Sie sind auf Seite 1von 8

Bericht über das Mesmer-Symposium

1. 18. Nov. 2006 ? Schloß Rothmühle

Begrüßung
Die besondere Aktualität Franz Anton Mesmers war im Mozartjahr 2006 dadurch gegeben,
daß Mesmer zum Kreis der Naturforscher rund um Mozart gehörte, während der Tagungsort
dadurch ausgezeichnet war, daß sich das Schlößchen Rothmühle seinerzeit im Besitz der
Familie Mesmer befunden hatte.

Prof. Peter Mulacz: Mesmers Lebensweg


Das Eingangsreferat hat die Lebensgeschichte Mesmers beleuchtet, von seiner Geburt (1734)
und Jugend in der Bodensee-Region über seine Studienzeit in Dillingen und Ingolstadt
schließlich zur prägenden Zeit in Wien, wo er nunmehr auf das Studium der Medizin
umgesattelt hat und unter dem berühmten van Swieten zum Doktor der gesamten Heilkunde
promoviert worden ist; berühmt ist seine Dissertation De planetarum influxu, strittig ist, wie
weit Mesmer in ihr auf einen Text des britischen Arztes Mead zurückgreift. Seine Ehe mit der
reichen Witwe Anna von Posch setzte ihn in den Besitz des Hälfteanteiles des Palais auf der
Landstraße sowie des Schlößchen Rothmühle. Wien war auch der Ort, wo Mesmer sein
Medizinsystem, das er später als animalen Magnetismus bezeichnet hat, entwickelt hat, wobei
der Einfluß des Jesuitenpaters Maximilian Hell diskutiert worden ist, zumal dies zu einem
Prioritätsstreit der beiden geführt hat. P. Hell, bei dem Mesmer seine ersten Magneten
anfertigen hat lassen, war der erste Direktor der Universitätssternwarte Wien, die ebenfalls
2006 ein Jubiläum gefeiert hat, nämlich das 250. Jahr ihres Bestehens. Ebenfalls in
Diskussion steht die traditionelle Angabe, daß im Gartentheater des Palais Mesmer das
Singspiel Bastien und Bastienne des damals zwölfjährigen Wolfgang Amadeus Mozart
uraufgeführt worden sei. Mesmers Auseinandersetzung mit dem Exorzisten Pater Gassner
und seine daraufhin erfolgende Ernennung zum Mitglied der bayerischen Akademie der
Wissenschaften waren der nächste Eckpunkt in seinem Leben. Nach der Therapie der blinden
Klaviervirtuosin Maria Theresia Paradis ? der ein eigenes Referat gewidmet war ? hat
Mesmer Wien verlassen und ist nach Paris übersiedelt. Seine Pariser Jahre mit den beiden
Kommissionsberichten sind weniger ausführlich zur Darstellung gekommen, da ja der
Schwerpunkt auf Mesmers Wien-Bezug gelegen ist. Mesmer hat später noch zweimal Wien
besucht, u. a. zu der Verlassenschaftsabwicklung nach dem Tod seiner Frau, wobei er im
Zuge der Wiener Jakobinerverschwörung kurz verhaftet und anschließend in seine Heimat,
die Bodenseegegend, abgeschoben worden ist. In Meersburg ist er dann 1815 verstorben.

Dr. Christina Pal: Lokalgeschichte von Schloß Rothmühle


Die Referentin, Leiterin des Stadtarchivs Schwechat, hat die Geschichte des Schlößchens
Rothmühle dargestellt, wobei freilich die Zeit im Besitz der Familie Eulenschenk (der Eltern
von Anna v. Posch) bzw. der Familie v. Posch und später Mesmer nur eine relativ kurze
Episode in der langen Geschichte dieses Bauwerks gewesen ist. Das Symposium hat in dem
mit prächtigen, kürzlich restaurierten Fresken geschmückten Festsaal stattgefunden, somit
sozusagen im seinerzeitigen Wohnzimmer der Familie Mesmer. Erwähnenswert ist, daß auch
Leopold Mozart, den eine langjährige Freundschaft mit der Familie Mesmer verbunden hat,
gemeinsam mit Wolfgang Amadeus „den Mesmerischen“ einen Besuch auf der „Rothmühl“
abgestattet hat. Diese historischen Ausführungen hat die Referentin mit einer Schloßführung
kombiniert, wobei auch in der Schloßkapelle prächtigen Fresken zu sehen waren.
Prof. Dr. Wolfgang Müller-Funk: Mesmers Einfluß auf
die Kulturgeschichte und die Literatur der Romantik,
insbesondere Justinus Kerner
Dieser Beitrag hat sich mit dem Einfluß Mesmers auf die unmittelbar folgende Zeit, d. h. die
Psychologie der Romantik, auseinandergesetzt, wobei der Arzt und Dichter Justinus Kerner
im Mittelpunkt gestanden ist, der bekanntlich selbst auch den animalen Magnetismus als
Therapie eingesetzt hat. Kerners Beobachtungen an der eine Zeit lang in seinem Hause
aufgenommenen Sensitiven Friederike Haufe ? bekannt geworden als die „Seherin von
Prevorst“ ? führen zu der Frage der „Veränderten Bewußtseinszustände“, deren Studium auf
die Brüder Puységur zurückgeht, also auf unmittelbare Schüler Mesmers in Paris. Der
Referent hat auch den weiteren Impakt der Lehren Mesmers in der deutschen Romantik
dargestellt, wobei Namen wie Ennemoser, Eschenmayer, Autenrieth und insbesondere der
überaus bedeutende Gotthilf Heinrich v. Schubert eine wichtige Rolle gespielt haben. Sehr
deutlich ist der Übergang von einem Medizinsystem zu einem System der romantischen
Naturphilosophie dargestellt worden.
In der Diskussion zu diesem Referat ist auch die Tradition der Mesmerschen Therapie im
Wiener Raum bis fast in die unmittelbare Gegenwart angesprochen worden.

Prof. Peter Mulacz: Mesmers Kur der blinden Pianistin


Maria Theresia Paradis
Gleichsam einen Wendepunkt im Leben Mesmers hat seine Kur der blinden Pianistin und
Komponistin Maria Theresia Paradis bedeutet, welche in diesem Referat ausführlich darge-
stellt worden ist. Die teilweise recht detaillierten zeitgenössischen Berichte sind bereits
1961/62 von Hofrat Ullrich im Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien muster-
gültig aufgearbeitet worden, wobei jedoch diese Quelle wenig Beachtung gefunden hat und
mittlerweile ganz in Vergessenheit geraten sein dürfte. Die Paradis, um die sich viele Mythen
ranken, hat, im frühen Kindesalter erblindet, als Teenager ein wahres Martyrium verschie-
denster allesamt fruchtloser Therapien über sich ergehen lassen müssen, bevor sie von den
medizinischen Autoritäten der Zeit als unheilbar klassifiziert worden ist. Daher war sie für
Mesmer eine überaus interessante und vielversprechende Patientin, konnte er doch erwarten,
an ihr sozusagen als Paradefall die Wirksamkeit seiner animal-magnetischen Therapie
demonstrieren zu können. Im Detail werden die Fortschritte der Therapie dokumentiert: von
der Beruhigung ihrer ständig zuckenden und nach oben verdrehten Augäpfel über ihre
enorme Lichtempfindlichkeit, sobald die Augen in eine normale Lage zurückgekehrt waren,
über ihre Probleme mit dem Verständnis perspektivischer Eindrücke bis zu der Tatsache, daß
sie ihrer früheren Sicherheit als „Blinde“ sowohl in der Bewegung im Raum wie insbesonde-
re beim Klavierspielen verlustig gegangen ist. Daraus resultierten die bekannten, höchst
dramatischen Folgen, daß Vater Paradis mit gezogenem Degen bei Mesmer eingedrungen ist
und die Rückkehr seiner Tochter aus Mesmer als Klinik in das Elternhaus gefordert hat, ein
Auftritt, der dadurch noch eine Steigerung erfahren hat, daß die Mutter handgreiflich gewor-
den ist, indem sie ihre bemitleidenswerte Tochter mit dem Kopf gegen die Wand geschleu-
dert hat. Es wird vermutet, daß es ökonomische Überlegungen des geldgierigen Vaters waren,
welche die Ursache zu diesem Szene gegeben haben: der Entfall der kaiserlichen
Gnadenpension für die Blinde im Falle der Wiederherstellung ihrer Sehkraft wurde ebenso
befürchtet, wie die Tatsache, daß eine sehende Pianistin wohl weniger eine Attraktion für das
Publikum wäre als eine blinde. Jedenfalls ist das bedauerliche Geschöpf anschließend wieder
in ihre frühere Blindheit zurückgefallen. Eine tiefenpsychologische Interpretation liegt nahe:
angesichts solcher Eltern gleichsam die Augen zu schließen, um die Realität nicht mehr
anschauen zu müssen. Der zeitweilige Erfolg von Mesmers Kur hat diesen in einen Gegen-
satz zur Wiener medizinischen Fakultät gebracht, deren Therapieversuche ja vergeblich
gewesen waren. Als besonders erbitterter Gegner tritt hier der sonst so überaus verdienstvolle
Jan Ingenhousz auf. Der Referent hat auch eine Reihe von Beurteilungen aus ärztlicher Sicht
späterer Generationen Revue passieren lassen, die zu teilweise durchaus unterschiedlichen
Ergebnissen kommen, ob das Grundleiden organisch gewesen sei oder psychosomatisch
bedingt war. Auch über die Frage des (temporären) Heilerfolgs Mesmers sind die ärztlichen
Meinungen, die zeitgenössischen wie auch die späteren, durchaus geteilt. Festzuhalten ist,
daß sogar ein Autor wie Peattie, der Mesmer im allgemeinen sehr negativ beurteilt, zu dem
Resultat kommt, daß das Sehvermögen der Paradis für eine gewisse Zeit zumindest teilweise
wiederhergestellt worden sei. Diese Beurteilung von Peattie ist bisher in der deutschsprachi-
gen Literatur noch nicht rezipiert worden. Einige Monate später hat Mesmer Wien verlassen,
in der Hoffnung, in Paris seiner Lehre eher zum Durchbruch verhelfen zu können, wobei der
Kanzler, Fürst Kaunitz, Mesmer noch mit einem Empfehlungsschreiben an den österreichi-
schen Gesandten in Paris ausgestattet hat. Der häufig zu findenden Darstellung, Mesmer hätte
Wien gedemütigt verlassen müssen, muß somit nachdrücklich entgegengetreten werden.

Chris und Gerald Schönfeldinger: Mesmer und Mozart —


ein moderiertes Gesprächskonzert mit Glasharmonika-
Musik
Der nächste Beitrag ? mit Musikbeispielen ? war dem Thema „Mesmer und Mozart“
gewidmet. Es ist bereits auf das Gartentheater im Palais Mesmer und die dort erfolgte
(neuerdings in Frage gestellte) Uraufführung von Bastien und Bastienne hingewiesen
worden. Das ist nicht der einzige Hinweis auf Mesmers Kunst- und insbesondere
Musikverständnis. Mesmer war auch mit dem Komponisten Gluck befreundet, der in seinem
Palais ein- und ausging. Leopold Mozart war mit der Familie Mesmer eng befreundet, d. h.,
nicht nur mit dem Arzt Franz Anton Mesmer, sondern auch mit dessen in Wien lebenden
Verwandten. Mesmers Lieblingsinstrument war die Glasharmonika, eine Erfindung von
Benjamin Franklin, der übrigens im Jahr 2006 seinen 300. Geburtstag hatte. Die
Glasharmonika spielt in Mesmer Leben eine zentrale Rolle: als er seinen Wohnsitz nach Paris
verlegte, hat er die Glasharmonika mitgenommen, während er seine Frau in Wien
zurückgelassen hat. Den Berichten seiner Zeitgenossen zufolge hat Mesmer dieses Instrument
meisterhaft gespielt, zumeist phantasierend, und zum Teil auch später in Paris im Rahmen
seiner Therapien eingesetzt. Leopold Mozart berichtet in einem Brief an seine Frau über
Mesmers Instrument und führt dabei aus: „der Wolferl hat auch schon darauf gespielt. Ach,
wenn wir nur eine hätten!“ Bekanntlich hat Mozart auch Kompositionen für Glasharmonika
geschrieben, wobei Chris und Gerald Schönfeldinger mehrere Stücke auf der Glasharmonika
zur musikalischen Umrundung gespielt haben.

Prof. Peter Mulacz: „Ohne Mesmer kein Freud“ —


Mesmers Wirkungsgeschichte und Bedeutung,
insbesondere für (Para-)Psychologie und Psychotherapie
Ein besonders wichtiges, geradezu zentrales Referat war das über die Wirkungsgeschichte
Franz Anton Mesmers, stellt doch eben diese Wirkung auf die Mit- und insbesondere
Nachwelt die Rechtfertigung dafür dar, sich mit einer historischen Persönlichkeit
auseinanderzusetzen. Dabei war es weniger Mesmers Medizinsystem, das so bedeutend
gewirkt hat, sondern eher die damit einhergehenden Effekte, die man damals als
„Somnambulismus“ bezeichnet hat und die wir heute als „Veränderte Bewußtseinszustände“
begreifen. Im „Somnambulismus“ ? die zentrale Gestalt ist hier der Marquis de Puységur ?
wurden Phänomene wie „Clairvoyance“ und „Sinnestransposition“ beschrieben, deren
Studium unter dem Sammelbegriff „Außersinnliche Erfahrung“ heute einen der
Forschungsgegenstände der Parapsychologie darstellt. Zu der direkten Entwicklungslinie, die
vom „Somnambulismus“ zu den „Veränderten Bewußtseinszuständen“ (Altered States of
Consciousness, nach Charles Tart) führt, ist anzumerken, daß diese Zustände einerseits einen
Forschungsgegenstand sui generis darstellen und andererseits als eine Vorbedingung für das
Auftreten von paranormalen Phänomenen relevant sind. ? Es war der schottische Arzt James
Braid, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts jenen Zuständen, die von den
Magnetiseuren im Gefolge Mesmers hervorgerufen wurden und in denen oft bemerkenswerte
Effekte (z. B. Analgesie im magnetischen Schlaf zur Amputation von Gliedern) aufgetreten
sind, ein neues theoretisches Konzept unterlegt hat. Für Braid gab es kein Mesmerisches
Fluidum, welches vom Magnetiseur auf den Patienten übergeht, sondern er spricht vom
Zustand den er schließlich als „Hypnose“ bezeichnet und den er mittels der
„Faszinationsmethode“ mit deutlicher zusätzlicher Suggestion hervorruft. In der Generation
nach Braid liegt der Fokus des Interesses wieder in Frankreich, wo sich zwei konkurrierende
Schulen herausgebildet haben: die von Jean Martin Charcot an der Salpêtrière in Paris und
die von Liébault und Bernheim in Paris. Ein junger Wiener Arzt fährt mit einem
Reisestipendium nach Paris, um Charcots Forschungen zu Hysterie und Hypnose aus erster
Hand kennen zu lernen. Er ist von den Gelehrten so eingenommen, daß er seinen ältesten
Sohn ihm zu Ehren den Namen Martin gibt, und übersetzt Charcots Werk ins Deutsche.
Dennoch studiert er, vorurteilslos und unkonventionell, wie er nun einmal war, später
ebenfalls den Hypnotismus der Schule von Nancy und übersetzt auch Bernheims Buch über
die Suggestion ins Deutsche. Der Name dieses jungen Wiener Arztes war Sigmund Freud.
Bekanntlich ist Freud in seinen Forschungen zum unbewußten Seelenleben, die ihn später zur
Entwicklung der Psychoanalyse geführt haben, zunächst von der Hypnose ausgegangen,
bevor er den Traum als die „via regia“ zum Unbewußten identifiziert hat. Weiters sei auch an
seine gemeinsam mit Josef Breuer verfaßten Studien zur Hysterie erinnert, die ein Echo von
Charcots zentralem Forschungsinteresse darstellen, woran auch das bekannte, im Freud-
Museum in Wien hängende Bild erinnert. Wenn somit die Hypnose für Freud das erste
Werkzeug für einen Zugang zum Unbewußten gewesen ist und die Hypnose ihrerseits Braids
Forschungen über den Somnambulismus der Mesmeristen entsprang, ist somit eine zwar
mittelbare, aber deutlich ins Auge springende wirkungsgeschichtliche Beziehung von
Mesmer zu Freud gegeben, die man etwas plakativ in die Worte fassen kann: „ohne Mesmer
kein Freud“. ? Der Referent hat weiters ein Übersichtsbild der verschiedenen aus der
Psychoanalyse hervorgegangenen tiefenpsychologischen bzw. psychotherapeutische Schulen
gegeben, wobei der Lokalbezug zu Alfred Adler und Viktor E. Frankl betont worden ist. Mit
dem „abtrünnigen“ Freud-Schüler Wilhelm Reich kann ein Bezug zur Körpertherapie
aufgezeigt werden, wobei sich die Frage ergibt, ob nicht im animalen Magnetismus physische
Vorgänge passieren, die bisher wenig beachtet worden sind, sodaß Mesmers
Fluidalhypothese möglicherweise einmal im Gewand dessen, was man derzeit in den USA als
„subtle energies“ bezeichnet und erforscht, fröhliche Urständ feiern würde. ? Ein Hinweis auf
Mesmer als „Urahn“ sowohl der Musik- wie auch der Gruppentherapie hat dieses Referat
beschlossen.
Chris und Gerald Schönfeldinger: Die Glasharmonika —
ein moderiertes Gesprächskonzert mit Glasharmonika-
Musik zum Ausklang
In der letzten Veranstaltung des Symposiums kamen wiederum Chris und Gerald
Schönfeldinger, das Wiener Glasharmonika-Duo, zu Wort, wobei der Gegenstand ihrer
Ausführungen Mesmers Lieblingsinstrument, die Glasharmonika, war ? die Konstruktion und
die Geschichte des von Benjamin Franklin erfundenen Instruments und wichtige Werke der
Musikliteratur, die speziell für die Glasharmonika geschrieben worden sind. Eine
musikalische Umrahmung durch die beiden Glasinstrumente-Virtuosen hat das Symposium
abgeschlossen.

Geschichte der Hypnose (Kurz gefasst)


1. Sie ist recht eigentlich identisch mit der Geschichte von Psychologie und
Psychotherapie. Es
ist die Geschichte der Entdeckung des Unbewussten. Auch Freud hat seine Psycho-Analyse
zu
Beginn mit Hypnose kombiniert.
Vorwissenschaftliche Phase
Hypnose ist so alt wie die Menschheit. Heilkunde, auch Seelenheilkunde lag in der Hand der
Priester, Schamanen, Medizinmänner als Vermittler zu einer metaphysischen Instanz.
Gesundheit wurde und wird nicht wahrgenommen, sie wird vorausgesetzt. Krankheit aber ist
als Strafe oder Prüfung von dieser Instanz dem Menschen auferlegt. Mit der wissenschaftli-
chen Medizin wurde der Religion diese Funktion im 19.Jahrhundert ganz aus der Hand
genommen.
Nach Virchow gab es keine Krankheiten des Menschen mehr. Es gab nur noch Gewebs- und
Organerkrankungen. Und der Patient war nur noch passives Behandlungsobjekt und hatte
sich der Diagnose und Therapie der Ärzte zu unterwerfen.
Das änderte sich wieder mit der sogenannten wissenschaftlichen Phase der Hypnose deren
Anfänge zwar sehr an Scharlatanerie und illustre Therapieansätze grenzten, aber – wenn auch
zum teil auf Umwegen – zur Entwicklung der Psychologie und Psychotherapie führte.
Die sogenannte wissenschaftliche Phase begann mit
Franz Anton Mesmer (1734 – 1815). Er war begüterter Arzt in Wien, hatte beste Kontakte
zur Gesellschaft und Prominenz. Im Park seiner Villa wurde die erste Oper von Mozart
"Bastien und Bastienne" uraufgeführt, auch Haydn und Beethoven gehen bei ihm ein und aus.
Eine Heilung mit einem Magneten setzt ihn in Bann. Er hat selbst immer grössere Erfolge
damit. Er postuliert die These vom Universal-Fuidum, das unsern Körper durchströmt, wenn
wir in Harmonie sind und das nicht fliessen kann, wenn Blockaden in unserem Körper
bestehen, was dann zu Symptomen führt. Mit dem Magnet hebt er diese Blockaden auf.
Später merkt er, dass er den Magneten weglassen kann und arbeitet mit den "Mesmerschen-
Passes" (Mit der Hand ohne Berührung über die kranke oder blockierte Stelle fahren) und hat
so unheimlichen Erfolg mit geradezu wundersamen Heilungen, dass er den Neid der
wissenschaftlich orientierten Kollegen erweckt und Intrigen am Hof zum Opfer fällt. Er
versucht seine Erfolge wissenschaftlich zu fassen.
Mesmer ist der Beeinflussung des Körpers durch die Seele, der Suggestion, dem
"Unbewussten", der "Hypnose", der Psychosomatik auf der Spur. Ausdrücke, die erst
seine illustren Nachfolger prägen konnten - unter Ihnen Freud und Jung - und die aus
unserm Sprachgebrauch nicht mehr wegzudenken sind.
Mesmer weicht nach Paris aus, wo er die Aufmerksamkeit des Adels, Zugang zu Marie-
Antoinette und deren Protektion gewinnt. Durch die hysterische Bewunderung seiner
Patientenangestachelt, kann er der Versuchung nicht widerstehen, zu skurrilen Heilpraktiken
überzugehen, was ihn dann wieder anfällig für Intrigen der Ärzteschaft machte.
Doch seine Lehre vom "animalischen Magnetismus", was unglücklicherweise als
"tierischer Magnetismus" übersetzt wurde, breitete sich in Windeseile in der ganzen
zivilisierten Welt aus.
Lafayette heilte Washinton damit, in England liess sich der Augenarzt Braid vom Enkel des
Fabeldichters LaFontaine unterrichten, wandte die Methode für Operationen an und prägte
dafür den Namen "Hypnose" in Anlehnung an den "Sommeil lucide" der in Frankreich Mode
wurde.
Der "animalische Magnetismus" wurde in Dichtung, Oper, Philosophie aufgegriffen und in
der ganzen damaligen Welt praktiziert.
Alles was damals in der zivilisierten Welt Rang und Namen hatte, befasste sich mit dem
Phänomen: Mozart, Schiller, Kleist, Goethe, Lavater, Novalis, Brentano, Balzac, die Liste
liesse sich beliebig verlängern.
Schopenhauer liess sich zu dem Satz hinreissen: „Der animalische Magnetismus ist die
folgenschwerste aller jemals gemachten Erfindungen für die Menschheit.“
Mesmer endet zurückgezogen als unauffälliger Landarzt in Frauenfeld, wo der Verschollene
noch im Alter von Wolfart, einem Mitglied der Medizinischen Akkademie Berlin
aufgestöbert wird. Wolfart hat den Auftrag, Mesmer zur Lehre nach Berlin zu holen, was er
aber bescheiden ablehnt.
Mit Mesmer hat das psychologische Zeitalter begonnen!
In Stichworten die wichtigsten Nachfolger, die auf seinen Erkenntnissen aufbauten und
weiterbauten:
Braid (1795 – 1860) wurde schon erwähnt.
Von einem James Edsdale (1808 – 1859) gibt es Protokolle von tausenden unter
Mesmerismus durchgeführten Operationen, auch Amputationen. Er konnte damit die
Sterblichkeitsrate von den damals üblichen 50% auf 5% senken.
Der Philosoph und Chirurg Abbé Faria (1755 – 1819) - der im "Graf von Montecristo" eine
wichtige Rolle spielt - führt unter Hypnose viele schwere Operationen durch. Er ist mit dem
Ausdruck "psychische Beeinflussung" nahe beim Ausdruck Suggestion, dessen Prägung
der
Schule von Nancy in der Zusammenarbeit zwischen dem Landarzt Liébault (1823 – 1904)
und dem Wissenschaftler und Professor für klinische Medizin in Nancy Hippolyte Bernheim
(1840 – 1919) vorbehalten ist. Bei Ihnen hat Freud (1856 – 1939) Erfahrungen mit Hypnose
erweitert, nachdem er den weltberühmten Hypnose-Demonstrationen mit Hysterikerinnen
von Charcot (1825 – 1893) an der Salpétrière in Paris beigewohnt hatte.
Charcot vertrat die Neuropathische Theorie, dass also Hysterie durch pathologische
Veränderungen von Nervengewebe verursacht werde, und stand damit in Gegensatz zu
Liébault und Bernheim, die von der Wirkung der Suggestion ausgingen und damit die
psychologistische Ansichtsweise vertraten. Diese Diskussionen wurden mit aller
verachtenden Härte geführt.
In Wien hat dann Freud Breuer orientiert, der anschliessend bei der immer wieder erwähnten
Behandlung einer hysterischen Patientin, Pseudonym Anna O. in Realität Berta
Pappenheim die erste Psychoanalyse sogenannt erfogreich durchführte. Breuer überliess die
Methode dannFreud.
Aber er wie Jung (1875 – 1960) haben Hypnose mit der Zeit abgelehnt, weil Ihnen die Sache
zu verschwommen war. Sie hatten sie ausschliesslich mit direkten Suggestionen und sehr
autoritär durchgeführt und waren in der Ausübung auch nicht sehr geübt.
Mit der Einführung der Narkose und Lokalanästhesie wurde Mesmerismus und Hypnose
dann den Spiritisten und Okkultisten überlassen. Christian Science, Theosophie,
Swedenborgsche Kreise und viele andere usurpierten die neuen Kenntnisse für ihre Zwecke.
Es war das grosse Verdienst von Milton H.Erickson ( Psychiater in Phenix, USA, 1901-
1980), dass er die Hypnose wieder „salon-fähig“ gemacht hat. Mit seinen pragmatischen
Ansätzen, seiner virtuosen und empathischen Art, sein Gegenüber zu beobachten und seiner
stupenden Fähigkeit, mit dem zu arbeiten, was ihm von Patientenseite unbewusst angeboten
wurde (Utilisation), brachte er es fertig, die Patienten ihrer eigenen Ressourcen bewusst
werden und damit die Therapie quasi in eigener Regie durchführen zu lassen. Für seine
Interventionen benutzte er des öftern indirekte Suggestionen in Form von spontan
konstruierten Geschichtchen und Metaphern, mit denen er gleichsam durch die Hintertüre
und ohne gleich den Widerstand des Klienten oder der Klientin anzuregen, diese(n) auf den
Kernpunkt des Problems und zu dessen eigenständigen - nachhaltigen Lösung führen konnte.
Seit Erickson ist Hypnose aber nicht stehen geblieben. Namhafte Wissenschafter weltweit, in
den USA, Europa und auch in der Schweiz, sind mit der Forschung und Weiterentwicklung
der Hypnose beschäftigt.
Fritz Trechslin Dezember 1999

Das könnte Ihnen auch gefallen