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Diabetische Retinopathie
Frühzeitige Diagnostik und effiziente Therapie
Epidemiologie
Die diabetische Retinopathie ist trotz guter Be-
handlungsmöglichkeiten immer noch die häufigs-
te Erblindungsursache in der Bevölkerung im Ar-
beitsalter in den Industriestaaten.
Chirurgische Therapie
Die Indikation zur pars-plana-Vitrektomie (ppV) be-
trifft die nichtresorbierende Glaskörperblutung, die
subhyaloidale Blutung, das Ghost-cell-Glaukom, die
zugbedingte Netzhautablösung und auch das zugbe-
dingte Makulaödem (19). Die Pars-plana-Vitrektomie
ermöglicht die Entfernung des trüben Glaskörpers, von
Narbensträngen und Membranen, die Anlage der Netz-
haut sowie eine sachgerechte Laserphotokoagulation.
Der Nutzen und der beste Zeitpunkt der Pars-plana-Vi-
Abbildung 4: Schwere proliferative diabetische Retinopathie mit Neovaskularisationen an trektomie wurden in einer prospektiven, randomisierten
der Sehnervenscheibe und bindegewebig organisierten epiretinalen Membranen, die die und kontrollierten Studie („Diabetic Retinopathy Vi-
Netzhaut anheben trectomy“ [DRVS]) belegt. Patienten, die frühzeitig
vitrektomiert wurden, erreichten ein signifikant bes-
seres Sehvermögen als die Kontrollgruppe, die erst ein
stoffpartialdrucks in den peripheren avaskulären Area- Jahr später operiert wurde (20).
len der Retina. Dadurch wird das Risiko der Glaskör- Dank modernster Mikrochirurgie ist die Vitrektomie
perblutung und der Membranbildung reduziert. Panreti- ein Routineverfahren geworden. In den letzten Jahren
nal können 2 500 Laserherde notwendig werden, die hat eine Verfeinerung der Operationstechnik die Opera-
mit einem Durchmesser von 500 µm peripher flächen- tionszeiten verkürzt und Wundnähte überflüssig ge-
haft unter Aussparung der Netzhautmitte verteilt wer- macht. Der Querschnitt der jetzt über Trokare einge-
den (Abbildung 5). Die prospektive, randomisierte führten Instrumente wurde von 1,0 auf 0,6 mm redu-
„Diabetic Retinopathy“ Studie (DRS) demonstrierte ziert. Mithilfe der Vitrektomie ist es möglich, auch bei
bereits 1976 an 1 732 eingeschlossenen Augen, dass fortgeschrittenen Stadien der proliferativen diabeti-
das Risiko eines schweren Sehverlustes mehr als hal- schen Retinopathie zumindest ein orientierendes Seh-
biert werden konnte. Unbehandelt erlitten 129 Augen vermögen zu erhalten. Das schmerzhafte Neovaskulari-
einen schweren Sehverlust, mit Photokoagulation nur sationsglaukom ist heute sehr selten geworden. In sol-
56 Augen (18). chen Fällen kann als ultima ratio zur Beseitigung der
Das klinisch signifikante diabetische Makulaödem Schmerzen sogar die operative Entfernung des blinden
wird mit der gezielten fokalen Laserkoagulation lecken- Auges notwendig werden.
der Mikroaneurysmen und Kapillaren im Bereich um
die Fovea mit 100 bis 200 µm großen Laserherden be- Medikamentöse Therapie
handelt. Die EDTR-Studie belegte bereits im Jahr 1985 Intravitreale Glucocorticosteroide werden bevorzugt
nach nur einem Jahr in der ersten Zwischenauswertung beim diabetischen Makulaödem eingesetzt. Ihre antian-
von 754 fokal laserbehandelten Augen, dass dadurch giogenetische und entzündungshemmende Wirkung
das Risiko einer Sehverschlechterung durch das signifi- führt zu einer Stabilisierung der inneren Blut-Retina-
kante diabetische Makulaödem so massiv reduziert wer- Schranke und ist auch bei der proliferativen diabeti-
den konnte, dass die Kontrollgruppe von 1 490 Augen schen Retinopathie von Wert (3). Der klinische Effekt
aus ethischen Gründen unbedingt sofort auch gelasert beim diabetischen Makulaödem ist so offensichtlich,
Praxisempfehlung
Die sofortige Vorstellung beim Augenarzt bei Erst-
diagnose eines Diabetes mellitus Typ 2 und weite-
re jährliche Kontrollen bei Abwesenheit einer dia-
betischen Retinopathie sind einzuhalten.
17. Keech AC, Mitchell P, Summanen PA, et al.: Effect of fenofibrate on Results: Diabetic retinopathy is subdivided into non-proliferative and
the need for laser treatment for diabetic retinopathy (FIELD study): a proliferative retinopathy. Macular edema can arise at any stage of the
randomised controlled trial. Lancet 2007; 370(9600): 1687–97. disease and threatens visual acuity. The main risk factors for the devel-
18. Lanzagorta-Aresti A, Palacios-Pozo E, Menezo Rozalen JL, Navea- opment and progression of diabetic retinopathy are long duration of
Tejerina A: Prevention of vision loss after cataract surgery in diabet- diabetes and poor control of blood sugar and arterial blood pressure.
ic macular edema with intravitreal bevacizumab: a pilot study. Reti- Laser photocoagulation is an evidence-based treatment for proliferative
na 2009; 29(4): 530–5. retinopathy and macular edema. Vitreous surgery is indicated in cases
of worsening vision due to a non-clearing vitreous hemorrhage or
19. The Diabetic Retinopathy Study Research Group: Preliminary report tractional retinal detachment. The current options for medical treatment
on the effects of photocoagulation therapy. Am J Ophthalmol 1976; involve the intravitreous injection of glucocorticosteroids or of a VEGF
81: 383–96. antagonist; both of these options are “off label” at present.
20. Gandorfer A, Kampik A: Pars-plana-Vitrektomie bei diabetischer Re- Conclusion: Diabetic retinopathy is the leading cause of blindness
tinopathie. Vom pathogenetischen Prinzip zur operativen Strategie. among persons of working age in the industrialized world. Regular oph-
Ophthalmologe 2000; 97(5): 325–30. thalmological examinations, timely laser therapy depending on the
21. The Diabetic Retinopathy Vitrectomy Study Research Group: Early stage of the disease, and close interdisciplinary cooperation are essen-
vitrectomy for severe proliferative diabetic retinopathy in eyes with tial to prevent loss of vision.
useful vision. Clinical application of results of a randomized trial.
Diabetic Retinopathy Vitrectomy Study Report 4. Ophthalmology
1988; 95(10): 1321–34.
22. Beck RW, Edwards AR, Aiello LP, et al.: Three-year follow-up of a Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(5): 75–84
randomized trial comparing focal/grid photocoagulation and intravit-
real triamcinolone for diabetic macular edema. Arch Ophthalmol DOI: 10.3238/arztebl.2010.0075
2009; 127(3): 245–51.
23. Cunnigham ET, Adamis AP, Altaweel M, et al.; Macugen Diabetic
Retinopathy Study Group: A phase II randomized double-masked
trial of pegaptanib, anti-vascular endothelial growth factor aptamer, @ The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt-international.de
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1747–57.
24. Do DV, Nguyen QD, Shah SM, et al.: An exploratory study of the
safety, tolerability and bioactivity of a single intravitreal injection of Weitere Informationen zu cme
vascular endothelial growth factor Trap-Eye in patients with diabetic
macular oedema. Br J Ophthalmol 2009; 93(2): 144–9. Dieser Beitrag wurde von der Nordrheinischen Akademie für ärztliche Fort- und
25. Effect of ruboxistaurin in patients with diabetic macular edema: thir-
Weiterbildung zertifiziert.
ty-month results of the randomized PKC-DMES clinical trial. Arch Die erworbenen Fortbildungspunkte können mithilfe der Einheitlichen Fortbil-
Ophthalmol 2007; 125(3): 318–24. dungsnummer (EFN) verwaltet werden.
26. Campochiaro PA: Reduction of diabetic macular edema by oral ad- Unter cme.aerzteblatt.de muss hierfür in der Rubrik „Meine Daten“ oder bei der
ministration of the kinase inhibitor PKC412. Invest Ophthalmol Vis Registrierung die EFN in das entsprechende Feld eingegeben werden und durch
Sci 2004; 45(3): 922–31. Bestätigen der Einverständniserklärung aktiviert werden.
Die 15-stellige EFN steht auf dem Fortbildungsausweis.
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Michael W. Ulbig
Augenklinik der Ludwig-Maximilians Universität München
Wichtiger Hinweis
Mathildenstrasse 8, 80336 München
Die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung ist ausschließlich über das
E-Mail: Michael.Ulbig@med.uni-muenchen.de
Internet möglich: cme.aerzteblatt.de
Einsendeschluss ist der 19. 3. 2010.
Einsendungen, die per Brief oder Fax erfolgen, können nicht berücksichtigt werden.
Die Lösungen zu dieser cme-Einheit werden in Heft 13/2010 an dieser Stelle
veröffentlicht.
SUMMARY Die cme-Einheit „Resistente Tuberkulose“ (Heft 1–2/2010) kann noch bis zum
Diabetic Retinopathy: Early Diagnosis and Effective Treatment 18. 2. 2010 bearbeitet werden.
Background: Diabetic retinopathy is a microangiopathy of the retina Für Heft 9/2010 ist das Thema „Gonarthrose“ vorgesehen.
from which nearly all persons with diabetes eventually suffer. Two of its Lösungen zur cme-Einheit in Heft 49/2010: Hamerschmidt S, Wirtz H: Lungen-
complications threaten the patient’s vision: diabetic macular edema and karzinom – aktuelle Diagnostik und Therapie
proliferative diabetic retinopathy.
Lösungen: 1c, 2d, 3e, 4b, 5c, 6c, 7b, 8a, 9d, 10a
Methods: Selective literature review, based on national and international
guidelines and a literature search from 1981 onward.
Bitte beantworten Sie folgende Fragen für die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung. Pro Frage
ist nur eine Antwort möglich. Bitte entscheiden Sie sich für die am ehesten zutreffende Antwort.
Frage Nr. 7
Wie hoch ist bezüglich der Entwicklung und Progression einer
Frage Nr. 2 diabetischen Retinopathie der optimale HbA1c-Wert?
Wie oft sollte ein Patient mit Diabetes mellitus und a) > 11 %
fehlender diabetischer Retinopathie vom Augenarzt b) 10–11 %
kontrolliert werden? c) 9–10 %
a) einmal jährlich d) 8–9 %
b) einmal im Quartal e) < 7 %
c) alle zwei Jahre
d) je nach Blutdruckwert
e) je nach Langzeitblutzuckerwert
Frage Nr. 8
Welche(r) Wirkstoff(e) ist (sind) für die Behandlung der
diabetischen Retinopathie zugelassen?
Frage Nr. 3 a) Calciumdobesilat
Was ist die evidenzbasierte primäre Therapie der proliferativen b) ACE-Hemmer
diabetischen Retinopathie? c) Somatostatinanaloga
a) die operative Therapie mittels Pars-plana-Vitrektomie d) keiner
b) die intravitreale Injektion von Glucocorticosteroiden e) Insulinanaloga
c) die intramuskuläre Gabe von Somatostatinanaloga
d) die flächenhafte Laserkoagulation
e) die intravitreale Eingabe von VEGF-Antagonisten
Frage Nr. 9
Sie stellen bei einem 7-jährigen Kind einen Diabetes mellitus fest.
Wann sollte die Erstvorstellung beim Augenarzt
Frage Nr 4 mit der Frage einer diabetischen Retinopathie erfolgen?
Was ist eine Indikation zur Durchführung einer a) sofort
Pars-plana-Vitrektomie? b) nach Erreichen der Pubertät
a) das Vorliegen einer ischämischen Makulopathie c) nach dem 5. Erkrankungsjahr
b) das Vorliegen einer schweren nichtproliferativen diabetischen Reti- d) nach dem 11. Lebensjahr
nopathie e) nach Wunsch der Mutter
c) eine nicht resorbierende Glaskörperblutung
d) das Vorliegen eines Neovaskularisationsglaukoms
e) das Vorliegen einer proliferativen diabetischen Retinopathie
Frage Nr. 10
Eine junge Patientin mit Diabetes und Kinderwunsch sucht
Sie in Ihrer Praxis auf und fragt nach möglichen Komplikationen
Frage Nr. 5 an den Augen durch eine Schwangerschaft. Welche Empfehlung
Wie ist das klinisch siginifikante Makulaödem definiert? sprechen Sie aus?
a) als Verdickung der peripheren Netzhaut a) Es gibt keine Bedenken bei guter Blutzuckereinstellung.
b) als Vorhandensein von Blutungen im Bereich der Makula b) Es gibt keine Bedenken, da eine diabetische Retinopathie nur
c) als Verdickung der Netzhaut und/oder Exsudate innerhalb eines bei älteren Patienten auftritt.
Abstandes von 500 µm von der Fovea centralis c) Es kann im Rahmen einer Schwangerschaft zu Komplikationen am
d) als Entwicklung von Neovaskularisationen im Bereich der Auge kommen und Sie überweisen sie an den Augenarzt.
Sehnervenscheibe d) Sie raten von einer Schwangerschaft ab.
e) als Vorhandensein von Mikroaneurysmen im Bereich der Makula e) Sie raten von einer vaginalen Entbindung ab.