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 Erholung 

Robert Maruna, 33,


ist Autor, Journalist
und nahezu hyper-
aktiv. Entsprechend
gedämpft war seine

Heute mach
Begeisterung,
als wir ihn baten,
einfach einmal
nichts zu tun.

ich gar nichts!


Das süße Nichtstun – oder, wie die Italiener es nennen,
„il dolce far niente“ – war doch früher einmal ganz einfach.
Doch jetzt? Robert Maruna will es wieder lernen.
Ein Selbstversuch zwischen Ungeduld, Himmelblau
und Erkenntnissen.

TEXT  Robert Maruna  FOTOS  Philipp Schönauer

i
Effizienz ist unbarmherzig. Selbst nach wenn wir nichts zu tun haben, fühlen
einem Zwölf-Stunden-Arbeitstag muss wir uns schuldig. Folglich empfinden wir
ich noch irgendwo durch einen dunklen auch Momente der Entspannung als ver-
Wald laufen oder mindestens hundert lorene, nicht als gewonnene Zeit.
Liegestütze machen, bevor ich erschöpft „Nichtstun ist die allerschwierigste
zusammenklappe. Das Hirn rattert trotz- Beschäftigung und zugleich diejeni-
dem weiter. Ich suche nach dem Pausen­ ge, die am meisten Geist voraussetzt“,
knopf, finde ihn aber nicht. Ich versuche schrieb Oscar Wilde.
die Synapsen in den Feierabend zu schi- Aber wie legt man eine Pause ein?
Ich weiß nicht mehr genau, wann ich es cken, doch sie wollen nicht. Ich habe Denn eine Pause muss sein. Selbst Gott
verloren habe. Als Kind hatte ich es auf schlicht und ergreifend vergessen, wie das hat sich beim Erschaffen der Welt eine
jeden Fall noch in mir. Dem Sandkasten ist: glücklich zu sein, wenn man nichts tut. Auszeit von einem Tag gegönnt, also
war es völlig gleich, ob ich ihm nun eine Und genau deshalb brauche ich Ant- muss uns Menschen das wohl auch er-
Burg aus Sand oder ein Schloss aus Wol- worten. Ich frage Google. Gründe für laubt sein! „Schließlich führt das Nichts-
ken baute. Ich war glücklich, ohne es zu innere Unruhe seien vielfältig, lese ich, tun irgendwann zum allerbesten Ir-
hinterfragen. Aber irgendwann bin ich vieles spricht jedoch dafür, dass wir uns gendwas“, sagt Pu der Bär. Der kommt
dann unruhig geworden. in einem „Zeitalter der Supereffizienz“ auch von den Britischen Inseln und ist
befinden: Jede Handlung wird einem quasi ein Zeit­genosse von Oscar Wilde
Robert, der Ruhelose Zweck unterworfen, jeder Gedanke kur- – wenngleich man ihm attestiert, ein Bär
Heute bin ich 33, und mein Antrieb nach belt die Produktivitätsmühle weiter an; von sehr geringem Verstand zu sein.

28 carpe diem carpe diem 29


Irgendwo zwischen den beiden Polen
„Schließlich führt
„am meisten Geist“ und „von sehr gerin­gem
Verstand“ muss das Nichtstun beheimatet
das Nichtstun
sein. Ich beschließe, es zu probieren.
irgendwann
Leerlauf stabilisiert
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Lalouschek
zum allerbesten
(siehe Interview ab Seite 36) ist Facharzt
für Neurologie in Wien, Systemischer
Irgendwas.“
Coach und Autor zahlreicher Fach­bücher
zu den Themen Burnout und Stress­ Pu der Bär
bewältigung. Darüber hinaus ist er ein
sehr angenehmer Gesprächspartner, der
mich auf dem Weg ins Nichts fachge-
recht begleiten soll. Die Idee gefällt ihm,
„weil Nichtstun ein schöner Kontrast
zu unserer aufgeladenen Zeit ist, in der
man immer etwas Besonderes tun muss,
damit es einem besser geht“.
Und wenn ich sage, dass ich wie ein
Duracell-Hase durchs Leben rase und
meine Batterieleistung so weit optimiert
habe, dass ich nicht mehr zu schlafen
brauche, sondern ständig machen kann,
dann wirkt er wenig verwundert: „Wir
haben unser Gehirn in Unruhe versetzt.
Jetzt läuft es wie ein Schwungrad, das
sich nicht mehr bremsen lässt.“
Aber irgendwann könne das unan-
genehm werden, sagt Prof. Lalouschek.
Denn in den Tiefen unseres Gehirns
sitzt das limbische System, das für unsere
Gefühlswelt und intellektuellen Leis-
tungen zuständig ist – eingebettet in
ein Netzwerk an Nervenbahnen, das ge-
nau eine Aufgabe erfüllt: Es wird beim
Nichtstun aktiv. Default Mode Network
nennt man das, und es ist vergleichbar mit
dem Leerlauf eines Motors. Es stabilisiert
so die allgemeine Gehirnfunktion.
„Bei den Menschen, die multitasking­
aktiv und ständig am Tun sind, wird das
Leerlaufnetzwerk instabil“, sagt Prof.
Lalouschek. „Wir empfinden das Nichts­
tun als einen unangenehmen Zustand.

30 carpe diem carpe diem 31


„Ich habe
den Raben
mit dem
weißen Fleck
Kurtl getauft,
den anderen Und das ist ein gewaltiges Problem: Jede
Maschine, die durchgehend läuft, bricht
dem wir mehr Zeit zu Hause verbringen
als gewollt, wirft sie mir Stöckchen durch
ja eh schon so viel vor dem Bildschirm!
Aber Spazierengehen geht nicht, hat
Dieter. irgendwann zusammen.“ die Wohnung. Jedes Mal tappe ich ihr
in die Falle und laufe hinterher.
Prof.  Lalouschek gesagt, weil Gehen
nichts mit Nichtstun zu tun habe. Und
Der Kurtl ist 30 Minuten, 30 Tage
Dem wollen wir entgegenwirken, indem
Ich frage mich, wie ich das 30 Tage
lang durch­stehen soll. Mich überkommt
das geht mir mächtig auf die Nerven.
Ein Tischtennisball fällt mir vor die
ein lässiger ich nun 30 Tage lang mindestens 30 Mi-
nuten pro Tag versuche, nichts zu tun.
jetzt schon Langeweile. So eine Schnaps­
idee, denke ich mir …
Füße. Ich hebe ihn auf und werfe ihn
den beiden Jungen zu. Habe ich jetzt das
Rabe.“ Und nichts tun bedeutet wirklich nichts
tun. Also nicht gehen, nicht sprechen,
Just in dem Moment läutet der Timer
– ich hab’s geschafft. 30 Minuten lang
Nichtstun unterbrochen? Darf ich das?

nicht essen oder trinken, sondern einfach nichts getan. Tag 10


nur dasitzen und nichts Besonderes ma- Ich spüre keine Veränderung in mir. Ich tue nichts auf dem Balkon. Ich lasse
chen. Am besten geht das draußen in der die Wolken am Himmel vorbeiziehen,
Natur, im Idealfall geschieht das unge- Tag 4 zähle die roten Ziegel an der Hausmauer
plant; und wenn die Gedanken kommen, Zurück in Wien. Ich sitze mit überschla- gegenüber und beobachte zwei Raben auf
gibt mir Prof. Lalouschek noch mit auf genen Beinen auf einer Parkbank und dem Dach. Einer der beiden sitzt immer
den Weg, dann sollte ich sie wie Wolken blicke zum Himmel. Gerade habe ich links und der andere rechts vom Schorn-
vorbeiziehen lassen und einen neuen fin- wirklich keine große Lust, nichts zu tun. stein. Das kann ich deshalb so genau sa-
den. Ich sage, dass ich mir nicht sicher Ich habe noch so viel Arbeit zu erledi- gen, weil einer von ihnen einen weißen
bin, ob ich das wirklich kann. gen, würde gerne laufen gehen, einkau- Fleck unter dem rechten Flügel trägt, der
Er grinst kurz und verabschiedet mich fen sollte ich auch, und meine Freundin andere nicht. Ich habe den Raben mit
mit den Worten: „Schauen wir doch ein- sagt, dass wir zu wenig Zeit miteinander dem weißen Fleck Kurtl getauft und den
fach einmal, was das mit Ihnen macht.“ verbringen. anderen Dieter. Der Kurtl ist irgendwie
Ich kann das nicht nachvollziehen, seit ein lässiger Rabe, der Dieter ist mehr so
Tag 1 knapp einem Jahr kleben wir konstant ein stoischer Charakter. Zusammen sind
Unter Sternen. Ich sitze auf der Haus- aufeinander. Aber vielleicht leben wir sie aber ein lustiges Pärchen.
bank meiner Eltern, es ist ein lauer Früh- gerade nur neben- und nicht miteinan- Ich halte fest: Nichtstun ist gut für die
lingsabend. Gegenüber erkenne ich die der. Ich glaube, ich sollte ihr sagen, wie Beobachtungsgabe. Und: Ich fühle mich
Umrisse unseres Hausbergs, links und gern ich sie habe. Vielleicht ist Nichtstun inzwischen irgendwie gut und entspannt,
rechts herrscht Dunkelheit. Romanti- ja gut für die Beziehung. nachdem ich nichts getan habe.
scher könnte das Nichtstun wohl kaum
beginnen. So schwierig sollte es auch Tag 6 Tag 11
nicht sein. Der Timer zeigt Minute 7 an, Heute gehen sich nur 20 Minuten aus. Ich habe heute ehrlich gestanden keine
und ich will nichts mehr als aufstehen „Aber besser als nichts“, denk ich mir. Zeit, keine Muße und auch keinen Nerv
und mich bewegen. Das mit dem Gedankenschweifenlassen fürs Nichtstun. Ich habe noch so viel zu
Meine Freundin sagt, ich sei wie ein bereitet mir weniger Probleme. Was mich tun, dass ich zusätzliche 24 Stunden be-
Border Collie. Ständig brauche ich eine wirklich zum Verzweifeln bringt, ist, dass nötigen würde, um alles fertig zu bekom-
Aufgabe und viel Aufmerksamkeit. Seit- ich beim Nichtstun sitzen muss. Ich sitze men. „Ich muss heute noch so produktiv

32 carpe diem carpe diem 33


„Wenn ich denke,
dass ich nichts denke,
dann denke
ich ja doch ...“

wie nur irgend möglich sein“, schießt es Tag 19 begonnen habe, war das Ausrollen der
mir plötzlich durch den Kopf. Und das Mittlerweile mag ich das Nichtstun. Matte eingeplant, es war an Termine und
Nichtstun wird mich da wohl kaum wei- Manchmal klappt es, und ich drifte völ- Uhrzeiten angepasst. Heute suche ich
terbringen. Aber ich will nicht schum- lig ab. Am besten gelingt es, wenn ich die Matte auf, wann immer mir danach
meln, also überrede ich mich selbst dazu, rücklings auf einer Wiese liege und in ist. Yoga ist irgendwann ein Teil von mir
mittags auf der Parkbank zu sitzen und den Himmel blicke. Ich denke ganz viel geworden. Und ich habe das Gefühl, das
die Gedanken schweifen zu lassen. und ganz schnell, und dann – ich kann Nichtstun möchte das auch werden.
30 Minuten später fühle ich mich selbst nicht genau sagen, nach wie vie-
befreiter. Und 18 Stunden später habe len Minuten es passiert – glaube ich auf Tag 30
ich die Textabgabe doch noch geschafft. einmal, nichts mehr zu denken. Oder Mein letztes Mal Nichtstun. Ich sitze auf
Nichtstun hilft, wenn man viel zu tun hat. zumindest so gut wie nichts. Das fällt der Wiese vor dem Haus meiner Eltern
mir aber glück­licherweise immer erst im in den Bergen. Dort, wo alles begonnen
Tag 13 Nachhin­ein auf. Sonst hätte ich ja ge- hat und wo ich davon ausgegangen bin,
Es ist Sonntag. Schönes Wetter, milde dacht, dass ich nichts denke, und dann dass das mit dem Nichtstun nicht lange
Temperaturen, perfekt zum Klettern. denke ich ja doch … gutgehen wird.
Zuerst aber Nichtstun. Ich setze mich auf Aber wenn dieser Zustand eintritt, Aber ich habe durchgehalten. Direkt
den Balkon und lausche. Und da passiert habe ich das Gefühl, alles fällt von mir vor mir entdecke ich eine Ameise im
es zum ersten Mal: Obwohl ganz viele ab. Raum und Zeit funktionieren weiter- Gras. Sie transportiert ein kleines rundes
Geräusche wahrzunehmen wären, höre hin, aber ich darf mich kurz rausnehmen. Blatt auf ihrem Rücken, viel größer als
ich keines davon bewusst. Ich habe das Ganz leicht fühl ich mich dann. sie selbst. Gleich dahinter bewegt sich
Gefühl, dass alles rund um mich herum Nichtstun ist hilfreich, wenn viel an noch ein Blatt, darunter erkenne ich zwei
passiert, doch es betrifft mich nicht. Als einem dranhängt. Ameisen. An meinen Füßen kitzelt es,
ob ich in so einer großen Gummiblase und unter mir sehe ich nun lauter Blät-
sitzen und alles an mir abprallen würde. Tag 27 ter, die sich bewegen: Es ist keine Straße,
Nichts kommt durch – nur die Sonnen- Eines kann ich mit Sicherheit sagen: Ins sondern eine ganze Armada an Ameisen.
strahlen. Blaue schauen hilft. Egal ob Himmel, Mir scheint, das gesamte Gras bewegt
See oder Ozean. Hauptsache, blau. sich, überall sind Ameisen.
Tag 15 Dann fällt das Nichtstun leichter. Und ich weiß auch, wofür sie stehen:
Heute morgen bin ich aufgewacht und für all die Gedanken, die gerade nicht
dachte mir: Ich tue einfach einmal nichts. Tag 28 wichtig sind.
Aber dann bin ich aufgestanden und Letzte Woche habe ich keinen Timer „Nicht wichtig“, sag ich zu mir selbst
– dank Duracell-Antrieb – doch den mehr fürs Nichtstun verwendet, sondern und blicke vom Boden weg in den Him-
ganzen Tag von A nach B und nach C mich einfach so lange hingesetzt und mel. Da ist es wieder: das Blau, mein
gehetzt. Am Abend war ich schließlich nichts getan, bis das Nichtstun wieder Blau. Augenblicklich verschwinden die
so erschöpft, dass ich mir dachte: Morgen zum Tun geworden ist. Ameisen aus meiner Wahrnehmung, und
tue ich einfach einmal nichts. So ähnlich ist es mir mit Yoga er- alles, was bleibt, ist ein einziger Gedanke:
Nichtstun geht eben nicht immer. gangen: Vor vielen Jahren, als ich damit Ich will nicht aufhören, nichts zu tun.

34 carpe diem
ANSTIFTUNG ZUM NICHTSTUN
Man kann nicht nichts tun. Aber man kann es versuchen –
und so die Welt ein bisschen besser machen.
Ein G
­ espräch mit dem Neurologen Wolfgang Lalouschek.

Kann man überhaupt nichts tun? ein Eichhörnchen. Das hilft. Nehmen Sie Ihren Körper Ich habe viele Patienten, die sich mehr Leichtigkeit und abends das Gefühl, dass so viel liegengeblieben ist. Ich
Nichtstun bedeutet atmen, hören, schauen – also irgend­ wahr. Wie stehen Ihre Füße auf dem Boden? Haben Sie Freiheit erhoffen. Eine halbe Stunde „Nichts“ pro Tag ist halte das für einen höchst zweifelhaften Fortschritt.
etwas werden Sie auf jeden Fall tun. Aber Sie werden im Ihre Schultern hochgezogen? Aber Sie müssen aufpassen, doch gelebter Ausdruck einer solchen Leichtigkeit. Die Es gibt übrigens Umweltratgeber, die sagen: „Jetzt tu
Idealfall nichts Besonderes tun. dass Sie keine Körperübung daraus machen – sonst ist man Menschen sehnen sich danach, aber sie machen es nicht. einfach einmal nichts. Damit schützt du unsere Umwelt am
Nichtstun ist daher auch nicht Meditieren, denn wenn gleich wieder im Üben. Es sollte auf eine gewisse Weise meisten.“ Wie viel Unheil könnte allein durch das Nichts­
ich jetzt 30 Minuten meditiere, dann tue ich ja wieder etwas unverkrampft sein. Machen Sie selber nichts? tun verhindert werden …
Besonderes. Also versuchen Sie einfach einmal: gar nichts. Wie die älteren Männer in Italien. Die sitzen einfach da Vermutlich auch zu selten. Manchmal ist es so, dass ein
Schauen Sie in die Luft. Das kommt noch am ehesten hin. und sehen den Menschen nach, die machen das stunden- Patient ausfällt, und da gehe ich dann einfach nach Schön- Also Nichtstun quasi als revolutionärer Gegenentwurf?
lang so, die tun nichts. Ich glaube nicht, dass die Projekte brunn spazieren, setze mich auf ein Bankerl und schaue in Ja. Es wäre absolut erstrebenswert für uns selbst und unse-
Was tue ich, wenn Gedanken kommen? durchdenken oder Atem- und Entspannungsübungen ma- die Luft. Es ist eine Zeit, die keinem bestimmten Zweck ren Planeten, wenn viele Menschen einfach damit beginnen
Man kann die Gedanken, die kommen, wahrnehmen, aber chen. Die schauen mal hier, mal dort … Das Ganze sollte gewidmet ist. Das ist sehr, sehr angenehm – gerade weil würden, wieder öfter nichts zu tun. Ich hatte vor ein paar
dann lässt man sie einfach wieder ziehen, wie Wolken. Ich kein großes Gewicht haben. man eben keine Entspannungsmethode lernen oder Acht- Jahren eine Patientin, die meinte: „Ich würde total gerne
verfange mich nicht in einem Gedanken, sondern lasse den samkeitsübungen machen muss, womit man ja schon wie- wieder einmal wandern gehen, nur um zu wandern – nicht
nächsten kommen. Wenn man das viele Jahre lang macht, Sie sagen, der Leerlauf im Gehirn sei ungemein der „etwas“ tun würde. um zu regenerieren.“ Und ich glaube, 90 Prozent der Men-
kommt man vielleicht in einen Zustand, in dem man tat- wichtig (siehe Seite 30). Warum? Was passiert, schen machen Sport eines Zweckes wegen.
sächlich nichts denkt – aber das kann niemand am Anfang. wenn wir den verlieren? In unserem Experiment war das Nichtstun aber nicht Ihr Experiment ist ein großartiger Anlass, darüber zu
Jeder hat ständig Gedanken. Auch die indischen Gurus. Die Die Stressverarbeitung läuft dann nicht mehr ganz rund. zwecklos. Es war für das Magazin … reflektieren, ob ständig alles einem Zweck unterliegen
trainieren das halt seit Jahrzehnten. Der spirituelle Meister Die Folgen sind Schlaflosigkeit, Burnout etc. Im Grunde Es ist trotzdem toll, weil es ein Gegenpol zum Zeitgeist der muss. Warum kann es nicht einfach nur sein? Es wäre
Sadhguru hat dazu etwas Nettes gesagt. Er verwendet das haben wir ein tolles, sehr komplexes Organ zwischen unse- Supereffizienz ist. Und man kann es weiterentwickeln. Sie wunderbar, wenn es in unserer Gesellschaft eine Selbst­
Denken für bestimmte Situationen, doch dazwischen denkt ren Ohren, aber wir haben den Ausschaltknopf vergessen. haben Nichtstun als Methode ausprobiert. Der nächste verständlichkeit wäre, nichts zu tun.
er recht wenig. Weil er das Denken nicht als das „Ich“ sieht, Das ist ein Problem, weil es dadurch die ganze Zeit rennt, Schritt wäre Nichtstun als Haltung. Das bedeutet, dass es
sondern als ein Werkzeug, das hin und wieder hilfreich ist, bis es irgendwann völlig zusammenbricht. ein völlig natürlicher Teil des Lebens wird, den man gar
aber die meiste Zeit braucht er es nicht. Insofern ist Nichtstun ein schöner Kontrast zu dieser nicht mehr hinterfragt – so wie Zähneputzen. Eine ganz
Wir Menschen sind zwar gewohnt, ständig zu denken, aufgeladenen Zeit, wo man immer etwas Besonderes tun normale Sache. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang
ZUSATZFOTO: Franz Weingartner

aber nur deshalb, weil unser Gehirn ständig Gedanken pro- muss, damit es einem besser geht. Das ist leider das Thema Anthropologen sagen, dass Naturvölker durchschnitt- ­Lalouschek, MSc, ist Facharzt
duziert – und nicht, weil es so wahnsinnig sinnvoll wäre. unserer Leistungsgesellschaft. Wir sind ständig im Aktivis- lich vier Stunden pro Tag gearbeitet haben, und den Rest für Neurologie, Systemischer
mus – am Abend sind wir aber trotzdem oft unbefriedigt. der Zeit haben sie nichts Besonderes getan. Wir bezeichnen Coach und medizinischer Leiter
Es ist ungemein schwierig, das abzuschalten … Dabei ist der Schlüssel vielleicht ganz einfach: Wir müssen es als Fortschritt, dass wir 12-Stunden-Tage haben und des Gesundheitszentrums
Schauen Sie auf ein Vogerl im Baum, oder beobachten Sie nichts tun. ­unter Hochdruck arbeiten. Dabei haben wir immer noch „The Tree“ in Wien.

36 carpe diem carpe diem 37

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