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ADHS

DEUTSCHLAND e.V.
Selbsthilfe für Menschen mit ADHS

ADHS und die Betroffenen verstehen -


Symptome und Ursachen
Inhalt

Willkommen in der Welt der ADHS 3


Die Symptome der ADHS 6
Ursachen der ADHS 12
Der ADHS Deutschland e. V. 16

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Willkommen in der Welt der ADHS

ADS bedeutet Aufmerksamkeitsdefizitstörung, ADHS ist keine Modeerkrankung und tritt auf
wobei das „H“ in ADHS für Hyperaktivität der Welt fast überall gleich häufig auf. Aller-
steht. Nicht jeder, der an einer ADHS leidet, ist dings wird ADHS heute häufiger diagnostiziert,
allerdings gleichzeitig hyperaktiv. Besser wäre weil Ärzte diese Symptomatik besser kennen
die Schreibweise AD(H)S, weil die Hyperakti- und auch ADHS in den Medien häufiger
vität eine bestimmte Form der ADHS darstellt besprochen wird. Ebenfalls ist die Anzahl der
und es noch eine andere Form der ADHS gibt, Behandlungsmöglichkeiten gewachsen, so
nämlich den unaufmerksamen Typ. dass jetzt auch mehr Kinder und Erwachsene
mit dieser Problematik die Möglichkeit haben,
sich diagnostizieren und behandeln zu lassen.
Natürlich haben wir auch eine „ADHS-Welt“, die
aktuell geprägt ist von Reizüberflutung, einem
ständigen medialen Angebot und einem
ausgeprägten Leistungsdruck in der Schule.
Hinzu kommt, dass zunehmend Multitasking
vorausgesetzt wird, um all die täglichen Anfor-
derungen zu bewerkstelligen.

Je komplexer unsere Gesellschaft, je unstruktu-


rierter der Tagesablauf, je größer die Reizüber-
flutung, desto deutlicher treten die besonderen
Symptome der ADHS zu Tage. Außerdem zeigt
sich ein zunehmender Zerfall von familiärem
Gefüge, wie Großfamilien, die sehr viel mehr
Möglichkeiten hatten, schwierigen Kindern Halt
und Ordnung zu geben. Eine allein erziehende
Mittlerweile hat sich aber ADHS als Oberbegriff Mutter mit ADHS-Kindern kommt meist unwei-
eingebürgert und so wird dieser auch von uns gerlich an ihre Belastungsgrenze, weil sie nicht
verwendet. Früher bezeichnete man ADHS genügend Kraft und Kapazitäten hat, alleine
auch als Hyperaktivität oder Hyperkinetische die Erziehungskonzepte umzusetzen, die bei
Störung. ADHS-Kindern notwendig wären.

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In ausgeprägten Fällen kann auch eine medika-
ADHS ist häufig – 4,4 % der mentöse Behandlung sinnvoll sein. ADHS stellt
Erwachsenen haben eine ADHS, eine Spektrumserkrankung dar, was bedeutet,
wobei ein Großteil der Betroffenen dass es viele Menschen mit ADHS-Eigenschaf-
hierüber meist keine Kenntnis ten gibt, die hocherfolgreich sind und, wenn
hat. Im Kindesalter tritt ADHS bei sie die richtige berufliche Nische gefunden
3–7 % der Kinder auf und stellt haben, dort auch Höchstleistungen erbringen
somit die häufigste seelische können. Wenn wir den Fernseher anmachen,
Erkrankung im Kindesalter dar. dann können wir bei Kenntnis der speziellen
ADHS-Symptome eine ganze Menge Schau-
spieler, Politiker, Kabarettisten oder Künstler
Nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnis- sehen, die eindeutige ADHS-Symptome haben,
sen haben 50–60 % der als Kind von ADHS aber keinerlei Behandlung benötigen.
Betroffenen auch im Erwachsenenalter noch
deutliche Symptome und Lebensprobleme, die Fangen wir also vielleicht erst einmal mit den
sich auf ADHS zurückführen lassen. positiven Seiten der ADHSler an, denn ADHS
nur als behandlungsbedürftige Störung zu
Grundsätzlich bedeutet das Vorliegen einer begreifen, wäre zu kurz gegriffen. Tatsächlich
ADHS noch keine Erkrankung. Eine Behand- wäre unsere Welt ohne ADHS ärmer, langweili-
lungsnotwendigkeit entsteht immer erst, wenn ger, monotoner und spießiger. Gerade sie sind
die auftretenden Symptome zu ernsthaften nämlich unsere Querdenker, unsere Erfinder,
Störungen im Arbeitsbereich und im Sozialver- unsere Künstler und Revoluzzer, die selbstlos
halten führen. für Gerechtigkeit kämpfen können oder völlig
neue Sichtweisen entwickeln. Sie sind oft
ADHS ist zunächst erst einmal eine besondere mutig, unkonventionell, streiterfahren, un-
Art menschlichen Seins mit außergewöhnli- beugsam, wenn sie von einer Sache überzeugt
chen Stärken, aber auch manchen Schwächen, sind, und sie können hartnäckig an einer Sache
die Betroffene erkennen sollten und gegen die arbeiten, wenn sie daran wirklich interessiert
es mittlerweile gute, erlernbare Strategien gibt. sind. Sie können ungeheuer einfühlsam sein

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und eine prägnante Wahrnehmung haben. Wo Licht ist, ist auch Schatten, und so ist es für
Es gibt unter ihnen unerschütterliche Welt- ADHSler und deren Angehörige wichtig, sich
verbesserer, einfühlsame Literaten, begnadete mit den Schattenseiten dieser besonderen Art
Sportler und Künstler, die mit ihrer Sicht auseinanderzusetzen. Da Humor bei ADHS sehr
der Dinge völlig neue künstlerische Wege wichtig ist, versuchen wir diese Schwächen
beschritten haben. Durch ihre sprunghafte Art auch mit viel Humor zu beleuchten. Lachen
zu denken können sie sehr intuitiv und kreativ und Selbsterkenntnis sind kein Widerspruch!
sein und durch ihren häufigen Drang, Fesseln,
Regeln und Begrenzungen aufzuheben,
können sie Althergebrachtes in Frage stellen Unerkannt kann sich ADHS wie ein
und sich kritisch mit aktuellen Lebensthemen
roter Faden durch das Leben des
auseinandersetzen. Sie sind in jedem Unter-
Betroffenen ziehen und eine An-
nehmen gefragt, weil ihre unkonventionelle Art,
sammlung von Niederlagen und
an Dinge heranzugehen, so manche neue Idee
geschaffen oder Vermarktungswege geöffnet Misserfolgen bedingen. Deshalb ist
hat, für die kein anderer den Mut gehabt hätte. es wichtig, ADHS zu erkennen, am
besten schon in der Kindheit.
So weit zu den Stärken ...

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Die Symptome der ADHS

Unkonzentriertheit und ablenkbar sind. Sie verlieren so ihr Ziel immer


wieder aus den Augen. Andererseits können
Unaufmerksamkeit sie sich sogar besser als alle anderen Menschen
Kinder und Erwachsene haben Schwierigkeiten konzentrieren, wenn sie an einem Thema
längere Zeit ihre Konzentration aufrechtzuer- brennend interessiert sind. Diese Tatsache ist
halten. Sie lassen sich schnell ablenken, wech- oft für Mitmenschen und Lehrer sehr irritierend.
seln von einem Gedanken zum nächsten und ADHSler können sich hervorragend auf das
verlieren ihr angestrebtes Ziel aus den Augen. konzentrieren, was sie spannend finden, und so
Häufig fangen sie eine Sache an, springen dann gar nicht auf das, was sie als langweilig erleben.
zu einer anderen und können oft auch Auf- Sie scheitern häufig an Flüchtigkeitsfehlern und
gaben nicht zu Ende führen. Man kann sagen, Lehrer fragen sich immer wieder, wieso es den
dass sie den Scheinwerfer der Aufmerksam- Kindern nicht möglich ist, konstante Leistun-
keit nicht lange auf eine bestimmte Tätigkeit gen zu erbringen.
richten können, weil sie durch Kleinigkeiten

Motorische Unruhe
Im Kindesalter zeigt sich diese Unruhe durch
Zappeln, Wippen, Herumlaufen, Toben. Die
Kinder finden oft auch nachts keine Ruhe und
können dadurch Probleme haben einzuschla-
fen. Sie sind getrieben, immer auf Achse. Im
Erwachsenenalter zeigen sich diese Symptome
diskreter. Oft bemerkt man nur das nervöse
Nesteln der Finger oder dass sie ständig mit
etwas herumspielen müssen. Häufig wird man,
auch wenn man nicht betroffen ist, neben
ihnen unruhig. Erwachsene haben besser
gelernt diese hyperaktiven Symptome zu
verbergen. Aber wenn man sie danach fragt,
dann beschreiben sie immer noch diese innere

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Getriebenheit und die Schwierigkeit, nicht Verursacher wähnen, sondern eher als das
abschalten und entspannen zu können. Opfer unglücklicher Umstände. Kinder können
in Sekunden ein aufgeräumtes Zimmer in eine
Räuberhöhle verwandeln und es erscheint un-
Hypoaktivität möglich für sie einzelne Arbeitsblätter in Hefter
abzuheften und diese zu b ­ eschriften. Häufig
Dies ist eine Sonderform der ADHS, oft auch haben sie sich so an das Chaos g ­ ewöhnt, dass
ADHS des unaufmerksamen Typs genannt, die sie es selbst gar nicht mehr wahrnehmen.
bei Mädchen häufiger auftritt. Während die Auch im Erwachsenenalter hält das Chaos
Hyperaktiven zu viel Energie haben, häufig zu an. So sind unter ihnen auch etliche Messies
schnell und ungestüm sind und sich ständig ­( Vermüllungssyndrom) – und dies ist nur allzu
bewegen müssen, haben die Hypoaktiven oft ein gut gehütetes Geheimnis. Wenn Frauen
genau die gegenteiligen Probleme. Sie sind auf einmal nicht mehr im Beruf ein strukturier-
langsam, umständlich, häufig energielos, tes Arbeitsfeld haben, s­ ondern selbstbestimmt
verträumt, abwesend und sie können sich nur ihren Haushalt führen müssen, können sie zu
schlecht motivieren. Alles was bei Hyperaktiven wahren Chaos­prinzessinnen werden. Das ­Chaos
zu viel ist, ist bei den Hypoaktiven zu wenig. Sie verstärkt sich noch einmal, wenn sie auch
kommen nicht in die Gänge und brauchen oft noch ADHS-Kinder haben. Sie haben Probleme
ewig, um eine Aufgabe zu lösen oder sich zu täglich aufzuräumen, Sachen wiederzufinden,
organisieren. Ansonsten gibt es aber bei den Termine einzuhalten oder angefangene Sachen
anderen Symptomen viele ­Überschneidungen. zu Ende zu bringen. Sie haben keinen Zeit-
Im Erwachsenenalter zeigt sich meist ein plan und erledigen irgendwann, irgend­etwas,
Mischtyp aus hyperaktiven und hypoaktiven ­irgendwie, meist völlig ungeordnet und auf
Anteilen. Auch kann der Typ der ADHS im den letzten Drücker.
Laufe des Lebens wechseln.
Männer produzieren häufig Chaos, indem sie
Berge auf ihrem Schreibtisch in den Himmel
Chaos und Desorganisation wachsen lassen und überall kleine Häufchen
bilden, die jeden Tag größer werden. Die Orga-
ADHSler sind Meister in der Produktion des nisationsfähigkeit ist stark eingeschränkt. Das
Chaos, wobei sie sich selbst nicht als die gilt natürlich auch für Frauen im Arbeitsleben.

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Impulsivität Stimmungsschwankungen und
ADHSler sind emotionale und lebendige
Affektlabilität
Menschen, wenn man das positiv ­ausdrücken ADHSler sind sehr dünnhäutig, verletzbar und
möchte. Sie können aber auch zu wahren empfindlich. Andererseits können sie sehr
­Rumpelstilzchen werden, wenn sie ­gestresst heftig auch auf kleine Auslöser reagieren. So
und gereizt sind. Bei diesen heftigen Gefühls­ schwankt ihre Stimmung zwischen himmel-
aus­brüchen und emotionalen Entgleisun- hoch jauchzend und zu Tode betrübt und für
gen sollten deren Angehörige am besten Ange­hörige ist es oft schwer zu verstehen,
in ­Deckung gehen, da es sehr ungemütlich warum aus nichtigem Anlass die Stimmung
werden kann. ADHSler sind Meister darin, ihre schon wieder entgleist ist oder warum durch
Gefühle in die Welt zu schleudern und die kleine Kränkungen gerade wieder die Welt
Vehemenz ihrer Gefühlsausbrüche auch ganz unterzugehen scheint.
schnell wieder zu vergessen ... war da was?
Während andere sich um den emotionalen Erstaunlicherweise kann dann aber die Sonne
Scherbenhaufen ­kümmern und sich grämen, schnell wieder aufgehen, wenn Ablenkung
ist der ADHSler schon längst wieder guter oder eine Belohnung winkt. Während so man-
­Laune und versteht nicht, warum Mitmen- che Mitmenschen sich noch über die heftigen
schen so nachtragend sind. Er reagiert hart Gefühlsausbrüche der ADHSler Gedanken
und heftig, aber dann ist die Welt wieder in machen, haben diese schon wieder Spaß. Die
Ordnung ... zumindest die seinige! meisten ADHSler reagieren nämlich heftig, auf-
brausend und überschießend, aber haben sie
Manchmal sind es selbst Kleinigkeiten, die erst einmal ihre Gefühle in die Welt geschleu-
ihn zum Ausrasten und zu heftigen Wutan- dert, dann geht es ihnen meist doch viel besser
fällen verleiten können – das macht ihn so und sie haben ganz schnell diese Situationen
unberechenbar. Viele Angehörige fühlen sich wieder vergessen. So ist ihre Stärke, dass sie
gekränkt, verletzt und gestresst, weil sie mit nicht nachtragend sind, ihre Schwäche aber
der Heftigkeit der Gefühlsausbrüche nicht daraus resultierend leider auch, dass sie oft so
umgehen können. wenig aus Erfahrungen lernen, weil sie diese
so schnell wieder vergessen haben. So sitzt der

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ADHSler auf einer gefühlsmäßigen Achterbahn, Im Erwachsenenalter sind sie häufig noch
die er oft nur schwer steuern kann. Im Kindes- launisch, unberechenbar und aufbrausend.
alter zeigen sich häufig starke Wutausbrüche,
Jähzorn oder aber auch heftige Weinanfälle.
Dies kann dazu führen, dass ADHSler in der Schwierigkeiten in der Schule
Klasse in eine Außenseiterposition rutschen. oder am Arbeitsplatz
Die unaufmerksamen ADHSler haben oft „nah
am Wasser gebaut“ und sind sehr mitfühlend, Durch die unorganisierte und chaotische
schnell berührt und fassungslos, wenn sie Arbeitsweise haben ADHS-Kinder schon in
selbst leiden oder sie andere leiden sehen. der Schule Probleme. Sie vergessen ihre Hefte,
haben eine unvollständige Heftführung, ihre
Schrift ist häufig kaum lesbar und die Haus-
aufgaben sind auch nur in Teilen erledigt. Sie
machen alles auf den letzten Drücker und blei-
ben so unter ihren Möglichkeiten. Sie sind oft
sprunghaft und fahrig und ihre Konzentrations-
störung bedingt viele Flüchtigkeitsfehler. Es
fällt ihnen schwer, pünktlich und zuverlässig
zu sein, und sie vermeiden möglichst lange
Tätigkeiten, die keinen Spaß machen. Sie sind
schnell frustriert und arbeiten meist ohne
Plan. Dieser Arbeitsstil wird oft auch noch im
Erwachsenenalter beibehalten, was verständ-
licherweise zu Unmut und Missstimmung
bei den Kollegen führt. So mancher ADHSler
fühlt sich da an jedem Arbeitsplatz gemobbt,
wenn nach einiger Zeit die Kollegen ihre
Unterstützung einstellen und kein Verständnis
mehr für seine unvollständige Arbeitsweise
aufbringen.

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Schwierigkeiten in sozialen singen, wie lange es ADHS-Kinder aushalten,
darüber zu diskutieren, ob es sinnvoll ist, Teller
Beziehungen in die Spülmaschine zu räumen. In der gleichen
Auch in der Partnerschaft macht ADHS erheb- Zeit hätten sie spielend drei Maschinen gefüllt.
liche Probleme, denn auch hier ist der nicht Der ADHSler hat aber große Probleme mit der
betroffene Partner mit der Unzuverlässigkeit, Erledigung der täglichen Pflichten, mit Struktur
den Stimmungsschwankungen und dem und Ordnung und dem Einhalten von Regeln.
Chaos der ADHSler konfrontiert. Es belastet Und er ist auch Meister darin, sich vor den
Partner, dass sie nie einschätzen können, was Unannehmlichkeiten des Lebens zu drücken.
in den nächsten Minuten passiert, da die
Verhaltensweisen der ADHSler häufig unbere-
chenbar sind. Durch die Impulsivität kann es zu Selbstzweifel
unbeabsichtigten Verletzungen und Endlosdis-
kussionen kommen, und ADHSler sind wahre ADHSler erleben im Laufe ihrer Entwicklung
Meister in Diskussionen, weil sie kämpfen kön- viele Misserfolge und Niederlagen. So haben
nen bis zum Umfallen und immer Recht haben sie häufiger schlechtere Noten geschrieben
wollen. Schon Eltern können ein Lied davon oder es ist ihnen in einer Prüfungssituation

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nicht gelungen, auf das Gelernte zuzugreifen. Vergesslichkeit
Sie sind meist unter ihren eigenen Möglichkei-
ten geblieben und sie haben auch viel Kritik, Das Arbeitsgedächtnis der ADHSler ist beein­
manchmal auch Spott und Schadenfreude trächtigt und so ist es für Betroffene oft schwer,
anderer einstecken müssen. Da sie mit ihrer Lernstoff oder Aufgaben, die erledigt werden
Impulsivität häufiger auch Lehrer oder Eltern müssen, zu behalten. Es fällt ihnen irgendwann
provoziert oder sich trotzig gegen Regeln ein, aber dann ist der Termin vorbei und das
aufgelehnt haben, sind sie selbst auch Angriffs- Kind ist schon in den Brunnen gefallen. Viele
fläche und Zielscheibe anderer geworden und ADHSler lesen Bücher oder Zeitungsartikel und
sie mussten so auch öfter ­Ungerechtigkeiten wissen nachher nicht mehr, was sie überhaupt
einstecken. Viele ADHSler haben sich durch gelesen haben. So manche ADHSler verbrin-
ihr problematisches Verhalten auch selbst ins gen am Tag Stunden damit, ihre Brille, ihre
Abseits oder in eine Außenseiterposition ma- Schlüssel oder wichtige Unterlagen zu suchen.
növriert und so erleben sie es, dass sie seltener
zu Kindergeburtstagen eingeladen oder aber
von anderen abgelehnt werden. Motivationsprobleme
Die Hypoaktiven unter ihnen hatten Schwierig- ADHSler besitzen einen riesigen inneren
keiten, sich durchzusetzen und sich gegenüber Schweinehund, denn es fällt ihnen sehr
anderen zu behaupten. Vor allem die hypo­ schwer, sich zu motivieren und in die Gänge
aktiven Mädchen können sich in ihre eigenen zu kommen. Kinder können Löcher in die Luft
Welten zurückziehen, vor sich hinträumen oder starren und lieber zehnmal aufs Klo gehen,
in eine andere Welt beamen, in der es ihnen bevor sie ihre Hausaufgaben anfangen. Er-
vermeintlich besser geht. Auch sie können zu wachsene spielen häufig lieber Computer oder
Mobbing-Opfern werden, weil sie sich nicht chatten im Internet, statt wichtige Aufgaben zu
ausreichend wehren und abgrenzen können. erledigen. Auch im Erwachsenenalter können
Diese negativen Erfahrungen sind nicht dafür ADHSler wie kleine Kinder sein, indem sie sich
geeignet, ein stabiles Selbstwertgefühl im vor unangenehmen Aufgaben drücken und
Erwachsenenalter zu entwickeln. Auch haben lieber herumspielen. Viele ADHSler berichten,
ADHSler immer wieder die Erfahrung gemacht, dass sie große Schwierigkeiten haben, mit
dass sie vergesslich und chaotisch sind und Aufgaben zu beginnen.
andere ihre Leistungen bemängeln.

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Ursachen der ADHS

ADHS ist eine neurobiologische Störung, Blutzucker verbraucht und auch das Gehirn
die mit einer Veränderung der Botenstoffe weniger durchblutet wird. Weiterhin konnte
einhergeht. Hier sind besonders die Boten- man eine Erhöhung der Dopamintransporter
stoffe Noradrenalin und Dopamin betroffen. finden und eine genetische Veränderung im
Mit wissenschaftlichen Untersuchungen Dopamintransportergen, was beides einen
(Kernspintomographie, SPECT und PET) konnte schnelleren Abbau von Dopamin im Gehirn
nachgewiesen werden, dass ADHSler neuro- zur Folge hat. Auch zeigte sich eine geringere
chemische und neurobiologische Besonderhei- Aktivierung der rechten vorderen Hirnregionen.
ten aufweisen. So fand man heraus, dass in den
vorderen Hirnabschnitten bei ADHS weniger Durch Zwillingsuntersuchungen konnte die
Erblichkeit von ADHS eindeutig belegt werden.
Eineiige Zwillinge mit dem gleichen Erbgut
erkranken in 60–80 % der Fälle gleichzeitig,
während zweieiige Zwillinge mit unter-
schiedlichem Erbgut nur zu 35 % gleichzeitig
erkranken. Dies ist ein Beleg für einen großen
erblichen Anteil an der Entstehung der ADHS.
Auch Eltern und Geschwister von Betroffenen
haben eine fünfmal höhere Wahrscheinlichkeit
für ADHS als die Normalbevölkerung. Auch
Adoptionsstudien sprechen für den großen
Einfluss der Genetik, denn leibliche Eltern von
ADHS-Kindern sind deutlich häufiger betroffen
als deren Adoptiveltern.

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Psychosoziale Faktoren Ein erhöhtes Risiko für eine Verstärkung der
bestehenden ADHS-Symptomatik zeigt sich bei
kontrollierendem, zwanghaftem oder inkonse-
quentem Erziehungsstil und bei Überforderung
Neben neurobiologischen u ­ nd
der Eltern. Besonders negativ kann sich die ei-
neurochemischen Faktoren k­ önnen
gene ADHS-Betroffenheit der Eltern auswirken,
psychosoziale Faktoren den Verlauf wobei sich dann Betroffene in ihrer ADHS wie
der ADHS deutlich beeinflussen. Impulsivität, Desorganisation und Stimmungs-
schwankungen gegenseitig verstärken können.
Besonders problematisch wird es, wenn ein
So gibt es sogenannte protektive Faktoren, die Elternteil oder beide zusätzlich Suchtprobleme
den Verlauf der ADHS positiv beeinflussen kön- entwickeln, die bei unbehandelter ADHS
nen. Hierzu gehört ein verständnisvolles und häufig sind. Als weitere negative Faktoren sind
liebevolles, aber klar strukturiertes Elternhaus, niedriger sozialer Status, geringere Erfolgser-
in dem eine konsequente und berechenbare lebnisse, häufige Kritik und Kränkungen von
Erziehung erfolgt. Hierzu gehört weiterhin Seiten der Eltern, häufigere Bestrafungen und
eine frühzeitige Diagnosestellung mit einer seltenere Belohnungen zu nennen. Durch die
störungsspezifischen Behandlung, Verständnis Symptome der ADHS kommt es auch häufiger
und Unterstützung. Hilfreich ist es weiterhin, zu einer gestörten Eltern-Kind-Beziehung, ins-
wenn dem Kind spezielle Hilfen wie Nach- besondere dann, wenn die ADHS nicht erkannt
hilfe, besondere Förderung seiner Interessen wird und Eltern das Verhalten ihrer Kinder als
und Neigungen und diverse Sport­angebote ausschließlich trotzig und auflehnend deuten.
zur Verfügung gestellt werden können. Die In ADHS-Familien kommt es auch häufiger zu
Möglichkeiten von räumlicher Distanzierung Gewalt und Ehescheidungen.
durch große Wohnungen, ausreichender
Bewegung und schulische wie auch emotio-
nale Unterstützung durch die Eltern darf nicht
unterschätzt werden.

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ADHS als Familienerkrankung ADHS-Kinder brauchen klare Regeln und
Strukturen sowie konsequente und klare ­An­-
Grundsätzlich kann man sagen, dass das Fami- weisungen, deren Ausführungen von den Eltern
lienleben umso problematischer wird, je mehr auch immer wieder kontrolliert werden sollten.
Mitglieder von ADHS betroffen sind. Aufgrund Eine lasche und gleichgültige Erziehung,
der Dünnhäutigkeit der ADHSler reagieren sie in der das Kind keine Grenzen erfährt und auch
sehr heftig auf kleinste Kränkungen, häufig sein Verhalten nicht gespiegelt bekommt, wirkt
auch unangemessen und überschießend, sich negativ auf die ADHS-Problematik aus.
was bei dem anderen, ebenfalls betroffenen
Familienmitglied wiederum eine ähnliche Es darf auch nie vergessen werden, dass Eltern
­Reaktion hervorruft. So gleicht dann häufig immer Vorbildfunktion haben und letztlich das
eine ADHS-Familie einem Pulverfass, das in vorleben sollten, was sie von ihren Kindern an
nicht berechenbaren Abständen immer Verhalten einfordern. Eltern, die ebenfalls von
wieder explodiert und wo jedes Familienmit- ADHS betroffen sind, fällt es besonders schwer
glied mit den eigenen heftigen Gefühlen die gelassen, konsequent und eindeutig Grenzen
­Gefühle der anderen auch wieder anheizen zu setzen, denn genau das können sie ja auch
und p
­ rovozieren kann. nicht in ihrem Leben. Weiterhin ist es für sie oft
auch schwierig, eigene Ordnungsstrukturen zu
entwickeln und den Kindern ­Selbstorganisation
Gerade Eltern, die ebenfalls von beizubringen. Eltern können Kindern nur das
ADHS betroffen sind, fällt es wirklich vermitteln, was sie selbst beherrschen.
Ein erhöhter Medien- und Fernsehkonsum
beson­ders schwer, ihren Kindern
trägt auch zu einer Verschlechterung der
Struktur und Halt zu geben, eben-
ADHS-Problematik bei. Ein Risikofaktor ist
so wie Sicherheit, Geborgenheit
ebenfalls das Leben in einer Großstadt und dies
und Ver­lässlichkeit. Betroffenen wohl aufgrund der geringeren Möglichkeiten,
­Erwachsenen fehlt häufig auch sich zu bewegen und auszutoben. ADHS ist
selbst das Verständnis für ihr eige- somit eine komplexe Symptomatik, die zwar
nes ­problematisches Verhalten. einerseits genetisch bedingt ist, aber von psy-
chosozialen Faktoren ebenso wie von Umwelt-
faktoren und Erziehungsstilen beeinflusst wird.

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Weitere Infos erhalten Sie unter www.adhs-deutschland.de
Selbsthilfegruppen in Ihrer Nähe, Telefonberatung, E-Mail-Beratung, Jugend-
beratung, Fortbildungsveranstaltungen, neueste Infos rund um ADHS

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Der ADHS Deutschland e. V.

› ist ein gemeinnütziger Selbsthilfeverein › pflegt Kontakte zu anderen nationalen


mit ehrenamtlich arbeitenden Mitgliedern und internationalen Organisationen mit
auf Bundes-, Landes- und örtlicher Ebene vergleichbarer Zielsetzung zur koordinierten
Wahrnehmung der Interessen, insbesondere
› ist in über 250 Selbsthilfegruppen, einem
auf politischer Ebene
Telefonberaternetz sowie einer E-Mail-
Beratung bundesweit tätig › unterstützt Ursachenforschung sowie
Diagnostik und Therapie von ADHS in jedem
› bietet regelmäßige Fortbildungen für seine
Lebensalter sowie der Begleitstörungen
Selbsthilfegruppenleiter zur Sicherung eines
fachlichen Qualitätsstandards › bietet Kontakte und Erfahrungsaustausch,
Veranstaltungen, Weiterbildungen und Publi-
› organisiert regionale und überregionale
kationen zum Thema ADHS
Fortbildungsveranstaltungen für Eltern,
Ärzte, Therapeuten, Erzieher, Pädagogen, › arbeitet nach wissenschaftlich beleg-
Betroffene und Mitglieder des Verbandes baren Grundsätzen, ist Neuem gegenüber
offen, politisch neutral und unabhängig
› regt zur Durchführung von Projekten
von Sponsoring
an und initiiert Therapien durch soziale
Einrichtungen, Wohlfahrtsverbände etc. › orientiert sich am aktuellen wissenschaft-
lichen Stand
› initiiert und unterstützt die Mitarbeit in
Arbeitskreisen und Netzwerken
› zeigt Präsenz und hält Vorträge bei regio-
nalen, überregionalen und internationalen
Veranstaltungen

Informationsbroschüre 2: Symptome und Ursachen


Redaktion: ADHS Deutschland e. V., Dr. med. Astrid Neuy-Bartmann, Dr. med. Klaus Skrodzki
Stand der Informationen: Januar 2015

ADHS Deutschland e. V.
Poschingerstraße 16, 12157 Berlin
Vertreten durch
Hartmut Gartzke, Dr. Johannes Streif
Karin Seegers, Patrik Boerner
Beitragskonto Spendenkonto
Tel. 030 856059-02 Hannoversche Volksbank eG Pax-Bank eG
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