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Vorlesung: Einführung in die

Differentielle & Persönlichkeitspsychologie

WS 2020/2021

18.11.2020 | Fachbereich Humanwissenschaften | Institut für Psychologie | Gast-Prof. Dr. Matthias Blümke | 1
Rückblick

• Paradigmen der Differentiellen Psychologie und Persönlichkeitspsychologie


• Präferenzen
• Merkmale
• Menschenbildannahmen
• Methoden

• Idiographische vs. nomothetische DPP


• Personzentrierter Ansatz vs. variablenzentrierter Ansatz

• Empirische Wissenschaften verlangen Bewährung:


• Theorien  Hypothesen ( Operationalisierung)  Prüfung
• Deskription, Interpretation, Kausalanalyse, Prognose

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Session #1-12
DIFFERENTIELLE UND
PERSÖNLICHKEITSPSYCHOLOGIE
EINFÜHRUNG
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Semesterüberblick WS 2020/2021
1 Mi, 4. Nov. Gegenstand, Kontroversen und Historische Ursprünge
der Differentiellen und Persönlichkeitspsychologie
2 Mi, 11. Nov. Perspektiven/Paradigmata, Datenquellen und Methoden
3 Mi, 18. Nov. Psychoanalytisches/psychodynamisches Paradigma
4 Mi, 25. Nov. Lerntheoretisches, humanistisches & kognitives Paradigma
5 Mi, 02. Dez. Dispositionales Paradigma: Traitmodelle & Selbstkonzept
6 Mi, 09. Dez. Biologisches Paradigma: Neurowissenschaft, Erblichkeit, Evolution
7 Mi, 16. Dez. Interaktionismus & Systemik/Netzwerkmodelle
Weihnachten
8 Mi, 13. Jan. Fähigkeiten und Kompetenzen: Intelligenz, Kreativität
9 Mi, 20. Jan. Eigenschaftstheorien
10 Mi, 27. Jan. „Two turns“: Positive Psychologie vs. Dunkle Persönlichkeit
11 Mi, 03. Feb. Klinischer Ausblick: Normale vs. Abnormale Persönlichkeit -
Dimensionsmodelle vs. Typologien anhand von Persönlichkeitsstörungen
12 Mi, 10. Feb. Narrative Identität: Soziale Relevanz von Geschlechterunterschieden & Kultureller
Einfluss & Persönlichkeitsentwicklung

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Session #3
PSYCHOANALYSE - PSYCHODYNAMIK

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Paradigmen (Paradigmata): Kernthemen

Quelle:
Rauthmann
(2017) / Springer

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Sigmund Freud ("Übervater der Psychologie")

• 1856 geboren in Mähren


• 1894 Studien über Hysterie (mit Breuer)
• 1900 Die Traumdeutung
• 1904 Zur Psychopathologie des
Alltagslebens
(Anwendung der Methode der Psychoanalyse auf Vergessen,
Versprechen, Vergreifen, Aberglaube und Irrtum)

• 1939 gestorben in England (London)


(noch kein Weggang nach Bücherverbrennung in Wien 1933;
erst 1938 nach "Anschluss Österreichs" ans Deutsche Reich)

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Psychoanalytisches Paradigma

Psychoanalyse als Begriff:


• Wissenschaft vom Unbewussten
• Tiefenpsychologische Erkenntnis- & Behandlungsmethode für "nervöse" Erkrankungen

Freuds Modell vom Menschen:


• energetisch-mechanistisches Prinzip
 Psychische Energie entsteht durch das Wirken von Trieben im Menschen
o Libido = Liebesenergie des Lebenserhaltungstrieb ("Eros")
o Destrudo = Todesenergie des Todestriebs ("Thanatos") mit Ziel = Selbst [& Destruktionstrieb: Ziel = andere]
 zeitgenössisches physikalisches Wirkprinzip "Nummer eins"
 durch die Trieblehre wird die Psychologie vom Unbewussten auf eine physikalische Grundlage gestellt
 Erklärungsansatz für psychopathologische Störungen

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Seelischer Apparat
Zentrale Annahmen:
• Psychische Energie: Triebenergie als Motor (Energie geht nicht verloren; Spannungsreduktion:
Befriedigung an Objekt - oder "gesunde" vs. "neurotische" Umwandlung)
• Prinzip der psychischen Determiniertheit (nichts passiert ohne Grund)
• Bewusstheit von Motiven ist Ausnahme, Unbewusstheit von Verhaltensursachen Regel

Entstehungsgeschichte:
1. Bewusstseinszustände variieren: Hypnotische Trance [Charcot]
2. Experimente mit Hypnose [Bernheim]: post-hypnotische Amnesie  Bewusstmachung mittels intensiver
Befragung möglich (Erinnerung)  freie Assoziation als Umgehung der Kontrolle von Inhalten; post-
hypnotische Suggestion  Interpretation (implantierter/unbewusster) Motive für manifestes Verhalten 
suggestive Therapeutik
3. "Anna O.": Hysterische Patientin, deren Symptome verschwanden, als sie die Entstehungsgeschichte und
damit verbundene Emotionen nochmals durchlebt  "Katharsis" [Breuer]

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Psychoanalytisches Paradigma

Quelle: Wikipedia /
©Robert Huffstutter

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Topographisches Modell & Strukturmodell

Topographisches Modell der Bewusstseinsebenen:


• Das Bewusstsein (heute: "bewusstseinspflichtig")
• Das Vorbewusste (heute: "bewusstseinsfähig")
• Das Unbewusste (heute: "nicht bewusstseinsfähig")

Quelle: Pinterest

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Topographisches Modell & Strukturmodell

Topographisches Modell der Bewusstseinsebenen:


• Das Bewusstsein (heute: "bewusstseinspflichtig")
• Das Vorbewusste (heute: "bewusstseinsfähig")
• Das Unbewusste (heute: "nicht bewusstseinsfähig")

Strukturmodell der Psyche:


• ES: Sitz der Triebe; von Geburt an; kein Kontakt zur Außenwelt; bedrängt das ICH; folgt dem Lustprinzip;
Primärprozesse; Irrationalität
• ICH: Planung und Ausführung von Verhalten; Vermittlungsinstanz zur Umwelt; entwickelt sich erst im Laufe
der Ontogenese: Sekundärprozesse; Ziel: Aufschub der Triebbefriedigung zur Vermeidung von Konflikten;
Realitätsprinzip
• ÜBER-ICH: Internalisierte Normen: Werte und Moral (Gebote: Ich-Ideal; Verbote: Gewissen) zur
Verhinderung des ungezügelten Auslebens von Triebenergie; Bewertung des ICH: moralische Belohnung &
Bestrafung; Perfektionsprinzip
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Strukturmodell + Topographisches Modell

ich wird in die mangel genommen

Quellen:
links: Schmitt & Altstötter-Gleich (2010)
rechts: Rammsayer & Weber (2010)

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Angsttheorie(n) & Neurose

Erste Angsttheorie:
Unterdrückte oder aufgestaute libidinöse Energie muss abgewehrt werden

Zweite Angsttheorie:
Überflutung des ICH durch sehr starke
bedrohliche Reize, die inneren oder äußeren
Ursprungs sein können:

Quelle:
Rammsayer & Weber (2010)

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Abwehrmechanismen und Sublimierung

Sublimierung
 Befriedigung von Triebenergie durch Umwandlung und sozialverträgliche (produktive) Nutzung
 sowohl ES als auch ÜBER-ICH in Einklang mit Außenwelt reguliert
 normaler psychischer Mechanismus ("gesunde ICH-Funktion"); von manchen als Gegenstück zur
Abwehr verstanden

Abwehrmechanismen (nach Anna Freud)


 dysfunktionale Regelungsversuche des ICH, zwischen Ansprüchen zu vermitteln
 psychische Dysfunktion, aber überlebenswichtige Funktionalität!
 übermäßiger (fehl-allozierter) Gebrauch kennzeichnet die Neurose
(wenig Energie verbleibt für produktives Leben und befriedigende Beziehungen)

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Abwehrmechanismen: Definitionen

Quelle:
Gerrig [& Zimbardo] (2015)

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Abwehrmechanismen und Sublimierung

… von Triebimpulsen in …

Quelle:
Gerrig [& Zimbardo] (2015)

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Abwehrmechanismen: Beispiele

Quelle:
Rammsayer & Weber (2010)

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Entwicklung der Persönlichkeit ("Charakter")

Allgemeine psychologische Prozesse stellen Schlüssel zum Verständnis


der Persönlichkeit dar:
• konstitutionelle Unterschiede im ES (Triebstärke)
[Biologie]

• Variation der ÜBER-ICH Ansprüche


[Erfahrung, Sozialisation]

• Stärke und Form von ICH-Funktionen (individualtypische Muster)


[individuelle Abwehrmechanismen und Dynamik]

 Ausprägung des Charakters über Entwicklungsstufen, v.a. in der frühkindlichen Phase

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Entwicklungsmodell: Phasenlehre
Lebensjahr Erogene Zone Objekt der Triebimpulse
(Alter) (Befriedigung)
Orale Phase 1. Lj. Saugen, Beißen, Kauen Mund
(0-1 J.)
Anale Phase 2.-3. Lj. Ausscheidungskontrolle Anus
(1-2 J.)
Phallische Phase 4.-5. Lj. Genitalien gegengeschlechtlicher
(3-4 J.) Elternteil

Latenzphase 6.-12. Lj. Fehlen sexueller Impulse Peers; Hobbies


(5-11 J.)
Genitale Phase ab 13 Lj. Genitalien echte Objektwahl;
(ab 12 J.) soziale Orientierung

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Entwicklungsmodell: Psychosexualität
Lebensjahr Aspekte Emotionalität
(Alter)
Orale Phase 1. Lj. oral-einnehmend (früh) Lustgewinn;
(0-1 J.) oral-aggressiv (spät) kindliche "Sexualität"
Anale Phase 2.-3. Lj. anal-expulsiv (früh) Lustgewinn;
(1-2 J.) anal-retentiv (spät) kindliche "Sexualität"
Phallische Phase 4.-5. Lj. Rivalität zum Elternteil Ambivalenz; Kastrationsangst;
(3-4 J.) gleichen Geschlechts; kindliche Sexualität,
gelöst durch Identifikation! Masturbation
Latenzphase 6.-12. Lj. - -
(5-11 J.)
Genitale Phase ab 13 Lj. Reife Sexualität
(ab 12 J.)

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Entwicklungsmodell: "Charakter"
Lebensjahr Charakterfixierung  Symptome
(Alter) (ggf. Übertreibung in …)
Orale Phase 1. Lj. Optimismus/Pessimismus; Oraler Charakter: Abhängigkeit
(0-1 J.) Naivität/Sarkasmus; (Essen, Rauchen, Trinken),
Feindseligkeit Symbiose
Anale Phase 2.-3. Lj. Kreativität, Ordentlichkeit, Analer Charakter: Unkontrolliertheit,
(1-2 J.) Pedanterie, Geiz, Intoleranz Destruktion, Sadismus

Phallische Phase 4.-5. Lj. Stolz, Erfolgsstreben, Phallischer Charakter;


(3-4 J.) Machotum, Promiskuität, Ödipus[/Elektra]-Komplex
Verführung, Neid, Rivalität,
Minderwertigkeit, Impotenz
Latenzphase 6.-12. Lj. - -
(5-11 J.)
Genitale Phase ab 13 Lj. - Genitaler Charakter:
(ab 12 J.) Reife, Liebe, Freundlichkeit,
Kontaktbereitschaft
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Session #3
WEITERENTWICKLUNG: NEO-PSYCHOANALYSE

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Alfred Adler
Individualpsychologie
• Freud sieht Adler als Schüler   Adler sieht sich als Gesprächspartner
• Mitglied in Wiener "Mittwochsgesellschaft"
• Aggressionstrieb / Destruktionstrieb
• Adler kritisiert Reichweite des Sexualtriebs und postuliert weitere psychische Kraft (1908)
• Freud folgt der Einsicht erst später – nach Sabina Spielrein und unter dem Eindruck
des ersten Weltkriegs und seines eigenen zerstörerischen Gaumenkrebses
• Organminderwertigkeit
• Mensch als biologisches Mängelwesen
• körperliche & psychische Kompensation ("Neurose") & Überkompensation ("Genialität")
• Individuum im Fokus: "egoistische Triebe"
• im Kontext seiner sozialen Beziehungen und Auseinandersetzung mit seiner Umwelt
• Folgen für das Individuum: „Charakter“ ist die persönliche Antwort, die ein Individuum
auf die Anforderungen seiner Umwelt, insb. den "Zwang zur Gemeinschaft" gibt
• Streben nach Sicherheit Quelle:
www.aerzteblatt.de
• Finalitätsstreben ([höheres] Lebensziel): Nicht "woher?" fragen, sondern "wohin?" !
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Carl Gustav Jung
Analytische Psychologie
• Libido als Allgemeine Lebenskraft
• Persönliches & Kollektives Unbewusstes  Träume (Symbole)
• Individuation durch Auseinandersetzung mit Archetypen
• Unbewusste Muster: Animus & Anima ( Integration in Psyche)
• Selbst & sein Schatten ( Integration in Psyche)
• Psychische Grundfunktionen
• Denken [Bewertung von Wahrheit als richtig/falsch]
• Fühlen [Bewertung von Erfahrung als angenehm-unangenehm] Quelle: Wikipedia
Quelle:
www.aerzteblatt.de

• Empfinden [Wahrnehmung bewusster Objekte ohne Bewertung]


• Intuieren [Wahrnehmung unbewusster Objekte ohne Bewertung]
• Einstellungen (Aufmerksamkeitsfokus)
• Extraversion = Orientierung zur Außenwelt
• Introversion = Orientierung zur Innenwelt
Quelle:
 Persönlichkeitstypen: Kombination aus Grundfunktion & Einstellung sweet lana /
stock.adobe.com

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Geschichte & Spaltungen der Psychoanalyse

Empfehlung:

https://de.wikipedia.org/wiki/Psychoanalyse
#Richtungen_psychoanalytischer_Theoriebildung

Quellen:
http://members.chello.at/thomas.knob/PSYSTOFF4.htm
https://www.derstandard.at/story/2313327/spaltungen-der-psychoanalyse

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Session #3
KRITIK & BEWERTUNG

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Narzisstische Kränkungen (nach Freud)

Kosmologische Kränkung
• Entdeckung durch Kopernikus, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Weltalls ist
("Kopernikanische Wende")
Biologische Kränkung
• Entdeckung durch Darwin, dass der Mensch nicht die Krone der Schöpfung ist,
sondern aus der Tierreihe hervorgegangen ist
Psychologische Kränkung
• Entdeckung durch Freud, dass der Mensch ("das ICH") nicht Herr im eigenen Haus
sei (Libidotheorie, Unbewusstes)

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Kritik an Freud
Wissenschaftliche Methoden
• Autobiographische Theorieentwicklung: "Selbstanalyse"  fehlende Distanz zum Gegenstand; Gedächtnisproblematik
• Methodenkanon: Eingeschränktes Methodenrepertoire; Ablehnung experimenteller Psychologie als Bestätigungsmöglichkeit
• Operationalisierung: schwierig für etliche Konstrukte; empirische Prüfbarkeit abgelehnt - und über weite Strecken kaum verfolgt
• Laxes Wahrheitskriterium: "Einsicht" durch Patienten verhindert nicht, dass Inhalte falsch erinnert, Mechanismen und Wirkfaktoren
fehlgedeutet und Prozesse fehlkonstruiert werden  Genesung irrtümlich der Psychoanalyse als Methode zugeschrieben; anders als
behauptet, war "Anna O." NICHT vollständig geheilt; Träume nicht vorrangig sexuellen Inhalts etc.
• Immunisierung: wenn keine Einsicht, dann zeigt Analysand "Widerstand"  keine Falsifikation von PA-Hypothesen möglich
Psychotherapeutische Technik ("Wer heilt, hat recht!" ??)
• Vorschrift der alleinseligmachenden Erkenntnismethode; erhebliche Lehranalyse gefordert
• PA als Einzelfall-Verfahren kann Theorien nicht allgemeingültig prüfen/bestätigen, da Interaktion/Konfundierungen, Störvariablen,
Spontanremission, unspezifische Wirkungen, Therapeutenvariablen Genesung (mit-)bedingen
Stichprobenproblematik & Generalisierbarkeit
• kleine Fallzahlen (Kasuistiken); vorranging klinisch-auffällige Analysanden, deren Besonderheiten Grundlage einer allgemeinen
Persönlichkeitstheorie wurden; Phasenmodell trotz vorrangiger Untersuchung Erwachsener (aber kaum Kinder)

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Kritik: Eingeschränkte Datenquellen & Empirie

BIOPSIES
(Rauthmann, 2016)

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Empirische Bewährung?

Weitere Evidenz (pro & contra)


Freud'sche Ideen findet sich bei
Neyer & Asendorpf (2018):
Kap. 1.2.2

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Tiefenpsychologisch "Projektives" Testen

Quellen: Wikipedia & https://www.brgdomath.com/psychologie/pers%C3%B6nlichkeit-tk-6/pers%C3%B6nlichkeitstests/

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Bewertung

Psychoanalyse & Gesellschaft Akademische Psychologie

Wirkung Therapie-Schulen, größte Breitenwirkung kaum vertreten ("unwissenschaftlich")

Themen Bewusstsein; Unbewusstes & Traumata Bewusstsein; Kognitiv unbewusste Inhalte & Prozesse
(Motive, Implizite Kognition, Neurowiss.), Traumaforschung
Irrationalität Rationalität, Grenzen der Rationalität

Methoden Kasuistiken, Idiographische & Standardisierte Erfassungsmethoden,


Vertrauliche psychoanalytische Sitzungen Datenauswertung, N=1- Versuchspläne, Hierarchische
Modelle (Event Sampling), S-O-R-Verhaltensanalyse
(Situation!), Biographisches Interview, Experimente, RCT
Freie Assoziation, Traumdeutung, Übertragungs- Assoziative Verfahren, Projektive Tests, Semi-quantitative
& Widerstandsanalyse Auswertungen, Trauminhalte
Diagnose & Persönlichkeitsstruktur; Störungsklassifikation, Persönlichkeitsdimensionen;
Therapie Behandlung: allg. Redekur störungsspezifische Psychotherapie

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Bewertung

"Although commentators periodically declare that Freud is dead, his repeated burials lie on shaky grounds.
Critics typically attack an archaic version of psychodynamic theory that most clinicians similarly consider
obsolete. Central to contemporary psychodynamic theory is a series of propositions about
(a) unconscious cognitive, affective, and motivational processes;
(b) ambivalence and the tendency for affective and motivational dynamics to operate in parallel and produce
compromise solutions;
(c) the origins of many personality and social dispositions in childhood;
(d) mental representations of the self, others, and relationships; and
(e) developmental dynamics.
An enormous body of research in cognitive, social, developmental, and personality psychology now supports
many of these propositions. Freud's scientific legacy has implications for a wide range of domains in
psychology, such as integration of affective and motivational constraints into connectionist models in cognitive
science." (Westen, 1998, Psych. Bulletin)

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Bewertung

Quellen: zit. nach Staats & Mos (2012, p. 74): Annals of Theoretical Psychology

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Übungen

Unterhaltsame Videos zur Einführung in das relevante englisch-sprachige Vokabular:


• https://www.youtube.com/watch?v=NGACJYDYCz4 [9:07]
• https://www.youtube.com/watch?v=aTd-lrnZvsQ [5:55]

Ergänzen und konkretisieren Sie die Kritik am psychoanalytischen Paradigma auf Basis
der Aussagen von Neyer & Asendorpf (2018) [Kap. 1.2.2]!

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Quellen / Referenzen

u.a.:
• Gerrig, R. J. [& Zimbardo, P. G.] (2015). Psychologie (20. akt. Auflage). München: Pearson.
• Rauthmann, J. F. (2016). Grundlagen der Differentiellen und Persönlichkeitspsychologie. Heidelberg:
Springer.
• Zimbardo, P. G. (1995). Psychologie (6. Auflage). Heidelberg: Springer.

Bildnachweise: am angegebenen Ort

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