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Wortschatz und wortschatzvermittlung

Umfang und Einteilung

- Der Wortschatz umfaßt die Gesamtheit der Wörter einer Sprache zu einem Zeitpunkt
oder die Gesamtheit aller Wörter einer Sprache, die ein einzelner Srpecher kennt oder
verwendet.

Was den deutschen Wortschatz betrifft, liegen Schätzungen von seinem Umgang zwischen
300.000 und 500.000 Wörtern. Die Muttersprachler beherrschen im Durchschnitt maximal
15.000 Wörter davon.

- Unterscheidungen:

1. Die offene Klasse der Inhaltswörter und die geschlossene Klasse der Strukturwörter

• die Inhaltswörter sind Substantive, Verben, Adjektive, die sich in ständiger Entwicklung
befinden, indem sie sich neuen Kommunikationsbedürfnissen anpassen, wodurch laufend neue
Bedeutungen und neue Wörter entstehen.

• die Strukturwörter sind Pronomen, Artikel, Konjunktionen, Präpositionen usw.. Heute


entstehen keine neuen Wörter dieser Klasse mehr und ihre Zahl ist begrenzt.

2. Primärer (oder Grund-)Wortschatz und sekundärer (oder abgeleiteter) Wortschatz.

Grundwortschatz ist derjeniger Wortschatz, der nötig ist, um ca. 85% von Texten einer Sprache
zu verstehen.

Zum sekundären Wortschatz zählt man die Wörter, die mit Hilfe von Wortbildungsregeln vom
Grundwortschatz abgeleitet sind (Ableitungen und Komposita).

3. Im Fremdsprachenunterricht unterscheidet man zwischen dem aktiven, dem passiven und


dem potenziellen Wortschatz.

• Der aktive Wortschatz umfaßt die Wörter, die der Lernende produktiv zu verwenden in der
Lage ist.

• Der passive Wortschatz umfaßt die Wörter, die der Lernende einmal gelernt hat, aber nicht
produktiv beim Sprechen und Schreiben verwenden kann, sondern die er nur wiedererkennt
und versteht, wenn er sie hört oder liest.

• Zum potenziellen Wortschatz zählt man alle abgeleiteten und zusammengesetzten Wörter,
die dem Lernenden vollkommen neu sind, die er aber aufgrund ihrer Bildung erschließen kann,
wenn er Grundwort oder entsprechende Wortbildungsregeln kennt. Dieser potenzielle
Wortschatz ist für den Lernenden von großer Bedeutung, da von ihm das Niveau seines Hör-
und Leseverständnisses abhängt.

4. Andere Unterscheidungen:

• Internationalismen: Wörter, die in gleicher Bedeutung und gleicher oder ähnlicher Form in
verschiedenen Kultursprachen vorkommen und die der Lernende erschließen kann, weil sie in
seiner Muttersprache oder in seiner ersten Fremdsprache (z.B. Englisch) ähnlich oder gleich
ausgesprochen oder geschrieben werden (z.B. Taxi, Telefon, Radio …).

• Dialekte: eine –meist räumlich mehr oder minder stark begrenzte – Varietät einer Sprache

• Hochsprache vs. Umgangssprache

• Sprachstile: formale, familäre, poetische, Prosasprache

• Art der Sprachverwendung: Schriftsprache und gesprochene Sprache

• Hochsprache vs. Umgangssprache

Hochsprache: die gepflegteste, am strengsten vorgegebenen Normen unterliegende, in erster


Linie schriftliche Spracheverwendung, häufig auch Nationalsprache oder Standardsprache. Für
DaF-Lernende ist der Erweb der Hochsprache von größtem Vorteil, weil mit ihr überregionale
wie auch regionale Kommunikation problemlos geleistet werden kann.

Umgangssprache: ist die Sprache, die im Alltag und im Umgang mit dem sozialen Umfeld
verwendet wird. Dabei wird die Sprache angepasst an den täglichen Gebrauch und oft stark
vereinfacht oder verkürzt.

Umgangssprache Bedeutung

Krass Toll! Prima! (ganz extrem)


Lassma!
Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Es ist nur ein kleiner Teil eines
Den Lӧffel abgeben./ins Gras beiβen Ganzen
sterben

 Im Fremdsprachenunterricht ist es schon aus zeitlichen Gründen erforderlich, einen


Teilbereich der fremden Sprache auszuwählen und zu vermitteln, der trotz dieser Beschränkung
noch funktionsfähig ist. Das geschieht meist in Form sog. Grundwortschätze. Innerhalb solcher
Teilsysteme kann man dann wieder zwischen aktivem und passivem Wortschatz unterscheiden.

Darbietung des Wortschatzes


Dem Lernenden müssen drei Komponenten eines jeden Wortes vermittelt werden: seine
Aussprache, seine Orthografie und seine Bedeutung.

Im Anfängerunterricht ist allerdings darauf zu achten, dass der Lernende zuerst mit dem
Lautbild und der Bedeutung vertraut gemacht wird, bevor auch das Schriftbild präsentiert wird.
Es ist auch am günstigsten, wenn kurz hintereinander das Wort gehört, gesprochen, gelesen und
geschrieben wird.

Ein neues und unbekanntes Wort sollte immer nur in der Bedeutung erklärt werden, die es im
vorliegenden Kontext hat, denn nur im Kontext ist die Bedeutung eines Wortes eindeutig zu
erschließen. Außerdem würde die Vermittlung weiterer Bedeutung den Lernenden nur
verwirren und zu Fehlern verleiten.

Man kann neue Wörter vor der Behandlung des Textes einführen oder aber während der Arbeit
am Text. Im Angängerunterricht und bei lexikalischen schwierigen Texten generell empfiehlt
sich der erste Weg, weil damit Schwierigkeiten vor der Behandlung des Textes beseitigt werden
können. ( Vorentlastung)

Die neuen Wörter werden dabei nicht in der Reihenfolge ihres Auftretens im Lektionstext
erklärt, sondern innerhalb eines kleinen Gesprächs oder eines schriftlichen Einführungstextes
miteinander in Beziehung gesetzt.

Prinzipien der Wortschatzvermittlung im Fremdsprachenunterricht

Der Wortschatz gilt als eine der wichtigsten Teilkompetenzen beim Fremdsprachenerwerb, weil
er eine Grundlage der sprachlichen Kommunikation bildet. Zugleich geht es aber um einen Teil
des Fremdsprachenunterrichts, mit dem sich Lehrer im Unterricht auf verschiedene Weise
auseinandersetzen. Schüler sind oft gezwungen, neue Wörter für die nächste Stunde zu lernen.
Sie bekommen dazu aber keine Anweisungen, wie sie die Wörter lernen sollen. Es ist nötig, dass
die Lernenden auch eine Erklärung, welche Wörter wichtig sind und wie sie den Wortschatz
effektiv lernen können, bekommen.
In letzten Jahrzehnten wurde mehr Aufmerksamkeit den Prinzipien der Wortschatzvermittlung
gewidmet. Drei grundlegende Prinzipien der Wortschatzarbeit wurden festgestellt:

◦ kontextualisiertes Lernen

◦ vernetztes Lernen

◦ mehrkanaliges Lernen

Kontextualisiertes und vernetztes Lernen bedeutet, dass man neue Wörter immer im
sinnvollen Kontext und nicht isoliert, sondern mit anderen lexikalischen Einheiten verbunden,
lernen soll. Das erleichtert das Verstehen, fördert die Bildung assiziativer Verbindungen
innerhalb des Wortschatzes und ist eine wichtige Voraussetzung für eine gute Verankerung im
Gedächtnis.

Bei mehrkanaligem Lernen sollen Lernende möglichst viele Wahrnehmungskanäle einschließen.


Diese Kanäle verstärken sich gegenseitig und sind unterschiedlich effektiv.

Mit dem Prinzip des mehrkanaligen Lernens hängt auch die Tatsache zusammen, dass jeder
Lernende eine Individualität ist und dass er einen (oder mehrere) von den Kanälen bevorzugt.
Wir sprechen dann über sogenannte Lerntypen:

◦ der visuelle Typ (er lernt durch Sehen)

◦ der auditive Typ (er lernt durch Hören)

◦ der haptische Typ (er lernt durch Tastsinn)

◦ der verbale Typ (er lernt durch sprachlich-abstrakte Erklärung)

◦ der interaktionsorientierte Typ (er lernt im sozialen Kontakt)

 Für den Unterricht ist es also ideal, wenn der Lehrer nicht nur eine, sondern verschiedene
Lernwege gebraucht.

Lernen über verschiedene Kanäle (Janíková/McGovern 2004, 29)

Beim Lernen mit behalten wir und vergessen

Ohr: Hören 20 Prozent 80 Prozent

Auge: Sehen 30 Prozent 70 Prozent

Mund: Sprechen 70 Prozent 30 Prozent

Hände: eigenes Tun 90 Prozent 10 Prozent


Man lernt Wortschatz am besten durch selbst Tun, Sprechen, Sehen, Hören, und durch
Erklärungen eigenes Handels. Dabei sind zwei Sachen wichtig: erstens das, was mit den Wörtern
gemacht wird und zweitens, wie und auf wie viele unterschiedliche Weisen die Wörter geübt
oder verwendet werden.

Was bei der Einführung und der Einübung der neuen lexikalischen Einheiten wichtig ist, ist der
Kanal, über den neue Wörter präsentiert und aufgenommen werden. Das bedeutet, dass die
neue Lexik in den verschiedenen Subsystemen des Gedächtnisses ganz tief erhalten bleiben
muss und um es zu erreichen, muss die Wortschatzvermittlung vieldimensional realisiert
werden: als Laut- und Schriftbild, semantisch, bildlich-ikonisch, textlich und referenziell durch
Handlungen und eine variable situative und sprachlich-kontextuelle Einbettung.

Dimensionen des Wortschatzes

Die Wörter einer Sprache (sprachliche Zeichen ) haben eine Form-/Ausdrucksseite, d.h. ihre
akutische bzw. orthografische Gestalt, und eine Inhaltsseite, ihre Bedeutung. Sprachen
unterscheiden sich nicht nur auf der Formseite voneinander sondern auch in der Bedeutung der
einzelnen Wörter.

Die Linguistik unterscheidet verschiedene Bedeutungsdimensionen des Wortschatzes, die die


Beziehung der Wörter untereinander sowie ihre Beziehung zur Realität (Welt) betreffen, diesen
Bedeutungsdimensionen entsprechen assoziative Vernetzungen der Wörter im Gedächtnis.

1. Referenzielle Dimension

Sprachliche Zeichen verweisen auf die Welt, sie haben eine Referenz in der Welt.

z.B. die Wörter Abendstern und Morgenstern haben einen unterschiedlichen sprachlichen Inhalt
(Bedeutung), sie haben aber dieselbe außersprachliche Referenz, nämlich den Planeten Venus.

Zwischen den sprachlichen Ausdruck und den Referenten in der Welt besteht keine direkte
Beziehung (nur bei lautmalenden Wörtern ist diese tendenziell vorhanden), sodas ein oder
derselbe Referent (z.B. Schrift) in verschiedenen Sprachen durch unterschiedliche sprachliche
Ausdrücke bezeichnet wird.

Die referenzielle Funktion des Wortschatzes betrifft die angemessene Verwendung sprachlicher
Zeichen in ihrem Bezug auf die außersprachliche Wirklichkeit.

Eine sprachlich korrekte Äußerung wie Der Berg dort ist hoch kann referenziell durchaus
angemessen sein, z.B. wenn es sich bei dem Gegenstand, auf den referiert wird, um einen 15
Meter hohen Hügel handelt.

Die Äußeung Guten Morgen! hat mittags um 13 Uhr geäußert, eine falsche Referenz in Bezug
auf die Wirklichkeit und ist deshalb nicht angemessen.
Es ist eine vorkommunikative Übung, mit der der Aufbau der Assoziationen zwischen einzelnen
Wörtern und der realen Welt erreicht werden soll. Die Aufgabe der Lernenden ist, Wörter den
Bildern so zuzuordnen, die ihre entsprechenden Referenzen in der realen Welt haben.

2. Syntagmatische Dimension

Als die syntagmatische Dimension sprachlicher Zeichen werden die Beziehungen der Wörter
untereinander, ihr Miteinander-Vorkommen in der Abfolge der Äußerung, bezeichnet. Die
syntagmatische Dimension hat einen syntagtischen und einen semantischen Aspekt.

Der syntaktischer Aspekt betrifft z. B. die Valenz des Verbs lernen im Beispiel erfordert 2
Ergänzungen, eine Nominativergäzung (du) und eine Akkusativergänzung (Sprachen).

Parallel gibt es syntagmatische Bedeutungsbeziehungen (Valenzen), so ist z.B. lernen aufgrund


seiner Bedeutung mit Sprache als Objekt der Handlung kompatibel, nicht aber mit Haus, Möbel ,
Schönheit usw.

Übung auf der Basis syntagmatischer Relationen


3. Paradigmatische Dimension

Unter der paradigmatischen Dimension sprachlicher Zeichen versteht man die Beziehung zu
alternativen Zeichen. Paradigmatische Wortfelder konstituieren sich aus semantisch
zusammengehörenden Wörtern, z.B. das Wortfeld Gebäude: Schloss, Haus, Villa, Hütte, …
zwischen den Wörtern in paradigmatischen Wortfeldern bestehen semantische
Bedeutungsbeziehungen wie Synonymie (Schlips – Krawatte), Über- bzw. Unterordnung
(Gebäude – Haus), Gegensatz (groß – klein), usw.

Beispiele für Übungen, denen paradigmatische Relationen zugrunde liegen

Beispiel 1:

Bei dieser Übung müssen die Lernenden den Wortschatz entsprechend klassifizieren, indem sie
objektbezogenen Eigenschaften von Menschen angeben, was den semantischen Zusammenhalt
des vorgegebenen Wortfeldes herstellt und individuelle Zuordnungen erlaubt und zum Schluss
werden die Antonyme angegeben, wodurch die Adjektive ganz genau und eindeutig verstanden
werden sollen.

4. Konnotative Dimension

Unter der konnotativen Dimension des Wortschatzes versteht man das mit Wörtern
verbundene mentale Assoziationsfeld. Die konnotative Bedeutung hat individuelle,
gruppenspezifische und kulturspezifische Aspekte.

Mit diesem Übungstyp sollen konnotative Vernetzungen des Wortschatzes gebildet werden. Es
geht darum, dass Lernende Wörter im vorgegebenen Rahmen individuell zuordnen, was dann
eine Basis für Äußerungen oder Diskussionen im Unterricht sein kann.

5. Kontrastive Dimension
In den genannten vier Dimensionen unterscheidet sich der Wortschatz von Sprache zu Sprache.
Unter didaktischen Aspekten ist deshalb die kontrastive Dimension des Wortschatzes besonders
wichtig, d.h. die Unterschiede und somit häufig auch Fehlerquellen zwischen den Wörtern der
Muttersprache der Lernenden und der Zielsprachen. Diese Dimension kann besonders in
sprachlich homogenen Lernergruppen mit Gewinn berücksichtigt werden.

Glossar

- der Kontext: (Linguistik) der Zusammenhang oder das Umfeld eines Wortes oder einer
Handlung

- sich mit etwas auseinandersetzen: sich intensive mit etwas beschäftigen (um die eigene
Meinung darüber zu überprüfen)

- verankern – die Verankerung: ein Schiff mit einem Anker an seinem Platz festmachen

- der Wahrnehmungskanal, -kanäle: die Art und Weise, wie man etwas wahrnimmt.

- der haptische Typ lernt gern mit dem Erspüren mit den Händen und durch Berührungen.
Er ist ein praktischer Mensch, der sich Dinge besonders gut durch konkrete Durchführung
merkt.

- die Dimension,-en:

+ (allgemein und vereinfachend) körperliche Größe eines Gegenstandes in seinem ihn


aufspannendes Raum

+ (Soziologie)Abmessung, Ausdehnungsrichtung oder auch Merkmalsbereich, Eigenschaftsraum,


als statistischer Zusammenhang zwischen den Merkmalen

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