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Der Kleine Deutsche

Ein Fortbildungsmittel
zur

Erlernung der deutschen Umgangssprache


auf allen Gebieten des täglichen Lebens,
mit steter Bezugnahme auf
deutsche Eigenart in Sitten, Gewohnheiten
und Einrichtungen

Verfaßt von

Professor Dr. R. Kron

15. verbesserte Auflage

Freiburg im Breisgau
J. Bielefelds Verlag
1923 .
Copyright 1916
by J. Bielefelds Verlag,
Freiburg im Breisgau

Printed in Germany

Druck von A. Bonz ' Erben in Stuttgar


PF 3121
K66

Vorwort.

In den nachfolgenden Abschnitten ist das dop


pelte Ziel angestrebt, dem Leser in schlichtem, na
turfarbenem , deutschem Sprachgewande eine sach
gemäße, zuverlässige Darstellung der heutigen Kul
turverhältnisse Deutschlands zu vermitteln deut
sches Leben und Wesen in deutschem Sprach
kleide .
Der Sachinhalt des Bändchens kann und soll
das schier unermeßliche Gebiet des deutschen Kul
turlebens nicht bis in alle Einzelheiten erschöpfen.
Als leitender Grundsatz wurde festgehalten , nur
das zu besprechen, was ein Deutscher von guter
Durchschnittsbildung wissen muß und wohl auch
weiß, also das, was in den Rahmen allgemeiner Bil
dung gehört. Auf gelehrtes Beiwerk und auf Er
örterung fachtechnischer Einzelheiten ist grundsätz
lich verzichtet; die Kenntnis solcher Dinge - bei
spielsweise medizinischer, juristischer, philologischer,
technischer, militärischer Fachausdrücke - ist auch
für den geborenen Deutschen Sache eingehender
Sonderstudien, in die wir uns hier nicht verlieren
können. Dagegen ist sorgfältig darauf Bedacht ge
nommen, daß nichts fehle, was vom Standpunkt
der allgemeinen Bildung wissenswert erscheinen
könnte .
Die sprachliche Darstellung verzichtet auf
eitles stilistisches Gepränge. Die feierlich gewählte
Ausdrucksweise des Fest- und Gelegenheitsredners,
die weihevolle Art des Kathedergelehrten und Kan
4 Vorwort.

zelredners , der bombastische Wortschwall des poli


tischen Volksbeglückers, die eigenartige Sprache
des Briefverkehrs und des sogenannten papiernen
Stils alles das konnte hier nicht in Betracht
kommen, ja es wurde mit Absicht gemieden. Le
diglich auf natürliches, reines, schmuckloses Um
gangsdeutsch, wie es in der guten Gesellschaft ge
sprochen wird, kam es dem Verfasser an. Die Fremd
wörter lieben sich nicht ganz ausmerzen, sind aber
nur da angewandt, wo sich ein treffender, gut deut
scher Ersatz noch nicht gefunden hat. Die verwerf
liche Sucht einzelner, alles und jedes, was der Deut
sche bisher noch mit Fremdwörtern bezeichnet,
durch einen oft geradezu unverständlichen deutschen
Ausdruck wiederzugeben, begegnet bei verständigen
Deutschen günstigenfalls einem mitleidigen Lächeln ,
Da nun aber im täglichen Verkehr auch unter
Gebildeten eine ansehnliche Menge von nicht rein
schriftgemäßen Wörtern und Wendungen gebraucht
wird, Ausdrücken, die im Wörterbuch vielfach nicht
zu finden sind, so wird diesem „ Alltagsdeutsch "
ein gesondert erschienenes Beiheft * gewidmet ; über
die praktische Verwendung dieses Sprachguts ist
an Ort und Stelle das Nötige bemerkt. Daß der
Ausländer die Alltagsausdrücke mit Vorsicht ge
brauchen muß , ist dort gesagt, sei aber hier noch
mals betont. Die in Rede stehenden Sprachformen
sind sämtlich vom Verfasser nach dem Leben auf
genommen .
Die Fußnoten erläutern den heutigen
Grundsätzen der Reform entsprechend in deut
scher Umschreibung solche Wörter und Wort
verbindungen, die dem vorgerückten Leser unge
läufig sein könnten . Die richtige Mitte ist hier aller
dings schwer zu treffen : was dem einen Leser wün
schenswert erscheint, wird der andere vielleicht

* R. Kron , Alltagsdeutsch (familiäre und


Slang -Ausdrücke in der zwanglosen Umgangssprache).
Mit erläuternden Beispielen. Freiburg i, B., J. Bielefelds
Verlag .
Vorwort. 5
entbehrlich finden. Über die didaktischen Vorzüge
der Erklärung von Unbekanntem durch bereits
Bekanntes in derselben Sprache herrscht nur eine
Stimme : bei grundsätzlicher Ausschaltung der Mutter
sprache werden alle Beteiligten im Deutschen schnell
heimisch, ihr fast müheloser Fortschritt weckt die
Lust zu tieferem Eindringen und zu selbständiger
praktischer Betätigung im Sprechen ; daß dabei das
zweisprachige Wörterbuch so gut wie überflüssig ist,
wird man kaum zu bedauern brauchen.
Die Rechtschreibung beruht auf den neuesten
ministeriellen Bestimmungen vom Jahre 1902, die für
deutsche Schulen und im amtlichen Schriftverkehr
allgemein bindend sind ; allerdings halten ältere Deut
sche noch an der ,, alten Orthographie" fest.
Die im Text vorkommenden Abkürzungen
sind allgemein üblich ; auf Seite 6 werden sie in
alphabetischer Folge erklärt. — Wenn ein Wort in
Anführungszeichen steht, so wird dadurch angedeu
tet, daß der betreffende Ausdruck ein Schlagwort
oder eine stehende Redensart ist.
Von Klammern ist im Text der Kürze balber
öfters Gebrauch gemacht; sie enthalten einen gleich
wertigen oder erläuternden , bisweilen auch einen
ergänzenden Ausdruck für das vorhergehende Wort.
Das in Klammern Stehende kann unbeschadet des
Zusammenhangs beim Lesen und Lernen auch über
gangen werden.
Die vorliegende Neuauflage hat mancherlei Än
derungen erfahren . Alle Preisangaben verstehen sich
in Goldmark .
Wiesbaden , März 1923 .
R. Kron .
Abkürzungen im Text.
betr. lies: betreffende( n ).
bspw. beispielsweise.
bzw. (oder bezw. ) beziehungsweise.
dergl. (oder dgl.) dergleichen .
d. h. das heißt.
d. i. das ist.
d. 8. das sind.
etw. etwas.
fam . familiär.
f. ( oder ff.) und folgende.
i. allg. im allgemeinen.
i. J. im Jahre.
Jh. Jahrhundert.
m . a. W. mit anderen Worten .
m. d. W. mit den Worten .
S. Seite.
8. (ds., ob., unt.) siehe (dieses, oben, unten ).
sog. sogenannt (er, -e, -es) .
u. a. unter anderem (oder anderen).
u. ähnl. und ähnliche(s).
1. a . m . und andere(s) mehr.
U. A. w. g. Um Antwort wird gebeten .
u. dergl. und dergleichen.
usw. und so weiter.
u. V. a. und viele( s) andere .
u. 2. ( oder zw. ) und zwar .
vergl. ( oder vgl.) vergleiche.
2. B.' zum Beispiel.
z. T. zum Teil .
I.

Warum lernen wir Deutsch ?


Die Erzeugnisse deutscher Literatur, Wissen
schaft, Kunst und Industrie werden in allen Welt
teilen geschätzt. Das Ausland sendet seine besten
Söhne und Töchter nach Deutschland, damit sie auf
deutschen Bildungsanstalten, wie Universitäten, Gym
nasien, Realanstalten, Mädchen- und Fachschulen
die Errungenschaften der deutschen Kultur aus ei
gener Anschauung kennen lernen.
Die landschaftlichen3 Reize und Sommerfrischen ,
wie sie der Rhein, der Harz, der Thüringer Wald,
die Sächsische Schweiz, der Schwarzwald , die Eifel
und das Riesengebirge in Hülle und Fülle bie
ten, sowie die zahlreichen weltbekannten Badeorte
(wie Wiesbaden , Baden- Baden, Homburg, Ems, Kis
singen, Wildbad) locken aus aller Herren Ländern
Vergnügungsreisende, "Sommerfrischler und Kur
gåste nach Deutschland .
Nun versuchen es zwar viele, ja wohl die meisten
Ausländer*, sich ohne Kenntnis der deutschen Spra
che in den deutschen Landen notdürftig durchzu
winden. Sie suchen die deutschen Leistungen auf
* Das Wort Ausländer bezeichnet im folgenden immer
den Nichtdeutschen .
1 Leistungen, Hervorbringungen. ?Fortschritte. Lok
kungen , Schönheiten. “Menge. 6 Leute, die sich in einer
Sommerfrische erholen wollen. Personen, die eine Kur ge
brauchen . ' durchzuhelfen .
8 1. Warum lernen wir Deutsch ?

wissenschaftlichem , literarischem, künstlerischem, in


dustriellem und technischem Gebiete aus Überset
zungen kennen zu lernen, um auf diesem Wege neue
Eindrücke und Anregungen zu gewinnen, ihren
Gesichtskreis zu erweitern und ihren Erfahrungs
schatz zu bereichern. Aber abgesehen davon, daß
die wenigsten neueren Werke in Übersetzungen zu
gänglich sind , bietet auch eine vorhandene Über
tragung keinen vollständigen Ersatz für das deutsche
Werk; denn jede Übersetzung ist und bleibt nur ein
mehr oder minder 10 verzerrtes 10 Abbild des Originals.
Wie anders aber steht derjenige da, welcher
der deutschen Sprache in Wort und Bild mächtig
ist ! Wird der wissenschaftliche Forscher nicht weit
größeren geistigen Gewinn von der Lektüre des deut
schen Urtextes haben, als von einer mangelhaften
Übertragung ? Wird nicht der Vergnügungsreisende
einen ganz anderen Einblick in Land und Volk tun,
wenn er, anstatt stumme Betrachtungen an der Hand
seines gedruckten 11Reiseführers 12 anzustellen, mit
den Leuten plaudern, Fragen an sie richten, kurzum,
seine Gedanken austauschen und seine trockene
Baedeker-Weisheit durch das gesprochene Wort
der deutschen Landesbewohner beleben und ver
tiefen kann ?
Um also die geistigen Errungenschaften der
deutschen Denker, Künstler und Erfinder an der
Quelle studieren zu können, um im persönlichen
und schriftlichen Verkehr mit den Deutschen mög
lichst unabhängig von fremder Beihilfe zu sein , um
Genuß und Erholung von einer Reise nach den land
schaftlichen Perlen und Kurorten des deutschen
Landes zu ernten, um sich endlich gegen etwaige
Ausbeutungen oder Übervorteilungen durch ge
wissenlose Leute zu sichern, ist einige Fertigkeit im
praktischen Gebrauch der deutschen Schrift- und
Umgangssprache eine 18unabweisbare Vorbedingung.
* Gedanken. " existierende Ubersetzung. 10Zerrbild ,
Karikatur. 11 Reisehandbuchs. 12 vorzunehmen , zu veran
gtalten . 18 unerläßliche, absolute .
II. Besuch. Einige Gesprächsformeln . 9

II .

Besuch. Einige Gesprächsformeln.


Wer eine Reise nach Deutschland unternimmt
und leinigermaßen Deutsch spricht, bedarf außer
seinem Reisehandbuch keiner weiteren Führung.
Empfehlungsbriefe von Freunden oder Bekannten
an deutsche Familien können indes von Nutzen
sein , zumal wenn sie von angesehenen Leuten mit
gegeben sind. Derartige Empfehlungsschreiben über
gibt man dem Adressaten am besten persönlich und
zwarbei Gelegenheit des Antrittsbesuchs.
Die übliche Besuchszeit ist zwischen zwölf und
zwei Uhr mittags, seltener nachmittags zwischen
vier und sechs. Der 3 geeignetste Tag ist der Sonn
tag; an Wochentagen (Werk-, Alltagen) werden
Besuche nur ausnahmsweise abgestattet.
Bei Besuchen trägt man den schwarzen Geh
rock (einen zweireihigen Rock mit langen Schößen),
schwarze oder gemusterte Beinkleider , eine seidene
Halsbinde und helle, jedoch nicht weiße Handschuhe.
Dazu kommt der schwarzseidene Zylinderhut, der
mit in das Empfangszimmer zu nehmen ist. Wer
einen Überzieher trägt, legt ihn ab, bevor er in das
Zimmer tritt. Auch Schirm oder Stock bleiben im
Vorraum .
Um nun jemand meinen Besuch zu machen,
begebe ich mich nach seiner Wohnung und klingele
( ich schelle, ich drücke auf den Knopf), worauf ein
Dienstmädchen oder ein Diener mir die Haustüre
öffnet. Ich frage den Dienstboten : ,,Ist Herr ( Frau)
N. N. zu sprechen ? " , oder ich sage: „ Ich möchte
zu Herrn N. N., ich möchte Herrn N. N. meine ? Auf
wartung machen . Ist er zu Hause ?" Unter Um
1 leidlich , notdürftig.? geachteten ,einflußreichen . 3 beste
gemacht . Uberrock. gestreifte oder karierte. ? Besuch.
nach Lage dor Verhältnisse, eventuell.
10 II. Besuch . Einige Gesprächsformeln.

ständen werde ich sagen : „ Ich möchte Herrn N. N.


auf einige Augenblicke sprechen; bitte, bringen Sie
ihm diese Karte und sagen Sie ihm, ich käme nicht
geschäftlich , sondern in einer rein persönlichen An
gelegenheit ; lange würde ich ihn nicht stören (auf
halten )." Gebe ich keine Karte ab , so wird der
Dienstbote mich fragen : ,, Darf ich um Ihren werten
Namen bitten ?" oder : Wen darf ich melden ?"
worauf ich ihm sage ( angebe), wer ich bin , z. B.
[ sprich : zum Beispiel] „ Dr. Becker, Professor Hart
mann, Herr Gerling ." Ich werde dann gebeten näher
zutreten ; man führt mich ins Wartezimmer, wo der
Dienstbote nach kurzer Zeit wieder erscheint und
mir Bescheid bringt, ob ich angenommen werden
kann oder nicht.
Ist Herr N. N. nicht zu Hause oder kann er
mich zurzeit nicht empfangen , so erhalte ich 10 etwa
folgenden Bescheid : „ Herr Ñ . N. ist verreist, ist
nicht zu Hause, nicht zu sprechen , nicht da ; er ist
soeben ausgegangen ; er ist augenblicklich sehr be
schäftigt und bedauert, Sie jetzt nicht empfangen
zu können ; es ist gerade Besuch da; Frau N. N. emp
fängt nur Mittwochs von 4 bis 6 Besuch “ u. dergi.
(sprich : und dergleichen ).
Wenn Herr Ñ . N. mich empfangen will, so meldet
der Dienstbote : „ Herr N. N. läßt bitten “, und ich
werde in den Salon geführt, wo Herr N. N. nach
einer Weile erscheint und sich nötigenfalls entschul
digt, daß er mich habe warten lassen. Mit den Wor
ten , Bitte, nehmen Sie Platz ! “ oder ,, Bitte , setzen
Sie sich I “ ladet er mich zum Sitzen ein, worauf ich
ihm 11 auseinandersetze, was mich zu meinem Be
suche 12 veranlaßt hat. Falls ich ein Empfehlungs
schreiben von einem gemeinsamen Bekannten mit
führe, überreiche ich es Herrn N. N. mit dem Be
merken : „ Ich habe Ihnen Grüße von Herrn Müller
in X. zu überbringen . " Herr N. N. wird sich hierauf
nach dem Befinden und Tun und Treiben unseres

' Auskunft, Antwort. 10 ungefähr, vielleicht. 11sage,


mitteile. 12 bestimmt, bowogen.
II. Besuch . Einige Gesprächsformeln. 11

gemeinsamen Freundes Müller erkundigen ; auch


wird er fragen , was mich nach Deutschland führe,
ob ich mich hier wohl fühle , wo ich wohne, ob ich
13 gut 13 untergebracht 13 sei u . dergl. Er wird sich
14 voraussichtlich bereit erklären , mir auf Wunsch
15 mit 15 Rat 15 und 15 Tat zur Seite zu stehen. Mit
seiner Familie wird er mich ebenfalls bekannt ma
chen und mich bitten, bei längerem Aufenthalt
gelegentlich einmal wieder vorzusprechen. Eine
Einladung zum Mittag- oder Abendessen wird in
der Regel bald nach meinem Besuch an mich er
gehen .
Hat mein Besuch 16 einen 16 anderen 16 als 16 ge
sellschaftlichen 16 Zweck, so bringe ich mein An
liegen Herrn N. N. vor, nachdem letzterer nach
meinem 1' Begehr gefragt hat m . d . W. ( sprich : mit
den Worten ] ,,Womit kann ich ( Ihnen dienen ?"
oder : Was verschafft mir die Ehre [zu ergänzen :
Ihres Besuchs] ?"
Freundesbesuche sind weniger förmlich ; der
Anzug ist dabei beliebig. Beim Empfang begrüßen
wir uns mit einem „ Guten Morgen “, Guten Tag ",
oder „ Guten Abend, Fritz " , erkundigen uns gegen
seitig nach dem Befinden: „ Wie geht es dir , alter
Junge ? Was macht deine Familie ? Alles munter
und gesund ?" usw. ( sprich : und so weiter ]. Die
Antworten können verschieden sein : „ Danke, vor
züglich, vortrefflich, ausgezeichnet, sehr gut, so
leidlich, so la la, nicht besonders, nicht vom besten ,
herzlich schlecht, miserabel “ usw. Hierauf plaudern
wir in zwangloser Weise eine Zeitlang über dieses
und jenes .
Es kommt auch wohl vor, daß ich einen meinem
Freunde unbekannten Dritten einführe (mitbringe ),
den ich dann vorstelle m. d. W.: „ Darf ich die Herr
schaften 18 miteinander 18 bekannt 18 machen ? Mein
Kollege, Herr Dr. Schmidt - mein Freund N. N." ,

18 eine gute Wohnung habe. 14 wahrscheinlich. 16 hilf


reich . 16 keinen gesellschaftlichen ( Höflichkeits-), sondern
einen anderen Zweok . 17 Wunsch . 18 (einander ) vorstellen .
12 II. Besuch . Einige Gesprächsformeln.
worauf mein Freund entgegnet: „ Sehr geehrt, Ihre
Bekanntschaft zu machen “ , „ Sehr angenehm " , oder
auch : „ Freut mich sehr, Sie kennen zu lernen ."
Mein Kollege Dr. Schmidt erwidert : „ Ganz auf
meiner Seite “, und bedient sich so einer üblichen
Verkürzung des Ausdrucks: „ Die Ehre ist ganz auf
meiner Seite."
Wenn ich in der Unterhaltung etwas nicht ver
standen habe, so frage ich nach, indem ich eine der
folgenden Wendungen gebrauche: Wie, bitte ?"
Wie belieben ?" [zu ergänzen ist das Wort „ Sie" ],
„ Wie beliebt ? " , ,, Verzeihung, ich habe nicht recht
( nicht ganz) verstanden " . Man hört auch wohl
fragen : ,, Wie meinten Sie, Herr N. N. ? " , ,Wie be
merkten gnädige Frau ?" Ganz familiäres Was ? “
Was gefällig ?“ (rheinisch ), oder „ Wie ?“ gilt im
Munde eines 19 Fernstehenden als unpassend.
Der Ausländer meide es, in der Anrede* die
Worte „mein Herr“ anzuwenden. Man hört die
Wortverbindung ,mein Herr " meist nur im Verkehr
mit Verkäufer (inne)n , Dienstboten und Kellnern .
Das Richtige ist, in der Anrede jene Worte bei Leuten
ohne Titel entweder ganz wegzulassen, oder den
Namen 20 des 20 Betreffenden dem Worte „Herr"
beizufügen, z. B. „ Nun, wie geht's ?“ oder „ Nun,
wie geht's, Herr Schultze ? " . Wenn man mehrere
Personen zugleich anredet, so sagt man freilich am
besten : „ Nun , wie geht's, meine Herren (meine
Herrschaften ) ? "
Anders, wenn der Angeredete einen Titel be
sitzt . In solchem Falle würde der Deutsche es 21 übel
21 vermerken, wenn man ihm seinen Titel oder,
in Ermangelung eines solchen, seinen Amtscharakter
* Alle Erwachsenen redet man mit „ Sie “ an (man
„ siezt“ sie ); „ geduzt“ (d . h. mit „du“ angeredet) werden
nur 22Angehörige, nahe Verwandte, gute Freunde oder Freun .
dinnen und Kinder unter 14 Jahren .
18 einer Person, die dem Angeredeten nicht näher be
kannt ist. 20 der angeredeten Person. 21 übelnehmen , krumm
nehmen ( familiär), unangenehm empfinden . 22 Eltern, Go
schwister.
II. Besuch . Einige Gesprächsformoln. 13

in der Anrede 23 vorenthielte und ihn einfach mit


„ Herr Becker “ anspräche, anstatt bspw. sprich :
beispielsweise) mit Herr Doktor, Herr Professor,
Herr 24 Geheimrat, Herr 25 Studienrat , Herr Amts
richter , Herr Amtsgerichtsrat ( oder kürzer : Gerichts
rat ) , Herr 26 Assessor, Herr 27 Rechtsanwalt, Herr
Notar, Herr 28 Referendar, Herr 29 Superintendent,
Herr Pastor, Herr Pfarrer, Herr Oberprediger, Herr
30 Kandidat , Herr 31 Kaplan, Herr Direktor, Herr
Inspektor, ( es gibt Direktoren und Inspektoren
sehr verschiedener Qualität ! ) , Herr 32 Baurat,.. Herr
Baumeister, Herr 33Kommerzienrat, Herr 34 Ökono
mierat, Herr 36 Oberamtmann, Herr 36 Amtmann ,
Herr Unteroffizier, Herr Sergeant, Herr 87 Feld
webel (bei berittenen Truppen , Wachtmeister“ ge
nannt), Herr Leutnant, Herr Hauptmann, Herr
38 Rittmeister, Herr Major, Herr 39 Oberst, Herr
General ( nur der Generalmajor), Herr Admiral
( nur der Konteradmiral ) , „ Exzellenz" ( ohne ,,Herr" !

23 nicht gäbe, nicht gewährte. 24 ein vom Landesherrn


(König usw.) verliehener (d. h. gewährter) Ehrentitel für
höhere Beamte, die lange Jahre treu gedient haben. 25 aka
demisch gebildeter Gymnasial- oder Realschullehrer, dem
nach einer bestimmten Anzahl von Dienstjahren der Titel
„ Oberstudienrat“ verliehen wird . 26 Jurist, der die Richter
prüfung bestanden hat. 27 Advokat. 28 jüngerer Jurist, der
zwar die erste theoretische Prüfung, die für das Richteramt
aber noch nicht abgelegt hat. 29höchster Geistlicher und
.
Vorsteher eines protestantischen Kirchensprengels ( d. i. einer
Diözese oder Ephorie ). 30 junger protestantischer Theologe,
der noch nicht ordiniert (d . h . noch nicht selbständiger
Pfarrer ) ist. 31 katholischer Pfarrgehilfe, Hilfsgeistlicher.
82 von der Behörde verliehener Ehrentitel für erfahrene Bau
meister oder Architekten . 83vom Landesherrn verliehener
Ehrentitel für solche, die sich um Handel und Industrie
verdient gemacht haben. 34 verdiente Landwirte erhalten
vom Landesherrn diesen Ehrentitel. 85 Domänenpächter,
Landwirt, der eine Domäne (d. i. ein Staatsgut) pachtweise
bewirtschaftet. 36 Pächter eines Landgutes, das einer Kom
mune oder zum Hausvermögen eines Fürsten gehört . 87 böch.
ster Unteroffizier einer Kompanie (einer Eskadron, Batterie).
38Führer einer Eskadron . 87Führer eines Regiments.
14 III. Kaufläden .
in der Anrede an höhere Generale, Admirale, Vize
admirale, Staatsminister und verdienstvolle Männer,
denen diese Auszeichnung 40 verliehen wurde) .
Der Titel oder die Amtsbezeichnung des Mannes
wird seiner Frau ( Gemahlin) ebenfalls - beigelegt;
z. B. sagt man : ,, Jawohl, Exzellenz, Nein, Frau
Geheimrat, Frau Professor, Frau Dr., Frau Direktor,
Frau Studienrat“ usw. Verbreiteter ist als Anrede
der Damen freilich die ganz allgemeine Wendung
Gnädige Frau“, bei unverheirateten Damen : ,,Gnä
diges Fräulein" .
Beim Abschied von einem Fernstehenden dankt
man für die liebenswürdige Aufnahme und verbeugt
( verneigt) sich mit einem ,,Habe die Ehre, mich
zu empfehlen “, „ Jetzt muß ich mich verabschieden “,
,, Leben Sie recht wohl" u. dergl.
Von Freunden und Näherstehenden verabschie
det man sich ohne Förmlichkeiten und sagt einfach:
„ Auf Wiedersehn“, „Lebewohl" , Bis später“
,,Also auf heute Abend “, „Bis morgen ", „ Bis bald “ ,
„Bleibe gesund “ , in Süddeutschland auch:„ Grüß?
Gott !“ .
In der Regel wird gebeten , Grüße bei den 42 An
gehörigen zu bestellen. Die üblichen Formeln sind :
Schönen (Besten) Gruß zu Hause", ,,Freundliche
Grüße an Ihren (werten) Herrn Vater, an Ihre werte
Frau Gemahlin , an Ihren Herrn Bruder, an Ihr
Fräulein Schwester“ u . dergl. Die Antwort lautet:
Danke sehr ( Danke schön), ich werde es ausrichten
(bestellen)“.
III .

Kaufläden .

Wenn mir das Briefpapier, die Federn , Tinte,


Zigaretten , Zigarren oder Streichhölzer, die Hand
schuhe, Wäsche oder irgend etwas Unentbehrliches
40gewährt, zuerkannt. 41gegeben. 2 Mitgliedern der
Familie.
III. Kauflöden , 15
lausgegangen ' sind, so begebe ich mich in einen Laden
und versorge amich mit neuem Vorrat. Ich
3 lasse niemals 3 anschreiben, sondern zahle stets
bar, was ich kaufe ; denn ,, Borgen macht Sorgen" ,
lehrt (sagt, besagt) das Sprichwort. Ebensowenig
versuche ich zu handeln (feilschen), um den gewünsch
ten Artikel billiger zu erhalten ; alle besseren (La
den-)Geschäfte (Kaufläden ) haben feste Preise und
lassen sich nicht unterbieten lassen 'sich keine
4 Abzüge “ machen ).
In den meisten Läden der größeren deutschen
Städte wird das Französische und Englische mehr
oder weniger gut verstanden und gesprochen , so
daß Ausländer hier selten in Verlegenheit geraten
werden .
Wie in allen größeren europäischen Städten
so gibt es auch in den deutschen größere Kaufhäu -
ser oder Warenhäuser, die mit allen erdenklichen
Bedarfs- und Luxusartikeln vollgepropft sind. Sehr
viele Leute beziehen von diesen Geschäften ihren
Bedarf, in dem Glauben, dort vorteilhafter bedient
zu werden, als in den kleineren Spezialgeschäften,
die infolgedessen oft ihre liebe Not haben, sich
zu halten .
Außerdem gibt es eine Unzahl von größeren
und kleineren Ladengeschäften, die teils ihre eigenen
Erzeugnisse führen, teils von Großhändlern oder
Fabriken ihren Bedarf beziehen. Zu derartigen
Ladengeschäften gehören unter anderen :
1. Der Bäckerladen oder die Bäckerei, wo der
Bäcker Schwarzbrot und Weißbrot bäckt und ver
kauft ; - die Konditorei, wo Zuckergebäck , Torten
und anderes Backwerk sowie eine Tasse Kaffee und
Liköre zu haben sind ; – die Spezerei- und Kolo
nialwarenhandlung, in der Gewürze und Kolonial
waren, wie Kaffee, Tee, Zucker, Reis, Rauchtabak,
Zigarren, ferner Seife, Lampenöl, marinierte Heringe,
1 fehlen. 2 decke meinen Bedarf, beschaffe mir das
Fehlende. 3 kaufe auf Kredit ( Borg). 4 setzen den Preis
nicht herab. bangefüllt. @ große Mühe ( Schwierigkeit).
16 III. Kaufl & don .

Zündhölzer und noch andere Verbrauchsartikel 7ver


abfolgt werden ; - der Grünkram (handel) für frische
Gemüse, Kartoffeln, Obst u. dergl.; – das Deli
katessengeschäft, wo feinere geräucherte Fleisch- und
Wurstwaren, Fleischkonserven, Kaviar, eingemachte
Früchte, Gemüse in Blechbüchsen und andere Deli
katessen zu finden sind ; - die Wild- und Geflügel
handlung für Rehe, Hasen, Rebhühner, Puter, Gänse,
Enten usw.; – die Metzgerei, auch Fleischerei oder
Schlächterei genannt, die den Hausfrauen und Gast
häusern ihren Bedarf an Ochsenfleisch, Kalbfleisch,
Schweinefleisch und Hammelfleisch liefert; - das
Milch-, Butter-, Käse- und Eiergeschäft, welches uns -

mit Milch, Butter, Käse und Eiern 8versorgt;


die Fischhandlung, wo frische (r) Fisch (e ), Krebse
und Austern zu haben sind ; – die Bierhandlung,
in der Bier liter-, flaschen-, kannen- oder faßweise
abgegeben wird.
Die Hausfrauen und Köchinnen können ihren
9 Wirtschafts- und Küchenbedarf zum Teil auch
auf den sogenannten Wochenmärkten , die übrigens
in größeren Städten täglich abgehalten werden,
10 decken. Auf diesen Märkten entwickelt sich in den
Morgenstunden ein 11 buntes Geschäftstreiben zwi
schen den mehr oder minder eleganten Marktbe
sucherinnen der Stadt und den ländlichen , oft recht
12 urwüchsigen , auf ihren Vorteil aber wohlbedachten
Marktfrauen, die ihre Gemüse und Kartoffeln , sowie
Obst, Fisch, Geflügel, Wild , Rindfleisch, Schweine
fleisch und Blumen 13 feilhalten .
** 2. Das Modewaren- und Konfektionsgeschäft, wo
Modeartikel vorrätig sind und Mäntel, Anzüge,
u . dergl. angefertigt werden ; das Manufaktur-,
Weiß- und Wollwarengeschäft für Kleiderstoffe, Hem
den, Kragen , Manschetten, Halsbinden (Schlipse
oder Krawatten ), 14Unterzeug usw .; das Hutgeschäft
? abgegeben, veräußert, verkauft. øversieht. ' Haus
halt (ung)s-. 10 einkaufen , sich beschaffen . 11 vielseitiges .
Voriginellen, eigenartigen. 13 käuflich anbieten. 14 Unter
kleidung (Unterhosen, Unterjacken, Strümpfe usw.).
III. Kauflåden , 17
für Zylinder- Filz- und Strohhüte, Mützen ; der
Handschuhladen , für alle Sorten Glacéhandschuhe,
seidene und wollene Handschuhe ; das Putzgeschäft
für Damenhüte , Schleier, seidene Bänder ; das Schuh
und Stiefelgeschält, wo der Schuhmacher oder Schu
ster fertige Schuhe, Stiefel, Pantoffeln (Hausschuhe)
verkauft und besohlt, oder solche nach Maß anfer
tigt; die Pelzwarenhandlung, auch Kürschnergeschäft
genannt, wo alle Arten Pelzwerk, Pelzmåntel , Pelz
boas, Pelzmützen , Pelzkragen, Muffs verkauft, den
Sommer hindurch aufbewahrt und gegen 15Motten
fraß geschützt werden : das Goldwarengeschäft, wel
ches reiche Auswahl bietet in echt goldenen oder
silbernen Ringen ( mit Edelsteinen und ohne solche) ,
in Broschen . Armbändern , Ohrringen , Halsketten,
Uhren , Uhrketten , Tafelbesterken usw .; das Fri
seurgeschäft, wo der , Herr Verschönerungsrat"
wie man den Barhier scherzweise wohl nennt
oder einer seiner Gehilfen die Kunden rasiert, frisiert,
ihnen das Haar und den Bart stutzt (schneidet ) ,
den Kopf wäscht und nebenher allerlei Artikel für
den Wasch- und Ankleidetisch feilbietet, z. B. feinere
Seifen , Kopfwasser, Mundwasser, Kämme, Bürsten ,
16 Barthinden , Schwämme , Kölnisches Wasser und
andere wohlriechende Wässer.
3. Der Zigarrenladen , wo Zigarren , Zigaretten ,
Tabake, Zigarrenspitzen und Zigarrentaschen käuf
lich zu haben sind : das Schreibwarengeschäft. für
alles, was man heim Schreiben braucht, Papier, Brief
umschläge (sehr oft noch Kuverts genannt ), Lösch
papier, Federn , Federhalter . Füllfedern, Bleistifte,
Buntstifte, Radiergummi, 17 Federkasten , Tinte , Tin
tenfässer, Formulare, Postkarten mit Ansichten
usw .; die Sortimentsbuchhandlung , in der Regel kurz
Buchhandlung, für den 18 Bezug von neuen Büchern ,
Zeitschriften , Kupferstichen , Kunstblättern usw .; das
Antiquariat, welches gebrauchte Bücher und ältere,

16 Beschädigung durch Motten ( d. 8. geflügelte nagende


Insekten ). 16 Binden zum Richten des Schnurrbartes. 17 kleine
Behälter für Federn , Halter, Bleistifte uw. 18 Ankauf.
Kron , Der Kleine Deutsche. 16 .
18 III. Kaufläden .

selten gewordene Schriftwerke 18 vertreibt oder für


seine Besteller 20 beschafft .
Die Kunsthandlung führt Kunstgegenstände der
verschiedensten Art, besonders solche für Ausstat
tungszwecke; die Musikalienhandlung hält ein großes
Lager in Musikalien , Musikinstrumenten u. dergl .;
das Galanteriewarengeschäft führt Artikel , die als
Zieraten und Putzsachen dienen , z . B. Fächer, Leder
waren, Gegenstände aus Elfenbein, Bronze, Silber,
Altsilber, Neusilber, Nickel, Nippsachen usw .; das
Porzellan- und Glaswarengeschäft liefert Gebrauchs
und Luxusgegenstände in Porzellan, Kristall, Glas,
Majolika, Terrakotta.
Das Eisenwarengeschäft führt Gegenstände aus
Eisen , Stahl und Messing, sowie Werkzeuge für
Handwerker ; das Blechwarengeschäft liefert Haus
haltungsgegenstände aus Weißblech, Blechkannen
und -gefäße jeder Art ; der Spielwarenladen ist 21 ge
spickt mit tausenderlei Spielzeugen für Kinder ;
der Drechslerladen hält u . a . (sprich : unter andern ]
Pfeifen, Zigarrenspitzen , (Spazier-) Stöcke, Regen
und Sonnenschirme, Schachbretter und -figuren
feil; das Sattlergeschäft führt Pferdegeschirr, Sättel,
Zaumzeug usw. , die Möbelhandlung hält alle Arten
Möbel , wie Tische, Stühle, Sofas , Büfetts , Schränke,
Betten , 22Bücherbretter zum Verkauf; im Uhr
machergeschäft werden Uhren 23nachgesehen , ge
reinigt, reguliert und feilgehalten ; in der Waffen
handlung findet man Revolver, Pistolen , Jagdgewehre ,
Munition ( Schießbedarf ) , Säbel mit Scheide usw.;
die Handlung in optischen Instrumenten und Appa
raten verkauft Mikroskope, Lupen, Thermometer,
Barometer, 24 Feldstecher, Brillen u. v. a . (sprich :
und vieles andere ).
Die Drogenhandlung oder Drogerie gibt Drogen ,
Spezereien und 25 freigegebene fertige Heilmittel ab ;
das Blumengeschäft, meistens mit Bukett- und Kranz

19 verkauft. 20 liefert, besorgt. 91 vollgepfropft, angefüllt.


22 Bücherborde, -regale. 28 revidiert. 34 Ferngläser, Krim
stecher. 26 nicht ausschließlich den Apotheken reservierte .
IV . Im Laden . 19
binderei verbunden, besorgt frische Blumen, Sträuß
chen fürs Knopfloch , kleine und große Buketts,
Kränze und Blumenarrangements , sowie die Aus
schmückung von Festräumen ; das Wechsler- und
Geldgeschäft wechselt Geld, besorgt den Ankauf oder
Verkauf von Börsenwerten , diskontiert (kauft) Wech
sel und übernimmt Wertpapiere oder bares Geld
zur Aufbewahrung ,,in Depot") ; die Fahrradhand
lung verkauft und repariert Fahrräder und liefert
alles 26 Zubehör, sowie die wichtigeren Ersatzteile.
IV.
Im Laden .
Obgleich in den meisten größeren Kaufläden
Französisch und Englisch von wenigstens einem
der Verkäufer verstanden und " leidlich gesprochen
wird, tut der Fremde dennoch wohl daran , sich die
geläufigsten Redewendungen , deren man sich beim
Einkaufen bedient , zu merken . 2 Es 2 kommt für
den Kauflustigen vor allem 2darauf 2an, den ge
wünschten Gegenstand verlangen und sich über
den Kostenpunkt ( Preis) 3 vergewissern zu können .
Auch ist es wichtig , daß der Käufer versteht, was der
Ladendiener (Verkäufer) über die Art, die Güte und
den Wert der Ware zu bemerken 4pflegt . Die üblichsten
Redewendungen sind in dieser Beziehung etwa folgende .
1. Gegenseitige Begrüßung.
Käufer. Verkäufer.
Guten Morgen. Guten Tag. Gehorsamer Diener (nur im
Guten Abend. ( Herren Munde von männlicher Be .
nehmen in der Regel den dienung) oder Guten Mor
Hut ab .) gen usw. Womit kann ich
dienen ? Was wäre (ist) Ih.
nen gefällig ? Sie wünschen ?
Was darf es sein ?

26 was dazu gehört, z. B. Klingel, Laterne usw.


inotdürftig, einigermaßen. ?es ist .. wichtig. Ge
wißheit verschaffen, genau unterrichten . ' gewohnt ist.
20 IV . Im Ladon .

2. Der Käufer sagt, was er wünscht.


Käufer. Verkäufer.
Könnte ich Ihre hunten Post- Sehr gerno. Wollen Sie sich
karten ( Ansichtspostkarten, gütigst nach drühen be .
Postkarten mit Ansichten ) mühen ? Dort finden Sie
einmal ansehen ! eine große Auswahl An.
( Ioh ) bitte um einige An . sichtskarten , bin Bunt
sichtspostkarten . druck und in einer Farbe,
sowie auch Künstlerkarten .
Führen Sie (Haben Sie ) pho- Zu dienen. Wir haben eine
tographische Ansichten von sehr reichhaltige Auswahl
Borlin und Umgebung ? nenestor 6 Anfnahmen .
Ein Paar Glacéhandschuhe, Sehr gern . Sehr wohl. Darf
bitte . es was Rossores sein ? In
Gehen Sie mir ein Paar weloher Preislage ungofähr !
Glacéhandschuhe.
Iob möchte ein Paar (helle, Welche Nummer ? Erlauben
dunkle) Glacéhandschuhe Sie gütigst Thre rochta
haben . Hand . Sie haben 734.
Darf ich bitten , mir einige Mit Vergnügen . Laderkoffer
· solido Loderkoffer zu zei. sind unsere Spezialität; die
gen ? besseren sind Handarbeit .
Was kostet der große Reise- 80 M. (Mark ) mit 5 % ( Pro .
koffer im Schaufenster da ? zent) bei Barzahlung, also
78 M. netto .
Wie ich im Anzeigenteil der Gewiß . Sie kommen sehr ge .
Zeitung gelesen habe, ver . legen .Wir haben jetzt
kaufen Sie beste 7Oberhem . eben wieder neuen Vorrat
den zu 4.50 M. Könnte in den verschiedensten Fas .
ich mir diese einmal an . sons. Qualitäten und Preis .
sehen ? lagen ( Preisen ).

3. Das Vorgelegte gefällt dem Känfer nicht; er möchto


andere Sachen sehen.
Käufer. Verkäufer.
Diese Farbe gefällt mir nicht Mit (dem größten ) Vergnügen .
sonderlich . Wollen Sie mir , Bitte. verzeihen Sie einen
bitte, andere zeigen ? Augenblick ; ich loge Ihnen
sofort andere 8 Genres vor.

'in mehreren Farben , koloriert. * Photographien (Licht


bi'dr ). " Taghemden, Faltenhemden , Manschettenhemden .
• Arten , Sorten.
IV, Im Laden. 21
Ich möchte eine noch hellere Freilich. Wir führen Glacé.
Farbe baben ; führen Sie handschuhe in allen Farben
diese auch ? und Größen . Hier haben
Sie hellere.
Diese scheinen mir etwas zu Bitte sehr. Gestatten Sie
eng (zu knapp ), etwas zu nur, daß ich den Hand .
weit; darf ich einen an. schuh erst etwas luaufweito.
probieren (anpassen ) ? So ... Er sitzt tadellos,
nicht wahr ?
1 Ja, aber die Knöpfe sind Ja, das ist das ewige Leiden !
schlecht angenäht; da Die Fabriken nähen die
e springt schon gleich einer abe Knöpfe stets so schlecht an .
1 Haben Sie denn keine Hand . Ich werde ( will) einmal nach
schuhe mit Druckknöpfen sehen . Bedaure unendlich !
oder mit Mechanik ? Die Diese Farbe ist mit Druck .
halten besser und sind auch knöpfen oder Mechanik
bequemer zu schließen . augenblicklich nicht mehr
vorrätig (am Lager ). Doch
können wir sie Ihnen in
to einigen Stunden beschaffen.
Sehr liebenswürdig, aber das Tut mir sehr leid !
fer dauert mir zu lange. Ich Jedoch kann ich Ihnen die
die brauche die Handschuhe Knöpfe schnell nachnähen
it. sofort . lassen .
Argo
al80

ge
4. Der Käufer erkundigt sich nach dem Preis.
ett: Käufer. Verkäufer.
Was kostet dieses Paar ? 5 Mark . Es sind zweiknöp
Fas Wieviel macht ein solches fige, wie Sie sehen . Mit
Teis Paar ? nureinem Koopf sind sie
Wie teuer (hoch) kommt jenes ? 50 Pfennige billiger.
Wie berechnen Sie dieses 4 M. Auch ein vorzüglicher
chle

Paar ? Handschuh !
Und wenn ich 6 Paar davon Nun, bei 6 Paar lasse ich sie
nehme, wie stellt sich dann Ihnen zu 22 M. statt 24.
der Preis ? Da geben Sie . In der Regel geben 1lwir
ijger doch Rabatt ? 11 überhaupt 11 keinen 11Ra..
eine Bei Abnahme eines größeren batt, doch will ich diesmal
Tona Postens tritt doch eine eine Ausnahme machen.
3 TO
Preisermäßigung ein ?
Lichi
mde
erlauben. 10 weiter mache. 11 gewähren wir gar keine
Ermäßigung, machen wir gar keinen Abzug.
22 IV. Im Laden .

5. Der Preis erscheint dem Käufer zu hoch ; dieser


versucht zu handeln, zahlt aber schließlich doch den
verlangten 12Betrag .
Käufer. Verkäufer.
Das kommt mir etwas hoch Sie finden das teuer ?
vor . Sie müssen bedenken , es ist
die allerfeinste Qualität.
Das ist aber wirklich teuer ! Sie werden diese Ware nir
Soviel kann ich nicht an- gends billiger bekommen .
legen .
22 M. für 6 Paar Hand. Tut mir sehr leid ! Wir haben
schuhe, das ist 13 unheimlich feste Preise, und ich habe
viel! Sagen wir 20 M. , und Ihnen schon 2 M. abgelas.
ich nehme 14 den 1* Posten . sen. Weiter kann und darf
ich nicht gehen .
Nun denn, wenn Sie sagen, Danke verbindlichst. Sie wer
es geht nicht, so will ich den an der Ware Ihre
die 22 M. zahlen. Freude haben,

6. Der Verkäufer sucht den Käufer zu 16 anderweitigen


Käufen zu veranlassen.

Verkäufer, Käufer.
Sonst noch etwas gefällig ? Für heute ( für diesmal) nicht,
daß ich wüßte .
Womit kann ich ferner die Danke, ich bin mit alledem
nen ! Vielleicht mit Kra . noch reichlich versehen .
gen , Halsbinden, 16 Unter
zeug ?
Darf ich Ihnen unsere neue. Vielen Dank ! Ich bin nicht
sten Radfahranzüge zeigen ? Radfahrer und habe daher
wenig Verständnis für der
artige Neuheiten .
Soll ich Ihnen die Hand. Sehr freundlich ! Wollen Sie
schuhe zuschicken ? sie mir in meine Wohnung
senden ?
Sehr gerne. Und welche Herrn X., Deutsches Haus,
Adresse, wenn ich bitten Zimmer 24.
darf ?

12 Preis . 13 ungeheuer, enorm . 14 die Partie, hier : die


6 Paar. 16anderen , sonstigen . 16 Unterhosen , Unterjacken ,
Strümpfe.
V. Bier- und Weinbäuser usw. 23

7. Der Käufer (be)zahlt.


Käufer. Verkäufer.
Geben Sie Kredit ? Bedaure, wir verkaufen nur
Kann ich den Posten an. gegen Kasse (gegen bar ).
schreiben lassen ? Wir pflegen keinen Kredit zu
gewähren .
Wo kann ich zahlen ? Wollen Sie sich gütigst zur
Kasse bemühen ?
Ich muß Sie bitten , mir die Recht gern. Ihre Rechnung
sen Hundertmarkschein zu beträgt 22 M. . . Bitte
wechseln . Ich habe es (d. h. schön : 22 und 3 sind 25,
das Geld) gerade nicht und 5 macht 30, und 20
kleiner. sind 50, und 50 macht 100.
Nicht wahr ? 78 M. zurück.
Besten Dank !
Guten Tag. Empfehle mich sehr.
Guten Abend. Halte mich bestens empfohlen.

V.

Bier- und Weinhäuser . Wiener Cafés.


Restaurants . Zeitvertreib .
Bier auf Wein,
Das laß sein !
Wein auf Bier,
Das rat ich Dir /
Wie der Franzose sein Café, der Engländer den
Klub , so hat mancher Deutsché sein Stammlokal.
Hier verbringt er nach des Tages Last und Arbeit
mit anderen 2 Stammgästen am 3 Stammtisch einige
Stunden in zwangloser Unterhaltung oder bei einem
Spielchen ; er trinkt dazu seinen Schoppen , u. Z.
[ sprich : und zwar] vormittags seinen Frühschoppen,
gegen Abend den Dämmerschoppen, im späteren
Verlauf einen oder bisweilen auch mehrere Abend
schoppen.
1 Lokal, das er regelmäßig besucht, Stammkneipe ( fam . ).
regelmäßigen Gästen . 8 reservierten Tisch. * ungezwungener,
freier.
24 V. Bier- und Weinhäuser usw.

Das Stammlokal, familiär auch Stammkneipe


genannt, ist in den meisten Fällen ein Bierhaus (ein
Bierlukal, eine Bierwirtschaft, eine Bierkneipe) . Viele
ältere Herren, besonders solche in Weingegenden,
wie Rheinländer, Badener, Pfälzer, Elsaß -Luthringer,
trinken jedoch vorwiegend Wein und sind daher
Stammgäste in diesem oder jenem Weinlokal ( in
dieser oder jener Weinstube, Weinschänke, Wein
wirtschaft, Weinkneipe).
Die meisten Bierschänken överschenken (ver
zapfen ) Faßbier, u. 2. in Bayern und in den großen
Berliner Bierpalästen ( Tucherhaus, Pschorr, Weihen
stephan, Siechen usw.) unmittelbar vom Faß, im
übrigen Deutschland aus Bierpumpen, die durch
Röhrenleitung mit dem im Keller liegenden Fasse
verbunden sind. Manche Biertrinker trinken helles
oder dunkles einheimisches ( am Orte gebrautes) Bier,
andere ziehen „ echtes“ vor. Das „ Echte“ , nämlich
echtes bayrisches Bier (Münchener, Erlanger, Nürn
berger, Würzburger, Kulmbacher usw.) oder echtes
Pilsener, ist durchweg eiwa 20 Prozent teurer, als
das Einheimische ( Hiesige).
Die einen haben ihr Stammseidel (ihr Stamm
glas, ihren Stammkrug, ihren Stammschoppen ). Ein
solcher Schoppen faßt meist 42 Liter oder 0,4 Liter
und ist bisweilen mit einer eingravierten Widmung
( Dedikation) versehen oder mit einem Studenten
verbindungs-Wappen oder Monogramm (einem kunst
voll verschlungenen Namenszug) geziert. Andere
trinken ihr Bier aus einem gewöhnlichen Wirt
schaftsglas oder -krug. Die Halbliteryläser und
-krüge sind meistens mit einem Deckel versehen ,
die kleineren Gläser zu 0,3 Liter ( die Drei-Zehntel)
haben fast nie einen Deckel. In Bayern wird mit
Vorliebe aus sogenannten Maßkrügen , die ein ganzes
Liter fassen , getrunken .
Um ein Glas Bier zu verlangen, sagt der Gast :
„ Kellner, ein Münchener (das heißt: ein Glas Mün
chener Bier) , ein Helles, ein Dunkles, ein Pilsener ,

schenken aus, verabfolgen .


V. Bier- und Weinhäuser usw. 25

ein Hiesiges ( d . h . einheimi - ches Bier) !" worauf der


Kellner das Verlangte bringt, oft mit dem Wunsche
„Zum Wohlsein l“ oder „ Wohl bekomm's !"
Bevor der Deutsche den vollen Schoppen an
trinkt, bevor er die sog. 8 ,, Blume“ trinkt, stößt er
mit seinen Tischnachbarn an, vorausgesetzt, daß
auch sie volle Gläser (Humpen) haben. Während
dieses Anstoßens wünscht man sich gegenseitig ein
,,Pros (i) t Blume !" , „ Prosit Anstich “ oder „zum
Wohl und tut hierauf einen kräftigen (tüchtigen)
Zug aus dem gefüllten, einladenden Glase.
Die „ fremden “ wie die meisten einheimischen
Biere sind untergärig, d. h . die ' Gärung erfolgt bei
einer Temperatur von 5 bis 8 Grad Celsius langsam
am Boden des Gärgefäßes. Jedoch werden auch
obergärige Biere heute noch gebraut ; bei diesen
vollzieht sich der Gärungsprozeß unter höherer Tem
peratur ( 10—20 ° C. ) rascher, u. 2. an der Ober
fläche des Gebräus. Unter den obergärigen Bieren
( Biersorten ) nimmt das Berliner Weißbier (die Ber
liner Weiße, die „ kühle Blonde" ) den ersten Rang
ein. Dieses stark schäumende, kohlensäurereiche
Getränk hat einen äußerst erfrischenden , prickeln
den Geschmack und wird vielfach mit einem ,, Schuß“
( Zusatz von ) Himbeersaft oder einem Kümmel aus
großen weiten Glasbehältern getrunken. Auch das
in Jena und anderen Universitätsstädten so beliebte
Lichtenhainer so genannt, weil es u . a . in Lichten
hain bei Jena gebraut wird – ist obergäriges Bier ;
es wird aus Holzkannen ( Lichtenhainer Kännchen)
getrunken, damit die trübe, wenig einladende Farbe
nicht gesehen werde. Die Gose, ein anderes, in Leip
zig und Halle verbreitetes Weißbier, wird in lang
halsigen, bauchigen Flaschen aufgetragen ( serviert);
es soll zuerst in Goslar gebraut worden sein, daher
der Name Gose . Auch das Kölner Weißbier, das
sog . „ Kölsch Wiel " , ist berühmt. Der Ausländer

6erster Schluck. ? Fermentation, Zerlegung des Zuckers


in Kohlensäure und Alkohol. 8 hergestellt, fabriziert. ' Bier
quantums.
26 V. Bier- und Weinhäuser usw.

wird 10 den genannten obergärigen Weißbiersorten


kaum Geschmack 10abgewinnen ; sogar der Deutsche
zieht untergäriges Bier meistens vor.
Der Wein , den man in den Weinstuben trinkt,
wird z. T. ( sprich: zum Teil] direkt vom Faß ge
zapft, auf Verlangen aber auch in Flaschen vorge
setzt, letzteres besonders bei besseren Marken (Sor
ten ). Rheinwein und Moselwein sind in Westdeutsch
land beliebter als Rotwein ; merkwürdigerweise trinkt
der Rheinländer vorwiegend Mosel (Moselwein ), die
Fremden dagegen meistens Rhein ( Rheinwein ).
Schaumwein oder echt französischer Champa ner ,
die als deutscher bzw. [beziehungsweise ) französischer
Sekt bekannt sind , werden bei festlichen Gelegen
heiten und bisweilen zu (in) 11 vorgerückter Abend
stunde getrunken.
Besonders in der Rheingegend versammelt man
an milden Frühlings- und Sommertagen ( Mai bis
September) gern einige gute Freunde um eine Bowle,
deren Zusammenstellung eine kleine Kunst ist ; ein
leichtes, reines Weinchen (Weißwein) , eine frische
Würze (Waldmeister, Erdbeeren, Pfirsiche, Ananas),
etwas Zucker alles im Eise stehend das sind
die Bestandteile einer guten und 12 bekömmlichen
Bowle. Wie am Biertisch, so 13 erweist man sich auch
bei der Flasche, wie beim Glase Wein oder Bowle
durch Anstoßen und Zutrinken (durch Vor- und
Nach-, bezw. Mitkommen) eine gegenseitige Auf
merksamkeit .
Mit den meisten Wein- und Bierhäusern ist
ein Restaurant verbunden, wo der Gast nach Be
darf ,,etwas essen “ oder „ etwas genießen “ kann .
Wer etwas essen möchte, klingelt oder winkt einen
Kellner herbei und sagt zu ihm : „ Was gibt's zu
essen ?“ oder „ Bitte (um ) die Speisekarte .“ Der
Kellner hört sich am liebsten mit „Herr Oberkellner“
oder gekürzt „ Herr Ober“ anreden, doch begnügt
der Gast sich in der Regel damit, ihn „ Ober “ oder
10 an den ... finden. li später. 12 gut bekommenden ,
keine üblen Folgen nach sich ziehenden. 13 zeigt, bekundet,
V, Bier- und Weinhäuser usw. 27

a uch „ Kellner “ zu nennen, denn der Titel „ Ober


kellner" kommt strenggenommen nur dem ersten
Kellner in großen Gasthäusern zu. Kellnerinnen ,
deren es besonders im Reichslande und in süddeut
schen Restaurants gibt, werden mit „ Fräulein " , von
Stammgästen einfach mit dem Vornamen angeredet .
Wenn der Gast die Speisekarte bekommt, wählt
und bestellt er das eine oder andere warme oder
kalte Gericht m. d. W.: „ Bringen Sie mir ein Beef
steak mit Kartoffeln , 14 ein 14 Wiener 14 Schnitzel, ein
Rumpsteak mit grünem Salat, ein Rebhubn, Gänse
braten, Hasenbraten, Rehbraten, Rührei mit Schin
ken, vier Spiegeleier ( Setzeier, Ochsenaugen ), 16 einen
halben ( einen ganzen ) 16 kalten 16 Aufschnitt , eine
Portion gekochten Schinken, einen Bismarckhering
(ohne Gräten ), ein Butterbrot ( Schnittchen ) mit
Schinken (Wurst, Käse ), einen Schweizerkäse, einen
Holländer [ergänze: Käse ], einen Harzer (Harz
käse ), usw.
Es gibt auch eine große Menge sogenannter
Hotel- Restaurants, d . s . (sprich : das sind ) Bier- und
Weinschenken, die zu einem Gasthof (Hotel) gehören.
Bei größeren Häusern stehen diese meist unter be
sonderer Leitung ( Verwaltung) und haben einen be
sonderen Eingang ( Separateingang) .
Nicht selten ist mit größeren Gasthöfen ( Hotels)
auch ein 16 Café verbunden . Die eigentlichen Cafés
aber - die sog . Wiener Cafés, wie das Café Bauer
in Berlin, Leipzig, Köln am Rhein , Frankfurt am
Main , das Berliner Café in Wiesbaden , das
Café Luitpold in München, der Alster pavillon in
Hamburg - sind für 17 Hotelbetrieb nicht ein
gerichtet. Nach Art der großen Wiener und Pariser
Lokale haben diese Cafés gewaltige Spiegelscheiben ,
die im Sommer oft ausgehoben werden ; auch
zeichnen sie sich aus durch hübsche innere Aus

14 eine gebratene Kalbsschnitte. 15 eine .. Portion


kalten Braten in dünnen Scheiben (oder Schnitten ). 18 In
Süddeutschland und Österreich : Kaffeehaus. 17 Aufnahme
von Logiergästen .
28 V. Bier- und Weinhäuser usw.

stattung, Marmortische, Sofas, Wand- und Decken


malerei. Die meisten Wiener Cafés sind bis tief
(spät) in die Nacht hinein, manche bis früh mor
gens geöffnet. Außer Kaffee ( schwarz oder „ Melange " ,
d . h . ohne oder mit Sahne) gibt es dort auch echte
Biere (besonders Münchener und Pilsener ), englisches
Bier, Schokolade, Tee, Eis, Gebäck und feine Liköre
( Cognac fine champagne, Benediktiner, Chartreuse,
Cherry -Brandy usw.). Der Deutsche besucht solche
Cafés indes nur gelegentlich , in der Regel zu recht
vorgerückter Stunde ; zu seinem Stammlokal macht
er sie in den seltensten Fällen. Da die meisten Cafés
aber eine große Zahl deutscher und mehrere fremd
ländische ( besonders französische und englische) Zei
tungen und illustrierte Blätter 18halten , so bieten sie
denjenigen , die bei einer Tasse Kaffee Zeitungen
lesen möchten, in den Nachmittagsstunden einen
angenehmen Aufenthalt.
Es ist selbstverständlich , daß man die Gast
häuser nicht 19 lediglich zum Zwecke des Kneipens
( Trinkens) besucht, denn dies kann man ebenso be
quem, ja bequemer und billiger, in seiner Wohnung
haben, indem man hier eine Flasche Wein oder
Flaschenbier trinkt oder 30 einem Siphon oder Bier
faB -Automaten nach Belieben 20 zuspricht. Viele
Herren sind eben auf den Gasthausbesuch angewie
sen, weil sie ihre Mahlzeiten außer dem Hause ein
nehmen müssen , so z . B. die Junggesellen oder un
verheirateten Herren. Diese finden sich daher jeden
Mittag zur Table d'hôte ( zum gemeinsamen Mittag
essen ) in ihrem Stammlokale (Restaurant oder Gast
hof) ein ; manche speisen auch abends dort. Andere,
U. z. die große Mehrzahl der Gäste, suchen im Wirts
hause im Kreise guter Freunde und Bekannten eine
gewisse Zerstreuung und Erholung von 21 ihren 21 Be
rufsgeschäften. Beim Glase Bier oder Wein plaudern
sie über diese oder jene Tagesfragen , über Orts
neuigkeiten usw .; sie machen (spielen) auch wohl

16 regelmäßig erhalten. 18 ausschließlich , Qur . 20 sich aus


einem ... einschenkt. *1ihrer regelmäßigen Beschäftigung .
V. Bier- und Weinhă user usw. 29

eine Partie Billard, 32 Skat, 12 Schafkopf, “ Doppel


kopf, oder sie knobeln (würfeln ) mit dem Knobel
becher und drei Würfeln eine Runde Bier aus , u . dergl.
Seltener wird Schach und Domino gespielt.
Dagegen bietet der Kegelabend eine treffliche
und willkommene Erholung für fast jeden Deutschen ,
zumal für solche, die eine sitzende Lebensweise füh
ren ; denn man hat in seinem Kegelklub auf der
Kegelbahn Gelegenheit, seine Muskelkraft und Ge
schicklichkeit gleichzeitig zu betätigen: gehört doch
eine gewisse Kraft und Ubung dazu, die dicken
(großen , schweren ) ( Holz-) Kugeln so zu werfen und
zu drehen, daß möglichst „ alle Neune" auf einen
Wurf fallen . Diese neun Kegel ( Holz) sind * einige
zwanzig Meter weit entfernt am anderen Ende der
Kegelbahn in einem Quadrat aufgestellt ; der König
steht in der Mitte .
In der Regel spielen zwei Parteien - ( Seiten )
gegeneinander, v. z. z. nach bestimmten Kegelvor
schriften. Der Kegeljunge ( Kegelbub ) ruft, wieviel
Holz ( Kegel) gefallen sind, er setzt die gefallenen
Kegel wieder auf und befördert die Kugeln zu den
Spielern ( Schiebern) zurück. Einer von der Kegel
gesellschaft „ schreibt an “ , d. h . er notiert , was von
den einzelnen Schiebern geworfen (getroffen ) wor
den ist. Jede Partei hat ihren Kommandeur, dessen
24 Anordnungen sich alle Mitspieler 25 fügen müssen.
Die Klubmitglieder zahlen meistens einen klei
nen Monatsbeitrag; außerdem hat jeder von der
verlierenden Partei etwa zehn Pfennige in die Kegel
kasse zu zahlen ; auch für Verspätungen , 26 Fehlen
und 37 Pudel in 28 die 28 Vollen werden meist Straf
gelder entrichtet. Diese Beträge dienen dazu , das
Bahngeld an den Wirt für den Abend 29 aufzubringen.
Etwaige Überschüsse fließen in die Kegelkasse und
werden zum Ankauf von Preisen für ein gelegent
liches Preiskegeln verwandt. Bisweilen wird auch
2 ein deutsches Kartenspiel. 233 ungefähr, etwa. * (An-)
Weisungen, Befehlen, Bestimmungen. 36 unterordnen , unter
werfen . 36 Abwesenheit. 37 Fehlwürfe . 38 alle neun Kegel.
zusammenzubringen, zu beschaffen .
80 V. Bier- und Weinhäuser usw.
ein gemeinschaftliches Abendessen - ein ,,Kegel
essen auf der Bahn veranstaltet und aus der
Kegelkasse 30 bestritten .
Während aller geselligen Zusammenkünfte im
Stammlokal wird ein Glas nach dem anderen ge
trunken. Die meisten Herren rauchen dabei , u . z.
Zigarren , seltener Zigaretten , auf der Kegelbahn
wohl auch kurze oder lange Pfeife. Das Pfeife (n )
rauchen ist in allen 31 anständigen Wirtslokalen 32 ver
pont ; zu Hause jedoch rauchen vereinzelte Herren
die lange Pfeife, in der Öffentlichkeit aber nie. Ich
bin ein starker (ein schwacher) Raucher. Meine
Zigarrentasche (von echtem Seehundleder) fülle ich
täglich mit Zigarren ; wenn ich eine Zigarre bis zum
letzten Drittel geraucht habe, stecke ich sie in meine
Zigarrenspitze – eine schöne Meerschaumspitze mit
einem Bernsteinmundstück – und rauche sie zu Ende .
Leichte Zigarren ziehe ich vor ; nur nach dem Essen
rauche ich eine schwere Import- oder ,,echte " ( Ha
vanna-) Zigarre. Mein Freund Fritz ist Nichtraucher
(scherzhaft: „ Jeidenschaftlicher Nichtraucher“ ).
Wer zuviel trinkt und raucht, hat am nächsten
Morgen oft die Folgen zu tragen , diese äußern sich
bei manchem in Gestalt eines Katzenjammers (eines
Katers, Brummschädels, Brummers), der zu jeder
ernsten
1
Arbeit ( Tätigkeit) unfähig macht.
Vor dem Weggehen (Fortgehen, Nachhause
gehen) bezahlt jeder Gast seine Zeche, d . h . für das,
was er gegessen und getrunken hat. Er ruft zu
diesem Zwecke den Kellner mit den Worten : ,,Kell
ner, zahlen !“ oder durch ein Klingelzeichen herbei,
worauf der letztere den fälligen Betrag feststellt und
10 % 33Zuschlag für Bedienung berechnet. Mehr hat
der Gast 34überhaupt nicht zu zahlen . Jeder an
ständig denkende Kellner hält das Trinkgeldnehmen
für 35entwürdigend , da ihm seit 1921 außer freier
38Beköstigung ein 37Mindestverdienst ( ..Grundlohn " )
von monatlich bis zu 20000 Papier -M. vom Wirt
80 bezahlt. 31 feineren. 82 verboten, untersagt. 33Erhöhung.
34alles in allem . 35würdelos , entehrend . 36Kost, Nahrung.
37Mindestgehalt.
VI. Mahlzeltek. Gesellschaften. 31

88verbürgt wird . Nimmt der Kellner aus dem 10 % igen


Bedienungszuschlag mehr, als den ihm gemäß 39Tarif
40zustehenden „ Grundlohn “ ein , so hat der Wirt den
Mehrbetrag unter die verschiedenen Kellner des 41Be
jriebs prozentualiter je nach deren „ Grundlohn “ zu
verteilen .
VI .
Mahlzeiten . Gesellschaften .
Wir essen um zu leben, nicht umgekehrt . Das,
womit wir uns ernähren (wovon wir uns nähren ),
nennen wir unsere Nahrung ; das, was wir essen,
ist unsere Speise; was wir trinken, ist unser Getränk.
Bevor die Speisen auf den Tisch kommen, wer
den sie in der Küche von der Köchin , in Gast
höfen meist vom Koch ( der auch Küchenchef ge
nannt wird ) zubereitet. In einfacheren deutschen
Haushaltungen besorgt die Hausfrau ( auch : die Frau
des Hauses) die Küche selbst ; ein oder mehrere
Küchenmädchen gehen ihr dabei zur Hand . Auch
die Tochter des Hauses lernen kochen ( lernen die
Küche ) , u . z . entweder bei ihrer Mutter, oder in
einem größeren Hotel-Restaurant, wo sie etwa ein
Jahr als Kochlehrling (burschikos : Kochstudent) zu
bringen. Der Küchenbedarf wird z . T. auf dem Markte
eingekauft, z . T. von Lieferanten ins Haus gebracht.
In den guten einfacheren Bürgerfamilien wer
den täglich vier Mahlzeiten (ein )genommen, nämlich
der Morgenkaffee ( etwa um 8 Uhr), das Mittag
essen (gegen 1 Uhr) , der Nachmittagskaffee ( um
4 Uhr) und das Abendessen (meist um 7 Uhr) . In
den Kreisen der „ oberen Zehntausend “ (d . s. die
Reichsten ) findet die Hauptmahlzeit ( das Diner)
vielfach erst um 5 Uhr statt ; dafür wird aber um
die Mittagszeit ein Gabelfrühstück mit einem Glase
Wein oder Bier eingenommen .
Das erste Frühstück , bisweilen auch Frühkaffee
oder Morgenkaffee genannt, ist i . allg. (sprich : im
38garantiert. Lohntabelle. 40gebührenden . 41Etablisse
ments.
1helfen , sind ... behilflich ,
32 VI. Mahlzeiten . Gosellsobaften ,
allgemeinen ) recht einfach. Zu einer oder zwei Tas
sen Kaffee, Kakao oder Tee wird eine Kleinigkeit
gegessen , meistens eine Semmel (ein Brötchen, ein
Rundstück, in Berlin: eine Schrippe) mit Butter
oder Honig. In Westdeutschland ißt zum

Kaffee wohl auch einige Schnitten grobgemahlenes


Roggenbrot, Schwarzbrot oder Pumpernickel ge
nannt. ( Der westfälische Pumpernickel ist berühmt.)
In manchen Familien gibt es zum Morgenkaffee
allerdings auch gekochte (gesottene) . Eier, kalten
Braten, Schinken , Wurst und Käse. Ärmere Leute
essen statt Butter die billigere Margarine ( Kunst
butter), die sich für mein ( oder: für meinen )
8Teil 8 gründlich 3 verabscheue.
Da das erste Frühstück bis zum Mittagessen
kaum ' vorhält , so wird von vielen um zehn Uhr
ein belegtes oder nur obestrichenes Brot (ein But
terbrot) gegessen . Die Schüler und Schülerinnen
nehmen fast alle ein solches zweites Frühstück mit
zur Schule und verzehren ( vertilgen , verspeisen ) es
in einer der Pausen ( Spielpausen ).
Die Hauptmahlzeit ist das Mittagessen, das in
Norddeutschland auch den Namen Mittagbrot führt.
In den Bürgerhåusern ist dieses Mahl nicht allzu
üppig (lukullisch ) ; es umfaßt in der Regel nur eine
nahrhafte Suppe ( Fleischbrühe, Erbsen-, Linsen-,
Bohnen, Kartoffel- Reis-, Grießsuppe) und einen
kräftigen (ordentlichen ) Fleischgang ( Rindfleisch,
Schweinefleisch, Hammelfleisch, Kalbfleisch, gekocht
oder gebraten ), wozu Kartoffeln ( gekochte oder ge
bratene) und Gemüse ( Erbsen , Bohnen , Linsen,
Sauerkraut, Kohl , Blumenkohl, Spinat, Gurken,
bisweilen auch Spargel, grüner Salat) aufgetragen
werden . Sonntags gibt es als Nachtisch (Dessert)
wohl noch eine süße Speise ( Schüssel), Pudding,
Obstkuchen (Kirschen-, Apfel-, Pflaumen- oder
Zwetsch ( g)enkuchen ), oder Konditorgebäck (Wind
ein besonders nahrhaftes,' etwas süßlich schmeckendos
Schwarzbrot die mir persönlich ganz und gar zuwider ist.
hinreicht. 5mit Fleisch, Käse u. dergl. belegtes. ®mit
Butter bestrichenes.
VI. Mahlzeiten . Gesellschaften . 33

beutel, Törtchen usw. ) . Zwei Fleischgerichte (Fleisch


gänge) gehören aber in einfachen Haushaltungen
ebenso zu den Seltenheiten wie Wein und Bier.
Vor dem Essen deckt das Mädchen (Hausmåd
chen) den Tisch im EBzimmer. Es setzt die Teller
auf und legt Löffel, Messer und Gabeln daneben ;
auch der Gewürzständer ( die Plattmenage) mit Essig,
Öl, Pfeffer und Salz darf nicht fehlen . Das Tisch
tuch und die Servietten (Mundtücher) müssen immer
hübsch sauber sein .
Wenn das Essen fertig ist, werden die Familien
angehörigen zu Tisch gerufen, und jeder setzt sich
auf seinen gewohnten Platz. Vor Beginn der Mahl
zeit spricht in vielen Familien eines der Kinder,
unter Um- tånden auch der Vater oder die Mutter,
ein kurzes ? Tischgebet; ebenso nach Beendigung
des Mahles.
Es versteht sich , daß bei Festessen, z. B. bei
einem Hochzeitsmah] oder Jub'läumsfestschmaus,
eine Reihe von Gängen aufgetischt werden, u. Z. zu
nårbst eine schwere Suppe (Krebssuppe, Mockturtle-,
Ochsenschwanzsuppe), sodann Pastetchen , oder Fri
kassee von Geflügel und Zunge, Fisch mit Tunke
( Buttersauce ) und Kartoffeln (es ist meistens Rhein
lachs oder Rheinsalm, Aal blau, Karpfen, Schleie,
Hecht, Steinbutt, Seezunge, seltener auch Bach
forellen ). Hieran schließt sich ein Bratengang (Filet
oder Lendenbraten , Roastbeef) mit Bratkartoffeln
oder Croquettes (Kartoffelbällchen ), oder Schinken
in Burgunder mit Sauerkraut und Kastanien - 8 Brei.
Sodann folgt ein Wildbraten mit Kompott und Salat,
bspw . (beispielsweise] Rehrücken, Hirschbraten, Ha
senbraten, Wildschwein, Renntierbraten, Rebhühner,
Krammetsvogel, oft auch noch Geflügel, wie Kapaun,
Puter (Truthahn ), Gänsebraten, Entenbraten , ge
füllte Tauben, Hähnchen. Den Schluß des Mahles
bilden Eis (Vanilleeis, Fruchteis , Ananasbombe) mit
kleinen Waffeln, oder Pudding (Plumpudding, Scho
kolade (n )pudding usw.), Butter und Käse (Schweizer ,
' Tischsegen, Dankgebet bei Tisch. 8 Pürée.
Kron, Der Kleine Deutsche. 15
34 VI. Mahlzeiten . Gesellschaften .

Holländer, Harzkäse, Gervais, Neufchâteller, Brie)


mit Pumpernickel, Obst (Äpfel,' Birnen ,Weintrauben,
Pflaumen, Mandeln, Apfelsinen, Pfirsiche, Aprikosen
u. dergl.). Zu all diesen kulinarischen Genüssen
wird natürlich Wein getrunken, zum Abschluß wohl
gar eine Flasche Sekt (deutscher Schaumwein ).
Trinksprüche ( Toaste) würzen in der Regel das
Festmahl ; bei allen größeren Essen öffentlichen
Charakters gilt der erste Trinkspruch der Republik
(dem Vaterlande ). Sonst endet der Toast mit einem
dreifachen „ Hoch " ( oder, besonders in Offiziers
kreisen , mit einem dreifachen ,,Hurra " ) auf den Ge
feierten . Natürlich ist auch eine Musikkapelle zur
Stelle, um die Tafelmusik zu machen.
Die Mittagstafel ( Table d'hôte) in den besseren
Hotels ist zwar auch recht vielseitig, beschränkt sich
indes außer Suppe meist auf drei Fleischgänge, Käse
und Nachtisch (Obst ). In allen besseren Gasthöfen
ist Weinzwang, d . h . derjenige, welcher an der Table
d'hôte teilnimmt, muß mindestens eine halbe Flasche
Wein trinken, oder doch bestellen und zahlen ; an
dernfalls erhöht sich der Preis des Gedecks für den
Gast um das sog . Stopfengeld ( 10—20 % vom Preise
des „ trockenen " Gedecks ). Die Stammgäste - es
sind durchweg unverheiratete Beamte oder Geschäfts
leute, sogenannte Junggesellen haben ' Preiser
mäßigung an der Table d'hôte .
Es gehört zum guten Ton , die Tischgenossen
mit der Formel „ (Gesegnete) Mahlzeit“ zu begrüßen,
wenn man sich an die Tafel setzt und auch , wenn
man diese nach beendetem Essen verläßt .
Der Nachmittagskaffee ist ebenso einfach wie
der Morgenkaffee; meist gibt es außer Kaffee nur
Butterbrot ( in Norddeutschland eine Butterstulle ),
Zwieback , oder ein Stück Kaffeekuchen.
In Damenkreisen finden überdies von Zeit zu
Zeit größere Kaffeegesellschaften statt, wobei Torte
und feine Backwaren zum Kaffee gereicht werden .
Derartige 10 Zusammenkünfte von jungen oder älteren

Vorzugspreise, weniger zu zahlen . 10 Gesellschaften


VI. Mahizeiten . Gesellschaften . 35

Damen werden Kaffeevisiten, Damenkaffees oder


Kaffeekränzchen genannt ; jedoch führen sie auch
den wenig schmeichelhaften Namen ,,Kaffeeklatsch “ ,
da böse Zungen behaupten, es werde in diesen Da
mengesellschaften viel Klatsch erzählt (viel ge
klatscht, d. h. über abwesende Bekannte mit Recht
oder Unrecht 11 losgezogen ) .
Abendessen in Norddeutschland auch
Abendbrot) gibt es sehr häufig kalte Küche : Butter
brot mit kaltem Aufschnitt ( Schinken, Wurst, Bra
tèn vom Mittag ), bisweilen auch warme Speisen, wie
Beefsteak , Rumpsteak, und dergl.
Anders steht es um die größeren Abendgesell -
schaften , zu denen von Familien, die ,,ein Haug
machen " (d. h. die Gesellschaften mitmachen und
geben), an Freunde und Bekannte Einladungen 18 er
gehen . Bisweilen lautet die Einladung auf ein ,,ein
faches Abendessen “ , jedoch sind diese „ Abfütte
rungen“ , wie sie burschikos heißen, meistens nichts
weniger als „ einfach “ , sondern stellenweise ebenso
kompliziert wie ein Jubiläums- oder Hochzeits
schmaus .
Die feststehende schriftliche Einladung zu einer
derartigen Abendgesellschaft lautet bspw.:
Professor Dr. Müller und Frau (Müller) beehren sich,
Herrn Direktor Dr. Schulze und Frau Gemahlin zum Abend .
essen auf (für) Mittwoch , den 15. Januar, 7 Uhr, freund .
lichst einzuladen . 13 U. A. w. g.
Falls Herr und Frau Schulze die Einladung an
nehmen , senden sie umgehend etwa folgende Antwort :
Direktor Dr. Schulze und Frau ( Schulze) nehmen die
liebenswürdige Einladung auf nächsten Mittwoch mit ver .
bindlichstem Danke an.
Sollten Herr und Frau Schulze der Einladung
nicht nachkommen können (oder wollen), so werden
sie etwa folgendermaßen schriftlich antworten :
Direktor Dr. Schulze und Frau ( Schulze) danken ver
bindlichst für die liebenswürdige Einladung auf künftigen

11 kritisiert, üble Nachrede geführt. 12 geschicktwerden .


18 Abkürzung für : Um Antwort wird gebeten ,
36 VI. Mahlzeiton . Gesellschaften .
Mittwoch abend, bodauorn indes aufrichtig ( lebhaft ), ihr
wegen einer bereits 14 früher 14 eingegangenen 14 Verpflichtung
auf denselben Abend nicht 15 Folge 15 leisten zu können .
Eine Schluß- und Grußformel ist bei diesem
Schriftwechsel nicht üblich .
Wer eine Einladung zu einer größeren Abend
gesellschaft annimmt, erscheint am besten in Frack
und weißer Binde (Halsbinde), wozu natürlich weiße
Glacéhandschuhe gehören . Oft ist jedoch auf der
Einladungskarte Überrock ( oder Gehrock, zweireihig
und mit langen Schößen) 18eigens erbeten ; hierzu
trägt man dann schwarzes oder dunkelfarbiges Bein
kleid, farbige Halsbinde und helle, aber nicht ganz
weiße Glacéhandschuhe. In Zweifelsfällen erkundigt
man sich am besten vorher 17Zunter 17 der 17 Hand
über den Anzug. In der Regel findet man sich mit
militärischer Pünktlichkeit ein, keinesfalls aber später
als eine Viertelstunde nach dem angesetzten Zeit
punkte.
Wenn alle 18maßgebenden Geladenen zur Stelle
sind und jeder Herr aus einer Platzordnung ersehen
oder vom Hausherrn erfahren hat, welche Dame er
zu Tisch zu führen bestimmt ist, begibt sich die
Gesellschaft der Hausherr mit der vornehmsten
oder würdigsten Dame an der Spitze -- ins Speise
zimmer. Hier sind die Plätze durch Tischkarten
mit geschriebenen Namen bezeichnet. Jeder Herr
bietet seiner ( Tisch- ) Dame den rechten Arm ; auch
bei Tisch sitzt die Dame rechts von ihrem ( Tisch-)
Herrn . So angenehm es ist, eine gewandte, gesprä
chige Tischnachbarin zu haben, so langweilig ist es
anderseits, wenn die Dame nur mit „ ja “ oder„ nein "
zu antworten weiß . Trinksprüche sind bei solchen
Veranstaltungen meist nicht üblich.
Nach beendetem Mahle hebt die Hausfrau diz
Tafel auf : alles verläßt den Speisesaal , und jeder
Herr führt seine Nachbarin in den Salon zurück ,

14 vorher angenommenen Einladung oder getroffenen


Verabredung. 15 nachkommen , entsprechen . 18 ausdrücklich ,
besonders. 17 diskret, vertraulich . 18 wichtigeren .
VII. Bei Tisch. 37
reicht oder küßt ihr die Hand und wünscht ihr,
wie nacheinander allen übrigen Tischgenossen , „ Ge
segnete Mahlzeit“ . Im Salon werden alsbald Kaffee,
Likure und Bier oder Bowle ( Erdbeerbowle, Pfirsich-,
Ananasbowle ) gereicht. Im Herrenzimmer werden
außerdem Zigarren ( Havannas) und Zigaretten ange
boten. Bisweilen wird auch 19 flott getanzt bis spät
in die Nacht hinein. Eine Tasse Kaffee bildet 20 viel
fach den Schluß , und alle verabschieden sich um
dieselbe Zeit.
Beim Weggehen drücken die geladenen Herren
in der Regel einem der Dienstboten ein Trinkgeld
von einer bis drei Mark 21 unauffällig in die Hand.
Im Laufe der folgenden Woche macht man bis
weilen den Gastgeberneinen ,, Quittungs-“ oder „ Ver
dauungsbesuch“ und erkundigt sich bei dieser Ge
legenheit, ob 22 der , schöne 22 Abend“ 22 gut 22 be
kommen 22 sei. Trifft man niemanden an, so gibt
man zwei Besuchskarten ab .

VII .
Bei Tisch ,
Gastgeber, Wirt (Wirtin ). Gast.

1. Der Wirt (die Wirtin) 1. Der Gast 1trifft 1seine


fragt den Gast, was er 1 Wahl.
haben möchte.
Was ziehen Sie vor, Tee , Kaf. Tee, wenn ich bitten darf . Eine
fee oder Schokolade ? Tasse Schokolade, bitte.
Nehmen Sie Zucker und Sah. Ja, bitte . Nur ein Stück
ne ( Rahm ) zum Tee ? Zucker, keine Milch ( Sahne).
Es gibt rohen (gekochten) Bitte (um ) eine Scheibe Roast
Schinken und kaltes Roast. beef, aber nur eine ! Ich
beef; was darf ich Ihnen habe keinen besonderen Ap
geben (reichen) ? petit.

82
18fleißig, eifrig. Soft, häufig, manchmal. 91diskret.
man sich am andern Morgen auch frisch gefühlt habe.
Iwählt, sagt, was er haben möchte .
38 VII. Bei Tisch .

Wirt ( Wirtin). Gast.

Essen Sie das Roastbeef gerne Das kommt mir nicht darauf
durchgebraten oder englisch an. Das ist mir gleich
(halb gebraten) ? ( einerlei ).
Englisch, bitte .
Gut durchgebraten , wenn ich
bitten darf.
Was für Wein möchten Sie Weiß ( weißen, Weißwein), bit
trinken, roten oder weißen ? te . Mosel ( Rhein), wenn
ich wählen darf. Ein Glas
Rotwein würde ich vor .
ziehen .

2. Die Wirtin bittet, atüchtig zuzulangen und bietet


andere Gerichte an.
a. Der Gast nimmt an :

Essen Sie noch ein Scheib- Ich bin so frei, gnädige Frau
chen Gänseleberpastete,Herr ( Frau Professor ), bitte noch
Doktor ? Sie wird Ihnen ein ganz kleines Stück. Ich
sicher nicht schaden. 8schwärme nämlich für die
echte Straßburger Gänse
leberpastete.
Darf ich Ihnen noch etwas Sehr liebenswürdig, aber bitte
Braten anbieten (auflegen ), nur ein ganz klein wenig .
Herr Braun ?
Noch eine Tasse Tee, Fräulein Eigentlich nicht mehr, doch
Liebe ? diesmal ausnahmsweise,
Womit kann ich jetzt aufwar. Das wäre ein Fall. Bitte,
ten ! Wollen Sie nicht den geben Sie mir eine Kleinig
Heringssalat probieren (kos- keit davon, der Wissen
ten ) ? schaft halber (d. h. um
zu sehen, wie er schmeckt ).
Bitte, langen (greifen )Sie zu, Seien Sie versichert, gnädige
Herr Koch . Tun Sie, als Frau, ich bin nicht blöde.
ob Sie zu Hause wären ! Wenn man seit Jahren
Genötigt wird bei uns nicht. unter fremden Leuten lebt,
verlernt man die Blödigkeit
( Schüchternheit).
* kräftig zuzugreifen , zu nehmen. 8 habe ein Faible
( Schwäche). Seine Idee, ein Gedanke.
VII. Bei Tisch . 39
Wirt (Wirtin ). Gast.
b. Der Gast dankt (lehnt ab ) :
Wie ! Sie wollen schon auf. Das gerade nicht, gnädige
hören ? Sie haben ja fast Frau; im Gegenteil, ich
nichts gegessen (genossen )! habe mich 5 wacker 6ge.
Leben Sie denn von Luft halten ; ich habe für vier
und Liebe ? Mann gegessen .
Schönen Dank.
Nehmen Sie doch noch etwas Gewiß , es hat mir ausge .
Hasenbraten ; hier habe ich zeichnet gemundet (ge-.
ein schönes Rückenstück . schmeckt), aber ich bin
Oder schmeckt es Ihnen vollkommen gesättigt und
nicht bei uns ! könnte beim besten Willen
nicht mehr essen .
Kosten (schmecken ) Sie doch Ich habe Ihrer vorzüglichen
wenigstens das Dessert! Küche alle Ehre angetan
und muß nun wirklich
danken.
Na, Sie sind wirklich ein Ich gestehe, ich habe heute
schwacher Esser ! Sie kön. keinen rechten Appetit; ich
nen doch unmöglich satt habe zu stark gefrühstückt.
sein ! Im allgemeinen bin ich so
gar ein starker Esser.
Aber etwas Ananasbombe, Bedaure sehr, die hat der
nicht wahr ? Sie sieht so Arzt mir verboten . Eis und
schön aus ! eiskalte Sachen 6 bekommen
@mir 6 nicht, drum muß ich
sie leider stets vorbeigehen
lassen ,

3. Redewendungen unter Tischnachbarn ,


a. Der Sprechende Ivermisst etwas :
Darf ich Sie um etwas Brot Sehr gern ! Mit Vergnügen !
bitten ( bemühen ) ?
Würden Sie die Liebenswür- Oh, Verzeihung! Ich hatte
digkeit haben, den Salat ganz 8 übersehen, die Schüs
weitergehen zu lassen ? sel weiterzugeben, da ich
selbst keinen Salat esse.

tüchtig gegessen. Bschaden meiner Gesundheit , sind


mir nicht zuträglich ( bekömmlich). Pentbehrt , sucht. Sver
gessen , versäumt.
40 VIII. Wohnung. Fremdenheim . Gasthof.

b. Der Sprechende sucht seinen Nachbarn gefällig zu sein :


Suchen Sie etwas, gnädiges Ja , ich vermisse Milch und
Fräulein ? Zucker.
Was kann ich Ihnen reichen ? Würden Sie 80 freundlich
Womit kann ich dienen ? sein, mir die Wasserflasche
herüberzureichen.
Vielleicht etwas Salz gefällig ? Äußerst liebenswürdig . Ich
bitte darum .
Nehmen Sie Senf ( Mostrich) ? Danke verbindlichst, ich neb
me nie Senf.
Darf ich Ihnen etwas Sauce Sehr verbunden ! Sie sind
(Tunke) reichen ? sehr freundlich !
Das Gewünschte wird m . d . W. Bitte schön ,
oder Darf ich bitten ? überreicht und m. d . W. Besten
Dank, oder Vielen Dank, oder Danke bestens (sehr,
verbindlichst) entgegengenommen .

VIII .
Wohnung. Fremdenheim . Gasthof.

Ich wohne in meinem Elternhause, einem statt


lichen Gebäude aus ' Quaderstein . Unser Haus steht
in der Rheinstraße Nr. 47. Die Fassade (Vorder
seite ) ist mit architektonischen Verzierungen reich ge
schmückt; jedes Stockwerk hat einen großen Balkon.
Das mit Schiefer gedeckte Dach ist spitz, nicht flach.
Oben auf dem Dache sind mehrere Schornsteine, die
den Rauch ableiten ; auf dem ? Dachfirst erhebt sich
eine Wetterfahne, die die Windrichtung anzeigt. Zum
Schutz gegen den Blitz haben wir zwei Blitzableiter
auf den beiden Enden des Dachfirstes anbringen
lassen ; diese Metallstangen (sie sind von dem Ame
rikaner Benjamin Franklin vor mehr als 100 Jahren
erfunden worden ) leiten den einschlagenden Blitz
strahl am Hause herab in den Erdboden , wo der
Blitz keinen Schaden mehr für uns 3 anrichten kann.
Eine Dachrinne läuft rings um das Dach herum ,

a massivem behauenem Stein , Haustein . 2 höchsten


Kante des Daches. & verursachen .
VIII. Wohnung. Fremdenheim . Gasthof. 41

und Dachröhren führen das Regen- und Schnee


wasser an den Mauern entlang zur Erde.
Wie die meisten Häuser, so hat auch das unsrige
mehrere, und zwar zwei Stockwerke (Etagen ) über
dem Erdgeschoß (Parterre ); es sind dies der erste
und der zweite Stock . ( In manchen Teilen Deutsch
lands wird das Erdgeschoß auch als erster Stock be
zeichnet.) Über der obersten Etage, unmittelbar
unter dem Dache, befindet sich ein großer Boden
raum (ein Speicher) mit mehreren Dachstuben (Man
sarden ), auch Mägdekammern genannt, weil die
Dienstboten dort zu schlafen pflegen.
Unter dem Erdgeschoß haben wir einen sehr ge
räumigen und luftigen Keller, der in mehrere ge
trennte Abteilungen zerfällt, u. z. ist da der Kohlen
keller (zur Aufbewahrung von Brennmaterial, Holz,
Kohlen), ferner der Kartoffel- und Gemüsekeller ( für
Kartoffeln usw.), endlich der Weinkeller ( hier ist
unser Weinvorrat binter Schloß und Riegel ; die
gefüllten Flaschen sind gemäß Vaters Angaben nach
Sorten und Jahrgängen im Weinschrank niedergelegt ).
In einem gesonderten Teile des Kellergewölbes be
findet sich die Waschküche mit einem Herd und einem
großen kupfernen Kessel ; alle drei Wochen wird
tort unsere schmutzige Wäsche von den Wäscherin
nen (Waschfrauen ) gewaschen.
Treppen mit mehreren Stufen (Tritten) führen
vom Erdgeschoß binab in den Keller und hinauf
zu den verschiedenen Etagen . Damit niemand falle,
sind an den Seiten starke Geländer angebracht.
Unsere Haustür ist stets 5 verschlossen ; wer in
das Haus will, muß klingeln (eine elektrische Klingel
befindet sich am rechten Türpfosten ), worauf das
Hausmädchen aufmacht. Nur Vater , Mutter und
ich haben einen ? Drücker und Hausschlüssel und
können hinein, ohne zu klingeln (schellen ).
Wenn man durch die Haustür eintritt, gelangt
man in einen 8 Flur (Gang). Links und rechts von
" Mädchenkammern . bzugeschlossen, d. h. mit dem
Schlüssel geschlossen . Saufscbließt, öffnet. ? Korridorschlüssel.
8Vorraum , auf niederdeutschem Gebiet auch „ Diele “ genannt.
42 VIII. Wohnung. Fremdenheim . Gasthof,
diesem Hausflur führen Türen zu den verschiedenen
Wohnräumen. Unsere Wohnung besteht aus unge
fähr einem Dutzend Zimmern (Räumen ); es sind
u. a . das Empfangszimmer (die gute Stube , der
Salon), das EBzimmer, das Wohnzimmer, Vaters
Arbeitszimmer ( Studierzimmer), Mutters Zimmer. Im
ersten Stock befinden sich mehrere Schlafzimmer,
ein Badezimmer, ein Gastzimmer ( Fremdenzimmer ).
Die Kinderschlafzimmer, das Kinderspielzimmer und
ein paar leerstehende Räume sind im 2. Stock,
Küche und Speisekammer im Erdgeschoß . In jedem
Stockwerk befindet sich ein Abort (eine Retirade,
ein Klosett, ein W. C.) , im Erdgeschoß ( nach dem
Garten hin) auch eine Veranda, wo wir im Sommer
an warmen Tagen sitzen und oft auch speisen. Alle
Zimmer sind tapeziert, alle haben elektrisches Licht
und eine elektrische Klingel.
Die Räume unseres Hauses haben große Fenster
( im Winter sogar Doppelfenster) mit weißen Vor
hängen (Gardinen ) und hölzernen Rolläden . An den
Schlafzimmerfenstern sind außerdem Rollvorhänge
( Rouleaux ) angebracht.
Das Mobiliar ist recht elegant. Unser Emp
fangszimmer z. B. enthält ein Mahagonisofa sowie
eine Garnitur dazu passender Polsterstühle und
( Lehn-)Sessel (Fauteuils), die mit Seidendamast be
zogen sind. Der Tisch und die verschiedenen klei
nen Tischchen sind auch aus Mahagoni. Ein großer,
echt türkischer Teppich bedeckt den Parkeliboden.
An den Wänden hängt eine Anzahl Ölgemälde (in
breiten Goldrahmen) von alten, berühmten Meistern
(Malern , Künstlern). Auch ein prächtiger, sehr
teuerer Flügel (ein echter 10 Blüthner) steht in un
serem Salon. Das 11 Kaminsims ist mit allerhand
Photographien und Nippsachen besetzt. Ein fünf
armiger Kronleuchter mit elektrischen Lampen ( Bir
nen ) hängt von der Decke des Salons herab . Die
Möbel unseres EBzimmers sind aus Eichenholz. Das
großes Tafelklavier. 10berühmter Pianofabrikant in
Leipzig. 11Marmorplatte über den Kamin .
VIII. Wohnung. Fremdenheim , Gasthof, 43
Klavier (Pianino), auf dem wir 12 üben und Klavier
unterricht haben , steht im 13 Speisezimmer .
Mein Schlafzimmer ist einfach ; es enthält ein
hölzernes Bett, einen Tisch , einen Kleiderschrank,
einen Waschtisch mit Marmorplatte, Waschschüssel,
Wasserflasche, -glas und Seifennapf, einen Spiegel
und zwei Rohrstühle. Mein Bett ist vorzüglich ; ich
schlafe auf einer Sprungfedermatratze (arme Leute
müssen 14 auf einem Strohsack 14vorliebnehmen ).
Über dieser liegt eine Roßhaarmatratze; dann folgen
die Leintücher ( Bettücher), zwei Kopfkissen, eine
wollene Decke und eine 15 Steppdecke. Auf meinen
Füßen ruht nachts außerdem ein größeres Feder
kissen . Vor dem Bett liegt ein kleiner Teppich . „ Wie
man sich bettet, so schläft man “ (Sprichwort).
Im Winter sind unsere sämtlichen Wohnräume
geheizt. Früher heizten wir Öfen ( eiserne Öfen,
Dauerbrenner , Kachelöfen ); im vergangenen Jahre
aber haben wir Zentralheizung (Niederdruck -Dampf
heizung, Warmwasserheizung) einrichten lassen ,
daß jetzt alle Zimmer vom Kellergeschoß aus ge
heizt werden, indem die in einem großen Heizungs
kessel erzeugte Wärme durch Röhren und 16 Heiz
körper in die verschiedenen Räume geleitet wird .
Unser Haus hat überdies einen großen Garten
mit herrlichen Blumenbeeten, Obstbäumen, einem
Springbrunnen , in dem Goldfische schwimmen usw.
Die Wege und Baumgänge ( Alleen ) haben eino
Decke von 17 Silberkies.
Die Wohnungen der Menschen sind sehr ver
schieden. Viele Adlige bewohnen ihr Schloß (oft
ihr Ahnenschloß ), die Reichen haben ihr eigenes
Haus oder ihre Villa, die Armen 18 hausen in ärm
lichen Hütten . Nur vermögende Leute können sich's
18 gestatten, ein ganzes Haus für sich allein zu be
wohnen ; die weniger wohlhabenden wohnen zur (in)

18spielen lernen. 18 EBzimmer, bei größeren Verhält.


nissen Speisesaal. 16mit ... zufrieden sein. 18 wattierte
Bettdecke. 16 Radiatoren . 17 kleinen weißen Kieselsteinen .
18leben. 18erlauben , leisten.
44 VIII. Wohnung. Fremdenheim , Gasthof,
Miete in einem fremden Hause . Die Miete wird
meist quartalsweise (jedes Vierteljahr) vom Mieter
an den Eigentümer (Vermieter) bezahlt. Bevor der
Mieter auszieht, muß er 20die 20 Wohnung 20 recht
zeitig. (in der Regel ein Vierteljahr zuvor) 20auf
kündigen, oder aber noch ein Quartal ( 3 Monate)
Miete zahlen .
Häufig vermieten die Mieter ein oder zwei möb
lierte Zimmer an sog. Aftermieter oder Untrrmieter,
die in der Regel unverheiratet ( Junggesellen ) sind ;
indes mieten auch unverheiratete Damen vielfach
möblierte Zimmer. Der Mietpreis für möblierte Zim
mer wird monatlich 21 vereinbart und bezahlt, auch
ein bestimmter Betrag für Bedienung ( für Reinigen
der Zimmer, Bettmachen u . a . ) wird in den Monats
preis eingerechnet. Studenten und andere junge
Leute begnügen sich oft mit einem Zimmer, das sie
burschikos ihre Bude" nennen .
Viele ältere Junggesellen und ledige (unverhei
ratete ) Damen haben indes ihre eigenen Möbel und
lassen sich die Zimmer von einer Aufwartefrau in
Ordnung balten ; diese Einrichtung ist nicht nur an
genehmer, sondern auf die Dauer auch billiger als
das Wohnen in Räumen, die vom Vermieter aus
möbliert sind.
Diejenigen, welche auf einige Zeit nach Deutsch
land gehen , um sich dort die Kenntnis der deutschen
Sprache, Sitten und Gebräuche anzueignen , mieten
sich am 22 zweckmäßigsten in einer Familie oder in
einem Fremdenheim (in einer ,,Pension " ) ein . Hier
bietet sich reichliche Gelegenheit, Deutsch zu hören
und zu sprechen, sowohl bei Tisch als 23 tagsüber .
Wer kein derartiges gutes Haus kennt, wird zahl
reiche 24 Angebote erhalten , wenn er ein entsprechen
des Gesuch in eine Tageszeitung 25 einrücken läßt.
Ein solches Gesuch kann ungefähr folgendermaßen

30 bei Zeiten dem Hausvermieter melden, daß er die


Wohnung räumen (verlassen ) will. * l verabredet, festgesetzt.
22 besten . 28 im Verlauf ( während) des Tages. 24 Anerbieten,
Offerten. 28 aufnehmen , abdrucken.
IX. Familie. 45
lauten : „ Junger Ausländer sucht Familienheim mit
guter Gelegenheit zum Deutschsprechen . Angebote
unter A. B. 1. an die Geschäftsstelle 28 d . 26 Bl.“
Der Suchende findet eine Menge guter Häuser dieser
Art zum Pensionspreise von 6 bis 8 Mark täglich.
Die Rechnung wird wochenweise 27 berichtigt; auch
ist eine Woche vor dem etwaigen 28 Weggange zu
kündigen . Das Dienstpersonal erwartet ein Trink
geld von etwa 1 bis 2 Mark wöchentlich . .
Vergnügungsreisende und Geschäftsleute, die sich
meistens nicht lange an demselben Orte aufhalten ,
gehen am besten in einen Gasthof (ein Hotel). Die
Zimmerpreise schwanken hier je nach der Lage und
dem Stockwerk. Man findet schon Zimmer zu
2,50 M. täglich ; für Morgenkaffee und Gebäck kommt
mindestens 1 M. hinzu. Der Oberkellner, Pförtner
(Portier), Hausknecht sowie das Zimmermädchen er
warten bei der Abreise des Fremden das übliche
Trinkgeld . In den Kleinstädten werden die Reisen
den im Hotelwagen vom Bahnhof abgeholt und bei
der Abreise wieder zum Zuge gefahren.

IX.
Familie.
Alle Menschen sind Brüder und bilden eine
große Familie, die über die ganze weite Welt zer
streut ist. Diese Familie zählt 1gegenwärtig ungefähr
1700 Millionen menschliche Wesen . Mehr als die
Hälfte dieser Riesenzahl lebt in Asien, beinahe 14
(ein Viertel ) davon in Europa, über 18 (ein Achtel)
in Afrika, ungefähr 1/11 (ein Elftel) in Amerika, wäh
rend Australien mit seinen sechs Millionen etwa
1/250 ( ein Zweihundertundfünfzigstel) der Gesamt
bevölkerung des Erdballs ( Erdenrunds) umfaßt.
Europa ist am dichtesten bevölkert, und innerhalb
Europas hat Belgien die größte Bevölkerungsdichte.
28 Lies : dieses Blattes. 27 bezahlt. 28 Abzuge, Ausziehen .
1 jetzt.
46 IX . Familie.

Das ganze Menschengeschlecht setzt sich aus


mehreren Rassen zusammen . Abgesehen avon der
verschiedenen Sprache unterscheiden die Rassen
sich hauptsächlich durch die Hautfarbe, welche
hell, ledergelb, kupferfarben , braun oder schwarz
ist. Auch Art und Farbe des Kopfhaares sind be
zeichnend für den Rassetypus: weiches, 8straffes,
Aschlichtes, krauses, gelocktes , filziges, üppiges, dün
nes Haar, dessen Farbe blond, rot ( fuchsig ), kasta
nienbraun , schwarz bis pechschwarz (rabenschwarz)
sein kann, ist in vielen Fällen ein 5 Kennzeichen für
die eine oder andere Rassenangehörigkeit.
{
Die Menschen leben beisammen in Flecken ,
Dörfern und Städten . Mehrere benachbarte Städte
und Ortschaften von gleicher Eigenart und gemein
samen Interessen werden vereinigt zu Kreisen, diese
zu Regierungsbezirken , Provinzen und Staaten (Natio
nen ). Die eine Nation ist eine Monarchie, die andere
bildet einen Freistaat (eine Republik). England
und Spanien bspw . sind Monarchien. Ander
Spitze jeder Monarchie steht ein Monarch ; es kann
dies ein Kaiser, eine Kaiserin, ein König oder
eine Königin, ein Großherzog, ein Herzog, ein Fürst
sein. Deutschland, Frankreich, die Schweiz und die
Vereinigten Staaten von Nordamerika hingegen
sind Republiken , die von einem auf bestimmte
Zeit gewählten Präsidenten regiert werden. Die
Einheit der menschlichen Gesellschaft jedoch ist die
Familie .
Unsere Familie ist ziemlich stark (zahlreich) ;
es sind unser im ganzen neun, nämlich Vater ( Papa),
Mutter (Mama), vier Söhne (Knaben, Jungen, Buben)
und drei Töchter (Mädchen). Zu meiner Freude
leben meine beiden Eltern noch. Mein Vater ist
der Mann (Ehemann, Gatte, Gemahl ) meiner lieben
Mutter, und letztere ist die Frau (Ehefrau, Gattin,
Gemahlin ) meines Vaters. Sie haben einander vor
einigen (etwa) dreißig Jahren geheiratet. Vor un
gefähr sieben Jahren haben wir ihre silberne ( 25
Sphno Rücksicht auf die. Shartes. « glattes. $ Merkmal.
IX. Familie . 47

jährige) Hochzeit gefeiert, und ich hoffe, sie werden


auch ihre goldene Hochzeit (nach 50-jähriger Ehe)
und die diamantene ( nach 60 Ehejahren ) erleben .
Mein Vorname ( Taufname) ist Ulrich , aber ich
werde zu Hause gewöhnlich' Uli genannt. Mein
Familienname (Zuname) ist Weber. Ich bin das
älteste von uns Kindern, aber der kleinste von uns
Brüdern . Mein jüngster Bruder, Martin, ist einen
ganzen Kopf größer als ich. Mein zweiter Bruder,
Fritz, ist in einer Großhandlung in der Lehre, der
dritte, Ernst, geht noch zur (in die) Schule, ebenso
meine beiden jüngsten Schwestern Henny (Henriette,
Jettchen ) und Susi (Susanne ).
Meine älteste Schwester Lieschen ( Elise, Elisa
beth ), die zwei Jahre nach mir kam (folgte), macht
sich im Haushalt nützlich , wird uns aber bald ver
lassen . Vor einem Vierteljahre verlobte sie sich mit
einem netten , angesehenen jungen Herrn , der seit
dem ihr Bräutigam ist ; er heißt Karl Becker. Im
nächsten Monat werden sie heiraten , und dann wird
meine Lieblingsschwester Lieschen Frau Becker
heißen . Das Brautpaar hat sich selbstverständlich
sehr lieb und kann die Zeit der Verheiratung kaum
abwarten . Die beiden passen vorzüglich zueinander .
Der Bräutigam kommt fast jeden Abend zu uns, um
mit meinen Eltern und mit seiner Braut die Vor
kehrungen für die Hochzeit zu beraten .
Außer uns Familienangehörigen rechnen ( zah
len) mehrere Dienstboten zu unserem Haushalt, u. z .:
das Küchenmädchen Trina (Katharina, Käthchen ) ,
das Haus- oder Zimmermädchen Minna (Wilhelmine ),
der Kutscher Johann, der Gärtner Friedrich . Bis
vor einigen Jahren hatten wir auch ein Kindermäd
chen Anna , das mein jüngstes Schwesterchen Suschen
zu ? warten hatte und es bei schönem Wetter im
Kinderwagen spazieren fuhr.
Außerdem halten wir ein Paar ſeurige (r) Pferde
( Füchse , Rappen , Schimmel ) , einen echt englischen
Mops mit kurzer dicker Schnauze, einen Jagd .

9Vorbereitungen. ? pflegen, besorgen, Maul,


48 IX. Familie .

hund, eine Katze, einen Kanariendogel (ein Hähn


chen , das entzückend 10 schlägt) und einen Papagei,
der verschiedene Worte plappern (sprechen) kann
und allerhand Töne nachahmt.
Unser 11 Familienstammbaum reicht bis in die
Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurück . In unserem
Speisezimmer hängen die Bilder mehrerer meiner
Ahnen ; diese alten Leutchen sehen in ihrer altfrän
kischen ( altmodischen) Tracht ( Kleidung) sehr son
derbar ( drollig, putzig) aus, aber sie sollen sich , wie
ich mir erzählen ließ , alle in ihrer Weise 12 hervor
getan haben. Mein Urgroßvater bspw. war ein be
rühmter General und kämpfte unter Blücher gegen
Napoleon I. mit . Meine Großeltern ( zwei Großvater
und zwei Großmütter) sind seit mehr als zehn Jahren
tot. Ein Großoheim von mir lebt noch ; er ist über
neunzig Jahre alt, aber noch so 13 kerngesund, daß
er möglicherweise so alt wird wie Methusalem.
Außerdem habe ich eine stattliche Reihe (An
zahl) von nahen und entfernten Verwandten, näm
lich zwei Oheime ( Ohme , 14Onkel), vier 14 Tanten
und etwa ein Dutzend Vettern und Basen ( Cousins
und Cousinen ) . Eine meiner Tanten es ist Tante
Emma hat ihren Mann verloren und ist daher
Witwe. Ihre Kinder sind meine Vettern und Basen
und gleichzeitig die Neffen und Nichten meiner
Eltern . Kinder, die beide Eltern verloren haben ,
sind Waisen ; sie haben bis zu ihrer Großjährigkeit
(bis zum 21. Lebensjahre ) einen 15 Vormund . Ein
Onkel von mir, Ohm Heinrich, war seit Jahren
16 Witwer, hat sich aber vor kurzem wieder verheiratet.
Seine zweite Frau ist sehr gut gegen ihre 17 Stief
kinder und behandelt diese nicht wie eine 18 Stief
mutter, sondern als wäre sie ihre rechte (erste, wirk

männlichen Vogel. 10 singt. 11 Ahnenreihe, Genealogie.


12 ausgezeichnet. 13 vollkommen gesund. 14 Kinder pflegen
auch der Familie befreundete Herren und Damen mit „ On .
kel “ oder ,, Tante " anzureden. 15 Vertreter ihrer Interessen .
16 Mann, dessen Frau gestorben ist. 17 hier : Kinder von der
ersten Frau ihres Mannes. 18 zweite Mutter.
IX . Familie . 49
liche, leibliche) Mutter. Viele Stiefmütter sind leider
oft hart gegen ihre Stiefkinder. Meine Tante Grete
ist unverheiratet (ledig) geblieben ; sie ist daher
eine sogenannte alte Jungfer. Onkel August ist
ebenfalls noch ledig und zieht (es) vor, Junggeselle
zu bleiben. Sowohl Tante Grete als Onkel August
ist 19ungemein freundlich und gutherzig ; sie unter
scheiden sich dadurch vorteilhaft von anderen ledig
gebliebenen Leuten, die vielfach launenhaft und
mürrisch sind .
Wenn meine Schwester Lieschen sich verhei
ratet, bekomme ich einen Schwager, nämlich Herrn
Karl Becker , ihren Gatten . Meine Eltern nennen
dann Herrn Becker ihren Schwiegersohn, und dieser
erhält in meinem Vater seinen Schwiegervater, in
meiner Mutter seine Schwiegermutter, in beiden seine
Schwiegereltern. Meine Schwester Lieschen wird
mit ihrer Verheiratung die Schwiegertochter von
Herrn Beckers Eltern .
Ich freue mich sehr auf die Hochzeit meiner
Schwester. Amkünftigen (nächsten) Sonntag soll
das 20angehende Ehepaar zum erstenmal in der Kirche
aufgeboten (verkündigt) werden ; ein zweites und
drittes Aufgebot findet an den beiden folgenden
Sonntagen statt. Im Laufe der 21sich 21daranschlies
senden Woche, wahrscheinlich am Samstag (Sonn
abend), wird die Hochzeit sein. Wir üben schon
jetzt eine Reihe von 22 Vorträgen und Liedern für
die Festlichkeit ein und machen auch eine reich
haltige, launige Hochzeitszeitung (einen Hochzeits
kladderadatsch ), worin die Vorzüge und Schwächen
des jungen Paares in gutmütigem Scherze in Vers
und Prosa (in gebundener und ungebundener Rede)
besungen werden. Die bürgerliche Trauung 23 be
sorgt der Standesbeamte, in kleineren Orten der
Bürgermeister tags zuvor auf dem 24 Standesamte,
und abends findet eine kleine Vorfeier, der sog.
Polterabend, statt. Die kirchliche Trauung 25 voll
19überaus, sehr. 20zukünftige. 21 folgenden. 22 Reden .
28 übernimmt, nimmt ... vor. 24 Bürgermeisteramt. 25 besorgt.
Kron , Der Kleine Deutsche. 15. 4
50 IX. Familie .

zieht unser Pfarrer am Hochzeitstage in unserer


Pfarrkirche . An die kirchliche Trauung schließt
sich das Hochzeitsmahl (der Hochzeitsschmaus) mit
den üblichen Trinksprüchen , Liedern, komischen
Vorträgen und Scherzen. Gegen Abend reist das
neuvermählte Paar ganz im stillen ab und verbringt
die ersten Wochen die Flitterwochen auf der
Hochzeitsreise, die meistens nach Italien oder Skan
dinavien geht. Bei seiner Rückkehr 26 bezieht das
Paar sein neues Heim , das inzwischen von den Eltern
der jungen Frau wohnlich_hergerichtet und mit
Möbeln sowie allen andern Bequemlichkeiten 27aus
gestattet worden ist.
Zum ( Am ) Hochzeitstage trägt die junge Frau
ein weißes Kleid mit langer Schleppe und einen
Myrtenkranz auf dem Haar; auch die Brautjung
fern ( Brautführerinnen ) sind in Festkleidung. Der
Bräutigam und die Brautführer sowie die Mehrzahl
der geladenen Herren erscheinen in schwarzem Frack
anzug und weißer Halsbinde. Die Neuvermählten
tragen ihren glatten Ehering am vierten Finger der
rechten Hand ( der Verlobungsring wird am vierten
Finger der linken Hand getragen ; er ist meist eben
falls glatt oder schlicht, d. h . ohne Edelsteine und
Zieraten ).
Das Hochzeitsfest ist wie schon der Name
besagt – ein Freudenfest für alle Beteiligten ; drum
geht es bei dieser Gelegenheit hoch her, es wird
,,herrlich und in Freuden “ gelebt . Aber auch bei
anderen Gelegenheiten werden Familienfeste ge
feiert . Wird bspw . ein Kind geboren , so findet nach
einigen Wochen die Taufe ( Tauffeier) in engem
Familienkreise statt . Der 28 Pfarrer tauft den neuen
Erdenbürger (den Säugling, den Täufling) entweder
im Elternhause oder in der Kirche. Mehrere Ver
wandte und Freunde stehen Pate und schenken
ihrem Patchen ( Patenkinde) ein wertvolles 29 An
denken , z. B. einen silbernen Becher, oder auch

26 zieht ... ein in. 27 versehen. 28Geistlicher, Pastor,


Prediger, Seelsorger. 29 Angebinde, Präsent.
IX . Familie . 51
wohl zu jedem Geburtstage einen silbernen Löffel,
bis das Dutzend voll ist. Jedes Kind hat mehrere
Paten und Patinnen.
An dem Tage, wo das Kind ein Jahr alt wird,
hat es seinen ersten Geburtstag; nach vollendetem
zweiten Lebensjahre hat es seinen zweiten Geburts
tag usw. Der Geburtstag ist ein alljährlich wieder
kehrender Gedenktag oder Erinnerungstag an den
Tag der Geburt 30 des 30 Betreffenden . Da nämlich
die Geburt eines Menschen in ein bestimmtes Jahr der
Vergangenheit fällt, und da niemand zum zweiten
Male geboren wird , so wäre es sprachlich unrichtig,
wollte man den Tag der Geburt (d . i. Jahr und Tag,
an dem jemand das Licht der Welt erblickt hat)
als den Geburtstag des Betreffenden bezeichnen.
Wann ist dein Geburtstag? Am 26. November
( ohne Jahresangabe ! ) . Aber : Wann bist du geboren ?
Am 26. November 1884 (mit Angabe des Jahres,
Tag der Geburt ! ).
In protestantischen Kreisen feiert man seinen
Geburtstag in mehr oder minder festlicher Weise,
nimmt von Angehörigen und Freunden die üblichen
Glückwünsche und kleinen Geschenke oder Aufmerk
samkeiten dankend 31 entgegen und 32 begeht den
Tag in der Regel im Kreise von lieben Freunden
und Angehörigen durch ein kleines oder größeres
Festmahl ( Frühstück , Mittag- oder Abendessen ).
Die Glückwünsche werden mit den Worten : ,, Besten
( Herzlichen) Glückwunsch zum Geburtstag" dar
gebracht und vom Gefeierten mit einem freund
lichen „ Danke schön (verbindlichst, bestens) " an
genommen . Die meisten Katholiken feiern ihren
Geburtstag nicht, wohl aber begehen sie ihren Na
menstag (den Todestag ihres Schutz- und Namens
heiligen ).
Wenn ein Kind etwa vierzehn Jahre alt ist
und 2 Jahre den sog. Konfirmandenunterricht beim
Pfarrer seiner Gemeinde genossen hat, wird es in
der Kirche vom Geistlichen konfirmiert und nimmt
81 an . 32 feiert .
80der in Frage kommenden Person .
52 IX. Familie.

dann zum erstenmal am heiligen Abendmahle teil.


Ein Festmahl im Familien- und Verwandtenkreise
33 besiegelt diesen ersten Lebensabschnitt des heran
wachsenden Knaben oder Mädchens . In der katho
lischen Kirche wird die Konfirmation als erste hl.
(heilige) Kommunion bezeichnet . Bei den Katho
liken versteht man unter Konfirmation“ die Er
teilung des Sakramentes der Firmung ( Firmelung),
die der Bischof durch Handauflegung, Salbung und
Gebet vornimmt.
Einen nicht eben Anlaß zum
erfreulichen 34 Anlaß
Zusammentreffen mit zahlreichen Verwandten und
Freunden bietet ein Sterbefall ( Todesfall ) in der
Familie . Sobald jemand gestorben ist, wird allen
Angehörigen und Bekannten von dem traurigen
Ereignis Mitteilung gemacht, Näherstehenden münd
lich oder brieflich , Freunden und Fernerstehenden
durch eine gedruckte Todesanzeige , die durch die
Post versandt und auch in der Zeitung veröffent
licht wird. Tag und Stunde der Beerdigung (des
Begräbnisses), der Beisetzung oder Einäscherung
(bei Feuerbestattung) sind am Fuße der Anzeige
angegeben , und diemeisten Freunde 36 versäumen
nicht, dem Verstorbenen persönlich das letzte 36 Ge
leit zum Friedhof zu geben , nachdem sie vorher
schriftlichoder mündlich den 87 Hinterbliebenen
ihre Teilnahme (ihr Beileid ) zum Ausdruck gebracht
und möglicherweise auch einen Kranz oder einen
Palmenwedel auf ( für) den Sarg geschickt haben .
Wenn der 38Würgengel" ein Opfer in einer
Familie 39 gefordert hat, so wird der Leichnam des
(bezw. der) Verblichenen auf eine Bahre und nach
her in den Sarg gelegt, um nach drei Tagen 40be
stattet zu werden . Am Tage der Beerdigung folgen
die hinterbliebenen Angehörigen, die Freunde und
die Geistlichkeit dem Leichenwagen zum Friedhof
( Kirchhof, süddeutsch : Gottesacker). In römisch
88 beschließt. 84 Grund. 86 verfehlen , ermangeln , ver
gessen. 86 Begleitung. 87 leidtragenden Angehörigen. 88Tod,
Sensenmann . 39 verlangt. 40begraben .
IX . Familie. 53

katholischen Gegenden nehmen die Leute, welche


an einem Leichenzuge vorbeikommen , vor der Maje
stät des Todes ehrfurchtsvoll den. Hut ab . Der Sarg
wird in der Familiengruft beigesetzt oder in ein vom
Totengräber gegrabenes Grab gesenkt . Von der
Pfarrkirche, welcher der Verstorbene angehörte,
ertönt während der feierlichen Handlung das Grab
geläute. Der Geistliche hält zunächst im Trauer
hause ( am Sarge) eine Trauerfeier und nachher an
der Gruft eine Grabrede.
Die Angehörigen und nahen Verwandten 41legen
auf ein Jahr Trauer 41an , und zwar gehen sie im
ersten halben Jahre in tiefer Trauer , d . h . ganz in
Schwarz, darauf in Halbtrauer, d . i. (das ist] in Grau.
( Die Trauerfarbe der Chinesen ist bekanntlich weiß . )
Dem Heimgegangenen ( Verstorbenen ) wird über
dies zu dauerndem Andenken ein Grabmal (Denk
mal ) aus Marmor oder einem andern Gestein oder
Material gesetzt. In diesen Gedenkstein wird eine
Grabschrift 42 eingemeißelt, die mit den Worten „ Hier
ruht“ beginnt, sodann Namen , Geburts- und Sterbe
tag des 43 Verewigten und bisweilen noch einen Bibel
spruch enthält. Schling- (Kletter-)pflanzen ( Efeu)
und Blumen werden häufig um den Grabstein ge
pflanzt, auch wohl eine 44 I'rauerweide oder Trauer
esche, die das Grab überschattet.
Manche Leute ziehen vor, sich nach ihrem Tode
45einäschern zu lassen und bestimmen solches dann
eigens ( ausdrücklich) in ihrem Testament ( letzten
Willen ). Verbrennungsöfen ( Krematorien ) finden sich
in allen gesitteten Ländern ; in Deutschland rist das
Krematorium zu Gotha das älteste ; es wurde i. J.
fim Jahre) 1878 erbaut. Auch zahlreiche andere
deutsche Städte haben ihr Krematorium. Die Ver
brennung (Einäscherung) eines Erwachsenen dauert
eine gute Stunde; die weiße Asche wiegt etwa zwei
Kilogramm und wird in einer Urne aufbewahrt .

41 tragen , kleiden sich ... in. " eingraviert. 48 Ver


storbenon. botanische Namen : sálix babylónica bezw.
fráxinus péndula. 45verbrennen .
54 X. Körperpflege, Kleidung und Putz.
Die Urne (der Aschenkrug) wird entweder in der
Familiengruft oder im Kolumbarium (in der Urnen
halle) der Verbrennungsanstalt beigesetzt.
Wu Die meisten Erwachsenen machen, sofern sie
in geordneten Verhältnissen leben und einiges Ver
mögen haben , vor ihrem Tode ihr Testament, in dem
sie bestimmen, welches ihre Erben sein sollen und
was jeder einzelne erben soll. In der Regel sind nur
Angehörige in dem Testament bedacht ; doch wer
den auch häufig Vermächtnisse ( Legate) für gemein
nützige und wohltätige Zwecke gemacht.

X.

Körperpflege, Kleidung und Putz.


Unsere schwarzen Brüder in der heißen Zone
gehen fast ganz nackt. Da sie jedoch das Bedürf
nis haben sich zu schmücken, so tätowieren sie sich,
indem sie die Haut ihres Körpers oder einzelner
Körperteile mit einem spitzigen Gegenstande fritzen,
sodaß allerhand Figuren entstehen, deren 3Narben
dauernd sichtbar sind . Auch bemalen die Wilden
sich mit bunten Farben, die ihnen ein schöneres
Aussehen und gleichzeitig Schutz gegen Insekten
stiche gewähren . Die Bewohner gesitteter Länder
hingegen tragen Kleidung; in kalten Gegenden sind
warme Kleider unentbehrlich.
Bevor ich abends schlafen gehe (zu Bett gehe),
ziehe ich mich (ziehe ich meine Kleider) aus und
lege (ziehe) ein Nachthemd an, worin ich nachtsüber
(während der Nacht) schlafe. Wenn ich am anderen
Morgen aufwache, reibe ich mir unwillkürlich die
Augen, sehe dann auf die Uhr und stehe, falls es
nicht noch zu früh ist, auf, um mich anzuziehen
(um Toilette zu machen).
Zunächst ziehe ich mir die Unterhose (auch
Unterhosen genannt) an, darauf die Strümpfe (kurze
oder lange), sodann die Hose (die Beinkleider) und
1verletzen . sich bilden . ' Spuren (einer Wunde).
X. Körperpflege, Kleidung und Putz. 55

die Pantoffeln (Hausschuhe ). Hierauf lege ich mein


Nachthemd ab , trete an den Waschtisch und wasche
mich gründlich ; lauwarmes Wasser nehme ich 4grund
sätzlich nicht, da es bekanntlich nicht so erfrischend
und gesund ist wie kaltes. Beim Waschen bediene
ich mich eines Schwammes. Ich wasche mich stets
mit geruchloser Seife; die parfümierten Seifen kann
ich wegen ihres aufdringlichen Geruchs nicht aus
stehen. Zum Abtrocknen benütze (nehme) ich ein
rauhes und ein gewöhnliches Handtuch . Viele Leute
haben in der Nähe ihres Schlafzimmers ein Bade
zimmer, wo sie jeden Morgen ein Bad oder mindestens
ein kaltes Brausebad ( eine kalte Douche) nehmen .
Manche haben auch die löbliche Gewohnheit, schon
frühmorgens Zimmerturnen zu treiben .
Wenn ich mit Waschen fertig bin, reinige ich
mir die Zähne mit einer Zahnbürste und mit Zahn
pulver (Zahnpasta ); hierauf gurgele ich und ?spüle
mir den Mund ? aus. ( Um meine gesunden Zähne
gegen Fäulnis zu schützen , reinige ich sie nach jeder
Mahlzeit .) Ich kämme mich sodann mit dem Kamm
und bürste mir das Haar mit der Haarbürste. Von
Zeit zu Zeit wasche ich mir auch die Kopfhaut mit
Haarwasser ; aber nie ' verwende ich Haaröl oder
Haarsalbe, denn ich ' verabscheue jeden künstlichen
Wohlgeruch “ . Da ich einen ziemlich starken Bart
habe, so rasiere ich mich jeden Morgen . Mein Rasier
messer ist ausgezeichnet ( vorzüglich ) . Zum Barbier
oder Friseur ( scherzhaft' oft „ Verschönerungsrat“
genannt) gehe ich nur, um mir das Haar schneiden
zu lassen ; rasieren lasse ich mich in Barbierstuben
höchst ungern , weil sie den Herd für manche Haut
und Haarkrankheiten bilden und ich dort wiederholt
geschnitten worden bin ; überdies ist es mir unan
genehm, wenn die Barbiergehilfen mir mit ihren süß
lich riechenden Fingern im Gesicht 10 herumfahren .
Nachdem ich mich rasiert habe, ziehe ich meine
11 Unterjacke und mein Oberhemd ( Falten-, Taghemd)
* vorsätzlich , absichtlich . "penetranten. € leiden , ertragen .
reinige ... mit Wasser. 8benutze,gebrauche. "hasse. 10 ein
hortasten . 11 wollenes Kleidungsstück unter dem Hemd.
56 X. Körperpflege, Kleidung und Putz.
an , knöpfe einen Kragen (einen Klappkragen, auch
Umlegkragen genannt, oder einen Stehkragen) ans
Hemd, binde mir einen Schlips (eine Krawatte, eine
Halsbinde) um, ziehe ein Paar Manschetten ( Stulpen)
und zum Schluß Weste und Rock, sowie ein Paar
Vor dem Ausgehen bürste ich meinen
Stiefel an.
Hut ( Seidenhut, Zylinder, steifen Filzhut, weichen
Hut oder Schlapphut, Strohhut).
'Im Winter trage ich dickere und wärmere Klei
dung als im Sommer. Bei kaltem Wetter ziehe ich
meinen Überzieher an und, wenn es friert, meinen
Pelzmantel oder Pelzkragen , eine Pelzkappe und
pelzgefütterte Handschuhe.
Mein Kleiderschrank ist voll von Kleidungs
stücken . Unter anderen enthält er einen leichten
Sommeranzug, einen hellen Sommerüberzieher, einen
dicken Wintermantel, einen warmen Pelz (rock ),
einen wasserdichten Regenmantel, einen Loden
mantel, einen Touristenanzug, einen zweireihigen ,
langen Gehrock, mehrere Schwenker (,,Cutaways“)
und kürzere Schoßröcke, Joppen ohne Schöße, helle
und dunkle Hosen und Westen, eine schwarze Joppe
(einen „Smoking““) für kleinere Gesellschaften und
Theaterbesuch, sowie einen schwarzen Frackanzug
für festliche Gelegenheiten .
Die verschiedenen Teile eines Rockes sind die
Ärmel, der Kragen , die Schöße und das Futter.
Mein Frack ist 12 mit Seide 12 gefüttert. In jedem
Anzug sind mehrere Taschen, in die man alle mög
lichen Kleinigkeiten steckt, z. B. das Taschentuch
(Sacktuch ), das Portemonnaie (den Geldbeutel, die
Börse ), das Taschenmesser, ein Kämmchen und ein
Paar Bürstchen, das Schlüsselbund, die Uhr, einen
Bleistift, ein Notizbuch u. dgl. Röcke und Westen
sind zum Auf- und Zuknöpfen 13 eingerichtet. Wenn
ein Knopf fehlt (abgesprungen ist), so muß er wie
der angenäht (befestigt) werden . Die Beinkleider
und Kniehosen werden in der Regel von Hosenträ
gern gehalten .
12 auf ... gearbeitet. 18 gemacht.
X , Körperpflege, Kleidung und Putz . 57
Mit meinem Schneider bin ich sehr zufrieden .
Er arbeitet nur nach Maß und hat stets den neu
sten Schnitt. Er bürgt für 14 tadellosen 14 Sitz und
nimmt schlecht sitzende Sachen ohne weiteres zu
rück. Erst gestern habe ich mir einen neuen Som
meranzug bei ihm bestellt (bei ihm anmessen lassen) .
Die nach Maß gearbeiteten Anzüge sind zwar teurer,
aber sie tragen sich dafür auch besser als fertige
Sachen ; letztere kaufe ich grundsätzlich nicht. Ar
beiter und andere kleine Leute sind gewöhnlich
Kunden von Kleiderhändlern, die fertige Kleidungs
stücke zu Spottpreisen 15 losschlagen .
Meine abgelegten (abgetragenen) Kleider ver
schenke ich an arme Leute, oder ich überlasse sie
für billiges Geld einem Trödler ( Althändler), der
sie 16 aufputzt und an Arbeiter oder Dienstboten
mit Nutzen wieder verkauft.
Der Schneider, bei dem ich arbeiten lasse, hat
ein großes Lager in Tuchen ( Anzugstoffen ). Alle
erdenklichen Farben und Muster ( Dessins) hell
17
dunkel, schwarz, grau, braun, blau , olivgrün, ge
streift , gewürfelt (kariert ) - sind in den verschie
densten Preislagen in Wolle , Halbwolle , Baumwolle
und ' Sammet bei ihm zu haben .
Die Damen haben in der Regel einen reicheren
Kleidervorrat (eine reichhaltigere Garderobe ) als
wir Herren. Für jede Jahreszeit lassen sie sich zum
mindesten ein neues Kleid machen ; manche Damen
tun es nicht unter einem halben Dutzend ( Kleidern ) .
Während ein Herrenanzug bekanntlich aus Hose ,
Rock und Weste besteht, unterscheidet man an
einem Kleide ( Damenkleide) den Rock und die Taille
( das Leibchen) . Der Rock ist meistens einfach , wäh
rend die Taille nicht selten mit allerhand teuerem
Besatz, mit Spitzen, Stickerei, Perlen u . dgl. be
setzt ist . Im Sommer wird statt der Taille oft auch
eine leichte, helle, waschbare Bluse (Waschbluse)
getragen . Auf Bällen und bei feierlichen Gelegen

14 vorzügliche Paßform . 15 verkaufen . 16 reinigt und aus


bessert, 17 mit Streifen .
58 X. Körperpflege, Kleidung und Putz.
heiten erscheinen die Herren in Frack und weißer
Binde ( Krawatte) , die Damen in kostbaren Roben
(meist aus Seide) mit langer Schleppe, und mit Blu
men im Haar. Die Ärmel der Damenkleider sind lang
oder halblang, anliegend oder 18bauschig, je nach
der herrschenden Tracht (Mode) .
Im Hause tragen manche Frauen und Mädchen
bisweilen eine kleine Schürze mit Spitzenbesatz
oder Stickerei. Auf der Straße gehen die Damen
in eleganten Hüten, die mit Federn , -künstlichen
Blumen und Seidenbändern von der Putzmacherin
aufgeputzt (aufgemacht) sind ; auch fehlt selten
der Schleier, der die zarte Haut gegen die rauhe
Luft schützen soll . Die älteren Bäuerinnen freilich
tragen weder Hut noch Schleier, sondern höchstens
ein Kopftuch . Keine Dame läßt sich außer dem
Hause ohne Handschuhe (Glacé-, seidene, oder Pelz
handschuhe) blicken . Wenn Damen zur Winters
zeit ausgehen, so ziehen sie ein Jakett, einen (Pelz-)
Mantel, oder einen bis zum Boden reichenden Regen
mantel an ; bei Frostwetter sieht man sie regelmäßig
in Pelz ( Kragen , Boa ) und Muff.
Es versteht sich von selbst, daß die Vertreter
der guten Gesellschaft stets tadellos saubere Wäsche
tragen . Hemd, Kragen und Manschetten ( Stulpen)
müssen blendend weiß sein. Schmutzige Wäsche
wird von der Waschfrau (Wäscherin ) gewaschen ,
gebläut und getrocknet, von der Plätterin gestärkt
und gebügelt (geplättet ). Wollene Sachen bleiben
natürlich ungestärkt. Die Wäsche leidet beim Wa
schen in den großen Waschanstalten oft sehr.
Um besser zu sehen, tragen viele Leute eine
Brille, jüngere meist einen Klemmer ( Kneifer, Zwik
ker) . 19 Stutzer (19 Gigerl) und solche, die auf nur
einem Auge schlecht sehen, trifft man vielfach mit
einem Einglas (Monokel). Damen bedienen sich
wohl auch einer Handbrille ( Lorgnette) mit langem
Stiel zum Halten und Einklappen der Gläser. Reiche
Leute tragen eine goldene Brille, andere begnügen

18 weit. 1.Modenarren , Gecken .


X. Körperpflege, Kleidung und Putz. 59
sich mit einer solchen aus 20 Schildpatt, Stahl,
Aluminium , Nickel, oder gar mit einer altmodi
schen Hornbrille. Es gibt Augengläser für Kurz
sichtige wie für Weitsichtige. Ich bin kurzsichtig
(weitsichtig ).
Fast jeder trägt heutzutage eine Taschenuhr
(eine goldene oder eine silberne Uhr) mit Kette,
an der oft noch allerlei kleine Gegenstände ( z. B.
ein Medaillon, Geldstück, Zigarrenabschneider, Ti
gerauge) bammeln (hängen ). Die meisten Herren
und Damen tragen außerdem einen oder mehrere
goldene Ringe mit Edelsteinen . Die beliebtesten
und teuersten Steine sind der Diamant, der Rubin,
der Onyx, der Jaspis, der Saphir, der Smaragd. Siegel
ringe ( als 21 Petschaft verwendbar) sieht man nur
noch vereinzelt. Eheringe ( Trauringe) sind in Deutsch
land glatt (schlicht) und werden am 22 Goldfinger
der rechten Hand getragen . Verlobungsringe, die in
der Regel ebenfalls glatt sind und dann nachher
als Eheringe dienen, steckt man an den Goldfinger
der linken Hand . In Deutschland tragen auch Herren
solche Ringe. Broschen , Armbänder , Colliers (Hals
kettchen ) mit echten Brillanten , Perlen oder Korallen,
Ohrringe usw. sind Schmuckgegenstände für Damen .
Wenn ich ausgehe, einen Spaziergang oder
eine 23 Besorgung machen will, so nehme ich einen
Stock ( Spazierstock ) mit, wenn es regnet oder wenn
Regen droht, 24 greife 24ich 24 zum Regenschirm .
Damen pflegen zum Schutz gegen die Sonne kleine
Sonnenschirme zu tragen ; auch Herren sieht man
bisweilen mit Sonnenschirmen . Auf Bällen, bei
Festlichkeiten, in Konzerten und im Theater_sowie
bei großer Hitze benutzen die Damen auch Fächer,
mit denen sie sich ( Kühlung zu) fächeln.
Das Sprichwort sagt zwar ,, Kleider machen
Leute“ , aber die Hauptsache ist und bleibt für jeden
Menschen ein 25 gut 25 gespickter Geldbeutel.

20 Panzer der Schildkröte. 21 Briefstempel. 22 vierten


Finger. 28 geschäftlichen Gang. Kommission . 34 pehme ich
meinon , 28gefüllter, wohl versehener.
60 XI. Der menschliche Körper.

XI .

Der menschliche Körper.

Jeder normal gewachsene Mensch hat einen


Kopf, einen Rumpf und Gliedmaßen .
Der Kopf besteht aus dem Schädel und dem
Gesicht. Der Schädel ist mit blondem , rotem , schwarz
braunem, grauem oder weißem Haar bedeckt und
enthält das Gehirn , den Sitz des Verstandes. Das
Gesicht (dichterisch : das Antlitz, das Angesicht) be
steht aus der Stirn, den Augen,der Nase, den Ohren ,
den Schläfen , den Backen (Wangen ), dem Munde
mit den Lippen und dem Kinn. Die Gesichtsfarbe
( der Teint ) kann sein : frisch, rot, gesund , blaß , dun
kel, gebräunt, gelblich, quittengelb , rotbraun, mu
lattenfarbig, kaffeebraun, schwarz. Die beiden Seiten 1
des Gesichts sind selten genau symmetrisch ( gleich ).
Im Gesichte mancher Leute sieht man ein Grübchen
in jeder Backe und bisweilen auch im Kinn .
Das Auge ist das a Sehorgan ; es liegt in der
Augenhöhle, wo es sich nach allen Seiten bewegen
kann. Der wichtigste Teil des äußeren Auges ist
der Augapfel mit verschiedenen Häuten und der
Pupille . Die Augenlider mit den Wimpern (die am
Rande der Augendeckel hervorwachsen) und die
Augenbrauen (haarige Bogen über den Augen ) dienen
dem Sehorgan zum Schutz gegen Staub. Manche
Menschen haben schlechte ( schwache) Augen und
müssen eine Brille tragen ( siehe S. 58) ; andere
sind blind auf einem Auge, sie sind einäugig ; andere
wieder sind 3 vollständig blind von Geburt (von
Jugend auf) und heißen blindgeboren , oder aber
sie sind infolge einer Krankheit oder eines Unfalles
4 erblindet.
Die Nase ist das Geruchsorgan ( Riechorgan ) ;
sie besteht aus zwei Nasenflügeln links und rechts
vom Nasenbein .

1hellgelb . Sitz des Gosichtssinnes . & ganz. blind


geworden ,
XI. Der menschliche Körper. 61
Der Mund ist die Öffnung zwischen Unter- und
Oberlippe. Mit dem Munde sprechen wir ; durch den
Mund nehmen wir unsere Nahrung (Speise und
Trank ) zu uns . Im Munde befinden sich zweiund
dreißig Zähne (sechzehn in jedem Kiefer, Schneide
[ Vorder-), Eck- [Augen-) und Backenzähne ), mit denen
wir die Speisen vor dem Hinunterschlucken zer
kauen. Die Zunge und der Gaumen , welche sich eben
falls im Munde befinden , sind die Geschmacksorgane,
mittels deren wir den Geschmack dessen (von dem ),
was wir in den Mund nehmen, feststellen . Die Zunge
ist auch das wichtigste Organ beim Sprechen. Viele
Leute haben zwar, wie die Tiere, eine Zunge, aber
sie können nicht fließend sprechen : sie stottern
( stammeln ); andere wiederum sind mit kleineren
Sprachfehlern behaftet; sie lispeln (stoßen an mit
der Zunge), sprechen durch die Nase , oder sie können
gewisse Buchstaben ( das I, r) nicht sprechen .
Das Ohr ist unser Gehörorgan. Viele Menschen
können nicht hören : sie sind taub . Solche, die von
Jugend (Kind) auf taub sind , können auch nicht
sprechen und werden taubstumm genannt. Der
untere, fleischige Zipfel des äußeren Ohres, jener
Teil , an dem man die Ohrringe befestigt und unfolg
same ( unartige) Kinder bisweilen zieht ( oder zupft ),
heißt das Ohrläppchen .
Das Gesicht des Mannes ist in der Regel mit
Bart bewachsen . Manche Männer tragen einen
8 Vollbart, andere nur einen Schnurrbart (Knebel
bart ); ein kurzer Backenbart ( Kotelettbart) wird
von den Deutschen wenig getragen ; auch die Spitz
bärte ( Kinnbärte, Bocksbärte) sieht man nur selten ;
eine kleine Fliege ( an der Unterlippe) wird vielfach
mit dem Schnurrbart getragen . Wer keinen Bart
trägt, muß sich von Zeit zu Zeit rasieren oder rasie
ren lassen .
Das Bindeglied zwischen Kopf und Rumpf ist
der Hals . Der vordere Teil des Halses ist die Kehle,
6 Beförderung in den Magen. ®zerkleinern , klein beißen,
zermalmen . ? Stückchen . Bart, der Backen , Lippen und
Kinn bedeckt. Bart auf der Oberlippe.
62 XI. Der menschliche Körper.
an welcher der „ Adamsapfel" etwas hervorsteht.
Der hintere Teil des Halses wird Nacken genannt.
Im Halse befinden sich zwei Kanäle : die Speise
röhre ( welche dem Magen die Nahrung zuführt)
und die Luftröhre (sie vermittelt den Zutritt der
Luft in die Lungen ). Das obere Ende der Luftrohre
ist der Kehlkopf („ Adamsapfel“ ); letzterer enthält
die Stimmbänder, durch deren Schwingungen die
Stimme erzeugt wird. Zu beiden Seiten des Halses
dehnen sich die Schultern mit dem 10Schlüsselbein
und den 11 Schulterblättern aus.
Der Rumpf umfaßt die Brust (den Brustkorb,
Brustkasten ), den Rücken mit der Wirbelsäule (dem
Rückgrat) und den Bauch . In der Brust befinden
sich die Atmungsorgane: das Herz und die Lunge
(die beiden Lungenflügel). Der Bauch enthält den
Magen (der die Nahrung aufnimmt und 12verdaut),
die Leber, Nieren , Milz und Eingeweide (Gedärme).
Die Gliedmaßen die beiden Arme und Beine
sind mit dem Rumpf durch Gelenke, Sehnen
und Muskeln verbunden .
An jedem Arm unterscheiden wir den Ober
arm, den Ellbogen, den Unterarm, das Handgelenk
und die Hand . Jede Hand hat fünf Finger; es sind
dies der Daumen, der Zeigefinger, der Mittelfinger ,
der Goldfinger (oderRingfinger) und der kleine Finger.
Die Fingerspitzen sind mit Nägeln bedeckt und die
nen zum 13 Tasten und Fühlen. Wenn die Hand zu
sammengezogen ist, nennt man sie Faust. (Man ballt
die Faust, wenn man sehr zornig ist und drein
schlagen möchte .)
Die Teile eines jeden unserer Beine sind : der
Oberschenkel (das „ dicke Bein “ ), das Knie, der Un
terschenkel (das Schienbein und die Wade), das Fuß
gelenk und der Fuß. An jedem Fuß unterscheidet man
die Fußspitze , die Fußsohle , die Ferse , die Fußknöchel,
den Spann und die fünf Zehen mit Nagel an jeder
Zehenspitze .
10 einem S -förmigen Knochen. 11zwei flachen dreieckigen
Knochen am oberen Teile des Rückens. 12 in Nährstoffe ver
wandelt . 13 Berühren .
XII. Körperliche Gebrechen und Krankheiten. 63
Der menschliche Körper besteht nicht aus
schließlich (lediglich) aus Fleisch und Blut : ein
Knochengerüst, das Skelett, mit dem Rückgrat (der
Wirbelsäule) als Mittelpunkt, geht vom Kopf bis
hinab zu den Zehen, um die Weichteile zu stützen
(halten ) und 14 leicht 14 verletzliche Organe zu schüt
zen. Die Knochen sind mit Fleisch (Muskeln ) und
mit einer Haut bedeckt, auf der weiche Härchen
wachsen .
Eindrücke auf irgend eines unserer Organe
15 nehmen wir mit einem unserer fünf Sinne 15 wahr;
es sind dies der Gesichtssinn , Gehörsinn, Geruchssinn,
Geschmackssinn und Gefühlssinn. Wer sich 16 über
16 die 16 Maßen 16 töricht 17 benimmt, von dem pflegt
man zu sagen , er habe seine fünf Sinne nicht bei
sammen, oder auch, er sei 18 von 18 Sinnen, d. h.
verrückt .

XII .
1 Körperliche Gebrechen und Krankheiten ,
Es geht nichts über die Gesundheit“ , sagt
ein deutsches Sprichwort. Ja, wer gesund ist an
Leib und Seele, der kann (mag) sich glücklich schät
zen ! Leider sind nicht alle Menschen in dieser be
neidenswerten Lage. Die einen sind innerlich kern
gesund, leiden aber an irgend einem körperlichen
Gebrechen ( Siechtum); andere haben zwar äußer
lich keine Fehler, werden indes vielfach von schmerz
haften und langwierigen Krankheiten sheimgesucht.
Blinde, Taubstumme, Stotterer ( Stammler ), Lah
me, Hinkende, auf Krücken oder auf (an) Stöcken
Gehende, Bucklige, Einarmige, Einäugige, Schie
lende, sie alle sind zu 4bemitleiden wegen ihrer kör
14 empfindliche. 15empfinden. 16mehr als ungeschickt.
17 anstellt, zeigt. 18,,seiner Sinne nicht mächtig sein “ be
deutet: sie nicht beherrschen , z. B. betäubt, übermäßig
erregt sein.
1Äußere Fehler, Mängel oder Defekte. glücklichen.
8 befallen, belästigt. bedauern.
64 XII. Körperliche Gebrechen und Krankheiten .
perlichen Gebrechen. Sie empfinden ihr Unglück
doppelt schmerzlich, wenn herzlose Leute sie deshalb
bgeringschätzen oder gar verhöhnen (verlachen ).
Ich selbst bin gottlob gesund wie ein Fisch im
Wasser; in unserer Familie aber sieht es seit einiger
Zeit recht betrübend aus : den Arzt werden wir bschein
bar gar nicht wieder los , da bald der eine , bald der
oder die andere an dieser oder jener Krankheit dar
nieder liegt. Zum Glück sind es bisher nur leichte
Krankheiten gewesen, Plebensgefährlich war keine .
8 Immerhin aber machen sich meine Eltern stets
große Sorge, wenn eins von uns Kindern krank ist.
Mein jüngstes Schwesterchen hat schon seit Monaten
den 9 Keuchhusten . Zudem ist sie so heiser, daß sie
kaum sprechen kann. Meine zweitjüngste Schwester
wird von Kopfweh ( Kopfschmerz) und Zahnschmerz
sehr geplagt ; sie sieht auch recht blaß aus_und hat
wahrscheinlich die 10 Bleichsucht. Dieser Tage be
kam sie obendrein noch einen Ohnmachtsanfall (sie
fiel in Ohnmacht) . Ich weiß nicht recht, was mit
dem sechzehnjährigen Mädchen eigentlich los ist.
Die Arzneien, die der Arzt ihr verschreibt, 10 erwei
sen 11 sich 11 als 11 unwirksam .
Mein Bruder Fritz ist in den letzten sechs Wo
chen ebenfalls recht 12 übel 12 dran gewesen . Erst
vor zwei Jahren hatte er die Masern , und jetzt liegt
er ( krank) am Scharlach . Selbstverständlich ist
er von uns anderen Kindern abgeschlossen (isoliert ) ,
damit wir nicht auch 13 angesteckt werden ; denn
das Scharlachfieber ist sehr ansteckend. Gott sei
Dank hat er das Schlimmste jetzt 14überstanden ;
er ist auf der Besserung, aber die völlige Genesung
wird (dürfte) noch mehrere Wochen 16 beanspruchen .

5mißachten, schlecht ( oder von oben herab) behandeln.


o wie es scheint, allem Anscheine nach . ? tödlich . * dennoch ,
trotzdem . Stickhusten oder Krampfhusten ( epidemischer
heftiger Husten der Kinder). 10 Chlorosis (eine Mädchen .
krankheit, die sich u. a. durch blasse Gesichtsfarbe und fort.
gesetzte Müdigkeit äußert) . 11 wirken nicht, führen zu keiner
Besserung. 12 kränklich . ' 13 infiziert. 14 überwunden , hinter
sich. 16 erfordern , bedürfen.
XII. Körperliche Gebrechen und Krankheiten . 65

Mein guter Vater leidet sehr (viel) an 18Gicht


und Rheuma ( Rheumatismus). Sobald feuchte Wit
terung eintritt, packt ihn sein altes Leiden . Meist
liegt er dann tagsüber auf dem Schlafsofa ( Divan ) ;
jedoch 17steckt der Arzt 17ihn bisweilen auch 17ins
17
Bett . Nach ein paar Wochen 18 verzieht sich bei
ihm die Gicht, kehrt aber in der Regel schnell wieder.
Ich glaube kaum , daß er sein schmerzhaftes Leiden ,
das er von seinem Vater geerbt hat, jemals ganz los wird .
Meine treue alte Großmutter leidet stark an
Asthma ( Atembeschwerden , Atemnot); auch hört und
sieht sie jetzt schlecht. Das Leben ist allmählich
eine Qual für sie geworden , drum 19 sehnt 19 sie 19 sich
nach 20 einem 20 besseren 20 Jenseits.
Mein Onkel Eduard starb vor zwei Jahren an
einem Schlaganfall. Er war schon längere Zeit ge
lähmt, und der dritte 21 Anfall 22 setzte seinem taten
reichen Leben 22 ein 22 Ziel .
Mein Vetter Hans ist wirklich ein 23 armer 23 Tropf.
Er erkältet sich beim schönsten Wetter und be
kommt dann sofort den Husten und den Schnupfen .
Im Winter hat er regelmäßig 24 Frostbeulen . Wenn
wir bisweilen zusammen ausradeln ( eine Radfahrt
machen) , so hat er gleich Seitenstiche, oft sogar Na
senbluten , und dann müssen wir natürlich absitzen
und halten , bis er wieder weiter kann. Neulich hatte
er den 25 Ziegen peter, eine dicke (eine geschwollene)
Backe und rasendes Zahnweh . Da die Schmerzen
ihm Tag und Nacht keine Ruhe ließen , ging er schließ
lich zum Zahnarzt, der ihm den kranken (ange
faulten, hohlen) Zahn ( aus) zog ( herausholte). Wenn
es nur nicht ein Weisheitszahn gewesen ist !

16 schmerzhafter Anschwellung der Füße, Hände, Knie.


17schickt ... ihn zu Bett ; verordnet ihm Bettruhe. 18 entfernt.
19 hat sie Sehnsucht (d. i. den dringenden Wunsch ). 20 dem
Himmel, in der höheren Literatursprache: dem Paradiese,
den Gefilden der Seligen . 21 Attacke. 22 machte . . . ein Ende.
23 zu bedauern . 24 durch Kälte verursachte Schwellungen
der Haut. 25 Parotitis, Anschwellung der Ohrspeicheldrüse
(Speichel absondernde Drüse im Gesicht, zwischen Ohr und
Mund ).
Kron Der Kleine Deutsche. 15. 8
66 XII. Körperliche Gebrochen und Krankheiten.
Ich für meine Person bin selbst dran schuld ,
wenn mir mein Magen oft Beschwerden macht ; ich
esse nämlich gerne und viel Pudding, sodaß ich mir
schon mehrmals den Magen überladen und an den
bösen Folgen gelitten habe.
Ein Freund und Schulkamerad von mir hatte
neulich böses Unglück ( großes Pech): er pflückte
auf (in) einem Kirschbaume Kirschen, da plötzlich
brach der Ast, auf dem er saß, und mein Freund
Willi purzelte ( fiel, stürzte) Hals über Kopf herun
ter. Das Unglück wollte, daß er den rechten Arm
brach und sich die rechte Schulter und einen 26 Fuß
26perrenkte (verstauchte ). Sofort führte ich ihn zu
unserem Hausarzt, Herrn Sanitätsrat Dr. Koch, der
ihm die 27 Knochensplitter entfernte und einen Gips
verband anlegte; auch renkte der Doktor ihm die
Schulter und den Fuß wieder ein , und jetzt muß
der Ärmste zu Hause liegen. Er kann übrigens von
Glück sagen (reden), daß der Arm nicht abgenom
men ( amputiert) zu werden brauchte. In (Nach)
vierzehn Tagen will der Arzt den Verband entfernen
(abnehmen), und dann muß Willi den Arm noch
eine Zeitlang in der Binde (Schlinge) tragen. Damit
ihm die Zeit nicht zu lang werde, besuche ich ihn
jeden Nachmittag und 28 leiste 28 ihm ein Stündchen
28 Gesellschaft .
Es gibt noch eine Menge Krankheiten , die ich
selber zum Glück nur vom Hörensagen kenne. So
soll es bspw. kein Spaß ( Vergnügen ) sein , wenn man
Krämpfe oder die Fallsucht bekommt (fallsüchtig
ist ), oder an_Ohrenschmerzen , nervösem Kopfweh
( Migräne ), 29Katzenjammer, Magenschmerzen oder
an einem Hexenschuß an Kreuzschmerzen) leidet.
Wer die 36 Zuckerkrankheit hat ( zuckerkrank ist) ,
herzleidend, nierenleidend oder leberkrank (leberlei
dend) ist, der muß sehr vorsichtig leben, umsein
Ende (seinen Tod) nicht 31zu 31beschleunigen . Nicht
26Fußknochen austrat. 37 abgebrochenen Knochenteile.
28 verbringe ... mit ihm . 29 Brummschädel, Kater ( vergl. S. 30 ).
30 Diabetes. 81 voreilig herbeizuführen .
XII. Körperliche Gebrochen und Krankheiten . 67

ebon angenehm scheint es mir auch zu sein , wenn


man genötigt ist einzunehmen (Arznei, Medizin ,
Pulver zu nehmen ) oder Pillen zu schlucken.
Als die 82tückischsten Krankheiten gelten die
Epidemien ( Seuchen ), die ansteckend sind und oft
33Tausende von zusammenlebenden Leuten in ganz
kurzer Zeit hinwegraffen. Besonders schrecklich
wütet die Cholera unter den von ihr Befallenen ;
auch die Influenza (Grippe) fordert viele Opfer. Die
schwarzen Pocken sind ebenfalls sehr gefährlich,
jedoch wütet (grassiert) diese Seuche weniger stark,
seitdem in allen gesitteten Ländern 34der 4Impf
zwang 34 besteht. Das Impfen geschieht mittels
Lymphe . Ich bin zweimal geimpft, jedesmal mit
Erfolg. Viele Leute glauben nicht ans Impfen und
sind Gegner davon. Auch die Diphtheritis (Diph
therie), der Scharlach und der Typhus sind sehr an
steckend ( leicht übertragbar) und häufig lebens
gefährlich. Gegen Diphtherie hat man neuerdings
das sog. Heilserum erfolgreich angewandt. Krebs
soll ebenfalls ansteckend sein ; jedenfalls ist er eine
sehr schmerzhafte und tödliche Krankheit.
Die 85 ,Geißel der Menschheit " aber ist und
bleibt die Schwindsucht ( Tuberkulose). Gegen diese
schleichende Krankheit ist kein Kraut gewachsen
(d. h. es gibt kein Heilmittel dagegen ). Bei sehr
vorsichtiger Lebenshaltung kann der Schwindsüch
tige (Tuberkulöse) sein Dasein auf einige Zeit ver
längern, indessen der Tuberkelbazillus zerstört lang
sam , aber sicher das Lungengewebe, und dann geht
es mit dem Patienten ( Kranken) schnell bergab (zu
Ende) , zumal wenn infolge von Erkältung eine Lungen
entzündung hinzukommt.
Herzlich zu bedauern ist eine Klasse von Leu
ten, die körperlich ganz gesund, ihrer Sinne aber
nicht Herr sind : es sind die Geisteskranken , Geistes
gestörten , Irrsinnigen . Manche Irrsinnige sind gut
artig und harmlos, andere aber bekommen vielfach
82gefährlichsten. 88Tausenden den Tod bringen.
84jeder geimpft ( vakziniert) werden muß. 36 schlimmste Plage.
68 XII. Körperliche Gebrochen und Krankheiten .
Anfälle von 36 Tobsucht und werden dann ihrer Um
gebung gefährlich. Drum werden diese armen Men
schen ins Irrenhaus ( Irrenanstalt, Asyl für Geistes
kranke) gebracht, wo sie eine angemessene Pflege
erhalten und wenn möglich von ihrem trau
rigen Leiden geheilt werden.
Wer von einer ernsten körperlichen Krankheit
befallen wird, zieht den Arzt zu Rate (läßt den Dok
tor kommen oder holen) . Unser Hausarzt ist ein
sehr tüchtiger Mann und hat infolgedessen eine
große Praxis . Er ist keiner von denen, die bei jeder
Kleinigkeit etwas ( eine Arznei) verschreiben . Zu
erst läßt er sich regelmäßig die Zunge des Leidenden
( Patienten ) zeigen und fühlt ihm den Puls. Ist die
Zunge 87 belegt, so verschreibt er ein Rezept, das in
der Apotheke gemacht wird. Natürlich schickt er
den Kranken bei Fieber sofort ins Bett, läßt ihn
tüchtig schwitzen , schreibt ihm eine ganz bestimmte
Diät (Ernährungsweise) vor, und am nächsten Tage
sieht er nach , wie es dem Patienten geht . In den
meisten Fällen 38bringt er seine Kranken schnell
38 wieder 38auf 38 die 38 Beine; nur bei meiner Schwe
ster ist es ihm bisher nicht geglückt . Seine Sprech
stunden sind von 8 bis 10 vormittags und von 3 bis
4 nachmittags ; während der übrigen Zeit macht er
Krankenbesuche.
Es gibt überdies Leute , die sich als Heilkundige
ausgeben ( aufspielen ), ohne von der Medizin (Heil
wissenschaft) etwas Rechtes zu verstehen ; manche
Kranke 39 fallen aus Sparsamkeitsrücksichten 39auf
diese Kurpfuscher oder Quacksalber 39 herein ( hinein) ,
müssen aber in der Regel schließlich doch einen staat
lich geprüften Arzt zu Rate ziehen .
Arme Leute und solche, die einer besonderen
Pflege bedürfen , werden in ein Krankenhaus ( Spital,
Spittel, Hospital, militärisch : Lazarett) gebracht, wo
Ärzte ( Spezialisten ) , Krankenpfleger und Kranken
pflegerinnen sich ihrer mit aller Sorgfalt annehmen .

36 Raserei , blinder Wut. 37 blaß. 38 heilt, kuriert. Sº lassen


sich ... von ... behandeln.
Erkundigung nach dem Körperbefinden . 69

Erkundigung nach dem Körperbefinden.


1. Zwischen zwei Personen.

Fragen . Antworten.
a. Gute Auskunft.
Guten Tag, Herr Schmitz, Danke für gütige Nachfrage,
wie geht's Ihnen ? sehr gut.
Nun, wie steht's ? Vorzüglich.
Wie steht's (mit dem) Befin- Ausgezeichnet ! Und bei Ih
den ? nen ?
Nun, 40 ist 40 dir ( Ihnen ) 40der Danke, ganz vortrefflich ! Dir
40 gestrige 40Abend 40gut ( Ihnen) hoffentlich auch.
40bekommen ?
Was macht der Hexenschuß Danke, beides hat sich wesent
und Rheumatismus ? lich gebessert.
Geht's dir heute besser ? Ja, Gott sei Dank !

b . Weniger gute Auskunft.


Was feblt Ihnen denn ? Sie Ich bin nicht ganz 41 auf
sehen so merkwürdig drein 41 dem 41 Damm (fam.); ich
( aus) ! fühle mich nicht recht
wohl; ich hab's im Magen ;
mein Magen ist nicht in
Ordnung.
Was ist denn los mit Ihnen ? Ich weiß es selber nicht; ich
Sie sind doch nicht krank ? bin 42 auf 42 dem 42 Undamm
( fam.) ; ich glaube, ich werde
ernstlich krank.
Was macht heute Ihr Zipper- Es ist immer noch beim al
lein (Ihre Hand- und Fuß- ten ; ich habe zeitweilig
gicht) ? gräßliche Schmerzen.
Fühlen Sie sich heute besser Na, es geht so la la ( fam .:
als gestern ? so lila ); es könnte freilich
besser sein .
Du siehst aber famos (fam. ) Alles nur äußerlich , mein
( vorzüglich ) aus ! Lieber ! Ich wünsche dir
meine Schmerzen nicht.

s fühlt du dich nach dem gestrigen Abend ganz wohl ?


41 wohi, auf der Höhe. 42 niobt wohl.
70 Erkundigung nach dem Körperbefinden.

2. Über einen abwesenden Dritten .

Fragen. Antrorten .
a . Gute Auskunft.

Wie geht's Ihrem Herrn Vater Danke vielmals, er (sie ) ist


( Ihrer Frau Mutter, Ihrem jetzt wieder ganz munter
Fräulein Schwester ) ? (wohlauf) und läßt grüßen .
Ist Ihr Herr Bruder immer Nein , seit einigen Tagen geht's
noch krank ? Liegt er noch wieder mit ihm ; aber er ist
(zu Bette ) ? noch sehr 43 matt.
Wie geht's dem Patienten ? Danke, er ist auf (dem Wege )
der Besserung.
Darf ich mich nach dem Be- Danke bestens, es geht ihr
finden Ihrer werten Gattin ausgezeichnet; sie hat sich
( Frau Gemahlin ) erkundi- von ihrer Krankheit schnell
gen ? erholt (sie ist rasch ge
nesen ).
Was machen die Kinder (die Sie sind gottlob alle recht ge
lieben Kleinen ) ? sund .
Wie geht's zu Hause ? Danke ! Alles vohlauf und
munter .
Wie steht's daheim : Schönen Dank für gütige
Nachfrage; die Meinigen
Herfreuen « gioh 44 der 44 be
gton Gesundheit ( formell).

b . Weniger gute Auskunft.

Ist Ihr Herr Papa ( Vater) Nein , seit einigen Wochen


noch recht 45 rüstig ? klagt er über Gliederreißen.
Hat dein Bruder Karl wirk. Ja, der arme Junge hat über
lich einen Arm gebrochen ? all Pooh (Malheur, Un .
glück ).
Dein Onkel Robert sieht ganz Schwer zu sagen (was ihm
jämmerlich aus ! Was fehlt fehlt). Ich glaube, er hat
ihm eigentlich ? die Schwindsucht.
Ist euer Patient, außer Ge. Nein, immer noch nicht. Ein
fahr ? 46 Rüokfall könnte bedenk
lich für ihn werden .

48 schwach " sind bei bestor. 46 mobil, vohlauf. 46 nouer


Anfall.
XIII. Unterrichtswesen . 71

3. Ausdrücke der 47 Teilnahme und gute 48 Ratschläge.


Es tut mir wirklich leid , Sie 80 wiederzusehen ! Ach, könnte
ich Ihnen doch helfen !
Sie sollten sich sofort an einen tüchtigen Arzt wenden,
Lassen Sie sich doch gründlich untersuchen, damit Sie
erfahren , was Ihnen eigentlich fehlt ,
Legen Sie sich sofort zu Bett! Sie scheinen ernstlich krank
zu werden .
Sie müssen sich aber auch mehr schonen (besser in acht
nehmen )!
Hoffentlich fühlen Sie sich besser, wenn ich morgen wieder
49vorspreche! Hoffentlich ist es nichts Gefährliches!
Nur Mut! Lassen Sie 50nur den Mut nicht sinken ! Nur
den Mut nicht verlieren , es wird sich schon wieder
machen ( bessern )!
Guto Besserung!

XIII .
Unterrichtswesen .
Lerne was, 80 kannst du was !
Das deutsche Unterrichtswesen 1steht in der
ganzen gesitteten Welt lin "hohem 1Ansehen wegen
seiner vorzüglichen Einrichtungen und Erfolge. Na
türlich besteht in Deutschland allgemeiner Schul
zwang, u. 2. vom sechsten bis zum vollendeten vier
zehnten Lebensjahre des Kindes. Daher sind auch
die ärmsten Leute in der Lage, ihren Kindern eine
gute Schulbildung kostenlos angedeihen zu lassen.
Diejenigen, die aus dem einen oder anderen Grunde
3versäumen, ihre Kinder regelmäßig zur Schule zu
schicken , haben sich dieserhalb vor der Behörde
zu verantworten und eine Strafe zu gewärtigen,
wenn sie keine striftigen Entschuldigungsgründe
für die Unterrichtsversäumnis ihres Kindes (bzw.
ihrer Kinder) vorbringen können. Die Zahl der
47 Mitleid . “ Winke. “ ( vor)komme. 50aufalle Fälle, ja.
1 bat . einen guten Ruf. * geben . 8 vernachlässigen ,
unterlassen . " Obrigkeit, Vertreter des Gesetzes. Berwarten .
dringenden, ornstlichen .
72 XIII. Unterrichtswesen : Volksschulen .
Analphabeten ( d. i. derer, die weder lesen noch schreiben
können ) ist infolge der strengen Durchführung der
bestehenden Schulgesetze denn auch nirgends ge
ringer als in Deutschland (auf tausend Einwohner
kommt nämlich nur ein Analphabet).
Viele Eltern schicken ihre Kleinen schon früh
in eine Kleinkinderschule (einen Kindergarten, Kin
derhort), wo die Kinder unter steter Aufsicht sind
und sich schon im zarten Alter (3 bis 5 Jahre alt) an
eine gewisse Ordnung gewöhnen lernen . Regelrechter
Unterricht findet in diesen Anstalten selbstredend
noch nicht statt.

Volksschulen.
Die Volks- oder Elementarschulen sind die Grund
pfeiler der deutschen Bildung und Gesittung. Jedes
Kind muß vom sechsten bis zum vollendeten vier
zehnten Lebensjahre eine Volksschule regelmäßig
besuchen, es sei denn, daß es anderweitig (an höhe
ren Lehranstalten oder durch einen Hauslehrer oder
eine Hauslehrerin oder Erzieherin ) eine entsprechende
Ausbildung empfängt. Schulgeld wird nicht erhoben;
der Staat und die Gemeinde tragen die Kosten des
Unterrichts. Zur Deckung der Kosten, die für die
Erbauung des Schulhauses, für Besoldung der Lehr
kräfte und für 'Beschaffung der Lehrmittel aufge
wandt werden, dient ein Teil der 10Erträge 10der
10 Steuern.
Es gibt Elementarschulen für Knaben und
solche für Mädchen. Nur in kleinen Ortschaften
auf dem Lande werden die Knaben und Mädchen
gemeinsam unterrichtet. Jede Konfession (Glau
bensgemeinschaft) hat ihre eigenen Volksschulen ;
gemischt konfessionelle (konfessionslose oder Simula
tan-)Schulen gehören zu den Seltenheiten. Die
Schülerinnen ) werden je nach ihrem Alter und ihren
Kenntnissen zu Klassen vereinigt. Die unterste
Stützen , Grundlagen. " Lehrpersonen. Anschaffung,
Besorgung. 10 Steuereinnabmen.
XIII. Unterrichtswesen : Volksschulen . 73

(niedrigste) Klasse heißt erste Klasse ; dann folgen


die zweite, dritte, vierte, fünfte und sechste Klasse.
Der Unterricht dauert in der Regel von acht bis
zwölf und von zwei bis vier Uhr ; er wird in den Kna
benschulen von Lehrern, bei den Mädchen meist
von Lehrerinnen erteilt . Die Hauptfächer (Lehr
gegenstände) sind: Deutsch (Lesen , Schreiben ), Reli
gion, Rechnen , Geschichte, Erdkunde (Geographie ),
Naturlehre, 11Volkswirtschaftslehre, Singen , Zeich
nen, Turnen, Handfertigkeits- und Handarbeits
unterricht (letzterer nur bei den Mädchen).
In den größeren preußischen Volksschulen wir
ken mehrere Lehrer unter Leitung eines Rektors oder
eines Hauptlehrers. Eine Schuldeputation, die (auf
den Dörfern : Ein Schuloorstand, der) sich aus ange
sehenen Bürgern zusammensetzt, berät die rein ge
schäftlichen Angelegenheiten: Wahl und Anstellung
der Lehrkräfte , 12 Gehaltsfestsetzung, Unterhaltung
und Ergänzung der Lehrmittelsammlung; kurz, alles,
was den finanziellen Teil der Verwaltung angeht,
bedarf der 18Zustimmung der Schuldeputation und
der 14 Bestätigung seitens der staatlichen Behörde.
Die Oberaufsicht führen staatlich angestellte Kreis
oder Orts-Schulinspektoren ; diese müssen von Zeit
zu Zeit Revisionen ( Inspizierungen) vornehmen und
der Regierung (Schulabteilung) ihrer Provinz 15Be
richt 18 erstatten . Die Schulabteilungen der Re
gierung unterstehen direkt (unmittelbar) dem Kul
tusministerium in Berlin. Eine gewissenhafte Pflicht
erfüllung jeder einzelnen Lehrperson ist auf diese
Weise 18gewährleistet.
Einige Volksschulen gehen über das Ziel ihrer
Schwesteranstalten hinaus, indem sie u. a. eine
lebende fremde Sprache, meistens Französisch, und
einiges aus der Physik lehren. Sie haben in der Regel
sieben Klassen und heißen 17gehobene Volksschulen ,
Mittelschulen u . dergl.
11 Nationalökonomie, Lehre vom Erwerbsleben der Völker.
12 Bestimmung der Besoldung. 13Genehmigung , Billigung.
14 Anerkennung, Sanktionierung. 15 berichten . (16 gesichert.
17 höhere, fortgeschrittene,
74 XIII. Unterrichtswesen : Höhere Lehranstalten .

Außerdem gibt es in den Städten noch 18gog.


Fortbildungsschulon für Lehrlinge (über vierzehn
Jahre), die in den Abendstunden ihre Volksschul
kenntnisse vertiefen und bezüglich des Rechnens
und Zeichnens fürs praktische Leben erweitern .
Die Lehrer an den Volksschulen und an den
19 Mittelschulen werden auf staatlichen Seminarien
(Lehrerbildungsanstalten ) drei Jahre lang für ihren
Beruf vorgebildet. Besonders strebsame Volksschul
lehrer lassen sich's mit ihrer Seminarbildung nicht
genügen; sie arbeiten privatim weiter, um vor ei
ner besonderen Regierungskommission das Mittel
schulexamen und oft auch noch die Rektorprüfung ab
zulegen . Hierdurch öffnen sie sich u. a . den Weg zur
Anstellung im Dienste des höheren Mädchenschul
wesens .

Höhere Lehranstalten ,
(Süddeutsch: 19Mittelschulen .)
Die humanistischen Anstalter 21 zerfallen 21 in
Gymnasion (mit neun Jahrgängen ) und Progymnasien
(sechs Jahreskurse). Die Klassen heißen von unten
ab: Sexta, Quinta, Quarta, Untertertia, Obertertia,
Untersekunda, Obersekunda, Unterprima und Ober
prima (die letzten drei fehlen dem Progymnasium ).
Die Lehrfächer sind auf beiden Anstalten :Lateinisch ,
Griechisch, Geschichte, Erdkunde, Deutsch, Fran
zösisch, Mathematik, Naturwissenschaften, Zeichnen ,
Turnen und Singen . Der 22Schwerpunkt liegt von
Sexta an auf dem Lateinischen , von Untertertia an
außerdem auf dem Griechischen. In Quarta beginnt
das Französische. Englisch wird auf dem Progym
nasium überhaupt nicht gelehrt, auf den 28Voll
gymnasien wahlfrei in den drei Oberklassen.
66
18 Lies: sogenannte. 19Manbeachte ,daß ,, Mittelschule“
in Norddeutschland eine Anstalt bezeichnet, die zwischen
Volksschule und höherer Schule steht, in Süddeutschland
und Österreich aber das, was man in Norddeutschland
„ Höhere Schule" (Gymnasium , Realgymnasium usw.) nennt.
20 zu bestehen .a1 gliedern sich in, bestehen aus, ai Haupt
gewicht, besondere Nachdruck. 289- jährigen Gymnasien.
XIII. Unterrichtswesen : Höhere Lehranstalten . 75
Die lateinlosen Realanstalten sind : die neun
jährige Oberrealschule und die sechsjährige Realschule.
Lateinisch und Griechisch werden auf diesen höheren
Schulen nicht 2 getrieben, dagegen wird dem Fran
zösischen, Englischen und Deutschen, der Mathe
matik, den Naturwissenschaften und dem Zeichnen
eine 35 eindringlichere Behandlung zuteil. Die üb
rigen Fächer 28decken 26gich 26mit denen der huma
nistischen Anstalten . Der französische Unterricht
beginnt bereits in der untersten Klasse ( Sexta),
das Englische meist zu Beginn des vierten Jahres
kursus ( in Untertertia ), selten in Sexta .
Ein Mittelding zwischen den humanistischen
und den realen Anstalten sind die Realgymnasien
(von 9 - jähriger Kursusdauer) und die Realprogym
nasien (6- jährig). 27Das 21Kennzeichnende dieser
beiden Anstalten besteht darin , daß sie, wie die
Gymnasien, das Lateinische (von Sexta ab) und, wie
die lateinlosen Realanstalten , das Französische (von
Quarta ab ) und Englische (von Untertertia ab ), die
Mathematik und Naturwissenschaften 28mit 28Nach
druck 28vertreten . Griechisch wird dort jedoch nicht
gelehrt.
29Neuerdings sind in zahlreichen Städten Re
formschulen ( Reformgymnasien und Reformrealgym
nasien) eingerichtet worden. Am verbreitetsten sind
diejenigen, die den ,, °Frankfurter 30Lehrplan “ zu
grunde gelegt haben. Nach diesem Lehrplane be
steht zunächst ein gemeinsamer 3 - jähriger Unter
bau, indem in den Klassen Sexta, Quinta und Quarta
nur eine Fremdsprache (Französisch ) getrieben wird .
Mit Beginn des vierten Jahres (Untertertia) findet
eine Trennung statt, indem die lateinlosen Anstalten
Englisch, dieRealgymnasien und Gymnasien Latei
nisch anfangen. Nachdem das Lateinische 2 Jahre
betrieben ist, trennen sich auch die Gymnasien und
" gelehrt. 36gründlichere , eingehendere, intensivere.
26stimmen überein mit, entsprechen. 27 die Eigenart. *gründ.
lioh betreiben (lebren). 3 ° in letzter Zeit . ° Frankfurter
System , so genannt, weil einige höhere Schulen in Frank
furt a. M. zuerst darnach unterrichteten .
76 XIII. Unterrichtswesen : Höhere Lehranstalten .
Realgymnasien, erstere das Griechische, letztere das
Englische beginnend. Der Vorteil dieses Systems
besteht darin, daß das Gymnasium und Realgym
nasium 5 Jahreskurse hindurch völlig gleichmäßig
arbeiten ; erst mit dem 6. Jahre findet die Trennung
statt, und bis dahin haben die Schüler Zeit, sich zu
entscheiden, ob sie nunmehr die gymnasiale oder die
realgymnasiale Richtung 31einschlagen wollen .
Der erfolgreiche Besuch genannter Anstalten
gewährt den Abiturienten ( d. h. abgehenden Zög
lingen) mancherlei Berechtigungen oder Vorrechte,
die anderen jungen Leuten 32versagt 32 bleiben . So
berechtigt das Abiturientenzeugnis (oder Reifezeugnis)
jeder gymnasialen wie realistischen Vollanstalt 33ohne
33weiteres zu allen Studien auf den Universitäten
und anderen Hochschulen . Nur das Studium der
Theologie, das eine gründliche Vorbildung im Latei
nischen und Griechischen voraussetzt, ist den Gym
nasial-Abiturienten 84 vorbehalten . Ein Real-Abi
turient, der Theologie studieren will, muß daher zu
vor eine Ergänzungsprüfung ablegen , U. zw. der
ehemalige Realgymnasiast im Griechischen , der ehe
malige Oberrealschüler im Griechischen und Lateini
schen. Realabiturienten , die Medizin, Jura oder klassi
sche Philologie als Studium wählen, haben im Laufe
ihrer Studienzeit sich einer Nachprüfung in den klassi
schen Sprachen zu unterwerfen . Die Reifezeugnisse der
6 - jährigen Anstalten und diejenigen für Obersekunda
gewähren ihren Besitzern die Möglichkeit zu den
å mittleren Beamtenlaufbahnen. Reifezeugnisse wer
den erst auf Grund einer strengen schriftlichen
und mündlichen Prüfung (der sog. Abiturienten- oder
Reifeprüfung) erteilt; diese wirdunter Vorsitz eines
87Provinzialschulrats von den 38 Fachlehrern der
Anstalt abgehalten . Besonders tüchtige Prüflinge
können vom 89,,Mündlichen " (ergänze: Examen )
befreit werden .
81 wählen . 82 vorenthalten bleiben , nicht gewährt wer
den. * unmittelbar, ohne neue Prüfung. 34reserviert. 85machen ,
bestehen._36subalternen . 37 vergleiche S. 77. 38 Lehrern für
dio betr. Prüfungsgegenstände. 38 mündlichen Prüfung.
XIII. Unterrichtsvesen : Höhere Lehranstalten . 77

Das Schuljahr läuft in Norddeutschland von


Ostern bis Ostern, in Süddeutschland von Herbst bis
Herbst . Die Ferien betragen rund ein Vierteljahr :
zu Ostern 2 bis 3 Wochen , zu Pfingsten 4–8 Tage,
im Hochsommer 4-6 Wochen und zu Weihnachten
etwa 14 Tage (je nach den Ländern und Provinzen
40 ergeben sich geringe " Schwankungen) .
Sämtliche preußischen Gymnasial- wie Real
anstalten stehen unter Leitung je eines (Ober)Studien
direktors und Aufsicht von Provinzialschulkollegien.
Jedes Mitglied eines Provinzialschulkollegiums ( Jeder
Provinzialschulrat) hat eine Anzahl Anstalten seiner
Provinz unter seiner besonderen 42Obhut und revidiert
sie meist alle 2 Jahre . Bei den Reifeprüfungen ist ein
Provinzialschulrat in der Regel persönlich zugegen .
Die meisten Lehrkräfte der in Rede stehenden
Anstalten sind akademisch gebildet und führen die
Amtsbezeichnung Studienrat bezw. 43Studienassessor .
Die zum Lehrerkollegium gehörenden Herren ha
ben auf Grund mehrjähriger Studien an der Uni
versität vor einer staatlichen Prüfungskommission
ihre Staatsprüfung abgelegt. Außer genannten
Lehrkräften hat jede höhere Lehranstalt technische
Lehrer, nämlich einen oder mehrere Zeichenlehrer
und Gesanglehrer .
Die staatlichen und städtischen Gymnasial- und
Realanstalten sind Externate ; die Schüler wohnen
bei ihren Eltern oder sie sind irgendwo „ in Pen
sion " ( in Kost und Wohnung) .
Das Schulgeld beträgt je nach der Anstalt etwa
1000 bis 3000 Mark jährlich .
Auch die Landwirtschaftsschulen rechnen zu den
höheren Lehranstalten , da sie nach dem Lehrplane
der sechsstufigen Realschule eingerichtet sind und
überdies das theoretische Studium der Landwirt
schaft pflegen . Ihre Zöglinge erhalten nach be
standener Reifeprüfung die gleiche Berechtigung
wie die Realschul- Abiturienten .

40 zeigen. "1 Abweichungen, Unterschiede. 42Aufsicht.


43wissenschaftlicher Hilfslehrer,
78 XIII. Unterrichtsvosen : Höhere Lehranstalten .
Außer den genannten staatlichen oder städ
tischen höheren Lehranstalten gibt es eine große
Zahl von Privatschulen . Es sind fast 44ausschließ
lich Pensionate ( Alumnate, Internate ). Einige der
besten haben die Berechtigung, Reifezeugnisse aus
zustellen ; sie stehen daher den städtischen Realschu
len im Range und in den Leistungen gleich .
Ferner bestehen zahlreiche Éandelsschulen für
46Handelsbeflissene, sowie eine Reihe von technischen
oder Fachschulen ( Ingenieurschulen, Maschinenbau
schulen, Technika, 47 Gewerbeschulen , 48 Baugewerk
schulen usw.), an denen junge Leute sich für die
verschiedenen Zweige des Maschinenbaus, der Tech
nik und des 49 Hochbaus ausbilden lassen, um später
als Zivilingenieure, Privattechniker und Architekten
50ihren 50Lebensunterhalt zu verdienen .
Junge Mädchen der besseren Stände erhalten
in Preußen eine gute wissenschaftliche Ausbildung
an einer der zahlreichen städtischen Lehranstalten ,
die seit dem Jahre 1912 die Bezeichnung Lyzeum
führen und bis dahin „ höhere Mädchenschulen “,
im Volksmunde kurz „ Töchterschulen " hießen. Als
Kind von etwa 6 Jahren tritt die „ höhere Tochter “
in die „ Unterstufe “ oder „ Vorklassen “ (X bis VIII )
ein, empfängt in der X. Klasse die erste 51Unter
weisung in der Religion, im Deutschen (Lesen, An
schauung), Rechnen , Singen und Turnen. In Klasse
IX kommen (oder gesellen sich) Schreiben und
Nadelarbeit, in VIII Heimatkunde hinzu. Die ,,Mittel
stufe“ umfaßt die drei Klassen VII, VI und' v. In
Klasse VII 52setzt der wissenschaftliche Unterricht
mit einer Fremdsprache (Französisch ) und mit Erd
kunde, sowie das Zeichnen 52ein. In VI beginnt der
planmäßige Geschichtsunterricht. Auf der „ Ober
stufe“ (IV. , III ., II . und I. Klasse) treten als neue
45
44 ohne Ausnahme. zu erteilen , zu gewähren . 46 künf.
tige Kaufleute. 47 Schulen für subalterne Stellungen in der
Technik und Industrie. 48 Mittelschulen zur Ausbildung von
Architekten ( subalternen Baumeistern ). 4° Hausbaus u. dergl.
50 ihr tägliches Brot. 51 Unterricht. 823 beginnt, fängt an .
XIII. Unterrichtswesen : Höhere Lehranstalten . 79

Lehrfächer dann noch das Englische und die Mathe


matik (Arithmetik , Algebra, Planimetrie ) hinzu
U. zw. in Klasse IV. Alle Fächer sind 68verbindlich .
Das Abgangszeugnis über den erfolgreichen Besuch
der I. Lyzeal-Klasse berechtigt zum Übertritt in
das Oberlyzeum .
Das Oberlyzeum ist eine Art Doppelanstalt: als
2 -klassige „ Frauenschule“ bereitet es die Mädchen
für ihren Beruf als Hausfrau und Mutter vor; als
„ Lehrerinnenseminar" bildet es sie in 4 Jahreskursen
zu Lehrerinnen an jeder Art Mädchenschulen aus.
Viele Oberlyzeen haben entweder keine Frauenschule
oder keine Seminarklassen.
Mädchen, die sich für akademische Studien
eignen , besuchen Studienanstalten, die nach Art der
Oberrealschulen, Realgymnasien und Gymnasien,
und in denselben Lehrfächern wie diese, ihren Abi
turientinnen die Zulassung zum Studium (als Ärztin,
Oberlehrerin, Juristin usw.) auf der Universität
ermöglichen . Die 5 Oberrealschulkurse (V bis I )
zweigen nach Erledigung der III. Klasse des Lyzeums,
die 6 Realgymnasial- bzw. Gymnasialkurse (VI— I)
nach erledigtem Pensum der IV. Lyzealklasse ab .
Die Lyzeen, Oberlyzeen und Studienanstalten
unterstehen dem Provinzialschulkollegium ihrer Pro
vinz in gleicher Weise, wie die höheren Lehranstalten
für die männliche Jugend.
Der Unterricht an den Mädchenanstalten wird
von Lehrern und Lehrerinnen 54 erteilt ; diese sind
entweder akademisch (d. h . auf der Universität) ge
bildete Studienräte (innen ), oder sie haben auf einem
Lehrer (innen )seminar eine seminaristische Ausbildung
empfangen . Am Seminar und in der Studienanstalt
56wirken ausschließlich akademisch gebildete 56Lehr
kräfte. Auch die Leitung dieser Anstalten liegt 57vor
wiegend in den Händen einer akademisch gebildeten
Persönlichkeit (eines Oberstudien -Direktors oder einer
-Direktorin ) .
88
8obligatorisch . 54gegeben. 66 lehren, amtieren . 66 Lehr.
personen . 67in der Regel, meistens.
80 XIII. Unterrichtsvesen : Höhere Lehranstalten .
Außer den städtischen höheren Mädchenbil
dungsanstalten gibt es 68 selbstredend eine sehr große
Zahl von Privatlyzeen , Instituten, Pensionaten u .
dergl., die in ihren Zielen und Leistungen sich oft
nur wenig entsprechen .

Hochschulen.

Die deutschen Hochschulen sind Staatsanstal


ten ; sie vermitteln die höchstmögliche theoretisch
praktische 59 Fachbildung, fordern aber von ihren
deutschen Besuchern vor der Aufnahme ( Immatri
kulation ) das Reifezeugnis eines humanistischen
Gymnasiums, eines Realgymnasiums oder einer
Oberrealschule. Ausländer und solohe Deutsche, die
kein Reifezeugnis einer Vollanstalt besitzen , können
als Hörer (Hospitanten ) zwar zu den Vorlesungen
(Kollegien ), aber nicht zu den Staatsprüfungen zu
gelassen werden . Jeder Student erhält bei der Im
matrikulation eine Erkennungskarte, die ihm als
60 Ausweis dient und ihn u . a . gegen sofortige polizei
liche 61 Verhaftung schützt .
Die Lehrkräfte zerfallen in ordentliche Pro
fessoren, außerordentliche Professoren , Privatdozen
ten und Lektoren der neueren Sprachen . Professo
ren und Studierende haben das Recht der Lehrfrei
heit bezw. Lernfreiheit, d . h . die Professoren lehren
(„ lesen “ ), was sie für gut befinden, die Studieren
den gehen in die Vorlesungen ( ,, ins Kolleg “ ), oder
sie „ schwänzen " (versäumen ) diese je nach Lust und
Neigung. Ein ,, Kollegzwang" besteht für die Stu
dierenden nicht, jedoch müssen sie in der Staats
prüfung das von den prüfenden Dozenten geforderte
Wissen in den einzelnen Fächern 62 nachweisen .
Alle wichtigeren Vorlesungen sind sog. Privat
kollegs, d . h . nur solche Studierende haben Zutritt ,
die das Honorar ( meist 20 M. pro Semester für das

68 natürlich , wie sich von selbst versteht. 59 Vorbildung


für den gewählten Beruf. 60 Legitimation. 61 Arretierung,
Festnahme. 62 zeigen, darlegen .
XIII. Unterrichtswollen : Hochschulen . 81

wöchentlich vierstündige Kolleg) 68entrichtet haben.


Wer nichts bezahlt hat und sich dennoch in den
Hörsaal ( ins Auditorium ) begibt, um die Vorlesung
„ nachzuschreiben “, von dem sagt man, er ,,schinde
das betr. [lies: betreffende] Kolleg.
Außer den Privatvorlesungenwerden auch Pub
lica (öffentliche und kostenlose Vorlesungen) gehal
ten ; zu einem solchen „ Publicum “ hat jeder Stu
dierende freien Zutritt .
Endlich werden in den Seminarien (Übungs
abteilungen) Privatissima abgehalten ; letztere sind
ebenfalls unentgeltlich, aber nur solche Studierende
erlangen Einlaß, die in einer kurzen Prüfung den
Nachweis liefern, daß sie den Übungen zu folgen und
sich aktiv daran zu beteiligen imstande sind. Neben
diesen Seminarübungen gibt es für einzelne Studien
zweige (Medizin, Naturwissenschaft) noch andere
praktische Übungen .
Die Hochschulen gliedern sich in verschiedene
Gattungen. Als die vornehmste gilt die Universität
(die Alma mater ). Deutschland besitzt 23 Uni
versitäten mit mindestens je 4 Fakultäten (theo
logische, juristische, medizinische und philosophi
sche Fakultät ); es sind die Universitäten Berlin,
Bonn, Breslau , Cöln, Erlangen , Frankfurt a. M. [lies:
am Main ), Freiburg i. Br. [lies: im Breisgau ), Gießen,
Göttingen , Greifswald, Halle, Hamburg, Heidelberg,
Jena, Kiel, Königsberg, Leipzig, Marburg, München,
Münster i. W. [lies: in Westfalen ), Rostock, Tübingen
und Würzburg. Außerdem besteht eine unvollstån
dige Universität mit nur zwei Fakultäten (einer ka
tholisch -theologischen und einer philosophischen ),
nämlich das sog. Lyzeum Hosianum in Braunsberg
(in Ostpreußen ).
An der Spitze jeder Universität steht ein Rek
tor (amtlich Rector magnificus genannt ); er wird
alljährlich aus der Zahl der ordentlichen Professoren
neu gewählt. Unter Vorsitz des Rektors berät oder
beschließt ein akademischer Senat (aus etwa 6 Pro
* gezahlt.
Kron , Der Kleine Deutsche. 15 . 6
82 XIII. Unterrichtswesen : Hochschulen.

fessoren zusammengesetzt) über allgemeine Univer


sitätsangelegenheiten. Dieser Senat übt unter Leitung
des Universitätsrichters gleichzeitig die akademische
64 Gerichtsbarkeit (der alle Studierenden unterstehen )
aus .
Jede der 4 Fakultäten hat einen Dekan an ihrer
Spitze ; derselbe 65amtiert ebenfalls auf ein Jahr
und 66nimmt die Doktor - Promotionen innerhalb
seiner Fakultät 66vor.
Mit der medizinischen Fakultät sind Anstalten
verbunden, an denen die jungen Mediziner sich
auch praktisch auf_ihren späteren Beruf als Arzt
vorbilden können. Es sind dies eine Anatomie und
mehrere Kliniken . In der Anatomie macht der
Studierende sich durch Sektionen von Leichen mit
den Teilen des menschlichen Körpers genau bekannt.
Die Kliniken bieten ihm reichliche Gelegenheit, an
den dort Heilung suchenden Kranken die Art und
Behandlung der Leiden kennen zu lernen. Ältere
Studierende der Heilkunde sowie solche, die ihre
Staatsprüfung bereits bestanden haben, verbringen
zu ihrer Weiterbildung häufig noch eine Anzahl
Semester ( Halbjahre) als Assistenten eines Spezia
listen an einer der Universitätskliniken . Ebenso 67 ver
fahren viele strebsame Naturwissenschaftler.
Das akademische Studienjahr zerfällt in zwei
Semester oder Halbjahre; es sind dies das Sommer
semester (von Ende April bis Anfang August) und
das Wintersemester (von Mitte Oktober bis Anfang
März). Dazwischen liegen die großen Ferien " (Au
gust bis Oktober) und die Osterferien (März und
April) . Zu Weihnachten 68findet eine nur kurze
Unterbrechung von etwa 14 Tagen 68statt.
Die Studierenden preußischer Universitäten müs
sen mindestens 6 Semester ( die Mediziner 8 Semester)
,, belegt" , d. h. zahlbare Vorlesungen gehört haben .
Hierauf können sie sich zur Staatsprüfung melden.
Die Mehrzahl der Examenskandidaten , hat“ vor

64 Justiz, Rechtspflege. 6versieht sein Amt, ist als sol.


cher tätig. schält ... ab, übernimmt. 67handeln . 68 ist, erfolgt.
XIII . Unterrich towoson , Hochschulen 83

Eintritt in die Prüfung indes wesentlich mehr als


die B9vorschriftsmäßige Zahl Semester. Die Kan
didaten der Theologie werden vom Konsistorium
ihrer Provinz geprüft. Auch die Juristen können
ihre beiden Prüfungen nicht an der Universität ab
legen ; ihre erste Prüfung, den „ Referendar" , machen
sie am Oberlandesgericht ihrer Provinz ; die zweite,
den ,,Assessor" , vor dem ,,Kammergericht“ in Berlin .
Bei den Medizinern geht dem ,, Approbationsexamen"
( Staatsexamen ) eine kleinere Vorprüfung, das sog.
Physicum (amtlich : Tentamen physicum ) an der
Universität voraus; letzteres kann schon am Ende
des 4. Semesters abgelegt werden. Die Philosophen
und Philologen machen ihr Staatsexamen vor einer
wissenschaftlichen Prüfungskommission " , die sich
vorwiegend aus Universitätslehrern zusammensetzt.
Zur Doktorprüfung werden nur solche Kandi
daten zugelassen, die wenigstens 6 Semester auf
einer deutschen Universität studiert und eine selb
ständige Dissertation ( längere fachwissenschaftliche
Abhandlung) geschrieben haben . Die Bedingungen
70bezüglich der mündlichen Dr.-Prüfung (des Ri
gorosum ) und der an die Fakultät 71abzuführenden
71 Gebühren schwanken bei den verschiedenen Uni
versitäten . Neuerdings haben auch Damen sich der
juristischen , medizinischen und philosophischen Dr.
Prüfung mit Erfolg unterzogen.
Außer den Universitäten gibt es noch andere
staatliche Hochschulen . Am wichtigsten sind da
runter die technischen Hochschulen (zu Aachen, Ber
lin -Charlottenburg, Braunschweig, Darmstadt, Dres
den , Hannover, Karlsruhe, München , Stuttgart). Alle
Zweige des 72 Hochbau-, 73Tiefbau- und Maschinen
bauwesens sowie der Technik werden hier gelehrt und
geübt. Seit 1900 besitzen die technischen Hochschu
len das Recht, den Dr. ing. (den Titel eines ,,Doktor
69vorgeschriebene, verlangte. 70 betreffs. 71zahlbaren
Geldbeträge. 72Kunst, Gebäude (d. h. Bauten , die sich
über die Erde erheben ) zu errichten. 78 Kunst, unterirdische
Anlagen (Wasser«, Gas-, elektrische Leitungen) herzustellen .
84 XIII. Unterrichtswesen : Hochsobulen .
Ingenieurs "') auf Grund einer Fachprüfung oder ehren
halber (.,honoris causa " ) zu verleihen .
Andere Hochschulen sind die Bergakademien ,
Porstakademien und Kunstakademien , die Musik
schulen und tierärztlichen Hochschulen . Auch die Han
delshochschulen zu Berlin, Cöln, Leipzig , Mannheim ,
München und Nürnberg zählen zu den Hochschulen
nicht dagegen die neuen Volkshochschulen für Ele.
mentargebildete.
Die große Mehrheit der Studentenschaft gehört
einer studentischen ,,Korporation " an, sei diese nun
ein 74 Korps, eine 78Landsmannschaft, eine 76 Bur
schenschaft, ein akademischer Turnverein , Gesang
verein oder wissenschaftlicher Verein . In allen Kor
porationen herrscht 77straffe 77Zucht und unzer
trennliche Kameradschaft. Auf 78Verfechtung der
persönlichen und der Korporationsehre wird ganz
besonders streng gehalten und beides von den mei
sten Korporationen aufs äußerste verteidigt, wenn's
not tut mit der blanken Waffe in der Hand. Nur
wenige Verbindungen verzichten auf diesen Grundsatz
der ,,Honorigkeit", indem sie keine ,, Satisfaktion “
geben, wofür sie freilich auch fast allgemein 79über
79die 79 Schulter (Achsel) 79angesehen werden .
Ehrenhändel jeder Art werden 80.auf 80der 80Men
Surhl mit Schläger ( Rapier, Speer) , Säbel oder Pistole
ausgefochten. Eine 808 Forderung vonseiten der be
leidigten Partei geht dem Zweikampf voraus; die
beleidigendeSeite nimmt die Forderung an (,, gibt
Satisfaktion " ), oder sie lehnt sie ab ( gibt keine
Satisfaktion“) .
" Das „ Korps“ ist ohne politische Tendenz und er.
gänzt sich vorwiegend aus Söhnen der Aristokratie, gilt
daher als die „nobelste“ Korporation. 78 Studentenverbin .
dung, die sich vom Korps nicht wesentlich unterscheidet,
früher aber nur aus Angehörigen derselben Landschaft (Pro
vinz) bestand und politisch hervortrat. 76Korporation, die
ursprünglich politische Reformen erstrebte, seit 1871 aber
vorwiegend studentische Ziele verfolgt. 77 strenge Disziplin.
** Wahrung, Verteidigung. 79 verachtet. Soim Zweikampf.
80 - Herausforderung, Provokation.
XIII. Unterrichtswesen : Hochschulen . 85
Wenn der junge Student sich als krasser Fuchs
(im 1. Semester) und als Brandfuchs oder Brander
( im 2. Semester) in den beiden „ Fuchssemestern "
(im 1. und 2. Halbjahre) nach 8lunerbittlicher
4
Gymnasialstrenge in der goldenen akademischen
Freiheit 82getummelt, wenn er fechten („ pauken ")
und trinken („ kneipen ") gelernt hat, wenn er mit
den herrschenden Bräuchen (dem sog. Komment)
des Korporationslebens und mit seiner Stellung
nahme zu dem „ Philister“ (d. i. der nichtstudierten
Bürgerschaft) vertraut ist, wird er „ geburscht“
(,,rezipiert“ ), d. h.zum Burschen , geschlagen “ . Nun be
ginnt das ernstere Arbeiten („ Ochsen " oder ,,Büffeln "
nennt es der Studiosus). Ist er Verbindungs -Student,
80 hat er die in jeder Woche mindestens einmal statt
findende ,,offizielle Kneipe": mitzumachen ; es ist
dies ein fröhliches Zechgelage, wobei sämtliche ak
tiven Mitglieder der Verbindung unter Leitung eines
„ Präsiden" nach dem „ Kneipkomment“ Bier trinken
und Studentenlieder absingen. An bestimmten Ta
gen hat der „ Aktive“ den ,,Paukboden “ (oder Fecht
boden , das " Übungsfechten ) sowie den offiziellen
Frühschoppen zu besuchen und sich an allen kor
porativen 83Veranstaltungen zu beteiligen. Bei feier
lichen Anlässen sowie beim Beginn und Schluß
des Semesters veranstalten mehrere Korporatio
nen gemeinsam einen großen Kommers (eine
Festkneipe), wozru meist auch rDamen und gela
dene 84Phi liste haue
" als Zusc heinen
ersc .
Das 85 unverfälschte Studentenleben 86entfaltet
sich weniger an den großen, als vielmehr an kleineren
Hochschulen, insbesondere an den Universitäten
Jena, Heidelberg, Göttingen , Marburg, Tübingen .
Hier spielt der Student eine 87nicht 87unbedeutende
Rolle ; ohne ihn wären diese Städte öde und leer;
das zeigt sich deutlich zur Zeit der großen Ferien.
Korporationen tragen in der Regel „ Couleur“
(oder Farben), u. 2. eine bunte (weiße, blaue, rote,
91 äußerster, größter. 82 frei bewegt. ** Unternehmungen.
* Nichtstudenten.86 echte, wabre. 86 zeigt. $7wichtige.
86 XIII. Unterrichtsweseni Hochschulon .

grüne, gelbe) Mütze oder einen 88 Stürmer sowie


ein meist dreifarbenes Band schräg über der Weste,
einen „ Bierzipfel " (ein breites Uhrband) und einen
89 ,Weinzipfel in den Farben der Korporation.
Jede Verbindung führt ein Wappen und einen be
stimmten Namen ; so gibt es bspw . eine Borussia,
eine Bavaria, eine Saxonia, eine Germania, eine
Teutonia usw. Der Anfangsbuchstabe des Namens
tritt in dem der betr . Verbindung eigenen Mono
gramm (Zirkel genannt) deutlich hervor ; mit ihm
sind die Anfangsbuchstaben der allgemeinen Stu
dentenformel vivat, crescat, floreat in kunstvoller
Weise verschlungen . Ein Ausrufungszeichen darf
hinter dem Zirkel nicht fehlen. Bei festlichen Ge
legenheiten erscheinen die " Chargierten „ in Wichs“
(in Festkostüm) . Viele Korporationen haben ihr
eigenes Haus mit Gesellschafts- und Wohnräumen .
Studenten, die einer Korporation angehören,
die keine Farben trägt, werden ,, Finken " genannt;
solche, die überhaupt keiner Verbindung angehören ,
heißen ,, Wilde " . Die Wildenschaft ist an vielen
Universitäten organisiert und in Gruppen für künst
lerische, wissenschaftliche oder sportliche Bestrebungen
gegliedert.
Die Visitenkarten und Briefaufschriften der
Studenten führen hinter oder unter dem Namen in
lateinischer Schrift das Studienfach des Betreffen
den an, z . B .: Wilhelm Kaiser, stud . med ., d . h . stu
diosus medicinae ( Studierender der Medizin) . An
dere derartige Abkürzungen sind : stud. theol. (stu
diosus theologiae), stud . jur. ( studiosus juris), stud.
phil. (studiosus philosophiae), stud. math. (studio
sus mathematicae ), stud. rer. nat. (studiosus rerum
naturalium ), stud . arch . (studiosus architecturae ),
stud . techn . oder stud. rer . techn . (studiosus rerum
technicarum) . Ältere Semester nennen sich cand .
(candidatus) statt studiosus . Von den „ Philistern “
der kleineren Universitätsstädte werden alle Stu

88 Mütze mit steifem , nach vorn überhängendem Deckel.


* ° sobmales Ubrband. " Mitglieder des Präsidiums
XIII. Unterrichtswesen : Hochschulen . 87

dierenden , auch solche , die auf den Dr. - Titel keinen


Anspruch haben, mit „ Herr Doktor “ angeredet .
Die Studierenden wohnen in Deutschland nicht
in den Räumen ihrer Hochschule ; dies wäre ein
Ding der Unmöglichkeit, da die Zahl der immatri
kulierten „ Musensöhne“ zu groß ist : hat doch die
Universität Berlin über 14 000 Immatrikulierte ,
München fast 9 000, Leipzig über 6 000. Jeder civis
academicus hat in der Stadt seine Privatwohnung
(seine „ Bude" ), in der Regel 1 oder 2 Zimmer. Das
Reinigen der Wohnung besorgt der „ Besen " (das
Dienstmädchen des Vermieters) ; die Stiefel und
Kleider werden in kleineren Universitätsstädten
vielfach von einem ,,91Stiefelfuchs “ gereinigt.
© Das deutsche Studentenleben bietet für jeden ,
auch für den Ausländer, eine solche Fülle des 2 An
heimelnden und 93 Urwüchsigen , daß er oft, wenn
er nach der Exmatrikulation (nach dem Austritt ) und
im „ Philisterium “ ( im Berufsleben ) an seine Stu
dentenzeit zurückdenkt, die letzte Strophe des Liedes
97Einst lebt' ich so harmlos in Freiheit und Glück “
mit einer stillen Sehnsucht 94vor 94sich 94hin singt :
Und endet der ® Bursche, und muß er nach Haus,
Umarmen ihn Freunde noch einmal beim Schmaus.
Von manchem vergessen , der nahe ihm stand ,
Verläßt er der Freiheit geheiligtes Land ;
Er wird ein Philister und steht so allein
O selig, o selig, ein Fuchs noch zu sein !

XIV .
Religionsgemeinschaften . Kirchliche Feste.
Die Bevölkerung des Deutschen Reiches ge
hört bis auf einen sehr kleinen Bruchteil der christ
lichen Religion an, deren Anhänger im 16. Jahr
hundert durch Luthers Reformation (seit 1517 ) in
zwei große Lager - Protestanten (Evangelische) und
Katholiken – gespalten ( geteilt) wurden . Etwa zwei
91 Stiefelputzer. " Ansprechenden, Schönen . 93 Eigen
artigen , Originellen. 94für sich, leise. 85 Vergl. 8. 85.
1 Bekenner.
88 XIV . Religionsgemeinschaften. Kirchliche Feste.
Drittel der Reichsangehörigen sind protestantisch
(evangelisch ), ein Drittel ist katholisch. Die Israe
liten (Juden ) machen 1 /6 % [ lies: 1/6 Prozent oder
14/6 vom Hundert) aus, d. h. unter 1000 Deutschen
zählt man ? durchschnittlich 12 Juden. In Preußen
stellt sich das Zahlenverhältnis fast genau so wie
fürs Deutsche Reich. Sachsen hingegen ist 'sozu
sagen rein protestantisch (es enthält nur 3 % Ka
tholiken) . In Württemberg und Hessen sind beinahe
drei Viertel der Bewohner protestantisch. 6Über
wiegend katholische Länder sind : Bayern (mit 71 % )
und Baden (mit 62 % ). Den höchsten Prozentsatz
an Juden weisen Berlin mit 5 % und Hessen mit
2 % der Einwohnerschaft auf. Außer diesen drei
staatlich anerkannten Konfessionen gibt es noch eine
verhältnismäßig sehr geringe Zahlchristlicher An
dersgläubiger (Šektierer), u. a. die Wiedertäufer, die
Herrnhuter « Brüdergemeinde, die 'Mennoniten und
die Heilsarmee, deren Anhänger sich in Deutschland
schnell vermehrt haben. Es besteht keine deutsche
Staatskirche mehr seit der republikanischen Ver
fassung vom 11. August 1919, wonach „Religion
Privatsache“ ist .
Jeder Brechtgläubige Christ geht Sonntags regel
mäßig zur Kirche, sei es in denMorgengottesdienst,
sei es in den Nachmittags- oder Abendgottesdienst.
Er hört dort die Predigt des Geistlichen und nimmt
9
Pandächtig teil an den Gebeten und am Gemeinde
gesang, der von Orgelspiel und bisweilen vom Kir
chenchor begleitet wird . Der Geistliche erscheint vor
dem Altar und auf der Kanzel in seinem Ornat, bei
den Protestanten in langem schwarzen Talar und
weißem 10Beffchen, bei den Katholiken im weißen
Meßgewand mit der Stola . Vor Beginn des Gottes
dienstes läuten die Kirchenglocken; beim Schluß
? im Durchschnitt, im allgemeinen. • Proportion, Prozent
satz . " fast. óvorwiegend. &protestantische Sekte für Heiden
mission ( Sitz in Herrnhut bei Bautzen in Sachsen ). ? protes
tantische Sekte, vom Pfarrer Menno gegründet ; sie verwirft
den Eid, den Krieg usw. ' orthodoxe . mit Andacht, ernst
lich. 10zweiteiliges Lätzchen , Uberschlägelchen.
XIV . Religionsgemeinschaften. Kirchliche Feste. 89
findet in der Regel am Ausgang (am Portal) eine
Kollekte (Almosensammlung) für die Armen der
Gemeinde oder für den einen oder anderen guten
Zweck statt. Vielfach wird auch während des Ge
sangs der 11 Klingelbeutel herumgereicht.
In der evangelischen Kirche, d . h . in der „ unier
ten“ (vereinigten ) deutschen Gesamtkirche derLuthe
raner und Reformierten (Anhänger der Lehre Calvins)
ist der Oberkirchenrat die höchste Behörde . Ein ge
meinsames Oberhaupt hat die evangelische Kirche
seit dem Sturze Kaiser Wilhelms II. nicht mehr .
Sie zerfällt in eine Anzahl Landeskirchen , deren jede
im allgemeinen auf das Gebiet der betr. Landes
provinz beschränkt ist . Dieses Gebiet umfaßt seiner
seits verschiedene Kirchenkreise (Sprengel, Diözesen ),
die sich wiederum aus mehreren Gemeinden (Pfarren ,
Pfarreien ) zusammensetzen . Jede Pfarrei hat min
destens einen Pfarrer (Pastor) und nach Bedarf
einen oder mehrere Hitfsprediger. Der Pfarrer ist der
eigentliche Seelenhirt seiner Gemeinde. Außer der
Abhaltung des Gottesdienstes liegen ihm andere Amts
pflichten ob, z. B. Taufen, Konfirmationen(nach ein
bis zweijährigem Konfirmandenunterricht), Trauungen ,
Krankenbesuche, Beerdigungen. In der Leitung der
Gemeindeangelegenheiten hat der Pfarrer einen Kir
chenvorstand (,, Gemeindekirchenrat", Presbyterium )
zur Seite ; diese Körperschaft besteht aus 4-12 Kira
chenältesten (,, Presbytern " , d . h . Laien oder Nicht
geistlichen aus der Gemeinde), die mitzuentscheiden
haben über die Anstellung neuer Geistlichen sowie
über 12Geldaufwendungen aus dem Gemeindesäckel.
Innerhalb der Landeskirche der Provinz führt
der oberste Geistliche den Titel Landesbischof; er
wird von der Landessynode auf Lebenszeit gewählt
und ist dem Landeskirchenamt 12 nebengeordnet. Letz
teres regelt die kirchlichen Angelegenheiten , nimmt die
Prüfung und Weihe (,,Ordination “) der Kandidaten
der Theologie vor, und ihm sind auch die Dekane (,, Su
11 Sammelteller, Behälter fürAlmosen; häufig ein Beutel
mit Klingel, der während des Gottesdienstes in der Kirche
zirkuliert (herumgeht). 12 Ausgaben . 18 * gleich berechtigt.
90 XIV . Religionsgemeinschaften. Kirchliche Feste.
perintendenten “) derverschiedenen Sprengel (Kirchen
kreise) der Provinz untergeordnet.
Von Zeit zu Zeit werden Synoden (Kirchentage)
Kreis , Provinzial- und Landes- oder General
synoden – einberufen und erwählte 12Abgeordnete
zur Teilnahme an den dort stattfindenden kirchlichen
14Beratungen entsandt.
Das Oberhaupt der römisch - katholischen Kirche
aller Länder ist der Papst (der , heilige Vater" ) in
Rom. Er wurde am Tage der französischen Kriegs
erklärung an Deutschland ( am 19. Juli 1870) für
„ unfehlbar“ in Glaubenssachen erklärt. Dem Papst
und seinem Kardinalskollegium (70 Kardinälen ,
Ratgebern des Papstes) unterstehen in Deutschland
4 Erzbistümer (Köln , Bamberg, München, Freiburg
i . B.) und 18 Bistümer mit je einem Erzbischof bezw .
Bischof an der Spitze ; der Breslauer Oberhirt ist
Fürstbischof. Die Grenzen der Sprengel (Bistümer,
Diözesen ) decken sich nicht überall mit den politi
schen Grenzen ; vielmehr behält die römische Kirche
die alte, erstmals 15festgelegte Einteilung bei , sodaß
bspw . der Sprengel des Fürstbischofs von Breslau
auch einen Teil von Österreich umfaßt. Die Bistümer
zerfallen in einzelne Pfarreien (Pfarren , Gemeinden ).
Geistliche (Oberpfarrer, Pfarrer, Kapläne, Vikare)
nehmen die kirchlichen Amtshandlungen (Gottes
dienst, Messen , Beichte ) vor. Die Laien wirken nur
bei der 16Vermögensverwaltung mit; die Diözesanver
waltung 17entzieht 17sich ihrem Einfluß. Die katho
lischen Geistlichen sind zum Cölibat ( zur Ehelosig
keit) verpflichtet, d. h. sie dürfen nicht heiraten.
Sie werden vom Bischof ernannt und bedürfen seit
1919 nicht mehr der 18 Bestätigung durch den Staat.
Die Erzbischöfe und Bischöfe mußten bis 1918 dem
19 Staatsoberhaupte 20den 20 Eid der Treue leisten .
Von den katholischen Ordensgesellschaften
(Mönchsorden) wurden vor der Revolution von 1918
13Abgesandte, Deputierte. 14 Verhandlungen , Bespre
chungen . 16 bestimmte , vorgenommene. 18 Verwendung des
Vermögens (Geldes ). 17 steht nicht unter. 18 Anerkennung .
10 Souverän, Landesfürsten. 30 das feierliche Versprechen .
XIV . Religionsgemeinschaften . Kirohliche Feste. 91
in Deutschland nur solche geduldet, die sich der
Krankenpflege oder Erziehung widmeten.
Die jüdische (israelitische, mosaische) Glau -
bensgenossenschaft hat kein gemeinsames Oberhaupt ;
die 8 Millionen jüdischer Gläubigen sind über die
fünf Erdteile zerstreut, am zahlreichsten (mit über
7 Millionen ), jedoch in Europa vertreten , besonders
in Polen, Österreich , Ungarn und Rumänien. In
Deutschland beträgt ihre Zahl etwas über eine halbe
Million , Die Juden halten ihre regelmäßigen An
dachtsübungen und religiösen Feste in ihren Syna
gogen ab , u. z . ohne den Hut dabei abzunehmen .
Der Samstag (norddeutsch : Sonnabend ) ist der Sab
bath oder Ruhetag. Ein Kantor oder Lehrer, der
in kleineren Gemeinden zugleich Schächter ( d. h.
Schlächter nach jüdischem Ritus ) ist, leitet die
Feier. In größeren Judengemeinden steht ein Rab
biner an der Spitze ; der Titel Oberrabbiner, ein 21Über
bleibsel aus der napoleonischen Herrschaft, begegnet
nur noch in wenigen Städten. In Baden und Würt
temberg besteht als israelitische 22 Kirchenbehörde
ein Konsistorium (Oberrat); im übrigen Deutsch
land ist jede Gemeinde selbständig, da eine höhere
Instanz fehlt.

Der höchste protestantische Feiertag ist der


28Karfreitag als Erinnerungstag an das Leiden und
Sterben des Heilandes Jesus Christus. Bei den
Katholiken gilt der Fronleichnamstag ( 10 Tage nach
Pfingsten) als der wichtigste kirchliche Festtag des
Jahres; in allen Pfarreien werden an diesem Tage
pomphafte Prozessionen ( Umzüge) der Pfarrkinder
unter Vorantritt der Geistlichen mit der Hostie
( einem Stückchen ungesäuerten Brotes, das sich
nach ihrem Glauben in den Leib Christi verwandelt)
abgehalten . Außerdem feiert die katholische Kirché
den 29. Juni ( Peter und Paul), den 1. November
( Allerheiligen ), den 6. Januar ( das Fest der Heiligen
drei Könige), den 15. August (Mariä Himmelfahrt)
81 Uberrest, Rest. la Kultusinstanz. ** Freitag vor Ostern .
92 XIV. Religionsgemeinschaften, Kirchliche Feste.
und verschiedene andere Marientage. Den Prote
stanten und Katholiken gemeinsam sind die drei
hohen christlichen Feste Weihnachten, Ostern und
Pfingsten, die in Deutschland je zwei Tage lang
kirchlich gefeiert werden. Hohe israelitische Feste sind
das Passah oder Osterfest (vergl. S. 94) und das
achttågige 24Laubhüttenfest (im Oktober ).
Das Weihnachtsfest (am 25. und 26. Dezember)
ist in Deutschland das höchste Freudenfest, beson
ders für die Kinder. Man pflegt sich gegenseitig
und die Jugend zu diesem Feste mit Weihnachts
geschenken (Süßigkeiten und nützlichen Dingen ) zu
25 bescheren . Der Weihnachtsbaum (Tannenbaum )
fehlt nur selten in einem deutschen Familienkreise;
selbst die Mehrzahl der alleinstehenden Junggesellen
macht sich ein Bäumchen . Die Weihnachtsbäume
werden mit zahlreichen Wachslichtern (neuerdings
auch mit elektrischen Glühlämpchen ) und buntem
Aufputz(Flittergold,Glaskugeln, Schneewolle ), Mar
zipan, Wallnüssen, Äpfeln usw. behängt. Zu der
Weihnachtsfeier stellen sich, wenn irgend möglich,
die in der Ferne lebenden Angehörigen der Familie
ein, um in 26trautem Kreise ein paar sorgenfreie
Tage zu verbringen und sich mit den Fröhlichen zu
freuen . Die 27 Bescherung findet vielfach schon am
,,Heiligen Abend" (am 24. Dezember abends)
am Weihnachtsheiligenabend“, wie der Berliner
sagt - statt, damit die Kinder ruhig schlafen können ,
nachdem sie wochenlang vorher in 28 fieberhafter
28Spannung darüber waren, was ihnen der „ Weih
nachtsmann" (das „ Christkindchen “ ) bringen werde.
Acht Tage nach dem Christfest wird das Neu
jahrsfest gefeiert. Am Neujahrstage ruht die Arbeit;
man geht zur Kirche und nimmt sich vor, im neuen
Jahre „ einen neuen Menschen anzuziehen “, d. h .
besser zu leben als im verflossenen Jahre . Am Neu
jahrstage wünscht man allen Freunden und Bekann
ten Viel Glück zum neuen Jahre“, ein herzliches
21 Fest zur Erinnerung an den Aufenthalt der alten
Israeliten in derWüste. 26 beschenken, erfreuen . 28 lieben.
87 Beschenkung. 36höchster Aufregung oder Neugier(de).
XIV . Religionsgemeinschaften. Kirchliche Festo. 93
„ Prosit Neujahr", oder ein ,,Glückseliges neues Jahr" .
Abwesenden sendet man einfache Glückwunschkar.
ten mit dem Aufdruck ,,Herzlichen Glückwunsch
zum Jahreswechsel“ , „ Viel Glück zum neuen Jahre“ ,
oder ,,Beste Wünsche zum neuen Jahre “ u . dergl. Den
letzten Abend des scheidenden Jahres, den sog. Sil
Dester (abend), verbringt ( feiert) der Deutsche im Kreise
seiner Lieben mit einem Silvesteressen, bei dem der
Karpfen und die heiße Punschbowle nicht fehlen dürfen.
Mit dem Glockenschlage zwölf wird von allen Kirch
türmen das neue Jahr „ eingeläutet“ und ein schäu
mendes Glas Sekt auf ( ein) gutes Gelingen geleert.
Das Osterfest (Fest der Auferstehung Christi)
wird am Ostersonntag und Ostermontag kirchlich
gefeiert. Die Kleinen und die niederen Volksklassen
vergnügen sich an diesen Tagen mit dem Essen von
gefärbten Eiern (Ostereiern ) und mit Eierpicken ;
letztere Volksbelustigung besteht darin , daß zwei
Personen das spitzere Ende eines Eies gegeneinander
schlagen (,,kippen", „ picken " ), und daß das zer
brochene Ei dem Besitzer des ganz (heil) gebliebenen
Eies als Lohn zufällt. In wohlhabenden Kreisen be
schenken sich die Erwachsenen mit größeren künst
lichen Ostereiern oder Häschen aus Pappe, Marzipan,
Schokolade oder Zucker. Diese „ Osterhasen “ sind
mit Konfekt gefüllt, enthalten vielfach auch einen
Schmuckgegenstand von Wert. Für die Kleinen ver
stecken dieEltern im Garten oder in der Wohnung
wirkliche, gefärbte Eier, Schokoladehäschen und der
gleichen ; am Ostermorgen findet dann ein eifriges
Eiersuchen “ statt, an dem Alt und Jung ihre Freude
haben .
Am Pfingstsonntag und -montag (7 Wochen
nach Ostern) findet ebenfalls Festgottesdienst statt.
Zehn Tage vor Pfingsten fällt das Fest Christi Him
melfahrt ; der Himmelfahrtstag wird in der christ
lichen Kirche nicht minder festlich begangen wie
die übrigen Feiertage .
In der katholischen Kirche wird jeden Freitag
gefastet, d. h. es wird kein Fleisch (wohl aber Fisch,
Mehlspeisen, Obst und Gemüse) gegessen. Die 46 -tägige
94 XIV . Relionsgemeinschaften. Kirchlighe Teste.
ununterbrochene Fastenzeit beginnt am Aschermitt
woch und schließt mit Beginn des Ostersonntags
ab. - Die Israeliten haben zwei Hauptfasttage,
nämlich den ,,Tag der Zerstörung des Tempels'
(im Juli) und das 29,,Versöhnungsfest" (im Volks
munde: den „langen Tag“, im September oder Ok
tober) ; an beiden darf einen Tag lang nichts gegessen
oder getrunken werden ; dagegen wird ,,in Sack und
Asche getrauert“ . Am Osterfeste ( Passah) essen
die Juden neben jeder anderen Nahrung statt ge
wöhnlichen Brotes die sog. 30Mazze (d. i. ungesäuerter
gerösteter Mehlfladen , der christlichen Hostie ent
sprechend). Der Genuß von Schweinefleisch ist den
Juden nach dem alttestamentlichen Gesetz überhaupt
81untersagt, weil das Schwein bei den Völkern des
Orients 82 von 32 jeher als unrein gilt.

xv.
Bürgerliche Gesellschaft und Berufsarten .
Gesellschaft .
Den höchsten gesellschaftlichen Rang hatten in
Deutschland bis zum Umsturz vom November 1918
(s. S. 193) die regierenden Fürstlichkeiten , die seit
dem labgesetzt und ohne Sonderrechte sind . Vorher
führte der Kaiser und König das Prädikat ,, Seine
Majestät “ (in der Anrede: ,, Eure Majestät“), eine
Kaiserin oder Königin in entsprechender Weise :„ Ihre
( bzw. Eure) Majestät“; ein Königssohn und ein
Großherzog: ,, Seine (bzw. Eure) Königliche Hoheit " ;
ein regierender Herzog: „ Seine (bzw. Eure) Hoheit" ;
ein regierender Fürst: ,, Seine (bzw. Eure) Durch
laucht . Bei den Damen der Genannten war ,, Seine"
durch ,, Ihre" zu ersetzen . Das Wörtchen ,,Eure"
wird bisweilen ,,Ew . " (aus älterem ewer) geschrieben.
29 Tag der Einigung oder Herstellung des Friedens,
80 dünner Kuchen. 81 verboten. 32 seit den ältesten Zeiten ,
seit alters, von alters her,
1 depossediert.
XV . Bürgerliche Gesellschaft. 95

Unmittelbar hinter diesem „ hohen Adel" ( den


regierenden Fürstlichkeiten) folgt der „ niedere Adel".
Die Vertreter des niederen Adels, die Adeligen , führen
vor ihrem Namen das Wörtchen von , das in der
Schrift oft in v. gekürzt wird.
Man unterscheidet den Erb- oder Geschlechts
adel (durch Erblichkeit in dem betr. Familienge
schlecht sich fortpflanzend ) und den persönlichen
Adel (Verdienstadel, der ahervorragenden Männern
wegen besonderer Verdienste vom Landesfürsten
verliehen wurde , ohne unbedingt erblich zu sein) . Im
Deutschen Reich wird der Adel seit der großen Re
volution ( 1918) nicht mehr verliehen .
Die Rangstufen des niederen Adels sind (von
oben abwärts):_ der nicht regierende Titular -Herzog
( Anrede: Eure Durchlaucht), der Fürst ( Eure Durch
laucht), der Graf (Euer Hochgeboren ), der Freiherr,
Ritter oder Baron (Euer Hochwohlgeboren ) und der
nicht titulierte einfache Adlige v. X. (Euer Hoch
wohlgeboren ).
Die entsprechenden Titel der verheirateten Da
men sind : Herzogin, Fürstin , Gräfin, Freifrau ( Baro
nin ), die der unverheirateten : Komtesse, Freiin ( Baro
nesse). Alle von Geburt Adeligen haben ein Wappen
und eine längere Ahnenreihe ; auf beides sind sie
oft nicht wenig stolz .
Im bürgerlichen Leben unterscheidet man zwi
schen den höheren Ständen, dem Mittelstande und
den niederen Ständen oder unteren 3Volksschichten.
Die Grenze ist oft schwer zu ziehen . Zu den höheren
Ständen zählen außer dem Adel diejenigen, die sich
durch ihre geistige und gesellschaftliche Bildung,
ihre Lebenshaltung und Vermögensverhältnisse vor
der großen Masse der Bevölkerung auszeichnen . Der
Mittelstand faſt alle die in sich , die 5es durch Fleiß
und Sparsamkeit in ihrem Beruf bzu einem mehr
oder minder reichlichen Auskommen gebracht

a ausgezeichneten, bedeutenden . Kreisen des Volkes.


“ hier : Reichtum . Þes bringen zu =erreichen, erringen . Ver.
mögen , Wohlstand.
96 XV . Berufsarton.

haben , ohne dabei aufhohe geistige und gesellschaft


liche Bildung Anspruch machen zu können . Zu den
niederen Volksschichten rechnet man die große Masse
der Ungebildeten und ?Unbemittelten, die im Dienste
anderer Leute ihr mehr oder weniger 8kümmerliches
Dasein ' fristen und nicht selten ,, 10 aus 10 der 10 Hand
10 in 10den 10Mund 10leben " .

Berufsarten.
,, Eines schickt sich nicht für alle !" sagt das
Sprichwort. Nicht jeder ist berufen, eine Krone zu
tragen ; auch wird nicht jeder als oder zum Millionär
geboren . Nur wenige Leute sind in der Lage , von
ihren Renten ihren Zinsen , ihrem Gelde) zu leben
und ganz ihren 11Neigungen 18nachzugehen. Die
überwiegende Mehrheit der Menschen hat sich ihr
tägliches Brot in ihrem Lebensberuf sauer (mühsam )
zu verdienen. Die einen sind vorwiegend geistig
und mit der Feder tätig, andere betreiben ein Ge
werbe, wieder andere sind einfache Arbeiter (Tage
lohner ). Eine 18nicht 18unbeträchtliche Anzahl Men
schen lebt von milden Gaben (vom Betteln), sei es
nun, daß sie völlig arbeits- und 14erwerbsunfähig
oder nur 15 arbeitsscheu sind.
Vor der 16Staatsumwälzung von 1918 galt als
vornehmster Beruf in Deutschland der des aktiven
Offiziers . Nachdem aber die ruhmreiche deutsche
Heeres- und Flottenmacht von den neuen ( sozialisti
schen ) Machthabern 17zertrümmert und die allgemeine
18Wehrpflicht nach mehr als hundertjährigem Be
stehen beseitigt worden ist, bietet der Offiziersberuf
für die Söhneder besseren Stände keine 19 Aussichten
und 20keinen 20 Reiz mehr.
Die juristische Laufbahn (als Referendar, Assessor,
? Armen . 8ärmliches. ' führen, haben. 10 das verdiente
Geld sofort wieder ausgeben müssen. 11 Passionen . 18 zu fol .
gen. 13 beträchtliche, große. 14 unfähig, etwas zu verdienen.
15 faul, träge. 16Revolution. 17zerschlagen, aufgelöst. 18 Mili.
tärdienstpflicht, 19 Zukunft. 20 nichts Verlockendes, kein In.
teresse ,
XV. Berufsarten , 97
Amtsrichter, Landrichter, Staatsanwalt, Rechtsan
walt usw.) ist überfüllt mit 21Anwärtern , weil fast alle
höheren und höchsten Stellen in der 22Verwaltung mit
Juristen besetzt werden .
e
Auch die Geistlichen ( Pastoren, Hilfsprediger,
d Pfarrer, Kapläne, Vikare) spielen eine gewisse Rolle
im gesellschaftlichen Leben , namentlich auf dem
(23 platten ) Lande; sie sind „ Respektspersonen“ neben
dem Amtsrichter und dem (praktischen ) Arzt und
gehören zu den höheren Beamten .
Ebenfalls hierher zählt eine lange Reihe ande
rer höherer Staats- oder Gemeinde- ( Kommunal- )
Beamten , z. B. die Professoren an der Universität,
1
1
die (Ober)Studiendirektoren und ( Ober)Studienräte
1
an höheren Lehranstalten , die Schulräte, Landrate,
Gerichtsräte, Justizräte , Notare, Oberbürgermeister,
Bauräte, Bauinspektoren , Baumeister, Steuerräte,
Rechnungsräte, Oberpostdirektoren, Postdirektoren,
Postinspektoren und Oberpostsekretäre, Forstbeamte
(Oberforstmeister, Forstmeister, Oberförster) usw.
Neben den höheren gibt es zahlreiche mittlere
Staats- oder Kommunal- Beamte ( Subalternbeamte );
diese finden in den weniger schwierigen Zweigen
der Verwaltung Verwendung, u. a . als Bureau
& arbeiter ( Schreiber, Aufseher, Assistenten, Kassierer)
bei der Post, Bahn, Steuer, Polizei und anderwärts.
In einigen Dienstzweigen sind auch Damen tätig,
z. B. als Telephonistinnen, Fahrkartenverkäuferin
nen usw.

Ein Beamter, der 25 oder gar 50 Jahre sein


Amt treu 24versehen hat, kann mit gerechtem Stolze
die Glückwünsche seiner Vorgesetzten , Freunde und
Bekannten zum 25- (bezw. 50 - jährigen Dienstjubiläum
25 entgegennehmen .
Diejenigen Personen , die weder staatliche noch
städtische Beamte sind, immerhin aber den einen
C
oder anderen 26verantwortungsvollen Posten be
kleiden, sind Angestellte, u. z . angestellt im Privat
ED
2'Aspiranten. 22Admininistration . 23 flachen . 24verwaltet,
ausgeübt. 26 annehmen . 26 wichtigen.
Kron , Der Kleine Deutsche . 16 , 7
98 XV. Berufsarten .

dienst, in (bei) größeren gewerblichen Unterneh


mungen und Betrieben . Sie hängen von der Gunst
und Laune ihrer „ Chefs" ab und können nach er
folgter 27 Kündigung. 28 entlassen werden. Fabrik
direktoren , Betriebsdirektoren, Chemiker, Werkmei
ster, Bureauvorsteher, Kassierer, Kommis (Kontor
schreiber ), Geschäftsreisende ( ,,Repräsentanten )",
Zeitungsschreiber (Redakteure, Journalisten ), Lehrer
an Privatschulen u . a. m. bekleiden solche Posten .
Die Gewerbetreibenden zerfallen in Fabrikanten
und Kaufleute.
Viele Fabrikanten sind Fabrikbesitzer, d. h.
das 29 Anwesen , auf dem sie die Fabrikation betreiben,
ist ihr Eigentum ; andere fabrizieren in gemieteten
Räumlichkeiten. Die Fabrikation geht in Fabriken
vor sich ; die Kraftarbeit wird von Maschinen be
sorgt, die durch Dampf, Elektrizität, Gas, Wind
oder Wasser getrieben und von Arbeitern bedient
werden. Man unterscheidet zahllose Fabrikations
zweige ; es kommen vornehmlich folgende Betriebe
in BoBetracht: Spinnereien, Webereien und Fär
bereien für Seide, Wolle und Baumwolle, Tuch
fabriken , Hutfabriken, Schuh- und Stiefelfabriken,
Zigarrenfabriken, Papierfabriken, Möbelfabriken , Me
tallwarenfabriken , Porzellanfabriken , Maschinenfa
briken, Eisenwerke, Schiffbauwerften (oder Schiffs
werften ), Luftschiffbauwerften , Flugzeugwerke (oder
Aeroplanfabriken ), Fahrradwerke, Elektrizitätswerke,
Gasanstalten, Zuckerfabriken, Seifenfabriken, Fla
schenfabriken, Glashütten, chemische Fabriken , Ani
linfabriken (Farbenfabriken), Waggonfabriken, 31 Zie
geleien usw. usw.
Die Fabrikarbeiter erhalten jede Woche ( Sonn
abends oder Samstags) ihre 32Löhnung.
Jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert.“ „ Wie
die Arbeit, so der Lohn .“

37 Aufkündigung, Lösung des Vertragsverhältnisses.


28 verabschiedet, beseitigt, weggeschickt. 2° Grundstück.
30Frage, Erwägung. 31 Fabriken für Ziegelsteine, Dachziegel
usw. 82 Ablöhnung, Lohn .
XV . Berufgarten . 99
Wenn die Arbeiter einer bestimmten Klasse
mit ihrem Tagelohn nicht zufrieden sind , so legen
sie auf 33Verabredung die Arbeit gleichzeitig nieder;
sie treten in den Ausstand ( sie streiken , sie werden
ausständig ). Der Zweck einer solchen Lohnbewegung
oder Arbeitseinstellung ( eines solchen Streiks
auch in englischer Weise Strike geschrieben) ist der,
höheren Lohn oder eine kürzere Arbeitszeit zu er
zielen. In den meisten Fällen sehen sich die Arbeiter
nach kurzer Zeit genötigt, die Arbeit wieder aufzu
nehmen, vielfach zu den alten 4 Bedingungen .
Von Zeit zu Zeit finden in großen Städten Welt
ausstellungen oder auch kleinere Ausstellungen (Ge
werbe oder Industrieausstellungen ) statt; diese
sind für die 35 Entwicklung der Industrie und des
Handels von hoher Bedeutung.
Der Kaufmann 86 vertreibt die Fabrikate ( Er
zeugnisse ) des Produzenten, 87führt Rohmaterialien
für Fabrikanten , oder Kolonialprodukte und Be
darfsartikel jeder Art. Auch der Verlagsbuchhänd
ler (Verleger), der Bankier und der Agent gehören
zum Kaufmannsstande . Der Großkaufmann (Grossist)
liefert nicht unmittelbar an die Verbraucher (Kon
sumenten ) , sondern nur an Detaillisten ; die letzteren
verkaufen dann die Waren (Artikel ) in ihrem Laden
geschäft (Warenhaus) in größeren oder kleineren
Mengen an ihre Kundschaft (ihre Kunden) (vgl.
Seite 15—19 ).
Die Handwerker verfertigen die verschieden
artigsten Gegenstände in ihrer Werkstatt und be .
dienen sich zu diesem Zwecke bestimmter Werk
zeuge . Einige Artikel werden unter 38 Umständen
wohl auch mit Maschinen zugerichtet oder ganz
hergestellt. Viele Handwerker haben gleichzeitig
einen Laden , wo sie die von ihnen gefertigten Erzeug
nisse an ihre Kunden verkaufen . Andere Handwerker
haben keine eigene Werkstätte , sondern arbeiten in
größeren Betrieben anderer Gewerbetreibender.

gemeinsamen Beschluß . 84 Löhnen . 36 Fortschritte .


se verkauft. 87 hält vorrätig ( feil), verkauft. 38 bisweilen .
100 XV . Berufsarten .

Einige wichtige Vertreter des Handwerks sind :


der Schneider (wenn er eine besonders ,, feine" Kund
schaft und Auswahl hat, nennt er sich bisweilen
„ Marchand - Tailleur" ) ; er liefert uns Anzüge (Klei
der) , Röcke, Hosen und Westen . Der Schuster oder
Schuhmacher verfertigt Schuhe und Stiefel aller
Art (,, Schuster bleib bei deinem 8 °Leisten !" ) ; der
Grobschmied fertigt in seiner Schmiede Gebrauchs
gegenstände aus Eisen, das auf der Esse rotglühend
gemacht und auf dem Amboß mit Hammer und
Zange in die gewünschte Form gebracht wird („ Man
muß das Eisen schmieden , solange es warm ist" );
der Kupferschmied verfertigt allerhand. Wirtschafts
gegenstände aus Kupfer und Messing ; der Klempner
(in Süddeutschland : Spengler) macht Kessel, Pfan
nen und andere Haushaltungsgegenstände aus Blech ;
der Hufschmied beschlägt Pferde ; der Schlosser
macht Beschläge an Fenster und Türen und setzt
Schlösser an ; auch besorgt er neue Schlüssel und
öffnet Schlösser, deren Schlüssel 40 abhanden 40ge
kommen sind. Der Zimmermann oder Bauschreiner
setzt Balken und Bretter für Dächer und Fußböden
zusammen ; der Tischler oder Möbelschreiner macht
Tische , Stühle, Bänke, Fensterläden , Schränke usw .;
der Wagenbauer oder Stellmacher (in Süddeutsche
land : der Wagner ) baut Kutschen, Last- und Hand
wagen, Schiebkarren usw. Der Glaser setzt Fenster
scheiben ein und 4lverputzt sie mit Glaserkitt. Der
Maurer mauert mit Ziegelsteinen , Quadersteinen
und Mörtel; er bedient sich dabei u . a . einer 42 Kelle ,
eines Hammers und einer Setzwage (eines Bleilots ).
Der Steinmetz behaut die zum Bauen bestimmten
Quadersteine. Der Anstreicher (in einigen Teilen
Nord- und Süddeutschlands auch Maler genannt)
bestreicht die Gebäude, Räume, Türen, Fenster und
Fußboden mit Farbe ; der Tapezier tapeziert (be
klebt oder überzieht die Wände der Räumlichkeiten
mit Tapete , sei es Papier- oder Ledertapete). Der

8' Holzmodell für Stiefel, hier übertragen : Schuster


handwerk . 4° verloren gegangen. " befestigt. 2 flachen Schaufel.
XV . Boruisarten . 101
Ofensetzer setzt Öfen und bringt sie durch Ofenrohre
mit dem Rauchfang (den Rauchkanälen, dem Schorn
stein, dem Kamin ) in Verbindung; der Kaminfeger
oder Schornsteinfeger 43fegt Schornsteine, indem er
den Ruß daraus entfernt. Der Buchbinder bindet
Bücher, die vom 44 Schriftsetzer gesetzt und vom
Drucker (aus) gedruckt werden. Der Besenbinder
bindet Besen ; der Bürstenmacher oder Bürstenbinder
verfertigt Bürsten, Haarbesen , Pinsel, 45Matten usw .;
der Korbmacher oder Korbſlechter macht Körbe,
46 Stuhlgeflecht. 47 Sorgenstühle, Strohmatten, Kokos
mattenu . dergl.
Wie die Männerwelt, so haben auch sehr viele
Frauen und Jungfrauen einen Beruf, der sie reichlich
oder dürftig ernährt. Die einen werfen ( legen.) sich
auf die Wissenschaften und Künste, die sie, ohne
durch höhere Vorgesetzte 48eingeengt zu werden,
ganz nach eigenem Ermessen49 pflegen und der
Allgemeinheit gegen 50Entgelt zugute kommen lassen .
Andere 61bekleiden eine öffentliche oder private
Dienststellung; wieder andere gehören dem Handels
stande an , oder sie betreiben irgend ein Handwerk.
Die Wissenschaft oder Kunst wird vertreten
durch : die Ärztin, - die Zahnärztin, - die Juristin ,
- die Schriftstellerin , - die Dichterin, - die Roman
schriftstellerin , - die Komponistin (musikalischer
Werke), die Künstlerin (Malerin , Bildhauerin,
Modezeichnerin, Illustrationszeichnerin, Klavierleh
rerin, Sängerin, Schauspielerin, Zirkusreiterin ) usw.
In einer von höheren Vorgesetzten abhängigen
öffentlichen oder privaten Dienststellung befinden
sich : die Lehrerin an einer höheren oder niederen
Schule, die Leiterin einer solchen Schule, - die
Telephonistin, die Fahrkartenverkäuferin ,
die Kassenführerin, - die Verkäuferin, Ladnerin oder
das Ladenfräulein, - die Büffetdame, – die (Ma
schinen-) Schreiberin , die Stenotypistin, die
13
43reinigt. Typograph. 4 Fußmatten ( zum Abwischen
der Stiefelsohlen )." 8geflochtene Stuhlsitze. ? bequeme
Lehnstühle . 48 behindert. 49 Gutdünken, Geschmack. 60Zah .
lung. 51haben ... inne.
102 XVI. Weibliche Handarbeiten .
Krankenpflegerin, die Diakonissin ( ,,barmherzige
Schwester “ ) u . v. a.
Dem Handelstande gehören an : die Modewaren
händlerin, - die Blumenhändlerin,, die Fischver
käuferin, — die Obst- und Gemüsehändlerin , -
die 52 Hökerin u. a. m.
Ein Handwerk oder eine andere gewinnbringende
Beschäftigung ernährt: die Weißnäherin, die
Kleidermacherin, die 63 Putzmacherin, die
Stickerin, -
die Strickerin , die Wäscherin oder
Waschfrau, die Büglerin oder Plätterin, die
Schriftsetzerin , die Kinderfrau oder das Kinder
mädchen, die Masseuse oder Kneterin, – die
Friseuse oder Haarkünstlerin , - die Wahrsagerin
(Kartenschlägerin ), - die Gesellschafterin , die
Hausdame, – die Haushälterin, — die Köchin ,
das 64Zimmermädchen, das Dienstmädchen,
die 55Putzfrau, die 66Monatsfrau, - die 67Morgen
frau , - das Fabrikmädchen oder die Fabrikarbei
terin, die Taglöhnerin u. v. a.
58 Genieße, was dir Gott 59 beschieden,
60 Entbehre gern, was du nicht hast:
Ein jeder Stand hat seinen Frieden ,
Ein jeder Stand hat seine Last !
Gellert.

XVI .
Weibliche Handarbeiten.
In allen deutschen Mädchenschulen, höheren
wie niederen, gehört der Handarbeitsunterricht zu
den Iverbindlichen Lehrgegenständen. Er erstrebt
das doppelte Ziel, die Schülerinnen dahin zubringen,
daß sie nicht nur alle in einem bürgerlichen Haushalt
62 Kleinhändlerin ( besonders mit Gemüse, Obst, Fisch ).
58 Damenhutmacherin. 64 Mädchen zur Instandhaltung der
Zimmer. 56 Scheuer-, Reinmachfrau. 66 Arbeitsfrau , die mo.
natweise gemietet und bezahlt wird. 67 Arbeitsfrau , die
nur vormittags auf Arbeit geht. 68 erfreue dich dessen ,
50gegeben. Goverzichte ... auf das.
1 obligatorisch .
XVI. Weibliche Handarbeiten, 103

vorkommenden weiblichen Handarbeiten selbständig


auszuführen vermögen , sondern auch imstande sind,
jede andere Art von Nadelarbeit ésich leicht { anzu
eignen. Für alle Arbeiten mit der Nadel bildet das
Nähen die Grundlage.
Zum Nähen braucht man eine gute Nähnadel.
Nur solche Nadeln sind gut, die sich mit einem ge
wissen 3Kraftaufwand zerbrechen lassen ; wenn eine
Nadel so brüchig ist wie Glas, oder wenn sie sich
biegt, dann giltsie als schlecht und wertlos. Auch
muß das Nadelöhr gut poliert (geglättet) sein , da
es sonst den Faden beschädigen oder gar durch
reiben würde. Beim Wäschenähen gebraucht man
kurze oder halblange Nadeln ; die anderen Arbeiten
werden mit langen Nadeln angefertigt. In meiner
Nadelbüchse habe ich eine große Auswahl bester
Nadeln . Eine Schere und ein Fingerhut aus Stahl,
Aluminium , Silber oder einem andern harten Stoffe
sind unentbehrliche Hilfsgeräte beim Nähen . Die
Nähmaschine ist eine ganz besonders wertvolle Er
findung der Neuzeit; zur Bewältigung der Arbeit,
die eine Maschine in einer gegebenen Zeit (sagen
wir in einer Stunde) leistet , wären mindestens vier
gewandte Handnäherinnen erforderlich .
Ich habe nähen gelernt und kann alle Stiche,
80 Z. B. den Vorderstich, den Hinterstich ( auch
Steppstich genannt), den Saumstich, den Hohlsaum ,
die Uberwendlingsnaht, den Kreuzstich (Zierstich)
usw. Ich kann Knopflöcher einfassen, Bänder, Bor
ten, Schnüre und anderen Besatz, sowie Haften ,
Knöpfe u . dergl. annähen .
Auch habe ich das Zuschneiden und Kleider
machen gelernt, sodaß ich , wenn es sein müßte, mir
meine Kleider, Taillen , Blusen , Röcke, Unterröcke
und andere Weißwäsche selbst anfertigen könnte .
Das 8Flicken ist eine sehr wichtige Nadelarbeit,
bei der es vor allem auf Sorgfalt und Geduld an

2zu erlernen . Gewalt. « zerbrechlich . 5 Loch in der


Nadel. Leistung, Erledigung. " Zerschneiden (des Stoffs)
nach bestimmten Maßen. Ausbessern , Instandsetzen,
104 XVI. Weibliche Handarbeiten .

kommt. Stopfen (d. h . Ersetzen zerrissener Fäden


eines Gewebes durch neue mit Hilfe einer Stopf
nadel) und Einsetzen eines neuen Stückes Stoff (eines
Flickens“ ) auf ein Loch, das sind die beiden Arten
dieses Handarbeitszweiges. Beim Flicken darf man
nich nur nicht überhasten; „ Eile mit Weile l " gelte
der Flickerin als oberster Grundsatz !
Das Stricken gilt von jeher (von altersher) als
eine nützliche Beschäftigung für Frauen- und Mäd
chenhände. Nicht nur Strümpfe, sondern auch
Shawls (Umschlagtücher ), Handschuhe, Hausschuhe,
Sofaschoner, Schlummerrollen u. v. a. werden viel
fach gestrickt. Neben dieser nützlichen Seite hat
das Stricken auch den Vorzug eines Zeitvertreibs
für solche Leute, die infolge schwacher Augen oder
gänzlicher Erblindung weder arbeiten, noch lesen
oder schreiben können; ohne ihren Strickstrumpf
oder eine ' anderweitige Strickarbeit wären diese
Bedauernswerten zu gänzlicher Untätigkeit verurteilt.
Jede Strickarbeit setzt sich aus Maschen zu
sammen; diese werden mittels mehrerer Stricknadeln
aus Strickgarn (Wolle, Baumwolle, Seide u. a.) ge
bildet. Um eine Strickarbeit zu beginnen, muß man
zunächst die Maschen „ aufschlagen“ (d . h. aufdie
Nadeln bringen ); dann fügt man so viele Reihen
weiterer Maschen an, als zur Fertigstellung der Arbeit
nötig sind. Beim Strickstrumpf verwendet man in
der Regel drei oder vier Stricknadeln. Um den
Strumpf der Form des Beines oder Fußes anzupassen ,
muß man „ mindern“ oder „ abnehmen“ (d . h. zwei
Maschen in eine einzige zusammenstricken ). Jede
übertriebene Bewegung der Arme oder Hände ist
beim Stricken llvom îlübel, da sie nur ermüden
würde. Es gibt auch Strickmaschinen, die natürlich
wesentlich schneller arbeiten , als es bei der Hand
strickerei möglich ist.
Das Strümpfestopfen ist eine hervorragend nütz
liche und wichtige Tätigkeit; es geschieht mit einer
• Kopfpolster für Lehnstühle. 10 andere,sonstige. 11 nach .
teilig, schädlich
XVI, Weibliche Handarbeiten . 105

Stopfnadel. Das Stopfgarn wird meist etwas feiner


genommen, als das Garn, aus dem der Strumpf ge
strickt ist.
Eine der beliebtesten, weil leichten und zugleich
angenehmsten Handarbeiten ist das Häkeln ; man
bedient sich dazu einer Häkelnadel ( d . i. eine Stahl
nadel mit einem 12 Häkchen als Spitze und mit einem
18 Stiel aus Stahl, Holz, Horn oder Elfenbein ) . Als
Häkelgarn wird Garn aus Baumwolle, Wolle, oder
Seide benutzt. Es gibt wohl nur wenige deutsche
junge oder ältere Damen , die nicht bei passender
Gelegenheit zu ihrer Häkelarbeit greifen. Besonders
für den Weihnachtstisch 14 regen sich alle fleißigen
Damenhände auf Wochen oder gar Monate im voraus,
um den Familienangehörigen und befreundeten Per
sonen durch eine hübsche Häkelarbeit eine Weih
nachtsfreude zu bereiten . Spitzen, Spitzenkrägen ,
Spitzeneinsätze, Tischdecken , Tischläufer und zahl
reiche andere, z . T. reizende Sachen werden mit der
Häkelnadel gefertigt.
Auch bei den Frivolitäten (oder der Frivoli
tätenarbeit) benutzt man eine feine Häkelnadel;
außerdem braucht man dazu ein 15Knäuel 16Garn
und ein Schiffchen von etwa 6 Zentimeter Länge
und 2-3 cm Breite. Die Frivolitäten werden nur
vereinzelt geübt, weil zu dieser Spitzenarbeit recht
bewegliche Finger gehören .
Die Knüpfarbeit ist ebenso 16 dankbar und man
nigfaltig wie wenig verbreitet; sie findet Anwendung
beim Fertigen von Knopffransen, Bordüren ( Be
satz) u. dergl. für Zimmerausstattungen. Ein Kissen ,
einige große Stecknadeln , und eine größere Häkel
nadel oder feine Stricknadel, sowie farbiges Seiden
oder Baumwollgarn – das sind die zu dieser Arbeit
benötigten Dinge. Die Knüpfarbeit sieht schwie
riger aus, als sie in Wirklichkeit ist.
Schon in den Kinderjahren lernen die meisten

12 gebogenes Ende. 18 Handhabe, Griff. 14 bewegen.


18 Art Kugel oder Ball aus aufgewundenem Faden . 16 wir
kungsvoll .
106 XVI. Weibliche Handarbeiten .
deutschen Mädchen sticken. Man 17heftet den Grund
(d. i. der Stoff, auf den man ein Muster sticken will) >

entweder auf ein Stück Wachstuch, oder man be


festigt ihn auf einer Sticktrommel. Das Stickmuster
wird meistens mittels einer 18 Schablone auf dem zu
bestickenden Stoff in blauen Linien vorgezeichnet;
diesen Linien muß die Stickerin bei ihrerArbeit ge
wissenhaft folgen. Für gewöhnliche Stickereien nimmt
man dünnes Baumwollgarn oder Seide und eine
Nähnadel. Die Zahl der Stiche ist recht mannig 1

faltig: der Festonstich, Steppstich, Tüpfelstich,


Knopflochstich, Crewelstich, Saumstich, Kettenstich
u. a. m. Man unterscheidet Plattstickerei und er
habene Stickerei (auf Wollfüllung ).
Die Stickerei mit Wolle, Seide, Gold- oder Sil
berschnur auf grober Leinewand, auf Segeltuch (oder
Kanevas ), oder auf Stramin (oder Gitterleinewand)
führt die Bezeichnung Tapisserie (arbeit). Meistens
wird der Grundstoff auf einen Rahmen gespannt.
Auch bei dieser Art Handarbeit können die Stiche
sehr verschieden gestaltet werden .
Spitzenarbeit gilt mit Recht als die schwierigste
aller weiblichen Handarbeiten. Es sind zwei Arten
von Spitzen zu unterscheiden : Klöppelspitzen und
Nadelspitzen . Die Klöppelspitzen ( auch Kissen -
spitzen genannt) werden auf einem größeren Kissen
gemacht; 19Spulen mit Garn (leinenem , baumwol
lenem , Nessel-Garn, Seiden-, Gold- oder Silberfaden ),
Klöppel (hölzer), große Stecknadeln und eine Muster
vorlage sind bei dieser kunstvollen Arbeit unentbehr
lich . Die bekanntesten geklöppelten Spitzen sind
die Brabanter, die Valencienner und die italienischen.
Die Nadelspitzen bestehen aus Maschen , die mit
Nadel und Faden hergestellt sind ; die Brüsseler,
Alençoner und venezianischen sind die 20namhaf
testen genähten Spitzen.
Nicht gerade schwierig ist die Filetarbeit (auch:
das Filieren, das Netzen ) mit Zwirn, wollenem oder
17
17 befestigt. 18fertiges Muster. 16 kleine Holzzylinder.
20 berühmtesten .
XVII . Angewandtes Rechnen , 107
Seidengarn. Der Faden wird so geknüpft, daß zwi
schen den Knoten Maschen entstehen . Die Größe
der Maschen hängt ab von dem 21 Umfang der Filet
nadel (d. i. des runden, an beiden Enden gespaltenen
22 Stabes aus Holz, Elfenbein oder Stahl), um die
der Faden vor dem Anknüpfen geschlungen wird.
Auch eines schweren Kissens und einer Spule bedarf
man bei dieser Arbeit. Fenstervorhänge, Tischdeck
chen u. dergl. werden auf diesem Wege bisweilen
angefertigt.
Eine Kunst, der von den Damen gewissermaßen
erst dann Beachtung geschenkt wird, wenn sie be
reits alle anderen Geheimnisse auf dem Gebiete der
Handarbeiten ergründet haben, ist das 23Spinnen
eine übrigens sehr einfache Arbeit. Ein Spinn
rocken (d. i. ein Holzstock , um den Flachs, Hanf,
Wolle oder Baumwolle 24 gewickelt ist), steckt auf
dem Rahmen des Spinnrades; letzteres wird von
einem Fuß der Spinnerin in Gang gesetzt und dreht
eine 26 Spindel, durch die das zwischen den Fingern
gebildete Garn aufgerollt wird.
Wie sich eigentlich von selbst versteht, muß der
Handarbeitstisch, -kasten oder -korb stets in pein
licher Ordnung sein , damit der Inhalt nicht durch
einander 26 gerät.
Beim Handarbeiten achtet jede verständige
Dame auf ihre Körperhaltung ; ein Grund zum Krumm
sitzen liegt nicht vor. Namentlich ist zu vermeiden,
daß man die Arbeit auf dem Knie feststeckt: die
hierdurch herbeigeführte Haltung ist unschön und
der Gesundheit keineswegs 27 zuträglich .
XVII .
' Angewandtes Rechnen.
Im Rechenunterricht gilt es zunächst, die Ziffern
(null, eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben , acht,
neun) und Zahlen lesen und schreiben zu lernen .
21Dicke. 22 Stöckchens. 23 Herstellen von Garn .
wunden . 5 eiserne Achse. 36 kommt, geworfen wird. 27 för
derlich , von Nutzen .
1 Praktisches.
108 XVII. Angewandtes Rechnen .
Hernach werden die „ vier Spezies " gelehrt; unter
diesen versteht man die Addition , Subtraktion , Multi
plikation und Division . Späterhin lernt der Schüler
auch die Bruchrechnung, die 2 Regeldetri und das
Rechnen mit Prozenten . Neben dem schriftlichen
Rechnen wird das Kopfrechnen geübt ; letzteres er
weist sich besonders nützlich für das tägliche Leben ;
mit kleineren Zahlen wird meist im Kopf gerechnet .
Unter Addition (oder , Addieren , Zusammen
zählen ) versteht man das Verfahren, nach dem die
Summe mehrerer Zahlen (hier Posten genannt) ge
funden wird . Das Additionszeichen + wird als plus
oder und gelesen ; das Gleichheitszeichen = spricht
man ist, oder macht, oder gibt.
Aufgabe: Addiere 471, 54 und 39.
Lösung: Ich schreibe die Posten untereinander, die
Einer unter die Einer, die Zehner unter die Zehner usw.,
ziehe einen " wagerechten Strich und sage:
Posten 471 9.und 4 macht 13 und 1 gibt 14 ; ich
54 setze die 4 hin und halte 1 im Sinn ; 1 + 3
39 = 4, + 5 = 9, + 7 = 16 ; 6 hin , 1 im Sinn ;
Strich 1 + 4 = 5.
Summo 564 Die Antwort ( Summe) ist 564.
Durch Subtraktion ( Subtrahieren oder Abziehen )
findet man die Differenz (den Größenunterschied)
zwischen zwei Zahlen . Das Subtraktionszeichen
wird als minus, oder weniger, oder von gelesen .
Aufgabe: Subtrahiere 4873 von 8309.
Lösung : Ich schreibe die beiden Zahlen nieder, die
kleinere (den Subtrahend) unter die größere (den Minuend ),
ziehe einen wagerechten Strich und spreche wie folgt :
Minuend 8309 3 von 9 (oder 9 minus 3 , 9 weniger
Subtrahend 4873 3) bleibt B ; ich schreibe 6 hin ; 7 von 0
Strich geht nicht; ich borge 10 ; 10 - 7 3;
Differenz 3436 8 von 2 geht nicht; ich borge wieder 10;
10 + 2 12 ; 12 - 8 4 ; 4 von 7
bleibt 3.
Die Differenz (der Rest) ist also 3436.

* Dreisatzrechnung, Verfahren (Methode), ach aus


drei bekannten Zahlen eine unbekannte vierte berechnet
wird . S Methode, Operation . 4 horizontalen ,
XVII. Angewandtes Rechnen. 109
* Die Multiplikation ( das Multiplizieren oder Ver
vielfachen) besteht darin , das Produkt zweier Zahlen
festzustellen . Hierzu bedarf es der Kenntnis des
Einmaleins. Die Multiplikation ist weiter nichts
als eine verkürzte Addition ; 4 mal 6 heißt z. B.
soviel als 6 + 6 + 6 + 6. Das Zeichen der Multi
plikation ist x oder ein Punkt; es wird als mal
gelesen .
Aufgaber Multipliziere 234 mit 56.
Lösung : Anstatt die Zahl 234 hier 56 mal untereinander
zu schreiben und die 56 Posten zu addieren , schreibe ich
den Multiplikator 56 unter den Multiplikand 234 , ziehe einen
Horizontalstrich und multipliziere in folgender Weise:
Multiplikand 234 6 X 4 = 24, 4 hin, 2 im Sinn ; 6 X 3
Multiplikator 56 18 , + 2 = 20, 0 hin, 2 im Sinn ;
Strich 6 X 2 = 12, + 2 14, die ich hin .
1404 schreibe ; 5 X 4 ist 20, 0 hin (um eine
1170 Stelle nach links gerückt), 2 im Sinn ;
Btrich 5 X 3 = 15, + 2 = 17, 7 hin , 1 im
Produkt 13104 Sinn ; 5 X 2 = 10, + 1 = ll , die
ich hinsetze .
Die beiden Teilprodukte werden sodann addiert, und
das Produkt der beiden zu multiplizierenden Zahlen (die man
auch Faktoren nennt) ist 13104 .
Sind die Faktoren gleich und werden sie 2mal
oder mehrmals miteinander multipliziert, so erhält
man die 2., 3. , 4. ... Potenz der betreffenden Zahl.
Die 2. Potenz nennt man das Quadrat der Zahl, die
2. Potenz ist der Kubus derselben . So ist 10 x 10 die
3. Potenz oder das Quadrat von 10 ; man schreibt
dafür auch 102 (lies : zehn im Quadrat). Ebenso nennt
man 10 X 10.X 10 = 103 die 3. Potenz von 10 ( und
liest : zehn zur Dritten , oder zehn hoch drei).
Mit Hilfe der Division (des Dividierens, Teilens )
findet man, wie oft eine gegebene kleinere Zahl (der
Divisor) in einer größeren (dem Dividend) enthalten
ist. Geht die Division nicht auf, so ergibt sich außer
dem Quotienten noch ein Rest. Das Zeichen der
Division ist ein Doppelpunkt oder ein Bruch
strich ; gelesen wird er als dividiert durch oder
geteilt durch .

bhorizontale oder schräge Linie.


110 XVII. Angewandtes Rechnen ,
Aufgabe: 1387 dividiert durch 15 macht (oder gibt)
wieviel ?
Lösung:
Divid . Divis. Quot.
1387 : 15 = 92 13 : 15 geht nicht ; 138 : 15 geht 9
135 mal ; 9 X 15 135 ; von 138 bleibt 3 ;
37 jetzt hole ich die 7 1 herunter ; 37 : 15
30 geht 2 mal ; 2 x 15 = 30 ; 37 — 30 = 7.
7 Rest Der Quotient ist also 92, Rest 7.
Ein Bruch bezeichnet einen oder mehrere gleiche
Teile eines Ganzen . Es gibt gewöhnliche Brüche
(wie 3/4, lies : drei Viertel) und Dezimalbrüche ( z . B.
0,75, lies: null Komma fünfundsiebzig, oder null
Komma sieben fünf). Gewöhnliche Brüche haben
einen Bruchstrich, über diesem den Zähler ( 3) , und
unter dem Strich den Nenner ( 4) . Bei Dezimal
brüchen ist der Nenner 10 oder eine Potenz von 10,
wird aber nicht ausgeschrieben , sondern durch die
Zahl der Stellen rechts vom Komma angedeutet.
Gemischte Brüche bestehen aus einer ganzen Zahl und
einem gewöhnlichen oder Dezimalbruch ( z. B. 28/4
oder 2,75 ). Um einen gewöhnlichen Bruch in einen
Dezimalbruch zu verwandeln, dividiert man den
Zähler durch den Nenner.
Die Regeldetri ( Dreisatzrechnung) spielt im bür
gerlichen Leben eine große Rolle . Sie besteht darin,
daß auf Grund von 3 bekannten Zahlengrößen eine
unbekannte vierte ? bestimmt wird .
Aufgabe: 12 Eier kosten 96 Pfennige; 18 Eier kosten
wieviel ?
Erste Lösung : Wenn 12 Eier 96 Pfennig kosten, so
96
kostet 1 Ei 8 Pfg.; 18 Eier kosten mithin 18 x 8
12
144 Pfg. 1,44 Mark.
Zweite Lösung , Wenn 12 Eier 96 Pfennig kosten , so
kosten 6 Eier halb so viel, also 48 Pfg.; 18 Eier also 3 mal so
viel wie 6 Eier, folglich 3 X 48 144 Pig 1,44 Mark .
Wenn sich unter 100 Schülern 10 kurzsichtige
finden , so sagt man , 10 vom Hundert (v. H. ) oder
10 Prozent (geschrieben 10 % ) sind kurzsichtig . Am

bgetze ... neben die 3. ? ermittelt, berechnet.


XVIII. Geld . Maß. Gewicht. 111
häufigsten ist vom Prozentsatz bei Kapitalanlagen die
Rede; so bringt ein Kapital von 3000 Mark, die zu
4 % Sverzinst sind, von jedem Hundert jährlich
4 M. 'Zinsen ein, also insgesamt 10pro Jahr 30 x 4
= 120 M. Zinsen.

XVIII .
Geld. Maß. Gewicht.
Seit dem Jahre 1872 bildet in Deutschland das
Dezimalsystem die Grundlage für alle Wert- und
Maßbestimmungen. Auch die meisten anderen gesit
teten Länder haben das Dezimalsystem eingeführt;
nur England, Nordamerika, Rußland und die Türkei
haben sich bisher ablehnend dagegen verhalten . Die
große französische Revolution zu Ende des 18. Jahr
hunderts hat dieses überaus praktische Wert- und
Maßsystem gezeitigt; seit 1800 ist es in Frankreich
allgemein im Gebrauch.
Geld .
Geld regiert die Welt.
Als deutsche Münzeinheit gilt die Mark (oder
Reichsmark, abgekürzt: M.) ; sie zerfällt in 100 Pfennig,
(abgekürzt: Pig.). Es gibt Goldmünzen, Silber-,
Nickel- und Kupfermünzen, die jedoch seit 1918 nur
selten 2vorkommen . Die Vorderseite der Münzen,
der sog. Avers, zeigte bis zum Umsturz 1918 ent
veder das Kopfbild des Landesherrn , oder sie gibt
den Geldwert an; die Rückseite, der Revers oder die
Kehrseite , trägt das deutsche Reichswappen . Die
Silber- und Goldstücke sind gerändelt (am Rande
gezähnt), oder auch wohl mit einem 3Wahlspruch (in
Preußen lautet er: ,, Gott mit uns' ) Aversehen.
An Goldmünzen gibt es im Deutschen Reiche
das Zwanzigmarkstück ( 20 M., nur selten auch ,, Dop
‫ܕ‬

pelkrone“ genannt) und das Zehnmarkstück ( 10 M.,


die ,,Krone“ ).
' auf Zinsen. Vergütung für bares Darlehen. 10jedes
1hervorgebracht. begegnen. Devise. ' ausgestattet.
112 XVII . Geld .
Die Silbermünzen sind : das 5 M.- Stück und Stücke
von 3 M. ( 1 alter Taler ), 2 M., 1 M. , 0,50 M. (50 Pfg .).
Aus Nickel oder Eisen sind Stücke zu 10 und 5 Pig .
Kupfermünzen gibt es nur zwei; es sind das
Zweipfennigstück (2 Pfg.) und der Pfennig ( 1 Pfg .).
Außer dem genannten Metallgeld ist auch Pa
piergeld bin Umlauf. Der Staat allein hat das
Recht, Papiergeld auszugeben ; er läßt dieses Recht
durch die Reichsbank in Berlin und einige andere
große Bankinstitute ausüben.
Beim Papiergeld unterscheidet man Kassen
scheine im Werte von 1, 2, 5, 10, 20 und 50 M., sowie
Banknoten von 100 bis 10000 M.
Ausländisches (fremdes) Geld wird in deutschen
Ladengeschäften und Restaurants nicht in Zahlung
genommen . An den ? Fahrkartenschaltern größerer
Bahnhöfe nimmt man indes französische, englische
und amerikanische Goldmünzen zu einem festen
Satze (vor dem Weltkriege: 20 Franken = 16 M.,
1 Pfund Sterling 20 M., 5 Dollar = 20 M. ) . Da
der Ausländer hierbei aber heute einen Kursverlust
hat, so empfiehlt es sich, in der Heimat oder in
einem deutschen Bankgeschäft sich deutsches Geld
zu beschaffen. Beim &intritt in ein solches Wech
selgeschäft sagt man bspw.: ,,Ich möchte etwas
deutsches Geld haben ; wieviel zahlen Sie für 100
Franken ?" Der Geldwechsler fragt in der Regel:
Wünschen Sie Gold oder Papier? Natürlich wird
man sich auch einen gewissen Betrag Kleingeld ( in
Kassenscheinen) geben lassen .
Statt baren Geldes kann man auch Schecks
(Zahlungsanweisungen ) oder Kreditbriefe auf große
und als „ gut" bekannte deutsche Bankfirmen vor
weisen und sich das bare Geld in Deutschland für
einen Teil der auf dem Kreditbrief genannten Summe
auszahlen lassen .
In deutschen Warenhäusern wird Unbekannten
kein Kredit gegeben . Jeder gekaufte Artikel (Gegen
stand) muß bar bezahlt werden.
Bin Zirkulation, im Verkehr, in den Verkehr zu bringen.
? Billettkassen . Summe.
XVIII. Geld . 113
Manche Leute sind bisweilen ' in Geldver
legenheit und suchen sich dann zu helfen, indem sie
andere „ anpumpen " , d. h . sich von ihnen Geld borgen
(leihen ), mit dem üblichen Versprechen, den Betrag
dann und dann zurückzuzahlen . „ Borgen macht
Sorgen " (Sprichwort ). In vielen Fällen gelingt
ihnen das Zurückzahlen aber nicht, und die „ guten
Freunde " , die ihnen 10unter 10die 10 Arme 10 griffen ,
11haben 11 das 11 Nachsehen und können gar oft den
Betrag , in den Schornstein schreiben " , d . h . als
verloren betrachten . 19Heißt 12 es doch sehr treffend :
Geld verleihen heißt Geld verlieren .“ Aber nicht
nur das Geld wird dabei 13 eingebüßt, sondern meist
geht gleichzeitig auch die Freundschaft 14in 14die
14 Brüche .
In der äußersten Not 10 versetzen unbemittelte
oder 16leichtlebige Personen , denen niemand mehr
borgen ( ,,pumpen " ) mag, im Plandhaus ( Leihhaus)
ihre Uhr, Uhrkette, Ringe, Kleidungsstücke, Wäsche
u . dergl., um dafür eine kleine Barsumme zu erzielen ;
letztere entspricht vielfach nicht einmal dem dritten
Teile des wirklichen Wertes der versetzten Sachen.
Jene Leute können ihre verpfändeten Gegenstände
im Laufe der nächsten 6 Monate zu dem ihnen ge
zahlten Geldwerte wieder einlösen , haben aber außer
dem 18 bis 24 % Leihgebühr ( 1 72 bis 2 Pfenig pro
Mark und Monat) zu entrichten .
In der Hoffnung, schnell reich zu werden , spielen
viele Leute in der Lotterie, sei es in einer der gro
Ben, von dem betreffenden Lande 17 genehmigten
Landeslotterien, sei es in einer kleineren Wohlfahrts
lotterie (zur Beschaffung der Geldmittel für einen
guten Zweck , einen Kirchenbau usw. ) . Der Lotterie
spieler kauft sich ein Los bisweilen auch mehrere
und erwartet die Ziehung mit dem 18sehnsüch
tigen Wunsche, möglichst das „ große Los" zu ge

9 in Geldnot, ohne Geld. 10 aushalfen , liehen . 11 sehen


ihr Geld nie wieder . 12 sagt man. 18 verloren, geopfert.
14 zu Ende. 15 16 verpfänden . 16 leichtsinnige. 17 anerkannten,
autorisierten . 18 brennenden .
Kron , Der Kleine Deutsche. 15. 8
114 XVIII. Maß.

winnen ( den höchsten Gewinn zu bekommen) . Am


Ziehungstage werden die Nummern der Lose – diese
sind sämtlich numeriert — in ein großes Glücksrad
gebracht, und Waisenkinder ziehen eine bestimmte
Anzahl Nummern heraus , auf die dann ein Gewinn
fällt . Die nicht gezogenen Nummern sind sog. Nieten .
Es gibt Geldgewinne und Gewinne in Gestalt von
19 Wertgegenständen. Der Gesamtbetrag aller Ge
winne 20beläuft 20sich in der Regel kaum 20 auf die
Hälfte der Einnahme , die beim Verkauf der Lose
erzielt wurde; die Lotterieverwaltung pflegt somit
das beste Geschäft bei der Sache zu machen .

Maßsystem .

Der (oder das) Meter (geschrieben: m ) gilt als


Längenmaßeinheit. 1 m ist der zehnmillionste Teil
des Erdmeridianquadranten. Der Normalmeterstab,
aus Platin, wird in der Pariser Sternwarte aufbewahrt.
1 m ist gleich 10 dm ( Dezimeter ) = 100 cm ( Zenti
meter) = 1000 mm (Millimeter ). 10 m 1 dem
( Dekameter ), 100 m = 1 hm ( Hektometer ), 1000 m =
i km ( Kilometer). Ältere Leute rechnen noch gerne
nach Fuß und Zoll ( 1 Fuß 12 Zoll = 30,48 cm)
und nach Meilen, deren Länge indes in den deutschen
Staaten zwischen 61/4 und 111/8km schwankt. Größere
amtliche Längenmaße der neuesten Zeit sind die
geographische oder deutsche Meile ( = 7,42 km ) und
die Seemeile oder der Knoten ( = 1,852 km ).
Beim Ausmessen von Flächen , insbesondere
von Ländereien und Bauplätzen, dient der Quadrut
meter (qm ) und seine Vielfachen : der ( oder das) Ar
( 1 a = 100 qm) , der ( oder das) Hektar ( 1 ha = 100 a
= 10000 qm) und der Quadratkilometer ( 1 qkm = 100 ha
10000 a ).
Je nach dem , was auszumessen ist, benutzt
man Raum- oder Körpermaße, Hohl- und Flüssig
keitsmaße. Diese Maße unterscheiden sich nur der
19
° Sachen, die einen gewissen Geldwert haben , z. B. Ge.
mi'de, Kunstgegenstände usw. 20 beziffert sich auf, erreicht.
XVIII. Gevioht, 115

Form und dem Namen nach , a beruhen aber 22durch


aus auf dem metrischen System . So gibt es den
( oder das ) Kubikmeter ( com ; jede seiner 12 Kanten
ist genau 1 m lang, jede seiner 6 Flächen mißt genau
1 qm ) und den ( oder das ) Kubikdezimeter (cdm =
1/1000 . com ). Als Holzmaß heißt der Kubikmeter
(der) Ster.
Die Hohlmaße dienen zum Messen von trocke
nen Stoffen (Kartoffeln, Obst , Getreide, Kohle und
dergl.) oder von Flüssigkeiten (Wein , Bier, Essig,
ÖI, Petroleum ); in beiden Fällen gilt der (oder das)
Liter ( 1) als Grundlage. il = 1 cdm (Kubikdezimeter ).
An Vielfachen des Liters gibt es den (oder das) Hekto
liter ( 1 hl 100 l) .
Der Wein wird [ flaschenweise (eine Flasche
meistens 34 1) oder faßweise 23bezogen . Die Wein
fässer führen je nach der Größe 24 althergebrachte
Namen ; so unterscheidet man die ( oder das ) Ohm
( in Preußen 13712 1 fassend, anderwärts mehr oder
weniger ), das Oxhoft (etwa 142 Ohm = 200 bis 240 l ),
das Fuder ( 6 Ohm - 825 7) und das Stück oder Stück
faß ( etwa 772 Ohm = 1000 bis 1200 1) .
Endlich gibt es auch ein Maß , womit die Ar
beitsleistung ( Kraftleistung) einer Dampfmaschine
bestimmt wird; es ist dies die sog. Pferdekraft (Pferde
stärke ), d. i . die Kraft, die in einer Sekunde ein Ge
wicht von 75 Kilogramm 1 m hoch zu heben vermag.
Man hat Maschinen von 2 , 3, 10, 100, 1000 und so
gar von 20 000 Pferdekräften.
Die Maßeinheit der elektromotorischen Kraft
ist das Volt.

Gewichtssystem .

Waren werden vielfach nach dem Gewicht ver


kauft, so das Brot, das Fleisch, das Salz , das Mehl ,
der Zucker usw. Sie werden auf einer Wage gewogen ;
in der einen Wagschale ist das Gewicht, in der andern

21 fußen , basieren . 22 ganz. 23 eingekauft. 24 seit langen


Jahren bestehende .
116 XVIII. Gewicht.

die zu wägende_ (wiegende) Ware. Briefe werden


auf ( mit) einer Briefwage, Goldwaren auf der Gold
wage gewogen. Beim Wägen schwerer Gegenstände
bedient man sich einer Dezimalwage, deren beide
Hebelarme so eingerichtet sind , daß man darauf
die Last mit dem zehnten Teil ihres wirklichen Ge
wichts bestimmen kann.
Die Gewichtseinheit ist das Gramm ( g ). 1000 g
bilden 1 Kilogramm ( 1 kg) oder 2 Pfund ( ältere, aber
noch 25 geläufige Bezeichnung). Es gibt auch Bruch
teile des Gramms , z . B. das Milligramm ( 1 mg =
1/1000 g ) . 50 kg machen einen Zentner ( ct); 100 kg
sind i Doppel-Zentner ; 1000 kg werden eine Tonne
( 1 t) genannt.

XIX .
Zeit .
Zeit ist Geld .
Die Zeitrechnung ist je nach den großen Reli
gionsgemeinschaften verschieden . Die griechische
Kirche zählt ihre Jahre seit Erschaffung der Welt,
nach der sog. byzantinischen Ara ; sie setzt die Welt
schöpfung auf das Jahr 5509 vor Christi Geburt.
Seit Anfang des 18. Jahrhunderts folgen jedoch die
Russen der christlichen Jahreszählung. Die Juden
zählen " ihre Jahre ebenfalls seit Erschaffung der Welt,
setzen dieses Ereignis aber um nur 3761 Jahre vor
den Ausgangspunkt der christlichen Zeitrechnung.
Die Türken, Araber, Perser und übrigen Mohamme
daner zählen ihre Jahre seit Mohammeds Flucht von
Mekka nach Medina, d . i. seit dem 16. Juli 622 der
christlichen Ära .
Die christlichen Völker der alten und der neuen
Welt aber folgen der christlichen Zeitrechnung, d . h .
sie rechnen ( oder zählen ) die Jahre seit Christi Ge
burt. Nach dieser Ara leben wir jetzt im 20. Jahr
hundert und zwar in dessen 1. Viertel . Das 19. Jahr
hundert schloß mit dem 31. Dezember 1900 um 12

35 oft gebrauchte.
XIX. Zeit. 117

Uhr mitternachts . Mit dem 1. Januar des Jahres


1901 begann das neue, das 20. Jahrhundert. Viele
Leute sind der ' irrigen Ansicht, das 20. Jahr
hundert habe begonnen , sobald man 1900 schrieb ;
sie vergessen dabei zu bedenken , daß jedes Jahr
hundert volle hundert Jahre umfaßt, und daß kein
neues Jahrhundert beginnen kann , bevor die 100
Jahre des laufenden Jahrhunderts ( hier das 19. )
abgeschlossen sind .
Das Jahr hat ( oder zählt, umfaßt) 12 Monate,
oder 52 Wochen und einen Tag, oder 365 Tage und
beinahe 6 Stunden. Das Mehr ( Plus) von jährlich
6 Stunden ergibt in 4 Jahren 24 Stunden oder einen
Tag Überschuß; dieser Tag wird daher alle 4 Jahre
in das Jahr eingeschaltet, und zwar wird er dem
kürzesten Monat, dem Februar, als 29. Tag angefügt.
Jedes vierte Jahr heißt infolge der Einschaltung des
einen Tages ein Schaltjahr ; es zählt somit 366 Tage.
Die Monatsnamen sind : Januar, Februar, März,
April, Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober,
November und Dezember.
Eine Woche hat 7 Tage ( 6 Wochen- oder Werk
tage und einen Ruhetag); ihre Namen sind : Mon
tag, Dienstag, Mittwoch , Donnerstag, Freitag, Sams
tag (in Norddeutschland Sonnabend genannt) und
Sonntag. Seit dem 1. Juli 1892 ist in Deutschland
die , Sonntagsruhe " für das Handelsgewerbe und
für Fabrikbetriebe gesetzlich vorgeschrieben , d. h .
an Sonn- und Festtagen dürfen die Kaufläden nur
zu bestimmten Stunden geöffnet werden ; die Fa
briken müssen ihren Betrieb ganz einstellen oder Sauf
Bein Mindestmaß 8beschränken ; nur Gastwirtschaf
ten und Vergnügungslokale sind geöffnet.
Der Tag hat 24 Stunden , jede Stunde (hat)
60 Minuten, die Minute 60 Sekunden. Jeder Tag
rechnet (oder zählt) von 12 bis 12 Uhr mitternachts
und " umfaßt die Nacht (vor Sonnenaufgang) , den

" haben die falsche Ansicht (Meinung ), glauben irrtüm


licherweise. Seingefügt, eingeschoben. 8bedeutend einschrän
hon (horabmindern , roduzioren ). ' zerfällt in, besteht aus .
118 XIX. Zeit. Kalender.

Morgen (oder Vormittag), die Mittagszeit, den Nach


mittag und den Abend nach (Sonnenuntergang).
Während der Nacht ist es mehr oder minder dunkel
(oder düster, finster); oft, besonders bei Neumond ,
Regenwetter oder Nebel, sind die Nächte stock
finster. Zu bestimmten Zeiten scheint nachts der
Mond . Am Tage (oder: Zur Tageszeit ist es meist
ganz hell, und häufig scheint auch die Sonne. In jedem
Jahre treten mehrere Verfinsterungen der Sonne
und des Mondes ( Sonnenfinsternisse, Mondfinster
nisse) ein, teils totale, teils partielle. Eine in Europa
sichtbare totale Sonnenfinsternis 5kommt höchst
selten 5vor.
Vielfach, besonders in der Unterhaltung, pflegt
man nur den ungefähren Zeitpunkt oder Zeitraum
anzudeuten, in dem Bein bin Rede stehendes (Er
eignis sich ? abgespielt hat. In solchem Falle muß
man jedoch auf einen allgemein bekannten geschicht
lichen Zeitraum Bezug Snehmen und bspw. sagen:
Hans Sachs lebte im Zeitalter (oder zur Zeit)der
Reformation, Friedrich Hebbel in der ersten Hälfte
des vorigen ( 19.) Jahrhunderts .
Um ganz genaue Zeitangaben zu machen, be
stimmt man das Datum ( Jahr, Monat und Tag),
das Alter, unter Umständen auch die Stunde (Tages
zeit), in der dieser oder jener Vorgang sich ioabge
spielt hat.
Wenn ich ein bestimmtes Datum , d. h. den
Tag des Monats , wissen möchte, so sehe ich auf dem
(oder im) Kalender nach. Es gibt verschiedene Arten
von Kalendern, nämlich solche in Buchform (wie
Kürschners Jahrbuch), kleine Taschenkalender, Wand
kalender (oder Kontorkalender) und Abreißkalender.
Die letzteren bestehen aus einem Papierblock von
365 oder 366 Blättern, deren jedes mit allerhand
wissenswerten astronomischen Dingen (Zeit des
Sonnenaufgangs, Sonnenuntergangs, Mondaufgangs
6 findet ... statt, ereignet sich. Bein Ereignis,von dem
gerade gesprochen wird. zugetragen . zurückgreifen, ro
kurrieren. Ereignis, Vorkommnis . 10 zugetragen , ereignet.
XIX. Datum . Alter. 119
und -untergangs, der Sonnen- und Mondfinsternisse)
und mit einem 11 Sinnspruch bedruckt ist. Jeden
Tag wird ein Blatt abgerissen.
Falls ich keinen Kalender zur Hand habe, frage
ich jemanden , der zufällig in der Nähe ist : Den wie
vielten haben wir heute ? oder Was für ein (Welches)
Datum ist heute ?
Die Antwort kann lauten :
Heute ist der erste, zweite, dritte, . einunddreißigste
(März, Mai, u. dergl.).
Auf die Frage : Wann werden Sie zurückkommen ?
wird die Antwort lauten :
Am ersten , zweiten , . einunddreißigsten (unter Um
ständen mit dem Zusatz : Mai, nächsten Monats, dieses
Monats, u. dergl.).
Wann ist dein Geburtstag ? Am 26. November.
Zur Feststellung des Lebensalters einer gegen
wärtigen Person bedient man sich einer der folgen
den Fragen:
Darf ich fragen , wie alt Sie sind ?
Wie alt sind Sie ?
Welches Alter haben Sie ?
In welchem Alter stehen ( sind) Sie ?
Ihr Alter, bitte ?
Die Antworten können sein :
Ich bin 15 Jahre alt. Fünfzehn ( Jahre). Eben 15. Bei
nahe 15. Ich bin noch 12 minderjährig . In 6 Jahren werde
ich großjährig13. Ich werde in einigen Wochen 16. Ich stehe
im Alter ( habe ein Alter) von 30 Jahren . Ich bin ( oder stehe)
im dreißigsten Jahre.
Will man das Alter einer nicht gegenwärtigen
dritten Person festgestellt wissen, so fragt man bspw .:
Wie alt ist Ihr Herr Vater ( Ihre Frau Mutter,
Ihr Fräulein Schwester, Ihr Herr Bruder,
Onkel, Vetter, Neffe usw.) ?
Wie alt schätzen Sie ihn ( sie) ?
Für wie alt halten Sie ihn ( sie) ?
Wie alt glauben Sie, daß er ( sie) sei ?
In welchem Alter mag er (sie) stehen ?
11 Sentenz, Kernspruch . 12 minorenn , nicht 21 Jahre
alt. ?majorenn, 21 Jahre (oder darüber ).
120 XIX. Alter. Uhr.

Antworten :
Er (sie) ist 30 Jahre alt. Er wird bald 31. Er ist vor
kurzem 31 geworden . Meine älteste Schwester ist 3 Jahre älter
als ich ; sie ist 18 vorbei. Mein jüngster Bruder ist erst 2 Jahre
alt. Ich schätze Ihren Großvater auf einige 70. Nach meiner
Schätzung ist Ihre Tante beinahe 60.
Allgemeinere Ausdrucksweisen bei der Bestim
mung des Alters sind :
Er (sie) ist noch jung. Er fängt an zu altern (alt zu
werden ). Er ist schon bei Jahren. Er wird schon grau , weiß.
Er ist schon grau ; sein Bart ist bereits schneeweiß . Sein Haar
wird auffallend dünn. Er hat schon 14 eine 14 Glatze. Er sieht
jünger (älter) aus, als er ist. Er hat sich gut gehalten ( gut
konserviert ). Ich bin der älteste meiner Brüder. Mein Schwe
sterchen Susi ist die jüngste von uns Geschwistern . Ich bin
16 Jahre älter als mein jüngster Bruder . Meine älteste Schwe
ster ist 5 Jahre jünger als ich.
Um die genaue Zeit und Stunde festzustellen ,
bedient man sich der Uhr. Bis zum Ausgang des
Mittelalters gab es nur Sonnenuhren und Sanduhren
(sog. Stundengläser ). Die heutigen Taschenuhren,
Wanduhren ( Stutzuhren mit Pendel, daher auch
Pendülen genannt) und Turmuhren sind Erfindungen
der Neuzeit.
Taschenuhren werden – wie der Name besagt
in der Tasche, u. z. meist in einer der Westen
taschen getragen . Ihr Gehäuse ist aus Gold, Silber,
Stahl, Nickel oder Aluminium . Der Deutsche
trägt seine Uhr in der Regel an einer Kette (einer
goldenen, silbernen, Stahl-Kette) oder an einem
Uhrbande. Ich selbst trage eine silberne Zylinder
uhr, mein Vater hingegen hat eine sehr schöne gol
dene Ankeruhr, echtes Glashütter Fabrikat. Glas
hütte bei Dresden ist berühmt wegen seiner vorzüg
lichen Erzeugnisse auf dem Gebiete der Uhrenfabri
kation. Früher brauchte man einen Uhrschlüssel
zum Aufziehen und Stellen der Taschenuhr ; seit
mehreren Jahrzehnten aber hat man sog. Remon
toiruhren , die ohne Schlüssel aufgezogen werden ;
man dreht einfach das kleine im Uhrring angebrachte

14 eine Platte, einen kahlen Kopf, keine Haare mehr


auf dem Kopfe.
XIX . Uhr. 121

Zahnrädchen und 15besorgt auf diese Weise das Auf


ziehen und 16 Stellen. Auf dem Zifferblatt unter
dem Glase sind 12 römische oder arabische Ziffern,
ein kurzer Stundenzeiger, ein längerer Minuten
zeiger und ein ganz kleiner Sekundenzeiger. Ziffer
blätter mit 24 Ziffern ( zur Bezeichnung der 24 Stun
den des ganzen Tages) haben sich in Deutschland
noch nicht eingebürgert. Im Innern des Gehäuses
17ist 17das 17 Räderwerk und eine 18 Uhrfeder. Meine
Uhr geht ausgezeichnet; wenn sie zuweilen stehen
geblieben ist, 19 liegt 19 dies regelmäßig 19 daran , daß
ich vergessen habe sie aufzuziehen . Sie geht weder
vor noch nach ; sie geht auf die Minute.
Wand-, Stutz-, Pendel- und Turmuhren haben
in der Regel ein 20 Schlagwerk , das die Stunden , die
halben und oft auch die Viertelstunden schlägt.
Der Gang dieser Uhren wird durch ein Pendel ge
regelt. Wenn die Uhr nachgeht, so muß man das
Pendel verkürzen , damit es schneller 21schwingt
und auf diese Weise den Gang des Räderwerks be
schleunigt. Geht die Uhr vor, so verlängert man
das Pendel . Unsere Kirchenuhr geht immer falsch
( unrichtig, verkehrt); man kann sich gar nicht darauf
verlassen ; es wäre sehr an der Zeit, daß ein tüchtiger
Uhrmacher sie einmal gründlich nachsähe .
Fürs Schlafzimmer gibt es auch Wecker oder
Weck (er )uhren, die so gestellt werden können, daß
sie zu einer 22nach 22 Belieben zu wählenden Stunde
längere Zeit laut klingeln.
Falls ( oder : Im Falle, daß ) ich meine Uhr nicht
bei mir habe und wissen möchte, wieviel Uhr es ist,
frage ich irgend einen in der Nähe wie folgt :
Wieviel Uhr ist es , bitte ? Wie spät ist's ?
Welche Zeit haben wir ? Wie spät haben wir's ?
Haben Sie die richtige Zeit ? oder, an einen Un
bekannten gewandt :
Möchten Sie mir 28 gütigst sagen , wieviel Uhr es ist ?
16 bewirkt, nimmt... vor. 18 Regulieren. 17 sind die
Räder. 18 Spirale. 19 hat das seinen Grund darin .
30 Mechanismus, der die Uhr „ schlagen “ läßt. 91hin . und
hergeht. * beliebig, nach Wunsch . 18 gefälligst, bitte.
122 XIX. Uhrzeit.

Die Antwort wird lauten können :


Nach meiner Uhr ist es (gerade) ein, zwei, drei, . . . zwölf
Uhr. Es ist eins, zwei, drei, . zwölf. Es ist eine Minute,
zwei, drei, fünf, zehn, zwanzig Minuten vor eins (nach oder
über eins);es ist ein Viertel übereins ( in vielen Teilen Deutsch
lands sagt man hierfür: es ist Viertel zwei), halb zwei, ein Vier
tel vor zwei ( vielfach : drei Viertel [auf] zwei), 20, 10, 5 , 3,
2 Minuten vor (bisweilen auch : bis) zwei; es ist ein Viertel
nach ; es ist halb ; es ist ein Viertel vor. (oder es ist drei
Viertel); es ist genau Mittag (genau zwölf mittags ), Mitter .
nacht (genau 12 um Mitternacht).
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6

Von diesem Entwurf können alle Stundenzeiten


ohno Mühe abgelesen werden. Die Zeiger stehen genau auf
3 Uhr. Die übrigen Zeitangaben am Rande beziehen sich
nur auf den Stand des Stundenzeigers ( der Minutenzeiger
ist also unberücksichtigt zu lassen ).
XIX. Uhrzeit. 123
Innerhalb der ersten halben Stunde addiert man
die ' Minuten zur verflossenen ganzen Stunde mit
den Worten : .. Minuten nach ( oder über)
innerhalb der zweiten halben Stunde stellt man die
Zahl der Minuten fest, die an der folgenden ganzen
Stunde fehlen, und verbindet beide durch die Worte :
Minuten vor ( oder bis) .
Eisenbahnbeamte und Reisende sagen in der
Regel: Der Zug geht um 24 eins 24 dreißig (in bürger
licher Sprache : um halb zwei) , um 1.15 ( eins fünf
zehn) , 1.50 ( eins fünfzig ) usw. Wenn Zweifel dar
über herrschen (walten , bestehen ), ob der Vormit
tag oder der Nachmittag gemeint ist, wird hinzu
gefügt: Mein Zug fährt um 6.17 ( 6 Uhr 17 Minuten)
vormittags ( oder morgens, früh ), im Gegensatz zu
6.17 nachmittags (oder abends). Auf (oder : In )
den deutschen Fahrplänen sind die Nachtzeiten
von 6 Uhr abends bis 5.59 morgens durch Unter
streichung der Minutenziffern 25 gekennzeichnet.
Anstatt dem Fragenden die genaue Minuten
ziffer anzugeben, sagen wir ihm in der Regel nur
die ungefähre Zeit unter Bezugnahme (Hinweis)
auf die nächstliegende ganze, halbe oder Viertel
stunde, z. B .:
Es ist beinahe 7, ( 80 )gleich 7, in einigen Minuten 7, noch
nicht ganz 7, soeben 7. Es schlägt eben 7 ; es hat gerade 7 ge
schlagen ; im Augenblick hat’s 7 geschlagen. Es istViertel,
halb , drei Viertel. Es schlägt so (eben ) Viertel, halb, drei
Viertel; es schlägt 80(eben) voll_ (d, he die volle Stunde ).
Es wird in ein paar Minuten Viertel, halb , drei Viertel,
voll schlagen ,
Wann werden Sie zu mir kommen ?
Um 8, Punkt 8, gegen 8, kurz vor 8, kurz nach 8, einige
Minuten nach 8.
Wie lange haben Sie gestern Abend gearbeitet ?
Bis (um ) 8. Von 8 bis 12.
Es ist männiglich ( oder allgemein ) bekannt,
daß die Ortszeiten verschieden sind, d . h . wenn es
in Coln genau 12 Uhr mittags ist, so ist die Berliner

24 auoh : ein Uhr dreißig. 36 hervorgehoben, markiert.


124 XIX. Ortszeit. Normalzeit.
Ortszeit schon um ein gut (es) Stück weiter vorge
rückt. Dies kommt daher, daß nur diejenigen Orte
zur selben Zeit 12 Uhr mittags haben , die unter
demselben Meridian (Mittagskreise) liegen. Jeder
Grad weiter östlich ist 4 Minuten voraus, jeder Grad
westlich 4 Minuten zurück. Da nun Berlin fast 612
Grad weiter östlich liegt als Cöln, so beträgt der
Unterschied der Ortszeit 4 X 642 = 26 Minuten ,
d. h . wenn die Cölner Uhren 12 Uhr Ortszeit zeigen,
haben die Uhren in Berlin bereits 12 Uhr 26 Minuten
Ortszeit.
Da diese Zeitunterschiede für den Reisever
kehr und auch in anderer Hinsicht unbequem waren ,
so führte man i. J. 1893 eine einheitliche Normal
zeit für ganz Deutschland ein ; es ist dies die sog.
mitteleuropäische Zeit ( abgekürzt: M. E. Z. ), d . i.
die Ortszeit des Meridians (oder Längengrads), der
sich annähernd über der Mitte von Europa hinzieht,
nämlich des Meridians von Görlitz - Stargard ; dieser
Meridian wird in Deutschland als 26 der 26 nullte be
trachtet. Alle deutschen wie auch die skandinavi
schen, schweizerischen und italienischen Uhren sind
jetzt auf mitteleuropäische Zeit gestellt, sodaß es
in Freiburg im Breisgau, Memel , Hammerfest, Bern
und Rom im nämlichen Augenblick Mittag, ein,
zwei, drei, ... zwölf Uhr ist. Die Uhren in England
sind nach Greenwicher Zeit ( W.E.Z. ) gerichtet, ebenso
die französischen (seit 1911 ) , belgischen , spanischen
und portugiesischen . Wenn es in England genau
12 Uhr mittags ist, so stehen die Uhren in Paris,
Brüssel, Madrid und Lissabon gleichfalls auf 12 Uhr,
diejenigen in Deutschland, Schweden, Norwegen ,
Dänemark, Italien und der Schweiz auf genau i
( ein) Uhr, die türkischen, rumänischen , bulgarischen
auf 2 Uhr nachmittags. Im selben Augenblick ist
es in Peking etwa 8 Uhr 30 Min. abends, in ganz
Japan genau 9 Uhr abends, während die Zeit in
Adelaide auch auf 9 Uhr, in Sydney sogar auf
10 Uhr abends vorgeschritten ist . In San Francisco

26 der 0 (= Null)-Moridian , der Ausgangspunkt.


XX . Jahreszeiten und Witterung. 125

ist es am gleichen Tage, wo in England die Uhren


auf 12 Uhr mittags stehen, erst 4 Uhr früh , in Chi
cago 6 Uhr morgens und in New -York 7 Úhr vor
mittags. Mit anderen Worten : Um die Stunde, wo
bspw. an einem Montage der Engländer seinen
lunch , der Franzose sein déjeuner, der Deutsche oder
Skandinavier sein Mittagessen einnimmt , denkt man
in Australien schon ans Schlafengehen , während die
Nordamerikaner um dieselbe Zeit den nämlichen
Tag (Montag ) eben erst beginnen .

XX .
Jahreszeiten und Witterung ,

Das Jahr zerfällt in vier Jahreszeiten ; es sind


der Frühling (das Frühjahr ), der Sommer , der Herbst
und der Winter. Jede dieser Jahreszeiten dauert
( oder währt) ungefähr drei Monate . Die angenehm
ste Jahreszeit ist in Europa das Frühjahr, welches
vom 21. oder 22. März bis zum 21. oder 22. Juni
dauert. Im „ wunderschönen Monat Mai" ( wie das
Lied sich ausdrückt ) ist das Wetter am schönsten,
und die Natur erscheint in prächtigem Frühlings
schmuck . Schon im April bekommen die Bäume 1 Knos
pen und Blätter, die Wiesen und Felder werden
grün, die Blumen und Obstbäume fangen an zu
blühen . Der Landmann pflügt den "Acker und säet
den Samen (besorgt die Aussaat). Die Schwalbe,
die Nachtigall und andere Vögel kommen aus Italien
und Afrika zurück, bauen ihr Nest und zwitschern
oder singen ihre frohen Lieder, legen Eier, brüten
(Asielaus) und 3 ziehen ihre Jungen Sauf. In
zwischen wächst die junge Saat heran , und wenn
die drei ,, Eisheiligen “ oder „ gestrengen Herren “
bgnädig sind und keine Nachtfröste bringen, so kann
der Landmann mit Zuversicht auf eine gute Ernte
rechnen .
1 Ansätze zu Blättern und Blüten. 2 setzen sich da
rauf, bis die jungen Vöglein herauskommen . 8 füttern , er
nähren . Mamertus, Pankratius, Servatius ( 11. , 12. , 13. Mai).
6 mild, human . « Vertrauen .
126 XX. Jahreszeiten und Witterung.

Gegen Ende Juniwerden die Tage immer wärmer ;


der Sommer ist da ! Er dauert vom 21. oder 22. Juni
bis zum 21. oder 22. September. Die Tage sind dann
am längsten und die Nächte sehr kurz . Die Sonne
geht sehr früh ( zwischen halb 4 und 4 Uhr) auf und
sehr spät ( zwischen 8 und halb 9 ) unter. Die Hitze
ist im Sommer oft geradezu unerträglich schwül
und drückend , besonders in den „Hundstagen "
( 24. Juli bis 26. August). Hie und da bringt ein Ge
witter eine Abkühlung ( etwas kühlere Temperatur ).
Dicke, schwarze Wolken ziehen sich vor einem Ge
witter am Himmel zusammen ; bald blitzt und donnert
es , und kurz darauf ' gießt der Regen, oft sogar mit
Hagel untermischt, in Strömen hernieder . Man
hüte sich, während eines Gewitters unter einem
Baume Schutz zu suchen , da der Blitz gern in allein
stehende, hochragende Gegenstände einschlägt und
die in der Nähe Weilenden ernstlich gefährdet.
Gegen den Blitzschlag gibt es nur einen Schutz :
den Blitzableiter. Benjamin Franklin, ein Amerikaner,
hat diese hochwichtige Schutzvorrichtung um 1750
erfunden ( Franklin lebte von 1706-1790 und war
das sechzehnte Kind seines Vaters, eines armen Sei
fensieders ). Eine der schönsten Naturerschei
nungen ist der Regenbogen ; er erstrahlt nach dem
Regen in den herrlichsten prismatischen Farben
( Regenbogenfarben ).
Wenn die Hitze zu stark (zu drückend, zu groß )
ist , so suche ich im Bade, in einem Schwimmbassin
oder in einer 10 Badezelle Kühlung . Ich bin ein großer
Freund vom Baden und schwimme wie ein Fisch .
Ich kann auch 11 untertauchen und längere Zeit unter
Wasser schwimmen ; wiederholt habe ich ein Geld
stückchen vom Grunde des Wassers heraufgeholt.
Ich nehme stets mein eigenes Badezeug ( Badeanzug
und ein großes, weiches i Laken ) mit .
An heißen Sommertagen geht man auch wohl
in den kühlen Wald oder setzt sich im schattigen
? fällt. 8in Gefahr bringt. ' Seifenarbeiters. 1° Raum mit
Badewanne. llunter der Oberfläche bleiben. 12 Tuch zum
Abtrocknen .
XX . Jahreszeiten und Witterung. 127

Garten unter die Kühlung atmenden Bäume. Wir


haben in unserm Garten prächtige, schattenspen
dende Bäume und eine Laube, wowir bei schönem
Wetter Kaffee trinken. Dann und wann spanne ich
in unserm Garten meine Hängematte auf, lege mich
hinein und lese ein schönes Buch .
Die Sommerhitze hat indes auch ihr Gutes :
sie bringt die Früchte des Feldes, das Obst und die
Weintrauben zur Reife. Der Landmann (Landwirt)
besorgt zu dieser Zeit die Heu- und Getreideernte
(Roggen, Weizen , Hafer, Gerste). Welch ein Ver
gnügen für alt und jung, Kirschen, Erdbeeren, Him
beeren, Stachelbeeren, Johannisbeeren, Pfirsiche und
saftige Aprikosen zu pflücken !
Während der heißen · Juli- und Augusttage, der
sog . , , 18 Sauregurkenzeit" , gehen viele Städter eine
Zeitlang aufs Land; andere besuchen einen Luft
kurort, einen Badeort oder ein Seebad; andere wieder
um reisen ins Hochgebirge (in die Schweiz, nach Tirol,
Savoyen oder Norwegen ).
Mit dem 21. oder 22. September geht der Som
mer zu Ende und der Herbst 14 hält 14 seinen 14 Ein
zug. Die Tage nehmen dann schon merklich ab , und
die Nächte werden länger. Die Luftwärme 16 sinkt
bedeutend, besonders zur Nachtzeit ; 16 Tau, Nebel
und 17 Reif stellen sich ein. Im Spätherbst kommen
in der Regel noch mehrere schöne Tage; indes wird
der Spaziergängerdann von dünnen Fäden (Spinnen
geweben ), die vielen Gegenständen im Freien 18an
haften, ein wenig 19belästigt. Diese Zeit ist der „ Alt
weibersommer" . Nach und nach wechselt die Farbe
der Blätter vom Grün zum (ins) Gelb und Braunrot ;
nach einigen kalten Nächten fallen dann die welken
Blätter ab und bedecken als dürres Laub den Erd
boden .
Die Äpfel, Birnen, Pflaumen (Zwetschen) und
Nüsse (Haselnüsse und Wallnüsse) sind jetzt reif
18 Hundstage, heißesten Tage des Jahres. 14zieht ein ,
kommt. 16nimmt... ab, verringert sich . 16 kleine Wasser
tropfen auf den Pflanzen. 17 gefrorener Tau. 188 anhangen.
19 inkommodiert .
128 XX. Jahreszeiten und Witterung.

und werden gepflückt (abgenommen ). Die Wein


trauben sind ebenfalls ausgereift, und im Oktober
ziehen in den Weingegenden (am Rhein , an der Ahr,
an der Mosel und an der Hardt) die Weinbauer (Win
zer ) unter allgemeinem Jubel in die Weinberge zur
Weinlese ( oder einfach : zur Lese) . Der Landwirt
20 macht die Kartoffeln, Rüben und 21 Runkelrüben
20 aus und fährt sie ein.
Sobald die Halmernte ( Getreideernte) vorüber
ist, geht die Jagd auf Feld- oder Rebhühner ( die
Hühnerjagd ) und Hasen, Hirsche, Rehe ( Hasen- ,
Hirsch , Rehjagd ) auf ( los) . Jagdfreunde ( Jäger )
versäumen nicht, für diese Gelegenheit ihre Flinte
( ihr Gewehr, ihre Büchse) und sonstige Jagdaus
rüstung in Ordnung zu bringen und sich von ihrer
Kreisbehörde einen Jagdschein 22 ausstellen zu lassen.
Die Singvögel und anderen Zugvögel verlassen
Deutschland im Herbste , um nach wärmeren Gegen
den zu ziehen ; nur einige, u . a . der Spatz (Sperling ),
die Amsel , die Drossel, der Fink und das Rotkehl
chen , bleiben auch den Winter über in Deutschland .
Wenn der Herbst vorbei ist, kommt der kalte
Winter, die Zeit des Frosts und der Schneestürme.
Die Natur scheint wie erstorben , die Felder und
Wälder sind kahl und öde . Es friert bisweilen so
stark , daß die Bäche, Teiche und oft selbst große
Flüsse fest zugefroren (mit einer Eisrinde bedeckt)
sind . Dann sind die Schlittschuhläufer ( innen ) in
ihrem Element : alt und jung 23holt die Schlittschuhe
23 hervor, schraubt ( oder schnallt) sie auf der Eis
bahn an und tummelt sich stundenlang, bis zur
Dunkelheit und oft sogar zur Nachtzeit, auf dem
Eise ( läuft Schlittschuh) , kühne Bogen und kunst
volle Figuren beschreibend . Nicht selten findet
abends ein Eisfest (mit Lampions und Musik auf
der Bahn) statt . Ich laufe sehr gern Schlittschuh
und habe mir ein neues Paar zu Weihnachten schen

20 nimmt ... aus der Erde. 21große Rübenart (für


Zuckerfabrikation und Viehfütterung). 22 schreiben , geben ,
28 macht ... bereit.
XX . Jahreszeiten und Witterung. 129

ken lassen. Diejenigen , die nicht Schlittschuh laufen


können oder keine Schlittschuhe haben, 24schlittern
auf ihren Sohlen auf dem Eise 25 einher.
Ein Winter ohne Schnee wäre kein rechter
Winter . In der Regel fällt denn auch eine Menge
Schnee, vom Oktober bis in den April hinein . Wenn
es tüchtig schneit und der Schnee nicht sofort schmilzt ,
kann man Schlitten fahren, sei es in einem großen von
Pferden gezogenen Schlitten, sei es in einem Hand
schlitten , der von Menschen gezogen oder geschoben
wird, bergab jedoch von selbst geht, zur großen
Freude der Insassen (derer, die darauf sitzen ). Das
Schlittenfahren macht groß und klein viel Vergnügen.
Wenn der Schnee feucht ist und 2 ,,backt“ (klebt) ,
d. h. wenn er sich ballen läßt, so 37 ergötzt sich die
junge Welt ( die Jugend) damit, Schneemänner zu
machen , Schneehütten zu bauen und sich zu schnee
ballen , d . h . sich mit Schneebällen zu (be- ) werfen .
Welche (oder : Die) Freude , wenn ein Ball ,,28sitzt“ !
Der 29 verflossene Winter war sehr streng . Denke
dir, unserm Kutscher Johann sind Nase und Ohren
erfroren , und unser Dienstmädchen Johanna hat
Frostbeulen an den Füßen und Händen bekommen !
Man muß im Winter tüchtig heizen und sich, wenn
man ins Freie geht, warm kleiden ( wollenes Unter
zeug und „„,warme
warme“ Kleidung tragen ). Auch das
30 Schuhwerk muß in Ordnung sein , damit bei ein
tretendem Tauwetter das Schneewasser nicht durch
dringt.
Die Winterszeit wird vielfach als die traurigste
Zeit des Jahres bezeichnet und nicht ganz mit Un
reclit . Gewiß, auch der Winter hat seinen Reiz und
seine Freuden , ja seine Poesie ! Eislauf, Schlitten
fahrten, Schneeballwerfen, das sind Dinge, die einen
ergötzlichen 31 Zeitvertreib bilden ; leider bietet sich
nur sehr vereinzelt Gelegenheit zu solchem Sport,
und dann nur für solche Leute , die kerngesund sind .

24* glitschen, gleiten, rutschen . 25 hin und her. 36 hält,


(sich) ballt. 37 erfreut, vergnügt. 28 getroffen hat. 2° vorige,
letzte. 80 Schuhe und Stiefel. 81 Unterhaltung, Amusement.
Kron , Der Kleine Deutsche . 16. 9
130 XX . Jahreszeiten und Witterung.
Auch die schneebedeckten Gefilde und die in prach
tigem sa Rauhreif prangenden Waldungen ermangeln
nicht eines gewissen poetischen Reizes. Aber was
wollen diese vorübergehenden Lichtblicke bedeuten
gegenüber den 88 Härten des Winters, wie sie der
Arme oder Kranke empfindet ? Ja, selbst der Reiche
und Gesunde würde den Winter ode, langweilig und
traurig finden , wenn es nicht Theater, Konzerte,
Abendgesellschaften , Bälle, und s4spannenden Lese
stoff gäbe .
Die mittlere Temperatur und zu einem ge
wissen Grade daher auch das Wetter - der vier
Jahreszeiten hängt vom Örtlichen Klima ab . Das
Deutsche Reich gehört der gemäßigten Zone an ; sein
Klima ist das des mittleren Europas. Im allgemeinen
ist die Temperatur eine ziemlich gleichmäßige. Die
nordwestlichen und nördlichen 85 Landschaften haben
ein ozeanisches Klima , in den mittleren , südlichen
und Östlichen Gebietsteilen herrscht ein mehr kon
tinentales Klima . Nach vieljährigen Beobachtungen
hat Berlin durchschnittlich 129 Regentage und
34 Schneetage im Jahre .
Die Schwankungen in der Temperatur lassen sich
mittels des Thermometers leicht feststellen. Der
( oder : Das) Thermometer ist eine mit Quecksilber
oder gefärbtem Alkohol gefüllte, 86 luftdicht ver
schlossene Glasröhre. Der Inhalt dieser Röhre zieht
sich bei kalter Witterung zusammen , und die Queck
silbersäule sinkt ; mit zunehmender Wärme dehnt
sich das Quecksilber aus und steigt in der Röhre ,
( Dasselbe gilt vom Alkohol.) Die Glasröhre ist mei
stens in 100 Grade eingeteilt , und das so eingerich
tete Thermometer ist das hundertteilige von Celsius
( es wird allgemein in Skandinavien und Frankreich
und vorwiegend auch in Deutschland benutzt) .
Beim Réaumurschen Thermometer ist dieselbe Glas
röhre in nur 80 Teile geteilt (es wird in Deutschland
gebraucht, aber mehr und mehr durch das Celsius

82 Reif an Zweigen. 88 Unannehmlichkeiten. 84 fesselnde,


interessante. 35 Provinzen , Bezirke. 36 hermetisch.
XX . Jahreszeiten und Witterung. 131
sche verdrängt). Die Engländer bedienen sich des
Fahrenheitschen Thermometers, dessen Skala 212
Grade ( 180 über und 32 unter dem Null- oder Gefrier
punkt) aufweist. Der 37Siedepunkt ist bei Réaumur
auf 80, bei Celsius auf 100, bei Fahrenheit auf 180°
[ lies : 180 Grad ), sodaß sich die Grade der drei Ther
mometer wie 80 : 100 : 180 oder wie 4 : 5 : 9 [ lies: 4 zu
5 zu 9 ] verhalten , d. h. 4 Réaumurgrade entsprechen
5 Grad Celsius bezw. 9 ° Fahrenheit.
Mit Hilfe des Barometers läßt sich das gute oder
schlechte Wetter auf eine 88 begrenzte Anzahl Stun
den 89 vorherbestimmen. Der (oder : Das) Baro
meter besteht ebenfalls aus einer graduierten , mit
Quecksilber gefüllten Glasröhre, die 76 cm lang ist.
Die Röhre ist am einen Ende offen , damit der Luft
druck auf das Quecksilber einwirken kann. Wenn
die Luft trocken und schwer ist, steigt das Queck
silber, und gutes Wetter 40steht 40 in 20Aussicht. Ist
aber die Luft feucht und leicht, so fällt die Queck
silbersäule; dies deutet auf Regen, bei schnellem
Fallen auf Gewitterstürme.
Durchaus zuverlässig ist das Barometer indes
nicht, ebensowenig wie dieWetteransagen der größeren
Zeitungen .
Wetterphrasen.
1. Was halten Sie oom Wetter ?
Es scheint ein schöner, schlechter, regnerischer,
nasser , heißer, warmer, nebliger, trüber Tag zu werden .
Ich glaube, wir bekommen schönes Wetter, Regen,
Nebel, ein Gewitter, Schnee, Frost, Tauwetter, anderes
Wetter usw.
Es sieht aus nach Regen , Schnee, anderem Wetter.
Wir bekommen (noch mehr) Regen, Schnee, Frost.
Hoffentlich hält sich's, bleibt's so, wird's nicht
heißer, gibt's keinen Regen usw.
2. Ich bin ' lgespannt (darauf), wie das Wetter wird .
Antworten wie zu 1.

• Kochpunkt. ** gewisse, nicht zu große. 38 vorher


sagen . 40steht bevor, ist zu erwarten. " neugierig.
132 XX . Jahreszeiten und Witterung.
3. Wie ist das Wetter ? Wie sieht das Wetter aus ?
Wie steht's mit dem Wetter ? Was für Wetter ist
draußen ?
Es ist wundervoll, sehr schön , tadellos, prachtvoll,
horrliches Wetter, warm , heiß, schwül, drückend heiß ,
staubig, kalt, bitterkalt, sehr glatt draußen, naß, feucht,
regnerisch, schmutzig, schauderhaft, scheußlich , garstig,
neblig, trübe, windig, unbeständig, unsicher, zweifel.
haft u. a. m.
Es friert; os friert Stein und Bein ; es hat kräftig
( tüchtig) gefroren ; es sind Eisblumen am Fenster; es
schneit, regnet ; es regnet in Strömen ; es regnet “ Bind
fäden ; es gießt; es blitzt, donnert, hagelt , schneit; es
klärt sich auf; es wird heller; es wird immer trüber usw.
Wir bekommen ein schweres Gewitter, starken Frost,
Glatteis, 48 anhaltenden Regen , eine( n ) " Schauer (oder
eine Husche, eine Regenbö ).
4. Regnet es ? Ist es am Regnen ? Schneit es ? Ist's
wieder am Schneien ?
Ja, es regnet (schneit). Nein, es regnet nicht.
3. Hat es aufgehört zu regnen, schneien (oder : mit
Regnen, Schneien ) ?
Nein, es regnet noch ein wenig ; der Regen kommt
noch fest herunter. Nein, es schneit noch immer mun.
ter zu ( oder: munter drauf los ); es schneit in dicken
Flocken. Ja, das Schneegestöber hat nachgelassen.
Es friert so fest ( oder so hart) es kann.
6. Woher kommt der Wind ? Wo steht der Wind ?
Er kommt von Norden, Süden, Osten, Weston .
Wir haben Ostwind, Nordostwind, Südwestwind. Der
Wind hat sich gedreht; er hat nachgelassen. Es war
ein regelrechter Orkan, ein Zyklon , eine 46 Bö.
7. Allgemeine Wendungen .
Welch herrlicher Morgen, Tag, Abend ! Was
für ein schauderhaftes Wetter ! Gemeines Wetter ! Ein
wahres Hundewetter ! Miserables, erbärmliches , hunds.
gemeines Wetter ! Ich bin durchnaß. Ich bin naß bis
auf die Haut. Ich habe keinen trockenen Faden (mehr)
an mir . Die 47 reine 48 Sündflut (oder Sintflut) ! Sieh
doch, wie dunkel es wird ! Der Himmel ist ganz schwarz.
Hast du (es) blitzen sehen ? Es hat geblitzt! Oh,
12 fortgesetzt, andauernd. 48 andauernden . 4plötzlichen
Regengnßvon kurzer Dauer. 66aufgehört. * plötzlicher Wind
stoß . 47 wahre. 48 große Uberschwemmung .
XXI . Festlichkeiten . 183
sieh doch den 49 zackigen Blitzstrahl da oben ! Wir be
kommen ein schweres Gewitter (Unwetter ). - Es don
nert schon. Hörst du den Donner ? Welch fürchter
licher Donnerschlag ! 50 Das hat sicher 61 eingeschlagen !
Schau , der herrliche Regenbogen ! Diese Hunde .
kälte ! Ich bin halb erfroren ! Es ist eisig kalt draußen .
Meine Fingerspitzen sind 52 taub vor Kälte. Meine Füße
sind verklammt ( erstarrt vor Kälte ). Ich zittere vor
Kälte. Oh, diese Hitze ! Die Hitze 53 bringt mich
88
um ! Ich komme um ( sterbe, ersticke) vor Hitze !
Kein Lüftchen regt sich. Bei dieser Hitze soll man (ich)
arbeiten ! Unmöglich, zu arbeiten bei dieser Backofen
hitze ( Tropenbitze). Ich bin in Schweiß gebadet. Lieber
feste Kälte, als eine solche Hitze ! Das ist ja nicht mehr
Uzum 64 Aushalten ! Wenn doch eine kräftige Dusche
(oin kühlender Regen ) käme !
Auf den Wind da folgt der Regen.
Auf Regen folgt Sonnenschein .

XXI .
Festlichkeiten ,

Tages Arbeit ! Abends Gäste !


Saure Wochen ! Frohe Feste !
Goethe.
„Man muß die Feste feiern , wie sie fallen ", sagt
der Volksmund und meint damit, man solle eine
günstige, wenn auch unerwartete Gelegenheit, sich
aus 1dem Itäglichen Einerlei in eine Festtagsstim
mung zu versetzen , nicht unbenutzt vorübergehen
lassen, sondern „ sich freuen mit den Fröhlichen“ .
Abgesehen indes von solchen unverhofften fest
lichen Gelegenheiten bieten sich für die meisten
Menschen im Laufe des Jahres mehrere regelmäßig
wiederkehrende und von langer Hand vorbereitete
Festlichkeiten (festliche Veranstaltungen ), die teils
öffentlich, teils geschlossen gefeiert werden. In Be
tracht kommen folgende :

" zickzackförmigen. 6 der Blitz. 51 gezündet,( tödlich )


getroffen. 62 starr, ohne Gefühl. 68 tötet. 54 zu ertragen,
dor monotonon Alltagsbeschäftigung.
134 XXI. Festlichkeiten .

1. Volksfeste, d. h . Festlichkeiten, an denen sich


die Mehrheit der Bevölkerung eines Ortes oder Gebiets
beteiligt. Das bedeutendste dieser Feste ist der
Karneval (auch : der Fasching, die Fastnacht ge
nannt) ; er fällt 46 Tage vor Ostern, auf einen Diens
tag ; am Tage drauf beginnt die 46 -tägige Fasten
zeit der Katholiken (vergl. Seite 95) . Freilich wird
der Karneval nur in einigen größeren Städten mit
besonderm Nachdruck gefeiert. Köln, Nizza und
Venedig sind in dieser Hinsicht weltberühmt. Aber
auch Mainz, Düsseldorf und die meisten rheinischen
Städte 3 leisten neuerdings 3 Bedeutendes auf kar
nevalistischem Gebiete. Eine Reihe von „ Narren
sitzungen " und ,* Damensitzungen“ unter dem
Vorsitz des „ Prinzen Karneval" (eines besonders
Switzig bangelegten, schlagfertigen Mitbürgers) so
wie ein ? ulkiger Fastnachts (auf) zug, bestehend aus
einer Anzahl Wagen, auf denen neuere politische
oder Örtliche Ereignisse in mehr oder weniger witzig
verzerrter Darstellung zu sehen sind , bilden den
Höhepunkt des Karnevals. ( In Köln nennt man
diese 8 Auffahrt den „ Rosenmontagszug “, weil der
Montag dafür angesetzt und alles in rosigster Stim
mung ist.) Die meisten Kinder und Erwachsenen
der größeren Städte des Rheinlandes maskieren
( verkleiden ) sich zu Fastnacht, halten aber auf an
ständiges Benehmen ; nur die roheren Elemente
10bekunden eine 11 zynische 11 Ausgelassenheit. In
anderen deutschen Städten findet zum mindesten
ein Maskenball oder ein Maskenfest zu Fastnacht
statt. Vielen Menschen fehlt freilich der Sinn für
den ,, Mummenschanz " ; drum hat sich das 13 Fast
nachtstreiben nur an solchen Orten zur Blüte ent

2
* Eifer, Aplomb. ' tun sich ... hervor, zeichnen sich ..
aus . karnevalistischen Versammlungen nur für Herren und
solchen für Damen und Herren. bhumoristisch veranlagton.
redegewandten . scherzhafter, witziger . ' Umzug . 'be
stimmt, gewählt. 10 zeigen. 11 Neigung zu rohen , pöbelhaften ,
schamlosen Ausschreitungon (Exzesson ). 18 Karnovalssohorz .
18 Karnevalstrubel.
XXI. Festlichkeiten. 135

faltet, wo der Humor und ein gewisser 14leichter


14 Sinn (nicht Leichtsinn !) heimisch sind, und das
ist im Rheinlande.
Rein örtliche Volksfeste sind die Kirmeß (oder
die Kirchweih ) und das Schützenfest, die sich nach
ihrem allgemeinen Wesen heute kaum noch unter
scheiden , da Vergnügungen volkstümlichen Ge
schmacks die Hauptsache bilden. 16 Ursprünglich
war das Kirchweihfest eine Gedenkfeier an die 16Weihe
und Eröffnung der betr. Pfarrkirche. Eine Prozes
sion der Pfarrkinder unter Vorantritt der Geistlich
keit ist in katholischen Bezirken bei der Kirchweih
auch heute noch an der Tagesordnung. Außerdem
sind sog. Meßbuden (Kirmeßbuden ) aufgeschlagen,
in denen Zuckerzeug und andere Waren 17 feilge
boten werden . Die meisten Wirtshäuser der Ge
meinde 18 veranstalten auch ihren Kirmeßball, der
von der tanzlustigen Jugend gern besucht wird.
Die Schützenfeste sind Veranstaltungen der
noch an manchen Orten 19 bestehenden 20 Schützen
gilden oder Schützenbruderschaften . Das Preisschießen ,
aus dem der beste Schütz als „ Schützenkönig“ her
vorgeht, ist dabei so ziemlich Nebensache; Tanz und
21 Schwelgen , Karussellfahren, 22 Schaubudenu. v. a.
gilt den Teilnehmern als die Hauptsache. 28 Neuer
dings haben sich die meisten Schützengesellschaften
(nach ihrem 24 Schutzheiligen Sebastian auch ,, Sankt
Sebastians- Bruderschaften “ genannt) zu einem „ all
gemeinen deutschen Schützenbund “ zusammenge
schlossen ; dieser veranstaltet von Zeit zu Zeit ein
großes ,, deutsches Bundesschießen " , an dem sich
auch hervorragende Schützen des Auslands betei
ligen können .
2. Vereinsfesto, das sind Festlichkeiten ge
schlossener Vereine verschiedenster Art. Zu solchen

14Frohsinn , angeborene Heiterkeit. 16anfänglich. 16 Ein


woihung,Einsegnung. 17 angeboten,verkauft. 18 arrangieren.
18 zu findenden . 30Vereinevon guten Schützen , Schützen
Veroino. Plunmäßigos Trinken . 22 Baraoken . 28 in letzten
Jahron. 14 Patron ,
136 XXI. Festlichkeiten .
Festen 25 ergeht meist eine besondere schriftliche
Einladung an die Ehrenmitglieder und an Nicht
mitglieder, die als Gäste vom Vereinsvorstand zur
Teilnahme 28geladen werden. Studentische Korpora
tionen feiern alljährlich ihr Stiftungsfest; andere
Vereine begnügen sich in der Regel mit der Feier
des zehn- oder 25 -jährigen Stiftungsfestes. Ein Fest
mahl und mehrere Festreden , Trinksprüche, theatra
lische Aufführungen usw. gehören mit zum Fest
programm .
Fast alle Vereine Veranstalten um die Weih
nachtszeit eine Weihnachtsfeier, wobei allerlei kleine
Geschenke an die Anwesenden ?? verabfolgt oder
28 verlost werden. Ein großer Tannenbaum darf bei
dieser Feier (die auch „ Tannenbaumfeier“ heißt)
nicht fehlen .
Radfahrvereine haben alle Jahre ihr Radfest,
Gesangvereine bisweilen ihr Musikfest. Zur Karne
valszeit veranstalten viele Vereine auch wohl ein
Kostümfest.
Auch Gartenfeste mit Konzert, Tanz und „ vene
tianischer Nacht“ (Lampion-Beleuchtung), Eisfeste
u.a . m. [lies: und andere mehr) werden inmehr oder
minder geschlossenem Kreise, z. T. gegen Eintritts
karte oder Zahlung einer Eintrittsgebühr, abgehalten .
3. Familienfeste. Sie werden im engsten Kreise
mit Angehörigen, Verwandten und guten Freunden
begangen . Hierher gehören vornehmlich : Taufen ,
Geburts- oder Namenstagsfeiern, die Konfirmation und
Kommunion, Verlobungsfeiern, Hochzeiten und Dienst
jubiläen . Adlige Familien desselben Stammbaums
kommen alljährlich oder in weiteren Zwischenräumen
an einem bestimmten Orte zur Feier eines Familien
tages zusammen und freuen sich bei dem obligaten
(nie fehlenden ) Festschmause ihrer gemeinsamen
Familienbeziehungen .

25 erfolgt, wird ... gesandt. 86 eingeladen. 87 überreioht.


38 auf Grund einer Verlosung verteilt.
XXII. Erholung und Zeitvortrelb. 137

*
XXII .
Erholung und Zeitvertreib .
Allzuviel ist ungesund,
Diejenigen , welche tüchtig arbeiten und ihre
Berufspflichten gewissenhaft erfüllen , bedürfen von
Zeit zu Zeit einer gewissen Erholung ( familiär: Aus
spannung) . Die einen ziehen vor , sich zerstreuen
oder unterhalten zu lassen, um ihrerseits dabei 3 ledig
lich die Rolle des Zuschauers oder Zuhörers zu spielen .
Andere hingegen , besonders solche, die geistig tätig
sind oder eine sitzende Lebensweise führen , fühlen
einen Drang nach körperlicher Betätigung, nach Be
wegung, nach * Anspannung ihrer Muskeln . Die
letztere Gattung Menschen verbringt ihre Muße
stunden lieber mit Leibesübungen (Spazierengehen ,
Radeln , Kegeln usw.) und ihre Ferien oder ihren Ur
laub mit anstrengenden Wanderungen , Gebirgs
touren u. dergl.
Auf den Dörfern und auf dem Lande bietet sich
den Erholungsbedürftigen nur selten Gelegenheit,
sich auf angenehme Weise unterhalten zu lassen .
Für Vergnügungen ist dort schlecht gesorgt; nur
vereinzelt zeigen sich vielleicht „ Schnurranten " (um
herziehende Bettelmusikanten ), oder eine „ Schmiere"
(eine Truppe schlechter Schauspieler oder Komödi
anten ), oder gar ein fliegender Zirkus. Die Dorf
und Landbewohner machen indes auch keine An
sprüche auf derlei Erholung; nach des Tages Mühe
und Arbeit ist ihre liebste Erholung der Schlaf. Der
eine oder andere Dorfbewohner geht wohl hie und
da abends ins Wirtshaus und verplaudert dort beim
Glase Bier ein Stündchen mit dem Arzt, Apotheker,
Lehrer, Bürgermeister und mit angesehenen Bürgern .
Anders die Städter ! Insbesondere die Bewohner
der Großstädte ( Berlin, Hamburg, München, Dres

1 Zerstreuung, Kurzweil. * Alltagsarbeiten. Snur. *An


strengung, Ubung . 5mühevollen , ermüdondon. vorgesehon.
? Wandern, von Ort zu Ort ziehender.
138 XXII. Erholung und Zeitvertreib.
den, Köln usw.) sind 8 in 8bezug 8 auf 8 die Menge
und Vortrefflichkeit der gebotenen Vergnügungen
sehr 10 verwöhnt und 11 stellendaher heutzutage 12 über
triebene Ansprüche. Die Mehrzahl derer, die sich
als Zuhörer oder Zuschauer durch künstlerische Lei
stungen auf andere Gedanken bringen lassen wollen,
geht ins Konzert, ins Theater, oder in den Zirkus.
Konzerte bieten eine Erholung und einen Genuß
nur für solche, die eine musikalische 18Ader haben.
Für wahre Musikkenner bilden die klassischen Kam
merkonzerte namhafter Künstler den höchsten Kunst
genuß. Sinfonie-Konzerte gut geschulter Kapellen
werden von Kennern ebenfalls gebührend gewürdigt.
Die große Masse aber 14schwärmt mehr für die laute
Musik (sog. ,,Radaumusik " ), besonders für Märsche
und volkstümliche, mehr oder minder 15 abgedroschene
Lieder, sog. „ Gassenhauer", Tänze u. dergl. Neben
diesen Instrumentalkonzerten (so genannt, weil die
Musik mit Streich- oder Blas - Instrumenten gemacht
wird) finden bisweilen auch Vokalkonzerte statt (wo
bei dem Gesang, der oox oder Stimme, die Haupt
rolle zufällt ).
Je nach dem ernsten oder heiteren Charakter
der musikalischen 16 Darbietungen unterscheidet man
u. a. Kirchenkonzerte, Passionskonzerte (zur Passions
zeit), Künstlerkonzerte, Gartenkonzerte in den Garten
anlagen oder auf den Terrassen größerer Gartenwirt
schaften ), Bierkonzerte (in groBen Bierhallen ), hu
moristische Konzerte (in den Singspielhallen oder
Varietätentheatern ) usw.
Die Theater werden vornehmlich in der weniger
heißen Zeit des Jahres besucht ; zwar wird auch im
Sommer in manchen Städten gespielt, dann aber
häufig unter freiem Himmel (besonders in größeren
Gartenwirtschaften ), sodaß nur die Bühne 17 über
dacht ist. Fast jede größere Stadt hat ihr Stadt
Shinsichtlich der, was die ... anbetrifft. ' Vorzüglich
keit, hervorragende Qualität. 10anspruchsvoll, schwer zu
befriedigen. llmachen . 12 allzu hohe. 18 Sinn , Geschmack .
14 begeistert sich, 18 abgeleierte , allgemein bekannte. 16Vor
träge, Leistungen. 17 mit oinom Daoh versehen.
XXII. Erholung und Zeitvertreib. 139
theater. Opern, Dramen (Trauerspiele, Schauspiele,
Lustspiele ),Operetten, komische Opern, Possen, 18 Aus
stattungsstücke u. ähnl. werden in den Theatern gege
ben . Mit manchen Opern istein Ballett verbunden.
Die Bezeichnung der Plätze schwankt ebenso
sehr wie der zu zahlende Preis. Die besten und teuer
sten Plätze sind die der Logen und des ersten Rang
(-Balkon )s, die billigsten bietet die Galerie (bur
schikos: der Olymp )._ Man löst sein Billett ( seine
Einlaßkarte) an der Theaterkasse, u. z. entweder
kurz vor Beginn der Vorstellung, oder – was bei
besseren , numerierten Plätzen empfehlenswert ist
- im Vorderkauf (d. h. einen halben oder ganzen Tag
vorher ). Im Vorverkauf erhöht sich in den Groß
städten der Preis um etwa 10% ; jedoch hat man so
eine größere Auswahl und läuftnicht Gefahr, keinen
Platz mehr zu bekommen. In kleineren Städten
sind die Plätze im Vorverkauf 50 Plg. bis 1 M. billiger.
Zu gewissen Vorstellungen ist das Theater „ ausver
kauft“, daher bis auf den letzten Platz besetzt .
Die Schauspieler und Schauspielerinnen spielen
ihre Rolle auf der Bühne, die durch einen Vorhang
den Blicken der Zuschauer 19 verhüllt werden kann .
Zu Beginn der verschiedenen Aufzüge (Akte) oder
Auftritte ( Szenen) wird der Vorhang aufgezogen,
am Schlusse fällt er. Die Dekorationen werden mittels
Kulissen (bemalter Kanevaswände) erzielt. Bei Opern
und Operetten spielt das Theater- )Orchester, das
zwischen der Bühne und dem Zuschauerraum in einer
mäßigen Versenkung untergebracht ist und vom
Kapellmeister geleitet wird . Auf der Bühne, in der
Nähe der 20 Fußlampen, befindet sich der Souffleur
kasten , in dem sich eine Person aufhält, die den Spie
lern einzusagen (zu „ 80ufflieren“ ) hat, wenn sie
ihre Rolle nicht tadellos gelernt haben.
Der eine geht gern insTheater, der andere nicht.
Manche Schauspieler (,,Künstler") und Schauspie
18 Stücke, in denen auf die Dekorationen besondere
Sorgfalt verwandt wird. 10ontzogen , verdeckt. *° Rampen .
lahter ( zu Füßon der Schauspiolor, vorn an der Bühno)
140 XXII. Erholung und Zeitvertreib.

lerinnen (,,Künstlerinnen " ) sind erste Kräfte, „ Sterne


erster Größe“, d . h . ihr Spiel ist vorzüglich ; andere
hingegen sind 2 minderwertige oder gar schlechte
Spieler. Bei den Sängern und Sängerinnen ist vor
allem die Stimme entscheidend für ihren Erfolg beim
Publikum . Die wirklich guten Stimmen sind selten ;
die meisten Sänger ( innen ) suchen durch sehr un
angenehm wirkendes Tremulieren (Zittern der Stim
me) ihre gesanglichen Mängel zu verdecken. Der
Sopran, Alt, Tenor, Bariton und Baß sind die Ab
stufungen von der höchsten zu der tiefsten Lage.
Die meisten Theaterbesucher nehmen ein Opern
glas ( einen Operngucker, Fernstecher) mit, um sich
die Schauspieler, Sänger und Sängerinnen , Tänze
rinnen usw. „ heranschrauben " (genauer besehen )
zu können . Auch kauft man ein Programm mit den
Namen der Darsteller. Wenn ein Stück gefällt, so
wird 22 Beifall 22 geklatscht, wenn es nicht sehr ge
fällt oder gar mißfällt, 23 enthält 28 sich das Publikum
( die Zuhörer, Zuschauer) 23 der 23 Beifallsbezeugungen ,
oder es zischt und pfeift das Stück aus.
Untergeordnete 24 Theatergattungen sind die
sog. Varietätentheater, Vergnügungspaläste oder_Sing
spielhallen im gewöhnlichen Leben verächtlich Tingel
tangel genannt). Minderwertige „ Künstler “. und
„ Künstlerinnen “ geben dort vor einem wenig , ge
wählten Zuhörerkreise ihre neuesten komischen Vor
träge ( Rede oder Gesang) zum besten . Das eine
oder andere ihrer Liedchen macht bisweilen als
35 Gassenhauer " die Runde durchs ganze Land .
Auch Akrobaten (Seiltänzer, Turnkünstler), Zauber
künstler, Kunstfahrer ( auf dem Ein- oder Zweirade ),
Tierbändiger, Hundeabrichter, Schlangenmenschen,
Ringkämpfer, Herkulesse u . v. a . zeigen ( produzieren)
dort ihre Künste.
Überaus beliebt bei den Massen sind jetzt die
Lichtspiel- oder Filmbühnen , auch Kinos genannt.

21 unbedeutende, untergeordnete. 82 applaudiert. 48 zollt


( klatscht)... keinen Beifall, Applaus. 24 Arten von Theatern ,
25 abgedroschenes Musikstüok ( 8. 13816 ).
XXII. Erholung und Zeitvertreib . 141
In Zirkus, der sich ursprünglich nur a6 der Pferde
dressur und den Reitkünsten 28 widmete, spielt das
Akrobaten- und Spezialistentum neuerdings ebenfalls
eine Rolle auf dem Programm . Das regelrechte
27 Schulreiten tritt mehr und mehr zurück . Die Clowns
(Spaßmacher ), insbesondere der 28 zottige, rothaarige,
29 dummpfiffige ,,dumme August " , sorgen für an
genehme 30 Abwechslung und füllen mit ihren drol
ligen 31 Streichen die Pausen aus. Eine Pantomime,
oft sogar eine Wasser-Pantomime, bildet meistens
den Schluß der Vorstellung.
Ein Zirkus ist ein kreisrunder Bau aus Holz
oder Stein ; der 82 Zeltzirkus wird seltener. Die Sitze
gehen stufenweise (amphitheatralisch) in die Höhe;
zu ebener Erde ist die mit 83 Sägemehl oder Sand be
deckte Arena, wo die Kunstleistungen 84 vorgeführt
werden. Eine 36 Zirkuska pelle fehlt nicht.
**** Außerdem bietet sich dem Sportfreund in der
Großstadt häufiger Gelegenheit, sich das eine oder
andere Rennen anzusehen , sei es ein Pferderennen ,
ein Radwettfahren, eine Ruder- oder Segelregatta .
Auch gibt es bisweilen ein Fußball-Wettspiel oder
ein Tennis - Turnier zu sehen .
6 Nicht alle Menschen suchen und finden im Be
suche öffentlicher Schaustellungen oder Vergnügun
gen ihre Erholung. Sehr viele 36 auf ihr körperliches
und geistiges Wohl 36 bedachte Leute 37 betätigen
sich lieber selbst, sei es auf dem Gebiete der Leibes
übungen , des Sports und des Tanzes, sei es auf dem
des Spiels oder der schönen Künste im weitesten Sinne .
Die einfachste Leibesübung ist das Spazieren
gehen ; bei schönem Wetter und in schöner Gegend
wirkt ein 38 mäßig 38 ausgedehnter Spaziergang auf
Geist und Körper gleich wohltuend . Auch längere
36mit ... befaßte. 37kunstvolle Reiten. 28struppige ,
ungekämmte. 28 sich mit Absicht dumm stellende (gebendo ).
30 Kurzweil, Unterhaltung. 31 Späßen , Scherzen, Witzen. 32Zir
kus aus Zeltbahnen (d. h. großen Stücken Segeltuch ). 88 fei.
nen Holzteilchen , die beim Zersägen abfallen. 34 gezeigt.
88 Orchester. 38 um ... besorgte. 87beschäftigen . nicht
zu langer.
142 XXII. Erholung und Zeitvortrolb .

Wanderungen und sogar Hochgebirgstouren erfrischen


und kräftigen jeden normalen Menschen ; jedoch
müssen dabei die nötigen 39 Rasten ( zum Ausruhen
und zur Magenstärkung durch Speis' und Trank)
gehalten werden. Ein nicht zu hastiges Marschtempo
ist Vorbedingung.
Turnerische® (gymnastische) Ubungen am Reck
und am Barren , Zimmergymnastik , 40 , Müllern" ,
41 Hanteln, Keulenschwingen und Sport, wie Fech
ten, Ringen , Wettlaufen , Tauziehen , Radeln (Rad
fahren ), Automobilfahren, Reiten, Rudern, Segeln,
Schlitt- und Schneeschuhlaufen, Jagen , Baden
(Schwimmen ), Kegeln , Tennis -Spielen, Croquet, Ball
spiele ( Fußball, Schlagball, Schleuderball) u . v. a.
alles dies ist, mit Maß betrieben, dem Körper
durchaus zuträglich (bekömmlich) , denn es wirkt
beruhigend und stärkend auf den 43 abgespannten
Geist.
Besonders beliebt, namentlich bei der „ jungen
Welt" , ist das Tanzen , sei es nun auf kleineren Haus
bällen ' (Familienbällen ) oder auf großen Bällen in
geräumigen Tanzsälen . Bei größeren Tanzgesell
schaften (Ballfesten) erhält man eine Tanzkarte,
auf der man die Namen der engagierten (aufgefor
derten) Damen bzw. Herren neben den betr. Tänzen
sich in 44 Blei 46 vormerkt. Wer eine Dame zu einem
Tanz oder zu einer 46 Extratour auffordern (enga
gieren ) möchte , muß mit ihr persönlich bekannt
sein oder sich ihr) vorstellen lassen . Unter einer
höflichen Verbeugung bittet er sodann um einen Tanz .
Herr. Dame.
Darf ich gnädiges Fräulein Sehr gerne. Ich habe gerade
um die Ehre eines Walzers noch einen frei.
( Boston , Foxtrot) bitten ?

* Ruhepausen. 40Zimmergymnastik nach dem System


des Dänen J. P. Müller. " zwei schwere eiserne Kugeln ,
die durch einen kurzen Stab verbunden sind. 12 flaschen
förmige Holzgeräte. 48 matten , müden . 44 Bleistift. 45 im
voraus notiert oder aufschreibt. 16 Runde mit Erlaubnis
des Tänzers der Dame,
XXII, Erholung und Zeitvertreib . 143
Herr, Dame,
Habon gnädiges Fräulein viel. Nein, leider nicht. Ich bin
leicht den Kotillon (einen ( für alle Tänze) schon 47 ver .
Tango, Onestep) noch frei ? sagt ( engagiert).
Dürfte ich um eine Extra- Bedaure sehr; ich möchte
tour bitten ? mich ein wenig ausruhen .
Vor und nach dem Tanz führt der Herr die Dame
an seinem rechten Arm .
Im allgemeinen werden in Deutschland die
48 Rundtänze ( auch 48 Reigen- oder 48 Reihentänze)
mehr getanzt, als die 49 Kontertänze . Der belieb
teste deutsche Rundtanz ist der Walzer; * die Ma
zurka, der Ländler ( die Tirolienne), * die Polka ( der
Schottisch ), der Rheinländer, der Galopp und die
Polonäse gehören ebenfalls zu den Rundtänzen . Die
60 bevorzugten Kontertänze sind der sog . Konter ( von
manchen Quadrille à la cour oder Française genannt)
und * die Lanciers (wofür in manchen Gegenden
der Name Quadrille üblich ist.)
Um sich die Zeit nach getaner Arbeit zu ver
treiben , besuchen viele ältere wie auch jüngere
Herren abends das Gast- oder Wirtshaus ( die „ Knei
pe" ), um am Stammtisch ein Glas Bier oder eine
Flasche) Wein zu trinken, die Tagesneuigkeiten zu
besprechen , Zeitung zu lesen oder eine „ Partie" ( ein
Spielchen ) zu machen. Am beliebtesten sind Karten
spiele und das Billardspiel; nur selten wird Schach ,
noch weit seltener Domino in den deutschen Bier
oder Weinschenken gespielt. In Bierhäusern mit
Kegelbahn spielen ( schieben ) die Gäste auch oft
Kegel (vgl. S. 29—30 ).
Unter den verschiedenen Kartenspielen ist der
Skat bei weitem das 61 verbreitetste in der guten
Herrengesellschaft. Es gehören dazu 3 oder 4 Per
sonen und ein Spiel Karten, aus dem die Sechsen ,
Fünfen , Vieren , Dreien und Zweien entfernt sind,
sodaß nur 32 Blatt übrig bleiben , acht von jeder

* Fälschlich sagen viele : der statt die.


47 vergeben , besetzt. 48 Tänze, bei denen die Paare
hintereinander tanzen . 49 Tänze, bei denen die Paare gegen
einander tanzen . 80am meisten getanzten. 61 beliebteste.
144 XXII. Erholung und Zeitvertreib.
der 4 „ l'arben " , die bei deutschen Karten heißen :
Eichel, Grün, Rot, Schellen, bei französischen : Trèfle,
Pique, Coeur, Carreau. Die höchste Karte jeder
,Farbe“ ist i. allg. das Aß ( Daus); die nächst nied
rigen sind: der König, die Dame, der Bube (Wenzel,
Bauer oder Junge ), die Zehn, die Neun, die Acht und
die Sieben .
Viele Spieler haben Glück , „ Schwein“, „ Dusel" ,
Torkel" , andere haben „ Pech “, Malheur, kein
Glück, oder sie glauben és wenigstens zu haben. Wer
nicht mitspielt, aber gern zusieht („ kiebitzt“ ) und
hineinredet, wird bisweilen ,,Wanze" genannt. Wer
unehrlich spielt oder seinen Nachbarn in die Karten
guckt ( sieht), der „mogelt“.
Um Billard zu spielen, bedarf man eines Billards
(eines mit grünem Tuch bezogenen Spieltischs ), dreier
Elfenbeinkugeln und eines Billardstockes (Queues ).
Die Kugeln werden mit dem Queue gestoßen . Das
Lederstückchen am Stoßende (die „Pomeranze")
des Queues muß hier und da mit Kreide bestrichen
werden, da das Queue sonst leicht ,,kickst“ (ab
gleitet ). Ein unerwarteter Treffer heißt ein „ Fuchs“ .
Wer einen „ Fuchs macht“, wird bisweilen ausge
lacht, ebenso derjenige, welcher wenig „Bälle macht“
(wenig Treffer hat).
Zum Schachspielen gehört ein Schachbrett mit
64 quadratischen Feldern (32 weißen , 32 schwarzen
oder andersfarbigen ). Auf diesen Feldern schiebt
jeder der beiden Spieler seine 16 Schachfiguren, die
sich durch die Farbe (weiß oder bunt) von den 16
Figuren seines Gegners unterscheiden, nach bestimm
ten Spielregeln vor-, rück- oder seitwärts. Die 16
Figuren jeder Seite " (Partie) zählen 8 Offiziere
und 8 Bauern ; die Offiziere sind : ein König, eine
Dame oder Königin, 2 Türme, 2 Läufer und 2 Springer.
Derjenige Spieler, dessen König vom Gegner „,matt
gesetzt ", d . h . so eng umstellt wird, daß er nicht
mehr 52 ausweichen kann, ist schachmatt und hat da
mit die Partie verloren .

53 vor- und rückwärts(gehen ).


XXII. Erholung und Zoftvertreib . 145
Das Domino wird mit 28 Steinen gespielt und
ist besonders in Frankreich und im Rheinland ver
breitet. Jeder Stein ist in 2 quadratische Hälften
geteilt, deren jede 0 bis 6 Augen oder Punkte auf
weist . Bei 28 Steinen ist 6 : 6 ( d. i. 6 Punkte auf
jeder Hälfte) der höchste, 0 : 0 der niedrigste Stein .
Der höchste Pasch ( 6 : 6) beginnt zu setzen ; die 2
bis 4 Mitglieder müssen der Reihe nach einen Stein
ansetzen, der auf der einen Hälfte die gleiche Augen
zahl hat. Wer seine Steine zuerst abgesetzt hat, ist
Sieger.
Andere Unterhaltungsspiele harmloser Art sind
das Lottospiel, das Mühlespiel, das Damespiel, Halma,
Salta, Ping- Pong (Zimmertennis) usw.
Auch die Beschäftigung mit den schönen Kün
sten und mit ästhetischen Dingen überhaupt 58 ge
währt den nach dieser Richtung veranlagten Leuten
Erholung und Zeitvertreib. Die einen finden ihre
Freude an rein geistiger Betätigung, am Lesen guter
Bücher (guter Romane, Erzählungen, Klassiker),
am Schriftstellern (Bücherschreiben), oder gar am
Dichten (Versemachen ). Andere 54schwärmen mehr
für Musik oder für die bildenden Künste (Malerei,
Bildhauerei u. dergl.).
Ohne Berufsmusiker zu sein , leisten manche
Damen und Herren als Dilettanten ( Kunstliebhaber)
Vorzügliches auf dem Klavier, der Geige ( Violine),
dem Cello ( Violoncello), der Zither, der Guitarre, der
Klarinette und der Flöte; andere sind gut geschulte
Sänger ( innen ), ja bisweilen sogar anmutige Kompo
nisten ( Tonsetzer, Vertoner ).
55Kunstgebilde von der geschickten
Hand eines Kunstfreundes (Amateurs, Dilettanten)
erregen die Bewunderung des Beschauers und 56 ge
reichen dem Schöpfer des Kunstwerks 56 zu hoher
innerer Befriedigung. Nicht allein auf dem Felde
des Zeichnens, der Wasserfarben- und Olmalerei,
der Photographie, sondern auch in der Bildhauer

68 bietet. 64 begeistern sich . 56 Kunstwerke. 56 gewäh .


ren .

Kron , Der Kleine Deutsche. 16. 10


146 XXIII. Reisen. Eisenbahn . Schiff.

kunst und besonders in der Brandmalerei (im Holz


brennen ), im ( Holz-)Schnitzen und im Pappen findet
mancher b? kunstsinnige und 68 begabte Dilettant in
seinen Mußestunden eine Quelle reiner Freude und
Erholung.
Während der großen Hitze in den Sommer
munaten suchen vermögende Leute Erholung und
Zerstreuung auf einer Reise ; sie besuchen ein See
bad (u . a. Norderney, Borkum, Helgoland, Herings
dorf, Rügen ), einen Kurort mit warmen Quellen
(u. a. Baden -Baden, Wiesbaden, Kissingen ) oder
eine Sommerfrische (einen Luftkurort ), sei es im
Harz, im Schwarzwald oder sonstwo. Andere reisen
schon im Frühjahr nach Italien (an die Riviera usw.).
59 Bergsteigerund rüstige Fußgänger, die Stra
pazen so in soden 60 Kaufbºnehmen mögen, besuchen
die Schweiz, Tirol oder Norwegen und machen dort
Hochgebirgstouren. Bequeme Leute ,,besehen sich
die Berge am liebsten von unten“, oder sie fahren
mit einer Bergbahn (Zahnradbahn ) hinauf. Solcher
Bergbahnen gibt es in Deutschland mehrfach , u. a.
die Brockenbahn, Niederwaldbahn, Drachenfelsbahn.
Die Zahnradbahnen unterscheiden sich von den ge
wöhnlichen Eisenbahnen dadurch, daß die Zahn
råder der Lokomotive in eine Zahnstange, die zwi.
schenden_Schienen in der Mitte liegt, eingreifen.

XXIII .
Reisen . Eisenbahn , Schiff
Ich bin ein großer Freund vom Reisen und
mache mindestens einmal im Jahre eine längere
Vergnügungs-, Erholungs- oder Studienreise. Zu An
fang des 19. Jahrhunderts war das Reisen eine
lumständliche und langwierige Sache, da man
57 kunstliebende. 58 beanlagte, fähige. 50 Alpinisten ,
fam .: Bergfexe od Bergkraxler. 60ertragen, als Zugabe
hinnehmen . 61 hineinfassen , mit den Zähnen einsetzen .
Imühsame. * langsame.
XXIII. Roison. Eisenbahn. Bohift. 147
Sauf die Postkutsche Sangewiesen war. Die erste
Eisenbahn in Deutschland ( zwischen Nürnberg und
Fürth ) wurde im Jahre 1835 dem Verkehr über
geben ; aber, wie sich das von selbst versteht, der
Betrieb war damals noch sehr langsam und unvoll
kommen. Die erste Eisenbahnlinie überhaupt wurde
zehn Jahre früher, i. J. 1825, in England ( zwischen
Stockton und Darlington , in der Grafschaft Durham )
eröffnet.
Bevor ich auf Reisen gehe, ' reffe ich die
* nötigen Vorbereitungen . Ich kaufe mir die neueste
Ausgabe eines Kursbuchs (das „ Reichskursbuch"
işt am zuverlässigsten und reichhaltigsten) und suche
mir den Reiseweg sowie die besten Züge aus. Unter
Umständen lasse ich mir von der Direktion meines
Bezirks eine Rundreisekarte, ein sog. „ Zusammen
stellbares Fahrscheinheft " , vor meiner Abreise aug
fertigen ; ein solches 5stellt sich billiger als einfache
Fahrkarten und hat dabei mindestens 45 Tage
Giltigkeit. Allerdings muß die Reise im ganzen
wenigstens 600 Kilometer betragen und zum Aus
gangspunkt wieder zurückführen. !

* Auch muß ich vor der Abreise Spacken . In


der Regel nehme ich einen großen Reisekoffer mit
und packe die nôtigen Kleider, die Perforderliche
Wäsche, die Toilettengegenstände (Bürsten , Kamm,
Seife u. a. m .) hinein. Außerdem versehe ich mich
mit einem Fernstecher ( Fernglas, Operngucker ), einem
Regenschirm , einer Reisedecke oder einem Plaid,
mit einem zweiten Hut in einer Hutschachtel und
einem ( Spazier-) Stock. Ein guteg Reisehandbuch
(ein Baedeker oder Mever ), das Kursbuch und ein
gefüllter Geldbeutel dürfen überdies nicht fehlen .
Für eine kürzere Reise genügt ein mit dem Nötigsten
gefüllter Handkoffer, eine Handtasche oder ein über
den Schultern zu tragender Ranzen oder Rucksack .
Ist die Stunde der Abfahrt gekommen und alles
snur . hatte. "bereite ich alles Nötige vor . Sist,
berechnet sich . meine Reiseeffekten zusammenpacken .
' nötige .
148 XXIII. Reison , Eisenbahn , Schiff,

für die Reise vorbereitet, so lasse ich eine Droschke


holen und fahre zum Bahnhof; der Droschken
kutscher nimmt meinen Koffer neben sich auf den
Bock , oder er hebt ihn auf das Verdeck seines Wagens.
Kleines Gepäck nehme ich zu mir in den Wagen .
Ein letzter Händedruck und Abschiedskuß, ein herz
liches ,,Gute Reise ! Komm glücklich wieder ! Schreibe
bald ! Schicke recht viele Ansichtskarten !" u. dergl.
- und der Wagen rollt dahin , dem Bahnhof zu .
An der Bahn angekommen, lose ich am Schalter
meine Fahrkarte ( mein Billett, Fahrscheinheft), in
dem ich zum Schalterbeamten (in Süddeutschland
versehen Damen stellenweise den Schalterdienst)
sage : ,,Berlin , zweiter, (erster, dritter, vierter, d . h .
2. , 1. , 3., 4. Klasse ) einfach (oder hin ) !" oder ,,Ham
burg , erster, retour (oder hin und zurück !)" Rück
fahrkarten haben 45 Tage Giltigkeit. Falls ich ein
Rundreiseheft bestellt habe, nehme ich es, ebenfalls
am Fahrkartenschalter, in Empfang und Sentrichte
abgezählt den dafür 10fälligen Betrag.
Nach Lösung der Fahrkarte lasse ich meinen
großen Koffer zur „ Gepäckabfertigung“ bringen ,
wo er „ expediert“ oder „ aufgegeben " , d . h. ge
wogen , etikettiert (mit einem Etikett (numerierten
Zettelj versehen ) und eingeschrieben wird . ' Nachdem
ich die Fracht (Transportgebühr ) gezahlt habe,
erhalte ich einen Gepäckschein mit der entsprechen
den Nummer meines Koffers; dieser Schein ist bis
zur Endstation sorgfältig aufzubewahren , denn
ohne ihn wird das Gepäck nicht 12ausgehändigt .
Freigepäck wird seit 1906 nicht mehr gewährt;
13Handgepäck ist jedoch frachtfrei.
Nach Erledigung dieser Dinge gehe ich zum
Bahnsteig (auf den Perron ) oder = falls der Zug
nicht gleich abfährt - in den Wartesaal. Ohne
Fahrkarte oder Bahnsteigkarte wird niemand zu
gelassen. Sobald der Portier ruft: ,,Einsteigen in

.nach der Eisenbahn (-Station ). bezahle . 10 schul


digen , zahlbaren . 11 aufzuheben . 13 zurückgegeben . Gle .
päok, das man in den Wagon mitnimmt,
XXIII, Reisen . Eisenbahn. Schiff. 149

der Richtung Frankfurt - Cassel - Nordhausen


Berlin“ oder dergl., eile ich zum Zuge und suche mir
einen guten Platz, möglichst einen Eckplatz (Fenster
platz ) im Bahnwagen zu sichern . Da ich ein leiden
schaftlicher Raucher bin, wähle ich stets ein Rauch
coupé ( Rauchabteil). Die mit der Aufschrift „ Nicht
raucher " , „ Frauenabteil“ , „ Dienstabteil“ versehenen
Abteile überlasse ich den Nichtrauchern , Damen ,
bzw. 14 Bahnschaffnern . In jedem nicht 15eigens
gekennzeichneten deutschen Abteil darf geraucht
werden. Vor oder während der Fahrt locht (,, cou
piert“ , „ knipst“ ) der Schaffner die Fahrkarten .
Mit Vorliebe benutze ich einen D -Zug, d . i. einen
Durchgangszug, scherzhaft „ Harmonikazug “ genannt,
dessen verschiedene Waggons (Wagen ) durch Gänge
verbunden sind, sodaß man während der Fahrt
von einem Ende des Zuges zum anderen durch
gehen “ kann. In den D -Zügen erhält jeder Reisende
eine Platzkarte mit Platznummer. Noch schneller
als die D - Züge fahren die L -Züge (d. s. Luxuszüge) ,
die nur I. Klasse führen und bedeutend teurer sind
als alle andern Züge.
Ist alles eingestiegen und der Zug zur Abfahrt
bereit, so gibt der Bahnhofsvorsteher oder der ihn
vertretende diensttuende Stationsassistent ein be
stimmtes Zeichen , oder er ruft dem Zugführer
winkend zu: ,,Abfahren !" Hierauf gibt der Zug
führer dem Zugpersonal (1® Bremsern und Schaff
nern) durch einen Doppelpfiff das Zeichen zum
Einnehmen ihrer Posten und zum 17 Abdampfen .
Der Zug 18 durchsaust nun Stadt, Feld und Wald ,
bis er zur nächsten Haltestelle gelangt. Dann und
wann muß er mitten auf der Strecke halten, um ein
auf dem Geleise ( den Schienen) befindliches Hinder
nis , etwa einen Bauernwagen , nicht 19 übern 19 Haufen
18 zu 18 fahren , was leicht einen Eisenbahnunfall,
eine Entgleisung u . dgl. verursachen (herbeiführen )
und die Sicherheit der Reisenden ( Fahrgäste, Passa
14 Konduktören . 15 ausdrücklich . 16Männern, die die
Bremse zu bedienen haben . 17Abfahren . 18 durcheilt. 19 ZU
überfabron.
150 XXIII. Relsen . Eisenbahn . Schiff
giere) gefährden könnte. Auch Zusammenstöße zweier
Züge kommen bisweilen vor. Wenn drohende Ge
fahr 20im 20Anzuge 20ist, hat jeder Reisende das
Recht, die Notbremse in Wirksamkeit zu bringen,
worauf der Zug unmittelbar anhält. Mißbrauch
der Notbremse wird streng bestraft (geahndet ).
Leute, die viel reisen, 21kaufen 21sich wohl 21 in
aleine (r) Reiseunfall- Versicherung Plein. Stößt ihnen
nun ein Unfall während der Bahnfahrt zu, werden
sie 24verletzt, 23verstümmelt oder gar getötet, so
hat die Versicherungsgesellschaft dem Versicherten
oder seinen nächsten Hinterbliebenen eine verein
barte Geldsumme auszuzahlen . Immerhin aber ist
es besser für den Reisenden, unverletzt davonzu
kommen und auf die Unfallgelder verzichten zu
können .
Am Ziele der Reise steigt der Reisende aus ;
am Ende der ganzen Strecke heißt es z. B .: „Berlini
Alles aussteigen I“ Hierauf gibt man seinen Gepäck
schein einem ( Gepäck., Koffer-)Träger (Dienst
mann ) und sagt ihm , er möge das Gepäck aus dem
Gepäckwagen holen und hinausbringen; inzwischen
geht man zum Ausgang, gibt seine Fahrkarte ab
( Rückfahrkarten werden nur vorgezeigt), läßt sich
(in Berlin und einigen Großstädten) eine Droschken
nummer von dem am Ausgang stehenden Polizei
beamten (Polizisten, Schutzmann, Wachtmeister) aus
händigen und fährt zu einem Gasthofe (vgl. Seite 45).
Wer vom Auslande nach Deutschland fährt,
hat an der deutschen Grenze auf etwaiges Verlangen
dem diensttuenden Gendarm seinen Paß seinen
Ausweis) vorzuzeigen und eine Gepäckdurchsuchung
von seiten der Zollbeamten zu 24dulden . Alle Ge
päckstücke sind vom Reisenden zu öffnen , und auf
die Frage des Zollbeamten: Haben Sie etwas
26 Steuerpflichtiges ?“ muß der Reisende wahrheits
gemäß mit „ ja “ oder „ nein " , oder aber mit „ich
20 bevorsteht, vorliegt. 21 nehmen ... eine. 22 ad
ihrem Körper geschädigt. 23 zum Krüppel. **gestatten. 26Ver .
zollbares, Zollpflichtiges, zu verzollen .
XXIII. Reisen . Eisenbahn. Sobiff. 151
weiß nicht" antworten. Ihr besonderes 26Augen
merk richten die Beamten auf Spirituosen, Wein,
Tee, Plumpudding, Taschenuhren , echte Spitzen ,
ungetragene Kleidungsstücke u. a. m . Nach Be
endigung der Zolluntersuchung versieht der Beamte
jedes Gepäckstück mit einem Kreidezeichen, und
man verläßt die Zollhalle (Zollabfertigung ), um im
Wartesaal 27 der Weiterfahrt des Zuges 27entgegen
zusehen.
Wer vor der Zielstation seine Reise unter
brechen will, darf dies in Deutschland einmal tun ,
U. z . ohne beim Aussteigen seine Fahrkarte vom
Bahnhofsvorsteher oder seinem Stellvertreter 28 . ver
längern lassen . Etwaiges Handgepäck kann man der
„ Handgepäck - Aufbewahrung“ bis zur Weiterfahrt
gegen Empfangsschein übergeben .

Eisenbahn.

Ein Eisenbahnzug besteht aus einer Anzahl


Eisenbahnwagen (Waggons) für die Reisenden, einem
Gepäckwagen , einem Postwagen ( jedoch nicht in
allen Zügen ), aus der Lokomotive und dem Tender
(der das Heizmaterial für die Lokomotive enthält ).
Die Lokomotive zieht den Zug. Sie hat 6 oder 8
Räder, die durch eine 29 Kurbel gedreht werden .
Die Kurbel ist durch eine Kurbelstange (Pleuel
stange) mit einem 30 Kolben verbunden . Dieser
Kolben wird von dem Wasserdampf, der in dem
Dampfkessel erzeugt und in den Zylinder geleitet
wird , in Bewegung gesetzt. Die Aufgabe des Heizers
ist es, dafür zu sorgen , daß das Feuer unter dem
Dampfkessel der Maschine stets gut brennt.
Man unterscheidet Personenzüge und Güter
züge. Die Personenzüge fahren entweder ziemlich
langsam und halten dann an allen oder an fast allen

36Aufmerksamkeit. *7die ... abzuwarten. 28 prolongie


ron . 3 °Verbindungsstück der Radachse mit einer Kurbel.
stange. 8 ° im Zylinder hin und her gebenden Maschinen
teil.
152 XXIII. Reisen , Eisenbahn. Schiff,
Stationen der Strecke, oder sie haben ein sibe
schleunigtes Fahrtempo. Die langsamen Züge nennt 1

man gewöhnliche Züge, Personenzüge, im Volksmunde


auch ,, Bummelzüge , Die Züge mit beschleunigter
Fahrgeschwindigkeit heißen Eilzüge, Schnellzüge,
Durchgangszüge (kurz D -Züge genannt) und Luxuszüge
( L -Züge, s. S. 149). Auch gibt es sog. Sonderzüge, die
von Fürstlichkeiten, bisweilen auch von sehr reichen
Privatpersonen oder von Vereinen eigens bestellt
und sehr teuer bezahlt werden . Die oft von der Bahn
verwaltung eingelegten Sonderzüge dagegen befördern
ihre Reisenden zu 32 ermäßigten Preisen , dafür aber
sehr langsam , sodaß die Fahrt in solchen Zügen ein
recht zweifelhaftes Vergnügen ist. Die D -Züge und
L-Züge führen auch Speisewagen und nachts Schlaf
wagen mit. Viele Leute bringen fast die ganze
Fahrt im Speisewagen zu.
Die Züge fahren auf G (e)leisen (Schienen ) und
88weichen nach rechts 33 aus. Die 34 Strecke wird von
Bahnwärtern (Streckenwärtern) überwacht. Der Über
gang von einem Geleise zu einem andern wird durch
Weichen vermittelt; die Weichen werden von Weichen
stellern bedient.
Auf den meisten deutschen Bahnen gibt es
4 Wagenklassen . In der 1. und 2. Klasse sind die
Sitze gepolstert, die 3. Klasse hat Holzbänke, in der
vierten sind Holzbänke nur für einen Teil der Reisen
den vorgesehen . Alle Wagenabteile haben Türen,
Fenster, eine Decke mit Laterne, ein Netz (Gerüst
oder Brett) fürs Handgepäck und eine Notbremse.
Bei Dunkelheit werden die Wagen mit Gaslicht,
Elektrizität selten noch mit Petroleum oder
85 Rüböl beleuchtet. Im Winter werden sie mittels
Röhren , die mit heißem Dampf gefüllt und unter
den Sitzen angebracht sind, erwärmt; indes läßt die
Heizung manches zu wünschen (übrig ): bald ist es zu
warm, bald nicht warm genug.
81 schnelleres. 32 billigeren. 88 halten sich bei Begeg.
nungen. 84 Fahrbahn, Linie. 86aus Raps (ölhaltiger Pflanze)
ge nnenes Brennöl.
XXIII. Reisen . Eisenbahn. Schiff. 153

Das Zugpersonal besteht aus dem Zugführer,


dem Lokomotivführer (Maschinisten ), dem Heizer,
den Schaffnern und den Bremsern .
Die Züge werden auf den Bahnhöfen zusammen
gestellt (,rangiert"). Die größeren Städte haben
in der Regel einen Hauptbahnhof ( früher Zentral
bahnhof genannt) und eine oder mehrere Halte
stellen . Der Hauptbahnhof ist oft ein Monumental
bau (so in Coln , Frankfurt am Main, Hamburg );
er ist entweder eine Durchgangs- oder Kopfstation
(ersteres in Coln, letzteres in Frankfurt a. M.).

Schiff.

Bei schönem , nicht zu kaltem Wetter hat eine


Wasserfahrt ihren besonderen Reiz . Die Luft auf
dem Wasser ist frischer und reiner, als im Eisen
bahnwagen; auch wird mannicht vom Staub be
lästigt. Freilich geht es zu Wasser nicht so schnell
vorwärts wie auf der Eisenbahn; und oft ist bei
Seekrankheit
stürmischerFahrt die eine unange
nehme 88Zugabe. Ferner drohen den Schiffen in
unbekannten Gewässern sowie bei Nacht und Nebel
schlimme Gefahren: es kommt häufig genug vor, daß
ein Schiff aufläuft ( strandet, scheitert, auf Grund,
auf ein Felsenriff oder auf den Sand läuft) oder gar
einen Zusammenstoß mit einem anderen Schiff
erleidet und infolgedessen ein (en) Leck bekommt,
sodaß das Wasser in den Schiffsraum dringt und
den Untergang des Fahrzeugs mit Mann und Maus
oft in wenigen Minuten herbeiführt. Sprichwort:
Das Wasser hat keine Balken “ . Trotz all dieser
Gefahren eines Schiffbruchs gibt es Tausende von
Menschen, die sich dem „ nassen Elemente“ s?un
bedenklich anvertrauen und eine Reise nach einem
überseeischen Lande oder gar eine Weltreise (eine
Reise um die Welt) unternehmen .

30 Beigabe, Begleiterscheinung. 37ohne Bedenken , ohi


Furcht,
154 XXIII. Reisen . Eisenbahn . Schiff.
Auf einem der großen Ozeandampfer des „ Nord
deutschen Lloyd“ in Bremen oder der „ Hamburg
Amerika -Linie ” in Hamburg sowie auf den großen
französischen und englischen transozeanischen Dam
pferlinien ist eine solche Seereise ein wahres Ver
gnügen . Besonders die Schnell (post)dampfer des
Norddeutschen Lloyd“ und der „ Hamburg -Amerika
Linie“ werden wegen ihrer 38 flotten Fahrt, ihrer
behaglichen und geschmackvollen inneren Einrich
tung von allen Reisenden ( Passagieren) 39gerühmt.
Sie sind bis zu 300 m lang, können bis zu 5000 Rei
senden aufnehmen und machen bis zu 26 Knoten
(etwa 48 Kilometer) in der Stunde; jede ihrer zwei
Maschinen entwickelt gegen 20 000 Pferdekräfte.
Die innere 40 Ausstattung solcher Schiffskolosse list
(lüber 4lalles 41Lob 11 erhaben : die Kajüts-Passa
giere haben ihre elektrisch beleuchtete Kabine
( Koje) mit mehreren Betten; große und kleine Salons,
Badezimmer, Lesezimmer, Café- Restaurants, Spiel
zimmer, Rauchzimmer, kurz, jeder moderne Komfort
steht jedermann zur Verfügung. Die Verpflegung
(Speisen und Getränke) ist vorzüglich. Auch eine
42 Schiffskapelle ist an Bord.
Je größer ein Dampfer ist, um so weniger leicht
wird er ein Spielball der Wellen (Wogen), und um
so weniger läuft der Reisende Gefabr, seekrank zu
werden (die Seekrankheit zu bekommen). Gegen
dieses keineswegs zu belächelnde Leiden wirkt bis
jetzt nur ein einziges Mittel, und dieses ist - an
Land zu bleiben. Alle 43 angepriesenen Arzneien
und Heilmittelchen sind volig wertlos für den See
kranken; Mäßigkeit im Essen wie im Trinken, frische
Luft, fesselnder Lesestoff und nicht zuletzt -

ein bißchen 44Wagemut, das sind die besten Schutz


mittel gegen diesen unliebsamen Besuch an Bord .
Ich selbst bin ziemlich 46 seefest; ich werde selten
38schnellen. 39 gelobt, sehr geschätzt. “ Einrichtung,
Ausführung, Anordnung. 41 kann nichtgenuggelobt (bewun.
dert) werden. « Musikkapelle, Orchester. 13 käuflich ange
botenen, feilgebotenen. 44Mut, Selbstvertrauen. 46gegen
Seekrankheit gefeit ( unzugänglich, unempfindlich ).
XXIII. Reisen . Eisenbahn . Schiff. 185

seekrank, es sei denn, daß die See (das Meer) gar


zu rauh ist (hoch geht ). Natürlich ist mir eine
schöne (ruhige) Uberfahrt bei glatter See lieber,
als eine stürmische Fahrt bei starkem Seegang.
Auf jedem größeren Dampfschiff ist eine viel
köpfige (zahlreiche) Besatzung (Schiffsmannschaft),
nämlich u. a. der Kapitän , der erste und der zweite
Offizier, der Steuermann (der das Steuer führt),
die Matrosen, die Köche, mehrere Aufwärter ( Ste
wards) und ein Schiffsarzt.
An einem Dampfer unterscheidet man zahllose
Einzelteile, von denen die wichtigsten folgende sind :
das Vorderteil mit 46dem 46Bug, das Hinterteil oder
Heck, das Steuer ( Ruder) , die Schraube (n ), (jetzt
nur selten noch Schaufelräder), das Promenade (n )
deck, das Zwischendeck, der Kiel, das Bugspriet
(der über dem Vorderteil schräg aufragende kleinere
Mast), die Masten , u. 2. der Großmast, der Fockmast
(auf dem Vorschiff), der Kreuz- oder Besanmast
(auf dem Hinterteil ) , der Mars (Mastkorb ), die
Takelage, der Kompaß, mehrere Chronometer, die
Kabinen (Zimmer, Plätze) , die Kommandobrücke,
die Schornsteine, 2 bis 3 gewaltige Dampfmaschinen
( Schiffsmaschinen ) und mehrere schwere Anker.
Segelschiffo dienen heutzutage nur noch dem
Gütertransport oder dem Vergnügen. Sie werden
vom Winde, der die gesetzten Segel erfaßt,
fortbewegt. Einige größere Segelschiffe haben auch
eine Hilfsdampfmaschine.
Dampfjachten oder größere Segeljachten werden
von ihren reichen Besitzern in der schönen Jahreszeit
zu längeren Kreuzfahrten benutzt.
Wenn ein Schiff in einem Hafen ankommt,
geht es zu Anker (es wirft Anker, es legt sich vor
Anker) ; nachdem es einige Zeit vor Anker gelegen hat,
lichtet es die Anker und dampft wieder ab. Vor
Anker wie während der Fahrt hat jedes Schiff seine
Landesflagge geh (e)ißt; außerdem flattern (wehen)
Wimpel an den Masten .
46der vordersten scharfen Kante. *? aufgespannten .
18bläht; in . hineinbläst.
186 XXIV . Straßenbahn. Omnibus usw.

XXIV.

Straßenbahn . Omnibus. Droschke. Fahrrad .


Automobil. Luftballon , Flugmaschine.
In den meisten größeren Städten wird der
innere Verkehr u . a . durch Straßenbahnen , Om
nibusse und Droschken vermittelt. Wer ein Fahrrad
(ein Rad) besitzt, wird sich vorzugsweise dieses
verbreitetsten aller Verkehrsmittel bedienen, wenn
es gilt, eine geschäftliche Angelegenheit (Besorgung)
in der Stadt schnell zu lerledigen . Auch das Auto
mobil wird dem Geschäftsverkehr mehr und mehr
2 dienstbar gemacht. Freiballonfahrten verfolgen Svor
wiegend wissenschaftliche Zwecke; in Kriegszeiten
jedoch haben die Luftschiffe und Flugzeuge für den
Aufklärungsdienst (Kundschaftsdienst) wie für die
Beschießung feindlicher Städte, Anlagen und Flieger
eine hervorragende Bedeutung.
Straßenbahnen - auch * Trambahnen , Trams
(früher Pferde (eisen )bahnen , Dampfbahnen ] genannt
fahren auf dem Fahrdamm der Straßen, und zwar,
wie die Eisenbahnen, auf Geleisen (stählernen Schie
nen ), die in gleicher Höhe mit dem Straßenpflaster
liegen . An mehreren Stellen eingeleisiger Fahr
strecken sind Weichen (Ausweichstellen ) angelegt,
die zugleich als Haltestellen zum Ein- und Aus
1 besorgen , ordnen . ? im benutzt. 8vornehmlich,
namentlich . Flugmaschinen. Rekognoszierung, Erkun.
dungsdienst.
* Das Wort Tram hat nichts gemein mit dem eng
lischen Eigennamen Outram. Es ist ein altgermanisches
Wort und bedeutet soviel als „ Holzbalken , Bohle “ . Schon
vor vielen hundert Jahrensollen die Bergleute solche Bohlen
gelegt haben , um die Förderkarren in den Gruben be.
quemer schieben oder ziehen zu können. Die altgermanische
Bezeichnung Tram ist dann auf die neueren eisernen Schio
nen , welche ebenfalls die Fortbewegung des Gefährts er.
leichtern, übergegangen und hat sich schließlich auf das
Gefährt selbst übertragen .
XXIV . Straßenbahn. Omnibus usw. 187
steigen dienen. Auf den deutschen Verkehrswegen
wird ausnahmslos nach rechts ausgewichen;
die Eisenbahnen und anderen Verkehrsmittel be
obachten diese Vorschrift aufs strengste; auch die
Fußgänger richten sich in lebhaften Straßen und
auf Brücken darnach .
Die erste deutsche Straßenbahnlinie wurde i. J.
1865 in Berlin eröffnet. Die Tramwagen wurden
damals von Pferden gezogen (daher der Name
Pferdeeisenbahn oder kurz Pferdebahn). Stellenweise
spannte man jedoch kleine Lokomotiven statt der
Pferde (oder Maulesel) vor ; in diesem Falle war
das Gefährt ein Dampftram oder eine Dampfbahn.
Mehr und mehr haben sich seit dem letzten Jahr
zehnt des 19. (verflossenen, vergangenen ) Jahr
hunderts die elektrischen Straßenbahnen , deren Wagen
durch Elektrizität getrieben werden, eingebürgert.
Auch sog. elektrische Schwebebahnen und Hoch
bahnen hat man neuerdings gebaut; sie bewegen
sich oberhalb der Straßen an eigens hergestellten
SÜberführungen fort.
Die Tramwagen haben Sitze im Innern, sel
tener auch auf dem Verdeck (Dach) . Auf der vorderen
und hinteren Plattform sind eine Anzahl Stehplätze.
Im Innern der Wagen darf nicht geraucht werden.
Zu den Deckplätzen ( Verdeckplätzen) haben Damen
keinen Zutritt. Ein Wagenführer lenkt den Wagen ,
muß aber auf Geheiß des Schaffners sofort anhalten .
Der letztere pflegt das 10Fahrgeld während der Fahrt
gegen 11Aushändigung eines Fahrscheines einzu
sammeln; er fordert zum Zahlen auf mit den Worten :
,12Wieweit ( fahren Sie) ?“ oder „Fahrgeld, bitte !"
În den meisten Städten richten sich die Fahrpreise
nach der Entfernung; für die erste vom Fahrgast
benutzte Teilstrecke sind auf den deutschen Stra
Benbahnen jetzt mindestens 20 M. zu zahlen, für
jede weitere 10 M. oder mehr.
rechts gefahren . in einigen Städten . 8 Viadukten .
Wagens. 10 Fahrpreis , tarifmäßigen Preis. 11Verabfolgung,
Ubergabe. 1a bis wohin.
188 XXIII. Reisen. Eisenbahn. Sehift.
Die *Omnibusse unterscheiden sich von den
Trams nur dadurch (darin ), daß sie nicht auf
Schienen laufen , überdies aber auch Nebenstraßen
durchfahren , die für Tramlinien zu eng oder zu be
lebt sind. Die früheren Pferdeomnibusse sind heute
fast überall durch Auto (mohil)-Omnibusse ersetzt.
Zu Ausflügen (Ausfahrten ) einer größeren An
zahl Personen bestellt man bei einem Hauderer
( Fuhrhalter, Wagenvermieter) oft einen Kremser
( einen großen Omnibus, nach dem gleichnamigen
Erbauer so benannt) .
Bei großer Eile oder für längere Rundfahrten
nimmt man ein Auto, einen Mietswagen (eine Equi
page, einen Landauer, ein Coupé) oder eine Kraft
oder Pferde- Droschke (ein russisches Wort) - und
zwar entweder für die einfache Fahrt oder auf Zeit“ .
In großen Städten (so in Berlin ) gibt es Pferde
droschken - Einspänner und Zweispänner erster
und zweiter Klasse ( familiär: erster und zweiter
Güte); die letzteren kosten für kurze Fahrten
etwa 80 % weniger als die ersteren . Für Nacht
fahrten (nach 11 Uhr abends, vor 7 bzw. 8 Uhr
früh ) ist der doppelte Tagespreis zu 14entrichten .
Einer besonderen Beliebtheit erfreuen sich die
Taxameter (-Droschken ), die an der Rückseite des
Kutscherbocks auf einem ,,Taxameter" (Fahrpreis
anzeiger) den für die abgefahrene Strecke 15 fälligen
Fahrpreis in Mark und Pfennigen anzeigen.
Für Gepäck über 10 kg darf von allen Drosch .
kenkutschern eine besondere, amtlich festgesetzte
Zuschlagsgebühr erhoben werden . Der Fahrgast
gibt dem Kutscher in der Regel 5 bis 10 % Trink
geld für die einfache Fahrt, bei längeren Fahrten
i entsprechend mehr.
Das Rad oder Fahrrad ist heutzutage eins der

* Omnibus_ (lateinisches Wort) heißt: für alle. Alle


Louto, die das Fahrgeld zahlen, werden 18ohne 13 Ansehen
18 der 13 Person .
mitgenommen .
18 ob reich oder arm, ob hoch oder niedrig. 14 zahlen.
16zahlbaren , geschuldeten . 16im Verhältnis.
XXIV . Strabonbahn. Omnibus usw. 159
volkstümlichsten Verkehrsmittel. Am meisten ver
breitet ist das Zweirad (mit Freilauf); es wird von
Damen und Herren gefahren. Die Dreiräder dienen
Geschäftszwecken , sind sonst aber nur noch sehr
vereinzelt 17anzutreffen, u. z. meistens bei älteren
oder kränklichen Herren. Bisweilen sieht man auch
Zwei- oder Dreiräder , die durch Benzinmotoren oder
Akkumulatoren getrieben werden ; sie heißen Motor
räder. Für nochnicht erwachsene Radler und Rad
lerinnen gibt es sog. Jugendräder, die etwas kleiner
sind, als diejenigen für Erwachsene.
Die wichtigsten Teile des Fahrrades sind: die
Räder mit Tangentspeichen , der Rahmen, der
Sattel , die Pedale, die Kette ( oft in einem Ketten
kasten ), die Lenkstange, die Bremse, die 18 Schutz
bleche , die Glocke_ (Klingel, Schelle) oder 19Huppe,
die Laterne (Öl-, Petroleum- oder Azetylen -Laterne)
und die Satteltasche mit einem Schraubenschlüssel,
einem Ölkånnchen u. a. m. Die Räder haben hohlé
Gummireifen, die mittels einer_Luftpumpe „ auf
gepumpt“ werden . Die einzelnen Teile sind emailliert
bzw. vernickelt. Die Kette verbindet das größere
Zahnrad ( ,, Kettenrad “) an der Kurbel mit der
ebenfalls gezahnten 20Nabe des Hinterrades; je
weniger Zähne diese Nabe im Verhältnis zum Ketten
rad hat, um so höher ( größer) ist die Übertragung
oder Übersetzung, d. h . um so mehr Raum legt das
Fahrrad bei jeder Kurbeldrehung zurück.
Zum bequemen Radeln bei Eis und Schnee
hat man Schlittenfahrräder Personnen . Jedes ge
wöhnliche Zweirad läßt sich in ein solches Schlitten
fahrrad verwandeln . Zu diesem Zweck versieht
man das Hinterrad mit einer sog. - Sporenkette,
während das Vorderrad auf einer 23Gleitkufe fest
gelegt wird.

17zu finden . 18 zum Schutz gegen Spritzer ( Beschmut


zung ), seitens der Räder. 10 Signalhorn oder Trompote.
30 äußeren Stück der Achse. 21 erdacht, erfunden . 22 Ketto
mit scharfen Spitzen . 23 Stück Holz oder Eisen, das sich
mit dem Fahrrad vorwärts schiebt ( bewegt ).
160 XXIV . Straßenbahn. Omnibus usw.
Wenn Radler einander begegnen , begrüßen sie
sich bisweilen mit dem Zuruf „All Heilla
Die Geldaristokratie fährt heutzutage nicht
mehr Rad ; sie zieht das * Automobil ( Kraftfahrzeug,
volkstümlich: das Auto) vor, weil dieses24 freilich
noch recht teuere Verkehrsmittel dem Automobil .
fahrer die Möglichkeit bietet, mit Schnellzugs
geschwindigkeit, unabhängig von Eisenbahnen, durch
die Welt zu 25sausen und nach Belieben haltzu
machen. Automobile werden meistens von einem
Chauffeur gefahren und durch Benzin ., Petroleum
oder Spiritus - Motoren 26 getrieben. Sie haben als
Auto (mobil)droschken in großen Städten die Pfer
dedroschken bereits ? 7stark 28zurückgedrångt.
Auch der Luftballon ist unter der Bezeichnung
Luftschiff oder Flugschiff (je nach seiner Bauart
,, Zeppelinschiff“, Schütte -Lanz“ , „ Parsevalschiff" ,
Militärluftschiff" " genannt)jetzt indie Reihe der
Verkehrsmittel eingerückt. Lange Jahre hindurch
blieb es bei eifrigen Versuchen, bitteren 29 Ent
täuschungen und 30unscheinbaren Erfolgen ver
einzelter Enthusiasten (unter ihnen vor allen die
Deutschen Graf Zeppelin und Major von Parseval,
sowie der Franco -Brasilianer Santos Dumont). Es
wollte nicht gelingen, das Fahrzeug bei jedem Winde
nach dem Willen des Führers zu 81 lenken . Erst
mit der Vervollkommnung der Benzinmotoren wurde
das Problem der Lenkbarkeit im Jahre 1908 gelöst:
Graf Zeppelin 32 erregte in diesem Jahre das be
wundernde 33Staunen der ganzen 34gesitteten Welt,
als er -
der erste ,,Eroberer der Luft ™ mit seinem
einer Riesenzigarre 35ähnelnden lenkbaren Luftkreuzer
eine lange Tagereise durch Süddeutschland ohne
Das griechische auto- bedeutet selbst, das lateinische
móbile heißt beweglich ; das Automobil ist also ein Selbst.
beweger oder Selbstfahrer (natürlich nur scheinbar, insofern
die treibende Kraft nicht sichtbar ist ).
24zwar, allerdings. 35 jagen, eilen. 26fortbewegt. 37sehr.
88 an Zahl gemindert. 38@ getäuschten Erwartungen. 80win
zig, klein. 31steuern, dirigieren. 88 rief wach, veranlaßte.
33 Erstaunen, Überraschung. 84zivilisierten . 86ähnlich sehenden.
XXIV, Straßenbahn . Omnibus usw. 161
ernsten Unfall zu Ende führte . Nach ihm hatten
auch andere Luftschiffer schöne Erfolge auf ihren
Fernfahrten zu 36verzeichnen. Im letzten Weltkriege
haben vor allem die Zeppeline als Kampf- und Er
kundungsmittel Großes 37geleistet.
Durch die Motorluftschiffe haben die früheren
Kugelballons, deren erster i. J. 1783 von den fran
zösischen Brüdern Montgolfier 88ersonnen wurde,
an Interesse verloren.Nur noch wenige Leute
vertrauen sich heute einem Freiballon an, und
zwar dann meist zu wissenschaftlichen Zwecken .
Dagegen wird der Fesselballon, der mittels eines
langen 39Taues mit dem Erdboden in fester Ver
bindung steht und 40namentlich auf Welt- und Landes
ausstellungen selten fehlt, gern zu einem kurzen
Aufstieg benutzt. Auch im Heere verwendet man
seit Jahren Fesselballons, um die feindliche Stellung
41zu 4lerkunden.
Ein gewöhnlicher Freiballon ist ein gewaltiges
« Ungetüm . Zur 43Herstellung eines solchen be
darf es einer großen Menge kräftigen Seidenstoffs,
der mit elastischem Gummilack überzogen ist, damit
das Gas, mit dem der Ballon gefüllt wird, nicht
44entweicht. Ein Netz von starkem Tauwerk (Strick
werk) umgibt oft das Ganze und hält es zusammen ;
am unteren Ende dieses Netzes hangen die sog .
Gondeln , in denen die Luftschiffer sich aufhalten,
und wo sie einen Anker, die Sandsäcke (den Ballast),
einen Kompaß, ein Barometer, ein Thermometer,
einen 46Fallschirm , eine Strickleiter und anderes
unterbringen.
Damit der Ballon in die Höhe steige, muß er
mit einem Gase gefüllt werden, das leichter ist,
als die atmosphärische Luft. Das Leuchtgas, wel
ches halb so schwer ist , eignet sich schon , zum
Füllen; noch wesentlich leichter aber ist Wasser
36 registrieren , buchen, aufweisen . 37vollbracht. 88 erdacht.
89 Seiles, Strickes. 40 besonders. 41 einzusehen, aufzuklären ,
zu erspähen. -Monstrum , Ungeheuer. 43 Anfertigung. 44aus.
strömt, verloren geht. 45 Speise und Trank, Essen und Trin .
ken . 46Art Schirm zum freien Herablassen der Luftschiffer.
Rroo Der Kleine Dentsche . 15 . 11
162 XXIV . Straßenbahn . Omnibus usw.
stof/gas, da 14 Raumteile dieses Gases einem Raum
teile Luft an Gewicht 47entsprechen . Während des
Füllens wird der Ballon im Erdboden verankert.
Sobald alles zum Aufstieg bereit ist, werden die
Taue (oder Stricke) gelöst, der Luftschiffer schwingt
sich in die Gondel, auf seinen Befehl lassen die
Mannschaften die Taue los, und der Ballon steigt
in die Lüfte, begleitet von guten Wünschen , die
der kühne Luftschiffer durch freundliche Winke
erwidert.
Nachdem der Freiballon mehrere tausend Meter
gestiegen und vom Winde getrieben worden ist,
sucht der Luftschiffer 48den 48 Abstieg 49zu 4'bewerk
stelligen. Zu diesem Ende (Zwecke) öffnet er das
Ventil und läßt Gas ausströmen, das durch ein
dringende Luft ersetzt wird ; hierdurch wird der
Ballon schwerer und beginnt zu sinken. Wenn
er sich dem Erdboden nähert, wirft der Schiffer
den Anker aus, der sich in der Erde oder in einem
Baume festhakt; hierauf landet der Luftschiffer
mittels der Strickleiter und zieht den Ballonzu Boden .
Die großartige Entwickelung der Motorluft
schiffahrt ist auch dem 50 Flugwesen bizugute 6ige
kommen. Was man sich bis vor zwanzig Jahren
nicht 52träumte, jetzt ist's 53Ereignis: die Menschen
können fliegen , d. h. wenn sie den pötigen Mut,
das nötige 64 Flugzeug und die nötige Übung haben.
Die 56 Pioniere auf dem Gebiete der Flugkunst,
die amerikanischen Brüder Wright und die Franzosen
Blériot, Farman, Latham usw. haben nach vielen
mißlungenen Flugversuchen 56dank den Verbesse
rungen der Motoren i. J. 1908 ihre ersten 57Über
landflüge auf 58Eindeckern oder 59Zweideckern über
mehr oder weniger weite 60 Strecken ausgedehnt.
Die folgenden Jahre haben dann ganz 6lungeahnte
47
? gleich sind . 48 die Rückkehr zur Erde. 49 zu bewir
ken , vorzunehmen . 50 Aviatik . 51 von Nutzen gewesen . 52 dachte.
68 Tatsache. 54 Flugmaschine, Aeroplan . 55 Bahnbrecher, Ersten .
66 infolge. 57 Reisen über Land. 59Monoplan. 58 Biplan. 6° Ent.
fernungen. 61 unerwartete.
XXV. Post. Telegrapli usw. 163

Flugleistungen gezeitigt: auf großen Fernflagen,


Rundflügen und Passagierflügen sind Stundenge
schwindigkeiten bis zu 200 km , Höhen über 6000 m
63 erzielt und ununterbrochene Dauerflüge bis zu
14 Stunden gemacht worden. Für die militärische
Aufklärung und im Luftkrieg haben die Flugzeuge
sich seit 1914 hervorragend 64 bewährt.

XXV .

Post. Telegraph . Kabel. Fernsprecher.


Elektrizität.

Es gibt wohl kaum einen öffentlichen Beamten ,


der in allen Schichten der Bevölkerung lieber ge
sehen wäre , als der Briefträger (oder Briefbote,
Postbote). Zu bestimmten Stunden des Tages macht
er in seinem Bestellbezirk seinen Rundgang von
Haus zu Haus, dem einen gute, dem andern schlechte
oder gleichgiltige Nachricht von nah und fern
bringend . Er steckt die Briefe, Postkarten oder
Drucksachen in den Briefkasten des Empfängers,
falls dieser einen solchen Kasten an seiner Haus
oder Flurtür hat anbringen lassen . Auch Geld
sendungen , Einschreibebriefe, strafportopflichtige Sen
dungen sowie Pakete werden in der Wohnung des
Empfängers abgeliefert , was bekanntlich nicht in
allen Ländern der Fall ist. In großen Städten
finden täglich an ein Dutzend 3 Bestellungen ( Aus
tragungen ) durch die Briefträger statt . Ebenso
häufig werden die von der Postverwaltung in den
Straßen und auf den Postämtern angebrachten ,
blau angestrichenen Briefkästen, in die man Brief
schaften zur Weiterbeförderung steckt, geleert.
Bevor ich einen Brief oder eine Postkarte Szur
6 Post @gebe (in den Kasten stecke) , muß ich ihn (sie)

62 gebracht. 68 erreicht. 64 wertvoll und erfolgreich be


wiesen .
1dem ihm zugewiesenen Bezirk. Sunwichtige. 3Ablie
ferungen von Postsachen, Postsendungen. * Absendung. 5der
Post übergebe.
164 XXV . Post.. Telegraph 08 # .

natürlich erst schreiben und Spostfertig machen .


Zu diesem Zwecke nehme ich einen Bogen Brief
papier, sowie Feder und Tinte. Ich schreibe zuerst
Ort und Datum rechts oben (wobei ich das Komma
hinter dem Ortsnamen und den Punkt hinter der
Ordnungszahl nicht vergessen darf) , sodann die
Anrede, z. B. ,,Lieber Freund " , „ ( Sehr ) geehrter
Herr" , ,,Hochgeehrte Frau Doktor", ,,Hochgeehrtes
gnädiges Fräulein" usw. Hinter der ( die) Anrede
setzt der Deutsche meistens ein Ausruf(ung )s.
zeichen, bisweilen jedoch ein Komma oder einen
Punkt. In Geschäfts- oder Dienstschreiben folgt
auf Ort und Datum die Bezeichnung der Firma
oder Behörde ; eine persönliche Anrede ist nicht
erforderlich . * Wenn ich den eigentlichen Brief,
d. h. das, was ich meinem Freunde mitteilen möchte,
geschrieben habe, füge ich zum Schluß eine der
zahlreichen Höflichkeitsformeln und meine Unter
schrift an, z. B .: „ Mit herzlichen Grüßen verbleibe
ich Dein R." , oder in Briefen an Fernstehende
,,Hochachtungsvoll(st) ergeben ", oder: „ Mit vor
züglicher Hochachtung, R. K.“
Nachdem mein Schreiben fertig ist, stecke ich
fs in einen gummierten Briefumschlag (in ein Kuvert).
feuchte den Klebstoff an und schließe den Umschlag.
Bisweilen versiegele ich den Brief mit Siegellack
und drücke mit meinem Petschaft (Siegel) die An
fangsbuchstaben meines Namens und Vornamens
oder mein Familienwappen darauf. Sodann klebe
ich eine Marke ( Freimarke, Briefmarke) auf. Für
ungenügend frankierte Briefe ist vom Empfänger
Strafporto zu zahlen. Die Porti sind sehr hoch .
Zum Schluß kommt die Anschrift ( Aufschrift,
Adresse ), z . B. Herrn Fritz König (oder Frau F. K.
Fräulein Friederike König ), Berlin W., Wilhelm
straße 76. Auf Briefen an Offiziere und höhere Be
amte wird dem Namen meist ein „ Hochwohl

* Näheres in Dr. O. Leopolds deutschem Briefsteller


( Freiburg i. B. , J. Bielefelds Verlag ).
@ schließen, mit Aufscbrift und Freimarke versehen,
XXV. Post. Telegraph usv . 165
geboren“ vor- oder nachgesetzt; bei anderen Sterb
lichen genügt der einfache Name, dem indes bisweilen
noch das recht ? überflüssige „ Wohlgeboren “ hin
zugefügt wird. Andere Bemerkungen auf dem
Umschlag sind bspw.: ,,per Adresse oder „ 2. H.
( lies: zu Händen) Herrn N. N." , d. h. die Sendung
soll durch diesen Herrn persönlich ( eigenhändig)
an den Empfänger besorgt (abgegeben ) werden.
Falls dieser verreist ist, kann man beifügen : „ Bitte
nachzusenden “ . Hat er keinen festen Wohnsitz an
einem Orte, so sendet man postlagernd und schreibt
etwa: Herrn F. K., Berlin , postlagernd; in solchem
Falle wird der Empfänger sich auf dem Hauptpost
amt am Schalter für postlagernde Sendungen 8er
kundigen, ob für ihn „etwas da“ ist und die "lagernde
Sendung dann persönlich entgegennehmen.
Wenn ich im Zweifel bin , ob mein Brief den
Empfänger richtig erreichen werde, so schreibe ich
in eine Ecke oder auf die Rückseite des Umschlags
den Absender, d. h. meinen Namen und meine ge
naue Adresse, z. B. ,,Absender Dr. N. N., Köln ,
Hohestrasse 7 ". Noch sicherer ist es, die Sendung
gegen eine Einschreib ( e)gebühr von 40 M. ein
schreiben (rekommandieren ) zu lassen; Aufschrift:
Einschreiben “. 10Unbestellbare 10 Sendungen , deren
Absender nicht zu ermitteln ist, werden 12post
seitig geöffnet_und zurückgesandt oder vernichtet;
im letzteren Falle wird etwaiger Wertinhalt vom
Postfiskus (Postverwaltung) entnommen.
Es gibt verschiedene Gattungen ( Arten ) von
Briefen: Geschäftsbriefe , Familienbriefe, Liebesbriefe,
Glückwunschschreiben, Neujahrsbriefe, Geburtstags
briefe, Beileidsschreiben, Entschuldigungsschreiben,
Bittschreiben, Dankesbriefe, Empfehlungsbriefe, ge
druckte Geburts-, Verlobungs-, Vermählungs- und
Todesanzeigen usw. Auch briefliche oder gedruckte
Einladungen zu einer Festlichkeit ( Taufe, Kon
' bedeutungslose. ' vergewissern. " dort liegende. 10 Sen
dungen, deren Empfangsberechtigter nicht zu finden ist.
11 bekannt, fostzustellen . durob die Postverwaltung.
166 XXV. Post. Telegraph usv .

firmation, Hochzeit ) oder zu einer Abendgesel -


schaft, einem Picknick ( Sommerausflug) u. dergl.
gehören hierher. Die gedruckten Zuschriften haben
einen 18 feststehenden Wortlaut, und die Antwort
bewegt sich ebenfalls in stets gleichlautender Form
( vergleiche Seite 35 ).
Auf gedruckte Anzeigen, wie Geburts-, Ver
lobungs- und Vermählungsanzeigen , antwortet man ,
falls man dem Absender nicht näher steht, einfach
mittels gedruckter Karte und dem handschriftlichen
Zusatz : ,, Herzlichen Glückwunsch !“ Auf Todes
anzeigen wird man seine Teilnahme natürlich brief
lich in wohlerwogenen Worten zum Ausdruck bringen .
Außer Briefen , Kartenbriefen , Ansichtspostkar
ten , gewöhnlichen Postkarten ( letztere nur an gute
Freunde und im Geschäftsverkehr üblich ), Büchern ,
Zeitungen , Zeitschriften und anderen Drucksachen
unter Kreuzband ( Streifband) werden auch Muster
ohne Wert (offen ), Wertbriefe, Wertpakete und Geld
sendungen (Geldbriefe, Postanweisungen und Post
schecks oder Zahlkarten ) durch die Post befördert.
Telegraphische Postanweisungen werden zwischen
Deutschland und vielen Ländern des Weltpost
vereins ebenfalls besorgt.
Telegramme, ( Depeschen , Drahtnachrichten ) wer
den durch den elektrischen Telegraphen vermittelt
(„ gedrahtet“ ). Der elektrische Strom wird hier, wie
auch sonst, durch Metall (meistens Kupfer-)drähte ge
leitet; diese Drähte ziehen sich längs der Eisenbahn
linien oder Landstraßen (Chausseen ) an hohen
Telegraphenstangen hin . Im deutschen Staatsge
biete kostet ein Telegramm bis zu 10 Worten (von
höchstens 15 Buchstaben ) seit 1923 mehrere 100 M .;
fürs Ausland schwanken die Tarifsätze . Brief
telegramme werden nachts telegraphisch befördert
und am nächsten Morgen als gewöhnliche Briefe
bestellt,
Seit 1897 gibt es auch eine Funkentelegraphie,
d . h. eine Telegraphie ohne Draht; sie wurde nach
13
ganz bestimmten .
XXV . Post. Telegraph usw. 167

älteren Versuchen durch Marconi, Slaby, Arco,


Braun für den praktischen Gebrauch 14 dienstbar
gemacht und hat sich zu Wasser wie zu Lande auf
sehr große Entfernungen (bis zu 5000 Kilometern )
bereits 16 bewährt . An den meisten Küsten sind
jetzt Telefunken -Stationen ( oder Funkspruch -Stationen )
eingerichtet, durch die das Funkentelegramm weiter
befördert wird .
Kabelgramme ( Kabelnachrichten ) werden von Eu
ropa nach überseeischen Gebieten wie Telegramme
befördert. Die Gebühren sind recht hoch , aber 16in
16 Anbetracht der sehr kostspieligen Kabelanlagen
nicht übertrieben .
Mittels des Telautographen (Handschrifttele
graphen ) kann man Original- Schriftzüge, Zeich
nungen , technische Skizzen u . dergl. mit auto
graphischer 17Treue in wenigen Sekunden auf viele
hundert Kilometer Entfernung, 18übertragen . Der
Apparat läßt sich leicht an jede Drahtleitung an
schließen .
Der Fernsprecher ( das Telephon ) ermöglicht
das Fernsprechen (Telephonieren ) mit der mensch
lichen Stimme , u . zw. ebenfalls durch Vermittelung
des Drahtes und des elektrischen Stromes . Die
Telephondrähte werden bisher noch vorwiegend über
die Dächer der Häuser geführt und laufen in einem
Fernsprechamt zusammen; von diesem Vermittlungs
amte aus werden die gewünschten Verbindungen
durch Telephonisten oder - Telephonistinnen herge
stellt. In großen Städten hat man indes meist
unterirdische Leitungen, da die große Ausdehnung
des Fernsprechwesens auf die oberirdische Führung
der Drähte erschwerend einwirkte . Außer den für die
einzelnen Privatpersonen eingerichteten_Telephon
anschlüssen 19 bestehen auch öffentliche Fernsprech
stellen , die sogenannten Fernsprechautomaten oder
„ Groschen - Telephone“ , an denen jeder gegen Zahlung

14 nutzbar, verwendbar. 15 als nützlich und wertvoll er.


wiesen. 16infolge, angesichts. 17 Genauigkeit. 18 reproduzieren ,
1 gibt es, hat man.
168 XXV. Post, Telegraph usw.
von ein paar 20 Groschen (die in einen 21 Schlitz zu
stecken sind ) 3 Minuten lang mit einem ange
schlossenen 32Telephoninhaber sprechen kann .
Um mich durchs Telephon mit jemand zu
unterhalten , drehe ich mit kurzem Ruck den Hebel
des Apparats, oder ich drücke 2 bis 3 mal auf den
Knopi, nehme sodann den Hörer vom Haken und
bringe ihn ans Ohr. Die Person im Fernsprechamt
ruft: Hier Amt ! worauf ich deutlich, aber nicht
28überlaut, in einem Abstand von 3 bis 4 cm ins
Mundstück des Apparats hineinspreche und um
Verbindung mit demjenigen bitte, den ich zu sprechen
wünsche. Beispiel : Bitte Nummer 50, Firma E.
Denker, Kaiserstraße 47. Wenn die Verbindung
24 vollzogen ist, ruft Herr Denker: Hier E. Denker;
wer dort ? Ich sage ihm , wer ich bin und was ich
von ihm wünsche. Wenn unsere Unterhaltung zu
Ende ist, hänge ich den Hörer an den Haken und
werde vom Amt wieder 25 ausgeschaltet; Herr Denker
36 verfährt ebenso .
Im Jahre 1900 ist vom Dänen Poulsen auch
ein Telegraphon (ein Telephonograph) erfunden wor
den . Mit diesem Fernsprechapparat können Tele
phongespräche auf einen Phonographen übertragen
und sofort oder später, sogar noch nach Jahren ,
laut wiederholt werden.
Die Elektrizität wird außerdem in zahllosen
anderen Fällen mit großem Nutzen verwandt. Der
Phonograph , das Kinetoskop ( der Kinematograph ),
die elektrische Beleuchtung und eine große Menge
anderer Erfindungen und Einrichtungen der Gegen
wart beruhen auf dieser geheimnisvollen, 27 wunder
wirkenden Kraft.
Alle bisherigen Neuerungen und Erfindungen
werden indes in den Schatten gestellt durch die
Nutzbarmachung des elektrischen Stromes im Dien
ste der Photographie. Der deutsche Physiker,

2010 Pfg .- Stücken (vor 1872 : Groschen ). 91Spalt, läng


liche Öffnung. 2 Abonnenten. 28 allzulaut. 34 hergestellt. *6up.
verbunden , ohne Verbindung. 26macht es . a'magischen
XXV. Post. Telegraph usv . 169

Universitätsprofessor Dr. Röntgen hat im Jahre


1895 bei seinen optischen Versuchen die Entdek
kung gemacht, daß sich auf elektrischem Wege
Gegenstände, die fürs bloße Auge unsichtbar sind,
photographisch feststellen lassen . So gelang es ihm
u. a . , das Knochengerüst einer Menschenband
und eines Frosches, die Gräten eines Fisches, die
Gewichte in einem verschlossenen Holzkasten auf
die photographische Platte zu bringen , und zwar
ohne die Fleischteile bzw. das Holz, womit die ge
nannten Gegenstände umgeben waren , vorher zu
entfernen oder irgendwie zu 28beschädigen . Mit
Hilfe einer 29 Sonderart elektrischer Strahlen , über
deren Natur die Gelehrten noch nicht einig sind ,
brachte_Röntgen diese erstaunliche Leistung sºzu
wege. Er nannte die Strahlen wegen ihrer rätsel
haften 81 Beschaffenheit X - Strahlen ; als sog. Röntgen
strahlen sind sie alsbald in der ganzen gesitteten
Welt bekannt geworden . Das Eigenartige dieser Rönt
genstrahlen besteht darin , daß sie die meisten bis
her 82 als opak ( für Licht undurchlässig) 32 erachteten
festen Körper, wie Fleisch , Holz, Horn, Papier usw.,
durchleuchten, während Metalle, Knochen, Glas,
Porzellan u . dgl. von den X - Strahlen nicht durch
drungen werden, sodaß ein negatives Bild von
diesen undurchdringlichen Stoffen auf der photo
graphischen Platte zurückbleibt und in üblicher
Weise entwickelt werden kann. * Man hat diese
„ Photographie des Unsichtbaren
Unsichtbaren (oder Radio
graphie ) " auf verschiedenen Gebieten des täg.

38 verletzen, berühren. ' besonderen Art. 80 zustande,


hervor. 81 Eigenschaft( en ). 32 für ... gehaltenen.
* Ganz ähnlich verhalten sich die in der radioaktiven
Pechblende ( einem Uranerz) vom Franzosen H. Becquerel
i. J. 1896 entdeckten Uran- oder Becquerel-Strahlen und
in noch höherem Grade - die i. J. 1898 vom Pariser
Ebepaar Curie in demselben Mineral entdeckten Radium .
strahlen . Für diese rätselhafte Radioaktivität ( Eigenschaft
der elektr. Strahlenaussendung, Strahlungsfähigkeit) ist bis.
her noch keine befriedigende wissenschaftliche Erklärung
gefunden.
170 XXV. Post, Telegraph usw.
lichen Lebens bereits mit großem Erfolg verwer
tet, 33 zumal in der Medizin (Heilkunde ) und bei
kriminalistischen und zollamtlichen Untersuchungen;
nicht nur haben die Chirurgen 34 die 84 Lagerung
von Glassplittern , Nadeln, Geschoßsplittern im Kör
per mancher Patienten auf radiographischem Wege
gefunden und operativ beseitigen können, sondern
man hat auch verschlossenes Zollgut ( Kisten ,
Koffer) , ja selbst Briefe unter Verschluß auf ihren
Inhalt untersucht.
Außer Röntgen , Becquerel, Madame Curie und
ihrem i . J. 1906 tödlich verunglückten Gatten haben
sich der Deutsche Werner Siemens und der Ameri
kaner Thomas Edison auf dem Gebiete der elek
trischen Forschung einen Namen gemacht.

XXVI .

Stadt im allgemeinen . Berlin. Provinzialstädte.


Erkundigung nach dem Wege.

Allgemeines.
Der Ort, in dem wir geboren sind , ist unser
Geburtsort oder Heimatsort (bei Städten : unsere
Geburts ., Vater- oder Heimatstadt). Meine Vater
stadt ist K. Unsere Familie wohnt schon seit meh
reren Jahrzehnten in K.
Im Laufe der letzten zwanzig Jahre hat meine
Geburtsstadt sich sehr vergrößert; die Einwohner
zahl ist um mehr als dreißigtausend Seelen gestiegen
und belief sich bei der letzten Volkszählung auf
einige sechzigtausend.
Die Straßen unserer Stadt sind bis auf
wenige Ausnahmen im ältesten Stadtteile breit
und gerade. Viele sind gepflastert, andere chaussiert,
betoniert oder asphaltiert; nur einige wenige haben
Holzpflaster. Der Fahrdamm ( Straßendamm ) und
der Bürgersteig (das Trottoir) werden täglich von
83 namentlich , besonders. 34 die Lage, das Vorhanden .
sein .
XXVI . Stadt im allgemeinen . 171

städtischen Arbeitern gefegt (gekehrt) . Alle Fuhr


werke müssen rechts (auf der rechten Seite des
Fahrdamms) fahren , die Fußgänger auf dem Bürger
steig sollen ebenfalls rechts gehen (ausweichen ),
tun es aber nicht immer.
Im ältesten Teile meiner Geburtsstadt gibt es
noch eine kleine Anzahl enger und krummer Gas
sen und Gäßchen mit alten, baufälligen Häusern,
die von ärmeren Leuten bewohnt sind . Diese alten
Häuser werden aber mit der Zeit verschwinden ;
mehrere davon sind bereits abgebrochen (nieder
gerissen ) und durch Izeitgemäße Neubauten ersetzt
worden.
Die verschiedenen Straßen haben besondere
Namen ; in der Regel sind sie nach einem der darin
vorherrschenden Gewerbe , nach berühmten Män
nern , oder nach anderen Städten benannt.
Zur Verbesserung der Luft sind mehrere un
serer neueren Straßen mit Bäumen (Linden ,Kasta
nienbäumen , Akazien, Ulmen) bepflanzt. Auch ba
ben wir einen großen Park und einige größere freie
Plätze in unserer Stadt, u . a . den Marktplatz; letz
terer ist mit Blumenbeeten geziert und mit *Zier
stauden besetzt, in deren Schatten sich's im Sommer
auf den vom Verschönerungsverein aufgestellten
Bänken sehr angenehm sitzt .
Bei eintretender Dunkelheit werden die Stra
Benlaternen angesteckt angezündet) . Seit einigen
Jahren haben wir elektrische Straßenbeleuchtung,
die unsere ( r) Stadt billigerezu stehen kommt
als Gasbeleuchtung, da man die Wasserkraft des
reißenden Flüßchens, das an meiner Vaterstadt
vorbeifließt, für die Zwecke der elektrischen Be
leuchtungsanlage verwerten konnte und verwertet
hat. Daher haben auch fast alle Häuser elektrisches
Licht, das ohne Frage dem Gaslicht und Gasglüh
licht, erst recht aber dem Petroleum- oder Rübol

I moderne, der heutigen Ansprüchen genügende. * Sträu.


obern , die dekorativ wirken . • Vereinigung zur Verschöne.
rung der städtischen Anlagen . ' veniger kostet.
172 XXV. Stadt in allgemeinen ,
Licht weitaus vorzuziehen ist, denn es ist heller,
bequemer zu handhaben, sauberer und dabei nicht
80 feuergefährlich. 1

Selbstredend haben wir auch Wasserleitung


in allen Stockwerken; die baltfränkischen Pumpen
werden schon seit Jahren bei uns nicht mehr be
nutzt .
An öffentlichen Bauten (Gebäuden ) und ge
meinnützigen Anstalten haben wir u. a. mehrere
Kirchen (protestantische und katholische), eine Syna
goge , ein Rathaus ( Stadthaus ), ein Amtsgericht,
ein Postgebäude, ein Bahnhofsgebäude, ein Gym
nasium , eine Oberrealschule, ein Mädchenlyzeum ,
fast ein Dutzend Volksschulen, eine Turnhalle,
Gefäng
zwei Krankenhäuser, eine Irrenanstalt, ein Theater.
nis, ein Schlachthaus und ein kleines
Bisher fehlen uns u . a. ein Zirkus, ein Museum , eine
Bibliothek, eine Universität und eine Kaserne mit
Soldaten.
Anderseits mangelt es bei uns nicht an Läden,
Gasthöfen, Gast., Wein- und Bierhäusern , Cafés
und Wirtschaften niederer Gattung. Wir haben
sogar eine vortrefflich eingerichtete Badeanstalt
mit je einem Schwimmbad für Damen und Herren ,
mit ?Zellenbädern warm oder kalt eine Zeppelin
halle (für Luftschiffe ), einen Flugplatz ( für Flieger
übungen ), eine Reitbahn , eine Rennbahn (ein Velo
drom ) für Radfahrer und einen zoologischen Garten
(leider sind nur wenige Tiere darin ).
Tagsüber und bis zum späten Abend herrscht
in unserer Stadt (es ist eine bedeutende Industrie
stadt) auf den Hauptstraßen ein reges Leben . Fuß
gänger, Wagen , Droschken, Autos, Omnibusse und
Straßenbahnwagen begegnen dem Beobachter bis um
12 Uhr abends.
Unsere Stadtverwaltung ist ganz nach Art der
Staatsregierungen eingerichtet. Die Bürgerschaft
ist darin vertreten durch eine größere Zahl von
bveralteten, altmodischen, ehemaligen. " Art, Kategorie.
? Einzelbädern (in einer Wanne ).
XXVI. Berlin , 173
Abgeordneten, die aus seiner Wahl mit allge
meinem Stimmrecht hervorgegangen sind und
Stadtverordnete genannt werden . Diese Volksver
treter beraten und beschließen 'endgiltig über
10 Anträge und Maßnahmen, die vom sog. Ma
gistrat oder Stadtrat zum Besten der Stadt 12 ins
isAuge 12gefaßt sind. (Der Magistrat oder Stadtrat
nimmt somit in der Stadt eine Stellung ein wie die
Regierung oder das Ministerium gegenüber dem
ganzen Lande .) An der Spitze der Stadtverwaltung
steht entsprechend dem Landesoberhaupte -
ein Bürgermeister (oft ein_Erster Bürgermeister oder
Oberbürgermeister und ein Zweiter Bürgermeister ), dem
Stadträte und eine Anzahl Magistratsdiener (Schrei
ber, Boten usw.) unterstellt sind. Der Sitz der Stadt
verwaltung ist im Rathause ( Stadthause)
Der Sicherheitsdienst liegt der Polizei (dem
Polizeidirektor, den Kommissaren und den Poli
zeidienern oder Schutzleuten ) ob. Im Falle eines
18 Brandes tritt die städtische Feuerwehr mit ihren
Leuten und Dampfspritzen in Tätigkeit.
Berlin.
Geschichtliches. Ein paar armliche Fischer
hütten, in denen eine Handvoll Slaven (,,Wenden " )
auf einer sandigen Insel der Spree und auf dem
gegenüber liegenden rechten Ufer ihr 14kümmer
liches 4 Dasein 14 fristeten , das waren die ersten
Anfänge der glänzenden Reichshauptstadt von heute.
Lange hatte der Stamm der Wenden seine Selb
ständigkeit mit Erfolg verteidigt; im 12. Jahr
hundert aber mußten sie sich vor dem starken Arm
des Markgrafen Albrecht des Bären beugen . Dieser
tatkräftige Herrscher 15veranlaßte deutsche Bauern,
sich in den wendischen Dörfern niederzulassen;
und allmählich verbrüderten sich die Ansiedler
3
von der ganzen Bürgerschaftgewählt. ” definitiv. 10 Vor
schläge, Forderungen. 11 Schritte, Vorkehrungen . 12 geplant.
18 Schadenfeuers. 14ärmlich lebten, ibr karges (dürftiges)
Auskommen hatten . 16 bewog.
174 XXVI. Berlin .
durch Wechselheirat mit den 16 eingesessenen Wen
den, sodaß die Niederlassungen zu zwei ansehn
lichen Fischerdörfern Kölln (auf der Spreeinsel)
und Berlin (gegenüber, am rechten Spreeufer)
erwuchsen , die im 13. Jahrhundert sogar Stadt
rechte erhielten. Nach ihrer Verschmelzung ( 1307)
machte die Entwicklung von Kölln -Berlin rasche
Fortschritte ; gegen Ende des 18. Jahrhunderts
wurde die Stadt von den hohenzollernschen Kur
fürsten zur dauernden Hauptstadt erhoben. Seitdem
waren die Schicksale von Berlin aufs engste verknüpft
mit denen der Hohenzollern und des Landes.
Im dreißigjährigen Kriege hatte Berlin außer
ordentlich zu leiden, sodaß seine Einwohnerzahl
im Jahre 1648 auf 6000 Seelen zurückging (herab
sank ). Aber der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm
( 1640 bis 1688), der Begründer des heutigen preu
Bischen Staats, brachte auch seine Hauptstadt
zu schnellem Aufschwung (20 000 Seelen ) nament
lich dadurch, daß er nach Aufhebung des Edikts
von Nantes französischen Protestanten Aufnahme
in seinem Lande 1'gewährte. Beim Tode Friedrichs
des Großen ( 1786) zählte Berlin bereits 145 000
Einwohner, 1861, beim Regierungsantritt König
Wilhelms 1.: 500 000; i. J. 1871 : 825 000 ; i. J. 1888:
142 Million; 1915: über 2 Millionen Seelen (mit den
18Vororten fast 4 Millionen ). Heute wird Berlin
in Europa an Seelenzahl nur noch von London
19überflügelt.
Berlin verdankt seinen auffallend schnellen
Aufschwung 2°nicht 20zum 20geringsten 20 Teile sei
ner überaus günstigen geographischen Lage an der
stets schiffbaren, wasserreichen Spree und im Mittel
punkt der norddeutschen Tiefebene, wo sich zahl
reiche wichtige Eisenbahnlinien kreuzen. Hierdurch
ist die Stadt der wichtigste Platz für den deutschen
Binnenhandel und die erste Industriestadt des gan
zen Festlandes geworden: besonders der Maschinen
16dort geborenen und lebenden. 17 gestattete. 18 Orten
nahe bei Berlin. 19 übertroffen. 20besonders, nicht zuletzt.
XXVI. Berlin , 175

bau , die Textilindustrie, die Anfertigung von Möbeln ,


Musikinstrumenten und Bekleidungsgegenständen ,
sowie das Kunstgewerbe 21stehen 21 auf 21sehr 21 hoher
21 Stufe . Glänzende Ladengeschäfte trifft man beson
ders Unter den Linden, in der Friedrichstraße und
in der Leipzigerstraße.
Keine Stadt der Welt tut mehr für die För
derung von Wissenschaft und Kunst als Berlin .
Bisweilen nennen die Berliner ihre Stadt „ die Haupt
stadt der Intelligenz " ; wie 22 anmaßend dies auch
erscheinen muß , so läßt sich doch nicht leugnen , daß
jenes 23Hochgefühl eine gewisse 24 Berechtigung hat.
Auf dem Gebiete des Unterrichtswesens und
der Wissenschaft 25 aller 25 Schattierungen findet der
Lernbeflissene in Berlin und den damit 26 verwach
senen Städten und Vororten Gelegenheit sich aus
zubilden . Außer einigen 200 städtischen Volks
schulen gibt es dort gegen 80 höhere Lehranstalten
(teils staatliche, teils städtische), u . z. (Voll)Gym
nasien, Reformschulen, Realgymnasien, Oberrealschu
len, Realschulen, Oberlyzeen und Lyzeen . Außer
dem bestehen dort zahlreiche Privatschulen. Für
höhere Fachstudien gibt es eine ungezählte Menge
von wissenschaftlichen 27Bildungsanstalten , in erster
Linie die Universität mit mehr als 400 Dozenten
und etwa 20 000 Hörern [14 000 immatrikulierte
Studierende und über 5000 Hospitanten, die zum
Besuch der Vorlesungen berechtigt (zugelassen )
sind ). Zur Universität gehört überdies eine Reihe
von Hilfsanstalten : Institute, Laboratorien , Kli
niken, Museen, Seminarien, Bibliotheken, natur
wissenschaftliche Sammlungen, eine Sternwarte ,
Gärten usw. Für technische und andere Studien
bieten dort alles irgendwie Wünschenswerte die
technische Hochschule, die Bergakademie, die land
wirtschaftliche Hochschule, die tierärztliche Hochschule,
die Handelshochschule und zahlreiche andere Anstal

21 leisten ganz Hervorragendes. 22 arrogant . 43 Selbstge


fühl, Stolz. 24 Grund. 26 in all ihren Zweigen. 26zusammen .
hängenden. 27 Lebranstalten.
176 XXVI. Berlin .

ten, städtische oder private. Gelehrte ,,Gesell


schaften “ , wie die Akademie der Wissenschaft en und
viele andere, geben dem Forscher Gelegenheit, sich
mit Fachgenossen zu besprechen und bieten neue
28Anregungen . Die sehr reichhaltige Staats - Bibliothek
und die Bibliotheken (Büchereien ) der einzelnen
Bildungsanstalten ermöglichen dem Studierenden
und wissenschaftlichen Forscher, alle 28 einschlägigen
Schrift- und Druckwerke des In- und Auslandes
genauer kennen zu lernen. Nur namhafte, 30bewährte
Gelehrte werden an die Berliner Bildungsanstalten
berufen. So wird in Berlin nichts verabsäumt,
die Wissenschaft zu pflegen und zu fördern und
die Stadt in der Tat zur ,,Hauptstadt der Intelligenza
zu erheben .
Auch auf dem Gebiete der Kunst steht Berlin
groß da. Malerei, Bildhauerkunst, Musik und Ge
sang finden beste Pflege inder Akademie der Künste,
der Hochschule für Musik , im Institut für Kirchen
musik, in der Singakademie und in mehreren Kon
servatorien für Musik . Eine 81gtattliche Reihe her
vorragendster Künstler hat in Berlin ihren Wohnsitz
und wirkt mit großem Erfolg an genannten An
stalten . An 30 82einzig 32dastehende Museen
(Kunstsammlungen ) aller Art bilden und 38läutern
den Geschmack der Besucher und haben der Stadt
Berlin den Ehrennamen „ Spree-Athen " 84ein
getragen . An vorzüglichen Konzerten hochklas
sischer wie auch volksmäßiger Gattung ist kein
Mangel. Die Theater -- etwa 3 Dutzend an der
Zahl leisten Hervorragendes und sind allabend
lich überfüllt. Dasselbe gilt von den Singspiel
hallen , Lichtspielbühnen und Zirkussen .
Die Baukunst ist seit dem siebziger Kriege
zu neuem, frischem Leben erwacht und hat eine
lange Reihe glänzender Monumentalbauten gezei

28 Ideen, Gedanken . 3°ihn interessierende, sein Spo .


zialfach betreffende. 30 erprobte , als tüchtig anerkannte.
81 lange. 32 ihresgleichen suchende, nirgends übertroffene. 88klä .
ren, reinigen. 34eingebracht, verschafft.
XXVI. Berlin . 177

tigt; der neue Dom (beim Königlichen Schloß),


das Reichstagsgebäude sowie zahlreiche öffentliche
Bauten und Privatpaläste sind äußerlich wie in
bezug auf die reiche innere Ausführung gleich hervor
ragend. Nicht weniger als 99 evangelische und 15 rö
misch -katholische Kirchen , sowie 9 Synagogen 35 kom
men 35dem religiösen Bedürfnis der Berliner 36entgegen .
Über 1400 Denkmäler schmücken die Stadt.
Das schon 200 re alte Reiterstandbild des
Großen Kurfürsten (von Andreas Schlüter) gilt noch
heute als die hervorragendste plastische Schöp
fung Berlins; doch hat auch das Rauchsche Denkmal
Friedrichs des Großen (Unter den Linden, vor dem
Palast des verstorbenen Kaisers Wilhelm I.) 38be
rechtigten 36 Anspruch auf künstlerische 37Wert
schätzung. Das größte von allen Berlinern Denk
mälern, das_Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm I. ,
wurde zur Erinnerung an den hundertsten Geburts
tag des verstorbenen Herrschers am 22. März 1897
enthüllt. Es stellt den Kaiser hoch zu Roß dar;
zu seinen Füßen befinden sich überaus lebenswahre
allegorische Gestalten. Das Ganze ist von einer
Säulenhalle umgeben , 88kommt 38aber 38nicht 38 ge
bührend 38zur 38Geltung, weil die allzu große Nähe
des 39gewaltigen Königlichen Schlosses 40auf 40die
40Maßverhältnisse -40 drückt und überdies dem Be
schauer die Möglichkeit nimmt, das Kunstwerk
aus angemessener Entfernung zu würdigen. Der
Schöpfer des Nationaldenkmals war der Bildhauer
Reinhold Begas, ein Künstler von hervorragender
" Begabung und ein Liebling Kaiser Wilhelms
des Zweiten. Von demselben Künstler stammt
auch das gewaltige, vor dem Reichstagsgebäude
sich erhebende Bismarck -National-Denkmal, das am
16. Juni 1901 enthüllt wurde.

35 befriedigen das ... 86 begründetes Recht. 87Würdigung,


Beachtung. 38 erscheint jedoch nicht so imposant, wie es
wohl könnte. 38sehr großen, 40das an sich recht große Denk
mal kleiner erscheinen läßt, als es in Wirklichkeit ist. 41 Ta .
lent.
Kron , Der Kleine Deutscba . 15 . 12
178 XXVI. Berlin .

Eine besondere Zierde Berlins ist die Sieges


allee mit ihren zahlreichen prächtigen Marmor
gruppen der brandenburgisch -preußischen Herrscher
von Albrecht dem Bären bis zu König Wilhelm
dem Ersten; sämtliche Gruppen wurden von Kaiser
Wilhelm II . geschenkt.
Das Gesamtbild der Stadt Berlin ist ein vor
wiegend 42 neuzeitiges und in jeder Hinsicht groß
städtisches . Die Straßen sind recht breit und
meistens schnurgerade, dabei stets musterhaft
sauber.
Der 44Brennpunkt des Berliner Lebens und
Treibens liegt Unter den Linden, einer fast 1,5 km
langen und 60 m breiten Straße, die mit einer vier
fachen Reihe von Linden und Kastanien bepflanzt
ist; sie ist von altersher der Schauplatz feierlicher
45 Aufzüge und festlicher Veranstaltungen. Die Pa
läste der beiden verstorbenen Kaiser Wilhelm I.
und Friedrich III ., das Opernhaus, die Ruhmes
halle, die Staats - Bibliothek, die Universität, die
Akademie der Wissenschaften und Künste sowie
mehrere Ministerien stehen Unter den Linden .
Den 46 Abschluß dieser prachtvollen Straße bildet
im Westen das Brandenburger Tor, gekrönt von
einem über 6 m hohen, 47in 7Kupfer 47getriebenen
Viergespann der Viktoria (Siegesgöttin ); das öst
liche Ende der Straße wird durch das Denkmal
Friedrichs des Großen bezeichnet. Die Linden "
werden an Großartigkeit des geschäftlichen und
Straßenverkehrs von der 3,5 km langen, schnur
geraden Friedrichstraße und von der glänzenden
Leipziger Straße überboten48.
Vom Brandenburger Tor führt eine prächtige
Allee nach dem mit Gartenanlagen geschmückten
Königsplatz, in dessen Mitte sich die 61,5 m hohe
Siegessäule mit einer etwas plumpen, vergoldeten
Borussia als krönendem Abschluß erhebt. Auch
das Reichstagsgebäude steht am Königsplatz.
42 modernes. 43 vorbildlich , tadellos.
47
44Mittelpunkt. *Um
züge, Prozessionen. 46 Endpunkt. aus Kupferplatten ge
hämmerten. 48 übertroffen , familiär: übertrumpft.
XXVI. Borlin, 179
Der im Privatbesitz des Hohenzollern -Hauses
befindliche Tiergarten (3,5 km zu 1 km ) mit herr
lichstem Hochwald, lieblichsten Seen, Standbildern
und Wegen erstreckt sich vom Brandenburger Tor
bis dicht vor Charlottenburg . Im Südwestteile
des Tiergartens befindet sich der sehr reichhaltige
Zoologische Garten .
Außerdem hat Berlin noch eine sehr große Zahl
von öffentlichen Plätzen und Parkanlagen , sodaß für
gesunde Luft bestens Sorge getragen ist. 105 Brücken
führen über die Spree, Panke und Kanäle innerhalb
der Stadt.
Hinsichtlich der Verkehrsmittel steht Berlin in
jeder Richtung auf der Höhe der Neuzeit: Drosch
ken (auch elektrische und Automobildroschken),
Omnibusse, Auto (mobil)-Omnibusse, Straßenbahnen
( Trams), Motorwagen , Automobile, Mailcoaches
(volkstümlich: „ Mehlkutschen " ), eine die Stadt von
Osten nach Westen durchquerende Stadtbahn, eine
elektrische Hoch- und Untergrundbahn sowie tau
sende von Fahrrädern dienen zur Beschleunigung
des Verkehrs. Die Spree konnte 4'im 49 Stadtinnern
bisher nur dem Güterverkehr dienstbar gemacht
werden ; im Sommer verkehren indes Dampfboote
auf der Oberspree bis Köpenick wie auf der Unter
spree und Havel bis nach Spandau und Potsdam .
Die beste Rundsicht über die ganze Stadt hat
man vom Rathausturme.
In Anbetracht seiner großen Einwohnerzahl
bildet Berlin seit 1881 einen Verwaltungsbezirk
für sich , den Stadtkreis Berlin", an dessen Spitze,
wie in den Provinzen, ein Oberpräsident steht,
der die staatliche Aufsicht über die städtische
Gemeindeverwaltung führt. Im übrigen ist die
städtische Verwaltung eingerichtet wie in allen anderen
deutschen Städten: der Magistrat besteht aus einem
Oberbürgermeister, einem Bürgermeister, 17 besol
deten und 17 unbesoldeten Stadträten; das Stadt
terordnetenkollegium zählt 140 Mitglieder. An der
“ im Innern der Stadt, innerhalb der Stadt.
180 XXVI. Berlin ,

Spitze jedes der 389 Stadtbezirke steht ein unbe


soldeter Bezirksvorsteher.
Die Ortspolizei von Berlin steht unter einem
Polizeipräsidenten und zerfällt in 105 Polizeire
viere. “ An verkehrsreichen Straßenkreuzungen und
Plätzen halten berittene Schutzleute; in stilleren
Bezirken sind die Polizeibeamten zu Fuß .
In postalischer 60Hinsicht zerfällt Berlin in
112 Postbezirke, deren jeder seine bestimmte Num
mer hat. Angabe dieser Nummer und Bezeichnung
des Stadtteils — N, S, O, W , C (lies: Nord, Süd,
Ost, West, Centrum ) oder NO, SW usw. – erleich
tern und beschleunigen die Beförderung von Post
sendungen .
Wie 6lverrufen Berlin wegen seiner öden Lage
auch lange gewesen sein mag, herrlich schön ist
dennoch seine Umgebung. Fastalles, was die Natur
unter diesem 52Himmelsstrich Angenehmes und
Erfreuliches bieten kann, das hat sie der Berliner
Umgegend gewährt: Wasser, Wald , Wiese und
Feld. Nur eines fehlt: die Berge. Besonders schöne
landschaftliche Reize bieten Potsdam mit dem
Schloß Sanssouci, Tegel, der Grunewald mit seiner
Villenkolonie, der Schlachtensee, der Wannsee, die
Pfaueninsel, Groß -Lichterfelde, Treptow , Grünau ,
der Müggelsee, die Müggelberge (114 m hoch) u. a. m.
Provinz ( ial ) städte.
Paris, c'est la France heißt es sehr treffend .
Solches kann man von Berlin im 58 Hinblick auf
Deutschland nicht behaupten; denn trotz des ver
hältnismäßigsehr schnellen Aufblühens der Reichs
hauptstadt Berlin haben die größeren Städte der
Provinz, insbesondere die Hauptstädte der Bundes
staaten , ihre volle kulturelle Selbständigkeit und
ihre sozialpolitische Bedeutung 54 unversehrt zu
55wahren gewußt.

50Beziehung: 61 verachtet. 52geographischen Lage, Zone.


63 Beziehung. 54rein, intakt. 66 erhalten , bevahren .
XXVI. Provinzialstädte. 181
So ist Hamburg mit einer Million Einwohnern
der bedeutendste 56Seeplatz des Reiches; München,
die prächtige Hauptstadt Bayerns, steht mit über
8/6 Million Seelen für die Entwicklung der 57 bildenden
6? Künste („ Isar -Athen “ ) wie für die - Biererzeugung
einzig in der ganzen Welt da; Leipzig (8/6 Million ) be
herrscht den buchhåndlerischen Weltmarkt. Dresden
( über Y2 Million Seelen ) ist berühmt als das lieb
liche, kunstsinnige, gewerbfleißige „ Elbflorenz" des
Sachsenlandes. Auch das „ heilige“ Cöln ( am
Rhein ) (über 1/2 Million ) mit seinem „ ewigen " ,
unvergleichlich schönen Dom, seinem gewaltigen
Eisenbahn- und Schiffahrtsverkehr, Breslau (über
1/2 Million ), die geistige Hauptstadt und der größte
Handelsplatz des südöstlichen Deutschlands, Frank
furt am Main (über 2/6 Million ), die reiche,
blühende Handelsstadt, sowie noch weitere 40 Städte
von über 100 000 Einwohnern und ebensoviele
Städte mit geringerer Seelenzahl spielen, jede
in ihrer Weise, eine führende Rolle im geistigen ,
künstlerischen oder gewerblichen Leben und bilden
sozusagen einen gewissen Mittelpunkt für ihre
Spezialitäten. Sie stehen Berlin in dieser Beziehung
nicht nur 58 ebenbürtig gegenüber, sondern sie sind
der Reichshauptstadt sogar ,,weit 69über " . Eine
solche 60 Dezentralisation coder 60 Gewalten" hat
auf die Förderung der Sonderbestrebungen dieser
Städte überaus vorteilhaft 61eingewirkt, keineswegs
zum Schaden der Entwickelung des ganzen Volkes.

Erkundigung nach dem Wege u. dergl .


Für einen Fremden ist es nicht immer leicht,
in dem Labyrinth von Straßen einer größeren Stadt
sich zurechtzufinden . Ein Stadtplan mit einem
leicht zu handhabenden Straßenverzeichnis ist für

56 Seehafen (stadt). 67 Malerei


59 , Bildhauerei. ** gleichwertig ,
selbständig, unabhängig. voraus. Goüber ganz Deutsch
land sich verteilende Menge von Städten , die in ihrer Art
führend und unerreicht dastehen . 61gewirkt.
182 XXVI. Erkundigung nach dem Wege ruw .
unentbehrlich.. Einfacher ist
den Reisenden 62 unentbehrlich es

freilich, einen des Weges kommenden, einen Drosch


kenkutscher oder einen Schutzmann (Polizisten )
nach dem Gesuchten zu fragen. Die Fragen müssen
höflich , aber klar und kurz sein.
1. Um den richtigen Weg zu erfragen .
Fragen . Antworten .
Verzeihen Sie , führt (mich ) Ja , gewiß ; gehen Sie nur
diese Straße zum Tier- immer gerade aus und
garten ? durch das Brandenburger
Tor.
Würden Sie so freundlich sein Recht gern . Gehen Sie diese
und mir die Ruhmeshalle Straße immer gerade aus,
zeigen ? bis Sie Unter die Linden
kommen ; dort fragen Sie
einen Schutzmann .
Wie komme (gelange)ich von Immer geradeaus bis zu dem
hier auf dem kürzesten freien Platz, dann erste
Wege zum (nach dem ) Stadt- Straße rechts.
theater ?
Wie lange geht man von Nun , eine 63 knappe Viertel.
hier biszum Reichstag ? stunde.
Entschuldigen Sie gütigst, Nein, Sie gehen ganz 64 ent
bin ich auf dem richtigen gegengesetzt. Sie müssen
Wege zum Rathause ? wieder zum Schloß und
von da am Kurfürstendenk
mal über die Königsbrücke
und die Königstraße zu
Ende gehen . Dann finden
Sie rechts einen großen,
roten Ziegelbau ; das ist das
Rathaus.
Wären Sie SO freundlich , Gewiß, eine Kleinigkeit ! Sie
mir den Weg zum Pschort. brauchen nur dieFriedrich
bräu anzugeben ? straße entlang zu_gehen ;
an der Ecke der Behren .
straße ist das Pschorrbräu .
2. Um andere Auskunft zu erhalten.
Welchen Omnibus muß ich Nehmen Sie nur irgend einen
nehmen , um zum Pots . der Wagen , die die Leip
damer Bahnhofzu kommen ? ziger Straße entlang fahren .
« unbedingt nötig. kleine. Min entgegengesetzter (an .
lorer) Richtung.
XXVI. Erkundigung nach dem Wege usw. 183
Fragen. Antworten .
Können Sie mir sagen , wo Ein Briefkasten ? Ich ken .
hier in der Nähe ein Brief- ne keinen in dieser Gegend;
kasten ist ? doch ja ! 65 drüben an jener
Ecke ist einer.
Wo löst man die Fahrkarten Am ersten Schalter rechts.
nach Potsdam , bitte ? Sie finden es dort ange
schrieben ( angeschlagen ).
Entschuldigen Sie, bitte, wo Im inneren Hofe links; dort
ist der Eingang zum Schloß ? haben Sie auch die Ein
trittskarte zu lösen .
Wenn man in 66 wünschenswerter Weise 67 zu
rechtgewiesen worden ist, bedankt man sich für die
Auskunft, indem man bspw . sagt : „ Besten Dank !"
Verbindlichen Dank !" ,,Danke verbindlichst !“
,,Danke sehr !" oder dergl.

XXVII .
Auf dem Lande.
Ich schwärme sehr für das Landleben und ver
bringe meine großen Ferien fast regelmäßig bei
meiner Tante Wilhelmine auf einem großen Landgut,
das einige zwanzig Kilometer von meiner Vaterstadt
entfernt liegt. Ein Dorf befindet sich in nächster
Nähe des Gutes; meine Tante wohnt in diesem
Dorfe.
Das Dorf ist ziemlich groß und volkreich. Es
besteht aus über fünfhundert Wohnhäusern mit je
einer Familie. Die meisten Häuser sind freilich
nicht gerade groß; abgesehen von denjenigen einiger
besonders reichen Bauern sind es nur die beiden
Pfarrhäuser (das des evangelischen und das des
katholischen Pfarrers), die Apotheke, das Amts
gericht, das Bürgermeisteramt, die Post, die Schule,
die Wohnung des Arztes und des Amtsrichters so
wie ein paar Geschäftshäuser und Bierwirtschaften,
die sich durch eine etwas gewähltere Bauart aus
*dort. gewünschter. 67 orientiert.
184 XXVII. Auf dem Lande.

zeichnen. Zwei Kirchturme fragen hoch empor;


der eine gehört zur katholischen, der andere zur
evangelischen Kirche. Die beiden Kirchenuhren
( Turmuhren ) geben der Einwohnerschaft die Zeit an ;
indes gehen sie höchst selten richtig, wenigstens
2stimmen sie fast nie 'genau überein, sodaß die
Protestanten sich nach der Uhr der protestantischen
Kirche richten, während von den Katholiken die
Uhr der katholischen Kirche als Smaßgebend be
trachtet wird .
Im übrigen sieht man in dem Dorfe neben ,
hinter oder vor den meisten der bescheidenen
Bauernhäuser eine Scheune ( Scheuer ), Stallungen
( Pferde-, Kuh-, Schweine-, Gänseställe) , Schuppen
und oft auch einen großen Misthaufen . Die Häuser
stehen selten dicht neben einander; meistens sind
sie durch eingezäunte Gärten oder gar Felder von
einander getrennt. Das ganze Anwesen eines Bauern
wird Hof oder Gehöft (Land- oder Bauerngut)
genannt. Nur die Hauptstraße, die das Dorf seiner
ganzen Länge nach durchzieht, ist gepflastert.
Regelrechte Nebenstraßen und Gassen gibt es nur
ganz vereinzelt.
Die Dorfbewohner sind durchweg burwüchsige,
kräftige, wettergebräunte und ' biedere Leute, die
an Sonn- und Festtagen vielfach in ihrer recht eigen
artigen 8 Volkstracht erscheinen, so_z. B. im Spree
wald, in Schwaben , in Bayern, in Elsaß -Lothringen,
in den Vierlanden (bei Hamburg), in Westfalen.
Sie leben sehr einfach: selbstgebackenes Brot von
selbstgezogenem Korn, Milch, Butter, Kartoffeln ,
Gemüse und Schweinefleisch – alles Erzeugnisse
ihres eigenen Fleißes – bilden ihre Hauptnahrung;
Rindfleisch und Fleischbrühe werden als Sonntags
speise betrachtet und genossen. Die meisten Dorf
bewohner betreiben auf ihren Grundstücken Land
1steigen. zeigen dieselbe Zeit an . 8 allein
richtig. ' einfachen, unscheinbaren. boriginelle, eigenartige.
bvon der Sonne und rauhen Witterung braun gewordene.
? ehrbare. ' Kleidung, die für eine bestimmte Landschaft
charakteristisch ist.
XXVII . Auf dem Lande. 185
wirtschaft (Ackerbau, Bauerschaft ) in kleinem
9Maßstabe; sie suchen mit dem Ertrag des Bodens
und des Viehstalles sich und die ihrigen zu ernähren ,
günstigen Falles vielleicht auch dann und wann
ein Stück Vieh und einen Teil des Bodenertrags auf
dem Markte der Nachbarstadt 10zu 10 Geld (e) 10zu
1°machen . Einige 11 Dorfinsassen betreiben jedoch
ein kleines Geschäft oder Handwerk und bebauen
nebenher ihren Acker insoweit, als es zur Befriedi
gung ihrer Haushaltungsbedürfnisse unbedingt nötig
ist. So finden wir unter den Dorfbewohnern Schmiede
Tischler, Maurer, Müller, Bäcker, Metzger (Fleischer),
Schuster, Schneider usw. Andere indes sind Tage
löhner oder Fabrikarbeiter in einer benachbarten
Stadt. Auch viele junge Mädchen vom Lande
finden an der Landwirtschaft wenig 12 Gefallen und
gehen daher mit Vorliebe in eine Stadt, wo sie Stel
lung nehmen (meist als Dienstmädchen ), um ein an
genehmeres Leben führen und schöne Kleider tragen
zu können.
Ohne 18 Frage ist der landwirtschaftliche Beruf
keiner von den bequemsten oder 14einträglichsten .
Der Landmann und seine Arbeitsleute müssen vom
frühen Morgen bis oft spät in die Nacht hinein an
gestrengt arbeiten ; bald heißt es pflügen, eggen und
jäten, bald graben, hacken und düngen , bald säen
und pflanzen, bald mähen, ernten und 15 einscheuern .
Und wenn alles recht sorgfältig und zeitig bestellt
worden ist, so macht die Ungunst der Witterung
dem Landmann nicht selten 16einen 18 Strich 16 durch
16die 16Rechnung; Nachtfröste, andauernde Nässe
( Feuchtigkeit) oder Dürre ( Trockenheit), Hagelschlag
oder Ungeziefer ( Schnecken, Mäuse , 11 Érdflöhe u . a .
m .) vernichten in vielen Fällen die 18sprießende Saat.
Wenn der liebe Gott ihre harte Arbeit 19segnet,
indem er die Früchte des Feldes schützt und ge
deihen läßt , so sind die Landleute zufrieden .
' im kleinen. 10 zu verkaufen . 11 Bewohner des Dorfes.
12 Geschmack, Freude. 18 Zweifel 14 lukrativsten . 16 in die
Scheuer bringen , einheimsen . 16seine Hoffnungen zu nichte .
17 Blattkäfer. 18 heranskommende. 1° mit Erfolg belohnt.
186 XXVIT. Auf dem Lande.
Der Winter ist für den Bauersmann verhältnis
mäßig eine Zeit der Ruhe. Da im Freien alles öde
und tot ist, so beschäftigt der Landmann sich in der
Scheune, in den Schuppen oder Ställen und 20macht
seine Gerätschaften für das kommende Frühjahr
20 zurecht. Ist dieses eingezogen, so gilt es, die
Wiesen von Steinen, Laub u. dergl. zu reinigen, sie
zu bewässern und nach Bedarf zu düngen. Die
Felder müssen mit dem Pflug gepflügt, mit der Egge
geeggt, die Saat muß gesäet werden. Mittlerweile
werden die Wiesen grün und bedecken sich mit
einem bunten Teppich von Gänseblümchen , 21 Butter
blumen, Vergißmeinnicht u . a. m.
Im Juni beginnt die Heuernte. Wenn der Tag
22zu 22grauen 22anfängt, macht sich der Landmann
hinaus , um mit einer Sense oder Mähmaschine
das Gras zu mähen; hierauf breitet er mit seinen
Gehilfen und Gehilfinnen das gemähte Gras in
dünner Schicht auf der Wiese aus. Man läßt es an
der Sonne 23dörren , mehrmals wenden und vor
Sonnenuntergang auf Haufen bringen, damit es über
Nacht vom Tau nicht wieder 24feucht werde. Am
folgenden Morgen wird das schon fast trockene Gras
nochmals ausgebreitet und im Laufe des Tages einge
fahren. Im September folgt ein zweiter Schnitt, die
sogenannte Grummeternte ( Grummetmahd).
Inzwischen reifen auch die Halmfrüchte heran,
zuerst die Gerste und der Roggen , nachher der Weizen
und der Hafer. Sie werden mit der Mähmaschine
gemäht (geschnitten), in Garben gebunden , zu
Haufen von 4 bis 6 Garben zusammengestellt und —
sobald die Halme völlig trocken sind — auf Wagen in
die Scheuer gefahren oder in großen 25überdeckten
Diemen (Haufen) auf dem Felde aufgetürmt. Be
vor das Getreide zu Brot gebacken werden kann,
wird es mit Flegeln oder mit der Dreschmaschine ge
droschen, gewannt (d. h. das Kaff oder die Spreu
20setzt ... instand , bringt... in Ordnung. 31 Sumpf
dotterblumen (caltha palustris). 22(auf)dämmert, beginnt.
33 trocknen . 34 paß. 26 überdachten , bedeckten .
XXVI). Auf dem Lande. 187
wird vom Korn entfernt), getrocknet, in Säcke getan
und zur Mühle gebracht, wo die Getreidekörner
zu Mehl gemahlen werden. Aus dem Mebl bäckt
dann der Bäcker das Brot. Das Stroh wird als Futter
für das Vieh oder als Streu verwertet.
Die Knollenfrüchte – Kartoffeln, Rüben , Kohl
rabi, Runkelrüben und die Hülsenfrüchte -

Bohnen , Erbsen, Wicken -


werden im September
eingebracht.
Alles in allem genommen ist das Leben der
Landleute ziemlich eintönig. Tagaus tagein Arbeit
und nichts als Arbeit ! Vergnügungen kennen die
meisten Bauern kaum . Auch Neues kommt im Dorfe
nur selten vor. Das Straßenleben bietet wenig Ab
wechslung. Abgesehen vom Brüllen der Ochsen und
Kühe, vom Blöken der Schafe, vom Meckern der
Ziegen, vom Schnattern der Gänse, vom Grunzen
der Schweine, vom Krähen der Hähne und vom
Bellen (Kläffen) der Hunde hört man dort wenig
Geräusch .
Trotz der Stille und scheinbaren Eintönigkeit
fühle ich mich bei meiner Tante immer sehr wohl;
für mich gibt es eine Menge Abwechslung. Bis
weilen arbeite ich ein wenig im Garten, oder mein
Vetter Fritz der doppelt so alt ist wie ich
- -

nimmt mich mit, wenn er auf (die) Jagd oder


fischen geht.
Etwa eine Viertelstunde Weges vom Dorfe sind
nämlich große Waldungen (Gebüsch , Hochwald, alte
Eichen und Buchen ) und ausgedehnte Wiesengründe,
die von fischreichen , murmelnden Bächen bewässert
werden . In den Wäldern habe ich wiederholt Vogel
nester mit kleinen Eiern gefunden . Mit 26Wonne
27lausche ich dort 27dem lieblichen Gesang der Sing
vögel (Nachtigallen , Amseln, Drosseln , Finken usw.)
und dem Rufe des Kuckucks, der seine Eier in fremde
Nester zu legen pflegt und sie dort vonandern Vögeln
ausbrüten läßt. Gehört habe ich den Kuckuck schon
sehr oft, gesehen aber noch kein einziges Mal. Aller
36Entzücken , Behagen. 9? höre . . . auf den.
188 XXVII. Auf dem Lande .
hand Wild lebt in dem Walde verborgen , u . a.
Hirsche, Rehe, Hasen, Kaninchen, Füchse, Dächse
( Dachse ), Marder, Wildschweine (28Keiler , 29Bachen
und 30Frischlinge). Auch habe ich dort auf meinen
31 Streifzügen Igel, Kröten, giftige Schlangen , Ha
bichte und anderes Getier gefunden ; säreißende
Tiere, wie Wölfe, Löwen, Tiger , Bären u. dgl. sind in
diesen Wäldern jedoch unbekannt.
Überdies machen mir auch die vielen Haustiere,
die meine Tante auf ihrem Gut hält , viel Scherz
(Freude) . Wir haben da u. a. mehrere starke 83 Acker
gäule, zwei feurige 34Vollbluthengste für das Kutsch
fuhrwerk, ein reizendes Pony, ein Füllen, einen
Maulesel, einen 35Steinesel, Ochsen, Kühe, Kälber,
Schafe, Ziegen , Schweine, Kaninchen, Tauben (im
Taubenschlag ),' Geflügel (Gänse, Enten, Hühner,
Hähne, Küchlein ), Bienen im Bienenhaus), einen
zahmen Fuchs, ein Eichhörnchen in einem Rade),
einen Kettenhund, zwei Jagdhunde, einen Ratten
fänger, Katzen ( zum Mäusefangen ), einen Trut
hahn (Puter ), mehrere Puten ( welsche Hühner)
und einen wunderschönen Pfau , der ein prächtiges
Gefieder, aber eine sehr 36schrille Stimme hat.
Der Affe schreit. Die Amsel singt (schlägt). Der
Bär brummt (grunzt). Die Biene summt. Die Drossel
schlägt. Die Elster schwatzt. Die Ente schnattert. Der
Esel schreit ( iahnt). Die Eule schreit. Die Fliege summt
(brummt). Der Frosch quakt. Die Gans schnattert und
zischt. Der Hahn kräht. 8? Das 37 Heimchen zirpt. Der
Hirsch schreit (brüllt). Das Huhn gackert. Der Hund bellt
(kläfft , knurrt, heult, jauelt, winselt). Das Insekt summt.
Das Kalb blökt. Der Kanarienvogel singt (trillert). Die
Katze miaut und faucht. Die Krähe krächzt. Der Kuckuck
ruft. Die Kub muht. Das Lamm blökt. Der Löwe brüllt.
Die Mausquiekt (piept). Die Nachtigall schlägt. Das Pferd
wiehert. Der Puter kollert. Der Rabe krächzt. Das Rind.
vieh (Ochs, Stier, Kuh , Rind) brüllt. Das Schaf blökt.
Die Schlange zischt. Das Schwein grunzt und quiekt.
28
8 Eber. 3° Wildsauen. 80junge Wildschweine. 31 Wande
rungen . **wilde. 88 Ackerpferde. 34männliche Pferde odel.
ster, vorzüglichster Rasse. 85 kleinen grauen Esel. 86gcharfe,
unangenehme. 37 die Hausgrille.
XXVII. Auf dem Lando. 189
Der Spatz (Sperling ) zwitschert. Der Storch klappert,
Die Taube girrt. Der Tiger brüllt. Der Truthahn kollert.
Der Wolf heult. Die Ziege meckert.
Das Wohnhaus meiner Tante Wilhelmine liegt
nicht dicht bei den Wirtschaftsgebäuden, sondern
200 bis 300 m abseits, getrennt durch einen großen
Gemüsegarten und den Obstgarten . Es ist das
schönste Haus im ganzen Dorfe; in schmuckem
Villenstil gebaut, hat es zwei Stockwerke über dem
Erdgeschoß. Vorne ist ein hübscher Balkon, hinten
hinaus eine luftige und helle Veranda, in (auf ) der wir
bei schönem Wetter speisen und auch tagsüber mit
Vorliebe 38weilen . Alle Zimmer sind hoch, geräumig
und hell. Ein Dachtürmchen ist natürlich auch auf
dem Hause und auf dessen Spitze ein Wetterhahn
und ein Blitzableiter .
Vor der Villa meiner lieben Tante ist ein Zier
garten ( Blumengarten ) mit wohlgepflegten Rasen
flächen , sauberen 39Kieswegen , üppigen 40Ziersträu
chern und herrlichen Blumenbeeten . Eine erstaunliche
Menge von prächtigen Blumen ziert die Beete und
verbreitet lieblichen Duft (Wohlgeruch ) in der
nächsten Umgebung ; u . a. sind da: Krokusse ,
Narzissen , Primeln , Tulpen , Hyazinthen, Veilchen ,
spanischer und persischer * Flieder, Vergißmeinnicht,
Maiglöckchen , Pfingstrosen, Geranien, Heliotrop, Ro
sen , Nelken, Levkojen, Georginen (Dahlien ), Astern,
Chrysanthemen (Goldwucherblumen ), Reseda u . a. m.
Halbwegs zwischen dem Einfahrtstor und der Frei
treppe vor dem Hause befindet sich ein Springbrunnen ,
in dessen 41 Bassin alte Karpfen und muntere Goldfisch
chen schwimmen . Ein hübsches schmiedeeisernes
Gitter schließt die Villa und den Ziergarten ringsum ab .
Der Obstgarten ist reich an allen erdenklichen
Arten von Obst (Kern-, Stein- und Beerenobst );
Apfelbäume, Birnbäume, Aprikosenbäume, Pfirsich
* Syringa vulgáris und persica ; auch die Sambúcusar
ten, besonders 8, nigra (Holunder), bezeichnet das Volk als
Flieder .
88 sitzen , uns aufhalten. 3 Wegen, die mit Kieselstein
oben bedeckt sind . 40 Stauden . 61 Wasserbecken, -behälter.
190 XXVII . Auf dem Lande .
bäume, Pflaumenbäume, Kirschbäume, 43Zwergobst
bäume wie auch große Beete Erdbeeren, Stachelbeeren
und Johannisbeeren sind_dort in Menge vertreten .
Im Gemüsegarten (Küchengarten ) zieht Tante
Frühkartoffeln und Gemüse aller Art: Kohl, Blumen
kohl, Spargel, Früherbsen, Rüben, Karotten, To
maten , Gurken, Zwiebeln , Sellerie, Salat, Spinat,
Petersilie, Porree, Schnittlauch u. dergl.

XXVIII.
Das Deutsche Reich .
Geschichtliches.
Die Deutschen sind Abkömmlinge der alten
Germanen , die mit den alten Kelten, Griechen und
Römern die Westgruppe der indogermanischen (oder
indoeuropäischen)Völkerfamilie bildeten. (Zur Ost
gruppe gehörten die Armenier, Albanesen, Slaven
und Indo-Iranier.) Die indogermanische Völkerfa
milie hatte ihre Heimat nicht in Asien, sondern in
der norddeutschen Tiefebene und im südlichen Skan
dinavien ; sie geht auf ein gemeinsames vorgeschicht
liches 3 Stammvolk zurück , dessen Sprache zwar nicht
‘überliefert ist, aber wissenschaftlich berschlossen wer
den kann.
Wie römische Geschichtschreiber berichten , wa
ren die alten Germanen ein hochgewachsener, schöner
8Menschenschlag ; blondes Haar , blaue Augen, große
Körperstärke, ' Tatkraft und 10Tapferkeit waren Hihnen
Heigen . Neue 12Forschungen und 13Funde ältester ger
manischer Kunstwerke von 14überaus geschickter Aus
führung 15widerlegen schlagend die bisher noch viel
fach verbreitete Ansicht, die Germanen seien 16trunk
42 Spalier ., Fächerbäumchen .
1 Nachkommen , Deszendenten. ? prähistorisches. 3 Ur
volk . der Nachwelt erhalten oder zugänglich. Srekonstru
iert. 6mitteilen , erzählen . 7stattlicher, sehr grosser. 8Rasse,
Menschen. 'Energie, Willensstärke. 10 Todesverachtung. 11cha
rakteristisch für sie . 12 Studien . 13 Entdeckungen. 14 sehr.
entkräften . 16 dem Trunk oder Alkohol ergeben .
XXVIII. Das Deutsche Reich , 191
süchtige, 17rauflustige, zerstörungswütige ,,Barbaren"
gewesen und erst durch die Berührung mit der rö
misch- griechischen Welt der 18Kultur zugeführt wor
den . Im Gegenteil hatten sie schon zu der Zeit, da
(etwa ein Jahrtausend vor Christo ) in Griechenland
die Gesänge Homers entstanden , eine verhältnismäßig
boch entwickelte eigene Kultur und allerhand Geräte
und Waffen aus Stein, Bronze und 19Ton geschaffen,
deren künstlerische 20Vollendung sogar von den afein
sinnigen Römern anerkannt wurde .
Um Christi Geburt umfaßte das ehemalige Ger
manien zahlreiche freie Völkerschaften, die teils auf
der linken Rheinseite ( im heutigen Elsaß, in der
Rheinpfalz, in der preußischen Rheinprovinz und in
den Niederlanden ), teils rechts vom Rhein bis zur
Weichsel und nördlich der Donau bis zur Nord- und
Ostsee 22saßen . Die im Laufe von fünfhundert Jahren
immer wieder erneuten Versuche der Römer, das
freie Germanien zu 23unterjochen (was ihnen mit den
Galliern in 8 Jahren gelungen war ), scheiterten an
dem heldenmütigen Widerstand der deutschen Stäm
me, die sich zu mehreren Völkervereinen zusammen
schlossen, im zweiten Jahrhundert vom Verteidigungs
kampf zum Angriffskrieg übergingen und schließlich
in den Stürmen der Völkerwanderung das alters
schwache Römerreich in 25Trümmer schlugen, um an
seiner Stelle 26zukunftsreiche germanische Staaten
aufzurichten. Dem Staate der Franken war es unter
dem jugendlichen König Chlodwig (481–511) und
seinen nächsten Nachfolgern 27vorbehalten, die übrigen
germanischen Stämme und das römische Gallien
seiner Herrschaft 28untertan 28zu 28machen.
Der weitblickende und 29zielbewußte Franken
könig Karl der Große ( 768-814 ) verstand es, das

17streitsüchtig. 18 Zivilisation, Gesittung. 19 Erde. 30 Voll


kommenheit, Vorzüglichkeit. 21 hochgebildeten , kritisch ver
anlagten. 22 wohnten. 23unterwerfen. 24misslangen . 25 Stücke.
28einer grossen Zukunft entgegengehende. 27 beschieden. 28un
terzuordnen , zu unterwerfen . 29sein Ziel fest im Auge be
baltende,
192 XXVIII. Das Deutsche Reich,

ihm 80überkommene Erbe weiter zu 8lwahren : von


den Ufern des Garigliano im Süden Italiens bis zur
Eider in Schleswig , vom Ebro und den Gestaden
des Atlantischen Ozeans bis in die 33Pußta Ungarns
und bis zu den Havelseen reichte das Machtgebiet
dieses gewaltigen deutschen Herrschers, der am Weih
nachtstage des Jahres 800 dieser großen äußeren
Macht auch noch den Glanz der Kaiserkrone hinzu
fügte .
Unter Ludwig dem Deutschen, einem Enkel des
großen Karl, kam im Jahre 870 durch den Vertrag
zu Meerßen (bei Maastricht) der deutschsprechende
Teil des karolingischen Reiches (u. a. auchElsaß und
Lothringen) an das ostfränkische (deutsche) Reich, wäh
rend das 34romanische Sprachgebiet ans westfränkische
Reich, d . h . an Frankreich fiel. Damit sind diese
beiden Nachbarvölker und -staaten 35endgültig zur
Entstehung und 36 Scheidung gelangt,
Die deutsche Kaisermacht zerfiel nach und nach
und 87erhielt nach tausendjährigem Bestehen im Jahre
1806 durch Napoleon Bonaparte 37den 87Todesstoß :
Kaiser Franz II. 38entsagte der deutschen Kaiser
krone, und das Reich löste sich in seine Einzelstaaten
auf.
Nach langjährigen inneren Kämpfen und den
drei siegreichen Kriegen von 1864, 1866 und 1870/71
gelang es der hervorragenden 89Staatskunst Otto
von Bismarcks, die deutschen Stämme wieder zu
einigen und so zu 40lenken, daß während des Krieges
gegen Frankreich am 18. Januar 1871 im Schlosse
zuVersailles der Preußenkönig Wilhelm I. von den
deutschen Bundesfürsten zum deutschen Kaiser 4laus
gerufen wurde.
Damit lebte das deutsche Kaisertum nach
65jährigem Schlummer wieder auf, und das Deutsche
30angefallene, zuteil gewordene. 31 vermehren, vergrö
32
Bera . 2Küsten , Ufern. 33baumlosen Steppen der ungari
schen Tiefebene,34 volks-, vulgärlateinische. 85definitiv. 36Tren .
nung. wurde
87 zertrümmert, brach zusammen .
88legte nieder, verzichtete auf. 39 Politik . 4° leiten , führen ,
41 proklamiert.
XXVIII. Das Deutsche Reich . 193

Reich nahm alsbald einen 42ungeahnten 43Aufschwung


auf allen Gebieten .
Dreiundvierzig glückliche Friedensjahre emsiger
Arbeit und reicher Erfolge waren dem neuen Deutschen
Reich und seinem Volke beschieden . Dann aber mußte
es wider seinen Wunsch und Willen i . J. 1914 das
Schwert ziehen, um seine Ehre und Freiheit zu ver
teidigen gegen eine Welt von übermächtigen Fein
den, denen es 44reichlich vier Jahre siegreich stand
hielt. Als aber schließlich 45hochverräterische 46Um
triebe gewissenloser und 47eigensüchtiger 48Umstürz
ler aus seiner Mitte Heer, Flotte und Volk 49verhetzt
und 50zermürbt hatten , war es 51um den Endsieg und
um das Kaisertum 5lgeschehen : am 9. November 1918
wurde von den Volksbeauftragten “ ( Sozialisten)
Kaiser Wilhelm II. zur Abdankung gezwungen, die
Republik ausgerufen und ein Frieden um jeden Preis
52nachgesucht. Am 28. Juni 1919 wurde der Frie
densvertrag im Schloß zu Versailles unterzeichnet .
Auf Grunddieses Vertrags verlor das Deutsche Reich
über ein Fünftel seines Gebiets in Europa und alle
seine überseeischen Kolonien ; es soll im Laufe von
36 Jahren 53angeblich 450 Milliarden Mark Kriegs
entschädigung zahlen ; die stattlichen Kriegs- und
Handelsschiffe sind ihm genommen , sein Landheer
und seine Seekriegsmacht bis zur Ohnmacht herab
gemindert, Großindustrie und -Handel 541ahmgelegt;
das linke Rheinufer ist bis zu 15 Jahren von den Fein
den besetzt .
Geographisches .
Das jetzige Deutsche Reich oder Deutschland
im engern Sinne umfaßt ein Gebiet von rund 444 000
qkm (vor dem Weltfriedensschluß : 545 000 qkm); es
ist also heute ein wenig kleiner als Schweden . Hin
sichtlich der Volksmenge, die alljährlich um etwa eine
42 für undenkbar gehaltenen. 43 Flug, Blüte. 44mehr
als, gut, über. 45staatsfeindliche. 46 Machenschaften, Machi
nationen . 47 egoistischer . 48Revolutionäre . 49disziplinlos und
60gleichgültig gemacht. 51mit ... vorbei, dahin. * 52 erbeten.
69 wie behauptet wird . 54 entmutigt, lustlos, verkümmert.
Kron , Der Kleine Deutsche . 15 . 13
194 XXVIII. Das Deutsche Reich .

halbe Million zunimmt, ist es infolge der Friedens


bedingungen und der im Kriege verlorenen Söhne
von etwa 70 auf 60 Millionen zurückgegangen , aber
immerhin noch zehnmal so volkreich wie das ihm
räumlich gleichkommende Schweden. Fast zwei
Drittel der Gesamtbevölkerung sind evangelisch, ein
starkes Drittel ist römisch -katholisch und 55gut 1 %
(ein Hundertstel) der Gesamtzahl mosaischen Be
kenntnisses ( Juden , Israeliten) .
Im Volksleben teilt man das Deutsche Reich in
drei oder vier große Gebiete, die durch den Lauf
des Mains und des Rheins bestimmt sind . Man unter
scheidet nämlich Norddeutschland (nõrdlich von der
sog . Mainlinie ; der von 56Mittelgebirgen erfüllte Teil
wird auch wohl Mitteldeutschland genannt, meist aber
mit zum Begriff Norddeutschland gerechnet), Süd
deutschland (südlich der Mainlinie) und Westdeutsch
land ( das links- und rechtsrheinische Tiefland nebst
Westfalen). Norddeutschland im eigentlichen Sinne
ist eine zur Nord- und Ostsee 57flach 58abfallende Tief
ebene ; Mitteldeutschland ist ein 59Hügelland, vom
deutschen Mittelgebirge erfüllt ; Süddeutschland steigt
in drei 60Höhenstufen von der Mainlinie bis zu den
Alpen hinan .
Reichsverfassung *.
Durch die große Staatsumwälzung vom 9. No
vember 1918 ist das Deutsche Reich zu einer Staaten .
republik_mit demokratischer 61Verfassung geworden.
Die 25 Einzelstaaten des 62verflossenen deutschen
Kaiserreichs (außer_Elsaß -Lothringen, das im Frie
densvertrage an Frankreich 63abgetreten werden
mußte ) haben zwar 64nach 64wie 64vor ihre Selbständig
keit als Frei- oder Volksstaat im 65Verbande des Reichs
und ihre eigene Landesverfassung ; ihre Könige, Groß
* Die vorherige monarchische Verfassung (von 1871 –
1918) ist in der 13. Auflage dieses Buches besprochen.
55 reichlich, stark, etwas mehr als. 56 Höhenzügen bis
zu 1000 m . 57ohne Erhebungen . 58 sich senkende. 59mäßig
hohes Bergland . 60Terrassen. 61 Konstitution. 62 vergangenen ,
abgeschafften. 63 zediert. 64 immer noch. 66 Rahmen, Ganzen.
XXVIII. Das Deutsche Reich , 195
herzöge, Herzöge und Fürsten aber wurden durch die
Umstürzler alsbald vom Throne gestoßen und in
einigen deutschen Ländern durch Staatspräsidenten
ersetzt, in anderen durch Ministerpräsidenten.
Das gemeinsame Oberhaupt des republikanischen
Staatenbundes ist der Reichspräsident , der vom gan
zen Volke auf sieben Jahre gewählt wird und in der
Reichshauptstadt Berlin 66 seines 66 Amtes b6waltet.
Die staatlichen 67Machtbefugnisse des Präsidenten sind
sehr beschränkt, da alle seine 68Anordnungen und 69Ver
fügungen zu ihrer Gültigkeit vom Reichskanzler oder
dem 7ºzuständigen Reichsminister'lgebilligt und72gegen
gezeichnet werden müssen ; durch diese Gegenzeich
nung wird der Präsident von der Verantwortung befreit.
Die 13tatsächliche Staatsgewalt geht vom deut
schen Volke selbst aus; sie wird in seinem Namen
durch den Reichstag und durch die parlamentarische
Reichsregierung ausgeübt.
Der Reichstag besteht aus ( einigen ) 466 Abgeord
neten oder Mitgliedern (M. d . R.). Diese werden in
allgemeiner, gleicher und geheimer Wahl 75unmittel
bar von den über 20 Jahre alten männlichen und weib
lichen Reichsangehörigen , die im Besitz der bürger
lichen Ehrenrechte sind, auf 4 Jahre gewählt. Der
Wahltag ist ein Sonntag oder öffentlicher Ruhetag.
Die 78 ,, Reichsboten“ erhalten ?? Besoldung und haben
das Recht zur freien Fahrt auf allen deutschen Eisen
bahnen ; ihre 78Äußerungen im Reichstage sind ge
richtlicher oder dienstlicher Strafverfolgung 79ent
zogen. Während der 80Tagung darf kein Abgeordne
ter ohne Genehmigung des 81Hauses wegen einer straf
baren Handlung zur Untersuchung gezogen oder 82ver
haftet werden , es sei denn , daß er 83auf 83frischer 83Tat

66 sein Amt versieht oder verwaltet. 67 Rechte. 68 Be


fehle, Dekrete. 69 Dispositionen , Maßnahmen. 7'kompetenten,
maßgebenden . 71 genehmigt, zugelassen. 72 mit unterschrie
ben. 73wirkliche. 74 gehandhabt, zur Geltung gebracht. 75 di
rekt. 76 Abgeordneten , M. d. R. 77 Bezahlung . 78 Worte , Re
den. 79 nicht unterworfen . 0 Session , Sitzungsperiode. 81 Reichs
tag. 82 arretiert, festgenommen. 83 in flagránti (delícto ), wäh
rend der Tat .
196 XXVIII. Das Deutsche Reich .

84ertappt ist. Auf Verlangen des Reichstags wird auch


jedes 8 Strafverfahren gegen einen Abgeordneten und
jede 86Haft oder Beschränkung seiner persönlichen
Freiheit für die Dauer der 87Tagung 88aufgehoben .
Der Reichstag 89berät die von der Reichsregierung
oder aus seiner Mitte " eingebrachten 91 Gesetzesvor
lagen, ändert sie nach Bedarf ab und beschließt mit
92einfacher 92 Stimmenmehrheit ihre Annahme und
93Verkündigung oder ihre Ablehnung Außerdem setzt
er den " Reichshaushaltsplan , d . h. den Voranschlag
der Einnahmen und Ausgaben für jedes Rechnungs
jahr fest ; ferner nimmt er Stellung zu 9schriftlichen
38Bittgesuchen und '?Beschwerden der Reichsange
hörigen und 98überwacht die Reichsverwaltung im
allgemeinen .
Die Reichsregierung besteht aus dem Reichs
kanzler als Vorsitzenden und den Reichsministern ;
sie gehen regelmäßig aus dem Reichstag hervor und
werden mit dessen 99Einwilligung vom Reichspräsi
denten ernannt und entlassen . Der Kanzler schlägt
dem Präsidenten die zu ernennenden Minister (des
Innern, der Finanzen , der Justiz, des Verkehrswesens,
des Auswärtigen usw.) vor; auch bestimmt er die all
gemeinen 100 Richtlinien der Politik und 101 vertritt
101den 102etwa behinderten Reichspräsidenten . Die
Minister haben diese Politik innerhalb des ihnen an
vertrauten 103Geschäftsbereichs selbständig und 104 ver
antwortlich zu leiten, die 105einschlägigen Gesetzes
vorlagen zu 10Bentwerfen und vor der Einbringung in

84 erwischt, betroffen , überrascht. 85 Kriminalprozedur.


E6 Gefangenhaltung , Detention . 87 Session . 88 abgebrochen,
suspendiert. 89erörtert, bespricht. So zur Beratung und Be.
schlußfassung übergebenen , vorgelegten . 91Gesetzentwürfe ,
-anträge. 92 absoluter Majorität. 93 öffentliche Bekanntgabe,
Kundmachung. 94Budget. 95 annähernden oder schätzungs
weisen Betrag . 96 Petitionen . 97 Reklamationen . 98 kontrolliert .
99 vorgängige Zustimmung. 100 Richtung, Grundsätze , Ziele.
101 handelt im Namen des. 02 möglicherweise. 103 Dienst
kreises, Ressorts. 104 unter eigener Verantwortlichkeit, auf
ihre eigene Gefahr . 105 in Frage kommenden . 106 auszuar
beiten .
XXVIII . Das Deutsche Reich. 197

den Reichstag derRegierung zur Beratung und Be


schlußfassung zu 107unterbreiten . Jedem Ministerium
sind zahlreiche 108Verwaltungsbehörden 109 untergeord
net, die mit je einem 110 mtsvorstand sowie mit
mehreren beigeordneten höheren ( d . h . akademisch
gebildeten ) Beamten besetzt sind und eine Anzahl
Subalternbamten , Hilfsarbeiter usw. beschäftigen .
Der Reichskanzler und die Reichsminister tragen
gegenüber dem Reichstag für ihre 112 Amtsführungdie
Verantwortung; jeder von ihnen muß 113 ausscheiden ,
wenn die Volksvertretung (d. i. der Reichstag ) 114ihm
114das 114 Vertrauen 114entzieht.
Zur 116Vertretung der 116Belange und Wünsche,
die bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Reichs
für die deutschen Einzelstaaten von 117Bedeutung
sind, besteht ein sog . Reichsrat, der sich aus Mit
gliedern der Einzelregierungen zusammensetzt, und
in dem jedes Land mindestens eine Stimme hat ,
keines aber durch mehr als zwei Fünftel aller Stim
men 118 vertreten ist . Von den 63 stimmberechtigten
Mitgliedern des Reichsrats 119entfallen 25 auf Preußen,
7 auf Bayern ; 5 kommen auf Sachsen und je 3 auf
Baden und Württemberg ; jedes der übrigen Ländchen
entsendet 1 Mitglied in den Reichsrat. Alle von der
Reichsregierung oder aus dem 120Schoße des Reichs
tags eingebrachten Gesetzesvorlagen sowie die be
schlossenen Reichsgesetze und der Reichshaushalts
plan bedürfen der Zustimmung des Reichsrats; er
hebt der letztere 121Einspruch und kommt keine
122Einigung zustande , so kann der Reichspräsident
einen 123Volksentscheid anordnen .

107übergeben, vorlegen . 108 Administrationen . 109 unter


stellt. 110 Leiter, Spitze. 111 beigegebenen. 112Amtstätigkeit,
dienstliche Tätigkeit. 113 zurücktreten . 114 mit seiner Amts
führung unzufrieden ist. 115 Geltendmachung. 116 Interessen,
Ansprüche. 117 Wichtigkeit. 118 repräsentiert . 119 19 kommen.
120 Mitte. 121 Widerspruch , Einwendungen. 122 Ausgleich, Uber
einstimmung, Einvernehmen. 123 Volksabstimmung, Plebiszit,
Referendum ,
198 XXVIII. Das Deutsche Reich.

Erwerbsquellen .
Wenngleich für fast die Hälfte aller Bewohner
des Deutschen Reiches Ackerbau und Viehzucht die
Hauptbeschäftigung bilden , so hat sich , besonders in
den letzten Jahrzehnten , doch eine lebhafte Betäti
gung auch auf dem Gebiete der Industrie ( des Gewerb
fleißes) und des Handels entfaltet. Vor allem sind es
die reichen Bodenschätze - Kohle , Eisen , Zink , Blei ,
Salze — deren regelrechte 124Ausbeute und Verwertung
in den verschiedenen Zweigen der Technik einen wirt
schaftlichen 126 Aufschwung 126sondergleichen und eine
nennenswerte Hebung des allgemeinen Wohlstandes
herbeigeführt haben . Die Textilindustrie (Wollwaren ,
Baumwollgewebe, Seiden- und Samtstoffe, Plüsch
und Juteerzeugnisse) und die Montanindustrie (Aus
beutung der Kohlen- und Erzbergwerke, Verbrauch
bzw. Verarbeitung der geförderten Bodenschätze in
Hüttenwerken, Gießereien, Gußstahlwerken, che
mischen Fabriken, Maschinenfabriken usw. ) stehen
im Vordergrunde und haben sich zu voller Blüte
entwickelt, das Textilgewerbe besonders in der Rhein
provinz und im Königreich Sachsen , die Mon
tanindustrie ebenfalls in der Rheinprovinz sowie
in Westfalen und Oberschlesien . (Weltberühmt sind
die Kruppschen Gußstahlwerke in Essen und die
Solinger 127 Klingen .) Eine ansehnliche Reihe anderer
deutschen Industriezweige erfreut sich gleichfalls
glänzender Erfolge auf dem Weltmarkte , so in erster
Linie die Zuckererzeugung, dann das Bekleidungs-,
Drogen- und Chemikaliengewerbe, die Papierbereitung, 1
die Spielwarenherstellung und die Biererzeugung
(hierin übertrifft Deutschland alle Länder der Welt).
128 Innig 128 verknüpft mit dem Gewerbefleiß ist
der Handel. Der Welthandel des Deutschen Reiches
und die zu seiner Vermittelung nötige Handelsflotte
standen kurz vor Ausbruch des Weltkriegs nur ge 1
gen Großbritannien noch zurück . Die deutsche

124 Gewinnung, Förderung. 125 Blüte, Aufblühen. 126 ohne


gleichen , wie nie zuvor. 127 Messer, Säbel. 128 eng verbunden . !

]
XXVIII. Das Deutsche Reich. 199

129 Ausfuhr bezifferte sich bspw. im Jahre 1913 auf


einen Gesamtwert von etwa 11 Milliarden Mark,
die 130 Einfuhr ( hauptsächlich Getreide und Rohstoffe
für die Textilerzeugnisse) hatte in demselben Jahre
einen Gesamtwert von 12 Milliarden Mark .
Das deutsche 131 Eisenbahnnetz wird an 132 Dichtig
keit nur vom englischen und belgischen übertroffen .
Zahlreiche Kanäle erleichtern den 133 Binnenhandel.

Rechtspflege.
Das mittelalterliche Faustrecht, 134 auf 134 Grund
134 dessen der Beleidigte oder Geschädigte sich mittels
der Waffen selbst Genugtuung verschaffen durfte, ist
mit dem Ausgang des Mittelalters_ ( zu Ende des
15. Jahrhunderts ) beseitigt worden . Ein letzter Rest
des Faustrechts hat sich indes bis auf unsere Tage im
Duell ( im Zweikampf mit tödlichen Waffen ) unter den
Studierenden und akademisch gebildeten Männern
zum Austrag von Ehrenhändeln erhalten, u. 2. unge
achtet des strafgesetzlichen Verbots.
Wenn sich heutzutage zwischen zwei oder mehr
als zwei Personen – dem Kläger und Beklagten
ein Streit um Mein und Dein (ein sog. bürgerlicher
Rechtsstreit ) entspinnt, oder wenn jemand sich ande
ren gegenüber einer 135 Übertretung, eines 136 Vergehens
oder Verbrechens schuldig gemacht hat ( wenn eine
Strafsache) vorliegt, so darf der Geschädigte sich unter
keinen Umständen gewaltsam selbst Recht verschaffen ;
vielmehr ist der Rechtsfall (Streitfall) vor eines der
vom Staat eingesetzten Gerichte zu bringen . Vor Ge
richt werden alle Bürger ohne 137Ansehen 137der Person
völlig gleich behandelt: „ Vor dem Gesetz sind alle
Bürger gleich .“ Die Gerichte sind mit Richtern be
setzt, die fürs ganze Reich eine gleichmäßige juristische

131
12. Export. 130 Import. Gesamtheit der Eisenbahnen .
132 hier : Zahl der Neben- oder Zweiglinien . 133 Handel im
Heimatlande. 134 demzufolge. 135eines leichten Verstoßes ge
gen gesetzliche Bestimmungen . 138 einer schweren Verletzung
der Gesetze. 187 Rücksicht auf die.
200 XXVIII . Das Deutsche Reich .

198Ausbildung auf der Universität und im Vorberei


tungsdienst 789 genossen haben.
Je nachdem ein bürgerlicher Rechtsstreit ( eine
Zivilsache) oder aber eine Strafsache (Kriminalsache)
vorliegt, entscheidet bei leichteren Fällen das Amts
gericht bzw. Schöffengericht ( mit 2 Schöffen oder
Nichtjuristen aus der Bürgerschaft als Beisitzern des
Richters; die Schöffen entscheiden mit über die
Schuldfrage und über das Strafmaß ), bei den übrigen
Rechtsstreitigkeiten und Vergehen die Zivilkammer
( 3 Richter) bzw. die Strafkammer ( 3 Richter) des
Landgerichts, und bei schweren Verbrechen das nur
periodisch zusammentretende Schwurgericht (Assisen
gericht), bestehend aus 3 Landrichtern und 12 Ge
schworenen , die nicht Juristen sind und lediglich auf
,,schuldig “ oder „ nicht schuldig " erkennen , während
die Richter über das Strafmaß entscheiden. Außer
dem gibt es als Berufungs- bzw. Revisionsinstanz das
Oberlandesgericht mit einem Zivilsenat und Strafsenat
(je 5 Richter) und als letzte Revisionsinstanz das
Reichsgericht mit mehreren Zivil- und Strafsenaten
( von je 7 Richtern ) . Hochverrat und Landesverrat
werden ausschließlich von 2 vereinigten Strafsenaten
des Reichsgerichts abgeurteilt. Für das ganze Deutsche
Reich besteht nur 1 Reichsgericht ( es hat seinen Sitz
in Leipzig) ; jedoch gibt es eine zur Zeit nicht feststell
bare Anzahl Oberlandesgerichte (zum mindesten
ein ( e) s in jeder Provinz), Landgerichte ( für mehrere
Kreise) und Amtsgerichte (für Städte und Kreise).
Bei allen Gerichten sind Rechtsanwälte zugelassen,
die die Vertretung der Parteien im Zivilprozeß und die
Verteidigung des Angeklagten im Strafprozeß über
nehmen. An jedem Gericht ist ferner ein öffentlicher
Ankläger ( Amtsanwalt, Staatsanwalt, Reichsanwalt)
angestellt, der in Strafsachen auf Antrag des Ge
schädigten oder – wenn die öffentliche Ordnung
verletzt worden ist . 140kraft seines Amtes die 141 An
klage 141erhebt und 142vertritt.

193 Vorbildung, Vorbereitung. 139 erhalten . 140 auf Grund .


141 Bestrafung fordert. 142 begründet.
XXIX . Kriegewesen. 201
Um der Gerichtsverhandlung einen feierlicheren
Anstrich zu geben, erscheinen die Richter und Rechts
anwälte zu den Sitzungen in Talar und Barett.
Die Höhe der Strafe richtet sich naturgemäß
nach der Schwere der strafbaren Handlung. Es kann
auf Geldstrafe, Freiheitsstrafe (Haft , Gefängnis,
Festung, Zuchthaus ) , Ehrenstrafe (143 Aberkennung
der bürgerlichen Ehrenrechte, neben anderer Strafe
144 verhängt) oder Todesstrafe ( durchs Beil ) erkannt
werden . Deportation ( Verbannung) kommt nicht vor,
da das Deutsche Reich Strafkolonien nicht besitzt.
Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeit
nehmern werden an Gewerbegerichten und Kaufmanns
gerichten von einem Juristen und mehreren beisitzen
den Laien aus dem Arbeiter- bzw. dem Handelsstande
entschieden . Für Militärpersonen bestehen Kriegs
gerichte (Militärgerichte), die ein schnelles und strenges
Verfahren üben , um die unerläßliche, bedingungslose
Mannszucht (Disziplin ) zu 145 gewährleisten .
Die Rechtsprechung selbst ist streng gebunden
an die bestehenden Reichsgesetze, u. a. an das neue,
seit dem 1. Januar 1900 148maßgebende ,, Bürgerliche
Gesetzbuch " , an das Strafgesetzbuch " , das „ Ge
werbegerichtsgesetz“, das „Handelsgesetzbuch“ , das
,,Preßgesetz" u . a . m .

XXIX .
Kriegswesen .
Heutzutage können große Staaten ohne eine
starke Heeresmacht nicht bestehen . Nach dem
2berüchtigten Grundsatz „ Macht geht vor Recht“
würde der Wehrlose alsbald vom Wehrhaften 5 ver
gewaltigt und - falls der erstere ®ein ,, fetter Bissen "
sein sollte vom letzteren ' verschluckt werden. Der
143 Entziehung. 144 bestimmt, beschlossen . 145 sichern.
146 giltige.
lexistieren . 2 in schlechtem Rufe stehenden . Schutz
lose, Ungeschützte. "Kampfbereiten . gewaltsam ( mit
Gewalt) geschädigt. begehrenswert. ? eingesteckt, annek.
tiert.
202 XXIX. Kriegswesen .

vom russischen „ Friedens-Zaren " Nikolaus II . ge


machte Vorschlag einer allgemeinen 8Abrüstung ist
zwar auf der Haager Friedenskonferenz von Vertre
tern 26 souveräner ( selbstherrlicher) Staaten i. J. 1899
Peingehend und wohlwollend 10erwogen worden und
hat auch ein internationales Schiedsgericht ' gezeitigt,
durch das Streitigkeiten eine friedliche 12Beilegung
erfahren können . Zu einer tatsächlichen Abrüstung
und Beseitigung jeder Kriegsgefahr aber hat das
„ Haager Schiedsgericht“ nicht geführt. Si vis pacem ,
para bellum ! ( Wenn du in Frieden leben willst, so
halte dich kriegsbereit ! ) – dieser alte Grundsatz ist
im August 1914 durch den Ausbruch des Weltkriegs
von neuem bekräftigt worden. Es erscheint recht
18zweifelhaft, ob der i . J. 1919 beschlossene Völker
bund aller Staaten zustande kommt und den Welt
frieden dauernd 14verbürgen wird .
Das Deutsche Reich unterhielt bis zu seinem
Zusammenbruch ( 9. November 1918) für den Schutz
seiner Landesgrenzen und Küsten eine ebenso not
wendige wie achtunggebietende * Kriegsmacht – ein
Landheer und eine Kriegsflotte - , die sich nach den
Grundsätzen der allgemeinen 15Wehrpflicht ergänzte.
Revolution und Friedensvertrag haben beides von
Grund auf geändert : die allgemeine Wehrpflicht, diese
für die Erziehung zu vaterländischer Gesinnung, Ehr
und Pflichtgefühl, Ordnung und 16 Ertüchtigung des
Volkes so wertvolle 17Errungenschaft aus der Zeit der
napoleonischen Befreiungskriege, ist i . J. 1919 18ohne
18 Sang und 18Klang zu Grabe getragen worden ; Kriegs
heer und -flotte sind durch den Versailler Friedens
vertrag zur Bedeutungslosigkeit verurteilt.
Die jetzige 19 Wehrmacht des Deutschen Reiches,
die sog . Reichswehr, besteht aus dem 20 Reichsheer und

8* Hierüber Näheres inKriegsmacht.


der 13. Auflage dieses Werkchens.
Øgenau, gründlich.
8 Verminderung der
10 beraten . 11 herbeigeführt. 12 Erledigung, Schlichtung. 13un
sicher, fraglich . 14 sichern. 15 Militärpflicht. 16 Förderung der
Leistungsfähigkeit oder Tüchtigkeit. 17Vorteil, Gowinn. 18 ohne
weiteres, 19Militärmacht. 20Armee.
XXIX. Kriegswesen , 203

der 21 Reichsmarine. Beide werden gebildet und 22er


gänzt aus freiwilligen ( Berufs-) Soldaten und nicht
im 23Waffendienst tätigen Militárbeamten . Als Sol
daten 24 gelten 25 neben den 26Mannschaften , Unter
offizieren und 27 Deckoffizieren auch alle Offiziere des
Heeres und der Marine .
Oberster 28Befehlshaber der deutschen Wehr
macht ist nominell der Reichspräsident, der auch die
29Ernennung, 30 Beförderung und 31Entlassung der
Offiziere und Beamten 32schließlich 33bestätigt . An
der Spitze des Reichsheeres steht ein General als
„ Chef der Heeresleitung “ , an der Spitze der Reichs
marine ein Admiral als ,, Chef der Marineleitung " ;
beide sind dem Reichs -34 Wehrminister 35unterstellt, der
in der Regel nicht Soldat , sondern Beamter ist und
von je einer aus Wahlen hervorgegangenen 36Heeres
oder Marinekammer beraten wird .
Wer in die Wehrmacht als Soldat eintreten will ,
muß Deutscher sein und sich auf 12 Jahre , der 37Offi
ziersanwärter auf mindestens 25 Jahre zum Dienst
verpflichten und den 39 Fahneneid oder Flaggeneid
3 $leisten, daß er 40gelobt, der Reichsverfassung treu
zu bleiben, das Reich und seine 41Einrichtungen zu
schützen und seinen Vorgesetzten gehorsam zu sein .
Jeder 42Angehörige der Reichswehr kann bei der
erforderlichen 13Eignung zu den höchsten Stellen
44gelangen .
Alle 45Dienstgrade, auch der einfache Soldat ,
werden gut 46besoldet.
Die Unteroffiziere und Mannschaften haben
während ihrer Dienstzeit 47Anspruch auf 48Ausbildung
21Kriegsflotte. 22aufgefüllt. 23Dienst als Soldat. 24zählen ,
werden angesehen. 25außer. 26( Plural !) einfache Soldaten.
27Dienstgrad zwischen Offizier und Unteroffizier. 28Höchst
kommandierender. 29Ernennung, Designation . 30Promotion .
31Verabschiedung, Rücktritt. 32an letzter Stelle. 33gutge
heißen, für gültig erklärt. 34Kriegsminister. 35untergeordnet.
36Körperschaft von Berufskennern. 37Offiziersaspirant. 38bin
den, engagieren. 39unbedingte Treue auf die Fahne , Flagge
schwören . 40verspricht. 41Institutionen . 42Mitglied . 43Befähi
gung, Qualifizierung. 4aufsteigen. 46Rangstufen . 46bezahlt.
idas Recht, Anspruch. 48Vorbildung, Vorbereitung.
204 XXIX . Kriegswesen .
für einen späteren 49bürgerlichen Beruf, dem sie nach
ihrer 50Verabschiedung auf Wunsch zugeführt werden .
Im Falle ihrer 51Erwerbsunfähigkeit oder ihres Todes
steht ihnen bzw. ihren 52Hinterbliebenen Anspruch
auf 53 Versorgungsgebühren zu.
Politisch darf der Soldat sich nicht 54betätigen ,
weder in Vereinen und Versammlungen , noch bei
öffentlichen Wahlen .
Jeden noch so 55unscheinbaren Befehl des 56Vor
gesetzten hat der Soldat genau und pünktlich zu 57voll
ziehen . Zum Zeichen äußerer Hochachtung hat der
58Untergebene 59außer 59Reih 59und 59Gliedjeden im
Range Höherstehenden zu grüßen ; dies geschieht
durch 60Handaufnehmen an die Kopfbedeckung und
Annehmen einer 61strammen , vorschriftsmäßigen
62Haltung . Die Antworten des Soldaten sollen kurz,
aber doch höflich sein . Jeder Vorgesetzte wird vom
Untergebenen daher mit ,,Herr " und dem Dienstgrad
also z . B. „ Jawohl, Herr Unteroffizier, Herr Leut
nant, Herr Hauptmann — 63angeredet.
Wenn (der) Krieg erklärt ist, werden die Streit
kräfte 64mobil gemacht und gegen den Feind geführt.
Bald wird gesiegt, bald werden Schlachten verloren ;
viele Soldaten 65vergießen ihr Blut fürs Vaterland und
sterben den 66 Heldentod, andere geraten in Gefangen
schaft. Auch findet sich ausnahmsweise ein Feigling,
der 67fahnenflüchtig wird und es vorzieht, sich ge
fangen nehmen zu lassen . Wenn die eine der krieg
führenden Mächte (gruppen ) so 68geschwächt ist, daß
sie den Kampf nichtlänger fortsetzen kann, so bittet
sie den siegreichen Gegner um Friedensbedingungen,
die nach längerem 69Verhandeln von dem 70geschlagenen
Teile angenommen werden .
4'nicht militärischen . 50Entlassung, Abschied. 51Invali
dität. 52Frau und Kindern . 53Pension, monatliche Geld
unterstützung. 54beschäftigen, geltendmachen. 55unbedeutende
kleine. 56dienstlich Höherstehenden . 57auszuführen. 58Unter
stellte. 59wenn nicht dienstlich tätig. 6 °Erheben der rechten
Hand. 61geraden. 62Haltung. 63angesprochen. 64kampfbereit.
850pfern . 88Tod auf dem Felde der Ehre. 67Deserteur. 68schwach
geworden. 6 °Feilschen , Hin und Her. 70 besiegten.
XXIX . Kriegswesen. 205
Das Reichsheer. Die Zahl der Soldaten beträgt
höchstens 100000 , darunter 4000 Offiziere und im
Offiziersrang stehende Beamte (Militärbeamte ), 300
Ärzte und 200 71 Ro Bärzte. Diese Gesamtzahl verteilt
sich auf 21 Infanterie -Regimenter zu je 3 Bataillonen
von je 4 Kompagnien einschließlich 1 Minenwerfer
Kompagnie, 21 Ausbildungsbataillone, 18 72Reiter
regimenter zu je 4 Schwadronen (oder Eskadronen ),
7 73selbständige Schwadronen , 18 Ausbildungsschwa
dronen, 7 Artillerieregimenter zu je 3 Abteilungen ,
3 selbständige Artillerieabteilungen, 7 Ausbildungs
batterien , 774Pionierbataillone, 7 Nachrichtenabtei
lungen , 7 Kraftfahrabteilungen, 7 Fahrabteilungen ,
7 Sanitätsabteilungen .
Es bestehen folgende Dienstgrade (Rangstufen )
der Offiziere: der General, Generalleutnant (Divisions
führer ) , Generalmajor ( Brigadeführer) , Oberst (Regi
mentsführer), Oberstleutnant (meist ohne besondere
Dienststellung, bald Regiments-, bald Bataillons
führer), Major (Bataillonsführer ), Hauptmann (Kom
pagnieführer ), derbei der75ReitereiRittmeister ( Schwa
drons- oder Batterieführer) heißt, Oberleutnant und
Leutnant (beide zur 76Einzelausbildung der Mann
schaften ihrer Kompagnie .)
Die Unteroffiziere sind ! Der Oberfeldwebel ( er hat
den 76inneren 76Dienst nach den Befehlen des Haupt
manns ( Rittmeisters) panzuordnen , das Listen- und
Rechnungswesen usw. zu 78besorgen) , Oberfähnrich ,
Feldwebel (früher Vizefeldwebel), Fähnrich, Unter
feldwebel (früher Sergeant), Unteroffizier.
Die Rangstufen der Mannschaften sind : Der
Obergefreite, Gefreite, Oberschütze, Schütze .
Alle Heeresangehörigen tragen 7 °feldgraue Uni
form mit 80 Abzeichen je nach den 81Waffengattungen ,
82Truppenteilen und Dienstgraden . Die Uniform ist

71Tierärzte, Veterinäre. 72Kavallerieregimenter. 73deta


chierte . 74für Brücken bauten und Befestigungsarbeiten .
75Kavallerie. 78zum Detailexerzieren . ?? Dienst in der Kaserne,
78befehlen . 791ühren . Ograue. 81Unterscheidungszeichen .
8 Infanterie , Kavallerie, Artillerie usw. 83Truppenkörpern ,
206 XXIX . Kriegswesen.
83kriegs- und 88staatsrechtlich notwendig für den
Waffengebrauch im Kriege.
Die wichtigsten Uniformstücke sind der feld
graue, kurze , 84einreihige 85Waffenrock mit Umlege
kragen und 86Brusttaschen, der feldgraue 87doppel
reihige Mantel, diefeldgraue kurze Hose ,die 88Wickel
gamaschen und Schnürschuhe, der 94Stahlhelm (,,die
Sturmhaube "), die feldgraue 89Tuchmütze mit weichem
89 Schirm und Tuch kokarde in den Reichsfarben
schwarz- rot-gold , und die außer Dienst zu tragende
feldgraue Dienstmütze mit 90weißmetallener 91Eichen
laubverzierung und Kokarde in den Reichsfarben .
Die 92Berittenen haben außerdem Reitstiefel zum
93Zuschnallen unter dem Knie .
Als blanke Waffe wird, auch von Offizieren, das
kurze 95Seitengewehr (,,Käsemesser" ) oder der Säbel
an der 96Überschnallkoppel getragen .
An Feuerwaffen kommt hiezu das Gewehr oder
der Karabiner und der Revolver nebst 97Patronen in
der Patronentasche . Die Ausrüstung wird vervoll
ständigt durch den Brotbeutel, die 98Feldflasche, den
Tornister, auf dem das 99Kochgeschirr und die 100Zelt
bahn 101festgeschnallt sind .
Als 102Dienstgradabzeichen gibt es 1030berarm
tressen oder 104Winkeltressen an jedem Oberarm bei
den Unteroffizieren, und an jedem Unterarm horizontal
verlaufende 105Ärmelstreifen beim Offizier. Die Waf

83nach Kriegsrecht und Staatsrecht. 84mit einer Knopf


reihe. 85Dienstrock . 86Außentaschen auf der Brust. 87mit
2 Knopfreihen . 88 breiten ,langen Bändern , die um das Schien
bein gelegtund befestigt werden. 89Kopfbedeckung aus Tuch
und mit Schirm (Augenschutz ). 90aus Weißblech. 91Ver
zierung in Form von Eichenlaub . 92Kavalleristen , Reiter.
93Befestigung mit einer Schnalle. 94Kopfbedeckung aus
Stahlblech . 95der Yatagan , das Bajonett. 98am Leibriemen
zur Befestigung auf dem Waffenrock. 97Munition . 98Trink
flasche. 99der Feldkessel. 100ein Stück Segeltuch zur Her
stellung eines Lagerzeltes imBiwak. 101durch Schnallen
befestigt. 102Ranga bzeichen. 103Metalltressen am Oberarm .
104Tressen in Form eines Winkels. 105metallene Tressen am
Unterarm .
XXIX , Kriogewesen . 207
fengattungen sind durch verschiedenfarbige 106Litzen ,
107 Besätze und 108 Vorstöße 109kenntlich 109 gemacht.
Die 110 Ausbildung des Soldaten 110 ist sehr lllviel
seitig , der Dienst oft 112überaus 112anstrengend .
Übungen im Marschieren , 113 Bewegungen in Gruppen ,
114 Zügen und in der Kompagnie, 115 Freiübungen , vor
allem aber Schießen und 116Felddienst; sodann 117 Be
sichtigungen durch höhere Vorgesetzte, 117 Paraden
und alljährliche Herbstübungen ( ,,Manöver " ) lassen
den Soldaten wenig zur Ruhe kommen .
Die Reichsmarine. Laut Friedensvertrag von
Versailles darf die Reichsmarine höchstens 15 000 Sol
daten und Beamte zählen ; hierbei sind 118 einbegriffen
1500 Offiziere , 27 Deckoffiziere , Ärzte und Beamte im
Offiziersrang. Diese Gesamtzahl verteilt sich auf
die Marineteile zur See (d . s . die Schiffe ) und am
Lande .
An Fahrzeugen (Schiffen ) darf die Reichsmarine nur
noch 6 ältere 119Linienschiffe und 6 120kleine 120Kreuzer
älterer Bauart121, je 12 122Torpedobootszerstörer und
Torpedoboote älteren Datums , aber keine 123U - Boote
( Unterseeboote ) besitzen .
Das Personal der Reichsmarine 124gliedert sich
von oben nach unten in folgende Gruppen und Rang
stufen :
125Flaggoffiziere sind der Admiral , Vizeadmiral,
Konteradmiral (der Generalität im Reichsheer ent
sprechend ); Stabsoffiziere: Kapitän zur See , Fregatten
kapitän, Korvettenkapitän (im Reichsheer : Oberst,
Oberstleutnant, Major ); der Kapitänleutnant (im
Reichsheer : Hauptmann ); Subalternoffiziere: Ober

106Wollstreifen . 107Garnierung. 108Posamente. 108erkenn


bar gemacht, unterschieden. 110Exerzitien sind. 1llmannigfaltig,
verschiedenartig. 112sehr ermüdend. 113Evolutionen . 114halber
Kompagnie. 115Turnen usw. 118Ubungen im Gelände , Feld
praxis. 117 Inspektionen. 118eingeschlossen . 119Großkampfschiffe.
i20 ungepanzerte Kreuzer (zur Aufklärung und Sicherung von
Linienschiffen , die sich in See befinden ). 121Konstruktion .
122Destroyers. 123U - Boote können unter Wasser fahren .
124verteilt. 125Admiräle, die an Bord eine Admiralsflagge als
Kommandozeichen führen .
208 XXIX . Kriegswesen .
leutnant zur See, Leutnant z . S. (Reichsheer : Ober
leutnant, Leutnant ); 126 Seeoffiziers- Anwärter sind der
Oberfähnrich zur See (z. S.) nach bestandener Offi
zierprüfung, der Fähnrich z. S. vor dieser Prüfung
( Reichsheer: Oberfähnrich , Fähnrich ).
Unteroffiziere: Oberfeldwebel, Oberfähnrich z. S.
( = zur See ), Feldwebel, Fähnrich z. S., Unterfeld
webel, Obermaat, Maat;
Mannschaften: (Ober-)Gefreiter, Ober -Matrose,,
Matrose, 127Schiffsjunge.
Außerdem sind in der Marine zahlreiche 128Ma
schinisten, 128Heizer, Sanitätsmannschaften , 129Büch
senmacher, Zimmerleute, Bäcker, 130Ökonomiehand
werker u. a. m.
Auch eine Schiffskapelle (Musikkapelle) fehlt
nicht.
Jedes Schiff steht unter einem Kommandanten,
dem mehrere Seeoffiziere und die 131Besatzung 132 unter
stellt sind .
Wenn 3 oder 4 Linienschiffe mit einem Kreuzer
unter dem Kommando eines Admirals vereinigt sind ,
so nennt man diesen 133Verband eine Division, meh
rere Divisionen ein Geschwader. Das Schiff des Führers
heißt Führerschiff oder Flaggschiff.
Für die 134 Schlagfertigkeit aller Seestreitkräfte
unterstehen die 135Befehlshaber den Stationskom
mandos der Nord- und Ostsee in Wilhelmshaven bzw.
Kiel . Diese beiden Stationskommandos haben u . a.
die 136Anordnungen des Chefs der Marineleitung
137weiterzugeben bzw. zur Ausführung zu bringen.
Die alte Kriegsflagge der Marine mit dem Eisernen
Kreuz und Reichsadler ist 138abgetan und durch die
Farben schwarz-rot-gold der republikanischen Reichs
126Seeoffiziersaspiranten. 127angehender Matrose .
128 Leute , die in der Schiffsmaschine ( im Heizraum ,in der
Feuerung) arbeiten . 129Mechaniker, die Gewehre, Pistolen
und blanke Waffen anfertigen oder reparieren. 130 Schuh
macher und Schneider. 131Schiffsmannschaft . 132untergeord
net. 133Vereinigung.
danten . 186 Befehle .
134Diensttücht igkeit. 136Schiffskomman
137bekannt zu geben . 138abgeschafft,
beseitigt.
XXX . Das beste Deutsch . 209

flagge ersetzt, während die ruhmreichen bisherigen


Reichsfarben schwarz -weiß -rot mit Rücksicht auf den
internationalen Schiffsverkehr der Handelsflagge
weiter verbleiben sollen .

XXX .
Das beste Deutsch .

Naturgemäß weist das Deutsche, wie jede andere


lebende Sprache , eine Menge von Mundarten oder
Dialekten mit mehr oder minder scharf lausgeprägten
Unterschieden in bezug auf Aussprache, Wortschatz
und Formenlehre auf.
Wie sich nun von selbst versteht, ist jeder der
Stämme 'selbstbewußt genug, seinen eigenen Dialekt
für den „ einzig wahren“ , den „ einzig richtigen “ zu
halten . Aber keiner der vielen Dialekte kann nach
jeder Richtung als 3mustergiltig Shingestellt werden ,
auch das hannoversche Deutsch nicht.
Der Hannoveraner kennt bspw. keinen laut
lichen Unterschied zwischen eu und oi, er spricht
vielmehr „ Leut“ und „,,Lloyd" ganz gleich ; und
wenn er ferner „ Dink “ (statt Ding ), „ Jank “ (Gang),
,, Væter, Mæler, Tæler “ ( statt Vater, Maler, Taler ) ,
Batt“ (Bad ), „ ameel (einmal ), „ mān Hās“ (mein
Haus) , ,,lebm, libm “ (leben, lieben ) sagt, wenn er sp
oder st nicht als schp und scht, sondern genau so aus
spricht, wie es in anderen Sprachen gesprochen wird
(also 8-pitz, S-tein , anstatt: schpitz , Schtein ) , so sind
diese und recht viele andere * Entartungen ebenso
sehr Dialekt und ebenso wenig mustergiltig wie das
„ hascht “ (statt hast ) und „ bischt“ (bist ) des Schwa
ben, das , mer hawwe" (wir haben) des Frankfurters ,
der Tack“ (Tag ) des Schlesiers, das Harz auf dem rach
ten Flack (Herz auf dem rechten Fleck) des Ost
preußen , die Poteka " . ( Bodega) des „ Diringers“ (Thü
ringers) oder die Berliner „ jut jebratene Jans mit jol

Thervortretenden. lokalpatriotisch, heimatstolz . 3 vor


bildlich angesehen . Auswüchse, Fehler.
Kron , Der Klelne Deutsche. 15. 14
210 XXX . Das besto Deutsch .

denen Jabeln jejessen " ( gut gebratene Gans mit gol.


denen Gabeln gegessen ).
Bei diesen mundartlichen Verschiedenheiten hat
die so häufig gestellte Frage des deutschtreibenden
Ausländers: ,, Wo wird das beste Deutsch gesprochen ?“
ihre volle Berechtigung; denn es kann niemand damit
gedient sein , ein von mundartlichen Verderbt
heiten durchsetztes Deutsch zu erlernen. Eine 'bün
dige, geographisch umgrenzende Antwort auf die
Frage zu geben, ist jedoch gänzlich unmöglich. Am
besten spricht eben derjenige , der sich seinen heimi
schen Dialekt bis zu dem Grade 8abgewöhnt hat , daß
man ihm nicht mehr 'anhören kann , aus welchem
Landesteile er stammt.
Eine solche völlig dialektfreie Aussprache findet
man am meisten bei gebildeten Leuten , die im öffent
lichen Leben stehen , bei Professoren, Lehrern , Pre
digern und vor allem bei den Schauspielern. Gerade
auf der Bühne wird eine einheitliche, dialektfreie Aus
sprache 10 angestrebt und im großen und ganzen auch
erreicht. Darum kann bis jetzt die deutsche Bühnen
oder Vortragssprache i. allg. als die mustergiltige be
trachtet werden; nur sie sollte in den Schulen des Aus
landes gelehrt werden .

kdeutschlernenden . Entstellungen , Einseitigkeiten.


?konzise , kurze. 8abgelegt, aufgegeben . Sanmerken , nach
weisen . 10 erstrebt, zu erreichen gesucht.
Anhang.

Für die Unterhaltung .

1. Eingangsformeln
für
Fragen und Antworten ,
Darf (oder: Dürfte) ich Sie Recht gerne, lieber Freund !
fragen, ob ...? 1 Selbstredend !
Können Sie rir sagen , ob Ich denke, ja . Ich will (ein-)
(oder : was) ...? mal 2 überlegen.
Würden Sie die Freundlich . Gewiß, mit dem größten )Ver
keit haben , mir zu sagen gnügen ! Weiter nichts ?
(oder : und mir sagen),
wie ... ?
Was versteht man unter ... ? Das ist ganz klar; es ist
ein ( e )
Wie erklärt sich's, daß . ? Sehr einfach ! Der Grund ist
leicht zu erkennen !
Glauben Sie, daß wir Regen Da fragen Sie mich zu viel;
bekommen werden ? ich bin kein Doktor All.
wissend .
Meinen Sie nicht auch , daß Das hängt von den Umstän
wir ...? den ab .
Wie denken Sie über . . . ? Darüber habe ich noch gar
nicht nachgedacht.
Sind Sie der festen Überzeu . Das gerade nicht, aber es will
gung, daß die Sache . mir fast so scheinen (vor
kommen ).
Woraus schließen Sie, daß Ich schließe das aus verschie .
wir ... ? denen Anzeichen .
Erinnern Sie sich , was . .! Soviel ich mich entsinne ( er
innere ),
Wenn ich mich recht entsinne, Ich möchte es fast bezwei
so ... ; ist das ( richtig) so ? feln, aber möglich wäre es
3 immerhin .

Inatürlich, ( das) versteht sich ( von selbst ). Snach


denken . dennoch, trotz (alle)dem .
212 Anhang.

Fragen . Antworten .

Ich habesagen hören, daß ...; Die Leute reden viel ; sehr
sind Sie auch dieser An. wahrscheinlich ist es nicht;
sicht ? doch ich habe keine abge
schlossene Meinung darüber.
Was (oder : Wie) heißt das auf Das weiß ich nicht. Meine
Deutsch ? Wortkenntnis ist recht
mangelhaft.
Wie übersetzt man diesen Ich würde ihn folgendermaßen
Satz ins Deutsche ? 4 verdeutschen :
Wie würden Sie diesen Satz Ich bitte um einen Augen
auf Deutsch wiedergeben ? blick Bedenkzeit; ich muß
erst überlegen .

2. Formeln
für

Bitten und Antworten darauf,


Bitte, sagen Sie mir, ob . . Ich will's versuchen . Sehr
(buchstabieren Sie mir ...). gerne !
Würden Sie die Güte haben , Mit dem größten Vergnügen !
mir . zu reichen ?
Ich wäre Ihnen sehr verbun . Wenn ich könnte , täte ich es
den (dankbar ), wenn Sie mir sehr gerne, aber ich bin lei.
wollten . der nicht 5in 5der 5 Lage.
Möchten Siemir nicht sagen, Ja ,das istnicht ganzeinfach.
ob (oder wie ,was usw .) ... ? Das will gründlich (oder
Ich möchte gern wissen, ob reiflich ) überlegt sein .
(oder wie) .
Wenn ich nicht befürchtete, Dieser Wunsch kann leicht er.
unbescheiden zu sein , so füllt werden
würde ich Sie bitten , mir
6 Näheres über ... zu sagen.
Ich verstehe nicht recht, was Sie stellen aber heute merk .
unter ... gemeint ist; wol- würdige Fragen; das müß
len Sie es mir, bitte, sagen ? ten Sie doch wissen ! Es
ist nämlich ganz leicht zu
finden .

4 deutsch ausdrücken . dazu imstande. betwas Ge


baueres sagen ,
Anhang. 213

Bitten . Antworten darauf.


Sie könnten mir wohl ? einiges Wenn's sein muß, will ich
7 Nähere über ... angeben ; 8 kein Unmensch 8 sein
würden Sie so liebenswürdig (fam.). Die Einzelheiten
sein ? sind kurz folgende: . .
Das genügt mir nicht; bitte, Nun , Sie wissen doch, daß ...
erklären Sie sich deutlicher. Verstehen Sie jetzt ' den
9 Zusammenhang ?
Sehr schön ! Bitte weiter ! Das ist alles. Weiteres weiß
auch ich nicht.

3. Feststellung von nicht Verstandenem


durch
Nachfragen und Aufklärung.
Vergl. auch Seite 12.
Verzeihen Sie gütigst, wie Ich sagte, es kämo in erster
sagten Sie soeben ? Linie darauf an,
Ich habe nicht recht ver- Ich habe mich zwar ganzklar
standen , was Sie zuletzt und deutlich ausgedrückt,
sagten ; darf ich bitten , es aber weil sie es sind, wie
zu wiederholen ? derhole ich, was ich sagte : ..
Was Sie da gesagt haben , ist Sie scheinen ziemlich 10 schwer
mir nicht ganz klar gewor. 10 von 10 Begriff 10 zu 10 sein .
den ; bitte, lassen Sie mich's Also noch einmal: ... Ha..
noch einmal hören . ben Sie es jetzt begriffen ?
Dann antworten Sie, bitte !
Ich schäme mich beinahe, im- Fragen Sie nur ruhig nach,
mer nachfragen zu müssen, denn das übt auch . Ich
aber ich kann Sie beim will mich bemühen, SO
besten Willen nicht ver- deutlich und langsam als
stehen . Sie sprechen zu möglich zu sprechen. Aber
schnell und zu undeutlich Siemüssen Ihrerseits recht
für mich , 11scharf aufmerken ! Ich
sagte :
Sonderbar ! Wieder habe ich Ja, was ist denn los mit
einige Worte nicht verstan- Ihnen ? Haben Sie denn
den; bitte, noch langsamer ! keine Ohren ? Jetzt soll .
ten (dürften ) Sie mich doch
verstanden haben !
" etwasGenaueres . . . sagen . Snicht so ungefälligsein,
Ihnen den Gefallen tun. Swie die Sache zusammenhängt,
wie es sich damit verhält. 10 schwer (oder langsam ) zu be.
greifen ( oder zu verstehen ). 11 genau , gut.
214 Anhang.

Nachfragen . Aufklärung.
Nur 12ruhig (es) Blut, lieber Anfänger oder nicht! Zuvie
Freund ! Nur kalt ! Sie ist zuviel ! Sie werden mir
müssen nicht gleich die Ge doch nicht zumuten , daß
duld verlieren ! Wissen Sie, ich Ihnen sechsmal dasselbe
ich bin noch Anfänger ! 13 vorkaue ( fam .) ? Bin ich
Und aller Anfang ist be denn eine Sprechmaschine ?
kanntlich schwer ! Jetzt aber zum allerletzten .
mal ! Also 14 die 14 Ohren
14 gespitzt !
4. Entschuldigungsformeln .
Entschuldigen Sie. Verzeihen Sie. Ich bitte ( recht
sehr) um Entschuldigung ( Verzeihung). Nehmen Sie's,
bitte , nicht übel. Es ist nicht gern geschehen. Seien Sie
mir, bitte, deshalb nicht böse. Es tut mir recht leid , daß
ich Es hat mir aufrichtig leid getan , daß . Ich
bin ganz 15 untröstlich darüber,daß . . Ich bedauere (be
klage) unendlich (oder : sehr, recht sehr), daß . Ich
muß mich 16 eigentlich schämen , zu haben .
17Erwiderung : Bitte ! Bitte sehr ! (das) hat nichts
zu sagen (bedeuten ) !.

5. Dankformeln .
Ich danke Ihnen ! Ich danke ( Ihnen ) bestens (schön,
sehr, verbindlichst, gehorsamst) ! Vielen Dank ! Besten
Dank ! Herzlichen Dank ! Ich bin Ihnen recht dankbar !
Ich kann Ihnen nicht genug (sam ) danken ! Wie soll ich
Ihnen danken Unendlich (oder: Sehr) verbunden ! (Sie
sind) sehr liebenswürdig ! Uberaus (oder: Sehr) freundlich
(von Ihnen) ! Ungemein (oder: Äußerst) liebenswürdig !
Erwiderung: Bitte sehr ! Bitte schön ! Nicht Ur.
sache ! Keine Ursache! Gern geschehen !

6. Ausdrücke der 18Verwunderung.


Was Sie sagen ! Wirklich ? Wahrhaftig ? Ist das
Tatsache ? Tatsächlich ? Allen Ernstes ? Ich glaube gar !
Kaum zu glauben ! Das hätte ich nicht gedacht! Was ?
9

12 kaltes. 18 wiederhole. 14gcharf zugehört, aufgepaßt. 15un


glücklich . 16 im Grunde, von Rechts wegen , streng genom .
mon. 17 Entgegnung, Antwort. 18Uberraschung, Erstaunen.
Anhang. 215
Wie ? Na nu (fam. ) ! Na, 80 was ! Auch das noch 19! Also
doch ! Das ist nicht schlecht ( übel ) ! Das ist ja uner
hört! Na, da brat mir einer 'n Storch ( fam ).! Ich staune !
Ich bin 20 einfach 20 paff ( fam .) ! Ich bin sprachlos ! Man sollte
es nicht für möglich halten ! Heiliger Bimbam ( fam .) ! All
mächtiger Strohsack ( fam . ) ! Ach, du gerechter Strohsack
(fam .) ! Da hört ja die Weltgeschichte auf (fam .) ! Das
geht 31 übers 21 Bohnenlied ! Ach , wie komisch , ulkig ( fam .),
schnurrig, drollig , scherzhaft , spaßig ! Ist das aber komisch !
Ach, du meine Güte !

7. Ausdrücke der Freude und Befriedigung.


Das freut mich (sehr )! Das ist ja herrlich, prächtig ,
reizend, entzückend, ( pik )fein (fam .), vorzüglich, ausgezeich
net, großartig, famos, tadellos, wundervoll, gottvoll (fam .),
hervorragend, tiptop ! Das lasse ich gelten ! Das lasse ich
mir gefallen ! Das lobe ich mir ! Das ist recht! So ist's
recht! Das höre ich gern ! Wie mich das freut ! Bravo !
8. Ausdrücke des 22 Unwillens.
Das ist ja empörend, schmählich, schändlich, grauon.
haft, haarsträubend, entsetzlich , scheußlich ! Das ist ein
wahrer Skandal, eine wahre Schmach, eine Schande ! Das
ist ja unter aller Kanone ( fam. statt: Kanon), unter aller
Kritik ! Wo soll das hinaus ? Was denken Sie sich eigent
lich ? Das ist denn doch ein bißchen stark ! Wie kommen
Sie mir vor ? Schämen Sie sich ! Pfui ! Pfui Teufel (bur
schikos )! Recht nett, niedlich ( ironisch )! Darauf kannst
du dir (kann er sich) was einbilden (ironisch )! Der 23 kann
23mir 28 gewogen 23bleiben, gestohlen werden ! Darauf pfeif ich !
9. Ausdrücke des Bedauerns.
Schade ! 24 Jammerschade ! Wie schade ! Es ist trau
rig, betrübend , bedauerlich, 25ewig schade ! Es ist ein ( wah.
rer) Jammer ! Welches 26 Mißgeschick ! Welches 26 Pech (fam.) !
Das tut mir sehr leid, herzlich leid ! Sie 27dauern 27 mich !
Sie können mir wirklich leid tun !

19 unglaublich. 20 ganz stumm vor Verwunderung. 31zu


weit, über alle Begriffe (das „ Bohnenlied “ : ein Spottgedicht
aus dem 16. Jahrhundert). 22Ärgers, Mißmuts. 23 ist mir
gänzlich gleichgiltig . 24 sehr schade, sehr bedauerlich . 25 sehr,
außerordentlich . ** Unglüok. 27 tun mir leid, erwooken mein
Mitleid .
216 Anhang.

10. 28 Aufmunterungsformeln.
Mut! Nur Mut ! Kalt(es) Blut! Immer zu ! Halt (e)
die Ohren steif ! Los dafür ! Frisch gewagt ist halb gewonnen !
Wer nicht wagt, nicht ( ge)winnt! Laß dich nicht 29verblüffen !
11. Anrufformeln .
Heda ! Was ich sagen wollte ! Du, Ulrich, hör' mal !
Einen Augenblick, Martin !
12. Antwortformeln .
(a) Bejahende Antworten : Ja. Jawohl. Gewiß . Ganz
gewiß . Versteht sich. Selbstverständlich . Ganz entschieden .
Ohne Zweifel. Zweifelsohne. Natürlich. Ganz genau. Sicher
lich. Ohne Frage. Fraglos. Darüber 30 herrscht kein Zweifel.
Darüber herrscht nur eine Stimme. Das ist wahr. Das ist
richtig. Sie haben recht. Ich bin ganzIhrer Ansicht. Das
ist (sonnen )klar, 31 offenkundig. Das bedarf keines Beweises
( mehr ), u. a. m.
(6) Ausweichende, unentschiedene Antworten : Ja und
Man ann 80 oder so sagen . Das kann sein .
Möglich. Nicht unwahrscheinlich. Vielleicht. Mag sein.
Es scheint so. Allem Anschein nach, ja. Sehr wohl mög.
lich. Vermutlich. Ich glaube fast. ' Ich bin nicht ganz
sicher . Man sagt so. Es ist schwer zu entscheiden . Ich
befürchte , Sie täuschen ( irren) sich . Das ist ziemlich zweifel
haft (fraglich ). Glauben Sie (das ) wirklich ? Meinen Sie in
der Tat ? Sind Sie dessen sicher ? Ich habe darüber keine
32 eigene Meinung. Ich weiß (es) nicht. Nicht daß ich wüßte .
Ich habe bisher nicht ernstlich über diese Frage nachge
dacht . Es ist mehr oder weniger Geschmackssache, u. a .m.
(c) Derneinende Antworten : O nein . Keineswegs. Nicht
im mindesten (oder entferntesten ). Sie irren sich. Sie sind
im Irrtum (fam .: auf dem 333 Holzweg). Niemals. Nimmer
mehr ! (Gänzlich ) ausgeschlossen! Keine Ahnung (oder Spur) !
Keinesfalls! Auf keinen Fall! Unter keinen Umständen !
Sicher nicht. Gewiß nicht. Im Gegenteil. Nicht denk.
bar. Undenkbar. Nicht möglich. Unmöglich. Das kann
ich nicht glauben. Ich kann das kaum für möglich halten .
Darüber bin ich ganz 84abweichender Ansicht. Das möchte
ich denn doch stark bezweifeln . Schwerlich. Wer's glaubt,
wird selig ( fam .)! Na, die Idee ! I, wo ! Kein Gedanke!
28 Ermutigungsformeln. 29einschüchtern ,bange machen ,
ins Bockshorn jagen . best
30 eht. 31 ganz klar, zweifellos.
32 persönliche. 83 falschen Wege. 84 anderer.
Inhalt.
Seite
I. Warum lernen wir Deutsch ?. 7
Der gute Ruf deutscher Bildungsanstalten und
deutscher Arbeit. Landschaftliche Reize. Berühmte
Heilbäder. Ubersetzung und Urtext. Sprachliche
Hilflosigkeit und Sprachfertigkeit.
II . Besuch. Einige Gesprächsformeln 9
Empfehlungsschreiben. Besuchszeit . Anmeldung.
Nichtempfang. Empfang. Freundes besuch . Vor
stellung. Unterhaltung. Anrede. Titel oder Amts
bezeichnung. Abschied . Grüße ausrichten .
III . Kaufläden . 14
Warenhäuser. Ladengeschäfte für Nahrungsmittel.
Wochenmärkte. Läden für Bekleidung, Putz u.V. a.
IV . Im Laden . 19
Redewendungen zur Begrüßung u. beim Einkaufen .
V. Bier und Weinhäuser. Wiener
Cafés . Restaurants . Zeitvertreib 23
Stammtisch . Biere und Gemäße. Zutrinken . Ber
liner Weiße. Lichtenhainer. Gose. „ Kölsch Wieß “ ,
Wein. Bowle. Speisekarte. Bedienung. Bestellung.
Kaffeehaus. Wer geht ins Gasthaus ? Unterhaltungs
spiele. Kegeln. Rauchen. „ Kellner, zahlen !“
VI. Mahlzeiten. Gesellschaften 31
Kochen . Frühstück. Mittagessen . Festmahl. Trink
spruch. Mittagstafel. Kaffeetrinken . Abendessen.
Abendgesellschaft. Einladung und Antwort. An
zug. Verdauungsbesuch.
VII. Bei Tisch 37
Rede und Gegenrede während der Mahlzeit,
VIII . Wohnung: Fremdenheim . Gasthof 40
Haus und seine Teile. Mobiliar. Schlafzimmer.
Heizung. Mietswohnung. Fremdenheim. Gasthof.
IX . Familie 45
Die Menschheit und ihre Gruppen. Familie . Dienst
boten. Ahnen. Verwandte . Familienfeste : Hochzeit,
Taufe, Geburts- u.Namenstag, Konfirmation. Sterbe
fall : Trauer, Grabmal, Feuerbestattung, Testament,
218 Inhalt.
Seite
X. Körperpflege . Kleidung und Putz 54
Tätowierung . Aus- und Ankleiden . Herrenklei.
dung. Schneider. Damenkleidung.Wäsche. Augen
gläser. Uhr. Schmuck. Stock . Schirm . Fächer.
XI . Der menschliche Körper 60
Kopf. Rumpf. Gliedmaßen , Skelett. Muskeln .
Haut. Fünf Sinne.
XII . Körperliche Gebrechen und Krank
heiten 63
Gebrechen . Kinderkrankheiten . Leiden verschie .
dener Art. Knochenbruch . Seuchen. Schwind.
sucht. Geisteskrankheit. Arzt. Kurpfuscher.
Erkundigung nach dem Befinden .
XIII . Unterrichtswesen 71
Schulzwang. Analphabeten. Kinderhorte. Volks
schule. Mittelschule. Fortbildungsschule. Lehrer.
Höhere Schularten . Abiturienten . Berechtigun
gen . Prüfung. Schuljahr, Aufsichtsbehörde. Lehr
kräfte. Kadettenanstalten . Kriegsschulen . Land
wirtschaftsschulen . Privatschulen . Handels- und
Fachschulen . Höhere Mädchenschulen : Lyzeum ,
Oberlyzeum , Studienanstalt , Lehrkräfte. Privat
lyzeen. Hochschulen : Lehrkräfte , Vorlesungen .
Universität. Prüfungen. Technische Hochschu
len. Akademien . Handelshochschulen , Volks
hochschulen . Studentenschaft.
XIV . Religionsgemeinschaften. Kirch
liche Feste 87
Statistisches. Gottesdienst. EvangelischeKirche.
Römisch -katholische Kirche. Mönchsorden . Ju.
dengemeinden. Kirchliche Feste . Weihnachts
fest. Neujahr. Ostern . Pfingsten. Fastenzeit.
XV . Bürgerliche Gesellschaft und Be
rufsarten . 94
Hoher und niederer Adel. Bürgerstand. Rent
ner. Offizier. Jurist. Geistlicber . Beamter. An .
gestellter. Fabrikant. Lohnkämpfe. Ausstel
lungen. Kaufmann. Handwerker. Frauen berufe .
XVI . Weibliche Handarbeiten 102
Nähen. Kleidermachen . Flicken , Stopfen.
Stricken, Häkeln. Frivolitäten . Knüpfen .
Sticken. Spitzenarbeiten. Filieren . Spinnen .
XVII . Angewandtes Rechnen . 107
Die Grundrechnungsarten . Dreisatz. Prozente.
Inhalt. 219
Seite
XVIII . Geld . Maß . Gewicht 111
Geldmünzen. Papiergeld. Geldwechsel. Schecks.
Kreditbriefe. Borgen. Pfandhaus. Lotterie .
Längen- , Flächen-, Raum-, Körper ., Hohl
maße. Weinmaße. Pferdestärke. Volt. Wage.
Gewichtsmengen.
XIX . Zeit . 116
Die verschiedenen Zeitrechnungen. Christliche
Ära. Kalender. Datum. Lebensalter. Uhren . Uhr.
zeit. Ortszeit. Einheitszeiten . M.E.Z. , W.E.Z.
XX . Jahreszeiten und Witterung . . 125
Frühling. Sommer: Gewitter, Blitzableiter,
Baden ; im Wald und Garten ;die reifende Ernte,
Badereise. Herbst : Obst- und Weinernte, Jagd,
Zugvögel. Winter : Schnee, Winterleiden und
-freuden . Klima, Thermometer, Barometer.
Wetter.
XXI . Festlichkeiten 133
Volksfeste: Fasching, Kirmeß, Schützenfest.
Vaterlandsfeste : Kaisersgeburtstag. Vereins
feste : Stiftungsfest, Weihnachtsfeier u. a. m.
Familienfeste ,
XXII. Erholung und Zeitvertreib . . . 137
Erholungsbedürfnis. Vergnügungen . Konzerte.
Theater.Singspielhallen . Kinos. Zirkus. Rennen.
Wettspiele. Wanderungen. Turnen . Sport. Tan
zen. Ām Stammtisch . Spiele : Skat , Billard ,
Schach , Domino. Schöne Künste : Musik ,
Malerei usw. Erholungsreisen .
XXIII . Reisen. Eisenbahn . Schiff 146
Vorbereitungen. Auf dem Bahnhof. Abfahrt.
Paß . Zoll. Eisenbahnen. Schiffe. Seekrank .
heit. Jachten ,
XXIV . Straßenbahn . Omnibus . Droschke .
Fahrrad . Automobil . Luftballon.
Flugmaschine 156
XXV . Post . Telegraph . Kabel . Fern
sprecher. Elektrizität 163
Briefschreiben. Postsendungen . Telegramme.
Brieftelegramme. Funkentelegramme. Kabel
gramme. Telautograph . Fernsprecher. Wie
man telephoniert. Telegraphon. Andere elek
trische Vorrichtungen . Röntgenstrahlen ,
220 Inhalt.
Seite
XXVI. Stadt im allgemeinen. Berlin.
Erkundig
Provinzstädte. ung
nach dem Wege 170
Straßen . Gebäude und Einrichtungen. Stadt
verwaltung. Feuerwehr. Berlin : Geschicht
liches, Handel, Gewerbfleiß , Wissenschaft,
Kunst, Baukunst, Denkmäler, Linden, Tier
garten, Verkehrsmittel, Stadtverwaltung,
Polizei, Postbezirke, Umgebung. Provinz:
Hamburg, Leipzig, München, Dresden, Bres
lau , Cöln , Frankfurt a. M.
XXVII . Auf dem Lande 183
Dorf und seine Bewohner. Landwirtschaft,
Saat und Ernte. Tiere , Tierstimmen . Land
haus, Blumen-, Obst , Gemüsegarten .
XXVIII. Das Deutsche Reich . . 190
Geschichtliches. Geographisches. Einteilung.
Verfassung. Erwerbsquellen :Ackerbau, Ge
werbfleiß, Handel . Rechtspflege: Gerichte,
Anwälte , Strafen , Reichsgesetze.
XXIX . Kriegswesen . 201
XXX . Das beste Deutsch . 209
Mundarten . Hannoversche Aussprache. Büh
nendeutsch .
Anhang: Für die Unterhaltung 211
Eingangsformeln für Fragen , Bitten und
Antworten . Andere geläufige Wendungen zu
wechselvoller Gestaltung des sprachlichen
Ausdrucks von Gedanken und Empfindungen.

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