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Inaugural-Dissertation
zur Erlangung des Doktorgrades
der Philosophischen Fakultät
der Ludwig-Maximilians-Universität zu München
vorgelegt von
GüNTER WEISS
aus München
1969
OTTO HARRASSOWITZ . WIESBADEN
Diese Arbeit erscheint als Band 4 der
"Schriften zur Geistesgeschichte des östlichen Europa" .
1. Die orthodoxe Welt als Gesamtphänomen - als Synthese von Christentum, by-
zantinischem Kulturerbe und autochthonem Volkstum und hier insbesondere die
Erforschung der die europäische Kultur- und Geistesgeschichte prägenden Wech-
selbeziehungen zwischen einer östlich-orthodoxen und einer westlich-abendländi-
schen Welt unter Einbeziehung der Rand- und Ausstrahlungsgebiete.
In Vorbereitung Bind:
Vorwort . XI
Einleitung 1
I. J oannesKantakuzenos als byzantinischer Adeliger. Exkurs: Zu den Zahlen-
angaben des J oannes Kantakuzenos über seinen Viehbestand . . . . . . 5
II. Die Gefolgschaft des J oannes Kantakuzenos unter den Kaisern Androni-
kos II. und III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
III. Die Gefolgschaft im Bürgerkrieg in den Jahren 1341-1347 32
IV. Die Gefolgschaft nach 1347 . . . . . . . . . . . . . . 44
V. Soziale Mobilität in der Zeit des Joannes Kantakuzenos 54
VI. Fremdländische Einflüsse in der byzantinischen Gesellschaft. 61
VII. Joannes Kantakuzenos und das Volk 70
1. Die Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
2. Die Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
3. Die soziale Lage und die politische Wirksamkeit des Volkes unabhängig
vom Bürgerkrieg 1341-1347 . . . . . . . . . . . . . . . . 72
4. Die Rolle des Volkes im Bürgerkrieg 1341-1347 . . . . . . . . 78
5. Die Beurteilung der Rolle des Volkes im Bürgerkrieg 1341-1347 . 83
VIII. Joannes Kantakuzenos und das Volk von Thessalonike . . . . . . 86
1. Die Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
2. Die soziale Lage und die politische Wirksamkeit des Volkes von Thessa-
lonike unabhängig vom Bürgerkrieg 1341-1347 . . . . . . . . . . 86
3. Die Rolle des Volkes von Thessalonike in den Jahren 1341-1350 94
4. Die Beurteilung der Rolle des Volkes von Thessalonike in den Jahren
1341-1350 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
IX. Die Bedeutung des palamitischen Streites bis zum Ausbruch des Bürger-
krieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
X. Der palamitische Streit und die innenpolitische Entwicklung im Bürger-
krieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
XI. J oannes Kantakuzenos und der Sieg der Palamiten 123
XII. Die Struktur der Gefolgschaft . . . . . . . . . . 138
Schlußbetra.chtung . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
Verzeichnis der Quellen, Quellensammlungen und Abkürzungen 159
Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
Index der wichtigsten Personennamen, Ortsnamen und Begriffe 165
Index der zitierten Handschriften . . . . . . . . . . . . . 172
Vorwort
Diese Untersuchung wurde im Sommer 1968 von der philosophischen Fakultät der
Universität München als Inauguraldissertation angenommen. Es konnte nur die
Literatur eingearbeitet werden, die mir bis Anfang August 1968 zugänglich wurde.
Das Buch von D. M. NICOL über die Genealogie der Kantakuzenen war zu diesem
Zeitpunkt noch nicht in meinen Händen.
Reiche Anregung und Vergleichsmaterial verdankt die Arbeit meinem verehrten
Lehrer, Herrn Prof. Dr. KARL BOSL. Mein verehrter Lehrer, Herr Prof. Dr. HANS-
GEORG BEcK, hat durch wohlwollenden Rat, stetes Verständnis und sachkundige
Kritik mein Arbeiten auch in den letzten zwei Jahren entscheidend gefördert. Durch
seine Vermittlung wurde von der Fritz Thyssen Stiftung ein Stipendium gewährt.
So konnte ich mich ohne materielle Sorgen ganz meinen Studien widmen. Für
diese Hilfe, wie für die Aufnahme der Untersuchung in die "Schriften zur Geistes-
geschichte des Östlichen Europa" danke ich der Stiftung sehr herzlich. Zu allen
Zeiten der Geschichte werden die geistigen Nachfahren eines Erasmus auf Gedeih
und Verderb in gleicher Weise von wohlwollenden Spendern abhängig sein wie
der große Humanist des 16. Jh.!
Die verständnisvolle Menschlichkeit meiner Lehrer in München, der Herren Prof.
Dr. HANs-GEORG BEcK, Dr. KARL BOSL und Dr. PETER ACHT, hat mir Studien-
jahre ohne Trüburig und Sorgen gewährt. Meine Erfahrungen widersprechen der
Behauptung, daß man heute an deutschen Universitäten nicht mehr gewinn-
bringend studieren kann.
Durch die Fürsorge meiner Mutter wurden die vergangenen Jahre zu einer glück-
lichen Zeit. Meine Mutter hat auch die Korrekturen mitgelesen.
Einleitung
Von 1321 bis 1357 erschüttern in einer Dauer von über fünfzehn Jahren fünfbluti-
ge Bürgerkriege, ausgelöst durch die Thronnachfolgefrage, das Reich. Sie zerstö-
ren vor allem die Landwirtschaft des byzantinischen Reiches - der wesentlichste
Faktor im Wirtschaftsleben dieses Staates zu allen Zeiten seiner Geschichte 6.
Erdbeben, Überschwemmungen und Hagel fördern den Niedergang 6. Die äußeren
Feinde entreißen dem Reich Stück für Stück an Boden: Kleinasien ist nach dem
Fall von Nikomedeia (1337) fast ganz in den Händen der Türken, die bald darauf
auf das europäische Festland übergreifen. Dem großen Serbenkral STEPHAN
DUSAN gelingt es in der Mitte des Jahrhunderts, ganz Makedonien außer der
großen Hafenstadt Thessalonike unter seine Gewalt zu bekommen. Die meisten
Inseln der Ägäis stehen unter lateinischer Herrschaft. Nur das Reichsgebiet auf
der Peloponnes mit dem Mittelpunkt Mistra berechtigt zu einigen Hoffnungen,
da sich auch unter den lateinischen Baronen eine byzanzfreundliche Stimmung
bemerkbar macht. Dieses byzantinische Kleinreich ist wirtschaftlich von den
italienischen Handelsmächten, vor allem Genua und Venedig, völlig abhängig
nach einigen vergeblichen Versuchen zu Beginn des Jahrhunderts, wenigstens die
Unabhängigkeit der Versorgung der Hauptstadt einigermaßen zu sichern. Die Be-
strebungen des J OANNES KANTAKUZENOS in seiner Kaiserzeit, eine Flotte aufzu-
stellen, scheitern'. 1343 beginnt das Kaiserhaus (damals wieder in einen Bürger-
krieg verwickelt), an Venedig die Kronjuwelen zu verpfänden. Die Schulden
wachsen ständig, ohne daß Aussicht besteht, sie zurückzuzahlen. Sogar in Kleinig-
keiten macht sich die Finanzlage bemerkbar: Die byzantinische Kaiserkanzlei
spart auf offiziellen Dokumenten mit dem teueren Pergament.
Wie immer macht sich die Finanznot des Staates in erhöhtem Steuerdruck
bemerkbar. Als wäre das Unglück noch nicht voll, beginnt im vierten Jahrzehnt
des Jahrhunderts der erbitterte sogenannte Hesychastenstreit um eine be-
stimmte Form der religiösen Erfahrung und der Praxis des Mönchslebens 8 und
führt Jahrzehnte lang zu schweren kirchenpolitischen Wirren. Die große Pest, die
seit 1348 ganz Europa heimsucht, dezimiert Ende 1347 die Bevölkerung des
byzantinischen Kleinstaates. Ein Sohn des J OANNES KANTARUZENOS fällt der
Seuche zum Opfer. Von länger dauernden Hungersnöten, an denen im 14. Jh.
periodisch das übrige Europa zu leiden hat, erfahren wir in Byzanz nichts, aber
von einer sprunghaften Verteuerung der Dinge des täglichen Lebens und von
Nahrungsmittelknappheit 9 •
Mit einem Wort: die Zeit des J OANNES KANTARUZENOS ist in vieler Beziehung
eine Krisenzeit - typisch für dieses "tragische 14. Jahrhundert" (LE GOFF). Wie
leider sehr knappe Charakteristik der Zeit). A. A. V ASILIEV History of the Byzantine
Empire, Madison 1952, 580-722. ÜSTROGORSKY Geschichte 394ff.; ders. in The Camb-
ridge Medieval History IV, 1 (1966) 331ff. Zur Wirtschaftslage: E. STEIN Untersu-
chungen. ZAKYTHINOS Crise. BRATIANU Privileges.
6 Nik. Greg. XV, 1: 747; XV, 2: 751.
8 Nik. Greg. XIV, 2: 695; XIV, 6: 71H.
immer in derartigen Zeiten verschärfen sich die Gegensätze zwischen den einzelnen
Gesellschaftsschichten. Die Unzufriedenheit macht sich in radikalen Schriften, ja
im offenen Kampf gegen Andersdenkende Luft. Es bildet sich eine Vielzahl von
Gruppen, nicht nur um irgendwelche Ziele durchzusetzen, sondern um in solchen
Notzeiten durch Zusammenschlüsse Schutz und Hilfe zu finden. Diese Erschei-
nungen lassen sich häufig in Krisenzeiten beobachten, im 13. und 14. Jh. selbst in
den vielen Aufständen und Revolten in Belgien, Frankreich und Italien, in der
Zeit der Französischen Revolution, in der Zeit, die nur einige J ahrzebnte hinter
uns liegt - die Jahre vor dem Zusammenbruch der Weimarer Republik.
In der Feststellung, daß die Zeit des J OANNES KANTAKUZENOS eine Krisenzeit ist,
liegt zugleich eine Warnung: Nicht ohne weitere Prüfung sind die Ergebnisse dieser
Arbeit über die byzantinische Gesellschaft in dieser Zeit auch auf andere Epochen
der byzantinischen Geschichte zu übertragen. Immer ist zu fragen, ob die Er-
scheinungen nur durch eine einmalige Notsituation bedingt sind oder ob gerade
durch diese Krise Tendenzen in der Gesellschaftsentwicklung zu Tage treten, die
sich zwar übersteigert bemerkbar machen, aber auch in anderen Epochen ihre
Parallelen haben und so als typisch für die byzantinische Gesellschaft anzuspre-
chen sind.
I. J oannes Kantakuzenos als byzantinischer Adeliger
Eine umfassende Untersuchung über den Adel in Byzanz fehlt. Der Grund für
diesen Mangel scheint mir vor allem in der Schwierigkeit der Beantwortung der
Frage zu liegen: Gab es in der Vorstellung des Byzantiners den "Adeligen"1
Diese Frage zu stellen heißt zugleich aufmerksam zu machen auf den Sinngehalt,
den der Begriff "Adel" im deutschen Sprachgebrauch haben kann. Versteht man
unter "Adel" einen genau abgegrenzten Stand, eine bestimmte Anzahl von Fami-
lien umfassend, mit festgelegten, vererbbaren Vorrechten innerhalb der Gesell-
schaft, dann hat es einen Adel in Byzanz nie gegeben 10. Fassen wir aber den Be-
griff "Adel" im Sinne von "Eliteschicht" in der byzantinischen Gesellschaft, als
Aristokratie, als die "Honorationen", dann wird das Wort zwar unscharf und ver-
schwommen, gibt aber m. E. den Adelsbegriff in Byzanz am besten wieder.
Der Historiker begibt sich also mit der Frage nach dem Adel in Byzanz auf das
unsichere, schwer faßbare Gebiet der öffentlichen Meinung. Das Urteil der Gesell-
schaft bestimmt, ob eine Persönlichkeit oder eine Familie zu dieser Eliteschicht
gehört.
MIOHAEL PSELLOS, der in seiner Ahnenreihe Patrizier und Konsuln hatte 11, sagt
von sich selbst: end c5s !lOt, Aafl,n(!OT:s(!oV ec58-y/(]e (]X~fI,aT:o~ uat ne(!upave(]T:s(!a~
olu{a~ 12. Er rechnet sich also nicht zum "Hochadel". Bei der Besprechung der
sozialen Mobilität (Kap. V) wird von Personen die Rede sein, die "aus unbekann-
tem Geschlecht" stammen sollen. Bei näherem Zusehen ist aber das Geschlecht
durchaus in der Vergangenheit nicht unbekannt gewesen.
Der oben zitierte Satz des PSELLOS spricht deutlich aus, daß der Grad der Vor-
nehmheit abgestuft wurde. NIKETAS CHONIATES spricht von "herabgewirtschafte-
ten" Adeligen 13. Der Adel des NIKEPHOROS BRYENNIOS und der seines Rivalen
NIKEPHOROS BOTANEIATES wurde miteinander verglichen 14. Die adelige Stellung
wird besonders erhöht durch die Abstammung von kaiserlichem Blut 15. Sie wird
weiter betont durch das "Alter" einer Familie. Es gibt in Byzanz Ansätze eines
"Uradelsdenkens". Kaiser BASILEIOS I. - ein Kaiser von dunkler Herkunft - soll
mütterlicherseits von Konstantin dem Großen abstammen, die Familie der Pho-
10 Von diesem neuzeitlichen Adelsbegriff ausgehend, hat die ältere Forschung auch den
Adelsbegriff für die Merowingerzeit abgelehnt: vgl. R. SPRANDEL Struktur u. Ge-
schichte des merowingischen Adels, HZ 193 (1961) 34.
11 CH. DIEHL Figures Byzantines I., Paris 11 1930, 293.
12 Psellos Chron. (RENAULD) II, 142: Konstantin X. Kap. VII Z. 15 u. 16.
18 Nik. Chon. 76, 18f.: JOANNES VON PUTZE nimmt yvvaixa TWV am:eetpp,evwv xai
an1]v{}1]xvtWV wyevwv.
14 Michael Attaleiates 287-288.
1& Nik. Chon. 129,20: J..ap.neol TO yevoe; xal ßaatJ..elq> np.1]{}evTee; aip.an (Kriegsge-
fangene); a. a. O. 238, 24f.: xal wiJ..taTa Tmv ex TOV yevove; TqJ ßaatJ..ei xal TOt/TWV ole;
noJ..v TO enta1]p.ov. Kinnamos 281,20: TWV eO yeyov6Twv ßaatJ..ei Te xal xa{}' alp.a neOa1]X6VTWV.
So auch J o. Kant. I, 2: I, 18, 10 (über SYRGIANNES): p.1]Te68ev p.ev e~ alp.aTwv ßaat-
J..txwv. Die Mutter des Statthalters von Thessalonike (MICHEAL PALAIOLOGOS?) war
ßaatJ..ewv e~ aip.aTOe; (Timarion Kap. 8 S. 50 ed. ELLISSEN Analekten 4, 1860).
6 JOANNES KANTAKUZENOS ALS ADELIGER
kas führte sich ebenfalls auf Konstantin den Großen, ja auf Scipio Mricanus zu-
rück 16. Die Familie des Philosophen J OSEPH rühmte sich zu Lebzeiten des J O.ANNES
KANTAKUZENOS eines Geschlechtes Tfj~ ~ PWflai'Kfj~ ~8 C1cpUJtV cVycvcla~ 8'K
~ta~oxfj~ :1'u:lÄal 7te6Tceov17. Kaiser KONSTANTIN IX. stammte nach den Worten
des PSELLOS von den "alten Monomachoi" 18, ROMANos DIOGENES war TO yevo~
aexaiov19. Dieses "Uradelsdenken" war aber nie so stark, um in Byzanz den Auf-
stieg neuer Familien zu hindern. Der unten kurz zu schildernde Aufstieg der
Kantakuzenen - verglichen mit den Palaiologen - zeigt, daß der soziale Aufstieg
dieser Familien nicht richtig zur Geltung kommt, wenn man mit R. GUILLAND
von einer "vieille noblesse" spricht 20. Der Aufstieg ist erst relativ spät am Ende
des 11. Jh. greifbar. Beide Familien haben es nicht als nötig empfunden, imagi-
näre Stammbäume aufzustellen. Sehr wichtig erscheint aber bei beiden Familien
gerade in der Frühzeit des Aufstiegs die Verbindung mit dem Kaiserhaus.
Für eine Betrachtung des J OANNES KANTAKUZENOS als Adeligen kann eine Erörte-
rung der von R. GUILLAND durchgeführten Unterscheidung zwischen "noblesse de
race" und "noblesse de titres" unterbleiben. Wichtig erscheint mir nur die Fest-
stellung: hohes Amt und Würde werden neben der Geburt von den byzantinischen
Historikern betont. PSELLOS hebt von KONST.ANTIN IX. MONOMACHOS hervor:
TCp flsV ys",cl V7tSe TOV~ aAAov~ &eAafl7tcv, OV7tW ~s TWV V7tce'YJcpavwv TcTVX~'Kcl
aexwv21, NIKETAS CHONIATES spricht von C1VXVOt eTceOl TO yevo~ ael7tec7tci~ 'Kat
flcylC1Tol~ 7tcelßAc7tTOl a~uiJfla(]l (313, 2f.) und flaAlC1Ta Toi~ 'KaT' aUWC1l'P 'Kat yevov~
C1cflV6T'YJTl V7tceeXOVC1l (371, 1 f.). Derselbe Sprachgebrauch findet sich auch bei Zeit-
genossen des J OANNES KANTAKUZENOS, bei NIKEPHOROS GREGORAS 22. Hoher Rang
und Würde hat aber - einzelnen Personen verliehen - auf die adelige Stellung der
ganz en Familie entscheidenden Einfluß. NIKETAS CHONIATES rühmt seinen verstor-
benen Amtskollegen THEODOROS TROCHOS: "Daher stiegen von dir aus alle, die mit
dir eines Geschlechtes sind, wie auf der Leiter Israels auf die höhere Stufe der Nam-
haftigkeit und kamen in erneuter Abfolge zu der Startsprosse, zu dir, herab, dem
letzten ihrer Reihe und dem höchsten an Glanz 23." NIKEPHOROS CHUMNOS ist stolz
auf eine Reihe von Vorfahren im Dienst des Kaisers 24.
Von der Beobachtung her, daß hohe Ämter und Würden in der Familie der Kanta-
kuzenen immer wieder bekleidet wurden und entscheidend zum Aufstieg der
18 Dieses Denken ist mit den westl. Vorstellungen von der Heilhaftigkeit des Blutes zu
vergleichen, hat aber andere Wurzeln. Spuren eines blutsmäßigen "Heilsdenkens"
finden sich auch im byz. Kaisertum, wie in den verschiedenen Ehen der Kaiserin ZOE
sichtbar wird. Daneben steht in Byzanz die "electio-Vorstellung". Vgl. KALLFELZ
Standesethos 1-18. K. HAueR Geblütsheiligkeit, in: Liber floridus, Festschr. P. Leh-
mann, St. Ottilien 1950, 187-240.
17 M. TREU Der Philosoph Joseph, BZ 8 (1899) 5 Z. 17.
18 Psellos Chron. (RENAULD) I, 124.
10 A. a. O. II, 157. Weitere Beispiele bei F. DÖLGER Rom in der Gedankenwelt der
Byzantiner, in: Byzanz u. d. europäische Staatenwelt, Darmstadt 1964, 79 A. 18.
20 La noblesse de race a Byzance, BS 9 (1948) 309 = GUILLAND Recherches I, 17.
1Il Psellos Chron. (RENAULD) I, 125.
lIS Nik. Greg. XII, 13: 619, 3-8.
18 Reden Nr. 3 in der Übersetzung von F. GRABLER S. 40 (unediert) in: Byz. Ge-
schichtsschreiber XI (1966).
114 VERPEAUX Chumnos 28.
DER; BEGRIFF ,,ADEL" 7
Familie beigetragen haben, möchte ich von einem "Dienstadel" sprechen, einer
Bezeichnung, die also durchaus nicht der "noblesse de titres" entspricht. Der
Dienstadel setzt sich nach der Definition der westlichen Mediävistik aus Schichten
zusammen, "die durch Könjgsdienst und Vasallität zu gehobener sozialer Stellung
emporgestiegen sind"26. Streicht man das Element der Vasallität, so ist m. E. das
Wort "Dienstadel" durchaus auf byzantinische Verhältnisse anwendbar.
Die Zugehörigkeit zum Adel in Byzanz war - wie oben festgestellt - von der
öffentlichen Meinung und ihren schwer festlegbaren und schwankenden Urteilen
und Definitionen abhängig. Die unscharfe Terminologie, mit der in Byzanz der
Adelige gekennzeichnet wird, ist nicht nur durch die Gewohnheit des Byzantiners
zu verstehen, eindeutige Begriffe zu vermeiden, sie ist vielmehr auch durch diese
unscharfen Gefühlsurteile bedingt. Einige der vielen Adelsprädikate tragen die
Subjektivität noch deutlich an sich. R. GUILLAND hat diese Bezeichnungen teil-
weise aufgezählt: Ot TW'V e15 yeYO'V6TW'V, a'V~(!e~ eVye'Vei~, Ot np YB'Vel eVye'Vei~, Ot
np YB'Vet bda'YJflol, ot ).afl'Jr,(!ol, TO YB'VO~, a'V~(!e~ B-X YB'VOV~ ).afl'Jr,(!oiJ, eV'Jr,aT(!l~'YJ~.
Dazu kämen Bezeichnungen wie v1p'YJ)'6~, fleTBW(!O~ (Nik. Chon. 186), YB'VOV~
e15 lxw'V (a. a. O. 125, 7), 8'Jr,lC1'tlflOV alflaTo~ (a. a. O. 697, 8f.), a'V~(!e~ oi5rOl
TW'V -xa)')'laTw'V ye'VW'V Ta 'Jr,(!WTa 26, B'Jr,upa'Vlj~ u. a. m. Die Dichtung in der Volks-
sprache bevorzugt die Wörter eVye'VIj~, eVye'Vl-x6~ und l'V~O~O~27. Das Geschichts-
werk des J OANNES KANTAKUZENOS fügt sich in diese Aufstellung im Blick auf die
Vielzahl der Ausdrücke gut ein, doch ist NIKETAs CHONIATES für die Zusammen-
stellung byzantinischer Adelsprädikate weit ergiebiger als der Exkaiser. Ich nenne
Ausdrücke wie e15 yeYO'V6Te~ 28, TW'V B'Jr,' evye'Velq. ).afl'Jr,(!v'VOflB'VW'V 'VBW'V 29, TO ytvo~
'Jr,e(!tqJa'VIj~, eVye'VBaTe(!Ol30, B'Jr,tqJa'Vei~31. Auch KANTAKUZENOS macht wie
PSELLOS und CHONIATES Unterschiede im Adelsgrad, und zwar in seiner eigenen
Gefolgschaft 32. Nach seinen Worten wird ANDRONIKOS 111. nach Chios von Män-
nern begleitet ov TW'V TvX6'VTW'V, d).).a TW'V Te eVye'VW'V -xal, fleya).a ~v'Vafltvw'V33.
Beachtlich ist, daß die edle Geburt zusammen mit der Größe der Macht hervorge-
hoben wird. In der gleichen Richtung liegt es, wenn bei KANTAKUZENOS das Wort
a(!laTOl durch den Begriff ~v'VaTol ersetzt wird 34. Einen kleinen Hinweis auf den
26 K. BOSL in: GEBHARDT Handbuch der deutschen Geschichte Bd. I, StuttgartB 1954
(1960), 593.
26 Psellos Chron. (RENAULD) 11, 96: Michael VI. Kap. 24 Z. 14f.
27 Z. B. Pulologos (ed. KRAWCZYNSKI Berliner byz. Arbeiten Bd. 22, 1960) V. 192, 607
(evyevfJc;, lvl5o~oc;). Vierfüßlergeschichte (ed. WAGNER Carmina) V. 297, 491, 878.
Belisarlied (ed. WAGNER Carmina) V. 135, 391 (wyevt'KOc;). In der Achilleis (HESSE-
LING) begegnet evyevt'KOC; (z. B. V. 25, 50, 281, 605, 611) häufiger als wyevfJc; (V. 272).
Unedle Geburt heißt l~ utpa'JIäw YO'JI€W'JI (V. 27). EvyevfJc; im Digenes Akritas - Epos
(MAVROGORDATO I, 30; IV, 292) neben evyevt'Koc; (I, 224; 11, 64) und e'JIl5o~oc; (111, 7),
unterschieden von nÄ,ovaUfJT:aTOC; (111, 7; IV, 324).
2B Kant. 111, 27: 11, 166, 1.
29 Kant. 111, 13: 11, 84, 8; vgl. I, 2: I, 18, 10 f. (von SYRGIANNES): TtC; TW'JI ln' wyevelq.
Ä,apnevvopbw'JI.
30 Kant. 111, 21: 11, 132, 13. Im Gegensatz zum "gesamten Heer".
großen Geschlechtern (ed. WAGNER Carmina 306 V. 53). Die "edle Geburt" des Jo.
Kant. wird öfter von den Briefschreibern erwähnt: Anonymus Florentinus Br. 2, Cod.
Monac. 198 fol. 340. Nik. Greg. Br. 41 (GuILLAND) = BEZDEKI 282, 5f.; Philes (MrLLER)
I, 323 Z. 4 u. 5. In seinem Geschichtswerk hat sich Jo. Kant. nie seiner edlen Geburt
gerühmt, wie bereits P ARISOT (Cantacuzeme 28) mit Recht bemerkt hat. Ist dies auf
den Einfluß der Fürstenspiegel zurückzuführen, die das Rühmen der eigenen vor-
nehmen Geburt verbieten?
87 Alexiade XI, 9, 3 (ed. B. LEIB, Paris "Les beIles lettres" 1937-1945, IH, 41); XI, 11,
CANGE (die Abhandlung über die "Familiae Augustae Byzantinae" in der "Historia
Byzantina") und J. C. FILITTI (Notice sur les Cantacuzenes du Xle aU XVIle siecles,
Bukarest 1936) vor. Für das 15. Jh. grundlegend V. LAURENT (Alliances et Filiations
des Cantacuzenes au XVe siecle, im Aufsatz "Le Vaticanus Latinus 4789", REB 9
[1951] 64-105). Bemerkungen auch bei PAPADOPULOS Palaiologen, DÖLGER Legitimist
und AHRWEILER Smyrne. Über die Herkunft des Namens finde ich bisher in der For-
schung nur die Deutung von K. AMANTos KavTaxovC'Y}vor; - KaTaauJ.lßßar;, BZ 28
(1928) 14-16, und die Bemerkungen von ZAKYTHINOS KavTaxovC'Y}vor; - KaTaxovC'Y}vor;,
Hellenika 3 (1930) 545/6. Nach AMANTos ist der Name geographische Herkunftsbe-
zeichnung: 6 xaTa KovC'Y}vo.v. Es handelt sich um einen Berg TOV KovCwo. im Thema
Thrakesion, an dem eine Quelle entsprang (Glykas, Annalen 581, 14) und ein Kloster
der Gottesmutter lag (epistola Theodori Ducae Lascaris an den Metropoliten von
Philadelphia ed. N. FEsTA, Florenz 1898, 162, 2f.) (vgl. Kedrenos H, 610, 2lf.).
DER AUFSTJiEG DER KANTAKUZENEN 9
Protovestiar.
46 Kant. I, 2: I, 17, 18.
10 JOANNES KANTAKUZENOS .ALS ADELIGER
1
sich als Jugendfreund des ihm gleichaltrigen späteren Kaisers ANDRoNIKos 111. 46 •
Die .Ämterlaufbahn ging schnell und steil bergan. Zur Zeit vor dem Ausbruch des
ersten Bürgerkriegs ist er, 25 Jahre alt, mit der Würde des piyar; 7lanlar; ausge-
zeichnet 47. Durch .Ämterkauf, den NIKEPHOROS GREGORAS als Bestechung charak-
terisiert, bekommt er neben SYRGIANNES die Verwaltung eines Teiles von Thra-
kien (um Adrianopel) übertragen 48. Er steht neben anderen mächtigen Adeligen,
wie SYNADENOS, in der Gefolgschaft des Mitkaisers MICHAEL IX., des Vaters
seines Jugendgefährten ANDRoNIKos 49 • Schon bald, wohl noch unter ANDRONI-
KOS 11., wird ihm das Amt des piyar; (jOflUITl'X6r; übertragen 50, des "Generalissi-
mus", wie F. DÖLGER interpretiert 51. Das Amt wurde mit Rücksicht auf JOANNES
KANTAKUZENOS in der Hierarchie über den Panhypersebastos gestellt, dann unter
ANDRONIKOS 111. noch weiter erhöht (hinter den Kaisar) 52. Zudem lastete auf ihm
im Bürgerkrieg noch das Amt des Kanzleichefs und des Finanzministers. Er stöhnt
über Arbeitsüberlastung 53 •
Unter ANDRoNIKos 111., an dessen Erhebung zum Kaiser er maßgebend beteiligt
ist, nimmt er an allen entscheidenden Feldzügen teil, er ist der erste Berater. Er
steht nicht allein: neben ihm stehen andere Adelige aus Familien, die teilweise
älter sind als die Kantakuzenen. Ich nenne nur den ,,71ly'XeeV'Yjr;" J OANNES ANGE-
LOS, MICHAEL MONOMACHOS, den mit der Kaiserfamilie mütterlicherseits ver-
wandten SYRGIANNES, Mitglieder aus der Familie der Tarchaneiotes, den Proto-
strator THEODOROS SYNADENOS. Machtkämpfe waren unausbleiblich. Der Dienst
gilt dem kaiserlichen Gefolgsherrn, mit dem der Adelige zu Felde zieht, mit dem er
alle Strapazen erträgt, mit dem er zur Jagd geht, den er vor Gefahren und E71lßoAal
schützt, dem er seine eigenen Machtmittel, Geld und Leute, zur Verfügung stellt,
mit dem er Rat pflegt 64. Durchaus brauchen dabei die Wünsche und Vorstellungen
hebt KALLFELZ Standesethos 57 hervor, der sich für Byzanz weitgehend a.uf TREI-
TINGER Kaiseridee 94f. stützt, daß der Rat und die Mitsprache des "Umsta.ndes" des
DER ADELIqE IM DIENST DES KAISERS 11
nicht mit denen des Herrn übereinzustimmen. Die Hunde und Jagdfalken seines
verstorbenen Herrn, des Kaisers ANDRONIKOS III., hat J OANNES KANTAKUZENOS
weggegeben 1i6. Von den Äußerlichkeiten westlichen Rittertums scheint also dieser
byzantinische Adelige nicht besonders beeindruckt gewesen zu sein, vor allem aus
ganz realen finanzpolitischen Erwägungen. Auch mit der übermäßigen Bautätig-
keit des kaiserlichen Herrn war JOANNES KANTAKUZENOS nicht einverstanden 68 •
So, als getreuer Diener seines Kaisers, will der Adelige von seiner eigenen Klientel
angesprochen sein: "Du bist ein ,Kaiserlicher' und stehst dem Kaiser in allem zu
Diensten 67. "
Ganz anders urteilt KEKAUMENOS, der freiheitlich denkende Adelige an der arme-
nischen Grenze im 11. Jh. Nicht oft soll der Sohn vor dem Kaiser erscheinen; denn
die Nähe des Kaisers ist gefährlich (Kap. 220, 221). Die Phokaden und die Skleroi
haben nie versucht, in Hofränge Eingang zu finden 68. Die grundbesitzenden Fami-
lien der Nestongoi und Branas sind in der ersten Hälfte des 14. Jh. weder in der
Nähe des Kaisers noch in hohen Ämtern anzutreffen. Soviel ist sicher: Die Nähe
zum Kaiserhof, hohe Würden und Ämter, ein Merkmal der adeligen Kantakuzenen-
familie, sind nicht immer Zeichen des byzantinischen Adeligen.
Zum zweiten Merkmal, das zum Bild des Adeligen J OANNES KANTAKUZENOS ge-
hört: die Hausmacht. Sie ist nicht nur der ihm ergebene Anhang von Verwandten,
Freunden und Dienern, sondern ebenso der Reichtum an materiellen Gütern als
die Voraussetzung für die Bildung dieser Personengruppe. Diese "Gefolgschaft",
wie ich sie hier vorläufig nennen möchte, ihre Zusammensetzung, ihre Entwick-
lung und ihre Struktur soll unten ausführlich behandelt werden. Wir können
solche Personengruppen auch bei anderen Adeligen der Zeit feststellen, so bei den
Angeloi, dem Protostrator THEODOROS SYNADENOS und bei SYRGIANNES, bei
Emporkömmlingen wie ALEXIOS APOKAUKOS und J OANNES V ATATZES. Wenn
auch eine solche Gefolgschaft oft in den Quellen im Zusammenhang mit byzantini-
schen Adelsfamilien nicht ausdrücklich erwähnt ist, wie z. B. bei den Asan, so ist doch
die Feststellung zu treffen: diese Personengruppe scheint wesentlich zum byzantini-
schen Adeligen zu gehören. Wie im Chrysobull von 1342 an JOANNES ANGELOS
deutlich zum Ausdruck kommt, wird eine Aaftnea cpaTela (J'vyyev(iw ",at cplAWV 69
als Ausdruck der evIJatft0vla empfunden. Die Schar der Verwandten und Freunde er-
höht, wie eine große Dienerschaft, das Sozialprestige und die reale Macht. Im Laufe
der Untersuchung wird sich zeigen, daß J OANNES KANTAKuzENos diese Gefolgschaft
systematisch zu einer treu ergebenen Elitegruppe aufzubauen suchte.
Der Besitzstand der byzantinischen Adeligen ist bisher in der Forschung bereits in
byz. Kaisers nicht ideologisch begründet ist - anders als im Westen, wo "ohne den Rat
u. die Zustimmung seiner Aristokratie - bzw. des maßgeblichen Teiles derselben - der
König im Grunde nichts verfügen kann und darf" (a. a. O. S. 56). Siehe aber den
unten S. 18 zitierten Anspruch der byz. Adeligen des 14. Jh., an der Verwaltung des
Reiches teilzuhaben.
66 Nik. Greg. XI, ll: 566.
68 Kant. II, 38: I, 541.
67 MIOHAEL GABRAS Br. 403 Cod. Marc. 446 fol. 268vo-270vo; hier 269 Iv t5e T1/VtUav'r'
Q)v ßamÄtuo~ ual ßamÄei V1'tSe TWV üÄÄwv "Otvwvwv "al avyyev6f.levo~ T~V Te üÄÄ1/v 8aVf.laaT~V
TqJ övn avvovalav "al t5ta ToilTO avv(J1/eWV av~ Te "al eÄdf/Jov~ ..•
68 Vgl. H.-G. BEOK in BZ 59 (1966) 434.
69 Kant. III, 53: II, 313, 22 u. 23.
12 JOANNES iKANTAKUZENOS ALS ADELIGER
einigen Studien untersucht worden 60 • Von Besitzungen der Kantakuzenen ist vor
dem 14. Jh. keine Nachricht vorhanden. Der Satz von CHARANIS, " ... the vast
wealth of J ohn Cantacuzenus had already been in the possession of the familiy by
the end of the thirteenth century61," ist nur in Beziehung auf die Mutter des
J OANNES zu belegen. Diese besaß landwirtschaftliche Güter und Werkstätten in
und um Serrai, von denen wir durch Schenkungen an die Klöster Vatopedi und
Kutlumus erfahren 62 • Diese Besitzungen am Strymon sind dann auf ihren Sohn
übergegangen. Sie wurden ihm im Bürgerkrieg von GUY DE LUSIGNAN abgenom-
men 63. Weitere Besitzungen des J OANNES KANTAKUZENOS sind um Traianupolis
an der Mündung der Maritza bezeugt 64. Weiter besaß er Liegenschaften in der
Hauptstadt selbst, wie aus umfangreichen Schenkungen an das Manganakloster
1350 66 und an das Charsianitenkloster 66 hervorgeht. Im Haus des Adeligen in
Konstantinopel, in dem die Mutter THEODORA residierte, waren große Mengen an
Getreide und anderen Feldfrüchten gespeichert. Das Haus lag bezeichnender-
weise in der Nähe des Kaiserpalastes (welched). Einen weiteren Speicher besaß
die Familie in der Nähe des Gorgoepekouklosters 67, also nahe dem Alp:rJv TWV
, EAeV()eeLov, des großen Kornhafens der Hauptstadt, wenigstens in frühbyzan-
tinischer Zeit 68. Trieb die Adelsfamilie auch Export? Es ist anzunehmen, daß
diese wohl auf den Provinzgütern erzeugten Lebensmittel sowohl der Versorgung
der eigenen Gefolgschaft dienten wie zum Verkauf in der Hauptstadt. Es ist hier
ein wichtiger Beleg dafür gegeben, daß die Getreideversorgung der Hauptstadt
wenigstens teilweise im 14. Jh. in der Hand des Adels lag. JOANNES KANTAKUZE-
NOS behauptet, im Bürgerkrieg habe er 5000 Stück Weidevieh, 1000 Gespanne -
der Feldbearbeitung dienend -, 1500 Stuten, 200 Kamele, 300 Muli, 500 Esel,
50000 Schweine und 70000 Schafe verloren 69. Bei näherer Prüfung erscheinen die
Zahlen zwar sehr hoch, aber nicht unglaubwürdig. Über die Größe des Besitztums
läßt sich aus diesen Zahlen nur so viel entnehmen, daß er ungefähr 500 Einzelhöfe
besessen hat, auf denen neben Viehzucht auch Ackerbau getrieben wurde und
eine große Zahl von Landarbeitern beschäftigt war (siehe Exkurs).
führlich dargestellt. Gute Bemerkungen vor allem für die kleinasiatischen Verhältnisse
bei AHRWEILER Smyrne passim.
61 CHARANIS 350.
pedi: Reg. 2746 (Mai 1329). Diese Schenkung nochmals erwähnt in einer Urkunde des
MICHAEL SYNADENOS ABTRAS vom Okt. 1366 (ed. GUDAS Byz. Urkunden d. Athos-
klosters Vatopedi, EEBS 4 [1927] 246-248). STEPHAN DUSAN bestätigt im Oktober 1345
unter dem Besitz des Prodromosklosters ein CevYrJ),are'iov des Kantakuzenen mit 3
(Winter-)wassermühlen: Prodromos (GUILLOU) Nr. 39 Z. 78f.
68 Kant. III, 31: II, 192. Nik. Greg. XII, 15: 623. Das von LEMERLE herausgegebene
monasteres, Paris 1953, 180/1. Ders. Constantinople byzantine, Paris B 1964, 225-7.
89 Kant. III, 30: II, 185, 3.
DIE STELL-pNG DER ADELIGEN FRAU 13
JOANNES KANTAKUZENOS war stolz darauf, daß er immer wieder als Geldgeber
seines kaiserlichen Herrn auftreten konnte 70. Dies ist auch die Meinung des
T;S:EODOROS METOCHITES: " ... der Staatsmann muß ein reicher Grandseigneur
sein, denn seine Aufgabeist es, unter Umständen dem Staatssäckel aus der Ver-
legenheit zu helfen. 71 " Der Bürgerkrieg hat den Reichtum des JOANNES KANTA-
KUZENOS zum Schwinden gebracht. Den Feldzug nach Bulgarien 1341 soll er noch
mit eigenen Mitteln bestritten 72, das Leichenbegängnis des Kaisers ANDRONIK.OS 111.
bezahlP3 und die Flotte gegen die Türken teilweise ausgerüstet haben 74, 1347 ist er
nicht mehr in der Lage, eigene Mittel zur Verfügung zu stellen 76.
Dienst in der Gefolgschaft des Kaisers und Hausmacht gehören zu den äußeren
Lebensformen des Adeligen. Seine "geistige Physiognomie" ist damit noch nicht
erfaßt. Ist sie überhaupt zu erfassen 1 Bei anderen Adeligen seiner Zeit wie THEO-
DOROS SYNADENOS, SYRGIANNES, JOANNES ANGELos, bei den Mitgliedern der
Familie Asan ist diese Frage zu verneinen. So menschlich nahe wird uns auch
J OANNES KANTAKUZENOS nicht entgegentreten wie der Aristokrat KEKAuMENos
in seinem Strategikon. Der kaiserliche Apologet im Mönchsgewand nimmt in
seinem Geschichtswerk nie die Maske der Konvention vom Gesicht und urteilt
nie offen über Menschliches, Allzumenschliches. Es bleiben einige Streiflichter,
die auf den byzantinischen Adeligen ein Licht werfen.
Es fehlt weit, daß wir uns aus den Quellen ein befriedigendes Bild über die Per-
sönlichkeit der Mutter des J OANNES KANTAKUZENOS, THEODORA, machen könnten.
Einige wichtige Züge lassen sich von dieser Frau, vielleicht der Enkelin des großen
Generals ALEXIOS PHILANTHROPENOS76, doch festhalten. Zu Beginn des zweiten
Bürgerkriegs läßt ANDRONIK.OS 111. seine Gemahlin und THEODORA als seine
Stellvertreterinnen in Didymoteichos zurück 77. Die Worte, die J OANNES
KANTAKUZENOS dazu schreibt, erscheinen bezeichnend für die Stellung des
gebildeten Byzantiners zur Frau: "Sie (die Mutter des JOANNES) war auch er-
fahren in der Verwaltung der Staatsgeschäfte und besaß einen schärferen Ver-
stand als die weibliche Natur gewöhnlich. 78 " Für diese Hochachtung vor der
überragenden Einzelpersönlichkeit einer Frau bietet gerade das 14. Jh. viele
Beispiele. Ich erinnere an die Töchter des THEODOROS METOCHITES und NIKE-
PHOROS CHUMNOS, an die Tochter des JOANNES KANTAKuzENos, HELENA. Die
Verachtung der Frau, letztlich ein Erbe der Antike, tritt zurück 79 . Gerade in den
,sozial hochstehenden und gebildeten Schichten überwiegt deutlich die Hoch-
achtung und Anerkennung der Frau, wofür gerade die Stellung des J OANNES
KANTAKUZENOS ZU seiner Gemahlin IRENE das beste Beispiel ist. Erinnert sei
an die schönen Worte des Adeligen KEKAUMENOS in seinem Strategikon (Kap.
132): "Wer sein Weib zu Grabe tragen mußte, der hat die Hälfte und noch mehr
seines Lebens damit verloren, wenn es gut war." Es ist merkwürdig, daß in der
bisherigen Forschung viel zu allgemein von "der Frau" in Byzanz gesprochen
wurde. Die Unterschiede im sozialen Niveau sind bei der Betrachtung der Stellung
der Frau zu berücksichtigen 80.
Wir sehen die Mutter des J OANNES KANTAKUZENOS an den Gesprächen zwischen
dem Sohn und dem Kaiser teilnehmen 81 ; nach Gregoras war sie bei den geheimsten
Beratungen des Kaisers zugegen 82 • Ihre standhafte Haltung im Gefängnis ist
bewundernswürdig 83 • Der große Einfluß, den diese kluge, einflußreiche Politikerin
auf J OANNES KANTANKuZENOS ausübte, ist aus seinen bewundernden Schilderun-
gen sicher anzunehmen, aber nicht mehr im einzelnen faßbar, höchstens in der
religiösen Haltung des Adeligen zum Palamismus (vgl. Kap. XI).
Die Gestalt des Vaters des J OANNES KANTAKUZENOS bleibt für uns ganz im
Dunkeln. Wir kennen nicht einmal seinen Vornamen. Er starb als Statthalter auf
der Peloponnes, als JOANNES 21 Jahre alt war 8 4.. Es ist kein Zufall, daß wir nur
den Erzieher im Kriegshandwerk kennen, den Großstratopedarchen J OANNES
ANGELOS, als großer Feldherr vom Kantakuzenen gerühmt 8Ö • Die Erinnerung an
die große strategische Kunst der Römer ist noch in diesem spätbyzantinischen
Adel lebendig 86. Als große Vorbilder der Feldherrnkunst nennt JOANNES KANTA-
KUZENOS Scipio Mricanus, Pompeius magnus und Sulla. Den Adeligen J OANNES
ANGELOS hat J OANNES wiederum selbst im Kriegshandwerk erzogen, und der
Kantakuzene konnte in kritischer Situation auf seinen Dank rechnen 87. Feldherrn-
kunst wie Klugheit in der Diplomatie, von J OANNES KANTANKUZENOS immer
wieder bewiesen, ruht nicht nur auf persönlichen Gaben. Es ist alte Tradition des
byzantinischen Adels, die vom Vater auf den Sohn (wie bei dem byzantinischen
Aristokraten KEKAUMENos) und vom erfahrenen adeligen General auf die Ver-
wandten übergeht.
Das Kriegshandwerk im Dienst eines noch mächtigeren Gefolgsherrn, hier des
Mitkaisers MIOHAEL IX., dann des Kaisers ANDRONIKOS 111., bestimmt das Bild
dieses byzantinischen Adeligen J OANNES KANTAKUZENOS. "Er verstand es, eher
80 So betrachtet ist der Satz von L. BREmER La civilisation byzantine, Paris 1950, 11
verständlich: "Sans doute on est frappe de l'allure tres !ibre des imperatrices et des
princesses du sang a toutes les epoques." Die Rolle der adeligen Frau in der byz. Ge-
sellschaft betont mit Recht eH. DIEHL La societe byzantine, in: Etudes byzantines,
1905, 140.
81 Kant. I, 28: I, 137f.
89 Nik. Greg. XII, 13: 619, 3-8.
als Soldat und Kamerad als in der Rolle des Feldherrn die Strapazen mit zu
tragen 88 ." Seine Fähigkeit ist die Kriegskunst 89 . "Der Mann (JOANNES KANTA-
KUZENOS) war mit vielen Vorzügen ausgestattet, die die Natur gewährt und die
eine tiefe Einsicht in edler Weise lenkt und schmückt. Vom ganzen Heer wurde
er geliebt 90 ." Die Tapferkeit des JOANNES KANTAKUZENOS ist hervorragend 91.
Viele Kämpfe mutig durchstanden zu haben, ist der Stolz dieses byzantinischen
Adeligen. Nach einer unerwarteten Rettung vor einer türkischen Streifschar,
einer Rettung, die auch von seiner Klientel verherrlicht wurde, soll J OANNES
selbst gesagt haben: "Viele und große Kämpfe habe ich von früher Jugend an
durchstanden, aber noch nie bin ich in eine solche Gefahr gekommen 91l ." Den
gleichen Geist atmet das Wort des KEKAUMENOS (Kap. 127, vgl. 27): "Als Soldat
sei tapfer in der Schlacht, auch wenn es sterben heißt." Einer unerschütterlichen
Gesundheit rühmt sich der Adelige. Nur einmal war er kurz in der Jugend an
Fieber erkrankt. Erst als 53jähriger Mann holt er sich nach dem Kampf eine
Erkältung und darauf ein einjähriges Nervenfieber 93 .
Eine literarische Bildung tritt hinter diesem kriegerischen Bild des Adeligen in
den Hintergrund. Natürlich ist anzunehmen, daß JOANNES KANTAKuzENos, am
Kaiser hof aufgewachsen, wenigstens in die Kenntnisse eingeweiht wurde, die damals
zur "ly",v"'Äto~ nat~ela" gehörten. Er tadelt an dem Thronprädententen MICHAEL
KATHAROS ausdrücklich, diesen Bildungsgang nicht durchlaufen zu haben 94. Aber
selbst das Geschichtswerk des Kantakuzenen, ein Alterswerk in mönchischer
Muse geschrieben, enthält nur wenige Reminiszenzen an die klassische antike
Literatur. Dabei ist immer zu fragen, ob er die Werke, die er zitiert, selbst ge-
lesen hat oder ob er aus Exzerptensammlungen schöpft, etwa aus den Samm-
lungen seines Zeitgenossen MAKARIOS CHRYSOKEPHALOS. So zitiert er Appian 96
und Euripides 96 , ebenso eine Nachricht aus der Solonvita Plutarchs 97 und eine
Fabel Aesops98 ohne Namensnennung. Einzig der Name Homers ist im Geschichts-
werk einmal im Zusammenhang mit einer Redewendung genannt 99 . Weiter sind
dem adeligen Exkaiser und Mönch einige Mythen und Sprichwörter bekannt 100,
81 A. a. O. X, 44: 486.
82 Kant. I, 42: I, 207, 15-18.
88 Nik. Greg. XVI, 7: 835; Kant. IV, 10: III, 67. Die Datierung GUILLANDS von Br. 22
(1325-1330!) ist sehr fragwürdig. Hier wird von einer Krankheit des Jo. Kant. be-
richtet. Die Datierung des Briefes nach 1347 hätte weittragende Konsequenzen für die
Beurteilung des Verhältnisses zwischen beiden Männern.
84 Kant. I, 1: I, 14, 25f.
86 Kant. IV, 5: III, 33, 13 u. 14 = Appian bellum civile 4, 99.
88 Kant. I, 4: I, 24, 23 = Euripides Hekuba V. 606/7.
87 Kant. IV, 13: In, 86, 23f.: Plutarch vita Solonis Kap. 20.
88 Kant. IH, 57: II, 351, 5 = Aesop fabula Nr. 155 (ed. HAusRATH). Woher stammt
die Fabel vom weissagenden Sperling (Kant. IH, 59: H, 367) ? Ich finde sie weder bei
Aesop, noch bei Phaedrus u. Babrius.
89 Kant. I, 2: I, 18, 7: vgl. z. B. Odyssee X, 379.
100 Kant. I1, 19: I, 417, 14f.: Athene als Schiedsrichterin (kannte Jo. Kant. Aischylos
16 JOANNES KANTAKUZENOS
I
ALS ADELIGER
außerdem wohl der Pestbericht des Thukydides 101 • Die JOANNES KANTAKUZENOS-
J OASAPH zugeschriebene Paraphrase des Heliodor zur Nikomachischen Ethik,
die aus dem Rahmen seiner theologischen Werke fallen würde, stammt gewiß
nicht vom Exkaiser. Wichtig ist, daß sich der Adelige als Mönch mit dem Werk
befaßt hat und im Jahre 1366 eine Abschrift auf eigene Kosten anfertigen
ließ 102. Die anderen bekannten Codices, die der Exkaiser an Klöster stiftete,
enthalten theologische Werke 103. Es ist wohl nicht zufällig, daß der Kopist
MANUEL TZYKANDYLES, der J OANNES KANTAKUZENOS, DEMETRIOS KYDONES
und NIKOLAOS KABASILAS nahe steht, nicht nur die theologischen Schriften des
P ALAMAS und des Mönches J OANNES-KANTAKUZENOS-J OASAPH abschreibt,
sondern u. a. auch die Parallelviten Plutarchs, die auch der Exkaiser in seinem
Geschichtswerk zitiert. Die Sprache des Geschichtswerks des Adeligen und Ex-
kaisers ist schmucklos, ohne die Kunstgriffe und die Überladenheit byzantinischer
Rhetorik, obwohl die Rede nach alter Tradition einen breiten Raum einnimmt.
Ohne Zweifel stammen die in den umfangreichen, unedierten theologischen
Werken ausgebreiteten Kenntnisse, die die "weltliche" Literatur fast nie bei-
ziehen, erst aus der Mönchszeit. Zudem ist bei vielen Väterzitaten im einzelnen
zu prüfen, inwieweit palamitische Florilegien ausgeschöpft wurden. Die Gegner
sprechen offen aus, daß JOANNES KANTAKUZENOS zwar etwas von der Feldherrn-
kunst und vom Herrschen verstünde. Von der Theologie, die er nicht gelernt hat,
soll er die Hände lassen 104.
Dieser Adelige ist aufgeschlossen für die geistigen Fragen seiner Zeit mehr als
der Aristokrat KEKAUMENos im 11. Jh., dem es bei der Lektüre, die er seinem
Sohn empfiehlt, vor allem auf praktische Lebensweisheit ankommt (Kap. 54).
J OANNES KANTAKUZENOS hat den mit westlicher Philosophie vertrauten Mönch
BARLAAM in seine Klientel aufgenommen und sich von ihm unterrichten lassen.
GREGORAS behauptet in diesem Zusammenhang, der Kantakuzene sei ein Biblio-
Eum. 68lf. 1). Kant. IV, 24: UI, 175, 22f. (Mythos vom Atlas). Kant. IU, 75: 469, 5 =
Diogenian Nr. 61 (LEUTSCH-SCHNEIDEWIN Corpus Paroemiographorum Graecorum U,
10); Gregorios Cyprios a. a. O. S. 85 (unter Nr. 98).
101 Kant. IV, 8. Vgl. J. DRÄSEKE Thukydides' Pestbericht (U, 47-53) und dessen Fort-
leben, in: Jahresber. philol. Ver., Berlin 40 (1914) 181-189. 8 Beziehungen zu Thuky-
dides bei Jo. Kant.
102 Siehe die in der praefatio zur Edition der Paraphrase Heliodors (Commentaria in
Aristotelem Graeca XIX, 2 ed. HEYLBUT pag. V u. VI) abgedruckte subscriptio des
Cod. Laur. 80, 3; sie erscheint öfter in den Hss., die alle auf das Exemplar des Ex-
kaisers zurückgehen. Dazu jetzt ausführlich D. M. NICOL A paraphrase of the Nico-
machean Ethics attributed to the emperor John VI. Cantacuzene, BS 29 (1968) 1-16.
103 Vgl. L. POLITIS in REB 14 (1956) 198/9.
104 Mahnrede an Jo. Kant. in Cod. Vat. 1111 pars IV fol. 235vo/236: el P.fw yae f]
a"bpu; :neel ßaatÄt"wv :neayp.u:r:wv 7j 0rJp.oa{wv xerJp.arwv otot,,~aew~ 7j :noeov dveveeaew~ "ai
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ro "oLVfi avp.qJeeov rovrot~ xerJp.aitaOe{rJ, 7j [ree' ärra rotavra ep.eÄeraro, rax'äv it~ :noeew
p.ep.tpew~ EarLV aot p.ovcp ro rfj~ a"etpew~ "iieo~ :neoaavaOep.evo~, öre o-Y} roi~ rOtovrot~ 8vrJa"fjaOat
OO"OVVit. ooyp.arwv p.8vrOt aaqJ~vetav "al :naeaooaLV ovaeqJ{"rwv ovrw "alovaeep.rJvevrwv, p.-Y} ört
roi~ eaxoÄa"oatv "ara ae :neet äÄÄa, dÄÄa "al avroi~ roi~ ß{ov "at äa"rJatv ra rotavra :ne:notrJ-
P.8vot~, ovre it~ äÄÄo~ - eV taOt - rwv oeOw~ "e{veLV elOorwv Oaee~aetev äv aot :nw:nore, our' avrol
:noÄÄql p.aÄÄov f]p.ei~.
DAS SELBSfVERSTÄNDNIS DES ADELS 17
phile gewesen 105. Dieses Urteil bestätigt DEMETRIOS KYDONES für die Kaiserzeit
des JOANNES 106 • Von Jugend an besaß der Aristokrat Kontakt mit Männern aus
dem Westen. Der Genuese JUAN DE SPINOLA war sein cplAOC; aexaioc;107. JOANNES
hat wohl einigermaßen die italienische (lateinische?) Sprache beherrscht, vielleicht
sogar Türkisch gesprochen 108.
Eine zufällig überlieferte Begebenheit offenbart einen liebenswürdigen Zug, sich
um kleine ästhetische Fragen zu kümmern: Durch ein eigenes Handschreiben
ließ er den Balkon am Zimmer des Charsianitenklosters, in das er einzuziehen
gedachte, erweitern, den Raum neu verputzen und grün anstreichen 109. Die
kleinen Streiflichter, die auf die Religiosität dieses Adeligen fallen, geben ein
undeutliches Bild. KEKAUMENOS hatte im 11. Jh. vor der Wahrsagerei gewarnt
(Kap. 141). Die Kritiklosigkeit, mit der KANTAKuzENos Prodigien llO , Träume 111
und Wahrsagungen meist als Propaganda für seine kaiserliche Legitimation
erzählt, ist auffallend. J OANNES muß sich gegen den Vorwurf seines Gegners
GREGORAS wehren, er habe auf dem Athos um eine Prophezeihung (für sein
künftiges Kaisertum) nachgesucht 112 •
K. BosL hat "körperliche Tüchtigkeit" als "selbstverständlichen Bestandteil
des adeligen Mannesideals" im westlichen hohen Mittelalter bezeichnet 113.
"Draufgängertum und ungebändigte Vitalität, aber auch die auf seelisch-geistige
Einstellung gerichtete Tapferkeit, Mut, Kühnheit, Unerschrockenheit, Ausdauer,
Beständigkeit, Vorsicht, kluges Ratfinden in Gefahr gehören dazu. Wesentlich
für das adelige Leitbild und charakteristisch zugleich ist die constantia, der Ab-
scheu vor dem Schwanken, der Schwachheit gegenüber allen Einflüssen, die
Abneigung gegen Neuerung und Wechsel". Fast alle diese westlichen Leitbilder
können wir in den vielfältigen Enkomien, ob im Gedicht, im Brief oder im neO(]-
cpw'V'YJTtUOC; A6yoc; an den byzantinischen Adeligen wiederfinden und zwar aus der
Zeit, in der er das Großdomestikat bekleidete. Die Ähnlichkeit der Leitbilder
im Westen und in Byzanz hat wohl nicht ihren Grund in einer gemeinsam antiken
Wurzel, aus der sich ein "Tugendsystem" entwickelt hat, so sehr in beiden Kultur-
kreisen heidnische wie christliche Gedanken als Erbe aufgenommen werden 114.
CURTIUS Europäische Literatur und Lateinisches MA, MünchenS 1961, 506-21 ge-
wandt im Exkurs: "Das ritterliche Tugendsystem" . Dagegen F. MAURER Das ritter-
liche Tugendsystem, in: Dichtung und Sprache des MA, Bern u. Mü. 1963, 23ff. S. 33:
"Aber trotz aller Freiheit hat es das ritter!. "Tugendsystem" auch als "System" ge-
geben, nicht nur dem Inhalte nach als freie Gruppierung einer Anzahl sich überall
findender Werte ... "
11& Kant. I, 43: I, 213, 8-14.
Ir. gesagt 119. Auch die Rednergabe ist J OANNES KANTAKUZENOS nach Meinung
der Lobredner angeboren.
Natürlich werden auch am byzantinischen Adeligen körperliche Schönheit und
Tüchtigkeit gerühmt, ein. alter Bestandteil des ßa(]f,Al'}(,o~ A6yo~120. Daneben
stehen die übrigen Eigenschaften wie Mut, Tapferkeit, taktisches Können usw.,
die den Großdomestikos zum vollendeten Feldherrn machen 121. Vielleicht gehört
es zu einem Unterscheidungsmerkmal zwischen byzantinischem und westlichem
Adelsideal, daß die constantia, die Abneigung gegen Neuerung und Wechsel, im
Leitbild nicht stark hervortritt. Gewiß, die Versicherung, daß der Aristokrat
zu seinem Wort steht, die Menschen durchschaut, nur die Wahrheit, aber keine
Lüge kennt, findet sich auch hier 122. Aber in den Enkomien an JOANNES KANTA-
KUZENOS ist dabei die constantia weniger als Lebensideal, sondern als soziales
Verhalten vor allem gegen seine cplAOl verstanden.
Dem unten noch näher zu charakterisierenden Zweck der Enkomien als Ausdruck
des Klientelverhältnisses entspricht es, daß der byzantinische Adelige immer wie-
der an sein enges Verhältnis zu seinen cplAOl, an seine Milde und Freigebigkeit,
mit einem Wort: an seine cplAav()(!())'llla erinnert wird 123 - ein Bestandteil auch
des westlichen mittelalterlichen Adelsideals l24 • Der Adelige soll also die Eigen-
schaft besitzen, die eine Kardinaltugend des Kaisers ist 126. Nicht weniger als
der Kaiser 126 wird auch der Adelige J OANNES KANTAKUZENOS wie ArOKAUKOS
und THEoDoRos METocHITEs als Förderer und Freund der Wissenschaften ge-
priesen. Durch diese hochgestellten Herren empfangen sie neues Leben 127. Wichtig
ist, daß die Größe des Reichtums nie für sich allein als Besitz des Adeligen gerühmt
wird, sondern nur die daraus entspringenden Wohltaten. Der Adelige ist - wie
der Kaiser - unentbehrlicher Schirmer und Bewahrer des Staates. Dabei wird
durchaus nicht immer betont, daß er sein Amt als Untergebener des Kaisers
ausübt 128. J OANNES KANTAKUZENOS ist - gleich dem Kaiser - v6flO~ lfl1pvxo~ für
seine eigenes Haus und für "sämtliche Bewohner der Städte 129". Das alte helle-
nistische Prädikat für den König als Heilsbringer, (]WT1Je, wird auch JOANNES
KANTAKUZENOS als Großdomestikos verliehen. Die Soldaten sehen in ihm den
(]w-rne 130 • Auch die oft auf den byzantinischen Kaiser bezogene Lichtsymbolik
wird unbedenklich auf den Adeligen angewendet1 31 • KANTAKUZENOS bekommt
wie der Kaiser göttliche Prädikate (Ocior;) verliehen. Freilich geschieht dies
selten 132. Selbst in diesem Punkt rückt so der Adelige in der Anrede in die Nähe
des Kaisers.
Der Grund, daß sich die Grenzen zwischen der Anrede an den Kaiser und an den
Adeligen verwischen, scheint weniger im Charakter der literarischen Genera zu
liegen 133 als in der sozialen Stellung des Adeligen. Von seinem Reichtum und
seinem Einfluß kann sich der Literat genausoviel, wenn nicht mehr erwarten wie
vom Kaiser, der dauernd in Geldschwierigkeiten ist. Der reale Einfluß des Ade-
ligen auf die Politik erscheint fast gleichbedeutend neben dem kaiserlichen
Befehl. J OANNES KANTAKUZENOS ist Geldgeber des Kaisers, Führer einer mächti-
gen Gefolgschaft. Von der Stellung des Adeligen in der Gesellschaft betrachtet,
einer Stellung, die ihren Ausdruck in der Anrede an den Aristokraten findet,
erscheint der Übergang vom Adeligen zur kaiserlichen Würde gering. Die Dar-
stellung der Entwicklung der Gefolgschaft wird zeigen, daß die Schwierigkeiten
für diese Erhebung bei J OANNES KANTAKUZENOS an anderen Punkten lagen.
Es ist durchaus möglich, etwa vom bayerischen Adel in der Barockzeit gewisse
Züge festzulegen, die auf viele Mitglieder dieses Standes zutreffen. Ob dies beim
byzantinischen Adel gelingt, ist erst zu entscheiden, wenn noch eine größere
Zahl von Einzeluntersuchungen über bestimmte Familien und Persönlichkeiten
vorliegen. Ich habe hier nur versucht, eine Einzelgestalt weniger als individuelle
Persönlichkeit, sondern als Vertreter eines Standes zu kennzeichnen.
Kant. für das Reich wic.htig. Magistros Prosphonema (LENZ) 70: fJp.iv <5e GcfJCeL~ Td~
nOAeL~.
120 Nik. Greg. Br. 22 (GUILLAND) = BEZDEKI 315, 20. Zum Gedanken vgl. H. HUNGER
Prooimion, Wien 1964, 117-122.
180 MICHAEL GABRAS Br. 365 Cod. Marc. 446 fol. 241: ~v <5ij vrJGTeVWV öGa <5~noTe
vrJGTeVeL~. ov yde Toiho vn6(Jef1L~ Toi~ yeap.p.aGLV, eneLTa Toi~ fJp.eTeeOL~ el~ 'l'(1~LV dTeXvw~
GWTi}eo~ eVee(Jel~ "al dAe~l"a"o~ a'ljToi~ yeyevrJp.bo~ enl TWV neayp.aTwv ... Br. 382 fol.
257 wird J o. Kant. als eveeyeTrJ~ und GWT~e bezeichnet. Nik. Greg. XI, 9: 552, 19.
181 Jo. Kant. als Sonne, die alle erwärmt: Anonymus Florentinus Br. 2 fol. 341.
Philes (MILLER) I, 143f. Z. 463 u. 477: Jo. Kant. als AVXVO~, rpw~, ijALO~. Zum Sonnen-
vergleich : BACHMANN - DÖLGER Rede 381 zu Z. 21.
182 MICHAEL GABRAS Br. 403 (Cod. Marc. 446 fol. 268vO). Zum Kaiser als Abbild
134 Vgl. die Zusammenstellung bei SP. VRYONIS The will of a provincial magnate
Eustathius Boilas, DOP II (1957) 263f.
136 L. PETIT Le monastere de Notre-Dame de pitie en Macedoine. Extrait du "Bulletin
Version ed. M.-H. FOURMY - M. LEROY, B 9 (1934) 113, die Zahl 48 für die Einzel.
höfe an.
137 V gl. die Schenkung des GEORGIOS MELISSENOS an Lembos MM IV 266/7.
1811 Die Zahlen vom Jahre 1961 in: Economic and Social Atlas of Greece, Athen 1964,
vor allem die Karten 319-323.
UD W. ABEL Geschichte der deutschen Landwirtschaft vom frühen Mittelalter bis
zum 19. Jh., Stuttgart 1962, 98.
ll. Die Gefolgschaft des Joannes Kantakuzenos
unter den Kaisern Andronikos ll. und ill.
168 Prodromos (GUILLOU) 35, 19 u. 67; 9, 19; 10, 21. Vgl. Xeropotamu (BoMPAIRE)
99/100.
169 P ARISOT CantacuzEme 40. BoscH Andronikos IH. 16 geht zu wenig auf die innere
Struktur des Zusammenschlusses ein.
180 R. GUILLAND Alexios Apokaukos, in: Revue du Lyonnais 1921, 523-541; vgl. ders.
Nik. Greg. Correspondance, 299-301; ders., Les chefs de la marine byzantine ... BZ 44
(1951) 232 = Recherches I, 550.
181 Kant. IH, 14: H, 89, 2; Nik. Greg. XH, 2: 577,20. Vgl. Kant. I, 4: I, 25, 4f.
182 Kant. IH, 14: H, 89, 5.
188 Kant. IH, 18: H, 112, 19 f.
184 Zu dem Mitarbeiterstab der Steuereinnehmer: F. DÖLGER Beiträge zur Finanzver-
waltung, Darmstadt ll 1960, 77. MAKRENOS wird von J o. Kant. als ein Mann bezeichnet,
"der von gewissen Bauern Geld eintrieb": Kant. IH, 46: H, 279, 1 f. Vielleicht ist
daraus zu schließen, daß MAKRENOS selbst nur eine untergeordnete Funktion innehatte.
26 DIE GEFOLGSOHAFT UNTER ANDRONIKOS U. UND ur.
KOS (1316) Gouverneur auf der Peloponnes wurde 165 ? Jedenfalls quittierte er auch
diesen Dienst und trat "dann" bei zwei Beamten in Stellung, nach J OANNES
KANTAKUZENOS bei dem "Archon" NIKOLAOS und bei STRATEGOS, Domestikos
der westlichen Themata. Diese beiden Beamten werden mit dem ~opia7:tuor;
TW'V ~VTtuw'V OBflaTw'V STEPHANOS (Georgios?) STRATEGOS und NIKOLAOS THEOLO-
GITES gleichzusetzen sein, die 1312 und 1317 auftreten, 1317 ausdrücklich mit
der Steuerverwaltung des Themas Boleros, Mosynopolis, Serrai und Strymon
betraut 166. Durch das Versprechen, das Doppelte an Steuern als STRATEGOS
herauszuschlagen, soll APOKAUKOS den Kaiser ANDRONIKOS 11. bewogen haben,
ihm die Verwaltung der Salinen (nur dieser?) zu überlassen. Er bekommt die
Stellung eines ~ofleaTtUOr; TW'V ~VTtuw'V OBflaTW'V 167. In solcher Funktion wird er 1320
in das Triumvirat aufgenommen. J OANNES KANTAKUZENOS versucht nun, das
Zustandekommen dieser Verbindung so darzustellen, als sei die Initiative zu
diesem Schritt allein von APOKAUKOS ausgegangen aus Furcht vor drohender
Schuldhaft. APOKAUKOS war cptJ..or; des SYRGIANNES 168, der den Emporkömmling
dem JOANNES KANTAKUZENOS empfiehlt. Dieser bringt ihn dem Thronanwärter
nah (7r:(!OaOlUBlwaar; Ti(> ßaalABi) 169. Doch diese Darstellung versucht offensichtlich,
die Vorgänge zu beschönigen. Das Triumvirat hätte gewiß nicht diesen gefähr-
lichen Mitwisser eingeweiht, wenn er nicht dringend benötigt worden wäre.
Wozu, das sagen die Worte des SYRGIANNES ganz deutlich, die JOANNES KANTA-
KUZENOS ihm in den Mund legt: "Apokaukos ist nicht nur gut zum Eintreiben
der Steuern geeignet, sondern ist auch reich an Geldmitteln, womit er sich gerade
in Kriegszeiten als nützlich erweisen wird 170." Der adelige Dreierbund brauchte
einen finanzkräftigen Bankier und war so gezwungen, den unsympathischen
Emporkömmling aufzunehmen. Dies mag auch der Grund gewesen sein, weshalb
SYRGIANNES ihn in den Kreis seiner cplAOl aufnahm. Schienen die Mittel des JOAN-
NES KANTAKUZENOS und des SYNADENOS für den kommenden Krieg nicht aus-
reichend? APOKAUKOS wird Tafllar; TW'V ßaC1lAluw'V X(!'YJflaTw'Vl71. Die Adeligen der
politischen Verschwörung suchen den Abstand zu dem sozial tiefer Stehenden zu
wahren, indem sie ihn nicht an der ßovAf] teilnehmen lassen 172. Der Neuling muß
seine Meinung dem SYRGIANNES mitteilen. Die niedere Herkunft wird von J 0-
ANNES KANTAKUZENOS, aber auch von NIKEPHOROS GREGORAS immer wieder
abfällig betont; sie soll den Anstoß des Kaisers ANDRONIKOS 11. beim Zustande-
kommen des Vertrages von Rhegion im Juni 1321 erregt haben, als APOKAUKOS
als Gesandter auftrat173 •
Beim Zustandekommen des Triumvirats hat die Suche nach Geldquellen die
sozialen Vorurteile zurücktreten lassen, die bei diesen Vorgängen als Element des
sozialen Denkens in der byzantinischen Gesellschaft klar in Erscheinung treten.
178 Kant. I, 23: I, 116, 20f. Vgl. Reg. 2660 und BOSOR Andronikos III. 24f.
DIE GEFO~GSCHAFT IM APRIL 1321 27
nanzressorts, sicher nicht ganz ohne eigennützige Hintergedanken. Wie der adelige
Kantakuzene, so stärkt auch ArOKAUKOS seine Hausmacht. Durch Heiraten ge-
winnt er Verbindung zu den sozial höher stehenden Familien: In erster Ehe ist er
mit einer Tochter eines Dishypatos verheiratet, der zum Klerus der Hagia Sophia
gehörte, in zweiter Ehe mit einer Kusine des späteren Großstratopedarchen
GEORGIOS CHUMNOS. Er konnte diese Verbindung nur eingehen, als "er bereits be- '
rühmt war und den adeligen Kreisen ebenbürtig" (fj~'Y) J..ap:l'l(!or; Wp "at #~ dna~l
oV/-lspor; n(!Or; rwp svyspsare(!wp )180. Dieser Satz aus der Feder des adeligen
Kantakuzenen ist ein weiterer Beleg für das Standesdenken des Adels in der
byzantinischen Gesellschaft, in der es eine Art von "Ebenbürtigkeit" bereits gab.
Die Teilung der Finanzverwaltung konnte nicht verhindern, daß "viele ihm
dienten" 181. ArOKAUKOS erregt zwar öfters den Unwillen des Kaisers, aber gerade
JOANNES KANTAKUZENOS schützt ihn vor der Gefangennahme und vor der Kon-
fiskation seiner Reichtümer. Dies berichtet nicht nur der Kantakuzene selbst,
sondern sogar noch ausführlicher NIKEPHOROS GREGORAS 18 2. Der Großdomestikos
hat auch merkwürdigerweise, trotz des Drängens des Kaisers, nicht verhindert,
daß APOKAUKOS am Meer vor den Toren der Hauptstadt eine feste Burg errichtete,
die das Staunen der Zeitgenossen erregte 183. Sie war auf Belagerung eingerichtet.
Hier war der Sitz seiner Gefolgschaft, seiner avyysps'ir; und ol"storarot 184,. Es
liefen die wildesten Gerüchte über ArOKAUKOS um. GREGORAS berichtet, ohne
Zweifel anzumelden, der Emporkömmling habe "oft" geplant, den Kaiser und
JOANNES KANTAKuzENos zu beseitigen 186 • Die Erklärung des NIKEPHOROS GRE-
GORAS genügt nicht, die Schonung des ALExIOS APOKAUKOS durch den mächtigen
Kantakuzenen mit dessen "Milde und Sanftmut" zu entschuldigen. Besaßen der
Großdomestikos und der Kaiser nicht mehr genügend Stärke, der Hausmacht des
APoKAUKOS entgegenzutreten 1 Es ist nicht ausgeschlossen, daß J OANNES KANTA-
KUZENOS den Emporkömmling als künftigen Parteigänger schützte. Er hat ihm
noch im Frühjahr 1340 den Oberbefehl der Flotte gegen die Türken verschafft 186 •
Eine befriedigende Aufklärung der letzten Beweggründe der Haltung des Groß- .
domestikos wird wohl nie mehr zu erreichen sein.
Die dem Kaiser ANDRONIKOS 111. von SYRGIANNES gegebene Versprechung Ende
1320 war schnell vergessen. Er schließt sich wieder dem alten Kaiser an 187. Als
beide Kaiser durch den Vertrag von Epibatai Ende Juli 1322 Frieden schließen 188,
wird die Lage des politischen Abenteurers sehr unsicher. Es ging das Gerücht,
der junge Kaiser habe von seinem Großvater dauernde Kerkerhaft des SYRGIAN-
NES gefordert. Das Gerede, ob wahr oder nicht, kennzeichnet die unsichere Stel-
lung des Adeligen. Er bringt wohl bald nach dem Vertrag von Epibatai eine "Ver-,
MARIA-RITA) TOV Ev(!yu1.vvrJV eV()v~ Tf}V bUT(!On~V Tij~ eeaaaÄovt'X'YJ~ T'YJvt'XaiiT:a &eCwapi:vov.
Unrichtig die Deutung von BosaR Andronikos ill. 92: "Sie (d. h. Rita-Maria-
Xene) setzt Syrgiannes als Erben ein und gibt ihm Thessalonike als eigenen Herr-
schaftsbereich. " Die Darstellung von BosaR beruht auf einer Fehldeutung der
Versuche der Kaiserinwitwe, eine Schutztruppe um sich zu bilden. So ist hier auch
nicht von einem dritten Lösungsversuch der Stadt Thessalonike vom Reich die Rede.
192 Reg. 2755.
198 Nik. Greg. IX, 10: 440, 2lf.
184 Nik. Greg. X, 5: 488, 24f.
196 Kant. II, 22: I, 436, 18f.
196 a. a. O. 437, 9f. 439, 20f.
197 BosaR Andronikos II!. 93-96.
Seit 1321 bis zum Tod des Kaisers ANDRoNIKos 111. im Jahre 1341 tritt die Ge-
folgschaft des J OANNES KANTAKUZENOS nicht mehr als geschlossene Personen-
gruppe in Erscheinung. Wir dürfen sie als einen Bestandteil des Heeres des
ANDRONIKOS im Bürgerkrieg vermuten und unter ihr die q;lAOt suchen, die von
der Hauptstadt aus die Absichten des kaiserlichen Großvaters nach Didymotei-
chos melden 199 • Aber über Vermutungen gehen unsere Kenntnisse nicht hinaus.
Dies hat seinen Grund im Charakter der erzählenden Quellen, die meist nur das
Außerordentliche, das Neue berichten. Der Großdomestikos konnte in der Zeit
bis 1341, in der höchsten Gunst des Kaisers stehend, ungestört und in der Stille
seine Gefolgschaft erweitern und festigen.
Es fällt auf, daß J OANNES KANTAKuzENos keine verwandtschaftlichen Bindungen
zu den Mitgliedern des Triumvirats durch Heirat seiner Kinder angestrebt hat.
Von den vor 1341 eingegangenen Ehebindungen waren in der Folgezeit nur die
vor 1321 geschlossene Ehe des Kantakuzenen mit IRENE ASAN 200, die Ehe seiner
Tochter MAmA mit dem jungen NIKEPHOROS ORSINI 20 1 und die Verlobung MA-
NUELS KANTAKUZENOS mit der Tochter GUYS von Armenien 202 von sichtbarer
politischer Bedeutung. Durch IRENE gewinnt J OANNES nicht nur eine tatkräftige
Lebensgefährtin auch in den politischen Kämpfen, sondern durch ihre Hilfe auch
ihre beiden Brüder als treue Parteigänger nach 1341. Auch NIKEPHOROS ORSINI
bleibt dem Adeligen bis 1354 treu.
In die Zeit der Regierung des Kaisers ANDRONIKOS III. sind die Bemühungen des
JOANNES KANTAKuzENos zu setzen, auf lange Sicht eine ihm ergebene Gefolg-
schaft, zugleich eine Elitegruppe mit besonderen Fähigkeiten aufzubauen.
Wir besitzen zwei Berichte:
Dem Adeligen fiel ein fl8t(2a:XtDf; namens APELMENES, der aus den Niederschichten
stammte (B'X flt'X(2oV 'Xat TOV TvX6'PTOf;) , durch seine guten Anlagen auf 203 • Der
Großdomestikos ließ den Jüngling sorgfältig in Wissenschaft und Kriegswesen er-
ziehen. Er rechnet ihn zu den ol'XBTat. In der Gunst des Adeligen gelangt APEL-
MENES zu Ansehen und Reichtum. Eine weitere Nachricht über diesen Mann be-
sitzen wir, wenn der bei der Flucht der Anhänger des Großdomestikos im Oktober
1341 als Anführer auftretende APELMENES, der damals zu den Vertrautesten des
Großdomestikos zählte 204, mit dem geförderten Jüngling gleichzusetzen ist. Die
Bemühungen um APELMENES hatten keinen Erfolg: In der großen Krise im Som-
mer 1342 fällt er von J OANNES KANTAKuzENos ab. J OANNES wirft ihm vor, die Güte
(8vflB'P8ta) seines Herrn durch Treulosigkeit mit Undank vergolten zu haben.
wollen, wie BoscR a. a. O. 185 andeutet, ist sehr bedenklich. Dies rührt an die Grund-
satzfrage, ob der Historiker an die politischen Vorgänge überhaupt derartige Maßstäbe
anlegen darf.
100 Kant. I, 42: I, 208, 6; vgl. I, 51: I, 255, 4f. I, 24: I, 119, 18 und 122, 18 (über
SYRGIANNES).
zoo Kant. I, 4: I, 24, 7 spricht schon im Herbst 1321 von seiner Gattin, die er in Kalli-
polis zurückläßt.
201 Kant. III, 32: 11, 195,6. Zu seiner Vorgeschichte: OSTROGORSKY Geschichte 418f.
202 MANUEL heiratete ISABELLA nach 1348 trotz der Feindschaft GUYs gegen Jo.
Kant.: BINoN Guy 136/7.
203 Kant. III, 40: II, 247, 3f.
204 Kant. III, 22: 11, 138, 8f. Sicher ist dieser AI'ELMENES nicht identisch mit AI'EL-
MENES, der von MOMcILo gefangen wird (Kant. III, 70: II, 432, 1).
KALEKAS· UND APELMENES 31
Viel wichtiger erscheint der Aufstieg des Patriarchen JOANNES XIV. KALEKAS.
Auch er entstammt den Niederschichten (s~ Ctaf}flwv) aus der Provinzstadt
Apros 206. Wie APOKAUKOS kommt er also aus der Provinz. Sein Talent fällt
JOANNES KANTAKUZENOS auf und er gliedert ihn seinen olxeiol ein (evsyempe
Toi~ olxelol~). Er wird eine Art Hauskaplan des Großdomestikos, findet dann
im Palastklerus Aufnahme und die Klugheit des J OANNES KANTAKUZENOS weiß
schließlich alle kanoIDschen Hindernisse aus dem Wege zu räumen und ihn auf den
Patriarchenstuhl zu bringen (1334). Die Bemühungen, an höchster kirchlicher
Stelle sich einen Gefolgsmann zu sichern, waren auch in diesem Fall ohne Erfolg:
Der Patriarch wird ein Hauptgegner des Adeligen nach dem Tod des Kaisers
ANDRoNIKos 111.
105 Kaut. II, 21: I, 432, 3. Vgl. J. GOUILLARD Art. CaIecas (Jean XIV) DHGE XI
Die den Bürgerkrieg vorbereitende Periode, vom Tod des Kaisers ANDRONIKOS III.
am 15.6.1341 bis zum Auszug der Gefolgschaft des JOANNES KANTAKuzENos am
16. Oktober dauernd, begann mit einer politischen Demonstration: 500 Mann,
"Kaiserliche" (ßaatAluol) und OlUelOl des Großdomestikos, hielten neun Tage
lang nach dem frühen Tod des Kaisers den Palast besetzt. Leider wissen wir den
Anteil nicht, den die Gruppe des Kantakuzenen an dieser, im Vergleich zur Stärke
des politischen Stoßtrupps im Jahre 1321 sehr starken Mannschaft ausmachte 206 •
Diese "Kaiserlichen" waren Angehörige der Armee, die ANDRONIKOS 111. beson-
ders treu ergeben waren 207, die erwähnten OlUelOl waren treue olub:al des
Großdomestikos 208. Dieser zeigte so unmißverständlich, daß er durch seine Ge-
folgschaft die Macht des Staates in den Händen hatte, daß er das Heer als sein
eigenes Machtinstrument benutzte. Er beschreibt seine Gefolgschaft in der Haupt-
stadt durch eine fingierte Rede des JOANNES K.ALEKAs: Es sind die "Freunde"
(cplAOl) und eine "große Dienerschaft" (noAA~ ()eeanela) 209. Zu diesem festen
Bestand werden die Mitglieder der sozial gehobenen Schichten (evyeyeaUeOl)
durch "Geschenke und Wohltaten" (~weeal und eveeyealal) und das Heer durch
Geldspenden hinzugewonnen.
Gerade diese "Unentschiedenen" galt es in der Vorphase des Bürgerkrieges zur
Parteinahme zu bewegen. Diese Gruppe, vor allem die Gouverneure der Provinz,
bringen sich selbst in Erinnerung und verlangen vom Großdomestikos Mitsprache-
recht bei künftigen Entscheidungen. Eine endgültige Parteinahme ist dadurch
noch nicht ausgesprochen 210. Einzelne Vornehme begnügten sich damit, dem
Großdomestikos gegenüber ihre Abneigung offen zu zeigen, wie z. B. GEORGIOS
ÜHUMNOS, der leider erst im Jahre 1341 ins Licht der Geschichte tritt 211. Politisches
Gewicht gewannen erst die Aktionen des ALEXIOS APOKAUKOS und des Patriarchen
JOANNES KALEKAs. Die irateela avyuA'Yj7:tu(iw, die der Patriarch um sich sam-
melt, war nicht fähig, machtvoll gegen den Großdomestikos aufzutreten (vgl.
Kap. IX). APOKAUKOS versucht zuerst mit einem Handstreich, die Lage für sich
zu klären und das Kind J OANNES, den Sohn des verstorbenen Kaisers, als Faust-
pfand auf seiner Zwingburg Epibates zu internieren 212. Einer der Mitwisser verrät
den Plan, der dadurch mißlingt. Es wäre wichtig, zu wissen, ob die "Mittäter"
(avyeauevau6re~) an diesem Plan nur die avyyeye;;~ und oluel6rarol des
1106 Kant. III, 1: II, 14, 10f. Nik. Greg. XII, 2: 576/7 spricht nur davon, daß Jo. Kant.
eine ~oevrpoela aufgestellt hat, um den Palast nach allen Seiten hin zu schützen.
1107 Kant. II, 40: 1,560, 9f.: ... of)~ /-U1.Atara fjOet eVvovardrov~ np paatAei, ~al rwv ol~e.wv
rov~ :nta.o.d.ov~ .wv Mlwv ...
208 Vgl. die beiden Nachrichten des Jo. Kant. in A. 206 u. 207.
1109 Kant. III, 21: 11, 132, 10f.
1110 Kant. III, 11: II, 77/8. Von der Gesandtschaft der Provinzkommandeure nehmen
nur J OANNES ANGELOS und ALEXIOS TZAMrLAKON dauernd im Bürgerkrieg für J o.
Kant. Partei.
1111 Kant. III, 2: II, 20f. VERPEAUX Notes 261 Nr. 18.
1112 Karrt.III, 10: II, 71.
GRUPPENBILDUNG UM APOKAUKOS 33
APOKAUKOS waren, die auf der Zwingburg saßen 1113. Wahrscheinlich ist, daß APo-
KAUKOS diesen raschen Handstreich mit seiner engeren Gefolgschaft durchzu-
führen suchte und damals die "Unentschiedenen" noch nicht heranzog. Die starke
Position des politischen Emporkömmlings, der in seinen Burgen eine gesicherte
Ausgangsbasis besaß, wird· dadurch deutlich, daß der Großdomestikos gegen ihn
nichts Entscheidendes unternehmen kann. Erst nach dem Fehlschlag des Hand-
streichs beginnt APOKAUKOS, systematisch die "Unentschiedenen" für sich zu ge-
winnen. Die Vorgänge haben große Ähnlichkeit mit der im vorigen Abschnitt be-
schriebenen Entstehung des Adelstriumvirats im November 1320.
Das Gefolge der Kaiserinwitwe ANNA, vor allem der Sohn der Hofdame ISABELLA,
wird beigezogen, die OLx,BilfJat der Kaiserin werden für Spionagedienst besto-
chen 2u . Der Großdrungar JOANNES GABALAS, der - aus einer sozial gehobenen
Familie stammend - 1341 zum ersten Mal wie GEORGIOS CHUMNOS in Erscheinung
tritt, soll aus Furcht vor dem Zorn des Großdomestikos wegen angeblichen Ver-
rats von APOKAUKOS für seine Partei gewonnen worden sein, also aus persönlichen
Gründen. GABALAS wurde bis zum Auszug der Anhänger des Großdomestikos im
Oktober 1341 zu den qJO.Ol des Adeligen gerechnet 216. APOKAUKOS bindet ihn an
sich, indem er ihm seine Tochter eidlich als Gattin verspricht 216 • Auch der oben
erwähnte GEORGIOS CHUMNOS, mit APOKAUKOS verschwägert, soll sich ebenfalls
aus Furcht vor der Rache des Kantakuzenen seinem Verwandten angeschlossen
haben 217. Haben beide Männer nur aus persönlichen Gründen sich der Gruppe ge-
gen den Großdomestikos angeschlossen 1 Beide werden durch ihre Friedensbe-
mühungen im Verlaufe des Bürgerkrieges dem Megas Dux verdächtig und kaltge-
stellt. Es ist wahrscheinlich, daß sie sich 1341 aus echtem Patriotismus und An-
hänglichkeit an das Palaiologengeschlecht der Gruppe des APOKAUKOS anschlos-
sen 218.
Der Versuch des APOKAUKOS, die drei Brüder ASAN, KONSTANTIN, ISAAK und
ANDRONIKOS für sich zu gewinnen, war für die Geschichte des Bürgerkrieges sehr
folgenreich. APOKAUKOS trägt den sozial höher stehenden Brüdern seine uneinge-
schränkte Gefolgschaft an, wie SYRGIANNES und JOANNES KANTAKUZENOS gegen-
über dem jungen ANDRONIKOS im Jahre 1320. APOKAUKOS soll eidlich versprochen
haben, "sich bereitwilligst in den Kämpfen zu zeigen, Geldmittel, Waffen und
213 Kant. UI, 15: U, 95, 11 vgl. mit Kant. IU, 10: U, 71, 3. ApOKAUKOS hatte eine
weitere Zwingburg im Manganaviertel: Kant. IU, 80: U, 495, 21 f.
214 Kant. IU, 19: U, 124/5; IU, 34: U, 208, 12f. GAY Clement 46.
1116 Kant. IU, 22: II, 138, 21.
218 Kant. IU, 19: II, 119/20. Häufige Erwähnung der GABALAS, einer Gouverneur-
familie auf Rhodos im 13. Jh.: AHRWEILER Smyrne 169. SOHLUMBERGER Sigillo-
graphie 664/5: ein EusTATHIos GABALAS als lla-,;(}l'Xto~ (12.-13. s.). Die von R.-J.
LOENERTZ vorgeschlagene Gleichsetzung des J OANNES GABALAS mit dem in 4 Athos-
urkunden belegten JOANNES RAUL scheint gesichert: OCP 23 (1957) 128/9. Vgl. ders.,
Le Chancelier imp. a Byzance au XIVe et au XIUe siecle, OCP 26 (1960) 284. R.
GUILLAND Le drongaire ... BZ 43 (1950) 355 = Recherches I, 579.
lI17 Kant. IU, 19: U, 120-3.
218 Zum Schicksal des GEORGIOS CHUMNOS: Kant. IU, 55: U, 336. Vielleicht ist er
identisch mit dem im Antipalamitenverzeichnis auftretenden GERA8IMOS CHUMNOS
(Nr. 31; Nr. 32: KASIANOS Chumnos sein Sohn 1). Zum Schicksal des JOANNES GABA-
LAS: Kant. IU, 72/3: H, 437-444; IU, 80: U, 493-498.
34 DIE GEFOLGSCHAFT 1341-1347
Diener (olueTal) beizusteuern und nach der Vernichtung jenes Mannes alle eure
Befehle auszuführen und das gesamte Leben im Gehorsamsverhältnis (sv (m;'YJu6ov
floleq.) zu bleiben und sich keiner Nachlässigkeit gegen euch zuschulden kommen
zu lassen 219." Bei ANDRONIKOS ASAN kam hinzu, daß Apokaukos vor Jahren in
einem Dienstverhältnis zu ihm stand (vgl. Kap. 11 u. V). An dieses wird erinnert;
es wird durch Eid bekräftigt und erneuert: "Er bekräftigte durch Eide, daß er nun
aufs bereitwilligste mitkämpfen werde und, wenn Andronikos zur Herrschaft ge-
langt sei, im Stand des Dieners bleiben werde (lv vTC'YJeb:ov TeAeeJel flolf2q.) 220. "
Für das Denken des byzantinischen Adels sind die Worte aufschlußreich, die der
Adelige J OANNES KANTAKUZENOS dem APOK.AUKOS in den Mund legt, um die
Brüder zu gewinnen: Auf den Adelsstolz des ANDRONIKOS ASAN wird angespielt.
Nicht nur durch die Kriegskunst, auch durch die "Herrlichkeit seines Geschlech-
tes" sei er der geeignete Mann, die Regierung zu übernehmen 221. Der Geschichts-
schreiber J OANNES KANTAKUZENOS weiß: Die Herrschaftsgelüste des byzantini-
schen Adeligen waren ein mächtiger Beweggrund im Denken und Handeln. Dazu
kam die Furcht, durch einen anderen Adeligen die Freiheit (SASVOSela) zu ver-
lieren und in Knechtschaft (fJOvAela) zu fallen. Auch daran soll APOKAUKOS die
Brüder ASAN erinnert haben 222.
Das Verhältnis des J OANNES KANTAKUZENOS zu seinen Verwandten war schwierig.
Die Brüder seiner Gemahlin, die an einer Verschwörung gegen den Kaiser ANDRo-
NIKOS 111. beteiligt waren und seit 1335 als gefährliche Gegner im Gefängnis
saßen 223, konnte er aus Rücksicht auf die Palaiologenpartei nicht freilassen. Dies
erbitterte wiederum seinen Schwiegervater, der zur Gegenpartei übergeht. Erst
nach dem offenen Ausbruch des Bürgerkrieges kann der Kantakuzene die beiden
Brüder seiner Gemahlin, MANUEL und J OANNES, befreien. Sie werden im Bürger-
krieg seine getreuesten Anhänger 224. Nach 1341 wird der Vater von seinen Söhnen
bekämpft, der Schwiegervater tritt gegen den Schwiegersohn an. Verwandtschaft-
liche Bindungen treten in den Hintergrund, wenn es gilt, eigene politische Ziele zu
verfolgen.
1128 BOSCH Andronikos III. übergeht die Rolle der beiden Brüder bei einer der vielen
Revolten, die gegen ANDRONIKOS IH. ausbrechen. Auch der Despot DEMETRIOS war
daran beteiligt: Nik. Greg. XI, 3: 530-534. J o. Kant. schweigt aus verständlichen
Gründen.
1124 Kant. III, 26: H, 161, 18f. So gleicht das politische Schicksal des Schwiegervaters
des J o. Kant. einer Odyssee: Als Anhänger des ANnRONIKOS H. wurde er wohl im
Zuge der Versöhnung zwischen ANDRONIKOS H. u. UI. seines Amtes als Statthalter
auf der Peloponnes 1321 entsetzt (Nik. Greg. VIII, 12: 362-3; Aragon. Version der
Chronik von Morea ed. MOREL-FATIO, Genf 1885, §§ 641-654; franz. Version ed.
LONGNON, Paris 1911, V. 404--405; ZAKYTHINOS Despotat 70-74). Dann verrät er
SYRGIANNES. Seine weitere Rolle im Bürgerkrieg ist undurchsichtig (er ist nicht zu
verwechseln mit seinem Bruder MICHAEL, dem eifrigen Parteigänger des alten Kai-
sers). 1329 bietet er auf Veranlassung des ANDRONIKOS IH. dem Großdomestikos Jo.
Kant. den Purpur an (Kant. II, 9: I, 367, 20f.). Er stand in Geldgeschäften mit den
Venezianern (Reg. 2787: 1332). 1338 ist er militär. Berater des ANDRONIKOS IH.
neben seinem Schwiegersohn (Kant. H, 28: I, 471, 15f.). APOKAUKOS bringt ihn zum
DIE GEFOLGSCHAFT IM OKTOBER 1341 35
Die politische Gruppe, die APOKAUKOS um sich bildete, war viel weniger gefestigt
und einheitlich als das Triumvirat im Jahre 1320. Damals bildeten drei Adelige,
mit dem Thronfolger an der Spitze einen Zusammenschluß von Mitgliedern, die -
auf sozial gleicher Ebene standen. Nur ALEXIOS APOKAUKOS war ein Außenseiter.
1341 ist das Verhältnis umgekehrt: APOKAUKOS, der Emporkömmling, wird Füh-
rer einer Gruppe, deren Glieder sozial viel höher stehen als ihr Führer. So kommt
es zu dem merkwürd,igen Umstand, daß der Gründer und politische Führer des
Zusammenschlusses dem neuen Mitglied ANDRONIKOS ASAN Unterordnung und
"Dienerschaft" schwört. APOKAUKOS war sich seiner Anhänger, die aus einer
anderen sozialen Schicht kamen als er selbst, nicht sicher. Immer war zu fürchten,
daß diese Adeligen mit dem Gegenkaiser, ihrem Standesgenossen, konspirierten.
So wird die adelsfeindliche Haltung des APOKAUKOS, die von 1341 bis 1345 immer
mehr zutage tritt, verständlich. Die Gattin M!CHAELS ASAN wandert ins Gefäng-
nis 226 • Nach dem 25. März 1342 erleben KONSTANTINOS ASAN und GEORGIOS
CHUMNOS das gleiche Schicksal, beide erst vor wenigen Monaten von APOKAUKOS
mit Mühe gewonnen 226. J OANNES GABALAS muß ins Kloster gehen, da er sich
nicht mehr sicher fühlt. THEoDoRos SYNADENOS, nach seinem Abfall im Sommer
1342 zuerst "unter die ersten CP{}..Ol" des APOKAUKOS eingereiht, wird wenig später
zusammen mit seinem Anhang (rote; äll.lI.ole; 0flotwe; cp{}..ote;) unter Hausarrest
gestellt 227. Das Verhältnis des Megas Dux ALEXlOS APOKAUKOS zum Patriarchen
war ebenfalls nicht ohne Spannungen (vgl. Kap. X), obwohl APOKAUKOS auch
hier, wie bei anderen Parteigängern, die Bindungen durch Verwandtschaftspolitik
zu festigen suchte 228. APOKAUKOS konnte am besten seine Macht behaupten, indem
er sich auf das Volk von Konstantinopel stützte und die Gruppe von 1341 aus-
einanderfallen ließ.
J OANNES KANTAKuzENos kannte die ihm feindliche Haltung des J OANNES KALE-
KAS, die Gesinnung des APOKAUKOS war nicht weniger deutlich. Der Feldzug auf
die Peloponnes war erst im Frühjahr 1342 geplant 229. Weshalb überläßt der sonst
so schlaue Großdomestikos Ende September 1341 seinem Gegner APOKAUKOS in
der Hauptstadt das Feld, ungehindert eine politische Gruppe aufzubauen? Die
Auskunft befriedigt nicht, daß er "von den Umständen getrieben wurde, Byzanz
zu verlassen" 230. Er wollte in Didymoteichos für den Feldzug nach dem Westen
Abfall von seinem Schwiegersohn, gegen den er zu Felde zieht, wirft ihn aber 1343
ins Gefängnis (Kant. III, 68: II, 421), woraus ihn Jo. Kant. erst 1347 befreit (Kant.
III, 100: II, 614). Von diesem Zeitpunkt an bleibt er seinem Schwiegersohn treu,
solange wir von ihm wissen. Zu ihm: GUILLAND Nik. Greg. Correspondance 302/3.
Philes (MARTINI) 88-90.
226 Kant. III, 50: II, 299.
228 Kant. III, 55: II, 336. Am 25. März 1342 unterzeichnen beide noch den Vertrag
ANDRONIKOS P ALAIOLOGOS war mit einer Tochter des APOKAUKOS verheiratet: Kant.
III, 52: II, 305, 2 u. 3 und III, 55: II, 329, 5. Der Sohn des Patriarchen sollte eine
Tochter des APOKAUKOS heiraten: Kant. III, 17: II, 108, 11. Ob dieser Heiratsplan
verwirklicht wurde, ist unbekannt.
2lID Kant. IIl, 12: II, 80, 17.
lI80 Kant. III, 16: II, 103, 11 f.
36 DIE GEFOLGSCHAFT 1341-1347
1181 Kant. III, 22: II, 137-9; Nik. Greg. XII, 11: 608.
B811 Kant. nennt sie einmal oi enti'Y/ljelwr; exovur; ii[J p,syaÄcp ljop,SGitui[J, einmal f{JtÄm.
1188 Vor allem Kant. III, 50: II, 298/9; III, 36: II, 219.
1184 Kant. III, 27: II, 167.
118& R. GUILLAND Fonctions et dignites des eunuques, REB 3 (1945) 201 = Recherches
BSB Vgl. A. 606. Zum curriculum vitae: GUILLAND Dignitaires 188/9 = Recherches I,
599. F. DÖLGER, BZ 31 (1931) 450-452 zum Aufsatz von N. BANEBCU Peut-on
identifier le ZamblacUB des documents ragusains? Mel. Oh. DIEHL 1 (1930) 31-35.
BIN ON Prostagma 383. LEMERLE Sire Guy 283. Praktikon (LEMERLE) 293f. THEo-
CHARIDES Tzamplakones, Makedonika 5 (1959) 16lf. unterscheidet ALEXIOS TZAM-
PLAKON, Großtsausios, dann Großpapias (1327) mit dem Mönchsnamen Antonios von
PARTEIG~GER UND GEGNER 37
treffen wir ihn als einen der Kommandanten des wichtigen Didymoteichos 239. 1356
ist er Mönch. In diesem Schicksal sind die Gründe der Parteinahme für JOANNES
KANTAKUZENOS noch weniger greifbar als bei JOANNES ANGELOS.
Nicht eigentlich als Gefolgsmann des Kaisers ANDRONIKOS II!. ist LEON KALo-
THETOS aus der ursprünglich aus Ephesos stammenden und auf Ohios mächtigen
Familie der Kalothetoi zu bezeichnen 24o • Sein Vater und der Vater des JOANNES
KANTAKUZENOS waren q;[AOt "at ol"siot, ein Verhältnis, das sich auf die Söhne
übertrug 241. Durch diese Beziehung tritt er auch in den Kämpfen um Ohios in
Verbindung mit dem Kaiser ANDRONIKOS 111. 242 • Im Bürgerkrieg aus Ohios ver-
trieben 243, tritt er am Ausgang des Bürgerkrieges in wichtiger Mission für J OANNES
KANTAKUZENOS in Erscheinung. Nach 1347 wird er Verwalter von Alt-Phokaia 2u .
Damit sind bereits die wichtigsten Persönlichkeiten unter den Anhängern des
Palaiologen ANDRONIKOS II!. aufgezählt, die auch dem neuen Kaiser die Treue
hielten. Vielleicht ist noch DEMETRIOS TORNIKES 246 und GEORGIOS PHARMAKES 246
zu ihnen zu rechnen. Einige ol"b:at, wie KOMITOPULOS und V ATATZES, gingen
zur neuen Partei über, waren aber nicht unverdächtig 247 • Andere " Diener " des
Andronikos II!., wie HIERAX, MAGKAPHAS und PARASPONDYLOS, blieben JOANNES
KANTAKUZENOS gegenüber feindlich, was nicht ausschloß, daß sie einander ver-
rieten 248.
In der Vorbereitung und der ersten Phase des Bürgerkrieges sah es so aus, als ob
noch drei weitere unter ANDRONIKOS 111. einflußreiche Männer, GUY DE LUSIGNAN,
Verwalter von Serrai und Ohristupolis, MICHAEL MONOMACHOS, hch:eono~ von
Thessalien, und THEODOROS SYNADENOS, Archon von Thessalonike, zur neuen
Partei übergehen würden. Doch fallen sie alle früher oder später zur Palaiologen-
partei ab. Dabei ist zu fragen, ob nur egoistische Gründe sie zu diesem Schritt
ARSENIOS TZAMPLAKON, dessen Sohn, der erst 1333 in Erscheinung trat. ARSENIOS
ist der Mönchsname, der Laienname ist unbekannt. In diesem Zusammenhang ist
der Dienst bei ANDRONIKOS IH. wichtig. Weitere Einzelheiten lasse ich hier unerörtert.
28D Kant. IV, 32: IH, 237, 10. Reg. 3059 (1356).
veranlaßten oder Treue zu den Palaiologen und Abneigung gegen den adeligen
Kantakuzenen.
Um alle drei Männer hatte sich der neue Kaiser durch eigene Schreiben bemüht.
Den Prinzen von Kleinarmenien hatte der Adelige noch zu Lebzeiten des Kaisers
ANDRONIKOS 111. näher an sich binden wollen durch die Verlobung seines Sohnes
mit einer Tochter des Prinzen. Doch dieser geht zur Gegenseite über aus Furcht,
künftig keine bedeutende Rolle zu spielen, wie J OANNES KANTAKUZENOS ver-
mutet 249. THEODOROS SYNADENOS hat noch im Frühjahr 1342 mit dem neuen
Kaiser paktiert, in kritischer Lage fällt er zu APOKAUKOS ab 260. MICHAEL MONo-
MACHOS nimmt die Apologie des J OANNES KANTAKUZENOS zwar nicht an, zögert
aber mit offenen Kampfhandlungen, eine Haltung, die ihm wohl den Verlust
einiger Güter eingebracht hat. Die Verstimmung war schnell vergessen: 1343
wird er Archon von Thessalonike 251.
Daß nur wenige Angehörige des Palaiologenhauses zur Partei des neuen Kaisers
übergehen, ist verständlich. Zu nennen sind der Hofprimikerios J OANNES P ALAIO-
LOGOS, der nur beim Auszug aus Didymoteichos am 5. März 1342 erwähnt wird 262,
und ein nur bei einer Gesandtschaft zum Serbenkral im Dienst des Kantakuzenen
auftretender Protosebastos KONSTANTINOS P ALAIOLOGOS 263, der nicht zu ver-
wechseln ist mit KONSTANTINOS P ALAIOLOGOS, dem Sohn des MICHAEL KUTRULEs.
Von diesem hatte sich JOANNES KANTAKuzENos im März 1342 Dienst und Gefolg-
schaft erhofft. Er fällt aber zu GUY DE LUSIGNAN ab 264. Er war später Komman-
dant von Serrai 265 und engster cpO.o~ und Vertrauter des APOKAUKOS, dessen
Tochter sein Sohn heiratete.
Auffallend wenig treten Mitglieder des Kantakuzenenhauses an der Seite des
J OANNES VI. in Erscheinung. Einzelne Mitglieder stehen sogar auf der Gegenseite
wie MANUEL KANTAKuzENos, der Schwiegervater des GEORGIOS CHUMNOS 266.
Alle sonst für den neuen Kaiser eintretenden wichtigen Persönlichkeiten wie
1149 Kant. UI, 32: U, 192, H. Zum curriculum vitae: LEMERLE Philippes 233. BINON
Guy passim.
260 LEMERLE Philippes 196 bezeichnet ihn 1342 bereits als heimlichen Parteigänger
des GUY DE LUSIGNAN.
261 Kant. IU, 31: H, 191, 16-18. Reg. 2872 (1342). OSTROGORSKY FeodaliM 122.
BOGIATZIDES Chronikon 164. SOLOVJEV Archonten 163f.
262 Kant. IU, 32: U, 195, 12f. Berechtigte Kritik an PAPADOPULOS Palaiologen
dem f.dyar; nanlar; KONSTANTINOS Pa!. zu identifizieren, der die Kaiserinmutter nach
Konstantinopel holte. BoscH Andronikos IU. 31 A. 8 ohne Kritik an P APADOPULOS
Palaiologen Nr. 48.
266 Kant. IH, 55: H, 329, 2f.
266 Kant. IU, 20: Il, 126,15 u. 16. MANUEL ist schlecht in die Genealogie einzuordnen.
Der Sebastokrator NlKEPHOROS Kant. (Belar; des MATTHAIOS) tritt erst in Verbindung
mit MATTHAIOS in Erscheinung (Kant. IV, 33: IU, 242, 22f. IV, 42: IU, 310, 9).
Würde Belar; hier nicht streng "Onkel" bedeuten, so wäre eine Identifizierung mit dem
e~a&J..rp6r; des Jo. VI. Kant., namens NIKEPHOROS Kant. möglich (Kant. IU, 22: H,
139, 17). Ist dieser der ungetreue NlKEPHOROS Kant., dessen Güter KYR GEORGIOS
bekonunt (Reg. 2884)? So identifiziert F. DÖLGER.
PARTEIG;ÄNGER UND GEGNER 39
267 Mit Jo. Kant. verwandt. Kant. III, 10: II, 71, 16f. (Sept. 1341: soll APOKAUKOS
in Epibatai belagern); Nik. Greg. XII, 16: 627; XIII, 4: 653; Kant. III, 54: II, 322;
III, 70: II, 430; IV, 26: III, 196 (1351 Trierarch gegen Genua; ohne Vornamen;
Protostrator); IV, 32: III, 237 (wieder ohne Vornamen; Protostrator; Archon von
Didymoteichos) .
268 Dieser DEMETRIOS KASANDRENOS ist wohl im Gedicht des Cod. Ambros. 539 info
gemeint. Er folgte Jo. Kant. auf die PelopOIUles (beim ersten Aufenthalt?). Er stirbt
dort als Mönch DANIEL (S. LAMPROS, NE 4 [1907] 168f.). Kant. III, 16: II, 103; III,
31: II, 192 (von GUY DE LUSIGNAN gefangen). Ein ALEXIOS KASANDRENOS stand mit
Dem. Kyd. in Briefwechsel (Br. 49 und 50). Zu den Besitzungen der Familie in Kalamaria :
Reg. 3059 (1356). Vgl. auch zur Familie: DÖLGER Schatzkammern Nr. 125 (Bemer-
kungen).
269 Nik. Greg. XII, 16: 627; Kant. III, 32: II, 195. Kant. IV, 26: III, 196 (Protostrator
gegen Genua 1351). Ein Primikerios PHAKRASES hält 1372 Thessalonike gegen die
Türken (Dem. Kyd. Br. 77; DENNIS Manuel 33). Zu MATTHAIOS PHAKRASES, Bischof
von Serrai: DENNIS Manuel 75 A. 61.
260 GEORGIOS GLABAS nimmt am Auszug aus Didymoteichos teil (J O. Kant. III, 32:
II, 195). Während des Aufenthalts des Jo. Kant. in Serbien war er in Didymoteichos
stationiert (Jo. Kant. III, 65: II, 401, 20f.). Jo. Kant.lobt seine Anhänglichkeit. (III,
69: II, 426, 16-18). Er ist nicht zu verwechseln mit dem peyac; OLOlXb:'fJC; GLABAS:
LEMERLE Juge 309.
261 Zu ihm: GUILLAND Nik. Greg. Correspondance 358. BoseH Andronikos III. 40.
262 Kant. III, 32: II, 195,23; Nik. Greg. XII, 16: 628, 2f.
40 DIE GEFOLGSCHAFT 1341-1347
Vornehme der engeren Gefolgschaft des Kantakuzenen hatte demnach die durch-
aus glaubwürdige Zahl von ungefähr 10 "Dienern" um sich.
Bei der Krönung nennt J OANNES KANTAKUZENOS neben dem Militär auch "Sena-
toren" (0;' . .. Tij~ aVYUA~TOV) 263. Gerade unter diesen avyuA'YJTluol befanden sich
Abtrünnige, die bereits im Winter 1341/2 in kritischer Lage nach dem vergeb-
lichen Versuch, Adrianopel zu erobern, das Lager wechseln 264,. Sind diese Sena-
toren unter den 42 Flüchtlingen aus der Hauptstadt zu suchen 1 Kommen sie aus
der Provinz 1 Gehören sie nicht zur "engeren", sondern nur zur "politischen" Ge-
folgschaft1 Nennt der Kantakuzene seine Anhänger so, um zu betonen, daß auch
er von Senat, Volk und Heer zum Kaiser ausgerufen wurde 1
Das Heer selbst mußte in den kommenden kriegerischen Ereignissen den Aus-
schlag geben. NIKEPHoRos GREGORAS scheint darüber keine genauen Nachrichten
zur Verfügung zu haben. Er spricht von einer gutausgebildeten Elitetruppe von
Schwerbewaffneten und 2000 Reitern, alle ihrem Herrn auf Tod und Leben erge-
ben, dann noch von einer doppelt so großen Zahl einfacher Soldaten 265. J OANNES
KANTAKUZENOS selbst behauptet, 1000 Reiter und 8000 Bogenschützen in Didymo-
teichos und Umgebung zurückgelassen zu haben 266. Die Stärke des ausziehenden
Heeres ist leider nicht angegeben. Im Heer befanden sich auch lateinische Truppen-
kontingente, deren Führer der Kantakuzene vor seiner byzantinischen Gefolg-
schaft nicht zurücksetzen durfte: Die vornehmsten lateinischen Söldner ziehen
dem neuen Kaiser den linken roten Schuh an 267.
Diese Gefolgschaft und dieses Heeresaufgebot war dem Adeligen nicht nur Stütze
und Rückhalt. Er spricht davon, daß er in Didymoteichos am 26. Oktober 1341
von seinen Anhängern zur Annahme der Kaiserwürde gedrängt wurde, und auch
später betont er seinen Anhängern gegenüber diesen Umstand. NIKEPHoRos
GREGORAS redet von handfesten Drohungen 268. Es dürfte berechtigt sein, an dieser
Stelle von einem, ,Diktat der Gefolgschaft" zu reden. Hinzu kommen die materiellen
Forderungen, die der Adelige mit Schweigen übergeht. "Mit freigebiger Hand" hat
die Gemahlin des JOANNES KANTAKuzENos, IRENE, unter den Exulanten Geld ver-
teilt 269. Bei der großen Zahl der Anhänger und Soldaten mußte das bare Geld bald
ausgehen und NIKEPHoRos GREGORAS, der hier aus einer Sonderquelle zu schöpfen
scheint, sagt, daß der neue Kaiser im Sommer 1342, als vor Thessalonike THEo-
DOROS SYNADENOS zu ihm stieß, nur noch Schmuck,aber keine Geldmittel mehr zu
bieten hatte 270.
Verständlicherweise rechneten sich die Anhänger die Erfolgsaussichten des neuen
Kaisers genau aus. Diese Aussichten wurden von Monat zu Monat schlechter.
Nicht nur die Geldmittel fehlten; dazu kam ein strenger Winter, der Mißerfolg bei
Adrianopel, die Feindschaft der Städte Thrakiens. Nur Melnik wird durch die
cplAOl des JOANNES KANTAKUZENOS übergeben 271.
268 Kant. III, 27: II, 167, 2.
264 Kant. III, 29: II, 180, 10.
1165 Was heißt OL p.e7:'aln:ov~ T:an6p.EVoL Nik. Greg. XII, 12: 614, 20f. ?
266 Kant. III, 32: II, 195/6.
267 Kant. III, 27: II, 166, 7.
lI68 Nik. Greg. XII, 11: 610, 17f.
260 Nik. Greg. XII, 16: 625, 20f.
270 Nik. Greg. XIII, 2: 634, 20.
m Kant. III, 38: II, 232.
DIE ZWEITE P;aASE DES BÜRGERKRIEGES 41
277 Kant. III, 57-58: II, 353-355; Nik. Greg. XIII, 5: 654f.
278 Kant. III, 58: II, 355, 12.
279 Zur Chronologie: P. LEMERLE L'emirat d'Aydin ... , Paris 1957, 144-179.
280 Kant. III, 79: II, 489-49l.
281 Kant. IU, 76: II, 477/8.
282 Kant. III, 64: II, 391; III, 81: II, 50l.
283 Kant. III, 84: II, 518, 15f.
284 Kant. III, 88: II, 545, 22ff.
UMUR UND DER BEGINN DES SIEGESZUGES 43
KANT.A.KUZENOS, der sich in Selymbria aufhält, "um mit den cplJ...ot in der Haupt-
stadt zu verhandeln", keine Erfolge erzielen 286 • Die Lage ändert sich erst, als die
Umgebung der Kaiserin ANNA untreu wird. Der genuesische Flottenführer der
Kaiserin ANNA, FAZZOLATl, hatte seinen Landsleuten einige Schäden zugefügt,
ohne freilich den Kampf um Ohios entscheidend beeinflussen zu können 286. Die
Genuesen wollen den gefährlichen Landsmann beseitigen und ANNA gesteht ihm
eine Leibwache zu 287. Dadurch verstärkt sie ungewollt die Mannschaft des Ab-
trünnigen, der heimlich mit dem in Selymbria stehenden Gegenkaiser konspiriert.
Er dürfte auch die anderen Generäle der ANNA, vor allem KINNAMOS, mit dem er
verschwägert war, beeinflußt haben. Ihm schloß sich ein oluh:'Yjt; der ANNA,
namens TZYR.A.KEs, an 288.
Die Gefolgschaft des Genuesen (NIKEPHoRos GREGORAS spricht unter anderem
von den "vertrautesten seiner Verwandten", die mithalfen: TW'V eJVYYB'VW'V TOVt;
oluBWTaTOVt;) in einer Stärke von über 100 Mann hat dem Kantakuzenen den Zu-
gang zur Hauptstadt erzwungen 289. Wieder wird sichtbar, welche Bedeutung eine
kleine entschlossene politische Gruppe haben konnte. Wie ein hochgestellter
Byzantiner hatte der Genuese einen Familienclan um sich gesammelt, der ihm in
entscheidender Stunde dienen konnte. Nicht nur gegen den Ausländer, der die
Hauptstadt dem verhaßten Kaiser in die Hände spielte, richtet sich deshalb die
Volkswut im November 1354, sondern auch gegen die Häuser seiner Verwandten 290
(TW'V UaTa ye'Vot; 7C(}oeJ'Yju6'VTW'V).
Das Kaisertum des J OANNES KANTAKUZENOS stand, wie sich abschließend auf
Grund der Entwicklung seiner Gefolgschaft im Bürgerkrieg feststellen läßt, auf
schwacher Grundlage. Weite Kreise des Adels lehnten ihn ab, auf das Heer konnte
er sich in kritischen Situationen nicht verlassen, die Anhängerschaft vor allem in
den beiden größten Städten des Reiches war durch Verfolgung und Unterdrückung
stark geschwächt, in der engsten Gefolgschaft des Adeligen waren Abtrünnige zu
finden. Dazu kam der Haß des Volkes. Fremdstämmige "Freunde", Genuesen und
vor allem Türken, über deren Reichsfeindlichkeit damals nicht mehr der geringste
Zweifel bestehen konnte, haben dem Kantakuzenen das Kaisertum erobert.
285 Kant. III, 97: II, 598, 20; vgl. III, 95: II, 582, 14f. Die "Freunde" warnen J o.
Kant. vor einem gewissen MONoMAcHos : Kant. III, 97: II, 598, 9.
286 Kant. III, 95: II, 584. P. ARGENTI The occupation of Chios I, Cambridge 1958
Die Lage vom Mai 1328, als ANDRoNIKos 111. endgültig die Alleinherrschaft an-
tritt, wiederholt sich in auffallender Weise im Februar 1347, als JOANNES KANTA-
KUZENOS die Hauptstadt in den Händen hat. Die 19 Jahre auseinanderliegenden
Bestimmungen über geraubte Güter gleichen sich fast völlig 291. J OANNES KANTA-
KUZENOS erläßt ausdrücklich eine Amnestie für die Ereignisse im Bürgerkrieg,
eine Maßnahme, die Andronikos unterlassen hat. Aber auch dieser Kaiser hat
weitgehend Gnade walten lassen, ausgenommen bei THEODOROS METooHITEs.
Beamte des Kaisers ANDRONIKOS 11. nehmen auch unter ANDRONIKOS 111 .
. wichtige Stellungen ein, so der Dikaiophylax GREGORIOS KLEIDAS 292, der im
Verlauf des Bürgerkrieges erwähnte Hyparch MICHAEL MONoMAoHos 293, der
Großstratopedarch MANUEL TAGARIS 294 . Von den Anhängern der Palaiologen-
partei stehen nach 1347 nur wenige im Dienst des Kantakuzenen: ANDRONIKOS
ASAN, der Schwiegervater des Kaisers, vielleicht der Großoikonomiastes MANuEL
KINNAMOS 296, der genuesische Flottenführer F AZZOLATI, dem der Kantakuzene
die Einnahme der Hauptstadt zu danken hatte. Der Sakelliu MICHAEL KABASILAS
stand im Bürgerkrieg auf der Seite der Palaiologen, 1351 unterschreibt er den
Tomos der Synode, 1354 vertraut ihm J OANNES KANTAKUZENOS eine wichtige
Gesandtschaft zum Patriarchen KALLrSTOS an 296. Sind die Identifizierungsversu-
che von F. DÖLGER richtig, so hat JOANNES V. seinem 1342 auftretenden Beamten
JOANNES MARGARITES 1348 Güter zuweisen können 297. In diesem Zusammenhang
gehört die Umwandlung eines Rentengutes in erblichen Besitz zu Gunsten von
GEORGIOS KATZARAS, einem treuen Anhänger (im Bürgerkrieg?), durch JOANNES
V.298. Der junge Palaiologenkaiser hatte also vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges
im Sommer 1352 so viel Bewegungsfreiheit, durch Vergünstigungen seine eigenen
Anhänger an sich zu binden und damit seinem Schwiegervater indirekt zu schaden.
Viele Namen der Palaiologenpartei treten ab 1347 nicht mehr in Erschei-
291 Reg. 2716 (1328) und 2915/6 (1347). Kant. IH, 100: H, 614,8: näaav dp,vrw-rlav
naeexea(}at rwv neneayp,evwv.
m Kant. I, 44: I, 215, 20 (als Gesandter des ANDRONIKOS H.) und Reg. 2784 (1332)
und 2787 (1332). LEMERLE Juge 302, 308.
298 Nicht JOANNES MONoMAcHos wie BOSCH im Register und S. 134. Er ist Feldherr des
alten Kaisers: Kant. I, 52: I, 260, 24 (vgl. Reg. 2695). Als Hyparchos ist er enheonof;
von Thessalonike: Kant. H, 28: I, 473, 16. 1333 tritt er als needxovaa -xeq;aJ..-Yj riff;
(geaaaJ..{af; in Erscheinung: Reg. 2791. F. DÖLGER Die Mühle von Chantax, in: Byzan-
tinische Diplomatik, Ettal 1956, 199f.
294 Kant. I, 18: I, 91 und H, 6: I, 349.
206 Vgl. Reg. 2891 (1343) mit Reg. 2952 (1349). Seine Stellung im Bürgerkrieg: Kant.
IH, 36: H, 223, 21; IH, 97: H, 599, 17 f.; HI, 89: H, 549, 17.
298 Kant. IV, 37: IH, 270, 18; vgl. A. 306.
297 Vgl. Reg. 2882 mit Reg. 2938. Die Familie Margarites scheint kantakuzenosfeind-
lich gewesen zu sein: GEORGIOS MARGARITES erhält Land von Abtrünnigen (Reg. 2884:
1342). Ebenso JOANNES MARGARITES 1342: Praktikon (LEMERLE) passim.
298 Reg. 2968.
DER ..~EICHE" KURS 1347 45
nung 299, SO zum Beispiel ISAAK ASAN, der noch 1346 zu den Generälen der Kaiserin-
mutter Anna zählt und den "Säuberungsaktionen" des ALEXIOS APOKAUKOS
nicht zum Opfer gefallen war 300. Hat der Kantakuzene die alten Anhänger der
Gegenpartei absichtlich ausgeschaltet oder stellten sie sich nicht in seinen Dienst 1
Diese wichtige Frage muß nach dem Stand unserer Kenntnisse offen bleiben.
Weshalb ließ der Kantakuzene im Februar 1347 solche Milde walten und
erließ eine allgemeine Amnestie 1
Das Volk in der Provinz wie in der Hauptstadt war ihm feindlich gesinnt, die
eigene Macht war begrenzt und war nicht im Stande gewesen, allein den Sieg zu
erkämpfen, die Reichtümer des Adeligen waren zusammengeschrumpft. Ein
"harter Kurs" gegen die besiegte Partei und eine Beseitigung des jungen Palaio-
logen hätten die heimliche und offene Gegnerschaft von Senatoren und Volk nur
vergrößert. MICHAEL VIII. hatte nach der Beseitigung der letzten Laskariden
vor einem Jahrhundert die Opposition nur mit Mühe niederkämpfen können.
J OANNES KANTAKUZENOS war dazu zu schwach. So sah er sich in der Zwangslage,
durch einen "weichen Kurs" seine eigenen Anhänger vor den Kopf zu stoßen und
damit die Grundlagen seiner Position zu untergraben.
Es war eine Zumutung, daß JOANNES KANTAKUZENOS von seiner, noch vor den
Toren der Hauptstadt stehenden Gefolgschaft Treueide gegenüber dem Palaiolo-
gen und seiner Mutter verlangte 301, gegen die sie jahrelang unter großen Opfern
gekämpft hatten. Die Mehrzahl verweigerte den Eid. Wie die Opposition in den
eigenen Reihen zum Schweigen gebracht wurde, ist nicht überliefert. Später wurde
davon gesprochen, sie seien zur Eidesleistung gezwungen worden 302. Die üblichen
Rangerhöhungen 303 für treue Anhängerschaft waren ein schwacher Ersatz für die
ausgebliebene Rache. Neben den Söhnen des Kaisers selbst werden der junge
NIKEPHOROS ORSINI, die beiden Asansöhne JOANNES und MANUEL und NIKE-
PHOROS METocillTES mit neuen Würden bedacht. J OANNES ANGELOS ist nicht
mehr erwähnt und greift auch nach 1347 nicht mehr in das politische Geschehen
ein. Er war wohl damals schon verstorben 304.
Nur wenig ist von "Wohltaten" für treue Anhängerschaft im Jahre 1347 bekannt.
Mit DEMETRIOS DUKAs KABAsILAs können wir einen in der Geschichtsschreibung
ungenannten Gefolgsmann greifen, der den ganzen Bürgerkrieg hindurch mit
seinem Anhang (fip,a naull ual (]vyyevec1l ual TO'i~ olUet07:(fTol~ aVTov) (Z. 18) dem
Kantakuzenen die Treue hielt 306, und Gefangenschaft, Verbannung und Vermö-
gensentzug auf sich genommen hat. War er schon 1342 bei den 1000 Verbannten
aus Thessalonike dabei 1 Mitglieder der Familie Kabasilas finden wir in beiden
Lagern im Bürgerkrieg. Der junge NIKoLAos KABASILAS aus Thessalonike hatte
für die Sache des J OANNES KANTAKUZENOS im Bürgerkrieg sein Leben aufs Spiel
299 Vgl. die Namen in Reg. 2876 (1342) und Reg. 2891 (1343) mit den nach 1347 auf-
tretenden Personen.
300 Kant. III, 89: II, 549, 15f.; III, 97: II, 599, 17f.
303 Kant. IV, 5: III, 33; III, 90: II, 554, 15 (die "später" erfolgte Erhebung des
NlKEPHOROS METocmTE8 zum Großlogotheten).
304 Kant. IV, 20: Irr, 147, 22f. wird er in einer fingierten Rede an den Serbenkral
gesetzt und war später engster Vertrauter des Adeligen, der Sakelliu MICHAEL
KABASILAS stand im Bürgerkrieg auf der Seite der Palaiologen 306.
Die nachgiebige Politik des Kantakuzenen konnte die Senatskreise nicht gewinnen.
Leider nicht näher genannte Männer bilden eine b:at(!ela, die sogar über den Kreis
der alten Palaiologenanhänger hinausging 307. Sie wollten den jungen Palaiologen
nach Galata bringen, offensichtlich um einen neuen Bürgerkrieg zu entfesseln.
Der junge J OANNES, der damals zum ersten Male Regungen zum Widerstand
gegen den Kantakuzenen zeigte, scheint sich aktiv an der Verschwörung beteiligt
zu haben 308. J OANNES KANTAKUZENOS läßt die Verschwörer zum größten Unmut
seiner Anhänger straffrei ausgehen.
Unter diesen Umständen konnten sich die alten Anhänger des J OANNES KANTA-
KUZENOS fragen, ob ein weiteres Zusammengehen mit ihm sinnvoll und gewinn-
bringend war. Es gab für sie zwei Möglichkeiten: zum Palaiologen überzugehen
oder den Sohn des J OANNES VI. KANTAKUZENOS zu der Politik aufzurufen, die sie
beim Vater vermißten. So treffen wir in der Umgebung des jungen Palaiologen
Männer, die "beim Kaiser Kantakuzenos viele Wohltaten empfangen haben und
besonders treue "Eigenleute" zu sein schienen" (oE nOAA:1]~ eVfle'Vela~ na(!a Ka'V-
Ta'KOvC'Yj'Vi[> Ti[> ßaatAe"i Tvyxa'VO'V7:8~ 'Kat 7:lß'V eV'VW'V 'Kat Ol'Kelw'V p,aAU:lTa l50'KOV'VTe~
el'Vat) 309. Auch nach dem Schlichtungsversuch im Frühjahr 1352 310 sind vor allem
die Männer der Umgebung des Palaiologen, die "früher die Partei des Kantaku-
zenenkaisers ergriffen hatten", die Kriegstreiber 311. Diese Abtrünnigen hielt
J OANNES KANTAKUZENOS für besonders gefährlich und verlangte ihre Entfer-
nung 312 •
Es ist J OANNES KANTAKUZENOS nicht gelungen, zu verhindern, daß der nunmehr
zwanzigjährige Palaiologe eine eigene Gefolgschaft um sich aufbaute. Um ihn
dem Kreis der Senatoren in Konstantinopel zu entziehen, hat er ihn im Herbst
1350 nach Thessalonike mitgenommen, nicht wie er selbst angibt, um ihn vor
Mordanschlägen der türkischen Bundesgenossen zu schützen 313. Weshalb er ihn
dann in der kantakuzenosfeindlichen Stadt mit ANDRoNIKos ASAN zurückläßt,
bleibt ein Rätsel. Die Überwachung durch "q;lAot" genügte nichta 14 • Hier ent-
gleitet der junge Kaiser endgültig den Händen des Schwiegervaters. Der neue
Bürgerkrieg beginnt.
MATTHAIOS KANTAKUZENOS war die andere Hoffnung der Gefolgschaft des
J OANNES. Dieser verschweigt in seinem Geschichtswerk, daß einer seiner treuesten
Anhänger, JOANNES ASAN, sich MATTHAIOS zuwendet. Der Kern der Rede, die
NIKEPHOROS GREGORAS dem JOANNES ASAN in den Mund legt 316 , deckt sich mit
306 Kant. III, 73: II, 445, 3 (= Reg. 2901); III, 99: II, 609, 12f. Bereits Reg. 2743
(nach 1329)? vgl. MM I, 323f.
307 Kant. IV, 6: III, 42, 15f.: TWV yae avy'XÄrrr:t'Xwv Tt'ver; €'X TWV :rt(!67:8(!OV :rtoÄep0VvTwv
316 Nik. Greg. a. a. O. 801, 23 spricht ausdrücklich von avyyeveat "al cplJ.,ou;.
317 Kant. IV, 35: IU, 257, 14.
318 Kant. UI, 92: U, 564/5.
319 Kant. IV, 33: IU, 243.
320 Kant. IV, 39: IU, 280, 21 f.
321 Nik. Greg. XXVIU, 43: UI, 204 macht keine näheren Angaben über den Krö-
nungsvorgang. Kant. IV, 36: IU, 260, 16f. spricht nur von aVY"ArJu"ol, evyeveareeot,
ÖClot TOV aTeauwu"ov "aTaA6yov.
822 Kant. IV, 33: IH, 242, 14.
48 DIE GEFOLGSCHAFT NACH 1347
Bevölkerung der Hauptstadt gedroht haben, er werde sie dem Wüten seiner türki-
schen Verbündeten preisgeben, falls sie die Hauptstadt dem Palaiologen über-
geben würden 323.
Überblickt man die Zahlenangaben der auf beiden Seiten kämpfenden Truppen,
so wird deutlich, daß der byzantinische Anteil am Heerespotential, geschweige
denn die engere Gefolgschaft des Kantakuzenen und des Palaiologen überhaupt
nicht ins Gewicht fiel. J OANNES KANTAKUZENOS war mit einem Heer von 600
byzantinischen Soldaten und 1000 Katalanen und Türken seinem Sohn im Sommer
1352 zu Hilfe geeilt 324. Wenige Monate später bittet er seinen Schwiegersohn
UROHAN um 20000 Schwerbewaffnete 325. Ist diese Zahlenangabe von NIKEPHoRos
GREGOR.AS auch wohl übertrieben, sie zeigt die Stärke der fremden Truppen aufbyzan-
tinischem Gebiet. Der Gegenseite schickt der Serbenkral 7000 Reiter 326 • Die Stärke
der vom Bulgarenzaren dem Palaiologen gesandten Mannschaft ist unbekannt 327 •
Nicht die Feldschlacht hat den Bürgerkrieg entschieden, sondern die Kühn-
heit des jungen Palaiologen und die Abneigung und Feindschaft der haupt-
städtischen Bevölkerung gegen die Kantakuzenen. Der erste Versuch des
Palaiologen, im März 1353 heimlich in die Hauptstadt zu gelangen und mit Hilfe
seiner qytAOl, die das Volk aktivieren sollten, die Macht zu übernehmen, scheiterte
am entschlossenen Vorgehen der Kaiserin IRENE. Sie setzte im rechten Moment
"die zuverlässigsten Leute unter den Verwandten und Freunden und deren engsten
Anhang" (TWY Te O'vyyeYWY ",at qytAWY TOV~ nlO'TOT(lTOV~ ",al TOV~ O'qytO't ftaAlO'Ta
neoO'eXOYTa~) ein, die die Stadt bewachen und das Volk einschüchtern sollten 328.
Die Freunde des Palaiologen wagten keinen Widerstand. Die Mannschaft des
jungen Kaisers, die er auf einer Triere und 18 Kähnen, Einruderern und Zwei-
ruderern mitbrachte, dürfte nicht allzu groß gewesen sein 329 • Wie im Jahre 1321
klärte der rasche Einsatz der Gefolgschaft die Lage. Die Gefolgschaft des Kanta-
kuzenen war im März 1353 also noch in der Lage, sich in der Stadt zu behaupten.
Warum gelingt dies beim zweiten Erscheinen des Palaiologen im November 1354
vor der Stadt nicht mehr, als er bei Nacht mit zwei Trieren und 16 Einruderern
erscheint 330 1 War die Gefolgschaft des Kantakuzenen in den eineinhalb Jahren
so zusammengeschmolzen, daß sie keinen Widerstand mehr bieten konnte 1 Die
Erklärung für den Erfolg des Palaiologen liegt m. E. an einem anderen Punkt:
Es gelang dem Palaiologen vollständig überraschend, mit List bei Nacht in die
Stadt zu kommen, nach DuK.AS mit der ansehnlichen Mannschaft von 500 Mann 331.
827 Der Zar hatte seine Hilfe zugesichert: vgl. Reg. 2997.
829 Die Anzahl der Schiffe nur bei Nik. Greg. XXVIII, 18: IIl, 187, 22f. Die Schiffe
stammten wohl schon von FRANCESCO GATTILUSro.
830 Wieder hat Nik. Greg. die genaueren Zahlen: XXIX, 27: UI, 241, 20f. Kant. IV,
39: III, 284, 19f. spricht nur von einer Triere und einigen Einruderern.
831 Dukas XI, 4 (ed. V. GRECU, Rumän. Akademie der Wiss. 1958,69, 13). Die hübsche
Anekdote, die Dukas wohl aus einer Sonderquelle erzählt, läßt sich mit den Nach-
richten bei Jo. Kant. und Nik. Greg. vereinen.
DIE AlJDANKUNG 1354 49
Nach MATTEO VILLANI hat JOANNES "mit einigen seiner Barone" (con certi
de'suoi Baroni) vor der Einnahme der Stadt verhandelt 332 • Sie sichern ihm ihren
Gehorsam zu. Die Nachricht könnte wahr sein. Dagegen spricht, daß J OANNES
durch diese Verhandlungen, mit den "Baroni" (es sind die q;lJ..Ol von 1353) die
Aussicht auf den Überraschungserfolg vermindert hätte. Jedenfalls konnte die
Gefolgschaft des J OANNES KANTAKUZENOS nicht mehr rechtzeitig eingesetzt
werden.
Die Indizien sprechen dafür, daß der Kantakuzene nicht sofort aufgab. Er mobili-
sierte alle Anhänger (namentlich genannt sind sein Schwiegersohn NIKEPHOROS
ORSINI, ANDRoNIKos ASAN und sein Sohn MATTHAIOS), auch die in Thrakien
stehenden türkischen Truppen 333. Ob er diesen Schritt nur "seiner Umgebung
willen" (rwv (J'vv6v7:wV lvc~a) getan hat, wie er behauptet, also unter Druck, ist
zweifelhaft 334. In diesem Zusammenhang erfahren wir, daß nicht nur meist wohl
seit dem genuesischen Krieg angeworbene Katalanen die Gefolgschaft des Kanta-
kuzenen verstärkten, sondern alterprobte lateinische Söldner, die seit 1342 beim
Abzug nach Serbien auf der Seite des Adeligen standen und nun die starke Be-
festigung am goldenen Tor bewachten. NIKEPHOROS GREGORAS berichtet, der
Kantakuzene habe ,,100 vornehmste Senatoren" (o/' 7:ifc; (J'vy~J..1}7:0V n(2ovxov7:cC;)
mehr oder weniger gezwungen im Palast versammelt, um Mitstreiter zu haben 336.
Aus Nahrungsmittelknappheit war JOANNES KANTAKUZENOS nach drei Tagen
zum Nachgeben gezwungen. Nach dem Vertragstext vom 24. November 336 war
noch keineswegs an einen Rückzug ins Kloster gedacht. Die Kostenfrage der
beiden Hofhaltungen wird geregelt. Erst am 10. Dezember zieht sich der Kanta-
kuzene zurück 337. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß es dem Kaiser durch den
Druck des Volkes und der Palaiologenpartei unmöglich war, eine eigene Hofhal-
tung aufzubauen. NIKEPHOROS GREGORAS spricht von Mordandrohungen 338. Der
Eintritt ins Manganakloster war ein durch die innenpolitischen Verhältnisse
notwendiger Schritt, der J OANNES KANTAKUZENOS für seine Person einigermaßen
Sicherheit bot. Wie die Folgezeit zeigt, war für den adeligen Exkaiser das ideelle
Motiv der "Weltentsagung" nicht bestimmend 339.
Der Bürgerkrieg zwischen MATTHAIOS und dem Palaiologen ging nach einer kurzen
Pause im Winter 1354/5 unvermindert weiter. Wieder soll die Umgebung des
Palaiologen zum Krieg geschürt haben 340. Verständlicherweise gehen weitere
838 Nik. Greg. XXIX, 30: III, 243. Daß J o. Kant. mit allen Mitteln versuchte, am
Ruder zu bleiben, betont mit Recht FRANZES Volksbewegung 143. Man braucht gerade
von der Entwicklung der Gefolgschaft her J o. Kant. nicht den Vorwurf zu machen, sein
Rückzug ins Kloster sei ein "unbegreiflicher Schritt" gewesen, er habe sich die Ab-
dankung "zu schwer und zu leicht" gemacht. PARISOT Cantacuzene 298. Vgl. J.
DRÄsEKE, BZ 9 (1900) 75.
889 Gegen F. DÖLGER Kaiser und Mönch auf dem Athos, in: Le Millenaire du Mont
841 A. a. O. 310.
842 A. a. 0.314, 9f. Vgl. Nik. Greg. XIX, 38: III, 249.
848 Nik. Greg. XXXVI, 18: III, 510/1. Es scheint, daß MANUEL das Kommando seines
Vaters in Bizye angetreten hat. 1354 wird ANDRONIKOS von Jo. Kant. aus Bizye her-
beigerufen; vgl. Reg. 3027 und Kant. IV, 40: III, 293, 25. Im Frühjahr 1355 kommt
MATTHAlOS zu MANUEL ASAN nach Bizye: Kaut. IV, 44: III, 320, 1 f.
844 Kant. IV, 44: III, 322; vgl. Reg. 3057.
846 Kant. IV, 44: III, 325, 2f. .,. p~ .~v olxelav bWPEv1]V lXew ~vvaptv lvopd;ev ovx
UmpaA8(; ...
846 Zu ihm: Kutlumus (LEMERLE) 112. G. OSTROGORSKY Das serbische Gebiet nach
ein. Daraus ist zu schließen, daß diese in beachtlicher Zahl in der Hauptstadt
saßen, der Nonne jederzeit erreichbar. Bis 1383 gelingt es den Palaiologen nicht,
die Kantakuzenen aus der Führerstellung auf der Peloponnes zu verdrängen,
obwohl der Palaiologe schon 1352 die Söhne des alten Kantakuzenosgegners
IsAAK. ASAN nach dem Süden geschickt hatte, um MANUEL KANTAKUZENOS zu
verdrängen 360. Alle diese Überlegungen mußten J OANNES V. P AL.AIOLOGOS zu
einem "weichen Kurs" gegenüber der unterlegenen Partei im Jahre 1354 drängen.
L. MAKSIMOVIC meint 361 , daß "John V. was not a kind of person who would insist
on Cantacuzenus' complete ejection from public life". Die politische Klugheit, die
geschickte Verhandlungskunst, das militärische Können des Exkaisers mögen
den jungen Palaiologen wichtig gewesen sein. M. E. geben aber weniger psycholo-
gische Erklärungen, für die unsere Quellen eine zu schmale Grundlage bieten, eine
Lösung als vielmehr die innenpolitischen Verhältnisse, denen sich J OANNES V.
gegenüber sah.
In einer großen, von JOANNES V. einberufenen politischen Versammlung gibt der
Exkaiser noch vor seinem Eintritt ins Kloster am 10. Dezember sein Votum.
Gerade die jüngeren Teilnehmer tadeln die Osmanenpolitik des Kantakuzenen 362.
Unter diesen "Jüngeren", die von JOANNES KANTAKUZENOS als "Unverständige"
bezeichnet werden, ist die Opposition zu suchen, die den Exkaiser zum Eintritt
ins Kloster veranlaßte. Die Regelung über die Hofhaltungskosten scheint damit
hinfällig geworden zu sein. J OANNES KANTAKUZENOS hielt sich schadlos, indem
er beim Einzug ins Manganakloster nicht nur das Lebensnotwendige mitnahm,
sondern "der ganze gerade in den kaiserlichen Schatzkammern gesammelte Reich-
tum, kurzgesagt alles, was nicht niet- und nagelfest war, folgte ihnen; und der
Palaiologe ließ es zu aus Scheu vor seinem Schwiegervater 363".
Soweit wir das Itinerar des Exkaisers verfolgen können, wechselt sein Aufenthalt
zwischen der Hauptstadt und Mistra. Dort auf der Peloponnes war der letzte
Stützpunkt der politischen Macht des Adelshauses. In einem einjährigen Aufent-
halt wohl vom Jahr 1360 ab versucht er das Mißtrauen der beiden Brüder MAT-
TH.AIOS und MANUEL zu beseitigen 364. Vom Jahre 1369 bis 1371 ist ein zweiter
Aufenthalt dort zu erschließen. In seinem letzten Aufenthalt vom Jahre 1381 bis
1383 erlebte er den Niedergang der Herrschaft seiner Familie im Süden Griechen-
lands durch Zwistigkeiten zwischen MATTHAIOS KANTAKUZENOS und seinem Sohn,
der sich mit lokalen ~v'Va7:ol verbunden hatte, und durch den Druck der Palaio-
logen 366. J OANNES KANTAKUZENOS, dessen politische Rolle in Griechenland
leider weitgehend im Dunkeln bleibt, konnte diesen Niedergang nicht aufhalten.
850 Kant. IV, 13: III, 89. ZAKYTHINOS Despotat 99 setzt dieses Ereignis erst auf 1355,
also in die Zeit des Kampfes zwischen MATTHAIOS und J OANNES.
851 Abdication 189.
852 Kant. IV, 40: III, 295f. Vgl. BECK Volk 70.
858 Nik. Greg. XXIX, 30: IH, 243/4. Das Kloster wurde schon zu seiner Kaiserzeit
mit Schenkungen bedacht: Reg. 2963 (1350).
854 MAKSIMOvro Abdication 155/6 mit weiterer Lit.
855 Hauptquelle : MANUEL P ALAIOLOGOS Epitaphios ed. LAMPROS lIaÄawÄ6yeLa xal
lIeÄono'V'V'YJataxd III, Athen 1926, 34f. MAKSIMovro Abdication 181-186. DENNIs
Manuel 114f. R.-J. LOENERTZ Pour l'histoire du Pelopones au XIVe siecle, REB 1
(1943) 161-166.
52 DIE GEFOLGSCHAFT NACH 1347
Von DEMETRIOS KYDONES ist der Exkaiser gepriesen, daß er den Sohn "die not-
wendigen Maßnahmen durchführen ließ" (ßaO'lAeW~ TOV naTeO~ ela'Y}yovp's'JIOV Ta
~eO'JITa) 368.
880 Reg. 2989 (1352); MM I, 345 (wohl 1354); Reg. 3122 (1369). LEMERLE Juge 311
vollzieht diese GleichsetzWlg nicht.
881 Rede an Joannes V. ed. LOENERTZ Dem. Cyd. Correspondance I, 11, 29f. Kap. 3.
8811 Contra Gregoram PG 151 Sp. 1129/30.
888 Cod. Paris. 1242 fol. 81 r.
DIE HALTUNG VON JOANNES V. NACH 1354
I
53
872 DENNIS Manuel 41 mit Belegen. Vor allem Dem. Kyd. Br. 222, 92-125.
v. Soziale Mobilität in der Zeit des Joannes Kantakuzenos
878 V gl. BOSL Über soziale Mobilität in der mittelalterl. Gesellsch. in: Frühformen d.
Gesellsch. im ma. Europa, München 1964, 156-179. Ders. Soziale Mobilität in der ma.
Gesellsch. in: D. Gesellsch. in d. Gesch. d. MA, Göttingen 1966, 44-60.
874 Es fragt sich, ob es Unfreiheit im späten Byzanz überhaupt gab. D. Sklaverei ver-
schwindet weitgehend (vgl. Kap. XII). Auch OSTROGORSKY FeodaliM 328, der die
Bindung an die Scholle bei den Paröken für "indiscutable" hält, gibt für die Spätzeit
zu, daß die Bauern sich "das Recht herausgenommen haben", den Grundherrn zu
wechseln. Es wird nicht abzustreiten sein, daß die Söhne der Paröken das Recht hatten,
in der Stadt sich anzusiedeln. Die Frage verdient erneut auf breiter Basis verhandelt
zu werden. Auf soziale Verschiebungen im Bauernstand zur Palaiologenzeit gehe ich
im Rahmen dieser Arbeit nicht näher ein (siehe Einleitung).
875 V gl. BEcK Gefolgschaft 6. Keine andere erzählende Quelle charakterisiert die nied-
rige Herkunft des Kaisers so scharf wie Zonaras III, 407, 16.
878 I, 44 (RENAULD) (Romanos !II. Kap. XVIII).
877 II, 36.
Auch er war Kanzleibeamter und wurde von Kaiser MANUEL KOMNENOS mit wich-
tigen militärischen Missionen betraut. Nach NIKETAs ÜHONIATES war der Kypriote
SPYRIDAN.AKES ein Handwerker aus "niedrigem Stand" (T~'V TVxr;'V X(J6'Vto~)380,
ein Diener des Kaisers ALEnos 111. (vnr;e8TOVfl8'VO~); unter anderem ist dieser
Mann ein Beispiel für soziale Mobilität in Byzanz am Ende des 12. Jh. In allen
diesen Fällen läßt sich' meist nicht nachweisen, welche Schichten und Familien
als "niedrig" disqualifiziert werden. Bei J OANNES ÜRPHANOTROPHOS ist die bäuer-
liche Herkunft aus der Provinz so gekennzeichnet, bei dem Kyprioten SPYRI-
DAN.AKES wohl das Handwerk, vielleicht auch die Herkunft aus Zypern.
Schwierig wird der Begriff der "Niedrigkeit" bei GEORGIOS MUZALON, dem ersten
Ratgeber des Kaisers THEODOROS II. LASKARIS. Nach der Aussage der byzanti-
nischen Historiker war GEORGIOS niederer Herkunft 381 und nur seine Geistes-
gaben und sein gutes Benehmen haben ihm Eingang zum Kaiserhof verschafft,
wo er mit den kaiserlichen Prinzen erzogen wurde. In diesem Fall ist der Name
der Familie durchaus nicht unbekannt: Ein Mann mit diesem Familiennamen
saß um die Mitte des 12. Jh. auf dem Patriarchenstuhl 382 •
Ebenso trugen den Namen "Apokaukos" einige bekannte Persönlichkeiten wie
der Protospatharios und Strategos LEON APOKAUKOS, dessen Siegel aus dem 10.
oder 11. Jh. erhalten ist 383 , weiter der Metropolit von Naupaktos JOANNES APo-
KAUKOS im 13. Jh. Ein Sebastopanhypertatos J OANNES APOKAUKOS unterschreibt
den Vertrag mit Venedig im Jahre 1277 384 • Trotzdem nennt JOANNES KANTA-
KUZENOS ALEXIOS APOKAUKOS a(]r;flO~, b, qJaVAQ)'JI qJV~, a'V~ea 'Ye'Vov~ aqJa'Vov~;
ähnlich sagt NIKEPHOROS GREGORAS, ALEXIOS stamme 'Ye'Vov~ TW'V a~6~w'V385.
JOANNES V ATATzEswird von NIKEPHoRos GREGORAS am7flov 'Ye'Vov~ vnaexw'V
bezeichnet 386. Ein J OANNES V ATATZES ist bereits Mitstreiter des GEORGIOS
MANIAKES gegen KONSTANTIN IX. MONOMACHOS 387. Seitdem treten verschiedene
Mitglieder der Familie in der Komnenenzeit in hohen MilitärsteIlen in Erschei-
nung 388. Mit dem Kaiserhaus verwandt, gehören die Vatatzes schon zu dieser Zeit
zum "Adel", bis ein Mitglied des Hauses, JOANNES DUKAs V ATATZES, in Nikaia
über 30 Jahre lang den Kaiserthron einnimmt.
Es gibt eine Erklärung dafür, daß die Abstammung des ALEXIOS APOKAUKOS,
GEORGIOS MUZALON und J OANNES VATATZES von den byzantinischen Historikern
als "niedrig" bezeichnet wird, obwohl Träger dieser Familiennamen in der Ver-
gangenheit zu hohem Ansehen gelangt sind: Wie in unserer modernen Namen-
gebung deutet im Denken des Byzantiners Namengleichheit durchaus nicht auf
Verwandtschaft hin. Beginnt der Byzantiner an diesem Punkte, das Sippen-
denken zu überwinden, bedingt durch die immer stärker differenzierte Namen-
886 Kant. I, 4: I, 25, 4; I, 23: I, 117, 24f.; III, 14: II, 89, 2. Nik. Greg. XII, 2: 577,20.
386 Nik. Greg. XIV, 11: 741, 6f.
387 Psellos Chron. II, 28 (RENAULD).
888 Du CANGE Historia 222 f.
56 SOZIALE MOBILITÄT
gebung ~ Dieses Sippendenken ist andererseits aber noch so stark, daß die Glieder
der Adelsfamilien in ihre Namen oft die ganze Reihe aller der Geschlechter ein-
fügen, mit denen sie irgendwie verwandt sind. Offensichtlich erhöht eine solche
Aufzählung das Sozialprestige. .
Die Bezeichnung der Niederschichten durch den Geschichtsschreiber J OANNES
KANT.AK.uZENOS unterscheidet sich nicht von seinen Zeitgenossen und Vorgängern
(er gebraucht vor allem die Adjektiva äarJ/J,or;, cpavÄor;, acpavr]r;). Bemerkenswert
ist die Wendung be fJ,l'KeOV 'Kat Tvx6vTOr;, die er in Bezug auf seinen "Diener" APEL-
MENES gebraucht 389. Hier klingt die Vorstellung einer "Größenordnung" in der
Gesellschaft an. Auch der Volksdichtung des 14. Jh. ist dieser Gedanke geläufig.
So spricht das Belisarlied von zwei Mitgliedern der Familie der Petraliphai, daß
"sie von kleinem Geschlecht aus Didymoteichos abstammten" (Uno fl,l'Ker] TB YBVBa
i]ToV L1lfl,OTBlx'iTal) 390. Schwierig ist wieder an dieser Stelle die Benennung der vor
allem in Epirus im 13. Jh. häufig hervortretenden Familie als "klein".
Eine Beobachtung läßt sich aus der Terminologie machen, mit der J OANNES
KANT.AK.UZENOS wie sein Zeitgenosse NIKEPHOROS GREGORAS und die Geschichts-
schreiber vor ihnen die Niederschichten bezeichnen: Wie die Adelsprädikate
tragen die Bezeichnungen der Unterschichten das Merkmal der Subjektivität
noch deutlich an sich. Die Zugehörigkeit zu diesen Bevölkerungsschichten ist
wie die Zugehörigkeit zum Adel von der öffentlichen Meinung und ihren schwer
festlegbaren und schwankenden Urteilen und Definitionen abhängig. Diese un-
scharfen, gefühlsbetonten Meinungen waren aber kein Hinderungsgrund, daß
sich ein Standesdenken ausbilden konnte, wofür die oben S. 28 angeführte Be-
merkung des J OANNES KANT.AK.uZENOS über die Heirat des ALEXIos APOKAUKOS
mit der Kusine des Großstratopedarchen CHUMNOS der beste Beweis ist. Er konnte
diese Verbindung nur eingehen, als "er bereits berühmt war und den adeligen
Kreisen ebenbürtig". Die Ehe des MANuEL TAGARIS mit THEoDoRA ASANINA
gehört hierher (siehe unten). Erst nach sozialem Aufstieg zum ersten Kanzlei-
beamten des Kaisers kann MANUEL HOLOBOLOS - inzwischen reich und angesehen - .
daran denken, "eine adelige Dame" (TWV BvnaTel~WV p,{av) zu heiraten 391.
Gerade dieses Standesdenken erscheint neben den wirtschaftlichen Schwierig-
keiten der größte Hinderungsgrund für den sozialen Aufstieg. Mit dieser Ein-
schränkung gilt auch für die spätbyzantinische Zeit wie für das 9. Jh. der Satz,
daß "eine völlig offene byzantinische Gesellschaft" dem rückschauenden Histo-
riker entgegentritt, "in der es keine durch Herkunft bestimmte abgeschlossene
Klüngel gibt 392" •
Gerade in der Umgebung des Adeligen J OANNES KANT.AK.uZENOS sind mehrere
teilweise schon behandelte Beispiele für sozialen Aufstieg einzelner Personen
greifbar, deren Emporkommen einiges Licht auf die wirkenden Kräfte in der
byzantinischen Gesellschaft des 14. Jh. werfen.
Wenn in der früh- und mittel byzantinischen Zeit das Kaisertum "die Ursache
der ständigen Unruhe in den horizontalen Schichten" war, so fällt dieser Grund
im 14. Jh. weitgehend weg, da die Kaiser aus politischen Gründen einen "weichen
Kurs" gegenüber den Anhängern des Vorgängers einschlagen mußten (siehe
Kap. 111 u. IV) 393. Dies bedeutet nicht, daß die unruhigen Zeiten der zahlreichen
Bürgerkriege nicht für tüchtige und zugleich skrupellose Elemente willkommene
Gelegenheit boten, zu' Macht und Einfluß zu gelangen. ALEXIOS APOKAUKOS ver-
dankte der politischen Notlage vor dem ersten Bürgerkrieg zwischen ANDRONIKOS
11. und 111., daß er in das Adelstriumvirat aufgenommen wurde. Der Empor-
kömmling J OANNES V ATATZES konnte im Bürgerkrieg nach 1341 - von beiden
Seiten umworben - seine gesellschaftliche Stellung bedeutend verbessern. Die
Heirat seines Sohnes mit der Tochter des Patriarchen KALEKAS und die Ver-
bindung seiner Tochter mit einem Sohn des ALEXIOS APOKAUKOS 394 zeigte, daß
er den höchsten Kreisen der Partei der Kß,iserin ANNA "ebenbürtig" war; durch
die Wendung zu J OANNES KANTAKuzENos verschaffte er seinem Familienclan,
dessen Größe ausdrücklich hervorgehoben wird 395, Ehrenstellungen und jährliche
Einkünfte (r:tp,ar; . .. :neo0'6f5ovr; b:'YJO'lovr;). Freilich bedeuten die Bürgerkriege
für APOKAUKOS und VATATZES nur die Krönung ihres Aufstieges. Mir ist kein
Schicksal bekannt, für das die Bürgerkriege der erste Anstoß für den sozialen
Aufstieg gewesen wären. Auch bei APOKAUKOS und VATATZES liegen die Anfänge
ihres Emporkommens viel weiter zurück. Beide Männer verdanken ihren Aufstieg
dem Dienst in der byzantinischen Verwaltung, vorzüglich in der Finanzverwaltung.
In dieser Tätigkeit konnte ein tüchtiger und zugleich verschlagener Mann aus
niederem Stand im 14. Jh. verhältnismäßig leicht zu Macht und Ansehen gelangen.
Diese Tatsache wirft kein gutes Licht auf die byzantinische Beamtenschaft der
Spätzeit, da der Reichtum nicht auf legalem Wege in die Hände der Beamten
kam. "Das Merkwürdigste aber an diesen Dingen ist," bemerkt F. DÖLGER, "daß
die byzantinische Öffentlichkeit an solchem Treiben der :neaxTOeer; offenbar keinen
Anstoß genommen, sondern sie als eine Art erlaubter Spekulation betrachtet haben
muß 396". P ATRIKIOTES, der lange Zeit als Apographeus tätig war, konnte J OANNES
KANTAKUZENOS 100000 Hyperpyra (xeVO'la) und einen Schatz im Wert von
40000 Hyperpyra zur Verfügung stellen 397. Dies ist zusammen fast fünfmal soviel
wie die jährliche Zolleinnahme in der Hauptstadt, die sich auf 30000 Hyperpyra
belief 398 • Gleich einem Adeligen zeigte sich PATRIKIOTES als Gönner von Literaten
(vgl. S. 149). ALEXIOS MAKREMBOLITEs bezeichnete sich als sein (}eea:nwv.
Wie PATRIKIOTES ist JOANNES VATATZES nach den Worten des NIKEPHOROS
GREGORAS durch die Apographeustätigkeit reich geworden (:nAOVO'Wr; s~ d:no-
yeacplXWV syey6vel sp,:noelWV) 399. Wie die Urkunden beweisen 400, war VATATZES noch
896 A. a. O. 475, 3.
398 Nik. Greg. XVII, 1: 842,4. Weitere Vergleichszahlen bei ZAKYTHINOS Crise 83.
400 Vor allem das Praktikonfür Iviron vom April 1341 : DÖLGER Schatzkammern Nr. 72/3.
58 SOZIALE MOBILITÄT
bis kurz vor dem Tode des Kaisers ANDRONIKOS 111. als Apographeus tätig im
Rang eines neWTO"'V'V1'Jyo~401. Da er 1341 zu Beginn des Bürgerkrieges in die
militärischen Operationen verstrickt ist (er ist Führer der Truppenabteilung der
'Axveai:r:oL) 4O'J., dürfte er in dieser Zeit keine Verwaltungsfunktion mehr inne-
gehabt haben 403.
Von untergeordneten Stellungen in der Finanzverwaltung hatte sich ALEXIOS
APOKAUKOS durch List und Verschlagenheit bis zum Verwalter der Salinen und
zum ~op,e(]Tt"'o~ TW'V ~VTt"'w'V ()8p,aTw'V emporgearbeitet.
Nicht immer waren üble Eigenschaften der Grund für den Aufstieg in der Beam-
tenlaufbahn. Mannhaftigkeit und Wagemut in den Türkenkämpfen und militäri-
sche Erfahrung sollen nach den Worten des J OANNES KANTAKUZENOS 404 den
Grund gelegt haben für den Aufstieg des MANUEL TAGARIS noch in der Zeit des
Kaisers ANDRONIKOS 11. Er stammte aus "niederem und unbekanntem Ge-
schlecht" (e", ye'Vov~ <pavÄov ",at a<pa'Vofj~). Er hatte es fertiggebracht, "daß er
deshalb bewundert wurde und eine Ehe mit hohen Kreisen (yap,ov TVX8i'V b"lt<pa-
'Vofj~) eingehen konnte". Es war THEODORA ASANINA, eine Kusine des Kaisers
ANDRONIKOS 11. 406 • Wie bei ALExIOS APOKAUKOS ist die "Berühmtheit", d. h.
die schwer faßbare, gefühlsbetonte Meinung der Gesellschaft, der Grund, daß ein
Mann aus niedrigen Schichten dem Adel ebenbürtig wird. Die Familie der Tagaris
erscheint nach MANUEL TAGARIS im 14. Jh. in hohen Stellungen: Der Großstrato-
pedarch GEORGIOS TAGARIS ist Gesandter der Kaiserin ANNA 1346 406 • Der Mönch
PAULOS TAGARIS, dessen Verwandtschaftsverhältnis zu MANuEL TAGARIS nicht
e",
feststellbar ist, bezeichnet um 1395 seine Eltern bereits als 8VY8'Vei~ neoyo'Vw'V 407.
Er ist mit den Palaiologen verwandt.
Unwillkürlich muß man beim Aufstieg des MANUEL TAGARIS an den Aufstieg
des Bauernsohnes ROMANos LAKAl'ENOS denken, der im Militärdienst emporstieg
und die Adelsgeschlechter überspielte. Er gelangte zur Kaiserwürde (920-944).
Auch an Jus TIN I. (518-527), LEo 111. (717-741) und MIOHAEL 11. (820-829) ist
zu erinnern. Der Militärdienst erscheint gerade in mittelbyzantinischer Zeit als.
der entscheidende Faktor für den Aufstieg einzelner Familien. Die Phokas, die
Dukas und die halb armenische Familie der Skleroi gehören hierher.
Die Laufbahn des ALEXIOS APOKAUKOS zeigt, daß nicht nur Stellungen im Staats-
dienst seinen Lebensweg bestimmten, sondern ebenso der Dienst bei einem Adeli-
gen, ANDRONIKOS ASAN . War er Ol",eT1'J~ und gehörte er zur engeren Gefolgschaft,
die Hilfeleistung der Adeligen für das junge Mädchen auf den gleichen Faktoren.
In beiden Fällen wird für die Förderung eine Gegenleistung verlangt: Dienst und
Gehorsam.
Der Patriarch Pm::r..OTHEOS war geringer, vielleicht jüdischer Abstammung.
DEMETRIOS KYDONES nennt ihn verächtlich "einen Sklaven, in schlimmsten
Verhältnissen lebend, dem jeder ein Feind ist, der an seine Eltern erinnert",
(av(jeano(jov uat TVxn (]vftßeßuJ)uw~ fPaVAoTO.-rn uat cl> n{i~ Tt~ BxOeO~ TWV yovswv
vnofttftvrjO'uwv) 412. KYDONES spielt hier wohl auf die besondere RechtsteIlung der
Juden an 413. Im vorausgehenden Satz hebt er ausdrücklich seine eigene Freiheit
(BAevOeela) hervor. Bei dem berühmten Philologen und Rhetoren THOMAS MAGI-
STROS hat PmLOTHEOS seine Ausbildung genossen, die Grundlage für seinen späte-
ren Aufstieg, der ihn bis zur höchsten kirchlichen Würde brachte. Als Gegenlei-
stung versah der sicher gänzlich Inittellose junge Mann die Dienste eines Kochs.
Er war ein OlUST'YJ~ seines Lehrmeisters 414. Diese "Privatschulen" bei einem großen
Gelehrten, die im 14. Jh. die höhere Bildung verInitteln 416 , schaffen die Voraus-
setzung für den weiteren Aufstieg. Der Großlogothet THEODOROS METocIDTEs ist
für den aus der Provinz stammenden NIKEPHoRos GREGORAS, der aus einer viel
angeseheneren Familie kommt als Philotheos, nicht nur Lehrer, sondern auch
Protektor. Er ebnet ihm den Weg zum Kaiser (vgl. S. 151). In vielen Fällen kann
ein Bittbrief, aus dem sich ein Schutzverhältnis entwickelte, den Grund für sozia-
len Aufstieg gegeben haben. Aber die Schicksale der Schützlinge, für die die Bitt-
briefe eintreten, bleiben im dunkeln der Vergangenheit.
Neben den Möglichkeiten, die eine Laufbahn als Staatsbeamter im Finanz- und
Militärdienst bot, eröffneten also die vielfältigen personalen Bindungen, die die
byzantinische Gesellschaft des 14. Jh. durchziehen, vor allem die "engere" Ge-
folgschaft, den Weg zum sozialen Aufstieg. Darin liegt neben der kulturellen und
politischen Bedeutung das Gewicht dieser Bindungen für die byzantinische Ge-
schichte.
412 MERCATI Notizie 328 Z. 24/5 (editio) vgl. 248/9. Vgl. V. LAURENT Art. Philothee
Kokkinos, in: DTC XII, 2 Sp. 1498-1509.
4113 V gl. P. CHARANIS The J ews in the Byzantine Empire under the first Paleologi,
Speculum 22 (1947) 75-77. J. STARR The Jewries of the Levant after the fourth crusade,
Paris 1949, vor allem S. 25ff.
414 MERCATI Notizie 302 Z. 205.
416 Vgl. F. FUCHS Die höheren Schulen von Konstantinopel im MA, Byz. Archiv 9
(1926) 62.
VI. Fremdländische Einflüsse in der byzantinischen Gesellschaft
Es ist m. W. jn der bisherigen Forschung noch nicht betont worden, daß das Ge-
schichtswerk des J OANNES KANTAKUZENOS nicht nur eine Apologie seines Kaiser-
tums und seiner Türkenpolitik darstellt. Es ist an einigen Punkten ein Manifest
der alten großbyzantinischen Reichsidee, die über ein national-griechisches Den-
ken hinausgeht 416 • Nicht zu entscheiden ist dabei die Frage, ob sich hinter den
Äußerungen des Mönches und Exkaisers ein echtes Leitbild verbirgt, das der by-
zantinische Adelige trotz der Ausweglosigkeit der damaligen Lage mit über-
zeugung bewahrt, oder eine leere politische Propaganda. Glaubte er an eine wenig-
stens bescheidene Verwirklichung seines Leitbildes?
"Da wir glauben, die Nachkommen der alten Römer zu sein, so laßt uns ihre
Tugend nachahmen", heißt es in einem Aufruf an die Soldaten 417. Die Römer
haben "fast" einst den Erdkreis erobert 418 ! Arta ist seit Caesars Zeiten römisches
Gebiet, deshalb gehört es unter byzantinische Oberhoheit 419 ! JOANNES KANTAKU-
ZENOS hofft, "wie in alten Zeiten von der Peloponnes bis nach Byzanz" die byzan-
tinische Herrschaft auszudehnen 420. Römische Feldherrn sind die Vorbilder des
byzantinischen Adeligen (vgl. S. 14). Auch NIKEPHoRos GREGORAS macht sich
über die schwindende Größe von Byzanz Gedanken und kommt zu dem verstie-
genen Schluß, daß Byzanz auch noch in der Gegenwart eine ähnliche weltumspan-
nende Macht wie das alte Römerreich behaupten könne, würden nicht die Bürger-
kriege alle Kräfte lähmen 421.
Von diesen universal-römischen Gedanken her erscheint die Stellung des byzanti-
nischen Adeligen zum Westen in einem neuen Licht. Bei einer Kritik an der Über-
lieferung ergibt sich, daß es nicht sicher ist, ob JOANNES KANTAKUZENOS wirklich
den Papstprimat anerkannt hat. Die lateinische Zusammenfassung des Gesprächs
des Kaisers J OANNES KANTAKUZENOS mit BARTHOLMÄus DE ROMA nach dem
1. September 1347 gibt den Inhalt eines Kaiserbriefs mit Goldbulle wieder in
einer Formulierung, die durchaus im Rahmen byzantinischen Staatsdenkens ver-
ständlich ist, an der Kurie freilich einen anderen Klang bekommt: '" reeognos-
eens primatum et universalitatem Romane eeelesie, et sie profitetur et intendit semper
et in perpetuum profiteri et seribere 422 • Es stimmt gegenüber dem Wert dieses Be-
richtes bedenklich, daß der lateinisch erhaltene Kaiserbrief eine solche Inhalts-
angabe keineswegs rechtfertigt 423. Nicht nachprüfbar ist die Angabe, JOANNES
416 Die Gedankengänge in K. LECHNERS Diss. Hellenen und Barbaren im Weltbild der
Byzantiner, München 1954, 64f. sind an diesem Punkt zu erweitern und zu ergänzen.
m Kant. III, 41: II, 251, 18f.
416 Kant. III, 40: II, 244, 19.
m Kant. II, 36: I, 520, 1 ff.
420 Kant. III, 12: 11, 80, 8f.
421 Nik. Greg. XII, 7: 598/9.
ua LOENERTZ Ambassadeurs 181 Z. 35/6. Reg. 2930.
428 Höchstens der Nachsatz (a. a. O. 184 Z. 10f.) erwähnt den Universalitätsa,nspruch:
... predecessores vestri quos opijex omnium deus ad curam universi gregis dominici in
pastores elegit.
62 FREMDLÄNDISCHE EINFLÜSSE
kennt z. B. MAXIMOS PLANUDES eine Vorrangstellung des Papstes an. BEcK Kirche 34;
M. JUGIE Theologia dogmatica Christianorum orientalium IV, Paris 1931, 325ff. Auch
das unten zitierte Gespräch des Mönches ATHANASIOS befürwortet die Vorrangstellung
des Papstes.
4.28 Instruktion an die Gesandten vom Sept. 1347: LOENERTZ Ambassadeurs 182 Z.
55ff. Das Memoriale vom 5.3. 1348 a.a. O. 187 Z. 37ff. besonders deutlich: coniunctio
predicti ecclesie corpori8 . .. ni8i per 80lam synodum. Kant. IV, 9: IlI, 59, 20f. (vgl. Reg.
2937) (erst 13501). MEYENDORFF Projets (1367) § 10.
m Kant. IV, 9: III, 59, 12f. MEYENDORFF Projets 172 Z. 106f. ( § 8); § 11; 13; 25.
480 A. a. O. 172 Z. 93.
LATEINERFREUNDLIOHE KREISE 63
I
mit seinen Konzilsplänen nicht ernst 43 Q Auch die ablehnende Haltung des Papst-
tums gegenüber Konzilsplänen mußte ihm bekannt sein 432.
Die kirchenpolitische Konzeption des J OANNES KANTAKUZENOS vor allem in der
Forderung eines ökumenischen Konzils stand im Einklang Init N EILOS K.AB.ASIL.AS
und NIKEPHOROS GREGOR.AS, fand aber sonst kaum Anhänger in der byzantini-
schen Gesellschaft. Sein früherer "qJtAo~" B.ARLAAM trat für ein Konzil ein, war
aber dogmatischen Streitgesprächen gegenüber viel skeptischer wie sein Gefolgs-
herr 433 • War er der Lehrmeister des Adeligen auch in Konzilsfragen ~
Die lateinerfreundlichen Kreise sind durchwegs in den Laienkreisen der gehobenen
Schichten zu suchen. H.ALECKIS Meinung 434, daß die Unionsfreundlichkeit in allen
Bevölkerungsschichten zu finden gewesen sei, findet in den Quellen keine Bestäti-
gung. Wieder wie im palaInitischen Streit beteiligen sich nur wenige politisch
aktive Männer an Unionsfragen. Die Adressatenliste der päpstlichen Kanzlei kann
nur wenige lateinerfreundliche Personen aus dem byzantinischen Adel nennen.
Aus den Adressen der Papstbriefe ist die Lateinerfreundlichkeit der drei Metochi-
tessöhne ALEXIOS, NIKEPHOROS und DEMETRIOs vielleicht zu erschließen. Zu
diesem Kreis zählt auch der Großstratopedarch GEORGIOS T.AG.ARIS und die Brü-
der J O.ANNES und M.AXIMOS K.ALOPHERos. 1350 sind auch ANDRoNIKos AS.AN und
seine beiden Söhne MANUEL und J OANNES vom Papst CLEMENS VI. angespro-
chen 436 • Nach der Meinung des Palaiologenkaisers soll sich der Papst durch Ver-
leihung von Auszeichnungen gerade um die Großen des Reiches bemühen 436.
1357 hat PETER THOM.AS sehr viele "baronum Graecorum" bekehrt 437 • Der Bericht-
erstatter PHILIPPE DE MEZI:ERES muß aber in seiner Lebensbeschreibung gleich
darauf hinzusetzen: "Quidam male loquebantur et alii bene." In der Umgebung des
Palaiologen machte sich also Widerstand gegen seine religiöse Haltung bemerkbar.
Leider sind von der röInisch-katholischen Umgebung der Kaiserin ANN.A VON
S.AVOYEN nur die Hofdame IS.ABELL.A DE L.A ROCHETTE und ihr Sohn durch einige
Papstbriefe als aktive Fürsprecherin für den katholischen Glauben bekannt. Der
Einfluß dieser Hofkreise auf J O.ANNES V. ist sicher anzunehmen. Er vollzieht 1355
seine erstaunliche Wendung zum Katholizismus. Sein "cancellarius" GEORGIOS
M.ANlKAITES ist katholisch 438. Die Gemahlin des Palaiologenkaisers, HELEN.A, die
431 So fragt mit Recht GAY Clement 111. Auch W. DE VRIES Rom und die Patriarchate
des Ostens, München 1963 (Orbis Akademicus III/4), 55 läßt die Frage offen.
482 DE VRIES a. a. O. 52-64 gibt einen ausgezeichnet klaren und historisch objek-
tiven Überblick über die Unionsversuche im 14. Jh.
483 M. VILLER L'union des eglises entre Grecs et Latins, RHE 18 (1922) 23ff. BARLA..AM
will in seinem avpßovÄ,evn"or; Ä,6yor; durch ein Gesetz den dogmat. Streit überhaupt
verbieten. Denn niemand wird die Gegenpartei überzeugen können. Die Zeit hat die
verschiedenen Meinungen glaubwürdig gemacht (ed. GIANNELLI 188 u. 193 in:
Miscellanea G. Mercat,i Irr, Studi e Testi 123) (1946).
484 Empereur 156.
485 Vgl. die Adressen bei E. DEPREz - G. MOLLAT Clement VI (1342-1352). Lettres
cioses, patentes et curiales interessant les pays autres que la France. Paris 1960/1,
Reg. 2233 (28. 6. 1350); Acta Innocentii VI. Nr. 92a (18. 8. 1356); Acta Urbani V.
Nr. 125-131 (6. 11. 1367).
488 Reg. 3052 = Acta Innocentii VI. Nr. 84.
487 The life of Saint Peter Thomas by Philippe de Mezieres ed. J. SMET, Rom 1954, 75.
488 Er tritt vor allem 1366 in Erscheinung: Rag. 3107; HALEOKI Empereur 113 A. 2.
64 FREMDLÄNDISCHE EINFLÜSSE
Tochter des J OANNES KANTAKUZENOS, wird vom Papst wegen ihres Glaubens-
eifers, d. h. ihrer Lateinerfreundlichkeit, gelobt 439. DEMETRIOS KYDONES bildete
um sich eine Gruppe bildungsbefiissener Italiener. Vor allem Dominikaner zählten
zu diesem Kreis, ein Orden, der sich damals eifrig der Inquisition widmete, auch
in Pera. "Für letztere (die Italiener) wurde mein Haus zum täglich überfüllten
Stelldichein, besonders für die Ordensleute des Thomas ... "440. Die Gruppe ist
geprägt vom Geist des religiösen Wahrheitssuchers und hat weder politischen
noch sozialen, aber einen ausgesprochen übernationalen Charakter. Der Kreis be-
leuchtet die gesellschaftlich verworrene Lage: Der Kanzler des orthodoxen
byzantinischen Kaisers J OANNES VI. KANTAKUZENOS schart um sich Angehörige
eines Ordens, denen es unter anderem zur Aufgabe gestellt ist, mit den Mitteln
der Inquisition die Orthodoxie zu unterdrücken und damit auch Byzantiner den
lateinischen weltlichen Behörden auszuliefern; der Kaiser selbst nennt die Domi-
nikaner (unter dem Einfluß des DEMETRIOs KYDONEs1) cpl)..ol (siehe unten)44!.
Ein entscheidender Einfluß ist von den katholisch gesinnten Kreisen nicht ausge-
gangen, auch wenn der Palaiologenkaiser selbst zu ihnen gehörte. Weder 1355
noch 1371 wird der Versuch gemacht, die Union allgemein durchzuführen. Die
Opposition war zu mächtig.
Zwei von T. KAEPPELI zum ersten Mal veröffentlichte Stellen aus dem Werk "de
oboedientia Ecclesiae Romanae debita" (geschrieben 1358/9) des Dominikaner-
inquisitors PHIT.IPP DE BINDO INCONTRI, also eines Kenners der Verhältnisse,
zeigen, woher der Widerstand kam 442. PHILIPP sagt, er habe in seiner Missions-
praxis viele heimliche Katholiken getroffen. Offen haben sie aber ihre Meinung
nicht bekannt: timebant enim plebem. Der Metropolit von Dyrrhachion hält nach
der Mitteilung PHILIPPS eine Union nur für möglich " ... nisi talis violentia sit, quod
non timeamus plebem, aut quod imperator sua potentia hoc faciat, vel ecclesia Romana
mittat exercitum contra civitatem, quo timore non audeat populus consurgere".
Der Verfasser des Prologs der 1365 geschriebenen "Vierfüßlergeschichte" inter-
pretiert das Werk vom grundsätzlichen Mißtrauen her gegen "die Völker, die mit
uns trügerische Freundschaft schließen und es wagen, uns mit aller Kraft gänz-
lich zu vernichten 443". Vielleicht will das Gedicht in der Tat nicht nur die sozialen
Unterschiede aufdecken. Ob das Mißtrauen sich allgemein gegen einen Bund mit
den Lateinern oder gegen Kreuzzugspläne und Unionsversuche richtet, geht aus
dem weitschweifigen Elaborat nicht hervor.
439 Acta Urbani V. Nr. 124 (6. 11. 1367 )= RAYNALDUS 1367, VIII.
440 Dem. Kyd. Apologie ed. MERCATI Notizie 364 Z. 33; übs. H.-G. BEcK in: OstkirchI.
Studien I (1952) 212.
441 Wie die Inquisition arbeitete, zeigt das Schicksal des Arztes und "Philosophen"
GEORGIOS, eines Freundes und Landsmannes (1) des DEMETRIOS KYDONES. Zuerst
Antipalamit, schloß er sich der lateinischen Kirche an, machte aber während seines
Aufenthaltes auf Zypern eine Kehrtwendung. Tatsache ist, daß er gefangengesetzt
wurde. DEMETRIOS KYDONES warnt in einem Brief, GEORGIOS solle sich vor dem Feuer-
tod hüten (Br. 31 Z. 50f.). Ist der Passus wirklich mit R.-J. LOENERTz, Arch. Praed. 18
(1948) 278 zu verharmlosen, der interpretiert: "Ce dernier danger, a vrai dire, ne semble
pas tres serieux, car Demetrius en parle sur un ton de plaisanterie."
442 Th. KAEpPELI Deux nouveaux ouvrages de fr. Philippe Incontri de Pera O. P.,
el~ laxvv äer5rJV f}flä~ dUaat. Die Geschichte von den Vierfüßlern ist bestimmt keine
"Kindergeschichte" (vgl. K. KRUMBACHER Geschichte der byz. Litteratur, Münchens
1897,877-9). Das Datum gibt einen deutlichen Anhaltspunkt für die Absicht des Ge-
dichts: 1364 beginnt J OANNES P ALAlOLOGOS wieder Verhandlungen mit dem Papsttum,
diesmal freilich viel zurückhaltender als 1355 (vgl. HALECKI Empereur 86).
444 Acta Benedicti XII S. 90 = PG 151 Sp. 1336 C.
446 Mel. Diehl I (1930) 141-5.
·446 SEVCENKO Supposed colony 614 mit Belegen.
447 Ed. J. DARROUZES, REB 19 (1961) 86-109.
·448 Besonders deutlich S. 90 Kap. 6 (Anfang).
449 S. 86 Kap. 1: 'Iwavvov TOU IIaJ... T~V ßaatJ..elav 'Pwflalwv lf)vvoVTO~.
66 FREMDLÄNDISOHE EINFLÜSSE
werden ... " 450. Dem Papst wird höchstens der Ehrenprimat vor den anderen Patri-
archen zugestanden 451.
Allgemein von einer Lateinerfeindlichkeit des Mönchtums zur Zeit des J OANNES
KANTAKUZENOS zu sprechen, wäre voreilig. Im Blick auf die UnionsbemühWlgen
MrCH.A.ELS VIII. hat H. EVERT-KAPPESOVA mit Recht darauf hingewiesen, wie
schlecht der Einfluß und die Stellung dieses sozial Wleinheitlichen Standes zu
fassen sei 462. Unter den sozial hochstehenden antipalamitischen Mönchen dürfte
sich mancher "latinophron" befWlden haben.
Die Haltung des hohen Klerus in der Zeit des J OANNES KANTAKUZENOS ist durch-
aus unions- und lateinerfeindlich. Die Patriarchen von Konstantinopel bean-
spruchen für sich den Primat 463 und suchen die BeziehWlgen zu den Patriarchen
von Antiochien und Alexandrien zur Stärkung der orthodoxen Partei zu festigen.
Kein Vertreter des byzantinischen Klerus begleitete den Kaiser J OANNES V. 1369
nach Rom. Bei UnionsverhandlWlgen ist der hohe Klerus überzeugt, daß sich die
orthodoxe MeinWlg durchsetzen werde (64.
Prüft man in den Patriarchalakten die Reihe der Personen, die dem lateinischen
Glauben abschwören, so ergibt sich, daß die meisten and rw'V Aart'V(()'JI kommen,
d. h. aus dem Westen 466. Wichtig an diesem Personenkreis ist, daß sie sich durch
dieses offizielle Bekenntnis stärker an die byzantinische Gesellschaft assimilieren
wollen, zu der sie offensichtlich als "Lateiner" schlecht Zugang finden.
In welchen Schichten der byzantinischen Gesellschaft des 14. Jh. macht sich
der westliche Einfluß geltend 1 Die "Lateiner" dringen im 14. Jh. in die gleichen
Gesellschaftsschichten ein wie im 12. Jh.: Es sind die höchsten Kreise der byzanti-
nischen Gesellschaft, angefangen vom Kaiserhaus, und das Heerwesen, in dem
westliche Kontingente in der gesamten byzantinischen Geschichte eine wesentliche
Rolle gespielt haben 456.
1321 würdigt das "Triumvirat" keinen Byzantiner der Mitwisserschaft an den
Plänen des ANDRONIKOS 111., wohl aber drei vornehme und reiche Genuesen,
RAFFO DORIA, RAFFO DE MARI und FREDERIGO SPINOLA als cptAOt 457. Im Zusam-
menhang mit einer Papstgesandtschaft, die J OANNES KANTAKUZENOS in seinem
Geschichtswerk zeitlich falsch ansetzt, spricht er von seinen in Galata lebenden
"Freunden" (rw'V s'V raAai{j. &aif2tß6'ViO)'JI cptAW'V) 458. BeziehWlgen gehen von den
Dominikanern in Pera zur Kaiserin ANNA VON SAVOYEN. Der Guardian der Fran-
ziskaner in Pera, HEINRICH, stammte wie die Kaiserin selbst aus Savoyen 469 • Von
dem "lateinischen" Kreis des DEMETRIOs KYDONES wurde bereits gesprochen.
Ritter aus dem Westen stehen im Dienst des Kaisers. Der 'XaßaAAaetO~ O've MANUEL
MESOPOTAMITES erscheint im März 1343 (Reg. 2887) als treuer Anhänger der
Palaiologenpartei. Aus dem Namen läßt sich eine Latinisierung der alten byzan-
tinischen Familie erschließen. FRANQOIS "DE PERTUXO" aus der Diözese Saint-
Flour in der Auvergne "hatte bereits dem Kaiser lange Zeit gedient" (JtOAVV 1jt51]
xeovov t5et50VAeV'XoTa ßaO'LAe'i) 460. JOANNES KANTAKUZENOS spricht davon im Zu-
sammenhang mit dem Jahre 1348, und so ist es wahrscheinlich, daß der Ritter im
Bürgerkrieg als treuer Anhänger des Kantakuzenen auf dessen Seite stand und
der engeren Gefolgschaft angehörte. Der Philosoph BARLAAM, ebenfalls zur enge-
ren Gefolgschaft des Kantakuzenen zählend, stammte aus Süditalien. Auf die aus-
ländischen Elemente in der Dienerschaft des J OANNES KANTAKUZENOS wird noch
hinzuweisen sein (vgl. S. 147). Der ol'XiT1]~ des ALEXlOS APOKAUKOS, TCecpei, trägt
einen französischen Namen (GEOFFROY) 461. Das lateinische Truppenkontingent
im Heer des Adeligen und Gegenkaisers war bedeutend. Die vornehmen lateini-
schen Söldnerführer stehen nicht hinter der byzantinischen Gefolgschaft des Ade-
ligen zurück: Sie dürfen 1341 dem neuen Kaiser den linken roten Schuh anziehen
(vgl. S. 40). Alterprobte lateinische Söldner nehmen am Rückzug des JOANNES
KANTAKUZENOS nach Serbien teil und bewachen später wichtige Stützpunkte in
der Hauptstadt.
Der Genuese FAZZOLATI wird Flottengeneral der Kaiserin ANNA. An dieser Ge-
stalt wird die Bedeutung fremdländischer Elemente in der byzantinischen Gesell-
schaft besonders deutlich: Der Genuese sammelt um sich eine Gefolgschaft wie
ein byzantinischer Adeliger und führt die Wendung im Bürgerkrieg herbei (vgl.
Kap. III). Sieben Jahre später ist es wieder ein Genuese, der Korsar FRANCESCO
GATTILUSIO, der dem Palaiologen JOANNES V. zum Sieg über den Kantakuzenen
verhilft. Der Kaiser verspricht ihm die Hand seiner Schwester.
Bis in die engere Adelsgefolgschaft dringen also fremdländische Elemente in die
byzantinische Gesellschaft, wobei es auffällt, wie wenig Venezianer dabei in Er-
scheinung treten. Leider geben unsere Quellen zu wenig Aufschluß, inwieweit
diese Ausländer auch durch Heiraten sich an die byzantinische Gesellschaft assi-
miliert haben.
Noch eine zweite Beobachtung ist erstaunlich: Die "Freundschaft" des J OANNES
KANTAKUZENOS mit dem türkischen Emir UMUR, den der Adelige selbst als seinen
besten Freund (cptAo~ wv e~ Ta p,aAtO'Ta KavTa'XovC1]vi[» 462 bezeichnet, hat dem
Bürgerkrieg eine entscheidende Wende gegeben. Der türkische Emir URCHAN wird
Ist dieser JOANNES mit JOANNES DE FONTffiUS gleichzusetzen? Vgl. R.-J. LOENERTZ
J oannis de Fontibus ord. Praedicatorum epistula ad abbatem et conventum monasterii
nescio cuius constantinopolitani, Arch. Praed. 30 (1960) hier S. 164.
m Kant. Ill, 82: II, 503, 8f. Vgl. B. ALTANER Die Kenntnisse des Griechischen in den
Missionsorden ... ZKG 53 (1934) 459.
<160 Kant. IV, 9: In, 53, 6. Acta Clementis V. Nr. 162. GAY Clement 102 A. 2; 109 A. 2.
<161 Kurzchronik 1352 Nr. 45 u. d. Bemerkungen von P. SOHREINER OCP 31 (1965) 360
A. 1. Kant. In, 88: II, 544, 22.
<1611 Kant. III, 56: II, 344, 13.
68 FREMDLÄNDISCHE EINFLÜSSE
der Ehre gewürdigt, die Tochter des JOANNES KANTAKUZENOS zu heiraten. Auf
beiden Seiten stehen im Bürgerkrieg starke türkische Truppenkontingente 463 •
Ein Eindringen türkischer Elemente in die byzantinische Gesellschaft, das dem Ein-
dringen westlicher Elemente vergleichbar wäre, ist trotz allem in einem Staat nicht
nachzuweisen, der immerhin schon nach 1371 den Türken tributpflichtig wird 464.
Auch J OANNES KANTAKUZENOS ist nie so weit gegangen, wie E. WERNER richtig
bemerkt, daß er "seinem Freund Umur eine Stadt oder einen Landstrich als
Äquivalent für dessen Hilfe angeboten hätte 465". Gerade die byzantinische Ober-
schicht wie THEODOROS METOCHITES, NIKEPHoRos GREGORAS, DEMETRIOS Ky-
DONES und - zu spät - auch J OANNES KANTAKUZENOS selbst erkennt die türkische
Gefahr. Einen Verrat des "Feudaladels" hat es nicht gegeben, wohl aber eine
unheilvolle Nachwirkung der byzantinischen Tradition, daß bei innerem Zwist
die Parteien ausländische Hilfe herbeiriefen ohne Rücksicht auf die Zukunft des
byzantinischen Staates 466.
Es gibt nur wenige Anzeichen, daß sich türkisches Blut in der ersten Hälfte des
14. Jh. im Bereich des byzantinischen Staates 467 mit griechischem Volkstum
mischt. Die Assimilierung des seldschukisch-türkischen Elementes an die byzan-
tinische Gesellschaft macht sich seit dem 12. Jh. nicht nur in der hohen Stellung
von Einzelpersonen (z. B. der Großdomestikos AxucH unter Kaiser MANUEL I.),
sondern auch im Aufkommen byzantinischer Personennamen türkischer Herkunft
wie lleOC1OVx und l:aflovx'YJ~ bemerkbar. Auffallend ist das Auftauchen des Namens
Karaman 1333 im Kasandriagebiet entweder als Familien- oder Flurnamen 468.
Die türkische Familie der Melikes hat sich im 14. Jh. mit dem alten byzantini-
schen Geschlecht der Raul, dann sogar mit einer mit den Asan verwandten Palaio-
login verbunden 469. T've6.",'YJ~, der ol",eT'YJ~ der Kaiserin ANNA, der 1347 mithalf, die
Hauptstadt J OANNES KANTAKUZENOS in die Hände zu spielen und offenbar großen
Einfluß besaß, war vielleicht türkischer Herkunft 470 •
Hier wäre das Eindringen des türkischen Elements in eine byzantinische engere
Gefolgschaft greifbar.
So unruhige und entwurzelte Gruppen wie die zahlenmäßig nicht bedeutenden
"Turkopuli" wurden auf die Dauer nicht auf byzantinischem Boden seßhaft 471.
488 Seit der Zeit des Kaisers NlKEPHOROS BOTANEIATES (1078-1081) sind türkische
(vor allem seldschukische) Söldnertruppen im byz. Heer eine immer wiederkehrende
Erscheinung.
464 Vgl. G. OSTROGORSKY Byzance, etat tributaire da l'empire turc, ZRVI 5 (1958) 49ff.
465 WERNER Umur 261.
466 Es übersteigt den Rahmen dieser Untersuchung, die Abhandlung von E. FRANCES
La feodaliM byzantine et la conquete turque, Studia et acta orientalia 4, Bukarest
1962, 69-90 im einzelnen zu widerlegen.
467 Dies ist natürlich grundlegend anders in Gebieten, die von den Türken erobert sind.
Hier kommt es bald zur Völkervermischung; vgl. G. G. ARN.AKES Die ersten Os-
manen (ngr.), Athen 1947, 124/5.
468 Xenophon Nr. 9 vgl. Reg. 2789.
469 V. LAURE NT Une familIe turque au service de Byzance, BZ 49 (1956) vor allem
S.360-367.
470 G. MORAVCSIK Byzantinoturcica II, Berlin 2 1958, 315.
m P. MUTAFCIEV Die angebliche Einwanderung von Seldschuktürken in die Do-
brudscha im XIII. Jh., Bulgar. Akad. Wiss. 66, I, 2, Sofia 1943 hier S. 84-89.
EINDRINGEN TÜRKISCHER ELEMENTE 69
Sie waren zeitweise dem byzantinischen Heer eingegliedert. Wann entstand die
Palastgarde der flover6:r:Ol, die sich wohl aus türkischen christianisierten Gefange-
nen rekrutierte und bei Pseudo-Kodin in der Mitte des 14. Jh. zuerst näher be-
schrieben wird 472~ Nach einem nicht ganz sicheren Zeugnis stammte SIMON
ATUMANOS von einem türkischen Vater und einer griechischen, aber nicht ortho-
doxen Mutter 473. Ist nur der Charakter der erzählenden Quellen und Urkunden
dafür verantwortlich, daß wir über diese türkischen Elemente so wenig wissen,
oder wehrte sich die byzantinische Gesellschaft bewußt gegen diese Eindringlinge,
die kulturell viel tiefer standen als die "Lateiner" und in ihrem Glauben nach dem
Urteil der Byzantiner Heiden waren ~
472 Vgl. STEIN Untersuchungen 55. V. LAURE NT in: Hellenika 5 (1932) 142.
m G. FEDALTO Per una biografia di Simone Atumano, in: Aevum 40 (1966) 445f. hier
S. 446 A. 5: "ipse de Oonstantinopoli ortus est paterque fuit turcus et mater eius cismati-
ca ... " nach RUBIO I LLUCH Diplomatari de l'orient Catala, Barcelona 1947, 492.
VB. Joannes Kantakuzenos und das Volk
1. Die Fragestellung
Die Haltung des Volkes hat weitgehend das politische Schicksal des J OANNES
KANTAKUZENOS nach dem Tode des Kaisers ANDRONIKOS 111. bestimmt. Es wäre
zu erwarten, daß der reiche Aristokrat in seinem Geschichtswerk, d. h. der Apolo-
gie seines Wirkens, mit Haß und Verachtung vom Volk spricht und etwa wie
NIKETAS CHONIATES eine "Pathologie der Volksseele" vor dem Leser entrollt.
Zu solchen Gefühlsausbrüchen läßt sich der Adelige niemals hinreißen, abgesehen
von gelegentlichen negativen Bemerkungen. Die wenigen Stellen, an denen er
über das Verhalten des Volkes reflektiert, berühren sich wie die gelehrten Aus-
führungen des Gregoras mit antiken politischen Lehrmeinungen.
J OANNES KANTAKUZENOS versucht die Haltung des Volkes zu erklären und zu ent-
schuldigen einmal durch den Einfluß von Demagogen, in Thessalonike von den
"Zeloten", zum anderen durch den immer wiederkehrenden Hinweis auf den
sozialen Gegensatz zwischen Volk und "Mächtigen" in den Städten.
Diese Darstellung gilt es im Folgenden kritisch zu betrachten. War das Volk nur
durch einzelne wenige Männer verführt, oder stieß J OANNES KANTAKUZENOS auf
Ablehnung in weiten Bevölkerungskreisen ~ Wie groß war die Macht dieser Männer
wirklich ~ Ist das Verhalten des Volkes nicht auch durch andere Faktoren als nur
durch den sozialen Gegensatz bedingt, vor allem durch einen Kampf um politische
Rechte und Einflußnahme und durch die Situation des Bürgerkriegs, ausgelöst
durch die Thronnachfolgefrage ~ Zu schnell scheint mir die Forschung mit so ge-
wichtigen Begriffen wie "Volkskommune" , "Volksaufstand", "Revolution" ge-
arbeitet zu haben.
2. Die Terminologie
474 RE V, 1 "Demos" (v. SCHOEFFER) (1903) Sp. 153-161 vor allem Sp. 154. ARNOLD
A. T. EHRHARDT Politische Metaphysik von Solon bis Augustin I, Tübingen 1959
106f. (die verschiedenen Bedeutungen von "Mjp.o~").
m LJfjp.o~ als die in einer Stadt lebenden Bewohner: Kant. 1I, 36: I, 518, 20 1eal 0 ofjp.o~
EVOetq. 1eLVOVVeVeL UnoAeaOat. Kant. IV, 38: IH, 277, 16f.: Ol oe Ofjp.ot TWV n6,lewv, öaoL p.~
oLerp0ele1Jaav. Als Steuergemeinde (hier Chios) : Kant. H, 11: I, 379, 11 f.: Tav ofjp.ovoe
TWV o1Jp.oalwv avfj1eev elarpoewv. Eine Stelle könnte geradezu als eine Übersetzung des klas-
sischen Ausdrucks "senatus populusque Romanus" aufgefaßt werden: Kant. 1I, 29:
I, 476, 20: die Genuesen haben gehandelt naea Ta avyxetp.eva ·Pwp.aloL~ 1eal aVTwv Tfi
ßov,lfi 1eal Tip o"p.cp.
ANSÄTZE S~ÄNDISCHEN DENKENS 71
dem Zusammenhang ist meist der Sinn mit einiger Sicherheit zu erschließen, so
daß die Unschärfe der Terminologie dem Historiker keine Schwierigkeiten macht.
Schwer hingegen ist die Frage zu beantworten: Wer gehörte zum ~fjf'0;'76 nach
der Meinung des kaiserlichen Geschichtsschreibers1
;BRANOS (mv &7f'0v el;), der später in Adrianopel Volksführer ist, war Erdarbei-
ter 477. Der Beruf seiner beiden Mitstreiter ist leider nicht genannt. In der ,,0/'vT]
E""Ä'YJC1la, die J OANNES KANTAKUZENOS 1347 als Kaiser einberuft, werden zuerst
als Teilnehmer die Kaufleute, Soldaten und Handwerker aufgezählt. Erst dann
sind "auch nicht wenige aus dem Volk" ("at TOV ~~f'0v ov" oÄlyo/') und die Kloster-
vorsteher erwähnt 478. Rechnet der kaiserliche Geschichtsschreiber die Kaufleute
und Handwerker nicht zum "Volk"1 Die an der Küste wohnenden Matrosen in
Thessalonike und die Seeleute von Konstantinopel sind eindeutig dem ~fjf'0; zu-
gezählt '79.
Deutlich unterscheidet J OANNES KANTAKUZENOS auch die f'ÜlO/, 'so vom ~fjf'O;, ohne
daß an einer Stelle sichtbar würde, wen er konkret mit dieser Mittelschicht meint.
EusTATHIos umschreibt im 12. Jh. die ganze Bevölkerung (n6:VTa;) , die sich
ANDRONIKOS 1. zuwendet, als oE f'syaÄOt, oE f'/',,(!ol, oE f'ÜJO/,'Sl. Der Gesprächs-
partner (nÄovO'lO;) des "Armen" im Dialog des ALEXIOS MAKREMBOLITES rechnet
sich der "Mittelschicht" (f'e0'6T'YJ;) zu 'S2. Der Herausgeber stellt mit Recht fest:
"It is important to realize that Makrembolites' Rich do not belong to the very
highest strata of Byzantine society." Der Reiche gehört also durch sein Vermögen
noch nicht dem "Adel" an. THoMAs MAGISTROS spricht an keiner Stelle von den
"Mittleren", auch nicht NIKEPHOROS GREGORAS. PHILOTHEOS redet an einer Stelle
von der f'sO''YJ f'o'i(!a 'S3. Zweifellos sind also die "Mittleren" ein Bestandteil des
gesellschaftlichen Denkens der Byzantiner, wenigstens der Spätzeit, doch ent-
steht der Eindruck, als lege J OANNES KANTAKUZENOS auf diesen Begriff besonderen
Wert, um den Eindruck abzuschwächen, daß das ihm feindliche Volk einen weiten
Kreis der Bevölkerung umfaßte.
m Wenn Jo. Kant. die Unbildung und Kritiklosigkeit des Volkes besonders hervor-
heben will, verwendet er ÖXAO~ undnAfj(Jo~. Kant. III, 1: II, 16, 3f.: ovc5e yd~ äf1T}p,6~ 'l't~e~T}
~oveTo (Jeov~, olov note;;v cptAe;; TO nAfj(Jo~. Kant. III, 1: II, 12, 22: öf1a rj ÖXAO~ <5
c5T}p,(MT}~ c5te(JeVAAet Ti 'l't'Jle~ freeoL dn~yyeAAov. Merkwürdigerweise wird das Wort Aa6~
von Jo. Kant. nicht verwendet, das von allen Termini für "Volk" am meisten neu-
tral ist. V gl. aber J o. Kant. Contra Mahomet PG 154 Sp. 460 B.
'77 Kant. III, 28: II, 176, lOf.: ... m,andvn neOf1exwv.
478 Kant. IV, 5: III, 34, 7f.
470 Kant. III, 94: Il, 576, 8f. Kant. IIl, 88: II, 545, 2f.
480 Gute Zusammenstellung der Stellen über die p,eaOL bei J o. Kant. bei SEVÖENKO in
Einleitung zu MAKREMBOLlTES Dialog 200/201. Es sind vor allem vier Stellen: Kant.
III, 29: II, 179, 5f. (die Stellung der "Mittleren"; allgemeine Betrachtung des Jo.
Kaut.); Kant. III, 38: Il, 235, 5-8 (die Zeloten zwingen die "Mittleren", gegen J o.
Kant. Stellung zu nehmen); Kant. III, 55: II, 334 (die schlimme Lage der "Mittleren"
in Didymoteichos); Kant. III, 64: II, 393/4 (das Schicksal des GABALAS, eines "Mitt-
leren"). Zu den "Mittleren" auch stark hypothetisch TAFRALI Thessalonique 27-30.
m EUSTATHIOS Eroberung von Thessalonike (Bonner Ausg. 393, 1) (ed. KYRIAKIDES
32,8).
482 Dialog 210, 17-20.
483 Vita SABAE Kap. 2 S. 193.
72 KANTAKUZENOS UND DAS VOLK
Wir dürfen annehmen, daß auch die Handwerker, Soldaten und Kaufleute die
Sprecher und Gesandten des ,,~ijflO<;" als ihr e Vertretung betrachteten. Im Bürger-
krieg ist immer wieder vom Gegensatz zwischen ~v1Ja7:ol und ~ijflo<; die Rede.
Weitere Bevölkerungsgruppen sind meist nicht genannt. Dies weist darauf hin,
daß ,,~ijfl0<;" eine breite Bevölkerungsschicht umgreift. Sie umfaßt, von den ärm-
sten Gliedern der Bevölkerung beginnend, Matrosen, Bauern, Handwerker,
Kaufleute und Literaten. Allen, die dem Volk angehören, ist nicht ein bestimmter
Beruf gemeinsam, sondern eine bestimmte Höhe des Einkommens und Ver-
mögens 484 • Die Frage nach der Abgrenzung der fleC10t vom ~ijflo<; bleibt. JOANNES
KANTAKUZENOS scheint nämlich auch die "Mittleren" nach dem Beruf vom Volk
zu trennen. In Didymoteichos hätten das Heer durch seine Raubzüge und "die
Handwerker und alle, die mit der Hände Arbeit ihr Leben fristen" 486 im Gegensatz
zu den fleC10t keinen Mangel gelitten - so berichtet er. Gehörte der Bürger den
"Mittleren" an, wenn der Besitz eine gewisse Größe überschritten hatte~ Es ist
bedauerlich, daß wir hier die Grenze nicht feststellen können. Zählten die fleC10t
zum ~ijfl0<;' wenn er als politisch wirksame Gruppe in Erscheinung trat~ Diese
Frage läßt sich bei den unten zu erörternden Gesandtschaften der ~v1Ja7:ol, des
Klerus und des ~ijflO<; stellen.
Die oben versuchte Begriffsbestimmung von ,,~ijflo<;" mußte notwendig von dem
soziologischen Aspekt ausgehen, den das Wort seit der Antike hat. Dieser Blick-
winkel wird deutlich in der Gegenüberstellung ~v1Ja7:ol, bzw. a(!tC17:ot zu ~ijflO<;. Das
Volk wird also der besitzenden, fest abgegrenzten Oberschicht einer Stadt gegen-
übergestellt, die zugleich eine Stadt führen kann wie die Gefolgschaft des SYNA-
DENOS in Bizye 486 • Mit ~ijflO<; und ~v1Ja7:ol bzw. a(!tC17:ot kann die gesamte Bevölke-
rung einer Stadt und einer Insel umschrieben werden 487. Das Volk erfährt seinem
sozialen Status und seiner Zahl entsprechend eine andere Behandlung als die
kleine Schicht der Mächtigen. 1337 ergeben sich die Städte Akarnaniens dem
Kaiser ANDRoNlKos III. freiwillig. Die ~ijflot der Städte werden zum Dank mit
"Wohltaten" bedacht, die Mächtigen erhalten 7:tflal und :n;(!6C10~Ot488. Der Kreis
der Mächtigen war also abgegrenzt und offenbar genau bekannt.
484 Im Dialog des ALEXIOS MAKREMBOLITES sind die Bauern und Handwerker zu den
ntvrrre~gezählt: S. 210 Z. 8-10.
486 Kant. III, 55: Ir, 334, 5-11.
488 Kant. III, 79: II, 491, 22: ... vrp'mv 1jyero axec50v fJ noÄt~. Der Protostrator hatte in
der Stadt reiche Besitzungen.
487 Kant. II, 11: I, 379, 4: ... ",at rwv Xtwv rov~ c5vvarov~ ",at rov c5ijfLov. Kant. III, 57:
Ir, 352, 22f.: Beeeotwrat c5e ",atneoreeOt fLeV Ta ßaatÄew~ ne1JfLeVOt oi re Ü(!tarot 6fLOlw~ ",al 6
MjfLo~ ijaav ...
488 BoseH Andronikos III. 136. Kant. Ir, 33: I, 503, 2f. Ähnlich (ebenfalls in Akarna-
nien) belohnt ANGELOS •.. rov~ fLeV rwv äÄÄwv .:n:oÄewv c5fJfLov~ ",at rov~ c5vvarov~ (Kant.
Ir, 34: 1,511, 14f.). Nicht so deutlich, da hier nicht derc5ijfLo~denc5vvarol, sondern den Sol-
ANSÄTZE ~TÄNDISCHEN DENXENS 73
Im 14. Jh. konnte die Bevölkerung aber auch nach anderen Gesichtspunkten ge-
gliedert werden. Diese Gliederung kam sogar im politischen Geschehen zum Aus-
druck: In drei verschiedenen Städten sind die Vertreter der ~vvarol, des Klerus
und des ~ijttO~ an einer Gesandtschaft beteiligt. Die Aufgliederung ist beachtlich.
Hier ist eine durch Bildung und Beruf charakterisierte Gesellschaftsgruppe, ein
"Stand", der ohne Zweifel wenigstens in der Provinz gerade in der Zeit der Bürger-
kriege politische Bedeutung besaß 489, in der politischen Gesamtvertretung einer
Stadt zusammen genannt mit zwei Bevölkerungsgruppen, die nicht durch den
Beruf, sondern durch Besitz und vielleicht Herkunft als "Klassen" in Erschei-
nung treten.
Im Frühjahr 1342 zieht J OANNES KANTAKUZENOS in Didymoteichos das gesamte
Volk, nach q;arelat geordnet, und den gesamten Klerus zu Erdarbeiten heran 490.
In den Predigten des Patriarchen PHILOTHEOS und einige Jahrzehnte später in
denen des Erzbischofs von Thessalonike, ISIDOR, wird die Bevölkerung nach
anderen Gesichtspunkten ständisch gegliedert. In der Schlußparainese einer
Predigt spricht PHILOTHEOS nacheinander den Bischof, die Priester ('ieesi~), die
Laien (Ot rij~ teew(JVV1')~ E~r6~), die Mönche, die Ehegatten (so die Reihenfolge I),
den Magistrat (Ot aexovre~), die Soldaten, die Richter, die Steuereinnehmer, die
Honorationen (Ot rij~ nOAlrela~ ne6~elrol), die Bürger ohne Amtsfunktion (so
möchte ich Ot l&wrat übersetzen) und die Reichen (Ot nAovrovvre~) an 491. ISIDOR
unterscheidet den nOAv~ av()ewno~, zu dem er Leute zählt, die mit Hacke, Pflug,
Zimmermannsaxt, Säge und Hammer umzugehen wissen, von solchen, die den
Staat verwalten (noAlrelav ~lOl~ei(J()al)492. Handwerker und Bauern sind nach
Meinung ISIDORS für eine solche Aufgabe nicht geeignet.
Die Aufteilung der Bevölkerung wird in diesen zwei Quellen nach ganz verschiede-
nen Gesichtspunkten vorgenommen. Die Personen werden sowohl nach ihrer Bil-
dung und ihrem Beruf, ihrer Stellung im Leben der Bürgerschaft wie nach ihrem
Besitzstand geschieden, wobei die Betrachtungsweisen fließend ineinander über-
gehen. Diese Texte sind mit den Quellen aus mittelbyzantinischer Zeit zu ver-
gleichen, in denen bereits deutlich ein ständisches Denken zum Ausdruck kommt.
KEKAuMENos gibt in den ersten 23 Kapiteln seines sogenannten "Strategikon"
Anweisungen, wie man sich im Dienst des Kaisers, im Dienst eines anderen Herrn,
als Themenrichter und als Grammatiker oder Philosoph verhalten soll. NIKETAS
CHONIATES 493 spricht zuerst den Kaiser als Krieger an, dann die Priester ( 0 t teesi~),
daten und Vertrauten des Kaisers gegenübergestellt wird: Kant. II, 2: I, 322, 23f.
Vgl. Reg. 2717. Auch hier geht es um "Wohltaten", konkret um Steuererleichterung.
4S9 Es scheint, daß der Klerus in der Provinz im 14. Jh. größere Bedeutung hatte, als
ihm sonst im staatl. Leben von Byzanz zukommt. V gl. H.-G. BEcK Kirche und Klerus
im staatl. Leben von Byzanz, REB 24 (1966) 1-24.
490 KaIit. III, 48: II, 289, 13-15.
491 Predigt zum Fest der Rechtgläubigkeit ed. C. TRIANTAPHYLLIS-A. GRAPPUTO Anec-
dota Graeca, Venedig 1874, 47-61 hier S. 55-61. Den langen Text kann ich hier nicht
ausführlicher zitieren.
402 Exzerpt aus der Predigt auf den hl. DEMETRIOs bei TAFRALI Thessalonique 32 A. 8.
Der ganze Predigttext (als Nr. 5) ed. LAURDAs Predigten Isidors, Erzbischofs von
Thessalonike auf die Feste des hl. Demetrios, Hellenika Beilage 5 (1964) 1-84 (ngr.).
498 K. SATHAS Bibliotheca medii aevi I, Venedig 1872, 102/3. Übs. F. GRABLER, in:
die "aus der Abteilung des Mönchtums" (oE Tfj~ p.ova~lufj~ p.eel~o~), zum Schluß
"die Leute des restlichen Standes und die Scharen des gewöhnlichen Volkes" (oE
Tfj~ Ta~ew~ Tfj~ ÄOtnfj~ uat TOV Äaw~ov~ d()eol(]p.aTo~). "Die Menge in der Stadt",
(nach der Eroberung von Thessalonike im Jahre 1185) sagt EUSTATHIOS, "nicht nur
der Militärstand, sondern auch die übrigen, der Weltklerus und der Laienstand :
wer könnte angemessene Tränen vergießen~" 494. EUSTATHIOS nimmt also eine Vier-
teilung der Bevölkerung vor. Das "Volk" wird nicht genannt. In der mittel- und
spätbyzantinischen Dichtung wie z. B. bei HAPLucHErn., PTOCHOPRODROMOS,
TZETZES und in der spätbyzantinischen Sozialsatire ist ohne Zweifel ein "Standes-
bewußtsein" erkennbar, das den Gelehrten dem Handwerker und Bauern, die gebil-
deten Schichten den ungebildeten gegenüberstellt. Stark von antiken, vor allem
platonischen Vorstellungen ist das Standesdenken im 5. Buch der CPV(]lU~ uowwvla
des Kaisers THEODOROS 11. LASKA.RIS in der ersten Hälfte des 13. Jh. beeinflußt.
Dies gilt vor allem für GEORGIOS GEMISTOS PLETHON nach der Zeit des J OANNES
KANTAKuzENos. Den Soldaten stehen die Steuerzahler gegenüber, die in zwei Grup-
pen eingeteilt sind: die Arbeiter (Bauern, Winzer, Hirten) und die Besitzer der
Produktionsmittel. Priester höheren Ranges (Toi~ bd Tfj~ p.elCovo~ Eeew(]vv'YJ~)
haben Anspruch auf staatliche Unterstützung, nicht aber die Mönche (Toi~ cplAO-
(]ocpeiv cpa(]UOV(]l), die nichts für den Staat leisten. Zum Staatsvolk zählen natürlich
auch die Staatsbeamten (oE aexOvTe~ uat bCl(]TaTOVvTe~) mit dem ßa(]lAeV~ an der
Spitze. Auch PLETHON spricht nicht allgemein vom "Volk" 496.
Diese Belege sind Beweis, daß Ansätze eines "ordo-Denkens", das im westlichen
Mittelalter eine entscheidende Rolle spielt, auch im gesellschaftlichen Denken des
Byzantiners greifbar sind. Der allgemeine Begriff "Volk" beginnt sich zu diffe-
renzieren.
Der ,,~fjp.o~" ist im 14. Jh. in der Verfassungswirklichkeit der byzantinischen
Städte eine politisch wirksame Personengruppe 496. Welche konkreten Punkte
lassen sich für diese politische Funktion des Volkes anführen ~
Zuerst die Volksversammlungen (8UUA'YJ(]lat). Diese können informativen Charak-
ter tragen 497, vor allem aber werden sie bei wichtigen Entscheidungen in der Außen-
494 EUSTATHIOS Eroberung von Thessalonike (Bonner Ausg. 369, 17-19; ed. KYRIAKI-
DES S. 6, 12f.) To <5e Bv Til nOAet nA.ij()o~, ov povov TO O'TeaTtWTt~ov, aAAd ~al TO Aomov, öO'ov
Bv Leeg. nOAtTelq. Til ~aTd ~oO'pov ~al ÖO'ov <58 Aai'~ov, Tl~ (iv e~ ä~wv <5a~evO'ete;
m S. LAMPROS IIaAawAoyeta ~al IIeAono'V1J'YJO'ta~d III, Athen 1926: Denkschrift an
Manuel S. 253f. Vgl. F. MASAI PIethon et le Platonisme de Mistra, Paris 1956, 89f.
496 E. KmsTEN Die byz. Stadt, in: Berichte zum XI. Intern. Byz.kongreß, Mü. 1958,
39: "Die byz. Stadt ist auch in der Spätzeit in der Theorie eine Demokratie ... "
Nur in der Theorie? Der Satz von E. WERNER Volksbewegung 54, daß "erst die Zeloten
daraus (aus den e~~A'YJO'lat) wieder echte Volksversammlungen, an denen alle Bürger
teilnahmen und in denen jeder sprechen durfte, machten", ist gegenüber den Quellen
unhaltbar.
497 Dazu möchte ich die aus politischen und religiösen Gründen einberufenen Volks-
versammlungen unter ANDRONIKOS H. zählen: Stellen bei BECK Volk 67. Pachymeres
H, 245, 12f. spricht von einer Zusammenkunft von OL TOV ~Ä.1]eOv ~al povaxol ~al Aao~.
APOKAUKOS läßt 1340 naed TOV nA~()ov~ die yeap,para ßaO'tÄ.t~d in der e~~A'YJO'la (Kant.
II, 38: I, 540, 9) verlesen. Setzte sich die Versammlung in Didymoteichos (Kant. IU,
24: II, 145, 10f.) nur aus den Anhängern und dem Heer des Jo. Kant. zusammen?
Wohl erst nach Beendigung des Krieges mit Genua (Frühjahr 1349) wird KONSTANTIN
VOLKSVERTRETPNG UND VOLKSFÜHRUNG 75
übergabe von Peritheorion sind dvvaTol, Klerus und dfjp,of; in einer Gesandtschaft
der Stadt nebeneinander genannt, hier freilich ohne Erwähnung der Parität in der
Gesandtschaft 504 • Diese drei überlieferten Vorgänge aus verschiedenen byzantini-
schen Provinzstädten lassen den Schluß zu, daß in den übrigen Städten ähnliche
Verhältnisse herrschten. iJfjp,of;, Klerus und aeU1TO/, bzw. dvvaTol vertreten im
14. Jh. eine Stadt in politischen Fragen. Der dfjp,Of; steht in der Verfassungswirk-
lichkeit dieser Städte paritätisch neben den übrigen Bevölkerungsgruppen, was
noch nichts über die tatsächlichen Machtverhältnisse aussagt.
Die Ereignisse in Berrhoia, Bizye und Peritheorion sind nicht denkbar, wenn der
dfjp,of; keine Führung oder wenigstens Sprecher gehabt hat. Die erwählten Ge-
sandten haben wir uns als solche bevorzugte Persönlichkeiten vorzustellen. Wenn
J OANNES KANTAKUZENOS behauptet, daß vor der Volksbewegung in Adrianopel
im Herbst 1341 in der Stadt keine Demagogen aufgetreten seien, so heißt das
nicht, daß das Volk vorher keine Führer besessen hat. Die TtVSf;, die sich gegen
J OANNES KANTAKUZENOS aussprechen und von den dvvaTol körperlich gezüchtigt
werden, haben wir uns als Sprecher des Volkes zu denken. Die späteren Volks-
führer (der Erdarbeiter BRANOS neben MUGDill'HES und PHRANGOPULOS, ANGE-
LITZES in Gratianupolis) dürften schon vorher eine einflußreiche Rolle gespielt
haben. Die Demarchen, Bezeichnung der Führer der Zirkusparteien in früh- und
mittelbyzantinischer Zeit, sind für das Jahr 1351 in der Hauptstadt als Verbin-
dungsmänner zwischen Volk und Kaiser bezeugt 505 , ebenso schon in der Zeit des
Patriarchen ATHANASIOS zu Anfang des 14. Jh. 606 • Der nealTwe TOV d~flov, der
vV"'TsnaeXof; in der Zeit vor der justinianeischen Gesetzgebung, ist im 14. Jh. reiner
Titel ohne Amtsfunktion, der noch von prominenten Persönlichkeiten getragen
wird, wie die Gestalt des Nrn:oLAos SIGEROS zeigt 507 • Seiner uns greifbaren Tätig-
keit nach zu schließen, dürfte er sich nur wenig mit den Belangen des Volkes
befaßt haben.
In welcher Lage befand sich nun das Volk im 14. Jh., das wir als eine politisch
wirksame, organisierte Klasse in der Hauptstadt wie in den Provinzstädten ken-
nengelernt haben 1
Konkrete Nachrichten über die Lage des Volkes besitzen wir recht wenig. Der
Literat ALEXIOS MAKREMBOLITES beschreibt die Lage der nsv'YjTBf; in den schwärze-
sten Farben. Aber seine Schilderung ist von der Rhetorik gefärbt und übersteigert,
um Unterstützung zu erbetteln. Die nev'YjTBf;, für die NIKEPHOROS GREGORAS bittet,
scheinen in drückenden Verhältnissen gelebt zu haben. Ein Schützling wird ge-
schildert, dem es "sogar am Lebensnotwendigen mangelt" (öf; ",at aVTwv ivderJf;
57 C: 0 nealt:we TOV 6fJ/-loV ov6' OVTO~ exEt vn'YJeeatav TWel. (VERPEAUX 182, 22f.). Zu SIGE-
ROS: Kant. IV, 9: III, 53, 15. MM I, 279-283. Vgl. A. PERTUSI L'omero inviato al
Petrarca da Nicola Sigero ambasciatore e letterato Bizantino, in: Melanges Eugene
Tisserant Vol. III (Studi e Testi 233), Vatikanstadt 1964, 113-139.
BEDRÜpKUNG DES VOLKES 77
TWV o.vay"alo.w TVYXavwv 508). PHILOTHEOS spricht nach 1347 von TWV -un' b~elar;
80'xaT'Y/r; "a~ TOV Tifr; Cwijr; ijvay"aO'()at, die sich an den Patriarchen ISIDOR wen-
den 609. Sie scheinen aus allen Schichten der Bevölkerung zu kommen. Nicht alle
sind wohl nur Opfer des Bürgerkrieges gewesen. Den Wucher der Geldverleiher,
gegen die NIKoLAos KABASILAS Stellung nimmt, dürften vor allem die kleinen
Gewerbetreibenden zu spüren bekommen haben. JOANNES KANTAKUZENOS be-
tont ausdrücklich, daß die Geldverleiher im Bürgerkrieg stark in Mitleidenschaft
gezogen wurden. Die Schuldner suchten sich dieser Blutsauger zu befreien 610.
Der Erdarbeiter BRANos, der Volksführer in Adrianopel, lebte nach der Nachricht
des J OANNES KANTAKUZENOS am Rand des Existenzminimums. KASDAN ver-
mutet 61 l, daß BRANos Knecht war ohne Land- und Viehbesitz. Es ist zweifel-
haft, ob der kaiserliche Aristokrat bei der Wahrheit bleibt. Die ~vvaTol fanden
immerhin Ende 1344 das Haus des BRANos der Plünderung wert fi12 • GREGORAS
kennt eine Bevölkerungsschicht, der die Armut ein ständiger Begleiterist(ijAt"twTtr;),
und J OANNES KANTAKUZENOS spricht von einer Schicht der Habenichtse, die ge-
zwungen sind zur Plünderung und Raub (von Adrianopel gesagt) 613. Ergänzt wer-
den diese Nachrichten durch Hinweise auf die Armut des Klerus, der - wie ge-
zeigt - nicht ohne weiteres mit dem Volk gleichzusetzen ist 614 • Die Bedrängnis
des Volkes von Konstantinopel, die in den Briefen des Patriarchen ATHANASIOS
am Anfang des 14. Jh. deutlich wird, dürfte sich im Laufe der Zeit eher verschlech-
tert als verbessert haben. .
Die Haltung der ~vvaTol hat die Lage des Volkes nicht erträglicher gemacht.
"Die Großen (oL fleyaAot) besonders (wenden sich) desto mehr (gegen die katholi-
schen Richter), je größere Macht und Einfluß sie über die Geringeren (0 Lflt"e6Teeot)
besitzen. Sie machen sich wenig Gedanken über unrechtmäßigen Besitz 616."
PHILOTHEOS beschreibt die Verhältnisse in Herakleia: " ... er empfand (als neu-
gewählter Bischof) sein Amt und die Geschäfte als eine drückende Last, da er
täglich ankämpfen mußte gegen den jeweiligen Stadtmagistrat (exovTer; T~V ijye-
flovlav), zugleich aber auch gegen diejenigen, die öffentliche Steuern eintrieben; sie
freuten sich über die übervorteilung der Armen und über räuberische Machen-
schaften gegenüber jedermann, der sich den Führern der Unterdrückten (Tolr;
TWV o.~t"ovflevwv neol,O'TaflBvotr;) anschloß, und griffen sie offen und heimlich an. Das
Schlimmste aber war, daß der Bischof zusehen mußte, wie die ersten Bürger der
Stadt mit ihnen zusammenarbeiteten und den Ehrgeiz hatten, die übervortei-
lung und die Machenschaften, die dazu gut waren, noch heftiger zu entfachen;
diesen nun schloß sich eine andere Gruppe noch üblerer Elemente der Bürger-
schaft an, täglich das Unrecht mehrend. Sie gingen mit Gewalttat und Schlägen
gegen die Armen vor 616 ." Den Zwiespalt zwischen ~V'PaTot und MjflO(; vor dem
Bürgerkrieg charakterisiert J OANNES KANT.AK.UZENOS selbst: "Das Volk hegte
auch schon vorher in Friedenszeiten gegen die äeUITOt große Feindschaft, da es
von ihnen hierhin und dorthin gestoßen wurde ... 517." Mit diesen Worten ist weni-
ger eine soziale Unzufriedenheit ausgedrückt wie der Unmut, in der politischen
Mitbestimmung vernachlässigt zu sein. In Adrianopel kommt der Versuch der
~V'PaTot, den ~fj",o~ seiner Mitspracherechte zu berauben, sehr drastisch zum Aus-
druck: Die Andersdenkenden müssen die Peitsche fühlen. Es ist bezeichnend, daß
die Mächtigen sich solche Auftritte erlauben konnten. Ich nehme an, daß die
~V'PaTot öfter im Frieden so ihre Macht zeigten.
Vergleicht man die hier zusammengestellten Quellenangaben über die Lage des
Volkes im byzantinischen Reich etwa mit dem reichen Quellenmaterial, das der
Historiker über die Lage des Volkes vor der französischen Revolution zur Hand
hat, so wird die Dürftigkeit der Nachrichten über die sozialen Zustände im byzan-
tinischen Reich deutlich. Einige Punkte sind aber doch quellenmäßig faßba;r und
grundlegend für die Beurteilung der Ereignisse nach 1341:
Es bestehen Gegensätze zwischem dem Volk und den Mächtigen, nicht nur wegen
der Armut des Volkes, sondern durch. den Kampf für politische Rechte, die das
organisierte Volk im Laufe des 14. Jh. immer mehr und mehr erlangt hatte, vor
1341 offensichtlich kampflos. Diese Gegensätze können verschieden stark ausge-
prägt sein, je nachdem die Mächtigen dem Volk bestimmte Rechte gewähren, wie
in Bizye, oder das Volk unterdrücken, wie in Adrianopel.
Im Bürgerkrieg 1321-1328 tritt der Gegensatz zwischen ~V'PaTot und ~fj",o~ nicht
in Erscheinung. überhaupt tritt das Volk in diesen wechselvollen Kriegen nur
wenig aktiv hervor. Im Dezember 1327 nimmt das Volk von Thessalonike für
ANDRONIKOS 111. Partei und greift so in den Verlauf des Bürgerkriegs ein 518 • Die
Rolle des dakischen Hirten SIRE BAN bleibt Episode 619 , ist aber ein Zeichen, zu
welch großer politischer Aktivität die Bewohner des flachen Landes fähig waren,
wofür sonst nur noch wenige Beispiele aus der langen Geschichte des byzantini-
schen Reiches bekannt sind 620.
616 Ich versuche eine Übersetzung aus der Schilderung der Eroberung von Herakleia
ed. C. TRIANT.AFILLIS-A. GRAPPUTO Anecdota Graeca, Venedig 1874, 1 u. 2. Aus der
Stelle geht unter anderem die oben behandelte Organisation des Volkes hervor.
li17 Kant. IIl, 28: II, 177, 16f.: "al oi TB öfjpm "al :n(!6TB(!ov:n(!o!;' rou!;' u(!larov!;' 8" rov:na(!'
avrwv äyeaOaL "al cpe(!eaOaL 8V rfj!;' el(!f]vTJ!;, roi!;' "at(!oi!;' :noÄ.Ä~v exovTB!;' d:nexOetav.
618 Kant. I, 53: I, 271.
m Karrt. I, 30: I, 146.
680 Ich zähle dazu die Vorgänge in Didymoteichos. Gestalten wie der Volksführer
IVAJLO (vgl. OSTROGORSKY Geschichte 382) gehören der bulgar. Geschichte an.
DAS VOLK I,N DEN PROVINZSTÄDTEN 79
Ein anderes Bild bieten die Jahre nach 1341: Im Augenblick, als JOANNES KANTA-
KUZENOS die Kaiserwürde annimmt und mit roter Tinte unterschreibt, kommt es
zu einem Zustand, den er selbst umschreibt: 8(J1:mllaCov at n6A8t' naaat 'Xowfj
neo, 7:0-0, aela7:0V,621. Fast sieht es so aus, als habe hier der kaiserliche Aristo-
krat unbewußt n6At, mit ~fjp.o, gleichgesetzt. Dieser Satz ist durch die eigene
Angabe des J OANNES KANTAKUZENOS einzuschränken, daß westlich von Thessa-
lonike sowohl die ~vva7:ol wie der ~fjp.o, auf der Seite des J OANNES KANTAKUZENOS
standen 622. Die großen Grundbesitzer scheinen das Land in ihrer Hand gehabt zu
haben. Im Herbst 1342, noch in bedenklicher Lage für J OANNES KANTAKUZENOS,
schicken sie eine Botschaft an den neuen Kaiser ~86p.8VOt äex8tv a({)(ßv 623. In den
Städten, die sich nicht dem Usurpator anschlossen, bleibt das Volk ruhig, so in
Bizye und Peritheorion, aber vor allem auch in der Hauptstadt selbst. Jedenfalls
ist festzuhalten : Mit d~m Auftreten des J OANNES KANTAKUZENOS als Gegen-
kaiser tritt der ~p.o, im Bürgerkrieg aktiv in Erscheinung.
Wir können nur in sechs Fällen (von Thessalonike abgesehen) die Angaben des
kaiserlichen Geschichtsschreibers durch seine eigenen Nachrichten überprüfen.
Die Vorgänge in Skopelos, einer Stadt, über deren politisches Schicksal im Bürger-
krieg nichts weiteres bekannt ist, scheinen nicht mit dem Bürgerkrieg im Zusam-
menhang zu stehen. Wir wissen nur, daß der ~fjp.o, den Archon (Name unbekannt)
gezwungen hat, gegen die Tataren zu Felde zu ziehen 624.
In Rhentina, das sich dem neuen Kaiser im Frühsommer 1342 freiwillig ergeben
hatte, war von dem Kantakuzenen eine 200 Mann starke Garnison zurückgelassen
worden 626. Als er zu den Serben flüchten mußte, stellt sich der ~fjp.o, - vom Heer
des GUY DE LUSIGNAN unterstützt - dieser Garnison entgegen 626.
In Didymoteichos erhebt sich der ~fjp.o, außerhalb der Stadt gegen J OANNES
KANTAKUZENOS 627. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß das
Volk im Innern der Stadt dazu nicht in der Lage war, da ein zu großes, kanta-
kuzenosfreundliches Militärkontingent in der Stadt, dem "Hauptquartier" des
neuen Kaisers, stationiert war. Diese Soldaten gehen dann auch gegen das Volk
außerhalb der Stadt vor. Wieder, wie vor einigen Jahrzehnten der Daker SIRE
BAN und seine Hirten, tritt das Volk des flachen Landes politisch in Erscheinung.
Zu Beginn des Bürgerkrieges ergreift das Volk von Pamphilos die erste, beste
Gelegenheit, um die vom Anhänger des J OANNES KANTAKuzENos, J OANNES
ANGELOS, befestigte Akropolis einzunehmen und den von J OANNES KANTAKUZENOS
eingesetzten Archon, MIOHAEL BRYENNIOS, mit drei militärischen Führern ge-
fangenzunehmen und nach Konstantinopel zu schicken 628. Von innerstädtischen
Auseinandersetzungen ist nichts überliefert.
598 Kant. UI, 30: U, 187 ergänzt durch Kant. IU, 56: TI, 343; vgl. auch Nik. Greg.
XU, 14: 621.
80 KANT.AKUZENOS UND DAS VOLK
Wie dürftig die Berichte über die Rolle des Volkes im Bürgerkrieg sind, zeigt das
Beispiel von Gratianupolis: Erst bei der Schilderung der Einnahme der Stadt
durch den Kantakuzenen im Frühjahr 1344 erfahren wir, daß sich dort folgende
wichtige Vorgänge (schon zu Beginn des Bürgerkriegs 1) abgespielt haben 629:
Die a(!l(l'tOt wurden vom Volk vertrieben bzw. auf der Akropolis gefangengesetzt.
ANGELITZES, ein Mann aus den Niederschichten (be rw'V cpaVAQW uat aG~ftw'V) wird
von der Palaiologenpartei in Konstantinopel als Archon eingesetzt. Für die Um-
kehrung der Verhältnisse nach der Vertreibung der a(!tGrot ist bezeichnend, daß
ANGELITZES, wohl der Volksführer in Gratianopel schon vor 1341, seinen Reich-
tum, den er durch Fund erworben hat, jetzt offen zur Schau trägt. Wäre er ihm
vor 1341 einfach abgenommen worden 1 Wohlhabenheit einzelner Angehöriger
des Volkes konnte jedenfalls erst nach 1341 gezeigt werden. Fiel der Reichtum
eines Einzelnen nicht mehr stark auf, da das Volk allgemein durch die Güter der
a(!tGrot, die man sich angeeignet hatte, in größerem Wohlstand lebte 1 Wuchsen
die Volksführer schon selbst in die Rolle der a(!tGrot hinein 1 Von Tötung einzelner
"Mächtiger" weiß J OANNES KANTAKUZENOS nichts. Er hätte davon gewiß be-
richtet, wenn wirklich Grausamkeiten vorgekommen wären.
Die Entwicklung in Gratianopel ist den Vorgängen in Adrianopel sehr ähnlich.
über diese bedeutende Stadt, die schon NIKETAS CHONIATES als "eine der reich-
sten und mächtigsten makedonischen Landstädte" bezeichnet wird 630, besitzen
wir die meisten Nachrichten.
Eine Volksversammlung soll Anfang November 1341 über die grundsätzliche
Frage entscheiden: Wird J OANNES KANTAKUZENOS als rechtmäßiger Kaiser aner-
kannt 1 Es findet also eine Volksversammlung statt, die - wie gezeigt - in dieser
Zeit durchaus nicht ungewöhnlich ist. Die ~v'Va'tot sind für den Kantakuzenen,
rwer; aus dem Volk - offensichtlich die Volkssprecher - sprechen sich klar dagegen
aus. Sie machen von ihrem guten Recht in der Volksversammlung Gebrauch, das
das Volk in anderen Städten ungehindert ausübte. Daraufhin werden sie von den
"Mächtigen" körperlich gezüchtigt. Der Zwiespalt in der Stadt entzündet sich
also nicht wegen sozialer Fragen, geschweige daß sozialrevolutionäre Parolen
den Anlaß zum Aufruhr gaben. Solche Parolen treten erst im Laufe der Ausein-
andersetzungen hervor. BRANOS ruft dazu auf, die ~v'Va'tot der Güter zu berau-
ben 631. Der Anlaß zur Unruhe wird von außen durch die strittige Kaiserfrage, die
den Bürgerkrieg entfacht, in die Stadt hineingetragen. Die weitere Darstellung der
Vorgänge durch J OANNES KANTAKUZENOS läßt viele Fragen offen. Die drei na-
mentlich genannten Volksführer, die in der Nacht nach der Volksversammlung
zum Gegenschlag aufrufen, dürften schon vorher zu den Volkssprechern gezählt
haben. Nun behauptet der Kantakuzene, daß fast alle ~v'Varot (nA1}'V oAtyW'V) ge-
fangengenommen und ihrer Häuser beraubt wurden. Es wäre aber m. E. falsch,
den Vorgang zu dramatisieren. Von Blutvergießen berichtet J OANNES wie in
Gratianopel nichts 632 • Man plünderte die Häuser der Gegner, die als gefährliche
529 Kant. III, 69: II, 425f.; vgl. Nik. Greg. XIV, 4: 703, der keine Einzelheiten weiß.
530 Nik. Chon. 9.
581 Kant. III, 28: II, 176, 17.
582 WERNER Volks bewegung 53 A. 82 (Hinweis auf Kant. III, 28: 11, 179) behauptet,
einige "Mittelbfuger" seien in Adrianopel ermordet worden. Die Stelle steht aber in
einer allgemeinen Erörterung (179, 2 f.).
DAS VO~K VON ADRIANOPEL 81
personi ingrati, die jederzeit die Stadt verraten konnten, nach Konstantinopel
abgeschoben wurden 633. Weitere Nachrichten lassen daran zweifeln, daß fast alle
"Mächtigen" exiliert wurden. In dem Augenblick, als sich die Stadt bereits in den
Händen der Volkspartei befindet, kann J OANNES KANTAKUZENOS heimlich mit
den aexO'VTSf; über die übergabe der Stadt beraten. Wen meint der Kantakuzene
hier mit diesem Ausdruck 534? GREGORAS spricht von einer 8Tateela der ne oVX0'VTSf; ,
die die Tore öffnen wollten 535. Die Maßnahme, die Anhänger der anderen Partei
aus der Stadt zu entfernen, war also durchaus berechtigt.
Was hatte sich nach der Plünderung einiger Häuser geändert, was war erreicht?
600 Soldaten aus der Hauptstadt haben im letzten Augenblick durch günstige
Umstände die Stadt für die Palaiologenpartei erhalten können 636. BRANOS, der
Erdarbeiter, der die Volkspartei zum Sieg führte, war von ANNA mit der Bewa-
chung der Stadt betraut worden; der Archon aber kommt von der Zentralregie-
rung : Es ist ein Sohn des ALEXIOS APOKAUKOS, MANUEL. In der Zeit vor seiner
Einsetzung kurz nach dem Aufstand gegen die Mächtigen werden Verhandlungen
mit dem Bulgarenzaren ALEXANDER aufgenommen 637. Hier zeigt sich, wie konse-
quent die Volksführer handeln: ALEXANDER wurde nur gerufen, um die Stadt
vom militärischen Druck des Kantakuzenen zu entlasten. Vom byzantinischen
Reich abzufallen, war nicht beabsichtigt. Dem Zaren bleiben die Tore der Stadt
verschlossen.
Nur eines hatte die Volkspartei versäumt: Unter den Anhängern des Kantaku-
zenen etwas gründlicher aufzuräumen und ihre Macht wirklich zu brechen. Dies
rächt sich Ende 1344 638 . Wieder bespricht sich J OANNES mit seinen cpLAOt wie im
Winter 1341/2. Diesmal gelingt es ihnen, vielleicht in der Tat durch die Gleich-
gültigkeit des Volkes, das durch den langen Krieg zermürbt war, der Volkspartei,
BRANos an der Spitze, Herr zu werden. Die ~v'VaToL gebärden sich nun um keinen
Deut besser als das Volk, das sich bereichern will und lüstern ist auf Raub, wie
J OANNES KANTAKUZENOS betont. Die hohen Herren plündern die Häuser der
Anhänger der Volkspartei. Dann begehen sie nur den einen Fehler, sich im un-
rechten Augenblick im voreiligen Siegestaumel sinnlos zu betrinken. Sie werden
überrumpelt. Daß es nun zu Blutvergießen kommt, ist verständlich. Aber nicht
einmal zu diesem Zeitpunkt wird allzu streng mit den "Mächtigen" verfahren.
Einige werden gefangengesetzt, einige werden vertrieben. J OANNES KANTAKUZENOS
schließt den Bericht mit dem bezeichnenden Satz: "Die Stadt war wieder in der
Hand des Branos und der Anhänger der Kaiserin" (TOrf; neClr:TOVO't Ta ßa(1tAL~of;).
Im nächsten Jahr muß sich dann die Stadt unter dem Druck der Kriegsläufte
dem Usurpator ergeben 539.
Es bleibt, die Rolle des hauptstädtischen Volkes im Bürgerkrieg zu behandeln.
Hier ist es wichtig, über das Jahr 1347 hinauszugreifen. Denn erst in dieser Zeit,
als J O.ANNES KANTAKUZENOS die Stadt in der Hand hat, wird deutlich, daß das
Volk von Konstantinopel nicht anders reagiert als der MjfJ,or; in den übrigen Städten.
Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß in keiner Stadt, die dem neuen Kaiser
nicht die Tore öffnen wollte, eine Volksbewegung erkennbar ist. So auch in der
Hauptstadt.
JOANNES K.ANTAKUZENOS wie NIKEPHOROS GREGORAS spricht davon, daß APo-
KAUKOS den MjfJ,or; durch Demagogen mobilisiert habe 640. Das Ziel war, Stim-
mung für den jungen Palaiologen zu machen und die "Freunde" des Kantaku-
zenen zu terrorisieren. Vor allem die Matrosen (TO "avnx6,,) sind zu Mord und
Totschlag bereit und beseitigen die Mörder des APOKAUKOS6U. Das Volk der
Hauptstadt war leicht erregbar und bis 1347 nützte die Regierung diese Eigen-
schaft für ihre politischen Zwecke. Pm:r.OTHEOS behauptet, daß 1341 Gefahr be-
stand, daß BARLAAM vom MjfJ,or; getötet wurde 642 . Die Rolle des Volkes bei der
August synode 1341 und bei der Synode 1351 wird noch ausführlicher zu behan-
deln sein (Kap. IX u. XI). Wer es wagte, die Stadt dem Kantakuzenen in die
Hände zu spielen, riskierte seine Haut. Ein Angehöriger aus der Gefolgschaft
ISIDORS, des späteren Patriarchen, konspirierte heimlich mit J O.ANNES K.ANTA-
KUZENOS, der vor der Hauptstadt stand. Von oben gelenkt, gefährdet eine OeaC1eia
OefJ,,,, TOV tJ~fJ,ov das Haus des Verräters 643. Wie dieser wirklich gerettet wurde,
verrät die hagiographische Darstellung nicht. Ein offener Aufstand des Volkes
gegen JOANNES nach Februar 1347 war zwecklos. Der neue Kaiser hatte die Stadt
mit seinen Truppen in der Hand. Aber überall machte sich offener und heimlicher
Widerstand bemerkbar: in der Volksversammlung, die eine Steuererhöhung be-
rät, sogar in höchster Gefahr im Krieg gegen Genua, in der Synode von 135pu.
1354 war es dann so weit, daß die Kaiserin befehlen mußte: "Männer mit Militär-
begleitung sollen herumgehen, um das Volk einzuschüchtern 646."
Bei der ersten Gelegenheit, die sich bot, erhob sich dann das Volk, als die Nach-
richt durchdrang, der Palaiologe J OANNES sei in der Stadt. J OANNES K.ANTAKU-
ZENOS mußte schließlich nachgeben, bezeichnenderweise erst am dritten Tag 646 .
Er scheint doch noch auf militärische Verstärkung gehofft zu haben, um der
Volkswut Herr zu werden.
Es wurden die Häuser der Anhänger des J OANNES KANTAKUZENOS geplündert;
gegen FAZZOLATI, der 1347 wesentlich dazu beigetragen hatte, die Stadt dem
Kantakuzenen in die Hände zu spielen, richtete sich der Haß besonders. Die Kanta-
kuzenosfreunde mußten für ihr Leben fürchten, z. B. der Hegumene des von
J OANNES geförderten Charsianitenklosters 547.
Diese Vorgänge sind m. E. durchaus mit den Ereignissen bei der Vertreibung der
tJv"aTo[ in den Provinz städten zu vergleichen. Der Unterschied liegt darin, daß
640 Kant. III, 22: II, 137. Mit ähnlichen Worten: Kant. III, 35: II, 212, Uf. Nik.
5U Kant. IV, 6: III, 39. Zur Volksversammlung im Krieg gegen Genua siehe A. 499.
54ö Kant. IV, 35: III, 255, 16f.
6<16 Kant. IV, 39: III, 284. Vgl. zu diesen Vorgängen Kap. IV.
in Konstantinopel ein Kaiser aus der Schicht der ~v'IJa7:ol mit seinem Anhang ver-
trieben wird zugunsten eines anderen Kaisers, für dessen Dynastie sich das Volk
nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch der Provinz seit 1341 entschieden hat.
548 Vgl. Kap. III. So steht auch das von der Gefolgschaft des SYNADENOS beherrschte
Steuern auf "von auswärts" eingeführtes Getreide und auf Wein als Versuch, "den
Absatzmarkt der Produkte der Feudalgüter zu schützen".
84 KANTAKUZENOS UND DAS VOLK
660 Ob jemals ein solches in Byzanz entwickelt wurde, ist zu fragen. G. G. PLETRON
greift auf Platon zurück. Inwieweit haben die Gedanken des NIKOLAOS KABASILAS
und des ALEXIOS MAKREMBOLITES weitere Kreise erfaßt? Bei der Erhebung des
TROMAS handelt es sich wohl um kein eigentliches Sozialprogramm (vgl. zusammen-
fassend P. LEMERLE Thomas le slave, in: Travaux et Memoires 1 [1965] 255-297).
Auch die beabsichtigte Neuverteilung der Soldatengäter (Pachymeres H, 258, 13-18)
ist kein umfassendes "Programm".
651 BoseR Andronikos IH. 42; Reg. 2689.
658 P. A. R. CALVERT Revolution: The politics of violence, Political Studies 15 (1967)
1-11 hier S. 2. Zur Entwicklung des Begriffs "Revolution": H. ARENDT Über die
Revolution, München 1965, 33f. Vgl. auch K. GRmWANK Der neuzeitliche Revolutions-
begriff, Jena 1955.
668 Mit verschieden gesetzten Akzenten betonen das Zusammenwirken von sozialem
Aspekt und der Frage der Thronnachfolge ebenfalls: CHARANlS Strife 221. YAKOVENKO
in der Bespr. von TAFRALI VV 21 (1914) 184. A. A. VAsILmv History of the Byzantine
Empire H, Madison 1929, 397.
664. Die moderne Forschung ist auch mit der Anwendung des Begriffes "Revolution"
für die Entwicklung der antiken griechischen Geschichte sehr zurückhaltend. V.
EHRENBURG Der Staat der Griechen 1. Der hellenische Staat, Darmstadt 1960, 37/38:
"Es ist bezeichnend, daß trotz Tyrannis und Bürgerkrieg von einer eigentlichen Revo-
lution im archaischen Griechentum nicht gesprochen werden kann. Die Demokratie
DIE ABNEIG-m;;rG GEGEN KANTAKUZENOS 85
Die Volksbewegung nach 1341 stellt m. E. ein völliges Novum nicht nur in der
byzantinischen Geschichte, sondern in der des Mittelalters überhaupt dar. (Die
gleichzeitige "Kommune" in Genua stand nicht in einem Reichsverband und
beruht auf anderen geschichtlichen Voraussetzungen.) Die Revolten vor allem in
der Hauptstadt waren immer nur kurzzeitig. Wenn ein governmental change
beabsichtigt wurde, so nur im Wechsel der Kaiser. Das gemäßigte Volksregiment
in verschiedenen Städten nach 1341 überdauerte Jahre und fand sein Ende nur
durch die Militärmacht des Kantakuzenen.
Grundlegend für alle Vorgänge im Bürgerkrieg ist die Abneigung des Volkes
gegen J OANNES KANTAKUZENOS. Die Behauptung des kaiserlichen Geschichts-
schreibers, diese Abneigung sei nur östlich von Thessalonike zu beobachten ge-
wesen, läßt sich nicht mehr kontrollieren. Diese Abneigung, ja geradezu dieser
Haß blieb nicht auf den Bürgerkrieg beschränkt. Im September 1351 kommt es in
Adrianopel zu Straßenkämpfen, da das Volk dem Kaiser J OANNES KANTAKuzENOS
und seinem Sohn den Zutritt zur Stadt verweigern will, während JOANNES V.
freudig aufgenommen wird 655. Die starke Ablehnung des Volkes der Hauptstadt
gegen KANTAKUZENOS nach 1347 ist oben dargelegt.
Die Gründe für diese Abneigung sind nur noch zu erschließen, da offensichtlich
Gefühlsmomente eine starke Rolle gespielt haben. JOANNES KANTAKUZENOS ent-
behrte der "Legitimität der Familie ... welche das byzantinische Volk von seinen
Kaisern spätestens seit dem 9. Jh. zu fordern pflegte" 566. Demagogen hetzten das
Volk gegen den Adeligen auf und behaupteten, er trachte dem jungen Palaio-
logen nach dem Leben. Vor allem aber war der Kantakuzene der Exponent einer
Oberschicht, die im Gegensatz zum Volk stand. Ob auch der Unmut des Volkes
eine Rolle spielte, bei der Kaiserwahl übergangen zu sein, wie P. CHARANIS an-
nimmt 567, ist fraglich. Das Volk hatte unter den türkischen Hilfstruppen, die
J OANNES KANTAKUZENOS zur Seite standen, schwer zu leiden. Sie plünderten,
brandschatzten und versklavten die Bevölkerung. Eine Zuneigung des Volkes
zum Adeligen war so nicht zu gewinnen.
Mit Waffengewalt hat der Kantakuzene die Herrschaft des Volkes in den Städten
gebrochen. Rückwärts blickend möchte ich modernen östlichen Historikern zu-
stimmen, die in dieser Reaktion ein Unglück für das byzantinische Reich sehen.
Durch die - sehr gemäßigte - Herrschaft des Volkes in den Städten wäre eine
Umwandlung der Besitz- und Machtverhältnisse eingeleitet worden, auch wenn
keine sozialen Theorien ausdrücklich im Hintergrund standen. Vertreter der alten
Ordnung haben diesen Wandel mit Recht gespürt und ihn als Unrecht verur-
teilt 568. Die Regierung in Konstantinopel war anerkannt, das Kaisertum aber wäre
gezwungen gewesen, je länger je mehr auf den Machtfaktor "Volk" in der Provinz
und in der Hauptstadt Rücksicht zu nehmen vor allem in sozialer Hinsicht.
Stärkere föderative Züge in der Verfassung des Reiches wären die Folge gewesen.
entwickelt sich organisch (was na,türlich Widerstände und Kämpfe nicht ausschloß)
aus dem AdelBBtaat und die radikale Demokratie organisch aus den gemäßigten
Formen."
565 Kant. IV, 32: III, 238f.
558 DÖLGER Legitimist 203.
667 CHARANIS Strife 220.
658 Dem. Kyd. 2. oratio ad Cantacuzenum ed. CAMMELLI in: BNJ 4 (1923) 79, 15f.
Vill. Joannes Kantakuzenos.und das Volk von Thessalonike
1. Die Fragestellung
Mit Recht hat I. SEVCENKO betont 669 , daß die Forschung vorerst Einzelaspekte
der sogenannten "Zelotenherrschaft" in Thessalonike untersuchen muß, bis neue
Quellen für die Vorgänge von 1342-1350 vorliegen.
Die Fragen, die ich über das Verhältnis des reichen Aristokraten zum Volk ge-
stellt habe, sollen nun am Fall der Stadt Thessalonike gesondert behandelt wer-
den, da hier besonders viele Nachrichten vorliegen und die Vorgänge sehr viel-
schichtig sind. Ich gebe hier also keine ausführliche Schilderung der Geschichte
der Stadt von 1341 an, sondern greife vor allem die Vorgänge heraus, die das Ver-
halten des Volkes und die Stellung der Stadt zum Reich charakterisieren und An-
haltspunkte für eine von der bisherigen Forschung abweichende Beurteilung
bieten.
2. Die soziale Lage und die politische Wirksamkeit des Volkes von
Thessalonike unabhängig vom Bürgerkrieg 1341-1347
zur Sozialstruktur auch des XIV. Jhs. bei J. HEERS Genes au XVe siecle, Ecole prati-
que des hautes etudes - VIe section. Affaires et gens d'affaires XXIV, 1961, 511 ff.
688 BRATIANU Privileges 108.
Vor 1316 .bestimmt ein kaiserliches Chrysobull, daß die Liegenschaften der Bür-
ger in der Umgebung der Stadt steuerfrei sein sollen 565 • Die Gesandten, die 1345
mit J OANNES KANTAKUZENOS über die Übergabe der Stadt verhandeln, verlangen
außer Sonderrechten für Einzelpersonen für die Stadt "allgemeine Steuerfrei-
heit" (a-re.ABlav 'Kowfj 7:fj n6ABl) 666. Leider kennen wir die Bestimmungen der
Privilegien nicht, die 1350 den Bewohnern von Thessalonike gewährt wurden 667.
Der Satz von TAFRALI ist trotz aller dieser Nachrichten berechtigt: "Toutefois il
est bien difficile d'etablir quels etaient au juste ces privileges de Thessalonique 668 ."
Dabei ist die Kenntnis der "Autonomie" von Thessalonike, von der NIKEPHoRos
GREGORAS für die Zeit vor 1342 spricht 569 , für die Beurteilung der Stellung des
Volkes im Bürgerkrieg nach 1341 wie der Stellung der Stadt zum byzantinischen
Reich von entscheidender Bedeutung. Um diese "Autonomie" näher zu fassen,
kann als Analogie auf die Privilegien verwiesen werden, die 1319 der epirotischen
Stadt Joannina bei der Rückkehr ins byzantinische Reich verliehen werden 670.
Vor allem Punkt vier ist hier wichtig: Neben dem kaiserlichen Statthalter sollen
Bürger der Stadt als "Richter" ('Kel7:at) über alle Angelegenheiten entscheiden
außer den kirchlichen 671. Auch für Thessalonike dürfte feststehen: Neben dem
kaiserlichen Statthalter besteht bereits vor 1341 eine Behörde der städtischen
Selbstverwaltung. Von hier aus erscheint der im Bürgerkrieg sichtbare Vorgang,
daß zwei Archonten an der Spitze der Stadt erscheinen, weniger auffällig. Sind
auch die Gegner des NIKOLAOS KABAsILAs in seinem sogenannten "Antizeloten-
dialog" Vertreter dieser städtischen Selbstverwaltung in der zweiten Hälfte des
14. Jh.1 Diese Hypothese findet im Text ihre Bestätigung: Die angegriffenen
Behörden pochen auf das Gewohnheitsrecht, ihre Maßnahmen treffen sie zum
Wohle des Gemeinwesens, zur Sicherheit und zur Verteidigung, auch wenn sie
dabei alte kaiserliche wie kirchliche Gesetze verletzen.
Vor 1341 sind zwar mehrere Versuche nachweisbar, Thessalonike vom byzanti-
nischen Reich abzutrennen. Aber sowohl die Pläne der Kaiserin IRENE, die Thes-
salonike als eine Art westliches Lehen auffaßte 672 , wie die Versuche des Panhy-
persebastos JOANNES PALAIOLOGOS 673 , die Stadt vom Reich abzuspalten, gehen
von einzelnen Großen aus und finden keinen Widerhall im Volk. Im Bürgerkrieg
zwischen den beiden Palaiologen ANDRONIKOS 11. und ANDRoNIKos 111. nimmt
das Volk für den jungen Thronprätendenten Partei und belagert im Dezember 1327
für ihn die Akropolis. Die Geschichte des Kaisers ANDRoNIKos 111. zeigt, wie eng
seine Regierung mit der Stadt Thessalonike verbunden ist.
Schon vor 1341 wird also das Verhältnis der Stadt zum Reich von zwei scheinbar
sich widersprechenden Merkmalen geprägt: einer weitgehenden Autonomie und
669 Auf die Stelle Nik. Greg. XIII, 10: 674, 8 hat TAFRALI a. a. Ü. S. 68 mit Recht
hingewiesen.
570 ÜSTROGORSKY Geschichte 410f. Reg. 2412.
671 MM V, 81 Z. 6-10.
672 BECK Metochites 9f.
678 ÜSTROGORSKY Geschichte 413. BoscR Andronikos III. 39-41. TAFRALI Thessalo-
nique 214.
88 DAS VOLK VON THESSALONIKE
der Bindung zum Reich, die sich vor allem in der Einsetzung" kaiserlicher Archon-
ten und der Parteinahme für einzelne Mitglieder des Palaiologenhauses zeigt.
Dieses "Doppelgesicht" der Stadt ist bei der Beurteilung der Stellung der Stadt
im Reich nach 1341 immer zu berücksichtigen.
Wie in den übrigen Städten des byzantinischen Reiches ist auch das Volk von
Thessalonike eine politisch wirksame, organisierte Klasse.
Volksversammlungen in Thessalonike erscheinen als selbstverständliche Ein-
richtungen in der Verfassungswirklichkeit der Stadt, wenn auch die überlieferung
nicht oft über sie berichtet. Nach der entscheidenden Wende im Herbst 1350
rechtfertigt J OANNES KANTAKUZENOS seine Haltung im Bürgerkrieg vor einer
beH,Ä'YjC1la :rca"'~'YJI-wr; 674. In kritischer außenpolitischer Lage drängt MANUEL um 1383
vor einer ft8yaÄ'Yj BH,H,Ä'YjC1la, doch wohl einer Volksversammlung, zum Handeln 676.
Auch die Versammlung, zu der J OANNES APOKAUKOS im Sommer 1345 aufruft,
scheint eine allgemeine Volksversammlung gewesen zu sein, trotz der Einschrän-
kungen, die J OANNES KANTAKUZENOS macht 678. Es wird öffentlich beraten, ob
man zum Kantakuzenen übergehen solle. KASDAN vermutet, daß das kaiserliche
Schreiben im Jahre 1349 vor einer öffentlichen Versammlung verbrannt wurde 677.
Eine zünftische Gliederung des Volkes von Thessalonike ist höchstens bei den
:rcaea()aÄa(](Jtot, dem Baugewerbe und den Notaren bezeugt, sonst - soviel ich sehe-
aber nicht nachweisbar 578.
Wer waren die Volks sprecher und Volksführer in Thessalonike, die - wie gezeigt -
in anderen byzantinischen Städten in Erscheinung treten 1 Nahmen die viel-
erörterten "Zeloten" bereits vor dem Bürgerkrieg diese Rolle ein 1 Unter diesem
Namen, der nach einer langen Vorgeschichte in dieser Zeit durchaus positive Be-
deutung haben konnte 579, tritt diese Gruppe zuerst im Bürgerkrieg im Jahre 1342
als Palaiologenpartei in Erscheinung 580. Sowohl J OANNES KANTAKUZENOS wie
NIKEPHOROS GREGORAS unterscheiden sie vom ~fjft0r;581. Beide rechnen die "Ei-
674 Kant. IV, 17: III, 117, 12. Zu den Volksversammlungen: T.AFRALI Thessalonique
74/5.
676 LAURDAS bezweifelt (gegen T.AFRALI Thessalonique 74), ob MANuEL im (]Vp,ßov-
Äevn"o!;' Äoyo!;' (um 1383) vor einer Versammlung von Senatoren oder einer f""Ä1](]la
'WÜ 6~p,ov gesprochen hat (Bemerkungen zur Edition in: Makedonika 3 [1953/5] 304).
Die Versammlung wird als p,eyaÄ1] f""Ä1](]la (ed. a. a. O. 295, 2), einmal als (]vÄÄoyo!;'
bezeichnet (296, 25). Nach dem Zusammenhang und dem Wortlaut ist an eine Ver-
sammlung des Volkes zu denken. Vorsichtig DENNIS Manuel 80: " ... he (Manuel)
called together an assembly which represented more or less faithfully the poeple of
Thessalonica. "
676 Kant. III, 93: II, 573, 10f.: i""Ä1](]lav epaveew!;' (]vvayaywv l" Te TWV ael(]TWV "al
(]Teanä!;, "al TWV üÄÄwv noÄLTwv TWV p,aÄL(]Ta iv ÄOyep.
677 Agrarverhältnisse 188.
678 Kant. lII, 94: II, 575. Zur Zunft der Bauhandwerker: DÖLGER Schatzkammern
Nr. 112 (S. 306) Privaturkunde von 1326.
679 Z. B. Akindynos Br. 8 ed. LOENERTZ EEBS 27 (1957) Z. 7: GEORGIOS LAPITHES
C1]ÄWT~!;' e1J(]eßela!;'. THOMAS MAGISTROS IIeei noÄLula!;' (PG 145 Sp. 544 DK. 24). Über
die lange Vorgeschichte des Begriffes: P. K. CHRESTU Artikel ,,0 L C1]Äwml", in: ee1](]".
"al i](JL"~ fy"v"Äonat6ela 6 (1965) Sp. 461-464.
680 Kant. III, 37: II, 227.
681 Darauf hat G. 1. BRATIANU "Democratie" dans le lexique byzantin a l'epoque
ORGANISATIPN DES VOLKES VOR 1341 89
des Paleologues (Memorial L. Petit, Bucarest 1948, 36) mit Recht aufmerksam ge-
macht.
682 Kant. IIr, 38: II, 235, 4f.: oL ZrJÄco-r:al av-r:l"a e,., nevea-r:a-r:cov "ai d-r:tp,cov nÄovatot "al
neeL(pavei~ yeyevrJp,evot . .. "ai -r:ov~ p,Baov~ p,e-r:fJeaav. Nik. Greg. XIII, 10: 674, 2lf.: oE
nÄov-r:ov "ai (j6~rJ~ erpdp,evot nevrJT:e~ nennen sich Zeloten.
688 Anders Euripides Suppl. 238f.: hier sind die Reichen und Armen den "Mittleren",
der eigentlich staatserhaltenden Schicht, gegenübergestellt.
684. Kant. III, 22: II, 137, 7f.
685 Nik. Greg. VIII, ll: 354, 16f.; Kant. I, 26: I, 129f. TAFRALI Thessalonique 211f.
Hier scheint bei DÖLGER ein Regest zu fehlen über den Befehl an den Despoten KON-
STANTIN, RITA nach Konstantinopel zu bringen (nicht Reg. 24751).
588 Kant. I, 31: I, 149f. .Jo. Kant. bringt die a-r:aat~ nicht in unmittelbarem Zus.hang
mit der Gefangennahme der Kaiserinmutter. BosoR Andronikos III. 31 geht auf die
Unterschiede in den Quellen leider nicht ein.
587 Nik. Greg. VIII, ll: 356, 10f. Reg. 2475.
588 Kant. I, 53: I, 271. Nik. Greg. IX, 4: 409-410 sagt hier nichts vom Volk. BosoR
Andronikos III. 45; TAFRALI Thessalonique 215f.
689 Mir vorliegend Cod. Paris. 2629 fol. 127-130vo.
90 DAS VOLK VON THESSALONIKE
reizen, vielmehr sich um seine Belange zu kümmern, das Volk hingegen soll
ihnen willfährig sein. Die Erörterungen sind so allgemein, daß offen bleibt, welche
Ereignisse eingetreten sind, welche im Bereich des Möglichen liegen. Die Inter-
pretation von Tafrali, hier sei von "troubles" gesprochen, "qui amenerent l'avlme-
ment d'une administration municipale democratique", halte ich für zu weit-
gehend 590. In einem Brief an THEODOROS METOCHITES spricht THOMAS MAGISTROS
von nächtlichen Kämpfen, von Diebstahl und Raub 591 • Die Nachrichten lassen
sich ohne weiteres als eine tendenziöse Darstellung der Vorgänge. entweder von
1322 oder 1327 von einem Anhänger des alten Kaisers verstehen. Da die Lebens-
zeit des THOMAS MAGISTROS aber in die Hauptzeit des palamitischen Streites
hereinreicht 592, ist es durchaus möglich, daß THOMAS hier die Ereignisse nach 1342
meint. Weitere Aufschlüsse und Nachrichten als die Monodie des DEMETRIOS
KYDONES über die Opfer von 1345 bietet die Rede nicht.
Geben die Quellen bei kritischer Beleuchtung auch keinen Anlaß, von sozialen
Unruhen vor 1341 zu sprechen, soziale Spannungen zwischen ~vva7:ol und ~fjftOt;
sind in Thessalonike ebenso spürbar wie in anderen byzantinischen Städten 593.
Die Darlegungen des aus Thessalonike stammenden THOMAS MAGISTROS spiegeln
die sozialen Verhältnisse dieser Stadt wider. Die Anklänge an IsoKRATEs sind
"plus superficielles que profondes" , wie GUILLAND mit Recht betont 594. MAGI-
STROS teilt die Bevölkerung in zwei Gruppen: die bwpaveit; und die nOAAol 595. An
anderer Stelle unterscheidet er zwischen nb'YJ7:et; und nAOVO"lOl, 596 und verlangt von
den Begüterten "möglichste Fürsorge für die mittellosen und von der Armut be-
drängten Bürger" 597. Die nip'YJ7:et; sind durch ihre Armut gezwungen, neben den
~OVAOI, zu arbeiten, doch die Herren wollen die Armen um ihren Lohn prellen 598.
Der gelehrte Philologe will zwar niemand ~l,a 7:0 yepot; abgewertet wissen 599,
trotzdem schließt er die Armen, die keinen Häuserbesitz vorweisen können und
ihre Tüchtigkeit nicht unter Beweis gestellt haben, vom Wächterdienst (oE
qJvAa7:7:eW AaX6P7:et;) aus 600. In den Ausführungen geht der Gegensatz zwischen
reich - arm in den Gegensatz vornehm - große Menge über. Dem Sinn nach
umschreibt hier THOMAS MAGISTROS die gleichen Schichten, die J OANNES KANTA-
KUZENOS als Mjftot; und ~vpa7:ol bezeichnet.
gestützt auf die Akindynosbriefe und auf den Brief des THOMAS an den Palamiten
HIEROTHEOS. SEVCENKO setzt die Rede noch in die Zeit des Bürgerkrieges 1321-1328.
693 Vgl. CHARANIS Strife 221-223; TAFRALI Thessalonique 104f.
694 GUILLAND Nik. Greg. Correspondance 351. Vor allem die Rede an Nikokles und
die fingierte Ansprache des N ikokles an die Zyprier, die hier vor allem zum Vergleich
heranzuziehen sind, enthalten gerade die Gedanken nicht, die die Rede des THOMAS
MAGISTROS hier wichtig erscheinen lassen.
696 De subditorum officiis PG 145 Sp. 501 C (Kap. 4).
596 ebd. Sp. 540 A (Kap. 23).
697 ebd. Sp. 501 C (Kap. 4) ... a.Ä.Aa xal TO TOV~ an6eov~ TWV noÄ.LTwv xui nLeCof1ivov~ evöe{q.
nÄ.ela1:'YJ~ öa'YJ~ vno TWV dmoewv a;wva(}at neovolu~ (vgl. ad Niphonem 393 C/D).
698 ebd. Sp. 533 D (Kap. 20).
699 ebd. Sp. 529 A (Kap. 17).
Rede an ANNA über den Zins mit gutem Grund in das Jahr 1351 gegen den Heraus-
geber GUILLAND. Vorsichtig I. SEVCENKO Nicolaus Cabasilas' correspondance and the
treatment of late byzantine literary texts, BZ 47 (1954), 56: "The terminus post quem
of the treatise "on usury" is 1341 (1345), because of the references to civil war (or
perhaps to the social struggle of the forties) in it."
606 VERPEAUX Chumnos 45 A. 4. V. LAURENT Une nouvelle fondation monastique des
Choumnos: La N ea Moni de Thessalonique, REB 13 (1955), 117 führt die Güter, mit denen
M.AK.A.RIOS sein neugegründetes Kloster ausstattete, auf den reichen Besitz des Kanz-
lers NlKEPHOROS CHUMNOS zurück. Zur Zeit der Gründung hatte M.AK.A.RIOS bereits nicht
mehr so viele Güter, um das Kloster so reich auszustatten, wie er es gewünscht hätte.
606 Kant. III, 42: II, 256, 19f. In einem ChryBobull des SerbenkralB STEPHAN DUSAN
(April 1348) wird dem Kloster Iviron ein Platz innerhalb (nicht außerhalb wie DÖLGER
Schatzkammern Nr. 125 S. 338) Thessalonikes geschenkt, der früher dem Megas Papias
ARSENIOS TZAMPLAKON gehörte (SOLOVJEV-MoSIN 144 Z. 84: bro!,; rov "aareov r6nov,
OV E"eanJG8v cO!,; Ol"8iov 6 !liya!,; nanla!,; 6 Tl;,.). G. THEOOHARIDES. Die Tzamplakonen
(ngr.), Makedonika 5 (1959) 125ff.
607 Der Mönch MOSES PHAKRASES als OLOL"Br7J!,; der Kirche von Thessalonike: MM I,
566/7 (1371); vgl. 572/3.
608 GEORGIOS PHAKRASES : Nik. Greg. XII, 16 : 627; Kant. III, 32: II, 195; IV, 26 : III, 196.
nike eine Rolle spielt, ist für 1326 Häuser besitz in Thessalonike 610 bezeugt. Auch bei
dieser Familie ist man versucht, sie zu den t3vvaTol zu zählen, die in Thessalonike für
JOANNES KANTAKUZENOS arbeiteten. Wieder schweigen die Quellen. Wahrschein-
lich besaß GUY DE LUSIGNAN, der Gegner des JOANNES im Bürgerkrieg, in der
Stadt ein Hofgut, das später dem Kloster Nea Moni vermacht wird 611. Privat-
besitz der Palaiologen ist ebenfalls in unmittelbarer Umgebung der Stadt anzu-
nehmen, wie vor allem aus der Stiftung des Megas Domestikos DEMETRIOs P A-
LAIOLOGOS hervorgeht, worauf das Kloster Akapniu in Thessalonike Vorverkaufs-
rechte anmeldete 612. Über den Besitz der Kabasilas, der Argyropuloi und der
Kydones in der Stadt 613 finde ich keine näheren Nachrichten. Ein Kabasilas
(NIKOLAos~), MANKOS ANGELOS (BARDALEs) und ISARIS (GEORGIOS) sind Stifter
für das Kloster Vatopedi 614. GEORGIOS ISARIS, als olueio~ des Kantakuzenen 1350
bezeugt 616 , war ebenfalls Gönner des Klosters Nea Moni in Thessalonike 616 • Wie
groß war das Erbe des ISARIS, worüber sich seine Erben mit dem Kloster Chilan-
dar einigten ~ 617 War J OANNES KANTAKUZENOS selbst t3vvaT6~ in Thessalonike ~
Aus der Zusammenstellung seines Besitzes in Kap. I geht hervor, daß Besitztümer
der Kantakuzenen in unmittelbarer Nähe der Stadt nicht zu suchen sind. Es
gibt also keinen Hinweis, daß die großen Liegenschaften des Aristokraten für die
sozialen Verhältnisse der Stadt unmittelbar belastend geworden wären und die
Spannungen zum Volk sich dadurch verschärft hätten.
Die großen Besitzungen der Athosklöster erstreckten sich selbstverständlich auch
ins Stadtgebiet von Thessalonike. Esphigmenu besaß dort eine Dependance 618 ,
ebenso Zographu 619 und Karakallu 620. Das Russenkloster Panteleemonos besaß
ologenfamilie wäre hier vielleicht ein 1leeLOetafl6~ des LEo KALo GNOMON (1317-1334)
heranzuziehen, in dem es heißt, daß die Besitzungen von Xeropotamu im Norden und
Osten an die Güter des KONSTANTINOS P ALAIOLOGOS angrenzen (BoMPAIRE Xeropo-
tamu Nr. 22 S. 175/6).
818 DEMETRIOS KYDONES beklagt im 9. Kap. der ersten Rede an Jo. Kant. (ed. in
Dem. Kyd. Correspondance I) die Plünderung seines Hauses und im 7. Kap. spricht
er vom Ertrag "unserer" Landwirtschaft, den die Barbaren ernten.
614 SOLOVJEV-MoSIN 142 Z. 46, 49, 57 (Chrysobull STEPHAN DusANs 1348).
616 MM I, 298.
616 Hellenika 14 (1955) 68 Z. 260f. (Typikon der "Nea Moni" ed. V. LAURENT).
617 Chilandar Nr. 154. Das Kloster löst die Forderung der Verwandten mit c5ov"unnv
(1289). Die in Nr. 24 (vgl. Reg. 2194) aufgeführten 2 Dependancen beziehen sich wohl
auf den gleichen Komplex H. Nikolaos. Die Dependance H. Nikolaos wird im Prakti-
kon des Konstantinos Pepagomenos (1320) auf 26 Hyperpyra veranschlagt (Nr. 17,
79f.). Durch Käufe wird der Besitz der Dependance vergrößert (Hausbesitz) (Nr. 25)
(1327).
6aO Reg. 2169 = DÖLGER Schatzkammern Nr. 38 Z. 39 (1294).
BESITZVER:ff~TNISSE IN THESSALONIKE 93
in der Stadt eine Dependance mit Liegenschaften, die 1353 bestätigt wird 621.
Philotheu gehörten zwei Zweigklöster im Stadtbereich mit 8 Modioi Weinland,
Gärten, Mietshäusern und einem Jahrmarkt 622. Das Kloster Xenophon hatte eine
Dependance im Dorfe Paliron nahe bei Thessalonike mit einer Größe von 12 Mo-
dioi, eine Dependance in der Stadt mit Hof und Mietshäusern, drei weitere Höfe
und drei Werkstätten, weiter beträchtliche Besitzungen im Katepanikion Kala-
maria 623 • Vatopedi besaß nach einem Chrysobullos Logos vom Juli 1301 624 die
Muttergotteskirche mit den dazugehörigen Häusern.
Wie aus einem unedierten Prostagma vom Februar 1321 hervorgeht, waren Güter
des Klosters in der Nähe von Thessalonike vorhanden 625. Merkwürdigerweise
wird 1356 der Besitz der Muttergotteskirche nicht mehr erwähnt, aber eine De-
pendance in der Stadt und der Pachtzinsgenuß von Weingärten 626. Besonders
ausgedehnt scheinen die Besitzungen der Klöster I viron und Chilandar in Thessa-
lonike gewesen zu sein. Vor allem der Besitz an Weinland des Klosters Chilandar
war beträchtlich. Merkwürdig ist, daß das 1316 und 1317 erwähnte Metochion
Chilandars in Thessalonike 627 in der Besitzaufzählung vom Juli 1351 nicht er-
wähnt wird 628. Daraus auf Konfiskationen in der Zeit der sogenannten "Zeloten-
herrschaft" schließen zu wollen, wäre voreilig: Für das Kloster I viron erscheinen
1351 (bzw. 1357) Dependancen in der Stadt, die früher noch nicht im Besitz-
stand des Klosters aufgeführt waren 629. Tatsache bleibt, daß sich aus den Ur-
kunden Besitzkonfiskationen der Klösterliegenschaften in Thessalonike nach 1342
nicht eindeutig nachweisen lassen 630. Zu diesen Besitzungen der Athosklöster in
der Stadt kommen natürlich die Güter der in der Stadt liegenden Klöster selbst,
die noch im 14. Jh. an Zahl zunehmen 631.
Alle Angaben über den Klosterbesitz und die Liegenschaften einzelner Familien
reichen nicht aus, um die Größe der Güter im Plan der Stadt und ihrer Umgebung
einzuzeichnen, wie dies bei westlichen spätmittelalterlichen Städten teilweise
möglich ist. Dadurch ließe sich ein Bild gewinnen, wieweit das Besitztum der
übrigen Bürger eingeschränkt war durch die Expansion von Klöstern und ~v'JIaTol
im Stadtgebiet. Den allgemeinen Schluß lassen die Urkunden wenigstens zu, daß
Klöster und ~v'JIaTol einen beträchtlichen Teil des Bodens in ihrer Hand gehabt
ne empire, DOP 4 (1948) 114 fest: "To what extent the zealots had carried out their
program of confiacations and redistribution cannot be determined." Ob ein solches
"Programm" feststellbar ist, siehe unten I
881 G. THEOCHARlDES Topographie und politische Geschichte von Thesswonike im
14. Jh. (ngr.), Thessalonike 1959, 18ff.
94 DAS VOLK VON THESSALONIKE
haben und daß die Spannungen des Volkes zur Oberschicht dadurch verschärft
wurden.
Nach anfänglichem Zögern erklärt Ende März 1342 der Archon von Thessalonike,
THEODOROS SYNADENOS, J OANNES KANTAKUZENOS solle möglichst schnell kom-
men, da zur übergabe der Stadt alles bereit sei 632. Nach kurzer Zeit - der Kanta-
kuzene hat die Belagerung von Peritheorion aufgegeben, Polystylos befestigt und
befindet sich in der Gegend von Drama - meldet SYNADENOS, es sei nun nicht mög-
lich, die Stadt zu übergeben 633. Als Grund für das Zögern gibt der adelige Ge-
schichtsschreiber die Furcht des SYNADENOS vor der R.egierung in der Haupt-
stadt (nicht vor dem Volk von Thessalonike!) und sein Vertrauen auf die über-
legenheit seiner Soldaten und der tJvvarol an, die auch hier die Partei des Kanta-
kuzenen ergriffen hatten 634. Durch dieses Zögern erst wächst nach der eigenen
Angabe des J OANNES KANTAKUZENOS die Partei der Zeloten (av;avof1,evov~ "ara
ftl"eov: 11,233, 13 f). Sie reizen das Volk gegen die tJvvarol, "greifen zusammen an
und verjagen ungefähr 1000 Mann". Darunter sind die Soldaten und die Gefolg-
schaft des SYNADENOS, weiter einige tJvvarol zu rechnen, durchaus nicht alle An-
hänger des Kantakuzenen, wie die folgende Zeit zeigt 636. "Es gab aber noch Per-
sonen," sagt JOANNES selbst, "die für den Kaiser (d. h. für Jo. Kant.) Partei
nahmen, aber aus Furcht den Zeloten folgten 636." Wie undeutlich die Schilderung
ist, liegt auf der Hand. J OANNES KANTAKUZENOS weiß nur von der Verwundung
einiger Diener des SYNADENOS, GREGORAS spricht schon von einem "zahlreichen
Mord" (cpovo~ (]Vxvo~) 637. Daß es zur Plünderung der Häuser der Exulierten kommt
und die Zeloten sich bereichern, ist den Umständen entsprechend. Wenn JOANNES
KANTAKUZENOS sagt, die Zeloten hätten die Stadt in ihre Hand gebracht, so
heißt das: Die Stadt bleibt in der Hand der Palaiologenpartei mit ihrem Zentrum
in Konstantinopel. Dies geht aus den folgenden Ereignissen klar hervor.
Kurz nach der Vertreibung des SYNADENOS landet ALEXIOS APOKAUKOS mit 70
Schiffen im Hafen der Stadt. Diese hatte schon vorher den Feldherren der Palaio-
logenpartei, MICHAEL MONOMACHOS, GUY DE LUSIGNAN, ANDRONIKOS und THO-
MAS PALAIOLOGOS, die Tore geöffnet 638. Für ein halbes Jahr kennen wir den
Archon von Thessalonike nicht, doch scheint MICHAEL MONOMACHOS bereits
688 Kant. III, 38: II, 236; vgl. IU, 39: II, 237, 19 f.
Dm EREiIGNISSE 1342 UND 1343 95
Anfang 1343 nach der Vertreibung als Statthalter von Thessalien Archon von
Thessalonike geworden zu sein 639. Er nimmt diese Stellung ein, als APOKAUKOS
im Sommer 1343 zum zweiten Mal in die Stadt kommt 640. Zu einem unbekannten
Zeitpunkt wird MONoMAcHos von J OANNES VATATZES abgelöst. Nur NIKEPHoRos
GREGORAS bietet die hochwichtige, von der Forschung viel zu wenig beachtete
Nachricht von einer kurzzeitigen Statthalterschaft dieses Emporkömmlings, der
in Kapitel V näher behandelt wurde 6u . Er hat seine Stellung mit hohen Geld-
summen erkauft und wurde von ANNA nach Thessalonike entsandt. Bald darauf
wurde er von ALExIOS APOKAUKOS durch dessen Sohn JOANNES verdrängt, "ehe
er die Geldkatze so richtig prall füllen konnte". Immerhin wäre es merkwürdig,
daß ein angeblich "demokratisches Regiment der Zeloten" einen solchen Glücks-
ritter geduldet hätte.
Immer bestand die Gefahr, daß die Stadt durch die Machenschaften der Anhänger
des J OANNES KANTAKuzENos in die Hände des Gegners fiel. J OANNES gibt offen
zu und wird von GREGORAS bestätigt, daß er heimlich mit seinen "Freunden" ver-
handelt hat. Nur die Wachsamkeit der Zeloten und des ~fjp,o~ (nach Jo. Kant.)
hat den Anschlag verhindert 6411. Als kurz nach der Abfahrt der Flotte des ALExIOS
APOKAUKOS im Sommer 1343 J OANNES KANTAKUZENOS und UMUR mehrere Tage
lang die Stadt belagern,. war die Furcht vor den Kantakuzenosanhängern be-
sonders groß. Die Belagerung traf zwei Bevölkerungsgruppen besonders hart.
Sehr allgemein spricht GREGORAS 643, der - man kann es nicht oft genug betonen -
seine Nachrichten aus zweiter und dritter Hand hat, von dell Landbewohnern,
die mit ihren Herden in die Stadt gekommen waren, nun ihre Viehherden zu-
grunde gehen sehen und gegen die noÄi'l'at, die Stadtbewohner, sich offen er-
heben (Äap,new~ a'l'aaui' Bt'V ). Die zweite Gruppe ist unter den landbesitzenden Stadt-
bewohnern selbst zu suchen, deren Besitz vernichtet wurde. Es bleibt sehr frag-
lich, ob diese, durch die Belagerung bedingte Notlage nachhaltigen Einfluß auf die
späteren Machtverhältnisse innerhalb der Stadt ausgeübt hat. In der Zeit der Be-
lagerung kommt es zu Grausamkeiten, denen ein GABALAS, dessen Verbindung
zum Mesazon JOANNES GABALAS nicht nachweisbar ist, und ein IIaÄatOÄ6yo~ 'l't~
zum Opfer fällt 644 • Die Nachricht, schon die undeutliche Namensnennung ist ver-
dächtig: Den Zeloten, der Palaiologenpartei, wird ein Mord an einem Palaiologen
in die Schuhe geschoben. Der adelige Geschichtsschreiber bemüht sich ja auch an
anderer Stelle, die Palaiologenfreundlichkeit der Zeloten als vn6'Xet(Jt~ zu bezeich-
.0iJ ßlov .0 "'-YJ ßOVÄ6",EVOV lax'/)ew~ e",da'l't~e .ij~ 'ljJvxij~ übersetzt WERNER Volksbewe-
gung S. 54: "Als sie so in gleiche Armut hineinwuchsen und das Wenige, das sie zum
Leben besaßen, die Seele hart peinigte ... " Ich übersetze: "Denen (eine neue Personen-
gruppe ist gemeint!) die Armut und die Dürftigkeit der Lebensweise ein ständiger
Begleiter war, diese peinigte die ungewollte Lage hart ... " BROWNING Kommune 520
betont, gestützt auf GREGORAS, vor allem die Rolle der Bauern 1343, auf die sich die
Zeloten vor allem verlassen konnten. 1346 (sic I) seien dagegen die Bauern während
des Kampfes gegen J OANNES APOKAUKOS nicht in der Stadt gewesen.
644 Kant. III, 64: II, 393.
96 DAS VOLK VON THESSALONIKE
nen 645. Seit 1343 scheint die Macht einzelner Zeloten gerade durch den Kampf gegen
die Kantakuzenosanhänger so gewachsen zu sein, daß von der Regierung in Konstan-
tinopel der Führer der Zeloten, MICHAEL P ALAIOLOGOS, zum Mitarchon eingesetzt
wird (wann?) - eine ungewöhnliche Erscheinung in der Verwaltungsgeschichte der
Stadt. Dieses Auftreten zweier Archonten ist aber von der "Autonomie" der Stadt,
wovon oben gesprochen wurde, besser verständlich. Der Archon aus der Reihe der
Zeloten ist Repräsentant der städtischen Selbstverwaltung. E. WERNER hat wohl
recht mit der Behauptung, daß nach 1343 der Einfluß der Zeloten - oder besser
einiger Zeloten -, von denen uns nur MICHAEL P ALAIOLOGOS einigermaßen greifbar
ist, zunahm. J OANNES KANTAKUZENOS behauptet nun, daß die Herrschaft des
JOANNES APOKAUKOS neben den Zeloten nur eine Scheinherrschaft gewesen sei.
Die beiläufigen Angaben des J OANNES KANTAKUZENOS selbst in der Schilderung
~er Ereignisse im Sommer 1345 lassen an der Richtigkeit dieser Behauptung
zweifeln: AI'OKAUKOS besaß eine Gefolgschaft, die freilich nicht so groß war, um
sie bewaffnet in der Öffentlichkeit zu zeigen 646. Diese Gefolgschaft, zusammen
mit einer dem APOKAUKOS unterstehenden Miliz, die - wie die Ereignisse zeigen-
hauptsächlich aus der Stadt selbst stammte und deshalb nicht zuverlässig war,
und mit "anderen Bürgern", die wohl den ~v"aTol zuzurechnen sind, zählte immer-
hin über 800 Mann 647. Außerdem unterstand dem APOKAUKOS die stark be-
festigte Akropolis, die ihm auch bei der Belagerung durch das Volk zur Rettung
geworden wäre, hätten sich die Soldaten bereit gefunden, ihre Mitbürger zu be-
kämpfen. Hinter JOANNES AI'OKAUKOS stand - wie JOANNES KANTAKUZENOS zu-
geben muß - zu Lebzeiten seines Vaters die Militärmacht der Palaiologenpartei
der Hauptstadt.
Liest man die Nachrichten des JOANNES KANTAKUZENOS über die Rolle des Volkes
im Sommer 1341;> kritisch, so fallen sofort viele Inkonsequenzen auf: ,,(Apokaukos)
fürchtete die Menge der Zeloten und das Volk, das von jenen geführt wurde 648"
(569, 5f.). Die Ermordung des MICHAEL PALAIOLOGOS versetzt aber das Volk nicht
in Wut: "Es war aber (sc. das Volk) schon vorher nicht gut auf die Zeloten zu
sprechen" (570, 16). "Das Volk war offensichtlich froh über die Beseitigung der
Zeloten" (571, 14f.). Aufgebracht über die areligiöse Haltung der Zeloten er-
mordet das Volk einige Angehörige dieser Gruppe. Offensichtlich hat J OANNES
KANTAKUZENOS die Zeloten mit häretischen Gruppen gleichgesetzt. Entspricht
diese Verbindung der historischen Wahrheit?
Es gibt m. W. nur zwei Quellenstellen in der gesamten Überlieferung, aus denen
eine religiöse Haltung der Zeloten abgeleitet werden kann, da der Antizelotendia-
log des NIKoLAos KABASILAS als Quelle nicht heranzuziehen ist. Diese Stellen
stehen bei JOANNES KANTAKUZENOS. Nach der ersten Nachricht 649 benützten die
Zeloten aus den Kirchen geraubte Kreuze bei ihren Plünderungen "gleichsam
als Feldzeichen" (wC1nee C1'YJftalq.). Das Kreuzeszeichen wird also zum vorangetrage-
nem Emblem; keine Spur einer häretischen Ablehnung des Kreuzes wird sicht-
bar 660. Zur zweiten Nachricht 651: "In den Straßen füllten sie Wasserbehälter ,
zündeten Kerzen an und bemächtigten sich einiger Leute aus dem Volke, die die
Partei des Kantakuzenos zu ergreifen schienen und tauften sie nochmals, gleich-
sam als hätten sie der Taufe abgeschworen durch ihre Anhängerschaft an Kanta-
kuzenos. Die Vorübergehenden mußten eine bestimmte Summe für das Schauspiel
entrichten. Man mußte sich ihrem Willen fügen oder man kam gleich in den Ver-
dacht, auf der Seite des Kantakuzenos zu stehen und über den Unsinn unwillig
zu sein. Danach betranken sie sich in Kneipen und verspotteten die übrigen
Mysterien." E. WERNER hat zwar mit Recht betont 662 , daß hier kein Sakrament
einer Wiedertaufe beschrieben ist, sondern eher ein Ordal. "Nichts deutet auf
Sektenideologie. " Trotzdem bleibt die Aufnahme religiöser Symbole für eine poli-
tische Demonstration auffällig. Auch eine "rationale" Theologie läßt sich aus den
Nachrichten nicht erschließen, die von BARLAAM beeinfiußt sein soll 663. Wollte
man wirklich in der Weise der Bogomilen die christlichen Sakramente verspotten 1
J OANNES KANTAKUZENOS beabsichtigt eindeutig, die Zeloten in diesem Licht dar-
zustellen. Aber verspotteten die Zeloten mit ihrem "politischen Ordal" nicht auch
die bogomilischen Initiationsriten 1 Mit unserer Quellenkenntnis ist der kaiserliche
Geschichtsschreiber m. E. nicht sicher zu widerlegen, auch nicht durch die sehr
hypothetischen allgemeinen überlegungen von E. WERNER. Der Verdacht be-
steht, daß J OANNES KANTAKUZENOS die Zeloten mit häretischen Gruppen in
Thessalonike in Verbindung gebracht hat, um seine Gegner zu diffamieren. Gegen
diese Gruppen hat das Volk von Thessalonike Stellung genommen. Aus einem
Brief des AKINDYNOS wissen wir nämlich, daß der dijflo~ (so im Brief) den Bogo-
milen GEORGIOS von LARISSA tätlich angegriffen hat, ö~ qJwea()ek beei 7:67:e ßAa-
aqJTJflö)'J! el~ 7:a ()eia 664.
Kehren wir zurück zu den Vorgängen im Sommer 1345, wie sie J OANNES KANTA-
KUZENOS schildert!
Nach einer von JOANNES APOKAUKOS einberufenen Volksversammlung und der
Gesandtschaft an MANUEL KANTAKUZENOS "huldigte bereits die ganze Stadt
dem Kaiser (Jo. Kant.)" (574, 22f.). ANDREAS PALAIOLOGOS ruft die von JOANNES
APOKAUKOS verbannten Zeloten zurück: "Sofort erschienen sie und das ganze
Volk wurde von ihnen in Aufruhr versetzt, und es war offensichtlich, daß sie
wieder gegen die aeta7:0t zu Felde ziehen würden" (576, 3-5). APOKAUKOS zögert,
die naea()aAaaatOt anzugreifen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich "noch nicht das
ga n z e V 0 I k mit ihnen (den Zeloten und den naea()aAaaatOt) verbunden" (576,20 f.).
Am nächsten Tag führt der Zelot KOKALAS "den dijflo~ ihnen (den Soldaten und
den Anhängern des Apokaukos) entgegen; bis dahin war es noch nicht deutlich,
ob der dijflo~ kämpfen würde" (578,7-9). Ohne weitere Erklärung behauptet der
kaiserliche Geschichtsschreiber, nach der Erstürmung der Akropolis habe "Ko-
kalas und Palaiologos den dijflo~ aus der Akra vertrieben" (579, 23f.). War dies
660 Das Kreuz wurde von den Bogomilen, z. B. CYRILL abgelehnt. Vgl. St. RUNCIMAN
Le manicheisme medieval, Paris 1949, 88.
861 Kant. III, 93: H, 570, 14-571, 8 übersetzt ab 570, 21.
863 Gegen HROCHOVA Zeloten 13. Auch BROWNING Kommune 524 betont die antihesy-
so leicht möglich ~ Welche Machtmittel wurden eingesetzt ~ Auf die Nachricht hin,
ein Heer aus Berrhoia sei im Anrücken, ergreift das Volk wieder die Waffen, und
es kommt zur grauenhaften Ermordung des APOKAUKOS und seiner Leute, zu
Raub und Plünderung.
Aus diesen widersprüchlichen und undeutlichen Angaben des J OANNES KANTAKU-
ZENOS, die von NIKEPHOROS GREGORAS nicht ergänzt werden, ist m. E. der wahre
Einfluß der Zeloten auf das Volk, worüber aus dem Jahre 1345 noch die meisten
Angaben vorhanden sind, nicht mehr zu erkennen. Deshalb ist auch nicht mehr
sicher zu entscheiden, inwieweit die Feindschaft gegen den Kantakuzenen im
Volk von Thessalonike selbst verwurzelt war, inwieweit erst die Zeloten den Haß
schürten. Die Tendenz in der Darstellung des J OANNES KANTAKUZENOS ist sehr
deutlich, die Feindschaft des Volkes gegen ihn zu verdecken durch den Hinweis
auf die Volksversammlung, die beschließt, ihn herbeizurufen, auf die Bereitschaft
der Stadt, ihm zu huldigen, auf das Zögern des ganzen Volkes, zu den Waffen zu
greifen. Daß das Volk aber gerade erst durch die Nachricht vom Heranrücken
eines Heeres, das die Stadt in die Hände des Kantakuzenenkaisers bringen sollte,
zu radikalen Ausschreitungen sich verleiten ließ, spricht doch eine allzu deutliche
Sprache. Der Vergleich mit der Einstellung des Volkes in den übrigen Städten zum
Adeligen - im vorigen Kapitel besprochen - mahnt gegenüber seiner eigenen
Darstellung zur Vorsicht.
Nach diesen Tumulten wird nach der Absetzung oder dem Tod des Erzbischofs
MAKARIOS655 HYAKINTHOS in die Stadt aufgenommen, ohne daß wir von einem
Widerspruch gegen einen Kandidaten des hauptstädtischen Patriarchen etwas
erfahren. Anders bei P ALAMAS, der nach dem von den Antipalamiten beklagten
frühen Tod des HYAKINTHOS vom Patriarchen ISIDOR, dessen enge Verbindung
zu J OANNES KANTAKUZENOS die Kapitel IX und X behandeln, eingesetzt wurde.
Daß der Grund für die Ablehnung des P ALAMAS "essentiellement sa fideliM a Canta-
cuzene" gewesen ist, behauptet MEYENDORFF wohl zu Recht 656 . Die Frage bleibt
aber, ob die Zeloten oder das Volk den neuen Hirten ferngehalten haben 657. Daß die
Ablehnung durch die Zelotenpartei als Ablehnung der Hesychasten, "der Ideologen
der feudalen Reaktion" und der Bogomilen, "die in GREGORIOS P ALAMAS einen
Geistesverwandten verehrten" , aufzufassen ist, wie E. W ERNER 658 meint, ist eine un-
beweisbare H y1Jothese, die auf allzu vereinfachten Voraussetzungen beruht.
Wir wissen nicht, wann die Haltung des ANDREAs PALAIOLOGOS, die ohne Zweifel die
Stadt der Partei der Palaiologen erhalten hat, mit dem Archontenamt belohnt wurde.
Wir finden ihn in dieser Stellung im Sommer 1349 neben ALEXIOS METOCHITES 659.
666 MEYENDORFF Palamas 106 A. 53 und 116 A. 97. Über die Chronologie des HYAKIN-
667 Die Darstellung des NEILOS (PG 151 Sp. 672B-673A) scheint gegenüber PHILO-
THEOS (Enkomion Sp. 616B) glaubwürdiger, daß von PALAMAS nur verlangt wurde,
den Kantakuzenen nicht im Kirchengebet zu erwähnen. NEILOS sagt, daß der Mjfl.DI;
den aiuc1Laaral (vor allem an die Archonten ist gedacht, die ausdrücklich erwähnt wer-
den) die e01l17 für ihre "Schlechtigkeit" gegeben haben.
668 WERNER Volksbewegung 67.
669 Kant. IV, 15: III, 104 (vgl. Reg. 2951). KASDAN Agrarverhältnisse 196 sieht in
ALEXIOS METOOHITES den Führer der ovvaiol. Dafür fehlen die Beweise.
MACHTVER;HÄLTNISSE NACH 1345 99
ANDREAS besaß den ihm vom Kaiser verliehenen Rang eines 0 bd, 7:eaneC'Y}t;.
Aus den jüngst edierten Briefen des MANUEL RAUL ist bekannt 660, daß
ALEXIOS METOCHITES vor seinem Amtsantritt als Archon in Thessalonike Statt-
halter auf der Peloponnes war. In der Zeit der sogenannten "Zelotenherrschaft"
wird er dann Archon in Thessalonike, sicher von J OANNES V. P ALAIOLOGOS und
nicht von J OANNES KANTAKUZENOS eingesetzt. Dies ist wieder ein Hinweis für
die Verbindung zwischen der angeblich "unabhängigen" Stadtrepublik und der
Regierung in der Hauptstadt. Während der Kantakuzene also trotz seiner Ver-
suche, den Klerus auf seine Seite zu ziehen 661, mit seinem Kandidaten auf den
Erzbischofsstuhl nicht durchdrang und weiterhin mit seinen Versprechungen für
die gesamte Stadt und für Einzelpersonen keinen Erfolg hatte 662, konnte JOANNES
V. in der gleichen Zeit ohne Widerspruch einen Archonten in Thessalonike ein-
setzen. Beide Archonten lehnen 1349 P ALAMAS mit der Begründung ab, "sie
stünden auf der Seite des Palaiologen und würden deshalb den Kaiser Kantaku-
zenos bekämpfen, da er jenem die Herrschaft entrissen habe" 663. JOANNES KANTA-
KUZENOS fügt hinzu: "In Wahrheit aber (handelten sie so), um für sich selbst die
Herrschaft in Thessalonike zu sichern". Diese Deutung ist wenigstens bei ALEXIOS
METocHITEs weniger wahrscheinlich als die abgegebene Erklärung, wenn die Ein-
setzung des ALEXIOS durch den Palaiologen JOANNES V. berücksichtigt wird.
Daß die Macht des "kaiserlichen Archonten" durchaus nicht gering gegenüber den
Zeloten war, zeigen die Vorgänge im Sommer 1350: ALEXIOS METocHITEs macht
die serbenfreundliche Haltung der Zeloten nicht mit und hat das Heer auf seiner
Seite. Als ANDREAS P ALAIOLOGOS das Spiel von 1345 wiederholen will und die
naea()aAaO'O'lOt gegen den Mitarchon zu Felde ziehen läßt, handelt ALExIOS rasch
entschlossen und wirft die naea()aAaO'O'lOt zurück 664. Dieser Erfolg wirft nochmals
ein Licht auf das Jahr 1345: Nicht die Machtlosigkeit des JOANNES APOKAUKOS ge-
genüber den Zeloten brachte ihm den Untergang, sondern sein Zögern, gegen die
naea()aAaO'O'lOt schnell durchzugreifen. Glauben wir J OANNES KANTAKUZENOS, so
bot sich 1350 das merkwürdige Schauspiel, daß der Mjp,ot; nicht nur das Haus des
ANDREAS P ALAIOLOGOS, sondern auch der naea()aAaO'O'lOt plündert. Die Raubgier
richtet sich also nicht nur gegen die fJvva7:ot, sondern gegen die eigenen Standes-
genossen, wenn sich Gelegenheit bietet. Die Zeloten waren plötzlich in ähnlicher
Lage, in der sich 1342 und 1345 die Anhänger des JOANNES KANTAKUZENOS be-
fanden. Sie ,ersuchen die Stadt einer Macht zu übergeben, die vor den Toren der
Stadt steht. Die Furcht vor ihren Machenschaften und vor dem Unmut des fJfjp,Ot;
wegen der langen Belagerung zwingt ALExIOS, J OANNES KANTAKUZENOS zu Hilfe
zu rufen 665. Als er anlangt, findet er folgende Lage vor: "Er fand das Volk und die
660 Brief Nr. 7 ed. LOENERTZ, EEBS 26 (1956) hier S. 154. An dieser Stelle die ersten
Nachrichten über ALEXIOS, die F. DÖLGER N eues zu Alexios Metochites. .. in: Byz.
Diplomatik, Ettal 1956, 328f. noch nicht verwerten konnte. Der Bruder des ALEXIOS,
NnrEPHoRoS, war treuer Anhänger des Ja. Kant.
661 Reg. 2924 (Aug. 1347).
6611 Kant. IV, 16: In, 105, 18f.
668 Kant. IV, 15: In, 104,15-17.
noch nicht gebrochen war", ist voreilig. Eine Gruppe, die eine Stadt dem nahen Feind
in die Hände spielen will, ist deshalb noch nicht mächtig.
100 DAS VOLK VON THESSALONIKE
Zeloten im Zwiespalt zu den ÜeUY7:0t." 666 Der Satz besagt, daß diese Oberschicht
trotz der neun vergangenen Jahre immer noch mächtig war, daß sie eine andere
Politik. trieb, als der ~ijfto~. Bezeichnend ist, daß JOANNES KANTAKUZENOS nach
seiner Ankunft nichts Eiligeres zu tun hat, als sich vor dem Volk zu rechtfertigen,
das offensichtlich ihm auch zu diesem Zeitpunkt feindlich gegenübersteht 667 •
4. Die Beurteilung der Rolle des Volkes von Thessalonike in den Jahren 1341-1350
Wie in den übrigen Städten Thrakiens und Mazedoniens entzünden sich die Un-
ruhen in Thessalonike an der Frage nach der Haltung zu J OANNES KANTAKUZENOS.
Hier wie dort stehen die ~V'J1a7:ot zu ihm. Während aber in den übrigen Städten
der ~ijfto~ mit den Volksführern an der Spitze sich dem Kantakuzenen gegenüber
feindlich zeigt, bemüht sich die Darstellung des Exkaisers, in Thessalonike diese
Feindschaft von den Zeloten ausgehen zu lassen. Haben die Zeloten erst das Volk
beeinflußt1 Vor allem die Vorgänge im Jahre 1345, als das Heranrücken eines
Heeres des J OANNES KANTAKUZENOS gemeldet wurde, ebenso das Bemühen des
Adeligen, sich im Jahre 1350 vor dem Volke zu rechtfertigen und seine Gunst zu
gewinnen, zeigen auch in Thessalonike die Abneigung des Volkes gegen den neuen
Regenten, die keiner Beeinflussung bedurfte.
Wie in den übrigen Städten ist am Anfang auch in Thessalonike nur ein zögerndes
Vorgehen gegen die Freunde des Kantakuzenen zu beobachten. Wie in Adrianopel
wurde zu Beginn des Bürgerkrieges nicht der Versuch gemacht, diese Gruppe
wirksam auszuschalten, so daß 1343 und 1345 wie in Adrianopel1344 die Gefahr
bestand, daß dieser Kreis die Stadt dem neuen Kaiser in die Hände spielte.
Der Mord auf der Akropolis, wie Raub und Plünderung, werden von J OANNES
KANTAKUZENOS und DEMETRIOS KYDONES vor allem in der "Monodie" stark her-
vorgehoben. Bei der Beurteilung dieser schlimmen Wendung ist die Situation im
Bürgerkrieg nicht zu übersehen. Es bestand äußerste Gefahr, daß die Stadt dem
Kantakuzenen in die Hände fiel. Der Terror scheint nicht lange gewährt zu haben.
Die Brüder des DEMETRIOS KYDONES werden gegen Lösegeld freigelassen 668, seine
Mutter wie auch seine Brüder bleiben in der Stadt. Im September 1346 setzt
KYDONES in der Stadt normale Verhältnisse voraus, die er sich in der Hochstim-
mung des Neujahrsfestes vorstellt 669. Vor dem Einzug des J OANNES KANTAKuzENOS
in die Stadt ist sein Verwandter KONSTANTINOS HARMENoPULos als Richter in der
Stadt tätig 670. Vielleicht nahm NIKOLAOS KABASILAS bereits 1347 wieder in seiner
Heimatstadt Wohnung.
671 TAFRALI Thessalonique 233; Oh. DIEHL Les journees revolutionaires byzantines,
in: Revue de Paris 35. Jhg. Nov. 1928, 151-172; S. 156. OSTROGORSKY Geschichte 425,
der aber in A. 1 bereits Bedenken an der herkömmlichen Meinung anmeldet, vor allem
über das "Programm" der Zeloten. OHARANIS Strife 216.
m Dies scheint mir die Diskussion um den "Antizelotendialog" zu zeigen. Vgl. zu-
letzt 1. SEVCENKO A postscript of Nicolas Oabasilas' "Anti-Zealot" Discourse, DOP
16 (1962) 403-408. Die Meinungen der modernen Forschung über die Zeloten hat 1.
SEVCENKO Nicolas Oabasilas' "Anti-Zealot" Discourse : aReinterpretation, DOP 11
(1957) 81-83 zusammengestellt.
102 DAS VOLK VON THESSALONIKE
nachzuweisen. So ist auch für die Ereignisse in Thessalonike weder der Begriff
"soziale Unruhe", noch "Revolution", "Volksaufstand", "Klassenkampf" voll
zutreffend.
Der Satz des J OANNES KANTAKUZENOS, er habe bei seinem Eintreffen in Thessa-
lonike den ~fjft0~ in Aufruhr gegen die ~v'Va'r:ol gefunden, beleuchtet die Lage. Die
sozialen Spannungen waren trotz der Ereignisse im Bürgerkrieg nicht beseitigt.
Die noch unedierten Predigten des Erzbischofs ISIDOR dürften dafür weitere Be-
lege geben 673. Welche Bedeutung der Kantakuzene selbst der Rolle des Volkes
beimaß, zeigt die von ihm einberufene Volksversammlung, vor der er sich recht-
fertigte. Es fragt sich, ob selbst seine Rednergabe und Diplomatie das Volk von
der Meinung abbringen konnte, daß sein Auftreten in den letzten Jahren für die
Stadt nur Unruhe und Wirren gebracht hatte, ohne die Lage irgendwie zu bessern.
Kurz darauf wird Thessalonike wieder der Herd des Widerstandes gegen J OANNES
KANTAKUZENOS, als J OANNES V. in der Stadt weilt. In Thessalonike fand der
Palaiologe Zuflucht 6?'.
678 Schon die von B. LAURDAS als Nr. 5 herausgegebene Rede (Die Predigten Isidors,
Erzbischofs von Thessalonike auf die Feste des hl. Demetrios (ngr.), Hellenika Beilage 5
[1954] hier S. 60-65) 'Op,tÄla ön rpeeew xen TOV~ TWV "otVWV :neofaTaI'.evov~ "al :neoVXOVTa~
ev :nO)'LUÜ,. TOV~ TWV :no),),wv "al eVu),wv av()ew:nwv yoyyvap,ov~ ist Beleg für solche Spannun-
gen. Ein Vergleich mit der Rede des THOMAS MAGISTROS über die Einigkeit wäre reiz-
voll.
m Kant. IV, 35: III, 256; IV, 38: III, 276.
IX. Die Bedeutung des palamitischen Streites bis zum
Ausbruch des Bürgerkrieges
Die Tendenz, daß religiös-dogmatische Streitigkeiten auf die innere und äußere
politische Entwicklung der Staaten übergreifen, ist oftmals in der Geschichte zu
erkennen. In Byzanz ist diese Erscheinung besonders gut im ikonoklastischen und
arsenitischen Streit zu beobachten, von den großen christologischen Streitig-
keiten der frühbyzantinischen Geschichte zu schweigen. Gruppen mit ursprüng-
lich religiöser Zielsetzung werden "profanisiert", ja können den Charakter von
politischen Parteien annehmen.
Nur dieser Gesichtspunkt am Streit um den sogenannten "Hesychasmus" ist in
dieser Abhandlung wichtig. Welchen Einfiuß hatte der Streit auf die innere, vor
allem gesellschaftliche Entwicklung des spätbyzantinischen Staates 1 Welchen
Charakter trugen die streitenden Parteien 1 Wie standen die Gruppen zu J OANNES
KANTAKUZENOS 1 Welche Rolle spielte er in diesem Streit 1
Für die innere Entwicklung des byzantinischen Reiches wird m. E. der Streit
erst zu Beginn des Jahres 1341 wichtig. Die 1335 mit dem ersten Brief des GREGO-
mos PALAMAS an den aus Kalabrien stammenden Mönch BARLAAM beginnende
Vorgeschichte des Streites gehört der byzantinischen Philosophie- und Religions-
geschichte, aber auch der Geschichte des byzantinisch-griechischen National-
gefühls an. Nur BARLAAM tritt vor 1341 auch als politisch wichtige Figur in Er-
scheinung. Er genoß die eVfliveta des ANDRONIKOS 111. 676
Weder die angebliche Niederlage des BARLAAM bei einer Disputation im Jahre 1331
mit NIKEPHoRos GREGORAS 676 hat den Kaiser gehindert, den Mönch 1334 mit
Unionsverhandlungen zu betrauen, noch war die - in Hofkreisen sicher noch un-
bekannte 677 - Kontroverse mit GREGORIOS P ALAMAS ein Hinderungsgrund, ihn
1339 mit - freilich sehr vagen - Vollmachten mit dem Papst verhandeln zu lassen,
vor allem aber, den französischen König um Türkenhilfe zu bitten 678.
676 Nik. Greg. XI, 10: 555. PALAMAS gibt später zu (Brief an BESSARION) Cod. Cois!.
99 fol. 177 0: 1] ~e ~v (sc. das Haupt der Ketzerei) 0 Bae.Äadp. navTax60ev exaw TO ~VvaaOat
"al yUe "al T:fj f""ÄrjGlq. p.eyar; f~6"et "al T:fj nOÄ.tT:elq. "al "aTa T:OV ßaatÄewr; "al T:WV fv T:eÄet
noÄÄijr; hvyxave vnor5oxijr;.
876 Vgl. SCHIRO Epistole 29.
677 PHILOTHEOS Enkomion sagt ausdrücklich, der Kaiser habe vom Streit bis 1341
Ganz abwegig ist die Meinung von HALECKI (Empereur 17) nicht, BARLAAM habe
keine Vollmachten für Unionsverhandlungen gehabt. Im Brief Benedikts XII. an den
französischen König (9. Sept. 1339) (Acta Benedicti XII. Nr. 42 S. SI) schildert der
Papst: " ... licet se protinus respondentibus (Barlaam auf die Fragen des Papstes)
litteras vel mandatum huiusmodi non habere. " So auch im Bericht des BARLAAM selbst
(a. a. O. S. S6): " .. . finaliter Barlaam et miles responderunt praedicti, se nequaquam
habere huiusmodi litteras vel mandatum. " Als eigentliches Ziel der Legation erscheint
die Bitte um Türkenhilfe an den franz. König (a. a. O. S. SS): "Imperator vero, non
confidendo in sola sua gente, misit n08 ad christianissimum regem Franeorum, quaerens
104 DER PALAMITISCHE STREIT BIS 1341
Inwieweit dieses Vertrauen von J OANNES KANTAKUZENOS beeinflußt ist, läßt sich
nur vermuten. Eines steht fest: BARLAAM und sein Kreis gehörten zur Klientel die-
ses byzantinischen Adeligen, die --: wie diese Untersuchung zeigt - nicht nur poli-
tische Klientel ist. Er war sein q;tAor;. J OANNES wehrt sich gegen den Vorwurf,
P ALAMAS bevorzugt zu haben, ein parteiischer Richter zu sein: "Ich selbst war
BARLAAM, von dem dieser Streit ausging, anfangs mehr zugetan; ja er durfte in
meinem Haus wohnen und die Brüder (TOVr; (MsAq;ovr;) würdigte ich großer V or-
sorge und zählte sie zu den besten q;tAOl, er genoß eine Vorrangstellung bei mir.
Er war dauernd mit mir zusammen, legte seine eigenen Angelegenheiten aufs ge-
naueste dar und war ständig mein Lehrer 679 ." Genau dies bestätigt GREGORAS,
der betont, daß gerade die humanistischen Studien den Adeligen und den Mönch
zusammenführten 680. J OANNES KANTAKUZENOS fährt fort: "Niemand kann be-
haupten, daß ich die Anschauungen des Palamas kenne, daß mir die Gegenseite
aber unbekannt ist. Aber wenn ich die Wahrheit sagen soll: mit jenen hatte ich
eher Verbindung ... 681." Hier ist die grundlegende, für J OANNES KANTAKUZENOS
durchaus nicht angenehme Tatsache angedeutet, daß vor 1341 keine Verbindung
zwischen dem Adeligen und dem Mönch P ALAMAS bestand. Ich kenne keine Be-
lege. Es könnte sein, daß JOANNES als Jugendgefährte des ANDRoNIKos 111. 682,
dessen Erzieher der Vater des GREGORIOS PALAMAS war, mit Gregor selbst be-
kannt wurde. Eng war dieser Kontakt jedenfalls nicht und hinterließ keine Spur
in den Quellen. Auch als BARLAAM Ende 1340 nach Konstantinopel kommt 683 ,
ist das Mönchsgezänk noch keine bedeutende innenpolitische Streitfrage. Die un-
sichere Haltung des Patriarchen J OANNES KALEKAS wirft bereits ein Licht auf den
späteren Gegenspieler des J OANNES KANTAKUZENOS. Aus der Darstellung des
AKINDYNOS geht hervor, daß der Patriarch, die Streitschrift des BARLAAM "gegen
die Messalianer" in den Händen, zuerst einmal gar nichts unternehmen wollte 684.
Mit AKINDYNOS war er sich einig, daß die Anschuldigungen gegen die Mönche aus
Streitsucht geschrieben wurden 685.
Es kommt nun zu der für die byzantinische Gesellschaft bezeichnenden Erschei-
nung: BARLAAM bildet eine Partei. Es kommt zur Gruppenbildung. AKINDYNOS
und J OSEPH KALOTHETOS 686 nennen leider die Personen nicht, an die sich BAR-
propter hoc ,auxilium." Der franz. König hat BARLAAM zum Papst geschickt " ... ut
discat quid !Vobis de isto placet." Von diesen Voraussetzungen aus ist der von BOSCH
zitierte Satz im Bericht BARLAAMs zu verstehen: (acta S. 90): "scitote etiam hoc, quia
nunc non communis populus Graecorum misit me ut quaeram a vobis auxilium et unionem,
sed imperator solus, secrete, qui, nisi prius mittatur auxilium ad partes illas, non poterit
se manifestare plebi suae, quod vult vestram unionem."
679 Kant. IV, 24: III, 179.
680 Nik. Greg. XIX, 1: 919.
681 J o. Kant. geht dann gleich in einem Sprung auf die Ereignisse des Bürgerkriegs und
683 Über den sieben Monate langen Aufenthalt des Barlaam in Konstantinopel:
PALAMAS Theophanes PG 150 Sp. 9130 vgl. MEYENDORFF Palamas 79.
684 AKrNDYNOS Bericht 86.
885 Diese Eigenschaft wirft AKrNDYNOS BARLAAM auch in dem Brief Ood. Ambros.
E 64 sup. fol. 67-73 V O vor. Vgl. R. LOENERTZ Regest 2, OOP 23 (1957) 120/1.
886 AKrNDYNOS Bericht 87 Z. 3ff. JOSEPH KALOTHETOS an KALEKAS (über BARLAAM)
JOANNES :JLU:l'TAKUZENOS UND BARLAAM 105
Cod. Angel. 66 fol. 132 O'vve~v~a yde ~al O'vveT:cIeane näv T:eflevo~, näv fee6v, cpeovnO'T:~eWV,
näO'av dyvtäv, näO'av Äewcp6eov, näO'av 1}Ät~lav veav -r:e ~al d~fluCovO'av . ..
687 PHILOTHEOS Enkomion PG 151 Sp. 592B.
888 Die Angaben im "Bericht" des AKrnDYNOS S. 87 werden bestätigt vom Brief des
AKINDYNOS an PALAMAS Cod. Ambros. E 64 sup. fol. 73 yO-74 = R. LOENERTZ Regest
3, GCP 23 (1957) 122.
889 Ed. V. LAURE NT L'assaut ayorte de Ia horde d'or contre l'empire byzantin (prin-
ternps 1341), REB 18 (1960) 157-160 = R. Loenertz Regest 4, OCP 23 (1957) 122-124.
890 So z. B. oft in der Widerlegung des Tomos des Patriarchen KALEKAS (unediert)
nvwv Ötayevoflevwv O'vvooov iJT:~O'aflev yeveO'Oat T:-YJv O'-YJv Oet6T:'YJT:a, ecp' ol~ 1}fliv BaeÄadfl eve~uÄet·
b"evevO'a~ T:oi~ Ä6yot~ 1}flwv' neoae~Ä~O'YJ 0 "aT:~yoeo~ naeeivat np ot~aO'T:'YJel4!' 0 0' dvave-vet
"alO'aea em~e"Ä'YJflevo~. annet neo~ "alO'ae a . "al T:ij~ O'ij~ T:oih' evoovO''YJ~ Oet6T:'YJT:o~ ~al ov noÄv
ev fleO'4! "al T:OV evO'eßeO'T:uT:ov ßaO'tUw~ e"eiOev enaveÄ06vT:o~ O'vy~eo-r:eiT:at O'vvooo~.
106 DER PALAMITISCKE STREIT BIS 1341
898 Es ist zu berücksichtigen, daß Jo. Kant. im Winter 1340/1 in Thessalonike weilte,
Teil des Entwurfs (Cod. Vat. 2335) mit Fehlern ediert (S. 80 A. 62). Auf die Stelle hat
auch JUGIE DHGE VI Sp. 824 Art. "Barlaam" und DTC XI, 2 Sp. 1780 Art. "Contro-
verse Palamite" aufmerksam gemacht. Bis zur vollständigen Edition gebe ich hier im
Zusammenhang den Text des ganzen Abschnitts (fol. 1). II(}a X(}OVWV (j'eyyvt; TWV T(}UZUOVTa
povaxot; TLt; BTS(}Ot; Ba(}Aaap uaAovpCVOt; eu KaAaß(}tat; 15 ' O(}WVPCVOt; ual TT,v voaov Tija(js Tijt;
dasßelat; cpw(}aaat; udv ÖTL paAtaTa u(}vnTetv aVT-YJv ol e(}yaTat TavT1]t; eanov(jaCov. (usque ad
hoc editio MERCATI Notizie 210 A. 2) ensl uaTaaTat; sit; AOYOVt; T({J Tijt; dasßelat; e~ciexep
IIaAap{j. ual sl(}1Jvtuwt; OptAf]aat; pSTaßaAsiv Tat; dasßelat; ovu 'taxvas uaLToL noJ..J..ait; dno(js{~saLV
lu Te TWV Ostwv y(}acpwv ual eu Tijt; AOYLUijt; nat&tat; X(}1]aapcvot; sit; TT,v eUUA1]atav KwvamvTL-
vovnoASWt; dVaT(}eXSL TOVt; ns(!l Tav IIaAapäv 15tOetat; UaT1]YO(}WV. ual aVvo(jot; aVYU(}OTeiTat
TOVTOV xa(}LV ev T({J navaenTep UalnS(}Lßof]Tep va({J Tijt; TOV Osov aocptat; TOV dm(j{pov ualpaua(}hov
ßaatUwt; UV(} 'Av(j(}ovtuov TOV IIaAawAoyov lTL T({J ßtep nS(}LOVTOt; ual Tijt; avvo(jov euelv1]t;
n(}OUa01]pEvov apa T({J T1]VtUavTa Tav Tijt; KwvamvTLVOVnoAswt; 15tenovTl O(}OVOV T({J a1'LwTaTep
naT(}tciexn ual pauU(}LTep euelvcp UV(} 'Iwavvn ual Tfi vn' aVTov Oslg .ual ls(}{j. avvo(jep ual Tfi
DIE HALTl;rNG DES PATRIARCHEN 107
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povw'V &eÄ(}ovawv 1/pe(}wv 0 do{t5tpo~ ßaatÄeV~ dpetßet T-Y]V 8:ntU'f}eOv Tav.1JV CW1}v . ..
698 Kant.lI, 40: I, 552f. J. BOIS Le synode hesychaste de 1341, EO 6 (1903) 55 urteilt
richtig: Les details de cette scene peuvent etre suspectes ... Der Kern der Nachrichten
kann aber nicht in Zweifel gezogen werden.
699 MM I, 216.
700 Auch im Synodaltomos ,,8:nawe.o~" sind nur diese zwei Fragen behandelt. Soweit
ist der Tomos bestimmt historisch glaubwürdig. KALEKAS hat ausdrücklich betont
und bestätigt, daß diese zwei Fragen behandelt wurden (PG 150 Sp. 900D und 901A).
Dies wurde auch von der Gegenseite nicht bezweifelt.
108 DER P.ALAMITISCHE STREIT BIS 1341
und Zusammensetzung uns leider freilich unbekannt bleibt 701 . Außerdem ist er
in den Kaiserpalast übergesiedelt. Er mußte aber in der Zeit der Anwesenheit des
Großdomestikos in der Hauptstadt seine politischen Pläne begraben und zweimal
einen Treueid schwören 702. Dabei hat J OANNES KANTAKUZENOS nicht versäumt,
seinen früheren Gefolgsmann nachdrücklich auf sein früheres Verhältnis zu ihm
hinzuweisen. Auch NIKEPHOROS GREGORAS hatte den Eindruck, daß die reale
Macht des Patriarchen nicht groß war, wie er ihn in einer fingierten Rede sagen
läßt 703. Erst als J OANNES KANTAKUZENOS Ende September die Hauptstadt ver-
läßt, kann KALEKAS und seine avvwfloala - zusammen mit APOKAUKOS - gegen
die Anhänger des Kantakuzenen vorgehen 704.
KALEKAS hat in den entscheidenden Wochen zwischen Mitte Juni und Ende
September in der hesychastischen Frage keinen oder nur geringen Widerstand
gegen den Adeligen geleistet. Verkannte er die Rolle des PALAMAS, wurde er ge-
täuscht, stand er unter Druck der Macht des Großdomestikos 1 Vor der Veröffent-
lichung des Tomos "bwl'Peror;"705 erließ er ein Patriarchalschreiben (keinen Erlaß
der "Endemusa"), das bestimmte 706 : Die Schriften BARLAAMS, soweit sie den
Streit mit den Mönchen betreffen, sind abzuliefern und fallen der Vernichtung
anheim. Das Schreiben ist noch ganz im Sinne der ol'Xo'P0flla der Juniverhandlung
zu verstehen. Die Mönche werden geschützt, die Person BARLAAMS weitmöglichst
geschont. Palamasfreundlich ist das Schreiben höchstens indirekt. Mit den Mön-
chen wird gleichzeitig auch P ALAMAS persönlich geschützt.
Im August wird dann der Tomos "bwwer6r;" veröffentlicht. Die Diskussion um die
historische Glaubwürdigkeit des Schriftstückes soll hier nicht wiederholt werden 707.
Ein Punkt ist sicher: Zwischen den Juniverhandlungen und der Unterzeichnung
des Tomos durch den Patriarchen liegen zwei Monate. Es sieht so aus, als ob im
Juni die Abfassung eines Tomos überhaupt nicht geplant gewesen ist. JOANNES
KANTAKUZENOS drängt nun darauf, und zwar nach der Synode gegen AKINDYNOS
im August - so KALEKAS selbst: "Dann aber drängte er (d. h. Jo. Kant.) und zwang
uns, für die Mönche eine Schrift abzufassen im Hinblick auf die vorhergegangenen
Verhandlungen und wir stimmten dem zu. Deshalb wurde auch der Tomos ver-
öffentlicht, der vom Anfang bis zum Ende nichts anderes enthielt als die in ihm
enthaltenen zwei Hauptpunkte, nämlich über das göttliche Licht bei der Verklä-
rung und über das Gebet, wie bereits ausgeführt"708.
701 Kant. IH, 2: H, 19, 3. Gegen die Ansicht von P. JOANNOU, Kalekas sei nicht von
politischen Erwägungen geleitet worden (OCP 27 [1961] 42) wendet sich mit Recht
WERNER Osmanen 143 A. 149: "Politik und Religion waren in Byzanz wohl kaum je-
mals inniger verknüpft als im Hesychastenstreit."
702 Kant. IH, 6: H, 51. IH, 9: 11, 69. Nik. Greg. XII, 6: 595; XII, 8: 600.
708 Nik. Greg. XIV, 3: 700.
704 Kant. IH, 22. Die von P. J OANNOU edierte Rede des Patriarchen zur Krönung des
Kaisers JOANNES V. (OCP 27 [1961] 43-45) ist als Dokument der offiziellen Propaganda
nach dem Abzug der Jo. Kant. zu werten.
705 Für diese zeitliche Festsetzung der Urkunde, die keine nähere Datierung enthält,
sind zwei Stellen aus der Polemik des P ALAMAS bekannt. Diese zitiert bei MEYENDORFF
Palamas 84 A. 83.
708 MM I, 201/2.
707 MEYENDORFF Palamas 80-82 gegen USPENSKIJ und JUGIE für BOIS.
708 K.ALEKAS Erklärung PG 150 Sp. 901 B 10 ff. P .ALAMAS bezeugt selbst in seiner Wider-
DER, TOMOS VON 1341 109
MEYENDORFF interpretiert diese Stelle 709: "Il parle bien de la pression de Canta-
cuzene, mais cette pression concerne la publication du document et non pas son
contenu. " Es ist höchst unwahrscheinlich, daß der mächtige Großdomestikos die
nachträgliche Ausfertigung eines Synodaltomos erzwingen konnte, ohne nicht
auch auf den Inhalt Einfluß zu nehmen. Gerade der Inhalt atmet die überlegene
diplomatische Schlauheit des Staatsmannes. Die Situation der Junisynode wird
im Schriftstück wachgerufen: Der Kaiser ANDRONIKOS 111. wird selbst als Spre-
cher angeführt 710 . Sein Tod wird ausdrücklich erwähnt. Die ol'Xovoftla der Juniver-
handlungen ist ebenfalls im Tomos enthalten: BARLAAM ist persönlich geschont,
die Mönche geschützt. Aber der Tomos ist doch eindeutig mehr als eine reine
Disziplinarentscheidung, wie KALEKAS später darzulegen suchte. Die Vielzahl
der Väterzitate sind dogmatische Beweise für die Göttlichkeit des Lichtes bei der
Verklärung und für die Berechtigung des J esusgebetes. P ALAMAS konnte später
nicht zu Unrecht behaupten, im Tomos sei seine ganze Theologie in nuce enthalten.
Gewiß, auf Einzelheiten der Theologie des PALAMAS (z. B. die Unterscheidung
zwischen Usie und Energie) ist nicht eingegangen. Aber es geht doch letztlich um
seine Theologie, wie das Zögern des ATHANASIOS VON KYZIKOS zeigt, der sich
erst über die Theologie des P ALAMAS informieren wollte, ehe er den Tomos unter-
schrieb 711. Persönliche verletzte Eitelkeit mag im Spiele gewesen sein.
Die von MEYENDORFF zwar zitierte 712, aber nicht ausgewertete Stelle im Bericht
des AKINDYNOS behauptet, die Palamiten hätten nach den skandalösen Vorfällen
der Augustsynode zur Abfassung des Tomos gedrängt, waTe ft~ anoß}../jTOVr; elvat
~o'Xeiv713. Mit anderen Worten: JOANNES KANTAKUZENOS wollte durch die Aus-
fertigung des Tomos das angeschlagene Ansehen der Palamiten wieder bessern.
Einfach war auch die Sammlung der Unterschriften nicht. Zuerst haben nur sechs
Bischöfe unterzeichnet, dann ATHANASIOS VON KYZIKOS714. Soviel steht fest:
Der Patriarch mußte bei der Ausfertigung des Tomos nachgeben.
Er mußte in einem weiteren Punkt nachgeben: Wenn er auch die Augustsynode
vielleicht nicht selbst einberufen hat, wie JOANNES KANTAKUZENOS behauptet 71li ,
legung des Tomos des KALEKAS, daß der Tomos "enawet'o!;" erst nach der Augustsynode
vom Patriarchen unterzeichnet wurde (Cod. Coisl. 99 fol. 140 r/vO) ön ~B p", povov ",p{j)'/)
t'e 'Xal UL)V äAAWV dnavt'wv ovt'or; dAAU 'Xallavt'ov 'Xat'a1peV~et'at A8YWV dprptyvoeiv ",pa!; evOv!;
en' e'Xelv1J!; t'ijr; ll(!c!nov (sic Cod.) O'vvo~ov 'Xal n(!oiwv sn nA80v dprptßOAOV!; ",yeiO'Oat ne(!l t'o
0'8ßa!;, avt'o!; 0 t'oPO!; t'Qavw!; na(!lO't'1JO't 'Xal yey(!appevo!; 'Xal vnoyey(!appevo!; avup pet'u t''''v
vO'U(!OV yeyovviav 'A'XtV~vvov O'VVO~t'X"'v 'Xat'aM'X1Jv ... Auch die Darstellung des "Ent-
wurfes" sagt (Cod. Vat. 2335 fol. 1), daß der Patriarch seine Unterschrift "ßtaO'Oel!;" und
"dyvo~O'a!; t'ov ey'Xelpevov ~OAOV" gegeben hat.
709 Meyendorff Palamas 82.
710 MM I, 214, 21.
711 PG 151 Sp. 692 C/D. Im Brief an DANIEL VON .ArNos zitiert PALAMAS wörtlich die
Erklärung des ATHANASIOS (Cod. Coisl. 99 fol. 99 VOlinke Spalte = PG 151 Sp. 692
ab C5).
712 MEYENDORFF Palamas 89 A. 101. Richtig .JUGIE Controverse Palamite DTC XI, 2
Sp.1783.
713 AKrnDYNOS Bericht 89 unten.
714 Zur verwickelten Überlieferungsgeschichte der Unterschriften: MERCATI Not,izie
206-209.
716 Kant. II, 40: I, 556.
110 DER P ALAMITISCME STREIT BIS 1341
721 M.-Th. DlSDlER Art. "Akindynos" in: DS I Sp. 263/264 mit Belegen.
7112 Siehe A. 719.
728 MEYENDORFF Palamas 86 A. 86 nach der Edition von USPENSKIJ.
72( PALAMAS gegen AKINDYNOS Cod. Coisl. 98 fol. 150 r/vo (PALAMAS polemisiert vorher
gegen die widersprüchlichen Äußerungen des AKlNDYNOS über BARLAAM) dAA' avro~ 3UZAW
rrvL'Xa (Jwndat~ äpa 'Xat &heot~ 'XAbpa~ 't'ov~ neo~ avra 'XeXrJvara~ 't'oi~ tv 't'ep aen't'ep ßfJpan
avve~enia(JrJ 'Xal nae' av't'a cpwea(Jel~ naea növ s'X'XeLrwv deXteeewv Byyeacpw~ dnexeteo't'ovei't'o
'Xal naea 't'rov eVaeßrov ßaatAeWv 'Xai rrov ev 't'eAet 'Xal 't'rov ae(Jor5a~wv dnAro~ dnav't'wv &k n
pvao~ rrov 't'ij~ leeä~ s'X'XArJaLa~ neetßaAwv ?jAavvero ALßeAAov avyyea1papevo~ rij~ eavroiJ raxa
r5a~rJ~ (Jaeerov dnarijaat nav't'a~ elnee eavr.ov 'Xara1pwaatro, 'Xllv el prJr5' ofJrw~ s'Xcpvyeiv sr5vvfJ(JrJ
r~v 'Xarar5l'XrJv navrwv avveyvw'Xarwv leycp rdArJ(Je~ w~ bdnav r5f}pov avvar50v ßeßalw~ dvacpavev.
Bni 't'ovrov roLvvv avroiJ roiJ AtßeAAov naAtV cprJaLv . .. Die Stelle ist u. a. ein Beleg für Ver-
suche des AKlNDYNOS, im August eine Gruppe zu bilden. Es folgt das von MEYENDORFF
Palamas 87 A. 95 zitierte Schriftstück des AKINDYNOS.
726 AKINDYNOS Bericht 89.
726 Die zu Beginn des "Aufrufes zum Widerstand" geschilderten Verfolgungen und
Leiden der Palamasgegner (Cod. Marc. 155 fol. 17) dürften sich nicht erst auf die Zeit
nach Februar 1347 beziehen.
727 Siehe A. 724.
112 DER P .ALAMITISCHE STREIT BIS 1341
728 Es ist bezeichnend, daß J o. Kant. in seiner Darstelhmg des palamitischen Streites
im Brief an den Bischof von Karpasia auf Zypern die Augustsynode mit Stillschweigen
übergeht (J. DARROUZES Lettre inedite de Jean Cantacuzene relative a la controverse
PalaInite, REB 17 [1959] 8-27).
729 Kant. III, 17: II, 107.
780 So der Anonymus des Cod. Vat. 1823 fol. 262 V O (MEROATI Notizie 227 A. 2).
x. Der palamitische Streit
und die innenpolitische Entwicklung im Bürgerkrieg
Durch den Auszug des J OANNES KANTAKUZENOS und seiner treuesten Anhänger
verliert dieser unmittelbaren Einfluß auf das innenpolitische Kräftespiel in der
Hauptstadt. Zurück ließ er GREGORIOS P ALAMAS, dem er gegen AlrrNDYNOS zum
Sieg verholfen, mit einer kleinen Schar von Getreuen. Wie klein diese Gruppe war,
zeigt eine wertvolle Bemerkung des P ALAMAS in seinem Brief an die Athosmönche,
der zusammen mit dem Brief an PHILOTHEOS eine fast gleichzeitige Hauptquelle
für die Vorgänge und die Haltung des Führers der Hesychasten zu Beginn des
Bürgerkrieges bildet. Nur mit 16 Anhängern flieht PALAMAS im Herbst 1342 in
die Hagia Sophia als Schutzflehender, wo er zwei Monate lang bleibt 731 • Natürlich
hat P ALAMAS nach dem Endsieg sich gerühmt, offen für J OANNES KANTAKUZENOS
gegen die "Verleumder" eingetreten zu sein, die Panegyrik hat ihm dies nachge-
sprochen 732. In seinen Briefen an die Athosmönche und an PmLOTHEOS ist er viel
vorsichtiger. Er plädiert für den Frieden, gegen den verderblichen Bürgerkrieg,
nicht für J OANNES KANTAKUZENOS! In den scharfen Verhören, die der Patriarch
anstellt, gibt P ALAMAS an, kein "Parteigänger für jenen zu sein" (uowwvo~ vnef!
iuelvov)733. Ist aber die Anschuldigung gänzlich aus der Luft gegriffen, man habe
einen Mönch mit Briefen des Palamas an die zwei Asanbrüder (MANUEL und
JOANNES), an den Kantakuzenen selbst und eine ungenannte Person seiner Um-
gebung aufgegriffen 1 Der sonst unbekannte in! avaflvf;a8wv SKUTARIOTES durch-
sucht die Zelle nach Briefen des J OANNES KANTAKUZENOS. Die Anschuldigungen
des Patriarchen sind sehr präzis. Ist P ALAMAS unfreiwillig in die Wirren der hohen
Politik geraten 1 In Hofkreisen riet man dem Theologen, die Hände von der Politik
zu lassen, von der er nichts verstünde 734 •
Vom Frühjahr 1343 an ist PALAMAS gefangen, nicht aber sein alter Freund ISIDOR,
der nun viel energischer politisch für J OANNES KANTAKUZENOS zu arbeiten be-
ginnt als früher der Hesychastenführer. ISIDoRwar im Jahre 1341 noch in der Zeit
der Anwesenheit des J OANNES KANTAKUZENOS in der Hauptstadt zum Bischof
von Monemvasia gewählt worden, ohne seinen Sitz einnehmen zu können. Zum
Ärger der Akindynosanhänger tritt er nun offen für P ALAMAS ein 736. Aber erst im
November 1344 wird ISIDOR seiner Bischofswürde entsetzt, "da er auch nicht zur
kaiserlichen Majestät (d. h. dem Palaiologenhause) reines Wohlwollen nährt und
mehr dem gegenwärtigen Abfall und der Tyrannis (d. h. der Partei des Jo. Kant.)
zugeneigt ist" 736.
Warum wurde er nicht gefangen genommen 1 Es ist möglich, daß der Patriarch
mit ihm eb~nso verfahren wollte wie mit dem Patriarchen LAZAROS von Jerusalem,
der wegen eines schwebenden Verfahrens gegen seine Person im Jahre 1341 in die
Wirren des beginnenden Bürgerkrieges hineingeriet. Auch LAZARos stand im Ver-
dacht, die Partei des Kantakuzenen ergriffen zu haben. Auf der Flucht zum neuen
Kaiser gerät er in die Hände der Genuesen, deren "Bekehrungsversuchen " zum
römischen Glauben er standhaft widersteht. Nach Konstantinopel zurückgekehrt,
empfängt der Patriarch den erklärten Freund des J OANNES KANTAKUZENOS zu-
vorkommend, gewährt ihm aber keine Unterstützung. Aus Not ist LAZARos ge-
zwungen, die Hauptstadt zu verlassen und ins Lager des neuen Kaisers überzu-
gehen 737 • Die finanzielle Frage, die Frage nach dem Lebensunterhalt der kirch-
lichen Würdenträger, die durch den außenpolitischen Niedergang des Reiches ohne
Pfründe in der Hauptstadt sitzen und auf Gedeih und Verderb vom Wohlwollen
des Patriarchen abhängig sind, ist bei dem gesamten palamitischen Streit nicht zu
vergessen, so wenig im einzelnen Quellen darüber vorhanden sind.
Bei ISIDOR hat die Methode des Patriarchen nicht gewirkt, unbequeme politische
Gegner wirtschaftlich unter Druck zu setzen. Noch vor seiner Absetzung im
November 1344 bildet ISIDOR mit den Monemvasioten, die als Händler und Solda-
ten vorübergehend oder ständig die Hauptstadt bewohnen, eine axoA?J und teea
rpaTela738, in der sie - wie der Hagiograph salbungsvoll schildert - von ISIDOR ein
heiligmäßiges Leben lernen konnten. Die Vorsorgung der Gruppe war einiger-
maßen gesichert. Wir erfahren zum Beispiel zufällig, daß ein gerade aus seiner
Heimat zurückkehrender Händler aus Monemvasia ISIDOR Öl schenkt, das wieder-
um unter "den Armen und Bedürftigen unter den Freunden (nTwxo'i~ Te xat TO'i~
TW'V q;lAW'V l'VtJe8cJt)" 739 verteilt wird.
Nur ein Lebensschicksal dieser Gruppe lernen wir näher kennen; es gibt sowohl
Aufschluß über den wahren Charakter der Verbindung, die nicht nur ein "heiliges
Leben" führte, sondern politisch aktiv tätig war, wie über die soziale Zusammen-
setzung: NIKOLAOS von Monemvasia stammte aus gehobenen Schichten (TW'V
ovx aa?Jp,w'V) 740 und war mit seinem Vater und dem gesamten Familienclan (so
möchte ich p,eTa naTe6~ Te xat TW'V olxelw'V interpretieren) in die Hauptstadt über-
gesiedelt (nebenbei ein seltenes Beispiel, daß Konstantinopel trotz des allgemeinen
politischen und wirtschaftlichen Niedergangs noch eine gewisse Anziehungskraft
besaß). Durch ein flottes Leben gerät er in Armut und kommt in den Kreis des
ISIDOR. Er bekommt von dort Unterstützung und leistet dafür nicht ungefährliche
Dienste: "Als der Kaiser (d. h. J o. VI. Kant.) die Stadt damals noch nicht einge-
nommen hatte" (Sommer 1346 in Selymbria weilend 1), finden wir NIKOLAOS
außerhalb der Stadt in der Umgebung (To'i~ neel TO'V ßaatABa avyye'Vop,B'Vlp)741 des
Kantakuzenen. ISIDOR, der von der Abwesenheit des NIKoLAos nichts gewußt
haben soll, wie PHILOTHEOS ausdrücklich betont, rettet das Haus seines Schütz-
lings vor der "wilden Wut des Volkes'·' (()eaae'ia oep,~ TOV tJ?Jp,ov), das über den
Verräter aufgebracht ist.
742 Brief an PAUL ASAN Cod. Coisl. 99 fol. 118; an DANIEL von Aino8 fol. 100; an
ARSENIOS fol. 125 vo; an GAB RAS fol. 81 va.
748 Nr. 38. MEROATI Notizie 223. Er hat in seiner Stadt residiert und sich nur in den
Jahren 1329-1331 in der Hauptstadt aufgehalten, wo er an der "Endemusa" teil-
nimmt (MM I, 149, 151, 155, 157, 164) vgl. MM 1,144 (Sept. 1327 bereits MAKARIOS?).
Zu seiner Gegnerschaft gegen Jo. Kant.: Kant. III, 37: II, 228,17.
744 Cod. Angel. gr. 66 fol. 199 va.
746 Kant. III, 71: II, 435, 16.
746 H. GELZER Ungedruckte ... Texte der Notitiae episcopatuum, Abh. bayr. Akad.
Wiss. Phil.-histor. Kl. (1. Kl.) III. Abt. 21 Bd., München 1901, 601 Z. 137. BEOK
Kirche 174.
747 MM I, 326; 335/6 = Reg. 3018.
748 MEROATI Notizie 207. Mit TISOHENDORF und Cod. Laur. VIII, 8 ist mit Sicherheit
THEOLEPTOS zu lesen. Auch MEYENDORFF setzt in seiner kritischen Ausgabe des Tomos
von 1347 THEOLEPTOS in den Text.
749 MM I, 242.
116 DER PAL.AMITISCHE STREIT 1341-1347
750 Kant. IH, 73: H, 445, 2 und IH, 99: H, 609, 12. Vgl. P. VAIL:s::E Les eveques de
Philippe, EO 3 (1899/1900) 267.
751 Tomos gegen MATTHAlOS von Ephesos 730.
752 MERCATI N otizie 202.
753 V. LAURENT La liste episcopale du synodicon d'Adrianople, EO 38 (1939) 24.
754 Kant. III, 34: H, 209, 1 f.
755 Kant. IH, 35: H, 213, 9.
756 MEYENDORFF Palamas 107.
757 Vita SABAE Kap. 61 S. 322.
Kap. 62 S. 325/6.
759 Gegen MEYENDORFF Palamas 107 mit A. 55.
760 J. DARROUZES Liste des Prötes de l' Athos, in: Le Millenaire du Mont Athos 963-
1963 I, 1963, 423. MEYENDORFF Palamas 74 A. 32.
DIE HALT"?N"G DES MÖNCHTUMS 117
den Kaiser ANDRoNIKos 11. unternimmt 761 , wird interniert. Das gleiche Schicksal
traf sicher auch die übrigen Glieder der Gesandtschaft, darunter den späteren
Patriarchen KALLISTOS. Nur der Hegumene der großen Laura, MAxAru:os, findet
sich bereit, offen für die Palaiologenpartei einzutreten und wird zum Dank mit
dem Metropolitenstuhl von Thessalonike belohnt. Im August 1342 nimmt er an
einer Gesandtschaft an den Serbenkral teil, die die Auslieferung des JOANNES
KANTAKUZENOS erbitten so1l762. Ein Antipalamit scheint er nicht gewesen zu sein,
obwohl uns sein Name merkwürdigerweise in den Unterschriften unter den
"tomos hagioreitikos" 1340 nicht begegnet.
Zusammenfassend läßt sich aus diesen Nachrichten schließen, daß die politische
Entscheidung des Klerus und des Mönchtums für oder gegen J OANNES KANTAKU-
ZENOS nicht von der Stellung zu PALAMAS abhängig war, daß aber durch die Hal-
tung, die der Patriarch und der Kantakuzene im Krieg PALAM.AS gegenüber ein-
nahmen, eine Gleichsetzung "PALAMAS - KANTAKUZENOS" sehr gefördert wurde.
Die Gruppe um AKINDYNOS, deren Handlungs- und Redefreiheit von den Palami-
ten so beklagt wurde, hat trotz ihrer freien Stellung in den Gang der politischen
Ereignisse weniger eingegriffen als die Gruppe um P ALAMAS und um ISIDoR.
Gleichwohl gibt die Geschichte dieser Gruppe im Bürgerkrieg wertvolle Aufschlüsse
über personale Verbindungen in Byzanz.
Aus dem historisch sehr wertvollen Brief des AKINDYNOS an GEORGIOS LAPITHES 783
geht nicht einwandfrei hervor, wann der Patriarch nach und nach die Freiheit des
AKINDYNOS erweitert hat 764. SABAS LOG ARAS soll, wie ihn AKINDYNOS in mehreren
Briefen preist, ANNA mit ihrem Sohn, den Patriarchen, den Protosebastos (JOAN-
NES GABALAS) und den Megas Dux ALExIOS APOKAUKOS zur Stellungnahme gegen
P ALAMAS veranlaßt haben 766. Leider ist dieser in Hofkreisen offensichtlich sehr
einflußreiche Mann nur aus vier Briefen des AKINDYNOS bekannt. Auch die
Familie tritt in dieser Zeit wenig hervor 766 . SABAS hat auch gegen P ALAMAS zur
Feder gegriffen und nicht nur die Theologie, sondern auch den "Barbarismus" des
Neuerers angegriffen. Beachtenswert sind die Namen und die Reihenfolge der
Personen, auf die SABAS einwirkte, um den Umschwung herbeizuführen. Bei der
Aufzählung fehlen die drei Brüder ASAN (KONSTANTINOS, ISAAK und ANDRONI-
KOS), auch GEORGIOS CHUMNOS. Ist dies ein Zeichen für die Palamitenfreundlich-
keit der Familie Asan ~ ApoKAuKos wird an letzter Stelle genannt, wohl nicht ohne
Grund. AKINDYNOS hat sich an ihn brieflich gewandt 767: Von den Abwehrkämpfen
gegen die Barbaren heimgekehrt, wendet sich APOKAUKOS kirchlichen Fragen zu.
AKINDYNOS erwartet von ihm Unterstützung. Doch zeigte der Megas Dux P ALA-
MAS gegenüber eine merkwürdig freundliche Haltung. An diesem Punkt ist deut-
lich eine Spannung zwischen APOKAUKOS und dem Patriarchen zu verspüren, von
der wir nur durch den palamitischen Streit erfahren. Wie den Brüdern Asan hatte
761 Reg. 2477.
762 Reg. 2879.
768 Brief 28; hier Cod. Mare. 155 fol. 54 va.
764 MEYENDORFF Pa.lamas 105 setzt diesen Umschwung erst in den Herbst 1342.
766 Unediert sind Br. 14 (Cod. Mare. 155. fol. 44 VO); 22 (fol. 49-49 VO); 39 (fol. 69 Vo-
70). Von Br. 16 hat LOENERTZ OCP 23 (1927) S. 128/9 unter Nr. 6 ein Regest gegeben.
766 MATTHAIOS von Ephesos schreibt an einen PHILIPPOS Lo GARAS , an den MICHAEL
GABRAS 27 Briefe richtet.
767 Br. 8. Cod. Mare. 155 fol. 41 r u. va.
118 DER PALAMITISCHE STREIT 1341-1347
IRENES Einfiuß auf die vornehme Frauenwelt Konstantinopels machte sich bald
geltend. Mit ihren bösen Zungen bilden sie "eine Art Verschwörung" (cpai(!lav
iW6.) gegen den Hesychastenführer 772 • Der EinHuß der hochgestellten Dame war
für die Palamitenpartei um so bedenklicher, als ihr geistlicher Führer vielleicht
der Hesychast IGNATIOS gewesen ist 773 • Nach ihrem Tod wurde das Grab der ge-
schworenen Antipalamitin Jahre nach dem endgültigen Sieg des Palamismus vom
Volk als wundertätig gepriesen 77(.
Gegenüber einer solchen Macht mußte sich APOKAUKOS mit kleinen Gesten begnü-
gen, die seinen Widerstand gegen den Patriarchen zeigten. Bei seinem ersten Ver-
hör vor KALEKAS im Oktober 1341 hätte PALAMAS das Schlimmste zu befürchten
gehabt, wäre nicht APOKAUKOS für ihn eingetreten 775 • Nach seiner Verhaftung im
Herbst 1342 beschwert sich der Hesychastenführer beim Megas Dux und dieser
läßt die Soldaten, die das Kloster bewachen, abziehen - eine eindeutige Spitze ge-
gen den Patriarchen 776. Vielleicht ist auch die Einschärfung des Asylrechtes in der
Hagia Sophia, das der Patriarch gegenüber Palamas kurz zuvor eindeutig verletzt
hatte, ein versteckter Angriff gegen den Patriarchen 777. AI'OKAUKOS hat im Früh-
sommer 1344 versucht, den mißglückten Handstreich von 1341 nachzuholen und
den jungen Palaiologenkaiser in seine Hand zu bekommen, wenn NIKEPHOROS
GREGORAS recht hat 778. Fest steht, daß der Patriarch damals mit mehreren "Sena-
toren" mehr oder weniger gezwungen am Feldzug gegen JOANNES KANTAKuzENos
teilnehmen mußte. Offensichtlich wollte AI'OKAUKOS eine Verschwörung hinter
seinem Rücken vermeiden. Nach der Kurzchronik von 1352 779 hat der Patriarch
den jungen Kaiser gegen den Willen des APOKAUKOS auf Befehl der Kaiserin
ANNA in die Hauptstadt zurückgebracht. Der Patriarch arbeitete also im Jahre
1344 mit ANNA zusammen gegen den Megas Dux. Wieder ist die Spannung zwi-
schen dem Patriarchen und ALEXIOS APOKAUKOS deutlich. Sie tritt das letzte
Mal vor dessen Ermordung im Juni 1345 bei der Priesterweihe des AKrnDYNOS
hervor. Nach einem Brief des JOSEPH KALOTHETos hat AI'OKAUKOS den Patri-
archen nach diesem Akt heftig getadelV80 • Beseitigen konnte AI'OKAUKOS den
A.8.
776 Br. an die Athosmönche Cod. Coisl. 99 fol. 175; vgl. MEYENDORFF Palamas 104.
777 Reg. 2886.
778 Nik. Greg. XIV, 5: 710/1. Der Handstreich von 1341, wie Jo. Kant. ihn schildert,
ist so fest mit den übrigen Ereignissen verknüpft, daß J o. Kant. in diesem Fall keinen
chronologischen Irrtum begangen haben kann. Auffallenderweise bringt Nik. Greg.
den Plan nicht an der hier passenden Stelle zum Jahr 1341 (Nik. Greg. XII, 9: 602f.),
sondern schweigt darüber völlig.
779 Kurzchronik 1352 ed. P. SCHREINER OCP 31 (1965) Nr. 42 und 43 S. 337 und 355f.
Dort die Parallelquellen.
780 J OSEPH KALOTHETOS an SABAS Cod. Angel. gr. 66 fol. 159 V O : ä. Oe neo!;' aVTov (sc. Kalekas)
<5 piya!;' oov~ <5 'Ano"av"o!;' "ai p,d)' öa'Y/!;' .fj!;, ep,ßetIJ:rJO'eW!;' OteO.e".at 0'11" ova'Y/!;' ev up nae6vn
axo).fj!;' atwnfi np,aa()w.
120 DER PALAMITISOHE STREIT 1341-1347
politischen Einfluß des Patriarchen nie und J OANNES KANTAKUZENOS faßt die
Lage nach der Ermordung des Megas Dux im Juni 1345 zusammen 781: "Der
Patriarch nahm wie früher (WC1ne(! n(!6-re(!o'V) an der Regierung teil."
In diesem Zusammenhang ist die schwierige Frage zu stellen: Seit wann tritt der
Zwiespalt zwischen der Kaiserin ANNA und dem Patriarchen in Erscheinung und
welche Folgerungen lassen sich im Hinblick auf die Gruppenbildungen in der
Hauptstadt zwischen Juni 1345 bis zum Februar 1347 ziehen 1
Ein Punkt steht fest: ANNA war bis zum letzten Augenblick nicht zum Nachgeben
bereit. In Gesandtschaften an ausländische Mächte suchte sie noch im Herbst 1346
Waffenhilfe 782 • Als JOANNES KANTAKUZENOS bereits in der Stadt steht und die
Lage völlig aussichtslos für einen weiteren Widerstand geworden war, ruft sie die
Genuesen aus Galata zu Hilfe 783 • Von dieser unnachgiebigen Haltung her gesehen
ist die Meinung des NIKEPHoRos GREGORAS wahrscheinlich richtig, daß der Rat
des Patriarchen im Sommer 1346, Frieden mit JOANNES KANTAKUZENOS zu
schließen, den Zwiespalt zwischen ANNA und KALEKAS heraufbeschworen habe 784 •
Hat bereits die Priesterweihe des AKrnDYNOS zu Beginn des Jahres 1345 den
Konflikt verursacht 1 Die Palamiten, vor allem GREGORIOS P ALAMAS und J OSEPH
KALOTHETOS, behaupten, nicht nur ANNA und ihr Sohn, auch einflußreiche Re-
gierungskreise (0 l B'V -rBAel) 785 hätten sich heftig gegen die Weihe gewehrt und
zweimal Botschaften zu KALEKAS entsandt. Nach PAL.AMAS hat ein Senatsbe-
schluß die Weihe rückgängig gemacht, AKrnDYNOS wurde zu Gefängnis und
Schlägen (sic) verurteilt und die "Verfolgungen" (~lwYflot) durch O(!lC1fl6r; be-
endet 786, eine Darstellung, die in den offiziellen Tomos von 1347 aufgenommen
wurde. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Behauptung der Palamiten über
eine starke Senatsopposition gegen den Patriarchen. Diese Gegenpartei würde
auch verständlich machen, weshalb ANNA Ende 1346 so leichtes Spiel hatte, den
Patriarchen kaltzustellen 787.
Diese Opposition wurde verstärkt durch eine Gruppe von Metropoliten und Erz-
bischöfen, die interniert wurden und im September 1346 an ANNA eine Klage-
schrift gegen den Patriarchen richteten. Der Patriarch wird des Nepotismus und
der Simonie bezichtigt 788 . Es wird getadelt, daß er "in lästiger Weise sich lange im
Kaiserpalast aufgehalten hat" ( xeovla, uaTapova, b-colrwe f(J0eTtUW, Toi,
ßaatÄelot,). Sein Eingreifen in die Politik in der Zeit des Bürgerkrieges wird also
als eines Patriarchen unwürdig verurteilt. Die dogmatischen Vorwürfe decken
sich mit den Vorwürfen der Palamiten gegen ihre Gegner. Waren also die kirch-
lichen Würdenträger als Palamasanhänger interniert?
Bei MATTH.AIOS von Ephesos ist dies keineswegs gewiß. Er war in dem Prozeß
gegen den Metropoliten von Pyrgion, den MATTH.AIOS wegen Mord und Meineid
verurteilt hatte, vom Patriarchen im Jahre 1343 stark brüskiert worden 789.
MAKARIOS von Philadelphia, der ebenfalls zur Gruppe der internierten Würden-
träger gehört, wird von AKrnDYNOS in einem Brief als neOan1.TTj, TWV evaeßwv
bezeichnet 790, also als Antipalamit. Durch die eigenhändigen biographischen Notizen
des Metropoliten MAKARIOS, die M. 1. MANUSAKAS jüngst ediert hat, erfahren wir,
daß der Kirchenfürst im Februar 1345 nach Konstantinopel gekommen ist. Im
September 1346 unterschreibt er die Klageschrift an ANNA und am 23. Oktober
nachträglich den Tomos von 1341 791 . 1347 unterschreibt er den propalamitischen
Tomos als einer der ersten elf Unterzeichner. ÜHARITON von Apros, ein weiterer
Angehöriger der gegen den Patriarchen KALEKAS stehenden Gruppe, erscheint im
Antipalamitenverzeichnis (Nr.42). Der Umschwung ist erst nach 1347 erfolgt,
denn im Tomos von 1347 erscheint er unter den ersten elf Unterschriften. So läßt
sich aus der Klageschrift gegen KALEKAS nur so viel entnehmen, daß der Patriarch
nicht nur gegen ANNA, eine Senatsopposition und die Palamiten sich wehren
mußte, sondern auch gegen eine Reihe von kirchlichen Würdenträgern, die aus
undurchsichtigen Gründen gegen ihn Partei bezogen. Gegen eine solch vielfältige
Opposition war der Patriarch und seine Anhänger, also vor allem IRENE CHUMNOS
und ihr Gefolge, zu schwach. Gegen MEYENDORFF ist festzuhalten, daß der Patri-
arch nicht den unverständlichen Fehler gemacht hat, einen Bruch mit den Akindy-
nosanhängern herbeizuführen. Der Brief 10 des AKrnDYNOS"OIl, an den Patriarchen
adressiert, klagt darüber, daß PALAMAS den Patriarchen dem AKrnDYNOS ent-
fremdet habe. In dem Brief ist auch der Mordversuch erwähnt, der in das Jahr 1341
fällt. Die Entfremdung, von der der Brief spricht, fügt sich gut in die Vorgänge in
der Zeit der Augustsynode 1341 ein. Ein weiterer Brief an den Patriarchen 793
spricht von einer Abwesenheit des Patriarchen, während der die "palamitische
Hydra" ihr Haupt erhebt. Eine Abwesenheit des Patriarchen von der Hauptstadt
ist im Frühsommer 1344 bezeugt (siehe A.778). Von einer Entfremdung des
Patriarchen gegenüber AKrnDYNOS ist im Brief nicht die Rede. JOSEPH KALOTHE-
TOS erwähnt ausdrücklich eine verstärkte antipalamitische Tätigkeit des Patriar-
chen nach der Weihe des AKINDYNOS704. Die Rechtfertigungsversuche seiner Hal-
794 An SABAS in Cod. Angel. gr. 66 fol. 159: ßov),r]f)el~ (sc. Kalekas) Yelt? r-YJv "ara 'A"lvt5vvov
122 DER PALAMITISCHE STREIT 1341-1347
tung, die der Patriarch der Kaiserin ANNA gegenüber unternahm, sind nicht als
akindynosfeindlich zu betrachten.
Die Haltung der Kaiserin ANNA ist aus der innenpolitischen Situation nach der
Ermordung des Megas Dux APOKAUKOS leicht verständlich. Nach der Beseitigung
des mächtigen Rivalen war ein allzu starker politischer Einfluß des Kirchenmannes
zu befürchten, der eine ANNAS Anschauungen entgegengesetzte Politik Mitte 1346
zu betreiben begann. So war sie gezwungen, um die Opposition zu stärken, sich den
Palamiten zu nähern. Trotzdem bleibt ihre Haltung zu P ALAMAS mehr als kühl.
Daran können auch die heftigen Beteuerungen der Palamiten über die "Recht-
gläubigkeit" der ANNA nichts ändern. PALAMAS bleibt bis zum Einzug des JOAN-
NES KANTAKUZENOS im Gefängnis 796 • Es kommt sogar im Herbst 1346 zu einer ge-
meinsamen Aktion von ANNA und dem Patriarchen: Den Athosmönchen wird von
beiden versichert, daß P ALAMAS nicht als politischer Parteigänger des J OANNES
KANTAKUZENOS, sondern wegen seiner dogmatischen Neuerungen im Gefängnis
sitze 796. ANNA läßt sich über die Dogmatik des PALAMAS unterrichten. Das Ant-
wortschreiben des Hesychasten 797 - ein kleines Kompendium seiner Lehre - ent-
hält aber keinen überschwänglichen Dank für die Erleichterungen, die ANNA der
Palamitenpartei gewährt hat. Nach dem angeblichen o(]u]ft6~ von 1345 wäre dies
zu erwarten gewesen. Das Schreiben ist kühl und höflich.
Ob es der geheimen Agenten des JOANNES KANTAKUZENOS bedurft hat, ANNA der
palamitischen Partei näher zu bringen, wie der Entwurf einer antipalamitischen
Synode später behauptet, ist fraglich. Das gleiche Dokument gibt an, daß "Kanta-
kuzenos in die Mauern der Stadt gelangt ist, wobei die Gruppe um Palamas am
Verrat mitwirkte" 798 ( . . . xat 0 Ka'lJ7;axovCrr"o~ siaw TWV Tfj~ n6Asw~ TelxwV
ytvsTat TWV nS(]t TOV IIaAaftiiv T~V n(]oboatav avaxsvaaaftBvwV aVTqJ). Das Gleiche
sagt NIKEPHoRos GREGORAS: "Sie (sc. die Palamiten) arbeiteten deshalb auch
eifrig mit den Verrätern (TOr~ n(]o&bovO't) zusammen für den Einzug des Kanta-
kuzenos in Byzanz." Mit den "Verrätern" ist wohl FAZZOLATI und seine Gefolg-
schaft gemeint 799 • Nach den oben erörterten Nachrichten über ISIDOR und seinen
Kreis werden wir in dieser Gruppe diese "Mitarbeiter" und "Mitwirkenden"
suchen dürfen. Nochmals am Schluß des Bürgerkrieges zeigt sich die wichtige
Erscheinung: Ein religiöser Kreis wird zur politischen Gefolgschaft.
neä~w dxlvt5vvov 1Wtijaat end nOAA~v lt5ea T~V xwp,w(Jtav xat Taeax~v eneyeteop,evrJV aVToi~
xal dd entn'YJt5ovaav, Tl note;; xal Tl p,'YJxaväTat; Ä:uew emxeteei dTomp TO äTonov. lyvw Tolvvv
nae' eavTf!i> , w~ einee fJp,ä~ exrpavA{aet xat näv öVett5o~ neoaTeBtpet neo~ Toi~ (sic Cod.) xal
dnoX'YJeVXTOV~ n0L17aet, anoAvl117aeTat p,iv aVTo~ Tij~ {jßeew~, avvanoAVaet t5i xal TOP 'Axlvt5vvov
TWV xaT'aVTov eyxA'YJw1.TWV.
795 Dies scheint mir aus Kant. III, 100: II, 613, 3 eindeutig hervorzugehen. Auch Nik.
Greg., der vom Wohlwollen der ANNA gegen PALAMAS spricht, den sie im Kampf gegen
KALEKAS braucht, erwähnt nicht seine Freilassung (Nik. Greg. XV, 7: 768).
796 Reg. 2910.
Die näheren Umstände, die zur Verurteilung des Patriarchen J OANNES KALEKAS
vor dem Einzug des JOANNES KANTAKUZENOS in die Hauptstadt am 2.2.1347
führten, bleiben sehr undeutlich. Der Kantakuzene scheint schlecht unterrichtet
oder verschweigt absichtlich nähere Einzelheiten 800. Zwei Jahrzehnte später be-
hauptet er im Brief an den Bischof von Karpasia auf Zypern, die von ANNA ver-
sammelten Bischöfe hätten bereits vor dem Einzug des J OANNES KANTAKUZENOS
einen Tomos ausgefertigt, der den Tomos von 1341 bestätigte 801. Nach NIKEPHO-
ROS GREGORAS stand die Versammlung unter dem Diktat der Gruppe des P ALA-
MAS (ÖCJot Tfj~ TOV IIaAaf"a q;aTe{a~ vnfjexOV) 802. Die Fürsprecher des Patriarchen
wurden nicht zugelassen, ihm selbst keine Gelegenheit gegeben, sich zu recht-
fertigen. Daß die Darstellung des GREGORAS wenigstens teilweise der Wahrheit
entspricht, zeigt die Tatsache, daß KALEKAS nach dem zweiten Februar auf eine
neue Untersuchung drängen konnte, da er vor der Synode der ANNA nicht gehört
worden sei 803 • Neben dem Klerus und den Archimandriten waren auch b,uetTot
Tfj~ nOAtTe{a~ bei der Synode vom ersten Februar anwesend, in diesem Falle die
politische, vielleicht auch die engere Gefolgschaft der Kaiserin ANNA 804.
In der Synode, die JOANNES KANTAKUZENOS im Februar oder März (vor Reg.
2917) anberaumt, hinter der die ganze Macht des Kaisers steht, wird KALEKAS er-
neut verurteilt. Daß der Patriarch trotz persönlicher Aufforderung durch J OAN-
NES KANTAKUZENOS nicht erscheint, ist verständlich. Denn über den Ausgang der
Synode konnte kein Zweifel herrschen. KALEKAS handelt: "Er scharte eine
Hetaireia aus Klerikern, Erzbischöfen und Laien um sich" (TWV Tfj~ EuuArJC1{a~
neoaeTatetaapev6~ Ttva~ uat EU TWV aeXtee8cOV uat TWV ll5wnwv) 805. Er bildet
also eine Gefolgschaft, um gegen KANTAKUZENOS zu wühlen. Im Geschichtswerk
des Exkaisers fällt der Ausdruck aTaat~ (Aufruhr). Der Expatriarch konnte dabei
bestimmt auf seine Gruppenbildungen vergangener Jahre zurückgreifen. KANTA-
KUZENOS spricht von drei Erzbischöfen, die KALEKAS die Treue hielten. Der neue
Herr der Hauptstadt schlägt zu: Der unglückliche Patriarch wird nach Didymo-
teichos gebracht und nach einer zeitgenössischen Notiz in strenger Haft (EV Tfl
adJ'YJefl. qJVAaufl) gehalten 806, ein Zeichen, daß ihn der Kantakuzene als gefähr-
lichen Gegner einschätzte. Geistig verwirrt stirbt KALEKAS im Dezember 1347.
Eine neue Hetaireia bildet sich gegen die Regierung des Kantakuzenen bei der
806 Randnotiz in Cod. Vat. 778 fol. 1 bei MERCATI N otizie 228 A. 1.
124 DER SIEG DER P ALAMITEN
Wahl des neuen Patriarchen s07 • Führer ist MATTHAIOS von Ephesos. "Er verband
sich mit Akindynosanhängern, verleitete einige andere Erzbischöfe und bildete
eine Hetaireia." sos
Fast jede Gruppenbildung, die wir in der Geschichte - nicht nur in Byzanz im 14.
Jh. - verfolgen können, vereinigt verschiedene Strömungen und Zielsetzungen
in sich, Gegensätze, die früher oder später die Gruppe wieder auseinanderfallen
lassen. Bei der Hetaireia des MATTHAIOS ist diese Beobachtung besonders deut-
lich: Grundsätzliche Gegnerschaft gegen den Eingriff des Staates in die Patriar-
chenwahl, persönliche Abneigung gegen 1SIDOR, Furcht vor seiner großen Gefolg-
schaft, persönlicher Ehrgeiz, Feindschaft gegen J OANNES KANTAKUZENOS und
Haß gegen PALAMAS bringen eine ziemlich uneinheitliche Gruppe zusammen,
deren Hauptvertreter wir leider nur mit Namen kennen. Die durchweg palamas-
und kantakuzenosfreundlichen Quellen (NIKEPHoRos GREGORAS ausgenommen)
verschweigen, daß die Gruppe ziemlich groß gewesen sein muß. Es werden immer-
hin zwei Synoden abgehalten, deren Charakter unzureichend mit der Bezeichnung
"antipalamitisch" erfaßt ist 809 • Sie anathematisieren vor allem 1SIDOR. Grund-
sätzlich wird das Thema "Kaisermacht in der Ostkirche" wieder angeschnitten.
Von der Hetaireia wird im Kampf gegen KANTAKUZENOS und seinen Schützling
1SIDOR auf alte, in der staatlichen Praxis längst vergessene Kanones wie Nicae-
num 11 can. 3 zurückgegriffen, die das Eingreifen des weltlichen Armes auf die
Bischofswahlen verbieten s1o • "Sie (die Mitglieder der Hetaireia) erinnern auch an
Kanones, die verbieten, daß Archonten Bischöfe wählen dürfen." Sl1 MATTHAIOS
klagt an, die Wahl sei "durch Regierungsgewalt" (f5t' aeXO'PTt"'ijf; e~OV(]laf;) er-
folgt S12 • Die Gegner 1SIDORS klagen: "Zur Patriarchenwahl aufgefordert, werden
wir vom weltlichen Arm gehindert, den zu bestimmen, den die göttliche Gnade mit
brüderlicher Hilfe auswählt; vielmehr müssen wir den bestimmen, zu dem wir ge-
zwungen werden." S18
Die Motive, die MATTHAIOS von Ephesos bewogen, sich zum Haupt einer Gruppe
aufzuwerfen, die dem regierenden Kaiser die Stirn bieten wollte, sind wenig deut-
lich. Das Verhältnis zum Patriarchen KALEKAS war mindestens vom Jahre 1344
an denkbar schlecht. Er ist einer der Ankläger des Patriarchen bei ANNA. Wollte
er selbst Patriarch werden und wendet sich die Bemerkung des J OANNES KANTA-
KUZENOS gegen ihn su , daß enttäuschter persönlicher Ehrgeiz einige Würdenträger
zur Opposition trieb 1 Ein grundsätzlicher Palamasgegner scheint MATTHAIOS zu-
nächst nicht gewesen zu sein. Daß er den Tomos von 1347 nicht unterschrieb, ist
807 Gute Darstellung bei MEYENDORFF Palamas 130-4. Mir kommt es hier auf die
Struktur der Gruppe an.
808 TomosgegenMATTHIAOS von Ephesos 730 Z. 7 u. 6 von unten: p.e.o.Twv.o. .0iJ'A;Jt:tV-
t5vvov rpeovovv.wv evwOelr; ;Jt:at T:Lvar; ereeovr; dexteeear; &arpoetear; ;Jt:al neO€18TateL€1ap.evor;.
809 Nik. Greg. XV, 10: II, 786, Uf.
810 Vgl. A. MIOHEL Die Kaisermacht in der Ostkirche, Darmstadt 1959, 32 A. 198.
8ll Tomos gegen MATTIHAOS von Ephesos 732 Z. 24f.: d,l,lo. ual uav6vwv p.ep.v1]v7:a& .•. ,
818 PG 150 Sp. 881 B 3f.: Kat yo.e neo.eanb·ur; aexaLee€1tav nOL~€1a€10aL l~eLey6!teOa -Uno
.i}r; ;Jt:O€1p.L;Jt:i}r; l~ov€1tar; p.i} äv nou nOLi}€1aL, OV äv 1] OEta XUeLr; p.e.d .i}r; dt5e,lrpL;Jt:i}r; €1vp.novtar;
(PG false €1vp.noetar;) l;Jt:U~1]raL, d,l,l' OV äv neoranet1]p.Ev.
814 Kant. IV, 3: III, 26.
DAS LEHRER~ SCHÜLER-VERHÄLTNIS 125
schon aus seiner Opposition gegen ISIDOR zu verstehen. Den Schlüssel für das Ver-
halten des MATTHAIOS scheint das Dokument vom 22. 4. 1350 zu bieten, in dem er
nach dem Tode ISIDORS seinen Willen zur Rückkehr in die Kirchengemein-
schaft bekundet 815. Jetzt erst erkennt er an, daß die Anklagen gegen ISIDOR,
P ALAMAS und andere Mönche unhaltbar sind. War also die Person ISIDoRs der
Hauptgrund für die Opposition des MATTHAIOS 1 Ein Jahr später kämpft er an der
Seite des NIKEPHOROS GREGORAS gegen P ALAMAS. Außerdem bleibt zu fragen, ob
er sich nur daran stieß, daß ISIDOR seit 1344 aus der Kirchengemeinschaft ausge-
schlossen war, ob die angebliche Verbindung ISIDORS mit den Bogomilen ihn ver-
dächtig machte oder ob schließlich die politische Tätigkeit und der große Anhang
ihn als Patriarchen dem Metropoliten von Ephesos ungeeignet erscheinen ließen.
Von den übrigen bekannten Gliedern der Gruppe um MATTHAlOS von Ephesos
war der im vorigen Kapitel erwähnte NEOPHYT von Philippi ein alter Kanta-
kuzenosgegner, dessen Tod den Palamiten verdächtig gelegen kam. METROPHANES
von Patras steht im Antipalamitenverzeichnis (Nr.41). Er unterschreibt zwar
noch 1346 den Tomos von 1341, nicht mehr aber den von 1347. Undurchsichtig
sind die Motive des Metropoliten CHARITON von Apros, der im September 1346
KALEKAS bei der Kaiserin ANNA anklagt, im Tomos vom Februar 1347 noch unter
den ersten elf Unterschriften erscheint, dann aber zur Gruppe des MATTHAlOS
übergeht. Auch er steht im Antipalamitenverzeichnis (Nr. 42). Neu als kirchen-
politische Figur erscheint im Kreis des MATTHAlOS J OSEPH von Ganos, später ein
eifriger Antipalamit.
Aus dieser Hetaireia des MATTHAlOS schält sich immer mehr die Antipalamiten-
partei nach 1347 heraus. Sie ist von vorneherein die Partei der Unterdrückten,
nachdem PALAMAS und seine Lehre offiziell anerkannt sind. Nicht die Aussicht
auf Vorteile - sonst der Hauptbeweggrund für personale Zusammenschlüsse -
führt diese Gruppe zusammen, sondern persönliche Überzeugung, der Glaube an
eine gerechte Sache, der Kampf gegen PALAMAS. Dies gilt auch von NIKEPHOROS
GREGORAS, wenn auch die Gegner behaupteten, er habe aus Ehrgeiz die Führung
der Antipalamiten übernommen. Verscherzt hat er sich damit immerhin das alte
Freundschaftsverhältnis (be naAawv qJlAla) zu J OANNES KANTAKUZENOS 816, das
ihn vielleicht auf den Patriarchenstuhl gebracht hätte 817. Mit Recht hat GUIL-
I.AND 818 die Aufrichtigkeit dieser Freundschaft betont, die nicht nur in den für
Byzanz typischen enkomiastischen Briefen an seinen adeligen Gönner zum Aus-
druck kam (vgl. Kap. I), sondern im Ton gegenüber JOANNES KANTAKUZENOS
in seinem Geschichtswerk, der sich erst vom 28. Buch an ändert. Es geht GRE-
GORAS - wie er selbst versichert - um das Seelenheil seines Freundes (cplAO~)819.
Auch den 80jährigen MATTHAlOS von Ephesos dürften keine egoistischen Ab-
sichten bewogen haben, schon nach einem Jahr nach seiner Rückkehr in die
Kirchengemeinschaft offen im Konzil von 1351 die Partei des NIKEPHOROS GRE-
GORAS zu ergreifen 820.
815 PG 151 Sp. 772-4.
818 Nik. Greg. XVIII, 4: 884, 7.
817 Nik. Greg. XVII, 1: 871.
818 Essai 95.
819 Nik. Greg. XVI, 5: 821, 18.
8110 Besonders aufschlußreich sind die von DEXIOS überlieferten Antworten des MATTHA-
IOS an J o. Kant. MERCATI N otizie 267.
126 DER SIEG DER PALAMITEN
824 MERCATI Notizie 229 A. 6 aus einem Scholion im eod. Vat. 176 zu den Harmoniea
des Ptolemaios.
826 Ine.: ävoee~ evaeße;;~ 'Kal qnÄ.6()eot eod. Mare. 155 fol. 17-34. Siehe auch die unten
zitierte Stelle aus eod. Vat. 2335.
826 Nik. Greg. XVIII, 5: 892, 12f.
827 MM I, 530, 568, 574.
828 AKINDYNOS Br. 35 des eod. Mare. 155 ed. LOENERTZ, EEBS 27 (1957) 97-101; vgl.
S. 106 Z. 36 (Br. 20).
MÖNCHE, ALS ANTIPALAMITEN 127
882 Sicher ist dieser IONATIOs nicht mit dem Hesychasten IONATIOs identisch, dem
geistl. Lehrer des BARLAAM, an den dieser zwei Briefe (IV, V ed. SCHIRO Epistole)
schreibt. Br. 49 des AxINDYNOS (Cod. Marc. 155 fol. 76 V O u. 77) ist lemmatisiert
Ma~lflCP i} 'lyvarlcp. Aus unbedeutendem Grund hat der Adressat die Freundschaft auf-
gesagt.
838 Ed. LOENERTZ, EEBS 27 (1957) 103 Z. 31.
884 F. DÖLoER Zur Bedeutung von qnA6aQ(pot; und qnAoaorpla in byzantinischer Zeit, in:
Byzanz u. d. europ. Staatenwelt, Darmstadt 1964, vor allem hier S. 199.
836 Br. d. AKrnnYNOS wie A. 833 hier Z. 33f.
888 Nik. Greg. XVIII, 5: 894, 4. V gl. den Auszug aus dem Entwurf einer antipalamiti-
schen Synode bei MERCATI Notizie 223 zu Nr. 8.
887 Vgl. Br. 72 d. Dem. Kyd.
888 MM I, 295 Sept. 1350. Vgl. den Brief des AxINDYNOS an ihn ed. LOENERTz EEBS,
27 (1957) 107/8.
128 DER SIEG DER PALAMITEN
MAXIMOS unter dem Druck des Patriarchen und des Kaisers J OANNES VI. KANTA-
KUZENOS sein Versprechen abgegeben hat 839 • Ihm wurde Amnestie gewährt für die
begangene Verfehlung, vielleicht für seinen Zusammenstoß mit P ALAMAS im
Kaiserpalast. Auffallend ist, daß MAXIMOS versprechen muß, nicht nur keine
lateinischen Lehren anzunehmen (diese Verbindung ist in den Formularen, die die
Abwendung von AKrnDYNOS fordern, üblich), sondern das byzantinische Reich
nicht zu verlassen "unter dem Vorwand der Erfüllung einer Verpflichtung" (neo-
epaaet "vßee1Jfj(Jew~). MAX1MOS, die Nonne IRENE CHUMNAINA, der Mönch GERASI-
MOS ÜHUMNOS und sein Sohn 840 wie auch PROCHOROS KYDONES führen die be-
kannte Tatsache vor Augen, daß der byzantinische Mönchsstand ganz verschie-
dene soziale Schichten umfaßt. Unter den antipalamitischen Mönchen begegnen
wir Mönchen aus Adelskreisen, Mönchen aus den gehobenen Gesellschaftsschichten,
gebildeten und begüterten Mönchen unbekannter Herkunft. Ganz fehlen unter den
antipalamitischen Mönchen so bemerkenswerte Erscheinungen wie die palamiti-
schen UnAovaTeeot. Die Erklärung liegt m. E. im Wesen der theologischen Rich-
tung der Antipalamiten. Die palamitische Lehre unterbaute theologisch eine be-
stimmte praktische Religionsausübung und Frömmigkeitserfahrung innerhalb des
Mönchtums, eine Religiosität, die auch von einfacheren und ungebildeteren Mön-
chen praktiziert wurde mit bestimmten Übertreibungen und Auswüchsen, die
BARLAAM ja gerade anstößig gewesen sind. Die Antipalamiten gehen umgekehrt
nicht von einer religiösen Erfahrung, sondern von der traditionellen Theologie
aus, die sie erhalten und bewahren wollen. So haftet ihnen ein konservativer,
intellektueller Zug an. Die Zugehörigkeit zu dieser Richtung setzt eine gewisse
Bildung, eine Kenntnis der traditionellen kirchlichen Überlieferung unbedingt
voraus. Bei den Palamiten konnten auch die aus niederen Schichten stammenden
ungebildeten Mönche ihre Frömmigkeit praktizieren, ohne von tieferer Einsicht
in die theologische Tradition gehindert zu sein. Die Verteidigung übernahmen
die Gebildeten unter den Palamiten (siehe S. 153).
Der konservative Zug der antipalamitischen Richtung (ein Wesensmerkmal byzan-
tinischen Denkens!) macht es auch verständlich, daß wir viele Adelige in dieser
Richtung finden. NIKEPHOROS METocIDTEs, der alte Parteigänger des J OANNES
KANTAKUZENOS, sprach sich, wie aus einem Brief des JOSEPH KALOTHETOS her-
vorgeht, offen gegen- den Palamismus aus 8H • KONsTANTIN ASAN, (Je;;O~ des Kai-
sers 842 , gehört nicht mehr zur Umgebung des Kaisers JOANNES VI. KANTAKUZENOS,
889 A. ESSER ist in seiner ungedruckten Diss. über "Das abenteuerl. Leben des J ohan-
nes Laskaris Kalopheros" (Rom 1965) der Ansicht, an der eigentlichen Meinung des
MAXIMOS habe sich nichts geändert. Hat MAXIMos seine Meinung so gut verborgen, um
später bis zum Protosynkellos des Patriarchen aufzusteigen?
840 V gl. VERPEAUX N otes 262.
841 Cod. Angel. 66 fol. 169: Ei p,ev ov f5txn Ta ßeßaC1aVtC1p,eva dva:nof5et",m wr; aVTo:ntC1m
övm .u:no ui)v ()e{wv Äoylwv, dÄÄ' sn d:noeeir;, yevfJC1eTal aot 1] ",aÄ~ d:noela ev:noelar; p,f}T'YJe ",al
:noÄÄovr; e-o oM' ön aT'YJel~etr; a",aCovTar; TOV oe()ov Äoyov Tfi afi dywyfi ",al :natf5wC1et ",al f5ui
:navTwv e-o 1]"'O'I)an aorplq. ... fol. 170: ei f5' ov'" e:nf}a"''YJtpar;, ovf5' ","'eIßw",ar; Ta :nae' dp,rpodewv,
S"'C1T'YJfh TOV f5t",aaT'YJelov, d:noam TOV avÄÄoyov, drplC1Taao TOV :neel TOtDVTOV f5'YJp,'YJyoeeiv. ov yde
p,t"'eor; 0 ",lvf5vvor; . .. Als "Übung" folgt eine lange dogm. Belehrung mit vielen Väter-
steIlen. Am Schluß (fol. 173 r/vO) nochmals die Versicherung, daß KALOTHETOS seinen
"Freund" retten will.
842 MM II, 56 unten.
ANTIPAL~ITISCHE ADELIGE 129
849 Cod. Vat. 2335 fol. 2. Exzerpt bei MEYENDORFF Palamas 142 A. 71.
868 AKINDYNOS Br. H in Cod. Mare. 155 fol. 42 r/vo. Derselbe Adressat wie Br. I?
867 AKINDYNOS Br. 1 in Cod. Mare. 155 fol. 36-38. Vgl. LOENERTZ, OCP 23 (1957)
125-127.
130 DER SIEG DER PALAMITEN
868 A. a. O. fol. 36 Z. 3.
869 Ed. LOENERTZ, EEBS 27 (1957) 92 u. 93. Er stand auch in Korrespondenz mit Nik.
Greg. Br. VII (GUILLAND) an Gregoras. BRYENNIOS als (julxovo~ und aaxiAAw~ in
Thessalonike: MM I, 174.
860 M. LASKARIS Vizantiske princese ... , Belgrad 1926, 53f.
861 PAPADOPULOS Palaiologen Nr. 71; vgl. MERCATI Notizie 511.
862 Nik. Greg. XVI, 5: 825. GUILLAND vermutet, daß Br. 151 des Nik. Greg. an METRO-
PHANES auf IRENE anspielt. Der Moment sei günstig, den wahren Glauben zu verteidi-
gen, da die Basilissa für ihn eintrete.
863 V gl. MEYENDORFF Palamas 45 mit Belegen.
864 PHILOTHEOS Enkomion PG 151 Sp. 597D.
866 SCHIRO Epistole 9-11.
Bogomilen in Bulgarien, in: Studi Medievali III, 3 [1962] 272 und ders. Umur 260)
betont, daß die Lehre des P .ALAMAS den Interessen des Großgrundbesitzer entgegen-
kam. Die Predigt der vita contemplativa. und jenseitiger Güter habe die Abwehrkraft
des Volkes gelähmt und die sozialen Gegensätze verschleiert. So anregend diese Thesen
sind, unsere Quellen erlauben nicht eine Entscheidung, ob für J o. Kant. solche Über-
legungen wichtig geworden sind. Außerdem steht fest, daß die Lehre der palamitischen
Bewegung primär keine sozialen Ideen zum Inhalt hatte.
870 Palamas 124.
132 DER SIEG DER P.ALAMITEN
I
treuen Anhängers des Kaisers, ist bei der Synode von 1351 ausdrücklich bezeugt 871 •
Bezeichnenderweise fehlt JOANNES ASAN, der sich bereits von JOANNES KANTAKU-
ZENOS abgewendet hat und in der Gefolgschaft des Matthaios steht (vgl. S. 46). Ak-
tiv, aus eigener Initiative, greifen aber die Glieder der Gefolgschaft des Kantaku-
zenenkaisers nicht in die theologischen Streitigkeiten ein. Dies gilt auch von der
Gegenseite beim Gefolge der ANNA und ihres Sohnes. Man kann noch einen Schritt
weitergehen und feststellen, daß überhaupt die hohen Staatsbeamten sich weit-
gehend aus dem Streit heraushalten. Es gibt Ausnahmen wie den uaOoÄtuo!; Uett'~~
NmoLAos MATARANGOS, der von P .ALA.MAS in der Zeit des Bürgerkrieges als eifriger
Anhänger des Hesychastenführers gekennzeichnet wird 872 • CHARATZAS, 1352/3
Primikerios der Exkubiten 873, war in der Zeit des Bürgerkrieges ein c5ewo!;
IIaÄaftlt''YJ!;. Stand SABAS LOGARAs, dessen Einfluß auf Hofkreise AKrnDYNOS
so hoch einschätzt, selbst im Staatsdienst 1 Der mächtige Mystikos KrnNAMOS
scheint AKrnDYNOS gewogen gewesen zu sein. AKrnDYNOS bittet um Unterstüt-
zung für seine Partei ebenfalls bei einem hohen Richter 874 •
Auch diese hochgestellten Männer nehmen nur Partei, sie beteiligen sich nicht
aktiv am Kampf, etwa durch Streitschriften und dergleichen. Durchmustert man
die Namen der Antipalamiten und Palamiten aus vornehmen Familien, so ergibt
sich, daß sie fast alle nicht in der Politik oder im Militärdienst standen. Für diese
Beobachtung bieten sich m. E. drei Erklärungsversuche.
Erstens: Unsere prosopographischen Kenntnisse sind zu gering und unsere
Quellen zu lückenhaft, um die Tätigkeit der Militärs und Politiker im theologischen
Streit noch richtig zu erfassen.
Zweitens: Die Gefolgsleute des JOANNES KANTAKUZENOS und der Palaiologen
waren in den unruhigen Zeiten des 14. Jh. mit anderen Aufgaben beschäftigt als
mit der Abfassung von Streitschriften. Vielfach wird auch die theologische Vor-
bildung nicht genügt haben. Auch der Kaiser JOANNES KANTAKUZENOS selbst be-
ginnt seine theologische Schriftstellerei erst nach seiner Abdankung.
Dri ttens : Die politische Führungsschicht in Byzanz hielt das theologische Ge-
zänk in der schwierigen Lage des byzantinischen Reiches für schädlich. JOANNES
KANTAKUZENOS hat im Juni 1341 für den Ausgleich der streitenden Parteien ge-
arbeitet, als er sich aus dem Konflikt noch keinen politischen Vorteil ersah. Die
ironische Herablassung, mit der die Umgebung der ANNA PALAMAS im Jahre 1342
behandelt, zeigt die GrundeinsteIlung dieser Kreise ebenso deutlich wie die Hal-
tung des Juristen HARMENoPuLos, der sich von beiden Parteien fernhält und sie in
gleicher Weise beschuldigt 875 •
Alle drei Erklärungsversuche enthalten einen Wahrheitskern. Jedenfalls wird
deutlich, daß die Frage, ob die Gefolgschaft des J OANNES KANTAKUZENOS und der
Palaiologen "palamitisch" bzw. "antipalamitisch" war, eigentlich falsch gestellt
ist. Die meisten aktiven Politiker und Militärs standen dem Streit persönlich
indifferent, wenn nicht feindselig gegenüber. Da sie aber der Gefolgschaft des
Kantakuzenen oder des Palaiologen angehörten, bildeten sie auch bei den reli-
gionspolitischen Maßnahmen ihrer Führer den "Umstand". Sie sind die meist un-
benannten aexov7:e~ und avyuA'YJ7:tuol, die bei den Synoden in Erscheinung treten,
nicht nur zur Repräsentation, sondern als Demonstration der realpolitischen
Macht ihres Führers ..
Wie die meisten theologischen Streitigkeiten nicht nur in Byzanz, sondern auch in
anderen Bereichen geschichtlichen Lebens wird also der palamitische Streit ausge-
tragen von Theologen, theologisch oder philosophisch interessierten Laien, von
Mönchen, dem hohen Klerus, von nicht in der Politik stehenden Adeligen, schon
weniger von Literaten, die oft mehr oder weniger unfreiwillig in den Streit hinein-
gezogen werden. Es ist also eine Gesellschaftsschicht, die "Zeit hat", die sich auch
finanziell den Luxus leisten kann, riesige Abhandlungen über Tiefgründigkeiten
der Gotteslehre zu verfassen, die die nötige Bildung besitzt. Die übrigen Gesell-
schaftsschichten, sowohl die hohen Politiker wie unbemittelte oder verarmte
Kreise, treten im Streit erst dann in Erscheinung, wenn die theologischen Parteien
politisch aktiv werden, Gruppen bilden und innenpolitische Veränderungen her-
beiführen wollen. Dann tritt auch der Mjp,o~ in Aktion.
Die Bedeutung der Synode von 1351, die im palamitischen Streit einen gewissen
Abschluß bildet, beruht für die Gesellschaftsgeschichte des späten Byzanz neben
den wiederaufgenommenen grundsätzlichen Erörterungen über die Stellung des
Kaisers in der Kirche vor allem in der Aktivität des Volkes und der Tätigkeit der
siegreichen religiösen Gruppe der Palamiten.
Die Versicherung des J OANNES KANTAKUZENOS ist durchaus glaubwürdig, er habe
die Synode auf das Drängen des Patriarchen KALLISTOS, der übrigen palamitischen
Erzbischöfe und der "Mönchsscharen" hin zusammengerufen, um der Wühlarbeit
der Antipalamiten ein Ende zu setzen 876 . Nach Ansicht der Antipalamiten fürch-
tete der Kantakuzene ein Erstarken ihrer Gruppe 877 . Wenn GREGORAS bei der Wahr-
heit bleibt, war die Synode bereits seit vier Jahren als ökumenisches Konzil ge-
plant gewesen 878 , d. h. der Konzilsentscheid von 1347 war nicht als endgültig ge-
dacht. Wie es um die "naee'YJala" der Antipalamiten aussah, zeigt das Verhalten
des .Aru:NDYNOS879. Er bleibt trotz des kaiserlichen esantap,a, das ihm Redefreiheit
zusicherte, im Verborgenen. Er hatte gute Gründe, dem Kaiser und den Palamiten
nicht zu trauen. Die Erfahrungen im August 1341 waren ein übles Vorzeichen. Die
Ereignisse auf der Synode von 1351 gaben dem Mißtrauen des .Aru:NDYNOS recht:
Die von vorneherein überlegene Palamasgruppe wendet auch noch heute wohlbe-
kannte Methoden an. Die Gegner werden durch systematisches Lärmen mundtot
gemacht; durch handfeste Drohungen soll die gegnerische Gruppe gesprengt wer-
den 880. Ob die Antipalamiten wirklich - wie GREGORAS versichert - um ihr Leben
bangen mußten, bleibt dahingestellt 881 . Es kommt zu tätlichen Ausschreitungen 882 .
876 Kant. IV, 23: III, 166.
877 MERCATI Notizie 211 aus Cod. Vat. 2335.
878 Nik. Greg. XVIII, 3: 882.
879 Reg. 2913 ist mit Sicherheit in die Vorbereitungs zeit des Konzils von 1351 zu setzen.
880 Nik. Greg. XX, 7: 994; XXI, 3: 1008/9.
881 A. a. O. 1007.
882 A. a. O. XXI, 3: 1011.
134 DER SIEG DER PALAMITEN
Dieses Verhalten einer siegreichen und überlegenen Personengruppe ist eine allge-
meine geschichtliche Erscheinung, die in der frühbyzantinischen Kirchengeschichte
auf den Synoden besonders augenfällig wird, aber durchaus nicht auf den kirch-
lichen Bereich beschränkt bleibt. Ebenso typisch wie das Verhalten der überlege-
nen Gruppe ist die Stellung der "Verfolgten". Sie suchen Verstärkung durch Per-
sonen, die eigentlich nicht zur Gruppe gehören. Der religiöse Streit bekommt eine
politische Färbung, eine immer wiederkehrende Erscheinung, die im palamitischen
Streit an vielen Punkten sichtbar wurde. Der Tomos von 1351 ist wie der Tomos
von 1347 nicht nur eine dogmatische Entscheidung, sondern "un document d'Etata
lagloiredel'empereurJean Cantacuzene", wie MEYENDORFF mit Recht bemerkt 883 •
Durch die unedierte Schrift des Anonymus des Cod. Vat. UU pars IV erfahren
wir, JOANNES KANTAKUZENOS habe vor der Synode behauptet, daß die Antipala-
miten ihm nachstellen und ihn stürzen wollen 884 • Nach dem unten edierten Ab-
schnitt aus dem Entwurf einer antipalamitischen Synode wurden die Antipalamiten
als "Aufständische" und "Widersacher gegen sein Kaisertum" bezeichnet. Waren
die Anschuldigungen ganz aus der Luft gegriffen 1
Der antipalamitische Synodalentwurf des Cod. Vat. 2335 hat als einzige Quelle
sehr aufschlußreiche Hinweise über die Verbindung der Antipalamiten mit dem
<5fjflo~. Der Entwurf behauptet, JOANNES KANTAKUZENOS habe die Synode von
1351 einberufen, um den <5fjflo~ auf seine Seite zu ziehen 885.
Das Volk habe sich in großer Menge am ersten Sitzungstag eingefunden 886. Die
Rolle des Volkes zwischen dem ersten und zweiten Sitzungstag beschreibt eine
bisher unedierte Stelle des Synodalentwurfes, die ich hier wegen ihrer Bedeutung
im griechischen Wortlaut mit Übersetzung wiedergebe 887 : ov yae <5l' 'A"lv-
uVvov,/ B aelLaafl
jl ~ ' \ T'YJV
\ a'YJv
\ e""IL'YJalaV
, , I \ I , I () ", \
"al "Ot'VWVlaV anoaeWfle a, alLILa ula TOV jl \ \
n aÄaflav "at T~V aVTov ye ~oAv()etav "a"w~ el~ T~V 8""Ä'YJalav naeelaeÄ()6vTa.
noÄÄwv o15v 8nt TOVTlP nae' aflqJoTeeWV AeX()evTwv Ä6ywv "at &a<5l"aala~ ov
fll"ea~ yeVoflev'YJ~ w~ T~V fJfleeav änaaav naeeÄ()e'iv TeÄo~ b<5l<5wat'V 0 ßaalÄeV~
TCp Te "eaTel Tij~ aÄ'YJ()ela~ 8nl. noÄv fl~ <5vva.fleVO~ avTtßalVet'V "at äfla TWV nae6VTWV
dnavTwv ala()6fleVO~ öaov Te b äexOV(]l "at öaov 8V <5~flCP avvat'VOVVTWV flBV "eVqJa
TOl~ vno TWV aV()laTaflevwv Tfj nOÄv()etq. e'YJ()el(]l, TOl~ <5'vno TWV neoa"elflevwV Tfj
a'ieea8l fleflqJOflevwv Te "at vn' c)<56vTa "a"oÄoyoVVTWV. "at ylVeTat naeaa'YJflelW(]l~
EyyeaqJO~ w~ av yeVoflev'YJ~ ß' avv6<5ov elaeVeX()eVTa Ta Tij~ naÄafllTt<5o~ ßlßÄov
naee"ßÄ'YJ()evTa "eqJaÄala naea TWV Tfj nOÄv()etq. aV()laTaflevwv avayvwa()wat'V el~
8n~,,00v navTwv "at fleTa T~V avayvw(]lv OiSTOl flBV äe~WvTal Tij~ TOVTWV flefl1peW~
(bisher unediert): ofhw yae cl>~01J xal TOV oijp,ov vnayaysiv Tfi eavTov dO'sßelq. xal o~ avvaOeot-
CU TOV~ anavTaXov Tij~ ewp,atoo~ emO'x6nov~ Tij~ naÄap,txij~ öVTa~ navTa~ cpaTeta~ TS xai
a[eeasw~.
886 Unedierter Zusatz am linken Rand zu dem beiMERcATI Notizie 223 zu Nr. 8-9 zitier-
ten Satz: wv p,iv [seei~ 7:C xal p,ovaCov7:C~ neo~ oe xal TWV Tij~ O'VYXÄ~TOV üp,a Te xal TOV
o~p,OV nÄijOo~ ÖV!~~ ovx svaetOp,1JTOV yae dÄÄ' ovoe p,~v O'vveO'swr; dp,oteovv.
887 Cod. Vat. 2335 fol. 2 (6. Bild· meines Mikrofilms).
C~D. VAT. 2335 135
xat xaT'YJY0f!lar;, 80e'V a'V ßOVAO'V7:at, IIaAap'{ir; l5' ai)Otr; 7:fjr; MOAoylar;, 80e'V a'V
ßOVAOtTO. Xat bd TOV7:0V fJ a' l5taA8AV7:at O'V'Vol5or;. l5vo l5i f-le7:' av TTJ 'V l5teAOOVO'W'V
fJf-lef!W'V Tfj e;fjr; nf!oO'7:aYf-la7:L ßaO'tAtXfj fJ ß' O'V'Vol5or; O'VYXf!07:eiTat. nf!o l5i TavT'YJr;
ol IIaAaf-lfj7:at nf!oO'eA06'V7:e~ Tf{> ßaO'tAei T<I l5et'V6TaTa eß6w'V xaT'aVTW'V nenf!aYf-la-
TeVO'Oat TO'V l5fjf-lo'V. nf!6cpaO't'V yaf! EAeyO'V Aaß6'VTer; ol TOV l5fJf-lOV TTJ'V yeyo'Vvla'V
exel'V'YJ'V naf!aO''YJf-lelwO't'V, e'V Ti xaT80'T'YJO'a'V ol fJ,ü'V a'V7:LA8YO'VTer; äl5eta'V EXeW
xaT'YJY0f!ei'V, 80e'V a'V ßOVAOt'VTO, xaO' fJf-lQyp ßaf!8Wr; en80e'VTO r) TO'V IIaAafta'V
a'Va08f-la7:L xaOvnoßaAei'V MatTOV'VTer; fJf-lar;, r) T<I Xelf!tO'Ta l5f!aO'eW ftTJ naf!atTOVf-le-
'Vot xaO'fJf-lw'V. TOVTW'V axovO'ar; 0 ßaO'tAeVr; TTJ'V f-li'V naf!aO''YJf-lelwO't'V exel'V'YJ'V axvf!wO'at
ßeßOVAeVTat. Tf{> l5i l5fJf-lfP l5ta TW'V l5'YJf-laf!Xw'V MetA'YJO'af-le'Vor; OVO'tW'V Te acpalf!eO'W
xat TTJ'V e'V l5eO'f-lWT'YJf!lfP xaOetf!;t'V. Ta MO TOVl5e na'VTOr; l58ovr; TOVr; TaAa'Var; M'YJAAax-
'
Oat nenot'YJXe'V, , , , , OVUe
aAA ,..!: \
xaTa\ T'YJ'\ V ß' O'V'VOuO'V
'..!: "
etaO'e'VI,,
aXWAVTO'V -
TfP ßOVAOf-le'VfP
" T'Y\J'V
eiO'ol5o'V wr; xa'V Tfj nf!OT8f!f!- l5eet TOV f-lTJ ai)Otr; TOVr; naf!aTvx6'VTar; xaTa1p'Y}cplO'aO'Oat
TOV IIaAaf-lo., xaOanef! xOir; xat nf!6Tf!tTa nenotfJXeO'a'V. O'v'VaX08vTw'V f-l8'VTot
na'VTw'V (überschrieben: 80'ovr; l5i xat naf!eXWf!fJO'YJ yaf! clO'eAOei'V) 0 ßaO'tAeVr;
öpa Tf{> xaOlO'at TO'V Of!ytC6f-le'Vo'V vnol5etX'Vvr; xat O'XfJf-laTl Te xat nf!aYf-la7:L O'TaO'taO'-
Tar; XUt l5'YJf-laYVf!Tar; TOVr; Tfjr; e1JO'eßelar; a'VTtnotoVf-l8'VOVr; anocpat'V6f-le'Vor; n'V. äf-la l5i
xat Tfjr; ßaO'tAelar; aVTfjr; entßOVAOVr; aVTOVr; anexaAet Ol6f-le'Vor; excpoßfJO'et'V aVTOVr;
l5ta TOVTOV xat f-laAaxWT8f!OVr; ef!yaO'eO'Oat Tfjr; vnif! TOV OeOV xat TW'V Oelw'V l5oyfta-
TW'V e'VO'TaO'eWr;. oll5i xat oihwr; Tfjr; nf!OT8f!ar; eiX0'VTO Y'VWf-l'YJr; xat f-laf!TVf!er; nO'a'V
cl xat a'Valf-laxTOt ...
Übersetzung dieses Abschnittes: (die Palamiten zu J o. Kant. am ersten Verhand-
lungstag) : " ... Nicht wegen Akindynos und Barlaam kündigen wir die Kirchen-
gemeinschaft mit dir auf, sondern wegen Palamas und seiner Vielgötterei, da er
in verderblicher Weise in die Kirche eingedrungen ist." So wurden dabei beider-
seits viele Worte gewechselt und lange Streitgespräche geführt, so daß der ganze
Tag darüber hinging. Schließlich gab der Kaiser der Durchschlagkraft der Wahr-
heit nach, da er nicht länger Widerstand leisten konnte. Zugleich merkte er auch,
wie viele aller Anwesenden, sowohl unter den Archonten wie unter dem Volk,
heimlich den Worten der Gegner gegen die Vielgötterei zustimmten und andrer-
seits die Ausführungen der Anhänger der Häresie tadelten und insgeheim schmäh-
ten. Ein schriftlicher Entscheid wurde formuliert, daß in der zweiten Sitzung die
in der Palamasschrift niedergelegten Lehrsätze von den Gegnern der Vielgötterei
vorgebracht und öffentlich verlesen würden und daß sie mit ihrem Tadel und mit
ihrer Anklage an einem beliebigen Punkt beginnen könnten, desgleichen könne
auch Palamas mit seiner Verteidigung beginnen, wo es ihm beliebe (die Angabe
wird bestätigt vom palamitischen Tomos von 1351: PG 151 Sp. 723A). Damit
schloß der erste Sitzungstag. Zwei Tage verstrichen und am dritten Tag wurde auf
Grund eines kaiserlichen Prostagmas (vacat in Dölgers Regesten) die zweite
Sitzung einberufen. Zuvor aber kamen die Palamiten zum Kaiser und beklagten
sich aufs heftigste, daß das Volk gegen sie Machenschaften plane. Sie sagten:
"Die Vertreter des Volkes (ol TOV l5fJf-lov) haben jenen Entscheid, nach dem unsere
Widersacher in der Lage sind, ohne Furcht von beliebigen Punkten her Anklage zu
führen, als Vorwand benutzt. Sie setzten uns schwer zu, indem sie von uns fordern,
Palamas mit dem Anathem zu belegen, andernfalls aber, wenn ihnen diese Forde-
rung abgeschlagen wird, mit den schärfsten Mitteln gegen uns vorzugehen."
Daraufhin hat der Kaiser bestimmt, jenen Entscheid ungültig zu machen. Dem
Volk aber drohte er durch die Demarchen mit dem Entzug des Besitzes und mit
136 DER SIEG DER PALAMITEN
Gefängnisstrafen und befreite von da an die Elenden (d. h. die Palamiten) von
jeglicher Furcht. Auch gestattete er in der zweiten Sitzung nicht jedem Beliebigen
den Zutritt wie bei der vorhergegangenen Sitzung aus Furcht, beliebige Personen
könnten ihr negatives Urteil über Palamas fällen wie in den vergangenen Tagen.
Als alle versammelt waren (d. h. denen der Zutritt gestattet wurde), zeigte sich der
Kaiser, als er Platz nahm, zornig in seinem Gehaben und seinen Maßnahmen und
nannte die Antipalamiten Aufständische und Volksaufwiegler. Desgleichen nannte
er sie Widersacher gegen sein Kaisertum. Er glaubte sie so einschüchtern zu können
und nachgiebiger zu machen in ihrem Kampf für Gott und die göttlichen Lehren.
Die Antipalamiten beharrten aber auf ihrer früheren Meinung. Sie waren Märtyrer,
wenn auch ohne Blut ... (Es folgt eine Rede an den Kaiser).
Aus dieser Quelle geht einmal hervor, daß es im Belieben des Kaisers stand, den
~fjp,oe; zu den Synodalverhandlungen zuzulassen oder auszuschließen. Ein "ver-
fassungsmäßiges" Recht des Volkes an der Teilnahme bestand jedenfalls nicht.
Weiter ist die Organisation des Volkes gut zu erkennen. Die Verhandlungen mit
den Palamiten über die Anathematisierung des P ALAMAS mußten notwendig mit
ausgewählten Volksvertretern geführt werden. Es ist anzunehmen, daß diese
Volksvertreter die ~np,a(!xot sind, durch die der Kaiser die Verhandlungen mit dem
Volke führte (siehe zu diesem Begriff S. 76). Mag die Palamasfeindschaft des
Volkes in dem Synodalentwurf auch übertrieben sein, das kraftvolle Eingreifen
des organisierten Volkes in die kirchenpolitischen Verhandlungen ist deutlich:
eine gute Ergänzung zu den Nachrichten über die Bedeutung des ~ijf'oe; zur Zeit
des JOANNES KANTAKUZENos.
Auch 1351 wird wie 1347 von der unterlegenen Partei dem Kaiser das Recht
abgesprochen, in Glaubenssachen zu entscheiden. NIKEPHOROS GREGORAS hat
in seinem Geschichtswerk solche Gedanken angedeutet 888 • Viel klarer ist die
Stellungnahme des bereits erwähnten Anonymus des Cod. Vat. UU pars
IV. In seiner Rede an den Kaiser sagt er gleich am Anfang 889: cl p,B'V YU(!
na(!6.~uyp,a vra(!aaT'YJaG.p,8'VOe; TOVe; in~ TW'P nlIAat aV'P6&v'V t8(!W'P ßaatABae; T~'V
()'vp,8TB(!a'V av'Po~o'V rj()(!otC8e; uaT'besl'Vove; ua~ TO'P in~ TOLOVTOte; 'V6flo'P ua~ TO'V
TOV axnp,aTOe; öyuo'V T'YJ(!W'V aU(!OaT~'V op,olwe; iU8l'Vote; ua~ TW'V ~t8Y'PwaflB'Vw'V
,
n(!OaTaT'YJ'V uat\T8A8atoV(!Yo'V,
' " aAA, , " OV U(!tT'YJ'V
\ a8aVTo'P
\ 8ua
, '() t~8e;
r ~ 'I ua() taae;
, "
8T'YJ(!Ue; .\
T'YJ'V
iuuA'YJala'V, icp' ~e; n'P a'Vw()8'V p,BPOvaa ~6~'YJe; ua~ uaTaaTaa8We;, n'V a'V TW'V uOftt~ij
flaUa(!lw'P we; aA'YJ()We; TO x(!fjp,a.
Hier eine freie Übersetzung: "Die Kaiser bei den früheren heiligen Synoden hättest
du dir zum Vorbild nehmen und in ihrer Weise eure Synode einberufen sollen,
indem du das bei diesen (Synoden) geltende Gesetz und die Würde der (kaiser-
lichen) Stellung bewahrtest, als Zuhörer wie jene, als leitendes ausführendes Organ
für die Beschlüsse. Aber nicht das Richteramt hättest du dir anmaßen dürfen. In
diesem Falle hättest du wenigstens die Kirche bei ihrem hergebrachten Glauben
und ihrer alten Verfassung belassen sollen. Dann wäre dein Handeln wahrhaft
aller Heiligen würdig gewesen."
Im Grunde genommen sprechen diese Sätze den alten bis auf KONSTANTIN den
Großen zurückweisenden Grundsatz aus, daß der Kaiser nur der Bewahrer der
Orthodoxie sei, aber nicht Herr des Dogmas. Wichtig ist dabei, daß sich J OANNES
890 Der ganze Satz lautet (Ood. Vat. 1111 pars IV) fol. 223 V O ••• viiv ~e Tmv Ti'j~ e",,},:rJG{a~
d}"a<1TOeaW e~eteya(]/tevwv t5td (]oii nav{) , änee eßov}"ovTO. (]V YUe aVTo~ Toii ßa(]t}"e{ov (]aVTOV
{jtpov~ "aTa(]na<1a~ "etT"'~ ov" e~ov "ai dVTÜkxo~, e7ttTt/t1JT'IJ~ Te "ai "a{}aLeeT1J~ "ai navTa o/toii
xe'IJ/taTa "aTa(]Ti'jvat neoe{}"ov ~td ~n "ai Tmv etp1JQ)t(]fLEvWV }"oyov~, wi.}"a äv el"oTw~ vnexoL~
dnatTov/tevo~ ov" eni ~t"a(]TmV TOVTWV /tovwv d}"}"d "ai Tmv ä}"}"wv navTwv dv{}edmwv.
891 Br. 21, vgl. Br. 17 u. 49 (ed. R.-J. LOENERTZ Oorrespondance de Manuel Oalecas,
Studi e Testi 152, Rom 1950).
802 OOP 25 (1959) 130 Z. lf. (ed. M. O.ANDAL).
808 Ed. LOENERTZ in Dem. Kyd. Oorrespondance I Appendix I Nr. 4 S. 171.
Xll. Die Struktur der Gefolgschaft
Es war notwendig, bei der Betrachtung des J OANNES KANTAKUZENOS als Adeligen
und der Entwicklung seiner "Gefolgschaft" diese vorläufig "als den JOANNES
KANTAKUZENOS ergebenen Anhang von Verwandten, Freunden und Dienern" zu
bestimmen. Das Wort ist im deutschen Sprachgebrauch bereits mit festumgrenzten
Vorstellungen verknüpft. Die Mediävistik bezieht das Wort "Gefolgschaft" spe-
ziell auf eine im germanisch-keltischen Bereich auftretende Vereinigung eines
adeligen Gefolgsherren mit jungen Standesgenossen, verbunden mit gegenseitiger,
durch Eid bekräftigter Treueverpflichtung 894 • Zwar haben Historiker der spät-
römischen Republik wie GELZER und PREMERSTEIN 895 und für die byzantinische
Zeit H.-G. BEcK den Begriff unbedenklich im Sinn der etymologischen Grundbe-
deutung ähnlich der oben gegebenen Definition gebraucht. Trotzdem scheint es
nötig, darauf hinzuweisen, daß mit der Wahl dieses Wortes noch nichts über die
Struktur der Personengruppen, die mit dem Adeligen in personaler Verbindung
standen, ausgesagn ist.
Der geschichtliche überblick über die Entwicklung der Gefolgschaft des Adeligen
und Kaisers JOANNES KANTAKUZENOS sollte zeigen, daß die Bindungen, die der
Adelige mit anderen Personen eingeht, ganz verschiedener Natur sein können.
Schon die aus einer bestimmten Notlage und mit bestimmter Zielsetzung gebilde-
ten politischen Zusammenschlüsse, die bei diesem überblick zu untersuchen
waren, zeigen verschiedenartigen Charakter. Im Herbst 1320 war es ein Dreier-
bund von mächtigen Adeligen mit einem Kronprätendenten an der Spitze, zu der
nur als "Außenseiter" später ALEXIOS APOKAUKOS stieß. SYRGIANNES bildete
einen Zusammenschluß aus cplAOt und obd-cat. ALEXlOS ApoKAuKos versuchte,
ihm sozial höherstehende Adelige und Beamte an sich zu binden; der Patriarch
schart eine Anzahl von Senatoren, verstärkt durch die religiöse Gruppe der
Akindynosanhänger (siehe Kap. X), um sich.
Diese Zusammenschlüsse werden im Sprachgebrauch des Kantakuzenen h:ateela,
aVPwl-"oala, cpa7:ela seltener ava7:'Yjl-"a 896 genannt. Alle vier Wörter bezeichnen be-
reits in der Zeit der "klassischen" Staatsform der griechischen Polisdemokratie
eine politische Vereinigung und Verschwörung, die vor allem den Umsturz der
Caesar, Wiesbaden 1960. A. v. PREMERSTEIN Vom Werden und Wesen des Prinzipats,
Abh. Bayer. Akad. Wiss. NF Heft 15 (1937). In der englischen Sprache bietet sich ein
weniger vorbelastetes Wort für "Gefolgschaft" an: "following". Der Begriff wird z. B.
verwendet von R. SYME The Roman Revolution, Oxford Paperbacks 1960, 68.
896 Kant. IrI, 93: Ir, 569, 13.
EIDE 139
bestehenden Ordnung bezweckt 897 • Beachtenswert ist, daß der Ausdruck q;a-re[a,
8-raleS[a und uvu-r'YJf-la in positiver Bedeutung eine Gruppe verschiedenartigen,
vor allem religiösen Charakters bezeichnen kann 898. In dem Wort uV'Pw!l0u[a ist
etymologisch das Element v.erbunden, das seit der Antike einen wesentlichen Be-
standteil der politischen Verbindung darstellt: der Eid 899 • Bei allen uns noch greif-
baren politischen Zusammenschlüssen zur Zeit des JOANNES KANTAKUZENOS
wurden Eide gesprochen. Vergleicht man den Wortlaut der im Jahre 1320 ge-
sprochenen Eide der adeligen "Triumvirn" mit den Eiden des ALEXlOS APOKAU-
KOS im Jahre 1341 an die Asanbrüder und an den Patriarchen, so läßt sich un-
schwer ein Eidesformular rekonstruieren: Zuerst wird Hilfe und Beistand ver-
sprochen mit der gesamten persönlichen Hausmacht, die umschrieben wird mit
Besitz (Geld, Waffen), Freunden, Verwandten und Dienern. In dieser Umschrei-
bung kann das eine oder andere Element variieren, immer aber sind sowohl Besitz
wie persönlicher Anhang genannt. Dann folgt die Versicherung des persönlichen
Gehorsams bis in den Tod. Eine zeitliche Abgrenzung des Gehorsamsverhältnisses
wird nie gegeben. Die soziale Schichtung der Gruppe, die SYRGIANNES aus Die-
nern und Freunden zusammenbringt, also teilweise von Personen, die keine Haus-
macht ihr eigen nennen, und die, wie die Erwähnung der "Diener" beweist, schon
vorher zu der engeren Gefolgschaft des Adeligen gehörten, ist wohl der Grund, daß
in diesem Fall von der Hilfe mit der eigenen Hausmacht bei den Eiden nicht be-
sonders gesprochen wird.
Diese Eide, in der 8-raleS[a gegeben, gehen über die Treueide hinaus, die der
byzantinische Untertan dem Kaiser vor allem bei Thronwechsel gab, die von
politischen Gegnern abverlangt wurden, um sich ihrer Treue zu versichern, wie
es vor allem im Jahre 1341 mehrfach ohne jede Wirkung geschah. Sie sind am
nächsten zu vergleichen mit den Eiden, die unsichere Parteigänger zum Beweis
ihrer Zuverlässigkeit abgaben, wie SYRGIANNES bei seiner Kehrtwendung zu
Kaiser ANDRONIKOS 11. 900 und KOMlTOPULos und VATATZES gegenüber der Kai-
serin IRENE in Didymoteichos 901 • Gerade die Erwähnung der Hilfe und des Bei-
1197 Zur Bedeutung von paie{a, Eiateela, avvwpoa{a in mittelbyz. Zeit: BEcK Gefolg-
schaft, 14 A. 4 und 15 A. l.
898 Vita SAB.AE Kap. 13 (S. 211, 13-14): die Gruppe um SABAS erhält die Botschaft des
Kaisers ANnRONIKOS Ir. (Reg. 2300): iaVia pa06vi8~ oE iij~ pByd).TJ~ ",al OBOqJt).OV~
paie{a~ e"'B{VTJ~' A. a. O. Kap. 58 (S. 303, 22f.): iOV (jB xoeov iij~ nBel aVi6v it~ liateela~
kommt zu SABAS und will in die tieferen Geheimnisse der mystischen Schau eingeweiht
werden. Vita GREGORII SIN., 15, 29f.: GERASIMOS bildet um sich ein LBeOV avaiTJpa
paOTJiwv. Vita SAB.AE Kap. 63 (S. 328, 3): der Zelotenführer ANDREAS bittet den Vor-
steher der M. Laura, SABAS seine Anwesenheit zu melden: p", av dnoaiijvaL ",aOdna~
laXVeLC6pBVO~ iijr; LBe6.~ e",elvTJ~ paiela~. PHILOTHEOS Enkomion PG 151 Sp. 603A: als
der Patriarch Kalekas sich Akindynos zuzuwenden beginnt, ist GREGORIOS P ALAMAS
abwesend: reTJyoelov (je ",al iij~ ",ai' aViOV IBe6.~ liateBla~ ",aTaieexWV ",al p", nae6ViWV ...
Kant. III, 53: II, 313, 23: paiela~ ).apne6.~ avyyBVwv ",al p{).wv. Vgl. THOMAS MAGI-
STROS IIBel nO).Liela~ PG 145 Kap. 3 Sp. 501B.
899 RE IV A 2 (1932) Sp. 1445-1450: Art. avvwpoala (SEIDL) vor allem Sp. 1447.
900 Nik. Greg. VIII, 11: 352, 17 (Reg. 2464) peL",(MBL~ Öe"'OL.
901 Kaut. III, 47: II, 286. Diese Eide erwähnt N. G. SVORONOS Le serment de fideliM
Charakter hat und bereits im klassischen Griechisch in bestimmten Fällen mit cogna-
tus, propinquus zu übersetzen ist. M. LANDFESTER Das griechische Nomen "philos"
und seine Ableitungen, 1966 (Spudasmata XI Olms) vor allem S. 71-74. P. A. EERNST-
MANN Oi'Xeior;, h;aieor;, E1urf}oetor;, ep{}.or;, Diss. Utrecht 1932 mit engl. Zusammen-
fassung. E. betont die Verwendung dieser Wörter für soziale und politische Gruppen-
bildungen im klass. Sprachgebrauch.
804 Zur Komnenzeit: A. HOHLWEG Beiträge zur Verwaltungsgeschichte des oströmi-
schen Reiches unter den Komnenen (Miscellanea Byzantina Monac. 1) 1965, 15-34.
Zur Palaiologenzeit: F. DÖLGER Die dynastische Familienpolitik des Kaisers Michael
VIII. Palaiologos, in: Paraspora, Ettal 1961, 178-188. CHARANIS Aristocracy 354.
005 SYME a. a. O. S. 64. Siehe A. 895.
DIE "POLI'f'!SCHE GEFOLGSCHAFT" 141
des Abfalls am größten war. Es ist nicht zufällig, daß gerade in der politischen
Gefolgschaft der Eid anzutreffen ist.
Die Frage nach feudalen Zügen in dieser politischen Gefolgschaft zeigt ihre Struk-
tur noch deutlicher.
Nur in den Eiden des ANDRONIKOS III. war nach GREGORAS auch von Verspre-
chungen bedeutender materieller Vorteile die Rede. Besteht hier der für das hohe
westliche Mittelalter' charakteristische Feudalnexus 906 1 Zur Beantwortung dieser
Frage ist noch das Chrysobull des JOANNES VI. KANTAKUZENOS an JOANNES
ANGELOS vom Jahre 1342 heranzuziehen, in dem ANGELOS auf Lebzeiten zur
'XscpaAIj von Thessalien ernannt wird. Er schwört, cptAor; TOV cptAov 'Xat TOV ex()eov
ex()eor; zu sein 907. So scheint die kürzeste Form des Treueides zu lauten. Der
jüngste Sohn des Despoten MICHAEL KUTRULES II. von Neopatrai MICHAEL
(DEMETRIOS) hat kurz vor dem Jahre 1305 die aus Kleinasien geflohenen Soldaten
mit den gleichen Worten an sich gebunden, wobei diese Eide wechselseitig gegeben
wurden 908. Die Heeresfolge, zu der sich J OANNES ANGELOS verpflichtet, ist abge-
stuft: Nur bei Feldzügen bis Christupolis hat er mit seinem gesamten Heer ein-
schließlich dem der Albaner Heeresfolge zu leisten. Darüber hinaus hat er nur selbst
zu erscheinen "mit einem möglichst großen Heer" 909.
Faßt man die von ANDRONIKOS III. an SYRGIANNES versprochenen materiellen
Vorteile als Bedingung für den Gefolgschaftsdienst, als "zukünftiges Lehen",
nicht nur als "Wohltat" und "Belohnung", den Eid der BTatesta als "Homa-
gium" , dann kommt dieser Vorgang wirklich dem westlichen Feudalnexus sehr
nahe. Da SYRGIANNES als Adeliger wieder cptAot und Diener neben und unter sich
hatte, ließe sich sogar eine "Lehenspyramide" konstruieren.
Anders liegen die Verhältnisse bei J OANNES ANGELOS: Er war ein getreuer Partei-
gänger des neuen Kaisers vom Beginn des Bürgerkrieges an. Ausdrücklich wird in
der Urkunde von 1342 betont, daß die Amtsverleihung als svseysa[a aufzufas~en
ist, mit der treue Gefolgschaftsdienste belohnt werden. Der Eid kann als Amtseid
aufgefaßt werden gegenüber dem regierenden Kaiser, der J OANNES KANTAKUZE-
NOS im Jahre 1342 nach seiner Auffassung bereits war. Er erinnert stark an den
ßaatAt'XOr; öe'Xor; im Traktat des MOSCHOPULOS über dieses Thema. Er wird von
denen gegeben, die lua()or; empfangen 91o • Vom Genuß der Einkünfte aus dem ver-
liehenen Gebiet ist in der Urkunde an JOANNES ANGELOS nicht ausdrücklich die
Rede - worauf ZAKYTHINOS mit Recht hingewiesen hat 911 • Der Adelige hat nach
der Übergabe Thessaliens an ihn 1343 wirklich in entscheidungsvoller Lage dem
Kantakuzenen mit einem ReiterheerGefolgschaftsdienste geleistet 912 • Nach 1347
tritt er nicht mehr in Erscheinung.
806 F. L. GANSHOF Was ist das Lehnswesen? 2. rev. deutsche Aufl. Darmstadt 1967,
163-169: Beziehungen zwischen Vasallität und Lehen.
807 Kant. III, 53: II, 320, 14-16.
Es ist eine allgemeine, durchaus nicht auf Byzanz beschränkte Erscheinung, daß
mit solchen "Wohltaten", die nach den Empfängern abgestuft wurden 913 (die
vornehmeren Gefolgsleute bekamen Ehrenränge, Geschenke, Verwaltungsstellen,
die Soldaten Geld und "jährliche Emkünfte"), die Anhängerschaft in ihrer Treue
gestärkt und neue Anhänger geworben werden sollten. Die Brüder J OANNES und
MANUEL ASAN sollen mit der eidlichen Zusicherung, Güter und Einkünfte zu er-
halten, zum Abfall von JOANNES KANTAKUZENOS gelockt worden sein 9U • Der
Vorgang erinnert an die eidlichen Versprechungen des Kaisers ANDRONIKOS II!.
an SYRGIANNES. Diese Wohltaten können gefordert werden als Bedingung für eine
bestimmte politische Haltung. So verlangen die einflußreichen Bürger (~V'JIaTW
TE(!Ol) von Thessalonike 1345 für sich Ehrenstellungen und Einkünfte, für das
Heer und die übrigen Bürger entsprechende Leistungen und Steuerfreiheit für die
ganze Stadt, falls das Gemeinwesen zu J OANNES KANTAKUZENOS übergehen
werde 9l5 •
In sechs Urkunden aus der Zeit der Bürgerkriege können wir erkennen 916 , wie die
Übergabe von "Gut und Einkünften" aussah. Die Merkmale sind überraschend
ähnlich. Die eiJ"ola, d. h. die früheren Gefolgschaftsdienste im Bürgerkrieg, wird
mehr oder weniger ausführlich gelobt. Dann folgt die Bestimmung, daß der Emp-
fänger ein Gut, das durchweg nach der Aussage der Urkunden früher den Status
einer oluopop,[a hatte, nun "haben und besitzen" (uaTeXEw uat pep,Ea()al) solle
und daß dieses Recht auf die Kinder übergehen solle. Auf die Erblichkeit dieser
Verleihungen hat ÜSTROGORSKY mit Recht hingewiesen 917. Niemals sind die
Privilegien soweit ausgedehnt, daß von einer freien Verkäuflichkeit der Güter
durch den Besitzer gesprochen wird. Trotz der Erblichkeit sind sie also kein volles
Eigentum - wenigstens in der juristischen Auffassung nach dem Text der Urkun-
den. In der Praxis mögen sie als volles Eigentum gewertet worden sein. Die Über-
tragungen sind niemals mit irgendwelchen Treueverpflichtungen verknüpft, auch
wird niemals auf vorher eingegangene personale Bindungen Bezug genommen.
M. MLADENOVIo hat in einem grundlegenden Aufsatz gerade dieses Fehlen einer
Treueverpflichtung und einer Lehenspyramide angeführt, um einen "Feudalismus"
in Byzanz abzustreiten. E. WERNER weist dagegen auf die Gleichheit der Produk-
tionsverhältnisse in Üst und West hin 918. Vielleicht könnte man doch, wie oben
versucht, Ansätze zu einer Lehenspyramide und einem Homagium im späten
918 Z. B. Kant. I, 24: I, 119; I, 56: I, 287; III, 21: II, 132.
814 Reg. 2871. Wieder ist nur GREGORAS die Quelle wie bei den Versprechungen an
SYRGIANNES.
916 Kant. III, 94: II, 574.
916 Reg. 2884; 2887; 2900; 2933; 2968; im Praktikon an J OANNES MARGARITES ed.
LEMERLE ist der Güteranteil des ARSENIOS TZAMPLAKON ebenfalls eine ol'Xovopta.
917 FeodaliM 122. Vgl. G. T. GORIANOV Spätbyz. Feudalismus (russ.), Moskau 1962
99f. Vorsichtig, ohne juristische Folgerungen zu ziehen über die "yovt'X67:1}t;" auch
ZAKYTIDNOS Crise 60. Auch in den Verleihungsurkunden ("Wt; YOVt'Xlj) des Kaisers
ANDRONIKOS II. von den Jahren 1307 und 1318 (Reg. 2307, 2407), die ganz nach dem
gleichen Schema wie die Urkunden der vierziger Jahre konzipiert sind, ist von freiem
Verkauf nicht die Rede.
918 WERNER Volksbewegung 78 mit A. 292 in der Auseinandersetzung mit M. MLADE-
NOVIO (Zur Frage der Pronoia und des Feudalismus im byzantinischen Reich, Südost-
forschungen 15 [1956] 123-140).
DIE ..EN?ERE GEFOLGSCHAFT" 143
Byzanz entdecken. Zur Erfassung der Struktur der politischen Gefolgschaft er-
scheint aher der Vergleich mit dem westlichen Feudalsystem weniger gewinn-
bringend als der Vergleich mit der amicitia der römischen Republik, die sich als
freiwillige Gefolgschaft dokumentierte, im politischen Beistand für den Gefolgs-
herrn und in den Gefälligkeiten gegenüber den amici. In der römischen amicitia
(ich erinnere nur an die coniuratio Catilinae!) wie in der byzantinischen politischen
Gefolgschaft ist der Eid anzutreffen. Die soziale Streuung dieser politischen Ge-
folgschaft ist groß. Sie umfaßt den einfachen Soldaten, den Handwerker in einer
Stadt, der vielleicht z. B. bei Verrat wichtige Dienste leisten kann, den Truppen-
kommandeur , den Provinzstatthalter , den mächtigen Adeligen. Das Kennzeichen
dieser politischen Gefolgschaft ist, daß die Mitglieder dem Gefolgsherren ursprüng-
lich frei und unabhängig gegenüberstehen, von ihm erst gewonnen und in ihrer
Treue gestärkt werden müssen. Es ist ein immer schwankender, nie eindeutig ab-
grenzbarer, locker zusammengefügter Personenverband, der durchaus Züge einer
neuzeitlichen Partei trägt, natürlich ohne die parlamentarische Komponente.
Von der politischen Gefolgschaft zu scheiden ist eine zweite Gruppe. Deren Mit-
glieder sind nicht immer scharf von der ersten Gruppe zu trennen, da die Personen
beider Gruppen teilweise mit derselben unscharfen Terminologie bezeichnet wer-
den und da die zweite Gruppe innerhalb der ersten wirkt. Ich möchte diese Gruppe
als "engere Gefolgschaft" bezeichnen. Neben dem allgemeinen Ausdruck
gy[)..o~ und Superlativen wie el)'JJOV(1iaTO~ und nl(1i6TaTO~ werden die Personen
dieser Gruppe als olUeiot, O'vyyepei~, olUBTat bezeichnet. Der sehr verschwom-
mene Begriff der "Verwandten" bedarf keiner besonderen Erörterung. Es ist
selbstverständlich, daß Glieder der weitverzweigten Verwandtschaft des Kanta-
kuzenenhauses in ein näheres Verhältnis zum Adeligen traten als nur in der Stel-
lung des politischen Anhängers. Unter den 42 Exulanten, die im Herbst 1341 die
Hauptstadt verlassen mußten, waren gerade viele "Verwandte". Sie erscheinen
immer wieder neben den gy lJt.o t, den olUeiot und olUBTat. Die beiden letztge-
nannten Termini bedürfen näherer Betrachtung.
Olueio~919, häufig Ersatz für das Possesivpronomen der dritten Person, wird im
14. Jh. teilweise noch adjektivisch verstanden wie der öfter bei JOANNES KANTA-
KUZENOS, aber auch bei NIKEPHOROS GREGORAS und DEMETRIOS KYDONES auf-
tretende Superlativ oluet6TaTo~ zeigt 920. J. VERPEAUX hat den Gebrauch dieses
Begriffes vor allem in den Urkunden untersucht. Er kommt zu dem Schluß, daß
die olueiOt als Verwandte und Verbündete eine echte "Kaste" bilden, die den
Kaiser umgibt und aus welcher er seine Beamten und Würdenträger auswählt.
Wichtig ist hier besonders die Feststellung, die VERPEAUX trifft 921 : "Mais il faut
bien noter qu'ils ne sont pasles seuls (sc. die Kaiser) et que les personnages impor-
tants ont autour d'eux des oikeioi." Um diese richtige Bemerkung für das 14. Jh.
zu erhärten, ist es angebracht, auf die Zeit des Kaisers ANDRONIKOS II. zurückzu-
greifen. Um die Gemahlin des von Kaiser THEoDoRos 11. LASKARIS geblendeten
Bruders und tötet eva 'l'wa TWY ay(Jecfm;WY aVTov 935 . In den Prozeßakten gegen den
Metropoliten von Philippi steht die Aussage, eine Dame sei zu nächtlicher Stunde
zum Würdenträger gebracht worden naea TOV ay(Jewnov TOV ft'YJTeonoAlrov TOV
'AAßaYlrov Mtxa1]A936. Wie. aus dem Vertrag mit Venedig vom November 1332
hervorgeht 937, hat ANDRONIKOS ASAN, dessen olueiot auch JOANNES KANTA-
KUZENOS in seinem Geschichtswerk erwähnt, seinen ay(Jewnol; GEORGIOS MAGULAS
nach Venedig entsandt, um Anleihen zu machen.
Aber auch die Gleichsetzung von ay(Jewnol; und olueiol; hilft zur Bestimmung des
Begriffes nicht viel weiter, da es sich schwer nachweisen läßt, ob der Byzantiner
des 14. Jh. in das Wort ay(Jewnol; die Bedeutung von homo(lizius) als Vasallen im
Sinne des westlichen MA hineingelegt hat, eine Bedeutung, die er sicher wenig-
stens aus der Tradition gekannt hat 938 • Wie beim Wort olueiol; betont der termi-
nus ay(Jewnol;, den ich bei den Historikern des 14. Jh. nicht finde, das nahe Ver-
hältnis zwischen dem Herrn und seinem "Mann".
Daß der olueiol; kein "Leibeigener" ist, zeigt weiter der erwähnte Aufstieg des
Patriarchen JOANNES KALEKAS. Der Großdomestikos gliedert ihn seinen olueiot
ein. KALEKAS scheint damals bereits Priester gewesen zu sein. Er tritt freiwillig
in ein näheres Verhältnis zum Adeligen.
J OANNES KANTAKUZENOS bezeichnet an zwei Stellen selbstverständlich ohne
weitere Hinweise "Diener" (oluBTat) als olueiot 939 . Der Schluß liegt nahe, daß
die OlUBTat eine Untergruppe der olueiot bilden, nicht aber umgekehrt. Damit
stellt sich aber die Frage erneut, ob unter den olueiot, zu denen die oluBTat ge-
hören, sich nicht doch, ,Leibeigene" befunden haben. Denn unter dem Wort OlUBT'YJ1;
bzw. t5ovAol; verbirgt sich eine sehr uneinheitliche soziale Schicht, die den Adeligen
umgibt. Gerade unter den Dienern, die niedrige Dienstleistungen verrichten,
müßten rechtlose Sklaven ohne Freiheit anzutreffen sein. Es gibt jedoch keinen
Beleg, daß sich unter den "Dienern" des Adeligen noch Haussklaven befunden
hätten 940. Auch der olUBT'YJ I; , dessen Anhänglichkeit an seine Gattin dem Jungge-
sellen DEMETRIOS KYDONES Bewunderung abnötigt, braucht kein Sklave zu sein.
Er droht seinem Herrn, ihn zu verlassen und weit weg zu fliehen 941. Ein anderer
OlUBT'YJ1; des Humanisten hat Grundbesitz. Um ihm in einem Grenzstreit zu helfen,
wendet sich KYDONES an einen befreundeten Richter 942. KONSTANTINOS HAR-
986 MM I, 153.
986 MM I, 169.
987 Reg. 2787 hier MM IU, 107.
988 VERPEAUX Oikeioi (siehe A. 921) S. 94. J. FERLUGA La ligesse dans I'Empire by-
zantin, ZRVI 7 (1961) 97-123. Im Roman Belthandros und Chrysantza (14. Jh.) ist
von den ävOewnot des Königs von Antiochien die Rede (V. 801; 937 ed. E. KRIARAS in
BaatxTj BtßÄwOljx'YJ 2, Athen 1955).
939 Vgl. Kant. UI, 1: II, 14, 10f. mit U, 40: I, 560, 9f. Die olxlrat des ANDRONIKOS IU.
(Kant. III, 46: U, 282, 6) bezeichnen sich als olxeiot des Kaisers: Kant. !II, 47: II, 284, 3.
940 Die zwei Belege, die H. KÖPSTEIN Zur Sklaverei im ausgehenden Byzanz, Berlin
848 Z. B. I, 14 (S. 168-173) (immer ed. HEIMBACH, Leipzig 1851) (nef!l <5ovAaw); III,
8 § 38/9 S. 444/5 (<5ovAO~); III, 9 § 11/12 S. 450/1; V, 8 § 46 S. 638/9 (Gegenüberstellung
iAeV(Jef!o~ - <5ovAO~).
ou A. HADJINICOLAOU - MORAVA Recherehes sur la, vie des eselaves dans le monde by-
zantin, Athen 1950, 27.
946 PG 109 Sp. 648 D: 'Evrav(Ja <5ovAo~ fl6V rov <5ean6rrJV w(Jet· rov <56 nf!U:lflBVOV ro dV<5f!cLno<5oV·
rov <56 arf!arTJYov 6 dYf!oiuo~. Vgl. Nik. Greg. XVII, 3: 851, 3f.: dAAU ual <5ovAOL nf!o~ rwv
<5eanorwv wnAtCovro (im Kampf gegen Genua 1348); hier könnte <5ovAo~ auch "Diener"
heißen.
048 Joannes Kantakuzenos 1. Rede gegen die Juden Cod. Paris. 1242 fol. 293 vo, 294:
ual aot YUf! avv<5oueiv olflat navro<5anov elVat ro Xf!fjfla rfj~ <5ovAela~ ual fl-Yj anAovv. <5ovAov~
YUf! av elnOtflBV ual <50f!vaAwrov~ uai dW1Jrov~. elal <5' oE ual eavrov~ eu6vTB~ ÖVTB~ lv<5elq. rwv
lmrTJ<5elwv aAAOt~ vnon(Jeaaw. <5ovAela <5' a-o ual af!xovat ro vn~uoov. rf!6nov <5' eTBf!ov uai
<5ovAov~ aflaf!rla~ ovu e~w A6yov rpalTJ n~ av, rov~ fl-Yj AoYtaflip UeXf!TJfleVoV~ f}yeflovevovn rwv
na(Jwv flTJ<5' eavrov~ el<56ra~ w~ uar' eluova eeov nenAaarovf!YTJvrat dAA' f}<5ovwv dAoylarw~ uai
na(Jwv f}rrwflevov~ aAAwv uarw TB vevovra~ ua(JcLnef! dvayuTJv aaxoA6v nva ueurTJflevoV~ rai~
f}<5ovai~ <5ovAeVew del. cP YUf! fjrrTJral- n~ rwv f}fleref!WV (Je i6~ n~ dv-Yjf! elne - rovnp uai <5e<5ovAWrat.
oMa <5' eywye ual <5ovAetaV eref!av r-Yjv rfj~ dYcLnTJ~ lnawer~v. uai a-o eref!av flelCw naaTJ~ lAw(Je-
f!la~ ual d<5tmpof!wref!av. i}v ei n~ urwro (sie Cod.), navrwv <5vvatr' av vnef!avw ylvea(Jat.
rlva ravrTJv; ronav eavrov (JeATJfla nef!teAeiv uai naaav nva nef!tu6tpat nf!oalf!eatv, eavrov
vno(Jeivat uai vnora~at dv<5f!l rtvt (Jeltp rwv lmar~flTJV lxovrwv nf!oaayew (Jeip rov~ avroi~
uaAw~ l(JtAovra~ enea(Jat.
047 Dies zeigt im Jahre 1401 die Versicherung des GEORGIOS TEBRATZES, dessen <5oVATJ
in die Hagia Sophia geflohen war. Durch mehrmalige Intervention des genuesischen
Podesta bekommt TEBRATZES zwar seine Sklavin zurück. Er muß sich aber verpflich-
ten, sie weder zu züchtigen, noch zu töten, noch zu verkaufen. MM II, 462.
048 Kant. H, 8: I, 360.
Diener" retten heimlich ANDRONIKOS P ALAIOLOGOS 960, sie schicken einen Mörder
heimlich aus dem Lager 961 . Ein ol'Xb:'YJf; des APOKAUKOS versah zu dessen Leb-
zeiten das Amt des Scharfrichters 962. Häufig übernehmen sie sehr wichtige Ge-
sandtschaften, wie zum Beispiel JAKOB BRULAs, DEMETRIOS SGUROPULOS, die
zwei ungenannten ol'XB-rat, die zu SYNADENOS geschickt werden 963. Zu den Die-
nern dürften auch die Namen zu rechnen sein, deren Kenntnis wir nur dem Zufall,
etwa einer Gesandtschaft oder einem Giftanschlag, verdanken und die nicht aus-
drücklich als ol'Xb:at bezeichnet werden 96': 'A<5eta,,6f;, IIoTafttaT'YJf;, IIe l y'Xt1p,
MneanÄof; .
Wie sehr die deutsche Bezeichnung "Diener" irreführt, zeigt die Nachricht, daß
die ol'XBTat des ANDRONIKOS 111., IIIERAX, MAGKAPHAS und PARASPONDYLOS
Archonten wichtiger Städte waren 066 und die ol'XBTat KOMITOPULOS und V ATAT-
ZES je eine Tausendschaft anführten 966. Bei der Bezeichnung dieser Personen
könnte J OANNES KANTAKUZENOS mit Ol'XBT'YJf; einfach den <5oVÄOf; des Kaisers
gemeint haben, die vor allem in Urkunden übliche Bezeichnung für alle, auch
höchstgestellte Personen, die im Dienst des Kaisers standen.
Die "Diener" stammten, soweit wir erkennen können, aus sozial niederen Schich-
ten. Bei dem Ol'XBT'YJf; APELMENES, dessen Aufstieg in Kapitel 11 kurz geschildert
wurde, ist dies ausdrücklich bezeugt. Auch die übrigen überlieferten Namen der
Diener sind mit keiner vornehmen Familie in Verbindung zu bringen. Eine Aus-
nahme bildet der Ol'XBT'YJf; DEMETRIOs SGUROPULOS. Die Sguropuloi sind im 14. Jh.
im Klerus zu finden0 67 , in der zweiten Hälfte des 13. Jh. ist MANUEL SGUROPULOS
Domestikos der Anatolischen Themata 968 , ein JOANNES SGUROPULOS ist ol'Xerof;
des Kaisers 959 .
Die Diener waren durchaus nicht immer gebürtige Rhomaier0 60 . Der Name des
Ol'XBT'YJ~ Aa"TCaeBTO~ deutet auf italienischen Ursprung, MneanÄof; deutet in das
slavische Gebiet; von der Umgebung des MARTINOS ZAOOARIA werden etliche den
ol'XBTat des Kaisers ANDRONIKOS 111. eingegliedert 96 1, der Vlache SIRE BAN ge-
hörte zu den <5ovÄ8vo"n;~ des Großstratopedarchen ANDRoNIKos PALAIOLOGOS 962 .
Es gab in der Dienerschaft eine Rangordnung. Der erwähnte APELMENES steigt
964 Kant. III, 96: II, 592; III, 97: II, 597; III, 63: 11, 383; III, 47: II, 286.
966 Kant. IlI, 85: II, 526.
966 Kant. III, 46: II, 282.
967 MM I, 374/5.
968 Reg. 2115, 2151-2153.
969 MM IV, 254. V. LAURENT Les sceaux byzantins du medaillier Vatican, Vatikan-
Serbien 1342 mitgemacht hatte, wird als "einer der treuesten Diener des Ka.isers"
(r:wv mG-r:o-r:a:r:wv öv-r:a OlXE-r:WV np ßaatAei) bezeichnet. Hier scheint olxBr'YJr; für t5ovAor; des
Kaisers zu stehen: Kant. IV, 41: III, 303, 3.
961 Kant. II, 11: I, 379, l.
zum "Aufseher über die Dienerschaft" empor 963 (TcO'V äAA(()'V oz,.,eTcO'V {m;eeexo'VTa
anecpawe
" ).
Die Dienerschaft, als eine Gruppe innerhalb der engeren Gefolgschaft, macht deren
Struktur am besten deutlich. Der Führer der Gefolgschaft hat ihr gegenüber die
Pflichten des pater familias; denn die "Sorge für die Diener" (olueTcO'V int-
piAeta) gehört in den Tugendkatalog des byzantinischen Hausvaters, wie ihn
PHILOTHEOS schildert 964 • DEMETRIOS KYDONES hat sich um den Grenzstreit seines
olueT'YJ~ gekümmert, der Kaiser gewährt den Kindern des früh verstorbenen Prin-
zenerziehers KONSTANTIN PALAMAS Unterstützung 965, JOANNES KANTAKUZENOS
nimmt (schon als Kaised) sich der Kinder des Kydones an, der im. kaiserlichen
Dienst nach einer Gesandtschaftsreise stirbt und zu den cplAot des Kantakuzenen
gehörte 966 • Der bereits mehrfach erwähnte olueT'YJ~ APELMENES wurde auf Kosten
des Großdomestikos erzogen, der olueio~ JOANNES KALEKAS verdankt dem Adeli-
gen seinen Aufstieg. MICHAEL KABASILAS (der spätere aaueAAlov?) wurde von
dem katholischen Richter und Metropoliten von Apros von Kind an erzogen,
heiratete in seine Verwandtschaft ein und stand später kraft eines kaiserlichen
oetap,6~ in seinen Diensten (vn'YJeeTO'IJp,e'Vo~) 967. Als die Anhängerschaft des adeligen
Kantakuzenen nach Didymoteichos fliehen mußte, wird sie auf seine Kosten
unterhalten. Gerade in den Gegenden, in denen Adelige wie J OANNES KANTAKu-
ZENOS und THEODOROS SYNADENOS ihre großen Besitzungen hatten, saßen ihre
olueiot, cplAot und Verwandte 968 •
Aus allen diesen Nachrichten möchte ich das erste Merkmal der engeren Gefolg-
schaft ableiten: Ihre Glieder stehen zum Gefolgsherrn in einem Dienstverhältnis
oder sind wenigstens mehr oder weniger wirtschaftlich von ihm abhängig. Gerade
hier liegt der Grund für die Unbeständigkeit der engeren Gefolgschaft. Schwindet
die finanzielle Leistungsfähigkeit des Gefolgsherren oder haben die Glieder der
Gefolgschaft eine gewisse Selbständigkeit erlangt, so ist die Gefahr des Abfalls
sehr groß.
Eng mit dieser wirtschaftlichen Abhängigkeit verknüpft ist ein zweites Merkmal
der engeren Gefolgschaft. Wie die Glieder der politischen Gefolgschaft Vorteile für
ihre Position, materiellen Nutzen und politischen Einfluß erwarten, so fordert die
engere Gefolgschaft alle diese Vorteile in noch größerem Maße. Der erklärte Ge-
folgsmann, der für seine Haltung Gut und Leben aufs Spiel setzt, fordert ange-
messene Belohnung. Daneben steht selbstverständlich die Forderung nach Schutz
und Sicherheit. Das Verlangen an J OANNES, dann an MATTH.AIOS KANTAKUZENOS,
die Kaiserwürde anzunehmen, ging gerade von der engeren Gefolgschaft aus und
entsprang nicht zuletzt dem Bedürfnis nach Sicherheit.
Ein drittes Merkmal der engeren Gefolgschaft liegt darin, daß im. Denken des
Byzantiners diese Personengruppe einen abgegrenzten Kreis bildet. Der oben er-
967 MM I, 226: Reg. 2743. DÖLGER interpretiert: "als Sekretär unterstellt". Vgl.
P. LEMERLE Documents et problemes nouveaux concernant les Juges generaux,
Ttp:rrr:t'Xoc; kan'T}e{ov, Athen 1964, 32 A. 1.
968 Kant. III, 31: IJ, 192, 19; Kant. III, 79: IJ, 491.
MERKMALE DER I,ENGEREN GEFOLGSOHAFT" 149
wähnte J OANNES POTHOS wurde "eingereiht" unter die olueiot des Adeligen
J OANNES ANGELos, J OANNES KALEKAS wurde "eingegliedert" in die olueiot des
Adeligen J OANNES KANTAKUZENOS. Die engere Gefolgschaft konnte nicht ein
"Leben im Verborgenen" führen wie die namenlosen cplAot in den Städten, die im
Stillen für den Mann ihrer Wahl arbeiteten. Die engere Gefolgschaft war bekannt:
So müssen die 42 Kantakuzenosanhänger gleich nach Ausbruch der Feindselig-
keiten die Hauptstadt verlassen (vgl. S. 36).
Obwohl aus diesen drei Merkmalen die Nähe und Bindung der Glieder der engeren
Gefolgschaft an den Gefolgsherrn klar hervorgeht, ist doch das vierte Merkmal
dieser Personengruppe nicht zu übersehen, die im Widerspruch zum Begriff der
"engeren" Gefolgschaft zu stehen scheint: die lockere und lose Bindung der Ge-
folgsleute an ihren Herrn. Sowohl das germanische Gefolgschaftswesen wie das
Vasallitätssystem des westlichen MA war mit dem Eid verbunden. Dagegen sind
keine Anzeichen vorhanden, daß die olueiot, olub:at und "Verwandten" des
J OANNES KANTAKUZENOS durch Treueverpfiichtungen mit ihm verbunden waren.
Durch die Treueide nehmen die kaiserlichen olueiot in diesem Punkt eine Sonder-
stellung ein. Beim Abfall von olueiot oder olue-rat beschwert sich JOANNES
KANTAKUZENOS nicht über den Bruch irgendwelcher Eide, die etwa beim Eintritt
ins Gefolgschaftsverhältnis gegeben wurden, sondern allein über die Undankbar-
keit, mit der die Abtrünnigen "Wohltat" und Gunst belohnten. Es ist bezeichnend,
daß SYRGIANNES in einer kritischen politischen Situation von seinen oluh:at einen
politischen Eid schwören läßt, offensichtlich, um das lockere Verhältnis, das ihn
mit seinen olub:at verband, zu festigen 969.
Bestimmt nicht aus reiner Nächstenliebe brachten die byzantinischen Adeligen
beträchtliche finanzielle Opfer, um eine Gefolgschaft um sich aufzubauen.
Einmal erhöht eine große Schar der Verwandten und Freunde und eine zahlreiche
Dienerschaft das Sozialprestige des byzantinischen Adeligen (siehe Kap. I). Zum
"nAOV(TtO~" gehört, wie MAKREMBOLITES sagt, die "Schar der Diener" (TWV olueTwv
()eeanela) 970. Es war üblich, daß hochgestellten Herren wie dem Megas Dux
ALEXlOS APOKAUKOS "viele folgten und ihm dienten" (elw()6Te~ nOAAOt eneu()at
uat ()eeanevet'JI )971. Als APOKAUKOS zeitweise in Ungnade fällt, ist der Anhang
plötzlich verschwunden I Für DEMETRlos KYDONES ist es ein Gradmesser des
Reichtums, daß jemand ein Privatheer aufstellen kann - eine Erscheinung, die im
14. Jh. offenbar nicht selten war 97 :!.
Dazu kommt ein weiterer Gesichtspunkt: Die politische wie die engere Gefolg-
schaft bilden die reale politische Macht des Adeligen. In bestimmten kritischen
Situationen wie im Jahre 1321 dient gerade die kleine Schar von wohl nicht über
100 Mann, bestehend aus "Freunden und Dienern", als politischer Stoßtrupp. Der
Kreis um FAZZOLATI leistet im Jahre 1347 ähnliche Dienste. Auf der Burg des
1189Spuren von Treueiden in der engeren Gefolgschaft glaube ich im Emirlied des Di-
genes-Akritasepos zu entdecken: Die "Archonten, Genossen, Freunde und Brüder"
des Emirs haben ihm "viele Versprechungen" (noititd~ vno(Jxe(JeL~) bis in den Tod ge-
geben (MAVROGORDATO III, 40f.). Auch die Achilleis (HESSELING V. 262f.) wäre in
dieser Hinsicht näher zu untersuchen.
970 Dialog S. 209, 16f.
971 Kant. III, 16: II, 102, 2 f.
87B Dem. Kyd. Monodie PG 109 Sp. 645 D 2-5.
150 STRUKTUR DER GEFOLGSCHAFT
078 Br. 407. V gl. die Briefe des THEODOROS H YRTAKENOS an den Großlogotheten; auch
die Briefe 361, 446, 449 des Dem. Kyd.
074. Br. 62 Z. 7 u. 8; vgl. Br. 60.
BITTBRIEFE 151
nicht reich gesegnet hatte, tritt für einige Schützlinge ein, so für einen Priester
(Brief 12) und noch deutlicher für einen Arzt, der seinen Schwiegersohn sucht, der
in die Peloponnes ausgewandert ist und seine Frau verlassen hat. Er schreibt an
den Großlogotheten den bezeichnenden Satz: "Er (der Arzt) bittet den Kaiser
durch dich und dich durch mich." (Brief 20) (~Ei:r:af, TOf,yaeovv ßa(]f,}iwr; fLiv
~t(I (JOV, (JOV ~e ~f,' efLov). In diesen Bittbriefen läßt sich eine durchaus uneinheit-
liche Gruppe (im byzantinischen Sprachgebrauch fLOlea genannt) um einfluß-
reiche Adelige greifen, die weder mit der engeren, noch der politischen Gefolg-
schaft, noch mit der Adelsfreundschaft zusammenfällt. Es ist die Schar derer, die
entweder in ihrer Jugend Förderung bedürfen oder als "Arme" (:rctv'Yjr;) und
"Notleidende" (:rcOvoiJvTEr;) der U'Yj~EfLovta, xe'Yj(J"C6T'Yjr;, ß01]()ELa eines mächtigen
Gönners nahegebracht werden. Auch in diesen Fällen entwickelt sich eine Art
Patronat, freilich in viel bescheidenerem Maße als in der engeren Gefolgschaft. Es
geht in diesen Bittbriefen meist um einmalige Geldunterstützung, Stellengesuche,
Rechtsschutz. Der Fall ist freilich durchaus denkbar, daß sich aus solch einem
Stellengesuch ein Dienstverhältnis als "olutT'Yjr;" entwickelt hat. DEMETRIOs
KYDONES empfiehlt seinen mittellosen Schüler dem kaiserlichen Prinzen 975. Der
Anonymus der Florentiner Briefsammlung berichtet, daß ein Verwandter ihn in
seinen Schutz nahm. Durch dessen Vermittlung wurde der Großlogothet (THEO-
DOROS METOCHITES) sein Beschützer, Pate und Lehrer 976. Der frühverwaiste
NIKEPHOROS GREGORAS kam mit vier Jahren unter die Obhut seines Onkels, des
Metropoliten von Herakleia 977 , der Einfluß am kaiserlichen Hof besaß und ihm
dort neben anderen einflußreichen Personen wie DEMETRIOS KABASILAS die Wege
zum Großlogotheten METOCHITES und dann zum Kaiser selbst ebnete.
Die Bittbriefe, von denen sich vor allem in den Briefen des NIKEPHOROS GREGORAS
etliche erhalten haben, sind oft sehr kurz gefaßt. In vielen Fällen ist auch der
Name des Adressaten verloren 978. Der Protasekritis erhält zum Beispiel eines
dieser Briefchen. Er soll einem "Armen" helfen, der sich in großer Notlage be-
findet und "geeignet ist, alles, was du ihm aufträgst, zu tun" 979. Ähnlich wird in
einem wesentlich längeren Schreiben dem Großdrungar ein Landsmann empfoh-
len, "der sowohl im Gebrauch der Waffen nicht unerfahren ist, als auch einen
praktischen Verstand besitzt" 980. Der katholische Richter (MANUEL) ANGELOS
soll zwei ehrenhafte Männer unterstützen 981. In einem gewundenen Brief bittet
GREGORIOS AKmDYNOS den Mystikos KmNAMOS, einem gewissen EupHEMIANOS
die Stelle eines ßa(Jf,Af,UOr; yeafLf-laTEVr; zu verschaffen 982.
Aus dem Umstand, daß sich keines dieser kurzen Empfehlungsschreiben an eine so
hochgestellte Persönlichkeit wie JOANNES KANTAKUZENOS erhalten hat, ist zu
schließen, daß es nicht zur byzantinischen Etikette gehörte, den Adeligen knapp
und direkt mit derartigen Bitten zu belästigen. Je höher der Adressat in der so-
zialen Rangordnung steht, je länger werden die Bittbriefe, desto mehr wird die
Bitte in einem literarischen Werk versteckt 983 .
Nicht immer wird ein Fürsprecher benötigt, um Schutz und Hilfe des Adeligen zu
erbitten. Vor allem die Literaten stellen sich in kunstvollen Briefen selbst vor. Der
Anonymus Florentinus ist J OANNES KANT.A.KUZENOS noch niemals persönlich be-
gegnet und hat noch nicht seine Großmut erfahren. Doch hält er sich nicht für un-
würdig, in den Kreis derer, die mit dem Adeligen verkehren (TWP O/-ttAovPTWP
/-toleq.), sich einzureihen. Ähnlich MIOHAEL GABRAS : Er erklärt weitschweifig 98 4.,
weshalb er als der Ältere unaufgefordert den Briefverkehr aufgenommen hat. Wer
GABRAS tadelt, vergißt die deBTr/ des Adeligen. Die cptAml}ewnla des hohen
Herren hat schon andere dazu veranlaßt, ihn anzusprechen. Er wird weiter die
Vorzüge (nABoPB"'Tr//-taTa) des Adeligen verherrlichen, um desto mehr seiner
Gnadenerweise teilhaftig zu werden. Er erwartet ein Echo auf die Verherrlichung
der ()av/-taTa des Adeligen.
Noch mehr als die Schützlinge, für die die kurzen Bittbriefe eintreten, sind die
Literaten den Gliedern der engeren Gefolgschaft ähnlich. Gegenüber dem reichen
Steuereinnehmer P ATRIKIOTES bezeichnet sich der Literat ALEXIOS MAKREMBO-
LlTES in der Widmung eines theologischen Werkes als () Be 6.nwp , eine Bezeichnung,
die sehr an die ol",eTat der engeren Gefolgschaft erinnert 986. In ähnlicher Bezie-
hung wie MAKREMBOLITES zu P ATRIKIOTES steht der Philosoph BARLAAM als
cplAOr; zum Adeligen J OANNES KANT.A.KUZENOS. Förderung und Schutz sind die
zwei Merkmale, die dieses Verhältnis kennzeichnen.
Die gelehrten Briefschreiber erwarten vom Mächtigen Unterstützung, weshalb
nicht nur dessen Liebe zu den Wissenschaften gepriesen wird, sondern auch immer
wieder die Niedrigkeit und Armut des Literaten erwähnt ist. Als Gegenleistung
erwartet der Mächtige die Verherrlichung seiner Vorzüge und Taten. Die uns
heute so inhaltsleer erscheinenden Lobreden in Briefen und Gedichten sind Aus-
druck eines Klientelverhältnisses. "Die Menge der Freunde" zeichnet nach den
Worten des MAKREMBOLITES den Reichen aus "und deren wohlgefällige Lobprei-
sungen"986. (fJ TWP cplAWP nA'Yj()vr; ",al Ta TOVTWP 1teOr; xaew ly",w/-tta). Die an der
Briefliteratur und in der Struktur des Gefolgschaftswesens gemachte Beobach-
tung, daß im " Klienteldenken " ein Grundzug des Gesellschaftsempfindens des
Byzantiners wenigstens im 14. Jh. sichtbar wird, findet eine überraschende Be-
stätigung in den religiösen Gemeinschaften des 14. Jh.
Von der religiös-geistlichen Seelenführung im Mönchtum her betrachtet ist diese
Feststellung nicht erstaunlich. Seit dem Wirken des Mönchsvaters ANTONIOS im
4. Jh. war die individuelle religiöse Seelenführung, sozusagen das "geistliche
Patronat", die Grundlage des östlichen Mönchtums, viel mehr als Mönchsregel
888 Umgekehrt ist das soziale Element in der Rhetorik so stark, daß die Lobrede zum
Bittvortrag wird. Vgl. BACHMANN-DöLGER Rede 356 A. l.
884 Cod. Mare. 446 fol. 229-230 VO (Br. 345).
886 Cod. Sabbaitieus gr. 417 fol. 22r. Vgl. SEVOENKO in der Einleitung zu MAKREM-
BOLITES Dialog 190/l.
886 Dialog S. 209, 16f.
RELIGIÖSE GRUPPENBILDUNGEN 153
und festgelegte Klostergemeinschaft 987 . Gerade im 14. Jh. ist die "direction spiri-
tuelle" in Byzanz eine ausgeprägte Erscheinung. Ich erinnere an IRENE CHUM-
N.AINA und ihre Lehrmeister, ein Verhältnis, das V. LAURENT gültig erhellt hat.
Einer dieser geistlichen Väter der IRENE war auch Lehrmeister des GREGORIOS
PALAMAS. Es war THEOLEPT von PHILADELPHIA. Der heilige GERMANOS hatte
zuerst als geistlichen Vater den strengen Asketen J OANNES, der von seinem eigenen
vn'Yj(!e-c'Yj~ und p,a()'Yjilj~ erschlagen wird 988 , dann den Athoniten HIOB. In der vita
ISIDORI des PHILOTHEOS 989 erscheint GERASIMOS als geistlicher Vater ISIDORS,
noch vor seiner eigentlichen Mönchszeit und seinem Aufenthalt auf dem Athos.
Auf dem Athos wird ISIDOR dann Schüler des geistlichen Vaters des GERASIMOS,
nämlich GREGORS des SINAITEN990. ISIDOR hat also auf dem heiligen Berg den-
selben geistlichen Vater wie sein erster Lehrmeister GERASIMOS. Hier wird das
Netz der sich kreuzenden personalen Beziehungen, die das byzantinische Mönch-
tum des 14. Jh. durchziehen, besonders gut sichtbar. Die hesychastische Methode
des 14. Jh. war ohne Lehrmeister schwer erlernbar; ohne Lehrer bestand die Ge-
fahr, in die Fänge des Satans zu geraten, wie GREGOR der SINAlTE immer wieder
betonte. Auch das Eintreten des GREGORIOS P ALAMAS für die dnÄOVO'-Ce(!Ot ist als
eine Art "geistliches Patronat" zu verstehen. Zum Leidwesen der Hesychasten
hatte BARLAAM gerade die handfesten und religiös primitiven Anschauungen
dieser dnÄOVO'-Ce(!Ot angegriffen, die wir uns nicht nur als "geistliche Arme", son-
dern auch als die sozial und bildungs mäßig tief stehenden Schichten im Mönchtum
vorzustellen haben. "Ich schreibe nicht für mich selbst," sagt PALAMAS, "sondern
für die verachteten Brüder, die dnÄOVO'-Ce(!ot, selbst ihre Last tragend nach der
Weisung des Apostels (Ga!. VI, 2)"991.
Der Anhang, der die geistlichen Führer umgibt, stand zu ihnen nicht nur in einem
geistlichen Klientelverhältnis. Sie bildeten eine Art Gefolgschaft. Dies zeigt sich
schon an der Bezeichnung dieser Gruppen als e-cat(!ela, cpa-c(!la und O'vO'-c'Yjp,a,
Termini der politischen Gefolgschaft. In seiner Gefangenschaft erhält P ALAMAS
von seinen olxeiot die Nachrichten über die Gegenpartei (axOVel na(!a -cmv
olxelwv eXei xa-ca p,e(!o~ nav-ca xal 0 (ju5dO'xaÄo~)992. Der Gebrauch des Wortes
olxeio~ geht in diesem Zusammenhang über die rein adjektivische Bedeutung
hinaus und kommt dem Terminus olxeio~ der engeren Gefolgschaft nahe.
Wie in der engeren Gefolgschaft gibt es auch in den religiösen Gruppen eine Rang-
ordnung. Ein Glied der Gruppe um SABAS, das für den Heiligen eintritt, "zählte
damals noch unter die Diener beim Vater der Gemeinschaft und war noch nicht
unter seine Schüler eingereiht" 993 (na(!lO'-ca-co ya(! vn'Yj(!e-cmv e-cl -ci[> xal'lli[> na-c(!l,
p,ljnw xa-caÄeyek ev -coi~ exelvov p,a()'Yj-cai~). GREGOR war in der Gemeinschaft
887 Das inhaltsreiche Buch von I. HAUSHERR Direction spirituelle en Orient autrefois,
Rom 1955 (Orientalia Christiana Analecta 144) berücksichtigt leider nicht den reli-
gionssoziologischen Aspekt.
888 Vita sancti GERMANI ed. P. JOANNOU AB 70 (1952) § 13 S. 73, 28.
D88 Kap. 15 u. 16 S. 70/71. In der vita GREGORII SIN. S. 15, 13 ist GERASIMOS Schüler
ISIDoRs. Die vita ISIDORI erscheint hier zuverlässiger.
890 Vita ISIDoRI Kap. 22 S. 76/7.
881 Triaden II, 1, 14 ed. MEYENDORFF D8fense des saints hesychastes (Spicilegium
sacrum Lovaniense fasc. 30/1) Paris 1959, 253, 19-22.
882 PmLOTHEOS Enkomion PG 151 Sp. 609D 2-4.
888 Vita SABAE Kap. 60 S. 308, 25f.
154 STRUKTUR DER GEFOLGSCHAFT
des oben erwähnten strengen Asketen JOANNES :Tl(!iin:o~ TWV ftaO'YJTwv 994 , ebenso
GERASIMOS im Kreise GREGORS des SINAITEN 995 • Wie in der engeren Gefolgschaft
sorgt der Führer der religiösen Gemeinschaft vor allem für die wirtschaftlich
schwachen Glieder. Ein Beleg dafür ist die Sorge ISIDORS um NlKoLAos (siehe
Kap. X).
Wenn man die soziale Herkunft der großen religiösen Führer des 14. Jh. be-
trachtet, dann ergibt sich, daß sie aus den wohlhabenden Kreisen der byzantini-
schen Gesellschaft stammen, also aus Kreisen, für die ein Anhang von Dienern und
Freunden selbstverständlich war. Der heilige GERMANOS stammte aus der reichen
und angesehenen Familie der Marules 996 • PHILOTHEOS zählt die EItern des heiligen
SABAS zu den BV:TlaT(!l~at und dem e:Tll(J'YJfto~ ft8(!O~997, die des GREGORIOS PALA-
MAS waren BVYBVBi~998. Die Eltern GREGORS des SINAITEN waren begütert in dem
kleinasiatischen Provinzstädtchen Kukules bei Klazomenai 999 , sein Schüler
GERASIMOS war königlichen Geblüts 10oo • Dessen Schüler ISIDOR wiederum gehörte
zu den e:Tlupavol und e:Tll~o~ot in Thessalonike 1001.
Man könnte ISIDOR als ein "Genie der Gruppenbildung" bezeichnen. Schon vor
seiner Verbindung mit Mönchskreisen bildet er einen Kreis um sich "nicht aus
Niedrigen, sondern besonders aus Vornehmen und Begüterten" (ov TWV a(J~ftwv,
aAAa ",a~ TWV e:Tlupavwv ",a~ :TlAOVTCP "'0ftWVTWV) 1002. Durch die Katalaneneinfälle
(oder wegen seiner Neigung zu bogomilischen Anschauungen~) zur Rückkehr vom
Athos nach Thessalonike gezwungen, bildet sich wieder ein Kreis um ihn nicht
nur aus Männern, sondern auch aus Frauen, deren Vornehmheit (TWV B15 YBYO-
VOTWV) wieder betont wird. Diesmal gehörte GREGORIOS P ALAMAS zum Kreis 1003.
Wenn die Behauptung der Antipalamiten nicht gänzlich aus der Luft gegriffen ist,
dann war eine gewisse IRENE eng mit ISIDOR in Verbindung. AKINDYNOS bezeich-
net ISIDOR als ihren Schüler (q;otT'YJT~~) 1004 • Nach der Vita des heiligen THEO-
DOSIOS von TRNOVO scharten sich um sie Bettelmönche, die den heiligen Berg
heimsuchten 1005. Wichtig ist die breite soziale Streuung der Gruppe, eine Be-
obachtung, die sich auch am Zirkel um GREGOR dem SINAITEN machen läßt: Vom
königlichen Prinzen GERASIMOS bis zum bulgarischen Schafhirten KLEMENS sind
verschiedene Nationen und soziale Schichten in ihr vertreten. Zum dritten Mal
UU4 Vita sancti GERMANI (ed. JOANNOU) AB 70 (1952) § 13 S. 72, 4.
UU6 Vita GREGORII SIN. Kap. 9 S. 15, 12.
U98 Vgl. zur Familie V. LAURENT in REB 10 (1952) 114-116 und EO 30 (1931) 483/4.
1000 Vita GREGORII SIN. Kap. 5 S. 7, 7f. Er stammt e; Ev(!tnov rij~ v1]O'ov "ara yevo~
~e n(!oO'1]"ovra eTJyl e"etvep riß t1>arl;ep. Ich möchte seinen Vater mit BONIFACIO DA
VERONA (gest. 1317) verh. mit AGNES von CARYSTOS identifizieren. Siehe HOPF
Chroniques Greco-Romanes, Berlin 1873, Tafel III (Herren von Negropont); R.-J.
LOENERTZ Les Seigneurs Tierciers de Negropont, B 35 (1965) 265/6 Reg. 107, 109, HO.
1001 Vita ISIDORI Kap. 17 S. 72, 14.
1002 A. a. O. Kap. 12 S. 68, 19f.
1008 A. a. O. Kap. 23 S. 78. MEYENDORFF Palamas 53f.
1004 Ed. LOENERTZ EEBS 27 (1957) Br. 1 S. 91. IIo(!tvTJ ist eine absichtliche Entstellung
von Irine, um den Gleichklang mit nO(!VBta (Unzucht) zu erzeugen.
1006 Kap. 14 S. 19 ed. ZLATARSKI (Sbornik za narodni umotvorenija, nauka i kniZnina
20 [1904] Sofia).
HERKUNFT pER RELIGIÖSEN FÜHRER 155
bildet ISIDOR, erwählter Metropolit von Monemvasia, eine Gruppe um sich in der
Hauptstadt (vgl. Kap. X).
Das Auftreten dieser religiösen Gruppen in bestimmten kritischen Situationen
ähnelt dem politischen Stoßtrupp, den die engere Gefolgschaft bilden konnte. Das
Verhalten der Palamasgruppe auf der Augustsynode 1341 ist dafür ebenso ein Be-
leg wie die Gruppe um Akindynos im Jahre 1342, die sich schlagkräftig ausrüstet.
Auch das Auftreten der Palamiten auf der Blachernensynode 1351 gehört hierher.
Nur die personalen Bindungen in der byzantinischen Gesellschaft, die ein Licht
auf die Struktur des byzantinischen Gefolgschaftswesens werfen können, galt es in
diesem Rahmen zu behandeln. Es zeigte sich, daß diese Struktur in vielfältigen
Abwandlungen und Brechungen im sozialen und gesellschaftlichen Denken des
Byzantiners immer wiederkehrt. Die ethisch am höchsten stehende, häufig in den
Briefen des 14. Jh. aufklingende Freundschaft, die uneigennützige Seelengemein-
schaft zum Mitmenschen, die sich eins weiß in der Begeisterung für Literatur,
Kunst und Wissenschaft, wäre getrennt zu behandeln als ein wesentliches Ele-
ment in der spätbyzantinischen Gesellschaft und Kultur.
Schluß betrachtung
Das gesellschaftliche Denken der Byzantiner des 14. Jh. kennt eine soziale Rang-
ordnung, die mehr gefühlsmäßig als logisch erlaßt wird, aber doch trotz aller Ver-
schwommenheit der Terminologie in den Äußerungen der Byzantiner klar zu Tage
tritt. Daneben sind Ansätze eines Standesdenkens erkennbar. Die oberste Gesell-
schaftsschicht wird der Historiker mit Recht als "Adel" bezeichnen, vorausge-
setzt, daß er in diesen Begriff nicht neuzeitliche Vorstellungen hineinlegt. JOAN-
NES KANTAKUZENOS ist ein typischer Vertreter dieser Schicht. In Umrissen kön-
nen wir nicht nur seinen Charakter und die Größe seiner Hausmacht, sondern auch
seine adeligen Leitbilder erkennen. Im Denken wie in der realen Macht rückt der
Adelige schon vor seinem eigenen Kaisertum ganz nahe an die kaiserliche Majestät.
Von der sozialen Wirklichkeit her ergibt sich, daß die byzantinische Kaiserideolo-
gie, die den Herrscher weit über alle Untertanen hlnaushebt, die wahren Verhält-
nisse nicht beschreibt. Sicher ist, daß in der Zeit des J OANNES KANTAKUZENOS der
Kaiser eher wie der westliche König und Kaiser primus inter pares neben den
mächtigen Großen des Reiches ist und in der politischen Realität nicht "Selbst-
herrscher" ist. Ich glaube, daß diese Beobachtung bei genauer Analyse auf weite
Teile der frühen und mittleren byzantinischen Geschichte ausgedehnt werden
kann, wenn die Mächte und Personengruppen jeweils untersucht werden, die neben
dem Kaiser stehen und von denen er abhängt.
Unscharf ist diese oberste Gesellschaftsschicht von einer Mittelschicht zu trennen,
die sich weitgehend dem Zugriff des Historikers entzieht. Welche Familien, welche
Berufe, welche Vermögensklassen gehörten dieser Schicht an 1 Die Quellen bleiben
die Antwort weitgehend schuldig.
Besser ist, wenigstens als Gesamtheit, als "Volk", die unterste Gesellschaftsschicht
erkennbar: die "Unedlen", die "Unbekannten", die "Niederen". Dieses Volk war
weit weniger von Agitatoren beeinflußt, als tendenziöse Geschichtsschreibung der
Zeit, vor allem auch die des J OANNES KANTAKUZENOS selbst, glaubhaft machen will.
Klare politische Linien in der Urteilsbildung des Volkes werden deutlich, Linien,
die sich vom Volk in den Provinzstädten bis hln zum Volk von Konstantinopel
durchgehend verfolgen lassen. Das Volk ist im 14. Jh. eine Macht, die das innere
Geschick des byzantinischen Reiches nachhaltiger bestimmt als die Adeligen. Der
Einfluß des Volkes erscheint im 14. Jh. noch größer als im frühen Byzanz und ist
durchaus mit dem Einfluß des populus Romanus in der römischen Republik zu
vergleichen. Es fragt sich, ob die erhaltenen Quellen den Historiker auch bei der
Auswertung der kleinsten Quellenhinweise in die Lage versetzen, eine Kontinuität
des "demokratischen Elementes" durch die gesamte byzantinische Geschichte
sichtbar zu machen. Das Volk hat keine verfassungsmäßig verbrieften Rechte wie
in der modernen demokratischen Verfassung. Das Recht des Volkes ist Gewohn-
heitsrecht, das immer wieder von anderen Gesellschaftsschichten in Frage gestellt
wird und notfalls gewaltsam verteidigt und erkämpft werden muß. Darum geht es
in erster Linie in den sogenannten "Volksaufständen" im 14. Jh., nicht um Auf-
richtung sozialistischer Kommunen und Abschüttelung der Oberhoheit der Zen-
tralregierung. Weitere Momente sind für die Unruhen verantwortlich: Unzufrieden-
VOLKSAUFSTÄNDE. GRUPPENBILDUNGEN 157
1000 Vgl. K. BosL Die aristokratische Struktur der ma. Gesellschaft, in: Die Gesell-
schaft in der Gesch. des MA., Göttingen 1966, 25-43. O. BRUNNER Adeliges Landleben
und europ. Geist, Salzburg 1949.
1007 R. J. WAHLEN Der Kennedy-Olan, Düsseldorf 1965 (vor allem das 5. Buch). Ein-
schränkungen für die amerikan. Gesellschaft macht: R. M. WILLIAMS JR. Die amerikan.
Gesellschaft. Soziologie einer Nation, Stuttgart 1953, 59.
158 SCHLUSSBETRACHTUNG
in Byzanz arbeiten bereits mit den Mitteln der schriftlichen wie mündlichen Pro-
paganda. Gerade durch die Schrift, den Brief, das Pamphlet, das Memoirenwerk
werden die Gruppen in ihrem Zusammenhalt gestärkt und die gegnerische Gruppe
diffamiert. Wie im modernen Staat sucht in Byzanz jede Interessengruppe an die
Macht zu kommen und ihren Einfluß auf die Regierungsgeschäfte auszuüben.
Hier werden natürlich die Grenzen des historischen Vergleichs sichtbar: Die Grup-
pen werden im Byzanz des 14. Jh., einem zentralistisch regierten kleinen Beamten-
staat mit einem Kaiser an der Spitze, anders agieren als die Interessengruppen und
Verbände in einem vom Parlament regierten, hochdifferenzierten Staatsapparat,
in dem die Entscheidungen häufig hinter den Kulissen durch ein schwer durch-
schaubares Gespinst von Einflüssen zustande kommen 1008.
Der 700 Jahre später lebende Historiker muß sich mit einem winzigen Quellen-
material begnügen im Vergleich zu dem Material, das dem modernen Politologen
und Soziologen zur Verfügung steht. Vielleicht erscheinen nur deshalb die Vor-
gänge in Byzanz leichter überschaubar, da sie nur noch in Umrissen erkennbar
sind. Das Gewirr der personalen Bindungen und Gruppeneinflüsse war dem wohl-
unterrichteten Byzantiner oft ebensowenig durchschaubar wie die Arbeit des Par-
laments dem heutigen Staatsbürger. Das geht aus den Briefen des DEMETRIOs
KYDONES hervor, der oft nicht weiß, was am Kaiserhof gespielt wird. Auch JOAN-
NES KANTAKUZENOS gelingt es während seiner Abwesenheit von der Haupt-
stadt nicht, die Hintergründe für die Vorgänge im gegnerischen Lager ganz auf-
zudecken.
So sehr also dem historischen Vergleich Grenzen gezogen sind: M. E. können die
Beobachtungen an der byzantinischen Gesellschaft nicht nur dazu beitragen, all-
gemeine Grundstrukturen menschlicher Verhaltensweise aufzudecken, sondern sie
können dem modernen Politologen und Soziologen als historisches Vergleichs-
material dienen für Erscheinungen im gesellschaftlichen Leben der neuesten Zeit.
1008 Aus der umfangreichen neueren Literatur seien genannt: V. BETHUSy-Huc Demo-
kratie und Interessenpolitik, Wiesbaden 1962 (Einfluß der Verbände und der öffent-
lichen Meinung auf die parlamentar. Willensbildung analysiert a,n Hand wirtschafts-
polit. Gesetze). H. ECKSTEIN Pressure Group Politics, London 1960 (Einfluß der British
Medical Associa,tion auf die Politik). V. O. J. KEy Politics, Parties and Pressure
Groups, New York" 1958 (Struktur der politischen Parteien Amerikas). S. EHRLICH
Die Macht der Minderheit. Die Einflußgruppen in der politischen Struktur des Kapi-
talismus, Europa Verlag 1966.
Verzeichnis der Quellen, Quellensammlungen und Abkürzungen
Im Verzeichnis der Quellen und der Sekundärliteratur werden nur mehrfach zitierte
Werke verzeichnet, weitere Hinweise finden sich im Text.
Zu den allgemeinen Abkürzungen siehe das Abkürzungsverzeichnis in: The Cambridge
Medieval History IV, 1 (The Byzantine Empire) 1966, 803-807; OSTROGORSKY Ge-
schichte XIX-XXVIII; BECK Kirche XII-XVI. Wenn nicht anders angegeben, wer-
den die byzantinischen Historiker nach dem Bonner Corpus zitiert.
Da leider wichtige Periodica in der Spezialliteratur nicht einheitlich angeführt werden,
bringe ich hier einige oft in der Arbeit gebrauchte Abkürzungen. Ich folge vor allem
der Cambridge Medieval History .
Achilleis A. 27, A. 969 kos III. 33, 43, 45, 58f., 63, 67f., 81,
Adel, s. a. Standesdenken 95,115,117,120-122, 124f., 132
Begriff, s. a. eVyev1](;, hclG'Y]flO(;, J..aflneO(;, Anna Komnena 8
ne(!upav1](; 5-8, 54, 156 avOewno(; (sozialer Begriff) 144f.
Bildung 14-17, 104 An tipalamiten, Sozialstruktur 124-130
Hausmacht 11-13, 2lf., 25, 36 Antonios, Mönchsvater (4. Jh.) 152
Leitbilder 17f., 34, 61 Apelmenes, Diener d. J o. Kant. 30, 41,
Religiosität 17, 63,128-133 56, 59, 147f., 150
Staatsdienst 6f., 9-11, 13 (J.(pav* (sozialer Begriff) 54-56, 58
Uradelsdenken 5f. Apokaukos, Familienname 55
Adel u. Kaisermacht 6f., 10f., 19f., 156 Apokaukos, Alexios, Megas Dux 11, 19,
Adelsfreundschaft 24, 37, 150 25-29, 32-36, 38, 4lf., 45, 55-59, 67,
Adrianopel, s. a. Joseph 10, 40, 47, 71, 81-83, 89, 94f., 108, 115, 117-119, 122,
75-78, 83-85, 100, 116 130, 138f., 144, 147, 149f.
'A6(!tavo(;, Diener d. Jo. Kant. 147 Apokaukos, Jo., S. d. Alexios A. 88, 95-
Akindynos, Gregorios 97, 104f., ll1f., 98, 101
116-121, 126-130, 132, 137, 151, 154f. Apokaukos, Manuel, S. d. Alexios A. 81
Alexios I. Komnenos, K. 8 Argyros, Isaak, Antipalamit 126
Alexios III. Angelos, K. 9, 55 aewro(;, s. a. 6vvaro(; 7, 18, 42, 72, 75f.,
amicitia, s. a. Gefolgsch. "römische" Ele- 79f., 83f., 97, 100
mente 143 Arsenios, Mönch d. Studiuklosters, Anti-
Andronikos, Adeliger aus Thessalonike palamit 127
130 aexwv, a(!XOVTE(;, Archon 26, 79, 81, 83,
Andronikos I. Komnenos, K. 9, 71 87, 94-96, 99, 118, 124,. 133-135, 140,
Andronikos II. Pa!., K. 10, 18, 23f., 26, 144, 147
44, 57f., 87, 89, 117, 130, 139, 143. Asan, Familie 117, 140
A. 497, A. 917 Asan, Andronikos, Schwiegervater d. J o.
Andronikos III. Pa!., K. 7, 10f., 13, 18, Kant. 25f., 33-35, 44, 46, 49, 58, 63,
23f., 27-29, 32, 36-39, 44, 57, 66, 70, 117, 131, 144f.
72, 78, 87, 89, 103f., 106, 109, 140f., Asan, Irene, Gattin d. J o. Kant. als N on-
146f. ne: Eugenia 14, 30,40,48,50,59, 130f.,
Andronikos IV. Pa!., K. 52f. 139, 150. A. 499
Angelitzes, Volksführer in Gratianopel 76, Asan, Isaak, Bruder d. Andronikos A. 33,
80 45, 51, 117
Angeloi, Familie 9, 11, 36 Asan, J 0., Bruder d. Irene A. 34, 45f., 50,
Angelos, Jo., Großstratopedarch 14, 24 63, 113, 132, 142
Angelos, Jo., my-xe(!v'Y](; 10f., 36f., 39, 42, Asan, Konstantinos (2. Hälfte 14. Jh.)
45, 79, 141, 144, 149. A. 210 128f.
Angelos, Manuel, "katholischer" Richter Asan, Konstantinos, Bruder d. Androni-
52, 151 kos A. 33, 117
Angelos, Markos Bardales 92 Asan, Manuel, Bruder d. Irene A. 34, 45,
Anna v. Savoyen, Gattin d. K. Androni- 50, 63, 113, 131, 142
166 INDEX DER· WICHTIGSTEN PERSONENNAMEN. ORTSNAMEN UND BEGRIFFE
Synoden 1.1. Volk 106, Ill, 133-137 Tzykandyles, Manuel, Kopist (14. Jh.) 16
avvwp,oata 29, 108, 138f. Tzyrakes, Diener d. K. Anna 43, 68
Syrgiannes 10f., 23f., 26f., 33, 138-141,
144, 149 Umur, Emir v. Aydin 4lf., 67f., 95
ava-r1Jp,a 138f., 153 Urban V., Papst A. 439
Urchan, Sultan d. Osmanen 42, 48, 50,
Tagaris, Georgios, Großstratopedarch 58, 67
63
Tagaris, Manuel, Großstratopedarch 44, Vatatzes, Familie 55
56,58 Vatatzes, Jo. ll, 41, 57, 83, 95
Tagaris, Paulos, Mönch (14. Jh.) 58 Vatatzes, Diener d. K. Andronikos IH.
Tarchaneiotes, Konstantinos A. 497 139, 147
Tarchaneiotes, Manuel 39, 52 Vatopedikloster (Athos) 12, 92f.
Tebratzes, Georgios, Genuese A. 947 Venedig, Venezianer 2, 67, 86, 145
(Jeio~ (Königsprädikat ) 20 Verwandte, Verwandtschaft s. a. aVYYBVe'i~
Theodoros H. Laskaris, K. 55, 74, 143 ll, 34, 39, 43, 47f., ll8, 139f., 143f.,
Theolept, Metr. v. Philadelphia 153 148-150
Theolept, Metr. v. Didymoteichos ll5 Vierfüßlergeschichte 64. A. 27
Theologites, Nikolaos 26, 59 Villani, Matteo, italien. Geschichtsschrei-
(Jeeanela 32, 59, 146, 149 ber 49, 53
Thessalien 37, 41, 141. A. 293 Volksversammlung 42, 71, 74--76, 80, 82,
Thessalonike 2, 27, 29, 37f., 40, 42, 45f., 88, 97f., 102
52, 70f., 78f., 85-102, 105, ll7, 142, Volk, s. a. Synode, Mip,o~, Ä.a6~, öXÄ.o~, 1lÄ.fj(Jo~
146, 154. A. 293 45, 47, 49, 64f., 70-102, 106, 133-136,
Thomas, Vertrauter d. K. J o. I. Komne- 156f.
nos 54 Organisation 74--76, 88f., 136
Thomas Magistros 18, 60, 71, 89-91 politischer Einfluß 74--76, 78-83, 94--
Tornikes, Demetrios 37 102
Traianupolis 12 soziale Lage 76-78, 89-91
Trochos, Theodoros (12. Jh.) 6
Türken s. a. Umur Wohltaten 32, 45f., 57, 72, ll8, 14lf., 149
Eindringen in d. byz. Gesellschaft 67-
69 Xenophonkloster (Athos) 93
Hilfstruppen 41-43, 47-50, 85
Turkopuloi 68 Zeloten 70, 86, 88f., 94--101
Tzamplakon,Alexios,p,eya~ 1lanta~ 32, 36f., Zichnai 25. A. 63
91 Zoe, K. A. 16
TCefPf!e, Diener d. Alexios Apokaukos 67 Zographukloster (Athos) 92
Tzimiskes, Andronikos, Akindynosschü- Zonaras, Jo. (12. Jh.) 54
ler 129 Zünfte 88
Index der zitierten Handschrüten
gr. T. = ein Exzerpt des griechischen Textes auf dem genannten Blatt der Hs. ist
wörtlich zitiert. Die Bezeichnung "gr." bei der Angabe der Codices ist stets wegge-
lassen.
Cod. Angel. 66
J oseph Kalothetos an Kalekas A. 686 (fol. 132: gr. T.)
A. 691 (fol. 132vo: gr. T.)
A. 719 (fol. 135rJvo: gr. T.)
J oseph Katothetos an Sabas A. 780 (fol. 159vo: gr. T.)
A. 794 (fol. 159: gr. T.)
J oseph Kalothetos an Nikephoros
Metochites A. 841 (fol. 169, 170: gr. T.)
J oesph Kalothetos gegen Nikephoros
Gregoras A. 744 (fol. 199vO)
Cod. Ambros. E 64 sup.
Gregorios Akindynos an Barlaam A. 685 (fol. 67-73vO)
Gregorios Akindynos an Gregorios Palamas A. 688 (fol. 73vL 74)
Cod. Coisl. 88
Mönch Markos an Kalekas A. 718 (fol. 305vo: gr. T.)
Cod. Coisl. 98
Palamas gegen Akindynos A. 724 fol. 150rJvo: gr. T.)
Cod. Coisl. 99
Palamas an Gabras A. 742 (fol. 81 VO)
Palamas an Daniel v. Ainos A. 711 (fol. 99 VO)
A. 742 (fol. 100)
Palamas an Paulos Asan A. 742 (fol. 118)
Palamas an Arsenios A. 742 (fol. 125vO)
Palamas gegen d. Tomos d. Kalekas A. 708 (fol. 140rJvo: gr. T.)
A. 785 (fol. 127; 132VO)
Palsmas an Philotheos A. 734 (fol. 170vO)
A. 769 (fol. 171rJvO) nach
MEYENDORFF Palamas
A. 775 (fol. 169vO)
Palamas an d. Athosmönche A. 733 (fol. 174)
A. 776 (fol. 175)
Palamas an Bessarion A. 675 (fol. 177vo: gr. T.)
Palamss, 2. Brief an Makarios A. 786 (fol. 179vO) nach
MEYENDORFF Palamas
Palamas an Anna A. 797 (fol. 181-182)
Cod. Mare. 155
Akindynos, Aufruf zum Widerstand A.726
(fol. 17-34) A.825
Br. 1 (ohne Lemma) (fol. 36-38) A. 857; A. 858
Br. 3 (ohne Lemma) A. 874 (fol. 39vo: gr. T.)
Br. 8 an Alexios Apokaukos A. 767 (fol. 41 rJvO)
Br. 10 an Jo. Kalekas A. 792 (fol. 41 v L 42)
INDEX DER ~ITIERTEN HANDSOHRIFTEN 173
Am 22. 1. 1937 wurde ich, Georg Heinrich Gün ter WEISS, als Sohn des Land-
gerichtsrats Hans WEISS in Hof/Saale geboren.
1956 legte ich die Reifeprüfung am hum. Gymnasium in Hof/Saale ab. Nach einem
drei Semester dauernden "studium generale" an der Universität München stu-
dierte ich sechs Semester Theologie, Altphilologie und Geschichte in Neuen-
dettelsau und Erlangen.
Im Frühjahr 1962 bestand ich das erste Examen der evangelisch-lutherischen
Landeskirche in Bayern. In der Folgezeit setzte ich meine philologischen und
historischen Studien an der Universität München fort. Unter der Leitung von
Herrn Professor H.-G. BECK und Herrn Professor W. v. LOEwENICH arbeitete ich
eine Arbeit über das Leben, die Schriften und die Theologie des Patriarchen
Anastasius I. von Antiochien aus.
Mit dieser Untersuchung promovierte ich im Sommer 1965 an der evangelisch-
theologischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg. Seit 1965 wurden
meine Studien in München neben Arabistik (Prof. SPITALER) in Byzantinistik
bei Herrn Professor H.-G. BECK, in Geschichtlichen Hilfswissenschaften bei
Herrn Professor ACHT und in Bayerischer Geschichte bei Herrn Professor BOSL
fortgesetzt.