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Letzte Woche war ich in Kopenhagen.

Kopenhagen ist eine sehr, sehr nachhaltige Stadt.


In Kopenhagen ist es wahrscheinlicher,
von einem Fahrrad angefahren zu werden als von einem Auto.
Entsprechend gespannt war ich auf Essen da und die Supermärkte.
Als erstes bin ich in einen Supermarkt gegangen
und habe mir Obst angeschaut und dieses Obst gefunden:
Obst, einzeln verpackt,
weil Birnen und Äpfel sind ja tatsächlich schwer zu trennen.
Ich fand das natürlich nicht ganz so gut.
Warum? Warum ich keine Verpackung mag?
Vielleicht kennen Sie auch die Bilder von den Meeren,
wo Müllinseln im Meer rumschwimmen,
Bilder von Vögeln und Fischen, deren Bäuche aufgeschlitzt sind,
und darin befinden sich Plastikflaschen-Deckel
und weiterer Krimskrams aus dem Meer.
Ich glaube nicht, dass unser Müll- und Recycling-System so gut funktioniert,
sonst wäre das nicht möglich.
Es wäre nicht möglich, dass [sich] im Meer
46 000 Mikroplastikteilchen pro Quadratmeter im Wasser befinden.
Das ist sechsmal mehr als Plankton.
Irgendwas ist da falsch.
Lassen Sie mich eine Geschichte erzählen, die mich geprägt hat,
die vielleicht auch erklärt, warum ich heute hier bin.
Es war der Sommer 2003.
Ich war ungefähr genauso groß oder klein wie damals,
ging zur Schule und hatte nicht so viel im Kopf.
Mein Horizont endete ungefähr da, wo die nächste Pimkie-Filiale stand.
Ich dachte aber auch an die Theater AG und einen sehr, sehr süßen Jungen,
mit dem verbrachte ich sehr viel Zeit nach der Schule.
Wir gingen immer raus in den Park und redeten.
Wir redeten über Gott und die Welt, und er erklärte mir Vegetarismus,
und wir verbrachten viel Zeit zusammen.
Eines Nachmittags im Park, es war alles wie immer,
da stand er auf, plötzlich, und kam mir näher
und schaute mir in die Augen.
Und ich dachte nach: "Wow, es sind so schöne blaue Augen",
und: "Oh Gott, was hat Dr. Sommer gesagt zum Thema 'Küssen'?
Wie macht man das nochmal mit der Zunge?"
Ich dachte darüber nach, was jetzt alles passieren könnte,
was ich jetzt verpassen würde, was ich jetzt falsch machen könnte
und was es für unsere Freundschaft bedeuten würde.
Und während ich so nachdachte, ist er einen Schritt zurückgetreten
und ja, der Moment war vorbei.
Und so verpasste ich meinen ersten Kuss.
Weil ich zu lange nachdachte.
Dann kamen die Sommerferien und ja, der Moment war vorbei.
Und dann verloren wir uns aus den Augen.
Damals schwor ich mir, dass mir das nicht wieder passieren sollte.
Dass wenn ich alt bin,
ich nicht zurückblicken möchte auf mein Leben
und lauter verpasste Chancen sehen.
Ich möchte, dass es nicht passiert.
Die Konsequenz daraus war, dass dann die Sommerferien kamen
und ich sehr viele Jungs küsste und auf die Nase fiel.
(Lachen)
Ja, aber ich lernte auch dazu.
Dieser Sommer hat mich sehr bewegt.
Ich lernte, Sachen anzupacken, auf die Nase zu fallen,
wieder aufzustehen und weiterzumachen.
Und auch Sachen einfach anzugehen.
Einer dieser Sachen war und ist auch noch Plastikverpackung.
Sie sind nämlich überall.
Wir haben ...
Wenn wir einkaufen gehen, dann sind sie da.
Sie schützen einerseits das Produkt und gleichzeitig machen sie halt Müll.
Wir nehmen sie mit nach Hause und schmeißen sie weg.
Wir als Kunden sehen ja nur den Plastikmüll,
den wir mit nach Hause nehmen.
Was wir nicht sehen,
ist die ganze lange Kette, wie sich das verstrickt.
Was vom Hersteller zum Lieferanten geschieht.
Das ist doof, das hat die Folge, dass der Müll [im Meer] landet,
das hatte ich Ihnen am Anfang schon erzählt,
und deswegen ...
Kann ich Ihnen eine Frage stellen?
Trennen Sie Ihren Müll?
Ja? Wow, ich bin beeindruckt. Ziemlich gut!
Gar nicht so unüblich und auch sehr gut,
aber nur 20 % unseres Mülls werden tatsächlich recycled,
das heißt, der Rest, diese 80 % Müll werden ...
verbrannt, gedowncycled.
Das heißt, Abgase gehen in die Atmosphäre,
Schadstoffe gelangen auf den Boden.
Oder es wird einfach ins Ausland verschifft.
Und diese 20 % werden zu vergleichbaren Produkten angewandt.
Das heißt, eigentlich ist Recycling zwar schön und gut,
aber es ist nicht die Lösung.
Wir müssen einen Schritt zurückgehen, um eine Lösung zu finden.
Und das habe ich gemacht.
Ich saß eines Abends mit meiner Freundin Sara in der Küche,
sie hat gekocht und ich habe getrunken, es war alles wie immer.
(Lachen)
Es fiel ein bisschen Müll an und wir dachten so nach,
und ich erzählte ihr von diesem Problem und dass ich Sachen gerne angehe.
Wir dachten, okay, nächst um den Weltfrieden zu erreichen,
was ist der Schritt davor natürlich naheliegender?
Ein verpackungsfreier Supermarkt. Einer ohne Einwegverpackung.
Alles original unverpackt.
Und wir spinnten 'rum, tranken noch mehr,
es war wirklich das Urding einer Schnappsidee.
Ja, und dann gingen wir es an.
Aus der Idee wurde ein Businessplan.
Aus dem Businessplan kam irgendwann der Moment,
wo man es in die Praxis umsetzen musste.
Und das war der Moment wo wir Angst bekamen, kalte Füße.
Aber ich habe die Lektion,
die ich in diesem Sommer gelernt habe, angewandt.
Ich habe mir vorgestellt, was wäre, wenn ich alt bin,
wenn ich zurückschaue, wie sehe ich mich dann als alte Frau?
Ich sehe eine alte Frau, die verbittert ist
und diese eine Chance verpasst hat.
Da kommt ihr Zivi die Treppe hoch und trägt so schwere Einkaufstüten
und alles ist immer noch voller Plastik!
Das war so ein schreckliches Szenario,
dass ich dachte: "Nee, lieber geh' ich's an
und lieber ruiniere ich mich finanziell, aber ich versuche es wenigstens."
Und das haben wir gemacht.
Aber wir hatten immer noch kein Geld.
Geld kommt nicht aus dem Himmel. Was macht man da?
Was macht man als junger Unternehmer mit einer Idee heutzutage?
Man macht Crowdfunding. Das haben wir gemacht.
Wir haben ein Video gedreht, und das Video ging viral.
Es verbreitete sich von ganz alleine.
Wildfremde Menschen, die wir nicht kannten,
haben es übersetzt ins Englische, ins Spanische.
Presse, Medien aus der ganzen Welt kamen auf uns zu und haben berichtet.
Nicht über einen Supermarkt, sondern über die Idee eines Supermarkts.
Denn was wir zu dem Zeitpunkt hatten, war eigentlich nur die Idee,
dass Unverpackt einkaufen möglich sein sollte.
Diese Resonanz hat gezeigt, dass es nicht nur eine Idee,
sondern es ist ein Bedarf, der besteht, da muss ich doch was tun.
Und wenn die Industrie auf ihren faulen Ärschen sitzt,
dann machen wir es halt selber!
Mit dem Crowdfunding haben wir über 100 000 Euro eingesammelt.
Mit diesen 100 000 Euro, ein bisschen mehr,
haben wir einen Supermarkt eröffnet ohne Einwegverpackung.
So sieht er aus.
Vor zweieinhalb Monaten haben wir ihn eröffnet,
in Berlin mit unserem Team.
In diesem Supermarkt kann man nicht nur Lebensmittel einkaufen;
wir haben Trockenprodukte, wie Gummibärchen, Müsli,
so was man so hat, was es auch bei Whole Foods unverpackt gibt
und anderen Konzepten,
aber was wir noch mehr haben ist die ganze Bandbreite.
Sie mögen Tofu? Wir haben Tofu, von den TofuTussis aus Berlin.
Wir haben Marmelade im Mehrwegglas, Molkeprodukte.
Wir haben eigentlich alles, was das Herz begehrt,
von Bier zu Wodka und Gin zu Käse, unsere Regale sind voll.
Und das alles ohne Einwegverpackung.
Wenn man einkaufen geht, kommt man im Endeffekt
mit vollen Händen nach Hause, aber ohne Müll.
Man bedient sich selber,
indem man einfach Behälter mitbringt und sie befüllt mit so viel man braucht.
Wir haben Marmelade; Sachen, die ein bisschen komplexer sind,
sind einfach im Mehrwegglas,
kennt man ja auch schon von Molkeprodukten.
Wir haben das Rad also nicht neu erfunden,
wir haben einfach ein Tesla oder ein BMW daraus gemacht.
(Lachen)
Und wir sind aber auch zurückgegangen,
haben uns erinnert, was hat man früher gemacht?
Früher gab es keine Tempos.
Früher hat man ein feines Stofftaschentuch gehabt,
es verwendet und nicht weggeschmissen.
Das heißt, man kann bei uns so einkaufen, dass man am Ende des Tages
in seinem ganzen Alltag keinen weiteren Müll produziert.
Und das ist gut. Warum sollte man unverpackt einkaufen?
Weil man eine frei wählbare Menge hat.
Sie kaufen [also] nur so viel, wie Sie brauchen
und müssen am Ende des Tages nichts wegschmeißen.
Es ist zum Teil preiswerter,
weil man die Verpackung, das Marketing weg lässt.
Und, das Beste: man hat keinen Müll,
den man 'runtertragen muss am Ende des Tages.
Was ich aus den letzten zwei Jahren mitgenommen habe, war einiges.
Es war eine lange Reise, aber [vor allem] habe ich gelernt,
mit offenen Augen und Geist durch die Gegend zu gehen,
Sachen wahrzunehmen und auch zu hinterfragen,
Sachen, die so selbstverständlich sind, so Kleinigkeiten wie das Einkaufen,
was man jeden Tag macht,
und vor allem, es einfach zu machen.
"Mut haben" heißt eigentlich nur
Angst zu haben, aber es trotzdem zu machen,
weniger nachzudenken.
Weil Angst hat jeder, aber man muss diese Angst überwinden.
Das heißt, wenn Sie eine Idee haben, setzen Sie sie um. Machen Sie es einfach.
Machen Sie es lieber jetzt als morgen. Sonst ist der Moment vorbei.
Und mit ihm, der erste Kuss.
Vielen Dank.
(Applaus)

Nachhaltige Entsprechend
Anschauen Aufschlitzen

Krimskrams Sonst

Prägen Verpassen

Schwören Auf die Nase


fallen

Einerseits Wegschmeiße
n

Verstricken Lieferant
Geschehen Doof

Beeindrucke Üblich
n

Abgase Schadstoffe

verschiffen Angehen

Naheliegend Umsetzen

Verbitten Tüten
Sich Bedarf
verbreiten

Bestehen

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