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Diabetische Retinopathie
Frühzeitige Diagnostik und effiziente Therapie

Aris N. Kollias, Michael W. Ulbig


3
Punkte
cme
urch medizinische Fortschritte ist es zu einem An- Teilnahme nur im
ZUSAMMENFASSUNG
Hintergrund: Die diabetische Retinopathie ist eine Mikro-
D stieg von Inzidenz und Prävalenz des Diabetes
mellitus und dessen Folgeschäden in den zurückliegen-
Internet möglich:
aerzteblatt.de/cme
angiopathie der Netzhaut und betrifft nahezu alle Men-
den Jahrzehnten gekommen. Gründe dafür sind einer-
schen mit Diabetes im Laufe ihres Lebens. Zwei Komplika-
seits die gestiegene Lebenserwartung in den Industriena-
tionen bedrohen das Sehvermögen: das diabetische Ma-
tionen sowie andererseits mangelnde Bewegung und
kulaödem und die proliferative diabetische Retinopathie.
veränderte Essgewohnheiten mit resultierendem
Methode: Selektive Literaturrecherche der internationalen Übergewicht. Die typischen Komplikationen am Auge
und nationalen Leitlinien sowie eine selektive Literaturre- reichen von einer Sehschärfenminderung durch die dia-
cherche ab dem Jahr 1981. betische Retinopathie und vorzeitige Katarakt bis hin zur
Ergebnisse: Man unterscheidet die nichtproliferative von Erblindung oder zum Verlust des Auges. Die diabetische
der proliferativen diabetischen Retinopathie. Ein diabeti- Retinopathie ist trotz guter Behandlungsmöglichkeiten
sches Makulaödem kann in jedem Stadium der Retinopa- immer noch die häufigste Erblindungsursache bei der
thie auftreten und ist bedrohlich für die Sehschärfe. Wich- Bevölkerung im Arbeitsalter in den Industriestaaten. In
tigste Risikofaktoren für Entwicklung und Progression der Deutschland ist von 15 000 blinden Menschen auszuge-
diabetischen Retinopathie sind die längere Dauer des Dia- hen, deren Grunderkrankung ein Diabetes mellitus ist
betes und die mangelhafte Einstellung von Blutzucker und (1). In Hessen waren im Jahr 2004 nach internen Daten
arterieller Hypertonie. Die evidenzbasierte Therapie der der Krankenkassen 2,2 Prozent der gesetzlich versicher-
proliferativen Retinopathie und des Makulaödems ist die ten Menschen mit Diabetes erblindet oder schwer sehbe-
Laserphotokoagulation. Sehschärfenmindernde Folgen der hindert. Zum Sehschärfenverlust kommt es, wenn die
proliferativen Retinopathie, wie die nichtresorbierende Stelle des schärfsten Sehens an der Netzhaut durch prä-
Glaskörperblutung oder die zugbedingte Netzhautablö- oder intraretinale Blutungen, Makulaödem, zugbedingte
sung, sind Indikationen zur Glaskörperchirurgie. Medika- Netzhautablösung oder den Untergang der Kapillaren
mentöse Ansätze umfassen derzeit die intravitreale Injek- des Randschlingennetzes betroffen ist. Eigentlich könnte
tion von Glucocorticosteroiden oder „vascular endothelial die Erblindung durch augenärztliche Vorsorgeuntersu-
growth factor“-Antagonisten, sind aber noch „off label“. chungen und rechtzeitige Therapie verhindert werden.
Schlussfolgerung: Die diabetische Retinopathie ist die Lernziele des Beitrags sind:
häufigste Ursache für eine Erblindung in der Bevölkerung ● die Bedeutung der augenärztlichen Vorsorgeunter-
im Arbeitsalter in den Industriestaaten. Regelmäßige au- suchungen einzuschätzen. Auch wenn ein Patient
genärztliche Untersuchungen, die rechtzeitige und sta- subjektiv und objektiv gut sieht, kann eine diabeti-
diengerechte Laserbehandlung und die enge interdiszipli- sche Retinopathie bereits dringend behandlungsbe-
näre Zusammenarbeit sind unerlässlich, um einen Sehver- dürftig sein. Die Früherkennung von Makulaödem
lust zu verhindern. und proliferativer Retinopathie sowie deren Thera-
pie sind essenziell für den Erhalt der Sehschärfe.
Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(5): 75–84 ● den therapeutischen Goldstandard der augenärzt-
DOI: 10.3238/arztebl.2010.0075 lichen Behandlung kennenzulernen. Dieser ist die
rechtzeitige, stadiengerechte Laserbehandlung.
Augenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München: Dr. med. Kollias,
Chirurgisch ist die Vitrektomie bei definierten In-
Prof. Dr. med. Ulbig, dikationen von erwiesenem Wert.

Epidemiologie
Die diabetische Retinopathie ist trotz guter Be-
handlungsmöglichkeiten immer noch die häufigs-
te Erblindungsursache in der Bevölkerung im Ar-
beitsalter in den Industriestaaten.

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Schematische GRAFIK Mehrere biochemische Signalwege sind beteiligt. Die


Darstellung der Aktivitätssteigerung der Proteinkinase C und die Glyco-
Pathogenese silierung von Proteinen führt zur Bildung von „advanced
der diabetischen
glycation end products“ (AGE). Diese AGE verursachen
Retinopathie
letztlich Zellinteraktionen über den „vascular endothe-
lial growth factor“ (VEGF) der zu Neovaskularisationen
im vorderen und hinteren Augenabschnitt führt, die Ge-
fäßpermeabilität bis zur Leckage steigert und so die in-
nere Blut-Retina-Schranke zusammenbrechen lässt. Die
AGE werden sowohl exogen über die Nahrung aufge-
nommen als auch vermehrt unter hyperglycämischen
Bedingungen gebildet und scheinen Mediatoren nahezu
aller diabetesbedingten Komplikationen zu sein.
Dazu zählen auch die Vasokonstriktion sowie entzündli-
che Veränderungen der Gefäßwand, die mit der Bildung
von atheromatösen Plaques einhergehen oder die Endo-
thelzell- und Makrophagenfunktion beeinflussen. Die
entzündlichen Gefäßwandschäden erklären auch den
aktuellen Therapieansatz mit intravitreal injizierbaren
Glucocorticosteroiden (3). Weitere beteiligte Wachs-
tumsfaktoren sind der „insulin like growth factor I und
II“, der „transforming growth factor β“ und der
„pigment epithelium derived growth factor“.

● Grenzen und Möglichkeiten der medikamentösen Einteilung der diabetischen Retinopathie


Behandlung zu erkennen. Diese erfolgt derzeit Nichtproliferative diabetische Retinopathie
„off label“ mithilfe intravitrealer Injektionen ei- Das früheste morphologische Zeichen der nichtproliferta-
nes Glucocorticosteroids oder von „vascular tiven diabetischen Retinopathie sind die Mikroaneurys-
endothelial growth factor“-Antagonisten. men als Aussackungen der Kapillarwand. Sie sind
meist zuerst temporal der Fovea centralis aufzufinden
Pathogenese und zunächst asymptomatisch, können jedoch rupturie-
Die diabetische Retinopathie ist eine Mikroangiopathie ren und imponieren dann als intraretinale Punktblutun-
der Netzhaut. Sie beinhaltet Veränderungen der Gefäß- gen. Dadurch werden sie erst bei der Spiegelung des
wände und der rheologischen Eigenschaften des Blutes. Augenhintergrundes überhaupt erkennbar (Abbil-
Beides zusammen führt zum Kapillarverschluss mit dung 1). Sie zeigen in der Fluoreszenzangiographie ei-
konsekutiver Netzhautischämie sowie angiographisch ne Leckage als Ursache für ein Makulaödem.
nachweisbarer Leckage. Histopathologisch findet man Weitere Zeichen, bei zunehmender nichtproliferati-
den typischen Perizyten- und Endothelzellverlust sowie ver diabetischer Retinopathie vom Schweregrad mild
die Verdickung der Basalmembran. Pathognomonisch über mäßig bis schwer, sind streifenförmige und fleckför-
sind die Mikroaneurysmen als Aussackung der Kapil- mige Blutungen, harte Exsudate, venöse Kaliberschwan-
larwand (Grafik). kungen (Perlschnurphänomen) sowie intraretinale mikro-
Folgende Faktoren führen rheologisch zu einer ver- vaskuläre Anomalien. Letztere sind dilatierte teleangiek-
minderten Fibrinolyse und erhöhten Viskosität (2): tatische Kapillaren im Bereich neben Kapillarverschlüs-
● Die verminderte Verformbarkeit der Erythrozyten sen und werden durch ihre Verbreiterung beim Spiegeln
● die erhöhte Thrombozytenaggregation erst sichtbar. Sie gelten als klassisches Ischämiezeichen
● die Erhöhung der Fibrinogen- und α2-Globulin- und Vorzeichen für die bevorstehende Progression in die
Konzentration sowie proliferative Retinopathie (4). Mikroinfarkte der Nerven-
● die Abnahme der Albuminkonzentration im Se- faserschicht „cotton wool spots“ können ein Hinweis auf
rum. einen nicht eingestellten Bluthochdruck sein (2).

Pathologenese Einteilung der diabetischen Retinopathie


Die diabetische Mikroangiopathie führt zum Kapil- Die diabetische Retinopathie wird in eine nicht-
larverschluss mit resultierender Netzhautischämie proliferative und eine proliferative Form eingeteilt.
und zur erhöhten Gefäßpermeabilität mit angio-
graphisch nachweisbarer Leckage.

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Proliferative diabetische Retinopathie


Bei weiterer flächenhafter Zunahme der Minderperfusi-
on im Kapillarbett der Netzhaut entwickelt sich die pro-
liferative diabetische Retinopathie. Es entstehen, als Re-
aktion auf die Ischämie, Neovaskularisationen an der
Papille („Neovascularisation disk“ [NVD]) und an der
Netzhaut („Neovascularisation elsewhere“ [NVE]).
Die Proliferation ist der erfolglose Versuch, die
Ischämie durch neugebildete Gefäße an der Papille, der
Netzhaut (Abbildung 2) und zuletzt an der Regenbo-
genhaut („Neovascularisation iris“ [NVI]) zu kompen-
sieren (Abbildung 3). Die Neovaskularisationen an der
Papille und an der Netzhaut können zu epiretinalen und
subhyaloidalen Glaskörperblutungen führen und sich
zu Membranen und Strängen auf der Netzhaut organi-
sieren (Abbildung 4). Durch Schrumpfung dieser Strän-
ge kommt es im weiteren Verlauf zu einer zugbedingten
Netzhautablösung oder einem ebensolchen Makula- Abbildung 1: Milde nichtproliferative diabetische Retinopathie mit retinalen fleckförmigen
ödem, was beides zur Erblindung führen kann. Die Blutungen vor allem temporal der Makula und klinisch signifikantes Makulaödem mit harten
schwerste und ultimative Komplikation der proliferati- Exsudaten
ven diabetischen Retinopathie stellt das Neovaskulari-
sationsglaukom dar. Die Gefäßneubildungen wachsen
von der Pupille bis in den Kammerwinkel und verlegen
den Kammerwasserabfluss. Unbehandelt kann es zur Die ischämische Makulopathie ist ein weiterer
schmerzhaften Erblindung und Schrumpfung des Au- Aspekt der diabetischen Makulaerkrankung. Hierbei
ges kommen. kommt es zum Kapillarverschluss des Randschlingen-
netzes um die Fovea centralis. Die ischämische Maku-
Diabetisches Makulaödem lopathie ist nicht behandelbar und hat eine schlechte
Das klinisch signifikante Makulaödem ist im Rahmen Prognose für die Sehschärfe. Ihre Diagnose erfolgt mit-
des ETDR-Studiendesigns („Early Treatment Diabetic hilfe der Fluoreszenzangiographie.
Retinopathy Study“) definiert worden. Es handelt sich
um eine Verdickung der Netzhaut und/oder harte Exsu- Risiko- und Progressionsfaktoren
date innerhalb eines Abstandes von 500 µm von der Fo- Der Typ des Diabetes beeinflusst die diabetische Reti-
vea centralis entfernt oder eine Ödemzone größer als nopathie. Die Augen von Menschen mit Typ-1-Diabe-
eine Papillenfläche im Abstand von einem Papillen- tes können bei unzureichender Diabeteseinstellung be-
durchmesser (4). Dies ist das Stadium, in dem der Pa- reits nach zehn Jahren Proliferationen zeigen. Beim
tient noch sehr gut sieht, sein Sehvermögen aber bereits Typ 2 ist das Risiko für ein Makulaödem etwas höher.
akut gefährdet ist. Durch die defekte innere Blut-Reti- Eine prospektive Studie (CALDIRET), in die 635 Men-
na-Schranke kommt es zur Leckage von Flüssigkeit, schen mit Typ-2-Diabetes und milder nichtproliferati-
Proteinen und Lipiden in die sensorische Netzhaut. ver diabtischer Retinopathie eingeschlossen wurden,
Dies wird stereoskopisch als Verdickung der Netzhaut zeigte bei einer Nachbeobachtungszeit von bis zu fünf
und als harte Exsudate für den Untersucher sichtbar Jahren bei nur drei Augen eine Proliferation (5), wäh-
(Abbildung 1). Erst wenn die Fovea centralis selbst mit- rend sich bei 155 Augen ein klinisch signifikantes Ma-
betroffen wird, nehmen die Patienten eine Sehver- kulaödem entwickelte.
schlechterung wahr. Die Lokalisation der Leckage er- Auch das Geschlecht spielt eine Rolle. Frauen sind
folgt über eine Fluoreszenzangiographie. Das frühzeiti- insgesamt bezüglich des Erblindungsrisikos fast dop-
ge Erkennen und die Laserbehandlung des klinisch sig- pelt so häufig betroffen. Allerdings haben Frauen
nifikanten Makulaödems sind unumgänglich, um eine auch insgesamt häufiger Diabetes. So waren nach ei-
bleibende Sehschärfenminderung zu verhindern (4). ner Erhebung der Krankenkassen im Jahr 2004 in

Mildes nichtproliferatives Stadium Klinisch signifikantes Makulaödem (Definition)


Ein klinisch signifikantes Makulaödem kann be- • Verdickung der Netzhaut und/oder harte Exsu-
reits im milden nichtproliferativen Stadium auftre- date innerhalb eines Abstandes von 500 µm von
ten und bedroht die Sehschärfe auf die gleiche der Fovea centralis entfernt oder
Weise wie die proliferative diabetische Retinopa- • Ödemzone größer als eine Papillenfläche im Ab-
thie. stand von einem Papillendurchmesser.

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achtung fand für Menschen mit Diabetes vom Typ 1,


dass ein niedrigerer HbA1c von 7,2 % unter intensi-
vierter Insulintherapie oder mit einer Insulinpumpe
die Inzidenz der diabetischen Retinopathie um 76 %
sowie deren Progression um 54 % senken konnte (je-
weils 95-%-Konfidenzintervall. Eine proliferative
diabetische Retinopathie oder schwere nichtprolife-
rative diabetische Retinopathie wurden um 47 % re-
duziert, jeweils im Vergleich mit einem starren Insu-
linschema und einem mittlleren HbA1c von 9,1 % (8).
Eine andere Untersuchung („UK Prospective Diabe-
tes Study“ [UKPDS]) zeigte Folgendes: Eine rela-
tive Absenkung des HbA1c von 11 % bei Patienten
mit Diabetes mellitus Typ 2 führt dazu, dass bei ei-
nem Drittel der Patienten keine Laserkoagulation nö-
tig ist (9). Beide Studien fanden aber auch, dass eine
Abbildung 2: Schwere proliferative diabetische Retinopathie mit Neovaskularisationen an rasche Blutzuckeroptimierung zunächst zu einem be-
der Sehnervenscheibe und Glaskörperblutung schleunigten Fortschreiten der diabetischen Retino-
pathie führen kann. Dieses „early worsening“ bildet
sich jedoch nach heutiger Kenntnis wieder zurück,
und die Langzeitprognose ist bei sofortiger guter
Hessen 55 Prozent aller gesetzlich versicherten Men- Einstellung günstiger. Insulinanaloga zeigten keine
schen mit Diabetes Frauen. Nach einer Untersuchung Nachteile für die diabetische Retinopathie (10).
der Universitätsaugenklinik Marburg waren zwischen Ebenso bedeutsam für Entwicklung und Fort-
1997 und 1998 in Hessen 446 Frauen und 233 Männer schreiten der diabetischen Retinopathie ist die arte-
an Diabetes erblindet oder schwer sehbehindert (1). rielle Hypertonie. Die UKPD-Studie fand für einen
Eine Schwangerschaft kann zur Progression der dia- Zielwert unter 150/85 mm Hg eine Senkung der Pro-
betischen Retinopathie führen. gressionsrate der diabetischen Retinopathie um
Ganz maßgeblich für die Entwicklung der Retino- 34 %, 35 % weniger Laserkoagulationen sowie 47 %
pathie ist die längere Dauer des Diabetes. Die Aus- weniger Verlust an Sehschärfe, im Vergleich zu ei-
wertung von 5 596 Menschen mit Diabetes in nem Zieldruck von unter 180/105 mm Hg. Dabei lag
Deutschland zwischen den Jahren 2002 und 2004 er- in der schlechteren Gruppe der systolische Wert nur
gab eine Prävalenz der diabetischen Retinopathie von um 10 und der diastolische um 5 mm Hg höher. Die
17 Prozent bei Menschen mit Diabetes vom Typ 1, ei- arterielle Hypertonie verschlechtert das diabetische
nem Erkrankungsbeginn vor dem 30. Lebensjahr und Makulaödem und fördert die Proliferation. Die dia-
einer Erkrankungsdauer von weniger als fünf Jahren. betische Nephropathie kann ein Makulaödem erheb-
Bei einer Erkrankungsdauer von 15 und mehr Jahren lich zunehmen lassen, was auf die oft damit einherge-
steigt die Prävalenz einer Retinopathie bis auf 90 hende arterielle Hypertonie zurückgeführt wird. Die
Prozent (6). Den Fortgang der diabetischen Retino- unkontrollierte Hypertonie kann bei diabetischer Re-
pathie beeinflussen ebenfalls altersbedingte Verände- tinopathie den Erfolg einer sachgerechten Laserbe-
rungen der Bruchschen Membran und des Glaskör- handlung vereiteln. Hier muss auch eine internisti-
pers. Kinder mit Diabetes entwickeln dagegen keine sche Verbesserung der Situation erreicht werden (2).
proliferative Retinopathie und kein klinisch signifi- Ein lokales Renin-Angiotensin-Aldosteron-Sys-
kantes Makulaödem in den ersten zehn Jahren der Er- tem scheint eine Rolle in der Regulation des Blutflus-
krankung (7). ses der Netz- und Aderhaut zu spielen (11). Diese
Größte Bedeutung kommt der Qualität der Blutzu- Annahme geht auf die prospektive, randomisierte
ckereinstellung zu. Eine randomisierte Studie („dia- EUCLID-Studie („Eurodiab Controlled Trial of Lisi-
betes control and complications trial“ [DCCT]) mit nopril Dependent Diabetes“) mit 530 normotensiven
1 441 Patienten und sechseinhalb Jahren Nachbeob- Menschen mit insulinabhängigem Diabetes zurück.

Geschlechtsspezifisches Risiko Risikofaktoren


Frauen haben ein doppelt so hohes Erblindungsri- • längere Dauer des Diabetes
siko durch die diabetische Retinopathie. Eine • schlechte Blutzuckereinstellung
Schwangerschaft kann zur Progression der diabe- • arterielle Hypertonie
tischen Retinopathie führen.

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Die Einnahme von Lisinopril ergab eine Verminde-


rung der Progressionsrate der diabetischen Retinopa-
thie. In der Verumgruppe stieg der Retinopathiegrad
um eine von fünf Stufen bei 21 von 159 Patienten an,
in der Placebogruppe bei 39 von 166 Patienten (12).
Andererseits konnte die UKPD-Studie keinen Unter-
schied bezüglich der diabetischen Retinopathie beim
Vergleich von zwei Antihypertensiva, Atenolol und
Captopril, bei Menschen mit Typ-2-Diabetes feststel-
len (13). Die Wirkung eines Angiotensin-II-Rezep-
tor-Blockers auf die Inzidenz der diabetischen Reti-
nopathie bei Menschen mit Diabetes Typ 1 und die
Entstehung und Progression der diabetischen Retino-
pathie bei Typ 1 und Typ 2 wurde von der DIRECT-
Studie („Diabetic Retinopathy Candersatan Trials“)
untersucht (14, 15). Auch hier wurden nur normoten-
sive Patienten eingeschlossen, um den Einfluss einer
signifikanten Blutdrucksenkung auszuschließen. Es Abbildung 3: Neovaskularisationen auf der Irisoberfläche, die vom Pupillarsaum bis zum
konnten aber keine signifikanten schützenden Effek- Kammerwinkel reichen
te nachgewiesen werden, sodass von augenärztlicher
Seite weiterhin keine definitive Empfehlung bezüg-
lich der Wahl der blutdrucksenkenden Wirkstoffe ge-
macht wird. Therapie
Als Risikofaktor für die Entwicklung der diabeti- Laserphotokoagulation
schen Retinopathie wird auch die Hyperlipidämie Die Laserphotokoagulation ist die evidenzbasierte The-
diskutiert. Die randomisierte FIELD-Studie („Feno- rapie der proliferativen diabetischen Retinopathie und
fibrate Intervention and Event Lowering Diabetes“) des diabetischen Makulaödems. Grundlage der Emp-
schloss 995 Menschen mit Typ-2-Diabetes ein. Bei fehlung ist die prospektive, randomisierte und kontrol-
Einnahme von Fenofibrat fand sich in einer Subgrup- lierte ETDR-Studie, mit insgesamt 3 711 rekrutierten
penanalyse eine signifikante Reduktion der Progres- Patienten, die zusammengefasst 1991 publiziert wurde
sion der diabetischen Retinopathie und der Notwen- (4). Hierauf basierend gibt es nationale Leitlinien von
digkeit zur Laserphotokoagulation unabhängig von der „Initiativgruppe zur Früherkennung diabetischer
den Blutlipidspiegeln (16). Andererseits hat die Augenerkrankungen“ (IFdA) und der „Arbeitsgemein-
FIELD-Studie ihren primären Endpunkt, die signifi- schaft Diabetes und Auge“ (AGDA).
kante Reduzierung kardiovaskulärer Ereignisse, ver- Die Laserwellenlänge von 532 nm wird heutzutage
fehlt. Von Internisten wird Fenofibrat daher nicht ge- von einem frequenzgedoppelten Neodym-Yttrium-Alu-
nerell empfohlen. Es besteht auch keine eindeutige minium-Granat (Nd: YAG-) Laser generiert. Der Laser
augenärztliche Empfehlung für eine solche Therapie. wird in ein Spaltlampenmikroskop eingekoppelt, und
Die Operation des bei Menschen mit Diabetes sich die Behandlung erfolgt mithilfe eines Kontaktglases,
vorzeitig entwickelnden Grauen Stars stellt ein Risi- das auf die Hornhaut aufgesetzt wird. Bei fortgeschrit-
ko für die proliferative diabetische Retinopathie und tenen Trübungen von Hornhaut oder Linse ist dies we-
das Makulaödem dar (17). Die präoperative Optimie- gen schlechtem Einblick und Streustrahlung bisweilen
rung der Blutzucker- und Blutdruckeinstellung sowie unmöglich. Dann kommt entweder ein Diodenlaser mit
die Laserbehandlung von proliferativer diabetischer 810 nm zum Einsatz oder der Graue Star wird primär
Retinopathie und Makulaödem sind unbedingt erfor- operiert und die Laserbehandlung erfolgt sofort wäh-
derlich. Zusätzlich kann am Ende der Kataraktopera- rend der ersten postoperativen Tage.
tion die intravitreale Eingabe eines Glucocorticoste- Ziel der flächenhaften Laserphotokoagulation bei
roids oder VEGF-Antagonisten erfolgen. der proliferativen Retinopathie ist die Regression der
neugebildeten Gefäße durch Normalisierung des Sauer-

Katarakt-OP als Risikofaktor Stadiengerechte Laserphotokoagulation


Eine Kataraktoperation ohne vorherige adäquate Die rechtzeitige und stadiengerechte Laserphoto-
Laserbehandlung von Makulaödem und prolifera- koagulation der proliferativen diabetischen Reti-
tiver diabetischer Retinopathie ist ein wesentli- nopathie und des klinisch signifikanten Makula-
cher Risikofaktor. ödems ist der Grundpfeiler der Therapie.

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werden müsse. Das ist, bei rechtzeitiger Diagnose und


Therapie, bis heute der Goldstandard (4).
Zu einer Verbesserung der Sehschärfe führt die La-
serbehandlung selten, weshalb es so wichtig ist, die
Gefährdung durch Vorsorgeuntersuchungen festzu-
stellen und die Laserbehandlung zum Erhalt der Seh-
schärfe durchzuführen, solange das Auge noch gut
sieht. Eine Verschlechterung der Sehschärfe kann ir-
reversibel sein.

Chirurgische Therapie
Die Indikation zur pars-plana-Vitrektomie (ppV) be-
trifft die nichtresorbierende Glaskörperblutung, die
subhyaloidale Blutung, das Ghost-cell-Glaukom, die
zugbedingte Netzhautablösung und auch das zugbe-
dingte Makulaödem (19). Die Pars-plana-Vitrektomie
ermöglicht die Entfernung des trüben Glaskörpers, von
Narbensträngen und Membranen, die Anlage der Netz-
haut sowie eine sachgerechte Laserphotokoagulation.
Der Nutzen und der beste Zeitpunkt der Pars-plana-Vi-
Abbildung 4: Schwere proliferative diabetische Retinopathie mit Neovaskularisationen an trektomie wurden in einer prospektiven, randomisierten
der Sehnervenscheibe und bindegewebig organisierten epiretinalen Membranen, die die und kontrollierten Studie („Diabetic Retinopathy Vi-
Netzhaut anheben trectomy“ [DRVS]) belegt. Patienten, die frühzeitig
vitrektomiert wurden, erreichten ein signifikant bes-
seres Sehvermögen als die Kontrollgruppe, die erst ein
stoffpartialdrucks in den peripheren avaskulären Area- Jahr später operiert wurde (20).
len der Retina. Dadurch wird das Risiko der Glaskör- Dank modernster Mikrochirurgie ist die Vitrektomie
perblutung und der Membranbildung reduziert. Panreti- ein Routineverfahren geworden. In den letzten Jahren
nal können 2 500 Laserherde notwendig werden, die hat eine Verfeinerung der Operationstechnik die Opera-
mit einem Durchmesser von 500 µm peripher flächen- tionszeiten verkürzt und Wundnähte überflüssig ge-
haft unter Aussparung der Netzhautmitte verteilt wer- macht. Der Querschnitt der jetzt über Trokare einge-
den (Abbildung 5). Die prospektive, randomisierte führten Instrumente wurde von 1,0 auf 0,6 mm redu-
„Diabetic Retinopathy“ Studie (DRS) demonstrierte ziert. Mithilfe der Vitrektomie ist es möglich, auch bei
bereits 1976 an 1 732 eingeschlossenen Augen, dass fortgeschrittenen Stadien der proliferativen diabeti-
das Risiko eines schweren Sehverlustes mehr als hal- schen Retinopathie zumindest ein orientierendes Seh-
biert werden konnte. Unbehandelt erlitten 129 Augen vermögen zu erhalten. Das schmerzhafte Neovaskulari-
einen schweren Sehverlust, mit Photokoagulation nur sationsglaukom ist heute sehr selten geworden. In sol-
56 Augen (18). chen Fällen kann als ultima ratio zur Beseitigung der
Das klinisch signifikante diabetische Makulaödem Schmerzen sogar die operative Entfernung des blinden
wird mit der gezielten fokalen Laserkoagulation lecken- Auges notwendig werden.
der Mikroaneurysmen und Kapillaren im Bereich um
die Fovea mit 100 bis 200 µm großen Laserherden be- Medikamentöse Therapie
handelt. Die EDTR-Studie belegte bereits im Jahr 1985 Intravitreale Glucocorticosteroide werden bevorzugt
nach nur einem Jahr in der ersten Zwischenauswertung beim diabetischen Makulaödem eingesetzt. Ihre antian-
von 754 fokal laserbehandelten Augen, dass dadurch giogenetische und entzündungshemmende Wirkung
das Risiko einer Sehverschlechterung durch das signifi- führt zu einer Stabilisierung der inneren Blut-Retina-
kante diabetische Makulaödem so massiv reduziert wer- Schranke und ist auch bei der proliferativen diabeti-
den konnte, dass die Kontrollgruppe von 1 490 Augen schen Retinopathie von Wert (3). Der klinische Effekt
aus ethischen Gründen unbedingt sofort auch gelasert beim diabetischen Makulaödem ist so offensichtlich,

Goldstandard bei rechtzeitiger Therapie Hauptindikation zur Vitrektomie


Die gezielte fokale Laserkoagulation leckender Die Hauptindikation zur Vitrektomie ist die nicht
Mikroaneurysmen und Kapillaren im Bereich um resorbierende Glaskörperblutung und die traktive
die Fovea mit 100 bis 200 µm großen Laserherden Netzhautablösung.
ist der Goldstandard in der Behandlung des kli-
nisch signifikanten diabetischen Makulaödems.

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dass sich die Anwendung von Triamcinolonacetonid im


„off label“-Verfahren auch ohne Studienevidenz sehr
schnell verbreitete. Es werden verschiedene Dosierun-
gen zwischen 4 und 25 mg eingesetzt (3). Ein Nachteil
ist der zeitlich limitierte Effekt von drei Monaten, was
wiederholte Injektionen erfordert. Außerdem kann es
bei einem Drittel der Patienten zu einem Sekundärglau-
kom kommen, weshalb sich Dexamethason als Alterna-
tive etabliert hat. Es kommt auch häufig zu einem Se-
kundärkatarakt.
VEGF ist als Mediator der Gefäßleckage mitverant-
wortlich für den Zusammenbruch der inneren Blut-Re-
tina-Schranke. VEGF-Antagonisten, die sich bei der
Therapie der feuchten altersbedingten Makuladegene-
ration (AMD) bewährt haben, hemmen die Proliferati-
on und auch die Leckage beim diabetischen Makula-
ödem (21). Nachteilig ist auch eine zeitlich auf vier
bis sechs Wochen Dauer begrenzte Wirkung. Derzeit
Abbildung 5: Proliferative diabetische Retinopathie nach durchgeführter panretinaler Laser-
wird in prospektiven, multizentrischen Studien die Wir- koagulation am gesamten Augenhintergrund
kung von Bevacizumab, einem humanisierten mono-
klonalen Antikörper, Ranibizumab, einem rekombinan-
ten, humanisierten monoklonalen Antikörperfragment
und Pegaptanib, einem Aptamer, untersucht. Bereits im
Jahr 2005 konnte in einer randomisierten Doppelblind- Das Komplikationspektrum der intravitrealen Injekti-
studie mit einer deutlichen Reduzierung der Netzhaut- on, auch intravitreale operative Medikamenteneingabe
dicke um 68 µm eine Wirkung auf das diabetische Ma- (IVOM) genannt, entspricht dem eines jeden intraokula-
kulaödem gezeigt werden. In der Kontrollgruppe kam ren operativen Eingriffs und umfasst Endophthalmitis,
es dagegen zu einem Anstieg der Netzhautdicke um Netzhautablösung und Linsenverletzung. Die Rate die-
4 µm. Auch die Sehschärfe besserte sich in der behan- ser Komplikationen liegt aber deutlich unter einem Pro-
delten Gruppe (22). zent. Um eine Infektion zu vermeiden, sollte die intra-
Ähnliche Ergebnisse zeigte die noch nicht publizier- vitreale operative Medikamenteneingabe nur in einem
te RESOLVE-Studie für Ranibizumab. Schwierigkei- aseptischen Operationssaal durchgeführt werden.
ten bereitet derzeit der „off label“-Charakter dieser Völlig andere Ansätze der oralen oder intramuskulä-
Therapien. Ranibizumab und Pegaptanib sind bisher ren medikamentösen Therapie mit Proteinkinase-C-In-
nur für die Behandlung der feuchten altersbedingten hibitoren (Ruboxistaurin und Proteinkinase C 412) so-
Makuladegeneration zugelassen. Erwähnenswert sind wie Somatostatinanaloga (Octreotid) zeigten in pro-
die hohen Medikamentenkosten für Ranibizumab von spektiven, kontrollierten Studien nicht die erhofften Er-
1 300 € pro Injektion. Bis Ende des Jahres 2011 ist mit gebnisse (24, 25). Calciumdobesilat, seit Jahrzehnten
der Zulassung von Pegaptanib und Ranibizumab auch zur oralen Behandlung vaskulärer Erkrankungen wie
zur Behandlung des diabetischen Makulaödems zu der venösen Insuffizienz eingesetzt, konnte bei Men-
rechnen. schen mit Typ-2-Diabetes das Auftreten eines klinisch
„VEGF Trap Eye“, ein 115 kDa rekombinantes Pro- signifikanten Makulaödems nicht verhindern, wie eine
tein das VEGF blockiert und eine längere Halbwertzeit randomisierte und kontrollierte Studie (CALDIRET)
als Ranibizumab hat, wird derzeit untersucht (23). mit zunächst 635 Patienten zeigte (5). In der Verum-
Auch ein injizierbares Glucocorticosteroid (OZURDEX) gruppe kam es bei 86 Patienten zu einem klinisch signi-
mit einer verlängerten Wirkung von bis zu zwölf Mo- fikanten Makulaödem in der Placebogruppe bei 69. Bei
naten ist für retinale Zentralvenenverschlüsse in den Frauen mit einem HbA1c größer als 9 Prozent und
USA bereits zugelassen und wird für das diabetische schlecht regulierter Hypertonie zeigte sich nur in einer
Makulaödem erprobt. Posthoc-Analyse ein protektiver Effekt.

Medikamentöse Therapie Intravitreale Glucocorticosteroide


Die medikamentöse Therapie der diabetischen Diese werden bevorzugt beim diabetischen Maku-
Retinopathie erfolgt derzeit „off label“ mit intra- laödem eingesetzt.
vitrealen Injektionen eines Glucocorticosteroids
oder VEGF-Antagonisten.

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MEDIZIN

Empfehlungen für die Praxis LITERATUR


Die normnahe Blutzuckereinstellung mit einem HbA1c 1. Hörle S, Grüner F, Kroll P: Epidemiologie diabetischer Erblindungen
≤ 7,0 %, die Regulierung der arteriellen Hypertonie – eine Übersicht. Klin Monatsbl Augenheilkd 2002; 219(11):
(≤ 130/80 mm Hg) und der Hyperlipidämie können die 777–84.
Entstehung der diabetischen Retinopathie um viele Jah- 2. Hamilton AMP, Ulbig MW, Polkinghome P: Management of diabetic
retinopathy. London, BMJ Publishing Group, 1996.
re hinauszögern. Gewichtsverlust, mehr Bewegung und
gesunde Ernährung können die Prävalenz und Inzidenz 3. Jonas JB: Intravitreal Triamcinolone acetonide for diabetic retinopa-
thy. Dev Ophthalmol 2007; 39: 96–110.
des Diabetes mellitus reduzieren und somit indirekt
auch dessen Komplikationen. Da die diabetische Reti- 4. Early Treatment Diabetic Retinopathy Study Research Group . Early
treatment diabetic retinopathy study. Ophthalmology 1991; Suppl 5,
nopathie lange asymptomatisch verläuft, sind regelmä- 98: 739–840.
ßige augenärztliche Vorsorgeuntersuchungen unab-
5. Haritoglou C, Gerss J, Sauerland C, Kampik A, Ulbig MW: Effect of
dingbar, weil ansonsten ein irreversibler Schaden am calcium dobesilate on occurrence of diabetic macular oedema
Auge eintreten kann. Die Augenhintergrundsuntersu- (CALDIRET study): randomised, double-blind, placebo-controlled,
chung bei mydriatischer Pupille sollte entsprechend der multicentre trial. Lancet 2009; 373: 1364–71.
Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) 6. Blum M, Kloos C, Muller N, et al.: Prävalenz der diabetischen Reti-
bei Menschen mit Typ-1-Diabetes ab dem fünftem Er- nopathie. Studie bei Versicherten der Deutschen Betriebskranken-
krankungsjahr und bei Kindern ab dem 11. Lebensjahr kasse 2002–2004. Ophthalmologe 2007; 104(6): 499–504.
erfolgen; bei noch fehlender Retinopathie einmal jähr- 7. Ulbig MW, Kampik A, Hamilton AM: Diabetische Retinopathie. Epide-
miologie, Risikofaktoren und Stadieneinteilung. Ophthalmologe
lich, sonst nach Vorgabe des Augenarztes. Bei Men-
1993; 90(2): 197–209.
schen mit Typ-2-Diabetes sollte die Vorstellung beim
8. Diabetes Control and Complications Trial Research Group: The ef-
Augenarzt sofort erfolgen. Da die Erkrankungsdauer
fect of intensive treatment of diabetes on development and pro-
nicht abschätzbar ist, sollte eine augenärztliche Kon- gression of long-term complications in insulin dependent diabetes
trolluntersuchung schon drei Monate später erfolgen. mellitus. New Engl J Med 1993; 329: 977–986.
Bei fehlender diabetischer Retinopathie sind jährliche 10. UK Prospective Diabetes Study (UKPDS) Group: Intensive blood-glu-
Kontrollen ausreichend, bei vorliegender diabetischer cose control with sulphonylureas or insulin compared with conven-
Retinopathie nach Vorgabe des Augenarztes. Bei Pa- tional treatment and risk of complications in patients with type 2
tientinnen mit Kinderwunsch sollte vor der Schwanger- diabetes. Lancet 1998; 352(9131): 837–53.
schaft der Augenhintergrund untersucht werden, an- 11. Schmieder R E; Martin S; Lang G E; Bramlage P; Böhm M: Angio-
tensin blockade to reduce microvascular damage in diabetes melli-
sonsten alle drei Monate während der Schwanger-
tus [Angiotensinblockade zur Reduktion mikrovaskulärer Schäden
schaft, bei vorhandener diabetischer Retinopathie mo- bei Diabetes]. Dtsch Arztebl Int 2009; 106(34–35): 556–62.
natlich und bei subjektiven Beschwerden und Progres- 12. Rosenstock J, Fonseca V, McGill JB et al.: Similar progression of
sion sofort. Eine Indikation zum Kaiserschnitt besteht diabetic retinopathy with insulin glargine and neutral protamine Ha-
aus augenärztlicher Sicht nicht. gedorn (NPH) insulin in patients with type 2 diabetes: a long-term,
Empfehlenswert ist ein standardisierter Untersu- randomized, open-label study. Diabetologia 13–6–2009; [EPUB
chungsbogen, wie von der Arbeitsgemeinschaft Diabe- ahead of press]
tes und Auge (AGDA) und der Initiativgruppe zur 13. Chaturvedi N, Sjolie AK, Stephenson JM, et al.: Effect of lisinopril on
progression of retinopathy in normotensive people with type 1 dia-
Früherkennung diabetischer Augenerkrankungen (IF-
betes. The EUCLID Study Group. EURODIAB Controlled Trial of Lisi-
DA) erstellt. Die Weitergabe an die mitbehandelnden nopril in Insulin-Dependent Diabetes Mellitus. Lancet 1998; 351
Ärzte erleichtert die so wichtige interdisziplinäre Be- (9095): 28–31.
treuung der Patienten. 14. UKPDS 39. UK Prospective Diabetes Study Group: Efficacy of ateno-
lol and captopril in reducing risk of macrovascular and microvascu-
lar complications in type 2 diabetes. BMJ 1998; (317): 713–20.
Interessenkonflikt
Prof. Ulbig erhielt Vortragshonorare und Reisekosten von Novartis, Pfizer, Lilly, 15. Chaturvedi N, Porta M, Klein R, et al.: Effect of candesartan on pre-
Bausch & Lomb, TAKEDA und Sanofi. Die CALDIRET-Studie fand unter der Lei- vention (DIRECT-Prevent 1) and progression (DIRECT-Protect 1) of
tung der Klinik statt, an der Prof. Ulbig beschäftigt ist und wurde von Sanofi- retinopathy in type 1 diabetes: randomised, placebo-controlled
Synthelabo finanziert.
Dr. Kollias erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des In-
trials. Lancet 2008; 372: 1394–402.
ternational Committee of Medical Journal Editors besteht. 16. Sjolie AK, Klein R, Porta M, et al.: Effect of candesartan on progres-
sion and regression of retinopathy in type 2 diabetes (DIRECT-Pro-
Manuskriptdaten tect 2): a randomised placebo-controlled trial. Lancet 2008; 372
eingereicht: 21. 8. 2009, revidierte Fassung angenommen: 22. 12. 2009 (9647): 1385–93.

Praxisempfehlung
Die sofortige Vorstellung beim Augenarzt bei Erst-
diagnose eines Diabetes mellitus Typ 2 und weite-
re jährliche Kontrollen bei Abwesenheit einer dia-
betischen Retinopathie sind einzuhalten.

82 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 5 | 5. Februar 2010


MEDIZIN

17. Keech AC, Mitchell P, Summanen PA, et al.: Effect of fenofibrate on Results: Diabetic retinopathy is subdivided into non-proliferative and
the need for laser treatment for diabetic retinopathy (FIELD study): a proliferative retinopathy. Macular edema can arise at any stage of the
randomised controlled trial. Lancet 2007; 370(9600): 1687–97. disease and threatens visual acuity. The main risk factors for the devel-
18. Lanzagorta-Aresti A, Palacios-Pozo E, Menezo Rozalen JL, Navea- opment and progression of diabetic retinopathy are long duration of
Tejerina A: Prevention of vision loss after cataract surgery in diabet- diabetes and poor control of blood sugar and arterial blood pressure.
ic macular edema with intravitreal bevacizumab: a pilot study. Reti- Laser photocoagulation is an evidence-based treatment for proliferative
na 2009; 29(4): 530–5. retinopathy and macular edema. Vitreous surgery is indicated in cases
of worsening vision due to a non-clearing vitreous hemorrhage or
19. The Diabetic Retinopathy Study Research Group: Preliminary report tractional retinal detachment. The current options for medical treatment
on the effects of photocoagulation therapy. Am J Ophthalmol 1976; involve the intravitreous injection of glucocorticosteroids or of a VEGF
81: 383–96. antagonist; both of these options are “off label” at present.
20. Gandorfer A, Kampik A: Pars-plana-Vitrektomie bei diabetischer Re- Conclusion: Diabetic retinopathy is the leading cause of blindness
tinopathie. Vom pathogenetischen Prinzip zur operativen Strategie. among persons of working age in the industrialized world. Regular oph-
Ophthalmologe 2000; 97(5): 325–30. thalmological examinations, timely laser therapy depending on the
21. The Diabetic Retinopathy Vitrectomy Study Research Group: Early stage of the disease, and close interdisciplinary cooperation are essen-
vitrectomy for severe proliferative diabetic retinopathy in eyes with tial to prevent loss of vision.
useful vision. Clinical application of results of a randomized trial.
Diabetic Retinopathy Vitrectomy Study Report 4. Ophthalmology
1988; 95(10): 1321–34.
22. Beck RW, Edwards AR, Aiello LP, et al.: Three-year follow-up of a Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(5): 75–84
randomized trial comparing focal/grid photocoagulation and intravit-
real triamcinolone for diabetic macular edema. Arch Ophthalmol DOI: 10.3238/arztebl.2010.0075
2009; 127(3): 245–51.
23. Cunnigham ET, Adamis AP, Altaweel M, et al.; Macugen Diabetic
Retinopathy Study Group: A phase II randomized double-masked
trial of pegaptanib, anti-vascular endothelial growth factor aptamer, @ The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt-international.de
for diabetic macular edema. Ophthalmology 2005; 112(10):
1747–57.
24. Do DV, Nguyen QD, Shah SM, et al.: An exploratory study of the
safety, tolerability and bioactivity of a single intravitreal injection of Weitere Informationen zu cme
vascular endothelial growth factor Trap-Eye in patients with diabetic
macular oedema. Br J Ophthalmol 2009; 93(2): 144–9. Dieser Beitrag wurde von der Nordrheinischen Akademie für ärztliche Fort- und
25. Effect of ruboxistaurin in patients with diabetic macular edema: thir-
Weiterbildung zertifiziert.
ty-month results of the randomized PKC-DMES clinical trial. Arch Die erworbenen Fortbildungspunkte können mithilfe der Einheitlichen Fortbil-
Ophthalmol 2007; 125(3): 318–24. dungsnummer (EFN) verwaltet werden.
26. Campochiaro PA: Reduction of diabetic macular edema by oral ad- Unter cme.aerzteblatt.de muss hierfür in der Rubrik „Meine Daten“ oder bei der
ministration of the kinase inhibitor PKC412. Invest Ophthalmol Vis Registrierung die EFN in das entsprechende Feld eingegeben werden und durch
Sci 2004; 45(3): 922–31. Bestätigen der Einverständniserklärung aktiviert werden.
Die 15-stellige EFN steht auf dem Fortbildungsausweis.
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Michael W. Ulbig
Augenklinik der Ludwig-Maximilians Universität München
Wichtiger Hinweis
Mathildenstrasse 8, 80336 München
Die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung ist ausschließlich über das
E-Mail: Michael.Ulbig@med.uni-muenchen.de
Internet möglich: cme.aerzteblatt.de
Einsendeschluss ist der 19. 3. 2010.
Einsendungen, die per Brief oder Fax erfolgen, können nicht berücksichtigt werden.
Die Lösungen zu dieser cme-Einheit werden in Heft 13/2010 an dieser Stelle
veröffentlicht.
SUMMARY Die cme-Einheit „Resistente Tuberkulose“ (Heft 1–2/2010) kann noch bis zum
Diabetic Retinopathy: Early Diagnosis and Effective Treatment 18. 2. 2010 bearbeitet werden.
Background: Diabetic retinopathy is a microangiopathy of the retina Für Heft 9/2010 ist das Thema „Gonarthrose“ vorgesehen.
from which nearly all persons with diabetes eventually suffer. Two of its Lösungen zur cme-Einheit in Heft 49/2010: Hamerschmidt S, Wirtz H: Lungen-
complications threaten the patient’s vision: diabetic macular edema and karzinom – aktuelle Diagnostik und Therapie
proliferative diabetic retinopathy.
Lösungen: 1c, 2d, 3e, 4b, 5c, 6c, 7b, 8a, 9d, 10a
Methods: Selective literature review, based on national and international
guidelines and a literature search from 1981 onward.

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 5 | 5. Februar 2010 83


MEDIZIN

Bitte beantworten Sie folgende Fragen für die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung. Pro Frage
ist nur eine Antwort möglich. Bitte entscheiden Sie sich für die am ehesten zutreffende Antwort.

Frage Nr. 1 Frage Nr. 6


Wann sollte ein erwachsener Patient mit der Erst- Was ist der Goldstandard der Therapie bei der diabetischen
diagnose Diabetes mellitus Typ 2 beim Augenarzt Makulopathie?
vorstellig werden? a) die intravitreale Eingabe von Glucocorticosteroiden
a) bei Angabe von Sehstörungen b) die intravitreale Eingabe von VEGF-Antagonisten
b) sofort nach Diagnosestellung c) die fokale Laserkoagulation
c) bei Auftreten einer diabetischen Nephropathie d) die intravitreale Eingabe von Antihypertensiva
d) 5 Jahren nach Diagnosestellung e) die Durchführung einer Pars-plana-Vitrektomie
e) bei ausgeprägter Hypertonie

Frage Nr. 7
Wie hoch ist bezüglich der Entwicklung und Progression einer
Frage Nr. 2 diabetischen Retinopathie der optimale HbA1c-Wert?
Wie oft sollte ein Patient mit Diabetes mellitus und a) > 11 %
fehlender diabetischer Retinopathie vom Augenarzt b) 10–11 %
kontrolliert werden? c) 9–10 %
a) einmal jährlich d) 8–9 %
b) einmal im Quartal e) < 7 %
c) alle zwei Jahre
d) je nach Blutdruckwert
e) je nach Langzeitblutzuckerwert
Frage Nr. 8
Welche(r) Wirkstoff(e) ist (sind) für die Behandlung der
diabetischen Retinopathie zugelassen?
Frage Nr. 3 a) Calciumdobesilat
Was ist die evidenzbasierte primäre Therapie der proliferativen b) ACE-Hemmer
diabetischen Retinopathie? c) Somatostatinanaloga
a) die operative Therapie mittels Pars-plana-Vitrektomie d) keiner
b) die intravitreale Injektion von Glucocorticosteroiden e) Insulinanaloga
c) die intramuskuläre Gabe von Somatostatinanaloga
d) die flächenhafte Laserkoagulation
e) die intravitreale Eingabe von VEGF-Antagonisten
Frage Nr. 9
Sie stellen bei einem 7-jährigen Kind einen Diabetes mellitus fest.
Wann sollte die Erstvorstellung beim Augenarzt
Frage Nr 4 mit der Frage einer diabetischen Retinopathie erfolgen?
Was ist eine Indikation zur Durchführung einer a) sofort
Pars-plana-Vitrektomie? b) nach Erreichen der Pubertät
a) das Vorliegen einer ischämischen Makulopathie c) nach dem 5. Erkrankungsjahr
b) das Vorliegen einer schweren nichtproliferativen diabetischen Reti- d) nach dem 11. Lebensjahr
nopathie e) nach Wunsch der Mutter
c) eine nicht resorbierende Glaskörperblutung
d) das Vorliegen eines Neovaskularisationsglaukoms
e) das Vorliegen einer proliferativen diabetischen Retinopathie
Frage Nr. 10
Eine junge Patientin mit Diabetes und Kinderwunsch sucht
Sie in Ihrer Praxis auf und fragt nach möglichen Komplikationen
Frage Nr. 5 an den Augen durch eine Schwangerschaft. Welche Empfehlung
Wie ist das klinisch siginifikante Makulaödem definiert? sprechen Sie aus?
a) als Verdickung der peripheren Netzhaut a) Es gibt keine Bedenken bei guter Blutzuckereinstellung.
b) als Vorhandensein von Blutungen im Bereich der Makula b) Es gibt keine Bedenken, da eine diabetische Retinopathie nur
c) als Verdickung der Netzhaut und/oder Exsudate innerhalb eines bei älteren Patienten auftritt.
Abstandes von 500 µm von der Fovea centralis c) Es kann im Rahmen einer Schwangerschaft zu Komplikationen am
d) als Entwicklung von Neovaskularisationen im Bereich der Auge kommen und Sie überweisen sie an den Augenarzt.
Sehnervenscheibe d) Sie raten von einer Schwangerschaft ab.
e) als Vorhandensein von Mikroaneurysmen im Bereich der Makula e) Sie raten von einer vaginalen Entbindung ab.

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