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9.8.2017 | Von: Gudula Geuther

Gudula Geuther
Gudula Geuther ist rechts- und innenpolitische Korrespondentin für
den Deutschlandfunk. Als Karlsruher Hörfunk-Korrespondentin lag
ihr Arbeitsschwerpunkt zuvor in der Beobachtung der dortigen
Gerichte, vor allem des Bundesverfassungsgerichts.

Geschichte der Grundrechte


Staatlich verbriefte Grundrechte für jeden sind ein Ideengut der Aufklärung. In den USA, in Großbritannien, Frankreich und
Deutschland mussten sie gegen Widerstände und Rückschläge behauptet werden.

Ginge es bei den Grundrechten um die theoretische Vorstellung, dass allen Menschen gewisse Rechte zustehen, so ließen sich
zumindest Ansätze dafür schon bei den Philosophen der griechischen und römischen Antike Fnden, etwa bei den Anhängern
der Stoa und bei den Sophisten. Aber auch Platon (427 – 347 v. Chr.), Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) und Cicero (106 – 43 v. Chr.)
haben sich mit dieser Thematik beschäftigt.

Ginge es darum, dass bestimmte grundlegende Rechte verbrieft werden, ließe sich ihre Geschichte mindestens bis ins
Mittelalter zurückverfolgen. Das bekannteste Beispiel ist die englische Magna Charta Libertatum von 1215. Die "Große
Urkunde der Freiheiten" verbriefte geltendes adliges Lehensrecht gegenüber der königlichen Willkür und band bereits Übergriffe
auf Leben und Eigentum freier Männer – also des Teils der Bevölkerung, der sich gegen den König hatte durchsetzen können –
an gesetzliche Grundlagen.
Das aber, was wir unter Grundrechten verstehen, verbriefte Rechte für jeden Menschen oder jeden Staatsbürger bzw. jede
Staatsbürgerin, also eine Kombination aus beiden Entwicklungen, ist sehr viel jünger. Die Entwicklung der Grundrechte geht
Hand in Hand mit der des bürgerlichen Verfassungsstaats der Moderne.

Frühe Grundrechtserklärungen
Der erste Katalog, der den Anspruch erhob, umfassend Grundrechte niederzulegen, war die Declaration of Rights des
nordamerikanischen Staates Virginia von 1776. Sie hatte wesentlichen Eincuss auf die Unabhängigkeitserklärung der
Vereinigten Staaten aus dem gleichen Jahr sowie auf die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789.
Ihre Grundsätze fanden Eingang in die Bill of Rights, die 1789 formuliert und ab 1791 mit fortlaufend ergänzten amendments
(engl.: Zusätzen) Teil der nordamerikanischen Verfassung wurde.
Die Ideen der Declaration of Rights hatten eine lange Vorgeschichte: Jahrhundertelang haben Menschen in Europa für die
Religionsfreiheit gekämpft. Aus der Auseinandersetzung entstand der Wunsch nach Meinungs- und Publikationsfreiheit, als
Reaktion auf religiöse Denkverbote der Wunsch nach Wissenschaftsfreiheit. Je mehr solche Freiheitsgedanken Raum griffen,
desto lauter wurden auch die Forderungen nach anderen Rechten wie dem Recht auf persönliche Unversehrtheit sowie dem
Schutz vor Gewalt und Willkür.

So ging der Engländer Thomas Hobbes (1588 – 1679) in seiner Theorie von einem Urzustand aus, in dem alle Menschen
grundsätzlich frei und gleich waren, darüber aber in einen Krieg aller gegen alle, in Chaos und Anarchie gerieten. Um der Gewalt
und Willkür untereinander Einhalt zu gebieten, vereinbarten sie, die Macht an eine einzige Instanz oder Person zu übertragen,
die allein legitimiert sein sollte, in Rechte wie die auf Leben, Freiheit und Eigentum einzugreifen. Durch diesen Vertrag entstand
ein Staatswesen, dessen Lenker allerdings durch kein Widerstandsrecht oder Ablöseverfahren an seiner uneingeschränkten
Machtausübung, an Willkür oder Fehlern gehindert werden konnte – seine realpolitische Entsprechung fand diese Vorstellung
im staatlichen Absolutismus des 17. Jahr​hunderts.
John Locke (1632 – 1704) greift Hobbes’ Theorie vom Urzustand der Menschen in Freiheit und Gleichheit auf. Dieser
Naturzustand gehorcht nach ihm dem Gesetz der Vernunft und verpcichtet die Menschen wie ihre Regierungen gleichermaßen
zur dessen Beachtung sowie dazu, Leben, Freiheit und Eigentum der einzelnen Individuen zu achten und zu schützen. Verstöße
dagegen delegitimieren eine Regierung und geben den Bürgern das Recht zum Widerstand.

Dahinter stehen Gedanken des Naturrechts, der Vorstellung, dass jeder Mensch von Natur aus angeborene Rechte habe.
Grundrechte existieren, weil sie jedem Menschen von Natur aus gegeben sind, der Staat kann sie weder gewähren noch
vorenthalten, er muss sie gewährleisten. Im Grundrechtekatalog der Virginia Declaration of Rights war dieser Anspruch
enthalten, unabhängig von der jeweiligen Herrschaft zu gelten, der Gedanke, dass die Grundrechte über dem einfachen Recht
stehen und dass auch ein Parlament nicht frei über sie verfügen kann. In ihrem Artikel 1 heißt es, alle Menschen sind "von
Natur aus gleichermaßen frei und unabhängig und besitzen gewisse ihnen innewohnende Rechte, deren sie, wenn sie in den
Staat einer Gesellschaft eintreten, ihre Nachkommen durch keinen Vertrag berauben oder entkleiden können, nämlich den
Genuss von Leben und Freiheit, mit den Mitteln zum Erwerb von Besitz und Eigentum und zum Streben und der Erlangung von
Glück und Sicherheit".


Quellentext

Die "ErWndung" der Menschenwürde


Am 10. Dezember 1948 beschloss die Vollversammlung der damals 56 Vereinten Nationen die "Allgemeine
Erklärung der Menschenrechte". In Paris, im Palais Chaillot am rechten Ufer der Seine gegenüber dem Eiffelturm,
wurde abgestimmt. 48 Staaten waren dafür, kein Gegenvotum, 8 Enthaltungen. […]

Die Declaration of Rights wurde zum Vorbild für die Rechtsentwicklung in Nordamerika. In Pennsylvania bildete der
Grundrechtskatalog, ebenfalls noch 1776 geschrieben, schon einen Teil der Verfassung selbst.
Freilich war mit "allen Menschen" als Grundrechtsträgern nur ein Teil gemeint: Entsprechend zumindest der vorherrschenden
Meinung der Zeit standen die Grundrechte Sklaven nicht zu, auch die Frauen blieben ausgenommen.
Dafür, dass sich die Verfasser der Declaration so schnell auf das Naturrecht als Grundlage staatlicher Legitimation einigten,
dürften mehrere Gründe zusammengespielt haben: Fern der britischen Krone und des britischen Mutterlands hatten die
Kolonisten mehr Freiheit erlebt und Eigenständigkeit beweisen müssen als die Europäer. Die naturrechtlichen Vorstellungen
mögen ihnen daher noch selbstverständlicher erschienen sein als jenen. Daneben bot die Berufung auf dem Menschen
innewohnende Rechte auch eine Begründung dafür, sich von der Macht des britischen Monarchen loszusagen, der Freiheit,
Eigenständigkeit und Eigentum der Kolonisten durch Erhebung immer neuer Steuern und Zölle sowie durch wachsende
administrative Eincussnahme zu beschränken drohte.


Quellentext

Aus der Unabhängigkeitserklärung 4. Juli 1776


Folgende Wahrheiten bedürfen für uns keines Beweises: Dass alle Menschen gleich geschaffen sind; dass sie von
ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind; dass dazu Leben, Freiheit und das
Streben nach Glück gehören; dass zur Sicherung dieser Rechte Regierungen unter den Menschen eingesetzt sind,
die ihre rechtmäßige Autorität aus der Zustimmung der Regierten herleiten; dass, wann immer irgendeine
Regierungsform diesen Zielen abträglich wird, das Volk berechtigt ist, sie zu ändern oder abzuschaffen und eine
neue Regierung einzusetzen und diese auf solchen Prinzipien zu errichten und ihre Gewalten solchermaßen zu
organisieren, wie es ihm zur Gewährleistung seiner Sicherheit und seines Glücks am ratsamsten erscheint.

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