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2020W 340035-1 Text und Kommunikation schriftlich Deutsch

Sandra Lazarevska

Reportage "Es is oafach guter in der Stadt"- Meine Geschichte

Wenn diese Pandemie nicht gewesen wäre, hätte ich meinen Traum, in einer großen und
kosmopolitischen Stadt zu leben, bereits verwirklicht. Leider bin ich wegen der Grenzschließung in
dieser kleinen Stadt, in der ich geboren bin, eingesperrt. Eine Stadt, aus der ich mein ganzes
erwachsenen Leben zu fliehen versuche.

Ich wohne in Kumanovo im Nordosten Mazedoniens. Die Stadt hat etwa 70.000 Einwohner. Es ist
keine Kleinstadt, dennoch ist es eine sehr vernachlässigte und ungepflegte Stadt mit nicht so vielen
Möglichkeiten jeglicher Art für Kinder und Jugendliche. Die Stadt ist bekannt für ihre vielen Kneipen
und die Menschen für ihre Liebe zu diesen Kneipen. Hier wird der Erfolg eines Menschen nicht an
beruflichen Leistungen, Wissen und sozialem Engagement gemessen, sondern daran, wie gut man
unter den Menschen bekannt ist. Eine Stadt, in der es keine Parks und fast keine Spielplätze gibt, wo
Bürgersteige zum Parken und nicht für Menschen genutzt werden, in der die Straßen ständig
schmutzig sind, ist keine besonders kinderfreundliche Stadt. Und seit ich mich erinnern kann, war ich
mir schon immer sicher, dass ich meine Kinder nicht in einer Stadt wie dieser aufziehen will.

Als ich während meines Studiums nach Skopje, der Hauptstadt Mazedoniens, zog, dachte ich, jetzt
bin ich frei, ich ziehe nie wieder nach Kumanovo zurück. Ich habe es geliebt, in der Hauptstadt zu
leben. Es ging nicht um die Größe der Stadt, besonders weil Skopje im Vergleich zu Wien oder
anderen europäischen Städten nicht so groß ist, sondern es ging um die Vielfalt, die Dynamik. Skopje
hat ein reiches kulturelles Leben und ein spannendes Nachtleben. Es gibt viele
Unterhaltungsmöglichkeiten und vor allem bietet diese Stadt viele Berufs- und Karrierechancen.

Während meines Studiums verbrachte ich ein Semester als Austauschstudentin in Wien. Und das
Leben in Wien hat mir eine ganz neue Welt gezeigt. Skopje war unterhaltsam und vielfältig in seinem
Angebot, aber es war keine kosmopolitische Stadt. In gewisser Weise war es doch noch eine kleine
Welt, und nach einer Weile klingt die Begeisterung irgendwie ab. So war ich natürlich von Wien
fasziniert. Ich habe es einfach geliebt, in dieser schönen Stadt zu leben, wo man jeden Tag woanders
hingehen, etwas Neues sehen und erleben kann. Aber das Beste für mich war die Anonymität, die
Freiheit, man selbst zu sein, sich neu zu erfinden, ohne sich jemals Gedanken darüber machen zu
müssen, "was die Leute sagen würden". Dieser Aufenthalt in Wien, auch wenn er nur kurz war, half
mir zu erkennen, was ich vom Leben will und wie ich es leben will.

Leider läuft im Leben nicht alles nach Plan, und als die Zeit für mich gekommen war, meine eigene
Familie zu gründen, musste ich aus finanziellen Gründen nach mein Geburtsort Kumanovo
zurückziehen und meine Kinder hier aufziehen. Ich musste immer noch in Skopje arbeiten und jeden
Tag zwischen den Städten hin- und herreisen, was meine Verbitterung über diese kleine und
langweilige Stadt nur noch verstärkte. Und jetzt sitze ich hier und warte darauf, in meine Traumstadt
zu ziehen und hoffentlich meine Traumkarriere zu verwirklichen.

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