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tät aufweist, als dies bis dahin vermutet wurde. Von besonderem Inte-
resse für die hier diskutierte psychologische Kontroverse war die Tat-
sache, dass die bis dahin dominierenden behavioristischen Konzepte
nicht dazu geeignet waren, um diese Komplexität zu erklären. Dieses
linguistische Konzept Chomskys wurde später als Universalgramma-
tik bezeichnet, da seine Analysen auf alle menschlichen Sprachen an-
wendbar sind. Sie galten als entscheidende Argumente, mit denen die
Vorherrschaft der behavioristischen Methode überwunden werden
konnte (vgl. Anderson, 1989, S. 21 f).
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werden. Auch hier verweist er auf die Bedeutung der Interaktionen
zwischen den inneren Vorgängen im Kind mit der Außenwelt. Jene
Aktivitäten des Kindes, welche auf Erkennen und Aneignung der Um-
welt ausgerichtet sind, bezeichnet er als den Motor der Subjektentwick-
lung (Tillmann, 1989, S. 85 f).
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Die prä-operationale Stufe (2 bis 7 Jahre)
Ungefähr zwischen dem zweiten und dem vierten Lebensjahr entwi-
ckelt das Kind die entsprechenden Fähigkeiten, um die Sprache zu er-
lernen. Es ist nun in der Lage, mit Hilfe von Wörtern auf Gegenstän-
de zu verweisen, welche sich nicht in der unmittelbaren Umgebung
befinden. Allerdings ist sein Bewusstsein in dieser Phase ausschließ-
lich egozentrischer Natur. Dies bedeutet, dass das Kind von der An-
nahme ausgeht, das Denken sowie die Wahrnehmungen und Emoti-
onen anderer Menschen würden seinem eigenen entsprechen. Diese
kognitiven Einschränkungen verhindern ein Verständnis für die Per-
spektiven und Bedürfnisse der anderen. Ein Kind, welches gerade die
prä-operationale Phase durchlebt, mag beispielsweise für die Migrä-
neanfälle der genervten und leidenden Mutter ebenso wenig Mitge-
fühl aufbringen und ständig weiternörgeln wie so manch ein verständ-
nisloser Vater. Der qualitative Unterschied liegt allerdings darin, dass
man dem Kind deswegen keinen Vorwurf machen sollte. Es ist in die-
ser Entwicklungsphase ganz einfach kognitiv nicht in der Lage, hier
ein empathisches Verständnis für die Probleme und Bedürfnisse der
Mutter zu entwickeln. Auch beherrscht das kindliche Denken in die-
sem Zeitraum nicht die notwendigen kognitiven Fähigkeiten, um situ-
ativ logische Schlussfolgerungen zu ziehen. Vielmehr werden hier ver-
schiedene Ereignisse, welche zeitgleich in der räumlichen Umgebung
auftreten, in einen kausalen Zusammenhang gesetzt, welcher aus lo-
gischer Sichtweise gar nicht besteht (vgl. Tillmann, 1989, S. 87 f).
Da das Kind auf dieser Entwicklungsstufe nur einen Teilbereich der ge-
samten Informationsmenge verarbeiten und daher einzelne Gescheh-
nisse nur aus einer eingeschränkten Sichtweise wahrnehmen kann,
hat es auch keine Vorstellung davon, dass verschiedene Sachverhalte
sich unabhängig voneinander ereignen können. Schaltet die Mutter
z. B. gerade die Mikrowelle ein, während im gleichen Moment zufällig
die Brote aus dem Toaster springen, entsteht im Bewusstsein des Kin-
des ein „magischer“ Zusammenhang von Ursache und Wirkung, wes-
halb man hier auch vom sogenannten „magischen Denken“ spricht:
Per Knopfdruck zaubert Mutti ein paar braungebrannte Toastbrote auf
den Frühstückstisch (vgl. Tillmann, 1989, S. 87 f).
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