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1 H A L B S Y N T H E T I S C H E M O R PH I N A N A LO G A
µ-selektive
CH3 CH3
N N
O O
Oxymorphon Oxycodon
Opioide ohne
Morphinan- nicht vorhanden oder funktionell ohne Bedeutung, so dass
ABB. 2 VO N D E R M O R PH I N S T R U K T U R A B G E L E I T E T E D E R I VAT E
|
<< Strukturen von Cod-
HO ein, Dihydrocodein, Oxy-
morphon und Oxycodon
die Therapie eingeführt wurden. Bekannte Vertreter sind noch therapeutisch verwendet ist in der Pethidingruppe
Codein, Dihydrocodein, Oxymorphon und Oxycodon (sie- das Ketobemidon (Cliradon®, Ketogan®) mit einer analge-
he Abb. 1). tischen Potenz in der Größenordnung von Morphin. Ge-
wöhnliche Dosen liegen bei 5 – 10 mg und können p.o.
Pethidin – das erste vollsynthetische Opioid oder i.v. verabreicht werden (Abb. 3).
Als neuer Meilenstein in der Opioidforschung wurde 1939
mit Pethidin (Dolantin®, Dolosal®, Demerol®) das erste voll- Methadon und verwandte Strukturen
synthetische Opioid synthetisiert. Seine schmerzhemmen- Anfang der vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde
den Eigenschaften wurden bei Untersuchungen von entdeckt, dass bestimmte Derivate von 3,3-Diphenyl-N,N-di-
verschiedenen 4-Phenylpiperidin-Derivaten entdeckt, die methylpropylamin analgetische Eigenschaften besitzen. Die
aufgrund ihrer strukturellen Verwandtschaft mit Atropin als erste Substanz aus dieser Reihe, Methadon, wurde 1946
potenzielle Spasmolytika untersucht wurden. Bei den sehr erstmals klinisch eingesetzt. Das aktive Isomer, das (L)-Enan-
sorgfältigen pharmakologischen Untersuchungen wurden tiomer Levomethadon, ähnelt Morphin in Wirkstärke und
bei Mäusen Morphin-typische Verhaltenssymptome wie ste- Nebenwirkungsprofil. Im Gegensatz zu den meisten ande-
reotypes Kreislaufen (Manegetrieb) und eine Aufrechtstel- ren Opioiden hat Methadon jedoch eine hohe orale Bio-
lung des Schwanzes (Straubsches Schwanzphänomen) be- verfügbarkeit von etwa 80 %, hohe Plasmaproteinbindung
obachtet, so dass die Substanz bald als Morphin-artiges Anal- und eine lange Eliminationshalbwertszeit von etwa 24 Stun-
getikum erkannt wurde und als willkommener Ersatz für das den. Methadon wird hauptsächlich durch N-Demethy-
damals kriegsbedingt knappe Morphin in die Therapie ein- lierung und anschließende Ringbildung metabolisiert, wo-
geführt wurde.
Pethidin unterliegt bei peroraler Applikation einem aus-
ABB. 3 E R S T E VO L L S Y N T H E T I S C H E O PI O I D E
geprägten first-pass-Metabolismus in der Leber und hat ei-
ne orale Bioverfügbarkeit von etwa 50 %. Seine Wirkstärke |
und Wirkdauer sind geringer als die von Morphin. Es wird
zu einem aktiven Metaboliten, Norpethidin, N-demethyliert, O
O H3C
der weiter zu Norpethidinsäure hydrolysiert oder unverän- N OH
dert über die Niere eliminiert wird. Außerdem wird Pethi- H 3C O
din selbst zu Pethidinsäure hydrolysiert und ein geringer
Anteil über die Niere unverändert ausgeschieden. N N
Die Pethidinstruktur wurde chemisch sehr intensiv bear- CH3 CH3
beitet. Dies führte zu zahlreichen analgetisch aktiven Pethidin Ketobemidon Strukturen
Verbindungen, die heute überwiegend nur noch historische von Pethidin und
Bedeutung haben. Besonders erwähnenswert und heute Ketobemidon
N CH3
(+)-M1 0,02 28,4 µ-Opioide mit
H3C Cyclohexangrundgerüst
HO OH In den sechziger Jahren wurden verschiedene Cyclohexan-
Derivate als neue µ-Opioid-Analgetika gefunden, u.a. Tili-
din und Tramadol.
H3C N (–)-M1 1,8 1,8 Tilidin wird durch N-Demethylierung schnell zu den ak-
CH3 tiven Metaboliten Nortilidin, von dem die eigentliche Wirk-
samkeit ausgeht, und Bisnortilidin umgewandelt (Abb. 6).
(+)- und (–)-Tramadol sowie die enatiomeren O-Desmethyl- Das Missbrauchspotenzial von Tilidin ist hoch, so dass in vie-
Metabolite werden mit Morphin und Codein verglichen. Die
len Ländern Formulierungen zur oralen Applikation den µ-
Tramadolderivate sind in der Sesselform dargestellt.
Opioid Antagonisten Naloxon (z.B. Valoron N®) enthalten.
Dies bewirkt die Aufhebung der Wirkung von Tilidin bei pa-
renteraler Applikation, so dass die Substanz in dieser Form
ziger Jahre Fentanyl als hochpotentes Analgetikum in die
Therapie eingeführt.
ABB. 6 T I L I D I N U N D S E I N E M E TA B O L I T E
Fentanyl ist ein sehr lipophiles Opioid mit einer fast
200mal stärkeren Wirkung als Morphin und einer kürzeren |
Halbwertszeit. In der Form des Citrates wird es gegen aku-
te und chronische starke Schmerzen eingesetzt, vor allem
in der Anästhesie. Bei transdermaler Applikation hat Fen- O CH3 O CH3 O CH3
metabolische
tanyl je nach verwendetem Pflaster eine Bioverfügbarkeit O CH3 Aktivierung O CH3 O
N N NH2
von etwa 30 – 60 %. Die dermale Fentanylabsorption zeigt CH3 H
eine hohe individuelle Variabilität, ist abhängig von der
Körpertemperatur und kann daher bei Fieber deutlich zu- Tilidin Nortilidin Bisnortilidin
nehmen.
beiden Enantiomere 3 und 4 befinden sich zur Zeit in kli- ABB. 9 4 - B E N Z Y LOX Y - ABB. 10 4 - A RY L- 4 - A M I N O -
nischer Erprobung. Die in Tierexperimenten ermittelte TRAMADOLE C YC LO H E X A N O L E
Wirkstärke des (–)-Enantiomeren liegt zwischen Tramadol
und Morphin und die des (+)-Enantiomeren liegt in der
Größenordnung von Morphin. Bei beiden Enantiomeren R
R
wird die analgetische Wirkung sowohl über die opioide O OH CH3
CH3 N
Komponente als auch durch die Hemmung der Wiederauf- N H3C
nahme von Serotonin und Noradrenalin vermittelt. Anders CH3
als beim Tramadol ist keine metabolische Aktivierung nötig,
O OH
und beide Wirkprinzipien sind in einem Enantiomeren zu-
sammengeführt. Die Affinität zum µ-Opiatrezeptor sowie
die analgetische Wirksamkeit (Tailflick-Test an der Maus)
der offenkettigen Tramadolderivate 1 bis 4 im Vergleich zu
den O-Desmethyltramadol-Enantiomeren ist in Abb. 8 ge- R Ki ED50 (Tailflick,
R Ki ED50 (Tailflick, (µ-Bindung) Maus, i.v.)
zeigt. (µ-Bindung) Maus, i.v.)
H 0,0013 µM 0,009 mg/kg
CH3 0,004 µM 0,05 mg/kg
Struktur und Wirkung von Opioidliganden Cl 0,00006 µM 0,01-0,001 mg/kg
H 0,0001 µM 0,07 mg/kg
Von Becket und Casy sowie von Janssen und Jagenau wur- Br 0,00003 µM 0,001 mg/kg
den bereits in den fünfziger Jahren ein chemisches Struktur-
Beispiel für die Wirkverstärkung bei Aminocyclohexanol-Derivate mit
konzept für eine µ-Opioidwirkung erstellt [1]. Erforderlich Tramadol durch Einführen des Benzyl- subnanomolarer Affinität zum
ist ein aromatisches Ringsystem, das bei optimaler Wirk- oxy-Substituenten in 4-Position des µ-Opioidrezeptor
samkeit meist in meta-Position mit einer Hydroxylgruppe Cyclohexanringes
oder einer anderen sauerstoffhaltigen Funktion besetzt ist.
Am Aromaten befindet sich ein vierfach substituierter
Brückenkohlenstoff, der über eine Zwischenkette mit ei- Die für einige Substanzklassen, z.B. Morphine und Mor-
nem basischen Stickstoffatom verbunden ist, das mindes- phinane oder auch Pethidin und Ketobemidon, ebenfalls
tens eine Methylgruppe trägt. Diese Überlegungen erwie- entscheidende Bedeutung einer aromatischen Hydroxyl-
sen sich bei der Suche nach weiteren Opioidstrukturen als gruppe kann mit den Substanzpaaren Codein/Morphin und
sehr hilfreich und es wurden zahlreiche neue Strukturen Tramadol/O-Desoxytramadol („M1“) veranschaulicht wer-
nach diesen Vorstellungen entwickelt. Als unverzichtbare den: Die Affinität der Methylether Codein und Tramadol
Bestandteile aller bekannten µ-Opioide müssen ein aroma- zum µ-Opioidrezeptor ist gering (siehe Tab. 1), während
tisches System und ein basisches Stickstoffatom vorhanden die korrespondierenden Phenole Morphin und O-Desoxy-
sein. tramadol mit ihren ausgeprägten µ-Affinitäten die meta-
… mit hoher µ-
ABB. 11 B E I S PI E L E F Ü R S T R U K T U R E N M I T A F F I N I T Ä T Z U M O PI O I D R E Z E P TO R …
| Selektivität, die in
den letzten 50 Jah-
ren von der phar-
mazeutischen In-
R1 H3C H3C CH3 HN dustrie bearbeitet
N
N CH3 worden sind. Von
H3C N O
N CH3 R O diesen Beispielen
O N CH3 ist nur das Viminol
N CH3
N auf dem Markt
CH3 OH
N R2 Aminotetralin H3C (Handelsname Di-
A.R. Martin. (1970) vidol). Viminol ist
CH3
CH3 R N Cl ein Opioid mit
N
Benzimidazol-Derivate Tetrahydroisochinolin- Spiroimidazolidin schwacher analge-
Ciba (1957) Derivate Piperidin-Derivate tischer Wirkung,
Hoffmann-La Roche (1960) Cl Meiji Seika Kaisha (2000) das zusätzlich an-
Cl
O CH3 tipyretische Eigen-
H3C CH3
NH O schaften besitzt.
OH CH3 Orale Dosierungen
HO NH2 HO N 4-Piperidinol
NH2 zwischen 50 und
N Sandoz (1983)
CH3 CH3 100 mg werden
CH3
H3C für die Behand-
Oxoaminotetralin- 3-Aminopropion- Viminol lung von verschie-
Derivate Amide Dividol (ab 1970) denen Schmerz-
Astra AB (2000) Pfizer (2000)
zuständen ein-
gesetzt.