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Roboter im Blut

Maria Fiedler

Zuerst sind nur dunkle, lang gezogene Punkte im Mikroskop zu sehen. Doch wenn Brad Nelson seinen Joystick betätigt, dann
kann er die winzigen Flecken steuern. Wie ein Schwarm Fische beginnen sie alle gemeinsam zu tanzen und die Richtung zu
wechseln. Es ist aber kein Videospiel, das der Forscher von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich hier in seinem
unterirdischen Labor spielt. Nelson arbeitet an etwas, das der Medizin künftig ganz neue Möglichkeiten eröffnen könnte:
Nanoroboter.

Nanodrohnen per Joystick durch den Körper steuern


Diese kleinen Maschinen, von denen auf einen Teelöffel drei Milliarden passen würden, wecken große Hoffnungen. Krebs
behandeln, blockierte Arterien öffnen, Schlaganfälle verhindern – die Liste der potenziellen Anwendungsfälle in der Medizin ist
lang. Ray Kurzweil, Zukunftvisionär und „Director of Engineering“ bei Google, glaubt sogar, Nanoroboter könnten die
Lebenserwartung steigern.

Das klingt nach Science-Fiction. Tatsache ist aber, dass das Forschungsfeld der Nanorobotik stetig wächst. Längst werden die
Prototypen nicht mehr nur unter dem Mikroskop getestet. Auch in lebenden Organismen wurden die Nanobots, wie sie kurz
genannt werden, schon eingesetzt.

Brad Nelson ist Professor für Robotik und Intelligente Systeme und gilt als einer der Nanobot-Pioniere. Seit 13 Jahren arbeitet
er an der Entwicklung intelligenter Maschinen in Millimeter- bis Nanometergröße – vor allem für die medizinische Nutzung.
„Der große Vorteil ist ihre Zielgenauigkeit. Sie bringen Medikamente, derzeit noch per Fernsteuerung, dorthin, wo sie wirken
sollen. Das reduziert Nebenwirkungen.“

Antrieb bei Bakterien entlehnt


Dabei war lange die Frage ungelöst, wie genau sich diese sehr kleinen Strukturen fortbewegen sollen. Sie begegnen in
Flüssigkeiten starken Reibungswiderständen. „Man muss sich vorstellen, man würde in einen mit Honig gefüllten
Swimmingpool springen und versuchen, voranzukommen“, sagt Debora Walker. Am Max-Planck-Institut für Intelligente
Systeme in Stuttgart erforscht sie die Fortbewegung der im Durchmesser 100 Nanometer großen Gebilde. Zum Vergleich: Ein
Haar misst etwa 50 Mikrometer in seiner Breite – es ist also 500-mal so dick.

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Ein Flagellum in einem Blutgefäß.Foto: ETH Zürich

Beim Antrieb orientieren sich die Züricher Forscher an lebenden Organismen. E.coli-Bakterien, die im menschlichen Darm
leben, bewegen sich mit einer rotierenden Geißel fort, dem Flagellum. Zwar können Wissenschaftler diesen Motor nicht
nachbauen. Sie können sich aber diese Rotationsbewegung abschauen. Die winzigen Geräte sind daher mit einer magnetischen
Substanz beschichtet und werden durch ein rotierendes Magnetfeld in Bewegung versetzt.

Eine ähnliche Idee hatten Walker und ihre Kollegen. Sie haben mit Nickel beschichtete Nanoschrauben entwickelt, die
aussehen wie kleine Spiralen mit einem kugelförmigen Kopf. „Sie bewegen sich ebenfalls durch ein angelegtes rotierendes
Magnetfeld“, sagt Walker. Außerdem wurden in Stuttgart muschelartige Vehikel im Mikrometerbereich entworfen, die in
Körperflüssigkeiten durch ein schnelles Öffnen und ein langsameres Schließen vorankommen könnten.

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