Sie sind auf Seite 1von 4

TITELTHEMA   Interview

© Stefan Hense | MTZ


„Nicht der Verbrennungsmotor ist das
Problem, sondern der fossile Kraftstoff“
Das Thema Reduktion des CO2-Ausstoßes im Mobilitätssektor ist sehr emotional besetzt. Dabei geht es
ge­­ra­de hier um Fakten und politische Weitsicht. Dr. Norbert W. Alt, Vorsitzender der Geschäfts­führung der
FEV Europe GmbH, plädiert für eine dringend notwendige Technologieoffenheit, um die Pariser Klimaziele
nicht zu verfehlen.

MTZ _ Herr Dr. Alt, welche synthetischen weiterzuverarbeiten. Einen Ottokraftstoff zumindest die großen, werden wir
Kraftstoffe halten Sie auch unter dem können wir ausgehend von Methanol nicht batterieelektrisch betreiben
Gesichtspunkt der Rückwärtskompatibi­ mittels des Methanol-to-Gasoline-Ver­ ­können. Wir sehen im Wesentlichen ­
lität für einsetzbar? fahrens (MtG) erzeugen und für Diesel- E-Fuels als flüssige Kraftstoffe, weil
ALT _ Wasserstoff und Methanol sind am motoren das Fischer-Tropsch-Verfahren diese in der bestehenden Tankstellen­
einfachsten herzustellen, können aber zur Erzeugung paraffinischer Kraftstoffe infrastruktur genutzt werden können
nur in wenigen Fahrzeugen genutzt wer- nutzen. Das ist übrigens der einzige und so die Bestandsflotte global errei-
den. Im Sinne der Rückwärtskompatibili- CO2-neutrale Kraftstoff, der sich auch chen. Des­wegen sehen wir gasförmige
tät ist es wichtig, diese Kraftstoffe dann für Flugzeuge eignet. Denn Flugzeuge, Kraftstoffe als weniger zukunftsfähig
24
an. Eine Ausnahme bildet Wasserstoff, Dr. Norbert W. Alt w
 urde 1961 in
vor allem im Lkw, und hier sowohl in Bonn geboren. Er studierte von
Verbrennungsmotoren als natürlich auch 1982 bis 1989 Maschinenbau mit
in der Brennstoffzelle. der Fachrichtung Energietechnik
an der RWTH Aachen, wo er
Die Wirkungsgradkette bei der Herstellung 1994 auch promovierte. Seit 1989
und Nutzung von E-Fuels ist eher schlecht. war er in diversen Positionen
Wie kann dieses Dilemma aufgelöst werden? in der FEV tätig. 2016 trat er in
Bezüglich der Wirkungsgradkette die Geschäftsführung der FEV
wird sehr viel gerechnet. Wir haben Europe GmbH ein und wurde 2017
die Realverbräuche von E-Fahrzeugen zum Vorsitzenden der Geschäfts-
unter realistischen Annahmen bezüglich führung FEV Europe ernannt.
Autobahnanteilen, Kaltfahrten oder

© Stefan Hense | MTZ


Fahrten mit Klimaanlage mit dem Real-
verbrauch eines Hybridfahrzeugs mit
E-Fuel ver­glichen. Danach liegt der Fak-
tor im Strombedarf bei 2,4 und nicht
wie häufig ge­­zeigt bei Faktor 5 bis 6.
Wir arbeiten zu­­­dem an einer signifi­
kanten Steigerung der Effizienz der Ver-
brennungsmotoren zur Optimierung
des Hybridantriebs, insbesondere beim aber nur 1 €/l Dieseläqui­valent kosten. Macht es Sinn, Kraftstoffe in komplexen
Betrieb mit E-Fuels. Zum Beispiel befas- Das ist eine Größen­ordnung, die der Prozessen weiterzuverarbeiten, wenn
sen wir uns bei Ottomotoren mit Mager- Gesetzgeber, sofern er das möchte, steu­ bereits mit Methanol und Wasserstoff zwei
brennverfahren mit Vorkammer- und erlich so attraktiv machen kann, dass zukunftsfähige Kraftstoffe bereitstehen?
Wassereinspritzung sowie mit Brenn­ synthetischer Kraftstoff an Tank­stellen Ganz klar: Ja. Daher untersucht auch
verfahren mit extrem hohen AGR-Raten kostengünstig angeboten werden könnte. das Konsortium C3-Mobility, das vom
größer 30 %. Dabei erzielen wir Wir- BMWi gefördert wird, weitere Kraft-
kungsgrade von 45 %, was fast 20 % Wie wichtig wäre aus Ihrer Sicht eine Befrei­ stoffe basierend auf Methanol für alle
besser ist als die heute im Markt ver­ ung der industriellen Produktion von synthe­ Anwendungen, vom Pkw über den
fügbarer Motoren. Somit verringern tischen Kraft­stoffen von der EEG-Umlage? Lkw bis hin zum Schiffsmotor. Denn
wir schon bei der Verbrennung fossiler Eine Befreiung von der EEG-Umlage der Wirkungsgrad der Kraftstoffsyn-
Kraftstoffe den CO2-Ausstoß um fast bringt vor dem Hintergrund des eben these ist nicht das einzige Kriterium,
20 %. Aber zurück zur Wirkungs­ skizzierten gar nicht so viel, denn um E-Fuels zu bewerten: Die Rückwärts-
gradkette: Die Herstellung von E-Fuels wenn in MENA produziert wird, dann kompatibilität zur Flotte ist das wich-
tigste Kriterium. Damit können allein
in Deutschland sofort 46 Millionen
„Die Rückwärtskompatibilität zur Pkw erreicht werden, ohne den Aufbau
einer neuen Flotte oder Kraftstoffinfra-
Flotte ist das wichtigste Kriterium“ struktur. Wir werden mit reiner Elektro-
mobilität, so wichtig diese ist, die Pari-
ser Klimaziele 2050 im Transportsektor
sollte bevorzugt über Solar- und Wind­ entfällt diese. Wir sollten akzeptieren, nicht erreichen. Analysen der FEV Con-
anlagen in MENA erfolgen. Hier ist die dass wir auch im Zeitalter der E-Fuels sulting GmbH zeigen folgendes: Selbst
Verfügbarkeit von Sonnen- und Wind- ein Land sein werden, das Energie in im optimistischen Fall von 65 % Elek­
energie so groß, dass der Faktor 2,4 für einem hohen Ausmaß importieren muss. trofahrzeugen, 15 % Elektrofahrzeugen
die Kosten keine bedeutende Rolle spielt. Staatliche Förderung würde aber ins­ mit Brennstoffzelle und 20 % Hybrid-
Der Strom muss ohnehin chemisch zwi- gesamt helfen. fahrzeugen bei den Neuzulassungen
schengespeichert werden. in 2050 reduzieren wir den CO2-Aus-
Was halten Sie von Biokraftstoffen der stoß im Transportsektor nur um 48 %
Wie erhöht sich denn der Wirkungsgrad, Stufe 2, und wie ist aus Ihrer Sicht der be­zogen auf den Zielwert. Wir verfeh-
wenn an den Sweet Spots produziert wird, Stand der Entwicklung? len das Ziel also um Faktor 2. Daher
also beispielsweise in MENA oder Australien? Biokraftstoffe waren bisher aufgrund brauchen wir unbedingt eine zusätz­
Letzten Endes ist der Preis relevant und der Tank-oder-Teller-Diskussion in liche Lösung, und das sind synthetische
nicht die Menge an Energie. Unsere der Kritik. Stufe 2 ist ein Fortschritt Kraftstoffe, insbesondere E-Fuels. Wir
Berechnungen zeigen, dass ein in und wir sehen, dass diese ein Teil der ent­wickeln mit Nachdruck Batterien
Deutschland produzierter E-Fuel etwa Lösung sein können, insbesondere und E-Antrie­­be, und ich bin persönlich
2 €/l Dieseläquivalent kosten kann. Ein wenn man Sie mit E-Fuels kombiniert. ein Fan der Elektromobilität, aber wir
zum Beispiel in MENA mit 3 ct/kWh Durch diesen Mix kommen wir schneller müssen ak­­zeptieren, dass wir es damit
Strom produzierter Kraftstoff könnte zur Reduktion der fossilen Kraftstoffe. allein nicht schaffen.
MTZ 03|2020   81. Jahrgang 25
TITELTHEMA   Interview

© Stefan Hense | MTZ


„Wir werden mit reiner Elektromobilität, so wichtig diese ist, die Pariser Klimaziele 2050 nicht erreichen“, ist sich Alt sicher

Sehen Sie auch LNG als zukunfts­ skalierten Anlagen wäre es möglich, zu erzielen, brauchen acht bis zehn
fähige Kraftstoffalternative? riesige Mengen zu produzieren. Jahre bis von einer Marktabdeckung
Das kann vielleicht in maritimen gesprochen werden kann.
Anwendungen sinnvoll sein, weil Wann gehen Sie von einer Marktverfügbar­
es auch in vielen Häfen zur Verfü- keit von synthetischen Kraftstoffen aus? Welche Ergebnisse zeigen Ihre Fahr­
gung steht, aber der Schritt zu den Auf unserer Zero-CO2-Konferenz versuche mit E-Fuels, und von welchen
E-Fuels bleibt der entscheidende. haben Unternehmen ihre Anlagen Kosten an der Zapfsäule gehen Sie aus?
präsentiert: Einige haben bereits Wir erreichen höhere Oktanzahlen,
Ist nicht auch der effizientere mono­ kleine Anlagen, etwa auf Flughäfen. haben weniger Kraftstoffverbrauch
valente Gasmotor ein Gebot der Stunde? Andere Unternehmen planen Anlagen, und können die Partikel bei Ver­
Technisch gesehen sind monovalente die nächstes Jahr in Norwegen laufen wendung eines vollsynthetischen
Erdgasfahrzeuge kein Problem. Aller- sollen, mit einer Kapazität von 20 Mil­ Kraftstoffs um bis zu 80 % senken.
dings ist für Kunden die uneinge- Wenn man bezüglich des Preises
schränkte Nutzungsmöglichkeit der von 3 ct/kWh für die Herstellung
Fahrzeuge von höherer Bedeutung, „Wir brauchen ­ von Strom in MENA ausgeht, dann
und das Angebot an Erdgastank­
stellen ist begrenzt. poli­ti­sche Rand­be­din­ landen wir bei ungefähr 1 €/l Die­
seläquivalent an der Zapfsäule, plus

Ließen sich synthetische Kraftstoffe in


gungen für E-Fuels“ Steuer. Wenn nun die Politik darüber
diskutiert, die Kraftstoffpreise zu erhö-
ausreichender Menge pro­duzieren, um hen, dann kann man das gern beim
den gesamten Verkehr inklusive Marine- lionen l/Jahr. Das ist natürlich ein fos­silen Kraftstoff tun und auf der
und Luftfahrtanwendungen abzudecken? Tropfen auf den heißen Stein, denn anderen Seite E-Fuels gleichermaßen
Der Hochlauf der Anlagen dauert rund wir haben allein in Deutschland ei­­ fördern. Das wäre eine ein­fache Ver-
acht Jahre, wegen der Genehmigungs- nen Kraftstoffverbrauch von 46 Mil­ schiebung, die E-Fuels für die Kunden
verfahren vielleicht auch etwas länger. liarden l/Jahr. Wir können uns vor­ attraktiv machen würde, und das mit
Umso wichtiger ist, dass wir schnellst- stellen, wenn es politisch gewollt und einem „Green Label“. Die Menschen
möglich Planungssicherheit für die unterstützt wird, dass auch Städte werden doch Freude daran haben, einen
Mineralölindustrie beziehungsweise und Kommunen kleinere Anlagen solchen sauberen Kraftstoff zu fahren,
die potenziellen Produzenten haben. unterhalten und damit ihre Busflot- mit dem wir den fossilen Kraftstoff er­­
Grundsätzlich ist die Basis für diese ten betreiben. Das wäre relativ zügig setzen. Darum geht es doch eigentlich
Kraftstoffe Windenergie, Sonnenener- umsetzbar. Aber klar ist: Die großen in der gesamten Diskussion um Ver­
gie, Wasser und Kohlendioxid, die in Anlagen, die entsprechende Kapa­zi­ brennungsmotoren und CO2: Nicht der
unbegrenzter Menge zur Verfügung täten bereitstellen, um im glo­balen Verbrennungsmotor ist das Problem –
stehen. Das heißt, mit entsprechend Maßstab eine positive Auswirkung das Problem ist der fossile Kraftstoff.
26
„Wir können gar Wie bewerten Sie den Ansatz, ab 2030 den
nicht so schnell so Verbrennungs­motor abzuschaffen und nur
viele E-Fahrzeuge
noch E-Fahrzeuge als Neuwagen zuzulassen?
in den Markt brin-
gen, wie wir mit Erstmal ist das eine Idee, die sich öko­
E-Fuels rückwärts- logisch gut anhört, denn natürlich fah-
kompatibel global ren Elektrofahrzeuge ohne Abgasemis­
eine drastische
Reduzierung des sionen. Wenn wir 100 % elektrisch fah-
CO2-Austoßes im ren wollen, benötigen wir jedoch sehr
Transportbereich große Mengen an elektrischer Energie.
erreichen könnten“,
Und da sind wir wieder beim Thema:
sagt Alt
Nachhaltige elektrische Energie ist
größtenteils volatil. Wollten wir nun
in Deutschland den nötigen Strom her­
stellen, bräuchten wir erhebliche Über­
kapazitäten und Speicher, die sehr
hohe Investitionen erforderten. Des-
halb macht auch hier nur das chemi-

© Stefan Hense | MTZ


sche Zwischenspeichern Sinn, und
dann sind wir auf dem Weg zum
E-Fuel. Es geht ja nicht nur um Pkw,
sondern um den Transportsektor ins­
gesamt, in dem wir E-Fuel ohnehin
für Flugzeuge, Schiffe und Lkw benö­
tigen. Daher die Forderung nach einer
Politik, in der wir technologieoffen in
Richtung E-Fahrzeuge, voll elektrisch,
Das heißt, eigentlich müssten die Ja, das ist auf jeden Fall richtig. Natür- mit Range Extender, als Plug-in-, das
­Unter­nehmen aufstehen und von den lich brauchen wir E-Fahrzeuge und zwar heißt serieller oder paralleler Hybrid
­Politikern verlangen: Gebt uns endlich viele. Heute sind in Europa 26 verschie- mit E-Fuel und Brennstoffzellenfahr-
etwas Ver­nünftiges für die Zukunft … dene Elektrofahrzeugmodelle auf dem zeuge entwickeln können. Die Brenn­
Diese vernünftige Zukunft gibt es Markt, 23 kommen dieses Jahr hinzu, stoffzelle sehen wir als ganz wichtige
bereits, der Wegweiser heißt E-Fuels. 365 E-Modelle sind angekündigt. Das ist Alternative vor allem in schweren Fahr-
Die müssten nur an den Tankstellen ein Feuerwerk der Elektromobilität seitens zeugen, also beispielsweise in SUVs
politisch eingefordert werden. Wir brau- der Automobilindustrie, auf das wir uns und Lkw. Auf unserer Zero-CO2-Kon­
chen E-Fuels als sinnvolle Ergänzung wirklich freuen. Aber wir brauchen Tech- ferenz wurden 40 kWh als sinnvolle
zur Elektromobilität anstatt der fossilen nologieoffenheit, denn die E-Mobilität Batterie­größe genannt. Darüber sollte
Kraftstoffe. Wenn wir mit MtG syn­ allein wird uns nicht zum Klimaziel 2050 man dann über E-Fuel-Range-Ex­­ten­­der
thetischen Ottokraftstoff oder mit dem bringen. Die Diskussion muss endlich oder die Brennstoffzelle nachdenken.
Fischer-Tropsch-Verfahren Dieselkraft- Bezüglich Brennstoffzelle ist seitens
stoff erzeugen, dann so, dass der ent­ der Regierung ein Ausbau der Wasser-
stehende Kraftstoff innerhalb der heute „Wir müssen raus stoffinfrastruktur konkret in Planung.
bestehenden Normen liegt. Dieser kann
dann beliebig zugemischt werden. Was aus der ideologischen Wir tun uns und unserer Umwelt kei-
nen Gefallen, wenn wir diese Tech­
wir uns vor Augen führen müssen: Bei
einer Zumischquote von 10 %, ist der
Diskussion“ nologien nicht parallel vorantreiben.
Ganz wichtig ist: Wir müssen raus aus
Effekt derselbe wie bei 10 % Elektro­ dieser ideologischen Diskussion, die
fahrzeugen auf der Straße. Das ist ja weg von Tank-to-Wheel, hin zu Well-to- einen sind für Elek­t rofahrzeuge, die
der Grund, warum wir uns so stark Wheel und einer Betrachtung der CO2- anderen für Verbrennungsmotoren.
dafür einsetzen. Wir können gar nicht Emissionen des gesamten Fahrzeug­ Wir brauchen beides, die Mischformen
so schnell so viele E-Fahrzeuge in den lebenszyklus. Wir benötigen politische und die Brennstoffzelle, sonst fahren
Markt bringen, wie wir mit syntheti- Randbedingungen für E-Fuels. Die Mine- wir Paris 2050 sicher vor die Wand.
schem Kraftstoff rückwärtskompatibel ralölkonzerne werden nicht investieren,
global eine drastische Reduzierung wenn nicht sicher ist, dass E-Fuels auch Herr Alt, herzlichen Dank für
des CO2-Austoßes im Transportbereich verkauft werden können. Der Gesetzgeber das interessante Gespräch.
erreichen könnten. könnte doch, noch schärfer als über eine
Steuer, Anteile von E-Fuel im Kraftstoff Die Fortsetzung dieses Interviews lesen Sie
Vor allem deutsche Politiker behaupten, von beispielsweise heute 10 % bis hin zu auf www.springerprofessional.de.
man bräuchte zur Erreichung der Klima­ 100 % E-Fuel in 2050 politisch einfordern.
ziele 2050 vor allem E-Fahrzeuge. So würde der Anteil fossiler Kraftstoffe
Können Sie dem zustimmen? sukzessiv gezielt verringert werden. INTERVIEW: Alexander Heintzel

MTZ 03|2020   81. Jahrgang 27

Das könnte Ihnen auch gefallen