehne oder Pat. Hand auf
die Schulter der Gegenseite legen lassen ▶ Abb. 2.2).
• Pleuraerguss perkutieren, auskultieren und mit dem Rö-Bild vergleichen.
Markierung der Punktionsstelle dorsolateral in der hinteren Axillarlinie oder
Skapularlinie im ICR unterhalb des Ergussdämpfungsrands, aber nicht tiefer
als 6.–7. ICR (cave: Leber und Milz). Evtl. Sonokontrolle. Hautdesinfektion
Kategorie II (▶ 2.1).
• Zunächst mit 1-prozentigem Lidocain am „Oberrand der Unterrippe“ LA-
Depot setzen. Dann tiefer liegendes Gewebe bis auf die Pleura parietalis infil­
trieren. Durch Probepunktion die notwendige Eindringtiefe für die Punkti-
onskanüle erkunden.
   2.2  Diagnostische und therapeutische Punktionen  59

• Punktionskanüle senkrecht zur Haut knapp über dem oberen Rippenrand


einstechen (Gefäß- und Nervenbündel meiden), Kanüle etwas nach oben zie-
hen und weiter senkrecht vorziehen („Zickzacktechnik“ reduziert Pneu-Risi-
ko). Ständige Aspiration mit aufgesetzter Spritze. Sobald sich Pleuraflüssig-
keit aspirieren lässt, Stahlnadel zurückziehen (sonst Pneu-Gefahr!) und Plas-
tikkanüle vorschieben.
• Während eines Valsalva-Manövers ersten Schlauch, auf den unter sterilen Be-
dingungen ein Dreiwegehahn und ein zweiter Schlauch montiert wurde, auf
das Kanülenende setzen. 20-ml-Spritze auf Dreiwegehahn setzen und Pleura- 2
flüssigkeit für Bakteriologie usw. steril abziehen. 50-ml-Spritze auf Dreiwege-
hahn montieren, füllen, Dreiwegehahn drehen und Flüssigkeit durch den
Schlauch ins Gefäß spülen. Alternative bei größeren Mengen: Erguss mit Ab-
sauggerät absaugen. Cave: Druck nicht > 20 cmH2O.
• Max. 1 l/pro Sitzung abpunktieren
(sonst Gefahr des entlastungsbe-
dingten Lungenödems!). Husten-
reiz (durch Aneinanderreiben der
Pleurablätter) kündigt vollständige
Drainage an.
• Mit erneutem Valsalva-Manöver
Kanüle entfernen, sofort Kompres-
sion mit mehrlagigem Tupfer,
Pflasterverband.
• Cave: Pleurapunktion bei starkem
Hustenreiz und Unruhe der Pat.
abbrechen.
• Im Anschluss immer Rö-Kontrol-
le! Inspiratorische Aufnahme: Rest­
erguss, exspiratorische Aufnahme
zum Ausschluss Pneumothorax. Abb. 2.2  Pleurapunktion [L106]

Für die Gewinnung von geringen Mengen Pleuraflüssigkeit (z. B. für Zytolo-
gie) genügt Punktion mit einer 20-ml-Spritze mit aufgesetzter Kanüle (21 G/
Grün).

2.2.3 Peritonealpunktion (Aszitespunktion)
Indikationen  Bakteriologische, zytologische und enzymatische Aszitesdiagn.,
Entlastungspunktion bei massivem Aszites, Drainage bei Peritonitis oder Abszess.
Kontraindikationen  Große Ovarialzysten, Hydronephrose, Schwangerschaft.
Vorsicht bei hämorrhagischer Diathese, Cumarinther. und hepatischem Präko-
ma.
Punktionsorte  Übergang vom äußeren zum mittleren Drittel der Linie vom Na-
bel zur Spina iliaca ant. sup. li (weniger Verwachsungen) oder re sowie in der
Medianlinie zwischen Nabel und Symphyse. Epigastrische Gefäße beachten
(▶ Abb. 2.3).
60 2  Ärztliche Arbeitstechniken  

2
A. epigastrica
inferior

Blase

Abb. 2.3  Aszitespunktion [L106]

Durchführung  Blase entleeren lassen, Hautdesinfektion, LA (25 G), Ultraschall-


kontrolle zur Bestimmung eines Aszitesdepots.
• Diagn. Parazentese: 20- bis 50-ml-Spritze mit grüner Kanüle (21 G) unter
Aspiration in die Peritonealhöhle einführen (leichter Widerstand beim
Durchstechen der Faszienschicht). Spritze füllen, Nadel schnell zurückziehen,
Klebeverband. Cave: Um bei massivem Aszites Nachlaufen nach Zurückzie-
hen der Nadel zu vermeiden, „Zickzack-Stechen“ → erst subkutan stechen,
dann Nadel entlang des Fettgewebes vorschieben, dann erst peritoneal ste-
chen.
• Ther. Parazentese: Desinfektion Kategorie III (▶ 2.1). Braunüle® (18 G Grün
oder 17 G Weiß) nach hinten, unten und lateral vorschieben, wobei Pat.
Bauchdecken anspannen soll (pressen). Nach Entfernung der Nadel fließt As-
zites im Strahl aus der Hülse. Schlauchsystem mit Dreiwegehahn, Spritze und
Auffangbeutel anschließen. Aszites spontan ablaufen lassen, ggf. mit Spritze
über Dreiwegehahn aspirieren. Bei Stopp Pat. auf Punktionsseite lagern, Hül-
se leicht zurückziehen. Der gesamte Aszites kann (langsam!) auf einmal abge-
lassen werden.

Untersuchung des Punktats je nach Fragestellung auf:


• Proteingehalt, spezifisches Gewicht (Transsudat ↔ Exsudat), Glukose,
Laktat, LDH (nur Pleuraflüssigkeit bei V. a. Tumor), Zellzahl und Diffe-
renzialzellbild.
• Bakteriologische Kulturen, Tbc- und Pilzkulturen.
• Bei V. a. maligne Erkr. Zytologie (Labor benachrichtigen, Punktat zentri-
fugieren).
Bei Peritonealflüssigkeit:
• Bei V. a. Perforation: mikroskopische Untersuchung auf Speiseanteile.
• Bei V. a. Pankreatitis: Amylase, Lipase.
• Bei V. a. Blutung (Peritoneallavage): Hkt (> 2 % beweist Blutung).
   2.2  Diagnostische und therapeutische Punktionen  61

2.2.4 Zystoskopie
Indikationen  V. a. Genitalkarzinom zum Ausschluss einer Blaseninfiltration, bei
Hämaturie und bei Nierenaufstau, Urge-Inkontinenz etc.
Durchführung 
• Zystoskop bereitlegen und Funktion prüfen (einmal zusammenbauen), Licht-
quelle (Kaltlicht) prüfen.
• Infusion (500 ml Ringer oder NaCl 0,9 %) zum Auffüllen der Blase anwärmen
und mit Infusionssystem bereitstellen. 2
• Lagerung auf gynäkologischem Stuhl.
• Desinfektion der Vulva (z. B. mit Octenisept®), Desinfektion des Orificium
urethrae externum (▶ 2.4.1).
• Lokalanästhetikum (z. B. Instillagel®) intraurethral applizieren und Wir-
kungseintritt (nach ca. 1 Min.) abwarten.
• Zystoskop mit Mandrin einführen, korrekte Lage durch auslaufenden Urin
überprüfen.
• Blase über Zystoskop vollständig entleeren.
• Mandrin entfernen, Optik einführen, Lichtquelle anschließen.
• Korrekte intrazystische Lage optisch überprüfen.
• Blase mit angewärmter Ringer-Lsg. oder NaCl 0,9 % auffüllen (250–400 ml).
• Inspektion der gesamten Blasenschleimhaut, Orientierungshilfe: Luftblase am
Blasendach.
• Achten auf: Impression oder Infiltration, Schleimhautveränderungen.
• Path. Befunde lokalisieren („bei … Uhr, Vorder-/Seiten-/Hinterwand“).
• Aufsuchen beider Ureterostien (Trigonumbereich, meist auf einer Schleim-
hautfalte).
• Urin sollte klar und schwallartig fließen (evtl. Nierenlager durch Hilfsperson
massieren lassen).
• Evtl. Methylenblau 1–2 ml i. v. und Furosemid 20 mg i. v. (z. B. Lasix®) geben,
um die Ureterostien zu identifizieren (Chromo-Zystoskopie).
• Blase über Zystoskop entleeren, dann Zystoskop entfernen.
• Evtl. Pat. und Pflegepersonal über zu erwartenden „blauen Urin“ informie-
ren, Pat. erhobene Befunde mitteilen.

2.2.5 Rektoskopie
Indikationen  Bei V. a. Ovarial- oder anderes Genitalkarzinom zum Ausschluss
einer Rektuminfiltration (alternativ: Sigmoidoskopie, Koloskopie), bei auffälligem
rektalem Palpationsbefund (z. B. V. a. Polyp). Bei blutigem Stuhl besser Kolosko-
pie.
Durchführung  Pat. abführen (Klysma), Lagerung auf gynäkologischem Stuhl.
Lichtquelle (Kaltlicht) prüfen, Rektoskop mit Vaseline präparieren. Pat. wie
„zum Stuhlgang“ pressen lassen (Lösen des Sphinkterverschlusses). Rektoskop
nach li hinten einführen. Mandrin entfernen, Optik aufsetzen. Unter Luftinsuf-
flation und Sicht vorschieben. Beurteilung der Schleimhaut (Farbe rosig, zarte
Fältelung, keine Infiltration). Path. Befunde in Zentimeter Entfernung vom
Anus und Uhrzeit angeben. Bei Schmerzen oder Passagebehinderung durch Kot
Eingriff beenden. Rektoskop zurückziehen. Pat. über erhobene Befunde infor-
mieren.
62 2  Ärztliche Arbeitstechniken  

2.3 Entnahme von Material für


bakteriologische Untersuchungen
2.3.1 Blutkulturen
Vorbereitung  Zwei Blutkulturflaschen (aerob/anaerob) auf 37  °C erwärmen;
20-ml-Spritze, Kanülen und Desinfektions-Lsg. bereitlegen. Punktionsstelle ent-
2 fetten, reinigen und mit sterilen Tupfern desinfizieren; trocknen lassen.
Durchführung  Etwa 20 ml Blut abnehmen. Bei vorhandenem ZVK Abnahme
von zentralvenösem und periphervenösem Blut. Beim Einspritzen in die Flaschen
jeweils neue Kanüle verwenden. Desinfektion der Gummipfropfen, Injektion von
je 5–10 ml Blut. Für aerobe Bebrütung vorgesehene Flasche mit Kanüle belüften.
Flaschen mit Namen, Station, Datum und Uhrzeit beschriften und sofort ins mi­
krobiologische Labor transportieren.
Häufigkeit und Zeitpunkt von Blutentnahmen bei Sepsis mit intermittierendem
Fieber: Am 1. Tag zwei Entnahmen 1 h vor Ther.-Beginn, frühzeitig im Fieberan-
stieg. Nach Ther.-Beginn am 1. und 2. Tag je zwei Entnahmen am Ende von Anti-
biotika-Dosierungsintervallen.

2.3.2 Urin
Mittelstrahlurin (M-Urin)
Indikationen  Standardmethode; geeignet ist v. a. Morgenurin (hohe Keim-
Konz.). Cave: Keine Infusionsther. (Verdünnungseffekt); stets Uringewinnung
vor Beginn der Chemother.
Gewinnung  Hände sorgfältig waschen, mit Einweghandtuch trocknen. Genitale
mit in sauberes Wasser getauchten Tupfern reinigen, dann mit weiteren in glei-
cher Weise nachreinigen. Erste Urinportion (ca. 50 ml) in die Toilette oder ein
Gefäß entleeren, dann – ohne den Harnstrahl zu unterbrechen – etwa 5 ml Harn
in Transportröhrchen auffangen. Verschluss sofort aufsetzen und Probe bis zur
Weiterleitung in das Labor in den Kühlschrank stellen.

Katheterurin
Indikationen  Einwandfreie Gewinnung von M-Urin nicht möglich, Blasen-
punktion nicht erwünscht.
Durchführung  Siehe ▶ 2.4.1.
Grundsätzlich Einwegkatheter verwenden (dennoch Risiko der Keimeinschlep-
pung). Vorher Genitale sorgfältig reinigen (s. o.). Bei Dauerkatheter Urin nie aus
dem Beutel entnehmen, sondern nach sorgfältiger Desinfektion den proximalen
Katheterabschnitt punktieren.

Blasenpunktionsurin
Nur bei gefüllter Blase. Aussagekräftigste Methode (Ausnahme: Urethritis).
Indikationen  Kein einwandfreier M- oder K-Urin gewinnbar. Wiederholt un-
terschiedliche oder fragwürdige bakteriologische und zelluläre Befunde, vor allem
bei Mischinf.
   2.3  Entnahme von Material für bakteriologische Untersuchungen  63

Durchführung  Gefüllte Blase genau perkutieren. Im Punktionsbereich Scham-


haare entfernen, Haut desinfizieren. Infiltrationsanästhesie. Punktionsstelle
1–2  QF oberhalb der Symphyse, Stichrichtung senkrecht zur Hautoberfläche
(20 G/Gelb, 70 mm lang). Nach Punktion Kanüle rasch zurückziehen und Punkti-
onsstelle einige Min. mit Tupfer komprimieren.

2.3.3 Stuhl
• Untersuchung auf pathogene Darmkeime (Salmonellen, Shigellen, Typhus, 2
Paratyphus, Yersinien, Campylobacter jejuni) an 3 aufeinanderfolgenden
Tagen. Nach Stuhlentleerung in sauberes Gefäß ca. doppelt bohnengroßes
Stück in Stuhlröhrchen einbringen. Bei dünnflüssigem Stuhl 0,5–1 ml ein-
senden.
• Schneller Transport (schnelles Absterben empfindlicher Keime).
• Bei V. a. Typhus und Paratyphus in der ersten Krankheitswo. parallel Blutkul-
turen anlegen.
• Ist kein Stuhl zu gewinnen, kann auch ein Rektalabstrich entnommen werden
(nur geringe Ausbeute).

2.3.4 Abstriche

Mit Abstrichtupfer nur Material unter Sicht von verdächtigen Stellen ent-
nehmen und in Transportröhrchen einbringen. Tupfer nie trocken einsen-
den, da Anzucht anspruchsvoller Keime nicht mehr gelingt. Lagerung und
Transport bei Raumtemperatur.

Harnröhrenabstrich
Durchführung  Möglichst morgens vor dem ersten Wasserlassen; sonst nicht vor
Ablauf 1 h nach dem Wasserlassen. Vor Entnahme des Abstrichs Transportmedi-
um auf Raumtemperatur bringen. Abstrich sofort oder innerhalb von höchstens
6  h an das Labor weiterleiten. Harnröhrenausfluss, falls vorhanden, mit Tupfer
aufnehmen und in Transportmedium einbringen; bei fehlendem Ausfluss Tupfer
mit dünnem Stiel ca. 2 cm drehend in die Urethra einführen (Genitale vorher säu-
bern!). Bei V. a. Chlamydien-Inf. Zellabstrich (intrazellulärer Nachweis), nur Flu-
orabstrich ist zum Keimnachweis ungeeignet.
Zervixabstrich ▶ 13.2.4.

Material aus geschlossenen Prozessen


Kontraindikationen  Tuberkulöser Abszess.
Durchführung 
• Gewinnung durch sterile Punktion und Aspiration mit einer Spritze.
• Material in steriles Röhrchen einbringen. Lagerung und Transport bei Raum-
temperatur.
• Bei V. a. Anaerobier-Inf. Material in Entnahmespritze lassen und diese ver-
schließen. Sofortiger Transport der Probe bei Raumtemperatur ins Labor.
64 2  Ärztliche Arbeitstechniken  

• Alternativ Material in vorgewärmte Blutkulturflasche einspritzen (Pleura-


und Peritonealpunktate), sofortiger Transport der Flasche in vorgewärmtem
Transportgefäß ins Labor oder bei 37 °C zwischenlagern.

Material aus offenen Prozessen


Mit Abstrichtupfer Sekret vom Wundrand entnehmen und in Transportmedium
einbringen. Vom Wundrand abgeschabtes Material in steriles Röhrchen mit
Nährbouillon geben.
2
2.3.5 Venenkatheterspitzen
Chlamydiendiagn. ▶ 13.2.4; Gonorrhödiagn. ▶ 11.3.6.
Nach Hautdesinfektion im Bereich der Eintrittsstelle den Katheter mit steriler
Pinzette entfernen; anschließend 3 cm der Katheterspitze mit steriler Schere ab-
schneiden und in ein steriles Röhrchen einbringen.

2.4 Drainagen
2.4.1 Blasenkatheter
Indikationen
Harnretention (postop., neurogen, Harnröhrenstriktur), Gewinnung von Blasen-
urin (▶ 2.3.2), Harninkontinenz oder Überlaufblase, OP-Vorbereitung, Messung
der Urinmenge/Zeiteinheit, Restharnbestimmung (falls nicht sonografisch mög-
lich), differenzierte Nierenfunktionsproben, Flüssigkeitsbilanz, Spül- bzw. Instil-
lationsbehandlung.

Katheterarten
Einmalkatheter (vorwiegend diagn. Anwendung), Verweilkatheter (ther. Anwen-
dung) ein- oder zweiläufig mit Blockballon, Spülkatheter zwei- oder dreiläufig mit
Dreiwegehahn, einem Eingangs- und Ausgangskanal sowie Blockballon.

Transurethrale Katheterisation
Material  Katheter (14, 16 oder 18  Ch.), steriles Katheterset mit ein oder zwei
Nierenschalen, Urinbeutel, sechs Tupfer, sterile Handschuhe, Unterlage und
Lochtuch, steriles Röhrchen, Desinfektionsmittel.
Durchführung  Pat. auf Rücken lagern, Fersen zusammengestellt, Knie nach au-
ßen geneigt. Lochtuch so platzieren, dass die Harnröhrenöffnung sichtbar ist.
Zuerst Vulva von ventral nach dorsal desinfizieren. Dann mit li Hand (sterile
Handschuhe) Labien spreizen und kleine Schamlippen dreimal desinfizieren.
Am Schluss Harnröhrenöffnung desinfizieren. Der letzte Tupfer wird in den Va-
ginaleingang gebracht. Desinfektionstupfer mit Pinzette halten, nur einmal be-
nutzen. Mit neuer Pinzette Katheter in die Harnröhre einführen. Bei Dauerka-
thetern Blockballon mit 5 oder 10 ml Aqua dest. füllen. Vorsichtig zurückziehen,
   2.4  Drainagen  65

bis man einen federnden Widerstand spürt. Tupfer aus dem Vaginaleingang ent-
fernen.
Komplikationen  HWI durch Keimverschleppung und aufsteigende Inf. (Risiko
bei Dauerkatheter 5 % pro Tag) und nachfolgende Urosepsis, deshalb Durchfüh-
rung nur unter strikter Asepsis und Antisepsis.
Katheterwechsel  Mind. alle 2  Wo. (Ausnahme: Silastik-Langzeitkatheter alle
3 Mon.). Bei trübem Urin, Hinweis auf Inkrustierung oder Infektion sofort Kathe-
ter wechseln. 2
Suprapubischer Blasenkatheter
Indikationen  Peri- und postop. Urinableitung, Urethralstrikturen und -verlet-
zungen, akuter Harnverhalt. Heute deutlich rückläufige Bedeutung.
Kontraindikationen  Unterbauchtumor, v. a. Blasenkarzinom.
Material  Zystotomie-Set (z. B. Cystofix®), Malecot-Katheter 20  G oder 24  G,
10 ml Lidocain 1 % mit Kanüle (22  G/0,7) Skalpell, sterile Tücher und sterile
Handschuhe, Einmalrasierer.
Durchführung  Gefüllte Blase palpieren und perkutieren; ist Blase nicht gefüllt,
500–1.000 ml Tee geben, oder bei schon liegendem transurethralem Katheter re­
trograde Füllung. Rasur und Desinfektion der Haut, Infiltrationsanästhesie, etwa
2–3 cm über der Symphyse in der Medianlinie. Zur Lokalisationshilfe mit noch
liegender Anästhesienadel Punktionsversuch. Stichinzision der Haut mit Ein-
malskalpell. Punktionsbesteck in die Blase einführen und Katheter vorschieben,
danach Punktionskanüle zurückziehen und entfernen (Kanüle an Perforations-
stelle aufklappbar). Katheter je nach Typ mit Ballon blocken oder mit Naht fixie-
ren, steriler Verband.
Komplikationen  Peritonitis bei Via falsa, Blutung.
Katheterwechsel  Mind. alle 2 Mon., Blase 2 × pro Wo. mit steriler Kochsalz-Lsg.
spülen.

2.4.2 Postoperative Drainage (Redon- oder Robinson-


Drainage)
Indikationen  Prophylaxe postop. Serome oder Hämatome bei prim. Wundver-
schluss.
Durchführung  Proximales Ende (mit vielen Öffnungen) in Wunde einlegen,
Haut von innen nach außen mit Führungsspieß oder Nadel durchstechen, Nadel
am Kunststoffschaft abschneiden, Redon-Schlauch mit Hautnaht fixieren und mit
Vakuumflasche verbinden. Flasche jeden Tag erneuern, Blutverlust dokumentie-
ren. Abhängig von Wundsekretion Redon nach 48–72 h entfernen.

Intraabdominelle Robinson-Drainage
Intraabdominelle Robinson-Drainage z. B. bei ausgedehnter laparoskopischer OP
zur Überwachung einer evtl. Nachblutung. Ablauf ohne Sog in einen Drainage-
beutel. Kann auch Spülflüssigkeit aufnehmen. Entfernung nach 24–48 h postop.;
Fadenfixierung.
66 2  Ärztliche Arbeitstechniken  

2.5 Transfusionen
2.5.1 Transfusionsgesetz
Administrative Voraussetzungen
Nach dem neuen Transfusionsgesetz muss jedes Krankenhaus, das Blutübertra-
gungen durchführt, einen Transfusionsverantwortlichen für die gesamte Klinik
2 benennen. Er hat für die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen zu sorgen und
ein Qualitätssicherungssystem einzuführen bzw. weiterzuentwickeln. Jede trans-
fusionsmedizinisch tätige Krankenhausabteilung benennt einen Transfusionsbe-
auftragten. Er stellt die Durchführung der gesetzlichen Maßnahmen in der jewei-
ligen Krankenhausabteilung sicher.
In Krankenhäusern der Akut- und Maximalversorgung ist eine transfusionsme-
dizinische Kommission einzurichten. Diese setzt sich aus dem Transfusionsver-
antwortlichen, den Transfusionsbeauftragten, dem Krankenhausapotheker, ei-
nem Vertreter der Krankenpflegeleitung sowie der leitenden MTA zusammen.
Sie erarbeiten Richt- und Leitlinien zur Umsetzung von Gesetzen und Regelun-
gen zur Transfusionsmedizin und erstellen somit ein internes Qualitätssiche-
rungssystem.
Ebenfalls gesetzlich geregelt ist der blutgruppenserologische Untersuchungsum-
fang:
• AB0-Eigenschaften.
• Rh-Faktor D.
• Antikörpersuchtest.
• Kreuzprobe.
• Ggf. weitere Merkmale und deren Ak (bei pos. Ak-Suchtest).
Jedes blutgruppenserologisch tätige Labor muss interne und externe Qualitäts-
kontrollen gemäß den Richtlinien der Bundesärztekammer durchführen.

Das Gesetz regelt auch das Meldewesen über durchgeführte Behandlungen


mit Blutprodukten und Plasmaproteinen sowie Transfusionszwischenfälle.

Regelungen zur Transfusionsdurchführung


Bei elektiven Eingriffen ist rechtzeitig die entsprechende Zahl kompatibler Blut-
komponenten sicherzustellen.
Da Verwechslungen häufiger auftreten als laboranalytische Fehlbestimmungen,
legt das Gesetz fest, dass der anfordernde Arzt für die Identität der Blutprobe
verantwortlich ist. Vor der Blutentnahme muss das Röhrchen mit Name, Vorna-
me, Geburtsdatum und Einsender (ersatzweise Codenummer) beschriftet wer-
den. Begleitpapiere (u. a. mit Angaben zur Medikation, Vortransfusionen,
Schwangerschaften, ob es sich um Nabelschnurblut handelt) müssen vollständig
ausgefüllt und von der abnehmenden Person unterschrieben werden. Die Blut-
probe muss nach Bestimmung mind. 1 Wo. bei +4 bis +8 °C Kühlung aufbewahrt
werden.
   2.5  Transfusionen  67

2.5.2 Blutkomponenten und ihre Indikationen

Tab. 2.3  Blutkomponenten und ihre Indikationen


Präparat Merkmale Indikationen und
­Besonderheiten

Erythrozyten- Aus 1 Blutspende (500 ml) durch Akute und chron. Anämien.


Konzentrat (EK) Zentrifugation und Entfernung Hb-Anstieg ca. 1 g/dl je EK.
von Buffy-Coat und Plasma ge- Immunisierung und Reaktio- 2
wonnen. Enthält geringe Men- nen im erythrozytären und
gen an Leuko- und Thrombozy- im HLA-System möglich. Bei
ten! Lagerung bei + 4 °C je nach > 100 EK-Transfusionen Ge-
Stabilisator 3–5 Wo. fahr der sek. Hämochroma-
tose

Gefiltertes EK Durch Filter (spezielle Systeme) Chron. Erythrozytensubstituti-


weitere Leuko- und Thrombozy- on: hämatologische Pat., re-
tenreduktion um 99 % (< Immu- nale Anämie, geplante Trans-
nisierungsdosis) plantation, Immunsupprimier-
te, Frauen im gebärfähigen
Alter und Schwangere, Kinder

Gewaschenes EK Restplasma durch mehrfaches Äußerst seltene Ind., z. B.


Aufschwemmen in NaCl 0,9 % Plasmaunverträglichkeit, se-
und Abzentrifugation weitge- lektiver IgA-Mangel des Emp-
hend entfernt; zur sofortigen fängers, paroxysmale nächtli-
Transfusion che Hämoglobinurie (PNH)

Thrombozyten­ Lagerung bei Raumtemperatur Bei häufigerer Anwendung


konzentrat (TK) unter ständiger maschineller Be- mit speziellem TK-Filter leu-
wegung. Je nach Beutel bis max. kozytenarm transfundieren
5 Tage haltbar

• Einfach-TK Aus einer Blutspende gewonnen 6–10 Einfach-TK für Throm-


(ca. 0,5 × 1011 Thrombozyten in bozytenanstieg von ca. 30/nl
30–50 ml Plasma) erforderlich. Erhöhtes Infek-
tions- und Immunisierungsri-
siko

• Zellseparator- Durch Zentrifugation und Anrei- Spendervorauswahl möglich:


TK cherung von einem Spender ge- HLA-kompatible Transfusion,
wonnen (ca. 4 × 1011 Thrombo- teuer
zyten in 200 ml Plasma)

Fresh Frozen Ca. 200 ml durch Zitrat ungerinn- Kein Volumenersatz! Erwor-
Plasma (FFP) bares Plasma eines Spenders, bene Gerinnungsstörungen,
Plasmaproteine und Gerinnungs- z. B. Leberinsuff., Verbrauchs-
faktoren in physiologischer Kon- koagulopathie, massiver
zentration. 1 J. haltbar bei –30 °C. Blutverlust. Faustregel bei
Auftauen im speziellen Gerät Massivtransfusionen ab ca. 5.
oder im handwarmen Wasser- EK je 1 FFP auf 2 EK.
bad und sofortige Transfusion

Frischblut­ Vollblutspende, nicht > 72 h la- Nur zur Austauschtransfusion


konserve gern (NG, Fehltransfusion oder
schwerste Hämolysen). Rück-
sprache mit Transfusionsme-
diziner
68 2  Ärztliche Arbeitstechniken  

Tab. 2.3  Blutkomponenten und ihre Indikationen (Forts.)


Präparat Merkmale Indikationen und
­Besonderheiten

Vollblutkonserve Vollblutspende, > 72 h lagern Obsolet! Besser Komponen-


tensubstitution

Gerinnungsfakto­ Gepoolt aus Hunderten bis Tau- Fertigarzneimittel, blutgrup-


renkonzentrate, senden von Einzelspenden penunabhängig, keine
2 PPSB, Albumin, „Transfusion“, aber Chargen-
Immunglobuline dokumentation

• Ind. für bestrahlte Blutpräparate: zur Prophylaxe einer Graft-versus-Host-Re-


aktion bei Immunschwäche oder -suppression, KM-Transplantation oder ex-
trem Frühgeborenen.
• Ind. für CMV-Ak-neg. Präparate: hämotol.-onkolog. Pat. (CMV-Ak-neg.),
Transplantationspat. (unabhängig von CMV-Status), Sgl. bis ca. 1 J., Schwan-
gere (CMV-Ak-neg., zur Vermeidung einer intrauterinen Inf.).

Geschätztes Risiko infektiöser Blutpräparate für HIV 1  :  1.000.000, HBV


< 1 : 50.000, HCV 1 : 20.000.

2.5.3 Eigenblutspende
Bei allen planbaren Eingriffen, bei denen eine Transfusion in ≥ 10 % der Fälle er-
forderlich wird, muss die Pat. laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf die
Möglichkeit zur Eigenblutspende hingewiesen und diese organisiert werden. Bei
op. Eingriffen mit der Wahrscheinlichkeit einer Transfusion in ≥ 1 % der Fälle ist
die Pat. über die Risiken einer heterologen Transfusion aufzuklären (Inf., Trans-
fusionsreaktion etc.).

In der Gynäkologie wird die Eigenblutspende fast gar nicht mehr angewandt.

Eigenblutpräparate
• Unmittelbar präop. kann eine Eigenblutentnahme als Vollblutkonserve erfol-
gen und alsbald retransfundiert werden.
• Bei gelagertem Eigenblut ist eine Komponententrennung obligat, wodurch ei-
ne Retransfusion überalterter inaktiver Gerinnungsfaktoren und v. a. von
Leukozytendetritus, freigesetzten Enzymen und sauren Stoffwechselproduk-
ten im „Vollblut“ vermieden wird.
Vorteile 
• Transfusion von Fremdblut kann vermieden oder verringert werden.
• Vermeidung von Inf. (Hepatitis, Lues, Zytomegalie, HIV).
• Boosterung bei bestehender Immunisierung wird vermieden (auch wenn die-
se nicht nachweisbar war).
• Durch präop. Blutspende wird die Hämatopoese angeregt → bessere postop.
Kompensation des intraop. Blutverlusts.
   2.5  Transfusionen  69

Voraussetzungen 
• Hb > 11,5 g/dl, Hkt > 33 %.
• Alter i. d. R. zwischen 14 und 75 J.
• Kreislaufstabilität: anamnestisch keine Synkopen, keine manifeste Herzin-
suff., keine generalisierte Sklerose.
• Kein Anhalt für hämatogen streuenden Infektherd oder vergleichbare Sys­
tem­erkr. (z. B. Karzinom).
• OP-Termin in frühestens 8 Tagen.
• OP-Termin muss möglichst genau feststehen, Lagerung der EK nur bis max. 2
7 Wo. möglich.
Indikationen (nach Dt. Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe) 
• Reduktionsplastik und Reduktionsmastektomie der Mamma.
• Chirurgie bei ausgedehnter Endometriosis externa oder extragenitalis.
• Myomenukleation bei organerhaltender Ther. des großen Uterus myomatosus.
• Radikale Hysterektomie mit Lymphonodektomie nach Wertheim-Meigs, so-
fern aus der Eigenblutspende kein relevanter, nicht vertretbarer Aufschub der
OP resultiert. (Eine Zirkulation metastasierender Tumorzellen ist beim Zer-
vix- und Endometrium-Ca sehr unwahrscheinlich, dennoch muss das Blut
über Leukozyteninfiltration und/oder Bestrahlung vor Retransfusion von po-
tenziellen Tumorzellen befreit werden; Aufklärungspflicht!).
• Klinische Befundkonstellation, die einen erhöhten Blutverlust erwarten lässt.
• Wunsch der Pat. nach Aufklärung.
Schwangerschaft
• Auch während der Grav. sind Eigenblutspenden möglich, sind aber der
Ausnahmefall. Cave: Der Hb sollte nicht unter 11,5 mg/dl absinken. Ge-
fahr der vorzeitigen Wehentätigkeit und erhöhte Rate an Frühgeburten;
empfohlen wird deshalb die Spende unter CTG-Kontrolle.
• Da die Auswirkungen der Eigenblutspende auf die fetoplazentare Einheit
nicht mit letzter Sicherheit abschätzbar sind, sollte in der Geburtshilfe die
Ind. zur Eigenblutspende stets streng und nur individuell gestellt werden.
Bei starken geburtshilflichen Blutungen werden zudem meist mehr als
2–3 EK benötigt. Selbst bei Pat. mit Placenta praevia, bei denen eine Sectio
elektiv geplant ist, verbietet sich die Eigenblutspende oft durch den er-
niedrigten Hb-Wert infolge präpartaler Blutungen.

Vorgehen 
• Bei normalem Ausgangs-Hb (> 12,5 g/dl) nach zweiter Spende Hb-Kontrolle.
• Bei 2 benötigten EK:
– 1. Spende 8–10 Tage vor OP.
– 2. Spende 3–5 Tage vor OP.
• Bei 3 benötigten EK:
– 1. Spende 13–16 Tage vor OP.
– 2. Spende 8–10 Tage vor OP.
– 3. Spende 3–5 Tage vor OP.
• Bei 4 benötigten EK:
– 1. Spende 18–24 Tage vor OP.
– 2. Spende 13–16 Tage vor OP.
70 2  Ärztliche Arbeitstechniken  

– 3. Spende 8–10 Tage vor OP.


– 4. Spende 3–5 Tage vor OP.
! In einigen Krankenhäusern wird statt EK Vollblut abgenommen.
Eisensubstitution
• Mit Indikationsstellung, spätestens ab der 1. Blutspende Eisen ca. 100–
200 mg/d p. o. (z. B. Eryfer®) über mindestens 4 Wo. – auch nach der OP!
• Pro Eigenblutspende ist ein Blutverlust von 450 ml, ein Eisenverlust von
2 210–240 mg und ein Hb-Abfall von 1,0–1,5 g/dl zu erwarten.

Retransfusion
• Sollte erfolgen, wenn Hkt unter 30 % sinkt.
• Intraop.: genaue EKG-Kontrolle, da klinische Symptome der Ischämie (RR-
Abfall, Tachykardie) häufig fehlen.
• Zuletzt abgenommenes (jüngstes) Blut zuerst geben.
• Unbedingt Bedside-Test zur Identifikation von Pat. und Konserve!

2.5.4 Nabelschnur-Blutentnahme zur Stammzellkonservierung


Nutzen wird sehr kontrovers diskutiert, von den Fachgesellschaften nicht emp-
fohlen, ist in mehreren europäischen Staaten sogar verboten.
Cave: Blutentnahme erst nach Vertragsgestaltung des Krankenhausträgers mit
der jeweiligen Firma (z. B. Vita®, Seracell®, eticur®) und nach Genehmigung durch
das Regierungspräsidium, da der Klinikbetreiber durch diese Blutentnahme zur
Außenstelle eines pharmazeutischen Unternehmens wird.
Von der Nabelschnurblutentnahme zur Kryokonservierung ist die Nabelschnur-
blutspende zur Transplantation schwer Erkrankter abzugrenzen. Ähnlich wie die
Blutstammzellen von Erw. können die aus Nabelschnurblut gewonnenen Blut-
stammzellen schwer kranken Pat. transplantiert werden. Vorteil bei der Trans-
plantation von Blutstammzellen aus dem Nabelschnurblut ist das geringere Infek-
tionsrisiko und die größere immunologische Toleranz der fetalen Blutzellen. Für
die Nabelschnurblutspende in Zusammenarbeit mit verschiedenen hämato-onko-
logischen Zentren gelten ähnlich strenge Voraussetzungen wie für die Nabel-
schnurblutgewinnung zur Kryokonservierung.

2.5.5 Vorgehen bei Bluttransfusion


Prätransfusionelle Untersuchungen
Indikationsprüfung
Erythrozytengabe nur bei symptomatischer Anämie: Dyspnoe, Tachykardie, An-
gina pectoris, zerebrale Ischämie, Blutungsschock.
AB0- und Rhesus-Blutgruppenbestimmung und Antikörpersuchtest
10 ml Nativblut, Röhrchen mit Vorname, Name und Geburtsdatum kennzeich-
nen. Der Arzt trägt die Verantwortung für die Vollständigkeit der Begleitpapiere
und Identität des Materials. Cave: Die Differenzierung evtl. vorliegender irregulä-
   2.5  Transfusionen  71

rer Ak und Bereitstellung entsprechender Konserven benötigt Zeit, daher bei


nicht dringlichen Transfusionen (geplante OP) Material frühzeitig einsenden.
Kreuzprobe
Die serologische Verträglichkeitsprobe vor jeder Bluttransfusion ist unerlässlich,
dazu 5–10 ml Nativblut (nicht älter als 72 h) verwenden.
Kompatibilitätsprüfung für weitere Bluttransfusionen
72 h nach der letzten Transfusion muss jeweils frisches Kreuzblut zur Erfassung
möglicher Ak-Bildung abgenommen werden; vor mehr als 3 Tagen durchgeführte
2
Kreuzproben verlieren ihre Gültigkeit!

Tab. 2.4  Kompatibilität von Spender- und Empfänger-Blutgruppe


Bei erythrozytenhaltigen Präparaten muss AB0- und rhesuskompatibel transfundiert
werden. Bei FFP und TK AB0 möglichst ebenfalls rhesuskompatibel transfundieren,
i. d. R. ist bei Letzteren keine Kreuzprobe erforderlich.

Empfänger-Blutgruppe FFP-Spender-Blutgruppe EK-Spender

0 0, A, B, AB 0

A A, AB A, O

B B, AB B, O

AB AB AB, A, B, O

Rhesus-System
Ein Rh-neg. Empfänger muss Rh-neg. Erys erhalten Ein Rh-pos. Empfänger kann
sowohl Rh-pos. als auch Rh-neg. Erys erhalten.

Durchführung der Transfusion


• Übereinstimmung von Konservennummer, angegebenem Empfänger und
Blutgruppenbefund sowie Verfallsdatum (Unversehrtheit der Konserve, auch
Verfärbung, Hämolyse) persönlich überprüfen.
• Nach Erwärmung auf Raumtemperatur (vorsichtiges Kneten) sollte die Kon-
serve umgehend transfundiert werden. Massivtransfusionen, Transfusionen
bei NG sowie bei Kälte-Ak: Durchlauferwärmen mit speziellen Heizspiralen
auf max. 37 °C (sonst Eiweißdenaturierung).
• Großlumiger venöser Zugang (mind. Braunüle Nr. 17 G/Gelb); keine Medi-
kamente zusetzen, außer NaCl 0,9 % darf nichts im Zugang laufen. Immer
Transfusionsbesteck mit Filter-Tropfkammer verwenden; Tropfkammer nur
zur Hälfte füllen.
• Der Bedside-Test zur Sicherung der AB0-Identität des Empfängers ist obligat
vor der Transfusion am Patientenbett durchzuführen und die Konserve nicht
mehr von der Pat. entfernen.
• Einleitung der Transfusion muss durch den Arzt erfolgen. Beim wachen Erw.
30–50 ml zügig transfundieren, danach Transfusion langsam stellen und
5 Min. intensiv überwachen. ¼-stündl. Überwachung der Pat. während der
Transfusion und mind. 1 h danach durch Pflegekraft (Frage nach Wohlbefin-
den. Temperatur und Puls orientierend prüfen). Transfusionsdauer unter
Nicht-Notfallbedingungen ca. 1 h.
72 2  Ärztliche Arbeitstechniken  

• Zur Prophylaxe einer Volumenüberlastung (v. a. bei Herz- oder Nierenin-


suff.) Transfusionsdauer auf 3–4 h verlängern, ggf. Diuretika i. v.
• Bei der Flüssigkeitsbilanzierung aufgedrucktes Volumen mit berechnen.
• Leeren Blutbeutel unter aseptischen Bedingungen (sauberer Plastikbeutel)
nach der Transfusion für 24 h im Kühlschrank aufbewahren (ggf. Klärung
von späten Transfusionsreaktionen, ▶ 2.6.8).
• Jeder Transfusionsverlauf muss schriftlich dokumentiert werden.
2 Massivtransfusionen
• Mind. 2 großlumige Braunülen (z. B. 14 G/Braun, 16 G/Grau), evtl.
Druckinfusion mit Druckinfusomat (evtl. Blutdruckmanschette um Kon-
serve bis 100 mmHg).
• Durchlauferwärmen des Bluts s. o.
• Faustregel: Je nach initialer Gerinnung ab 5 EK Gabe von FFP z. B. 1 FFP
auf 2 EK.
• Cave: Mangel an Gerinnungsfaktoren oder Thrombozyten.
Notfalltransfusion
• Transfusion von EKs ohne Verträglichkeitsprobe nur bei vitaler Indikation!
• Unbedingt vor Transfusionsbeginn 40 ml Nativblut für nachträgliche
Blutgruppenbestimmungen und nachgezogene Verträglichkeitsproben
abnehmen.
• Bei schon bekannter Blutgruppe der Pat. erst Bedside-Test, dann Transfu-
sion.
• Bei unbekannter Blutgruppe: EKs der Blutgruppe 0 transfundieren, mög-
lichst Rh-neg., schnellstmöglich auf tatsächliche Blutgruppe umstellen!

2.5.6 Thrombozytentransfusion

Die Bereitstellung von Thrombozyten benötigt viel Zeit. Daher rechtzeitig


daran denken (v. a. am Wochenende!); Rücksprache mit Blutbank.

Indikationen 
• Thrombopenie: Dringend bei Thrombos < 10.000/μl; unter bzw. unmittelbar
vor der Geburt < 50.000/μl → akute (Spontan-)Blutungsgefahr!
• Bildungsstörungen: z. B. Leukämie, Chemother., Thrombos < 20.000/μl (pro-
phylaktisch) oder bei Thrombopenie mit klinisch manifester Blutungsneigung
(ther.). Großzügige Ind. bei Risikofaktoren (Alter > 60 J., septische Tempera-
turen, Blutungsanamnese). Vor Beckenkammpunktionen bei Thrombos
< 30.000/μl.
• Akuter Blutverlust oder Verbrauchskoagulopathie: ab Thrombos < 50.000/μl,
erst nach Stabilisierung des Inhibitorpotenzials (ggf. AT III) und Low-Dose-
Heparinisierung.
• HELLP-Sy. ▶ 5.8.3.
Durchführung  HLA-Typisierung bei allen chron. zu substituierenden Pat. vor
der ersten Transfusion (10–20 ml heparinisiertes Blut bei Raumtemperatur).
   2.5  Transfusionen  73

Therapiekontrolle  Thrombozytenanstieg bei Standarddosis 6 Einfach-TKs bzw.


1  Zellseparator-TK auf 20.000–30.000/μl. Kontrolle 1 und 24  h post transfusio-
nem. Cave: ASS und Heparin vermindern Thrombozytenfunktion.

2.5.7 Rechtliche Fragen
Aufklärung
Muss durch einen Arzt erfolgen über Art der Transfusion (auch Möglichkeit der 2
Eigenblutspende, ▶ 2.5.3), Notwendigkeit und Risiken: Möglichkeit einer Immu-
nisierung oder Unverträglichkeit, v. a. bei Wiederholungstransfusionen; mögliche
Übertragung einer Syphilis, Hepatitis oder von HIV insb. bei Transfusionen von
Präparaten ohne Kontrolluntersuchungen (Frischblut). Möglichst schriftliche
Einverständniserklärung.

Verweigerung einer Bluttransfusion


Bei klarem Bewusstsein in Kenntnis der Konsequenzen muss die Transfusion un-
terbleiben. Bei Bewusstlosigkeit kann transfundiert werden, falls kein entgegen-
stehender Wille der Pat. (schriftlich oder mündlich) bekannt ist. Unter Juristen ist
dieser Punkt umstritten, da hier Gewissensentscheidung der Pat. (mit Transfusi-
onsverweigerung) der Gewissensentscheidung des Arztes, der sein Gewissen mit
dem Tod eines Pat. belastet, gegenübersteht. Deshalb sollten bei Zeugen Jehovas
bei nicht vital indizierter OP diese Sachverhalte gründlich durchgesprochen und
schriftlich fixiert werden. Angehörige haben kein Bestimmungsrecht.
Verweigern Erziehungsberechtigte bei minderjährigen Pat. die Zustimmung,
kann der Arzt das Vormundschaftsgericht benachrichtigen und bei gegebener
Dringlichkeit die Transfusion durchführen, in Eilfällen kann der Arzt von einer
mutmaßlichen Einwilligung ausgehen.

2.5.8 Transfusionsreaktionen
Transfusionsreaktionen
Ätiologie  Am häufigsten als Folge von antileukozytären Ak (HLA-Ak) des
Empfängers, wenn leuko- oder thrombozytenhaltige Konserven transfundiert
wurden (febrile nichthämolytische Transfusionsreaktion).
Klinik  Als Sofort- oder Frühreaktionen während oder als Spätreaktion noch Ta-
ge nach der Transfusion Unwohlsein, Fieber, Hitze- und Beklemmungsgefühl,
Übelkeit, Schüttelfrost, Tachykardie, Juckreiz, nur selten Blutdruckabfall bis zum
Schock und Atemnot (Bronchospasmus).

Hämolytische Zwischenfälle
Ätiologie  Durch antierythrozytäre Ak (z. B. AB0-Unverträglichkeit).
Klinik  Allgemeinsymptome mit Mikrozirkulationsstörungen in allen Organen
(Schmerzen in der Lendengegend, hinter dem Sternum und den langen Röhren-
knochen), Schock (RR ↓, Tachykardie, blasse, kalte Akren, evtl. Übelkeit, Erbre-
chen; ▶ 3.5), Verbrauchskoagulopathie und ANV. Letalität 6–20 %.
Differenzialdiagnose  Schwierige DD zur vorgenannten Transfusionsreaktion.
74 2  Ärztliche Arbeitstechniken  

Bakteriell bedingte Transfusionsreaktionen


Ätiologie  V. a. gramneg. Keime mit Endotoxinbildung.
Klinik  Schock evtl. schon nach wenigen Millilitern, oft Hämolysen. Verunreini-
gung meist bei Herstellung von leukozytenarmen oder gewaschenen EK sowie
Aufschwemmen von EKs mit 0,9-prozentigem NaCl (deshalb verkürzte Haltbar-
keit ≤ 8 h).

2 Vorgehen bei Transfusionsreaktionen


Cave: Symptomatik kann unter Narkose fehlen!
Therapie 
• Transfusion sofort stoppen. Keine Transfusion neuer Konserven ohne Abklä-
rung: Auch bei Notfalltransfusionen mindestens AB0-Verträglichkeit und das
Fehlen intravasaler Hämolyse (s. u.) überprüfen.
• Je nach Klinik Kortikoide i. v., H1- und/oder H2-Blocker i. v., ggf. Katechol­
amine i. v.
• Schockbehandlung (▶ 3.5). Bei V. a. bakterielle Ursache Breitbandantibio-
tika.
• Cave: Bei Niereninsuff. Diurese aufrechterhalten (z. B. Furosemid i. v.), ggf.
Mannitol.
• 20.000 IE Heparin über 24 h (Prophylaxe der Verbrauchskoagulopathie).
Sicherung der Diagnose 
• Verständigung des diensthabenden Transfusionsmediziners.
• Die transfundierte Konserve sofort mit Transfusionsbesteck und Begleitpa-
pieren an das immunhämatologische Labor zurückgeben.
• Sofortige posttransfusionelle Abnahme von:
– 10 ml Nativblut und 5 ml EDTA-Blut zur blutgruppenserologischen Ab-
klärung (häufigster Fehler: Verwechslung mit AB0-Unverträglichkeit).
– Nachweis intravasaler Hämolyse durch freies Hb im Serum (▶ 3.7).
– Großes BB, Gerinnungsstatus, LDH, Hb, Bili, Haptoglobin, K+ i. S. Urin-
sediment.

2.5.9 Infektionsrisiko durch Blutkomponenten


Transfusion zellhaltiger Blutprodukte, FFP
Die Richtlinien zur Blutgruppenbestimmung und Bluttransfusion schreiben fol-
gende serologische Untersuchungen der einzelnen Blutspenden vor: Anti-HIV
1/2, HBsAg, Anti-HCV, TPHA-Test, GPT (ALT).

• Verbleibendes Infektiositätsrisiko auch bei neg. Serologie, weil zwi-


schen Inf. und Antikörperbildung mehrere Wo. liegen können („diagn.
Lücke“).
• Geschätztes Infektionsrisiko für Deutschland: HIV1 : 300.000 bis
1 : 1 Mio., Hepatitis B 1 : 50.000, Hepatitis C 1 : 20.000.
• Pat. sorgfältig (▶ 2.5.7) aufklären.
   2.6  Infusions- und Ernährungstherapie  75

Minderung des Infektionsrisikos


Virusinaktivierung:
• Zusatz von Methylenblau zu einem FFP, Bestrahlung mit sichtbarem Licht.
• Solvent-Detergent-(SID-)Verfahren.
Quarantänelagerung von FFP ist seit 1.1.1995 gesetzlich vorgeschrieben (Freigabe
erst nach erneuter serologischer Untersuchung des Spenders 6  Mon. nach der
Blutspende; Verringerung der „diagn. Lücke“).

Bei zellhaltigen Präparaten nicht möglich. 2

Plasmabestandteile
Für die Gewinnung von Plasmafraktionen werden große Mengen von Plasma aus
Einzelblutspenden gepoolt (gemischt). Serologische Untersuchung (s. o.) vor der
Poolung, da sonst die Sensitivität durch den Verdünnungseffekt vermindert wird.
Theoretisch erhöht sich das Infektiositätsrisiko solcher gepoolten Präparate auf-
grund der Spenderzahl (sorgfältige Spenderauswahl – zzt. 70 % Importplasma,
korrekte serologische Untersuchung).
Je nach Hersteller (Patentrecht) verschiedene virusinaktivierende Verfahren (z. B.
Alkoholfraktionierung nach Cohn, Pasteurisierungsverfahren). Restinfektionsri-
siko ist nicht auszuschließen. HBV und HCV sind sehr viel resistenter gegenüber
Virusinaktivierungsverfahren als HIV!

Dokumentationspflicht
Dokumentation von Präparatenamen, pharmazeutischem Unternehmen,
Chargenbezeichnung für zellhaltige Blutkonserven, Gerinnungsfaktoren (z. B.
FFP, Antithrombin III, F VII, VIII, IX, XIII, Prothrombinkomplex-Präparate,
Prothrombinkomplex mit Faktor-VIII-Inhibitor-Bypass-Aktivität, Fibrino-
gen), Gewebekleber (Fibrin), Proteinase-Inhibitoren (α1-Antitrypsin).

2.6 Infusions- und Ernährungstherapie


2.6.1 Substrate der parenteralen Ernährungstherapie
Kohlenhydrate
Vor allem zur Energiebereitstellung. Neben Glukose werden Glukoseaustausch-
stoffe (Fruktose, Sorbit und Xylit) eingesetzt, die in der Leber zu fast 70 % in Glu-
kose verstoffwechselt werden.
Glukose
Indikationen  Energiezufuhr. 1 g enthält 4 kcal (17 kJ). 500 ml Glukose 50 % ent-
sprechen 1.000 kcal.
Dosierung 
• Max. 5 g/kg KG/d, max. Infusionsgeschwindigkeit 0,5 g/kg KG/h. Hochpro-
zentige Lsgn. > 10 % über ZVK (Reizung peripherer Venenwände).
• Bei Diab. mell., postop. und posttraumatisch Insulinbedarf durch engmaschi-
ge BZ-Kontrollen ermitteln.
76 2  Ärztliche Arbeitstechniken  

Fruktose (Lävulose), Sorbit, Xylit


Indikationen  Bei gestörter Glukoseverwertung Sorbit 40 % als Osmodiuretikum.
Kontraindikationen  Hereditäre Fruktose- oder Sorbitintoleranz, Methanolver-
giftung, fortgeschrittene Leber-, Niereninsuff., Laktatazidose, hypotone Hyperhy-
dratation, Hyperosmolarität. Cave: Keine sorbithaltigen Lsgn. im Säuglingsalter
verabreichen.
Dosierung  Max. 3 g/kg KG/d, max. Infusionsgeschwindigkeit 0,25 g/kg KG/h.
2
Frühsymptome der Fruktoseintoleranz
Hypoglykämie trotz Kohlenhydratzufuhr, Bewusstseinstrübung, Schock mit
metabolischer Azidose, Laktatanstieg, Transaminasenanstieg. Bei weiterer
Exposition häufig therapierefraktäres, tödliches Leber- und Nierenversagen.

Aminosäuren (AS)
Indikationen  Minderung der Katabolie. Energiegehalt 4 kcal/g.
• Bei Leberinsuff.: angereichterte AS-Lsgn. mit verzweigtkettigen AS Valin, Leucin
und Isoleucin, Reduktion von Methionin, Phenylalanin, Tyrosin und Tryptophan.
• Bei Niereninsuff.: angereicherte bzw. solitäre AS-Lsgn. mit essenziellen AS
und L-Histidin zur Reduktion der Harnstoffsynthese.
Dosierung  Max. 2 g/kg KG/d (gilt nicht bei Leber- oder Niereninsuff.), Mindest-
bedarf nach OP und Traumen 1 g/kg KG.
Fette
• Hohes Energieangebot (34 kJ/g = 9 kcal/g) in kleinen Flüssigkeitsvolumina.
• Einsatz erst nach der akuten Phase des Postaggressionssy.
Kontraindikationen  Hypertriglyzeridämie (>  350 mg/dl = 4,0 mmol/l), diabeti-
sche Ketoazidose, akute nekrotisierende Pankreatitis, akuter Myokardinfarkt,
akute Thrombembolie. Vorsicht bei Gerinnungsstörungen und floriden Inf.
Dosierung  Initial 0,5 g/kg KG, unter regelmäßigem Monitoring (2 ×/Wo. Trigly-
zeridspiegel) und kontinuierlicher Gabe über 24  h Steigerung auf max. 2 g/kg
KG/d, bei Niereninsuff. max. 1 g/kg KG/d. Periphervenös applizierbar, jedoch se-
parater Zugang nötig, nicht mit anderen Substanzen mischen. Bei mehrwöchiger
parenteraler Ernährung mindestens 0,2 g/kg KG/d applizieren.

Tab. 2.5  Täglicher Nahrungsbedarf (pro kg Körpergewicht)


Basaler Bedarf Mittlerer Bedarf Hoher Bedarf

Energie 25 kcal = 105 kJ 35–40 kcal = 147–168 kJ 50–60 kcal = 210–251 kJ

Stickstoff (= 0,11 g (= 0,7 g) 0,16 g (= 1 g) 0,24–0,32 g (= 1,5–2 g)


Aminosäuren)

Kohlenhydrate 3 g 5 g 7 g

Fett 1 g 1,5 g 2 g

E‘lyte
• Natrium 1–1,4 mmol 2–3 mmol 3–4 mmol
• Kalium 0,7–0,9 mmol 2 mmol 3–4 mmol
• Kalzium 0,1 mmol 0,15 mmol 0,2 mmol
   2.6  Infusions- und Ernährungstherapie  77

2.6.2 Prinzipien der parenteralen Ernährung


Indikationen  Enterale Ernährung, ggf. via Duodenalsonde nicht möglich.
Durchführung  Prinzipiell peripheren Zugangsweg (Verweilkanüle) bevorzugen.
Die Grenze der peripheren Verträglichkeit ist v. a. abhängig von der Osmolarität:
Ab ca. 800 mosmol/l (→ Angaben auf Infusionsflaschen) Ernährung über ZVK.
Planung 
• Ernährungskonzept abhängig von Ernährungszustand, Stoffwechsellage, vor- 2
aussichtlicher Dauer der parenteralen Ernährung.
• Kontinuierliche Substratzufuhr über 24 h; gleichmäßige Infusionsgeschwin-
digkeit, v. a. bei zentralvenöser Ernährung Pumpsysteme verwenden.
• Bei längerer (Faustregel: > 7 Tage) parenteraler Ernährung Multi-Vit.-Präpa-
rate und Spurenelemente substituieren.
• Eine langfristige totale parenterale Ernährung (TPE) wird stufenweise aufge-
baut (Stufenschema ▶ 2.6.3).
• Je schwerer die Stoffwechselveränderung bzw. je schlechter der Zustand der
Pat., desto vorsichtiger die Ernährung aufbauen.
• Bei Beendigung einer parenteralen Ernährung langsamer enteraler Nahrungs-
aufbau (zunächst nur flüssig, dann Milchsuppe, Brei, leichte Kost, Vollkost).
Parallel Infusionsmenge schrittweise reduzieren.

Tab. 2.6  Anhaltspunkte für Osmolarität


Voll-E‘lyt-Lsg. bzw. NaCl 0,9 % 310 mosmol/l

Voll-E‘lyt-Lsg. mit Glukose 5 % 580 mosmol/l

Voll-E‘lyt-Lsg. mit Glukose 10 % 60 mosmol/l

Aminosäure-Lsg. 10 %, E‘lyt- und KH-frei 800 mosmol/l

Aminosäure-Lsg. 10 %, mit KH 10 % und E‘lyten 1.600 mosmol/l

Fett-Lsg. 10 % 320 mosmol/l

Fett-Lsg. 20 % 360 mosmol/l

Monitoring bei zentralvenöser Ernährung  Klinische und Laborkontrollen sind


v. a. zu Beginn einer Infusionsther. und bei labiler Stoffwechsellage erforderlich.
Basisprogramm: BZ, Laktat, Harnstoff, Triglyzeride (< 350 mg/dl), E’lyte, fakulta-
tiv NH3 und Urinausscheidung. Genaue Flüssigkeitsbilanzierung ist nötig. Über-
wachung bei Applikation von Fettemulsionen (▶ 2.6.1).

2.6.3 Stufenkonzept der parenteralen Ernährung


Stufe 1: Periphervenöse Flüssigkeitszufuhr mit geringem
Kalorienanteil
Indikationen  Nach kleinen OP, bei gutem allg. Ernährungszustand, Dauer der
Nahrungskarenz < 2 Tage.
78 2  Ärztliche Arbeitstechniken  

Zusammensetzung  E‘lyt-Lsgn. und zusätzlich ggf. 5 % Kohlenhydrate (z. B. Rin-


ger, Stereofundin BG-5®, Jonosteril® oder Tutofusin®). Cave: Möglichst Glukose
verwenden, keine Zuckeraustauschstoffe.
Dosierungsbeispiel (70 kg)  3.000 ml/d ~ 40 ml Wasser/kg KG, davon 2.000 ml als
5 % Glukose ~ 100 g Glukose ~ ca. 400 kcal/d.

Stufe 2: Periphervenöse Basisernährung


Indikationen  Nach mittleren OP, bei leichter Katabolie, gutem allg. Ernährungs-
2 zustand Nahrungskarenz 2–3 Tage.
Zusammensetzung  Meist als Komplett-Lsg., z. B. AKE 1100®, Periplasmal®. AS-
Lsg. (z. B. Aminosteril® plus), (KH-)Lsgn. 5–10 % (z. B. Glukose 5 %), E‘lyte und
Flüssigkeit (Na+ 2–3 mmol/kg KG/d, K+ 1–1,5 mmol/kg KG/d). Bei eingeschränk-
ten Fettreserven zusätzlich Fettemulsionen 10–20 % (z. B. Lipofundin® MCT 20 %;
eigener Zugang!).
Dosierung  1–2 g Fett/kg KG/d.
Dosierungsbeispiel (70 kg) 
• 3.000 ml Kombinations-Lsg. aus 90 g AS ~ 360 kcal, 150 g KH ~ 600 kcal.
Summe ~ 1.000 kcal.
• Fakultativ 500 ml Fett-Lsg. 10 % (bei red. AZ, eingeschränkte Fettreserven),
50 g Fett ~ 450 kcal Summe ~ 1.450 kcal ~ 20 kcal/kg KG.

Stufe 3: Bilanzierte vollständige parenterale Ernährung


Indikationen  Längerfristige (> 3 Tage) TPE, z. B. nach schwerer OP, Polytrau-
ma, Verbrennungen; bei stark reduziertem AZ und EZ. Zentraler Zugang erfor-
derlich!
Zusammensetzung  Aus folgenden „Baustein-Lsgn.“:
• AS-Lsg. 7,5–15 %.
• KH-Lsgn. 20–50 %. Glukose bevorzugen; keine Monother. mit Glukoseaus-
tauschstoffen!
• Dosierung von Glukose 50 %: 0,6 ml/kg KG/h, max. 3 g/kg KG/d.
• Fettemulsionen 10–20 %.
• E‘lyte und Flüssigkeit nach Laborkontrollen und Bilanz.
• Vitamine und Spurenelemente (Kasten).
Beispiel für totale parenterale Standardernährung (Dosierung/d)
• 70 kg: 1,75 l Volumen mit 1.900 kcal = 75 kcal/kg KG (ohne Fette).
• 1.000 ml Glukose 40 % = 400 g Glukose = 1.600 kcal.
• 750 ml AS-Lsg. 10 % = 75 g AS = 300 kcal.
• Ca. 40 mmol KCl, 20 mmol KH2PO4.
• Evtl. zusätzl. 500 ml Fettemulsion 20 % = 100 g = 1.000 kcal.
• 1 Amp. Kalziumglukonat, 1 Amp. Vit.-B-Komplex, 1 Amp. Vit. C tägl. als
Kurzinfusion i. v.
Zusätzlich:
• Fe 40 mg i. v./Mon., Folsäure 15 mg i. v./Mon.
• E’lyt-Lsgn., Glukose 5 % je nach Flüssigkeitsbedarf.
   2.7  Sondenernährung über Magensonde  79

2.7 Sondenernährung über Magensonde


Indikationen  Kau- oder Schluckstörungen, Minderung des AZ (Schwäche,
­Kachexie, große OP). Vorteil: keine Dünndarmatrophie, verminderte Blutungs-
neigung aus peptischen Läsionen, verminderte Infektionsgefahr durch ZVK.
Kontraindikationen  Ulcus ventriculi oder duodeni, GIT-Blutung, Ileus, akute
Pankreatitis.
2
Über Magensonde werden je nach Bedarf Formuladiäten appliziert
• „Einfache Formuladiät“: Bei normaler Motilität, Digestion und Absorp-
tion. Zusammensetzung aus Eiweiß, Kohlenhydraten, Fett (v. a. langketti-
ge Triglyzeride), E‘lyten und Vit.
• „Spezielle Formuladiät“: Bei eingeschränkter Digestion oder Absorption
(z. B. chron. Pankreasinsuff.). Kohlenhydrate vorwiegend als Oligosaccha-
ride, Fette z. T. als mittelkettige Triglyzeride (MCT).

Applikation 
• Je nach Bedarf bis max. 2–3 l/d; Applikation als Bolus: 100–300 ml innerhalb
weniger Min. mit Pausen von ca. 1–2 h.
• Vor jeder Nahrungsgabe aspirieren; wenn mehr als 100 ml zu aspirieren sind,
mit der nächsten Gabe warten.
• Zwischen den Applikationen Sonde abklemmen oder Beutel hoch hängen,
um einen Reflux zu vermeiden.
• Magensonde etwa 30 Min. vor Applikation öffnen.
• Mit ca. 20 ml H2O oder Tee nachspülen: verhindert Verstopfen der Sonde.
• Bei Duodenalsonden empfiehlt sich die kontinuierliche Applikation über eine
Ernährungspumpe, da im Dünndarm ein Reservoir fehlt; sonst allenfalls Bo-
lusgaben von 50 ml.
• Verbindungsschläuche und Beutel alle 24 h erneuern, um eine bakterielle
Kontamination zu vermeiden.
• Bei Pat. mit erhaltenem Bewusstsein Nachtpause einhalten.
• Allmählicher Übergang zu oraler Ernährung.
Monitoring in der Aufbauphase  BZ-Tagesprofil. Alle 2 Tage E’lyte und Krea, 1 ×
wöchentl. Leberwerte, Bili, Triglyzeride, Albumin und Phosphat.

Komplikationen
• Abdominalschmerzen, Erbrechen.
• Dumping-Sy.
• Bei Diarrhö abklären, ob Sondenkost zu kalt war, zu schnell eingelaufen
ist, die Sonde zu tief liegt, die Menge zu groß war, eine bakterielle Konta-
mination oder eine osmotische Diarrhö besteht.
• Hyperosmolares, hyperglykämisches Koma (Tube-Feeding-Sy.).
• Aspiration.
• Bei Gastrostomie oder Jejunostomie Peritonititsgefahr.
3 Internistische Probleme
Arno Dormann

3.1 Kardiopulmonale Störungen 3.3  iere  95


N
und Gefäßerkrankungen  82 3.3.1 Infektion der ableitenden
3.1.1 Retrosternaler Schmerz  82 Harnwege (Zystitis)  95
3.1.2 Akute Dyspnoe  83 3.3.2 Pyelonephritis  96
3.1.3 Akutes Koronarsyndrom  83 3.3.3 Urosepsis  97
3.1.4 Arterielle Hypertonie  84 3.3.4 Nierensteine, Nierenkolik  97
3.1.5 Tiefe Beinvenen­ 3.4 Schock  98
thrombose  87 3.4.1 Hypovolämischer Schock  99
3.1.6 Lungenembolie  88 3.4.2 Septischer Schock  100
3.1.7 Asthma bronchiale  88 3.4.3 Anaphylaktischer Schock  101
3.1.8 Pneumonie  90 3.4.4 Hypoglykämischer
3.1.9 Pleuraerguss  90 Schock  102
3.1.10 Atem- und 3.5 Gynäkologische Notfälle  102
­Kreislaufstillstand  90 3.5.1 Genitale Blutung  102
3.2 Magen-Darm-Trakt  94 3.5.2 Akute Unterbauch­
3.2.1 Akutes Abdomen  94 schmerzen  103
3.2.2 Akute Appendizitis  94 3.5.3 Überstimulationssyndrom  104
3.6 Geburtshilfliche Notfälle  105
82 3  Internistische Probleme  

3.1 Kardiopulmonale Störungen und


Gefäßerkrankungen
3.1.1 Retrosternaler Schmerz
Differenzialdiagnosen 
1. Angina pectoris: thorakales Druckgefühl, Beklemmung, Atemnot. Evtl. Aus-
strahlung der Schmerzen in li Axilla oder Arm. Verstärkt bei Belastung; Bes-
serung nach Nitro. DD Akutes Koronarsy., Herzinfarkt: kürzere Dauer, feh-
lende Infarktzeichen im EKG, kein Anstieg von Troponin T, CK, CK-MB,
GOT, HBDH, nitrosensibel. Bei anhaltendem Schmerz, Übergang zum Prä-
Infarktstadium fließend, im EKG meist ST-Streckensenkung/-hebung → In-
3 tensivüberwachung.
2. Akutes Koronarsy.: lang anhaltender thorakaler Schmerz, evtl. mit Ausstrah-
lung in li Axilla oder Arm. Todesangst, Schweißausbruch. Oft atypische Ver-
läufe: Kollaps, Übelkeit, abdominelle Symptomatik bei Hinterwandinfarkt.
3. Tachykarde Herzrhythmusstörungen: retrosternales Druckgefühl, evtl. Hy-
potonie und Synkope → EKG, Langzeit-EKG.
4. Perikarditis: Pat. sitzt vor Schmerzen leicht vornüber gebeugt, Schmerz in
Inspiration verstärkt. Tachypnoe, flache Atmung. Evtl. perikardiales Reibege-
räusch auskultierbar, Pulsus paradoxus → Echokardiogramm; Rö-Thorax: Pe-
rikardtamponade.
5. Aortendissektion: stärkste Schmerzen mit Ausstrahlung in Rücken, Beine
und Nacken. Organdurchblutung von Herz, Gehirn, Nieren, Darm und Ex­
tremitäten gestört, dadurch z. B. Hemiparesen, ANV oder Herzinfarkt. Sono,
Echo, Rö-Thorax, CT: Mediastinalverbreiterung.
6. Lungenembolie ▶ 3.1.6.
7.  Spontanpneumothorax: Dyspnoe, tympanitischer Klopfschall, abge-
schwächtes Atemgeräusch, typisches Rö-Bild.
8. Perforiertes Ulcus ventriculi: abdominelle Abwehrspannung, „bretthartes“
Abdomen; Abdomenleeraufnahme im Stehen oder in Linksseitenlage zeigt in
70 % freie Luft.
9. Akute Pankreatitis: gürtelförmiger Oberbauchschmerz, in den Rücken aus-
strahlend; Lipase ↑. GOT, GGT, BB, Leukos, Sono und CT Abdomen.
Vorgehen bei akutem retrosternalem Schmerz 
• B ettruhe für 48 h, bei Dyspnoe O2-Sättigung messen, O2 über Nasensonde
nach BGA, Sedierung, z. B. Diazepam 2–5 mg i. v. (z. B. Valium®).
• Initial Nitroglyzerin-Spray 2–3 Hübe, evtl. Nifedipin 5–10 mg s. l. oder Nitro-
Perfusor 50 mg auf 50 ml NaCl 0,9 % mit 1–6 ml/h. NW: Hypotonie → RR-
Kontrolle in kurzen Abständen! Schmerzlinderung binnen 5 Min. spricht für
Angina pectoris.
• E KG schreiben; in den ersten 6 h nach Infarkt in 50 % unauffällig.
• B lut abnehmen: Troponin T, CK, CKMB, GOT. Wiederholung nach 6 und
12 h.
• B ei V. a. Myokardinfarkt ASS 250 mg i. v. (z. B. Aspisol®) oder p. o. (cave:
ASS-Allergie).
• N  ochmals weitere DD durchdenken, ggf. ausschließen → bei Nachweis des
Infarkts Intensivüberwachung! Frühes internistisches Konsil.
   3.1  Kardiopulmonale Störungen und Gefäßerkrankungen  83

3.1.2 Akute Dyspnoe
Vorgehen bei akuter Dyspnoe 
• R R, Puls (z. B. Schock, hypertensive Krise), Fieber.
• A uskultation: ohrnahe RG (Pneumonie), feuchte RG (Lungenödem), Spastik,
verlängertes Exspirium (Asthma, exazerbierte chron. Bronchitis).
• H ochlagerung des Oberkörpers.
• B GA, ggf. O2-Gabe (z. B. 2 l/Min.).
• E KG: Herzinfarkt, Lungenembolie (▶ 3.1.6), Arrhythmie.
• V enenverweilkanüle legen und Blut (BB, Troponin T, CK, CK-MB, GOT) ab-
nehmen.

3.1.3 Akutes Koronarsyndrom
Einteilung 
3
• Instabile Angina pectoris: neu aufgetretene oder verstärkte Brustschmerzen
mit EKG-Veränderungen.
• M yokardinfarkt ohne ST-Elevation (NSTEMI): instabile Angina pectoris plus
Troponinerhöhung.
• S T-Elevations-Myokardinfarkt (STEMI): Troponinerhöhung plus ST-Stre-
ckenhebung oder neu aufgetretener Linksschenkelblock.
Klinik  Herzinfarktverdacht bei Angina pectoris > 20 Min., Vernichtungsgefühl,
Todesangst, Übelkeit, Dyspnoe. Schmerzausstrahlung in li und re Arm, Hals, Un-
terkiefer, Epigastrium. Fehlender Effekt von Nitroglyzerin. Prodromale Angina
pectoris in 60 %. Cave: Bei ca. 20–30 % der Pat. „stummer“, d. h. schmerzloser In-
farkt (gehäuft bei Diabetikern).
Diagnostik 
• B efund: kaltschweißige Haut, Tachykardie, Hypotonie, evtl. Schock.
! D D des retrosternalen Schmerzes ▶ 3.1.1.
• B ei Vorliegen von zwei der drei folgenden Kriterien ist von einem Infarkt
auszugehen:
– Typische Klinik (fehlt bei 30 %).
– Infarkttypisches EKG (fehlt bei 30 %).
– Infarkttypischer Enzymverlauf (fehlt bei 30 %).

Erstmaßnahmen
• S ofortige Verlegung auf Intensivstation einleiten, Pat. nicht allein lassen.
• I. v. Zugang, keine i. m. Injektionen (verfälscht Enzymdiagn., Blutungs-
probleme bei Lyse!).
• L abor: Troponin, CK, GOT.
• E KG.
• B eatmung: O2 über Nasensonde, z. B. 2–6 l/Min.
• B ei V. a. Myokardinfarkt: ASS 250–500 mg i. v. (z. B. Aspisol®) oder p. o.
(cave: ASS-Allergie), hoch dosiertes Heparin.
• S edierung: z. B. Diazepam 5–10 mg i. v. (Valium®), bei Übelkeit ® Aliza­
prid 50–150 mg i. v. (Vergentan®).
• A nalgetika: Opiate, z. B. Morphin 10–20 mg i. v.
• N itroglyzerin 2 Sprühstöße (0,8 mg) s. l., danach über Perfusor 2–4 mg/h
(= 2–4 ml/h) unter RR-Kontrolle. KI: RRsystol < 100 mmHg, Schock.
84 3  Internistische Probleme  

• B ei Hypertonie evtl. Nisoldipin 5 mg i. v. (z. B. Baymycard®), jedoch erst


nach adäquater Schmerzbekämpfung und Nitroglyzerin-Gabe (s. o.). Al-
ternativ Betablocker. Cave: Bradykardie.

Sofortige Verlegung in kardiologische Fachabteilung mit 24-h-PTCA-Bereit-


schaft zur Reperfusionsther.

Monitoring  EKG-Monitor, O2-Sättigung, engmaschige Kontrolle von RR, Puls,


Atmung, Atemfrequenz; bisherige Maßnahmen dokumentieren!

3.1.4 Arterielle Hypertonie
3
Hypertonie in der Schwangerschaft ▶ 5.8.

Tab. 3.1  Schweregrade der Hypertonie


Labil Pat. nur bei Belastung und Stress hyperton

Hypertonie 1 Systolisch 140–159 mmHg oder diastolisch 90–99 mmHg

Hypertonie 2 Systolisch 160–179 mmHg oder diastolisch 100–109 mmHg

Hypertonie 3 Systolisch > 180 mmHg oder diastolisch > 110 mmHg

Hypertensive Krise Krisenhafter RR-Anstieg auf > 230/120 mmHg mit vital bedroh­


lichen neurologischen und/oder kardiologischen Symptomen
ohne akuten Organschaden

Ätiologie
• P rim. (essenzielle) Hypertonie: zu über 90 %, gehäuft vergesellschaftet mit
Adipositas, Typ-2-Diab. mell. oder pathologische Glukosetoleranz, Hyperli-
poproteinämie (Triglyzeride ↑, HDL ↓) und Hyperurikämie als metaboli-
sches Sy.
•  ymptomatische (sek.) Hypertonie: selten.
S
•  chwangerschaftsinduziert (SIH): I. isolierte SIH, II. SIH mit Proteinurie +
S
evtl. Ödemen = Präeklampsie = EHP-Gestose (▶ 5.8.1)
– Renal bis 5 %: renoparenchymatös, renovaskulär.
– Obstruktives Schlafapnoe-Sy.: Schnarchen, nächtliche Atempausen, impe-
rativer Schlafdrang, Adipositas.
– Vaskulär: Aortenisthmusstenose.
– Endokrin bis 5 %: prim. Hyperaldosteronismus, Hyperthyreose, Cushing-
Sy., Conn-Sy., Phäochromozytom, Akromegalie.
– Medikamentös: OH, Glukokortikoide, Sympathomimetika (auch Augen-
und Nasentropfen), Psychopharmaka, Schilddrüsenhormone.
– Neurogen: Hirndruck, erhöhter Sympathikotonus, Sklerose der Karotissi-
nus.
– Sonstige: SIH (▶ 5.8), Fieber, Hypervolämie.
   3.1  Kardiopulmonale Störungen und Gefäßerkrankungen  85

Diagnostik
• L abor: BSG, K+, Na+, BZ, BB (z. B. Polyglobulie, Anämie), Krea, Harnsäure,
Gesamteiweiß, Cholesterin und Triglyzeride, Urinstatus.
•  KG: z. B. Hypertrophie- oder Ischämiezeichen.
E
•  R: immer an beiden Armen messen.
R
•  cho: z. B. Hypertrophie.
E
•  berbauchsono, Farbdoppler der Nieren (Nieren, Nebennierentumor), Rö-
O
Thorax.

Tab. 3.2  Stufenschema der medikamentösen Therapie


Milde Hypertonie Mittelschwere Hypertonie Schwere Hypertonie

RR diastolisch 90– RR diastolisch 100– RR diastolisch > 110 mmHg


99 mmHg 109 mmHg 3
Monother. mit Diureti­ Kombination von Kombination von
kum • Diuretikum plus • Diuretikum plus
• ACE-Hemmer, Betablo­ • Betablocker oder Clonidin
cker oder Kalziumant­ plus
agonist • ACE-Hemmer/AT1-Antago­
nist oder Kalziumantago­
nist oder Dihydralazin oder
α1-Blocker oder Minoxidil

oder ACE-Hemmer/AT1- oder


Antagonist • Kalziumantagonist plus
• Betablocker oder ACE-
Hemmer/AT1-Antagonist

oder Kalziumantagonist

oder Betablocker

Therapieprinzipien
! B ei V. a. sek. Hypertonie → Konsil Innere.
• In der Schwangerschaft prim. Ther. mit kardioselektiven β1-
Rezeptorblockern, α-Methyldopa, Dihydralazin.
• S alzrestriktion, Gewichtsreduktion; Hyperlipoproteinämie, Hyperurikämie
und Diab. mell. behandeln, Nikotinverzicht.
• R egelmäßiges Ausdauertraining, kein Krafttraining (RR ↑).
• R R-Selbstmessung.
• Z um Ausschluss unerwünschter RR-Spitzen RR-Tagesprofil (z. B. 7, 11, 15
und 22 h), RR-Messung nach Belastung oder 24-h-RR-Messung.

Kardioselektive β1-Rezeptorblocker
Indikationen  V. a. für junge Pat.
Kontraindikationen  Dekompensierte Herzinsuff., AV-Block II–III, Bradykardie,
bifaszikulärer Block, pAVK (III–IV), Asthma bronchiale, COPD.
Präparate und Dosierung 
• A
 tenolol 1 × 50–200 mg/d p. o. (z. B. Tenormin®).
• M
 etoprolol 2 × 50–100 mg/d p. o. (z. B. Beloc®).
86 3  Internistische Probleme  

Nebenwirkungen  Sedierung, Depression, GIT-Störungen, Hypoglykämie, Impo-


tenz.

Kardiodepression bei gleichzeitiger Verapamilgabe. Gefahr des AV-Blocks.


Wegen Rebound-Effekt unbedingt ausschleichend absetzen!

Methyldopa
Zentral wirksamer Alphablocker.
Indikationen  Mittel der Wahl zur langfristigen Therapie der Schwangerschafts-
hypertonie.
Kontraindikationen  Depression, hämolytische Anämie.
3 Präparate und Dosierungen  Methyldopa (z. B. Presinol®) 2–3  × 250–500 mg/d
p. o., langsam aufdosieren.

Dihydralazin
Indikationen  Mittel der 1. Wahl bei hypertensiver Krise in der Schwangerschaft.
Kontraindikationen  Bewirkt reflektorische Tachykardie, NaCl-Restriktion.
Präparate und Dosierungen  Dihydralazin (z. B. Nepresol®) 3 × 12,5–50 mg/d p. o.

Kalziumantagonisten
Indikationen  V. a. für ältere Pat. Bei leichter oder labiler Hypertonie, bei KI ge-
gen Betablocker.
Kontraindikation  1. Trimenon der Schwangerschaft.
Präparate und Dosierungen  z. B. Amlodipin 1  × 5–10 mg tägl. p.o. (z. B. Nor­
vasc®).
Nebenwirkungen  Tachykardie, Ödeme, Kopfschmerzen, Flush.

ACE-Hemmer
Indikationen  Essenzielle Hypertonie, geringe Herzinsuff. (NYHA II/III).
Kontraindikationen  Grav., Stillzeit, Niereninsuff. (Krea > 1,5 mg/dl), Nierenar-
terienstenose bds., Transplantatniere, gleichzeitige Ther. mit kalziumsparendem
Diuretikum, Hyperkaliämie, immunsuppressive Ther., Leberinsuff.
Präparate und Dosierungen  z. B. Enalapril 1 × 2,5–5 mg/d p. o. (z. B. Xanef®).
Nebenwirkungen  Chron. Reizhusten (in 10 %), Hyperkaliämie, Krea-Anstieg,
Hypotonie, Proteinurie, Leukopenie, Geschmacksstörungen, Exantheme.

AT1-Rezeptorblocker
Kontraindikationen  Schwangerschaft.
Präparate  z. B. Telmisartan 1 × 20–80 mg/d (Micaordis®).

α1-Blocker
Werden meist erst bei Tripelther. verwendet.
   3.1  Kardiopulmonale Störungen und Gefäßerkrankungen  87

Kontraindikationen  Grav. und Stillzeit.


Präparate  Urapidil 2 × 30–90 mg/d p. o. (Ebrantil®).

Soforttherapie der hypertensiven Krise


Bei fehlender Klinik (hypertensiver Dringlichkeit) „äußere“ Ursachen wie
Schmerzen, Harnverhalt, Medikamentenentzug ausschließen. Pat. in ruhi-
gen Raum legen.
In der Grav. andere Medikamente wählen (s. o.).
• V orbehandelte Pat.: falls nötig eine zusätzliche Medikamentendosis.
• N icht vorbehandelte Pat.: ACE-Hemmer bzw. AT1-Rezeptorblocker, Be-
tablocker, Clonidin oder Schleifendiuretika.
• R R-Senkung in 24–48 h ausreichend (auch ambulant möglich).
• B ei Nichtansprechen oder Klinik (hypertensiver Notfall) Glyzeroltrini­
trat 2 Hübe s. l. (z. B. Nitrolingual®), nach 10–15 Min. Wiederholung 3
möglich, oder Nitroperfusor (50 mg Nitroglyzerin auf 50 ml NaCl 0,9 %
mit 1–6 ml/h). NW: Tachykardie, Kopfschmerz, intrakranielle Druck-
steigerung; KI: zerebraler Insult.
• F requenzneutrale Alternative: Urapidil 25 mg i. v. (Ebrantil® 25) an der
liegenden Pat. mit Ebrantilperfusor fortführen (Dosierung ▶ 21.9).
• B ei begleitender Tachykardie: β-Blocker wie Metoprolol 47,5–95 mg p. o.
oder 2,5–5 mg i. v. (z. B. Beloc®). Clonidin 0,15 mg i. v. oder i. m. (Cata­
presan®), bei Bedarf nach 30 Min. 0,3 mg i. v.
• B ei begleitender Bradykardie: Dihydralazin 6,25 mg langsam i. v. (Ne-
presol®) bei Bedarf nach 30 Min. mit doppelter Dosis wiederholen.

Ziel: RR zunächst nicht unter 170/100  mmHg wegen Hirnischämiegefahr,


besonders bei generalisierter Arteriosklerose.

3.1.5 Tiefe Beinvenenthrombose
Klinik  Schmerz, Schweregefühl, Ödem (Umfangsdifferenz beider Beine > 2 cm),
livide Verfärbung, prominente Venen über Tibiakante, Überwärmung, leichtes
Fieber, Puls ↑.
Fußsohlendruckschmerz, Wadenschmerz bei Dorsalflexion des Fußes bei ge-
strecktem Bein.
KO: Lungenembolie (▶ 3.1.6), chron. venöse Insuff.
Diagnostik  D-Dimere im Blut. Das Fehlen von D-Dimeren macht eine TVT
sehr unwahrscheinlich (cave: postop. erhöht) Doppler- oder Farbdoppler-Sono.
Ggf. Thrombophiliediagn. bei Pat. < 45 J.
Differenzialdiagnosen  Thrombophlebitis, art. Verschluss, Erysipel, Lymphangi-
tis, Wadenkrampf, Wurzelreizung.

Therapie der tiefen Beinvenenthrombose


• A
 bsolute Bettruhe (bereits bei Verdacht), keine i. m. Injektionen.
• V
 ollheparinisierung: initial 10.000 IE Heparin i. v. danach über Perfusor
zunächst 1.000 IE/h. Ziel: Verlängerung der PTT auf das 2- bis 3-Fache.
88 3  Internistische Probleme  

Alternativ niedermolekulares Heparin s. c. nach Körpergewicht, wie Nad-


roparin 2 × 85 IE/kg KG s. c. (Fraxiparin®); Vorteil: keine PTT-Kontrollen
notwendig.
•  ach Diagnosestellung überlappend Cumarine für 3–6 Mon., bei Lungen-
N
embolie oder Rezidiv Langzeitbehandlung. Cave: Patientenaufklärung.
•  ei KI gegen Antikoagulation evtl. Low-Dose-Heparinisierung mit 3 ×
B
5.000 IE/d s. c. oder Lenoxaparin 1 × 4.000 IE/d (Clexane®).
•  ei isolierten Unterschenkelthrombosen Thromboseprophylaxestrümpfe,
B
Low-Dose-Heparinisierung und Mobilisation.

3.1.6 Lungenembolie
3 Ätiologie  Meist Thrombembolie nach (postop., postpartaler) Thrombose der tie-
fen Bein- oder Beckenvenen.
Klinik  Dyspnoe, Tachypnoe, atemabhängiger Schmerz, Husten, Hämoptyse,
Symptome der tiefen Beinvenenthrombose. Bei massiver Embolie ängstliche Pat.
mit hochgradiger Dyspnoe.
Diagnostik  Klinisch! Unterstützend:
• L abor: D-Dimere pos.; ein Fehlen von D-Dimeren macht eine TVT sehr un-
wahrscheinlich (cave: postop. erhöht).
• E KG: SIQIII, neg. T in V1–3, S bis V6, Vergleich mit Vor-EKG entscheidend!
• B GA: pO2 ↓, pCO2 ↓, pH ↑.
• F arbdoppler der Beinvenen (Thrombose), alternativ Phlebografie.
• R ö: selten pathol. verändert. Rechtsherzvergrößerung.
• A usschluss: Ventilations- und Perfusionsszintigramm, Nachweis: Pulmona-
lis-DSA.
Differenzialdiagnosen  Herzinfarkt, akutes Rechtsherzversagen, Atemwegsob­
struktion, Herzbeuteltamponade (→ Sono), Pneumothorax, Schock anderer Ge-
nese (▶ 3.5).

Notfalltherapie der akuten Lungenembolie


• S chon bei Verdacht Intensivther., häufig tödliche Rezidive!
• B ettruhe, Sedierung z. B. Diazepam 5 mg i. v. (z. B. Valium®) und
Schmerzbekämpfung.
• B eatmung: O2 (4 l/Min.) nach BGA, bei pO2 < 50 mmHg Intubation und
maschinelle Beatmung erwägen.
• A ntikoagulation: Heparin initial 10.000 IE, dann Vollheparinisierung.
• G gf. Thrombolyse erwägen. Ab 10. Tag postop. (auch bei Sectio caesarea)
bzw. 7. Tag postpartal möglich.
• S chocktherapie ▶ 3.5.
! Keine i. m. Injektionen! Kein Aderlass! Nicht zu früh mobilisieren!

3.1.7 Asthma bronchiale
Definition  Anfallsweise Atemnot infolge Entzündungen und bronchialer Hy-
perreaktivität. Allergisches Asthma (exogen-allergische Form), nichtallergische
   3.1  Kardiopulmonale Störungen und Gefäßerkrankungen  89

intrinsische Form (meist durch Inf.), Mischformen möglich. Auslösende Faktoren


erfragen.
Differenzialdiagnosen  Lungenödem („Asthma cardiale“), Lungenembolie,
chron.-obstruktive Bronchitis, Pneumothorax, Hyperventilations-Sy., Fremdkör-
peraspiration.

Ther. in der Schwangerschaft auf jeden Fall fortsetzen, da für den Embryo/
Fetus von einer Asphyxie im Asthmaanfall größte Gefahr ausgeht.

Tab. 3.3  Antiobstruktive Dauertherapie in 4 Stufen


Stufe 1 Bedarfsweise inhalative kurz wirkende β2-Mimetika, z. B. Salbutamol, Sul­
tanol® bis 4 × 2 Hübe.
3
Stufe 2 Inhalative Glukokortikoide; Budenosid, z. B. Pulmicort Turbohaler® bis 2 ×
2 Hübe, volle Wirksamkeit erst nach 1 Wo.

Stufe 3 Zusätzlich lang wirksame Sympathomimetika: z. B. Formoterol 2 × 2 Hübe


oder Salmeterol (Serevent®) 2 × 2 Hübe.
Zusätzlich retardierte Theophylline; ther. Blutspiegel: 8–20 mg/l; Dosierung
initial: Nichtraucher (70 kg) 2 × 350 mg (= z. B. 2 × 1 Tbl. Bronchoretard®),
Raucher 3 × 350 mg. Am 3. Tag Kontrolle von Wirkung und Verträglichkeit.
Dosisanpassung nach Spiegelbestimmung. NW: Übelkeit, Schwindel, Kopf­
schmerzen, Schlafstörungen, Tremor, tachykarde Herzrhythmusstörungen.

Stufe 4 Zusätzlich systemische Glukokortikoide: Initialdosis 30–100 mg Predniso­lon­


äquivalent i. v. oder p. o. über einige Tage, dann absetzen.

Therapie der Infektexazerbation und des Status asthmaticus


• S auerstoffgabe nach BGA, z. B. 4–6 l/Min. über Nasensonde. Möglichst
BGA kontrollieren, bei Hyperkapnie Überwachung der Bewusstseinslage.
• H och dosierte broncholytische Ther.: β2-Sympathomimetika, bevorzugt
mit Düsenvernebler, z. B. 1,25 mg Salbutamol (z. B. Sultanol®) plus Para-
sympatholytikum Ipratropiumbromid (z. B. Atrovent® 4–8 Tr. einer
0,025-prozentigen Lsg.) in 4 ml steriler NaCl-Lsg. 0,9 %.
• G lukokortikoide: Prednisonstoß 50–100 mg i. v., ggf. 50 mg nach 4 h wie-
derholen (z. B. Solu-Decortin H®).
• T heophyllin: 100–200 mg initial i. v., Aufsättigungsdosis über 5 Min. i.v.
(bei Vorther. Dosis halbieren), 600–800 mg/d i. v. im Anschluss oder 3 ×
200–350 mg/d p. o. (z. B. Euphylong®), Spiegelkontrollen.
• T erbutalin: evtl. 0,25 mg s. c. (Bricanyl®). Cave: nicht bei Tachykardie > 130/
Min. Antibiose: Infektexazerbation meist durch Pneumokokken, Haemo-
philus influenzae, Streptokokken. Ther. bei fehlendem Antibiogramm mit
Clarithromycin 2 × 500 mg/d p. o. (z. B. Klacid®), in der Schwangerschaft
Amoxicillin 4 × 750 mg p. o. bzw. 4 × 1 g/d i. v. (z. B. Amoxicillin-CT®).
• A djuvante Ther.: ausreichende Flüssigkeitszufuhr (p. o. oder i. v.) 100–
200 ml/h, bis zu 4 l tägl. (cave: Herzinsuff.), Physiother., möglichst keine
Sedierung, evtl. Promethazin (Atosil®).
• Indikation zur assistierten Beatmung: progredienter pCO2-Anstieg, Atem-
frequenz > 30/Min., exzessive Atemarbeit, Erschöpfung, Bewusstseinsver-
lust, drohender Atemstillstand.
90 3  Internistische Probleme  

3.1.8 Pneumonie
Diagnostik 
• R ö: bei „atypischen“ Pneumonien oft Diskrepanz zwischen deutlichem Rö-
Befund und neg. Auskultationsbefund.
• L abor: Leukozytose mit Linksverschiebung, BSG ↑, CRP ↑↑ v. a. bei bakteri-
ellen Pneumonien; bei Mykoplasmen oft Kälteagglutinine nachweisbar.
• E rregernachweis in Blut, Pleurapunktat, Bronchialsekret, bronchoalveolärer
Lavage; Sputumuntersuchung nicht sinnvoll.
• B GA: schlechte Prognose bei respiratorischer Globalinsuff.
Therapie  Ausreichend Flüssigkeit (Fieber), bei hohem Fieber Bettruhe und
Thrombembolieprophylaxe, Antipyretika, z. B. Paracetamol 3  × 1 g/d p. o. (z. B.
ben-u-ron®). Antibiose ▶ 22.6. In der Grav. prim. Amoxicillin/Clavulansäure 3 ×
3 625–1.250 mg/d p. o. (Augmentan®), alternativ bei Penicillinallergie Clarithromy-
cin 2 × 500 mg/d p. o. (z. B. Klacid®).

3.1.9 Pleuraerguss
Ätiologie  In etwa 50 % durch maligne Tumoren verursacht, z. B. Bronchial-Ca,
Pleuramesotheliom, Mamma-Ca, Hypernephrom, malignes Lymphom, metasta-
sierendes Ovarial-Ca (Ovarial-Fibrom: Meigs-Sy.).
Klinik  Oft asymptomatisch. Dyspnoe, atemabhängige Schmerzen; Klopfschall-
dämpfung, abgeschwächtes Atemgeräusch basal (DD: Zwerchfellhochstand).
Diagnostik 
• Jeder Pleuraerguss erfordert eine diagn. Klärung durch Punktion.
• S ono, Rö-Thorax in Seitenlage (betroffene Seite unten), um freies Abfließen
(und damit Punktionsmöglichkeit) beurteilen zu können.
Differenzialdiagnosen  Tbc, Pneumonie, Rechtsherzinsuff.; Hypoalbuminämie,
subphrenischer Abszess (Fieber, Zwerchfellhochstand), Pankreatitis (linksseitiger
Pleuraerguss).

Punktion
• D iagn. Punktion: oft über Kanüle möglich. Röhrchen für Hämatologie
(Zellzählung und Differenzierung), klinische Chemie (Protein, spez. Ge-
wicht, Cholesterin; ggf. zusätzlich LDH, Laktat, Glukose, α-Amylase), Mikro-
biologie (Erreger und Resistenz, Tbc-Kultur) und Zytologie (z. B. maligne
Zellen, Entzündung). Eiweiß > 3 g/dl und Cholesterin > 50 mg/dl sprechen
für malignen Erguss, beweisend ist die Zytologie, ggf. mehrmals wiederholen.
• T herapeutische Punktion: (z. B. mit Pleurocath®). Auch wiederholt v. a.
bei Dyspnoe. Cave: Nicht mehr als 1–2 l/d ablassen (Gefahr des Lungen-
ödems e vacuo); Gerinnung überprüfen. Ggf. Drainage einlegen.

3.1.10 Atem- und Kreislaufstillstand


Klinik 
• P ulslosigkeit von A. carotis und A. femoralis.
• B ewusstlosigkeit 6–12 Sek. nach Sistieren der O2-Zufuhr zum Gehirn.
   3.1  Kardiopulmonale Störungen und Gefäßerkrankungen  91

• A
 temstillstand oder Schnappatmung (bei prim. Kreislaufstillstand nach 15–
40 Sek.).
• W eite, lichtstarre Pupillen (nach 30–90 Sek.).
• F ehlender Herzschlag bei Herzauskultation (nicht zu viel Zeit verwenden!).
• G rau-zyanotische Hautfarbe (unsicheres Zeichen).
Diagnostik  Anhand der klinischen Symptomatik. Weitere diagn. Maßnahmen
(EKG, BGA, Labor) erst nach der Elementarther. Präkordialen Faustschlag nur
bei beobachtetem Eintreten des Kreislaufstillstands, nur einmal anwenden.

ABCDEF-Regel
Atemwege freimachen  Fremdkörper aus Mund-Rachen-Bereich entfernen, Kopf
überstrecken und Unterkiefer nach vorn und oben ziehen (= Esmarch-Handgriff
▶ Abb. 3.1). 3

Abb. 3.1  Esmarch-Handgriff und Maskenbeatmung (Maske mit Daumen und Zei­
gefinger über Mund und Nasenöffnung pressen, mit den restlichen Fingern Kopf
in reklinierter Stellung fixieren) [L106]

Beatmung 
• M und-zu-Nase, Mund-zu-Mund, Mund-zu-Tubus (Safar-Tubus, Guedel-Tu-
bus), Maskenbeatmung (Ambu-Beutel, Methode der Wahl für im Intubieren
Ungeübte! ▶ Abb. 3.1) mit 100 % O2.
• Intubation: zuverlässigste Methode. Benötigte Materialien: Laryngoskop, En-
dotrachealtubus mit Führungsdraht, 10-ml-Spritze zum Blocken des Tubus,
Klemme, Absauggerät. Tubus-Ø bei F 7,0–7,5 = 30–32 Ch, bei Kindern Alter
(J.) + 18 = Ch. Bei Sgl. 3,5 = 15 Ch (▶ 9.2.2).
• N otfallkoniotomie: Wenn Beatmung bzw. Intubation nicht möglich ist (z. B.
bei Glottisödem), ggf. Notfalltrachealpunktion mit 3–5 dicken (z. B. 12 G)
Venenverweilkanülen zwischen Schild- und Ringknorpel.
Herzmassage und Beatmung im Wechsel: 30  :  2, Drucktiefe beim Erw. etwa
4–5 cm, Kompressionsfrequenz 100/Min. (kardiopulmonale Reanimation bei NG
▶ 9.2.1).
Circulation  Bei jedem Herzstillstand sollte nach erfolglosem initialem Beat-
mungsversuch sofort mit der Herzdruckmassage (HDM, ▶  Abb.  3.2) begonnen
werden. Extrathorakale Herzmassage (flache Lagerung auf harter Unterlage,
92 3  Internistische Probleme  

Druckpunkt Sternummitte). Massagefrequenz: Erw. 100/Min., Kinder 90–110/


Min., Sgl. 120/Min. Kompressions-Entlastungs-Verhältnis >  50 % (Kompressi-
onsplateau). Keine Unterbrechung der HDM > 7 Sek. Palpation des A.-femoralis-
Pulses durch Helfer: Suffiziente HDM.

3
Ballen der Hand auf Ballen der anderen
die Mitte des Brustkorbs Hand darauf, Finger verschränken

Nur der Handballen


berührt das Sternum
Arme
gestreckt

Abb. 3.2  Herzdruckmassage [L106]

Technik der Defibrillation (unter EKG-Kontrolle!)


• E lektroden mit Elektrodenpaste bestreichen.
• Ü ber Herzbasis (unterhalb der re Klavikula) und der Herzspitze (unter-
halb der li Brustwarze) unter Druck aufsetzen.
• D efibrillieren: mit 200 Joule, dann auf 300 bis ca. 360 Joule steigern; hier-
bei unbedingt Berührung mit Pat. oder Bett vermeiden!

Drugs (medikamentöse Ther.)  Venösen Zugang legen.


• A
 drenalin: 1 mg (1 Amp. Suprarenin® = 1 mg mit 9 ml NaCl 0,9 % verdün-
nen) i. v. oder über Endotrachealtubus (3-fache Dosis), alle 3–5 Min. wieder-
holen. Sinnvoll bei allen Formen des Herzkreislaufstillstands. Nicht zusam-
men mit Bikarbonat über einen Zugang geben.
   3.1  Kardiopulmonale Störungen und Gefäßerkrankungen  93

• A miodaron 300 mg (Cordarex®) in 20 ml Glukose 5 %.


• L idocain wenn Amiodaron nicht verfügbar: Initial 100 mg, dann 1–2 mg/kg
KG i. v. als Dauerinfusion. Cave: keine Kombination mit Amiodaron.

Basisreanimation
ABCD

Defibrillator
Puls vorhanden anschließen

3
Intensivtherapie
Puls nicht vorhanden

Rhythmus
prüfen

Während der Reanimation: Nicht


VT/VF
• Pulskontrolle nach jeder Maßnahme VT/VF
• Prüfen der Elektrodenposition
• Atemwege sichern/Intubation
• Venöser Zugang

Kammertachykardie/-flimmern
(VT/VF) refraktär:
• Adrenalin 1 mg i.v. 1:10 verdünnt geben,
alle 3–5 Min. wiederholen; alternativ
Vasopressin 40 IE als Einmalgabe
(noch nicht in Deutschland im Handel)
• Amiodaron 300 mg i.v.
1x
Defibrill. Patient ohne VT/VF:
150–360 J Adrenalin 1 mg i.v. alle 3–5 Min.
biphasisch
oder 360 J Erwägen:
mono- • Antiarrhythmika, z.B. Magnesium 4–8 mol,
phasisch Ajmalin (Gilurytmal®) 1 Amp. = 50 mg,
Atropin 1–3 mg als Bolus, Bicarbonat
(initial 1 mmol/kg KG)
• Schrittmacher

Suche nach reversiblen Ursachen:


Hypoxie, Hypovolämie, Hyper-/
Hypoglykämie, Hypothermie,
Spannungspneu, Herztamponade,
2 Min. Intoxikation, Lungenembolie 2 Min.
CPR CPR

Abb. 3.3  Maßnahmen bei Kammerflimmern, Asystolie und EMD (CPR = Herz­
druckmassage) [L157]
94 3  Internistische Probleme  

• A
 tropin bei Bradykardie 1 mg i. v., nicht intrakardial injizieren!
• V
 olumenersatz: initial durch Beinhochlage (Ausnahme Lungenödem), da-
nach großzügige Gabe von kristalloiden oder kolloidalen Lsgn.
• N
 atriumbikarbonat 8,4 % (1 ml = 1 mmol), frühestens 10 Min. nach Beginn
des Herzkreislaufstillstands (Ausnahme: Hyperkaliämie, metabol. Azidose →
sofortige Gabe) mit 0,5–1 ml/kg KG; möglichst frühzeitig Korrektur nach
BGA: Bedarf an NaHCO3 in mmol = neg. BE × kg KG × 0,3.
• M
 agnesium: 8 mmol Mg2+ bei v. a. Hypomagnesiämie.
EKG  Zur DD der Rhythmusstörung (Kammerflimmern, Asystolie, elektrome-
chanische Entkopplung, ▶ Abb. 3.3) und zur Ther.-Kontrolle.
Flüssigkeit  Kristalloide und/oder kolloide Infusionslsgn.

3
3.2 Magen-Darm-Trakt
3.2.1 Akutes Abdomen
▶ 14.1.1.
3.2.2 Akute Appendizitis
• A ppetitlosigkeit.
• Z unächst ziehende, oft kolikartige Schmerzen periumbilikal oder im Epigast-
rium; belegte Zunge.
• Ü
 belkeit und Erbrechen.
• N
 ach einigen Stunden Schmerzverlagerung in den re Unterbauch. Jetzt Dau-
erschmerz mit Verstärkung beim Gehen. Beugung des re Beins bringt Entlas-
tung.
• L eichtes Fieber mit rektal-axillärer Differenz > 0,8 °C.
! K O: Perforation (meist am 2. Tag). Bei gedeckter Perforation zunächst Bil-
dung eines perityphlitischen Infiltrats: palpabler Tumor 3–5 Tage nach
Symptombeginn. Bei eitriger Einschmelzung Abszessbildung.
Befund 
• L okale Abwehrspannung.
• D ruck- und Klopfempfindlichkeit im re Unterbauch, bei atypischer Lage
(z. B. im kleinen Becken, unter der Leber) atypische Schmerzlokalisation.
• D ruckpunkte: McBurney (Mitte zwischen Nabel und Spina iliaca ant. sup.)
und Lanz (re Drittel zwischen den beiden Spinae).
• O ft (aber nicht immer!) ipsi- und kontralateraler Loslassschmerz.
• R ektale Untersuchung (obligat): Druckschmerz (bei Beckenlage der Appen-
dix oft einziges Symptom). Douglas-Abszess: fluktuierende Vorwölbung.
Diagnostik 
• L abor-Mindestprogramm: BB mit Thrombos, E‘lyte, Krea, BZ, α-Amylase,
Kreuzblut. Leukos > 17.000/μl sprechen für Perforation.
• U rinsediment: Mikrohämaturie bei Nierenkolik, manchmal aber auch bei re­
trozökaler Appendix. Leukozyturie und Bakteriurie bei Pyelonephritis.
   3.3  Niere  95

• S ono: Entzündungskriterien (nicht komprimierbare, aperistaltische Appen-


dix, Ø > 7 mm, Kokardenphänomen, Abszess).
• R ö-Abdomen nur bei V. a. Ileus (Spiegel), Perforation (subphrenische Luft),
Cholezysto- oder Nephrolithiasis.
Differenzialdiagnosen  Alle Ursachen eines „akuten Abdomens“ (▶  3.2.1).
Schwierige gynäkologische DD: Adnexitis (oft bds.; z. B. nach gynäkologischen
OP, Geburt oder Menstruation), Follikelsprung (Zyklusmitte, kein Fieber), Tu-
bargrav. (HCG) bzw. Tubarruptur (▶ 14.3), stielgedrehte Ovarialzyste (▶ 14.7).
Therapie  Frühzeitige Appendektomie. Keine Antibiotika. In fraglichen Fällen
4–6  h beobachten, danach Laparotomie (weniger gefährlich als Perforation).
Dringende OP bei Peritonitis (generalisierte Abwehrspannung).

Besonderheiten in der Gravidität 3


Deutliche Häufung der Appendizitis in den ersten 24 SSW. Zusätzlich diagn.
Probleme, da das Zökum durch den graviden Uterus nach kranial verschoben
wird (bis oberhalb der Beckenschaufel). Abdrängung des Omentum majus
nach kranial mit der Folge von zunehmenden KO infolge von freien oder un-
gedeckten Perforationen. Peritonismus kann fehlen. BSG, Leukozytenzahlen
und Linksverschiebung im BB sind unsichere Parameter, da diese Werte durch
die Grav. häufig verändert sind. Ther: Appendektomie, >  35.  SSW Sectio,
< 35. SSW Tokolyse intra- und postop.

3.3 Niere
3.3.1 Infektion der ableitenden Harnwege (Zystitis)
Epidemiologie  Bei Frauen die häufigste Infektionskrankheit überhaupt. Wird
begünstigt in der Grav. (▶ 5.13.14), durch postpartalen Harnverhalt, nach vag.-op.
Entbindungen (▶ 7.2.2 und ▶ 7.2.3).
Ätiologie  Erreger nichtnosokomialer HWI sind in 90 % Enterobacteriaceae (da-
von 80 % E. coli, seltener Proteus und Klebsiellen), in ca. 5 % Pseudomonas aeru-
ginosa und Staphylokokken. Nosokomial erworbene HWI sind häufig durch
„Problemkeime“ wie z. B. multiresistente Staphylokokken verursacht, auch E.-co-
li-Inf. zeigen häufig Resistenzen → Antibiogramm.
Klinik  Pollakisurie-Dysurie-Sy., meist kein Fieber.
Voraussetzung für Ther. ist die Unterscheidung des HWI in symptomatisch/
asymptomatisch, akut/chron., prim. (idiopathisch, häufig nach GV:
„Honeymoon“-Zystitis) oder sek. (z. B. iatrogen, nosokomial), obstruktiv (mit
Harnaufstau) oder nichtobstruktiv und distal/proximal.
Diagnostik 
• S ediment: Leukozyturie, Bakteriurie; Nitrit meist pos., evtl. Mikrohämaturie.
• U rinkultur aus M-Urin mit Antibiogramm. 106 Keime/ml sind signifikant,
bei Symptomen, Leukozyturie oder Immunsuppression auch schon 105/ml.
96 3  Internistische Probleme  

Therapie 
• A symptomatische Bakteriurie (ca. 5 % der Frauen im Erw.-Alter): keine Ther.,
Ausnahme: Grav. (s. u.), Diab. mell., Immunsuppression → häufig entwickeln
sich symptomatische HWI.
• A kute bakterielle Zystitis < 7 Tage und ohne Fieber: Einzeitther. mit Fosfo-
mycin 1 × 3 g p. o. (z. B. Monuril® 3000) oder Amoxicillin 1 × 3 g p. o. (z. B.
Clamoxyl®) oder Co-trimoxazol 1 × 2.880 mg (z. B. Eusaprim forte®) KI:
Schwangerschaft und Stillzeit. Kontroll-Urinkultur nach 5 Tagen. Wirkt bei
80 % der Pat. Bessere Ergebnisse bei Ther. über 3 Tage. Rezid. bakterielle Zys-
titis: erneute Einzeitther. oder Antibiose über 7 Tage.
• Z ystitis bei Grav.: Jede Zystitis in der Schwangerschaft ist therapiepflichtig.
Konservativ: Antibiose (auch bei nichtsignifikanter Keimzahl < 105), z. B.
über 7 Tage Amoxicillin 3 × 750 mg/d oder Oral-Cephalosporin (z. B. Orelox®
3 2 × 200 mg/d). Stationäre Ther. bei fieberhaftem und therapieresistentem
Verlauf. Kontrolluntersuchungen bis zum Wochenbett.
• D iab. mell.: über 7 Tage Amoxicillin oder Oral-Cephalosporin oder Chinolon
(z. B. Ciprofloxacin 2 × 250 mg p. o.). Kontroll-Urinkultur nach 5 Tagen und
6 Wo.
• N ichtgonorrhoische Urethritis: Doxycyclin 2 × 100 mg/d p. o. über mind.
1–2 Wo. (z. B. Doxy-CT®); bei Versagen Erythromycin 3 × 500 mg/d p. o.
über 1–2 Wo. (z. B. Erythrocin®). Wurden Enterokokken nachgewiesen, Co-
trimoxazol oder Amoxicillin über 7 Tage.

3.3.2 Pyelonephritis
Klinik  Fieber >  38  °C, Flankenschmerz. Klopfschmerzhaftes Nierenlager (re
> li). Pollakisurie und Dysurie können fehlen! Potenziell lebensbedrohliche Erkr.,
da sich jederzeit eine Pyonephrose oder Urosepsis entwickeln kann!
Diagnostik 
• L abor: Sediment, Urin-Kultur (nach 5 Tagen Wiederholung), Blutkultur, BB
(Leukozytose), BSG ↑, CRP ↑↑. Tägl. Krea, um Nierenfunktionsverschlech-
terung frühzeitig zu erfassen. Gerinnungsparameter, Ein- und Ausfuhr.
• S ono (obligat): Niere vergrößert, Narben, Nierensteine, Harnaufstau.
• G gf. CT, nach der Akutphase i. v. Urogramm zur Ursachenklärung.
Stationäre Therapie 
• B ettruhe, regelmäßige Temperaturkontrollen.
• A usfuhr soll > 1.500 ml/d betragen.
• B ei auswärts erworbener Pyelonephritis (PN): Amoxicillin 3 × 2 g/d i. v. (z. B.
Amoxicillin-CT®) oder Cephalosporin z. B. Cefotaxim 2 × 2 g/d i. v. oder Chi-
nolon (cave: steigende Resistenzraten), z. B. Ciprofloxacin 2 × 500 mg/d p. o.
• B ei im Krankenhaus erworbener PN Kombination von Cephalosporin und
Aminoglykosid z. B. Gentamicin 1 × 3–5 mg/kg KG/d (z. B. Refobacin®) als
Kurzinfusion über 30 Min. Spiegelkontrolle, Nierenwerte kontrollieren!
• I. v. Ther. ca. 10 Tage, Aminoglykoside können meist nach Entfieberung ab-
gesetzt werden. Nach i. v. Ther. Amoxicillin oder Co-trimoxazol p. o. über ca.
2 Wo. fortführen.
   3.3  Niere  97

3.3.3 Urosepsis
Definition  Gramneg. Sepsis v. a. nach akuter Pyelonephritis, bei Dauerkatheter,
Instrumentation (z. B. Ureteroskopie) und Harnaufstau.
Klinik  Hohes Fieber, Schüttelfrost, septischer Schock (Letalität ca. 60 %), evtl.
Verbrauchskoagulopathie.
Diagnostik  Urinkultur, Blutkultur. Sono zum Ausschluss von Abflusshindernis
und Abszess obligat! Labor.
Therapie 
• I. v. Kombinationsbehandlung mit Cephalosporin z. B. Cefotaxim 2–4 × 2 g/d
i. v. (z. B. Claforan®) und Aminoglykosid z. B. Gentamycin 1 × 3–5 mg/kg
KG/d (z. B. Refobacin®), Spiegelkontrolle, Nierenwerte kontrollieren!
• B ei Harnaufstau oder Pyonephrose perkutane Nierenfistelung. 3
• L ow-Dose-Heparinisierung.

3.3.4 Nierensteine, Nierenkolik
Klinik  Solange die Steine sich nicht bewegen, häufig symptomlos.
• N ierenkolik: kolikartige Schmerzen im Rücken oder seitlichen Unterbauch,
bei tief sitzendem Ureterstein Ausstrahlung in Schamlippen. Evtl. Übelkeit,
Erbrechen, reflektorischer Subileus.
• H ämaturie: in 70 % Mikrohämaturie, in 30 % Makrohämaturie.
Diagnostik 
! D D: alle Ursachen eines akuten Abdomens (▶ 3.2.1).
• U rin: Sediment (Hämaturie, Kristallanalyse), pH (↑ bei Phosphat- und In-
fektsteinen), Bakterien (ggf. Kultur).
• S erum: E’lyte, Phosphat (< 0,9 mmol/l bei Hyperparathyreoidismus), Harn-
säure, Krea, Bikarbonat (bei tubulärer Azidose ↓).
• C hemische oder spektroskopische Analyse abgegangener Steine (Urin sieben).
• R ö: Abdomenübersichtsaufnahme (80 % aller Steine sind rö-dicht. Ausnahme
Urat- und Xanthinsteine). DD der konkrementverdächtigen Schatten: Gal-
lensteine, verkalkte Mesenterial-Lk, Pankreasverkalkungen, verkalkte Rip-
penknorpel, Phlebolithen, Kompaktainseln im Becken.
• I. v. Pyelografie: Aufstau, KM-Aussparungen (DD: Blutkoagel, Tumor).
• S ono: Steinschatten (auch bei nicht rö-dichten Steinen, mäßige Sensitivität
und Spezifität!), Harnaufstau.

Therapie der Nierenkolik


• A nalgetika, z. B. Pentazocin 30 mg langsam i. v. (Fortral®). Bei diagn.
Unsicherheit nur Paracetamol 4 × 1.000 mg/d p. o. (z. B. ben-u-ron®).
• S pasmolytika, z. B. N-Butylscopolamin 20 mg langsam i. v. (z. B. Busco-
pan®), ggf. mehr.
• R eichlich Flüssigkeit (ggf. als Infusion), evtl. Schleifendiuretika z. B. Fu-
rosemid 20–40 mg/d i. v. (z. B. Lasix®). KI: Harnverhalt.
• T emperaturkontrolle; bei V. a. HWI Urinkultur und hoch dosierte Anti-
biotika wegen Urosepsisgefahr.
• V iel Bewegung. Häufig geht der Stein spontan ab.
98 3  Internistische Probleme  

Bei Misserfolg: Entfernung mit Schlinge, Lithotripsie. Op. offene Steinentfer-


nung als Ultima Ratio.

Prophylaxe 
• R ezidivhäufigkeit 60 %!
• P rophylaxe je nach Steinzusammensetzung: reichliche Flüssigkeitszufuhr, ei-
weißarme Diät, ggf. oxalat- bzw. purinarm (z. B. vegetarisch). Urin ansäuern
bei Phosphat- und Infektsteinen (z. B. Mixtura Solvens-Lsg.), alkalisieren bei
Harnsäure- und Zystinsteinen (Uralyt U®). Thiaziddiuretika (senken renale
Kalziumausscheidung). Konsequente Infektbekämpfung, bei obstruktiver
Uro­pathie op. Korrektur.

3
3.4 Schock
Klinik 
• L ebensbedrohliches Kreislaufversagen mit kritischer Verminderung der Or-
gandurchblutung und nachfolgender hypoxisch-metabolischer Schädigung
der Zellfunktion.
• V eränderte Bewusstseinslage, Unruhe, Angst, Apathie, Somnolenz, Koma.
• T achykardie (cave: keine Betablocker!), erniedrigte RR-Amplitude (Pulsus
celer et parvus).
• R Rsystol < 90 mmHg. Cave: bei vorbestehender Hypertonie evtl. „normaler“
RR.
• S chockindex: Puls/RRsystol > 1,0 (normal 0,5). Cave: unzuverlässiger Wert!
• K alte, feuchte, blassgraue Extremitäten (Ausnahme: septischer Schock in der
Frühphase).
• P eriphere Zyanose.
• H yperventilation, Dyspnoe bei metabolischer Azidose.
• O ligurie (< 20 ml/h).
Diagnostik 
• K linische Untersuchung: Haut, Halsvenenfüllung, Herz und Lungen auskul-
tieren, Bewusstseinszustand prüfen; RR, Herz- und Atemfrequenz, Körper-
temperatur. Urinausscheidung (wichtiger Parameter zur Verlaufskontrolle).
• E KG: z. B. Herzinfarkt, Rhythmusstörungen.
• Z VD: bei Linksherzversagen und Lungenembolie ↑, bei Volumenmangel ↓.
• R ö-Thorax: z. B. Aneurysma dissecans, Pneumothorax, Hämatothorax.
• R ö-Abdomen: z. B. freie Luft.
• O berbauch-US (z. B. Aortenaneurysma, Herzbeuteltamponade), ggf. Echo
(Kontraktilität, Klappenbeweglichkeit).
• L abor: BB, Gerinnung mit Fibrinogen(-spaltprodukten), AT III, Blutgruppe
und Kreuzprobe, Krea und E‘lyte, BZ, CK, CK-MB, GOT, LDH, HBDH,
α-Amylase, Lipase, Laktat, ggf. Alkohol; BGA.

Management
• K linische Untersuchung: Haut, Halsvenenfüllung, Herz und Lungen
auskultieren, Bewusstseinszustand prüfen; RR, HF, Atemfrequenz,
   3.4  Schock  99

Körpertemperatur. Urinausscheidung (wichtiger Parameter zur Ver-


laufskontrolle). Entscheidend ist die rasche Abgrenzung des kardioge-
nen Schocks von anderen Schockformen.
• L agerung: Pat. hinlegen, Beine hochlagern. Ausnahme ausgeprägte kar-
diale Insuff. oder Blutungen im Bereich von Kopf, Lungen oder oberem
GIT → Oberkörper hochlagern.
• S icherung der Atmung: O2-Zufuhr (4–6 l/Min.), ggf. Intubation, Beat-
mung.
• Z ugänge: 2–3 großlumige venöse Zugänge, später ZVK.
• G roßzügige Flüssigkeitszufuhr bei Hypovolämie (möglichst unter ZVD-
Kontrolle), nicht bei kardiogenem Schock!
• E KG: akutes Koronarsy. (▶ 3.1.3), Rhythmusstörungen.
• S chmerzbekämpfung (▶ 5.12.2), bei Unruhe sedieren z. B. Diazepam
2–10 mg i. v. (z. B. Valium®).
3

Tab. 3.4  Lösungen zum primären Volumenersatz


Lösung Dosierung Initialer Volumen- Effektive
(ml/kg KG/d) effekt (%) ­Wirkdauer (h)

Hydroxyethylstärke Max. ~20 100  6–8


450*/6 %

Hydroxyethylstärke Max. ~20 130  3–4


200*/10 %

Gelatine 3 % Max. ~30 70  1–2

Ringerlaktat Max. ~30 25 ~1

* Mittleres Molekulargewicht in Tausend

3.4.1 Hypovolämischer Schock

Der hämorrhagische Schock ist für den überwiegenden Teil der periop. Mor-
bidität und Mortalität verantwortlich. Ursache sind akute Blutverluste durch
Verletzungen großer Gefäße oder durch diffuse Blutungen aus großen
Wundflächen, arrodierten Tumoren oder Verletzungen von Venengeflech-
ten im kleinen Becken. Entscheidend ist die sofortige Lokalisation der Blu-
tungsquelle mit Blutstillung, ggf. durch Tamponade oder Ligatur der A. iliaca
interna.

Ätiologie  Blutverluste (vor allem Placenta-praevia-Blutung, vorzeitige Plazen-


talösung, Atonie). Plasma- bzw. Flüssigkeitsverluste durch Verbrennungen, Er-
brechen, Durchfälle, Fistel; Peritonitis, Pankreatitis, Ileus.
Klinik  Kollabierte Halsvenen (DD zum kardiogenen Schock), blasse, kalte und
feuchte Haut; starker Durst, Unruhe, Kältezittern, Tachypnoe und Hyperventila-
tion, Hypotonie und Tachykardie, Oligurie.
100 3  Internistische Probleme  

Tab. 3.5  Stadien des Volumenmangelschocks


Volumen- % des Ge- Schweregrad Klinik
mangel (ml) samtvolumens

0–500 0–10 Kein Schock Keine

500–1.200 10–25 Leichter Tachykardie, kompensierter RR-Ab­


Schock fall, periphere Vasokonstriktion

1.200–1.800 25–35 Mäßiger Fadenförmiger Puls, RR ↓, Schwit­


Schock zen, Angst, Unruhe, Oligurie

1.800–2.500 35–50 Schwerer Wie oben, aber Puls > 120, RR


Schock < 60 mmHg, Zentralisation, Anurie

3 Management
Basismaßnahmen ▶ 3.2.1.
Blutverlust einschätzen (▶ Tab. 3.5), bestimmt weiteres Vorgehen.
Therapie bei Verlust von < 30 % des Blutvolumens:
• 5 00–1.500 ml kolloidale Plasmaersatz-Lsg., z. B. Hydroxyethylstärke.
• K ristalloide Lsgn. (z. B. Ringer, NaCl 0,9 %), wenn neben Blutverlust ei-
ne Dehydratation oder Störung im E‘lyt-Haushalt vorliegt.
Therapie bei Verlust von > 30 % des Blutvolumens:
• Z usätzlich Blut ersetzen (auf 2–3 EK 1 FFP, ▶ 2.6).
• V olumenersatz, möglichst unter ZVD-Kontrolle.
• S auerstoffgabe, ggf. Intubation und Beatmung.
• B ei Hypotonie immer erst Flüssigkeitssubstitution.
• B ei Hypotonie trotz Volumenausgleich Dobutaminperfusor: 250 mg auf
50 ml NaCl 0,9 % über Perfusor 2–10 ml/h.

3.4.2 Septischer Schock
Definition  Schock durch frei werdende Bakterientoxine → kapilläre Gefäßweit-
stellung → relative Hypovolämie. In der Gynäkologie und Geburtshilfe sind auf-
steigende genitale Inf., Bakteriämie und septischer Schock vergleichsweise selten,
aber dennoch die häufigste infektiöse Todesursache der jungen Frau.
Prädisponierende Faktoren  Chorioamnionitis, septischer Abort, postpartale En-
domyometritis, aufsteigende HWI, lokale Inf. nach Hysterektomie, Pelvic In-
flammatory Disease (PID) einschl. Tuboovarialabszess.
Klinik  Meist hohes Fieber mit Schüttelfrost und Hyperventilation. Zu Beginn
warme, gut durchblutete, trockene Haut: Pat. wirkt gesünder, als sie ist! Haut spä-
ter kalt, zyanotisch; evtl. Hautblutungen. Bewusstsein meist eingeschränkt. ZVD
anfangs normal!
Diagnostik 
! Th
 erapiebeginn nicht verzögern!
• L abor: Leukozytose oder -penie, Thrombopenie, Zeichen der Verbrauchsko-
agulopathie. CRP ↑↑. BGA: Hypoxie, Azidose, Blut- und Urinkultur, Liquor:
Ausstrich und Kultur ▶ 2.4.
• S ono: Vag.-Sono, Sono Abdomen.
   3.4  Schock  101

• G gf. CT.
• R ö-Thorax: z. B. Pneumonie, Abszess, Schocklungen-Sy.
• C hirurgisches Konsil zum Ausschluss einer Appendizitis, Divertikulitis,
Darmperforation, Durchwanderungsperitonitis o. Ä.
Therapie 
• A llg. Schockther. ▶ 3.5.
• B ei ZVD ↓ Volumensubstitution mit kristalloiden und kolloidalen Lsgn.
• B ei ZVD ↑ Dopamin oder Dobutamin über Perfusor.
• A zidosekorrektur nach BGA.
• A mpicillin 4 × 2 g/d i. v. (z. B. Ampicillin-CT®) plus Aminogykosid, wie Gen-
tamycin 1 × 3–5 mg/kg KG/d als Kurzinfusion (z. B. Refobacin®; Cave: Nie-
renfunktion) plus Clindamycin 3 × 600 mg/d als Kurzinfusion (z. B. Sobelin®).
3
• B ei Tuboovarialabszess ist eine antibiotische Behandlung über 72–96 h
zulässig, bei Misserfolg chirurgische Intervention. Therapiedauer mind.
10 Tage (▶ 14.5).
•  nmittelbare Laparotomie bei Abszessruptur mit septischem Schock!
U

3.4.3 Anaphylaktischer Schock
Ätiologie  Allergische Reaktion auf:
• M edikamente: oft Antibiotika (v. a. Sulfonamide und Penicillin), Rö-KM, Lo-
kalanästhetika, Iodide, Pyrazolone, ASS, Dextran- und Gelatinepräparate.
• F remdeiweiße und Polysaccharide: Insekten- und Schlangengifte, Vakzine,
Organextrakte, Allergene bei Hyposensibilisierungen.
Klinik  Sek. oder min. nach Allergenzufuhr → Unruhe, Juckreiz, Niesen. Dann
Schwindel, Fieber mit Schüttelfrost, Angstgefühl, Übelkeit und Erbrechen, Durch-
fall, Dyspnoe mit Bronchospasmus, Larynxödem, RR-Abfall und Tachykardie.
Evtl. Krampfanfälle, Bewusstseinsverlust, Kreislaufstillstand.

Therapie des anaphylaktischen Schocks


• U nterbindung weiterer Allergenzufuhr!
• G roßlumige i. v. Zugänge legen, Dreiwegehahn.
• A drenalin 0,25–1 mg, verdünnt in 10 ml NaCl 0,9 %, langsam i. v., ggf.
Wiederholung nach 10 Min.
• R asche Volumenzufuhr, z. B. Ringer 1–2 l als Druckinfusion, kolloidale
Plasmaersatz-Lsg.
• G lukokortikoide: z. B. Methylprednisolon 100–500 mg i. v. (z. B. Urba-
son®).
• B ei Bronchospastik Theophyllin 400 mg langsam i. v. (z. B. Euphylong®).
• B ei Larynxödem Intubation oder Koniotomie.
• E vtl. Antihistaminika, z. B. Clemastin 2–4 mg i. v. (Tavegil®).
• W ärmeentzug bei Fieber > 39 °C, z. B. Wadenwickel.
102 3  Internistische Probleme  

3.4.4 Hypoglykämischer Schock
Ursachen 
Typ  1: BE in der Nahrung zu hoch eingeschätzt, zu langer Spritz-Ess-Abstand
(Insulin gespritzt und schlafen gelegt), nach Absetzen von Medikamenten (Pille,
Kortikoide), körperlicher Belastung, Alkoholgenuss, Inf.
Typ  2: Überdosierung von Sulfonylharnstoffen, zusätzliche Medikamentenein-
nahme (Cumarine, Phenylbutazon, Sulfonamide, Betablocker), Reisen und ver-
minderte Nahrungsaufnahme, Inf.
Leichte Hypoglykämie: Schweißausbruch, Blässe, Unruhe, Tremor, RR-Anstieg,
periorales Missempfinden, Verhaltensauffälligkeiten (z. B. Euphorie).
Schwere Hypoglykämie: Bewusstseinstrübung, neurologische Ausfälle, Koma mit
zerebralen Krampfanfällen.
3
Therapie der Hypoglykämie
• L eichte Hypoglykämie:
– Bei ersten Anzeichen sofort 10–20 g Traubenzucker oder 4–8 Stück
Würfelzucker oder 1 Glas Saft mit Traubenzucker, dann 1–2 BE
langsam resorbierbare Kohlenhydrate (z. B. Brot).
– Bei Bewusstlosigkeit oder Eintrübung Glukagon-Fertigspritze i. m.
Cave: keine Wirkung bei alkoholinduzierter Hypoglykämie. KI:
Grav.!
• S chwere Hypoglykämie:
– Mind. 20–50 ml 40-prozentige Glukose im Nebenschluss zur laufen-
den Infusion (Ringer-Lsg.), bis zum Aufwachen ggf. wiederholen.
– Bei Sulfonylharnstoffhypoglykämie Gefahr der protrahierten Hypo-
glykämie mit erneutem Schock → nach Aufklaren 10-prozentige Glu-
koseinfusion, 24-h-Überwachung mit BZ-Kontrollen alle 2 h.
– Bei drohender Überwässerung alle 4 h Dexamethason 4–8 mg i. v.
oder i. m. (z. B. Fortecortin®).

3.5 Gynäkologische Notfälle
Die meisten gynäkologischen und geburtshilflichen Notfälle sind unter den ent-
sprechenden Organkapiteln mit den entsprechenden Ther. ausführlich beschrie-
ben. Nachfolgend wird deshalb nur kurz auf einzelne Erkr. eingegangen.

3.5.1 Genitale Blutung
Ätiologie 
• V erletzungen von Vulva oder Vagina, Abort, Uterus myomatosus (v. a. sub-
muköses Myom), Endometriumhyperplasie, Endometriumpolyp, Zervix-Ca,
Endometrium-Ca.
• E xtragenitale Ursachen: Makrohämaturie, Hämorrhoidalblutung.
Klinik  Deutlich überperiodenstarke, meist hellrote Blutung, bei entsprechen-
dem Blutverlust: Zeichen des hypovolämischen Schocks (▶ 3.5.1).
   3.5  Gynäkologische Notfälle  103

Diagnostik 
• A namnese: Zyklus, Vorerkr., Voroperationen, letzte Früherkennungsunter-
suchung.
• Inspektion des äußeren Genitale (▶ 11.2.1), Spiegeleinstellung.
• P alpation einschl. rektaler Untersuchung.
• U ltraschall (▶ 22), Urinstatus.
Therapie (je nach Ursache) 
• V enösen Zugang legen, Blutentnahme für BB, E‘lyte, Gerinnung, HCG, Blut-
gruppe, Kreuzblut, Schockther. (▶ 3.5).
• V erletzungen: op. Versorgung, ggf. in Narkose.
• A bort: stationäre Aufnahme, je nach Abortform Bettruhe und evtl. Tokolyse
oder op. Nachräumung (▶ 5.5).
• U terus myomatosus: Kürettage, diagn. oder op. Hysteroskopie ggf. mit hyste-
roskopischer Resektion eines submukösen Myoms oder hysteroskopischer 3
Endometriumablation. Im Extremfall Hysterektomie (▶ 13.4.1).
• Z ervix-Ca: bei Spiegeleinstellung PE zur histologischen Sicherung, feste
Scheidentamponade, ggf. Notfallbestrahlung (▶ 13.8).
• E ndometrium-Ca: histologische Sicherung durch Hysteroskopie und Abrasio,
dann stadiengerechte Ther. (▶ 13.9).

3.5.2 Akute Unterbauchschmerzen
▶ 14.1.1.
Klinik  Leitsymptome eines „akuten Abdomens“ als häufige Einweisungsdiagn.
sind:
• S tarke abdominelle Schmerzen.
• A bwehrspannung.
• G estörte Peristaltik.
Differenzialdiagnose 
• A kut einsetzend, Amenorrhö, pos. HCG → V. a. EUG (▶ 14.3).
• Z unehmende Schmerzen, meist postmenstruell, vag. Fluor, Entzündungszei-
chen → V. a. Adnexitis (▶ 14.4).
• A kute, meist einseitige Schmerzen, nach heftigen Bewegungen auftretend
(Tanzen, Sport) → V. a. stielgedrehten Ovarialtumor (▶ 14.7).
• In Zyklusmitte auftretender Schmerz → V. a. Ovulationsschmerz, rupturierte
Ovarialzyste.
• E xtragenitale Ursachen: Appendizitis, Zystitis, Harnleiterstein, Leistenhernie,
Divertikulitis.
Diagnostik 
• A namnese: Schmerz, Zyklus, Vorerkr., Voroperationen, Kontrazeption.
• U ntersuchung: Spiegeleinstellung und Palpation.
• L abor: BB, CRP, HCG, E‘lyte, Gerinnung, Blutgruppe, Kreuzblut, Leber- und
Nierenwerte, Urinstatus.
• U ltraschall (▶ 22), ggf. diagn. oder op. Laparoskopie.
• H äufige Diagn. in der Vier-Quadranten-Einteilung (▶ Abb. 3.4).
Therapie 
• G gf. Schockther. (▶ 3.5).
• E UG: op. Laparoskopie (▶ 14.3).
104 3  Internistische Probleme  

 dnexitis: stationäre Aufnahme, Bettruhe, i. v. Antibiose (▶ 14.4), ggf. laparo-


• A
skopische Diagnosesicherung.
• S tielgedrehter Ovarialtumor, rupturierter Ovarialzyste: op. Laparoskopie.

Cholezystitis Milzabszess, -ruptur


Ulkusperforation Pleuritis
Nephrolithiasis Herzinfarkt
Leberabszess Subphrenischer Abszess
Pleuritis Pankreatitis
Pankreatitis Nephrolithiasis

Appendizitis Divertikulitis
3 Urolithiasis
Adnexitis
Urolithiasis
Adnexitis
Enteritis terminalis Stielgedrehte Ovarialzyste
Stielgedrehte Ova- Tubargravidität
rialzyste Perforiertes Aorten-
Tubargravidität aneurysma

Abb. 3.4  Vier-Quadranten-Einteilung [L157]

3.5.3 Überstimulationssyndrom
Ätiopathologie  Durch Gabe von Gonadotropinen im Rahmen der Sterilitätsther.
kann es zur ovariellen Überstimulation mit dem Heranreifen mehrerer Follikel
und entsprechend hoher Östrogenproduktion kommen, durch die große Flüssig-
keitsmengen in den Extravasalraum verschoben werden. Auftreten meist 3–8 Ta-
ge nach der Ovulationsauslösung (HCG-Gabe ▶ 15.4.2).
Klinik  Übelkeit, Erbrechen durch Aszites, Atembeschwerden bei Hydrothorax,
Unterbauchschmerzen bei Ovarialzysten > 5 cm, Hämokonzentration mit Throm-
boseneigung, E‘lytverschiebung. KO: akutes Nierenversagen, Atemnotsy., Throm-
bembolie, Stieldrehung und Zystenruptur.
Stadieneinteilung 
• L eicht: abdominelles Spannungsgefühl, Übelkeit/Erbrechen und/oder Diar-
rhö.
• M ittel: zusätzlich sonografischer Nachweis eines Aszites.
• S chwer: zusätzlich Hydrothorax, Dyspnoe, Hämokonzentration, Gerinnungs-
störung, eingeschränkte Nierenfunktion.
Diagnostik  Anamnese (Sterilitätsther.), Ultraschall (Aszites, Ovarialzysten,
Pleuraergüsse), Labor mit Hb ↑, Hkt ↑, E‘lyte, Gerinnung.
Stationäre Diagnostik 
• T ägl. Untersuchungen:
– Klinische Untersuchung mit Beurteilung der Vitalfunktionen.
– Kleines BB (Hb, Hkt, Leukozyten, Thrombozyten), E‘lyte (Na+, K+), Krea.
– Gewichtsbestimmung und Bauchumfangmessung, Flüssigkeitsbilanzie-
rung (Einfuhr/Ausfuhr).
   3.6  Geburtshilfliche Notfälle  105

• Z weimal wöchentlich Labordiagn.:


– Gerinnungsparameter.
– Leberwerte (GOT, GPT, Bili).
Therapie 
• B ei mittleren und schweren Stadien stationäre Aufnahme, weitgehende Bett-
ruhe.
• K orrektur des Wasser- und E‘lythaushalts, z. B. Ringerlaktat, evtl. HAES 500–
1.000 ml/d i. v.
• H eparinisierung, z. B. Liquemin 2 × 5.000 IE tägl. s.c. (Mono-Embolex®)
1 Fertigspritze tägl. s.c.

3.6 Geburtshilfliche Notfälle 3
Tab. 3.6  Differenzialdiagnosen geburtshilflicher Notfälle mit Querverweisen
Symptom Differenzialdiagnose Kapitel

Blutungen in der Placenta praevia ▶ 6.4.1


Spätschwangerschaft Vorzeitige Plazentalösung ▶ 6.4.2
Insertio velamentosa ▶ 6.4.3
Randsinusblutungen ▶ 6.4.4
Thrombophilie ▶ 5.15
Blutungen sub partu Placenta praevia ▶ 6.4.1
Vorzeitige Plazentalösung ▶ 6.4.2
Uterusruptur ▶ 6.9
HELLP-Sy. ▶ 5.8.3
Thrombophilie ▶ 5.15
Verstärkte Blutungen Uterusruptur ▶ 6.9
post partum Uterusatonie ▶ 6.14.1
Verletzung der Geburtswege ▶ 6.14.2
Plazentalösungsstörungen ▶ 6.14.3
Krampfanfall SIH ▶ 5.8
Epilepsie

Pathologisches CTG Plazentainsuff. ▶ 6.10


Nabelschnurkomplikation ▶ 6.8.1
Vorzeitige Plazentalösung ▶ 6.4.2
SIH ▶ 5.8.1
Uterusruptur ▶ 6.9
Akuter Abdominal- Harnverhalt ▶ 3.3.1
schmerz HWI ▶ 5.8.3
HELLP-Sy. ▶ 3.2.2
Akute Appendizitis
Vorzeitige Plazentalösung
▶ 6.4.2
Schock Hypovolämischer Schock ▶ 3.4.1
Uterusatonie ▶ 6.14.1
Vorzeitige Plazentalösung ▶ 6.4.2
FW-Embolie ▶ 6.15
Uterusruptur ▶ 6.9
4 Genetik, Pränataldiagnostik,
Entwicklungsstörungen
Kay Goerke

4.1  enetische Beratung  108


G 4.5 Stoffwechsel­
4.1.1 Ziele der genetischen erkrankungen  117
­Beratung  108 4.5.1 Pränatale Diagnostik  117
4.1.2 Indikationen zur genetischen 4.5.2 Erweitertes
Beratung  108 ­Neugeborenenscreening  118
4.1.3 Durchführung der genetischen 4.6 Neuralrohrdefekte  119
Beratung  109 4.6.1 Übersicht  119
4.2 Untersuchungs­ 4.6.2 Hydrozephalus  119
methoden  109 4.7 Strahlenexposition in der
4.2.1 Pränatale Diagnostik  109 ­Gravidität  120
4.2.2 Karyotypisierung  110 4.7.1 Dosisgrößen und
4.2.3 Tripeldiagnostik  110 -­einheiten  120
4.2.4 Ersttrimester-Screening  110 4.7.2 Allgemeine
4.2.5 Amniozentese  111 ­Strahlenbelastung  120
4.2.6 Chorionzottenbiopsie  112 4.7.3 Strahlenbelastung des
4.3 Pränatale Schädigungen  113 ­Ungeborenen bei
4.4 Chromosomenanomalien  114 ­Röntgendiagnostik
4.4.1 Autosomale der Mutter  121
­Chromosomenanomalien  114 4.7.4 Strahlenbedingtes Risiko  122
4.4.2 Gonosomale
­Chromosomenanomalien  115
4.4.3 Risiko für
­Chromosomenanomalien  116
4.4.4 Leitsymptome bei
­Fehlbildungssyndromen  116
108 4  Genetik, Pränataldiagnostik, Entwicklungsstörungen  

4.1 Genetische Beratung
4.1.1 Ziele der genetischen Beratung
• A uskunft über Risiken für ein Kind mit geschädigten (Erb-)Anlagen.
• Informationen über die Möglichkeiten der Diagn., Ther. und Prognose ent-
sprechender Erkr.
• E ntscheidungshilfe für bzw. gegen das Austragen einer bestehenden Schwan-
gerschaft oder den vollständigen Verzicht auf eigene Nachkommen.
• V
 erpflichtung nach dem Gendiagnostikgesetz u. a. für genetische Untersu-
chung in der Schwangerschaft, Ersttrimester-Screening, Faktor-V-Leiden-
Untersuchung bei familiär gehäuften Thrombosen (Ausführungsbestimmun-
gen für die gesetzliche Beratung stehen noch aus).

4.1.2 Indikationen zur genetischen Beratung


• A lter: Mutter ≥ 35 J. und/oder Vater ≥ 45 J.
• F amilienanamnese: Erbkrankheiten, Verwandtenehen, vorgeschädigtes Ge-
4 schwisterkind, zwei oder mehr aufeinanderfolgende Aborte.
• P sychische Belastung: behindertes Kind im Bekanntenkreis, ängstliche Per-
sönlichkeitsstruktur der Pat.
• E xposition gegenüber potenziellen Noxen (▶ Tab. 4.1):
– I nf. der Mutter während der Grav. (z. B. Röteln).
– Inf. des Vaters vor der Grav. (z. B. Mumpsorchitis).
– Medikamente: Zytostatika, Antiepileptika, Antikoagulanzien.
– Alkohol- und Drogenabusus.
– Strahlung: diagn. Rö-Untersuchungen, berufliche oder akzidentelle Strah-
lenexposition.
– Beruf: Facharbeiterin der pharmazeutischen, chemischen oder Nuklearin-
dustrie.
• S onografische Auffälligkeiten: bei der Fehlbildungssuche in der 9.–12. SSW
(Nackenödem) und 19.–22. SSW (kompletter Status ▶ 22.2.5).
• S creeninguntersuchungen beim Ersttrimester-Screening, AFP i. S. ▶ 6.1.6.

Tab. 4.1  Pränatale Schädigung in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Einwir­


kens der Noxe
Bezeichnung Zeitpunkt Art und Ort des Schadens

Genopathie Präkonzeptionell Genloci

Gametopathie Präkonzeptionell Chromosomenaberrationen

Blastopathie 4.–6. Tag p. c. Komplexe Fehlbildungen: Doppelbildungen,


Fehlen ganzer Körperteile

Embryopathie Bis 8. Wo. p.c. (Ge- Während der Organogenese: komplexe Or-
nitalentwicklung ganfehlbildungen, schwere morphologische
bis 10. Wo. p.c.) Defekte durch:
• virale Infekte (Röteln)
• Medikamente (Thalidomid)
• Strahlen (natürliche, Rö-Strahlen)
   4.2  Untersuchungsmethoden  109

Tab. 4.1  Pränatale Schädigung in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Einwir­


kens der Noxe (Forts.)
Bezeichnung Zeitpunkt Art und Ort des Schadens

Fetopathie Ab 9. Wo. p.c. Nach Abschluss der Organogenese Ausrei-


fungsstörungen, physiologische Defekte
durch:
• Infekte
• Blutgruppen- oder Rh-Inkompatibilitäten
• maternale Stoffwechselerkr.
• Strahlen (natürliche, Rö-Strahlen)

4.1.3 Durchführung der genetischen Beratung


• B eratungsgespräch:
– A namnese: Eigen- und Familienanamnese, Verwandtenehen, ggf. Stamm-
baumerstellung bis Verwandtschaft 3. Grades.
– Berechnung des statistischen Risikos für eine (genetische) Schädigung.
– Hilfe zur Bewertung der möglichen (genetischen) Schädigung.
•  aryotypisierung der Ehepartner (▶ 4.2.2).
K 4
•  ngebot pränataler Diagn. (▶ 4.2.1).
A

4.2 Untersuchungsmethoden
4.2.1 Pränatale Diagnostik
Normwerte in FW und Serum ▶ 5.1.6.
• S creeninguntersuchungen im Serum: Ersttrimester-Screening (▶ 4.2.4; Triso-
mie 21 ▶ 4.2.3), AFP-Wert (Neuralrohrdefekte ▶ 4.6, ▶ 5.1.6).
• S onografische Fehlbildungsdiagn.: in der 9.–14. SSW ▶ 4.2.4.
• P ränatale Chromosomenanalyse des Kindes: Chorionzottenbiopsie ab
10. SSW (▶ 4.2.6) oder Amniozentese ab 15. SSW (▶ 4.2.5), Früh-Amniozen-
tese 12.–14. SSW.
• N ackenfalte (sog. NT-Screening). 11 + 4. bis 13 + 4. SSW bzw. SSL > 45 mm:
bei Nackenfalte ≥ 4 mm Risiko chromosomaler Fehlbildungen, Herzvitien,
Neuralrohrdefekte ca. 5–60 %.
• F W-Untersuchungen: AFP quantitativ (Neuralrohrdefekte) und Cholineste-
rase (nur qualitativ, Neuralrohrdefekte).
• C hordozentese (Nabelschnurpunktion): ab der 17. SSW.
Präimplantationsdiagnostik
Im Rahmen der In-vitro-Fertilisation mögliche molekulargenetische Diagn. an
einzelnen, dem Embryo entnommenen Zellen. In Deutschland vom Grundsatz
her verboten, aber zulässig, wenn aufgrund der Veranlagung der Eltern eine
schwere genetische Erkr. des Kindes wahrscheinlich ist. In anderen europä­
ischen Ländern erlaubt und praktiziert (z. B. GB, B, NL).
110 4  Genetik, Pränataldiagnostik, Entwicklungsstörungen  

4.2.2 Karyotypisierung
Indikation  Familienanamnestische Hinweise auf erbliche Erkr., insb. chromoso-
male Schädigungen.
Material  5 ml EDTA-Blut zur Aufarbeitung in humangenetischem Institut.
Auswertung  Anhand der Kultur können Neumutationen gegen Erbgutschädi-
gungen der Eltern abgegrenzt werden, die sich aufgrund von balancierten Trans-
lokationen oder Konduktorenstatus bei diesen selbst nicht in einem pathologi-
schen Phänotyp manifestieren.

4.2.3 Tripeldiagnostik
Indikation  Screening für Risikoschwangere, um eine Trisomie  21 oder eine
Chromosomenaberration aufzudecken. Ein generelles Screening ist umstritten, da
häufig falsch pos. Resultate und hohe Kosten. Bestätigungsdiagn. eines auffälligen
Testergebnisses muss durch Amniozentese erfolgen. Cave: Schwangere über Risi-
ken einer Amniozentese informieren, Bereitschaft zur Interruptio bei pos. Triso-
miediagn. klären. Keine Leistung der GKV. Die Tripeldiagn. ist zugunsten des
4 Ersttrimester-Screenings obsolet.
Material  Entnahme von 10 ml mütterlichem Serum am besten in der 15. SSW.
Bestimmung von HCG, AFP und E3.
Auswertung und Ergebnisse  Computergestützte Berechnung des relativen Risikos
für Trisomie 21, die u. a. Alter und Gewicht der Mutter sowie das genaue Schwan-
gerschaftsalter in Korrelation zu den Labordaten berücksichtigt (gravierende
Schwankungen z. B. bei Angabe in abgeschlossenen versus angefangenen SSW).
• B ei einem unauffälligen Triple-Test verringert sich das Risiko der Geburt ei-
nes Kindes mit Trisomie 21 (Risiko der Geburt eines Kindes mit Down-Sy.
für alle Schwangeren unabhängig vom Alter der Mutter ca. 1 : 650, für
Schwangere < 35 J. bei ca. 1 : 1.000).
• B ei auffälligem Triple-Test ist das Risiko für ein Down-Sy. entsprechend er-
höht → Amniozentese und Chromosomenanalyse können eine genauere Aus-
sage liefern.
Nachteile  Der Triple-Test kann nicht zwischen gesunden und kranken Kindern
unterscheiden, sondern nur Wahrscheinlichkeiten für das Vorliegen solcher Stö-
rungen geben. Die Aufdeckungsrate von Chromosomenstörungen liegt bei 75 %.
Etwa 7,5 % der Triple-Tests bei Frauen < 35 J. sind auffällig, ohne dass eine Chro-
mosomenstörung oder ein Neuralrohrdefekt vorliegt.
Kosten  Die Durchführung des Triple-Tests inkl. Beratung, genauer US-Bestim-
mung des Schwangerschaftsalters, Blutentnahme und Auswertung im Labor sind
sog. individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) → keine Übernahme durch GKV.

4.2.4 Ersttrimester-Screening
Ziel  Zur Risikoabschätzung chromosomaler Störungen (Trisomie 13, 18 und
21) setzt sich zunehmend das frühe Screening im ersten Trimenon der Schwan-
gerschaft durch. Die Durchführung kann zwischen der 11 + 4. und 13 + 6. SSW
(= Scheitel-Steiß-Länge 45–84 mm) erfolgen.
   4.2  Untersuchungsmethoden  111

Durchführung  Seit dem 1.2.2010 ist nach dem Gendiagnostikgesetz auch beim
Ersttrimester-Screening die Einwilligungserklärung der Pat. erforderlich.
Bei dem von der Fetal Medicine Foundation (FMF) zertifizierten Verfahren muss
der Untersucher im Besitz der entsprechenden Zertifizierung sein.
• U ltraschalluntersuchung:
– Messung der Nackenfalte oder Nackentransparenz (sog. NT-Screening).
– Fehlbildungsultraschall (fakultativ).
– Messung des fetalen Nasenbeins (fakultativ).
• L aboruntersuchung:
– freies β-HCG.
– PAPP-A (Pregnancy-associated Protein A).
Auswertung  Aus NT und Laborparametern, mütterlichem Alter und der genau-
en SSW wird ein individuelles Risiko für eine chromosomale Störung (s. o.) be-
rechnet:
• R isiko < 1 : 300: Amniozentese (▶ 4.2.5) zur Chromosomenanalyse.
Aktuelle Vorstellungen der FMF, London:
• R isiko > 1 : 100: immer Amniozentese.
• R isiko < 1 : 1.000: keine invasive Diagn.
• D azwischen genauere Abklärung: Sono Nasenbein, Trikuspidalklappe (Re- 4
gurgitation), Ductus-venosus-Doppler.
Sensitivität  NT 90 %, mit Nasenbein-Messung 97 %, mütterliches Alter (> 35 J.)
allein 50 %.

• E s wird keine definitive Diagn. gestellt, vielmehr werden lediglich


Wahrscheinlichkeiten berechnet.
• K
 osten: keine Leistung der GKV → als individuelle Gesundheitsleistung
(IGeL) anbieten.

www.fmf-deutschland.info
www.fetalmedicine.com

4.2.5 Amniozentese
Definition  Transabdominale Punktion der Amnionhöhle möglichst an einer
plazentafreien Stelle (cave: Blutung, möglicherweise falsche Aussage bei blutigem
FW) zur FW-Entnahme.
Indikationen  Zytogenetische Untersuchung bei Schwangeren >  35  J. bzw.
Kindsvater > 40–50 J., kindlichen Fehlbildungen in der Eigen- oder Familienana-
mnese (▶  4.1), pathologischem Tripel-Test, Nackenödem in der 12.–14.  SSW
(▶ 4.2.4).
Durchführung  Je nach Ind. ab der 15. SSW Standard-Amniozentese. Cave: Die
„Früh-Amniozentese“ sollte nicht mehr erfolgen, da das Risiko von Amnionbän-
dern erhöht ist, mit der Folge fetaler Schädigung.
Unter permanenter sonografischer Kontrolle transabdominale Punktion der Am-
nionhöhle mit einer 20G-(0,9 mm → 9 cm lange)Aspirationskanüle (Gelb) an pla-
zentafreier Stelle nach Alkoholdesinfektion (▶  2.1, Kategorie III, sterile Hand-
112 4  Genetik, Pränataldiagnostik, Entwicklungsstörungen  

schuhe). Entnahme z. B. von ≤ 20 ml FW für die genetische Untersuchung. Nach
Punktion 2 h Bettruhe. Bei Rh-neg. Pat. Rh-Prophylaxe z. B. mit 1 Amp. Partobu-
lin SDF® i. m.
Die Untersuchung sollte dem geübten Pränataldiagnostiker vorbehalten bleiben. Am
Folgetag unbedingt Sono zur Kontrolle der Vitalitätszeichen und der FW-Menge.
Komplikationen  Abort, vorzeitiger Blasensprung, Inf. Abortrate < 1 %.
Auswertung  Trisomien (21, 13, 18, XXY, XXX) pränatal nachweisbar, ebenso
X-chromosomale Leiden (Muskeldystrophie Duchenne, Lesch-Nyhan-Sy., Hä-
mophilie, X-chromosomal vererbter Hydrozephalus), weiterhin etwa 50 erbliche
Stoffwechselstörungen einschl. der Mukoviszidose als häufigster angeborener
Stoffwechselerkr.
• F ISH (Fluoreszin-in-situ-Hybridisierung): 24-h-Schnelltest für numerische
Chromosomenaberrationen (Chromosomen 13, 18, 21, X, Y) an unkultivier-
ten FW-Zellen. Als parallel durchführbares Verfahren nach genetischer Bera-
tung bei gegebener Ind. zeitliche Vorteile, ersetzt nicht die konventionellen
Chromosomenanalysen (cave: keine GKV-Leistung).
• B ili-, AFP- und Insulinbestimmung im FW (▶ Abb. 5.5) = GKV-Leistung.
• A cetylcholinesterase-(AChE-)Bestimmung im FW ergänzend zur AFP-Be-
4 stimmung; pos. bei Neuralrohr-, Brust- und Bauchwanddefekten, Turner-Sy.
GKV-Leistung.

4.2.6 Chorionzottenbiopsie
Vorteil ist ggf. die frühzeitigere Schwangerschaftsbeendigung bei einer geneti-
schen Störung durch frühere Diagnosestellung gegenüber Amniozentese (diese
erst ab ca. 15. SSW durchführbar ▶ 4.2.5). Dadurch wird eine mögliche Interrup-
tio wesentlich komplikationsärmer, außerdem ist sie für die Schwangere psy-
chisch leichter zu verarbeiten als in einem späteren Schwangerschaftsalter.
Indikationen  Zur genetischen Untersuchung in der Frühschwangerschaft
(10. SSW). Schwangere > 35 J., kindliche Fehlbildungen in der Eigen- oder Fami-
lienanamnese.

Transzervikale Chorionzottenbiopsie
Kontraindikationen  Abortbestreben, vag. Inf.
Durchführung  Nach Desinfektion von Vulva und Scheide Aspirationskatheter
unter Ultraschallsicht transzervikal einführen. Entnahme der Chorionzottenpro-
be in ein vorab mit Heparin (z. B. Liquemin®) und Humanalbumin gespültes, mit
Medium gefülltes Reagenzgefäß. Sofortige mikroskopische Kontrolle auf richtige
Entnahme. Aufarbeitung in der Humangenetik. Nach Punktion strenge Bettruhe
für 2 h, bei Rh-neg. Pat. Rh-Prophylaxe z. B. mit 1 Amp. Partobulin SDF® i. m.
Nebenwirkungen  Abortrate liegt mit 1–5 % etwas höher als bei der Amniozentese.

Transabdominale Chorionzottenbiopsie
Analoge Punktion des Trophoblasten von abdominal mit 1,2 mm → Aspirations-
nadel (Rosa). Diese Untersuchung sollte dem erfahrenen Pränataldiagnostiker
vorbehalten bleiben. Am Folgetag unbedingt Sono zur Kontrolle der Vitalitätszei-
chen beim Embryo und der FW-Menge.
   4.3  Pränatale Schädigungen  113

Tab. 4.2  Vergleich von Amniozentese und Chorionzottenbiopsie


Methode Amniozentese Chorionzottenbiopsie

Zeitpunkt > 15. SSW > 10. SSW

Durchführung Transabdominal Transabdominal, transzervi-


kal

KO-Rate: Blutung, < 1 % Zervikal: Gesamt 10 %, Abor-


Abort, Leakage, Rh- te 2,4 %
Sensibilisierung Abdominal: Aborte 2,5 %

Dauer der Auswer­ 24 h: Schnelltest-FISH 24 h: Schnelltest


tung 3 Wo.: struktureller Befund 3 Wo.: struktureller Befund

Kulturprobleme Divergente Zellzahl Maternale Verunreinigungen

Interpretationspro­ Mosaike, Polymorphismen Mosaike, z. T. nur Plazenta


bleme betreffend

Kontrollmöglichkei­ Reamniozentese, Chordozen- Amniozentese (in ca. 3 % er-


ten tese (= Nabelschnurpunktion) forderlich)
4
4.3 Pränatale Schädigungen
• A
 rt und Schwere sind weniger von der auslösenden Ursache als viel-
mehr von Zeitpunkt und Intensität der einwirkenden Noxe abhängig.
• E ine Abgrenzung rein genetisch fixierter von exogenen Fehlbildungen
ist nicht immer möglich.

Schwangerschaftswoche (post conceptionem)

<3 3 4 5 6 7 8 12 16 20-36 38

Zentralnervensystem
gegenüber Teratogen
Fruchttod oder Unempfindlichkeit

Herz

Ohr
Arme
Augen
Beine
Zähne
Gaumen

äußeres Genitale

Größere morphologische Defekte Physiologische Defekte,


geringgradigere Fehlbildungen

Abb. 4.1  Organogenese und vulnerable Phasen (dunkelblau: besonders emp-


findlich; hellblau: mäßig empfindlich) [L190]
114 4  Genetik, Pränataldiagnostik, Entwicklungsstörungen  

Organogenese und ihre vulnerablen Phasen


▶ Abb. 4.1.

4.4 Chromosomenanomalien
Die diploide Körperzelle des Menschen enthält 46 Chromosomen: 22 Autoso-
menpaare und 2  Gonosomen (= Geschlechtschromosomen), XX bei weibli-
chem, XY bei männlichem Geschlecht. Durch Konjugation zweier Gameten
bilden sich im Normalfall neu kombinierte diploide Chromosomensätze. Stö-
rungen im Ablauf der Meiose können zu verschiedenen Chromosomenano-
malien führen.

Numerische Chromosomenaberrationen
Folge einer Nondisjunction (Nichtauseinanderweichen) eines Chromosomen-
paars während der Meiose. Durch Vervielfachung eines kompletten, haploiden
Chromosomensatzes entstehen Polyploidien. Zahlenmäßige Veränderungen ein-
4 zelner Chromosomen innerhalb des haploiden Satzes führen zu Aneuploidien,
den Mono- oder Trisomien.
• G
 onosomale Mono- oder Trisomien sind normalerweise mit dem Leben ver-
einbar. Ausnahme: Y0 ist Letalfaktor.
• A
 utosomale Monosomien wirken i. d. R. als Letalfaktoren (Ausnahmen: z. B.
partielle Monosomie Cri-du-chat).
• A
 utosomale Trisomien sind z. T. lebensfähig und zeigen schwere phänotypi-
sche Auswirkungen. Bei gemeinsamer Grundsymptomatik finden sich variab-
le Begleiterkr. wie Hirnanomalien mit Störungen der geistigen Entwicklung,
multiple Organfehlbildungen, v. a. Herzfehler, kraniofaziale Dysmorphien.

Strukturelle Chromosomenaberrationen
Auslösung durch Translokation, Deletion, Duplikation oder Inversion sowie
Ring- oder Isochromosomen.

4.4.1 Autosomale Chromosomenanomalien

Tab. 4.3  Autosomale Chromosomenanomalien


Name Down Edwards Pätau Cri-du-chat

Synonyme Trisomie 21, M. Trisomie 17 oder Trisomie 13, Partielle Mo-


Langdon-Down 18 14 oder 15 nosomie 5p–

Betroffenes 21 Gruppe F 17 Gruppe D 13, Deletion des


Chromo­ oder 18 14 oder 15 kurzen Arms
som von 5

Gesamt­ 1 : 700 1 : 8.000 1 : 4.000 bis 1 : 50.000


häufigkeit M : F = 4 : 1 1 : 10.000
Lebendge­
borene
   4.4  Chromosomenanomalien  115

Tab. 4.3  Autosomale Chromosomenanomalien (Forts.)


Name Down Edwards Pätau Cri-du-chat

Klinik Geistige Retardie- Große Variabili- Kraniofazia- Katzenschrei-


rung, charakteristi- tät und Komple- le Dysmor- artiges Schrei-
sche Dysmorphien xität: schwere phien, Poly- en bei NG, kra-
(▶ Abb. 4.2), Mus- psychomotori- daktylie, niofaziale Dys-
kelhypotonie, Cutis sche Retardie- Herzfehler, morphien
laxa, Herzvitien, rung, primordia- kapilläre
Immunschwäche ler Kleinwuchs, Häm­angio­
(Infektanfälligkeit, typische Gesichts- me
Leukämierate ↑) dysmorphien

Prognose Durch gezielte son- Infaust Infaust IQ beim Kind


derpädagogische < 50 IQ beim
Förderung lern- Erw. < 20
und integrations-
fähig

Lebenser­ ca. 30 J., 8 % der 90 % Letalität im 70 % Letali-


wartung Pat. > 40 J. 1. Lj tät in den
ersten
6 Mon. 4

Down-Syndrom Turner-Syndrom

Sphinxgesicht
„Vierfingerfurche”,
kurzer Hals mit
kurzes Mittelglied Pterygium colli
des 5. Fingers
breiter
Mamillenabstand

Cubitus valgus

„Sandalenfurche“
zwischen
1. und 2. Zehe
Pigmentnävi

Kleinwuchs

Abb. 4.2  Klinik bei Down- und Turner-Syndrom [L157]

4.4.2 Gonosomale Chromosomenanomalien

Tab. 4.4  Gonosomale Chromosomenanomalien


Name Turner Klinefelter

Charakteris­ Weiblicher prim. hypergona- Männlicher prim. hypergonadotro-


tika (Syno­ dotroper Hypogonadismus per Hypogonadismus
nyma)
116 4  Genetik, Pränataldiagnostik, Entwicklungsstörungen  

Tab. 4.4  Gonosomale Chromosomenanomalien (Forts.)


Name Turner Klinefelter

Chromo­so­ 45XO oder Mosaike 47XXY oder Mosaike


mensatz

Häufigkeit 1 : 3.000 Geburten (95 % der 1 : 400 lebend geborene Knaben


XO-Grav. enden jedoch durch
Frühabort)

Klinik Kleinwuchs, Infantilismus, Eunuchoider Hochwuchs, Pubertas


Lymphödem, Pterygium colli, tarda, weiblicher Behaarungstyp, re-
Schildthorax, fakultativ Herz- tardiertes Knochenalter, frühzeitige
fehler Osteoporose, verschiedene Dysmor-
phie-, Dysplasiezeichen

Intellekt Meist normal Häufig Oligophrenie, endokrin be-


dingtes hirnorganisches Psychosy.

4.4.3 Risiko für Chromosomenanomalien


4
Tab. 4.5  Risiko für Chromosomenanomalien (gilt insb. für Trisomie 21)
Alter der Anomalien Alter der Mutter Anomali­ Alter des Vaters
­Mutter (J.) (%) (J.) en (%)

31–32 0,15 40–41 2,5 Die Abhängigkeit vom vä-


terlichen Alter wird als
33–34 0,25 42–44 4 weniger entscheidend er-
achtet. Ein signifikant er-
35–36 0,7 45–46 9 höhtes Risiko besteht erst
37–39 1,5 47–48 18 ab dem 45. Lj.

4.4.4 Leitsymptome bei Fehlbildungssyndromen

Bei Dysmorphie-Fehlbildungssy. oft schwierige Zuordnung zu definierten


Krankheitsbildern. Möglichst exakte Zuordnung wichtig, z. B. ob Therapie-
abhängigkeit, Wiederholungsrisiko für weitere Nachkommen besteht.
Selbstverständlich sind nicht alle Dysmorphien genetisch bedingt.

Gesichtsanomalien
•  ongoloide Lidachsenstellung: Down-Sy. (▶ 4.4.1).
M
•  ntimongoloide Lidachsenstellung: Cri-du-chat-Sy. (▶ 4.4.1).
A
•  eiter Augenabstand: Potter-Sequenz.
W
•  nger Augenabstand: maternale PKU, Pätau-Sy.
E
•  urze Lidspalten: Alkoholembryofetopathie, Edwards-Sy.
K
•  akroglossie: Down-Sy. (▶ 4.4.1), angeborene Hypothyreose, Mukopolysac-
M
charidosen.
•  erstrichenes Philtrum: Alkoholembryofetopathie.
V
•  anges Philtrum: (s. o.), Valproat, maternale PKU.
L
   4.5  Stoffwechselerkrankungen  117

•  ief sitzende Ohren: Edwards-Sy. (▶ 4.4.1), Down-Sy. (▶ 4.4.1).


T
•  ikrognathie: Edwards-Sy. (▶ 4.4.1), Turner-Sy. (▶ 4.4.2).
M
•  iefer Haaransatz: Turner-Sy. (▶ 4.4.2).
T
•  ünnes Haar: ektodermale Dysplasie.
D
•  ippen-Kiefer-Gaumen-Spalte: Pätau-Sy., Antiepileptikaembryofetopathie.
L
•  robe Gesichtszüge: Mukopolysaccharidosen.
G

Extremitätenfehlbildungen
•  olydaktylie: Pätau-Sy. (▶ 4.4.1).
P
•  yndaktylie: Cri-du-chat-Sy. (▶ 4.4.1).
S
•  andalenlücke: Down-Sy.
S
•  ierfingerfurche: Down-Sy.
V
•  xtremitätenhypoplasie: Varizellenembryofetopathie, Amnionbänder.
E
•  elenkkontrakturen: Potter-Sequenz.
G
•  adiusaplasie: Edwards-Sy. (▶ 4.4.1).
R

Kleinwuchs
• D
 ysproportioniert:
– A chondroplasie: autosomal dominant, Makrozephalus, Lendenlordose, 4
im Säuglingsalter Muskelhypotonie.
– Knorpel-Haar-Hypoplasie: autosomal rezessiv, überstreckbare Gelenke;
feines, spärliches Haar, Immundefekt.
•  roportioniert: Down-Sy., Turner-Sy.
P
•  ochwuchs: Marfan-Sy., Klinefelter-Sy.
H
•  dipositas (▶ 4.4.2), Turner-Sy., Down-Sy., Klinefelter-Sy. (▶ 4.4.2).
A

Innere Fehlbildungen
• N
 ierenfehlbildungen: Embryopathia diabetica, Edward-Sy., Turner-Sy.
• Ö
 sophagusatresie: Edwards-Sy.
Neurologische Auffälligkeiten
• E rlernte Fähigkeiten ↓: Speicherkrankheiten.
• G eistige Behinderung: s. o.; Mikrozephalus.
• K rampfanfälle: Stoffwechselerkr. (Naevus flammeus im Trigeminusbereich),
tuberöse Hirnsklerose (White Spots und Angiofibrome), Neurofibromatose
von Recklinghausen (Café-au-Lait-Flecken und Neurofibrome).
•  ikrozephalus: angeborene Inf., Alkoholembryofetopathie, maternale PKU,
M
Pätau-Sy., Edwards-Sy.
•  uskelhypotonie: Muskeldystrophie, Down-Sy.
M
•  yelomeningozele: Valproatembryopathie, Edwards-Sy.
M

4.5 Stoffwechselerkrankungen
4.5.1 Pränatale Diagnostik
Bei den meisten Stoffwechseleerkr. pränatale Diagnose möglich. Allerdings ist ei-
ne pränatale Diagn. nur in Fällen sinnvoll, in denen eine familiäre Belastung vor-
118 4  Genetik, Pränataldiagnostik, Entwicklungsstörungen  

liegt und/oder die zu befürchtende Stoffwechselerkr. mit erheblichen Schäden


einhergeht.
Die Diagn. erfolgt durch spezialisierte Labors mithilfe von Plazentagewebe (Cho-
rionzottenbiopsie ▶ 4.2.6) oder FW (Amniozentese ▶ 4.2.5). Der Untersuchung
von Plazentagewebe wird dabei meist wegen des Zeitgewinns im Hinblick auf eine
mögliche Interruptio der Vorzug gegeben.

4.5.2 Erweitertes Neugeborenenscreening
Hörscreening ▶ 9.3.4
Indikationen  Das NG-Screening soll frühzeitig Stoffwechselerkr. aufdecken, die
unerkannt und unbehandelt zu ZNS-Schäden führen.
Durchführung  Blutentnahme aus der Ferse meist am 3.  LT, frühestens ab der
36. Lebensstunde. Umfasst neben Hypothyreose, Phenylketonurie, Galaktosämie
und Biotinidasemangel (▶ Tab. 4.6) auch weitere, seltenere Störungen.

Tab. 4.6  Neugeborenenscreening

4 TSH Phenylalanin Galaktose Biotinidase

Erkrankung Hypothyreose Phenylketon­ Galaktosämie Biotinidase-


urie (PKU) mangel

Häufigkeit 1 : 3.000 1 : 10.000 1 : 40.000 1 : 60.000

Klassische Struma, Nabel- Blond, blauäu- Ikterus, Erbre- An Haut (Exan-


Symptome bruch, Icterus gig, geistig re- chen, Lethar- theme), Haa-
prolongatus tardiert gie, Katarakt ren (Ausfall),
Hirn (Krampf-
anfälle)

Zeitpunkt des Evtl. 1. Lm Mit 6 Mon. Evtl. Ende Evtl. mit 2 Wo.
Auftretens ers­ 1. Lw
ter Symptome

Therapie L-Thyroxin Phenylalanin- Laktosefreie Biotinmedika-


arme Diät Diät tion

Prognose in Früh: IQ um Früh: IQ um Früh: IQ o. B. Früh: IQ o. B.


Abhängigkeit 100 100 Ohne: Lang- Ohne: unter-
vom Therapie­ Ohne: IQ 70–80 Ab Symptom: zeitprogn. un- schiedlich
beginn IQ 70–80 sicher, häufig
Ohne: IQ < 30 Tod im Säug-
lingsalter

Gezielte Nach­ TSH und fT4 Phenylalanin Galaktose i. S. Kolorimetri-


weisverfahren i. S.; RIA oder i. S. fluoromet- enzymatisch sche Bestim-
Immunassay risch, chroma- mung
tografisch

Screeninguntersuchungen liefern grundsätzlich „nur“ Verdachtsdiagn., die


durch gezielte Nachweisverfahren zu sichern sind.
   4.6  Neuralrohrdefekte  119

4.6 Neuralrohrdefekte
4.6.1 Übersicht
Epidemiologie  Häufigkeit 1 : 1.000, Wiederholungsrisiko ca. 6,5 %.
Ätiologie  Ursächlich kommen neben genetischen auch Umweltfaktoren in Be-
tracht. Folsäuremangel oder ein genetisch bedingter Block im Folsäurestoffwech-
sel stören durch bislang nicht geklärte Mechanismen die fetale Neuralrohrent-
wicklung.
Pathogenese  Durch Entwicklungshemmung der Neuralanlage in der frühen
Embryonalperiode kommt es zu Schlussstörungen des Nervensystems. Erste An-
lage des ZNS ist eine Verdickung des Ektoderms in der dorsalen Mittellinie, die
sog. Neuralplatte. Diese wird durch Absenkung zur Neuralrinne und durch
Schluss und Verlagerung ins Körperinnere zum Neuralrohr. Abhängig vom Aus-
maß der Schlussstörung unterscheidet man:
• T otale Rachischisis: Schluss bleibt in ganzer Länge aus.
• S pina bifida aperta: Schluss bleibt nur kaudal unvollständig.
• C ranium bifidum, in der Extremform ein Anenzephalus: Schluss bleibt nur 4
kranial unvollständig.
Therapie  Die Ther. der Dysrhaphien erfolgt operativ. Bei überhäuteten Menin-
gozelen ist sie elektiv möglich, offene Meningozelen erfordern eine sofortige OP
innerhalb der ersten 6–12 Lebensstunden wegen der Gefahr der Rückenmarkinf.
mit Untergang weiteren Nervengewebes (▶  9.7.4). Formen der Dysrhaphien
▶ 9.7.4.
Prophylaxe  In prospektiven randomisierten Studien wurde die Wirksamkeit ei-
ner prophylaktischen Folsäuregabe in der Frühschwangerschaft bewiesen, ideal ist
der bereits präkonzeptionelle Beginn.
Dosierung von Folsäure (z. B. Lafol®):
• B ei Pat. ohne Risikoanamnese: Folsäure 0,4 mg/d p. o.
• B ei Pat. mit Neuralrohrdefekt-Anamnese in vorausgegangener Schwanger-
schaft: 4 mg/d.
• B ei antikonvulsiver Ther. (Phenobarbital, Phenytoin, Primidon): ≤ 0,5 mg/d
p. o. wegen Gefahr der verminderten antikonvulsiven Wirkung.

4.6.2 Hydrozephalus
Formen  Man unterscheidet:
• H
 ydrocephalus internus: Erweiterung der Hirnkammern.
• H
 ydrocephalus externus: Erweiterung von Hirnkammern und/oder Sub-
arachnoidalraum.
Der Hydrozephalus kann hypertensiv oder normoton sein, mit oder ohne Makro-
zephalus auftreten, isoliert oder mit anderen Strukturanomalien des ZNS einher-
gehen. Zeitpunkt des Auftretens: prä-, peri- oder postnatal.
Epidemiologie  Häufigkeit ca. 1 : 900, davon 40 % mit Spina bifida interna, 20 %
als unkomplizierter, kongenitaler Hydrozephalus (Wiederholungsrisiko 1–2 %)
und 15 % X-chromosomal mit Aquäduktstenose.
120 4  Genetik, Pränataldiagnostik, Entwicklungsstörungen  

Ätiologie  Genetisch, infektiös, tumorös oder durch Leukomalazie z. B. infolge


von Hypoxie oder Azidose.
Klinik  Gespannte, vorgewölbte Fontanelle, klaffende Schädelnähte. Ggf. Makro-
zephalus. „Sonnenuntergangsphänomen“ der Pupillen.
Therapie  Shunt-OP (cave: Staph.-albus-Sepsis).

4.7 Strahlenexposition in der Gravidität


4.7.1 Dosisgrößen und -einheiten
• I onendosis: durch Ionisation in Luft erzeugte elektrische Ladung bezogen auf
die Masse der Luft. Einheit: 1 Coulomb/kg (C/kg); alte Einheit: 1 Rö =
2,58 × 10–4 C/kg.
•  nergiedosis: im Gewebe absorbierte Strahlungsenergie bezogen auf die
E
Masse des Gewebes. Einheit: 1 J/kg = 1 Gray (Gy); alte Einheit: 1 rad =
0,01 Gy.
•  quivalentdosis: mit strahlenspezifischem Wichtungsfaktor multiplizierte
Ä
4 Energiedosis. Einheit: 1 Sievert (Sv); alte Einheit: 1 rem = 0,01 Sv.
•  trahlenwichtungsfaktoren für verschiedene Strahlenarten: γ-, Rö-, Elekt-
S
ronenstrahlung = 1; α-Strahlung = 20.
•  ffektive Äquivalentdosis (Dosisgröße, in der Grenzwerte angegeben sind):
E
Summe der mittleren Äquivalentdosen der exponierten Organe oder Gewebe
multipliziert mit organspezifischen Wichtungsfaktoren. Einheit: 1 Sv.
•  ewebewichtungsfaktoren: Keimdrüsen = 0,20 (höchster Wichtungsfaktor);
G
rotes Knochenmark = 0,12.
•  D50: Dosis, bei der unbehandelt 50 % der Probanden sterben (= Ganzkörper-
L
bestrahlung beim Erwachsenen von ca. 4 Gy).
•  D100: Dosis, bei der unbehandelt 100 % der Probanden sterben (= Ganzkör-
L
perbestrahlung beim Erwachsenen mit ca. 9 Gy).
•  terilisationsdosis: bei der Frau Radiomenolyse, beim Mann irreversible
S
Hemmung der Spermiogenese jeweils ab 5 Gy.

4.7.2 Allgemeine Strahlenbelastung
Die mittlere jährliche Strahlenbelastung der deutschen Bevölkerung beträgt ca.
3,5 mSv. Davon entfallen:
• 6 0 % (ca. 2,0 mSv) auf natürliche Strahlenquellen wie terrestrische, kosmische
und Strahlung radioaktiver Zerfallsprodukte aus dem tägl. Umgang, etwa
Baumaterialien, Inkorporation natürlicher radioaktiver Stoffe (z. B. 14C).
• 4 0 % (ca. 1,5 mSv) auf künstliche Bestrahlung, i. Wesentl. bei medizinischer
Diagn. und Ther., aber auch Strahlung infolge von Forschung, kerntechni-
schen Anlagen, radioaktiven Fallouts und Flugreisen.
   4.7  Strahlenexposition in der Gravidität  121

4.7.3 Strahlenbelastung des Ungeborenen bei


Röntgendiagnostik der Mutter

Tab. 4.7  Geschätzte mittlere Strahlendosis für das Ungeborene bei Röntgen­
diagnostik in der Gravidität
Aufnahmetechnik/Untersuchte Körper­ Strahlendosis (mSv)*
region der Mutter

Konventionelles Rö

Obere Extremität 0,01

Untere Extremität 0,01

HWS 0,02

Schädel 0,04

Thorax 0,08

BWS 0,09

Gallenblase 2,0
4
LWS 2,8

Abdomen-Übersicht 2,9

Hüfte 3,0

Oberer Gastrointestinaltrakt 3,6

Becken-Übersicht 4,4

Kontrastmitteluntersuchungen

i. v. Pyelogramm 4,0

Intestinaltrakt (Barium-Kontrast) 4,4

Computertomografie

Schädel 2,0

Thorax 6–10

Abdomen 10–25

* = mGy bei Rö-Strahlen

Magnetresonanztomografie
Da nur wenige Erfahrungen vorliegen, sollte die Ind. insb. in den ersten 3 Mon.
der Grav. sehr streng gestellt werden. Untersuchungen mit geringstmöglicher
Feldstärke und Expositionsdauer durchführen.

• R ö-Aufnahmen auch kritischer Regionen führen kaum zu bedenklichen


Belastungen der Frucht.
122 4  Genetik, Pränataldiagnostik, Entwicklungsstörungen  

• D
 eutlich höhere Belastungen werden bei Durchleuchtungen erreicht,
z. B. bei Polytraumen oder im Rahmen von Angiografien.
• B ei nachträglich festgestellter Grav. Messstimulation zur genauen Er-
mittlung der Dosisbelastung durchführen.

4.7.4 Strahlenbedingtes Risiko

Spontane Fehlbildungsrate ca. 3 %.

Strahlenempfindlichkeit der Frucht


Ohne eigentliche Schwellendosis:
• B eginnender Strahlenschaden ab etwa 0,03 Gy (30 mSv).
• K ritische Dosis für irreversible Schäden bei etwa 0,05 Gy (50 mSv).
• A b 0,1 Gy (100 mSv) in der Frühgrav. Interruptio erwägen.
4 Generell in der Schwangerschaft so wenig wie möglich röntgen oder bestrah-
len.

Strahlenexposition und Folgen


Der Strahlenschaden hängt vom Zeitpunkt des Einwirkens (vulnerable Phasen
▶  Abb.  4.1) und von der Strahlenintensität pro Zeiteinheit ab (konzentrierte
Strahlung beinhaltet höheres Risiko als fraktionierte, prolongierte Strahlung).
• P räimplantationsphase: „Alles-oder-nichts“-Prinzip.
• O rganogenese: Dysplasien, Hypoplasien.
• F etalperiode: abnehmende Fehlbildungswahrscheinlichkeit, Überwiegen allg.
oder lokaler Wachstumsstörungen (ZNS, Gonaden), Induktion maligner Er-
kr. mit Manifestation überwiegend innerhalb der ersten 10 Lj.
5 Schwangerschaft
Joachim Steller, Kay Goerke, Gisela Enders und Jan-Bernd Jürgens

5.1 Diagnostische Methoden 5.4  chwangerschaftsabbruch


S
Kay Goerke  126 ­(Interruptio, Abruptio)
5.1.1 Äußere Kay Goerke  145
Untersuchung  126 5.4.1 Gesetzliche
5.1.2 Innere Untersuchung  129 ­Bestimmungen  145
5.1.3 Beckenmaße  130 5.4.2 Durchführung der
5.1.4 Humanes ­Interruptio  146
­Choriongonadotropin 5.5 Abort (Fehlgeburt)
(HCG)  130 Joachim Steller  148
5.1.5 α-Fetoprotein (AFP)  131 5.5.1 Abortus imminens
5.1.6 Amniozentese  132 (drohender Abort)  149
5.1.7 Antikörpersuchtest  132 5.5.2 Abortus incipiens,
5.1.8 Screening ­incompletus,
­Gestationsdiabetes  133 completus  150
5.2 Initialsymptome und erste 5.5.3 Missed Abortion  150
Maßnahmen 5.5.4 Febriler Abort, septischer
Kay Goerke  134 ­Abort  151
5.2.1 Schwangerschafts­ 5.5.5 Habitueller Abort
zeichen  134 ­(wiederholte Spontanabort-
5.2.2 Berechnung von neigung, WSA)  152
­Schwangerschaftswoche 5.6 Trophoblasterkrankungen
(SSW) und ­Geburtstermin Joachim Steller  154
(EGT)  135 5.6.1 Blasenmole  154
5.2.3 Diagnostik nach Feststellung 5.6.2 Chorionepitheliom
der Schwangerschaft  135 ­(Chorionkarzinom)  156
5.3 Schwangerenvorsorge 5.7 Frühgestosen
Kay Goerke  137 Joachim Steller  158
5.3.1 Planung  137 5.7.1 Ptyalismus gravidarum  158
5.3.2 Beratung  138 5.7.2 Hyperemesis
5.3.3 Gesetzliche ­gravidarum  159
­Bestimmungen  144 5.7.3 Sodbrennen  160
5.7.4  erzerkrankungen in der
H 5.13.9 L ymphochoriomeningitis
Schwangerschaft  161 (LCM)  212
5.7.5 Gastrointestinale 5.13.10 Toxoplasmose  213
­Erkrankungen in der 5.13.11 Lues connata (Syphilis)  215
­Schwangerschaft  162 5.13.12 Listeriose  217
5.7.6 Lebererkrankungen in der 5.13.13 Chlamydia trachomatis  219
Schwangerschaft  163 5.13.14 Ureaplasma urealyticum und
5.7.7 Renale Komplikationen der Mycoplasma hominis  220
Schwangerschaft  164 5.13.15 Borreliose  221
5.8 Spätgestosen 5.13.16 Q-Fieber  223
Joachim Steller  166 5.13.17 Therapie parasitärer
5.8.1 Schwangerschaftsinduzierte ­Infektionen in der
Hypertonie (SIH, EPH-­ ­Schwangerschaft  225
Gestose)  166 5.13.18 Kondylome in der
5.8.2 Pfropfgestose  171 ­Schwangerschaft  228
5.8.3 HELLP-Syndrom  171 5.13.19 Bakterielle Vaginose  229
5.9 Gestationsdiabetes (GDM) 5.13.20 Vaginalmykose  230
Joachim Steller  172 5.14 Fetale Herzrhythmus­
5.10 Vorzeitige Wehen, störungen
­Zervixinsuffizienz Jan-Bernd Jürgens  230
Joachim Steller  174 5.15 Thrombozytopenie in der
5.10.1 Tokolyse  175 Schwangerschaft
5.10.2 Cerclage  178 Kay Goerke  233
5.10.3 Pränatale Lungenreifeförde- 5.16 Fetale Fehlbildungen
rung (RDS-Prophylaxe)  179 Kay Goerke  234
5.11 Mehrlingsgravidität 5.17 Terminüberschreitung
Joachim Steller  180 Kay Goerke  235
5.11.1 Besonderheiten von Zwil- 5.18 Uterusmyome in der
lingsschwangerschaften  180 ­Schwangerschaft
5.11.2 Fetofetales Joachim Steller  236
­Transfusionssyndrom  182 5.19 Prostaglandintherapie
5.11.3 Fighting-Twin-Syndrom ­Joachim Steller  237
(FTS)  183 5.20 Unfälle in der
5.12 Intrauterine Wachstums­ ­Schwangerschaft
retardierung (IUGR) Kay Goerke  239
Joachim Steller  183 5.21 Arzneimittel in ­Schwanger­-
5.13 Infektionen in graviditate schaft und ­Stillzeit
­Gisela Enders  185 Joachim Steller  240
5.13.1 Röteln (Rubella)  187 5.21.1 Vorbemerkungen  240
5.13.2 Zytomegalie  191 5.21.2 Analgetika, Antipyretika,
5.13.3 Varizellen und Herpes Spasmolytika  240
­zoster  194 5.21.3 Anthelminthika  242
5.13.4 Herpes-simplex-Virus Typ 1 5.21.4 Antiallergika  243
und 2 (Herpes genitalis)  198 5.21.5 Antibiotika  244
5.13.5 Ringelröteln (Erythema 5.21.6 Antidiabetika  245
­infectiosum)  200 5.21.7 Antiemetika  246
5.13.6 HIV-Infektion  203 5.21.8 Antiepileptika  246
5.13.7 Virushepatitis  205 5.21.9 Antihypertensiva  247
5.13.8 Enteroviren  211 5.21.10 Antihypotonika  249
5.21.11 Antikoagulanzien  249 5.21.19 Magen-Darm-Mittel  257
5.21.12 Antimykotika  250 5.21.20 Mund- und
5.21.13 Antiphlogistika  251 ­Rachentherapeutika  259
5.21.14 Antitussiva, 5.21.21 Psychopharmaka  259
­Bronchospasmolytika  252 5.21.22 Rhinologika  261
5.21.15 Kortikoide, 5.21.23 Schilddrüsen­
­Sexualhormone  253 therapeutika  262
5.21.16 Dermatika  254 5.21.24 Virustatika  263
5.21.17 Diuretika  255 5.21.25 Zytostatika  264
5.21.18 Laxanzien  256
126 5  Schwangerschaft  

Definitionen
• L age: Beziehung von Längsachse des Kindes zur Längsachse der Mutter
(Längslage – Querlage – Schräglage).
• S tellung: Position des Kindrückens in Beziehung zur Gebärmutter. Bei
den Längslagen gilt:
– I Rücken li seitlich.
– Ia Rücken li vorn.
– Ib Rücken li hinten.
– II für re Seite entsprechend (z. B. IIa = Rücken re vorn).
• E instellung: Beziehung des vorangehenden Teils zum Geburtskanal, z. B.
bei Schädellagen Hinterhaupt (kleine Fontanelle) oder Vorderhaupt (gro-
ße Fontanelle).
• H altung: Beziehung der Kindsteile zueinander, besonders wichtig für den
Kopf (pathologisch z. B. gestreckter oder deflektierter Kopf) ▶ 6.5.3.

5.1  Diagnostische Methoden


Kay Goerke

5.1.1  Äußere Untersuchung


Veränderungen der Haut
5 • SFasern
 chwangerschaftsstreifen („Striae“): Ruptur und Retraktion der elastischen
der Haut an Bauch, Hüften, Gesäß und Mammae. Ursachen: Störung
der elastischen Fasern der Haut durch Überdehnung, Störung der Elastizität
des Hautgewebes durch den Kortisolanstieg in der Schwangerschaft. Prophy-
laxe (meist wenig erfolgreich): Bürstenmassage, wechselnd heiß und kalt du-
schen, fetthaltige Cremes.
•  yperpigmentation: Linea alba (Mittellinie zwischen Nabel und Symphyse)
H
wird zur Linea fusca, Areolae, Gesäß und Vulva, Stirn, Gesicht (Chloasma
gravidarum).
•  deme: an abhängigen Körperpartien. Cave: SIH ▶ 5.8.1.
Ö
•  arizen: an unteren Extremitäten, Vulva und Anus.
V

1. Leopold-Handgriff
Indikationen  Feststellung von Fundusstand (▶ Abb. 5.1) und Lage des Kindes.
Durchführung  Untersuchung der Schwangeren im Liegen. Die ulnaren Kanten
beider Hände umfassen den Fundus.

2. Leopold-Handgriff
Indikationen  Ermittlung der Stellung des kindlichen Rückens:
• 1. Lage: kindlicher Rücken li.
• 2.Lage: kindlicher Rücken re.
! (Merkspruch: Rücken rechts = 2-mal „R“ = 2. Lage).
Durchführung  Beide Hände liegen seitlich dem Uterus flach an, der Rücken tas-
tet sich als lange glatte Struktur, die kleinen Teile (Arme, Beine) erscheinen unre-
gelmäßig und beweglich.
   5.1  Diagnostische Methoden  127

Typische Fundusstände: Symphysen-Fundus-


Abstand in cm:

40. SSW: 2 QF unterhalb 36


des Rippenbogens
36
36. SSW: am Rippenbogen 34
40
(höchster Stand)
32
32. SSW: zwischen Nabel 29
und Xiphoid 28
28 SSW: 3 QF oberhalb 26 24
des Nabels
24. SSW: am Nabel 22 20
20. SSW: 3 QF unterhalb 17
des Nabels 16
16. SSW: 2 QF über der 6
Symphyse
12. SSW: obere Symphysenkante 0

Abb. 5.1  Fundusstände [L157]

3. Leopold-Handgriff
Indikationen  Unterscheidung zwischen Schädel- und Steißlagen bei noch nicht
in das Becken eingetretenem vorangehendem Teil, außerdem Bestimmung des
Höhenstands.
Durchführung  Im Bereich des unteren Uterinsegments wird der vorangehende
5
Teil mit Daumen und abgespreizten Fingern der re Hand erfasst. Der Kopf ist
hart, kugelig, ballotiert (Beweglichkeit gegenüber dem Rumpf), der Steiß ist
­schmaler, weicher, weniger beweglich.

4. Leopold-Handgriff
Indikationen  Ermittelt von außen den Höhenstand des vorangehenden Teils,
sofern dieser ins Becken eingetreten ist.
Durchführung  Die Hände werden von kranial mit den ulnaren Kanten seitlich
dem Uterus angelegt und oberhalb der Leistenbeuge in die Tiefe vorgeschoben.

5. Leopold-Handgriff (= Zangemeister-Handgriff)
Indikationen  Versuch, ein Missverhältnis zwischen Becken und vorangehen-
dem Teil festzustellen.
Durchführung  Von der Seite aus wird eine Handfläche auf die Symphyse, die
andere flach auf den vorangehenden Teil gelegt.
Bewertung 
• K opf überragt Symphyse nicht: kein Missverhältnis, Zangemeister neg.
• K opf überragt Symphyse gering: mäßig verengtes Becken.
• K opf überragt Symphyse deutlich: Missverhältnis, Zangemeister pos.
Der Zangemeister-Handgriff ist nur bei vollständig eröffnetem Muttermund
und gesprungener Fruchtblase sowie bei Palpation in der Wehe aussagekräftig!
128 5  Schwangerschaft  

1. Leopold-Handgriff 2. Leopold-Handgriff

5
3. Leopold-Handgriff 4. Leopold-Handgriff

Zangemeister-Handgriff (5. Leopold-Handgriff)

Abb. 5.2  Leopold-Handgriffe [L157]

Michaelisraute
Indikationen  Zur Abschätzung von Beckenform und -größe.
Durchführung  Im Stehen unter Anspannung der Gesäßmuskulatur stellen sich,
am besten bei seitlicher Beleuchtung, im Sakralbereich vier Grübchen dar. Eines
   5.1  Diagnostische Methoden  129

unterhalb des Dornfortsatzes des LWK4, eines am oberen Rand der Analfurche,
zwei jeweils seitlich über den Spinae iliacae posteriores superiores.
Bewertung  ▶ Abb. 5.3.

Quadratische Raute: Papierdrachenform: Längliches, oben und Schräg verengtes


regelrecht gestaltetes V.a. platt-rachitisches unten spitz Becken:
Becken Becken zusammenlaufendes asymmetrische
Becken: V.a. allgemein Form, z.B. bei
verengtes Becken Hüftgelenkluxation

Abb. 5.3  Michaelisraute [L190]

5.1.2  Innere Untersuchung

Bei der vag. Untersuchung (wird bei jeder Schwangerschaftsuntersuchung


durchgeführt) sollen Portio und MM beurteilt werden. Die Beckenaustas-
tung erfolgt nur bei der Erstuntersuchung.
5
Vorgehen  Lagern der Pat. auf dem gynäkologischen Stuhl, bei der (ungünstige-
ren) Untersuchung auf der Liege oder im Bett setzt sich der Untersucher auf die
Bettkante. Reinigung der Vulva mit Kamille-Lsg. (möglichst warm) oder
Octenisept®-Lsg. Palpation mit Mittel- und Zeigefinger.
Beurteilung 
• S chambogenwinkel: normal 90°; bei allg. verengtem Becken spitz und ver-
engt; bei platt-rachitischem Becken weit und stumpf.
• U terus: Größe (bimanuell), Lage (v. a. in der Frühschwangerschaft), Konsis-
tenz. Kontraktionen während der Untersuchung sind physiologisch, auch in
der Frühschwangerschaft.
• P ortio: Lage (kreuzbeinwärts, in Führungslinie). Länge in Zentimeter ange-
ben, nicht in QF, außen an der Portio, nicht im CK zu tasten. Konsistenz
(derb, mittelfest, weich).
• M uttermundweite: geschlossen, Fingerkuppe einlegbar oder fingerdurchgän-
gig. Weite ansonsten in Zentimeter angeben.
• H öhe des vorangehenden Teils: über Beckeneingang, abschiebbar im Be-
ckeneingang, fest im Beckeneingang, obere und untere Schoßfugenrandebe-
ne, Interspinalebene, auf Beckenboden. Wichtig: Angabe, ob größter Durch-
messer oder die Geburtsgeschwulst gemeint ist.
• B eckenaustastung: V. a. querverengtes Becken, wenn seitliche Anteile der Li-
nea terminalis nicht erreichbar sind, V. a. Verkürzung der Conjugata vera,
wenn Promontorium nicht erreichbar ist. Steißbeinbeweglichkeit, Hinter-
wand der Symphyse (Exostosen), Abtasten der Weichteile (Narben, unge-
wöhnlich straff).
130 5  Schwangerschaft  

5.1.3  Beckenmaße
Die Bestimmung der Beckenmaße vor der Geburt hat heute allenfalls noch histo-
rische Bedeutung. Der Versuch, von den äußeren auf die inneren Beckenmaße
schließen zu wollen, ist wissenschaftlich nicht haltbar. Weitere Methoden (Ultra-
schall, CT, MRT etc.) sind mit Fehlern behaftet oder für die Geburtsplanung
kaum tauglich.
Aus forensischen Gründen empfiehlt sich stets die genaue Dokumentation des ge-
burtshilflichen Befunds (Lage, Stellung, Einstellung, Höhe des vorangehenden
Teils, Beckenaustastung, erreichbares Promontorium, Geburtsverlauf, ermitteltes
Kindsgewicht etc.). Im Rahmen einer Sectio caesarea können die inneren Becken-
maße (Conjugata vera) leicht ermittelt werden.

Innere Beckenmaße
• C onjugata vera (obstetrica): Verbindungslinie vom Promontorium zum
am weitesten vorspringenden Punkt der Symphyse. Nur bei der Sectio
caesarea mit dem Beckenzirkel oder radiologisch zu messen. Normal bei
11 cm.
• Q uerer Durchmesser: im (querovalen) Beckeneingang 13 cm.
• B eckenmitte: nahezu kreisförmiger Raum, alle Durchmesser etwa 12 cm.
• G erader Durchmesser: am Beckenausgang 11–12 cm.
• Q uerer Durchmesser: im (längsovalen) Beckenausgang 11 cm.

5 5.1.4  Humanes Choriongonadotropin (HCG)


Physiologie  HCG wird im Synzytiotrophoblasten gebildet und bewirkt die Er-
haltung des Corpus luteum in der Schwangerschaft. Die dort gebildeten Östroge-
ne und Gestagene erhalten die Decidua graviditatis so lange, bis der Trophoblast
selbst genügend Progesteron produzieren kann.
Messung  Etwa 10–12 Tage p. c., d. h. bereits vor dem Ausbleiben der Regelblu-
tung, im mütterlichen Serum nachweisbar. Die modernen Urintests werden mit
dem Ausbleiben der Regelblutung pos.
Auswertung  Verdopplung der Serumwerte etwa alle 2 Tage bis zum Serummaxi-
mum in der 11. SSW, anschließender HCG-Abfall. HWZ bei hohen HCG-Werten
etwa 12 h, bei niedrigen etwa 40 h (▶ Abb. 5.4). Cave: Bei Mehrlingsschwanger-
schaften gelegentlich stark erhöhte Werte.
• V . a. Frühabort: Bei nicht eindeutigem Ultraschallbefund und Ausschluss ei-
ner Termindiskrepanz Bestätigung der Diagn. durch gleichbleibend niedrige
HCG-Werte über Tage oder abfallende Werte vor der 11. SSW.
• V . a. EUG: HCG-Werte stark erniedrigt. Bei einer Störung der Verbindung
zwischen Fruchtanlage und Tubengefäßen fällt der HCG-Spiegel ab, beim
Tubarabort rascher als bei der Tubarruptur.
• F ehlermöglichkeiten: falsch pos. oder erhöhte Werte durch HCG-bildende
Tumoren. Bei Blasenmole oder Chorionepitheliom HCG-Spiegel > 500 IE/ml
(= 500.000 IE/l). Cave: Koinzidenz von intakter Schwangerschaft und Blasen-
mole möglich.
   5.1  Diagnostische Methoden  131

250
IE/ml

95. Perzentile
200

150

100 Medianwerte

50

5. Perzentile
0
5 10 15 20 25
Schwangerschaftswoche

Abb. 5.4  HCG-Werte im Serum in der Schwangerschaft (IE/ml) [L190]

5.1.5  α-Fetoprotein (AFP)


Physiologie  Glykoprotein, das fast ausschließlich im Dottersack und in der feta-
len Leber produziert wird. In der frühen Entwicklungsphase offenbar Ersatz für
das fetale Albumin. Ausscheidung über den Urin des Fetus ins FW sowie transpla-
zentar ins mütterliche Serum, dort ab der 8. SSW bis zur etwa 32.–34. SSW anstei-
gende Werte. Im FW zwischen der 12. und 15. SSW steil ansteigende Werte mit
5
anschließendem Konzentrationsabfall.
Indikationen  V. a. fetalen Neuralrohrdefekt oder ventrale Spaltbildung (cave:
Erhöhter AFP-Wert beweist keine Fehlbildung!). Weitere Abklärung z. B. durch
Amniozentese (▶ 4.2.5).
Durchführung  Entnahme von FW. Auch im mütterlichen Serum erhöhte Werte
feststellbar, diagn. jedoch der AFP-Bestimmung im FW unterlegen.
Auswertung  Bei offenen Spaltbildungen (Myelozele) oder bei Anenzephalus tritt
Liquor in das FW aus und führt zur deutlichen Erhöhung der AFP-Konz. im FW.
Der AFP-Gehalt im Serum der Mutter ist zwischen der 16. und 18. SSW am aussa-
gekräftigsten.
• Ü berhöhte Werte in Serum und FW findet man bei:
– Neuralrohrdefekten (Anenzephalie, Myelomeningozele, Spina bifida),
Omphalozelen, Gastroschisis.
– Ösophagusatresie, Duodenalatresie.
– Nierenagenesie, Zystennieren, Urethralatresie.
– Hydrops fetalis, Hygroma colli.
– Triploidien, Mehrlingsschwangerschaft.
– Steißteratom.
• E rniedrigte FW-Konz. u. a. beim Down-Sy.
132 5  Schwangerschaft  

5.1.6  Amniozentese
Vergleich Chorionzottenbiopsie und Amniozentese ▶ 4.2.5.
Indikationen  Pränatale Diagn. chromosomaler Defekte, FW-Diagn. bei Morbus
haemolyticus fetalis.
Durchführung  ▶ 4.2.5.
Bilirubinbestimmung  Beim Hydrops fetalis ist die intravaskuläre Transfusion
(Nabelschnurpunktion) unter sonografischer Kontrolle erfolgreicher als die intra-
peritoneale Transfusion und bereits ab 17 + 0 SSW möglich. Daher müssen die
vorbereitenden Untersuchungen wie Bestimmung von Bili, Hb und Hkt im feta-
len Blut sowie Bili-Konz. im FW zu diesem Zeitpunkt vorliegen.

5.1.7  Antikörpersuchtest

Durch irreguläre Rhesus-Ak Gefahr der intrauterinen Schädigung aufgrund


eines beschleunigten Abbaus der fetalen Erys (Morbus haemolyticus fetalis et
neonatorum). Etwa 98 % der irregulären IgG-Ak gehören zu den Anti-D-Ak,
einschließlich Anti-D + C + E, Anti-D + K und Anti-D + S. Auch im AB0-
System (Mutter Blutgruppe 0, Kind Blutgruppe A oder B) kann es zu Unver-
träglichkeiten kommen. Intrauterine Schädigungen des Kindes sind aber
selten, da die Oberflächenantigene der kindlichen Erys im AB0-System erst
gegen Ende der Schwangerschaft voll ausgebildet sind.
5 Als weitere Blutgruppenmerkmale, die zu einer Ak-Bildung in der Schwan-
gerschaft führen können, wurden bislang identifiziert: Kell, Fya, Fyb, S, s, U,
Jka, Jkb und Dia.

Epidemiologie  Die typische Rhesuskonstellation (Rh-neg. Schwangere und Rh-


pos. Kind) liegt statistisch bei 12 % der Schwangerschaften vor, aufgrund von
Non-Respondern (keine Ak-Bildung) liegt das tatsächliche Risiko für eine Rh-
Sensibilisierung bei 8 % der Schwangerschaften. Bei etwa 20 % besteht gleichzeitig
eine Inkompatibilität gegen das AB0-System, sodass in der Schwangerschaft über-
getretene fetale Erys bereits durch reguläre Ak des AB0-Systems zerstört werden,
bevor eine Rh-Sensibilisierung stattfindet. Die Häufigkeit einer Ak-Reaktion mit
anderen Blutgruppenmerkmalen liegt bei 2 %.
Durch Einführung der postpartalen Rh-Prophylaxe (▶ 9.4.4) sank die Sensibilisie-
rungsrate um 90 %. Eine nochmalige Senkung um 90 % wird von der nach den
Mutterschaftsrichtlinien in der 28.–30. SSW durchzuführenden Rh-Prophylaxe
erwartet (▶ 5.3.1).
Indikationen  In der Frühschwangerschaft Ak-Suchtest mind. gegen Antigene D,
C, c, E, e, Kell, Fy und S obligat. Ak-Suchreaktion in der 24.–27. SSW wiederholen,
wenn bei der ersten keine Ak nachgewiesen wurden.
Vorgehen bei positivem Test 
• B ei niedrigen Titerwerten ≤ 1 : 8 (Richtwerte laborabhängig) Kontrolle nach
3–4 Wo.
• B ei Titerwerten ≥ 1 : 16 ab der 17. SSW Amniozentese zur Bili-Bestimmung
im FW (▶ 4.2.5, ▶ 5.1.6), Kontrolle alle 2–4 Wo.
   5.1  Diagnostische Methoden  133

• S onografische Überwachung des Fetus zur Erkennung von Aszites oder eines
Hydrops fetalis.
• B ei V. a. Anämie Nabelschnurpunktion zur direkten fetalen Zustandsbeurtei-
lung (Blutgruppe, Hb, Bili).
• G
 gf. intrauterine Transfusion gewaschener Erys der Blutgruppe 0-Rh-neg.
(Chordozentese, nur in wenigen Zentren möglich).
• V
 orzeitige Schwangerschaftsbeendigung ab einem geschätzten Kindsgewicht
> 1.500 g nach Risikoabwägung möglich.

Eine frühere Gabe von Rh-Ak kann ggf. zu einer Augmentation führen (Ri-
siko der Sensibilisierung sub partu steigt).

5.1.8  Screening Gestationsdiabetes


Jeder Schwangeren, die nicht bereits einen manifesten Diabetes hat, soll ein Scree-
ning auf Schwangerschaftsdiabetes mit nachfolgend beschriebenem
Ablauf angeboten werden.

Screeningablauf
• Im Zeitraum zwischen 24 + 0 und 27 + 6 SSW Bestimmung der Plasma-
glukosekonz. 1 h nach oraler Gabe von 50 g Glukose-Lsg. unabhängig
vom Zeitpunkt der letzten Mahlzeit, nicht nüchtern (50 g Glukose in
200 ml Wasser innerhalb von 5 Min. langsam trinken lassen). Einmalige
BZ-Bestimmung nach 1 h im Venenblut. 5
• S chwangere mit BZ-Werten ≥ 7,5 mmol/l (= 135 mg/dl) und
≤ 11,1 mmol/l (= 200 mg/dl) erhalten zeitnah einen oralen Glukosetole-
ranztest (oGTT) mit 75 g Glukoselsg. nach Einhaltung von mindestens
8 h Nahrungskarenz (s. diagn. oGTT-Durchführung).

Oraler Glukosetoleranztest (oGTT)


Indikation  Bei Vorliegen von mind. einem der folgenden Risikofaktoren für
­einen Gestationsdiab. sollte nach Empfehlung der DGGG ein oGTT schon im
1. Trimenon erfolgen:
• Ü bergewicht (Body-Mass-Index vor der Schwangerschaft ≥ 27,0 kg/m2).
• D iab. bei Eltern/Geschwistern.
• G estationsdiab. in einer vorausgehenden Schwangerschaft.
• Z . n. Geburt eines Kindes von 4.500 g Geburtsgewicht.
• Z . n. Totgeburt.
• S chwere kongenitale Fehlbildungen in einer vorausgehenden Schwanger-
schaft.
• H abituelle Abortneigung (3 Fehlgeburten hintereinander).
Bei unauffälligem Ergebnis in dieser Risikogruppe ist ein Screening bzw. der er-
neute oGTT in der 24 + 0 und 27 + 6 SSW angezeigt. Bei erneut unauffälligem
Resultat sollte der oGTT bei vorhandener Risikosituation letztmalig zwischen der
32. und 34. SSW erfolgen.
Weitere Ind. außerhalb der angegebenen SSW:
134 5  Schwangerschaft  

• G
 lukosurie in der Frühschwangerschaft oder zu einem späteren Zeitpunkt
Neuauftreten einer Glukosurie und/oder diabetesspezifischer Symptome
(Durst, Polyurie, Gewichtsabnahme unklarer Ursache) → diagn. oGTT, wenn
letzter Test > 4 Wo. zurückliegt.
•  rstmalig festgestellte Makrosomie.
E

Liegt der Nüchtern-BZ bereits > 110 mg/dl, soll kein oGTT mehr durchge-
führt werden.

Diagnostischer oGTT
Durchführung 
• P at. kommt morgens nüchtern. 75 g Glukose in 300 ml Wasser auflösen und
innerhalb von 5 Min. langsam trinken lassen.
• B Z-Werte nüchtern, 1 und 2 h nach Einnahme.
Auswertung  Ein Gestationsdiab. liegt vor, wenn einer der in ▶ Tab. 5.1 genann-
ten Grenzwerte im venösen Plasma erreicht oder überschritten wird.

Tab. 5.1  Auswertung eines oralen Glukosetoleranztests


Messzeitpunkt BZ-Wert im venösen Plasma

Nüchtern ≥ 92 (mg/dl) ≥ 5,1 (mmol/l)

Nach 1 h ≥ 180 (mg/dl) ≥ 10,0 (mmol/l)


5 Nach 2 h ≥ 153 (mg/dl) ≥ 8,5 (mmol/l)

Ein Gestationsdiab. sollte in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Diabe-


tologen eingestellt werden.

5.2  Initialsymptome und erste Maßnahmen


Kay Goerke

5.2.1  Schwangerschaftszeichen
• U
 nsicher: Ausbleiben der Menstruation, Übelkeit, Erbrechen, Mastodynie,
Hyperpigmentation der Areolae und der Linea fusca (▶ 5.1.1), livide Verfär-
bung von Introitus und Vagina, Zunahme des Bauchumfangs.
•  ahrscheinlich: sek. Amenorrhö, Uterusvergrößerung mit Konsistenzwech-
W
sel (Kontraktionen), einseitige, aufgelockerte Vorwölbung des Uterus (Pis-
kacek-Zeichen), leichte Komprimierbarkeit des unteren Uterinsegments (He-
gar-Zeichen), pos. HCG (DD: Blasenmole, Chorionepitheliom, Ovarialtumor
▶ 5.1.4), erhöhte Basaltemperatur.
•  icher: in der Sono fetale Herzaktion (ab 5.–6. SSW ▶ 21.2.2), Registrierung
S
der fetalen Herztöne (mit sensitiver Technik ab 12. SSW), Fühlen von Kinds-
teilen (ab 18. SSW), Fühlen der Kindsbewegungen (ab 20. SSW).
   5.2  Initialsymptome und erste Maßnahmen  135

5.2.2  Berechnung von Schwangerschaftswoche (SSW) und


Geburtstermin (EGT)
Dauer der normalen Schwangerschaft: 267 Tage p. c.; 281 Tage p. m. (gerechnet
vom 1. Tag der letzten Regelblutung an bei 28-Tage-Zyklus).

Berechnung des Entbindungstermins (Naegele-Regel)


EGT = 1. Tag der letzten Regel + 7 Tage – 3 Mon. + 1 Jahr ± X (X = abweichende
Tage vom 28-tägigen Zyklus).
Beispiel  32 Tage Zyklus, letzte Periode am 13.3.2012: EGT = 13.3. + 7 Tage –
3 Mon. + 1 J. + 4 Tage = 24.12.2012.
Die SSW wird in abgeschlossenen Wo. plus den abgelaufenen Tagen angegeben
(z. B. Schwangerschaft entspricht 36  +  3  SSW, die Pat. ist in der begonnenen
37. SSW; bei der Geburt würde es sich um eine Frühgeburt handeln, weil vor Ab-
schluss der 37. SSW).

4 % der Kinder kommen am berechneten Termin zur Welt, innerhalb von
7 Tagen um den EGT 26 % und innerhalb von 3 Wo. um den EGT 66 %.

5.2.3  Diagnostik nach Feststellung der Schwangerschaft


Anamnese
• Z yklusanamnese: Menarche, Zykluslänge, letzte Periode, Blutungsstärke, 5
Ovulationstermin, Konzeptionstermin.
• V orausgegangene Schwangerschaften und Geburten sowie KO. Nach Inter-
ruptiones fragen.
• B estehende oder vorausgegangene Allgemeinerkr. und OP (nicht nur gynä-
kologische).
• B estehende Schwangerschaftsbeschwerden wie Hyperemesis, Mastodynie, ge-
störte Blasen-/Darmfunktion.
• F amilienanamnese: genet. Belastung durch Erbkrankheiten, geburtshilfliche
Probleme. Allen Schwangeren > 35 J. Amniozentese oder Chorionzottenbiop-
sie empfehlen!
• S ozialanamnese: Berufstätigkeit, familiäre Belastung.
• A kzeptanz der Schwangerschaft.
Untersuchungen

Ergeben sich im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge Anhaltspunkte für ein


genetisch bedingtes Risiko (z. B. Alter ab 35 J.), Aufklärung über humange-
netische Beratung und/oder humangenetische Untersuchung.

Körperliche Untersuchung 
• A uskultation von Herz und Lunge.
• R R-Messung.
• F eststellung des KG.
136 5  Schwangerschaft  

• U
 ntersuchung des M-Urins auf Eiweiß, Zucker und Sediment, ggf. bakterio-
logische Untersuchungen (z. B. bei auffälliger Anamnese, RR-Erhöhung, Sedi-
mentbefund).
• H b-Bestimmung, bei < 11,2 g pro 100 ml (= 70 % Hb) Zählung der Erys.
Nachfolgende Untersuchungen unabhängig von der Behandlung von Beschwer-
den und Krankheitserscheinungen im Abstand von 4 Wo.:
• G ewichtskontrolle.
• R R-Messung.
• U ntersuchung des M-Urins auf Eiweiß, Zucker und Sediment, ggf. bakterio-
logische Untersuchungen (z. B. bei auffälliger Anamnese, Blutdruckerhöhung,
Sedimentbefund).
• H b-Bestimmung im Regelfall ab 6. Mon., falls bei Erstuntersuchung normal;
wenn < 11,2 g je 100 ml (= 70 % Hb) Zählung der Erys.
• K ontrolle des Gebärmutterstands.
• K ontrolle der kindlichen Herzaktionen.
• F eststellung der Lage des Kindes.
In den letzten zwei Schwangerschaftsmon. je zwei Untersuchungen.
Ultraschall  Im Verlauf der Schwangerschaft soll ein Ultraschallscreening mittels
B-Mode-Verfahren durchgeführt werden:
• V on Beginn der 9. bis zum Ende der 12. SSW (1. Screening).
• V on Beginn der 19. bis zum Ende der 22. SSW (2. Screening).
• V on Beginn der 29. bis zum Ende der 32. SSW (3. Screening).
Ziele: Bestimmung des Gestationsalters, Kontrolle der somatischen Entwicklung
5 des Fetus, Suche nach auffälligen fetalen Merkmalen, frühzeitiges Erkennen von
Mehrlingsschwangerschaften. Ggf. Ersttrimester-Screening (▶ 4.2.4).
Gynäkologische Untersuchung  Inspektion und Palpation der Mammae ▶ 10.2.1,
vag. Untersuchung (▶ 5.1.2) mit Spiegeleinstellung, zytologischem Abstrich, Kol-
poskopie (▶ 13.2.2), Chlamydienabstrich in der Frühschwangerschaft.
Labordiagnostik  Entsprechend den Mutterschaftsrichtlinien:
• H b, Bestimmung der Blutgruppe und des Rh-Faktors, Ak-Suchtest (▶ 5.1.7),
2. Ak-Suchtest 24.–27. SSW.
• M öglichst früh: Lues-Suchreaktion (TPHA; ▶ 5.13.11), Röteln-Hämaggluti-
nationshemmtest (pos. > 1 : 16; ▶ 5.13.1). HIV-Screening nur mit schriftli-
chem Einverständnis der Frau. HBsAg bei allen Schwangeren nach der
32. SSW möglichst nahe am Geburtstermin (▶ 5.13.7), bei begründetem Ver-
dacht auf akute Toxoplasmose Serologie (IgM und IgG; ▶ 5.13.10).

Beratung der Schwangeren


▶ 5.3.2.
Mutterpass anlegen bzw. von vorhergehenden Schwangerschaften vorhandenen
Mutterpass vervollständigen.
Mutterpass  Im Mutterpass werden alle für die Betreuung der Schwangeren
wichtigen Daten zusammengefasst. Er bietet Platz für die Eintragungen von zwei
Schwangerschaften.
• A ußenseite: Namen der Schwangeren eintragen (verringert die Verwechs-
lungsgefahr z. B. im Kreißsaal).
• S eite 1: Stempel des betreuenden Arztes, Terminplanung für die Schwangere.
   5.3  Schwangerenvorsorge  137

• S eiten 2 und 3: Personalien und serologische Untersuchungen (Blutgruppe,


Ak-Suchteste, Rötelntiter, Chlamydien-Antigen aus der Zervix, LSR, HBsAg).
• S eite 4: Angaben zu vorangegangenen Schwangerschaften möglichst genau
(Geburtsmodus, SSW, bei Aborten oder Interruptiones SSW, mögliche KO).
• S eite 5: Anamnese; Kopfzeile (Alter, Größe, Gewicht, Parität) nicht vergessen;
Angaben zu dieser Schwangerschaft, Beratung der Schwangeren.
• S eite 6: besondere Befunde in der Grav., Terminbestimmung.
• S eiten 7 und 8: Gravidogramm, Verlauf dieser Schwangerschaft, Eintrag der
Untersuchungen (▶ Tab. 5.2).
• S eite 9: Besonderheiten und Maßnahmen zu Katalog A + B, stationäre Be-
handlung in der Grav., CTG-Befunde.
• S eiten 10 und 11: Möglichkeit, die gemessenen Sono-Daten entsprechend der
SSW einzutragen.
• S eiten 12 und 13: sonografische Kontrolluntersuchungen, Normkurven für
das fetale Wachstum.
• S eite 14: weiterführende Sonos, Doppler-Sono.
• S eite 15: Eintragungen zu Geburt und Wochenbett.
• S eite 16: Untersuchung nach Abschluss des Wochenbetts.
Tab. 5.2  Häufige Abkürzungen für vaginale Untersuchungen
P (Portio) MM (äußerer Muttermund)

+ In voller Länge erhalten (3 cm) ø Geschlossen

½ Verkürzt auf die Hälfte Fk Für Fingerkuppe eingängig 5


⁄3
1
Verkürzt auf 1 cm Fe Für Finger eingängig

ø Verstrichen Fd Für 1 Finger durchgängig

2 Fd Für 2 Finger durchgängig

5.3  Schwangerenvorsorge
Kay Goerke

5.3.1  Planung
Gemäß Mutterschaftsrichtlinien:
• U ntersuchungen: alle 4 Wo., in den letzten 2 Mon. alle 2 Wo., ab EGT alle
2 Tage, ab 10 Tagen über EGT stationäre Einweisung.
• B ei jeder Untersuchung: RR, Körpergewicht, Stand der Gebärmutter, kindli-
che Herzaktion, Lage des Kindes, MM-Befund.
• L abor: M-Urin (Eiweiß, Zucker, Sediment), evtl. Bakteriologie. Hb (wenn bei
Erstuntersuchung normal: ab 6. Mon.).
• C hlamydiennachweis: bei jeder Schwangeren möglichst früh Chlamydien-
nachweis aus Urin.
• S erologische Untersuchungen auf Inf.:
– z. B. Röteln bei Schwangeren ohne dokumentierte zweimalige Impfung,
Lues, Hepatitis B.
– bei begründetem Verdacht: auf Toxoplasmose und andere Inf.
138 5  Schwangerschaft  

– z um Ausschluss einer HIV-Inf.; auf freiwilliger Basis nach vorheriger ärztli-


cher Beratung der Schwangeren mit dokumentiertem Einverständnis sowie
– blutgruppenserologische Untersuchungen während der Schwangerschaft
mit Rh-Faktor und Ak-Suchtest.
– 2. Ak-Suchtest bei allen Schwangeren in der 24.–27. SSW.
– HBsAg nach der 32. SSW. möglichst nahe am EGT. Die HbsAg-Untersu-
chung entfällt bei nachgewiesener Immunität (z. B. Schutzimpfung, Impf-
pass).
•  ltraschall: 1. Screening 9.–12. SSW., 2. Screening 19.–22. SSW., 3. Screening
U
29.–32. SSW.
•  oppler-Sono: nur bei Ind. wie V. a. Wachstumsretardierung, schwanger-
D
schaftsinduzierte Hypertonie/Präeklampsie/Eklampsie, Z. n. Präeklampsie/
Eklampsie, Z. n. Mangelgeburt/intrauterinem Fruchttod, Auffälligkeiten der
FHF, begründetem V. a. Fehlbildung/fetale Erkr., Mehrlingsschwangerschaf-
ten (mit diskordantem Wachstum), Abklärung bei V. a. Herzfehler/Herzerkr.
Erweiterte Ind. sind präexistente gefäßrelevante mütterliche Erkr. wie Hyper-
tonie, Nephropathie, Diab. mell., Autoimmunerkr., Gerinnungsstörungen.
•  TG: in der 26.–27. SSW nur bei drohender Frühgeburt, ab der 28. SSW nur
C
bei Herztonalteration, V. a. vorzeitige Wehen. CTG-Wiederholung nur bei
CTG-Alteration, Mehrlingsgrav., intrauterinem Fruchttod bei vorausgegan-
gener Schwangerschaft, Übertragung, Blutung, medikamentöser Wehenhem-
mung.
•  hesusprophylaxe: bei Rh-neg. Schwangeren bei neg. Anti-D-Ak in der 28.–
R
30. SSW 300 μg Anti-D-Immunglobulin, z. B. Partobulin®. Bei jedem Kind ei-
5 ner Rh-neg. Mutter ist der Rh-Faktor (und wenn pos. auch die Blutgruppe)
zu bestimmen. Bei Rh-pos. Kind und nach Abort oder Totgeburt (auch ohne
Rh-Faktorbestimmung) ist bei der Rh-neg. Schwangeren innerhalb von 72 h
eine Rh-Prophylaxe (s. o.) durchzuführen.
•  edikamente: empfohlene Substitution mit Folsäure 0,4 mg/d, z. B. Folsan®,
M
nach Möglichkeit 4 Wo. vor der Kontrazeption bis zur abgeschlossenen
12. SSW zur Prophylaxe eines Neuralrohrdefekts. Frauen, die bereits mit ei-
nem Kind mit Neuralrohrdefekt schwanger waren, 5 mg Folsäure tägl. über
den gleichen Zeitraum. Nur dann ist eine Verordnung als GKV-Leistung
möglich. Jodid 200 μg während Schwangerschaft und Stillzeit, evtl. Fe-Substi-
tution. Medikamentenverordnung im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge
i. d. R. nur zur Ther. und nicht zur Prophylaxe möglich.

Aktuelle Fassung der Mutterschaftsrichtlinien unter www.g-ba.de

5.3.2  Beratung
Arzneimittel
Ind. in der Grav. so streng wie möglich stellen (▶ 5.21).

Ernährung
Schwangerschaft heißt nicht „Essen für zwei“! Übergewicht vermeiden, aber auch
keine Abmagerungskur in der Schwangerschaft. Im Verlauf der Schwangerschaft
steigt v. a. der Vit.- und Mineralstoffbedarf erheblich an, während der Energiebe-
   5.3  Schwangerenvorsorge  139

darf nur geringfügig erhöht ist. Dies macht eine sorgfältige Lebensmittelauswahl
notwendig; ballaststoffreiche Kost (z. B. Brot, Getreideflocken, Reis, Nudeln, Hül-
senfrüchte, Gemüse, Salat, Obst) ist zu empfehlen. Die sicherste Grundlage bildet
eine vollwertige Ernährung durch abwechslungsreiche Mischkost, die reichlich
pflanzliche und mäßig tierische Lebensmittel enthält.
Dem häufig auftretenden Heißhunger auf bestimmte Speisen („saure Gurken“)
kann nachgegeben werden, sofern hieraus keine einseitige Ernährung resultiert.
Energiebedarf
• 1 9–25 J.: 2.200 kcal/d, ab 4. Mon. 2.500 kcal/d.
• 2 6–45 J.: 2.000 kcal/d, ab 4. Mon. 2.300 kcal/d.
Mahlzeitenhäufigkeit
5–6 kleine Mahlzeiten tägl., davon eine warme Mahlzeit mit Kartoffeln, Gemüse
oder Salat und Fleisch (3 × pro Wo.), Fisch (2 × pro Wo.) oder Vollkorngetreide
bzw. Hülsenfrüchte.
Iod und Fluor
Zwei Seefischmahlzeiten pro Wo., jodiertes und fluoriertes Speisesalz verwenden.
Substitution von 200 μg/d Jodid.
Folsäure
Zur Vermeidung von Neuralrohrdefekten wird die Gabe von Folsäure 0,4 mg/d
p. o. (z. B. Folsan®), am besten schon vor der Konzeption beginnend, empfohlen.
Cave: Auf Privatrezept verordnen.
Kochsalz 5
10 g/d, meist durch verstecktes Kochsalz in Nahrung schon erreicht.
Flüssigkeit
Mind. 1–1,5 l/d, kalorienreiche Getränke (z. B. Cola) meiden, besser Mineralwas-
ser, ungesüßte Kräuter- und Früchtetees.
Vegetarische Ernährung
Mit Milch, Milchprodukten und Eiern bei sorgfältiger Lebensmittelauswahl mög-
lich. Streng vegetarische Ernährung ist ungeeignet.
Spezielle Hinweise
• M ilch und Milchprodukte: 450 ml/d, Austausch gegen Käse und Joghurt
möglich (Quark ist relativ kalziumarm!).
• F leisch und Wurst: 90 g/d, magere Wurst- und Fleischwaren von Schwein,
Rind und Geflügel bevorzugen (magerer Bratenaufschnitt, gekochter Schin-
ken, Corned Beef, Geflügelwurst). Fleisch unpaniert zubereiten. Kein Verzehr
von rohem Fleisch (Tatar), Rohwurst (Salami, Mett- und Teewurst) oder Le-
ber. Cave: Toxoplasmose, Salmonellose.
• S eefisch: 1× pro Wo. etwa 200 g mageren (Seelachs, Kabeljau, Schellfisch) und
1× pro Wo. fetten (Hering, Makrele) Fisch zubereiten.
• E ier: 2–3 Eier pro Wo., wegen Salmonellengefahr nur erhitzte Eierspeisen mit
festem Dotter.
• F ette: 30 g/d, Pflanzenfette mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren bevorzu-
gen (Soja-, Sonnenblumen-, Maiskeim- und Distelöl). Auf versteckte Fette in
Wurst, Käse, frittierten Speisen, Kuchen und Süßigkeiten achten.
140 5  Schwangerschaft  

• B rot- und Getreideprodukte: 280 g/d, empfehlenswert sind Vollkornbrot und


-backwaren sowie ungesüßte Müslimischungen.
• K artoffeln, Reis, Teigwaren: 200 g/d, 5× pro Wo. Kartoffeln (keine Fertigpro-
dukte), einmal Naturreis, einmal Vollkornteigwaren.
• G
 emüse, Salat: 250 g/d, davon einen Teil als Rohkost. Inländische Frischware
entsprechend der Jahreszeit verwenden (keine Konserven). Vitaminschonen-
de Zubereitungsart wählen.
• O bst: 250 g/d. Bei Säften nur reine Fruchtsäfte.
• S üßigkeiten: leere Kalorienträger. Süßhunger möglichst mit süßem Obst oder
Fruchtsäften stillen.

Tägliche Zulage ab 4. Mon. (etwa 300 kcal/d)


• M üsli (1,5 Becher Joghurt, 1,5 EL Haferflocken, ½ Orange, einige Nüsse)
oder
• 1  Scheibe Vollkornbrot, 1 kleine Scheibe Käse, 1 TL Butter/Margarine
oder
• 3 EL Gemüse, 2 EL Kartoffeln, 1 TL Margarine oder Öl.

Geburtsvorbereitung
▶ 6.3.8.
Entspannungsübungen durchbrechen den Teufelskreis Spannung-Schmerz-
Angst-Spannung. Geburtsvorbereitungskurse werden ab der 28.–32. SSW unter
Anleitung einer Hebamme oder Krankengymnastin empfohlen.
5
Genuss-/Suchtmittel
Generelle Verbote können zu Schuldgefühlen oder Ablehnungsreaktionen gegen-
über dem Ungeborenen führen.
• K offein (Kaffee, Tee, Cola): Nicht mehr als 5 Tassen am Tag, da sonst mit er-
höhter Rate fetaler Mangelentwicklungen zu rechnen ist. Pro 100 mg Koffein
tägl. (= 1 Tasse Kaffee oder 2 Dosen Cola) steigt außerdem das Risiko für eine
Fehlgeburt um etwa 20 %.
• A lkohol: Das Abort- und Fehlbildungsrisiko steigt ab 60 g Alkohol/Wo. (das
sind etwa 100 ml Wein tägl. oder 200 ml Bier tägl.) deutlich an. Auch in gerin-
geren Dosen Alkoholtoxizität (fetales Alkoholsyndrom, FAS).
• N ikotin (auch Passivrauchen): Durch Gefäßkontraktion Mangelentwicklung
des Kindes. Kinder können bei Geburt Symptome des Nikotinentzugs aufwei-
sen. Rauchen in der Familie fördert p. p. die Allergie- und Asthmaneigung
des Kindes sowie akute und chron. Entzündungen der Atemwege.
• Drogenabhängigkeit (Opiate): Ein Entzug in der Schwangerschaft stellt für
das Kind ein höheres Risiko dar als die weitere Drogeneinnahme. Auf Me-
thadon übergehen, wenn die Kooperation der Pat. gewährleistet ist
(Schwangerschaft, Geburt sowie die Zeit bis 6 Wo. p.p. stellt eine Verord-
nungsind. für Methadon dar, kann vom behandelnden Gynäkologen mit
Fachkunde „Suchtmedizinische Grundversorgung“ auf BtM-Rezept verord-
net werden).
   5.3  Schwangerenvorsorge  141

Geschlechtsverkehr
▶ 19.2.4.
Gegen GV ist bei normalem Graviditätsverlauf nichts einzuwenden. Bei Blutun-
gen in der Schwangerschaft, vorzeitiger Wehentätigkeit, Zervixinsuff., Uterusfehl-
bildungen, Placenta praevia oder habituellen Aborten → sexuelle Karenz (bei Or-
gasmus Uteruskontraktion, Ejakulat ist prostaglandinhaltig).

Gewicht
Die physiologische Gewichtszunahme in der Schwangerschaft beträgt bei schlan-
ken Frauen 12,5–18 kg. Schwangere im mittleren Gewichtsbereich sollten 11,5–
16 kg zunehmen, übergewichtige Frauen 7–11,5 kg. Übergewichtige Frauen soll-
ten in der Schwangerschaft nicht abnehmen. Die Zunahme verteilt sich auf die
Schwangerschaftsdauer wie folgt:
• 1 .–3. Mon.: keine wesentliche Zunahme.
• 4 .–6. Mon.: 200–250 g/Wo.
• 7 .–10. Mon.: 400–500 g/Wo.
Bei Gewichtsabnahme in der Frühschwangerschaft an Hyperemesis (▶ 5.7.2), bei
übermäßiger Gewichtszunahme im letzten Trimenon an SIH (▶ 5.8) denken.

Impfungen
Aktive Impfungen sind, abgesehen von Tetanus und Poliomyelitis, in der Schwan-
gerschaft kontraindiziert. Bei passiven Impfungen treten nur IgG-Ak (z. B. Poly-
globuline bei Hepatitis  A, Masern) diaplazentar auf den Fetus über. Spezifische 5
Immunglobuline sollten möglichst direkt nach Exposition verabreicht werden
und stehen für Hepatitis B, Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), Mumps,
Röteln, Tollwut und Varizellen zur Verfügung (▶ 5.13).
Während der Schwangerschaft mögliche Impfungen
• D iphtherie: Impfung vorzugsweise im 2. oder 3. Trimenon, sofern kein aus-
reichender Impfschutz (v. a. bei Reisen in Endemieländer, V. a. Exposition).
• T etanus: Grundimmunisierung zu Beginn der 2. Schwangerschaftshälfte
durchführen. Bei Verletzungen Auffrischung bzw. Simultanimpfung abhän-
gig vom Impfstatus möglich.
• P oliomyelitis: Für den parenteralen Impfstoff ist die Schwangerschaft keine KI.
• H epatitis A: nur bei eindeutiger Ind.
• H epatitis B: nur bei eindeutiger Ind., bei NG HBsAg-pos. Mütter Simultan-
prophylaxe.
• I nfluenza: aktive Impfung mit Spaltvakzine oder Subunit möglich.
Während der Schwangerschaft kontraindizierte Impfungen
• M asern: bei Masernkontakt humanes Masern-Ig, wenn keine Immunität.
Schwangerschaftsausschluss vor einer Impfung, nach Impfung für 3 Mon. zu-
verlässige Kontrazeption.
• M umps: Masern.
• R öteln: bei Rötelnkontakt Prophylaxe mit Röteln-Ig bis 7 Tage nach Exposi-
tion.
• V arizellen: passive Immunprophylaxe möglich. NG, deren Mütter 7 Tage vor
bis 2 Tage nach der Entbindung erkrankt sind, werden passiv immunisiert.
142 5  Schwangerschaft  

Ramadan
Muslimischer Fastenmon., durch eigenen Kalender in jedem Jahr zu einem ande-
ren Zeitpunkt. Das Fasten einer Schwangeren ist nach dem Koran „Sünde“, dieses
ist aber den Frauen meist nicht bekannt. Einige wichtige Probleme sind:
• B ei Emesis gravidarum Verstärkung der Beschwerden möglich.
• V erschlechterung einer SIH wegen ungenügender Eiweißzufuhr.
• B eschwerden durch E’lytverschiebungen wie Kaliummangel.
• F älle von Thrombopenie wurden beschrieben (HELLP-Sy. ▶ 5.8.3, Thrombo-
zytopenie in der Schwangerschaft ▶ 5.15).
• H b-Erniedrigung durch Eisenmangel.
Reisen
Zusätzlich zu den Reiseanstrengungen belasten Milieu- und Klimawechsel sowie
ein evtl. Arztbesuch in fremder Umgebung die Schwangere. Vorsicht vor Tropen-
reisen (Infektionsgefahr, notwendige Lebendimpfungen, große Hitze). Abzuraten
ist von längeren Autofahrten (▶ Abb. 5.5). Tragen schwerer Koffer und Höhen-
aufenthalte > 2.500 m sind zu meiden, gegen Seilbahnfahrten bestehen keine gene-
rellen Bedenken. Ggf. bei der Krankenkasse Behandlungsschein fürs Ausland be-
sorgen. Cave: Schwangerschaftserkr. sind bei Reiserückholversicherungen von
der Leistungspflicht meist ausgeschlossen!

Falsch Richtig

Abb. 5.5  Angurten in der Gravidität [L157]

Die beste Zeit für Reisen in der Schwangerschaft liegt zwischen der 14. und
28. SSW. Im 1. Trimenon besteht ein erhöhtes Fehlgeburtsrisiko, gegen Ende
der Schwangerschaft wird Reisen beschwerlicher und Unfall- und Erkran-
kungsrisiken nehmen zu.

Relative Kontraindikationen für Reisen


• A ngeborene oder erworbene Herzerkr. und chron. Lungenerkr.
• A namnestische Thrombose bzw. Embolie.
• C hron. Erkr., Gestationsdiab., schwere Anämie.
• Z . n. wiederholten Frühgeburten, drohende Fehlgeburt oder Blutungen in der
jetzigen Schwangerschaft.
• Z ervixverschlussinsuff.
• V orzeitige Wehen, Frühgeburt oder vorzeitiger Blasensprung bei vorausge-
gangenen Schwangerschaften.
   5.3  Schwangerenvorsorge  143

•  . n. SIH.
Z
•  lazentaanomalien.
P
•  ehrlingsschwangerschaft.
M
•  . n. Sterilitätsbehandlung.
Z
•  rstgebärende > 35 J. oder < 15 J.
E
•  eisen in große Höhen (> 4.500 m).
R
•  eisen in Gebiete, in denen gehäuft Inf. durch Insekten oder Nahrungsmittel
R
übertragen werden.
•  eisen in Malariagebiete, in denen Erreger gegen Chloroquin (z. B. Resochin)
R
resistent sind.
•  eisen in Regionen, für die Impfungen mit Lebendimpfstoffen (z. B. Gelbfie-
R
ber) erforderlich sind.
Fliegen
Für die Schwangerschaft birgt das Fliegen in modernen Verkehrsflugzeugen keine
wesentlichen Risiken. Die zusätzliche geringe kosmische Strahlenbelastung stellt
keine KI zur Flugreise dar. Wegen der großen Variation des Geburtstermins sollte
in den letzten 4 Wo. der Schwangerschaft nur auf Kurzstrecken geflogen werden.
Wegen der Schichtdienstbelastung ist die berufliche Tätigkeit an Bord für
Schwangere nicht zulässig.

Alle Fluggesellschaften verlangen ab der 32. SSW ein ärztliches Attest. Meist


ab der 36. SSW keine Beförderung mehr möglich. Vor geplanter Reise unbe-
dingt informieren.
5
Relative Kontraindikationen für Flugreisen
Terminnähe, Neigung zu Früh- und Fehlgeburten, ausgeprägte Anämie, kardio-
pulmonale Erkr., große Angst. Absolute KI sind ausgeprägte Schwangerschaftspa-
thologien wie z. B. Placenta praevia.

Sport
Zu vermeiden sind Kraftsportarten, Leistungssport und Sportarten, die mit star-
ker Erschütterung einhergehen (Reiten, Tennis!). Außerdem Vorsicht bei Sport-
arten, die nicht spontan unterbrochen werden können (Segeln, Bergsteigen). Ideal
sind Schwimmen, Radfahren, Wandern, leichte Gymnastik.

Sodbrennen
▶ 5.7.3.
Häufiger Befund in der Schwangerschaft bedingt durch Weitstellung der Hohlor-
gane, Druck auf den Magen durch den Uterus. Nicht durch Hyperazidität. Ther.:
fünf kleine Mahlzeiten, nach dem Essen nicht flach liegen, Milch trinken.

Stillvorbereitung
Abhärten der Brustwarze durch Massieren der Brust zur Areola hin, frische Luft,
Sonneneinstrahlung, Brust abbrausen, frottieren, keinen BH tragen (Mamille
scheuert an der Kleidung). KI: drohende Frühgeburt (Oxytocin-Ausschüttung).
144 5  Schwangerschaft  

5.3.3  Gesetzliche Bestimmungen


Mutterschutzgesetz
Das Mutterschutzgesetz regelt die Beschäftigungsmöglichkeiten und den Kündi-
gungsschutz in der Grav. Untersagt sind u. a.:
• T ätigkeiten, wenn Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind nach ärztli-
chem Zeugnis gefährdet sind.
• A rbeiten, bei denen die Schwangere gesundheitsgefährdenden Stoffen, Gasen
oder Strahlen, Staub, Kälte, Hitze, Lärm oder Erschütterungen ausgesetzt ist
(z. B. Narkosegase, Rö- oder Gammastrahlung, Sterilisationsgase).
• B eschäftigung in den letzten 6 Wo. der Schwangerschaft (Berechnung nach
EGT), außer auf ausdrücklichen Wunsch der Mutter.
• A bsolutes Beschäftigungsverbot in den ersten 8 Wo. nach der Entbindung,
bei Frühgeburten (Geburtsgewicht < 2.500 g oder Beendigung der Schwan-
gerschaft vor 37 abgeschlossenen Wo.) und Mehrlingen 12 Wo.
• A rbeit nach 20:00 Uhr und vor 6:00 Uhr sowie an Sonn-/Feiertagen (Ausnah-
men möglich).
• Ü berstunden.
• A rbeiten, die regelmäßiges Stehen erfordern. Pausenräume mit Sitzgelegen-
heit müssen vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden. Nach dem
5. Mon. dürfen Schwangere nicht länger als 4 h stehend beschäftigt werden.
• R egelmäßiges Heben von Lasten > 5 kg bzw. gelegentliches Heben von Lasten
> 10 kg.
• A kkordarbeit, Fließbandarbeit mit vorgeschriebenem Arbeitstempo.
5 • A b dem 3. Mon. Arbeit auf Beförderungsmitteln.
• K ündigung während der Schwangerschaft und innerhalb von 4 Mon. nach
Entbindung, unberührt hiervon bleiben zeitlich befristete Arbeitsverträge
(z. B. Assistenzarztverträge mit „planmäßiger Kündigung“).
Aus den vorgenannten Verboten dürfen der Schwangeren keine finanziellen
Nachteile entstehen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Durchschnittsverdienst
aus der Zeit vor der Schwangerschaft (Durchschnittsgehalt der letzten 3 Mon. vor
Eintritt der Schwangerschaft) weiterzubezahlen. Die schwangere Ärztin sollte in
der Gynäkologie weder im Kreißsaal noch im OP eingesetzt werden. Auch Tätig-
keiten im Rahmen des Bereitschaftsdienstes zwischen 20:00 und 6:00 Uhr sind
nicht erlaubt. Möglich ist hingegen die Tätigkeit auf Station oder in der Ambu-
lanz, sofern sie nicht mit einer erhöhten Gefährdung durch ionisierende Strahlen
(z. B. Mammografie), Wundinf., toxische oder kanzerogene Substanzen (z. B. Zy-
tostatika) einhergeht. Der Einsatz auf einer Intensivstation ist nicht erlaubt.

Medizinische Versorgung von Schwangeren


Die Mutterschaftsrichtlinien bestimmen den Umfang der Betreuung und die
­diagn. Maßnahmen in der Schwangerschaft (▶ 5.3.1). U. a. zählen hierzu:
• K ontrolle der kindlichen Herzaktion (ab 28. SSW).
• L agefeststellung des Kindes (ab 30. SSW).
• D rei Ultraschall-Untersuchungen (9.–12. SSW, 19.–22. SSW und 29.–32. SSW).
Erziehungsurlaub
Die Eltern können Erziehungsurlaub in Zukunft gemeinsam in Anspruch neh-
men: Jeder Elternteil kann eine Teilzeitbeschäftigung bis zu 30 h ausüben, d. h.,
   5.4  Schwangerschaftsabbruch (Interruptio, Abruptio)  145

zusammen kann die wöchentl. Arbeitszeit 60 h umfassen. Der Erziehungsurlaub


kann in bis zu drei Zeitabschnitte unterteilt werden.
Auch wenn die Eltern ganz oder teilweise gemeinsam Elternzeit in Anspruch neh-
men, bleibt die Gesamtdauer von bis zu 3 J. bestehen. Allerdings wird es künftig
die Möglichkeit geben, einen Teil der Elternzeit (bis zu 1 J.) mit Zustimmung des
Arbeitgebers bis zum 8. Lj des Kindes zu nehmen.
Zudem haben Eltern unter bestimmten Bedingungen einen Rechtsanspruch auf
Teilzeitarbeit.

Elterngeld
Ab 2007 ist das Elterngeld an die Stelle des Erziehungsgeldes getreten. Es wird für
12–14 Mon. unmittelbar nach der Geburt des Kindes gewährt. Die Höhe richtet
sich nach dem elterlichen Einkommen. Nicht erwerbstätige erhalten ein Mindest­
elterngeld.
• H öhe des Elterngeldes: Normal- und Gutverdiener 67 % des letzten Nettoein-
kommens minus Werbungskostenpauschale, Besserverdienende max.
1.800 Euro/Mon., Geringverdiener oberhalb von 67 % liegende Summe. Ohne
vorheriges Einkommen Mindestelterngeld von 300 Euro (wird nicht auf Sozi-
alleistungen oder ALG angerechnet).
• D auer: bis zu 12 Mon., Verlängerung um 2 Partnermon., wenn auch der
zweite Partner für diese Mon. Elterngeld beansprucht. Alleinerziehende kön-
nen Partnermon. für sich beanspruchen. Doppelt so lange Zahlung bei hälfti-
ger Inanspruchnahme.
• T eilzeitarbeit für bis zu 30 h/Wo. möglich.
5
5.4  Schwangerschaftsabbruch (Interruptio,
Abruptio)
Kay Goerke

5.4.1  Gesetzliche Bestimmungen

Nach der Neuregelung des § 218 sind Schwangerschaftsabbrüche aus medizini-


scher und kriminologischer Ind. (s. u.) nicht rechtswidrig. Alle anderen
Schwangerschaftsabbrüche sind rechtswidrig, werden aber innerhalb der ersten
12 Wo. p.c. nicht verfolgt, wenn nach dem Beratungskonzept verfahren wird.

Beratung
Die Schwangere muss in einer durch Ärztekammern oder Regierungspräsidien
anerkannten Beratungsstelle beraten werden. Das Beratungsgespräch muss min-
destens 3 volle Tage vor dem Beginn der Interruptio erfolgt sein (z. B. Beratung
Montag 14:00 Uhr, Wartetage Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, frühester Beginn
der Einleitung der Interruptio Freitag um 0:00 Uhr).
Die Beratung sollte einerseits ergebnisoffen, andererseits aber auch im Sinne der
Schwangerschaftserhaltung durchgeführt werden. Umfang der Beratung:
• V
 onseiten der Schwangeren Darlegung der Gründe für den Abbruch (in Bayern
wird auch die Erfassung und Meldung der Gründe gefordert!).
146 5  Schwangerschaft  

• Je nach Sachlage medizinische, soziale, juristische oder psychische Beratung.


• D arlegung praktischer und finanzieller Hilfen bei Fortsetzung der Schwan-
gerschaft.
• A
 ngebot der Unterstützung bei Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen,
Wohnungssuche, Betreuungsmöglichkeiten für das Kind oder Fortsetzung
der Ausbildung.
•  nfertigung eines anonymen Protokolls.
A

Die Beratungsstelle und die den Abbruch durchführende Institution müssen


personell und organisatorisch voneinander getrennt sein. Einer Ind.-Stellung
durch eine dritte Person bedarf es nicht mehr.

Kostenübernahme
Die Kosten für Abbrüche aus medizinischer und kriminologischer Ind. werden
von den Krankenkassen übernommen, die Kosten für Abbrüche auf Wunsch der
Frau können bei niedrigem Einkommen auf Antrag von der Krankenkasse erstat-
tet werden.

Indikationen zum Schwangerschaftsabbruch


Medizinische Indikationen  Jederzeit während der Schwangerschaft, wenn eine
Gefährdung für Gesundheit oder Leben der Mutter besteht, die anders nicht abge-
wendet werden kann. Diese Gefährdung kann auch psychischer Natur sein (z. B.
bei schweren kindlichen Fehlbildungen). Keine Beratungspflicht.
5 Kriminologische Indikationen  Können ausschließlich vom Amtsarzt gestellt
werden, wenn sich aus der Anamnese ergibt, dass die Schwangerschaft aus einem
Notzuchtdelikt etc. entstanden ist. Der Abbruch ist bis zur 12. SSW p. c. (14. SSW
p. m.) möglich. Keine Beratungspflicht.
Embryopathische Indikationen  Entfallen nach der neuen Gesetzeslage. Bei
schwerer Fehlbildung des Kindes kann aber eine medizinische Ind. (s. o.) gestellt
werden. Der Pat. muss eine genetische Beratung sowie eine Beratung mit einem
Arzt angeboten werden, der das entsprechende klinische Krankheitsbild einschät-
zen kann (i. d. R. ein Pädiater). Danach ist eine Wartefrist von 3 Tagen vorgese-
hen.

5.4.2  Durchführung der Interruptio


Vorbereitung
• S ono zum Beweis einer intrauterinen Grav., Feststellung der SSW.
• Ü berprüfung der Ind., des erfolgten Beratungsgesprächs einschließlich vorge-
schriebener Bedenkzeit (3 volle Tage).
• A
 ufklärung der Schwangeren über den Eingriff und das Narkoseverfahren,
Einverständniserklärung unterschreiben lassen.
• B lutentnahme für BB, Gerinnung, E’lyte, Blutgruppe, venöser Zugang, EKG.
   5.4  Schwangerschaftsabbruch (Interruptio, Abruptio)  147

Operativer Schwangerschaftsabbruch
Gravidität < 12. SSW 
• P riming 3–6 h vor Eingriff mit Gemeprost 1 mg (z. B. Cergem®) ins hintere
Scheidengewölbe.
• A llgemeinanästhesie oder Leitungsanästhesie (z. B. PDA, Parazervikalblock).
• V ag. Untersuchung (Größe des Uterus, Konsistenz, Öffnung des CK).
• D ilatation des CK mit Hegarstiften bis Größe 12, Kürettage des Cavums mit
stumpfer Kürette oder Saugkürettage, bis kein Material mehr gewonnen wer-
den kann.
• Z ur Uteruskontraktion Oxytocin 3 IE i. v. (z. B. Syntocinon®).
• N achkürettage der Tubenwinkel mit kleinerer Kürette.
• B ei Blutung Methylergometrin 0,1–0,2 mg i. v. (z. B. Methergin®). Cave: kar-
diovaskuläre KO.
Gravidität > 12. SSW 
• A bortinduktion ▶ 5.5. Cave: Bei pulmonaler Hypertonie oder Bronchospas-
men. Überwachung von RR, Puls.
• N ach Eröffnung des MM (vag. Untersuchung) evtl. Durchtrittsnarkose einlei-
ten.
• G gf. Entwicklung des Fetus.
• Z ur Uteruskontraktion Oxytocin 3 IE i. v. (z. B. Syntocinon®).
• M anuelle Lösung der Plazenta, wenn nicht bereits spontan ausgestoßen.
• N achkürettage des Cavums mit großer, stumpfer Kürette, bis kein Material
mehr gewonnen werden kann, Nachkürettage der Tubenwinkel mit kleinerer
Kürette.
• M ethylergometrin 0,1–0,2 mg i. v. (z. B. Methergin®). Cave: kardiovaskuläre 5
KO.
Postoperatives Vorgehen 
• A lle Pat.: Überwachung von RR, Puls, Blutung ex utero nicht über Perioden-
stärke (= etwa 6 Vorlagen/d), Temperatur, Material zur histologischen Unter-
suchung weiterleiten.
• B ei Rh-neg. Pat.: Rh-Prophylaxe, z. B. 1 Amp. Rhesogam® i. m. (▶ 9.4.3).
• B ei Grav. > 16. SSW: Milcheinschuss mit Bromocriptin 2 × 2,5 mg/d p. o. für
10 Tage (z. B. Pravidel®) oder einmalig Cabergolin 1 mg p. o. innerhalb von
24 h (z. B. Dostinex®) verhindern.
• B ei V. a. unvollständige Kürettage (periodenstarke Nachblutung, Fieber, gro-
ßer und weicher Uterus) Ultraschall, HCG-Verläufe, evtl. Nachkürettage un-
ter Antibiotikaschutz, z. B. Cefuroxim 3 × 1,5 g/d i. v. (Zinacef®).
! A nonyme Meldung aller Schwangerschaftsabbrüche an das Statistische Bun-
desamt Wiesbaden auf Formblatt oder online.

Medikamentöser Schwangerschaftsabbruch
• N
 ur bis zur 7. SSW möglich (49. Tag der Schwangerschaft).
• G
 ilt als schonende Alternative zum chirurgischen Eingriff.
• M
 ifegyne darf nur in Einrichtungen im Sinne des § 13 des Schwangerschafts-
konfliktgesetzes und nur auf Verschreibung eines dort behandelnden Arztes
eingenommen werden.
Durchführung  Das Anti-Gestagen (z. B. RU 486®, Mifegyne®) wird oral einge-
nommen und bewirkt ein Absterben der Schwangerschaft. Am Folgetag kommt es
148 5  Schwangerschaft  

z. B. durch vag. Applikation eines synthetischen Prostaglandins (z. B. Cergem®-


Vaginal Supp.) zur Ausstoßung der abgestorbenen Frucht. Eine instrumentelle
Nachräumung ist nicht mehr notwendig, sodass die Methode im Moment als die
schonendste Möglichkeit für einen Schwangerschaftsabbruch angesehen werden
muss. Voraussetzung ist eine intakte intrauterine Grav. (Ultraschall mit pos.
Herzaktion). Cave: Wegen Einnahme bis zum Ende der 7. SSW sehr enges Zeit-
fenster.

Verhaltensmaßnahmen für Patientin


• P at. ist in einer extremen Konfliktsituation. Situative Zuwendung, Gespräch
anbieten.
 gf. sichere Kontrazeption (▶ 16) empfehlen, z. B. Spirale bei nächster Men-
• G
ses einsetzen, Ovulationshemmer.
• N
 ächste Menstruation ist in 4–6 Wo. zu erwarten.
• V
 ollbäder und GV meiden, solange noch eine Schmierblutung besteht (etwa
5–10 Tage).
• N
 achuntersuchung in 4 Wo. empfehlen.
Tab. 5.3  Medikamentöse und chirurgische Interruptio
Medikamentös Chirurgisch
(Mifegyne® + Prostaglandin) (Absaugen oder Kürettage, ggf.
nach Prostaglandin-Priming)

Zeitpunkt Bis zum 49. Tag (gerechnet ab Ab der 7. SSW (gerechnet ab Be-


5 Beginn der letzten Regelblu-
tung)
ginn der letzten Regelblutung)

Dauer Mehrere Tage: 1. Tag Mifegy- Nur wenige Min., Kontrolluntersu-


ne®, 3. Tag Prostaglandin, eini- chung nach 4–6 Wo.
ge Stunden später Ausstoßung
(bei 3–5 % chirurgischer Ein-
griff erforderlich). Kontrollun-
tersuchung nach 10–14 Tagen

Vorteile Frühe Durchführung, keine Rasche Durchführung unter Narko-


Narkose se

Nachteile Blutungen, Schmerzen, evtl. Ab der 7. Wo., selten: Verletzungen


unvollständiger Abbruch, Be- von Zervix oder Uterus, Inf. mit
handlung über mehrere Tage, nachfolgender Infertilität, unvoll-
stärkere Blutung ständige Kürettage

5.5  Abort (Fehlgeburt)


Joachim Steller
Tubarabort ▶ 14.3.
Definition 
• F rühabort (bis zur 16. SSW): Jedem 2. Spontanabort liegt ein nicht entwick-
lungsfähiges Schwangerschaftsprodukt (chromosomale oder exogene Stö-
rung) zugrunde.
   5.5  Abort (Fehlgeburt)  149

• S pätabort (16.–28. SSW, vorausgesetzt, das Kind zeigt keine Lebenszeichen


wie Atmung, Herzschlag oder Nabelschnurpulsationen und wiegt < 500 g.
Sind diese Kriterien nicht erfüllt, liegt eine Frühgeburt vor): Oft mütterliche
Abortursachen wie Uterusmalformationen (▶ 18.7.4), Myoma uteri (▶ 5.18),
Zervixinsuff. (▶ 5.10), Inf. (▶ 5.13).
Epidemiologie  Im mütterlichen Alter zwischen 20 und 29 J. gehen etwa 50 % der
Konzeptionen spontan zugrunde. Nur etwa 10–15 % bezogen auf die Anzahl der
Geburten sind klinisch als Abort erkennbar. Wiederholungsrisiko nach einem
Spontanabort 24 %, nach zwei Aborten 26 %, nach drei Aborten 36 % (habituelle
Abortneigung = wiederholte Spontanabortneigung, WSA ▶ 5.5.5). Bei der Mehr-
zahl der Aborte bleibt die Ursache unklar.

5
Abb. 5.6  Abortstadien: Links: Abortus imminens (MM geschlossen, Schwanger-
schaft intakt, leichte Blutung). Mitte: Abortus incipiens (MM öffnet sich, fehlen-
de Vitalitätszeichen, stärkere Blutung). Rechts: Missed Abortion (MM geschlos-
sen, Schwangerschaft nicht intakt, keine Blutung) [L157]

5.5.1  Abortus imminens (drohender Abort)


Klinik  Leichte bis mäßige, schmerzlose vag. Blutung in der Schwangerschaft oh-
ne tastbare Öffnung des Muttermunds bei noch intakter Schwangerschaft
(▶ Abb. 5.6, li).
Diagnostik 
• U terusgröße normal, Uterus weich, CK geschlossen.
• S onografisch intakte Grav. (▶ 21.2.2).
• H CG zeitgerecht (▶ 5.1.4).
• K eine Temperaturerhöhung, Infektparameter (Leukozyten, CRP) neg.
• Normale Gerinnung (Quick, PTT).
Therapie 
• A bsolute Bettruhe, möglichst in der Klinik.
• K oitusverbot bis mehrere Tage nach vollständigem Sistieren der Blutung.
• E vtl. Magnesium (z. B. Magnesium 100 3–4 × 1 Kau-Tbl.) evtl. über Wo.
• T okolytika falls erforderlich in späteren SSW, ▶ 6.10.1.
• H ormonther.: Progesteron 100 mg/d vaginal supp. oder Utrogest® 2–3 Kps./d
bei Corpus-luteum-Insuff. (▶ 15.4.2).
150 5  Schwangerschaft  

• V orsichtige Untersuchungen in Abständen von etwa 10–12 Tagen.


• H CG- und Sono-Kontrollen (Vitalitätszeichen ▶ 21.2.2) alle 2–3 Tage.
• B ei Rh-neg. Pat.: Rh-Prophylaxe, z. B. 1 Amp. Partobulin® i. m. (▶ 9.4.4).
Da zwischen dem Umfang der Zottenablösung und der Stärke und Dauer der
Blutung eine Beziehung besteht, ist diese ein prognostischer Faktor. Ande-
rerseits ist eine kurzzeitige, auch stärkere Blutung nicht entscheidend für den
weiteren Schwangerschaftsverlauf.

5.5.2  Abortus incipiens, incompletus, completus


Definition  Der Abortus incipiens geht mit einer irreversiblen Schwangerschafts-
störung einher, die kein konservatives Vorgehen mehr rechtfertigt. Die inkom-
plette Uterusentleerung kann gefährliche KO (Blutung, Inf., Plazentapolyp, Cho-
rionepitheliom) nach sich ziehen (▶ Abb. 5.6, Mitte).
Klinik  Mittelstarke bis starke Blutung (Koagelabgang, Gewebsabgang). Ziehen-
de, wehenartige Unterbauchschmerzen.
Diagnostik 
• U terus entsprechend der Norm oder kleiner, Uterusmuskulatur kontrahiert,
CK geöffnet, Abortgewebe im CK (A. incipiens) oder in der Vagina (A. in-
completus).
• S onografisch häufig keine Vitalitätszeichen (▶ 21.2.2).
5 • K eine Temperaturerhöhung, Infektparameter (Leukozyten, CRP) neg.
• H CG evtl. erniedrigt (▶ 5.1.4), Gerinnung im Normbereich.
Therapie 
• A usreichenden venösen Zugang (Braunüle®) schaffen.
• P rostaglandin-Priming: bei nicht ausreichend geöffnetem MM etwa 4–6 h vor
dem OP-Eingriff Gemeprost 1 mg supp. (Cergem®), evtl. ausreichend Analge-
tika, z. B. Pethidin (Dolantin®), und Spasmolytika, z. B. N-Butylscopolamin
(z. B. Buscopan®) i. m. oder supp.
• K ürettage ggf. nach Zervixdilatation in Narkose.
• O xytocin 3 IE i. v. (z. B. Syntocinon®) oder Methylergometrin (z. B. Methergin®)
0,1–0,2 mg i. v./i. m. unter oder nach Kürettage. Cave: kardiovaskuläre KO.
• A nti-D-Prophylaxe bei Rh-neg. Frauen ▶ 9.4.4.
Komplette Ausstoßung oft nicht nachweisbar, deshalb (fast) jeden Abort als Ab-
ortus incompletus behandeln! Ausnahme: unterperiodenstarke Blutung, strich-
förmiges Endometrium, HCG-Titer < 100 IE/l. Cave: Ausschluss Tubergrav.

5.5.3  Missed Abortion


Definition  Form einer Fehlgeburt, bei der die abgestorbene Frucht über Wo. im
Uterus zurückgehalten wurde.
Klinik  Sistieren des Uteruswachstums, häufiger bräunliche Schmierblutung.
Nach >  5  Wo. kann es in etwa ¼ der Fälle zu Gerinnungsstörungen kommen
(▶ Abb. 5.6, re).
   5.5  Abort (Fehlgeburt)  151

Diagnostik 
• U terus klein, derb, CK geschlossen.
• S onografisch keine Vitalitätszeichen (▶ 21.2.2).
• K eine Temperaturerhöhung, Infektparameter (Leukozyten, CRP) neg.
• H CG erniedrigt (▶ 5.1.4), Gerinnung im Normbereich.
Therapie 
• U nter ausreichend Analgetika z. B. Pethidin (Dolantin®) oder Spasmolytika z. B.
N-Butylscopolamin (z. B. Buscopan®) i. m. oder supp. Abortinduktion ▶ 5.19.
• K ürettage ggf. nach Zervixdilatation.
• A nschließend evtl. Oxytocin 3 IE i. v. (z. B. Syntocinon®) oder Methylergome-
trin (z. B. Methergin®) 0,1–0,2 mg i. v./i. m. unter oder nach Kürettage. Cave:
kardiovaskuläre KO.
• A nti-D-Prophylaxe bei Rh-neg. Frauen (▶ 9.4.4).

5.5.4  Febriler Abort, septischer Abort


Temperaturerhöhungen bis 38  °C ohne Kreislaufreaktionen sprechen für einen
febrilen Abort (= lokale Endometriuminf.); ein darüber hinausgehender Tempe-
raturanstieg, ggf. mit Schockerscheinungen, spricht für ein komplizierendes septi-

Tab. 5.4  Differenzialdiagnose febriler und septischer Abort


Febriler Abort Septischer Abort

Klinik • Leichte oder stärke- • Leichte oder stärkere vag. Blutung


re vag. Blutung • Putrider Fluor 5
• Evtl. putrider Fluor • Unterbauchschmerzen
• Unterbauchschmer- • Temperaturerhöhung > 38 °C
zen • Schüttelfrost
• Temperaturerhö- • Kreislauf-KO (Hypotonie, Tachykardie, evtl.
hung ≤ 38 °C auch Untertemp.)
• Fehlende Kreislauf- • Evtl. Oligurie, Anurie, Tachypnoe, Bewusst-
KO seinstrübung, Unruhe

Diagnos­ • Portio-Schiebe- und • Portio-Schiebe- und Elevationsschmerz


tik Elevationsschmerz • HCG ↓
• HCG ↓ • Infektlabor
• Infektlabor • Thrombozytopenie, Mangel an plasmatischen
Gerinnungsfaktoren, gesteigerte Fibrinolyse

Therapie • Antibiotikather. mit • Venöser Zugang und Volumensubstitution


Cefotaxim 3 × 2 g/d • Ventilationskontrolle (O2-Gabe, BGA)
i. v. (Claforan®) und • Antikoagulation: Heparin 2.500–5.000 IE i. v.
Metronidazol 2 × initial, dann 20.000 IE/d per infusionem oder
500 mg/d i. v. (Clont®) niedermolekulare Heparine s. c., ▶ 1.1
• Wenn Pat. fieberfrei • Antibiose: Cefotaxim 3 × 2 g/d i. v. (Claforan®)
→ Kürettage evtl. und Metronidazol 2 × 500 mg/d i. v. (Clont®)
nach Prostaglandin- • Entleerung des Uterus (Prostaglandin-Priming
Priming ▶ 5.19 ▶ 5.19)
• Anti-D-Prophylaxe • Schonende Kürettage
bei Rh-neg. Frauen • Schockbehandlung: falls erforderlich Dopa-
▶ 9.4.4 min 100–600 μg/Min. oder Noradrenalin bis
100 μg/Min., Kortikoide (▶ 3.5)
• Anti-D-Prophylaxe bei Rh-neg. Frauen ▶ 9.4.4
152 5  Schwangerschaft  

sches Geschehen. Auftreten häufig nach inkomplettem Schwangerschaftsabbruch


und unvollständiger Abortkürettage.

5.5.5  Habitueller Abort (wiederholte Spontanabortneigung,


WSA)
Definition
WHO-Definition: drei oder mehr aufeinanderfolgende Fehlgeburten vor der 20.
SSW, bei 1 % der fertilen Paare.

Ätiologie
Als mögliche Ursachen werden diskutiert:
• G enetisch: Häufigkeit genetischer Defekte nimmt mit dem Alter der Mutter
zu. Aborte im 1. Trimenon in 50–60 % durch genetische Defekte bedingt, v. a.
Trisomie, X-Monosomie und Polyploidie. Chromosomale Defekte bei 4 % der
Aborte (0,2 % der Normalbevölkerung).
• A natomisch: bei bis zu 25 % der WSA-Pat. angeborene uterine Anomalien.
Deutlich erhöhtes Abortrisiko bei Uterusseptum, Uterus bicornis, Uterus du-
plex und submukösen Myomen.
• M ikrobiologisch: V. a. Ureaplasma urealyticum und Chlamydia trachomatis.
Rezid. Spätaborte im 2. Trimenon vermutlich vermehrt bei bakterieller Vagi-
nose (▶ 5.13.19).
• E ndokrin: Hyper- und insb. Hypothyreose (Senkung der Abortrate von
5 71,4 % auf 9,5 % durch Ther. der Hypothyreose), PCO-Sy., metabolisches Sy.
• P sychisch: emotionaler Stress bei jeder Fehlgeburt kann kumulativ mit De-
pression einhergehen.
• I mmunologisch:
– Alloimmunologisch: Verschiebung des immunologischen Gleichgewichts
zugunsten einer TH1-Immunantwort mit erhöhter NK-Zell-Aktivität (na-
türliche Killerzellen). Bei WSA + hoher peripherer NK-Zellzahl 3,5-fach
erhöhtes Abortrisiko. Cave: Ausschlussdiagn.
– Autoimmunologisch (Antiphospholipid-Sy.): Prävalenz pos. Antikardioli-
pin-Ak. bei WSA 5–50 %, für Lupus-Antikoagulanz 0–20 %. Unbehandel-
te Frauen mit wiederholt pos. Antikardiolipin-Ak oder Lupus-Antikoagu-
lanz Risiko von bis zu 90 % für Abort oder schwere Schwangerschafts-KO.
• Th
 rombophilie: Häufig Faktor-V-Leiden-Mutation, Prothrombin-Mutation
und Protein-S-Mangel bei WSA-Frauen.

Tab. 5.5  Wiederholungsrisiko für Aborte


Vorangegangene Aborte Zukünftiges Abortrisiko (%)

0 11–15 

1 12–24 

2 19–35 

3 25–46 
   5.5  Abort (Fehlgeburt)  153

Diagnostik
• S orgfältiger gynäkologischer Status, ggf. Sono, Hysteroskopie.
• A bklärung angeborener thrombophiler Faktoren: Faktor-V-Leiden-Mutation,
Prothrombin-Mutation und Protein-C- und -S-, PAI-Polymorphismus.
• A
 bklärung autoimmunologischer Probleme: Antiphospholipid-Ak.
• A
 usschluss endokriner Ursachen: TSH, Androgene, evtl. oGTT mit Insulin-
bestimmung.
• A
 usschluss genetischer Ursachen: genetische Beratung der Eltern und Chro-
mosomenanalyse beider Partner, Karyotypisierung des Abortmaterials.
Weitere fakultative Diagnostik 
• B asaltemperatur messen (▶ 15.2.3).
• Z ervixabstrich: insb. Ureaplasmen, Chlamydien, Mykoplasmen.
• S erum-Ak: Listerien, Toxoplasma, Chlamydien, ZMV, Treponema pallidum,
Rötelnvirus.
• F ollikelphasendiagn.: Einschließlich Gonadotropine, Androgene, Prolaktin;
TSH basal zu Zyklusbeginn ▶ 15.2.4.
• L utealphasendiagn. zum Ausschluss einer ovariellen Dysfunktion (▶ 15.2.4,
▶ 15.4.2) ggf. einschließlich Endometriumbiopsie (▶ 15.2.10).
• A bklärung einer Uterusmalformation z. B. durch Sono, Hysteroskopie, Chro-
molaparoskopie (▶ 15.2.11); bei etwa 10 % der Frauen mit Gebärmutterfehl-
bildungen bestehen gleichzeitig Nierenmalformationen (i. v. Pyelogramm).

Therapie
• B ei angeborener Thrombophilie niedermolekulares Heparin, z. B. Dalteparin 5
2.500 IE/d s. c. (z. B. Fragmin P®).
• B ei Antiphospholipid-Sy. unfraktioniertes Heparin, z. B. Heparin-Na
2 × 5.000 IE/d s. c. oder niedermolekulares Heparin plus Acetylsalicylsäure
100 mg/d bis ca. 36. SSW.
•  rühzeitige Hospitalisierung, evtl. Progesteron 100 mg/d als Vaginalsupp.
F
oder 3–4 × 100 mg/d p. o. (z. B. Utrogest® Drg.).
•  vtl. Amniozentese zur Chromosomenanalyse in der Frühschwangerschaft
E
(▶ 4.2.5).
•  ehandlung einer vorbestehenden mütterlichen Erkr. z. B. Hypo- oder Hy-
B
perthyreose oder eines Diab. mell. (▶ 3.4).
•  yperprolaktinämie: Dopaminagonisten oder Prolaktinhemmer (▶ 15.4.2).
H
•  yperandrogenämie: Dexamethason z. B. 0,5 mg/d abends p. o. bei 75 kg KG
H
(z. B. Fortecortin®).
•  utealphasendefekt: Stimulationsbehandlung, z. B. mit Clomifen und HCG
L
(▶ 15.4.2), evtl. Progesteronsubstitution (s. o.).
•  terusmalformation: evtl. Septumresektion, Myomenukleation (▶ 18.7.4).
U
•  rneuter Abort: Karyogramm, evtl. Blutgruppe des Fetus.
E
•  iederholte Spätaborte: Nach Abklärung von Uterusfehlbildungen oder Ute-
W
rusmyomen, ggf. prophylaktische Cerclage (▶ 5.10.2) in der 14.–16. SSW oder
kompletter MM-Verschluss.
•  sychosomatisch orientierte Ther.: Frauen leiden häufig unter massiven
P
Schuldgefühlen und Gefühl der Insuff. Betreuung im Sinne von „tender lo-
ving care“ (fester Ansprechpartner in spezialisiertem Institut, Besprechung
aktueller Probleme, engmaschige Betreuung im 1. Trimenon einschl. US-­
Diagn., Beruhigung bei Problemen, pos. Einstellung des Teams).
154 5  Schwangerschaft  

5.6  Trophoblasterkrankungen
Joachim Steller

5.6.1  Blasenmole
Epidemiologie  Häufigkeit: 1 : 3.000 Schwangerschaften.
Pathophysiologie  Hydropische Degeneration des Zottenstromas sowie Prolife-
ration der Trophoblastepithelien (Synzytium und Langhans-Zellen) mit trauben-
artig geordneten hydropischen Bläschen bis Bohnengröße. Ätiologie ist weitge-
hend unbekannt, frühzeitige Entwicklungsstörung der Frucht.
Klinik  Uterine Blutung, ziehende wehenartige Unterbauchschmerzen. Verein-
zelt Abgang von „Bläschen“ aus dem CK, auffällig intensiv wachsender Uterus,
fehlende Vitalitätszeichen, häufig Hyperemesis gravidarum (▶ 5.7.2).

Tab. 5.6  Risiken bei Blasenmole


Gefahren Komplikationen

• Blutungsgefahr • Torsion oder Ruptur von Luteinzysten


• Perforationsgefahr bei Kürettage • Gestosen
• Unvollständige Uterusentleerung • Infektionen
• In etwa 2 % später Chorion-Ca

Einteilung villöse Trophoblasterkrankungen  Abhängig von Morphologie und


5 klinischem Erscheinungsbilds unterscheidet man in Anlehnung an die WHO-
Klassifikation:
• P artialmole: zytogenetisch in > 90 % Triploidie. Sonografisch meist vergrö-
ßerte Plazenta, evtl. mit blasigen Strukturen durchsetzt. β-HCG-Werte nur
teilweise erhöht. Embryo bzw. Fetus regelmäßig entwickelt.
• B lasenmole (komplette Mole): stark vergrößerte Plazenta mit Vermehrung
der Zottenmasse im Abradat, diffus von traubenförmig angeordneten Zotten-
blasen durchsetzt. Sonografisch neben vergrößertem Uterus zystische Struk-
turen ohne Fetalanlage. β-HCG-Werte generell erhöht.
• I nvasive Mole (destruierende Mole): Nachweis von Molenzotten im Myo­
me­trium, seltener nach vaskulärer Verschleppung in extrauteriner Lokalisati-
on wie Vagina und Lungen. In der Regel persistierende und/oder ansteigende
β-HCG-Werte. Vaginalsonografischer Nachweis von Einblutungen bzw.
echodichte Bezirke im Myometrium. Zusätzlich ovarielle Thekalutein-Zysten
möglich. Cave: Eine bereits bestehende Metastasierung in Lunge, Leber bzw.
weiblichem Genitale muss klinisch und röntgenologisch ausgeschlossen wer-
den.
Diagnostik 
• B efund: großer, sehr weicher Uterus, Luteinzysten der Ovarien (in etwa 10 %
der Fälle als Folge der Überstimulation).
• L abor: mehrfach stark erhöhte β-HCG-Werte (500.000 bis > 1 Mio. IE/l).
• S ono: typisches „Schneegestöber“-Bild der Plazenta, z. T. diskontinuierliches
Tiefenwachstum in Dezidua und Myometrium (= destruierende Blasenmole
▶ 5.6.1).
   5.6  Trophoblasterkrankungen  155

• R ö-Thorax: selten Metastasierung in die Lunge (= destruierende metastasie-


rende Blasenmole ▶ 5.6.1).
• S elten: blaurote Knoten in der Scheidenwand (= ektope chorioepitheliale
Wucherungen ▶ 5.6.2).
Therapie 
• M indestens 2 EK bereitstellen.
• P rostaglandine zur Unterstützung der Spontanausstoßung, z. B. Gemeprost
1 mg 3–6 h präop. intravag. (z. B. Cergem®) und/oder Sulproston-Infusion
(Nalador®).
• A nschließend behutsame Nachtastung, ggf. Saugkürettage nach vorsichtiger
Zervixdilatation mit Hegarstiften, Oxytocin-Dauertropf, z. B. 10 IE/h (Synto-
cinon®) in 500 ml Glukose 5 %. Evtl. Nachkürettage. Cave: Perforationsgefahr!
• A ntibiotikaschutz: periop. oder über 5–6 Tage Piperacillin 3 × 2–4 g i. v. (Pip-
ril®) oder Cefuroxim 3 × 1,5 g i. v. (Zinacef®).
! V akuumkürettage: bei vital bedrohlicher Blutung. Verzicht auf weitere kon-
servative Maßnahmen. Nachfolgend Kürettage mit großer, stumpfer Kürette,
z. B. unter Sulproston-Infusionsther. (▶ 5.19).
• H ysterektomie: als Notfallmaßnahme bei unstillbarer Blutung.
Weiteres Vorgehen  Wöchentl. β-HCG-Kontrolle. Durchschnittlich 3  Wo. nach
Entfernung der Blasenmole sind die β-HCG-Tests neg. Weiterhin wöchentl. Kon-
trollen bis 3 × neg. Ergebnis. Spätestens 12 Wo. nach Entfernung der Blasenmole
sollte β-HCG-Titer im Serum neg. sein. Aufgrund der hohen Perforationsgefahr
besteht keine Garantie für die Vollständigkeit des Abradats, ggf. nach einigen Wo.
Rekürettage zum Ausschluss eines Chorionkarzinoms. 5
Nichtvillöse Trophoblasterkrankungen
Chorionkarzinom
Eine der aggressivsten Neoplasien des Menschen, unbehandelt Letalität von
> 90 % innerhalb eines Jahres. Kennzeichen ist Proliferation des Zyto- und Synzy-
tiotrophoblasten mit ausgeprägter Angioinvasion. Führendes klinisches Symp-
tom sind dysfunktionelle Blutungen. Diagn. wird am Abrasiomaterial gestellt.
Daneben stark erhöhte β-HCG-Werte (> 100.000 U/l). Bei > 50 % geht eine Bla-
senmole voraus. Bei einem Teil der Pat. findet sich zum Zeitpunkt der Diagnose-
stellungen bereits eine Metastasierung.
Plazentabett-Tumor
(Placental Site Trophoblastic Tumor; PSTT): Plazentabettknötchen (PSNs) als no-
duläre Form bzw. Placental Site Plaque bei plaqueartiger Morphologie sind tu­mor­
ähnliche Läsionen des intermediären Trophoblasten. Meist Zufallsbefunde im
Abradat oder Hysterektomiepräparat bei Frauen im reproduktiven Alter. PSNs
sind generell benigne, eine Kontrolle mit β-HCG-Bestimmung ist nicht indiziert.
Epitheloider Trophoblasttumor
(Epitheloid Trophoblastic Tumor; ETT): erst in jüngster Zeit beschriebene, vom
intermediären Trophoblasten ausgehende Entität, von der bis dato rund 50 Fälle
publiziert sind. Leitsymptom ist dysfunktionelle Blutung, gefolgt vom Tumor-
nachweis mit einer Vergrößerung des Uterus. β-HCG nahezu immer gering erhöht
(< 2.500 IU/ml). Von den beschriebenen Fällen zeigte ¼ einen malignen Verlauf.
156 5  Schwangerschaft  

Hyperplastische Implantationsstelle des Plazentabetts


(Exaggerated Placental Site): in der älteren Literatur als synzytiale Endometritis
bezeichnet. Hyperproliferation des intermediären Trophoblasten im Bereich der
plazentaren Implantationsstelle, meist benigne.

5.6.2  Chorionepitheliom (Chorionkarzinom)


Definition  Trophoblastneubildungen, die über die Dezidua hinauswuchern, in
die Blutbahn einbrechen und rückbildungsfähige Fernmetastasen setzen. Die Ein-
teilung erfolgt nach abnehmender Prognose und schlechter werdender Ansprech-
barkeit auf die Behandlung.
Einteilung 
• D estruierende Blasenmole mit oder ohne Metastasierung.
• N ichtmetastasierendes Chorionkarzinom.
• Metastasierendes Chorionkarzinom vom Low-Risk-Typ: Frauen < 39 J., 1
oder 2 vorausgegangene Schwangerschaften, Intervall zwischen klinischer
Manifestation und letzter Grav. < 6 Mon., Serum-HCG-Konz. < 100.000 IE/l,
Metastasen auf kleines Becken und/oder Lunge beschränkt.
• M etastasierendes Chorionkarzinom vom High-Risk-Typ: Frauen > 39 J., ≥ 3
vorausgegangene Schwangerschaften, Intervall zwischen klinischer Manifes-
tation und letzter Schwangerschaft > 6–12 Mon., HCG > 100.000 IE/l, metas-
tatische Absiedlungen in Gehirn, Nieren; Rezidive nach vorausgegangener
Ther.
5 Ätiologie  50 % der Fälle im Anschluss an eine Blasenmole, 25 % im Anschluss an
einen Abort und weitere 25 % im Anschluss oder während einer normalen Grav.
Klinik 
• U nregelmäßiges Weiterbluten nach Blasenmolen- oder Abortkürettage oder
erneutes Einsetzen von abnormen Blutungen oder lang anhaltende Blutung
im Wochenbett.
• B ei Kurzatmigkeit und blutigem Auswurf → V. a. Lungenmetastasen.
• B ei blaurot blutenden Knoten in der Vagina oder an der Vulva → Scheiden-
oder Vulvametastasen.
• B ei Ikterus oder uncharakteristischen Oberbauchbeschwerden → V. a. Leber-
metastasen.
• B ei zerebralen Symptomen → V. a. Hirnmetastasen.
Diagnostik 
• L abor: HCG i. S. massiv erhöht (bis > 1 Mio. IE/l).
• P alpation: großer weicher Uterus.
• S ono: Uterus („Schneegestöber“-Bild), kleines Becken (Ovarialzysten, Metas-
tasen).
• R ö-Thorax: Ausschluss von Lungenmetastasen.
• G gf. Diagn.-Sicherung durch Abrasio. Cave: Tumormaterial-Verschleppung.
• M etastasendiagn.: Sicherung von Fernmetastasen bei Symptomatik (selten:
Leber, Knochen, ZNS) durch Sono, Szinti und CT. Diagn. Laparoskopie bei
V. a. Metastasierung in das kleine Becken; Tumormarkerkontrolle SP-1.
   5.6  Trophoblasterkrankungen  157

Tab. 5.7  TNM-Klassifikation gestationsbedingter Trophoblasterkrankungen*


TNM-Kategorie FIGO-Stadium

TX – Primärtumor kann nicht beurteilt werden

T0 – Kein Anhalt für Primärtumor

T1 I Tumor auf den Uterus beschränkt

T2 II Tumor breitet sich auf andere Genitalstrukturen


aus: Vagina, Ovarien, Lig. latum, Tube (Metasta-
sen oder direkte Ausdehnung)

M1a III Lungenmetastasen mit oder ohne Nachweis einer


genitalen Lokalisation

M1b IV Alle anderen Fernmetastasen (z. B. Hirn) mit oder


ohne Lungenmetastasen

* Gültig für Blasenmole, invasive Mole, Chorionkarzinom, PSTT und ETT. N-Katego-
rie nicht vorgesehen. Quelle: Interdisziplinäre kurzgefasste aktuelle Leitlinien der
DGGG, DKG und AGO zu Trophoblasttumoren, gestationellen und nichtgestatio-
nellen Trophoblasterkr. (www.ago-online.de)

Tab. 5.8  Gestationsbedingte Trophoblasterkrankungen; FIGO-Risikoscore


FIGO-Score Punktwert

0 1 2 4
5
Alter (Jahre) ≤ 39 > 39 – –

Vorangegangene Schwan- Blasenmole Abort Term-Grav. –


gerschaft als

Intervall zwischen vorange- < 4 4–6 7–12 > 12


gangener Schwangerschaft
und Beginn der Chemother.
(Mon.)

HCG-Werte (IU/l) vor Ther. ≤ 103 103–104 104–105 > 105

Größter Tumordurchmesser 3–4 5 – –


(inkl. intrauteriner Lokalisati-
on, cm)

Metastasenlokalisation – Milz, Nieren GIT Hirn, Leber

Vorangegangene Chemo- – – Monother. > 2 Medi-


ther. kamente

Ermittlung des Score-Werts durch Addition der Punktwerte: 0–6 Punkte: Low-Risk-
Gruppe. Quelle: Interdisziplinäre kurzgefasste aktuelle Leitlinien der DGGG, DKG
und AGO zu Trophoblasttumoren; gestationellen und nichtgestationellen Tropho-
blasterkr. (www.ago-online.de)

≥ 7 Punkte: High-Risk-Gruppe


Therapie  Die Leitlinien der DGGG, DKG und AGO empfehlen folgendes Che-
motherapieregime bei gestationsbedingten trophoblastären Neoplasien:
158 5  Schwangerschaft  

• M
 TX-Monother.: Methotrexat 50 mg/d i. m. an Tag 1, 3, 5, 7 plus Calciumfo-
linat 7,5 (15) mg/d p. o. (z. B. Leucovorin®), beginnend 30 h nach MTX-Gabe.
• A
 ctinomycin-D-Monother.: Actinomycin D 10 μg/kg/d i. v. an Tag 1–5. Wie-
derholung nach mind. 7 Tagen Pause.
• E MA/CO:
– T ag 1: Etoposid 100 mg/m2 i. v. über 30 Min., Methotrexat 300 mg/m2 i. v.
über 12 h, Actinomycin D 0,5 mg i. v. als Bolus.
– Tag 2: Etoposid 100 mg/m2 i. v. über 30 Min., Actinomycin D 0,5 mg i. v.
als Bolus, Calciumfolinat 2 × 15 mg p. o. (beginnend 24 h nach MTX).
– Tag 3: Calciumfolinat 2 × 15 mg p. o.
– Tag 4: Vincristin 1,4 mg/m2 i. v. (max. 2 mg) als Bolus, Cyclophosphamid
600 mg/m2 i. v. über 30 Min.
– Wiederholung nach 6 Tagen Pause.
•  usätzlich bei Hirnmetastasen: Methotrexat 1 g/m2 i. v. über 24 h an Tag 1,
Z
Calciumfolinat 3 × 30 mg/d i. v. (beginnend 32 h nach MTX) an Tag 2–4, Me-
thotrexat 12,5 mg intrathekal an Tag 8.
•  EP: Bleomycin 30 mg i. v. als Bolus an Tag 1 und 8, Etoposid 100 mg/m2 i. v.
B
über 30 Min. und Cisplatin 20 mg/m2 i. v. über 1 h (cave: Hydratation) an
Tag 1–5. Wiederholung an Tag 22.
•  P/EMA: Etoposid 150 mg/m2 i. v. über 30 Min. und Cisplatin 75 mg/m2 i. v.
E
(3 × 25 mg über jeweils 4 h) an Tag 1 Etoposid 100 mg/m2 i. v. über 30 Min.,
Methotrexat 300 mg/m2 i. v. über 12 h und Actinomycin D 0,5 mg i. v. als Bo-
lus an Tag 8 Calciumfolinat 4 × 15 mg p. o. (alle 12 h, Beginn 24 h nach MTX)
an Tag 9–10 Wiederholung nach 4 Tagen Pause.
5
• V
 or jedem Zyklus werden (Differenzial-)BB, Thrombos, HCG, Leber-
und Nierenwerte kontrolliert, während des Zyklus täglich BB und
Thrombos, 2-tägliche Kontrolle der Leber- und Nierenwerte!
•  ach etwa 2-jähriger Rezidivfreiheit sind erneute Schwangerschaften
N
diskutabel.
•  ntidot bei toxischen Reaktionen auf Methotrexat ist Folinsäure
A
3–6 mg/d i. m. (Leucovorin®).

5.7  Frühgestosen
Joachim Steller
Durch die Schwangerschaft ursächlich bedingte Systemerkr. der Mutter.

5.7.1  Ptyalismus gravidarum


Klinik  Vermehrter Speichelfluss (Hypersalivation), meist im 2.–4. Schwanger-
schaftsmon. durch verstärkte Parasympathikuswirkung.
Therapie  Mundspülen mit Adstringenzien, z. B. Salviathymol®, Mallebrin® oder
Promethazin 3 × 25–50 mg/d p. o. (z. B. Atosil®). Cave: Strenge Ind.-Stellung im
1. Trimenon.
   5.7  Frühgestosen  159

5.7.2  Hyperemesis gravidarum


Definition  50–90 % aller Schwangeren leiden an Übelkeit und Erbrechen, 0,5–
2 % an einer Hyperemesis gravidarum.
Risikofaktoren 
• M igrationshintergrund.
• A dipositas.
• M ehrlingsgrav., Trophoblasterkr.
• Hyperemesis gravidarum in vorangegangener Schwangerschaft.
• N ulliparität.
• M etabolische Ursachen: z. B. Hyperthyreose, Hyperparathyreoidismus, Le-
berdysfunktion, Störungen des Lipidmetabolismus.
• E rnährungsstörungen: Bulimie, Anorexie.
• P sychosomatische Ursachen.
• V ermutlich Zusammenhang zwischen Übelkeit, Erbrechen und erhöhter
HCG-Produktion.
• Ö strogene, Progesteron, adrenale und hypophysäre Hormone lösen vermut-
lich ebenfalls Hyperemesis aus.
• H elicobacter-pylori-Inf. und Schilddrüsenüberfunktion können ebenfalls für
eine Hyperemesis gravidarum verantwortlich sein.
Klinik 
• M eist in der 6.–8. SSW einsetzendes Erbrechen. Bei 20 % Übergang in persis-
tierendes, häufiges Erbrechen (5–10 × tägl.), unabhängig von der Nahrungs-
aufnahme.
• G ewichtsabnahme > 5 %. 5
• E rschwerte Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme mit Dehydratation, Azidose
durch mangelnde Nahrungsaufnahme, Alkalose durch HCl-Verlust und Hy-
pokaliämie.
• E xsikkose, brennender Durst (Wasserverlust), Temperatur ↑ („Durstfieber“).
• F oetor ex ore (Azetongeruch).
• L eberaffektionen (Nekrosen, fettige Degeneration) mit Ikterus können Be-
gleiterscheinungen sein.
• S elten Benommenheit und geistige Verlangsamung bis zum Delirium.
Einteilung 
• G rad 1: Krankheitsgefühl ohne Stoffwechselentgleisung.
• G rad 2: ausgesprochenes Krankheitsgefühl mit Stoffwechselentgleisung, De-
hydratation und E’lytentgleisung.
Komplikationen  Kreislaufversagen, Nierenversagen, Leberversagen mit Ikterus.
Bei Hyperemesis mit Stoffwechselstörungen gehäuft Plazentainsuff.
Diagnostik 
• L abor: E’lyte, Gesamteiweiß, Blutzucker, kleines BB, Bili, Transaminasen,
γ-GT, evtl. Hepatitisserologie zur DD.
• U rin: Azeton, Eiweiß, Urobilinogen und Porphyrin ↑.
Differenzialdiagnosen  Hepatitis, Gastroenteritis.
Therapie 
• In leichten Fällen Akupunktur.
• N ahrungskarenz.
160 5  Schwangerschaft  

• M
 etoclopramid 4 × 10 mg/d p. o. (z. B. Paspertin®) zur Verbesserung der gast-
rointestinalen Motilität.
• V
 itamin B6 (Pyridoxin) 3 × 10–25 mg/d, mit niedriger Dosis beginnen.
• D
 imenhydrinat 2 × 62 mg/d i. v. oder 3–4 × 50 mg/d p. o. oder 3 × 1 Supp.
tägl. (z. B. Vomex A®-Supp.) oder:
•  eclozin 2–4 × 25–100 mg/d p. o. (z. B. Postadoxin®-Tbl.) oder:
M
•  ndansetron 2–4 mg i. v. (Zofran®) oder 4 mg oral (Zofran zydis®) alle 6–8 h.
O
•  romethazin 12,5–25 mg i. v./p. o. (z. B. Atosil®), bis zu 6 × tägl.
P
•  arenterale Ernährung: 2.500–3.000 ml 3-prozentige Aminosäure-Lsg. mit
P
Kohlenhydraten und E’lyten (900–1.000 kcal) sowie 2 Amp. Multibionta®,
evtl. 500 ml Intralipid® 10 % (550 kcal), evtl. Humanalbumin 20 % 2–3 ×
50 ml.
•  orrektur des E’lytdefizits (▶ 2.7.2).
K

Das leichte morgendliche Erbrechen in der Frühschwangerschaft bedarf kei-


ner besonderen Therapie!

5.7.3  Sodbrennen
Definition  Tritt bei 40–80 % aller Schwangeren auf, Beschwerden nehmen im
Lauf der Schwangerschaft häufig zu und verschwinden oft erst nach der Entbin-
dung.
Klinik  Hinter dem Brustbein lokalisiertes brennendes Gefühl, teils schmerzhaft,
5 teils krampfartig, das vom mittleren Oberbauch bis in die Halsgrube aufsteigt. Der
Schmerz kann spontan oder mit der Nahrungsaufnahme auftreten. Bei länger an-
haltenden Beschwerden kann eine Refluxösophagitis entstehen. Saures Aufsto-
ßen, Völlegefühl.
Diagnostik  Bei über Wo. anhaltendem tägl. Sodbrennen: Gastroduodenoskopie
(insb. bei zusätzlichen Schluckbeschwerden, Bluterbrechen, Teerstuhl).
Therapie 
• A
 llgemeinmaßnahmen:
– Meiden von fetten Speisen, Süßigkeiten, Pfefferminze, Kaffee, kohlensäu-
rehaltigen Getränken, Säften.
– Nahrungsaufnahme auf 4–6 kleine Mahlzeiten verteilen.
– Meiden später Abendmahlzeiten (> 3 h vor dem Zubettgehen).
– Kopfende des Bettes 20 cm höher stellen.
• M
 edikamente:
– A  ntazida: Magnesium- und Aluminiumhydroxid, z. B. Maaloxan® 3–4 ×
1 Btl. oder Kau-Tbl. tägl. puffern die Magensäure gut, werden nur in Spu-
ren resorbiert, trotzdem strenge Ind.-Stellung im 1. Trimenon. Cave: Nat-
riumbikarbonat sollte nicht mehr eingesetzt werden → führt zu metaboli-
scher Azidose mit mütterlicher und fetaler Ödemneigung.
– H  2-Rezeptorenblocker, falls keine Besserung eintritt, z. B. Cimetidin (Ta-
gamet®). Cimetidin passiert zwar die Plazentaschranke, in zahlreichen Be-
richten ist jedoch gut dokumentiert, dass keine unerwünschten Effekte auf
den Fetus oder Fehlbildungen auftreten.
   5.7  Frühgestosen  161

Komplikationen 
• U
 lzera können zu narbigen Strikturen am Ösophagus führen.
• U
 mwandlung des Plattenepithels des Ösophagus in ein spezialisiertes Zylin-
derepithel (Barrett-Mukosa). Selten kann bei weiter bestehender Symptoma-
tik nach Jahren bis Jahrzehnten ein Barrett-Karzinom entstehen.

5.7.4  Herzerkrankungen in der Schwangerschaft


Physiologie
• S chwangerschaftshydrämie oder physiologische Schwangerschaftsanämie
durch Zunahme des Blutvolumens um ca. 40 %, wobei das Plasmavolumen
um ca. 45 % und das Ery-Volumen um ca. 30 % zunehmen.
•  erbesserte Organperfusion: von Uterus (zusätzlich 400–600 ml Blut-
V
fluss/Min.), Nieren und Haut. Bedingt durch Zunahme des Schlagvolu-
mens (leichte Hypertrophie des Myokards) und der Herzfrequenz um ca.
10–15 SpM. Zunahme des HMV um max. 40–50 % (Maximum in
28. SSW).
•  lutdruckveränderungen: in der Frühgrav. leichter RR-Abfall um
B
5–10 mmHg systolisch, im Verlauf Normalisierung.
– Hypotonie: Bei ca. 8 % aller Graviden besteht eine Hypotonie (RR mehr-
mals < 100/60 mmHg), was zu einer Minderdurchblutung der Plazenta
führen kann. Ab der 13. SSW ist bei subjektiven Beschwerden (Schwin-
del, Orthostasereaktion) eine Ther. mit Ergotaminpräparaten, z. B. Dihy-
droergotaminmesilat 2 × 1–2,5 mg/d p. o. (DET MS®) möglich
(▶ 5.21.10).
5
– Hypertonie: RR > 140/90 mmHg ist behandlungsbedürftig (▶ 5.8; z. B.
SIH, Spätgestose, Pfropfgestose; ▶ 5.21.9).
Folgen
Der totale periphere Widerstand fällt im Verlauf der Grav. ab, dies führt zu einer
Stimulation des Angiotensinsystems. Während einer normalen Grav. ist die Emp-
findlichkeit der Arterien für Angiotensin II reduziert, und es resultiert kein RR-
Anstieg. Bei Präeklampsie besteht eine erhöhte Empfindlichkeit mit konsekutiver
Hypertonie.
Der Venendruck steigt besonders im Bereich der unteren Extremitäten durch
Kompression der V. cava inferior mit Druckerhöhungen bis zu 25 cmH2O. Des-
halb kann es zur Ausbildung oder Verstärkung von Varizen im Bereich von Vul-
va, Analbereich (Hämorrhoiden) und unteren Extremitäten kommen. Weitere
KO: V.-cava-Kompressionssy.

Verschiebung der elektrischen Herzachse im EKG durch hoch stehenden


Uterus.

Risikogravidität bei kardialer Vorerkrankung


Häufigkeit 0,8–3 %, davon 80–90 % rheumatische Vitienerkr.
162 5  Schwangerschaft  

Klinik

Tab. 5.9  Schweregrade der Herzkrankheit in graviditate nach NYHA (New


York Heart Association)
I Vor der Schwangerschaft keine Beschwerden

II Leichte Einschränkung der Leistungsfähigkeit vor der Schwangerschaft

III Zeichen der kardialen Dekompensation bei leichter körperlicher Belastung vor
der Schwangerschaft

IV Zeichen der kardialen Dekompensation in Ruhe vor der Schwangerschaft

Pat. mit Vorhofflimmern/-flattern und/oder arteriellen Embolien sind den Gruppen


III/IV zuzuordnen.

Vorgehen
Evtl. kardiologische Betreuung, vor geplanter Grav. EKG, Belastungs-EKG, Echo-
kardiogramm. Die Klinikaufnahme sollte 2–3 Wo. vor EGT erfolgen.
• Stadium I–II: kein erhöhtes Risiko bei sorgfältiger ärztlicher Betreuung. Eine
vag. Entbindung ist anzustreben, dabei sind PDA sowie VE oder Forzepsent-
bindung großzügig zu indizieren (Erleichterung der Eröffnungs- und Austrei-
bungsperiode).
• S tadium III–IV: bei optimaler Überwachung Schwangerschaft möglich. Kli-
nikeinweisung ab der 30.–34. SSW (Ind. zur Sectio großzügiger stellen), bei
Vitien mit re/li Shunt, z. B. M. Fallot, ist die Ind. zum Schwangerschaftsab-
5 bruch vor der 14. SSW gegeben.
Kritische Perioden
• 2 8.–34. SSW: Anpassung an erhöhtes HMV.
• G eburtsperiode.
• P . p. erhöhtes Risiko der kardialen Dekompensation durch plötzliche Umstel-
lung der Hämodynamik.

Bei kongenitalen und erworbenen Herzvitien, Klappenersatz, Z. n. rheumati-


schem Fieber evtl. Antibiotikaprophylaxe mit Cephalosporin i. v.,  z. B. Cefa-
zolin 1 g i. v. (z. B. Gramaxin®) 1 h präop., 6 h postop. und evtl. 12 h postop.
bzw. peripartal.

5.7.5  Gastrointestinale Erkrankungen in der Schwangerschaft


Mundhöhle
Erhöhte Anfälligkeit gegenüber Karies und Parodontose bei verminderter Blutzir-
kulation in der Gingiva und veränderter Speichelzusammensetzung (pH), Früh-
gestosen (Ptyalismus gravidarum, Hyperemesis gravidarum ▶ 5.7.2). Lokale Ent-
zündungen der Gingiva, Reizhypertrophie, Entstehung von Angiogranulomen
(Schwangerschaftsepulis), die zu Blutungen neigen.
   5.7  Frühgestosen  163

Abdomen
Zwerchfellhochstand (insb. letztes Trimenon) mit konsekutiver Refluxösophagitis
(ggf. Antazida oder Prokinetika). Nausea oder Emesis gravidarum ▶ 5.7.2. Obsti-
pation durch relaxierenden Einfluss des Progesterons und mechanische Einflüsse
(ggf. Laxanzien).
Ileus e graviditate
• P aralytischer Ileus durch Tonusverlust, fließender Übergang zu Obstipation.
• M echanischer Ileus (▶ 3.2.1) v. a. in der 16.–20. SSW, wenn der Uterus aus
dem kleinen Becken in den Bauchraum tritt und in der 32.–36. SSW, wenn
der kindliche Kopf in das kleine Becken tritt. Vor allem Adhäsionsileus und
Volvulus.

Vorgehen
• S ofortige OP bei Strangulation, Mesenterialinfarkt, Dickdarmileus mit
Gefahr der Gangrän.
• M agen- und/oder Dünndarmsonden (Dennissonden).
• F lüssigkeits- und E’lytsubstitution: ZVD zwischen 4 und 8 cmH2O.
• A ntibiotika: z. B. Cefotaxim 3 × 2 g/d i. v. (Claforan®), bei septischem Ver-
lauf in Kombination mit Gentamicin 1 × 3–5 mg/kg KG tägl. i.v. (z. B. Re-
fobacin®, Spiegelkontrolle, Dosisanpassung bei Niereninsuff.) und/oder
Metronidazol 3 × 500 mg/d i. v. (z. B. Clont®).
• B ei paralytischem Ileus hohe Einläufe und Darmstimulation mit Metoclo-
pramid, Bepanthen und Neostigmin (z. B. 6 Amp. Paspertin® + 6 Amp.
Dexpanthenol® + 6 Amp. Prostigmin® in 500 ml Ringer-Lsg. mit 40– 5
80 ml/h).

5.7.6  Lebererkrankungen in der Schwangerschaft


Leberlabor
Parameter für die Integrität der Leberzelle:
• T ransaminasen: Bei Schäden gelangen GOT (AST) und GPT (ALT) ins Se-
rum. Bei schwerer Leberdystrophie können die Transaminasen abfallen.
• C holestase-Enzyme: γ-GT, AP, LAP (γ-GT ↑ bei tox. Schädigung, v. a. Alko-
hol).
• G
 LDH: bei Leberzellnekrosen ↑.
• S yntheseleistung: Albumin, Cholinesterase (CHE), Gerinnungsfaktoren des
Prothrombin-Komplexes. Bei Leberinsuff. sind Quick, CHE, AT III und Al-
bumin ↓.

Physiologische Veränderungen der Leberwerte während der Gravidität


Vermindert sind CHE, GGT, Ges.-Eiweiß und Albumin; erhöht sind AP,
LAP, Gerinnungsfaktoren I, II, VII, VIII, IX. Sonstige Werte unverändert.

Ikterus in der Gravidität


Ikterus in der Schwangerschaft ist kein seltenes Ereignis. Differenzialdiagn. ist zu
unterscheiden zwischen:
164 5  Schwangerschaft  

• Ikterus in graviditate: ein Ikterus, der auch außerhalb der Schwangerschaft


auftreten kann, z. B. virale Hepatitis.
• Ikterus e graviditate: ein schwangerschaftsspez. Ikterus. Hierzu gehören:
Intrahepatische Schwangerschaftscholestase (ICP)
Akute, erst in der 2. Schwangerschaftshälfte bzw. oft erst im 3. Trimenon auftre-
tende intrahepatische Cholestase. Häufigkeit 0,1–0,2 %, bei vorausgegangener
Schwangerschaftscholestase Rezidivrate von 40–60 %. Die Pathogenese ist multi-
faktoriell; neben einer hereditär erhöhten Sensibilität gegenüber Östrogenen in
der Schwangerschaft werden exogene Faktoren und eine genetische Prädispositi-
on (Mutation von Chromosom 7q21) diskutiert.
Klinik  Pruritus (meist im 3. Trimenon). KO: erhöhte kindliche Mortalität, vor-
zeitige Wehen, selten fetale Wachstumsretardierung, deutlich erhöhte Frühgebur-
tenrate. Bei ausgeprägten therapieresistenten Fällen kann eine vorzeitige Beendi-
gung der Grav. erforderlich sein.
Diagnostik  Erhöht sind γ-GT, ALAT, AP (bei Schwangerschaft immer erhöht,
daher allein nicht aussagekräftig), LAP, Bili (direkt), Hepatitisserologie neg.
Differenzialdiagnosen  Hepatitiden (▶  5.13.7), Arzneimittelschäden der Leber,
andere Cholestasen.
Therapie  Ursodesoxycholsäure 15 mg/kg KG tägl. ab 2.  Trimenon (Ursofalk®)
oder Colestyramin 1–2 × 4 g/d p. o. (Quantalan®), Vit. K (zur periop. Blutungs-
prophylaxe).
5 Prognose  Vollständige Reversibilität aller Symptome nach Beendigung der
Schwangerschaft.
Akute Schwangerschaftsfettleber
Seltene, schwere Schwangerschafts-KO mit Mortalitätsrisiko um 45 % jeweils für
Mutter und Kind. Ursache nicht geklärt.
Klinik  Gegen Ende der Grav. anhaltende Übelkeit mit Erbrechen und Oberbauch-
schmerzen, Ikterus. Im fortgeschrittenen Stadium Nierenversagen, Gerinnungsstö-
rungen, Bewusstseinstrübung. Zeichen des Leberversagens: zusätzlich Foetor hepa-
ticus (wie frische Leber oder Lehmerde) mit Apathie → Schläfrigkeit → Koma.
Diagnostik  Bili, AP und Transaminasen mäßig ↑, Thrombos ↓, PTT verlängert,
Leukozytose; ggf. Biopsie (Histologie: Diffuse, läppchenzentrierte Verfettung der
Hepatozyten, plurivesikulär, kleinvakuolär).
Differenzialdiagnosen  Schwere Gestose (▶ 5.8.1) mit Leberbeteiligung, HELLP-
Sy. (▶ 5.8.3), fulminant verlaufende Virushepatitis.
Therapie  Intensivstation! Symptomatisch. Rechtzeitige Beendigung der Schwan-
gerschaft verbessert die Prognose!

5.7.7  Renale Komplikationen der Schwangerschaft


Latente (asymptomatische) Bakteriurie
HWI sind die häufigsten KO während der Grav. (ca. 7 %), bei 30 % besteht initial eine
asymptomatische Bakteriurie (normal 5 % d. erw. Frauen) > 105/ml Keime im M-Urin
oder Keime im suprapubischen Punktat. Diagn. und Ther. bei Bakteriurie ▶ 3.3.1.
   5.7  Frühgestosen  165

Nierenaufstau
Bei den meisten Schwangeren ist ein Aufstau des Nierenbeckens (meist re) bis
max. 2,5 cm (sonografisch) normal. Ther. erst bei Beschwerden mit Spasmoly-
tika (z. B. Buscopan® supp.) oder mit Analgetika (z. B. Paracetamol-CT®) oder
bei gleichzeitigem HWI (▶ 3.3.1). Selten auch Anlage eines Doppel-J-Kathe-
ters.

Pyelonephritis gravidarum
Tritt bei ca. 2 % aller Graviden auf, re > li
Anamnese  Latente (asymptomatische) Bakteriurie, Fehlbildungen der ableiten-
den Harnwege (tonogene Dilatation der Ureteren), HWI vor der Grav., Steinlei-
den.
Klinik, Erreger, Therapie  ▶ 3.3.2.
Langzeitther. für ca. 4 Wo. und postpartale Urinkontrollen, ggf. auch der ablei-
tenden Harnwege.

Akutes Nierenversagen
Ätiologie  Akutes Kreislaufversagen (Schock, Blutverlust, Trauma), Hämolyse
(artifizieller Abort, Blutgruppenunverträglichkeit), E’lytdysbalancen (Hypereme-
sis), Inf. mit Sepsis (septischer Abort, Urosepsis), EPH-Gestose und Eklampsie.
Klinik  Initiale Oligo-, Anurie, im Verlauf Polyurie mit Restitutio. In der Phase
der Oligo-, Anurie Gefahr der Hyperhydratation, Hyperkaliämie und Urämie
(Stickstoff ↑ mit Übelkeit, Erbrechen, Somnolenz, Koma), toxische Herzschädi- 5
gung.
Therapie  Bei prärenalem ANV (Schock, Volumenverluste, Herz- und Kreislauf-
versagen) adäquate Kreislaufstabilisation. Bei intrarenalem ANV Entlastung der
Niere von Entgiftungsfunktion, prospektives Handeln, frühe Verlegung zur Dia-
lyse.

Vorbestehende Nierenerkrankungen
• G
 lomerulonephritis: Verlauf der GN vom Typ-IgA/Minimalchange-GN ge-
ring beeinflusst, bei anderen GN-Formen kann eine rasche Progredienz ein-
setzen (engmaschiges Monitoring). GN als Erstmanifestation ist eine seltene
KO, Gefahr der Spätgestose (Pfropfgestose ca. 70 % ▶ 6.8.2).
•  ongenitale Zystennieren: günstiger Grav.-Verlauf mit schlechter Prognose
K
für Mutter und Kind bei beginnender arterieller Hypertonie. Cave: zuneh-
mende Nierenfunktionsstörung.
•  ialysepat.: Meist im fertilen Alter amenorrhoisch, bei Grav. hohe fetale
D
Mortalität, evtl. bei zunehmender Anämie Erythropoietin-Ther. einleiten
oder ergänzen.

Nierentransplantierte
Risiken in der Schwangerschaft 
• A
 bstoßungsreaktion des Transplantats während der Schwangerschaft eher
selten, gehäuft aber in der Postpartalperiode.
• V
 erschlechterung der Nierenfunktion (etwa 20 % der Pat.).
166 5  Schwangerschaft  

• H ypertonie (etwa 25 % der Pat.).


• E rhöhte Infektionsgefahr (etwa 60 % der Pat., bakt. Inf. und insb. Herpes sim-
plex und CMV).
• Frühgeburten (etwa 45 %).
• W achstumsretardierung (etwa 20 %, wohl als Folge der Immunsuppression).
Vorgehen 
• P rinzipiell ist bei normaler Nierenfunktion (keine Proteinurie, Krea < 1 mg/
dl) nicht von einer Schwangerschaft abzuraten.
• A usschluss erblicher Nierenerkr. (z. B. polyzystische Nieren).
• Z eitpunkt frühestens 2 J. nach Transplantation, bis dahin Reduzierung der
immunsuppressiven Ther.
• Ü berwachung der Schwangerschaft in Kooperation mit geburtshilflichem
Zentrum, Nephrologen und Pädiatern.
• W eiterführung der Immunsuppression (Azathioprin oder Ciclosporin A).
• W eiterführung der Kortikoid-Dauerther. (cave: I. d. R. ist kein Effekt auf die
Lungenreifung zu erwarten).
• E ngmaschige Kontrolle von Nierenfunktion, Blutdruck, Fetometrie alle
14 Tage bis 30. SSW, dann wöchentl.
• G roßzügige Ind. zur Lungenreifebehandlung (▶ 5.10.3).
• P rim. Sectio caesarea meist nicht notwendig, da die transplantierte Niere
nicht im kleinen Becken liegt. OP-Bericht der Transplantation anfordern.
• E rstversorgung des NG durch den Pädiater.
• P ostpartale Antibiotikaprophylaxe: immunsupprimierte Pat. z. B. Cefuroxim
5 3 × 1,5 g i. v. über 10 Tage (Elobact®).

5.8  Spätgestosen
Joachim Steller

5.8.1  Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie (SIH, EPH-


Gestose)
Epidemiologie
Neben der Blutung in graviditate häufigste Schwangerschaftskomplikation (4–5 %
der Schwangeren betroffen). Auftreten meistens im letzten Schwangerschaftsdrit-
tel.
In der Früherkennung muss bei etwa 20 % der Pat. mit anamnestisch bekannter
SIH bei nachfolgenden Grav. mit einer leichten SIH und bei etwa 25 % sogar mit
einer schweren SIH gerechnet werden. Eine vorangegangene schwere Präeklamp-
sie im 2. Trimenon geht bei etwa 65 % der Pat. mit einem identischen Komplikati-
onsrisiko einher; Gleiches gilt für das HELLP-Sy.

Zuverlässige Laborparameter zur Vorhersage einer hypertensiven Schwan-


gerschaftserkr. fehlen. Der persistierende bilaterale Notch der Aa.  uterinae
soll mit einem deutlich erhöhten Präeklampsierisiko assoziiert sein (▶ 21.2.6).
   5.8  Spätgestosen  167

Klassifikation der hypertensiven Erkrankungen in der


Schwangerschaft
• G
 estationshypertonie: RR-Anstieg nach der abgeschl. 20. SSW ≥ 140/90
mmHg ohne Proteinurie bei zuvor normalen RR-Werten.
• P räeklampsie: Gestationshypertonie und Proteinurie ≥ 300 mg/24 h nach der
abgeschl. 20. SSW.
• E klampsie: tonisch-klonische Krämpfe im Rahmen einer Präeklampsie.
• H ELLP-Sy.: Trias aus Hämolyse, erhöhten Leberenzymen und erniedrigten
Thrombozyten < 100.000/μl.
• C hron. Hypertonie: präkonzeptionell oder in der ersten SS-Hälfte diagnosti-
zierte Hypertonie mit RR ≥ 140/90 mmHg über > 12 Wo.

Tab. 5.10  Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie


E = Ödeme Nur generalisierte Ödembildung ist als Risikohinweis zu werten
(rapide Gewichtszunahme). 500 g/Wo. höchstzulässige Gewichts-
zunahme in den letzten 3 Mon. der Schwangerschaft. Alleinige
Anwesenheit von peripheren Ödemen hat keine Bedeutung als
Risikofaktor

P = Proteinurie > 0,3 g/l im 24-h-Urin

H = Hypertonie RR-Anstieg > 140/90 mmHg (Leitsymptom)

• D
 rohende Eklampsie: Zusätzlich ZNS-Symptome (Kopfschmerzen, Ohren-
sausen, Augenflimmern, Sehstörungen, Somnolenz, Übelkeit, Erbrechen, Hy-
perreflexie, motorische Unruhe), begleitet von Hämokonz., Oligurie 5
(< 400 ml/d), evtl. Thrombozytenabfall.
•  klampsie: Infolge einer Spastik der Hirngefäße tonisch-klonische Krämpfe
E
mit Zungenbiss, Zyanose, Bewusstlosigkeit, im Anschluss Koma. Die Folgen
sind Mikrozirkulationsstörungen mit Kapillarschäden, Hämorrhagien in
ZNS, Leber und Nebennieren, Gewebsnekrosen evtl. mit Amaurose, Nieren-
und Herzversagen. Müttersterblichkeit bei einem Anfall 5 %, bei mehr als fünf
Anfällen > 38 %. Perinatale Letalität 8–27 %.

Tab. 5.11  Schweregradeinteilung der schwangerschaftsinduzierten Hyperto­


nie
0 Punkte 1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte

RR systolisch < 140 140–160 160–180 > 180


(mmHg)

RR diastolisch < 90 90–100 100–110 > 110


(mmHg)

Protein im Urin < 0,3 0,3–1 1–3 > 3


(g/l/d)

Auswertung: 1–3 Punkte: leicht; 4–6 Punkte: mittelschwer; 7–9 Punkte: schwer
168 5  Schwangerschaft  

Indikationen zur stationären Einweisung hypertensiver Schwangerer


• R R ≥ 160/100 mmHg oder RR > 140/90 mmHg unter antihypertensiver Ther.
• P roteinurie und rasche Ödembildung bzw. Gewichtszunahme von > 2 kg/
Wo.
• P rodromalstadien (Augenflimmern, Kopfschmerzen etc.).
• H ypertonie in Begleitung weiterer Risikofaktoren (z. B. mütterliche Erkr.,
fetale Wachstumsretardierung, frühes Gestationsalter, mangelnde Koope-
ration).
• O berbauchschmerzen unklarer Genese.
• T hrombozytopenien < 150.000/mm3.

Diagnostik und Verlaufskontrolle


Bei stationärer Aufnahme 
• R R-Kontrolle, CTG, Ödem- und Gewichtskontrolle.
• K leines BB inkl. Hkt, E’lyte, Krea, Harnsäure (Anstieg auf > 3,6 mg% vor der
32. SSW und > 5,0 mg nach der 32. SSW häufig früher Hinweis auf SIH), Ge-
samteiweiß, Blutzucker, GOT, GPT, γ-GT, LDH, Gerinnung, Thrombos, fa-
kultativ AT III.
• E iweiß im Sediment bzw. im 24-h-Urin (Grenzwert 300 mg/l 24-h-Urin).
• F etometrie (▶ 21.2.4), Doppler-Sono (▶ 21.2.6), ggf. Stresstest bzw. Geburtsein-
leitung (bei V. a. intrauterine Dystrophie in Terminnähe ▶ 6.1.3) je nach Befund.
Monitoring 
5 • T ägl. 3× CTG-Kontrolle.
• Je nach Ausmaß der Hypertonie ½- bis 6-stdl. RR-Kontrolle, Puls.
• T ägl. Krea, E’lyte, Gesamteiweiß, BB, Thrombos, Leberwerte, Harnsäure, Ge-
wichts-, Ödemkontrolle.
• A lle 10 Tage Fetometrie (▶ 21.2.4), evtl. häufiger Doppler-Sono (▶ 21.2.6).
Therapie bei leichter oder mittelschwerer SIH
Allgemeine Maßnahmen 
• B ettruhe, ggf. kurzzeitige Sedierung, z. B. mit Diazepam 5–10 mg/d p. o. oder
supp. (z. B. Valium®).
• F lüssigkeit nach Bedarf (Dursten nicht sinnvoll), Flüssigkeitszufuhr bei Hkt
> 37 %.
• Eiweißreiche Diät bei Hypalbuminämie.
• ASS 70–100 mg/d p. o. (z. B. Aspirin®), ab der 2. Schwangerschaftshälfte bis
max. 36. SSW (zur Prophylaxe).
• M agnesium 3 × 121,5 mg/d p. o. (z. B. Magnesium Verla®).
Antihypertensiva 
• α -Methyldopa 0,5–1 g/d p. o. (z. B. Presinol®). Langsamer Wirkungseintritt,
zur Ther. von leichteren Fällen oder in Kombination mit Dihydralazin. NW:
Bei > 2 g/d Gefahr von Mekoniumileus und fetaler Lethargie.
oder
• D ihydralazin 50–75 mg/d p. o. (z. B. Nepresol®), alternativ 2 × 25 mg in 500 ml
NaCl 0,9 % i. v. (Glukose inaktiviert Nepresol®!), Infusionsgeschwindigkeit
anfangs 20 ml/h. Dosierung nach RR-Verhalten, max. 100 mg/d. Ther. der
1. Wahl. Wirkungsbeginn nach etwa 10–20 Min., Wirkungsmaximum nach
   5.8  Spätgestosen  169

20–40 Min. Cave: Rascher Wirkungseintritt, RR sollte um nicht mehr als


20 % des Ausgangswerts/h gesenkt werden. Langfristiges Ziel: RRsyst 150–
160 mmHg, RRdiast 90–100 mmHg. NW: Tachykardie, Kopfschmerzen,
Schwindel, Nausea, Erbrechen, Parästhesien in den Extremitäten.
•  gf. Nifedipin 3 × 5–20 mg/d p. o. (z. B. Adalat®) oder
G
•  rapidil 2 × 30–90 mg ret. tägl. p.o. (z. B. Ebrantil®) oder
U
•  etoprolol bei leichteren Fällen, langsamer Wirkungseintritt, max. 200 mg/d
M
p. o. (z. B. Beloc®). NW: mütterliche und kindliche Bradykardien, fetale Adap-
tationsstörungen (Antidot: Atropin). Mittel der 2. Wahl.

• E ntbindung ist kausale Ther. der SIH.


• B ei anhaltendem RR ≥ 170/110 mmHg stationäre antihypertensive
Ther., bei bekanntem Hochdruck oder Pfropfkonstellation (Nierenerkr.,
Diab. mell.) bereits ab RRdiast > 90–100 mmHg.
•  ei Zeichen fetaler Gefährdung (path. CTG oder Doppler) Schwanger-
B
schafts- bzw. Geburtsbeendigung.

Therapie bei schwerer SIH oder drohender Eklampsie


Sofern keine sofortige Entbindung bzw. Sectio möglich:
• S tabilisierung des mütterlichen Zustands.
• A ntikonvulsiva: Magnesiumsulfat 4–6 g i. v. über 15–20 Min. (z. B. Magnor-
bin®), Erhaltungsdosis 1–2 g/h bis 24–48 h p. p.
• A ntihypertensiva: Dihydralazin (Nepresol®) alle 20 Min. i.v. oder via Perfusor
2–20 mg/h oder Urapidil 6–24 mg/h als Dauerinfusion via Perfusor, als Bolus 5
6,25–12,5 mg über 2 Min. (z. B. Ebrantil®). Initialther. mit Nifedipin 3 ×
5–20 mg/d p. o. möglich (z. B. Adalat®).
• V orsichtige Volumengabe: 500–1.000 ml kolloidale Lsg. (HAES 10 %) oder
Ringerlaktat (75 ml/h).
• B ei Hämostasestörung (z. B. Fibrinogen < 120 mg/dl) Gefrierplasma. Kein
Heparin, solange aktive Blutung oder erhöhte Blutungsgefahr.
• B ei Lungenödem oder Herzinsuff. Furosemid i. v. (z. B. Lasix®).
• D iazepam bei schwerer SIH 10–20 mg sehr langsam (!) i. v. (z. B. Valium®),
bei drohender Eklampsie 30(–40) mg sehr langsam i. v. Nach 3–4 h ggf. weite-
re Injektion von 20(–40) mg i. v. bis max. 120 mg/d.
• G gf. 3 × 50 ml/d Humanalbumin 20 % und Plasmaexpander bei ZVD < 4 cmH2O.
Tab. 5.12  Medikamente zur SIH-Therapie
Medikament Präparat Bemerkungen

Geeignet

α-Methyldopa Presinol® Mittel der 1. Wahl, Wirkbeginn erst nach mehre-


ren Tagen

Bedingt geeignet

Dihydralazin Nepresol® NW: Kopfschmerzen, Flush, Tachykardie


®
Metoprolol Beloc Risiko fetaler Wachstumsretardierung

Nifedipin Adalat® Im 1. Trimenon fetales Fehlbildungsrisiko


170 5  Schwangerschaft  

Tab. 5.12  Medikamente zur SIH-Therapie (Forts.)


Medikament Präparat Bemerkungen

Nicht geeignet

Diuretika, z. B. Fu- Lasix® Beeinträchtigung der uroplazentaren Versorgung


rosemid

ACE-Hemmer, z. B. Acerbon® NW: akutes Nierenversagen beim NG, Teratogeni-


Lisinopril tät, Oligohydramnion

Angiotensin-AT1- Lorzaar®
Antagonisten, z. B.
Losartan

Therapie bei Eklampsie – Intensivtherapie


Monitoring 
• E ngmaschige (5–10 Min.) RR-Kontrolle, EKG-Monitoring, ZVD-Kontrolle
(sollte nicht höher als 5 cmH2O liegen).
• S tunden-Urin, Kontrolle von Atmung und Herzfrequenz (Monitorüberwa-
chung), Absaug- und Beatmungsbereitschaft, Atemwege freihalten, Azidose-
ausgleich.
• C TG-Dauerüberwachung.
• E vtl. 6–12 Wo. p.p. neurologische Kontrolluntersuchung.
Antikonvulsiva  Magnesiumascorbat oder Diazepam (s. o.), evtl. alternativ Dis-
5 traneurin 100 ml 0,8-prozentige Lösung i. v., dann 1–2 ml/Min.
Antihypertensiva  Dihydralazin  6: 125–12,5 mg als Bolus über 2  Min. i.v. (z. B.
Nepresol Inject®), anschließender Dauertropf (s. o.). Cave: plötzlicher RR-Abfall.
Optimal ist RR-Senkung um 10 mmHg/h und nicht unter 140/90 mmHg!
Weitere Maßnahmen 
• L ow-Dose-Heparinisierung, z. B. 3 × 5.000 IE (z. B. Liquemin®) oder Daltepa-
rin 2.500–5.000 IE (Fragmin® P/-Forte).
• D iuretika und Humanalbumin nach ZVD-Kontrolle (s. o.).
• G gf. FFP, Thrombozytenkonzentrate (▶ 2.6.6), AT-III-Substitution.
• E vtl. Tokolytika (z. B. Fenoterol-Infusion ▶ 5.10.1).
Beendigung der Gravidität  Umgehend anstreben (Oxytocintropf, Amniotomie
▶ 6.13, ggf. VE oder Forzepsentbindung ▶ 7.2). Entbindung vag. oder Sectio „nach
Klinik“. Bei Erstgebärenden, unreifem Befund oder besonderer Dringlichkeit ist
die für die Mutter risikoreichere Sectio häufig unvermeidbar.

Besondere Risiken
Entwicklung eines Status mit neurologischen Spätschäden, Nierenversagen,
intraabdominale oder intrakranielle Blutungen, akute Schwangerschaftsfett-
leber, Lungenödem, vorzeitige Plazentalösung, intrauterine Asphyxie, intra-
uteriner Fruchttod.
   5.8  Spätgestosen  171

5.8.2  Pfropfgestose
Ursache sind präexistente Organerkr. (Nephropathie, Diab. mell., Hypertonie).
Symptome treten meistens bereits vor der 24. SSW auf, häufig schwerer Verlauf.
Betroffen sind ältere und mehrgebärende Frauen. Therapie ▶ 5.8.1.

5.8.3  HELLP-Syndrom
Definition  Sonderform des SIH mit Hämolyse (H), erhöhten Leberenzymen
(EL) und niedrigen Plättchenzahlen (LP). Häufigkeit etwa 1 : 300 Geburten.
Klinik  Schmerzen im re Oberbauch bzw. im Epigastrium, teilweise begleitet von
Übelkeit und/oder Erbrechen, ggf. in Verbindung mit starken Kopfschmerzen
und Sehstörungen als Hinweis auf eine drohende Eklampsie.
Diagnostik 
• L abor: Hämolysezeichen (Hb ↓, Bili und LDH ↑, Haptoglobin ↓, Bili-Spalt-
produkte im Urin), Leberenzymerhöhung (Transaminasen, γ-GT und evtl.
AP), Thrombozytenabfall < 100.000/mm3, Thrombinzeit ↓, D-Dimere ↑, Hkt
≥ 38 %. Evtl. Harnsäureanstieg auf > 5,0 mg%, Krea-Anstieg als Zeichen der
Niereninsuff. und Proteinurie im Rahmen der Gestosesymptomatik.
• E vtl. Blutdruckanstieg > 140/90 mmHg.
Differenzialdiagnosen  Akute Hepatitis, Cholezystolithiasis, Medikamentenin-
tox., idiopathisch-thrombozytopenische Purpura, idiopathischer Schwanger-
schaftsikterus, akute Schwangerschaftsfettleber.
Therapie  Intensivther. ▶ 5.8.1. 5
 rombozytenkonzentrat (TK, ▶ 2.6.6), zum Zeitpunkt der Geburt sollte die
• Th
Thrombozytenzahl > 50.000/mm3 liegen, bei Thrombozytenzahlen < 20.000/
mm3 besteht die Gefahr einer spontanen Blutung.
• V or der 32. SSW konservativer Behandlungsversuch (z. B. RDS-Prophylaxe)
unter Intensivmonitoring nur bei stabilem Zustand von Mutter und Kind. Bei
Thrombozytenzahl < 50.000/mm3 abhängig von subaqualer Blutungszeit TK-
Gabe vor operativen Eingriffen erwägen. Bei Fibrinogen < 100 mg/dl Gabe
von Gefrierplasma.
• S chwangerschaftsbeendigung: meist rasch erforderlich (perinatale Letalität
in schweren Fällen > 10 %, mütterliche Letalität ca. 3,5 %). Bei erheblicher
Frühgeburtlichkeit wird derzeit ein konservatives Vorgehen unter engma-
schigem maternalem und fetalem Monitoring im Perinatalzentrum diskutiert.
KO: Postop. intraabdominale, subfasziale sowie atonische Blutung, die in
Einzelfällen zur puerperalen Hysterektomie zwingen kann. Gelegentlich wur-
den mütterliche Leberrupturen mit massiven intraabdominalen Blutungen
beobachtet.

• E s besteht keine Korrelation zwischen mütterlicher Thrombozytopenie


und kindlichem Hirnblutungsrisiko.
• P ostpartale Heparingabe erst, wenn Thrombozyten > 100.000/mm3 und
Fibrinogen > 200 mg/dl.
172 5  Schwangerschaft  

5.9  Gestationsdiabetes (GDM)


Joachim Steller
Definition  Erstmals in der Schwangerschaft aufgetretene oder diagnostizierte
Glukosetoleranzstörung. Geschätzte Häufigkeit 7–20 %.
Risiken 
• M utter:
– Mortalität 0,5 % (bei sehr guter Zuckereinstellung nicht erhöht); zugleich
rascheres Voranschreiten diabetischer Früh- und Spätkomplikationen
(z. B. Retino-, Nephropathie).
– Verschlechterung der diab. Stoffwechsellage.
– Häufig HWI. Cave: Pyelonephritis, Urosepsis.
– Disposition zur Gestose bzw. Pfropfgestose (▶ 5.8.1 und ▶ 5.8.2).
• K ind:
– Diabetische Embryopathie (4–10 %): 2- bis 3-mal häufiger als bei Nicht­
diabetikern, v. a. Fehlanlage der Beine, Herzfehler, Nierenfehlbildungen.
– Diabetische Fetopathie (40 %): Makrosomie, Retardierung funktioneller
Reifungsprozesse. Geburtsmechanische Probleme infolge der Makroso-
mie.
– Perinatale Mortalität (etwa 6 %): Plazentainsuff., intrauteriner Fruchttod
v. a. ab 34. SSW.
– Polyhydramnion (10 %) als Folge fetaler Polyurie.
– Atemnotsy. durch mangelnde Lungenreifung, postpartale Stoffwechsel-
5 probleme durch häufige Hypoglykämien, Polyzythämie, Hypokalzämie,
Hyperbilirubinämie.
Diagnostik  Screening ▶ 5.1.9.
• A namnese: familiär, Z. n. vorausgegangener Schwangerschaft mit „Riesen-
kind“, Z. n. Totgeburt oder fehlgebildetem Kind.
• B Z nüchtern. Ggf. OGTT (▶ 5.1.9).
• U S-Fetometrie, dicker Hautmantel mit Doppelkontur (▶ 21.2.4).
• D oppler-Sono (▶ 21.2.6) alle 2 Wo.
• A FP-Bestimmung in der 16. SSW (▶ 5.1.6).
• Insulin, C-Peptid im FW, Wertigkeit ist allerdings sehr umstritten.
Überwachung 
• D iät-Richtlinien ▶ 3.4, Schulung, bei Compliance BZ-Selbstkontrollen.
• O ptimale BZ-Einstellung (< 100 mg/dl) präkonzeptionell = keine erhöhte
Fehlbildungsrate.
• H bA1c alle 4 Wo.
• C TG-Kontrolle, ab 28. SSW wöchentl.
• F etometrie (▶ 21.2.3) ab 30. SSW 10-tägig.
• D oppler-Sono.
• U rin-Status alle 2 Wo.
• A ugenhintergrundkontrolle.
Therapie 
• F alls diätetisch (nicht unter 16 BE/d) nicht ausreichend einstellbar (BZ-Werte
> 100 mg/dl): Insulingabe, evtl. Insulinpumpentherapie. Ziel: Kapilläre Blut-
glukosewerte nüchtern und präprandial < 90 mg/dl, 1 h nach Beginn der
   5.9  Gestationsdiabetes (GDM)  173

Mahlzeit < 140 mg/dl und 2 h nach Beginn der Mahlzeit < 120 mg/dl. Bei In-
sulinther. präprandial > 60 mg/dl.
•  erzicht auf Süßstoff Cyclamat.
V

• K eine oralen Antidiabetika, da teratogen. Einnahme bis zur 10. SSW


stellt keine Ind. zur Interruptio dar.
• E rhöhter Insulinbedarf bei Inf. und „Stress“. Cave: postpartale B2-Sen-
kung → iatrogene Hypoglykämie.

Geburtshilfliches Management 
• B ei unkomplizierten Fällen und guter Diabeteseinstellung: Werte immer
< 120 mg/dl; ggf. Abwarten bis zum Termin, ggf. Geburtseinleitung (▶ 6.13)
in Terminnähe.
• B ei KO und unbefriedigender Einstellung: stationäre Aufnahme ab
32. SSW, ggf. vorzeitige Geburtsbeendigung (möglichst bei Lungenreife;
▶ 5.10.3). Evtl. Amniozentese → Lezithin und Insulin im FW (▶ 5.1.7). Cave:
Partusisten® und Glukokortikoide sind diabetogen.
• B ei geplanter Geburt:
– Am Vorabend normale Insulindosis, normale Mahlzeit.
– Um 8:00 Uhr halbe oder keine Insulindosis, Pat. kann trinken und i. d. R.
essen.
– Evtl. bis zur Geburt 10 % Glukose-Lsg. i. v. mit 80 ml/h (= 8 g Glukose/h).
– Insulinperfusor mit üblicher Gesamttagesdosis auf 24 h einstellen.
– BZ-Monitoring alle 2 h, angestrebte Werte 80–120 mg/dl. 5
– Bei BZ < 80 mg/dl Insulinperfusor um 0,5 IE/h reduzieren.
– Bei BZ > 120 mg/dl Insulinperfusor um 1 IE/h erhöhen.
• B ei geplanter Sectio caesarea:
– Am Vorabend normale Insulindosis, normale Mahlzeit.
– 30 Min. vor Sectio keine oder halbe übliche Insulindosis s. c.
– BZ-Monitoring alle 2 h, angestrebte Werte 80–120 mg/dl.
– Evtl. Insulinperfusor und Glukose i. v. wie bei Geburt.
• P ostpartal: Dosis am Insulinperfusor halbieren, i. v. Glukose und Insulinper-
fusor bis zur ersten Mahlzeit, bei Mahlzeit höchstens ½ der üblichen Insulin-
dosis.
• B ei Gestationsdiabetes: p. p. meist kein Insulin mehr nötig.
Neugeborenes 
• U nmittelbar p. p. BZ-Bestimmung.
• W enn keine weiteren Risikofaktoren (z. B. Makrosomie, SGA) vorliegen,
kann das Kind bei BZ > 40 mg/dl in der Geburtsklinik verbleiben.
• H äufige kleine Mahlzeiten und BZ-Kontrollen nach 2, 4, 8, 12, 24, 36 und
48 h.
• B ei Werten < 40 mg/dl Verlegung in eine neonatologische Intensiveinheit, da
Gefahr für Hypoglykämie, Atemnotsy., Hyperbilirubinämie, Störungen des
E’lyt- und Wasserhaushalts, innere Fehlbildungen, Herzvitien.
174 5  Schwangerschaft  

5.10  Vorzeitige Wehen, Zervixinsuffizienz


Joachim Steller

Symptome der drohenden Frühgeburt sind vorzeitige Wehentätigkeit, Zervix-


reifung und vorzeitiger Blasensprung vor der abgeschlossenen 37. SSW (▶ 6.7).

Ätiologie 
• M ütterliche Ursachen:
– Früh- und Fehlgeburten in der Vorgeschichte.
– Aufsteigende vag. Inf. und HWI.
– Körperliche und psychische Überforderung.
– Psychosomatische Störungen.
– Schlechte soziale und wirtschaftliche Bedingungen.
– Schwere Erkr. der Mutter, wenn ein Fortbestand der Schwangerschaft das
Leben der Mutter gefährden würde, z. B. HELLP-Sy.
– Rauchen, Alkohol- und Drogenmissbrauch.
– Endokrine Störungen.
– Z. n. Sterilitätsbehandlung.
• U rsachen seitens der Gebärmutter:
– Anatomische Beeinträchtigung der Zervix, z. B. nach Konisation.
– Anatomische Beeinträchtigung des Uterus, z. B. Myome.
– Uterine Blutungen, z. B. bei Placenta praevia oder bei vorzeitiger Lösung.
– Polyhydramnion.
5 – Z. n. mehreren Schwangerschaftsabbrüchen.
• K indliche Faktoren:
– Schwerwiegende intrauterine Mangelversorgung, fetaler Distress.
– Kindliche Fehlbildungen oder schwerwiegende Erkr. des Kindes.
– Mehrlingsschwangerschaft.
Kriterien für therapiebedürftige Uterusaktivität 
• K ontraktionsfrequenz > 6 Kontraktionen/h mit einer Dauer von etwa 30 Sek.
mit oder ohne Zervixwirksamkeit.
• P rogrediente Verkürzung oder Eröffnung der Zervix auch ohne Nachweis ei-
ner vorzeitigen Wehentätigkeit (ggf. sonogr. trichterförmige Eröffnung des
inneren MM).
Diagnostik 
• A namnese, s. o.
• S icherung des Gestationsalters (EGT, Frühultraschall), CTG (Wehen, fetaler
Zustand; ▶ 6.1.1).
• Z ervixlänge sonografisch (Normwert bis zur 36. SSW: 4,8 cm ± 1 cm) und
palpatorisch, Konsistenz der Zervix (weich, derb), MM-Weite (Bishop-Score,
▶ 5.17).
• F etometrie ▶ 21.2.4.
• E vtl. Doppler-Sono.
• Z ervixabstrich zum Ausschluss einer Inf. (▶ 13.2.4, ▶ 12.3), Vaginal-pH (al-
kal. Werte korrelieren nach Saling mit erhöhter FG-Rate).
• U rinstatus.
• Infektparameter (Leukozyten, CRP).
   5.10  Vorzeitige Wehen, Zervixinsuffizienz  175

Tab. 5.13  Mittelwerte der physiologischen Kontraktionsfrequenz in der


Schwangerschaft
Bis 26. SSW 2 Kontraktionen/h

26.–28. SSW 3 Kontraktionen/h

29. SSW 4 Kontraktionen/h

30.–32. SSW 5 Kontraktionen/h

33. SSW 4 Kontraktionen/h

34.–37. SSW 5 Kontraktionen/h

Therapie 
• B ettruhe, bei kindlicher Unreife Klinikeinweisung, Koitusverbot ggf. bis ab-
geschlossene 37. SSW.
• B ehandlung von mütterlichen Begleiterkr., z. B. HWI, Schilddrüsenfunktions-
störungen.
• L aktobazillus-Vaginal-Supp. (z. B. Vagiflor®) bei alkalischem Vaginal-pH.
• L okale Ther. (z. B. Sobelin® Vag-Creme) bei path. Vaginalabstrich.
• A ntibiose, z. B. mit Cefotaxim 3 × 2 g/d i. v. (Claforan®) bei V. a. Inf. des unte-
ren Eipols (pos. Infektparameter, path. Zervixabstrich). Inf. mit
β-hämolysierenden Strept. ▶ 9.6.1.
• T okolytika ▶ 5.10.1.
• R DS-Prophylaxe ▶ 5.10.3. 5
• G gf. Cerclage oder Cerclage-Pessar (▶ 5.10.2). Cave: Infektionsrisiko, Kolpitis.
• P rozedere bei vorzeitigem Blasensprung ▶ 6.7.

5.10.1  Tokolyse
Epidemiologie
Frühgeburten haben mit über 70 % einen großen Anteil an der perinatalen Sterblich-
keit sowie an der dadurch bedingten Schädigung des NG. Zahl der sehr kleinen oder
frühen Frühgeburten hat in den letzten Jahren zugenommen. Neben hoher Mortalität
besteht bei sehr frühen Frühgeburten das Risiko schwerwiegender Langzeitschäden.

Indikationen
• S pontane vorzeitige Wehentätigkeit zwischen der 24 + 0 und 34 + 0 SSW
(schmerzhafte, palpable, länger als 30 Sek. andauernde Kontraktionen, die
häufiger als 3 × pro 30 Min. auftreten).
•  erkürzung der funktionelle Zervixlänge (transvag. Messung).
V
•  M-Erweiterung.
M

Kontraindikationen
• Intrauterine Inf.
• N icht überlebensfähiger Fetus oder intrauteriner Fruchttod.
• M ütterliche oder kindliche Ind. zur Schwangerschaftsbeendigung.
• <  24. SSW: Vor 24 + 0 SSW ist medikamentöse Tokolyse i. d. R. nicht indi-
ziert. Individuelle Ausnahmen können bestehen.
176 5  Schwangerschaft  

• >  34 + 0 SSW: Nach 34 + 0 SSW frühgeburtsbedingte kindliche Morbidität


und Mortalität gering, daher medikamentöse Tokolyse aufgrund der NW für
die Mutter und des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses für den Fetus
meist nicht mehr indiziert. Individuelle Ausnahmen können bestehen.

Haupteffekt der Tokolyse (Betamimetika, Atosiban, Nifedipin, Indometacin)


ist die Verlängerung der Schwangerschaft um 2–7 Tage gegenüber Placebo,
ohne dass dies nach der bisherigen Datenlage Einfluss auf die perinatale Mor-
talität hat.

Durchführung
Verfügbare Substanzen  Zur Tokolyse eingesetzt werden v. a. Betamimetika, Oxy-
tocin-Rezeptorantagonisten, Kalziumantagonisten, Magnesium, Prostaglandin-
synthesehemmer und NO-Donatoren:
• In Deutschland sind Fenoterol (Partusisten®), Atosiban (Tractocile®) und Ma-
gnesiumsulfat zugelassen. Fenoterol ist nur in Deutschland zur Tokolyse zuge-
lassen.
• A tosiban wurde in Europa von der European Agency for the Evaluation of
Medical Products als Tokolytikum zugelassen.
• F ür Magnesiumsulfat fehlt ein eindeutiger Wirkungsnachweis in der Hem-
mung vorzeitiger Wehen und ist mit einer Erhöhung der kindlichen Mortali-
tät assoziiert, wenn sehr hohe Dosen angewendet wurden (Loading-Dose
4–6 g Magnesiumsulfat, Erhaltungsdosis 2–4 g/h über mehr als 24 h).
5 Für Nifedipin, NO-Donatoren und Indometacin wurde die Zulassung als Tokoly-
tikum weltweit von den Herstellern nicht beantragt. Nicht zugelassene Tokolytika
sollten nur nach ausführlicher Information der Pat. und Einholen des Einver-
ständnisses für die Anwendung außerhalb der Zulassung angewendet werden. Es
bleibt dabei dem einzelnen Arzt überlassen, das Medikament in eigener Verant-
wortung und mit dem Risiko der Haftung für entstehende Gesundheitsschäden
außerhalb des Anwendungsgebiets zu verwenden (Off-Label-Use!).
Substanzwahl 
• A tosiban, Betamimetika und Nifedipin sind äquieffektiv in der Hemmung
vorzeitiger Wehen.
• A tosiban ist die nebenwirkungsärmste Substanz. Nifedipin hat ebenfalls we-
nige NW, Fenoterol hat die meisten NW. Dennoch kann die Bolustokolyse
mit Fenoterol die Rate subjektiver NW senken.
• A tosiban ist teuer.
• N ifedipin ist für die Behandlung in der Schwangerschaft nicht zugelassen,
kann aber oral verabreicht werden, während Fenoterol und Atosiban parente-
ral verabreicht werden.

Die Gabe von Atosiban ist in folgenden Situationen sinnvoll:


• T herapieversagen auf Betamimetika.
• N icht tolerierte mütterliche NW unter Betamimetika.
• E rhöhtes Risiko eines Lungenödems (z. B. Präeklampsie, Herz-Lungen-
Nierenerkr. der Mutter, Mehrlingsschwangerschaft).
   5.10  Vorzeitige Wehen, Zervixinsuffizienz  177

Vorgehen 
• E s besteht derzeit keine Evidenz, dass eine Dauertokolyse effektiver ist als die
kurzfristige Tokolyse über 48 h. Dauertokolyse daher nur in Einzelfällen (z. B.
symptomatische Placenta praevia und frühes Schwangerschaftsalter).
• F ür orale Tokolyse mit Betamimetika und/oder Magnesium fehlt der Wir-
kungsnachweis.

• K eine Kombination von Tokolytika wegen der erhöhten NW.


• K eine routinemäßige Anwendung von Antibiotika bei erhaltener
Fruchtblase.

Zusätzliche Maßnahmen bei vorzeitiger Wehentätigkeit zwischen 24  +  0 und


34 + 0 SSW:
• In-utero-Verlegung in ein Perinatalzentrum.
• R DS-Prophylaxe mit Betamethason (2 × 12 mg i. m. im Abstand von 24 h).
Lungenreifeinduktion zwischen 24. und 34. SSW reduziert die perinatale
Morbidität und Mortalität signifikant.
• E ngmaschige fetale Überwachung mit Kardiotokografie und Ultraschall (Bio-
metrie und Doppler-Sono).

Tab. 5.14  Dosierungen der Tokolytika


Dosierung

5
®
Fenoterol (Partusisten ) I. v. über Perfusor/Infusomat: initial 2 μg/Min.; Steigerung
um 0,8 μg alle 20 Min. (4 μg/Min. maximal)
Perfusor-Bolustokolyse: Beginn: 3–5 μg alle 3 Min.

Atosiban (Tractocile®) I. v. über Perfusor/Infusomat


• 6,75 mg über 1 Min. (Bolus)
• 18 mg/h über 3 h = 300 μg/Min.
• 6 mg/h über 15–45 h = 100 μg/Min.
Nifedipin (Adalat®) Die optimale Dosis von Nifedipin zur Behandlung vorzei-
tiger Wehen wurde bisher nicht eindeutig definiert. Ge-
bräuchliche Dosierung:
• 10 mg p. o. alle 20 Min. mit bis zu 4 Dosen (Aufsätti-
gung), gefolgt von
• 20 mg p. o. alle 4–8 h. Alternativ nach der Aufsättigung
retardiertes Nifedipin (Nifedipin CR 30, 60) in 2 oder
3 Dosen mit Höchstdosis 150 mg/d

Magnesium I. v. über Perfusor/Infusomat:


• 4–6 g als Bolus über 15–30 Min.
• 1–2(–3) g/h
Indometacin (Indo-CT®) • Initial 50 mg p. o., dann 25 mg alle 4–6 h
• Rektal initial 100 mg, dann 25 mg p. o. alle 4–6 h (nicht
länger als 48 h, nur bis 32. SSW)

NO-Donatoren (Nitro- Die optimale Dosis von NO-Donatoren zur Behandlung


derm®) vorzeitiger Wehen wurde bisher nicht eindeutig defi-
niert. Bisher in Studien verwendete Dosierungen sind:
• 1–2 Pflaster mit 10 mg/d bis
• 1–2 Pflaster mit 50 mg/d
178 5  Schwangerschaft  

5.10.2  Cerclage
Definition  Zervixschlingung mit dem Ziel des op. Verschlusses des CK. Die Er-
folge einer prophylaktischen oder „therapeutischen“ Cerclage sind fraglich. Daher
strenge Ind.-Stellung.
• P rophylaktisch ab der 14.–16. SSW z. B. bei Mehrlingsgrav., Z. n. rezid. Spät­
aborten.
• Th
 erapeutisch max. bis 28. SSW bei drohender oder vorzeitiger MM-Eröff-
nung.
• E chte isthmozervikale Insuff. ist einzig akzeptierte Ind. der Cerclage (Häufig-
keit 1–2 %).
Voraussetzungen 
• B estimmung des Reinheitsgrades (max. II) ▶ 13.2.4.
• B akteriologischer CK-Abstrich (keine pathogenen Keime).
• S cheidendesinfektion (z. B. mit Octenisept® oder Fluomycin®N Vaginalsupp.).
• N eg. Infektlabor (CRP, Leukos).
• C erclage spätestens in der 36. SSW lösen, bei zervixwirksamer Wehentätigkeit
sofort.
• E vtl. antibiotische Behandlung über 8–10 Tage z. B. mit Amoxi-Clavulan® 3 ×
1,5 g/d i. v.
Durchführung 
• M cDonald: Legen einer Tabaksbeutelnaht mit nicht resorbierbarem Material
um die Zervix (▶ Abb. 5.7, re).
5 • S hirodkar: Durchziehen eines Kunststoffbandes von einer queren vorderen
und hinteren Kolpotomie aus, ggf. nach Abpräparation der Harnblase
(▶ Abb. 5.7, li).

Shirodkar McDonald

Abb. 5.7  Cerclage nach Shirodkar (li) und nach McDonald (re) [L157]

• T otaler Muttermundverschluss (TMMV): erstmals von Szendi beschrieben,


von Saling in modifizierter Form publiziert. Soll eine mechanische Barriere zur
Vermeidung einer aufsteigenden bakteriellen Inf. in das Cavum uteri bilden.
   5.10  Vorzeitige Wehen, Zervixinsuffizienz  179

– F rüher TMMV nach vollendeter 12. SSW und vor der 16. SSW bei belasteter
geburtshilflicher Anamnese, später TMMV jenseits der 16. SSW oder bei
schwerer Zervixinsuff. mit Eröffnung des CK und insb. Fruchtblasenprolaps.
– Nach Desepithelialisierung der Endozervix Verschluss des CK mit zwei
zirkulären resorbierbaren Endonähten. Querriegelverschluss auf dem Ni-
veau der Ektozervix mit vertikalen Einzelknopfnähten. Danach fortlau-
fende, MM-adaptierende und -abdichtende Naht der Zervixhaut.
•  erclage-Pessar nach Arabin: MMV durch konvex geformte Silikonschale
C
mit zentraler Öffnung. NW: häufige Kolpitis, vorzeitige Wehen.

Bei evtl. Sectio caesarea Lösen der Cerclage nicht vergessen.

5.10.3  Pränatale Lungenreifeförderung (RDS-Prophylaxe)


Definition  Medikamentöse Steigerung der intraalveolären Surfactantsynthese
bei drohender oder im Gang befindlicher Frühgeburt zwischen der 24. und abge-
schlossenen 34. SSW zur Vermeidung eines Respiratory-Distress-Sy. (RDS).
Voraussetzung  Die Verschiebung der Geburt ggf. mit Tokolytika muss möglich
und vertretbar sein.
Indikationen 
• D rohende Frühgeburt zwischen der 24. und abgeschlossenen 34. SSW.
• Erwartete fetale Unreife bei vorzeitigem Blasensprung und neg. Infektpara-
metern vor der abgeschlossenen 34. SSW. 5
• V orzeitige Geburtseinleitung aufgrund schwerer mütterlicher Erkr. wie EPH-
Gestose, Gestationsdiabetes u. Ä.
• V orzeitige Geburtseinleitung aufgrund anderweitiger Ind. bei nicht gegebe-
ner Lungenreife (▶ 5.1.7 zur Lecithinbestimmung).
• K I: schwere Inf., Ulcus duodeni, kürzliche OP am GIT.
Durchführung 
• B etamethason 2 × 12 mg i. m. im Abstand von 24 h (3 Amp. Celestan® solubi-
le 4 mg). Lungenreife etwa 12 h nach der 2. Gabe anzunehmen.
• D examethason 4 × 6 mg alle 12 h i. m. (z. B. Fortecortin®) alternativ in beson-
deren Fällen wie schwerer EPH-Gestose, Gestationsdiab. (bessere Steuerbar-
keit).
Monitoring 
• U nter gleichzeitiger tokolytischer Behandlung in jedem Fall intensive Über-
wachung der Pat. mit Ein- und Ausfuhrkontrolle, RR-, Puls- und E’lyt-Kont-
rolle, regelmäßige Auskultation der Lunge (cave: Lungenödem).
• A naloge Überwachung bei bestehender EPH-Gestose, bei Gestationsdiab.
engmaschigere Kontrollen des BZ-Spiegels, ggf. mit Anpassung der Insulin-
dosierung.

Bei vorzeitigem Blasensprung 12  h, spätestens jedoch 18  h nach Blasen-


sprung Einleitung einer Antibiose (▶ 6.7). 4- bis 6-stdl. Kontrolle der Infekt-
parameter (Leuko, CRP), regelmäßige Temperaturkontrollen und CTG-
Kontrollen.
180 5  Schwangerschaft  

5.11  Mehrlingsgravidität
Joachim Steller

5.11.1  Besonderheiten von Zwillingsschwangerschaften


Epidemiologie 
• H äufigkeit der spontanen Mehrlingsschwangerschaften: Gemini 1 : 85, Dril-
linge 1 : 852 (= 1 : 7.225) Vierlinge 1 : 853 (= 1 : 614.125; Hellin-Regel).
• S tarke Zunahme der Mehrlingsschwangerschaften aufgrund der reprodukti-
onsmedizinischen Möglichkeiten und des hohen Alters der Schwangeren seit
1990.
• 1⁄3 aller Gemini sind eineiig (monozygot), 2⁄3 sind zweieiig (dizygot).
Einteilung der monozygoten Geminigraviditäten 
• D ichoriale – diamniale Gemini (Häufigkeit: ca. 80 %): völlig getrennte oder
am Rande verschmolzene Plazenten, Trennmembran aus Amnion – Chorion –
Chorion – Amnion. Im Ultraschall sog. Lambda-Zeichen oder Twin Peak Sign
(Ultraschallstruktur am Ursprung der Trennmembran durch das Vorhanden-
sein von Choriongewebe zwischen den beiden Amnionhöhlen; ▶ Abb. 5.8).
• M onochoriale – diamniale Gemini (Häufigkeit ca. 20 %): Teilung im frühen
Blastozystenstadium mit Spaltung der inneren Zellanteile (Embryoblast). Ge-
meinsame Plazenten, Trennmembran aus Amnion – Amnion.
• M onochorial-monoamniote Gemini (Häufigkeit ca. 1 %): Zwillinge teilen
sich eine Plazenta und eine Fruchthöhle, sodass zwischen ihnen keine Trenn-
5 wand besteht.
• M onochorial-monoamniote siamesische Gemini (Kranio-, Pygo- oder
Thorakopagus; Häufigkeit 0,3–0,5 %). Durch unvollständige Teilung des
Embryoblasten sind die Kinder an ein oder mehreren Körperteilen zusam-
mengewachsen. Die Zwillinge teilen sich eine Plazenta und eine Frucht-
höhle.

• D
 izygote Zwillinge sind immer dichorial – diamnial (zwei befruchtete
Eizellen, gleich- oder verschiedengeschlechtlich, genetisch immer unter-
schiedlich).
•  onozygote Zwillinge können diese Plazentation aufweisen, wenn die
M
Teilung bis zum Erreichen des Morulastadiums erfolgt ist. Die Kinder
sind dann gleichgeschlechtlich und genetisch identisch.

Diagnostik 
• U terus größer, als es dem Schwangerschaftsalter entspricht (▶ Abb. 5.1).
• B auchumfang am Geburtstermin > 100 cm.
• F ühlen von vielen kleinen Teilen (▶ Abb. 5.2).
• S onografischer Nachweis mehrerer Feten (▶ 21.2).
! D D: großes Kind (z. B. diabetische Mutter), Polyhydramnion, hochstehender
Fundus bei engem Becken oder Placenta praevia.
Komplikationen  Infolge der mechanischen und funktionellen Mehrbelastung
kommt es bei Mehrlingsschwangeren in sehr viel höherem Maße zu Schwanger-
schaftsbeschwerden und -KO:
   5.11  Mehrlingsgravidität  181

• S chwangerschaftsdauer bei zunehmendem Grad der Mehrlinge verkürzt (vor-


zeitige Wehen, Zervixinsuff., Frühgeburtlichkeit) ▶ 5.9.
• D
 yspnoeneigung infolge von Zwerchfellhochstand.
• H
 äufiger Hyperemesis gravidarum, SIH, Varizen- und Ödembildung, IUGR.

λ
a b

Abb. 5.8  Plazentationstypen [L157]


a) Dichorial-diamnial
b) Monochorial-diamnial, λ oder Twin Peak Sign
c) Monochorial-monoamnial

Betreuung und Therapie 


• H äufige Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen: bis zur 28. SSW 2-wö-
chentl., anschließend wöchentl.
• P rophylaktische Vit.- und Eisensubstitution.
• C TG ab 28. SSW wöchentl.
• A b 28. SSW Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
• B is zur 14. SSW sonografische Unterscheidung monochorialer von dichoria-
len Zwillingen möglich.
• R egelmäßige Sonokontrollen zur frühzeitigen Erkennung einer Wachstums-
retardierung oder eines fetofetalen Transfusionssy.
• F rühzeitige Ther. bei vorzeitiger Wehentätigkeit (▶ 5.10.3).
• B ei > 2 Feten prophylaktische Cerclage in der 14.–16. SSW (▶ 5.10.2).
• S onografische Abklärung der Lagebeziehung der Feten ante partum.
• B esonderheiten unter der Geburt ▶ 6.12.1.
182 5  Schwangerschaft  

5.11.2  Fetofetales Transfusionssyndrom


Häufigkeit  1–2 % aller Mehrlingsschwangerschaften.
Klinik  Voraussetzung ist Monochorionizität der Zwillinge. Über plazentare Ge-
fäßanastomosen wird Blut von einem Zwilling (Donor) zum anderen (Rezipient)
transfundiert.
• F olgen beim Donor: aufgrund des Blutverlusts und der daraus resultieren-
den Anämie Wachstumsverzögerung mit Oligo- und Anhydramnie. In
schweren Fällen ist der Donor fest in die Eihaut eingeschlossen („stuck
twin“).
• F olgen beim Rezipienten: aufgrund der Übertransfusion Polyzythämie mit
Erhöhung von intravasalem Volumen, glomerulärem Filtrationsdruck und
Urinproduktion. Es resultieren ein Polyhydramnion sowie eine Herzinsuff.
mit Ausbildung eines Hydrops fetalis.
Diagnostik 
• M onochorionizität im Frühultraschall der 11.–14. SSW (Lambda-Zeichen
nicht vorhanden, ▶ Abb. 5.8).
• D iskonkordantes Zwillingswachstum > 15 %.
• P oly-/Oligohydramniesequenz.
• P lazenta mit unterschiedlichen Echogenitäten – Plazentaanteil des Rezipien-
ten hydropisch.
• H äufig Insertio velamentosa.
• D oppler: evtl. unterschiedliche Flussindizes, evtl. Nachweis der Gefäßanasto-
mosen im Farbdoppler (▶ 21.2.6).
5 • F etale Nackentransparenz in der 11.–14. SSW auch bei Mehrlingen bester
Marker für chromosomale Erkr., Diskrepanz der Nackentransparenz ist frü-
hes Zeichen eines fetofetalen Transfusionssy.
Prognose  Letalität nahezu 100 %. Unter Ther. versterben 50–70 % der Feten und
NG. Ursachen des intrauterinen Fruchttods (IUFT) sind Herzinsuff., Hypoxie
und Nabelschnurkompressionen. Donor und Rezipient sind gleichermaßen be-
troffen. Für den überlebenden Zwilling besteht die Möglichkeit der Erholung –
daneben ist eine hypotensive Ischämie mit Leber- und Hirninfarkten oder eine
Transfusion von thromboplastischen Proteinen und Toxinen mit Gerinnungsstö-
rungen und toxischer Schädigung des Fetus beschrieben. Weitere KO sind vorzei-
tige Wehentätigkeit und vorzeitiger Blasensprung.
Therapieansätze 
• W iederholte Amniozentese zur intrauterinen Druckverminderung.
• T ransplazentare Digoxinther.: Durch Digitalisierung der Schwangeren, im
oberen ther. Bereich dosiert, soll eine Herzinsuff. beim Rezipienten vermin-
dert werden.
• S elektiver Fetozid ist umstritten.
• B ettruhe, Tokolyse, Lungenreifeinduktion.
• L aserkoagulation der Gefäßanastomosen: einzige kausale Therapiemöglich-
keit. Letalität etwa 30 % (z. B. MH Hannover, Universitäts-Frauenklinik Mar-
burg, AKH Hamburg-Barmbek).
   5.12  Intrauterine Wachstumsretardierung (IUGR)  183

5.11.3  Fighting-Twin-Syndrom (FTS)

Differenzialdiagn. schwer abgrenzbares Konfliktsy. zwischen Gemini mit


mütterlichen Manifestationen an Uterus und Blasenwand.

Klinik  Besonders bei zweieiigen männlichen Zwillingen (→ Genetik!). Ab 2. Tri-


menon leidet die Schwangere v. a. nachts unter boxkampfartigen intrauterinen
Ruhestörungen. KO: vorzeitige Kontraktionsneigung, Urge-Inkontinenz-Be-
schwerden (▶ 12.2.1).
Diagnostik 
• S ono: meist beide Feten in BEL
und in Oppositionsstellung zuein-
ander. Beide zeigen hypodense
Strukturen an distalen Unterarm­
enden (▶ Abb. 5.9), gelegentlich
auch Os-nasale-Frakturen.
• L abor: nach „fighting event“ müt-
terlicher Katecholaminspiegel
stark erhöht (im 24-h-Urin An-
stieg > 600 nmol/d).
• C TG: ante partum sowie praktisch
immer während Eröffnungsphase
Spontan-DIP ohne äußerliche Ur-
sache (cave: Fehlinterpretation als
5
fetale Hypoxie ▶ 6.1.1, ▶ 6.10). Abb. 5.9  Fighting-Twin-Syndrom [L157]
Vorgehen 
• K urzes Glockenläuten innerhalb
von 20 Sek. sowie geduldiges Auszählen mit ruhiger, fester Stimme bis 10.
• R asche Zufuhr eines Sedativums erwägen, z. B. 0,3–0,5 l Hefeweizen p. o. soll
gegenüber echten Psychopharmaka genauso effektiv, aber NW-ärmer sein.
• A utogenes Training für den Vater mit dem Ziel der Beruhigung der Partner-
beziehung. Dadurch entspannende Langzeitwirkung auf uterine Konfliktsitu-
ation.
• K leine fetale Psychother. nur in wenigen Zentren möglich, vorher Kosten-
übernahme klären.
Prognose  Gutartig, in 90 % lebhafte Perinatal- und Kindheitsperiode, jedoch ge-
häuft mütterliche Erschöpfungszustände.

5.12  Intrauterine Wachstumsretardierung (IUGR)


Joachim Steller
Definition  Reduziertes fetales Wachstum durch Unterschreitung der 10.  Per-
zentile. Häufigkeit: 3–5 % aller Geburten. Perinatale Mortalität in der Schwanger-
schaft sowie in der NG-Periode um den Faktor 2–3 erhöht. Kurz- und Langzeit-
morbidität von Feten mit IUGR signifikant erhöht, insb. bei Manifestation in
früher Schwangerschaft.
184 5  Schwangerschaft  

Ursachen  Inf., chromosomale Störungen, Drogen, Stoffwechselerkr. führen


durch Störung des fetalen Wachstums in der frühen Schwangerschaft eher zur
symmetrischen Wachstumsretardierung, Störungen im maternalen System und
unzureichende Ernährung werden häufiger in der späteren Schwangerschaft (28.–
30. SSW) wirksam (asymmetrische Retardierung).
• F etale Ursachen:
– E  ndogen: chromosomale Aberrationen (Trisomie 13, 18, 21, Turner-Sy.),
Fehlbildungen (Achondroplasie, Potter-Sy., Anenzephalus), Stoffwechsel-
defekte, Sichelzellanämie.
– E  xogen: intrauterine Inf. wie Toxoplasmose, Röteln, Herpes, Zytomegalie,
Strahlenexposition.
• U teroplazentare Insuffizienz:
– P  räplazentar: Sauerstoffmangel (Höhenexposition), Hyperthermie, Mangel­
ernährung, toxische Einflüsse (Nikotin, Alkohol, Drogen, Medikamente).
– M  aternal: Anämie, Hypertonie/Präeklampsie, chron. Nierenerkr., Diab.
mell., systemischer Lupus erythematodes, zyanotische Herzvitien.
– P  lazentar: Placenta praevia, Chromosomenmosaik, gestörte Plazentation
(mit oder ohne Uteruspathologie), multiple Infarkte, Mehrlingsschwan-
gerschaft.
Klinik  Mangelnde Größenzunahme des Uterus. Fundusstand und Bauchum-
fang kleiner als der SSW entsprechend, mangelhafte Gewichtszunahme der Mut-
ter.
Diagnostik  Fetometrie: Kopf-Thorax-Diskrepanz spricht für eine Wachstums-
5 retardierung gegen Ende der Schwangerschaft. Bei symmetrischer Wachstumsre-
tardierung Beginn der Mangelentwicklung etwa in Schwangerschaftsmitte
(Normkurven für den fetalen Wachstumsverlauf ▶ Abb. 21.6).
• D oppler-Sono: Brain Sparing der A. cerebri media, RI-Anstieg in den Nabel-
arterien. Der diastolische Flussverlust bzw. die Flussumkehr ist von besonde-
rer Bedeutung für die Beurteilung einer fetalen Gefährdung.
• S onografische Bestimmung der FW-Menge.
• B estimmung des Plazentagradings.
• K ontrolle der Atem-, Körper- und Extremitätenbewegungen.
• C TG.
• N on-Stresstest.
• E vtl. Stresstest (cave: erst in Terminnähe zur Evaluierung der Möglichkeit ei-
ner Spontangeburt).
• E vtl. Amniozentese zur chromosomalen Diagn. (cave: strenge Ind., da ohne
ther. Konsequenz), ggf. Chordozentese zur Infektionsserologie.
Therapie 
• V ermeidung schädigender Faktoren (Nikotin, Alkohol etc.).
• Th
 er. ursächlicher Erkr. (Stoffwechselerkr., SIH etc.).
• V erordnung von Schonung und Bettruhe zur Verbesserung der plazentaren
Durchblutung.
• E vtl. Tokolytika (▶ 5.10.1) zur Uterusrelaxation.
• Intensivüberwachung des Fetus (s. o.).
• R DS-Prophylaxe zwischen 24.–34. SSW.
• B islang keine Beweise für die Wirksamkeit von Vasodilatatoren, Hämodiluti-
on oder niedrig dosierter ASS.
   5.13  Infektionen in graviditate  185

• B eendigung der Schwangerschaft bei Zeichen einer Hypoxie oder Minderver-


sorgung des Fetus. Großzügige Ind.-Stellung zur Sectio caesarea.
• E vtl. intrauterine Verlegung in neonatologisches Zentrum.
• E vtl. Gabe von niedermolekularen Heparinen bei Faktor-V-Leiden-Mutation,
Antithrombin-, Protein-C- und -S-Mangel sowie Antiphospholipid-Sy.

5.13  Infektionen in graviditate


Gisela Enders
Seit der ursprünglichen Einführung des amerikanischen Begriffs ToRCH (Toxo-
plasma gondii, Rubellavirus, CMV, HSV) ist eine Vielzahl von Viren und anderen
Mikroorganismen mit dem Risiko kongenitaler, peri- und frühpostnataler Inf. in
Zusammenhang gebracht worden. Deshalb wurde dieser Begriff 1990 zu STORCH
erweitert. Dabei kamen mit S die Syphilis und mit O für „Other infectious orga-
nisms“ die Erreger von Varicella-Zoster, Masern, Mumps, Lymphochoriomenin-
gitis, Influenza A, Gonorrhö, Tuberkulose sowie Enterovirus-, Chlamydien- und
B-Strept.-Inf. hinzu. Der Buchstabe H repräsentiert nun nicht nur HSV, sondern
auch die Hepatitis-B- und -C-Viren, HIV, HPV und das humane Parvovirus B19.
Die Bedeutung der einzelnen Inf. für die Schwangere, den Feten und das NG bzw.
Kind muss im Hinblick auf eine Veränderung der Epidemiologie, der Präventi-
onsmöglichkeiten (z. B. Impfung) oder der Neuentdeckung von schwanger-
schaftsrelevanten Auswirkungen altbekannter oder neuer Erreger von Zeit zu Zeit
neu analysiert werden. Außerdem haben sich bei Inf. wie z. B. Masern, Mumps
und Borrelien die vermuteten Folgen für das Kind nicht bestätigt. 5
In ▶ Tab. 5.15 und ▶ Tab. 5.16 sind die heute in unseren Breiten wichtigsten prä-
natal (kongenital), perinatal oder frühpostnatal erworbenen Inf. mit bewiesenen
bzw. mit nicht bewiesenen Folgen für Mutter, Fetus und Kind aufgeführt.

Tab. 5.15  Infektionen in der Schwangerschaft mit bewiesenen Folgen für


Mutter, Fetus und Kind
Erreger Risiko für klinische Folgen bei den mögli­ Mütterliche, fetale
chen Übertragungswegen Mutter ➔ Kind und kindliche
(Hauptrisiko: +, geringes Risiko [+]) ­Folgen

Pränatal Perinatal Frühpostnatal

Viren

Rötelnvirus1 (Mu- + Rötelnembryopathie


Vo) (RE)

Zytomegalievirus1 + (+) (+) CMV-bedingte Schä-


(CMV) digung (CID), Spät-
manifestationen

Varicella-Zoster- + + (+) Maternale VZV-


Virus1 (VZV) Pneumonie, konge-
nitales VZV-Sy.,
(CVS), schwere neo-
natale VZV
186 5  Schwangerschaft  

Tab. 5.15  Infektionen in der Schwangerschaft mit bewiesenen Folgen für


Mutter, Fetus und Kind (Forts.)
Erreger Risiko für klinische Folgen bei den mögli­ Mütterliche, fetale
chen Übertragungswegen Mutter ➔ Kind und kindliche
(Hauptrisiko: +, geringes Risiko [+]) ­Folgen

Pränatal Perinatal Frühpostnatal

Viren

Herpes-simplex- (+) + (+) Herpes neonatorum


Virus1 (HSV)

Parvovirus B191 + Hydrops fetalis,


(Ringelröteln) ­Abort, IUF

HIV1 (MuVo) + (+) Chron. Infekt → AIDS

Hepatitis-A-Virus (+) nur selten NG-Inf.

Hepatitis-B-Virus1 + (+) Chron. Infekt →


(MuVo) ­Leber-Ca
Hepatitis-C-Virus

Hepatitis-E3-Virus + Maternal fulminan-


ter Verlauf, Abort,
IUF

Enteroviren (Cox- (+) + (+) Sepsis, Myokarditis,


5 sackie-/Echovirus) Enzephalitis

Lymphochorio- + Abort, IUF, neonata-


meningitis-Virus2 ler Tod, Hydrozepha-
(LCMV) lus, Chorioretinitis

Humane Papillo- + Larynxpapillom


maviren (HPV;
▶ 5.13.18, ▶ 11.3.3)
Protozoen/Bakterien

Toxoplasma gon- + Konnatale Toxoplas-


dii1 mose → Chorioretini-
tis, ZNS-Schäden

Treponema palli- + (+) Abort, Totgeburt,


dum1 (Syphilis, Frühgeburt, Lues
Lues) (MuVo) connata

Listeria monocy- + + + Abort, Totgeburt,


togenes1 (Liste- konnatale Listeriose
riose)

Neisseria gonor- + Konjunktivitis


rhoeae1 (Tripper;
▶ 11.3.6)
B-Streptokokken1 + Sepsis, Letalität
(▶ 9.6.1) ~60 %, Abort, Tot-
geburt
   5.13  Infektionen in graviditate  187

Tab. 5.15  Infektionen in der Schwangerschaft mit bewiesenen Folgen für


Mutter, Fetus und Kind (Forts.)
Erreger Risiko für klinische Folgen bei den mögli­ Mütterliche, fetale
chen Übertragungswegen Mutter ➔ Kind und kindliche
(Hauptrisiko: +, geringes Risiko [+]) ­Folgen

Pränatal Perinatal Frühpostnatal

Protozoen/Bakterien

Chlamydia tracho- + Abort? Frühgeburt?


matis1 (MuVo) Konjunktivitis, Pneu-
monie

Coxiella burnetii (+) + + Abort, Frühgeburt,


(Q-Fieber) SGA
1
 wichtigste Erreger; 2  seltene Inf.; 3  in Südostasien; (MuVo) Screening im Rahmen
der obligatorischen Mutterschaftsvorsorge

Tab. 5.16  Infektionen in der Schwangerschaft mit nicht bewiesenen Folgen


für Mutter, Fetus und Kind
Erreger Fragliches Risiko für klinische Folgen bei den Mütterliche, fetale
möglichen Übertragungswegen Mutter ➔ Kind und kindliche Fol­
(Hauptrisiko: +, geringes Risiko [+]) gen

Pränatal Perinatal Frühpostnatal


5
Bakterien

Borrelia (+) Kindliche Anomali-


burgdorferi en, z. B. am Herzen,
in neueren pros-
pektiven Studien
nicht bewiesen

Ureaplasma (+) (+) Pneumonien, bron-


urealyticum, chopulmonale Dys-
Mycoplasma plasien und Menin-
hominis gitiden beschrieben

Die einzelnen Inf. werden entsprechend ihrer Reihenfolge in den Tabellen abge-
handelt. Die an anderer Stelle des Leitfadens beschriebenen Inf. sind durch Quer-
verweise gekennzeichnet.

5.13.1  Röteln (Rubella)


Erreger ist das Rötelnvirus, einziger Vertreter des Genus Rubivirus (Familie der
Togaviren).

Epidemiologie
Von allen Inf. in der Schwangerschaft sind die Röteln wegen ihrer hohen Fehlbil-
dungsrate (Rötelnembryopathie, RE) am meisten gefürchtet. Die gegen Röteln
188 5  Schwangerschaft  

ergriffenen Maßnahmen (verschiedene Impfstrategien seit 1969, generelle Kin-


derimpfung seit 1980, verbesserte Labordiagn. und obligatorische Mutterschafts-
vorsorge seit 1971) haben in Deutschland (D) den Rückgang akuter Röteln in der
Schwangerschaft und damit den Rückgang der RE auf <  1  Fall pro 100.000 Le-
bendgeburten bewirkt.
Ziel der WHO bis 2015 in Europa: Elimination der postnatalen Röteln und Ma-
sern sowie Reduktion von RE auf < 1 Fall pro 100.000 Lebendgeburten. Allerdings
sind Durchimpfungsraten bei Kindern und Jugendlichen in D noch nicht ausrei-
chend. Die Seronegativrate bei Schwangeren (Alter 15–40 J.) beträgt in D durch-
schnittlich ca. 2–3 %, liegt aber bei den jungen Schwangeren (Alter 15–20 J.) bei
ca. 9 % und bei 17- bis 30-jährigen Männern bei ca. 13 % (Erhebung Labor Prof.
Enders, Stuttgart, 1996–2011).

Infektionsrisiko in der Schwangerschaft


• A nsteckung durch Tröpfcheninf.
• IKZ: 14–21 Tage.
• K ontagiositätsindex < 40 %, Ansteckungsrisiko bei familiärem Kontakt am
höchsten.
• D iaplazentare Übertragung auf den Fetus.
• R E-Risiko ist abhängig vom Gestationsalter bei mütterlicher Primärinf. mit
Hauptrisiko in Frühschwangerschaft (▶ Tab. 5.17). Cave: Nicht jede fetale
Rötelninf. führt zu RE, fetale Infektionsraten höher als RE-Raten.
•  einf. treten i. Allg. nur bei früher Geimpften auf; sind aber wegen geringer
R
Wildviruszirkulation heute extrem selten. Bei Reinf. in der Frühschwanger-
5 schaft besteht nur ein sehr geringes RE-Risiko.

Tab. 5.17  Rötelnembryopathie-Risiko bei symptomatischen mütterlichen Rö­


teln in der Schwangerschaft
Präkonzeptionell Bis 11. SSW 11. bis 17. SSW > 17. SSW
bis 10 Tage nach
letzter Regel

~ 3,5 % 65–25 % 20–8 % ~3,5 %

Kein erhöhtes Hauptrisiko klassisches Meist isolierte D. h. kein erhöhtes


Fehlbildungsrisiko und erweitertes Rötelnsy. Hördefekte Fehlbildungsrisiko

Klinik
Schwangere  Die Rötelninf. verläuft bei Kindern zu 50 %, bei Jugendlichen und
Erw. zu 20–30 % uncharakteristisch ohne das rötelntypische Exanthem. Arthralgi-
en und rheumatische Beschwerden treten vorwiegend bei 35–60 % der jungen
Frauen auf.
Fetus  Sonografische Marker aufgrund des meist frühen Schwangerschaftsab-
bruchs nicht dokumentiert.
Neugeborenes 
• K onnatale Rötelninf. mit Voll-/Teilsymptomatik der RE (Rötelnsy.) oder
asymptomatisch.
• G esamtletalität: 13–25 % bei Vollbild der RE.
   5.13  Infektionen in graviditate  189

• K lassische Trias des Rötelnsy. (Gregg-Sy.): Organfehlbildungen an Auge (Ka-


tarakt), Ohr (Innenohrschwerhörigkeit, Taubheit) und Herz (meist offener
Ductus Botalli).
• E rweitertes Rötelnsy.: z. B. Dystrophie, Mikrozephalie, statomotorische und
geistige Retardierung, Hepatosplenomegalie mit Ikterus, Anämie, Exanthem,
Myokarditis, Pneumonie, Thrombozytopenie, geringes Geburtsgewicht, En-
zephalitis, Hepatitis, Knochenveränderungen.
Kind 
• L ate-Onset-Rötelnsy.: Beginn im 4.–8. Lm, interstitielle Pneumonie, Menin-
goenzephalitis, chron. Gastroenteritis, Rötelnexanthem, Vaskulitis.
• S pätmanifestationen (Jugend): Diab. mell., progressive Panenzephalitis, Hör-
schäden, Krampfleiden.

Diagnostik
Schwangere  Seit 1971 obligater Bestandteil der Mutterschaftsrichtlinien. Ände-
rung 8/2011: Bei Nachweis von 2 dokumentierten Röteln-Impfungen wird Immu-
nität angenommen, d. h. keine Röteln-Ak-Bestimmung erforderlich.
• S erologie (falls keine oder nur 1 Impfung dokumentiert ist): Hämagglutinati-
onshemmtest (HAH) oder seit 08/2011 auch andere Testmethoden wie z. B.
IgG-Immunassays zur Bestimmung der Immunitätslage; Vorgabe eines
Grenzwerts für Immunität (früher HAH ≥ 1 : 32) ist weggefallen; Interpreta-
tion damit abhängig von Testhersteller/Labor; z. B.:
– HAH-Titer < 1 : 8 und/oder IgG-Ak < 10 IE/ml = keine Immunität; → Ak-
Kontrolle bis zur 20. SSW sinnvoll.
– HAH-Titer 1 : 8 = Immunität fraglich; bei pos. IgG-Test (z. B. ELISA) und
5
Nachweis von moderatem/hohem IgG-Aviditätsindex ist Immunität an-
zunehmen.
– HAH-Titer 1 : 16 = Immunität ist anzunehmen bei Bestätigung durch
IgG-Test (z. B. ELISA).
– HAH-Titer ≥ 1 : 32 und/oder IgG-Ak > 10 IE/ml bzw. ≥ 15 IE/ml (je nach
Testhersteller) = Immunität ist anzunehmen, falls kein Hinweis auf kürz-
lichen Rötelnkontakt oder rötelnverdächtige Symptome.
Bei V. a. akute Inf. (rötelnverdächtige Symptome oder Kontakt) HAH, IgG- und
IgM-Ak-Teste und ggf. Zusatzteste durchführen, Nachweis einer Primärinf.
durch Serokonversion bzw. signifikanten HAH-Titer/IgG-Ak-Anstieg und hohe
IgM-Werte 1–2  Wo. nach Infektionsbeginn. IgM-Ak persistieren i. d. R. etwa
6–8 Wo. in mittleren Werten.

Lange persistierende IgM-Ak sind bei 2–3 % der gesunden Schwangeren oft
mehrere Jahre nach früherer Inf. oder Impfung nachweisbar, deshalb pos.
IgM-Befunde durch Zusatzteste abklären.

• Z usatzteste:
– E ingrenzung des Infektionszeitpunkts in der Frühschwangerschaft mit
IgG-Aviditäts- (Aviditätsindex AI) und IgG-Immunoblot-Test (E2-
Bande):
– Hoher AI mit Nachweis der E2-Bande schließt kürzliche Primärinf. (in
den letzten 3 Mon.) mit hoher Wahrscheinlichkeit aus.
190 5  Schwangerschaft  

– N  iedriger AI und Fehlen der E2-Bande spricht für kürzliche Primärinf.


(in den letzten 3 Mon.) oder auch für kürzliche Impfung!
• E rregernachweis: heute Rötelnvirus-RNA-Nachweis mittels RT-PCR (Rever-
se Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion); Einsatz vorrangig in der Prä-
natal- und NG-Diagn.
Pränatale Diagnostik 
• U ltraschallbefund trägt kaum zur Erkennung pränataler Inf. bei, da bei be-
wiesenen akuten Röteln ein Schwangerschaftsabbruch meist vor der 20. SSW
erfolgt.
• I nvasive pränatale Diagnostik:
– Ind.: akute Röteln. (1.–11.) 12.–17. SSW, selten bei Reinf. bis 12. SSW
oder wenn Ursache von pos. IgM nicht abklärbar.
– Methode: Nachweis von RV-RNA in FW und Fetalblut mittels PCR bzw.
IgM-Ak im Fetalblut ≥ 21. SSW bzw. ≥ 23. SSW.
Neugeborenes  Nachweis der kongenitalen Inf. mit und ohne RE-Symptomatik
durch HAH und IgM-Ak-Bestimmung im Nabelschnurblut oder kindlichen Blut.
IgM-Ak pos. in > 95 % bei RE und auch bei intrauterin infizierten NG ohne Sym-
ptome bis 1.–4. Lm. Die IgM-Ak-Befunde werden unterstützt durch den Nach-
weis von RV-RNA mit der PCR im Urin und RA-Sekret bis ~6. Lm v. a. bei Fällen
mit RE.
Bei RE sind persistierende IgG-Ak langfristig in niedrigen Titern nachweisbar;
wegen der im 12.  Lm erfolgten Masern-Mumps-Röteln-(MMR-)Impfung sind
diese von den durch die Impfung gebildeten Ak nicht mehr unterscheidbar.
5
Therapie
Keine spez. Ther. vorhanden. Bei akuten Röteln vor der 11. SSW (sehr hohes RE-
Risiko!) steht Schwangerschaftsabbruch zur Diskussion.

Prophylaxe
• E xpositionsprophylaxe kaum möglich.
• P assive Prophylaxe: Röteln-Ig-Gabe bei Kontakt nicht mehr empfohlen,
hochtitriges Röteln-Ig nicht mehr verfügbar und Nutzen außerdem nie erwie-
sen.
•  ktive Prophylaxe: generelle Kinderimpfung 2 × mit MMR oder MMR-Vari-
A
zellen; im gebärfähigen Alter: ungeimpfte Frauen oder Frauen mit unklarem
Impfstatus 2 ×, einmal geimpfte Frauen 1 × impfen, bei entsprechender Ind.
mit MMR. Beachte: Niedrige Titer können durch weitere Impfungen gegen
Röteln nicht geboostert werden.
•  ötelnimpfung in Schwangerschaft: wegen theoretischen RE-Risikos Röteln-
R
impfung innerhalb von 4 Wo. vor und in Schwangerschaft vermeiden, bei
versehentlicher Impfung in diesem Zeitraum keine Ind. für pränatale Diagn.
oder Schwangerschaftsabbruch; bisher kein RE-Fall nachgewiesen; Risiko ca.
2–4 % für fetale Inf., aber ohne RE-Symptomatik bei Geburt.
•  mpfehlung: Beschäftigungsverbot von seroneg. schwangeren Angestellten
E
v. a. in der vorschulischen Kinderbetreuung bis zur 20. SSW (in NRW und
Niedersachsen auch für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen mit Kindern bis
18 J.).
   5.13  Infektionen in graviditate  191

Meldepflicht
Konnatale Röteln (RE und asymptomatische infizierte NG; nichtnamentlich;
direkter oder indirekter Nachweis); Dunkelziffer vorhanden, da z. B. Hörde-
fekte oft lange unbemerkt bleiben; voraussichtlich 2012 Einführung einer
bundesweiten Meldepflicht für postnatale Röteln. ▶ 1.10.1.

Verbleibende Probleme
• M MR-Durchimpfungsraten für die 2. Impfung (15–23. Lm) noch nicht
optimal.
• F rage der langfristigen Immunität bei niedrigen Röteln-Ak-Werten und
rückläufiger Wildviruszirkulation.
• R isiko akute Röteln/RE-Fälle durch importierte mütterliche Röteln und
für Infektketten bei Impfverweigerern.

5.13.2  Zytomegalie
Erreger ist das Zytomegalievirus (CMV), ein β-Herpesvirus.

Epidemiologie
Häufigste kongenitale Inf. mit kindlicher Schädigung bei Geburt und später. Welt-
weit sind 0,2–2 % aller NG mit dem Virus infiziert (in Deutschland ca. 0,2 %) und
etwa 13 % sind bei Geburt symptomatisch (CID-Sy.: Congenital Inclusion Disease).
Die CMV-Seronegativrate im gebärfähigen Alter beträgt in Deutschland ca. 57 %, 5
jährlich infizieren sich ca. 1,1 % der seroneg. Schwangeren erstmals mit CMV.

Infektionsrisiko in der Schwangerschaft


• A
 nsteckung erfolgt durch Schmierinf. und nur bei längerem Intimkontakt
(Sexualkontakt, Kontakt mit CMV ausscheidenden Kindern).
• Ü
 bertragung auf den Fetus während der mütterlichen Virämie transplazentar.
• D
 as Virus wird auch perinatal bei der Passage durch den Geburtskanal, aber
v. a. frühpostnatal, hauptsächlich beim Stillen von CMV-seropos. Müttern
durch Reaktivierung des Virus in der Brustdrüse auf das NG übertragen.
•  ransmissionsrate bei mütterlicher Primärinf. um Konzeption bis zum 2. Tri-
T
menon liegt bei 30–40 % und steigt im 3. Trimenon auf 70 % an.
•  ie frühpostnatale Inf. stellt nur für sehr unreife FG (< 32. SSW, < 1.500 g)
D
ein Erkrankungsrisiko dar.

Schädigungsrisiko des Kindes


• R isiko für kindliche Schädigungen bei mütterlicher Primärinf. im 1. Trime-
non (ca. 35 %) höher als im 3. Trimenon (0–5 %). Bei rekurrierender Inf. (Re-
aktivierung oder Reinf.) in der Schwangerschaft beträgt die fetale Infektions-
rate bei vor der Schwangerschaft seropos. Frauen ca. 1,2 %.
•  on den infizierten Feten sind bei Geburt ca. 13 % geschädigt, bei den 87 % bei
V
Geburt asymptomatischen Kindern ist in ca. 13 % mit Spätschäden zu rechnen.
•  ei rekurrierender mütterlicher Inf. beträgt das Risiko für Schädigungen
B
beim infizierten NG bei Geburt < 1 %, Risiko für Spätschäden (meist Hörstö-
rungen) 5–8 %.
192 5  Schwangerschaft  

Klinik
Schwangere  Schwangere mit CMV-Primärinf. haben in ca. 17 % eine relativ un-
charakteristische und nur in ca. 7 % CMV-charakteristische Symptomatik (z. B. He-
patitis, hohe Leberwerte). Rekurrierende Inf. verlaufen klinisch immer inapparent.
Fetus  Bei fetaler Inf. sind die Hauptauffälligkeiten im Ultraschall: Ventrikeler-
weiterung im ZNS, Mikrozephalie, Höhlenergüsse (z. B. Aszites), Wachstumsre-
tardierung, hyperechogener Darm!
Neugeborenes 
• 8 7 % der kongenital infizierten NG sind bei Geburt asymptomatisch.
• 1 3 % der NG weisen unterschiedlich schwere Symptomatik auf – von systemi-
schen Manifestationen (z. B. Frühgeburtlichkeit, geringes Geburtsgewicht, pe-
techiale Blutungen, Ikterus und Thrombozytopenie) bis zu ZNS-Symptomen
(z. B. Mikrozephalie und intrakranielle Verkalkungen, Hördefekte, Lethargie
und Krämpfe). Die Mortalitätsrate in den ersten Lw wurde früher mit ca.
10 % angegeben, heute mit 4 %.
Kind 
• B ei den bei Geburt symptomatischen Kindern sind bleibende, zumeist multi-
ple Schäden, v. a. Innenohrschwerhörigkeit (41–58 %), Mikrozephalie (52 %),
ein sehr niedriger IQ von < 70 (55 %) sowie Sprach- (27 %) und Sehstörungen
(22 %) zu erwarten.
• B ei den bei Geburt asymptomatischen Kindern kommt es in 13,5 % zu Spät-
manifestationen wie Innenohrschwerhörigkeit (7 %), kognitiven Störungen
oder neurologischen Beeinträchtigungen (6,5 %).
5
Diagnostik
Schwangere  CMV-Screening wird gegenwärtig selektiv – z. T. als IGeL – vor und
in der Schwangerschaft durchgeführt.
• S erologie: Feststellung des Immunitätsstatus vorrangig durch IgG-Ak-Be-
stimmung.
– Neg. IgG-Ak-Befund: Kontrolle im 2./3. Trimenon mit Hinweis auf Expo-
sitionsprophylaxe (s. u.).
– Nachweis einer Primärinf. durch IgG-Serokonversion bzw. signifikanten
Anstieg der IgG-Ak und hohe IgM-Ak-Werte bei niedrigem IgG-Avidi-
tätsindex. Bei pos. IgM-Befund: Eingrenzung des Infektionszeitpunkts mit
Zusatztesten (IgG-Avidität, Immunoblot).
– Rekurrierende Inf. serologisch schwer zu charakterisieren; z. T. erhöhte
IgG-Ak- und schwach pos. IgM-Ak-Werte bei moderatem bis hohem
IgG-Aviditätsindex.
• E rregernachweis: CMV-DNA-Nachweis quantitativ mit der Real-Time-PCR
im Blut zum Nachweis einer virämischen Phase.
Pränatale Diagnostik 
• B ei serologisch bestätigter Primärinf. Ultraschallkontrollen DEGUM 2/3 ab
19. SSW, evtl. zusätzlich fetales MRT (> 25. SSW).
• F W-Entnahme ab der 21. SSW (mind. ≥ 7–8 Wo. nach möglichem Infektions-
zeitpunkt) zum Erregernachweis (PCR, Schnell-Zellkulturtest) und evtl. Fetal-
blutentnahme ab der 23. SSW zum IgM-Ak- und Erregernachweis. Pos. Be-
funde bestätigen fetale Inf. Bei gleichzeitig das ZNS betreffenden Ultraschall­
auffälligkeiten ist die Geburt eines schwer geschädigten Kindes zu erwarten.
   5.13  Infektionen in graviditate  193

Neugeborenes  CMV-DNA-Nachweis (PCR) oder Virusnachweis (Schnell-Zell-


kulturtest) im Urin, Blut oder Speichel bis zu 10 Tage nach Geburt bzw. DNA-
Nachweis im Blutstropfen auf Guthrie-Karten beweist eine intrauterine Inf. IgM-
Ak sind nur bei etwa 70 % der kongenital Infizierten, v. a. bei NG mit Symptomen
nachweisbar.

Therapie
Schwangere 
• D ie i. v. Ganciclovirther. in der Schwangerschaft wird zurzeit nicht empfoh-
len.
• A ls Heilversuch könnte bei nachgewiesener fetaler Inf. und auffälligem Ultra-
schall in Einzelfällen die Gabe von CMV-Hyperimmunglobulin intravasal in
die Nabelvene erwogen werden (Off-Label-Anwendung).
• B ei nachgewiesener fetaler Inf. und schwerwiegenden Ultraschallauffälligkei-
ten steht ein Schwangerschaftsabbruch zur Diskussion.
Neugeborenes 
• B ei symptomatisch infizierten NG, v. a. bei ZNS-Symptomatik und Hörstö-
rungen: Ganciclovir i. v. (Cymeven®) initial für 3–6 Wo., heute dann meist
Erhaltungsther. mit Valganciclovir (Valcyte®) für bis zu 3 Mon.
• B isher keine offiziellen Leitlinien zum Behandlungsschema. Hauptziel ist die
Verbesserung bzw. Erhaltung des Hörvermögens.

Prophylaxe
5
Wichtigste derzeitige prophylaktische Möglichkeiten sind hygienische Maß-
nahmen.

• E xpositionsprophylaxe für seroneg. Schwangere, v. a. beim Umgang mit Kin-


dern bis zu 3 J.: kein Mundküssen, sorgfältige Händehygiene nach Windel-
wechsel und nach Umgang mit bespeichelten Spielsachen, keine gemeinsa-
men Ess- und Trinkgefäße.
•  assive Prophylaxe (Hyperimmunglobulin, z. B. Cytotect®) bei seroneg.
P
Schwangeren mit beruflichem oder familiärem Kontakt zu virusausscheiden-
den Kleinkindern oder Erw. ist möglich, der Nutzen jedoch fraglich. Vorran-
gig sind hygienische Maßnahmen.
•  eilversuch (Off-Label): präventive Gabe von Hyperimmunglobulin bei
H
Schwangeren mit gesicherter Primärinf. um Konzeption bis zum 2. Trimenon
innerhalb von 4 Wo. p.i. mit dem Ziel, die intrauterine Inf. des Fetus zu ver-
hindern. Der Nutzen wird derzeit in zwei prospektiven randomisierten Studi-
en untersucht.
•  ktive Impfung mit abgeschwächtem Lebendimpfstoff ist in Entwicklung, in
A
absehbarer Zeit aber nicht verfügbar.
•  mpfehlung: Beschäftigungsverbot von seroneg. angestellten Schwangeren
E
v. a. in der vorschulischen Kinderbetreuung für die gesamte Schwangerschaft
bei Betreuung von Kindern < 3 J.

Keine Meldepflicht.
194 5  Schwangerschaft  

5.13.3  Varizellen und Herpes zoster


Erreger ist das Varicella-Zoster-Virus (VZV), ein α-Herpesvirus, das zwei ver-
schiedene klinische Sy. verursacht: Varizellen (Windpocken) durch exogene
­Erst­inf. und Zoster (Gürtelrose) durch endogene Reaktivierung.

Epidemiologie
Einziges natürliches Reservoir ist der Mensch. In Deutschland sind 3–4 % der
Frauen im gebärfähigen Alter seroneg. und somit ist nur ein geringer Prozentsatz
für eine Varizelleninf. in der Schwangerschaft gefährdet.

Varizellen
Infektionsrisiko in der Schwangerschaft
• A nsteckung durch Tröpfcheninf. über Rachensekret, Direktkontakt über
Bläschenflüssigkeit.
• A usscheidung über den Rachen bereits 2–3 Tage vor Exanthemausbruch.
• D as Virus ist hoch kontagiös, die Infektionsrate liegt bei über 90 %. IKZ: 14–
16 Tage (Bereich: 8–21 Tage).
• B ei Varizellen in der Schwangerschaft besteht für die Mutter ein gewisses Ri-
siko einer VZV-Pneumonie.
• B ei mütterlicher Inf. in den ersten 20 SSW (selten bis zur 28. SSW): Risiko für
fetales bzw. kongenitales Varizellen-Sy. (CVS) ca. 1,4 %.
• B ei Kind von Mutter mit Varizellen im 2./3. Trimenon gelegentlich (1,1 %)
frühpostnataler Zoster in den ersten 2 Lj.
5 • B ei mütterlichen Varizellen um den Geburtstermin Risiko neonataler schwer
verlaufender Varizellen (8 %).
Klinik
Schwangere  Krankheitsverlauf nicht schwerer als bei nichtschwangeren Frauen
im gebärfähigen Alter oder Männern. Wichtigste KO ist VZV-Pneumonie (~10 %
bei Erw.) v. a. im 2./3.  Trimenon, mit Letalität von 20–40 % ohne i. v. Aciclo-
virther. und ohne Intensivmaßnahmen.
Fetus  Bei kongenitalem Varizellensy. im Ultraschall Stufe II/III charakteristi-
sche Stigmata wie Gliedmaßenhypoplasie und skarifizierte Hautläsionen früher
nachweisbar als zerebrale, okulare und sonstige Abnormitäten, die meist später
und nur mit Zusatzuntersuchungen wie MRT nachweisbar sind.
Neugeborenes 
• K ongenitales Varizellensy.: Charakteristische Symptome sind Hautskarifi-
zierung, Ulzerationen, Narben, Gliedmaßenhypoplasien, Paralysen und Mus-
kelatrophien, Katarakt und Augendefekte, Krampfanfälle, psychomotorische
Retardierung und Hirnatrophie.
• N eonatale Varizellen (erste 10–12 LT): Hauptrisiko für schweren Verlauf bei
mütterlichen Varizellen 5 Tage vor bis 2 Tage nach der Geburt und v. a. bei
FG. Bei mütterlicher Inf. > 5 Tage vor Geburt meist guter Verlauf.
• F rühpostnataler Zoster (1.–2. Lj): typische Effloreszenzen in Dermatomen
im Thoraxbereich, leichter Verlauf, Rekurrenzen selten.
   5.13  Infektionen in graviditate  195

Diagnostik

Aufgrund der hohen Seropositivrate im gebärfähigen Alter gibt es kein obli-


gatorisches VZV-Screening.

Schwangere 
• S erologie:
– Feststellung der Immunitätslage bei Kontakt durch IgG-(IgM-)Ak-Be-
stimmung nur bei neg. Anamnese bezüglich Windpockenerkr. Bei
schwach pos. bis mittleren IgG-Werten Bestätigung der Immunität durch
Nachweis eines hohen Aviditätsindex.
– Bei Windpocken klinische Diagn. vorrangig; serologische Bestätigung
3–5 Tage nach Exanthembeginn durch Nachweis von IgM-, (IgA-) und
IgG-Ak mit signifikantem Anstieg innerhalb von 14 Tagen. IgM- und
IgA-Ak-Persistenz für 2–3 Mon., IgG-Ak sind nach Abfall der erhöhten
Titer lebenslang nachweisbar. Niedrige IgG-Titer werden bei VZV-Kon-
takt i. Allg. asymptomatisch geboostert.
• E rregernachweis: Virusanzucht in Zellkultur nur bei freiem Virus (Bläschen-
inhalt) erfolgreich. Daher heute weitgehend nur DNA-Nachweis durch PCR
bei Varizellen-KO (Pneumonie, Enzephalitis) und in Bläscheninhalt zur Dif-
ferenzierung Zoster/Herpes simplex.
Pränatale Diagnostik  Bei Varizellen bis 21. (28.) SSW invasive pränatale Diagn.
nicht generell empfohlen, jedoch Ultraschallkontrollen Stufe 2/3. Bei auffälligem
Ultraschall FW-Entnahme und evtl. auch Fetalblutentnahme frühestens 6  Wo. 5
nach Exanthembeginn und nicht vor 21. SSW (vorher mütterliche Virämie aus-
schließen). VZV-DNA-Nachweis mittels PCR im FW und evtl. Fetalblut; IgM-
Nachweis im Fetalblut nicht erfolgreich.
Neugeborenes/Kind 
• U nauffälliges NG von Mutter mit akuten Varizellen in Schwangerschaft (bis
36. SSW): Nabelschnurblut IgG-pos., IgM-neg. → passive Ak.
• K ind mit kongenitalem Varizellensy. von Mutter mit Varizellen in Schwan-
gerschaft (bis 28. SSW): VZV-DNA-Nachweis in Abstrichen von Hautläsio-
nen und in Gewebebiopsien; IgM im Serum nicht nachweisbar, aber lange
persistierende IgG > 8. Lm; Nachweis der zellulären Immunität.
• K ind von Mutter mit Varizellen um Geburtstermin: klinisch bis 12. LT über-
wachen. Bei V. a. neonatale Varizellen mit z. T. schwer verlaufender Klinik:
serologisch signifikante IgG- und IgM-Ak-Titeranstiege; VZV-DNA-Nach-
weis in Bläscheninhalt, Liquor, Blut und Rachensekret.
Therapie
Schwangere 
• E vtl. nach 16. SSW: orale Aciclovirther. (ACV) 24 h nach Exanthembeginn
5 × 800 mg/d für 7–10 Tage. Alternativ wird i. v. Gabe von 3 × 10 mg/kg/d
über ca. 7 Tage erwogen, aber bisher nicht in der Schwangerschaft erprobt.
• V arizellenpneumonie: sofort i. v. Aciclovirther. (3 × 10 mg/kg/d über 10 Tage)
und intensivmedizinische Betreuung.
• A kute Varizellen um dem Geburtstermin ▶ Tab. 5.18.
196 5  Schwangerschaft  

Tab. 5.18  Maßnahmen bei Varizellen um Geburtstermin


Beginn mütterlicher Varizellen Maßnahmen

Vor Entbindung: ≥ 6 Tage Kein VZIG

Innerhalb von 5 Tagen • Geburtsverzögerung, wenn möglich; sonst:


• Schwangere: VZIG-Gabe 0,2 ml/kg KG i. m. bzw.
1 ml/kg KG i. v. oder neu ACV-Ther. oral inner-
halb 24 h (s. o.)
• Neugeborenes: VZIG 0,5 ml/kg KG i. m. bzw. 1 ml/
kg KG oder ACV i. v. prophylaktisch bzw. bei den
ersten Krankheitszeichen 10–15 mg/kg alle 8 h
als 1-stündige Infusion über 5–7 Tage

Nach Entbindung: 1–3 Tage • Schwangere: kein VZIG


• Neugeborenes: VZIG oder ACV i. v. prophylak-
tisch bzw. bei den ersten Krankheitszeichen (s. o.)

ACV = Aciclovir; VZIG = Varizellen-Hyperimmunglobulin

Management des Neugeborenen 


• Isolierung Mutter-Kind eher nein (Rooming-in!).
• B ei subklinisch infizierten NG Isolierung im Säuglingszimmer oder Frühge-
burten-Station nicht erforderlich, da Risiko nosokomialer VZV-Transmission
gering.
• S tillen möglich, bei floriden Effloreszenzen evtl. Brustmilch abpumpen.
5 • N G bis ≥ 12 Tage stationär überwachen und zu Hause bis zum 28. Tag.
Prophylaxe
• E xpositionsprophylaxe: kaum erfolgreich. Bei Kontakt mit Windpocken si-
cherheitshalber Immunstatus bestimmen, bei seroneg. Befund und Kontakt
bis 21. Wo. bzw. gesamte Schwangerschaft VZIG innerhalb 72 (96) h verab-
reichen, auch bei akuten Varizellen bis 21. Wo., Interruptio eher nein, gerin-
ges Risiko für kongenitales Varizellensy.
• P assive Prophylaxe:
– Bei Kontakt und neg. Anamnese bezüglich früherer Windpockenerkr. Va-
rizellen-IgG-Ak-Nachweis im ELISA.
– IgG-Ak neg. (< 50 mIU/ml) oder fraglich pos. (50–100 mIU/ml) → VZIG-
Gabe bis zur 28. SSW innerhalb 72 (96) h (Varicellon® i. v. 0,2 ml/kg KG
i. m. oder Varitect® i. v. 1 ml/kg KG; Kosten bei 70 kg KG ca. 2.200 bzw.
1.750 Euro).
– VZIG verlängert die IKZ und verhindert nur in 50 % der Fälle die VZV-
Inf., mitigiert aber den Verlauf. Titerkontrolle nach ca. 3 Wo. durchfüh-
ren!
– Bei ausgebrochenen Varizellen → VZIG-Gabe überflüssig.
• A ktive Prophylaxe:
– Varizellen sind impfpräventabel. Generelle Kinderimpfung seit 2004: erste
Dosis simultan mit 1. MMR im Alter von 11–14 Mon. oder frühestens
4 Wo. nach 1. MMR-Impf., 2. Dosis im Alter von 15–23 Mon. auch als
Kombinationsimpfstoff MMR-V möglich.
– Indikationsimpfung bei ungeimpften Jugendlichen ohne Varizellenanam-
nese und bei Erw. in Risikogruppen mit Lebendimpfstoff Varilrix® oder
   5.13  Infektionen in graviditate  197

Varivax® in 2 Dosen im Abstand von mind. 6 Wo., z. B. seroneg. Frauen


mit Kinderwunsch: Impfung durch Frauenarzt mit Impferfolgskontrolle,
da nicht selten keine IgG-Ak- oder fraglich pos. IgG-Ak-Werte nachweis-
bar sind. Ggf. zelluläre Immunitätslage mit ELISPOT überprüfen, evtl.
Impfung wiederholen.
– Bei Frauen im gebärfähigen Alter mit unklarer Immunitätslage gegen Va-
rizellen → Ak-Bestimmung und ggf. Impfung.
•  mpfehlung: Beschäftigungsverbot von seroneg. angestellten Schwangeren
E
v. a. in der vorschulischen Kinderbetreuung für die gesamte Schwangerschaft
(Bayern bis zur 26. SSW und in NRW auch für Lehrerinnen an öffentlichen
Grund- und Förderschulen mit Kindern < 10 J.). Bei medizinischem Personal
auf Entbindungs- und NG-Stationen sollte immer der VZV-Immunstatus be-
kannt sein.

Die Impfung mit Lebendimpfstoff in der Schwangerschaft ist zwar kontrain-


diziert, bei versehentlicher Impfung aber keine Ind. für pränatale Diagn. oder
Schwangerschaftsabbruch.

Herpes zoster
Reaktivierte VZV-Inf.: Häufigkeit ca. 2/1.000 Schwangerschaften.
Infektionsrisiko in der Schwangerschaft
KO: selten disseminierter Zoster; bei mütterlichem Herpes zoster im 1.–3. Trime-
non: Kein Risiko für ein kongenitales Varizellen-Sy. oder eine perinatale Inf. 5
Infektionsrisiko des NG bei mütterlichen Zosterläsionen um Entbindung: Bei Ab-
deckung der Läsionen unwahrscheinlich.
Diagnostik
Schneller Anstieg der VZV-IgG-, -IgA- und auch -IgM-Ak-Titer.
Therapie
Schwangere  Bei schwerer Manifestation im (1.), 2., 3.  Trimenon Aciclovir i. v.
bzw. Brivudin (Zostex®) oder Famciclovir (Famvir®) beide oral und bessere Bio-
verfügbarkeit als ACV oral. Cave: Keines von diesen Präparaten ist offiziell für die
Schwangerschaft zugelassen.
Bei Beginn von mütterlichem Zoster innerhalb von 4 Tagen vor Entbindung:
• N eugeborenes kein VZIG.
• Schwangere evtl. ACV; Läsionen bei der Mutter dann abdecken.
Bei Beginn von mütterlichem Zoster bis zu 4 Tage nach Entbindung: Neugebore-
nes VZIG 0,5 ml/kg KG i. m.
Management des Neugeborenen 
• Isolierung Mutter-Kind: nein.
• S tillen: ja, wenn keine Effloreszenzen im Brustbereich; sonst Muttermilch ab-
pumpen.

Keine Meldepflicht für Varizellen und Zoster.


198 5  Schwangerschaft  

5.13.4  Herpes-simplex-Virus Typ 1 und 2 (Herpes genitalis)


Erreger ist das Herpes-simplex-Virus (HSV) Typ 1/2, ein α-Herpesvirus.

Klassifikationen des HSV-Status


• P rim. Erstepisode: Serokonversion für HSV 1 oder HSV 2.
• N icht prim. Erstepisode: Serokonversion für den HSV-Typ, für den bisher Se-
ronegativität bestand.
• R ekurrierende Episode: Reaktivierung/Reinf. mit demjenigen HSV-Typ, für
den bereits Seropositivität bestand.

Epidemiologie
Reaktivierung von HSV Typ 2 mind. doppelt so häufig wie mit Typ 1. In Deutsch-
land und in westeuropäischen Ländern ist Herpes neonatorum relativ selten
(1 : 15.000–40.000 Lebendgeburten), in den USA zwei Fälle von Herpes neonato-
rum auf 10.000 Lebendgeburten (davon 45 % durch Typ 1).

Infektionsrisiko in der Schwangerschaft


• D
 ie Ansteckung für Genitalherpes erfolgt fast ausschließlich durch Sexual-
kontakte.
• M
 utter-Kind-Transmission sehr selten intrauterin (HSV 1), hauptsächlich in-
tra partum (cave: vorzeitiger Blasensprung > 6 h vor Entbindung) und gele-
gentlich frühpostnatal.
•  ie Intrapartum-Inf. ist abhängig von der Konz. der Virusexkretion in der
D
5 Zervix bei Wehenbeginn. Das perinatale Risiko für Herpes neonatorum be-
trägt bei einer prim. Erstepisode 30–50 %, bei einer nicht prim. Erstepisode
20 %, bei Rekurrenz < 1 %.
•  eonatale Herpes-simplex-Fälle kommen in ~4 % durch intrauterine Über-
N
tragung, in ~86 % intra partum und in ~10 % frühpostnatal zustande.

Klinik
Alle Genitalinf. verlaufen häufig asymptomatisch und können zur spätintrauteri-
nen oder perinatalen Inf. des Kindes führen und den Herpes neonatorum früher
vorwiegend mit Typ 2, heute zunehmend mit Typ 1 verursachen.
Schwangere 
• P rim. HSV-Inf. sind bei Entbindung in 50 % asymptomatisch, bei HSV-Re-
kurrenz ist dies in 70–80 % der Fall.
• P rimärinf.: ausgedehnte multiple Ulzerationen, Brennen, Schmerzen, Fluor,
Dysurie, Dyspareunie, gelegentlich Temperaturerhöhung, vergrößerte
schmerzhafte Lk in der Leiste. Cave: klinisch keine sichere Unterscheidung
von Primärinf. und Rezidiv.
Neugeborenes  Hauptmanifestationen des Herpes neonatorum:
• D isseminiert (ZNS, Lunge, Leber, Nebenniere, lokalisiert/SEM: Haut, Auge,
Mund). Symptombeginn 6–12 Tage nach Geburt, Letalität ohne Ther. > 80 %,
mit Ther. > 50 %.
• Z NS-Symptomatik (Enzephalitis, Meningitis in 37–48 % ohne SEM) mit Sym-
ptombeginn 16–18 Tage nach Geburt, Letalität ohne Ther. > 50 %, mit Ther.
15 %, in > 50 % neurologische und ophthalmologische Schäden sowie rekur-
rierende Hautbläschen.
   5.13  Infektionen in graviditate  199

• S EM-(Haut, Auge, Mund)Symptomatik mit Symptombeginn 6–7 Tage nach


Geburt, keine erhöhte Letalität, aber in > 20 % neurologische Schäden und re-
zidivierende Bläschen.
!  rotz früher und adäquater Ther. hohe Letalität.
T

Diagnostik
Schwangere  Das HSV-Screening ist keine Untersuchung der Mutterschaftsvor-
sorge.
• S erologie:
– Gesamt-Ak gegen Typ 1 und 2 mittels EIA, pos. Befund ≥ 3–5 Wo. post
infectionem (p. i.) zu erwarten.
– Ak mittels Immunoblot mit typenspezifischem Antigen, pos. IgG-Befund
Typ 1 > 3 Wo. p.i., Typ 2 > 5 Wo. p.i.; IgM-Titerbestimmung unzuverläs-
sig.
• E rregernachweis:
– Aus Bläscheninhalt, Mund-/Genitalabstrich.
– Goldstandard: Anzucht in Zellkultur, Typ 1 für ca. 2 Tage, Typ 2 für
4–5 Tage (im Schnellkulturverfahren 18 h) oder mit typenspezfischer PCR
(Dauer 1–2 h). Bei Nachweis einer geringen Zahl von Genomäquivalenten
fragliche Korrelation mit Infektiosität, daher Sectio eher nein.
• V orgehen:
– In Frühschwangerschaft auch Herpes-genitalis-Anamnese des Partners
erfragen. Inspektion des Zervikogenitaltrakts: bei verdächtigen Efflores-
zenzen Abstrich für Viruskultur/PCR.
– Bestimmung typenspez. HSV-Ak in Frühschwangerschaft. Bei neg. HSV1- 5
oder HSV2-Befund: Kontrolle Ende der Schwangerschaft zur Feststellung
einer Serokonversion, falls nachweisbar: Aciclovir bei Symptomen oder
ggf. prophylaktisch.
– Vor/bei Wehenbeginn: Herpes-genitalis-Inf. des Partners erfragen. In­
spektion des Zervikogenitaltrakts: Bei sichtbaren Läsionen (auch ohne Vi-
rusnachweis) sowie bei Serokonversion für HSV 1, 2 (auch ohne genitale
Symptomatik) immer Sectio vor Ruptur der Eihäute bzw. innerhalb von
4–6 h danach.
Pränatale Diagnostik  Nicht indiziert, da Übertragung hauptsächlich intra par-
tum.
Neugeborenes/Kind 
• B ei symptomatischen und asymptomatischen NG Erregernachweis (PCR,
Zellkultur) aus Rachensekret, Augenabstrich, EDTA-Blut.
• B ei symptomatischen NG zusätzlich Erregernachweis aus Liquor.
• A bnahme innerhalb von 24–48 h nach Geburt, virologische (vorrangig) und
serologische Überwachung in den ersten 4 Lw, bei klinischem Verdacht so-
fortige Kinderklinikeinweisung und Hochdosisther.

Therapie
Die Ther. mit Aciclovir (ACV) oral ist wegen geringerer Bioverfügbarkeit weniger
wirksam als mit i. v. ACV. Im Vergleich zu ACV oral hat Valaciclovir Val-ACV
oral eine 3- bis 5-fach höhere Bioverfügbarkeit.
200 5  Schwangerschaft  

Aciclovir ACV und Val-ACV sind offiziell weder für die Schwangere noch für das
NG zugelassen, jedoch werden beide Präparate sowohl in der Schwangerschaft als
auch für das NG eingesetzt, da bei ACV-Applikation in der Schwangerschaft kei-
ne erhöhte Fehlbildung im Vergleich zur Normalpopulation beobachtet wurde.
Schwangere 
• P rim. orofazialer Herpes (Stomatitis) und prim. Erstepisode von Genitalher-
pes: ACV 3 × 400 mg/d p. o. für 7–10 Tage oder 5 × 200 mg/d p. o. für
7–10 Tage.
• S eltene disseminierte Erkr. (Enzephalitis, Hepatitis, Pneumonie): Im 1.–
3. Trimenon ACV 10 mg/kg KG i. v. alle 8 h für 14 Tage.
• R ezid. Genitalherpes (bei ausgeprägter Symptomatik): > 20. SSW ACV 3 ×
400 mg/d p. o. für 5 Tage oder 5 × 200 mg/d für 5 Tage.
• A CV-Prophylaxe bei rekurrierendem Genitalherpes oder Z. n. Genitalherpes-
Erstepisode ab 36. SSW bis zur Entbindung zur Senkung der Sectiorate (Nut-
zen wird kontrovers diskutiert): ACV 2–3 × 400 mg/d p. o. oder Val-ACV 2 ×
500 mg/d p. o. (bisher nur begrenzte Erfahrungen).
Neugeborenes 
• M it Herpes neonatorum:
– ACV 20 mg/kg KG i. v. alle 8 h für 14–21 Tage; Hochdosistherapie!
• A symptomatisch:
– Mit hohem Infektionsrisiko: Prophylaktisch ACV i. v. 20 mg/kg KG alle
8 h für 14 Tage.
– Mit geringem Infektionsrisiko: klinische und virologische Kontrollen in
5 den ersten 4–6 Lw, bei klinischem Verdacht sofort stationäre Einweisung
und Einleitung einer Hochdosisther.

Prophylaxe
• S ectio bei sichtbaren Effloreszenzen im Geburtskanal, bei Serokonversion
auch ohne Symptomatik. Daten USA: Fälle von Herpes neonatorum nach
Sectio 1,2 %, nach vag. Entbindung 7,7 %.
• Isolierung Mutter/NG bei V. a. prim. Genitalherpes bis zur Abklärung. Bei
prim. Herpes labialis bis zur Abheilung der Läsionen. Keine Isolierung bei re-
kurrierendem Genital- und orofazialen Herpes (Herpes labialis), sondern hy-
gienische Maßnahmen.
• S tillen bei Herpes labialis nur bei perfektem Mundschutz.
• M ed. Personal und Besucher mit akut rekurrierendem HSV-1-Herpes labia-
lis, -Pharyngitis, -Stomatitis, HSV-2-Nagelbettgeschwür (Whitlow): Keine
Betreuung bzw. Besuch. Personal darf bei floridem Herpes labialis nicht auf
Entbindungs-/NG-Station arbeiten! Vorzugsweise immer Mundschutz tra-
gen!
• Z urzeit kein brauchbarer Impfstoff in Sicht.
Keine Meldepflicht!

5.13.5  Ringelröteln (Erythema infectiosum)


Erreger ist das Parvovirus B19 (Gattung Erythrovirus).
   5.13  Infektionen in graviditate  201

Infektionsrisiko in der Schwangerschaft


• D
 ie Seronegativitätsrate im gebärfähigen Alter liegt in Deutschland bei ca.
30–40 %.
• Ansteckung überwiegend durch Tröpfcheninf., seltener durch Blut, EK oder
Plasmaprodukte.
• IKZ: 13–18 Tage.
• A nsteckungsgefahr ist ca. 8 Tage vor Symptombeginn am höchsten und sinkt
nach Auftreten der Symptome bzw. Nachweis der IgM-Ak bei asymptoma-
tisch Infizierten rasch ab.
• D
 as Virus kann bei akuter Inf. während der gesamten Schwangerschaft trans-
plazentar auf den Fetus übertragen werden. Die Gesamttransmissionsrate be-
trägt 30–50 %.
Eine akute Inf. (in ca. 30 % asymptomatisch) in der Schwangerschaft bleibt in über
90 % der Fälle ohne Folgen für das werdende Kind. Die Abortrate in der Früh-
schwangerschaft beträgt ca. 8 %, die Rate des Hydrops fetalis bezogen auf die ge-
samte Schwangerschaft liegt bei 4 %. Bei mäßig ausgeprägtem Hydrops kann es
auch zur Spontanresorption kommen.

Klinik
Schwangere 
• V erlauf im Erwachsenenalter in etwa 30 % ohne das girlandenförmige Exan-
them. In 30–40 % erhöhte Temperaturen, uncharakteristisches Exanthem und
Lk-Schwellungen. Oft Polyarthralgien der kleinen Gelenke einzige Manifesta-
tion.
• G elegentlich persistieren Gelenkbeschwerden über mehrere Mon. 5
Fetus  Etwa 95 % der fetalen KO werden in den ersten 10–12 Wo. nach mütterli-
cher Inf. beobachtet, in Einzelfällen bis zu 20 Wo.
• F etale KO überwiegend durch Hemmung der fetalen Erythropoese und da-
durch bedingte Anämie (Hauptzielzellen im Fetus: erythropoide Vorläufer-
zellen, Pronormoblasten der fetalen Leber).
• H ydrops fetalis wird hauptsächlich durch Herzinsuff. bei schwerer und an-
haltender Anämie verursacht.
• B 19-assoziierte Myokarditis kann zur Entstehung der Herzinsuff. beitragen.
• S chwere Hypoxämie bzw. Anoxie beeinträchtigt kardiale Pumpfunktion und
kann zu konsekutivem kapillärem Leck führen.
• Im Farbdoppler/Ultraschall nachweisbar: fetale Anämie, Hautödem, Hydrops
fetalis, Höhlenergüsse.
Bisher gibt es keine Hinweise auf kongenitale Symptomatik oder teratogene Effek-
te, die bei tierischen Parvoviren bekannt sind (z. B. zerebrale Hypoplasie bei Kat-
ze, Myokarditis bei Kaninchen, Schwein).
Neugeborenes  Bisher keine Fälle von Fehlbildungen beschrieben, einige Fälle
von kongenitaler Anämie, Mekoniumperitonitis, Enzephalopathie und kongeni-
taler Myokarditis wurden mit der mütterlichen Parvovirus-B19-Inf. in Zusam-
menhang gebracht.

Diagnostik
Schwangere  Das Parvovirus-B19-Screening ist keine Untersuchung der Mutter-
schaftsvorsorge.
202 5  Schwangerschaft  

Differenzialdiagn. müssen Röteln-, Masern-, Scharlach-, EBV-, Enterovirus-


Inf. oder Exanthema subitum ausgeschlossen werden.

• S erologie:
– B ei Kontakt oder verdächtigen Symptomen in der Schwangerschaft IgG-
und IgM-Ak-Bestimmung im EIA.
– Zusatztest: IgG-Line-Assay (epitopspezifisch) zur Eingrenzung des Infek-
tionszeitpunkts. Einsatz nur in Schwangerschaft.
– Interpretation der serologischen Ergebnisse:
– IgG pos., IgM neg. → frühere Inf., Schutz ist anzunehmen. Cave bei
auffälligem US/Doppler, da IgM-Ak evtl. schon unter der Nachweis-
grenze.
– IgM pos., IgG neg. bis schwach pos. → akute Inf., Vorgehen s. „Präna-
tale Diagnostik“.
– IgG und IgM neg. → bisher keine Inf., Kontrolle in 2(–3) Wo.

• 1 0–20 % der Mütter mit nachgewiesenem B19-bedingtem Hydrops sind


bei Diagnosestellung IgM-neg.! Deshalb serologische Zusatzteste und
DNA-Nachweis durch PCR.
•  19-DNA nach akuter Inf. häufig über mehrere Mon. in grenzwertiger
B
Konz. im Blut nachweisbar.

5 • E rregernachweis: B19-DNA-Nachweis in der PCR in EDTA-Blut, -Plasma,


Serum, Einsatz hauptsächlich bei Pränataldiagn.
Pränatale Diagnostik 
• B ei bestätigter akuter mütterlicher Inf. wöchentl. Farbdoppler und Ultraschall
Stufe 2 und 3 für eine Dauer von 10–12 Wo. p.i.
• B ei auffälligem Dopplerbefund (signifikante Zunahme der max. systolischen
Fließgeschwindigkeit in der A. cerebri media als Hinweis auf eine fetale An­
ämie) oder Ultraschallbefund in einer pränataldiagn. Einrichtung: FW, Aszi-
tes und Fetalblut zum B19-DNA-Nachweis in PCR (IgM-Ak-Bestimmung im
Fetalblut nicht verlässlich), zusätzlich Hb-, Retikulozyten- und Thrombozy-
tenbestimmung.
• B ei relevanter fetaler Anämie bzw. auffälligen Befunden sofortige intrauterine
Ther. mit gescreentem EK bzw. Thrombozyten.

Die Verlustrate bei schwerem Hydrops fetalis beträgt ohne Transfusion ca.
90 %, mit Transfusion 30–40 % (M. und G. Enders, unveröffentlicht).

Neugeborenes/Kind  Parvovirus-B19-IgG/IgM-Ak-Bestimmung, evtl. IgG-Ver-


laufskontrolle im 1. Lj.

Therapie
• A
 ntivirale Substanzen nicht verfügbar; fetale Ther. durch intrauterine Trans-
fusion s. Abschnitt „Pränatale Diagnostik“.
• A
 kute Inf. in Schwangerschaft ist keine Ind. für einen Schwangerschaftsab-
bruch.
   5.13  Infektionen in graviditate  203

Prophylaxe
• E xpositionsprophylaxe kaum erfolgreich.
• P ostexpositionsprophylaxe (PEP): kein spezifisches B19-Hyperimmunglobu-
lin (IG) verfügbar. Präexpositionelle Prophylaxe mit IG (i. v.) z. B. bei noso-
komialen Ausbrüchen sehr gut wirksam. PEP mit Immunglobulinen auf-
grund fehlender Evidenz nicht empfohlen.
•  ktive Impfung steht nicht zur Verfügung.
A
•  eschäftigungsverbot für seroneg. Schwangere: in den meisten Bundeslän-
B
dern in vorschulischen Einrichtungen bis zur vollendeten 20. SSW.

Keine Meldepflicht.

5.13.6  HIV-Infektion
Erreger sind die Retroviren HIV-1 und HIV-2. Sie sind die Ursache der Immun-
schwäche AIDS.

Epidemiologie
Im Jahr 2010 waren nach Angaben der WHO weltweit ca. 35 Mio. Menschen mit
HIV infiziert, auf Deutschland (D) entfielen davon ca. 70.000 Menschen. Der An-
teil der Frauen an den HIV-Infizierten und AIDS-Pat. ist wie in allen Industrie-
staaten deutlich geringer als derjenige der Männer. In D liegt der Anteil der infi-
zierten Frauen an allen HIV-Infizierten bei 20 %.
5
Infektionsrisiko in der Schwangerschaft
• In D sind die wichtigsten Infektionsrisiken bei Frauen, die nicht aus Hoch-
prävalenzländern stammen, heterosexuelle Kontakte und i. v. Drogenge-
brauch.
• M utter-Kind-Übertragung erfolgt meist intrapartal (Muttermilch in Entwick-
lungsländern). Im Jahr 2010 wurden 20 Mutter-Kind-Transmissionen neu
­diagnostiziert: 11 dieser Kinder wurden in D geboren, 9 Kinder waren bereits
infiziert eingereist.

Klinik
Schwangere  HIV-Inf. können jahrelang klinisch unauffällig verlaufen und füh-
ren im Spätstadium zu AIDS. Bei der prim. HIV-Inf. ähneln die Symptome einem
grippalen Infekt.
Neugeborenes  Ohne die heute zur Verfügung stehende Ther. kam es früher bei
ca. 25 % der infizierten NG innerhalb des 1. Lj zu AIDS, 25 % waren auch noch im
Jugendalter asymptomatisch. Heute kann die Inf. des NG durch antiretrovirale
mütterliche und kindliche Ther., Sectio und Stillverzicht weitgehend (< 2 %) ver-
hindert werden. Ein erhöhtes Risiko für kindliche Fehlbildungen aufgrund einer
mütterlichen HIV-Inf. besteht nicht.

Diagnostik
Schwangere 
• H
 IV-Test: Der HIV-Test soll im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge (seit
1987) jeder Schwangeren empfohlen werden. Die Beratung zum HIV-Test ist
204 5  Schwangerschaft  

im Mutterpass zu dokumentieren. Bei einer Pat., deren HIV-Test 3 Mon.


nach Risikokontakt neg. ist, kann eine HIV-Inf. ausgeschlossen werden.
• S erologie/Erregernachweis: Bei reaktivem Befund im HIV-Suchtest (kombi-
nierter Ak- und p24-Antigennachweis) Absicherung durch Bestätigungstest
(Immunoblot), Bestimmung von Viruslast, HIV-Resistenz und zellulärem
Immunstatus.
• B eratung: Ausschluss einer HIV-Inf. auch bei fehlenden Risikofaktoren emp-
fehlen. Bei Vorliegen einer HIV-Inf. Hinweis auf heutige Therapiemöglich-
keiten und Management in der Schwangerschaft zur Vermeidung einer Inf.
des Kindes.
Pränatale Diagnostik  Keine pränatale HIV-Diagn., da intrauterine Übertragung,
wenn überhaupt, nur am Ende der Schwangerschaft. Bei Vorrangigkeit der invasi-
ven Diagn. (im 1. und 2. Trimenon z. B. Ausschluss Down-Sy.) wird bei einer HIV-
pos. Schwangeren eine risikoadaptierte antiretrovirale Prophylaxe vor dem Ein-
griff empfohlen. In der bisherigen Literatur wird bei Amniozentese im Vergleich
zu Kontrollgruppe kein erhöhtes Risiko für eine fetale Inf. mit HIV festgestellt.
Neugeborenes/Kind  HIV-Nachweis mittels PCR beim NG bei Geburt, zwischen
2. und 12. Lw sowie ab 3 Mon. Bei neg. RNA-Nachweis in der PCR ist trotz pos.
Ak-Befund (mütterliche passive Ak persistieren bis 12.–18.  Lm) der frühzeitige
Ausschluss einer kindlichen HIV-Inf. möglich.

Therapie
Schwangere  Antiretrovirale Ther. der Schwangeren entsprechend dem individu-
5 ellen Risiko. Aus kindlicher Ind. Zidovudin-Monother. (Retrovir®) oder Kombi-
nationsther. in Spätschwangerschaft (ab 32.  SSW) entsprechend den Leitlinien
(deutsch-österreichische Empfehlungen zur HIV-Ther. in der Schwangerschaft
und bei HIV-exponierten NG, Stand September 2008, RKI). Bei sehr niedriger
Viruslast der Schwangeren trägt eine Sectio vermutlich wenig zu einer weiteren
Verminderung des Transmissionsrisikos bei. Bei geburtsmedizinischen HIV-
Transmissionsrisiken ist die HIV-Transmissionsprophylaxe risikoadaptiert zu
steigern.

Eine HIV-Inf. der Schwangeren ist keine Ind. für einen Schwangerschaftsab-
bruch.

Neugeborenes/Kind  Ther. entsprechend den nationalen Richtlinien (Empfeh-


lungen zur antiretroviralen Ther. bei HIV-infizierten Kindern, Pädiatrische Ar-
beitsgemeinschaft AIDS, Stand 2005).

Prophylaxe
Postpartale Zidovudin-Prophylaxe des NG i. v. oder oral entsprechend oben zi-
tierter Leitlinie.

Meldepflicht
Anonyme Meldepflicht des Labors beim Robert Koch-Institut in Berlin bei
erstmaligem Nachweis einer HIV-Inf.
   5.13  Infektionen in graviditate  205

5.13.7  Virushepatitis

Von den bisher identifizierten klinisch relevanten Hepatitisviren (Hepatitis


A, B, C, D, E) haben das Hepatitis-A- und -D-Virus in unseren Breiten eine
minimale, das Hepatitis-E-Virus als gelegentliche Reiseinf. und Zoonose, das
Hepatitis-B-Virus eine große und das Hepatitis-C-Virus eine zunehmende
Bedeutung für die Schwangerschaft und das NG.

Hepatitis A
Erreger ist das Hepatitis-A-Virus, ein kleines unbehülltes RNA-Virus der Familie
Picornaviridae, Genus Hepatovirus.
Epidemiologie
In Ländern mit hohem Hygienestandard ist die Erkrankungshäufigkeit rückläufig.
2010 wurden dem RKI 783 Fälle gemeldet, das entspricht einer Inzidenz von ca.
1  :  100.000. Die Hepatitis  A ist jedoch weiterhin als Reiseinf. (40–50 % aller in
Deutschland gemeldeten Fälle) wichtig. Epidemiologische Daten, die speziell die
Schwangerschaft betreffen, sind nicht verfügbar, da Inf. in der Schwangerschaft
weltweit selten vorkommen.
Infektionsrisiko in der Schwangerschaft
• In der Regel fäkal-orale Übertragung (kontaminierte Lebensmittel, Trinkwas-
ser, Schmierinf.). Inf. durch Blut, Blutprodukte und sexuelle Kontakte sind
ebenfalls möglich. 5
• IKZ: 2–6 Wo., Infektiosität besteht bei Erkrankten meist im Zeitraum von
1–2 Wo. vor bis 1 Wo. nach Auftreten des Ikterus bzw. der Transaminasener-
höhung, selten protrahierte Inf.
• T ransmissionen während der Geburt (durch Exposition zu mütterlichen Fä-
zes) und durch das Stillen (daher nicht kontraindiziert) sind Ausnahmen.
• Infizierte NG und Sgl. können das Virus wochenlang über den Stuhl ausschei-
den und stellen somit eine Infektionsquelle für nichtimmunes Personal dar.
Klinik
Schwangere  Krankheitsverlauf nicht schwerer als bei Nichtschwangeren. In re­
trospektiven Studien wird aber auf ein erhöhtes Risiko für vorzeitige Wehen,
Frühgeburtlichkeit und einige andere geburtshilfliche KO hingewiesen.
Neugeborenes  Kindliche Fehlbildungen nach Inf. in der Schwangerschaft sind nicht
bekannt. Bei Sgl. verläuft die Inf. meist milder als bei Erw. und häufig anikterisch.
Diagnostik
Schwangere  Das Hepatitis-A-Screening ist keine Untersuchung der Mutter-
schaftsvorsorge.
• S erologie: Als serologischer Suchtest kann der Anti-HAV-Gesamtantikörper-
EIA verwendet werden. Wenn dieser Test pos. ausfällt, sollte Anti-HAV-IgM
bestimmt werden.
• K linische und klinisch-chemische Untersuchungen: Oberbauchsono, Be-
stimmung von Transaminasen (GPT > GOT), Bili im Serum, Bili und Urobi-
linogen im Urin sowie Quick-Wert als Syntheseparameter.
206 5  Schwangerschaft  

• E rregernachweis: Während der akuten Erkr. erfolgt der Nachweis der Hepa-
titis-A-RNA durch PCR zuerst im Stuhl und dann auch im EDTA-Blut. Da-
durch können unklare IgM-Befunde häufig unterstützt und die Infektiosität
abgeschätzt werden.
Pränatale Diagnostik  Nicht indiziert.
Neugeborenes  RNA-Nachweis durch PCR in Stuhl und EDTA-Blut, Bestim-
mung von Anti-HAV-IgM.
Therapie
Keine spezifische Ther. verfügbar.
Prophylaxe
• E xpositionsprophylaxe: effektive Hygienemaßnahmen (s. diesbezügliche Hy-
gienemaßnahmen).
• P assive Immunisierung: mit dem schnell und gut wirksamen Standard-Im-
munglobulin (mit hohem HAV-Ak-Gehalt); ist jedoch heute weitgehend
durch die aktive Impfung ersetzt oder wird bei Kontaktpersonen i. d. R. mit-
tels Simultanprophylaxe (aktiv/passiv) durchgeführt. Bei NG von Müttern
mit akuter Hepatitis A kurz vor oder um den Geburtstermin erfolgt die Pas-
sivprophylaxe mit Standard-Ig (0,02–0,06 ml/kg KG i. m.).
• A ktive Hepatitis-A-Impfung: in erster Linie bei Reisen in Gebiete mit hoher
Hepatitis-A-Prävalenz, aber auch bei beruflich gefährdeten Personen indiziert
und kann auch in der Schwangerschaft durchgeführt werden, da es sich um
einen inaktivierten Impfstoff handelt.
5 In Hessen, Nordrhein-Westfalen und im Saarland besteht beim Auftreten von
Hepatitis A ein Beschäftigungsverbot für seroneg. Schwangere in vorschulischer
Tagesbetreuung (Wiederzulassung 51. Tag nach letztem Erkrankungsfall).

Meldepflicht
Namentlich (direkter und/oder indirekter Infektionsnachweis).

Hepatitis B
Erreger ist das Hepatitis-B-Virus, ein DNA-Virus der Familie Hepadnaviridae.
Epidemiologie
Die Hepatitis B ist weltweit eine der häufigsten Infektionskrankheiten. Man geht
davon aus, dass ca. 2 Mrd. Menschen die Inf. durchgemacht haben und etwa 300–
400 Mio. chron. infiziert sind. In Deutschland tragen 6–8 % der Bevölkerung An-
ti-HBc-IgG als Seroprävalenzmarker, ca. 0,6 % sind Virusträger. Seit 1995 wird
von der Ständigen Impfkommission (STIKO) die Impfung aller Kinder gegen He-
patitis B empfohlen. In ca. 20 J. ist zu erwarten, dass die chron. Hepatitis B in der
Schwangerschaft seltener wird.
Infektionsrisiko in der Schwangerschaft
• D er sexuelle Infektionsweg ist in Deutschland am häufigsten geworden.
• IKZ: 2–6 Mon.
• A ufgrund der hohen Infektiosität einiger chron. Infizierter ist auch eine
Übertragung durch Haushaltskontakte (z. B. gemeinsame Verwendung von
Zahnbürsten) möglich.
   5.13  Infektionen in graviditate  207

• B ei HBsAg-pos. Müttern mit hoher Viruslast (oft gleichzeitig HBeAg-pos.)


liegt das Risiko der Mutter-Kind-Übertragung ohne vorbeugende Maßnah-
men bei 80–90 %. Chronische, lediglich HBsAg-pos. „Träger“-Mütter infizie-
ren ihre Kinder in 10–20 %.
•  ie perinatale Inf. ist ein besonders wichtiger Infektionsweg; das Übertra-
D
gungsrisiko kann mithilfe der postnatalen Simultanimpfung deutlich vermin-
dert werden (Restrisiko bei hoher maternaler Viruslast bis 15 %). Nach peri-
nataler Inf. werden 90 % der Kinder chron. infiziert, im Vergleich zu nur
5–10 % der Personen, die sich erst nach dem 12. Lj infizierten.
•  ine frühpostnatale Inf. kann durch engen Kontakt von NG mit infizierten
E
Eltern/Angehörigen erfolgen.
Klinik
Schwangere  Die Inf. führt wie bei Nichtschwangeren bei ca. 1⁄3 der Infizierten zu
einer akuten ikterischen Hepatitis, in einem weiteren 1⁄3 zu einem anikterischen
Verlauf, und beim verbleibenden 1⁄3 verläuft die Inf. asymptomatisch.
Neugeborenes  Meist symptomfrei, selten fulminant (hauptsächlich bei Sgl. im
Alter von 2–6  Mon. von Müttern mit Hepatitis-B-Virusmutationen in der Prä-
Core-Region), sehr oft chron. (s. o.).
Diagnostik
Schwangere  Das HBsAg-Screening ist in Deutschland seit 1994 obligater Be-
standteil der Mutterschaftsvorsorge ab der 32. SSW.
Gemäß Leitlinie besteht darüber hinaus eine Ind. zur Hepatitis-B-Diagn. bei Per-
sonen mit Migrationshintergrund aus Regionen mit erhöhter Prävalenz (unab- 5
hängig von einer Schwangerschaft).
• S erologie/Erregernachweis:
– Laborparameter für die Diagn. der verschiedenen Hepatitis-B-Stadien
▶ Tab. 5.19.
– HBeAg-Bestimmung (neben HBsAg-Bestimmung als wichtigem Hinweis
auf Infektiosität) wird heute meist bei Therapieentscheidungen durchge-
führt. (Bei bestimmten Mutationen im Prä-Core- und Core-Gen wird
kein HBeAg gebildet, dies kann zu einer falsch neg. Beurteilung der Vi-
rusvermehrung führen.)
– Quant. DNA-Nachweis durch PCR dient zur Beurteilung der Infektiosität
und der Erfassung von Mutanten.

Tab. 5.19  Hepatitis-B-Screening in der Schwangerschaft und Maßnahmen


Laborparameter Diagnose Melde­ Neugeborene:
pflicht ­Simultanimpfung?

HBsAg Anti-HBc Anti-HBc-IgM

Neg. → Nicht er- Nicht erforder- Kein Anhalt – Nein


forderlich lich für eine Inf.

Pos. → Pos. → Neg. Chron. Inf. Nein Ja, noch im Kreißsaal


innerhalb von 12 h!
Ther. der Schwange-
ren erwägen!
208 5  Schwangerschaft  

Tab. 5.19  Hepatitis-B-Screening in der Schwangerschaft und Maßnahmen (Forts.)


Laborparameter Diagnose Melde­ Neugeborene:
pflicht ­Simultanimpfung?

HBsAg Anti-HBc Anti-HBc-IgM

Pos. → Pos. → Pos. auf Wunsch Akute/kürz- Ja Ja, noch im Kreißsaal


HBV-DNA quan- liche Inf. innerhalb von 12 h!
titativ

Pränatale Diagnostik  PD nicht sinnvoll, da Mutter-Kind-Transmission perinatal


erfolgt. Bei hochinfektiösen Frauen Amniozentese möglichst vermeiden, da iatro-
gene Inf. nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann.
Neugeborenes  Serologische Kontrolle im Alter von 7–12 Mon. Bei V. a. Hepati-
tis B ▶ Tab. 5.20.

Tab. 5.20  Diagnostik der verschiedenen Stadien der Hepatitis-B-Infektion


Laborparameter

Status HBsAg Anti-HBc Anti-HBcIgM Viruslast Anti-HBs


HBV-DNA

Akute Inf. Pos. Pos. Pos. Pos. Neg.

Chron. Inf. Pos. Pos. Neg. Pos./neg. Neg.

5 Ausgeheilte Inf. Neg. Pos. Neg. Neg. Pos.

Sonderfälle: akute/ Neg. Pos. Pos./neg. Pos. Neg.


chron. Hepatitis B
bei Mutanten

Therapie
Die verfügbaren antiviralen Substanzen (Interferon-alpha, pegyliertes Interferon-
alpha, Lamivudin, Adefovir, Entecavir, Tenofovir, Telbivudine) sind während der
Schwangerschaft nicht zugelassen. Gemäß Leitlinie besteht die Möglichkeit, insb.
bei hoher Viruslast, zur Reduktion des Transmissionsrisikos eine Ther. auch in
der Schwangerschaft zu beginnen. Hierzu scheint sich trotz fehlender Zulassung
am ehesten Tenofovir zu eignen.
Prophylaxe
• E xpositionsprophylaxe: Personen mit wechselnden Sexualpartnern → Ge-
brauch von Kondomen, bei i. v. Drogenabhängigen → keine gemeinsamen
Nadeln, innerhalb der Familie → übliche Hygiene.
• A ktive Prophylaxe: Kinderimpfung und Indikationsimpfung s. STIKO-Emp-
fehlungen. Die Impfung kann auch in der Schwangerschaft durchgeführt
werden (vorzugsweise im 2. und 3. Trimenon, da inaktivierter Impfstoff).
• N eugeborenenprophylaxe:
– Neugeborene von HBsAg- und Anti-HBc-pos. oder HBV-DNA-pos. Müt-
tern werden sofort p. p. bzw. innerhalb von 12 h p. p. simultan mit HBIG
(z. B. Hepatect® 20 IE = 0,4 ml/kg KG i. v.) und dem aktiven Hepatitis-B-
   5.13  Infektionen in graviditate  209

Impfstoff (z. B. HBVAX PRO® 0,5 ml i. m.) geimpft. Die 2. und 3. Impfung
erfolgt in der 4. Lw und im 6. Lm.
– Bei NG von Müttern mit unbekanntem HBsAg-Status, bei denen noch
vor bzw. sofort nach der Geburt keine serologische Kontrolle möglich
war, wird unmittelbar p. p. mit der Grundimmunisierung mit dem Hepa-
titis-B-Impfstoff begonnen.
– Bei nachträglicher Feststellung einer HBsAg-Positivität der Mutter kann
beim NG innerhalb von 7 Tagen postnatal die passive Immunisierung
nachgeholt werden. Durch die Simultanimpfung wird eine Inf. des NG in
> 95 % vermieden. Unter dieser Voraussetzung kann gestillt werden.
Sectio wird nicht generell empfohlen, nur bei akuter Inf. in der Spätschwanger-
schaft mit hoher HBV-DNA-Viruslast und bei Koinf. mit HIV.
Beschäftigungsverbot für seroneg. Schwangere: z. B. in Bayern, NRW bei Tätig-
keiten in Behindertenkindergärten, Betreuung behinderter Jugendlicher.

Meldepflicht
Namentlich (direkter und/oder indirekter Infektionsnachweis).

Hepatitis C
Erreger ist das Hepatitis-C-Virus, ein RNA-Virus der Familie Flaviviridae, Genus
Hepacivirus mit 6 Genotypen und > 70 Subtypen.
Epidemiologie
Etwa 3 % der Weltbevölkerung sind chron. mit HCV infiziert. In Europa findet 5
man hohe Ak-Prävalenzen v. a. bei i. v. Drogenabhängigen. In Deutschland liegt
die Prävalenz von HCV-Ak in der Bevölkerung bei 0,4–0,7 %. Weder die HCV-
Inf. der Frau noch des Partners sind eine KI für eine Schwangerschaft.
Infektionsrisiko in der Schwangerschaft
• Ü berwiegend parenterale Übertragung, selten durch Sexualkontakt. In etwa
30 % der Fälle ist der Übertragungsmodus weiterhin nicht klar erkennbar.
• IKZ: 2–24 Wo.
• T ransmission meist perinatal durch Kontakt mit mütterlichem Blut, selten
spät-intrauterin. Die vertikale Transmissionsrate von der infizierten Mutter
auf das Kind beträgt 4–10 %. Bei Koinf. mit HIV erhöht sich die Transmissi-
onsrate auf 14–22 %.
Klinik
Schwangere  Der Verlauf ist zunächst bei > 75 % aller HCV-Inf. subklinisch, bei
weniger als ¼ tritt initial eine klinisch manifeste akute Hepatitis auf. Mehr als 50 %
der Inf. gehen in chron. Formen über, langfristig entwickelt sich bei 20 % der
chron. Infizierten eine Leberzirrhose mit hohem Risiko für ein hepatozelluläres
Ca.
Neugeborenes  Die meisten infizierten NG sind ebenfalls asymptomatisch. In ei-
nigen Fällen treten milde und vorübergehende Symptome wie z. B. Hepatomega-
lie oder abdominelle Beschwerden auf. Die meisten perinatal infizierten Kinder
weisen zumindest in den ersten beiden Lj intermittierend oder persistierend er-
höhte Transaminasen auf.
210 5  Schwangerschaft  

Diagnostik
Schwangere  Das HCV-Screening ist keine Untersuchung der Mutterschaftsvor-
sorge.
• S erologie: Als Suchtest wird der Ak-Nachweis mittels ELISA eingesetzt. Bei
kürzlichem Risikokontakt ist zu beachten, dass die Ak-Bildung mehrere
(meist 6–8) Wo., in einzelnen Fällen auch mehrere Mon. in Anspruch neh-
men kann.
• E rregernachweis: Zum Ausschluss bzw. zur Bestätigung einer Virämie ist bei
pos. Ak-Nachweis eine quantitative RNA-Bestimmung mit der RT-PCR sinn-
voll. Diese sollte bevorzugt im 3. Trimenon durchgeführt werden, da die Vi-
ruslast fluktuieren und das Transmissionsrisiko so am genauesten einge-
schätzt werden kann.
Pränatale Diagnostik  Nicht angezeigt, da überwiegend peripartale Übertragung,
bei Ind. aus genetischen Gründen ist iatrogenes Risiko bei der Amniozentese
nicht ganz auszuschließen.
Neugeborenes  HCV-RNA-Nachweis ab 2.–4. Lw, HCV-Antikörpertest prim.
nicht sinnvoll, da mütterliche Ak bis zum Alter von 18 Mon. nachweisbar bleiben
können, Verlaufskontrollen in Abständen von 3 Mon. bis zum Alter von 1½ J.
Therapie
Die verfügbaren antiviralen Substanzen (Interferon-alpha, pegyliertes Interferon-
alpha, Ribavirin, DAAs wie Protease-Inhibitoren) sind während der Schwanger-
schaft kontraindiziert. Eine Hepatitis-C-Inf. mit pos. RNA-Befund in der Schwan-
gerschaft ist keine Ind. für einen Schwangerschaftsabbruch.
5
Prophylaxe
Expositionsprophylaxe: Hygienemaßnahmen, Vermeidung von Nadelstichverlet-
zungen.
Bei chron. Inf. wird keine Sectio empfohlen, evtl. aber bei Primärinf. mit hoher
Viruslast gegen Ende der Schwangerschaft. Vom Stillen wird nicht abgeraten,
Vorsicht bei Verletzungen ist jedoch geboten. Beim NG außer den üblichen Hygi-
enevorschriften keine besonderen Maßnahmen (keine Isolierung).

Meldepflicht
Namentlich (direkter und/oder indirekter Infektionsnachweis).

Hepatitis E
Erreger ist das Hepatitis-E-Virus, ein nicht umhülltes RNA-Virus der Familie der
Hepeviridae mit 4 Genotypen.
Epidemiologie
Sporadische und epidemische Ausbrüche in Subtropen und Tropen. Betroffen
sind hauptsächlich junge Erw.
Sporadische Inf. in Industrieländern, Zoonose (Reservoir Schweine/Wildschwei-
ne etc.).
Infektionsrisiko in der Schwangerschaft
• Ü
 bertragung ähnlich dem Hepatitis-A-Virus fäkal-oral (kontaminiertes
Trinkwasser), meist in fernöstlichen Ländern.
   5.13  Infektionen in graviditate  211

• IKZ: 15–60 Tage.
• Inzidenz in der Schwangerschaft 9 × höher als bei nichtschwangeren Frauen
und bei Männern.
• T ransmission: intrauterin; auch eine vertikale Transmission wird diskutiert.
Klinik
Akute Hepatitis ähnlich der Hepatitis  A, aber in der Schwangerschaft schwerer
Verlauf mit einer Letalität von ca. 20 % sowie hoher Abortrate und hoher Rate von
intrauterinem Fruchttod.
In Einzelfällen chron. Verläufe bei Immunsupprimierten.
Diagnostik
Ak im IgG-/IgM-ELISA und Virus-RNA-Nachweis im Stuhl (PCR).
Therapie
Keine antiviralen Substanzen verfügbar.
Prophylaxe
Expositionsprophylaxe: Hygienemaßnahmen.

Meldepflicht
Namentlich (direkter und/oder indirekter Infektionsnachweis).

5.13.8  Enteroviren
5
Erreger sind die Polioviren 1–3, die Coxsackie-A- und -B-Viren, Echoviren und En-
teroviren. Nach neuer Nomenklatur Einteilung in 4 Spezies: humanes Enterovirus
A, B, C, D. Beispiel: Poliovirus Typ 1–3 gehört zur Spezies humanes Enterovirus C.

Epidemiologie
• N
 atürliche Inf. mit Polioviren spielen in Europa keine Rolle mehr. Es wurde
von der WHO 2002 als poliofrei zertifiziert.
• In gemäßigten Klimazonen saisonale Häufung von Enterovirusinf. im Spät-
sommer und Herbst.

Infektionsrisiko in der Schwangerschaft


• A
 nsteckung mit Enteroviren vorwiegend fäkal-oral, bei frisch Erkrankten
auch Tröpfcheninf.
• IKZ: 3–5 Tage.
Bei Inf. mit Coxsackie-/Echoviren im 1. und 2. Trimenon nur ausnahmsweise
kindliche Schädigungen (ZNS, kardiovaskulär, gastroenteral, urogenital). Diese
Fälle wurden jedoch retrospektiv erfasst und sind virologisch nicht abgesichert.
Bei hochfieberhaften Erkr. kann es gelegentlich, bedingt durch das hohe Fieber,
auch zum Abort oder intrauterinen Fruchttod kommen.

Klinik
• H
 äufig asymptomatischer Verlauf, aseptische Meningitis, Herpangina, Hand-
Fuß-Mund-Krankheit, hämorrhagische Konjunktivitis, Atemwegserkr., Peri-
karditis, Myokarditis etc. möglich.
212 5  Schwangerschaft  

• B ei NG von Müttern mit akuter Inf. kurz vor der Entbindung schwere neona-
tale Erkr. möglich: Sepsis, Meningoenzephalitis, Myokarditis, Hepatitis, Ko-
agulopathie. Bei früh-postpartaler Inf., z. B. durch Besucherkontakt oder auf
der NG-Station, weniger schwere Symptomatik.

Diagnostik
• E rregernachweis in Stuhl, Liquor, EDTA-Blut, FW vorrangig. Heute am er-
folgreichsten durch RNA-Nachweis mittels PCR. Für Typenbestimmung wei-
terhin konventionelle Virusisolierung in Zellkultur notwendig.
• S erologie zweitrangig; Neutralisationstest: aufwendig, ELISA wenig treffsi-
cher.

Therapie
Symptomatisch, eine spezifische antivirale Ther. ist nicht verfügbar.

Prophylaxe
Die wichtigsten prophylaktischen Maßnahmen: gründliches Händewaschen, Ver-
zehr von gekochten Speisen, geschältem Obst, Meidung größerer Menschenan-
sammlungen.

Es besteht keine Meldepflicht.

5 5.13.9  Lymphochoriomeningitis (LCM)


Erreger ist das Lymphochoriomeningitisvirus (LCMV).

Epidemiologie
Natürliches Reservoir sind hauptsächlich Nagetiere (Mäuse, Hamster – auch als
Haustiere). Die i. d. R. asymptomatisch chron. infizierten Tiere scheiden das Virus
über Urin und Fäzes aus. Selten Virusübertragung nach Organtransplantation
(Leber, Lunge, Niere).

Infektionsrisiko in der Schwangerschaft


Inf. in der Schwangerschaft sind sehr selten bzw. zu wenig diagnostiziert. Seit
1955 wurden 54  Fälle von kongenitaler Lymphochoriomeningitis beschrieben,
davon 34 Fälle seit 1993 hauptsächlich in den USA und 6 Fälle (1998) aus West-
deutschland. Letzter publizierter Fall 2007 in den USA.
Die Inf. kann im 1. Trimenon einen Abort auslösen, im 2. + 3. Trimenon zum in-
trauterinen oder frühneonatalen Tod, zu Hydrozephalus und zu Chorioretinitis
führen.

Klinik
Die Inf. bei Erw. verläuft mild und unspezifisch, in seltenen Fällen als Meningitis
oder Meningoenzephalitis.

Diagnostik
IgG-/IgM-Ak-Bestimmung im IFL, ELISA bzw. durch den Nachweis neutralisie-
render Ak, RNA-Nachweis in der PCR, Erregernachweis in Zellkultur.
   5.13  Infektionen in graviditate  213

Therapie
Keine antivirale Ther. verfügbar.

Prophylaxe
Schwangere sollten den direkten Kontakt mit Hamstern und Mäusen sowie deren
Exkrementen meiden.

Es besteht keine Meldepflicht.

5.13.10  Toxoplasmose
Erreger ist das Protozoon Toxoplasma gondii.

Epidemiologie
Bis zu 1⁄3 der Weltbevölkerung ist infiziert. Seropositivrate bei Frauen im gebärfä-
higen Alter in Mitteleuropa und in Deutschland 20 bis > 45 %.

Infektionsrisiko in der Schwangerschaft


• E ndwirt ist die Katze, der Mensch ist Zwischenwirt. Inf. des Menschen v. a.
durch ungenügend erhitzte Fleisch- und Wurstwaren, erregerkontaminierte
Erde oder Lebensmittel (Salat, Gemüse, Obst).
•  ei Erstinf. der Mutter können die Erreger in allen Stadien der Schwanger-
B
schaft die Plazenta passieren (Wahrscheinlichkeit im 1. Trimenon 4–15 %, im
2. Trimenon etwa 30 % und im 3. Trimenon ≥ 60 %). Kein Hinweis durch 5
Übertragung mit der Muttermilch.
•  isiko für fetale Inf. bei Primärinf. in der Schwangerschaft und möglicherweise
R
um Konzeption. Die Rate der Primärinf. in Schwangerschaft liegt etwa bei 0,5 %.
•  hne Ther. bei 40–50 % der Schwangerschaften Inf. des Fetus.
O

Klinik
Schwangere  Bei Erstinf. in < 10 % uncharakteristische grippale Symptome (Fie-
ber, Abgeschlagenheit), Lymphozytose, zervikale oder generalisierte Lk-Schwel-
lungen.
Fetus  Hydrozephalus, Retinochorioiditis, intrakranielle Verkalkungen.
Neugeborenes  Etwa 90 % der Kinder asymptomatisch und 10 % symptomatisch
infiziert. Bei Letzteren Generalisation in inneren Organen (Leber, Milz, Lymph-
knoten, Lunge, Herz), Bildung von Gewebszysten v. a. in ZNS, Auge, Muskel. Et-
wa 10 % der infizierten Feten zeigen bei Geburt klinische Zeichen einer floriden
Entzündung (z. B. Fieber, Splenomegalie, Hepatomegalie). Bei ca. 1 % klassische
Trias mit Hydrozephalus, Retinochorioiditis und intrazerebralen Verkalkungen.
Kind  Spätmanifestationen: Bei 22–26 % der asymptomatischen NG im Wesent-
lichen Entwicklung und Reaktivierung retinochorioidaler Herde.

Diagnostik
Schwangere  Das Toxoplasmose-Screening ist trotz langjähriger Diskussion kei-
ne Untersuchung der Mutterschaftsvorsorge und nur bei begründetem Verdacht
Kassenleistung.
214 5  Schwangerschaft  

• S erologie: Toxoplasmose-Ak-Screening mit Direkt-Agglutinationstests und


EIAs, wenn pos. → IgG und IgM quantitativ, wenn IgM und IgG pos. → IgG-
Avidity-Test (und/oder Immunoblot).
Befundbewertung im 1. Trimenon:
– EIA IgG neg. → Infektionsrisiko, Titerkontrolle im 2.–3. Trimenon.
– EIA IgG pos., IgM neg. → frühere Inf., keine weitere Titerkontrolle erfor-
derlich.
– EIA IgG pos., IgM pos., IgG-Avidity-Index niedrig → Verdacht auf kürzli-
che Inf.
– EIA IgG pos., IgM pos., IgG-Avidity-Index hoch → länger zurückliegende
Inf. bzw. lang persistierendes IgM.
– Serokonversion IgG neg. → pos.: frische bzw. kürzliche Inf.
– IgG-Titeranstieg und hohes IgM, Bestätigung durch niedrigen Aviditäts-
index → frische bzw. kürzliche Inf.
•  rregernachweis: ohne Bedeutung.
E

Durch den meist asymptomatischen Verlauf (≥  90 %) ist eine Inf. oft nur
durch Nachfragen des Frauenarztes und Durchführung der Serologie er-
kennbar.

Pränatale Diagnostik  Bei serologischem V. a. akute oder kürzliche Erstinf. oder
auffälligem Ultraschall:
• H inweis auf DNA-Nachweis in der PCR im FW ab der 19. SSW.
5 • U ltraschall DEGUM Stufe 2/3.
Bei auffälligem Ultraschall nach der 22./23. SSW und zuvor neg. Ergebnis im FW
→ Toxoplasma-DNA-Nachweis und IgM-Ak-Nachweis im fetalen Blut.
Neugeborenes 
• E IA IgG pos., IgM neg., IgA neg., Immunoblot Mutter/Kind Profil neg. →
passive mütterliche Ak.
• E IA IgG pos., IgM und/oder IgA bzw. Immunoblot Mutter/Kind Profil pos. →
eigene kindliche Immunantwort – kongenitale Inf.
• T oxoplasma-DNA-Nachweis PCR im Blut, Liquor, Plazenta.
Kind  Serologische Verlaufskontrollen mit Abfall der passiven mütterlichen IgG-
Ak unter die Nachweisgrenze bis zum Ende des 1. Lj.

Therapie
Schwangere 
• M
 edikamentöse Therapie:
– Bis SSW 14+6: Spiramycin 6 × 1,5 Mio. IE/d p. o. = 9 Mio. IE/d (z. B. Ro-
vamycine® 1,5 Mio. IE).
– Ab SSW 15+: Pyrimethamin plus Sulfadiazin plus Ca-Folinat (Kombinati-
onsther.) über mind. 4 Wo. als Ther. der Wahl.
– Pyrimethamin 1. Tag 50 mg, ab 2. Tag 25 mg/d p. o. (Daraprim®).
– Sulfadiazin 50 mg/kg KG/d bis maximal 4 g/d p. o. in 4 Teildosen (Sulfadi-
azin-Heyl®).
– Ca-Folinat 2–3 × 5 mg/d p. o. (z. B. Lederfolat®).
– Bei pos. DNA-Nachweis im FW: Ther. bis zum Ende der Schwangerschaft.
– Frühzeitige Ther. senkt das Risiko für schwere Schädigungen bei Geburt.
   5.13  Infektionen in graviditate  215

• S chwangerschaftsabbruch: Vor einem Schwangerschaftsabbruch sollte zuerst


eine pränatale Diagn. durchgeführt werden. Eine Ind. besteht nur bei auffälli-
gem Ultraschallbefund und vorrangig bei DNA-Nachweis im FW und Fetal­
blut bzw. zweitrangig IgM-Nachweis im Fetalblut.
Neugeborenes 
• V erschiedene Therapieschemata, abhängig von klinischen Symptomen (s. ­DGPI,
aktuelle Auflage). In der Regel werden folgende Medikamente eingesetzt:
• K ombinationsther.:
– Pyrimethamin 1 mg/kg KG/d (max. 25 mg) p. o. (Daraprim®).
– Sulfadiazin 50–100 mg/kg KG/d (max. 4 g) p. o. in 2 Teildosen (Sulfadia-
zin-Heyl®).
– Ca-Folinat 5–10 mg jeden 2.–3. Tag p. o. (z. B. Lederfolat®).
• B ei akuten Entzündungszeichen des ZNS oder am Auge zusätzlich bis zum
Abklingen der entzündlichen Prozesse: Kortikosteroide (Prednisolon®)
1,5 mg/kg KG/d p. o. in 2 Teildosen.

Prophylaxe
Expositionsprophylaxe bei Toxoplasmose-seroneg. Schwangeren:
Vermeidung von
• R ohen oder nicht ausreichend erhitzten Fleisch- und Wurstwaren.
• K atzenkotkontaminierter Erde (Gartenarbeit, Spielen im Sandkasten).
• E rregerkontaminierten ungesäuberten Nahrungsmitteln (Salat, Gemüse, Fall-
obst).
Keine passive und aktive Prophylaxe verfügbar. 5
Meldepflicht
Nur bei konnataler Toxoplasmose nicht namentlich direkter oder indirekter
Nachweis.

5.13.11  Lues connata (Syphilis)


Erreger ist ein gramneg. Bakterium, die Spirochäte Treponema pallidum spp. pal-
lidum.

Epidemiologie
Einziges Reservoir ist der Mensch. Die Zahl der bei NG bzw. Kindern diagnosti-
zierten Fälle von Lues connata liegt seit Einführung des Infektionsschutzgesetzes
in Deutschland im Jahr 2001 bei 2–3 Fällen pro Jahr; die Zahl der gemeldeten Sy-
philisfälle bei Erw. liegt bundesweit im gleichen Zeitraum mit regionalen Schwan-
kungen bei ca. 3.000 Erkr.

Infektionsrisiko in der Schwangerschaft


• D
 iaplazentare Übertragung zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft mög-
lich, gehäuft nach der 16./18. SSW. Inf. des Kindes bei der Passage der Ge-
burtswege möglich.
•  ie Inf. des Fetus kann in jedem Stadium, auch in der späten Latenz der nicht
D
oder ungenügend behandelten Mutter erfolgen.
216 5  Schwangerschaft  

• Infektionsrisiko sinkt mit Abstand zur mütterlichen Primärinf. In Abhängig-


keit vom Erkrankungsstadium zum Zeitpunkt der Entbindung wurden bei un-
behandelter Syphilis folgende Infektionsraten beschrieben: prim. Syphilis 29 %,
sek. Syphilis 59 %, frühlatente Syphilis 50 % und spätes Latenzstadium 13 %.
•  rhöhte Inzidenz von Spontanaborten, Totgeburten, Frühgeburtlichkeit und
E
Hydrops fetalis sowie erhöhte perinatale Sterblichkeit bei unbehandelter Sy-
philis der Schwangeren abhängig vom mütterlichen Erkrankungsstadium
(prim., sek., frühes Latenzstadium, späte Latenz, Tertiärstadium).

Klinik
Schwangere  ▶ 11.3.6.
Fetus  Hinweis auf fetale Inf. im Ultraschall: Hepatomegalie, Aszites, Hydrops
fetalis, hydropische Plazenta.
Neugeborenes  Nur 30–60 % der infizierten NG haben bei Geburt Symptome:
z. B. Hydrops fetalis, Hepatosplenomegalie, Hauteffloreszenzen, Anämie, Ikterus,
Koryza. In den ersten Lw u. a. Schleimhautulzera, Koryza syphilitica, Pemphigus
syphiliticus an Handtellern und Fußsohlen.
Kind  Frühstadium: Lues connata praecox in den ersten 2 Lj, Spätstadium: Lues
connata tarda ab dem 3. Lj, z. B. Sattelnase, Hutchinson-Zähne, Säbelscheidenti-
bia, mentale Retardierung.

Diagnostik
Schwangere  ▶  11.3.6. Das Ak-Screening ist eine Untersuchung der Mutter-
5 schaftsvorsorge im 1. Trimenon.
• S erologie: In Deutschland wird die Diagn. einer Syphilis serologisch erstellt.
Derzeit Treponema-pallidum-Hämagglutinationshemmtest (TPHA) oder
Treponema-pallidum-Partikel-Assay (TPPA) als Suchreaktion. Bei pos. Be-
fund folgende Teste zur weiteren Abklärung:
– Bestätigungstest: Fluoreszenz-Treponema-pallidum-Antikörper-Absorp-
tion (FTA-Abs.), Enzymimmunassay (EIA) oder Immunoblot (IB).
– Nicht treponemenspezifische Cardiolipin-Flockungsreaktion (z. B. Vene-
ral-Disease-Research-Laboratory – VDRL-Test).
– IgM-Ak-Nachweis (IFT oder IB). Cave: Fehlende IgM-Ak schließen The-
rapiebedürftigkeit nicht aus.

Bei Schwangeren mit Risikoanamnese (frühere Syphilis, Prostitution, Dro-


genmissbrauch, Einwanderung aus Gebieten mit hoher Inzidenz etc.) Wie-
derholung der Syphilisserologie zu Beginn des 3. Trimenons zur Vermeidung
der konnatalen Syphilis.

Pränatale Diagnostik  Ultraschall; nur bei auffälligem Ultraschall (z. B. Hepato-


megalie, Aszites, Hydrops fetalis, hydropische Plazenta) invasive pränatale Diagn.
(DNA-Nachweis im FW und Fetalblut, IgM-Ak- und VDRL-Bestimmung im Fe-
talblut).
Neugeborenes/Kind  TPPA-Test, IgM-Ak in IFT oder IB, VDRL Mutter/Kind
mit Verlaufskontrolle. Evtl. Ak-Bestimmung im Liquor.
   5.13  Infektionen in graviditate  217

Therapie
Schwangere  Bei Penicillin-Allergie, Koinf. mit HIV, v. a. Neurosyphilis und tert.
Syphilis sowie bei auffälligem Ultraschall oder Erstdiagn. nach der 20. SSW sollte
das weitere Vorgehen mit einem Spezialisten abgesprochen werden. Ansonsten:
• F rühsyphilis: Benzylpenicillin-Benzathin (Tardolin®) 2,4 Mio. IE als Einmal-
gabe i. m.
• S pätsyphilis oder unbekannt: Benzylpenicillin-Benzathin (Tardolin®) 1 ×
2,4 Mio. IE/Wo. i.m. an den Tagen 1, 8 und 15.
! Jarisch-Herxheimer-Reaktion (bei ca. 40 % der Pat. mit Syphilis im Frühstadi-
um) und mögliche Folgen (vorzeitige Wehen, Dezelerationen, sehr selten
Totgeburt) beachten.
Neugeborenes 
• A symptomatisch, reif, VDRL neg., Mutter in Schwangerschaft adäquate
Ther., Nachsorge gewährleistet: keine antibiotische Behandlung.
• K ongenitale Syphilis: Benzylpenicillin-Natrium i. v. 10–14 Tage, Dosis an das
Lebensalter angepasst. LT 1–7: 100.000 IE/kg KG/d in 2 Dosen; LT 8–30:
150.000 IE/kg KG/d in 3 Dosen; nach LT 30: 200.000–300.000 IE/kg KG/d in
4 Dosen.

Meldepflicht
Nicht namentlich: direkter oder indirekter Nachweis des Erregers.

5.13.12  Listeriose 5
Erreger ist das begeißelte grampos. Stäbchen Listeria monocytogenes.

Epidemiologie
Erreger ubiquitär nachweisbar. Häufigkeit der konnatalen Listeriose bei 3–4 Fäl-
len pro 100.000 Geburten.

Infektionsrisiko in der Schwangerschaft


• Inf. hauptsächlich durch kontaminierte Lebensmittel, Schmutz- und Schmier­
inf.
• D
 a es sich nicht um eine zyklische Allgemeininf., sondern um eine zur Gene-
ralisierung neigende Lokalinf. handelt, kann eine IKZ im herkömmlichen
Sinn nicht angegeben werden.
• D iaplazentare Inf. des Fetus zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft mög-
lich.
• Infizierte Schwangere scheiden die Erreger mehrere Mon. über den Stuhl und
nach Entbindung 7–10 Tage über Lochialsekret und Urin aus.

Klinik
Schwangere 
• E rkr. verläuft unauffällig, grippeähnlich oder zweiphasig, zunächst mit Fieber,
Schüttelfrost, Lk-Schwellung, Pharyngitis, Diarrhö oder HWI, nach 14 Tagen
erfolgt ein erneuter Temperaturanstieg, ggf. Zeichen eines Amnioninfektsy.,
evtl. mit Zeichen einer fetalen Hypoxie (z. B. path. CTG, grünes FW). Nach
Entbindung schnelle Besserung.
218 5  Schwangerschaft  

• B ei den 80 in den Jahren 2001–2005 ermittelten Inf. in der Schwangerschaft


waren die Hauptsymptome Fieber und grippeähnliche Erkr. Es traten in 13 %
Abort, in 33 % Frühgeburtlichkeit und in 8 % Totgeburten auf.
Neugeborenes 
• F rühinf. (Early-Onset, 1.–5. LT): Granulomatosis infantiseptica, septische
Hautmetastasen (makulopapulös), Sepsis, RDS, Pneumonie, Zyanose,
Krampfanfälle (Meningitis), Durchfälle, Hepatosplenomegalie, Letalitätsrate
trotz gezielter Chemother. hoch (etwa 30 %).
• S pätinf. (Late-Onset, > 6.–40. LT): Meningitis, Meningoenzephalitis, Sepsis.
Prognose deutlich besser als bei Frühinf.

Diagnostik
Schwangere  Direkter Erregernachweis aus Vaginal-Rektal-Abstrich, Kultur von
mütterlichem Blut (pos. Befund sichert Diagn.), Urin, Stuhl, Liquor, FW oder Pla-
zentagewebe, Lochien bzw. Listeria monocytogenes DNA-Nachweis mittels PCR.
Ak-Nachweis im Serum mit KBR- und Agglutinationstest hat außer bei Titeran-
stiegen > 2 Titerstufen nur eine geringe diagnos. Bedeutung.
Neugeborenes  Direkter Erregernachweis oder DNA-Nachweis mit der PCR in
Mekonium, Ohr-Rachen-Abstrich, Blut, Urin, Magensaft, Liquor.

Therapie
Schwangere  Amoxicillin i. v. oder Ampicillin i. v. hoch dosiert 2,0 g i. v. alle 4 h
über 14–20 Tage. Die Ther. sollte mindestens bis 2 Wo. nach Abklingen der müt-
5 terl. Symptome und Normalisierung der Entzündungsparameter fortgeführt wer-
den. Bei Penicillin-Allergie muss im Einzelfall eine geeignete Alternativther. ge-
klärt werden.

Obwohl infizierte Mütter große Mengen an Listerien im vaginalen Sekret


und den Fäzes ausscheiden und bei infizierten NG Haut, Schleimhaut und
viele Organe mit Listerien besiedelt sind, ist eine erhöhte Gefährdung für
gesunde Erw. (z. B. medizinisches Personal) nicht bekannt. Trotzdem Isolie-
rung von Mutter und Kind und sorgfältige Desinfektion.

Neugeborenes 
• E arly-Onset: Ampicillin 100–150 mg/kg KG/d i. v. in 2–3 Dosen in Kombina-
tion mit Gentamicin 2–3 mg/kg KG/d i. v. Behandlung über mind. 2 Wo.
• L ate-Onset: Ampicillin 200–400 mg/kg KG/d i. v. in 4–6 Dosen in Kombinati-
on mit Gentamicin, etwa 5 mg/kg KG/d i. v. Therapiedauer richtet sich nach
klinischer Besserung, meist 10 Tage, bei langsamer Reaktion bis zu 21 Tage.

Prophylaxe
Expositionsprophylaxe:
• V
 erzicht auf Genuss von rohem Fleisch, roher Milch und daraus hergestellten
Produkten (z. B. Rohmilchkäse).
• V
 erpackte Lebensmittel (Wurst, Fisch, vorgeschnittener Salat) möglichst lan-
ge vor Ablauf der angegebenen Haltbarkeit verbrauchen (L. monocytogenes
vermehrt sich auch bei Kühlschranktemperaturen).
   5.13  Infektionen in graviditate  219

• A
 bsoluter Schutz ist aufgrund des ubiquitären Vorkommens von Listerien
nicht möglich.
• V
 orsicht bei Kontakt mit Haustieren.
Meldepflicht
Direkter Erreger aus Blut, Liquor und anderen prim. sterilen Substraten, Ab-
striche von Neugeborenen.

5.13.13  Chlamydia trachomatis


Der Erreger ist ein intrazelluläres Bakterium. Für die Schwangerschaft sind die
Chlamydia-trachomatis-Serotypen D–K von Bedeutung.

Epidemiologie
In Deutschland beträgt die Prävalenz der genitalen C.-trachomatis-Inf. in der
Schwangerschaft bei den 20- bis 29-Jährigen 1–4 %, bei den über 30-Jährigen 0,2–
1 %, bei jungen sexuell aktiven Mädchen (15–20 J.) ca. 4–9 % und bei Risikopopu-
lationen, z. B. STD-Sprechstunde, bis zu 20–30 %.

Infektionsrisiko in der Schwangerschaft


• Ü
 bertragung durch Sexualkontakte, Schmierinf., infektiöses Augensekret und
perinatal.
• IKZ: bis zu 6 Wo.
• C .-trachomatis-Elementarkörperchen infizieren ausschließlich Drüsenepi- 5
thelzellen (Urethra, Zervix, Endometrium, Tubenepithel, Peritoneum), aber
kein Plattenepithel (Vagina, Vulva).
• Infektionsrisiko für NG nach vaginaler Entbindung der nicht oder unzurei-
chend behandelten Schwangeren.

Klinik
Schwangere  Asymptomatischer Verlauf in etwa 90 %. In ca. 10 % Zervizitis,
Salpingitis, Chorioamnionitis, Endometritis und evtl. Abort oder Frühgeburt
(postpartal, postabortal). Spätfolgen wie z. B. EUG, Tubarschäden, Tubenver-
schluss und Infertilität sind zunehmend von Bedeutung. Erhöhte Frühgeburten-
rate.
Neugeborenes  Nach vag. Entbindung Konjunktivitis möglich. Wird ca. 10 Tage
nach Geburt klinisch apparent, führt nie zu Erblindung oder Korneaschäden.
Atypische Pneumonien meist erst Mon. nach Geburt möglich.

Diagnostik
Schwangere  Das Chlamydia-trachomatis-Screening (Erregernachweis) ist seit
1996 obligater Bestandteil der Mutterschaftsvorsorge.
• S erologie: IgG-, IgA-Ak und in der Mikroimmunfluoreszenz, EIA, Immu-
noblot. Nur angezeigt bei aszendierenden, invasiven Inf., z. B. Salpingitis, En-
dometritis, reaktiver Arthritis etc. Das Fehlen spez. IgA-Ak schließt eine be-
handlungsbedürftige C.-trachomatis-Inf. nicht aus.
220 5  Schwangerschaft  

• E rregernachweis: generell vorrangig vor Serologie, bis vor Kurzem aus Ab-
strichen des Urogenitaltrakts, heute aus Urin: DNA-Nachweis mittels PCR,
bei Symptomen immer auch Partneruntersuchung!
Neugeborenes 
• E rregernachweis in Augenabstrichen oder Trachealsekret mittels PCR.
• P neumonie: zusätzlich IgG-, IgM-Ak-Bestimmung.
Therapie
Schwangere 
• N ach Abschluss der 14. SSW Erythromycin 4 × 500 mg/d p. o. über 7–14 Ta-
ge, bei chron. Inf. bzw. Therapieversagen Therapiedauer 21 Tage. Immer auch
Partnerbehandlung! Bei Makrolid-Unverträglichkeit Amoxicillin 3 ×
500 mg/d über 7–14 Tage.
• B ei strenger Ind.-Stellung nach dem 1. Trimenon Einmaldosis Azithromycin
1 × 1 g (Zithromax®) oder 1 × 500 mg/d p. o. über 3 Tage.
Neugeborenes  Erythromycin-Sirup (Eryhexal®) oder Clarithromycin (z. B. Kla-
cid® Susp.).

Prophylaxe
Jährliches Screening von jungen nichtschwangeren Frauen <  25  J. (Urinprobe,
PCR) sowie Screening vor Schwangerschaftsabbruch zur Verhinderung postabor-
taler Endometritis.

5 Keine Meldepflicht.

5.13.14  Ureaplasma urealyticum und Mycoplasma hominis


Die Erreger sind zellwandlose Bakterien und Bestandteil der normalen Genitalflo-
ra. Besiedlung des Urogenitaltrakts bei asymptomatischen Frauen mit Ureaplas-
ma spp. 40–80 %, mit Mycoplasma hominis 21–53 %.

Infektionsrisiko in der Schwangerschaft


Die Inf. erfolgt meist über Sexualkontakt und Schmierinf. und die des NG spät
intrauterin durch aszendierende Inf. oder sub partu.

Klinik
Schwangere  V. a. Urethritis, Kolpitis und Bartholinitis.
Neugeborenes  Bei mütterlicher Ureaplasma-urealyticum-Inf. wurden v. a. bei
FG Pneumonien, bronchopulmonale Dysplasien und Meningitiden, bei mütterli-
cher Mycoplasma-hominis-Inf. Meningitiden beschrieben.

Der ursächliche Zusammenhang von Ureaplasma urealyticum mit Chorioam-


nionitis, Abort, Frühgeburtlichkeit und postpartaler, postabortaler Endometri-
tis wird diskutiert, ebenso der Zusammenhang von Mycoplasma-hominis-Inf.
mit Abort und Frühgeburtlichkeit. Nicht bewiesen ist auch der ursächliche Zu-
sammenhang der beiden Inf. mit der oben angegebenen Symptomatik beim NG.
   5.13  Infektionen in graviditate  221

Diagnostik
Schwangere  Direkter Erregernachweis durch Anzucht auf Spezialnährboden
oder DNA-Nachweis mittels PCR aus Genitalabstrichen, FW, Douglassekret und
Plazentagewebe.
Neugeborenes  Direkter Erregernachweis aus Trachealabsaugsekret und Nasen-
Rachen-Abstrich durch DNA-Nachweis mittels PCR. Ak-Nachweis im Wachs-
tumshemmtest. Spezifität der Ak nicht gewährleistet, Erregernachweis vorrangig.

Therapie der Ureaplasma-Infektion


Keine generelle Therapieempfehlung aufgrund der unklaren pathogenetischen
Relevanz der beiden Erreger (▶ Tab. 5.21).

Tab. 5.21  Therapie der Infektion mit Ureaplasma und Mycoplasma hominis
Schwangere Neugeborenes

Ureaplasma Meist Erythromycin 4 × 500 mg/d oder Erythromycin 10–20 mg/kg


urealyticum p. o. über 7–10 Tage oder Azithromycin KG/d i. v. Bei Meningoen-
1. Tag 1 × 500 mg, 2.–5. Tag 1 × 250 mg zephalitis keine Empfeh-
p. o. Bei Stillenden ist Roxithromycin vor- lung – einzelfallabhängig.
zuziehen, da es von allen Makroliden am
wenigsten in die Muttermilch übertritt

Mycoplasma Clindamycin 0,6–1,2 g in 3–4 Dosen/d NG mit Meningitis: keine


hominis p. o., meist vorrangig lokal mit Clindamy- Empfehlung – einzel-
cin-Vaginalcreme fallabhängig.
5
Keine Meldepflicht.

5.13.15  Borreliose
Erreger ist die Spirochäte Borrelia burgdorferi sensu lato.

Epidemiologie
Die Lyme-Borreliose ist in Westeuropa und den USA die häufigste durch Zecken
übertragene Infektionskrankheit. Borrelia burgdorferi wird in Europa durch die
Schildzecke Ixodes ricinus übertragen. In Deutschland, Österreich und der
Schweiz wird eine Durchseuchungsrate, in Abhängigkeit vom Entwicklungsgrad
der Zecke (Larve, Nymphe, adulte Zecke), von 5–40 % angenommen.

Beim Stich einer adulten Zecke ist das Infektionsrisiko eher gering, wenn die
Zecke rasch (innerhalb von weniger als 24 h) entfernt wird.

Infektionsrisiko in Schwangerschaft
Je nach klinischer Symptomatik der Erstmanifestation variiert die IKZ z. B. für
Stadium  I: Erythema migrans Tage bis Wo., für Stadium  II: Leitsymptom Me-
ningopolyneuritis Garin-Bujadoux-Bannwarth Wo. bis Mon. und für Stadium III:
Lyme-Arthritis und Acrodermatitis chronica atrophicans Herxheimer Mon. bis
222 5  Schwangerschaft  

Jahre. Pränatale Inf. sind möglich, aber nach aktuellem Stand sehr selten. Kindli-
che Auffälligkeiten nicht bewiesen.

Bei anderen, durch Zecken übertragenen Infektionserkr. (z. B. FSME, Ana-


plasmosen, Ehrlichiosen, Babesiosen oder Rickettsiosen) sind in Europa bis-
her keine kindlichen Schädigungen bekannt.

Klinik
Schwangere  ▶ Tab. 5.22.
Neugeborenes  Pränatale Inf. bzw. kindliche Auffälligkeiten möglich, jedoch sel-
ten. Einzelfallbeobachtungen mit Fehlbildungen von Herz (VSD), ZNS und Au-
gen in neueren prospektiven Studien nicht bewiesen. In Endemiegebieten kein
erhöhtes Fehlbildungsrisiko.

Tab. 5.22  Symptome der Borreliose


Stadium Inkubati­ Klinische Manifestationen
onszeit
Haut Nervensystem Gelenke Sonstiges

Früh loka- Tage bis Erythema Kopfschmer- Arthral­ Fieber, Myalgi-


lisiert Wo. (Mon.) migrans zen gien en, (Lymph-
(Stad. I) (EM), Lym- adenopathie)
phozytom

5 Früh dis-
seminiert
Wo. bis
Mon.
(Lymphozy-
tom), multi-
Meningoradi-
kulitis, Fazia-
Arthral­
gien,
Karditis, Au-
genbeteiligung
(Stad. II) ple Erythe- lisparese, Me- ­Arthritis (Hepatospleno-
me ningitis megalie)

Spät/ Mon. bis J. Akroderma- Enzephalo- Chron. Chorioretinitis,


chron. titis chronica myelitis, Poly- ­Arthritis, Vaskulitis
(Stad. III) atrophicans neuropathie Arthro­
(ACA) pathie

Diagnostik
Schwangere und Neugeborenes 
• S erologie: IgG-/IgM-Ak-Bestimmung; bei grenzwertigen oder pos. Befunden:
Zusatztest Immunoblot. Bei Verdacht auf Neuroborreliose wird neben einem
Liquorstatus zum Nachweis einer intrathekalen Ak-Synthese ein Liquor/Se-
rumpaar mit gleichem Abnahmedatum untersucht.
• E rreger: DNA-Nachweis mittels PCR in Hautbiopsaten, Gelenkpunktaten
eingeschränkt auch im Liquor.

Therapie
Schwangere  ▶ Tab. 5.23. Keine Ind. zur Interruptio.
Neugeborenes von Mutter mit akuter Borreliose in der Schwangerschaft  Übliche
klinische Untersuchungen sowie Nabelschnurblut oder kindliches Blut für IgG-/
IgM-Ak und Borreliennachweis mittels PCR. Bei Seropositivität IgG-Verlaufs-
kontrolle bis zum 7.  Lm durchführen. Im Falle vom Auffälligkeiten bei Geburt
zusätzlich ein Stück Plazenta für den Erregernachweis asservieren.
   5.13  Infektionen in graviditate  223

Tab. 5.23  Therapie der Borreliose in der Schwangerschaft


Stadien der Erkran­ Antibiotikum Dosierung Erwachsene
kung

Prophylaxe nach Amoxicillin 3 × 500–1.000 mg/d p. o. 10–


Zeckenstich 14 Tage

Stadium I (unkom- Amoxicillin 3 × 500–1.000 mg/d p. o. 21 Tage


pliziertes EM)
Ausweichpräparate bei KI für Amoxicillin (strenge Ind., da
nicht ausgiebig genug in der Schwangerschaft erprobt):

Cefuroximaxetil 2 × 500 mg/d p. o. 21 Tage


Cave: pseudomembranöse
Kolitis

Azithromycin 1. Tag: 2 × 500 mg p. o.


2.–5. Tag: 1 × 500 mg/d p. o.

Stadium II Ceftriaxon (z. B. Rocephin®) 2(–4) g/d i. v. 14–21 Tage


®
Cefotaxim (z. B. Claforan ) 3 × 2 g/d i. v. 14–21 Tage

Ersatzpräparat: Penicillin G 4 × 5 Mio IE/d i. v. für 14–21 Tage

Stadium III Wie Stadium II

Absurdität: Beschäftigungsverbot für seroneg. Frauen in NRW, Hamburg, Bran-


denburg bei möglichem Zeckenkontakt (z. B. Waldkindergarten).
5
Keine Meldepflicht.

5.13.16  Q-Fieber
Erreger ist Coxiella burnetii, ein obligat intrazelluläres, gramneg. Bakterium.

Epidemiologie
Q-Fieber ist eine mit Ausnahme Neuseelands und der Antarktis weltweit verbrei-
tete Zoonose. In Deutschland Häufigkeit bei 0,2–0,3 auf 100.000 Einwohner. Die
meisten Erkr. treten im Rahmen von Häufungen auf. Natürliches Reservoir sind
Rinder, Schafe, Ziegen, Katzen, Hunde, Vögel und Zecken. Letztere sind für die
Übertragung auf den Menschen nicht bedeutsam. Bei Säugetieren hohe Ausschei-
dung während der Entbindung (Plazentitis).

Infektionsrisiko in der Schwangerschaft


• M
 ensch infiziert sich durch Inhalation infizierter Stäube (Kot von z. B. Scha-
fen, Rindern, Ziegen) auch über größere Distanzen und durch direkten Kon-
takt mit infizierten Tieren, besonders deren Geburtsprodukten und der kon-
taminierten Neugeborenen, durch kontaminierte Kleidung, durch Verarbei-
ten von Fleisch oder anderen tierischen Produkten.
• Ü bertragung durch Nahrungsmittel hat untergeordnete Bedeutung.
• IKZ: i. d. R. 2–3 Wo.
224 5  Schwangerschaft  

• D
 as Risiko für KO (Abort, Frühgeburt) ist abhängig vom Schwangerschafts-
stadium, in dem die Inf. erfolgte, und am höchsten unbehandelt im 1. Trime-
non.

• B ei Geburt extrem hohe Ansteckungsgefahr für Hebamme und Gynäko-


logen (Plazenta!). Immer Schutzkleidung, Mundschutz, Handschuhe
tragen!
•  . burnetti kann in die Muttermilch übertreten, deshalb bei akuter Inf.
C
auch bei Ther. nicht stillen!

Klinik
Schwangere  Inf. verläuft in etwa 50 % asymptomatisch oder als grippeähnliche
Erkr. mit hohem Fieber, schwerem Krankheitsgefühl und Husten. In bis zu 40 %
Begleithepatitis. In der Schwangerschaft häufig Übergang in chron. Form durch
verminderte T-Zell-vermittelte Immunität. Bei chron. Q-Fieber Endokarditis als
Haupterkr. bei Erw., unbehandelt wird hohe Letalität angegeben! Nur in etwa
30 % ist unauffälliger Schwangerschaftsverlauf zu erwarten. Akute Inf. kann zu
Abort und Frühgeburtlichkeit führen.
Neugeborenes  SGA und Frühgeburt.

Diagnostik
Schwangere und Kind 
5 • S erologie: (Goldstandard: IFT): Phase-II-IgM und -IgG steigen 2–3 Wo. nach
Erkrankungsbeginn an.
– Akute Inf.: Beweisend sind die eingetretene Serokonversion oder der IgM-
Nachweis. IgA1 finden sich sowohl bei akuter als auch bei chron. Inf.,
aber nur Pat. mit Endokarditis weisen IgA2-Phase-II-Ak auf.
– Chron. Inf.: IgG Phase I ≥ 800, IgA Phase I ≥ 50.
• E rregernachweis: mit DNA-PCR und durch Anzucht möglich.
Therapie
Schwangere  Trimethoprim-Sulfamethoxazol, 160/800 mg 2  Kaps./d, für die
Dauer der Schwangerschaft, auf die Entwicklung einer megaloblastären Anämie
achten! Nach der Schwangerschaft auf chron. Inf. testen (s. u.).
Nichtschwangere 
• A kute Erkr.: Doxycyclin 2 × 100 mg/d p. o. über 3–4 Wo.
• C hron. Erkr.: Doxycyclin 2 × 100 mg/d p. o. + Hydroxychloroquin 3 ×
200 mg/d p. o. (ophthalmologische Kontrollen!) über 18 Mon.
Neugeborenes  Aufgrund der seltenen Inf. keine verlässlichen Daten zur Ther.
Prinzipiell kommen Doxycyclin, Trimethoprim-Sulfamethoxazol und Rifampicin
in Komb. mit Makrolid infrage.

Meldepflicht
Direkter oder indirekter Nachweis des Erregers bei Hinweis auf akute Inf.
   5.13  Infektionen in graviditate  225

5.13.17  Therapie parasitärer Infektionen in der


Schwangerschaft
Siehe auch ▶ 21.4 und ▶ 21.5.

Tab. 5.24  Antiparasitäre Therapie in der Schwangerschaft – ausgewählte


­Erreger
Parasit/Krank­ Substanz (Bei­ Dosis Bemerkungen
heitsbild spielpräparat)

Trichomonas Metronidazol Einmalig 2,0 g Immer Partner mitbehandeln.


(T.) vaginalis/ (z. B. Clont®) p. o. Kann bei entsprechender Ind. in
Kolpitis Alternativ: 2 × der gesamten Schwangerschaft
500 mg/d p. o. angewendet werden. Manche
über 7 Tage Experten raten von einer Gabe
im 1. Trimenon ab.
Ther. in der Stillzeit: Applikation
nach der letzten Stillmahlzeit
am Abend, um die „nächtliche
Pause“ zu nutzen (Reduktion
der Expositionszeit für den Sgl.).
Ind. im 1.–3. Trimenon

Entamoeba (E.) Paromomycin 25–30 mg/kg/d Der Nachweis von E. histolytica


histolytica/ (z. B. Huma- p. o., verteilt sollte durch Zusatzteste gesi-
asymptomati- tin®) auf 3 Tagesdo- chert sein. Die Differenzierung
sche Darm­ sen (max. 3 × von apathogenen Formen (E. dis-
lumeninf. 500 mg/d) für
10 Tage
par, E. moshkovskii) von E. histo-
lytica ist nur mit spezifischen Ag-
5
Tests oder PCR möglich.
Sicherheit von Paromomycin in
der Schwangerschaft nicht aus-
reichend evaluiert. Laut Fachin-
formation KI in Schwangerschaft
und Stillzeit. Allerdings kaum
Resorption nach oraler Gabe, da-
her bei adäquater Dosierung kei-
ne Fetopathien zu erwarten. Ind.
im 1.–3. Trimenon

Entamoeba (E.) Metronidazol 3 × 10 mg/ Therapieeinleitung möglichst


histolytica/Amö- (z. B. Clont®) kg KG/d (max. stationär; Mitbetreuung durch
benruhr, Amö- 3 × 800 mg/d) einen Tropenmediziner sollte
benleberabszess i. v. (i. v. Ther. gegeben sein; meistens müssen
zumindest in Amöbenleberabszesse – im Ge-
der Initialpha- gensatz zu bakteriellen Leberab-
se) Fortfüh- szessen – nicht drainiert/gespült
rung mit 3 × werden. Wirkt nicht ausreichend
750 mg/d p. o. gegen intraluminale Formen.
(Gesamtthera- Daher Nachbehandlung mit
piedauer: darmlumenwirksamem Medika-
10 Tage) ment (z. B. Paromomycin, Huma-
tin®) notwendig (s. o.). Ind. im
1.–3. Trimenon
226 5  Schwangerschaft  

Tab. 5.24  Antiparasitäre Therapie in der Schwangerschaft – ausgewählte


­Erreger (Forts.)
Parasit/Krank­ Substanz (Bei­ Dosis Bemerkungen
heitsbild spielpräparat)

Ascaris lumbri- Mebendazol 2 × 100 mg/d Ind. im 2. und 3. Trimenon


coides, Spul- (z. B. Vermox®) p. o. für 3 Tage
wurm/Askariasis

Enterobius ver- Pyrvinium 5 mg (= 7,5 mg Perianaler Pruritus, Kontaktinf.


micularis, Ma- (z. B. Pyrcon®, Pyrviniumem- durch kontaminierte Gegenstän-
denwurm/En- Molevac®) bonat)/kg als de spielen bei der Transmission
terobiasis, Oxy- Einmaldosis eine wesentliche Rolle. Kaum
uriasis (max. 400 mg Resorption, daher Mittel der
Pyrvinium) Wahl bei Enterobiasis in der
Schwangerschaft. Rotfärbung
des Stuhls. Ggf. Behandlung
nach ca. 2 und 4 Wo. wiederho-
len. Ind. im 1.–3. Trimenon

Ancylostoma Mebendazol 2 × 100 mg/d Gewichtsverlust, Anämie, Enteri-


duodenale, Ne- (z. B. Vermox®) p. o. für 3 Tage tis. In der Regel in den Subtro-
cator america- pen und Tropen erworben. Ind.
nus, Haken- im 2. und 3. Trimenon
wurm/Ankylo-
stomiasis, Ha-
kenwurminf.

5 Taenia saginata, Niclosamid


Rinderband- (z. B.
Einmalig 2 g
p. o.
Unspezifische gastrointestinale
Beschwerden. Ind. im 2. und 3.
wurm; T. soli- ­Yomesan®) Trimenon
um, Schweine-
bandwurm/in-
testinaler Band-
wurmbefall

Neurozystizer- Albendazol 12–15 mg/ Kann sich als Präeklampsie/Ek-


kose (i. d. R. (z. B. Eskazo- kg KG/d ver- lampsie (Kopfschmerzen, Erbre-
durch Cysticer- le®) teilt auf 2–3 chen, Krampfanfälle) präsentie-
cus cellulosae, Dosen für ren. Nach Anwendung im 1. Tri-
die Larve von T. 7–14 Tage menon hochauflösender Ultra-
solium) schall im Verlauf empfohlen.
Ther., falls möglich, nach der
Schwangerschaft durchführen.
Die spezifische anthelminthische
Ther. ist sehr umstritten!

Kortison (z. B. 2 × 4 mg/d V. a. bei Ventrikelbeteiligung


Dexametha- und ausgedehnter Neurozysti-
son) zerkose. Neurochirurgische In-
tervention bei Hydrozephalus,
ggf. vorzeitige Entbindung
(Wahl des Entbindungsmodus/
Anästhesie abhängig von klini-
schem Bild und ZNS-Status).
Ther., falls möglich, nach der
Schwangerschaft durchführen
   5.13  Infektionen in graviditate  227

Tab. 5.24  Antiparasitäre Therapie in der Schwangerschaft – ausgewählte


­Erreger (Forts.)
Parasit/Krank­ Substanz (Bei­ Dosis Bemerkungen
heitsbild spielpräparat)

Sarcoptes scabei Crotamiton Lokale Ther.


hominis/Krätze (z. B. Eraxil®),
Benzylbenzo-
at (z. B. Anti­
scabiosum®)

Pediculus hu- Kokosöl oder Lokale Ther. Synthetische Pyrethroide wie


manus capitis/ Pyrethrumex- Permethrin sind v. a. im 1. Tri-
Pediculosis trakt, Perme- menon Mittel der 2. Wahl. Wie-
(Lausbefall) thrin (z. B. In- derholung der Behandlung
fectopedicul®) nach 8 Tagen empfohlen. Welt-
weit werden zunehmend Resis-
tenzen gegen Permethrin beob-
achtet

Malaria
Erreger sind Plasmodium (P.) spp. [P. falciparum (Malaria tropica); P. ovale und
P. vivax (Malaria tertiana); P. malariae (Malaria quartana)].

Von Reisen in Malaria-Endemiegebiete ist in der Schwangerschaft abzuraten.


5
Infektionsrisiko in der Schwangerschaft
Insb. bei Malaria tropica erhöhtes Abortrisiko sowie erhöhtes Risiko für kompli-
ziert verlaufende Inf. bei der werdenden Mutter v. a. im 2. und 3. Trimenon (z. B.
Lungenödem, schwere Hypoglykämien v. a. unter Chininther.).
Therapie
 er. der Malaria tropica (▶ Tab. 5.25) sollte möglichst unter stationären Be-
• Th
dingungen erfolgen. Bei unkomplizierter „Nicht-falciparum“-Malaria auch
ambulante Therapie möglich. Die Pat. sollte durch einen erfahrenen Tropen-
mediziner mitbetreut werden.
• Th
 erapieregime [Präparat (evtl. Kombinationsther.), Applikation, Dosis,
Dauer etc.] wird u. a. bestimmt durch:
– Plasmodienart, Parasitendichte.
– Schwere der Erkr. (unkomplizierte Malaria bzw. schwere Malaria).
– Gestationsalter.
– Reiseanamnese.
– Vormedikation und Begleiterkr.

• M ögliche KI, z. B. für Mefloquin, bei psychischen Störungen.


• F ür Atovaquon-Proguanil stehen weniger Daten zur Ther. in der
Schwangerschaft zur Verfügung als für Artesiminin-Derivate.
228 5  Schwangerschaft  

Tab. 5.25  Behandlung der Malaria in der Schwangerschaft


Krankheitsbild Therapie

Unkomplizierte Malaria tertiana Chloroquin-Base (Resochin®) (1.–3. Trimenon):


und quartana • 10 mg/kg KG als Initialdosis p. o.
• 6 h nach Therapiebeginn: 5 mg/kg KG p. o.
• 24 h nach Therapiebeginn: 5 mg/kg KG p. o.
• 48 h nach Therapiebeginn: 5 mg/kg KG p. o.
Primaquin (indiziert bei Malaria tertiana) sollte
in der Schwangerschaft nicht verabreicht wer-
den. Für die Dauer der Schwangerschaft wird
die Fortführung von Chloroquin-Base in pro-
phylaktischer Dosis empfohlen. Nach Ausschluss
eines Glukose-6-Phosphat-DH-Mangels kann
die Primaquingabe p. p. erfolgen. Zu Primaquin
liegen keine ausreichenden Erkenntnisse zur
Stillzeit vor

Unkomplizierte Malaria und V. a. Mefloquin (Lariam®), evtl. Chininsulfat oral oh-
chloroquinresistenten P.-vivax- ne Clindamycin (Dosierungen s. u.)
Stamm (z. B. nach Aufenthalt in
Indonesien oder Pazifikregion)

Unkomplizierte Malaria tropica Mefloquin (2.–3. Trimenon)


(nach Aufenthalt in Resistenzge- • 750 mg einmalig als Initialdosis p. o.
bieten: aktuelle Situation beach- • 6 h nach Therapiebeginn: 500 mg p. o.
ten) • 12 h nach Therapiebeginn: 250 mg p. o.

5 Unkomplizierte Malaria und V. a.


mefloquinresistenten P. falcipa-
Chininsulfat (1.–3. Trimenon): 10 mg/kg KG
3 ×/d p. o. (600 mg alle 8 h) für 7 Tage mit Clin-
rum Stamm (z. B. nach Südost­ damycin 5 mg/kg KG 3 ×/d für 7 Tage
asienaufenthalt)

Komplizierte Malaria tropica Chinindihydrochlorid per infusionem i. v.


Management auf Intensivstation (1.–3. Trimenon)
in enger Zusammenarbeit mit ei- • Loading-Dose: 20 mg/kg KG über 4 h (! keine
nem Tropenmediziner oder einer Loading-Dose nach Mefloquin- oder Chinin-
tropenmedizinischen Einrichtung. gabe während der vorausgegangenen 24 h).
Cave: Hypoglykämien v. a. bei • Weiter mit 10 mg/kg KG 3 ×/d i. v.
Chininther., Niereninsuff., Herz- • Sobald orale Ther. möglich: Umstellung auf
rhythmusstörungen (QT-Zeit), Chininsulfat 10 mg/kg KG 3 ×/d p. o. und Clin-
Lungenödem, Anämien und damycin 5 mg/kg KG 3 ×/d p. o. für 7 Tage
Thrombozytopenien, zerebrale
Malaria! Ggf. Dosisanpassungen
unter Spiegelkontrollen notwen-
dig

5.13.18  Kondylome in der Schwangerschaft


Epidemiologie
Die peripartale Inf. des NG mit HPV-Viren ist außerordentlich selten. Das Risiko
für Larynxpapillomen oder (noch seltener) für kondylomatöse Veränderungen
am Genitale beim Kind wird auf unter 1 : 1.500 geschätzt.
   5.13  Infektionen in graviditate  229

Infektionsrisiko in der Schwangerschaft


Die Inf. des NG geht sowohl von sichtbaren als auch von subklinischen HPV-Inf.
des mütterlichen Genitale aus. Ein gewisses Risiko für die Übertragung auf das
NG unter der Geburt scheint für Erstgebärende < 20 J. zu bestehen.

Klinik
Schwangere  Seltene KO ist die Verlegung der Geburtswege durch Condylomata
gigantea (Buschke-Löwenstein-Tumoren).
Neugeborenes  Übertragung von HPV-Inf. unter der Geburt kann zu genitoana-
len Warzen sowie zu Larynxpapillomen führen.

Diagnostik
▶ 11.3.6.
Therapie
Kein optimaler Behandlungszeitpunkt bekannt; es erscheint sinnvoll, die Behand-
lung außerhalb der Frühgeburtlichkeit durchzuführen: Superinf. der Wundflä-
chen könnten zu einer aufsteigenden Inf. mit nachfolgender vorzeitiger Wehentä-
tigkeit oder Blasensprung führen.
• C hirurgische Ther.: Elektrokauter oder CO2-Laser/Nd-YAG-Laser als prim.
Ther. Lokalanästhesie immer erforderlich, bei ausgedehntem Befall Vollnar-
kose erwägen.
• S ectio: Eine zwingende Ind. zur prim. Sectio ist nur gegeben, wenn die Ge-
burtswege durch extensive Kondylome verlegt sind. Schon die Annahme der 5
prophylaktischen Wirkung der Sectio caesarea ist fraglich und umstritten, da
trotz prim. Sectio Larynxpapillome aufgetreten sind.

Podophyllotoxin, Imiquimod und Interferon sind während der Grav. kont-


raindiziert.

5.13.19  Bakterielle Vaginose


Die bakterielle Vaginose ist ein wesentlicher Faktor der Frühgeburtlichkeit. Über
Proteasen- und Phospholipase-A2-Freisetzung vorzeitige Zervixreifung, vorzeiti-
ge Wehentätigkeit oder Blasensprung (▶ 6.7). Häufigkeit bis 20 %. Häufige Erreger
sind z. B. B-Strept. (▶ 9.6.1), E. coli, Staphylokokken.

Klinik
Dünnflüssiger homogener Fluor mit Amingeruch (v. a. nach Alkalisierung mit
10 % KOH).

Diagnostik
pH-Wert der Scheide > 4,5, Nachweis von Clue Cells im Nativpräparat, Keimab-
strich.
230 5  Schwangerschaft  

Therapie
• p H-Selbstkontrolle nach Saling.
• A nsäuern des Scheidenmileus mit Döderleinpräparat (z. B. Vagiflor® Vaginal-
supp.) über 7 Tage.
• L okale intravag. Behandlung mit Metronidazol 500–1.000 mg/d (z. B. Vagi-
mid®) über 5–7 Tage, alternativ nach dem 1. Trimenon 500 mg p. o.
• C lindamycin 5 g über 5–7 Tage (Sobelin® Vaginalcreme), alternativ nach dem
1. Trimenon 2–4 × 300 mg/d. p. o. (Sobelin® Kps.) über 5–7 Tage.

5.13.20  Vaginalmykose
In der Schwangerschaft ist das Wachstum von Hefepilzen in der Scheide begüns-
tigt. Erreger ist in 80 % Candida albicans. Die vag. Kolonisation findet von Mund
und After aus statt.

Epidemiologie
Häufigkeit: 10–30 %. Risiken: Etwa 10 % Kandidämien bei Frühgeborenen
< 1.000 g, 4 % Kandidämien bei Frühgeborenen < 1.500 g, 2 % Kandidose als To-
desursache von Frühgeborenen. Bei reifen NG Ursache einer Dermatitis und Be-
siedlung des GIT.

Klinik
Weißlicher vaginaler Fluor, evtl. Pruritus.
5 Diagnose
Nativ- und Keimabstrich, prophylaktischer Vaginalabstrich zur Pilzkultur ab der
34. SSW.

Therapie
Lokale Ther. mit Clotrimazol (z. B. Canesten® 6 Kombi) Ovula und Creme über
1–7 Tage.

5.14  Fetale Herzrhythmusstörungen


Jan-Bernd Jürgens

In etwa 90 % sind fetale Herzrhythmusstörungen durch physiologischen


Umbau und Reifung der Reizbildungs- und Leitungssysteme bedingt. Als
den Fetus gefährdende Rhythmusstörungen gelten mit 10 % supraventrikulä-
re Tachykardien und Tachyarrhythmien, kongentitaler AV-Block, Sinusta-
chy- und Sinusbradykardie sowie Vorhofflimmern und -flattern. Häufigkeit:
etwa 1–3 % aller Schwangerschaften.

Einteilung  Arrhythmien 80 %, Tachykardien 7–10 % (Frequenz >  180 SpM),


Bradykardien 3–5 % (Frequenz < 100 SpM).
   5.14  Fetale Herzrhythmusstörungen  231

Ursache  Idiopathisch am häufigsten; mütterliche Faktoren (Rauchen, Koffein,


Alkohol, Medikamente wie Betablocker oder Betamimetika, Autoimmunkrank-
heit), Herzfehler (bei Bradykardien bis 40 %), Virusmyokarditis oder kardiale Tu-
moren.
Diagnostik  Erstdiagn. häufig bei Auskultation, CTG oder Ultraschall (cave: Zu
hoher Auflagedruck beim Ultraschall kann eine „physiologische“ temporäre Bra-
dykardie verursachen).
• A usführlicher Ultraschall: neben Biometrie und Fehlbildungsdiagn. (Herz-
fehler häufigste schwere kongenitale Fehlbildung!) besonderes Augenmerk
auf Hydrops fetalis als Zeichen einer Herzinsuff.
• V ierkammerblick: Normalbefund: Herzfläche 1⁄3 der Thoraxfläche, Herzachse
nach li im Winkel 45°, Ventrikel- und Vorhofseptum bilden ein Kreuz, beide
Ventrikel etwa gleich groß, interventrikuläres Septum und Seitenwände
gleich dick, gleiche Bewegungen des li und re Herzens, AV-Klappen öffnen
und schließen simultan, Ventrikelseptum intakt, Foramen ovale mit nach li
bewegender Klappe.
• F etale Echokardiografie: Zusätzlich Darstellung der arteriellen Ausflusstrak-
te, kurze Herzachse mit Überkreuzen der Gefäße, Darstellung von Aortenbo-
gen und Venenzufluss bds., Ausschluss eines Situs inversus.
• M -Mode-Sono: Vorhof- und Ventrikelkontraktion müssen mit einer
M-Mode-Linie erfasst werden, um das zeitgleiche Verhalten beurteilen zu
können.
• F arbdoppler: Das Dopplerfenster muss Ein- und Ausfluss in die Kammer er-
fassen. Die zweigipflige Kurve der AV-Klappen-Kurve zeigt im 2. Gipfel die
Vorhofkontraktion. Doppler der V. cava inferior (Zunahme der A-Kurve, 5
Ausschluss einer Herzinsuff.). Mit dem Doppler der Nabelschnur kann eine
Extrasystolie differenziert werden (▶ Abb. 5.10). Supraventrikuläre Extrasys-
tolen (SVES) manchmal als ventrikulärer Block.
• 3 D-M-Mode: neue Methode der M-Mode-Untersuchung. Es wird ein 3D-
Volumenblock mit der Zeitachse als 3. Ebene erzeugt. Zeitgleiche M-Modes
über der gesamten Anatomieebene (xy) werden miteinander verglichen
(▶ Abb. 5.11).

Abb. 5.10  Doppler der Nabelschnur: Die 3. SVES zeigt sich als ventrikulärer Block.
[M454]

Therapie 
• V ermeidung mütterlicher Faktoren (Koffein, Alkohol, Nikotin, Medika-
mente).
• S upraventrikuläre Extrasystolen (nicht therapiebedürftig).
• V entrikuläre Extrasystolen (selten) Zeichen einer Myokarditis oder Myokard-
dekompensation (bei Obstruktion der Ausflussbahn).
• A usschluss assoziierter Fehlbildungen.
232 5  Schwangerschaft  

• Ü
 berwachung von Dekompensationszeichen (Hydrops, Kammer- bzw. Vor-
hoferweiterung), erhöhter Rückfluss (A-Kurve) im Doppler der V. cava infe-
rior (VCI).
•  ei fehlendem Anhalt auf
B
Herzinsuff. zunächst keine
Ther., weiterhin engmaschige
Überwachung (Ultraschall 1 ×
wöchentl.).

Pharmakologische Therapie
über die Nabelschnurpunkti-
on oder systemisch über die
Mutter bei:
• S upraventrikulärer Ta-
chykardie (führt unbe-
handelt oft innerhalb we-
niger Tage zur fetalen
Herzinsuff.): Adenosine
über Nabelschnur, im
Akutfall mit Dekompen-
sation: Digoxin (und/oder
Flecainid) als Langzeit-
ther.
5 • V entrikulärer Tachykar-
die: Lidocain über Nabel-
schnur, dann Flecainid
systemisch über die
­Mutter.
• B radykardie: kein effekti-
ver Ansatz. Hoch dosierte
Abb. 5.11  3D-M-Mode: Im Freihandmodus
Steroide oder Plasmaaus-
bei fixiertem Schallkopf erhält man einen
tausch bei Immunerkr. zweidimensionalen M-Mode (zeitgleiche
der Mutter. Bei lebensfä- Registrierung der Ebene xy über die Zeit).
higem Fetus Beendigung Eine SVES (oben) lässt sich so eindeutig als
der Schwangerschaft, OP Ursache für den ventrikulären Block (unten)
des Herzfehlers, evtl. in der M-Mode-Registrierung diagnostizie-
Pacemaker. ren. [M454]

Tab. 5.26  Transplazentare antiarrhythmische Therapie, Dosierung


β-Acetyldigoxin (Novodigal®) Flecainid (Tambocor®)

Initiale Sättigung 3 × 0,4 mg/d i. v. über 2–3 Tage 2 × 150 mg/d

Erhaltungsdosis bis 3 × 0,2 mg/d 2–3 × 100 mg/d

Ther. Serumspiegel 2,0–2,5 ng/ml 200–1.000 ng/ml


   5.15  Thrombozytopenie in der Schwangerschaft  233

5.15  Thrombozytopenie in der Schwangerschaft


Kay Goerke

Die Thrombozytopenie in der Schwangerschaft ist ein erhebliches Risiko für


Mutter und Kind.

Ursachen  Erhöhter Thrombozytenabbau im Rahmen eines HELLP-Sy., einer


Autoimmunerkr. (idiopathisch-thrombozytopenische Purpura, M. Werlhof oder
systemischer Lupus erythematodes) sowie medikamenteninduziert (z. B. heparin-
induzierte Thrombozytopenie), maligne Erkr., Infekt, Vitaminmangel oder
Thrombozytenabfall bei Placenta-praevia-Blutung.
Klinik  Thrombozytenabfall < 100.000/μl, ggf. klinische und laborchemische Zei-
chen eines HELLP-Sy. (▶ 5.8.3), petechiale Blutungen (eher selten).
Diagnostik 
• L abor: BB, CRP, Gestoselabor (Bili und LDH, Haptoglobin, GPT, GOT, GGT,
Harnsäure, evtl. AP), Urinstatus (Eiweiß, Bili-Spaltprodukte).
• R R-Kontrollen.
• E vtl. antithrombozytäre und antinukleäre Ak, Thrombozytenfunktionstest,
HIPA-Test (Heparin induced Platelet Activation).
Therapie 
• F alls erforderlich, Ther. einer akuten uterinen Blutung (Tokolyse, evtl.
Schnittentbindung; ▶ 6.4).
• E vtl. Ther. eines HELLP-Sy. (▶ 5.8.3). 5
• B ei heparininduzierter Thrombozytopenie Absetzen des Heparins, in der
Schwangerschaft Umsetzen auf das Heparinoid Danaparoid (Orgaran®).
• A bsetzen weiterer möglicherweise auslösender Medikamente (Chinin, Co-tri-
moxazol, Rifampicin, Paracetamol, Carbamazepin, Diclofenac, Ibuprofen,
Vancomycin).
• E vtl. RDS-Prophylaxe (▶ 5.10.3).
Bei fehlender hämorrhagischer Diathese und Thrombozyten >  50.000/μl ist ein
abwartendes Verhalten gerechtfertigt, bei < 10.000/μl eine weitere Behandlung er-
forderlich:
• P rednisolon 20–100 mg/d p. o. (Decortin H®).
• F alls erfolglos: IgG 0,4 g/kg KG über 5 Tage (Sandoglobulin®). Alternative
Dosierung 1 g/kg KG über 8 h, bei unzureichendem Ansprechen Wiederho-
lung nach 48 h.
• B ei Thrombozytenabfall deutlich < 10.000/μl Thrombozytenkonzentrate, evtl.
op. Schwangerschaftsbeendigung. Cave: Zur Sectio Thrombozytenzahl mög-
lichst > 20.000/μl anheben. Bei reifen Kindern und mütterlichen Thrombozy-
ten > 50.000/μl Spontangeburt möglich.

Antithrombozytäre Ak werden transplazentar auf den Fetus übertragen. Die


kindliche Morbidität beruht meist auf einer zerebralen Hämorrhagie. Zur
Einschätzung des kindlichen Geburtsrisikos evtl. kindliche Thrombozyten-
bestimmung im Kopfschwartenblut oder über Chordozentese. Bei fetalen
Thrombozyten < 50.000/μl Geburt durch Sectio caesarea. Post partum Kon-
trolle der Thrombozytenwerte beim NG über mind. 1 Wo.
234 5  Schwangerschaft  

5.16  Fetale Fehlbildungen


Kay Goerke
Genetik ▶ 4, geburtshilfliches Management ▶ 6.11, Behandlung des NG ▶ 9.7.
Epidemiologie  Die Häufigkeit fetaler Fehlbildungen liegt bei 3,5 %, in Ländern
mit niedriger Säuglingssterblichkeit sind sie die häufigste perinatale Todesursache
(▶ 9.7).
Ätiologie  Etwa 25 % der Entwicklungsstörungen beruhen auf Genmutationen
und Chromosomenaberrationen, 10 % auf exogenen Noxen (evtl. erheblich
mehr), bei 65 % ist die Ursache bislang unbekannt. Bei den exogenen Giften spie-
len neben Arzneimitteln Alkohol und Nikotin eine wesentliche Rolle. Bei einem
regelmäßigen Alkoholkonsum von 30–50 mg/d sind bis zu 10 % der Kinder ge-
schädigt. Bei Raucherinnen ist das Abort-, Frühgeburten- und Mangelgeburtenri-
siko deutlich erhöht, ebenso die perinatale Mortalität.
Einteilung  Schwere äußere Fehlbildungen (Häufigkeit in Klammern), die u. a.
Einfluss auf den Geburtsmodus haben (▶ 6.11; ▶ Abb. 5.12):
• H ydrozephalus (0,13 %): Erweiterung des Subarachnoidalraums (Hydroce-
phalus externus) bzw. des Ventrikelsystems (Hydrocephalus internus).
• M ikrozephalie (0,01 %): path. Verkleinerung von Umfang und Inhalt des
Hirnschädels, häufig mit weiteren Schädeldeformitäten verbunden.
• S pina bifida: Hemmungsfehlbildung mit angeborener Spaltbildung der Wir-
belsäule, geschlossen (Spina bifida occulta) oder offen (Spina bifida aperta),
5

Hydrozephalus Mikrozephalus Anenzephalus

Hernia cerebri großes Steißteratom Omphalozele

Abb. 5.12  Schwere äußere Fehlbildungen [L157]


   5.17  Terminüberschreitung  235

Spina bifida totalis (Rachischisis) als stärkster Grad mit Offenliegen des Rü-
ckenmarks (▶ 4.6, ▶ 9.7.4).
• G
 roßes Steißteratom (0,3 %): embryonale Mischgeschwulst am Becken­
ende.
• O
 mphalozele: Nabelschnurbruch mit Ausstülpung der Bauchorgane, häufig
mit weiteren Fehlbildungen kombiniert.
• G
 astroschisis: echter Bauchwanddefekt mit Austreten der Organe (Darm,
evtl. Leber) vor die Bauchwand.
Diagnostik  Routinemäßige Ultraschalluntersuchungen dienen der frühzeitigen
Erkennung (▶ 21.2). Abklärung genetischer Fehlbildungen erfolgt durch Amnio-
zentese oder Chorionzottenbiopsie (▶ 4.2.5, ▶ 4.2.6).

Embryopathien
Erkr. der Embryonalzeit, die mit oder ohne Fehlbildungen einhergehen (▶ 4.3).
Ursächlich kommen v. a. Virusinf. (▶ 5.13), Arzneimittel (▶ 22), Chemikalien, Ge-
nussgifte (Alkohol, Nikotin etc.), stoffwechselbedingte Erkr., z. B. Diab. mell.
(▶ 3.4), und ionisierende Strahlen (▶ 4.7) infrage.

5.17  Terminüberschreitung
Kay Goerke
Einteilung 
• R echnerischer Übertragung: Geburtstermin wird um mehr als 7–10 Tage 5
überschritten.
• E chte Übertragung: Überschreiten des Geburtstermins um mehr als 14 Tage.
Geht meist mit Plazentainsuff. und einer steil ansteigenden perinatalen Sterb-
lichkeit einher. Wichtigste Ursache ist mangelhafte Erregbarkeit der Uterus-
muskulatur (Rezidivneigung).
Diagnostik 
• B estimmung von Fundusstand und Uterusgröße ▶ 5.1.
• S ono: Fetometrie, FW-Menge, Reifegrad der Plazenta (▶ 21.2.4 und
▶ 21.2.5).
Vor invasiver Diagn. oder Ther. unbedingt erneute Terminberechnung unter
Berücksichtigung von Zyklusanomalien, Einnahme oraler Kontrazeptiva,
Stärke der letzten Blutung, Termin der ersten Kindsbewegungen, Frühultra-
schall und Uterusgröße.

Monitoring 
 b Terminüberschreitung: mind. 2-tägige CTG-Kontrolle (▶ 6.1.1).
• A
• A
 b dem 8. Tag nach EGT: stationäre Aufnahme anraten.
– Tägl. 2–3 CTG-Kontrollen.
– Festlegen des Zervix-Scores (Bishop-Score).
– Geburtseinleitung.
236 5  Schwangerschaft  

Tab. 5.27  Zervix-Score (Bishop-Score = Summe der Punkte) )


Zervix-Score Punkte

Länge der Portio

2 cm 0
1 cm 1
½ cm 2
Verstrichen 3

Konsistenz der Portio

Derb 0
Mittel 1
Weich 2

Stellung der Portio

Sakral 0
Medio-sakral 1
Zentriert 2

Muttermund-Dilatation

Geschlossen 0
1 cm geöffnet 1
2 cm geöffnet 2
3 cm geöffnet 3

5 Leitstellen

2 cm über I-Linie (Interspinalebene) 0


1 cm über oder I-Linie 1
1–2 cm unter I-Linie 2

Therapie  Medikamentöse Zervixreifung bei:


• B ishop-Score < 5: Durch intrazervikale Prostaglandin-E2-Gel-Applikation
0,5 mg in 2,5 bzw. 3 ml (z. B. Prepidil®) unter CTG-Dauerüberwachung.
• B ishop-Score > 5: durch Oxytocin-Infusion (▶ 6.1.3) oder 1–2 mg PgE2-Gel
intravaginal (Minprostin®-E2-Vaginalgel), evtl. Wiederholung nach 6 h oder
Propess® 10 mg vag. Freisetzungssystem unter CTG-Überwachung. NW:
Überstimulation, Übelkeit, Brechreiz, Diarrhö. Cave: Keine gleichzeitige
Oxytocin-Zufuhr!
V. a. fetale Gefährdungssituation (z. B. path. CTG, grünes FW): Geburtseinlei-
tung ggf. durch Oxytocin über Infusomaten und/oder vag. Blasensprengung bei
geburtsreifem Befund (▶ 6.13), ggf. Sectio. Bei V. a. relatives Missverhältnis oder
fetale Makrosomie großzügige Ind. zur prim. Sectio stellen.

5.18  Uterusmyome in der Schwangerschaft


Joachim Steller
Epidemiologie  Bei 0,3–3 % aller Schwangerschaften finden sich Uterusmyome,
bei Schwangeren ab dem 35. Lj mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 %. Inzidenz
zunehmend mit dem Anteil älterer Erstgebärender.
   5.19  Prostaglandintherapie  237

Komplikationen 
• A bortrisiko: wird in der Literatur mit 14–58 % angegeben (bei einer durch-
schnittlichen Abortrate in der Gesamtbevölkerung von etwa 10 %).
• W eitere KO: Anämien (90,5 %), abdominale Beschwerden (39,4 %), Blutungen
in der Frühschwangerschaft (20 %), vorzeitige Wehen (60–70 %), erhöhte Früh-
geburtsneigung, regelwidrige Kindslagen (23 %), chron. nutritive Plazentain-
suff. bei Insertion der Plazenta im Myombereich (45 %), vorzeitige Plazentalö-
sung und Blasensprünge, op. Entbindungen ↑, Störungen der Nachgeburtslö-
sung ↑, Placenta accreta oder inccreta, Atonien ↑, verzögerte Uterusinvolution
p. p., Myomnekrosen durch Involutionsvorgänge pp, fibrinolytische Koagulo-
pathie durch Aktivatoren im Myomgewebe ↑, Thrombembolierisiko ↑.
– Häufig kommt es zu einem deutlichen Myomwachstum in der 1. Schwan-
gerschaftshälfte, ggf. mit Erweichung, Nekrosen und anderen degenerati-
ven Veränderungen.
– Myomknoten können ein Geburtshindernis darstellen.
Diagnostik  Meist sonografisch (▶ 21.1, ▶ 21.2), palpatorisch bei großen Vorder-
wandmyomen, die beim schwangeren Uterus durch die Bauchdecken zu tasten
sind.
Therapie 
• V orzeitige Wehentätigkeit: Hospitalisierung und Einleitung einer tokolyti-
schen Ther. (▶ 5.10.1), ggf. RDS-Prophylaxe (▶ 5.10.3). Ind. zur Myomenu­
kleation in der Schwangerschaft sehr zurückhaltend stellen, evtl. nur bei the-
rapieresistenten Beschwerden (vorübergehende myombedingte Beschwerden
sind häufig und bilden sich oft unter unspezifischer, evtl. analgetischer und 5
tokolytischer Ther. zurück).
• E ntbindungsmodus nach Myomenukleation: keine eindeutigen Regeln, Ute-
rusruptur sub partu nach Myomektomie ist selten, Sectiorate ca. 50 %. Groß-
zügige Sectioind. bei protrahiertem Geburtsverlauf.

• G
 roße Myome möglichst vor geplanter Schwangerschaft operieren.
• U
 terotonika bei komplikationsloser Nachgeburtsperiode sparsam ver-
wenden (cave: Myomnekrosen).
• H
 ohe Rezidivrate: ca. 40 % Rezidive innerhalb der ersten 2,5 J. nach
Myo­mektomie. Nach Enukleation von > 3 Myomknoten liegt die Rezi-
divrate bei 60 %.

5.19  Prostaglandintherapie
Joachim Steller
Empfehlungen für die Anwendung von Prostaglandinen in der Gynäkologie und
Geburtshilfe:

Abortinduktion beim Frühabort bis zur vollendeten 14. SSW p. m


Ziel  Zervixerweichung, Minimierung des Blutverlusts, Reduktion von Folge-
schäden.
238 5  Schwangerschaft  

Vorgehen  Gemeprost 1 mg Vaginaltbl. 3–6 h präop. (z. B. Cergem®), evtl. Wie-
derholung. Bei stärkeren Blutungen:
• W
 ährend des Eingriffs Sulproston 500 μg (z. B. Nalador®) auf 500 ml NaCl
0,9 % = 1,7 μg/ml, bis 8,3 μg/Min. entspricht 100–500 ml/h, max. Gesamtdosis
1.500 μg/d über Infusomaten.
• N
 ach Ausräumung ggf. Sulproston 500 μg (z. B. Nalador®) auf 500 ml NaCl
0,9 % = 1,7 μg/ml, bis 8,3 μg/Min. entspricht 100–500 ml/h, max. Gesamtdosis
1.500 μg/d über Infusomaten. Cave: Glukose inaktiviert Nalador!

Abortinduktion beim Spätabort 15.–24. SSW p. m


Ziel  Zervixerweichung, Entleerung des Uterus, Minimierung des Blutverlusts,
Reduktion von Folgeschäden (Nachkürettage empfohlen).
Vorgehen 
• Z ervixreifung: Gemeprost 1 mg Vaginaltbl. (z. B. Cergem®), Wiederholung
alle 3–12 h (max. 5 mg Gemeprost/d) oder PgE2-Gel 0,5 mg intrazervikal alle
4–6 h (Prepidil®) bis mind. Hegar 12 erreicht ist.
• W eheninduktion: Sulproston 500 μg in 250 ml NaCl 0,9 % (z. B. Nalador®)
(z. B. Nalador®) auf 500 ml NaCl 0,9 % = 1,7 μg/ml, bis 8,3 μg/Min. entspricht
100–500 ml/h, max. Gesamtdosis 1.500 μg/d über Infusomaten. Kürettage nur
bei tonisiertem Uterus (Sulproston- oder Oxytocin-Infusion).

Einleitung beim intrauterinen Fruchttod ab 25. SSW p. m


Ziel  Ausstoßung mit Plazenta.
5 Vorgehen 
• Z ervixreifung: Gemeprost 1 mg vaginal (z. B. Cergem®) nur bis zur
26. SSW, Wiederholung alle 3–6 h (max. 5 mg in 24 h) oder PgE2-Gel
0,5 mg intrazervikal alle 3–6 h (z. B. Prepidil®) bis zur Geburt oder ausrei-
chender Zervixreifung. Besser: Vag. therapeutisches System mit 10 mg
Dinoproston (Propress®), kontinuierliche Freisetzung von 0,3–0,4 mg/h
bei zugelassener Liegezeit von 24 h, Einlage zervikal problemlos möglich,
kann bei uteriner Hyperaktivität problemlos gezogen werden. Leider sehr
teuer.
• W eheninduktion: frühestens 3 h nach Gemeprost oder PgE2-Gel begin-
nen. Sulproston 500 μg (z. B. Nalador®) auf 500 ml NaCl 0,9 % = 1,7 μg/ml,
bis 8,3 μg/Min. entspricht 100–500 ml/h, max. Gesamtdosis 1.500 μg/d oder
PgE2-Gel 1–2 mg intravag. (Minprostin®) oder Oxytocin bis 12 mIE/Min.
i.v.
• N W: Ab Sulproston 500 μg/h zunehmend Übelkeit, Spasmen im Ober- und
Mittelbauch, Bronchospasmus, pulmonale Hypertonie; selten Bradykardien,
Koronarspasmen.
• A bortinduktion mit Misoprostol: Das Präparat ist sehr viel kostengünstiger,
allerdings in Deutschland nicht für diese Ind. zugelassen. Die Substanz ist zu-
dem in Deutschland vom Markt genommen und nur noch über internationa-
le Apotheken erhältlich. Cave: Off-Label-Ther. sind möglicherweise nicht
durch den Haftpflichtversicherer abgedeckt, daher empfiehlt es sich, eine ent-
sprechende Stellungnahme einzuholen.
   5.20  Unfälle in der Schwangerschaft  239

Anwendung von Cytotec® (Misoprostol)


• C ave: Off-Label-Use!
• Z ervixpriming bei Interruptio: 2 h vor dem Eingriff 2 Tbl. Cytotec® an-
feuchten und intravag. einlegen (Zeitplan beachten!).
• A bortinduktion über 12.–14. SSW: nüchterne Pat., 600 μg (= 3 Tbl.) an-
feuchten und in hinteres Scheidengewölbe geben, nach 4 h und dann ggf.
weiter 4-stdl. 400 μg p. o. (= 2 Tbl.) Cytotec® (max. 5 × tägl.).
Merke:
• A ufklärung der Pat. über Präparat (erwiesene Wirkung, ausreichende in-
ternationale Erfahrung; prim. jedoch für andere Ind. vorgesehen; Notiz in
Aufklärung erforderlich).
• S tdl. Kreislauf- und Temperaturkontrolle. Temperaturanstieg bis 38,5 °C
möglich, ggf. auch Schüttelfrost.
• B ei Schmerzind. Buscopan®-Supp. oder Dolantin®-Supp. oder i. m.
• W enn nach 2 Tagen kein Erfolg, Umsteigen auf Cergem® nach üblichem
Schema.

5.20  Unfälle in der Schwangerschaft


Kay Goerke

Trotz des recht guten Schutzes des Ungeborenen vor mechanischen Einwir-
kungen in der Fruchtblase kann es durch Unfälle (Sturz auf den Bauch, Ver- 5
kehrsunfall etc.) zu folgenden Problemen für die Schwangerschaft kommen:
• V orzeitige Plazentalösung (▶ 6.4.2).
• V orzeitiger Blasensprung.
• A uslösung von Wehen.
• Intrauteriner Fruchttod.
Diagnostik 
• A namnese: gezielt auch nach Arbeitsunfall oder Wegeunfall fragen, ggf. D-
Arzt hinzuziehen.
• C TG zur Kontrolle von fetalen Herztönen und Wehentätigkeit.
• U ltraschall: Plazentahaftfläche, FW-Menge.
• S piegeleinstellung: Blutung, FW-Abgang.
• E valuation sonstiger Verletzungen (Haut, innere Organe), Rö-Untersuchung
bei V. a. Frakturen, einfache Übersichtsaufnahmen sind in der Grav. vertret-
bar (▶ 4.7.3), ggf. Konsil mit Urologen, Chirurgen, Neurologen oder Internis-
ten.
Therapie 
• S tationäre Aufnahme über 24 h zur Beobachtung, CTG-Kontrolle, ggf. Sono-
kontrolle.
• B ei äußeren Verletzungen: Tetanusschutz erfragen, ggf. auffrischen (nur pas-
sive Impfung!).
• P lazentalösung: je nach SSW und Lebensfähigkeit des Kindes ggf. sofortige
Entbindung per Sectio.
240 5  Schwangerschaft  

• V
 orzeitiger Blasensprung: je nach SSW konservative Maßnahmen oder Ent-
bindung.
• V
 orzeitige Wehentätigkeit: Tokolyse, stationäre Aufnahme.

5.21  Arzneimittel in Schwangerschaft und


Stillzeit
Joachim Steller

5.21.1  Vorbemerkungen
• M
 ehr als 70 % aller Schwangeren nehmen im 1. Schwangerschaftsdrittel Me-
dikamente ein.
• F ast alle Substanzen passieren die Plazenta bzw. gehen in die Muttermilch
über.
• In Schwangerschaft und Stillzeit Arzneimittel grundsätzlich nur bei strenger
Ind. unter Berücksichtigung des Risikos für Mutter und Kind verordnen.
• A
 rzneimitteldosierung so niedrig wie möglich.
• M
 onother. anstreben.
• V
 erschiedene Substanzen, die beim Menschen Anwendung als Arzneimittel
finden, sind im Tierversuch embryotoxisch oder fetotoxisch. In vielen Fällen
ist unklar, ob diese Wirkstoffe beim Menschen die gleichen Wirkungen ent-
falten.
5 • K aum ein Medikament, in therapeutischen Dosen eingenommen, rechtfertigt
den Abbruch einer gewünschten intakten Schwangerschaft.
• Im Einzelfall können zusätzlich nicht invasive feindiagn. Maßnahmen hilf-
reich sein.

Medikamente der 1. Wahl in der Schwangerschaft


• A ntibiotika: Penicillin, Cephalosporine, Erythromycin, Metronidazol.
• M alaria-Prophylaxe: Chloroquin, Proguanil.
• A nalgetika, Antiphlogistika: Paracetamol, Ibuprofen (cave: im letzten Tri-
menon).
• A ntiasthmatika: Salbutamol, Glukokortikoide, Cromoglycinsäure, Theo-
phyllin.
• A ntitussiva: Dextromethorphan, Codein, Bromhexin, Acetylcystein, Am-
broxol.
• A ntihistaminika: Clemastin, Dimetinden, Mebhydrolin, Pheniramin.
• A ntiemetika: Meclozin, Metoclopramid.
• P sychopharmaka: Phenothiazine, trizyklische Antidepressiva, Diphenhy-
dramin, Diazepam.
• A ntimykotika: Nystatin, Clotrimazol.

5.21.2  Analgetika, Antipyretika, Spasmolytika


Gesicherte Hinweise auf Teratogenität liegen nicht vor.
   5.21  Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit  241

Schwangerschaft
• S alizylate: hemmen in höherer Dosis (> 500 mg) die Prostaglandinsynthese
und führen zu einer Senkung des fetalen Prostaglandinspiegels. Mögliche
Folge: vorzeitiger Verschluss des Ductus Botalli. Langzeitther. in hoher Dosis
kann eine hämorrhagische Diathese bei Mutter und Kind bedingen. Wegen
einer möglichen Wehenhemmung im letzten Schwangerschaftsdrittel in hö-
herer Dosierung kontraindiziert.
• P aracetamol: in der Schwangerschaft Mittel der Wahl. Wirkt analgetisch und
antipyretisch und ist nicht embryotoxisch.
• N ichtsteroidale Antiphlogistika (z. B. Ibuprofen): Sind bei längerer antiphlo-
gistischer Ther. zu bevorzugen. Cave: vorzeitiger Verschluss des Ductus Bo-
talli ab der 28. SSW.
• M etamizol, Phenazon, Propyphenazon und Mischpräparate: sind in der
Schwangerschaft zu meiden.
• P henylbutazon: hemmt in höherer Dosis die Prostaglandinsynthese → im
letzten Schwangerschaftsmon. meiden.
Alle stark wirksamen Analgetika können bei subpartaler Anwendung eine
Atemdepression beim NG verursachen. Längere pränatale Anwendung z. B. von
Morphin und Kodein führt zu Entzugserscheinungen bei Mutter und Kind.

Stillzeit
• A
 SS: Eine gelegentliche Einnahme während der Stillzeit ist für den Sgl. unbe-
denklich.
• Paracetamol: sollte bei der stillenden Mutter wegen der herabgesetzten Le-
berfunktion des Sgl. nur gelegentlich und in niedriger Dosierung eingesetzt 5
werden.
•  piate: Wiederholte Gaben von Morphin, Kodein, Pethidin und Methadon
O
können beim Sgl. rasch kumulieren.

Tab. 5.28  Analgetika in Schwangerschaft und Stillzeit


Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
(Beispiel)

Acetylsali­ Aspirin® Keine hoch dosierte Langzeit- Gelegentliche Einnah-


cylsäure ther., keine Einnahme ante me unbedenklich
partum oder präoperativ

Atropin Atropinsulfat Bei Anwendung in der Früh- Keine Bedenken, Lak-


Braun® schwangerschaft leicht erhöh- tationshemmung
te Fehlbildungsrate

Codein In verschiede- Atemdepression, Entzugser- KI, in Muttermilch


nen Schmerz- scheinungen doppelte Plasmakonz.
mitteln

Ergotamin In diversen Mi- Abortgefahr im 1. Trimenon KI


gränepräpara-
ten

Ibuprofen Urem forte® Cave im 3. Trimenon (vorzei- Kaum Übertritt in die


tiger Verschluss des Ductus Muttermilch, wahr-
Botalli) scheinlich unbedenk-
lich
242 5  Schwangerschaft  

Tab. 5.28  Analgetika in Schwangerschaft und Stillzeit (Forts.)


Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
(Beispiel)

Indomet­ Indometacin- Cave im 3. Trimenon (vorzei- Fälle von generalisier-


acin CT ® tiger Verschluss des Ductus ten Krampfanfällen
Botalli) beim Sgl. sind be-
schrieben: absolute KI

N-Butyl­ Buscopan® Strenge Ind.-Stellung, keine Strenge Ind.-Stellung,


scopol­ Bedenken bekannt keine Bedenken be-
amin kannt

Metamizol Novalgin® Mögliche NW auf Hämatopo- Strenge Ind.-Stellung


ese, evtl. vorzeitiger Ver-
schluss des Ductus Botalli

Morphin MST- oder Atemdepression, Entzugser- Konz. in Muttermilch


MSR-Mundi- scheinungen und Plasma gleich
pharma® hoch, Kumulation
möglich

Paracet­ Paracetamol- Keine Bedenken In niedriger Dosis un-


amol CT® bedenklich

Pentazocin Fortral® Bei subpartaler Gabe Atem- Einmalige Gabe unbe-


depression möglich denklich, bei wieder-
holter Gabe Kumula-
tionsgefahr
5
Pethidin Dolantin® → Pentazocin → Pentazocin
®
Phenylbut­ Ambene KI im letzten Schwanger- Vom Stillen ist abzu-
azon schaftsmon., Langzeitther. raten
wegen möglicher Schädigung
der Hämatopoese vermeiden

Piritramid Dipidolor® Bei subpartaler Gabe Atem- Einmalige Gabe unbe-


depression möglich denklich, bei wieder-
holter Gabe Kumula-
tionsgefahr

Piroxicam Felden® Evtl. hämorrhagische Diathe- Vom Stillen ist abzu-


sen, im 1. und 2. Trimenon raten
strenge Ind.-Stellung, im
3. Trimenon kontraindiziert

Tramadol Tramal® Bei subpartaler Gabe Atem- Einmalige Gabe unbe-


depression möglich denklich, bei wieder-
holter Gabe Kumula-
tionsgefahr

5.21.3  Anthelminthika
Siehe auch ▶ 22.4.
• M
 ebendazol: in hoher Dosierung bei der Ratte teratogen. Bei anderen Tier-
spezies und beim Menschen bisher keine Hinweise auf erhöhte Fehlbildungs-
rate.
   5.21  Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit  243

• P yrantel: auch in sehr hoher Dosierung in Tierversuchen nicht fruchtschädi-


gend, Erfahrungen beim Menschen liegen allerdings nicht vor.
• N iclosamid: wird vom GIT nicht resorbiert, daher keine KI.
• P raziquantel: wird rasch resorbiert, teratogene NW bisher nicht bekannt,
dennoch in der Schwangerschaft (v. a. im 1. Trimenon) aufgrund mangelnder
Erfahrung Zurückhaltung empfohlen. Es wurden nachweisbare Muttermilch-
konz. gefunden, eine Gefährdung des Sgl. ist bei kurzzeitiger Ther. nicht an-
zunehmen.

Tab. 5.29  Anthelminthika in Schwangerschaft und Stillzeit


Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
(Beispiel)

Mebendazol Vermox® Strenge Ind.-Stellung, keine Keine Bedenken


Bedenken

Niclosamid Yomesan® Keine Teratogenität


®
Pyrantel Helmex Wird zu 15 % resorbiert, in Strenge Ind.-Stellung
der Grav. rel. kontraindiziert

Praziquantel Cesol® Zurückhaltung in der Gefährdung des Sgl.


Schwangerschaft, v. a. im 1. bei sehr kurzer Ther.
Trimenon kontraindiziert nicht anzunehmen

5.21.4  Antiallergika 5
Antihistaminika haben sich bei der Behandlung allergischer Symptome als nicht
teratogen erwiesen. In der Schwangerschaft sind H1-Antihistaminika wie Clemas-
tin und Dimetinden neueren Präparaten vorzuziehen. Chlorphenoxamin geht in
die Muttermilch über, die Plasma-HWZ beim Sgl. liegt bei 100 h.

Tab. 5.30  Antiallergika in Schwangerschaft und Stillzeit


Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
(Beispiel)

Azelastin Allergodil® Strenge KI im 1. Tri- Strenge Ind.-Stellung, bisher


menon, im 2. und nicht bekannt, ob Substanz in
3. Trimenon kaum die Muttermilch übergeht
Erfahrungen

Bamipin Soventol® Keine Bedenken Keine Bedenken

Ceterizin Zyrtec® Strenge KI im 1. Tri- Substanz geht in die Mutter-


menon, im 2. und milch über, eine Schädigung
3. Trimenon kaum des Sgl. wurde bislang nicht be-
Erfahrungen obachtet

Chlor­ Polaronil® Keine Bedenken Strenge Ind.-Stellung, nicht be-


phenamin kannt, ob die Substanz in die
Muttermilch übergeht

Chlorphen­ Systral® Strenge Ind.-Stellung, Präparat


oxamin geht in Muttermilch über, Plas-
ma-HWZ beim Sgl. etwa 100 h
244 5  Schwangerschaft  

Tab. 5.30  Antiallergika in Schwangerschaft und Stillzeit (Forts.)


Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
(Beispiel)

Clemastin Tavegil® Bei Tier und Mensch Substanz geht in Muttermilch


kein embryotoxi- über, Schädigungen beim Sgl.
sches oder teratoge- bisher nicht bekannt
nes Risiko

Dimetin­ Fenistil® Kein embryotoxi- Clemastin


den sches oder teratoge-
nes Risiko bekannt

Loratadin Lisino® Kein embryotoxi- KI


sches Risiko bekannt

Pheniramin Avil® → Clemastin → Clemastin

5.21.5  Antibiotika
Siehe auch ▶ 22.1.

Schwangerschaft
 minoglykoside (▶ 22.1.5): in der Schwangerschaft kontraindiziert. Neben
• A
verschiedenen Skelettschädigungen können sie nephro- und ototoxische Wir-
kungen aufweisen.
5 •  ephalosporine (▶ 22.1.2): gehören in der Schwangerschaft zu den Antibioti-
C
ka der 1. Wahl, ältere Cephalosporine sind zu bevorzugen.
•  hloramphenicol (▶ 22.1.9): Reserveantibiotikum, kurz vor der Geburt abso-
C
lut kontraindiziert (Grey-Sy.).
•  enicilline (▶ 22.1.1): gehören in der Schwangerschaft zu den Substanzen der
P
1. Wahl.
•  incomycin und Thiamphenicol: sind in der Schwangerschaft unbedenklich,
L
embryotoxische Wirkungen sind nicht bekannt.
•  etrazykline (▶ 22.1.4): lagern sich in den entwickelnden Röhrenknochen
T
und Zähnen des Fetus ab und sind in der Schwangerschaft nicht anzuwenden.

Stillzeit
Auch bei stillenden Müttern können bei einigen Antibiotika Schädigungen für
das Kind nicht ausgeschlossen werden. Neben dem Übertritt der Substanzen in
den kindlichen Organismus ist daran zu denken, dass bereits kleine Antibiotika-
mengen die Darmflora des Kindes stören, Resistenzen erzeugen und zu einer Sen-
sibilisierung führen können.
• A minoglykoside (▶ 22.1.5): kaum gefährlich für den kindlichen Organismus,
sie erscheinen nur in Spuren in der Muttermilch.
• A mpicillin, Amoxicillin (▶ 22.1.1): Sensibilisierung, auch wenn die Konz. in
der Muttermilch eher gering sind.
• C ephalosporine (▶ 22.1.2): werden in unterschiedlichen Konz. in die Mutter-
milch ausgeschieden.
   5.21  Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit  245

– C efadroxil und Cefalotin liegen in eher höheren Konz. in der Muttermilch


vor.
– Cefoxitin und Cefroxadin treten kaum in die Muttermilch über.
•  etrazykline (▶ 22.1.4): Eine längerfristige Gabe während der Stillzeit ist auf
T
jeden Fall zu vermeiden.
•  rythromycin, Lincomycin: Über Darmstörungen bei Sgl. wurde berichtet.
E

Kontraindizierte Antibiotika
• C hloramphenicol während der Stillzeit keinesfalls geben.
• A uch Sulfonamide und Trimethoprim sollten wegen der hohen Konz. in
der Muttermilch nicht während der Stillzeit eingesetzt werden.

5.21.6  Antidiabetika
Die teratogene Wirkung oraler Antidiabetika ist zwar nur im Tierversuch bewie-
sen, trotzdem gilt es als obligat, diabetische Pat. vor Beginn der Schwangerschaft
bzw. sofort nach deren Feststellung auf Insulin umzustellen. Die Fortführung ei-
ner oralen Antidiabetikather. rechtfertigt keinen risikobegründeten Schwanger-
schaftsabbruch.
Lediglich für Tolbutamid liegen Untersuchungen der Muttermilchkonz. vor. Die-
se sind hier deutlich niedriger als im Plasma. Auswirkungen auf den Sgl. sind
nicht zu erwarten. Dennoch Kinder gut beobachten (BZ-Kontrollen).

Tab. 5.31  Antidiabetika in Schwangerschaft und Stillzeit (Indikation und 5


­Dosierung ▶ 22.4)
Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
(Beispiel)

Glibenclamid Euglucon® KI Keine exakten Untersu-


chungsergebnisse
®
Glibornurid Glutril

Gliclazid Diamicron Keine ausreichende Erfah-


Uno® rung beim Menschen

Glimepirid Amaryl®

Gliquidon Glurenorm® Keine exakten Untersu-


chungsergebnisse
Metformin Glucophage®

Nateglinid Starlix® Keine ausreichende Erfah-


rung beim Menschen
Pioglitazon Actos

Repaglidine Novo Norm®

Tolbutamid Orabet® Tolbutamid in niedrigen


Konz. in der Muttermilch

Insuline ▶ 3.4 Mittel der Wahl Keine Bedenken, BZ-Kontrol-


len
246 5  Schwangerschaft  

5.21.7  Antiemetika
Bei der Anwendung von Antiemetika in der Schwangerschaft (▶ Tab. 5.32), z. B.
bei der Behandlung der Hyperemesis gravidarum, ist generell Zurückhaltung, v. a.
im 1. Trimenon, angezeigt. Für alle Antiemetika gilt, dass beim Menschen keine
Fehlbildungen zu erwarten sind, obwohl die Substanzen im Tierversuch partiell
teratogen sind.
Metoclopramid ist während der Stillzeit nach Möglichkeit zu vermeiden, da be-
reits sehr niedrige Konz. bei Sgl. erhebliche zentralnervöse NW auslösen können.

Tab. 5.32  Antiemetika in Schwangerschaft und Stillzeit


Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
(Beispiel)

Dimenhydrinat Vomex A® Keine Bedenken Keine Bedenken

Meclocin Agyrax®

Metoclopramid Paspertin® Strenge Ind.-Stellung, Met- KI


hämoglobinbildung beim
NG- und FG möglich

Ondansetron Zofran® Strenge Ind.-Stellung, keine Strenge Ind.-Stel-


embryotox. Wirkung lung
Granisetron Kevatril®

5 5.21.8  Antiepileptika
Schwangerschaft

Bei Kindern epileptischer Mütter besteht auch ohne medikamentöse Ther.


ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko.

• P henytoin, Trimethadion, Primidon, Valproinsäure und Kombination mit


Phenobarbital: erhöhtes Fehlbildungsrisiko.
• P rimidon, Valproinsäure: können bei Dauermedikation zu Spaltbildungen
führen. Die Häufigkeit des Hydantoinsy. (Phenytoin) liegt bei 10 %. Klinik:
geistige und körperliche Retardierung, Hypertelorismus, Skelettdefekte,
Herzfehler, faziale Dysmorphie, Hypoplasie der Nägel und Fingerendphalan-
gen, Spaltbildungen.
Maßnahmen bei Epileptikerinnen während der Schwangerschaft
• V or der Schwangerschaft eine genetische Beratung durchführen lassen.
• H armlosere Substanzen sind Clomazepam, Ethosuximid und Carbamazepin.
• In der Frühschwangerschaft besonders niedrig einstellen.
• A usreichende Substitution von Folsäure, z. B. 1 × 5 mg/d p. o. (z. B. Folsan®).
• Es gibt keinen Grund, eine schwangere Epileptikerin auf ein anderes Präparat
umzustellen und dabei das Risiko einer Mutter und Kind gefährdenden An-
fallsauslösung einzugehen.
   5.21  Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit  247

Stillzeit
• P henytoin, Valproinsäure: werden nicht oder in kaum messbaren Konz. in
die Muttermilch ausgeschieden. Bei Behandlungen der Mutter mit Valproin-
säure sind die Kinder in der Stillphase gut zu beobachten (Lebertoxizität, Stö-
rung des Fibrinogenstoffwechsels).
•  arbamazepin, Ethosuximid, Primidon, Phenobarbital: werden in die Mut-
C
termilch ausgeschieden und können beim Sgl. zu Müdigkeit und Trinkschwä-
che führen. Serumkontrollen bei Mutter und Kind sind empfehlenswert. Ein
Stillverbot ist bei keiner dieser Substanzen indiziert.

Tab. 5.33  Antiepileptika in Schwangerschaft und Stillzeit


Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
(Beispiel)

Carbamazepin Tegretal® In der Schwanger- Müdigkeit und Trinkschwä-


schaft als weniger che beim Sgl. möglich. Se-
Clonazepam Rivotril® teratogene Subs- rumkontrolle bei Mutter und
tanzen anwendbar Kind. Kinder in der Stillphase
Ethosuximid Petnidan® gut beobachten

Phenytoin Phenhydan® Bei etwa 10 % der KI


Fälle Fehlbildungs-
sy. (Hydantoin-Sy.)

Mesuximid Petinutin® Zwischen 20. und Müdigkeit und Trinkschwä-


40. Schwanger- che beim Sgl. möglich. Se-
Phenobarbital Luminal® schaftstag mög-
lichst niedrig do-
rumkontrolle bei Mutter und
Kind. Kinder in der Stillphase
5
Primidon Mylepsinum® sieren, keine Kom- gut beobachten
bination mit
Valproinsäure Leptilan® Phenobarbital KI

5.21.9  Antihypertensiva
Für die meisten Antihypertonika haben sich aus Tierversuchen keine Hinweise
auf Teratogenität ergeben.
• α -Methyldopa: eignet sich für die antihypertensive Ther. leichterer Fälle in
der Schwangerschaft. Das Präparat wirkt über eine Senkung des Sympathiko-
tonus.
• A CE-Hemmer: (Captopril u. a.) in der Grav. kontraindiziert. Die Substanzen
gehen in die Muttermilch über.
• C lonidin: im Tierversuch embryoletal. Die Dosis liegt weit über dem thera-
peutischen Anwendungsbereich beim Menschen.
• D iazoxid: wegen seiner Wirkung auf den Glukosestoffwechsel für eine Dau-
erther. in der Schwangerschaft nicht geeignet. Im Tierversuch teratogen.
• H ydralazin: starker blutdrucksenkender Effekt durch Verringerung des peri-
pheren Widerstands bei Zunahme des Herzzeitvolumens. Möglicherweise
wird hierdurch die uteroplazentare Durchblutung verbessert.
• N ifedipin und andere Kalziumantagonisten: im Tierversuch embryotoxisch.
• B etablocker wie Propranolol: bei Daueranwendung evtl. Wachstumsretar-
dierung, neonatale Hypoglykämie und Verminderung der kardiovaskulären
248 5  Schwangerschaft  

Kompensation von Stress, gleiche NW werden auch den Betablockern Meto-


prolol und Acebutolol zugeschrieben. Keine Teratogenität.
•  auwolfia-Alkaloide: Im letzten Trimenon kann es zu nasaler Hypersekreti-
R
on, Lethargie und Atemdepression des NG kommen. Während der Stillzeit
sollten diese nicht zur Anwendung kommen.
•  ethyldopa, Hydralazin: können zwar in der Muttermilch nachgewiesen
M
werden, die Aufnahme der Substanzen durch den Sgl. ist zu gering, um Or­
gan­wirkungen auszulösen.
•  ngiotensin-II-Antagonisten (z. B. Candesartan, Eprosartan, Irbesartan,
A
Losartan, Telmisartan und Valsartan): sollten in Schwangerschaft und Still-
zeit gemieden werden, da derzeit noch keine ausreichenden Erfahrungen vor-
liegen.

Tab. 5.34  Antihypertensiva in Schwangerschaft und Stillzeit


Freiname Handelsna­ Schwangerschaft Stillzeit
me (Beispiel)

Acebutolol Sali-Prent® Hochdruckther. in der Grav., KI


bei Langzeitgabe Wachstums-
retardierung, neonatale Hypo-
glykämie, Herzfrequenzsen-
kung beim NG möglich

α-Methyldopa Presinol® Keine Bedenken. Mittel der Keine Bedenken


1. Wahl in der Grav.

5 Clonidin Catapresan® Teratogenität nicht bekannt,


strenge Ind.-Stellung im 1. Tri-
menon

Diazoxid Hypertona- Nur im Notfall anzuwenden KI


lum®

Dihydralazin Nepresol® Keine Bedenken. Mittel der Keine Bedenken


1. Wahl in der Grav.

Metoprolol Beloc® Mittel der 1. Wahl in der Grav., Schädigungen


bei Langzeitgabe Wachstums- beim Sgl. nicht
retardierung, neonatale Hypo- bekannt. Auf
glykämie, Herzfrequenzsen- Kreislauf-KO und
kung beim NG möglich Hypoglykämien
beim NG achten

Nifedipin Adalat® Nur zur Gestosether. KI

Propranolol Dociton® Hochdruckther. in der Grav., Schädigungen


bei Langzeitgabe Wachstums- beim Sgl. nicht
retardierung, neonatale Hypo- bekannt. Auf
glykämie, Herzfrequenzsen- Kreislauf-KO und
kung beim NG möglich Hypoglykämien
beim NG achten

Rauwolfia-­ Briserin® Bei Anwendung im letzten Tri- KI


Alkaloide menon nasale Hypersekretion,
Lethargie und Atemdepression
des NG möglich
   5.21  Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit  249

Tab. 5.34  Antihypertensiva in Schwangerschaft und Stillzeit (Forts.)


Freiname Handelsna­ Schwangerschaft Stillzeit
me (Beispiel)

Urapidil Ebrantil® Nur zur Gestosether. Strenge Ind.-Stel-


lung

ACE-Hemmer Lopirin® KI Vermeiden


Captopril Xanef®
Enalpril Cibazen®
Benzapril dynacil®
Fosinopril Tanatril®
Imidapril Acerbon®
Lisinopril

5.21.10  Antihypotonika
Embryotoxische Wirkungen beim Menschen sind bei den nachfolgend aufgeführ-
ten Antihypotonika nicht bekannt.
• D
 ihydroergotamin: bei parenteraler Gabe stärkere uterotonische Wirkung
als bei oraler Applikation, diese ist daher in der Schwangerschaft kontraindi-
ziert. Auch bei oraler Gabe ist eine Vasokonstriktion der Uteringefäße mit
uteriner Mangeldurchblutung nicht auszuschließen.
• N
 orfenefrin: hat wehensteigernden Effekt mit möglicher Plazentaminderper-
fusion und ist deshalb bei Schwangerschafts-KO nicht indiziert.
5
Tab. 5.35  Antihypotonika in Schwangerschaft und Stillzeit
Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
(Beispiel)

Dihydro­ Dihydergot® Nur bei Migräne oder er- Keine Bedenken bei
ergot­amin DET MS® heblicher Hypotonie, ute- niedriger Dosierung
rine Minderperfusion
nicht auszuschließen

Etilefrin Effortil® Keine Bedenken bei nied-


riger Dosierung
Midodrin Gutron ®

D-Kampfer Korovit® Keine Bedenken Keine Bedenken

5.21.11  Antikoagulanzien
Schwangerschaft
• K
 umarine: können in der Frühschwangerschaft ein charakteristisches Fehl-
bildungssy. (Kumarinembryopathie) mit Hypoplasie der Nasenknochen,
Chondrodysplasia punctata und geistiger Retardierung hervorrufen. Störun-
gen des ZNS nach Gabe im 2. oder 3. Trimenon (wahrscheinlich durch fetale
Blutungen bedingt). Erhöhte Blutungsneigung bei NG.
•  eparin: gilt als das Mittel der Wahl in der Schwangerschaft. Wegen seines
H
hohen Molekulargewichts kann es die Plazentaschranke nicht passieren und
250 5  Schwangerschaft  

wirkt somit nicht teratogen. Unter Vollheparinisierung keine PDA, sub partu
nicht mehr als 15.000 IE Heparin. Niedermolekulare Heparine passieren die
Plazentaschranke ebenfalls nicht. Ihre Vorteile können in der Schwanger-
schaft genutzt werden.

Stillzeit
• K
 umarine: Die Beurteilungen über die Gefährlichkeit von Kumarinderivaten
in der Stillzeit sind uneinheitlich. Ggf. Blutungsstörungen beim NG. Warfarin
und Acenocoumarol werden nicht in die Muttermilch ausgeschieden und gel-
ten in der Stillzeit als unbedenklich.
•  eparin: keine Ausscheidung in die Muttermilch, niedermolekulare Hepari-
H
ne treten geringfügig in die Muttermilch über, ein gerinnungshemmender Ef-
fekt beim Sgl. ist unwahrscheinlich.

Tab. 5.36  Antikoagulanzien in Schwangerschaft und Stillzeit


Freiname Handelsname Schwanger­ Stillzeit
(Beispiel) schaft

Kumarine

Phenprocoumon Marcumar® KI Beurteilungen unein-


heitlich, Blutungen beim
®
Warfarin Coumadin NG möglich

Heparine

5 Heparin-Natrium Liquemin N® Mittel der Wahl Keine Bedenken

Certoparin Mono-Embolex® Kein teratogenes


oder embryoto-
xisches Risiko

Dalteparin Fragmin P® Keine Bedenken

Enoxaparin Clexane®

Nadroparin Fraxiparin® Kein teratogenes


oder embryoto-
Reviparin Clivarin® xisches Risiko

Tinzaparin Innohep® Keine Bedenken

5.21.12  Antimykotika
• A
 mphotericin B: soll wegen erheblich erhöhten Abort- und Frühgeburtenri-
sikos in der Grav. nur bei lebensbedrohlichen generalisierten Mykosen einge-
setzt werden.
• C lotrimazol: lokale Ther. (z. B. Vaginalmykosen).
• F lucytosin: kann teilweise zu Fluorouracil metabolisiert werden → im Tier-
versuch teratogen. Auch beim Menschen muss eine Teratogenität angenom-
men werden.
• Griseofulvin: ist im Tierversuch teratogen. In ther. Dosis scheint es beim
Menschen nicht teratogen zu wirken, eine systemische Anwendung sollte
aber vermieden werden.
   5.21  Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit  251

• K
 etoconazol: potenziell teratogen, Anwendung in der Schwangerschaft ver-
meiden.
• M
 iconazol: wirkt in 5-facher therapeutischer Dosis embryoletal → strenge
Ind.
• N
 ystatin: wirkt wegen toxischer Allgemeinreaktionen nur lokal.
Tab. 5.37  Antimykotika in Schwangerschaft und Stillzeit (Indikation und
­Dosierung ▶ 22.3)
Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
­(Beispiel)

Amphotericin B AmphoMoronal® Systemische Ther. Systemische Ther.


kontraindiziert kontraindiziert

Fluconazol Diflucan® KI KI

Flucytosin Acontil® Strenge Ind.-Stel-


lung, im 1. Trime-
non kontraindiziert

Griseofulvin Griseo-CT® KI
®
Ketoconazol Nizoral

Miconazol Daktar® Strenge Ind.-Stel- Bei lokaler Behand-


lung, keine syste- lung keine Beden-
mische Ther. ken

Nystatin Moronal® Keine Bedenken, Keine Bedenken 5


strenge Ind.-Stel-
lung im 1. Trime-
non

5.21.13  Antiphlogistika
• A
 escin: ist bei Tier und Menschen nicht teratogen. Fraglich nephrotoxisch.
• D
 iclofenac, Orgotein und Oxyphenbutazon: gelten ebenfalls nicht als emb-
ryotoxisch. Ebenso wie Phenylbutazon und Salizylate hemmen sie im 3. Tri-
menon die Prostaglandinsynthese → KI in höherer Dosierung.
•  ichtsteroidale Antiphlogistika: z. B. Ibuprofen, Indometacin und Diclofe-
N
nac, können im 1. und 2. Trimenon eingesetzt werden.

Tab. 5.38  Antiphlogistika in Schwangerschaft und Stillzeit


Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
(Beispiel)

Aescin Reparil® Strenge Ind.-Stellung; Vom Stillen ist ab-


im 3. Trimenon kont- zuraten
®
Diclofenac Voltaren raindiziert (vorzeiti-
ger Verschluss des
Phenbutazon Ambene® Ductus Botalli, NG-
Hämorrhagien)

Bromelain traumanase® Keine Bedenken Keine Bedenken


252 5  Schwangerschaft  

5.21.14  Antitussiva, Bronchospasmolytika


• A
 cetylcystein: nicht embryo- oder fetotoxisch, in der Stillzeit gut verträglich.
• A
 mbroxol: weder beim Tier noch beim Menschen embryotoxisch oder tera-
togen.
• C lobutinol: im Tierversuch embryotoxisch, im 1. Trimenon kontraindiziert.
• C odeinhaltige Präparate: können sub partu eine neonatale Atemdepression
begünstigen.
• B etamimetika: wie Carbuterol, Clenbuterol, Fenoterol, Hexoprenalin, Iso­
prenalin, Orciprenalin, Salbutamol und Terbutalin zeigen wehenhemmende
Wirkung. Im letzten Trimenon tokolytische Effekte besonders beachten.
•  extromethorphan: antitussiver Effekt wie Kodein. Im Tierexperiment tera-
D
togen, Risiko offenbar nicht auf den Menschen übertragbar.
•  albutamol, Theophyllin: im Tierversuch teratogen, offenbar auf den Men-
S
schen nicht zu übertragen. Sie werden in die Muttermilch ausgeschieden und
können beim Sgl. zu erheblichen Kumulationen führen. In der Stillzeit in ho-
her Dosierung daher kontraindiziert.
•  rciprenalin, Fenoterol: keine exakten Daten bekannt, aufgrund der Phar-
O
makokinetik dieser Substanzen ist anzunehmen, dass es zu keiner wesentli-
chen Gefährdung des Sgl. kommt.
•  enproperin, Clobutinol, Dropriozinin, Eprazinon, Isoaminil, Noscapin,
B
Pentoxyverin und Pipazetat: unzureichend untersucht.

Tab. 5.39  Antitussiva und Bronchospasmolytika in Schwangerschaft und Still­


5 zeit
Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
(Beispiel)

Acetylcystein Fluimucil® Keine Bedenken Keine Bedenken

Ambroxol Mucosolvan® Keine Bedenken, strenge


Ind.-Stellung im 1. Trime-
non

Bromhexin Bisolvon® Keine Bedenken

Clenbuterol Spiropent® Keine Bedenken, tokolytisch Keine exakten Da-


wirksam ten

Codeinderivate Codicaps® Strenge Ind.-Stellung, sub Substanz geht in


partu atemdepressiv die Muttermilch
über, Schädigungen
beim Sgl. nicht be-
kannt

Fenoterol Berotec® Keine Bedenken, tokolytisch Keine Bedenken,


wirksam Sgl. gut überwa-
chen
Orciprenalin Alupent® Tokolytisch wirksam, im
1. Trimenon kontraindiziert

Pflanzliche In zahlreichen Keine Bedenken Keine Bedenken


­Extrakte Expektoranzi-
en
   5.21  Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit  253

Tab. 5.39  Antitussiva und Bronchospasmolytika in Schwangerschaft und Still­


zeit (Forts.)
Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
(Beispiel)

Salbutamol Sultanol® Strenge Ind.-Stellung, toko- Kumulation, vom


lytisch wirksam Stillen ist abzuraten

Terbutalin Bricanyl® Keine Bedenken, tokolytisch Keine exakten Da-


wirksam ten

Theophyllin Broncho-­ Mittel der 2. Wahl Kumulation, vom


Euphyllin® Stillen ist abzuraten

5.21.15  Kortikoide, Sexualhormone


• K
 ortikoide: bei einigen Tierarten teratogen. Beim Menschen werden Spaltbil-
dungen, Frühgeburtlichkeit, Retardierung und die Induktion einer Nebennie-
reninsuff. bei ausreichend hoch dosierter Dauereinnahme diskutiert. Das Ri-
siko scheint allerdings gering zu sein.
• E  thisteron, Norethisteron: virilisierende Steroide, die beim weiblichen Fetus
in extrem hoher und lang andauernder Dosierung in der Phase der Genital-
differenzierung eine Klitorishypertrophie hervorrufen können.
• Chlormadinonacetat, Cyproteronacetat: Steroide mit feminisierender Wir-
kung. Sie sind in den Ovulationshemmern (OH) Neo-Eunomin®, Belara® und
Diane® enthalten. Einnahme in der Schwangerschaft hat wegen der zu niedri- 5
gen Konz. keinen Einfluss auf den Feten. Gleiches gilt für die übrigen OH.
­Allerdings wird das vermehrte Auftreten des VACTERL-Sy. diskutiert, einer
Kombination von vertebralen, analen, kardialen, trachealen, ösophagealen,
renalen und Extremitätenfehlbildungen bei versehentlicher Einnahme von
OH in der Frühschwangerschaft. Sichere Beweise fehlen. Bei hoch dosierter
Androcur®-Ther. während der Phase der Sexualdifferenzierung ist hingegen
eine Ind. zur Interruptio gegeben, sofern es sich um einen männlichen Fetus
handelt.

Kurzfristige Kortikoidgaben in mittlerer Dosierung stellen kein Stillhinder-


nis dar, höhere Dosen über einen längeren Zeitraum können auch auf das
Kind unterschwellige Wirkung haben.

Tab. 5.40  Kortikoide und Sexualhormone in Schwangerschaft und Stillzeit


Freiname Handels­ Schwangerschaft Stillzeit
name
­(Beispiel)

Androgene KI KI

Kortikoide Geringes Risiko von Spaltbil- Kurzfristige Gaben


dung und anderen Fehlbil- in mittlerer Dosis
dungen bei höherer Dauer- kein Stillhindernis
dosierung
254 5  Schwangerschaft  

Tab. 5.40  Kortikoide und Sexualhormone in Schwangerschaft und Stillzeit


(Forts.)
Freiname Handels­ Schwangerschaft Stillzeit
name
­(Beispiel)

Gestagene (Indikation und Dosierung ▶ 16.3)

Chlormadinon­ Neo-Euno- In niedriger Dosierung keine Schädigungen beim


acetat min® feminisierende Wirkung Sgl. bisher nicht be-
kannt, möglichst
vermeiden

Cyproteron­ Diane® KI KI
acetat Androcur®

Dydrogeste­ Duphaston® Keine Bedenken Bei niedriger, kurz-


ron fristiger Dosierung
kein Stillhindernis
Progesteron Utrogest® Bei nachgewiesener Corpus-
luteum-Insuff.

Medroxypro­ MPA-Gyn® KI Strenge Ind.-Stel-


gesteronace­ lung, bei niedriger,
tat kurzfristiger Dosie-
rung kein Stillhin-
Östrogene (Indikation und Erhöhte Fehlbildungsrate dernis
Dosierung ▶ 16.3) nicht gesichert

5 Ovulationshemmer (Indikati- Erhöhte Fehlbildungsrate Keine Bedenken bei


on und Dosierung ▶ 16.4) nicht gesichert (VACTERL-Sy.) niedrig dosierten OH
oder Minipille

5.21.16  Dermatika
• A
 ciclovir: Virustatikum, bislang keine teratogenen Effekte nachgewiesen.
• A
 mmoidin: Bei Mensch und Tier zwar keine teratogene Wirkung, beein-
trächtigt allerdings den Zellstoffwechsel.
• E tretinat: wegen des hohen Gehalts an einem Vit.-A-Derivat absolut terato-
gen → schwere Entwicklungsdefekte des Gehirns (Meningoenzephalozelen,
-myelozelen), einseitige Anophthalmie, kraniofaziale Defekte, Defekte der
Wirbelsäule und Extremitäten sowie des Ventrikelsystems. Wegen langer
HWZ Interruptio noch 2 J. nach Absetzen der Ther. indiziert.
• F usidinsäure: dermal angewandtes Antibiotikum, keine Teratogenität.
• I doxuriden, Tromantadin (Virustatika): KI in der Schwangerschaft.
• J odhaltige Präparate: sollten in der Schwangerschaft nicht bedenkenlos ver-
abreicht werden.

Bei Kondylomen in der Schwangerschaft sind Abtrag, Kryother. oder Tri-


chloressigsäure Behandlungen der Wahl.
   5.21  Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit  255

Tab. 5.41  Dermatika in Schwangerschaft und Stillzeit


Freiname Handelsname (Beispiel) Schwangerschaft Stillzeit

Aciclovir Zovirax® Kurzfristige An- Strenge Ind.-Stellung


wendung möglichst bei systemischer
bei strenger Ind. Ther., bei lokaler An-
(▶ 5.13.8 und wendung keine Be-
▶ 5.13.9) denken

Ammoidin Meladinine® KI

Tromantadin Viru-Merz®

5.21.17  Diuretika
Schwangerschaft
Teratogene Wirkungen sind weder im Tierversuch noch beim Menschen be-
kannt.
! D a im Rahmen hypertensiver Erkr. in der Schwangerschaft häufig ohnehin ei-
ne Hypovolämie vorliegt, Diuretika nur unter strenger Ind.-Stellung einsetzen.
• B enzothiadiazine: passieren leicht die Plazenta und können zu
E’lytstörungen und einer neonatalen Thrombopenie führen.
• T riamteren: fetotoxisches Risiko im 2. und 3. Trimenon, Folsäuremangel
kann eine Megaloblastose begünstigen.
5
Stillzeit
• W
 egen des generellen Dehydratationsrisikos für den Sgl. sind alle Diuretika
in der Stillzeit unter strenger Ind.-Stellung einzusetzen.
• A
 cetazolamid, Furosemid, Hydrochlorothiazid, Spironolacton: sind für den
Sgl. wahrscheinlich unbedenklich, Möglichkeit der Laktationshemmung. Bei
Herzinsuff. in der Schwangerschaft ist Hydrochlorothiazid Mittel der Wahl.
•  hlortalidon: ist zwar nur in geringen Konz. in der Muttermilch enthalten,
C
wegen der langen HWZ und der damit verbundenen Kumulationsgefahr
beim Sgl. ist aber vom Stillen abzuraten.

Tab. 5.42  Diuretika in Schwangerschaft und Stillzeit


Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
(Beispiel)

Acetazolamid Diamox® Strenge Ind.-Stellung, Keine Bedenken, Dehydra-


keine Langzeitther. tationsrisiko

Amilorid Amilorid® KI KI

Chlortalidon Hygroton® Strenge Ind.-Stellung

Furosemid Lasix® Keine Bedenken, Dehydra-


tationsrisiko
®
Hydrochloro­ Esidrix
thiazid

Spironolacton Aldactone®
256 5  Schwangerschaft  

Tab. 5.42  Diuretika in Schwangerschaft und Stillzeit (Forts.)


Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
(Beispiel)

Triamteren Dytide® KI Substanz geht in die Milch


über, ernste Schädigungen
beim Sgl. nicht bekannt,
Dehydratationsrisiko

5.21.18  Laxanzien
• A
 loehaltige Präparate: passieren die Plazenta. Sie erzeugen eine starke Hy-
perämie der Unterleibsorgane und können abortiv wirken.
• B isacodyl: nur geringfügige enterale Resorption, Anwendung in Schwanger-
schaft und Stillzeit ist möglich.
• N
 atriumpicosulfat: im 1. Trimenon kontraindiziert, es besteht ein embryoto-
xisches und teratogenes Risiko beim Menschen.
• S ennoside, Cascaroside: enthalten Anthrachinone, die über den GIT in die
Muttermilch übertreten können. In der Stillzeit sind sie daher kontraindi-
ziert. Auch bei Kindern stillender Mütter wurden nach Einnahme von phe-
nolphthaleinhaltigen Präparaten Durchfallerscheinungen registriert. Diese
Präparate sollten in der Stillzeit nicht eingesetzt werden. Pflanzliche Quell-
mittel erscheinen in der Stillzeit als Mittel der Wahl.

5 Tab. 5.43  Laxanzien in Schwangerschaft und Stillzeit


Freiname Handelsname (Beispiel) Schwangerschaft und
Stillzeit

Pflanzliche Laxanzien

Aloe Kneipp-Abführ Drg. N® KI

Rizinusöl Rizinuskapseln®

Glycerol Glycilax® Mittel der Wahl

Laktulose Bifiterla®

Quellmittel

Leinsamen Keine Bedenken

Chemisch definierte Laxanzien

Bisacodyl Dulcolax® Keine Bedenken

Laktulose Bifiteral®

Natriumpicosulfat Laxoberal® Strenge Ind.-Stellung, KI


im 1. Trimenon und Still-
®
Phenolphthalein Agarol zeit

Sorbit Microklist® Keine Bedenken


   5.21  Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit  257

5.21.19  Magen-Darm-Mittel
Schwangerschaft
• L ithiumhaltige Antazida: in der Grav. kontraindiziert.
• L operamid: Wegen noch nicht ausreichender Erfahrung beim Menschen
wird in der Grav. zur Vorsicht geraten. Keine Hinweise auf Teratogenität.
• N eomycin: bei Darmulzera und Niereninsuff. in der Grav. ungeeignet.
• S ulfonamidhaltige Mittel: KI in den letzten Wo. der Grav.
• B romocriptin: Wegen noch unzureichender Erfahrung beim Menschen wird
in der Grav. zur Vorsicht geraten.
• A loe enthaltende Verdauungsenzymkombinationen: KI in der Grav.
• C imetidin, Ranitidin: Zwar sind keine Blutbildungsstörungen wie bei den
zuerst entwickelten H2-Antihistaminika bekannt, wegen einer vermutlich
größeren Empfindlichkeit des Embryos sollten sie in der Grav. unter strenger
Ind.-Stellung eingesetzt werden.
•  etoclopramid: Mittel der Wahl bei Motilitätsstörungen des oberen GIT in
M
der Schwangerschaft. Kann beim NG und FG eine Methämoglobinbildung
bewirken.
•  yridostigmin und Neostigmin: Cholinergika. Anwendung in der Schwan-
P
gerschaft nur bei postop. Atonie von Darm und Blase.

Stillzeit
• C imetidin: konnte in erheblichen Konz. in Muttermilch nachgewiesen wer-
den und sollte daher in der Stillzeit möglichst vermieden werden.
• A
 tropinhaltige Präparate: sollten wegen möglicherweise toxischer NW auf 5
das Kind und möglicher Verminderung der Milchproduktion v. a. in der Still-
zeit nicht eingesetzt werden.
•  etoclopramid: kann über die Muttermilchausscheidung beim Sgl. zu zent-
M
ralnervösen NW führen.

Tab. 5.44  Magen-Darm-Mittel in Schwangerschaft und Stillzeit


Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
­(Beispiel)

Antidiarrhoika

Atropinsulfat Dysurgal® Strenge Ind.-Stel- Substanz geht in


lung, keine ausrei- die Muttermilch
chenden Erfahrun- über, Schäden
gen beim Men- beim Sgl. bisher
schen. Anstieg der nicht bekannt,
kindlichen HF mög- Laktationshem-
lich, sub partu evtl. mung
Maskierung einer
fetalen Hypoxie

Colipräparate Colibiogen® Keine Bedenken Keine Bedenken


®
Kohle Kohle-Kompretten
258 5  Schwangerschaft  

Tab. 5.44  Magen-Darm-Mittel in Schwangerschaft und Stillzeit (Forts.)


Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
­(Beispiel)

Antidiarrhoika

Loperamid Imodium® Strenge Ind.-Stel- KI


lung, keine ausrei-
chenden Erfahrun-
gen

Milchsäurebildner Hylak plus acidophi- Keine Bedenken Keine Bedenken


lus®

Pektin Diarrhoesan®

Pflanzliche Adsor­ Aplona®


benzien

Tannin Tannalbin®

Antazida

Hydrotalcit Talcit® Keine Bedenken Keine Bedenken

Salze (Al, Bi, Mg, Maaloxanl®


Ca, P)

Magaldrat Riopan®

5 Enzympräparate

Protease, Lipase, Pankreon® Keine Bedenken, Keine Bedenken


Amylase, Trypsin, keine aloehaltigen
Pankreatin etc. Kombinationsprä-
parate!

Gastritis- und Ulkusmittel

Cimetidin Cimetidin-CT® Strenge Ind.-Stel- Möglichst ver-


lung, Lebervergrö- meiden
ßerung und Hyper-
bilirubinämie beim
Neugeborenen
möglich

Methanthelinbro­ Vagantin® Strenge Ind.-Stel- Strenge Ind.-


mid lung, Atropin Stellung

Metoclopramid Paspertin® Strenge Ind.-Stel- KI


lung, Methämoglo-
binbildung beim
Neu- und Frühge-
borenen möglich

Omeprazol Antra® Strenge Ind.-Stel- Keine Bedenken


lung, im Tierversuch
nicht teratogen

Ranitidin Ranitidin Stada® Wie Cimetidin Möglichst ver-


meiden
   5.21  Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit  259

Tab. 5.44  Magen-Darm-Mittel in Schwangerschaft und Stillzeit (Forts.)


Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
­(Beispiel)

Karminativa

Dimeticon Lefax® Keine Bedenken Keine Bedenken

Pflanzliche Karmi­ Carminativum®


nativa

Salzsäure Enzynorm®

5.21.20  Mund- und Rachentherapeutika


Polyvidonjod-Lsgn. sollten in der Schwangerschaft und Stillzeit zurückhaltend
angewandt werden und dürfen keinesfalls geschluckt werden (NW auf fetale
Schilddrüse).

Tab. 5.45  Mund- und Rachentherapeutika in Schwangerschaft und Stillzeit


Freiname Handelsname (Beispiel) Schwangerschaft Stillzeit

Adstringenzien

Aluminiumchlorat Mallebrin® Keine Bedenken Keine Bedenken

Etherische Öle 5
Anis-, Kampfer-, Salviathymol N® Keine Bedenken Keine Bedenken
Pfefferminz-, Eu­
kalyptusöl etc.

Desinfizienzien

Chlorhexidin Chlorhexidindigluco- Keine Bedenken Keine Bedenken


nat® Lsg.

Hexidin Hexoral®

Polyvidonjod Betaisodona®-Lsg. Strenge Ind.-Stellung, nicht schlucken!

5.21.21  Psychopharmaka
• A
 mitriptylin: (trizyklisches Antidepressivum) wirkt weder bei Tier noch
Mensch teratogen. Mittel der Wahl bei der Depressionsther. in der Schwan-
gerschaft.
•  ithium-Langzeitther.: im 1. Trimenon vermehrt kardiovaskuläre Fehlbil-
L
dungen (~ 10 %), ZNS-Schäden und erhöhte perinatale Morbidität. Bei Be-
handlungsnotwendigkeit in der Frühgrav. häufiger niedrige Dosen verabrei-
chen und den Serumspiegel wöchentl. kontrollieren. Die Lithium-Plasma-
konz. bei gestillten Kindern entsprechen denen der stillenden Mütter. Vom
Stillen wird abgeraten.
•  aloperidol und andere Butyrophenon-Neuroleptika (Trifluperidol): sollten
H
in der Schwangerschaft nur nach strenger Ind.-Stellung verordnet werden.
260 5  Schwangerschaft  

• B enzodiazepine: können bei Gabe sub partu beim NG gelegentlich eine


Atemdepression bewirken, die HWZ beim NG ist deutlich erhöht. Regelmä-
ßige höhere Diazepamdosen während der Stillzeit führen zu NW beim Sgl.
(Lethargie, Trinkschwäche, EEG-Veränderungen).
•  henothiazine: schwache Assoziationen mit kardiovaskulären Fehlbildun-
P
gen, Mikrozephalien und Syndaktylien. Nicht in der Stillzeit einsetzen, da sie
in relativ hohen Muttermilchkonz. ausgeschieden werden und beim Sgl. zur
Kumulation neigen. Phenothiazine und Thioxanthene sind in der Schwanger-
schaft Mittel der Wahl in der Behandlung eines psychotischen Sy.
•  erotonin-Wiederaufnahmehemmer wie Citalopram, Fluoxetin, Fluvox­amin,
S
Paroxetin und Sertralin: können mit kleinen Fehlbildungen und neurologischen
Entzugssymptomen beim NG assoziiert sein und sind in der Schwangerschaft
allenfalls Mittel der 2. Wahl. In der Stillzeit nicht empfohlen.

Tab. 5.46  Psychopharmaka in Schwangerschaft und Stillzeit


Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
­(Beispiel)

Antidepressiva

Amitriptylin Saroten® Strenge Ind.-Stel- Strenge Ind.-Stel-


lung, keine Beden- lung, Sgl. gut über-
ken wachen

Clomipramin Anafranil® Präparat geht in die


5 Imipramin Tofranil®
Muttermilch über,
Schädigungen beim
Sgl. bisher nicht be-
kannt

Lithiumcarbonat Lithium-Apogepha® In den ersten KI


4 Schwangerschafts-
mon. und sub partu
kontraindiziert

Tranquillanzien, Hypnotika

Bromazepam Lexotanil® Sub partu Atemde- In höherer Dosie-


pression des NG rung oder bei Lang-
Chlordiazepoxid Librium® möglich zeitther. kontraindi-
ziert
Clobazam Frisium® Nicht im 1. Trime-
non, sub partu
Atemdepression des
NG möglich

Diazepam Valium® Sub partu Atemde-


pression des NG
Lorazepam Tavor® möglich
Oxazepam Adumbran®

Neuroleptika (Butyrophenone, Phenothiazine)

Haloperidol Haldol® Strenge Ind.-Stel- Strenge Ind.-Stel-


lung lung, Sgl. gut über-
wachen
   5.21  Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit  261

Tab. 5.46  Psychopharmaka in Schwangerschaft und Stillzeit (Forts.)


Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
­(Beispiel)

Neuroleptika (Butyrophenone, Phenothiazine)

Levomepromazin Neurocil® Im 1. Trimenon ins- KI, Neigung zur Ku-


gesamt schwache mulation
®
Perphenazin Decentan Assoziationen mit
kardiovaskulären
Promethazin Atosil® Fehlbildungen mög-
Triflupromazin Psyquil® lich

Fluoxetin Fluctin® Mittel der 2. Wahl Strenge Ind.-Stel-


lung, Sgl. gut über-
Paroxetin ParoLich® Strenge Ind.-Stel- wachen
lung, abruptes Ab-
setzen vermeiden

Citalopram Cipralex® Strenge Ind.-Stel-


lung
Fluvoxamin Fevarin®

5.21.22  Rhinologika
• P henylephrin (Alpha-Sympathomimetikum): → lokal zur Abschwellung der
Nasenschleimhaut oder als Mydriatikum. Eine systemische Ther. ist möglich.
 xymetazolin, Xylometazolin (Imidazolderivate): ausschließlich Affinität zu 5
• O
Alpha-Rezeptoren → nur lokale Anwendung. Keine NW in Grav. und Still-
zeit.
•  imetinden: systemische Anwendung. Wichtigste NW ist zentral-dämpfen-
D
der Effekt, bei Kindern deutlich ausgeprägter als beim Erw.

Tab. 5.47  Rhinologika in Schwangerschaft und Stillzeit


Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
­(Beispiel)

Systemische Therapie

Carbinoxamin Rhinopront® Strenge Ind.-Stel- Strenge Ind.-Stel-


lung, keine Beden- lung
ken bekannt
Dimetinden Vibrocil® Substanz geht in
die Muttermilch
über, Schädigun-
gen beim Sgl. nicht
bekannt

Lokale Therapie

Oxymetazolin Nasivin® Keine Bedenken Keine Bedenken

Xylometazol Otriven®
262 5  Schwangerschaft  

5.21.23  Schilddrüsentherapeutika
Klinik 
• Jodmangel bzw. Hypothyreose bei Schwangeren: Verdopplung der Fehlge-
burtenrate, erhöhte Frühgeburtlichkeit und Entwicklung einer Struma.
• H yperthyreose: in Frühschwangerschaft und Postpartalzeit erhöhte Krank-
heitsaktivität. 2. und 3. Trimenon remissionsbegünstigend.
Therapie  M.  Basedow in der Schwangerschaft sollte thyreostatisch behandelt
werden. Hyperthyreose wirkt teratogen, nicht jedoch niedrig dosierte Thyreostati-
ka.
Mittel der Wahl Propylthiouracil und Thiamazol: Initial 10–20 mg/d, Erhaltungs-
dosis 2,5–5 mg/d, keine Komb. mit Levothyroxin, Auslassversuch im 2. Trimenon
möglich. Erhöhte Rezidivgefahr in der Laktationsphase (Überwachung notwen-
dig), niedrig dosierte Thyreostatika (Thiamazol bis 15 mg/d und Propylthiouracil
bis 150 mg/d) sind unbedenklich.
Eine prophylaktische Jodsubstitution von 200 μg/d wird in Grav. und Stillzeit
empfohlen, jodhaltige Expektoranzien, Desinfektionsmittel etc. sind in der Grav.
zu vermeiden.

Tab. 5.48  Schilddrüsentherapeutika in Schwangerschaft und Stillzeit


Freiname Handelsname Schwanger­ Stillzeit
(Beispiel) schaft

Schilddrüsenhormone
5 Levothyroxin Euthyrox® Genaue Dosis- Keine Bedenken (physiologische
überwachung in Substanz)
der Schwanger-
schaft

Jod Jodetten® Zur Prophylaxe 200 μg/d empfohlen

Thyreostatika

Carbimazol Carbimazol- Plazentagängig, KI


Henning ® möglichst nied-
rige Dosierung

Perchlorat Irenat® KI
®
Thiamazol Favistan Möglichst nied-
rige Dosierung

Thiouracil Propycil® Mittel der Wahl Geringe Ausscheidung über die


Muttermilch, kein absolutes Still-
verbot
   5.21  Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit  263

5.21.24  Virustatika
• A
 ciclovir (Zovirax®): bei äußerer Anwendung unproblematisch, eine syste-
mische Gabe in der SS ist nur bei disseminierter Herpes- oder Varizellenerkr.
indiziert.
•  mantadin (Amantadin-CT®): sollte in der Schwangerschaft nicht zur Ther.
A
der Influenza eingesetzt werden. Verschiedene Fehlbildungen wurden in der
Literatur beschrieben.
•  idovudin ®)ist als einziges Präparat zur Prophylaxe einer HIV-Transmission
Z
in der Schwangerschaft zugelassen. Nach heutiger Kenntnis ist eine Zidovu-
din-Monother. bei niedriger Viruslast ausreichend. Bei hoher Viruslast zu-
sätzlich NNRTI (nichtnukleosidale Retrotranskriptasehemmer) oder Protein-
Inhibitoren. Eine Teratogenität ist bislang für keine der Substanzen nachge-
wiesen, allerdings wurden Frühgeburtlichkeiten und fetale Anämien be-
schrieben.
•  ibavirin (Copegus®, Virazole®): in der Schwangerschaft nur bei vitaler Ind.
R
erlaubt, im Tierversuch teratogen.
•  rivudin (Zostex®), Cidofovir (Vistide®), Oseltamivir (Tamiflu®), Zanami-
B
vir (Relenza®), Entacavir (Baraclude®) und Adeforvirdipiroxil (Hepsera®):
nur bei zwingender Ind. in der Grav. Ausreichende Erfahrungen beim Men-
schen liegen nicht vor.
•  elbivudin (Sebivo®) ist nicht embryotoxisch.
T

Durch eine antiretrovirale Ther. in der Schwangerschaft und eine elektive


Sectioentbindung konnte die perinatale HIV-Transmission von 15 % auf 5
2,6 % gesenkt werden.

Tab. 5.49  HI-Virustatika in Schwangerschaft und Stillzeit


Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
(Beispiel)

Nukleosidanaloga (NRTI)

Zidovudin Retrovir® Mittel der Wahl NG mit HIV-infizier-


ten Müttern sollten
Lamivudin Epivir® Strenge Ind.-Stellung, Tera- nicht gestillt wer-
togenität nicht bekannt den
Stavudin Zerit®

Didanosin Videx®

Abacavir Ziagen®

Nichtnukleosidale Retrotranskriptasehemmer (NNRTI)

Nevirapin Viramune® Strenge Ind.-Stellung, Hepa- NG mit HIV-infizier-


totoxizität, Frühgeburtlich- ten Müttern sollten
Etravirin Intelence® keit, Resistenz nicht gestillt wer-
den
Evavirenz Sustiva®
264 5  Schwangerschaft  

Tab. 5.49  HI-Virustatika in Schwangerschaft und Stillzeit (Forts.)


Freiname Handelsname Schwangerschaft Stillzeit
(Beispiel)

Proteaseinhibitoren

Nelfinavir Viracept® Strenge Ind.- NG mit HIV-infizierten Müttern


Stellung, Hepa- sollten nicht gestillt werden
®
Indinavir Crivixan totoxizität, Ne-
phrotoxizität
Ritonavir Norvir®

Saquinavir Invirase®

Fosamprenavir Telzir® Strenge Ind.-


Stellung
Atazanavir Reyataz®

Darunavir Prezista®

Lopinavir Kaletra® KI

5.21.25  Zytostatika
Für alle Zytostatika gilt die Schwangerschaft als absolute KI, da in Tierversuchen
und beim Menschen starke teratogene Wirkungen festgestellt wurden. Auch
wenn manche Zytostatika nur in nichttoxischen Konz. in der Muttermilch nach-
weisbar sind, sollte nicht gestillt werden.
5
6 Geburt
Joachim Steller und Franz Koettnitz

6.1 Kreißsaalaufnahme  267 6.4.4 R  andsinusblutung  296


6.1.1  ardiotokografie (CTG)  268
K 6.4.5 Sonstige Blutungs­
6.1.2 Non-Stress-Test  274 ursachen  296
6.1.3 Oxytocin-Belastungstest 6.5 Lageanomalien  297
­(Stress-Test)  274 6.5.1 Beckenendlage (BEL)  297
6.1.4 Mikroblutanalyse (MBU) oder 6.5.2 Querlage  300
Fetalblutanalyse (FBA)  276 6.5.3 Regelwidrige
6.2 Normaler ­Schädellagen  301
Geburtsverlauf  277 6.5.4 Einstellungsanomalien  302
6.2.1 Eröffnungsperiode  280 6.6 Geburtsstillstand  304
6.2.2 Austreibungsperiode  281 6.6.1 In der Eröffnungsperiode  304
6.2.3 Nachgeburtsperiode  282 6.6.2 In der Austreibungs­
6.3 Analgesie  283 periode  305
6.3.1 Medikamentöse Behandlung 6.7 Vorzeitiger Blasensprung  305
des Geburtsschmerzes  284 6.8 Vorfälle  308
6.3.2 Anästhesiologisches Vorgehen 6.8.1 Nabelschnurvorfall  308
bei Sectio caesarea  285 6.8.2 Vorfall kleiner Teile  309
6.3.3 Periduralanästhesie 6.9 Uterusruptur  309
(PDA)  285 6.10 Fetale Azidose  310
6.3.4 Spinalanästhesie  286 6.11 Fetale Fehlbildungen  312
6.3.5 Pudendusblock  287 6.11.1 Hydrozephalus  312
6.3.6 Spasmoanalgetika  287 6.11.2 Anenzephalus  312
6.3.7 Lokalanästhesie  288 6.11.3 Steißteratome  312
6.3.8 Akupunktur in der 6.11.4 Potter-Sequenz (renofaziale
­Geburtshilfe Dysplasie)  313
Franz Koettnitz  289 6.11.5 Genetisch bedingte
6.4 Blutungen sub partu  292 ­Fehlbildungen  313
6.4.1 Placenta praevia  292 6.12 Mehrlingsgravidität  313
6.4.2 Vorzeitige Plazenta­ 6.12.1 Geburtshilfliche
lösung  294 ­Besonderheiten  313
6.4.3 Insertio velamentosa  295 6.12.2 Geburtsleitung  314
6.13  eburtseinleitung  315
G
6.14 Pathologische
­Nachgeburtsperiode  317
6.14.1 Uterusatonie  317
6.14.2 Verletzungen der
­Geburtswege  318
6.14.3 Plazentalösungs­
störungen  319
6.15 Fruchtwasserembolie  320
   6.1  Kreißsaalaufnahme  267

6.1 Kreißsaalaufnahme
Indikationen
•  egelmäßige Wehen alle 10 Min. oder häufiger.
R
•  lasensprung (auch bei Verdacht).
B
•  ag. Blutung in der Spätschwangerschaft.
V
•  eplante Sectio (z. B. bei BEL).
G

Vorgehen bei Aufnahme


• K
 ontrolle der fetalen Herztöne durch Anlage eines CTGs zur Aufzeichnung
der Wehentätigkeit und der fetalen Herzfrequenz (FHF) (▶ 6.1.1).
• M
 utterpass: Überprüfung von Geburtstermin und Schwangerschaftsverlauf
und zur frühzeitigen Erkennung möglicher Risikofaktoren (vorausgegangene
geburtshilfliche OP, Aborte, Blutgruppenunverträglichkeit, Diab. mell., SIH,
Lageanomalien und fetale Wachstumsretardierung), B-Strept.-Befund.
•  namnese: Fragen nach internistischen Vorerkr., Allergien und v. a. gyn. und
A
abdominalen OP. Genau nach Kürettagen und Interruptiones fragen (wird
häufig nicht erwähnt). Besonderheiten bei vorausgegangenen Entbindungen
wie Dauer des Geburtsverlaufs, verstärkte Nachblutung, unvollständige Pla-
zenta, vag.-op. oder op. Entbindung. Auffälligkeiten im jetzigen Schwanger-
schaftsverlauf wie Abortbestrebungen, vorzeitige Wehentätigkeit, Blutungen
und Abgang von Flüssigkeit aus der Vagina.
•  örperliche Untersuchung: Perkussion und Auskultation der Lunge, Aus-
K
kultation des Herzens, Inspektion und Palpation der Mammae, Nierenlager
auf Klopfschmerz prüfen, Inspektion besonders der unteren Extremitäten auf
Ödeme und Varizen hin. Leopold-Handgriffe ▶ 5.1.1.
•  ag. Untersuchung (▶ 5.1.2): Beurteilung von Portio, Muttermund (MM),
V
vorangehendem Kindsteil, Höhenstand, Fontanellenlokalisation, Fruchtblase
und Beschaffenheit des Beckens. Entnahme eines Vaginalabstrichs zur mikro-
biologischen und zur Nativuntersuchung (v. a. bei vorzeitigem Blasensprung). 6
Exakte Dokumentation des geburtshilflichen und des Beckenbefunds.
•  ono (▶ 22.2): Bei schmerzhafter Wehentätigkeit häufig nur orientierend
S
möglich. Wichtig sind fetale Lage und Herzaktion, Sitz der Plazenta, FW-
Menge, biparietaler Kopfdurchmesser, Abdomenquerdurchmesser und evtl.
Femurlänge. Fetale Gewichtsbestimmung.
•  lutentnahme: Bei geburtsreifem MM-Befund (etwa 3 cm) und/oder guter
B
Wehentätigkeit Blutentnahme mit dem Legen einer großlumigen Braunüle®
verbinden. Abgenommen werden sollten BB mit Thrombos, E‘lyte, evtl. Ge-
rinnung; zusätzlich bei:
– V. a. EPH-Gestose: Gesamteiweiß, Krea, Harnsäure, Leberwerte und
­Urinstatus.
– V. a. HELLP-Sy.: Leberwerte (SGOT, SGPT, γ-GT, Bili), Haptoglobin,
Krea, Harnsäure, Urinstatus.
– PDA: INR, PTT (evtl. Fibrinogen).
– BEL, Gemini, Z. n. Sectio oder andere KO bei früheren Entbindungen:
INR, PTT, Blutgruppe.
– V. a. Blasensprung: CRP, BB.
– Falls noch nicht erfolgt: HbsAg.
268 6  Geburt  

Vorbereitung der Gebärenden


Sofern die Aufnahmeuntersuchung keine Besonderheiten ergeben hat und in
nächster Zeit mit der Geburt gerechnet wird:
• K lysma zur Darmentleerung (ein voller Darm stellt ein Geburtshindernis dar).
• V ollbad bei erhaltener Fruchtblase oder Dusche bei gesprungener Fruchtblase
und fest in das Becken eingetretenem Kopf.
• B ei anstehender Sectio Rasur zumindest suprapubisch.
• A ufklärung der Schwangeren über den weiteren Geburtsablauf sowie über die
verschiedenen Möglichkeiten der Analgesie unter der Entbindung (▶ 6.3).
• E vtl. Nahrungskarenz bei evtl. erforderlicher Vollnarkose; Braunüle® legen
und evtl. Infusionen mit glukosehaltigen Halb- oder Eindrittele’lyt-Lsgn.
(z. B. Sterofundin® BG-5 oder Sterofundin®).

6.1.1 Kardiotokografie (CTG)
Prinzip
Simultane Aufzeichnung von FHF und Uterusaktivität (CTG = Cardio-Toco-
Grafie). Bei der Messung der HF kann entweder akustisch oder sonografisch über
die Bauchdecken oder direkt am kindlichem Kopf (oder Steiß) ein elektrisches
Potenzial abgeleitet werden. Die HF wird aus der Messung der Abstände zweier
Herztöne berechnet. Die Kontraktionen des Uterus werden i. d. R. über einen me-
chanischen Druckaufnehmer über den Bauchdecken aufgezeichnet, die direkte
intrauterine Messung mit Ballonkatheter hat sich nicht durchgesetzt.
Ziel: Frühzeitige Erkennung fetaler Gefahrenzustände zur rechtzeitigen Interven-
tion.

Anlegen
• P apiervorrat vor Anlegen des CTGs prüfen; CTG-Streifen mit Datum, Uhr-
zeit, Name, Vorname, Geburtsdatum, errechnetem Termin oder SSW und
6 derzeitiger Medikation beschriften.
•  indslage und Stellung bestimmen (Leopold-Handgriffe ▶ 5.1.1).
K
•  at. in Linksseitenlage bringen, um Vena-cava-Kompression zu vermeiden.
P
•  okografie-Aufnehmer über dem Fundus mit elastischem Gurt befestigen.
T
Bei Gummi-Allergie Textilgurte verwenden.
•  aximum der kindlichen Herztöne meist über dem kindlichen Rücken.
M
•  ransducer mit Ultraschallgel vorbereiten und mit Gurt fixieren.
T
•  ei guter Aufzeichnung Papiervorschub anstellen (1 cm/Min.), Registrierung
B
mindestens über 30 Min.
•  ei pathologischen Mustern ggf. Weckversuch, Lagewechsel (andere Seite,
B
Becken hoch) und/oder Partusisten-intrapartal® (▶ 6.10), O2-Gabe, evtl. fetale
Blutgasanalyse, Mikroblutanalyse (MBU; Ausnahme: Austreibungsperiode,
stattdessen ggf. vag.-op. Entbindung).

Kopfschwartenelektrode (KSE)
• E ingriff nur bei besonderer Ind. wie schlecht abzuleitenden Herztönen,
pathologischem CTG, Gemini.
• D urchführung: Abspülen der Vulva (z. B. mit Octenisept®), vag. Untersu-
chung (▶  6.1.2). Einführen der Elektrode im Führungsstab (geringere
   6.1  Kreißsaalaufnahme  269

Verletzungsgefahr) und Aufsetzen am tiefsten Punkt des vorangehenden


Teils, nicht über einer Fontanelle. Einschrauben der Elektrode in die
Kopfhaut mit einer 180°-Drehung im Uhrzeigersinn. Entfernen der Ein-
führhilfe. Anschluss an das CTG, bei guter Registrierung Papiervorschub
anstellen, Legen der KSE dokumentieren.
•  ax. 1 % fetales Infektionsrisiko. Nur bei geöffneter Fruchtblase oder mit
M
gleichzeitiger Amniotomie möglich, nicht bei Placenta praevia!

Auswertung

Grundfragen an das CTG


• H
 F des Fetus (Baseline, Basisfrequenz).
• O
 szillationsamplitude (Bandbreite).
• O
 szillationsfrequenz (Nulldurchgänge).
• A
 kzelerationen oder Dezelerationen.
Die Kardiotokografie erlaubt in 99 % der Fälle die Vorhersage der Geburt eines
lebensfrischen Kindes bei Registrierung eines vollkommen normalen HF-Mus-
ters. Path. HF-Muster, die einen Sauerstoffmangel des Kindes in utero signalisie-
ren, lassen sich frühzeitig erkennen (hohe Sensitivität der Methode). Nur schwa-
cher Zusammenhang zwischen path. HF-Mustern und klinischem Zustand der
Kinder bei Geburt (geringe Spezifität der Methode).
Häufigkeit der kindlichen Zerebralparese in den letzten 30 J. weitgehend konstant
(0,2 %). In < 10 % der Fälle bestand dabei eine schwere Asphyxie unter der Geburt.
Zusammenhang zwischen intrapartalem Sauerstoffmangel des Kindes und schwe-
ren neurologischen Spätfolgen nur möglich, wenn schwere und anhaltende As-
phyxie im CTG klinisch mit protrahierter Kreislaufzentralisation und extremer
metabolischer Azidämie bei Geburt kombiniert ist: 6
• A nhaltende schwere CTG-Alterationen.
• P ersistierend (> 5 Min.) erniedrigter Apgar von < 5.
• S chwere Azidämie vom metabolischen Typ (pH < 7,00).
• N eurologische Symptome (Krämpfe, Koma, Hypotonien) in der Neonatal-
phase.
• M ultiorganschäden (Herz-Kreislauf, gastrointestinal, renal, pulmonal).
• D ie kindlichen Multiorganschäden sollten laborchemisch bestätigt werden.
Fetale Herzfrequenz
Baseline: Mittelwert der FHF über 5–10  Min. Norm: 120–160  Schläge/Min.
(SpM).
Tachykarde Veränderungen
• A
 ntepartale Tachykardien treten bei etwa 5 % der Feten auf, z. B. bei Stress,
Hypotonie, Fieber der Mutter, nach akustischen oder taktilen Reizen oder
unter pharmakologischer Beeinflussung (Betamimetika). Eine derartige Ta-
chykardie sollte spätestens nach 2 h sistieren, andernfalls ist nach anderen
Ursachen, z. B. Amnioninfektsy., zu fahnden. Bei fetalen Arrhythmien finden
sich häufig schwere Tachykardien von > 180/Min. Hypoxietachykardie ist
270 6  Geburt  

meist vergesellschaftet mit weiteren path. CTG-Veränderungen (eingeengte


oder silente Oszillation, fehlende Akzelerationen, Dezelerationen etc.).
– Leichte Tachykardie: Anstieg der HF über 10 Min. auf > 160/Min.
– Schwere Tachykardie: Anstieg der HF über 10 Min. auf > 180/Min.
•  kzeleration: Frequenzbeschleunigung über ≤ 10 Min. Physiologische kind-
A
liche Reaktion auf Stress oder in Kombination mit spontanen oder induzier-
ten Kindsbewegungen. Fehlende Akzelerationen können eine kindliche Be-
einträchtigung anzeigen (Kind kann aber auch schlafen → ggf. Weckversuch).
Bradykardie
• B radykardien können auftreten infolge von Dauerkontraktionen, beim Ve-
na-cava-Sy., bei Störungen der kardialen Reizbildung (selten!). Sie können
auch zentral bedingt sein (z. B. beim Anenzephalus). Die Hypoxiebradykardie
tritt häufig begleitet von weiteren vorherigen CTG-Alterationen auf (silentes
CTG, Verminderung der Umkehrpunkte etc.) und stellt eine Ind. zur soforti-
gen Geburtsbeendigung dar.
– Leichte Bradykardie: Abfall der HF über 3 Min. auf < 120/Min.
– Schwere Bradykardie: Abfall der HF über 3 Min. auf < 100/Min.
• D ezeleration (▶ Abb. 6.1, ▶ Abb. 6.2):
– Typ I (= Frühdezeleration, „Einer-Dip“): Zeitgleich zur Wehentätigkeit
Abfall der HF um > 20 SpM (spiegelbildlich zur Wehe) infolge kurzfristi-
ger, geburtsmechanischer, fetaler Ischämien. Eine Persistenz > 30 Min.
stellt eine Ind. zur Tokolyse sub partu dar, ggf. Mikroblutuntersuchung
(▶ 6.1.5).
– Typ II (= Spätdezeleration, „Zweier-DIP“): Frequenzabfall erst nach dem
Höhepunkt der Wehe, regelmäßig bei hypoxischen Gefährdungen des
Kindes. Vorgehen: umgehender Lagewechsel, O2-Gabe und i. v. Tokolyse
(z. B. mit Partusisten intrapartal®), evtl. Mikroblutuntersuchung (▶ 6.1.5)
erforderlich. Bei Persistenz Ind. zur umgehenden Geburtsbeendigung.
– Variable Dezeleration: Kombination von Typ I und Typ II, häufig als Zei-
6 chen einer Nabelschnur-KO. Vorgehen: Lagewechsel, i. v. Tokolyse, O2,
evtl. MBU. Bei anhaltenden Dezelerationen und/oder ungünstigen Zu-
satzkriterien (Abflachung der Anstiegssteilheit, Nichterreichen der vorhe-
rigen Frequenz, gedoppelte Dezeleration, Oszillationsverlust) sowie evtl.
erniedrigtem pH bei der MBU → op. Geburtsbeendigung erforderlich.
– Typ 0 (= Spike, Dip 0): kurzfristiger Frequenzabfall (< 30 Sek.) unabhän-
gig von Wehentätigkeit. DIP 0 können ohne erkennbare Ursache auftre-
ten. Sie stellen ggf. eine Ind. zur intensiveren CTG-Überwachung dar.
Häufige DIP 0 können auf eine Nabelschnur-KO hinweisen.
– P  rolongierte Dezeleration („Badewanne“): tiefe Dezeleration mit sehr
langsamer Erholung (über mehrere Min.) sub partu bei Dauerkontraktio-
nen, Vena-cava-Sy., nach PDA oder bei zu rascher RR-Senkung. Vorge-
hen: Lagewechsel, Tokolyse, evtl. Volumensubstitution. Bei Persistenz
umgehende Geburtsbeendigung.
   6.1  Kreißsaalaufnahme  271

Abb. 6.1  CTG mit eingeschränkter Oszillation und DIP II [M454]

Abb. 6.2  Schwere variable Dezelerationen [M454]

Dezelerationen müssen grundsätzlich als Warnsignale drohender hypoxämi-


scher Gefährdung angesehen werden. Der Grad der Gefährdung des Kindes kor-
reliert mit dem Gestationsalter, der Ursache und der Ausprägung der Dezelerati-
onen, bekannten geburtshilflichen Risiken (z. B. Amnioninfektionssy., Plazenta-
insuff. bei IUGR) und den begleitenden Veränderungen des Säure-Basen-Status.
272 6  Geburt  

Oszillationsfrequenz
Anzahl der Änderung der HF je Zeiteinheit. Bestimmt werden die Nulldurchgän-
ge (Kreuzen der gedachten Mittellinie)/Min. Ein anhaltender Sauerstoffmangel
führt zur fetalen Kreislaufzentralisation: Das kindliche Herz schlägt gleichförmig
bei konstantem Blutangebot. Dadurch sinkt die Oszillationsfrequenz auf < 6 Null-
durchgänge pro Min. bis hin zum silenten Oszillationstyp.
Oszillationsamplitude (= Bandbreite)
Differenz zwischen höchstem und niedrigstem Umkehrpunkt (▶ Abb. 6.3).
• S altatorische Bandbreite: > 25 SpM.
• U ndulatorische Bandbreite (Normalbefund): 10–25 SpM.
• E ingeengte Bandbreite: 5–10 SpM.
• S ilente Bandbreite: < 5 SpM.
! E in saltatorischer Oszillationstyp kann auf eine Nabelschnur-KO hinweisen
und gilt als Warnsymptom.
! E ingeschränkt undulatorische oder silente Oszillationstypen finden sich bei
Hypoxiegefährdung, treten aber auch unter zentralsedierenden Pharmaka
oder beim physiologischen Ruhezustand des Fetus auf (Verschwinden nach
Weckversuch).

160 160

140 140

120 120

100 100

80 80
Normalbefund = Eingeschränkt undulatorischer
Undulatorischer Oszillationstyp Oszillationstyp
60
Amplitude > 10-25 bpm Amplitude > 5-10 bpm
60

6
160 160

140 140

120 120

100 100

80 80

Saltatorischer Oszillationstyp Silenter Oszillationstyp


Amplitude > 25 bpm60 Amplitude < 5 bpm 60

Abb. 6.3  Oszillationsamplitude der Herzfrequenz im CTG [L190]

FIGO-Score
In Anlehnung an den Apgar-Score werden fünf Kriterien mit je 0–2 Punkten be-
wertet. Voraussetzungen: Registrierung über mindestens 30 Min., das jeweils un-
günstigste Kriterium wird berücksichtigt. Gilt lediglich für die antenatale, nicht
für die intrapartale CTG-Beurteilung.
   6.1  Kreißsaalaufnahme  273

Tab. 6.1  FIGO-Score


Punkte 0 1 2

Baseline (Spm) < 100 oder > 180 100–110 oder 160–180 110–160

Bandbreite (Spm) > 5 5–10 oder > 25 10–25

Nulldurchgänge/Min. < 2 2–6 > 6

Akzelerationen Keine Periodisch Sporadisch

Dezelerationen Späte, variable D. Variable Keine, spora-


mit ungünstigen dische DIP 0
Zusatzkriterien*

Beurteilung:
• 8–10 Punkte: normaler fetaler Zustand anzunehmen.
• 5–7 Punkte: Warnsignal (CTG unter Belastung angezeigt).
• ≤ 4 Punkte: bedrohliche fetale Gefährdung (Schwangerschaftsbeendigung).
* Ungünstige CTG-Zusatzkriterien: flacher Wiederanstieg, Oszillationsverlust in der
Dezeleration, Verlust der kurzen Akzeleration vor der Dezeleration, Fortbestehen
der kompensatorischen Akzeleration nach der Dezeleration, ursprüngliche Basalfre-
quenz wird nicht erreicht, gedoppelte Dezelerationen.

Kinetokardiotokografie (K−CTG)
Aufzeichnung der fetalen Körper- und Extremitätenbewegungen mithilfe des Ul-
traschalldopplers nach Anzahl und Dauer, die durch unterschiedliche Balkenlän-
gen auf einem dritten Kanal aufgezeichnet werden. Liefert als weiteres Kriterium
zur Interpretation der FHF die Einbeziehung fetaler Bewegungsprofile während
Schlaf- und Wachrhythmen. Eine Verkürzung der Dauer fetaler Kindsbewegun-
gen ist ein früher Hinweis (12–14 Tage) auf eine drohende Gefährdung.

Automatisierte CTG-Auswertung 6
Computerisierte Analyse der antenatalen FHF nach den sog. Dawes-Redman-
Kriterien mit dem Ziel einer fetalen Zustandsbeurteilung in kurzer Zeit (10 Min).
Standardisiertes optionales Programm in Fetalmonitoren.

ST-Streckenanalyse (STAN) bei direktem fetalem EKG


Messbarer Anstieg der T-Wellenamplitude infolge eines vermehrten Glykogenab-
baus der Myokardzellen während der Geburt ab 36. SSW. Bei path. Signalen häu-
fig weit fortgeschrittene fetale Hypoxämie/Hypoxie.

Fetale Pulsoxymetrie
Messung der subpartalen Sauerstoffsättigung FSPO2 an der kindlichen Wange
oder am Skalp. Nach derzeitiger Datenlage nicht empfohlen.
Weitere Methoden für die fetale Zustandsbeurteilung:
• B eurteilung des FW-Volumens: jenseits des Geburtstermins empfindlichster
Parameter hinsichtlich der Vorhersage einer Geburtsazidose (verminderte
FW-Menge frühes Hinweiszeichen für beginnende Plazentainsuff. mit erhöh-
ter perinataler Morbidität. Ab 37 + 0 SSW nimmt FW-Menge um ca. 30 %
pro Woche ab (▶ 5.17).
274 6  Geburt  

• B eurteilung der Plazenta (vermehrte Kalkeinlagerungen und Infarktareale =


Reifegrad 3). Geringe Aussagekraft über fetale Gefährdungssituation (▶ 22.2.4
und ▶ 22.2.5).
•  oppler-Sono: (führt in 30 % der Fälle zur Reduktion der perinatalen Morta-
D
lität, ohne die op. Interventionsrate zu erhöhen) (▶ 22.2.8).
•  estimmung des Plazentagradings: nur geringe klinische Bedeutung.
B

6.1.2 Non-Stress-Test

Der Non-Stress-Test berücksichtigt ausschließlich das Vorkommen von Ak-


zelerationen in Abhängigkeit von spontanen oder induzierten Kindsbewe-
gungen.

Durchführung 
• C TG-Registrierung möglichst in Linksseitenlage (zur Vermeidung eines Ve-
na-cava-Kompressionssy.).
• W
 erden keine spontanen Akzelerationen beobachtet, nach 20 Min. Weckver-
such (akustisch z. B. durch Klingeln, Rasseln oder mechanisch durch inneren
oder äußeren Reiz, z. B. durch vag. Untersuchung, Lagewechsel).
Auswertung 
• P rognostisch günstig, wenn in einem Zeitraum von 20 Min. mindestens zwei
spontane Akzelerationen von 15 SpM und 15 Sek. Dauer auftreten.
• W erden zwei oder mehr Akzelerationen in den folgenden 20 Min. nach
Weckversuch beobachtet, ist Normalzustand anzunehmen.
• F alls spontan oder nach Weckversuch keine Akzelerationen zu verzeichnen
sind und ein path. CTG-Befund zu erheben ist, ist eine intrauterine Gefähr-
dung wahrscheinlich. Bei kindlicher Reife Ind. zur Schwangerschafts-/Ge-
6 burtsbeendigung stellen.

6.1.3 Oxytocin-Belastungstest (Stress-Test)
Definition  Registrierung des FHF-Musters unter Belastung durch medikamen-
tös hervorgerufene Wehen zur Simulation der physiologischen Geburtsbelastung
des Feten bzw. Erprobung der plazentaren Leistungsreserve. Bei 90 % der vag. ge-
borenen Kinder mit unauffälligem Belastungs-CTG waren keine neonatalen De-
pressionen vorhanden, 70 % der Feten mit path. Belastungstest zeigten postpartale
Beeinträchtigung.

Wegen der hohen Falschpositivrate, der schlechten Reproduzierbarkeit und


der mangelnden Spezifität wird der Oxytocin-Belastungstest heute eigentlich
nicht mehr eingesetzt, allenfalls im Sinne einer Geburtseinleitung.

Indikationen  Fetale Wachstumsretardierung, suspektes CTG, Oligohydramni-


on, Terminüberschreitung.
   6.1  Kreißsaalaufnahme  275

Kontraindikationen  Präexistente CTG-Veränderungen, die auf eine vitale Ge-


fährdung des Kindes hinweisen. Ausreichende Wehentätigkeit, drohende Frühge-
burt, Placenta praevia, Querlage.
Durchführung  Nicht vor der 32. SSW, besser wenn ausreichende fetale Reife zu
erwarten ist.
• P at. nüchtern lassen, ggf. Labor (BB, E‘lyte, Gerinnung, Blutgruppe), Anlegen
eines ausreichenden i. v. Zugangs.
• C TG-Registrierung in Linksseitenlage über 15 Min. am wehenlosen Uterus
(Vorlauf).
• Z eigen sich eingeschränkt undulatorische oder silente HF-Muster, Weckver-
such.
• O xytocin 5 IE (z. B. Syntocinon® 0,5 ml) in 500 Glukose 5 % oder NaCl 0,9 %
i. v. über Infusomaten. Beginn mit 5–10 ml/h, Steigerung um 5–10 ml/h alle
15 Min. bis zum Auftreten von regelmäßigen, gut tastbaren Kontraktionen
über 30 Min. Dosierung i. d. R. 60 ml/h, max. 120–180 ml/h. Spätestens nach
Infusion von 500 ml (5 IE) Beendigung des Stress-Tests.
• F ortsetzung der CTG-Registrierung bis zum Sistieren der Wehen, mind. für
weitere 30 Min. nach Infusionsende (Nachlauf).
• C TG-Kontrolle nach 2 h.
• B ei Überstimulation mit Anstieg des Basaltonus und evtl. path. HF-Muster:
Tokolyse (▶ 6.10).
Auswertung 
• U nauffälliges CTG-Muster: Abwarten möglich.
• A uffälliges CTG-Muster (z. B. Dezelerationen, silenter Oszillationstyp
▶ 6.1.1): falls möglich Fetalblutanalyse (▶ 6.1.5), ggf. Beendigung der Schwan-
gerschaft (Sectio, vag. Entbindung; ▶ 7.4, ▶ 7.2).

Weitere Belastungstests
• P rostaglandin-Belastungstest: Nach intrazervikal appliziertem PgE2-Gel 6
z. B. 500 μg (z. B. l Prepidil®-Gel) sind bei etwa 85 % der Pat. nach etwa
10 Min. unkoordinierte Uteruskontraktionen zu erwarten, bei 15 % eine
regelmäßige Wehentätigkeit. Ind. daher erst ab der 37. SSW oder bei
nachgewiesener Lungenreife.
• K niebeugen-Belastungstest nach Saling: Durch körperliche Belastung in
Form von 10–15 Kniebeugen kommt es zur kurzzeitigen uterinen Min-
derdurchblutung, die im Normalfall keine Änderung der FHF zur Folge
hat. Tritt infolge eingeschränkter Reservekapazität der Plazenta eine De-
zeleration auf, ist der Test als pathologisch zu werten (falsch pos. bei or-
thostatischer Dysregulation, daher evtl. Behandlung mit Effortil®).
• M amillenstimulationstest: Wegen fehlender Steuerbarkeit der körperei-
genen Oxytocinausschüttung nicht anwenden!

Vena-cava-Kompressionssyndrom
Druck des Uterus in Rückenlage auf V. cava inf. und Beckenvenen, hierdurch ver-
minderter venöser Rückfluss zum Herzen mit konsekutivem Abfall von HMV
und RR (v. a. in den letzten SSW). Bei Ablauf einer Wehe oder Presswehe kommt
es zur Aufrichtung des Uterus und Dekompression der V. cava inf., insofern ist
während der Presswehen die Rückenlage ungefährlich.
276 6  Geburt  

Klinik 
• M utter: Puls- und Atemfrequenz steigen, RR-Abfall, Schwindel, Übelkeit, ggf.
Bewusstseinsverlust.
• K ind: Abfall der HF, typisches CTG: Die Vena-cava-Dezeleration gleicht ei-
ner länger anhaltenden prolongierten Dezeleration (▶ 6.1.1).
• K O: vorzeitige Plazentalösung (▶ 6.4.2).
Differenzialdiagnosen  Orthostatische Dysregulation, Hypotonie nach Spinal-
oder Periduralanästhesien (PDA), Volumenverlust.
Therapie  Linksseitenlage, CTG in Seitenlage.

Auch bei PDA und Sectio caesarea, daher OP nur in Linksseitenlage (15°).

6.1.4 Mikroblutanalyse (MBU) oder Fetalblutanalyse (FBA)


Indikationen 
• V . a. intrauterine fetale Hypoxie. Die MBU setzt voraus, dass die Fruchtblase
gesprungen ist oder eröffnet wurde und die Blutentnahme aus der Kopfhaut
möglich ist.
• A nhaltende fetale Tachykardien oder Bradykardien.
• M ittelschwere und schwere Dezelerationen, leichte Spätdezelerationen, an-
haltende Frühdezelerationen.
• A bnahme der Oszillationsfrequenz < 2/Min. bzw. eine Bandbreite < 10 SpM.
• Jede Form subjektiv oder objektiv schwer zu interpretierender CTG-Befunde.
Risiken und Fehler  Nachblutungen und Inf. der Inzisionsstelle sind selten. Fal-
sche Werte bei Geburtsgeschwulst, Luftbeimengungen, zu langer Lagerung der
Blutprobe und falscher Eichung des BGA-Geräts.
Kontraindikationen  HIV-Positivität, floride Hepatitis, florider Herpes genitalis
6 oder Gerinnungsstörungen. In der Austreibungsperiode besser vag.-op. Geburts-
beendigung.
Durchführung  Möglichst rasch, spätestens 5–10  Min. nach der beobachteten
CTG-Alteration Lagerung der Pat. in Steinschnittlage (Beinhalter) oder Seitenla-
ge, äußeres Genitale säubern (z. B. Octenisept®). Einführen des größtmöglichen
Amnioskops (evtl. Hyperämisierung der Kopfhaut des Fetus z. B. mit in Ether etc.
getränktem Tupfer). Evtl. Betupfen der Inzisionsstelle mit Paraffinöl, um Trop-
fenbildung zu begünstigen. Inzision mit einer 2 mm langen Klinge (bei unzurei-
chender Kapillarblutgewinnung U-förmige Inzision), Auffangen der Blutstropfen
in einer heparinisierten Glaskapillare, Luftbeimengung vermeiden (▶ Abb. 6.4).

Kritische Grenze, die geburtshilfliches Handeln erforderlich macht


• In der Eröffnungsperiode pH 7,25.
• In der Austreibungsperiode pH 7,20.
• B ei fortschreitendem Abfall in den prä- oder azidotischen Bereich intra-
uterine Reanimation (▶ 6.10) und op. Geburtsbeendigung (▶ 7.4 und
▶ 7.2).
   6.2  Normaler Geburtsverlauf  277

Abb. 6.4  Technik der Fetalblutentnahme [L157]

Tab. 6.2  MBU-Auswertung (nach Saling)


pH ≥ 7,25 Normal

pH 7,20–7,24 Präazidose (während der Eröffnungsphase → Kontrolle


nach 5 Min.)

pH 7,15–7,19 Leichte Azidose (latente Gefährdung, Kontrolle nach


2 Min.)

pH 7,10–7,14 Mittelgradige Azidose (Gefährdung, umgehend Ent-


bindung)

pH 7,05–7,09 Fortgeschrittene Azidose (höchste Gefahr)

pH < 7,05 Schwere Azidose 6

Basendefizit
Weiterer Parameter zur Beurteilung der Gefährdung:
• N
 ormales Basendefizit, Anstieg des CO2 → respiratorische Azidose: bei
kurzfristiger Nabelschnurkompression.
• H
 ohes Basendefizit, normales CO2 → metabolische Azidose: bei lang an-
haltenden Durchblutungsverminderungen.

6.2 Normaler Geburtsverlauf
Der normale Geburtsverlauf teilt sich ein in drei Phasen:
• E röffnungsperiode.
• A ustreibungsperiode.
• N achgeburtsperiode.
278 6  Geburt  

Geburtsmechanik
Die Form des Beckens wird bestimmt durch den querovalen Beckeneingang, die
nahezu kreisförmige Beckenmitte und den längsovalen Beckenausgang. Da Kopf-
form sowie Schultergürtel des Kindes ebenfalls in etwa einem Oval entsprechen,
muss das Kind beim Durchtritt durch das Becken insgesamt 5 Drehbewegungen
ausführen. Um das Durchtrittsplanum zu verkleinern, kommt es zur Beugung
(Flexion) des Kopfes (wer einem Kind ein enges Kleidungsstück über den Kopf
ziehen will, weiß, dass dieses am besten vom Hinterhaupt aus gelingt!). Beim
Durchtritt des Kopfes am Beckenausgang erfolgt dann die Deflexion.

Eintritt in den Beckeneingang


Um optimal in den Beckeneingang eintreten zu können, stellt sich der Kopf quer
ein (1. Drehung). Der Rücken des Kindes ist also seitlich, die Pfeilnaht ist bei der
vag. Untersuchung quer zu tasten. Da noch keine Flexion eingesetzt hat, sind häu-
fig sowohl große als auch kleine Fontanelle tastbar (▶ Abb. 6.5a).

Durchtritt durch die Beckenhöhle


Beim Passieren der Beckenhöhle macht der Kopf drei passive Bewegungen gleich-
zeitig:
• T iefertreten.
• F lexion (Kinn auf der Brust; 2. Drehung).
• R otation (Drehung um 90°, sodass das Kind zum Rücken der Mutter schaut;
3. Drehung).
Durch die Flexion gelangt die kleine Fontanelle in die Führungslinie, die große
Fontanelle ist nicht mehr tastbar. Die Drehung des Kopfes bewirkt zunächst eine
Schrägstellung der Pfeilnaht (▶ Abb. 6.5b). Ist die Rotation abgeschlossen, tastet
sich die Pfeilnaht vertikal (Kopf ist „ausrotiert“, Pfeilnaht „gerade“, ▶ Abb. 6.5c).

Austritt aus dem Beckenausgang


6 Die eigentliche Geburt des Kopfes besteht in einer Deflexion, wobei die mütterli-
che Symphyse für den Hinterkopf als Anstemmpunkt dient (4. Drehung). Es wer-
den also nacheinander Hinterhaupt, Vorderhaupt, Stirn, Gesicht und Kinn über
den Damm geboren (▶ Abb. 6.5d).

Äußere Drehung
Im Moment der Geburt des Kopfes am längsovalen Beckenausgang passen die
Schultern genau in den querovalen Beckeneingang hinein. Zur Geburt der Schul-
tern muss jetzt eine weitere Drehung um 90° während des Durchtritts durch die
Beckenhöhle erfolgen, damit diese am Beckenausgang längs stehen (5. Drehung).
In der Regel dreht sich hierbei das Kind wieder in die ursprüngliche Stellung zu-
rück (▶ Abb. 6.5e). Die Rotation des Kindes kann an der äußeren Drehung des
Kopfes verfolgt werden. Zunächst wird dann die vordere Schulter unter der Sym-
physe geboren (die hintere Schulter weicht dabei in die Kreuzbeinhöhle aus, hier
besteht keine knöcherne Begrenzung) und anschließend die hintere Schulter
(▶ Abb. 6.5f).
   6.2  Normaler Geburtsverlauf  279

a b

c d

Abb. 6.5  Normaler Geburtsverlauf [L157]


a) Eintritt des Kopfes bei II. Schädellage (Rücken re)
b) Rotation in Beckenmitte, Pfeilnaht im II. schrägen Durchmesser
c) Kopf auf Beckenboden (BB), Pfeilnaht gerade
d) Geburt des Kopfes über den Damm, Pfeilnaht gerade
280 6  Geburt  

e f

Abb. 6.5  Normaler Geburtsverlauf [L157]


e) äußere Drehung des Kopfes, Schultern stehen jetzt gerade
f) Geburt der Schultern

6.2.1 Eröffnungsperiode
Definition
Beginnt nach anfänglich unregelmäßiger Wehentätigkeit mit den ersten Geburts-
6 wehen (regelmäßige Wehen alle 3–6  Min.) oder nachdem die Fruchtblase ge-
sprungen ist. Sie dauert bei Erstgebärenden etwa 7–10 h, bei Mehrgebärenden et-
wa 4 h und endet bei vollständig geöffnetem MM.
Bei normalem Verlauf passt sich der vorangehende Teil dem Geburtskanal an.
Zuerst stellt sich der Kopf z. B. bei vorderer Hinterhauptslage (vHHL) mit querer
Pfeilnaht im querovalen Beckeneingang ein. Im weiteren Verlauf tritt der Kopf
tiefer, beugt (Verminderung des Umfangs) und dreht sich. Am Ende der Eröff-
nung steht der Kopf mit gerader Pfeilnaht und führender kleiner Fontanelle im
längsovalen Beckenausgang.

Lagerungsregel
Man lagert die Frau stets auf die Seite der Stelle des kindlichen Kopfes, die zur
Leitstelle werden soll, z. B. I. HHL (kleine Fontanelle li vorn) → Lagerung auf
die li Seite.

Blasensprung
• V
 orzeitiger Blasensprung: Fruchtblase springt vor Beginn der Eröffnungspe-
riode; → Gefahr einer aufsteigenden Inf. mit Fieber und Entwicklung eines
Amnioninfektsy. (▶ 6.7, ▶ 9.6).
   6.2  Normaler Geburtsverlauf  281

• F rühzeitiger Blasensprung: Fruchtblase springt während Eröffnungsperiode.


• R echtzeitiger Blasensprung: bei vollständig eröffnetem MM, bei etwa ⁄ aller
2
3

Geburten (verspätet: einige Zeit nach vollständiger Eröffnung).


•  oher Blasensprung: Fruchtblase springt oberhalb des MM-Bereichs, der
H
untere Blasenpol bleibt erhalten (Vorblase ist palpabel).
•  weizeitiger Blasensprung: Nach erfolgtem hohem Blasensprung springt die
Z
Vorblase.
•  alscher Blasensprung: Ruptur des Chorions, Amnion bleibt erhalten.
F

Ab dem Zeitpunkt des Blasensprungs befindet sich die Schwangere unter der
Geburt, auch wenn noch keine Wehen bestehen.

Nach erfolgtem Blasensprung Gebärende sofort hinlegen, Herztonkontrolle, vag.


Untersuchung (Gefahr des Nabelschnurvorfalls, ▶  6.8.1). Aufstehen erst, wenn
der kindliche Kopf sicher fest im Beckeneingang ist.

6.2.2 Austreibungsperiode
Definition
Bei vollständig eröffnetem MM (MM nicht mehr tastbar), Leitstelle des vorange-
henden Teils auf Beckenboden und Pfeilnaht im geraden Durchmesser, soll die
Schwangere in max. 3–4 Presswehen/10 Min. 2–3 × pro Wehe mitpressen. Dabei
zeigt sich das „Hochsteigen“ des Kopfes durch das Klaffen des Anus und die Vor-
wölbung des Damms an. Beim „Durchschneiden“ bleibt der Kopf kurz vor dem
Austritt in der Vulva stehen.

Dammschutz
Zur Temporegulierung beim Durchschneiden des Kopfes, Verminderung von
Weichteilverletzungen. 6
Durchführung
▶ Abb. 6.6. Meist in Rückenlage bei stark gespreizten und angezogenen Beinen.
Der Geburtshelfer bzw. die Hebamme steht auf der re Seite.
Kopfentwicklung
Bei Geburt aus vHHL liegt die li Hand auf dem Hinterhaupt, die Finger halten die
Stirn zurück, bis das Hinterhaupt unter der Symphyse entwickelt ist und die Na-
ckenhaargrenze als Drehpunkt unter der Symphyse liegt. Die re Hand wird an den
Damm gelegt und führt den Kopf symphysenwärts der li Hand entgegen. Gleich-
zeitig Anus und Damm mit einem sterilen Tuch so abdecken, dass der Dammrand
noch sichtbar bleibt. Bei der Kopfentwicklung aus vHHL zeigt sich erst der Schei-
tel, dann unter Deflexion Stirn, Gesicht und Kinn. Bei verzögertem Kopfdurch-
tritt in der Pressperiode droht Gefahr für das Kind durch Hypoxie (▶ 6.10). Un-
terstützende Handgriffe bei schwieriger Kopfentwicklung oder bei path. CTG:
• R itgen-Handgriff: Rechte Hand an den Hinterdamm legen (zwischen Steiß-
beinspitze und Anus) und Kinn tasten. Mit Druck gegen das Kinn wird der
Kopf hochgedrückt.
282 6  Geburt  

• K
 risteller-Handgriff (Hilfsperson): Mit einer oder zwei Händen den kindli-
chen Steiß am Fundus uteri umfassen oder mit dem Unterarm am Fundus
wehensynchronen Druck in Richtung der Führungslinie ausüben. Die An-
wendung ist umstritten und gilt mancherorts als Kunstfehler.

Abb. 6.6  Dammschutz [L157]

Schulterentwicklung
Der Kopf wird mit flachen Händen gefasst und das Hinterhaupt bei der nächsten
Wehe in Richtung des Rückens gedreht (dabei darf das Kind nicht überdreht wer-
den). Die vordere Schulter unter Senkung des Kopfes bis zur Oberarmmitte ent-
wickeln, dann den Kopf ohne Zug anheben und die hintere Schulter entwickeln
(besonders auf den Damm achten; erhöhte Gefahr eines Dammrisses). Der übrige
Körper folgt dann leicht. Das Kind mit einem sterilen Absaugkatheter im Mund
6 absaugen und vorläufig abnabeln. Dabei etwa 10 cm Nabelschnur stehen lassen
und zwischen zwei Klemmen durchtrennen. Das endgültige Abnabeln erfolgt bei
der späteren Versorgung des Kindes.
Schulterdystokie ▶ 7.2.4.

6.2.3 Nachgeburtsperiode
Definition
Dauer vom Abnabeln des Kindes bis zur Ausstoßung der Plazenta.
Die Nachgeburtswehen verkleinern den Uterus und damit die Plazentahaftfläche. Es
bildet sich ein retroplazentares Hämatom, und die Plazenta wird ausgestoßen. Zur
Beschleunigung des Lösungsprozesses und damit zur Minimierung des Blutverlusts
evtl. direkt p. p. Oxytocin 3 IE in 50 ml NaCl als Kurzinfusion (z. B. Syntocinon®).

Lösungszeichen (zur Beurteilung des Lösungszustands der Plazenta)


• S chröder-Zeichen: Uterus schmal, hart, kantig und nach re oben verzogen.
• A hlfeld-Zeichen: Bändchen an Nabelschnur, im Vulvabereich angebracht,
rückt mit fortschreitender Lösung vor.
• K
 üstner-Zeichen: Plazenta ist nicht gelöst, wenn sich die Nabelschnur bei
steil hinter der Symphyse eindrückender Hand noch zurückzieht.
   6.3  Analgesie  283

Ablösungsmodus
• M
 odus nach Schultze: zentrale Lösung der Plazenta (in 80 % der Fälle); die
Mitte der Plazenta erscheint zuerst in der Vulva.
• M
 odus nach Duncan: laterale Lösung am unteren Rand, die sich nach oben
fortsetzt; der untere Rand wird zuerst geboren. Dabei Blutung während der
gesamten Ablösephase (Blutverlust ist etwas größer als beim Modus Schultze).

Manuelle Expression (nur bei gelöster Plazenta)


• B aer-Handgriff: Verkleinerung des Bauchraums durch Fassen einer Bauch-
falte zwischen Nabel und Symphyse und Mitpressen der Frau bei einer Nach-
wehe. Kann die Plazenta so nicht exprimiert werden →
•  redé-Handgriff: Uterus so umfassen, dass der Daumen auf der Vorderseite,
C
die übrigen vier Finger auf der Rückseite liegen. Bei der folgenden Wehe wird
der Uterus sakralwärts gedrückt und die Plazenta exprimiert.

Nie an der Nabelschnur ziehen!

Nachbehandlung
Nach Kontrolle der Plazenta und der Eihäute auf Vollständigkeit bei Risikokons-
tellationen wie Geminigeburt, Multiparität, Z. n. atonischer Nachblutung ggf. Ga-
be von Methylergometrin 0,1–0,2 mg i. v. (z. B. Methergin®) in 50 ml NaCl oder
i. m. oder bei verstärkter Blutung 10–20 IE Oxytocin (z. B. Sytocinon®) in mind.
50 ml NaCl und/oder 0,2–0,4 mg (max. 0,5 mg) Methylergometrin (z. B. Mether-
gin®) in mind. 50 ml NaCl oder i. m.
Der physiologische Blutverlust der Plazentalösung liegt bei 200–400 ml.
! D
 ie prophylaktische Gabe von Oxytocin und Methylergometrin führt zur sig-
nifikanten Reduktion postpartaler Blutungskomplikationen. NW sind:
– Mütterliche Hypotonien und Folgereaktionen durch das Oxytocin.
– Vasokonstriktionen mit kardialer und zerebraler Dekompensation durch 6
Methylergometrin (cave: kontraindiziert bei kardialer Anamnese mit Sen-
sationen).

Pathologische Nachgeburtsperiode
• V erzögerter Plazentalösung (> 30 Min. nach Geburt des Kindes noch
nicht erfolgt) ▶ 6.14.3.
• U nvollständige Plazenta ▶ 6.14.3.
• B lutverlust > 500 ml ▶ 6.14.

6.3 Analgesie
Jede Schwangere möglichst frühzeitig über Methoden, NW und Risiken der ein-
zelnen zur Geburtserleichterung verfügbaren Analgesieformen informieren. Die
Entscheidung über deren Anwendung liegt bei der Schwangeren selbst, der Ge-
burtshelfer ist ihr Berater. Die grundsätzliche Entscheidung der Schwangeren
kann jedoch unter der Geburt jederzeit überdacht und revidiert werden. Dabei
hängt die Wahl der Analgesie von der geburtshilflichen Situation und der
284 6  Geburt  

Schmerz­ursache ab. Meptazinol ist das gebräuchlichste Opiat, das unter der Ge-
burt zur Schmerzstillung eingesetzt wird.

6.3.1 Medikamentöse Behandlung des Geburtsschmerzes

Tab. 6.3  Analgesie unter der Geburt


Substanz Handelspräpa- Indikation Applikation/Dosierung Wirkdauer
rat, Beispiel

Spasmolytika

Butyl­ Buscopan®, BS- Frühe Phase der p. o.: 20 mg 1–2 h


scopol­ ratiopharm®- Eröffnungsperi- supp.: 10–20 mg
amin Zäpfchen ode, verzögerte i. v.: 10–20 mg
MM-Eröffnung, i. m./s. c.: 10–20 mg
leichter bis mä- Max. Tagesdosis 50 mg
ßiger Schmerz

Beruhigungsmittel

Diaze- Diazepam-­ Nur bei sehr p. o.: 5 mg Diazepam Über meh-
pam ratiopharm® unruhigen Pat. supp.: 5 mg rere Stun-
indiziert i. v.: max. Tagesdosis den, Wir-
5–10 mg sehr langsam i. v. kungsver-
stärkung
Prome- Atosil® p. o.: 25–50 mg über zu-
thazin i. v.: 100 mg sehr langsam sätzliche
i. v. Schmerz-
Max. Tagesdosis 100 mg medikation

Opiate

Trama- Tramal® Stärkere Ge- p. p.: 50–100 mg (Tbl.) 2–3 h,


6 dol burtsschmerzen
in der Eröff-
oder 50 mg (Kps.)
i. v.: 50–100 mg
Sedierung
und Atem-
nungsperiode i. m./s. c.: 50–100 mg depression
oder selten in Max. Tagesdosis 200– bei Kind
der verzöger- 400 mg und Mut-
ten Austrei- ter.
bungsperiode Opiate
nicht un-
Pentazo- Fortral® supp.: 50 mg tereinan-
cin i. v.: 30 mg (bzw. 0,5 mg/ der kombi-
kg KG) nieren
i. m.: 30 mg (max. 1 mg/
kg KG)

Meptazi- Meptid® Gebräuchlichste i. v.: 50–100 mg


nol Anwendung i. m.: 100–150 mg
sub partu max. 2 mg/kg KG

Pethidin Dolantin® supp.: 100 mg


i. v.: ½–1 Amp., max. 2
Amp. à 50 mg unter der
Geburt
i. m., s. c.: 1–1½ Amp. à
50 mg
   6.3  Analgesie  285

Tab. 6.3  Analgesie unter der Geburt (Forts.)


Substanz Handelspräpa- Indikation Applikation/Dosierung Wirkdauer
rat, Beispiel

Anästhesie

Lokalanästhesie Vor Episiotomie ▶ 6.3.7 30–60 Min.

Pudendusblock Vor vag.-op. ▶ 6.3.5 30–60 Min.


Geburt und/
oder Episioto-
mie

PDA Protrahierte Er- ▶ 6.3.1 2–4 h


(Spinale bei Sectio!) öffnungsperio-
de, starker Ge-
burtsschmerz,
Risikogeburt
sowie auf
Wunsch

6.3.2 Anästhesiologisches Vorgehen bei Sectio caesarea


Indikationsstellung und damit konkrete Festlegung des zeitlichen Vorgehens
durch den Geburtshelfer. Hieraus leiten sich das anästhesiologische Vorgehen
und die Wahl des Anästhesieverfahrens ab (▶ Tab. 6.4).

Tab. 6.4  Anästhesiologisches Vorgehen bei Sectio caesarea


Indikation Verfahren (mit Rangfolge)

Notfall Vitale Indikation für Mutter/Kind ITN

Dringlich Drohende intrauterine Hypoxie,


Kindsentwicklung < 30 Min.
SPA, ITN, PDA (bei liegendem
­Katheter)
6
Elektiv z. B. Beckenendlage SPA, PDA, ITN

ITN = Intubationsnarkose, SPA = Spinalanästhesie, PDA = Periduralanästhesie

• S ectio in Allgemeinanästhesie i. d. R. nur bei KI für Regionalanästhesien


(Ausnahme Notfallsectio!).
• F rühzeitige Anlage einer PDA bei Risikogeburten.

6.3.3 Periduralanästhesie (PDA)
Indikationen  Starker Geburtsschmerz (▶ Abb. 6.7); protrahierter Geburtsverlauf
bei zervikaler Dystokie und Geburtseinleitung; SIH (Verbesserung der plazenta-
ren Perfusion); Anästhesie für vag.-op. Eingriffe (Vakuumextraktion, Forzeps,
etc.) und Sectio caesarea; Risikogeburten (Gemini, Frühgeburt, BEL-Geburt).
Kontraindikationen  Neurologische Erkr. (z. B. bestehende Epilepsie); Gerinnungs-
störungen; Inf. im Gebiet der Punktionsstelle; Sepsis; Allergie gegen LA; schwere
Hypotonie (RRsyst. < 80 mmHg).
286 6  Geburt  

Vorbedingung  Aktuelle normale Ge-


rinnung (vom gleichen Tag); kooperati-
ve Pat. (evtl. kurzfristige Tokolyse zur
Ausschaltung sehr schmerzhafter We-
Th10
hentätigkeit); PDA-erfahrener Arzt. Th11
Durchführung  Die Kreißende sitzt Th12
L1
mit gekrümmtem Rücken. Nach Desin-
fektion und Lokalinfiltration der Haut
im Bereich der Punktionsstelle Punkti-
on des Periduralraums (zwischen Dura
S2
mater spinalis und Ligamentum fla- S3
vum) zwischen L2 und L3 oder L3 und L4 S4

und Einführen eines Periduralkatheters


sterile Injektion von 2 ml Lokalanästhe-
tikum, z. B. Bupivacain 0,25 % (z. B.
Carbostesin®), als Testdosis zum Aus-
schluss einer intravasalen Injektion
(KO: Herzkreislaufinsuff. und zerebra-
ler Krampfanfall, tritt bei Testdosis in Abb. 6.7  Leitungsbahnen für den Ge-
geringerer Ausprägung auf) und der burtsschmerz. Eröffnungsphase: Seg-
subarachnoidalen Injektion (KO: totale mente Th10–L1. Austreibungsphase:
zusätzlich L2–S4 [L157]
Spinalanästhesie mit Atemlähmung, bei
Testdosis mäßige Ateminsuff.). An-
schließend Injektion von etwa 10 ml Bupivacain 0,25 % zur Schmerzbekämpfung
unter der Geburt (Th11–S4). Die Wirkdauer beträgt etwa 2–3 h, Nachinjektionen
sind möglich.

• B ei der Sectio caesarea wird eine Analgesie von Th6–S3 angestrebt, dazu
fraktioniert max. 20–25 ml Bupivacain 0,5 % injizieren.
6 • E ine weitere KO ist der Blutdruckabfall, der meist durch die Gabe von
Plasmaexpander (z. B. 250 ml HEAS-steril® 10 %) und die schnelle Infu-
sion einer Volle‘lytlsg. beherrscht werden kann.

6.3.4 Spinalanästhesie
Indikationen  Regelanästhesieverfahren für die elektive Sectio caesarea.
Kontraindikationen und Vorbedingungen  Wie PDA.
Durchführung  Die Kreißende sitzt mit gekrümmtem Rücken. Nach Desinfekti-
on und Lokalinfiltration der Haut im Bereich der Punktionsstelle wird mit einer
Spinalkanüle zwischen 2. und 3. (L 2/L 3) oder 3. und 4. Lendenwirbel (L 3/L 4)
von hinten (median) in der Ebene der Dornfortsätze oder mit leichter seitlicher
Abweichung von 10° (paramedian) punktiert. Bei Durchtritt durch die Dura tropft
der klare Liquor cerebrospinalis aus der Nadel heraus, bei blutigem Liquor muss
ggf. neu punktiert werden. Verabreichung des Anästhetikums nach Testdosis als
Bolus. Je nach benutzter Substanz stehen für den op. Eingriff 1–2,5 h zur Verfü-
gung.
   6.3  Analgesie  287

6.3.5 Pudendusblock
Prinzip  Blockade des N. pudendus und seiner Verzweigungen (N. dorsalis clito-
ridis, N.  perinealis, N.  labialis) zur Ausschaltung des perinealen Dehnungs-
schmerzes und zur perinealen Muskelrelaxation. Dadurch Analgesie von Damm-
bereich, Vulva und unterem Vaginaldrittel ohne Beeinflussung von Wehen-
schmerz und Pressdrang.
Indikationen  Schmerzausschaltung und Relaxation der Beckenbodenmuskula-
tur während der Pressperiode, vag.-op. Entbindung vom Beckenboden; frühzeiti-
ger Episiotomie (v. a. bei Frühgeburten, falls keine PDA).
Durchführung  ▶  Abb.  6.8. Transvag.
Palpation der Spina ischiadica mit Zei-
ge- und Mittelfinger. Einführen der In-
jektionsnadel über eine Führungshülse
(Iowa-Trompete, Kobak-Nadel oder
Führungshülse nach Jung). Durchste-
chung der Scheidenhaut und des Liga-
mentum sacrospinale medial und 1 cm
kaudal der Spina ischiadica, in einer
Eindringtiefe von etwa 5 mm liegt hier
der ungeteilte N. pudendus. Nach Aspi-
ration zum Ausschluss einer intravasa-
len Injektion werden bds. 10 ml einer Abb. 6.8  Pudendusblock [L157]
1-prozentigen Mepivacain-Lsg. (Scan-
dicain® 1 %) injiziert. Auch bei tiefer als
auf Interspinalebene stehender Leitstelle ist bei Anwendung der Führungshülse
die gefahrlose Injektion noch möglich.
Komplikationen  Systemische KO nur bei intravasaler Injektion (Aspirations-
test). In etwa 5 % partielle oder komplette Ausschaltung des N. ischiadicus (inner-
halb 24 h reversibel). Scheidenhämatome in 0,1 % durch Verletzung der pudenda- 6
len Gefäße (selten op. Revision nötig). Abszesse in der Fossa ischiorectalis nach
Durchstechung des Rektums in 0,06 % (Eröffnung und Drainage des Abszesses
nötig).

6.3.6 Spasmoanalgetika
Spasmolytika
In der Eröffnungsphase kann über die Ausschaltung von Spasmen durch z. B. Bu-
tylscopolamin supp. oder i. v. (z. B. Buscopan®), z. B. 2 Amp. = 2 ml 2 % in 500 ml
Halb-E’lytlsg. (kann wiederholt werden), eine teilweise Entspannung der Krei-
ßenden erreicht werden. Damit und mit einer guten Atemtechnik kann häufig der
Circulus vitiosus „Spasmen-Angst-Schmerzen“ durchbrochen werden.

Analgetika
▶ Tab. 6.3.
288 6  Geburt  

Pethidin (Dolantin®)
Neben Meptid® das in der Geburtshilfe gebräuchlichste Opiat. Bei einer guten An-
algesie und Spasmolyse haben alle Opiate NW wie Atemdepression und Sedie-
rung bei der Mutter und evtl. beim NG (schnelle Plazentapassage).
• D
 osierung: Bei guter Wehentätigkeit wird Pethidin normalerweise bis zu ei-
ner Gesamtdosis von 100 mg i. m. injiziert (evtl. in 2 Fraktionen).
• N
 W: Bis zu 1 h nach Applikation sind keine neg. Wirkungen beim NG zu be-
obachten. Bei längerem Zeitabstand (am stärksten bei der Gabe von Pethidin
2–3 h vor der Geburt) muss mit einer Atemdepression und einer neurologi-
schen Beeinträchtigung des NG gerechnet werden.
• A
 ntidot: Naloxon (Narcanti® Neonatal) in einer Dosierung von 0,04 mg =
2 ml. Evtl. bei Gabe von Pethidin gleich aufziehen und im Kreißsaal oder am
NG-Reanimationsplatz bereitlegen und dem Kind bei Bedarf je 1 ml pro
Oberschenkel s. c. injizieren. Weitere Antidote: Naltrexon (Nemexin®),
Nalmefen (Revex®).
Meptazinol (Meptid®)
Opioid-Analgetikum. Fällt neben Tramadol nicht unter das BtM-Gesetz. HWZ
beträgt 2,3 h.
• D
 osierung: alle 2–4 h im 1. Abschnitt der Geburt 100–150 mg Meptazinol
(= 1–1,5 Durchstechfl.), max. 2 mg/kg KG i. m. oder s. c., max. Tagesdosis
400 mg.
• N
 W: Sedierung, Übelkeit, Erbrechen, hypotensive Kreislaufreaktionen, Bra-
dykardie.
• A
 ntidot: Naloxon (s. o.), Naltrexon (Nemexin®), Nalmefen (Revex®).
Pentazocin (Fortral®)
Morphinähnliche und -antagonistische Wirkungen, gut verträglich.
• D
 osierung: 50 mg i. m., nach 3–4 h Wiederholung möglich.
• N
 W: Sedierung der Mutter und Atemdepression des NG sind möglich, keine
6 Übelkeit oder Erbrechen.
• A
 ntidot: Naloxon (s. o.), Naltrexon (Nemexin®), Nalmefen (Revex®).
Tramadol (Tramal®)
Vollsynthetisches Analgetikum mit morphinähnlicher Wirkung.
• D
 osierung: 100 mg i. m. oder s. c., max. Tagesdosis 400 mg.
• N
 W: Sedierung, häufig Übelkeit, Erbrechen. Nach hoher Dosis Krampfanfälle
möglich.
• A
 ntidot: Naloxon weniger wirksam!

6.3.7 Lokalanästhesie

Neben den Leitungsanästhesien wie Periduralanästhesie (▶  6.3.3) und Pu-


dendusblockade (▶ 6.3.4) kann auch eine Infiltration des Damms mit Lokal-
anästhetika durchgeführt werden.

Indikationen  Schmerzlose Durchführung und Versorgung der Episiotomie;


Naht von Scheiden- und Dammrissen.
   6.3  Analgesie  289

Durchführung  Fächerförmige Infiltration des Dammgewebes von der hinteren


Kommissur aus mit Lokalanästhetika ohne Adrenalinzusatz wie
• M epivacain 1 % (Scandicain®), max. Einzeldosis 300 mg = 30 ml.
• L idocain 1 % (Xylocain®), max. Einzeldosis 200 mg = 20 ml.
• B upivacain 0,5 % (Carbostesin®), max. Einzeldosis 150 mg = 30 ml.
Komplikationen  Nur bei versehentlicher intravasaler Injektion (Aspirationstest).

6.3.8 Akupunktur in der Geburtshilfe


Franz Koettnitz

Akupunktur hat auch in der westlichen Welt einen hohen Stellenwert bei der
Behandlung verschiedenster Erkr. erreicht. Schwangerschaft und Geburt neh-
men dabei eine Sonderposition ein, da es mithilfe von Akupunktur möglich ist,
Beschwerdebilder der Schwangerschaft, Schmerzen unter der Geburt und Be-
findlichkeitsstörungen im Wochenbett zu behandeln, ohne unerwünschte
(Neben-)Wirkungen auf das Kind in Kauf nehmen zu müssen.
Die nachgewiesenen Effekte von Akupunktur bei der Anwendung am Pat. sind
allg. Natur. Sie lassen sich nicht organ- oder wirkortspezifisch auslösen. Die
drei wissenschaftlich bewiesenen und anerkannten Wirkungen sind: Schmerz-
linderung, eine milde Sedierung und eine entzündungshemmende Wirkung.
Die Wirkungen lassen sich über die Stimulation körpereigener Mechanismen
der Schmerzlinderung (deszendierende Schmerzhemmung) und Hormonfrei-
setzung (POMC → Endorphine, ACTH) nachweisen.

Voraussetzungen
Verwendung von Einmalnadeln (0,3 mm × 30 mm). Zur Vermeidung reaktiv hy-
potoner Zustände immer im Liegen nadeln. Umherlaufen bei Schmerzbehand-
lung unter der Geburt nach Vorerfahrung in einem Vorbereitungskurs möglich. 6
Durchführung
Alle geeigneten Muskelpunkte erreichen die gleiche Wirkqualität für Schmerz-
linderung und Entzündungshemmung. Sie unterscheiden sich allerdings in Be-
zug auf die Empfindsamkeit des einzelnen Pat. für den Akupunkturreiz. Die
Wirkintensität und Quantität der Empfindung ist individuell verschieden. Mus-
kelpunkte sind frei kombinierbar. Maßstab für die Zahl der zu nadelnden Areale
ist die Reaktion des Pat. Anwendungsgrundsätze sind: von der schwachen zur
starken Stimulation, Behandlungsbeginn im freien Intervall (z. B. Migräne). Bei
bestimmten Beschwerden (z. B. Asthma, Migräne) ist prim. Behandlungsziel ist
die Verlängerung der anfallsfreien Intervalle, nicht die Behandlung des akuten
Anfalls.

Akupunktur kein Instrument zur primären Notfallbehandlung!


290 6  Geburt  

Indikationen in der Schwangerschaft


Hyperemesis
Akupunktur hilft rasch. Bei leichteren Fällen (Keton neg.) allein oder unterstüt-
zend bei stärkerer Ausprägung.
Nadelung: Du Mai 20 und Di 10 ein- oder beidseitig. Bei stärkeren Beschwerden
zusätzlich Ma 36. Zunächst tägl., bei Besserung evtl. 2–3 × pro Woche.
Rückenschmerzen in der Schwangerschaft
Akupunktur im Bereich des lumbalen Blasenmeridians (Rücken). Bei zusätzlicher
Elektrostimulation noch gute Muskelrelaxation.
Nadelung: Bl 23–27 re und li der Wirbelsäule, daumenbreit neben den Dornfort-
sätzen der Wirbelkörper LWK 1–LWK 4/5. Bei Elektrostimulation auf Stimulati-
onsfrequenz zwischen 2 und 5  Hz achten. Bei starken Schmerzen mit 2  × tägl.
Behandlung beginnen, weiter mit 2–3 × pro Woche. Beste Position: sitzend, Kopf
und Arme auf einen Tisch aufgelegt (Kissen).
Wendungsversuch bei Beckenendlage
Es gibt keinerlei Evidenz für diese Behandlung. Möglicherweise hilft es jedoch der
Pat. beim Erreichen des Gefühls, „alles“ zum Vermeiden eines Kaiserschnitts ge-
tan zu haben, falls die BEL nicht spontan entbunden werden soll.
Nadelung: Beschrieben wird eine Wärmestimulation (Moxibustion) bei Bl 67 in
Knie-Hand-Position. Der Bauch soll frei hängen. Es sollen verstärkte Kindsbewe-
gungen provoziert werden, die zu einer Wendung führen sollen. 2 × 10 Min. tägl.
ab SSW 36.

Akupunktur zur Vorbereitung der Geburt


Prim. Sinn ist es, die Pat. mit Akupunktur vertraut zu machen, bevor sie zur Ent-
bindung kommt. So kann die Anwendung unter der Geburt entspannter erfolgen.
Oft wird auch wegen der mild sedierenden Wirkung ein besseres Schlafvermögen
6 in den letzten SSW beschrieben. Die Behauptung, Akupunktur könne den MM
„weich“ machen und so zu einer leichteren Geburt führen, sind in keiner Weise
sauber wissenschaftlich belegt.
Nadelung: Wir nadeln im „Vorbereitungskurs“ ab SSW  36 einmal wöchentlich
Du Mai 20 und Di 10 im Liegen (in einer Gruppenveranstaltung zusammen mit
den Partnern, denen die Entspannung auch gut tun kann).

Akupunktur unter der Geburt


Die Stimulation körpereigener Opiate (Endorphine) zur Schmerzlinderung unter
der Geburt unterliegt einem vorgegebenen Biomechanismus. Bei starken Schmer-
zen benötigt der Körper etwa 25 Min., um diesen durch Endorphine ausgelösten
Stimulus freizusetzen. HWZ der Endorphine liegt bei ca. 1,5 h.
Nadelung: Man muss deshalb vor Beginn der starken Schmerzen mit einer starken
Stimulation beginnen (Di 4 eine Seite), etwa zum Zeitpunkt der Aufnahme mit regel-
mäßigen Wehen. Dann nadelt man konsequent immer ½ h und legt eine Pause von
etwa 1 h ein, um wieder ½ h (andere Seite) zu nadeln (Du Mai 20 nadeln wir regelmä-
ßig wegen der beruhigenden Wirkung auch und lassen die Nadeln bis zum Schluss
liegen). Dies setzt man fort, bis der Kopf oder Steiß auf dem Beckenboden steht. Mit
dem Mitpressen sollte man die Nadelung einstellen und die Nadeln entfernen.
   6.3  Analgesie  291

Akupunktur im Wochenbett
Schmerzen post partum bei Zustand nach Sectio oder Episiotomie
Nadelung: Du 20, Di 10, Ma 36 oder Di 4, je nach Intensität der Beschwerden 1 ×
tägl. bis zum endgültigen Verschwinden der Beschwerden.
Rückbildung
Die Unterstützung der Gebärmutterrückbildung durch Akupunktur ist ebenso
wenig nachweisbar wie eine Stärkung der gedehnten Beckenbodenmuskulatur.
Die v. a. während und nach dem Stillen auftretenden Rückbildungsschmerzen
können günstig beeinflusst werden.
Nadelung: zeitgleich mit dem Beginn des Stillens Du Mai 20 und Di 4, auch bds.
Unkomplizierte Pat. können ihr Kind auch mit Nadel in der Hand stillen.
Anregung der Milchbildung
Eine physiologisch nachweisbare Wirkung ist bisher nicht belegt. Bei verspannten
Müttern kann man ½ h vor dem Stillen durch Akupunktieren einerseits Entspan-
nung, andererseits auch Schmerzlinderung erreichen (s. Rückbildung).
Nadelung: Du  Mai  20, Di  10, Häufigkeit nach Bedarf, gerne auch mit der Fre-
quenz des Stillens.
Milchstau
Der Milchstau selbst ist wie die Milchbildungsanregung nicht durch Akupunktur
beeinflussbar. Schmerzlinderung und Entspannung können jedoch sehr gut tun.
Nadelung: wie bei Anregung der Milchbildung.
Mastitis
Der bakterielle Hintergrund macht eine Antibiose unverzichtbar. Man kann je-
doch auch hier zur Schmerzlinderung und begleitenden Entzündungshemmung
nadeln.
Nadelung: Du Mai 20 und sicher Di 4, wenn notwendig auch beidseits. Kann gut
tägl. 2 × durchgeführt werden. 6
Schmerzen im Wochenbett
Für alle Schmerzen und Beschwerden, die mit Akupunktur behandelt oder mit
behandelt werden sollen, gilt, dass man eine saubere Diagn. durchgeführt haben
muss.
Nadelung: gemäß der allg. Anweisung Du Mai 20, von Di 10 über Ma 36 bis hin
zu Di 4, je nach Intensität der Beschwerden. Die Nadelungshäufigkeit richtet sich
nach dem Beschwerdebild.

Akupunktur beim Säugling und Kleinkind


In dieser Altersgruppe ist Akupunktur nicht anzuwenden, vor allem nicht am
Kopf (Fontanellenverschluss der großen Fontanelle erst mit 2 J.!). Bei unruhigen
und weinerlichen Kindern kann jedoch in Absprache mit dem Kinderarzt eine
vorsichtige und sanfte Massage der Areale Di 10 und Ma 36 (evtl. auch durch die
Mutter, nach Anweisung), eine wertvolle Hilfe darstellen.
292 6  Geburt  

6.4 Blutungen sub partu


Ursachen
• P lazentarandblutung (17–33 %).
• V orzeitige Lösung (15–16 %): Uterus hyperaktiv, dunkelrote Blutung.
• P lacenta praevia (12–24 %): Uterustonus normal, hellrote Blutung.
• U terusruptur (0,8 %): Plötzlicher Schmerz, Sistieren der Wehentätigkeit,
Aufsteigen der Brandel-Furche.
• B lasensprung bei Insertio velamentosa (0,5 %): Blutungsbeginn mit Bla-
sensprung.
• S chwangerschaftsunabhängig (5 %).
• U nbekannt oder zervikal bedingt (30–50 %).

6.4.1 Placenta praevia
Definition  Einnistung der Frucht im Bereich des unteren Uterinsegments
(▶ Abb. 6.9).
Epidemiologie  0,4 % der Grav., v. a. bei Mehrlings- und Vielgebärenden und bei
schnell aufeinanderfolgenden Schwangerschaften, seltener bei Erstgebärenden.
Ätiologie 
• M ehr- und Vielgebärende.
• S chädigungen des Endometriums (z. B. Endometritis, Uterusnarben nach
Sectio caesarea oder Uterus-OP [z. B. Myomenukleation], Z. n. Kürettage).
• S elten primäre Isthmusplazenta.

Placenta praevia Placenta praevia Placenta praevia


6 totalis partialis marginalis

Abb. 6.9  Placenta praevia totalis, partialis und marginalis [L157]


   6.4  Blutungen sub partu  293

Einteilung 
• P lacenta praevia totalis: innerer MM völlig von der Plazenta überdeckt
(30 %).
• P lacenta praevia partialis: Innerer MM wird von der Plazenta überragt (50 %).
• P lacenta praevia marginalis: Plazentarand reicht an den MM heran, klinisch
schlecht von tief sitzender Plazenta abzugrenzen (20 %).
Klinik 
• L eitsymptom: Schmerzlose intermittierende oder konstante Blutung im letz-
ten Schwangerschaftsdrittel oder sub partu ohne ersichtliche Ursache (Blu-
tung beginnt stets vor dem Blasensprung, Blutungen nach Blasensprung sind
keine Placenta-praevia-Blutungen!).
• R isiken: Schwere Blutung, Inf. bis zur Sepsis, Luftembolie, fetale Asphyxie.
Kindliche Mortalität etwa 10 %, mütterliche Mortalität erhöht, bei Ausnut-
zung aller klinischen Möglichkeiten < 1 %.
Diagnostik 
• K linische Untersuchung: unauffälliger äußerer Tastbefund (weicher Uterus,
häufig Hochstand des vorangehenden Teils), evtl. Schräglage, Querlage, BEL
(vermehrt). AZ der Pat. entspricht dem äußeren Blutverlust.
• V ag. Untersuchung: nach behutsamer Spekulumeinstellung in Sectio- und
Transfusionsbereitschaft Ausschluss anderweitiger Blutungsursachen (Karzi-
nom, Varizen, Ektopie; ▶ 6.4.5). Bei geöffnetem MM ggf. Plazentagewebe
sichtbar.
• M eist keine oder geringe Wehentätigkeit.
• C TG: kindliche Herztöne meist gut, path. Herztöne erst bei erheblicher Blu-
tung oder Ablösung.
• S ono: zur Sicherung der Verdachtsdiagn. sowie zur Bestimmung von Lage
und Größe des Fetus.

Bei unklarer Blutung keine vag. Tastuntersuchung durchführen! 6


Therapie 
• F ehlende Blutung, frühzeitige Diagnose (meist durch Sono): Pat. über die
o. g. Risiken aufklären, Bestimmung der Blutgruppe. Frühzeitige stationäre
Aufnahme, RDS-Prophylaxe, evtl. geplante prim. Sectio (▶ 7.4).
• S tärkere vaginale Blutung:
– Intensivüberwachung: CTG, Puls, RR, Ein-, Ausfuhrkontrollen.
– Peripheren Zugang legen, Plasmaexpander bzw. Schockther. (▶ 3.5), EK,
ggf. FFP anfordern.
– Labor: kleines BB, Thrombos, E‘lyte, Gerinnung, Fibrinogen (in der
Schwangerschaft 400–600 mg %), Gesamteiweiß, Krea.
– Sectiobereitschaft herstellen.
• L eichte bis mittelstarke Blutung vor der 36. SSW (etwa 80 % der Fälle): To-
kolyse mit Betamimetika z. B. Fenoterol (▶ 6.10.1), ggf. Lungenreifung, Hos-
pitalisierung der Pat. bis zur Geburt des Kindes.
• I n Terminnähe bzw. sub partu:
– Placenta praevia totalis: Schnittentbindung.
– Placenta praevia partialis: vag. Entbindung in etwa 1⁄3 der Fälle, z. B. bei
nur leichter Blutung mit mütterlichem und kindlichem Wohlbefinden.
294 6  Geburt  

– P
 lacenta praevia marginalis: Vag. Entbindung anstreben. Bei bereits ge-
öffnetem MM Blasensprengung und Oxytocin-Dauerinfusion in OP-Be-
reitschaft. CTG-Dauerüberwachung, falls notwendig op. Geburtsbeendi-
gung.

6.4.2 Vorzeitige Plazentalösung
Definition  Teilweise oder vollständige Ablösung der normal sitzenden Plazenta
von ihrer Haftfläche vor oder unter der Geburt. Dadurch häufig Blutungen aus
mütterlichen und kindlichen Gefäßen (▶ Abb. 6.10).

Abb. 6.10  Vorzeitige partielle Plazentalösung ohne und mit Blutung ex cervice
[L157]
6
Epidemiologie  Schwere Fälle 0,4 %, leichte Fälle 0,8 % aller Geburten. Rezidivra-
te bei nachfolgender Schwangerschaft um 5 %! Ältere Schwangere und Mehrgebä-
rende bevorzugt betroffen.
Ursachen  60 % ungeklärt, EPH-Gestose bei etwa 30 %, Rest mechanische Ursa-
chen (z. B. Sturz, Stoß in den Unterbauch, äußere Wendung aus BEL, zu kurze
Nabelschnur).
Klinik 
• L eitsymptom: heftiger, plötzlich auftretender Unterbauchschmerz.
• A llg. Unwohlsein mit Angst, Schwindel, Atemnot, Ohnmacht, Schocksymp-
tomatik mit Blutdruckabfall und Pulserhöhung (▶ 3.5).
• In 75 % der Fälle Blutung ex utero, selten starke Blutungen, zunächst Blutung
in den Uterus hinein.
• E vtl. Verbrauchskoagulopathie (Fibrinogen < 100 mg %, Thrombos
< 100.000/mm3).
   6.4  Blutungen sub partu  295

Einteilung
• G
 rad 0: keine Klinik, die Diagn. wird erst p. p. gestellt, kindliche Mortali-
tät leicht erhöht.
• G
 rad I: mäßige vag. Blutung, mit oder ohne leichten Tetanus uteri, kindli-
che Mortalität deutlich erhöht.
• G
 rad II: stärkere Blutung, schmerzhafter Tetanus uteri, Koagulopathie,
fehlender Schock. Häufig bereits intrauteriner Fruchttod.
• G
 rad III: deutlicher Tetanus uteri, Koagulopathie, hämorrhagischer
Schock, schmerzhaftes Abdomen, Kind abgestorben.

Diagnostik 
! V ag. Untersuchung nur in Sectiobereitschaft.
• K linische Untersuchung: druckempfindlicher, auffallend gespannter Uterus.
• C TG: fetale Hypoxiezeichen (▶ 6.1.1).
• S ono: retroplazentares Hämatom evtl. ohne Blutung nach außen (bei Hinter-
wandplazenta schwieriger nachweisbar). In seltenen Fällen Blutung in die
Uterusmuskulatur (Couvelaire-Sy.).
Therapie 
• Intensivüberwachung: CTG, Puls, RR, Ein-, Ausfuhrkontrollen.
• A nlegen mehrerer peripherer Zugänge, Gabe von Plasmaexpander, evtl.
Schockbekämpfung (▶ 3.5), Bereitstellen von EK.
• L abor: kleines BB, Thrombos, E‘lyte, Gerinnung, Fibrinogen, Krea.
• S ofortige Sectio caesarea, wenn das Kind lebt und Überlebenschancen beste-
hen.
• B ei totem Kind oder fehlender Überlebenschance für das Kind: Vag. Entbin-
dung anstreben (Eröffnung der Fruchtblase, Oxytocin-Dauertropfinfusion,
▶ 6.13). Mütterliche Mortalität durch Schock und DIC erhöht.
Bei lebensbedrohlicher Blutung und wenig eröffnetem MM Sectio caesarea 6
auch bei bereits abgestorbenem Kind indiziert.

6.4.3 Insertio velamentosa
Definition  Nabelschnur inseriert ent-
fernt vom Rand der Plazenta zwischen
den Eihäuten. Wird beim Blasensprung
oder der Amniotomie ein größeres Ge-
fäß aufgerissen, verblutet der Fetus. Die
Kompression eines großen, frei verlau-
fenden Gefäßes kann zum fetalen Sau-
erstoffmangel führen (▶ Abb. 6.11).
Epidemiologie  Häufigkeit 1 %, deut-
lich erhöhte fetale Fehlbildungsrate.

Abb. 6.11  Insertio velamentosa [L157]


296 6  Geburt  

Klinik  Akut einsetzende Blutung zum Zeitpunkt des Blasensprungs sowie


schwere variable Dezelerationen im CTG.
Diagnostik 
• A Z der Mutter unbeeinträchtigt bei starker Blutung ex utero (ausschließlich
fetales Blut!), häufig regelmäßige oder unregelmäßige Wehentätigkeit.
• U nauffälliger äußerer Tast- und Sono-Befund.
• V ag. Untersuchung durch Spekulumeinstellung in Sectiobereitschaft: Frucht-
blase fehlt, MM meist in Eröffnung, Blutung ex utero.
• H bF-Färbung pos. Cave: Auswertung dauert mind. 35–40 Min.
• D D Placenta praevia: Blutung beginnt vor dem Blasensprung und sistiert zum
Zeitpunkt des Blasensprungs (▶ 6.4.1).
Therapie 
• P eripherer Zugang, Sectiobereitschaft herstellen (Labor: BB, Thrombos,
E‘lyte, Gerinnung, Fibrinogen, Kreuzblut).
• L ebendes und lebensfähiges Kind, mehr oder minder geschlossener MM:
Not-Sectio.
• L ebendes und lebensfähiges Kind, vollständig eröffneter MM: möglichst ra-
sche vag. Entbindung durch Vakuum-Forzepsextraktion (▶ 7.2).
• T otes oder nicht lebensfähiges Kind: Vag. Entbindung anstreben, Oxytocin-
Dauertropf (▶ 6.13).

6.4.4 Randsinusblutung
Definition  Blutung sub partu (durch Zerreißen des Sinus circularis placentae),
die auch bei normal sitzenden Plazenten vorkommt.
Epidemiologie  1 % aller Schwangerschaften.
Klinik  Diskontinuierliche, leichtere schmerz- und wehenfreie Blutung.
Diagnostik  Ausschluss einer ernsteren Blutungsursache wie Placenta praevia,
6 vorzeitige Plazentalösung, Insertio velamentosa (▶ 6.4.1, ▶ 6.4.2, ▶ 6.4.3) bzw. ei-
ner sonstigen Blutungsquelle (▶ 6.4.5).
Therapie  Abwartende Haltung unter klinischen Bedingungen i. d. R. gerechtfer-
tigt, vag. Entbindung in Terminnähe häufig möglich. Intensivüberwachung: CTG,
Puls, RR, Ein- und Ausfuhrkontrolle.

6.4.5 Sonstige Blutungsursachen
Sonstige Blutungsursachen sind: Uterusruptur (▶ 6.9) oder schwangerschaftsun-
abhängig Zervix-Ca (▶ 13.8), MM-Polyp (▶ 13.3.4), Portioerosion (▶ 13.3.1) oder
variköse Blutungen.

Jede stärkere Blutung sub partu bzw. jede Blutung in der Spätschwanger-
schaft ist pathologisch und muss abgeklärt werden.
   6.5  Lageanomalien  297

6.5 Lageanomalien
6.5.1 Beckenendlage (BEL)
Epidemiologie
Bei 5 % aller Geburten befindet sich das Kind bei Geburtsbeginn in BEL.

Einteilung
▶ Abb. 6.12
• R eine Steißlage: am häufigsten, Hüftumfang etwa 27 cm.
• S teiß-Fußlage: selten, Hüftumfang etwa 32 cm.
• F uß- oder Knielage: vollkommen oder unvollkommen, Rumpfumfang et-
wa 24 cm.

Vollkommene Unvollkommene
Reine Steißlage Steiß-Fußlage
Fußlage Fußlage

Abb. 6.12  Beckenendlagen [L157]

Risiken
Fetales Mortalitäts- und Morbiditätsrisiko
Bereits vor 30 J. wurde die Empfehlung zur prim. Sectio caesarea bei BEL gegeben.
Grundlage dafür waren die Ergebnisse der multizentrischen „Term Breech Trial“-
Studie, die eine signifikante Verminderung der Neugeborenenletalität und -mor-
bidität (Sectio 1,6 % vs. vag. 5,0 %) bei unwesentlich erhöhter Komplikationsrate
für die Mutter im Falle einer Sectio caesarea erbrachte. In den Nachuntersuchun-
gen fanden sich allerdings in den Fällen der geburtsbedingten respiratorischen
Azidosen kaum erhöhte Langzeitmorbiditäten oder Entwicklungsdefizite. Nach
neueren Untersuchungen wird die Sectio als der sicherere Weg für das NG be-
schrieben. Als wesentlicher Faktor für die Reduzierung der Geburtsrisiken wird
die Erfahrung und Spezialisierung der Geburtsklinik angesehen. Die Sectiofre-
quenz bei BEL liegt derzeit bei ca. 90 %.
298 6  Geburt  

Geburtshilfliche Risiken
• S teiß bzw. Füße sind als Dilatator des Geburtskanals weniger geeignet als der
unnachgiebige und im Umfang größere Schädel.
• D urch den nachfolgenden Kopf wird von einem bestimmten Zeitpunkt an die
Nabelschnur komprimiert → Einschränkung der fetalen Sauerstoffversorgung
→ innerhalb von 20–60 Sek. Entwicklung des kindlichen Kopfes.
• D er Kopf muss gegen erhöhten Widerstand durch Geburtskanal entwickelt
werden → erhebliche Druck- und Zugbelastung auf Kopf, Wirbelsäule und
Hals (häufiger neurologisch auffällige Kinder als nach Schnittentbindung!).
• M it zunehmender Unreife des Kindes erhöhen sich bei vag. Entbindung die
fetale Mortalität und Morbidität.

Diagnostik
1. Leopold-Handgriff
Ballottement des großen, kugeligen und harten Kopfes im Fundus (▶ Abb. 5.2).
3. Leopold-Handgriff
Weicher vorangehender Teil über Beckeneingang (▶ Abb. 5.2).
Auskultation
Herztöne in Nabelhöhe oder darüber am besten hörbar.
Vaginale Untersuchung
Fehlen der gleichmäßigen Härte, der Schädelnähte und der Fontanellen.
• K ennzeichen der Steißlage: Cristae sacrales medianae.
• K ennzeichen der Fußlage: Fersenzeichen (winkliger Übergang von Unter-
schenkel zum Fuß), Zehenzeichen (Zehen sind gleich lang, kürzer als die Fin-
ger; Zehen stehen in Reihe, Daumen im Gegensatz zur Großzehe in oppo-
nierter Stellung).
• K ennzeichen der seltenen Knielage: bewegliche Patella.
6 Am Termin besteht in 70 % der Fälle eine reine Steißlage, in ca. 20 % eine Steiß-
Fußlage. Eine reine Fußlage entwickelt sich bei 10 % aus einer Steiß-Fußlage,
­Diagn. intra partum nach Blasensprung.
Sonografie
Beweisend ▶ 22.2.4!

Geburtshilfliches Management
Für eine vag. Entbindung müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
• Z u erwartendes Geburtsgewicht < 3.500 g.
• A usschluss einer schweren Fehlbildung durch sorgfältige Sono (erhöhte Fehl-
bildungsrate bei BEL; ▶ 22.2.4).
• A usschluss eines Missverhältnisses durch sonografische Bestimmung von
mind. zwei Schädelmaßen und dem Thoraxdurchmesser. Cave: Alle Metho-
den zur Beurteilung des mütterlichen Beckens sind ungenau; in der Literatur
ist keine eindeutige Überlegenheit radiologischer oder klinischer Methoden
beschrieben (▶ 22.2.4).
• H yperextension des Kopfes sonografisch (ggf. radiologisch) auszuschließen.
   6.5  Lageanomalien  299

• Ist mit einer langwierigen vag. Geburt zu rechnen (z. B. hoch stehender Steiß
bei unreifer Zervix, mangelhaftes Tiefertreten des Steißes, vorzeitiger Blasen-
sprung o. Ä.), ist die sek. Sectio großzügig zu indizieren.

Geburtsleitung
• A ufklärung der Pat. über die vorgenannten Risiken.
• S tändige Narkose- und Sectiobereitschaft, Reanimationsbereitschaft für Kind.
• V enöser Zugang mit Dauertropfinfusion einer Basis-Lsg., z. B. Ringer.
• E xterne CTG-Dauerüberwachung unter Erhaltung der Fruchtblase in der Er-
öffnungsperiode, nach Blasensprung möglichst interne CTG-Überwachung.
• E ntleerung der Harnblase der Mutter kurz vor der Geburt durch Einmalka-
theterismus.
• A usreichende Analgesie (z. B. PDA ▶ 6.3.3).
• S yntocinon®-Tropf in der Austreibungsperiode, um das Kind rasch entwi-
ckeln zu können (▶ 6.13, ▶ 8.3).
• Z urückhalten des Steißes, bis das Kind in einer Wehe entwickelt werden kann.
In 90 % der Fälle ist die Geburt ohne zusätzliche Traktion oder Torsion möglich.
• O bligat ist eine großzügige Episiotomie (▶ 7.1).
• E ntwicklung des Kindes nach Bracht unter gleichzeitigem Druck von oben
(durch Hilfsperson; ▶ 7.3.1).
• F alls erforderlich, Lösung der Arme oder Kopfentwicklung nach Veit-Smellie
(▶ 7.3.2; ▶ 7.3.3).
• Ind. zur sek. Sectio bei Auftreten von KO auch in der Austreibungsperiode
großzügig stellen.
Indikationen zur primären Sectio bei Beckenendlage
• B eckenanomalie bzw. verengtes Becken.
• N abelschnurvorfall.
• P lacenta praevia.
• K indliche Hypertrophie ≥ 3.800 g. 6
• P rämaturität vor der 28. SSW.
• R eine Fußlage.
• D ysproportion (KU >> AU).
• Z ervikale Unreife und vorzeitiger Blasensprung.
• Z usatzrisiken wie Diab. mell., path. CTG, Plazentainsuff., fetale Dystrophie,
schwere fetale Fehlbildungen.

Äußere Wendung
In manchen Zentren wird bei BEL oder Querlage (▶ 6.5.2) die äußere Wendung
versucht. Die Erfolgsrate liegt bei etwa 50 %.
Die äußere Wendung kann ab 36+0 SSW erfolgen. Ein Aufklärungsgespräch sollte
wenigstens einen Tag vor dem Eingriff durchgeführt werden. Eine Anästhesie ist
nicht indiziert. Dabei sollte die Möglichkeit einer notfallmäßig durchzuführenden
Sectio caesarea sichergestellt sein. Eine Tokolyse ist nicht zwingend erforderlich.
Falls erforderlich Anti-D-Prophylaxe.
Kontraindikationen für die äußere Wendung sind:
• V orzeitiger Blasensprung.
• V ag. Blutung unklarer Genese.
• P lacenta praevia.
300 6  Geburt  

Durchführung
Unter CTG-Kontrolle und in Sectiobe-
reitschaft wird der kindliche Steiß aus 2
dem Becken gedrückt (▶  Abb.  6.13,
Pfeil 1) und dann das Kind mit sanften,
schiebenden Bewegungen im Sinne ei-
nes „Purzelbaums“ intrauterin gedreht
(▶ Abb. 6.13, Pfeile 2 und 3).
Risiken 1
Vorzeitige Plazentalösung, Nabelschnur-
kompression und vorzeitiger Blasen- 3
sprung.
Abb. 6.13  Äußere Wendung [L157]
6.5.2 Querlage
Epidemiologie  Körperhauptachse des Kindes bildet einen rechten Winkel mit
der Führungslinie des Geburtskanals. Häufigkeit: 0,7 % aller Geburten.
Ursachen  Abnorm große Bewegungsmöglichkeit des Kindes wie Frühgeburt,
kleines Kind, Polyhydramnion, schlaffe Uteruswand und Bauchdecken bei Viel-
gebärenden oder Hindernisse für die normale Einstellung wie Beckenverengun-
gen, Uterusanomalien, Mehrlinge oder Placenta praevia.
Geburtshilfliche Risiken 
• U nbehandelt kommt es nach Blasensprung zum Armvorfall, Einkeilen der
Schulter, Abknicken der Frucht (verschleppte Querlage).
• B ei Zunahme der Wehentätigkeit drohen Dauerkontraktionen und Uterus-
ruptur.
• D as Kind ist beim Blasensprung häufig durch einen Nabelschnurvorfall ge-
fährdet.
6 Diagnostik 
• K linische Untersuchung: Fundus-
stand niedriger als erwartet, quer-
ovaler Uterus.
• L eopold-Handgriffe: kindlicher
Kopf li oder re zu palpieren.
• A uskultation: kindliche Herztöne
in der Nabelregion.
• V ag. Untersuchung: Kleines Becken
ist leer.
• S ono beweisend, Ausschluss einer
Placenta praevia!
Therapie 
• Jede Querlage ist eine gebärunfähi-
ge Lage. Hospitalisierung bzw. Sec-
tioentbindung nach vollendeter
37.–38. SSW. Abb. 6.14  Verschleppte Querlage nach
• E vtl. äußere Wendung ab 36+0 Blasensprung mit Armvorfall, Abkni-
cken der Frucht und Einkeilen der Schul-
SSW (s. o.). ter [L157]
   6.5  Lageanomalien  301

• R egelmäßige CTG-Kontrollen, da das Kind aufgrund einer häufig bestehen-


den chron. Plazentainsuff. bei ungünstiger Hämodynamik gefährdet ist.
• E vtl. Wehenhemmung bei Wehentätigkeit z. B. mit Fenoterol i. v. (z. B. Partu-
sisten®).

Bei verschleppter Querlage (▶ Abb. 6.14) ist jeglicher Wendungsversuch ein


schwerer Kunstfehler (Uterusruptur!).

6.5.3 Regelwidrige Schädellagen
Definition
Bei einem kleinen Teil der Schädellagen bleibt die Beugebewegung (Flexion) des
kindlichen Kopfes aus (Haltungsanomalie). Alle Deflexionslagen verlaufen mit
nach hinten gerichtetem Rücken (Stellungsanomalie) (▶ Abb. 6.15).

Regelrechte Vorderhaupts- Stirnlage Gesichtslage


Hinterhauptslage lage

32 34 35–36 34 6
Durchtrittsplanum in cm

Abb. 6.15  Flexions- und Deflexionshaltungen des Kopfes bei Eintritt ins Becken
[L157]

Vorderhauptslage (VHL)
Geringster Grad einer Streckhaltung des Kopfes. Das Durchtrittsplanum hat ei-
nen Umfang von 34 cm (bei regelrechter HHL 32 cm). Hieraus resultiert bei reifen
Kindern ein auffallend verzögerter Geburtsverlauf!
Diagnostik  Bei vag. Untersuchung große Fontanelle in der Führungslinie. I.d.R.
dorsoposteriore Einstellung (kleine Fontanelle schwer zu erreichen, meistens li
oder re hinten zu tasten).
Therapie  Solange es Mutter und Kind gut geht, stets konservatives Vorgehen:
• L agerung auf Seite des Hinterhaupts. Dreht sich das Hinterhaupt hierunter
nicht nach vorne, Lagerung auf der entgegengesetzten Seite.
• G roßzügige Episiotomie wegen starker Überdehnung des Damms (▶ 7.1).
• F orzepsentbindung vermeiden (Gefahr tief gehender Weichteilrisse!), bei
dringlicher Ind. (z. B. path. CTG) eher Vakuumextraktion (▶ 7.2.2).
302 6  Geburt  

Stirnlage
Nach VHL nächsthöherer Grad der Streckhaltung. Aufgrund des größten Um-
fangs des Durchtrittsplanums von 35–36 cm ungünstigste aller Schädellagen.
Diagnostik  Leitstelle Stirn (große Fontanelle, Augenbrauen, Nasenwurzel tast-
bar; ist das Kinn erreichbar, liegt eine Gesichtslage vor).
Therapie 
• G eburtsbeendigung i. d. R. nur durch Sectio caesarea möglich.
• S pontanpartus nur bei sehr kleinem Köpfen oder sehr geräumigem Becken
(cave: nasoposteriore Stirnlage!).
! F orzepsentbindung wegen extrem schlechter Prognose obsolet.
Gesichtslage
Stärkster Grad der Streckhaltung des Kopfes. Umfang der Durchtrittsebene 34 cm.
Diagnostik  Hinterhaupt oberhalb der Symphyse von außen gut tastbar, Herztö-
ne auf der Seite der kleinen Teile. Kinn, Mund, Nase, Augenbrauen bei der vag.
Untersuchung tastbar.
Therapie 
• L agerung auf der Seite des Kinns.
• T ritt zu Geburtsbeginn ein Grund
zur Geburtsbeendigung auf → groß-
zügige Sectio-Ind.
• G roßzügige Episiotomie wegen
starker Überdehnung des Damms
(▶ 7.1).
• K eine Forzepsentbindung aus Be-
ckenmitte, sondern sek. Sectio cae-
sarea.

6 Spontanpartus nur bei mentoan-


teriorer Einstellung möglich. Bei
mentoposteriorer Gesichtslage
und nasoposteriorer Stirnlage vag.
Geburt unmöglich (▶ Abb. 6.16)!
Abb. 6.16  Die dorsoanteriore mento-
posteriore Gesichtslage ist eine ge-
6.5.4 Einstellungsanomalien burtsunmögliche Lage. Sie führt zum
Geburtsstillstand im Geburtskanal
[L157]
Definition
Fehlende Anpassung des kindlichen
Kopfes an den Geburtskanal, ohne dass ein absolutes Missverhältnis zwischen den
Kopf-Becken-Relationen vorliegt.

Formen
• H oher Gradstand.
• T iefer Querstand.
• D orsoposteriore Einstellung.
• H intere Scheitelbeineinstellung.
   6.5  Lageanomalien  303

Hoher Gradstand
Diagnostik  Der kindliche Kopf ist mit gerader Pfeilnaht dem Beckeneingang
aufgepresst, die kleine Fontanelle ist häufig hinten zu tasten (dorsoposteriore Ein-
stellung). Von außen tastet sich der Kopf auffallend schmal an, evtl. ist der 5. Leo-
pold-Handgriff (Zangemeister) pos. (▶ Abb. 5.2).
Therapie  Sectio, falls bei guter Wehentätigkeit unter Wechsellagerung nach Bla-
sensprung Befundpersistenz, bei ungünstigen Tatbeständen (grünes FW, drohen-
de Uterusruptur etc.) oder path. CTG.

Tiefer Querstand
Querstehende Pfeilnaht im Beckenausgang. Ursache ist häufig eine sek. Wehen-
schwäche.
Epidemiologie  Etwa 1,7 % der Schädellagengeburten.
Diagnostik  Pfeilnaht des auf dem Beckenboden stehenden Kopfes verläuft quer
bei gleichzeitiger Verzögerung der Geburt. Aufgrund einer leichten Streckhaltung
häufig beide Fontanellen zu tasten. Die Spinae können nicht mehr erreicht wer-
den, da der Kopf auf dem Beckenboden steht.
Anhand der Stellung der kleinen Fontanelle unterscheidet man den I. (re, ▶ Abb.
6.17a) und den II. (li, ▶ Abb. 6.17b) Querstand.
Therapie  Lagerung auf Seite des Hinterhaupts, ggf. Unterstützung der Wehentä-
tigkeit (▶  6.13), persistiert der Befund länger als 30  Min. vag.-op. Entbindung
(Vakuumextraktion ▶ 7.2.2).

a b

Abb. 6.17  a)  I. (re) und b) II. (li) Querstand [L157]

Dorsoposteriore Einstellung
Der kindliche Rücken ist dabei nach hinten gerichtet, die kleine Fontanelle kreuz-
beinwärts gerichtet. Häufig mit einer Haltungsanomalie einhergehend (Vorder-
hauptslage, Stirnlage, Gesichtslage ▶ 6.5.3).
Hintere Hinterhauptslage
Keine Vergrößerung des Durchtrittsplanums, Austreibungsperiode dennoch auf-
grund der wesentlich stärkeren Reibung zwischen Geburtskanal und kindlichem
304 6  Geburt  

Kopf erheblich verlängert. Ther.: Lagerung auf Seiten des Hinterhaupts, evtl. Oxy-
tocin-Tropf. Bei Erfolglosigkeit Lagerung auf die kontralaterale Seite. Tritt der
Kopf nicht tiefer, ggf. Sectioentbindung.
Hintere Vorderhauptslage
Deutliche Vergrößerung des Durchtrittsplanums, Austreibungsperiode dadurch
erheblich verlängert. Ther.: Lagerung auf Seiten des Hinterhaupts, evtl. Wechsel-
lagerung. Tritt der Kopf nicht tiefer, ggf. Sectioentbindung.
Hintere Scheitelbeineinstellung (selten)
Versuch der Anpassung des kindlichen Kopfes an den relativ engen Beckenein-
gang durch Übereinanderschieben der Scheitelbeine. Der hintere Rand des Schei-
telbeins stößt hierbei an den Hinterrand der Symphyse (als Stufe tastbar), die
nachfolgende hintere Schulter sitzt dem Promontorium auf, der Kopf weicht nach
vorne ab und überragt die Symphyse (5. Leopold-Handgriff pos. ▶ Abb. 5.2). Ge-
burtsunmögliche Einstellung (▶ Abb. 6.18). Ther.: Sectio caesarea.

Vordere = förderlich Hintere = hinderlich = gebärunfähig

6 a b

Abb. 6.18  [L157]


a) Verstärkter vorderer Asynklitismus (= verstärkte Naegel-Obliquität)
b) Verstärkter hinterer Asynklitismus (= verstärkte Litzmann-Obliquität)

6.6 Geburtsstillstand
Verstärkter vorderer Asynklitismus Verstärkter hinterer Asynklitismus
6.6.1 In der Eröffnungsperiode
= =
verstärkte Naegel-Obliquität verstärkte Litzmann-Obliquität
Ein Geburtsstillstand in der Eröffnungsperiode über oder im Beckeneingang
bei ausreichender Wehentätigkeit bedeutet stets ein Geburtshindernis.

Ursachen 
• G
 ebärunfähige Lagen: Querlage, hoher Gradstand, nasoposteriore Stirnlage,
mentoposteriore Gesichtslage, hintere Scheitelbeineinstellung (▶ 6.5.2, ▶ 6.5.3).
   6.7  Vorzeitiger Blasensprung  305

• R egelwidrige Einstellungen oder Haltungen: häufig mit Beckenanomalien


kombiniert, z. B. hoher Gradstand, Vorderhauptslage, hintere Scheitelbein-
einstellung (▶ 6.5.4).
 ydrozephalus ▶ 6.11.1.
• H
• A
 ndere seltene Geburtshindernisse: im Becken liegende Tumoren, Narben,
Strikturen des MM.
Therapie  Je nach Regelwidrigkeit meist Geburtsbeendigung durch Sectio caesa-
rea (evtl. hierbei Conjugata vera mit Beckenzirkel ausmessen!).

6.6.2 In der Austreibungsperiode

Auffallend langsamer Geburtsverlauf oder Geburtsstillstand auf Beckenbo-


den.

Ursachen 
• S ek. Wehenschwäche: häufig! Ermüdung der Uterusmuskulatur.
• R egelwidrigkeiten der Kopfeinstellung oder -haltung wie tiefer Querstand,
Deflexionslagen (▶ 6.5.3, ▶ 6.5.4).
• W eichteilwiderstände: rigider Bandapparat oder Damm.
• K nochenwiderstände: vorspringendes Steißbein, verengter Beckenausgang.
Therapie 
• L ückenlose CTG-Überwachung, bei V. a. fetale Hypoxie, Fetalblutanalysen
(▶ 6.1.5).
• V ag.-op. Geburtsbeendung (▶ 7.2) bei:
– Kopf steht länger als 1 h auf dem Beckenboden.
– Kopf rückt bei guter Wehentätigkeit nicht weiter.
– Bei Wehenschwäche bleibt Ther. mit Wehenmitteln erfolglos (▶ 6.13).
– Anzeichen einer fetalen Hypoxie (path. CTG oder MBU; ▶ 6.1.1, ▶ 6.1.5). 6

6.7 Vorzeitiger Blasensprung
Definition
Blasensprung mit FW-Abgang vor Beginn der Eröffnungswehen.

Epidemiologie
Bei etwa 5 % der Geburten mehr als 12 h, in etwa 12 % der Geburten weniger als
12 h vor Beginn der Wehentätigkeit. In bis zu 30 % der Fälle liegt das Geburtsge-
wicht < 2.500 g, oder es besteht eine Schwangerschaft vor der 37. SSW.

Ursache
Vorzeitige Wehentätigkeit, vorzeitige Zervixreifung, Polyhydramnion, Mehr-
lingsschwangerschaften, Inf. (bakterielle Vaginose, aszendierende Inf. ▶ 9.6), lie-
gende Zerklage, iatrogen (forcierte Untersuchung, Amniozentese, Amnioskopie).
306 6  Geburt  

Diagnostik
• S ono: Kontrolle der FW-Menge (▶ 22.2).
• V ag. Untersuchung: Spiegeleinstellung des MM.
• L ackmusprobe: Blauverfärbung des roten Lackmuspapiers zeigt Abgang des
alkalischen FW an.
• E vtl. Bromthymol-Test: Blaufärbung des FW.
• E vtl. AMNICHECK: Insulin-like-Growth-Factor-binding-Protein-Test.
­Cave: teuer.
• E vtl. Nachweis von Fibronektin (z. B. ROM-Check® Test).
• E vtl. Mikroskopie: Nachweis von Lanugohaaren, Vernixflocken, Hautschup-
pen oder Mekonium.
• E vtl. Amnioskopie unter möglichst sterilen Bedingungen als sicherste Nach-
weismethode (fast einzige Ind.).
• In Ausnahmefällen z. B. früher Schwangerschaftsmon. zur Diagn. transabdo-
minale Injektion von Indigokarmin in das FW (▶ 4.2.5).

Die kindliche oder mütterliche Inf. ist die gefährlichste KO beim vorzeitigen
Blasensprung. Innerhalb von 24 h nach vorzeitigem Blasensprung weisen bis
zu 4 % der Kinder eine Inf. auf. Diese Zahl steigt innerhalb von 48 h bis auf
etwa 20 % an. Erreger sind hierbei vor allem E. coli, β-hämolysierende Strept.,
Staph. sowie Str. faecalis. Bei hoch stehendem Kopf Gefahr des Nabelschnur-
vorfalls. Pat. sofort hinlegen lassen, bis zur vag. Untersuchung am besten mit
leichter Beckenhochlagerung.

In Terminnähe ist bei reifer Zervix eine zügige Entbindung anzustreben. Bei kind-
licher Unreife kann ein abwartendes Verhalten mit Induktion der fetalen Lungen-
reifung (RDS-Prophylaxe), u. U. unter Antibiotikaschutz, erforderlich sein. Bei
klinischen Zeichen für ein Amnioninfektsy. (mütterlicher Temperaturanstieg,
Leukozytose, CRP-Anstieg, Linksverschiebung im Differenzial-BB und fetale Ta-
6 chykardie) Schwangerschaft beenden.

Vorgehen beim vorzeitigen Blasensprung


• R eduzieren der vag. Untersuchungen auf das Notwendigste, ggf. Entfernung
einer liegenden Zerklage.
• B ei kindlicher Unreife und Fehlen von Infektionszeichen Einleitung einer
pränatalen Lungenreifung mit Betamethason 2 × 12 mg i. m. (z. B. Celestan®)
im Abstand von 24 h, evtl. unter i. v. Tokolyse.
• V aginalabstrich auf pathogene Keime mit Resistenzbestimmung.
• C TG-Intervallüberwachung.
• Infektparameterkontrolle: Leukos, CRP, evtl. Elastase, Differenzial-BB.
• R egelmäßige rektale Temperaturkontrollen.
• V or der 34+0 (36+0) SSW intrauterine Verlegung in ein Perinatalzentrum.
Ausschluss eines Amnioninfektionssyndroms (AIS)
Anzeichen einer manifesten Inf. sind:
• T emperaturerhöhung (≥ 38 °C axillär).
• M ütterliche Tachykardie (> 100 SpM).
• F etale Tachykardie (> 150 SpM).
   6.7  Vorzeitiger Blasensprung  307

•  ruckschmerzhafter Uterus.
D
•  unehmende Wehen.
Z
•  bel riechendes FW.
Ü
•  eukozytose (≥ 15.000/μl).
L
•  RP-Erhöhung.
C
Antibiotikaprophylaxe
Bei vorzeitigem Blasensprung reduziert die prophylaktische Gabe von Mezlocil-
lin, Piperacillin, Clindamycin, Ampicillin oder Erythromycin die maternale und
fetale Morbidität und kann die Schwangerschaftsdauer verlängern. Generell in der
34+0 bis 37+0 SSW z. B. Ampicillin 2 g oder Cefotaxim 2 g (z. B.Claforan®) alle 8 h.
Bei Streptokkokennachweis Penicillin G 10 Mio. IE initial und 2,5–3 Mio. IE alle
4 h i. v.
Blasensprung < 20+0 SSW
Kein Anhalt für AIS:
• A bwarten unter Bettruhe nach Absprache mit der Schwangeren möglich.
• C RP-Kontrollen alle 6–24 h.
• R egelmäßige Kontrolle von FW-Menge und Vitalität des Kindes.
• B ei persistierendem Oligo-/Anhydramnion Aufklärung über schlechte Prog-
nose des Kindes (Lungenhypoplasie etc.) und ggf. Beendigung der Schwan-
gerschaft.
• E vtl. antibiotische Ther. (s. o.).
Bei Anhalt für AIS Abortinduktion mit Prepidil® und Cergem® (▶ 5.19).
Blasensprung ≥ 20+0 bis < 24+0 SSW
Kein Anhalt für AIS:
• A bwarten unter Bettruhe nach Absprache mit der Schwangeren möglich.
• G gf. antibiotische Ther.
• C RP-Kontrollen alle 6–24 h.
• R egelmäßige Kontrolle von FW-Menge und Vitalität des Kindes. 6
• B ei Erreichen 24+0 SSW Vorgehen wie oben.
• E vtl. antibiotische Ther. (s. o.).
Manifestes AIS ≥ 23+0 SSW: Entbindung anstreben.
Blasensprung ≥ 24+0 bis < 34+0 SSW
Kein Anhalt für AIS:
• A bwarten unter Bettruhe, Antibiotikagabe, Tokolyse und Lungenreifeinduk-
tion.
• C RP-Kontrollen alle 6–24 h.
• C TG (alle 12 h).
• R egelmäßiger Ultraschall/Doppler.
• B ei Erreichen von 34+0 SSW aktive Beendigung der Schwangerschaft nach
12–24 h (wenn kein spontaner Wehenbeginn).
• A ntibiotische Ther. wie oben.
• T okolyse (▶ 5.10.1).
• R DS Prophylaxe (s. o.).
Manifestes AIS: zügige Entbindung unter antibiotischer Ther. (s. o.).
308 6  Geburt  

Blasensprung ≥ 34+0 SSW


Kein Anhalt für AIS:
• A ktive Beendigung der Schwangerschaft nach 12–24 h (wenn kein spontaner
Wehenbeginn).
• A ntibiotische Ther. wie oben.
• K eine RDS Prophylaxe.
• K eine Tokolyse.
Manifestes AIS: zügige Entbindung unter antibiotischer Ther. durch Sectio caesa-
rea, falls keine schnelle Geburt zu erwarten ist.
Blasensprung < 36+0 SSW
• B ei nachgewiesenen hämolysierenden Streptokokken der Gruppe B (GBS):
mütterliche Antibiotikaprophylaxe zur Vermeidung der NG-Sepsis durch
GBS, wenn mit baldiger Geburt zu rechnen ist.
• B ei unbekanntem GBS-Status der Mutter: Antibiotikaprophylaxe, wenn eine
baldige Geburt nicht ansteht.
• B ei möglicherweise verzögerter Geburt im Rahmen der Aufnahmeuntersu-
chung mikrobiologischer Abstrich von Anorektum und Scheide zum Nach-
weis der GBS entnehmen. Antibiotikaprophylaxe bis zur Geburt bzw. bis zum
Vorliegen eines neg. GBS-Abstrichergebnisses (i. d. R. 48 h) fortzuführen.
Blasensprung > 36+0 SSW
Antibiotikaprophylaxe bis zur Geburt, falls:
• D auer des Blasensprungs ≥ 18 h.
• T emperaturerhöhung der Mutter auf ≥ 38,0 °C unter der Geburt.
• V orausgegangene Geburt mit NG-Sepsis durch GBS.
• P räpartales GBS-Screening mit pos. Abstrich auf GBS.
• Z eichen eines Amnioninfektionssy. (baldige Geburtsbeendigung!).

6 6.8 Vorfälle
6.8.1 Nabelschnurvorfall
Definition  Vorfall der Nabelschnur
nach Blasensprung vor den führenden
Teil in die Vagina oder vor die Vulva
(▶ Abb. 6.19).
Epidemiologie  0,5 % aller Geburten,
am häufigsten bei Querlagen und Fuß-
lagen, Gemini, seltener bei Steiß- und
Schädellagen.
Klinik  Plötzlicher Herztonabfall nach
Sprung der Fruchtblase. KO: drohende
intrauterine Asphyxie durch Nabel-
schnurkompression, v. a. bei Schädella-
gen.
Diagnostik  Unmittelbare vag. Unter-
suchung (pulsierende Nabelschnur). Abb. 6.19  Nabelschnurvorfall [L157]
   6.9  Uterusruptur  309

Therapie  Beckenhochlagerung, O2-Gabe, mit Hand in Vagina eingehen und


führenden Teil zur Entlastung der Nabelschnur hochschieben. Notfalltokolyse:
1 ml Partusisten intrapartal® verdünnt mit 4 ml NaCl, 2,5–5 ml langsam i. v. (2 ml/
Min.). Einmalige Wiederholung möglich, ggf. anschließende kurzfristige kontinu-
ierliche Infusion bis 4 μg/Min. Partusisten® möglich.

Bei lebendem und lebensfähigem Kind sofortige Sectio caesarea.

6.8.2 Vorfall kleiner Teile


Definition  Häufig bei Schädellagen mit engem Becken und Lageanomalien. KO:
Uterusruptur.

Einteilung
• V
 orliegen eines Arms: Bei stehender Fruchtblase liegt der Arm vor dem
vorausgehenden Kopf.
• U
 nvollkommener Armvorfall: Vorfall einer Hand bei gesprungener Blase.
• V
 ollkommener Armvorfall: Hand und Teile des Unterarms liegen bei ge-
sprungener Fruchtblase tiefer als der vorausgehende Teil.

Klinik  Hochstehender Kopf. Verzögerter Geburtsverlauf oder Geburtsstillstand


(vorgefallener Arm verhindert den Kopfeintritt oder -durchtritt durchs Becken).
Diagnostik  Vag. Untersuchung.
Therapie 
• V
 orliegen eines Arms oder unvollkommener Armvorfall: Beckenhochlage-
rung, Lagerung auf die dem vorliegenden Arm entgegengesetzte Seite, bei Er-
folglosigkeit und vollständig eröffnetem MM Reposition in Narkose (s. u.),
bei wenig eröffnetem MM Sectio. 6
• V
 ollkommener Armvorfall (sofern der Kopfeintritt in das Becken oder der
Kopfdurchtritt durch das Becken behindert ist): Bei vollständig eröffnetem
MM Repositionsversuch unter Narkose. Dazu mit der Hand, die der Bauch-
seite des Kindes entspricht, in die Scheide eingehen und Arm bis auf Höhe
des kindlichen Halses zurückschieben, nach Abwarten einer Wehe Hinein-
drängen des Kopfes in den Beckeneingang mit der äußeren Hand oder durch
Hilfsperson. Sectio bei Erfolglosigkeit.

6.9 Uterusruptur
Ursache 
• Ü
 berdehnung der Uteruswand: Geburtsunmögliche Lage oder Einstellung
des Kindes, Missverhältnis zwischen Kopf und Becken, Hydrozephalus, Über-
dosierung von Wehenmitteln.
• W
 andschädigung: St.n. Sectio, Myomenukleationen o. Ä.
• G
 eburtshilfliche Eingriffe: Wendungsoperationen, traumatische Entwicklung
bei Schulterdystokie.
310 6  Geburt  

Klinik 
• V or der Ruptur
– Zunahme der Wehentätigkeit bis zum Wehensturm, Geburtsstillstand.
– Überdehnung und Schmerzhaftigkeit des unteren Uterinsegments (supra-
symphysär).
– Hochsteigen der Bandl-Furche: Obere Grenze des unteren Uterinseg-
ments in Nabelhöhe und darüber.
– Unruhe der Gebärenden.
• E rfolgte Ruptur
– Schlagartiges Sistieren der Wehentätigkeit (Austritt des Kindes aus dem
Uterus in die freie Bauchhöhle).
– Rupturschmerz, starke abdominale Abwehrspannung.
– Kollaps und Blässe als Folge der schweren inneren Blutung, Unruhe, zu-
nehmende Atemnot.
– Aufhören der kindlichen Herztöne und Kindsbewegungen.
– Meist vag. Blutung.
• S tille Ruptur
– Symptomarm, v. a. Narbenrupturen.
– Eine suprasymphysäre Druckschmerzhaftigkeit sub partu bei Z. n. Sectio
caesarea und weiteren prognostisch ungünstigen geburtshilflichen Para-
metern (Geburtsstillstand, protrahierte Eröffnungsperiode, hoher Stand
des Kopfes) können auf eine bereits erfolgte Ruptur hinweisen.

Jeder unklare Schockzustand intra- und post partum ist verdächtig auf eine
Uterusruptur.

Diagnostik 
• A namnese des Geburtsverlaufs und der Geburtsrisiken.
• S chmerzen und Kollaps (Pulsanstieg, RR-Abfall, zunächst konstanter Hb,
6 dann Hb-Abfall bei akuter Blutung; ▶ 3.5.1).
• V ag. Untersuchung: Der vorausgehende Teil ist dem Beckeneingang aufge-
presst, große Geburtsgeschwulst, MM nicht vollständig eröffnet, dick-wulsti-
ge MM-Ränder.
• G gf. CTG-Alterationen mit Anstieg des Basaltonus.
Therapie 
• I. v. Tokolyse, z. B. Fenoterol (Partusisten®).
• U mgehende Laparotomie auch bei bereits abgestorbenem Kind.
• B ei kompletter Ruptur ggf. totale Uterusexstirpation.

6.10 Fetale Azidose
Ursachen
• P räplazentar: path. Uteruskontraktionen, Vena-cava-Kompressionssy., Blu-
tungen, z. B. Placenta-praevia-Blutung (▶ 6.4.1), starke iatrogene RR-Senkung
(▶ 6.8.1), schwere mütterliche Anämie oder Herzinsuff., orthostatische Dys-
regulation.
   6.10  Fetale Azidose  311

• P lazentar: path. Prozesse in der Plazenta, die mit einer Verminderung der
plazentaren Austauschfläche oder einer erschwerten Permeabilität einherge-
hen, wie Plazentainsuff. (▶ 16.12), vorzeitige Plazentalösung (▶ 6.4.2), SIH
(▶ 6.8.1), Übertragung (▶ 6.17), mütterlicher Diab. mell. (▶ 3.4).
•  ostplazentar: hauptsächlich KO der Nabelschnur wie Vorliegen oder Vor-
P
fall der Nabelschnur (▶ 6.8.1), Nabelschnurumschlingung, Nabelschnurkno-
ten, intrauterine fetale Erkr., z. B. an Herz oder Gefäßen.

Diagnostik
Externes oder internes CTG (▶ 6.1.1), MBU (▶ 6.1.5), fetale Pulsoxymetrie.

Therapie
• B eckenhochlagerung, O2-Gabe.
• Intrauterine Reanimation: Notfalltokolyse: 1 ml Partusisten intrapartal® ver-
dünnt mit 4 ml NaCl, 2,5–5 ml langsam i. v. (2 ml/Min.). Einmalige Wieder-
holung möglich, ggf. anschließende kurzfristige kontinuierliche Infusion bis
4 μg/Min. Partusisten® möglich.
•  eburtsbeendigung: je nach geburtshilflicher Situation, Ursachen der fetalen
G
Notsituation und jeweils zusätzlicher Parameter wie MBU und ggf. fetaler
Pulsoxymetrie.
Notsectio
Nach 15- bis 20-minütiger schwerer Azidose steigt das Risiko eines perinatal ver-
ursachten kindlichen Hirnschadens auf etwa 50 % an. Der Zeitbedarf für eine
Notsectio ist definiert als das Intervall zwischen Indikationsstellung und Geburt
des Kindes (Entschluss-Entwicklungszeit = E-E-Zeit) und sollte nach einer Stel-
lungnahme der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe 20 Min.
nicht überschreiten. In diesem Zeitrahmen sind nach Erkennung der fetalen Not-
situation und Entschluss zur Sectioentbindung folgende Maßnahmen erforderlich:
• Intrauterine Reanimation (s. o.). 6
• Informieren von Oberarzt, Anästhesist, OP-Personal, evtl. Pädiater.
• A ufklärung der Pat. und ggf. schriftliche Einwilligung zur OP.
• O P-Vorbereitung mit Blutentnahme und venösem Zugang.
• W aschen und Umkleiden des OP-Teams.
• T ransport der Pat. zum OP-Saal.
• E vtl. vag. Entbindungsversuch in OP-Bereitschaft.
• D esinfektion des Bauchs der Pat.
• N arkoseeinleitung.
• S ectio und Entwicklung des Kindes.
Auch die NG-Versorgung im unmittelbaren Anschluss an die Geburt orga-
nisieren!

70 % aller NG-Zerebralparesen entstehen antenatal. Für einen Kausalzusammen-


hang zwischen Zerebralparesen und peripartaler Asphyxie müssen nachfolgende
Kriterien erfüllt sein:
• N abelarterien-pH < 7,0.
• A pgar-Wert 0–3 nach 5 Min.
• B asenüberschuss (BE) ≥ −16.
312 6  Geburt  

• N
 eurologische Symptome wie Krämpfe, Koma und Hypotonie.
• M
 ultiorganversagen (laborchem. Nachweis!).

6.11 Fetale Fehlbildungen
▶ 9.7.
6.11.1 Hydrozephalus

Häufigste und zugleich gefährlichste aller fetalen Fehlbildungen. Es besteht


ein ausgesprochenes Missverhältnis zwischen Kopf und Becken. Uterusrup-
tur oft schon während der ersten Eröffnungswehen!

Diagnostik 
• S ono: Bestimmung des biparietalen Durchmessers sowie der Ventrikeldurch-
messer. Bei Ventrikelerweiterungen Ausschluss weiterer begleitender Fehlbil-
dungen wie Spaltbildungen der Wirbelsäule (▶ 22.2).
• V ag. Untersuchung: klaffende Nähte, weite Fontanellen, dünne weiche Schä-
delknochen, Pergamentknistern, abnorme Beweglichkeit der Knochenränder.
Geburtsleitung  Prim. Sectio.

6.11.2 Anenzephalus

Schwerste Hirnfehlbildungen, in 75 % der Fälle mit Polyhydramnion. Fetus


nicht lebensfähig. Häufig Übertragung durch gestörten Steroidhaushalt des
Fetus.
6
Diagnostik 
• S ono: charakteristische Echokomplexe der Basis ohne Schädelkapsel.
• A FP: in 90 % der Fälle path. AFP-Werte im mütterlichen Serum, in 99 % der
Fälle im FW (▶ 6.1.6).
Geburtsleitung  Vag. Entbindung, ggf. nach Geburtseinleitung durch vag. Bla-
sensprung und vorsichtiges Ablassen des Polyhydramnions. Cave: Lageanomali-
en, Vorfall kleiner Teile (▶ 6.5, ▶ 6.8.2) oder Oxytocin-Dauertropf (häufig prim.
Wehenschwäche infolge der Uterusüberdehnung). Cave: Atonie p. p. (▶ 6.14.1).

Vakuumentbindung nicht möglich.

6.11.3 Steißteratome
Definition  Am Beckenende des Kindes sitzende, dreikeimblättrige Fehlbildung,
die i. d. R. ein Geburtshindernis darstellt.
Diagnostik  Sono ▶ 22.2.
Geburtsleitung  Prim. abdominale Schnittentbindung.
   6.12  Mehrlingsgravidität  313

6.11.4 Potter-Sequenz (renofaziale Dysplasie)


Definition  Bds. Nierenagenesie, verbunden mit verschiedenen anderen Verän-
derungen, v. a. des Gesichts (Verbreiterung und Abflachung der Nasenwurzel, tief
stehende Ohren, Epikanthus, Mikrogenie, auffällig alt wirkendes Gesicht) und der
Lungen (Hypoplasie). Das Kind verstirbt während der Schwangerschaft, sub partu
oder kurze Zeit p. p. Interruptio in der Frühgrav. anzuraten.
Diagnostik  Sonografisch Ahydramnie bzw. extreme Oligohydramnie, kindliche
Nieren spätestens ab der 20. SSW nicht nachweisbar, innerhalb von 2 h nach Gabe
von Furosemid 10–20 mg i. v. (z. B. Lasix®) keine Füllung der fetalen Harnblase;
Wachstumsretardierung.
Geburtsleitung  Spontanpartus anstreben.

6.11.5 Genetisch bedingte Fehlbildungen


Siehe auch ▶ 4.
Definition  Bei der Gametenteilung können durch Non-Disjunction zahlenmä-
ßige Abweichungen der Chromosomenzahl entstehen. Bei etwa 20 % der Trisomi-
en kommt es zur Entwicklung bedingt lebensfähiger Kinder mit typischen Fehl-
bildungen.
Diagnostik  Amniozentese ab der 15.–16. SSW oder Chorionzottenbiopsie in der
9.–13. SSW. (▶ 4.2.5 und ▶ 4.2.6).
Geburtsleitung  I. d. R. Spontanpartus möglich.

6.12 Mehrlingsgravidität
Der alleinige Umstand einer Zwillingsschwangerschaft ist keine Indikation zur
Sectio caesarea. Befindet sich der erste Zwilling in Schädellage und der zweite in 6
BEL, soll die vag. Entbindung keinen Einfluss auf die kindliche Morbidität ha-
ben. Befindet sich der erste Zwilling in BEL, wird z. T. die vag. Geburt angestrebt,
überwiegend aber eine prim. Sectio caesarea empfohlen. Befinden sich beide
Zwillinge in BEL, ist die prim. Sectio caesarea indiziert, ebenso bei Vorliegen ei-
ner monochoriaten bzw. monoamnioten Geminigrav. bzw. von fetofetalen
Transfusionssy., bei verbundenen Zwillingen (conjoined twins) oder bei Ge-
wichtsinkongruenzen > 20 %. Bei höhergradigen Mehrlingen ist die prim. Sectio
caesarea Standard.
Siehe auch ▶ 5.11.

6.12.1 Geburtshilfliche Besonderheiten
Die Geburt von Mehrlingen wird durch viele Probleme kompliziert. Gehäuft tre-
ten auf:
• A bnorme Lage und Haltung der Feten (▶ 6.5).
• V erhakung der Kinder, fetofetales Transfusionssy. (▶ 5.11.2).
• S tarke Überdehnung der Gebärmutter, vorzeitiger Blasensprung, Frühgeburt
(▶ 6.7).
• E PH-Gestose (▶ 6.8), Plazentainsuff.
314 6  Geburt  

• N abelschnurvorfall (▶ 6.8.1).
• P rim. Wehenschwäche.
• G efahr der vorzeitigen Plazentalösung des zweiten Zwillings nach Geburt des
ersten Zwillings (▶ 6.4.2).
• G efahr der uterinen Atonie in der Nachgeburtsperiode (▶ 6.14.1).
• B ei mehr als zwei Kindern prim. Schnittentbindung.

6.12.2 Geburtsleitung
Genaue Lagebeurteilung ante partum durch äußere Untersuchung (▶ 6.1.1) und
Sono (▶ 22.2).
• B ei > 2 Kindern prim. Schnittentbindung.
• G eburtshilfliches Prozedere bei Gemini (▶ Abb. 6.20):
– Beide Zwillinge in Schädellage: Spontangeburt möglich.
– 1. Zwilling in Schädellage, 2. Zwilling in Beckenlage: Spontangeburt mög-
lich, soweit das 2. Kind aufgrund seiner geringen Größe (< 3.000 g) und
geringer Weichteilwiderstände „leicht“ vag. entbunden werden kann.

SL + SL (45%) SL + BEL (35%) BEL + BEL (10%)

6 SL + QL (6%) BEL + QL (3%) QL + QL (1%)

Abb. 6.20  Lage der Zwillinge zueinander [L157]

Spontanpartus
Nur unter simultaner ständiger CTG-Kontrolle und Sectiobereitschaft.
Nach Spontangeburt des ersten Zwillings
• L agekontrolle, z. B. sonografisch (Längslage oder Querlage), HT-Kontrolle,
auf Blutung achten (vorzeitige Plazentalösung).
• A nschließend sofort Oxytocin-Dauertropfinfusion (▶ 6.13).
   6.13  Geburtseinleitung  315

• B ei ersten Wehen und Tiefertreten des vorangehenden Teils Amniotomie


und vorsichtiges Ablassen des FW (cave: Nabelschnurvorfall!).
• D ie Geburt des 2. Zwillings sollte innerhalb von 15–20 Min. erfolgen.
• B ei path. HF-Muster umgehend Entbindung anstreben, z. B. durch Vakuum-
extraktion (seltene Sectio des 2. Zwillings; ▶ 7.4).
Nach Geburt des zweiten Zwillings
Unmittelbar Oxytocin-Infusion, z. B. 50–100 ml NaCl mit Oxytocin 5–10 IE (z. B.
Syntocinon®).
Nach Geburt der Plazenten
• K ontraktionsmittel: Gabe von Methylergometrin 0,1–0,2 mg i. v. (z. B. Me-
thergin®) in mind. 50 ml NaCl oder i. m. oder bei verstärkter Blutung 10–
20 IE (bis max. 40 IE) Oxytocin (z. B. Sytocinon®) in mind. 50 ml NaCl und/
oder 0,2–0,4 mg (max. 0,5 mg) Methylergometrin (z. B. Methergin®) in mind.
50 ml NaCl oder i. m. (cave: kardiale Anamnese mit Sensationen!).
• In der Postplazentarperiode Gefahr der Atonie (▶ 6.14.1).

6.13 Geburtseinleitung
Jede Geburtseinleitung erfordert eine kritische und individuelle Risiko-Nut-
zen-Analyse. Wegen der häufig unvorhersehbaren Dauer der medikamentö-
sen Geburtseinleitung muss die strenge Indikationsstellung sowie der Zu-
stand des Kindes in utero beachtet werden. Die Dringlichkeit der Schwanger-
schaftsbeendigung bestimmt das geburtshilfliche Vorgehen (Geburtseinlei-
tung vs. Sectio caesarea).

Organisatorische Voraussetzungen
• A däquate apparative und personelle Überwachung von Mutter und Kind. 6
• T okolytika in Griffnähe (z. B. uterine Überstimulierung mit HF-Alteratio-
nen).
• M
 öglichkeit der Schwangerschaftsbeendigung durch Sectio caesarea.
Kontraindikationen
•  egelmäßige Wehen.
R
•  lacenta praevia.
P
•  orzeitige Plazentalösung.
V
•  uerlage oder Mehrlinge mit vorangehendem Kind in BEL oder Querlage.
Q
•  abelschnurvorliegen oder -vorfall.
N
•  orausgegangene Sectio (außer mit Querschnitt im unteren Uterinsegment)
V
oder Z. n. transmuraler Uterotomie z. B. Myomektomie.
•  bsolutes Kopf-Becken-Missverhältnis.
A
•  gf. Allergie gegen PG-Präparate.
G
•  gf. mütterlicher Status asthmaticus in der Vorgeschichte.
G
•  anifestes Amnioninfektionssy.
M
316 6  Geburt  

Besondere Vorsicht bei:


• Z . n. Sectio.
• M ehrlingen.
• B EL.
• Intrauteriner Wachstumsretardierung.
• V ielgebärenden.
• H ypertensiven Schwangerschaftserkr.
• G estationsdiabetes (insb. bei fetaler Makrosomie).
• P ath. Doppler.
• C TG-Veränderungen.
• S chwerwiegenden mütterlichen Erkr.

Methoden der Geburtseinleitung


• O
 xytocin-Infusion: 5 IE Oxytocin (Syntocinon®) in 500 ml Glukose 5 % oder
NaCl 0,9 % i. v. über Infusomat. Beginn mit 5–10 ml/h, Steigerung um
5–10 ml/h alle 15 Min. bis zum Auftreten regelmäßiger Wehen unter ständi-
ger CTG-Registrierung. Max. Dosierung: 120–180 ml/h. Max. Dosis 5 IE
Oxytocin oder:
• I ntrazervikales Gel: zur Geburtseinleitung bei unreifer Zervix (Bishop-Score
≤ 5). Intra-(endo-)zervikale Applikation von 0,5 mg PGE2-Gel (z. B. Prepidil®)
evtl. Wiederholung nach 6–8 h (zulassungskonform: 8–12 h) möglich.
• V aginalgel: bei Bishop-Score ≥ 4. Initialdosis 1 mg PGE2-Gel gefolgt von 1
oder 2 mg (Minprostin® E2-Vaginalgel) nach 6 h je nach Geburtsfortschritt.
Dosis in 24 h 3 mg. Cave: bei Nulliparität und unreifer Zervix (Bishop-Score
< 4) Initialdosis 2 mg (Tageshöchstdosis 4 mg).
• P GE2-Vaginalinsert: Einleitung der Zervixreifung ab 37. SSW unabhängig
vom Zervix-Score. 10 mg Dinoproston (Propess® 10 mg vag. Freisetzungssys-
tem) kontinuierliche Freisetzung von 0,3–0,4 mg/h bei zugelassener Liegezeit
6 von 24 h. Vaginalinsert mit Rückholband. Entfernung des Vaginalinsert bei
Einsetzen der Wehen, (V. a.) uterine Überstimulation, Hinweise auf „Fetal
Distress“ (CTG), systemische NW (Übelkeit, Erbrechen, Hypotonie, Tachy-
kardie), mind. 30 Min. vor Oxytocin.
• P GE2-Vaginaltablette: ausreichende Geburtsreife der Zervix. 3 mg PGE2-
Vag.-Tbl. (Minprostin® E2-Vaginaltablette), evtl. Wiederholung nach 6–8 h,
max. 6 mg in 24 h.
• O ff-Label-Use von Misoprostol (s. auch ▶ 5.19): Es existiert eine große An-
zahl randomisierter Studien mit Misoprostol zur Geburtseinleitung. Dabei
wurden unterschiedliche Dosierungen (25–100 μg) und Applikationswege
(intravag., p. o., s. l.) geprüft. Seit geraumer Zeit wird Misoprostol nicht mehr
in Deutschland vertrieben (cave: bei Anwendung besondere Aufklärungs-
und Haftungspflichten, Gefahrenübergang auf den Anwender!). KI bei Z. n.
Sectio caesarea oder anderen transmuralen Uterus-OPs.
   6.14  Pathologische Nachgeburtsperiode  317

6.14 Pathologische Nachgeburtsperiode
Ursachen und Risiken für verstärkte postpartale Blutungen
• G
 roße Episiotomien, Verletzung von Scheide, Zervix, Damm.
• U
 terusruptur.
• U
 terusatonie bei:
– Allgemeinanästhesie mit halogenisierten Kohlenwasserstoffen.
– Überdehnung des Uterus (Mehrlingsschwangerschaft, Polyhydramni-
on, Makrosomie).
– Uterusanomalien (Myome, Fehlbildungen, Z. n. Sectio).
– Protrahierte Geburt.
– Raschem Geburtsverlauf (uterine Hyperaktivität).
– Weheninduktion.
– Hoher Parität.
– Adipositas.
– Vorangegangener Uterusatonie.
– Chorioamnionitis.
– Tiefer Plazentaimplantation (Placenta praevia, Placenta accreta, incre-
ta, percreta).
• G
 erinnungsstörungen.

6.14.1 Uterusatonie
Definition
Blutung p. p. aus nicht kontrahiertem Uterus nach vollständiger Ausstoßung der
Plazenta.

Ursachen 6
Vorausgegangene atonische Nachblu- Uterus tief umfassen,
tungen (▶  Abb.  6.21), Mehrlinge, Ma­ ausdrücken, evtl.
krosomie, Polyhydramnion, protrahier- festhalten
te Geburt.

Diagnostik
Postpartale Blutung >  500 ml, großer,
schlaffer Uterus, Z. n. vollständig ausge-
stoßener Plazenta (keine Gefäßabrisse
am Plazentarand oder in den Eihäuten,
kein zurückgebliebener Plazentarest
von mind. Bohnengröße).

Therapie
Allgemeine Maßnahmen 
• E ntleerung der Harnblase. Abb. 6.21  Atonische Nachblutung nach
vollständiger Plazentaausstoßung: Der
• E isblase auf den Uterus legen. mit Blutkoageln angefüllte Uterus wird
• C redé-Handgriff: Hochziehen und mit dem Credé-Handgriff ausgedrückt
Kompression des Uterus zwischen und gehalten. [L157]
318 6  Geburt  

den dorsal den Fundus umgreifenden Fingern und dem ventral aufliegenden
Daumen der externen Hand (▶ Abb. 6.21).
• H amilton-Handgriff: Hochdrücken des Uterus und bimanuelle Kompression
zwischen der internen Faust im vorderen Scheidengewölbe und der externen
Hand hinter dem Fundus.
Medikamentöse Maßnahmen 
• 1 0–20 IE (bis max. 40 IE) Oxytocin (z. B. Sytocinon®) z. B. in mind. 50 ml
NaCl und/oder 0,2–0,4 mg (max. 0,5 mg) Methylergometrin (z. B. Mether-
gin®) z. B. in mind. 50 ml NaCl
oder
• P rostaglandine (PG) systemisch: PGE2-Derivat Sulproston i. v. (Nalador®)
500 μg auf 500 ml NaCl 0,9 % = 1,7 μg/ml, bis 8,3 μg/Min. entspricht 100–
500 ml/h, max. Gesamtdosis 1.500 μg/d. Cave: Glukose inaktiviert Sulproston!
Falls die Blutung nicht sistiert:
• S ulproston-Tropf kurzfristig bis auf 1.000 ml/h erhöhen.
• Ü bliche Maßnahmen wie Katheterisierung, Eisblase.
• S chockbekämpfung mit Plasmaexpandern, Humanalbumin, evtl. EK, FFP
▶ 3.5.
Blutet es weiter: Spekulumeinstellung und Versorgung eines häufig begleitend
auftretenden Zervix-Scheidenrisses, Gerinnungsdiag. (Thrombozyten, INR, PTT,
Fibrinogen, AT III), Nachtastung und Kürettage in Narkose. Wenn erfolglos:
• V orübergehende manuelle Uteruskompression, um A. uterina abzuklemmen:
Die in die Vagina eingeführte Hand komprimiert die Cervix uteri, während
die andere das schlaffe Corpus uteri umfasst.
• F alls immer noch ohne Erfolg vorübergehende Aortenkompression bis Hys-
terektomie oder vergleichbare Maßnahme durchführbar (Ligatur der Aa. ute-
rinae, der Aa. iliacae internae oder Kompressionsnaht des Fundus uteri), par-
allel zur Atoniebehandlung intensive Schockther. einleiten (▶ 3.5).
• K I wie kardiale Anamnese mit Sensationen bei Kontraktionsmittelgabe be-
6 achten. Kein Sekundenbolus!

Prostaglandine immer i. v. geben. Bei intraarterieller Injektion hohe Nekro-


segefahr. Glukose inaktiviert Nalador®. Bei schweren p. p. Blutungen kann
die lebensbedrohliche Situation die KI relativieren.

6.14.2 Verletzungen der Geburtswege


Treten meist als Dammriss auf. Da fast immer auch ein Scheidenriss besteht, wäre
die Bezeichnung Scheidendammriss richtiger. Dammrisse können prim. mit oder
ohne Dammschutz entstehen oder sek. durch Weiterreißen von Episiotomien.
Höhergradige Dammrisse korrelieren mit der Anlage von Episiotomien, vag.-op.
Geburten und höherem Geburtsgewicht. Stets an die Vermeidung einer unnöti-
gen Episiotomie denken!

Einteilung
• I . Grad: Hauteinriss (meist an der hinteren Kommissur) von Introitus,
Scheide und Damm ohne Verletzung der Dammmuskulatur.
   6.14  Pathologische Nachgeburtsperiode  319

• I I. Grad: Riss der Dammmuskulatur bis zum M. sphincter ani externus,


dieser bleibt intakt. Häufig mit ausgeprägtem Scheidenriss.
• I II. Grad: kompletter Dammriss, bei dem auch M. sphincter ani externus
und evtl. Rektumvorderwand (auch als Dammriss IV. Grades bezeichnet)
eingerissen sind.

Naht der Dammrisse


Bei Rissen I. und II. Grades Vorgehen wie bei Naht der Episiotomie (▶ 7.1), bei
Rissen III. Grades zusätzlich Naht des Sphinkters und evtl. des Rektums.
Zunächst werden die Sphinkterenden, die direkt unter der Haut liegen, wo die
radiär gefaltete Haut an die Wundränder stößt, aufgesucht, mit je einer Péan-
Klemme gefasst und vorgezogen.
Naht der Rektumvorderwand
Mit synthetischen, resorbierbaren Fäden (4–0) mit Einzelknopfnähten. Diese wer-
den durch das perirektale Bindegewebe, die Muskularis und die Submukosa gelegt,
die Mukosa wird dabei ausgespart. Die Nähte werden im Abstand von 0,5–1 cm ge-
legt und reichen bis zum äußeren Rand der Analhaut. Nie die Schleimhaut nähen.
Sphinkternaht
Nach Handschuhwechsel Vorziehen der Sphinkterenden und Anlage von ca. acht
Einzelknopfnähten durch das Perimysium und die angrenzenden Muskelfasern
(Fadenstärke 4–0), beginnend an der dorsalen Seite. Dabei liegen die Knoten der
dorsalen Nähte auf der Muskelfläche, die der ventralen Nähte außen auf dem Pe-
rimysium. Nach Vereinigung der Sphinkterenden entspricht die Naht von Schei-
de, Damm und Haut der Naht der Episiotomie (▶ 7.1).

Nachbehandlung eines Dammrisses III. oder IV. Grades


Weiche Kost und Stuhlregulierung, z. B. durch Laktulose 3 × 10 mg/d p. o. (z. B. 6
Bifiteral®). Keine Einläufe, kein Einführen von Suppositorien, keine rektale Un-
tersuchung.

6.14.3 Plazentalösungsstörungen

Wichtigste Störungen sind die Retentio placentae totalis oder partialis ohne
Blutung (> 25 Min.) oder mit Blutung (> 200 ml p. p.).

Ursachen
• P lacenta adhaerens: Bei mangelhafter Kontraktionsfähigkeit des Uterus
(= funktionelle Ursache).
• P lacenta accreta: z. B. bei Z. n. energischer Kürettage oder nach fiebriger
Fehlgeburt.

Therapie der Retentio placentae totalis


Wehenmittel wie Oxytocin 3 IE in mind. 50 ml NaCl i. v. (Syntocinon®), Plasma-
expander, Harnblasenentleerung (Katheter), leichte Uterusmassage, Eisblase auf
320 6  Geburt  

Unterbauch, evtl. Atropinsulfat 0,25–0,5 mg i. v. (z. B. Atropinsulfat Braun®),


Credé-Handgriff (▶ Abb. 6.21).
Wenn erfolglos oder bei unvollständiger Plazenta (Retention eines mehr als
bohnengroßen Plazentarests oder abgerissene Gefäße [Nebenplazenta?] am Pla-
zentarand oder in den Eihäuten):
• K urznarkose, äußere Desinfektion.
• E ingehen mit der re Hand und langem Handschuh in die Vagina; li Hand drückt
den Uterusfundus der re Innenhand entgegen. Lösung der Plazenta durch vor-
sichtiges Eingehen mit der Handkante zwischen Plazenta und Uteruswand.
• N achtasten und Kürettage des gesamten Uteruskavums.
• U terotonika (▶ 6.14.1).
• F alls nötig Schockbekämpfung (▶ 3.5).
Bei den sehr seltenen Fällen einer Placenta increta vollständige Plazentalösung
nicht möglich (cave: Perforationsgefahr). Meist nur Hysterektomie möglich.

6.15 Fruchtwasserembolie
Definition  Seltene, mit hoher Gefährdung der Mutter einhergehende KO im
Entbindungsverlauf oder im frühen Wochenbett durch Einstrom von FW in die
mütterliche Blutbahn mit Vasokonstriktion, Verlegung der Lungenmikrostrom-
bahn und anaphylaktischem Schock. Häufigkeit 1 : 30.000–1 : 80.000 Geburten.
Ursachen  Verletzung des mütterlichen Genitaltrakts (Schnittentbindung, Ute-
rusruptur, hoher Scheidenriss, Zervixriss), partielle Plazentalösung, Wehenmit-
telüberdosierung, gewaltsames Kristellern.
Klinik 
• L eitsymptom: Schock ohne erkennbare Ursache etwa 2 Min. bis 4 h nach Ein-
6 strom von FW in den mütterlichen Kreislauf.
• D yspnoe, Angst und Beklemmung, evtl. Bewusstseinsverlust, Krampfanfälle,
Uterusatonie, Rechtsherzinsuff., Verbrauchskoagulopathie, Anurie.
Differenzialdiagnosen  Lungenembolie, Spontanpneumothorax, eklamptischer
oder epileptischer Anfall, Uterusruptur, atonische Nachblutung oder akutes
Herzversagen anderer Genese.
Therapie 
• Intensivüberwachung, Schockbekämpfung (▶ 3.5), Überdruckbeatmung, evtl.
Adrenalingabe.
• Z VK, Volumensubstitution in Abhängigkeit vom ZVD (▶ 2.7).
• H erzglykoside.
• K ortikoide, z. B. Prednisolon max. 1.000 mg i. v. (z. B. Solu-Decortin H®).
• A zidoseausgleich.
• U terotonika bei uteriner Atonie (▶ 6.14.1).
• E vtl. EK, Thrombozytenkonzentrate, FFP, Low-Dose-Heparin unter INR-,
PTT-Kontrolle.
7 Geburtshilfliche Operationen
Kay Goerke

7.1 Episiotomie 7.4 Sectio caesarea


(­ Dammschnitt)  322 (­ Kaiserschnitt)  334
7.1.1 Techniken der 7.4.1 Vorbereitungen  334
­Episiotomie  322 7.4.2 Durchführung der Sectio
7.1.2 Naht der Episiotomie  323 ­caesarea (klassische
7.2 Vaginal-operative Form)  335
­Entbindungen  325 7.4.3 Postoperative
7.2.1 Voraussetzungen und ­Überwachung  336
­Vorbereitung  325 7.4.4 Modifizierter und
7.2.2 Vakuumextraktion ­vereinfachter (sanfter)
­(Saugglocke)  326 ­Kaiserschnitt
7.2.3 Forzepsentbindung (Misgav-Ladach-Sectio)  337
­(Zangenentbindung)  328 7.4.5 Anästhesiologisches Vorgehen
7.2.4 Schulterdystokie  329 bei Sectio caesarea  338
7.3 Manualhilfe bei 7.4.6 Notfallsectio  338
­Beckenendlage  330
7.3.1 Manualhilfe nach Bracht  330
7.3.2 Armlösung  332
7.3.3 Kopflösung nach
Veit-Smellie  333
322 7  Geburtshilfliche Operationen  

Wie bei allen Eingriffen bedürfen auch geburtshilfliche Operationen der Auf-
klärung und des Einverständnisses. Zeichnet sich unter der Geburt die Möglich-
keit ab, dass ein op. Eingriff notwendig wird, muss der Geburtshelfer die Pat.
über alternative op. Entbindungsverfahren aufklären. Je früher dies geschieht,
umso eher ist sie noch einwilligungsfähig und eine Risikoabwägung möglich.
Bei Grenzsituationen (z. B. hoher kindlicher Kopf) umfasst die Aufklärung die
geburtshilflichen Methoden Vakuum, Zange und Sectio sowie die jeweiligen
Gefahren für Mutter und Kind. Zwischen juristischen Forderungen und ge-
burtshilflicher Realität besteht eine erhebliche Diskrepanz. Es gilt der Grund-
satz: Je dringlicher die Situation ist, umso kürzer ist die Aufklärung. Die münd-
liche Aufklärung sollte immer vor Zeugen (z. B. Hebamme) erfolgen und im
Krankenblatt dokumentiert werden. Bewährt hat sich eine Basisinformation
über vaginale und abdominelle geburtshilfliche Eingriffe, z. B. im Rahmen ei-
ner vorgeburtlichen Aufklärung.

7.1 Episiotomie (Dammschnitt)
Wie bei jedem Eingriff strenge Indikationsstellung, eine Deszensus- oder In-
kontinenzprophylaxe ist nicht bewiesen. Höhere DR-III-IV-Raten nach Epi-
siotomie!

Indikationen 
• Straffe Weichteile.
• Frühgeburt (durch die Episiotomie wird der Druck auf den Kopf reduziert).
• Ungünstige Durchtrittsebene (Deflexionslagen ▶ 6.5.3).
• BEL-Entbindung (▶ 6.5.1, ▶ 7.3).
• Abkürzung der Pressperiode bei hypoxieverdächtigem CTG.
• Bei jeder vag.-op. Entbindung (▶ 7.2).
Vorbereitung  Analgesie durch Pudendusblockade (▶ 6.3.4) oder Lokalinfiltration
(▶ 6.3.6). Durchführung zum Wehenhöhepunkt, da dann am wenigsten schmerz-
haft. Möglichst nur mediane Episiotomie, da weniger Beschwerden, geringere Blu-
7 tung (oder Blutverlust), bessere Heilung, weniger Spätfolgen wie z. B. Dyspareunie.

7.1.1 Techniken der Episiotomie


Mediane Episiotomie
Vorteile  Relativ kleiner Schnitt mit max. Erweiterung des Scheideneingangs.
Kein Durchtrennen von Muskeln, größeren Gefäßen, Nerven- oder Fettgewebe.
Geringe Blutung. Einfache Naht mit guter Heilungstendenz und gutem kosmeti-
schem Resultat.
Nachteile  Begrenzte Erweiterungsfähigkeit. Weiterreißen zum Dammriss III.
Grades möglich.
   7.1  Episiotomie (Dammschnitt)  323

Durchführung  Spaltung des Damms mit der Dammschere von der hinteren
Kommissur ausgehend in der bindegewebigen Raphe, anatomisch am günstigsten
(▶ Abb. 7.1).

Mm. transversi
perinei

M. bulbospongiosus
lateral

mediolateral Raphe perinei


M. sphincter ani
median
M. levator ani

Abb. 7.1  Techniken der Episiotomie [L157]

Mediolaterale Episiotomie
Vorteile  Erweiterungsmöglichkeit zur Seite. Dammriss III. Grades kommt selte-
ner vor.
Nachteile  Größerer Blutverlust (von der Seite kommende Gefäße werden durch-
schnitten). Schlechtere Wundheilung; häufiger Schmerzen (Durchtrennen von
Nerven), Hämatome und Inf. Schwierigere Naht, besonders bei zusätzlichem
Dammriss III. Grades.
Durchführung  Ausgehend von der hinteren Kommissur in gerader Linie in ei-
nem Winkel von 45° nach lateral schneiden. Dabei Durchtrennen des M. bulbo­
spongiosus und des M. transversus perinei superficialis. Ausgedehnt reicht die
mediolaterale Episiotomie bis in die Fossa ischiorectalis mit dadurch häufiger ein-
hergehenden Wundheilungsstörungen.

Laterale Episiotomie
Schnittführung ca. 2 cm neben der Mittellinie nach re/li obsolet! 7
7.1.2 Naht der Episiotomie

Mit der Naht (▶ Abb. 7.2 und ▶ Abb. 7.3) möglichst bald nach der Plazenta-
geburt beginnen (cave: Blutverlust; noch vorhandene Anästhesie, z. B. bei
Pudendusblockade, ausnutzen). Die Nahttechnik ist bei allen Episiotomien
ähnlich, bei der mediolateralen wegen der schräg verlaufenden und asymme-
trisch klaffenden Schnittwunde aber schwieriger.

Anästhesie
Günstig ist die Naht bei bestehender Peridural- oder Spinalanästhesie. Sonst nach
Wunddesinfektion Infiltration der Wunde mit 15–20 ml eines Lokalanästheti-
324 7  Geburtshilfliche Operationen  

kums wie Mepivacain 1 % (z. B. Scandicain®, ▶ 6.3.6). Höchstdosis bis 60 ml 0,5 %
bzw. bis 30 ml 1 % bzw. bis 15 ml 2 % bei ca. 70 kg.

Nahtmaterial
Vorzugsweise synthetische, resorbierbare Fäden (z. B. Vicryl Rapid®, geringe Ge-
webereaktion). Die Wundheilung ist umso besser, je weniger Nahtmaterial ver-
wendet wird. Fadenstärke für Scheidenhaut und tiefe Dammschichten 3–0; Haut,
Rektum und M. sphincter ani externus 3–0 oder 4–0; bei Labienrissen 3–0 oder
2–0.

Vorbereitung
• Lagerung der Beine auf Beinhaltern,
Abdecken von Beinen und Anus
mit sterilen Tüchern und Desinfek-
tion des äußeren Genitales (z. B. mit
Octenisept®).
• Digitale Austastung des Rektums
auf Verletzungen. Sorgfältige Ins-
pektion der Scheide, bei V. a. Zer-
vixverletzungen (schnelle Eröff-
nungsperiode, verstärkte Nachblu-
tung, Atonie) sowie nach vag.-op.
Entbindungen Spekulumeinstellung
(▶ 6.14.2).
• Wenn Läsionen ausgeschlossen
sind, sterilen, dicken Tampon hoch
in die Scheide einführen, um aus
dem Uterus laufendes Blut aufzu-
Abb. 7.2  Naht der Episiotomie [L157]
fangen und die Scheide aufzusprei-
zen.

Naht
Scheidenhaut
Als fortlaufende überwendliche Naht oder als Einzelknopfnaht möglich. Wichtig:
7 Obersten Stich oberhalb des oberen Wundwinkels legen, um evtl. retrahierte Ge-
fäße zu unterbinden (Cave: Hämatom). Bei beiden Nahttechniken sollen die Sti-
che beidseits ca. 1 cm Scheidenhaut fassen und bis zum Wundgrund reichen (Tot­
raumvermeidung), Stichabstand ca. 1 cm. Den letzten Stich ca. 1 cm vor dem Hy-
menalsaum legen.
Tiefe Dammschichten
Ebenfalls fortlaufend oder als Einzelknopfnaht. Vereinigung der tiefen Damm-
schichten mit 3–5 Stichen. Für eine symmetrische Adaptation eignet sich die un-
terschiedliche Hautpigmentierung als Markierung. Bei der fortlaufenden Naht
sollte nur eine leichte Adaptation erreicht sein. Bei der Einzelknopfnaht erfolgt
der Einstich direkt unter der Haut, um eine sorgfältige Adaptation der Wundrän-
der zu erzielen.
   7.2  Vaginal-operative Entbindungen  325

Haut
Bei fortlaufender Naht wird zunächst die Subkutis fortlaufend vom Hymenalsaum
ausgehend verschlossen (Fadenende ca. 10 cm lang lassen und anklemmen), beim
letzten Ausstich Mitfassen des Koriums und Rückführung der Naht intrakutan im
Korium zum Hymenalsaum. Die Fadenenden miteinander verknoten. Einzel-
knopfnähte werden bei vorher gut adaptierten Wundrändern vom Hymenalsaum
ausgehend in einem Abstand von ca. 1 cm angelegt (nicht zu fest anziehen). Bei
intrakutan versorgten Episiotomien deutlich niedrigere KO-Rate!
Am Ende der Naht den Tampon aus der Scheide entfernen, nochmalige digitale
Austastung des Rektums auf Verletzungen (Durchstechungen bei der Naht) und
Kontrolle des Fundusstands.

Abb. 7.3  Stichführung bei der Episiotomienaht [L157]

7.2 Vaginal-operative Entbindungen 7
7.2.1 Voraussetzungen und Vorbereitung
Voraussetzungen  Schädellage, MM vollständig eröffnet, Höhenstand des größ-
ten Durchmessers des Kopfes zumindest auf Interspinalebene (besser auf Becken-
boden), eröffnete Fruchtblase, Ausschluss eines Missverhältnisses zwischen Kopf
und Beckenausgang durch Tastuntersuchung, Beherrschung der gewählten Tech-
nik, Aufklärung der Pat. über alternative op. Behandlungsverfahren, ausreichende
Analgesie.
Vorbereitung 
• Lagerung der Mutter im Querbett, Beine auf Beinhaltern, für Ausgleich der
Lendenlordose („Abwehrlordose“) sorgen, da sonst eine starke Krümmung
des Geburtskanals resultiert.
326 7  Geburtshilfliche Operationen  

• Entleerung der Harnblase, ggf. mit Einmalkatheter.


• Händedesinfektion des Operateurs, Desinfektion der Vulva (z. B. Octe-
nisept®).
• Vaginale Untersuchung: Muttermundweite, Höhenstand, Einstellung und
Haltung des vorangehenden Teils.
• Anästhesie: Periduralanästhesie oder Pudendusblockade, in Notsituationen
zumindest Lokalanästhesie vor Episiotomie (▶ 6.3.1, ▶ 6.3.4, ▶ 6.3.6).
• Episiotomie ▶ 7.1.
Tab. 7.1  Vergleich Vakuum- und Forzepsentbindung
Forzepsentbindung Vakuumextraktion

Vorteil Schnell anwendbar; man- Kein zusätzlicher Platzbedarf ne-


gelnde Rotation kann aus- ben dem Kopf
geglichen werden

Nachteil Höhere Rate an Scheiden- Abhängig von Geräten und Strom-


verletzungen versorgung

KO beim Kind Fazialisparese Intrakranielle Blutungen bei zu


schnellem Ablassen des Sogs oder
Abreißen der Glocke

KO bei der Mutter Scheidenverletzungen Zervixriss

Kontraindikationen 
• Unvollständige MM-Öffnung.
• Höhenstand der Leitstelle:
– über 0 bei Hinterhauptseinstellung.
– über +2 und querverlaufende Pfeilnaht.
– über +2 bei Deflexionshaltung.
• Verdacht auf zephalopelvines Missverhältnis.
• Makrosomie des Kindes bei protrahierter Geburt (4.200–4.500 g).
Prim. als schwer einzuschätzende Entbindungen aus Beckenmitte sollten bei aku-
ter fetaler Bedrohung (persistierende fetale Bradykardie) unbedingt unterbleiben.
In Grenzsituationen ist die sofortige Sectio vorzunehmen, insb. bei ungünstigen
Zusatzbedingungen (fetale Wachstumsretardierung, Plazentainsuff. usw.). Wird
7 während der Operation eine Fehlbeurteilung des Höhenstands oder der Einstel-
lung des Kopfes erkannt, müssen die organisatorischen Voraussetzungen für die
sofortige Durchführung einer Notfallsectio erfüllt sein.

7.2.2 Vakuumextraktion (Saugglocke)
Indikationen  Fetale Hypoxie, Wehenschwäche, Erschöpfung der Mutter, Herz-
vitien der Mutter, Geburtsstillstand in der Austreibungsperiode.
Vorbereitung  ▶ 6.2.1.
Durchführung 
• Spreizen der Labien zur Darstellung des Introitus vaginae.
• Auswahl der größtmöglichen Glocke (60, 50 oder 40 mm).
   7.2  Vaginal-operative Entbindungen  327

• Glocke schräg unter Schutz von Urethra und Klitoris einführen, dazu den
Damm nach hinten drücken, Aufsetzen der Glocke über dem Teil des Kopfes,
der sich nach vorne drehen und die Führung übernehmen soll, i. d. R. also
über der kleinen Fontanelle.
• Tastuntersuchung, ob kein mütterliches Gewebe in der Glocke miterfasst wurde.
• Erhöhen des Unterdrucks auf 2 m Wassersäule (= 0,2 kg/cm2).
• Nachtastung zur Kontrolle des korrekten Sitzes der Glocke über dem Kopf
und zum Ausschluss von mütterlichen Weichteileinklemmungen.
• Sog langsam auf 8 m Wassersäule
(= 0,8 kg/cm2) in ca. 60 Sek. erhöhen.
• Probezug zur Kontrolle, ob das Kind
dem Zug folgen kann.
• Bei exzentrisch angelegter Glocke
Korrektur der falschen Haltung durch
Traktion bis in die Führungslinie.
• Wehensynchrone Extraktion des
Kindes.
• Unterstützung der Expression durch
eine Hilfsperson durch Kristeller-
Handgriff (breitflächiger Druck auf
den Fundus mit beiden Händen oder
dem Unterarm, Richtung des Drucks
auf das Hinterhaupt des Kindes hin).
• Traktionsrichtung immer in Rich-
tung des Geburtskanals (▶ Abb. 7.4).
• Episiotomie mit Skalpell oder Schere
(▶ Abb. 7.1).
• Dammschutz beim Durchtreten des
Kopfes.
• Nach Entwicklung des Kopfes lang-
sames Ablassen des Sogs (über
­30–40 Sek.) und Entfernen der
­Glocke.
• Weitere Entwicklung des Kindes wie Abb. 7.4  Traktionsrichtung bei vagi-
bei Spontangeburt (▶ 6.2). nal-op. Entbindung [L157] 7
• KO ▶ 6.2.1.
Alternative  Saugglocke mit Handpumpe (Einmalgerät, z. B. Kiwi®).
• Vorteile: geringerer op. Aufwand, geringere Belastung der Mutter, schnellere
Anwendung.
• Nachteile: Kosten.
• Erhöhtes Risiko der Atonie p. p. beachten (Kontrolle von Fundus und
Vorlagen ▶ 6.14.1).
• Sorgfältige Spiegeleinstellung zum Ausschluss von Zervix- und Schei-
denrissen (obligat!).
• Kopfhautödem beim Kind verschwindet nach 2 h weitgehend, nach 24 h
nahezu vollständig.
328 7  Geburtshilfliche Operationen  

7.2.3 Forzepsentbindung (Zangenentbindung)
Indikationen  Geburtsstillstand in der Austreibungsperiode, Erschöpfung der
Mutter, fetale Hypoxie, Wehenschwäche.
Vorbereitung  ▶ 6.2.1.
Durchführung 
• Hinhalten der geschlossenen Zange (am weitesten verbreitet: kleine Naegele-
Zange mit Kopf- und Beckenkrümmung) vor die Vulva in der Position, in der
die Zange nachher angelegt werden soll.
• Einführen des linken Löffels (Merkspruch: links-links-links = li Zangenlöffel
– li Hand des Geburtshelfers – Zangenlöffel auf der li Seite der Pat. einfüh-
ren) unter Ausnutzung von Becken- und Kopfkrümmung. Zeige- und Mittel-
finger der re Hand schützen die Vagina (Einführen der Zange zwischen Hand
und kindlichem Kopf), der re Daumen hilft als Führungsschiene für den Zan-
genlöffel, der nie unter Gewaltanwendung eingeführt werden darf
(▶ Abb. 7.5)! Bei Schwierigkeiten Zangenlöffel entfernen und neu ansetzen.
• Einführen des rechten Löffels (rechts-rechts-rechts gilt analog). Der li Zan-
genlöffel wird vom kleinen Finger der li Hand gehalten, Zeige- und Mittelfin-
ger schützen die Weichteile.
• Schließen der Zange im Schloss ohne Kraftanwendung.
• Nachtasten, ob keine mütterlichen Weichteile mitgefasst wurden.
• Probezug, dabei liegt der Zeigefinger der vorderen re Hand am kindlichen
Kopf und kann so ein Abgleiten der Zange erkennen.
• Wehensynchrone Extraktion des Kindes, Unterstützung der Extraktion durch
eine Hilfsperson durch den Kristeller-Handgriff (breitflächiger Druck auf den
Fundus mit beiden Händen oder
dem Unterarm, Richtung des
Drucks auf das Hinterhaupt des
Kindes hin).
• Traktionsrichtung immer in Rich-
tung des Geburtskanals
(▶ Abb. 7.4).
• Episiotomie, wenn noch nicht er-
folgt (▶ 7.1).
7 • Dammschutz mit li Hand (Opera-
teur am günstigsten an li Seite der
Pat.).
• Nach Geburt des Kopfes Entfernen
der Zange, weitere Entwicklung des
Kindes wie bei Spontangeburt
(▶ 6.2).
• KO ▶ 6.2.1. Abb. 7.5  Forzepsentbindung [L157]

• Erhöhtes Risiko der Atonie p. p. beachten (Kontrolle von Fundus und
Vorlagen ▶ 6.14.1).
• Sorgfältige Spiegeleinstellung zum Ausschluss von Zervix- und Schei-
denrissen (obligat!).
   7.2  Vaginal-operative Entbindungen  329

7.2.4 Schulterdystokie
Definition
Die Schulterdystokie stellt ein „Hängenbleiben“ der kindlichen Schulter hinter
der Symphyse dar (= hoher Schultergeradstand).

Epidemiologie
Die Häufigkeit beträgt insgesamt ca. 0,15 %, bei Kindsgewichten > 4.000 g 3–10 %
(also mind. 20-fach gehäuft) und bei Kindsgewichten > 4.500 g 11–22 % (ca. 80-fach
erhöhtes Risiko). Das Wiederholungsrisiko beträgt 14 %, daher ggf. prim. Sectio
empfehlen. Bei bekanntem erhöhtem Risiko möglichst antepartale schriftliche
Aufklärung der Pat. über Risiken und Alternativen zur Spontangeburt!

Prädisponierende Faktoren
• Adipositas oder Diab. mell. der Mutter, übermäßige Gewichtszunahme in der
Schwangerschaft (> 15 kg).
• Übertragung, verlängerte Austreibungsperiode, frühzeitiges „Kristellern“.
• Vag.-op. Entbindung aus Beckenmitte.
• Mehrgebärende.
Klinik
Nach Geburt des Kopfes erfolgt kein weiteres Tiefertreten des Kindes. Der Kopf
wird von den Weichteilen in der Vulva quasi „festgehalten“.

Komplikationen
Fetale Hypoxie (Letalität 2–16 %), Klavikulafrakturen, Plexusschäden, evtl. mit
Horner-Sy. und bleibenden Schäden.

Therapie

Ruhe bewahren! Facharzt, Anästhesist und erfahrene Hebamme rufen.

Externe Maßnahmen 
• Abwechselndes Strecken und Beugen der Beine im Hüftgelenk unter gleichzeiti-
ger leichter Rotation des Beckens nach li und re (Stellungsänderung der Symphy- 7
se mit Vergrößerung der Conjugata vera um ca. 0,5 cm) = McRoberts-Manöver.
• Konstanter manueller Druck unmittelbar kranial der Symphyse („Rütteln der
vorderen Schulter“ vom geraden in den queren Durchmesser).
• Äußere Drehung des Kopfes in Abhängigkeit von der kindlichen Stellung: bei
I. Stellung (Rücken li) Kopf (Hinterhaupt) nach li drehen.
• Kein Kristeller-Handgriff, nicht am Kopf ziehen!
• Ggf. Bolustokolyse, z. B. Fenoterol 0,025 mg i. v. (z. B. Partusisten® intrapartal).
Interne Maßnahmen  Bei Erfolglosigkeit nach etwa 90 Sek.:
• Die in vielen Lehrbüchern beschriebene Fraktur der Klavikula ist obsolet!
• Digitale Rotation der nicht eingekeilten hinteren Schulter durch Druck auf
die kindliche Brust in den queren Durchmesser, hierzu mit der Hand von der
Bauchseite des Kindes kommen, Drehung des kindlichen Körpers versuchen.
Analgesie erforderlich.
330 7  Geburtshilfliche Operationen  

• Digitale Rotation der vorderen Schulter durch Druck auf den kindlichen Rü-
cken in den queren Durchmesser. Hierzu mit der Hand vom Rücken des Kin-
des kommen, Drehung des kindlichen Körpers versuchen. Der fetale Rücken
soll dadurch nach ventral kommen.
– Gelingt es nicht, die eingekeilte Schulter unter der Symphyse freizube-
kommen, sakralwärts mit der Hand eingehen und erst den hinteren
Arm an der Bauchseite des Kindes, anschließend den vorderen Arm lö-
sen.
– Gelingt die Entwicklung der vorderen Schulter auch dann nicht, Drehung
der hinteren, gelösten Schulter bis unter die Symphyse nach vorne (bei I.
Stellung im Uhrzeigersinn, bei II. Stellung gegen den Uhrzeigersinn). Von
der Bauchseite des Kindes her jetzt den 2. Arm lösen.
• Bei Erstpara und geschätztem Geburtsgewicht > 4.500 g sollte der Pat. pro-
phylaktische Sectio caesarea angeboten werden.

Stets sorgfältige Dokumentation des Geburtsvorgangs mit exakten Zeiten


und genauer Beschreibung der manuellen Maßnahmen. Ein Vermerk wie
„schwere Schulterdystokie“ reicht keinesfalls aus und könnte als Indiz für ein
fehlerhaftes Vorgehen gewertet werden. Frühzeitig Facharzt, Anästhesisten
und Pädiater informieren.

7.3 Manualhilfe bei Beckenendlage


Auch ▶ 6.5.1.

Risiken
• Nabelschnurvorfall durch mangelnde Abdichtung des Steißes im Ver-
gleich zum Kopf bei Schädellagen.
• Wehenschwäche und vorzeitige Plazentalösung durch Entleerung der Ge-
bärmutter zu etwa 70 %, bevor der größte Teil der Frucht (Kopf) geboren ist.
• Hypoxie des Kindes durch Kompression der Nabelschnur, sobald das Ab-
domen den Beckeneingang überschritten hat.
• Durch zu frühes Eingreifen des Geburtshelfers (Versuch der manuellen
7 Extraktion oder VE am Steiß) besteht die Gefahr des Hochschlagens der
Arme und damit einer bedeutenden Vergrößerung des Umfangs der
Frucht am nachfolgenden Teil.

7.3.1 Manualhilfe nach Bracht


Voraussetzungen 
• Ausschluss eines Missverhältnisses zwischen Kopf und Beckenausgang durch
Tastuntersuchung und Sono.
• Venöser Zugang, Anästhesie- und OP-Bereitschaft.
• CTG-Dauerüberwachung, bei geöffneter Fruchtblase ggf. mit KSE am Steiß.
• Ausreichende Analgesie (Periduralanästhesie oder Pudendusblockade).
   7.3  Manualhilfe bei Beckenendlage  331

Durchführung  Beginn der Manualhilfe erst, wenn der untere Winkel des vorde-
ren Schulterblatts sichtbar ist, da sonst die Gefahr des Hochschlagens der Arme be-
steht. Deshalb auch keine Extraktion, sondern vorsichtiges Herausleiten des Kindes.
• Lagerung der Mutter im Querbett, Beine auf Beinhaltern, für Ausgleich der
Lendenlordose („Abwehrlordose“) sorgen, da sonst starke Krümmung des
Geburtskanals.
• Entleerung der Harnblase, ggf. mit Einmalkatheter.
• Händedesinfektion des Operateurs, Desinfektion der Vulva.
• Eröffnen der Fruchtblase, sobald kindlicher Steiß auf Beckenboden und Epi-
siotomie (▶ 7.1).
• Fassen des Kindes mit beiden Händen, dabei liegen die Daumen des Geburts-
helfers auf den Dorsalseiten der Oberschenkel, die restlichen Finger auf dem
Rücken des Kindes (▶ Abb. 7.6).
• Oxytocin z. B. 5 bzw. 10 IE (z. B. Syntocinon®) auf 500 ml Glukose 5 %
­100–500 ml/h per infusionem.
• Kristeller-Handgriff durch Assistenz (breitflächiger Druck auf Fundus mit
beiden Händen oder dem Unterarm, Richtung des Drucks auf den Steiß hin),
wehensynchron.
• Der Rumpf wird wehensynchron mit den Daumen um die Symphyse herum
auf die Bauchdecken der Mutter geleitet (▶ Abb. 7.6).
• Dammschutz beim Durchtreten des Kopfes durch Assistenz.
Sehr gute Erfahrungen mit wenigen KO und geringem Interventionsbedarf
werden mit der Entbindung der BEL in Knie-Ellenbogen-Lage gemacht, wie
bei vielen Naturvölkern üblich. Nur vom darin erfahrenen Geburtshelfer an-
zuwenden!

Abb. 7.6  Manualhilfe nach Bracht [L157]


332 7  Geburtshilfliche Operationen  

7.3.2 Armlösung

Bei hochgeschlagenen Armen ist zur Verkürzung des Geburtsverlaufs die


Armlösung notwendig, da die neben dem Kopf liegenden Arme den Durch-
tritt des Kopfes durch den Geburtskanal unmöglich machen.
KO: Oberarmfraktur, Plexusschädigung. Die Hand des Geburtshelfers sollte
deshalb immer vom Rücken des Kindes her kommen.

Armlösung nach Lövset


Die jeweils hinten stehende Schulter wird vor den aufsteigenden Teil des
Schambeinastes gebracht. Durch nachfolgende Drehung des Kindes und Sen-
ken des kindlichen Rumpfes wird der Arm vor die Symphyse gebracht und
kann, wenn er nicht spontan herausfällt, vom Rücken her herausgestreift wer-
den.
Durchführung 
• Kind mit beiden Händen über dem Beckenende fassen, die Daumen liegen
auf dem kindlichen Rücken, Anheben des Kindes symphysenwärts, bis die
hintere Schulter vor dem Schambeinast liegt.
• Kind um 180° drehen und gleichzeitig senken, Drehrichtung der hinteren
Schulter auf den Rücken des Kindes zu. Dadurch wird der Arm von der zuge-
hörigen Schulter vor die Symphyse gedrängt.
• Evtl. Herausstreifen des Arms unter der Symphyse, dabei kommt die Hand
des Geburtshelfers vom Rücken des Kindes her.
• Kind erneut anheben, bis die zweite, jetzt hinten liegende Schulter vor den
Schambeinast kommt.
• Drehen um 180° in umgekehrter Richtung und Senken des Rumpfes. Evtl.
Herausstreifen des 2. Arms, dabei kommt die Hand des Geburtshelfers vom
Rücken des Kindes her.
• Lösung des Kopfes nach Veit-Smellie (▶ 7.3.3).
Kombinierte Armlösung nach Bickenbach
Zuerst wird der hintere Arm aus der Kreuzbeinhöhle gelöst, danach der vordere
Arm unter der Symphyse (▶ Abb. 7.7).
7 Durchführung 
• Fassen des Kindes an den Füßen mit dem Knöchelgriff, dabei wird die Hand
benutzt, die der Bauchseite des Kindes entspricht, Anheben des Kindes stark
symphysenwärts.
• Lösen des Arms aus der Kreuzbeinhöhle, dabei kommt die 2. Hand vom Rü-
cken des Kindes her, der Arm wird über die Brust des Kindes herausgeführt.
Zum Schutz vor Frakturen stützt der Daumen den Oberarm auf der Innen-
seite.
• Senken des Kindes, bis die vordere Schulter unter der Symphyse sichtbar ist.
• Lösen des vorderen Arms, dabei kommt die 2. Hand vom Rücken des Kindes
her, der Arm wird über die Brust des Kindes herausgeführt.
• Lösung des Kopfes nach Veit-Smellie (▶ 7.3.3).
   7.3  Manualhilfe bei Beckenendlage  333

Abb. 7.7  Armlösung nach Bickenbach [L157]

Klassische Armlösung
Prinzip  Zuerst wird, wie bei der Armlösung nach Bickenbach, der hintere Arm
aus der Kreuzbeinhöhle gelöst, danach wird die vordere Schulter durch „Stopfen“
in die Kreuzbeinhöhle gebracht und der Arm dort gelöst (▶ Abb. 7.7).
Durchführung 
• Kind mit dem Knöchelgriff an den Füßen fassen, dabei wird die Hand be-
nutzt, die der Bauchseite des Kindes entspricht, Kind stark symphysenwärts
anheben.
• Arm aus der Kreuzbeinhöhle lösen, dabei kommt die 2. Hand vom Rücken
des Kindes, der Arm wird über die Brust des Kindes herausgeführt. Zum
Schutz vor Frakturen stützt der Daumen den Oberarm auf der Innenseite.
• Kind mit beiden Händen fassen, die Daumen liegen auf dem Rücken. Der ge-
löste Arm wird mitgehalten, die andere Hand fixiert den Schultergürtel des
noch nicht gelösten Arms.
• „Stopfen“ des Kindes mit kurzen Bewegungen in der Längsachse, dabei wird
der Rücken des Kindes unter der mütterlichen Symphyse gedreht, bis der
noch nicht gelöste Arm in die Kreuzbeinhöhle gelangt.
• Kind an den Füßen mit dem Knöchelgriff fassen, dabei wird die Hand benutzt, 7
die der Bauchseite des Kindes entspricht, Kind stark symphysenwärts anheben.
• Arm aus der Kreuzbeinhöhle lösen, dabei kommt die 2. Hand vom Rücken
des Kindes her, der Arm wird über die Brust des Kindes herausgeführt. Zum
Schutz vor Frakturen stützt der Daumen den Oberarm auf der Innenseite.
• Lösung des Kopfes nach Veit-Smellie (▶ 7.3.3).

7.3.3 Kopflösung nach Veit-Smellie

Die Indikation zur Lösung des Kopfes ergibt sich bei protrahiertem Geburts-
verlauf, mangelnder Lösung des Kopfes beim Handgriff nach Bracht und
immer nach Armlösungen (▶ Abb. 7.8). Voraussetzung ist die dorsoanterio-
re Einstellung.
334 7  Geburtshilfliche Operationen  

Durchführung 
• Das Kind reitet auf dem Unterarm des Geburtshelfers, bei re BEL auf dem re,
bei li BEL auf dem li Unterarm.
• Arm vorschieben, bis der kindliche Mund erreicht werden kann, mit dem
Zeigefinger in den Mund eingehen, Daumen und Mittelfinger stützen den
Unterkiefer.
• Die andere Hand greift mit Zeige- und Mittelfinger über die Schultern des
Kindes (Hypomochlion).
• Das Kind abwärts ziehen, bis die Nackenhaargrenze unter der Symphyse
sichtbar ist.
• Anheben des Kindes, dabei unterstützt die innere Hand durch Krümmen des
Zeigefingers die Flexion des Kopfes.
• Entwicklung des Kindes auf den Bauch der Mutter.
• Ggf. Reanimation des Kindes ▶ 9.2.

Abb. 7.8  Kopflösung nach Veit-Smellie [L157]

7.4 Sectio caesarea (Kaiserschnitt)


Allgemein hat sich heute die Sectio caesarea intraperitonealis supracervicalis
durchgesetzt. Alle anderen Verfahren bedürfen der speziellen Indikationsstellung
und werden hier nicht behandelt.
7
7.4.1 Vorbereitungen
• Überprüfen der Ind., aufklären und Einverständnis einholen, im Notfall zu-
mindest mündlich vor Zeugen.
• Sicheren venösen Zugang legen, Blutentnahme für Gerinnung, E‘lyte, kleines
BB, Blutgruppe (sofern aus Mutterpass nicht bekannt).
• Blasendauerkatheter legen.
• Bei Frühgeborenen oder zu erwartenden KO Information der nächstgelege-
nen Kinderklinik und Vorbereitung der Verlegungspapiere, Organisation des
Transports.
• Thromboseprophylaxe mit niedermolekularen Heparinen (wie Enoxaparin
20 mg/d, z. B. Clexane® 20) bzw. Heparin z. B. 2 × 7.500 IE/d s. c. (z. B. Lique-
min®), Stützstrümpfe.
   7.4  Sectio caesarea (Kaiserschnitt)  335

• Auswahl eines geeigneten Anästhesieverfahrens; bei Notfalleingriffen Intuba-


tionsnarkose (cave: erhöhtes Aspirationsrisiko), sonst Spinal- oder Peridural-
anästhesie.
• Lagerung der Pat. in Linksseitenlage (OP-Tisch kippen oder Keil benutzen)
zur Vermeidung eines Vena-cava-Kompressionssy.
• CTG-Dauerüberwachung oder zumindest akustische Kontrolle der Herztöne
(Doptone, Holz- oder Metallstethoskop).
• Desinfektion der Bauchdecken, dabei Vulva mit sterilem Tuch vor Schleim-
hautreizung durch Desinfektionsmittel schützen, steriles Abdecken.
• Absauger für Kind sowie Absauger für FW und Blut anschließen und Funkti-
on überprüfen.
• Für gute Sauerstoffzufuhr vor Beginn der Narkose sorgen.
• Narkosebeginn erst, wenn alle Vorbereitungen abgeschlossen sind, um die
Narkosezeit für den Fetus möglichst kurz zu halten.

7.4.2 Durchführung der Sectio caesarea (klassische Form)

Um eine übermäßige Belastung des Kindes mit Anästhetika zu vermeiden,


sollte die Entwicklung des Kindes und Abnabelung bei Vollnarkose innerhalb
von 5 Min. nach Beginn der Narkose erfolgt sein. Somit muss meistens beim
Eröffnen der Bauchdecken auf eine subtile Blutstillung verzichtet werden.

Eröffnen der Bauchdecken  Suprasymphysärer Querschnitt nach Pfannenstiel.


Scharfe oder stumpfe Präparation des Fettgewebes bis auf die Muskelfaszie und
medianes Spalten der Faszie. Anklemmen der Faszie und bogenförmige Eröffnung.
Abpräparation vom Muskel teils stumpf (im lateralen Anteil) teils mit der Schere
(medial). Stumpfes Auseinandertrennen der Bäuche des M. rectus abdominis.
Eröffnung des parietalen Peritoneums in Längsrichtung, stumpfes Abschieben der
Harnblase nach kaudal. Eröffnen des viszeralen Peritoneums quer nach Anheben
mit der Pinzette oberhalb des Blasenscheitels. Stumpfes Abpräparieren der Blase
von der vorderen Uteruswand. Kleiner bogenförmiger Schnitt mit dem Skalpell
zur Eröffnung des Uterus, dabei die Dicke des Myometriums vorher palpatorisch
abschätzen, um eine Verletzung des Kindes mit dem Skalpell zu vermeiden. Ggf.
restliche Myometriumfasern mit der geschlossenen Schere stumpf durchtrennen. 7
Erweiterung der Uterotomiewunde stumpf mit zwei in den Uterus eingeführten,
gekrümmten Zeigefingern. Gründliches Absaugen des FW nach Amniotomie zur
Vermeidung einer FW-Embolie. Muss die quere Uterotomie erweitert werden
(sehr großes Kind, viel Platzbedarf bei Frühgeborenen), sollte diese bogenförmig
am Rand des Corpus uteri nach kranial weitergeführt werden. Die Erweiterung in
umgekehrter T-Form nach kranial bietet mehr KO.
Entwicklung des Kindes  Eingehen mit der Hand in den Uterus und Herausleiten
des vorangehenden Teils, Unterstützung durch Druck auf den Fundus (durch die
Bauchdecken). Wenn nötig, Relaxation des Uterus durch Gabe von Fenoterol
10–15 μg i. v. (z. B. 2–3 ml Partusisten intrapartal® nach 1 : 4-Verdünnung mit 4 ml
Glukose 5 %); Kind absaugen und abnabeln, Übergabe zur Erstversorgung. Nabel-
schnurblutentnahme (pH, Blutgruppe).
336 7  Geburtshilfliche Operationen  

Gabe von Kontraktionsmitteln, z. B. Oxytocin 3 IE (Syntocinon®) in 50 ml NaCl


und ggf. notwendigen Antibiotika. Manuelle Lösung der Plazenta, Austastung des
Uteruskavums auf Plazentareste und Uterusfehlbildungen. Gabe von Methylergo-
metrin 0,1–0,2 mg (z. B. Methergin®) in 50 ml NaCl oder i. m. Cave: keine Bolus-
gabe. KI: kardiale Anamnese mit Sensationen. Bei V. a. Plazentareste intraop. Kü-
rettage mit stumpfer Kürette durch die Uterotomiewunde hindurch.
Verschluss 
• Je zwei Ecknähte im Wundwinkel der Uterotomie legen. Evtl. Dilatation des
CK mit dem Finger oder Hegar-Stiften, um einen Lochialstau zu vermeiden
(anschließend Handschuhwechsel). Einzelknopfnähte zum Verschluss des
Myometriums, ohne das Endometrium zu fassen. Cave: Bei dünn ausgezoge-
nem unterem Uterinsegment (z. B. bei protrahiertem Geburtsverlauf) Uterus-
hinterwand nicht mitfassen!
• Blutstillung durch evtl. zusätzliche Nähte oder Elektrokauter. Fortlaufender
Verschluss des viszeralen Peritoneums nicht unbedingt notwendig.
• Bauchraum inspizieren (Adnexe, Douglas, Appendix, Palpation der Ober-
bauchorgane) und mit Ringer-Lsg. spülen. Fortlaufender Verschluss des
parie­talen Peritoneums. Verschluss der Muskelfaszie mit zwei fortlaufenden
Nähten nach Einbringen einer subfaszialen Redon-Drainage.

Bei jedem Abschnitt gründliche Kontrolle auf Bluttrockenheit. Bei Resectio


alte Hautnarbe mit dem Skalpell ausschneiden. Blutstillung im subkutanen
Fettgewebe. Fettadaptationsnähte je nach Dicke des subkutanen Fettgewe-
bes. Hautverschluss durch Intrakutannaht. Redon-Flasche mit Sog anschlie-
ßen.

Aktuelle Leitlinie im Internet unter: www.uni-duesseldorf.de/WWW/awmf

7.4.3 Postoperative Überwachung
Neben den allg. Richtlinien der postop. Maßnahmen gelten nach Sectio caesarea
folgende Besonderheiten:
7 • Funduskontrolle mindestens alle 8 h, Kontrolle der Lochien.
• Bei Rh-neg. Frauen und Rh-pos. Kindern postop. Rh-Prophylaxe (z. B. 1 Amp.
Partobulin® s. c.) nicht vergessen (▶ 9.4.4).
• Kontraktionsmittel, z. B. Oxytocin 10–20 IE (Syntocinon®) in 500 ml Glukose
5 % über 12 h als Tropfinfusion oder Oxytocin 10–20 IE und Methylergome­
trin 0,1–0,2 mg in 500 ml Glukose oder Carbetocin (Pabal®) 100 μg = 1 ml
(entspricht 50 IE Oxytocin) per infusionem. Cave: Anwendung z. B. bei KI
gegen Methylergometrin. Keine gesicherten Daten für Parbal über niedrigere
KO-Rate. Hohe Kosten.
• Urinkontrolle: Menge mindestens 70–100 ml/h; Cave: blutig, hämolytisch.
• Laborkontrolle postop. und nach 12–18 h (BB, E‘lyte, Gesamteiweiß).
• Ausreichende Analgesie mit Opiaten, z. B. Piritramid 15 mg i. m. (Dipido-
lor®), Tramadol 100 mg auf 500 ml Infusionslösung. i. v. (z. B. Tramal®).
• Baldiges Anlegen des Kindes unter Anleitung einer Hebamme oder Kinder-
krankenschwester.
   7.4  Sectio caesarea (Kaiserschnitt)  337

• Bei jeder medikamentösen Ther. auf KI bezüglich des Stillens achten (▶ 22).
• Verbandswechsel nach ca. 24 h, Mobilisieren nach ca. 7 h.
• Low-Dose-Heparinisierung über z. B. Dalteparin 1 × 2.500 IE/d s. c. (Frag-
min® P) etc. bis zur Entlassung oder Heparin 2 × 7.500 IE/d s. c. (z. B. Lique-
min®).
• Liegende Dauerkatheter nach Mobilisierung entfernen (ca. nach 12–24 h).
• Pat. darf nach Abklingen der Narkose (etwa nach 2 h) trinken, nach 12 h es-
sen.

7.4.4 Modifizierter und vereinfachter (sanfter) Kaiserschnitt


(Misgav-Ladach-Sectio)

Kurzfristige Vorteile der Methode sind niedrigere febrile Morbidität, rasche


Mobilität der Pat., niedriger Bedarf an Schmerzmitteln. Langfristige Vorteile
sind geringere intraabdominale Verwachsungen.

Anästhesie  Soweit keine KI vorliegen, sollte der Eingriff unter Spinalanästhesie


oder PDA durchgeführt werden. Diese ermöglicht der Mutter, die Entbindung zu
verfolgen und erleichtert das „Bonding“ zum Kind.
Durchführung 
• Rechtshändiger Operateur steht auf der rechten Seite der Pat., da es mit der re
Hand einfacher ist, den Kopf des Kindes zu entwickeln. Beim Nähen der Ge-
bärmutter wird damit zugleich die Nadelspitze von der Blase weg geführt.
• Gerader Hautschnitt (nicht bogenförmig) oberflächlich in der Hautquerlinie
3 cm unter der Verbindungslinie zwischen den beiden vorderen Spinae iliacae
anterior. In der Mitte des Schnitts befinden sich keine anatomisch bedeuten-
den Blutgefäße. Hier wird das Fettgewebe durchtrennt und ein kleiner Quer-
schnitt in die Faszie gelegt. Die Eröffnung der Faszie erfolgt mit einer gera-
den, stumpfen Schere, deren Spitze etwa 3 mm geöffnet ist und die Faszie
sanft re und li zur Seite hin inzidiert.
• Eröffnung der Faszie unterhalb der Blutgefäße und des Fettgewebes, anschlie-
ßend Mobilisierung mit beiden Zeigefingern nach kaudal und kranial. Die
Zeige- und Mittelfinger von Operateur und Assistent werden unterhalb der
Mm. recti platziert und ziehen langsam seitlich die Längsstrukturen ausein-
7
ander, möglichst auch nach kranial.
• Stumpfe Eröffnung des parietalen Peritoneums mit beiden Zeigefingern hoch
über der Blase. Beim Herauf- und Herunterziehen wird das Peritoneum ohne
Verletzungsgefahr der darunter liegenden Strukturen quer eröffnet. Keine
Bauchtücher verwenden, da diese Peritoneum und Darm reizen. Das Blasen-
peritoneum wird mit der Spitze des Skalpells quer eröffnet und nach kaudal
abgeschoben.
• Uteruseröffnung durch kleinen Querschnitt im unteren Uterinsegment, der
lateral mit dem Zeigefinger der li Hand und dem Daumen der re Hand ver-
breitert wird.
• Die Entwicklung des Kindes erfolgt mit der re Hand. Anschließend wird die
Plazenta manuell gelöst und der Uterus vor die Bauchdecke luxiert. Hierdurch
338 7  Geburtshilfliche Operationen  

wird das Nähen erleichtert. Zudem lässt sich der Uterus zur Verringerung der
Blutung manuell komprimieren, und die Adnexe können beurteilt werden.
Wundverschluss  Die Naht der Uterotomie soll einschichtig erfolgen, vorzugs-
weise mit einer großen Nadel. Blutkoagel werden aus der Bauchhöhle entfernt,
aber die Flüssigkeit kann zurückbleiben. Erythrozyten werden vom Peritoneum
absorbiert, das FW hat zudem bakteriostatische Eigenschaften.
• Die Bauchhöhle wird nur zweischichtig geschlossen, an Faszie und Haut. Um
die Faszie zu verschließen, werden die Faszienblätter seitlich mit je einer
Klemme gehalten, zwei weitere Klemmen werden im lateralen Drittel an die
Faszienblätter gelegt.
• Die Haut wird mit möglichst wenigen Nähten verschlossen, um eine gute
Drainage zu ermöglichen.
• Die lateralen Nähte können bereits nach 2 Tagen entfernt werden, die mittle-
ren Nähte am 5. postop. Tag. Die Mütter dürfen sofort nach der OP trinken.
Der Blasenkatheter wird spätestens am nächsten Tag entfernt.

7.4.5 Anästhesiologisches Vorgehen bei Sectio caesarea


Aus der Indikationsstellung und damit Festlegung des zeitlichen Vorgehens
durch den Geburtshelfer leiten sich das anästhesiologische Vorgehen und die
Wahl des Anästhesieverfahrens ab (▶ Tab. 7.2).

Tab. 7.2  Auswahl der Anästhesie bei Sectio in Abhängigkeit von der
­Indikation
Indikation Erläuterung Verfahren (Rangfolge)

Notfall Vitale Ind. für Mutter und Kind ITN

Dringlich Drohende intrauterine Hypoxie, SPA, ITN, PDA (bei liegendem Ka-
Kindesentwicklung < 30 Min. theter)

Elektiv z. B. Beckenendlage SPA, PDA, (ITN)

ITN = Intubationsnarkose; SPA = Spinalanästhesie; PDA = Periduralanästhesie

7 7.4.6 Notfallsectio
▶ Abb. 7.9
   7.4  Sectio caesarea (Kaiserschnitt)  339

Definition: Akute lebensbedrohende geburtshilfliche Zustände für Mutter und/oder Kind


Vorgabe: Entscheidung zur Sectio bis zur Entwicklung des Neugeborenen (E-E-Zeit)
innerhalb von 20 Min.

Vorl. Diagnose durch


diensthabenden Kreißsaalarzt

Kreißsaalarzt informiert: Sehr kurze Hebamme


Aufklärung 1. O2-Gabe und ggf.
1. Hintergrund durch
2. OP-Bereitschaft Beckenhochlagerung
Geburtshelfer 2. Notfalltokolyse richten
3. Anästhesiearzt und/oder
4. Kinderklinik 3. Notfallmäßige OP-
Anästhesist
Kreißsaal

Vorbereitung
4. Evtl. Rasur
Kreißsaalarzt: 5. Evtl. DK legen
1. Legt venösen Zugang 6. Transport in den OP
2. Evtl. Notfalltokolyse: (1 ml 7. CTG-Überwachung so
Partusisten® intrapartal ver- lange wie möglich
dünnt mit 4 ml NaCl) 2,5–5 ml
langsam i.v. (2 ml/Min.!)

Notfallmäßiges Waschen (oder je nach Dringlichkeit Verzicht auf Waschen) von


OP-Personal und Operateur, steriler Kittel, evtl. doppelte Handschuhe, rasche
Desinfektion des OP-Gebiets (Kipp-Desinfektion), sterile Abdeckung
OP

• Patientin rasch in leichter Linksseitenlage auf dem OP-Tisch lagern


• Klebeelektrode linker Oberschenkel
• Instrumente: Skalpell, Pinzette, Schere, Fritschhaken, Bauchdeckenspreizer, evtl.
Sauger und Monopolarkoagulator
• Alles andere (Sectionahtset etc.) erst nach Entwicklung des Kindes richten

Abb. 7.9  Einsatzplan für Notfallsectio [L157]

7
8 Wochenbett
Axel Valet

8.1 Leitsymptome und ihre 8.4  tillen  347


S
­ ifferenzialdiagnose  342
D 8.4.1 Mastitis puerperalis  348
8.1.1 Erhöhte Temperatur  342 8.5 Sonstige Erkrankungen  350
8.1.2 Rückbildungs­ 8.5.1 Tiefe Bein- und
verzögerung  342 ­Beckenvenenthrombose  350
8.1.3 Vaginale Blutung  343 8.5.2 Ovarialvenenthrombose  350
8.1.4 Unterbauchschmerzen  343 8.5.3 Beckenringlockerung  350
8.2 Endokrine Umstellung  343 8.6 Wundheilungsstörung  351
8.3 Rückbildung  344 8.6.1 Nach Episiotomie oder
8.3.1 E  ndometritis  345 ­Dammriss  351
8.3.2 Endomyometritis  345 8.7 Wochenbettberatung  352
8.3.3 Puerperalsepsis  346
8.3.4 Lochialstau
­(Lochiometra)  347
342 8  Wochenbett  

Das Wochenbett beginnt mit der Plazentageburt und endet nach 6–8 Wo. In die-
ser Zeit findet die Rückbildung der meisten durch die Schwangerschaft bedingten
Veränderungen statt. Aufgaben bei der Wochenbettbetreuung: Beobachtung der
Mutter-Kind-Beziehung, Wahrnehmung psychischer Veränderungen der Mutter,
Überwachung der Rückbildungsvorgänge, Blasen- und Darmentleerung, Wo-
chenfluss, Puls und Temperatur (Inf.), der Thrombose- bzw. Thrombophlebitis-
verhütung und Beratung, z. B. beim Stillen.

8.1  Leitsymptome und ihre


Differenzialdiagnose
8.1.1  Erhöhte Temperatur
• Bds. Brustspannen, deutliche Venenzeichnung, knotiger Drüsenkörper →
V. a. Milcheinschuss.
• Großer, druckdolenter Uterus; vermehrter, übel riechender Wochenfluss;
Blutungen → V. a. Endometritis, Endomyometritis. Zusätzlich septische Tem-
peraturen, Tachykardie, schweres Krankheitsgefühl, Gerinnungsstörungen →
V. a. Puerperalsepsis.
• Reduzierter bis verschwundener Wochenfluss (evtl. Status nach S­ ectio) →
V. a. Lochialstau (Lochiometra).
• Lokal überwärmte, gerötete Brust (meist einseitig), Schmerz eingrenzbar;
axilläre Lk-Schwellung, Infiltrat (evtl. Abszess) → V. a. Mastitis.
• Schwellung des Beins, Schmerz, Schweregefühl, livide Beinverfärbung, positi-
ves Homan- und Payr-Zeichen → V. a. Thrombose.
• Pollakisurie, Dysurie → V. a. Zystitis (▶ 3.3.1).
• Flankenschmerz, klopfschmerzhaftes Nierenlager (meist einseitig), evtl. Polla-
kisurie und Dysurie → V. a. Pyelonephritis (▶ 3.3.2).

Tab. 8.1  Typische Zeitpunkte für Wochenbettkomplikationen


Milcheinschuss 2.–4. Tag

Endometritis, Endomyometritis, Puerperalsepsis, Lochiometra 2.–10. Tag

Mastitis Ab 5.–6. Tag

Thrombose, Harnwegsinf., Pyelonephritis Jederzeit

8 8.1.2  Rückbildungsverzögerung
Physiologisch bei Sectio, Mehrgebärenden und Mehrlingsgeburten (▶ Abb. 8.1).
• Mäßige Temperaturerhöhung (37–38 °C), vermehrter Wochenfluss, leichte
Blutung → V. a. Endometritis (▶ 8.3.1).
• Temperaturerhöhung (38–40 °C), vermehrter Wochenfluss, mit deutlicher
Blutung, Druckschmerz am Uterus → V. a. Endomyometritis (▶ 8.3.2).
• Fieber (38–40 °C), reduzierter bis versiegter Wochenfluss, weicher Uterus,
keine Blutung → V. a. Lochiometra (▶ 8.3.4).
   8.2  Endokrine Umstellung  343

8.1.3  Vaginale Blutung


• Vergrößerter, evtl. blutender Uterus, Abgang von Plazentagewebe → V. a. Pla-
zentareste (auch sonografisch), Plazentapolyp.
• Hellrotes Blut, Schmerzen, Spekulumuntersuchungsbefund (immer durchzu-
führen bei Blutung) → V. a. Nahtinsuffizienz, nicht versorgte Geburtsverlet-
zung (z. B. Zervixriss, hoher Scheidenriss).
• Schmerzen, mäßige Temperaturerhöhung; vermehrter, übel riechender Wo-
chenfluss → V. a. Endometritis, Endomyometritis.
• Starker Blutverlust sub partu (▶ 6.14.1), FW-Embolie (▶ 6.15), HELLP-Sy.
(▶ 5.8.3), vorbestehende Blutungsneigung → V. a. Gerinnungsstörung (▶ 3.7).
• Keiner der vorgenannten Befunde → V. a. funktionelle Blutung im Wochen-
bett.

8.1.4  Unterbauchschmerzen
• Schmerzen nach körperlicher Bewegung, Stillen oder Gabe von Kontraktions-
mitteln → V. a. Uteruskontraktionen (Ausschlussdiagn.).
• Mäßige Temperaturerhöhung, vermehrter, übel riechender Wochenfluss →
V. a. Endometritis, Endomyometritis (▶ 8.3.1, ▶ 8.3.2).
• Fieber (38–40 °C), reduzierter bis versiegter Wochenfluss, weicher Uterus,
keine Blutung, bitemporaler Kopfschmerz → V. a. Lochiometra (▶ 8.3.4).
• Temperaturerhöhung, deutliche Druckdolenz, bei vag. oder rektaler Untersu-
chung palpabler Tumor → V. a. Hämatom.

8.2  Endokrine Umstellung


Die Östrogen- und Progesteronspiegel fallen nach Ausfall der bisherigen plazen-
taren Hormonproduktion akut ab. Die Hemmung der Hypophyse entfällt, sodass
hypophysäres Prolaktin gebildet wird (▶  8.4). P. p. sind die vorübergehend nur
minimal sezernierten Steroidhormone wohl für die leicht depressive Stimmung
(Maternity-Blues ▶ 20.3.3) mitverantwortlich, die in den ersten Wochen p. p. auf-
tritt. Der 1. Zyklus nach Geburt tritt zeitlich sehr unterschiedlich auf (▶ Tab. 8.2).

Tab. 8.2  Der erste Zyklus nach Geburt


Nichtstillende 3–6 Wo. p. p. erste Follikelreifung
Wöchnerin 5–10 Wo. p. p. erste Menstruation (große individuelle Unterschie­
de, 1. Zyklus häufig anovulatorisch)

Stillende Frauen Meist tritt erst gegen Ende der Stillzeit der 1. Zyklus auf (physio­
logische Laktationsamenorrhö)
Selten tritt die 1. Blutung nach 6–8 Wo. auf, noch seltener fin­
8
den sich regelmäßige Zyklen unter der Laktation

Stillen bietet keinen ausreichenden Konzeptionsschutz.


344 8  Wochenbett  

8.3  Rückbildung
Physiologische Rückbildung des Uterus (Involutio; ▶ Abb. 8.1) durch Gewe-
beabbau (Degeneration und Autolyse der überflüssigen Muskelfasern) und
Kontraktion.

Kontraktionen
Teilweise als Dauerkontraktionen, z. T.
auch rhythmisch (schmerzhafte Nach-
wehen), können durch Stillen („Reiz-
wehen“), körperliche Bewegung, regel-
mäßige Darm- und Blasenentleerung,
Eisblase und Kontraktionsmittel (z. B.
Methylergometrin, Oxytocin) angeregt 1. Tag pp
werden. Durch die Kontraktionen ent-
steht eine Blutstillung nach Ablösen der
Plazenta, außerdem Verkleinerung der 5. Tag
Wundfläche und damit zugleich Infek- 10. Tag
tionsschutz.

Lochien
Durch den Gewebeabbau entsteht der
„Wochenfluss“, der immer bakteriell
besiedelt ist. Cave: Händedesinfektion Abb. 8.1  Uterusgröße [L157]
(auch der Mutter nach Lochienkon-
takt).

Tab. 8.3  Uterusrückbildung


Woche p. p. Lochienfarbe

1. Wo. Blutig

Ende der 1. Wo. Braunrötlich

Ende der 2. Wo. Dunkelgelb

Ende der 3. Wo. Grauweiß

Nach ca. 4–6 Wo. Versiegen des Wochenflusses

8 Rückbildungsgymnastik
• Wichtig zur Kräftigung des Beckenbodens, Deszensusprophylaxe, auch nach
Klinikaufenthalt weiterführen.
• Rückbildung der in der Schwangerschaft vermehrten Flüssigkeitseinlagerung
im Gewebe durch vermehrte Ausscheidung im Frühwochenbett (bis zu 2–4 l
Urin tägl.).
   8.3  Rückbildung  345

8.3.1  Endometritis
Definition  Inf. an der Plazentahaftstelle.
Klinik 
• Uterus zu groß und druckempfindlich (Kantenschmerz).
• Vermehrte, übel riechende Lochien, leichte vag. Blutung.
• Temperaturerhöhung (meist bis ca. 38 °C), Abgeschlagenheit, häufig bitem-
porale Kopfschmerzen.
Diagnostik  Aufgrund des klinischen Erscheinungsbildes.
• Funduskantenschmerz, vergrößerter, weicher, druckdolenter Uterus.
• Labor: Leukozytose, CRP > 10 mg/l.
• Mikrobiologischer Abstrich wegen evtl. Mischinf. und Antibiotikaschnellre-
sistenztest anfertigen (wichtig bei Therapieversagen).
Therapie 
• Bettruhe, Eisblase.
• Bei Temperaturerhöhung nach dem 2. Tag p. p. sofort Kontraktionsmittel,
Methylergometrin 2–3 × 0,2–0,4 mg/d i. m. (z. B. Methergin®), ggf. in Kombi-
nation mit Oxytocin 2–3 × 2–3 Hübe als Spray (z. B. Syntocinon® Spray) oder
2–3 × 3–5 IE/d i. m. (z. B. Syntocinon®).

8.3.2  Endomyometritis
Definition  Auf das Myometrium übergegangene Inf. des Endometriums (▶ 13.4.3).
Klinik  Temperatur steigt (38–40 °C), viel Lochien, vermehrte uterine Blutung,
Spontanschmerz.
Therapie  Endometritis, Kreislaufüberwachung (1- bis 3-stündlich RR, Puls; ca.
4-stündlich Temperatur), EK, falls Hb < 8 g/dl. Cave: Keine Abrasio wegen intra-
op. Gefahr von Keimverschleppung und Perforation.

Tab. 8.4  Antibiose bei Endometritis


Antibiotika • Ampicillin 3 × 1 g/d p. o. (z. B. Binotal®) oder
primär • Ampicillin 3 × 1 g/d i. v. (z. B. Binotal®) und Metronidazol 2 ×
500 mg/d i. v. (Clont®) als Kurzinfusion oder
• Piperacillin 3 × 2 g/d i. v. (z. B. Pipril®) und Metronidazol 2 ×
500 mg/d i. v. (Clont®). Cave: Bei Metronidazol nicht stillen

… falls oh- Kombination aus:


ne Erfolg • Cephalosporin, z. B. Cefotaxim 2–3 × 2 g/d i. v. (z. B. Claforan®) und
Piperacillin 3 × 2 g/d i. v. (Pipril®) oder
• Cephalosporin, z. B. Cefotaxim 2–3 × 2 g/d i. v. (z. B. Claforan®) und
Metronidazol 2 × 500 mg/d i. v. (z. B. Clont®) und Aminoglykosid, 8
z. B. Gentamicin 3 × 40–80 mg/d i. v. als Kurzinfusion (z. B. Refoba­
cin®) oder
• Tobramycin 3 × 60–80 mg/d i. v. als Kurzinfusion (z. B. Gernebcin®).
Cave: bei Niereninsuff. und Untergewicht Dosisreduktion, evtl. Me­
dikamentenblutspiegel bestimmen, bei Metronidazol nicht stillen,
sondern Milch abpumpen
346 8  Wochenbett  

Die rechtzeitige Ther. der Endometritis (frühzeitige Kontraktionsmittelgabe)


schützt vor einer weiteren Aszension der Inf., die zur Salpingitis, Pelveoperi-
tonitis bis hin zur diffusen Peritonitis mit lebensbedrohlicher Puerperalsep-
sis führen kann.

8.3.3  Puerperalsepsis
Erreger sind A-Streptokokken (90 % der Fälle).
Klinik  Zusätzlich zu den Lokalbefunden der Myometritis alle Zeichen der Sep-
sis:
• Hohes intermittierendes Fieber > 39 °C, Schüttelfröste.
• Trockene rissige Zunge, schweres Krankheitsgefühl.
• Tachykardie, Tachypnoe, Übergang zum Kreislaufversagen mit Schockzei-
chen (▶ 3.5).
Komplikationen  Gerinnungsstörungen wie Thrombopenie, Mikrothrombosie-
rung in den Kapillaren, Gefahr der disseminierten intravasalen Gerinnung (▶ 3.7),
bei Verdacht Spezialisten hinzuziehen.
Diagnostik 
• Klinik: Zeichen der Endometritis, Sepsis, Pat. plötzlich schwer krank.
• Labor: hohes CRP (oft 20-fach erhöht), ausgeprägte Leukozytose (20–30/nl),
starke Linksverschiebung, Anämie. Blutkultur (meistens: Strept., Staph.,
E. coli, Proteus).

Tab. 8.5  Laborkontrolle bei Puerperalsepsis


2- bis 4-stündlich 8-stündlich 1 × täglich

BGA, kleines BB und Ge­ Krea, Quick, PTT, Fibrino­ CRP, großes BB, Laktat
rinnung gen, E‘lyte

Da die Leukozyten zum Zeitpunkt des Labortests schon wieder rückläufig


(bis normal) sein können, ist das CRP der wichtigste Parameter.

Monitoring  Intensivüberwachung von Kreislauf (mind. stündlich RR, Puls),


Temperatur (4-stündlich) und Ausscheidung (Dauerkatheter mit Stundenurome-
ter).
Therapie 
8 • Venöser Zugang, möglichst ZVD, Infusionsther. ▶ 2.7.
• Low-Dose-Heparinisierung: Heparin 3 × 5.000 IE/d s. c. (z. B. Liquemin®)
bzw. niedermolekulares Heparin, z. B. Clexane® 0,4, v. a. bei manifestem
Schock häufig Verbrauchskoagulopathie (Ther. ▶ 3.7).
• Antibiotika: Kombination aus:
– Cephalosporin + Piperacillin: z. B. Cefotaxim 2–3 × 2 g/d i. v. (z. B. Clafo-
ran®) und Piperacillin 3 × 2 g/d i. v. (Pipril®) oder
– Cephalosporin + Metronidazol + Aminoglykosid: z. B. Cefotaxim 2–3 ×
2 g/d i. v. (z. B. Claforan®) und Metronidazol 2 × 500 mg/d i. v. (z. B. Clont®)
   8.4  Stillen  347

und Gentamicin 3 × 60–80 mg/d i. v. als Kurzinfusion (z. B. Refobacin®).


Cave: Bei Niereninsuff. und Untergewicht Dosisreduktion, evtl. Medika-
mentenblutspiegel; bei Metronidazol nicht stillen, sondern Milch abpum-
pen. Bei gramneg. Sepsis monoklonale Ak, z. B. HA-1A (Kientoxin®),
­erwägen.
• Nach 6 h ohne Erfolg evtl. Hysterektomie nach Kreislauf- und Gerinnungs-
stabilisierung z. B. durch Erythrozyten-/Thrombozytenkonzentrate, FFP;
Hysterektomie ist aufgrund der hohen A-Streptokokken-Infektionsraten in-
zwischen eher umstritten.

8.3.4  Lochialstau (Lochiometra)


Pathogenese  Sollte der Muttermund (MM) verschlossen (häufig als Folge einer
mangelnden MM-Öffnung bei prim. Sectio caesarea → bei Sectio immer intraop.
suffiziente MM-Dehnung durchführen) oder durch Blutkoagel oder Eihäute ver-
legt sein, kommt es zu einer Stauung der Lochien.
Klinik 
• Beginn meist am 4.–7. Tag p. p. mit plötzlichem Fieber ≤ 40 °C.
• Vergrößerter, weicher, druckdolenter Uterus, stark reduzierte bis fehlende
Lochien.
Diagnostik 
• Inspektion: (Vorlagenkontrolle), Spekulumuntersuchung zeigt geschlossenen
MM und wenig bis fehlende Lochien.
• Palpation: weicher, vergrößerter Uterus.
• Sono: Transabdominal ist Lochialsekret intrauterin darstellbar.
Therapie 
• Kontraktionsmittel: zunächst Oxytocin 2 × 5 IE/d i. m. und Methylergomet-
rin 2 × 0,2–0,4 mg/d i. m. (z. B. Methergin®) + Spasmolytikum (z. B. Busco-
pan® supp.), bei weiterer Subinvolutio „Syntometrin-Tropf“ (250 ml NaCl
0,9 % + 1 Amp. Syntocinon à 8 IE), langsam tropfen lassen.
• Ggf. digitale Dilatation des MM, Wehen anreiben (Massage am Fundus durch
Pat.).
• Eisblase, viel aufstehen, Mobilisation, Rückbildungsgymnastik.

8.4  Stillen
Frauenmilch ist sowohl von der Nährstoffzusammensetzung als auch durch
den Immunitätsschutz die beste Nahrung für den Sgl. (künstliche Ernährung 8
▶ 9.3.1).

Vorgehen
Möchte die Wöchnerin stillen, sollte das NG möglichst in der 1. Stunde p. p. im
Kreißsaal angelegt werden. Eine Vollnarkose (z. B. bei Sectio) stellt keine KI zum
frühen Stillen dar.
• Milcheinschuss: 2.–4. Tag p. p.; pralle, z. T. schmerzhafte Mammae, gelegent-
lich auftretende Temperaturerhöhung auf ca. 38 °C für 2 Tage ist harmlos.
348 8  Wochenbett  

• Verbesserung der Milchproduktion:


– Brüste abwechselnd jeweils gut leer trinken lassen.
– Oxytocin (z. B. Syntocinon® Nasenspray 1 Hub) 5 Min. vor dem Anlegen.
– Reichliche Flüssigkeitszufuhr (mind. 2,5 l/Tag).
! Medikamente können auf die Muttermilch übergehen und das Kind gefähr-
den, insb. Psychopharmaka, Sedativa, Antibiotika und Cumarine.

Am besten gelingt das Stillen, wenn das Kind regelmäßig dann angelegt wird,
wenn es sich „meldet“ (Feeding on Demand), lediglich auf eine Spätmahlzeit
(gegen 22:00 Uhr) ist zu achten. Gewichtskontrolle (in den ersten Wochen
1 × tägl., später 1 × wöchentl.). Postpartal nimmt das Neugeborene bis zu
10 % seines Geburtsgewichts ab, holt dies jedoch in den ersten 10–14 Tagen
wieder auf.

Abstillen
Primäres Abstillen
Stillen wird nie begonnen.
• Flüssigkeitsrestriktion, Brust kühlen, evtl. hochbinden (meist reicht straffer
BH).
• Medikamentös: Bromocriptin 2,5 mg/d p. o. über 14 Tage (z. B. Pravidel®)
oder Cabergolin 1 mg/d p. o. (z. B. Dostinex®) als Einmalgabe.
Sekundäres Abstillen
Wie prim. Abstillen, aber häufiger KO. Cave: Dostinex® ist nicht zum sek. Abstil-
len zugelassen.

8.4.1  Mastitis puerperalis


Ätiologie
Erreger ist in 90 % Staph. aureus, der aus dem Rachen des NG durch Rhagaden in
das Brustparenchym gelangt.

Klinik
• Meistens am 8.–12. Wochenbetttag plötzliches Fieber bis 40 °C.
• Schmerzhafte Schwellung, bevorzugt am äußeren oberen Quadranten mit re-
gionaler Überwärmung (Rötung) und Druckdolenz. In 75 % einseitig.
• Verhärtung (Infiltrat) bis hin zum Abszess (Fluktuation) mit Gefahr der
Spontanperforation.
8 • Axilläre Lk-Schwellung.
! Die Unterscheidung zwischen Früh- und Spätphase der Mastitis muss dem
Erfahrenen vorbehalten bleiben (Vorstellung der Pat.). Engmaschige Kontrol-
le des Therapieerfolgs (am Folgetag) erforderlich.

Die Mastitis ist eine der häufigsten KO des Wochenbetts.


   8.4  Stillen  349

Diagnostik
• Klinik (s. o.); Labor mit BB, CRP. Bei Abszessverdacht Mammasono.
• DD Milchstau: Verhärtung der Brust, keine Rötung, kein Fieber → gut leer
trinken lassen, ggf. abpumpen, ggf. Bromocriptin 1–2 × 1,25 mg (z. B. Pravi-
del®), tägl. Kontrolle.

Therapie
Frühphase der Mastitis
• Prolaktinhemmer: Bromocriptin 2–3 × 1,25 mg/d p. o. (z. B. Pravidel®).
• Gute Brustentleerung: Kind anlegen oder Brust abpumpen, dabei Brust „aus-
streichen“ → meist rascher Rückgang der Beschwerden, es kann dann weiter
gestillt werden. Tägl. Befundkontrolle.
Fortgeschrittene Mastitis
Falls mit obigen Maßnahmen keine Entfieberung nach 12–24 h:
• Zusätzlich Antibiotika, z. B. Cefalexin 3 × 1 g/d p. o. (z. B. Cefalex® 1.000) oder
Oxacillin 3 × 1 g/d i. v. für 3 Tage (z. B. Stapenor®), nach lokaler Besserung
oral möglich.
• Ruhigstellung der Brust: Hochbinden, fester BH.
• Kühlung der Brust: Eisblase, kalte Alkoholumschläge.
• Stillverbot: Staph. in der Muttermilch löst GIT-Symptome beim Kind aus.
• Flüssigkeitsrestriktion auf 1.000–1.500 ml/d.
Beginnende Einschmelzung
Zusätzlich:
• Stillverbot (Erkr. des Kindes durch die eitrige Milch!).
• Bromocriptin 5 mg/d p. o. (z. B. Pravidel®).
• Wärmeanwendung (Rotlicht) zur Förderung der Abkapselung.
• Antibiotika (s. o.).
Abszess
Meist Inzision in Hautspaltlinien, Schnitt muss über die ganze Länge des Abszes-
ses gehen. Bei größeren Abszessen muss manchmal am tiefsten Punkt eine Ge-
geninzision durchgeführt und die Wundhöhle drainiert werden (▶ Abb. 8.2).

Prophylaxe
• Händedesinfektion vor dem Stillen, insb. nach Lochienkontakt.
• Rhagadenbehandlung (Bepanthen®-Salbe, Rotasept®-Spray).
• Ggf. zur vorübergehenden Schonung der Mamillen Stillhütchen verwen-
den.
• Milchstau vermeiden, indem die Brust beim Stillen gut entleert wird. 8
• Brustwarzen an der Luft trocknen lassen (feuchte, warme Kammer vermei-
den).
• Kind anfangs nur ca. 5 Min. anlegen.
• Vorsichtiges Herausnehmen der Mamille, ohne dass das Kind gleichzeitig da-
ran saugt, indem zuvor ein Finger in den Mund des Sgl. geschoben wird, an
dem er sich dann „festsaugen“ kann.
350 8  Wochenbett  

Inzision in Hautspaltlinien bei


1
typischer Abszesslokalisation

2 Oberflächliche periareoläre Zirkulär-


1
2 inzision bei subareolärem Abszess

3 3 „Bardenheuer-Schnitt” bei peripherem


oder retromamillärem Abszess

Abb. 8.2  Inzisionen der Mamma [L157]

8.5  Sonstige Erkrankungen


8.5.1  Tiefe Bein- und Beckenvenenthrombose
Durch Immobilisierung im Wochenbett kann in seltenen Fällen eine tiefe Bein-
oder Beckenvenenthrombose mit ihren KO entstehen (▶ 3.1.5).

8.5.2  Ovarialvenenthrombose
Definition  Heute seltene KO einer aszendierenden Endometritis, in der Vor-
Antibiotika-Ära lebensbedrohliches Krankheitsbild (Auslöser von Puerperalsep-
sis, Lungenembolie). Meist rechtsseitig wegen des vermehrten venösen uterinen
Rückstroms über die re Venen, gehäuft bei Adnexvarikosis (sonografisch darstell-
bar).
Klinik  Meist ab dem 2. Tag p. p. hohes Fieber, Schmerzen im re unteren Abdo-
men (DD Appendizitis), stellenweise durch die Bauchdecken palpable, strangför-
mige, derbe Resistenz.
Therapie  ▶ 8.3.3.

8 8.5.3  Beckenringlockerung
Pathogenese  Vorwiegend durch den Östrogeneinfluss kommt es in der Schwan-
gerschaft zu einer geringfügigen physiologischen Symphysenlockerung. V. a. nach
komplizierter vag. Entbindung Beckenringlockerung möglich. Der „Symphysen-
schaden“ tritt häufig schon während der Schwangerschaft auf.
Klinik  Kreuzschmerzen oder Schmerzen im Bereich der Symphyse. Schmerzen
beim Gehen verstärkt, v. a. beim Treppensteigen. Die liegende Pat. ist außerstan-
de, ein Bein selbstständig anzuheben.
   8.6  Wundheilungsstörung  351

Diagnostik 
• Sono: Messung des Symphysenspalts, path. ab ca. 12–14 mm.
• Rö: radiologische Messung des Symphysenspalts bei Diskrepanz des Sono-
Befunds zur Klinik, path. ab ca. 10-mm-Spalt oder bei Stufenbildung > 5 mm.
! DD: Retrosymphysäres Hämatom (vag. Untersuchung: retrosymphysärer,
druckdolenter, nicht sehr derber Tumor).
Therapie 
• Evtl. Stützmieder, Schonung mit Bettruhe für 2 Wo., bei Beschwerdepersis-
tenz länger.
• Analgetika: z. B. Paracetamol 1.000 mg p. o. oder supp. (z. B. ben-u-ron®).
• Antiphlogistika: Diclofenac 3 × 50 mg/d p. o. (z. B. Voltaren®). Cave: letztes
Trimenon und Stillperiode.
• Bei ausgeprägter Klinik ggf. „prim.“ Schnittentbindung nach Abschluss der
37. SSW.
! Chirurgische Intervention obsolet.

8.6  Wundheilungsstörung
8.6.1  Nach Episiotomie oder Dammriss
Die KO bei (weiter gerissenen) Episiotomien und Dammrissen sind gleich (▶ 8.1).

Wundschwellung
Klinik  Schwellung kann über die gesamte 1. Wo. bestehen und schmerzen.
Prophylaxe  Situationsadaptierte Schnittführung (▶ 7.1), gute Nahttechnik (z. B.
Intrakutannaht) mit atraumatischem Nahtmaterial (▶ 7.1.2).
Therapie  Eisblase; Antiphlogistika; Pat. soll wenig gehen und beim Stuhlgang
möglichst wenig pressen, dazu Stuhlregulierung z. B. mit Lactuveran® 1 Btl. (ent-
spricht 6 g Laktulose) am Abend des 2. Tages p. p. oder Movicol® 3 Btl./d.

Wunddehiszenz und -infektion


Klinik  Schmerzen, Schwellung oder Verhärtung und Rötung am häufigsten am
3.–4. Wochenbetttag. Meist kommt es 1–2 Tage später zur Wunddehiszenz.

Bei fortlaufenden Intrakutan-Episiotomienähten zeigen sich deutlich weni-


ger KO.

Therapie 
• Wundsanierung: Wunde unter lokaler Spülther. (z. B. H2O2 3 % + NaCl
8
0,9 %) vollständig eröffnen und reinigen; Granulation der Wundbasis abwar-
ten, ggf. spätere Sekundärnaht. Sollte eine Episiotomie-Inf. 24 h nach Thera-
piebeginn noch fortschreiten, ist eine Wundrevision in Vollnarkose mit voll-
ständiger Nekroseabtragung zu empfehlen.
• Antibiose: bei weiter fortschreitender Inf.:
– Cephalosporin + Piperacillin: z. B. Cefotaxim 2–3 × 2 g/d i. v. (Claforan®)
und Piperacillin 3 × 2 g/d i. v. (Pipril®) oder
352 8  Wochenbett  

– Cephalosporin + Metronidazol + Aminoglykosid: z. B. Cefotaxim 2–3 ×


2 g/d i. v. (z. B. Claforan®) und Metronidazol 2 × 500 mg/d i. v. (z. B.
Clont®) und Gentamicin 3 × 60–80 mg/d i. v. (z. B. Refobacin®) oder Tob-
ramycin 3 × 60–80 mg/d i. v. (z. B. Gernebcin®) als Kurzinfusion. Cave: bei
Niereninsuff. und Untergewicht Dosisreduktion; evtl. Medikamentenspie-
gel bestimmen. Bei Metronidazol nicht stillen, sondern Milch abpumpen.

• Vulvahämatom: meist spontane Resorption, Eiskrawatte vorlegen, An-


tiphlogistika (z. B. Voltaren® supp.), bei großen Hämatomen Inzision,
Ausräumung, ggf. Blutstillung.
• Scheidenhämatom: möglichst frühzeitig eröffnen und entleeren, damit
sich das Hämatom nicht infiziert und prim. Scheidenverschluss erreicht
wird.

8.7  Wochenbettberatung
Entlassungstermin
• Bei unkompliziertem Geburts- und Wochenbettverlauf meist am 3. Tag p. p.,
nach der kindlichen U2-Untersuchung durch den Pädiater.
• Bei Z. n. Sectio ab 4. Tag p. p. bei unauffälligem klinischem Befund.
Jeder Wöchnerin steht in den ersten 10 Wochenbetttagen kostenfrei eine ambu-
lante Betreuung durch eine Hebamme zu.
Zwischen 11. Tag p. p. und 8. Wo. p. p. kann Hebammenhilfe noch 16-mal in An-
spruch genommen werden, nach der 8. Wo. p. p. bis zum Abstillen bis zu 4-mal.
Weitere Besuche sind auf ärztliche Anordnung möglich. Kassenrezept mit der Be-
merkung „5 weitere Tage der ambulanten Hebammenbetreuung im Wochen-
bett“, möglichst mit Begründung, z. B. „Status nach schwerer Entbindung mit
Forzeps bei Geburtsstillstand in der Austreibungsperiode“.

Beratungsgespräch
Spätestens bei der Entlassung aus dem stationären Bereich muss mit der Wöchne-
rin ein ausführliches Beratungsgespräch geführt werden. Dabei müssen folgende
Punkte erwähnt werden:
• Rückbildung: Auf regelmäßige Blasen- und Darmentleerung achten; sollten
die Lochien wieder blutig werden, Unterbauchschmerzen oder Fieber auftre-
ten, muss ein Arzt aufgesucht werden.
• Stillen: Mastitissymptome erläutern, damit Pat. frühzeitig Arzt aufsucht
(▶ 8.4).
8 • Bei Milchstau oder Überproduktion: Brust ruhigstellen (Kühlen, festen BH
anziehen), Flüssigkeitszufuhr einschränken (ca. 1,5 l/d), ggf. Bromocriptin
(z. B. Pravidel®).
• Ernährung: ausgewogene, vitaminreiche Kost. In den meisten deutschen Ge-
genden empfiehlt sich eine Strumaprophylaxe, z. B. mit 200 μg/d Jodid. Bei
Hb < 12 g/dl Eisensubstitution zum Auffüllen der Eisenspeicher. Keine Diät
während des Stillens ohne ärztlichen Rat.
• Beckenbodengymnastik: für mind. 6 Wo. zur Deszensusprophylaxe.
   8.7  Wochenbettberatung  353

• Hygiene: Duschen ist jederzeit möglich. Solange der Lochialfluss besteht, soll-
ten jedoch keine Wannenvollbäder genommen werden.
• Sexualverkehr: Es sollte das Versiegen des Wochenflusses abgewartet werden
(ca. 4–6 Wo.), um Inf. zu vermeiden und um die Wundheilung bei Episioto-
mie oder Dammriss nicht zu stören.
• 1. Menstruation: tritt bei nicht stillenden Wöchnerinnen nach 5–10 Wo. auf,
bei Stillenden ist sie kaum vorhersagbar (evtl. erst nach Abstillen).
• Kontrazeption: Stillen stellt keinen sicheren Konzeptionsschutz dar. Kontra-
zeption kann entweder mit Barrieremethoden (Kondom), Kupfer-IUP oder
gestagenhaltigem Intrauterinsystem (z. B. Mirena®) (Einlage 6 Wo. p. p.) oder
gestagenhaltigen OH (Minipille ▶ 16.3.2) bzw. 3-Monats-Spritze (▶ 16.3.2)
durchgeführt werden. Letztere gehen in zu vernachlässigender Dosis in die
Muttermilch über, können aber, v. a. bei früher Gabe, die Milchproduktion
einschränken.
• Sterilisation: mittels laparoskopischer Tubenkoagulation; ist erst 6 Wo. p. p.
zu empfehlen (sonst hohe Rekanalisierungsrate!), falls vorher gewünscht, Mi-
nilaparotomie mit Tubenteilresektion, bzw. Tubensterilisation bei der Sectio.
• Folgeschwangerschaft: Nach Spontanpartus 6 Mon., nach Sectio 1 J. mit
nächster Schwangerschaft warten.
• Kind: Regelmäßige Früherkennungsuntersuchungen wahrnehmen (U2 am
3.–10. LT, U3 in der 4.–6. Lw).
• Nächste gynäkologische Untersuchung:
– Vag. Entbindung bei Beschwerdefreiheit: nach 6 Wo.
– Sectio: nach 4 Wo.
– Ambulante Entbindung: ärztliche Kontrolle nach 1 Wo. empfehlen.
– Psychische Probleme im Wochenbett ▶ 20.3.3.

8
9 Neonatologie
Marcus Krüger und Joachim Steller

9.1 Untersuchung des 9.4 Icterus neonatorum  372


­ eugeborenen  357
N 9.4.1 Grundlagen  372
9.1.1 Begriffsdefinitionen  357 9.4.2 Diagnostisches Vorgehen bei
9.1.2 Zustandsbeurteilung des Hyperbilirubinämie  372
­Neugeborenen  357 9.4.3 Fototherapie  373
9.1.3 Neugeborenenerst­ 9.4.4 Rhesusprophylaxe  374
untersuchung U 1  358 9.5 Früh- und Mangelgeburt  375
9.1.4 Pulsoxymetrie-Screening für 9.6 Infektionen  376
kritische angeborene 9.6.1 Neugeborenensepsis  377
­Herzfehler  359 9.6.2 Bekannte mütterliche
9.1.5 Reifezeichen ­Infektionen mit
(bzw. Bestimmung des β-hämolysierenden
­Gestationsalters)  359 ­Streptokokken  378
9.1.6 Anämie und 9.7 Fetale Fehlbildungen  379
Polyglobulie  360 9.7.1 Lippen-Kiefer-Gaumen-­
9.2 Reanimation des Spalten  379
­Neugeborenen  361 9.7.2 Polydaktylie, Syndaktylie  380
9.2.1 Kardiopulmonale 9.7.3 Fußfehlstellungen  380
­Reanimation  361 9.7.4 Spina bifida: Spaltbildungen
9.2.2 Intubation  363 im Bereich der Wirbelsäule
9.2.3 Beatmung  365 (Meningo-, Meningomye­
9.2.4 Nabelvenenkatheter  366 lozele, Arnold-Chiari-­
9.2.5 Absaugen  367 Malformation)  380
9.3 Ernährung, Rachitisprophylaxe 9.7.5 Ösophagusatresie  382
und Impfungen  368 9.7.6 Omphalozele  383
9.3.1 Künstliche Ernährung  368 9.7.7 Gastroschisis  383
9.3.2 Vitamin-D-Prophylaxe  368 9.7.8 Kardiovaskuläre
9.3.3 Vitamin-K-Prophylaxe  369 ­Fehlbildungen  384
9.3.4 Neugeborenen-Screening für 9.7.9 Operationstermine kindlicher
Stoffwechselerkrankungen Fehlbildungen  385
und Endokrinopathien  369 9.7.10 Häufigkeit multifaktoriell
9.3.5 Impfkalender  370 ­bedingter Krankheiten  385
9.8  eburtstraumen  385
G 9.9  eugeborenenkrämpfe  389
N
9.8.1 Intrakranielle Blutungen  385 9.10 Plötzlicher Kindstod  390
9.8.2 Klavikulafraktur  387 9.11 Hautveränderungen bei
9.8.3 Obere Plexuslähmung ­Neugeborenen  391
­(Erb-Duchenne)  387 9.12 Betreuung von Neugeborenen
9.8.4 Untere Plexuslähmung diabetischer Mütter  392
­(Klumpke)  387
9.8.5 Caput succedaneum und
­Kephalhämatom  388
   9.1  Untersuchung des Neugeborenen  357

9.1 Untersuchung des Neugeborenen


9.1.1 Begriffsdefinitionen

Tab. 9.1  Begriffsdefinitionen


Frühgeborenes < 37. SSW, bzw. < 260 Schwangerschaftstage

Termingeborenes 37. bis Ende 42. SSW, bzw. 260–294 Schwangerschaftstage

Übertragenes Kind ≥ 42. SSW bzw. > 294 Schwangerschaftstage

Eutrophes Kind GG zwischen der 10. und 90. Perzentile

Hypotrophes Kind GG < 10. Perzentile (= Small for gestational Age, SGA)

Hypertrophes Kind GG > 90. Perzentile (= Large for gestational Age, LGA)

9.1.2 Zustandsbeurteilung des Neugeborenen


Apgar-Index
Für die Einschätzung des Zustands eines Neugeborenen (NG) werden klinisch
leicht fassbare Befunde zur Beurteilung herangezogen und durch ein Punktesche-
ma nach Apgar 1, 5 und 10 Min. p. p. quantifiziert. Bei Frühgeborenen (FG) Beur-
teilung erschwert durch reifebedingte Störung z. B. von Atmung oder Muskeltonus.

Tab. 9.2  Apgar-Index


Punkte 0 1 2

Aussehen Blass, blau Stamm rosig, Extremitäten blau Rosig

Puls Keiner < 100/Min. > 100/Min.

Grimassieren Keines Verziehen des Gesichts Schreien


beim Absaugen

Aktivität Keine Spon­ Geringe Flexion der Extremitä­ Aktive Bewe­


tanbewegung ten gungen

Respiration Keine Langsam, unregelmäßig Kräftiges


Schreien

Bewertung:
9–10 Punkte: optimal lebensfrisch
7–8 Punkte: normal lebensfrisch
5–6 Punkte: leichter Depressionszustand
3–4 Punkte: mittelgradiger Depressionszustand
0–2 Punkte: schwerer Depressionszustand

pH-Wert im Nabelarterienblut
Die Bewertung des Umbilikalarterien-pH nach Saling ergänzt die NG-Zustands-
9
diagn. nach Apgar.
358 9  Neonatologie  

Der pH-Wert von NG im Nabelarterienblut liegt bei 7,21–7,31. Von einer signifi-
kanten Azidose bei NG wird ab einem pH-Wert < 7,1 bzw. < 7,0 ausgegangen.
Man unterscheidet zwischen respiratorischer und metabolischer Azidose. Zur
Unterscheidung dieser beiden Formen wird der Basenüberschuss (BE) herange-
zogen. Das Basendefizit in der Nabelschnur des gesunden NG liegt bei 4–5 mmol/l.
Für eine klinisch bedeutsame metabolische Azidose beim NG wird ein Basendefi-
zit > 12 mmol/l bzw. > 16 mmol/l veranschlagt.
Pathogenetisch ist davon auszugehen, dass bei einer Reduktion der Sauerstoffver-
sorgung im fetalen Blut der Fetus dies zunächst durch Umstellung der Perfusion
und Aktivitätsminderung kompensieren kann. Sind diese Mechanismen ausge-
schöpft, entwickelt sich eine metabolische Azidose mit möglichen irreversiblen
Schäden.

Tab. 9.3  Bewertung des Umbilikalarterien-pH-Werts


Umbilikalarterien-pH Bewertung

≥ 7,35 Optimale Azidität

7,34–7,20 Noch normale Azidität

7,19–7,10 Leichte Azidose

7,09–7,00 Mittelgradige Azidose

< 7,00 Schwere Azidose

9.1.3 Neugeborenenerstuntersuchung U 1
Zeitpunkt  Die klinische Untersuchung des NG, U 1, sollte in der 1. Lebensstun-
de erfolgen. Ziel ist die Erkennung von Gefährdungen oder Risiken, die umge-
hend zu behandeln sind. Die U  1 erfolgt durch Frauen- oder Kinderarzt, ggf.
durch die Hebamme. ▶ Tab. 9.4 zeigt die 50. Perzentile mitteleuropäischer Kinder
für Gewicht, Länge und Kopfumfang mit den als 10. und 90. Perzentile definierten
Normgrenzen.

Tab. 9.4  Geburtsmaße mitteleuropäischer Kinder in der 40. Woche


Perzentil

10. 50. 90.

Gewicht männlich 3.070 3.610 4.190

Gewicht weiblich 2.910 3.470 4.030

Länge (cm) 50 53 56

Kopfumfang (cm) 34 36 37

Durchführung 
9 • Zustand und Verhalten des NG beurteilen.
• Auskultation: Herz (▶ 1.2.3), Lunge, Atmung beurteilen.
   9.1  Untersuchung des Neugeborenen  359

• Inspektion:
– Haut: Farbe, Turgor, Ödeme, Blutungen, Geburtsverletzungen (▶ 9.8),
Angiome.
– Schädel und Sinnesorgane: Symmetrie, gespannte Fontanellen, Augen,
Ohren, Mund.
– Hals, Thorax: Schilddrüse (Struma), Schlüsselbein, Einziehungen.
– Skelett: Extremitäten, Wirbelsäule, Gelenke, Fußstellung, Faltenasymmetrie.
• Palpation: Abdomen (Tumor), Leber bis 3 cm unter Rippenbogen, Milz kann
eben tastbar sein, Nabel, Genitale, Femoralispulse, Analregion.
• Neurologische Untersuchung: Muskeltonus, Haltung, Motorik, Kopfkontrol-
le, Schiefhals, Fazialisparese, Schreireflex, Primitivreflex (Such-Saugreflex,
Handgreifreflex, Mororeflex).
• Dokumentation der erhobenen Befunde im Untersuchungsheft.
• Vit.-K-Gabe (nach Einverständnis) (▶ 9.3.3).
Risiken, die bei der U1 vorrangig zu beachten sind
• Niedriges Geburtsgewicht < 2.500 g (▶ 9.1.3).
• Makrosomie > 4.500 g, z. B. bei Diab. mell. der Mutter (▶ 3.4).
• Erkennbare Fehlbildungen, die zur sofortigen Behandlung verpflichten
(▶ 9.7.7).
• Störungen der Spontanatmung (▶ 9.2) oder kardiale Störungen (▶ 9.7.6).
• Geburtstraumen (▶ 9.8), Verdacht auf Amnioninf. (▶ 9.6).

9.1.4 Pulsoxymetrie-Screening für kritische angeborene


Herzfehler
Die Pulsoxymetrie mit einem handelsüblichen Gerät ermöglicht mit einer hohen
Aussagekraft die Erfassung kritischer angeborener Herzfehler. Die Durchführung
ist einfach und wird in vielen geburtshilflichen Abteilungen inzwischen regelhaft
durchgeführt. Erfasst werden zyanotische Herzfehler, aber auch Aortenisth-
musstenose oder eine kritische pulmonale Hypertonie mit Rechts-links-Shunt.
Durchführung 
• Im Alter von > 24 Lebensstunden.
• Bei ambulanter Entbindung vor Entlassung.
• Messort: nur am Fuß (postduktal!).
• Sichere Ableitung über 30 Sek.
• Dokumentation im Gelben Untersuchungsheft.
Interpretation SpO2 
• ≥ 96 % = unauffällig.
• ≤ 95 % = auffällig, Kontrolle nach 1 h, wenn weiter auffällig unverzügliche
Untersuchung vom Kinderarzt und Echokardiografie.

9.1.5 Reifezeichen (bzw. Bestimmung des Gestationsalters)


9
Das Reifealter ist der entscheidende Prognosefaktor für FG (▶ Abb. 9.1). Das Ge-
stationsalter wird durch Berechnung nach dem 1.  Tag der letzten Periode oder
360 9  Neonatologie  

dem Frühultraschall bestimmt. Die klinische Reifebestimmung hat keine Bedeu-


tung im klinischen Alltag. Bei nicht überwachter Schwangerschaft oder aus foren-
sischen Gründen kann sie sinnvoll sein. Unterhalb der 28. SSW sind alle publizier-
ten Scores ungenau. Fusionierte Augenlider sind ein verlässliches Zeichen, dass
das FG nicht reifer als 25 SSW ist.

Fuß eines Fuß eines Fuß eines


Frühgeborenen Neugeborenen Reifgeborenen
mit Falten im der 38. SSW mit mit Fußlinien
vorderen Fußanteil Faltenzunahme in über der
Richtung Ferse gesamten Sohle

Abb. 9.1  Beispielhaft: Reifezeichen Fuß [L157]

9.1.6 Anämie und Polyglobulie


Anämie
• Normaler Hämoglobinwert (Hb) des NG: 18–22 g/dl. Mit 3 Mon. physiologi-
scherweise Halbierung, anschließend Anstieg.
• Eine Anämie am 1. LT ist als Hb < 16 g/dl definiert, eine schwere Anämie mit
< 12 g/dl.
Ätiologie 
• Pränatal: Hämolyse (Blutgruppenunverträglichkeit, Erythrozytenmembran-
defekt, Hämoglobinopathien), gestörte Hämatopoese, konnatale Inf. (z. B.
Parvo B19).
• Peripartal: fetomaternaler, fetofetaler, fetoplazentarer Blutverlust (akut oder
chron.), Nabelschnureinriss, neonataler Blutverlust (Organblutungen).
Diagnostik  Bei jedem blassen NG Hb-Bestimmung, insb. bei zusätzlichen klini-
schen Symptomen wie Schlappheit, Atemstörung oder Tachykardie. Eine schwere
Anämie des NG, die nicht durch peripartalen Blutverlust erklärbar ist, muss wei-
ter abgeklärt werden.
Therapie  Ind. zur Transfusion hängt nicht nur vom Hb-Wert ab, sondern auch
von der Dynamik des Hb-Abfalls. Tachykardie und Laktaterhöhung sind Zeichen
der Dekompensation. Bei Hb < 12 g/dl am 1. LT Transfusion erwägen.
9
   9.2  Reanimation des Neugeborenen  361

Polyglobulie
Für die Blutflusseigenschaften ist der Hämatokrit (Hkt) entscheidend. Ab einem
Hkt > 70 % (≅ Hb 23 g/dl) nimmt die Blutviskosität exponentiell zu.
Ätiologie 
• Pränatal: Stimulation der Erythropoese, meist im Rahmen einer einge-
schränkten Sauerstoffversorgung des Fetus bei mütterlichen Erkr. wie
schlecht eingestelltem (Gestations-)Diab.
• Peripartal: durch späte Abnabelung oder längere Lagerung des NG unter Pla-
zentaniveau.
Klinik 
• Mikroperfusionsstörungen: Atemstörungen bis zur Beatmungspflichtigkeit;
neurologische Störungen mit Lethargie bis hin zu Hirninfarkten und renale
Probleme (Nierenvenenthrombose).
• Typischerweise begleitende Thrombopenie als Zeichen der Mikrothrombosie-
rung und Hypokalzämie.
Therapie  Bei Hkt > 65 % mit Symptomen und jedem Hkt > 70 % Teilaustausch-
transfusion gegen Albumin oder Voll-Elektrolytlsg.

9.2 Reanimation des Neugeborenen


9.2.1 Kardiopulmonale Reanimation
Indikation zur Herzmassage
Asystolie, anhaltende Bradykardie < 60/Min. oder elektromechanische Entkopp-
lung. Entscheidend ist die Auskultation (hörbare Herzaktion) oder der tastbare
Puls, nicht die EKG-Ableitung.

Eine reanimationspflichtige Situation bei Neonaten ist fast ausschließlich hypo-


xiebedingt. Eine effektive Oxygenierung stabilisiert die NG rasch (▶ Abb. 9.2).

Durchführung
Beatmung
• Atemwege frei machen (Absaugen), bei Mekoniumaspiration oder erbsbrei-
artigem FW tracheale Absaugung.
• Maskenbeatmung besonders bei Asphyxie mit Raumluft. Bei fehlendem An-
stieg der Sättigung (> 80 %) Fortsetzung mit 50 % Sauerstoff.
• Atemzugvolumen eines reifen NG nur ca. 20 ml!
• Kontrolle der Herzfrequenz und des Hautkolorits.
Kardiale Reanimation
Wenn Frequenz weiter < 60 SpM NG; < 80 SpM FG:
• Thoraxkompression mit Daumen, die Finger umfassen den Thorax.
• Kompression, bis deutlicher Widerstand. 9
• Frequenz 2/Sek. (120 SpM).
! Thoraxkompression und Beatmung im Verhältnis 3 : 1 (▶ Abb. 9.3).
362 9  Neonatologie  

• Wärmezufuhr
• Bei Atemwegsobstruktion Herzfrequenz,
(Mekonium, Blut, Schleim) Spontanatmung,
Absaugen der Atemwege Muskeltonus
• Trocknen, warme Tücher
• Positionierung, Stimulation Nein Ja

Maske mit Raumluft


HF < 100/Min.

5 Atemhübe > 100/Min.

• Atemhilfe
optimieren
Hilfe notwendig?

• Hebt sich HF 60–100 HF > 100 Kolorit


der Thorax?
HF↑ Suffiziente
• Erneut 5 Spontan- Rosig/ Zyanose
Atemhübe atmung: periphere
Beatmung Beendigung Zyanose
der Masken- O2-Gabe
beatmung
Thorax hebt sich

HF < 60 Überwachung

Beatmung,
Herzmassage
3 : 1, alle 30 Sek.
HF checken

Venöser Zugang,
Medikamente

Abb. 9.2  Algorithmus zur Primärversorgung eines Neugeborenen [L157]

Monitoring
• Pulsoxymetersättigung: SO2 > 90 % (ab 10 Min. p.p.). Akzeptable Sättigungs-
werte (obere Extremität) direkt postnatal: mit 2 Lebensmin. 60 %, mit 3 Le-
bensmin. 70 %, mit 4 Lebensmin. 80 %, mit 5 Lebensmin. 85 % und mit 10 Le-
bensmin. > 90 %.
• Beurteilung der patienteneigenen Herzaktion, unter Reanimation Pulswelle
fühlbar und ableitbar.
• Blutgase NG: pH-Wert ansteigend im Vergleich zum arteriellen Nabel-
schnur-pH, 1 h p. p. > 7,35, pCO2 30–50 mmHg, Standardbikarbonat 18–
9 22 mmol/l.
   9.2  Reanimation des Neugeborenen  363

Abb. 9.3  Herzdruckmassage und Beatmung beim Neugeborenen [L157]

Arzneimittel/Therapie
• Adrenalin 1 : 1.000 (1 mg/ml) mit 9 ml NaCI 0,9 % verdünnen (100 μg/ml).
Davon 0,1–0,3 ml/kg KG i. v. oder endotracheal (1 ml/kg KG), unter Reani-
mation alle 3–5 Min. wiederholen.
• Atropin: 0,1 mg = 0,2 ml absolut (Atropin Braun® 0,5 mg/ml) i. v., i. m.
• Venösen Zugang legen (Nabelvenenkatheter ▶ 9.2.4), Glukose 5 % 10 ml lang-
sam i. v.
• Volumengabe:
– Initial NaCI 0,9 % 10 ml/kg KG über 10 Min.
– Bei Hydrops fetalis Humanalbumin 5 % 10 ml/kg KG über 10 Min.
– Bei schwerer Anämie EK 10 ml/kg KG über 30 Min. (Blutgruppe 0 neg.,
ungekreuzt).
• Azidosebehandlung mit Natriumhydrogenkarbonat 8,4 % (= Natriumbikarbo-
nat) ist für die Reanimation nicht empfohlen. In Ausnahmefällen (anhaltend
schwere Azidose trotz adäquater Beatmung): Berechnete Pufferung (neg.
BE × KG × 0,3 = Natriumbikarbonat 8,4 % in ml) 1 : 1 oder 1 : 2 verdünnen
i. v. über 10 Min.
• Naloxon bei Opiatüberhang: 0,01 mg/kg KG = 0,05 ml/kg KG s. c., i. m. oder i. v.
• Kühlung auf ca. 34 °C Körperkerntemperatur nach Reanimation bei post­
asphyktischem Organversagen.

9.2.2 Intubation
Indikationen zur postnatalen endotrachealen Intubation
Hypoxämie, die mit Maskenbeatmung nicht beherrschbar ist (z. B. initial hoher
Eröffnungsdruck notwendig bei FW gefüllten Alveolen) oder Atemnotsy., Aspira- 9
tion, Pneumonie, anhaltende Apnoe/Hypopnoe (Frühgeburtlichkeit, ZNS-Fehl-
bildung, Opiatüberhang), Entfernung von Sekret oder Mekonium aus den zentra-
len Atemwegen. Reanimation.
364 9  Neonatologie  

Ateminsuffiziente FG lassen sich durch Anlage eines Rachentubus (nasal ca.


5 cm, reife NG 8 cm, vorschieben) und darüber applizierte Beutelbeatmung
(Mund zuhalten) stabilisieren. Dies ist effektiver als Maskenbeatmung oder
wiederholte Intubationsversuche mit bei FG hoher Verletzungsgefahr.

Intubation
Material  Beutel, Maske, Sauerstoff, Absaugvorrichtung, Laryngoskop, verschie-
dene Spatel, Magill-Zange, Tuben (▶ Tab. 9.5) passende Mandrins, Mandrin im
Tubus bis an die Spitze vorschieben, Pflaster, Monitor.
Medikation 
• Notfallintubation (Reanimation) ohne Medikamente.
• Elektive Intubation: Atropin 0,2 ml (= 0,1 mg) i. v., Pancuronium 0,1 mg/kg
KG (= 0,05 ml/kg KG) i. v.; Fentanyl 3 μg/kg KG langsam i. v. oder vergleich-
bares Opiat.

Tab. 9.5  Auswahl des richtigen Tubus


Körpergewicht (g) Tubusgröße (mm) Tubuslänge (cm) am Naseneingang bzw.
Mundwinkel

Nasotracheal Orotracheal

1.000 2,5 8 7

2.000 3,0 9 8

3.000 3,0 (–3,5) 10 9

4.000 3,5 11,5 10

Durchführung  Eine orotracheale Intubation ist nur mit harten Tuben (cave:
Verletzung) oder Silikontuben mit Mandrin möglich (Intubation rascher und für
Ungeübte „sicherer“).
• Monitoring anschließen (EKG, Sättigung).
• Kindlichen Kopf in Mittelstellung in leichte Überstreckung bringen, Schul-
tern mit Windel 2–3 cm dick unterpolstern, Unterkiefer nach ventral vorzie-
hen (▶ Abb. 9.4).
• Magen und Rachen absaugen, Absauger bereithalten.
• Medikation, soweit möglich.
• Beutel und Maskenbeatmung zum optimalen Voroxygenieren.
• Laryngoskop mit der li Hand am re Mundwinkel einführen (Mund mit re
Hand öffnen). Mit Spatel Zunge aufladen und nach li verdrängen. Rasch vor-
schieben, bis Epiglottis sichtbar. Cave: Zahnleisten nicht verletzen.
• Laryngoskop mit Daumen und Zeigefinger weiterführen, Kinn nach ventral
ziehen, mit den übrigen Fingern der li Hand Druck auf Kehlkopf. Mit Spa-
telspitze Epiglottis aufladen. Kehlkopfeingang jetzt sichtbar. Tubus mit re
Hand an Spatel entlang und in Glottis einführen. Mandrin entfernen lassen,
9 Tubus weiter vorschieben (2–3 cm), bei Widerstand leichte Drehbewegung
des Tubus oder Kopf gering beugen. Tubus gut festhalten, Laryngoskop ent-
fernen.
   9.2  Reanimation des Neugeborenen  365

• Beutel anschließen, Beutelbeatmung, Thoraxexkursion und -auskultation von


beiden Lungen und Epigastrium. Cave: Bei V. a. Mekoniumaspiration zu-
nächst absaugen und mit NaCI 0,9 % spülen.
• Tubusfixierung im Mundwinkel mit Pflasterstreifen auf mit Alkohol entfette-
ter Wange.

Abb. 9.4  Lagerung des Kopfs zur Intubation [L157]

Nasotracheale Intubation
Tubus durch Nase (sagittal-medial) vorschieben (nicht nach kranial) bis zum Hy-
popharynx, laryngoskopische Einstellung wie oben beschrieben. Tubus mit Ma-
gill-Zange im Rachen fassen und in Glottis einführen und durch die Nase von
Hand nachschieben. Pflasterfixierung am Nasenrücken. Cave: Intubationsversuch
bei Untersättigung oder Bradykardie abbrechen und Pat. über Masken- oder Ra-
chen-Beatmung stabilisieren.

9.2.3 Beatmung

Sofern möglich, intubierte Pat. an Beatmungsgerät anschließen, um kontrol-


lierte Druck- und Sauerstoffzufuhr zu gewährleisten.

Die Beatmung am Beutel sollte mit einer Frequenz von ca. 60/Min. durchge-
führt werden. Dabei sollte sich der Thorax gerade sichtbar heben, die Sauer-
stoffsättigung sollte >  92 % liegen (ggf. Sauerstoffzufuhr). Cave: Pneumotho-
rax.
• Kontrollierte Beatmung (IPPV, Intermittent Positive Pressure Ventilation):
druck- oder volumenkontrollierte Beatmung, lässt keine Eigenatmung des
Pat. zu.
• Beatmung am Beatmungsgerät mit PEEP (Positive End-Expiratory Pressu-
re): Atemwegsdruck, der bei Beatmung in der Exspirationsphase den Druck
intratracheal pos. hält (+3 bis +6 cmH2O) und damit den exspiratorischen
Alveolarkollaps verhindert.
• Unterstützende Beatmung (Intermittent Mandatory Ventilation, IMV): ap- 9
pliziert obligate Atemhübe, erlaubt daneben eigene Atemzüge des Pat., mit
366 9  Neonatologie  

Synchronisation (SIMV) Auslösung der Atemzüge durch Triggerung des Pat.


Standardbeatmungsform in der Neonatologie.
• CPAP (Continuous Positive Airway Pressure): keine Beatmung, kontinuierli-
cher Atemwegsdruck (PEEP) zur Alveoleneröffnung, die Atemhübe erfolgen
allein vom Pat.
• Rachen-CPAP: kontinuierlicher Atemwegsdruck im Rachen zur Alveolener-
öffnung und Atemstimulation von FG, durch den die tracheale Intubation
vermieden werden kann!
Risiken  Fehlintubation in den Ösophagus. Verletzungen bei Intubation: Stimm-
bandverletzung, Tracheaperforation, Blutung, Pneumothorax, Barotrauma der
Lunge, bakterielle Inf.

9.2.4 Nabelvenenkatheter

Der Nabelvenenkatheter (NVK) ist in jeder Notfallsituation ein sicherer Zu-


gang zur Infusion und Medikation von Früh- und Neugeborenen. Einfüh-
rung eines Katheters in die Nabelvene. In der Notfallsituation ist der Katheter
verwendbar, wenn Blut aspirierbar ist. Idealerweise über den Ductus venosus
Arantii hinaus bis in den rechten Vorhof. Nabelvene während der ersten fünf
LT sondierbar.

Durchführung 
• Lokale Desinfektion des Nabelstumpfs z. B. mit Alkohollösung (Kodan®), mit
Schlitztuch abdecken, Nabelschnur über Hautniveau mit Faden anschlingen
(cave: arterielle Blutung), Nabelschnurrest 1 cm vor dem Hautansatz durch-
trennen, erneute Hautdesinfektion, steriles Arbeiten.
• Nabelschnurstumpf durch zwei chirurgische Pinzetten spreizen.
• Darstellung und Spreizung der Nabelvene als größtes der drei Gefäße, i. d. R.
zwischen 11 und 2 Uhr liegend (Nabelarterie kreisrund! ▶ Abb. 9.5).
• Ggf. entfernen von Thromben mittels Pinzette. Sofern Verhältnisse nicht ein-
deutig: Darstellung des Venenverlaufs mittels Knopfsonde im Einführwinkel
von ca. 60° nach kranial gerichtet.
• Einführung eines mit NaCl 0,9 % gefüllten NVK (reife NG Ch 5, FG < 1.500 g
Ch 3,5), bis unter leichter Aspiration Blut gewonnen werden kann. Einführ-
länge: Gewicht < 1.000 g → 6 cm, 1.500–2.000 g → 8 cm, > 2.500 g → 10–12 cm
ab Hautniveau (radiologische Kontrolle der Katheterlage ist obligat!).
• Sterile Pflasterfixation.
• Sollte der Ductus venosus Arantii nicht überwunden werden, gelangt der Ka-
theter in periphere Pfortaderäste (keine Blutaspiration, federnder Wider-
stand). Hier dürfen keine Medikamente appliziert werden. Katheter zurück-
ziehen, bis frei Blut aspirierbar (reife NG ~ 5 cm ab Nabelgrund). In dieser
Lage können alle Notfallmedikamente appliziert werden.

9
   9.2  Reanimation des Neugeborenen  367

Abb. 9.5  Anlage eines Nabelvenenkatheters [L157]

9.2.5  Absaugen

Nur bei Atemwegsobstruktion durch Blut, Sekret, Mekonium wird das Frei-
machen der Atemwege p. p. durch Absaugen von Mund und Rachen, danach
von Nase und später vom Magen bei NG empfohlen.

Pharyngeales Absaugen
Durchführung  Einen Zeigefinger in den Mund einführen, sterile Absaugsonde
(Ch 10) in Mund und Rachen vorschieben, unter Aspiration (max. 0,2 bar) zu-
rückziehen. Anschließend Nase absaugen, bei Dyspnoe Sondierung (Ch  6) der
Nase bis zum Magen mit dünnem, sterilem Absaugkatheter zum Ausschluss einer
Choanal- oder Ösophagusatresie. Cave: Auslösung eines vasovagalen Reflexes mit
Bradykardie und Apnoe möglich. Besonders innerhalb der ersten 15 Min. p. p.

Tracheales Absaugen
Indikationen 
• Zwingend erforderlich bei Mekoniumaspiration mit deprimiertem Kind vor
Beatmung.
• Reanimation.
• Langzeitbeatmung.
Durchführung  Orale oder nasale Intubation (▶  9.2.2). Monitorüberwachung.
Nach Hyperventilation und Präoxygenierung (5–10 Atemzüge). Sterilen Absaug-
katheter ohne Sog entsprechend der Tubuslänge in den Tubus einführen, mit ein-
geschaltetem Unterdruck (0,1–0,2 bar) evtl. nach Anspülen mit 1 ml NaCl 0,9 %
unter drehender Bewegung zurückziehen. Der Vorgang sollte nicht länger als 10
Sek. dauern. Ggf. erneute Hyperventilation, Vorgehen wie beschrieben. Erneute
Lungenauskultation (Atelektase, Tubusposition unverändert), falls erforderlich, 9
Bronchiallavage mit NaCl 0,9 % (z. B. bei Mekoniumaspiration).
368 9  Neonatologie  

9.3 Ernährung, Rachitisprophylaxe und


Impfungen
9.3.1 Künstliche Ernährung

Stillen ist die optimale Ernährung von NG und Sgl. in den ersten Lm. Eine
Zufütterung (Tee, Milch) ist beim gesunden NG und zeitgerechter Milchbil-
dung unnötig. Eine Medikation der Mutter ist in aller Regel keine KI zum
Stillen. Echte KI sind floride Tbc, HIV-Inf. oder Inf., die mit Bakteriämie
einhergehen, sowie wenige andere Medikamente.
Wenn Stillen aus mütterlicher oder kindlicher Ind. nicht möglich ist, sollte
abgepumpte Muttermilch mit Löffel oder Flasche gefüttert werden.

Präparatewahl
Für die Säuglingsernährung steht industriell hergestellte Säuglingsnahrung auf Kuh-
milchbasis zur Verfügung (sog. Formula-Nahrung). Die Selbstherstellung ist obsolet
und führt zu Fehlernährung. Bei volladaptierten Nahrungen, die als Alternative zur
Muttermilch die erste Wahl sind, wird der hohe Eiweißgehalt der Kuhmilch reduziert
und qualitativ verbessert. Die Kohlenhydratanreicherung besteht nur aus Laktose.
Bei allergischer Disposition (Eltern) bietet Muttermilch Schutz vor früher allergi-
scher Erkr. (Neurodermitis). Alternativ sollten hypoallergene Präparate (Kuh-
milchprotein-Hydrolysat) verabreicht werden.

Nahrungssteigerung bei künstlicher Ernährung


• Beginn mit 20 ml/kg KG/d mit 6 Mahlzeiten.
• Steigerung um 20 ml/kg KG/d jeden Tag bis ca. Tag 8.
Ein reifes NG sollte als Zielmenge etwa nach einer Woche 1⁄6 seines KG/d an Nah-
rung erhalten. Hypotrophe NG oder FG 1⁄5 ihres KG (verteilt auf 8 Mahlzeiten).
Ein rascherer Nahrungsaufbau über diese Richtwerte hinaus (nach Trinkbedürf-
nis des Kindes) ist möglich.

Gewichtszunahme
Die physiologische postnatale Gewichtsabnahme beträgt 10–15 % des Geburtsge-
wichts, bei Werten > 10 % sollte die Trinkmenge (Fütterung abgepumpter Milch)
überprüft werden. Die durchschnittliche Gewichtszunahme nach Wiedererrei-
chen des Geburtsgewichts beträgt 150–250 g/Wo.

9.3.2 Vitamin-D-Prophylaxe
Vit. D3 (Cholecalciferol) ist das natürliche antirachitische Vit., das in der Haut aus
Vorstufen gebildet wird und bei Sgl. wegen des erhöhten Bedarfs zur ausreichen-
den Knochenbildung und Prophylaxe vor einer Rachitis mit der Nahrung zuge-
9 führt werden sollte. Es sollten 500 IE/d p. o. als Tbl. (z. B. Vigantoletten®) ab dem
7.  LT über mind. 1  J. (mit der Nahrung) verabreicht werden. FG erhalten
1.000 IE/d. Zur Kariesprophylaxe ist die gleichzeitige Gabe von 0,25 mg Fluor als
Kombinationspräparat pädiatrisch empfohlen (Fluor-Vigantoletten®).
   9.3  Ernährung, Rachitisprophylaxe und Impfungen  369

9.3.3 Vitamin-K-Prophylaxe
Die Vit.-K-Prophylaxe dient zur Prävention der Vit.-K-Mangelblutung, die schon
am ersten LT oder typischerweise im Alter von 4–8 Wo. als schwere Hirnblutung
auftritt (extrem erniedrigter Quick-Wert). Bei FG soll durch die parenterale Gabe
die „frühe“ Blutungsneigung vermieden werden. Vit.  K ist nicht in der Mutter-
milch enthalten, während bei Formelmilchnahrungen Vit.  K in geringer Menge
zugefügt ist. Besonders gefährdet sind NG mit teilweise auch passageren hepati-
schen oder biliären Erkr., weil dadurch die enterale Vit.-K-Resorption gestört ist,
ggf. ist dann die parenterale (s. c.; i. m.) Gabe indiziert.

Tab. 9.6  Vitamin-K-Prophylaxe mit Konakion N®


Zeitpunkt Neugeborene Frühgeborene

U1 (sofort nach Geburt) 2 mg = je 2 Tr. p. o. 500 μg = 0,05 ml i. v., i. m. oder s. c.

U2 (3.–9. LT) 2 mg = je 2 Tr. p. o. 2 mg = je 2 Tr. p. o.

U3 (4.–6. Lw) 2 mg = je 2 Tr. p. o. 2 mg = je 2 Tr. p. o.

9.3.4 Neugeborenen-Screening für Stoffwechselerkrankungen


und Endokrinopathien
Ziel des NG-Screenings (früher: Guthrie-Test) ist die frühzeitige und vollständige
Erfassung aller NG mit behandelbaren endokrinen und metabolischen Erkr. Ent-
scheidend für eine Screeninguntersuchung ist die lückenlose Untersuchung aller
Neonaten. Voraussetzung ist die Aufklärung und Unterschrift mindestens eines
Elternteils. Die Inzidenz aller genannten Krankheiten liegt in Deutschland etwa
bei 1 : 1.500 NG. Cave: Einige der Erkr. können schon in der ersten Lw zu lebens-
bedrohlichen Krisen führen.

Bei allen Neugeborenen wird die Früherkennung empfohlen für


• Hypothyreose.
• Phenylketonurie und Hyperphenylalaninämie.
• Ahornsirupkrankheit.
• Galaktosämie.
• Biotinidasemangel.
• Adrenogenitales Syndrom.
• Fettsäureabbau-Defekt (MCAD, LCHAD, VLCAD).
• Carnitinzyklus-Defekt (CPT-1, CPT-2. CAT).
• Glutarazidurie Typ I.
• Isovaterinazidämie.
Durchführung  Die Untersuchung erfolgt aus einer (kapillären) Blutentnahme
auf eine Filterpapierkarte (komplett durchtränkt). Die Probenentnahme erfolgt
zwischen der 36. und 72. Lebensstunde. Bei FG < 32. SSW erfolgt eine 2. Testung
mit Erreichen der 32. Wo. Wird ein NG vor der 36. Lebensstunde entlassen, muss
9
das NG-Screening vor Entlassung durchgeführt werden, ein 2. Test zur üblichen
370 9  Neonatologie  

Zeit. Die Versendung muss am Tag der Blutentnahme erfolgen. Die versendende
Klinik ist für die Dokumentation der Versendung (gelbes Kinder-Untersuchungs-
heft) und auch des Rücklaufs verantwortlich.

Hörscreening
Das Hörscreening soll nach den Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses
bei allen NG bis zum 3. LT durchgeführt werden. Ein bis zwei von 1.000 NG wei-
sen eine Hörschädigung auf, die eine rasche Versorgung mit Hörhilfen erforder-
lich macht. Bislang wurde eine Schwerhörigkeit bei Sgl. und Kleinkindern häufig
erst erkannt, wenn das Kind durch eine verzögerte Sprachentwicklung auffällig
wurde. Kinder mit leichterer oder mittelgradiger Hörschädigung werden meist
erst im Kindergartenalter, häufig sogar erst in der Schule auffällig. Ein besonderer
Risikofaktor ist die konnatale CMV-Inf. nach prim. CMV-Inf. der Mutter in der
Schwangerschaft und bei Geburt asymptomatischen Kindern.
Diagnostik  Die Untersuchung erfolgt mittels transitorisch evozierter otoakusti-
scher Emissionen (TEOAE) oder Hirnstammaudiometrie (AABR) vor Entlas-
sung des Kindes. Die Untersuchung ist mit entsprechenden Geräten schnell und
problemlos durchführbar. Bei auffälligen Befunden (häufig falsch auffällig) soll
am selben Tag spätestens bei der U 2 (in 95 % der Fälle noch in der geburtshilfli-
chen Abteilung), in Ausnahmefällen bei der U 3 eine AABR erfolgen. Bei „Risi-
kokindern“ wie FG, Kindern mit Chromosomenstörungen oder konnatalen Inf.
soll prim. eine AABR erfolgen. Die Verantwortung für die Durchführung liegt
bei dem leitenden Arzt der geburtshilflichen Abteilung. Die Dokumentation er-
folgt im gelben Untersuchungsheft, das Krankenhaus hat eine jährliche Statistik
vorzulegen.

9.3.5 Impfkalender
Um die Zahl der Injektionen möglichst gering zu halten, werden Kombinations-
impfstoffe verwendet. In ▶  Tab.  9.7 sind nicht alle verfügbaren Kombinations-
impfstoffe aufgeführt.

• Abweichungen von den vorgeschlagenen Terminen sind möglich und


u. U. notwendig. Ziel muss sein, unter Beachtung der Mindestabstände
zwischen den Impfungen möglichst frühzeitig zum angegebenen Termin
einen vollständigen Impfschutz zu erreichen. Die Fachinformationen sind
zu beachten.
• Die Hepatitis-B-Impfung ist bereits ab Geburt des Kindes möglich. NG
von Müttern, bei denen das Ergebnis der Hepatitis-B-Serologie nicht vor-
liegt, sollten nach Aufklärung und Einverständnis unmittelbar p. p. ge-
impft werden. Hepatitis-B-Impfung bei pos. HBsAg der Mutter ▶ 5.13.6.

9
   9.3  Ernährung, Rachitisprophylaxe und Impfungen  371

Tab. 9.7  Für Kinder und Jugendliche gemäß STIKO empfohlene Schutzimp-
fungen (Auszug)
Zeitpunkt Impfung Applikation Bemerkungen

Mit 2 Lm 1. Grundimmunisierung: i. m. z. B. Infanrix Hexa® als


Diphtherie – Tetanus – Pertussis 6-fach-Kombinations­
Haemophilus influenzae Typ B impfstoff
Polio (IPV) zusätzlich z. B. Preve­
Hepatitis B nar13® als Pneumo­
Pneumokokken kokkenimpfung

Mit 3 Lm 2. Grundimmunisierung: i. m.


Diphtherie – Tetanus – Pertussis
Haemophilus influenzae Typ B
Polio (IPV)
Hepatitis B
Pneumokokken

Mit 4 Lm 3. Grundimmunisierung: i. m.


Diphtherie – Tetanus – Pertussis
Haemophilus influenzae Typ B
Polio (IPV)
Hepatitis B
Pneumokokken

Mit 11–14 4. Grundimmunisierung: Diph­ i. m. KI: schwere Immunde­


Lm therie – Tetanus – Pertussis fekte, AIDS
Haemophilus influenzae Typ B MMRV-Kombinations­
Polio (IPV) impfstoff
Hepatitis B
Pneumokokken
1. Mumps – Masern – Röteln s. c./i. m.
(MMR)
1. Windpocken (V)

Ab 12 Lm Meningokokken Typ C Nur gegen Typ C. Kei­


ne Zeitabstände zu
anderen Impfungen
notwendig

15–23 Lm 2. Mumps – Masern – Röteln s. c. MMRV-Kombinations­


2. Windpocken impfstoff

5–6 J. Auffrischimpfung: i. m. Nicht früher als 5 J.


Diphtherie – Tetanus nach der letzten DT-
Impfung. Ab 6 J. redu­
zierter Diphtherieto­
xoid-Anteil (Td)

9–17 J. Auffrischimpfung: Diphtherie – i. m. Reduzierter Diphthe­


Tetanus, Polio (IPV) rie­toxoid-Anteil (Td)
Pertussis

12–17 J. Humane Papillomaviren (HPV Generelle Impfung


16,18), 3 Gaben ­aller Mädchen,
Abschluss der Impfung 9
vor dem 1. GV

In Deutschland erfolgt keine BCG-Impfung. Für weitere Details, Aufklärungspflicht


und KI siehe www.rki.de; nach den Empfehlungen der STIKO, Stand August 2011
372 9  Neonatologie  

9.4 Icterus neonatorum
9.4.1 Grundlagen
Definition  Beim Reifgeborenen liegt der Median des maximalen Bilirubins
(physiologisches Maximum) um den 5.  LT bei 7,5 mg/dl. Unkonjugiertes (indi-
rektes) Bili kann im Gegensatz zu konjugiertem direktem Bili die Blut-Hirn-
Schranke passieren und ist neurotoxisch. Die schwerste Ausprägung der Neuroto-
xizität des Bilirubins ist bedingt durch Bili-Ablagerungen v. a. in den Stammgang-
lien, der sog. Kernikterus mit schwersten motorischen und mentalen Defiziten.

Reife und gesunde NG ohne Hämolyse haben ein sehr geringes Risiko, einen
bleibenden Hirnschaden durch eine Hyperbilirubinämie zu erlangen.

Ursachen des physiologischen Ikterus 


• Verkürzte Lebensdauer der HbF-Zellen.
• Geburtstraumatisch bedingte Hämatome.
• Verminderte Glukuronyl-Transferase-Aktivität in den ersten LT (v. a. bei FG).
• Erhöhte enterohepatische Bili-Zirkulation (v. a. bei verzögertem Nahrungs-
aufbau oder Mekoniumabgang).
Einteilung 
• Icterus praecox: Gesamtbilirubin vor der 24. Lebensstunde > 7 mg/dl. Häufig
gleichbedeutend mit einem M. haemolyticus neonatorum. Sofortige Fotother.
und Verlegung in eine Kinderklinik.
• Icterus gravis: reife NG mit Gesamtbili 16 mg/dl.
• Icterus prolongatus: erhöhtes Bili beim reifen NG über den 9. LT hinaus.

9.4.2 Diagnostisches Vorgehen bei Hyperbilirubinämie


Entscheidend ist die Abgrenzung zwischen einem fototherapiebedürftigen ver-
stärkten physiologischen Ikterus und einem Ikterus als Ausdruck einer schweren
neonatalen Erkr. (M.  haemolyticus neonatorum, Sepsis) mit einem deutlich er-
höhten Risiko für eine Bilirubinenzephalopathie. Wichtig ist die Kenntnis der
Differenzialdiagn., um krankheitsverdächtige Konstellationen sicher erkennen zu
können! Bei Bili-Werten > 15 mg/dl sollte eine diagn. Abklärung erfolgen.

Inkompatibilitäten im AB0-System werden weder in der Schwangerschaft im


Antikörpersuchtest noch im direkten Antiglobulin-Test (direkter Coombs-
Test) aus Nabelschnurblut sicher erfasst.

Diagnostik 
• Körperliche Untersuchung (Kind vital oder krank!), ggf. erweiterte Anamne-
se (z. B. Hämoglobinopathien in der Familie).
Direkter Coombs-Test (= direkter Antiglobintest) (▶ Abb. 9.6).
9 •• 
Gesamt- und direkte Bili-Bestimmung.
• BB, Differenzial-BB, CRP (zum Ausschluss NG-Inf.).
• Bei Hämolyseverdacht: Retikulozyten und LDH.
   9.4  Icterus neonatorum  373

Bei richtungweisender mütterlicher Anamnese (Blutgruppe Rhesus neg., Antikör-


persuchtest pos., Liley-Index im FW) erfolgt die Bili-Bestimmung aus Nabel-
schnurblut (Nabelschnurbilirubin von 6 mg/dl stellt die Austauschgrenze bei ei-
nem M.  haemolyticus neonatorum dar!) sowie die genannte Labordiagn. sofort
postnatal.

Jeder erhöhte Bili-Wert kann Ausdruck einer NG-Inf. sein.

Hyper- Gesamt- Direkter neg. Direktes < 1,5* Diff.-BB Hkt

Frühgeborenen-Ikterus,
Kephalhämatom,
Hypothyreose,
Crigler-Najjar-Sy.
diabetische Fetopathie
biliru- Bili > 15* Coombs- Bilirubin Hkt, normal
binämie Test Retikulo-
zyten

pos. > 1,5 mg/dl Hkt.


erniedrigt
oder erhöht

Blutgruppen- Antikörper- infektiös: Polyzythämie


Bestimmung bestimmung: Neugeborenen- (Hkt > 70 %):
von Mutter • Rhesus (anti-D) sepsis, Späte Abnabelung,
und Kind • Untergruppen pränatale Infektion maternofetale
(anti c, E usw.) (TORCH), Transfusion,
• AB0, Kell usw. Hepatitis fetofetale
Transfusion
metabolisch: (bei Zwillingen)
Mukoviszidose,
Galaktosämie, Anämie
α1-Antitrypsin- (Hkt < 45 %):
* mg/dl mangel Sphärozytose,
Thalassämie,
Cholestase: Ery-Enzymdefekt,
Gallengangs- AB0-Ery-
atresie throblastose

Abb. 9.6  Diagnostisches Vorgehen bei Hyperbilirubinämie (nach Maier/Obladen


2011) [E622]

9.4.3 Fototherapie
Definition  Die Fotother. führt über verschiedene fotochemische Prozesse zur
Aufspaltung des unkonjugierten Bilirubins in ausscheidbare und nicht neurotoxi-
sche Metaboliten. Jedes sichtbare Licht kann verwendet werden. Effektiv ist Licht
der Wellenlänge 410–530 nm (energiereich, kein UV-Licht). Die Fotother. bei
Werten unterhalb der kritischen Grenzen kann auch bei der Mutter im „Bili-Bett“
oder mit „Biliblanket“ durchgeführt werden. Die Ind. zur Ther. ergibt sich aus
▶ Tab. 9.8. Zuvor sollte die oben genannte diagn. Abklärung erfolgen. Bei einem
Icterus praecox Verlegung in eine Kinderklinik. Bei Werten nahe der Austausch-
grenze engmaschige (2–4 h) Bili-Kontrolle.
Vorgehen  Augenmaske zum Lichtschutz der Retina, Windel entfernen, Kind
nackt unter Fotolampe (Abstand ca. 60 cm), regelmäßige Kontrolle von Hautwär-
me und -zustand, rektaler Temperatur, Vitalparametern, zum Füttern Pause so-
fern von Bili-Werten vertretbar. Regelmäßiger Lagewechsel (Bauch, Rücken).
Flüssigkeitszufuhr um 20 % erhöhen. Kontrolle bei unproblematischem Verlauf 9
nach 12 h, Fotother. für 24 h durchführen, bei im Verlauf weiter spontan fallen-
dem Wert Entlassung möglich.
374 9  Neonatologie  

Tab. 9.8  Bilirubinkonzentration mit Indikation zur Fototherapie oder Aus-


tauschtransfusion bei reifen gesunden Neugeborenen
Gesamtbilirubin in mg/dl

Alter (h) Fototherapie mit Austausch, wenn Fotothe­ Austausch


Lampe („Bili-Bett“, rapie über 4 h ohne Biliru­
Werte in Klammern) binabfall um 2 mg/dl

< 24 Jeder Icterus praecox (Bili > 7) ist pathologisch, Fotother., evtl. Aus­
tausch, rasche Verlegung

24–48 > 15 (> 12) > 20 > 25

49–72 > 18 (> 15) > 25 > 30

> 72 > 20 (> 17) > 25 > 30

Beim M. haemolyticus neonatorum muss bei deutlich niedrigeren Bili-Wer-


ten eine Austauschtransfusion erfolgen.

Nebenwirkungen  Allg. gering. Exanthem, dünner Stuhl, Dehydratation, Tempe-


raturinstabilität.

9.4.4 Rhesusprophylaxe
Problemkonstellation
Mutter Rh-neg. (15 %), Vater Rh-pos. (85 %). Ein Teil der Partner Rh-neg. Mütter
sind allerdings heterozygot, somit liegt die Häufigkeit Rh-pos. Kinder aus diesen
Verbindungen bei etwa 10 %.

Pathogenese
Defekte an der Grenze zwischen mütterlichem und kindlichem Kreislauf führen
bei bestimmten Schwangerschaftsereignissen zum Übertritt fetaler Erys, wobei ca.
0,1 ml fetales Blut bereits zur Ak-Bildung führen können.

Postpartale Rhesusprophylaxe bei der Mutter


Indikationen  Rh-pos. Kind bei Rh-neg. Mutter. Blutentnahme beim NG (z. B.
aus NS-Blut) unmittelbar nach der Entbindung einer Rh-neg. Mutter:
• AB0-Blutgruppe.
• Rhesusfaktor (D).
• direkter Antiglobulin-(Coombs-)Test.
Durchführung bei kindlicher Rhesus-Positivität  Bei jeder Rh-neg. Mutter: bis 48
oder spätestens 72  h nach dem Ereignis ca. 300 μg Immunglobulin-Anti-D i. m.
(z. B. 1,5 ml Partobulin®, Resonativ® oder Rhophylac® 300). Bei V. a. Makrotrans-
fusionen doppelte oder dreifache Dosierung. Falls die Anti-D-Prophylaxe unter-
lassen wurde, sollte diese bis 14 Tage nach der Geburt nachgeholt werden.
9
Eine Rhesusprophylaxe ist nur sinnvoll, wenn die Mutter noch keine Ak auf-
weist (indirekter Coombs-Test neg.).
   9.5  Früh- und Mangelgeburt  375

Tab. 9.9  Häufigkeit der Übertritte fetaler Erythrozyten in den mütterlichen


Organismus und Sensibilisierungsrate bei Rh-neg. Frauen.
Übertritte fetaler Erys (%) Sensibilisierungsrate (%)

Aborte < 12. SSW 20  3,5

Aborte > 12. SSW 30 4,0

Fieberhafte Aborte ≤ 45 5,0

Interruptio 20 5,5

Extrauteringravidität 30 1,0

Amniozentese, Chori- 5 2,0


onzottenbiopsie

Geburt ≤ 70 15,0

Antepartale Rhesusprophylaxe bei der Schwangeren


Antepartale Prophylaxe generell bei jeder Rh-neg. Schwangeren inkl. Partial-D,
z. B. DVI empfohlen.
Weitere Indikationen  Bei Rh-neg. Schwangeren bei Amniozentese, Chorionzot-
tenbiopsie, Kordozentese, Blutungen in der Schwangerschaft, Abruptio (auch me-
dikamentös), Abort-Kürettage, auch bei Blasenmole, Interventionen am Fetus,
EUG, Abortus imminens, vorzeitiger Lösung, Placenta praevia, therapiebedürfti-
gen vorzeitigen Wehen, hypertensiver Schwangerschaftserkr., vorzeitigem Blasen-
sprung, Zerklage, totalem MM-Verschluss, äußerer Wendung aus BEL oder
Querlage, Traumen.
Durchführung 
• Bei fehlenden Anti-D-Ak routinemäßig in der 28.–30. SSW 300 μg Immun-
globulin-Anti-D i. m. (z. B. 1 Fertigspritze Partobulin®). Spätestens nach
12 Wo. wiederholen.
• Nach Abort, Interruptio, EUG oder sonstiger o. g. Ind. 300 μg Immunglobu-
lin-Anti-D i. m. (z. B. 1 Fertigspritze Partobulin®, Resonativ® oder Rhophylac®
300 innerhalb von 72 h.
! Wird Partobulin® im Fall einer Rh-unverträglichen Bluttransfusion verab-
reicht: 300 μg/12–15 ml transfundiertem Blut als fraktionierte Applikation
über mehrere Tage.

9.5 Früh- und Mangelgeburt


60–80 % der perinatalen Todesfälle beruhen auf extremer Frühgeburtlich-
keit, die daher möglichst verhindert bzw. bei der die Entbindung vorbereitet
(Lungenreifung, Geburtsmodus) und verzögert werden sollte, soweit der Fe-
tus intrauterin keine Dekompensationszeichen (CTG, Doppler) aufweist.
9
376 9  Neonatologie  

Während die Reife der FG entscheidend für die Prognose ist, erfolgt international
die Unterteilung auch nach – absolut objektivem – Geburtsgewicht. Bei einer
Mangelentwicklung (< 10. Perzentile für das Gestationsalter) entsprechend einer
fetalen IUGR sollte nach Ausschluss eindeutiger Ursachen (z. B. starker Nikotina-
busus der Mutter, mütterliche Erkr., Mehrlinge, Gestose) postnatal eine weitere
Abklärung erfolgen.

Tab. 9.10  Definitionen


Frühgeborenes (FG) Partus erfolgte vor Vollendung der 37. SSW

Untergewichtiges, reifes NG Geburtsgewicht < 2.500 g (ca. 10 % der


­Lebendgeborenen)

Sehr untergewichtiges FG (Very low Geburtsgewicht < 1.500 g (ca. 1 % der


Birth Weight, VLBW) ­Lebendgeborenen)

Extrem untergewichtiges FG (Extreme Geburtsgewicht < 1.000 g (ca. 0,5 % der


low Birth Weight, ELBW) ­Lebendgeborenen)

Risikofaktoren
• Vorausgegangene Geburten < 2.500 g oder vorausgegangene Totgeburt.
• Untergewicht der Mutter (BMI < 18).
• Mütterliche (inadäquat ther.) Vorerkr. wie Diabetes mellitus, Hypo- oder Hy-
perthyreose, renale Erkr.
• Uterusanomalien oder Uterus myomatosus, uterine Blutung in der jetzigen
Schwangerschaft.
• Mehrlingsschwangerschaft.
• Polyhydramnion.
• EPH-Gestose bzw. HELLP-Sy.
• Vorzeitige Wehentätigkeit oder Zervixinsuff.
• Lageanomalien.
• Inf. in der Schwangerschaft (Lues, Toxoplasmose, Röteln, Hepatitis etc.).
Versorgung von Frühgeborenen und hypotrophen Neugeborenen
p. p.
• Umgehende Übergabe an den Pädiater.
• Hypothermie vermeiden: Kind abtrocknen, dann Inkubator oder Wärme-
strahler.
• Anlegen eines venösen Zugangs zur Glukoseversorgung.
• Minimal Handling: Kind zur Verminderung von Stress- und Infektionsgefahr
wenig umlagern, vorsichtig untersuchen oder absaugen, nichtinvasive Moni-
torüberwachung, Vermeidung überflüssiger Hygienemaßnahmen.
• Ther. von Atemstörungen (▶ 9.2.2 und ▶ 9.2.3).
• Abklärung und Ther. einer perinatalen Inf. (▶ 9.6).

9 9.6 Infektionen
Nachfolgend werden die wichtigsten perinatalen Inf. behandelt, die sich i. d. R. in-
nerhalb der ersten 3 Tage p. p. manifestieren. Inf. vor oder unter der Geburt erfol-
   9.6  Infektionen  377

gen häufig aszendierend über eine Amnionitis (kontaminiertes FW → Aspiration


→ Pneumonie → Sepsis ▶ 6.7). Pränatale Inf. ▶ 5.13. Frühgeburt ist in mehr als
50 % bedingt durch eine bakterielle Vaginose mit vorzeitigen Wehen und Ge-
burtsbeginn.
Hinweise auf fetale Infektion 
• Fieber der Mutter sub partu oder während der ersten 2 Tage p. p.
• Vorzeitiger Blasensprung > 48 h oder > 24 h mit Begleit-KO wie Unreife, me-
koniumhaltiges FW, Asphyxie.
• Ansteigende Infektionsparameter bei der Mutter (Leukozyten, CRP, Interleu-
kin-6).
• Atemnotsy. bei Kindern > 35. SSW bzw. > 2.000 g Geburtsgewicht.
• Leukopenie < 6.000/μl beim NG oder Leukozytose > 30.000/μl mit Linksver-
schiebung (Neutrophilen-Index: Stabkernige/Gesamtneutrophile > 0,2).

9.6.1 Neugeborenensepsis

Wichtiges „Frühsymptom“ ist das von der Kinderkrankenschwester berich-


tete „schlechte Aussehen“ des NG. Bei jedem postnatal gut adaptierten NG,
das sich sek. verschlechtert, besteht dringender Infektionsverdacht.

Klinik 
• Hyper- (> 37,5 °C) oder Hypothermie (< 36,5 °C), Apathie oder Hyperexzita-
bilität, Trinkunlust.
• Blassgraues Hautkolorit, Marmorierung, kalte Extremitäten, Petechien, Purpura.
• Atemstörungen (Tachypnoe, Apnoe, Stöhnen, Einziehungen).
• Aufgetriebenes Abdomen, Erbrechen, Exsikkose.
• Hepatosplenomegalie, Ikterus.
Erreger
• Gramneg. Keime: Enterobacteriaceae (E. coli, Klebsiella-Gruppe, Proteus
mirabilis, Serratia), Pseudomonas aeruginosa, Salmonellen.
• Grampos. Keime: α- oder β-hämolysierende Strept., Enterokokken, Staph.,
Pneumokokken, Listeria monocytogenes.
• Pilze: Candida-Spezies.
• Viren: Zytomegalie, Röteln, Herpes simplex, Coxsackie, Echo, Hepatitis B.
Diagnostik  Infektionsverdacht besteht bei:
• Klinischer Auffälligkeit, z. B. schlechtem Hautkolorit oder Vitalparametern:
Pulsfrequenz > 150/Min., Atemfrequenz > 60/Min. Temperatur > 37,5 °C
oder < 36,5 °C.
• Leukozyten > 30.000/μl oder < 6.000/μl, Linksverschiebung im Differenzial-
BB, Neutrophilen-Index: Stabkernige/Gesamtneutrophile > 0,2.
• Thrombozyten < 100.000/μl.
• CRP > 20 mg/l. 9
• Blutgasanalyse: BE erniedrigt (Azidose), pCO2 erhöht.
• Laktaterhöhung (> 2 mmol/l).
• Pos. Bakteriologie (Blutkultur, Abstriche, Magensekret).
378 9  Neonatologie  

Antibiotikatherapie  Bei unbekannten Erregern kalkulierte Kombinationsbe-


handlung (nach Abnahme von Blutkultur, Urinkultur und Abstrich) mit Breit-
bandpenicillin (Mezlozillin (Baypen®), Piperacillin 2 × 100 mg/kg KG/d (z. B. Pip-
ril®), und Aminoglykosid wie Tobramycin 5 mg/kg KG/d (z. B. Gernebcin®). Al-
ternativ Breitbandpenicillin und Cephalosporin. Behandlungsdauer 7–21  Tage
abhängig von Kulturbefunden, Erreger und Organbeteiligung (z. B. Meningitis).
Kriterien für Beendigung der Ther.: unauffällige Klinik, Normalisierung des CRP.

Tab. 9.11  Postpartale Probleme


Frühgeborenes Hypotrophes Neugeborenes (SGA)

Intrakranielle Blutung Peripartale Hypoxie (Asphyxie)

Atemnotsy. Hypoglykämien

Apnoeanfälle Erhöhtes Infektionsrisiko

Icterus neonatorum Verdauungsstörungen

Erhöhtes Infektionsrisiko

Trinkstörungen

Temperaturregulationsstörungen

9.6.2 Bekannte mütterliche Infektionen mit


β-hämolysierenden Streptokokken
Epidemiologie  Häufigste und bedrohlichste NG-Infektion, besonders nach vor-
zeitigem Blasensprung und bei FG. Etwa 25 % der Schwangeren tragen
β-hämolysierende Strept. der Gruppe B, bei ca. 10 % der Strept.-Trägerinnen be-
steht die Unfähigkeit, IgG-Ak zu bilden und an den Fetus weiterzugeben. Erreger-
reservoir ist der mütterliche GIT.
Infektionsweg  Infektionsmodus meist intrapartal (Sepsis ▶ 9.6.1) oder postnatal.
Klinik  „Early-Onset“-Sepsis mit Symptomen innerhalb der ersten 48  h. Die
Symptome sind äußerst variabel, beim FG geht die Inf. mit Atemnotsy. oder
Pneumonie einher, beim reifen NG eher mit Kreislaufzentralisation und Ver-
brauchskoagulopathie. „Late-Onset-Sepsis“ im Alter von 4–8 Wo.
Indikationen zur mütterlichen prophylaktischen Antibiotikagabe  Intrapartale
Chemoprophylaxe: bei Frühgeburtlichkeit, vorzeitigem Blasensprung > 12–18 h
(auch ohne Kulturergebnis), Z. n. vorausgegangener Geburt mit neonataler B-
Strept.-Inf., B-Strept.-Bakteriurie in der Grav., Temperatur > 38 °C oder anstei-
genden Infektparametern sub partu (auch ohne Kulturergebnis).

Die präpartale Ther. aller B-Strept.-Trägerinnen ist nicht sinnvoll.

9 Durchführung 
• Antibiotikather.: Mit Geburtsbeginn: Ampicillin initial 2 g i. v. (z. B. Binotal®),
dann 1 g i. v. alle 4 h bis zur Geburt. Bei Penicillinallergie Clindamycin 900 mg
   9.7  Fetale Fehlbildungen  379

i. v. alle 8 h (z. B. Sobelin®). Bei klinischer Symptomatik ▶ 9.6.1. Cave: Häufig
Ampicillinallergie bei Erw.
• Monitoring des NG für 72 h postpartal bei
– Müttern mit pos. vag. Abstrichergebnis von Gruppe-B-Strept. (GBS) in
der Schwangerschaft.
– Müttern, die früher bereits ein GBS-infiziertes Kind geboren haben.
– Müttern mit GBS-Bakterurie in dieser Schwangerschaft.
– Allen FG (< 37 SSW).
– Blasensprunglatenz von > 18 h.
• Monitoring erfolgt mittels Überwachungsbogen mit Dokumentation der Vi-
talparameter Atemfrequenz, Herzfrequenz (in Ruhe), Muskeltonus, Hautko-
lorit, Temperatur alle 4 h. Lückenlose postnatale Überwachung des NG. Bei
Symptomen klinische Untersuchung und ggf. Inf.-Diagn. (s. o.)
• Evtl. histologische Untersuchung von Plazenta, Eihäuten und Nabelschnur.

9.7 Fetale Fehlbildungen
Fetale Fehlbildungen gehen häufig mit Lage-, Haltungs- oder Einstellungsanoma-
lien sowie mit Polyhydramnie einher. Die Frühgeburtenrate ist erhöht. Die routi-
nemäßige Ultraschalluntersuchung in der 19.–22. SSW (▶ 22.2.3) ermöglicht die
Erkennung wesentlicher fetaler Fehlbildungen. Bestimmte Auffälligkeiten wie die
Analatresie sind der Ultraschalldiagn. nicht zugänglich. Derzeit werden ca. 50 %
der angeborenen Herzfehler pränatal erkannt. Besprochen werden hier häufige
Fehlbildungen oder solche, die unverzüglich einer adäquaten Ther. zugeführt wer-
den müssen.

9.7.1 Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
Definition  Hemmungsfehlbildungen mit Determination in der 3.–8.  Embryo-
nalwo. Sie können isoliert und kombiniert, ein- und doppelseitig auftreten. Häu-
figkeit ca. 1 : 1.000.

• Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten liegen paramedial. Cave: Begriffe wie


„Hasenscharte“ und „Wolfsrachen“ sind obsolet.
• Submuköse Segel- und/oder Gaumenspalten werden gelegentlich nicht
erkannt und deshalb zu spät behandelt.
• Isolierte mediane Gaumenspalten gehen gehäuft mit Fehlbildungssy.
einher.

Diagnostik  Inspektion oder Abtasten mit der Fingerkuppe am Übergang vom


harten zum weichen Gaumen.
Therapie 
• Verschiedene Therapieansätze je nach kieferchirurgischem Zentrum.
• Um Stillen bemühen (ist möglich!).
• Op. Versorgung von Lippen- und Nasenfehlbildungen im 3.–12. Lm, von Se- 9
gel- und Gaumenfehlbildungen im 7.–12. Lm und von Kieferspalten ab 6 J.
380 9  Neonatologie  

! Mitbehandlung des Sero-Mukotympanons (über 90 %) durch HNO-Arzt ab


4. oder 5. Lm durch Parazentese und Paukendrainage.
• Ggf. logopädische Behandlung, Anbindung an interdisziplinäre Spaltsprech-
stunde sinnvoll.
• Die op. Korrektur sichtbarer Fehlbildungen sollte vor dem 3. Lj erfolgen.

9.7.2 Polydaktylie, Syndaktylie
• Polydaktylie: Überzählige Finger und Zehen kommen als zusätzlicher Strahl
oder nur als häutiges Anhängsel vor. Sie treten isoliert als autosomal-domi-
nantes Merkmal oder im Rahmen zahlreicher Sy. auf. Ther. sind kosmetische
und funktionell op. Maßnahmen innerhalb der ersten 2 Lj.
• Syndaktylie: Fehlende komplette oder inkomplette Trennungen mehrerer
Finger gehören zu den häufigsten Fehlbildungsformen der Hand (1 : 2.000
Geburten). Bevorzugt betroffen ist die 3. Zwischenfinger- (oder -fuß-)falte.
Sie tritt in 70 % sporadisch auf, sonst im Rahmen autosomal-dominanter Ver-
erbung oder bei zahlreichen Sy. Eine op. Trennung sollte i. d. R. vor dem 3. Lj
erfolgen.

9.7.3 Fußfehlstellungen
▶ Abb. 9.7.
• Klumpfuß (Pes equinovarus): kombinierte Fußfehlstellung aus Spitzfußstel-
lung des Gesamtfußes, Varus-(Supinations-)stellung des Hinterfußes und
Supinations-Adduktionsstellung des Vorfußes. Ther.: ab dem 1. LT manuelle
Redression und Fixierung im Gipsverband. Später op. Korrektur erforderlich.
• Sichelfuß (Pes adductus): vermehrte Vorfußadduktion mit Abspreizung der
Großzehe. Ther.: regelmäßige Redressionen während der ersten Lm, evtl. in
der 1. Lw manuelle Redression und Fixierung mit elastischem oder Gipsver-
band (Kletterfuß: im Gegensatz zum Sichelfuß ohne Vorfußadduktion).
• Hackenfuß (Pes calcaneus congenitus): hochgeschlagene Fußfehlstellung
mit der Unmöglichkeit der Plantarflexion. Ther.: ab der 1. Lw manuelle Re-
dression und Bandagieren des Fußes in Richtung Spitzfußstellung.

9.7.4 Spina bifida: Spaltbildungen im Bereich der Wirbelsäule


(Meningo-, Meningomyelozele, Arnold-Chiari-
Malformation)
▶ Abb. 9.8.
Epidemiologie  Häufigkeit deutlich populationsabhängig mit ca. 1 auf 800 Ge-
burten. Familiäre Häufung.
Klinik  Häufigste Spaltbildung lumbosakral. Prognostisch deutlich kritischer zu
bewerten sind thorakale Spaltbildungen. In ca. 90 % Kombination mit einem Hy-
drocephalus occlusus im Sinne einer Arnold-Chiari-Malformation Typ II. Unter-
9 halb der betroffenen Rückenmarksegmente besteht eine Lähmung mit Stuhlin-
kontinenz und Überlaufblase.
   9.7  Fetale Fehlbildungen  381

Spitzfuß Hackenfuß

Knickfuß Klumpfuß

Plattfuß Hohlfuß

Pes abductus Pes adductus

Abb. 9.7  Fußfehlstellungen [L106]

Pränatale Diagnostik  Fetale Sono mit direktem Nachweis der Zele, der fehlen-
den Wirbelsäulenkontinuität und des Hydrozephalus. Evtl. fehlende Beinbeweg-
lichkeit oder Fußfehlstellung. Bestimmung von AFP aus mütterlichem Blut oder
FW (▶ 5.1.6).
Management  Entbindung an Terminnähe per Sectio (vor Einsetzen von Wehen)
reduziert das Lähmungsniveau um ein Rückenmarksegment. Sectioind. meist
auch durch Hydrozephalus gegeben. Entbindung in einem Zentrum mit kinder-
neurochirurgischem Team.
Therapie  Bauchlage, sofortiges Abdecken mit sterilen feuchten Kompressen.
Klinische Beurteilung der Ausdehnung mit schlaffer Parese unterhalb der Rü-
ckenmarksunterbrechung. Fußfehlstellung, Analreflex, Harnaufstau. Unverzügli- 9
che Planung der plastischen Deckung, sek. Shuntanlage bei Hydrozephalus. Neu-
ropädiatrische, orthopädische und urologische Nachsorge essenziell.
382 9  Neonatologie  

Myelon Myelon

Spina bifida Myelozele Meningozele Meningomyelozele


occulta

Abb. 9.8  Myelozelen. Spina bifida occulta: Mit Haut verdeckter Wirbelspalt ohne
Hervortreten von Rückenmark oder Meningen. Myelozele: Spaltung von Haut,
Wirbelbogen, Dura, plattenförmige Vorwölbung des Myelons oder der kaudalen
Nervenwurzeln. Meningozele: Wirbelbogen und Dura gespalten, keine Ausstül­
pung des Myelons oder kaudaler Nervenwurzeln. Meningomyelozele: Haut, Wir­
belbogen und Dura gespalten, Nervenwurzeln oder Myelon in die Zele hernien­
artig vorgewölbt. Rückenmark immer verändert. [L106]

Folsäure (400 μg/d, z. B. Folsan®) beginnend 4 Wo. vor Konzeption bis zur
abgeschlossenen 12. SSW. reduziert das Risiko einer Spina bifida deutlich.
Ebenso kann das Wiederholungsrisiko reduziert werden. Frauen, die bereits
mit einem Kind mit einem Neuralrohrdefekt schwanger waren, erhalten
5 mg/d Folsäure über den gleichen Zeitraum.

9.7.5 Ösophagusatresie
Definition  Rudimentäre Anlage oder Fehlen von Teilen der Speiseröhre, in 85 %
mit Verbindungen zwischen Bronchialsystem und aboralem Anteil des Ösopha-
gus (Ösophagotrachealfistel Typ IIIb nach Vogt; ▶ Abb. 9.9). Häufigkeit: 1 : 3.800.

1 2 3a 3b 3c

9 < 1% 9% < 1% 87% 3%

Abb. 9.9  Formen der Ösophagusatresie (nach Vogt) [L157]


   9.7  Fetale Fehlbildungen  383

Klinik  Pränatal Polyhydramnion und fehlende Darstellbarkeit des Magens im


fetalen Ultraschall. Von Geburt an vermehrte Salivation, begleitet von Husten
und Würgereiz. Nahrungsaufnahme unmöglich.
Diagnostik  Absaugkatheter in den Ösophagus vorschieben (cave: nicht in den
ersten 15 Min. nach der Geburt, möglichst erst 30 Min. p. p. wegen Gefahr eines
lebensbedrohlichen Vagusreizes mit Bradykardie). Im Rö-Thorax Darstellung der
im Blindsack umgeschlagenen Sonde.
Therapie  Erstmaßnahme: Absaugkatheter nasal bis in den Blindsack vorschie-
ben und fixieren und intermittierend Speichel absaugen, um Aspiration vorzu-
beugen. Oberkörperhochlagerung, um Aspiration von Magensaft über eine mög-
liche Fistel in die Lunge zu verhindern. Korrektur-OP mit End-zu-End-Anasto-
mose unverzüglich nach Diagnosestellung. Primäres OP-Ziel ist der Fistelver-
schluss und, sofern keine End-zu-End-Anastomose gelingt, eine Gastrostomie zur
Ernährung. Cave: oft assoziierte renale oder kardiale Fehlbildungen.

9.7.6 Omphalozele
Klinik  Die Omphalozele ist eine Herniation von Darmanteilen in den Ansatz
der Nabelschnur.
Diagnostik 
• Pränatal bei kleinen Omphalozelen sonografisch nicht möglich.
• Postnatal können kleine Omphalozelen mit aufgetriebenen Nabelschnuran-
sätzen verwechselt werden.
Management  Eilige Operation, Gefahr von Volvulus und Perfusionsschädigung.
Prognose  Gastrointestinal gut, da der Darm vor FW geschützt liegt und Flüssig-
keitsverlust und Peritonitis nicht drohen. 25–40 % der Omphalozelen sind jedoch
mit Chromosomopathien assoziiert!

9.7.7 Gastroschisis
Klinik  Die Gastroschisis ist ein zentral meist rechts der Nabelschnur gelegener
Defekt in der Bauchwand durch den fehlenden Verschluss der embryonal offenen
Bauchwand. Darmschlingen und evtl. weitere Bauchorgane liegen extraabdomi-
nal und haben wie auch das Peritoneum direkten Kontakt zum FW.
Diagnostik  Pränatales Organscreening mit Nachweis von extraabdominal lie-
gendem Darm.
Therapie  Entbindung in einem neonatologischen Zentrum per Sectio (Gefahr
der Ischämie oder Riss von Darmstrukturen). Gründliches Absaugen des Magen-
inhalts, sterile feuchte Verpackung (z. B. sterilen durchsichtigen Plastik-Darmsack
aus OP, untere Körperhälfte, einschließlich vorgefallenen Darm einschließen).
Unbedingt seitliche Lagerung, um Perfusion und venösen Abfluss des Darmpa-
kets zu gewährleisten, regelmäßige Perfusionskontrolle. Sofortige Operation mit
direktem Bauchwandverschluss oder Patchversorgung.
Prognose  Die Gastroschisis ist nur selten mit anderen Fehlbildungen assoziiert. 9
Bei sehr großen Defekten mit extraabdominal gelegenen Organen (z. B. Leber) ist
384 9  Neonatologie  

die Prognose ernst. Entscheidend ist die Funktion des durch den FW-Kontakt ge-
schädigten Darms.

9.7.8 Kardiovaskuläre Fehlbildungen

Wesentliche klinische Zeichen, die beim NG auf Herz-Gefäß-Fehlbildungen


hinweisen, sind Zyanose, respiratorische Insuff. und fehlende Femoralispulse.
Etwa 1 % aller NG hat einen Herzfehler.

Einteilung 
• Ventrikelseptumdefekt: häufigster angeborener Herzfehler (ca. 30 % aller
Herzfehler). Links-rechts-Shunt. Klinisch bei großem Defekt Zeichen der
Herzinsuff. Meist erst nach der ersten Lw mit Schwitzen, Dyspnoe, besonders
bei Belastung z. B. Schreien, Trinken; Gedeihstörung.
• Vorhofseptumdefekt: etwa 10–15 % aller kongenitalen Vitien. Offenes Fora-
men ovale mit Links-rechts-Shunt. Symptome meist erst im Erwachsenenalter;
bei großen Defekten Leistungseinschränkung, Gedeihstörungen und Dyspnoe.
• Aortenstenose: Hypertrophie und Drucksteigerung im li Ventrikel, Aorten-
und Koronarmitteldruck ↓, Belastungsdyspnoe, Stenokardien und Synkopen.
• Pulmonalstenose: Zyanose, Hypertrophie und Drucksteigerung im re Vent-
rikel, Belastungsdyspnoe (Leitsymptom) und Zeichen der Rechtsherzdekom-
pensation.
• Aortenisthmusstenose: Stenose im Bereich des Ductus Botalli mit Hyperto-
nie der oberen und Hypotonie der unteren Körperhälfte, Dyspnoe, Trinkpro-
blemen, Ödemen, Zyanose der unteren Körperhälfte. NG werden häufig beim
spontanen Verschluss des Ductus Botalli klinisch auffällig. Rasche klinische
Verschlechterung durch Perfusionsstillstand in der unteren Körperhälfte.
• Fallot-Tetralogie: häufigster zyanotischer Herzfehler mit Ventrikelseptum-
defekt, Pulmonalstenose, Dextroposition der Aorta und Rechtsherzhypertro-
phie. Postnatal zunächst keine Zyanose, nach dem 1. Mon. Belastungs- und
Ruhezyanose, hypoxämische Anfälle.

Direkt postnatal fallen die zyanotischen Herzfehler auf. Im Verlauf der ersten
LT dekompensieren kritische Klappenstenosen sowie die Aortenisthmusste-
nose jeweils bei Verschluss des Ductus arteriosus. Herzfehler mit Links-
rechts-Shunt führen erst jenseits der 1. Lw zur Herzinsuffizienz.

Diagnostik 
• Anamnese: Trinkverhalten, Gewichtsstillstand oder -verlust, Schwitzen.
• Inspektion: Zyanose, Dys- oder Tachypnoe, präkardiale Pulsationen, Blässe,
Hinweise auf Begleitfehlbildungen.
• Palpation: Pulse an Extremitäten und Hals, Leber- und Milzgröße.
• Auskultation: Herz, Lunge; Lungenödem, RR an Extremitäten.
9 •• EKG: Rhythmus, Frequenz, Hypertrophiezeichen.
Rö-Thorax: Herzlage, -größe, -form, Lungendurchblutung. DD zur Lun-
generkr.,
• Echokardiografie.
   9.8  Geburtstraumen  385

9.7.9 Operationstermine kindlicher Fehlbildungen

Tab. 9.12  Operationstermine nach Dringlichkeit


Gastroschisis Sofortige Operation (drohende Darmischämie)!

Ösophagusatresie Bei distaler tracheoösophagealer Fistel: innerhalb 12–24 h p. p.

Meningomyelozele Max. 1 Tag p. p.

Omphalozele Max. 1 Tag nach Diagnosestellung

Analatresie Geplant, 1–2 Tage nach Diagnosestellung

Duodenalatresie Geplant, 1–2 Tage nach Diagnosestellung

Zwerchfellhernie Erst nach erfolgreicher respiratorischer Stabilisierung (Tage!)

Hydrocephalus Bei klinischen oder sonografischen Dekompensationszeichen


­occlusus

9.7.10 Häufigkeit multifaktoriell bedingter Krankheiten

Tab. 9.13  Häufigkeit multifaktoriell bedingter Krankheiten


Krankheitsbild Gesamtbevölke- Risiko bei erkranktem
rung (%) ­Geschwisterkind (%)

Anenzephalus 0,03 1–3

Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte 0,15 2–6 

Angeborene Hüftgelenkdysplasie 0,1 1–7

Meningomyelozele 0,1 3–6

Angeborene Herzfehler 1,0 ~3

Analatresien 0,02 ?

Bauchwanddefekte 0,08 ?

9.8 Geburtstraumen
Geburtstraumen sind als Auswirkung von Druckschwankungen, Quetschungen,
Zerrungen und Abscherungen von der Schwere der Geburt bzw. den geburtshilf-
lichen Maßnahmen sowie v. a. von der Reife des NG abhängig. Mit zunehmender
Häufigkeit der Schnittentbindungen sind diese Entitäten im klinischen Alltag
deutlich seltener geworden.

9.8.1 Intrakranielle Blutungen 9
MRT-Untersuchungen des Schädels nach unauffälliger Spontangeburt konnten
zeigen, dass kleine, asymptomatische Hirnblutungen nicht selten sind. Selbst
symptomatische raumfordernde Blutungen können ohne prädisponierende Fak-
386 9  Neonatologie  

toren nach unauffälliger Spontangeburt auftreten. Die Art der Blutung und der
neurologischen Folgen ist vom Reifealter und von den pathogenetischen Haupt-
faktoren, Trauma und Asphyxie, abhängig.
Formen 
• Subduralblutung: typisch an der Insertion der Falx cerebri am Tentorium
und bei großen, reifen Kindern. Die Gefäßränder reißen begünstigt durch
Asphyxie und Gerinnungsstörungen oder durch Scherkräfte bei schwerer Ge-
burt ein. Diagn.: MRT, CCT, Ultraschall weniger geeignet.
• Subarachnoidalblutung: FG > reifgeborene Kinder. Traumatisch oder asphy-
xiebedingt. Meist Zufallsbefund (Schädelsono), selten symptomatisch (Über-
erregbarkeit, Krampfanfälle, gehäuft am 2. LT). Gelegentlich nachfolgend
Hydrozephalus oder Hygrome. Diagn.: Liquor makroskopisch blutig.
• Intraventrikuläre Blutung des reifen NG: Ursachen sind Traumen oder
Hyp­oxie/Ischämie. Blutungsquelle fast immer Plexus chorioideus, selten die
subependymale Keimschicht. Progn.: erhebliches Risiko für neurologische
Spätfolgen.
• Intraventrikuläre Hirnblutung des FG: Diese Blutungen sind überwiegend
unreifebedingt und nicht geburtstraumatisch. Neben der Lungenschädigung
Hauptkomplikation der Frühgeburtlichkeit. 85 % der Blutungen bei FG be-
ginnen in der subependymalen Keimschicht. Minimale subependymale Blu-
tungen häufig < 28. SSW. Schwere und Häufigkeit abhängig von perinatalem
Management. Durch Einbruch in die Seitenventrikel Ausbreitung in das Ven-
trikelsystem.
Diagnostik 
• Kopfumfangsmessung: 2 × pro Wo.
• Sono: routinemäßig bei allen FG < 34 Wo. innerhalb der ersten 2 Tage mit
Verlaufskontrolle nach 3–5 Tagen, dabei Zunahme der Blutung in 20–40 %
der Fälle. Bei Kindern mit Blutungen weitere Kontrollen alle 5–10 Tage, um
frühzeitig die Entwicklung eines posthämorrhagischen Hydrozephalus zu er-
kennen.
Ursachen  Frühgeburtlichkeit, Asphyxie, Geburt traumatisch (< 1.500 g), Sepsis
oder Atemnotsy.
Klinik 
• Blässe, Schock, Zentralisation, Atemnot, Erbrechen, Temperaturinstabilität,
Muskelhypotonie.
• Vorgewölbte Fontanelle (intrakranieller Druckanstieg), Somnolenz, Überer-
regbarkeit, Apnoeanfälle, Nystagmus, Krampfanfälle (▶ 9.9).
• Verbrauchskoagulopathie, Ikterus.
• Gelegentlich auch oligosymptomatisch, langsam progredient.
Therapie und Prophylaxe 
• Inkubatorpflege (Minimal Handling). Stabilisierung einer derangierten plas-
matischen Gerinnung durch parenterale Vit.-K-Gabe, Frischplasma.
• Optimierung von Beatmung, Blutdruck, Glukosehaushalt, E‘lyten.
! Bei FG keine kritischen Druckanstiege durch Kopfwachstum bei offenen
9 Schädelnähten.
• Liquorpunktion lumbal, fontanellär, Liquordrainage extern oder Rickham-
Kapsel, bei persistierendem Aufstau ventrikuloperitonealer Shunt.
   9.8  Geburtstraumen  387

9.8.2 Klavikulafraktur

Häufigste Fraktur sub partu, begünstigt durch erschwerte Schulterentwick-


lung. Meist Grünholzbrüche ohne stärkere Dislokation.

Klinik  Kinder fallen durch Schmerzäußerungen beim Hochnehmen und Wi-


ckeln auf. Geringe Motilität der betroffenen Seite (z. B. beim Moro-Reflex).
Diagnostik  Die Palpation der Klavikula ergibt eine umschriebene Schmerzemp-
findlichkeit und Krepitation, Kallusbildung innerhalb von 5  Tagen (daher oft
nachträglich Diagnosestellung).
Therapie  Spezielle Behandlung nicht erforderlich!

9.8.3 Obere Plexuslähmung (Erb-Duchenne)


Definition  Armplexuslähmung mit
Läsion der V. und VI. Zervikalwurzel,
v. a. bei BEL-Geburten und bei schwe-
rer Schulterdystokie. Insb. der Veit-
Smellie-Handgriff gefährdet den Plexus
brachialis. Häufigkeit Geburtsgewicht
> 4.000 g ca. 0,3 %.
Klinik  Die betroffene Schulter steht
tiefer, der Arm hängt unbeweglich in
Innenrotation und extremer Pronation
nach unten, die Finger können bewegt
werden (▶ Abb. 9.10).
Diagnostik  Arm bleibt bei Moro-Re-
flex unbeweglich durch Lähmung der
Schulter- und Unterarmbeugemuskeln,
Zwerchfelllähmung bei Beteiligung des
IV.  Zervikalnervs kann einseitig At- Abb. 9.10  Obere Plexuslähmung (Erb-
mung behindern, daher Rö-Durch- Duchenne) [L157]
leuchtung zur Diagnosesicherung.
Therapie  Fixation des gelähmten Arms durch Schienenverband in starker Ab-
duktion und Außenrotation bei gebeugtem Unterarm, ca. 80 % Erholung. Nach
4 Wo. Einleitung von passiven Bewegungsübungen. Ggf. Ind. zur OP.
Prognose  Funktionsausfälle häufig erst nach Mon. rückläufig, evtl. unvollständi-
ge Restitutio (rechtliche Aspekte ▶ 7.2.4).

9.8.4 Untere Plexuslähmung (Klumpke)


Definition  Seltener und prognostisch wesentlich ungünstiger als die obere Ple-
xuslähmung, Schädigung der VII. und VIII. Zervikalnerven. Häufig zugleich obe- 9
re Plexuslähmung.
388 9  Neonatologie  

Klinik  Halb offene Fallhand mit Pfötchenstellung bei gebeugtem Unterarm. Bei
Beteiligung des R.  communicans des Sympathikus besteht gleichzeitig ein Hor-
ner-Sy. mit Ptosis, Miosis, Enophthalmus. Bei NG schwer diagnostizierbar.
Diagnostik  Gelähmt sind die langen, bei Beteiligung des I. Thorakalnervs auch
die kurzen Handmuskeln.
Therapie  Schienung der Hand zur Vermeidung von Fingerkontrakturen. Früh-
zeitig beginnende langfristige Bewegungsübungen. Bei unzureichender Erholung
op. Revision mit Nervennaht im Alter von ca. 4 Mon.
Prognose  Meist keine vollständige Rückbildung, insb. bei Wurzelausriss oder
Plexuszerreißung.

9.8.5 Caput succedaneum und Kephalhämatom

Häufigste Geburtstraumen mit günstigen Prognosen.

Caput succedaneum
Teigige Anschwellung des lockeren Bindegewebes zwischen Galea und Periost
unter der Geburt (= supraperiostales Ödem bzw. Serohämatom), reicht über die
Schädelnähte hinaus. Nicht therapiebedürftig. Bildet sich innerhalb von 2–7 Ta-
gen zurück (▶ Abb. 9.11 li).

Kephalhämatom
Hämatombildung mit Abhebung des Periosts (= subperiostales Hämatom;
▶ Abb. 9.11 re). Häufigkeit ca. 0,5 % aller Geburten. Schädelnähte immer Begren-
zung des Kephalhämatoms, Entwicklung innerhalb der ersten LT, Rückbildung
innerhalb von 8–16 Wo. Evtl. verstärkter Icterus neonatorum. Keine besondere
Ther. erforderlich.

Abb. 9.11  Li: Caput succedaneum (Geburtsgeschwulst). Re: Kephalhämatom


[L157]

Subgaleale Blutung (oberhalb des Periosts) mit massiver Einblutung, Blu-


tungsschock und Verbrauchskoagulopathie. Klinisch: postpartal rasche,
massive Verformung des Kopfes.
9
   9.9  Neugeborenenkrämpfe  389

9.9 Neugeborenenkrämpfe
Häufigkeit  Bei ca. 1 : 200 der NG.

• Krampfanfälle in den ersten LT und jenseits des 8. LT weisen auf eine
zerebrale Schädigung hin.
• Krampfanfälle zwischen dem 3. und 8. LT weisen auf eine evtl. auch be-
nigne metabolische Störung hin.

Ätiologie 
• Hypoxisch-ischämische Schädigungen mit oder ohne sek. Hirnblutung.
• Intrakranielle Blutungen (▶ 9.8.1).
• Inf. (Sepsis, Meningitis, Enzephalitis; ▶ 9.6).
• Metabolische Störungen: Hypoglykämie, schwere Hyperbilirubinämie, Hypo-
kalzämie, Hypomagnesiämie, Drogenentzug, Pyridoxinmangel.
Klinik 
• Subtile Krampfanfälle: als häufigster Krampftyp (ca. 50 %). Symptome wer-
den oft übersehen → tonische Augenzuckungen, Blinzeln, Lidflattern,
Schmatzen, Gähnen, Saugen, Speichelfluss, „Schluckauf“, Ruder-, Schwimm-,
Tretbewegungen, Zucken von Zehen oder Fingern, kurzzeitige Apnoen.
• Tonische Krampfanfälle: häufig Hinweis auf intraventrikuläre Blutung → ge-
neralisierte Streckung der Extremitäten, gelegentlich Beugen der oberen Ex­
tremitäten.
• Multifokale klonische Krampfanfälle: klonische ungeordnete Extremitäten-
bewegungen, meist bei reifen NG. Typisch für die prognostisch günstigen
5-Tage-Krämpfe (3.–7. LT), verschwinden meist spontan nach 1–14 Tagen.
• Fokale klonische Krämpfe: FG seltener betroffen → klonische Zuckungen
ohne Bewusstlosigkeit.
• Myoklonische Krampfanfälle: selten, Prognose ungünstig → einzeln oder
wiederholt synchrone Zuckungen der oberen und/oder unteren Extremitäten.
Wichtige Abgrenzung zu benignen Einschlafmyoklonien.
Therapie  Seitenlagerung zur Sicherung der Atemwege, genaue Beobachtung,
Überwachung von Herz-, Atemfrequenz und RR. Bei Apnoen Stimulation, Sauer-
stoffgabe, Maskenbeatmung, ggf. Intubation und kontrollierte Beatmung ▶ 9.2.2
und ▶ 9.2.3, Verlegung in eine Kinderklinik.
• Symptomatische Ther.:
– Glukose 20 % 2 ml/kg KG i. v. (= 0,4 g/kg KG) bei V. a. Hypoglykämie.
– Kalziumglukonat 10 % (1 : 1 verdünnt) 2 ml/kg KG langsam i. v.
– Pyridoxin 50 mg i. v. (z. B. Vitamin B6-ratiopharm®), wenn möglich unter
EEG-Ableitung.
– Phenobarbital 15 mg/kg KG (Lumina®) über 5–10 Min. langsam i. v. (Sät-
tigungsdosis).
– Nach Vorliegen der Laborparameter Substitution von E‘lyten, v. a. Kalzi-
um und Magnesium, sowie von Glukose.
• Bei weiter bestehenden Krampfanfällen nach 10–15 Min.: 9
– Nochmals Phenobarbital bis zu 10 mg/kg KG langsam i. v. (Luminal®).
Cave: Atemdepression! oder:
390 9  Neonatologie  

– Beim reifen NG Versuch mit Diazepam 5 mg rektal (z. B. Diazepam Desi­
tin® rectal tube) oder 0,4 mg/kg KG i. v. oder
– Midazolam intranasal: 0,3–0,5 mg/kg KG (aus der i. v. Amp.). Cave: Atem­
insuff.

9.10 Plötzlicher Kindstod
Definition
Auch Sudden Infant Death Syndrome (SIDS), plötzlicher Tod eines Sgl., Ursache
weiterhin unklar. Häufigkeit bei 1 von 2.500 Lebendgeburten. Häufigkeitsgipfel
um 12. Lw. Vergleichbare Todesfälle werden auch in den ersten Lebensstunden
berichtet, auch beim „Bonding“.

Risikofaktoren
Mütterlicher Zigarettenkonsum, mütterliches Alter < 20 J., Multiparität, rasche
Schwangerschaftsfolge, Frühgeburt, Mehrlinge, Kinder aus sozial schwachen
Familien, Geschwister von SIDS-Kindern, hypotrophe NG, drogenabhängige
Mutter.

Die Vermeidung oder Reduktion des Zigarettenkonsums in der Schwanger-


schaft (auf < 6 Zigaretten tägl.) reduziert das Risiko für ein SIDS.

Empfehlungen zur Vorbeugung (Auszug)


• Sgl. sollten in Rückenlage schlafen.
• Stillen.
• Sgl. so legen (z. B. Schlafsack), dass der Kopf nicht durch Bettzeug, Kuschel-
tiere etc. verdeckt werden kann und kein Hitzestau entsteht.
• Sgl. sollten im elterlichen Schlafzimmer, aber im eigenen Bett schlafen.
• Sowohl vor der Geburt als auch danach: rauchfreie Umgebung.
• Überwärmung (Schwitzen) vermeiden, Schlaftemperatur 16–18 °C.
• Ausnahmen für die Rückenlage im stationären Bereich bestehen nur bei klei-
nen FG mit Fehlbildungen im orofazialen und tracheobronchialen Bereich,
z. B. Pierre-Robin-Sequenz. Apparative Überwachung notwendig.
• Aufklärung der Eltern bei Vorsorgeuntersuchung U2.
Heimmonitorüberwachung
• Kinder mit vorausgegangener lebensgefährlicher Episode, die erfolgreich re-
animiert wurden („Near-Miss-SIDS“).
• Geschwister von SIDS-Kindern.
Es ist nicht erwiesen, dass eine häusliche Monitorüberwachung die Häufigkeit des
plötzlichen Kindstodes senkt. Parallel müssen ein adäquates elterliches Training
(Umgang mit Monitor, Reanimationsmaßnahmen, Beatmungsbeutel, Absaug-
möglichkeit, Pulsüberwachung) sowie eine engmaschige kinderärztliche Kontrol-
le sichergestellt sein. Monitorüberwachung für 3 Mon., wenn in dieser Zeit kein
9 Ereignis, Überwachung beenden.
   9.11  Hautveränderungen bei Neugeborenen  391

Das SIDS ist eine „unklare Todesursache“, daher Obduktion, evtl. auf rich-
terliche Verfügung. In ca. 25 % der Fälle findet sich dann doch eine definier-
te Todesursache.

9.11 Hautveränderungen bei Neugeborenen


Üblicherweise hat das reife NG eine geschmeidige, rötliche Haut, die im Lau-
fe der ersten LT vielfältige, oft rasch wechselnde Erscheinungen zeigt. Auch
zur Beruhigung der Eltern ist es wichtig, harmlose Veränderungen von erns-
teren zu unterscheiden und zu diagnostizieren.

Physiologische Veränderungen
• Schuppung: ab dem 2. LT oft stärker, gelegentlich mit blutigen Einrissen, lo-
kale Cremebehandlung.
• Milien: weißlich-gelbliche Papeln v. a. im Gesicht und am Rumpf. Entspre-
chen Talg- und Detritusansammlung, verschwinden spontan bis zur 3.–6. Lw.
• Akneiforme Talgdrüsenhyperplasie: multiple, rötlich-gelbe Papeln infolge
Stimulation durch die Schwangerschaftshormone („Neugeborenen-Akne“),
v. a. im Gesicht und am Stamm sowie an den proximalen Extremitäten.
• Vaskuläre Phänomene: wie Cutis marmorata (v. a. bei Kältereiz), Harlekin-
Phänomen und Akrozyanose durch anfänglich instabile Vasoregulation.
• „Toxisches“ NG-Exanthem: gutartiges, generalisiertes Erythem mit Papeln
und rotem Hof, bei ca. 50 % aller NG, v. a. in den ersten LT, rasch abheilend.
Bei Persistenz und Blasen- oder Pustelbildung an Candidose, Pyodermie oder
Herpes-simplex-Inf. denken!
• Ebstein-Epithelperlen: median am harten Gaumen kleine, derbe weißliche
Papeln, harmlos und selbstlimitierend.

Hautinfektionen
Impetigo oder Pyodermie: Bereits ab dem 2. LT auftretende bakterielle, meist
Staph.-Inf. (Eintrittspforte ist häufig der Nabel). Typisches Bild mit Blasen auf
teilweise gerötetem Grund, evtl. mit schweren ausgedehnten Hautablösungen.
Ther.: Bei einzelnen Pusteln lokal desinfizierende Maßnahmen, engmaschige
Überwachung. Bei rascher Zunahme, Blasen und krankem Kind Abstrich, Blut-
kultur, sofortige gegen Staph. gerichtete i. v. Antibiotikagabe.
Soorinfektion oder Candidose: häufiger; ab 3. Lw mit Mundsoor (weißliche Belä-
ge in den Wangentaschen) und/oder Windelsoor. Ther.: Nystatin-Paste, bei
Mund- und Darmbefall Nystatin-Suspension (z. B. Candio Hermal®).
Weitere wichtige konnatale Infektionen mit Hautsymptomen:
• Herpes simplex: Ende der 1. Lw ausgedehnter, vesikulöser Ausschlag, septi-
sches Kind.
• Syphilis: große makulopapulöse Herde v. a. an den distalen Extremitäten und
perioral (▶ 5.13.11). 9
392 9  Neonatologie  

9.12 Betreuung von Neugeborenen


diabetischer Mütter
Die diabetische Stoffwechsellage (Typ-I-Diab. oder Gestationsdiab.) stellt ein
erhöhtes Risiko für die fetale Entwicklung dar. Fetale Störungen entstehen
durch das erhöhte Glukoseangebot. Dies führt intrauterin zur Makrosomie
des Fetus, die Glykogeneinlagerung im Myokard kann zur obstruktiven Kar-
diomyopathie mit intrauterinem Herzstillstand führen. Die Glykosylierung
von Proteinen bedingt eine relative Organunreife und die relative Organ­hyp­
oxie eine Polyglobulie.

Diabetische Embryopathie
Risiko bei vorbestehendem Diab. Besteht zum Konzeptionszeitpunkt keine
optimale BZ-Einstellung, ist das Fehlbildungsrisiko (kardiale, renale, zerebrale
Fehlbildungen) auf das 5- bis 10-Fache erhöht.

Postnatale Komplikationen
• Durch Überproduktion an Insulin kann es zum dramatischen BZ-Abfall mit
dem Risiko von bleibenden zerebralen Störungen bei Hypoglykämie kom-
men.
• Die relative Organunreife kann zum Atemnotsy. führen.
• Durch Polyglobulie: pulmonale, zerebrale oder renale KO.
Vorgehen gemäß AWMF-Leitlinien
• Bei allen NG diab. Mütter und hypertrophen NG im Alter von 30 Min.,
60 Min., 3 h, 6 h, 12 h postnatal BZ-Bestimmung.
• Bestimmung von zwei weiteren BZ-Werten in den folgenden Tagen präpran-
dial.
• Frühestfütterung mit Dextroneonat (nach 1. BZ), häufige Trinkmengen.
• Rascher Übergang auf Milchnahrung.
• Bei BZ-Werten > 45 mg/dl Kontrollen wie oben genannt. Bei BZ-Werten 35–
45 mg/dl Fütterung und Kontrolle 1 h postprandial. Erneut in diesem Bereich,
erneut Füttern und Kontrolle 1 h postprandial. Bei BZ-Werten < 35 mg/dl
Verlegung in eine Neonatologie.
• Siehe auch www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/057–008.html.

9
10 Mamma
Kay Goerke

10.1 L eitsymptome und ihre 10.6  ngeborene


A
­Differenzialdiagnose  394 ­Erkrankungen  408
10.1.1 Knoten  394 10.6.1 Polymastie  408
10.1.2 Mamillensekretion  394 10.6.2 Polythelie  408
10.1.3 Hautveränderungen  395 10.6.3 Mikromastie  409
10.1.4 Schmerzen  395 10.6.4 Makromastie
10.1.5 Axilläre Tumoren  395 ­(Gigantomastie)  409
10.2 Diagnostische 10.7 Mammakarzinom  410
­Methoden  396 10.7.1 Klassifikation des
10.2.1 Klinische Untersuchung  396 ­Mammakarzinoms  411
10.2.2 Radiologische 10.7.2 Vorläuferläsionen des
­Methoden  398 ­Mammakarzinoms  414
10.2.3 Mammasonografie  401 10.7.3 Operative Therapie  415
10.2.4 Magnetresonanz­ 10.7.4 Rekonstruktive
tomografie  403 ­Verfahren  417
10.2.5 Biopsie  403 10.7.5 Strahlentherapie  420
10.2.6 Labordiagnostik  404 10.7.6 Adjuvante (postoperative)
10.3 Mastitis  405 Therapie  421
10.4 Mastodynie  406 10.7.7 Chemotherapie  422
10.5 Gutartige 10.7.8 Hormontherapie  422
­Veränderungen  406 10.7.9 Antikörpertherapie  423
10.5.1 Zysten  406 10.7.10 Metastasiertes
10.5.2 Fibroadenom  407 ­Mammakarzinom  424
10.5.3 Andere mesenchymale 10.7.11 Lymphödem  424
­Tumoren  407 10.7.12 Nachsorge  426
10.5.4 Mastopathie (Mastopathia
­cystica fibrosa, Dysplasie
der Mamma)  407
10.5.5 Milchgangpapillom  408
394 10  Mamma  

10.1  Leitsymptome und ihre


10 Differenzialdiagnose
10.1.1  Knoten
Häufig durch die Pat. selbst erhobener Befund. Cave: Bei großen Tumoren wegen
Kausalitätsbedürfnis der Pat. (z. B. „vor einer Woche beim Duschen gestoßen“)
oft ungenaue oder falsche anamnestische Angaben.

Jeder palpable Knoten der Mamma sollte abgeklärt werden! Histologie bei
jedem soliden Knoten (z. B. Stanzbiopsie).

Anamnese  Neben dem Zeitpunkt des ersten Auftretens insb. Erfragen von Ma-
millensekretion (▶ 10.1.2), Risikofaktoren für Mamma-Ca (▶ 10.7) und Schmerz-
haftigkeit (▶ 10.1.4).
Differenzialdiagnosen 
• Fester, nicht druckdolenter, solitärer Knoten, häufig unregelmäßig begrenzt,
pos. Jackson-Phänomen (▶ 10.2.1) → V. a. Mamma-Ca (▶ 10.7). Altersgipfel
40–70 J., in 55 % im oberen äußeren Quadranten.
• Stark druckschmerzhafter Knoten mit Entzündungszeichen (Rötung, Über-
wärmung), Temperaturerhöhung, axilläre Temperaturdifferenz re/li → V. a.
Mastitis (▶ 10.3), meist als Mastitis puerperalis im Wochenbett (▶ 8.4.1), bei
Fluktuation Abszess.
• Glatt begrenzter Knoten mit mäßiger Druckschmerzhaftigkeit, z. T. eindrück-
bar oder fluktuierend, Altersgipfel 45–55 J. → V. a. Zyste (▶ 10.5.1).
• Diffuse Verdichtung des Drüsenparenchyms evtl. mit zyklusabhängigen,
meist prämenstruell auftretenden Schmerzen, oft in beiden Mammae, gele-
gentlich mit Mamillensekretion → V. a. Mastopathie (▶ 10.5.4).
• Wenig druckdolenter Knoten, häufig multiple, dicht beieinanderliegende Be-
funde mit glatter Oberfläche, aber gelappter Struktur, Altersgipfel 15–30 und
40–55 J. → V. a. Fibroadenom (▶ 10.5.2).
• Subkutaner, weicher bis mittelderber Knoten, nicht druckdolent → Lipom,
Chondrom, Myxom, Fibrom oder Atherom (▶ 10.5.3).
• Mäßig bis stark druckdolenter, flächiger Knoten mit livider Hautverfärbung,
ggf. mit Trauma in der Anamnese → Hämatom.
• Spannungsgefühl beider Mammae, oft mit Überwärmung → Milcheinschuss
p. p. (▶ 8.4).

10.1.2  Mamillensekretion
• Beidseitiger klarer oder milchiger Ausfluss (= Galaktorrhö) → Hyperprolak-
tinämie (▶ 15.4.2). Meist idiopathisch, bei Hypophysenadenom oder durch
Medikamente (Psychopharmaka).
• Einseitiger oder beidseitiger milchiger Ausfluss → Mastopathie (▶ 10.5.4).
• Blutiger oder blutig-seröser Ausfluss → Milchgangspapillom (▶ 10.5.5) oder
-Ca (▶ 10.7).
   10.1  Leitsymptome und ihre Differenzialdiagnose  395

• Gelblich-eitrige Sekretion → Mastitis oder Abszess (▶ 10.3, ▶ 8.4.1), gelegent-


lich bei Duktektasien oder Fibroadenomen.
10
10.1.3  Hautveränderungen
• Einziehungen oder Vorwölbungen der Haut → Tumor (▶ 10.1.1).
• Ekzeme im Bereich der Mamille und/oder Areola → V. a. M. Paget (▶ 10.7).
• Feinhöckerige Hautveränderungen (Orangenhaut, „Peau-d‘orange-Phäno-
men“) → V. a. Mamma-Ca (▶ 10.7).
• Mamillenretraktion (neu aufgetreten) → V. a. Mamma-Ca (▶ 10.7).
• Überwärmung beider Mammae mit schmerzhafter Spannung → Milchein-
schuss p. p. (▶ 8.4).
• Umschriebene Rötung mit Überwärmung und Druckschmerzhaftigkeit → V. a.
Mastitis oder Abszess (▶ 10.3). DD: inflammatorisches Mamma-Ca (▶ 10.7).
• Überzählige Mamillen oder rudimentäre Mamillen im Bereich der Milchleiste
(vorwiegend axillär) → Polythelie (▶ 10.6.2).

Zur genauen Beurteilung der Hautveränderungen muss die Brust gegenüber


der Unterlage (M. pectoralis major) bewegt werden, am einfachsten durch
langsames Heben und Senken der Arme.

10.1.4  Schmerzen
• Spannungsgefühl beider Mammae, zyklusabhängig, meist prämenstruell →
Mastodynie, V. a. Mastopathie, V. a. Corpus-luteum-Insuff. (▶ 10.4). DD:
Grav.
• Umschriebene Dolenz mit Überwärmung und Rötung → V. a. Mastitis
(▶ 10.3). DD: inflammatorisches Ca (▶ 10.7).
• Druckdolenter Knoten, gut abgrenzbar → V. a. Zyste, Fibroadenom (▶ 10.5.2).
• Schmerzhafte, gerötete Mamille → Inf., häufig im Wochenbett oder während
der Laktationsphase. Oralen Soor des Säuglings ausschließen!
• Schmerzhafte Mamille während der Stillzeit, Rhagaden → übermäßige mecha-
nische Reizung durch Stillen (Ther.: kürzere Stillzeiten, Stillposition variieren).

10.1.5  Axilläre Tumoren


Supraklavikuläre und zervikale Lk mituntersuchen!
• Nicht druckdolente, vergrößerte, meist derbe oder steinharte Lk → V. a.
Mammakarzinom-Metastasen (▶ 10.7). DD: M. Hodgkin, Lymphosarkom,
akute lymphatische Leukämie.
• Druckdolente vergrößerte Lk → reaktiv bei Mastitis, Entzündungen im Be-
reich der oberen Extremitäten. DD: Toxoplasmose, Mononukleose, Lupus
erythematodes disseminatus.
• Mäßig druckdolenter, mittelderber, unregelmäßiger Knoten → akzessorischer
Drüsenkörper (▶ 10.6.1). Tritt meist p. p. zu Beginn der Laktation auf.
• Druckdolenter, subkutan liegender Knoten → Schweißdrüsenabszess.
• Unregelmäßiger, mittelderber, rasch wachsender Tumor: Weichteilsarkom,
selten!
396 10  Mamma  

10.2  Diagnostische Methoden


10 10.2.1  Klinische Untersuchung

Die Prognose eines Mamma-Ca hängt in hohem Maße vom Stadium bei Be-
handlungsbeginn und damit von der Effektivität der Früherkennung ab. Die
mittlere Überlebensdauer von Frauen mit unbehandeltem Brustkrebs liegt
bei knapp 3 J.

Gezielte Anamnese
• Neu aufgetretene Größen-, Form-, Kontur- und Konsistenzunterschiede.
• Neu aufgetretene Einziehungen der Brustwarze.
• Neu aufgetretene Vorwölbung der Haut, „Apfelsinenhaut“.
• (Blutige) Mamillensekretion.
• Zirkumskripte einseitige (!) Schmerzen, Brennen, Kribbeln.
• Mammaschmerzen, vermehrtes Druckgefühl, Überwärmung, Größenzu-
oder -abnahme der Brust, Flüssigkeitsabsonderung aus der Brustwarze.
• Vorbestehende Mamma-Erkr. und -OP (auch Inzisionen bei Abszessen und
Mastitis puerperalis).
• Familienanamnese, v. a. Mamma-Ca (Mutter, Schwester).
• Grav. und ausgetragene Schwangerschaften, Stillzeiten.

Abb. 10.1  Selbstuntersuchung der Brust. Jede Frau sollte zur monatlichen Unter­
suchung der Brust angehalten werden, am besten postmenstruell. Die Untersu­
chung umfasst die Brustinspektion vor dem Spiegel sowie die Palpation im Ste­
hen und Liegen einschließlich der Axillarregion. [L190]
   10.2  Diagnostische Methoden  397

• Hautrötung.
• Ovarial- oder Kolon-Ca in der Vergangenheit.
• Zyklusanamnese, Menarche und Menopause. 10
• Gynäkologische OPs (Adnektomie), Bestrahlungen im Genitalbereich (Rö-
Kastration).
• Medikamenteneinnahme (Hormonpräparate).
• Knochen- oder Gelenkbeschwerden.
• Störungen von Sensibilität und Motorik.
• Letzte Selbstuntersuchung der Brust (▶ Abb. 10.1), gynäkologische Vorsorge-
untersuchung und Mammografie.

Inspektion
Durchführung  Die Inspektion sollte im Stehen, in Rückenlage und bei vornüber
geneigtem Oberkörper der Pat. erfolgen. Zur besseren Beurteilung von Hautver-
änderungen ist eine passive Bewegung der Brust durch Heben und Senken der
Arme notwendig.
Befunde 
• Symmetrie bezüglich Form, Größe, Mamillen. (Die beiden Mammae sind nur
sehr selten exakt gleich groß, Veränderung erfragen.)
• Akzessorische Mamillen (▶ 10.6.2).
• Mamillensekretion (Inspektion der Kleidung).
• Vorwölbungen, Einziehungen, Orangenhaut (= Peau d‘orange, feinhöckerige
Vorwölbungen durch Lymphödem der Haut über einem Malignom).
• Fixierung der Mamma auf dem M. pectoralis major.
• Umschriebene oder generalisierte Rötung, Narben.
• Farbveränderungen der Mamille, Ekzeme, sonstige Hautveränderungen, wie
vermehrte Venenzeichnung, Hämatome.
• Untersuchung in submammärer Umschlagfalte nicht vergessen!
Palpation
Durchführung  Die Untersuchung sollte zunächst bei stehender Pat. mit hängen-
den und in die Hüften gestemmten Armen durchgeführt werden, danach bei lie-
gender Pat. mit hinter dem Kopf verschränkten Armen. Die Palpation selbst er-
folgt bimanuell und mit einer Hand gegen die Brustwand. Zur besseren Orientie-
rung sollte jeder Quadrant einzeln von außen nach innen abgetastet werden, die
retroareolare Region nochmals extra. Abschließend wird mit beiden Händen eine
vergleichende Palpation beider Brüste sowie der lokalen Lymphabflussgebiete
durchgeführt. Um eine Sekretion von Mamillensekret zu provozieren, wird die
Brust von radiär nach zentral in jedem Quadranten mit mäßigem Druck ausge-
strichen, danach der Retromamillarraum extra leergedrückt. Evtl. auftretendes
Sekret sollte immer zytologisch, bei V. a. Mastitis auch mikrobiologisch unter-
sucht werden.
Befunde  Bei path. Befunden ist zu dokumentieren:
• Größe in Zentimeter, Konsistenz, Schmerzhaftigkeit (spontan und auf
Druck).
• Verschieblichkeit des Tumors gegenüber dem restlichen Parenchym, der
Haut und der Unterlage.
398 10  Mamma  

• Oberflächenstruktur und Form


• Lokalisation des Befunds, am besten
10 in Uhrzeit (1–12 Uhr) und Entfer-
nung (cm) von der Mamille, bei
sehr großen Prozessen Angabe des
Quadranten (▶ Abb. 10.2).
• Jackson-Phänomen: über palpab- 11
12 1

len Knoten prüfen. Bei Kompres- 10 2


sion der Brust entsteht normaler- 9 cm 3
3
8
weise über den Fingern eine Vor- 7 6 5
4
wölbung (▶ Abb. 10.3a). Ist das
mammäre Bindegewebe durch
den Tumor infiltriert, kann sich
die Brust nicht ausdehnen; es ent-
steht eine Einziehung Abb. 10.2  Lokalisation von Mamma­
(▶ Abb. 10.3b). befunden [L190]

a b

Abb. 10.3  Jackson-Phänomen negativ → Vorwölbung (a); Jackson-Phänomen ne­


gativ → Einziehung (b) [L157]

10.2.2  Radiologische Methoden


Mammografie
Der günstigste Zeitpunkt für die Durchführung liegt kurz nach der Menstruation,
da hier das Parenchym am besten zu beurteilen ist.

Anspruch auf eine Mammografieuntersuchung besteht bei palpatorischem


Befund, verdächtigen Vorbefunden, Risikomastopathie, Brustkrebs in der
eigenen Anamnese/Familienanamnese.

Indikation und empfohlene Zeitabstände


• Bei Risikofaktoren (insb. belastende Familienanamnese, therapiertes Mam-
ma-Ca) jährliche Kontrollen.
   10.2  Diagnostische Methoden  399

• Bei verdächtigen Veränderungen (insb. palpabler Knoten, Hauteinziehungen)


sofort.
• Ab dem 40. Lj. einmalige Basismammografie (keine Kassenleistung, Nutzen 10
nicht durch Studien erhärtet).
• Screeningmammografie: im Alter von 50–69 J. alle 2 J.
Durchführung
Standardaufnahmen beider Mammae bei aufrechter Pat. im kraniokaudalen und
obliquen Strahlengang (▶ Abb. 10.4). Bei path. Befunden ggf. besondere Zielauf-
nahmen oder axilläre Aufnahmen. Aufgrund der geringen Strahlendichte des
Mammaparenchyms sollten die Aufnahmen zur Verringerung der Strahlenbelas-
tung mit Weichstrahl-Rastertechnik und Film-Folien-Kombination durchgeführt
werden.

Abb. 10.4  Mammografie eines multizentrisch wachsenden Ca mediolateraler


und kraniokaudaler Strahlengang [T192]

Malignitätskriterien
• Sternförmige Opazitäten („Krebsfüßchen“).
• Unscharf begrenzte Opazitäten.
• Gruppierter Mikrokalk (mind. 10 polymorphe Kalkherde).
Die Lokalisation der Befunde sollte unter Angabe der „Uhrzeit“, der Zentimeter-
Entfernung von der Mamille sowie der Entfernung von der Haut angegeben wer-
den. Insb. bei nicht palpablen Befunden (z. B. Mikrokalk) ist dies für die OP-Pla-
nung wichtig.
400 10  Mamma  

BI-RADS-Klassifikationssystem

10 Tab. 10.1  Einschätzung der Dignität in sechs Kategorien (BI-RADS 0–5) und
adäquates Prozedere gemäß American College of Radiology (ACR)
BI-RADS- Bewertung Prozedere Karzinomwahr-
Kategorie scheinlichkeit (%)

0* Diagn. inkomplett Diagn. vervollständigen Unklar

1 Kein Befund Keine Kontrolle 0 

2 Sicher benigner Befund Keine Kontrolle 0 

3 Wahrscheinlich benigner Kontrolle 1–3 


Befund

4 Unklarer, wahrscheinlich Biopsie 20–30 


maligner Befund

5 Malignomtypischer Befund Adäquate Ther. ~ 90 

* Typischerweise vorgesehen für Screening-Fälle, bei denen weitere diagn. Maß­


nahmen erforderlich sind.

Tab. 10.2  Klassifikation des Parenchymmusters im Mammogramm nach ACR


Typ Beschreibung Diagnostische Sicherheit

I Überwiegend lipomatös Sehr hoch

II Fibroglandulär Hoch

III Inhomogen dicht Begrenzt

IV Extrem dicht Begrenzt

Tab. 10.3  Beurteilungskriterien für Herdbefunde in der Mammografie


Form Begrenzung Dichte

Rund Scharf begrenzt Fettäquivalent

Oval Partiell von Parenchym überlagert Geringer als umgebendes Parenchym

Lobuliert Unscharf begrenzt Parenchymäquivalent

Irregulär Mikrolobuliert strahlig Höher als umgebendes Parenchym

Tab. 10.4  Morphologische Differenzialdiagnostik, Makroverkalkungen in der


Mammografie
Morphologie Grunderkrankung/Befund

Lanzettenartig (Ø > 1 mm) Plasmazellmastitis

Zentral transparent (intramammäre Lage) Verkalkte Mikrozysten

Gleisartig Arteriosklerose
   10.2  Diagnostische Methoden  401

Tab. 10.4  Morphologische Differenzialdiagnostik, Makroverkalkungen in der


Mammografie (Forts.)
Morphologie Grunderkrankung/Befund 10
Sedimentiert (ML-Aufnahme!) Kalkmilch in Mikrozysten

Popcornartig Fibrosiertes Mikroadenom

Eierschalenartig Fettgewebsnekrose

Knotig Nahtmaterial

Galaktografie
Durchführung  Bei path. Milchgangsekretion (v. a. serös, braun oder blutig) wird
der betroffene Milchgang nach Abnahme eines zytologischen Abstrichs (▶ 10.2.6)
von der Mamille aus vorsichtig sondiert und dilatiert. Anschließend wird über
eine flexible Kanüle 0,2–0,5 ml wasserlösliches KM (z. B. Solutrast®) injiziert und
danach eine Rö-Kontrolle in zwei Ebenen angefertigt.
Befund  Zu erkennen sind Duktektasien, Milchgangaussparungen, Milchgang-
abbrüche, Kompressionen des Milchgangs von außen.

10.2.3  Mammasonografie

Die Ultraschalluntersuchung (▶ Abb. 10.5) kann die Mammografie in ih-


rer Aussagefähigkeit nicht ersetzen, bietet aber zusätzliche diagn. Mög-
lichkeiten, insb. zur Differenzierung von soliden und zystischen Prozes-
sen, v. a. bei dichtem Drüsenkörper (ACR ≥ 3). Unter sonografischer Sicht
ist eine Punktion der Befunde mit anschließender histologischer Untersu-
chung möglich. Durchführung mit Linear-Scanner und 11- bis 13-MHz-
Schallkopf.

Indikationen 
• Bei KI für Mammografie, z. B. Schwangerschaft.
• Fehlende mammografische Erfassbarkeit eines Befunds, z. B. exzentrisch gele-
gene, axilläre oder supra- bzw. infraklavikuläre Befunde (v. a. Lokalrezidive
nach Mastektomie).
• Eingeschränkte Beurteilbarkeit der Mammografie, z. B.:
– Rö-dichte Mamma bei jungen Pat.
– Stillzeit.
– Z. n. prothetischem Brustaufbau.
– Postop. bzw. nach durchgeführter Radiatio.
– V. a. Hämatom, Serom oder Abszess.
• Kurzfristige Verlaufskontrollen nach Punktionen von Zysten, Seromen, Hä-
matomen, Abszessen, unter Antibiotika-, Hormon- oder Zytostatikather., als
Intervalluntersuchung bei bekannter zystischer Mastopathie (zwischen den
konsequent zusätzlich einzuhaltenden Mammografieterminen!).
402 10  Mamma  

Randauslöschphänomen
(z.B. bei Fibroadenom)
10
Schallverstärkung Auslöschphänomen
(z.B. bei Zyste) (z.B. bei Karzinom)

Abb. 10.5a  Ultraschall der Mamma


a) Ultraschallphänomene [L157]

Abb. 10.5b  Ultraschall der Mamma


b) Ultraschallbild eines Mamma-Ca [T192]

Beurteilungskriterien  Zystische oder solide Befunde, mit oder ohne Binnen-


echos, mit Schallverstärkung oder Schallauslöschung hinter dem Befund, Ab-
grenzbarkeit der Befunde (scharf oder unscharf).

Tab. 10.5  Beurteilungskriterien der Mamma in Sono- und Mammografie


Mammografie Sonografie

Maligni­ Gruppierter Mikrokalk (v. a. Inhomogene Echos


tätskrite­ bei duktalem Ca)
rien
Sternförmige Ausziehungen, Nur wenige Echos innerhalb eines Her­
„Krebsfüßchen“ (v. a. bei des
szirrhösem Ca)
   10.2  Diagnostische Methoden  403

Tab. 10.5  Beurteilungskriterien der Mamma in Sono- und Mammografie


(Forts.)
Mammografie Sonografie 10
Unscharfe Begrenzung des Unscharfe, zackige Randkonturen
Herdes (solides Ca)

Kutane Verdickungen (Lymph­ Zentrales Auslöschphänomen


angiosis carcinomatosa bei Unilaterales Randauslöschphänomen
inflammatorischem Ca)

Kriterien Grobschollige Verkalkung Homogene Echos oder echoleere Struk­


für Benig- tur
nität
Glatt begrenzte Verdichtung Randkontur scharf und/oder glatt
(z. B. Zyste, Fibroadenom)

Diffuse bis wolkige Verdich­ Struktur auf Druck deformierbar


tungsstrukturen ohne zir­
kumskripten Befund (Masto­ Zentrale Schallverstärkung (Zyste) oder
pathia cystica fibrosa) bilaterales Randauslöschphänomen (Fi­
broadenom)

10.2.4  Magnetresonanztomografie
Bedeutung  Zusatzuntersuchung zu Mammografie und Sono. Muss in der 1. Zy-
klushälfte durchgeführt werden, da in der 2. Hälfte falsch pos. Anreicherungen.
Indikationen 
• Mammografisch und sonografisch unklare Befunde.
• Ausschluss Multizentrizität bei unklaren Befunden.
• CUP mit axillären Lk-Metastasen.
• Nach Inlayeinlage bei auffälligen Befunden.
• Differenzierung Narbe oder Rezidiv bei Z. n. Brust erhaltender OP (BET).
• Bei nachgewiesenem invasiv lobulärem Ca zum Ausschluss weiterer Tumor-
herde.
• Bei Z. n. mammografisch und sonografisch inapparentem, im MRT nachge-
wiesenem Mamma-Ca.

10.2.5  Biopsie
Die präop. histologische Sicherung eines auffälligen Befunds gilt heute als Standard.

Stanzbiopsie
Durchführung  Über ein 14-G-Koaxialnadel-System werden mithilfe einer auto-
matischen Biopsiepistole (z. B. BARD-High-Speed-Stanze®) unter Sonokontrolle
5 Stanzzylinder aus dem Tumor entfernt.

Vakuumbiopsie
Durchführung  Probenentnahme aus einer Läsion (mind. 10  Zylinder), aber
auch komplette Abtragung von Befunden bis zu 1 cm (z. B. Mikrokalk) durch ste-
reotaktische Eingriffe (Mammografiekontrolle) oder in Ausnahmefällen als sono-
grafisch geführte Maßnahmen möglich (z. B. Mammotome® oder Vacora®-
404 10  Mamma  

Vakuumbiopsie). Vorteil: Eingriff in LA, ambulante OP. Nachteil: hohe Kosten


für Einmalnadel (ca. 250 Euro).
10 Offene Biopsie
Indikationen  Exzision von vermuteten benignen Befunden oder bei mangelnder
Stanzbarkeit zur Entfernung z. B. nach radiologischer Drahtmarkierung.
Durchführung  Hauteröffnung möglichst direkt oberhalb der zu entfernenden
Resistenz. Mögliche Schnittführungen (▶ Abb. 10.6):
• Paramamillär (1): Bei weit von der Mamille entfernt liegenden Befunden zu
wählen.
• Submammär (2): Bei Befunden in den unteren Quadranten wird der Schnitt in
der Submammärfalte gelegt und wird
in den meisten Fällen von der herab-
hängenden Brust verdeckt.
• Perimamillär (3): kosmetisch am
günstigsten. Angesichts der zu er-
wartenden Narbenbildung sollte der
4
Schnitt ca. 1–2 mm außerhalb der
Areola angesetzt werden.
• Schnitt in der Achselhöhle (4): zur 1
isolierten Entfernung der axillären
Lk Level I und II. Kosmetisch am 3
günstigsten, wenn am Rand des
M. pectoralis major durchgeführt.
• Schnitt in der unteren Brusthälfte 2
(5): kosmetisch bessere Ergebnisse;
quere (Hautspalten) Schnittführung
führt häufig zu narbigen Verzie-
hungen. Abb. 10.6  Schnittführungen [L106]

Jeder solide Mammabefund muss histologisch abgeklärt werden, auch Tast-


befunde ohne Korrelat in der bildgebenden Diagn. Dank Stanzbiopsie ohne
großen Eingriff i. d. R. möglich.
• Stillen ist häufig auch nach einer Tumorektomie noch möglich, da es
zur Ausbildung neuer Ductuli kommt.
• Bei suspekten Mikroverkalkungen und anderen lediglich mammogra-
fisch gesicherten Befunden muss die korrekte Entnahme durch die int-
raop. Präparat-Radiografie gesichert werden (Markierungsdraht für den
Radiologen belassen, Präparat vor Abgabe zum Radiologen und Patho-
logen Fadenmarkieren, für evtl. Lokalisation einer Nachresektion).

10.2.6  Labordiagnostik
Etwa 5 % der Frauen, die an Brustkrebs erkranken, sind Trägerinnen einer domi-
nanten Mutation des BRCA1-Gens (Breast Cancer Gen). Diese Pat. haben ein
Mammakarzinomrisiko von ca. 90 %. Im Rahmen der deutschen BRCA1-Genstu-
die kann die Untersuchung Pat. mit belastender Familienanamnese (mind. zwei
Mamma- oder Ovarial-Ca bei Verwandten 1. oder 2. Grades) und entsprechender
   10.3  Mastitis  405

genetischer Beratung angeboten werden. Über klinische Konsequenzen (engma-


schige Beobachtung, evtl. prophylaktische Mastektomie oder Ovarektomie)
herrscht allerdings nach wie vor Unsicherheit.
10
10.3  Mastitis
(Mastitis puerperalis ▶ 8.4.1).

Epidemiologie
Häufig junge Frauen betroffen (60 % < 30 J.), 2. Altersgipfel 50–60 J. In 70 % Mas-
titis puerperalis (▶ 8.4.1), in 30 % Mastitis non puerperalis. Entwicklung meist bei
einer Hyperprolaktinämie mit vorausgehender Mastodynie und Galaktorrhö.

Erreger
• 40 % Staphylococcus aureus (bei Mastitis puerperalis 95 %).
• 40 % koagulaseneg. Staph.
• 10 % Anaerobier.
• 10 % Sonstige.

Klinik
• Fieber, häufig mit Schüttelfrost, axilläre Temperaturdifferenz re/li.
• Umschriebene Schmerzen, Rötung, Überwärmung, axilläre schmerzhafte Lk-
Schwellung.
• Bei Abszess Fluktuation (in 50 % der Mastitiden).
Therapie
Komplikationslose Mastitis
• Prolaktinhemmer wie Bromocriptin 5 mg/d p. o. (z. B. Pravidel®). Cave: Hy-
potonie.
• Lokale Ther. mit Kühlen, Hochbinden (straffer BH).
• Antibiotika: orales Cephalosporin, z. B. Cefaclor 3 × 500 mg/d p. o. (z. B. Cefa-
clor®). Bei Resistenz oder Unverträglichkeit parenterale Ther. mit Flucloxacil-
lin 3 × 1 g/d i. v. (Staphylex®) oder Cephalosporine, wie Cefuroxim 3 × 1,5 g/d
i. v. (Cefuroxim CT®) oder Cefotaxim 2–3 × 2 g/d i. v. (Claforan®).
• Antiphlogistika: Diclofenac 3 × 50–100 mg/d p. o. oder supp. (z. B. Voltaren®).
Abszess
• Zur Abszessreifung Rotlicht (2 × tägl. 10–15 Min.) und evtl. Zugsalbe (z. B.
Ichtholan® 20 %).
• Inzision, manchmal mit notwendiger Gegeninzision in Narkose (▶ 8.4.1), Of-
fenhalten der Wundhöhle durch Einlegen einer Drainage oder Lasche, gründ-
liche chirurgische Nekrosenabtragung, histologische Sicherung.
• Alternative zur Inzision: Abszesspunktion mit großer Kanüle, Spülen, syste-
mische Antibiose.
• Spülen mit H2O2 3 %, Rivanol® 0,5 %, Betaisodona® (cave: Hyperthyreose, au-
tonomes Schilddrüsenadenom).
• Zur Granulationsanregung nach Säuberung lokale Ther. möglich, z. B. mit
Oxoferin® oder Zucker.
406 10  Mamma  

Chronische Fistelungen
Exzision des gesamten Fistelgangsystems nach Darstellung mit Methylenblau-
Lsg. Cave: Durch den großen Defekt sind häufig nur mangelhafte kosmetische
10 Ergebnisse zu erzielen → psychische Probleme.

Komplikationen
• Chron. rezid. Formen in 30 % der Fälle. Ther. mit Bromocriptin 2,5 mg/d p. o.
(z. B. Pravidel®) und/oder Beseitigung der Ursachen der Hyperprolaktinämie
(▶ 15.4.2).
• Nach Abszessspaltung Narbenbildungen mit Deformität der Brust.
• Bei Vernarbungen ist die Beurteilbarkeit der Mammografie-Kontrollen er-
schwert, da Mikroverkalkungen des Mammaparenchyms und narbige Ver-
schattungen ein neu entstandenes Ca verdecken können.

Selten kann sich hinter einer Mastitis nonpuerperalis ein Mamma-Ca verber-
gen, daher nach Abschluss der Behandlung immer Mammografie und Sono
durchführen.

10.4  Mastodynie
Klinik  Bedingt durch die Größenzunahme der Brust um ca. 15–40 ml, insb. in der
2. Zyklushälfte , leiden etwa 50 % aller Frauen unter einem Spannungsgefühl beider
Mammae. Die Beschwerden treten typischerweise etwa 1 Wo. vor der Menstruation
auf und sind häufig mit Stimmungsschwankungen, Übelkeit und Kopfschmerzen im
Sinne eines prämenstruellen Sy. (PMS, ▶ 20.2.3) kombiniert. Häufig psychosomati-
sche Komponente. DD: Grav., Mamma-Ca, Thrombophlebitis der Brust, Trauma.
Therapie 
• Für gut sitzenden BH sorgen.
• Lokale Progesteronapplikation (z. B. Progestogel® Gel).
• Systemische Progesterongabe, z. B. Dihydrogeston 10 mg/d p. o. (Dupha­ston®)
vom 16.–25. ZT.
• Bromocriptin 1,25–2,5 mg/d p. o. (z. B. Pravidel®) in der 2. Zyklushälfte.
• Pflanzliche Präparate mit Agnus castus, z. B. Mastodynon® N 2 × 30 Tr. tägl.
• Gestagenbetonte Kontrazeptiva (z. B. Marvelon®).

10.5  Gutartige Veränderungen


10.5.1  Zysten

Intramammäre Zysten entstehen auf dem Boden von Sekretretention, häufig


in Zusammenhang mit einer fibrös-zystischen Mastopathie (▶ 10.5.4). Der
Altersgipfel liegt in der Perimenopause (45–55 J.). Zu unterscheiden sind Mi-
krozysten (Ø 1–2 mm) und Makrozysten (Ø 1–6 cm). Durch Einblutung
kann das Sekret blaugrünlich verfärbt sein.
   10.5  Gutartige Veränderungen  407

Diagnostik  Mammografie, Sono.


Therapie  Bei Malignitätsverdacht (intrazystische Proliferationen) Exzision, bei
nicht malignitätsverdächtigem Befund sonografische Kontrolle nach 3  Mon. 10
Punktion nur bei Schmerzhaftigkeit.

10.5.2  Fibroadenom
Epidemiologie  Häufigste gutartige Neubildung der Mamma vor der Menopause
(ca. 30 % aller Frauen). Altersgipfel 20–24 J., danach Plateau bis 44 J. Meist solitäre
Knoten, in 10 % multipel, in 5 % bilateral. Mittlere Größe 1–2 cm, 60 % < 5 cm.

• Fibroadenome erhöhen das Risiko für ein Mamma-Ca nicht.


• In der Grav. häufig Größenzunahme.
Therapie  Bei mammografisch und sonografisch eindeutigem Befund Stanzbiop-
sie zur histologischen Diagnosesicherung. Exzision nur bei Beschwerden, unkla-
ren Befunden oder auf Wunsch der Pat. Orale Kontrazeptiva (▶ 16.3) senken die
Häufigkeit von Fibroadenomen bei lang dauernder Einnahme.

Sonderform
Cystosarcoma phylloides (proliferierendes Fibroadenoma phylloides), ca. 3 %
aller Fibroadenome. Benigner Tumor auf dem Boden eines Fibroadenoms mit
überschießendem Wachstum der Stromazellen, im Extremfall bis 30 cm →, oft
mit zungenförmigen Ausläufern ins umgebende Drüsenparenchym. Bei un-
vollständiger Exzision sehr hohe Rezidivneigung.

10.5.3  Andere mesenchymale Tumoren


Lipom  Intramammäre Fettgewebswucherung, meist abgekapselt. Palpatorisch und
insb. mammografisch häufig eindeutiger Befund. Nach Traumata können Fettge-
websnekrosen mit Ausbildung von Ölzysten oder sek. Verkalkungen vorkommen.
Hamartom (= Adenolipom, Mastom)  Lokalisierte Proliferation von Mantel-,
Stütz- und Fettgewebe der Brust („Mamma in der Mamma“). Klinisch Ausbil-
dung eines gut abgrenzbaren, mit Pseudokapsel umgebenen, intraop. meist
stumpf herauszulösenden Tumors.
Sarkom  Maligner Tumor ausgehend vom Bindegewebe. 1 % der malignen
Mammatumoren. Knotiges oder diffuses Infiltrat der Mamma. Bei Erstdiagn. lie-
gen in ca. 30 % bereits Metastasen vor, somit sehr schlechte Prognose.

10.5.4  Mastopathie (Mastopathia cystica fibrosa, Dysplasie


der Mamma)
Definition  Umbaureaktion der Mamma, vorwiegend peri- und postmenopausal
auftretend (Altersgipfel 46–52 J.). Durch Progesteronmangel und relativen Östro-
genüberschuss kommt es zu Fibrosierungen, intraduktalen Epithelproliferatio-
408 10  Mamma  

nen, Gangektasien und Zystenbildung. Häufigste gutartige Erkr. der Mamma (bei
40–50 % aller Frauen).
10 Vorgehen 
• Bei allen verdächtigen Befunden Probeexzision und histologische Untersu-
chung.
• Bei Mastopathie mit Atypien engmaschige sonografische Kontrolle alle 6 Mon.

10.5.5  Milchgangpapillom
Definition  Einzeln oder multipel (= Milchgangpapillomatose) vorkommende
Epithelproliferation der Duktuszellen. Nur bei der Papillomatose muss von einem
erhöhten Entartungsrisiko ausgegangen werden. Papillome kommen meist bei fi-
brös-zystischer Mastopathie vor, können aber auch isoliert auftreten.
Klinik  Blutige oder seröse Milchgangsekretion.
Diagnostik  Zytologie und Galaktografie.
Therapie  Bei auffälliger Zytologie und/oder Galaktografie Exzision nach vorhe-
riger Darstellung des Gangsystems mit Methylenblau (Mamma-TE und Urban).

10.6  Angeborene Erkrankungen


10.6.1  Polymastie
Definition
Komplette Anlage einer überzähligen Brustdrüse (Brustwarze und Parenchymge-
webe), meist innerhalb der Milchleiste.

Polymastia glandularis (= Mamma aberrata)


Häufigste Form, bei der lediglich der Drüsenkörper angelegt ist. Häufigste Lokali-
sation ist die Axilla, gefolgt von der Vulva.
Diagnostik  Diagn. erfolgt meist in der Grav. oder während der Laktationsperio-
de, da das ektope Drüsengewebe gemäß der hormonellen Regulation anschwillt.
Komplikationen  Sekretretention und Mastitis.
Therapie  Da ein etwas erhöhtes Entartungsrisiko besteht, sollte das akzessori-
sche Drüsengewebe chirurgisch entfernt werden.

Polymastia completa (= Mamma accessoria)


Seltener, mit Mamille, Areola und Drüsenkörper.
Therapie  Aus kosmetischer und psychischer Ind. frühzeitige Abtragung zu emp-
fehlen, die auch im Hinblick auf eine mögliche maligne Entartung sinnvoll erscheint.

10.6.2  Polythelie
Definition  Überzählige Brustwarze ohne darunterliegendes Parenchymgewebe
(▶ Abb. 10.7).
   10.6  Angeborene Erkrankungen  409

Therapie  Op. Entfernung möglichst im


frühen Kindesalter.
• Polythelia completa: häufigste Form 10
der Überschussbildungen, kommt
bei 1–5 % aller Frauen vor, mit War-
zenanlage und Areola ohne Drüsen-
parenchym (53 %). Lokalisation
meist Axilla (43 %), unterhalb und
innerhalb der normalen Mamma
(26 %), Rippenbogenrand (12 %)
oder vordere Achselfalte (10 %).
• Polythelia mamillaris: akzessorische
Mamille inner- oder außerhalb der
Areola (23 %).
• Polythelia areolaris: Warzenhof ohne
Mamille oder Drüsengewebe (23 %).

10.6.3  Mikromastie
Definition  Bilaterale Hypoplasie der
Abb. 10.7  Polythelie [L157]
Mamma.
Ätiologie  Turner-Sy., Pseudoherma-
phroditismus femininus, adrenogenitales Sy., konstitutionell bedingt und Anore-
xia nervosa.
Therapie  Nach Ursachenklärung (▶ 17) und ggf. deren Ther. bei psychischer Be-
lastung Augmentationsplastik mit subpektoraler oder subglandulärer Einlage ei-
ner Silikonprothese.

10.6.4  Makromastie (Gigantomastie)


Definition  Uni- oder bilaterale Hy-
pertrophie des Drüsenkörpers, die über
die normale Größe der Mamma von
150–400 ml (g), am Ende der Grav.
7–8 cm
≤  600 ml (g) und 600–800 ml (g) wäh-
rend der Laktation hinausgeht.
cm
1

Einteilung 
–2
17

• Pubertätsmakromastie (81 %): häu-


figste Form, die vor oder nach der AA A A
Menarche im Alter von 11–18 J. auf- B B B
B
tritt (Gewichte von 1–7 kg Drüsen-
parenchym, Fett- und Bindegewebe).
• Graviditätsmakromastie (11 %):
Meist im 2.–5. Mon. entwickelt sich
im Zeitraum von 6–12 Wo. eine
Hyperplasie mit bis zu 9 kg Mam-
magewicht.
Abb. 10.8  Mamma-Reduktionsplastik
[L157]
410 10  Mamma  

Komplikationen  Psychische Belastung, Lymphödem des Drüsenkörpers,


Hautulzerationen und v. a. bei einseitigem Auftreten statische Beschwerden (Sko-
liose).
10
Therapie  Mamma-Reduktionsplastik (▶ Abb. 10.8), je nach Brustgröße evtl. mit
freier Mamillentransplantation (Sensibilitätsverlust, kein Stillen möglich!).

10.7  Mammakarzinom
Definition  Häufigster maligner Tumor der Frau (24 % aller Malignome), jede
9.  Frau (11 %) erkrankt im Laufe ihres Lebens an einem Mamma-Ca. Die Inzi-
denzkurve steigt vom 20.–40. Lj etwa kontinuierlich an und erreicht dann ein Pla-
teau. Ein 2. Anstieg ist in der Postmenopause zu verzeichnen. Das Mamma-Ca ist
die häufigste Todesursache bei Frauen zwischen 40 und 50 J.

Tab. 10.6  Wichtigste bekannte Risikofaktoren für das Mammakarzinom


Rel. Risiko Rel. Risiko

Verwandte 1. Gra­ 3–4 Adipositas 1–8


des mit einseitigem
Ca

Verwandte 1. Gra­ 7–9 Mamma-Ca der kontra­ 1,5–4,8


des mit beidseitigem lateralen Brust
Ca

Menarche < 12 J. 1,7–3,4 Endometrium-Ca 2–4

Menarche > 17 J. 0,3 Ovarial-Ca 2–4

Nullipara 1,5–4 Kolorektal-Ca 1,8

Stillen (> 4 Wo.) 0,3–0,5 Mastopathie 2. Grades 1,2

Menopause < 45. Lj 0,5 Mastopathie 3. Grades 2,5–4

Menopause > 55. Lj 2 BRCA-Mutation 8–10

Einteilung  Histologisch häufigste Form ist mit ca. 80 % das invasiv duktale Ca.
Sonderformen:
• M. Paget oder Paget-Ca: intraduktales Ca mit Ausbreitung intraepidermal
über Mamille und Areola. Leitsymptom: Ekzem von Mamille und Areola,
blutige Sekretion.
• Inflammatorisches Ca: ausgedehnte Ausbreitung des Ca in Lymphspalten mit
Entzündungszeichen. Infauste Prognose, Überlebenszeit 1–2 J.
Diagnostik 
• Klinische Untersuchung: Palpation, Inspektion, Wirbelsäulenklopfschmerz,
Wirbelsäulenbeweglichkeit, Klopfschmerz über Femur, Humerus und Schä-
delkalotte, Sensibilitätsprüfung der Extremitäten, motorische Ausfälle an den
Extremitäten, Hirnnervenausfälle, Leberpalpation, gynäkologische Untersu-
chung.
   10.7  Mammakarzinom  411

• Apparative Diagn.: Mammografie,


Sono. Nach histologischer Siche-
rung gynäkologischer Ultraschall, 10
Sono von Leber und Oberbauchor-
ganen, Rö-Thorax, Skelettszintigra-
fie, Nachröntgen von szintigrafi- multizentrisch: 3%
schen Speicherherden, Schädel-CT
nur bei V. a. Hirnmetastasen. MRT 14% 50% 15%
zur Unterscheidung Narbe/Rezidiv
(▶ Abb. 10.9). 12% 6%
• Labordiagn.: Bestimmung des Me-
nopausenstatus vorzugsweise ana-
mnestisch, bei Unklarheit (z. B. bei
Perimenopause, Z. n. Hysterekto-
mie) durch Bestimmung von FSH,
LH und Estradiol. Außerdem BB, Abb. 10.9  Verteilung des Mamma-Ca
CEA, Ca 15–3, AP, LDH, GPT. in den Quadranten [L106]

10.7.1  Klassifikation des Mammakarzinoms

Tab. 10.7  TNM-Klassifikation des Mamma-Ca


Klinische Klassifikation* Postoperative Klassifikation

T T0 Kein Anhalt für Primärtumor

Tis Carcinoma in situ (duktal oder lobulär) M. Paget der Mamille ohne wei­
teren Tumor

T1 Tumor maximal 2 cm

T1a Keine Fixierung an Pektoralisfaszie pT1a ≤ 0,5 cm


oder Muskel

T1b Mit Fixierung an Pektoralisfaszie pT1b ≤ 1,0 cm


oder Muskel
pT1c ≤ 2 cm

T2 Tumor ≤ 5 cm

T2a Ohne Fixierung an Pektoralisfaszie oder Muskel

T2b Mit Fixierung an Pektoralisfaszie oder Muskel

T3 Tumor > 5 cm

T3a Ohne Fixierung an Pektoralisfaszie oder Muskel

T3b Mit Fixierung an Pektoralisfaszie oder Muskel

T4 Jeder Tumor mit direkter Infiltration von Brustwand oder Haut (Brustwand
→ Rippen), Interkostalmuskulatur, M. serratus ant., aber nicht M. pectoralis

T4a Mit Fixierung an der Brustwand

T4b Mit Hautödem (Apfelsinenhaut), Ulzeration oder Hautmetastase der ipsi­


lateralen Brust
412 10  Mamma  

Tab. 10.7  TNM-Klassifikation des Mamma-Ca (Forts.)


Klinische Klassifikation* Postoperative Klassifikation
10
T4c a und b gemeinsam

T4d Inflammatorisches Karzinom

Tx Primärtumor kann nicht beurteilt werden

N N0 Keine palpablen homolate­ pN0 Keine regionären Lk-Metastasen,


ralen axillären Lk auch isolierte Tumorzellen (ITC) in
regionären Lk werden als N0 klassi­
fiziert

pN- Mikrometastase(n) (> 0,2 mm aber


1mi < 2 mm)

N1 Metastase(n) in bewegli­ pN1 Metastase(n) in 1–3 ipsilateralen


chen ipsilateralen axillären axillären Lk und/oder ipsilateralen
Lk Lk entlang der A. mammaria inter­
na mit mikroskopischer/n
Metastase(n), nachgewiesen durch
Untersuchung des Sentinel-Lk, aber
nicht klinisch erkennbar**

pN1a Metastase(n) in 1–3 axillären Lk,


zumindest 1 Metastase > 0,2 cm

pN1b Lk entlang der A. mammaria inter­


na mit mikroskopischen
Metastase(n), nachgewiesen durch
Untersuchung des Sentinel-Lk, aber
nicht klinisch erkennbar**

pN1c Metastase(n) in 1–3 axillären Lk


und in Lk entlang der A. mammaria
interna mit mikroskopischer/n
Metastase(n), nachgewiesen durch
Untersuchung des Sentinel-Lk, aber
nicht klinisch erkennbar* (bei > 3
befallenen axillären Lk werden die
A.-mammaria-interna-Lk als pN3b
klassifiziert)

N2 Metastase(n) in ipsilateralen pN2 Metastasen in 4–9 axillären Lk oder


axillären Lk, untereinander in klinisch erkennbaren** Lk ent­
oder an andere Strukturen lang der A. mammaria interna in
fixiert oder in klinisch er­ Abwesenheit klinisch erkennbarer
kennbaren ipsilateralen Lk axillärer Lk-Metastasen
entlang der A. mammaria
interna in Abwesenheit kli­
nisch erkennbarer axillärer
Lk-Metastasen

N2a Metastase(n) in ipsilateralen pN2a Metastasen in 4–9 axillären Lk, zu­


axillären Lk, untereinander mindest 1 Metastase > 2,0 mm
oder an andere Strukturen
fixiert
   10.7  Mammakarzinom  413

Tab. 10.7  TNM-Klassifikation des Mamma-Ca (Forts.)


Klinische Klassifikation* Postoperative Klassifikation
10
N2b Metastase(n) in klinisch er­ pN2b Metastase(n) in klinisch erkennba­
kennbaren ipsilateralen Lk ren** Lk entlang der A. mammaria
entlang der A. mammaria interna in Abwesenheit klinisch er­
interna in Abwesenheit kli­ kennbarer axillärer Lk-Metastasen
nisch erkennbarer axillärer
Lk-Metastasen

N3 Metastase(n) in ipsilateralen pN3 Metastasen in 10 oder mehr ipsila­


infraklavikulären Lk mit teralen axillären Lk oder in ipsilate­
oder ohne Beteiligung der ralen infraklavikulären Lk oder in
axillären Lk oder in klinisch klinisch erkennbaren** ipsilatera­
erkennbaren ipsilateralen len Lk entlang der A. mammaria in­
Lk entlang der A. mamma­ terna in Anwesenheit von mind.
ria interna in Anwesenheit 1 axillären Lk-Metastase oder mehr
klinisch erkennbarer axillä­ als 3 axilläre Lk-Metastasen mit kli­
rer Lk-Metastasen oder Me­ nisch nicht erkennbaren, nur mikro­
tastasen in ipsilateralen su­ skopisch nachweisbaren Metasta­
praklavikulären Lk mit oder sen in Lk entlang der A. mammaria
ohne Beteiligung der axillä­ interna oder Metastase(n) in supra­
ren Lk oder der Lk entlang klavikulären Lk
der A. mammaria interna

N3a Metastase(n) in ipsilateralen pN3a Metastasen in 10 oder mehr ipsilate­


infraklavikulären Lk ralen axillären Lk, mind. eine
> 0,2 cm oder in ipsilateralen infra­
klavikulären Lk

N3b Metastase(n) in ipsilateralen pN3b Metastase(n) in klinisch erkennba­


Lk entlang der A. mamma­ ren* Lk entlang der A. mammaria
ria interna in Anwesenheit interna in Anwesenheit von mind.
klinisch erkennbarer axillä­ 1 axillären Lk-Metastase oder Me­
rer Lk-Metastasen tastasen in mehr als 3 axillären Lk
und in Lk entlang der A. mammaria
interna nachgewiesen durch Unter­
suchung des Sentinel-Lk, aber nicht
klinisch erkennbar**

N3c Metastase(n) in ipsilateralen pN3c Metastase(n) in ipsilateralen supra­


supraklavikulären Lk klavikulären Lk

NX Regionäre Lk nicht zu beurteilen

M M0 Keine Fernmetastasen

M1 Fernmetastasen vorhanden, Zusatz­ Knochen (OSS), Leber (HEP), Gehirn


angaben: z. B. Lunge (PUL) (BRA), Lymphknoten (LYM), Knochen­
mark (MAR), Pleura (PLE), Perito­
neum (PER), Haut (SKI), andere (OTH)

MX Fernmetastasen nicht beurteilbar

* Die klinische Klassifikation beruht auf der klinischen Untersuchung, der Mammo­
grafie sowie der mammografischen Ausmessung der Tumorgröße. Die postop.
histomorphologische Einteilung erfolgt nach der pTNM-Klassifikation. Rezidive
werden durch den Buchstaben R kenntlich gemacht (z. B. RT1a).
** „Klinisch erkennbar“ ist definiert als klinische Untersuchung oder makroskopisch
sichtbar oder die Verwendung bildgebender Verfahren außer der Lymphszintigrafie.
414 10  Mamma  

Staging 
• Staging vor Ther.-Beginn: Rö-Thorax, Mammografie der Gegenseite, Leberso-
no, Skelettszintigrafie, gynäkologische Untersuchung inkl. Ultraschall.
10 • Intraop. Staging: Klinische Beurteilung der Primärtumorausbreitung sowie
metastasenverdächtiger Lk dokumentieren. Histologische Absicherung ist
obligat!
Histologisches Grading (G)  Untersucht wird der Grad der tubulären Differenzie-
rung, der Polymorphie und Anteil an Mitosen (bei 40er-Objektiv pro Gesichts-
feld). Je Einzelkriterium können 1–3 Punkte vergeben werden, die Summe der
Punkte ergibt die Einteilung des Gradings.
• 3–5 Punkte: Grading G1.
• 6–7 Punkte: Grading G2.
• 8–9 Punkte: Grading G3.

10.7.2  Vorläuferläsionen des Mammakarzinoms

Zu unterscheiden sind zunächst von den Läppchen (Lobuli) und von den
Milchgängen (Ductuli) ausgehende Veränderungen.

Lobuläre Veränderungen
Keine obligate Präkanzerose, wird aber als Risikofaktor für die Entwicklung eines
lobulären Ca gewertet. Häufig (bis zu 50 %) bds. Sie werden heute als lobuläre in­
traepitheliale Neoplasie (LIN) bezeichnet; die alte Nomenklatur ALH (atypische
lobuläre Hyperplasie) und CLIS (carcinoma lobulare in situ) sollte nicht mehr
verwendet werden.
Therapie  In der Regel Exzision des Befunds. Tamoxifen als Mammakarzinom-
prophylaxe: Risikoreduktion um 50 %.

Duktale Veränderungen
Sollten nach DIN (duktale intraepitheliale Neoplasie) klassifiziert werden, die Be-
zeichnung DCIS (duktales Carcinoma in situ) ist allerdings noch weit verbreitet.

Tab. 10.8  Bezeichnung duktaler Mammaveränderungen


Alte Neue Kernatypien Nekrosen Komplette Relatives
­Bezeichnung ­Bezeichnung Entfernung Risiko für
anstreben invasive
Karzinome

Usual ductal UDH – – Nicht notwen­ Sehr gering


Hyperplasia dig
(UDH)

Fat epitheli­ DIN 1a – – Nicht notwen­ Gering


al Atypia dig
(clinging
DCIS)
   10.7  Mammakarzinom  415

Tab. 10.8  Bezeichnung duktaler Mammaveränderungen (Forts.)


Alte Neue Kernatypien Nekrosen Komplette Relatives
­Bezeichnung ­Bezeichnung Entfernung Risiko für 10
anstreben invasive
Karzinome

ADH (atypi­ DIN 1b – – Nicht notwen­ Moderat,


sche duktale dig RR < 4,0
Hyperplasie)

ADH/DCIS DIN 1c (+) – Ja RR 8–11


Grad 1

DCIS Grad 2 DIN 2 + + Ja

DCIS Grad 3 DIN 3 +++ +++ Ja

Therapie 
• Op. Entfernung im Gesunden, freier Randsaum mind. 5 mm. Nach neueren
Studien ist der freie Randsaum nicht für das Auftreten von Rezidiven oder
das Gesamtüberleben entscheidend.
• Nachbestrahlung senkt bei brusterhaltender Operation einer DIN die Lokal-
rezidivrate, beeinflusst allerdings nicht das Gesamtüberleben.
• Derzeitige Ind. zur Strahlenther.: Läsion > 20 mm, Sicherheitsabstand
< 10 mm, Alter < 40 J., DIN 3.
• Die generelle Gabe von Tamoxifen zur Senkung des Rezidivrisikos wird der-
zeit diskutiert, die Risikoreduktion für invasive Ca beträgt ca. 50 %.

10.7.3  Operative Therapie


Brusterhaltende Therapie bei Mammakarzinom (BET)
Indikationen  Bei kleinen Tumoren oder nach vorheriger Verkleinerung des Be-
funds durch Chemother. kommt ein brusterhaltendes Verfahren mit obligater
postop. Radiatio infrage. Kosmetisch günstige Ergebnisse können aber nur bei
entsprechender Relation zwischen Tumorgröße und Gesamtgröße der Mamma
erzielt werden. Man unterscheidet folgende Vorgehensweisen:
• Quadrantektomie.
• Segmentresektion oder Lumpektomie.
• Tumorexzision mit Sicherheitssaum.
Bei allen Verfahren muss ein ausreichender tumorfreier Randsaum (> 1 mm) vor-
handen sein.
Die Entfernung der axillären Lk, meist von einem separaten Zugang aus, ist auch
bei diesen Verfahren obligat, alternativ Sentinel-Lymphonodektomie.

Bei metastasiertem Ca kann der Eingriff auf die Tumorektomie beschränkt


werden; dadurch sollen eine Exulzeration und Inf. verhindert werden. Eine
Axilladissektion ist nicht unbedingt notwendig, da die Prognose von der
Fernmetastasierung bestimmt wird. Je nach Stadium und Prognoseeinschät-
zung wird in manchen Fällen auf op. Maßnahmen gänzlich verzichtet.
416 10  Mamma  

Kontraindikationen für Organerhalt 


• Ausgedehntes duktales Carcinoma in situ im Randbereich, evtl. mit nachge-
wiesenen ausgedehnten Mikrokalkarealen im Bereich der gesamten Brust.
10 • Tumor mit Hautinfiltration oder am Muskel fixiert.
• Multizentrisches Ca, multifokales Ca.
• Ausgedehnte Lymphangiosis carcinomatosa.
• Ausgedehnte Blutgefäßeinbrüche.
• Wunsch der Pat.
• Inkomplette Tumorresektion auch im Nachresektat.
• Invasiv lobuläres Ca.
• KI gegen Radiatio.
Mastektomie
Bei Notwendigkeit zur Mastektomie hat sich derzeit die „modifizierte radikale
Mastektomie“ durchgesetzt. Die „radikale Mastektomie“ mit Absetzen der
Mm. pectorales bleibt Karzinomen mit Infiltration des Muskels vorbehalten. Als
Schnittführung hat sich die querovale Umschneidung der Brust mit leicht in die
Axilla ansteigender Schnittrichtung bewährt (▶  Abb.  10.10). Die Faszie des
M.  pectoralis major muss nur bei makroskopisch vermuteter Infiltration ent-
fernt werden. Vom selben Zugang aus können auch die axillären Lk präpariert
werden.
Durchführung 
• Rautenförmige Umschneidung der
Brust mit leicht nach axillär anstei-
gender Schnittführung
(▶ Abb. 10.10). Brustdrüsenkörper
von der Subkutis mittels Skalpell,
Elektrokauter oder Argon-Beamer
abpräparieren. Mamma unter Ein-
schluss der Pektoralisfaszie vom
M. pectoralis major absetzen. Cave:
erhöhtes Seromrisiko nach Elektro-
Schnittführungen zur
resektion. Mastektomie
• Gründliche Blutstillung und evtl.
Einlegen einer heißen Kompresse
in das Ablationsgebiet.
• Axilla stumpf eröffnen und V. axil-
laris, N. thoracicus longus und tho-
rakodorsales Gefäß-Nervenbündel
darstellen.
• Das Fett- und Lk-Gewebe der Le-
vel I und II teils scharf, teils stumpf
präparieren. Zustand nach der Hautnaht mit
• Axilla mit Aqua dest. spülen. Redon-Drainage
Gründliche Blutstillung.
• Eine Drainage in das Mastektomie-
gebiet sowie eine Drainage in die Abb. 10.10  Mastektomie [L106]
Axilla einbringen. Hautverschluss
durch Subkoreal- und intrakutane Naht.
   10.7  Mammakarzinom  417

Bei prämenopausalen Pat. scheint ein OP-Zeitpunkt in der 2. Zyklushälfte


mit einer besseren Prognose zu korrelieren.
10
Sentinel-Lk-Biopsie (Wächter-Lk-Biopsie) 
• Darstellung des oder der Lk durch radioaktive Markierung und/oder Patent-
Blaulösung.
• Verminderte op. Radikalität, weniger NW (z. B. Lymphödem).
• Bei klinisch und sonografisch unauffälliger Axilla durchführbar.
• Bei Befall des Sentinel-Lk evtl. klassische Axilladissektion.
• Bei befallenem Sentinel-Lk kann bei nachfolgender Radiatio evtl. auf die Axil-
ladissektion verzichtet werden (in Studien kein Überlebensvorteil).

Lymphonodektomie
Die axillären Lk werden klinisch in drei Level eingeteilt (▶ Abb. 10.11):
• Level I: lateral des M. pectoralis minor.
• Level II: zwischen lateralem und medialem Rand des M. pectoralis minor.
• Level III: vom medialen Rand des M. pectoralis minor bis unter die Klavikula
(infraklavikuläre Lk).
Beim kurativen Therapieansatz sollten aus der Axilla mind. 10 Lk der Level I und
II präpariert werden. Kraniale Grenze der Lk-Präparation ist die V. axillaris.

klavikulär
axillär
medial des M.
pectoralis minor

interpek-
axilläre LK, torale LK
lateral von
M. pectoralis
retrosternal minor

Abb. 10.11  Li: Lymphabflussgebiete der Mamma; re: Lymphknotenstationen der


Mamma [L106]

10.7.4  Rekonstruktive Verfahren

Zunehmend gewinnen bei der Ther. des Mamma-Ca neben brusterhaltenden


OP-Techniken auch Methoden der prim. (direkt nach der Mastektomie) oder
sek. (nach einem Zeitintervall) Rekonstruktion an Bedeutung. In Betracht kom-
men autologe Techniken (mit Eigengewebe, z. B. Latissimus-Lappen), alloplas-
tische Materialien (Expander, Prothese) oder eine Kombination von beiden.
418 10  Mamma  

Indikationen
Wunsch der Pat. nach einer Wiederherstellung ihres Körperbilds. Die Wahl des
10 Verfahrens muss auf jeden Fall individuell auf jede Pat. zugeschnitten sein und
mit ihr genau abgestimmt werden.

Alloplastische Rekonstruktionen
Durchführung  Im Rahmen der Mastektomie oder als sek. Rekonstruktion wird
subpektoral ein Expander oder eine Prothese eingebracht. Die Füllung der Prothe-
se kann aus Silikongel, Kochsalz oder hydrokolloidalen Lösungen bestehen, der
Prothesenmantel besteht immer aus einer Silikonbasis, möglichst mit rauer Ober-
fläche (Texturierung), evtl. mit Polyurethanbeschichtung (texturierte Prothesen).
Vorteile  Technisch einfachere Operation als die autologen Verfahren, keine zu-
sätzlichen Narben, auch bei älteren Pat. anwendbar.
Nachteile  Meist noch zwei bis drei weitere Eingriffe zur Formoptimierung not-
wendig, Gefahr der Kapselfibrose. Bei neuen Prothesen kein routinemäßiger
Wechsel mehr erforderlich.

Bei Implantation von Prothesen sollte eine Meldung an das Implantatregister


der Arbeitsgemeinschaft für wiederherstellende Verfahren in der Gynäkolo-
gie (AWO) erfolgen (Dr. K. Brunnert, Lormannstr. 48, 49076 Osnabrück).

Autologe Rekonstruktionen
Transversaler Rektuslappen (TRAM)
Durchführung  Nach Mobilisation eines Bauchhaut-Muskel-Lappens (unterer
Anteil des M. rectus abdominis) wird der Lappen entweder einstielig, doppelstie-
lig oder mit freier Gefäßanastomose im Bereich der Mastektomie eingepasst
(▶ Abb. 10.12).
Vorteile  Gesundes, lebendes Gewebe, kein Fremdgewebe, niedrige KO-Rate bei
korrekter OP-Technik (z. B. intraop. Doppler zur Gefäßdarstellung, Erhalt des la-
teralen Anteils der Rektusmuskulatur), gute Symmetrie, viel Gewebe steht zur
Verfügung, simultane Bauchdeckenplastik.
Kontraindikationen  Rauchen, ausgeprägte Adipositas, fortgeschrittenes Alter,
gleichzeitige Chemother., internistische Erkr. (Hypertonie, Diab. mell.), große
Narben im Bauchdeckenbereich, Strahlenschäden.
Latissimus-dorsi-Flap
Durchführung  Von einem separaten Schnitt aus wird ein Haut-Muskel-Lappen
im Bereich des M. latissimus dorsi mobilisiert und als gestielter Lappen im Be-
reich der Mastektomie eingesetzt. Da hierbei im Vergleich zum TRAM-Lappen
sehr viel weniger Gewebe gewonnen werden kann, ist diese Technik häufig mit
der gleichzeitigen Einlage einer Prothese verbunden.
Vorteile  Auch bei schlanker, dünner Pat. möglich, keine so ausgedehnte OP wie
bei TRAM-Lappen, auch bei Z. n. Bauchdeckenplastik oder bei Narben der
Bauchhaut, u. U. auch bei Raucherinnen und Hypertonus möglich.
Nachteile  Ein zufriedenstellendes kosmetisches Ergebnis durch alleinige Latissi-
mus-Lappenplastik kann nur bei sehr kleiner Brust erreicht werden.
   10.7  Mammakarzinom  419

Kontraindikationen  Atrophie des M. latissimus dorsi nach Nerven- oder Gefäß-


läsionen des thorakodorsalen Gefäß-Nervenbündels (cave: bei Axillarevision),
Z. n. Thorakotomie mit Durchtrennung des M. latissimus dorsi.
10
Mamillenrekonstruktion
Zur Rekonstruktion des Mamillen-Areola-Komplexes stehen eine Vielzahl ver-
schiedener Operationsverfahren zur Verfügung. Am häufigsten wird die freie
Hauttransplantation von Oberschenkelhaut oder Haut der großen Labien vorge-
nommen. Die Mamille kann aus einer horizontalen oder vertikalen Halbierung der
Mamille der Gegenseite oder als lokale Lappenplastik rekonstruiert werden. Eben-
so besteht die Möglichkeit der Tätowierung eines Mamillen-Areola-Komplexes.

Abb. 10.12  Mamma-Aufbauplastik [L106]


a) Thorakoepigastrischer Lappen
b) Latissimus-dorsi-Flap
c) Transversaler Rectus-abdominis-Lappen (TRAM)
d) Freier TRAM-Lappen
420 10  Mamma  

10.7.5  Strahlentherapie
Bedeutung  Beim Mamma-Ca kann die Strahlenther. sowohl prim. (bei inopera-
10 blen Befunden), adjuvant (zusätzlich zur Operation) oder palliativ (beim metasta-
sierten Ca) eingesetzt werden (▶ Abb. 10.13).
Indikationen 
• Brusterhaltende OP-Verfahren: Radiatio der Brust ist obligat (Senkung des
In-Brust-Rezidivs von 30–40 % auf 5–10 %). Über den Einschluss der Lymph­
abflussgebiete muss im Einzelfall je nach Tumorsitz entschieden werden.
• Mastektomie: Bestrahlung der Thoraxwand zur Senkung der Lokalrezidivrate
bei:
– Mehr als 3 befallenen axillären Lk.
– Alter < 40 J.
– Tumorgröße > 3 cm.
– Allen T4-Tumoren.
– Lymphangiosis oder Haemangiosis carcinomatosa.
– Resektion nicht im Gesunden.
• Lymphabflusswege: axilläre Radiatio bei Tumorwachstum über die Lk-Gren-
zen hinaus, oder bei Verzicht auf Axilladissektion trotz befallenem Sentinel-
Lk. Je nach Tumorsitz bzw. bei auffälliger apparativer Diagn. (US, MRT) Be-
strahlung der supraklavikulären oder parasternalen Lk.
• Intraop. Bestrahlung (IORT): Die intraop. Bestrahlung ist bis auf wenige
Ausnahmen (z. B. ältere Pat., sehr kleiner Tumor ohne umgebende Vorstufen,
keine befallenen Achsel-Lk) eine Ergänzung der externen Bestrahlung und
verkürzt die Dauer der postop. Strahlenbehandlung, ersetzt diese aber nicht.
Bei der intraop. Strahlenther. wird
die Strahlenquelle direkt in das ver-
bliebene Tumorbett gebracht. Dann
erfolgt die Bestrahlung mit einer
hohen Dosis („Boost“). Daran
schließt sich die herkömmliche Be-
strahlung der gesamten Brust an.
Behandlung der Bestrahlungsregion 
• Während der Radiatio: keine Cremes
oder Öle (Hitzeabstrahlung durch
die Haut wird verhindert), Sonnen-
einstrahlung vermeiden. Bei Ery-
them Kortisoncreme (z. B. Alfason®).
• 4 Wo. nach Abschluss der Radiatio:
Baby-Öl (z. B. Penaten®-Öl), Fett-
creme (z. B. Linola®-Fett), kranken-
gymnastische Behandlung. Abb. 10.13  Bestrahlungsfelder [L157]

Palliative Radiotherapie
Haupteinsatzgebiet sind Wirbelkörpermetastasen. Beginn der Bestrahlung
erst bei Auftreten von Symptomen (Schmerzen, Nervenausfälle) oder Stabili-
tätsgefährdung (orthopädisches Konsil). In etwa 80 % ist Schmerzfreiheit zu
   10.7  Mammakarzinom  421

erzielen. Bei beginnender Querschnittssymptomatik sofort (< 24 h) mit Radia-


tio beginnen! Isolierte Metastasen der Extremitäten sollten in Abhängigkeit
von der Gesamtprognose operativ stabilisiert werden. Hirnmetastasen stellen 10
ebenfalls eine Ind. zur palliativen Radiatio dar, hierbei Kortisongabe zur
Hirnödemprophylaxe oder -ther. (z. B. 3 × 10 mg Hydrokortison p. o.).

10.7.6  Adjuvante (postoperative) Therapie


Indikationen  Die adjuvante Behandlung dient der Risikoreduktion von Rezidi-
ven. Wichtigste Risikofaktoren sind:
• Grading des Tumors.
• Rezeptorstatus (Östrogenrezeptor (ER), Progesteronrezeptor (PR), Her2/neu-
Rezeptor).
• Proliferationsindex (Ki-67).
• Anzahl befallener axillärer Lk.
• Lymphangiosis oder Haemangiosis carcinomatosa.
• Alter der Pat.
• Menopausenstatus.
• Tumorgröße.
• Histologische/molekularbiologische Klassifizierung:
– Luminal A: G1, ER und PR pos., Ki-67 < 5 %, Her2/neu neg.
– Luminal B: G1, 2, ER pos., PR neg., Ki-67 5–20 %, Her2/neu neg.
– Her2/neu pos.: G3, ER und PR neg., Ki-67 40–50 %, Her2/neu pos.
– Basal like („tripel-neg.“): G3, ER und PR neg., Ki-67 50–60 %, Her2/neu
neg.
Wahl des Verfahrens  Möglichkeiten der adjuvanten Behandlung sind:
• Chemother.: Anthrazykline (z. B. Epirubicin, Doxorubicin) oder Taxane (z. B.
Taxotere®, Taxol®).
• Hormonelle Ther.: Tamoxifen, Aromatasehemmer (z. B. Femara®, Arimidex®,
Aromasin®), GnRH-Analoga.
• Antikörperther.: Trastuzumab (z. B. Herceptin®), Lapatinib (z. B. Tyverb®)
oder Bevacizumab (z. B. Avastin®).
Die konkrete Auswahl der Ther. ist heute eine interdisziplinäre Entscheidung im
Rahmen einer Tumorkonferenz. Da sich die aktuellen Empfehlungen je nach Stu-
dienlage und Zulassungsstatus der Medikamente sehr schnell wandeln, kann an
dieser Stelle nur auf weiterführende Leitlinien verwiesen werden:
• AGO (Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie): www.ago-online.
org.
• AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachge-
sellschaften): www.awmf.org und http://leitlinien.net.
• St. Gallener Konferenz zur adjuvanten Behandlung (alle 2 J.).
• San Antonio Breast Cancer Symposium: www.sabcs.org.
• Gut geeignet zur Abschätzung des relativen Nutzens einer Behandlung ist
auch das interaktive Computerprogramm Adjuvant online: www.adjuvant-
online.com.
422 10  Mamma  

10.7.7  Chemotherapie
Die Chemother. beim Mamma-Ca wird heute i. d. R. entweder als adjuvante oder
10 als palliative Chemother. bei symptomatischen Fernmetastasen angewendet.
Zunehmend setzt sich auch die präoperative (sog „neoadjuvante“) Chemother.
durch.
Indikationen 
• Inflammatorisches Ca.
• Verkleinerung von Tumoren zur besseren Operabilität.
• In-vivo-Sensitivitätstestung [durch Beobachtung des Ansprechens auf die
Chemother. (US, Mammografie des Tumors) kann eine Aussage über deren
Wirksamkeit getroffen werden].

10.7.8  Hormontherapie

Bei nachgewiesenen Östrogen- und Progesteronrezeptoren kommt eine hor-


monelle Ther. infrage. Neben dem Rezeptorstatus spielt auch der Menopau-
senstatus der Pat. bei der Therapieauswahl eine entscheidende Rolle (ggf.
FSH und E2 bestimmen).

Aromatasehemmer
Medikamentöse Hemmung der Umwandlung von Androgenen in Östrogene (Ne-
benniere, Fettgewebe). Wegen spezifischer Hemmung ist im Gegensatz zu den Präpa-
raten der 1. Generation (Aminoglutethimid) keine Kortisonsubstitution notwendig.
• Substanzen: Anastrozol 1 mg/d p. o. (Arimidex®), Letrozol 2,5 mg/d p. o. (Fe-
mara®), Exemestan 25 mg/d p. o. (Aromasin®).
• NW: Gelenkbeschwerden (meist nur die ersten 6 Mon.). Tipp: Präparat
abends einnehmen. Bei Persistenz Ibuprofen 3 × 600 mg/d.

Gonadotropin-Releasing-Hormon-(GnRH-)Agonisten
Durch Gabe eines Depotpräparats oder Dauermedikation mit GnRH-Analoga sis-
tiert die pulsatile GnRH-Ausschüttung. Dadurch völlige Suppression der LH- und
FSH-Ausschüttung aus dem Hypophysenvorderlappen und Wegfall der ovariel-
len Östrogen- und Progesteronproduktion.
• Präparate: Goserelin 3,6 mg s. c. nach LA beim Mamma-Ca (Zoladex® Depot)
alle 4 Wo.; Triptorelin je 0,5 mg s. c. an Tag 1–7, 0,5 mg i. m. an Tag 8, dann
alle 4 Wo. 0,5 mg i. m. (Decapeptyl®).
• Kontrolle der Suppression anhand des Serumöstradiolwerts (E2 < 25 pg/dl).
• NW: Amenorrhö, Verstärkung von Depressionen, Schweißausbrüche.
Tamoxifen
• Dosierung: 20(–30) mg/d p. o.
• NW: Proliferation des Endometriums (regelmäßige Sono!), Kopfschmerzen,
selten Übelkeit, Thrombosen, selten Visusverschlechterung (Augenkonsil vor
Ther.!).
• WW: Kombination mit Thrombozytenaggregationshemmern wegen Gefahr
der Thrombopenie vermeiden.
   10.7  Mammakarzinom  423

Fulvestrant (Faslodex®)
• Dosierung: 250 mg i. v. alle 4 Wo.
• Zugelassen zur Behandlung des metastasierten Mamma-Ca nach Versagen ei- 10
ner Tamoxifenther. Vorteil: keine Osteoporosegefahr, Komb. mit Herceptin®
möglich.

Hoch dosierte Gestagene


• Präparate: Medroxyprogesteron-Acetat (MPA), z. B. Clinovir®, 500 mg, bei
fortgeschr. Erkr. bis zu 1.000 mg/d p. o. Initial 14-tägige Überwachung des
MPA-Spiegels (ther. Bereich: 90–110 ng/ml) sowie des Kortisolspiegels (Sup-
pression auf Werte < 20 g/l) Megestrolacetat (Megestat®) 160 mg, bei fortge-
schr. Erkr. bis zu 320 mg/d p. o.
• NW: Ödemneigung, Appetit- und Gewichtszunahme, Depressionen, Ame-
norrhö, azyklische Blutungen, Thrombose.
• KI: schwere Leberfunktionsstörungen, Diab. mell., schlecht einzustellender
Hypertonus, Hyperkalzämie bei Knochenmetastasen.

10.7.9  Antikörpertherapie

Neben Chemo- und Hormonther. besteht bei der Behandlung des Mamma-
Ca jetzt auch die Möglichkeit einer spezifischen Antikörperther. gegen Zellen
mit Überexpression des Her2/Neu-(c-erbB2-)Rezeptors (15–20 % der Mam-
ma-Ca).

Voraussetzung  Nachweis der Überexpression des Rezeptors durch Immunhisto-


chemie (Score mind. 3+). Bei 2+ kann zusätzlich ein FISH-Test (Fluoreszenz-in-
situ-Hybridisierung) oder eine CISH-Analyse (chromogene In-situ-Hybridisie-
rung) erfolgen, ist diese pos., kann ebenfalls eine Ther. erfolgen.

Weitere Informationen: www.krebsinformation.de

Therapieschemata 
Cave: Dos. in mg/kg Körpergewicht, nicht nach Körperoberfläche:
• Trastuzumab (Herceptin®) wöchentl.: 4 mg/kg KG als Initialdosis an Tag 1;
2 mg/kg KG an Tag 8.
• Trastuzumab (Herceptin®) alle 3 Wo.: 8 mg/kg KG als Initialdosis an Tag 1;
6 mg/kg KG an Tag 21.
• Lapatinib (Tyverb®) tägl. 1.250 mg in Kombination mit Capecitabin bzw.
1.500 mg in Kombination mit einem Aromatasehemmer (oral).
Nebenwirkungen 
• Bei etwa 30 % der Pat. bei erster Gabe von Herceptin® grippeähnliche Symp-
tome mit leichtem Fieber und Gliederschmerzen. Dies tritt bei den Folgega-
ben nicht mehr auf.
• Kardiotoxizität (ca. 3 %) bei gleichzeitiger Gabe von Herceptin® und Anthra-
zyklinen.
• Übelkeit und Durchfall (ca. 10 %) bei Lapatinib (z. B. Tyverb®). Ther.: Loper­
amid (z. B. Imodium®).
424 10  Mamma  

10.7.10  Metastasiertes Mammakarzinom

10 Da das Mamma-Ca verhältnismäßig früh metastasiert, besteht bei vielen


Frauen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits eine systemische Erkr. Es
können aber auch nach über 20 J. noch Rezidive und Metastasen auftreten.

Lokalisation  Metastasen entstehen


vorzugsweise in Knochen (25 %) wie
Rippen, Becken, LWS, Femur, BWS,
HWS, in der Lunge (15 %), der Pleura
(12 %), den supraklavikulären Lk
(10 %), der Leber (8 %), dem ZNS (5 %)
und dem Ovar (3 %) (▶ Abb. 10.14).
Wenn irgend möglich, sollte zur Thera-
pieentscheidung aus der Metastase eine
Gewebeprobe zur erneuten Rezeptorbe-
stimmung gewonnen werden.
Prognose  Bei Fernmetastasen ist
i. d. R. eine Heilung der Erkr. nicht
mehr möglich. Die Ther. muss sich des-
halb vor allem an der individuellen Le-
bensqualität der Pat. unter Berücksich-
tigung der Ther.-NW ausrichten. Infra-
ge kommen alle unter ▶ 10.7.6, ▶ 10.7.7,
▶ 10.7.8, ▶ 10.7.9 genannten Verfahren.
10.7.11  Lymphödem
Abb. 10.14  Bevorzugte Metastasie­
Häufigkeit  Durch chirurgische und/ rungsorte des Mamma-Ca [L106]
oder radiologische Schädigung der
Lymphabflusswege des Arms kommt es
bei bis zu 30 % der Pat. zu einem mehr oder weniger stark ausgeprägten Lymph­
ödem des Arms. Quantifizierung und Verlaufskontrolle sollten durch regelmäßi-
ge Umfangmessungen an Unter- und Oberarm erfolgen. Die Gradeinteilung be-
zieht sich auf die Umfangsdifferenz zum gesunden Arm.

Grad I II III IV
cm 1–2 3–6 7–10 > 10

Klinik  Anschwellen des Arms, Parästhesien, Schmerzen, rezid. Erysipel.


Prophylaxe 
• Sentinel-Lk-Biopsie, keine Ausräumung der Lk Level III (▶ 10.7.3,
▶ Abb. 10.11).
• Moderne Strahlenther. mit Pendelfeld.
• Verletzungen unbedingt vermeiden:
– Bei der Gartenarbeit Handschuhe, bei der Handarbeit Fingerhut tragen,
Vorsicht beim Umgang mit Haustieren (Katzenkratzer).
   10.7  Mammakarzinom  425

– Nagelfalz bei der Nagelpflege nicht schneiden.


– Keine Blutentnahmen, keine Injektionen (i. c., s. c., i. m., i. v., i. A.), keine
Akupunktur.
• Stauung meiden: 10
– Keine enge Kleidung (BH darf nicht einschnüren).
– Keinen Blutdruck an der operierten Seite messen.
• Sollgewicht anstreben.
• Hitze meiden, keine Sauna, nicht zu heiß spülen, kein intensives Sonnenba-
den, Arm vor direkter Sonne schützen.
• Gleichförmige Bewegungen am Arm vermeiden, Vorsicht bei Handarbeit
und beim Schreiben auf einer Tastatur.
• Ruckartige Bewegungen aus der Schulter meiden, Vorsicht bei Tennis, Golf
und alpinem Skilauf.
Therapie 
• Lymphdrainage (nur durch speziell ausgebildete Lymphtherapeuten!):
Lymphdiaral-Tropfen® 3 × 10 Tr. tägl. p.o. (cave: kein GKV-Rezept). Nach
Entstauung Kompressionsstrumpf nach Maß anfertigen lassen, Arm nachts
bandagieren.
• Bei Therapieresistenz Spezialther. in lymphologischer Klinik (▶ Tab. 10.9).
• Bei Erysipel Penicillin G 3 × 10 Mio. IE/d. i. v. (z. B. Penicillin® Grünenthal),
bei leichten Fällen 3 × tgl. 1,5 Mega Penicillin V (z. B. Penicillin V ratio-
pharm®) p. o. über 14 Tage, evtl. stationäre Lymphther. Bei Rezidiven evtl.
Langzeit-Penicillinprophylaxe z. B. mit Penicillin V 1,5 Mega tägl. p.o.

Tab. 10.9  Spezialisierte Kliniken


Deutschland

Baumrainklinik Lympho-Opt-Fachklinik
Hochstr. 7, 57319 Bad Berleburg Happurgerstr. 15, 91224 Hohenstadt
Tel.: 02751–804 261 Tel.: 09154–91 12 00
Fax: 02751–804 262 Internet: www.lympho-opt.de
Internet: www.lymphklinik.com

Feldbergklinik Dr. Asdonk Ödemklinik Bad Nauheim


Todtmooser Str. 48, 79837 St. Blasien im Reha-Zentrum der DRV-Bund
Tel.: 07672–484 0 Lindenstrasse 6, 61231 Bad Nauheim
Fax: 07672–484 555 Tel.: 06032–34 11 62
Internet: www.feldbergklinik.de Fax: 06032–34 14 82
Internet: www.ödemklinik.de

Földiklinik GmbH & Co. KG Reha-Klinik Schloss Schönhagen


Rößlehofweg 2–6, 79856 Hinterzarten Schloßstr. 1, 24398 Brodersby
Tel.: 07652–124 0 Tel.: 04644–901108
Fax: 07652–124 116 Fax: 04644–903108
Internet www.foeldiklinik.de Internet: www.damp.de

Hochrhein-Eggberg-Klinik Seeklinik Zechlin


Bergseestr. 57, 79713 Bad Säckingen Obere Braminseestraße,
Tel.: 07761–53 90 16837 Dorf Zechlin
Fax: 07761–53 14 05 Tel.: 033923–890
Internet: www.hochrhein-eggberg-klinik.de Fax: 033923–70507
Internet: www.seeklinik.de
426 10  Mamma  

Tab. 10.9  Spezialisierte Kliniken (Forts.)


Deutschland
10 Klinikum Freising
Mainburger Str. 29, 85356 Freising
Tel.: 08161–24 40 60
Internet: www.lymphoedemtherapie.de

Krankenhäuser mit lymphologischen Abteilungen

Klinikum Fichtelgebirge Haus Selb Lymphzentrum Nord-West im Pius-


Weißenbacher Str. 62, 95100 Selb Hospital Ochtrup
Tel.: 09287–97 10 Piusstr. 5, 48601 Ochtrup
Fax: 09287–97 12 22 Tel.: 05971–42 13 31
Internet: www.klinikum-fichtelgebirge.de Fax. 05971–42 31 331
Internet: www.mathias-spital.de

Österreich

LKH Wolfsberg – Zentrum für Lymphologie Wittlingers Therapiezentrum


Paul Hackhoferstr. 9, A-9400 Wolfsberg Alleestr. 30, A-6344 Walchsee/Tirol
Tel.: 0043–43 52–533 Tel.: 0043–53–74 52 45
Fax: 0043–43 52–533–165 Fax: 0043–53–74 52 454
Internet: www.lkh-wo.at Internet: www.wittlinger-therapie.
com

Schweiz

RehaClinic Zurzach
Quellenstr., CH-5330 Zurzach
Dr. med. St. Wagner
Leitender Arzt Angiologie
Tel.: +41–56–269 51 51
Fax.: +41–56–269 51 70
Internet: www.rehaclinic.ch

10.7.12  Nachsorge
Die Nachsorgeuntersuchungen sollten nicht schematisiert, sondern individuell
risikoadaptiert erfolgen. Mögliche Termine bei mittlerem Risiko sind:
• ≤ 3 J. alle 3 Mo.
• ≤ 5 J. alle 6 Mo.
• > 5 J. alle 12 Mo.
Klinische Nachsorge
Bei jeder Untersuchung 
• Genaue Anamnese: Schmerzen, Nervenausfälle, Atemnot, jegliche beobachte-
te körperliche Veränderung.
• Inspektion und Palpation des OP-Gebiets und der kontralateralen Mamma,
Palpation der Lymphabflussgebiete bds.
• Umfangvergleich der Arme, Prüfung der groben Kraft beider Arme.
• Auskultation und Perkussion der Lunge, Palpation der Leber.
• Klopfschmerz über der Wirbelsäule, Thorax- und Beckenkompressions-
schmerz.
   10.7  Mammakarzinom  427

Alle 6 Mon. zusätzlich 


• Mammografie bei brusterhaltender OP in den ersten 3 J., danach jährlich.
Nach 5 J. im Rahmen der Screeningdiagn. 2-jährlich.
• Gynäkologische Untersuchung mit Zytologie. 10
• Evtl. gynäkologischer Ultraschall zum Ovarscreening und Beurteilung des
Endometriums unter Tamoxifen.
Alle 12 Mon. zusätzlich 
• Mammografie und Sono der kontralateralen Mamma.
• Sono des OP-Gebiets und der Axilla.
Nur bei anamnestischem oder klinischem Verdacht auf Fernmetastasen ent-
sprechende apparative Diagn. (Rö-Thorax, Lebersono, Skelettszintigrafie,
Tumormarker).

Psychosoziale Nachsorge
Die Nachsorge bezieht sich nicht nur auf die Erhebung der körperlichen Befunde,
sondern sollte auch eine psychosoziale Nachsorge einschließen. Hierzu gehört
insb.:
• Information der Pat. über alle erhobenen Befunde, evtl. Aushändigung eines
Patientenordners mit wichtigen Befundunterlagen.
• Vermittlung von Selbsthilfegruppen.
• Evtl. Beantragung von Anschlussheilbehandlungen oder Rehabilitationsauf-
enthalten.
• Information über rekonstruktive Verfahren der Brust.
• Information über soziale Hilfen:
– Schwerbehindertenausweis beim Versorgungsamt beantragen (Steuervor-
teile).
• Postmenopausale Hormonsubstitution ▶ 17.1.5.
• Rezept über Mamma-Inlay oder Badeanzug mit Inlay (1-mal pro Jahr mög-
lich).
11 Äußeres Genitale und Vagina
Axel Valet, Michael Löttge und Uwe Wagner

11.1 Leitsymptome und ihre 11.4 Lichen sclerosus


­ ifferenzialdiagnose
D Axel Valet und
Axel Valet und Michael Löttge  449
Michael Löttge  430 11.5 Neoplasien der Vulva
11.2 Diagnostische Methoden Axel Valet und
Axel Valet und Michael Löttge  450
Michael Löttge  431 11.5.1 Vulväre intraepitheliale
11.2.1 Inspektion und Palpation  431 ­Neoplasie (VIN I–III)  450
11.2.2 Kolposkopie und 11.5.2 Morbus Paget  451
­Vulvoskopie  432 11.6 Melanome der Vulva
11.2.3 Nativpräparat  433 Axel Valet und
11.3 Infektionskrankheiten Michael Löttge  452
Axel Valet und 11.7 Vulvakarzinom
Michael Löttge  435 Uwe Wagner  452
11.3.1 Vulvitis  435 11.8 Vaginalkarzinom
11.3.2 Bartholinitis  436 Uwe Wagner  457
11.3.3 Kondylome (Feigwarzen)  436 11.9 Vorgehen bei
11.3.4 Herpes genitalis  438 ­Notzuchtdelikten
11.3.5 Kolpitiden  439 Axel Valet und
11.3.6 Sexually Transmitted Diseases Michael Löttge  459
(STD)  442 11.9.1 Einleitendes Gespräch  459
11.3.7 Ektoparasitäre 11.9.2 Befunderhebung  460
­Erkrankungen  448
430 11  Äußeres Genitale und Vagina  

11.1 Leitsymptome und ihre


Differenzialdiagnose
Axel Valet und Michael Löttge

Schmerzen
Vulvitis, Lichen sclerosus et atrophicus vulvae, Bartholini-Zyste, Bartholinitis,
11 Kolpitis, Vaginalzysten, Herpes genitalis, Condylomata acuminata, Vaginalulzera,
Vulva-Ca, Vaginal-Ca, infiltrierendes Zervix- oder Korpus-Ca.

Pruritus
Vulvitis, Lichen sclerosus et atrophicus vulvae, Kolpitis; internistische Erkr.: Le-
ber-, Nieren- und Stoffwechselerkr. z.B. Diab. mell., Behçet-Sy.; Allergien, psychi-
sche Genese.

Fluor
Bakterielle, virale, mykotische Inf.; Tumoren, v. a. Zervix- und Korpuskarzinom
mit fleischwasserfarbenem Fluor; Pessarther., Fistel, Schwangerschaft.

Tab. 11.1  Differenzialdiagnose Fluor


Klar, ohne Geruch Östrogenstimulation (z. B. Zyklusmitte)

Weiß-gelblich, cremig V. a. Candida-Inf.

Gelb-grünlich, schaumig V. a. Trichomoniasis

Grau, wässrig V. a. Haemophilus-vaginalis-Kolpitis → Amin-Test


▶ 11.2.3
Braun, blutig, wässrig V. a. Malignom

Leukoplakien
Lichen sclerosus et atrophicus vulvae VIN I–III, Vulvakarzinom.

Harninkontinenz
• Belastungsinkontinenz (Syn.: Stressinkontinenz): unwillkürlicher Urinab-
gang bei Steigerung des intraabdominalen Drucks durch Husten, Niesen, La-
chen und körperliche Belastung.
• Urge-Inkontinenz (Syn.: Dranginkontinenz): unwillkürlicher Urinabgang bei
plötzlichem Harndranggefühl, unabhängig von körperlicher Belastung.
• Harnwegsfisteln: permanentes Harnträufeln bei Z. n. vag. OP mit nicht be-
merkter Harnblasenverletzung, Z. n. Radiatio, Karzinominfiltration, Z. n.
schweren Entbindungen (in Entwicklungsländern häufiger).
• Überlaufinkontinenz: Blase kann nicht vollständig entleert werden, bei
„Überfülle“ wird die Blase überdehnt; wenn der Innendruck steigt, „läuft die
Blase über“.
• Reflexinkontinenz: Störung im Bereich des Miktionszentrums des Rücken-
marks, führt zur schlaffen Blasenlähmung.
   11.2  Diagnostische Methoden  431

Tumoren
Bartholini-Zyste, Kondylome, Vaginalzyste, Zystozele, Rektozele, Myome (▶ 13.4.1),
Vulva- oder Vaginalkarzinom, infiltrierendes Zervix- (▶  13.8) oder Korpuskarzi-
nom (▶ 13.9).

Ulzeration
Druckulkus (z. B. bei Pessarträgerin), Vulva- oder Vaginalkarzinom (meist tiefe
Ulzeration mit hoher Vulnerabilität), Lues (derber Randwall und verbackene,
nicht druckdolente Inguinallymphome). 11

11.2 Diagnostische Methoden
Axel Valet und Michael Löttge

11.2.1 Inspektion und Palpation

Vor der gynäkologischen Untersuchung muss die Harnblase entleert werden.

Inspektion
Abdomen  Gebläht, Aszites, Striae distensae, Naevi.
Inguinalregion  Lymphome, Hernien.
Äußeres Genitale  Behaarungstyp (Tanner-Schema ▶  18.3), Pediculosis pubis,
trophische Hautstörungen, Entzündungen, Fisteln, Fluor, Tumor.
Inneres Genitale (Spekulumuntersuchung)  Introitus: Verletzung, Entzündung,
Kondylome.
• Vagina: Fluor, Entzündung, Beläge, Fistel, Kondylome, Verletzung, Ulkus,
Tumor.
• Portio: Erythroplakie, Leukoplakie (▶ Abb. 11.1), Blutung, Fluor ex cervice,
Tumor, livide Verfärbung (unsiche-
res Schwangerschaftszeichen).
Zur weiteren Diagn. wie Krebsfrüher-
kennungsuntersuchung, Entzündungs-,
Fluor- und Hormondiagn. können Ab-
striche entnommen werden (▶  2.4.5).
Bei der Spekulumuntersuchung sollte
zumindest bei Erstuntersuchung bzw.
bei jeder Krebsfrüherkennungsuntersu-
chung eine Lupenbetrachtung von Vul-
va, Vagina und Portio mit dem Kolpo­
skop durchgeführt werden (▶ 13.2.2).
Abb. 11.1  Leukoplakie [M453]
Palpation
• Bauchdecken: weich, Abwehrspan-
nung, Resistenzen, Dolenzen.
• Inguinalregion: Lymphome, Hernien, Ulzera.
• Vagina: glattwandig, Tumoren, Druckdolenzen.
432 11  Äußeres Genitale und Vagina  

• Portio uteri: Konsistenz (bei Schwangerschaft häufig aufgelockert), Größe,


Form, palpable Resistenz, Portio-Schiebe-Wackelschmerz (P-S-W; oft bei
Adnexitis).
• Corpus uteri: Lage im Becken, Größe, Konsistenz, Oberflächenbeschaffenheit,
Seitenverlagerung (z. B. tumorbedingt), Asymmetrien, Tumor.
• Adnexe: Lage, Größe, Verschieblichkeit, Druckdolenz, Konsistenz (zystisch
oder solide) und Oberflächenbeschaffenheit (glatt oder höckrig), v. a. bei Tu-
moren. (Cave: Bei Adipositas ist die Adnexe meist nicht palpabel und eine
11 transvaginale sonografische Untersuchung sinnvoll.)
• Douglas-Raum: Vorwölbung, Fluktuation (Flüssigkeitsansammlung), Tumor,
Resistenzen (z. B. kleine Endometrioseherde), Druckdolenz.
• Parametrien: Konsistenz, Infiltrate, Druckdolenz.

11.2.2 Kolposkopie und Vulvoskopie

Nicht nur path. Veränderungen der Portio und Vaginalwand, sondern auch
der Vulva sind kolposkopisch bei 10- bis 40-facher Vergrößerung (5-prozen-
tige Essigsäure verwenden) leichter als mit bloßem Auge erkennbar (▶ 13.2.2).
Die DD in der Kolposkopie/Vulvoskopie ist jedoch nur anhand von Fotogra-
fien sinnvoll zu erörtern (kolposkopische Atlanten, Vulvaatlanten).

Toluidinprobe (Collins-Test)
• Säuberung der Vulva.
• 1-prozentige Toluidinblau-Lsg. mit Stieltupfer auf die gesamte Vulva auftra-
gen, 2–3 Min. Einwirkzeit.
• Versuch, die blaue Farbe mit 2-prozentiger Essigsäure zu entfernen.
• Karzinomverdächtige Bezirke behalten ihre Blaufärbung oder dunkeln nach.
• Aufgrund der hohen falsch neg. Rate hat sie keinen Stellenwert mehr.
Vulva
Schamhaare  Festklebende Nissen bei Pediculosis pubis (Filzlaus). Auf der Haut
erkennt man schmutzig blau-graue Flecken (Taches bleues).
Vulvahaut 
• Ulzerationen, eitrige Beläge, Schwellung → V. a. bakterielle Inf., evtl. Misch­
inf., z. B. bakterielle Inf. zusammen mit Candidamykose.
• Ulzerationen neben Bläschen → V. a. Herpes genitalis.
• Knoten, z. T. beetartig erhaben, papillomatös mit gleichzeitigem Juckreiz und
Fluor → V. a. Condylomata acuminata (▶ Abb. 11.6).
• Weißliche Bezirke, verdickte Haut → V. a. Vulvadystrophie mit Leukoplakie
(▶ Abb. 11.1).
• Schollige, weißliche Beläge, deutlich über dem Niveau der Vulvahaut gelegen,
schwer lösbar. Grobe Leukoplakie. Cave: Malignität.
• Schrumpfungen der Labien, dünne Vulvahaut, Stellen mit dünner Leukopla-
kie → V. a. Lichen sclerosus et atrophicus.
• Blau-bräunliche bis schwarze, etwa 0,5 cm große Knoten, evtl. ulzeriert oder
nässend → V. a. Melanom.
   11.2  Diagnostische Methoden  433

• Ulkus, atypische Gefäßverläufe, weißlich schollige Beläge, knotige Verdi-


ckung, leichte Vulnerabilität bei Betupfen → V. a. Vulvakarzinom
(▶ Abb. 11.10).

Vagina
• Bläulicher Knoten, evtl. mit zentraler Blutung, meist im hinteren Scheidenge-
wölbe → V. a. Endometrioseherd (▶ Abb. 11.2).
• Glatte tumoröse Vorwölbung der Scheide, ggf. mit durchscheinenden Gefä- 11
ßen → V. a. Vaginalzyste.
• Glatte tumoröse Vorwölbung der Scheide ohne Gefäße → V. a. Zystozele.
• Ulkus, z. B. bei Pessarträgerinnen wegen Descensus uteri et vaginae.
• Leukoplakie, z. T. als Folge chron. Irritationen bei Zystozele.
• Starke Rötung, evtl. Plaquebildung,
Fluor, zarte Punktierung → V. a.
Kolpitis.
• Dicker, weißlich bröckeliger Fluor
→ V. a. Candidainf.
• Multiple kleine Blutungsherde,
sonst blasse Vaginalhaut → V. a.
Atrophie.
• Warzenförmiger Tumor, weißlich
→ V. a. Kondylom.
• Spitze, warzenförmige Tumoren,
meist an seitlicher Vaginalwand →
V. a. spitze Kondylome (Condylo-
mata acuminata; ▶ Abb. 11.6).
Abb. 11.2  Vaginaler Endometrioseherd
[M453]

11.2.3 Nativpräparat

Zur schnellen Beurteilung, ob und ggf. welche vag. Inf. vorliegt.

Durchführung 
• Sekretentnahme: aus dem hinteren Scheidengewölbe. Sekret mithilfe des
vorderen Spekulums vom hinteren Spekulum auf zwei Objektträger auftragen
und dünn ausstreichen (Vorteil: keine Artefakte durch Watte, ▶ Abb. 11.3).
• Aufarbeitung: 1 Tr. NaCl 0,9 % auf
den Objektträger zugeben und mit
Deckglas abdecken; 2. Abstrich mit
1 Tr. 10-prozentiger Kalilauge
(KOH), gleichzeitig Amin-Test
durchführen, Deckglas auflegen.
• Amin-Test: Entsteht beim Beträu-
feln des Objektträgers mit KOH ein
typisch fischartiger Geruch, besteht
V. a. Haemophilus-(früher Gardne-
rella-)vaginalis-Inf. („Aminkolpi-
tis“, „bakterielle Vaginose“). Abb. 11.3  Erstellen eines Nativabstrichs
[L157]
434 11  Äußeres Genitale und Vagina  

Superfizialzelle

Sekretionsphase
Parabasalzelle
Intermediärzellen
Proliferationsphase

zahlreiche mit eingerollten


Döderlein- Zellrändern, in
Bakterien Haufen

11 (Normalbefund)

große Spermium
Intermediärzelle
Ovulationsphase

Stäbchenbakterien
Sprosszellen Leptothrix
Pseudomycel bakterielle
Mischflora

Leukozyten dichter
Bakterienrasen
Streptokokken

Clue Cell

Erythrozyten

Abb. 11.4  Nativzytologie [L190]

Auswertung  Siehe auch ▶ Abb. 11.4


• Soorkolpitis (Candida albicans oder andere Hefen): Fadenförmiges Pseudo-
myzel, ggf. mit Sprosszellen, am besten im KOH-Präparat zu sehen; meist zä-
her, weißlicher Fluor.
• Bakterielle Mischflora: Entero-, Staphylo- und Streptokokken, E. coli, Cory-
nebakterien u. a. Differenzierung der Bakterien ist weder im Nativpräparat
noch mit der Papanicolaou-Färbung möglich. Hierfür müssen eine Kultur
angelegt oder Spezialfärbungen durchgeführt werden.
• Kokken: Der gesamte Abstrich ist massiv mit runden, in Haufen- oder Ket-
tenform gelegenen Zellen übersät, der Untergrund erscheint dadurch
schmutzig grau, wie mit feinen Granula durchsetzt; besteht der V. a. Gonor-
rhö wegen intrazellulärer, paarweise nebeneinanderliegender Kokken (Diplo-
kokken) Gramfärbung oder Kultur veranlassen.
• Haemophilus vaginalis (Syn.: Corynebacterium vaginale, Gardnerella vagi-
nalis): kurze Stäbchenbakterien, die häufig in Klumpen liegen. Die Epithelzel-
len sind von Bakterien überlagert, v. a. am Zellrand (= Clue Cells oder Schlüs-
selzellen), pos. Amin-Test. DD: massenhafte Kokkenflora (Gardnerella liegt
auf den Zellen, die Kokken liegen daneben).
   11.3  Infektionskrankheiten  435

• Leptotrix: dünne Fäden, wie Haare, oft geschlängelt, i. d. R. aber nicht ver-
zweigt, keine Sporenbildung (DD: Soorkolpitis). Manche Formen können im
Nativpräparat wegen der Kürze der Fäden nicht von Döderleinflora unter-
schieden werden → bei Beschwerden (Pruritus, Fluor) Kultur anlegen.
• Trichomonaden: etwa so groß wie Leukozyten, ovaler Zell-Leib mit spindel-
förmigem Zellkern, vier Geißeln mit meist lebhafter Bewegung (zum sicheren
Nachweis müssen im frischen Na-
tivpräparat die Geißeln erkannt
werden, am besten mit Bewegung 11
der Trichomonaden gegen den
Flüssigkeitsstrom, ▶ Abb. 11.5).
­Cave: Bei V. a. Trichomoniasis, z. B.
wegen grünlich schaumigem Fluor,
sollte man das Deckblatt nicht fest
aufdrücken, da sonst die Trichomo-
naden in ihrer Motilität gehemmt
werden. Abb. 11.5  Trichomonas [L190]

11.3 Infektionskrankheiten
Axel Valet und Michael Löttge

11.3.1 Vulvitis
Ursachen  Vaginalinf., allg. und systemische Faktoren.
Klinik  Subjektiv brennende Schmerzen, v. a. beim Gehen; Juckreiz, Miktions-
schmerzen, Kohabitationsbeschwerden (Dyspareunie).
Diagnostik 
• Befund: gerötete Vulva mit verdickter Haut, Erosion, Ulkus, Berührung so-
fort schmerzhaft.
• Feine Bläschen → V. a. Herpes genitalis.
• Erhöhte, z. T. spitze, z. T. blumenkohlartige papillomatöse Tumoren → V. a.
Condylomata acuminata.
• Geröteter, relativ kleiner, derber Bezirk um ein Schamhaar gelegen → V. a.
Follikulitis.
Therapie  Ggf. Kolpitisbehandlung und systemische Ther. internistischer Erkr.,
Aufklärung über äußere Faktoren. Lokalther.:
• Pilzinf.: Clotrimazol äußerlich (z. B. Canesten® Creme) und intravag. (z. B.
Canesten® Vaginaltbl.) über 2–6 Tage.
• Trichomonaden: einmalig Metronidazol 2 g p. o. (z. B. Flagyl 400®) oder Tini-
dazol 2 g p. o. (z. B. Simplotan®).
• Bakterielle Inf.: Antiseptikum intravag. (z. B. Fluomycin® Vaginal supp.). Bei
Vulvaerosionen bzw. -ulkus lokal mit Reepithelisierungsmittel wie Dexpan-
thenol (z. B. Bepanthen® Salbe) behandeln.
• Herpes genitalis ▶ 11.3.4.
• Nichtinfektiöse Vulvitis („Reizvulvitis“): Kamillesitzbäder, lokale Östrogen-
ther. (z. B. Linoladiol® Salbe), Xapro® Creme.
436 11  Äußeres Genitale und Vagina  

• Rezid. postmenstruelle Kolpitiden: Prophylaxe mit 3-tägigem postmenstruel-


lem Ansäuern des Vaginalmilieus, z. B. mit Acetylsalicylsäure (z. B. ½ Tbl. Va-
gi C®) oder Milchsäure (Vagisan®) 1 × 1 Vaginalsupp. über 6–12 Mon.

11.3.2 Bartholinitis
Definition  Inf. einer Bartholinizyste oder des Gangsystems. Infolge eines ent-
zündlichen Verschlusses des Drüsenausführungsgangs kann die Bartholinidrüse
11 zu einer bis tischtennisballgroßen Zyste anschwellen.
Klinik  Bis etwa 5 cm große Zyste an der Innenseite einer kleinen Labie, die den
Introitus verlegt, mit dünner, geröteter Haut.
Differenzialdiagnosen 
• Bartholinizyste ohne Entzündungszeichen. Ther.: Marsupialisation, bei rezid.
Bartholinizysten: OP. Ausschälung.
• Vaginalzyste: (cave: z. T. sehr weite Ausdehnung ins Gewebe möglich). Ther.:
op. Ausschälung.
• Vulvaabszess, Ther.: Inzision, Ausräumung, antisept. Behandlung, Sitzbäder.
Therapie 
• Noch kein Abszess: Betaisodona®-Desinfektion und -Sitzbäder. Bei ausge-
prägtem Befall ohne Besserung auf Lokalther. Antibiose mit Ampicillin und
Sulbactam als Kurzinfusion 3 × 3 g/d i. v. (z. B. Unacid®) oder Cephalosporin
der 2. Generation p. o., z. B. Cefuroxim 2 × 500 mg/d (Zinnat®).
• Bei Abszess: Marsupialisation. Unter Vollnarkose etwa 2 cm Längsinzision
an der Innenseite der Labie, am hinteren Drittelpunkt mit dem Skalpell,
Unterminieren der Wundränder nach beiden Seiten, Eröffnung der Zyste
und Entleerung. Digitale Kontrolle, ob weitere Zystenkammern vorhanden
sind! Die Zystenwand wird nach außen mit dem Wundrand der Labia mi-
nora vernäht. Über eine Penrose-Drainage wird der neu gebildete „Aus-
führungsgang“ bis zur Reepithelisierung offengehalten. Nachbehandlung
mit Sitzbädern ab dem 3. postop. Tag (z. B. mit Kamille oder Kaliumper-
manganat).

11.3.3 Kondylome (Feigwarzen)
Epidemiologie  Jährlich erkranken in Deutschland etwa 53.000 Frauen neu an
Kondylomen.
Spitze Kondylome (Condylomata acuminata) und breite Kondylome (Condylo-
mata lata ▶  5.13.11, Lues) kommen im Vulva- und Vaginalbereich einschl. der
Portio uteri (v. a. Condylomata acuminata) im Analbereich bis hin zum Rektum
vor. Condylomata acuminata stellen gutartige papilläre Epitheliome dar, die
durch eine Virusinf. hervorgerufen werden (humanes Papillomavirus [HPV]
Typ 6 oder 11). HPV-Typ 16 und 18 sind an der Entstehung des Zervix- und Vul-
vakarzinoms beteiligt.
Klinik  Blumenkohlartige, meist weiche Tumoren im Bereich der großen und
kleinen Labien, z. T. auch mit beetartiger Ausdehnung (v. a. an kleinen Labien;
▶ Abb. 11.6), evtl. brennender Schmerz auf Berührung.
   11.3  Infektionskrankheiten  437

11

a b

Abb. 11.6  Condylomata acuminata der Vulva (a) vor und (b) nach Laserkoagula-
tion [M453]

Diagnostik  In der Essigsäure-„Färbung“ weiße Bezirke.


Differenzialdiagnosen  Karzinom (▶ 11.9), VIN (▶ 11.6.1), Condylomata lata, Fi-
brome.

Tab. 11.2  Differenzialdiagnose der Vulvitis


Vaginale Ursachen Fluor vaginalis bei bakt. Kolpitis, Soorkolpitis oder Tricho-
monaden. Harninkontinenz, -fistel

Äußere Ursachen Mechanische Irritation: enge Wäsche, Vita sexualis, Inter-


trigo. Chemische Irritationen: Seifen, Kosmetika, Wasch-
zwang, Waschmittel. Darminf.

Systemische Ursachen Östrogenmangel, Diab. mell., internistische Pruritusursa-


chen mit Kratzdefekten und Sekundärinf. (z. B. bei Hyper-
bilirubinämie)

Therapie 
• Immunmodulator Imiquimod (Aldara®) als Salbe auf betroffene Stellen auf-
tragen. Cave: Bei zu ausgedehntem Auftragen kann es bei empfindlicher Haut
zu starken Reaktionen kommen; möglichst nur kleine Herde behandeln. Es
müssen nur einige Herde behandelt werden, die restlichen Herde reagieren
durch die „Immunmodulation“ mit.
• Elektrische Schlingenabtragung oder elektrische Koagulation und Abtragen
der Basis mit dem scharfen Löffel (Vollnarkose erforderlich).
• CO2-Laser-Abtragung (i. d. R. in Lokalanästhesie möglich).
438 11  Äußeres Genitale und Vagina  

• In der Schwangerschaft: keine lokale Ther., chirurgische Entfernung in


SSW 33–35. Bei sehr kleinen Läsionen Spontanremission nach Entbindung
sehr wahrscheinlich (Kontrolle 8 Wo. nach der Geburt). Spontangeburt ist
der Entbindungsmodus der Wahl. Sectioindikation nur bei Kondylomen, die
ein Geburtshindernis sind.

• Bei Schwangerschaft Ther. vor Geburt, da die HPV 6 + 11 bei vag. Ent-
11 bindung das NG infizieren können (Larynxpapillome, intrapulmonale
Papillome).
• HPV können Feten auch diaplazentar infizieren.
• Kondylome bei kleinen Mädchen sind selten durch sexuellen Miss-
brauch verursacht.

Prophylaxe  Tetravalenter aktiver Impfstoff Gardasil® (enthält Hüllproteine ge-


gen HPV 6, 11, 16, 18). Hohe Effizienz als Vorbeugung sowohl gegen Kondylome
als auch gegen Zervixkarzinome. Durch die STIKO unverständlicherweise derzeit
nur für Mädchen/Frauen empfohlen. GKV-Leistung bei den meisten Kassen für
Frauen zwischen 12 und 18, selten bis 26 J. Der ebenfalls zugelassene Impfstoff
Cervarix® schützt bivalent vor Inf. mit HPV 16 und 18 und damit nicht vor Kon-
dylomen. Häufig besteht eine Kreuzimmunisierung auch für weitere HP-Viren,
z. B. HPV 31 und 45, die ebenfalls als onkogen gelten.

11.3.4 Herpes genitalis
Erreger  DNA-Virus Herpes simplex hominis Typ  2 mit verschiedenen Stäm-
men.
Infektionsweg  Wird fast ausschließlich durch Sexualkontakte übertragen. Häu-
fig Rezidive durch endogene Reaktivierung des Virus. IKZ 4–21 Tage.
Klinik  Brennen, Schmerzen, Fluor, Dysurie, Dyspareunie, gelegentlich Tempe-
raturerhöhung, vergrößerte Lk in der Leiste.
Diagnostik 
• Lokalbefund: an der Innenseite der kleinen Labien 2–3 mm große Bläschen
mit klarem Inhalt. Nach Ruptur der Pusteln bleiben kleine, scharf begrenzte
Ulzera mit gelblichen zentralen Belägen, rotem Randsaum oder aufgelagerten
Krusten (▶ Abb. 11.7).
• Erregernachweis: Mit trockenem
Watteträger Bläscheninhalt zur vi-
rologischen Diagn. aufnehmen (Di-
rektabstrich).
• Serodiagn.: Bei prim. Herpes geni-
talis ist ein Titeranstieg oder das
Neuauftreten von Ak nachweisbar
(IgM, IgG). Die Titeranstiege erfol-
gen langsam, durchschnittlich nach
6–8 Tagen.

Abb. 11.7  Herpes genitalis [M453]


   11.3  Infektionskrankheiten  439

Therapie 
• Systemisch Aciclovir (Zovirax®), bei ausgeprägtem Befall und starken
Schmerzen Beginn der Ther. i.v. (jedoch nur ausnahmsweise erforderlich)
oder Valaciclovir oder Famciclovir.
• Bei > 6 Rezidiven/J.: Famciclovir 2 × 250 mg/d für 1 J. oder Aciclovir 3 ×
400 mg/d für 1 J.

Tab. 11.3  Aciclovir-Dosierung


i. v. 3 × 5 mg/kg KG.
11
Cave: Bei Niereninsuff. Dosisreduktion wegen Intoxikationsgefahr

p. o. 5 × 200 mg/d alle 4 h für 5 Tage

Lokal 5 × tägl. alle 4 h auf die infizierten Stellen auftragen, etwa 5 bis max.
10 Tage

Infektion während der Schwangerschaft


▶ 5.13.

11.3.5 Kolpitiden
Ursachen  Ursache der Kolpitis ist meist eine Verdrängung der physiologischen
Vaginalflora, z. B. durch Östrogenmangel, Antibiotika oder Scheidenspülungen.
Es kommt zur Beeinträchtigung der grampos. Döderleinflora (vergären unter Ös-
trogeneinfluss entstandenes Glykogen zu Milchsäure → pH  4,0). Steigt dadurch
der pH > 5, so sind die meisten Kolpitiserreger wie Pilze, E. coli, Streptokokken,
Staphylokokken und Trichomonaden vermehrungsfähig.
Klinik  Vermehrter Fluor vaginalis, unangenehmer Geruch, Pruritus, brennende
Schmerzen im Bereich der Vaginalhaut, oft sek. Vulvitis.
Diagnostik 
• Spekulumeinstellung: Rötung, Fluor, Schwellung und leichte Vulnerabilität
der Vaginalhaut.
• Nativpräparate mit NaCl und KOH ▶ 11.2.3.
• Amin-Probe ▶ 11.2.3.
Sollte eine Diagn. mit den oben genannten Mitteln nicht gestellt werden können
oder bei therapierefraktären Beschwerden: Erregernachweis im Scheidensekret
oder Zervixepithel, z. B. mit:
• Bakterienkultur, Pilzkultur mit Portagerm®.
• Gonokokkenkultur auf Blutagar.
• Chlamydiennachweis im ChlamyScreen®.
Soorkolpitis
Diagnostik  Anhand des Nativpräparats (▶ 11.2.3). Bei rezid. Soorkolpitiden soll-
te eine Pilzkultur (z. B. mit Kimmig-Agar) angelegt werden.
Therapie 
Lokales Antimykotikum: Über 3  Tage Vagina und Vulva kombiniert z. B. mit
Clotrimazol (z. B. Mykofungin®) behandeln (jeweils abends eine Vag.-Tbl. mit
Salbe). Bei Rezidiv Lokalther. für 6 Tage. Bei erneutem Rezidiv:
440 11  Äußeres Genitale und Vagina  

• Fluconazol als 1.150 mg/d p. o. (z. B. Fungata®) oder bei nochmaligem Rezi-
div 50–100 mg/d p. o. (z. B. Diflucan® 50) über 7–14 Tage (wesentlich bessere
hepatische Verträglichkeit als Ketoconazol, s. u.). Wegen renaler Elimination
Vorsicht bei Niereninsuff. Dosisreduktion auf die Hälfte bei Krea-Clearance
von 20–40 ml/Min.
• Nystatin zur systemischen Zusatzther. 1,5–3 Mio. IE tägl. p.o. (z. B. Moro-
nal®) für 6 Tage, v. a. bei zusätzlicher oraler Candidose. Bei Mund- und Ra-
chenbefall Ther. mit Nystatin-Lsg. (z. B. Mykundex® Suspension 4–6 × 2 ml
11 nach den Mahlzeiten).
• Ketoconazol 400 mg/d p. o. (z. B. Nizoral) bei wiederholtem Rezidiv. Cave: In
seltenen Fällen Hepatitis möglich, daher Ther. auf 5–10 Tage beschränken.

Haemophilus-vaginalis-Kolpitis („Aminkolpitis“)
Inzidenz  Bis zu 10 % der Frauen im geschlechtsreifen Alter.
Klinik  Übel riechender Fluor, Pruritus, z. T. brennender Schmerz.
Diagnostik  Nativpräparat und pos. Amin-Test (▶ 11.2.3), Vaginalabstrich-Kul-
tur (▶ 2.4.5).
Therapie 
• Lokal Metronidazol 0,1 g/d (z. B. Clont® Vaginaltbl.) abends über 6 Tage. Bei
Beschwerdepersistenz zusätzlich Metronidazol 2 × 400 mg/d p. o. (z. B. Flagyl®
400) für 10 Tage.
• In der Schwangerschaft zunächst Ansäuern des Vaginalmilieus mit Milchsäu-
repräparaten (z. B. Symbiovag®). Falls ohne Erfolg lokal Metronidazol 0,1 g/d
(z. B. Clont® Vaginaltbl.), jedoch erst ab dem 2. Trimenon! Nach 14 Tagen
Kontrollabstrich.

Kokkenkolpitis
Häufig findet sich eine Kokkenbesiedelung, die mit einem einfachen Antisepti-
kum behandelt werden kann.
Klinik  Brennender Schmerz, Pruritus; gelblicher, übel riechender Fluor.
Diagnostik  Nativzytologie ▶ 11.2.3; ▶ Abb. 11.4
Therapie 
• Lokales Antiseptikum, z. B. Vagi-Hex® Vaginalsupp. 1 × 1 für 6–12 Tage.
• Lokales Tetrazyklin, falls keine Besserung, z. B. Mysteclin® Vaginaltbl. Ovula
mit Zusatz von Amphotericin B (gleichzeitig antimykotischer Effekt) über
6–12 Tage.
• Systemische Tetrazykline: falls noch immer kein Therapieerfolg Doxycyclin
2 × 100 mg p. o. am 1. Tag, 1 × 100 mg/d p. o. am 2.–14. Tag (z. B. Doxycyclin
100 Stada®).
• Nach 14 Tagen Kontrollabstrich.
Mykoplasmen
Mykoplasmen treten immer häufiger als Ursache leichter Genitalinf. auf. In der
Geburtshilfe werden sie als Ursache von vorzeitigen Wehen und vorzeitigem Bla-
sensprung diskutiert.
   11.3  Infektionskrankheiten  441

Therapie  Lokalantiseptisch mit Fluomizin® Vaginaltbl. 1 × 1 für 3–6 Tage. In der


Grav. bei gleichzeitiger vorzeitiger Wehentätigkeit Erythromycin 3  × 500 mg/d
p. o. für 14 Tage (z. B. Erythrocin® 500).

Eine Ther.-Empfehlung für schwangere Frauen bei Zufallsbefund wird der-


zeit jedoch nicht gegeben. Bei vorzeitigen Wehen unklarer Genese mit
gleichzeitigem Mykoplasmenbefall sollte aber therapiert werden.
11
Chlamydienkolpitis
Chlamydien sind häufige Erreger einer Zervizitis, die mit ihrem Fluor Kolpitiden
unterhalten können. Häufig folgen aszendierende Inf. mit Endometritis und Salpin-
gitis (mögliche Folgen: Sterilität und eine erhöhte Rate an EUG). Oft besteht gleich-
zeitig eine Chlamydienurethritis. Meist sexuelle Übertragung. In den letzten Jahren
zunehmende Bedeutung, mit 40 % häufigste Ursache unspezifischer Urethritiden.
Screening bei Frauen bis zum 25. Lj aus Urin als empfohlene Kassenleistung. Die
Aussagekraft des gepoolten Urintests ist zweifelhaft. In Schweden wurde der Chla-
mydienurintest zeitgleich mit seiner Einführung in Deutschland abgeschafft.
Klinik  Vermehrter, eitriger Ausfluss, häufig rezid. Unterbauchschmerzen. Bei
Urethrabeteiligung Dysurie, Pollakisurie. Cave: Übertragung bei Geburt auf das
Kind mit Konjunktivitis, Pneumonie.
Diagnostik 
• Befund: gerötete Zervix mit eitrigem Fluor (Kolposkopie).
• Nativzytologie: reichlich Leukozyten (▶ 11.2.3).
• Chlamydienabstriche für Mikrobiologie (z. B. ChlamyScreen®): Da Chlamydi-
en sich intrazellulär vermehren, genügt ein „Fluorabstrich“ nicht; es muss
Zellmaterial von der Zervixwand abgestrichen werden, am besten mit einer
zytologischen Abstrichbürste (z. B. Cytobrush®).
! Chlamydienserologie (IgA, IgG in zwei Titerstufen) kaum von klinischer Be-
deutung.
Therapie 
• Doxycyclin 200 mg/d p. o. über 14 Tage (z. B. Doxy 200 ct®).
• In der Schwangerschaft Erythromycin 4 × 500 mg/d p. o. über mind. 10 Tage
(z. B. Erythrocin® 500) ab der 14. SSW.

Trichomonadenkolpitis
Sexuell übertragene Protozoeninf., häufig mit einer Soorkolpitis vergesellschaftet
(▶ Abb. 11.5).
Klinik  Grün-gelblicher, schaumiger Fluor; brennender Schmerz, Dysurie.
Diagnostik  Nativpräparat ▶ 11.2.3.
Therapie  Metronidazol 2 g p. o. als Einmalgabe (z. B. Arilin® 500). In der Schwan-
gerschaft: Clotrimazol (z. B. Antifungol®) oder Natamycin (z. B. Pimafucin®) lokal.
Immer Partner mitbehandeln (z. B. Arilin®-Duo).

Mischinfektion
Oft tritt eine kombinierte Inf. auf, die nach ihrer dominierenden Ursache thera-
piert werden muss. Sollte u. a. eine Trichomoniasis vorliegen, muss diese syste-
442 11  Äußeres Genitale und Vagina  

misch behandelt werden, eine gleichzeitig bestehende Soorkolpitis wird lokal the-
rapiert (Clotrimazol hat gleichzeitig eine trichomonazide Wirkung). Genitaltu-
berkulose ▶ 14.4.1.

11.3.6 Sexually Transmitted Diseases (STD)


Definition
11 • Venerische Erkr. im engeren Sinne: die früher im Gesetz zur Bekämpfung
der Geschlechtskrankheiten genannten Erkr. Lues, Gonorrhö, Ulcus molle,
Lymphogranuloma inguinale und Granuloma venereum. Bei allen veneri-
schen Erkr. muss der Arzt seine Pat. über den Infektionsmodus aufklären und
nach evtl. weiteren Infizierten fragen.
• Sexually Transmitted Diseases (STD): die eigentlichen venerischen Erkr.
und andere sexuell übertragbare Krankheiten, z. B. Hepatitis B und HIV.

Lues (Syphilis)
Erreger  Treponema pallidum (Spirochäten-Bakterium). Verläuft in mehreren
Stadien.
Klinik 
• Primäraffekt: Etwa 3 Wo. nach Inf. mit Erosion bzw. Ulkus mit derbem
Randwall (Ulcus durum, „harter Schanker“), derbem Labienödem, nicht
schmerzhafter, derber Lk-Schwellung. Rückbildung innerhalb von 6 Wo.
• Sekundärstadium: Nach etwa 6–10 Wo. makulöses, später papulöses Exan-
them (Stamm, Hand- und Fußflächen), grau-weißliche Beläge und indolente
Erosionen der Mundschleimhaut (Plaques lisses), breite, nässende Papeln im
Anogenitalbereich (Condylomata lata. Cave: Hochkontagiös!). Mottenfraß-
ähnliche, reversible Alopezie. Die Effloreszenzen des Sekundärstadiums ver-
schwinden meist unbehandelt innerhalb eines Jahres, in 25 % treten frühe Re-
zidive der Lues auf.
• Tertiärstadium: Nach etwa 2–5 J., z. T. auch später papulomatöses Syphilid,
z. T. ulzeriert oder mit Krusten überzogen, mit z. T. narbiger Abheilung.
Gummen (knotige Infiltrate, später einschmelzend mit Ulkusbildung, nach
Eröffnung tritt ein zähflüssiges Sekret aus). In 10 % kardiovaskulärer Befall
mit luetischem Aortenaneurysma und Endarteriitis, in 8 % Neurolues mit Ta-
bes dorsalis (→ Ataxie) und Großhirn-„Paralyse“ mit Größenwahn.
Diagnostik 
• Sek. Lues (Condylomata lata): Objektträger auf das Ulkus aufdrücken und
blutiges Sekret aufnehmen, 1 Tr. NaCl 0,9 % zugeben und im Phasenkontrast-
oder Dunkelfeldmikroskop betrachten: im pos. Fall korkenzieherartig gewun-
dene, bewegliche feine Fäden, etwa 2- bis 3-mal so groß wie Erys.
• Serologie: TPHA-Test als Suchtest, falls pos. VDRL-Test zur Klärung, ob eine
akute Inf. vorliegt.
Therapie 
• Procain-Penicillin G 600.000 IE/d i. m. für 15 Tage oder einmalig Benzathin-
Penicillin G 2,4 Mio. IE i. m., je 1,2 Mio. pro Gesäßhälfte (z. B. Tardocillin®
1200).
   11.3  Infektionskrankheiten  443

Tab. 11.4  Lues-Serologie


TPHA* FTA-Abs* VDRL** Beurteilung

– – – Lues oder Frühlues < 3 Wo.

Falls einer der drei Tests positiv ist Kontrolle nach 14 Tagen

+ + – Ausreichend behandelte Lues oder < 6 Wo.


nach Inf., Kontrolle nach 14 Tagen

+ + + Behandlungsbedürftige Syphilis
11
* TPHA und FTA-Absorptions-Test: beides Suchtests, die nach etwa 3 Wo. pos. re-
agieren; in 0,2 % falsch pos. (z. B. Autoimmunerkr.: systemischer Lupus erythema-
todes [SLE], rheumatoide Arthritis [RA], infektiöse Mononukleose).
** VDRL-Test: frühestens nach 6 Wo. pos.; häufig falsch pos., z. B. bei Grav., Erkr.
mit veränderter Plasmaeiweißzusammensetzung (z. B. Plasmozytom).

• Bei Penicillinallergie Doxycyclin 200 mg/d p. o. (z. B. Vibramycin®) oder Ery-


thromycin 4 × 500 mg/d p. o. (z. B. Erythrocin®) für 14 Tage.
• Wiederholung der Lues-Serologie nach Ther.-Ende. 24 h nach Ther.-Beginn
besteht keine Infektiosität mehr.

Meldepflicht besteht anonym für den direkten oder indirekten Keimnach-


weis.

Lues connata

Nach dem 5. Schwangerschaftsmonat können Treponemen die Plazenta pas-


sieren und den Fetus infizieren (▶ 5.13.11).

Klinik 
• Entsprechend Lues II makulopapulöses Exanthem.
• Blasen an Handtellern und Fußsohlen mit flüssigem, gelblichem Inhalt (sy-
philitische Paronychie, syphilitischer Pemphigus), plattenförmige Hautinfilt-
rate, v. a. um Körperöffnungen. Beim Schreien entstehen dadurch Risse der
Haut, die narbig verheilen. Hautentzündungen greifen auf die Schleimhäute
über; es kann z. B. Schnupfen (Coryza syphilitica) entstehen.
• Sattelnase, Hutchinson-Trias: tonnenförmige, gekerbte Schneidezähne, In-
nenohrschwerhörigkeit, Keratitis parenchymatosa.
• Hydrozephalus, Splenomegalie, Leberzirrhose, Säbelscheidentibia.
Gonorrhö („Tripper“)
Erreger  Neisseria gonorrhoeae (▶ Abb. 11.8), bei Frauen häufig asymptomati-
scher Verlauf.
Klinik 
• Untere Gonorrhö: Pollakisurie, Algurie, eitriger, grünlicher Fluor, geröteter
und schmerzhafter Introitus, Stuhl mit Blut- und Schleimauflagerung.
• Obere Gonorrhö: ziehende Unterbauchschmerzen, bei Tubenbefall beidseitig
ausstrahlend, leichte Temperaturerhöhung, deutliche Druckdolenz bei der
444 11  Äußeres Genitale und Vagina  

Palpation. Bei Peritonitis akutes, schweres Krankheitsbild mit Fieber, Ab-


wehrspannung, Übelkeit und Erbrechen.

Obere
Gonorrhö:
Pelveoperitonitis,
Salpingitis,
11 Endometritis

Untere Gonorrhö:
Zervizitis, Urethritis,
Bartholinitis, Proktitis

Abb. 11.8  Prädilektionsstellen der Gonorrhö [L157]

Komplikationen 
• (Mon-)Arthritis, gonorrhoische Iritis, Iridozyklitis, Pleuritis, Meningitis, Pe-
ri- und Endokarditis.
• Spät-KO: Verklebung der Tuben, die zur tubaren Sterilität führt (▶ 15.4.4).
Diagnostik  Abstriche von Zervix und Urethra mit intrazellulären Diplokokken
(Gonokokken in Methylenblaufärbung blau, in Gramfärbung rot). Kultur ist be-
weisend, am besten auf Blutagar (immer warm halten!).
Therapie 
• WHO-Empfehlung: Ceftriaxon 250 mg einmalig i. m. (Rocephin®).
• Procain-Penicillin 4,8 Mio. IE i. m. bei schwerer Verlaufsform Procain-Peni-
cillin 2 Mio. IE i. m. für 6–10 Tage.
• Bei Penicillinunverträglichkeit: Doxycyclin 1. Tag: 2 × 100 mg p. o., nach 12 h
1 × 100 mg p. o., dann 2 × 100 mg/d p. o. für weitere 3 Tage (z. B. Vibramycin®).

Laut Infektionsschutzgesetz besteht keine Meldepflicht mehr!

Ulcus molle (weicher Schanker)


Erreger  In Mitteleuropa seltene sexuell übertragene Krankheit. Erreger ist
Haemophilus ducreyi (gramneg. Stäbchen).
Klinik  Papulopustel, schmerzhaftes (!) Ulkus mit weichem (!) Rand, schmerz-
hafte, verbackene inguinale Lymphknotenpakete (Bubonen) mit Einschmelzung
und Spontanperforation.
   11.3  Infektionskrankheiten  445

Tab. 11.5  Differenzialdiagnose


Lues Ulcus molle

Hartes Ulkus Weiches Ulkus

Ulkus schmerzfrei Druckdolentes Ulkus

Indolente Inguinallymphome Dolente Inguinallymphome

IKZ: 3 Wo. IKZ: 2–5 Tage 11


Diagnostik  Kultureller Nachweis. Haemophilus ducreyi in Nativmikroskopie
fischzugartig angeordnet. Auf jeden Fall zur DD bzw. wegen längerer IKZ Lues-
Serologie bei Diagnosestellung, nach 6 Wo. und 3 Mon. durchführen.
Therapie  Tetrazyklin 1–2 g/d p. o. (z. B. Supramycin® N) für 4 Wo. Ebenfalls gute
Wirksamkeit zeigt Co-trimoxazol 1–2 × 160 + 800 mg/d p. o. für 1 Wo. Falls die
Bubonen sehr prall und schmerzhaft sind, Punktion und Eiterentleerung. Cave:
Infektiosität.

Laut Infektionsschutzgesetz besteht keine Meldepflicht mehr.

Hepatitis B
Siehe auch ▶ 5.13.7.
Nach den gesetzlichen Regelungen gehört die Hepatitis B nicht zu den Geschlechts-
krankheiten. Die sexuelle Übertragung ist jedoch der Hauptinfektionsweg, sodass
Partner HBsAg-pos. Pat. unbedingt gegen Hepatitis B geimpft werden sollten.

HIV-Infektion, AIDS
Erreger
Erreger sind die humanen Immundefizienz-Viren HIV 1 und 2, keine Meldepflicht.
Klinik
Symptome treten nach ½-12 J. auf und variieren sehr stark. Sie werden nach der
auch heute noch gültigen CDC-Klassifikation in drei Stadien unterteilt.

Tab. 11.6  CDC-Klassifikation der HIV-Infektion (CDC, 1993)


Immunologische Kategorie Klinische Kategorie

A B C

Asymptomatisch, Symptoma- AIDS-definie-


akute HIV-Inf., per- tisch, weder rende Erkr.
sistierende Lymph- A noch C (s. u.)
adenopathie

1 (CD4+ Zellen > 500/μl) A1 Stadium I B1 Stadium I C1 Stadium III


+
2 (CD4 Zellen 200–500/μl) A2 Stadium I B2 Stadium II C2 Stadium III

3 (CD4+ Zellen < 200/μl) A3 Stadium II B3 Stadium I C3 Stadium III


446 11  Äußeres Genitale und Vagina  

Kategorie (Stadium) A
Akute (prim.) HIV-Inf., Lymphadenopathie-Sy. (LAS) und asymptomatische
HIV-Inf.
• Akute HIV-Inf.: bis zu 30 % der Infizierten, IKZ wenige Tage bis mehrere
Wo., meist unspezifisches, häufig mononukleoseähnliches Krankheitsbild mit
typischem makulo-papulösem Exanthem, selten Meningitis, Enzephalitis
oder Radikulitis. Labor meist o. B., seltener CD4+-Zell-Depletion, HIV-Ak
nur selten nachweisbar, direkter Virusnachweis häufig positiv! Serokonversi-
11 on etwa 1–6 Mon. nach akuter Erkr.
• Lymphadenopathie-Sy. (LAS): LAS oder persistierende generalisierte
Lymphadenopathie (PGL) mit Lk-Schwellungen > 2 cm Durchmesser an
mind. zwei extrainguinalen Lokalisationen, häufig auch konstitutionelle Sym-
ptome (Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschweiß).
Kategorie (Stadium) B
• Inf. mit opportunistischen Erregern, keine AIDS-definierenden Krankhei-
ten oder direkt HIV-assoziierte KO.
• Direkt HIV-assoziierte Krankheitsbilder: Schädigung von Organen durch
HIV, z. B. ZNS, peripheres Nervensystem (Enzephalopathie, Meningitis, Ra-
dikulitis, Polyneuropathie, Mononeuritis multiplex) und GIT-Trakt (HIV-
Enteropathie). Direkt assoziiert mit HIV sind auch Mikroangiopathien
(MAP) an Retina und Konjunktiven, kutane Xerodermie- und mukosale Sic-
ca-Sy., selten HIV-Nephropathie oder -Myopathie. V.a. bei Kindern auch
Kardiomyopathien.
Kategorie (Stadium) C (AIDS-definierende Erkrankungen)
Meist deutlicher Immundefekt (immunologische Kategorie 3). Häufigste Krank-
heitsbilder Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie, Candida-Ösophagitis, zerebrale
Toxoplasmose, Tbc (pulmonal oder extrapulmonal), Mycobacterium-avium-in-
tracellulare-Inf., Kaposi-Sarkom und rezid. bakterielle Pneumonien.

AIDS-definierende Krankheiten: opportunistische Infektionen


• Bakteriell: Tuberkulose, alle Formen (pulmonal, extrapulmonal, dissemi-
niert), atypische Mykobakteriosen und disseminierte Formen, rezid. bakt.
Pneumonien, rezid. Salmonella-Bakteriämien.
• Viral: CMV-Krankheit (disseminiert, Retinitis, ZNS, GI-Trakt), ulzerie-
rende Herpes-simplex-Inf. (> 1 Mon.), progressive multifokale Leukenze-
phalopathie (PML).
• Protozoal: Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie, Toxoplasma-Enzephalitis,
chron. (> 3 Mon.) gastrointestinale Kryptosporidiose, Strongyloidiasis,
Isosporidiose.
• Mykotisch: Candidiasis (ösophageal, tracheobronchial), Kryptokokkose
und Histoplasmose (disseminiert, extrapulmonal, Meningoenzephalitis),
Kokzidioidomykose (disseminiert, extrapulmonal).
• Opportunistische Tumoren: Kaposi-Sarkom, alle Formen von Lympho-
men, NHL (hochmaligne [B-Zell-Typ], EBV-assoziiert, prim. zerebral),
Analkarzinom, Zervixkarzinom.
   11.3  Infektionskrankheiten  447

Virusdiagnostik
! Vor HIV-Testung muss das Einverständnis der Pat. eingeholt werden.
Antikörper
In der Regel 1–3 Mon. nach Inf. nachweisbar, selten erst nach 6–12 Mon.
• Suchtest: Anti-HIV-ELISA, sehr hohe Sensitivität und Spezifität (selten falsch
pos.).
• Bestätigungstest: Anti-HIV-Immunoblot (Western Blot). Auftrennung HIV-
spezifischer Proteine und Markierung einzelner (proteinspezifischer) Ak (sog. 11
Banden). Test hochspezifisch, jedoch aufwendiger und teurer als ELISA.
Direkter HIV-Nachweis
Indiziert in der Frühphase der Erkr. (Sensitivität methodenabhängig), in fortge-
schrittenen Stadien für Monitoring und Ther.-Kontrolle.
• HIV-p24-Antigen: Hüllprotein von HIV, das mit spezifischen ELISA nachge-
wiesen werden kann, Sensitivität wird durch vorherige Spaltung von p24-an-
tigenhaltigen Serum-Immunkomplexen erhöht.
• Viruskultur: sehr aufwendig und teuer, nur für wissenschaftliche Zwecke
sinnvoll.
• HIV Viral Load, syn. HIV-Viruslast (PCR, andere Amplifikationsmethoden):
hochsensitiv. Modernster und wahrscheinlich bester Marker zum Krankheits-
monitoring, zur Diagn. der HIV-Inf. bei unklarer Serologie und bei Kindern.
Monitoring und Therapiekontrolle in den fortgeschrittenen Stadien
Wichtigster Surrogatmarker derzeit HIV-Viruslast (s. o.), ansonsten Lymphozy-
tensubpopulationen (CD4+-Lymphozyten, CD8+-Lymphozyten, CD4/CD8-Ratio,
evtl. aktivierte T-Zellen und zytotoxische Zellen) zur Abschätzung des Immunde-
fekts und der Aktivierung des Immunsystems.

Tab. 11.7  Surrogatmarkerdiagnostik


CD4+ T-Lympho- CD4/CD8-Ratio Neopterin
zyten

Normalbefund > 800/μl > 1 < 10 nmol/l

Geringer Immundefekt 500–800/μl > 0,5 < 1 10–15 nmol/l

Mäßiger Immundefekt 200–500/μl > 0,1< 0,5 15–30 nmol/l

Schwerer Immundefekt < 200/μl < 0,1 > 30 nmol/

Antiretrovirale Therapie
Behandelt werden alle symptomatischen HIV-Pat. sowie asymptomatische Pat.
mit deutlichem Risiko für eine immunologische und klinische Progression (< 350
CD4+/μl Blut). Ther. wird von auf HIV spezialisiertem Arzt durchgeführt. Vorge-
hen nach Verletzung mit HIV-kontaminierter Nadel ▶ 1.13.
• Reverse-Transkriptase-(RT-)Hemmer (Nukleosidanaloga, NRTI): Hem-
men HIV-Replikation durch RT-Hemmung („falsches Nukleosid“). Immer
Kombinationsther. KI: schwere vorbestehende Myelosuppression (Hb
< 80 g/l, Leukozyten < 1/nl). Substanzen: AZT = Zidovudin (Retrovir®), DDI
= Didanosin (Videx®), D4T = Stavudin (Zerit®), 3TC = Lamivudin (Epivir®).
448 11  Äußeres Genitale und Vagina  

Abacavir (BW-1592) und Adefovir neue Substanzen mit hoher antiviraler Po-
tenz.
• Nichtnukleosidale Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI): hohe anti-
virale Aktivität, jedoch schnelle Resistenzentwicklung, daher Kombinations-
ther. Efavirenz (Sustiva®).
• Proteinase-Inhibitoren (PI): wirken durch Interaktion mit der HIV-Prote-
ase. In vitro stärkste Anti-HIV-Wirksamkeit im Vergleich zu anderen Präpa-
raten. Problem: hepatische Enzyminduktion (Cytochrom-P450-Oxidase-Sys-
11 tem). KO: Viele Medikamenteninteraktionen. Substanzen: Saquinavir (Invi-
rase®), Ritonavir (Norvir®, höchste antivirale Aktivität, aber auch höchstes
Potenzial an WW und NW), Nelfinavir (Viracept®).
• Kombinationsther. (2-fach, besser 3-fach) bevorzugen, da lebensverlängern-
der Effekt nachgewiesen. Wirksamkeit der Ther. frühestens nach 4 Wo., oft
erst nach 3–6 Mon. beurteilbar.

• Ein Heilmittel gegen AIDS ist bislang nicht bekannt, auch keine prophy-
laktische Impfung.
• Behandlung der Begleiterkr.
• HIV-Inf. in der Schwangerschaft ▶ 5.13.6.
• Resistenzentwicklung: Bei Ther.-Wechsel oder bei V. a. prim. resistenten
Virus ist Resistenzbestimmung möglich.
• HIV-Ther. in der Schwangerschaft: 24-h-Hotline 0178/2820282 oder
www.rki.de.
• Kürzlich ist es gelungen, eine Rekombinase zu entwickeln, die in
menschlicher Zellkultur das Erbgut des HI-Virus erkennt, aus der DNA
der befallenen Zelle „herausschneidet“ und unschädlich macht. Diese
„molekulare Schere“ gilt als vielversprechender Ansatz für eine künftige
Heilung HIV-infizierter Menschen. Ob diese gentherapeutische Option
in Zukunft nutzbar sein könnte, wird sich in den kommenden Jahren
entscheiden.

11.3.7 Ektoparasitäre Erkrankungen
Pediculosis pubis
Erreger  Die Filzlaus (Phthirius inguinalis [pubis], ▶  Abb.  11.9a) befällt i. d. R.
Schamhaare, findet sich aber auch in der Achselbehaarung und im Körperhaar,
bei Kindern auch in Augenbrauen und Kopfhaar. Inkubationszeit: 3–6 Wo.
Klinik  Juckreiz.
Diagnostik  Papeln mit Krusten, Kratzdefekte. Nachweis der Filzläuse, kolposko-
pisch Nissen und Kotballen in den Schamhaaren. Läuse und Nissen sind nach
Alkoholfixierung im Mikroskop gut zu erkennen.
Therapie  Lindan (Hexachlorcyclohexan) als Gel (Jacutin® Gel) auftragen: Nach
der Haarwäsche etwa 15 g in das noch feuchte Haar einreiben, für 3 Tage belassen
und dann erst wieder auswaschen. (Cave: Bei Kindern nach 6–8 h auswaschen!).
Alternative: Permethrin (z. B. Infectoscab® 5 %).
   11.4  Lichen sclerosus  449

Scabies (Krätze)
Erreger  Krätzmilben (Sarcoptes scabiei; ▶ Abb. 11.9b).
Infektionsweg  Übertragung von Mensch zu Mensch, meist bei GV. Selten Inf.
durch gemeinsame Benutzung von Bettwäsche oder Aufschütteln von Betten, wo-
durch ganze Familien oder alle ein Zimmer bewohnende Personen (Kaserne, Ju-
gendherberge) infiziert werden können. IKZ 4–6 Wo.
Klinik  Disseminierte Papeln in Zwi-
schenfingerräumen, Beugeseiten der 11
Handgelenke, Ellenbogen, Achselhöh-
len, Brust und Genitale, quälender
Juckreiz, v. a. abends im Bett.
Diagnostik  Typische, gerötete Mil-
bengänge in der Hornhaut, wenige Mil-
limeter bis einen Zentimeter lang, häu-
fig aufgekratzt, Kratzdefekte mit sek. a
entzündlichen Veränderungen. Mikro-
skop: achtbeinige Milbe.
Therapie  Lindan
(Hexachlorcyclohexan)-Emulsion (Ja-
cutin® Emulsion) an 3 aufeinanderfol-
genden Abenden am ganzen Körper
einreiben (nicht am Kopf) und mor-
gens wieder abwaschen (Cave: Bei Kin-
dern früher abwaschen!). Alternative: b
Permethrin (z. B. Infectoscab® 5 %).
Abb. 11.9  a) Filzlaus b) Milbe [L190]

11.4 Lichen sclerosus
Axel Valet und Michael Löttge
Definition  Der Lichen sclerosus (früher Kraurosis vulvae) gilt als chron. Vulva­
erkr. mit degenerativer Veränderung der Dermis (Atrophie und Hyperplasie), die
zu einer Schrumpfung der Vulva mit Sklerosierung des subkutanen Fettgewebes
führt. Wird neuerdings als Präkanzerose eingestuft; aufgrund der damit einherge-
henden Veränderungen können bis zu 15–20 % Karzinome entstehen.
Klinik  Quälender Pruritus, häufig mit brennendem Schmerz, Kohabitationsbe-
schwerden.
Diagnostik 
• Inspektion und Vulvoskopie (▶ 11.2.1 und ▶ 11.2.2): perlmuttartige, glän-
zende, mit Schrumpfung einhergehende Vulvahaut, Depigmentierungen,
Kratzdefekte, Superinf., verengter Introitus.
• Probeexzisionen zur histologischen Begutachtung: Chorionödem mit ent-
zündlichen Infiltraten, Epidermishyperplasie, Leukoplakie, Schwund der elas-
tischen Fasern, Schrumpfung, Hyperkeratose, Pigmentschwund.
Therapie  Nach Ausschluss eines malignen Prozesses bei fehlenden kausalen
Therapiemöglichkeiten Einleitung einer symptomatischen Ther.:
450 11  Äußeres Genitale und Vagina  

• Clobetasol: 0,5 mg/d lokal, zunächst Dermoxin®-Creme 2 × tägl. über 14 Ta-


ge, danach 1 × tägl. Bei Rückgang der Symptomatik auf Emovate® Creme
1–2 × tägl. wechseln. Verlängerung der Intervalle möglich.
• Bei Beschwerdepersistenz Laserther., op. Denervierung der Vulva, im Ex­trem­
fall einfache Vulvektomie.

11 11.5 Neoplasien der Vulva


Axel Valet und Michael Löttge
Die Inzidenz der VIN hat erheblich zu- und das mittlere Erkrankungsalter deut-
lich abgenommen. Sie können schon ab 20–25 J. auftreten. Intraepitheliale Neo-
plasien der Vulva (VIN) werden in drei Stadien erfasst.

11.5.1 Vulväre intraepitheliale Neoplasie (VIN I–III)


Histologische Einteilung 
• VIN I: Epitheldysplasie, auf das untere 1⁄3 des Epithels begrenzt (leichte Dys-
plasie).
• VIN II: Epitheldysplasie, auf die unteren 2⁄3 des Epithels begrenzt (mittel-
schwere Dysplasie).
• VIN III: umfasst die schwere Dysplasie (Dysplasie erreicht das obere Epithel-
drittel, aber nicht die gesamte Epithelbreite) und das Carcinoma in situ (in­
traepitheliale, plattenepitheliale Läsion, Kernveränderungen in der gesamten
Epithelbreite nachweisbar oder untere Epithelschichten zeigen Veränderungen
wie bei Grad-1-Karzinom). Die Basalmembran ist aber noch intakt. Wegen
häufig multizentrischer Herde schwierig zu beurteilen.
VIN III subsumiert die früheren Termini „Carcinoma in situ“, „M. Bowen“
(intraepitheliale Veränderungen im Hautbereich) und „Erythroplasie“ (intra­
epitheliale Dysplasie im Hautbereich von Labieninnenseite und Introitus).
Man unterscheidet drei histologische Subtypen: basaloider Typ, kondylomatö-
ser Typ (häufiger bei Frauen < 55 J., fast immer HPV-assoziiert) und differen-
zierter Typ.

ISSVD-Nomenklatur
Die neue ISSVD-Nomenklatur aus 2004 unterscheidet nicht mehr VIN I–III,
sondern grenzt das flache Kondylom (vorher VIN I) von der VIN ab (VIN II–
III). Unterschieden wird dabei zwischen dem normalen (HPV-assoziierten),
differenzierten und unklassifizierten Typ (nach International Society for the
Study of Vulva and Vulvovaginal Disease Terminology):
• I. VIN usual type.
– a. VIN warty type.
– b. VIN basaloid type.
– c. VIN mixed type.
• II. VIN differentiated type.
• III. VIN unclassified type.
   11.5  Neoplasien der Vulva  451

High-Grade VIN des warzigen (warty) und basaloiden Typs sind HPV-assozi-
iert, der differenzierte Typ nicht. VIN usual type ist häufig multifokal, basalo-
ide VIN häufiger bei älteren Frauen und gehen häufig in Vulva-Ca über.
Uns erscheint die alte VIN-Klassifikation klinisch nützlicher, weswegen wir sie
oben weiterhin erwähnen.

Klinik 
• Scharf umrissene, erhabene Herde, manchmal ähnlich den Condylomata acu- 11
minata (▶ 11.2.2, ▶ 11.3.3). Häufig multizentrisch oder nur rötliche, teilweise
schuppige, psoriasisähnliche Hautveränderungen mit oberflächlichen Erosio-
nen.
• Bevorzugter Befall der unbehaarten Vulvaanteile, z. T. mit perianalen Herden.
• Juckreiz (50 % der Pat.), Hyperpigmentierung, Leukoplakie.
• Häufig Zweitkarzinome, meist Zervixkarzinom mit seinen Vorstufen.
Diagnostik  Vulvoskopie mit 3-prozentiger Essigsäurelsg. (▶ 11.2.2). Biopsie an
einer repräsentativen Stelle in LA mit Skalpell (am besten Exzision im Gesunden)
oder, wenn nicht mit dem Skalpell möglich, mit einer runden Gewebestanze (z. B.
Hautstanze der Fa. Stiefel, www.biopsypunch.de). Keine Biopsie mit der Knips-
zange, da hier häufig das Gewebe nicht in allen Schichten beurteilbar ist (Frage-
stellung: Ist die Basalmembran durchsetzt?). Damit sich das Gewebe nicht ein-
rollt, sollte es auf einer kleinen Korkplatte festgesteckt und fixiert werden.
Therapie 
• Lokale Exzision. Bezüglich der Breite des Resektionsrandes bei VIN 2/3, ein-
schließlich multifokalerVIN 2/3, gibt es keine ausreichende Evidenz. Bei mul-
tifokalen Veränderungen mehrere Exzisionen möglich.
• Evaporisierung durch Laser möglich (cave: keine weitere histologische Unter-
suchung möglich!), Laserexzision besser (ggf. beides kombinieren). Bei der
CO2-Laservaporisation im nicht behaarten Areal 2 mm Eindringtiefe ausrei-
chend, im behaarten Bereich samt Hautanhangsgebilden ist eine Tiefe von
4 mm erforderlich, zur sicheren Entfernung der VIN.
• Bei sehr großen Läsionen ist eine oberflächliche Vulvektomie (Skinning) u. U.
mit Hauttransplantation erforderlich.

11.5.2 Morbus Paget

Stammt von den Hautanhangsdrüsen, entlang deren Ausführungsgängen er


sich ausbreitet. Häufigkeitsgipfel jenseits des 60. Lj.

Klinik 
• Juckreiz mit Spannungs- und Wundgefühl, z. T. seit Jahren bestehend.
• Verhärtung und Hautverdickung.
• Scharf begrenzte, gerötete oder leukoplaktische Herde.
• Manchmal Übergang auf Oberschenkelinnenseiten, Perianalhaut, Inguinalre-
gion und Vagina.
• Häufig vergesellschaftet mit invasiven Karzinomen: Mamma-, Zervix-, GIT-
Karzinome.
452 11  Äußeres Genitale und Vagina  

Diagnostik 
• Vulvoskopie ▶ 11.2.2.
• Tiefe Biopsie, um ein darunterliegendes Adenokarzinom nicht zu übersehen.
• Ausschluss anderer Karzinome: gynäkologische Untersuchung inkl. Exfolia-
tivzytologie (▶ 13.2.3) sowie transvag. Sono, Mammografie und Mammasono,
Haemoccult®-Stuhltest auf okkulte Blutbeimengung und Koloskopie.
Therapie  Falls möglich lokale Exzision. Wegen der flächigen Ausdehnung wird
meist die Vulvektomie mit evtl. Hautlappenplastik empfohlen, hierfür muss zur
11 Entfernung der Hautanhangsgebilde ein größerer Sicherheitssaum zur Tiefe ge-
wählt werden als beim Carcinoma in situ. Bei einfacher lokaler Exzision treten
häufig Rezidive auf.

11.6 Melanome der Vulva


Axel Valet und Michael Löttge
Häufigkeit  Selten, etwa 8 % der malignen Vulvaveränderungen.
Klinik  Bräunlich-blauschwarze, asymmetrische Hautveränderungen mit unre-
gelmäßiger Oberfläche und uneinheitlicher Pigmentierung, Juckreiz mit evtl. blu-
tigen Kratzdefekten.
Diagnostik  Neu aufgetretene Pigmentveränderungen jenseits des 35.  Lj oder
Größenzunahme sowie Dicker- oder Dunklerwerden eines bekannten Pigment-
flecks. Vulvoskopie (▶ 11.2.2). Exzision im Gesunden zur histologischen Befund-
sicherung mit einem Sicherheitssaum von mind. 10 mm (LA) in allen Richtungen,
bei starkem Malignitätsverdacht von > 1 cm (keine LA).
Therapie  Empfehlenswert ist eine konsiliarische Therapieplanung mit einem in
der Onkologie erfahrenen Dermatologen.

Tab. 11.8  Stadieneinteilung und Therapie des Melanoms


Invasionstiefe (mm) Stadium Therapie

< 0,75 pT1 Zirkuläre Nachresektion und Erweiterung des


­Sicherheitsabstands auf 3 cm
0,75–1,5 pT2

1,5–3,0 pT3

> 3,0 pT4 Vulvektomie inklusive Lymphonodektomie


­(Inguinal- und Femoralis-Lk)

11.7 Vulvakarzinom
Uwe Wagner

Definition
Das Vulvakarzinom ist das vierthäufigste Genitalkarzinom. Es ist ca. 5-mal selte-
ner als das Zervixkarzinom (Inzidenz 12 pro 100.000 Frauen). In D erkranken
jährlich ca. 1.600 Frauen, und ca. 620 starben an Vulvakarzinomen. Die Inzidenz
   11.7  Vulvakarzinom  453

liegt bei ca. 2,5/100.000 und die Mortalität bei ca. 1,3/100.000 (RKI, 2006). Auch
hier sind zunehmend jüngere Frauen betroffen.
95 % der malignen Veränderungen der Vulva sind Plattenepithelkarzinome, die
restlichen 5 % verteilen sich auf Melanome (▶ 11.7), Sarkome und Basaliome. Al-
tersgipfel bei HPV-neg. Tumoren 77 J., bei HPV-pos. Tumoren 55 J. Lichen scle-
rosus stellt einen direkten Zwischenschritt auf dem Wege zur Entwicklung einer
differenzierten VIN und des Plattenepithelkarzinoms dar.

Klinik 11
• Chron. Juckreiz, z. T. mit jahrelan-
ger Anamnese (Juckreiz tritt auch
schon bei den Präkanzerosen auf);
Kratzdefekte, Ulzera.
• Rötliche, leicht erhabene Flecken
mit oberflächlichen, derben Bezir-
ken (▶ Abb. 11.10).
Bei fortgeschrittenem Befund
• Derber Knoten mit oberflächlichen
Blutungen. Abb. 11.10  Vulva-Ca [M453]
• Blumenkohlartig vorwachsender
Tumor.
• Breitflächige Verhärtungen mit derbem Randwall, häufig zentrale Ulzeration.
• Blutig-seröses Sekret.
• Beidseitiger Vulvabefall durch Abklatschmetastasen.
• Inguinale, nicht immer dolente Lymphome.
• Dysurie, Hämaturie bei Urethra- oder Blasenbefall.
Diagnostik
• Histologie: Biopsie eines möglichst wenig nekrotischen Tumorteils mit mög-
lichst tief greifender Stanze oder besser Skalpell, damit alle Hautschichten gut
histologisch beurteilt werden können.
• Vulvoskopie ▶ 11.2.2.
• Zystoskopie und Rektoskopie zum Ausschluss einer Infiltration oder Im-
pression von Harnblase und Rektum.
• I. v. Pyelogramm zum Ausschluss einer Hydronephrose (Harnaufstau durch
Ureterummauerung des Tumors) und präop. Darstellung des Ureterverlaufs.
Bei Jodallergie oder fraglicher Schilddrüsenfunktionsstörung wenigstens Nie-
rensono.

Stadieneinteilung
Frühzeitige lymphogene Metastasierung: inguinale Lk, danach pelvine und iliaka-
le Lk. Bei Sitz des Primärtumors im Bereich von Klitoris und hinterer Kommissur
oder Ausdehnung auf die Vagina jenseits des Hymenalsaums kann es auch zur
direkten Metastasierung in die Becken-Lk kommen. Bei doppelseitigem inguina-
lem Befall muss in 50 % mit pelvinen Lk-Metastasen gerechnet werden (cave: 30 %
falsch pos. und neg. klinische Lk-Beurteilung!).
Wichtige Prognosefaktoren zur lymphogenen Metastasierung sind Tumorgröße
(> 1–2 cm) und Invasionstiefe (> 1,5 mm), bei letzterer tritt v. a. eine Streuung zu
454 11  Äußeres Genitale und Vagina  

Tab. 11.9  Stadieneinteilung des Vulvakarzinoms


TNM FIGO Kriterien Inguinaler Lk-
Befall (%)

Tis umfasst kein Carcinoma in situ 0


Stadium 0

T1 I Tumor auf Vulva beschränkt 20

11 T1a Ia Läsionen ≤ 2 cm beschränkt auf die Vulva


oder Damm mit einer Stromainvasion
≤ 1 mm, keine Lk-Metastasen

T1b Ib Läsionen > 2 cm oder Invasionstiefe > 1 mm


beschränkt auf die Vulva oder den Damm,
keine Lk-Metastasen

T2 II Tumor jeglicher Größe mit Ausdehnung auf 40–45


angrenzende perineale Strukturen (1⁄3 der
unteren Urethra, des unteren Scheidendrit-
tels oder Anus) mit neg. Lk

III Tumor jeglicher Größe mit Ausdehnung auf  


angrenzende perineale Strukturen (1⁄3 der
unteren Urethra, des unteren Scheidendrit-
tels oder Anus) mit pos. Lk

N1a IIIa a. 1–2 Lk-Metastasen (< 5 mm)


N1b b. eine Lk-Metastase (≥ 5 mm)

N2a IIIb a. 3 oder mehr Lk-Metastasen (< 5 mm)


N2b IIIb b. 2 oder mehr Lk-Metastasen (≥ 5 mm)
N2c IIIc c. Mit Lk-Befall und extrakapsulärer Aus-
breitung

N3 IVa Fixierte oder ulzerierte inguinofemoale Lk-


Metastase

T3 IVa Der Tumor befällt andere regionale (obere > 50


2
⁄3 der Urethra oder Vagina) oder entfernte
Strukturen (Blasenmukosa, Rektummukosa
oder erreicht das knöcherne Becken)

M1 IVb Jede Fernmetastasierung einschl. Befall der


pelvinen Lk

kontralateralen inguinalen Lk auf. Entdifferenzierte Karzinome (G3) metastasie-


ren doppelt so häufig wie hoch differenzierte (G1).

Therapie
Ziel der OP beim Vulva-Ca ist die R0-Resektion mit 10 mm gesundem Randsaum.
Die En-bloc-Resektion (Vulvektomie mit inguinaler Lymphonodektomie mit
schmetterlingsförmigem Hautlappen, inkl. der Haut in der Leiste) ist verlassen, da
sie etwa 40 % Sekundärheilungen verursachte. Sie wird heute in der Dreischnitt-
technik mit separaten Schnitten in der Inguinalregion zur inguinofemoralen
Lymphonodektomie mit und ohne Hautresektion durchgeführt. Die gefürchteten
„Brückenmetastasen“ in der inguinalen Haut treten nicht auf.
   11.7  Vulvakarzinom  455

Trotz spärlicher Daten wird eine stadienadaptierte Ther. empfohlen. Die systema-
tische inguinofemorale Lymphonodektomie ist Standard.
Eine Sentinel-Lymphonodektomie sollte nur unter strengen Qualitätsanforderun-
gen und nach intensiver Aufklärung der Pat. auch über eine möglicherweise er-
höhte Rezidivrate mit schwerwiegenden Folgen durchgeführt werden. Grundsätz-
lich kann eine Sentinel-Lymphonodektomie nur beim T1–T2-Vulvakarzinom
≤  4 cm  Durchmesser mit klinisch und sonografisch nicht suspekten Leisten-Lk
durchgeführt werden.
Die Behandlung der pelvinen Lk ist indiziert bei: 11
• Drei oder mehr pos. unilateralen Leisten-Lk.
• Kapseldurchbruch in den Leisten-Lk.
• Makrometastase > 10 mm.
Tab. 11.10  Stadiengerechte Therapie des Vulvakarzinoms
Stadium T1

Stadium T1a Lokale radikale Exzision (Randsaum > 1 cm) ohne ingui-


nale Lymphonodektomie

Stadium T1b Radikale lokale Exzision mit inguinaler Lymphonodekto-


mie, bei lateraler Lokalisation kann einseitig lymphono-
dektomiert werden. (Bei dem in diesem Stadium extrem
seltenen Nachweis ipsilateraler Lk-Metastasen muss auch
eine kontralaterale Lymphonodektomie erfolgen.)

Stadium T2

Stadium T2 (lateral) Radikale lokale Exzision und ipsilat. Lymphonodektomie


(bei N+ kontralaterale Lymphonodektomie anschließen)

Stadium T2 (nicht lateral) Radikale Vulvektomie mit beidseitiger inguinaler Lym-


phonodektomie

Stadium T3 Radikale Vulvektomie mit beidseitiger inguinaler Lym-


phonodektomie. Je nach Lokalisation des Tumors müs-
sen Teile der Urethra (keine Inkontinenz bei Resektion
der unteren 2 cm der Urethra), Vagina oder Anus (Anus
praeter) entfernt werden

Stadium T4 Radikale Vulvektomie mit vorderer und/oder hinterer


Exenteration und beidseitiger inguinaler Lymphonodek-
tomie (häufig aufgrund des AZ der Pat. nicht möglich,
ggf. Kombination aus OP, Bestrahlung oder Radioche-
mother. durchführen)

Besondere Tumortypen

Basaliom Radikale lokale Exzision ohne inguinale Lymphonodek-


tomie

Verruköses Karzinom Radikale lokale Exzision ohne inguinale Lymphonodek-


tomie

Antibiotische Prophylaxe  Empfohlen wird eine periop. antibiotische Prophylaxe


mit einem Cephalosporin wie Cefotiam 1 g (z. B. Spizef®) als Single-Shot.
456 11  Äußeres Genitale und Vagina  

Inoperable Patientin
Alleinige Strahlenther. mit einer Dosis des Primärtumors von 60–70 Gy GHD
und der inguinalen Lk von 50 Gy GHD bei Einzeldosen von 1,7–2 Gy. Erheb-
liche radiogene NW zwingen häufig zu einer Therapiepause. Ergebnisse deut-
lich schlechter als bei op. Sanierung.

Postoperative Strahlentherapie  Indiziert bei nicht im Gesunden erfolgter Resekti-


11 on (R1) oder weniger als 1 cm Randsaum (R0). Dosis im Tumorbett 50 Gy GHD mit
Einzeldosen von 1,7–2,0 Gy, bei R1 Boost von 10–15 Gy auf die verbliebene Region.

• Bei ≥ 2 inguinalen Lk-Metastasen sollte entweder eine CT-gestützte


Mehrfelderbox-Bestrahlung der pelvinen Abflussgebiete oder eine pelvi-
ne Lymphonodektomie diskutiert werden (vermutl. besteht ein Vorteil
bei der Strahlenther.).
• Die inguinale Lymphonodektomie ist der alleinigen Bestrahlung der
Leistenregion vorzuziehen.

Prognose

Tab. 11.11  Prognose bei Vulvakarzinom


Lk-Befall 5-JÜR (%)

Keine inguinalen Lk 90 

Inguinale Lk 45 

Pelvine Lk 25 

Vulväres Lokalrezidiv 50 

Fernmetastasen (Knochen, Leber, Lunge) 10 

Nachsorge
In den ersten 3  J. ¼-jährlich, um Rezidive möglichst frühzeitig zu erfassen und
kurativ operieren zu können (80 % der Rezidive treten in den ersten 2 J. nach OP
auf). 3.–5. postop. Jahr Kontrollen alle 6 Mon.
• Anamnese: Allgemeinbefinden, Leistungsfähigkeit, Schmerzen.
• Befund: Gewicht, Beinödem (malignes bzw. nichtmalignes sek. Lymphödem
s. u.), gynäkologische Untersuchung.
• Nierenultraschall einmal jährlich in den ersten 5 J.
• Bei rezid. Erysipelen ist eine Penicillinprophylaxe über 6–12 Mon. empfeh-
lenswert, z. B. Benzylpenicillin 1,2 Mega alle 3–4 Wo. i.m. (z. B. Tardocillin®).

Lymphdrainage
Nach Ausschluss eines Rezidivs sollte die Einleitung einer ambulanten
Lymphdrainage bei einem hierfür speziell ausgebildeten Lymphtherapeuten
erfolgen, bei ausgeprägtem Befund, v. a. wenn schon (rezid.) Erysipele aufge-
treten sind, sollte mit einer stationären Lymphdrainage begonnen werden,
die ggf. in jährlichen Abständen wiederholt werden muss.
   11.8  Vaginalkarzinom  457

Aktuelle Leitlinien im Internet unter: www.uni-duesseldorf.de/awmf

11.8 Vaginalkarzinom
Uwe Wagner

Definition und Lokalisation 11


Mit 1–2 % der Genitaltumoren selten als Primärkarzinom (Plattenepithel-Ca).
Häufiger als vag. Metastase (Hypernephrom, Zervix-, Endometrium-, Ovarial-,
Chorion-, Urothel-, Mamma- oder Kolon-Ca). Risikofaktoren für ein Vaginal-Ca
sind vorausgegangene In-situ- oder invasive Zervixkarzinome und vag. intraepi-
theliale Neoplasien (VaIN). Häufigste Lokalisation oberes Scheidendrittel (bessere
Prognose), meist an der Hinterwand. Vaginal-Ca, die auf die Zervix überwachsen,
gelten als Zervix-Ca und werden so behandelt (▶ 13.8), analog bei Überwachsen
auf die Vulva als Vulva-Ca (▶ 11.8).

Einteilung
Vaginale intraepitheliale Neoplasien:
• VaIN I: leichte Dysplasie.
• VaIN II: mäßiggradige Dysplasie.
• VaIN III: schwere Dysplasie/Carcinoma in situ.
Histologie
Zu 90 % Plattenepithelkarzinome (Durchschnittsalter 60–70  J.), die restlichen
10 % verteilen sich auf Adenokarzinome, Gartner-Gang-Karzinome (höckrig-
derb, meist mit intakter Schleimhaut), Melanome, Rhabdomyosarkome (Kindes-
alter, Altersgipfel 2.–3. Lj, vom oberen Anteil der Vaginalwand ausgehender, trau-
benförmiger Tumor, der prim. durch genitale Blutungen auffällt). Die oft erwähn-
ten Adenokarzinome jüngerer Frauen, deren Mütter in der Schwangerschaft Stil-
bestrol eingenommen hatten, spielen in Deutschland keine Rolle, da die Substanz
hier nie zugelassen war.

Risikofaktoren
Chron. Irritationen der Vaginalhaut wie durch Vaginalpessare oder Vaginalringe
oder chron. vag. Inf. sowie STD und virale Inf., v. a. Papillomavirus-Inf.

Klinik
VaIN verursachen praktisch keine Symptome.
Vaginalkarzinom 
• Blutung (meist postmenopausal) oder Kohabitationsblutung.
• Exophytisch wachsender Tumor in der Scheide mit Druckgefühl und
Schmerzen, früh ulzerierend.
• Fleischwasserfarbener, oft übel riechender Fluor genitalis.
• Dysurie, Algurie, Hämaturie.
• Blutauflagerung beim Stuhlgang.
Metastasierung  Meist lymphogen, bei einer Tumorgröße von 2 cm sind bereits
in 25 % der Fälle Lk befallen. Häufig ist die frühe Ausweitung ins Parakolpium
458 11  Äußeres Genitale und Vagina  

und per continuitatem mit Infiltration von Blase und Rektum (Lk-Stationen: ana-
le und rektale Lk, iliakale und femorale Lk, paraaortale Lk).

Diagnostik
• Simultane rektovaginale Palpation.
• Vaginalzytologie.
• Kolposkopie: Mosaik, Punktierung und Leukoplakie (▶ 11.2.2, ▶ 13.2.2).
­ ave: Die meisten Läsionen sitzen an der Hinterwand und werden leicht vom
C
11 Spekulum verdeckt!
• Probeexzision per Skalpell zur histologischen Begutachtung. Zur besseren Be-
urteilung sollte das Präparat auf kleiner Korkplatte mit Nadeln fixiert werden.
• Zystoskopie, Rektoskopie und i. v. Pyelogramm zum Ausschluss einer weite-
ren pelvinen Ausbreitung, CT oder MRT.
• Fraktionierte Abrasio zum Ausschluss eines sek. Vaginalkarzinoms bei vorbe-
stehendem Zervix- oder Endometriumkarzinom (prim. Vaginalkarzinome
seltener als Scheidenmetastasen).

Tab. 11.12  Stadieneinteilung und Prognose des Vaginalkarzinoms


Stadium Kriterien 5-JÜR (%)

TNM FIGO

PTis 0 Carcinoma in situ

pT1 I Tumor auf die Vaginalwand begrenzt 70–90

pT2 II Tumor infiltriert das paravaginale Gewebe, die 50–60


­Beckenwand ist noch frei

pT3 III Tumorausdehnung bis zur Beckenwand 10–30

pT4 IVa Infiltration von Nachbarorganen (Blase, Rektum, 0–5


überschreitet die Grenze des kleinen Beckens)

M1 IVb Fernmetastasen

Therapie
• VaIN I und II nur bei Persistenz und dem Wunsch der Pat. auf Ther. entfer-
nen (da hohe Rate an Spontanremission → ¼-jährliche klinische und zytologi-
sche Kontrolle).
• VaIN-III-Läsionen werden chirurgisch exzidiert (mind. 3 mm tief) oder laser­
evaporisiert (Kryochirurgie und Elektrokauterresektion ebenfalls möglich).
• Beim Vaginalkarzinom wird international häufig die prim. Strahlenther. der
Operation vorgezogen.
• Partielle Vaginektomie bei fortgeschrittenen und multiplen Herden, am ehes-
ten von vaginalem Zugang. Falls Pat. noch nicht hysterektomiert wurde, soll-
te bei proximalem Sitz eine abd./vag. Hysterektomie mit Scheidenmanschette
durchgeführt werden.
• Totale Vaginektomie nur erforderlich, wenn der gesamte Introitus befallen ist
(sehr selten). Die prim. kombinierte Strahlenther. wird national und interna-
tional der OP vorgezogen. Die Heilungsraten sind ähnlich, und die Auswahl
hängt stets von der Expertise des Zentrums ab.
   11.9  Vorgehen bei Notzuchtdelikten  459

• Selten Exenteration im Stadium IV erforderlich. Falls möglich, rekonstruktive


Vaginalchirurgie anbieten.
• Intravaginale 5-Fluorouracil-Applikation wird oft in den USA eingesetzt, bei
stärkerer Verhornung des Epithels ineffektiv.
Strahlentherapie  Wird meistens durchgeführt als lokale Kontaktbestrahlung (et-
wa 60 Gy GHD) intravaginal und zusätzliche perkutane Radiatio (etwa 40–50 Gy
GHD) unter Einschluss der inguinalen Lk-Station bei kaudalem Tumorsitz, bei
hohem Tumorsitz wie beim Zervix-Ca (▶ 13.8.6). Eine zusätzliche perkutane Be- 11
strahlung wird meist erst ab Stadium II empfohlen. KO: Blasen-Scheiden-Fistel,
Rektum-Scheiden-Fistel.

Chemother. ist derzeit nicht möglich.

Nachsorge
In den ersten 3 J. in ¼-jährlichen Abständen (Rezidiv meist in den ersten 2 J.),
danach in ½-jährlichen Intervallen. Dabei immer:
• Anamnese: Allgemeinbefinden, Leistungsfähigkeit, Schmerzen.
• Befund: Gewicht, Beinödeme, gynäkologische Untersuchung mit zytologi-
schen Abstrichkontrollen.
• Labor: BSG, BB, Krea (von zweifelhaftem Wert).
Aktuelle Leitlinien im Internet unter: www.uni-duesseldorf.de/awmf

11.9 Vorgehen bei Notzuchtdelikten


Axel Valet und Michael Löttge

Juristisch werden Straftaten gegen die „sexuelle Selbstbestimmung“ nach den


§§ 174–184 StGB verfolgt. Hiernach ist der erzwungene Beischlaf vollendet,
wenn der Penis zumindest in den Scheidenvorhof eingedrungen ist, eine Eja-
kulation muss hierbei nicht erfolgen. Sollte dieser juristisch definierte Tatbe-
stand nicht erfüllt sein, liegt jedoch evtl. eine sexuelle Nötigung (§ 178 StGB)
oder eine versuchte Notzucht vor, die ebenfalls strafbar sind.

11.9.1 Einleitendes Gespräch

Opfer von Notzuchtdelikten befinden sich in einer Ausnahmesituation. So-


bald der Arzt Kenntnis davon erhalten hat, dass eine Pat. nach Vergewaltigung
gekommen ist, sollte die Wartezeit abgekürzt werden. Ein besonders behutsa-
mes Vorgehen, bei dem Zeit für eine Anamnese in ruhiger Atmosphäre (erster
Besuch beim Gynäkologen?) vorhanden sein muss, kann eine sek. Viktimisie-
rung verhindern helfen. Häufig ist die Pat. noch völlig fassungslos von der Tat,
sodass das Verhalten z. T. recht beherrscht und scheinbar unbeteiligt sein
kann, ohne dass dies gegen die Grausamkeit eines Notzuchtdelikts spricht.
460 11  Äußeres Genitale und Vagina  

Zu Beginn des Gesprächs sollte der Pat. erläutert werden, was bei diesem Arztbe-
such von der Anamnese bis zur Untersuchung auf sie zukommt und dabei der
Sinn jeder Maßnahme, im Interesse der Pat., erklärt werden. Dem Opfer sollte zur
sofortigen Anzeige geraten werden, um die Fahndung nach dem Täter möglichst
schnell einzuleiten.

Anamnese
• Tathergang inkl. Notzuchthandlung schildern lassen (Samenerguss erfolgt?
11 Vaginal? Kondom?).
• Allg. gyn. Anamnese (Zyklus, letzte Menstruation, Kontrazeption, Virgo).
• Schmerzen, Blutung.
• Kleidung verändert, hat sich Pat. gewaschen, Vaginalspülung? (Spurensiche-
rung).

Soll der behandelnde Arzt später vor Gericht als Sachverständiger aussagen,
muss er sich zuvor von der Pat. von der Schweigepflicht entbinden lassen.
Facharzt/Oberarzt hinzuziehen!

11.9.2 Befunderhebung

Eine standardisierte Anamnese und Befunderhebung sichert eine komplette


Datenlage vor Gericht. Unter www.frauennotruf-frankfurt.de können ärztli-
che Befunddokumentationen heruntergeladen oder bei der Beratungsstelle
Frauennotruf Frankfurt bestellt werden. Auf derselben Homepage wird auch
eine kollegiale Beratung und eine Dokumentation bei häuslicher Gewalt an-
geboten.

Inspektion
Zur exakten Beurteilung muss eine Ganzkörperuntersuchung erfolgen, zunächst
die Untersuchung des Oberkörpers, dann des Unterkörpers. Path. Befunde wie
Hämatome sollten fotografisch (möglichst Digitalkamera) mit Maßstab doku-
mentiert werden. Dies ist besonders wichtig, da bei gerichtlichen Auseinanderset-
zungen häufig nicht die Kohabitation bestritten wird, der Täter behauptet aber
oft, dass es sich um einen freiwilligen Sexualakt gehandelt habe.
Hämatome
Als Fixierungsverletzungen, v. a. an den Innenseiten von Oberarmen und Ober-
schenkeln sowie am Hals, z. T. auch bei Gegenwehr am Unterarm (ulnarseitig).
Eine ungefähre Altersschätzung der Hämatome sollte erfolgen, zumal wenn die
Pat. erst nach längerem Intervall vorstellig wird:
• Gelblicher Farbton nach etwa 4 Tagen.
• Grünlicher Farbton nach etwa 7 Tagen.
• Abblassen nach etwa 14 Tagen.
Würge- und Strangulationsmale
Schürfungen im Halsbereich, petechiale Blutungen an Konjunktiven und Augen-
lidern (verschwinden z. T. innerhalb von 24 h).
   11.9  Vorgehen bei Notzuchtdelikten  461

Sturzverletzungen
Kopfplatzwunde, Nasenrückenverletzungen, Ellenbogen-, Knie- und Schulterver-
letzungen.
Doppelstriemen auf der Haut
Entstehen bei Peitschen- und Stockhieben.
Hautkratzer
Werden z. T. vom Herunterreißen der Kleidungsstücke hervorgerufen (Unter-
bauch und Brustbereich).
11
Verletzungen am äußeren Genitale
Eher selten, zu achten ist auf Rötungen und Schürfungen im Bereich von Labien
und Introitus, ebenso auf Zeichen einer frischen Defloration.

Diese Befunde müssen bei einer Vergewaltigung nicht zwingend vorliegen,


da das Opfer evtl. wegen massiver Gewaltandrohung keine Gegenwehr leis-
ten konnte!

Gynäkologische Untersuchung
• Kohabitationsverletzungen oder Defloration abklären.
• Abstriche aus dem hinteren Scheidengewölbe: Es sollte ein Nativabstrich er-
folgen (▶ 11.2.3), anhand dessen schon vorab nach Spermien gesucht wird.
• Wenigstens vier Stieltupfer sollten – mit Gummistopfen versehen, damit der
Watteträger nicht die Wand des Röhrchens berührt – aus dem hinteren
Scheidengewölbe entnommen werden. Vor dem Verschließen der Röhrchen
den Watteträger trocknen lassen, wenn eine sofortige Weiterverarbeitung in
der Rechtsmedizin nicht gewährleistet ist. Anhand der Abstriche können se-
rologische Täteruntersuchungen durchgeführt werden.
• Bakterieller Vaginalabstrich (z. B. Port-a-germ®).
• Auskämmen der Schamhaare, um Haare des Täters sicherzustellen. Siche-
rung von Vergleichshaar (Kopf- und Schamhaar) der Pat.

Laboruntersuchungen
Serologische Untersuchungen auf Gonorrhö und Lues sollten durchgeführt wer-
den, ein HIV-Test ist ebenfalls empfehlenswert, außerdem ein Schwangerschafts-
test, zur Dokumentation, dass vor dem Notzuchtdelikt keine path. Befunde bzw.
eine Schwangerschaft vorgelegen haben.

Asservation
• Auf einem Begleitbrief an die Kollegen in der Rechtsmedizin sollte neben den
Personalien der Pat. und Angaben über den Zeitpunkt der Kohabitation auch
Ihre Telefonnummer für evtl. Rückfragen angegeben werden.
• Kleidung: Falls die Pat. noch nicht die Kleidung gewechselt hat, sollte diese
ebenfalls der Rechtsmedizin überstellt werden.

Therapeutische Maßnahmen
Versorgung von Verletzungen, ggf. konsiliarische Vorstellung bei einem HNO-
Arzt (Gesichtsverletzungen) oder Chirurgen, bei ausgeprägter reaktiver Depressi-
462 11  Äußeres Genitale und Vagina  

on auch beim Psychiater. Bei Möglichkeit eines Schwangerschafteintritts sollte


eine „Morning-after Pill“ rezeptiert werden (z. B. Levonorgestrel PiDaNa® 1 Tbl.
innerhalb von 72 h nach Verkehr; Kosten ca. 17 Euro), bei länger zurückliegender
Kohabitation Ulipristalacetat (ellaone®)1 Tbl., bis zu 5 Tagen nach GV wirksam
(Kosten ca. 36 Euro).

Durch eine exakte Untersuchung und Dokumentation werden objektive Be-


funde und Sachbeweise des Notzuchtgeschehens erfasst, die der Pat. eine
11 peinliche Befragung vor Gericht ersparen können. Es ist ratsam, das Vorge-
hen der Spurensicherung mit dem für die Klinik zuständigen rechtsmedizi-
nischen Institut abzusprechen.
12 Urogenitale Erkrankungen
Joachim Steller und Michael Löttge

12.1 Descensus uteri et 12.2 Harninkontinenz  469


­ aginae  464
v 12.2.1 Epidemiologie  469
12.1.1 Definition  464 12.2.2 Theorien zur
12.1.2 Ätiologie  464 ­Inkontinenzentstehung  469
12.1.3 Pathophysiologie  464 12.2.3 Einteilung  469
12.1.4 Einteilung  465 12.2.4 Diagnostik  471
12.1.5 Klinik  466 12.2.5 Therapie  476
12.1.6 Diagnostik  466
12.1.7 Therapie  466
464 12  Urogenitale Erkrankungen  

12.1 Descensus uteri et vaginae


12.1.1 Definition
Uterus und Vagina können gemeinsam oder getrennt in unterschiedlicher Aus-
prägung deszendieren (Descensus uteri, Descensus vaginae, Descensus uteri et
vaginae, Descensus des Scheidenendes nach Hysterektomie, ggf. mit Uretro-, Zys-
to-, Rekto-, Douglaso- und/oder Enterozele).

12.1.2 Ätiologie
• Geburten mit großen Kindern mit Beckenbodenüberdehnung.
• Erschlaffen des Halteapparats.
12 • Erbliche Bindegewebsschwäche.
• Risikofaktoren: Adipositas, Alter, Parität, chron. Lungenkrankheit (Husten),
Rauchen, anstrengende berufliche Tätigkeit (Heben), chron. Obstipation.

12.1.3 Pathophysiologie
Durch einen Defekt der Bandstrukturen des kleinen Beckens kommt es zum
„Bruch“ und Tiefertreten des inneren Genitales. Die Portio kann im Introitus
sichtbar werden. Im fortgeschrittenen Stadium Umstülpen der Vagina vor die
Vulva und Austreten des Uterus (Subtotal- oder Totalprolaps des Uterus).

Tab. 12.1  Pelvic Organ Prolapse Quantification System (POPQ) nach ICS
Stadium 0 Kein Prolaps Aa, Ap, Ba, Bp = −3 cm und C oder D ≤ −(tvl −2) cm

Stadium I Größe distale Portioausdehnung > 1 cm über Hymenalsaum

Stadium II Größe distale Portioausdehnung ≤ 1 cm proximal oder distal zur Ebene
des Hymens

Stadium III Größe distale Portioausdehnung > 1 cm unter Ebene des Hymens und
≤ 2 cm weniger als totale Vaginallänge in Zentimetern

Stadium IV Kompletter Prolaps der gesamten Vaginallänge des unteren Genital­


trakts

Punkte Werte

Aa Scheidenvorderwand 3 cm proximal des Hymens −3 cm bis +3 cm

Ba Distalste Position der oberen Scheidenvorderwand −3 cm bis +tvl

Bp Distalste Position der oberen Scheidenhinterwand −3 cm bis +tvl

C Distalster Abschnitt der Zervix oder des Scheide­


nendes

D Hinteres Scheidengewölbe

Ap Hintere Scheidenwand 3 cm proximal des Hymens −3 cm bis +3 cm

gh = Hiatus genitalis; pb = Damm; tvl = Gesamtlänge der Scheide


   12.1  Descensus uteri et vaginae  465

Kreuzbein

Peritoneum

C
Tube
Ovar Rektum
Uterus D
Ba Zervix
Harnblase
Portio
Symphyse
Bp 12
tvl
Urethra
Ap
Klitoris Anus
Aa

gh pb

Große Kleine Sphincter


Schamlippe Schamlippe Vagina ani externus

Zervix- Hymen Urethrovesikaler


stumpf Übergang

gh

tvl pb

≥ -13 -10 -8 -5 -3 0 3 5 8 10 ≥13


Länge der nicht Länge der
prolabierten Vagina prolabierten Vagina
Prolaps-
stadium 0 I II III IV

Kein Prolaps Totalprolaps

Abb. 12.1  Pelvic Organ Prolapse Quantification System (POPQ) nach ICS [L157]

12.1.4 Einteilung
• Descensus uteri I: Portio erreicht das mittlere Scheidendrittel, Senkung nur
bei Spekulumeinstellung sichtbar.
• Descensus uteri II: Portio erreicht beim Pressen den Hymenalsaum, Deszen-
sus bei bloßer Inspektion der Vulva erkennbar.
• Descensus uteri III: Portio tritt vor die Vulva, Prolaps des Uterus, ggf. auch
von Harnblase, Rektum sowie Douglaso- und Enterozele.
466 12  Urogenitale Erkrankungen  

Neben der klinischen Einteilung existiert eine ICS-Klassifikation (International


Continence Society). Die POPQ-Nomenklatur (▶ Abb. 12.1) beruht auf der Un-
tersuchung im Stehen. Bei maximalem Pressen Messung des deszendierten Kom-
partiments in Zentimetern in Bezug zum Hymenalsaum.

12.1.5 Klinik
Typische, allerdings nicht obligate Deszensusbeschwerden:
• Druckgefühl auf den Damm und ziehende Unterbauchschmerzen.
• Rückenschmerzen (DD degenerative Wirbelsäulenerkr., Osteoporose).
• Fremdkörpergefühl.
• Kohabitationsbeschwerden.
• Harnblasenentleerungsstörungen.
12 • Stuhlentleerungsstörungen.
• Blutiger Ausfluss aufgrund von Druckulzerationen.
Häufiger in Vergesellschaftung mit Harninkontinenz. Deszensus und Harninkon-
tinenz können auch unabhängig voneinander auftreten und zu therapiebedürfti-
gen Beschwerden führen. Ausgeprägte Senkung kann maskierte „larvierte“
Harninkontinenz und Harnentleerungsstörung bis zum Harnverhalt durch Ab-
knicken des Blasenhalses („Quetschhahnphänomen“) verursachen.

12.1.6 Diagnostik
• Klaffende Vulva, niedriger, evtl. narbiger Damm, tief stehende Portio, Vor-
wölbung der vorderen bzw. der hinteren Scheidenwand.
• Pulsationszystozele: zentraler Defekt der vorderen Scheidenwand mit verstri-
chenen Rugae und sog. „Glatzenbildung“.
• Traktionszystozele: erhaltene Rugae mit verstrichenen Längsfurchen und
häufiger Urethrozele bei lateralem Defekt.
• Ggf. Erosionen oder Ulzerationen der Vagina oder Portio.
• Palpatorisch elongierte Cervix uteri, gestreckter oder retroflektierter Uterus,
auseinander gewichene Levatorenschenkel.

12.1.7 Therapie
Konservative Therapie
• Lokale Östrogenther. (z. B. Ovestin® Ovula 1- bis 2-wöchentl.).
• Pessarbehandlung (Sieb- bzw. Würfelpessar, Tampon).
• Beckenbodentraining und -konditionierung.
Operative Therapie
Vorbereitung
• Im Regelfall vorab urodynamische Diagn. zum Ausschluss einer larvierten
Harninkontinenz bei ausgeprägtem Deszensus, v. a. des vorderen Komparti-
ments.
• Vor einer op. Sanierung sollte eine lokale Östrogenbehandlung (z. B. Estradiol,
Ovestin® Ovula 1–2 × wöchentl. bzw. Ovestin® Creme) über 4–6 Wo. erfolgen.
   12.1  Descensus uteri et vaginae  467

Gängige Operationsverfahren bei Descensus uteri et vaginae mit Zysto- und


Rektozele
• Vag. Hysterektomie mit Blasenbeckenbodenplastiken (sog. vordere und hin-
tere Kolporrhaphie) mit sakrospinaler Scheidenstumpffixation nach Am-
reich-Richter.
• Bei Enterozele: hohe hintere Kolpoperineoplastik mit Resektion des peritone-
alen Bruchsacks und hoher Peritonealisierung.
• Bei Prolaps des Scheidenstumpfs nach Hysterektomie mit Deszensus der vor-
deren und hinteren Scheidenwand: Blasenbeckenbodenplastiken, vag. sakro-
spinale Scheidenstumpffixation nach Amreich Richter, alternativ abdomina-
le/pelviskopische Sakrokolpopexie.
• Bei ausgeprägter Traktionszystozele: abdominaler Verschluss der lateralen
Faszienlücke durch ein laterales Repair oder vag. laterale Vaginopexie. Cave:
Eine vag. vordere Kolporrhaphie verschlimmert den lateralen Ausriss. 12
• Bei gleichzeitiger Belastungsinkontinenz: Komb. des Deszensuseingriffs mit
Inkontinenzeingriff (Kolposuspension nach Burch, TVT, Transobturator-
band).
• Cave: Ein Deszensus sollte erst operiert werden, wenn ein Leidensdruck vor-
liegt und andere Therapiemöglichkeiten erschöpft sind. Nach abdominaler/
pelviskopischer Sakrokolpopexie weniger Dyspareunien.
Konzepte zur Deszensuschirurgie

Tab. 12.2  Konventionelle Deszensuseingriffe


Defekt Häufige OP-Verfahren Wirkung

Pulsions­ Vordere Kolporrhaphie Bindegewebsdopplung im Bereich


zystozele des Lig. vesicovaginale

Traktions­ Vag. oder abdominale laterale Fixierung der Scheidenfaszie am


zystozele Vaginopexie (laterales Repair) Arcus tendineus

Scheiden­ Fixatio vaginae sacrospinalis/ Vag. direkte Scheidenfixation, ab­


grunddes­ sacrotuberalis, abdominelle dominale direkte oder indirekte Fi­
zensus ­Sakrokolpopexie xation am Os sacrum

Rektozele Hintere Kolporrhaphie Dopplung des perinealen Bindege­


webes, mediane Vereinigung der
Levatorenmuskulatur vor dem
Rektum

Enterozele, Douglasobliteration nach Verschluss des Douglas-Raums zur


Douglaszele Moschcowitz Entero-/Douglaszelenkorrektur

• Deszensuserkr. sind Hernien. Defekte Bandstrukturen können nicht


„repariert“ werden.
• Exzessive Vaginalhautresektionen können zu Problemen (Dyspareunie,
Inkontinenz) führen. Therapiert man einen medianen Defekt im Sinne
468 12  Urogenitale Erkrankungen  

eines lateralen Defekts, so erweitert man die Bruchpforte, umgekehrt


führt die Raffung des medialen Bindegewebes bei der Traktionszystozele
zur Vergrößerung des lateralen Defekts.
• Die Vereinigung der Levatorenmuskulatur vor dem Rektum ist unphy-
siologisch und führt zur Atrophie. Mögliche Folgen sind Kohabitations-
und Defäkationsstörungen.
• Im Rezidivfall, bei fehlendem Eigengewebe oder großem Defekt können
Implantate indiziert sein.

Auch wenn aufgrund der niedrigen Zulassungsschwelle des Medizinproduktege-


setzes verschiedene von der Industrie angebotene Netzsysteme auf dem Markt
sind, befindet sich die rekonstruktive Beckenbodenchirurgie mit Gewebeersatz im
12 Stadium der klinischen Evaluation. Mögliche Ind. für alloplastische Materialien
sind Deszensusrezidive und ausgewählte Fälle als Primäreingriff. Stets sorgfältige
Indikationsstellung und besonders sorgfältige Aufklärung (auch über bislang feh-
lende Langzeitergebnisse und die damit verbundene eingeschränkte Beurteilungs-
möglichkeit der Methode), über u. U. lebenslange postop. Östrogenisierung, hohe
Rate an Rezidiv-OPs, Einschränkung der Sexualität und Lebensqualität, chron.
Schmerzen, hohes Verletzungsrisiko von Nachbarorganen bei der op. Entfernung
von Netzgewebe. Die FDA hat wiederholt Sicherheitswarnungen ausgesprochen.

Tab. 12.3  Alloplastische Materialien


Materialien Produktbeispiele Besonderheiten

Polypropylen/Prolen Gynemesh, Sera­ Stabil, teilelastisch, fehlende Allerge­


tom, Seramesh, nität, Unterschiede in der Faser- und
Apogee, Perigee, Porenstruktur, mögliche Wundhei­
Prolift, Avaulta solo lungsstörungen, Netzprotrusionen

Polytetrafluorethylen Teflon, Gore-Tex Kein Einwachsen in das Gewebe,


mögliche Fistelbildung

Polyglaktin Vicryl Resorbierbar

Polyglaktin-Prolen/Po­ Vypro, Seramesh PA Teilresorbierbar, mögliche Induration


lyglykolsäure-Polypro­ und unvorhersehbare Schrumpfung
pylen-Kombination

Biologische, xenogene Pelvicol, Pelvisoft, Formstabil, mögliche passagere Ent­


Materialien/Kombina­ SIS, Avaulta Plus zündungsreaktionen, Gewebsverdich­
tionen tung

• Derzeit sind überwiegend makroporöse, leichtgewichtige Polypropylen-


netze im Einsatz. Strenge Indikationsstellung s. o.!
• Bei Vorfall der Beckenanatomie können kritische Strukturen abnorm
positioniert sein. Bei Implantation von Gewebsersatzmaterialien daher
unbedingt darauf achten, dass Harnleiter, N. pudendus, äußere Scham­
arterien, Enddarm (Rektum), N. ischiadicus, externe Darmbeingefäße,
pararektale Gefäße, Rektalnerven nicht verletzt werden.
   12.2  Harninkontinenz  469

• Primäreingriffe und Eingriffe bei Frauen mit aktivem Geschlechtsleben


bedürfen einer besonderen Ind.
• Netzarrosionen sind häufige Begleiterscheinungen. Scheidenextrusion,
Erosion durch die Harnröhre oder anderes umgebendes Gewebe, Mig-
ration des Implantats von der Eingriffsstelle, Fistelbildung und Entzün-
dung können das Entfernen von Teilen oder des gesamten Netzgewebes
erforderlich machen.

12.2 Harninkontinenz
12.2.1 Epidemiologie 12
In Deutschland leiden etwa 5  Mio. Menschen an Harninkontinenz, vorrangig
Frauen. Aufgrund der demografischen Entwicklung nimmt die Zahl der älteren
Inkontinenzpat. zu.

12.2.2 Theorien zur Inkontinenzentstehung


• Drucktransmissionstheorie nach Einhörning: Verlagerung des Blasenhalses
aus dem abdominopelvinen Gleichgewicht.
• Suburethrale Hängematte nach De Lancey: vordere Vaginalwand Widerlager
für den Blasenhals, wird durch M. pubococcygeus verschlossen.
• Integrationstheorie nach Ulmsten und Petros: mehrere Muskelgruppen betei-
ligt, Wirkung der Kraftvektoren von der Intaktheit des Bandapparats abhän-
gig, die Scheide koordiniert die Traktionskräfte.

12.2.3 Einteilung
Belastungsinkontinenz
Definition  Auch Urethraverschlussinsuff., Stressharninkontinenz. Unfreiwilli-
ger Urinverlust bei körperlicher Belastung.
Pathogenese  Durch eine Senkung/Lockerung des Beckenbodens kommt es zum
Herausgleiten der proximalen Urethra aus dem intraabdominalen Gleichgewicht
(▶ Abb. 12.2).
Stadieneinteilung nach Ingelmann-Sundberg 
• Schweregrad 1: Harnabgang beim Husten, Niesen, Lachen.
• Schweregrad 2: Harnabgang beim Heben schwerer Lasten, beim Treppenstei-
gen oder Laufen.
• Schweregrad 3: Harnabgang beim Stehen, nicht im Liegen.
470 12  Urogenitale Erkrankungen  

Normalbefund Senkung

Beckenboden

12

Abb. 12.2  Pathogenese der Belastungsinkontinenz [L157]

Urge-Inkontinenz (Dranginkontinenz)
Definition  Harnverlust mit nicht unterdrückbarem Harndrang.
Pathogenese  Gestörtes Gleichgewicht zwischen den Dehnungsafferenzen der
Harnblase und der zentralen Hemmung mit nachfolgender Detrusorinhibition.
Ätiologie 
• Blasenbedingt: Häufigste Ursachen sind HWI, Genitalatrophie und Descen-
sus vaginae mit großer Zystozele; daneben z. B. Blasensteine, Tumoren.
• Nicht blasenbedingt: bei Kolpitis, ZNS-Erkr. wie Multiple Sklerose, Parkin-
son-Sy., Syringomyelie, senile Demenz, Alkoholismus sowie unter verschie-
denen medikamentösen Ther. (▶ Tab. 12.4).
• Idiopathische Form: oft psychosomatische Störungen.
Klinik  Typische Symptome sind Pollakisurie (>  7 Miktionen pro Tag) sowie
Nykturie.
Einteilung 
• Motorische Urge-Inkontinenz: unwillkürlicher Urinverlust, begleitet von im-
perativem Harndrang und urodynamischem Nachweis einer Detrusorkon-
traktion.
• Sensorische Urge-Inkontinenz: Urinverlust mit imperativem Harndrang bei
urodynamischem Nachweis einer unwillkürlichen Urethrarelaxation und
mangelnder Detrusorkontraktionen. Im Sono ggf. Trichterbildung der proxi-
malen Urethra.
Weitere Formen 
• Reflexinkontinenz: Harnverlust infolge von unwillkürlichen Detrusorkon-
traktionen bei neurologischen Erkr.
• Überlaufinkontinenz: Harnverlust bei Überlaufblase infolge von infravesika-
len Obstruktionen und/oder a- oder hypokontraktilem Detrusor.
• Extraurethrale Inkontinenz: Urinverlust bei Fisteln und Fehlbildungen.
   12.2  Harninkontinenz  471

12.2.4 Diagnostik
Anamnese
• Wie viel Urin geht wann unwillkürlich ab?
• Häufigkeit der Miktion.
• Dysurie (Schmerzen bei der Miktion z. B. bei urethralem Sy., am Ende der
Miktion z. B. bei Zystitis).
• Trinkmenge.
• Geburtenanamnese (Belastungsinkontinenz korreliert mit der Anzahl der Ge-
burten).
• Deszensusanamnese (Pulsationszystozelen korrelieren mit Urge-Inkontinen-
zen, Traktionszystozelen mit Belastungsinkontinenzen).
• Voroperationen (insb. gynäkologische oder urogynäkologische Eingriffe).
• Begleiterkr. (neurologische Erkr., Diabetes). 12
• Gute Differenzierung zwischen Stress- und Urge-Inkontinenz mittels Gau-
denz-Fragebogen (▶ Abb. 12.3).
• Medikamentenanamnese (▶ Tab. 12.4).
Tab. 12.4  Medikamente, die eine Harninkontinenz provozieren oder ver-
schlechtern
Substanz Wirkmechanismus Inkontinenztyp

Alphablocker, Phenoxybenzamin, Sphinkterrelaxation Belastungs­


­Prazosin, Labetalol, Doxazosin inkontinenz

Antiepileptika, ACE-Hemmer, Senkung des Auslass­ Belastungs­


­Myotonolytika widerstands inkontinenz

Blasenstimulanzien: Cholinergika, Erhöhte Erregbarkeit Urge-­


­Koffein, Betablocker des Detrusors Inkontinenz

Blasensedativa: Anticholinergika, Parkin­ Provozieren inkomplet­ Überlauf­


sonmittel, trizyklische Antidepressiva ter Blasenentleerung inkontinenz

Gynäkologische Untersuchung
• Spekulumuntersuchung zur Beurteilung der Scheidenhautverhältnisse (Ös-
trogenmangel?)
• Urethrozele: häufig im Rahmen einer Traktionszystozele, Korrelation mit der
Belastungsinkontinenz.
• Pulsationszystozele: Die Rugae sind verstrichen, sodass die Vaginalwand glatt
erscheint; zentraler Defekt des Beckenbodens. Klassische Symptomatik: Rest-
harn, HWI, Drangsymptomatik.
• Traktionszystozele: Urethra- und Vaginalhaut deszendieren gleichmäßig, die
Rugae sind erhalten. Klassische Symptomatik: Belastungsinkontinenz, im So-
no i. d. R. rotatorischer Blasenhalsdeszensus.
• Rektozele ggf. mit Douglaso- und Enterozele, mobilem Scheidenende
• Descensus uteri (▶ 12.1).
• Urinabgang beim Husten.
472 12  Urogenitale Erkrankungen  

Frage Urge- Belastungs-


Score score
1. Wie oft verlieren Sie ungewollt Selten, gelegentlich 1
Urin? Tägl., mehrmals 1
tägl., dauernd
2. Wie groß ist die Urinmenge, die Einige Tropfen 1
Sie verlieren? Größere Mengen 1

Nur gelegentlich 2
3. Das Verlieren von Urin stört mich ...
Enorm 1

4. In welchen Situationen Beim Husten und Niesen 1


verlieren Sie Urin? Beim Sitzen und Liegen 1

Ja 1
5. Haben Sie Kinder geboren?
Nein 0
12
6. Wie häufig müssen Sie täglich Alle 3–6 Stunden 3
Wasser lassen? Alle 1–2 Stunden 2
Nie bis einmal 2
7. Müssen Sie nachts Wasser lassen? 2- bis 4-mal und häufiger 3

8. Verlieren Sie auf dem Weg zur Niemals, selten 2


Toilette Urin? Fast immer 2
Kann warten, muss bald
9. Müssen Sie bei Harndrang sofort (10–15 Min.) gehen
2
gehen oder können Sie warten? Muss sofort gehen 3

10. Verspüren Sie plötzlichen Harn- Nie 2


drang und verlieren Sie kurz darauf
Gelegentlich, häufig 3
Urin, ohne es verhindern zu können?
Nein, nie 1
11. Verlieren Sie nachts im Schlaf
Urin? Häufig, regelmäßig 1

12. Besteht häufiger, kaum Eigentlich nie 2


unterdrückbarer Harndrang? Oft, behindert mich sehr 3

13. Der häufige, kaum unterdrückbare Eigentlich kein Problem 2


Harndrang ist für mich ... Stört, behindert mich stark 2

14. Haben Sie das Gefühl, dass die Ja 1


Blase nach dem Wasserlassen Nein 1
vollkommen leer ist?
Ja 1
15. Können Sie den Harnstrahl
Nein 2
willkürlich unterbrechen?
Über 70 kg 2
16. Wie ist ihr Gewicht? Unter 70 kg 0

Urge-Score Belastungsscore Inkontinenzform


Auswertung 13–26 0–6 Urge-Inkontinenz (97%)
0–6 13–26 Belastungsinkontinenz (87%)

Abb. 12.3  Inkontinenz-Fragebogen nach R. Gaudenz mit Urge- und Belas­


tungsscore [L157]
   12.2  Harninkontinenz  473

Introitus- oder Perinealsonografie


Sonografische Diagn. bei gefüllter Harnblase, nach Blasenentleerung erneute Ul­
traschalldiagn. zur Bestimmung einer evtl. Restharnmenge. Visualisierung der
Beckenbodenkontraktilität und einer gestörten Topografie in Ruhe und unter Be-
lastung:
• Beim vertikalen (▶ Abb. 12.4) und rotatorischen (▶ Abb. 12.5) Blasenhalsdes-
zensus meist Öffnung des hinteren urethrovesikalen Winkels β.
• Quetschhahnphänomen fast ausschließlich beim rotatorischen Blasenhalsdes-
zensus.

12

Abb. 12.4  Vertikaler Blasenhalsdeszensus. Vertikalisierung der proximalen Ure­


thra bei fehlender anatomischer Verankerung [M454/L157]

Die Sonografie der ableitenden Harnwege (Nierenaufstau?) ist vor jeder op. Ther.
obligat (schon aus forensischen Gründen).

Das laterale Urethrozystogramm wurde durch die sonografische Diagn. ab-


gelöst.
474 12  Urogenitale Erkrankungen  

12

Abb. 12.5  Rotatorischer Blasenhalsdeszensus. Abkippen oder Herausgleiten der


Harnblase durch eine Beckenbodenhernie [M454/L157]

Urindiagnostik
Mittels Streifenschnelltests Nachweis von roten oder weißen Blutkörperchen, Ni-
trit, Zucker, Eiweiß, ggf. mikroskopische Sedimentuntersuchung, Urikult.

Zystotonometrie
Prinzip  Darstellung unwillkürlicher Detrusorkontraktionen im Differenzdruck
zwischen intravesikalem und rektalem (intraabdominalem Druck). Druckmes-
sung der Harnblase während der Füllungsphase (Abhängigkeit des Blaseninnen-
drucks in cmH2O vom Füllungsvolumen in ml).
Durchführung  Im Stehen, Sitzen oder Liegen durchführbar. Kontinuierliche
Auffüllung der Harnblase mit körperwarmem, sterilem 0,9 % NaCl über den lie-
genden Katheter (Füllungsgeschwindigkeit 30–50 ml/Min.). Der 1. Tiptransducer
liegt in der Harnblase, der 2.  Tiptransducer liegt in der Urethra. Gleichzeitige
Messung des intraabdominalen Drucks über einen Ballonkatheter oder einen wei-
teren Tiptransducer im Rektum. Gemessen werden: max. Blasenkapazität, effekti-
ve Blasenkapazität (max. Kapazität minus Restharn). Nachweis ungehemmter
Detrusorkontraktionen.
   12.2  Harninkontinenz  475

Urethradruckprofil
Prinzip  Gemessen werden der intraurethrale Druck (in cmH2O) und die Ure­
thralänge (in cm). Die Registrierung des urethralen Drucks erfolgt bei verschiede-
nen Funktionszuständen: in Ruhe, unter Belastungsbedingungen beim Husten,
bei Bauchpresse oder willkürlichen Beckenbodenkontraktionen.
Durchführung 
• Ruheprofil: Der Tiptransducerkatheter liegt mit beiden Sensoren in der ge-
füllten Blase (300–400 ml) und wird unter definierter Geschwindigkeit von
1 mm/Sek. (ICS) durch die Urethra zurückgezogen. Der proximale Drucksen-
sor läuft durch die Urethra, während der distale noch in der Blase verbleibt.
• Belastungsprofil: entsteht bei gleicher Untersuchungsanordnung und gleich-
zeitiger Hustenprovokation. Durch verminderte Drucktransmission auf den
Blasenhals kommt es zwischen Blasenhals und Blase zu sichtbaren Depressi-
onsdrücken im Differenzprofil → Belastungsinkontinenz. 12
Auswertung  Die entstehende Druckkurve der Urethra im Ruheprofil wird in
Differenz zum Blasendruck gesetzt und entspricht dem funktionellen Urethraver-
schlussdruck (▶ Abb. 12.6). Die Zusatzinformationen durch das Druckprofil un-
ter Belastung erlauben eine Klassifikation in eine hypotone bzw. eine hyporeaktive
Urethra (wichtig für die Therapieentscheidung ▶ 12.4.2).
Der DepD (Depressionsdruck) entspricht der Druckabnahme des Urethraver-
schlussdrucks unter Belastung. Altersabhängiger Normwert: 100 minus Alter der
Pat. Die Unterschreitung des altersabhängigen Normwerts (= hypotone Urethra)
erfordert eine subtile OP-Planung, ansonsten höheres Rezidivrisiko.
Intravesikaler Druckanstieg während der Zystotonometrie > 15 cmH2O bei Bla-
senfüllung bis 300 ml, ggf. unter Hustenprovokation, spricht für eine motorische
Urge-Inkontinenz.

DepD
DepQ =
UVDR

50%
≤ 0,5 = K

0,6–0,9 = S1 50%

≥ 1,0 = S2 50%

DepQ = Depressionsquotient; DepD = Depressionsdruck;


UVDR = max. Urethraverschlussdruck
K = kontinent; S1 = Stressharninkontinenz Grad 1; S2 = Stressharninkontinenz Grad 2

Abb. 12.6  Stressdruckprofil [L157]


476 12  Urogenitale Erkrankungen  

Urometrie
Die Flowrate (Miktionsvolumen/Sek.) gibt einen Hinweis auf obstruktive Prozes-
se, hypotone Blasenschwächen und Restharnbildung. Die Aussagekraft ist bei der
Frau begrenzt.

12.2.5 Therapie
Belastungsinkontinenz
Medikamentöse Therapie
Kontinenz ist nur selten durch eine Medikation zu erreichen. Besteht bei Pat. In-
operabilität oder Operationsunwilligkeit, Kombination aus physiother. Maßnah-
men (Beckenbodengymnastik und Beckenbodenstimulation) und medikamentö-
12 ser Maßnahme:
• α-Sympathomimetika: in Deutschland nur Midodrin als Einzelsubstanz im
Handel, jedoch ohne Zulassung für die Ind. „Harninkontinenz“.
• Dulexitin (Yentreve®): kombinierter Serotonin-(5-HAT-) und Noradrenalin-
(NA-)Wiederaufnahmehemmer. Aufgrund häufiger Übelkeit mit Erbrechen
einschleichend dosieren: 1. Wo. 0–0–20 mg/d, 2. Wo. 20–0–20 mg/d, 3. Wo.
20–20–20 mg/d. Bei mangelndem Effekt Dosissteigerung bis 2 × 40 mg/d
möglich.
• Östrogene. Bei allen Formen der urogenitalen Atrophie lokale Östrogenisie-
rung (z. B. mit Estradiol, Ovestin® Ovula 1–2 × wöchentl.).
Operative Therapie
Kolposuspension nach Burch
Die bislang bis zum Anfang dieses Jh. am besten dokumentierte OP-Methode der
Stressharninkontinenz war die Kolposuspension nach Burch (▶  Abb.  12.7) mit
diversen Modifikationen (z. B. nach Cowan). Bei der heute üblichen Methode
wird das Gewebe neben dem Blasenhals mit nicht resorbierbaren Nähten am Lig.
ileopectineum fixiert, was die Urethra stützt und die Belastungsinkontinenz häu-
fig bessert.

Besonderheiten bei hypotoner Urethra


• Ausgedehnte Freilegungen der Urethra und suburethrale Nahttechniken
können die neuromuskuläre Einheit weiter schädigen und zu einem wei-
teren Absinken des Harnröhrenverschlussdrucks führen.
• Weitere mögliche Schädigungen der Gefäß- und Nervenversorgung soll-
ten vermieden werden.
! Der Therapieerfolg ist gegenüber normotonen Druckverhältnissen einge-
schränkt, dies ist v. a. bei der präop. Aufklärung der Pat. zu beachten.
   12.2  Harninkontinenz  477

12

Abb. 12.7  Kolposuspension nach Burch: lockere Fixierung der Scheidenfaszie mit
nicht resorbierbaren Fäden am Lig. ileopectineum (Cooper-Band) zur Anhebung
des pubourethralen Übergangs [M454/L157]

TVT-Plastiken und Transobturatorbänder


Das retropubische Band (TVT, tension free vaginal tape) komprimiert bei Hus-
tenprovokation oder anderer Belastung die Urethra, das Transobturatorband fun-
giert als konstante Hängematte für die Urethra. Mittlerweile liegt die Erfolgsrate
für das TVT von 80 % nach 5 J. über der der Kolposuspension nach Burch.
• Mithilfe eines Bands wird der urethrale Schließmuskelapparat gestützt und
damit verschlussfähig. Das TVT nach Ulmsten beruht auf dem retropubischen
Durchzug eines an dochtartigen Nadeln befestigten Prolenbands von einer
vag. Inzision aus ohne zusätzliche Fixierung in der Bauchdecke.
• Transobturatorbänder ziehen durch die oberen Ausläufer der Fossa ischio-
rectalis nach lateral, passieren das Foramen obturatum und die Ansätze des
M. adductor longus.
478 12  Urogenitale Erkrankungen  

Auch wenn derzeit noch keine endgültigen Ergebnisse zu den unterschiedlichen


Bandsystemen vorliegen, werden bei den Transobturatorbändern eine seltenere
Überkorrektur sowie seltenere Verletzungen der Harnblase und seltenere Häma-
tombildungen beobachtet. Bei den transobturatorischen Bändern erübrigt sich die
intraop. Zystoskopie.
• Hauptind.: prim. Belastungsinkontinenz bei Urethrahypermobilität.
• Relative KI: Fibrosierung der Harnröhre mit mangelhafter Mobilität (z. B.
Z.n. Bestrahlung, Beckenfraktur, Frozen Urethra). Z. n. Radikal-OP im klei-
nen Becken (Frozen Pelvis), Inguinal- oder Femoralhernie, Blasenentlee-
rungsstörung aufgrund einer Detrusorschwäche, Harnröhrenpathologien
(Harnröhrendivertikel, verkürzte Harnröhre).

KO bei TVT-Einlage: Blasenperforation (2–6 %), Blutung mit Hämatombil-


12 dung mit der Notwendigkeit einer Revision (2–4 %). Läsion des N. obturato-
rius, Darmverletzung (Einzelfälle). Hämatombildung im kleinen Becken
oder am äußeren Genitale (häufig), Blasenentleerungsstörung mit Restharn
bis zum Harnverhalt durch zu straffe Lage des Bands (bis 20 %), De-novo-
Dranginkontinenz meist durch operativ bedingte infravesikale Obstruktion
(5–10 %), rezid. Stressinkontinenz/persistierende Belastungsinkontinenz (ca.
10 %), Arrosion der Harnröhre (Einzelfälle).

Nadelsuspensionen
Nadelsuspensionsverfahren nach Raz, Stamey-Pereyra oder Gittes mit dem op.
Prinzip, eine Elevation des Blasenhalses mit nicht resorbierbaren Fäden zu errei-
chen. Von einer suprapubischen Inzision aus werden nicht resorbierbare Fäden
retropubisch nach vag. durchgeführt. Dabei wird das Lig. urethropelvicum (Raz),
das periurethrale Gewebe (Stamey) oder die gesamte Vaginalwand (Gittes) gefasst
und in der Bauchdecke verankert. Die 5-Jahres-Kontinenzrate liegt mit ca. 40 %
deutlich unter der der Kolposuspension nach Burch oder der TVT/TO-Operati-
on.
Schlingenoperationen
Bei der klassischen pubovag. Schlingenoperation wird ein Faszienstreifen aus der
Rektusscheide oder der Fascia lata oder ein Kunststoffband von einer vag. und
retropubischen Inzision aus zügelartig um die Urethra bzw. den Blasenhals her-
umgeführt und in der Rektusfaszie verankert. Bei vergleichbaren Kontinenzraten
wie der Burch-Eingriff besteht der Nachteil in einer verlängerten Rekonvaleszenz
nach kombiniert abdominovag. Eingriff. Schlingenoperationen werden inzwi-
schen durch die TVT/TO-Plastiken abgelöst.
Kolporrhaphia anterior
Die Raffung der vorderen Vaginalwand wird zur Behandlung einer Zystozele bei
Deszensus und gleichzeitig bestehender Belastungsinkontinenz angewendet. Die
Erfolgsraten zeigen eine verbesserte Kontinenzrate von lediglich 31 % nach
12 Mon. für die alleinig durchgeführte Kolporrhaphie.
Depotinjektionen
Periurethrale Injektionen mit Kollagen, mikroverkapseltes Silikon, Teflon, Poly-
acrylamid und Fett kommen zur Anwendung. Am häufigsten wird Kollagen in
   12.2  Harninkontinenz  479

den verschiedenen Zubereitungen verwendet. Der Vorteil des Verfahrens liegt in


der Anwendbarkeit in Lokalanästhesie, nachteilig ist der nur wenige Mon. anhal-
tende Therapieeffekt und damit notwendige Mehrfachinjektion. Im Einzelfall
kann das Verfahren bei verringerter Narkosefähigkeit oder bei Z. n. wiederholten
erfolglosen Voroperationen eine Therapieoption darstellen.

Urge-Inkontinenz
Medikamentöse Behandlung steht im Vordergrund, wobei die Aktivität der Bla-
senmuskulatur gedämpft werden soll. Klassische Substanzen sind z. B. Anticho-
linergika. Auch Trink- und Miktionstraining mit Erhöhung der Miktionsinterval-
le und Reizstromther. können eine Besserung herbeiführen. Immer auch Ther. der
Grunderkr. (z. B. HWI, Blasensteine, Blasentumoren, neurologische Erkr.).
• Anticholinerg wirksame Präparate: Toltrodi 2 × 2 mg/d (Detrusitol®), nach
4 Wo. meist Reduktion auf 2 × 1 mg/d möglich, Solifenacinsuccinat 5–10 mg/d 12
(Vesikur®), Oxybutynin 3 × 5 mg/d (Dridase®), Scopolamin 3–5 × 10–20 mg/d
(Buscopan®), Trospiumchlorid 2–3 × 5 mg/d (Spasmo-Urgenin® TC), Dari­
fen­acin 7,5–15 mg/d (Emselex®), Propiverin 3 × 15 mg/d (Miktonorm®). Nach
6–12 Mon. Auslassversuch.
• Muskelrelaxanzien: Flavoxat 3–4 × 200 mg/d (Spasuret®).
• Kalziumantagonisten sollen bei Detrusorhyperreflexie ebenfalls den gehäuf-
ten Harndrang herabsetzen und die Blasenkapazität erhöhen, v. a. in Kombi-
nation mit Anticholinergika. Stufenweise Dosissteigerung: Nifedipin 15–
60 mg/d (z. B. Adalat®), Verapamil 120–480 mg/d (z. B. Isoptin®), Imipramin
2 × 25 mg/d (z. B. Tofranil®).
• Intravesikale Instillation von 2 × 5 mg/d Oxybutynin in Kochsalzlsg. für je-
weils 30 Min. bei Pat., die sich selbst katheterisieren.
• Bei Detrusorhyperreflexie und innerer Sphinkterdyssynergie zusätzlich Al-
pharezeptorblocker (Alfuzosin, Doxazosin, Tamsulosin und Terazosin).
• Bei allen Formen der urogenitalen Atrophie empfiehlt sich zusätzliche Östro-
genisierung (z. B. mit Estradiol, Ovestin® Ovula 1–2 × wöchentl.).
• Elektrostimulation mit Biofeedback-Gerät führt zum Aufbau der Beckenbo-
denmuskulatur und beeinflusst die Dranginkontinenz und leichte Formen
der Stressinkontinenz günstig. Erforderlich sind 2 × tägl. Anwendungen über
10 Min. oder Stimulation des Sakralnervs mit einem „Beckenbodenschrittma-
cher“, zunächst Testung über einen externen Stimulator, bei Erfolg Implanta-
tion des Schrittmachers mitsamt der Elektroden unter die Haut.

• Dosisanpassung von Oxybutynin bei älteren Pat., da nach oraler Resorp-


tion mehr als doppelt so hohe Plasmaspiegel wie bei jüngeren.
• Bei Dranginkontinenzformen aufgrund einer Senkung der vorderen
Scheidenwand ist ein Deszensuseingriff indiziert.

Zystitis
Bei HWI Antibiotikather. erforderlich.
• Akuter, unkomplizierter HWI: Fosfomycintrometamol (z. B. Monuril®)
3.000 mg einmalig.
480 12  Urogenitale Erkrankungen  

• Komplizierter HWI: Ciprofloxacin 500–750 mg 2 × tgl. 7–10 Tage, Levoflox­


acin (Tavanic®) 750 mg 1 × tägl. über 5 Tage. Evtl. lokale Östrogenisierung,
evtl. Ansäuern des Urins mit Methionin 3 × 0,5–1 g/d (z. B. Acimethin®).
• Bei Blasensteinleiden sind diese gleichfalls zu therapieren.
Reflexinkontinenz
Gleiche Behandlungsstrategien wie bei Dranginkontinenz. Anticholinergika sind
eine effektive Behandlungsmöglichkeit. Neuere Therapieoption: Injektion von
Botulinustoxin in den Blasenhalsdetrusor. Ggf. sind wie bei der Überlaufinkonti-
nenz regelmäßige sterile Katheterisierungen erforderlich.

Überlaufinkontinenz
Bei einer obstruktiven Genese der Überlaufinkontinenz ist das prim. Ziel die op.
12 Beseitigung des subvesikalen Abflusshindernisses. Bei Frauen sind tumorbedingte
Obstruktionen selten.
• Detrusoratonie ist häufig eine NW einer Pharmakother. (Detrusorkontraktili-
tät ↓, Restharnbildung ↑): Anticholinergika, Antidepressiva, Neuroleptika,
Muskelrelaxanzien, Kalziumantagonisten und Parkinsonmedikamente. Ther.:
Absetzen, Umsetzen oder Dosisreduktion.
• Medikamentöse Stimulation der Detrusorrestaktivität:
– Cholinergika oder Parasympathomimetika: Bethanechol 25-50 mg/d (z. B.
Myocholine Glenwood®).
– Cholinesterasehemmer: Distigminbromid 5 mg/d (z. B. Ubretid®). Cholin­
esterasehemmer können zu einer unerwünschten Erhöhung des Abfluss-
widerstands führen. Daher gleichzeitig Alphablockade, z. B. mit Dibenzy-
ran® 2 × 5 mg/d, langsam steigern bis max. 60 mg/d.

Extraurethrale Inkontinenz
Die Fistelinkontinenz muss durch einen op. Fistelverschluss behoben, und anato-
mische Fehlbildungen müssen ggf. operativ korrigiert werden.
13 Uterus
Kay Goerke und Axel Valet

13.1 Leitsymptome und 13.5  ndometriose  496


E
­ ifferenzialdiagnosen  482
D 13.6 Dysplasie (zervikale
13.1.1 Vaginale Blutung  482 ­intraepitheliale Neoplasie
13.1.2 Schmerzen  483 [CIN])  499
13.1.3 Dysmenorrhö  483 13.7 Endometriumhyperplasie  500
13.1.4 Zervikaler Fluor  484 13.7.1 Glandulär-zystische
13.2 Diagnostische (einfache) Hyperplasie  500
­Maßnahmen  485 13.7.2 Adenomatöse (komplexe)
13.2.1 Inspektion und Palpation  485 ­Hyperplasie des
13.2.2 Kolposkopie  485 ­Endometriums  500
13.2.3 Zytologie  487 13.8 Zervixkarzinom  501
13.2.4 Spezielle Abstriche  489 13.8.1 TNM-/FIGO-Klassifikation  502
13.2.5 Hysteroskopie und Zervix-­ 13.8.2 Operative Therapie  503
Korpus-Kürettage 13.8.3 Strahlentherapie  504
(CCC, fraktionierte 13.8.4 Primäre Chemotherapie  505
­Abrasio)  489 13.8.5 Komplikationen  505
13.2.6 Konisation  490 13.8.6 Zervixkarzinom und
13.3 Gutartige ­Schwangerschaft  506
­Zervixveränderungen  491 13.8.7 Metastasen  506
13.3.1 Ektopie  491 13.8.8 Nachsorge  506
13.3.2 Kondylome  491 13.9 Endometriumkarzinom  507
13.3.3 Ovula Nabothi  492 13.10 Uterussarkom  510
13.3.4 Zervixpolyp  492
13.3.5 Myom  492
13.4 Gutartige Veränderungen
des Corpus uteri  492
13.4.1 Myome  492
13.4.2 Polypen des Corpus uteri  495
13.4.3 Endometritis und
­Myometritis  495
482 13  Uterus  

13.1  Leitsymptome und Differenzialdiagnosen


13.1.1  Vaginale Blutung
Häufigste Ursachen für Blutungen sind Zyklusunregelmäßigkeiten (▶ Abb. 13.1)
aufgrund endokriner Störungen oder anderweitige Blutungen der Vulva, der Va-
gina, der Portio oder des Endometriums.
• Präpubertär: Verletzung, Unfall, Fremdkörper, sexueller Missbrauch, Puber-
tas praecox, hormonbildender Ovarialtumor.
• Pubertär: Menarche, Verletzung, Defloration, Kolpitis, Schwangerschaft, Ver-
gewaltigung.
• Reproduktive Periode: endokrine Störung, Myom, Kolpitis, Endometritis,
Adnexitis, Hyperfibrinolyse, Portioektopie, Abort, Verletzung, hormonbil-
dender Ovarialtumor, Endometrium-Ca, Zervix-Ca.
• Postmenopausal: Kolpitis senilis, Ulkus, Zervixpolyp, Endometrium-Ca,
­Zervix-Ca, Uterussarkom, Vulva-Ca, Vaginal-Ca, hormonbildender Ovarial­
tumor.

13 Feb. Mär. Apr. Mai Jun. Jul. Feb. Mär. Apr. Mai Jun. Jul.

Normale Regelblutung Metrorrhagie

Feb. Mär. Apr. Mai Jun. Jul. Feb. Mär. Apr. Mai Jun. Jul.

Menorrhagie Polymenorrhö

Feb. Mär. Apr. Mai Jun. Jul. Feb. Mär. Apr. Mai Jun. Jul.

Hypermenorrhö Oligo-Hypomenorrhö

Abb. 13.1  Kaltenbach-Schema [L157]

Hinweiszeichen:
• Deutlich überperiodenstarke, hellrote Blutung ohne Schmerzen → V. a. Zer-
vix-Ca (▶ 13.8).
• Kontaktblutung (nach Geschlechtsverkehr), schmerzlos, meist hellrot und ge-
ring → V. a. Ektopie (▶ 13.3.1). DD: Zervix-Ca, evtl. mikroinvasives Karzinom.
• Dunkelrote bis schwarze Blutung, oft zyklusabhängig → V. a. Endometriose
der Portio (▶ 13.5).
• Leichte hellrote Blutung verbunden mit Pruritus, Fluor und vag. Schmerzen
→ V. a. Zervizitis.
   13.1  Leitsymptome und Differenzialdiagnosen  483

• Schmierblutung, zyklusunabhängig, hellrot oder dunkelrot → V. a. Zervixpo-


lyp (▶ 13.3.4).
• Hellrote, schmerzhafte Blutung → V. a. Myom in statu nascendi (= durch den
CK ausgestoßenes submuköses Myom).
• Weitere Blutungsursachen: Blutungen bei Schwangerschaft (▶ 5.5), Affektio-
nen der Vaginalhaut (▶ 11.6), Verletzungen, dysfunktionelle Blutungen
(▶ 15.4.2).

Tab. 13.1  Definitionen der Blutungsstörungen


Störungen in der Blutungsdauer

Menorrhagie Verlängerte Periodenblutung > 6 Tage

Brachymenorrhö Verkürzte Periodenblutung < 3 Tage

Störungen in der Blutungsstärke

Hypermenorrhö Verstärkte Periodenblutung > 5 Vorlagen tägl.

Hypomenorrhö Verminderte Periodenblutung

Spotting Schmierblutung (prä-/postmenstruell, mittzy- < 2 Vorlagen tägl. 13


klisch)

Metrorrhagie Zusatzblutung, außerhalb der Periode

Störungen in der Blutungshäufigkeit

Polymenorrhö Unregelmäßig oder regelmäßig verkürzte Zy- Zyklus < 25 Tage


klen

Oligomenorrhö Stark verlängerte Zyklen Zyklus > 35 Tage

Sek. Amenorrhö Keine Periodenblutung > 3 Mon.

13.1.2  Schmerzen
• Leichter bis mäßiger Dauerschmerz, mit Pruritus und Fluor → V. a. Zervizi-
tis.
• Krampfartige Schmerzen, hellrote Blutung → V. a. Myom in statu nascendi.
• Zyklusabhängige Schmerzen, meist 1–2 Tage vor der Menstruation begin-
nend, häufig mit Einsetzen der Mensesblutung abklingend, evtl. mit dunkel-
roter bis bräunlicher Blutung → V. a. Endometriose (▶ 13.5).
• Postmenstruelle Schmerzen, pos. Entzündungswerte → V. a. Endomyometritis
(▶ 13.4.3).
• Weitere DD ▶ 14.1,▶ 14.4.

13.1.3  Dysmenorrhö
Definition  Im Zusammenhang mit der Menstruation auftretende krampfartige
Unterbauchschmerzen, evtl. mit Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen bis hin
zur Migräne.
484 13  Uterus  

Formen 
• Prim. Dysmenorrhö: Schmerzen, die mit der Menstruation einhergehen, Be-
ginn schon bald nach der Menarche.
• Sek. Dysmenorrhö: erst später einsetzende Menstruationsschmerzen.
Ursachen 
• Psychosomatische Faktoren: häufig Konflikt bei der Übernahme weiblichen
Rollenverhaltens in der Pubertät (sexualitätsverneinende Erziehung, sexuelles
Trauma, Dysmenorrhö der Mutter → die monatlichen Schmerzen werden
von der Mutter an die Tochter als Verhalten weitergegeben). Zunächst müs-
sen somatische Faktoren ausgeschlossen werden, danach sollte im Verdachts-
fall eine Vorstellung in der Psychosomatik erfolgen. Psychosomatische Fakto-
ren spielen auch bei der sek. Dysmenorrhö eine Rolle (Unzufriedenheit mit
Sexualleben, beruflicher und sozialer Stellung, Partnerkonflikte).
• Endometriose: Schmerzen beginnen sehr häufig schon 1–2 Tage prämenstru-
ell und lassen bei Einsetzen der Blutung meist langsam nach. Häufig besteht
zusätzlich eine Dyspareunie (Schmerzen bei der Kohabitation).
• Adenomyosis uteri interna: einzelne Endometrioseherde im Myometrium.
• Abflussbehinderungen: Vaginalfehlbildungen, Hymenalatresie (▶ 18.7.1).
13 • Weitere: submuköse Myome, Korpuspolypen, Uterusfehlbildungen, Zervi-
kalstenosen oder -strikturen, Varicosis pelvis, IUP, Retroflexio uteri.
Therapie 
• Beseitigung der Ursache, falls möglich.
• Bei gleichzeitigem Kontrazeptionswunsch Ovulationshemmer (geringere Blu-
tung → weniger Schmerzen) oder Gestagene, z. B. Dydrogesteron 10 mg/d
p. o. (z. B. Duphaston®) vom 16.–25. ZT.
• Prostaglandinhemmer, z. B. Ibuprofen 200–400 mg p. o. nach Bedarf (z. B.
­Aktren®).

13.1.4  Zervikaler Fluor


Für die Pat. selbst ist die Ursache meist nicht zu erfassen. Zervikaler Schleim un-
terliegt der hormonellen Regulation. Diagn. und Quantifizierung ist nur durch
Spiegeleinstellung möglich.
• Periovulatorischer zervikaler Fluor bei guter Spinnbarkeit des Schleims
­(8–10 cm) → physiologische Östrogenwirkung.
• Klarer zervikaler Fluor, zyklusunabhängig → V. a. Zervixverletzungen (z. B.
Emmet-Risse nach Geburt). DD: Zervixpolyp, -karzinom (Frühstadium), Ek-
topie.
• Trüber Fluor, evtl. leicht blutig tingiert, schmerzfrei → V. a. intrazervikales
Karzinom (▶ 13.8).
• Gelblich-eitriger Fluor, evtl. mit Pruritus und Schmerzen → V. a. Zervizitis.
DD: Adnexitis.
• Weißlicher bis klarer Fluor, leichte Verletzlichkeit des Portioepithels bei der
Abstrichentnahme → V. a. Chlamydien-Zervizitis.
• Klare zervikale Hypersekretion → V. a. psychovegetative Störungen, häufig bei
sexuellen Konflikten.
   13.2  Diagnostische Maßnahmen  485

13.2  Diagnostische Maßnahmen


13.2.1  Inspektion und Palpation
Inspektion 
• Abdomen gebläht, Vorwölbung der Bauchdecken (z. B. großes Myom, Ovari-
altumor, Aszites).
• Spekulumeinstellung: Fluor ex cervice, uterine Blutung, Tumoren, z. B. ­Myom,
Polyp, Endometrium-Ca, evtl. mit Infiltration der Vaginalwand (Stadium
­FIGO IIIb).
Palpation  Vor einer Palpation sollte immer die Spiegeleinstellung stehen. Die
Palpation kann mit einem oder zwei vag. eingeführten Fingern erfolgen.
! Bei V. a. blutendes Karzinom ist die Palpation obsolet!
• Bauchdecken: weich, Abwehrspannung, path. Resistenzen, Dolenzen; Ingui-
nalregion: path. Lymphome, Hernien, Ulzera.
• Vagina: glattwandig, Tumoren, Dolenzen.
• Portio: Länge, v. a. in der Gravidität; Erkennung von Zervixinsuff. (▶ 5.10.2),
Größe, Stellung im Vergleich zur Vagina (normal sakralwärts gerichtet),
Druckschmerz, Portio-Wackel-Schiebeschmerz. 13
• Öffnung des äußeren Muttermunds (bei Nullipara geschlossen, bei Mehrge-
bärenden Fingerkuppe einlegbar), Durchgängigkeit des Zervikalkanals.
• Blut am untersuchenden Handschuh?
• Corpus uteri: Größe, Konsistenz, Seitenverlagerung, z. B. durch Tumor oder
Adhäsionen, Lage im kleinen Becken, Oberflächenbeschaffenheit, Asymmet-
rien, Tumor.
• Adnexen beidseits: Größe, Lage, Druckdolenz, Verschieblichkeit, Konsistenz
(zystisch oder solide?) und Oberflächenbeschaffenheit (glatt oder höckrig),
v. a. von Tumoren.
• Douglas-Raum: Vorwölbung, Fluktuation (Flüssigkeitsansammlung), Tumor,
Druckdolenz, Resistenzen (z. B. kleine Endometrioseherde).
• Rektale Untersuchung: Palpation der Parametrien, bei V. a. Zervix-Ca oder
knotigen Veränderungen re. Parametrium mit dem re. Zeigefinger, li. mit
dem li. Zeigefinger gesondert palpieren. Achten auf Konsistenz, Infiltrate und
Druckdolenz.

13.2.2  Kolposkopie
Prinzip  Untersuchung der Portio unter 6- bis 40-facher Lupenvergrößerung.
Bewährt hat sich die Einstellung der Portio mit einem Selbsthaltespekulum („En-
tenschnabel“), um eine Hand für die Bedienung des Kolposkops frei zu haben.
Gezielte Biopsie möglich (▶ 13.2.6).
Durchführung  Die Untersuchung gliedert sich in drei Abschnitte:
• Nativ-Kolposkopie.
• Essigsäureprobe (3 % über mind. 30 Sek.): koaguliert den zervikalen Schleim,
der sich nun weiß darstellt; somit sind Ektopien besser abzugrenzen.
• Schiller-Jodlösung: Jod wird von den glykogenhaltigen Plattenepithelzellen
des Portioepithels gespeichert, die Zervixdrüsenzellen und andere Zellen stel-
len sich jodneg. dar.
486 13  Uterus  

Zur Dokumentation ist bei allen path. oder verdächtigen Befunden insb. zur Ver-
laufsbeobachtung eine Fotodokumentation oder eine möglichst detaillierte
Zeichnung zu empfehlen.
Mögliche Befunde  ▶ Abb. 13.2
• Ektopie: Zylinderepithel außerhalb der Endozervix, erkennbar an feiner Fäl-
telung. Gut nach Essig- und Jodprobe darstellbar. Bei 70 % aller Frauen wäh-
rend der Geschlechtsreife nachzuweisen.
• Umwandlungszone (= Transformationszone): Grenze zwischen Platten- und
Zylinderepithel. Prädilektionsstelle für Inf., Dysplasie und Karzinome.
• Leukoplakie: oberflächliche Verhornung, erscheint bei der Nativbetrachtung
als weißer Fleck. Kontrollbedürftig, gezielte Zytologie zu empfehlen.
• Punktierung (= Grund, Leukoplakiegrund): Nach Abstoßung der Horn-
schicht einer Leukoplakie lassen sich die darunter liegenden gefäßführenden
Papillen als feine rote Pünktelung erkennen. Häufig am Rand von malignen
Veränderungen anzutreffen. Kolposkopisch gezielte PE zu empfehlen.
• Felderung (= Mosaik): kleine helle Felder, die bienenwabenartig von einem
Netz rötlicher Kapillaren umgeben sind. Entsteht durch Vorwachsen atypi-
scher Zellen in die Tiefe oder in Drüsenausführungsgänge. Kolposkopisch ge-
13 zielte PE.
• Atypische Transformationszone: gelb-rote, glasige, leicht erhabene Verände-
rung. Gilt als verdächtiger Befund.
• Atypische Gefäße: korkenzieherartig gewundene oder gänzlich wirr verlau-
fende Gefäße. Am besten durch Vorschalten eines Grünfilters zu beurteilen.
Gilt als verdächtiger Befund.

Ektopie Punktierung

Transforma-
tionszone
Mosaik
exophytisches
Karzinom
atypische
Gefäße

Abb. 13.2  Kolposkopiebefunde [L157]

Die Kolposkopie kann wie die Zytologie nur einen Hinweis auf maligne oder
prämaligne Veränderungen liefern. Bei verdächtigen Befunden ist immer
eine histologische Sicherung anzustreben.
   13.2  Diagnostische Maßnahmen  487

13.2.3  Zytologie

Durch Erkennen von Vorstufen eines Karzinoms ist eine echte Tumorprä-
vention möglich. Die Methode wurde von Papanicolaou entwickelt, die Klas-
sifikation der Befunde richtet sich nach der modifizierten Münchener No-
menklatur von 1990.

Abstrichentnahme  Keine vag. Medikamentenapplikation oder Manipulation in


den letzten 24 h.
• Abstrichentnahme vor der Palpation, vor Kolposkopie mit Essigsäure oder
Jodlsg. und immer unter Sicht (Spiegeleinstellung).
• Abstrich mit Bürstchen entnehmen, da Holzspatel Mikroverletzungen verur-
sachen können:
– 1. Abstrich von der gesamten Portiooberfläche, Bürstchen dabei mit
leicht kreisenden Bewegungen führen. Plattenepithel-Zylinderepithel-
Grenze komplett abstreichen.
– 2. Abstrich aus dem CK, Bürstchen dabei leicht drehen.
– Bei engem CK ggf. hölzernes Ende eines Watteträgers oder kleineren
Watteträger auf Draht bzw. Bürste (z. B. Cytobrush®) benutzen. 13
– Evtl. gezielt weitere Abstriche von makroskopisch oder kolposkopisch
verdächtigen Stellen.
• Bürstchen unter leichtem Druck gleichmäßig auf Objektträgern ausstreichen.
Cave: Objektträger vor Abstrichentnahme mit Bleistift beschriften.
• Abstriche sofort nach Entnahme in Ether-Alkohol (50 : 50) fixieren, auf kei-
nen Fall lufttrocknen. Alternativ ist auch ein Fixierspray (z. B. Merckofix®)
möglich, dabei auf ausreichenden Abstand (mind. 30 cm) zwischen Sprayfla-
sche und Objektträger achten. Fixierung mind. 15 Min., max. 1 Wo.
• Umgehender Versand an das Zytologielabor. Auf Begleitzettel unbedingt kli-
nische Angaben (Diagn., Zyklusanamnese, auffällige makroskopische Befun-
de, OP, Hormonther., Strahlenther.) vermerken, da sonst keine sinnvolle Be-
urteilung möglich ist.
Auswertung  Die Zytologie gibt Hinweise auf ein Karzinom oder Carcinoma in
situ, beweisend ist jedoch erst der histologische Befund. Die Treffsicherheit liegt
bei etwa 95 %.
Falsch neg. Befunde entstehen v. a. durch mangelhafte Abstrichentnahme
(▶ Abb. 13.3).
Neben der Klassifikation nach Papanicolaou wird zur Hormondiagn. noch die
Gruppeneinteilung nach Schmitt verwendet. Hierbei wird der Proliferationsgrad
des Vaginalepithels beurteilt, dieselbe Aussage lässt sich aber auch am Portioepi-
thel machen. Beurteilt wird, welche Zellart aus welcher Schicht überwiegend im
Abstrich vorhanden ist (▶ Abb. 13.3).
Im deutschsprachigen Raum hat sich die Klassifikation entsprechend der Mün-
chener Nomenklatur durchgesetzt. Die Einteilung in zervikale intraepitheliale
Neoplasien (CIN) sowie die Bethesda-Klassifikation (SIL = squamöse intraepithe-
liale Läsion; ASCUS = atypische squamöse Zellen unbekannter Signifikanz) wei-
sen zu große Mängel auf.
488 13  Uterus  

Superfizial- Intermediär- Parabasal- Basalzellen

normal

entzündliche

Tumor-
vorstadien
(CIN)

Tumor

13
Abb. 13.3  Zytologie [L190]

Tab. 13.2  Klassifikation der Zervixzytologie


Pap-Gruppe CIN Bethesda- Bedeutung Empfehlung
Klassifikation

0 Zellabstrich technisch un- Sofortige Wieder-


brauchbar (zu wenig Ma- holung
terial, schlechte Fixierung)

I Normales Zellbild Wiederholung jähr-


lich

II Entzündungszeichen, Re- Evtl. Kolpitisther.,


generationsepithel, Meta- Östrogenther., Kon-
plasiezellen, Degeneration trolle in 3–12 Mon.

III ASCUS Schwere entzündliche Kontrolle nach Ös-


oder degenerative Verän- trogen- oder Kolpi-
derungen oder Nachweis tisther. bzw. Hyste-
von Endometriumzellen roskopie und funk-
außerhalb der Menses tionelle Abrasio

IIID I–II Low-Grade Leichte bis mittlere Dys- Kontrolle in 3 Mon.,


SIL plasie bei Persistenz > 1 J.
Histologie

IVa III High-Grade Schwere Dysplasie, auch Konisation


SIL der Intermediärzellen

IVb III High-Grade V. a. Ca. in situ, invasives Konisation oder PE


SIL Ca nicht auszuschließen

V V. a. invasives Ca Portio-PE


   13.2  Diagnostische Maßnahmen  489

13.2.4  Spezielle Abstriche


Humane Papillomaviren

Zunehmende Bedeutung für die Prognose der Dysplasie. Insb. die Subty-
pen 16 und 18 sind für die Entstehung von Zervixkarzinomen verantwort-
lich.

Durchführung  Zur Abstrichentnahme wird Material aus den veränderten Bezir-


ken oder der Transformationszone mittels Watteträger auf einen speziellen Ob-
jektträger gebracht. Die Fixierung erfolgt durch Aceton über 15 Min. Anschlie-
ßend können die Objektträger versandt werden.
Auswertung  Der Nachweis erfolgt immunhistologisch.
Therapie  Bei unauffälligem zytologischem Befund sind engmaschige zytologi-
sche oder kolposkopische Kontrollen ca. alle 6 Mon. anzuraten.

Chlamydien
Durchführung  Zum Nachweis von Chlamydien (intrazelluläre Parasiten; ▶ 11.3.6) 13
ist die Entnahme von Zellmaterial notwendig. Dazu wird mit einem Watteträger aus
dem CK sowie einem zweiten, kleineren Watteträger auf Draht aus der Urethra ein
Abstrich entnommen und auf einen speziellen Objektträger ausgestrichen.
Lufttrocknung und anschließende Fixierung mit jeweils 1 Tr. Aceton, bis dieser ver-
dunstet ist.
Auswertung  Nachweis durch fluoreszenzmarkierte Ak.
Therapie  Bei Chlamydiennachweis Tetrazykline wie Doxycyclin 1  × 200 mg/d
p. o. (z. B. Doxycyclin AL®) über 10–14 Tage. Cave: gleichzeitige Partnerbehand-
lung.

Das vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beschlossene Chlamydi-


en-Screening wird an gepoolten Urinproben durchgeführt. Die Aussagekraft
dieses Tests ist umstritten.

13.2.5  Hysteroskopie und Zervix-Korpus-Kürettage (CCC,


fraktionierte Abrasio)
Prinzip
Op. Eingriff, meist in Vollnarkose, bei internistischen und anästhesiologischen
Problemen in Regionalanästhesie (Spinalanästhesie, Parazervikalblockade).

Vorbereitung
• Desinfektion von Vulva und Vagina.
• Narkoseuntersuchung (NAU): Bei den in Narkose schlaffen Bauchdecken ist
durch NAU häufig die Abgrenzung von Tumoren bzw. deren Organzugehö-
rigkeit deutlicher zu tasten.
490 13  Uterus  

Hysteroskopie
Vorgehen  Unter Spekulumsicht Anhaken der Portio bei 11:00 und 1:00 Uhr mit
Kugelzangen und Zug an der Portio (Deszensus?). Durch den Zug wird der Ute-
rus etwas gestreckt, sodass der Zervikalkanal leichter passiert werden kann. Ein-
führen des diagn. Hysteroskops, meist nach Dilatation bis Hegar 5 und Auffüllen
und damit Entfalten des Uteruskavums mit Flüssigkeit oder CO2-Gas.
Beurteilung des Cavum uteri  Gezielte Gewebeentnahmen sind möglich, Synechi-
en- und Myomabtragungen bzw. Reduktion des Endometriums per Endometrium­
ablation sind bei op. Hysteroskopie (größeres Lumen, Pumpe obligat) möglich.

Zervix-Korpus-Kürettage
• Messen der Sondenlänge.
• Abrasio der Zervix mit einer kleinen Kürette.
• Dilatieren des Zervikalkanals mit Hegarstiften bis ca. Hegar 9, bei Abort bis
12 (bei retrovertiertem Uterus in dorsaler Richtung einführen).
• Kürettage des Corpus uteri mit einer größeren Kürette, überlappend, an-
schließend werden die Tubenwinkel mit einer kleineren Kürette kürettiert.
• Entfernung des Instrumentariums. Sollte eine der angehakten Stellen noch et-
13 was bluten, Kompression mit dem Stieltupfer.
• Getrennte Materialasservierung (Zervix/Korpus) in zwei mit 4-prozentigem
Formaldehyd gefüllten Gläschen, in die Pathologie zur histologischen Begut-
achtung.

13.2.6  Konisation
Durchführung  Sie sollte die gesamte Transformationszone umfassen, somit muss
die Schnittführung dem Alter der Pat. angepasst werden (▶  Abb.  13.4). Vor der
Menopause ist der Übergang zwischen Zylinder- und Plattenepithel auf der Portio­
oberfläche zu finden (→ flacher Konus), im Senium liegt diese Grenze im CK
(→ steiler Konus). Die Aufarbeitung des Konus sollte komplett erfolgen (100–200
Stufenschnitte), nur so kann die Entfernung im Gesunden annähernd sicher nach-
gewiesen werden.
• Narkoseuntersuchung. Desinfektion.
Einstellen der Portio mit zwei Spekula.
• Schiller-Jodprobe. Vordere Mutter-
mundlippe mit einer Kugelfasszange
quer außerhalb des suspekten Bezirks
fassen und je einen Haltefaden an der
seitlichen Portiowand bei 3:00 Uhr le-
gen. Kugelzange entfernen.
• Konus unter Einschluss der jodneg.
Bezirke sowie eines ausreichenden
Sicherheitssaums umschneiden und
abtrennen. Konus bei 12:00 Uhr mit
einem Faden markieren.
• Kürettage des Zervikalkanals mit der
kleinen, scharfen Kürette.
• Messen der Sondenlänge. Dilatation
des Zervikalkanals bis Hegar 9. Abb. 13.4  Konisation [L157]
   13.3  Gutartige Zervixveränderungen  491

• Dachziegelartig überlappende Kürettage des Endometriums mit mittelgroßer,


scharfer Kürette, bis kein weiteres Material mehr gewonnen werden kann.
• Gründliche Blutstillung im Konisationsgebiet mit dem Elektrokauter.
Komplikationen 
• Nachblutung: bei überperiodenstarker Blutung Tamponade legen und 24–36 h
belassen, Nachblutung am 8.–9. Tag postop. möglich (Abgang des Wundschorfs).
• Stärkere Blutung (deutlich überperiodenstark) innerhalb der ersten 2 postop.
Tage → Tamponade, ggf. Revisions-OP.
• Blutung nach Abgang des Wundschorfs (6.–8. Tag) → Pat. auf Blutungsrisiko
hinweisen.
• Sterilität durch vernarbten oder verklebten CK bzw. mangelnde Bildung von
Zervixschleim in ca. 10 % (▶ 15.4.4).
• Zervixinsuff. bei Grav. (▶ 5.10.2).
• Bei Blutstillung durch Naht (z. B. Sturmdorf-Naht) wird die neue Transfor-
mationszone in den CK verlegt bzw. eingekrempelt und ist damit weder der
Kolposkopie noch einem zytologischen Abstrich zugänglich.

Bei V. a. Malignität oder geplanter Hysterektomie Histologiebefund inner-


halb von max. 5 Tagen veranlassen, damit die Sek.-OP spätestens am 6. Tag 13
erfolgen kann. Ansonsten erhöhtes Blutungsrisiko.

13.3  Gutartige Zervixveränderungen


13.3.1  Ektopie
Definition  Als Ektopie wird das Auftreten von Zylinderepithel auf der Portio­
oberfläche bezeichnet. Dies ist bei etwa 70 % aller Frauen während der Ge-
schlechtsreife zu erwarten und stellt somit keinen krankhaften Befund dar. Die
Ektopie wird häufig vom Rand her wieder mit Plattenepithel überzogen, hierbei
können die Ausführungsgänge der zervikalen Drüsen verschlossen werden und
Retentionszysten (Ovula Nabothi ▶ 13.3.3) entstehen.
Therapie  Ther. Konsequenzen vonseiten der Ektopie ergeben sich lediglich bei vag.
Fluor oder häufigen Kontaktblutungen. Oberflächenzerstörende Verfahren dürfen
erst nach Ausschluss eines Carcinoma in situ bzw. invasiven Karzinoms erfolgen!
• Östrogenapplikation lokal z. B. Ovestin®-Ovula über 5 Tage.
• Applikation von Albothyl®-Vaginalsupp. oder Podophyllin 10 % (muss vom
Apotheker hergestellt werden) zur Oberflächendestruktion.
• Laserkoagulation der Ektopie.
• Kryosation der Ektopie (Oberflächenzerstörung durch Kälteapplikation mit
flüssigem CO2).

13.3.2  Kondylome
Definition  Wie am äußeren Genitale (▶ 11.3.3) können auch an der Portio Con-
dylomata acuminata auftreten. Meist handelt es sich hier aber nicht um typische
Feigwarzen, sondern eher um einen rasenförmigen Befall im Sinne einer kondylo-
matösen Zervizitis.
492 13  Uterus  

Diagnostik  Kolposkopie mit Essigsäure ist hilfreich, da sich die Kondylome es-
sigsäureweiß darstellen. Zytologisch finden sich typischerweise Koilozyten (Su-
perfizial- und Intermediärzellen mit perinukleärem Halo-Effekt). Virusdiagn.
(▶  13.2.4) erlaubt die Differenzierung der Papillomavirus-Typen (HPV), wobei
sich in Kondylomen häufig die HPV-Typen 6 und 11 nachweisen lassen.
Therapie  Oberflächenzerstörende Verfahren (Laser, Kryosation, Albothyl®)
oder Lokalther. mit 3  × wöchentl. Imiquinol (z. B. Aldara®-Creme), jeweils für
6–10 h belassen.

13.3.3  Ovula Nabothi


Schleimretentionszysten der Portio meist durch Reepithelialisierung einer Ekto-
pie (▶  13.3.1). Eine Ther. ist nur notwendig bei sehr großen Befunden und Be-
schwerdesymptomatik in Form von Inzision mit dem Skalpell oder mit der Kugel-
zange.

13.3.4  Zervixpolyp
13 Zervixpolypen entstehen als lokalisierte Hyperplasie der Zervixschleimhaut. Eine
maligne Entartung ist sehr selten. Wegen des häufig bestehenden Fluors ist eine
Abtragung (Abdrehung) mit anschließender Kürettage zu empfehlen.

In der Schwangerschaft sollten Zervixpolypen wegen der Gefahr der Inf. und
wegen des erhöhten Abortrisikos nicht abgetragen werden.

13.3.5  Myom
Myome (▶ 13.4.1) können auch intramural in der Zervixwand auftreten. Bei Be-
schwerden (Schmerzen, Sterilität, rezid. Blutungen) kommt eine op. Entfernung
in Betracht, im Einzelfall nach Vorbehandlung mit GnRH-Analoga zur Verklei-
nerung (z. B. Zoladex®-Depot alle 4 Wo. über 3 Mon., unter sonografischer Thera-
piekontrolle); auch ▶ 5.18.
Ein Myom in statu nascendi kann bei der Inspektion des CK mit einem Zervix-
Ca verwechselt werden, auch wenn die Oberfläche meist glatt und die Konsistenz
meist härter ist. Neben der op. Entfernung des Myoms ist obligat eine Kürettage
von Zervix und Corpus uteri sowie eine Hysteroskopie anzuschließen.

13.4  Gutartige Veränderungen des Corpus uteri


13.4.1  Myome
Definition  Uterusmyome sind gutartige, von der glatten Muskulatur des Uterus
ausgehende mesenchymale Tumoren. In ca. 0,2–0,5 % der Fälle kann es zur mali-
gnen Entartung (Myosarkom) kommen. Fast 20 % aller Frauen über 30 J. haben
Myome. Zwei histologische Typen treten auf:
• Fibromyom: ausschließlich von glatten Muskelzellen ausgehend.
• Adenomyom: aus Myomknoten mit eingeschlossenen Endometriumanteilen.
   13.4  Gutartige Veränderungen des Corpus uteri  493

Klinik 
• Dysmenorrhö, z. T. wehenartige Schmerzen (V. a. submuköses Myom).
• Meno-, Metrorrhagien, Hypermenorrhöen.
• Druckgefühl, z. T. Obstipation und Blasenentleerungsstörung aufgrund der
Verlagerung von Nachbarorganen (v. a. bei intramuralen Myomen).
• Akutes Abdomen bei Stieldrehung eines subserösen Myoms.
• Gehäufte Aborte.
• Stauung der harnableitenden Organe, v. a. bei intraligamentärem (Lig. latum)
Sitz.
Komplikationen 
• Sehr selten sarkomatöse Entartung (< 0,5 %), daher alle Myomträgerinnen in
¼- bis ½-jährlichen Abständen kontrollieren. Bei deutlicher Größenzunahme
op. Entfernung (▶ Abb. 13.5; ▶ Tab. 13.3).
• Bei Myom > 5 cm Gefahr der Nekrotisierung, da keine ausreichende Blutver-
sorgung des Myoms mehr möglich → Unterbauchschmerzen. Ther.: OP (s. u.)
Diagnostik 
• Inspektion: Bei der Spekulumuntersuchung ist evtl. ein intrazervikal liegen-
des submuköses Myom „in statu nascendi“ zu sehen.
• Palpation: kann die DD zum Ovarialtumor häufig nicht klären. 13
• Sono: In der Vaginalsono sind Myome gut zu sehen und sollten zur exakten
Verlaufsbeobachtung in 3 Ebenen ausgemessen werden (Volumen berech-
nen). Eine Abgrenzung vom Ovarialtumor ist meist möglich (▶ 22.1). Bei
sehr großen Myomen transabdominelle Sono.
• Weitere, im Einzelfall erforderliche Diagn.:
– Laparoskopie: Das Myom ist endoskopisch gut zu beurteilen und kann
ggf. in der gleichen Sitzung entfernt werden (Ausnahme submuköses
­Myom → Entfernung durch op. Hysteroskopie ▶ 13.2.5).

Abb. 13.5a  Uterus myomatosus 1–5; ▶ Tab. 13.3 [L190]


494 13  Uterus  

– Bei sehr großen Myomen oder


bei V. a. intraligamentäre
­Myome oder St.n. urogenitalen 1
Erkr. empfehlenswert: i. v. Pye-
logramm: präop. Darstellung
des Ureterverlaufs, Nieren­
beckenaufstau (▶ 14.2.4).
– Nierensono: Nierenbeckenauf-
4
stau (bei nicht durchführbarem
i. v. Pyelogramm, z. B. wegen
KM-Unverträglichkeit).
– Zysto- und Rektoskopie: Kom-
pression oder Infiltration (mali-
gner Tumor) von Blase und 2
Rektum (▶ 2.3.4, ▶ 2.3.5).
– Diagn. Hysteroskopie und 3
fraktionierte Abrasio bei Blu-
tungsstörungen (submuköses
Myom!) zum Ausschluss eines
13 Endometrium-Ca und evtl.
­Diagn. eines Uterussarkoms
(▶ 13.2.5).
! DD: Uterussarkom, Endometrium- 5
Ca (oft mit Myomen vergesellschaf-
tet). Abb. 13.5b  Uterus myomatosus 1–5;
▶ Tab. 13.3 [L190]
Tab. 13.3  Histologische Einteilung der Myome
Formen Differenzialdiagnose Diagnose Symptome

1. Subserös Ovarialtumor, Endometri- Palpation, Stieldrehung →


ose, Sarkom US, OP: Lapa- Schmerzen, akutes
roskopie Abdomen

2. Intraliga- Ovarialtumor, Tumoren Evtl. Ureterstau


mentär der Nachbarorgane (Zer-
vix, Rektum, Blase), Sar-
kom

3. Intramural Gravidität, Uterusfehlbil- Druck auf Rektum


dung, Sarkom, Ovarialtu- und Blase führt zu
mor Entleerungsstörun-
gen, Dysmenorrhö

4. Submukös Korpuspolyp, Endometri- C-C-C, US Blutungsstörungen,


um-Ca, Sarkom Infertilität

5. In statu Korpus-, Zervixpolyp, En- Inspektion, Meno-, Metrorrha-


nascendi dometrium-Ca, Kollum-Ca Hysterosko- gien, Hypermenor-
pie rhöen, Dysmenor-
rhöen, Stieldrehung
mit Infarzierung
   13.4  Gutartige Veränderungen des Corpus uteri  495

Therapie 
• Myomenukleation: bei sehr großen Myomen evtl. nach vorheriger Gabe von
GnRH-Analoga (z. B. Enantone-Gyn®) zur Myomverkleinerung. Der Uterus
ist blutungsärmer. Große Myome können ggf. besser vom Cavum uteri abge-
grenzt werden. Bei Eröffnung des Cavums → IUP für 3 Mon. einlegen. Die Re-
zidivrate ist hoch (30–50 %), die OP v. a. Frauen mit Kinderwunsch anzuraten.
• Hysterektomie (vag. oder abdominal): bei allen Frauen im nichtreprodukti-
ven Alter bzw. ohne Kinderwunsch, bei großen Myomen, unklarer Dignität,
Blutungsstörung, Unterbauchschmerzen oder bei zusätzlichen Beschwerden,
z. B. einer Harninkontinenz bei Descensus uteri et vaginae (▶ 12.1).

Subklinische Myome bilden sich nach der Menopause im Senium häufig


spontan zurück.

13.4.2  Polypen des Corpus uteri


Definition  Korpuspolypen gehen vom Endometrium aus und stellen eine be-
grenzte Hyperplasie des Endometriums dar; sie treten gehäuft im Klimakterium
und der Postmenopause auf. Die Diagn. Korpuspolyp kann nur histologisch ge- 13
stellt werden.
Klinik  Blutungsstörungen (Schmierblutungen, Postmenopausenblutung), ko-
likartige Unterbauchschmerzen.
Diagnostik 
• Inspektion: bei Status nascendi, wenn der Korpuspolyp in den Zervikalkanal
getreten ist, kann er bei der Spekulumuntersuchung gesehen werden.
• Vaginalsono: Gerade im hyperreflektiven Endometrium der Lutealphase ist
ein Korpuspolyp als dunkle „Aussparung“ gut diagnostizierbar.
• Hysteroskopie unverzichtbar, da an Korpuspolypen häufig „vorbeikürettiert“
wird.
• Fraktionierte Abrasio (gleichzeitig Ther.).
Therapie  Mit der Abrasio durchgeführt, ggf. Polypabtragung per op. Hystero­
skopie.

Korpuspolypen können v. a. in der Postmenopause zusammen mit Endome-


trium-Ca auftreten, deshalb immer diagn. Hysteroskopie und Abrasio!

13.4.3  Endometritis und Myometritis


Formen 
• Endometritis: Entzündung der Gebärmutterschleimhaut, die außerhalb des
Wochenbetts (▶ 8.3.1) selten auftritt. Die Infektion erfolgt über eine Keimas-
zension aus Vagina und Zervix, häufig postmenstruell oder periovulatorisch,
selten auch iatrogen durch diagn. und ther. Eingriffe (z. B. C-C-C, IUP). Häu-
figste Erreger: Staphylokokken, Streptokokken, E. coli.
• Myometritis: außerhalb des Wochenbetts sehr seltene Entzündung der Ute-
rusmuskulatur, v. a. als Folge einer ausgeprägten Endometritis.
496 13  Uterus  

Klinik  Erst bei Myometritis Blutungsstörungen wie Menorrhagie, Metrorrhagie,


prä- und postmenstruelles Spotting. Leichter Unterbauchschmerz, v. a. bei bima-
nueller Untersuchung als Druckschmerz.
Komplikationen  Keimaszension mit Salpingitis, Tuboovarialabszess und Peritoni-
tis mit akutem Abdomen. Bei Endometritis zusätzlich Myometritis (▶ 14.4, ▶ 14.5).
Diagnostik 
• Druckschmerz, besonders des Corpus uteri.
• Labor: BSG, Leukos und CRP ↑ (ggf. bei subklinischer Endometritis neg. La-
borparameter).
Therapie 
• Bettruhe, Eisblase auf den Unterbauch (nicht bei HWI).
• Spasmolytika, z. B. Butylscopolamin 3 × 10 mg Supp. bei Bedarf (z. B. Busco-
pan®).
• Antibiotika: Breitbandantibiotika, z. B. Cefuroxim 3 × 1,5 g/d i. v. (z. B. Cefu-
roxim CT®) oder Cefotaxim 3 × 2 g/d i. v. (z. B. Claforan®) oder z. B. Piperacil-
lin 3 × 2 g/d i. v. (z. B. Piperacillin Fresenius®) als Kurzinfusion. Falls hierauf
keine Besserung eintritt, Zugabe eines Aminoglykosids, z. B. Gentamicin 3 ×
60–80 mg/d i. v. (z. B. Refobacin®) und/oder Metronidazol 2 × 500 mg/d i. v.
13 (z. B. Clont®).
• Bei Pyometra vorsichtige Dilatierung des CK, um den Eiter abzulassen (cave:
Perforation) und Einlage eines Fehling-Röhrchens als Drainage.
• Nachdem die akute Entzündung konservativ beseitigt wurde, C-C-C zur his-
tologischen und bakteriellen Diagn.

13.5  Endometriose
Erkrankungsgipfel 27 J. 6–7 % fam. Häufung. Mit ca. 50 % hohe Rezidivrate.
Einteilung 
• Endometriosis genitalis interna (ca. 30 %): mit im Myometrium gelegenen
einzelnen Nestern von endometriumähnlichen Zellen (Adenomyosis uteri in-
terna) oder Befall der Tuben (Salpingitis isthmica nodosa).
• Endometriosis genitalis externa (ca. 60 %): mit Herden an Ovar, Vagina,
Vulva, Peritoneum, Douglas-Raum und Lig. rotundum.
• Endometriosis extragenitalis (5–10 %): mit Endometrioseherden im gesam-
ten Bauchraum oder seltener extraperitoneal (Nabel, Leiste, Gehirn)
(▶ Abb. 13.6).
Klinik  Prä- und perimenstruelle Unterbauchschmerzen (Dysmenorrhö), Dys-
pareunie (▶ 19.2.2), v. a. bei Douglas-Endometriose, Defäkationsschmerz, Obsti-
pation, persistierende Unterbauchschmerzen bei großen ovariellen und periovari-
ellen Endometriosezysten, Menorrhagie, Sterilität.
   13.5  Endometriose  497

13
Abb. 13.6  Typische peritoneale Endometrioseherde [T192]

Tab. 13.4  Stadieneinteilung der Endometriose (WHO)


Stadium I • Herde im kleinen Becken (< 5 mm)
• Herde an der Portio (< 5 mm)
• Tuben bds. frei durchgängig
Stadium II • Herde im kleinen Becken (> 5 mm)
• Herde an der Portio (> 5 mm)
• Blutsee im Douglas-Raum
• Herde auf dem Blasendach
• Periovarielle oder peritubare Verwachsungen mit hochgradiger Ste-
nose der Ampulla tubae

Stadium III • Adenomyosis uteri (intramurale Endometrioseherde)


• Tubenwinkel-Endometriose
• Ovarielle Schokoladenzysten
• Endometrioseknoten an den Ligg. sacrouterinae
Stadium IV • Extragenitale Endometriose (Bauchraum, Blasenlumen, Lunge, Haut)

Diagnostik 
• Zyklus-Schmerzkalender führen lassen
• MKOK-Test: monophasisches kombiniertes orales Kontrazeptivum (z. B. Va-
lette®) für 3–6 Mon. (cave: geht nicht zu Lasten der GKV → Privatrezept).
• Bei Beschwerdepersistenz: diagn./op. Laparoskopie (möglichst prämenstruell)
mit Exzision zumindest eines typischen Endometrioseherdes zur histologi-
schen Diagnosesicherung (fehlerhafte Blickdiagn. bei „Schokoladenzysten“
zwischen 20–40 %, bei peritonealer Endometriose 10–15 %). Läsionen im OP-
Bericht gut beschreiben, Stadieneinteilung und Aktivitätsbeurteilung obligat!
Endometriose wird in D im Durchschnitt erst nach 7 J. typischer Symptome
diagnostiziert. Häufiger an LSK denken!
498 13  Uterus  

Wesentlich für die klinischen Beschwerden ist die Aktivität der Endometriose, da
die aktive Endometriose für Schmerzen und Komplikationen wie Verwachsungen
verantwortlich ist.

Tab. 13.5  Stadieneinteilung der Endometriose (modifiziert nach rASRM-Klas-


sifikation)
Endometrioseherde < 1 cm 1–3 cm > 3 cm

Peritoneum Oberflächlich 1 2 4

Tief 2 4 6

Ovar rechts Oberflächlich 1 2 4

Tief 2 16 20

Ovar links Oberflächlich 1 2 4

Tief 2 16 20

Summe Endometrioseherde

13 Adhäsionen 1
⁄3 Einschl. ⁄3 Einschl.
2
> 2⁄3 Einschl.

Ovar rechts Zart 1 2 4

Dicht 4 8 16

Ovar links Zart 1 2 4

Dicht 4 8 16

Tube rechts Zart 1 2 4

Dicht 4* 8* 16

Tube links Zart 1 2 4

Dicht 4* 8* 16

Summe Adhäsionen

Douglasobliteration Teilweise Komplett

4 40

Summe (Endometrioseherde + Adhäsionen)

Stadieneinteilung

Stadium I 1–5 Punkte

Stadium II 6–15 Punkte

Stadium III 16–40 Punkte

Stadium IV > 40 Punkte

* Bei Verschluss der Tuben auf 16 Punkte erhöhen


   13.6  Dysplasie (zervikale intraepitheliale Neoplasie [CIN])  499

Tab. 13.6  Makroskopische Aktivitätskriterien der Peritonealendometriose


Aktiv Inaktiv

Peritoneale En- Rote Herde Schwarzbraune Implantate


dometriose Vesikuläre und polypöse Implantate Peritonealverdickung

Ovarielle Endo- Dünnwandige Zysten mit Begleit­ Dickwandige fibrotische


metriose entzündung Zysten
Livide, eingeblutet Gelblich, weiß

Tief infiltrieren- Mit diffusen Aussaaten Fibrotisch, weiß


de Endometriose Hypervaskularisation Nodulär

Therapie 
• Operativ: laparoskopische Koagulation oder Laservaporisation kleinerer Her-
de, Ausschälen und Exzision größerer Herde oder Zysten (cave: Ureter- oder
Blasenläsionen), ggf. Laparotomie, medikamentöse Nachbehandlung und ggf.
Kontroll-LSK.
• Konservativ:
– GnRH-Analoga: über 3–6 Mon., z. B. Goserelin 10,8 mg s. c. (Zoladex®
10,8) in die Bauchdecke, 1 × (3 Mon.) oder 2 × (6 Mon.). 13
– Ovulationshemmer, am besten gestagenbetont und monophasisch, z. B.
Valette®, sinnvollerweise bis zum Eintritt von Kinderwunsch, wenigstens
aber für 12 Mon. [cave: keine GKV-Leistung].
– Langfristige reine Gestagenther. (GKV-fähig), z. B. Visanne®.

13.6  Dysplasie (zervikale intraepitheliale


Neoplasie [CIN])
Definition  Vorstufe zur Entwicklung eines Zervix-Ca. Diagn. durch Kolposko-
pie ( ▶ 13.2.2) und Zytologie (▶ 13.2.3).
Schweregrade 
• Leichte Dysplasie (= CIN I), zytologisch Gruppe IIID.
• Mittelschwere Dysplasie (= CIN II), zytologisch Gruppe IIID.
– Spontan rückbildungsfähig.
– Ther.: zytologisch-kolposkopische Kontrolle alle 3 Mon. empfehlenswert,
bei Persistenz der Dysplasie Konisation (▶ 13.2.8) oder Oberflächendest-
ruktion durch Laser oder Kryosation. Letztgenannte Verfahren dürfen
nur nach histologischem Ausschluss einer weiter greifenden Veränderung
und bei sicher kolposkopisch einsehbarer Transformationszone angewen-
det werden.
• Schwere Dysplasie (= CIN III), zytologisch Gruppe IVa.
– Selten spontane Rückbildung, kann innerhalb kurzer Zeit in ein Carcino-
ma in situ übergehen.
– Ther. der Wahl: Konisation mit Exzision der Dysplasie im Gesunden.
• Carcinoma in situ (= CIN III), zytologisch Gruppe IVb.
– Ther.: Konisation empfehlenswert; bei Pat. mit abgeschlossener Familien-
planung ist angesichts der Rezidivneigung nach Konisation beim Carcino-
ma in situ die anschließende Hysterektomie innerhalb von spätestens
500 13  Uterus  

5–6 Tagen anzuraten, da dann die reaktive Hyperämisierung des Wund-


kraters noch nicht stark ausgeprägt ist. Ansonsten sollte ein Abstand von
mind. 6 Wo. gewählt werden.
! Kann zytologisch nicht zwischen einem Carcinoma in situ und einem in-
vasiv wachsenden Ca unterschieden werden, wird der Befund in die
Gruppe IVb eingeordnet. Bei makroskopischem V. a. invasives Ca ledig-
lich Knipsbiopsien zur histologischen Sicherung!

Nach Ther. der Dysplasie durch Konisation ist eine engmaschige zytologi-
sche Kontrolle (über 1 J. alle 3 Mon., danach alle 6 Mon.) anzuraten.

13.7  Endometriumhyperplasie
13.7.1  Glandulär-zystische (einfache) Hyperplasie
Definition  Exzessive Proliferation von Endometriumdrüsen und Stroma. Al-
tersgipfel: Postmenarche und Perimenopause.
13 Ätiologie  Östrogendauerstimulation bei anovulatorischen Zyklen mit Follikel-
persistenz, endogener extragenitaler Östrogenproduktion in Adipozyten bei Adi-
positas oder falscher Hormonsubstitution (alleinige Östrogengabe).
Klinik  Blutungsstörungen wie uterine Dauerblutung, Metrorrhagien (die Östro-
genspiegel reichen nicht mehr aus, um das max. stimulierte Endometrium zu er-
halten → „Durchbruchsblutung“), Postmenopausenblutung.
Diagnostik  Hysteroskopie und fraktionierte Abrasio (Zervix-Korpus-Kürettage,
C-C-C).
Therapie  In den meisten Fällen durch die C-C-C bereits durchgeführt:
• Östrogen-Gestagen-Kombinationspräparate: bei postmenarchalen Blutungs-
störungen zur Blutungsregulation empfehlenswert, monophasischer Ovulati-
onshemmer (z. B. MonoStep®). Hierauf tritt zunächst eine Blutstillung und
nach Absetzen eine normale Entzugsblutung ein.
• Rezidivprophylaxe: 3 Mon. Gestagen-Dauerther., z. B. Dydrogesteron 2 ×
10 mg/d p. o. (z. B. Duphaston®). Bei erneutem Rezidiv sollte bei postmenopau-
salen Frauen eine Hysterektomie erfolgen (von einigen Autoren als fakultative
Präkanzerose eingestuft, v. a. wenn sie über einen längeren Zeitraum besteht!).

13.7.2  Adenomatöse (komplexe) Hyperplasie des


Endometriums
Definition  Die komplexe adenomatöse Hyperplasie gilt als Präkanzerose für das
Endometrium-Ca (in ca. 10 % Übergang in Endometrium-Ca). Sie entspricht ei-
ner Proliferation der Endometriumdrüsen und geht unter Östrogendominanz aus
der glandulär-zystischen Hyperplasie hervor.
Klinik  Blutungsstörungen (uterine Dauer-, Postmenopausenblutung, Metror-
rhagien).
Diagnostik  Hysteroskopie mit fraktionierter Abrasio (C-C-C).
   13.8  Zervixkarzinom  501

Therapie 
• Perimenopausal bzw. Frauen ohne Kinderwunsch: Hysterektomie (beson-
ders, wenn histomorphologisch Atypien beschrieben werden).
• Sonst Gestagene über 3 Mon., z. B. Dydrogesteron 2 × 10 mg/d p. o. (z. B. Du-
phaston®), dann Wiederholung von Hysteroskopie und Kürettage. Bei Persis-
tenz der Hyperplasie Pat. zur Hysterektomie raten.
Rezidivprophylaxe 
• Junge Frauen bzw. Kinderwunsch: über 3 Mon. Gestagene, z. B. Dydrogeste-
ron 2 × 10 mg/d p. o. (z. B. Duphaston®) oder zyklische Gestagen-Östrogen-
Gaben, z. B. mit gestagenbetontem OH (z. B. Marvelon®), dann sollte
schnellstmöglich eine Schwangerschaft angestrebt werden.
• Perimenopausal bzw. Frauen ohne Kinderwunsch: Hysterektomie.
• Medroxyprogesteronacetat 100 mg/d, Megestrolacetat 60 mg/d.

13.8  Zervixkarzinom
Epidemiologie  Das Zervix-Ca stellt mit etwa 16/100.000 Frauen/Jahr das zweit-
häufigste weibliche Genitalkarzinom dar (20 %). Die Inzidenz der Vorstufe, des
Carcinoma in situ, beträgt ebenfalls 16/100.000. Das Ca entsteht in der Transfor- 13
mationszone (▶ 13.2.2). 95 % aller Ca sind histologisch Plattenepithelkarzinome,
4 % Adenokarzinome (weniger strahlensensibel). Ca. 2.000 Todesfälle/J. in D.
Ätiologie 
• Virusinf. mit HPV (humanes Papillomavirus), insb. Typen 16, 18, 31, und 54.
• Risikofaktoren: mangelnde Sexualhygiene, häufig wechselnde Ge-
schlechtspartner, ethnische Faktoren und Rauchen.
Diagnostik  Bei V. a. Zervix-Ca sollten folgende Untersuchungen erfolgen:
• Spiegeleinstellung mit Kolposkopie und Zytologie, Knipsbiopsie bei makro­
skopisch sichtbarem Tumor, Virusabstrich (▶ 13.2.4).
• Palpation einschl. rektaler Untersuchung mit re. und li. Zeigefinger (Paramet-
rien); bei fraglicher Parametrieninfiltration Narkoseuntersuchung. Palpation
der Skalenus-Lk (Fossa supraclavicularis), bei fraglicher Metastase Skalenus-
biopsie.
• Labor: BB, BSG, E‘lyte, Gerinnung, Leber- und Nierenwerte, Schilddrüsen-
werte (für i. v. Pyelografie), Tumormarker SCC und CEA, Urinstatus und -zy-
tologie auf Tumorzellen.
• Sono: Unterbauch, Nieren (Aufstau), Leber (Metastasen), Paraaortalregion
(Lymphome).
• Rö-Thorax, i. v. Pyelografie (Aufstau, Verlauf der Ureteren), Zystoskopie
(▶ 2.3.4), Rektoskopie (▶ 2.3.5).
• Evtl. CT, NMR, Lymphografie, Skelettszintigrafie.
Prävention  Impfung gegen HPV-High-Risk-Typen (z. B. Gardasil® oder Cerva-
rix®). Die Impfung sollte bei allen Mädchen vor Aufnahme sexueller Aktivität er-
folgen (STIKO-Empfehlung: 12–17 J.). Impfschema 0–2–6 Mon. (Gardasil®), 0–1–
6 Mon. (Cervarix®). Impfung i. m. am Oberarm oder Oberschenkel, Kosten wer-
den bei jungen Frauen bis zum vollendeten 17. Lj von den Kassen übernommen, je
nach Krankenkasse auch später. Anfrage durch die Pat. bei Kasse empfehlen.
502 13  Uterus  

Aktuelle Leitlinie im Internet unter: www.awmf.org/leitlinien/

13.8.1  TNM-/FIGO-Klassifikation
Die TNM- und FIGO-Klassifikationen stimmen größtenteils überein. Zur Klassi-
fikation (außer im Stadium Ia, hier nur histologische Klassifikation) sind folgende
Untersuchungen heranzuziehen:
• Gynäkologische Untersuchung einschl. Narkoseuntersuchung.
• Zystoskopie, Rektoskopie.
• Rö-Thorax, i. v. Pyelografie.
Die Ergebnisse der übrigen Untersuchungen (Lymphografie, CT, MRT, Szinti, US
der Leber, Phlebografie, Arteriografie etc.) werden nicht zur Stadieneinteilung he-
rangezogen.

Tab. 13.7  Stadieneinteilung des Zervixkarzinoms


FIGO TNM Erläuterung

13 Tx Primärtumor kann nicht beurteilt werden

T0 Kein Anhalt für Primärtumor

0 Tis Carcinoma in situ

I T1 Karzinom begrenzt auf den Uterus

Ia T1a Mikroinvasives Karzinom, kann nur histologisch diagnostiziert


werden

Ia1 T1a1 Invasionstiefe max. 3 mm, Oberflächenausdehnung max. 7 mm

Ia2 T1a2 Invasionstiefe 3–5 mm und Oberflächenausdehnung max. 7 mm

Ib T1b Klinisch erkennbare Läsion oder mikroskop. Ausdehnung größer


als Ia

Ib1 T1b1 Klinisch erkennbare Läsion, nicht größer als 4 cm

Ib2 T1b2 Klinisch erkennbare Läsion, größer als 4 cm

II T2 Uterus ist überschritten, Beckenwand und unteres Drittel der


Vagina nicht erreicht

IIa T2a Nur die Vagina, nicht die Parametrien befallen

IIb T2b Parametrien oder Parametrien und Vagina befallen

III T3 Befall der Parametrien bis zur Beckenwand und/oder Befall des
unteren Drittels der Vagina und/oder Hydronephrose oder
stumme Niere

IIIa T3a Befall des unteren Drittels der Vagina

IIIb T3b Befall der Parametrien bis zur Beckenwand und/oder Hydrone-
phrose oder stumme Niere

IVa T4 Infiltration von Blasen- und/oder Rektumschleimhaut


   13.8  Zervixkarzinom  503

Tab. 13.7  Stadieneinteilung des Zervixkarzinoms (Forts.)


FIGO TNM Erläuterung

IVb M1 Metastasen außerhalb des kleinen Beckens

Nx Lk nicht beurteilbar

N0 Keine Lk-Metastasen

N1 Regionäre Lk-Metastasen (bis Leistenband oder Aortenbifurkati-


on)

N2,3 Wird nicht angewendet

N4 Lk-Befall oberhalb der Aortenbifurkation/unterhalb des Leisten-


bands

Tab. 13.8  FIGO-Stadien des Zervixkarzinoms


Stadium (FIGO) Altersgipfel Häufigkeit Lk-Metastasen 5-JÜR
(J.) (%) (%) (%)

0 35 0–1  100  13
Ia 40 12  1–5  95 

Ib 50 16  10  77 

II 55 37 20–30 55 

III 58 30  40  32 

IV 60 5  60–70  5 

Die pTNM-Einteilung entspricht der TNM-Klassifikation, zur Stadieneintei-


lung nach FIGO wird die postop. Histologie aber nicht herangezogen!

13.8.2  Operative Therapie


Die OP ist Ther. der Wahl in den Stadien 0–IIa, evtl. nach vorheriger Chemother.
zur Befundverkleinerung (▶ 13.8.4).
• Stadium FIGO 0 (Carcinoma in situ): Messerkonisation (▶ 13.2.8).
• Stadium FIGO Ia1 ohne ungünstige Zusatzkriterien (dissoziiertes oder
netzförmiges Wachstum, Tumorvolumen > 400 mm3, Einbruch in Lymphge-
fäße oder Kapillaren, nicht beurteilbarer Absetzungsrand): Konisation mit
Zervixkürettage (in sano). Bei abgeschlossener Familienplanung oder Sicher-
heitsbedürfnis der Pat.: einfache Hysterektomie (vag. oder abdominal).
• Stadium FIGO Ia2 oder Ia1 mit ungünstigen Zusatzkriterien: Hysterekto-
mie ohne Resektion der Parametrien, aber mit pelviner Lymphonodektomie.
• Stadium FIGO Ib: OP nach Wertheim-Meigs (Hysterektomie mit Resektion
der Parametrien bis zur Beckenwand, Entfernung einer Scheidenmanschette,
Lymphonodektomie entlang der Iliaca interna, externa und communis, bei
Lk-Befall im Schnellschnitt auch paraaortale Lymphonodektomie). Ovarekto-
mie bei postmenopausalen Pat. und bei Adeno-Ca.
504 13  Uterus  

• Stadium IIa: Operation nach Wertheim-Meigs, im Stadium IIa mit großzügi-


ger Scheidenresektion (Sicherheitsabstand > 2 cm), im Stadium IIb mit sorg-
fältiger Präparation der Parametrien bis zur Beckenwand (Piver Typ III) und
obligater paraaortaler Lymphonodektomie.
• Stadium IIb: prim. Radiochemother. oder kurative OP (analog Stadium IIa)
mit adjuvanter Ther. (Radiochemother., dann aber wesentlich höhere Rate an
Lymphödemen).
• Stadium FIGO IIb–IV: prim. kombinierte Radiochemother. Die op. Exente-
ration wird nur in Ausnahmefällen (z. B. junge Pat. ohne Fernmetastasen) an-
gewandt.

13.8.3  Strahlentherapie
Formen
Zu unterscheiden ist zwischen Lokalther. mittels Kontaktbestrahlung und perku-
taner Hochvoltther. Beim Zervix-Ca wird die Bestrahlung nahezu immer als kom-
binierte Radiochemother. gegeben (Cisplatin 40 mg/m2 i. v. wöchentlich).
13 Kontaktbestrahlung
Die früher verwendete Radiumeinlage ist aus Strahlenschutzgründen durch die
Afterloading-Ther. abgelöst. Hierbei wird ein Applikator intrauterin oder in den
Vaginalstumpf eingebracht, der erst mit der eigentlichen Strahlenquelle beladen
wird, nachdem das Personal den Raum verlassen hat; Strahlenquellen sind Cs137
und Ir192.

Perkutanbestrahlung
Sie wird mit Telekobalt oder Linearbeschleuniger durchgeführt. Die erforderli-
chen Dosen liegen bei 40–50 Gy, die in 20–25 Einzelsitzungen erreicht werden.
Das Feld umfasst i. d. R. das gesamte kleine Becken bis zur Beckenwand (CT-Si-
mulation zur Bestimmung der Feldgröße notwendig). Bei Befall der Lk im Bereich
der A. iliaca communis oder sonografisch verdächtigen Lymphomen paraaortal
sollte das Feld auf die Paraaortalregion bis zum Nierenstiel, ggf. auch bis zum
Zwerchfell („Schornstein“) ausgedehnt werden, sofern hier keine Lymphonodek-
tomie erfolgt ist.

Komplikationen
Strahlendermatitis
Prävention durch Vermeiden von Sonneneinstrahlung, Reizung durch Bürsten,
enge Kleidung. Haut einpudern, ölen (z. B. Penaten®-Öl), Wundreinigung mit Ka-
millelösung (▶ 10.7.6).
Strahlenzystitis
Klinik  Dysurie, Pollakisurie, häufig auch Mikro- oder Makrohämaturie (DD
bakterielle Zystitis!).
Prophylaxe und Therapie  Ausreichende Flüssigkeitszufuhr, bakterielle Superin-
fektion vermeiden durch Antibiotika (z. B. Bactrim forte®).
   13.8  Zervixkarzinom  505

Strahlenproktitis und -kolitis


Klinik  Diarrhö mit blutig-schleimigen Stühlen, häufig transanale hellrote Blu-
tung.
Therapie  Klistiere mit Dexpanthenol (z. B. Bepanthen®), Sulfonamiden (z. B.
Azulfidine®) oder Olivenöl, im Extremfall Kolonteilresektion.
Prophylaxe  Stuhlregulierung z. B. Laktulose 2  × 10 ml, leicht verdauliche Kost
(fettarme Mahlzeiten, ungesättigte Fettsäuren, Vitamin- und E‘lytsubstitution).

13.8.4  Primäre Chemotherapie


Die Chemother. wird beim Zervix-Ca in den letzten Jahren zunehmend einge-
setzt, insb. um prim. nichtoperable Befunde (Stadium FIGO IIb mit massiver In-
filtration der Parametrien oder Stadium FIGO IIIb) so zu verkleinern, dass eine
Operation nach Wertheim-Meigs möglich wird. Zur Anwendung kommt eine
Kombination von Ifosfamid (5 mg/m2), Cisplatin (50 mg/m2) und Taxol (175 mg/
m2) alle 4 Wo. Meist werden 3–4 Zyklen appliziert, bis sich eine deutliche Verklei-
nerung des Befunds bei der klinischen Untersuchung ergibt. Alternativ Cisplatin
50 mg/m2 i. v. Tag  1 und Topotecan (Hycamtin®) 0,75 mg/m2 i. v. Tag  1–3 alle
3 Wo., auch bei inoperablem oder metastasiertem Ca. 13

13.8.5  Komplikationen
Vorgehen bei massiver Blutung aus einem Karzinom
• Vorsichtige Spiegeleinstellung, keine Palpation.
• Versuch der Probengewinnung zur Histologie.
• Feste Tamponade mit Hämostyptikum (z. B. Clauden®).
• BB-Kontrolle, evtl. Transfusion von EK.
• Kontrolle der Gerinnung, evtl. Frischplasma oder Faktoren-Substitution.
• Baldiger Beginn einer Strahlenther. zur Blutstillung.
Kompression der Harnleiter mit Nierenaufstau
Klinik  Ein- oder beidseitige Nierenschmerzen, Oligurie bis Anurie, Anstieg der
Retentionswerte.
Vorgehen 
• Sono der Nierenbecken.
• Blutentnahme für BB, E‘lyte, Retentionswerte und Gerinnungskontrolle.
• Urologisches Konsil zur Einlage einer Ureterschiene oder Anlage einer per-
kutanen Nephrostomie.
• Urinzytologie auf Tumorzellen.
Postoperative Lymphzysten
Häufiger Befund nach Radikal-OP, bei Beschwerdefreiheit keine Ther. indiziert.
Spontane Rückbildung meist innerhalb von 8–10 Wo.
Differenzialdiagnosen  Hämatom (Hb-Abfall, im US solide, korpuskuläre Antei-
le basal).
Therapie  Bei Kompression der Gefäße oder Lymphbahnen bzw. bei Schmerz-
symptomatik kann eine sterile Punktion zur Entlastung versucht werden, die
506 13  Uterus  

­ ezidivneigung ist aber sehr hoch (meist innerhalb 24 h komplett nachgelaufen).
R
Instillation von Fibrinkleber (z. B. Beriplast®) nach Punktion kann den Zystenbalg
manchmal verkleben.

Vorgehen bei Lymphödem der unteren Extremitäten


• Lymphdrainagether. durch ausgebildeten Lymphtherapeuten.
• Tagsüber Kompressionsstrümpfe, nachts untere Extremitäten selbst nach An-
leitung mit Zugbinde bandagieren.
• Lymphdiaral® 3 × 20 Tr. tägl.
• Verletzungen und Überwärmung vermeiden.
• Ggf. spezielle stationäre physikalische Ther. in lymphologischer Klinik
(▶ 10.7.11).

13.8.6  Zervixkarzinom und Schwangerschaft


Etwa 1 : 6.000 Schwangerschaften. Die Schwangerschaft selbst hat keinen Einfluss
auf den Verlauf des Karzinoms.
• Stadium Ia: Die 36. SSW kann abgewartet werden, anschließend Sectio caesa-
rea mit Hysterektomie und pelviner Lymphonodektomie.
13 • Andere Stadien: Ther. des Karzinoms ist vordringlich; je nach Lebensreife
des Kindes wird eine Sectio caesarea mit anschließender Radikal-OP nach
Wertheim-Meigs oder bei inoperablen Stadien die Abortinduktion mit Pros-
taglandinen und anschließender Strahlenther. empfohlen.

13.8.7  Metastasen
• Per continuitatem: häufigster Aus-
breitungsweg mit Infiltration von
Blase, Rektum und Parametrien mit
Fistelbildungen oder Ureterum-
mauerung.
• Lk-Metastasen: A. iliaca externa
und communis, paraaortal, bei wei-
terem Fortschreiten auch mediasti-
nal und M. scalenus.
• Hämatogene Metastasen: selten
(▶ Abb. 13.7). Im Stadium IV Lun-
ge 45 %, Leber 40 %, Knochen 20 %.

13.8.8  Nachsorge

Zeitplan
Die Nachsorgeempfehlungen für
das Zervix-Ca lauten:
• Bis 5 J.: 3-monatl. Kontrollen.
• Bis 10 J.: 6-monatl. Kontrollen. Abb. 13.7  Typische Metastasierungs-
• Ab 10 J. jährl. Kontrollen. orte beim Zervix-Ca [L190]
   13.9  Endometriumkarzinom  507

Durchführung 
• Anamnese: vag. Blutungen, Urin-, Stuhlunregelmäßigkeiten, Makrohämat­
urie, blutigen Stuhl, Lymphödem der Beine.
• Vag. Spekulumeinstellung mit Zytologie und Kolposkopie.
• Palpation einschl. rektaler Untersuchung, Palpation der Leistenlymphknoten.
• Nierenlagerklopfschmerz, Klopf- oder Kompressionsschmerz des Skelettsys-
tems.
• Urinstatus.
Ergänzungsuntersuchungen 
• Einmal jährlich zusätzlich Abdomensono, Stuhluntersuchung auf okkultes
Blut, je nach Alter auch Mammografie.
• Bei path. Befunden ggf. zusätzlich i. v. Pyelografie (▶ 14.2.4), Skelettszintigra-
fie, Sono der Paraaortalregion, CT Becken und/oder Abdomen.

13.9  Endometriumkarzinom
Epidemiologie
Die Häufigkeit liegt bei 25/100.000 Frauen/Jahr, Altersgipfel 65–70 J., selten auch 13
bei jüngeren Frauen (ca. 2,5 % sind < 40 J.).

Tab. 13.9  Histologie


Histologietyp Häufigkeit (%) Morphologie 5-JÜR (%)

Adenokarzinom 60  Grading:


G1 hochdifferenziert 89
G2 vermehrt solide Anteile 85
G3 undifferenziert 33 

Adenokankroid 21  (Syn.: Adenoakanthom) 73

Adenosquamöses 7  Gleichzeitig auftretende 50


Karzinom drüsige und plattenepitheli-
ale Karzinomanteile

Klarzelliges Karzi- 6  35
nom

Papilläres Karzinom 4,5  50

Ätiologie
Begünstigender Faktor ist längere Östrogendominanz (▶ 13.7.1). Weitere Risiko-
faktoren sind Adipositas, Hypertonie, Diab. mell., häufig anovulatorische Zyklen,
adenomatöse Hyperplasie, Infertilität. Gehäuft treten Korpus-Ca auch bei Myom-
trägerinnen auf (25 %).

Klinik
• Blutungsstörungen: Postmenopausenblutung, Metrorrhagien, prä-/post-
menstruelles Spotting, blutiger Urin.
• Schmerzen im mittleren Unterbauch.
• Eitriger, blutiger, dunkler oder fleischwasserfarbener, fötid riechender Fluor.
• Gewichtsverlust.
508 13  Uterus  

Diagnostik
• Inspektion: Bei heruntergewachsenem Korpus-Ca ist evtl. bei der Spekulum­
untersuchung ein exophytisch wachsender Tumor zu sehen. Bei Angaben ei-
ner genitalen Blutung im Senium muss die uterine postmenopausale Blutung
von einer Blutung aus der Harnblase unterschieden werden.
• Palpation: meist unergiebig, außer bei fortgeschrittenem Stadium.
• Sono: transvag. Beurteilung des Endometriums (▶ 22.1).
• Diagn. Hysteroskopie, Kürettage und NAU: erbringen den histologischen
Nachweis des Endometriumkarzinoms und erlauben die Beurteilung der Tu-
morausdehnung auf Korpus und Zervix.
• Lebersono und Rö-Thorax zum Ausschluss von Fernmetastasen.
Tab. 13.10  Stadieneinteilung (FIGO), entspricht der TNM-Klassifikation
Cave: Neue Klassifikation seit Januar 2010! Das frühere Stadium T1c ist ent-
fallen, heißt jetzt T1b. T1a umfasst die früheren Stadien T1a und T1b. Bei äl-
teren Befunden unbedingt auf das Datum der Erstellung achten.
Stadium Kriterien

13 0 Carcinoma in situ

I Tumor auf das Corpus uteri begrenzt

Ia Tumor auf das Endometrium begrenzt oder < 50 % Myometriuminfiltra-


tion

Ib Tumor auf das Corpus uteri begrenzt; > 50 % Myometriuminfiltration

II Tumorausdehnung auf die Cervix uteri, aber auf den Uterus begrenzt

IIa Endozervikale glanduläre Tumorausdehnung

IIb Tumorinvasion in das Zervixstroma

III Tumorausdehnung über den Uterus hinaus, auf das kleine Becken be-
grenzt

IIIa Infiltration der Uterusserosa bzw. Adnexbefall bzw. pos. intraop. perito-
neale Zytologie

IIIb Tumorinfiltration der Vagina

IIIc Infiltration von pelvinen bzw. paraaortalen Lk

IVa Infiltration von Blasen- bzw. Rektumschleimhaut bzw. Wachstum des Tu-
mors über das kleine Becken hinaus

IVb Fernmetastasen

Aktuelle Leitlinie im Internet unter: www.awmf.org/leitlinien/

Therapie 
• Allgemeines Vorgehen bei OP: untere mediane Laparotomie. Nach Eröff-
nung der Bauchhöhle Spülzytologie, insb. aus der gesamten Beckenregion.
Intraop. Staging mit Inspektion der Beckenorgane, Abtastung der pelvinen
und paraaortalen Lk, Inspektion und Palpation von Netz, Leber und Zwerch-
   13.9  Endometriumkarzinom  509

fell. Führung des Uterus während der Operation über gerade stumpfe Klem-
men, welche die Tubenabgänge verschließen und zusätzlich die Ligg. rotunda
erfassen. Der exstirpierte Uterus wird sofort den Pathologen zur Beurteilung
der Invasionstiefe des Karzinoms und ggf. zur Schnellschnittuntersuchung
übergeben.
• Stadienabhängiges Vorgehen:
– Stadium pT1a, G1, G2: totale Hysterektomie mit Adnexektomie bds., fa-
kultativ Lymphonodektomie.
– Stadium pT1a, G3 und Stadium pT1b, pT2a G1–G3: totale Hysterektomie
mit Adnexektomie bds., Lymphonodektomie.
– Stadium pT2b: erweiterte radikale Hysterektomie mit Adnexektomie bds.,
Lymphonodektomie.
– Stadium pT3a: totale Hysterektomie mit Adnexektomie bds., Lymphonod­
ektomie, Omentektomie, Debulking.
– Stadium pT3b (Befall der Vagina): erweiterte radikale Hysterektomie mit
Adnexektomie bds., Lymphonodektomie, partielle/komplette Kolpekto-
mie.
– Stadium pT4: bei isoliertem Befall von Blase und/oder Rektum ggf. vorde-
re und/oder hintere Exenteration, Adnexektomie bds., Lymphonodekto-
mie. 13
– Stadium M1: bei Operabilität Hysterektomie und Debulking.
– Bei serösen und klarzelligen Karzinomen: zusätzlich zur obigen stadienge-
rechten Ther. immer Omentektomie, multiple intraperitoneale Biopsien,
ggf. Debulking.

Die Stadien I–III grundsätzlich operativ behandeln. Auch in den Stadien IIIb


(mit Befall der Vagina) und IVa op. Tumorreduktion anstreben, soweit OP-
und Narkosefähigkeit nicht dagegen sprechen, obwohl hier und noch weni-
ger im Stadium IVb keine R0-Resektion mehr möglich ist. Eine prim. oder
alleinige Strahlenther. ist einer vorausgehenden, auch teilweise eingeschränkt
radikalen OP immer unterlegen.

Tab. 13.11  Adjuvante Strahlentherapie


Stadium Grading pN0 pN+ pnX
(> 3 befallene Lk) (klinisch N0)

pT1a G1 Keine Perkutan Keine

G2, G3 Brachyther. Perkutan + Bra- Brachyther.


chyther.

pT1b G1–3 Brachyther. Perkutan + Brachyther.

pT2 G1–3 Brachyther. Perkutan + Brachyther.

pT3 G1–3 Perkutan + Brachyther.

pT4/M1 G1–3 Perkutan + Brachyther.

Seröse und klar- G1–3 Perkutan + Brachyther.


zellige Karzinome
510 13  Uterus  

Nachsorge  Risikoadaptiert, entsprechend den prognostischen Kriterien. Endo-


metriumkarzinome rezidivieren zum überwiegenden Maß prim. lokal.
• Anamnese: genitale Blutung, Blasen- oder Darmentleerungsstörungen, Bla-
sen- oder Darmblutungen, Stuhlinkontinenz z. B. bei Rektum-Scheiden-Fis-
tel, Schmerzen, Gewichtsabnahme, Atemnot.
• Klinische Untersuchung: während der ersten 3–5 J. in ¼-jährlichen Abstän-
den mit gynäkologischer Untersuchung einschl. Zytologie, Auskultation der
Lunge, Palpation der Leber und Gewichtskontrolle.
• Vaginalsono.
Prognose  Wesentliche prognostische Faktoren: Progesteron-Rezeptor-Positivi-
tät, histologischer Typ (s. o.) und Differenzierungsgrad, Ausmaß der Myometri-
uminfiltration und tumoröser (Lymph-)Gefäßeinbruch.

Tab. 13.12  Prognostische Faktoren des Endometriumkarzinoms


Myometriuminfiltration 5-JÜR (%)

< 1⁄3 90

< ⁄3
2
67
13 > 2⁄3 33

Kein Lymphgefäßeinbruch 85

Lymphgefäßeinbruch 53

13.10  Uterussarkom
1–5 % der malignen Uterustumoren sind Sarkome. Häufig werden diese zu-
fällig bei Hysterektomien unter der Verdachtsdiagn. „Uterus myomatosus“
diagnostiziert, da auch bei Kürettagen höchstens 50 % der Sarkome nachweis-
bar sind. Die Mehrzahl der Sarkome entwickelt sich bei vorbestehendem Ute-
rus myomatosus, allerdings liegt das Risiko bei < 1 % für Myomträgerinnen.

Klinik 
• Es gibt keine Frühsymptome, verdächtig ist jedoch immer ein schnell wach-
sender „Uterus myomatosus“.
• Selten Meno-, Metrorrhagien oder Postmenopausenblutung.
• Unterbauchschmerzen, Fremdkörpergefühl, je nach Größe Druck auf Darm
und Blase mit entsprechenden Entleerungsstörungen.
Diagnostik 
• Palpation: großer Unterbauchtumor, meist ohne dass eine entsprechende Or-
ganzugehörigkeit bzw. die Dignität geklärt werden kann.
• Transvag. Sono.
• Abrasio (▶ 13.2.5).
• Rö-Thorax und Lebersono zum Ausschluss von Fernmetastasen.
   13.10  Uterussarkom  511

Therapie 
• Abdominelle Hysterektomie mit Adnexektomie bds. (in bis zu 30 % der Fälle
sarkomatöse Veränderungen in den Ovarien), Netzresektion, Entfernung der
iliakalen und paraaortalen Lk.
• Bei jungen Frauen kann evtl. auf eine Adnexektomie verzichtet werden, falls
das Sarkom lediglich lokal innerhalb eines Myoms begrenzt ist. Vorstellung
im Tumorboard.
• Bei Zufallsdiagn. anlässlich einer Hysterektomie in zweiter Sitzung Adnexek-
tomie bds., Omentektomie und Lymphonodektomie anschließen.
• Postop. wird allg. eine Chemother. empfohlen, diese sollte kurz nach der OP
begonnen werden (2.–3. Tag). Eingesetzt werden v. a. Adriamycin- und Di-
methyltriacenoimidazolcarboxamid-(DTIC-)haltige Schemata (z. B. DTIC
400 mg/m2 Tag 1 und 2, Adriamycin 50 mg/m2 Tag 1).
• Bei Fernmetastasen evtl. Polychemother., z. B. nach dem CyVADIC-Schema
(Vincristin, DTIC, Endoxan, Epirubicin) oder Taxane (z. B. Taxotere® 70 mg/
m2 alle 4 Wo.).
• Trabectedin (Yondelis®) 1,5 mg/m2 über 24 h in 3-wöchigem Intervall bei
fortgeschritt. Weichteilsarkom nach Versagen von Anthrazyklinen und Ifos-
famid bzw. bei Pat., bei denen sich die Anwendung dieser Mittel nicht eignet.
Die Wirksamkeitsdaten basieren vorwiegend auf Pat. mit Liposarkom und 13
Leiomyosarkom.
• Bei endometrialen Stromasarkomen kann auch ein Therapieversuch mit hoch
dosierten Gestagenen eingeleitet werden: MPA 1.000 mg (Clinovir®).
Prognose  Die Prognose der Uterussarkome ist schlecht. Häufig wird die Diag-
nosestellung nur wenige Monate überlebt! 5-JÜR praktisch gleich Null.
14 Adnexe
Kay Goerke und Uwe Wagner

14.1 Leitsymptome und 14.4 Salpingitis (Adnexitis, PID)


­ ifferenzialdiagnosen
D Kay Goerke  522
Kay Goerke  514 14.4.1 Genitaltuberkulose  524
14.1.1 Unterbauchschmerzen  514 14.5 Tuboovarialabszess
14.1.2 Unterbauchtumor  515 Kay Goerke  525
14.2 Diagnostische Maßnahmen 14.6 Tubenkarzinom
Kay Goerke  515 Kay Goerke  526
14.2.1 Palpation  515 14.7 Funktionelle Ovarialzysten
14.2.2 Bakteriologische Kay Goerke  527
­Untersuchungen  516 14.8 Andere Ovarialtumoren
14.2.3 Ultraschall  516 Kay Goerke  527
14.2.4 Röntgendiagnostik  517 14.8.1 Tumoren anderer Genese  527
14.2.5 Douglas-Punktion  518 14.8.2 Borderline-­
14.2.6 Zytologie  519 Veränderungen  529
14.2.7 Laboranalytik  519 14.9 Ovarialkarzinom
14.3 Extrauteringravidität Uwe Wagner  530
(EUG, ektope Gravidität) 14.9.1 TNM-/FIGO-Klassifikation  530
Kay Goerke  519 14.9.2 Primärtherapie  531
14.9.3 Second-Line-Therapie  534
514 14  Adnexe  

14.1  Leitsymptome und Differenzialdiagnosen


Kay Goerke

14.1.1  Unterbauchschmerzen
Gynäkologische Differenzialdiagnosen des Unterbauchschmerzes
• A
 kut einsetzende, starke Schmerzen, sek. Amenorrhö, pos. HCG → V. a. EUG
mit Tubarruptur (▶ 14.3).
• Z unehmende einseitige Schmerzen, Schmierblutung nach sek. Amenorrhö,
pos. HCG → V. a. EUG (▶ 14.3).
• Z unehmende Schmerzen, häufig postmenstruell, vag. Fluor, Entzündungszei-
chen → V. a. Adnexitis (▶ 14.4).
• P rämenstruell diffuse Schmerzen, häufig mit Einsetzen der Blutung wieder
abklingend → V. a. Endometriose (▶ 13.5).
• M
 äßige Unterbauchschmerzen in Zyklusmitte → V. a. Ovulationsschmerz.
• A
 kute, starke, einseitige Unterbauchschmerzen, häufig nach heftiger Bewe-
gung (z. B. Tanzen, Sport) → V. a. stielgedrehte Ovarialzyste oder Ovarialtu-
mor (▶ 14.7).
•  hron. diffuse Unterbauchbeschwerden, Z. n. Adnexitis → V. a. Verwach-
C
sungsbeschwerden.

Tab. 14.1  Differenzialdiagnose des Abdominalschmerzes**


Rechts Mitte Links
14
Genitale Ursachen

Unterbauch Ovarialzysten, Stieldre- Dysmenorrhö, Kolpi- Ovarialzysten,


hung, Ovarialtumoren, tis, Zervizitis, intra- Stieldrehung, Ova-
EUG, Adnexitis, Ovulati- vag. Fremdkörper, rialtumoren, EUG,
onsschmerz Endo- oder Adnexitis, Ovulati-
­Myometritis onsschmerz

Extragenitale Ursachen

Oberbauch Hepatitis, Pankreatitis Pneumonie, Masern, Milzruptur (nach


Grippe, Pankreatitis Trauma), Herzin-
farkt, Angina
­pectoris

Mittelbauch Nierenkolik, Appendizi- Nabelbruch, Enteri- Nierenkolik,


tis, Meckel-Divertikel tis, Ileus, Invaginati- ­Pankreatitis
on

Unterbauch Appendizitis*, Leisten- Zystitis Leistenhernie,


hernie, Zystopyelitis, ­Zystopyelitis,
Lymphadenitis Lymphadenitis
­mesenterialis mesenterialis

* Eine der häufigsten Ursachen für Unterbauchbeschwerden, v. a. bei Pat. < 20 J.
** ▶ Tab. 14.3 mit Gegenüberstellung der Klinik der 3 wichtigsten Sy.: Appendizitis,
Adnexitis und EUG.
   14.2  Diagnostische Maßnahmen  515

14.1.2  Unterbauchtumor

Ovarialprozesse machen sich selten durch Frühsymptome bemerkbar. Die


wichtigsten Leitsymptome sind Unterbauchschmerzen ▶ 13.1.2, ▶ 14.1.1.

Differenzialdiagnosen
• K leiner, glatt begrenzter, prall-elastischer Tumor → V. a. Ovarialzyste
(▶ 14.7).
• G
 latt begrenzter, großer Tumor, sonografisch ohne solide Anteile → V. a.
Ovarialkystom (▶ 14.7).
• S olider Tumor mit deutlicher Schmerzsymptomatik, Entzündungszeichen
(Fieber, Leukozytose, CRP ↑) → V. a. Adnexitis (▶ 14.4).
• S olider oder zystisch-solider Tumor ohne Aszites bei jungen Frauen → V. a.
Dermoid bzw. Teratom (▶ 14.8.1) oder Endometriose (▶ 13.5). DD: Ovarial-
Ca (▶ 14.9), eingeblutete funktionelle Zyste.
• S olider Tumor evtl. mit zystischen Anteilen, Aszites, ggf. Androgenisierungs-
erscheinungen → V. a. Ovarial-Ca (▶ 14.9).

Hormonproduzierende Tumoren (z. B. androgenproduzierend)


Androgenisierungserscheinungen (▶  17.4, Bartwuchs, Veränderung der typisch
weibl. Schambehaarung, Tieferwerden der Stimme) lassen neben exogen zuge-
führten Androgenen (z. B. Anabolika) immer an einen Ovarialtumor denken.
• D D: polyzystische Ovarien (PCO-Sy., früher Stein-Leventhal-Sy. ▶ 15.4.2) 14
oder maligne Ovarialtumoren (Andro- und Arrhenoblastome). Außerdem
kann auch eine Pubertas praecox (▶ 18.4.1) oder die juvenile Makromastie
(▶ 10.6.4) Folge eines östrogenproduzierenden Ovarialtumors sein.
• L abor: SHBG, 17α-OH-Progesteron (→ Late-Onset-AGS), LH/FSH-Quotient
> 2 (→ PCO-Sy.), DHEA(-S), (freies) Testosteron, Androstendion (▶ 17.4).

14.2  Diagnostische Maßnahmen


Kay Goerke

14.2.1  Palpation
Bei der vag. Untersuchung (▶ 1.2.2) im Adnexbereich besonders achten auf:
• G röße der Ovarien: normal etwa fingerendgliedgroß, im Senium oft wegen
Atrophie nicht palpabel, wie auch bei adipösen Bauchdecken.
• B eweglichkeit: Die Ovarien sind normalerweise gut beweglich.
• S chmerzhaftigkeit: Die Palpation der Ovarien ist leicht schmerzhaft.
• K onsistenz: derb, nicht hart, nicht eindrückbar.
• O berfläche: glatt bis leicht höckrig (nur bei sehr schlanken Pat. zu tasten).
• G
 roße Ovarialtumoren sind oft bei der vag. Untersuchung mit dem Fin-
ger nicht zu erreichen, da sie wegen ihrer Größe nicht im kleinen Be-
cken liegen.
•  ie Palpation der Ovarien ist bei adipösen Frauen erschwert.
D
516 14  Adnexe  

Im Anschluss an die vag. Untersuchung immer rektal palpieren. Resistenzen oberhalb


des kleinen Beckens lassen sich jetzt gelegentlich erreichen, Resistenzen im Douglas-
Raum besser abgrenzen (nicht vergessen: 50 % aller kolorektalen Karzinome können
bei rektaler Untersuchung erfasst werden → Blut am Untersuchungshandschuh).

14.2.2  Bakteriologische Untersuchungen

Bakteriologische Untersuchungen (Differenzierung der Keime und Antibio-


gramm) sind bei V. a. Adnexitis erforderlich.

Zervixabstriche  Adnexitiden sind zu 90 % durch aszendierende Keime verur-


sacht.
• M ikrobiologie (anaerob/aerob, ▶ 13.2.4).
• C hlamydien im Spezialmedium (▶ 13.2.4).
• G onokokkenabstrich (Spezialmedium).
• N ativpräparat (▶ 11.2.3) bei V. a. Soor, Trichomonaden; Leukozyten.
• Z ytologischer Abstrich (▶ 13.2.3).
• C hlamydien-Screening: Bei allen Frauen 1 × jährl. empfohlen (bis zum 25. Lj
Kassenleistung).
Laparoskopische Abstriche  Bei Laparoskopie (oder -tomie) zur Untersuchung
auf Bakterien (anaerob/aerob), Gonokokken und Chlamydien:
• T ubendirektabstrich (z. B. mit langstieligem Bürstchen).
14 • D ouglas-Sekret, bzw. bei Fehlen von Sekret Spülflüssigkeit.
• E vtl. Zystenpunktat.
Bei Tuboovarialabszess bakteriologische Abstriche und Gewebeprobe zur Histo-
logie, da nur so Drusen bei Actinomyces bzw. Tbc sicher nachweisbar sind.

14.2.3  Ultraschall
Ultraschalldiagn. ▶ 22.1.

Zur Ergänzung der Diagn. wichtig, da der Tastbefund u. U. erschwert und
wenig ergiebig ist. Bessere Auflösung durch vag. Schallkopf.

Indikationen 
• A uffällige palpable Befunde, Unterbauchbeschwerden, Aszites, Virilisierung.
• B ei allen Karzinom-Pat. 1 × jährl.
• B ei belastender Familienanamnese (Malignome).
Befunde 
• V aginalsono (wann immer möglich): Größe der Organe (bei path. Befunden
in zwei Ebenen mit drei Maßen), Organstruktur (solide, zystisch, zystisch-so-
lide), Lage im Vergleich zum Uterus, zur Beckenwand, Dolenzen beim Tou-
chieren mit Schallkopf. Fotodokumentation.
• A bdominalschall: Virgo intacta, enger Introitus, über das kleine Becken hin-
ausgehender Befund (▶ 22.1), Ausschluss von Metastasen in Leber, paraaorta-
len Lk, Nebenniere, Niere (z. B. Nierenbecken-Aufstau).
   14.2  Diagnostische Maßnahmen  517

Tab. 14.2  Sonografische Tubenbefunde


Ultraschallphänomen* Interpretation Differenzialdiagnosen

Freie Flüssigkeit Exsudat bei Entzündung EUG, rupturierte Zyste

Gespreizte Tube Tubenödem Normvariante

Verdickte, geschlängelte Hydro-, Pyo-, Hämato- Salpingitis, EUG


Tube oder Saktosalpinx

Adnextumor (zystisch Tuboovarialabszess Endometriose, perityphliti-


oder solide) scher Abszess, Ovartorsion

* Cave: Bei Adnexerkr. sind nicht immer entsprechende Sonobefunde zu erhalten.

14.2.4  Röntgendiagnostik
Befunde der Beckenübersicht
• V erkalkungsherde bei Myomen, soliden Ovarialtumoren.
• B ei Dermoid evtl. Zahnanteile oder ganze Zähne sowie Knochenanteile
­sichtbar.
• W
 eichteilverschattungen nur bei großen Tumoren sichtbar.
i. v. Pyelografie
Hat in den letzten Jahren durch die sonografische Diagn. deutlich an Wertigkeit
verloren. Ind.: V. a. Ureterbeteiligung bei entzündlich-tumorösem Prozess. 14
Vorbereitung  Schilddrüsenwerte (TSH-basal) und Krea (KI: >  170 μmol/l
≥ 2,0 mg/dl) wegen KM-Gabe vorher bestimmen.
Durchführung  Kompletten Verlauf der Ureteren bis in die Blase darstellen (oft
mehrere Aufnahmen notwendig).
Befunde 
• N ierenaufstau bei Kompression der Ureteren.
• V erlagerung eines oder beider Ureteren durch Tumoren.
• Impression der Harnblase (von kranial oft durch Uterus, von kranial-seitlich
eher durch Ovarialprozess).
• B lasenkontur unscharf bei Infiltration der Schleimhaut.
Computertomografie (CT)
Indikationen  Als Zusatzuntersuchung nur bei schwer zu palpierenden Befun-
den, zur Darstellung der iliakalen und paraaortalen Lk. Nicht als Routinediagn.,
auch nicht bei Karzinomverdacht.
Vorbereitung  Schilddrüsenwerte (TSH-basal) und Krea (KI: >  170 μmol/l =
> 2,0 mg/dl) wegen KM-Gabe vorher bestimmen.

Kolon-Kontrasteinlauf (KE)
Indikationen  Angesichts der Möglichkeit zur Koloskopie mit PE heute nur noch
indiziert bei V. a. Darmbeteiligung von Tumoren (Stuhlunregelmäßigkeiten, Ob­
stipation, blutiger Stuhl), wenn Koloskopie unmöglich.
518 14  Adnexe  

Befund  Stenose oder Infiltration genau lokalisieren (Entfernung von Anus in


Zentimeter):
• W andstarre bei Infiltration der Darmwand nur bei Durchleuchtung sichtbar.
• Infiltration der Schleimhaut kann nur vermutet werden.
Bei geplanter i. v. Pyelografie diese unbedingt vorher durchführen, da nach
KE durch den Bariumbrei keine Auswertung mehr möglich.

MRT
Selten zusätzliche Informationen gegenüber Sono und CT, am ehesten zur Weich-
teilabgrenzung eines Tumors zu Beckenwand und Gefäßen (→ Beurteilung der
Operabilität). Ind.: V. a. intraabdominales Tumorrezidiv.

14.2.5  Douglas-Punktion
Indikationen  Methode eigentlich verlassen, heute wird die diagn. Laparoskopie
bevorzugt! Douglas-Punktion (▶ Abb. 14.1) lediglich bei eingeschränkten Mög-
lichkeiten. In manchen Kliniken wird eher eine Kuldoskopie (Douglasoskopie,
Kolpolaparoskopie) vom hinteren Scheidengewölbe aus zur Betrachtung des
Douglas-Raums bzw. des inneren Genitales über ein Kaltlicht-Endoskop durchge-
führt.
Interpretation 
• E iter: V. a. Abszess (Abstriche → Mikrobiologie, Chlamydiendiagn.).
14 • B lut: V. a. EUG, Endometriose.
• S ekret: V. a. Entzündung (Abstriche für Mikrobiologie entnehmen).
Bewertung 
• V orteil: keine Anästhesie, kaum Hilfsmittel nötig.
• N achteil: häufig falsch neg. Ergebnisse, hohe Verletzungsgefahr (bis zu 30 %)
des Darms.

Abb. 14.1  Douglas-Punktion [L157]


   14.3  Extrauteringravidität (EUG, ektope Gravidität)  519

Verdacht auf Darmverletzung


Klinik  Stuhlabgang über die Punktionsnadel, peritoneale Reizsymptomatik
nach der Punktion, evtl. Entwicklung einer Peritonitis.
Vorgehen 
• V . a. großflächige Verletzung: sofort Laparotomie mit Übernähung der ver-
letzten Organe.
• Z unächst unbestätigter V. a. Verletzung: Abwarten unter Kontrolle von
Kreislauf und Temperatur, Antibiotikaschutz, z. B. Cefotaxim 3 × 2 g/d i. v.
(z. B. Claforan®) und Metronidazol 2 × 500 mg/d i. v. (z. B. Clont®). Bei Ent-
zündungszeichen oder starker peritonitischer Reizung sek. Laparotomie.

14.2.6  Zytologie

Manchmal können bei malignen Tumoren über die Tuben und den Uterus
retrograd in die Vagina gelangte maligne Zellen im zervikalen Abstrich nach-
weisbar sein.

Befund 
• H yperchrome Zellen, z. T. mit Siegelringstrukturen. Pathognomonisch für
Ovarial-Ca: Psammomkörperchen (zwiebelschalenartige Strukturen).
• B ei hormonproduzierenden Ovarial-Ca findet sich ein abnormer Proliferati-
onsgrad des Vaginalepithels (▶ 13.2.3). Deshalb immer klinische Angaben,
auch über Hormonther., auf dem Einsendeschein fürs Zytologielabor machen. 14
! B ei V. a. Blaseninfiltration morgendlichen Katheterurin auf Tumorzellen un-
tersuchen.

14.2.7  Laboranalytik
•  B: Tumoranämie, Leukozytose bei Adnexitis.
B
•  rea und Harnstoff (Ureterkompression mit Nierenfunktionseinschränkung).
K
•  eberenzyme GOT, γ-GT (v. a. bei V. a. Filiae).
L
•  lbumin oder Gesamteiweiß (v. a. bei Aszites).
A
•  ei Androgenisierung: FSH, LH, Estradiol, freies Testosteron, DHEA-S, Pro-
B
gesteron, Androstendion (▶ 17.1.5).
•  umormarker HCG, Ca 12–5, Ca 72–4 nur bei gesichertem Malignom, nicht
T
zum Tumorscreening geeignet.
•  IV-Serologie.
H

14.3  Extrauteringravidität (EUG, ektope


Gravidität)
Kay Goerke
Definition  Nidation einer befruchteten Eizelle außerhalb des Corpus uteri; etwa
1 von 100 Geburten, 99 % davon in der Tube lokalisiert, ansteigende Inzidenz
durch STD.
520 14  Adnexe  

Anamnese  Kurze sek. Amenorrhö von 4–6 Wo.


Prädisponierende Faktoren 
• F rühere Aborte oder EUG (30 % der EUG-Pat.).
• V orausgegangene Adnexitis (25 % der EUG-Pat.).
• S terilitätsbehandlung (20 % der EUG-Pat.).
• IUP-Trägerinnen haben ein 8- bis 10-fach erhöhtes Risiko, bei gestagenhalti-
gen IUP (z. B. Mirena®) normales Risiko.

Klinik 
• S ubjektive Schwangerschaftszeichen (Übelkeit, Brustspannen, Pollakisurie).
• S chmierblutungen, manchmal bis periodenstark ohne Gewebeanteile.
• L okale Abwehrspannung möglich, bei Tubarruptur häufig alle Zeichen des
akuten Abdomens (▶ 3.2.1).
• G eringe Temperaturerhöhung möglich.
• T ubarabort (90 % der EUG-Verläufe, ▶ Abb. 14.2): zunehmende wehen- bis
krampfartige, einseitige oder seitenbetonte Unterbauchschmerzen.
• T ubarruptur (10 % der Verläufe, ▶ Abb. 14.2): akut einsetzender, seitenbeton-
ter Zerreißungsschmerz.

14

Tubarabort Tubarruptur

Abb. 14.2  Tubarabort und Tubarruptur [L106]


Diagnostik 
• P alpation: druckschmerzhafte, einseitig vergrößerte Tube bei der bimanuel-
len Palpation, aufgelockerter Uterus, jedoch kleiner als der Amenorrhö ent-
sprechend, Abwehrspannung, Portioschiebeschmerz.
• S piegeleinstellung: zervikale Blutung, bei EUG häufig dunkelrot, bei Abort
häufig hellrot.
• S ono (vag.): z. B. freie Flüssigkeit im Douglas-Raum, leeres Uteruskavum, ho-
hes Endometrium, intrauterine Fruchtblase, Tube erweitert, Fruchtblase mit
Embryo neben dem Uterus. Cave: Intrauteriner Pseudogestationssack ist auch
bei der EUG häufig nachweisbar. DD: zweite Fruchtblase, intrauterine Grav.
• L abor: Wichtigster Parameter ist das HCG im Serum, wird bereits 9 Tage
nach der Konzeption (auch ektoper Nidation) pos. (> 5 IE), ist jedoch meist
niedriger als der Amenorrhö entspräche (▶ 5.1.4, ▶ Abb. 5.4). BB: Anämie
durch intraabdominale Blutung; Gerinnung, E’lyte.
   14.3  Extrauteringravidität (EUG, ektope Gravidität)  521

• U rinsediment: Ausschluss einer Pyelonephritis, Zystitis, Nierensteine.


• L aparoskopie: Blut in der Bauchhöhle, aufgetriebene Tube mit durchschim-
mernder EUG, periampulläres Hämatom, rupturierte Tube.
 ifferenzialdiagn. ▶ Tab. 14.3.
! D
Bei früher EUG (≤ 4. SSW) kann die Laparoskopie unauffällig sein! (Tuben
immer mit atraumatischer Zange abtasten!)

Vorgehen 
• S tationäre Aufnahme, venösen Zugang legen, Pat. nüchtern lassen.
• B lutentnahme für BB, HCG, E‘lyte, Gerinnung, Blutgruppe.
• V orbereitung zur Laparoskopie (Klysma, Info Anästhesie) nach Sicherung
der Diagn. Bei Schockzustand (▶ 3.5) sofort Laparotomie.
• B ei unsicherer Diagn. stationäre Beobachtung mit Kontrolle von
Kreislauf und BB (2 × tägl.), Sono- (Herzaktion) und HCG-Kontrollen
(­Anstieg ▶ 5.1.4).
Therapie 
• B eschwerdefreiheit, unauffälliger oder diskreter Sonobefund (z. B. wenig freie
Flüssigkeit im Douglas), niedrige HCG-Werte (< 300 IE/l) mit spontanem
Abfall: unter engmaschigen Sono-, HCG- und klinischen Kontrollen evtl. ab-
wartendes Verhalten gerechtfertigt, bis HCG < 10 IE/l.
• B eschwerdefreiheit, sonografisch festgelegte asymptomatische EUG („Zufalls-
befund“): laparoskopische EUG-Ausräumung, Kontrolle von Kreislaufpara-
metern und HCG. 14
• S ymptomatische EUG:
– Laparoskopie mit Absaugen der Koagel, Salpingotomie, Exprimieren der
EUG, Spülen von Tube und Douglas. Bei noch nicht abgeschlossener Fa-
milienplanung heute Ther. der Wahl!
– Laparotomie: bei laparoskopisch nicht operablem Befund (z. B.: Bauch
vollgeblutet) oder im Schock.
– Bei nicht rupturierter ampullärer Tubargrav. evtl. Ther. mit Dinoproston.
Hierdurch kommt es zum Abstoßen der Frucht ins Abdomen und Abster-
ben mit anschließender Resorption (bislang keine Standardther.).
– A  ls Primärther. oder bei persistierenden HCG-Werten nach chirurgi-
scher Ther. Methotrexat 0,5–1 mg/kg KG alle 2 Tage i. v., bis HCG-Werte
um mind. 15 % abfallen bei zwei aufeinander folgenden Messungen. Al-
ternativ 1 mg Methotrexat direkt lokal bei der Laparoskopie in die EUG
injizieren. Cave: Übelkeit, Erbrechen, Myelosuppression. Folsäuresubsti-
tution obligat. Das Präparat ist derzeit allerdings nicht für diese Ind. zu-
gelassen!

Nach tubenerhaltender OP ereignet sich in bis zu 15 % eine Rezidiv-EUG, in


etwa 5 % der Fälle Trophoblastpersistenz. Hierüber muss die Pat. präop. auf-
geklärt werden! Auch nach Salpingektomie ist das Rezidivrisiko auf der kon-
tralateralen Seite erhöht auf etwa 10–15 %! Bei abgeschlossener Familienpla-
nung eher laparoskopische Salpingektomie und Thermokoagulation der
Gegenseite.
522 14  Adnexe  

14.4  Salpingitis (Adnexitis, PID)


Kay Goerke

Epidemiologie
Synonym: PID (Pelvic Inflammatory Disease); 10–15 % der sexuell aktiven Frau-
en, Altersgipfel 15.–20. Lj, meist aszendierend, polymikrobiell, Chlamydien bis
40 % mitbeteiligt.

Klinik
• H
 äufig postmenstruell akut einsetzender, oft seitenbetonter Unterbauch-
schmerz.
• Ü belkeit und Erbrechen (durch Begleitperitonitis).
• Z ervikaler Fluor (gelblich-grünlich, übel riechend).
• B ei Chlamydien zusätzlich Schmierblutungen, Zervizitis, Sterilität, evtl.
­ eichen der Perihepatitis (rechtsseitige Oberbauchschmerzen, geringe
Z
­Leberenzymerhöhung (= Fitz-Hugh-Curtis-Sy.: ggf. Schulterschmerzen über
N. ­phrenicus).

„Chamäleon“ der gynäkologischen Erkr. Nur 65 % der klinischen Verdachts-


diagn. „Adnexitis“ können laparoskopisch bestätigt werden!

Diagnostik
14 Reihenfolge der Untersuchungen einhalten!
• I nspektion von Vagina und Zervix, evtl. Kolposkopie (z. B. Beläge, Rötung,
Zervizitis, Fluor, ▶ 13.2.1).
• A bstrichentnahme (▶ 11.2.3).
• N
 ativ mit NaCl/KOH → Pilze, Aminkolpitis, Leukozyten, Kokken, Döderlein-
Bakterien, Trichomonaden.
• Z  ytologischer Abstrich (Portio und CK): Ausschluss Dysplasie und ­Karzinom.
• B  akterienkultur aus Zervix: pathogene Keime einschl. Gonokokken.
• C  hlamydienabstrich aus Zervix und Urethra (▶ 13.2.4).
• P  alpation (bimanuell/rektal): Portioschiebe-Wackelschmerz, Uterus- und
Adnexdruckschmerz, Adnexe bei Palpation „teigig“.
• L  abor: obligat BB, BSG (> 15 mm nach 1 h), CRP (> 0,6 mg/dl), HCG, Urin-
sediment; fakultativ Diff.-BB (> 10 Stabkernige), Leber- und Nierenwerte,
­Gerinnung, HIV, Herpes-Serologie (IgG und IgM).
• ( Vaginal-)Sono: auffällige Befunde in etwa 50 % → freie Flüssigkeit, Hydro-/
Pyo- oder Saktosalpinx (▶ 14.2.3), Ovar flau abgrenzbar oder vergrößert, zys-
tisch-solider Ovarialtumor (Sono wichtig für die DD: EUG, Appendizitis,
Follikel, einfache Zyste, Endometriose, Hydroureter).
• L aparoskopie: Sicherung der Diagn., Direktabstriche, op. Ther. (z. B. Abszess­
drainage) möglich.

Indikation zur diagnostischen Laparoskopie


• U nklare Diagn.
• T herapieversager unter Antibiose.
• V . a. zusätzliche Endometriose oder Adhäsionen.
   14.4  Salpingitis (Adnexitis, PID)  523

Differenzialdiagnosen
• A kute PID ▶ Tab. 14.3.
• S ubakute oder chron. Verläufe: Endometriose (= Salpingitis isthmica nodosa),
Adhäsionen, rezid. Ovarialzysten, entzündliche Darmerkr. (M. Crohn, Colitis
ulcerosa, Divertikulitis), psychogene oder psychosomatische Komponente
(Traumatisierung durch vorausgegangene Eingriffe, Angst vor Sterilität).

Tab. 14.3  Gegenüberstellung Symptome und Klinik wichtiger Differenzialdia-


gnosen
Appendizitis Adnexitis EUG

Schmerz Wandernd, re Beidseits, ziehend Einseitig, stechend,


­McBurney krampfartig

Befund Appendizitiszei- Portioschiebe- Portio druck-


chen, Übelkeit, schmerz, Druck- schmerzhaft,
Stuhlverhalt schmerz, teigige Re- Schmierblutung
sistenz

Fluor Keiner Übel riechend, eitrig Keiner, evtl. Blut

Regelanamnese Unauffällig Häufig postmenst- Sek. Amenorrhö,


rueller Beginn HCG pos.

Temperatur Rektal/axillär → Rektal/axillär → Normal bis gering


­Differenz > 1,0 °C ­Differenz > 1,0 °C erhöht, keine
­Differenz

Leukos > 10.000/μl Mäßig erhöht Oft nicht erhöht 14


Sono Gynäkologisch o. B. Freie Flüssigkeit, Freie Flüssigkeit,
Ovarien unscharf, „leerer“ Uterus,
Tube darstellbar, so- ­Tube evtl. verdickt,
lider Adnextumor evtl. extrauterine
Fruchtblase

Komplikationen Akut: Begleitadne- Akut: Begleitappen- Akut: abdominale


xitis, Perforation dizitis, Peritonitis Blutung, Tubarrup-
Chron.: Adhäsio- Chron.: Rezidive, tur, Schock
nen/Ileus EUG, Adhäsionen Chron.: Rezidiv-EUG
bei tubenerhalten-
der OP

Therapie

Bis zu 40 % der Adnexitiden sind durch Chlamydien mit bedingt, deshalb bei
der Antibiose berücksichtigen!

Supportive Maßnahmen
Bettruhe, sexuelle Abstinenz, Entfernung eines liegenden IUP, bei Fieber ausrei-
chende Flüssigkeitszufuhr.
Antiphlogistika
Bei starken Unterbauchbeschwerden z. B. Diclofenac 3 × 50 mg/d p. o. oder supp.
(z. B. Voltaren®) oder Ibuprofen 200–400 mg/d p. o. (z. B. Urem/forte®).
524 14  Adnexe  

Antibiotika
• A mbulant: mind. über 10 Tage Cephalosporin und Tetrazyklin, wie Cefadro-
xil 3 × 1 g/d p. o. (Grüncef®) und Doxycyclin 2 × 100 mg/d p. o. (z. B. Supracy-
clin Tabs®). Bei Erfolglosigkeit Gyrasehemmer und Metronidazol, wie Oflox­
acin 2 × 200 mg/d p. o. (z. B. Tarivid®) und Metronidazol 2 × 400 mg/d p. o.
(z. B. Clont®)
• S tationär: i. v. Antibiose über mind. 4 Tage, 1–2 Tage nach Entfieberung Um-
stellung auf orale Medikation möglich, dann 7–10 Tage oral weiter therapieren.
– Start mit Betalaktam-Antibiotika (breites Spektrum): z. B. Unacid® 3 ×
1,5 g/d i. v. oder Augmentan® 3 × 1,2 g/d i. v.
– Mögliche, der Oralther. gleichwertige Schemata: z. B. Cefuroxim 3 ×
1,5 g/d i. v. (z. B. Zinacef®) und Doxycylin 1–2 × 1 g/d i. v., Umstellung auf
Zinnat® 2 × 500 mg/d und Supracyclin Tabs® 2 × 100 mg/d oder Gentami-
cin 4 × 600 mg/d i. v. (z. B. Refobacin®), Clindamycin 2 × 600 mg/d p. o.
(z. B. Sobelin®) und Tobramycin 2 mg/kg KG tägl. i. v. (z. B. Gernebcin®);
Umstellen auf Sobelin® 3 × 150 mg.

14.4.1  Genitaltuberkulose

Die Genitaltuberkulose macht etwa 2 % der Adnexitiden aus, ist aber auf-
grund der sich verändernden Zusammensetzung der Bevölkerung im Anstei-
gen begriffen. Bei Tuberkulosepat. aus Osteuropa in 15 % Multiresistenzen.
Die Streuung erfolgt fast ausschließlich hämatogen, als Primärherd findet
14 sich in 90 % ein Lungenbefund. Sie kann auch bei Virgines auftreten. In 90 %
der Fälle ist der ampulläre Teil beider Tuben betroffen, in etwa 70 % das En-
dometrium und selten Ovar und Vulva. Der Altersgipfel liegt zwischen 30
und 40 J. Da die Pat. häufig beschwerdefrei sind, wird die Diagn. meist als
Zufallsbefund bei Abrasio oder Laparoskopie erhoben.

Klinik  Infertilität, Blutungsstörungen (Meno-, Metrorrhagien), Unterbauchbe-


schwerden nur in etwa 20 %.
Diagnostik 
• A namnese und gynäkologische Untersuchung sind uncharakteristisch.
• H istologie von Endometrium (Abradat) oder Tube (PE bei Laparoskopie
oder -tomie).
• B akteriologie aus Abradat, Douglas-Sekret oder Menstrualblut (mit Portio-
kappe in drei Zyklen auffangen).
• K -Urin: sterile Leukozyturie, allerdings in bis zu 20 % Verschleppung durch
bakterielle Superinf.
• R ö-Thorax (Primärherd).
Therapie 
• P artneruntersuchung veranlassen.
• V ierfachkombination über 2 Mon., dann für 4–6 Mon. Isoniazid und Rifam-
picin.
• P yracinamid 35 mg/kg KG tägl. p. o. (z. B. Pyrafat®) über 2 Mon.
• S treptomycin 1 g/d i. v. oder i. m. bzw. 15 mg/kg KG tägl. über 2 Mon. (z. B.
Strepto-Fatol®).
   14.5  Tuboovarialabszess  525

• R ifampicin 10 mg/kg KG tägl. p. o., max. 600 mg/d (z. B. Rifa®) über 6–8 Mon.
• Isoniazid 5 mg/kg KG tägl. p. o. (Isozid®-compositum) über 9–12 Mon., unbe-
dingt in Kombination mit Vit. B6, cave: neuro- und hepatotoxisch; daher
Überwachung der Leberwerte vor Ther., im 1. Mon. wöchentl., dann 14-tägig,
ab 3. Mon. monatl.; neurologischer Status vor Ther., nach 1 Mon. und nach
Ende der Ther.

Meldung an das zuständige Gesundheitsamt (Erkr. und Todesfall).

14.5  Tuboovarialabszess
Kay Goerke
Definition  Kombinierter Eileiter-/
Eierstocksabszess mit Eitereinschmel-
zungen (▶ Abb. 14.3), gehäuft bei Kup-
fer-IUP-Trägerinnen (nicht bei gesta-
genhaltigen IUP, z. B. Mirena® be-
kannt) bei Z. n. Adnexitis, bei pos.
HIV-­Status.
Ätiologie 
• A szendierende Keime (E. coli,
­Enterokokken, Anaerobier, Myko-
plasmen, Chlamydien, Aktinomy- 14
zeten), meist polymikrobiell; Zer-
vizitis → Endometritis (häufig
p. p.) → Adnexitis → Tuboovarial-
abszess.
• H ämatogene Fortleitung (Tbc).
• A usbreitung per continuitatem
z. B. nach Appendizitis oder Diver-
tikulitis (sehr viel seltener, < 10 %). Abb. 14.3  Tuboovarialabszess [L157]
Klinik 
• W ie bei Adnexitis (▶ 14.4), zusätz-
lich Defäkationsschmerz, hohes Fieber (rektal > 39 °C).
• K O und Spätfolgen: Abszessruptur mit eitriger Peritonitis, eitrige Thrombo-
phlebitis der Beckenvenen, später Adhäsionen, Dysmenorrhö, Sterilität, er-
höhte EUG-Rate.
Diagnostik 
• L abor: Leukozytose > 20.000/μl, beschleunigte BSG (1. Stunde > 50 mm), CRP
erhöht, wegen Sepsisgefahr immer auch Gerinnung!
• P alpation: Adnextumor, max. Portio-Wackel-Schiebeschmerz, stärkster
Druck-/Schiebeschmerz von Uterus und Adnexen bei bimanueller Palpation,
Douglas-Vorwölbung bei rektovag. Palpation, meist Abwehrspannung.
• A uskultation: bei Peritonealreizung abgeschwächte oder fehlende Darmge-
räusche.
• S ono: > 90 % Nachweis eines solid-zystischen, unscharf begrenzten Adnextumors.
526 14  Adnexe  

• L aparoskopie: Diagnosesicherung, gezielte Abstriche zum Erregernachweis


(Bakterien, Chlamydien, Tbc-Kultur).
! A
 ktinomyzeten (8 % der Tuboovarialabszesse) sind nur histologisch (Drusen)
nachweisbar → Biopsie.
Therapie 
• N ur stationär mit eingeschränkter Bettruhe!
• I. v. Antibiose mit 2- bzw. 3-fach-Kombination, z. B. Clindamycin + Tobra-
mycin oder Cefotaxim + Metronidazol + Doxycyclin (Dosierung ▶ 14.4).
• A ntiphlogistika ▶ 16.4.
• L aparoskopie, evtl. Laparotomie: falls 2 Tage nach Antibiose Beschwerden
und/oder Fieber persistieren.
• O p. Revision: ansonsten nach Abklingen der Entzündungsparameter.
Spontane Rückbildung des Abszesses ohne OP möglich, aber selten.

14.6  Tubenkarzinom
Kay Goerke
Epidemiologie  Sehr selten (0,3 % aller gynäkologischen Malignome), Altersgip-
fel > 50 J.; häufig Adenokarzinome.
Klinik 
14 • U nspezifisch, Diagn. meist erst im metastasierten Zustand (→ z. B. bei Aszi-
tes), mit Unterbauchschmerzen auf der erkrankten Seite, Fluor (wässrig, eit-
rig, fleischwasserfarben), in 25 % der Fälle genitale Blutungen.
• M etastasierung: vorwiegend lymphogen (iliakale und paraaortale Lk), später
auch peritoneale Aussaat (Netz, Peritoneum). Selten Leber und Lunge.
Diagnostik 
• P alpation: längliche Resistenz im Adnexbereich.
• F luor-Diagn.: Erys, Leukos, evtl. zytologischer Nachweis von Tumorzellen.
• L abor: BSG beschleunigt, Anämie. Tumormarker wie bei Ovarial-Ca.
• S ono: Aszites, verdickt darstellbare Tube mit Binnenechos, schlechte Ab-
grenzbarkeit von Uterus und Ovar.
• E xplorative Laparotomie: genaues Tumorstaging → peritoneale Aussaat, Be-
fall der Nachbarorgane, Spülzytologie, histologische Sicherung durch Probe-
exzision → Stadieneinteilung entspricht den Ovarial-Ca (▶ 14.9.1).
Therapie 
• O perativer Standard: Hysterektomie, Adnexektomie bds., Netzresektion. Zu-
sätzlich pelvine und paraaortale Lymphonodektomie in Abhängigkeit vom
intraop. Tumorrest.
• C hemother.: wie bei Ovarial-Ca (Schema ▶ 14.9.3).
• H ormonther.: bei pos. Steroidrezeptorstatus (Östrogen- und Progesteronre-
zeptor) hoch dosierte Gestagene wie Medroxyprogesteronacetat (MPA) 2 ×
500 mg/d p. o. in der Palliativsituation möglich.
Prognose  Auf die Tube begrenzt (T1): 70 % 5-JÜR; mit Lk-Metastasen 15 %
5-JÜR.
   14.8  Andere Ovarialtumoren  527

14.7  Funktionelle Ovarialzysten


Kay Goerke
Definition  Hormonaktive Zysten kommen fast nur während der Geschlechtsrei-
fe vor, gehäuft kurz nach der Pubertät und perimenopausal. Wichtigste diagn.
Maßnahmen sind Palpation und Ultraschall (▶ 14.2).
Häufigste Formen 
• F ollikelzyste: nicht gesprungener Graaf-Follikel, meist mit Oligomenorrhö.
DD: Grav. mit Corpus luteum.
• C orpus-luteum-Zyste: meist in der Schwangerschaft.
• L uteinzysten: bei Mehrlingsgrav., Blasenmole, Überstimulation des Ovars
durch Clomifen.
• P olyzystische Ovarien ▶ 15.4.2.

Komplikation: Stieldrehung mit akutem Abdomen


• S ofortige Laparoskopie zur Diagnosesicherung und Behandlung.
• R eposition der Adnexe, Punktion und Abtragung der Zyste.
• B ei guter Durchblutung des Restovars (10 Min. nach Reposition war-
ten!) Eingriff beenden, bei mangelnder Durchblutung Adnektomie.

Diagnose  Sorgfältige Sono, jede Zyste mit groben Binnenechos oder soliden An-
teilen muss histologisch untersucht werden.
Therapie  Abwarten von zwei bis drei Zyklen, dann meist spontane Rückbil- 14
dung, bei Corpus-luteum-Zysten in graviditate spontane Rückbildung im
2.  Trimenon. Bei persistierender Zyste Gestagenther. mit gestagenbetontem
OH (z. B. Marvelon®) oder Primosiston® über 10 Tage. Ein Zyklus mit Gestage-
nen, z. B. Lynestrenol 1  × 5 mg/d p. o. Bei unveränderter Zyste histologische
Abklärung.

KO: Stieldrehung mit akutem Abdomen.

14.8  Andere Ovarialtumoren


Kay Goerke
Etwa 1,5 % aller Frauen entwickeln benigne oder maligne Ovarialtumoren, etwa 2⁄3
aller Ovarialtumoren sind epithelialer Herkunft. Es ist zwischen funktionellen
Zysten (Ursache: Hormonimbalance, meist FSH/LH-Erhöhung, s. o.) und echten
Ovarialtumoren (maligne oder benigne) zu unterscheiden.

14.8.1  Tumoren anderer Genese


Bei allen soliden oder zystisch-soliden Ovarialtumoren ist eine op. Abklärung mit
histologischer Untersuchung (möglichst Schnellschnitt) notwendig, da etwa 25 %
maligne sind (vor der Pubertät etwa 15 %). Intraop. Vorgehen ▶ 14.9.2.
528 14  Adnexe  

Klassifikation der Ovarialtumoren (WHO-Einteilung)


I. Epitheliale Tumoren, ausgehend vom Oberflächenepithel (Mesothel oder
Müller-Keimepithel), die maligne Form ist das Ovarial-Ca:
• S eröse Tumoren (histologisch ähnlich dem Tubenepithel).
• M uzinöse Tumoren (ähnlich Endozervix).
• E ndometroide Tumoren (ähnlich Endometrium).
• K larzellige (= hellzellige) Tumoren (ähnlich Mesonephroid).
• B renner-Tumoren (ähnlich Urothel).
• U ndifferenzierte epitheliale Tumoren.
• G emischte epitheliale Tumoren.
• U nklassifizierte epitheliale Tumoren.
II. Tumoren des sexuell differenzierten Ovarialstromas (= Keimstrang-Stro-
ma-Tumoren), meist hormonproduzierend: Granulosa- und Thekazelltumo-
ren, Androblastome, Sertoli-Leydig-Zell-Tumoren, Gynandroblastome
III. Lipidzelltumoren: Hypernephrom, Luteom.
IV. Keimzelltumoren (ausgehend von der „Eizelle“):
• D ysgerminom.
• D ottersacktumor (= endodermaler Sinustumor).
• E mbryonales Karzinom.
• C horionkarzinom.
• P olyembryom.
• T eratom:
– Unreif.
14 – Reif (a. solides, b. zystisch) z. B. Dermoidzyste, mit oder ohne maligne
Entartung, monodermal (z. B. Struma ovarii).
V. Gonadoblastome (Keimzellen und Zellen der Keimleiste), sehr selten.
VI. Tumoren des nicht sexuell differenzierten Stromas (= bindegewebige
­Tumoren).
VII. Unklassifizierte Tumoren.
VIII. Metastasen: z. B. Krukenberg-Tumor bei Magen-Ca.
IX. Tumorähnliche Prozesse: z. B. Endometriosezysten, entzündliche Verän-
derungen, Follikelzysten.

Besonderheiten 
• G
 roße Fibrome (gutartig) des Ovars gehen häufig (40 %) mit Aszites und
Pleuraerguss (= Meigs-Sy.) einher.
• M
 uzinöse Tumoren können bei Kapselruptur (auch intraop.) zur intraperi-
tonealen Absiedelung führen (Pseudomyxoma peritonei, Gallertbauch). Fol-
ge: Kachexie und Siechtum, rezid. Ileus.
• M
 etastasierende Tumoren: in etwa 80 % beide Ovarien befallen. Primärtu-
mor (absteigende Häufigkeit): Endometrium, Magen, übriger GIT, Mamma.
Selten Zervix, Tube, Pankreas, Gallenblase, Lunge.
• M
 aligne Lymphome können Ovarien prim. oder metastatisch befallen. Al-
tersgipfel < 20 J. Oft als Granulosazelltumoren fehldiagnostiziert.
• D
 ermoidzysten können Schilddrüsengewebe (Struma ovarii) mit autonomen
Anteilen und Hyperthyreose enthalten. Schilddrüsen-Ca im Ovar wurden be-
schrieben.
   14.8  Andere Ovarialtumoren  529

• G
 rav.: In der Schwangerschaft sollten Ovarialtumoren bei Beschwerden oder
fraglicher Dignität entfernt werden, da die Gefahr der Stieldrehung besonders
hoch ist. Ein Abwarten bis zur 16. SSW wird empfohlen, da sich Corpus-lute-
um-Zysten bis dahin meist zurückgebildet haben bzw. bei Persistenz die Pla-
zenta ab der 12. SSW ausreichend Gestagen produziert und der Tumor ohne
Gefahr für die Schwangerschaft entfernt werden kann.
Ist eine Exstirpation unumgänglich (z. B. Stieldrehung) → Hormonsubstitution bis
zur 14. SSW.

14.8.2  Borderline-Veränderungen
Borderline-Tumoren besitzen im Gegensatz zu den invasiven Karzinomen eine
exzellente Prognose. Prognostisch relevant sind Ausbreitungsstadium, Lebensal-
ter, Tumorrest nach Primäroperation und der Nachweis invasiver peritonealer
Implantate. Nichtinvasive Implantate auf der Peritonealoberfläche oder im
Omentum majus sowie Absiedelungen in den regionären Lk finden sich bei 20–
30 % aller serösen Borderline-Tumoren; sie gehen nicht mit einer Verschlechte-
rung der Prognose einher.
Die Lymphonodektomie ist bei unauffälligen Lk nicht indiziert. Wegen der
Möglichkeit eines prim. muzinösen Tumors der Appendix vermiformis sollte
im Rahmen der Staging-Laparotomie bei muzinösen Borderline-Tumoren
vom intestinalen Typ eine Appendektomie erfolgen. Für Borderline-Tumoren,
auch mit Nachweis nichtinvasiver Implantate, wird keine adjuvante Ther.
empfohlen.
Beim Auftreten invasiver Implantate zeigt sich eine Verschlechterung der Prog- 14
nose. Die Ind. zur Chemother. bei Nachweis von invasiven Implantaten wird kon-
trovers diskutiert.
Operativ erfolgt ein sorgfältiges chirurgisches Staging, das neben der radikalen
Tumorentfernung die Inspektion des Abdomens mit Gewinnung von Spülzytolo-
gien, peritonealen Biopsien sowie Omentektomie erfordert. Ziel des op. Vorge-
hens ist die vollständige Resektion des Tumors mit Vermeidung der intraop. Tu-
morzellverschleppung sowie Ruptur.
Bei unilateralem serösem Borderline-Tumor kann ein fertilitätserhaltendes Vor-
gehen gewählt werden, sofern das sorgfältige sonstige Staging neg. ist.

Tab. 14.4  Verteilung der Ovarialtumoren


Typ Häufigkeit (%)

Alle Tumoren Maligne Übergang


­Tumoren benigne/­maligne

Epitheliale Tumoren 65  70

Seröse (seröses Zystade- 50 40 10–20


nom)

Muzinöse 12 10 5–10

Endometroide 3  20 Sehr selten

Klarzelltumoren 5 Keine benignen Formen


530 14  Adnexe  

Tab. 14.4  Verteilung der Ovarialtumoren (Forts.)


Typ Häufigkeit (%)

Alle Tumoren Maligne Übergang


­Tumoren benigne/­maligne

Brenner-Tumoren 1 1 Sehr selten

Keimstrangtumoren 8 12

Granulosazelltumor 2 10 25

Thekazelltumor 1 1 Selten

Androblastom 0,2

Fibrom 4 Selten

Keimzelltumoren 25 2–3 Selten

Dysgerminom 8 1

Dermoid 15 1 Selten

Dottersacktumor 1

Metastasen (▶ 14.8.1) 15

14 14.9  Ovarialkarzinom
Uwe Wagner
Fünfthäufigster maligner Tumor der Frau. Die altersspezifische Inzidenz hat ih-
ren Gipfel im 8. Lebensjahrzehnt, kommt aber in allen Altersstufen vor. Risiko-
faktoren sind hoher sozialer Status, unerfüllter Kinderwunsch. Multiparität
und/oder langjährige OH-Einnahme wirken protektiv. Die Prognose des Ovari-
al-Ca hat sich in den letzten 30 J. erheblich verbessert. Die 5-JÜR hat sich über
alle Stadien auf 50 % verdoppelt. Leider werden jedoch nahezu 75 % der Fälle in
fortgeschrittenen Stadien mit konsekutiv auch weiterhin schlechter Prognose
erkannt.

14.9.1  TNM-/FIGO-Klassifikation
Die histologische Klassifikation entspricht derjenigen der nichtmalignen Ovari-
altumoren (▶  14.8.1). Die Stadieneinteilung richtet sich nach den Befunden bei
Erst-OP (inkl. Zytologie von Aszites, Histologie von Zwerchfellkuppeln, Le-
beroberfläche). Die pTNM-Klassifikation entspricht der TNM-Klassifikation; zu-
sätzlich kann der nach OP verbliebene Resttumor angegeben werden.
Hierbei gilt:
• R 0: Kein Resttumor.
• R 1: Mikroskopischer Rest.
• R 2: Makroskopische Reste.
   14.9  Ovarialkarzinom  531

Tab. 14.5  TNM-/FIGO-Klassifikation des Ovarialkarzinoms


TNM FIGO Befundsituation

T1 I Tumor begrenzt auf Ovarien

T1a IA Tumor auf ein Ovar begrenzt; Kapsel intakt; kein


Tumor auf der Oberfläche des Ovars

T1b IB Tumor auf beide Ovarien begrenzt; Kapsel intakt;


kein Tumor auf der Oberfläche beider Ovarien

T1c IC Tumor begrenzt auf ein oder beide Ovarien mit


Kapselruptur, Tumor an Ovaroberfläche oder ma-
ligne Zellen im Aszites oder bei Peritonealspülung

T2 II Tumor befällt ein oder beide Ovarien und breitet


sich im Becken aus

T2a IIA Ausbreitung auf und/oder Implantate an Uterus


und/oder Tube(n)

T2b IIB Ausbreitung auf andere Beckengewebe

T2c IIC Ausbreitung im Becken (2a oder 2b) und maligne


Zellen im Aszites oder bei Peritonealspülung

T3 und/oder N1 III Tumor befällt ein oder beide Ovarien, mit histolo-
gisch nachgewiesenen Peritonealmetastasen au-
ßerhalb des Beckens und/oder regionären Lk-Me-
tastasen
14
T3a IIIA Mikroskopische Peritonealmetastasen jenseits des
Beckens

T3b IIIB Makroskopische Peritonealmetastasen jenseits des


Beckens, größte Ausdehnung ≤ 2 cm

T3c und/oder N1 IIIC Peritonealmetastasen jenseits des Beckens, größte


Ausdehnung > 2 cm, und/oder regionäre Lk-Me­
tas­tasen

NX – Regionäre Lk können nicht beurteilt werden

N0 – Keine regionäre Lk-Metastasen

N1 – Regionäre Lk-Metastasen

M1 IV Fernmetastasen (ohne Peritonealmetastasen)

14.9.2  Primärtherapie
Operative Therapie
Die Prognose des Ovarial-Ca ist entscheidend von der Radikalität der Erstoperati-
on abhängig. Ziel der op. Ther. ist die möglichst komplette Entfernung aller Tu-
morherde, makroskopische Tumorreste verringern die Prognose erheblich. Ap-
pendektomie (fakultativ) insb. bei muzinöser Histologie, suprakolische Netzresek-
tion, En-bloc-Resektion mit bilateraler Adnektomie, Hysterektomie, Peritonekto-
mie, pelvine und paraaortaler Lymphonodektomie, Peritoneal-PEs sowie Zytologie.
532 14  Adnexe  

Vorgehen 
• N ach apparativem Staging (▶ 14.2) OP-Planung evtl. mit Chirurgen und
Urologen.
• A ufklärung der Pat. über Hysterektomie, Adnektomie, Netzresektion, Ap-
pendektomie, ggf. pelvine und paraaortale Lymphonodektomie, evtl. Anus-
praeter-Anlage.
• A m präop. Tag orthograde Darmspülung (bessere Übersicht, bei der OP am
Darm geringere Infektionsgefahr).
• P räop. Transfusion von 2 EK bei Hb < 10 mg/dl, 6 EK bereitstellen.
• L aparotomie vom Längsschnitt aus, zumindest von Symphyse bis Bauchnabel.
• N ach Eröffnung des Peritoneums vor Manipulation am Tumor zuerst Aszites
asservieren oder Peritoneallavage durchführen. Zytologische Abstriche und/
oder PE von beiden Zwerchfellkuppeln, Leberoberfläche, Beckenwand re und
li, Douglas anfertigen.
• S ystematische Revision der Bauchhöhle: Appendix, Colon ascendens, Le-
beroberfläche, re Zwerchfellkuppel, Leberunterseite, Magen und Oberbauch-
organe, li Zwerchfellkuppel, Colon transversum, Colon descendens, Mesente-
rialalwurzel, Dünndarm, großes Netz, Douglas, Rektum und Blase.
• Je nach makroskopischem Befund Adnexektomie oder Probeexzision zur
Schnellschnittdiagn.
• B ei Malignität Erweiterung des Schnitts li. um den Bauchnabel herum bis
zum Xyphoid. Hysterektomie, Adnektomie beidseits (fakultative Appendek-
tomie), Peritonektomie befallener Areale (Beckenwand, Douglas, parakoli-
sche Rinnen, Zwerchfell), suprakolische Netzresektion, iliakale und paraaor-
14 tale Lymphonodektomie bei makroskopischer Tumorfreiheit.
• B ei Befall weiterer Organe Tumorreduktion (Blasenteilresektion, Kolonresek-
tion, Splenektomie, evtl. Anlage eines Anus praeter).
• G enauen OP-Situs vor und nach OP beschreiben.
Second-Look  Second-Look-OPs sind ohne Vorteil für die Pat. und werden da-
her nicht empfohlen.

• Junge Frauen mit Kinderwunsch und einseitigem Tumor ohne intrape-


ritoneale Metastasen: Ein fertilitätserhaltendes Vorgehen ist bei gesi-
chertem Stadium FIGO 1a mit Grading 1 möglich. Voraussetzung ist ein
adäquates Staging.
•  ei Keimzelltumoren ist das Ziel der chirurgischen Ther. die komplette
B
Tumorresektion, die adäquate Stadieneinteilung und falls möglich die
Erhaltung der Fertilität. Bei Keimzelltumoren ist ab dem Stadium > 1a
eine cisplatinhaltige Chemother. erforderlich (3–4 Zyklen).
•  ei Keimstrang-Stromatumoren des Ovars erfolgt ein definitives op.
B
Staging analog dem Ovarial-Ca. Der Nutzen einer adjuvanten Chemo-
ther. wird bei kompletter OP kontrovers diskutiert.

Chemotherapie
Indikationen 
• F rühes Ovarial-Ca-Stadium 1a, G1: keine adjuvante Chemother. Vorausset-
zung ist adäquates chirurgisches Staging.
   14.9  Ovarialkarzinom  533

• S tadium FIGO 1b, G1: keine ausreichenden Daten vorhanden, um Nutzen ei-


ner adjuvanten Chemother. zu belegen.
• S tadium FIGO I–II: platinhaltige adjuvante Chemother. mit 6 Zyklen.
• F ortgeschrittenes Stadium (2b–4): derzeitige Standardther. Kombination aus
Carboplatin, AUC 5 und Paclitaxel 175 mg/m2 über 3 h i. v., insgesamt 6 Zyk-
len alle 3 Wo. Eine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens kann
durch die Hinzunahme von Bevacizumab (IIIB-IV) erzielt werden. Daten für
eine Verbesserung des Gesamtüberlebens stehen jedoch noch aus.
Ein Ansprechen auf die Ther. findet sich zwischen 70–90 %, Komplettremissionen
sind derzeit in ca. 40 % zu beobachten.
Therapiegrundlagen 
• N eben den allg. NW (Alopezie, Nausea, Knochenmarkdepression) steht bei
Carboplatin in der Kombination mit Paclitaxel vorwiegend die Neurotoxizität
im Vordergrund.
• D osierungen werden nach AUC (Area under the Curve) durch Krea-Clea-
rance und Thrombozytenanzahl festgelegt.
• P erücke mit Pflegezubehör beim ersten Zyklus verschreiben (vor Einsetzen
des Haarausfalls).
• W öchentl. BB-Kontrollen (stationäre Aufnahme bei Leukopenie < 2/nl, Anti-
biotika bei Leukos < 1/nl).
• C hemother. zur Tumorreduktion ist ein experimentelles Vorgehen. Die OP
so früh wie möglich anschließen, da jeder weitere Zyklus die Überlebenszeit
reduziert.
• B ei Abschluss der Primärbehandlung bestehend aus kompletter OP und pla- 14
tinhaltiger Kombinationschemother. folgen weitere klinische Kontrollen.

Tab. 14.6  Chemotherapie bei Ovarialkarzinom


Medikamente Dosierung Applikation

Maligne epitheliale Ovarialtumoren

Frühstadien

Carboplatin Mono AUC 5 Tag 1 Alle 3 Wo.

Fortgeschrittene Stadien

Carboplatin AUC 5 Tag 1

Paclitaxel 175 mg/m2 Tag 1 Alle 3 Wo.

Bevacizumab 15 mg/kg initial zur Standardchemother. (6 Zy- Alle 3 Wo.


klen Paclitaxel 175 mg/m2plus Carbo-
platin AUC 6), anschließend kontinu-
ierlich als Monother. über insges. 15
Mon. oder bis zur Progression

Keimzelltumoren: PEB

Cisplatin 20 mg/m2 Tag 1–5

Bleomycin 30 mg Tag 1, 8 und 15


(­absolut)

Etoposid 100 mg/m2 Tag 1–5 Alle 3 Wo.


534 14  Adnexe  

Strahlentherapie
Die Strahlenther. hat in der Behandlung des Ovarial-Ca nahezu keine Bedeutung
und wurde weitergehend durch die Chemother. verdrängt.
Indikation 
• B estrahlung einzelner inoperabler Herde, Tumorrezidiv, außerdem palliativ
zur Analgesie bei Knochenmetastasen. NW und Hautpflege ▶ 10.7.6.
• L ediglich Dysgerminome und Granulosazelltumoren sind strahlensensibel.
Endokrine Therapie
Rezidive sprechen bis zu 15 % auf Tamoxifen an. Darüber hinaus stehen GnRH-
Agonisten als Palliativther. zur Verfügung. In der Situation des chemotherapiere-
sistenten Frührezidivs belegen randomisierte Studien eine Gleichwertigkeit mit
einer palliativen Chemother. eines Alkylans.

Nachsorge
Je nach Tumor individuelle Abstände der Untersuchung wählen. Bei ausgedehn-
ten Tumoren z. B. bis 5 J. alle 3 Mon., danach alle 6 Mon. Bei jeder Untersuchung:
• V ag. Spiegeleinstellung (Scheidenstumpfrezidiv).
• K olposkopie, Zytologie-Entnahme.
• V ag. und rektale Palpation, Palpation des gesamten Bauchraums (Tumoren,
Aszites), inkl. Leber.
• T ransvag. Sono.
• Inspektion und Palpation der Mammae (1 × jährl. Mammografie).
14 • B ei Rezidivverdacht: Koloskopie, Zystoskopie, MRT Abdomen.
• U mbilikale Metastasen oder Rezidive kommen häufig vor → Inspektion des
Nabels.
Gegen Hormonther. bestehen nach heutigem Wissen keine KI: z. B. Estradiol-Gel
(Gynokadin® Gel oder Tibolon, z. B. Liviella®, bei Karzinomen vom endometro­
iden Typ sicherheitshalber mit einem Gestagenzusatz, z. B.: Presomen comp.® 0,6).

14.9.3  Second-Line-Therapie
Einteilung der Rezidive
• C hemosensible (Platin-Taxan) Tumoren: Rezidivauftreten > 6 Mon. nach
Abschluss der Primärbehandlung.
• C hemorefraktäre Tumoren: Progress unter Ther. oder Rezidiv < 6 Mon. nach
Abschluss der Primärbehandlung.

Platinrefraktäre Tumoren
Bei der systemischen Ther. des refraktären Ovarial-Ca sollte die Erhaltung der Le-
bensqualität im Vordergrund stehen. Eine Kombinationsther. bietet dabei keine
Vorteile gegenüber einer Monother.
Am effektivsten sind Topotecan, pegylisiertes, liposomales Doxorubicin, Gemcit­
abin und Paclitaxel bei nicht mit einem Taxan vorbehandelten Pat.:
• T opotecan 1,5 mg/m2 Tag 1–5 alle 3 Wo.
• P egylisiertes Doxorubicin 40 mg/m2 Tag 1 alle 4 Wo.
• G emcitabin 1.000 mg/m2 Tag 1, 8, 15 alle 4 Wo.
• P aclitaxel 80 mg/m2 Tag 1 jede Wo., nach 8 Wo. Pause von 2 Wo.
   14.9  Ovarialkarzinom  535

Platinsensible Tumoren
Bei der systemischen Ther. des platinsensiblen Ovarialkarzinomrezidivs sollte zu-
vor die Operabilität geprüft werden. Bei der Aussicht einer vollständigen Resekti-
on sollte die op. Ther. erwogen werden. Bezüglich der Systemther. ist die platin-
haltige Kombinationsther. der Platinmonother. überlegen.
Am effektivsten sind als Kombination Carboplatin/Paclitaxel, Carboplatin/Gem-
citabin und Carboplatin/pegyliertes liposomales Doxorubicin:
• C arboplatin AUC 5 Tag 1.
• P aclitaxel 175 mg/m2 Tag 1 alle 3 Wo.
oder:
• C arboplatin AUC 4 Tag 1.
• G emcitabin 1.000 mg/m2 Tag 1 und 8 alle 3 Wo.
oder:
• C arboplatin AUC 5 Tag 1.
• p egyliertes liposomales Doxorubicin 30 mg/m2 Tag 1 alle 4 Wo.
Bei KI einer Kombinationsther. ist Carboplatinmonother. Ther. 1. Wahl Carbo-
platin Mono AUC 5 Tag 1 alle 3 Wo.

14
15 Sterilität
Axel Valet

15.1 Leitsymptome  538 15.4  terilitätsursachen


S
15.2  iagnostische
D und Therapie  553
­Methoden  538 15.4.1 Primäre
15.2.1 Sterilitätsanamnese  538 ­Ovarialinsuffizienz  554
15.2.2 Untersuchung  539 15.4.2 Sekundäre
15.2.3 Basaltemperaturkurve ­Ovarialinsuffizienz  555
(BTK)  539 15.4.3 Therapie der
15.2.4 Labor  540 ­Follikelreifungsstörung  563
15.2.5 Ultraschall  541 15.4.4 Zervixfaktor  565
15.2.6 Funktionstests  541 15.4.5 Tubare und uterine
15.2.7 Zervixindex nach Insler ­Sterilität  566
­(Insler-Score)  545 15.4.6 Andrologischer Faktor  567
15.2.8 Spermaanalyse 15.5 Spezielle therapeutische
­(Spermiogramm)  546 Maßnahmen  570
15.2.9 Postkoitaltest (PCT), 15.5.1 Artifizielle Insemination  570
­Postinseminationstest (PIT), 15.5.2 In-vitro-Fertilisation
Kurzrok-Miller-Test  549 (IVF)  572
15.2.10 Hysteroskopie und 15.5.3 Intrazytoplasmatische
­Hysterosalpingografie  550 ­Spermieninjektion (ICSI)  575
15.2.11 Diagnostische Laparoskopie 15.5.4 Spezielle Spermagewinnung:
mit Chromopertubation  551 MESA/TESE  576
15.3 Normaler Zyklus  552 15.5.5 Mikrochirurgische
15.3.1 Physiologie  552 ­Sterilitätslaparotomie  576
538 15  Sterilität  

15.1  Leitsymptome
• P rim. Sterilität: Trotz Kinderwunsches und regelmäßiger Kohabitationen
kommt es innerhalb eines Jahres nicht zum Eintritt einer Schwangerschaft.
• S ek. Sterilität: Bei Z. n. einer oder mehreren Schwangerschaften (Geburten,
Aborten, EUG) tritt trotz erneuten Kinderwunsches und regelmäßigen Ge­
schlechtsverkehrs über längere Zeit keine Schwangerschaft ein.
• I nfertilität: Unvermögen, nach Empfängnis die Frucht auszutragen und zu
gebären (Impotentia generandi).

Tab. 15.1  Häufigkeitsverteilung der weiblichen Sterilitätsursachen


Ovariell 30–40 %

Tubar 30–40 %

Uterin (Korpus) 10 %

Zervikal 7–10 %

Vaginal 6 %

Extragenital 1 %

Psychisch 1 %

Ohne Befund (idiopathisch) 10–15 %

(Aus: Diedrich, K.: Neue Wege in Diagnostik und Therapie der Sterilität. Stuttgart:
Enke 1990)

Normalerweise kommt es bei fertilen Männern und normalem GV ohne gezielte


Einhaltung des Konzeptionsoptimums innerhalb eines Jahres in 80–85 % zur
Konzeption der Partnerin. In Deutschland bleiben ca. 12–15 % der Ehen unge­
15 wollt kinderlos. Die Sterilitätsursache liegt in 30 % der Fälle bei der Frau und zu
30 % beim Mann, in 30 % sind beide Ehepartner beteiligt. In ca. 10 % der Fälle
kann die Ursache der Sterilität nicht geklärt werden.

15.2  Diagnostische Methoden


15.2.1  Sterilitätsanamnese
• G
 ynäkologische Anamnese: Dauer des Kinderwunsches, Anzahl der Kohabi­
tationen/Wo., bisherige Diagn., frühere Adnexitis, Geschlechtskrankheiten,
Endometriose, Abrasiones, abdominale OP (Myom, Ovarialtumoren, Append­
ektomie).
•  yklusanamnese: Menarche, Blutungsstörungen (▶ 13.1.1), Ovulationen
Z
(BTK mono- oder biphasisch), vorausgegangene Schwangerschaften (Gebur­
ten, Aborte, Interruptiones, EUG; Zyklusanamnese ▶ 13.1).
•  llg. Anamnese: Diab. mell., Hypertonie, Schilddrüsenerkr. (Hypo-, Hyper­
A
thyreose), Adipositas, M. Cushing, Inf. (Hepatitis, Tbc), chron. Leber-, Nie­
renerkr., OP (z. B. Appendektomie, Cholezystektomie), Medikamente, Ab­
usus (Nikotin, Alkohol).
   15.2  Diagnostische Methoden  539

• P artneranamnese: Spermiogrammbefund, Orchitis (Mumps?), OP (z. B. we­


gen Kryptorchismus), Medikamente.

15.2.2  Untersuchung
Gynäkologische Untersuchung 
• M amma: Größe, Galaktorrhö, Exprimat, perimamilläre Behaarung.
• S chambehaarung: ansteigend bis Nabel, Übergang auf Oberschenkel
(▶ Abb. 18.4).
• V ulva, Klitoris: Genitalhypoplasie, -hypertrophie.
• V agina: Länge, Weite, Nativabstrich (▶ 11.2.3).
• P ortio, Zervix: zytologischer Abstrich (Pap) mit Hormongrad, Zervixschleim
(Insler-Score ▶ 15.2.7).
• U terus: Größe, Lage, Beweglichkeit, Myome.
• T uben: verdickt, schmerzhaft, Ovarien (z. B. seitengleich, vergrößert).
• D ouglas-Raum: z. B. tastbare Endometrioseknötchen.
Klinische Untersuchung 
Gewicht, Größe (Adipositas, Hoch-, Kleinwuchs; ▶ 18.4.3), Anzeichen für Schild­
drüsenerkr. oder M. Cushing.
• Androgenisierungserscheinungen mit:
– Hirsutismus: vermehrte Behaarung an Oberlippe, Wange, Unterkiefer,
Hals, prästernal, perimamillär, ansteigende Schambehaarung zum Nabel,
obere und untere Extremitäten.
– Hypertrichose: androgenunabhängige Wachstumsvermehrung der Haare
an Ober- und Unterschenkel oder ganzem Körper, z. B. beim Ullrich-Tur­
ner-Sy. (▶ 15.4.1).

15.2.3  Basaltemperaturkurve (BTK)


Indikationen  Ovulationshinweis bei biphasischem Verlauf. Bei monophasischer 15
BTK V. a. anovulatorischen Zyklus. (Cave: Bei 10 % der physiologischen Zyklen
monophasische BTK, zusätzliche Laborkontrollen erforderlich; Anstieg des E2 in
der Zyklusmitte bis 350 ng/l bzw. des Progesterons > 10 μg/l in der 2. Zyklushälfte
beweist eine abgelaufene Ovulation). Beurteilung der Lutealphase nach Art des
Temperaturanstiegs und Dauer der hyperthermen Phase. BTK und Kontrazepti­
on ▶ 16.1.2.
Durchführung  ▶ 16.1.2.
Beurteilung  Biphasischer Temperaturverlauf liegt vor, wenn die Temperatur
(durch thermogenetischen Effekt des Progesterons) an 3 aufeinanderfolgenden
Tagen um mind. 0,3–0,5 °C höher liegt als an den 7 vorausgegangenen Tagen
(▶ Abb. 15.1). Treppenförmiger Temperaturanstieg und Verkürzung der hyper­
thermen Phase auf < 8–10 Tage sprechen für eine Lutealinsuff. Cave: Temperatur­
anstieg auch beim LUF-Sy. (luteinization of unruptured follicle) → Follikel luteini­
siert prim. (produziert also Progesteron), ohne zu rupturieren und in ein Corpus
luteum überzugehen (▶ 15.4.2).
540 15  Sterilität  

°C
37,3

37,2

37,1

37,0

36,9

36,8

36,7

36,6
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28
Zyklustage

Abb. 15.1  Normale Basaltemperaturkurve (BTK) [L190]

15.2.4  Labor
• Z u Beginn jeder Sterilitätsdiagn. Basishormonstatus bestimmen.
• B B, Lues-Serologie, HIV (vorgeschrieben bei Maßnahmen zur künstlichen
Befruchtung, HIV-Test beim Partner), Hepatitis- und Rötelnserologie (lt.
­STIKO gilt der Rötelnschutz als sicher, wenn zwei Impfungen erfolgt sind, da­
her Rötelnserologie obsolet. Falls der Impfpass nicht vorliegen sollte → nach­
impfen!), Schilddrüsenhormonwerte (TSH basal, fT4, fT3), Toxoplasmose.

Tab. 15.2  Hormonbestimmung in der Sterilitätsdiagnostik


Abnahme Referenzbereich/ Indikation
15 Interpretation

LH 3.–7. ZT (ggf. ge- 2–20 U/I: Follikel- + Lu- Amenorrhöen/Oligome-


pooltes Serum tealphase ≤ 100 IE/I: norrhöen, Ovulationsvo-
von 3 Proben in- Mittzyklusgipfel raussage, Androgenisie-
nerhalb 1 h) rung

FSH 3.–7. ZT 2–8 IEU/I: Follikel- + Hypothalamisch-hypo-


Lutealphase ≤ 25 IEU/I: physäre Ovarialinsuff.,
Mittzyklusgipfel Climacterium praecox,
­20–100 IE/I: Postmeno- Anovulation, Androge-
pause nisierung

Progesteron 22./23. ZT bzw. 0,2–1,0 μg/l: außerhalb Nachweis erfolgter Ovu-


am Tag +5/+7/+10 der Lutealphase lation, Corpus-luteum-
nach Ovulation 6–25 μg/l: Lutealphase Insuff.

Estradiol 3.–7. ZT 30–350 pg/ml: zyklus- Amenorrhö, Ther.über-


phasenabhängig, mitt- wachung bei Stimulation
zyklischer (präovulato-
rischer) Gipfel
10–35 pg/ml: Postme-
nopause
   15.2  Diagnostische Methoden  541

Tab. 15.2  Hormonbestimmung in der Sterilitätsdiagnostik (Forts.)


Abnahme Referenzbereich/ Indikation
Interpretation

Prolaktin 22./23. ZT 4–5 h 3–16 μg/l; Amenorrhöen/Oligome-


nach dem Aufwa- 50–250 μg/l: V. a. Mi­ norrhöen, Anovulation,
chen, vorher kei- kroadenom V. a. prolaktinämische
ne Brustpalpation > 250 μg/l: V. a. Ma­ Ovarialinsuff., Galaktor-
kroadenom rhö (▶ 15.4.1)

Testosteron 3.–7. ZT frühmor- 0,3–1,1 μg/l: Erhöhung V. a. PCO, V. a. hyperand-


gens, bei erhöh- häufig stressbedingt rogenämische Ovarialin-
tem Wert gepool- (→ Kontrolle im nächs- suff., Androgenisierung
tes Serum aus 3 ten Zyklus, evtl. Pool- (▶ 15.4.1 und ▶ 17.4)
Blutproben inner- serum) > 7 μg/l: V. a.
halb 1 h androgenproduzieren-
den Tumor

DHEA-S 3.–7. ZT, frühmor- 0,5–4,7 mg/l; V. a. PCO, V. a. hyperand-


gens > 7,5 mg/l: V. a. andro- rogenämische Ovarialin-
genproduzierenden suff., Androgenisierung
Tumor

Androsten- 3.–7. ZT, frühmor- 0,5–2,5 μg/l: zyklusab- V. a. PCO, V. a. hyperand-
dion gens hängig, in Lutealphase rogenämische Ovarialin-
höher suff., Androgenisierung

Sexualhor- Zusammen mit 8,7–26,1 μg/l; Erhö- Hohes Testosteron und


monbinden- Testosteron, hung z. B. bei OH- niedriges SHBG → hoher
des Globu- DHEA-S und oder Schilddrüsenhor- Anteil freien Testoste-
lin (SHBG) ­Androstendion moneinnahme; Ernied- rons mit entsprechender
rigung: V. a. metaboli- peripherer Wirkung am
sches Sy., oGTT Endorgan (Haut → Akne;
durchführen Haar → Alopecia andro-
genetica). Ggf. Bestim-
mung des freien Testos- 15
terons

15.2.5  Ultraschall
Unverzichtbar für die Kontrolle des Spontanzyklus und für das Zyklusmonitoring
beim stimulierten Zyklus. Der einzig 100-prozentig sichere Ovulationsnachweis
ist – mit Ausnahme der Laparoskopie – nur durch Ultraschall möglich. Sprungrei­
fer Follikel: Durchmesser ca. 20 mm, unter Clomifenstimulation ca. 22 mm.
Untersuchungsablauf und Beurteilung ▶ 21.1.1 und ▶ 21.2.1.

15.2.6  Funktionstests
Gestagen-Test
Definition  Auslösung einer Entzugsblutung nach vorheriger sekretorischer Um­
wandlung durch Gestagene zum Nachweis eines bereits vorher unter endogenem
Östrogeneinfluss proliferierten Endometriums.
542 15  Sterilität  

Indikationen  Prim. oder sek. Amenorrhö; Terminierung der Menstruation


(Verschiebung oder Vorverlegung).
Durchführung  Nach Graviditätsausschluss Gabe von
• D ydrogesteron 2 × 10 mg/d p. o. über 10 Tage (Duphaston®).
• M edroxyprogesteronacetat 5 mg/d p. o. über 10 Tage (MPA Gyn 5).
Beurteilung 
• P os.: Entzugsblutung setzt innerhalb von 1 Wo. nach Absetzen der Gestagene
ein. Der Test gilt auch bei geringer Blutung als pos. Meist tritt die Blutung
3 Tage nach Absetzen auf.
• N eg.: keine Blutung, z. B. bei ungenügendem Endometriumaufbau infolge
von Östrogenmangel (Ovarialinsuff.), Verlust des Endometriums (z. B. nach
mehreren Kürettagen = Asherman-Fritsch-Sy.) oder Uterusfehlbildung (s. u.).

Östrogen-Gestagen-Test
Definition  Nachweis von funktionsfähigem Endometrium.
Indikationen  Prim. oder sek. Amenorrhö bei neg. Gestagen-Test.
Durchführung  Nach Graviditätsausschluss Gabe eines Ovulationshemmers
(z. B. Marvelon®).
Beurteilung 
• Pos.: Blutungen – auch geringe – innerhalb 1 Wo. nach Absetzen der Östro­
gene und Gestagene.
• N eg.: keine Blutung V. a. fehlendes funktionsfähiges Endometrium (rudi­
mentärer Uterus bei Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Sy.; Z. n. mehrfachen
Abrasiones, Synechien, Z. n. Tbc). Wiederholung des Tests mit doppelter Ös­
trogendosis.

LH-RH-Test
Definition  Überprüfung der Stimulierbarkeit des Hypophysenvorderlappens
15 (HVL) durch Gabe von LH-RH.
Indikation  V. a. hypothalamisch-hypophysäre Ovarialinsuff.
Durchführung  Blutentnahme (LH, FSH) vor LH-RH Gabe, dann Gonadorelin
0,1 mg langsam i. v. (Relefact® LH-RH). Blutentnahme (LH, FSH) 20, 40 und
60 Min. danach, fakultativ nach 2 und 3 h.
Beurteilung  ▶ Abb. 15.2
• P os.: LH-Anstieg nach 20–40 Min. auf das 4-Fache. Nach Leyendecker kann
unterschieden werden in:
– Adulte (normale) Reaktion: Sekretion von LH > FSH (Geschlechtsreife).
– Präpuberale Reaktion: Sekretion LH ~ FSH (Kindesalter).
• N eg.: keine Sekretion von LH und FSH bei schwerer hypothalamisch-hypo­
physärer Amenorrhö, Läsion von Hypothalamus und Hypophysenstiel.

Dexamethason-Test
Definition  Differenzierung einer NNR-Überfunktion. Bei Hyperandrogenämie
wird der adrenale Anteil durch Dexamethason gehemmt, sodass der verbleibende
Hormonanteil den Ovarien zuzurechnen ist.
Indikationen  Hyperandrogenämie; V. a. NNR-Überfunktion (NNR-Tumor).
   15.2  Diagnostische Methoden  543

50 Fehlende Reaktion Präpuberale Adulte Reaktion


mIE Reaktion
0,1 mg
LH-RH
40

0,1 mg
LH-RH
30

0,1 mg
LH-RH LH
20

FSH FSH
10
LH LH
FSH
0
0 1 2 3 Std. 0 1 2 3 Std. 0 1 2 3

Abb. 15.2  LH-RH-Test [L190]

Durchführung 
• K urztest (Night Suppression Test): Dexamethason 3 mg p. o. (z. B. Forte­
cortin®) um genau 23:00 Uhr. Am nächsten Morgen 8:00–9:00 Uhr Bestim­
mung von Kortisol, DHEA-S, Androstendion, Testosteron, 17α-OH-
Progesteron, Progesteron.
• Z weiwochentest: Bei nicht eindeutig neg. Ergebnis Dexamethason 4 ×
0,5 mg/d p. o. (z. B. Fortecortin®) über 14 Tage. Vorher und am 15. Tag je­
weils um 8:00 Uhr Bestimmung von (freiem) Testosteron,
5α-Dihydrotestosteron (DHT), DHEA-S, Androstendion, 17α-OH-
Progesteron und Progesteron.
Beurteilung 
15
• K urzzeittest:
– Kortisolsuppression < 30 μg/l: normal.
– > 30 μg/l: V. a. autonomen Hyperkortisolismus.
• Z weiwochentest:
– Normal: Suppression der ACTH-Ausschüttung und damit der adrenalen
Kortisol- und Androgenproduktion (DHEA-S < 400 μg/l, Kortisol
< 30 μg/l).
– Keine Suppression: V. a. autonome NNR-Tumoren oder ektope ACTH-
Bildung. Erhöhtes DHEA-S spricht eher für adrenalen und erhöhtes
Testo­steron eher für ovariellen Ursprung.

ACTH-Kurztest
Definition  Überprüfung der Hormonreserven der NNR. Gerade Late-Onset-
AGS-Veränderungen lassen sich oft nicht durch die einfache Serumbestimmung
nachweisen.
Indikationen  V. a. prim. oder sek. NNR-Insuff., Nachweis eines Enzymdefekts in
der Nebenniere (V. a. AGS ▶ 17.3).
544 15  Sterilität  

Durchführung 
• 8 :00 Uhr morgens nüchtern in der 1. Zyklushälfte Bestimmung von Kortisol,
DHEA-S, 17α-OH-Progesteron, 17α-OH-Pregnenolon, 21-Desoxykortisol,
11-Desoxykortisol, Kortikosteron, Desoxykortikosteron.
• G abe von 25 IE ACTH (Synacthen® Injektionslsg.) i. v.
• H ormonbestimmung 30, 60 und 120 Min. nach Injektion.
Beurteilung 

Tab. 15.3  Beurteilung des ACTH-Kurztests


21-β-Hydroxylase- 11-β-Hydroxylase- 3-β-Hydroxysteroid-
Mangel (10 %) Mangel (80 %) Dehydrogenase-
Mangel (10 %)

Nativ 60 Min. Nativ 60 Min. Nativ 60 Min.


nach nach nach
­ACTH-Gabe ACTH-Gabe ­ACTH-Gabe

17-Hydroxy- Normal ↑ Normal Normal Normal Normal


progesteron bis ↑ bis ↑

17-Hydroxy- Normal Normal Normal Normal Normal ↑


pregnonolon bis ↑
vs. 17-Hyd-
roxyproges-
teron

21-Desoxy- Normal ↓ Normal Normal Normal ↑


kortisol bis ↓ bis ↑

11-Desoxy- Normal Normal Normal ↑ Normal Normal


kortisol bis ↑

15 Clomifen-Test
Indikation  Überprüfung der hypothalamisch-hypophysären Funktion.
Durchführung  Basale Blutentnahme am 5. ZT (LH und Estradiol), Clomifen
100 mg/d p. o. (z. B. Clomifen ratiopharm® 2 × 1 Tbl.) vom 5.–9. ZT, Bestimmung
von LH und Estradiol am 10. ZT.
Beurteilung 
• P os.: LH und Estradiol steigen nach 5 Tagen auf mind. das Doppelte.
• G leichzeitiger LH- und Estradiolanstieg → intakte Hypothalamus-Hypophy­
sen-Ovar-Achse.
• L H-Ausschüttung erhöht, Estradiol konstant → nicht ansprechende Ovarien.
• M angelhafter LH-Anstieg → Störung im Bereich von Hypothalamus und Hy­
pophyse.

Metoclopramid-Test
Indikation  Ausschluss bzw. Nachweis einer latenten Hyperprolaktinämie.
Durchführung  Möglichst in der Mitte der Sekretionsphase durchführen
(2.  Zyklusphase, post ovulationem, meistens ca. 20.–22.  ZT). Frühestens 4  h
   15.2  Diagnostische Methoden  545

nach dem Aufstehen beginnen (Liegen auf der Brust kann die Prolaktinwerte
verfälschen).
• B estimmung des basalen Prolaktinwerts.
• Injektion von Metoclopramid 10 mg i. v. (z. B. Paspertin®).
• 2 5 Min. nach Metoclopramid-Injektion erneute Prolaktinbestimmung.
Beurteilung 
• N ormaler Basalwert 2–20 μg/l
• S timulierter Wert < 200 μg/l.

15.2.7  Zervixindex nach Insler (Insler-Score)


Indikationen  Beurteilung der Zervixschleimqualität als indirekten Parameter
der Follikelreifung und als Voraussetzung für die Durchführung des immunologi­
schen Sperma-Mukus-Tests (SCMC-Test, Kurzrok-Miller-Test). Zur Beurteilbar­
keit eines Postkoital-(PCT, Sims-Huhner-) oder Postinseminationstests (PIT)
muss der Zervix-Score mind. 8 Punkte betragen.
Prinzip  Unter zunehmendem Östrogeneinfluss des heranreifenden Follikels
(max. während Ovulation) nimmt die Zervixschleimmenge zu und die Viskosität
ab → Schleim wird spinnbar und bildet beim Trocknen auf dem Objektträger
Kristalle im Farnkrautmuster (▶ Abb. 15.3).

0 1

15

2 3

Abb. 15.3  Ausprägung des Farnkrautphänomens [L190]


546 15  Sterilität  

Tab. 15.4  Insler-Score


Punktezahl 0 1 2 3

Zervikalse- Kein Sekret Wenig Sekret Vermehrt glänzen- Reichlich Sekret


kretmenge der Tropfen im CK fließt spontan
aus dem CK

Mutter- Geschlossen Geschlossen Teilweise offen, Offen, Os exter-


mundweite leicht sondendurch- num klaffend
gängig

Spinnbarkeit Keine Auf ¼ der Gut ½ der Schei- Sehr gut bis vor
Scheidenlänge denlänge die Vulva

Farnkraut- Keines Feine Linien an Gutes Farnkraut- Volles Farn-


phänomen einigen Stellen phänomen mit seit- krautphänomen
lichen Verzweigun- über das gesam-
gen te Präparat

Beurteilung Periovulatorisch optimal 10–12 Punkte


­Mäßig 8–10 Punkte
Schlecht < 8 Punkte

15.2.8  Spermaanalyse (Spermiogramm)

Ejakulat besteht aus Spermien und Sekret der Samenblasen, Prostata und in
geringem Maße der bulbourethralen Cowper-Drüsen. Aufgrund hoher in­
traindividueller Schwankungsbreite mind. 2(–3) Spermiogramme während
3 Mon. untersuchen.

15 Ejakulat
Gewinnung
Erfolgt unter standardisierten Bedingungen. Nach sexueller Karenzzeit von
4–5 Tagen Gewinnung des Ejakulats am Ort der Untersuchung durch Masturba­
tion und Auffangen in einem sterilen Gefäß (ausnahmsweise auch körperwarmer
Transport innerhalb1–2 h möglich).
Morphologie
• N ativpräparat: 1 Tr. verflüssigtes Sperma auf Objektträger mit Deckglas. Be­
urteilung mit Phasenkontrastmikroskop (200- bis 400-fache Vergrößerung).
• B eurteilung: Verklumpungen, Kontamination mit Erys, Leukos, Bakterien,
Epithelien, Trichomonaden, Spermatogenesevorstufen.

Tab. 15.5  Physikalisch-chemische Eigenschaften des Ejakulats


Parameter Normalwerte (WHO) Interpretation

Ejakulatvolumen 2–8 ml Maß für androgenabhängige funktio-


nelle Aktivität der akzessorischen Ge-
schlechtsdrüsen

Konzentration 20 Mio. Spermien/ml Normale Spermiogenese


   15.2  Diagnostische Methoden  547

Tab. 15.5  Physikalisch-chemische Eigenschaften des Ejakulats (Forts.)


Parameter Normalwerte (WHO) Interpretation

pH-Wert 7,0–7,8 pH > 8 → V. a. akut entzündliche


­Adnexerkr.

Geruch Kastanienblütenähnlich Süßlich, faulig → V. a. bakterielle


­Kontamination (z. B. E. coli)

Farbe Milchig-weiß Gelblich-gallertig → Pyospermie


Rötlich → Hämospermie

Verflüssigung 15–30 Min. Fehlende Verflüssigung bei pathologi-


schem Prostatasekret oder Verschluss
der Bläschendrüsen

Biochemische Parameter
• F ruktose: normal 1,2–5,0 g/l; pathologisch < 1,2 g/l → Subfertilität. Marker­
substanz für Bläschendrüsenfunktion, androgenabhängig.
• S aure Phosphatase: normal 200–800 U/ml; Markerenzym der Prostatafunktion.
• K arnitin: Markersubstanz der Nebenhodenfunktion.
• A krosin: Schlüsselenzym für Penetrationsfähigkeit der Spermien in Zona pel­
lucida.
Spermien
Motilität
• N ativpräparat frühestens 30 Min. nach Ejakulatgewinnung.
• B eurteilung (400-fache Vergrößerung) der Spermienbeweglichkeit bei Zim­
mertemperatur in 20 Gesichtsfeldern. Normal: Globalmotilität ≥ 50 %, Pro­
gressivbeweglichkeit ≥ 30 %, Motilitätsabfall nach 4 h ≤ 15 %.

Tab. 15.6  Spermamotilität (WHO-Klassifikation, 1999) 15


WHO-Gruppe A Progressivmotilität ≥ 25 μm/s bei 37 °C
Progressivmotilität ≥ 20 μm/s bei 20 °C

WHO-Gruppe B Progressivmotilität ≤ 25 μm/s bei 37 °C


Progressivmotilität ≤ 20 μm/s bei 20 °C

WHO-Gruppe C Keine progressive Motilität, < 5 μm/s

WHO-Gruppe D Vitale, immotile Spermatozoen

25 μm entsprechen 5 Kopflängen oder die Hälfte einer Schwanzlänge, Untersuchung


an 200 Spermatozoen. Normal: Gruppe A > 25 % der Spermien, Gruppe A + B
> 50 % der Spermien.

2010 wurden neue Referenzwerte der WHO zum Spermiogramm veröffentlicht


(▶ Tab. 15.7).
Spermiendichte
Auszählung der Spermienanzahl/ml Ejakulat nach Verdünnung mit Aqua dest.
1 : 10 oder 1 : 20 in einer Neubauer-Zählkammer. Normal 20–250 Mio./ml bzw.
Gesamtspermienzahl 40 × 106 Spermatozoen pro Ejakulat.
548 15  Sterilität  

Tab. 15.7  Referenzwerte für ein Spermiogramm nach WHO 2010


Ejakulatvolumen ≥ 1,5 ml (1,4–1,7)

pH-Wert ≥ 7,2

Spermienkonzentration ≥ 15 Mio. Spermatozoen/ml

Spermiengesamtzahl ≥ 39 Mio. Spermatozoen

Beweglichkeit ≥ 40 % progressiv motile Spermatozoen

Morphologie Kein Referenzwert angegeben, aber der Hinweis, dass bei


< 15 % Normalformen die Fertilisierungsraten in vitro ab-
sinken (früherer Referenzwert: mind. 30 % Normalformen)

Anteil lebender Spermi- ≥ 50 %


en (Eosin-Test)

Spermatozoen-Antikörperbestimmung

• Mixed Antiglobulin < 50 % Spermien mit anhaftenden Partikeln


Reaction (MAR)

• Immunobead Test (IBT) < 50 % Spermien mit anhaftenden Partikeln


Leukozyten < 1 Mio./ml

Spermatozoenmorphologie
Am gefärbten Ausstrich (z. B. Pap, HE) 200 Spermatozoen auszählen. Normal
> 50 % morphologisch unauffällig.

Spermienparameter außerhalb der Normwerte bedeuten nicht zwangsläufig


Infertilität, da Übergänge fließend! Ausnahme: Bei Azoospermie besteht In­
fertilität.
15
Tab. 15.8  Terminologie
Aspermie = Kein Sperma

Hypospermie = Zu wenig Sperma (< 2 ml)

Hyperspermie = Zu viel Sperma (> 8 ml)

Azoospermie = Keine Spermatozoen

Kryptozoospermie = Nur vereinzelt Spermatozoen

Oligozoospermie = < 20 Mio. Spermatozoen/ml

Polyzoospermie = > 250 Mio. Spermatozoen/ml

Asthenozoospermie = Verminderte Motilität < 50 % (Morphologie


und Anzahl o. B.)

Teratozoospermie = > 50 % abnorme Spermatozoen

Nekrozoospermie = Nur tote Spermatozoen

OAT-Sy. = Oligo-Astheno-Teratozoospermie
   15.2  Diagnostische Methoden  549

15.2.9  Postkoitaltest (PCT), Postinseminationstest (PIT),


Kurzrok-Miller-Test
Postkoitaltest (Sims-Huhner-Test)
Indikation  V. a. Penetrationsstörung der Spermien durch den Zervixmukus.
Differenzialdiagnosen  Schlechte Mukusqualität durch ungenügende Östrogen­
stimulation (Dysmukorrhö); Zervizitis (Mykoplasmen, Chlamydien); Z. n. Zer­
vixverletzung (z. B. Emmet-Riss); Z. n. Konisation; Sperma-Ak.
Durchführung  Periovulatorisch (Insler-Score > 8) Entnahme von etwas Zervix­
schleim, möglichst hoch aus dem CK 6–12 h nach Koitus; Beurteilung der Sper­
mienbeweglichkeit und -anzahl unter dem Mikroskop (Nativ auf Objektträger;
400-fache Vergrößerung).
Auswertung 
• P os.: > 7 vorwärts bewegliche Spermien pro Gesichtsfeld.
• E ingeschränkt: 2–6 vorwärts bewegliche Spermien.
• N eg.: unbewegliche oder keine Spermien.
Postinseminationstest
Gleiches Vorgehen wie bei PCT, nur nach intrazervikaler oder intrakavitärer In­
semination.

Zervix- Sperma Zervix- Fremd- Fremd- Sperma


schleim des schleim Sperma Zervix- des
der Pat. Partners der Pat. (sicher schleim Partners
fertil) (fertil)

15

Ergebnisse

negativ positiv negativ


Pallisaden-Phänomen gute Propulsion Shaking-Phänomen

Abb. 15.4  Kurzrok-Miller-Test [L190]


550 15  Sterilität  

Kurzrok-Miller-Test (= gekreuzter Spermienpenetrationstest)


Objektträgertest zum Invasionsvermögen der Spermien im Zervixschleim
(▶ Abb. 15.4).
Indikationen  V. a. Sperma-Ak in Sperma oder Mukus.
Durchführung  Am Ovulationstermin Aspiration von Zervixschleim mit Tuber­
kulinspritze. Mukus darf keine Spermien enthalten (3 Tage Karenz). Aufbringen
auf Objektträger mit Deckgläschen und Zugabe von Sperma des Partners (an­
schließend Spendersperma auf Objektträger und Mukus zugeben).
Beurteilung  Invasion vorwärts beweglicher Spermien in den Zervixschleim.
Path.: Anhäufung immobiler Spermien an der Sperma-Mukus-Grenze oder
Shaking (d. h. nur ortsständige immobile oder agglutinierte Spermien im Mu­
kus).

15.2.10  Hysteroskopie und Hysterosalpingografie


Hysteroskopie
Definition  Uterusspiegelung zur Beurteilung des Cavum uteri.
Indikationen  V. a. intrauterine Synechien, Septen, submuköse Myome, Korpus­
polypen (Tubenostienfreiheit), Uterusfehlbildungen. V.a. Asherman-Fritsch-Sy.
Vorbedingung  Durchführung in der 1. Zyklushälfte, vag. Desinfektion.
Durchführung 
• K urznarkose nicht obligat, aber empfehlenswert.
• P alpation, Einstellung der Portio, Desinfektion, Einführen des Hysteroskops
(Optik). Zervixdilatation meistens nur in geringem Ausmaß erforderlich
(z. B. Hegar 5).
• A uffüllung des Cavum uteri mit Ringer-Lsg. oder CO2-Gas.
• B eurteilung des Cavum uteri.
15
Mit dem OP-Hysteroskop sind auch gezielte Gewebsentnahmen, Abtragun­
gen von Septen, Myomen und Polypen möglich (bei erforderlicher monopo­
larer Koagulation muss e’lytfreie Flüssigkeit zum Spülen und zur Dilatation
verwendet werden, z. B. Purisole®). Inzwischen sind bipolare Resektoskope
verfügbar, Dilatation meist bis Hegar 9 erforderlich.

Hysterosalpingografie
Definition  Rö-Kontrastdarstellung des Cavum uteri und der Tuben. Kombinati­
on von Hysteroskopie und diagn. Laparoskopie mit Chromohydropertubation
(▶  15.2.11) heute bevorzugt (keine Strahlenbelastung, Eiabnahmemechanismus
klärbar).
Indikationen  Darstellung des Cavum uteri bei V. a. intrauterine Adhäsionen
(Synechien), Septen, Myome. Ausschluss eines Tubenverschlusses und Lokalisati­
on desselben (z. B. intramural, isthmisch, ampullär), auch vor Durchführung ei­
ner Refertilisierungs-OP.
   15.2  Diagnostische Methoden  551

Voraussetzung 
• D urchführung in der 1. Zyklushälfte (7.–10. ZT).
• A ntibiotische und/oder antiseptische Vorbehandlung der Vagina mit Vagi­
nalzäpfchen (z. B. Fluomizin®, Vagiflor®).
• A usschluss entzündlicher Adnexerkr. (Palpation, BSG, Leukos, CRP).
• A usschluss einer Kolpitis (Nativzytologie), Reinheitsgrad (▶ 13.2.4).
• K eine Kontrastmittelallergie.
Durchführung 
• K urznarkose nicht obligat, aber häufig empfehlenswert (Schmerzen können
Tubenspasmus auslösen).
• B imanuelle Untersuchung, gründliche Desinfektion von Vagina und Portio.
• A nlegen des Schultze-Apparats mit zwei Kugelzangen an der Portio (zum
Abdichten).
• S pritzen eines wasserlöslichen KM über den Schultze-Apparat unter gleich­
zeitiger Durchleuchtung, Dokumentation durch ein bis zwei Rö-Aufnahmen.
• P eriop. Antibiotikaprophylaxe, z. B. mit Cefuroxim 1.500 mg i. v.
Beurteilung  Tuben durchgängig: KM fließt beidseits in die freie Bauchhöhle ab.

• N W: Risiko der Keimverschleppung 1–2 %, KM-Unverträglichkeit.


• T ubenspasmus kann Tubenverschluss vortäuschen (nicht bei Narkose)!
Die Hysterosalpingografie spielt heute kaum noch eine Rolle, allenfalls zur Lokali­
sation eines vermuteten Tubenverschlusses. Hysteroskopie mit Laparoskopie und
Chromopertubation aussagefähiger, keine Strahlenbelastung.

15.2.11  Diagnostische Laparoskopie mit Chromopertubation


Definition  Bauchspiegelung zur Beurteilung des inneren Genitales und gleich­
zeitiger Überprüfung von Tubendurchgängigkeit und Eiabnahmemechanismus. 15
Indikationen  V. a. Tubenverschluss, Verwachsungen im kleinen Becken mit Be­
hinderung des tubaren Eiabnahmemechanismus, Endometriose, Genitalfehlbil­
dung, vor Refertilisierungs-OP, Unterbauchschmerzen unklarer Ursache, Ovarial­
tumoren (PCO).
Voraussetzung 
• D urchführung in der 1. Zyklushälfte.
• A ntibiotische und/oder antiseptische Vorbehandlung der Vagina mit Vagi­
nalzäpfchen (Fluomizin®).
• A usschluss einer Kolpitis (Nativzytologie), Reinheitsgrad (▶ 13.2.4).
Durchführung  ▶ 16.2.6
Zusätzlich Anlegen des Schultze-Apparats an die Portio oder intrauterin kleinen
Blasenkatheter oder Foley-Katheter (Charrière 8) einlegen und blocken, Spritzen
von Methylenblau (mit Ringer-Lsg. verdünnt 1 : 100 bzw. 1 : 1.000) über den Ad­
apter unter laparoskopischer Kontrolle des Blauaustritts aus dem Fimbrientrich­
ter.
552 15  Sterilität  

15.3  Normaler Zyklus


Zeitspanne zwischen dem 1.  Tag der Menses und dem Tag vor Einsetzen der
nächsten Menstruationsblutung. Dauer 28 ± 3 Tage (▶ 13.1.1).
Während der Geschlechtsreife der Frau unterliegt die hormonelle Stimulation zy­
klischen Schwankungen. Die erste Zyklushälfte (Follikelphase) ist durch die Wir­
kung des von den heranreifenden Follikeln produzierten Östrogens charakteri­
siert, während die zweite Zyklushälfte (Lutealphase) nach der Ovulation (Ei­
sprung) durch das vom Gelbkörper produzierte Progesteron bestimmt wird.
Schwankungen der Zyklusdauer spielen sich überwiegend in der Follikelphase ab,
während die Lutealphase weitgehend konstant 12–14 Tage beträgt.

15.3.1  Physiologie
Dem ovariellen Regelkreis gehören an: Hypothalamus, Hypophyse (Adenohypo­
physe) und Ovarien (▶ Abb. 15.5).
Die pulsatile Freisetzung des Gonadotropin-Releasing-Hormons (GnRH) indu­
ziert Synthese, Speicherung und eine ebenfalls pulsatile Ausschüttung der Gona­
dotropine FSH und LH aus dem HVL.

übergeordnetes
ZNS

15 Hypothalamus
short loop feedback

FSH
GnRH LH
PIF
long loop feedback

Hypophyse
+ - P
oder
- LH
FSH
E2
E2 E2 (PRL)
P P

Ovar Ovar

Uterus

Abb. 15.5  Hormonregulation zwischen Hypothalamus, Hypophyse und Ovar [L190]


   15.4  Sterilitätsursachen und Therapie  553

Die GnRH-, FSH- und LH-Ausschüttung wird durch die Steroidhormonkonzent­


ration im Blut über pos. und neg. Feedbackmechanismen reguliert. Als Folge der
abfallenden Hormonproduktion des zugrunde gehenden Gelbkörpers bewirkt der
prämenstruelle FSH-Anstieg die Stimulation einer neuen Follikelgeneration.
FSH stimuliert das Follikelwachstum und induziert die Aromatisierung von An­
drogenen zu Östrogenen in den Granulosazellen. FSH und Östrogene führen syn­
ergistisch zu einem Anstieg der FSH-Rezeptoren am Follikel.
Nach Selektion des dominanten Follikels (genauer Mechanismus nicht bekannt) be­
wirkt dessen stark ansteigende Estradiolproduktion (Sekretion) durch einen neg.
Feedbackmechanismus eine Unterdrückung der FSH-Sekretion und eine Atresie der
anderen stimulierten Follikel, begleitet von einem langsamen Anstieg der LH-Spiegel.
Eine ausreichend hohe Estradiolkonzentration induziert in Zyklusmitte über einen
pos. Feedbackmechanismus den sog. LH-Peak, durch den es ca. 24 h später zur Ovu­
lation und Luteinisierung der Granulosazellen kommt. Der Rest des Follikels wird
vaskularisiert; es entsteht das Corpus luteum, das seine größte Aktivität am 7.–8. Tag
nach dem LH-Gipfel mit einer tägl. Produktionsrate von ca. 25 mg Progesteron er­
reicht. Bleibt eine Konzeption aus, bildet sich das Corpus luteum ca. 2–3 Tage vor
Beginn der Menses zurück, was zu einem erneuten Anstieg des FSH und damit zur
Stimulation einer neuen Follikelgeneration führt. Hormonregulation ▶ Abb. 15.6.

mlE/ml 50

40

30

20 LH 15
FSH

10 Estradiol (E2)

Progesteron

Zyklustag 4 8 12 16 24 20 28
Tag nach LH-Gipfel 0 +2 +4 +6 +8 +10 +12 +14

Abb. 15.6  Hormonverlauf im normalen weiblichen Zyklus [L190]

15.4  Sterilitätsursachen und Therapie


Die Ursachen der Ovarialinsuff. können im Bereich von Hypothalamus, Hypo­
physe, Ovarien, Nebenniere (NN) oder Schilddrüse liegen. Corpus-luteum-Insuff.
Anovulation, Oligo- und Amenorrhö sind Ausdruck der zunehmenden Ovarial­
insuff. in Abhängigkeit von der Schwere der zugrunde liegenden Störung (Diag­
nostikschema ▶ Abb. 15.8).
554 15  Sterilität  

15.4.1  Primäre Ovarialinsuffizienz


Primäre Ovarialinsuffizienz
Diagnostik  Allg. ▶ 15.2; FSH, LH, Estradiol, US, Laparoskopie, Chromosomen­
analyse, Rö-Handaufnahme (Knochenalter); Nierensono, i. v. Pyelogramm (Fehl­
bildungen von Nieren und ableitenden Harnwegen).
Therapie  Kombinierte Östrogen-Gestagen-Ther. (z. B. Cyclo-Östrogenal®, Cy­
clo-Progynova®, Presomen® compositum oder perkutan z. B. mit Gynokadin ®
1–2 Hub und Utrogest® 100 mg/d); op. Entfernung der Gonaden bei 46,XY, da
hohes Entartungsrisiko (> 30 %). Op. Scheidenplastik (Neovagina); bei hyposensi­
tiven Ovarien manchmal hoch dosierte HMG-/HCG-Ther. zur Behandlung der
Sterilität erfolgreich!

Reine Gonadendysgenesie
Definition  Familiär gehäufte, isolierte Gonadendysgenesie infolge einer Ent­
wicklungsstörung ohne zusätzliche Fehlbildungen.
Klinik  Amenorrhö, Mammae und Genitale hypoplastisch.
Diagnostik  FSH und LH ↑, Estradiol (E2) ↓. Chromosomal 46,XX.

Testikuläre Feminisierung
Definition  „Hairless Woman“ oder Pseudohermaphroditismus masculinus in­
folge angeborener Androgenresistenz verschiedener hormonabhängiger Gewebe.
Häufigkeit 1 : 20.000.
Klinik  Normaler weibl. Habitus, Fehlen der Axillar- und Schambehaarung, prim.
Amenorrhö, Sterilität, Hochwuchs, Leistenhoden, Uterus und Ovarien fehlen.
Diagnostik  Mammae o. B., FSH und LH normal, Estradiol ↓. Chromosomal
46,XY; männliche Testosteronspiegel.
15
Ullrich-Turner-Syndrom
Definition  Intersexform bei gonosomaler Monosomie, häufig mit weiteren Fehl­
bildungen kombiniert. Häufigkeit: 1 : 2.500–7.500.
Klinik  Prim. Amenorrhö, Mammae, äußeres Genitale und Uterus hypoplas­
tisch, Kleinwuchs, Pterygium colli, Schildthorax, tiefer Haaransatz im Nacken,
Nierenfehlbildungen.
Diagnostik  FSH und LH ↑, Estradiol ↓. Chromosomal 45,X0 oder Mosaik
46,XX/45,X0.

Swyer-Syndrom
Definition  Genetische, ausschließlich die Gonaden betreffende Entwicklungs­
störung.
Klinik  Prim. Amenorrhö und Sterilität, hypoplastische Scham- und Axillarbe­
haarung; hypo- oder aplastische Mammae, Klitorishypertrophie, Vulva sonst nor­
mal, Uterushypoplasie, Streakgonaden (strangförmige, rudimentäre Gonadenan­
lagen).
   15.4  Sterilitätsursachen und Therapie  555

Diagnostik  FSH und LH ↑, Estradiol ↓. Chromosomal 46,XY.

Besonders hohes Entartungsrisiko der Gonadenrudimente (> 30 %).

Ovarhypoplasie
Definition  Climacterium praecox, Follikel häufig verbraucht.
Klinik  FSH und LH ↑, Estradiol ↓, klimakterische Beschwerden, sek. Amenor­
rhö.

Hyposensitive Ovarien (Resistant-Ovary-Syndrom)


Definition  Gonadotropinrezeptoren im Ovar vermindert (immunologisch?
chromosomal?).
Klinik  Amenorrhö.
Diagnostik  FSH und LH ↑, Estradiol schwankend.

Ausnahme
Gynatresie (Mayer-Rokitansky-Küster-Sy. ▶ 18.7.7), rudimentärer Uterus und
Scheidenaplasie (obere 2⁄3) infolge einer Hemmungsfehlbildung.
• K
 linik: prim. Amenorrhö und Sterilität, Kohabitationsunfähigkeit, Mam­
mae und Ovarien normal.
• D
 iagn.: FSH, LH und Estradiol o. B.; gehäuft Aortenaneurysmen, Nieren­
fehlbildungen. Chromosomal 46,XX.

15.4.2  Sekundäre Ovarialinsuffizienz

Tab. 15.9  Schweregradeinteilung der hypothalamischen Ovarialinsuffizienz


15
Grad I: Gestagen-Test pos. Clomifentest pos.

Grad II: Gestagen-Test pos. Clomifentest neg.

Grad III: Gestagen-Test neg. Clomifentest neg.

III a, b, c: GnRH-Test ▶ 15.2.6

Tab. 15.10  Hypophysäre Stimulationstests bei Ovarialinsuffizienz


Pathologische Stimulationstests
Hormonwerte

Erhöhte Hypo- Erhöhte periphere Am Hypothalamus Durch hypophyseo-


physenhormone Hormone ansetzend trope Hormone

LH, FSH Estradiol, Proges- Clomifen GnRH 100 μg


teron, Testosteron

ACTH Kortisol Insulinhypoglykämie CRF 100 μg

TSH fT4, T3 Metoclopramid TRH 200 μg


556 15  Sterilität  

Tab. 15.10  Hypophysäre Stimulationstests bei Ovarialinsuffizienz (Forts.)


Pathologische Stimulationstests
Hormonwerte

STH Somatomedin C Insulinhypoglykämie, GRF 50–100 μg


Arginin

Prolaktin – Insulinhypoglykämie TRH 200 μg oder Me-


toclopramid 10 mg

Tab. 15.11  Normwerte Prolaktinspiegel


Prolaktinspiegel μg/l μg/l

Nicht schwanger 3,9–25,4 102–496

Schwangerschaft 1. Trimenon ≤ 50 200–4.050

Schwangerschaft 2. Trimenon ≤ 100 950–5.640

Schwangerschaft 3. Trimenon ≤ 200 1.100–7.400

Stillende Frauen < 42 < 870

Postmenopause 1,8–20,3 102–496

Hypothalamische Ovarialinsuffizienz
Definition  Verminderte GnRH-Sekretion oder Störung der pulsatilen Freiset­
zung.
Ätiologie  Psychogener Stress, Hunger („Notstand“), Anorexia nervosa, Tumo­
ren, traumatische Läsionen, Meningoenzephalitiden, Kallmann-Sy. (verminderte
oder fehlende GnRH-Sekretion mit Anosmie bei Aplasie des Bulbus olfactorius).
15 Medikamente, z. B. Psychopharmaka (Phenothiazine).
Klinik  Corpus-luteum-Insuff., Oligo-, Amenorrhö, Gewichtsschwankungen
(Abnahme), Kopfschmerzen, Schwindel, Seh- (Tumoren) und Riechstörung
(Kallmann-Sy.).
Diagnostik  FSH, LH, Estradiol, Prolaktin, Rö-Sella, evtl. cCT, Gestagen-, Clomi­
fen- und GnRH-Test (▶ 15.2.6).
Die Diagn. darf erst nach Ausschluss aller anderen Ursachen (Hyperandrogen­
ämie, Hyperprolaktinämie, Hyper- oder Hypothyreose, Diab. mell., M. Cushing)
gestellt werden.
Therapie  Bei Kinderwunsch Clomifen, HMG/HCG, pulsatile LH-RH-Ther.

Hypophysäre Ovarialinsuffizienz
Definition  Häufig bei unzureichender GnRH-Sekretion des Hypothalamus.
Ätiologie  Echte hypophysäre Ovarialinsuff. häufig durch Hypophysenadenome,
die durch Verdrängung des funktionstüchtigen Hypophysengewebes zum Hypo­
gonadotropismus führen.
• Tumoren: Prolaktinom (Prolaktin ↑), eosinophiles Adenom (STH ↑→ Akro­
megalie), basophiles Adenom (ACTH ↑→ M. Cushing), Kraniopharyngeom
(hormonell inaktiv).
   15.4  Sterilitätsursachen und Therapie  557

• H
 VL-Insuff. („idiopathisch“, Stress, Psychopharmaka): verminderte Hor­
monsekretion, gestörte (fehlende) Pulsation von FSH- und LH-Sekretion.
• S heehan-Sy. ▶ 17.3.
Klinik  Amenorrhö. Bei Sheehan-Sy. Adynamie, Agalaktie (p. p.!), verminderte
Achsel- und Schambehaarung, Pigmentverlust, Libidoverlust (▶ 17.3).
Diagnostik 
• H ormontests: Gestagen-, Clomifen-, LH-RH- und TRH-Test, Kortisoltages­
profil, ACTH-Dexamethason-Test, Rö-Sella (Schicht), cCT, Gesichtsfeldun­
tersuchung.
• T estauswertung: Zytologie und Endometrium atrophisch, FSH, LH, E2 ↓,
Gestagen-Test neg., im LH-RH- und Clomifen-Test schwache oder keine Go­
nadotropinfreisetzung, normale Reaktion des Ovars auf HMG-Stimulation →
hypophysäre Ovarialinsuff.
– Zusätzlich Prolaktin ↑→ Prolaktinom.
– Zusätzlich STH ↑→ eosinophiles Adenom.
– Zusätzlich ACTH ↑→ basophiles Adenom.
– Zusätzlich TSH ↓, ACTH ↓→ Sheehan-Sy.
Therapie  Hormonsubstitution, z. B. Cyclo-Progynova®, Presomen® comp oder
perkutan z. B. mit Gynokadin ® 1–2 Hübe und Utrogest® 100 mg/d. Bei Kinder­
wunsch HMG i. m. beginnend vom 3. ZT 1–4 Amp./d (Dosis nach Effekt; serolo­
gische E2-Kontrolle, Ultraschall), in Einzelfällen mehr bis zur Follikelreifung.
HCG 10.000 IE i. m. zur Ovulationsauslösung.

Hyperprolaktinämische Ovarialinsuffizienz
Definition  Im Rahmen der Sterilitätsabklärung ist die Prolaktinbestimmung un­
bedingt erforderlich, da ca. 20 % der Pat. mit Amenorrhö oder anderen Zyklusun­
regelmäßigkeiten eine Hyperprolaktinämie aufweisen.
Pathogenese  Hyperprolaktinämie bewirkt:
• Verminderte Sekretion von FSH und LH. 15
• S törung der pulsatilen LH-Sekretion.
• V erminderte Reaktionsfähigkeit des Ovars auf FSH und LH.
• S timulation der Milchdrüsen.
Ätiologie 
• P hysiologisch: Stress, Hypoglykämie, körperliche Arbeit, Reizung der Brust­
warzen (Mammapalpation?), Koitus, Grav., postpartale Laktation, Schlaf (auf
dem Bauch liegend).
• W eitere Ursachen: Chiari-Frommel-Sy. (p. p. persistierende Galaktorrhö und
Amenorrhö), Hypophysentumoren, Sarkoidose, Hypophysenstieldurchtren­
nung, Leberzirrhose, Nierenversagen, Enzephalitis, ektope Sekretion maligner
Tumoren, prim. Hypothyreose (stimulierender Einfluss von TRH auf die
Prolaktinzelle).
Klinik  Corpus-luteum-Insuff., Anovulation, sek. Oligo-, Amenorrhö, Polyme­
norrhö, Sterilität, Galaktorrhö, Gesichtsfeldausfälle (Hirsutismus).
Diagnostik 
• L H, FSH, fT3, fT4, basales TSH, Prolaktin, Sella-Rö-Schichtaufnahme (Tu­
mor?), cCT, Gesichtsfelduntersuchung, evtl. MRT.
558 15  Sterilität  

• M
 ikroprolaktinom: (< 1 cm Durchmesser. Prolaktin häufig > 50–250 μg/l bzw.
1.060–5.700 U/l): normale Sella turcica oder sehr diskrete Veränderungen.
• M
 akroprolaktinom (> 1 cm Durchmesser, Prolaktin häufig > 250 μg/l bzw.
5.300 U/l): generell Vergrößerung der Sella turcica.

Medikamente/Substanzen, die eine Hyperprolaktinämie verursachen können


• P henothiazine (z. B. Atosil®, Neurocil®).
• T rizyklische Antidepressiva (z. B. Saroten®).
• B utyrophenone (z. B. Haldol®).
• T hioxanthen-Derivate (z. B. Truxal®).
• M ethyldopa (z. B. Presinol®).
• M etoclopramid (z. B. Paspertin®).
• O vulationshemmer (▶ 16.3.1, ▶ 16.4).
• C yproteronacetat (z. B. Androcur®).
• C imetidin (Tagamet®).
• D omperidon (Motilium®).
• H eroin, TRH.
Therapie 
• D
 opaminagonisten:
– B  romocriptin (z. B. Pravidel®), Dosierung stufenweise ansteigend über
1–2 Wo. von 2,5 mg/d p. o. bis 10–15 mg/d p. o., NW: Hypotonie (14 %),
Synkope, Übelkeit, Erbrechen, Magen-Darm-Beschwerden, Appetitlosig­
keit, Müdigkeit etc. oder:
– Lisurid 0,5 mg/d p. o. (z. B. Dopergin®) oder:
– Cabergolin 0,5–1 mg pro Wo. (z. B. Dostinex®), Einnahme nach dem Es­
sen, Hauptdosis abends (NW: Hypotonie!).
– Bei Makroadenomen in 50–80 % Dauerther. erforderlich und zur präop.
Tumorverkleinerung.
15
Tab. 15.12  Bromocriptin- und Lisuriddosierung in Abhängigkeit vom Prolak-
tinspiegel
Prolaktinspiegel Bromocriptindosis Lisuriddosis
(z. B. Pravidel®) (z. B. Dopergin®)

U/l μg/l

496–630 25–30 1 × 2,5 mg/d p. o. 1 × 0,1 mg/d p. o.

630–840 30–40 2 × 2,5 mg/d p. o. 2 × 0,1 mg/d p. o.

840–1.260 40–60 2 × 5 mg/d p. o. 2 × 0,2 mg/d p. o.

1.260–2.100 60–100 3 × 5 mg/d p. o. 3 × 0,1 mg/d p. o.

> 2.100 > 100 3 × 5–10 mg/d p. o. 3 × 0,1–0,2 mg/d p. o.

• T ranssphenoidale selektive Adenomektomie:


Dringend indiziert:
– Vor einer Schwangerschaft bei Makroadenomen.
– Bei raschem Gesichtsfeldausfall.
   15.4  Sterilitätsursachen und Therapie  559

– B ei schnellem Adenomwachstum.
– Bei Dopaminagonistenunverträglichkeit.
! Radiother. nur noch bei Versagen der op. und medikamentösen Behand­
lung bei Makroadenomen indiziert.

Prolaktinom und Schwangerschaft


Das Prolaktinom stellt keine generelle Gegenindikation für das Eintreten einer
Schwangerschaft dar. Makroprolaktinome sollten allerdings vor einer Schwanger­
schaft neurochirurgisch behandelt werden. Laborwerte ▶ Tab. 15.8.

Veränderung von Prolaktinomen während der Schwangerschaft


• M
 ikroprolaktinome: 4–5 % asymptomatische Tumorvergrößerung, 1–2 %
symptomatische Tumorvergrößerung (Sehstörungen, Kopfschmerzen).
• M
 akroprolaktinome: ~9 % asymptomatische Tumorvergrößerung ~ 15 %
Tumorvergrößerung mit Symptomen.

Monitoring  Prolaktinbestimmung i. S. und Gesichtsfeldüberprüfung alle 2 Mon.


Therapie  Entfällt bei asymptomatischem Mikroprolaktinom, sonst bei Gesichts­
feldausfall, Wachstumsprogredienz des Tumors, massiver Prolaktinerhöhung
über den in der Schwangerschaft physiologischen Anstieg hinaus.
• P rolaktinhemmer: in Absprache mit Neurochirurgen z. B. Bromocriptin 2 ×
5 mg/d p. o. (z. B. Pravidel®) oder Lisurid 2 × 0,2 mg/d p. o. (z. B. Dopergin®).
NW auf die Schwangerschaft: Bisher keine kongenitalen Defekte bekannt,
normale körperliche und geistige Entwicklung der Kinder.
• C hirurgische Intervention nur in ausgewählten Fällen.
Stillen ist sowohl bei Mikro- als auch bei Makroprolaktinomen möglich.

15
Hyperandrogenämische Ovarialinsuffizienz
Definition  Das im Rahmen der Sterilitätsbehandlung wichtigste, mit Hyperan­
drogenämie einhergehende Krankheitsbild ist das Sy. der polyzystischen Ovarien
(PCO-Sy.), früher Stein-Leventhal-Sy. Das PCO-Sy. ist in 40–60 % vergesellschaf­
tet mit einer NNR-Hyperplasie (DHEAS), in 20 % mit einer leichten Begleithyper­
prolaktinämie (Prolaktin); DD der Hyperandrogenämie ▶ 17.4.
Zwei der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein: 1.  PCO-Bild, 2.  Oligo- oder
Anovulation, 3. klinische oder laborchemische Zeichen eines Hyperandrogenis­
mus (nach Ausschluss anderer Endokrinopathien) [entsprechend der Konsensus­
konferenz der European Society of Human Reproduction and Embryology
(­ESHRE) und der American Society for Reproductive Medicine (ASRM)].
Pathogenese  Weitgehend ungeklärt, vermutlich führt eine vermehrte gemischt
adrenale und ovarielle Androgenproduktion (Aromatasemangel der Granulosa­
zellen?) über eine extraglanduläre Umwandlung in Estron und Estradiol durch
einen pos. Feedbackmechanismus zu erhöhten LH-Werten, die wiederum die An­
drogenproduktion stimulieren. Häufig bei Adipositas.
Klinik  Amenorrhö (15–77 %), Oligomenorrhö, Sterilität (35–94 %), Adipositas,
Hirsutismus, Vergrößerung der Ovarien auf das 2- bis 5-Fache mit glatter, ver­
560 15  Sterilität  

Tab. 15.13  Adipositas: Stadieneinteilung (BMI)


Normalgewicht 18,5–24,9

Mäßiges Übergewicht 25,0–29,9

Adipositas Grad I 30,0–34,9

Adipositas Grad II 35,0–39,9

Adipositas Grad III ≥ 40,0

dickter Kapsel, zahlreichen, oberflächlich gelegenen kleinen Follikeln (US-Be­


fund) und einer Vermehrung der Theca interna. Akne, Seborrhö.
Diagnostik  LH ↑, FSH normal, LH-/FSH-Quotient >  2, Testosteron, Andro­
stendion, Dihydrotestosteron und 0,3,17α-OH-Progesteron ↑, DHEA-S ↑ oder
normal. SHBG, Progesteron, Estradiol, Prolaktin, Ultraschall (typisches PCO-Bild
zu Zyklusbeginn am 1.–3. ZT), Laparoskopie (weißlich-glatt, fibrosierte Kapsel).
Therapie 
• M etformin: (Dos. ▶ Tab. 15.14), effektiver als Glukokortikoide. Einnahme
bis Eintritt der Schwangerschaft. Therapievorlauf ca. 5 Wo. vor Beginn des
Zyklusmonitorings (cave: Off-Label-Use → Privatrezept). Zum Ausschluss ei­
ner (latent) diabetischen Stoffwechsellage vorher OGTT (▶ 3.4).
• G lukokortikoide: Dexamethason 0,25–0,75 mg/d p. o. abends (z. B. Forte­
cortin®) oder Prednison 5 mg/d p. o. (z. B. Prednisolon®) zusätzlich.
• C lomifen: 50–100 mg/d p. o. vom 5.–9. ZT (z. B. Clomifen ratiopharm®) oder:
• H MG/HCG: HMG 1–4 Amp./d vom 3. ZT bis zur ausreichenden Follikelsti­
mulation evtl. alternativ Stimulation mit reinem FSH (Bravelle®), Dosierung
wie HMG. Cave: Erhöhte Sensibilität auf HMG mit Überstimulationssy. bei
Hyperandrogenämie. HCG 10.000 IE zur Ovulationsauslösung. Alternativ:
• P ulsatile GnRH-Behandlung: Etwa 2,5–20 μg GnRH/Puls alle 90–120 Min.
15 über GnRH-Pumpe i. v. (z. B. Zyklomat® mit Lutrelef® 3,2 mg).
• O peration: Laparoskopie und punktuelle Koagulation der Ovarialkapsel und
der oberflächlichen Follikel (nach Gjönnaess) oder sog. „Laserdrilling“. Erfolg
beruht wohl auf Verminderung von androgenproduzierendem Ovarialgewe­
be, ist aber nicht von langer Dauer (Kinderwunsch bald realisieren).

Tab. 15.14  Metformin: Dosierung


Körpergewicht 1. Wo. 2. Wo.

< 60 kg 1 × 500 mg/d 2 × 500 mg/d

> 60 kg 1 × 850 mg/d 2 × 850 mg/d

> 100 kg oder BMI > 35,0 1 × 1.000 mg/d 2 × 1.000 mg/d

Lutealphaseninsuffizienz (Corpus-luteum-Insuffizienz)
Definition  Die Lutealphaseninsuff. ist kein eigenständiges Krankheitsbild, son­
dern Symptom unterschiedlicher Formen der Ovarialinsuff. Bei Frauen mit Ferti­
litätsstörungen und habituellen Aborten liegt sie in mehr als 15 % vor.
   15.4  Sterilitätsursachen und Therapie  561

Pathogenese  Die Lutealphaseninsuff. ist immer Folge einer aus unterschiedli­


chen Gründen gestörten Follikelreifung: Störung der pulsatilen GnRH-Sekretion,
FSH prä- und postmenstruell vermindert, Hyperprolaktinämie, Hyperandrogen­
ämie, Hypo- und Hyperthyreose, Diab. mell.
Klinik  Treppenförmiger Temperaturanstieg, verkürzte hypertherme Phase
(< 10 Tage), erniedrigtes Serum-Progesteron (< 10 μg/l), Diskrepanz der Endome­
triumentwicklung zur Zyklusphase im histologischen Befund >  2  Tage
(▶ Abb. 15.7).

37,4 Treppenförmiger Temperaturanstieg 37,4 Verkürzte Lutealphase


37,2 37,2
LH-Peak Progesteron x (Tag +5,+7,+10): 7,3 ng)
37 37 LH-Peak
36,8 36,8
36,6 36,6
36,4 36,4
Endometriumbiopsie:
36,2 36,2 unterwertig sekretorisches
Sono: Ovulation Endometrium entspr. Tag +9
36 36
1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29

Abb. 15.7  BTK bei Lutealphaseninsuffizienz [L190]

Diagnostik  BTK, Progesteronspiegelbestimmung am 4., 6. und 8.–10. hyper­


thermen Tag (Mittelwert > 10 μg/l) (▶ 15.2.10 und ▶ 13.2.7). Zyklusmonitoring
(▶ Abb. 15.9).
Therapie  Verbesserung der Follikelphase durch:
• C lomifen 50–150 mg/d p. o. vom 5.–9. ZT (z. B. Clomifen ratiopharm®).
• H MG-Stimulation mit Ovulationsauslösung durch 10.000 IE HCG. Bei wei­
terbestehender Insuff. HCG-Substitution in der 2. Zyklushälfte z. B. ab 3. hy­
perthermen Tag 1.500–2.500 IE/d oder 5.000 IE am Tag +2 und +5 nach 15
Ovulation. Cave: HCG-Substitution nur unter sonografischer Ovarkontrolle,
da Zystenentstehung und Überstimulationssy. möglich (▶ 15.4.3).
• P rogesteronsubstitution: 12,5 mg/d i. m. oder 2 × 25–50 mg/d als Vagi­
nalzäpfchen ab dem 3. hyperthermen Tag (Zäpfchen müssen in der Apotheke
angefertigt werden; Progesteronsubstitution weniger effektiv als HCG-Gabe)
oder
• U trogest® 3 × 1–2 Tbl. vag. (Zulassung für vag. Applikation liegt in Frank­
reich vor, Resorption und Verträglichkeit bei vag. Applikation besser).
• L H-RH-Pumpe: falls erfolglos, v. a. bei rezid. follikulärer Überstimulation,
bei pos. LH-RH-Test, s. o.

LUF-Syndrom (Luteinized unruptured Follicle)


Definition  Nach regelrechter Follikelreifung bleibt die Ovulation aus (Eizelle
verbleibt im Follikel), und es kommt zur Luteinisierung des nicht gesprungenen
Follikels. Häufigkeit: sporadisch in ca. 5 % der Zyklen, bei Sterilitätspat. in ca.
10 %.
Ätiologie  Die Ätiologie ist noch unklar; häufig E2- und LH-Gipfel am selben
Tag. FSH bleibt über den Ovulationszeitpunkt hinaus erhöht. Vermehrt bei Endo­
562 15  Sterilität  

metriose und Adhäsionen im kleinen Becken und bei Frauen mit hoher Stressbe­
lastung. Häufig sog. „ungeklärte Sterilität“.
Klinik  Unterbauchschmerzen (bei LUF-Zysten), Zyklustempostörungen.

15
Abb. 15.8  Schema zur Amenorrhödiagnostik mit WHO-Klassifikation [L190]
SpecialCar_Roman_6pt

Diagnostik 
• S ono: Follikelpersistenz über Ovulationszeitpunkt hinaus, keine freie Flüssig­
keit im Douglas-Raum. Zyste, die wenige Tage nach LH-Anstieg echodichter
wird und evtl. mit einem „soliden Ovarialtumor“ verwechselt werden kann.
• H ormone: Progesteronspiegel selten normal, meist erniedrigt (< 5 μg/l); BTK:
Lutealphase normal.
• L aparoskopie: keine Ovulationszeichen, wenig bis keine Peritonealflüssigkeit
mit niedriger Progesteron- und Estradiolkonzentration.
Therapie 
• S ono: Zystenkontrolle zu Beginn des nächsten Zyklus. Sollte die LUF-Zyste
noch vorhanden sein → Gabe eines gestagenbetonten OH (z. B. Marvelon®
▶ 16.3.1, ▶ 16.4). Sollte zum nächsten Zyklusbeginn die LUF-Zyste immer
noch zu sehen sein → für 1 Mon. Gestagenther., z. B. MPA 2 × 5 mg/d p. o.
(MPA Gyn®).
• E vtl. Hemmung der zentralen LH-Ausschüttung mit einem LH-RH-Analo­
gon (z. B. Zoladex®), dann HMG-/HCG-Stimulation.
   15.4  Sterilitätsursachen und Therapie  563

Bisher kein sicheres Therapiekonzept zur Rezidivvermeidung möglich: Clo­


mifen, HMG/HCG, In-vitro-Fertilisation und Embryotransfer.

15

15.4.3  Therapie der Follikelreifungsstörung


Antiöstrogene
Unter den Antiöstrogenen weist Clomifen die höchste Ovulations- (75 %) und
Schwangerschaftsrate (35 %) auf.
Wirkmechanismus  Stimulation der GnRH-Sekretion des Hypothalamus führt
über einen LH- und FSH-Anstieg zur Follikelreifung.
Nebenwirkungen  Ungünstige Wirkung auf Zervixschleim, Mehrlingsschwan­
gerschaften (2–30 %), Abort (20–25 %), Hitzewallungen, Unterleibsschmerzen,
Schwindel, Brustspannen, Gewichtszunahme, Kopfschmerzen (dosisabhängig,
Dosis 50–100 mg/d besser). Keine erhöhte Fehlbildungsrate.
Falls unter Clomifenstimulation eine Dysmukorrhö auftritt: Estradiol (z. B. Estra­
diol 1-A-Pharma®) 1–0–1 als Vaginaltbl. zugeben und an 3–5  Tagen 1  Amp.
HMG (Menogon®). Ovulation mit 10.000 IE HCG (z. B. Brevactid®) auslösen. Bei
564 15  Sterilität  

Tab. 15.15  Dosierung des Antiöstrogens


Substanz Handelsname (Beispiel) Dosierung

Clomifen Clomhexal® 50–150 mg/d p. o. vom 5.–9. oder


3.–7. ZT

immer noch schlechtem Zervixmukus oder niedrigem Endometrium (<  8 mm)


Estradiol 2–0–2 Tbl. intravag. oder ICI/IUI.

Gonadotropine
Definition 
• H MG: LH/FSH je 75 IE/ml (Menogon®).
• F SH: reines FSH 75 IE/ml (Bravelle®).
Zur Stimulation der Ovarialfunktion wird menschliches postmenopausales Gona­
dotropin verwandt (HMG), das zu etwa gleichen Teilen FSH und LH enthält. Pat.
mit PCO (erhöhte endogene LH-Spiegel) können auch mit reinem FSH stimuliert
werden. Zur Ovulationsauslösung benötigt man 10.000 IE HCG (z. B. Brevactid®),
das weitgehend dem endogenen LH entspricht.
Indikationen  Hypogonadotrope Pat., Clomifen-neg. Pat., mangelhafte Follikel­
reifung nach Antiöstrogen-Ther.; ungünstiger Zervixfaktor, Corpus-luteum-In­
suff. trotz Clomifen/HCG (s. o.).
Dosierung HMG und HCG 
• N ormogonadotrope Pat.: ab 2.–3. ZT (nach sonografischem Ausschluss ova­
rieller Zysten) HMG 75 IE/d i. m. (z. B. Menogon®), ab 8. ZT Dosierung
≥ 150 IE/d, je nach Follikelwachstum (Kontrolle durch Sono und E2-Spiegel).
• H ypogonadotrope Pat.: 2 × 75 IE/d HMG i. m., ab 8. ZT individuelle Steige­
rung.
• W enn Leitfollikel 18–19 mm Durchmesser und nicht mehr als drei sprungrei­
15 fe Follikel vorhanden sind → Ovulationsauslösung mit 10.000 IE HCG i. m.
(im monophasischen Zyklus findet man bei sprungreifem Follikel serologisch
ein E2 von 300–400 ng/l pro Follikel). Cave: Falls die HCG-Gabe zur Ovulati­
onsauslösung zu früh erfolgt, kann ein LUF provoziert werden (s. o.).

Kombinierte Stimulation
Durchführung 
• C lomifen 4.–8. ZT 2 × 50 mg/d p. o. (z. B. Clomifen ratiopharm®), danach
HMG 2 × 75 IE/d i. m. (z. B. Menogon®) und Ovulationsauslösung mit HCG
10.000 IE i. m. oder
• C lomifen 3.–7. ZT 50–100 mg/d (z. B. Clomifen ratiopharm®) und gleichzeitig
HMG 75–150 IE/d i. m. (z. B. Menogon®).
• G ezielte Überstimulation für In-vitro-Fertilisation (IVF; ▶ 15.5.2):
– Vom 2.–4. ZT HMG 2 × 75 IE/d i. m. (z. B. Menogon®).
– Vom 5.–8. ZT HMG 3 × 75 IE/d i. m. (z. B. Menogon®), dann evtl. weitere
Steigerung je nach Follikelwachstum und E2-Werten. HCG 10.000 IE i. m.
zur Ovulationsauslösung (z. B. Brevactid®) bei Leitfollikeln von 18–
19 mm. 36 h später Follikelpunktion; Schwangerschaftsrate < 20 % pro
IVF. Zusätzliche GnRH-Gabe zur hypophysären Suppression.
   15.4  Sterilitätsursachen und Therapie  565

Nebenwirkungen  Mehrlingsgraviditäten 30 %, Abortrate 25–30 %, Brustspan­


nen, Unterleibsschmerzen, Überstimulationssy. Keine erhöhte Fehlbildungsrate.

Überstimulationssyndrom
Auftreten ca. 3–8 Tage nach HCG-Gabe. Spontane Rückbildung der Sympto­
me ca. 3 Tage nach Einsetzen der Menstruation. Falls eine Schwangerschaft
eingetreten ist, können die Symptome über 6–8 Wo. persistieren (stationäre
Beobachtung über die gesamte Zeit!).
Einteilung in 3 Schweregrade:
• L eicht: Estradiolserumspiegel > 1.500 ng/l, Ovarialvergrößerung bis 5 cm
(Häufigkeit 8–23 %).
• M äßig: zusätzlich gespannte Bauchdecken, Übelkeit, Erbrechen (Häufig­
keit 6–7 %).
• S chwer: Ovarialzysten > 5 cm, Aszites, Hydrothorax, Hämokonzentration
(HK > 45 %), Blutgerinnungsstörungen (Häufigkeit ca. 2 %).
Therapie:
• L eicht-mäßig: ambulante Versorgung bei kurzfristiger Kontrolle; An­
strengung vermeiden, Verzicht auf GV (cave: Stieldrehung der Ovarien).
• M äßig-schwer: stationäre Aufnahme; tägl. BB, Hkt, E’lyte und Gerinnung
kontrollieren; Heparinisierung, Gewichtskontrolle (!), Einfuhr-/Ausfuhr­
bilanz; E’lyte- und Flüssigkeitszufuhr, Humanalbumin, keine Diuretika.
! Thrombembolien (hoher Hkt?), Ovarialruptur (intraperitoneale Blutung,
Stieldrehung, Oligo- bis Anurie).

15.4.4  Zervixfaktor
Definition  Zähflüssiger Zervixschleim kann zu einer gestörten Spermienpene­
tration und dadurch zur Sterilität führen.
Physiologische Funktion  15
• A lkalischer Zervixschleim schützt Spermatozoen vor ungünstigem saurem
Scheidenmilieu.
• B ereitstellung energiereicher Substrate für die Spermatozoen.
• V erbesserung des Spermientransports in das Uteruskavum zum optimalen
Konzeptionszeitpunkt bzw. Hemmung des Transfers außerhalb der periovu­
latorischen Phase.
• R eservoirfunktion für Spermien in den Zervixkrypten.
• S elektion zwischen normalen und abnormalen Spermien.
• Ö strogene erhöhen die Spermatozoenspeicherung durch vermehrte Mukus­
produktion, Zunahme und Vergrößerung der Krypten.
Ätiologie 
• Z ervixschleimproduktion ↓ durch mangelnde ovarielle Östrogenproduktion.
• M ukusunverträglichkeit (fraglich immunologisch bedingt durch Ak gegen
Spermien).
• D ysmukorrhö: ungenügende Mukusbildung der Zervix auf eine ausreichende
Östrogenproduktion (Risse, Narben, Z. n. nach Konisation).
• Inf. (Mykoplasmen, Chlamydien).
566 15  Sterilität  

Diagnostik 
• S permiogramm (▶ 15.2.8).
• K linische Untersuchung: Portiooberfläche (z. B. Risse, Narben), Zervixstrik­
turen (z. B. Geburtstraumen).
• Z ytologie (▶ 13.2.3), Kolposkopie (▶ 13.2.2), Nativabstrich (▶ 11.2.3), Mikro­
biologie (▶ 11.3) inkl. Suche nach Pilzen, Chlamydien, Mykoplasmen, Urea­
plasma urealyticum.
• B ewertung des Zervixschleims (Zervixindex) nach Insler-Score (▶ 15.2.7).
• P CT oder PIT (▶ 15.2.9).
Metformin
Bromocriptin
Dexamethason

E2, LH
0 +1 +2 +3 +4 +5 +6 +7 +8 +9 +10 +11 +12 +13 +14
HCG I.E.
10 000

1500-5000

1500-5000
US: Ovulationskontrolle

HMG / FSH

*
Ovulation

Clomiphen HCG
o o o o o HCG HCG

US US US US US
Zysten-
aus- Follikulometrie

HCG
schluss
Zervix-Score +5 +7 +10
ICI E2,P E2,P E2,P

Menstruation PCT/PIT

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 Tage

Abb. 15.9  Zyklusmonitoring [L157]

15 Therapie 
• K ortikoide: Bei Sperma-Ak z. B. Dexamethason 0,5 mg/d p. o. (z. B. Forte­
cortin®).
• Ö
 strogene: am besten lokal (z. B. Ovestin®-Vaginalzäpfchen 1 × 1 tägl.) ab
8. ZT bis zur Ovulation. Falls ohne Erfolg, Estradiol 1–3 × 2 mg/d p. o. vom
8.–12. ZT (z. B. Estradiol 2 mg Jenapharm®). Systemische Gabe kann kleine
LH-Peaks provozieren → Störung der zentralen ovariellen Stimulation!
•  MG: Stimulation mit 2 × 75 IE/d i. m. vom 7.–11. ZT (z. B. Menogon®).
H
•  omologe intrakavitäre Insemination (▶ 15.5.1) bei Dysmukorrhö und/oder
H
Sperma-Ak.
•  ei Inf. Kolpitisther. (▶ 11.3.5).
B

15.4.5  Tubare und uterine Sterilität


Definition  Eingeschränkte Tubendurchgängigkeit und -motilität, Störungen des
Uteruskavums. Tubenfaktor (tubare Sterilität) → ca. 1⁄3 der weiblichen Sterilitäts­
ursachen.
Ursachen 
• T ubenverschluss: Sacto-, Hydro-, Pyosalpinx, isthmisch oder intramural (15–
20 %) oder peripherer Tubenabschnitt (Infundibulum, Ampulle: ca. 80 %).
   15.4  Sterilitätsursachen und Therapie  567

Ursächlich hierfür sind Salpingitiden infolge aufsteigender Inf., z. B. bei Kol­
pitis (häufigste Ursache). IUP, nach intrauterinen Eingriffen, p. p.; Endomet­
riose; intramurale Polypen; Z. n. Laparotomie (v. a. bei Z. n. Appendektomie);
Tubenwinkelmyome; resorbierte Tubargraviditäten.
• T ubenmotilitätsstörungen bei peritubaren und/oder periovariellen Adhäsio­
nen mit Störung des Eiabnahmemechanismus oder des Eitransports (hohe
Inzidenz von ca. 90 % nach Genital-Tbc → Migrantinnen aus Osteuropa/Afri­
ka).
• U terine Fehlbildungen: z. B. Uterus bicornis, bicollis (▶ 18.7.4).
• Intrauterine Adhäsionen (Synechien, z. B. postop.), intrauterine Septen.
Diagnostik 
• N achweis von Ovulationen (Sono), normalem Spermiogramm und pos. PCT.
• H ysteroskopie: sicherste Aussage über uterinen Faktor, Synechien, Septen
können in gleicher Sitzung entfernt werden.
• H ysterosalpingografie (HSG): gute Aussage über Uterusfehlbildungen, intra­
uterine Tumoren (Myome), Lokalisation des Tubenverschlusses wegen Strah­
lenbelastung und fehlender Aussage zu peritubaren Adhäsionen mit Hem­
mung des Eiabnahmemechanismus selten indiziert. Besser:
• L aparoskopie mit Chromopertubation: Gute Aussage über Tubendurchgän­
gigkeit, Adhäsionen im kleinen Becken, peritubare oder ovarielle Adhäsio­
nen, Myome (außer submukös), Ovaranomalien, Endometriose.
Therapie  Mikrochirurgische, rekonstruktive Sterilitätslaparotomie oder Laparo­
skopie (▶ 15.5.5), hysteroskopische Septum- oder Myomresektion (▶ 15.2.11). In-
vitro-Fertilisation (▶ 15.5.2).

15.4.6  Andrologischer Faktor

Etwa 50 % der sterilen Ehen sind durch männliche Fertilitätsstörungen be­
dingt → Beurteilung des männlichen Partners gehört zur Primärdiagn. bei
15
einem sterilen Paar (> 1 J. Kinderwunsch ohne eingetretene Schwangerschaft
bei regelmäßigem GV). Die Betreuung des Mannes bei Sub- oder Infertilität
wird in der Andrologie bzw. bei andrologisch versierten Dermatologen
durchgeführt.

Ätiologie
• P rim. Hodenschaden: genetische Ursachen (z. B. Klinefelter-Sy.), Z. n. Orchi­
tis, Intoxikationen (Blei, Kadmium), Medikamente (Zytostatika, Hormone),
Überwärmung des Hodens (Varikozele, Leistenhoden).
• S ek. Hodenschaden: HVL-Insuff., Hyperprolaktinämie.
• Störungen im Bereich der Samenwege: Stenose oder Verschluss, z. B. bei Z. n.
Adnexitis; retrograde Ejakulation.

Anamnese
• A
 llgemeinerkr.: endokrine und stoffwechselbedingte Störungen, Diab. mell.,
Lebererkr., Hypertonie, Kinderkrankheiten (Mumpsorchitis), Hodenhoch­
stand, Leistenhoden, Geschlechtskrankheiten, OP, Doping (Bodybuilding).
•  erufsanamnese: Stress, Umweltschadstoffe (Strahlen, Lösungsmittel, Toxine).
B
568 15  Sterilität  

Tab. 15.16  Ursachen für pathologisches Spermiogramm (▶ 15.2.8)


Oligozoospermie Asthenozoospermie

• Hodenhypoplasie/-atrophie • Spermatozoen-Schwanzdefekte
• Varikozele • Relativer Androgenmangel
• Exogene Noxen: Nikotin, Medikamente, • Wärmeschäden (Varikozele, Fieber)
Toxine • Spermatozoen-Ak
• Erschöpfungsreaktion infolge gehäuften • Toxine, Medikamente (z. B. Nitrofu-
Koitus rantoin, Gentamicin), Adnexitis
• Stress, idiopathisch
Teratozoospermie Azoospermie

• Spermatozoendefekte • Verschluss der Samenwege


• Varikozele • Hodenparenchymschäden
• Medikamente • Retrograde Ejakulation
• Stress, idiopathisch • Androgenmangel

• S exualanamnese: Pubertät, Koitusfrequenz, Potenzstörungen, Dauer des Kin­


derwunsches, gezielte Kohabitation zum Ovulationszeitpunkt.

Diagnostik
Körperliche Untersuchung 
• Inspektion: Körperproportionen beachten mit Muskel- und Fettverteilung,
Kopf-, Bart-, Körper- und Genitalbehaarung, Genitalhaarbegrenzung (hori­
zontal glatt → weibl., dreieckig zum Nabel ziehend, auf beide Oberschenkel
übergehend → männlicher Typ), Penis (Größe, Form); Phimose oder Fehlbil­
dung (z. B. Hypospadie).
• P alpation: Lage, Größe, Konsistenz und Form von Hoden und Nebenhoden
(Größenbestimmung z. B. mit Orchidometer nach Prader), Untersuchung des
Skrotums → z. B. Varikozele (V.-spermatica-interna-Insuff.), Brustuntersu­
15 chung (z. B. Gynäkomastie).
• R ektale Untersuchung mit Palpation der Prostata.
Spermauntersuchung 
• P ostkoital-, Postinseminationstest ▶ 15.2.9, Spermaanalyse ▶ 15.2.8.
• P enetrak-Test: untersucht wird die Spermienmotilität in standardisiertem
Rinder-Zervikalschleim. Normal > 20 mm.
• M AR-Test (Mixed Antiglobulin Reaction Test): IgG-Ak-Bestimmung.
– Durchführung: 1 Tr. frisches Ejakulat wird auf Objektträger mit 1 Tr. IgG
beschichteter Latexpartikel und 1 Tr. Antiserum gegen menschliches IgG
vermischt. Durch die Latexpartikel kommt es bei Vorhandensein von Ak
zur Agglutination. Berechnet wird der prozentuale Anteil beweglicher
Spermatozoen, an denen Latexpartikel haften.
– Beurteilung: > 40 % → immunologische Infertilität wahrscheinlich. 10–
40 % → V. a. immunologische Infertilität. Bei pos. Ausfall wird ein spezifi­
scherer Test durchgeführt.
• Mikrobiologische Untersuchungen: Bei V. a. Adnexitis (im Spermiogramm
vermehrt Bakterien, Leukos) entweder am frisch gewonnenen Ejakulat oder
am Prostatasekret (nach rektaler Prostatamassage).
• Immunologische Untersuchungen: Spermatozoen-Auto-Ak (IgA) im Serum
und Seminalplasma. Bei der Frau kann es als Infertilitätsursache zur Ausbil­
   15.4  Sterilitätsursachen und Therapie  569

dung von Iso-Ak gegen Spermatozoen kommen, sodass diese agglutinieren →


Ak-Suche im Zervikalsekret periovulatorisch.
• S CMC-Test (Spermien-Zervix-Mukus-Kontakt-Test): Gemessen wird die
Fähigkeit der Spermien, in einer Glaskapillare den periovulatorisch entnom­
menen Zervixschleim zu penetrieren. Das Sperma darf höchstens 1 h vor
Testbeginn gewonnen werden. Nach 2 h wird die Anwesenheit von vorwärts­
beweglichen Spermatozoen (progressive Motilität), Invasionsdichte und Pe­
netrationstiefe geprüft.
Apparative Diagnostik 
• S ono: bei jeder Hoden- und Nebenhodenschwellung, unsicheren Palpations­
befunden, ungeklärter Gynäkomastie oder Prolaktinämie, HCG-Erhöhung
etc.
• Doppler-Sono: V. a. Varikozele, ggf. auch Phlebografie mit gleichzeitiger
Sklerosierung.
• S permiogramm aus dem Urin: bei V. a. retrograde Ejakulation (kann auch
zur Insemination aufgearbeitet werden; ▶ 15.5.1).
• R etrograde Urethrografie, Urethrozystoskopie: bei V. a. organische Verände­
rungen (z. B. Harnröhrenstriktur, -divertikel, Klappenbildung, Fehlbildungen).
• H odenbiopsie: bei V. a. Verschlussazoospermie (Azoospermie bei klinisch
normalem äußerem Genitale und unauffälligen Hormonwerten).
• Humangenetische Untersuchung: bei V. a. Klinefelter-Sy. (47,XXY) mit klei­
nem Hodenvolumen und erhöhten Gonadotropinen.

Wichtigstes diagn. Kriterium ist das Spermiogramm (▶ 15.2.8), anhand des­


sen auch der Therapieerfolg gemessen wird. Da die Spermatogenese etwa
80 Tage dauert, ist eine Therapiekontrolle erst nach etwa 3 Mon. sinnvoll.

Therapie
Die Therapieentscheidung richtet sich nach der funktionellen Diagn., die das 15
Spermiogramm ergibt, mit Ausnahme organischer Veränderungen, die operativ
zu korrigieren sind, oder Hormonmangelzuständen. Therapieziel ist die Verbesse­
rung der Spermaqualität (Spermatozoendichte, -motilität, -morphologie). Aus­
schalten von Noxen wie Medikamenten (s. o.) und fraglich Nikotin.
Medikamentöse Therapie 
• A ndrogene: oral oder als Testosteron-Depotspritze. Ind.: Oligozoospermie,
Teratozoospermie.
• A ntiöstrogene: Clomifen 25–50 mg/d p. o. (z. B. Clomifen ratiopharm®) mit
Pausen über 6–12 Mon. oder Tamoxifen 20 mg/d p. o. (z. B. Tamoxifen AL®)
über 6–10 Mon. Ind.: Oligozoospermie.
• K ortikosteroide: Prednisolon 5 mg/d p. o. (z. B. Decortin® H), Partnermitbe­
handlung. Ind.: immunologisch bedingte Sterilität.
• G onadotropine: parenterale Applikation von FSH und LH. Ind.: nachweislich
herabgesetzte FSH- und LH-Produktion.
Operative Therapie 
• V erschluss der Samenwege: Op. Wiederherstellung der Durchgängigkeit. Die
besten Ergebnisse werden durch Refertilisierungs-OP bei Z. n. Vasektomie er­
reicht.
570 15  Sterilität  

• V
 arikozele: hohe Ligatur der V. spermatica interna oder Versuch der Sklero­
sierung bei der Phlebografie.
Insemination (▶ 15.5.1); ICSI (▶ 15.5.3).

15.5  Spezielle therapeutische Maßnahmen


15.5.1  Artifizielle Insemination
Voraussetzungen
Die artifizielle homologe Insemination wird überwiegend aus zervikaler und an­
drologischer Ind. durchgeführt. Vor Beginn einer Inseminationsbehandlung Klä­
rung der Tubenfunktion und Ausschluss einer unzureichenden Koitusfrequenz
und -technik (vag. Penetration des Penis, Sexualanamnese). Die Ergebnisse zweier
Spermiogramme im Abstand von 3 Mon. sowie von Postkoitaltests sollten vorlie­
gen.
Die heterologe Insemination mit Fremdsperma ist aufgrund der schwierigen
rechtlichen Situation umstritten, aber nach wie vor möglich. Sie muss von der Pat.
selbst bezahlt werden (200–600 Euro pro Zyklus), das Zyklusmonitoring zur Fest­
legung der Ovulation wird von der Krankenkasse getragen.

Indikationen
• I nadäquater Zervixschleim: Dysmukorrhö, Sperma(-Auto)-Ak, mehrfach
neg. PCT, Z. n. Konisation.
• R eduzierte Spermaqualität: Oligo-, Astheno-, Teratospermie, Hyper-, Hypo­
volämie.
• S permadeponierungsstörungen: Genitalfehlbildungen, Impotentia coeundi,
Vaginismus.
15 • U ngeklärte Sterilität.
Inseminationstechnik (ambulante Durchführung)
Intrauterine Insemination (ICI/IUI)
Einstellung der Portio; Anhaken der Portio vermeiden (nur bei starker Ante-
oder Retroflexio oder Zervixstenose erforderlich, extrem selten). Steriles Einfüh­
ren eines Inseminationskatheters (Embryotransferkatheter [teuer!], alternativ:
Genauso gut NG-Ernährungssonde [wesentlich preiswerter] oder wiederver­
wendbare starre Knopfkanülen [nicht empfehlenswert, häufig Irritation des En­
dometriums]). Der Katheter wird in das Cavum uteri bis in den Fundus zart vor­
geschoben, wo das Spermakonzentrat (Volumen 0,1–0,5 ml!) ausgespült wird.
US-Lagekontrolle (transabdominal) des Katheters bei voller Blase möglich, aber
nicht obligat.

Volle Harnblase streckt den Uterus, somit ist die Penetration des CK zur
Insemination problemlos möglich. Anschließend 30 Min. Beckenhochlage­
rung. Risiko aufsteigender Inf. 0,5 %.
   15.5  Spezielle therapeutische Maßnahmen  571

Intrazervikale Insemination
Die Splitejakulatfraktion oder ein Teil des Ejakulats wird mit Inseminationskathe­
ter oder Knopfkanüle in den CK eingebracht, ohne dass der innere Muttermund
überschritten wird.
Portiokappe (z. B. nach Fikentscher und Semm)
Sie wird durch Unterdruck an der Portio gehalten. Über einen Kunststoffschlauch
wird ein Unterdruck erzeugt und das Ejakulat in die Portiokappe gespült. ½ h Be­
ckenhochlagerung. Nach 6  h kann die Kappe von der Frau nach Ausgleich des
Unterdrucks durch Öffnen des Schlauchs problemlos entfernt werden.

Zeitpunkt der Insemination


Durch Zyklusmonitoring (BTK, sonografischer Follikulometrie, LH-Bestimmun­
gen in Serum oder Urin) sollte der Ovulationszeitpunkt genau bestimmt werden.
Da die Ovulation etwa 30 h nach Beginn des serologischen LH-Anstiegs zu erwar­
ten ist, wird die erste Insemination optimalerweise am Tag des Urin-LH-Anstiegs
durchgeführt, sowie – wenn möglich – eine Reinsemination am nächsten Tag
nach sonografischer Ovulationskontrolle.

Spermagewinnung und -aufbereitung

Das Ejakulat sollte nach 3–5 Tagen Karenz in einem sterilen Gefäß aufgefan­
gen werden. Umgehende Weiterverarbeitung unmittelbar nach der Verflüs­
sigung. Sperma warm halten.

Spermawaschung
Zentrifugation des Gesamtejakulats mit 200 G für 10 Min. nach Vermischung mit
Kulturmedium im Verhältnis 1 : 1 bis 1 : 3; Resuspension des Pellets in einer klei­
nen Menge frischen Kulturmediums. Diesen „Waschprozess“ 2- bis 3-mal wieder­
holen. Dadurch erreicht man eine Spermienkonzentrierung ohne qualitative Eja­ 15
kulatverbesserung. Lediglich die mikrobiologische Kontamination des Ejakulats
wird durch das antibiotikahaltige Kulturmedium reduziert.
„Swim-up“
Spermienselektion, indem die Spermien durch Eigenbewegungen aus dem Pellet
in frisches Kulturmedium aufschwimmen. Nach vorheriger Zentrifugation und
oben beschriebener Waschung werden die sedimentierten Spermien mit 0,3–
0,5 ml frischem Medium überschichtet und für 30–60 Min. bei 37 °C inkubiert.
Der pipettierte Überstand enthält fast ausschließlich motile und morphologisch
intakte Spermien (fast ohne andere zelluläre Bestandteile). Nachteil: hoher Sper­
mamengenverlust (bis 90 %).
Filtration durch Glaswolle
15 mg Glaswolle werden in einer Tuberkulinspritze zunächst mit 3 ml Kulturme­
dium durchgespült. Bei anschließender Passage des Ejakulats bleiben avitale und
membrandefekte Spermien an der Glaswolle hängen. Vorteil: schnell durchführ­
bar, Spermaverluste ca. 70 %, Steigerung der motilen Zellen, Reduktion der Visko­
sität. Nachteil: keine vollständige Beseitigung der zellulären und azellulären Eja­
kulatpartikel.
572 15  Sterilität  

Splitejakulat
Gewinnung des Ejakulats in 2 oder 3 Fraktionen, wobei die 1. Fraktion meistens
bis zu 90 % der Gesamtspermazahl bei geringer Prostaglandinkonzentration und
Viskosität enthält (in 6 % enthält 2. Fraktion die höchste Spermien-Konz.). Split­
ejakulate sind wegen ihres hohen Prostaglandinanteils nicht für die intrauterine
Insemination geeignet!

15.5.2  In-vitro-Fertilisation (IVF)


Definition
Extrakorporale Befruchtung einer Eizelle mit einer Samenzelle im Labor. Für die
IVF werden mehrere Follikel benötigt. Durch die Follikelstimulation sollen mind.
3 Follikel zur Sprungreife heranwachsen, da die Schwangerschaftsrate bei mehre­
ren befruchtungsfähigen, reifen Eizellen (kontrollierte Überstimulation) deutlich
besser ist. Die Schwangerschaftsrate pro Embryotransfer beträgt in Deutschland
durchschnittlich 24 % und nimmt mit dem Alter der Pat. ab (> 40 J. 10–15 %). Das
Risiko für Mehrlingsschwangerschaften ist erheblich erhöht: Zwillingsgrav. in
23 %, Drillingsgrav. in 3,9 % d. F., Abortrate ca. 20 %, EUG-Rate ca. 3 %.

Voraussetzung
• N ormaler Uterus und Ovarien, Lebensalter bis 40 J. (GKV-Leistung).
• S permiogramm → Mindestparameter: Vol. 1 ml, Anzahl 10 Mio./ml, 15 %
progressiv beweglich, Morphologie zu 30 % normal.
• Th
 erapie nur im homologen System.
• N
 eg. HIV-Test bei beiden Partnern.
Indikationen
Tubare Sterilität (etwa 67 %; nach Gesetzeslage erst nach Fertilitäts-OP), androlo­
gische Sterilität (etwa 24 %), Endometriose, „idiopathische“ Sterilität (etwa 8 %,
15 Schwangerschaft tritt auch nach konservativer Kindeswunschbehandlung nicht
ein), Überprüfung der Fertilisationsfähigkeit von Eizellen und Spermatozoen, im­
munologische Sterilität. In Deutschland wird IVF nur bei verheirateten Paaren
von der gesetzlichen Krankenkasse partiell erstattet, Ausnahmegenehmigung für
unverheiratete Paare möglich, bei LÄK erkundigen.

Komplikationen
• S timulation: funktionelle Ovarialzysten (▶ 14.7), Gefahr der Stieldrehung,
Überstimulationssy. (▶ 15.4.3).
• T ransvag. Follikelpunktion: Organverletzung (Harnblase, Darm), Verletzung
von Blutgefäßen mit intraabdominalen Blutungen, Inf. mit Abszessbildung
und Peritonitis (extrem selten).

Langprotokoll
▶ Abb. 15.10. Vor Anwendung 1 Mon. Ovulationshemmer (z. B. Diane ®
35). Häu­
figste Anwendung. Hypophyse wird vor HMG-Stimulation durch GnRH-Analo­
ga-Gabe „entleert“, sodass keine vorzeitigen Ovulationen durch spontane LH-
Ausschüttung der Hypophyse auftreten (vorzeitige Ovulationen ohne Down-Re­
gulierung in 20–30 % d. F.!). Weiterer Vorteil: Synchronisation der Follikelreifung.
   15.5  Spezielle therapeutische Maßnahmen  573

3 x 2 Kps. Progesteron 100 mg/d vaginal

10000 IE 5000 IE 1500 IE 1500 IE 1500 IE


HCG HCG HCG HCG HCG

HMG Low Responder: 4–5 FP ET


2 Amp. 3 Amp. 3 Amp./d

E2<25; ø Zyste

Depot- 36 h 48-72h serolog.


GnRH- HCG-
Analogon Kontrollen

Menstruation
Sono, E2 Sono, E2/Progesteron

20. 21 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28
ZT Zyklustage

Abb. 15.10  Langprotokoll [L157]

Vorbehandlung mit GnRH-Analoga


Einmalige s. c. Depotinjektion mit z. B. 3,6 mg Goserelin (z. B. Zoladex®-
Fertigspritze) oder 3,57 mg Leuprorelin (z. B. Enantone®-Gyn Monatsdepot) oder
3,75 mg Triptorelin (Decapeptyl® Gyn) am 20. ZT. Alternativ: Tägl. s.c. mit 0,1–
0,5 mg Triptorelin (z. B. Decapeptyl® 0,1/0,5 mg) oder pernasale Applikation mit
2 × 0,2 mg/d Nafarelin (z. B. 3 × 1–2 Hub Synarela®) ab dem 20. ZT. 21 Tage nach
Beginn der GnRH-Analoga-Gabe ist von einer Blockade der Hypophyse auszuge­
hen (serologische Überprüfung: E2 < 25 ng/l, LH < 1 U/l). Ohne Flare-up (Kurz­
15
protokoll) kann die Hypophyse auch mit GnRH-Agonisten supprimiert werden,
z. B. mit Cetrorelix (Cetrotide®) 1 × tägl. s.c. oder s. c. Depotgabe für 5 Tage.
Monitoring
• S onografischer Ovarialzystenausschluss vor Stimulationsbeginn.
• Z yklusmonitoring: Während des gesamten Zyklus wird unabhängig vom Sti­
mulationsmodus ab dem 8.–10. ZT die Follikelreifung über nahezu tägl. so­
nografische und serologische E2-Kontrollen überwacht.
Ovulationsauslösung
• S timulation mit HMG oder FSH: zu Beginn mit 2 Amp. HMG (z. B. à 75 IE
Menogon®) für 2–3 Tage, 3 Amp. HMG über weitere 4 Tage. Dosierung ab
dem 7. ZT nach serologischer E2-Kontrolle und sonografischem Follikel­
wachstum individuell festlegen. Bei exponentiellem E2-Anstieg bzw. guter so­
nogr. Follikelreifung Dosis beibehalten. Bei ungenügender ovarieller Antwort
kann die Dosis zügiger gesteigert werden, ggf. im nächsten Zyklus höher be­
ginnend.
• B ei PCO-Syn. oder Neigung zur Überstimulation ist eine Stimulation mit rei­
nem FSH (z. B. Bravelle® 75 IE/HP 150 IE) tägl. 150–400 IE s. c. zu empfehlen.
574 15  Sterilität  

• O
 vulationsauslösung mit 10.000 IE HCG (z. B. 2 Amp. Brevactid® 5.000): bei
mehr als 3 Follikeln > 18 mm Durchschnittsgröße bzw. E2-Wert ≥ 1.000 ng/l
(ein sprungreifer Follikel produziert ca. 300–400 ng/l E2).
Follikelpunktion (FP)
Optimaler Punktionszeitraum 34–36 h nach HCG-Gabe, als transvag. FP. Einfüh­
ren des Vaginalschallkopfes (5 MHz) mit Punktionsvorrichtung und Einstellung
eines möglichst kurzen Punktionsweges des zu punktierenden Ovars. Einbringen
der Nadel durch einen schnellen Stoß vom Douglas-Raum aus in den jeweiligen
Follikel vom gleichen Einstich aus. Sedierung ausreichend, z. B. Flunitrazepam
1 mg p. o. (z. B. Rohypnol® 1 Tbl.). Eine laparoskopische FP unter Intubationsnar­
kose ist seltenen Indikationen (z. B. erheblicher Verwachsungssitus) vorbehalten.
Kultivierung
Noch während der FP werden die ersten Punktate auf Eizellen unter dem Mikro­
skop untersucht und mit dem zwischenzeitlich aufbereiteten Sperma (▶ 15.5.1) in
Nährkulturmedium gegeben. Nach 16–20  h können Vorkerne mikroskopisch
dargestellt werden. Falls mehr als 3  Eizellen befruchtet wurden, werden max.
3 Zygoten in frischem Medium weiter inkubiert und zu Embryonen entwickelt.
Da die Kryokonservierung von Embryonen in Deutschland verboten ist, können
die übrigen Eizellen im Pronukleusstadium zur Verwendung in einem späteren
Zyklus tiefgefroren werden.
Embryotransfer (ET)
40–72 h nach der FP werden max. 3 Embryonen und Kulturmedium über einen
speziellen Transferkatheter unter sterilen Kautelen in das Uteruslumen einge­
spült. Anschließend muss unter dem Mikroskop ausgeschlossen werden, dass
Embryonen am Katheter haften blieben. Die Pat. verbleibt noch ca. 3 h in Rücken­
lage und kann dann nach Hause gehen.

15 Lutealphasensubstitution
Aufgrund der GnRH-Behandlung kommt es auf jeden Fall zu einer Lutealphasen­
insuff. (LPI), da die Hypophyse das Corpus luteum nicht stimulieren kann (aber
auch sonst ist die LPI häufig). Am Tag des ET 5.000 IE HCG i. m. (z. B. Brevactid®
5000), innerhalb der nächsten 14  Tage in 3- bis 4-tägigen Abständen 1.500  IE
HCG i. m. (z. B. Brevactid® 1500). Weiterhin tägl. vag. 3  × 2  Kps. Progesteron
100 mg (z. B. Utrogest®) oder 3 × 2 Einzeldosenapplikationen eines Progesteron-
Vaginalgels 90 mg (z. B. Crinone® 8 %).

Bei Überstimulationssy. keine weitere HCG-Substitution (▶ 15.4.3).

Kurzprotokoll
▶ Abb. 15.11. Die durch die GnRH-Gabe erhöhte Gonadotropinsekretion (Flare-
up-Effekt) wird zur Follikelstimulation genutzt. Ab dem 1. ZT bei LH > 7 IE/l ab
5. ZT Nafarelin 2 × 0,2 mg/d (z. B. 2 × 2 Hübe Synarela®) bis zur Ovulationsinduk­
tion verabreichen. Ansonsten Stimulationsther. mit HMG oder FSH und weiteres
Vorgehen wie im „Langprotokoll“. GnRH-Analoga-Gabe bis zur Ovulationsin­
duktion.
   15.5  Spezielle therapeutische Maßnahmen  575

3 x 2 Kps. Progesteron 100 mg/d vaginal

10000 IE 5000 IE 1500 IE 1500 IE 1500 IE


HCG HCG HCG HCG HCG

HMG Low Responder: 4–5 Amp./d FP ET


2 Amp./d 3 Amp./d

36 h 48-72 h serolog.
HCG-
Kontrollen
GnRH-Analoga tägl. nasal 2 x 2 Hübe Nafarelin

Menstruation
Sono, E2 Sono, E2/Progesteron

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28
Zyklustage

Abb. 15.11  Kurzprotokoll [L157]

Komplikationen
• S timulation: funktionelle Ovarialzysten (▶ 14.7), Gefahr der Stieldrehung,
Überstimulationssy. (▶ 15.4.3).
• T ransversale Follikelpunktion (extrem selten): Organverletzung (Harnblase,
Darm), Verletzung von Blutgefäßen mit intraabdominalen Blutungen, Inf.
mit Abszessbildung und Peritonitis.
Intratubare Implantationsverfahren wie die GIFT (Gamete Intrafallopian Trans­
fer) oder der intratubare Embryotransfer haben inzwischen ihre Bedeutung verlo­
15
ren.

15.5.3  Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)


Definition  Bei ICSI wird das Spermium unter mikroskopischer Kontrolle direkt
in das Zytoplasma einer Eizelle injiziert. Die Zona pellucida wird dabei mecha­
nisch penetriert, da bei reduzierter Spermienaktivität die Akrosomreaktion (An­
dauen der Zona pellucida durch das Spermienköpfchen zum Eindringen in die
Eizelle) häufig nicht möglich ist.
Indikationen 
• A ndrologischer Faktor: schwere Asthenoteratozoospermie, OAT-Sy., Terato­
zoospermie mit < 10 % normaler Morphologie (▶ 15.2.8 und ▶ 15.4.6): < 5
Mio. Spermien/ml oder < 10 Mio. motile Spermien.
• Immunologische Sterilität.
• K eine Fertilisation bei konventioneller IVF.
• K ryokonserviertes Sperma nach systemischer Erkr. des Mannes oder Hoden­
tumor.
576 15  Sterilität  

Vorgehen 
• S timulation und Gewinnung der Eizellen wie bei IVF nach Lang- oder Kurz­
protokoll (▶ 15.5.2).
• G abe der Eizellen in ein spezielles Nährmedium; die die Eizelle umgebenden
Kumuluszellen werden enzymatisch und die die Eizelle umschließende Coro­
na radiatio wird unter mikroskopischer Kontrolle mechanisch entfernt.
• Inkubation nach mehrfachem Waschen im Nährmedium.
• M ikroinjektion des frisch gewonnenen oder kryokonservierten Spermas bei
Körpertemp. Die Eizelle wird mit der Haltepipette angesaugt und zur Injekti­
on mit der eigens hergestellten Glaspipette festgehalten. Bei 200-facher Ver­
größerung wird ein Spermatozoon in das Zytoplasma der Eizelle eingespült.
• W eiterbehandlung wie bei IVF (▶ 15.5.2).

15.5.4  Spezielle Spermagewinnung: MESA/TESE


Definitionen 
• M ESA (mikrochirurgische epididymale Spermienaspiration): op. Gewinnung
von Spermatozoen für eine IVF/ICSI direkt aus dem Nebenhoden.
• T ESE (testikuläre Spermienextraktion): op. Gewinnung von Spermatozoen
für eine IVF/ICSI aus einer Hodenbiopsie.
Indikation 
• M ESA: Azoospermie bei Verschluss oder Aplasie des Ductus deferens oder
des Ductus epididymus oder nach Epididymitis, nach erfolgloser Vasotomie,
bei retrograder Ejakulation, bei Z. n. Wirbelsäulenverletzung mit Quer­
schnittsproblematik.
• T ESE: Nebenhodennarben, Spermiogenesestörung bis zur fokalen Spermio­
genesehemmung bzw. Nekrozoospermie, erfolglose MESA.
Durchführung  Damit eine ausreichende Spermatozoenanzahl zum Zeitpunkt
der Follikelpunktion vorliegt, wird der Eingriff vor Beginn der Stimulation durch­
15 geführt, die Spermien werden kryokonserviert.
• M ESA: mikrochirurgische Eröffnung des Tubulus im proximalen Nebenho­
den, Inhalt wird aspiriert.
• T ESE: Hodenbiopsie in LA. Isolation der Spermatozoen oder Spermatiden
unter dem Mikroskop. Spermaaufbereitung nach Zentrifugation mit Nähr­
medien.
IVF-Kultivierung (▶ 15.5.2) oder häufiger ICSI (▶ 15.5.3).

Bilaterale Aplasie des Ductus deferens gehäuft bei Konduktoren der zysti­
schen Fibrose. Bei Homozygotie des Paares zystische Fibrose des Kindes.
Deshalb genetische Beratung und Untersuchung des Paares Voraussetzung
für MESA und TESE.

15.5.5  Mikrochirurgische Sterilitätslaparotomie


Zielsetzung 
• W
 iederherstellung einer regelrechten, funktionellen Topografie im kleinen
Becken.
   15.5  Spezielle therapeutische Maßnahmen  577

• U
 nbehinderte Tubenpassage.
• V
 ermeiden erneuter operationsbedingter Verwachsungen (ungehinderter Ei­
abnahmemechanismus).
Durchführung  Mikrochirurgisches Vorgehen mit Lupe oder OP-Mikroskop; Si­
lasticplatte zum Schutz vor Austrocknung der Organe des kleinen Beckens; konti­
nuierliche Spülung des OP-Gebiets mit Ringer-Laktat; exakte Blutstillung mittels
Hochfrequenzmikroelektrode; Verwendung feinsten Nahtmaterials (6/0 oder 8/0
Vicryl oder Nylonfäden).

Deutschsprachige Nomenklatur (Frantzen und Schloesser 1982) der OP-


Verfahren
• A dhäsiolyse: Ovario-, Salpingo-, Fimbriolyse (Lösen von Verwachsungen).
• F imbrioplastik: Eingriffe an endständig inkomplett verschlossenen Tuben.
• S alpingostomie: Eingriffe an endständig komplett verschlossenen Tuben.
• R esalpingostomie: Rezidiveingriff nach vorgenommener Eröffnung einer
endständig komplett verschlossenen Tube.
• N eosalpingostomie: ampulläre Tubeneröffnung mit partieller Ampullen­
resektion und Bildung eines neuen Ostiums, da nicht genügend intakte
Schleimhaut vorhanden ist.
• T ubenanastomosen.

Ergebnisse
• G eburtenrate: ca. 20 %.
• T ubargraviditäten: ca. 8,6 %.
• A bortrate: ca. 4,0 %.
• R efertilisierungsrate (nach Sterilisation): bis zu 50 %!

15
16 Kontrazeption
Kay Goerke

16.1 Periodische Enthaltsamkeit 16.3 Hormonelle


und Coitus interruptus  580 ­ ontrazeption  594
K
16.1.1 Methode nach Knaus-­ 16.3.1 Orale Ovulationshemmer  594
Ogino  581 16.3.2 Minipille,
16.1.2 Temperaturmethode  581 ­Depotgestagene  599
16.1.3 Billings-Methode  583 16.3.3 Vaginalring  600
16.1.4 Coitus interruptus  583 16.3.4 Hormonpflaster  601
16.1.5 Zykluscomputer  583 16.3.5 Postkoitale Kontrazeption
16.2 Mechanische und chemische (Morning-after-Pill)  601
Verhütungsmethoden  584 16.4 Übersicht über
16.2.1 Diaphragma  584 ­Ovulationshemmer  602
16.2.2 Vaginalschwamm  585 16.4.1 Ein-Phasen-Präparate  602
16.2.3 Intrauterinpessar (IUP, 16.4.2 Zwei-Phasen-Präparate  602
­Intrauterinspirale; Intrauterine 16.4.3 Drei- und Vier-Phasen-­
Device, IUD), Präparate  603
­Intrauterinsystem  586 16.4.4 Minipillen (reines Gestagen)
16.2.4 Kondom (Präservativ)  589 und Morning-after-Pill  604
16.2.5 Lea®-Kontrazeptivum  590
16.2.6 Spermizide  590
16.2.7 Sterilisation  591
580 16  Kontrazeption  

Pearl-Index
Dient zum Vergleich der Versagerquoten unterschiedlicher kontrazeptiver Maß-
nahmen: Zahl der ungewollten Konzeptionen pro 1.200 Anwendungsmon. (sog.
100 Frauenjahre).

Ungeschützter Geschlechtsverkehr: Pearl-Index ~ 80.

Aktuelle Leitlinie im Internet unter: www.leitlinien.net

Tab. 16.1  Zuverlässigkeit verschiedener Kontrazeptiva


Methode Pearl-Index
®
Essure System (intratubare Spiralen) 0,05

IUS (Gestagenspirale, z. B. Mirena®) 0,1

Tubenligatur < 0,2

Pille 0,2–0,5

Depotgestagene 0,5

Zykluscomputer 0,7–6

Hormonpflaster 0,9

Morning-after-Pill 1

Temperaturmethode 1–3

IUP 2

Diaphragma + Spermizid 2

Minipille 3

Kondom 3–3,6

Diaphragma 5

16 Spermizide 8–36

Vaginalschwamm 15

Periodische Enthaltsamkeit 15–20

Billings-Methode 20–25

Coitus interruptus 25–35

16.1  Periodische Enthaltsamkeit und Coitus


interruptus
Biologische Voraussetzungen: beschränkte Befruchtungsfähigkeit der Gameten
(Eizelle 6–12 h; Spermien 2–3 Tage) sowie Bestimmbarkeit des Ovulationstermins.
Prinzip: Sexuelle Abstinenz während der fruchtbaren Tage.
   16.1  Periodische Enthaltsamkeit und Coitus interruptus  581

16.1.1  Methode nach Knaus-Ogino

Die periodische Enthaltsamkeit ist nur bei weitgehend stabilem Zyklus der
Frau praktikabel. Da bei den meisten Frauen die Zykluslänge leicht schwankt,
sollten zur Berechnung der fruchtbaren und unfruchtbaren Tage Aufzeich-
nungen über 12 Menstruationszyklen herangezogen werden.

Berechnung

Die Zeit der Abstinenz ist bei Knaus 3 Tage kürzer als bei Ogino, was zwar
eher zumutbar erscheint, aber dafür mit einer etwas geringeren Sicherheit
einhergeht (Pearl-Index 15–20). Keine NW oder KI.

Ogino
Ovulation zwischen dem 16. und 12.  Tag vor Einsetzen der darauffolgenden
Menstruation. Nimmt man eine max. Lebensdauer der Spermien von 3 Tagen an,
ergibt sich eine fertile Phase vom 19. bis12. Tag vor der nächsten Menstruation.

Berechnungsbeispiel für Zyklusintervalle von 26–30 Tagen


Erster fruchtbarer Tag = kürzester Zyklus – 18.
Letzter fruchtbarer Tag = längster Zyklus – 11.
Beispiel:
26- bis 30-tägige Zyklen: 26–18 = 8 (ZT), 30–11 = 19 (ZT) → fertile Phase
8.–19. ZT!

Knaus
Ovulation am 15. Tag vor der darauffolgenden Menses. Fertile Phase: Zeitraum
von 3 Tagen vor bis 1 Tag nach der Ovulation. Auf der Basis von 12 Menstruati-
onszyklen ergibt sich daraus folgende Berechnung:

Erster fruchtbarer Tag = kürzester Zyklus – 17.


Letzter fruchtbarer Tag = längster Zyklus – 13.
Beispiel: 16
26- bis 30-tägige Zyklen: 26–17 = 9 (ZT), 30–13 = 17 (ZT) → fertile Phase 9.–17.
ZT!

16.1.2  Temperaturmethode

Mithilfe der Morgentemperatur (Basaltemperatur, nach mind. 6 h Bettruhe)


gelingt es, den Ovulationstermin mit einer Genauigkeit von 1–2 Tagen auch
bei unterschiedlich langen Zyklen zu bestimmen (▶ Abb. 16.1).
582 16  Kontrazeption  

°C
37,3
unfruchtbar sicher unfruchtbar

Anstieg
Konzeptionsoptimum
37,2

37,1

37,0

36,9

36,8

Temp.-
36,7
Menstruation
36,6
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28
Zyklustage

Abb. 16.1  Basaltemperaturkurve zur Berechnung der fertilen Phase [L190]

Während in der ersten Zyklushälfte (Follikelphase) niedrige Temperaturen (z. B.


36,5–36,8 °C) vorliegen, kommt es mittzyklisch zu einem Temperaturanstieg um
0,2–0,6 °C. Infolge des thermischen Effekts des Progesterons bleibt das Tempera-
turniveau bei 37,0–37,3  °C während der 2.  Zyklushälfte bis zum Einsetzen der
nächsten Menstruation erhalten.

WHO-Definition (1966)
Signifikanter Temperaturanstieg, wenn Temperatur an 3  aufeinanderfolgen-
den Tagen um mind. 0,2 °C höher liegt als an den vorangegangenen 6 Tagen.
Ovulation durchschnittlich 0–2 Tage vor Temperaturanstieg.

Prinzip  Beschränkung der Kohabitationen ausschließlich auf die sicher unfrucht-


baren Tage vom 3. Tag nach dem Temperaturanstieg bis zur Menstruation. Erwei-
terte Form: Kohabitation auch in weniger zuverlässig unfruchtbaren Phasen vom
1. ZT (Beginn Menstruation) bis 6 Tage vor frühest gemessenem Temperaturanstieg.
Durchführung 
• Temperaturmessung morgens vor dem Aufstehen unter Ruhebedingungen.
16 • Die Nachtruhe sollte möglichst ≥ 6 h betragen haben.
• Möglichst Messung zur gleichen morgendlichen Tageszeit.
• Nur rektale, orale oder vaginale Messung zulässig, möglichst mit Digitalther-
mometer.
• Nach der Messung möglichst umgehende Eintragung des Messwerts in die
Basaltemperaturkurve (BTK). Besonderheiten (z. B. Erkältung, Fieber oder
Schlafentzug) sollten vermerkt werden.
Bewertung 
• Vorteile: absolut unschädlich, keine Verträglichkeitsprobleme, keine Beein-
trächtigung der späteren Fertilität, keine Kosten, keine NW oder KI.
• Nachteile:
– Führen einer BTK, tägl. Temperaturmessen vor dem Aufstehen.
– Längere Abstinenz erforderlich oder zusätzliche Kontrazeption in der Fol-
likelphase (z. B. Kondom).
   16.1  Periodische Enthaltsamkeit und Coitus interruptus  583

– Beeinträchtigung der Zuverlässigkeit z. B. durch Erkältungskrankheiten.


– Kaum durchführbar bei „Schichtarbeit“ bzw. häufiger Nachtarbeit.
– Nicht praktikabel bei unregelmäßigem Zyklus und Stillperiode.
• Zuverlässigkeit: Pearl-Index 1–3. Absoluter Empfängnisschutz bei aus-
schließlichem GV ab 3. Tag nach Temperaturerhöhung (Pearl-Index 1). Er-
weiterte Form → Pearl-Index 3.

16.1.3  Billings-Methode
Prinzip  Die durch den präovulatorischen Estradiolanstieg bedingte Zunahme
der zervikalen Sekretion wird von manchen Frauen als verstärkter klarer Fluor
empfunden und als „Ovulationsindikator“ benutzt.
Durchführung  Sexuelle Abstinenz an Tagen, an denen Abgang von flüssigem
Zervixschleim aus der Vagina beobachtet wird, einschließlich 4 Tage nach max.
Schleimabgang.
Bewertung 
• Vorteile: ▶ 16.1.2, Temperaturmethode.
• Nachteile:
– Ovulation auch bei insuff. Zervixschleimproduktion möglich (▶ 15.4.3).
– Vermehrter Mukus auch bei anovulatorischem Zyklus (z. B. Follikelper-
sistenz), Beurteilung durch vag. Fluor und Ejakulat erschwert.
• Zuverlässigkeit: hoher Pearl-Index von 20–25.

16.1.4  Coitus interruptus


Unterbrechung der Kohabitation durch Zurückziehen des Penis aus der Vagina
vor der Ejaculatio seminis. Pearl-Index 25–35.

16.1.5  Zykluscomputer
Prinzip  Nachweis von Östrogen und Lutealhormon im Urin mittels Teststreifen
→ unfruchtbare und fruchtbare Tage werden angezeigt. Pearl-Index 0,7–6.
Kontraindikationen  Die Methode ist ungeeignet für Frauen:
• die in den letzten 3 Mon. entbunden bzw. gestillt haben, 16
• mit endokrinen Störungen,
• innerhalb der ersten 3 Mon. bei einem Wechsel von oralen Kontrazeptiva auf
computergestützte Empfängnisverhütung.
Anwendung  Der 1.  Tag der Periode wird in den Computer eingegeben. An-
schließend werden jeden Tag die fruchtbaren bzw. die unfruchtbaren Tage ange-
zeigt. An fraglich fruchtbaren Tagen muss mittels eines Teststreifens der Morgen-
urin geprüft werden.
Geräte  Persona®, Baby-Comp® und Lady-Comp®.
Bewertung  Ein Nachteil der Methode ist die relativ umständliche Handhabung,
zudem ist sie relativ teuer. Relativ unsichere Methode. Besser geeignet für Frauen
mit Kinderwunsch zur Bestimmung der fertilen Zyklusphase.
584 16  Kontrazeption  

16.2  Mechanische und chemische


Verhütungsmethoden
16.2.1  Diaphragma
Formen  Das Diaphragma besteht aus einem mit Gummi (Latex!) überzogenen
flexiblen Metallring und einer Membran aus dünnem, nachgiebigem Gummi. Er-
hältlich in verschiedenen Größen mit einem Durchmesser von 45–105 mm in Ab-
stufungen zu je 5 mm (▶ Abb. 16.2).

Abb. 16.2  Diaphragma [L157]

Prinzip  Vaginale Barrieremethoden dienen in erster Linie als Träger (Carrier)


für das Spermizid (▶  16.2.6). Durch das Diaphragma wird die Cervix uteri von
einem Spermizidfilm überzogen, der die Migration der Spermien post ejaculatio-
nem in den alkalischen Mukus der Cervix uteri verhindert. Verbleiben die Sper-
mien in der Vagina, werden sie durch das saure Scheidenmilieu immobilisiert.
Zusätzlich kommt dem Diaphragma eine direkte Barrierefunktion zu, wobei aber
wegen Kontraktionen der Vagina eine vollständige Abdichtung der Scheide un-
möglich ist.
16 Kontraindikationen 
• Anatomisch: Vagina duplex oder septa, Prolaps uteri et vaginae.
• Rezid. Kolpitiden oder Zystitiden.
• Latexallergie, alternativ latexfreies Diaphragma (z. B. Fa. Femidom).
• Spermizidunverträglichkeit (mehrere Präparate ausprobieren!).
Bestimmung der richtigen Größe  Der Arzt palpiert mit Zeige- und Mittelfinger
der Untersuchungshand im hinteren Scheidengewölbe und misst die Distanz zum
Arcus pubis (Schambogen; am Finger abgemessen), die dem erforderlichen Dia-
phragmadurchmesser entspricht. Bei der Probeanwendung sollte der Arzt den
richtigen Sitz des Diaphragmas, das von der Frau selbst eingeführt wurde, mind.
1 × überprüfen.
• Diaphragma zu groß → dauerndes Druckgefühl, das Diaphragma wirft Falten,
der Partner spürt die weiche Gummimembran.
   16.2  Mechanische und chemische Verhütungsmethoden  585

• Diaphragma zu klein → unzuverlässige Abdichtung des Diaphragmas, ver-


rutscht leicht, der Partner spürt den Metallring.
Anwendung  Nach Bestreichen des Diaphragmarands an der konkaven Seite mit
Spermizid (1 TL) wird der Ring zusammengedrückt und in die Vagina eingeführt.
• Richtige Position: Das Diaphragma soll ventral hinter der Symphyse und sa-
kralwärts im hinteren Scheidengewölbe liegen (▶ Abb. 16.2). Bei korrekter La-
ge ist die Zervix durch das Diaphragma fühlbar. Der Spalt zwischen Symphy-
senbogen und Diaphragmavorderrand sollte für einen Finger eingängig sein.
• Einführen:
– Technik: selbstständige Diaphragmaeinführung liegend, mit angezogenen
Beinen, im Stehen oder in der Hocke möglich. In stehender Position soll
das Diaphragma horizontal, in liegender Position vertikal platziert wer-
den, anfangs tägl. üben.
– Zeitpunkt: mind. 10 Min. und höchstens 2 h vor dem GV bei leerer Blase.
Findet der Koitus später als 2 h nach Applikation des Diaphragmas statt,
sollte zusätzliches Spermizid verwandt werden. Das Diaphragma muss
mind. 6 h nach GV in situ belassen, aber nach längstens 24 h entfernt wer-
den. Reinigung mit warmem Wasser und Seife, keine Desinfektionsmittel.
Nebenwirkungen  vaginale Irritation oder lokale Entzündung mit vermehrten
HWI, häufig hämorrhoidale Beschwerden.
Bewertung 
• Vorteile: relativ unabhängig vom Zeitpunkt des Koitus, für den Partner nicht
fühlbar, keine systemischen NW, Schutz gegen aszendierende Keime.
• Nachteile:
– Verlust der zervikalen Sensation.
– Notwendigkeit, am eigenen Genitale zu manipulieren.
– Kontrazeption lässt sich zeitlich nicht vom GV bzw. Vorspiel trennen →
Verlust der Spontansexualität.
– Notwendigkeit, das Einsetzen zu üben.
– Zusätzliche Verwendung eines Spermizids erforderlich.
– Bei zu langer Liegedauer Kolpitis möglich.
• Zuverlässigkeit:
– Anwendungsdauer < 2 J. → Pearl-Index 5.
– Anwendungsdauer > 2 J. und Frauen > 35 J. → Pearl-Index 2,1. 16
16.2.2  Vaginalschwamm
Form  Der Vaginalschwamm besteht aus Polyurethan und ist mit dem Spermizid
Nonoxynol 9 getränkt. Er ist zum Einmalgebrauch gedacht und kann selbststän-
dig mit der Hand oder mithilfe eines Applikators vag. eingeführt und vor der Zer-
vix platziert werden.
Prinzip  Immobilisierung und Abtötung der Spermien.
Bewertung 
• Vorteile: Einführungstechnik einfach, Wirkungsdauer 24 h unabhängig von
der Anzahl der Kohabitationen, wird vom Partner nicht gespürt.
• Nachteile: Irritation der Vaginalhaut, nur international bestellbar.
• Zuverlässigkeit: Pearl-Index 15.
586 16  Kontrazeption  

16.2.3  Intrauterinpessar (IUP, Intrauterinspirale; Intrauterine


Device, IUD), Intrauterinsystem
Formen  Die IUP bestehen aus Polyethylen, einigen ist Bariumsulfat beigesetzt
(im Rö darstellbar). Bei den Kupfer-IUP ist der Schaft mit 0,2–0,4 mm dickem
Kupferdraht umwickelt.
Prinzip  Multifaktoriell, unterschiedliche Hypothesen in Diskussion:
• Endometriale Leukozytose (Anhäufung von polymorphkernigen Leukos und
Makrophagen) soll die Implantation verhindern und die Anzahl der aszen-
dierenden Spermien reduzieren.
• Kupferionen wird eine spermizide Wirkung zugeschrieben.
• Fremdkörperreizbedingte Freisetzung intrauteriner Prostaglandine → Vaso-
konstriktion der Arteriolen und evtl. zusätzlich Störung der Tubenkontrakti-
lität
• IUP-Wechsel alle 3 J.
Anwendung 
• Aufklärung über Risiken und NW und schriftliche Einverständniserklärung.
• Legen des IUPs durch einen geübten Arzt.
• Vor der Einlage des IUPs Palpation (Uterusposition) und gynäkologische
Spekulumeinstellung. Nach Möglichkeit aktueller zytologischer Abstrich (Pap
▶ 13.2.3) und sonografische Sondenlängenbestimmung (▶ 22.1.1).
• Einlage des IUPs während der Menstruation (2.–4. ZT), zur Zyklusmitte (pe-
riovulatorische CK-Öffnung) oder in der Zeit zwischen Ende der Menstruati-
on und vor dem 19. ZT wegen geringerer Expulsionsrate (Ausstoßung).
• Nativpräparat: Ausschluss einer Kolpitis (▶ 11.2.3, ▶ 11.3.5).
• Insertion nur unter sterilen Bedingungen: Vagina und Portio mit einer asep-
tischen Lsg. (z. B. Braunol®, Octenisept®-Lsg.) reinigen.
• Anhaken der Portio an der vorderen Muttermundlippe mit einer Kugelzange
und Strecken des Uterus und Messung der Uterussondenlänge.
• Dilatation des CK i. d. R. nicht erforderlich (wenn doch, Hegarstifte 4–5.
­Cave: Schmerzhaft!).
• IUP in das vorgesehene Führungsrohr (Applikator) einschieben, Einstellung
der Arretierung auf die individuelle Sondenlänge und vorsichtiges Einführen
des Applikators bis zum spürbaren Widerstand des Fundus uteri.
16 • Zurückziehen des Applikators, Mandrin belassen, wird zuletzt entfernt.
• Kürzen der IUP-Fäden auf ca. 1,5–2 cm.
• Sonografische Lagekontrolle des IUPs (IUP-Fundusabstand max. 20 mm) un-
mittelbar nach Insertion, nach der 1. Periodenblutung, dann weiter alle 6 Mon.
Präparate  ▶ Abb. 16.3
• Multiload® 375 (375 mm2 Kupferumwicklung).
• femena® Intrauterinpessar.
• femena® Gold Intrauterinpessar (Kupferdraht mit Goldkern).
• Nova T® Kupferdraht mit Silberkern. Kupferoberfläche 200 mm2.
Kontraindikationen 
• Absolut: Schwangerschaft, nicht abgeklärte Menometrorrhagien (Genitalkar-
zinome!), großer Uterus myomatosus, Uterusanomalien (Uterus bicornis, ar-
cuatus etc.), rezid. Genitalinf. (Adnexitiden), hypoplastisches Genitale (Son-
denlänge < 5,5 cm), Kupferallergie, Immunsuppression.
   16.2  Mechanische und chemische Verhütungsmethoden  587

• Relativ: Alter < 20 J. (Gefahr der Subfertilität durch aufsteigende Inf.), Z. n.
Extrauteringravidität (EUG).
– Lokal: narbige Zervixstenose, Hypermenorrhö.
Klf_Gyn/5_16.04
– Systemisch: Blutgerinnungsstörungen, anamnestisch rheumatische Endo-
karditis, Diab. mell., Anämie, immunsuppressive
1 Ther.
2

11 2 33 4
4

Abb. 16.3  IUP: 1 = Nova T® (Schering), 2 = IUP Kupfer T (Cilag), 3 = Multiload® Cu


250 short (Nourypharma), 4 = Multiload® Cu 250 (Nourypharma) [L190]

• Die IUP-Einlage sollte frühestens 6–8 Wo. p.p. erfolgen, da die Insertion


unmittelbar p. p. (auch post sectionem) mit einer hohen Ausstoßungsra-
te verbunden ist (14,8 %).
• Die IUP-Einlage nach Interruptio soll angeblich mit keiner höheren
KO-Rate verbunden sein, sieht man von einer verstärkten und schmerz-
haften Menstruationsblutung ab. Dieses Vorgehen ist bei Nulliparae
nicht zu empfehlen.

Nebenwirkungen 
• Blutungsanomalien: In 5–20 % muss das IUP während des 1. J. wegen Blutun-
gen gezogen werden. Nach dem 1. J. erhebliche Abnahme dieser KO.
• Genitalinf.: Endomyometritis, Adnexitis (Adnexitisinzidenz von 3,4 auf 5,2
pro 100 Frauenjahre erhöht).
• IUP-Expulsionen: Etwa 5 von 100 IUP-Trägerinnen pro Jahr (am häufigsten
während der ersten beiden Zyklen, Nullipara > Multipara).
• EUG: Inzidenz auf 4 % gegenüber 0,8 % bei Normalkollektiv erhöht.
• Perforation: etwa 1/1.000 Insertionen. Bei Perforation in die freie Bauchhöhle 16
muss IUP wegen des Risikos schwerer Darm-KO entfernt werden → „lost IUP“.
• Vasovagale Reaktion bei der Insertion (Bradykardie, RR-Abfall).
Bewertung 
• Vorteile: hohe Zuverlässigkeit, keine systemische Wirkung, Reversibilität,
unabhängig vom Geschlechtsverkehr, für Pat. weitgehend „wartungsfrei“ (mit
Ausnahme halbjährlicher Kontrollen).
• Nachteile: erhöhte Infektionsrate, Hypermenorrhö, evtl. Zwischenblutungen.
• Zuverlässigkeit: Pearl-Index 2.
Intrauterine Gravidität bei liegendem IUP
Wird das IUP belassen und die Schwangerschaft ausgetragen, ist mit folgenden
KO zu rechnen:
• Bis 50 % Spontanabortrate (max. im 2. Schwangerschaftstrimenon).
• Infektionsrisiko erhöht.
588 16  Kontrazeption  

• Frühgeburtenrate 4-fach erhöht (keine erhöhte Fehlbildungsrate, Häufigkeit


des intrauterinen Fruchttods oder der Plazentainsuff.).
Aufgrund der oben genannten Risiken sollte unmittelbar nach Feststellung der
Schwangerschaft geprüft werden, ob das IUP entfernt werden kann:
• IUP ist nach kaudal disloziert, Fruchtblase liegt darüber → relativ gefahrlose
IUP-Entfernung möglich.
• IUP liegt direkt neben oder oberhalb der Fruchtblase → Risiko, die Fruchtbla-
se zu verletzen und einen Abort zu induzieren, beträgt mind. 10 %.
• Bei Fortsetzung der Schwangerschaft ist die Keimbestimmung der Vaginalflo-
ra und ggf. eine spezielle Kolpitis-Ther. erforderlich (▶ 11.3.5).

Postkoitale IUP-Insertion
Wirkt durch Nidationshemmung.
Anwendung  Einsetzen des IUPs bis max. 5 Tage nach dem vermuteten Eisprung
(unabhängig von zwischenzeitlicher GV-Häufigkeit).
Bewertung 
• Vorteile: keine Übelkeit, keine Zyklusstörungen, auch bei KI gegen Hormone
möglich.
• Nachteile: Gefahr der Induktion einer Adnexitis.
• Zuverlässigkeit: > 95 %.
Intrauterinsystem (IUS, Mirena®)
Besteht aus einem T-förmigen Kunststoffkörper, ummantelt mit einem Levonor-
gestrel (LNG) enthaltenden (52 mg) Hormonzylinder.
Prinzip  Lokale Uteruswirkung: Die kontinuierliche LNG-Freisetzung wirkt
nicht systemisch, der Zyklus wird weiterhin von der ovariellen Steroidhormon-
synthese bestimmt, sodass Mirena® nicht wie die Minipille (▶ 16.3.2) wirkt.
• Progesterontypische Wirkung auf den Zervixmukus: Niedrige Viskosität
hemmt die Spermienaszension (▶ 15.2.7).
• Suppression der Endometriumproliferation (Nidationshemmung).
• Hemmung der Spermienmotilität in Uterus und Tuben.
Anwendung  Die Mirena®-Einlage sollte frühestens 6  Wo. p.p. erfolgen, da die
Insertion unmittelbar p. p. (auch post sectionem) mit einer hohen Ausstoßungs-
16 rate verbunden ist. Die IUS-Einlage nach Interruptio ist nicht mit einer erhöhten
KO-Rate verbunden. Postkoitale Insertion zur Kontrazeption im laufenden Zyk-
lus nicht sinnvoll, da keine ausreichende Nidationshemmung.
Kontraindikationen 
• Absolute: nicht bekannt.
• Relative: narbige Zervixstenose nach OP (Konisation, Geburtstrauma).
• Für junge Nulliparae bzw. für Frauen mit Uterusatrophie ist Mirena® nicht die
Methode der ersten Wahl, bei KI anderer sicherer Methoden aber möglich.
Nebenwirkungen 
• Schmierblutungen in den ersten 3–6 Mon. bei gleichzeitiger Reduktion der
Menstruationsstärke und -dauer.
• EUG: Inzidenz deutlich seltener als bei IUP, liegt bei ca. 2 %.
• Kosten werden nicht von den GKV übernommen (wie bei allen kontrazepti-
ven Maßnahmen bei Pat. jenseits des 20. Lj).
   16.2  Mechanische und chemische Verhütungsmethoden  589

• Die Rate ektopischer Schwangerschaften unter Mirena® beträgt 0,06 auf


100 Frauenjahre.
• Sollte unter Anwendung von Mirena® eine Schwangerschaft eintreten, wird
empfohlen, Mirena® zu entfernen, da das Risiko für einen Abort bzw. vorzei-
tige Wehen wie bei jedem in situ belassenen intrauterinen Kontrazeptivum
zunimmt.

Mirena® ist nicht als postkoitales Kontrazeptivum wirksam.

Bewertung 
• Vorteile:
– Extrem hohe Zuverlässigkeit: höchste Sicherheit aller reversiblen Metho-
den, entspricht der Sicherheit der Sterilisation.
– Volle Reversibilität.
– Reduktion der Blutungsstärke (gerade bei Frauen mit Hypermenorrhö,
z. B. auch unter IUP).
– Sichere Kontrazeption über 5 J. nach Insertion, ohne weitere Maßnahmen.
– Deutlich seltener aszendierende Genitalinf. durch zähflüssigen Zervix-
schleim.
– Amenorrhö bei 10–20 % innerhalb von 3 J.
– Schwangerschaftseintritt ca. 30 Tage nach Entfernung möglich.
• Nachteile:
– Einlage mit der Insertionshilfe gewöhnungsbedürftig.
– Höhere Kosten initial, monatl. Kosten etwa identisch mit Cu-IUP oder OH.

Pearl-Index 0,1 (!).

16.2.4  Kondom (Präservativ)

Das Kondom verhindert die Ejakulation des Samens in Vagina und Zervix.
Auch mechanischer Schutz gegen verschiedene Infektionskrankheiten (z. B.
AIDS).
16
Anwendung 
• Das Kondom bereits zu Beginn des GV über den erigierten Penis stülpen.
• Beschädigung (z. B. durch Fingernägel) vermeiden.
• Keine Wiederverwendbarkeit desselben Kondoms.
• Entfernung des Penis aus der Vagina in noch erigiertem Zustand unter Fest-
halten des Kondoms.
Bewertung 
• Vorteile:
– Gute Zuverlässigkeit bei korrekter Anwendung.
– Keine systemischen NW, keine KI.
– Leicht zu beschaffen (Kondome sollten jedoch wegen der besseren Lage-
rung in Apotheken gekauft werden).
– Einbeziehung des männlichen Partners in die Empfängnisverhütung.
590 16  Kontrazeption  

– Mikrobiologischer Schutz vor Gonokokken, Trichomonaden, Treponema,


Chlamydien, Protozoen und HIV, nicht vor Herpesviren.
– Unter Umständen auch Schutz vor Zervix-Ca bzw. CIN (▶ 13.6).
• Nachteile: mögliche Verminderung der Spontaneität beim Geschlechtsver-
kehr, verminderte Sensitivität für den Mann, physische und psychische Barri-
ere zwischen beiden Partnern, Gefahr der Ruptur.
• Zuverlässigkeit: in hohem Maße von der korrekten Anwendung abhängig,
Pearl-Index: 3–3,6.

Wenn das Kondom während der Kohabitation (Koitus) platzt, sollte eine
postkoitale Kontrazeption (IUP-Insertion, „Morning-after-Pill“) erwogen
werden (▶ 16.3.3).

16.2.5  Lea®-Kontrazeptivum
Prinzip  Intravag. Pessar (▶ Abb. 16.4) aus weichem Silikon, das die Spermienas-
zension verhindert. Höhere Sicherheit in Verbindung mit Spermizid-Creme.
Anwendung  Nach Einreiben mit Spermizid wird das Kontrazeptivum von der
Frau selbst vor dem Verkehr in der Scheide vor dem Muttermund platziert. Dort
kann es bis zu 48 h verbleiben.
Kontraindikationen  Scheidenfehlbildungen, Uterus duplex, Allergie gegen Sili-
kon.
Bewertung  Pearl-Index 2,9, mit Spermizid 2,2.

16.2.6  Spermizide
Prinzip  Schaum, Tbl., Zäpfchen, Cremes oder Gele, die Spermien immobilisie-
ren, abtöten und das Eindringen der Spermien in den Zervixkanal verhindern.
Die Spermizide werden zwar zu einem geringen Teil über die Vagina resorbiert,
systemische Effekte sind aber nicht nachweisbar. Obwohl Einzelbeobachtungen
über fetale Fehlbildungen nach Anwendung von Spermiziden vorliegen, besteht
aufgrund großer Untersuchungen kein Anhalt für einen teratogenen Effekt.
16 Anwendung  Vag.-Ovula, -Tbl. und -Zäpfchen sollen 10 Min. vor dem Verkehr
in die Scheide eingeführt werden. Gele und Cremes werden mithilfe eines Appli-
kators intravag. appliziert. Ejakulation sollte möglichst innerhalb der nächsten
60 Min. stattfinden.
Bewertung 
• Vorteile: keine systemischen NW, leichte Handhabung, Reversibilität, An-
wendung nur, wenn auch wirklich eine Kontrazeption benötigt wird.
• Nachteile: störendes Wärmegefühl in der Vagina, Manipulation kurz vor
dem Geschlechtsverkehr, selten vaginale Reizerscheinungen.
• Zuverlässigkeit: Pearl-Index 8–36.
Präparate  Spermizide Cremes sind derzeit in D nur noch als Reimporte über die
Apotheke erhältlich (z. B. Ortho-Creme® aus Großbritannien).
   16.2  Mechanische und chemische Verhütungsmethoden  591

16.2.7  Sterilisation

Eine op. Sterilisation sowohl der Frau als auch des Mannes sollte nur dann in
Erwägung gezogen werden, wenn eine irreversible Kontrazeption gewünscht
wird. In jedem Fall ist eine ausführliche Aufklärung der Pat. über mögliche
Risiken des Eingriffs sowie die Versagerquote und eine schriftliche Einwilli-
gung erforderlich.

Wie alle kontrazeptiven Maßnahmen ist auch die Sterilisation keine Leistung der
gesetzlichen Krankenkassen und wird nur in Ausnahmefällen bei medizinischer
Indikation auf Antrag übernommen. Bei erneutem Kinderwunsch (z. B. neuer
Partner) zahlt die Kasse keinerlei Kinderwunschbehandlung oder Refertilisation.

Sterilisation des Mannes (Vasektomie)


Definition  Op. Unterbindung (meist in Lokalanästhesie) des Ductus deferens.
Prinzip  Vermindert lediglich den Spermientransport nach außen, Hormonpro-
duktion der Hoden, sexuelles Empfinden, Potentia coeundi, Erektion und Ejaku-
lation werden nicht beeinträchtigt. Das Ejakulat besteht nur noch aus Sekret der
Prostata und Samenblasen und sollte keine Spermien mehr enthalten.
Komplikationen  Skrotalhämatom, Inf., Samengranulome.
Kontraindikationen  Varikozele, Hydrozele, Hernie, epididymale Zyste, Hämo-
philie, Diab. mell.
Zuverlässigkeit  Einer von 400  operierten Männern bleibt zeugungsfähig (z. B.
durch Unterbindung einer falschen anatomischen Struktur).

• Unbedingt Ejakulatuntersuchung 6 Wo. nach OP, da im Bereich der un-


teren Samenwege noch Spermiendepots bestehen können.
• Bei Wunsch nach Refertilisierung Versuch der mikrochirurgischen Re-
kanalisierung des Ductus deferens durch Anastomosierung (Refertilisie-
rungsrate 65–70 %).

Sterilisation der Frau (Tubenligatur) 16


Die Sterilisation der Frau durch Tubenligatur oder Entfernung der Tuben ist
abgesehen von der Hysterektomie die sicherste Verhütungsmethode. Sie
wird nicht mehr von der Krankenkasse bezahlt.

Prinzip  Verhinderung des Eitransports vom Ovar ins Cavum uteri und damit
des Zusammentreffens von aszendierenden Spermien mit dem befruchtungsfähi-
gen Ei. Der Eingriff sollte in der 1. Zyklushälfte durchgeführt werden, um einer
Lutealgrav. (schon eingetretenen) Befruchtung vorzubeugen.
Indikationen  Wunsch nach endgültiger Empfängnisverhütung bei definitiv ab-
geschlossener Familienplanung. Aus rein kontrazeptiven oder medizinischen
Gründen (schwere Varikosis, Nikotinabusus bei > 35 Lj, OH-Unverträglichkeiten,
Hypertonus u. a.). Cave: zurückhaltende Ind. bei Pat. < 30 Lj!
592 16  Kontrazeption  

Kontraindikationen  Akute entzündliche Prozesse (Adnexitis, Ileitis terminalis),


V. a. ausgedehnte Adhäsionen (schlechte Einsehbarkeit, Verletzungen), hämor-
rhagische Diathese, eingeschränkte OP-Fähigkeit.
Methoden 
• Laparoskopische Tubensterilisation: Am häufigsten durchgeführte Metho-
de. Sie kann durch bipolare Hochfrequenzkoagulation, alternativ durch Ther-
mokoagulation (Schwachstrom), mit Kunststoffclips (nach Hulka, Bleier)
oder mit Silasticringen (Fallope-Rings) erfolgen.
• Kolpozöliotomie: Zugang von vaginal durch den Douglas-Raum. Verfahren
sollte auf spezielle Ind. beschränkt werden (z. B. Laparoskopieversager bei
Adipositas per magna, ausgeprägte Retroflexio uteri, V. a. ausgeprägte intra-
abdominale Adhäsionen). Nachteil: höheres Infektionsrisiko.
• Per Laparotomie: Tubenligatur im Rahmen einer aus anderer Ind. vorge-
nommenen Laparotomie, z. B. Sectio, Ovarialzysten-OP. Die Laparotomie al-
lein zur Durchführung einer Tubenligatur ist obsolet!
• Essure®-Verfahren: Unter hysteroskopischer Sicht Einbringen von zwei Spi-
ralen mit Kunststoffkern in die Tuben-Anfangsteile, danach erfolgt eine Fib-
rosierung der Eileiter. Vorteile: keine Narkose notwendig, keine Verletzungs-
gefahr wie bei Laparotomie, sehr niedriger Pearl-Index: 0,05. Nachteile:
Wirksamkeit erst nach 6 Wo., muss durch Rö-Bild bewiesen werden.
Technik der Laparoskopie 
• Desinfektion des Mittelbauchs nach gründlicher Reinigung des Nabels.
• 3–5 mm große Inzision der Haut und des subkutanen Fettgewebes in der sub-
umbilikalen Nabelgrube.
• Senkrechtes Eingehen mit der Veressnadel bis auf den Faszienwiderstand.
Während die Bauchdecke mit der li Hand eleviert wird, wird die Veressnadel
in einem Winkel von 45° durch die Faszie und das Peritoneum vorgeschoben
(bei zu flachem Vorschieben rutscht die Nadel an der Faszie entlang!). Aspi-
rationsprobe.
• Insufflation von CO2-Gas (ca. 3–4 l). Kontrolle der richtigen intraperitonealen
Lage: Nadel gut beweglich, Insufflationsdruck 12–14 mmHg, Perkussion
(Aufhebung der Leberdämpfung zeigt gleichmäßige intraperitoneale Gasver-
teilung an). Perl-Probe: Durchstechen der Bauchdecke mit dünner Nadel und
aufgesetzter Kochsalzspritze → Injektion von NaCl 0,9 %, Aspiration von CO2
16 (dadurch sind evtl. an der vorderen Bauchwand Darmschlingen erkennbar).
• Entfernung der Veressnadel, Erweiterung der Stichinzision auf 1 cm.
• Eingehen mit dem Trokar unter langsam drehenden Bewegungen, Einführen
der Optik durch Trokar, Beurteilung des Situs in Kopftieflagerung.
• Einführen der Koagulationszange, Fassen der Tube etwa 2 cm lateral des Tu-
benabgangs und mehrmalige Koagulation; gleiches Vorgehen auf der anderen
Seite. Cave: Branchen der Koagulationszange müssen frei sein von Darm,
Blase, Peritoneum. Zusätzliche Durchtrennung der Eileiter bzw. Tubenteilre-
sektion verbessert nicht die kontrazeptive Sicherheit. Neueren Studien zufol-
ge erhöht sich damit sogar das Risiko eines Sterilisationsversagens auf das
3-Fache.
• Evtl. Entnahme eines Tubenteilstücks zum histologischen Nachweis.
! Aus forensischen Gründen empfiehlt sich eine Fotodokumentation des OP-
Situs oder ein histologischer Nachweis kompletter Tubenteilresektate!
   16.2  Mechanische und chemische Verhütungsmethoden  593

• Rückzug des Laparoskops unter Sicht, Ablassen des Pneumoperitoneums


(dabei Pat. wieder waagerecht lagern), Entfernung des Trokars, Verschluss
der Wunde durch jeweils 1–2 Subkutan- und Hautnähte. Steriler Verband.
• Entfernung der Fäden am 5. Tag.
Komplikationen 
• Narkoserisiko (0,16 ‰).
• OP-Risiko (Darmläsion 0,42 ‰, Blutungen 0,44 ‰, Inf. 0,16 ‰).
• Libidoverminderung (5 %; ▶ 19.2.6).
• Reduzierte Ovarialfunktion (verminderte Gefäßanastomosen zwischen A.
ovarica und A. uterina durch zu ausgedehnte Koagulation der Mesosalpinx).
• Psychische Probleme (2–5 %; ▶ 19.2.6).
Bewertung 
• Vorteile: hohe antikonzeptive Sicherheit, keine endokrine Belastung oder
systemische Wirkung, laparoskopische Inspektion des inneren Genitales.
• Nachteile: im Prinzip irreversibel, op. Eingriff in Narkose mit kurzem statio-
nären Aufenthalt bzw. ambulant, postop. „Muskelkater“ und Schulterschmer-
zen durch Phrenikusreizung.
• Zuverlässigkeit: Pearl-Index 0,2–1,8. Die statistische Versagerrate bei bipola-
rer Eileiterkoagulation bzw. Eileiterentfernung liegt bei < 1 pro 1.000 Eingrif-
fe, bei nachgeburtlichen Sterilisationen bei 7,5 pro 1.000 Eingriffe.

In Anlehnung an einen Vorschlag der International Planned Parenthood


Federation sollten Aufklärung und Einverständniserklärung folgende
Punkte enthalten:
• Aufklärung über die Art der Sterilisation (Clip, Koagulation, Tubenteilre-
sektion etc.).
• Irreversibilität.
• Versagermöglichkeit.
• OP- und Narkoserisiko.
• Im Fall einer Schwangerschaft erhöhtes EUG-Risiko.
• Alternative Verhütungsmöglichkeiten.

Refertilisierung
Die Refertilisierung ist nur mittels mikrochirurgischer OP-Verfahren möglich 16
(End-zu-End-Reanastomosierung oder Tubenreimplantation). Die Refertilisie-
rungsrate steht in direktem Zusammenhang mit der nach Anastomosierung er-
reichbaren Tubenlänge. Die Schwangerschaftsrate liegt bei 40–50 % nach Tuben-
koagulation, aber bis zu 83 % nach Clipsterilisation.

Die Refertilisierungs-OP wird nicht von der gesetzlichen Krankenkasse finan-


ziert.
594 16  Kontrazeption  

16.3  Hormonelle Kontrazeption


16.3.1  Orale Ovulationshemmer
Prinzip
• Zentrale Hemmung der Ovulation durch Hemmung der pulsatilen Sekretion
der Gonadotropin-Releasing-Hormone aus dem Hypothalamus sowie der hy-
pophysären Gonadotropinfreisetzung (FSH + LH).
• Behinderung der Nidation durch Hemmung der endometrialen Proliferation
und verfrühten aber vollständigen sekretorischen Transformation.
• Hemmung der Spermienaszension durch Verminderung der Zervixschleim-
produktion, Zunahme der Viskosität sowie der proteolytischen Enzyme.
• Beeinflussung der Tubenfunktion.
• Die kontrazeptive Wirkung wird in erster Linie durch das Gestagen gewähr-
leistet, eine adäquate Kombination mit EE ist vor allem zur Zykluskontrolle
wesentlich.

Maßnahmen vor Verordnung eines OH


• Sorgfältige Anamnese: Medikamenteneinnahme, Rauchen, familiäre Häufung
von Herz-Kreislauf-Erkr., Diab., Gerinnungsstörungen (Thrombosen!); Ge-
rinnungsdiagn. erforderlich (AT III, Protein C + S).
• Gynäkologische Untersuchung mit Zervixzytologie.
• RR-Kontrolle.
Regelmäßige empfohlene Kontrolluntersuchungen unter OH-
Einnahme
• NW erfragen (Gewichtszunahme, Übelkeit, Zwischenblutungen), RR-Kont-
rolle.
• Halbjährlich zytologischer Portio- und Zervixabstrich.
• Halbjährlich Palpation der Mammae und vag. Palpationsbefund.
• Bei Frauen > 40 J.: Lipidstatus (Gesamtcholesterin < 240 mg/dl; HDL
> 45 mg/dl; LDL < 160 mg/dl; Triglyzeride < 200 mg/dl).

16 Präparate
Die Kombinationspillen bestehen aus einer östrogenen und einer gestagenen
Komponente. Variationen entstehen durch:
Unterschiedliche Derivate
• Östrogene Komponente: Ethinylestradiol oder Mestranol. Beide sind Deriva-
te des stärksten natürlichen Östrogene, des Estradiols.
• Gestagene Komponente: Lynestrenol, Norethisteronacetat, Norgestimat, No-
rethisteron, Cyproteronacetat, Levonorgestrel, Norgestrel, Chlormadinonace-
tat, Gestoden, Desogestrel.
Dosierung
Die Ethinylestradioldosis schwankt zwischen 20 und 50 μg, die des Mestranols
zwischen 50 und 100 μg. Die Dosierung des Gestagens ist variabel und hängt von
der Potenz der jeweiligen Substanz ab (▶ Abb. 16.4).
   16.3  Hormonelle Kontrazeption  595

Abgestufte Dosierung innerhalb eines


Zyklus Einphasenpräparat
• Ein-Phasen-Präparate: konstante G
Östrogen-/Gestagenkombination Ö
an allen 21 Einnahmetagen
(▶ 16.4.1, ▶ 16.4.2).
• Zwei-Phasen-Präparate: enthalten Zweiphasenpräparat
während der ersten Einnahmephase G
(7 Tage) nur Östrogene, in der Ö
2. Phase (15 Tage) zusätzlich Gesta-
gene (▶ 16.4.4).
• Zwei-Stufen-Präparate: enthalten Zweistufenpräparat
bereits während der 1. Phase G
(11 Tage) eine niedrige Gestagen- Ö
dosis, die in der 2. Phase (10 Tage)
bei gleichbleibender Östrogendosis
(▶ 16.4.3) erhöht wird. Dreiphasenpräparat
• Drei-Phasen-Präparate: Hor- G
mondosierung wird dem natürli-
Ö
chen Zyklus angepasst (▶ 16.4.5):
– 1. Phase (z. B. 6 Tage): Niedriger
Östrogen- und Gestagenanteil. Abb. 16.4  Schema der Östrogen- und
– 2. mittlere Phase: Leicht erhöhte Gestagendosierungen bei den ver-
schiedenen OH-Typen [L190]
Östrogen- und Gestagenkom-
ponente.
– 3. Phase: Reduktion des Östrogenanteils bei gesteigertem Gestagenanteil.

Tab. 16.2  Kontraindikationen der oralen Ovulationshemmer


Absolute Kontraindikationen Relative Kontraindikationen

• Grav. • Starke Varikosis


• Z. n. tiefer Venenthrombose oder Embolie • Diab. mell.
• Z. n. Apoplex, Z. n. Herzinfarkt, zerebrale oder re- • Epilepsie
tinale Gefäßleiden, periphere Durchblutungsstö- • Multiple Sklerose
rungen • Porphyrie
• Hypertonus > 160/100 mmHg • Otosklerose
• Hormonempfindliche maligne Tumoren (Mamma- • Endometriose 16
Ca, Endometrium-Ca) • Stillen (nur reine Gestage-
• Insulinpflichtiger Diab. mit Gefäßveränderungen ne verwenden)
oder mehr als 10-jährigem Bestehen • Starke Pigmentierung
• Cholestatische Leberfunktionsstörungen • Ulcus ventriculi
• Z. n. Schwangerschaftsikterus, akute oder chron. • Ulzeröse Kolitis
persistierende Hepatitis • Adipositas
• Z. n. Herpes gestationis • Uterus myomatosus (keine
• Sichelzellanämie östrogenbetonten Präpa-
• Ungeklärte Genitalblutungen rate)
• Raucherinnen > 35 J.! • Melanom
• Vorausgegangene oder bestehende Lebertumoren
(Adenom, fokale noduläre Hyperplasie = FNH)
596 16  Kontrazeption  

Nebenwirkungen
• Hypertonus: Inzidenz, bei vorbestehendem labilen Hypertonus unter OH-
Einnahme eine manifeste Hypertonie zu entwickeln, liegt bei 5 %.
• Glukosetoleranz vermindert, aber keine erhöhte Diabetesinzidenz.
• Gefäßerkr.: Thrombembolien, Apoplexie, Koronarangiopathien.
• „Post-Pill-Amenorrhö“ = Oversuppression-Sy. 1–1,5 %.
• Bei kombinierten oralen Kontrazeptiva KOK mit niedrigem Estrogengehalt
(< 50 μg Ethinylestradiol) wird das Thrombembolierisiko vom Gestagenbe-
standteil beeinflusst. Für KOK der zweiten Generation mit Levonorgestrel
VTE-Häufigkeit 20 Fälle pro 100.000 Frauen pro Jahr, bei den KOK der drit-
ten Generation mit Gestoden oder Desogestrel VTE-Häufigkeit bis zu 40 Fäl-
len pro 100.000 Frauen pro Jahr.

Eher östrogenbedingt: Eher gestagenbedingt:


• Kopfschmerzen • Müdigkeit
• Übelkeit • Depression
• Ödembildung • Gewichtszunahme
• Gewichtszunahme • Libidoverlust
• Erhöhte Erkrankungsinzidenz bei: Hypertonus, Koronarangiopathien, Ro-
sazea, Ulcus ventriculi, Zystitis, Budd-Chiari-Sy., Thrombembolien, Leber­
adenomen, Vitiligo, ulzeröser Kolitis, Zervizitis, epileptischen Anfällen, Apo-
plexie, Chloasma, Gingivitis, Cholelithiasis, Porphyrie, Otosklerose.
• Verminderte Erkrankungsinzidenz bei: Ovarial-Ca, Endometrium-Ca, Ad-
nexitis, Endometriose, benignen Ovarialtumoren, Anämie, Duodenalulkus,
Myasthenia gravis, Schilddrüsenerkr., rheumatoider Arthritis, Sklerodermie,
Hypermenorrhö, Dysmenorrhö, prämenstruellem Sy., Hirsutismus, Akne,
benignen Brusterkr.
Umstritten ist die langfristige Auswirkung oraler OH auf die Inzidenz des
Mamma-Ca und des Zervix-Ca. In über 50 retrospektiven Fall-Kontroll-Stu-
dien und großen prospektiven epidemiologischen Untersuchungsreihen wur-
de keine Zunahme des Mamma-Ca-Risikos unter OH ermittelt. Bei einigen,
zahlenmäßig sehr kleinen Fallgruppen, z. B. jungen Frauen oder Nulliparae,
wurde in einigen Studien eine geringe Risikozunahme gefunden, in anderen
16 dagegen nicht!

Sofortiges Absetzen der OH bei


• Migräneanfällen, akut auftretenden Sehstörungen.
• Akut auftretenden thrombembolischen Symptomen.
• Auftreten eines Ikterus.
• Wachstum von Myomen, Endometrioseherden oder Knoten in der
Brust.
• Zunahme epileptischer Anfälle.
• Akuter Entgleisung des Kohlenhydratstoffwechsels.
• Eintreten einer Schwangerschaft.
• Längerer Immobilisierung (z. B. ca. 6 Wo. vor großen OP).
   16.3  Hormonelle Kontrazeption  597

Bewertung
• Vorteile:
– Höchste erreichbare Sicherheit, Reversibilität der Kontrazeption.
– Keine Vorbereitungshandlungen vor dem sexuellen Kontakt erforderlich.
– Meist gute Verträglichkeit und Akzeptanz.
– Ohne Bedenken bei jungen Mädchen und Nulliparae anwendbar.
– Nützliche NW oben.
• Nachteile:
– Tägl. Einnahme erforderlich.
– Zyklusstörungen möglich (v. a. während der ersten drei Anwendungs-
mon.).
– KI und unerwünschte NW oben.
• Zuverlässigkeit: Pearl-Index 0,2–0,5.
Spezielle Fragen zur OH-Einnahme
Was tut man bei:
• Zwischenblutungen:
– Postmenstruell: Verordnung von Sequenzpräparaten.
– Prämenstruell: östrogenbetonte Präparate.
– Mittzyklisch: Ethinylestradiol 25–50 μg/d p. o., zusätzlich über 4–6 Tage
(z. B. Ethinylestradiol 25 μg Jenapharm®), beginnend 2 Tage vor dem ZT,
an dem normalerweise die Zwischenblutungen auftreten.
• Chloasma: abendliche Pilleneinnahme, sodass höchste Steroidhormon-Kon-
zentrationen nachts auftreten; evtl. Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor.
• Übelkeit: OH abends nach dem Essen einnehmen.
• Reduzierte Libido: Präparatwechsel auf östrogenreichere Pille (z. B. Neo-Eu-
nomin®).
• Gewichtszunahme: Wechsel auf Präparat mit niedrigerem Östrogengehalt .
• Brustspannen: Präparatwechsel auf gestagenbetonte Pille (z. B. Marvelon®).
• Ausbleiben der Abbruchblutung trotz regelmäßiger Pilleneinnahme:
– nach Ausschluss einer Grav. Fortsetzung der Pilleneinnahme nach übli-
cher (i. d. R. 7-tägiger) Pillenpause.
– Übergang auf ein östrogenbetonteres Präparat, falls das Ausbleiben der
Blutung als störend empfunden wird.
Tipps beim Präparatwechsel 16
Umsteigen von höher auf niedriger dosiertes Präparat → Einnahmebeginn am
1. Tag der Periodenblutung (kürzeres pillenfreies Intervall, z. B. nur 2 Tage).
Umsteigen von einem niedrig dosierten auf ein höher dosiertes Präparat → 7-tägige
Einnahmepause kann eingehalten werden.
Menstruationsverschiebung
Am besten mit Ein-Phasen-Präparaten:
• Vorverlegen: Pille max. 7 Tage vor Beginn der Pillenpause absetzen → 2–3 Ta-
ge später Entzugsblutung.
• Hinausschieben: Fortsetzen der Pilleneinnahme mit der 2. Packung ohne Pil-
lenpause; bei Sequenzial-, Phasen- und Stufenpräparaten (s. o.) ist nur die
2. Hälfte der Pillenpackung (mit Östrogen- und Gestagenanteil) geeignet.
­Cave: Drei-Phasen-Präparate sind zur Menstruationsverschiebung nicht zu
empfehlen.
598 16  Kontrazeption  

Pilleneinnahme einmal vergessen


• Während der ersten 14 Einnahmetage → Pilleneinnahme fortsetzen, keine
kontrazeptive Sicherheit mehr gewährleistet, zusätzliche Maßnahme erfor-
derlich.
• Während der letzten 7 Einnahmetage → keine Beeinträchtigung der kontra-
zeptiven Wirkung, aber Zyklusstörungen möglich. Pilleneinnahme fortsetzen.
Medikamenteninteraktion
Abschwächung der Pillenwirkung durch:
• Antibiotika: z. B. Ampicillin, Tetrazykline, Cephalosporine, Co-trimoxazol/
Trimethoprim-Kombinationen.
• Antikonvulsiva: z. B. Carbamazepin, Phenytoin, Primidon.
• Barbiturate, Rifampicin.
Pille und Schwangerschaft
• Fertilität nach Absetzen der Pille unverändert (nach 6 Mon. ist bei 80 % der
Frauen eine Konzeption eingetreten).
• Oversuppression-Sy. (Post-Pill-Amenorrhö) in 1–1,5 % (v. a. bei Frauen, die
bereits vor Einnahme der Pille labile Zyklusverhältnisse hatten).
• Abortrate, Frühgeburtenfrequenz und Fehlbildungsrate sind nach Einnahme
der Pille unverändert.
• Keine Häufung von Fehlbildungen bei Grav. unter OH-Einnahme.
Pille und Stillen
Der kontrazeptive Schutz durch Stillen ist nicht verlässlich. Orale Kontrazeptiva
dürfen während der Stillzeit nur als reines Gestagenpräparat, z. B. Desogestrel
(Cerazette®) angewandt werden. Mit Aufnahme des GV meist ca. 6 Wo. p.p. sollte
auch der kontrazeptive Schutz geklärt sein.
Gründe gegen die Einnahme von Ovulationshemmern in der Stillzeit:
• Östrogenbedingte Volumenreduktion der Muttermilch um bis zu 42 %, be-
sonders bei vorbestehender Laktationsschwäche.
• Keine Beeinträchtigung der Milchmenge durch Gestagene.
• Übergang der Hormone in die Muttermilch: Bei Einnahme von 50 μg Ethinyl­
estradiol tägl. sind diese in der Muttermilch nicht nachweisbar.
! Antiandrogene Gestagene (z. B. Cyproteronacetat, Chlormadinonacetat) soll-
ten während der Stillzeit nicht eingesetzt werden.
16
Tab. 16.3  Orale Kontrazeptiva bei Fernreisen
Morgendliche Einnahme

Hinflug Zielort/Route Rückflug

Abflug- Nächster Ab 2. Tag Abflugtag Nächster Ab 2. Tag


tag Tag Tag

Mor- Morgens Morgens Nordamerika Morgens Nach An- Morgens


gens Ostküste Ab- wie ge- kunft
wie ge- flug ca. 10:00 wohnt
wohnt Uhr Rückflug
ca. 18:00 Uhr
   16.3  Hormonelle Kontrazeption  599

Tab. 16.3  Orale Kontrazeptiva bei Fernreisen (Forts.)


Morgendliche Einnahme

Hinflug Zielort/Route Rückflug

Nach An- Morgens Nordamerika Morgens Nach An- Morgens


kunft Westküste wie ge- kunft in
Abflug ca. wohnt Deutsch-
11:00 Uhr land
Rückflug ca.
15:00 Uhr

Vor An- Abends Australien Ab- Vor An- Abends in Morgens


kunft statt mor- flug ca. 21:00 kunft in Deutsch-
z. B. in gens Uhr Rückflug Malaysia land
Dubai ca. 14:00 h

Vor An- Abends Japan Abflug Abends Nach An- Morgens


kunft statt mor- ca. 13:00 Uhr wie ge- kunft in
z. B. in gens Rückflug ca. wohnt Deutsch-
Tokio 21:30 Uhr land

Vor An- Morgens Südamerika Morgens Vor An- Morgens


kunft Abflug ca. wie ge- kunft in
z. B. in 22:00 Uhr wohnt Deutsch-
Rio Rückflug ca. land
18:00 Uhr

16.3.2  Minipille, Depotgestagene


Minipille
Prinzip 
• Hemmung der Spermienaszension durch Veränderung und Verminderung
des Zervixschleims und des Endometriums.
• Abschwächung des mittzyklischen LH-Gipfels, aber Hemmung der Ovulation
nur in max. 40–50 %.
Kontraindikation  Leberadenome, steroidabhängige Karzinome, Z. n. Chorion-
Ca, aktive Lebererkr., Extrauteringrav.
16
Anwendung  Kontinuierliche tägl. Einnahme einer niedrigen Gestagendosis, die
1
⁄6–1⁄10 der Menge eines üblichen Ein-Phasen-Präparats beträgt. Keine Einnahme-
pause.
Präparate  Desogestrel 0,075 mg (Cerazette®), Levonorgestrel 0,03 mg (Micro-
lut®, 28mini®).
Bewertung 
• Vorteile: kein kardiovaskuläres Risiko → kann auch Frauen mit Diab. mell.,
Hypertonus, Adipositas und > 35 J. verordnet werden, keine Laktationshem-
mung → Gestagenpille + Laktation zusammen fast 100 % Konzeptionsschutz,
keine Migräneverschlechterung.
• Nachteile: Zyklusunregelmäßigkeit bei 30–60 % der Frauen (meist Schmier-
blutungen), Ovarialzysten, Einhaltung der gleichen Einnahmezeit (Pillenein-
nahme darf max. 3 h verschoben werden, da ansonsten keine sichere Kontra-
600 16  Kontrazeption  

zeption mehr gewährleistet ist und zusätzliche Barrieremethoden erforderlich


werden).
• Zuverlässigkeit: Pearl-Index 3.
¾ der ungewollten Schwangerschaften beruhen auf Einnahmefehlern.

Depotgestagene
Prinzip  Über eine Veränderung der pulsatilen Gonadotropinausschüttung kommt
es zur Ovulationshemmung, allerdings weniger ausgeprägt als unter den oralen OH.
Daher bleibt endogener Östrogenspiegel ausreichend hoch. Daneben bewirken sie
eine Transformation des Endometriums und verändern den Zervixschleim.
Kontraindikation  Schwangerschaft, schwere arterielle Erkr., unklare genitale
Blutungen, aktive Lebererkr.
Anwendung  Die Präparate werden während der ersten 5 ZT in 2- oder 3-monatl.
Abständen i. m. (frühestens 4–5 Wo. p.p.) bzw. alle 3 J. s. c. (z. B. li Oberarm) in
Lokalanästhesie verabreicht.
Präparate  Im deutschsprachigen Raum stehen lang wirksame Depotgestagene
nur in mikrokristalliner oder öliger Injektionsform bzw. als über 3 J. wirkendes
Langzeit-Gestagenstäbchen (Implanon®) von 40 × 2 mm Größe zur Verfügung:
• Medroxyprogesteronacetat (MPA) 150 mg (Depo-Clinovir® 150) und
• Norethisteronenanthat 200 mg (Noristerat®).
• Etonogestrel 68 mg (Implanon®).
Bewertung 
• Vorteile: Hohe Verlässlichkeit, Verminderung von Dysmenorrhö, Adnexiti-
den, epileptischen Anfällen, fraglich auch Migräne, keine Hemmung der Lak-
tation, auch bei Diab. mell. oder Hypertonus anwendbar.
• Nachteile: Oft erhebliche Zyklusunregelmäßigkeiten über einen langen Zeit-
raum (Schmierblutungen, sehr selten Amenorrhö), Gewichtszunahme, Kopf-
schmerzen, Libidoverlust, Depressionen, Akne, Seborrhö, verzögertes Einset-
zen der Fertilität (aufgrund einer Kumulierung des Gestageneffekts bis 1–2 J.
nach Absetzen des Präparats), selten Galaktorrhö. Entfernen von Implanon®
teilweise sehr schwer.
16 • Zuverlässigkeit: Pearl-Index 0 (Implanon®), 0,3–1,2 (MPA) bis 3,6 (Nor­
ethisteronacetat).

16.3.3  Vaginalring
Prinzip  Applikation von Östrogenen (Ethinylestradiol 15 μg/d) und Gestagenen
(Etonogestrel 120 μg/d) über einen flexiblen, vag. applizierten Ring (NuvaRing®).
Kontraindikation  Grav., schwere thrombembolische Prozesse in der Anamnese.
Anwendung  Applikation des Rings (flexibel, Durchmesser 5,4 cm) durch die
Frau selbst intravaginal während der Menstruation. Ring bleibt über 3 Wo. liegen,
wird dann durch die Frau wieder entfernt. Der Ring bleibt auch während des Ge-
schlechtsverkehrs liegen, kann aber ohne Beeinträchtigung der kontrazeptiven
Sicherheit bis zu 3 h am Tag entfernt werden.
Präparat  NuvaRing®.
   16.3  Hormonelle Kontrazeption  601

Bewertung 
• Vorteile: Lokale Applikation der Östrogene und Gestagene erlaubt eine nied-
rige Dosierung der Hormone mit guter Wirksamkeit.
• Zuverlässigkeit: zum Pearl-Index noch keine Angaben, da relativ neue Me-
thode. Nach Angabe des Herstellers vergleichbar mit „Pille“, also 0,2–0,5.

16.3.4  Hormonpflaster
Prinzip  Pflaster mit kontinuierlicher Abgabe von Östrogen und Gestagen (Norel-
gestromin 6 mg, Ethinylestradiol 600 μg), z. B. EVRA® Transdermales Pflaster.
Anwendung  Erstes Pflaster mit Beginn der Menstruation kleben, nach 1  Wo.
und nach 2 Wo. wechseln (jeweils am selben Wochentag). Danach 1 Wo. Pause
mit Abbruchblutung. Die pflasterfreie Zeit sollte max. 7 Tage betragen.
Kontraindikationen und Nebenwirkunge 
• Wie bei oralen hormonellen Kontrazeptiva (▶ 16.3.1).
• Bei Körpergewicht > 90 kg nur eingeschränkter Schutz.
Pearl-Index 0,9.

16.3.5  Postkoitale Kontrazeption (Morning-after-Pill)


Prinzip  Verhindert die Nidation (Einnistung) der befruchteten Eizelle.
Kontraindikation  Grav., Herpes gestationis, schwere thrombembolische Prozesse.
Präparate und Anwendung  Gestagene: Levonorgestrel (1,5 mg in PiDaNa® 1 Tbl.)
innerhalb von 12 h, max. aber 72 h nach GV einnehmen.
Progesteron-Rezeptorblocker: Ulipristalacetat 30 mg (ellaOne® 1 Tbl.), Einnahme
bis zum 5. Tag nach GV möglich, Nachteil: höhere Kosten.
Nebenwirkungen  Übelkeit (seltener Erbrechen) in 75 %, Brustspannen, Menst-
ruationsvorverlegung oder -verzögerung (bei 22 %).
Bewertung 
• Zuverlässigkeit: bei rechtzeitiger Anwendung ca. 98 %.
Bei der Verordnung sollte man berücksichtigen
16
• Genaue Zyklusanamnese → Ausschluss einer Schwangerschaft.
• HCG-Serumbestimmung (oder Ultraschall) zum sicheren Ausschluss ei-
ner Frühgrav.
• Vag. Untersuchung.
• Aufklärung über Versager (keine erhöhte Fehlbildungsrate, aber fraglich
erhöhte EUG-Rate bei ungewollt eintretender Grav.).
• Follow-up-Untersuchung nach 3–4 Wo. empfehlen.
• Als Notlösung gedacht; sollte nur einmal im Zyklus angewandt werden.
• Kann auch in der Stillzeit verwendet werden.
Postkoitale IUP-Insertion ▶ 16.2.3.
602 16  Kontrazeption  

16.4  Übersicht über Ovulationshemmer


Indikation ▶ 16.3 (Kontrazeption), Indikationseinschränkung ▶ 16.3.1.

Die nachfolgenden Tabellen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit (EE


= Ethinylestradiol-Gehalt in Milligramm).

16.4.1  Ein-Phasen-Präparate

Tab. 16.4  Ein-Phasen-Präparate. In Klammern: Ethinylestradiol-Gehalt in Mil-


ligramm. Sog. Mikropillen: EE-Gehalt < 0,05, laktosefreie Präparate sind fett
markiert.

Gestagen Präparate (Beispiele)

Chlormadinonacetat Balanca® (0,03), Belara® (0,03), Bellissima® (0,03), Bonita®


(0,03), Chavira® (0,03), Enriqua® (0,03), eufem® (0,03), Madi-
nette® (0,03), Minette® (0,03), Pink Luna® (0,03), Verana® (0,03)

Cyproteronacetat Diane 35® (EE: 0,035)

Desogestrel Desmin® 20/30 (0,02/0,03), Lovelle® (0,02), Marvelon® (0,03)

Dienogest Maxim® (0,03), Valette® (0,03)

Drospirenon Aida® (EE: 0,02), Petibelle® (0,03), Yasmin® (0,03), Yasminelle®


(0,02), YAZ® (0,02)

Gestoden Femovan® (0,03), Minulet® (0,03)

Levonorgestrel Asumate 20® (EE: 0,02), Evaluna® 20/30 (0,02/0,03), Femigoa®


(0,03), Femigyne® (0,03), Gravistat® (0,05), illina® (0,02), Leios®
(0,02), Liana® (0,02), Microgynon® (0.03), Minisiston® (0,03),
Miranova® (0,02), MonoStep® (0,03)

Norgestimat Cilest® (0,035)

Norethisteron Eve 20® (0,02)


16
16.4.2  Zwei-Phasen-Präparate

Tab. 16.5  Zwei-Phasen-Präparate


Name (D) Tbl. Östrogen Gestagen

Biviol® 7 EE 0,040 mg Desogestrel 0,025 mg

15 EE 0,030 mg Desogestrel 0,125 mg

Neo-Euno- 11 EE 0,050 mg Chlormadi- 1,000 mg


min® nonacetat

11 EE 0,050 mg Chlormadi- 2,000 mg


nonacetat
   16.4  Übersicht über Ovulationshemmer  603

16.4.3  Drei- und Vier-Phasen-Präparate


Tab. 16.6  Drei-Phasen-Präparate
Name (D) Tbl. Östrogen Gestagen

Novial 7 EE 0,035 mg Desogestrel 0,050 mg

7 EE 0,030 mg Desogestrel 0,100 mg

7 EE 0,030 mg Desogestrel 0,150 mg

Nova Step® 6 EE 0,030 mg Levonorgestrel 0,050 mg

5 EE 0,040 mg Levonorgestrel 0,75 mg

10 EE 0,030 mg Levonorgestrel 0,125 mg

Pramino® 7 EE 0,035 mg Norgestimat 0,180 mg

7 EE 0,035 mg Norgestimat 0,215 mg

7 EE 0,035 mg Norgestimat 0,250 mg

Trigoa® 6 EE 0,030 mg Levonorgestrel 0,050 mg

5 EE 0,040 mg Levonorgestrel 0,075 mg

10 EE 0,030 mg Levonorgestrel 0,125 mg


®
Trinovum 7 EE 0,035 mg Norethisteron 0,500 mg

7 EE 0,035 mg Norethisteron 0,750 mg

7 EE 0,035 mg Norethisteron 1,000 mg


®
Triquilar 6 EE 0,030 mg Levonorgestrel 0,050 mg

5 EE 0,040 mg Levonorgestrel 0,075 mg

10 EE 0,030 mg Levonorgestrel 0,125 mg


®
Trisiston 6 EE 0,030 mg Levonorgestrel 0,050 mg

6 EE 0,040 mg Levonorgestrel 0,075 mg

9 EE 0,030 mg Levonorgestrel 0,125 mg 16


®
Qlaira 2 Estradiol- 3 mg
valerat

5 Estradiol- 2 mg Dienogest 2 mg


valerat

17 Estradiol- 2 mg Dienogest 2 mg


valerat

2 Estradiol- 1 mg
valerat
604 16  Kontrazeption  

16.4.4  Minipillen (reines Gestagen) und Morning-after-Pill


Cerazette® (28  Tbl. 0,075 mg Desogestrel), Microlut® (35  Tbl. Levonorgestrel
0,03 mg), 28 mini® (Levonorgestrel 0,03 mg)

Tab. 16.7  Postkoitalpille


Name (D) Tbl. Östrogen Wirkstoff Name (A) Name (CH)

PiDaNa® 1 Levonorgestrel 1,50 mg – –

ellaOne® 1 – Ulipristalacetat 0,30 mg ellaOne® ellaOne®

16
17 Endokrinologie
Axel Valet

17.1 Klimakterium  606 17.2.3 Östrogenpräparate  616


17.1.1 Symptome und 17.2.4 Östrogen-Androgen-­
­Differenzialdiagnose  606 Kombination  618
17.1.2 Diagnostik  606 17.2.5 Gestagenpräparate  619
17.1.3 Therapie  607 17.2.6 Andere Präparate  619
17.1.4 Osteoporose  611 17.3 Adrenogenitales Syndrom
17.1.5 Hormonsubstitution nach (AGS)  620
Mamma- und 17.4 Sheehan-Syndrom  622
­Genitalkarzinomen  613 17.5 Weibliche Alopezie  623
17.2 Hormonpräparate zur prä-, 17.6 Androgenisierungs­
­peri- oder postmenopausalen erscheinungen  625
Therapie  614
17.2.1 Zyklische Präparate  614
17.2.2 Kontinuierliche
­Präparate  615
606 17  Endokrinologie  

17.1  Klimakterium
17.1.1  Symptome und Differenzialdiagnose

• M
 enopause: letzte von den Eierstöcken gesteuerte Menstruationsblutung.
• K
 limakterium: Übergangsphase zwischen Erlöschen der Fortpflanzungsfä-
higkeit und dem Beginn des Seniums (ca. 47.–55. Lj).
• P erimenopause: 2 J. vor und nach der Menopause.
• P rämenopause: Zeitraum von 4–5 J. vor der Menopause, gekennzeichnet
durch Follikelreifungsstörungen, Gelbkörperinsuffizienz und Anovulation.
• P ostmenopause: Zeitraum ab 1 J. nach der Menopause.

Ursache
Erschöpfung der Eierstockfunktion durch Follikelatresie. Die bei der Geburt an-
gelegten 300.000–500.000 Primordialfollikel sind zu Beginn des Klimakteriums
bereits weitgehend degeneriert. Während die zentralen Regulationsmechanismen
von Hypothalamus und Hypophyse funktionsfähig bleiben, erlischt die An-
sprechbarkeit der Ovarien auf gonadotrope Reize.

Symptome
• D
 ysfunktionelle Blutungen: Anovulation, Lutealphaseninsuff. glandulär-zys-
tische Hyperplasie (▶ 13.7.1).
• P aroxysmale vasomotorische Beschwerden: Hitzewallungen (bei 70 %),
Schweißausbrüche (bei 50 %), fleckige Hautrötungen (Kopf, Hals).
• N
 eurovegetative Beschwerden: Kopfschmerzen, Schwindel, Parästhesien;
Herzklopfen, Schwächegefühl.
• P sychosomatische Beschwerden: Müdigkeit, Leistungsabfall, Schlaflosigkeit,
Reizbarkeit, Nervosität, Depression, psychosexuelle Störungen. Neurotische
Störungen (bis zu 10 %).
•  steoporose (chron. Rücken- und Extremitätenschmerzen).
O
•  ewichtszunahme.
G
•  trophie im Urogenitalbereich: Lichen sclerosus (▶ 11.5); Vaginalatrophie
A
Kohabitationsbeschwerden (▶ 19.2.5); Colpitis senilis (▶ 11.3.5); Ektropium
der Urethra; Urethrozystitis.

17.1.2  Diagnostik
Anamnese; Inspektion (Vulva, Vagina); zytologischer Abstrich nach Papanicola-
17 ou mit Proliferationsgrad nach Schmitt. Atrophie beim Reifeindex des Vaginal­
epithels (zytologischer Hormongrad 1–2). Labor: Estradiol (< 20 pg/ml → keine
Blutung mehr), Östron (< 40 pg/ml → keine Blutung mehr), FSH (> 50 mIE/ml →
hypophysärer Versuch der max. ovariellen Stimulation).
   17.1  Klimakterium  607

17.1.3  Therapie

Tab. 17.1  Dosierung (mg/d) bei klimakterischen Beschwerden


Ethinylestradiol 0,002

Estradiolvalerat 1,0–2,0

Konjugierte Östrogene 0,6–1,25

Estradiol (mikronisiert) 2,0

Estriol, Estriosuccinat 2,0–4,0

Indikationen
Vegetativ klimakterische Beschwerden, bedingt durch den Ausfall der ovariellen
Hormonproduktion. Bei Climacterium praecox sollte auf jeden Fall über einen
langen Zeitraum substituiert werden. HRT und ERT wirksamste Primär-, Sekun-
där- und Tertiärprävention der Osteoporose. Derzeit vom BfARM nur für Sekun-
därprophylaxe bei Unverträglichkeit anderer Medikamente (Alendronat, Rised-
ronat, Strontium Ranelat, Teriparatid) zugelassen. Ausführliche Erörterung und
gemeinsame Risikoabwägung mit der Pat. (leicht erhöhte Inzidenz für Mamma-
Ca, s. u.), regelmäßige Überprüfung der Indikation, wenigstens 1 × jährlich.

Hormonelle Substitutionstherapie
• B ei nicht hysterektomierten Frauen durch Östrogene in Kombination mit Ges-
tagenen (HRT), bei hysterektomierten Frauen allein mit Östrogenen (ERT).
• B ei dysfunktionellen Blutungen muss jeder hormonellen Ther. ein histologi-
scher Malignomausschluss durch diagn. Hysteroskopie und frakt. Abrasio
vorausgehen.
•  ei Osteoporose zusätzlich für ausreichende Bewegung sowie elektrolyt- und
B
eiweißreiche Ernährung sorgen, Kalzium- und Vit.-D-Zufuhr.

Bewertung

Tab. 17.2  Bewertung der niedrig dosierten Hormontherapie


Nachteile und NW Vorteile

Vor allem bei zu hoher Dosierung: • Drastische Verminderung des Osteopo-


• Magenbeschwerden mit Übelkeit roserisikos
• Schmerzhafte Schwellung der Brüste • Signifikante Reduktion des KHK-Risikos
• Ödeme, Gewichtszunahme bei frühzeitigem Beginn innerhalb von
• Krämpfe in den Beinen
• Kopfschmerzen
4–5 J. nach der Menopause, späterer Be-
ginn erhöht das kardiovaskuläre Risiko
17
• Uterine Blutungen • Vermindertes Risiko für kolorektale Kar-
zinome (zweithäufigstes Malignom der
Frau) und wahrscheinlich für das Endo-
metrium-Ca

Kontraindikationen
• A
 bsolute KI: Thrombembolie, östrogenabhängige Malignome (Mamma-Ca,
Endometrium-Ca), Lebererkr. (path. Leberwerte?), Z. n. Schwangerschaftshe-
608 17  Endokrinologie  

patose, nicht ausgeheilte Hepatitis, Enzymopathien (Rotor-, Dubin-Johnson-


Sy.), Hirngefäßerkr., Porphyrien, schwere Hypertonie, Lupus erythematodes,
Meningeome, Allergie gegen Wirk- und Hilfsstoffe.
•  elative KI: schwerer Diab. mell., Migräne, Epilepsie, Myome, kardiale und
R
nephrogene Ödeme, proliferierende Tbc, Mastopathie.

Tab. 17.3  Wirkung verschiedener Östrogene auf die Zielorgane


Substanz, Tages­ Zielorgan
Applikations- dosis
weg Psychove- Urogeni- Knochen Herz- Endome-
getativum talsystem Kreislauf trium

17β-Estradiol 1–2 mg + (+) + + +


p. o.

Konjugierte 0,3– + (+) + + +


Östrogene 1,25 mg
p. o.

17β-Estradiol 50–100 μg + (+) + + +


transdermal,
Pflaster

17β-Estradiol 0,5–1,5 mg + (+) + + +


transdermal,
Gel

Estriol p. o. 1–2 mg (+) + – – –

Studienlage
Insb. nach Veröffentlichung der WHI-Studie 2002 kam es zu großer Verunsicherung
bei der HRT-/ERT-Verordnung, die auf europäischer und nationaler Ebene auch zur
Veränderung der Medikamentenzulassung führte, leider nicht immer evidenzba-
siert. Durch exaktere Auswertungen mit Berücksichtigung von Subgruppenanalysen
wurden jedoch die meisten damaligen Aussagen der WHI-Studie relativiert.
Primär wurde in der WHI-Studie ein erhöhtes Myokardinfarktrisiko gefunden.
Dies bestand jedoch nur bei Frauen im 1. Jahr nach Einnahme, mit kardiovaskulä-
ren Risiken und bei > 20 J. zurückliegender Menopause (> 70 J. alte Pat. bei HRT-
Beginn!). Bei Frauen < 60 J. HRT-/ERT-Beginn fand sich eine 40-prozentige Risi-
koverminderung → Alter der Pat. bei der Ind. berücksichtigen („window of opor-
tunity“). Diese Aussage wird durch die Nurses Health Study bestätigt (Follow-up
>  30  J., HRT-Start zwischen 30. und 55.  Lj, >  120.000 Frauen eingeschlossen):
30–50 % weniger Myokardinfarkte, auch bei Frauen mit kardiovaskulärem Risiko,
17 damit signifikante Verbesserung sowohl unter HRT als auch unter ERT.
Bezgl. der Erhöhung des Mammakarzinomrisikos kann noch keine abschließen-
de Aussage getroffen werden. Unter HRT scheint die Inzidenz des Mamma-Ca
erhöht zu sein. Das relative Risiko beträgt 1,5 (normales Risiko 1,0), dies ent-
spricht dem erhöhten Risiko einer späten Erstgebärenden (z. B. Risikoerhöhung
bei Adipositas: 2, familiäre Belastung: 4, frühe Menarche, späte Menopause: 2).
Gegenwärtig muss man davon ausgehen, dass auf 1.000 Frauen unter 5-jähriger
HRT-Einnahme zwei Mamma-Ca mehr gefunden werden als in einer Placebo-
gruppe. Unter ERT zeigte die WHI-Studie ein erniedrigtes Risiko für Mamma-Ca.
   17.1  Klimakterium  609

Ob dies tatsächlich so ist, müssen weitere Studien belegen. Die französische E3N-
Studie zeigt ein erniedrigtes Mamma-Ca-Risiko unter transdermaler ERT mit
oraler Applikation eines mikronisierten Progesterons (Utrogest®). Aber auch hier
ist die Datenlage für eine abschließende Stellungnahme noch zu unsicher. Sicher
ist (durchgängig durch die unterschiedlichsten Studientypen), dass die Mortalität
durch Mamma-Ca unter HRT nicht erhöht ist. Pathophysiologisch geht man von
einer begünstigenden Wirkung auf das Wachstum schon vorhandener Mamma-
Ca aus, eine Induktion von Mamma-Ca ist tumorbiologisch und aufgrund der
Datenlage nicht vorstellbar.
Geblieben sind eine Erhöhung des thrombembolischen Risikos, eine leichte Erhö-
hung für zerebrale (meist ischämische) Insulte (nicht in allen Studien), vermehrte
Gallenwegs-/Gallenblasenerkr. (nach aktueller Datenlage nicht bei transdermaler
Applikation). Ein Nutzen auf kognitive Funktionen (z. B. Alzheimer-Krankheit)
ist aufgrund der noch schlechten Datenlage nicht belegbar.
Fazit: Dosis so niedrig wie nötig wählen, Ther. nur bei Ind.

Durchführung
Prämenopause
• N
 iedrig dosierte Ovulationshemmer bei zusätzlichem Kontrazeptionswunsch
(z. B. Marvelon®, Microgynon®, Triquilar®).
• W
 enn kein Kontrazeptionswunsch mehr besteht, Östrogen-Gestagen-Kombi-
nation oder Gestagene allein vom 16.–25. ZT (dient hauptsächlich der Zyk-
lusregulierung).
Peri- und Postmenopause
• O ral: Östrogen-Gestagen-Kombinationen vom 1.–25. ZT:
– Presomen 28 compositum®: 0,3 oder 0,6 mg konjugierte Östrogene tägl.,
zusätzlich 5 mg Medrogeston vom 15.–28. ZT oder
– Presomen conti®: 0,6 mg konjugierte Östrogene und 2 mg Medrogeston
tägl. oder
– CycloÖstrogynal®: Estradiolvalerat 1 mg, Estriol 2 mg/d, zusätzlich Levo­
norgestrel 0,25 mg vom 15.–25. ZT oder
– Kliogest®: Estradiol 2 mg, Estriol 1 mg und Norethisteronacetat 1 mg vom
1.–28. ZT; Vorteil: durch die Dauergestagengabe entfällt die von vielen
postmenopausalen Frauen als lästig empfundene Abbruchblutung oder
– Klimonorm®: Estradiolvalerat 2 mg/d, zusätzlich Levonorgestrel 150 μg
vom 10.–21. ZT.
– C  ave: Konjugierte Östrogene beinhalten mehrere Östrogene (equine Ö.),
die im menschlichen Organismus nicht vorkommen.
• L okal: z. B.
– Ovestin® Vaginalovula: 0,5 mg Estriol/Ovulum oder 17
– Ovestin® Vaginalcreme: 1 mg Estriol/g Salbe oder
– Oekolp® Vaginalcreme: 1 mg Estriol/g Salbe oder
– Oekolp® forte Ovula: 0,5 mg Estriol/Ovulum.
• T ransdermal:
– Estradot ®: Pflaster mit Estradiolabgabe von 25/37, 5/50/75/oder 100 μg
pro 24 h.
– Estragest®: Estradiol + Norethisteronacetat bzw. Progesteron 100 mg/d
(Utrogest® Kps.) monophasisch, um Abbruchblutung zu verhindern.
610 17  Endokrinologie  

– E stradiolgel (z. B. Estreva® Gel, Gynokadin® Dosiergel tägl. 1 Hub oder


1–0–1 Hub/d bzw. Gynokadin® Gel 1 cm oder 1–0–1 cm) auf die Innensei-
te des Unterarms einreiben. Enthält kein Gestagen, bei nicht hysterekto-
mierter Pat. zusätzlich p. o. verordnen z. B. mikronisiertes Progesteron
100 mg/d (Utrogest® Kps.).
– C ave: Die perkutane Östrogensubstitution wird derzeit favorisiert, da
hierdurch die Östrogendosis deutlich reduziert werden kann und nicht
wie bei der peroralen Gabe eine überwiegende Umwandlung in das nicht
wirksame Östron erfolgt. Der empfohlene Estradiolserumspiegel soll zwi-
schen 30 und 60 pg/ml liegen.
– Vorteil: Die in der WHI-Studie vermuteten NW der HRT treffen auf diese
Anwendungsform nicht zu.
•  ichthormonell:
N
– In Ausnahmefällen befristete Ther. mit Tranquilizern bei starken Wech-
seljahrsbeschwerden, z. B. Oxazepam 5–10 mg/d p. o. (Adumbran®) oder
Temazepam 10–30 mg/d p. o. (Remestan®).
– Gute ther. Effekte auf Hitzewallungen haben Serotonin-Wiederaufnahme-
hemmer (SRI): Paroxetin 20 mg/d (z. B. Tagonis®), Fluoxetin 20 mg/d
(z. B. Fluctin®), Venlafexin 37,5 mg/d (z. B. Trevilor®) und Gabapentin
600 mg/d (z. B. Neurontin®). Langfristige Einnahme bezüglich Unbedenk-
lichkeit nicht geklärt. Cave: Off-Label-Use; SRI haben gastrointestinale
NW und mindern die Konzentration von Tamoxifen.

Tipps zur Verordnung von Hormonpräparaten


• N ur bei bestehender Indikation verordnen.
• D ie natürlichste Applikation ist die transdermale Estradiolvaleratgabe in
Kombination mit mikronisiertem Progesteron.
• V or Verordnung bei Risikopat. Bestimmung von Leberwerten, Lipid- und
Gerinnungsstatus.
• E rforderliche Minimaldosis bei Osteoporose: 0,6 mg konjugierte Östroge-
ne tägl. Estriol allein ist am Knochen nicht wirksam.
• A lleinige Östrogendauerther. obsolet, geht mit erhöhter Endometrium-
karzinom-Inzidenz einher.
• B ei kombinierter Östrogen-/Gestagenther. ist das Risiko, an einem Endo-
metrium-Ca zu erkranken, vermindert.
• B ei Atrophie des Urogenitalbereichs gute Erfolge mit lokaler Estriolbe-
handlung (z. B. Ovestin®-Vaginalovula, Ovestin®-Vaginal-Creme) oder lo-
kaler Estradiolbehandlung (Linoladiol® N Creme). Unter Lokalther. keine
Besserung vasomotorischer Beschwerden, kein Schutz vor Osteoporose,
kein erhöhtes Endometriumkarzinom-Risiko.
17
Sog. Phytoöstrogene (z. B. Extrakte aus Mönchspfeffer, Cemicifuga racemosa,
Isoflavone von Soja und Rotklee) können in ausreichender Dosierung (z. B. 70–
140 mg/d Rotklee) vegetative vasomotorische Beschwerden lindern. Sie haben
nach aktueller Datenlage keine Langzeiteffekte zur Verbesserung des kardiovas-
kulären Risikos oder der Osteoporoseprotektion. Nachtkerzenöl, Ginseng, Kava
Kava (vom Markt genommen), Dong Quai und Yamswurzelextrakte haben keine
placebokontrollierte Verbesserung bei vasomotorischen Beschwerden gezeigt.
   17.1  Klimakterium  611

17.1.4  Osteoporose
Definition
Mit Frakturen einhergehende erworbene Verminderung der Knochenmasse je
Volumeneinheit Knochen, bezogen auf die Normwerte der Altersgruppe.

Einteilung
Generalisierte Osteoporose:
• T yp I: spongiosabetonter Knochenmassenverlust am Stammskelett (z. B. post-
menopausale Osteoporose mit Wirbelkörperfrakturen).
• T yp II: Spongiosa und Kompakta betreffender Knochenmassenverlust mit
Manifestation auch an den langen Röhrenknochen (z. B. senile Osteoporose
mit Schenkelhals- und Radiusfraktur).
Lokalisierte asymmetrische Osteoporose: z. B. M. Sudeck.
Unterscheidung zwischen:
• H igh-Turnover: Knochenmassenverlust bei gesteigertem Umbau.
• L ow-Turnover: Knochenmassenverlust bei reduziertem Umbau.
Klinik und Stadieneinteilung
I: Keine Beschwerden, uneingeschränkte Mobilität.
II: Schmerzen, uneingeschränkte Mobilität.
III: Schmerzen, eingeschränkte Mobilität.
IV: Immobilität einer Körperregion durch Schmerzen oder drohende bzw. einge-
tretene Frakturen.
V: Allg. Immobilität durch Schmerzen und/oder drohende bzw. manifeste neuro-
logische KO.

Risikofaktoren
• F rakturanamnese.
• A bnahme der Körpergröße (> 4 cm seit 25. Lj, > 2 cm seit der letzten Mes-
sung).
• N iedriges Körpergewicht (BMI < 20).
• S chwere chron. Leber- und Niereninsuff.
• G lukokortikoideinnahme (> 7,5 mg Prednison-Äquivalenz > 6 Mon.).
• H yperthyreose.
• M alabsorptionssy. (z. B. M. Crohn).
• R heumatoide Arthritis.
• P rim. Hyperparathyreoidismus.
• V ermehrte Stürze (z. B. bei neurolog. Erkr., visuellen Problemen, Blutzucker-,
Blutdruckschwankungen, Alkohol-/Drogenabusus, medikamentöser Ther.).
• W eibl. Geschlecht. 17
Diagnose
• R ö: BWS und LWS a. p. und seitlich (konventionell) zur Feststellung von De-
formierungen und Frakturen. Allerdings kein Messverfahren zur Einschät-
zung der Osteoporose.
•  nochendichteanalytik: Quantifizierung des Mineralsalzgehalts bestimmter
K
Skelettareale:
612 17  Endokrinologie  

– S ingle-Photon-Absorptiometrie (distaler Radius).


– Dual-Photon-Absorptiometrie.
– Quantitative Computertomografie (QCT).
– Dual-Energy-X-Ray-Absorptiometry (DEXA) = Standardmethode.
– Knochendichtemessung mittels Ultraschall mit zwei verschiedenen Mess-
methoden: Messung an Ferse oder Finger (mittlerweile etabliert, als Scree-
ningmethode von der FDA in den USA favorisiert).
– Auswertung:
– Osteopenie: T-Score zwischen –1 und –2,5.
– Osteoporose: T-Score < –2,5.
•  abor: BSG, CRP, Blutbild, Kalzium, Phosphat, alkal. Phosphatase, γ-GT, Ei-
L
weißelektrophorese, Krea, TSH. Für die sog. Biomarker gibt es derzeit noch
keine verbindliche Empfehlung.
•  istologie: Untersuchung von Knochenbiopsien.
H

Tab. 17.4  Differenzialdiagnose Osteoporose – Osteomalazie


Laborwerte Osteoporose Osteomalazie

Serum Kalzium Normal Normal bis erniedrigt


Phosphat Normal Normal bis erniedrigt
AP Normal bis erhöht Erhöht
Parathormon Normal Erhöht bis normal

Urin Kalzium Normal bis erhöht Erniedrigt bis normal


Phosphat Normal Normal
Hydroxyprolin Normal Erhöhtv

Therapie
Die Ther. der Osteoporose, i. S. einer Sekundärprophylaxe weiterer Frakturen
sollte nach osteoporosebedingter Fraktur und/oder einem T-Wert < –2 durchge-
führt werden. Rasche Therapieeinleitung wegen des hohen Risikos einer z. B.
Folgewirbelsäulenfraktur. Wichtige Umfeldbehandlungen sind Sturzvermei-
dung (Behandlung der Grunderkr., Hüftprotektoren, gutes Schuhwerk, ausrei-
chende Beleuchtung, Vermeiden von Stolperfallen) und Bewegungsther., Geh-
training.
• B isphosphonate: z. B. Alendronat (Fosamax®) wöchentl. 70 mg p. o. (hin-
sichtl. der Knochendichte kein Unterschied zwischen der tägl. Einnahme von
10 mg p. o. und der wöchentl. Applikation). Einnahme vor dem Essen, mit
viel Flüssigkeit, am besten im Stehen. Im Notfall, bei akuten osteoporosebe-
dingten Schmerzen können Bisphosphonate i. v. gegeben werden, z. B. Zole­
dronsäure (Zometa® 4 mg; 4 mg/5 ml auf 100 ml 0,9 % NaCl oder 5 % Gluko-
17 selösung, als 15- bis 30-minütige Infusion; cave: Off-Label-Use, da Zulassung
nur zur Behandlung von tumorösen Skeletterkr.), i. Allg. tritt auch eine
schnelle Wirkung bei der peroralen Ther. ein.
• Ö strogene: ▶ 17.3.
• K alzium und Vitamin D: Kalzium ist für den Knochenstoffwechsel essenzi-
ell, begünstigt das trabekuläre und kortikale Knochenwachstum. Dosis:
1.000–1.500 mg/d. Vit. D. erhöht die Ca-Resorptionsrate, Tagesdosis 400–
800 IE/d.
   17.1  Klimakterium  613

• P hysiotherapeutische Maßnahmen, elektrotherapeutische Anwendung,


Anabolika: Werden zurzeit als Kombinationsther. mit Kalzitonin diskutiert
(mögliche Wiederherstellung der Kalzitoninsensitivität).

Im Notfall bei akuten osteoporosebedingten Schmerzen können Bisphospho-


nate i. v. gegeben werden, in allen anderen Fällen tritt auch eine schnelle Wir-
kung bei peroraler Gabe ein.

Prophylaxe
• R egelmäßige körperliche Aktivität (Immobilisierung führt zu Knochen-
schwund).
 ormonsubstitution (▶ 17.1.3): Hormonther. mit Östrogenen ist eine gesi-
• H
cherte prophylaktische Maßnahme gegen Osteoporose und schützt signifi-
kant vor Frakturen, insb. auch vor der Oberschenkelhalsfraktur!
•  iätetische Beratung: ausreichende Kalziumaufnahme (etwa 1.000 mg/d),
D
ausgewogene Eiweiß- und Fettaufnahme (Fleischkonsum zugunsten von
Fisch- und Pflanzeneiweiß reduzieren), Nikotin und Alkohol meiden.

17.1.5  Hormonsubstitution nach Mamma- und


Genitalkarzinomen
Nach Mammakarzinom  Die folgenden Empfehlungen der Gesellschaft für Seno-
logie gelten als vorläufig, solange keine Ergebnisse prospektiver Studien zu diesem
Thema vorliegen.
• T umor rezeptorneg., keine axillären Lk-Metastasen → keine KI gegen Substi-
tutionsbehandlung durch monophasisches, gestagenbetontes Präparat (z. B.
Kliogest®).
• T umor rezeptorneg., axilläre Lk-Metastasen → Gestagenmonother. möglich,
z. B. mit Medroxyprogesteronacetat (MPA) 2 × 5 mg/d p. o.
• T umor rezeptorpos., keine axillären Lk-Metastasen Gestagenmonother. mög-
lich, z. B. MPA 2 × 5–50 mg/d p. o.
• T umor rezeptorpos., axilläre Lk-Metastasen, Pat. erhalten normalerweise als
adjuvante endokrine Ther. Tamoxifen® für ≥ 5 J. Nach anfänglicher Zunahme
klimakterischer Beschwerden verschwinden diese durch die Tamoxifenther.
Nach Ovarialkarzinom  Substitutionsbehandlung mit Östrogen-Gestagen-Präpa-
rat möglich (z. B. Presomen® conti).
Nach Zervixkarzinom  Tumor ist nicht hormonabhängig, hormonelle Substituti-
on möglich.
Nach Endometriumkarzinom  Tumor ist hormonabhängig → Substitutionsbe- 17
handlung allenfalls mit Gestagenen, z. B. MPA 2 × 5–50 mg/d p. o.

Als nichtendokrine Ther. ist Clonidin für die Behandlung klimakterischer


Hitzewallungen und Schweißausbrüche zugelassen. Dos. 2 × 0,025 mg/d p. o.,
nach 14 Tagen ggf. stufenweise erhöhen auf max. 2 × 0,075 mg/d p. o. Cave:
Keine Erfahrungen bei Z. n. Mamma-Ca. Vorsicht!
614 17  Endokrinologie  

17.2  Hormonpräparate zur prä-, peri- oder


postmenopausalen Therapie
Ind. ▶ 17.1.
Die nachfolgenden Tabellen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

17.2.1  Zyklische Präparate

Tab. 17.5  Zyklische Präparate mit niedrigerer Östrogendosis


Präparat Packungsgröße Inhaltsstoffe
pro Zyklus

Climopax® cyclo 14 Drg. +14 Drg. 0,625 mg konjugierte Östrogene;


0,625/5 mg 0,625 mg konj. Östr. + 5 mg MPA

Cyclo-Östrogynal® 11 Drg. +10 Drg. 1 mg Estradiolvalerat + 2 mg Estriol;


1 mg Estradiolvalerat + 2 mg Estriol
+ 0,250 mg Levonorgestrel

Femoston® 1/10 mg 14 Tbl. +14 Tbl. 1 mg Estradiol; 1 mg Estradiol +


10 mg Dydrogesteron

Mericomb® 1 mg 16 Tbl. +12 Tbl. 1 mg Estradiolvalerat; 1 mg Estra­diol­


valerat + 1 mg Norethisteron

Presomen® 28 comp. 0,3 14 Drg. +14 Drg. 0,3 mg konj. Östrogene; 0,3 mg
konj. Östrogene + 5 mg Medro­
geston

Presomen® 28 comp. 0,6 14 Drg. +14 Drg. 0,6 mg konj. Östrogene; 0,6 mg
konj. Östrogene + 5 mg Medro­
geston

Tab. 17.6  Zyklische Präparate mit höherer Östrogendosis


Präparat Packungsgröße pro Zyklus Inhaltsstoffe
®
Climen 11 Drg. +10 Drg. 2 mg Estradiolvalerat; 2 mg Es-
tradiolvalerat + 1 mg Cyprote-
ronacetat

Cyclo-Progynova® 11 Drg. +10 Drg. 2 mg Estradiolvalerat; 2 mg Es-


tradiolvalerat + 0,5 mg Norge-
strel

17 Femoston® 2/10 mg 14 Tbl. +14 Tbl. 2 mg Estradiol; 2 mg Estradiol


+ 10 mg Dydrogesteron

Klimonorm® 9 Drg. +12 Drg. 2 mg Estradiolvalerat; 2 mg Es-


tradiolvalerat + 0,15 mg Le-
vonorgestrel

Mericomb® 2 mg 16 Tbl. +12 Tbl. 2 mg Estradiolvalerat; 2 mg Es-


tradiolvalerat + 1 mg Norethis-
teron
   17.2  Hormonpräparate zur prä-, peri- oder postmenopausalen Therapie  615

Tab. 17.6  Zyklische Präparate mit höherer Östrogendosis (Forts.)


Präparat Packungsgröße pro Zyklus Inhaltsstoffe

Östronara® 16 Tbl. +12 Tbl. 2 mg Estradiolvalerat; 2 mg Es-


tradiolvalerat + 0,075 mg Le-
vonorgestrel

Osmil® 16 Tbl. +12 Tbl. 2 mg Estradiolvalerat; 2 mg Es-


tradiolvalerat + 5 mg MPA

Tab. 17.7  Zyklische transdermale Präparate


Präparat Packungsgröße pro Zyklus Inhaltsstoffe

Fem 7 Combi® (7-Tage- 2 Pfl. + 2 Pfl. 1,5 mg Estradiol/Pflaster;


Pflaster) 1,5 mg Estradiol + 1,5 mg
Levonorgestrel/Pfl.

17.2.2  Kontinuierliche Präparate

Tab. 17.8  Kontinuierlich kombinierte Präparate


Präparat Packungsgröße Inhaltsstoffe
pro Zyklus, Dar-
reichungsform

Activelle® 28 Tbl. 1 mg Estradiol + 0,5 mg Norethisteron­


acetat

Cliovelle® 28 Tbl. 2 mg Estradiol + 1 mg Norethisteronace-


tat

Climodien® 28 Tbl. 2 mg Estradiolvalerat + 2 mg Dienogest

Climopax® 28 Drg. 0,625 mg konj. Östrogene + 2,5 mg MPA


0,625 mg/2,5 mg

Climopax® 28 Drg. 0,625 mg konj. Östrogene + 5 mg MPA


0,625 ng/5 mg

Femoston® conti 28 Tbl. 1 mg Estradiolvalerat + 5 mg Dydrogeste-


1 mg/5 mg ron

Indivina® 1 mg/2,5 mg 28 Tbl. 1 mg Estradiolvalerat + 2,5 mg MPA

Indivina® 1 mg/5 mg 28 Tbl. 1 mg Estradiolvalerat + 5 mg MPA


®
17
Indivina 2 mg/5 mg 28 Tbl. 2 mg Estradiolvalerat + 5 mg MPA

Kliogest® N 28 Tbl. 2 mg Estradiol + 1 mg Norethisterona­


cetat

Lafamme® 1 mg/2 mg 28 Tbl. 1 mg Estradiolvalerat + 2 mg Dienogest

Lafamme® 2 mg/2 mg 28 Tbl. 2 mg Estradiolvalerat + 2 mg Dienogest


®
Merigest 28 Tbl. 2 mg Estradiolvalerat + 0,7 mg Norethis-
teron
616 17  Endokrinologie  

Tab. 17.9  Kontinuierliche transdermale Präparate


Präparat Darreichungsform Inhaltsstoffe

Estragest® TTS 8 Pfl. 5 mg Estradiol + 10 mg Norethisteron/Pflaster


(Freisetzung 25 μg/d E2 + 125 μg/d Nela)

Fem 7 conti 4 Pfl. 1,5 mg Estradiol + 0,525 mg Levonorgestrel


(Freisetzung 50 μg/d E2 + 7 μg/d Nela)

17.2.3  Östrogenpräparate

Tab. 17.10  Orale Östrogenpräparate


Präparat Darreichungsform Inhaltsstoffe

Konjugierte Östrogene

Presomen 28® 0,3 28 Drg. 0,3 mg konjugierte Östrogene

Presomen 28® 0,6 28 Drg. 0,6 mg konjugierte Östrogene

Estradiol

Climopax Mono 0,3 Tbl. 0,3 mg konjugierte Östrogene

Climopax Mono 0,6 Tbl. 0,6 mg konjugierte Östrogene

Climopax Mono 1,25 Tbl. 1,25 mg konjugierte Östrogene


®
Estradiol 2 mg Jenapharm Tbl. 2 mg Estradiolvalerat

Estrifam® 1 mg Tbl. 1 mg Estradiol

Estrifam® 2 mg Tbl. 2 mg Estradiol


®
Gynokadin Tbl. 2 mg Estradiolvalerat

Merimono® 1 mg Tbl. 1 mg Estradiolvalerat

Merimono® 2 mg Tbl. 2 mg Estradiolvalerat


®
Progynova mite Tbl. 1 mg Estradiolvalerat

Progynova® Tbl. 2 mg Estradiolvalerat

Estriol

Oekolp® Tbl. 2 mg Estriol


17 Ovestin® Tbl. 1 mg Estriol

Östrogenmonopräparate sollten als Dauerther. nur bei hysterektomierten


Pat. angewendet werden, da ansonsten ein erhöhtes Risiko für die Entwick-
lung eines Endometriumkarzinoms besteht.
   17.2  Hormonpräparate zur prä-, peri- oder postmenopausalen Therapie  617

Tab. 17.11  Transdermale Östrogenpräparate


Präparat Darreichungsform Inhaltsstoffe

Pflaster

Dermestril® 25 4-Tage-Pflaster 2 mg Estradiol

Dermestril® 50 4-Tage-Pflaster 4 mg Estradiol

Dermestril® 100 4-Tage-Pflaster 8 mg Estradiol


®
Dermestril-Septem 25 7-Tage-Pflaster 2 mg Estradiol

Dermestril-Septem® 50 7-Tage-Pflaster 5,16 mg Estradiol

Dermestril-Septem® 75 7-Tage-Pflaster 7,5 mg Estradiol


®
Estramon 25 4-Tage-Pflaster 2 mg Estradiol

Estramon® 37,5 4-Tage-Pflaster 3 mg Estradiol

Estramon® 50 4-Tage-Pflaster 4 mg Estradiol


®
Estramon 75 4-Tage-Pflaster 6 mg Estradiol

Fem® 7/50 7-Tage-Pflaster 1,5 mg Estradiolhemihydrat

Tradelia® 25 4-Tage-Pflaster 2 mg Estradiol


®
Tradelia 50 4-Tage-Pflaster 4 mg Estradiol

Tradelia® 100 4-Tage-Pflaster 8 mg Estradiol

Tradelia seven® 50 7-Tage-Pflaster 5 mg Estradiol


®
Tradelia seven 75 7-Tage-Pflaster 7,5 mg Estradiol

Gel

Gynokadin® Gel Gel 1,5 mg Estradiolhemihydrat


®
Gynokadin Dosiergel Gel 1,5 mg Estradiolhemihydrat

Gyn Polar® 0,5 mg Gel Gel 0,5 mg Estradiolhemihydrat

Gyn Polar® 1 mg Gel Gel 1 mg Estradiolhemihydrat


®
Sisare Gel mono 0,5 mg Gel 0,5 mg Estradiolhemihydrat

Sisare® Gel mono 1 mg Gel 1 mg Estradiolhemihydrat

Tab. 17.12  Lokal anwendbare Östrogene 17


Präparat Darreichungsform Inhaltsstoffe

Estriol-Creme

Estriolsalbe® 25/50 g Salbe 1 g Salbe = 1 mg Estriol

Cordes® Estriol 50/100 g Creme 1 g Creme = 0,5 mg Estriol

Oekolp® 25/50 g Salbe 1 g Creme = 1 mg Estriol


618 17  Endokrinologie  

Tab. 17.12  Lokal anwendbare Östrogene (Forts.)


Präparat Darreichungsform Inhaltsstoffe

Estriol-Creme

Oestro-Gynaedron® M 50 g Creme 1 g Creme = 0,5 mg Estriol


0,5

Oestro-Gynaedron® M 50 g Creme 1 g Creme = 1 mg Estriol


1,0

Ovestin® 1 mg 50 g Creme 1 g Creme = 1 mg Estriol

Xapro® 35/50 g Creme 1 g Creme = 1 mg Estriol

Estriol-Ovula

Estriol Ovulum Jen- 10/20 Ovula 1 Ovulum = 0,5 mg Estriol


apharm®

Oekolp® Ovula 10/20 Ovula 1 Ovulum = 0,03 mg Estriol

Oekolp forte® Ovula 10/20 Ovula 1 Ovulum = 0,5 mg Estriol


®
Ortho-Gynest 15 Ovula 1 Ovulum = 0,5 mg Estriol

Ovestin® Ovula 7/15 Ovula 1 Ovulum = 0,5 mg Estriol

Estradiol-Creme

Linoladiol® N 25/50/100 g Creme 1 g Creme = 0,1 mg Estradiol

(Linoladiol® H) 25/50 g Creme 1 g Creme = 0,05 mg Estradiol


+ 0,04 g Prednisolon

Estradiol-Vaginaltabletten

Vagifem® 15 Vag.-Tbl. 1 Vag.-Tbl. = 0,025 mg Estra­


diol

Estradiol-Vaginalring

Estring® 1 Vaginalring (zur 3-mo- 1 Vaginalring = 10 g Estradiol


natigen Anwendung)

17.2.4  Östrogen-Androgen-Kombination

Tab. 17.13  Kombiniertes parenterales Östrogen/Androgen


17 Präparat Darreichungsform Inhaltsstoffe

Gynodian® Depot Amp./Spritzamp. (für 1 ml = 4 mg Estradiolvale-


1-monatige Anwendung) rat + 200 mg Prasteronen-
antat
   17.2  Hormonpräparate zur prä-, peri- oder postmenopausalen Therapie  619

17.2.5  Gestagenpräparate

Tab. 17.14  Orale Gestagenpräparate


Präparat Darrei- Inhaltsstoffe
chungsform

Progesteron

Utrogest® Kps. 100 mg mikronisiertes Progesteron

Progesteron-Derivate

Androcur®-10 Tbl. 10 mg Cyproteronacetat

Androcur® Tbl. 50 mg Cyproteronacetat

Nortestosteron-Derivate

MPA GYN® 5 Tbl. 5 mg MPA

Nortestosteron-Derivate

MPA Beta 500 Tbl. 500 mg MPA (Medroxyprogesteronacetat)

MPA 250 Hexal Tbl. 250 mg MPA (Medroxyprogesteronacetat)

MPA 500 Hexal Tbl. 500 mg MPA (Medroxyprogesteronacetat)

Norethisteron® 1 mg Drg. 1 mg NE (Norethisteronacetat)


®
Norethisteron 5 mg Drg. 5 mg NE (Norethisteronacetat)

Tab. 17.15  Parenterale Gestagenpräparate (i. m.!) (Ind.: z. B. Abortbestrebun-


gen)
Präparat Darreichungsform Inhaltsstoffe

Progesteron-Depot® Amp. 1 Amp. = 1 ml = 250 mg Hydro-


xyprogesteroncaproat

Tab. 17.16  Transdermale Gestagenpräparate


Präparat Darreichungsform Inhaltsstoffe

Progestogel Gel 1 g = 10 mg Progesteron

17
17.2.6  Andere Präparate
Zur Osteoporosetherapie
SERM (selektive Estrogen-Rezeptor-Modulatoren).
Präparat  Raloxifen (Evista®). Cave: Präparat leider sehr teuer, keine Verbesse-
rung vasomotorischer Beschwerden. Nur zur Osteoporosether. zugelassen.
620 17  Endokrinologie  

Indikationen  Zur Osteoporosether. bei lang postmenopausalen Pat., bei denen


auf jeden Fall das Risiko einer erneuten uterinen Blutung ausgeschlossen werden
soll. Auch hier perkutane Estradiolgabe evtl. plus Utrogest im Langzyklus mög-
lich, niedrigere Estradiolspiegel anstreben als peri-/postmenopausal.
Wirkungsweise  Raloxifen ist ein Benzothiophen-Derivat, wirkt als selektiver Es-
trogen-Rezeptor-Modulator und hat agonistische und antagonistische Wirkun-
gen auf östrogenempfindliches Gewebe (antagonistische Wirkung an Mamma
und Uterus, aber agonistische Wirkung am Knochen). Günstige Wirkung auf
LDL-Cholesterin, Lipoprotein und Fibrinogen.

17.3  Adrenogenitales Syndrom (AGS)


Definition
Kongenitaler (autosomal rezessiv) oder erworbener Enzymdefekt der Nebennie-
renrinde (21-Hydroxylase, 3β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase, 11β-Hydroxylase),
der zu vermehrter Androgenproduktion führt.

Klinik
Bei den betroffenen homozygoten Individuen mit 21-Hydroxylase-Defekt (80 %
des AGS) unterscheidet man klinisch folgende Schweregrade:
• K lassischer 21-Hydroxylase-Defekt: Häufigkeit 1 : 5.000–15.000 Lebendgebur-
ten; bereits präpartal Virilisierungserscheinungen; zum Zeitpunkt der Geburt
bestehen Maskulinisierung des weiblichen Genitale und/oder Salzverlustsy.
• N ichtklassischer 21-Hydroxylase-Defekt (= „Late-Onset-AGS“, partielles
AGS, erworbenes AGS): Häufigkeit 1 : 1.000 extreme Variation des klinischen
Bildes. Bei Geburt meist unauffällig, Entwicklung von Androgenisierungser-

Cholesterin

Pregnenolon 17-Hydroxypregnenolon DHEA DHEA-S


3β-Hydroxy- 3β-Hydroxy- 3β-Hydroxy-
steroiddehydro- steroiddehydro- steroiddehydro-
genase genase genase
Progesteron 17-OH-Progesteron Androstendion Testosteron
21-Hydroxylase 21-Hydroxylase

Desoxykortikosteron 11-Desoxykortisol 19-OH-A'dion 19-OH-Testosteron


11β-Hydroxylase 11β-Hydroxylase
17
Kortikosteron Kortisol Estron Estradiol

18-Hydroxykortikosteron

Aldosteron

Abb. 17.1  Relevante Hormonproduktion beim AGS. Bei Enzymdefekt kommt es


zum Substratstau vor dem Defekt [L190]
   17.3  Adrenogenitales Syndrom (AGS)  621

scheinungen während Kindheit, Pubertät oder Adoleszenz. Bisher kein Salz-


verlustsy. beschrieben.
•  ryptische Form: keine oder nur milde Androgenisierungserscheinungen
K
(äußerlich unauffällig, evtl. Zyklusstörungen, Amenorrhö).
•  eterozygote Merkmalsträger können postpuberal kryptisch sein oder An­
H
drogenisierungserscheinungen entwickeln.

Diagnostik
ACTH-Test ▶ 15.2.6.

Tab. 17.17  Formen des adrenogenitalen Syndroms


11β-Hydroxylase- 21-Hydroxylase-Defekt 3β-Hydroxysteroid-
Defekt (10 %) (80 %) Dehydrogenase-
Defekt (10 %)

Genitale Intersex Intersex Weiblich

Klinik Virilisierung, Hyper- Typ A: Virilisierung ohne Geringe Virilisie-


tonie mit kardiovas- Salzverlustsy. rung, Klitorishyper-
kulären Spätfolgen, Typ B: Virilisierung mit trophie, z. T. Salz-
PCO, Hypokaliämie Salzverlust (bei Salzver- verlustsy.
lust: Erbrechen mit
Schockzeichen in der 2.–
3. Lw), Axilla- und Scham-
behaarung bereits im Kin-
desalter, vermehrtes
Wachstum und beschleu-
nigte Knochenreifung →
kindlicher Hochwuchs bei
geringer Endgröße, Akne,
Hirsutismus, Alopecia an-
drogenetica

Diagnostik Desoxykortison ↑, 17-OH-Progesteron ↑, DHEA-S ↑, 17-OH-


11-Desoxykortisol ↑, Testosteron ↑, Androsten- Progesteron ↑ (bei
Testosteron ↑, An­ dion ↑, Kortisol ↓, Aldos- milden Formen erst
drostendion ↑, Kor- teron ↑. Bei Salzverlust: nach ACTH-Stimu-
tisol ↓, Kortison ↓ Aldosteron ↑, Plasma-Re- lation nachweisbar
nin-Aktivität ↑, Na+ ↓, ▶ 15.2.6), Kortisol ↓
K+↑; metabolische Azido-
se, 17-OH-Progesteron-
Bestimmung im FW bei
familiärer Belastung mög-
lich

Therapie • Substitutionsbehandlung (durch endokrinologisch versierten Inter-


nisten): Hydrokortison 30–50 mg/d p. o. auf 3 Einzelgaben verteilt: 17
morgens 50 %, mittags 15 %, abends 35 % der Tagesdosis.
• Behandlung der ovariellen Ausfallerscheinungen: Östrogen-Gesta-
gen-Ther. mit 1,25 mg natürlichen Östrogenen und 5 mg Medroges-
ton tägl. p.o. (z. B. Presomen comp.®) für 21 Tage, 7 Tage Pause.

Bei Salzverlust (Typ B):


Fludrokortison 0,1–
0,2 mg/d p. o.

Je nach Befund op. Korrektur des äußeren Genitale


622 17  Endokrinologie  

AGS und Schwangerschaft


Humangenetische Beratung
• M öglichst vor der Grav. serologische und molekulargenetische HLA-Typisie-
rung und DNA-Analyse des Indexfalls, der Eltern, evtl. Geschwister.
• B iochemischer Nachweis der Heterozygotie der Eltern durch ACTH-Test
(▶ 15.2.6). Beweisend sind:
– ein 17-OH-Progesteronanstieg > 260 ng/ml.
– ein 17-OH-Progesteron/11-Desoxykortikosteron-Quotient > 12.
Diagnostik des AGS in der Schwangerschaft
• C horionzottenbiopsie (CVS, ▶ 4.2.6), Maßnahme der 1. Wahl, Durchführung
in der 9.–11. SSW. Molekulargenetische DNA-Diagn. und zytogenetische Ge-
schlechtsbestimmung, Unterbrechung der Kortisonther. nicht erforderlich.
• A mniozentese (▶ 5.2.4) bei KI oder Unmöglichkeit von CVS. Steroidanalyse
im FW (17-OH-Progesteron und Androstendion), zusätzlich zytogenetische
Geschlechtsbestimmung. Kortisonther. 5 Tage vorher unbedingt absetzen!
Pränatale Therapie
Ziel ist Verminderung der Virilisierung des äußeren Genitale weiblicher Feten.
„AGS-Risikograviditäten“ 
• B ekannte AGS-Familie mit gesichertem 21-Hydroxylase-Defekt (Indexfall).
• N achgewiesene Heterozygotie der Eltern ohne Indexfall.
Zeitpunkt  „Blind“ so früh wie möglich (ab 5.–6. SSW) bei allen „AGS-Risikogra-
viditäten“, da eine pränatale Diagn. erst später möglich ist.
Durchführung  Dexamethason (passiert die Plazentaschranke unverändert) 3 ×
0,5 mg/d p. o. (z. B. Fortecortin®), bei weiblichem Fetus kontinuierlich während
der gesamten Grav., bei männlichem Fetus schrittweise Reduzierung der Dexa-
methasondosis um 0,5 mg jeden 2. Tag.
Nebenwirkungen  Bei der Mutter stärkere Gewichtszunahme, Ödeme, Blut-
druckanstieg, Müdigkeit, vermehrte Körperbehaarung; beim Kind keine NW.
Therapiekontrolle 
• 4 -wöchentl. Kortisol und Estriol im mütterlichen Serum bestimmen.
• B ei Geburt DNA-(HLA-)Typisierung im Nabelschnurblut.
• P . p. Reduktion der Dexamethasondosis (s. o.), Kinderendokrinologen hinzu-
ziehen.
• 5 . Lebenstag: Bestimmung von 17-OHP und Plasma-Renin-Aktivität beim
NG → Therapiebeginn mit Hydrokortison 12–15 mg/m2 Körperoberfläche.

17 17.4  Sheehan-Syndrom
Definition
Das Sheehan-Sy. ist eine der Ursachen der hypophysären Ovarialinsuff. (▶ 15.4.2).
Durch unzureichende Gonadotropinsekretion fehlt die ovarielle Stimulation, so-
dass es zur Amenorrhö kommt. Da der gesamte Hypophysenvorderlappen (HVL)
betroffen ist, findet sich auch eine Hypothyreose.
   17.5  Weibliche Alopezie  623

Ursache
Postpartale ischämische Nekrose des HVL durch einen Spasmus der Infundibu-
lararterien, z. B. aufgrund eines Schocks. Bleiben hierbei 30 % des HVL funktionell
erhalten, kommt es nicht zu Ausfallerscheinungen.

Klinik
Amenorrhö, p. p. Agalaktie, Hypothyreose mit Adynamie, Hypoglykämie, Libido-
verlust, Brustatrophie, Verlust der sek. Schambehaarung.

Diagnostik
• Z entrale Hormone: LH, FSH, TSH, Prolaktin.
• P eriphere Hormone: E2, Progesteron, fT3, fT4.
• H ormon-Tests:
– LHRH-Test (▶ 15.2.6) → neg. (fehlender LH-Anstieg).
– TRH-Test neg. (fehlender TSH-Anstieg).
•  ö: seitliche Aufnahme der Sella turcica, cCT.
R
•  esichtsfeldbestimmung: Ausschluss einer Chiasma-Kompression.
G

TRH-Test
Durchführung:
1. Blutentnahme für TSH basal, fT4 und fT3.
2. 200 μg TRH i. v.
3. Blutentnahme nach 30 Min.
!Interpretation:
• T SH-Anstieg normal 2–20 mIE/l.
• F ehlender Anstieg: Hypophyseninsuff., latente Hyperthyreose (bei nor-
malem fT4).
• Ü berschießender Anstieg: Hypothyreose (kein Anstieg bei sek. hypo-
physärer Hypothyreose, s. o.).

Therapie
• K inderwunsch: Stimulation mit Gonadotropinen (▶ 15.4.1).
• K ein Kinderwunsch: zyklische Östrogen- und Gestagensubstitution (z. B. Cy-
clo-Progynova® oder Mikropille wie Yasmin®, Yasminelle®).

17.5  Weibliche Alopezie


Einteilung
• E ffluvium: Verlust von mehr als 100 Haaren pro Tag. 17
• A lopezie: Verlust von über 60 % der Haare.
Ätiologie
Häufigste Ursache des Haarausfalls bei der Frau ist eine vererbte Überempfind-
lichkeit der Haarwurzeln gegen Testosteron (Alopecia androgenetica, „female
pattern“). Menopause, Schwangerschaft oder Pilleneinnahme begünstigen biswei-
len einen Haarausfall. Weitere Ursachen: konsumierende Erkr., Hyperthyreose,
624 17  Endokrinologie  

Medikamenteneinnahme, extremer Stress, traumatische Erlebnisse. Seltenere Ur-


sachen: androgenproduzierende Tumoren (Ovar, NNR), AGS, PCO.

Differenzialdiagnosen
Diffuser Haarausfall  Der ganze Kopfbereich ist mehr oder weniger betroffen, es
liegt i. d. R. keine Störung der Kopfhaut vor („nicht vernarbend“). Meistens fallen
vermehrt Haare aus, die sich in der „Abstoßungsphase“ befinden (Telogenhaare):
• B ei der Frau nach der Geburt eines Kindes.
• P ostpubertär meist bei Mädchen zwischen 16 und 20 J.
• Z eitlich begrenzt aufgrund von Krankheiten, Diäten, Medikamenten, um-
weltbedingten Schadstoffen.
• A nhaltend bei Mangelerscheinungen (Eisen, Zink, Folsäure, Vit. B12) und
Stoffwechselstörungen.
Umschriebener Haarausfall  Nur bestimmte Stellen der Kopfhaut sind betroffen:
• N icht „vernarbend“ (keine Zerstörung der Haarfollikel):
– Alopecia areata – auch kreisrunder Haarausfall.
– Andere Formen, z. B. nach mechanischer Belastung (Frisur, Kopfbede-
ckungen, Aufliegen des Kopfes bei Bettlägerigen).
• „ Vernarbend“ (mit Zerstörung der Haarfollikel).
– Im akuten Stadium oft mit infektiösen Prozessen verbunden.
– Im Endzustand als „Pseudobelade Brocq“ durch fehlende Haarfollikel ge-
kennzeichnet.

Diagnostik
• E rhöhte Testosteronspiegel sind selten, i. d. R. finden sich alle anderen Laborpa-
rameter im Normbereich. Bei sichtbaren Androgenisierungs- oder gar Virilisie-
rungszeichen (▶ 17.4) Hormondiagn. sinnvoll (Testosteron, SHBG, Androsten-
dion, DHES, 17α-OH-Progesteron zum Ausschluss eines Late-Onset-AGS,
FSH, LH [FSH/LH-Ratio > 2 bei PCO-Sy.], E2, Progesteron, TSH, fT3, fT4).
•  richogramm durch den Dermatologen.
T
•  vtl. Kopfhautbiopsie.
E

Therapie
 ormonsubstitutionsbehandlung (▶ 17.1.3) oder hormonelle Kontrazeption
• H
mit Östrogen- und Antiandrogenwirkung (Diane 35, Valette, Belara), evtl.
zusätzlich Cyproteronacetat (Androcur®) ▶ 17.4.
• 1  × tägl. Anwendung von alphatradiolhaltigem Haarwasser (Ell-Cranell alpha®).
• F alls nach 3–6 Mon. kein Therapieerfolg, evtl. Heilversuch mit 2- oder 5-pro-
zentiger Minoxidil-Lsg. (Regaine® Frauen, morgens und abends 1 ml auf die
betroffenen Stellen der Kopfhaut auftragen). NW: verstärkte Behaarung an
17 der seitlichen Stirnregion möglich.

Tab. 17.18  Verfügbare Produkte zur Alopeziebehandlung (O = oral, L = lokal)


Frauen und Männer

Alpicort/-F® Zwei verschiedene Produkte mit Korti- L


son für Männer bzw. Frauen
   17.6  Androgenisierungserscheinungen  625

Tab. 17.18  Verfügbare Produkte zur Alopeziebehandlung (O = oral, L = lokal)


(Forts.)
Frauen und Männer

Azelainsäure (Skinoren®) 5-α-Reduktasehemmer L

Regaine® Frauen/Männer Zwei verschiedene Produkte für Män- L


Lsg. ner bzw. Frauen, 1 ml = 50 mg bzw.
20 mg Minoxidil

Frauen

Cyproteronacetat Antiandrogene Hormonther. für Frau- O


­(Androcur®) en

Cyproteronacetat mit „Pille“ mit antiandrogenen Eigen- O


Ethinylestradiol (Diane® schaften
35)

Chlormadinonacetat mit „Pille“ mit antiandrogenen Eigen- O


Ethinylestradiol (Belara®, schaften
Neo-Eunomin®)

Dienogest mit Ethinyl­ „Pille“ mit antiandrogenen Eigen- O


estradiol (Valette®) schaften

Drospirenon mit 0,03 mg „Pille“ mit antiandrogenen Eigen- O


Ethinylestradiol (Yas- schaften
min®, Petibelle®)

Drospirenon mit 0,02 mg „Pille“ mit antiandrogenen Eigen-


Ethinylestradiol (Yasmi- schaften
nelle®, AIDA®)

Spironolacton (Aldacto- Antiandrogen – nicht für diese Ind. zu- O


ne® usw.) gelassen (Off-Label-Use, kein GKV-Re-
zept ausstellen!)

17.6  Androgenisierungserscheinungen
Ätiologie
Erhöhtes Androgenangebot durch:
• N NR: NNR-Hyperplasie, M. Cushing, adrenogenitales Sy. (kongenital oder
erworben, ▶ 17.2), NNR-Adenom, NNR-Ca, ektope ACTH-Sekretion z. B. bei
Bronchial-Ca.
• O var: polyzystische Ovarien, Ovarhyperplasie, Arrhenoblastome, Hiluszelltu- 17
moren, virilisierende Lipoidzelltumoren, Thekome, Nebennierenresttumor;
Mischtumoren.
• H ypophysentumoren.
• M edikamente: ACTH, Anabolika, Androgene, Azetazolamid, Danazol, Dia-
zoxid, Diuretika, Glukokortikoide, Hydantoine, 19-Nortestosteron-Derivate,
Metopiron, Penicillamin.
• Intersexualität: V. a. Pseudohermaphroditismus masculinus.
626 17  Endokrinologie  

• E rhöhte Endorganempfindlichkeit: Zielorgane der Androgene (z. B. Haarfol-


likel, Talgdrüsen) sprechen vermehrt auf Androgene an. Entweder durch ge-
steigerte Rezeptorempfindlichkeit gegenüber Testosteron bzw. Dihydrotesto-
steron (DHT) oder durch erhöhte Aktivität der 5α-Reduktase (erhöhte intra-
zelluläre Bereitstellung von 5-DHT).

Klinik
• A
 ndrogenisierung: Akne, Seborrhö, Hirsutismus und Alopezie (Haarausfall
> 100–150 Haare tägl.).
• V
 irilisierung: stärkste Form der Androgenisierung mit Umdifferenzierung
des Körpers in männlicher Richtung. Neben Akne, Seborrhö und Hirsutis-
mus, Zyklusstörungen, Tieferwerden der Stimme, Klitorishypertrophie, Alo-
pecia androgenetica („Geheimratsecken“, Hinterhauptglatze), Veränderung
der Körperform (breite Schultern, Zunahme der Muskelmasse an den Extre-
mitäten).

Hirsutismus
Vermehrte Körperbehaarung an Prädilektionsstellen: Oberlippe, Kinn, Linea
alba, Pubes, Oberschenkel, perimamillär. In fortgeschrittenem Stadium Um-
wandlung des Flaumhaars in dickeres pigmentiertes Terminalhaar.
Hypertrichose
Androgenunabhängiger vermehrter Haarwuchs (feines Terminalhaar) am ge-
samten Körper ohne Präferenz der Gesichts- oder Sexualbehaarung. Tritt in
Zusammenhang mit Tbc, Spina bifida („Fellchen“ in der Lumbalregion) und
Poliomyelitis auf.

Tab. 17.19  Einteilung des Hirsutismus in Schweregrade


Grad I Haarstraße vom Genitalbereich zum Nabel, Oberlippenbehaarung,
­perimamilläre Behaarung

Grad II Zusätzlich an Kinn und Oberschenkelinnenseite

Grad III Zusätzlich Behaarung prästernal, an Rücken, Gesäß und Schulter

Diagnostik
• A
 namnese: Beginn und Dauer des Haarausfalls bzw. der vermehrten Behaa-
rung oder des Tieferwerdens der Stimme. Anzahl der ausgefallenen Haare
pro Tag (100–150 tägl. ist normal), Medikamentenanamnese.
17 •  abor: DHEA, DHEA-S, Kortisol (adrenale Hormonproduktion), LH/FSH-
L
Quotient und Androstendion, (freies) Testosteron, SHBG, 17-Hydroxypreg-
nenolon, 17-Hydroxyprogesteron, 21-Desoxykortisol (adrenogenitales Sy.),
Kortisol-Tagesprofil 8:00 und 22:00 Uhr (path.: Wert um 22:00 Uhr > 50 %
des Morgenwerts). E‘lyte (Magnesium und Zink), Serumeisen, Ferritin,
ACTH-Dexamethason-Test (▶ 15.2.6).
•  richogramm (Haarwurzelmuster, durch Dermatologen): Bei Alopecia an­
T
drogenetica finden sich viele Haarfollikel in der Telogenphase (Ruhephase).
   17.6  Androgenisierungserscheinungen  627

• S ono: Ovarien (z. B. PCO-Bild), Nebennieren (z. B. Hyperplasie, Tumor).


• R ö: Sella turcica, CCT.
Tumorverdacht bei postpuberalem Hirsutismus, rascher Progredienz, star-
ker Ausprägung mit Virilisierung, Testosteron >  2 ng/ml Serum, DHEA-S
> 7 ng/ml Serum, schlechte Supprimierbarkeit durch Dexamethason.

Therapie
Bei Androgenisierung
Diane 35® vom 1.–21. ZT Cyproteronacetat (CPA) 2 mg und Ethinylestradiol (EE)
35 μg/d p. o.
• O rale Kontrazeptiva: bei ovarieller und gemischter Androgenisierung und
Wunsch nach Kontrazeption. Präparate und Dos.:
– Neo-Eunomin®: vom 1.–11. ZT Ethinylestradiol 50 μg und Chlormadinon­
acetat 1 mg p. o.; vom 12.–22. ZT Ethinylestradiol 50 μg und Chlormadi-
nonacetat 2 mg p. o.
– Belara® monophasisch 21 Tage Ethinylestradiol 30 μg und Chlormadinon-
acetat 2 mg p. o.
– Valette® monophasisch 21 Tage Ethinylestradiol 30 μg und Dienogest
7 mg p. o.
• A ntiandrogene: bei ovarieller und gemischter Androgenisierung und
Wunsch nach Kontrazeption. Präparat und Dos.: Cyproteronacetat 10 oder
50 mg (Androcur®).
! Tipp: Androcur® 10 mg zusätzlich zu Diane 35® vom 1.–15. Diane-Ein-
nahmetag (s. o.).
! Kontrazeptionsschutz erforderlich!
– Nach ≥ 9 Mon. Behandlung mit Cyproteronacetat besserte sich Akne bei
≥ 90 %, Seborrhö bei ca. 85 %, Hirsutismus bei ca. 65 % und die androge-
netische Alopezie bei ca. 40 % der Pat.
• M edroxyprogesteronacetat (MPA): Bei ovariellem Hirsutismus (PCO). Prä-
parat und Dos.: Medroxyprogesteronacetat 30–40 mg/d p. o. oder 400 mg i. m.
alle 3 Mon.
• K ortikoide: bei adrenaler oder gemischter Androgenisierung und gleichzeiti-
gem Kinderwunsch (▶ 15.4.2; AGS ▶ 17.3). Präparate und Dos.:
– Dexamethason 0,5–2,5 mg/d p. o. (z. B. Fortecortin®).
– Prednisolon 5–20 mg/d p. o. (z. B. Decortin® H).
– Hydrokortison = Kortisol 20–30 mg/m2 Körperoberfläche tägl. p.o. (z. B.
Hydrocortison Jenapharm®).
• S pironolacton: bei gemischtem und/oder idiopathischem Hirsutismus und 17
Kinderwunsch oder KI gegen Kontrazeptiva. Präparat und Dos.: Spironolac-
ton 100 mg/d p. o. (Aldactone®50) für 21 Tage, dann 7 Tage Pause.
Bei Alopezie
• E stradiolbenzoat 0,005 g lokal (Alpicort F®), Proteine/Vitamine (Pantovi-
gar®), Zink (oral) 400–600 mg (Zinkorotat®), Haarwasser (Rp: Oleo ricini 1,0;
PEG 400 1,0; E2-Valerat 0,02; Solutio cordes ad 100).
628 17  Endokrinologie  

Bei Akne
• S ystemisch: Tetrazykline 2 × 500 mg/d p. o. (z. B. Tetrazyklin-Wolff® 500),
orale, antiandrogene OH, z. B. Diane® 35, Neo-Eunomin®.
• L okal: Tretinoin 0,05 % 1–2 × tägl. (z. B. Airol® Roche Creme), Benzoylper-
oxid 1 × tägl. (z. B. Aknefug®-Oxid 3 %/5 %/10 %); Schwefel 1–2 × tägl. (z. B.
Aknichthol®); Salizylsäure 2 × tägl. (z. B. Aknederm® Salbe).

17
18 Kinder- und Jugendgynäkologie
Joachim Steller

18.1 L eitsymptome und ihre 18.5.3 F ehlbildungen und


­Differenzialdiagnosen  630 ­Fehlentwicklungen  644
18.1.1 Genitaler Pruritus  630 18.5.4 Mammatumoren  644
18.1.2 Fluor  630 18.6 Blutungsstörungen  645
18.1.3 Schmerzen im Unterleib  631 18.6.1 Vaginale Blutungen vor der
18.1.4 Genitale Blutungen  632 Menarche  645
18.2 Diagnostik  633 18.6.2 Weitere Blutungen vor der
18.2.1 Anamnese  633 Menarche  645
18.2.2 Gynäkologische 18.6.3 Blutungsstörungen nach der
­Untersuchung  633 Menarche  646
18.2.3 Vaginoskopie  634 18.7 Angeborene
18.2.4 Hormondiagnostik  635 ­Fehlbildungen  646
18.2.5 Gynäkologische 18.7.1 Hymenalatresie  647
­Zytodiagnostik  635 18.7.2 Anogenitale
18.2.6 Sonografie  636 ­Fehlbildungen  647
18.2.7 Röntgen  636 18.7.3 Vaginalseptum,
18.2.8 Pelviskopie  636 ­Vaginalaplasie  648
18.3 Physiologie der 18.7.4 Fehlbildungen des
­Pubertät  637 ­Uterus  648
18.4 Pubertätsstörungen  638 18.7.5 Gonadendysgenesie  649
18.4.1 Pubertas praecox  639 18.7.6 Virilisierung des äußeren
18.4.2 Pubertas tarda  639 ­Genitales  650
18.4.3 Hochwuchs  640 18.7.7 Mayer-Rokitansky-Küster-
18.4.4 Kleinwuchs  642 Hauser-Syndrom  650
18.5 Störungen der 18.8 Genitale Infektionen  651
­Brustentwicklung  643 18.9 Verletzungen  654
18.5.1 Fehlende oder verzögerte 18.10 Fremdkörper  654
Brustentwicklung  643 18.11 Genitaltumoren im ­Kindes-
18.5.2 Vorzeitige oder und Jugendalter  655
­überschießende 18.11.1 Benigne Tumoren  655
­Brustentwicklung  644 18.11.2 Maligne Tumoren  656
18.12 Sexueller Missbrauch und
Misshandlung  656
630 18  Kinder- und Jugendgynäkologie  

18.1 Leitsymptome und ihre


Differenzialdiagnosen
18.1.1 Genitaler Pruritus

Mit über 60 % häufigstes Beschwerdebild in der Kinder- und Jugendgynäko-


logie.

Klinik  Rötung der Vulva, Kratzspuren, perianale Rötung, gelbliche Beläge, Be-
gleitfluor.
Differenzialdiagnosen 
• Pruritus ohne Fluor, evtl. mit Kratzspuren, Miktionsbeschwerden, Begleitfol-
likulitis → V. a. unspezifische Vulvovaginitis (▶ 18.8).
• Windeldermatitis, z. T. mit dunkelrotem Randsaum bei konfluierenden Her-
den → V. a. Soor (▶ 18.8).
• Nissen in Genitalbehaarung, Kratzspuren → Skabies, Pediculosis pubis
(▶ 11.3.7).
• Perianale Kratzspuren, Würmer im Stuhl → Oxyuren (▶ 18.8).
• Pruritus mit gelb-grünlichem Begleitfluor → V. a. Trichomonaden- oder
Chlamydieninf. (▶ 18.8).
• Wärzchen am Introitus oder paraurethral → V. a. Kondylome (▶ 11.3.3).
• In der Kindheit Begleitvulvovaginitis bei Inf. der oberen Atemwege, Nase,
Ohren oder im Rahmen klassischer Kinderkrankheiten.

18.1.2 Fluor

Physiologisch ist der Fluor neonatorum bis zum 5. Tag p. p. durch Restwir-
kung der mütterlichen Sexualhormone. Im Vordergrund steht das Erkennen
der Grunderkr., da der Fluor meist nur ein Symptom darstellt.

Ursachen des vaginalen Fluors  ▶ 13.1.4.


• Seröser, selten blutiger Fluor → V. a. unspezifische Entzündungen.
• Weißlich-bröckeliger Fluor → V. a. Soor.
• Wässriger Fluor → V. a. B-Streptokokken.
• Eitrig-blutiger, übel riechender Fluor → V. a. Fremdkörper (z. B. Murmel).
• Gelblich-seröser Fluor, zusätzlich Kratzspuren → V. a. Parasiten, direkter Er-
regernachweis im Mikroskop oder auf Klebestreifen.
• Seröser bis eitriger Fluor → V. a. Allgemeininf., Symptome verschwinden
nach der Inf.
• Dünnflüssiger, gräulich-weißlicher Fluor, fischartiger Geruch → V. a. Gardne-
rella-vaginalis-Inf. (▶ 11.3.5).
18 Ursachen des zervikalen und korporalen Fluors 
• Blutiger, fötider Fluor → vag. Inf. bei Fremdkörper; Malignome von Uterus
und Vagina, extrem selten (z. B. vaginale Rhabdomyosarkome des Kleinkinds).
   18.1  Leitsymptome und ihre Differenzialdiagnosen  631

• Blutiger Fluor → Chlamydienzervizitis, sehr lange Persistenz (bis zu mehreren


Jahren), von der Mutter unter der Geburt erworben.
• Gelblicher Fluor → hämatogen übertragene Urogenitaltuberkulose (sehr selten).
• Nur geringer Begleitfluor → Condylomata acuminata, virusbedingte Läsionen
(HPV) im Bereich von Vulva, Vagina und Zervix.
Therapie 
• Hygienemaßnahmen: häufiges Wechseln der Baumwollunterwäsche, thermi-
sche Desinfektion der Wäsche bei 90 °C über 10 Min. oder 85 °C über
15 Min.
• Vermeiden von Sandkasten, Planschbecken und Whirlpools, keine enge Klei-
dung, parfüm- und seifenfreie Waschlotionen, Trockenhalten des Genitales.
• Bei Fremdkörpern Vaginoskopie (▶ 18.2.3) und Entfernen des Fremdkörpers.
• Bei unspezifischer Entzündung symptomatische Lokalther. mit Antiseptika
(z. B. Betaisodona® vaginal supp., Kamillesitzbäder), zusätzlich hormonhaltige
Cremes wegen des physiologischen Hormonmangels (z. B. Estriol, Ovestin®-
Creme). Kinderapplikatoren rezeptieren! Hormonbehandlung nicht länger
als 10–14 Tage.
• Neomycin®-Lsg. intravaginal 1 × abends.
• Bei bakt. Infekt systemische Antibiose nach Erregernachweis mit Penicillin
(z. B. Ampicillin ratiopharm®) oder Cephalosporinen, z. B. Cefaclor (z. B.
Panoral®-Saft).

18.1.3 Schmerzen im Unterleib

Beim Sgl. und Kleinkind überwiegen die extragenitalen Ursachen. Die


Schmerzlokalisation wird häufig nur sehr ungenau angegeben (oft z. B. Na-
belgegend). Dysmenorrhöen sind die häufigsten Beschwerden in der Post-
menarche.

Anamnese 
• Allg. Anamnese: Stuhlverhalten (weiche Stühle, Obstipation, Diarrhö), Mi­
ktionsverhalten (Pollakisurie, Harnverhalt), Appetitlosigkeit und Erbrechen,
Infekte in Schule oder Kindergarten, Medikamenteneinnahme.
• Gynäkologische Anamnese: Fluor als Neugeborenes (falls nicht, auf genitale
Fehlbildungen, Hymenalatresie achten), bei eitrig-blutigem Fluor an intrava-
ginale Fremdkörper denken. Brust- und Schamhaarentwicklung (mensesarti-
ge Beschwerden bei vorzeitiger Genitalreifung); bei älteren Mädchen nach
Menarche und Sexualkontakten fragen (Adnexitis, EUG).
– Prim. Dysmenorrhö (häufig): Auftreten ca. 1–2 J. nach der Menarche.
Ursache oft „essenziell“, d. h. aufgrund von Dysregulationen im Prosta­
glandinstoffwechsel.
– Sek. Dysmenorrhö (selten): tritt erst Jahre nach der Menarche auf. Ätiol.:
Adnexitis, Endometriose, stielgedrehte Adnexe, Adhäsionen nach Append­
ektomie, venöse Stauungshyperämie u. a. 18
• Familienanamnese: auch an sexuellen Missbrauch denken ▶ 18.12.
• Schmerzanamnese: regelmäßig ca. alle 4 Wo. wie bei Dysmenorrhö, ohne
dass die Menarche bislang aufgetreten ist → V. a. Molimina menstrualia.
632 18  Kinder- und Jugendgynäkologie  

Diagnostik 
• Temperaturerhöhung (rektal-axilläre Differenz).
• Inspektion: Mund und Rachen (z. B. Tonsillitis, Angina geht häufig mit Un-
terbauchschmerzen einher), Nabel- und Leistenregion (z. B. Hernien).
• Auskultation: Lunge (z. B. Pneumonie, ▶ 1.2.3, ▶ 3.1.8), Darmgeräusche: Peri-
staltik vermehrt → Enteritis; Peristaltik vermindert → Peritonitis, Ileus.
• Palpation: Hepatosplenomegalie, epigastrischer Druckschmerz, Abwehrspan-
nung.
• Urinstatus: Hinweis auf HWI.
• Vag. Untersuchung (nur nach der Menarche): Anhalt für Adnexitis (typisches
Adnexitiskollektiv 15–19 J.); Anhalt für EUG (▶ 14.3) oder stielgedrehte Adnexe.
• Rektale Untersuchung: Resistenzen (z. B. Ovarialtumor), Blut am Fingerling
(z. B. Invagination), bei der rektalen Untersuchung kann selten auch ein vagi-
naler Fremdkörper festgestellt werden (bei Kindern eher verzichtbar!).
• Sono ▶ 18.2.6.

18.1.4 Genitale Blutungen

Tab. 18.1  Blutungsursachen


Entwicklungspe- Physiologisch Pathologisch (Vorgehen)
riode

Neugeborenes Abbruchblu- Verletzung


tung (mütterli-
che Hormone)

Ruheperiode Keine Trauma, Kolpitis (▶ 18.8), Fremdkörper (→ Va-


ginoskopie und Extraktion), Pubertas praecox
(▶ 18.4.1), Tumor (→ Sono und CT)

Reifungsperiode Menarche, Men- Traumatische Defloration (▶ 18.9), Traumata,


(Pubertät) ses, Defloration Kolpitis (▶ 18.8), juvenile Blutungsstörung, Ab-
ort (→ HCG-Nachweis, Sono ▶ 5.5), EUG (→ La-
paroskopie mit tubenerhaltender OP ▶ 14.3)

Diagnostik  Bei juveniler Blutungsstö-


rung genaue Aufklärung, Zyklusbeob-
achtung (Kalender und BTK), nur bei
Polymenorrhöen Zyklusregulierung
(▶ 18.6). Cave: Zyklus meist erst 2–3 J.
nach Menarche regelmäßig und ovula-
torisch.
• Inspektion: Blutung aus Vagina
oder Zervix. DD: Blutung aus Blase
oder Rektum.
• Rektale, bimanuelle Palpation
(▶ Abb. 18.1): Uterus vergrößert
18 (Schwangerschaft, Abort), Eileiter
verdickt (Adnexitis, EUG), Ovari-
altumor. Abb. 18.1  Rektoabdominale Palpation
[L157]
   18.2  Diagnostik  633

• Vaginoskopie (▶ 18.2.3): bei V. a. Verletzung oder Fremdkörper.


• Fluordiagn. ▶ 18.1.2.
• Labor: Hb, HCG, Hormonanalysen nur bei Pubertas praecox (▶ 18.4.1).
• Ultraschall: Bei Virgo Abdominalschall durch volle Blase oder Perinealsono,
bei menstruierenden Mädchen, die Tampons benutzen, ist ein Vaginalschall
meist möglich. Achten auf Ovarialzysten, Ovarialtumor, Endometriumhöhe,
Uterusgröße, freie Flüssigkeit im Bauchraum; bei Mädchen mit Sexualkon-
takt → Schwangerschaft intra- oder extrauterin.

18.2 Diagnostik
18.2.1 Anamnese
• Familienanamnese: z. B. Menarche der Mutter, atypische Genitalentwicklung
(Hirsutismuszeichen o. Ä.).
• Eigenanamnese: Exposition durch östrogenhaltige Nahrungsmittel, Kosmeti-
ka, „Pille“, Medikamente; seit wann Brustentwicklung? (▶ 18.3), Entwicklung
der Schambehaarung (▶ 18.3), Virilisierung, Menarche; Größen- und Ge-
wichtsentwicklung, Wachstumsschub, Bauchschmerzen (z. B. Ovarialtumor,
Stieldrehung des Ovars), Dysmenorrhöen (prim., sek.), Zyklusstörungen,
Hirsutismus.

18.2.2 Gynäkologische Untersuchung
• Sgl. und Kleinkinder werden entweder auf einer Wärmematte (Beine ggf. in
der Hüfte fixiert) untersucht oder besser auf dem Schoß der Mutter, Kinder
und Jugendliche i. d. R. auf dem normalen gynäkologischen Stuhl möglichst
in Steinschnittlage.
• Im Kleinkindalter lassen sich in Knie-Ellbogen-Lage häufig Hymen, hintere
Kommissur sowie der anale Dilatationsreflex besser beurteilen.
• Bei der Inspektion des äußeren Genitale achten auf: abnorme Behaarung, Kli-
torishypertrophie, Kratzeffekte, Entzündungszeichen, Fluor, Verletzungen.
• Introitus vaginae durch Spreizen der Labia majora mit Zeige- und Mittelfin-
ger der li Hand des Untersuchers darstellen.
• Das kindliche Hymen lässt sich durch Erhöhung des intraabdominalen
Drucks, z. B. durch Husten, Pressen oder Aufblasen eines Luftballons, leichter
darstellen.
• Vaginoskopie ▶ 18.2.3.
• Abstrichdiagn. ▶ 18.2.5.
• Die Palpation des Abdomens beim Kind kann erleichtert werden, wenn es
z. B. seine Hand auf die des Untersuchers legt und „mituntersuchen“ kann.
• Ab dem 10. Lj ist eine digitale vaginale Untersuchung mit einem Finger meis-
tens möglich.
• Abdominale und vaginale Sono ▶ 18.2.6, beim Kleinkind und Kind ggf. Peri-
nealsono. 18
634 18  Kinder- und Jugendgynäkologie  

18.2.3 Vaginoskopie

Untersuchung grundsätzlich ohne Narkose oder Sedierung (auch beim Sgl.)


möglich. Sedierung nur bei Fremdkörperentfernung nötig, z. B. mit Diaze-
pam 5 mg rektal (z. B. Diazepam-Desitin® rectal tube).

Indikationen  Rezid. Kolpitiden, Blutung, Fremdkörperverdacht, Pubertas prae-


cox, Tumorverdacht, V. a. sexuellen Missbrauch. Keine Ind.: Fluor, Menarche.
Vorgehen  (▶ Abb. 18.2).
• Auswahl des geeigneten Vaginoskops (5–12 mm).
• Je nach Alter des Kindes Lagerung auf gynäkologischem Stuhl, auf Untersu-
chungsliege oder Schoß der Mutter, Ablenkung und Beruhigung durch Ver-
trauensperson.
• Anfeuchten des angewärmten Vaginoskops mit warmem Wasser.
• Spreizen der Labien mit der li Hand.
• Kind husten, pressen oder Luftballon aufblasen lassen.
• Vorsichtiges Einführen des Vaginoskops.
• Entfernen des Trokars und Inspektion von Vagina und Portio, evtl. weiteres
Vorschieben des Instruments unter Sicht bis zur Portio.
• Unter langsamem Zurückziehen Inspektion der gesamten Vagina.
• Bei Fluor und/oder Blutung: bakterielle Abstriche und Zytologieentnahme.

Abb. 18.2  Vaginoskopie [L157]

18
   18.2  Diagnostik  635

18.2.4 Hormondiagnostik

Tab. 18.2  Präpubertäre Serumhormonspiegel beim Kind


Untersuchung Normwert Aussage

HCG < 5 IE/l Grav.: HCG ↑ (auch an EUG den-


ken!)

LH < 1 IE/l Pubertas praecox vera: → FSH ↑,


LH ↑, Estradiol ↑
FSH < 1 IE/l Pseudopubertas praecox: →
­Estradiol ↑, Testosteron ↑
Estradiol < 12,5 ng/l AGS: → FSH, LH, Testosteron ↑,
Testosteron < 0,6 μg/l DHEA-S ↑, Kortisol ↓

17-OH-Progesteron < 2 μg/l

DHEA 1,5–8,0 μg/l

DHEA-S < 2,5 mg/l

Prolaktin 3–16 μg/l

TSH < 0,1 mIE/l

LH-RH-Test (Gabe von 25 μg Nur geringer LH-Anstieg mind. 4-fach, FSH-An-
LH-RH/m2 Körperoberfläche FSH- und LH-An- stieg mind. 2,5-fach → Hinweis
= Relefact®) stieg auf Pubertas praecox

Dexamethason-Test (▶ 15.2.6); Hormondiagn. bei der Frau (▶ 15.2.4).

18.2.5 Gynäkologische Zytodiagnostik
Durchführung  Abstriche von Vulva, Vagina und Portio zur zytologischen Di-
agn. sowie zur Funktionsdiagn. (Beurteilung des Proliferationsgrades des Epi-
thels) können in jedem Lebensalter durchgeführt werden. Sie sollten unter zumin-
dest vaginoskopischer Sichtkontrolle erfolgen (▶ 11.2.3).

Besonderheiten der Kinder- und Jugendgynäkologie


• Die Vaginalzytologie eines NG zeigt wegen der Wirkung der transplazen-
tar übertragenen mütterlichen Östrogene ein hoch aufgebautes Zellbild,
Intermediärzellen, Superfizialzellen mit sauberem Präparathintergrund.
• In der hormonellen Ruheperiode (< 8. Lj) findet man hauptsächlich Para-
basalzellen (Zusatzkriterium zur Beurteilung einer Pubertas praecox bzw.
Pseudopubertas praecox ▶ 18.4.1).
• In der Präpubertät (8. bis12. Lj) und Pubertät (12.–15. Lj) nehmen die Pa-
rabasalzellen ab, an ihre Stelle treten die Intermediär- und Superfizialzel-
len sowie der Nachweis von Döderlein-Stäbchen mit physiologischem
Fluor.
18
636 18  Kinder- und Jugendgynäkologie  

18.2.6 Sonografie
(auch ▶ 22.1).
Durchführung  In der Kinder- und Jugendgynäkologie häufig nur abdominal
oder perineal möglich. Kleinkalibrige Rektal- und Vaginalsonden werden zurzeit
entwickelt. Als Schallfenster wird die gefüllte Blase benutzt.
• Untersuchung bei Kleinkindern problematisch.
• Bei Jugendlichen vaginale Sono in Abhängigkeit vom Hymen oft möglich
(Tamponbenutzung).
! Kinder Fruchtsäfte trinken lassen, kein Mineralwasser, da die Kohlensäure
schnell zu Völlegefühl führt. Schallkopf selbst halten lassen, angewärmtes Gel
benutzen.
Beurteilung 
• Uterus: kontinuierliches Wachstum bis zur Pubertät (Länge bis 10. Lj
< 4,5 cm, bis 13. Lj < 6 cm), häufig gestreckt (Retroversio ausschließen), Fehl-
bildungen (Uterus duplex, arcuatus) ausschließen (▶ 18.7.4).
• Endometrium: bis zur Pubertät strichförmig, danach zyklusabhängig (▶ 22.1).
• Ovarien: Wachstum bis zur Pubertät auf 2,5 cm, auf Symmetrie achten.
– Zysten: solitär oder multipel, ein- oder beidseits, glatt begrenzt, septiert,
evtl. solide Anteile.
– Ovarialtumoren: Größe, Struktur (solide, zystisch-solide?).
• Aszites, Flüssigkeit (Blut?) im Douglas-Raum.

18.2.7 Röntgen

Zurückhaltung bei Beckenübersichten wegen der im Vergleich zu anderen


Rö-Untersuchungen hohen Gonaden-Strahlenbelastung!

Indikationen 
• Skelettalterbestimmung (Rö li Hand): Diagn. von Entwicklungs- und Rei-
fungsstörung (Pubertas praecox ▶ 18.4.1; Pubertas tarda ▶ 18.4.2).
• Hypophysendarstellung: Bei V. a. Hypophysentumoren (z. B. Prolaktinom);
beurteilt wird die Ausweitung und Begrenzung der Sella turcica (▶ 15.4.2);
besser MRT.
• Urogramm: bei urogenitalen Entwicklungsstörungen, z. B. Aufstau, Reflux,
Ureter- oder Urethraklappen, Doppel-Anlagen, jedoch nicht bei Nierenfunk-
tionseinschränkung.

18.2.8 Pelviskopie
Durchführung  Durchführung wie im Erwachsenenalter (▶ 16.2.6). Lediglich bei
Sgl. und Kleinkindern ist ein spezielles Instrumentarium erforderlich.
Indikationen  Genitale Fehlbildungen, V. a. Intersexualität (Stranggonaden),
18 prim. oder sek. Dysmenorrhö, solide oder solid-zystische Unterleibstumoren, Pe-
netrationsverletzung, V. a. Adnexitis oder Appendizitis (Jugendgynäkologie), V. a.
Endometriose, hypergonadotrope Amenorrhö.
Kontraindikationen  Narkoseunfähigkeit (z. B. schwere Herzvitien).
   18.3  Physiologie der Pubertät  637

18.3 Physiologie der Pubertät


Zu Beginn der Pubertät nimmt die Sensibilität der hypothalamischen Zentren gegen-
über Sexualhormonen ab. Die dadurch bedingte erhöhte GnRH-Freisetzung stimu-
liert die Hypophyse und die Ovarien zu ansteigender Hormonsekretion. Die Östro-
genbildung der Ovarien setzt im 8.–9. Lj ein. In der Nebenniere kommt es zu einer
selektiven Änderung der adrenalen Biosynthese zugunsten von DHEA und DHEA-S.

Tab. 18.3  Serumspiegel von Estradiol und DHEA in der Pubertät


Serumspiegel Kind Beginnende Pubertät

Estradiol < 10 pg/ml > 40 pg/ml

DHEA < 1,5 ng/ml > 1,5 ng/ml

Präpubertät (8. bis 12. Lebensjahr)


• Einsetzen des Wachstumsschubs.
• Hüftrundung, das Becken nimmt
weibliche Formen an, Verdickung
des Mons pubis. B1
• Wachstum der Vagina, mehrschich-
tiger Aufbau des Vaginalepithels.
• Später beginnendes Uteruswachs-
tum, beginnendes Follikelwachstum. B2
• Auftreten des ersten Daumense-
sambeins (Menarche ca. 2 J. später
zu erwarten).
B3
Thelarche (10. bis 11. Lebensjahr)
Knospen der Brust als erstes äußeres
Zeichen zunehmender ovarieller Östro-
genbildung. B4

Beurteilung der Brustentwicklung


nach Tanner
▶ Abb. 18.3. B5
• B1: keine palpable Drüse.
• B2: Brustknospe. Warzenhof ver-
größert, Drüse vorgewölbt im Be-
reich des Warzenhofs. Abb. 18.3  Brustentwicklung nach Tan-
• B3: Drüse größer als Warzenhof. ner [L157]
• B4: weitere Vergrößerung der Drü-
se, der Warzenhofbereich hebt sich gesondert von der übrigen Drüse ab.
• B5: reife Brust. Zurückweichen der Warzenhofvorwölbung in die allg. Brust-
kontur.
Pubarche (11. bis 12. Lebensjahr)
Auftreten der Schambehaarung als Ausdruck der zunehmenden Androgenbil-
18
dung. 1–2 J. später folgt das Wachstum der Axillarbehaarung.
638 18  Kinder- und Jugendgynäkologie  

Beurteilung der Schambehaarung nach Tanner


▶ Abb. 18.4.
• P1: keine Behaarung.
• P2: wenige Schamhaare an den Labia majora.
• P3: kräftige Behaarung von umschriebener Ausdehnung.
• P4: kräftige Haare wie beim Erwachsenen, aber geringere Ausdehnung.
• P5: Ausdehnung wie beim Erwachsenen, kräftige Behaarung, nach oben hori-
zontal begrenzt.
• P6: zum Nabel ansteigende Schambehaarung und Übergreifen auf die Ober-
schenkel.

pathologisch!

P1 P2 P3 P4 P5 P6

Abb. 18.4  Schambehaarung nach Tanner [L157]

Pubertät (12. bis 15. Lebensjahr)


• Pigmentation der Brustwarze, Entwicklung des äußeren Drüsenkörpers.
• Höhepunkt des puberalen Wachstumsschubs (max. 8 cm/J.). Zum Zeitpunkt
der Menarche ist noch mit Größenwachstum von 8–10 cm zu rechnen.
• Auftreten der Axillarbehaarung, Zunahme der Schambehaarung.
• „Physiologischer“ Fluor (zunehmende Östrogenproduktion).
• Weiteres Uteruswachstum (Korpus-Zervix-Relation ändert sich von 1 : 2 auf
2 : 1!).
Menarche (13. Lebensjahr)
• Erste ovariell gesteuerte uterine Blutung.
• Meistens Östrogenentzugsblutung nach monophasischem (nichtovulatori-
schem) Zyklus.

Adoleszenz (15. bis 18. Lebensjahr)


Zunehmend ovulatorische Zyklen, Feminisierung der Körperformen, Abschluss
der weiblichen Beckenformung, Epiphysenschluss durch zunehmende Östrogen-
wirkung. Wachstumsabschluss, gehäuft Akne.

18.4 Pubertätsstörungen
Normvarianten der Pubertät treten in ca. 3 % der Fälle auf, path. Störungen der
Pubertät erheblich seltener.
18
   18.4  Pubertätsstörungen  639

18.4.1 Pubertas praecox
Formen 
• Pubertas praecox vera: vorzeitige hypothalamisch-hypophysäre Pubertäts-
entwicklung; immer isosexuell.
• Pseudopubertas praecox: vorzeitige Geschlechtsentwicklung durch autono-
me Hormonproduktion; iso- und heterosexuell. Östrogene bewirken bei
Mädchen isosexuelle, bei Jungen heterosexuelle Pseudopubertas praecox. An-
drogene sind Ursache einer isosexuellen Pubertätsstörung von Jungen und ei-
ner heterosexuellen Entwicklung von Mädchen.
Ätiologie 
• Pubertas praecox vera: Hirntumoren, Z. n. Meningitis/Enzephalitis, Hirntrau-
ma, McCune-Albright-Sy., M. Recklinghausen, Sturge-Weber-Sy.
• Pseudopubertas praecox: Enzymdefekte der NNR, hormonproduzierende
Tumoren der NNR, des Ovars, exogene Hormoningestion (z. B. Einnahme
der Pille von Mutter oder Schwester).
Klinik  Prämature Thelarche, Pubarche, Adrenarche, Menarche, Virilisierungs-
zeichen, Fluor, Mamillensekretion, Körpergröße im oberen Perzentilenbereich,
Hautveränderungen (z. B. Café-au-Lait-Flecken bei M. Recklinghausen, Häman-
giome beim M. Sturge-Weber).
Diagnostik 
• Sexuelle Reifezeichen (▶ Abb. 18.3 und ▶ Abb. 18.4) nach Tanner.
• Vag. Abstrich zur Bestimmung des Hormongrades (▶ 13.2.3).
• Sono: Größe von Uterus, Ovarien (z. B. Follikel, Tumor) und NNR.
• Hormonanalysen (▶ 18.2.4): FSH, LH, Estradiol, Testosteron, Androstendi-
on, DHEA-S, TSH, Prolaktin. LH-RH-Test (▶ 15.2.6).
• Rö, CCT: Hypophysenregion (z. B. Hirntumor), Rö li Hand (Knochenalter).
! DD: Prämature Thelarche, prämature Pubarche, familiärer Hochwuchs, AGS.
Therapie 
• Ind.: Menarche vor dem 7. Lj, schnelles Wachstum, schnelle Zunahme der
sek. Geschlechtsmerkmale innerhalb von 6 Mon. Ther. nur durch Spezialisten!
• Bei Pubertas praecox vera: GnRH-Superagonisten zur Senkung der FSH-
und LH-Spiegel, z. B. mit Buserelin 3–6 × 100 μg/d intranasal (z. B. Profact®
nasal) oder Depotpräparat Goserelin 3,6 mg s. c. (z. B. Zoladex®) alle 4 Wo.
• Bei Pseudopubertas praecox:
– Evtl. Tumorexstirpation (▶ 14.8).
– Ther. des AGS ▶ 17.3.
– Evtl. exogene Hormonsubstitution/-ther. (je nach Störung).

18.4.2 Pubertas tarda
Definition  Ausbildung der Sexualmerkmale erst nach 14. Lj und Menarche erst
nach 16. Lj. Pubertas praecox ▶ 18.4.1.
Ätiologie 
• Hypothalamisch-hypophysäre Unterfunktion durch verzögerte Ausreifung 18
der Sexualzentren bei einigen Allgemeinerkr. (z. B. Malignome), massivem
Gewichtsverlust, Unterernährung (Anorexia nervosa ▶ 17.1.4), isoliertem he-
640 18  Kinder- und Jugendgynäkologie  

reditärem GnRH-Mangel (in Kombination mit Anosmie: Kallmann-Sy.), Hy-


pophysentumoren (hypothalamisch-hypophysäre Achse unterbrochen).
• Prim. hypergonadotrope Ovarialinsuff. bei Turner-Sy. (45, X0), reine (46, XY
oder Mosaik) oder gemischte Gonadendysgenesie (z. B. 45, X0/46, XY), gona-
dotropinresistenten Ovarien (Resistent Ovary Syndrome) und echtem Herm-
aphroditismus (Koexistenz ovariellen und testikulären Gewebes).
Klinik  Ausbleibende Brustentwicklung, keine oder kümmerliche Ausbildung
der Sekundärbehaarung, prim. Amenorrhö, fehlende Ausprägung der weiblichen
Körperform, muldenförmiger Damm, enge Vagina, hypoplastischer Uterus.
Diagnostik  Serum-FSH, LH, E2, Progesteron, Prolaktin, Chromosomenanalyse
▶ 4.2. Rö der Sella, diagn. Laparoskopie nach erfolgloser hormoneller Substitution
mit neg. Gestagen- und Östrogentest (evtl. mit Gonadenbiopsie). Bei V. a. Anore-
xia nervosa ▶ 20.2.1.
Therapie 
• Ziel: Behebung des Östrogendefizits → Entwicklung einer normalen Brust
und Sekundärbehaarung, bei der hypothalamisch-hypophysären Unterfunk-
tion durch verzögerte Ausreifung der Sexualzentren auch Entwicklung nor-
maler Fertilität.
• Vorgehen:
– Östrogene und Gestagene (z. B. CycloOestrogynal®, Estradot® 100 Pflaster
plus Progesteron z. B. Utrogest® 100 mg/d) → Langzeitther. bis zum 50. Lj
erforderlich.
– Wenn möglich ursächliche Ther., z. B. OP eines Hypophysentumors.
– Substitution mit Schilddrüsen- und/oder Nebennierenhormonen.
– Op. Entfernung der Gonaden (Testes) wegen des erhöhten Entartungsrisi-
kos.

Bei hypergonadotropen Formen Infertilität!

18.4.3 Hochwuchs
Physiologie  Die Durchschnittsgröße erwachsener Frauen in der BRD beträgt
168 cm. Eine zu erwartende Körpergröße oberhalb der Durchschnittsgröße plus
3-facher Standardabweichung (d. h. > 185 cm) wird vielfach als Behandlungsindi-
kation angesehen.
Eine genaue Abschätzung der prospektiven Endgröße erfolgt unter Einbeziehung
der elterlichen Größe anhand der Tabellen von Baylay und Pinneaut im Atlas von
Graulich und Peil.
Ätiologie bei Mädchen 
• Familiärer Hochwuchs: Häufigste Ursache. Skelettalter stimmt mit chronolo-
gischem Alter überein. Somatomedin fakultativ erhöht, sonst alle endokrino-
logischen Parameter normal. Gewichtsperzentile im Vergleich zu Größenper-
zentile eher niedrig, Eltern groß.
18 • Endokriner Hochwuchs:
– Hypophysärer Hochwuchs (eosinophiles Adenom).
– Pubertas praecox, Pseudopubertas praecox.
– Hyperthyreose.
   18.4  Pubertätsstörungen  641

• Adiposogigantismus: Gewicht und Größe oberhalb der 97. Perzentile, Wachs-


tumsgeschwindigkeit beschleunigt, Knochenalter akzeleriert, Gewicht der El-
tern oft auch hoch, meist alimentär bedingt.
• Chromosomenanomalien bzw. syndromal: Homozystinurie, Marfan-Sy.
• Konstitutionelle Beschleunigung von Wachstum und Entwicklung: frühnor-
male Pubertät, entsprechend akzeleriertes Knochenalter, prospektive Größe
normal.
Diagnostik 
• Anamnese: Größe der Familienmitglieder, Größe bei Geburt, frühere Erkr.
(ZNS, Traumen, Entzündung).
• Klinische Untersuchung: Körperproportionen, Fettverteilung, Ist-Länge und
Ist-Gewicht (Vergleich mit dem Perzentil ▶ Abb. 18.5), radiologische Kno-
chenalterbestimmung anhand der Handwurzelknochen (entspricht Lebensal-
ter ± 1 J.), Pubertätsstadium (s. o.).

cm
190

180 97
Körpergröße bei Mädchen 90
75
170 50
25
160 10
3
150 Perzentile
140

130

120

110

100

90 Hochwuchs: Körpergröße > 97. Perzentile


Großwuchs: Größe 90.–97. Perzentile
80
Kleinwuchs I: Größe 3.–10. Perzentile
70 Kleinwuchs II: Größe < 3. Perzentile
60

50
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 J.

Abb. 18.5  Körpergröße bei Mädchen [L190]

• Labor:
– Somatotropes Hormon (STH) = Human Growth Hormone (HGH): Nor-
mal < 1–3 ng/ml, erhöht > 5–10 ng/ml. Bei hormonproduzierendem Tu-
mor 2.000 ng/ml möglich. Evtl. erhebliche tageszeitliche Schwankungen!
– Basal-fT4, fT3, TSH, Schilddrüsen-Ak, TRH-Test.
– Glukosebelastungstest: Bestimmung des Serum-STH vor sowie 60 Min.
und 120 Min. nach Glukose 100 g p. o. → normal STH-Abfall auf < 5 ng/
ml, andernfalls V. a. Hypophysenadenom (▶ 15.4.2). 18
642 18  Kinder- und Jugendgynäkologie  

Therapie  Hoch dosierte Östrogene bremsen das Wachstum durch Förderung


der Skelettreifung und Hemmung des Knorpelwachstums.
• Behandlungsbeginn: Möglichst vor dem Pubertätswachstumsschub (d. h.
Knochenalter < 12 J. und vor der Menarche).
• Behandlungsdauer: 1,5–2 J., bis das Knochenalter von 15,5 J. erreicht ist, da
dann das Wachstumspotenzial nur noch 0,7 % der Endgröße beträgt.
• Präparate:
– Östrogene z. B. Ethinylestradiol (EE) 0,1–0,3 mg/d p. o. plus Gestagene:
– Medroxyprogesteronacetat 5 mg/d p. o. (z. B. MPA Gyn®) zusätzlich vom
15.–25. ZT oder:
– Chlormadinon 2 mg/d p. o. (z. B. Chlormadinon® 2 mg fem) zusätzlich vom
15.–25. ZT oder:
– Progesteron (Utrogest®) 300 mg/d zusätzlich vom 15.–25. ZT oder
100 mg/d im Langzyklus
• NW: Striae, Appetit- und Gewichtszunahme, Wadenkrämpfe, Varikosis, Dys-
und Hypermenorrhö, Kopfschmerzen und Übelkeit (meist vorübergehend),
Fluor, Haarausfall, Hirsutismus, Ödeme.

Wachstumseinsparung hängt v. a. vom Zeitpunkt des Therapiebeginns ab.


Unter optimalen Bedingungen kann eine Reduktion der Körpergröße um
6–8 cm erreicht werden. Die Therapiedauer beträgt 12–15 Mon. bis zum Epi-
physenschluss.

18.4.4 Kleinwuchs
Definition
Abweichen der Körperlänge unter das 3. Perzentil, Diagnosestellung meist schon
im frühen Kindesalter.

Familiärer Kleinwuchs
Neben der konstitutionellen Entwicklungsverzögerung häufigste Form des Klein-
wuchses. Beginn im Säuglingsalter. Knochenreifung und Pubertätsentwicklung
meist ungestört.

Konstitutionelle Entwicklungsverzögerung
Absinken der Körperlänge bis zum 2. oder 3. Lj. Durch verspäteten Pubertätsbe-
ginn deutlicher Kleinwuchs zwischen dem 12. und 15. Lj Ther.: frühe Pubertätsin-
duktion mit Östrogenen (z. B. Femoston® 1 mg) über 3–6 Mon. Ggf. Anabolika-
ther. mit Oxandrolon 0,05 mg/kg KG/d.

Genetisch bedingter (primärer) Kleinwuchs


Diagnostik  Häufig durch Nachweis charakteristischer Stigmata und Organver-
änderungen. Häufigste Ursache ist das Turner-Sy. (▶  4.4.2), seltenere Ursachen
sind Noonan-Sy., Prader-Willi-Sy., Russel-Silver-Sy., Williams-Beuren-Sy., Triso-
18 mie 21, A- oder Hypochondroplasie und Osteogenesis imperfecta.
   18.5  Störungen der Brustentwicklung  643

Therapie 
• Wachstumshormon 1,0 IE/kg KG/Wo. Behandlungsbeginn möglichst im
Kindesalter bis zum Epiphysenschluss.
• Ggf. Östrogene: Estradiolvalerat 10–20 mg/kg KG/d (z. B. Gynokadin® Tbl.)
einschleichend dosieren.
• Zyklische Gestagengabe: Medroxyprogesteronacetat 5 mg/d p. o. (z. B. MPA
Gyn®) zusätzlich vom 15.–25. ZT oder:
• Chlormandinonacetat 2 mg/d vom 15.–25. ZT oder
• Progesteron (Utrogest®) 300 mg/d vom 14.–25. ZT oder 100 mg/d im Langzyklus
Sekundärer Kleinwuchs
Ätiologie 
• Hormonell bedingt: Wachstumshormonmangel infolge eines Hypophysen-
oder Hypothalamustumors, z. B. Kraniopharyngeom, Dysgerminom, von
ZNS-Fehlbildungen, ZNS-Inf. oder ZNS-Traumata.
• Chron. Erkr.: z. B. Crohn-Krankheit, Nierenerkr., hämatologische Erkr., juve-
nile rheumatoide Arthritis, Diab. mell., Essstörungen.
Therapie  Behandlung der Grunderkr., in ausgewählten Fällen sowie bei Wachs-
tumshormonmangel Substitution des Wachstumshormons (HGH) 0,5 IU/kg KG/
Wo.

18.5 Störungen der Brustentwicklung


Zwei Drittel aller termingeborenen Mädchen zeigen in den ersten LT eine Schwel-
lung der Brustdrüsen, teilweise mit Bildung von Hexenmilch. Das Maximum der
Anschwellung besteht um den 10. LT und ist auf die Wirkung mütterlicher und
kindlicher Steroidhormone zurückzuführen.
Die Entwicklung der weiblichen Brust beginnt etwa zwischen dem 10. und 11. Lj
mit der Knospung der Brüste (= Thelarche ▶ 18.3) und ist etwa 2–4 J. nach der
Menarche abgeschlossen.

18.5.1 Fehlende oder verzögerte Brustentwicklung


Ausbleibende Brustentwicklung
Ätiologie  Gonadendysgenesie (▶  15.4.1), adrenogenitales Sy. (AGS ▶  17.3),
5-Reduktasemangel (selten), Kallmann-Sy. (▶ 18.4.2).
Therapie  Substitution der fehlenden Steroide und Kortikoide.

Verzögerte Brustentwicklung
Ätiologie  Häufig im Rahmen einer konstitutionell bedingten Pubertas tarda
(▶ 18.4.2). Sie ist meist mit einer Amenorrhö und somatischen Entwicklungsver-
zögerungen kombiniert.
Therapie  Sofern der Altersrückstand mehr als 2  J. beträgt, Einleitung einer
­Östrogen-Gestagen-Kombinationsbehandlung mit z. B. CycloÖstrogynal® 18
­(1–3 Tbl./d).
644 18  Kinder- und Jugendgynäkologie  

18.5.2 Vorzeitige oder überschießende Brustentwicklung


Definition  Vorzeitige Knospung der Brust vor dem 8. Lj.
Ätiologie  Gesteigerte Empfindlichkeit des Brustdrüsengewebes gegenüber
­Östrogenen.
Diagnostik  Röntgenologische Bestimmung des Knochenalters, LH-RH-Test
(▶ 15.2.6). Ein LH-/FSH-Quotient < 1 spricht für die prämature Thelarche.
Differenzialdiagnosen  Bei der prämaturen Thelarche ist nur der Brustdrüsen-
körper vergrößert, die Mamille ist unbeteiligt. Bei der (Pseudo-)Pubertas praecox
(▶ 18.4.1) sind auch die Mamillen vergrößert.
Prognose  Bei Auftreten vor dem 2. Lj oft vollständige Rückbildung, bei späterem
Auftreten Rückbildung meist verzögert bzw. Übergang in die Pubertät.

18.5.3 Fehlbildungen und Fehlentwicklungen


Amastie
Definition  Völliges Fehlen des Brustdrüsengewebes, ggf. mit fehlender Brust-
warze (Athelie). Gleichzeitig ist eine einseitige Nierenaplasie möglich.
Ätiologie  X-chromosomal rezessiv vererbter Gendefekt.
Therapie  Plastischer Aufbau nach dem 16. Lj

Makromastie
Die juvenile Makromastie beruht wahrscheinlich auf einer erhöhten Rezeptor-
empfindlichkeit des Brustdrüsengewebes gegenüber normalen Hormonspiegeln
(▶ 10.6.4).

18.5.4 Mammatumoren
Ätiologie 
• Infektiös bedingt (Neugeborenenmastitis, Mastitis non puerperalis).
• Benigne Neubildung: juvenile Fibroadenome, fibrozystische Mastopathie.
• Maligne Neubildungen: myeloische leukämische Infiltrate, Mammakarzino-
me, Mammasarkome.
Differenzialdiagnosen 
• Maligne Tumoren treten im Kindes- und Jugendalter sehr selten auf, diffe-
renzialdiagn. sind sie allerdings immer auszuschließen. Bei leukämiekranken
Kindern können knotige Infiltrate in der Brust auftreten.
• Benigne Tumoren: Juvenile Fibroadenome sind bei jungen Mädchen am häu-
figsten, sie können eine beträchtliche Größe erreichen (Riesenfibroadenome).
Daneben können auftreten: Lipome, Fibrome, Adenome und Milchgangpa-
pillome.
Therapie  Je nach Ursache lokal, antibiotisch, systemisch oder operativ, mög-
18 lichst brusterhaltende Ther. Bei jungen Mädchen oft spontane Rückbildungen
zellreicher Fibroadenome möglich. Op. Maßnahmen, wenn erforderlich, mög-
lichst erst nach Abschluss der Brustentwicklung.
   18.6  Blutungsstörungen  645

18.6 Blutungsstörungen
Mittleres Menarchealter in Deutschland 12,9  J.; die Tendenz zur Akzeleration
scheint allerdings gestoppt zu sein. „Schwellengewicht“ etwa 48 kg. In den ersten
2–3 J. sind unregelmäßige, anovulatorische Zyklen normal!

Vaginale Blutungen in der sog. „hormonellen Ruheperiode“ sind stets patho-


logisch und müssen abgeklärt werden.

18.6.1 Vaginale Blutungen vor der Menarche


Ätiologie 
• Entzündliche Veränderungen an Vulva und Vagina (über 50 % der Fälle).
• Verletzungen, Fremdkörper und Tumoren.
• Spontan auftretend (passagere Östrogenisierung).
• Extragenitale Ursachen (Urethralpolypen, Rhagaden, anale Erkr.).
Diagnostik  Anamnese, Inspektion, Vaginoskopie, Ultraschall.
Therapie  Nach Ursache.

18.6.2 Weitere Blutungen vor der Menarche


Einteilung und Ätiologie 
• Konstitutionelle Pubertas praecox (= frühnormale Menarche): Bei 0,6 % aller
Mädchen beginnt die Reifeentwicklung im 8. Lj = Normvariante. Ther. nicht
erforderlich.
• Idiopathische Pubertas praecox: Bei 75 % aller Mädchen mit Pubertas praecox.
• Pubertas praecox bei ZNS-Tumoren: hypothalamische Hamartome, Gliatu-
moren, Meningeome, Kraniopharyngeome.
• Pseudopubertas praecox: durch vorzeitige ovarielle Östrogenproduktion
(HCG- oder LH-produzierende Tumoren, östrogenproduzierende Tumoren
der NNR oder der Ovarien).
• Durch exogene Östrogenzufuhr.
Diagnostik 
• Anamnese.
• Allgemeinbefund mit Tanner-Stadien (▶ 18.3).
• Ultraschall: Beurteilung von Uterusgröße, Endometrium, Ovarialvolumen
und -binnenstruktur.
• Hormonanalytik: Bestimmung von FSH, LH, Prolaktin, Estradiol, DHEAS,
17-OH-Progesteron, Androstendion, Testosteron.
• GnRH-Test: Gabe von 25 μg GnRH i. v. zur Differenzierung zwischen hypo-
thalamisch und hypophysär bedingten Hypogonadismusformen; Differenzie-
rung zwischen konstitutionellen Entwicklungsverzögerungen (LH-, FSH-An-
stiege nachweisbar) und hypogonadotropem Hypogonadismus (LH-/FSH-
Anstieg nicht nachweisbar); Abklärung einer zentral verursachten Pubertas
praecox (vera) mit Anstiegen von FSH und LH unter LH-RH gegenüber einer
18
Pseudopubertas praecox (keine FSH-/LH-Anstiege).
• Bildgebende Verfahren: Rö li Hand (Knochenalter), CT, MRT.
646 18  Kinder- und Jugendgynäkologie  

Therapie 
• Chirurgische (neurochirurgische) Ther. bei Tumoren von ZNS, NNR oder
Ovar.
• Medikamentös: Cyproteronacetat (Andocur®) 70–150 mg/m2/d, kontinuier-
lich GnRH-Analoga (Downregulation der Hypophyse).

18.6.3 Blutungsstörungen nach der Menarche


Diagnostik 
• Zyklusanamnese: Blutungen in den letzten 6 Mon. (Zeitpunkt, Stärke, Dauer
erfragen), Virgo intacta.
• Hormoneinnahme: z. B. Pille.
• Labor: Bei V. a. Entzündung Leukos, CRP, BSG, Chlamydienserologie; bei
möglicher Grav. HCG im Serum (pos. > 5 IE); Hormontests meist überflüssig,
ggf. LH, FSH, Prolaktin, E2, freies Testosteron.
• Inspektion: z. B. Verletzungen, Blutung mit Koagel- und/oder Gewebsabgang.
Zytodiagn.
• Palpation: Uterusgröße, Druckdolenz, Konsistenz (z. B. aufgelockert bei Grav.).
• Sono ▶ 18.2.6, ▶ 21.1.
Therapie 
• Oligomenorrhö: ab 16. Lj Gestagenprophylaxe vom 15.–25. ZT, z. B. mit
Chlormandinon 2 mg/d. Bei Intervallen bis zu 35 Tagen ist keine Ther. erfor-
derlich.
• Polymenorrhö: Gestagenbehandlung zur Verlängerung des Zyklusintervalls
z. B. mit Chlormandinon 2 mg/d, „Pille“ nur bei gleichzeitigem Kontrazep-
tionswunsch.
• Dauerblutung: Keine Abrasio durchführen! Hormoneller Blutungsstopp mit
Hormongaben, z. B. Ethinylestradiol 1 × 25 μg/d p. o. (z. B. Ethinylestradiol
25 μg Jenapharm®) und Medroxyprogesteronacetat 5 mg/d p. o. (z. B. MPA
Gyn®) oder Chlormandinon 2 mg/d über 10 Tage.
• Hypermenorrhö: bei Verhütungswunsch oder Anämie (Hb < 12 mg/dl) „Pil-
le“, sonst i. d. R. keine Ther. notwendig.
• Hypomenorrhö: Pat. über Harmlosigkeit aufklären, keine Ther.
• Dysmenorrhö: Aufklärung über Häufigkeit (fast 50 % aller Adoleszentinnen!);
behandlungsbedürftig sind nur 10 % (mehrtägiger Schulausfall, starke psychi-
sche Beschwerden).
– Spasmolytika, z. B. Propyphenazon 500 oder Butylscopolamin 10–20 mg
p. o. oder Supp. bei Bedarf (z. B. Buscopan®) oder:
– Prostaglandinsynthesehemmer (wirksamer!): Ibuprofen 200–400 mg p. o.
bei Bedarf (z. B. Gyno-Neuralgin®).
– Kontrazeptiva z. B. Microgynon®, Miranova®, bei gleichzeitigem Kontra-
zeptionswunsch.

18.7 Angeborene Fehlbildungen
18
Betrifft 5 % der kindergynäkologischen Pat.
   18.7  Angeborene Fehlbildungen  647

18.7.1 Hymenalatresie
Definition  Verschluss der Hymenalplatte wahrscheinlich durch Persistenz der
Membran am Müller-Hügel (▶ Abb. 18.6).
Klinik 
• Bei NG fehlt der mehr oder weniger ausgeprägte vaginale Fluor.
• KO: Hämatokolpos, „Unterbauchtumor“, Molimina menstrualia (= schmerz-
hafte zyklische Krämpfe ohne Blutung nach außen).
Diagnostik 
• Inspektion bei intraabdominaler Druckerhöhung (z. B. Schreien des Sgl.,
Hustenstoß beim Kleinkind, Aufblasen eines Luftballons) → vaginaler Sekret­
austritt (▶ 18.4).
• Ggf. kleine Labien spreizen und Hymen und Vagina mit Knopfsonde sondie-
ren (Ausschluss einer suprahymenalen Atresie).
• Im Zweifelsfall Vaginoskopie ▶ 18.2.3.
• Bei vollständigem Hymenalverschluss kann die Vaginalplatte infolge eines
Mukokolpos mehr oder weniger vorgewölbt sein.
Therapie 
• Nach Diagnosestellung zirkuläre oder sternförmige Teilexzision in Narkose
(die alleinige Inzision ist wegen der Verklebungsgefahr nicht ausreichend).
• Salbennachbehandlung (z. B. mit Bepanthen®-Salbe, Ovestin® Creme).
• Bei FG zuwarten, da spontane Kanalisierung möglich.

H. anularis H. semilunaris H. altus H. bifenestratus H. imperforatus

Abb. 18.6  Formen der Hymenalatresie [L157]

Labiensynechie (= Verklebung der kleinen Labien) stellt keine Fehlbildung


dar! Ther.: lokale Salbenmassage mit Östrogen (z. B. Ovestin® Creme) über
mehrere Tage ausreichend.

18.7.2 Anogenitale Fehlbildungen
Definition  Hemmungsfehlbildungen der Kloake. 18
Klinik  Analverschluss, sehr häufig kombiniert mit Fisteln zum Urogenitalsys-
tem. Zahlreiche Varianten (auch Fisteln ohne Atresie möglich).
648 18  Kinder- und Jugendgynäkologie  

Komplikationen  Darmverschluss, Inkontinenz, keine Kohabitationsfähigkeit,


rezid. HWI, große psychische Belastung.
Therapie  Immer operativ in den ersten LT durch spezialisierten Kinderchirur-
gen oder Kinderurologen.

18.7.3 Vaginalseptum, Vaginalaplasie

Wird häufig von weiteren Urogenitalfehlbildungen begleitet, z. B. Uterus du-


plex mit zwei Portiones. Vaginalaplasie am häufigsten beim Mayer-Rokitans-
ky-Küster-Hauser-Sy. (Häufigkeit 1 : 5.000) mit Uterus bicornis und norma-
len Ovarien (▶ 18.7.7)!

Klinik  Prim. Amenorrhö; Kohabitationsbeschwerden; äußeres Genitale und


Mammae unauffällig; normaler weiblicher Habitus.
Diagnostik  Inspektion, Vaginoskopie, bei Vaginalaplasie auch Laparoskopie
(Gonaden, Uterus).
Therapie  Septumresektion, Bildung einer Neovagina (z. B. nach Veccietti). OP
sollte erst in der Geschlechtsreife bei Kohabitationswunsch durchgeführt werden,
da sonst postop. hohe Atresiegefahr.

18.7.4 Fehlbildungen des Uterus


Definition  Entstehen meist in der 10.–17. SSW durch fehlende Fusionierung der
beiden Müller-Gänge. Unterschieden werden Aplasie, Septumbildung sowie Dop-
pelfehlbildungen (symmetrisch, asymmetrisch), ▶ Abb. 18.7.

Uterus septus Uterus subseptus Uterus bicornis


mit Vaginalseptum mit rudimentärem
rechtem Horn

Uterus bicornis Uterus bicornis Uterus unicornis


bicollis unicollis

18 Abb. 18.7  Uterusfehlbildungen [L157]

Klinik  Vor Eintreten der Menarche oft symptomlos. Später ggf. prim. Amenor-
rhö, Dysmenorrhö, Unterbauchbeschwerden, Dyspareunien. Bei asymmetrischen
Doppelbildungen (z. B. rudimentäres Uterushorn) oder Uterusfehlbildungen in
   18.7  Angeborene Fehlbildungen  649

Kombination mit Vaginalaplasien typische Symptome der Abflussbehinderung


nach der Menarche (Dysmenorrhöen, Hämatokolpos, Hämatometra u. a.). KO:
wiederholte (habituelle) Spontanaborte (≥ 3 Aborte in Folge), vorzeitige Wehen,
Frühgeburt, Lageanomalien des Fetus, Infertilität.
Diagnostik  Inspektion und Palpation (▶ 18.2.2), Sono (▶ 20.1), evtl. Vaginosko-
pie (▶ 18.2.3), HSG (▶ 15.2.11), Hysteroskopie (▶ 15.2.11), (Chromo-)Laparosko-
pie, i. v. Pyelogramm (in 9 % Nieren-Begleitfehlbildungen).
Therapie 
• Bei Fehlen von Kohabitations- oder Blutungsstörungen i. d. R. keine Ther.
• Bei Kinderwunsch und Uterusaplasie → keine Ther. möglich.
• Je nach Abflussbehinderung ggf. op. Korrektur (z. B. Vaginalseptumkorrek-
tur).
• Bei Uterus unicornis gleichfalls keine op. Ther., Schwangerschaft möglich.
• Bei Uterus bicornis Schwangerschaft möglich.
• Bei Uterus septus oder subseptus ggf. hysteroskopische Septumresektion.
Evtl. prophylaktische Zerklage ab der 14. SSW (▶ 5.10.2).

18.7.5 Gonadendysgenesie
Turner-Syndrom (X0)
Klinik  Kleinwuchs, weiter Mamillenabstand, Flügelfell, Schildthorax, Aortenis-
thmusstenose, prim. Amenorrhö. Oft funktionsuntüchtige „Stranggonaden“,
häufig Sterilität.
Diagnostik  Chromosomenanalyse (Mosaik möglich). Jährlich Hormonanaly-
sen: Östrogen niedrig, FSH und LH hoch (hypergonadotroper Zustand → im Alter
von 5–10 J. normal); Wachstumshormon (STH), T3/T4 und TSH, Krea, Harnstoff.
Laparoskopie; Rö-Handwurzel zur Knochenalterbestimmung.
Therapie 
• Hormonsubstitution (Osteoporoseprophylaxe/sek. Geschlechtsmerkmale) ab
12. Lj mit schwach dosierten Östrogenen, z. B. Femoston ® comp. 1 mg tägl.
oder
• Estradot® 25 plus orales Gestagen alle 2–3 Mon., z. B. Medroxyprogesteron­ace­
tat 5 mg/d p. o. (z. B. MPA Gyn®) oder Chlormandinon 2 mg über 10–14 Tage.
• Ab dem 15. Lj Ein- oder Zwei-Phasen-Ther. (z. B. CycloOestrogynal®).
• Wachstumshormonsubstitution (bei Mangel, nicht obligat) ab 8.–9. Lj mit
Somatotropin 45–67 μg/kg KG oder 1,3–2 mg/m2 KOF/d s. c. (z. B. Genotro-
pin®, Norditropin®).
• Behandlungsversuch mit Anabolika möglich.
Swyer-Syndrom (XY-Dysgenesie)
Klinik  Phänotypisch weiblich, fehlende sek. Geschlechtsmerkmale, Amenorrhö,
Stranggonaden, keine weiteren Organfehlbildungen.
Therapie  Entfernung der Stranggonaden, da in bis zu 30 % Entartungen vor-
kommen (Dysgerminome). Hormonelle Substitution mit Ein- oder Zwei-Phasen- 18
Präparaten (Turner-Sy.).
650 18  Kinder- und Jugendgynäkologie  

18.7.6 Virilisierung des äußeren Genitales


Für die Ausprägung ist Zeitpunkt der
Androgenexposition (intra- oder extra-
uterin) wichtig.
Klinik  Klitorishypertrophie (▶  Abb.
18.8) bis zur Pseudopenisbildung mög-
lich, Hypospadie (Mündung der Harn-
röhre in der vorderen Scheidenwand),
Epispadie (Spaltung von vorderer Ure-
thralrinne und Klitoris), männlicher
Behaarungstyp. KO: Harnverhalt, In-
kontinenz, Reflux.
Diagnostik  Inspektion, Sondierungs- Abb. 18.8  Klitorishypertrophie bei
versuch von Urethra und Vagina, Vagi- weiblichem NG mit AGS [M454]
noskopie, Sono von Nieren und Harn-
blase, Hormonanalysen i. S. (▶ 18.2.4).
Therapie  Versuch der op. Korrektur (z. B. Klitorisplastik, verschiedene konti-
nenzherstellende bzw. -erhaltende OP).

Androgenisierung
Androgenisierung bei jungen Mädchen zu > 50 % durch AGS (▶ 17.3).
Ätiologie  Autosomal-rezessiv vererbte Enzymstörung, 21-Hydroxylasemangel
(häufigste Form), 11β-Hydroxylasemangel, 3β-OH-Dehydrogenasemangel.
Klinik  Vorzeitige Adrenarche, Klitorishypertrophie, Hirsutismus, prim. Ame-
norrhö, Kleinwuchs.
Diagnostik  Testosteron, DHEA-S, 17-OH-Progesteron. Kortisol, ACTH-Test.
Therapie  Dexamethason 0,5 mg/d.

18.7.7 Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom
Definition  Aplasie der Vagina bei rudimentärem Uterus. Häufigkeit: 1  :  5.000
weibliche NG.
Klinik 
• Fehlen des physiologischen Fluors (neonatal, präpubertal, pubertal).
• Prim. Amenorrhö.
• Erfolglose Kohabitationsversuche.
• Normale Entwicklung der sek. Geschlechtsmerkmale.
• Eindeutig weibliche psychosexuelle Prägung.
Diagnostik  Die Diagnosestellung erfolgt meist erst in der Pubertät nach Ausblei-
ben der Menstruation oder seltener nach frustranen Kohabitationsversuchen:
• Inspektion: normaler Hymenalsaum, muldenförmig ausgeprägter Introitus
vaginae mit nachfolgend verschlossener Scheide.
18 • Rektale Untersuchung: Uterus nicht palpabel.
• Sono: Uterus nicht nachweisbar, regelrecht angelegte Ovarien in Höhe der Li-
nea terminalis.
   18.8  Genitale Infektionen  651

• Diagn. Laparoskopie: quere Uterusleiste, die meist beidseits in muskulären


Uterusknospen von Erbsen- bis Kirschgröße endet; Tuben regelrecht bis hy-
poplastisch, Ovarien normal groß.
• Chromosomenanalyse: nicht unbedingt erforderlich, in den meisten Fällen
normaler weiblicher Karyotyp (Chromosomenaberrationen sehr selten).
• Diagn. der Nieren und ableitenden Harnwege: in etwa 38 % mit Fehlbildun-
gen der Nieren und ableitenden Harnwege kombiniert. Häufig einseitige Nie-
renagenesien, einseitige dystope Niere, Nierenhypoplasie, auch Nierendop-
pelbildung und Ureter fissus.
• Diagn. des Skelettsystems: Bei ca. 20 % der Pat. mit MRKH-Syndrom finden
sich Fehlbildungen des Skelettsystems, am häufigsten Blockwirbelbildungen
im HWS- und oberen BWS-Bereich.
Differenzialdiagnose  Testikuläre Feminisierung durch Inspektion („hairless wo-
men“) und ggf. Chromosomenanalyse (46, XY) auszuschließen.
Therapie  Ziel ist die Bildung einer kohabitationsfähigen Neovagina. Dies ist auf-
grund der hohen Schrumpfungstendenz der Neovagina dann sinnvoll, wenn eine
Partnerschaft besteht.
• Mechanische Methode: Dehnung des Scheidenblindsacks nach Frank.
• Operative Methoden:
– Chirurgische Methoden mit Hauttransplantation.
– Chirurgische Methoden mit Epithelialisierung von der äußeren Haut her.
– Chirurgische Methoden mit Darmtransplantation.
• Laparoskopisch assistierte Anlage einer Neovagina nach Vecchietti, die für
die Pat. mit am wenigsten invasive Methode, Kohabitationen sind 3–4 Wo.
postop. möglich und für den dauerhaften Therapieerfolg entscheidend.

18.8 Genitale Infektionen
Etwa 40–60 % der Pat. der kindergynäkologischen Sprechstunde kommen
wegen einer Vulvovaginitis.
Die Ursachen der Vulvovaginitis werden vom hormonellen Entwicklungs-
stand der Mädchen beeinflusst. Das atrophische, nicht östrogengeschützte
Vaginalepithel kleiner Mädchen ist besonders empfindlich gegenüber unspe-
zifischen bakteriellen Inf.

Ätiologie 

Tab. 18.4  Ätiologie genitaler Infektionen vom 1.–18. Lebensjahr


Alter Infektion Ursachen

Neugeborenes Soorvulvitis, Chlamy- Inf. im Geburtskanal bei STD der Mutter


dienzervizitis

Säugling Windeldermatitis Feuchte Kammer, Soor


18
Kleinkind Sandkastenvulvitis, Mechanische Irritation und bakt. Kontami-
Fremdkörpervaginitis nation bei Hormonmangel
652 18  Kinder- und Jugendgynäkologie  

Tab. 18.4  Ätiologie genitaler Infektionen vom 1.–18. Lebensjahr (Forts.)


Alter Infektion Ursachen

Schulkind Vulvovaginitis Genitale Beteiligung bei Inf. der oberen


Luftwege bzw. bei mangelnder Hygiene

Pubertät Physiologischer Fluor Östrogenbedingt

Adoleszenz Adnexitis STD, Begleitadnexitis bei Appendizitis

Klinik 
• NG und Sgl.: überwiegend Soorvulvitis und Windeldermatitis.
• Kleinkinder und Kinder: überwiegend unspezifische Vulvovaginitis (fehlen-
der Östrogenschutz des Epithels), daneben die häufig mechanisch bedingte
„Sandkastenvulvitis“ bzw. Fremdkörpervulvitis.
• Ab dem 10. Lj: häufig Pilz- und Gardnerella-Inf., in der (Prä-)Pubertät und
Adoleszenz überwiegen mit zunehmender Östrogenisierung und Aufnahme
sexueller Kontakte die spezifischen Inf.
Diagnostik 
• Anamnese: z. B. Rötung, Juckreiz, Brennen beim Wasserlassen. Einsetzen der
Beschwerden nach Sandkasten, Schwimmbad oder in Begleitung anderweiti-
ger Erkr. (Inf. der oberen Atemwege, Nase oder Ohren, HWI, Kinderkrank-
heiten).
• Inspektion des äußeren Genitales möglichst mit Kolposkop (ggf. Betupfen
mit 5-prozentiger Essigsäure ▶ 11.2.2).
• Nativpräparat: Pilze, Trichomonaden, Leukos, Bakterien (▶ 11.2.3, ▶ Abb.
11.3).
• Keimabstrich: Vaginalsekretentnahme immer aus dem hinteren Scheidenge-
wölbe, ggf. Chlamydienabstrich (▶ 13.2.4).
• Vaginoskopie (▶ Abb. 18.2) immer bei blutigem Fluor (Fremdkörper, Tu-
mor) sowie bei therapieresistentem und rezid. Fluor.
• Klebestreifentest bei V. a. Oxyuren.
• V. a. spezifische Inf.: Klinische und mikrobiologische Untersuchung der Fa-
milienmitglieder veranlassen. Auch an sexuellen Missbrauch denken!

Unspezifische Vulvovaginitis
E. coli und Enterokokken (Mischflora)
Seröser bis weißlicher Fluor, häufigste Ursache. Ther.: Änderung der Hygienege-
wohnheiten (nicht zu häufiges Waschen, pH-neutrale Seife verwenden, Trocken-
halten des Genitales, keine Synthetikwäsche, keine zu engen Jeans o. Ä.). Immer
Darmparasiten ausschließen (Stuhlkultur, Klebestreifentest). Lokale Hautpflege.
Problemkeime
Erreger z. B. Strept., Staph., Proteus, Klebsiellen. Gelber bis eitriger Fluor. Ther.:
lokale Antibiose mit Vaginalsupp. (ggf. vom Apotheker anzufertigen), z. B. Nifu-
rantin 10 mg supp., Oxytetracyclin 100 mg supp., vor dem 3. Lj ggf. mit den ent-
18 sprechenden ophthalmologischen oder otologischen Therapeutika in 4- bis 6-fa-
cher Dosierung entsprechend Antibiogramm. Zur Unterstützung Kaliumper-
manganat-, Tannolact®-Sitzbäder; ggf. bakteriostatische Salbe (Leioderm-P®-
   18.8  Genitale Infektionen  653

Creme). Im Rahmen von Inf. im HNO-Bereich häufig keine vaginale oder genitale
Ther. erforderlich.

Spezifische Vulvovaginitis
Trichomonadeninf.: häufig reichlich gelblich-grünlicher Fluor. Diagn. ▶ 13.1.4.
Gardnerella vaginalis
Dünnflüssig gräulicher Fluor mit unangenehmem fischartigem Geruch (Amin-
kolpitis ▶  11.3.5). Ther.: Kinder Metronidazol (z. B. Clont®) 10–20 mg/kg KG/d
p. o. über 7 Tage, Jugendliche 3–4 × 250 mg/d p. o. über 7 Tage.
Gonorrhö
Kann in allen Entwicklungsphasen auftreten und imponiert durch reichliche eitri-
ge Sekretion aus der Scheide. Übertragung durch Schmierinf. oder sexuelle Kon-
takte. Diagn.: ▶ 11.3.6. Ther.: Benzylpenicillin-Procain und Benzylpenicillin-Na
(z. B. Retacillin®) Einmaldosis. Sgl. 400.000–600.000  IE/d, Kinder im 1.–3.  Lj
600.000–800.000 IE/d, im 4.–10. Lj 600.000–1 Mio. IE/d, Kinder > 10 J. 2–4 Mio.
IE/d.
Chlamydien
Übertragung ausschließlich durch sexuelle Kontakte. Klinische Zeichen sind Un-
terbauchschmerzen, Kontaktblutungen, gelblicher Fluor, hohe Leukozytenzahlen
im Abstrichpräparat. Diagn. und Ther. ▶ 11.3.5.

Andere Vulvovaginitiden
• Parasiten (Oxyuren, Scabies): häufig bei Kindergarten- und Schulkindern.
Nachweis mittels Klebestreifen (Oxyuren), mikroskopisch (Scabies). Ther.:
Anthelminthika z. B. Mebendazol 2 × 100 mg/d p. o. (z. B. Vermox®) über
3 Tage, bei Scabies Lindan über 2 Tage extern (z. B. Jacutin®-Emulsion
▶ 11.3.7).
• Pilze (häufigste Ursache der Windeldermatitis bei Kleinkindern und Sgl.):
Übertragungsweg durch vertikale Inf. oder Schmierinf., gehäuft nach systemi-
scher Antibiotikagabe oder begleitend bei chron. Erkr. Nachweis durch typi-
sches Nativpräparat (▶ 11.2.3), evtl. Pilzkultur. Ther.: lokal Clotrimazol (z. B.
Canesten®-Salbe und Ovula) oder Nystatin (Multilind®-Salbe). Windeln häu-
fig wechseln. Ther. mind. 10 Tage nach Verschwinden der Symptome fortset-
zen, häufig Rezidive.
• Mechanische, chemische oder allergische Ursachen („Sandkastenvulvitis“):
synthetische Unterwäsche, ungeeignete Seifen oder Waschlotionen, aber auch
bei Adipositas durch Scheuern der Oberschenkel und des Genitale. Ther.: Er-
kennen und Vermeiden der Ursache, Hygieneaufklärung.
• Allgemeininf. und Systemerkr.: Bei Diab. mell., Lichen sclerosus et atrophi-
cans, nach Pneumonien, Anginen häufig unspezifischer Begleitfluor. Eine
Ther. des Begleitfluors ist nicht nötig, da er nach Abheilung der Grunderkr.
von selbst stoppt. Bei Diab. mell. konsequente BZ-Einstellung.

Komplikationen sind häufig rezid. Reizzustände durch übertriebene Vor- 18


sicht und häufiges Waschen, nur sehr selten Keimaszension.
654 18  Kinder- und Jugendgynäkologie  

18.9 Verletzungen
Ätiologie 
• Meist Unfälle: Fahrradlenker bei Sturz, Geräteturnen.
• Eingeführte Fremdkörper.
• Sexualdelikte (meist innerhalb der Familie oder Verwandtschaft; ▶ 18.12).
• Beschneidungen mit Verstümmelung und/oder Inf. der Vulva (häufig in ost-
afrikanischen Ländern!) → Entfernung von Klitoris, kleinen und z. T. auch
großen Labien ohne Narkose oder Blutstillung! Große Nachblutungs- und
Infektionsgefahr, häufig lebenslanger Kohabitationsschmerz.
Diagnostik 
• Inspektion: Austastung der Wunden mit sterilen Sonden.
• Urin: Mittelstrahlurin untersuchen, Blasenkatheterisierung zum Ausschluss
einer Blasenläsion (blutiger Urin, Harnverhalt), Zystoskopie.
• Rektale Untersuchung: z. B. Blut am Fingerling: V. a. Perforation → Rektoskopie.
• Vaginoskopie (▶ 18.2.3), unverzichtbar bei V. a. penetrierendes Trauma. Ver-
bindung zu Rektum oder Blase ausschließen, abgebrochene Restfremdkörper
entfernen.
• Rö-Beckenübersicht, z. B. Frakturen, Anhalt für freie Luft (Perforation).
Therapie 
• Beruhigen von Kind und Eltern.
• Abwartendes Verhalten bei Prellungen und Schürfungen; Kühlung mit Eis-
beutel, Östrogencreme (z. B. Estriol, Ovestin®).
• Bei ausgeprägtem Hämatom mit Fluktuation Spaltung in Narkose: kleine In-
zision, Ausspülen der Wunde mit z. B. mit Betaisodona®/NaCl 0,9 %, nur bei
großen Wunden Einlage einer Redon-Drainage mit Sog über 2–3 Tage.
• Postop. Kamillesitzbäder, Paracetamol 2–3 × 125 mg/d p. o. (z. B. Paracet­amol-
CT®).
• Op. Ther. bei Verletzung der ableitenden Harnwege: suprapubischer Katheter
bei Harnröhrenbeteiligung, (zystoskopische) Naht bei Blasenläsionen.
• Interdisziplinäre op. Ther. (Chirurg, Urologe, Gynäkologe) bei perforieren-
den Verletzungen.
• Bei Verletzungen durch weibliche Beschneidung (Infundibulation) → Ver-
such der op. Korrektur im Kindesalter (z. B. Klitorisplastik).

Komplikationen
Inf. mit sek. Wundheilung, Synechien (z. B. Labien/Vagina), Adhäsionen, Fis-
telbildung (z. B. Vagina-Darm; Vagina-Blase), bei perforierender Verletzung:
Akutes Abdomen mit Schocksymptomatik (▶ 3.5).

18.10 Fremdkörper
Anamnese  „Doktorspiele“, gezielt nach Gegenständen fragen, z. B. Stifte, Mur-
18 meln, Spielfiguren, Knöpfen. Cave: Aus Schuldgefühl verschweigen viele Kinder
die Symptome; Anamnese deshalb evtl. ohne Mutter erheben.
Klinik  Plötzliche Schmerzen, übel riechender, blutiger Fluor.
Komplikationen  Synechien, Fisteln, aufsteigende Inf.
   18.11  Genitaltumoren im Kindes- und Jugendalter  655

Diagnostik  Rektale Untersuchung (Größe, Beweglichkeit des Fremdkörpers), bei


jedem Fremdkörperverdacht vaginoskopieren (▶  18.2.3), Sono wenig hilfreich.
Abdomenübersicht nur bei akutem Abdomen (freie Luft → V. a. Perforation).
Therapie 
• Vaginoskopische Extraktion mittels Fasszange. Sedierung z. B. mit Diazepam
5 mg rektal (z. B. Diazepam-Desitin®rectal tube) meist ausreichend.
• Antiphlogistische Nachbehandlung über 2 Tage z. B. Diclofenac 2 × 25 mg/d
supp. (z. B. Voltaren®) oder ASS 1 × 100 mg/d (z. B. ASS TAD® 100 protect)
oder Paracetamol 2–3 × 125 mg/d supp. (z. B. Paracet­amol-CT®).
• Hormonelle Behandlung mit Östrogen (z. B. Estriol, Ovestin® Creme) über
4–5 Tage.
• Penetrierende Fremdkörper: Laparotomie evtl. kombiniert mit vag. Vorgehen.

18.11 Genitaltumoren im Kindes- und


Jugendalter
Tumoren des Genitales machen in der Kinder- und Jugendgynäkologie nur etwa
1 % aller Genitaltumoren aller Altersstufen aus.

18.11.1 Benigne Tumoren
Vulva
Hymenalfibrom (Fibroma pendulans), kapilläre und kavernöse Hämangiome,
Angiokeratome, Lymphangiome, Retentionszysten. Therapie i. d. R. operativ.

Vulva und Vagina


Condylomata acuminata (▶ 11.3.3, Übertragung meist durch sexuelle Kontakte.
Cave: Übertragung über Türgriffe belegt. Bei Inf. muss kein sexueller Kontakt/
Missbrauch vorliegen), dysontogenetische Zysten (aus dem Müller- und Gartner-
Gang-Epithel). Therapie i. d. R. operativ.

Vagina
Condylomata acuminata (▶ 11.3.3), Endometriose (▶ 13.5), Adenosis vaginae (aus
Resten des Müller-Gang-Epithels). Bleibt spontane Rückbildung bis zum ca. 18. Lj
aus, Laser- oder Kryother.

Zervix
Condylomata acuminata (▶ 11.3.3), Endometriose (▶ 13.5), zervikale intraepithe-
liale Neoplasie (CIN I–III ▶ 13.6).

Korpus
Leiomyome (im Kindes- und Jugendalter Ausnahme), Blasenmole (nur im Rah-
men einer Grav. ▶ 5.6.1).
18
Tube und Ovar
Die meisten Adnextumoren im Kindes- und Jugendalter sind benigne (▶  14.7):
Funktionelle Zysten (Follikelzysten, Luteinzysten, Endometriosezysten), Keim-
656 18  Kinder- und Jugendgynäkologie  

zelltumoren (Dermoidzyste ▶ 14.8), epitheliale Tumoren (seröses Kystom), Stro-


matumoren (selten), entzündliche oder postentzündliche Adnextumoren (▶ 14.4
und ▶ 14.5), Stieldrehungen der Adnexe, Tubargrav. (▶ 14.3), Paraovarialzysten.
DD: Urachuszyste. Ther.: Bei NG zunächst 2–3 Wo. abwarten; bei Kleinkindern
und Kindern i. d. R. op. Abklärung (Pelviskopie), ab dem 12. oder 13. Lj (Menar-
che) Versuch einer endokrinen Ther. mit Gestagenen, z. B. Chlormandinon 2 mg/d
p. o. über 3 Mon., alternativ monophasischen OH, z. B. Microgynon®, über 3 Mon.

18.11.2 Maligne Tumoren
• Vulva (extrem selten): Adeno-Ca (aus Resten des paramesonephritischen Ge-
webes), Plattenepithel-Ca, endodermale Sinustumoren, maligne Melanome,
embryonale Rhabdomyosarkome.
• Vagina (selten): wie oben, zusätzlich Klarzell-Adenokarzinom, Sarcoma bo-
tryoides (Traubensarkom). Am häufigsten bei Kleinkindern < 2 J. und in der
Adoleszenz, vorwiegend mit zervikalem Befall.
• Zervix: Zervixkarzinom (▶ 13.8).
• Korpus: Chorionepitheliom (Chorionkarzinom) ▶ 5.6.2; mesodermale
Mischtumoren (Auftreten im 4.–18. Lj, selten).
• Tube und Ovar: Zystadeno-Ca, unreife Teratome (embryonales Teratom),
Stromazell-Ca (Theka- und Granulosazellkarzinome), Neurofibrosarkome,
Rhabdomyosarkome.

Bei Malignitätsverdacht (auch ▶ 14.2) i. d. R. op. Abklärung, möglichst in Zu-


sammenarbeit mit einem kinderonkologischen Zentrum.

18.12 Sexueller Missbrauch und Misshandlung


Epidemiologie
Die Prävalenzrate für sexuellen Missbrauch liegt bei Mädchen zwischen 6 und
25 %, bei Jungen zwischen 2 und 8 %. Die Dunkelziffer ist groß; Täter am häufigs-
ten Männer in Familie, Verwandtschaft sowie Freundeskreis der Eltern. Die Hälf-
te der Kinder ist jünger als 7 J., Verleugnung und Verdrängung machen die ­Diagn.
oft schwierig.

• Vorsichtige Befragung, auch ohne Familienangehörige. Bei mehrfachen


Einbestellungen sollte ein konstanter Untersucher das Kind betreuen.
! Bei der Inspektion können Normalbefunde vorliegen.
• Verhalten des Kindes bei Untersuchung, z. B. sehr verspannt und ängst-
lich oder betont forsch und zugewandt, sexualisiertes Verhalten oder
Sprache.

Anamnese
18 Psychische Auffälligkeiten; psychosomatische Störungen wie Schlafstörungen,
Enuresis, Defäkationsprobleme, unklare Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Des-
interesse, Konzentrationsstörungen, Schulprobleme, Lernstörungen.
   18.12  Sexueller Missbrauch und Misshandlung  657

Klinik (misshandlungstypische Symptome)


• Hämatome untypischer Lokalisationen und mit untypischer Form (z. B. Griff-
marke, Striemen).
• Verbrühungen mit typischem Verteilungsmuster.
• Kontaktverbrennungen mit typischem Verletzungsmuster (z. B. Fingerkup-
pen ausgespart, Muster durch Zigaretten, Bügeleisen etc.).
• Fesselmarken, Kneif-, Kratz- und Bissspuren.
• Multiple Frakturen ohne plausiblen Unfallmechanismus und unterschiedli-
chen Alters, bei kleinen Kindern auch mit begleitenden Subduralhämatomen
(Battered-Child-Syndrom).
• Beim Sgl. Subduralhämatome mit retinalen Blutungen und geringen äußeren
Verletzungszeichen (Schütteltrauma).
• Abdominelle Verletzungen wie bei stumpfen Bauchtraumen.
• Augenverletzungen mit Monokelhämatom, subkonjunktivale Blutungen.
• Verletzungen im HNO-Bereich, Lippenhämatome.
• Auffällige Befunde im Genital- und Analbereich.
• Beim präpubertären Kind gesicherte Inf. mit Chlamydien, Herpes genitalis,
Trichomonaden, Hepatitis B.
• Schwangerschaft bei Mädchen < 16 J.
Diagnostik
Inspektion  Weite und/oder Einrisse des Hymens, Weite und Tonus des Anus;
außerdem auf Schleimhautrisse und anale Blutungen achten. Inspektion der ex­
tragenitalen Regionen und des Körpers auf Hämatome, Schürfungen, Kratz-Biss-
Spuren, auffällige Häufung von Frakturen, da häufig neben sexuellem Missbrauch
auch weitere körperliche Misshandlungen vorliegen. Fotodokumentation! Typi-
sche Aussagen: Kind sei ungeschickt, falle häufig.
Positiver analer Dilatationsreflex  Beim Spreizen der Pobacken klafft der Anus
spontan, Rektumschleimhaut ist bis zu 1 Min. sichtbar bzw. abwechselnde Kon-
traktion und Dilatation des Anus. Bei chron. Missbrauch bleibt der Anus > 1 Min.
geöffnet.
Vaginoskopie  (▶ 18.2.3): Anhalt für intravaginale Verletzungen.
Labor  HIV, Lues, Hepatitis (ggf. zu späterem Zeitpunkt wiederholen), sexuell
übertragbare Inf. (Aminkolpitis, Chlamydien, Kondylome, Herpes).

Für gerichtsmedizinische Untersuchungen


▶ 11.10
• Körperliche Untersuchung bei V. a. akuten Missbrauch (≤ 48 h) sofort,
sonst abwarten, um das Kind nicht zusätzlich zu traumatisieren.
• Vaginal-, Rektal-, Mundabstrich auf Spermien: mind. je vier Watteträger,
Lufttrocknung, wenn kein sofortiger Versand (Gerichtsmedizin am Ort)
möglich.
• Schamhaare auskämmen (fremde Haare).
• Kleidung asservieren (Blut- und Spermaspuren). 18
• Fotodokumentation.
• Evtl. Samenspuren durch UV-Licht auf Haut/Kleidung suchen und mit
feuchtem Watteträger asservieren.
658 18  Kinder- und Jugendgynäkologie  

Therapie

Die Abwendung psychischer Kurz- und Langzeitschäden hat höchste Priori-


tät.

Eine enge Zusammenarbeit mit dem Kinderarzt oder -psychiater ist dringend
notwendig. Evtl. kann eine Familienther. eingeleitet werden. Die Entfernung des
Kindes aus der Familie kann durch Verlust der weiteren menschlichen Bezugsper-
sonen sehr traumatisch erlebt werden, sodass die Hauptsorge der psychischen
und physischen Betreuung in der Familie gelten sollte.
Eine Pflicht zur Anzeige besteht in Deutschland nicht, wohl aber in Österreich
und in manchen Schweizer Kantonen. In begründeten Fällen kann der Arzt nach
§  34 StGB (rechtfertigender Notstand) jedoch Anzeige erstatten. Bei unsicherer
Beweislage kann ohne Einschaltung der Kriminalpolizei auch das Jugend- und
Gesundheitsamt in die weitere Betreuung einbezogen werden.

Die unberechtigte Anschuldigung „Kindesmissbrauch“ ist häufiger Gegen-


stand bei Sorgerechtsentscheidungen und wird manchmal von unprofessio-
nellen „Kinderschutzorganisationen“ in Zusammenarbeit mit Behörden ge-
gen Eltern erhoben. Die vermeintlichen „Täter“ können ebenso wie die Kin-
der zu Opfern langwieriger Auseinandersetzungen oder Ermittlungen wer-
den.
Bei akuter Gefährdung des Kindes muss eine Güterabwägung zwischen ver-
schiedenen Rechtsgütern und ethischen Normen erfolgen. Der Schutz des
Kindes und die Wahrung seiner Rechte auf körperliche und seelische Unver-
sehrtheit sind ein höheres Rechtsgut als die ärztliche Schweigepflicht und die
Zustimmung der Sorgeberechtigten.
! Alle Formen der Kindesmisshandlung und schwerer Vernachlässigung
sind Straftatbestände, eine Anzeigepflicht besteht allerdings nicht.

18
19 Psychische und psychosomatische
Probleme
Kay Goerke und Axel Valet

19.1 Grundlagen  660 19.3 Geburtshilfe  667


19.1.1 Begriffsdefinitionen  660 19.3.1 Psychische Probleme in der
19.1.2 Hinweise auf Gravidität  667
­psychosomatische 19.3.2 Geburt  667
­Krankheitsursachen  661 19.3.3 Wochenbett  668
19.1.3 Gesprächsführung  661
19.2 Gynäkologie  662
19.2.1 Anorexia nervosa  662
19.2.2 Zyklusstörungen und
­Unterbauchbeschwerden  663
19.2.3 Prämenstruelles Syndrom
(PMS)  664
19.2.4 Sterilität  665
19.2.5 Klimakterium  666
660 19  Psychische und psychosomatische Probleme  

19.1 Grundlagen
Die heutige, weitgehend somatisch geprägte „Medizin“ tendiert zur Betrachtung
19 der Pat. als Summe ihrer somatischen Probleme. Psychische und soziale Einflüs-
se auf körperliche Erkr. werden von vielen Ärzten und großen Teilen der Bevöl-
kerung als nebensächlich oder unbegründet abgetan. Deshalb sollten mögliche
psychische oder psychosomatische Ursachen von Beschwerden immer mit äu-
ßerster Behutsamkeit angesprochen werden, um eine Stigmatisierung zu ver-
meiden.

Fassbare körperliche Ursachen gynäkologischer Beschwerden dürfen nicht


übersehen werden. Andererseits muss bei psychosomatischen Erkr. mög-
lichst frühzeitig eine entsprechende Diagn. und Ther. eingeleitet werden, um
eine Chronifizierung mit gestörtem Arzt-Pat.-Verhältnis, häufigem Arzt-
wechsel und unbefriedigendem Behandlungsverlauf zu vermeiden.

19.1.1 Begriffsdefinitionen
• Konversion: unbewusste Abwehr und Umwandlung von konflikthaften
Triebwünschen (z. B. Sexualität, Angst, Wut, Aggression) in körperliche Sym-
ptome. Häufig assoziiert mit Unterbauchschmerzen, Vaginismus.
• Larvierte Depression: Körperliche Symptome (häufig Schmerzen) stehen im
Vordergrund einer endogenen Depression. Meist sind zusätzlich Ängste, An-
triebsstörung oder traurige Verstimmungen erkennbar.
• Burnout-Syndrom: Zustand emotionaler Erschöpfung und reduzierter Leis-
tungsfähigkeit. Pat. fühlt sich ausgebrannt, schwach, lustlos, Fehlen von Er-
holungsmöglichkeiten. Besonders betroffen sind Menschen in sozialen Beru-
fen, Krankenschwestern, Ärzte, Lehrer, die neben ihrer hohen Leistung auch
persönliches Engagement einbringen. Form einer Depression. Unbehandelt
mit erhöhtem Suizidrisiko.
• Simulation: absichtliches Vortäuschen nicht vorhandener Symptome. Dient
meist dem Erreichen sek. Krankheitsgewinns (z. B. Krankenhausaufenthalt,
Pat. wird von allen gepflegt, erfährt mehr Zuwendung; Arbeitsunfähigkeitsbe-
scheinigung, Rentenbegehren).
• Psychosen: Erkr. mit erheblicher Beeinträchtigung der psychischen Funktio-
nen. Man unterteilt die Psychosen ätiologisch in:
– Organische: z. B. nach Trauma, Inf., Stoffwechselerkr., durch Alkohol,
Drogen.
– Endogene: z. B. Schizophrenie, schwere Affektstörungen, endogene De-
pressionen.
– Paranoide: mit Wahnerscheinungen im Vordergrund.
– Reaktive: können kürzlich vorausgegangenem Erlebnis zugeschrieben
werden.
– Zykloide: phasisch verlaufende endogene Psychose.
• Neurose: Symptome sind Ausdruck eines in der Kindheitsentwicklung ver-
wurzelten seelischen Konflikts (z. B. Angst-, Zwangs-, Konversionsneu­
rose).
   19.1  Grundlagen  661

19.1.2 Hinweise auf psychosomatische Krankheitsursachen


• Eine somatische Ursache lässt sich nicht finden oder erklärt die Beschwerden
nur unzureichend. 19
• Wechselnde Untersuchungsbefunde bei unterschiedlichen Untersuchern
oder im zeitlichen Verlauf.
• Lange Krankheitsgeschichte. Cave: Umkehrschluss möglich, d. h. somatische
Ursache wird lange Zeit auf Psyche geschoben.
• Therapieresistenz oder plötzliches Verschwinden der Beschwerden ohne
Ther.
• Psychovegetative Begleiterkr. (z. B. Schlafstörungen, Schweißausbrüche,
Herzbeschwerden).
• Suggestibilität. Cave: Unsicherheit der Pat. kann Suggestibilität vortäuschen.
• Belastende Familienanamnese, aktuell schwierige Lebenssituation.
• Zusätzliche psychische Beschwerden (Ängste, Zwänge, Depressionen, innere
Unruhe).
• Beschwerden stehen in zeitlichem Zusammenhang mit Hintergrundkonflik-
ten (Partnerschaft, Familie, Sexualität, Beruf).
• Häufiger Arztwechsel.

19.1.3 Gesprächsführung
Zielsetzung  Ziel des Erstgesprächs ist es, ein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt
und Pat. aufzubauen. Hierzu ist eine störungsfreie Gesprächssituation ohne Zeit-
druck absolut notwendig. Zunächst sollte der Arzt eine abwartende, zuhörende
Haltung einnehmen. In weitere Gespräche ggf. den Partner einbeziehen.
Prinzipien 
• Medizinisches Fachvokabular unbedingt vermeiden (wirkt dominierend und
distanzierend).
• Offene Fragen allg. Art stellen, Zurückhaltung bei gezieltem Erfragen patho­
gnomonischer Symptome (z. B. „Erzählen Sie doch erst einmal mit eigenen
Worten, welche Probleme Sie hergeführt haben“).
• Wertende Äußerungen vermeiden (auch nonverbaler Art; z. B. Hochziehen
der Augenbrauen, Mimik).
• Bei ausweichenden Antworten möglichst nicht gleich konkret nachfragen,
sondern zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal auf das Thema zurück-
kommen.
• Begriffe wie psychisch, psychosomatisch genau erklären, um keine Stigmati-
sierung hervorzurufen. Oft sind diese Begriffe für die Pat. sehr neg. besetzt
(Simulation, geistige Behinderung). Wörter wie „seelische Belastung“ oder
„Traurigkeit“ verwenden.
• Pausen als Mittel der Gesprächsführung nutzen. Die meisten Menschen fan-
gen nach einer Gesprächspause aus eigenem Antrieb wieder zu reden an.
• Keine Krankheitsbilder in die Pat. „hineindiagnostizieren“. Dies ruft Ohn-
machtsgefühle hervor, unter denen die Pat. sowieso schon leidet.
• Interaktionsverhalten in der Arzt-Pat.-Beziehung beachten (welche Wünsche
und Bedürfnisse traut sich die Pat. evtl. nicht zu artikulieren oder sind ihr
selbst nicht bewusst?).
662 19  Psychische und psychosomatische Probleme  

• Einfühlendes Verständnis zeigen und die eigene Emotionalität zur Konflikt-


bewältigung benutzen (z. B. durch Sätze wie „Das kann ich gut verstehen“
19 oder „In Ihrer Situation würde ich mich aber ähnlich fühlen“). Cave: Eigenes
„Coming-out“ selten einsetzen, wirkt sonst aufgesetzt und wird nicht akzep-
tiert.
• Keine zu frühe Konfrontation bezüglich der Psychogenese, dies führt häufig
zu einer Befundverschlechterung.
Vorgehen 
• Art, Ausmaß, Entwicklung und mögliche Ursachen der Beschwerden klären
(z. B. „Sie haben sich doch sicherlich auch selbst Gedanken über die Be-
schwerden gemacht. Können Sie sich erklären, womit das Problem zusam-
menhängen könnte?“).
• Aktuelle Lebenssituation erfragen, hierbei die Pat. in Ruhe mit ihren eigenen
Worten die Umstände schildern lassen.
• Erstmalige Symptommanifestation und damalige soziale und psychische Rah-
mensituation erfragen (Partnerschaft, Beruf, Familie).
• Eigenverantwortlichkeit der Pat. stärken (Frage nach dem subjektiven Krank-
heitsverständnis z. B. „Wie könnten Sie sich denn vorstellen, dass wir das
Problem gemeinsam angehen?“).
• Eigene Gefühle genau beobachten und in Bezug auf die Pat. reflektieren. Bei
Antipathie oder dem Gefühl der Überforderung von Folgegesprächen eher
Abstand nehmen.
• Weitere notwendige Schritte konkret vereinbaren (Termin bei Psychiater,
Psychotherapeuten, -somatiker, Erziehungsberatung), da meist Schwellen-
angst.

19.2 Gynäkologie
19.2.1 Anorexia nervosa
Definition  Ernstes Krankheitsbild, bei dem durch restriktives Essverhalten und
andere Verhaltensweisen ein Gewichtsverlust selbst herbeigeführt und das Unter-
gewicht willentlich aufrechterhalten oder verstärkt wird. Körpergewicht mindes-
tens 15 % unter dem für Geschlecht, Größe und Alter zu erwartenden Gewicht,
bei Erw. unterhalb von 17,5 kg/m2 (Body-Mass-Index, BMI). Bei Kindern und Ju-
gendlichen Unterschreiten der 10. Altersperzentile. Trotz bestehenden Unterge-
wichts Angst, zu dick zu sein und/oder ein ausgeprägtes Bestreben nach „Schlank-
heit“. Um Körpergewicht zu reduzieren, wird die Nahrungszufuhr eingeschränkt
(Vermeidung von Fetten bzw. Kohlenhydraten). Evtl. exzessive sportliche Betäti-
gung, selbstinduziertes Erbrechen oder Abführmittelmissbrauch.
Klinik 
• Magersucht bis zur Kachexie bei Nahrungsverweigerung, häufig kombiniert
mit provoziertem Erbrechen, abwegige Appetitgelüste mit bulimischen Pha-
sen.
• Obstipation, oft Gebrauch von Abführmitteln (→ Gefahr der Hypokaliämie).
• Hypotonie, evtl. orthostatische Dysregulation.
   19.2  Gynäkologie  663

• Amenorrhö, oft prim., Pubes und Mammae häufig nur schwach entwickelt,
ansonsten unauffälliges äußeres Genitale.
• Psychischer Befund meist mit Verleugnung des Krankheitsbildes („heile 19
Welt“); es bestehen jedoch häufig verdeckte Beziehungsprobleme (Eltern,
evtl. auch Geschwister, selten Partner), sehr leistungsbereite Mädchen, oft mit
hohen ethisch-moralischen Ansprüchen.
Diagnostik 
• Primärdiagn. durch den Kinder- und Jugendpsychiater oder einen geschulten
Frauenarzt:
– Körpergröße und Körpergewicht (Bewertung mithilfe des BMI oder mit
Perzentilkurven bei Jugendlichen)
– Blutdruck und Puls.
• Zur Abschätzung der vitalen Gefährdung:
– Körpertemperatur.
– Inspektion der Körperperipherie (Durchblutung, Ödeme).
– Auskultation des Herzens, Orthostasetest.
– Blutbild.
– Blutsenkung.
– Harnstoff.
– E’lyte.
– Krea.
– Leberfunktionstest.
– Blutglukose.
– Urinstatus.
– EKG.
• Labor: FSH und LH normal bis leicht erniedrigt, E2 < 30 μg/l, BB, Albumin
(Unterernährung), Na+ (Wassermangel), Krea.
• DD: sicherer Ausschluss organischer Erkr. wie konsumierende Tumoren,
Hirntumoren, Hyperthyreose, M. Addison, GIT-Affektionen, Psychosen an-
derer Genese mit Anorexie als Begleitsy.
Therapie  Behandlungsoptionen: stationäres Setting, teilstationäres/tagesklini-
sches Setting und ambulantes Setting.
• Diät: diätetische Behandlung mit ausreichender Kalorien- und Eiweißzufuhr,
notfalls Sondenernährung.
• Psychother. nach Stabilisierung oder Besserung des körperlichen Verfalls.
• Hormonelle Substitution: z. B. Femoston® 1/10 über mind. 3–6 Mon., dann
Auslassversuch.
• Ther. entsprechend der S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Essstö-
rung 2010 (www.awmf.org).

19.2.2 Zyklusstörungen und Unterbauchbeschwerden


Ätiologie  Neben den rein somatischen Ursachen z. B. für irreguläre Blutungen
(▶  11.1) sind psychische und psychosomatische Ursachen häufig. Nach Aus-
schluss somatischer Ursachen, z. B. chron. Überforderung oder Überlastung in
Beruf oder Haushalt, Eheprobleme, Probleme mit der Rollenidentifikation als
Frau, allg. psychovegetative Erschöpfung.
664 19  Psychische und psychosomatische Probleme  

Klinik  Neurovegetative Beschwerden in Form von spastischen Muskelkontrak-


tionen, irregulären Blutungen und Hypersekretion der Zervix werden auch als
Pelveopathia vegetativa oder Pelveopathia spastica bezeichnet. Auftreten i. d. R.
19 während der Geschlechtsreife mit Altersgipfel bei etwa 30 J.
Diagnostik 
• Psychosomatische Klärung v. a. bei Kombination mit chron. Unterbauch-
schmerzen ohne fassbare Organveränderungen erwägen.
• Schmerzkalender führen.
• DD:
– Leukozyten, BSG, CRP, Temperatur erhöht → Adnexitis (▶ 14.4).
– Schmerzmaximum prämenstruell → Endometriose (▶ 13.5).
– Hypermenorrhö, Dysmenorrhö → Myome (▶ 13.4.1).
Therapie 
• Zunächst somatische Ursachen ausschließen; bei Unterbauchschmerzen ggf.
diagn. Laparoskopie, bei Zyklusstörung ggf. Hormonanalyse, diagn. Hystero-
skopie und fraktionierte Abrasio durchführen.
• Eine deutliche Besserung der Symptome ist oft schon durch die Aufklärung
über die Ursache der Beschwerden möglich (Befreiung von der Angst vor
schweren Erkr.). Psychosomatisch orientiertes Gespräch anbieten.
• Die oft wünschenswerte Veränderung der ursächlichen Lebensumstände ist
meist nicht oder nicht sofort möglich. In diesen Fällen eine symptomatische
medikamentöse Ther. (z. B. Buscopan®, Ibuprofen) und/oder eine Psycho-
oder Verhaltensther. anstreben.
• Evtl. eine Kur oder einen Urlaub mit Trennung von Familie oder Beruf an-
streben, ggf. Arbeitsplatzwechsel.
• Ggf. Selbsthilfegruppen in die Ther. einbeziehen, balneologische physikali-
sche Ther., Antidepressiva.

19.2.3 Prämenstruelles Syndrom (PMS)


Definition  In jedem Monatszyklus auftretendes komplexes Beschwerdebild bei
Frauen, das 4 Tage bis 2 Wo. vor dem Eintreten der Regelblutung einsetzt. Bis zu
8 % der Frauen mit besonders starker Form (prämenstruelle dysphorische Stö-
rung, PMDS), mit Behinderungen im Arbeitsumfeld und sozialen Kontakten.
Ätiologie  Nicht eindeutig geklärt. Hormonelle Ursachen (Progesteronmangel,
Schilddrüsenunterfunktion) können nur bedingt verantwortlich gemacht werden.
Bei vielen Frauen spielen psychosoziale Schwierigkeiten (Partnerkonflikte, famili-
äre Probleme, berufliche Überlastung) oder psychiatrische Probleme (manisch-
depressive Verstimmung, Angstzustände) eine Rolle. Auch diese sind jedoch
nicht ausschließlich verantwortlich.
Klinik 
• Psychische Symptome: Müdigkeit, Reizbarkeit, labiler Gemütszustand, Hy-
persensibilität und Konzentrationsprobleme, Antriebslosigkeit, Hyperaktivi-
tät, Ruhelosigkeit, Depressionen oder manische Phasen, Angstzustände, Ag-
gressivität, grundloses Weinen/Lachen, vermindertes Selbstwertgefühl.
• Somatische Symptome: z. B. Blähungen, Empfindlichkeit der Brust, Blutungs-
störungen, Akne, Appetitveränderungen (Heißhunger, Appetitverlust), Kopf-
schmerzen, Gewichtszunahme durch Wasseransammlungen im Gewebe,
   19.2  Gynäkologie  665

Hautveränderungen, Übelkeit und Kreislaufbeschwerden, Durchfall, Krämp-


fe im Unterbauch, Rückenschmerzen, erhöhte Sensibilität auf Reize (Licht,
Berührung, Lärm, Geruch, Zeit- und Arbeitsdruck), Schmerzen im Bereich
der Geschlechtsorgane und im kleinen Becken beim Geschlechtsverkehr
19
(Dyspareunien).

Psychisch-emotionale und physische prämenstruelle Veränderungen sind


häufig (ca. 80 % der Fälle in der Geschlechtsreife).

Therapie  Meist symptomatisch mit einer Kombination aus körperlicher Aktivi-


tät und Medikamenten:
• Regelmäßige körperliche Aktivität.
• Drosperinon oder desogestrelhaltige OH (▶ 16.3.1 und ▶ 16.4.1).
• Akupunktur scheint gute Erfolge zu versprechen.
• Bei Erfolglosigkeit obiger Maßnahmen und deutlicher Ödembildung kann
Spironolacton (z. B. Aldactone®) oder Alprazolam 3 × 0,5 mg/d p. o. (z. B. Ta-
fil®) als Psychopharmakon eingesetzt werden.

Diätetische Maßnahmen (Koffein und Schokolade meiden, mehr ungesättig-


te Fettsäuren zu sich nehmen) haben nur sehr begrenzten Erfolg. Yamswur-
zel-Extrakte wurden erfolgreich eingesetzt.

19.2.4 Sterilität
Siehe auch ▶ 15.
Ätiologie  Am häufigsten sind hypothalamisch-hypophysäre Störungen (▶ 15.4)
und Störungen des Sexuallebens. Wahrscheinlich sind die meisten ungeklärten
Sterilitätsursachen dem Tubenfaktor zuzuordnen (z. B. Eiauffang- und -transport-
mechanismus, intratubare Spermien-Ak).
Die psychischen und psychosomatischen Ursachen der Sterilität werden wahr-
scheinlich in ihrer Bedeutung derzeit überschätzt. Eine intensive Sterilitätsdiagn.
und -ther. kann sich jedoch früher oder später neg. auf das psychische Wohlbefin-
den des Paares auswirken und dann selbst zur Sterilitätsursache werden.
Psychische Probleme bei Sterilität 
• Extreme zeitliche Beanspruchung der Frau durch Sterilitätsbehandlung.
• Dauernder Wechsel zwischen Hoffnung auf eine Schwangerschaft und Ent-
täuschung bei Einsetzen der Menstruation.
• Sexualität wird nur noch als Mittel zur Konzeption gesehen.
• Normales, spontanes Sexualleben kaum noch praktiziert („Sex auf Komman-
do“), obwohl in früher Follikelphase und in Lutealphase uneingeschränkt
möglich.
• Kinderwunsch wird zum zentralen und alleinigen Thema in der Partnerschaft.
• Probleme des Rollenverständnisses und der Akzeptanz der Frau durch Re-
duktion auf die generative Funktion.
• Minderung des Selbstwertgefühls der Frau durch „Misserfolge“.
• Schuldgefühl des Mannes bei andrologischer Sterilitätsursache (erheblicher
Therapieaufwand für die Frau bis hin zur ICSI ▶ 15.5.2).
666 19  Psychische und psychosomatische Probleme  

Sterilitätsbehandlung  Der Umgang mit diesen Problemen erfordert eine ausge-


prägte Sensibilität aller Beteiligten. Vor Beginn einer umfangreichen Sterilitäts-
ther. (z. B. Stimulationszyklen):
19 • Mit dem Paar die Motivation für die aufwendige Behandlung besprechen. Die
Partner sollten v. a. klären, warum sie Kinder haben wollen und wie ein Wei-
terleben auch ohne Kinder aussehen könnte.
• Unbedingt auf die evtl. auftretenden psychischen Probleme hinweisen. Ein
Verharmlosen der anstehenden Schwierigkeiten hilft nicht.
Während der Behandlung:
• Vor Beginn einer weiteren, invasiveren Therapiestufe jeweils erneut auf
Chancen und Risiken hinweisen.
• Bei „Misserfolgen“ möglichst mit dem Paar und nicht mit der Frau allein ein
einfühlsames Gespräch suchen, wobei emotionale Nähe und Mitfühlen meist
mehr helfen als sachlich-medizinische Erklärungen.
• Zur psychischen Stabilisierung hat sich eine Therapiepause („Verschnaufpau-
se“) nach spätestens 9–12 Mon. oder vor Beginn einer intensiveren Stufe der
Ther. (z. B. vor IVF) über 3–6 Mon. sehr bewährt. Das Paar hat dann Gele-
genheit, die Beziehung zueinander zu stabilisieren und die nächsten anste-
henden Schritte mit allen Konsequenzen nochmals zu überdenken.

19.2.5 Klimakterium
Siehe auch ▶ 17.1.
Klinik  Bedingt durch die hormonelle Umstellung (v. a. Wegfall der Östrogene)
während der Wechseljahre treten bei vielen Frauen psychische Veränderungen
mit einer Tendenz zu depressiven Verstimmungen auf. Außerdem kommt es zum
Auftreten neurovegetativer Beschwerden (Schlaflosigkeit, Hitzewallungen, Kopf-
schmerzen, Herzklopfen). Der Hormonabfall wird häufig als Ausfallsymptomatik
empfunden. Bei ca. 1⁄3 der Frauen treten starke vasomotorische Beschwerden auf,
bei einer Vielzahl eine urogenitale Symptomatik.
Erschwerende Faktoren 
• Angst vor dem Älterwerden.
• Evtl. nachlassende Libido, gleichzeitig beginnende Atrophie im Genitalbe-
reich mit Kohabitationsbeschwerden; Angst vor Unattraktivität für den Sexu-
alpartner.
• Wegfall der Ovarialfunktion und Ausbleiben der Regelblutung führt zur Än-
derung des Rollenbilds als Frau.
• Häufig gleichzeitige Lösung der Kinder vom Elternhaus.
• Evtl. Tabuisierung des Themas („darüber spricht man nicht“).
Therapie  Bei stärkerer psychischer und/oder somatogener Symptomatik sollte
der Pat. eine endokrine Ther. (perkutane Estradiolsubstitution plus natürliches
Gestagen [Utrogest]) angeboten werden. Bei Schlafstörungen zusätzlich eine
abendliche Gestagensubstitution (300–400 mg Utrogest).
Neben der medikamentösen Ther. (▶  17.1.3 und ▶  17.2), v. a. der hormonellen
Substitution, sollte die Frau zunächst über die Reversibilität der körperlichen
Symptome aufgeklärt werden. Evtl. ist auch hier ein einfühlsames Gespräch im
Beisein des Partners hilfreich. In Ausnahmefällen Einleitung einer psychothera-
peutischen Behandlung im Sinne einer Verhaltensther. Echte neurotische Störun-
   19.3  Geburtshilfe  667

gen treten in dieser Altersgruppe extrem selten auf; hier muss eine fachärztlich-
psychiatrische Behandlung erfolgen.
19
19.3 Geburtshilfe
19.3.1 Psychische Probleme in der Gravidität

Der Eintritt einer Grav. bedeutet für nahezu jede Frau zunächst eine Ausein-
andersetzung mit der eigenen Rolle. Hieraus kann sich zum einen eine Verän-
derung in der Partnerbeziehung ergeben, zum anderen machen die meisten
Schwangeren eine Phase der ambivalenten oder ablehnenden Haltung gegen-
über dem Ungeborenen durch, die wiederum zu Schuldgefühlen führen kann.
Diese Prozesse können für die Frau mehr oder weniger bewusst ablaufen.

Klinik 
• Hyperemesis gravidarum (▶ 5.7).
• Partnerkonflikte.
• Angst vor kindlichen Fehlbildungen.
• Ablehnung der Schwangerschaft, Angst vor körperlicher Veränderung (Ver-
lust des Schönheitsideals).
• Abnahme der Libido, Neigung zu depressiven Verstimmungen.
• Extreme, auch kurzfristige Stimmungsschwankungen, evtl. Manifestation ei-
ner larvierten Depression.
• Vorzeitige Wehentätigkeit.
Therapie  Häufig reichen die Erklärung der Harmlosigkeit der Symptome und
der Hinweis auf die Tatsache, dass fast alle Schwangeren ähnliche Probleme ha-
ben, aus. Evtl. können häufigere Sono-Kontrollen zur Beruhigung beitragen ­(cave:
wird von den Krankenkassen nicht finanziert!). Medikamentöse Ther. außer bei
Hyperemesis gravidarum selten notwendig, Antidepressiva nur nach Vorstellung
der Pat. bei einem Psychiater und dann auch nur sehr zurückhaltend.
Vorzeitige Wehentätigkeit zunächst medikamentös behandeln (▶  5.10). Durch
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bzw. stationäre Aufnahme wird die Pat. häufig
ihrem akuten Problemfeld entzogen.

19.3.2 Geburt
Siehe auch ▶ 6.
Die Geburt stellt für die Frau, aber auch für den Partner in körperlicher wie in
psychischer Hinsicht eine extreme Ausnahmesituation dar. Neben der Angst vor
Geburtsablauf und Schmerzen sowie dem evtl. Verlust der Selbstkontrolle spielen
bei vielen Frauen auch unbewusste Ängste vor einer Fehlbildung oder der Schädi-
gung des Kindes unter der Geburt eine wesentliche Rolle. Außerdem ist nach der
Geburt die familiäre Situation völlig verändert, was zu Partnerkonflikten führen
kann. Die psychischen Konflikte der Frau können sich sehr unterschiedlich äu-
ßern (von völligem Rückzug bis offener Aggression z. B. gegenüber Partner oder
Hebamme).
668 19  Psychische und psychosomatische Probleme  

Prophylaktische und unterstützende Maßnahmen 


• Einfühlsame Betreuung vor und unter der Geburt, ruhige, ausgeglichene, fa-
miliäre Atmosphäre im Kreißsaal schaffen.
19 • Ausreichende Geburtsvorbereitung mit Erklärung der physiologischen Ab-
läufe. Bewusste Einbeziehung des Partners oder der Vertrauensperson in den
Geburtsablauf, alle notwendigen Maßnahmen erklären und mit der Frau/dem
Paar besprechen.
• Ausreichende Analgesie unter der Geburt (▶ 6.3).
• Auf Wünsche der Frau unter der Geburt, soweit vertretbar, eingehen.
• Betreuung der Frau durch dieselben Personen während der Geburt (im
Schichtdienst häufig problematisch).
• Emotionale Nähe aufbauen und zeigen.

19.3.3 Wochenbett
Siehe auch ▶ 8.

Psychische Probleme in Grav. und Wochenbett sind meist depressiver Natur,


die sich in unterschiedliche Krankheitsbilder unterteilen. Häufig manifestieren
sich diese erst nach Entlassung von der Entbindungsstation.

Ätiologie  Die Ursache der postpartalen psychischen Störungen ist auch heute
noch ungeklärt. Vielfach werden die reduzierten Östrogen- und Progesteron- so-
wie der Tryptophan-Serumspiegel nach Geburt der Plazenta als Auslöser vermu-
tet. Dies ist wahrscheinlich aber nur für den Maternity Blues gültig. Prolaktin
scheint ebenfalls eine auslösende oder verstärkende Rolle, v. a. bei Manien und
manisch-depressiven Psychosen, zu spielen; es gibt Berichte über einen pos. ther.
Effekt mit Bromocriptin. Familien- und Zwillingsstudien unterstützen die These,
dass eine genetische Disposition sowohl bei der manisch-depressiven als auch bei
der schweren depressiven Puerperalpsychose besteht.

Tab. 19.1  Psychische Probleme in Gravidität und Wochenbett


Postpartale (= puer- Maternity Blues Postpartale depressive
perale) Psychose („Heultage“) ­Neurose

Inzidenz 0,1–0,3 % ≤ 50 % ≤ 15 %

Risiko- Puerperalpsychose Labile oder nar- Erstgebärende (70 %), präpar-


faktoren bei vorangehenden zisstische Persön- tale Depression, Schwanger-
Schwangerschaften lichkeitsstruktur, schaftskonflikte in der Früh-
(50 % Wiederho- Schlafentzug schwangerschaft (Ambivalenz
lungsrisiko), manisch- (durch Betreu- zur Schwangerschaft, Inter-
depressive Psychose ung des NG) ruptiogedanke), Alter < 20 J.,
in der Eigenanamne- unverheiratet, ≥ 6 Geschwister
se, Schizophrenie in im mütterlichen Elternhaus,
der Eigenanamnese, Trennung von einem oder bei-
Psychosen in der Fa- den Elternteilen (Broken
milienanamnese, Home), niedriges Selbstwert-
Durchschlafstörun- gefühl, Partnerschaftsproble-
gen me, finanzielle Probleme, Un-
zufriedenheit mit Beruf
   19.3  Geburtshilfe  669

Tab. 19.1  Psychische Probleme in Gravidität und Wochenbett (Forts.)


Postpartale (= puer- Maternity Blues Postpartale depressive
perale) Psychose („Heultage“) ­Neurose 19
Beginn 3. Tag p. p. bis 1 Mon. 1. Tag p. p. bis 6 Wo. p. p. bis 1 J.
p. p. Häufigkeitsgip- 6 Wo. p. p. Häu-
fel: 3.–14. Tag p. p. figkeitsgipfel:
2.–4. Tag p. p.

Klinik Rastlosigkeit, Kopf- Milde Depressi- Starkes Weinen, Inkompe-


schmerzen, starke on, Angst, Wei- tenzgefühl, das Kind gut zu
Stimmungsschwan- nerlichkeit, Kopf- versorgen, ungewöhnliche
kungen (auch gegen- schmerzen, Mü- Müdigkeit, Anorexia, Schlaf-
über Kind), Verwirrt- digkeit, Erreg- störungen, reduzierte Libido,
heit, Realitätsverlust, barkeit, Gefühl, Ambivalenz gegenüber dem
Trübsinn, Depression, die Versorgung Kind, hypochondrische Fehl-
Ideenflucht, Halluzi- des NG nicht zu haltung
nationen, Agitiert- bewältigen,
heit spontane Remis-
sion ohne Ther.

Suizidri- Hoch Sehr gering Gering


siko

Kindstö- Erhöht Sehr gering Gering


tungsri-
siko

Therapie Durch Psychiater! Unterstützung Durch Psychiater! Medika-


Hospitalisierung, durch die Familie mentös, Psychother., soziale
möglichst mit Roo- wichtig: Erläute- Unterstützung, Pflegemutter
ming-in, Neurolepti- rung über die zur Betreuung des Sgl., bei
ka, Psychother., sozi- Normalität des schwerer Depression: stationä-
ale Unterstützung Maternity Blues re Behandlung
(z. B. bei Wohnungs- durch den Ge-
suche), Betreuung burtshelfer
des Sgl. organisieren
(Pflegemutter)

Progno- Gut für die erste psy- Sehr gut Sehr unterschiedlich, je nach
se unter chotische Episode, je- psychodynamischer Ursache
Therapie doch hohe Rezidivge-
fahr ≥ 50 % bei der
nächsten Geburt

Bei einem geringen Anteil psychotischer Pat. tritt eine Schizophrenie auf;
diese hat aber bei Erstmanifestation als postpartale Schizophrenie eine besse-
re Prognose als unabhängig vom Wochenbett.

Früherkennung  Für den Verlauf wichtig ist die frühzeitige Erkennung psychi-
scher Probleme. Gerade hierbei kommt dem nachbetreuenden Gynäkologen eine
wichtige Rolle zu, denn häufig entwickeln sich die Puerperalpsychose und die
postpartale Neurose erst nach der stationären Entlassung. Deshalb sollte gerade
bei der Wochenbettabschlussuntersuchung nach 4–6 Wo. nach dem psychischen
670 19  Psychische und psychosomatische Probleme  

Wohlbefinden gefragt werden. Wegen des hohen Suizidrisikos sollte ein Psychia-
ter eher einmal zu viel als einmal zu wenig konsultiert werden.
Nicht zu unterschätzen ist die Rolle des Pädiaters. Er sollte der Mutter auf jeden
19 Fall das Gefühl der mütterlichen Kompetenz vermitteln und bei Problemen der
Mutter-Kind-Beziehung frühzeitig an ein psychisches Problem denken.
Bei Unklarheit über die Ursache einer mütterlichen depressiven Verstimmung
oder Anzeichen einer Ambivalenz der Mutter gegenüber dem Kind sollte(n) auf
jeden Fall die Krankenhausentlassung verzögert und entsprechende Maßnahmen
(psychiatrisches Konsil, Sozialdienst, evtl. Jugendamt) eingeleitet werden.
20 Praktische Onkologie
Kay Goerke

20.1 Metastasierung  672 20.3  umormarker  681


T
20.2 Onkologische Therapie  673 20.4 Behandlung maligner
20.2.1 Grundregeln  673 ­Ergüsse  682
20.2.2 Zytostatikatherapie  675 20.5 Behandlung von
20.2.3 Strahlentherapie  676 ­Hirnfiliae  684
20.2.4 Schmerztherapie bei 20.6 Behandlung der
­Tumorpatienten  677 ­Hyperkalzämie  684
672 20  Praktische Onkologie  

20.1 Metastasierung
Tab. 20.1  Bevorzugte Metastasierungsorte verschiedener Organtumoren
Primärtumor Metastasen

Leber Lunge Gehirn Knochen Maligner Lk-Lokalisation


Pleuraer-
20 guss

Schilddrüse +* (+) + Hals, Mediastinum

Schilddrüse/ + + Hals, supraklavikulär


C-Zell

Lunge + + +++ + + Peribronchial, Lun-


*** genhilus, Mediasti-
num

Mamma +++ +++ + +++ +++ Axillär, (sub-)sternal


(A. mammaria int.)

Ösophagus + + Paratracheal, para-


bronchial, mediasti-
nal, paraösophageal,
zervikal, zöliakal

Magen +++ + (+) (+) Perigastrisch (Netz),


Aa. gastrica sin., he-
patica com., lienalis,
coeliaca

Kolon +++ + (+) Perikolisch, perirektal,


entlang versorgender
Gefäße

Pankreas + + (+) + Netz, entlang versor-


gender Gefäße

Gallenwege +++ + Leberhilus (Lig. hepa-


toduodenale), ent-
lang der Gallenwege
und großen Bauchge-
fäße, Pankreaskopf,
periduodenal

Niere + ++ (+) ++ Nierenhilus, paraaortal

Harnblase + + Kleines Becken, v. a.


Bifurkation der
Aa. iliacae com.

Ovar** + + + Paraaortal, iliakal,


­retroperitoneal,
­mediastinal, Netz

Cervix uteri + + (+) + Parazervikal, para­


metrial, Becken,
­inguinal, präsakral,
paraaortal, iliakal
   20.2  Onkologische Therapie  673

Tab. 20.1  Bevorzugte Metastasierungsorte verschiedener Organtumoren


(Forts.)
Primärtumor Metastasen

Leber Lunge Gehirn Knochen Maligner Lk-Lokalisation


Pleuraer-
guss

Endometri-
um
+ + Iliakal, retroperito­
neal, paraaortal 20
Uterussar- + + Iliakal, retroperito­
kom neal, paraaortal

Vulva + + Inguinal, iliakal, retro-


peritoneal
Vaginal (+) (+)

Chorion-Ca + +++ + +

Tube (+) (+) Paraaortal

Melanom ++ ++ ++ + + Je nach Lokalisation

*  v. a. follikuläres Karzinom; **  abhängig vom histologischen Typ; ***  v. a. klein-
zelliges Bronchial-Ca. (+) selten; + gelegentlich; + + häufig; + + + sehr häufig

20.2 Onkologische Therapie
20.2.1 Grundregeln
• W
 o immer möglich, ambulante onkologische Ther. anstreben → Gewinn an
Lebensqualität für die Pat. insb. in der Palliativsituation.
• Th
 erapiefolgen mit akuter, verzögerter und später Toxizität bedenken.
• P arameter und Methode für Verlaufskontrolle im Therapieplan festlegen und
regelmäßig dokumentieren (z. B. Tumorgröße durch Sono, Tumormarker).
• A
 ufklärung der Pat. über Ther. und NW.
• V
 or Ther. Festlegung des Tumorstadiums = Staging (TNM- bzw. FIGO-Klas-
sifikation) und Untersuchung der typischen Metastasierungslokalisationen
sowie Abklärung aller klinisch auffälligen Befunde.
•  I und Interaktionen berücksichtigen: internistische Erkr., Komedikation,
K
Schwangerschaft, Kinderwunsch, onkologische Vorbehandlung.

Tab. 20.2  Karnofsky-Index und WHO-Einteilung zur Beurteilung des Allge-


meinzustands
Punkte Karnofsky-Index WHO-Einteilung Grad

100 Normal; keine Beschwerden, kein Hin- Uneingeschränkte 0


weis auf eine Erkr. normale Aktivität

90 Normale Aktivität möglich, geringe


Krankheitssymptome
674 20  Praktische Onkologie  

Tab. 20.2  Karnofsky-Index und WHO-Einteilung zur Beurteilung des Allge-


meinzustands (Forts.)
Punkte Karnofsky-Index WHO-Einteilung Grad

80 Normale Aktivität nur mit Anstrengung, Ambulant mit Be- 1


mäßige Krankheitssymptome schwerden, kann
sich selbst versorgen
70 Selbstversorgung, aber unfähig zu nor-
20 maler Aktivität oder Arbeit

60 Gelegentliche Hilfe, aber noch weitge- Versorgt sich selbst, 2


hende Selbstversorgung arbeitsunfähig, tags-
über weniger als die
50 Häufige Unterstützung und medizinische Hälfte im Bett
Versorgung erforderlich

40 Überwiegend bettlägerig, spezielle Hilfe Tagsüber mehr als 3


und Pflege erforderlich die Hälfte im Bett;
pflegebedürftig
30 Dauernd bettlägerig, Hospitalisierung
angezeigt, letale Krise steht jedoch nicht
unmittelbar bevor

20 Schwer krank, Hospitalisierung und akti- Völlig pflegebedürf- 4


ve unterstützende Ther. erforderlich tig

10 Moribund, rasches Fortschreiten der Erkr.

0 Tod

Tab. 20.3  Therapieziele


Kurativ Heilung wird angestrebt: bei potenziell kurablen Tumoren (10–12 %
aller Tumoren), z. B. Chorion-Ca, Hodentumoren, ALL, M. ­Hodgkin,
AML; bestimmte solide Tumoren im Frühstadium, z. B. Mamma-Ca

Adjuvant Unterstützende Ther., meist medikamentös, ergänzt vorangegan-


gene potenziell kurative OP

Neoadjuvant Prim., präop. Chemo-/Strahlenther. vor potenziell kurativem Ein-


(= primäre Th.) griff zur Verhinderung einer Metastasierung (z. B. wenn außer Pri-
märtumor keine weiteren Tumormanifestationen nachweisbar
sind), zur Tumorreduktion vor OP mit kurativem Ziel und/oder zur
Erreichung der Operabilität („Downstaging“)

Palliativ Milderung von Krankheitssymptomen (ohne Aussicht auf Heilung);


Verbesserung der Lebensqualität, evtl. auch Lebenserwartung, bei
inkurablen Tumoren

Supportiv Unterstützende Ther., z. B. bei NW, Inf.

Beurteilung des Therapieerfolgs


• K omplette Remission (CR): vollständige Rückbildung sämtlicher nachweis-
barer Tumormanifestationen für mind. 1 Mon.
• K ontinuierliche komplette Remission (CCR): mehr als 10 J. anhaltende Re-
mission (entspricht „Heilung“).
   20.2  Onkologische Therapie  675

• P artielle Remission (= PR): Rückgang aller Tumorparameter, z. B. bei soliden


Tumoren um > 50 % der initialen Größe (Flächenmaß: zwei möglichst senk-
recht aufeinanderstehende Messungen); durch zwei > 1 Mon. auseinanderlie-
gende Beobachtungen bestätigt.
•  ein Ansprechen („no change“): keine Größenänderung oder < 50-prozenti-
K
ge Rückbildung messbarer Tumorparameter.
•  rogression (PD): > 25-prozentige Zunahme der Tumorparameter, Zunahme
P
oder Neumanifestation von sicher tumorbedingten Symptomen.
•  ezidiv: erneute Tumormanifestation nach Erreichen einer CR.
R 20

20.2.2 Zytostatikatherapie
Vorgehen bei Paravasaten
Allgemeine Sofortmaßnahmen
• Injektion bzw. Infusion stoppen, i. v. Zugang belassen.
• P aravasatgebiet auf der Haut markieren.
• Infusionszuleitung diskonnektieren.
• 5 -ml-Einmalspritze auf den i. v. Zugang aufsetzen und so viel wie möglich
von dem Paravasat aspirieren.
• A spiration des Inhalts entstandener Blasen mittels einer Tuberkulinspritze
mit dünner Kanüle.
• L okale Gabe des empfohlenen Antidots (s. u.).
• H ochlagern der Extremität, ggf. Ther. des Erythems mit lokaler Hydrokorti-
soncreme (z. B. Alfason® Creme).
• L okale Kühlung zur Vasokonstriktion (außer bei Etoposid, Teniposid, Pacli-
taxel, Docetaxel, Vinca-Alkaloiden).
• W ärmeanwendung zur Vasodilatation bei Vinca-Alkaloiden (s. u.).
Spezielle Maßnahmen
• E toposid (Vepesid®): Hochlagern der Paravasatstelle, 60 Min. trockene milde
Wärme anwenden (Kompresse). Anschließend Hyaluronidase Hylase® (1–
6 Amp. zu 150 IE/ml) s. c. und um die Paravasatstelle applizieren. Alternativ
alle 3–4 h über 1–3 Tage DMSO, z. B. Rheumabene® Gel.
• V inca-Alkaloide (Vinblastin®, Vincristin®, Vindesin®, Vinorelbin®): Hyalu-
ronidase Hylase® (150 IE/ml) 1–6 ml s. c., periläsional und intraläsional mit
multiplen Injektionen applizieren. Mehrfache Wiederholung in den folgen-
den Stunden. Mit NaCl-Lsg. 1–5 ml s. c., peri- und intraläsional verdünnen.
Trockene, milde Wärme. Keine Kälteapplikation!
• P aclitaxel (Taxol®) und Docetaxol (Taxotere®): Hochlagern der Extremität
zur Vermeidung von Stauungen. Aspiration von größeren Paravasaten über
den noch liegenden Zugang. Keine Anwendung von Wärme oder Kälte. Hy-
aluronidase (Hylase®) 150 IE in verdünnter NaCl-Lsg. s.c., peri- und intraläsi-
onal. Im Einzelfall lokale Anwendung von Glukokortikoiden.
• A nthrazykline (Doxorubicin, Adriamycin, Daunorubicin, Epirubicin, Ida-
rubicin, Aclarubicin):
– DMSO, z. B. Rheumabene® Gel 1–2 ml über Watteträger auftragen, Wie-
derholung alle 3–4 h. Fläche doppelt so groß wie das betroffene Gebiet.
Anwendung über mehrere Tage.
676 20  Praktische Onkologie  

– D exrazoxan 500 mg (Cardioxane®). Bei großvolumigen Paravasaten Infu-


sion bis 6 h nach Paravasation an 3 aufeinanderfolgenden Tagen.
– Kälteapplikation (kalte Kompressen).
– Evtl. Propranolol, z. B. Obsidan® Injektionslsg. bis 100 mg intradermal,
evtl. 5.000 IE Heparin lokal, s. c. und periläsional.
•  lkylanzien (Cyclophosphamid, Ifosfamid, Melphalan): 4 ml Natriumthio-
A
sulfat-Lsg. 10 % mit 6 ml Aqua dest. mischen, 5–6 ml i. v. durch den Zugang
und s. c. periläsional über multiple Injektionen applizieren. Wiederholung
20 nach mehreren Stunden, Kälteapplikation.
•  itomycin C: Dimethylsulfoxid (DMSO), z. B. Rheumabene® Gel über Wat-
M
teträger auftragen, Wiederholung alle 3–4 h über mehrere Tage.

• G
 enaue Dokumentation mit Paravasatmenge, Antidotther. und beob-
achteter Gewebeläsion.
• H
 ohe Nekrosewahrscheinlichkeit: Anthrazykline, Amsacrin, Dactino-
mycin, Mitomycin, Vinca-Alkaloide.
• N
 iedrige Nekrosewahrscheinlichkeit: Bleomycin, Cisplatin, Etoposid,
5-Fluorouracil, Mitoxantron.
• K eine Nekrosewahrscheinlichkeit: Asparaginase, Cyclophosphamid, Cy-
tarabin, Dacarbacin, Interleukin, Melphalan, Methotrexat, Plicamycin,
Teniposid.

20.2.3 Strahlentherapie
Formen 
• P erkutane Ther.: Strahlenquelle außerhalb des Körpers, meist Bestrahlung in
Mehrfeldertechnik: Strahlen summieren sich im Herd mit verbesserter Haut-
schonung.
• B rachyther.: Strahlenquelle im oder am Tumor lokalisiert (z. B. intravag., in­
trauterin). Die vom Gewebe absorbierte Dosis wird in Gray (Gy; 1 Gy =
100 rad, ältere Einheit) angegeben.
• I nterkavitäre Ther. („Afterloading“): Radionuklide werden über flexible
Führungskanüle, die z. B. über ein Endoskop platziert werden kann, an den
Tumor herangefahren, einige Min. bis Stunden (je nach Nuklid) belassen und
dann in einen strahlensicheren Behälter zurückgezogen.
Indikationen 
• K urativ: Zervix-Ca ab Stadium IIb. In Kombination mit einer OP z. B. bei
Mamma- oder Endometrium-Ca.
• P alliativ: bei drohenden path. Frakturen, Funktionsbeeinträchtigung vitaler
Systeme (z. B. Atelektasenbildung bei Bronchial-Ca), bei lokalisierten
Schmerzzuständen (▶ 10.7.6).
Nebenwirkungen  Abhängig von Gesamtdosis und Dosisverteilung:
• S trahlenkater (Stunden bis Tage nach Radiatio): Anorexie, Müdigkeit, Erbre-
chen, Kopfschmerzen.
• S trahlenreaktion (bis 3 Mon. nach Ther.): reversible Haut- und Schleimhaut-
veränderungen, z. B. Rö-Erythem, -Dermatitis oder -Mukositis.
   20.2  Onkologische Therapie  677

• S trahlenschäden: Nekrosen, Ödeme, Fibrosen, → irreversible Schäden wie


Strahlenulkus, Pneumonitis, -Enteritis, -Enzephalitis und -Katarakt, sek.
Neoplasien, Fistelbildung.

Mit Beginn der Strahlenther. werden neu auftretende Symptome von der Pat.
oft als Folge der Strahlenther. gewertet; sie sind jedoch häufig Ausdruck der
Grunderkr.
20
20.2.4 Schmerztherapie bei Tumorpatienten

Grundregeln der Therapie chronischer Schmerzen


• K lärung der Schmerzursache.
• A nwendung kausaler Therapieverfahren, soweit möglich.
• R egelmäßige Verordnung von Analgetika nach Zeitplan, nicht „nach Bedarf“.
• O rale bzw. rektale Applikationsform, soweit möglich.
• Individuell zu ermittelnde Dosis, Dosisintervalle je nach Wirkdauer der
Präparate.
• S tufenweiser Aufbau der Schmerzther.
• K onsequente Prophylaxe und Behandlung der Ther.-NW (z. B. Obstipati-
on, Übelkeit, Gastritiden).
• E insatz von Koanalgetika (z. B. niedrig dosierte Antidepressiva, Neurolep-
tika).
• M ultimodales Vorgehen: ggf. regionale Schmerzther. (Radiatio, Plexus-
blockaden, Neurolyse, Periduralkatheter), psychologische Betreuung,
Physiother., Lymphdrainage.
• K eine Placeboversuche.
• K ontinuierliche Überprüfung der Symptome und ihrer Ther.

Analgetisches Stufenschema

Allgemeine Regeln
• K eine Mischmedikation von Substanzen derselben Wirkgruppe (z. B. kei-
ne Kombination mehrerer Opioide miteinander), sonst Konkurrenz um
denselben Angriffsort (z. B. Opioidrezeptoren).
• V or einem Substanzwechsel zunächst Dosissteigerung bis zur Höchst-
menge und ausreichend lange Verabreichung, um Wirkung und NW ver-
lässlich zu beurteilen. Erst wenn Präparat „austherapiert“ wurde oder gra-
vierende NW bestehen, Übergang auf anderes Medikament.
• B ei Dauerther. stets Begleitmedikation zur Prophylaxe oder Ther. von
NW (z. B. Laxanzien zur opioidbedingten Obstipationsbekämpfung, Ma-
genschutz bei Prostaglandinsynthesehemmern).
• S chulung von Pat. und Personal verbessert Compliance bei der prakti-
schen Umsetzung.
• B eginn der Ther. entweder mit der 1. Stufe und bis zur ausreichenden An-
algesie steigern oder gleich auf höherer Stufe einsetzen.
678 20  Praktische Onkologie  

1. Stufe: antipyretische Analgetika


• P aracetamol (z. B. ben-u-ron®): wirkt analgetisch und antipyretisch, nicht
antiphlogistisch. Keine Hemmung der Prostaglandinsynthese. Schwächstes
Analgetikum. Gute Verträglichkeit. Dosierung: bis zu 6 × 500–1.000 mg/d
(= je 1–2 Supp., 25 ml Saft, 1–2 Tbl. oder Kps.). Mittel der 1. Wahl bei Kindern
(Einzeldosis 20 mg/kg) sowie in Schwangerschaft und Stillzeit. Bei akuter
Überdosierung (> 10 g) Leberzellnekrose.
• N ichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID): gute analgetische, antipyretische
20 und antiphlogistische Wirkung. Besonders wirksam bei Kopf-, Skelett- und
Muskelschmerzen, Thrombophlebitiden, Abszessen, Tumorschmerzen (Peri-
ostschmerz, Kapselspannungsschmerz, entzündliche Begleitreaktionen). NW:
Magenbeschwerden, Ulzera, Induktion oder Verstärkung einer Niereninsuff.
KI: Magenulzera, renale Funktionseinschränkung.
• I buprofen (z. B. Imbun®): 4–6 × 400 mg/d (= je 1–2 Supp. oder Tbl.); Retard­
tbl.: 3 × 800 mg (= 3 × 1 Tbl.); günstigstes Wirkungs-/NW-Verhältnis.
• A cetylsalicylsäure (z. B. Aspirin®): 6 × 500–1.000 mg/d (= je 1–2 Tbl.). Wei-
tere NW: irreversible Thrombozytenaggregationshemmung, pseudoallergi-
sches Asthma.
• D iclofenac (z. B. Voltaren®): 4 × 50 mg/d (= je 1–2 Tbl. oder je 1 Supp.);
Voltaren® resinat Kps. 1–2 × 75 mg (Retardwirkung); Voltaren® dispers Tbl.
3 × 50 mg/d (schneller Wirkungseintritt, Tbl. zerfällt im Wasserglas).
• I ndometacin: (z. B. Amuno®) bis zu 4 × 50 mg/d (= je 1–2 Kps., je 1 Supp.
oder je 1–2 Teelöffel Suspension).
• M etamizol (z. B. Novalgin®): Wirkt analgetisch, antipyretisch und spasmoly-
tisch. Besonders geeignet bei kolikartigen Schmerzen. Dosierung: 4–6 × 500–
1.000 mg/d (= je 1–2 Tbl. oder Supp., je 30–60 Tr. oder je 1 Amp. i. v.). Bei i. v.
Gabe langsam injizieren, sonst starke Blutdrucksenkung durch direkte Rela-
xation der Gefäßmuskulatur, Anaphylaxie. Kurzinfusion bevorzugen. Seltene,
aber schwere NW: Agranulozytose (Inzidenz 1 : 106), häufiger bei i. v. Appli-
kation.
• F lupirtin (z. B. Katadolon®): Wirksamkeit ähnlich den „schwachen“ Opio-
iden, v. a. bei neuropathischem Schmerz. Analgetisch, aber nicht antiin-
flammatorisch oder antipyretisch. Angriffspunkt wahrscheinlich im Rücken-
mark (Aktivierung deszendierender, antinozizeptiver Bahnen?). Senkt zusätz-
lich den Tonus der quer gestreiften Muskulatur.
2. Stufe: „schwächere“ Opioide
Tramadol
(z. B. Tramal®, Tramal® long) 4  × 50–100 mg/d (= je 1  Amp. i. m. oder i. v., je
1  Supp. oder Kps. oder je 20–40  Tr.). Retardtbl.: 3  × 300 mg/d (= je 2  Tabl. à
150 mg). Etwa 50 mg Tramadol entsprechen 10 mg Morphin. Wirkdauer 1–3  h
bzw. 6–8 h (retardiertes Tramadol). Verursacht von allen Opioiden am ehesten
Übelkeit und Erbrechen.
Tilidin-Naloxon (z. B. Valoron N®)
Bis zu 4 × 100 mg/d (= je 20–40 Tr. oder je 1–2 Kps.). Etwa 50 mg Tilidin entspre-
chen 10 mg Morphin. Schneller Wirkbeginn, Wirkdauer 1–3 h. Durch Zusatz des
Antagonisten Naloxon geringeres Missbrauchspotenzial. Tilidin-Naloxon retar-
diert, als Valoron ® N retard à 50/100/150/200 mg Tbl. mit 8–12 h Wirkdauer.
   20.2  Onkologische Therapie  679

Codein
Dihydrocodein retard (z. B. DHC 60/90/120® Retardtbl.) bis zu 2 × 120 mg/d. Et-
wa 100 mg DHC entsprechen 10 mg Morphin. Wirkdauer 8–12 h. Verursacht von
allen Opioiden am ausgeprägtesten Obstipation.
Pethidin (z. B. Dolantin®)
Bis zu 5 × 100 mg/d (= je 1 Amp. i. v. oder i. m., je 25–50 Tr. oder je 1 Supp). Etwa
75–100 mg Pethidin entsprechen 10 mg Morphin. Beseitigt auch postop. „Shive-
ring“, dadurch deutliche Senkung des Sauerstoffverbrauchs. Wirkdauer 3–4 h, für 20
die Dauerther. nicht geeignet. KI: Pat. mit MAO-Blocker-Ther. (schwerwiegendes
Exzitationssy.).
3. Stufe: „starke“ Opioide
Piritramid
(z. B. Dipidolor®) 6 × 15–30 mg/d (= je 1–2 Amp. i. m. oder i. v.). Etwa 15 mg Piri-
tramid entsprechen 10 mg Morphin. Sehr häufig postop. eingesetztes Analgeti-
kum. Wirkdauer 4–6 h.
Buprenorphin (z. B. Temgesic®, Temgesic® forte)
Bis zu 4 × 0,4 mg/d p. o. (= 4 × 1–2 Sublingualtbl.), bis zu 4 × 0,3 mg/d i. m., i. v.
(= 4 × 1 Amp.). Etwa 0,3–0,4 mg Buprenorphin entsprechen 10 mg Morphin. Gute
Anwendung bei Pat. mit Schluckstörungen wegen s. l. Resorption. Nur mit hohen
Dosierungen von Naloxon (Narcanti®) antagonisierbar. Wirkdauer oral 4–6 h.
Neu: Buprenorphin als transdermales Matrixpflaster (Transtec® 35; 52,5; 70 μg/h).
Anflutung und Abklingen des Wirkstoffs jeweils über 12 h nach Aufbringen bzw. Ent-
fernen des Pflasters! In den ersten 12  h bisherige Schmerzmedikation beibehalten.
Zusatzmedikation bei Bedarf verabreichen (Temgesic® s. l. Tbl.). Nach 3 Tagen je nach
erforderlicher Gesamttagesmenge an zusätzlichen Analgetika ggf. Dosisanpassung
des Pflasters. Pflaster auf unbehaartes Gebiet von Brust oder Rücken kleben. Baden,
Duschen, Schwimmen, Zerschneiden und Verkleinern des Pflasters ist möglich.
Morphin
Nichtretardiertes Morphin, z. B. MSI 10/20/100/200 Mundipharma® Amp., Sev-
redol® 10/20 Tbl., MSR 10/20/30® Supp., retardiertes Morphin, z. B. MST
10/30/60/100/200® Retardtbl., MST Continus® 30/60/100/200 Retardkps. mit 24 h
Wirkdauer, MST 20/30 Retard-Granulat®, Capros 10/20/30/60/100® Kps. je nach
Schmerzintensität titrierend bis zur Schmerzfreiheit bzw. geringer, tolerabler In-
tensität verabreichen. Keine Obergrenze der analgetischen Wirksamkeit (kein
Ceiling-Effekt), Limitierung nur durch auftretende NW.
Fentanyl transdermal (Fentanyl TTS)
z. B. Durogesic® 25/50/75/100 μg/h = Pflaster à 2,5/5,0/7,5/10,0 mg Fentanyl.
Ind.: Tumorschmerzen und Probleme mit oralem/rektalem Applikationsweg, als
Alternative zu anderen Substanzen der Stufe 3. Wirkweise: Anfluten über 12 h, dann
gleichmäßige Wirkspiegel im Plasma. Wirkdauer 72 h. Alle 3 Tage Pflasterwechsel.
Dosisfindung:
• z . B. PCA-Pumpe mit Fentanyl oder Morphin i. v. oder retardiertes orales
Morphin plus schnell wirksames Morphin bei Schmerzspitzen. Nach mind.
3 Tagen Umrechnung: ermittelte Tagesdosis von retardiertem oralem Mor-
phin [mg] × 0,01 = Tagesdosis Fentanyl TTS [mg] oder:
680 20  Praktische Onkologie  

• F entanyl i. v. × 1,5 = Fentanyl TTS. Dann Auswahl des geeigneten Pflasters


oder
• s ofort Fentanylpflaster nach Umrechnung der bisherigen Morphindosis oder
kleinstmögliche Größe auswählen und aufkleben. In den ersten 12 h bisherige
Schmerzmedikation beibehalten. Zusatzmedikation bei Bedarf verabreichen
(Fentanyl, Morphin). Nach 3 Tagen je nach erforderlicher Gesamttagesmenge
an Analgetika beim Pflasterwechsel ggf. Dosisanpassung des Pflasters. Hitze
steigert die Resorption. Mehrere Pflaster sind gleichzeitig möglich, Zerschnei-
20 den und Verkleinern der Pflaster jedoch nicht (im Gegensatz zum Buprenor-
phinpflaster Transtec®).

Auswahl adjuvanter Medikamente (auf jeder Stufe einsetzbar)


Amitriptylin (z. B. Saroten®)
Antidepressivum mit eigener analgetischen Wirkung in niedriger Dosierung (10–
75 mg/d p. o.). Hilfreich bei als brennend empfundenen Schmerzen (neuropathi-
scher Schmerz). Einschleichend beginnen, wegen sedativer Eigenschaft Gabe zur
Nacht. Wirkung erst nach kontinuierlicher Einnahme über 1–2 Wo. in Verbin-
dung mit anderen Analgetika beurteilbar.
Doxepin (z. B. Aponal®)
Bei zusätzlichen Schlafstörungen, Einsatz eines beruhigendes Antidepressivum
mit Wirkstoffen wie Amitriptylin oder Doxepin.
Carbamazepin (z. B. Tegretal®)
Antikonvulsivum bei als „stromschlagähnlich“ empfundenen einschießenden
Schmerzattacken (oft bei Nervenläsion durch Tumorinfiltration oder Trigemi-
nusneuralgie). Einschleichender Dosisbeginn von 200 mg bis auf 400–600 mg/d
p. o. Kontrolle der Leberfunktionsparameter und des Carbamazepinspiegels im
Serum.
Dexamethason (z. B. Fortecortin®)
Glukokortikoid zur Reduktion entzündlicher Komponenten mit Schwellung (z. B.
Leberkapselspannung, Knocheninfiltration bei Metastasen) und damit verbunde-
nen Schmerzen. Wirkt auch unspezifisch stimmungsaufhellend und appetitför-
dernd. Dosierung 1,5–4 mg p. o. morgens über mind. 1–2 Wo.

Weitere Hinweise zur Schmerztherapie


• P at. in seiner Schmerzäußerung ernst nehmen, nicht immer ist ein entspre-
chendes organisch-pathologisches Korrelat nachweisbar.
• S tatt Kombinationspräparaten besser Monosubstanzen einsetzen, um die je-
weiligen Wirkungen und NW besser beurteilen zu können.

Patient controlled Analgesia (PCA)


Pumpengesteuerte On-Demand-Analgesie bei postop. Wundschmerzen. We-
gen des unterschiedlichen Schmerzempfindens ist so eine individuelle und
rechtzeitige Analgetikagabe bei Verlangen möglich. Eingesetzt wird meist Piri-
tramid (z. B. 1,5 mg/ml, Bolus à 3 mg, max. Boluszahl 6/h = Sperrintervall von
10 Min.).
   20.3  Tumormarker  681

• V
 orteil: Pat. verabreicht sich selbst innerhalb eines vorprogrammierten
Rahmens (Sperrintervall, Höhe der jeweiligen Einzeldosis, max. Gesamt-
dosis) das Analgetikum.
•  achteil: Nur für kooperationsfähige und -willige Pat., Geräte noch sehr
N
teuer, ständige kompetente Rufbereitschaft erforderlich für Probleme
(z. B. ein „Akutschmerzdienst“ des Krankenhauses).

20
Häufige Fehlerquellen der Therapie chronischer Schmerzen
• T herapeut: Verschreibung nur „nach Bedarf“, Standarddosierung, zu
schwaches Analgetikum, Unterschätzung der Schmerzintensität, bürokra-
tische Hemmnisse der BtMVV, Angst vor Suchterzeugung und unzurei-
chendes Wissen über adjuvante Medikamente.
• P at.: Annahme, Tumorschmerzen seien nicht therapierbar; Analgetika
dürften nur genommen werden, wenn „absolut notwendig“; Furcht vor
Sucht; Nichteinnahme der verordneten Medikamente, Absetzen der Me-
dikamente wegen NW ohne Rücksprache.

20.3 Tumormarker
Definition  Von bestimmten Neoplasmen gebildete oder induzierte Biomolekü-
le, die in normal ausdifferenziertem Gewebe nicht oder nur gering vorkommen.
z. B. onkofetale Antigene, tumorassoziierte Antigene, Hormone, Enzyme, Serum-
proteine.
Bedeutung  Kein Marker ist tumorspezifisch, erhöhte Konzentration bisweilen
auch beim Gesunden messbar. In der onkologischen Nachsorge gynäkologischer
Tumoren nicht mehr empfohlen.
Indikationen 
• K ontrolle der Wirksamkeit einer Ther. (wichtigste Ind.).
• N ur bei therapeutischer Konsequenz vor Ther. (OP, Chemo-, Hormon-, Ra-
diother.) einen geeigneten, deutlich erhöhten Marker auswählen (ein Marker
ist zur Verlaufskontrolle meist ausreichend). Weitere Bestimmungen dann
z. B. postop. bzw. nach Therapiebeginn zur Verlaufskontrolle: 10–20 Tage
nach Therapiebeginn (je nach HWZ des Markers).
Bewertung 
• K önnen früher als andere diagn. Verfahren auf Rezidive hinweisen.
• B ei radikaler OP Markerabfall innerhalb von 4–8 Wo. Ein Wiederanstieg
spricht für ein Rezidiv oder Metastasen.
• Z ur Primärdiagn. und zum Screening unbrauchbar. Ausnahme Pat. mit Z. n.
Blasenmole, V. a. Keimzelltumoren (β-HCG).
• Z ur Prognoseeinschätzung selten geeignet. Ausnahmen: CEA beim kolorek-
talen Ca, AFP und β-HCG bei Keimzelltumoren. Cave: Werte werden durch
Rauchen (CEA, TPA), Schwangerschaft (AP, HCG), Katabolismus, entzünd-
liche oder toxische Erkr. beeinflusst.
• M arker-Normwerte differieren je nach Labormethode → möglichst stets im
gleichen Labor bestimmen lassen!
682 20  Praktische Onkologie  

Tab. 20.4  Klinisch relevante Tumormarker


Tumormarker CEA TPA CA- CA- CA- SCC AFP HCG CA Ande-
15–3 19–9 12–5 72–4 re

Tumor

Schilddrüse (alle + + TG,


Formen) HCT*

20 Lunge (kleinzel- + + + NSE**


lig, epithelial
[SCC])

Mamma ++ ++ +++
+

Pankreas + +++ +

Leber (alle For- + + ++


men) +

Gallenwege, + +++
Magen

Kolorektal-Ca ++ + +
+

Endometrium-Ca + ++ Ca 50

Uterus, Chorion ++
+

Zervix-Ca + ++
+

Ovar, muzinöses + ++
Kystadenom +

Ovar, epithelia- + + + + +++ ++


ler Tumor +

Ovar, Keim- + ++ ++ ++
zelltumor + +

Blase + +

+ + + Marker der 1. Wahl; + + Marker empfehlenswert (evtl. Zweitmarker oder in


Kombination mit 2. Marker); + Markereinsatz möglich; *  Kalzitonin; **  neuronen-
spezifische Enolase

20.4 Behandlung maligner Ergüsse


Bei Malignomen entstehen häufig Pleuraergüsse und Aszites.

Pleuraerguss
Ursachen  Transsudate häufig nicht tumorbedingt, Exsudate außer durch Tumor
auch infektiös, autoimmunologisch bedingt. Bei unzureichendem Erfolg der sys-
   20.4  Behandlung maligner Ergüsse  683

temischen Ther. und vorherrschender Dyspnoe bei Pleurakarzinose eines Mam-


ma- oder Ovarial-Ca komplette Ergussbeseitigung durch ein- bis zweimalige Mi-
toxantrongabe in 50 % der Fälle möglich, in 80 % Ergussreduktion.
Klinik  Dyspnoe, bei kleinen Ergüssen bestehen häufig keine Beschwerden.
Diagnostik  Perkussion und Auskultation; Rö-Thorax; Sono. Diagn. Punktion
(▶  2.3.2) zur zytologischen, ggf. bakteriologischen Untersuchung, Bestimmung
des spez. Gewichts (Transsudat spez. Gew. 1.015 g/l, Eiweiß 30 g/l; Exsudat spez.
Gew. 1.015 g/l, Eiweiß 30 g/l), Eiweißbestimmung (▶ 2.3.2). DD: Tbc, Pneumonie, 20
Rechtsherzinsuff., Hypoalbuminämie.
Therapie 
• B ei zytologisch neg. Erguss eher Instillation von Tetrazyklinen, bei zytolo-
gisch pos. Erguss Zytostatika ggf. in Kombination mit Tetrazyklinen.
• P leurapunktion (▶ 2.3.2).
• A nlage einer Pleuradrainage (Neo-Pneomocath oder Onko-Pneomocath-Ka-
theter) im 5.–6. Interkostalraum in der hinteren Axillarlinie.
• K omplettes Ablassen des Pleuraergusses, evtl. Spülung mit 100 ml NaCl.
• S ystemische Gabe eines starken Analgetikums, z. B. Temgesic sublingual®,
ggf. interpleurale Vorinstillation von 20 ml 1 % Xylocain-Lsg.
• Interpleurale Gabe des Zytostatikums, z. B. in 20 ml Verdünnungslösung.
• V erschluss der Drainage für 48–72 h.
Wiederholung bei Zytostatika einmalig, bei fehlenden Erfolg evtl. Tetrazyklin
1.000–1.500 mg oder Doxycyclin 500–1.000 mg.

Aszites
Klinik  Zunahme des Bauchumfangs, Dyspnoe bei Zwerchfellhochstand.
Diagnostik  Palpation; Sono; diagn. Punktion (▶ 2.3.3) mit laboranalytischer Ab-
klärung der Aszitesursache (Zytologie, Mikrobiologie, Eiweiß, Cholesterin, Glu-
kose, Fibronektin).
Differenzialdiagnosen  Stauungsaszites (Leberzirrhose, Budd-Chiari-Sy., Alko-
holhepatitis, Pfortaderthrombose), entzündlicher Aszites (bakteriell, Tbc, Pan­
krea­titis), Hypalbuminämie (nephrotisches Sy., Albuminverlust-Sy.).
Therapie 
• B ei fortgeschrittener Metastasierung immer Therapieversuch mit 200–300 mg
Spironolacton gerechtfertigt.
• B ei unzureichendem Erfolg der systemischen Ther. und klinischer Sympto-
matik Aszitesreduktion durch intraperitoneale Ther. indiziert (Erfolgsraten
35–60 %, NW: Peritonitis mit Schmerzen, Fieber, Nausea).
• P eritonealpunktion (▶ 2.3.3), Anlage eines geeigneten Katheters (z. B. Perito-
fix-Katheter).
• A blassen des Aszites, evtl. Spülung des Peritonealraums mit 2–4 l körperwar-
mer NaCl-Lsg.
• S ystemische Gabe eines starken Analgetikums, z. B. Temgesic sublingual®.
• Instillation eines geeigneten Zytostatikums in 1–2 l NaCl-Lsg. über mind.
24 h bzw. auf Dauer belassen.
• W iederholung alle 3–4 Wo. möglich.
• B eim Ovarial-Ca: intraperitoneale Ak-Ther. mit Catumaxomab (Removab®)
möglich.
684 20  Praktische Onkologie  

20.5 Behandlung von Hirnfiliae


Vornehmlich Mamma-Ca metastasieren ins Gehirn und erhöhen den intra-
kraniellen Druck. Bei früher Diagn. werden Hirnmetastasen palliativ be-
strahlt; hierdurch wird meist ein Hirnödem ausgelöst (Ödemprophylaxe
durch Hydrokortison 3 × 10 mg/d p. o.). Die Behandlung sollte in Zusam-
menarbeit mit einem Neurologen erfolgen. Bei Metastasen entsteht selten ein
20 akutes, meist ein subakutes Hirnödem.

Akutes Hirnödem
Intensivstation; initial Dexamethason 40–100 mg (z. B. Fortecortin® etwa 1 mg/kg
KG), dann über 10–20 Tage Dosis reduzieren (s. u.), zusätzlich Furosemid 40 mg
i. v. und Mannit 20 % 250 ml i. v. über 15 Min. (engmaschige Kontrolle der Aus-
scheidung per Blasenkatheter, RR- und Pulskontrolle); maschinelle Beatmung ab
pCO2 von 40–45 mmHg.

Subakutes Hirnödem
Initial Dexamethason 20–50 mg (z. B. Fortecortin®), dann 12–24 mg/d über 2 Wo.,
Erhaltungsdosis 2–8 mg/d p. o.

Chemotherapie bei Hirnfiliae


BCNU = Carmustin 200 mg/m2 i. v. (z. B. Carmubris®) alle 6–8 Wo. oder Topote-
can (Hycamtin®) 1,5 mg/m2 Tag 1–5 alle 3 Wo.

20.6 Behandlung der Hyperkalzämie


Bei ossären Filiae kann durch Osteolyse oder paraneoplastisch (bei gynäko-
logischen Malignomen selten) eine Hyperkalzämie entstehen.

Klinik 
• H äufig Nephrolithiasis, selten Nephrokalzinose.
• A ppetitlosigkeit, Übelkeit, Obstipation, selten Magen-Darm-Ulzera und Pan-
kreatitis.
• R asche Ermüdbarkeit, Abgeschlagenheit.
• M uskelschwäche bis hin zur -atrophie.
• D epressive Verstimmung.
Diagnostik  Labor: Kalzium, Phosphat, PTH, AP, cAMP, Hydroxyprolin.
Differenzialdiagnosen  Prim. oder sek. Hyperparathyreoidismus. Selten Hyper-
thyreose, NNR-Insuff., Sarkoidose, Vit.-D-Intox., Vit.-A-Intox., hoch dosierte
Ther. mit Thiaziddiuretika.
Therapie 
• Z oledronsäure (Zometa®, 4-mg-Inf.-Lsg.): Gesamtdosis eines Behandlungs-
gangs bei Hyperkalzämie (albuminkorrigierter Serumkalziumspiegel ≥ 12 mg/
dl oder 3,0 mmol/l): 4 mg. Keine Dosisanpassung bei leichter bis mittelschwe-
   20.6  Behandlung der Hyperkalzämie  685

rer Niereninsuff. (Serum-Krea < 400 μmol/l oder < 4,5 mg/dl). Rekonstituierte


Zometa-Inf.-Lsg. mit 50 ml 0,9 % w/v NaCl oder 5 % w/v Glukose weiter ver-
dünnen und in einer einzigen Infusion über 15 Min. verabreichen. Davor und
danach für ausreichende Hydratation sorgen!
•  lukokortikoide: z. B. Prednison 4 × 5–25 mg/d p. o. (z. B. Decortin® H).
G

20
21 Ultraschall
Volker Duda

21.1 Gynäkologische 21.2.4 Frühschwangerschaft,


­ ltraschalldiagnostik  688
U 1. Screening
21.1.1 Untersuchungstechniken und (9. bis 12. SSW)  696
Untersuchungsablauf  688 21.2.5 2. Trimenon, 2. Screening
21.1.2 Benigne Erkrankungen  690 (19. bis 22. SSW)  696
21.1.3 Maligne Erkrankungen  691 21.2.6 3. Trimenon, 3. Screening
21.1.4 Sonografische (29. bis 32. SSW)  698
­Leitsymptome  692 21.2.7 Plazenta und Zervix  699
21.2 Geburtshilfliche 21.2.8 Geburtshilfliche Doppler-­
­Ultraschalldiagnostik  694 Sonografie  700
21.2.1 Sonografisches 21.2.9 Pränatale Diagnostik von
­Zyklusmonitoring  694 ­fetalen Entwicklungs­
21.2.2 Ultraschall als störungen  702
­Schwangerschaftstest  695
21.2.3 Indikationen zu
­Ultraschalluntersuchungen
in der Schwangerschaft  695
688 21  Ultraschall  

21.1  Gynäkologische Ultraschalldiagnostik


21.1.1  Untersuchungstechniken und Untersuchungsablauf
Untersuchungstechnik
Vaginal
• V
 oraussetzungen: ≥5-MHz-Vaginal-Sektorschallkopf.
• V
 orteile: gute Auflösung, Organe in „natürlicher“ Lagebeziehung zueinan-
der, dynamische Effekte wie Verschieblichkeit oder Komprimierbarkeit von
bestimmten Strukturen nutzen!
• N
 achteile: eingeschränkte Übersicht; bei Kindern nicht, bei Virgines und
Frauen mit atrophischer Vagina nur bedingt einsetzbar.
21
Abdominal
• V
 oraussetzungen: volle Harnblase, 3- bis 3,5-MHz-Sektorschallkopf.
• V
 orteile: gute Übersicht, da größere Prozesse problemlos in ihrer Ausdeh-
nung nach kranial verfolgt werden können.
• N
 achteile: geringe Auflösung, Lageveränderungen der Organe durch die er-
forderliche Blasenfüllung müssen berücksichtigt werden, optimale Blasenfül-
lung oft nicht erreichbar (z. B. bei Harninkontinenz).

Hysterosono und rektaler Zugangsweg nur bei speziellen, z. B. onkologi-


schen, Fragestellungen.

Untersuchungsablauf
Bei normaler Anatomie des inneren Genitales
• V ulva: von perineal einsehbar.
• V agina: von perineal bedingt, von abdominal in den kranialen 2⁄3 gut beurteil-
bar.
• U terus: Darstellung im sagittalen Längsschnitt zur Feststellung der Lage (an-
tevertiert, anteflektiert, gestreckt, retrovertiert, retroflektiert; ▶ Abb. 21.1)
und zur Größenmessung (Länge und a. p.-Durchmesser, Sondenlänge vor ge-
planter OP oder Einlage eines IUP) sowie Beurteilung des Endometriums
(Höhe beider Endometriumlagen zusammen, ggf. Kavumspreizungen subtra-
hieren, Abgrenzbarkeit zum Myometrium, Struktur). Beurteilung der äuße-
ren Uteruskontur im Längs- und Querschnitt auf Unregelmäßigkeiten, Dop-
pelbildungen, Abgrenzung zu Harnblase und Darm.
• D ouglas-Raum: Blick auf die Stromgebiete der uterinen Gefäße und die Ad-
nexabgänge.
• O varien: Lateral des Uterus in Anlehnung an die A. und V. iliaca interna aufsu-
chen, Identifikation durch die ovarielle Gefäßversorgung (A. und V. ovarica).
Messung von 3 Durchmessern in 2 Ebenen, Überprüfung auf Seitendifferenzen
und Strukturauffälligkeiten (Korrelation zum Zyklus; die meisten kleineren
Zysten am Ovar sind Follikel oder zystische Corpora lutea) (▶ Abb. 21.2).
• T uben: Im Normalzustand kann nur der Adnexabgang dargestellt werden.
Cave: Verwechslung von Tube und Lig. rotundum möglich.
   21.1  Gynäkologische Ultraschalldiagnostik  689

21

Abb. 21.1  Antevertiert/anteflektiert liegender Uterus von 6,91 cm Länge, mit


3,97 cm a. p.-Durchmesser, 0,4 cm hohem Endometrium [M455]

Abb. 21.2  Ovar mit sprungreifem Follikel [M455]

Tab. 21.1  Uterus- und Ovarialgröße in Abhängigkeit von der Lebensphase


Lebensphase Uterus Ovarialvolu-
men (cm3)
Länge (cm) a. p.-Durchmesser (cm)

Präpubertät 3–5 1,5–2 0,3–0,5

Reproduktionsphase 6–8 3–4 4–7

Postmenopause Wieder rückläufig 3–4


690 21  Ultraschall  

Bei Verdacht auf pathologische Befunde


Umschriebene path. Prozesse, aber auch sonstige reproduzierbar darzustellende
Auffälligkeiten auf Organzugehörigkeit, Größe bzw. Ausdehnung (drei Durch-
messer in zwei Ebenen), Berandung, Abgrenzbarkeit von und Verschieblichkeit
zu Nachbarorganen sowie Binnenstruktur und sofern möglich Vaskularisation
untersuchen und dokumentieren (Wort und Bild!).

Beispiel  Li. an A. und V. iliaca interna liegender, 5,5 cm × 4 cm × 3,5 cm gro-
ßer Tumor, nur teilweise glatt begrenzt, kaum komprimierbar, mäßig mobil,
überwiegend zystisch erscheinend, radspeichenartige dünne Septen. Histolo-
gie: Ovarialkystom.

21 21.1.2  Benigne Erkrankungen


Häufige benigne Erkr. und Auffälligkeiten an den einzelnen Genitalorganen
­(cave: Sonografisch sind keine histologischen Diagn. möglich!).

Vulva
Bartholin-Zysten bzw. -Abszesse (Ausdehnung, Kolliquationsgrad).

Vagina
Zysten in der Vaginalwand, Fremdkörper bei Kleinkindern, Tampons.

Zervix
Retentionszysten (durchaus nicht selten bis 1 cm Durchmesser).

Uterus
• M
 yome: je nach Lokalisation (submukös, intramural, subserös) als rundliche,
hyporeflektive Gebilde, z. T. mit schalenartigem Aufbau, seltener verkalkt
oder partiell zystisch erweicht.
• E ndometrium: gutartige Veränderungen des Endometriums zeigen sich so-
nografisch meist nur durch eine übernormale Endometriumhöhe, die beob-
achteten strukturellen Auffälligkeiten sind eher unspezifisch.
• I UP: korrekter Sitz, Entfaltung der Seitenteile, nach IUP-Typ fragen!
• I ntrauterine Fruchtanlage: intakt oder gestört (zeitgerechte Entwicklung,
Vitalitätszeichen).
• B lasenmole, Chorionepitheliose: keine zeitgerechte intrauterine Fruchtanla-
ge bei dafür sehr hohem HCG (DD: EUG). Tipp: Vaskularisation von Tro-
phoblast (radiär) und/oder Corpus luteum (ringförmig) überprüfen.

Tube
• S aktosalpinx: schlauch- bis flaschenartig aufgetriebene, längliche zystische
Struktur im Adnexbereich mit neg. Dopplerflow (DD: Varizen → pos. Dopp-
lerflow).
• Tubargrav.: zystisch-solide Struktur im Adnexbereich, die nicht dem Ovar
entspricht, bei pos. HCG und fehlender intrauteriner Fruchtanlage; pos.
Herzaktion extrauterin relativ selten nachweisbar. Diagnosesicherung durch
Laparoskopie (▶ 14.3).
   21.1  Gynäkologische Ultraschalldiagnostik  691

Ovar
• Z ysten: Follikel(-zysten), Corpus-luteum(-Zysten) mit typischer ringförmiger
Vaskularisation, polyzystische Ovarien (PCO-Sy.).
• K ystom: oft sehr großer, gekammerter, zystisch(-solider) Tumor.
• T eratom, Dermoid: vielfältiges Erscheinungsbild, solid oder solid-zystisch
mit kalkdichten Anteilen, Spiegelbildungen zwischen verschiedenen Bestand-
teilen oder kaum von Darmschlingen zu differenzierendes Aussehen.
•  ibrom: solides, meist recht homogenes Aussehen. DD: gestieltes Myom.
F

Adnexe
Sowohl im Rahmen einer Adnexitis als auch einer Endometriose können Konglo-
merattumoren im Adnexbereich ohne mögliche weitere Organzuordnung auftre-
ten (DD: ausgeprägte Verwachsungen im kleinen Becken). Auf verstärkte Gefäß-
zeichnung und freie Flüssigkeit achten (unspezifische Zeichen, dennoch nützlich 21
für die Diagnosefindung!).

21.1.3  Maligne Erkrankungen


Ultraschall als Suchverfahren für Endometrium- und
Ovarialkarzinome
Doppelte Endometriumhöhe ≥8–10 mm und prozentualer Anteil des Endometri-
ums am Uterus-a. p.-Durchmesser ≥30–33 % sowie Ovarialvolumina > 7,5–8 cm3
gelten in der Postmenopause als path. (Abklärung!).

Ultraschall als Stagingmaßnahme bei gynäkologischen Malignomen


Vaginalsono und Sono von abdominal mit gefüllter Harnblase!
• G röße und Ausdehnung des jeweiligen Tumors.
• Ü bergreifen auf benachbarte Organe, besonders Harnblase (von abdominal mit
gefüllter Blase schallen) und Parametrien (z. B. seitendifferente Verplumpung).
• V erschieblichkeit gegen benachbarte Organe, insbesondere Darmschlingen.
• S uche nach Sekundärveränderungen durch das Malignom, z. B. Aszites, starre
Darmschlingen, Omentum-majus-Infiltrat (subfaszial gelegenes, starres,
brettartiges Gebilde), Nierenaufstau, Lebermetastasen.
• V erlaufskontrollen postop. oder während bzw. nach anderen Therapiemaß-
nahmen (exakte Dokumentation in Wort und Bild unerlässlich).

Merz-Score zur Dignitätseinschätzung des Ovarialtumors

Tab. 21.2  Score zur Dignitätseinschätzung des Ovarialtumors (nach Merz)


Punkte

Kriterium 0 1 2

Tumorstruktur – Einfach Komplex

Tumorgrenzen Glatt Gering irregulär Deutlich irregulär

Wanddicke ≤ 3 mm Über 3–5 mm > 5 mm oder nicht messbar


692 21  Ultraschall  

Tab. 21.2  Score zur Dignitätseinschätzung des Ovarialtumors (nach Merz)


(Forts.)
Punkte

Kriterium 0 1 2

Binnenechos im Keine Binnen- Regelmäßige Unregelmäßige


zystischen Anteil echos

Septen (Dicke) Keine ≤ 3 mm > 3 mm

Form des soliden Ohne solide An- Glatt Unscharf


Anteils teile

Echogenität des Ohne solide An- Regelmäßig Unregelmäßig


soliden Anteils teile
21
Akustische Phä- Echoverstär- Partielle Schall- Komplette Schallauslö-
nomene hinter kung auslöschung schung
dem Tumor

Aszites Keiner Wenig Deutlich

Lebermetastasen, Nicht sichtbar Nicht sicher be- Nachweisbar


Peritonealkarzi- urteilbar
nose

Gebildet wird die Summe der Score-Punkte. < 9: eher benigne; ≥ 9: eher maligne.

21.1.4  Sonografische Leitsymptome

Tab. 21.3  Differenzialdiagnose sonografischer Leitsymptome im kleinen Be-


cken mit weiterführenden Sono-Tipps
„Zystisch“ imponierender Tumor

Harnblase Urethra, Uretermündungen, Jet-Phänomen beim Urinein-


strom, Befundänderung nach Miktion

Harnblasendivertikel Zusammenhang mit der Blase, Befundänderung nach Miktion

„Zystisch“ imponierender Tumor

Ovarialzyste Gefäße, originärer Parenchymrest oder ipsilaterales Ovar


nicht getrennt davon abgrenzbar

Paraovarialzyste, Ipsilaterales Ovar abgrenzbar


­Peritonealzyste

Kystom Gekammerter, septierter Tumor

Dermoidzyste Solide randständige Zapfen, Spiegelbildungen zwischen un-


terschiedlichen Binnenstrukturen, kalkdichte Echos

Saktosalpinx Ipsilaterales Ovar abgrenzbar, neg. Dopplerflow, keine Peris-


taltik

Megaureter Ipsilaterales Ovar abgrenzbar, peristaltische Wellen

Varize Ipsilaterales Ovar abgrenzbar, pos. venöser Dopplerflow


   21.1  Gynäkologische Ultraschalldiagnostik  693

Tab. 21.3  Differenzialdiagnose sonografischer Leitsymptome im kleinen Be-


cken mit weiterführenden Sono-Tipps (Forts.)
„Solide“ imponierender Tumor

Myom Zusammenhang mit dem Uterus (Gefäße!), schalenartiger


Aufbau, kalkdichte Areale

Ovarialtumor Gefäße, originärer Parenchymrest oder ipsilaterales Ovar


nicht getrennt davon abgrenzbar

Eingeblutete Zyste Spontane oder zyklusbedingte Änderungen, schleierartige


Binnenechos

Tumorrezidiv Häufig fehlende Organzugehörigkeit, Vaskularisation abklären

Lymphknotenmetas-
tasen
Relativ gut abgrenzbar, eher homogene Binnenechos, ent-
lang von Gefäßen 21
„Zystisch-solide“ imponierender Tumor

Ovarialtumor Gefäße, originärer Parenchymrest oder ipsilaterales Ovar


nicht getrennt davon abgrenzbar

Endometriose Häufig ohne erkennbare Organzugehörigkeit

Regressiv veränder- Zusammenhang mit dem Uterus, nach weiteren Myomen su-
tes Myom chen

Entzündlicher Kon- Ovar und Tube nicht voneinander zu trennen, freie Flüssig-
glomerattumor keit, verstärkte Gefäßzeichnung, Druckdolenz

Darmschlinge (inkar- „Tumor“ mit Kokardenphänomen, Haustrierungen, Peris­


zeriert) taltik

Stielgedrehter Tu- Bizarre Tumorformationen, Vaskularisation abklären (Nach-


mor weis schließt aber Stieldrehung nicht aus!)

Extrauteringravidität Keine intrauterine Grav. erkennbar, freie Flüssigkeit, ipsilate-


rales Ovar abgrenzbar, Corpus luteum in einem Ovar, extra-
uterine Herzaktion, evtl. aufgetriebener Tubenabschnitt

Iliakalarterien-Aneu- Zusammenhang mit großen Gefäßen, pos. (atypischer) Dopp-


rysma lerflow

„Kokardenphänomen“, hier: echodichtes Zentrum, echoarmer Rand

Darmschlinge Fehlende Abgrenzbarkeit in der zweiten (Längs-)Ebene,


Haustrierungen, Peristaltik, Vaskularisation nur in der Wand

Muskulatur Überprüfung der Schnittebene! Symmetrischer Befund kont-


ralateral

Beckenniere Anamnese! Ipsilaterale Niere nicht in loco typico abgrenzbar

Partiell verkalktes Zusammenhang mit dem Uterus, evtl. weitere Myome er-
Myom kennbar

Dermoid Ipsilaterales Ovar nicht abgrenzbar

Stielgedrehter Tu- Anamnese! Druckdolenz, bizarre Tumorformationen, Vasku-


mor (peripheres larisation abklären
Ödem)
694 21  Ultraschall  

Tab. 21.3  Differenzialdiagnose sonografischer Leitsymptome im kleinen Be-


cken mit weiterführenden Sono-Tipps (Forts.)
„Freie Flüssigkeit“

Rupturierte Zyste Zystenbalg, Corpus luteum


(Zystenflüssigkeit,
Blut)

Benigner Ovarialtu- Tumornachweis


mor (Aszites)

Maligner Ovarialtu- Tumornachweis, Hinweise auf Peritonealkarzinose oder Le-


mor (Aszites) bermetastasen

Extrauteringravidität Kein Anhalt für intrauterine Grav., Corpus luteum in einem


21 (Blut) Ovar, EUG-Korrelat in Form eines Tumors oder extrauteriner
Herzaktion

Adnexitis (Exsudat, Konglomerattumor, Druckdolenz


Blut)

(Perforierte) Appen- Darstellbare Appendix, extraintestinales Gas, Uterus und


dizitis (Exsudat, Pus, Ovarien unauffällig
Blut)

Z. n. OP (Spülflüssig- Anamnese!


keit, Blut)

21.2  Geburtshilfliche Ultraschalldiagnostik


21.2.1  Sonografisches Zyklusmonitoring
• P ostmenstruell: Ausschluss von Ovarialzysten aus vorherigen Zyklen (1.–
3. ZT).
• P roliferationsphase: Verbreiterung des hyporeflektiven Endometriumechos
mit Mittelecho und Follikelwachstum (bis zu 2 mm/d im Durchmesser).
• P eriovulatorisch: Sprungreifer Follikel (2–2,5 cm Durchmesser), evtl. mit Cu-
mulus oophorus, schlaufenförmig hoch aufgebautes Endometrium (≤ 15 mm)
→ Verschwinden des Follikels und Ersatz durch meist reflexreich-ringförmige
Corpus-luteum-Struktur, etwas Flüssigkeit im Douglas-Raum als Ovulations-
zeichen.
• S ekretionsphase: Endometrium meist echodichter und homogener als in der
Proliferationsphase, Corpus luteum kann sich zystisch umwandeln (ringför-
mige Vaskularisation).
! S chwangerschaftseintritt: Zunahme der Endometriumdicke bis > 2 cm, auch
ohne Fruchtblasennachweis, Corpus luteum konstant nachweisbar, kann sich
aber in seiner Struktur verändern.
   21.2  Geburtshilfliche Ultraschalldiagnostik  695

21.2.2  Ultraschall als Schwangerschaftstest

Ab dem sicheren Nachweis einer Gravidität unterliegt die Schwangere den


Mutterschaftsrichtlinien, die auch den Einsatz der Sonografie in der
Schwangerschaft festlegen (▶ 5.3).
• F ruchtblasen-Nachweis (intrauterin): vaginalsonografisch ab 30.–31. Tag
p. m., mit 2 mm Durchmesser (HCG: 750–1.000 mIE/ml, je nach Bestim-
mungsmethode).
• D ottersack-Nachweis: etwa 4–5 mm große, extraamnial gelegene Ring-
struktur, nachweisbar zwischen der 5. und 10. abgeschlossenen SSW (grö-
ßere [=„hydropische“] oder kleinere Dottersackdurchmesser sind prog-
nostisch ungünstig).
• H erzaktion-Nachweis: in Einzelfällen sonografisch ab dem 38./39. Tag 21
p. m.; ab dem 42.–44. Tag p. m. routinemäßig nachweisbar. Ab einer SSL
von 5–6 mm ist der vaginalsonografische Nachweis obligat zu fordern!
• E mbryo-Nachweis: ab der 4. (abgeschlossenen) SSW mit 2–5 mm SSL.
Ausführliche Tabelle der Messgrößen → hinterer Klappentext.

21.2.3  Indikationen zu Ultraschalluntersuchungen in der


Schwangerschaft

Über die regelmäßig durchzuführenden US-Untersuchungen (9.–12. SSW,


19.–22. SSW und 29.–32. SSW) hinaus können unter den nachstehend auf-
geführten Voraussetzungen weitere US-Untersuchungen angezeigt sein, so-
fern der Befund durch andere klinische Untersuchungsmethoden nicht zu
klären ist und eine der nachfolgend aufgeführten Ind. vorliegt (unabhängig
vom Schwangerschaftszeitraum bei uteriner Blutung).

1. Trimenon
• V
 . a. gestörte intrauterine Frühschwangerschaft (z. B. liegendes IUP, Uterus
myomatosus, Adnextumor, uterine Blutung).
• N achweis einer intrauterinen Schwangerschaft bei zwingendem V. a. EUG.
• D iskrepanz zwischen Uterusgröße und Gestationsalter.
• S chwangerschaftsgefährdende Unfälle und Verletzungen sowie Intoxikationen.
2. Trimenon
• A
 ls notwendige Ergänzung zu anderen diagn. Maßnahmen (z. B. Amniozen-
tese).
• B ei V. a. intrauterinen Fruchttod.
3. Trimenon
•  h-Inkompatibilität (Plazentadiagn.).
R
•  . a. intrauterine Retardierung (z. B. EPH-Gestose), V. a. Hydramnion.
V
•  iabetes mellitus.
D
•  rohende Frühgeburt (vorzeitige Wehen, Zervixinsuff.), Lageanomalien (nur
D
nach Durchführung der 2. Routineuntersuchung).
696 21  Ultraschall  

21.2.4  Frühschwangerschaft, 1. Screening (9. bis 12. SSW)


• B efunderhebung: intrauteriner Sitz, Embryo darstellbar, Herzaktion. Bei
Mehrlingen festlegen, ob bi- oder monoamnial bzw. bi- oder monochorial.
Dorsonuchales Ödem (< 3 mm normal), sonstige Auffälligkeiten, zeitgerechte
Entwicklung.
• 1  Biometriemaß: FS = Fruchtsackdurchmesser, SSL = Scheitel-Steiß-Länge
(ist dem FS vorzuziehen, sobald abgreifbar), BPD = biparietaler Durchmesser.
• V eranlassung weiterführender Untersuchungen.
• E rsttrimester-Screening ▶ 4.2.4; ▶ Abb. 21.3.

Fetales Leben?

21 ja nein

Einling Mehrlinge HCG


ggf. Abortkürettage
Biometrie

Gestationsalter

stimmt stimmt nicht Fehlersuche!


Fehlbildung? Weitere
Diagnostik

Abb. 21.3  Untersuchungsablauf bei Feststellung einer Schwangerschaft [L190]

21.2.5  2. Trimenon, 2. Screening (19. bis 22. SSW)

Neben den Mindestanforderungen der Mutterschaftsrichtlinien existieren


mittlerweile auch Leistungsbeschreibungen der DEGUM (Deutsche Gesell-
schaft für Ultraschall in der Medizin), die ebenfalls als Mindestanforderungen
für eine „weiterführende differenzialdiagn. Ultraschalluntersuchung“ zwi-
schen der 18. und 22. SSW (= Beginn der 19. bis Ende der 22. SSW) zu verste-
hen sind (DEGUM-Echo, Ultraschall in der Medizin 2001, 22: M91–93).

Dokumentation
Standardmäßig sollten die fett gedruckten Parameter als Bild dokumentiert wer-
den, ebenso jegliche Auffälligkeiten. Eingeschränkte Sichtverhältnisse (z. B. auf-
grund der mütterlichen Bauchdecke, einer ungünstigen Lage des Feten oder einer
ungenügenden FW-Menge) sind unbedingt im schriftlichen Befund aufzuführen,
auch ist die Pat. in einem solchen Fall über die eingeschränkten Sichtverhältnisse
aufzuklären.
   21.2  Geburtshilfliche Ultraschalldiagnostik  697

Allgemeines
•  inling/Mehrlinge: Chorionizität; Amnionizität, sofern noch erkennbar.
E
•  italität: Herzaktion/Bewegungen.
V
•  W-Menge: qualitativ, quantitativ.
F
•  abelschnur: Gefäßzahl.
N
•  lazenta: Sitz (Ausschluss Placenta praevia), Struktur, Dicke.
P

Körperliche Befunde
Kopf 
• K ontur: Außenkontur im Planum frontooccipitale (Biometrie: biparietaler
Kopfdurchmesser [BPD], frontookzipitaler Kopfdurchmesser [FOD], Kopf-
umfang [KU]).
• Innenstrukturen: Hirnseitenventrikel, Plexus choroideus, Zerebellumkontur
(Biometrie: Zerebellum-Transversaldurchmesser CTD). 21
• G esicht: Seitenprofil (medianer Sagittalschnitt) und Aufsicht Mund-/Nasen-
bereich (Frontalschnitt).
Nacken/Hals  Kontur.
Wirbelsäule  Sagittaler Längsschnitt und Hautkontur über der Wirbelsäule.
Thorax 
• L unge: Struktur.
• H erz: Herzfrequenz und -rhythmus, qualitative Einschätzung von Größe,
Form und Position des Herzens, Vierkammerblick, links- und rechtsventri-
kulärer Ausflusstrakt.
• Z werchfell: Kuppelkontur im Längsschnitt.
Abdomen 
• K ontur (Biometrie: Abdomen-Transversaldurchmesser [ATC], Abdomen
Anterior-Posterior-Durchmesser [APD], Abdomenumfang [AU]).
• L eber: Topografie und Struktur.
• M agen: Topografie (Höhe der Biometrieebene).
• D arm: Echogenität.
Urogenitaltrakt 
• N ieren (bds.): Topografie und Struktur.
• H arnblase: Topografie und Form.
Extremitäten  Arme und Beine, Hände und Füße ohne differenzierte Darstel-
lung der Finger und Zehen (Biometrie: Femur FL und Tibia oder Fibula, alterna-
tiv: Humerus HL und Radius oder Ulna).

Messebenen
Kopf  Kalotte als Ovoid, Cavum septi pellucidi, diskontinuierliche Abbildung
der Falx cerebri (▶ Abb. 21.4). Hinweise auf fehlerhafte Einstellung der Messebe-
ne:
• A bbildung der Orbitae oder des Zerebellums (= zu weit kaudal).
• F alx cerebri durchgehend dargestellt ohne Cavum septi pellucidi (= zu weit
kranial).
698 21  Ultraschall  

21

Abb. 21.4  Fetaler Kopf in der 23. SSW; biparietaler Durchmesser (BPD) = 5,67 cm,
okzipitofrontaler Durchmesser (OFD) = 6,81 cm. Kopfumfang (HC) = 19,75 cm
[M455]

Abdomen  Abdomen als rundlicher Querschnitt, Lebervenensinus, Rippen


bds. symmetrisch dargestellt. Hinweise auf fehlerhafte Einstellung der Mess­
ebene:
• H
 erz im Bild erfasst (= zu weit kranial).
• N
 ieren abgebildet (= zu weit kaudal).
• M
 agenblase dargestellt (= korrekt).
• A
 PD > ATD (= „Salamischnitt“).
Nicht vergessen: Mutterpass korrekt ausfüllen. Der errechnete Geburtster-
min sollte nur einmal durch den Ultraschall korrigiert werden; Normo-
gramm ausfüllen!

21.2.6  3. Trimenon, 3. Screening (29. bis 32. SSW)


Untersuchungsablauf ▶  22.2.3. Besondere Beachtung der Wachstumsdynamik
(▶ Abb. 21.5) im Vergleich zu Voruntersuchungen und Feststellung der Kindslage
und des endgültigen Plazentasitzes.

Sonografische Kontrollen der fetalen Wachstumsdynamik sind erst nach


10 Tagen sinnvoll; die oft üblichen wöchentlichen Kontrollen kommen für
eine Kontrolle fraglicher Messwerte zu spät und für eine verwertbare Wachs-
tumskontrolle zu früh!
   21.2  Geburtshilfliche Ultraschalldiagnostik  699

21

Abb. 21.5  Abdomen in der 30. SSW. Transversaldurchmesser (APTD) = 7,27 cm,


Abdomenumfang (AC) = 23,5 cm [M455]

Gewichtsschätzung
Anhand der Sonobiometrie des Fetus am besten aus BPD und ATD oder AU und
FL üblich, Genauigkeit: ± 10 % durchschnittlich (!), leichte Kinder werden meist
unter-, schwere eher überschätzt! Cave: Bei BEL, Querlage, sehr wenig oder viel
FW → Messergebnisse z. T. verändert.

Kopf-Thorax-Diskrepanz
Gebräuchlicher Begriff, obwohl mit Thorax eigentlich das „Abdomen“ gemeint ist.

Nicht vergessen: Mutterpass ergänzen!

21.2.7  Plazenta und Zervix


Plazenta
Placenta praevia
Ausschließen oder nachweisen. Der Nachweis, aber auch schon der Verdacht dar-
auf muss deutlich sichtbar im Mutterpass vermerkt werden. Pat. eingehend über
einen solchen Befund aufklären (sofortige Krankenhauseinweisung bei Blutung,
keine vag. Untersuchungen).

• „ Reifegradeinteilungen“ der Plazenta (z. B. nach Grannum) korrelieren


nicht unbedingt mit der Leistungsfähigkeit des Organs.
• L okale Myometriumkontraktionen (isoreflektiv zum Myometrium)
können zur Verwechslung mit der Plazenta (hyperreflektiv) führen.
700 21  Ultraschall  

• D
 ie in unterschiedlichem Ausprägungsgrad vorhandenen retroplazenta-
ren Gefäßräume (pos. Dopplerflow) nicht mit partiellen Lösungsbezir-
ken (kein Dopplerflow) verwechseln!

Zervix
Längenmessung
CK auf ganzer Länge darstellen. Längenmessung als Absolutwert klinisch kaum
verwertbar, wohl aber bei Verlaufskontrollen. Eine gefüllte Harnblase führt zu
falsch hohen Werten durch Druck auf die Zervix; am realistischsten sind vaginal-
sonografisch ermittelte Werte bei entleerter Harnblase.
Muttermund
21 Trichterförmige Öffnungen des inneren MM sind bei Zervixverschlussinsuff. oder
vorzeitiger Wehentätigkeit prognostisch schlecht, im Einzelfall aber durchaus
­reversibel.

Tab. 21.4  Veränderungen der Kindsgröße im Schwangerschaftsverlauf


Kindsgröße Mögliche Ursachen Maßnahmen

Small for gestatio- Plazentainsuff., Doppler-Sono, CTG, Amniozentese


nal Age (SGA) Fehlbildung (Karyo­typ, Lungenreife), ▶ 4.2.5, ▶ 5.1.7

Large for gestatio- Diabetische Fetopa- BZ-Tagesprofil, Doppler-Sono, CTG; Am-


nal Age (LGA) thie, Fehlbildung niozentese (Insulinspiegel, Lungenreife,
Karyotyp, ▶ 4.2.5, ▶ 5.1.7)

Tab. 21.5  Kopf-Thorax-Diskrepanz


Kopf Thorax Verdachtsdiagnose

Zu groß Normal Hydrozephalus

Zu klein Normal Mikrozephalus

Normal Zu klein SGA, Omphalozele, Gastroschisis

Normal Zu groß Diab. Fetopathie, Aszites, Hepatomegalie, intraabdom.


Tumoren

Zerklage
Die intraop. Sono bei Anlage einer Zerklage ist sinnvoll, auch wenn sie derzeit sel-
ten genutzt wird. Oft liegen die Fäden aus Unsicherheit über die lokalen Verhältnis-
se zu weit kaudal, dadurch üben sie kaum eine Wirkung aus und reißen leichter ein.

21.2.8  Geburtshilfliche Doppler-Sonografie


Definition  Aufzeichnung der Strömungsprofile verschiedener Gefäße des feto-
maternalen Versorgungssystems, die sich unter path. Bedingungen in typischer
Weise verändern (▶ Abb. 21.6). Für risikolose Schwangerschaften bislang nicht als
Screening-Methode empfohlen.
   21.2  Geburtshilfliche Ultraschalldiagnostik  701

Indikationen  Gemäß Mutterschafts-


richtlinien: A. umbilicalis RI:..................
• V . a. intrauterine Wachstumsretar- 1,0
dierung (▶ 5.12). 0,9
• S chwangerschaftsinduzierte Hyper- 0,8
tonie, EPH-Gestose (▶ 5.8.1). 0,7
• Z . n. Mangelgeburt, intrauterinem 0,6
Fruchttod. 0,5
• Z . n. Präeklampsie, Eklampsie. 0,4
• A uffälligkeiten der fetalen Herzfre- 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42
quenz.
• B egründeter V. a. Fehlbildung oder
fetale Erkr. (▶ 5.16). Fetale Aorta RI:....................
• M ehrlingsschwangerschaft mit dis- 1,0
21
kordantem Wachstum (▶ 5.11). 0,9
• V . a. Herzfehler oder Herzerkr. 0,8
Vorteile sind auch bei vorbestehenden 0,7
maternalen Erkr. bekannt, die Auswir- 0,6
kungen auf das Gefäßsystem haben (z. B. 0,5
Hypertonie, Diab. mell., Nephropathien). 0,4
22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42
Voraussetzungen 
• S chwangerschaft > 20. SSW (außer
bei V. a. fetale Erkr.). A. cerebri media RI:...............
• M aternale und fetale Ruhebedin- 1,0
gungen (fetale Tachykardien und
0,9
Bewegungen können zu einer nicht
0,8
repräsentativen Erhöhung des end-
0,7
diastolischen Flows führen).
• D arstellen und Ausmessen von 0,6
­(3–)5 gleichförmigen Gefäßzyklen. 0,5
• G efäßwandfilter ≥ 100 Hz. 0,4
• D opplerfenster = Gefäßbreite. 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42

• S challeinfallswinkel in Bezug zum


Gefäßverlauf ≤ 60°. A. uterina RI: re. ...... li. .......
• D opplerskala möglichst groß wäh- 1,0
len (minimiert Messfehler). 0,9
• M öglichst geringe Intensität und 0,8
0,7
kurze bzw. fraktionierte Untersu- 0,6
chungsdauer (ALARA-Prinzip: as 0,5
0,4
low as reasonably achievable). 0,3
0,2
Durchführung  0,1
• A a. uterinae: Information über das 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42
uteroplazentare Strombett. Nach der
24. SSW darf kein bilateraler Notch
(frühdiastolische Inzisur im Fluss- Abb. 21.6  Normkurven Doppler-Sono-
grafie [L157]
profil) mehr nachweisbar sein. Bei
Seitenungleichheit auf lateralisierten
Plazentasitz achten.
702 21  Ultraschall  

• A
 a. umbilicales: spiegeln die Verhältnisse im plazentaren Strombett am bes-
ten wider und zeigen die intensivste Abhängigkeit vom Schwangerschaftsalter
(keine Dopplerauswertung ohne Kenntnis des Gestationsalters!). Bei patholo-
gischem Befund erst die zweite Umbilikalarterie überprüfen!
•  orta fetalis: wird im Strömungsverhalten ebenfalls stark von der plazenta-
A
ren Durchblutung beeinflusst. Werte über der 90./95. Perzentile oder ARED-
Flowmuster (Absent or reversed enddiastolic Flow) gelten als pathologisch.
Häufig Probleme mit dem Schalleinfallswinkel.
•  . cerebri media: Erst ab der 36. SSW steigt hier der enddiastolische Fluss an,
A
vorher ist ein entsprechender Flussverlust evtl. physiologisch (im Gegensatz zu
den oben beschriebenen Gefäßen). Sinkt der enddiastolische Fluss vor der
36. SSW auf Werte unter der 10. Perzentile, ist bei gleichzeitigen path. Werten in
anderen Gefäßen von einer fetalen Stresssituation auszugehen. Scheinbare Ver-
21 besserungen der Werte der A. cerebri media bei Verschlechterung in den ande-
ren Gefäßen deuten auf ein Zusammenbrechen des „Brain-sparing Effect“ hin.
•  . umbilicalis: Atemunabhängige Pulsationen im intrahepatischen Teil gel-
V
ten als path.; mögliche Ursache ist ein Vitium cordis.

Auswertung
• Q
 ualitativ: durch Beurteilung der Flussmuster. Enddiastolischer Null- oder
Rückwärtsfluss (ARED-Flow) z. B. in der A. umbilicalis ist pathologisch.
• Q
 uantitativ: Durch Bildung von Indizes (RI = Resistenzindex, A/B-Ratio, PI =
Pulsatilitätsindex) und Kontrolle anhand von Normkurven. Für A. umbilica-
lis und Aorta gelten Werte über der 90./95. Perzentile als pathologisch.
ARED-Flowmuster und Blutumverteilungen im Sinne eines „Brain-sparing Ef-
fect“ korrelieren mit erhöhter Morbidität und Mortalität. Umgehende Intensiv­
überwachung (▶ 5.1) und ggf. vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft können
notwendig werden.

21.2.9  Pränatale Diagnostik von fetalen


Entwicklungsstörungen

• A
 rtefakte ausschließen.
• A
 uffällige Befunde gut dokumentieren (in Wort und Bild), nach zusätz-
lichen Auffälligkeiten suchen und die Anforderungen des „normalen“
Untersuchungsprogramms nicht vernachlässigen.
• S chon bei der Untersuchung die vermuteten Zusammenhänge mit be-
stimmten Krankheitsbildern bzw. Sy. durchdenken, um zusätzliche Fra-
gen direkt klären zu können.

Aufklärung bei pränataler Diagnostik (DEGUM konform)

Da die pränatale Diagn. extrem komplex geworden ist, muss jede Schwange-
re vor und nach Durchführung der Diagn. über Möglichkeiten, insbesondere
aber auch Grenzen der Methoden aufgeklärt werden. Es empfiehlt sich, die
Aufklärung auf einem entsprechenden Formblatt zu dokumentieren und ge-
genzeichnen zu lassen.
   21.2  Geburtshilfliche Ultraschalldiagnostik  703

Inhalt der Beratung vor pränataler Diagnostik


• A nlass, Ziel und Risiko der Untersuchung.
• G renzen der Diagn. (pränatal nicht erfassbare Störungen).
• S icherheit des Untersuchungsergebnisses.
• P sychologische und ethische Probleme bei einem path. Befund.
• M ögliche Vorgehensweisen bei einem path. Befund.
• A lternativen bei Nicht-Inanspruchnahme der pränatalen Diagn.
Inhalt der Beratung nach pränataler Diagnostik
• B edeutung des Befunds (Ursache, Art und Prognose).
• M ögliche KO.
• P rä- und postnatale Therapie- und Förderungsmöglichkeiten.
• K onsequenzen für die Geburt (Modus, Zeitpunkt, Auswahl der Klinik).
• F ortführung oder Abbruch der Schwangerschaft. 21
• K ontaktmöglichkeit zu gleichartig Betroffenen oder Selbsthilfegruppen.
• G gf. Hinzuziehen weiterer Fachkollegen (z. B. Pädiater, Kinderchirurg, Neu-
rochirurg, Kinderkardiologe).
• E inräumen einer angemessenen Bedenkzeit.
Hinweise für die Suche nach Fetalerkrankungen (Auswahl)

Bei Diabetes der Mutter


• E mbryopathie: V. a. auf „kaudales Regressionssy.“ und Herzfehler ach-
ten!
• F etopathie: Makrosomie (= Biometriewerte > 90. Perzentile), Hautdop-
pelkontur, verspätetes Auftreten der Femurepiphysenkerne trotz ausrei-
chender Diaphysenlänge, Hydramnion.

Tab. 21.6  Konturstörungen


Struktur Veränderung Differenzialdiagnose

Kalotte Anenzephalus, Exenze- Osteogenesis imperfecta


phalus, Mikrozephalus,
Kleeblattschädel

Hals und Nacken Verdickte Nackenfalte V. a. Trisomie 21

Nackenödem oder Na- V. a. Hydrops fetalis, V. a. Chro-


ckenzysten mosomenanomalie (z. B. Turner-
Sy., Trisomie 18)

Ventrale Bauchwand Omphalozele Tipp: Karyotypisierung, AFP-Be-


stimmung

Gastroschisis Tipp: Karyotyp i. d. R. normal, AFP


Dorsale Bauchwand Spina bifida Rachischisis, Meningomyelozele


Tipp: AFP ↑, ACHE pos.; Hydroze-
phalus

Teratom
704 21  Ultraschall  

Tab. 21.7  Strukturstörungen


Kopf Ventrikelerweite- Hydrozephalus (z. B. symmetrisch, Hydrocephalus
rung internus, externus oder e vacuo), Spina bifida.
Tipp: Verlaufskontrollen!

Hirnblutung (schlechte Prognose)

Plexus-choroideus-Zysten (gute Prognose bei spontaner Rückbildung)


Tipp: Verlaufskontrollen, tritt keine Rückbildung ein → Karyotypisie-
rung

Thorax Intrapulmonale Zys- Herz- oder Zwerchfellhernie


ten

Auffällige Befunde Rhythmusstörungen, Herzfehler


21 am Herzen Tipp: 4-Kammer-Blick einstellbar, drei oder nur
zwei Nabelschnurgefäße darstellbar

Abdomen Magenblase über- GIT-Stenosen oder -Atresien


mäßig gefüllt

Double-Bubble-Phä- Analatresie, M. Hirschsprung, Malrotation, Vol-


nomen (= Duode- vulus, Mukoviszidose; kann kurz vor dem Partus,
nalstenose mit auf- aber auch ohne besondere Ursache oder Bedeu-
geweitetem Magen tung auftreten
und Duodenum),
Darmschlingen
übermäßig stark ge-
füllt

Magenblase (auch Anhydramnie, Ösophagusatresie.


nach Kontrolle) Cave: Eine volle Magenblase schließt eine Öso-
nicht darstellbar phagusatresie nicht aus, da ösophagotracheale
Fisteln möglich sind

Nierenzysten (solitär Markpyramiden


oder multipel, uni-
oder bilateral)

Hydronephrose (uni- Nebennieren (kein Pyelon!)


oder bilateral)

Harnblase auch Nierenagenesie, Nierenfehlbildungen


nach mehrfacher Tipp: Evtl. Furosemid-Provokationstest
Kontrolle nicht dar-
stellbar (relativ un-
abhängig von der
Fruchtwassermenge)

Zystischer Unter- Weibl. → V. a. Ovarialzyste


bauchtumor Männl. → V. a. Prune-Belly-Sy. bei Urethralklappe

Extremitä- Verkürzt bzw. dys- V. a. multiple Syndrome


ten proportioniert

Verbogen oder frak- V. a. Osteogenesis imperfecta, aber auch andere


turiert Syndrome

Haltungs- oder Be- Kleinhirnstörungen, „extended legs“ (z. B. An-


wegungsanomalien enzephalus)
   21.2  Geburtshilfliche Ultraschalldiagnostik  705

Tab. 21.7  Strukturstörungen (Forts.)


Auffälligkeiten in der Umgebung

Frucht­ Oligo- oder Blasensprung, Potter-Sy.


wasser ­Anhy­dramnie Tipp: Instillation von FW-Ersatz (z. B. Normofun-
din® sK) zur besseren Beurteilbarkeit des Fetus,
induziert oft FW-Eigenproduktion. Zum Aus-
schluss eines Blasensprungs zusätzliche Instillati-
on einer Ampulle Indigokarmin.
Cave: Kein Methylenblau verwenden, da em­
bryotoxisch!

Polyhydramnie Lippen-Kiefer-Gaumenspalte bzw. Schluckstö-


rungen, GIT-Stenosen oder -Atresien, Spina bifi-
da, Hydrozephalus-Komplex, intrauterine Infek-
te, Hydrops fetalis, diab. Fetopathie
Tipp: Je nach Befund Amniozentese zu diagn.
21
Zwecken.
Cave: Entlastungspunktionen können starke
Wehen auslösen!

Plazenta Verdickt, aufge­ Lakunen (ohne path. Bedeutung), Blasenmole/


lockert, zystische Partialmole, Einblutungen, retroplazentare Ge-
Anteile fäßräume (Doppler pos.!), partiale Lösungsbe-
zirke (Doppler neg.).
Cave: Karyotyp der Plazenta muss nicht dem des
Fetus entsprechen

Die endgültige Diagn. sollte dem Spezialisten vorbehalten bleiben. Unnöti-


ge Verunsicherung der Pat. durch voreilige Diagn. vermeiden.
22 Therapie der Infektionskrankheiten
Joachim Steller

22.1 Antibiotikatherapie der 22.2  irustatika  716


V
­ akteriellen Infektionen  708
b 22.3 Antimykotika  718
22.1.1 Penicilline  708 22.4 Anthelminthika  719
22.1.2 Cephalosporine  710 22.5 Protozoen-/Anaerobier-­
22.1.3 Weitere Betalaktam-­ Antibiotika  720
Antibiotika  712 22.6 Therapievorschläge bei
22.1.4 Tetrazykline  712 ­wichtigen Infektionen  721
22.1.5 Aminoglykoside  713
22.1.6 Makrolide, Lincosamide  714
22.1.7 Gyrasehemmer
­(Chinolone)  714
22.1.8 Glykopeptide  715
22.1.9 Andere Antibiotika und
­Chemotherapeutika  716
708 22  Therapie der Infektionskrankheiten  

22.1 Antibiotikatherapie der bakteriellen


Infektionen
22.1.1 Penicilline
• Klassische Penicilline: Penicillin G, Penicillin V, Propicillin, Azidocillin;
wirksam gegen grampos. Bakterien ohne Betalaktamasen, Neisserien und die
meisten Anaerobier.
• S taph.-Penicilline: Oxacillin, Cloxacillin, Dicloxacillin, Flucloxacillin; wirk-
sam gegen penicillinasebildende Staph. (nicht bei Methicillinresistenz).
• A mpicilline: Amoxicillin, Ampicillin, Bacampicillin; Wirkung wie Penicillin,
daneben aber auch gegen E. coli, Proteus mirabilis, Haemophilus (zuneh-
mend resistent), Listerien und Enterokokken.
• A cylaminopenicilline: Azlocillin, Mezlocillin, Piperacillin; Breitspektrum-Pe-
nicilline mit Wirkung auf Pseudomonas und einen großen Teil der resisten-
ten Enterobakterien, nicht gegen Staph.

22 Tab. 22.1  Oralpenicilline und Penicillin G


Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und Still-
(Beispiel) ­Bemerkungen zeit

Penicillin V Z. B. Meningokok- 3 × 600.000– Anaphylaxie, Ther. der Wahl


(z. B. Me- ken, Pneumokok- 1,5 Mio. IE p. o. Medikamen- bei bakteriel-
gacillin®) = ken, tenfieber, Ex- len Inf. in der
Oralpeni- β-hämolysierende antheme, hä- Grav., kein Ab-
cillin Strept. Cave: ver- molytische An- stillen erfor-
einzelt penicillin- ämie. Krämpfe derlich (NW
resistente Gono- (nur bei hohen bei NG: Sensi-
kokken, Coryne- Dosen und bilisierung,
bacter schneller i. v. Störungen der
Injektion), sel- Darmflora
Penicillin G Zur Ther. der Sy- Niedrige Dosis: ten interstitiel- möglich)
= Benzyl- philis, zur Prophy- 3–4 × 0,5– le Nephritis
penicillin laxe des rheuma- 1,0 Mio. IE i. v. (nur bei i. v.
(z. B. Tar- tischen Fiebers (z. B. Pneumo- Applikation),
docillin®) nie) Thrombopenie
Hohe Dosis: 6 ×
5 Mio. IE i. v.
(z. B. Meningi-
tis)
Höhere Dosen
nicht sinnvoll

Tab. 22.2  Staphylokokken-Penicilline (penicillinasefeste Penicilline)


Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und
(Beispiel) ­Bemerkungen Stillzeit

Oxacillin Staph. (auch 4 × (0,25–)0,5 g Häufig Venen- Ther. der


(Infecto- β-laktambildende) p. o., i. m., i. v. reizung bei i. v. Wahl bei bak-
Staph®) β-hämolysierende (bis 8 g/d); p. o. Gabe teriellen Inf.
Strept., Strept. Gabe 1 h vor in der Grav.,
pneumoniae dem Essen kein ­Abstillen
   22.1  Antibiotikatherapie der bakteriellen Infektionen  709

Tab. 22.2  Staphylokokken-Penicilline (penicillinasefeste Penicilline) (Forts.)


Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und
(Beispiel) ­Bemerkungen Stillzeit

Flucloxacil- Staph.; für Oral- 4 × 0,5–1,0 g NW Oxacillin, erforderlich


lin (Staphy- und Parente- p. o., i. m., i. v., penicillinasefes- (NW bei NG:
lex®) ralther. geeignet! max. 10 g/d tes Penicillin Sensibilisie-
der 1. Wahl rung, Störun-
gen der
Darmflora
möglich)

Tab. 22.3  Ampicillin und Ampicillin-Analoga (Aminopenicilline)


Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und
(Beispiel) ­Bemerkungen Stillzeit

Amoxicillin Praktisch Ampi- 3–4 × 750 mg NW Ampicillin; Penicillin


(z. B. cillinspektrum; p. o., 3 × 1(–2) g 2- bis 3-fach
­Amoxi-CT®) aktiver gegen i. v. besser resor-
Salmonella typhi biert als Ampi- 22
cillin, weniger
GIT-Störungen

Amoxicil- Amoxicillin, ein- 3 × 625–1.250 mg Amoxicillin; Ther. der


lin/Cla- schließlich Beta- p. o., 3–4 × 1,2 g häufig pos. Wahl bei bak-
vulansäure laktamasebild- i. v. Coombs-Test, teriellen Inf.
(Augmen- ner (Staph.), Nausea, Erbre- in der Grav.,
tan®) ­Anaerobier chen, Durchfall kein Abstillen
in 10 % erforderlich
(NW bei NG:
Sensibilisie-
rung, Störun-
gen der
Darmflora
möglich)

Ampicillin Grampos. und 4 × (0,5–)1 g p. o. GIT-Symptome,


(z. B. Ampi- gramneg., v. a. 150–200 mg/kg Exanthem, Fie-
cillin-ratio- H. influenzae, KG i. v. ber, selten
pharm®) Enterokokken, GOT-Erhöhung,
Listerien, E. coli, Nephritis, pseu-
Proteus mirabi- domembranöse
lis, Salmonellen Kolitis
KI: lymphati-
Ampicillin Ampicillinspekt- 3–4 × 0,75–3,0 g sche Leukämie Keine Beden-
+ Sulbac- rum; bessere (0,75 g = 0,5 g (Exanthemrisi- ken bekannt,
tam Wirksamkeit als Ampicillin + ko!) strenge Ind.-
­(Unacid®) Ampicillin bei 0,25 g Sulbactam) Stellung
Acinetobacter
710 22  Therapie der Infektionskrankheiten  

Tab. 22.4  Acyclaminopenicilline (Ureidopenicilline)


Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und Still-
­(Beispiel) ­Bemerkungen zeit

Mezlocillin Ähnlich wie 3–4 × 2–5 g i. v., Hauterschei- Keine Beden-


(Baypen®) Ampicillin, 2–3 × 2 g i. v. nungen, Diar- ken. Bei NG
wirksam z. T. bei Gallen- rhö, Enzyman- Sensibilisie-
gegen Kleb- wegs- oder stieg, Ge- rung, Störung
siella, Entero- Harnwegsinf. schmacksstö- der Keimflora
bacter, Citro- rungen, möglich
bacter, nicht Leukozytende-
Staph. aur. pression, Hy-
pokaliämie,
Thrombozyto-
penie, Blutge-
rinnungsstö-
rungen

Piperacillin Spektrum von 3–4 × 2–4 g i. v. Ampicillin, pas- Keine Beden-
(Piperacillin-­ Mezlocillin, sagere Neutro- ken. Bei NG
Fresenius®) wirksam bei penien. Hoher Sensibilisie-
22 Pseudomonas
und Bactero­
Natriumgehalt.
Bei lebensbe-
rung, Störung
der Keimflora
ides, unvoll- drohlichen Inf. möglich
ständig gegen in Kombinati-
Staph. on mit Amino-
glykosiden an-
wenden

22.1.2 Cephalosporine
Parenterale Cephalosporine
• K lassisches Cephalosporin: Cefazolin. Wirkung auf Staph. und die meisten
anderen grampos. Keime und auf viele Enterobakterien. Ind. als Basis-Cepha-
losporin sowie gezielte Ther. von Staph.-Inf.
•  ephalosporine der 2. Generation: Cefamandol, Cefuroxim, Cefotiam. Er-
C
höhte Betalaktamasefestigkeit, Wirkung auch auf resistente Enterobakterien.
Hauptind. ist periop. Prophylaxe.
•  xymethyl-Cephalosporine: Cefoxitin, Cefotetan. Sehr hohe Betalaktamase-
O
festigkeit, daher auch Wirkung auf Anaerobier. Hauptind. sind gyn. Inf.
•  reitspektrum-Cephalosporine: Cefotaxim, Ceftizoxim, Cefmenoxim, Ceftri-
B
axon. Ceftazidim, Cefepim. Erhöhte Betalaktamasefestigkeit, Wirkung auf
Enterobakterien. Hospitalinf.!

Orale Cephalosporine
• K lassische orale Cephalosporine: Cefaclor, Cefalexin, Cefadroxil. Optimale
Resorption, gute Wirkung auf Staph. und Strept., geringere Aktivität gegen
gramneg. Stäbchen.
• O rale Oxim-Cephalosporine: Cefixim, Ceftibuten, Cefpodoxim, Cefuroxim-
Axetil. Gute Aktivität gegen gramneg. Stäbchen, Wirkung gegen Staph.
­gering.
   22.1  Antibiotikatherapie der bakteriellen Infektionen  711

Tab. 22.5  Cephalosporine


Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und
(Beispiel) ­Bemerkungen Stillzeit

Parenterale Cephalosporine der 1. Generation

Cefazolin Grampos. (nicht En- 3 × 0,5–2 × Thromboph- Penicillin,


(Basocef®) terokokken) und 1,0 g (gram- lebitis, Exan- neuere Ce-
gramneg. (v. a. E. pos.) 3 × 1,0– them, Fieber, phalosporine
coli, Proteus mirabi- 2 × 2,0 g i. m., Transamina- wegen bislang
lis, Klebsiella). i. v. (gramneg.) sen ↑, Leuko- mangelnder
Nicht: Pseudomo- penie, Ana- Erfahrung zu-
nas, Serratia, indol- phylaxie, pos. rückhaltend
pos. Proteus, En- Coombs-Test, einsetzen
terobacter, Acineto- Thrombozy-
bacter, H. influen- topenie. Ne-
zae phrotoxizität
→ 2 ×/Wo.
Krea-Kontrol-
le

Orale Cephalosporine der 1. Generation


22
Cefaclor Wirksamstes Oral- 3 × 0,5 g p. o. Wie Cefa­ Wie Cefazolin
(Infectocef®) Cephalosporin v. a. (Strept., Pneu- zolin, sehr
gegen H. influenzae mokokken), 4 × selten Arthri-
0,5(–1) g p. o. tis
bei gramneg. +
Staph. aur.

Cephalosporine der 2. Generation

Cefuroxim Wirksam insb. ge- 3–4 × 0,75– Wie Cefa­ Wie Penicillin,
(Elobact®) gen E. coli, Klebsiel- 1,5 g i. v. (gram- zolin neuere Ce-
la, Proteus, H. influ- pos.), 3–4 × phalosporine
enzae, Acinetobac- 1,5 g i. v. (gram- wegen bislang
ter. Unwirksam ge- neg.) 2 × mangelnder
gen Enterokokken 500 mg p. o. Erfahrung zu-
und Pseudomonas rückhaltend
einsetzen!

Cephalosporine der 3. Generation (Oxim-Gruppe)

Cefotaxim Bei grampos. weni- 3 × 1 g i. v., bei Wie Cefa­ Wie Penicillin,
(Claforan®) ger wirksam als schweren Inf.: zolin; gegen neuere Ce-
­Cefamandol, Cefur­ 3 × 2 g i. v., bei Staph. weni- phalosporine
oxim, dagegen we- Meningitis: 4 × ger (!) wirk- wegen bislang
sentlich wirksamer 2 g sam als Cefa- mangelnder
bei gramneg. (v. a. zolin Erfahrung zu-
H. influenzae) außer rückhaltend
bei Pseudomonas einsetzen!

Ceftriaxon Sehr gute Wirksam- 1 × 2–4 g i. v., Wie Cefazo-


(Rocephin®) keit gegen gram- i. m. lin, hohe Be-
neg., wenig aktiv talaktamase-
gegen Staph. stabilität
712 22  Therapie der Infektionskrankheiten  

Tab. 22.5  Cephalosporine (Forts.)


Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und
(Beispiel) ­Bemerkungen Stillzeit

Cephalosporine der 3. Generation (sonstige)

Ceftazidim Sehr gute Wirksam- 2–3 × 1–2 g i. v. Wie Cefa­ Wie Penicillin,
(Fortum®) keit gegen gram- zolin. Sehr neuere Ce-
neg., v. a. Pseudo- gute Wirk- phalosporine
monas aeruginosa, samkeit bei wegen bislang
indolpos. Proteus schweren mangelnder
und Serratia. Wenig bakteriellen Erfahrung zu-
aktiv gegen Staph. Inf. rückhaltend
einsetzen!

Cefepim 2–3 × 2 g i. v.


(Maxipime®)

22.1.3 Weitere Betalaktam-Antibiotika
22 • B etalaktamasehemmer: Sulbactam, Clavulansäure, Tazobactam. Betalaktama-
sehemmer liegen meist in fester Kombination mit einem anderen Betalak-
tam-Antibiotikum vor (z. B. Amoxicillin, Ampicillin, Piperacillin). Sie erwei-
tern das Wirkungsspektrum und wirken auch auf Staph., Klebsiellen, Anaero-
bier, nicht jedoch auf Pseudomonas.
•  eneme: Imipenem, Meropenem. Hohe Aktivität, nahezu lückenloses Wir-
P
kungsspektrum. Wichtig für Hospitalinf.

Tab. 22.6  Betalaktam-Antibiotika


Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und Stillzeit
(Beispiel) ­Bemerkungen

Mero­ Sehr gute In-vitro- 3–4 × 0,5– BB-Verände- Keine Bedenken be-
penem Aktivität gegen 1,0 g i. v. rungen, Exan- kannt, aber bisher
(Mero- grampos. und theme; Trans­ keine ausreichenden
nem®) gramneg. einschl. aminasen, AP Erfahrungen beim
Anaerobier und Krea ↑ Menschen

22.1.4 Tetrazykline

Tab. 22.7  Tetrazykline


Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und Still-
(Beispiel) ­Bemerkungen zeit

Doxycy­ Grampos. und gram- 2 × 100 mg Exantheme, Absolute KI:


clin (z. B. neg. Mykoplasmen, p. o., i. v., nur selten Anaphy- Grav., v. a. ab
Doxy-CT ®) Chlamydien. Nicht: bei leichten laxie, Zahnver- 15. SSW (Kno-
Proteus spp., P. aeru- Inf. ab 2. Tag färbung, Hepa- chen- und Zahn-
ginosa. Keine Mono- 1 × 100 mg totoxizität, schäden). Stren-
ther. bei schweren Pseudotumor ge Ind.-Stellung
Allgemeininf., hohe cerebri, Harn- in der Stillzeit
Resistenzrate stoff-N ↑
   22.1  Antibiotikatherapie der bakteriellen Infektionen  713

Tab. 22.7  Tetrazykline (Forts.)


Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und Still-
(Beispiel) ­Bemerkungen zeit

Minocy­ Tetrazyklin, wirksa- Initial Wie alle Tetra- Wie Doxycyclin


clin mer bei tetrazyklin- 200 mg, zykline, keine
(Udima®) resistenten Staph., dann alle Fotosensibilität,
gering wirksam bei 12 h 100 mg jedoch häufig
gramneg., Nocardia p. o., i. v. Schwindel und
asteroides, Chemo­ Ataxie. Bei Pat.
prophylaxe der Me- mit Urämie ver-
ningokokkensepsis wendbar

22.1.5 Aminoglykoside
Moderne Aminoglykoside: Gentamicin und Tobramycin sind die Standardsub­
stanzen. Die weiteren Aminoglykoside sind bei Resistenz indiziert: Netilmicin,
Amikacin. Hohe Aktivität bei geringer Dos., Wirkung auch auf Pseudomonas. Der
Wert der Aminoglykoside liegt heute weitgehend in ihrer Eignung als Kombinati-
onspartner von Betalaktam-Antibiotika (Potenzierung der Bakterizidie insb. ge- 22
gen Pseudomonas).

Tab. 22.8  Aminoglykoside


Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und Still-
(Beispiel) ­Bemerkungen zeit

Gentami- Grampos. 2–5 mg/kg KG Ototoxisch und ne- Wegen ototoxi-


cin (Re- (Staph., nicht: auf 3–4 Dosen phrotoxisch, v. a. scher Frucht-
fobacin®) Pneumokok- verteilt i. m., i. v. bei Spitzenspiegel schäden in der
ken, Strept., En- (30–60 Min. > 10 mg/ml bzw. Grav. kontrain-
terokokken) Kurzinfusion) Through-Level diziert. Amino-
und gramneg. HWI: 1 mg/kg in (Talspiegel) > 2 μg/ glykoside wer-
1–2 Tagesdosen ml. Gesamttages- den nur in ge-
i. m. dosis als Einzeldo- ringen Mengen
sierung verringert in die Mutter-
die NW milch ausge-
schieden, keine
Amikacin Gentamicin 15 mg/kg ver- Nephrotoxisch, Bedenken bei
(Amik­ Aminoglykosid teilt auf ototoxisch v. a. bei Anwendung in
acin-Fre- der Wahl bei 2–3 Dosen i. m., > 15 g, Ther. der Stillzeit
senius®) gentamicinre- i. v. vorzugswei- > 10 Tage; bei Spit-
sistenten Kei- se 30–60 Min. zenspiegel > 32 μg/
men und bei Kurzinfusion. ml, bei > 10 μg/ml
Serratia spp. Drug-Monito- Through-Level. Ar-
ring! Bei HWI: thralgie, Fieber, Ex-
2 × 3,75 mg/kg anthem, periphere
KG i. m. Neuropathie. Ge-
samttagesdosis als
Einzeldosierung
verringert die NW
714 22  Therapie der Infektionskrankheiten  

Tab. 22.8  Aminoglykoside (Forts.)


Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und Still-
(Beispiel) ­Bemerkungen zeit

Tobra- Wie Gentamicin, Wie Gentamicin Wie Gentamicin, Wie Gentamicin


mycin Glykosid der weniger nephroto-
(z. B. 1. Wahl bei P. xisch. Gesamtta-
Gerneb- aeruginosa (in gesdosis als Einzel-
cin®) Kombination dosierung verrin-
mit pseudomo- gert die NW
naswirksamen
Penicillinen)

22.1.6 Makrolide, Lincosamide
Das klassische Makrolid-Antibiotikum ist Erythromycin. Erythromycin in oraler
Form ist heute durch die moderneren Makrolide Clarithromycin bzw. Roxithro-
mycin weitgehend überholt, die eine zuverlässige Resorption und bessere Aktivi-
tät zeigen. Wirkungsspektrum: grampos. Bakterien, Haemophilus influenzae,
22 Bordetellen, Campylobacter, Legionellen, Mykoplasmen und Chlamydien. Wich-
tige Ind. sind akute Inf. des Respirationstrakts (Angina, Bronchitis, prim. Pneu-
monien, Keuchhusten), leichte Haut- und Gewebsinf. sowie nichtgonorrhoische
Urethritiden. Makrolide können Penicilline bzw. Cephalosporine bei Überemp-
findlichkeit/Allergie ersetzen.

Tab. 22.9  Makrolide und Lincosamide


Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und
(Beispiel) ­Bemerkungen Stillzeit

Erythro- Grampos., Staph. häu- (2–)4 × GIT-NW, sehr sel- In der Grav.
mycin fig resistent, Strept. 250– ten Allergie, Le- unbedenk-
(z. B. Ery- (bei Penicillinallergie), 1.000 mg berschäden bei lich. Hoch do-
thro-CT®) Pneumokokken, Cory- p. o., i. v. Erythromycinesto- sierte i. v.
nebakterien, Mykoplas- lat (cholestati- Ther. in der
men, wirksam gegen H. scher Ikterus) Stillzeit kont-
influenzae. 1. Wahl bei raindiziert
Legionellen-Pneumonie (Gefahr des
Kernikterus!)
Clin- Anaerobier und multi- 3–4 × GIT-Störungen,
damycin resistente Staph. (nicht 300 mg Transaminasenan-
(Sobe- Mykoplasmen) p. o., 3–4 × stieg, Thrombo-
lin®) 600 mg i. v. und Leukopenie,
Agranulozytose
(selten!) – sehr
gute Gewebepe-
netration

22.1.7 Gyrasehemmer (Chinolone)
• A
 lte Gyrasehemmer: Nalidixinsäure, Pipemidsäure, Cinoxacin, Ind.: Harn-
wegsinf. Eingeschränktes Wirkungsspektrum (fast nur Enterobakterien), z. T.
ungünstige Pharmakokinetik, Resistenzentwicklung.
   22.1  Antibiotikatherapie der bakteriellen Infektionen  715

• N
 euere Gyrasehemmer: Ciprofloxacin, Fleroxacin, Ofloxacin. Norfloxacin.
Wirkungsspektrum: Enterobakterien, P. aeruginosa, H. influenzae, Gonokok-
ken, Meningokokken, grampos. Kokken (auch Enterokokken), Anaerobier,
Mykobakterien, Mykoplasmen, Chlamydien, Legionella spp. Auch indiziert
zur Ther. von Enteritiden, Gallenwegsinf., Gonorrhö, Gewebsinf. Schwere Ne-
benwirkungen sind bei den neuen Gyrasehemmern relativ selten. Alle Gyra-
sehemmer sind bislang bei Kindern und Jugendlichen vor Abschluss des
Wachstums kontraindiziert.

Tab. 22.10  Gyrasehemmer (Chinolone)


Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und Still-
(Beispiel) ­Bemerkungen zeit

Norflox­ Nahezu alle grampos. 2 × 400 mg Appetitlosigkeit, Alle Chinolone


acin und gramneg. Erre- p. o. Übelkeit, Durch- sind in
(Barazan®), ger von Harnwegsinf. fall, Allergie, Schwanger-
Enox­azin einschl. Pseudomo- Schwindel, schaft und
(Enoxor®) nas, auch multiresis- Kopfschmerzen, Stillzeit sowie
tente Keime. Nur in Krämpfe; sehr für Kinder we-
Harnwegen ausrei- selten Leukope- gen möglicher
chende Spiegel! nie Knorpelschädi- 22
gung kontrain-
Ofloxacin Norfloxacin, v. a. En- 2 × 200 mg Norfloxacin, diziert!
(Tarivid®) terobacteriaceae, H. p. o., bei Hautverände-
influenzae, auch HWI auch rungen, häufig
Chlamydien, Myko- 2 × 100 mg ZNS-Störungen
plasmen

Ciproflox­ Reserveantibiotikum 2 × 250– GIT- und ZNS-


acin z. B. für komplizierte 750 mg Störungen
(Cipro­ Harnwegsinf.; Prosta- (Schwindel,
bay®) titis; nosokomiale Kopfschmerz,
Inf.; Pneumonie; gute Psycho-Sy.),
Gewebspenetration Chondrotoxizität

22.1.8 Glykopeptide
Vancomycin und das später entwickelte Teicoplanin sind einander sehr ähnliche
Glykopeptid-Antibiotika mit Wirkung gegen Staph., Pneumokokken, Coryne-
bakterien und einige andere grampos. Keime. Gramneg. Keime sind völlig resis-
tent. Vancomycin hat als potenziell lebensrettende Substanz einen wichtigen Platz
unter den Standardantibiotika für die Klinik.

Tab. 22.11  Glykopeptide


Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und Still-
(Beispiel) ­Bemerkungen zeit

Vancomycin Oxacillinresistente 4 × 0,5 g i. v.; Exanthem, Strenge Ind.-


(Vancomy- Staph., Enterokok- bei pseudo- Phlebitis, ne- Stellung, keine
cin-ratio- ken, Clostridium dif- membranöser phro- und ausreichenden
pharm®) ficile (pseudomemb- Kolitis 4 × ototoxisch, Erfahrungen in
ranöse Kolitis), Cory- 125–500 mg Leukopenie, Grav. und Still-
nebakterien. Mäßige p. o. für Eosinophilie zeit
Gewebepenetra­tion 10 Tage
716 22  Therapie der Infektionskrankheiten  

Tab. 22.11  Glykopeptide (Forts.)


Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und Still-
(Beispiel) ­Bemerkungen zeit

Teicoplanin Alle grampos. Kei- 1 × 400 mg Leukopenie. Wie Vanco­


(Targocid®) me (oxacillinresis- i. v., dann 200 Lange HWZ mycin
tente Staph., Ente- (–400) mg i. v. von 50 h →
rokokken). Nur mä- alle 24 h (vorerst) bei
ßige Gewebepene­ Niereninsuff.
tration kontraindi-
ziert

22.1.9 Andere Antibiotika und Chemotherapeutika

Tab. 22.12  Andere Antibiotika und Chemotherapeutika


Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und Still-
(Beispiel) ­Bemerkungen zeit

22 Co-trimox­
azol = Tri-
Gute Wirksamkeit
bei Salmonellen,
2 × 960 mg
p. o. (pro Tbl.
Stevens-John-
son-Sy., selten
Strenge Ind.-
Stellung im 1.
methoprim/ Shigellen, Kleb- 160 mg Allergie, GIT- und 2. Trime-
Sulfame- siellen, E. coli, Pro- TMP/800 mg NW, Thrombo- non, im 3. Tri-
thoxazol teus, Enterokok- SMZ). Die i. v. und Leukope­ menon und in
(z. B. Cotrim ken. 1. Wahl bei Gabe von Sul- nie. Neuere der Stillzeit
CT®) Bronchitis, Harn- fonamiden ist TMP-/Sulfon­ kontraindiziert
und Gallen- obsolet amid-Kombina-
wegsinf., Shigello- tionen bringen
sen, Typhus, Para- keine Vorteile
typhus A+B (akut,
Dauerausscheider)

Metronid­ Amöbiasis GIT-Störun- 3 × 750 mg für Relativ kontra-


azol (z. B. gen, Neuro- 5–10 Tage indiziert in der
Clont®) pathie, V. a. Grav., bei vag.
Lambliasis, Tricho- Kanzerogeni- 2 × 250 mg für und oraler Ga-
monadeninf., An- tät 6 Tage, zusätz- be Embryotoxi-
aerobierinf. lich abends zität nicht
1 Vag.-Tbl. nachgewiesen;
keine i. v. Ga-
be! Stillpause
einlegen!

22.2 Virustatika
Indikationen: 1. Prophylaxe zum Schutz vor Pandemien (Oseltamivir, Zanamir),
2. Ther. von HSV, VZV, EBV, CMV, 3. antiretrovirale Ther. bei HIV.
   22.2  Virustatika  717

Tab. 22.13  Virustatika


Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und Still-
(Beispiel) ­Bemerkungen zeit

Oseltamivir Behandl. d. 2 × tgl. eine Kopfschm., Übelk., Strenge Ind.-Stel-


(Tamiflu®) Influenza u./ 75-mg Tbl. Erbr., Magen- lung, Behand-
od. Vorbeug. bzw. lung kann erwo-
d. Virusgrip- Bauchschmerzen gen werden
pe, PEP

Ganciclovir Lebens- bzw. 2 × tgl. Tropf- Neutropenie, An­ In Tierstudien


(Cymeven®) augenlicht- infusion von ämie, Dyspnoe, mutagene, tera-
bedroh. 5 mg Ganci­ Diarrhö togene, asper-
CMV-Erkr. clovir/kg KG matogene sowie
karzinogene
Wirk.

Aciclovir HSV1, HSV2, 5 × tägl. Sal- Krea und Leberen- Systemische Ga-
(­ Zovirax®) VZV, EBV, be und Tr., zyme ↑. Exan- be in der Grav.
evtl. CMV; Tbl.: 5 × 200– them. Dosis ↓ bei kontraindiziert,
systemisch 400 mg; i. v.: Niereninsuff. Ve- Ausnahme: ge-
relativ gut 3 × 5[– nenreizung bei neralisierte Her-
verträglich 10] mg/kg i. v. Gabe. Kein Ef- pes- und Varizel- 22
KG; Prophyla- fekt bei postther. leninf., keine sys-
xe: 4 × Schmerzen temische Ther. in
200 mg p. o. der Stillzeit

Zidovudin HIV ab T4 6 × 200 mg KM-Depression Bei mütterlicher


(Retrovir®) < 500/μl p. o. (bei (Anämie in 25 %!), oder fetaler Ind.
70 kg). Bei Kopfschmerz, Fol- Ther. möglich
KM-Depressi- säure- und Vit.- und sinnvoll,
on 6 × 100 mg B12-Mangel dauerhafte Schä-
digung beim Fe-
tus bislang nicht
bekannt. Stillen
nur bei mangeln-
der Alternative

Indinavir HIV 1, Trans- 3 × 800 mg Übelkeit, Kopf- Nur bei gegebe-
(Crixivan®) missionspro- p. o. schmerzen, Diar- ner Ind. in der
phylaxe bei rhö, Parästhesien, Grav. einsetzen,
Zidovudinre- Leber- und Nie- fetale Anämie
sistenz renfunktionsstö- möglich. Stillen
rungen nur bei mangeln-
den Alternativen

Lamivudin HIV, Trans- 2 × 150 mg Übelkeit, Kopf- Nur bei gegebe-
(Epivir®) missionspro- p. o. schmerzen, Unter- ner Ind. in der
phylaxe bei bauchbeschwer- Grav. einsetzen,
Zidovudinre- den, Neuropenie, fetale Anämie
sistenz; Leberenzyme ↑ möglich. Stillen
chron. Hepa- nur bei mangeln-
titis B den Alternativen

HSV = Herpes-simplex-Virus (Typ 1 und 2); VZV = Varicella-Zoster-Virus; EBV = Ep-


stein-Barr-Virus; CMV = Zytomegalievirus
718 22  Therapie der Infektionskrankheiten  

22.3 Antimykotika
Tab. 22.14  Antimykotika
Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und
­(Beispiel) ­Bemerkungen Stillzeit

Amphotericin B Candida albi- Lokal. p.o. bis Nephrotoxisch, Syst. Ther.


(Ampho-Moro- cans, Cryptococ- 4 × 200 mg. GIT-Störungen, kontraindi-
nal®) cus, Aspergillus, Bei i. v. Ther. Fieber, Schüttel- ziert. Einzi-
biphasische Pilze mit Flucytosin frost, RR-Abfall, ge Ind. in
kombinieren Schmerzen, Hy- der Grav.
pokaliämie. Ca- lebensbe-
ve: WW Cumari- drohliche
ne, KI: schwere generali-
Leber- oder Nie- sierte My-
renfunktionsstö- kose
rungen

Clotrimazol Sprosspilze, Der- Lokal GIT-Störungen, Keine Be-


(­ Canesten®) matophyten, Transaminasen ↑ denken
Schimmelpilze,
22 dimorphe Pilze

Fluconazol Systemcandido- 1. Tag 400 mg GIT-Störungen, Kontraindi-


(­Diflucan®, sen p. o., ab Kopfschmerzen, ziert, da
Fungata®) Tag 2.200 mg periphere Ner- keine aus-
p. o. über venstörungen, reichenden
mind. 10 Ta- Ekzeme Erfahrun-
ge gen

Candidosen 100 mg p. o.


oberflächlicher über 7–30 Ta-
Schleimhäute ge

Kryptokokken- 1. Tag 400 mg


meningitis p. o., ab
Tag 2.200 mg
p. o. über
6–8 Wo.

Flucytosin Generalisierte p. o. oder i. v. GIT-Störungen, Im 1. Trime-


(­Ancotil®) Hefemykosen 4 × 25–50 mg/ BB-Veränderun- non und
kg KG. Gute gen, Leberenzy- Stillzeit
enterale Re- me ↑, Kopf- kontraindi-
sorption schmerzen, ziert, sonst
Schwindel, Hallu- strenge
zinationen. KI: Ind.-Stel-
Niereninsuff. lung

Griseofulvin Fadenpilze 0,5–1 g. p. o., Neurologische Kontraindi-


(Griseo-CT®) evtl. in geteil- Symptome, GIT- ziert. Nur
ten Dosen Störungen, Aller- unter Kont-
gie, Hämatopa- razeptions-
thie (selten), Le- schutz ver-
berschäden. KI: wenden!
Leberschäden
   22.4  Anthelminthika  719

Tab. 22.14  Antimykotika (Forts.)


Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und
­(Beispiel) ­Bemerkungen Stillzeit

Ketoconazol Candida, Cocci- Lokal Übelkeit, Ekzem, Kontraindi-


(Nizoral®Creme) dioides, Paracoc- Hepatitis (ggf. ziert, po-
cidioides, Histo- Leberwerte über- tenziell te-
plasmen und wachen) ratogen
Dermatophyten.
Mittel der Wahl
bei mukokuta-
ner Candidiasis.
Keine Liquor-
gängigkeit

Miconazol Clotrimazol Lokal Gut verträglich, Bei lokaler


(­Daktar®) Juckreiz, Ekzeme Ther. keine
Bedenken
in Grav.
und Stillzeit

Nystatin Fungizid. Spross- Lokal. p.o. GIT-Störungen, Keine Be-


(­Moronal®) pilze (Candida 4 × 500.000 IE Allergie denken be- 22
albicans) bei intestina- kannt, wird
ler Candidose nicht resor-
biert

22.4 Anthelminthika
Tab. 22.15  Anthelminthika
Substanz Spektrum 24-h-Dosis NW und Grav. und Still-
­(Beispiel) ­Bemerkungen zeit

Mebendazol Spulwurm, Ma- 2 × 100 mg für Diarrhö, GIT- Im 1. Trimenon


(Vermox®) denwurm, Ha- 3 Tage Störungen strenge Ind.-
kenwurm, Stellung, in der
(Echinokok- Stillzeit stren-
ken) ge Ind.-Stel-
lung

Niclosamid Vermizid. Ces- Auf leeren Ma- GIT-Störungen Keine Beden-


(Yomesan®) toden (Band- gen 1 g p. o., (selten). Keine ken, strenge
würmer) 1 h später systemische Ind.-Stellung
nochmal 1 g NW, da keine im 1. Trimenon
p. o., 2 h später enterale Re-
Einlauf sorption

Pyrantel Vermizides Einmalgabe GIT-Störungen, Wird zu 15 %


(Helmex®) Breitband-An­ von 10 mg/kg Kopfschmer- resorbiert, in
thelminthikum. KG zen, Schwin- der Grav. rela-
Oxyuren, Aska- del, Müdigkeit tiv kontraindi-
riden, Haken-, ziert, strenge
Fadenwürmer Ind.-Stellung in
der Stillzeit
720 22  Therapie der Infektionskrankheiten  

22.5 Protozoen-/Anaerobier-Antibiotika
Tab. 22.16  Protozoen- und Anaerobier-Antibiotika
Substanz Spektrum Dosis NW und Grav. und Stillzeit
(Beispiel) ­Bemerkungen

Chloroquin Blutschizon- Prophylaxe: GIT-Störungen, Malariaprophylaxe


(z. B. Reso- ten aller vier 2 × 150 mg/ Sehstörungen, in der Grav. und der
chin®) Malariaerre- Wo., 1 Wo. Kopfschmer- Stillzeit möglich. Bei
ger zur Ther. vor Reise bis zen, Polyneuri- höherer Dosierung
und Prophyla- 4 Wo. nach tiden, Hörstö- oder Langzeitmedi-
xe (soweit Reise. Ther.: rungen, Leuko- kation Risiko von
keine Resis- initial 600 mg und Thrombo- Frühaborten sowie
tenz vorliegt) p. o., 6 h spä- penie. Cave: Retina- und Innen-
ter 300 mg Glukose-6- ohrschädigungen
p. o., Tag 2, 3, Phosphat-De- beim NG
(4) je 300 mg hydrogenase-
p. o. (HWZ Mangel
> 1 Wo.)

Mefloquin Prophylaxe Prophylaxe: GIT-Störungen, Bislang keine ausrei-


22 (Lariam®) und Ther. 1 × 250 mg/ ZNS-Beschwer- chenden Erfahrun-
(multi)resis- Wo. (Zeit- den (Schwindel gen in der Grav.,
tenter Plas- spanne wie und Gleichge- Abstillen anzuraten
modium-falci- bei Chloro- wichtsstörun-
parum-Stäm- quin) gen)
me

Metronid­ Amöbiasis 3 × 750 mg/d GIT-Störungen, Relativ kontraindi-


azol für 5–10 Tage Neuropathie, ziert in der Grav. Bei
(Clont®, p. o./i. v. V. a. Kanzero- vag. oder oraler Ga-
­Flagyl®) genität be Embryotoxizität
Lambliasis, 2 × 250 mg/d nicht nachgewiesen.
Trichomona- für 6 Tage, Keine i. v. Gabe.
deninf. zusätzlich Stillpause!
abends
1 Vag.-Tbl.

Anaerobier 3 × 500 mg/d


p. o./i. v.

Pyrimeth­ Toxoplasmose 1. Tag: 4 Tbl., GIT-Störungen, Strenge Ind. in der


amin anschl. Herzrhythmus- Grav., Ind. bei der
­(Daraprim®) 1–2 Tbl./d störungen Behandlung der chlo-
über 3–6 Wo. roquinresistenten
Malaria tropica bis
8. SSW zusätzlich Fol-
säure 4 mg/d, in der
Stillzeit vermeiden
   22.6  Therapievorschläge bei wichtigen Infektionen  721

22.6 Therapievorschläge bei wichtigen


Infektionen
Inf. im Wochenbett ▶ 8.3.1, ▶ 8.3.2, ▶ 8.3.3, ▶ 8.4.1, ▶ 8.6.1.

Harnwegsinfektionen
• S MZ/TMP (z. B. Cotrim®) 2 × 800/160 mg i. v./p. o. oder:
• C iprofloxacin (Ciprobay) 2 × 200 mg i. v./2 × 500 mg p. o.
! M öglichst p. o. nach Antibiogramm.
Haut- und Weichteilinfektionen
Wundinfektionen
• A moxicillin/Clavulansäure (Augmentan®) i. v./p. o. oder:
• C ephalosporin 2. oder 3. Generation.
Erysipel
Penicillin G 4/1,2 Mio. IE i. v.
Impetigo, Furunkel, Phlegmone 22
Flucloxacillin (z. B. Staphylex®) 3–4 × 1 g i. v./3 × 1 g p. o.

Neutropenie bei onkologischen Patientinnen


• L ow Risk (Neutropenie > 500 und kürzer 10 Tage): Ceftriaxon (Rocephin®)
1 × 2 g i. v.; bei ungenügendem Ansprechen: Tobramycin 1 × 2–3 mg/kg KG
i. v. (z. B. Gernebcin®) oder Vancomycin (z. B. Vanco®) je nach erwartetem
Erregerspektrum.
•  igh Risk (Neutropenie > 10 Tage): Ceftriaxon 1 × 2 g i. v. (Rocephin®) in
H
Kombination mit Aminoglykosid oder Piperacillin/Tazobactam (Tacobac®).
•  ei Pneumonie s. o.; bei ungenügendem Ansprechen nach 48 h plus Flucon­
B
azol 1 × 400–800 mg (Diflucan®) oder Amphotericin B + Flucytosin (Ancotil®)
nach Dosierungsanleitung.

Peritonitis
• P rim. (spontane, z. B. bei Leberzirrhose): Ceftriaxon 1 × 2 g i. v. (Rocephin®),
bei Erregernachweis aus Aszites weiter nach Antibiogramm.
• S ek.:
– C eftriaxon 1 × 2 g i. v. (Rocephin®) + Metronidazol 3 × 0,5 g (z. B. Clont®)
evtl. + Tobramycin 1 × 2–3 mg/kg KG (z. B. Gernebcin®) oder:
– Mezlocillin 3 × 4 g (z. B. Baypen®) + Sulbactam 3 × 1 g i. v. (Combactam®)
+ Tobramycin 1 × 2–3 mg/kg KG (z. B. Gernebcin®) oder:
– Piperacillin/Tazobactam 3 × 4,5 g i. v. (Tazobac®) + Tobramycin 1 ×
2–3 mg/kg KG (z. B. Gernebcin®) oder:
– Meropenem (Meronem®)/Cilastatin (Zienam®) 3 × 1 g i. v., evtl. + Tauro-
lidin 2 % 250 ml i. p. (Taurolin®).
722 22  Therapie der Infektionskrankheiten  

Pneumonie
Frühe postoperative Pneumonie
Ceftriaxon 1 × 2 g i. v., evtl. Deeskalation 1 × 1 g (z. B. Rocephin®), evtl. + Tobra-
mycin 1 × 2–3 mg/kg KG (z. B. Gernebcin®).
Nosokomiale Pneumonie
• C eftazidim 3 × 2 g i. v. (Fortum®) + Tobramycin 1 × 2–3 mg/kg KG (Gerneb-
cin®) oder
• C iprofloxacin 2 × 400 mg i. v. (Ciprobay®) evtl. Deeskalation auf 2 × 750 mg p. o.
Kathetersepsis
Katheterwechsel, Blutkultur, Katheterspitze einschicken, bei ausbleibendem Fie-
beranfall und Ausschluss anderer Ursachen: Flucloxacillin 3–4 × 1 g i. v. (Staphy-
lex®).

Perioperative Prophylaxe
Unfall-/Gefäß-/aseptische Viszeralchirurgie/Gynäkologie/Geburtshilfe
Cephalosporin 1.–2. (3.) Generation i. v. oder Breitspektrum-Penicillin als einma-
22 lige periop. Gabe, 2. Dosis bei Eingriffen > 2 h, alternativ bei Risikoeingriffen ein-
malig Ceftriaxon (z. B. Rocephin®).

Endokarditisprophylaxe
Ampicillin 3 × 2 g i. v. (z. B. Ampicillin-ratiopharm®).
Vaginale Sonografie Normtabelle (1. Trimenon)
Schema modifiziert nach Rempen, Angaben in abgeschlossener SSW + Tag

mm CHD SSL BPD mm CHD SSL


1 – – – 31 8+2 9+5
2 4+6 6+0 – 32 8+3 9+6
3 5+0 6+1 6+6 33 8+3 9+6
4 5+1 6+2 7+1 34 8+4 10 + 0
5 5+2 6+3 7+3 35 8+5 10 + 1
6 5+2 6+4 7+5 36 8+6 10 + 2
7 5+3 6+5 8+0 37 9+0 10 + 2
8 5+4 6+6 8+2 38 9+1 10 + 3
9 5+5 7+0 8+4 39 9+2 10 + 4
10 5+5 7+1 8+6 40 9+3 10 + 5
11** 5+6 7+2 9+1 41 9+4 10 + 5
12 6+0 7+3 9+3 42 9+5 10 + 6
13 6+1 7+4 9+5 43 9+6 11 + 0
14 6+2 7+5 10 + 0 44 9+6 11 + 0
15 6+2 7+6 10 + 2 45 10 + 0 11 + 1
16 6+3 7+6 10 + 4 46 10 + 1 11 + 2
17 6+4 8+0 10 + 6 47 10 + 2 11 + 2
18 6+5 8+1 11 + 1 48 10 + 3 11 + 3
19 6+6 8+2 11 + 3 49 10 + 4 11 + 4
20 6+6 8+3 11 + 5 50 10 + 5 11 + 4
21 7+0 8+4 12 + 0 51 10 + 6 11 + 5
22 7+1 8+5 12 + 2 52 11 + 0 11 + 5
23 7+2 8+5 12 + 4 53 11 + 1 11 + 6
24 7+3 8+6 12 + 6 54 11 + 2 12 + 0
25 7+4 9+0 13 + 1 55 11 + 3 12 + 0
26 7+4 9+1 13 + 3 56 11 + 4 12 + 1
27 7+5 9+2 13 + 5 57 11 + 5 12 + 1
28 7+6 9+3 – 58 11 + 6 12 + 2
29 8+0 9+3 – 59 12 + 0 12 + 3
30 8+1 9+4 –

Abkürzungen: **Tabelle so benutzen:


CHD = Chorion-Höhlen-Durchmesser Wenn SSL = 11 mm (in der
SSL = Scheitel-Steiß-Länge Tabelle unterlegt), dann ist der
BPD = Biparietaler Durchmesser Embryo 7 SSW + 2 Tage alt.
Ultraschall-Kennwerte für die fetale Wachstums-

BPD [mm] FOD [mm] KU [mm] Gewicht [g]


SSW 50% 50% 50% 50%
12 20 23 76 –
13 24 28 90 –
14 28 33 104 –
15 31 38 117 –
16 35 43 131 –
17 39 48 144 –
18 43 52 157 –
19 46 57 169 –
20 50 61 182 –
21 53 65 194 –
22 56 69 205 –
23 60 73 217 –
24 63 77 228 700
25 66 80 239 800
26 69 84 249 900
27 72 87 259 1.000
28 74 90 269 1.100
29 77 93 279 1.250
30 79 96 288 1.400
31 82 99 296 1.600
32 84 101 305 1.800
33 86 104 313 2.000
34 89 106 321 2.250
35 91 108 328 2.550
36 93 110 336 2.750
37 94 112 342 2.950
38 96 114 349 3.100
39 98 116 355 3.250
40 99 117 361 3.400

Angegeben sind die durchschnittlichen Angaben (50%-Perzentilen) für die mit-


teleuropäische Bevölkerung je Schwangerschaftswoche (SSW). Im Einzelfall kön-
nen die Messwerte erheblich von den Zahlen abweichen, ohne pathologisch sein
zu müssen
dynamik (Biometrie)

AQU [mm] AAP [mm] AU [mm] Fe [mm]


SSW 50% 50% 50% 50%
12 19 18 58 9
13 23 21 68 12
14 26 24 79 15
15 29 28 89 18
16 32 31 99 21
17 36 34 110 24
18 39 37 120 27
19 42 41 130 30
20 45 44 140 32
21 49 47 151 35
22 52 50 161 38
23 55 54 171 41
24 58 57 182 43
25 62 60 192 46
26 65 64 202 49
27 68 67 212 51
28 72 70 223 53
29 75 73 233 56
30 78 77 243 58
31 81 80 253 60
32 85 83 264 63
33 88 86 274 65
34 91 90 284 67
35 94 93 295 69
36 98 96 305 71
37 101 99 315 73
38 104 103 325 75
39 108 106 236 76
40 111 109 246 78

Abkürzungen:
BPD = biparietaler Durchmesser AAP = Abdomen-anterior-posterior-
FOD = frontookzipitaler Durchmesser
Durchmesser AU = Abdomenumfang
KU = Kopfumfang Fe = Femurdiaphysenlänge
AQU = Abdomenquerdurchmesser
   Index 723

Index
Symbole Acyclaminopenicilline  710 Analkanal, Untersuchung  9
α1-Fetoprotein  131 Adduktorenreflex  14 Analverschluss  648
β-hämolysierende Strepto­ Adenomektomie, selektive trans- Anämie  7
kokken  378 sphenoidale  558 –– Neugeborenes  360
§ 218 [Paragraph]  145 Adenomyom  493 Anamnese
3β-Hydroxysteroid- Adhäsiolyse  577 –– gynäkologische  3
Dehydrogenase-Defekt  621 Adipositas  560 –– präpartale  267
3β-OH-Dehydrogenase­ Adiposogigantismus  641 Anaphylaktischer Schock,
mangel  650 Adnektomie  397 ­Sofortmaßnahmen  101
11β-Hydroxylasemangel  621, Adnexitis  522, 632 Anästhesie  15
650 –– Ultraschall  691 Anastrozol  422
21-Hydroxylasemangel  621, 650 Adoleszenz  638 Androgenisierung  515, 650
Adrenalin  92 –– Diagnose  626
A Adrenogenitales Syndrom  620 –– Trichogramm  627
AB0 und Rhesusblutgruppen­ –– und Schwangerschaft  622 Androgenresistenz  554
bestimmung  71 AFP  131 Androstendion  540
AB0-Inkompatibilität  132 Afterloading  676 Anenzephalus  119, 312
ABCDEF-Regel  91 Ahlfeld-Zeichen  282 Angina pectoris  82, 83
Abdomen AIS (Amnioninfekt­ Angiokeratome  655
–– Anterior-Posterior-­ syndrom)  306 Anhydramnie, Ultraschall  705
Durchmesser (APD)  697 Aknetherapie  628 Anorexia nervosa  556, 639, 662
–– Transversaldurchmesser Akrosin  547 Antazida, in Grav. und
(ATC)  697 Akzeleration  270 ­Stillzeit  258
–– Umfang (AU)  697 Albumin  68 Anthelminthika  719
–– Untersuchung  8 Alkohol –– in Grav. und Stillzeit  243
Abführmittel  6 –– Abhängigkeit  26 Antiallergika, in Grav. und
Ablösungsmodus (Plazenta)    –– assoziierte Erkrankungen  28 ­Stillzeit  244
283 –– Entzugsdelir  28 Antiandrogene  627
Abort(us)  149 Allgemeinzustand, Antibiotika  708
–– completus  150 ­Beurteilung  673 –– bei Asthma bronchiale  89
–– febriler  151 Alopecia androgenetica    –– bei Neugeborenen  378
–– habitueller, WSA  152 621, 626 –– in Grav. und Stillzeit  244
–– imminens  149 Alopezie  442 –– Prophylaxe, peri­
–– incipiens  150 –– Therapie  628 operative  722
–– incompletus  150 Alphablocker  86 Antidiabetika, in Grav. und
–– Induktion  238 Amantadin, in Grav. und ­Stillzeit  246
–– septischer  151 ­Stillzeit  263 Antidiarrhoika, in Grav. und
Abrasio, fraktionierte  489 Amastie  644 ­Stillzeit  258
Abruptio  145 Amenorrhö  483 Antiemetika, in Grav. und
Abstillen  348 –– hypergonadotrope  636 ­Stillzeit  246
Abstrich  487 –– Post-Pill-  596, 598 Antiepileptika, in Grav. und
–– bei Tuboovarialabszess  516 –– primäre  648 ­Stillzeit  246
–– Urethra  489 Amikacin  713 Antihypertensiva, in Grav. und
–– Zervix  516 Aminkolpitis  433, 440, 653 Stillzeit  247
Abszess Aminoglykoside  713 Antihypotonika, in Grav. und
–– Abstrich  63 –– in Grav. und Stillzeit  244 Stillzeit  249
–– der Mamma  349 Aminopenicilline  709 Antikoagulanzien, in Grav. und
ACE-Hemmer  86 Amintest  433 Stillzeit  250
Acetylcholinesterase im Frucht - Amiodaron  93 Antikörper, antithrombo­
wasser  112 Amitriptylin, zur zytäre  233
Acetylsalicylsäure  678 ­Schmerztherapie  680 Antikörpersuchtest  70, 132
Achillessehnenreflex  14 Amlodipin  86 Antimykotika  718
Aciclovir  717 Amnioninfektsyndrom  306 –– in Grav. und Stillzeit  250
–– bei Herpes neonatorum  200 Amniozentese  111, 132 Antiöstrogene  563
–– bei Herpes zoster  197 Amoxicillin  709 Antiphlogistika, In Grav. und
–– bei Varizellen in der Amphotericin B  718 Stillzeit  251
­Schwangerschaft  195 Ampicillin  709 Antiprotozoenmittel  720
–– in Grav. und Stillzeit  263 Ampulla recti, Untersuchung  9 Antipyretika, in Grav. und
ACTH-Kurztest  543 Anaerobier-Antibiotika  720 ­Stillzeit  241
–– Beurteilung  544 Analgetika, in Grav. und Antitussiva, in Grav. und
­Stillzeit  241 ­Stillzeit  252
724 Index  

Aortenaneurysma  82 Battered-Child-Syndrom  657 Bishop-Score  236


Aortenisthmusstenose  384 Bauchhautreflex  14 Bizepssehnenreflex  14
Aortenstenose  384 BE, negativer  94 Blasenhalsdeszensus
Apgar-Index  357 Beatmung –– rotatorischer  474
Appendizitis  523 –– Mund-zu-Mund-  91 –– vertikaler  473
–– akute  94 –– Mund-zu-Nase-  91 Blasenkatheter  65
Äquivalentdosis  120 –– Mund-zu-Tubus-  91 Blasenmole  154
Armlösung Beckenausgang  278 –– destruierende  156
–– klassische  333 –– Durchmesser  130 Blasen-Scheiden-Fistel  459
–– nach Bickenbach  332 Beckenaustastung  129 Blasensprung  280
–– nach Lövset  332 Beckeneingang, Durchmes- –– vorzeitiger  305
Armvorfall  309 ser  130 Blastopathie  108
Arnold-Chiari-Malfor­ Beckenendlage  297 Blut
mation  380 –– Armlösung, klassische  333 –– Entnahme  56
Aromatasehemmer  422 –– Armlösung nach Bicken- –– Komponententherapie  67
Arzneimittel-NW bach  332 –– Kultur  62
–– Hirsutismus  626 –– Armlösung nach Lövset  332 –– Transfusion  70
–– Hyperprolaktinämie    –– äußere Wendung  300 Blutdruckmessung  8
558, 567 –– Geburtsleitung  299 Blutgruppenbestimmung  70
–– Spermiogramm, patho­ –– Kopflösung nach Veit-­ Blutung
logisches  568 Smellie  333 –– Blutverlust  100
Arztbrief –– Manualhilfe  330 –– genitale  102
–– geburtshilflicher  23 –– Manualhilfe nach Bracht  330 –– intrakranielle  386
–– gynäkologischer  22 Beckenhöhle  278 –– intraventrikuläre  386
Asherman-Fritsch-­ Beckenmaße  130 –– periventrikuläre  386
Syndrom  542, 550 Beckenmitte  130 –– postpartale  317
Aspermie  548 Beckenringlockerung  350 –– sub partu  292
Asthenozoospermie  548, 568 Befruchtungsfähigkeit, –– vaginale  482
Asthma bronchiale, antiob- ­Gameten  580 –– vaginale im Wochenbett   
struktive Dauertherapie    Behaarungstypus  10 343
89, 89 Behandlungsfehler  16 –– vaginale vor der
Aszites, Punktion  59 Beinvenenthrombose  87 ­Menarche  645
AT1-Rezeptorblocker  86 Belastungsinkontinenz    –– Zervixkarzinom  505
Atenolol  85 430, 469 Blutungsstörung, Kinder und
Athelie  644 –– Behandlung  476 ­Jugendliche  646
Atmungstyp  13 –– Kolosuspension nach Blutverlust  100
Atosiban  176, 177 Burch  476 Body-Mass-Index  4
Atropin  94 –– Kolporrhaphia anterior  478 Borderline-Tumoren  529
Auskultation –– Nadelsuspensionen  478 Borreliose  221
–– Abdomen  9 –– Schlingenoperationen  478 Bracht-Manualhilfe  330
–– Herz  12 –– TVT-Plastik  477 Brachymenorrhö  483
–– Lunge  13 Beratung Brachytherapie  676
Ausrotation des Kopfs  278 –– Abruptio  145 Brain-sparing Effect  702
Austauschtransfusion  67 –– genetische  108 Brivudin  197
Austreibungsperiode  281 –– Schwangere  136, 138 Bromocriptin  348
Axilladissektion  416 Beschneidung  654 Bromthymol-Test  306
Azidose, fetale  358, 310 BET, Mammakarzinom  415 Bronchospasmolytika, in Grav.
Azoospermie  548, 568 Betablocker  85 und Stillzeit  252
AZT bei HIV  447 Betalaktam-Antibiotika  712 Brudzinski-Zeichen  15
Aztreonam  712 Betamethason  179 Brustentwicklung  637
Betäubungsmittel –– Störung  643
B –– Anforderungsschein  18 –– überschießende  644
Babinski-Reflex  14 –– Rezept  18 –– vorzeitige  644
Baer-Handgriff  283 –– Verordnung  17 Brustspannen, unter
Bakterielle Mischflora  434 Bethanechol, bei Überlauf­ ­OH-Einnahme  597
Bakterielle Vaginose, inkontinenz  480 Bubonen  444
­Schwangerschaft  230 Bethesda-Klassifikation  488 Buffy-Coat  67
Bandbreite  272 Bewusstlosigkeit  90 Bulimie  662
Bardenheuer-Schnitt  350 Bifiteral‚  6 Bupivacain  289
Bartholinitis  436 Billings-Methode  583 Buprenorphin  679
Basaltemperatur  539, 581 Biopsie Burnout-Syndrom  660
Basendefizit  277 –– Chorionzotten-  112 Buschke-Löwenstein-­
Basisernährung, peripher­ –– Mamma  403 Tumoren  229
venöse  78 Biparietaler Kopfdurchmesser Butylscopolamin, bei Geburts-
Basishormonstatus  541 (BPD)  697 schmerz  284
   Index 725

C CMV  191 Desorientierte Patientin  29


Cabergolin  348 Codein  679 Deszensusprophylaxe  344
Caput succedaneum  388 Coeliotomia vaginalis  592 Dexamethason
Carbamazepin, zur Schmerzthe­ Coitus interruptus  583 –– Test  543
rapie  680 Colestyramin  164 –– zur Schmerztherapie  680
Carcinoma in situ, Vulva  451 Collins-Test  432 Dextromethorphan, in Grav. und
Cefaclor  711 Condylomata acuminata Stillzeit  252
Cefazolin  711 –– beim Kind  655 Dezeleration
Cefepim  712 –– Portio  492 –– prolongierte  270
Cefotaxim  711 Condylomata lata  442 –– variable  270
Cefotiam  711 Conjugata obstetrica  130 DHEA  637
Ceftazidim  712 Conjugata vera  130 DHEA-S  637
Ceftriaxon  711 Corpus luteum  553 Diabetes mellitus
Cefuroxim  711 –– Zysten  527 –– in gravidate  172
Cefuroximaxetil  711 –– Insuffizienz  560 –– Screening, Schwanger-
Cephalosporine Coryza syphilitica  443 schaft  133
–– in Grav. und Stillzeit  244 Co-trimoxazol  716 Diagnostik, pränatale  109
–– orale  711 Courvoisier-Zeichen  8 Diaphragma, Größen­
–– parenterale  711 Couvelaire-Syndrom  295 bestimmung  584
Cerclage  178 Coxiella burnetii  223 Diät, bei Adipositas  4
Cerclage-Pessar  179 Credé-Handgriff  283, 317 Diazepam, bei Geburts-
Chemoprophylaxe, Cri-du-chat-Syndrom  114 schmerz  284
­intrapartale  378 CTG  268 Diclofenac  678
Chemotherapeutika, Grav. und –– Nulldurchgang  273 Dicloxacillin  708
Stillzeit  716 –– Zusatzkriterien, Dihydralazin, bei hypertensiver
Chemotherapie  673 ­ungünstige  273 Krise  87
–– bei Hirnödem  684 Cutis marmorata  391 Dilatationsreflex, analer  657
–– in Grav. und Stillzeit  264 CVS  112 Distigminbromid, bei Überlauf­
–– Mammakarzinom  422 Cymeven®  193 inkontinenz  480
–– Zervixkarzinom  505 Cyproteronacetat  594 Diuretika, in der Grav. und
Chiari-Frommel-Syndrom  557 –– bei Androgenisierung  627 ­Stillzeit  255
Chinolone  715 Cystadenoma mucinosum  528 Döderleinflora  435
Chlamydien  219, 489, 653 Cystosarkoma phylloides  407 Doppler-Sonografie,
–– Kolpitis  441 CyVADIC-Schema  511 ­Geburtshilfe  700, 701
–– Zervizitis  631, 651 Dorsoposteriore Einstellung  303
Chloasma, unter D Double-Bubble-Phänomen  704
­OH-Einnahme  597 D4T  447 Douglas-Abszess  94
Chloramphenicol, in Grav. und Damm Douglas-Punktion  518
Stillzeit  244 –– Infiltration  288 Down-Regulierung  572
Chlormadinonacetat  594 –– Schutz  281 Down-Syndrom  114
Chloroquin  720 Dammriss  318 Doxycyclin  712
Cholestase-Enzyme  163 –– Naht  319 Drainage, postoperative  65
Chorionepitheliom  156 –– Wundsanierung  351 Dranginkontinenz  470
Chorionkarzinom  155, 156 Dammschnitt  322 Drei-Phasen-Präparate  603
Chorionzottenbiopsie  112 Darmgeräusche  9 DRG-relevante Nebendiagno-
–– transabdominale  112 Darmverletzung, bei Douglas- sen  48
–– transzervikale  112 Punktion  519 Ductus Botalli, vorzeitiger
Chromopertubation  551 Dauerblutung  646 ­Verschluss  241
Chromosomenaberration Dauerkatheter  64 Dulexitin, bei Belastungs­
–– numerische  114 Defibrillation  92 inkontinenz  476
–– strukturelle  114 Defloration, traumatische  632 Dumping-Syndrom  79
Chromosomenanomalie  641 Dehydroepiandrosteron­ Dünne Leukoplakie  432
–– autosomale  114 sulfat  540 Dupuytren-Kontraktur  7
–– gonosomale  114 Depotgestagene  600 Durchbruchsblutung  500
–– Risiko  116 Depotinjektionen  478 Durchgangssyndrom, post­
CIN  499 Depression  29, 660 operatives  29
Ciprofloxacin  715 Dermatika, in Grav. und Dysästhesie  15
Clavulansäure  709 ­Stillzeit  254 Dysgerminome  649
Clindamycin  714 Dermoide, Ultraschall  691 Dysmenorrhö  484, 496, 646
Clomethiazol  28 Dermoidzyste  528 –– primäre  631
Clomifen-Test  544 Descensus –– sekundäre  631
Clonidin, bei hypertensiver –– Implantate  468 Dysmorphie-Fehlbildungs­
­Krise  87 –– uteri  465 syndrome  116
Clotrimazol  718 –– vaginae  467 Dysmukorrhö  566
Clue Cells  434 Desogestrel  594 Dysontogenetische Zysten  655
726 Index  

Dyspareunie  435, 496 Entwicklungsstörungen Fehlgeburt  149


Dyspnoe, akute  83 –– pränataler Ultraschall  702 Fehlverhalten  16
Dysraphien  119 –– urogenitale  636 Feigwarze  436
Entzugsdelir  28 –– Portio  492
E Enzympräparate, in Grav. und Feminisierung, testikuläre  554
E. coli  652 Stillzeit  257 Fentanyl  679
Ebstein-Epithelperlen  391 EPH-Gestose  166, 168 Fertilitätsstörung beim
Edwards-Syndrom  114 Episiotomie Mann  567
Eierstockabszess  525 –– laterale  323 Fetalerkrankungen  703
Eigenblutspende  68 –– mediane  322 Fetopathie  108, 116
–– Eisensubstitution  70 –– mediolaterale  323 FFP  67
Eigenreflexe  13 –– Naht  323 Fibroadenom  407, 644
Eileiterabszess  525 –– Wundheilungsstörung  351 Fibromyom  492
Einfach-TK  67 Epispadie  650 Fibrozystische Mastopathie  644
Ein-Phasen-Präparate  595, 602 Epitheloider Trophoblast­ Fighting-Twin-Syndrom  183
Einstellung  126 tumor  155 FIGO-Klassifikation
–– Anomalien  302 Erb-Duchenne-Lähmung  387 –– Korpuskarzinom  508
Eisensubstitution, bei Erbrechen, Schwanger- –– Vaginalkarzinom  457
­Eigenblutspende  70 schaft  159 –– Vulvakarzinom  452
Ejaculatio seminis  583 Ernährung –– Zervixkarzinom  502
Ejakulat –– in der Grav.  139 FIGO-Score  272
–– Biochemische Parameter  547 –– Neugeborenes  368 Filzlaus  448
–– Gewinnung  546 –– parenterale  75, 77 Fimbrioplastik  577
Eklampsie  167, 170 Eröffnungsperiode  280 Fingernägel bei Psoriasis  7
–– drohende  167, 169 Ersttrimester-Screening  110 FISH  112
Ektopie  486, 491 Erysipel, Antibiose  721 Fistel
Elektrolytsubstitution  77 Erythema infectiosum  201 –– Blase-Scheide  459
Elterngeld  145 Erythromycin  714 –– chronische bei Mastitis  406
Embryopathie  108 Erythrozytenkonzentrat (EK), –– Harnwege  430
Emmet-Riss  484 ­gefiltertes  530 –– Rektum-Scheide  459
Enalapril  86 Erziehungsgeld  145 Fitz-Hughes-Curtis-­
Endokarditisprophylaxe  722 Erziehungsurlaub  145 Syndrom  522
Endokriner Hochwuchs  640 Esmarch-Handgriff  91 Flucloxacillin  708
Endokrinologie  606 Essigsäureprobe, Fluconazol  718
Endometriose  483 ­Kolposkopie  485 Flucytosin  718
–– Ultraschall  690 Estradiol  540, 594, 637 Flügelfell  649
Endometriosis Ethinylestradiol  594 Fluor  430, 630
–– extragenitalis  496 Etretinat, in Grav. und –– physiologischer  638
–– genitalis externa  496 ­Stillzeit  254 –– vaginalis  484
–– genitalis interna  496 Eutrophes Kind  357 –– Zervixpolyp  492
Endometritis  496 Expression, manuelle  283 Fluoreszin-in-situ-­
–– Antibiose  345 Exsikkosezeichen  7 Hybridisierung  112
–– Wochenbett  345 Extrauteringravidität  520 Flupirtin  678
Endometriumhyperplasie –– HCG-Werte  521 Flüssigkeitssubstitution  77
–– adenomatöse  500 –– Sonografie  520 Foetor ex ore  8
–– einfache  500 Extremitätenfehlbildungen  117 Follikel
–– glandulär-zystische  500 –– dominanter  553
–– komplexe  500 F –– Persistenz  500, 562
Endometriumkarzinom  507 Fallhand  388 –– Phase  552
–– Histologie  507 Fallot-Tetralogie  384 –– Punktion  574
–– Hormonsubstitution Famciclovir  197 –– Reifungsstörung,
nach  613 Familiärer Hochwuchs  640 ­Therapie  563
–– Operation  508 Familienplanung  580 –– -zyste  527
–– Stadieneinteilung  508 Farnkrautphänomen  545 Follikelstimulierendes
–– Strahlentherapie  509 Faustschlag, präkordialer  91 ­Hormon  540, 553
Endomyometritis, Febriler Abort  151 Folsäure, Dysraphie­
­Wochenbett  345 Feeding on Demand  348 prophylaxe  119
Energiedosis  120 Fehlbildung Formoterol  89
Enoxazin  715 –– angeborene  647 Formuladiät  79
Entbindung, vaginal-­ –– anogenitale  648 Forzepsentbindung  328
operative  325 –– fetale  234, 312, 379 Fototherapie  373
Entenschnabelspekulum  485 –– kardiovaskuläre  384 Frauenmilch  347
Enterobiasis  630 –– Operationstermine  385 Fremdkörper  654
Enterokokken  652 –– Syndrome  116 –– -vaginitis  651
Enteroviren  211 Fehlgeborenes  25 –– -vulvitis  652
   Index 727

Fremdreflexe  14 Gerichtsmedizinische Hämatom, retroplazentares  295


Fresh Frozen Plasma (FFP)  67 ­Untersuchung, sexueller Hämatosalpinx, Ultraschall  690
Frischblutkonserve  67 ­Missbrauch  657 Hämokonzentration  104
Frontookzipitaler Kopf­ Gerinnungsfaktoren­ Hämolyse  56
durchmesser (FOD)  697 konzentrate  67 Hämospermie  546
Fruchttod, intrauteriner  238 Geschwürabstrich  64 Harlekin-Phänomen  391
Fruchtwasser, Bilirubin­ Gesichtsanomalien  116 Harnblase
gehalt  132 Gesichtslage  302 –– Katheter  64
Fruchtwasserembolie  320 Gestagene  594 –– Katheter, suprapubischer  65
Frühabort  149 –– Mammakarzinom  423 –– Punktion  65
Frühgeburt  375, 377 Gestagentest  542 –– Punktionsurin  62
–– Risikofaktoren  376 Gestationsalter, Harninkontinenz  430
Frühgestose  159 ­Bestimmung  359 Harnröhrenabstrich  63
Fruktoseintoleranz  76 Gestationsdiabetes  172 Harnwegsfistel  430
Fundusstand  127 –– Screening  133 Harnwegsinfekt  95
Furunkel, Antibiose  721 Gestoden  594 –– Antibiose  721
Fusidinsäure, in Grav. und Gewichtsschätzung  699 Hautdesinfektion  56
­Stillzeit  254 Gewichtsverlust  639 Hautinfektionen,
Fußfehlstellung  380 Gewichtszunahme unter ­Neugeborenes  391
Fuß- oder Knielage  297 ­OH-Einnahme  597 Hautveränderungen,
Gigantomastie  409 ­Neugeborenes  391
G Glukagon  102 HCG, bei Extrauterin­
Galaktografie  401 Glukose, Belastungstest  641 gravidität  520
Galaktorrhö, DD  394 Glykopeptide  715 Hebamme, nach Ent­
Gallertbauch  528 GnRH-Agonisten bindung  352
Gametopathie  108 –– Mammakarzinom  422 Heberden-Knötchen  7
Ganciclovir  193 –– Myomtherapie  495 Hegar-Zeichen  134
Gardnerella vaginalis    GnRH-Freisetzung  637 Hellin-Regel  180
434, 653 GnRH-Sekretionsstörung  556 HELLP-Syndrom  167, 171
Gastritismittel, in Grav. und GnRH-Superagonisten  639 Hemmungsfehlbildungen  647
­Stillzeit  257 GnRH-Test  645 Heparin, bei Beinvenen­
Gastroschisis  235, 383 Gonadendysgenesie  554,   thrombose  87
Gaudenz-Fragebogen  472 640, 649 Heparin, in Grav. und
Geburt Gonadotropin  104, 564 ­Stillzeit  250
–– Analgetika  288 Gonadotropin-Releasing-Hormon Hepatitis A  205
–– Blutungsursachen, (GnRH)  552 Hepatitis B  206, 445
­sonstige  296 Gonorrhö  443 –– Impfung  208, 370
–– Einleitung  315 –– beim Kind  653 Hepatitis C  209
–– Kopfentwicklung  281 Gordon-Reflex  15 Hepatitis E  210
–– Lokalanästhesie  288 Gradstand, hoher  303 Hepatojugulärer Reflux  8
–– Mechanik  278 Granulosazellen  553 Her2/Neu-Rezeptor  423
–– psychische Probleme  668 Granulosazelltumoren  528 Hermaphroditismus  640
–– Schmerzleitungsbahnen  286 Graviditätsmakromastie  410 Herpes genitalis  198, 438
–– Verlauf, normaler  277 Gray  120 Herpes zoster  194, 197
Geburtseinleitung, Gregg-Syndrom  189 Herpes-simplex-Virus  198
­Methoden  316 Griseofulvin B  718 Herz
Geburtshilfe Grobe Leukoplakie  432 –– Auskultation  12
–– Doppler-Sonografie  700 Großwuchs  641 –– Frequenz  8
–– Ultraschall  694 Gummen  442 –– Geräusch  12
Geburtsmaße  358 Gürtelrose  194 –– Töne  12
Geburtsstillstand Guthrie-Test  369 –– Untersuchung  8
–– Austreibungsperiode  305 Gynäkologischer Ultraschall Herzdruckmassage
–– Eröffnungsperiode  304 –– abdominaler  688 –– Erwachsener  91
Geburtstermin, Berechnung  135 –– vaginaler  688 –– Neugeborenes  363
Geburtstraumen  386 Gyrasehemmer  715 Herzfrequenz, fetale  269
Geburtswege, Verletzung  318 –– Akzeleration  270
Gelbkörper  552 H –– antepartale Tachykardie  269
Gemeindeschwester  23 Hackenfuß  380 –– Bradykardie  270
Gemini  180 Haemophilus –– Frühdezeleration  270
Genitaler Pruritus  630 –– ducreyi  444 –– prolongierte Dezeleration   
Genitaltuberkulose  524 –– vaginalis  434, 440 270
Genitaltumoren, im Hairless Woman  554, 651 –– Spätdezeleration  270
­Kindesalter  655 Haltung  126 –– Typ-0-Dezeleration  270
Genopathie  108 Hämangiome  655 Herzrhythmusstörungen,
Gentamicin  713 Hämatokolpos  647 ­fetale  230
728 Index  

Herzstillstand  91 Hyperandrogenämie    Indometacin  678


Hinterhauptslage, hintere  303 543, 625 Infektion
Hirnfiliae, Chemotherapie  684 Hyperästhesie  15 –– fetale  377
Hirnventrikelerweiterung  312 Hyperbilirubinämie  372, 373 –– in gravidate  185, 185
Hirsutismus  539, 626, 633 Hyperemesis gravidarum  159 –– parasitär  227
–– ovarieller  627 Hyperkalzämie  684 Infektionen
HIV Hypermenorrhö  483 –– Antibiotikatherapie  708
–– Exposition  33 Hyperplastische Implantations- –– Meldepflicht (A)  30
–– Infektion  203, 445 stelle des Plazentabetts  156 –– Meldepflicht (CH)  30
–– Prophylaxe  33 Hyperprolaktinämie,   –– Risiko bei Transfusionen  74
–– Surrogatmarker­ als NW  557 Infiltrat, perityphlitisches  94
diagnostik  447 Hyperspermie  548 Inflammatorisches Karzi-
HLA-Typisierung  72 Hypertensive Krise, nom  410
HMG  564 ­Soforttherapie  87 Infusionslösungen
Hochwuchs  640, 641 Hypertonie  161 –– Osmolarität  77
Hoden –– arterielle  84 –– Volumenersatz  99
–– Biopsie  569 –– schwangerschafts­ Infusionstherapie  75
–– Hochstand  567 induzierte  166,   Insemination
–– Schaden  567 168, 169 –– heterologe  570
Homann-Zeichen  87 Hypertrichose  539, 626 –– homologe  570
Hormondiagnostik Hypertrophes Kind  357 –– intrauterine  570
–– Gruppeneinteilung nach Hypoglykämischer Schock, –– intrazervikale  571
Schmitt  487 ­Sofortmaßnahmen  102 Insertio velamentosa  295
–– Sterilität  541 Hypogonadotropismus  556 Insler-Score  545
Hormoningestion, exogene  639 Hypomenorrhö  483, 646 Inspektion
Hormonsubstitution Hypophyse –– Abdomen  10
–– ERT  607 –– Adenom  556 –– Genitale, äußeres  10
–– HRT  607 –– Darstellung  636 –– Genitale, inneres  10
–– kontinuierliche Präparate  615 –– Tumor  640 –– Haut, Schleimhaut  7
–– lokale Östrogenpräparate  617 Hypophysenvorderlappen­ Interruptio  145
–– Menopause  607, 618 insuffizienz  557 –– IUP nach  587
–– nach Endometrium­ –– postpartale  623 Intersex  621
karzinom  613 Hypospadie  650 Intersexualität, genitale  636
–– nach Mammakarzinom  613 Hypospermie  548 Intramammäre Zyste  406
–– nach Ovarialkarzinom  613 Hypothalamisch-hypophysäre Intrauterine Device (IUD)  586
–– nach Zervixkarzinom  614 Unterfunktion  639 Intrauterine Wachstums­
–– orale Gestagenpräparate  619 Hypotonie  161 retardierung (IUGR)  184
–– orale Östrogenpräparate  616 Hypotrophes Kind  357 Intrauterinpessar  586, 588
–– parenterale Gestagen­ Hypoxietachykardie  269 Intrazytoplasmatische
präparate  619 Hysterosalpingografie  550 ­Spermieninjektion  575
–– parenterales Östrogen/­ Hysteroskopie  490, 550 Intubation, Neugeborenes  363
Androgen  618 In-vitro-Fertilisation  572
–– Studienlage  608 I Iridozyklitis, gonorrhoische  444
–– transdermale Östrogen­ Ibuprofen  678 Iritis, gonorrhoische  444
präparate  617 ICD-Ziffern  35 ISSVD-Nomenklatur  450
–– WHI-Studie  608 ICSI  575
–– zyklische Präparate  614 Icterus neonatorum  372 J
Horner-Syndrom  388 Idiopathische Pubertas Jackson-Phänomen  394, 398
Hörscreening  370 ­praecox  645 Jendrassik-Handgriff  13
HPV  501 Ikterus  7 Jodhaltige Präparate, in Grav. und
Human Growth Hormone  641 Ileus Stillzeit  255
Humane Papillomaviren –– e graviditate  163
(HPV)  489, 492, 436 –– Sofortmaßnahmen  163
Humanes Choriongonadotropin K
Imipenem  712 Kaiserschnitt  334
(HCG)  130 Immunglobuline  67
Hunter-Glossitis  7 Kallmann-Syndrom   
Impetigo  391 556, 640
Hutchinson-Trias  443 –– Antibiose  721
Hydantoin-Syndrom  246 Kaltenbach-Schema  482
Impfkalender  370 Kalziumantagonisten  86
Hydrosalpinx, Ultraschall  690 Impfung
Hydrothorax  104 Kardiotokografie  268
–– in der Grav.  141 Karminativa, in Grav. und
Hydroxyethylstärke  99 –– Neugeborenes  368
Hydrozephalus  119,   ­Stillzeit  257
Impotentia Karnitin  547
234, 312 –– coeundi  570
Hymenalatresie  647 Karnofsky-Index  673
–– generandi  538 Karyotypisierung  110
Hymenalfibrom  655 Indinavir  717
   Index 729

Karzinom Kolpozöliotomie  592 Kurzprotokoll, IVF  574, 575


–– Endometrium  507 Kondylome  436, 437 Kurzrok-Miller-Test  550
–– Mamma  644 –– Portio  492 Küstner-Zeichen  282
–– Ovar  528 –– Schwangerschaft  229, 254 Kystom, Sonografie  691
–– Tube  526 Konisation  490
–– Vagina  457 Konstitutionelle Entwicklungs­ L
–– Vulva  452 verzögerung  642 Labiensynechie  647
–– Zervix  499 Konstitutionelle Pubertas Laborparameter, Mamma  404
Katheter ­praecox  645 Lackmusprobe  306
–– Harnblase  64 Kontaktbestrahlung, Zervix­ Lage  126
–– Sepsis  722 karzinom  504 Lageanomalie  297
–– Sepsis, Antibiose  722 Kontraktionsfrequenz, Lagerungsregel  280
–– Spitze, bakt. Unter­ ­physiologische  175 Laktulose  6
suchung  64 Kontrazeption Lambda-Zeichen  180
–– Uringewinnung  62 –– Billings-Methode  583 Lamivudin  717
Katzenschrei-Syndrom  114 –– hormonelle  594 Langprotokoll, IVF  572, 573
K-CTG  273 –– Intrauterinpessar  586 Lanz-Punkt  94
Keimstrang-Stroma-­ –– Knaus-Ogino-Methode  581 Laparoskopie
Tumoren  528 –– Kondom  589 –– diagnostische  551
Keimzelltumoren  528 –– Minipille  599 –– Tubenligatur  592
Kephalhämatom  388 –– Postkoitalpille  601 Large for Gestational Age  700
Kernig-Zeichen  15 –– Scheidendiaphragma  584 Lasègue-Zeichen  15
Ketoconazol  718 –– Spermizide  590 Latissimus-dorsi-Flap  418
Kind –– Temperaturmethode  581 Laxanzien  6
–– eutrophes  357 –– Versagerquote  580 –– in Grav. und Stillzeit  256
–– hypertrophes  357 –– Wochenbett  353 Laxoberal‚  6
–– hypotrophes  357 Konturstörungen  703 Lea®-Kontrazeptivum  590
–– übertragenes  357 Konversion  660 Lebendgeborenes, Kriterien  25
Kinetokardiotokografie  273 Kopfentwicklung, Geburt  281 Leberwertveränderungen,
Klavikulafraktur  387 Kopflösung nach Veit-Smel- Schwangerschaft  163
Klebsiellen  652 lie  334 Leichenschauschein  25
Kleinwuchs  117, 641 Kopfschwartenelektrode  268 Leistenhoden  567
–– bei chron. Erkrankungen  643 Kopf-Thorax-Diskrepanz  699 Leopold-Handgriff  126, 298
–– familiärer  642 Koronarinsuffizienz  83 Leptotrix  435
–– genetisch bedingter  642 Koronarsyndrom, akutes  83 Leukoplakie  430, 431
–– hormonell bedingter  643 Korpuskarzinom  508 –– Portio  486
Klimakterium  606 Korpuspolyp  495 Levonorgestrel  594
–– praecox  555 Korsakow-Syndrom  28 LGA  700
–– psychische Probleme  666 Kortikoide Lhermitte-Zeichen  15
Klinefelter-Syndrom  115, 569 –– bei Androgenisierung  627 LH-RH-Test  542, 623, 635
Klitorishypertrophie  621, 650 –– in Grav. und Stillzeit  253 Libido, Verlust unter
Klumpfuß  380 –– inhalative  89 ­OH-Einnahme  597
Klumpke-Lähmung  388 Krampfanfall Lichen sclerosus  449
Knaus-Ogino-Methode  581 –– Eklampsie  167 Lidocain  93, 289
Kniebeugen-Belastungstest  275 –– Neugeborenes  389 Lincoimycin, in Grav. und
Knochenalter  641 –– tonisch-klonischer  167 ­Stillzeit  244
Kohabitation, Beschwerden    Kraniopharyngeom  557 Lincosamide  714
435, 449 Krankenhausbehandlungs­ Lippen-Kiefer-Gaumen-­
Koilonychie  7 vertrag  26 Spalte  379, 117
Koilozyten  492 Krankenunterlagen, Heraus­ Listeriose  217
Kokkenkolpitis  440 gabe  16 Livores  24
Kolik, Niere  97 Krätze  449 Lochien  344
Koloskopie  61 Kraurosis vulvae  449 –– Stau  347
Kolpitis  439 Kreislaufstillstand  90 Lochiometra  347
–– bakterielle  440 Kreislaufuntersuchung  8 Lokalanästhetika, Geburt  288
–– Chlamydien  441 Kreißsaalaufnahme  267 Loslassschmerz  94
–– Kokken  440 Kreuzprobe  70 Lösungszeichen (Plazenta)  282
–– Mykoplasmen  441 Krisensituation, Arzt-Patient- Lues connata  215, 443
–– Soor  439 Verhältnis  15 LUF-Syndrom  561
–– Trichomonaden  441 Kristeller-Handgriff  282 Lumpektomie, Mamma  415
Kolporrhaphia anterior  478 Kryosation  491 Lunge, typische Befunde  13
Kolposkopie, Befunde  432,   Kryptozoospermie  548 Lungenembolie,
485, 486 Kumarinembryopathie  249 ­Sofortmaßnahmen  88
Kolposuspension nach Kürettage  489 Lungenreifeförderung,
Burch  477 K-Urin  62 ­pränatale  179
730 Index  

Lutealphase –– Goserelin  422 Meropenem  712


–– Basaltemperaturkurve  539 –– histologisches Grading  414 MESA  576
–– Insuffizienz  561 –– Hormonsubstitution Mestranol  594
Lutealphaseninsuffizienz  560 nach  613 Metamizol  678
–– Basaltemperatur bei  561 –– Hormontherapie  422 Metastasen
Luteinisierungshormon  540 –– inflammatorisches  410 –– bevorzugte
Luteinization of Unruptured –– Lymphödem  424 ­Lokalisationen  672
­Follicle (LUF)  540, 562 –– Metastasierung  424 –– Mammakarzinom  424
Luteinzysten  527 –– Morbus Paget  410 –– Ovar  528
Lyme-Borreliose  221 –– Nachsorge  426 –– Zervixkarzinom  506
Lymphabflussgebiete, –– operative Therapie  416 Metformin, bei Ovarial­
­Mamma  417 –– rekonstruktive OP  418 insuffizienz  560
Lymphdrainage  425 –– Risiko bei HRT  608 Metoclopramid, Test  544
Lymphochoriomeningitis  212 –– Risikofaktoren  410 Metoprolol  85
Lymphödem  424, 456 –– Strahlentherapie  420 –– bei hypertensiver Krise  87
–– untere Extremität  506 –– Tamoxifen  422 Metronidazol  716, 720
Lymphzyste, postoperative  505 –– Vorläuferläsionen  414 Metrorrhagie  483
Lynestrenol  594 Mammaknoten, DD  394 Mezlocillin  710
Mammografie  399 Michaelisraute  129
M Mangelgeburt  375, 376 Miconazol  718
Magenblase, Ultraschall  704 –– Risikofaktoren  376 Mifegyne®  148
Magen-Darm-Mittel, in Grav. und Manualhilfe (Bracht)  330 Mikroblutanalyse  277
Stillzeit  257 Marsupialisation  436 Mikrochirurgische Sterilitäts­
Magensonde, Ernährung  79 Maskenbeatmung  91 laparotomie  577
Magnetresonanztomografie Massivtransfusion  67, 72 Mikrognathie  117
–– in der Schwangerschaft  121 Mastektomie  416 Mikrokalk  401
–– Mamma  403 Mastitis Mikromastie  409
Makroglossie  116 –– außerhalb der Stillzeit    Mikroprolaktinom  558
Makrohämaturie  102 405, 644 Mikrostomie  8
Makrolide  714 –– non puerperalis  405, 644 Mikrozephalus  117, 235
Makromastie  409 –– puerperalis  348 Milch, Einschuss  347
–– juvenile  644 Mastodynie  406 Milchgang
Makroprolaktinom  558 Mastom  407 –– Papillom  408
Malaria  227 Mastopathie, fibrozystische  644 –– Sekretion  401
Maligne Lymphome, Ovar  528 Maternity Blues  668 Milchleiste  408
Mamille Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser- Milchsäurepräparate  440
–– Rekonstruktion  419 Syndrom  542, 648, 650 Milien  391
–– Retraktion  395 McBurney-Punkt  94 Minderwuchs, siehe Kleinwuchs
–– Schmerzen  395 McCune-Albright-Syndrom  639 Minipille  599
–– Sekretion, DD  394 Mebendazol  719 Minocyclin  712
–– Stimulationstest  275 Medroxyprogesteronacetat  423 Misgav-Ladach-Sectio  337
Mamma Mefloquin  720 Misoprostol, Abortinduktion   
–– aberrata  408 Mehrfeldertechnik  676 238
–– accessoria  408 Mehrlingsgravidität  180 Missed Abortion  151
–– Adenolipom  407 –– Besonderheiten  313 Mittelstrahlurin  62
–– Hamartom  407 –– Geburtsleitung  314 Mixed-Antiglobulin-Reaction-
–– Hautveränderungen  395 Meigs-Syndrom  90, 528 Test  568
–– Karzinom  644 Melanom, Vulva  452 Mole, invasive  154
–– Laborparameter  404 Meldepflicht Molimina menstrualia  631, 647
–– Lipom  407 –– Fahruntüchtigkeit  21 Monosomie
–– Reduktionsplastik  410 –– Infektionskrankheiten (A)  30 –– autosomale  114
–– Sarkom  407, 644 –– Infektionskrankheiten –– gonosomale  114
–– Sonografie  401, 402 (CH)  30 Morbus Bowen, Vulva  451
–– Spannungsgefühl  395, 406 Menarche  638 Morbus haemolyticus
–– Tumoren  644 Meningomyelozele  380 ­neonatorum  374
Mammakarzinom  410 Meningozele  380 Morbus Paget
–– Ablatio mammae  416 Menopause  606 –– Mamma  410
–– adjuvante Therapie  421 Menorrhagie  483 –– Vulva  451
–– Antikörpertherapie  423 Menstruation, Morbus Recklinghausen  639
–– Brusterhaltende Therapie, ­Verschiebung  597 Morgentemperatur  581
BET  415 Menstruationszyklus  552 Morphin  679
–– Chemotherapie  422 –– postpartal  343 MRSA (methicillinresistenter
–– Diagnostik  410 Mepivacain  289 ­Staphylococcus aureus)  31
–– Fulvestrabt  423 Meptazinol  288 Müller-Gänge  648
–– Genetik  404 –– bei Geburtsschmerz  284 Mumpsorchitis  567
   Index 731

Münchener Nomenklatur  487 –– Reanimation  362 Organogenese, vulnerable


Mund- und Rachentherapeutika, –– Screening  118, 369 ­Phasen  113
in Grav. und Stillzeit  259 –– Sepsis  377 Ösophagusatresie  382
Muttermundverschluss, –– Streptokokkeninfektion  378 Osteomalazie  612
­totaler  179 –– Syphilis  216 Osteoporose  611
Mutterpass  136, 267 –– Tubusgrößen  364 Östrogen  540, 594
Mutterschaftsvorsorge  135 –– Untersuchung  358 –– Dauerstimulation  500
Mutterschutzgesetz  144 –– Vaginalzytologie  635 –– Entzugsblutung  638
Mycoplasma hominis  220 Neuralrohrdefekt  110, 119, 380 –– Gestagen-Test  542
Mykoplasmenkolpitis  441 –– α1-Fetoprotein  131 –– Therapie bei Hochwuchs  642
Myom –– Folsäure  382 Oszillation, Frequenz  272
–– in der Grav.  237 Neurologische Untersuchung  13 Ovar(ien)
–– Ultraschall  690 Neurolues  442 –– Hypoplasie  555
–– Zervix  492 Neurose  660 –– hyposensitives  554, 555
Myometritis  496 –– postpartale depressive  668 –– Metastasen  528
Neutropenie  721 –– Palpation  515
N –– Antibiose  721 –– polyzystisches  515,  
Nabelschnurknoten, Sofort­ Niclosamid  719 527, 559
maßnahmen  311 Niere –– Röntgendiagnostik  517
Nabelschnurvorfall  308 –– Agenesie  313 –– Zytologie  519
Nabelvenenkatheter  366 –– Kolik  97 Ovarialfibrom  528
Nachgeburt, manuelle Expression    –– Steine  97 Ovarialinsuffizienz
283 Nierentransplantation und –– hyperandrogenämische  559
Nachsorge  23 Schwangerschaft  166 –– hyperprolaktinämische  557,
–– Mammakarzinom  426 Nitroglyzerin  83 558
Nackenbeugezeichen, –– bei hypertensiver Krise  87 –– hypophysäre  556
­Lhermitte  15 No change  675 –– hypothalamische  556
Nackenfalte  109 Non-Stress-Test  274 –– primär hypergonadotrope   
Nadelsuspensionsverfahren  478 Norethisteronacetat  594 640
Naegele-Regel  135 Norethisteron  594 –– primäre  554
Nahrungsaufbau  77 Norfloxacin  715 –– sekundäre  555
Naloxon  288 Norgestimat  594 Ovarialkarzinom
Narkoseuntersuchung  489 Norgestrel  594 –– Chemotherapie  532
Nativpräparat  433 Notfall –– Hormonsubstitution
Nativzytologie  434 –– geburtshilflicher  105 nach  613
Natriumbikarbonat  94 –– gynäkologischer  102 –– operative Therapie  531
Natriumpicosulfat  6 Notfallkoniotomie  91 –– Rezidivtherapie  534
Neisseria gonorrhoeae  443 Notfallsectio  339 –– TNM-/FIGO-Klassifikation   
Nekrozoospermie  548 Notsectio  311 531
Neoplasie Notzuchtdelikt  459 Ovarialtumor  515, 527
–– vulväre intraepitheliale  451 –– Befunderhebung  460 –– Dermoidzyste  528
–– zervikale intraepitheliale  488, –– Untersuchung  461 –– in der Grav.  529
499 NSAID  678 –– Klassifikation  528
Neosalpingostomie  577 Null-Diät  4 –– Merz-Score  691
Neostigmin, in Grav. und Nystatin  718 Ovarialvenenthrombose  350
­Stillzeit  257 Ovarialzyste
Neovagina  554, 651 O –– funktionelle  527
Nervendehnungsschmerz  15 OAT-Syndrom  548 –– stielgedrehte  527
Neugeborenenscreening  118 Obduktion  26 Ovarieller Regelkreis  552
Neugeborenes Ödeme  7 Oversuppression-Syndrom   
–– Absaugen Atemwege  367 Ofloxacin  715 596, 598
–– Akne  391 oGTT  133 Ovula Nabothi  491, 492
–– Asystolie  361 Olfaktogenitales Syndrom  556 Ovulation  552
–– Beatmung  363, 365 Oligo-Astheno-Teratozoospermie    Ovulationshemmer, orale  594
–– Blutgase  362 548 –– Abbruchblutung  597
–– diabetische Mutter  392 Oligohydramnie  313 –– bei Fernreisen  598
–– Exanthem, toxisches  391 –– Ultraschall  704 –– Brustspannen bei  597
–– Hautveränderungen  391 Oligomenorrhö  483, 646 –– Chloasma bei  597
–– Hörscreening  370 Oligozoospermie  548, 568 –– Dosierung  595
–– Ikterus  372 Omphalozele  235, 383 –– Drei-Phasen-Präparate  603
–– Impfung  368 Oppenheim-Reflex  15 –– Ein-Phasen-Präparate  602
–– Intubation  363 Orale Ovulationshemmer  594 –– Gewichtszunahme bei  597
–– Krämpfe  389 Oraler Glukosetoleranztest  133 –– in der Stillzeit  598
–– künstliche Ernährung  368 Oralpenicilline  708 –– Kontraindikationen  595
–– Polyglobulie  361 Orchitis  539 –– Libidoverlust  597
732 Index  

–– Menstruations­ Perimenopause  606 Postkoitalpille  601


verschiebung  597 Peritoneallavage  60 Postkoitaltest  549
–– Nebenwirkungen  596 Peritonealpunktion  59 Postmenopause  606
–– Präparatewechsel  597 Peritonitis  721 Post-Pill-Amenorrhö  596, 598
–– sofortiges Absetzen  596 –– Antibiose  721 Potter-Sequenz  313
–– Übelkeit  597 Perkussion PPSB  67
–– und Schwangerschaft  598 –– Abdomen  8 Präazidose  277
–– Wechselwirkungen  598 –– Herz  8 Präimplantationsdiagnostik  109
–– Zwei-Phasen-Präparate  602 –– Lunge  13 Prä-Infarktstadium  82
–– Zwischenblutungen bei  597 Perkutanbestrahlung, Zervix­ Präkanzerose, Vulva  451
Oxytocin-Belastungstest  275 karzinom  504 Prämature Pubarche  639
Oxyuriasis  630 Perl-Probe bei Laparosko- Prämature Thelarche  639
pie  592 Prämenopause  606
P Pethidin  288, 679 Prämenstruelles Syndrom  664
Palmarerythem  7 –– bei Geburtsschmerz  284 Pränatale Diagnostik  117, 702
Palpation  10 Pfropfgestose  171 Pränatale Schädigung  108
–– Abdomen  8 Phlegmone, Antibiose  721 Präpubertät  635, 637
–– genitale  10 Phrenikusreizung bei Präservativ  589
–– Lunge  13 ­Laparoskopie  593 Primäre Amenorrhö  648
–– Ovar  515 Phthirius inguinalis  448 Primordialfollikel  606
–– rektoabdominale  632 Phytoöstrogene  610 Probleme
–– vaginale  515 Piperacillin  710 –– psychische  660
Pankreatitis, akute  82 Piritramid  679 –– psychosomatische  660
Papanicolaou-Färbung  434 Piskacek-Zeichen  134 Problempatientin  26
Papillomaviren  489 Placenta praevia  292 Progesteron  540
Paracetamol  678 –– Ultraschall  699 Progression  675
Parasitäre Infektionen  227 Plaques lisses  442 Prolaktin  540
Parasiten beim Kind  653 Plasmafraktion  75 –– Normwerte  556
Parasitose  448 Plasmodium  227 Prolaktinom  556
Parästhesie  15 Plazenta –– Schwangerschaft bei  559
Paravasat, Sofortmaßnahmen    –– Lösungsstörungen  294, 319 Promethazin, bei Geburts-
675 –– Lösungszeichen  282 schmerz  284
Parazentese  60 –– Ultraschall  699 Prophylaxe, perioperative  722
Parenterale Ernährung  77 Plazentabett-Tumor  155 Prostaglandin-­
Partialmole  154 Pleuraerguss  90 Belastungstest  275
Parvovirus B19  201 –– bei Malignom  682 Prostaglandine
Pätau-Syndrom  114 Pleurapunktion  58 –– Therapie  238
Patellarsehnenreflex  14 Plexuslähmung –– Zervixreifung durch  238
Patient controlled analgesia  680 –– obere  387 Prostatasekret  568
Payr-Zeichen  87 –– untere  387 Proteus  652
PCO-Syndrom  515, 559 Plötzlicher Kindstod  390 Prothrombin-Komplex  163
PDA  285 PMS  664 Protozoen-Antibiotika  720
Pearl-Index  580 Pnenmonic  90, 721 Pruritus vulvae  430, 630
Peau-d‘orange-Phänomen  395 Polioviren  211 Psammomkörperchen  519
Pediculosis pubis  432, 448 Polydaktylie  380 Pseudobelade Brocq  624
Pelveopathia Polyhydramnie, Ultraschall  704 Pseudogestationssack  520
–– spastica  663 Polymastie  408 Pseudohermaphroditismus
–– vegetativa  663 Polymenorrhö  483, 646 ­masculinus  554
Pelvic inflammatory Polyp Pseudomembranöse Kolitis  709
­Disease  522 –– Corpus uteri  495 Pseudomyxoma peritonei  528
Pelviskopie, Kinder und –– Zervix  492 Pseudopubertas praecox  639,
­Jugendliche  636 Polythelie  409 645
Penetrak-Test  568 Polyvidonjod-Lösungen, in Grav. Psychische Probleme  660
Penetrationsverletzung  636 und Stillzeit  259 Psychopharmaka, in Grav. und
Penicilline Polyzoospermie  548 Stillzeit  259
–– Acylamino-  710 Polyzystische Ovarien  527, 559 Psychose  660
–– Amino-  709 Portio Psychosomatische
–– in Grav. und Stillzeit  244 –– Konisation  490 ­Probleme  660
–– orale  708 –– Zytologie  487 Ptyalismus gravidarum  159
–– penicillinasefeste  708 Portioabstrich Pubarche  637
Pentazocin, bei Geburts- –– Chlamydien  489 Pubertas praecox
schmerz  284, 288 –– humane Papillomaviren –– bei ZNS-Tumoren  645
Periduralanästhesie  285 (HPV)  489 –– idiopathische  645
Perihepatitis  522 Portiokappe  571 –– konstitutionelle  645
Perikarditis  82 Postinseminationstest  549 –– vera  639
   Index 733

Pubertas tarda  640 Renofaziale Dysplasie  313 Scheidenplastik  554


Pubertät  638 Resalpingostomie  577 Scheitelbeineinstellung,
Pubertätsmakromastie  409 Resistent Ovary Syndrome  555, ­hintere  304
Pubertätsstörungen  639 640 Schilddrüsentherapeutika, in
Pubesbehaarung  638 Retentio placentae  319 Grav. und Stillzeit  262
Pudendusblock  287 Rezept, BtM-  18 Schildthorax  649
Puerperalsepsis  346, 350 Rezidiv  675 Schiller-Jodprobe  485
Pulmonalstenose  384 Rhabdomyosarkom, Vagina    Schizophrenie, postpartale  668
Pulsationszystozele  466 457, 630 Schlafmittel  5
Pulslosigkeit  90 Rhesusprophylaxe  374 Schleimretentionszyste,
Pulsus paradoxus  8 –– antepartale  375 ­Portio  492
Punktion –– postpartale  374 Schlingenoperationen  478
–– Douglas-Raum  518 Rhesussensibilisierung  132 Schlüsselzellen  434
–– Harnblase  65 Rhinologika, in Grav. und Schmerzen
–– Peritonealraum  59 ­Stillzeit  261 –– Abdomen  514
–– Pleura  58 Ribavirin, in Grav. und –– Unterbauch, Kinder  631
Punktionsurin  62 ­Stillzeit  263 –– Vulva  430
Purpura, jaune d‘ocre  9 Rickettsien  223 Schmerztherapie  677
Pyodermie  391 Rigor mortis  24 Schmierblutung  483
Pyosalpinx, Ultraschall  690 Ringelröteln  201 Schnappatmung  91
Pyospermie  546 Ringerlaktat  99 Schock, Sofortmaßnahmen  98
Pyrantel  719 Risikogravidität  162 Schockzustand  310
Pyridostogmin, in Grav. und Ritgen-Handgriff  281 Schröder-Zeichen  282
­Stillzeit  257 Ritonavir  448 Schulterdystokie  329
Pyrimethamin  720 Robinson-Drainage  65 Schulterentwicklung  282
Röntgendiagnostik Schwangerenvorsorge  137
Q –– in der Grav.  121 Schwangerschaft
Q-Fieber  223 –– Kinder und Jugendliche  636 –– Abbruch  145
Quadrantektomie  415 –– Ovar  517 –– akutes Nierenversagen  165
Quarantänelagerung  75 Röteln  188 –– Alkohol  140
Querlage  300 Rötelnembryopathie  188 –– Angurtung  142
–– verschleppte  300 Routine-Mammografie  399 –– bakterielle Vaginose  229
Querstand, tiefer  303 RU 486  148 –– Bakteriurie  165
Rubella  188 –– bei Epilepsie  246
Rückbildung  342, 344 –– bei liegendem IUP  587
R –– verzögerte  342 –– Drogen  140
Rachischisis  119, 235 Rückbildungsgymnastik  344 –– ektope  519
Rachitisprophylaxe  368 Ruheperiode  632 –– Erbrechen  159
Radiusperiostreflex  14 –– Feststellung  135
Raloxifen  620 –– Fettleber  164
Randsinusblutung  296 S
Säbelscheidentibia  443 –– Flugreisen  143
RDS-Prophylaxe  179 –– gastrointestinale
Reanimation  91 Saktosalpinx, Ultraschall  690
Saling  358 ­Veränderungen  163
–– Neugeborenes  362 –– Genussmittel  140
Redon-Drainage  65 Salmeterol  89
Salpingitis  522 –– Geschlechtsverkehr  141
Reduktionsplastik  410 –– Gewichtszunahme  141
Refertilisierung  593 Salpingostomie  577
Salzverlust-Syndrom  621 –– Gymnastik  140
Reflexe –– Herzkreislauffunktion  161
–– Eigen-  13 Sandkastenvulvitis  652, 653
Saquinavir  448 –– Ikterus  164
–– Fremd-  14 –– Infektionen in der  185, 185
–– pathologisch  14 Sarkom
–– Mamma  407 –– intrahepatische Cholestase   
Reflexinkontinenz, 164
­Behandlung  480 –– Uterus  510
Sattelnase  443 –– Kaffee  140
Refluxösophagitis  163 –– kardiale Vorerkrankung  162
Reifungsperiode  632 Saugglockenentbindung  326,
327 –– Kondylome  229, 254
Reizvulvitis  435 –– Leberwertveränderungen  163
Rekonstruktion Scabies  449
Schädellage, regelwidrige  301 –– Magen-Darm-Mittel  257
–– alloplastische  418 –– Medikamente  138, 240
–– bei Mamma-Ca  418 Schadensereignis  16
Schambehaarung  637, 638 –– MRT  121
–– Mamille  419 –– nach Nierentransplantation   
Rektoskopie  61 Schambogenwinkel  129
Schanker 166
Rektozele  10 –– Nierenaufstau  165
Rektumnaht  319 –– harter  442
–– weicher  444 –– Nikotin  140
Rektum-Scheiden-Fistel  459 –– Obstipation  163
Removab  683 Scheidendiaphragma  584
Scheidenhämatom  352 –– Ovarialtumor  529
734 Index  

–– parasitäre Infektionen  227 Skelettalterbestimmung  636 –– gynäkologische


–– psychische Probleme  667 Small for Gestational Age  700 ­Untersuchung  539
–– Pyelonephritis Sodbrennen  160 –– Labordiagnostik  540
­gravidarum  165 Somatotropes Hormon  641 –– psychische Ursachen  665
–– Ramadan  142 Sondenernährung  79 –– tubar bedingte  567
–– Reisen  142 Sonografie –– ungeklärte  562
–– renale Komplikationen  164 –– Kinder und Jugendliche  636 –– Ursachen  538, 554
–– Rh-Antikörper  132 –– Leitsymptome  692 –– uterin bedingte  567
–– Röntgenuntersuchungen  121 –– Mamma  401, 402 Stevens-Johnson-Syndrom  716
–– Schilddrüsen­ Soor  391 Stickstoffbedarf  76
erkrankungen  262 –– Kolpitis  434, 439 Stielgedrehte Ovarialzyste  527
–– Sodbrennen  143, 160 –– Vulvitis  651 Stilbestrol  457
–– Strahlenbelastung  120 Soziale Dienste  24 Stillen  347
–– Streifen  126 Spaltbildung, Wirbelsäule  380 Stillvorbereitung  144
–– Thromboseprophylaxe bei  4 Spasmoanalgetika  287 Stimmfremitus  13
–– Thrombozytopenie  233 Spasmolytika  287 Stirnlage  302
–– Ultraschall  695 –– in Grav. und Stillzeit  241 Stoffwechselerkrankungen,
–– Ultraschallscreening  696 Spätabort  149 ­pränatale Diagnostik  117
–– Unfälle  239 Spätgestose  166, 168 STORCH  185
–– Vaginalmykose  230 Spermien Strahlenbelastung  120
–– Zeichen  134 –– Analyse  546 Strahlenerkrankungen  504
–– Zervixkarzinom  506 –– Antikörper  549 Strahlenkolitis/-proktitis  505
Schwangerschaftscholestase  164 –– Deponierungsstörung  570 Strahlentherapie  676
Schwangerschaftsepulis  163 –– Gewinnung, spezielle  576 –– Empfindlichkeit des
Schwangerschaftshydrämie  161 –– Penetration  549, 565 ­Feten  122
Schweißdrüsenabszess  395 –– Waschung  571 –– Mammakarzinom  420
SCMC-Test  569 Spermieninvasionstest, –– Zervixkarzinom  504
Sectio caesarea  334 ­gekreuzter  550 Strahlenzystitis  504
–– Anästhesie  338 Spermien-Zervix-Mukos-­ Stranggonaden  649
–– klassische Form  335 Kontakt-Test  569 Streptokokken  652
–– modifizierte  337 Spermiogramm  546 Stressinkontinenz  430
–– Notfallsectio  339 –– pathologisches  568 Stresstest  275
–– postoperative Spermizide  590 Strukturstörungen  704
­Überwachung  336 Sphinkternaht  319 Sturge-Weber-Syndrom  639
–– sanfte  337 Spider naevi  7 Subarachnoidalblutung  386
Segmentresektion  415 Spina bifida  119, 235, 380 Subduralblutung  386
Sektion  26 Spinalanästhesie  286 Subgaleale Blutung  388
Selektive Estrogen-Rezeptor-­ Spirale  586 Substitutionstherapie, hormonelle,
Modulatoren  620 Splitejakulat  572 Klimakterium  607
Sensibilität  15 Spontanabortneigung, Sudden Infant Death
Sepsis ­wiederholte  152 ­Syndrome  390
–– Blutkultur  62 Spontanpneumothorax  82 Suizid(-versuch)  28
–– Schock  100 Spotting  483 Sulbactam  709
Septischer Abort  151 Spülkatheter  64 Sulfamethoxazol  716
Serotonin-Wiederaufnahme­ Staging, Ultraschall  691 Sulproston  318
hemmer, in Grav. und Staphylokokken  652 Suprarenin  92
­Stillzeit  260 Staphylokokken-Penicilline    Supraventrikuläre Extrasystolen   
Seuchenverdacht  26 708 231, 232
Sexualhormonbindendes Stein-Leventhal-Syndrom    Swim-up  571
­Globulin  540 515, 559 Swyer-Syndrom  554, 649
Sexualhormone, in Grav. und Steiß-Fußlage  297 Symphysenlockerung  350
Stillzeit  253 Steißlage, reine  297 Symphysenspalt  351
Sexually Transmitted Steißteratom  235, 312 Syndaktylie  380
­Diseases  442 Stellung  126 Syphilis  442
Sexuelle Nötigung  459 Sterbegeld  26 –– Neugeborenes  216
Sexueller Missbrauch  656 Sterbende Patientin  24 –– Serologie  443
SGA  700 Sterilisation  353
Sheehan-Syndrom  623 –– der Frau  591 T
Sichelfuß  380 –– des Mannes  591 Tabes dorsalis  442
SIDS  390 Sterilisationsdosis  120 Taches bleues  432
Sievert  120 Sterilität Tachykardie
SIH  166, 168, 169 –– Anamnese  538 –– fetale  269
Sims-Huhner-Test  549 –– andrologischer Faktor  567 –– ventrikuläre  232
Simulation  660 –– Diagnostik  541 Talgdrüsenhyperplasie,
Skalenus-Lk  501 –– Funktionstests  542 ­akneiforme  391
   Index 735

Tanner-Stadien  638 Treponema pallidum  215, 442 Untersuchung


Teicoplanin  715 TRH-Test  623 –– bakteriologische  62
Temperatur, erhöhte  342 Trichomonaden  652 –– bei Schock  98
Teratom, Ultraschall  691 –– Kolpitis  441 –– bimanuelle  10
Teratozoospermie  548, 568 Trichomoniasis  435 –– gynäkologische  9
Terbutalin  89 Trimethoprim  716 –– körperliche  7
Termingeborenes  357 Tripeldiagnostik  110 –– Lunge  13
Terminüberschreitung  235 Tripper  443 –– Mamma  396
TESE  576 Trisomie  114 –– Neugeborenes  357
Testikuläre Feminisierung    –– autosomale  114 –– neurologische  13
651 Trisomie 21  110 –– präpartale  267
Testosteron  540 Trizepssehnenreflex  14 –– rektale  9
Tetrazykline  712 Tromantadin, in Grav. und –– rektovaginale  11
–– in Grav. und ­Stillzeit  244 ­Stillzeit  255 –– Sensibilität  15
Thelarche  637 Trommelschlägelfinger  7 –– U 1  358
Theophyllin  89 Trophoblasterkrankung  154 Untersuchung, gynäkologische,
–– in Grav. und ­Stillzeit  244 –– gestationsbedingte  157 Kinder  633
Thrombophlebitis, bei Tubarabort  520 Urapidil, bei hypertensiver
­Verweilkanülen  58, 77 Tubargravidät, Ultraschall  690 ­Krise  87
Thromboseprophylaxe  4 Tubarruptur  520 Ureaplasma urealyticum  220
Thrombozytenkonzentrat Tube Ureidopenicilline  710
(TK)  67 –– Karzinom  526 Urethraabstrich  489
Thrombozytentransfusion  72 –– Ligatur  591 Urethradruckprofil  475
Thrombozytopenie, Schwanger- –– Motilitätsstörung  567 Urethrometrie  475
schaft  233 –– Ultraschall  516 Urge-Inkontinenz  430, 470
Thyreostatika, in der Grav. und –– Verschluss  551, 567 –– Behandlung  479
Stillzeit  262 –– Winkelmyome  567 –– motorische  470
Tilidin-Naloxon  678 Tubenkoagulation siehe –– sensorische  470
TNM-Klassifikation ­Sterilisation Urinkultur  62
–– Vaginalkarzinom  458 Tuboovarialabszess  525 Urogenitalfehlbildungen  648
–– Vulvakarzinom  454 Tumor Urogenitaltuberkulose  631
–– Zervixkarzinom  502 –– axillär  395 Urogramm  636
Tobramycin  713 –– Exzision, Mamma  415 Urometrie  476
Tod –– Remission  674 Urosepsis  97
–– Bescheinigung  25 Tumoren, benigne Ursodesoxycholsäure  164
–– Ursache, unnatürliche  25 –– im Kindesalter  655 Uteroplazentare Insuffizienz   
–– Zeichen  24 Tumoren, maligne 184
Tokolyse  175, 177 –– im Kindesalter  656 Uterus
Toluidinprobe  432 Tumormarker  681 –– Atonie  317
TORCH  185 –– klinisch relevante  682 –– bicornis  648, 649
Totgeborenes  25 Turner-Syndrom  115,   –– Fehlbildungen  648
Toxoplasmose  213 640, 649 –– Kompression, manuelle  318
Trachealpunktion  91 Twin Peak Sign  180, 181 –– myomatosus  492
Traktionszystozele  466 –– Myom in der Grav.  237
Tramadol  678 U –– Rückbildung  344
–– bei Geburtsschmerz    Überlaufinkontinenz  430 –– Ruptur  309
284, 288 –– Behandlung  480 –– Sarkom  510
Tramal  288 Übertragenes Kind  357 –– (sub)septus  649
Transaminasen  163 Uhrglasnägel  7 –– unicornis  649
Transfusion Ulcus
–– Aufklärung  73 –– durum  442 V
–– Durchführung  71 –– molle  444 VACTERL-Syndrom  253
–– Hämolyse  73 Ulkusabstrich  64 Vagina  430
–– Infektionsrisiko  74 Ulkusmittel, in Grav. und –– Aplasie  648
–– Quarantänelagerung  75 ­Stillzeit  257 –– Blutung  482
–– Reaktion  73 Ullrich-Turner-Syndrom  554 –– Kolposkopie  433
–– Verweigerung  73 Ultraschall, Tube  516 –– Mykose, Schwanger-
Transfusionsgesetz  66 Ulzeration, äußeres Genita- schaft  230
Transfusionssyndrom, le  431 –– Rhabdomyosarkom  457
­fetofetales  182 Umbilikalarterien-pH  357 –– Schmerzen  483
Transobturatorbänder  477 Unterbauch, Tumor  515 –– Septum  648
Transurethrale Unterbauchbeschwerden  663 –– Zyste  433
­Katheterisierung  64 Unterbauchschmerz –– Zytologie, Neugeborenes  635
Transversaler Rektuslappen  418 –– Differenzialdiagnosen  514 Vaginale intraepitheliale
Traumatische Defloration  632 –– Wochenbett  343 ­Neoplasien  457
736 Index  

Vaginalkarzinom  457 Vulvahämatom  352 –– Insuffizienz  174


–– Histologie  457 Vulvakarzinom  453 –– Konisation  490
–– Nachsorge  459 –– Nachsorge  456 –– Längenmessung  700
–– Strahlentherapie  459 –– stadiengerechte Therapie  455 –– Myom  492
–– TNM-Klassifikation  458 –– Strahlentherapie  456 –– Polyp  492
Vaginalschwamm  585 –– TNM-Klassifikation  454 –– Reifung, Prostaglandine  238
Vaginose, bakterielle  229 Vulvoskopie  432 –– Schleim  583
Vaginoskopie, Kinder und Vulvovaginitis –– Schleim, physiologische
­Jugendliche  634 –– beim Kind  652 ­Funktion  565
Vakuumextraktion  326 –– unspezifische  630, 652, 653 –– Schleimqualität  546
Valsalva-Manöver  59 –– Score  236
Vancomycin  715 W –– Ultraschall in Grav.  700
Varikozele  567 Wachstumsretardierung, intra­ –– Zytologie  487
Varizellen  194 uterine  184 Zervixfaktor  565
–– Schutzimpfung  196 Wachstumsschub, Zervixkarzinom  501
Varizellensyndrom, kongenitales    ­puberaler  638 –– Afterloading  504
194 Wehen –– Chemotherapie  505
Vasektomie  591 –– Nachgeburt  282 –– Komplikationen  505
Veit-Smellie  334 –– Schwäche  305 –– Komplikationen nach
Vena-cava-Kompressions­ Wendung, äußere  299 ­Bestrahlung  504
syndrom  275 Wernicke-Enzephalopathie  28 –– Mikrokarzinom  502
Venenpunktion, periphere  56 WHI-Studie  608 –– Nachsorge  506
Venenverweilkanülen  57 Wiederholte Spontanabort­ –– Operation  503
Venerische Erkrankungen  442 neigung, WSA  152 –– Perkutanbestrahlung  504
Ventrikelseptumdefekt  384 Windeldermatitis  630, 652, 653 –– Schwangerschaft  506
Veressnadel  592 Windpocken  194 –– Strahlentherapie  504
Vergewaltigung  459, 656 Wochenbett –– TNM-Klassifikation  502
Verletzungen, gynäkologische, –– Beratung  352 –– Tumorprävention  487
Kinder und Jugendliche  654 –– Betreuung  342 –– Zytologie  487, 488
Versagerquote, kontrazeptive –– Endometritis  345 Zervix-Korpus-Kürettage  489,
­Methoden  580 –– Endomyometritis  345 490
Verschlussazoospermie  569 –– Folgeschwangerschaft  353 Zervizitis, kondylomatöse  492
Verweilkanüle  57 –– Hinweise für die Zidovudin  447, 717
Verwirrte Patientin  29 ­Patientin  352 –– in Grav. und ­Stillzeit  263
Vierfingerfurche  115 –– Kontrazeption  353 Zoladex  492
Virilisierung  626 –– Kopfschmerzen  345 Zwei-Phasen-Präparate  595,
–– äußeres Genitale  650 –– psychische Probleme  668 602
Virushepatitiden  205 –– Unterbauchschmerz  343 Zwei-Stufen-Präparate  595
Virusinaktivierung  75 –– vaginale Blutung  343 Zwillingsschwanger-
Virustatika  717 Wochenfluss  344 schaften  180, 181
–– in Grav. und Stillzeit  263 Wundabstrich  64 Zyklus
Vitamin-D-Prophylaxe  368 Wundheilungsstörung, –– anovulatorischer  500, 507
Vitamin-K-Prophylaxe  369 ­postpartale  351 Zyste
Vollblutkonserve  67 Wundinfektion, Antibiose  721 –– Bartholini  430
Volumenmangelschock, –– dysontogenetische  655
­Sofortmaßnahmen  100 –– Mamma  406
Volumensubstitution  99 Z –– Ovars  527
Vorderhauptslage  301 Zanamivir, in Grav. und Zystoskopie  61
–– hintere  304 ­Stillzeit  263 Zytodiagnostik, hormonelle   
Vorfall kleiner Teile  309 Zangemeister-Handgriff  127 487
Vorzeitige Plazentalösung  294 Zangenentbindung  328 Zytomegalie  191
Vorzeitiger Blasensprung Zellseparator-TK  67 Zytostatika, in Grav. und
–– Antibiotikaprophylaxe  307 Zervix ­Stillzeit  264
–– Diagnostik  306 –– Abstrich  516
Vorzeitige Wehen  174 –– Dysplasie  499
Vulva, Kondylome  437 –– Index nach Insler  545

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