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Arabische Homerverse
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Enno Littmann
hellhöriger geworden für all das, was bei solchen Kulturbegegnungen un¬
beachtet geblieben, sozusagen unter den Tisch gefallen ist. „Jeder her¬
anwachsende Mensch und jede lebendige Kultur hat beständig ungezählte
Tausende von möglichen Einflüssen um sich, von denen ganz wenige als
solche zugelassen werden, die große Mehrzahl aber nicht. Sind es die
Werke oder die Menschen, welche die Auswahl treffen ?" Für diese be¬
rühmte Frage Oswald Spenglers'^ hat, wie bekannt, die ,, arabische Kul¬
tur" das Schulbeispiel geliefert. Bei dem überstarken Einströmen spät¬
den. Die Dichtung dagegen ebenso wie die Kunst überhaupt oder etwa
noch die Geschichtsschreibung ist dabei ganz in den Hintergrund ge¬
treten. Auf das Ausleseprinzip, das hier offenbar wirksam war und zu
dessen Erklärung man schon viel Scharfsinn aufgewandt hat^, haben
ältere wie neuere Beurteiler oft genug hingewiesen: ,,So viel wir ... mit
tius) Flaccus bis dahin begünstiget, daß ihr in den Gefilden des Orients
eine bleibende Hütte erbauet worden wäre"'^.
nur von Teüen der homerischen Epen mit Sicherheit bis zu den Tagen
Sulaimän al-BustänIs nicht gegeben. Die Übertragung der Ilias in klas¬
sische arabische Metren, die dieser nach jahrelangem Bemühen 1904 mit
einem ausführlichen Kommentar veröffentlicht hat^ und in der die
garä'ib und nawädir auf den Leser nur so horeinprasseln, bietet ein ein¬
drucksvolles Zeugnis für die Gelehrsamkeit und Sprachgewandtheit des
von seiner Aufgabe begeisterten Verfassers. Er ist, nicht selten mit Er¬
folg, bemüht, durch breit einherrauschende, bilderreiche Sprache und
durch geschickten Wechsel des Metrums seinem Werk etwas von der
Kraft und Lebendigkeit des griechischen Originals einzuhauchen. Als
Beispiel sei seine Wiedergabe von Ilias V 1 —3 angeführt (S. 385, Wäfir):
Habat Fäläsu (= HaXXac; 'Aaly]V7)) däka l-yauma 'azman / wa-bd'sanli-bni
ist sein Ausdruck doch oft zu gesucht und gekünstelt und das Ganze zu
die von ihrem Urheber erstrebte und erwartete tiefere Wirkung nicht aus¬
geübt; heute ist sie wohl nur noch als eine ,, literarische Kuriosität"* zu
werten.
^ Samuel F. G. Wahl, Von dem Schiksal (sie) des Homer und andrer
klassischen Dichter bei den Arabern und Persern usw., Programm Halle 1793,
S. 3. — Das Schriftohen ist wenig ergiebig.
2 Ilyädat Hümlrüs mu'arraha nazman wa-'alaihä Sarh ta'rihi adabi (GAL
S III 350f.), Kairo, Matb. al-Hiläl 1904. 1260 Seiten, davon 200 S. Einleitung
und 104 S. Indices mit Glossar. Anfang (Hafif): Rabbata ä-M'ri 'an Alßla bni
Fllä ( = nY]X7]i(xSE<i> 'Aj^iXyjo?) / aniidinä wa-rwi htidäman wäbllä (i. e. dl-
gadab aä-äadld al-maS'üm, Sarh) usw.
^ In der Zeitschrift FepMecT., Jahrgang 1909, S. 37—42; vgl. Die Welt des
Islams 11, 1928, S. 174; 185f.
* Der islamische Orient Bd. III S. 236 (nach freundlicher Mitteilung von
J. Fück).
° J. Fück (brieflich). — Der 1935 verstorbene Muliammed Raäid Ridä
dürfte sein Urteil „Ich habe die Ilias gelesen, und sie ist der arabischen
Poesie unterlegen" (bei H. S. Nyberg, Das Studium des Orients und die
Arabische Homerverse 261
des Ümüüs über die in alter Zeit erfolgte Eroberimg der Stadt Ilyün"
aus dem Griechischen ins Syrische übertragen haben solP. Es ist jedoch
durchaus unsicher, ob wir diese Notiz als Hinweis auf eine vollständige (?)
Übersetzung von Ilias und Odyssee, nur von Ilias Buch I und II oder
der Ilias sowohl wie aus der Odyssee, an die Seite stellen, die Lagarde
und andere in dem ,,Buch der Schätze" des Severus bar Sakkü (gest.
1241) wiedergefunden haben*. Es kann sich dort aber ebensogut um bloße
europäische Kultur, ZDMG 103, 1953, S. 13) nur auf die Kenntnis von
Bustänis Übersetzung gegründet haben.
^ Historia Compendiosa Dynastiarum ed. Pocockius, Oxford 1663, p. 228,
6 V. u. ( = Muhtasar ad-duwal ed. Sälhäni, Beirut 1890, p. 220,3): . . . wa-
naqala kitäbai TJrmrüs aS-Sä'ir 'alä fath madinat Ilyün fl qadlm ad-dahr min
äl-yünänlya ilä s-suryänlya. Vgl. nooh Poo. 40, 4 v. u. ; 61 paen. (wa-nusha-
tähumä maugüdatän 'indanä\) = Säih. 41,4; 61,7.
2 Cf. Wenrich 74; Baumstark, Oeschichte der syr. Literatur, Bonn 1922,
S. 341 etc. Über Theophilos als Übersetzer (auch der Sophistischen Elenchen
und von Analytica I) s. nooh Kh. Georr, Les Categories d'Aristote dans leurs
versions syro-arabes, Beyrouth 1948, p. 30f., imd R. Waizer, New Light on
the Arabic Translations of Aristotle, Oriens VI, 1953, S. 100, 112, 114. Wie
G. Levi Della Vida, JAOS 70, 1950, S. 186, Anm. 28 die Frage beurteüt,
habe ich leider nicht feststellen können.
^ Rom 1875, S. 40. Das seltsame Zitat ist oft diskutiert worden, so von
W. Wright, A short History of Syriac Lit., London 1894, S. 164, von R.
DuvAL bei H. Derenbourg, Melanges Weil, Paris 1898, S. 118, Anm. 4
(vgl. seine Litt, syriaque, 3. ed. 1907, S. 323f.), mid besonders ausführlich von
Sui. Bustänl, Ilyäda S. 266f. Der letztere nennt als Gewährsmann den
Assemani (welchen ?), dem bei seiner Überfahrt nach Rom im 18. Jahrhun¬
dert angeblich ein vollständiges Exemplar der Theophilos-Übersetzung ver¬
loren gegangen sein soU ( ?).
* The Academy Bd. II, London 1871, Sp. 467 f.; vgl. C. Frick, Die syrische.
262 JÖBO Kbaemeb
Zitate handeln, die als solche bereits aus griechischen oder syrischen
Schriftstellern herübergenommen worden waren.
Wie dem auch sei und ob der syrische Homer des Theophilos von
Edessa vollständig existiert haben mag oder nicht: auf die arabische
Literatur der ,, klassischen" Übersetzerzeit des neunten bis zwölften Jahr¬
hunderts hat er offenbar nicht gewirkt. Es fällt auch schwer, sich vorzu¬
stellen, was die Araber jener Tage mit den homerischen Epen, selbst
die sich als Theoretiker gelegentlich auch mit der ihnen so fremden Epik
zu befassen hatten, ist das Selbstzeugnis ihres berühmtesten Vertreters
dieser Richtung, nämlich des Averroes (gest. 1198), bezeichnend. In
seiner hier noch öfter zu erwähnenden Epitome zur aristotelischen
Poetik erklärt er bei Besprechung des Inhaltes von Kapitel 23 ausdrück¬
die armen, und die georg. Übers, der homerischen Oedichte, Berliner PliUolog.
Wochenschrift 30, 1910, Sp. 444—47. Es handelt sich um Ilias I 225f., VI
325, XVI 745 und Odyssee 18,26; leider wird nur der letzte Vers in extenso
zitiert. — Weitere Homerverse körmten der syrischen Übersetzung der
(pseudo-)aristotelischen Schrift De Mundo entnommen werden, die Lagabde,
Analecta Syriaca (1858), p. 134—158, herausgegeben hat und von der eine
arabische Übersetzimg bisher nicht bekannt ist (vgl. Steinschneideb, Die
arab. Übers, aus dem Griechischen, Centralbl. für Bibl.swesen Beüi. 12, 1893,
S. 55, Anm. 264).
' Wa-huwa yataraddadu wa-yunSidu äi'ran bi-r-rümlya li-TJmirus raHs
iu'arä' ar-Rüm: Ibn abi Usaibi'a ed. A. Müxleb, Bd. I, 1884, p. 185,8 v. u.
Auf diese Stelle verweist bereits E. W. Lane, The 1001 Nights vol. III,
London 1859, p. 689 f.
2 Ibn RuSd, Talhls Kitäb Aristütälls fl s-Si'r ed. F. Lasinio, Pisa 1872,
p. 40, 14.18; 41,11; jetzt auch in Aristütälls Fann aä-Si'r ed. 'A. Badawi,
Kairo 1953, p. 245, 14.19; 246,14. Die lateinische, von Jacob Mantinus im
16. Jahrhundert nach dem Hebräischen des Todros Todrosi gefertigte Para¬
phrase hat: ,, Historiae vero narrativae seu fabulae. ., huius autem generis
imitatio raro fit in lingua Arabica;. . . totum tamen hoc est proprium ipsis
Graecis et non reperitur apud nos simile" (ed. F. Heidenhain, Jahrbücher
für class. Philologie, Suppl.band 17, 1890, S. 379,37; 380,2. 15f.).
m
Arabische Homerverse 263
Xpufföc ETOji — die sich mit ihrem didaktischen Inhalt und ihrer weithin
monostichischen Form für eine Aufnahme in arabische Spruch- und
Weisheitssammlungen ja geradezu anboten — ist deim auch, so viel ich
weiß, bisher kein Stück der griechischen Dichtung bekannt, das in größe¬
rem Zusammenhang und um seiner selbst wülen während des Mittel¬
alters ins Arabische übersetzt worden wäre".
Wo also Worte und Verse aus dem echten Homer irgendwie doch in
die arabische Literatur Eingang gefunden haben, konnte das nur unbe¬
Weise wiedergegeben wurden. Für das anfüge Schrifttum auch noch der
spätesten Zeit bedeuteten ja die homerischen Epen, ähnlich wie für den
islamischen Orient der Koran und für das christliche Abendland die
bot ; und so manches Dictum Homeri ist dabei, namentlich wenn es nur
aus dem Gedächtnis zitiert wurde, umgeformt oder sonstwie zurecht¬
gemacht worden. Wenn nun solche Schriften, oft genug erst auf dem Um¬
weg über eine syrische Zwischenübersetzung, ins Arabische übertragen
wurden, dann nimmt nicht wunder, daß die beziehungslos und unver¬
kannt*. Zur Charakterisierung genügt es, auf die dortige Wiedergabe von
zwei besonders verunstalteten Homerstellen hinzuweisen. Das vyjüi; Se [loi
T^S' £aT7)xev (eTt' äypoü viacpi TtoXYjo?) Odyssee 1,185 = 24,308 (,, Und mein
Schiff liegt außer der Stadt am freien Gestade", Voß), das Aristoteles
PoetUs 21. 1457b 10 anführt, ist im Arabischen (Ma 56,3f. / Tk 266,12 /
„Schiff" ?i] llati li ja-hiya hädihl 'alaiya geworden: 'Die Kraft, die mir
ist, so ist sie auf mir diese'. Und das Versbruchstück tjiove? ßoowtnv .,die
Gestade brüllen, brausen" aus Ilias XVII 265 = Ar. Poetik 22. 1458 b 31
begegnet uns bei Abü Bisr (Ma 62,13f. / Tk 272,6 / Ba 134,3 v. u.) als
anba'a l-Yünäniyln 'er benachrichtigte die Griechen' wieder. Die Ver¬
lesung von HI ONES inlSlNES erscheint da zwar verzeihlich, weü sie sich
Arabischen ist aber außerdem, was hier noch gar nicht berücksichtigt
ist, ein Teil des bei Aristoteles voraufgehenden Zitates Siippov äsix^Xiov
xaTaM? öXiyTiv xsTpaTie^av aus Od. 20, 259 (= Poet. 22. 1458b 29f.) mit
genannten Odysseezitat („wies ihm dort einen kleinen Tisch und win¬
zigen Schemel", v. SchefFer) ist schließlich noch lehrreich, daß das Wort
asixeXiOi; dem syrischen Vorgänger des Abü Bisr offenbar unbekannt
war und jener es sich deshalb in dei „immer" und einen , .Eigennamen"
Kelion zerlegt hatte; der Araber hat daraus dann dä'iman Qaliyfm
gemacht*.
fragmente beschränkt. Schon den Anfang der Ilias, den Aristoteles unter
anderem in den Sophistischen Elenchen 24. 180a 21 anführt, hat der be¬
kannte Schüler des Abü Bisr und des Färäbi, der Jakobit Yahyä ibn
'Adi (gest. 974) in seiner Übersetzung dieses Werkes bloß durch jl^ o,! Li«
wiedergegeben, was ja gewiß nichts anderes sein kann als der Versuch
einer Transliteration von (x^viv asiSe S-ed. Der ältere Übersetzer derselben
aristotelischen Schrift, Ibn Nä'ima (um 835), hat sich auf noch mühe¬
losere Weise geholfen, indem er anstatt des Zitates einfach ka-dä wa-ka-dä
einsetzte. 'Isä ibn Zur'a dagegen (gest. 1008), ein Schüler des Yahyä ibn
'Adi, dem wir die dritte und jüngste arabische Fassung der Sophistischen
1 Diese Deutung ist mir wahrscheinlicher als der komplizierte Weg von
syr. elfä über a{n)pä (Sing.\) ,, Gesicht" zu arab. al-füh (d.i. al-fam ,,der
Mund"!) und damit al-qüwa, den Tkatsch I 207a imten (zur Beibehaltung
des Fem. s. ib. 150a, Anm. 1 uit.) annimmt.
2 Tk II 62a; A. Gudeman, Aristoteles Ilepl IIoiYjTixr)«;, Berlin 1934, S. 64
zm Stelle. —■ Ba 134, 3 v. u. liest gar abnä' al-Yünänlyln „die Söhne der
Griechen".
^ „dessen einzelne Glieder sich aber leicht ablösen lassen" : Tk I 206b, wo
weitere Beispiele aufgeführt sind.
* Ma 62,11 / Tk 272,5 / Ba 134,14. — Gerade diese zu den „ärgsten Mi߬
verständnissen" (Tk I 200b) gehörende arabische Wiedergabe hat hier je¬
doch zm Sicherung der angezweifelten Lesart (xe) äcix^Xiov geführt, s. Tk II
Arabische Homerverse 265
li-Ähilüs (= 'A^iX^o?)!.
Diese Ergänzung wird 'Isä ibn Zur'a aber kaum auf Grund eigener
Kenntnis des homerischen Originals angebracht, sondern schon seiner
nisse im Falle des Anfangs der Odyssee. Aristoteles zitiert ihn, übrigens
zusammen mit (i^jviv astSs ^tä., in der Rhetorik III 14. 1415a 17 gleich¬
falls abgekürzt als avSpa [xoi evvetcs (xoücra. Die arabische Übersetzung
der Rhetorik ist bekanntlich, ebenso wie die der Poetik und des ganzen
übrigen Organen, in dem schon oft untersuchten und beschriebenen
Pariser Unicum ar. 2346 (anc. f. 882 A) erhalten*. Als einziges Stück
dieser wichtigen Handschrift, die heute der Auflösung entgegengeht, ist
gerade die Rhetorik noch nicht ediert, was angesichts der Bedeutung des
Gegenstandes für den Hlm al-baläga wie für die arabische Literatur über¬
haupt zu bedauern bleibt*. Die Wiedergabe unserer Stelle mit den beiden
1 Alle drei Übersetzungen in 'A. Badawls Ausgabe von Mantiq Aristü III,
Kauo 1952, p. 962, Anm. 3; 966,3; 964,3. Bei Yahyä ibn «Adi ist wohl
zu lesen.
2 S. R. Walzeb, New Light etc., Oriens VI, 1953, S. 99 (wo nach Georr 26
als Todesdatum das Jahr 696 angegeben ist) und 113f. ; Baumstark, Oe¬
schichte usw., 256f.
3 42 X 30 / 30 X 18 cm, 380 Blatt zu 18 bis 25 ZeUen m teüs altertüm¬
lichem und regelmäßigem (so Rhetorik), teils jüngerem und flüchtigem (so
z. B. Poetik), kaiun punktiertem Neshi; Schriftzüge durch Tintenfraß, Risse
imd Löcher des brüchig gewordenen Papiers sowie durch Wasserschaden und
unsachgemäße Reparaturen vielfach stark zerrüttet und stellenweise un¬
leserlich. Die ausführlichsten Angaben über den Inhalt des Codex imd vor
allem die zahlreichen wichtigen Randnotizen (zu denen s. Walzer, Oriens VI,
lOlff.) bietet jetzt Kh. Georr, Les Categories p. 183—200. Eine wertvolle
Liste früherer Beschreibungen des , .venerable manuscrit" gibt M. Bouyges,
Averroes Talkhis Kitäb al-Maqoülät (Bibl. Ar. Scholast. IV), Beyrouth 1932,
p. XXX f. — Für die Topik, Sophistik, Rhetorik imd Poetik dürfte die
Pariser Hs. auch weiterhin Unicum bleiben. Die übrigen Teile des arabischen
„Organen" jedoch, also Isag. Porph., Cat., De Interpr., An. Pr. und An.
Post., sind auch in der, allerdings viel jüngeren, Istanbuler Hs Saray Ahmet
III 3362 enthalten, wie mir R. Walzer auf Grund eines Hinweises von D. S.
Rice freundlichst mitteilt.
* Eine Herausgabe auch der Rhetorik, zu der schon Tkatsch ,, alles Mate¬
rial gesammelt" hatte (L. Radermacher im Vorwort, S. 1) hat 'A. Badawi
vorbereitet, aber meines Wissens noch nicht veröffentlicht. Als vorläufiger
Ersatz karm die resümierende Bearbeitung des Avicerma dienen: Al-Shifä',
al-Mantiq VIII, al-Hitäba ed. Salim Sälim, Kairo, Wizärat al-Ma'ärif 1954.
266 Jörg Kraemer
1. Anbi'ini^ aiyatuhä l-iläkatu 'an gadabi Ähilüs (also ganz ähnlich wie
oben in der Übersetzung der Elenchen), und
2. Anbi'inP- yä Müsä (? )* 'ani r-raguli l-katiri l-makä'idi lladi ftasama?
umüran katiratan min ba'di mä hur(r)ibati l-madinatu l-'ämiratu
Hier also hat der arabische Übersetzer (dessen Namen wir bisher nicht
kennen) sogar noch den ganzen zweiten Vers ergänzt. Aber auch er wird
Zu den angeführten Beispielen kann auch das ixyjviv deiSs •ö-eoc in. der
sonst so fehlerhaften Poetikübersetzung des Abü Bisr noch gestellt wer¬
erscheint. — Das alles zeigt immerhin, daß selbst bei Wiedergabe der so
leicht mißzuverstehenden griechischen Verse und Versbruchstücke die
allzu streng soll man mit ihnen nicht ins Gericht gehen. „Perversiones
potius quam versiones": mit diesem häufig und nicht einmal immer
richtig zitierten Wort des Michael Casiri* war man bei uns früher rasch
nügt es, festzustellen, daß wenigstens in dem einen Falle Poet. 22.
1458b 25 (= Odyssee 9, 515) vüv Se [i' eMV ollyoc, Te xal ouTiSavo? xal
[dceixYji;] gerade die gänzliche Verständnislosigkeit des Abü Bisr dazu bei¬
getragen hat, das gemeinhin überlieferte aitiSy]ci'- des aristotelischen Textes
in dcetxYji; (,, unziemlich, unwürdig", arab. bi-läan yasiMMa 62,8 /Tk 272,3
/ Ba 134,11) zu ändern. Da diese Lesart zwar von dem dxixuc; (,, schwäch¬
lich") unseres Homertextes abweicht, sich aber auch in mittelalterlichen
Scholien findet, ist so, bei der Feststellung der Worte des geblendeten
kungen verwertbaren Tatsache, daß hier wie in anderen Fällen die grie¬
chischen Handschriften, auf welche die arabischen bzw. syrischen Über¬
setzungen zurückgehen, um Jahrhunderte älter gewesen sind als die
ältesten heute noch erhaltenen griechischen Textzeugen. Aber das sind
Probleme vorwiegend des klassischen Philologen, die außerhalb des Rah¬
mens dieses Aufsatzes liegen*. Es kann sich deshalb für uns auch nicht
1932, S. 48—62) imd Plessnebs (OLZ 34, 1931, Sp. 1—14; 39, 1936, Sp.
295—98) für das Bewußtsein der Orientalisten bisher festgelegt war. Eine
„philologisehe Leistung allerersten Ranges" und ein XTr)[ia sE; äet, wie
Gudeman, Philol. Woehenschr. 49, 1929, Sp. 168, mit starker Übertreibung
behauptet hatte, ist das stofflich überladene, stüistisch verunglückte und
wegen seiner Regellosigkeit unendlich mühsam zu benutzende Werk, jeden¬
falls für die Arabistik, gewiß nicht. Aber als „inhaltsreich und bahnbrechend"
muß man es mit dem gerecht abwägenden Urteil W. Kutschs (Zur Ge¬
schichte der syrisch-arabischen Übersetzungsliteratur, Orientalia 6, 1937, S. 75)
doch wohl anerkennen, ebenso wie seinem Verfasser trotz aller Schwächen
und Mißgriffe das Verdienst eines ,, diretto e attento studio delle fonti" nicht
abgesprochen werden kann (s. F. Gabbieli, Intorna alla versione araba della
Poetica di Aristotele, Rendic. R. Acc. Line, Cl. Sc. morali etc., Ser. VI vol. 5,
1929, S. 230, Anm. 1).
^ D. i. „unsichtbar"; hier im (nachklassisohen) aristotelischen Sprach¬
gebrauch svw. ,, unschön". Das Wort steht, als alltäglicher Ausdruck (xiipiov
övofia) dem vorausgehenden äeiXT); — äxixug entgegengesetzt, unmittelbar
danach 1458b 27, wo es im Arabischen durch alladl bi-lä manzar (Ma 62,10 /
Tk 272,5 / Ba 134,13) wiedergegeben wird.
2 Tkatsch II 106a oben; vgl. Gudeman, Ar. Poetik (1934), S. 381.
' Bergsträsser hat in seiner genannten Kritik (Der Islam Bd. 20, bes. S. 57,
61) eindringlich klargestellt, daß Abü Bisrs barbarische und keineswegs
immer streng wörtliche Interpretation längst nicht in dem Ausmaß zur
Wiederherstellung der aus dem 5./6. Jahrhundert stammenden griechischen
Vorlage (,,Cod. S") der syrisch-arabischen Übersetzung verwandt werden
kann, wie Gudeman in seinem auf Tkatschs „meisterhafte Gesamtleistung"
gestützten Enthusiasmus das angenommen hatte. Ein „defensor veri quasi
ex mferis citatus" (Gudeman, Philologus Bd. 90, S. 46) muß nun eüimal
suspekt bleiben, für die klassische Philologie wie für die Arabistik.
Arabische Homerverse 269
darum handeln, nun etwa die sämtlichen Homerzitate aus arabisch über¬
a) Zuerst ist hier die überraschend gute, auf weite Strecken sogar aus¬
Badawi geschenkt*. Dort wird auf S. 97 uit. der Vers Ilias XIV 246
'Qxeavo?, 6? Ttep yeveai.? TravTeacTi TETUXTai, den die Placita gleich zu
Beginn (I 3,2 = Diels, Doxographi Graeci p. 277) aus dem Gespräch des
Hypnos mit Here anführen, arabisch mit Uqä'änüs ka-annahü 'umila mu-
wallidan li-l-kull wiedergegeben. (Zum Vergleich sei die moderne, in Ra-
Ttsp gestanden haben. — Das letzte auch arabisch erhaltene Homerzitat der
Placita (III 5,2 = Diels, p. 372) stammt aus Ilias XVII 547, wo das Er¬
scheinen der vom Himmel herabgestiegenen Athene unter den um Pa¬
troklos' Leichnam ringenden Achaiern durch das schöne Bild vom Regen¬
bogen ausgemalt wird: 7)iT£ 7topcpupev]v tptv 0-V7)toi<ji, TavudCTV) ... Hier
hat der Übersetzer, der die notwendige Ergänzung durch das bei Homer
achtung verdient. Es findet sich, ganz außerhalb des Rahmens der ge¬
wöhnlichen Übersetzertradition, bei keinem Geringeren als al-Birünl
Gemeint ist Ilias XIX 357, wieder aus einem prächtig ausgemalten ho¬
* Varia Historia Lib. XII 48: "Oti TvSol ty) ^pdc ciptaiv ^7ci,x"pi<p 90JV7) t4
'Ojiifipou ixETaypätJjavTe; ätSouaiv oü [j.6vot, dtXXa xal ot Ilcpaöiv ßaaiXeii;, eJ ti xP'h
TT'.CTTsiieiv ToT? ÜTTEp TouTcov IdTopoOcnv. Nur als Kuriosum sei erwähnt, daß
E. B. C(owELL ?) in einer MiszeUe Homeric Influence in the East, The Gentle¬
man's Magazine vol. 26, 1846, S. 594—99, im Anschluß an diese Stelle nach¬
zuweisen versucht, daß nicht nur die Verfasser des Rämäyana und des
Mahäbhärata durch Homer inspiriert worden seien, sondern daß auch die
'persische Ilias' des Firdausi den „stamp of Homer's mind" trage. Als Ver¬
mittler wird allen Ernstes Themistokles in Anspruch genommen, der wäh¬
rend seines Aufenthaltes am persischen Königshofe die homerischen Epen
im Orient bekaimt gemacht habe. — Nach der heutigen Auffassung, über die
Herr Professor von Glasenapp mich freundlichst belehrte, war Homer den
Indem unbekannt ; die anderslautenden griechischen Nachrichten sind darauf
zurückzuführen, daß die Griechen die indischen Epen, ohne sie näher zu
keimen, mit ihren eigenen gleichgesetzt haben. Die Quelle Aelians dürfte
eine entsprechende Stelle bei Dion Chrysostomos (gest. um 120 n. Chr.),
Orationes 53 Mitte, gewesen sein; s.H. von Glasenapp u. andere. Die Litera¬
turen Indiens (im Handbuch der Lit.wissenschaft ed. O. Walzel), Potsdam
1929, S. 80 und vgl. M. Wintebnitz, Geschichte der indischen Literatur IU
(1920), S. 627 sowie R. Pischel, Die indische Literatur in Kultur der Gegen¬
wart 1/7 (1906), S. 195. — Will man jedoch den Angaben Dions und Aehans
mehr Glauben schenken, dann könnte als Vermittler allenfalls der griechisch-
( -baktrische) König Men andros in Frage kommen, dessen Herrschaft über
Arabische Homerverse 271
als QueUe Birüiüs zu denken. Aber die Umgebung des Zitates weist in
eine ganz andere Richtung. Voraus geht nämlich eine ziemlich genaue
arabische Wiedergabe der dichterisch beschwingten Einleitung zu den
Oaiv6[jieva des Aratos (Kitäb Arätus fi z-Zähirät, p. 47, 16f.). Dieses un¬
Einleitung, auch das zweite Glanzstück, den Mythus von der Göttin
Dike, die einst von der Erde geflüchtet ist und nun als das StembUd der
gesagt: 'Wir möchten gerne wissen, welchen Zeus Arätits gemeint hat,
den mythisch-symbolischen (ar-ramzi) oder den natürlichen (at-tahiH).
Deim der Dichter Krates (Aqrätas) hat das Himmelsgewölbe Zeus ge¬
nannt, und ebenso sagt Homeros (Ümirus) Ka-mä tvqtahi usw. [s. oben].
Und Arätiis nennt den Himmel und die Luft Zeus in seinem Worte Die
Wege und Versammlungsorte sind von ihm erfüll, und wir alle hahen es
nötig, ihn einzuatmen'. Deshalb hat er [der Kommentator] behauptet, es
sei die Ansicht der Stoiker (ashäb al-ustuwän) über Zeus, daß dieser der
Geist (ar-rüh) sei, welcher in der Materie (al-hayüla) verbreitet und un¬
seren Seelen ähnlich ist, d. h. die Natur, welche jeden natürlichen Körper
regiert".
Diese stoisch eingekleideten Worte des „Kommentators der Oaivojjieva"
— und gleich ihnen auch die von Birüni an der zweiten Stelle, India
p. 193,4fF., zitierte Erläuterung des Mythus von der ,, Sternenjungfrau" —
werden wir also in irgendeiner der zahllosen antiken Scholien-, Ein-
Nordwestindien (2. Jahrh. v. Chr.) dort allerlei Spuren hinterlassen hat vmd
dessen Name in dem buddhistischen Päliwerk Milinda-[d. i. Menandros-]
panha fortlebt; s. Fb. -Altheim in Historia Mundi Bd. V, Bern 1956, S. 228 f.
(Hinweis Prof. H. Hommel) und vgl. H. v. Glasenapp, Die Philos. der Inder,
Stuttgart 1949, S. 3, 326 f.
1 India p. 192,13—193,4 = Phain. v. 96—134; vgl. Alberuni's India,
Engl. Edition II, 1888, S. 349f. — Eine deutsche Wiedergabe dieses Stückes
bietet A. Köbte, Die hellenistische Dichtung (Kröners TA Bd. 47), Leipzig
1925, S. 209—11; die Einleitimg ebenda S. 207 f. („Lasset mit Zeus uns be¬
ginnen, den lassen wir niemals, ihr Männer, / imgefeiert. . ."; arabisch bei
Birüni p. 47,17: Wa-innahu lladl nahnu, ma'äara n-näsi, lä nada'uhü wa-lä
nastagnl 'anh. ..).
" Nm bis hierher geht in Wirklichkeit das Zitat aus Aratos Phain. v. 2/3;
das folgende ist bereits ein Teil des stoischen Scholiens, s. unten den griechi¬
schen Text.
272 JÖKG Kraemer
orientahstischer Seite nicht gefunden*. Dabei hat man jedoch ein Frag¬
ment des Aratoskommentators und -biographen Achilleus (drittes
Ai6 xal TÖV "ApaTov ETrdyeiv '[xeaxal Sc Aiö? nxaoLi (xev ayuiai, Ttatrai
S' dcv^pwTtwv dcyopal'" TrdvT-/) ydp At6<; xexpvi|J-£^a" an&^nzq yap ^öv
äepa avaTTveofiev.
Hier finden wir also das meiste von dem wieder, was Birüni anführt,
einschließlich des Homerzitates und der (von Birüni als arateisch mi߬
verstandenen) stoischen Lehre des Scholions von dem allbeseelenden
Hauch der ,, eingeatmeten" Gottnatur, wie sie uns ähnlich auch in dem
bekannten Wort des Apostels Paulus ,,In ihm leben, weben und sind wir"
(p. 193,4 ff.) auf. All diese Stücke finden sich jedoch in sonstigen teils
griechischen, teils (mittel-)lateinischen Aratosscholien, auf deren ver¬
wickelte Überlieferungsgeschichte hier nicht eingegangen werden kann,
deren Herkunft aus dem vollständigen, uns nur lückenhaft erhaltenen
Achilleus-Kommentar aber jedenfalls sehr wahrscheinlich ist*. Die
kenden Zeus sowie in bezug auf das Krateszitat, brauchen kaum hervor¬
gehoben zu werden. Zu dem letzteren, in dem das Himmelsgewölbe als
Zeus bezeichnet wird, ist nur zu sagen, daß als Verfasser sicher nicht der
Dichter der altattischen Komödie gemeint ist, mit dem Birüni oder
seine Quelle ihn zu verwechseln scheint*. Es kann sich vielmehr nur um
den pergamenischen Stoiker Krates von Mallos (zweites Jahrhundert
auf einen Kommentar des Krates zum Homer (und nicht zum Aratos*)
geht letztlich auch der homerische ,, Beleg" Ilias XIX 357 für die Gleich¬
setzung von Gott und Himmel zurück, mit dem wir uns hier so aus¬
sie nichts anderes als die späte, aus dem elften Jahrhundert stammende
arabische Fassung eines wohlbekannten Fragmentum Cratetis Mallotae*,
Daß die Worte 'aerem et aetherem' von K. Reinhardt als spätere Inter¬
polation wieder ausgeschieden wurden (bei Mette, Sphairopoiia S. 15,
Anm. 1 und 116,1), ist für ims ohne Belang, weU sie auch von Birüni p. 48,3
(s. oben S. 271), dort allerdings als „arateisch", übemommen worden sind.
^ Die Verwechslung dürfte durch ein tatsächlich von dem Komiker
Krates stammendes Zitat ( = Frgm. 52 Kock) begünstigt worden sein, das
Birüni zwar nieht mit übersetzt hat, das aber wohl auch in seiner QueUe un¬
mittelbar vorausging, s. Breysig, Oerm. Aratea p. 55,6; 109,16; Maass, Comm.
in Ar. rel. p. 177,11 etc.
* So nach dem überzeugenden Nachweis von Maass, Aratea Cap. IV De
Gratete Mallota, p. 167—207.
* S. jetzt H. J. Mette, Sphairopoiia. Untersuchungen zur Kosmologie des
Krates von Pergamon, München 1936, Fgm. 2a bis c (S. 114—123), wo die
Ergebnisse der früheren Sammler (C. Wachsmuth, De Gratete Mall., 1860,
Frgm. V; I. Helck, De Cratetis Mall. Studiis . . . ad Jliadem etc.. Diss. Leipzig
1905, Frgm. IX und anderer) verarbeitet und ergänzt sind. Das Zitat aus
Birüni ist nun hinter Frgm. 2c Mette einzureihen; über die mannigfaltigen
Arabische Homerverse 275
das uns sonst nur durch die lateinischen und griechischen Auszüge aus
der Schrift des Achilleus erhalten ist.
langt. Nach allem Gesagten darf es wohl als erwiesen gelten, daß wir in
ihm oder auch in einem von ihm abhängigen späteren Scholiasten den
ihm das Werk des Achilleus in einer weniger lückenhaften Form vor¬
gelegen haben als wir es heute besitzen. Die Übereinstimmung mit der
recensio interpolata der Scholia Sangermanensia, auf die man bisher
aUein hingewiesen hat*, ist dabei sicher kein Zeichen für direkte Ab¬
bar folgenden, einem anderen Dichter zugeschriebenen Vers, der (p. 21,8)
die ,, melodienreichen, in ewiger Bewegung den Schöpfer preisenden
die Natur der Sphären geäußert habe. Dieses letzte Stück zeigt deutliche,
wenn auch nicht wörtliche Anklänge an die auch griechisch erhaltene
Vita Pythagorae c. 30 f. Letztere stammt aus der im übrigen größtenteUs
wieder die Gemüter bewegen*. Nun aber anzunehmen, daß auch der bei
1 ,,The quotation from Homer is not found in the Greek text, nor do I
know the Greek original of the second verse. Were they taken from some
Neo-Pythagorean book?" (S.'VCHau, Engl. Editionll 274, Annot. zu p. 42).
2 Weitere (und deutlichere) Anklänge bei Sahrastäni, Milal ed. Cubeton,
London 1846, p. 265,14ff. (cf. 278,3ff.) haben jüngst F. Aitheim und B.
Stiehl nachgewiesen: Porphyrios und Empedokles, Tübingen 1954, S. 15f.
und öfter; vgl. dazu die folgende Anmerkung. — Die (DtXöcrocpo; lo-ropta
heißt auf arabisch sonst entweder nur kurz Kitäb Ahbär al-faläsifa (so Fihrist
253,18 Fl. = Kairo 1348, p. 355,1 und Ibn al-QiftI 257,7 Lipp. = Kairo 1326,
p. 170,5) oder aber ausführhcher K. fl Ahbär al-faläsifa wa-qisasihim wa-
ärä'ihim, so Ibn abi Usaibi'a I 38,9 und 42,20; dazu ist nun das Zitat bei
Birüni zu stellen. Zu den übrigen Erwähnungen der Philosophengeschichte
des Porphyrios in der arabischen Literatur s. A. Baümstabk, Aristoteles bei
den Syrern, Leipzig 1900, S. 1 imd 5.
^ Einer ernsthaften Beschäftigung mit diesen ebenso wichtigen wie
schwierig zu deutenden Fragmenten hat lange Zeit das Urteil A. Müllers
im Wege gestanden, wonach „die Übersetzung . . . von einem ganz unwissen¬
den Menschen herrührt und ohne die griechische Vorlage fast nirgends ver¬
standen werden kann" (Über Ibn Abi Ofeibi'a usw., VI. Congres Intern, des
Orient, ä Leide 1884, vol. II p. 270/14). Ähnlich negativ äußerte sich A. Nauck,
Porphyrii Opuscula selecta ^1886, Praef. p. VI: ,,Ceterum pauca Arabes Uli
suppeditant ac ne ista quidem errorum immunia". Daß aber mit kritischer
Sorgfalt doch allerlei porphyrisches Gut aus den arabischen Texten zurück¬
zugewinnen ist, hat vor allem F. Rosenthal in seiner hervorragenden, me-
Arabische Homerverse 277
gesponnen sei, haben wir umso weniger Grund, als sich in den sonst
bekannten arabischen Fragmenten der Pythagorasvita bei Mubassir ibn
Fätik*, Sahrastäni*, Ibn abi Usaibi'a* oder Sahrazüri* keine Spur davon
findet. Da die genannten Sammlungen, einschließlich der des Hunain
kann ich dieses Wort von der Harmonie der Sphären anderweitig aus
der arabischen Literatur nicht belegen.
gewichtige Arbeit, die neben vielem anderen auch für den Gedanken der
Sphärenmusik zahllose Belegstellen von Marcus Terentius Varro und
Cicero bis zu Cassiodor und Isidor von Sevilla (6./7. Jahrhundert)
zusammenträgt, bringt nun in der Tat mehrere Stellen aus der latei¬
nischen Literatur, die zumindest den Umkreis der Quelle zu bezeichnen
scheinen, aus der Birüni sein Zitat geschöpft haben könnte. Dichterische
Belege wie solche aus dem Tragiker Varius (Zeit des Augustus) oder dem
Epiker Varro Atacinus (erstes Jh. v. Chr.) zeigen zwar mit vocum
moduli, ad quos mundi resonat canor^ und Septem aeternis sonitum dare
voeibus orbes^ nicht viel mehr als allgemeine Anklänge. In der chrono¬
logisch-astrologisch-mathematischen und auch musiktheoretischen Ab¬
handlung De die natali aber, die der römische Grammatiker Censorinus
sich dort in cap. 13,1 auf Pythagoras, nach dessen Lehre Septem Stellas
inter caelum et terram vagas ... sonitus varios reddere pro sua quoque
altitudine ita Concordes, ut dulcissimam quidem concinant melodian^.
Hier dürfte wenigstens der Bereich angedeutet sein, zu dem das Zitat
bei Birüni gehört. Ganz ausgeschlossen erscheint es bei den weitreichenden
chronologischen Interessen des universalen Hwärizmiers nicht, daß sich
unter den zahlreichen antiken Quellen seines Indienbuches* auch ein
Auszug aus dem Schriftchen des Censorinus oder eine von diesem bzw.
bliebe dann immer noch zu erklären, wieso das Wort von der Sphären¬
harmonie hier ausgerechnet zu einem „homerischen" geworden ist. Eine
solche Unterschiebung wäre eher denkbar, wenn das Zitat bereits in
tungen, die sich vorläufig nicht beweisen lassen. Wir müssen also von
' Varius Fr. 5—6 bei Marius Victorinus in Grammatici Latini reo. H. Keil
VI 1874, p. 60,17f. (Wille, S. 448, Anm. 3).
^ Varro Atac. Frg. 14 in Fragmenta Poet. Lat. epic, et lyr. ed. W. Morel,
Leipzig 1927, p. 97 (WiUe, S. 448, Anm. 4).
' Censorini de die natali Uber rec. F. Hultsch, Leipzig 1867, p. 22f. (bei
Wille S. 609, Anm. 1).
* S. die Liste bei Sachau, English Edition I 1888, Pref. S. Xllf.
^ Chronologie orientalischer Völker von Atberuni ed. E. Sachau, Leipzig
1878. Irgendwelclie Hinweise auf Censorinus habe ich dort freilich bisher
nieht finden können.
' 116—27 V. Chr. Censorin zitiert ihn häufig, miter anderem cap. 9,1 als
Quelle für die opinio Pythagorica (hier aber de origine humana). Die im
Mittelalter unter Varros Namen umlaufenden (ihm aber nicht angehörenden)
Sentenzen zeigen keinerlei Anklänge, s. P. Gebmann, Die sog. Sententiae
Varronis, Stud. z. Gesch. und Kultur des Altertums III 6, 1910, S. 30—43.
Arabische Homerverse 279
Das andere Mal soll der Name des Hermes Trismegistos al-Mutallat
bi-l-hikma als Bezeichnung für das dreigeteilte Gehirn (!) dadurch erwiesen
Wie aber steht es nun mit dem Weiterleben der vorher erwähnten,
raschen: Sie sind, soweit ich habe feststellen können, früher oder später
spurlos untergegangen. Allerdings mit einer bezeichnenden Ausnahme.
Das ist der viel gebrauchte, manchmal auch mißbrauchte, Vers Ilias
vor allem Sahrastäni (gest. 1153), mit dem für einen Muslim naheliegen¬
den Hinweis, daß Homer damit auf das monotheistische Glaubens¬
,,Gäbe es in ihnen (d. h. im Himmel und auf Erden) Götter außer Allah,
so würden beide zugrunde gehen" dieser Erkeimtnis erst die richtige
Bekräftigung verleiht, ist für die Islamisierung des (natürlich un¬
erkannten) homerischen el? xotpavo? gerade bezeichnend.
ursprünglich arabisiert worden ist, war uns bis vor kurzem noch unbe¬
kannt, weil das berühmte Leidener Unicum, das die alte arabische Über¬
nennen ist ; dort ist das Zitat verkürzt zu riTONin raia p OJ aiü ]''»^^.
Die bemerkenswerte Kairener Sararaelhandschrift Där al-kutub Hikma
6m hat uns jedoch das Bruchstück einer offenbar alten arabischen Über¬
^ Fa-inndliä (sc. madinat al-ahyär) wa-in känat dawät (sie, lies dät ?) ri'äsät
katlra fa-innahä tartaql ilä ri'äsa wähida: Kitäb Mä ba'd at-tabl'a ed. Qabbäni,
Kairo o. J., p. 72, 8f. = ed. Haidaräbäd 1365, p. 147, 7f. (deutsch bei M.
Horten, Die Metaphysik des Averroes, Halle 1912, S. 174,24 und bei S. van
DEN Beroh, Die Epitome der Metaphysik des Averroes, Leiden 1924, S. 123,
vgl. S. 255). — Das Subjekt scheint im Vorder- und Nachsatz die madinat
al-ahyär zu sein; also eigentlich: ,,Wenn er (der aristokratische Staat) auch
viele leitende Instanzen besitzt, so führt er. . .".
- Ms Leiden Or. 2074: „abrupte terminatur Codex" (Catal. Codicum Or.
Bibl. Acad. Lugd. Bat. ed. de Goejb vol. V, 1873, nr. 2821, p. 325). Der
Herausgeber M. Bouyges hat auf Grund der (mir nicht zugänglichen) he¬
bräischen Übersetzimgen das Zitat in der ,, alten", von Averroes benutzten
arabischen Übersetzung so wiederhergestellt: Bal lä tuhmadu katratu r-
ru'asä'i läkinna r-ra'lsa wähid; danach im Tafsir des Averroes: Lä haira fl
katrat ar-ru'asä' bal ar-ra'ls wähid (Averroes Tafsir Mä ba'd at-Tabl'at T. III
='Bibl. Ar. Scholast. VII, Beyrouth 1948, p. 1733,1 und 1736,2).
^ Themistii in Metaph. libr. A paraphrasis Hebraice et Latine ed. S. Lan¬
dauer (Comm. in Arist. Graeca V/5), Berlin 1903, p. nV; lat. (,,nec multorum
principatus bonus est") p. 39. In den von 'A. Badawi herausgegebenen
Bruchstücken der arabischen Übersetzung des Themistios (von Ishäq ibn
Himain ?) fehlt das Schlußkapitel, s. Aristü 'inda l-'Arab (Diräsät islämiya
Bd. 5), Kairo 1947, p. 329—332 imd 12—21.
* Targama 'arabiya qadlma li-maqälat al-Läm min Kitäb Mä ba'd at-tabi'a
■«¥
Hier kann man also ausnahmsweise von einer Art Fortleben eines
li-Aristü ed. Abu l-'alä 'Afipi in Bull. Fac. of Arts, Univ. of Egypt vol. V/1,
1937, p. 138 (vgl. F. Meieb, Oriens VII, 1954, S. 185). Neuausgabe von
'A. Badawi in Aristü Hnda l-'Arab p. 11. — Als Übersetzer vermutet 'Afifi
den Abü BiSr, Badawi dagegen den ,, alten" Übersetzer (für Kindi) Eustath
oder den Ishäq ibn Hunain, s. Aristü usw. p. (15).
^Averroes Tafsir ww. (s. S. 281^) T.II, Beyrouth 1942, p. 658,14 (von
Bouyges aus dem Hebräischen wiederhergestellt, da der arabische Codex
auch hier defekt ist); danach die mittelalterlich-lateinische Übersetzung
,,tale metrum" in Aristotelis Stagyritae Libri Metphy. XII cum singulorum
Epitomatis hactenus non impressis Averroeque eius fideliss. interprete etc.,
Lugduni apud lacobum Giunctam anno 1542 (hier zitiert als ,,Lugd. 1542"),
Bl. 132a 18f.
- Täf sir II 809,5. Das üanep y] 'IXia; der betreffenden aristotelischen Stelle
wird schon von dem alten Übersetzer (Eustath ?), dem Averroes natürlich
folgt, mit mitlu Kitäbi n-Näs (für Ilyäs) wiedergegeben, s. ib. II 807,10 =
809,2.
ä Tafsir II 80912; 807«. Lugd. 1542, Bl. 160a 9 hat hier nur „dictamen",
bzw. Bl. 159b 31 „dictamen abah" (sie); in einem von Bouyges (II 807')
außerdem noch benutzten lateinischen Ms von 1243 scheint 'hebat' zu stehen.
* Das Kitäb bzw. Si'r an-Näs als Wiedergabe von t) 'IXidci; begegnet
außerdem Tafsir II 795,13/796,16 ( = Met. Z 4. 1030a 9; hebr. da ONn*?« und
OKtS*?«, lat. iuLugd. 1542, Bl. 157b 5f. : „metrumalbarum" !) und II 10J9,8f./
1092, lir. = Met. H 6. 1045 a 13 (arab. Kiiäb an-Näs ya'nl kitäb Umirui
al-auwal; hebr. wie oben; lat. Lugd. 1542, Bl. 213b uit. lüer richtig, aber mit
falscher Beziehung von al-auwal: „liber ilias, liber s. homeri primi"). — Eine
andere Verschreibung dafür ist aä-äi'r al-musammä al-Bäs, Tafsir II 655,8f.
(= Met. A 24. 1023a 33; aus hebr. DN3"7X); lateinisch hat Lugd. 1542, Bl.
131b 26f. dafür richtig „metrum versuum qui dicuntur Iliades"; aber in
Arabische Homerverse 283
gegeben hat, ist dem Averroes freilich aus der Poetikübersetzung des
Abü Biär' ebensowohl bekannt wie einem Färäbi oder Avicenna, die
erschlägt und die Stadt mit Flammen verwüstet / auch die Kinder ent¬
führt ..." bei Avicenna ausmalend : ,,den Feuerbrand ... wirft Mälägrüs
Stadt . . . und so weiter*". Viel häufiger aber als eine solche noch ganz
dem Ms von 1243 steht, nach Bouyges 655'^, ,,albes", was sicher lediglich
das arabisch-hebräische al-Bäs wiedergibt.
In einem anderen Falle, nämhch bei der Übersetzung von Arist. Poetik 13.
1463 a 32 durch Abü Bisr, ist es auch der Odyssee nicht besser ergangen. Sie
wird dort durch at-tadwlnu lladl li-l-gauhar ,,die Aufzeichnung, welche der
Substanz (gilt)" wiedergegeben, s. Ma 33,2/Tk 248,7/Ba 111,11 (wo at-tadwlr
gedruckt). Das Mißverständnis von 'OSütraEia als oüata könnte da aUerdings
schon dem s.vrischen Übersetzer oder einem Abschreiber zur Last fallen
Xiiffsii; nun im wesentlichen nicht mehr durch loci probantes aus Empe¬
dokles, Aischylos, Euripides oder eben Homer illustriert werden, son¬
dern daß Namen wie al-A'iä, Dü r-Rumma, Abü Hiräs al-Hudall,
Mutammim ibn Nuwaira, die Lailä al-Ahyahya oder Hansä', wie Abu
l-'Alä' al-Ma'arri, selbst andalusische Dichter des 11. /12. Jahrhunderts
und, last not least, Imra' al- Qais an deren Stelle getreten sind*. Den
[i,vY)(jLy)i; Poet. 16. 1454b 36ff.) durch amr ahl Albinus, ,,die Geschichte
mit den Leuten des Alkinoos'" zu veranschaulichen. Aber es hätte wohl
sie wie ihn wenig befriedigt, nur zu erfahren, daß Odysseus dort (vgl.
Od. 8, 521 £F.) nach Anhören das 'awwäd, des Kitharaspielers, ,,sich
erinnert und geweint" habe. Worum wohl? ,,Um Hekuba" vielleicht?
Für einen, der den Sang des Demodokos in Alkinoos' Halle und den
häufig in den Dichtungen der Araber. Dazu gehört, daß man sich an den
Wohnstätten und Trümmern der Geliebten erinnert. Ka-mä qäla:
Der Anfangsvers der Mu'allaqa des Imra' al-Qais, des ,, Homers der
Araber*" also anstelle des eigentlich gemeinten (aber von Aristoteles
hier gar nicht erwähnten) auxdp 'OSufftT£i<;/TYjxeTO, Sdxpu S' eSeuev utco
ßXe9dpoiCTt Trapsid?: das lag in der Tat für einen selbst mitdenkenden
arabischen Bearbeiter der aristotelischen Poetik gar nicht sehr fern;
ebensowenig wie das wa-innl la-astagäl wa-mä biya na'satun des seine
Geliebte im Traumbild ersehnenden Magnün', den Averroes im Anschluß
daran nebst weiteren Sawähid noch aufführt.
In einem solchen Verfahren, wie wir es bei Averroes anhand von nur
ausdrückt, ist ein Vers Homers, „selbst ein unbedeutender", für sie
' la'alla hayälan minki yalqä hayäliyä usw.: Las. 24 paen. = Bad. 226,9
= Diwän Magnün Lailä (gam' Abi Bekr al-Wälibi), Kairo 1358/1939, p. 93,2.
2 Von einer „progressiva deformazione", der „scomparsa quasi totale
deUo spirito (aristotelico)" und der „inevitabUe alterazione al nucleo primi¬
tive e inassimilato della dottrina greca" spricht ausführhch F. Gabbieli ui
seinen erwähnten beiden Abhandlungen Intorno alle versione araba della
Poetica di Aristotele (s. S. 267, Anm. 4), p. 231 xmd Estetica e poesia araba usw.
(s. S. 285=), p. 294, 297 et passim; s. besonders p. 326—331 und vgl. noch
I. KnAeKovsKij, Die arabische Poetik im IX. Jahrhundert, Le Monde Oriental
23, 1929, S. 26f. ^ x>er Untergang des Abendlandes II 67.
* xal TaÜTY) deaTT^aioi; äv (pavetT) "0(j.T]po(; Ttapa Toii? äXXouq Poet. 23. 1459a30.
Im Arabischen des Abü Bi^r ist eine Übersetzmigsdublette in den Text ein¬
gedrungen, so daß (Ma 65, 10/Tk 274,1 1/Ba 136,14) die folgende doppelte
Paraphrasierung der Stehe zustande gekommen ist: Fa-l-yura (Ms yurä)
TJrmrüs jl hädä dü sunnatin wa-nämüsin hädin (so nach der einleuchtenden
Emendation Badawis für das hd des Textes) / wa-min hädä l-waghi aidan
yurä TJmlrüs annahü muttabi'un li-n-nämüsi wa-anndhü läzinmn li-ssawäbi
wa-l-istiqämati aktara min ha'ula'i l-uhar. Hinter der zweimaligen Siot Suoiv-
Übersetzimg dü sunnatin wa-nämüsin bzw. muttabi'un li-n-nämüsi usw. ver¬
mutet Margoliouth 65 Anm. l eine Korruptele &E(j[i^tiio(; „satzimgsgemäß
= rechtgläubig", während Tkatsch I 215a, cf. 275, Anm. 23, an dem richtigen
•&ECT7t£ato? ,, götthch, erhaben, herrlich" als griechischer Gnmdlage auch der
Übersetzung festhält.
" Brief an Goethe vom 23. August 1804, s. Goethes Briejwechsel mit Wil¬
helm und Alexander von Humboldt, hrsg. von L. Geigeb, Berlin 1909, S. 184
(Sperrung von mir). Den Nachweis des Zitates verdanke ich meinem Kollegen
Andreas Flitner.
Arabische Homerverse 287
setzen dürfen. Sie haben die Worte „Homer" und „homerisch" gehört
und gekannt; aber beide sind für sie nichts als Namen, fxitvs vocis,
geblieben. Am Ende dieses ersten Abschnittes unserer Untersuchung
bleibt uns daher nur die vielleicht zwar betrübliche, aber kaum mehr
II
Wenn somit auch die Sonne Homers dem Orient niemals wirklich ge¬
leuchtet hat, so tönte ihm aus der untergegangenen Antike wie aus dem
noch immer erstaunlich lebenskräftigen Byzanz der Klang seines Na¬
mens doch vernehmlich genug herüber. Aber in welcher Form hat dieser
Name nun fortgewirkt ! Jeder, der einmal einen Blick in die ebenso ufer¬
lose wie für uns auf weite Strecken kaum mehr recht zu genießende Li¬
scheinen. Deim gerade diese beiden, ,, Homeros der Dichter" so gut wie
,, Sokrates der Asket" (!), begegnen da ständig, manchmal sogar im
Bilde' ; und so wenig wie sie sind Piaton, Aristoteles und Alexander der
wie Asklepios und Hermes, wie Adam, Seth, Idris, dem weisen Loqmän
und unzähligen anderen in das Gewand des morgenländischen Spruch¬
redners und Tugendlehrers gekleidet zu werden.
Diese uns bald komisch, bald beinahe peinlich berührenden Trave¬
stierungen sind ja im Orient keineswegs auf die arabische Literatur be¬
schränkt geblieben. Aber sie wurden dort am weitesten verbreitet und
haben sich, in teilweiser Einwirkung auch auf das persische und türkische
Schrifttum', in Spuren bis auf den heutigen Tag erhalten. Selbst dem
' Siehe Abb. 1 und 2, aus der Berliner MubasSirhandsohrift Or. Qu. 785
(vgl. S. 290*), BL 21b und 68a. Ähnliche „Illustrationen", teils als bloße
schwarz-weiße Kritzeleien, teils in stumpfen Farben, finden sich dort noch
auf Blatt 37a (Hippokrates), 54a (Diogenes vor Alexander) und 149a (Loq¬
män) ; meistens aber ist unter der Überschrift Sürat (fulän . ..) nur der Raum
frei gelassen. Über die Herkunft und ,, stilistische" Bestimmung dieser nicht
eben kunstvollen Bilder konnte ich, auch im Gespräch mit Herm Professor
E. Kühnel, nichts in Erfahrung bringen. Die (undatierte) Handschrift mag
aus imserem 13. oder 14. Jahrhundert stammen und könnte, da sie teilweise
syrische Foliierung aufweist, von christlicher Hand geschrieben oder zu¬
mindest überarbeitet worden sein. — Der Brauch, solche Bücher mit „Figuren
der Weisen" auszuschmücken, geht sicher schon auf alte, spätestens byzanti¬
nische Gewohnheit zurück (vgl. A. Loewenthal, Sinnsprüche der Philo¬
sophen, Berlin 1896, S. 51f.); dieser Tradition noch verhältnismäßig nahe
steht die illustrierte Mubassirhandschrift des Saray (Ahmet III 3206), auf
die R. Ettinghausen kürzhch zum ersten Mal aufmerksam gemacht hat:
s. Interaction and Integration in Islamic Art in Unity and Variety in Muslim
Civilization ed. G. E. v. Grunebaum, Chicago 1955, S. 119f. und Tafel Via,
Vila (frdl. Hinweis von Herm D. Bishr Fares, Kairo).
2 Z. B. bei Sahrastäni 300, 15 (i/^r^Ji). Ädäb Anaksägüras finden sich
unter anderem bei Sahrazüri, Berlin Or. Oct. 217, Bl. 82bf. ( = Landberg 430,
Bl. 32 ab) und in der späten, fälschlich dem Suyütl beigelegten Spmch-
sammlung Öämi' al-kalimät, Berlüi Peterm. II 116 (Ahlw. 8727), Bl. 146bff.
— Der Aufhellung von Pre-Socratic Philosophy and Greek Alchemy in Arabic
Tradition auf Grund der sogenannten Turba Philosophorum (ca. 900 n. Chr.),
die M. Plessneb angekündigt hat, darf man mit Spannung entgegensehen.
(Bisher ist erst ein hebräischer Vorbericht erschienen in Commentationes
ludaico-Hellcnisticae in Mem. Ioh. Lewy, Jerusalem 1949, p. 125—138; vgl.
Plessneb, The Place of the Turba Philosophorum in the Development of
Alchemy, Isis 45, 1954, S. 334 Anm. 18).
" In den universalgeschichtlichen Kompilationen des Persers Mirh^'änd
(15. Jahrh.) und des von diesem abhängigen Türken Hezärfenn (17. Jahrb.),
vgl. H. Fb. von Diez, Denkwürdigkeiten von Asien I, Berlin 1811, S. 71—91
(nach Rosenthal, Orientaha 6, 1937, S. 63).
Aus Ms Berlin Or. Qu. 785, Blatt 21b imd 68 a (vgl. S. 288,
290 JÖBG Kbaemeb
entstandenen Diets and Sayings of the Philosophers, die vor allem durch
William Caxtons erstes in England gedrucktes Buch vom Jahre 1477 be¬
rühmt geworden sind: "ther is no thinge fouler than to lie, and ther is no
goodnes in a lier"'. Dies alles entspricht wörtlich dem Arabischen in dem
(oder Muhtär) al-hikam des ägyptischen Emirs Mubasäir ibn Fätik (um
1053): laisa Sai'un adnä mina l-kidbi wa-lä haira fi l-mar'i idü käna
' Ed. H. Knust, Mittheilungen aus dem Eskurial (Bibl. des litter. Vereins
Bd. 141), Tübmgen 1879, S. 118.
" Dafür melius (!) in dem ganz unzulänglichen Abdruck bei Sal vat. de
Renzi, Collectio Salemitana III, Napoli 1854, p. 79 uit. Die jetzt maßgebliche
kritische Textausgabe von E. Franceschini in Atti del R. Istituto Veneto di
Scienze, Lettere ed Arti t. 91/2, p. 393—597 bheb mir leider imzugänglich.
3 Ed. C. F. Bühleb, Early English Text Society, Orig. Series No. 211,
London 1941, p. 38. Zu den hier veröffentlichten Fassimgen (deren erste der
von Caxton gedruckten Version des Anthony Woodville, Eari Rivers sehr
ähnlich ist), zu den Dits moraulx des Guillaume de Tignonvüle (Ende 14.
Jahrh.) und den sonstigen europäischen Übersetzungen ist Bühlers aus¬
gezeichnet informierende Einleitimg zu vergleichen; s. außerdem E. Fbance-
SCHINI, n Liber Philos. Moral. Antiqu. in Memorie R. Accad. Naz. dei
Lincei, Sc. morah Serie 6 vol. III, 1930, p. 355—99 imd, zur älteren Literatur,
V. Chauvin, Bibliographie des ouvrages arabes I, Liege 1892, p. 27—29.
* Berlin Or. Qu. 785, Bl. 24a 4 = Fol. 3100, p. 30,11. Das Werk scheint
nur in einer Überarbeitung erhalten zu sein; Ms Leiden 1487 enthält einige
Kapitel mehr als die beiden Berliner Handschriften. Zur Person und Büoher-
leidenschaft des Verfassers, eines Angehörigen des Fatimidenhauses, s. Ibn
abi U§aibi'a II 98f., danach M. Meyebhof, Über einige PrivatbibliotJieken im
fatimidischen Ägypten, RSO 12, 1929—30, S. 287, und K. Holter, Der Islam
im Handbuch der Bibliothekswissenschaft ^III, Wiesbaden 1953, S. 215.
Arabische Homerverse 291
zu irgend etwas nütze sei. Diese Form hat das Dictum aber bereits im
arabischen Original des pseudo-aristotelischen Secretum secretorum, das
vieUeicht noch dem zehnten Jahrhundert entstammt und, in einigen
Handschriften allerdings nur, den folgenden Wortlaut bietet :
liegenden Falle formal schon deshalb, weil der Fuchs (aXcoTrv)^, xepSco usw.)
in den uns überlieferten Texten der Ilias und Odyssee oS'enbar gar nicht
vorkommt*. Inhaltlich aber lassen sich für derartige allgemeine, im
Osten wie im Westen verbreitete Lebensweisheiten, unter welchen
Namen sie auch umgelaufen sein mögen, aus dem Spruchgut aller Zeiten
und Völker Entsprechungen natürlich in Menge nachweisen. Das gilt,
vom Alten Testament und noch viel früheren orientalischen Quellen an¬
kannten Aufsatz über ühi sunt qui ante nos in mundo fuere^, auf eine um¬
gewiß. Aber bevor sie, von Hand zu Hand und von Volk zu Volk ge¬
gangen, zu solch abgegriffenen, wieder imd wieder umgeprägten Scheide¬
münzen geworden waren, haben doch nicht wenige von ihnen einen ur¬
sprünglichen Kurswert besessen, der ihnen Geltung sichert bis auf den
heutigen Tag. Nun hat man zwar längst erkannt, daß in dem großen
Haufen Spreu der arabischen Spruchsammlungen noch dies oder jenes
Körnchen echt griechischer Weisheit verborgen liegt, daß also die ara¬
bisch schreibenden Kompilatoren mindestens zum Teil von spätgriechi¬
schen Chrien, Apophthegmensammlungen und sonstigen Florilegien ab¬
hängig gewesen sein müssen. Aber was uns von den betreffenden arabi¬
gemeinen wohl aufgegeben hat, gerade hier noch nach einigermaßen un¬
verfälschten griechischen Bestandteilen zu suchen. Der „Sokrates in der
Tonne" zum Beispiel, der uns bereits in dem ältesten griechisch-arabi-
schen Mischfiorüegium dieser Art, den Ädab al-faläsifa des Hunain ibn
geben hören wie die, daß die Schrift etwas sei, was der Verstand durch
Vermittlung des Schreibrohres ans Licht gebracht habe' oder Wort¬
spiele wie das vom klugen Manne (al-'äqil), der seine Zunge vom Bösen
zurückhält (ya'qilu)^ und dergleichen mehr.
Freilich waren uns Hunains Ädäb bisher nur in der späten Überar¬
beitung eines Muhammad ibn 'Ali al-Ansäri (wohl erst 12. Jahrhundert)*
zugänglich, von der die hebräische Übersetzung des Jehuda al-Harizi*
hängig sind. Daß wir es bei der — leider noch immer unedierten —
Bearbeitung des Ansäri nur mit einer Verkürzung und nicht etwa mit
einer Erweiterung^ der ursprünglichen Redaktion Hunains oder auch
seines Sohnes Ishäq zu tun haben, läßt sich nunmehr nachweisen. Der
eigentliche Titel des Werkes, wie ihn mit nur geringfügigen Abweichungen
auch Ibn abi Usaibi'a und Haggi Halifa anführen, dürfte Nawädir al-
pilation des Ansäri uns übrig gelassen hat; und Vermerke wie fuMl
falsafiya magmü'a min nawädir katira (Bl. 38a 3 v. u.) weisen darauf
hin, daß auch Material aus anderen Quellen beigezogen worden ist. In¬
haltlich jedoch scheinen sich die „Nawädir-texte" (wie ich die Auszüge
der Köprülü-Handschrift im Gegensatz zu den „Ädäb" bei Ansäri von
nun an nenne) auf den ersten Blick von eben diesen Ädäb nur unwesent¬
' Ed. H. Knust, Mittheilungen aus dem Eskurial, 1879, S.l —65; zm
älteren Literatur allgemein vgl. Chauvin, Bibliographie I, 1892, p. 23—27.
2 So nooh Bergsträsser in seiner Besprechung von Merkles Arbeit,
OLZ 26, 1923, Sp. 27: ,,. . . redigiert und erweitert; denn von Streichungen,
die der Bearbeiter vorgenommen hätte, ist nichts zu bemerken".
3 Zur Frage des Titels s. Merkle S. 6f. (nach Ibn abi Usaibi'a und Haggi
Halifa; die Stelle bei letzterem jetzt Kef/ el-Zunun II, Istanbul 1943, Sp.
1979), zur Autorschaft ebenda S. 7—11.
■*Vgl. meinen Beitrag Das arabische Original des pseudo-aristotelischen
'Liber de pomo' in Studi oriental. a G. Levi della Vida, I S. 484 ff. — Der
Freundlichkeit H. Ritters verdanke ich einen Film, der A. Tietzes wert¬
volle MitteUungen über die Katalogzettel (fidler) der wichtigen Handschrift.
^ Mimmä naqalahu l-Kindi min alfäz Suqrät, vgl. Fihrist 260,4 Fl. (K. 1348,
Arabische Homerverse 295
sprüche der alten Lehrer"' jedoch wird er kaum durch ihn selbst, son¬
dern wohl erst durch einen späteren Redaktor geraten sein.
Das alles läßt uns für die Homerica der Nawädirtexte, auch wenn sie
kanntes wie etwa Blatt 10 a 14 den Siegelspruch man lam yamlik 'aqlahü
Gespräch mit seinem Schüler über die Unvernunft der bloß die Tiere
nachahmenden Menschen, das in knapperer Form auch bei MubasSir',
Sahrastäni* und in Abü Haiyän at-Tauhidis Risälat al-Hayät^ wieder-
sammengefaßt, begegnet uns z. B. noch auf Blatt 37b oben, Blatt 46aff.
unter der allgemeinen Überschrift Min kaläm al-hukamä' (mit einer offen¬
bar neutestamentlichen Reminiszenz Bl. 47 b 11 al-muhsinu yuhsinu ilä
man asä'a ilaihi wa-ya'fü 'amman zalamahü wa-yagüdu 'alä man bahih}
'alaihi) und an anderen Stellen. Von wirklich klassischen Zitaten aber
oder auch nur von Anklängen an solche habe ich bisher unter diesen
aqiüäl Ümirüs kaum etwas feststellen können. Allenfalls wird man in dem
,, homerischen" Wort von dem Magen als der Kraftquelle der Glieder
gelernt haben? Selbst wenn wir einräumen, daß Hunain mit seiner
Spruchsammlung offensichtlich mehr ethisch-didaktische als eigentlich
Buche, wie Ansäri sie uns erhalten hat', das (klassische) Griechisch aus¬
drücklich an erster Stelle vor allen anderen Sprachen, aus denen er es
ilä l-lisän al-'arabi al-mubtn übertragen habe, d. h. vor dem Hebräischen,
üblichen hikam und ädäb, auftauchen und die jedenfalls in dieser Gat¬
Ishäq (sie) ibn Hunain, auf Hesiod (Blatt 5a, entsteht zu Daß
es sich hier dem Sinne nach nur um die allbekannten Verse Erga 289 flF.
T^i; S' apsT^? iSpcüTa -ö-sol TtpoTrixpoi&ev ^9-7)xav xtX. handeln kann, ist
trotz der etwas weitläufigen arabischen Paraphrase unverkennbar:
Ammä t-tariqu lladi yu'addi ilä l-hairi fa-tariqun mu'wirun sa'bu l-ma-
säliki mulHbun mu'arriqun (,, schweißtreibend") daiyiqun wa-laisa
1 Ese. 760, Bl. 5b lOff., vgl. Merkle S. 10, Anm. 1, Loew. S. 50 unten imd
Steinschneider, Die arab. Übers. (1890), S. 20, Anm. 1.
2 Ar-rümiya. Zu dieser, hier unzweifelhaften, Bedeutmig des Wortes vgl.
M. BouYOES, Excursus d'un editeur de textes arabes 1. rümi, M61. Univ.
St. Joseph Bd. 27, 1947/48, p. 119—29; auoh J. Fück, The Arabic Literature
on Alchemy accord, to an-Nadim in Ambix vol. IV, 1951, p. 115. Zu der An¬
nahme R. Steeles, Secretum secret, cum glossis usw. (s. S. 291, Anm. 3),
Introd. p. XI, daß rümi auch ,, syrisch" bedeuten körme, s. M. Plessner,
OLZ 28, 1925, Sp. 916 und Der Islam 16, 1927, S. 83f.
' Für die Auszüge der Köprülü-Handschrift ist das nach deren ausdrüok-
Uchen Angaben kaum mehr zu bezweifeln. Die frühere Skepsis hinsiohtlich
der Authentizität der „J!dä6texte" jedooh (s. A. Müller, ZDMG 31, S. 525f. ;
H. D^irenbourg, Mel. Weü, 1898, p. 121 f.) wird gerade durch sie von neuem
bestätigt.
* Die arabischen Sprüche aus Sahrazüri, in denen A. Müller, ZDMG 31,
298 JÖBG Kbaemeb
Reihenfolge der Handschrift, die Namen Thaies (^l, Bl. 8b), The¬
mistios (Bl. 34b), Theophrast (Bl. 36a, nur Moralspruch), Erasistratos
(Bl. 37a, über die vier Körpersäfte), Timon (Bl. 38a) und andere, die
ich noch nicht sicher habe deuten können. Schließlich ist sogar Orpheus
(|»jril ^jiijl, Bl. 41 b bis 42b) vertreten, mit einem ziemlich langen Frag¬
ment, das einer besonderen Untersuchung wert erscheint. Das zuletzt
genannte Stück, aber nur dieses, gehört zu den oben S. 294 bereits ge¬
nannten fusül falsafiya magmü'a min nawädir katira, war also ursprüng¬
lich in Hunains Nawädir wohl nicht enthalten. Daß die übrigen Frag¬
mente jedoch diesem Buche entstammen und überdies nicht etwa bloße
Mystifikationen darstellen, wird durch das überraschendste Zitat der
ganzen Sammlung zumindest sehr wahrscheinlich gemacht. Es ist von
Euripides {^j^ Bl. 33a paen.), folgt unmittelbar auf eine mitten
im Kontext stehende Überschrift wa-mimmä gumi'a aidan min Naivädir
al-faläsifa mimmä targamahü Hunain und hat folgenden Wortlaut :
Yanbagl li-l-maulüdi an yvbkä 'alaihi li-annahü qadi std'nafa d-duhüla
fi S-Sarri wa-l-ahzän, wa-yanbagl li-dl l-maiyiti (sie) an yadhaka li-annahü
qadi staräha minhä.
Hunain hat den Vers also nicht streng wörtlich, sirmgemäß aber doch
durchaus zutreffend wiedergegeben, wie es seinen ethisch-paränetischen
Zwecken entsprach. Dieses freie Schalten mit seinen Quellen, das schon
an dem Hesiod-Zitat festzustellen war, zeigt sich auch sonst. Gleich auf
bung tragen und aus dem Symposion, dem Phüebos und dem Staat zu
stammen scheinen, aber gleichfalls ziemlich frei übersetzt bzw. paraphra¬
siert sind. Im Gegensatz zu den sklavisch-wörtlichen Übersetzungen
eines Abü Bisr, die bei aller monströsen Entstellung des Sinnes manch¬
mal noch gewisse Rückschlüsse auf die zugrundeliegende griechische Text¬
gestalt erlauben^, werden also Hunains Exzerpte für die Zwecke des
klassischen Philologen nur wenig ergiebig sein. Um so mehr hat der
Arabist imd Islamist Grund, sich mit ihnen zu befassen. Zunächst wird
es vor allem darum gehen, das „kuriose Buch" des Hunain, dessen Her¬
wie irgend möglich entspricht. Ist das einmal getan, dann erst wird den
vielfältigen allgemeinen Anregungen und Fragen nachzugehen sein,
welche diese „Kostbarkeiten der griechischen Dichter und Weisen" in
arabischem Gewände uns bieten. Denn nicht oft können wir so genau
genannten Vers des Euripides aus dessen uns heute verlorener Tragödie
Kresphontes, in welcher er nach Ciceros Zeugnis^ einmal gestanden hat,
noch selbst entnommen hätte, ist von vornherein ausgeschlossen. Viel¬
mehr muß ihm das Zitat, ebenso wie viele andere seiner Nawädir, durch
eines jener zahllosen Florüegien zugekommen sein, von denen die
griechische Literatur der Spätantike geradezu überquUlt'. Durch eine
Reihe von solchen Anthologien, darunter die des Clemens Alexandrinus*
aus dem dritten und des Johannes Stobaios* aus dem fünften Jahr-
hundert, ist der Vers eben auch uns erhalten. Sichere sonstige Spuren in
den Nawädir al-faläsifa aber, die gerade auf eine dieser beiden oder auf
eme ähnliche griechische Sammlung als die bestimmte Quelle Hunains
hinweisen würden, habe ich bisher nicht gefunden. — Das gilt, wie
bereits erwähnt (S. 290), für die ,, Homerica" nnserer Nawädirtexte in
ganz besonderem Maße. Daß sie sämtlich bloße Erfindungen des Hunain
oder auch eines Vorgängers von ihm darstellen, ist angesichts der son¬
bietet und die damals, im neimten Jahrhimdert, erst recht geboten war,
ist eine mehr oder minder selbständige Sammlertätigkeit einem Manne
wie Hunain ibn Ishäq durchaus zuzutrauen. Dabei könnte er die ver¬
einzelt unter den übrigen hikam verstreuten Homersprüche aus den ihm
liche Rolle gespielt haben mag. Längere Abschnitte dagegen, wie vor
allem den umfänglichen Passus Blatt 46 a bis 47 b unter der Überschrift
3Iin kaläm al-hukamä', wird Hunain, unter wessen Namen immer, aus
gesetzt hat. Ähnlich also wie der weit berühmtere Aristoteles bei den
Arabern als „Verfasser" des pseudepigraphen, aber immerhin noch aus
wäre hier der Name Homers einem zwar nicht aus seinen Epen geschöpf¬
ten, aber immerhin noch griechischen Schatz von Apophthegmen,
geflügelten Worten und sonstigen Redensarten, kurz eben von Gnomen
beigelegt worden.
Mahmüd as- Sahrazüri aus dem 7./13. Jahrhundert enthält wie die meisten
Spruch- und Weisheitssammlungen ihrer Art auch einen Artikel über
Homer, der zwischen Hippokrates und Solon, in der von mir benützten
Berlmer Handschrift Or. Oct. 217 (Ahlwardt 10 055) auf Blatt 96a bis
100b', eingereiht ist. Auf ein paar .ßiosnotizen, in die sich vielleicht auch
gewisse Reste der antiken Legende vom fahrenden Sänger Homer*
hineinverirrt haben, und auf die übliche Masse von /tiÄ;am und ädäb,
unter denen auch das uns schon bekaimte lä haira fi katrat ar-ru'asä'
(= Ilias II 204; Bl. 96 b unten) nicht fehlt, folgt Blatt 98 b 11 ohne weitere
Aflätünlya al-muhdata 'inda l-'Arab (Diräsät islämiya Bd. 19), Kairo 1955,
p. 1—33.
1 Die längst nicht mehr genügende Ausgabe und Übersetzung von F.
Dietebici, Leipzig 1882—83, ist leider noch immer nicht ersetzt. Für die
vielbehandelte Frage des Ursprunges des merkwürdigen Buches hat un¬
längst W. Kutsch eine überraschende, im einzelnen freilich auf ihre Stich¬
haltigkeit noch nachzuprüfende Deutung gegeben : Ein arabisches Bruchstilch
aus Porphyrios ( ?) Trepl Tux^C und die Frage des Verfassers der „ Theologie des
Aristoteles", M61. Univ. St. Joseph, Bd. 31, Beyrouth 1954, p. 265—86.
2 s. S. 294, Anm. 4.
3 Damit identisch ist Ms Landberg 430 (Ahlw. 10 056), Bl. 38 a/b. Zu weite¬
ren Handschriften des Werkes imd zum Verfasser s. Br. G'' I 617 mit S I 851,
die Angaben des Leidener Kataloges Bd. III nr. 1488, A. Müxleb in ZDMG
31, 1877, S. 507ff. und F. Rosenthal, Orientalia 6, 1937, S. 26£f.
■*Vitae Homeri et Hesiodi usw. ed. Wilamowitz (Kleine Texte f. Vorl. und
Übungen nr. 137), Berlin 1916; vgl. Wilam., Homer, der fahrende Dichter in
Reden und Vorträge Bd. I, 1925, S. 83—102 und W. Schadewaldt, Legende
von Homer dem fahrenden Sänger, Leipzig 1942 (mit wertvollem Kommentar),
Potsdam ^1948. — Die von mir vermuteten Anklänge bei Sahrazüri und
Arabische Homerverse 303
tenzen zunächst durch ihre größere Prägnanz, womit sie sowolil der
(48) Inna t-tabi'ata lä tatliqu r-riyäsata li-n-nisa" — „die Natur gibt die
Herrschaft nicht den Frauen preis".
(54) Idä saqatat sagaratun ihtatdba kullu man aräda — ,,ist ein Baum
gefallen, holt jeder, der will, sich Brennholz".
(81) Inna Iläha sami'un li-du'äH l-haqq — ,,Gott hört das rechte Gebet".
wegs homerisch, so doch jedenfalls gut griechisch. Sie stammen, wie eine
genaue Prüfung jedes einzelnen Fragmentes ergeben hat, bis auf etwa
fünfzehn, die ich noch nicht sicher habe nachweisen köimen, aus der
lediglich als ein großes Sammelbecken gedient, in das Ströme und Rinn¬
anderen arabischen SchriftsteUem sind nur sehr allgemeiner Natur imd körm¬
ten auch auf gewisse typische Züge der antiken Biographie und Prosopogra¬
phie zurücl<geführt werden.
1 Hunam, Ädäb al-fal.. Esc. 760, BI. 26b paen. (vgl. Loew. S. III nr. 25)
als Definition der baläga. Der Ausspruch kehrt wieder bei Mubassir, Berlin
Qu. 785, Bl. 194b 2 und bei Sahrazüri, Oct. 217, Bl. 81a 3 v. u.
" Zitiert bei B. Sellheim, Die klassisch-arabischen Sprichwörtersammlun¬
gen insbes. die des Abü 'Ubaid, 's-Gravenhage 1954, S. 9 Mitte.
3 Ed. A. Meineke in Fragmenta Comicorum öraeeorum vol. IV, Berlüi
1841, p. 340—374 mit Nachträgen in vol. V, 1857, p. CCXCIV-CCCIV.
Nach der Numerierung dieser Ausgabe, die, soweit mir bekannt, bis heute
nicht ersetzt ist, wird ün folgenden (als [Men.] Mon.) stets zitiert. Die Ver¬
besserungen Meinekes und anderer zum griechischen Text habe ich dann im-
berücksichtigt gelassen, wenn die arabische Übersetzung offensichtlich die
überheferte, sei es auch metrisch oder sonstwie anstößige, griechische Lesart
wiedergibt. Blosse Abschreibefehler des Arabischen sind in der Regel still¬
schweigend verbessert.
304 JÖBG Kbaemeb
So könnte ich nun fortfahren. Aber bevor ich weitere von diesen pseudo¬
homerischen Menandrea, Euripidea usw. aus arabischen Spruchsammlun¬
gen mitteile, sind die griechischen Originale der zu Beginn genannten fünf
arabischen Zitate noch nachzutragen. Es sind, in der Reihenfolge wie oben,
und endlich hat auch der so islamisch aussehende Spruch nr. (81) „Gott
erhört das rechte Gebet" in der Menandergnome 146 eü/Y]? Stxaia? oux
sondern nur ein Bruchstück aus dem Anfang der Sammlung. Dieses
Bruchstück beginnt Blatt 96 b 11 mit fa-rfa' min 'umrika mä yuh,zinuka
,, entferne von deinem Leben, was dich traurig macht"; das entspricht
Men. Mon. 3 'Ael tö Xutcoüv exSlwxs toü ßwu*. Die letzte Sentenz, mit
der auch der Homerabschnitt selbst zu Endeist, steht auf Blatt 100 b 11
und lautet Musä'adatu l-aSräri 'alä fiHihim kuf run bi-lläh „den Bösen
bei ihrem Tun zu helfen ist Gotteslästerung", was nur eine, allerdings
etwas mißverstandene, Ubersetzung von Men. Mon. 255 0eoü ÖveiSo?
toÜ? xaxoü? euSatfioveiv* sein kann. Daraus ebenso wie aus einer Prüfung
der Zitate selbst geht hervor, daß das bei Sahrazüri erhaltene Fragment
ausgewählte Verse aus den Buchstaben von A bis 0 des zu Grunde liegen¬
den griechischen Gnomologiums umfaßt. Mit Hilfe von Sahrazüris
Nuzhat al-arwäh allein könnte also der Versuch, die in arabischer Über¬
21 ZDMG 106/2
306 JöBO Kbaemeb
Rosenthal den Muhtär al-hikam des Mubaälir und die Tatimmat Siwän
Thema genügt es, das Urteil des großen islamischen Theologen und
Polyhistors Fahraddin Räzi (gest. 1209) anzuführen, daß der Siwän
al-hikma im Gegensatz zu dem ganz von ihm abhängigen, aber unzuver¬
lässigen Kitäb al-Milal wa-n-nihal des Sahrastäni (gest. 1153) die Be¬
richte über die Lehren der (alten) Phüosophen ,, vollständig" enthalten
habe*. Da Homer aber für die Araber, wie übrigens schon für die
einer ziemlich kurzen Einleitung über die Berühmtheit des Dichters imd
seines Dltvän Si'r bei den Alten folgen außer dem, wie üblich mono¬
„Und das sind einige Fragmente von den 'lamben' genannten Dichtungen
des Homer, in welchen schöne Ausdrücke stehen und die nach dem Alpha¬
bet der Griechen angeordnet sind. Stephanos' hat sie ins Arabische
Ende des Abschnittes auf Blatt 37 b 19 zähle ich 212 Sprüche. Sie begin¬
nen mit Yanbagl li-l-insäni an yafhama {l-)umüra l-insäniya = Men.
Mon. 1 "AvO-pcoTtov Övra Sei tppoveiiv TavS-p cotti, va^ und enden mit Mä
liche Vereinigung, und wie zahlreich sind (doch) ihre Kümmernisse", was
eine nicht ungeschickte, nur ein wenig mehr ins Eindeutige gewandte
Wiedergabe von Men. Mon. 754 TioXXd Sii Ta? rjSova? Xu7roij;i.£&a
darstellt.
Grundsätze, von denen der Kompilator des Muntahab sich bei seiner
Auswahl offenbar hat leiten lassen, können wir in einem Falle noch
besonders deutlich verfolgen. Als nr. 92 nämlich gibt er den gut islamisch
klingenden Spruch Men. Mon. 246 ^ugIx \icyiar7] tw •&£w to y' euaeßeiv
korrekt wieder mit A'zamu l-qurbäni ilä Ilähi husnu l-imän „das wich¬
tigste Opfer für Gott ist gute (Recht)gläubigkeit". Darauf folgt als
nr. 93 Inna hulqa l-mar'ati ardä min ahläqi gamiH s-sibä' „die Natur des
Weibes ist verderbhcher als die aller wüden Tiere", was Men. Mon. 248
ist erhalten bei Sahrastäni, der, wie wir bereits wissen, seine Darstellung
der griechischen Lehren größtenteUs dem Werke des Abü Sulaimän al-
Mantiql verdankt. Dort, in Sahrastänis Kitäb al-Milal wa-n-nihal, hat
der klassische PhUologe A. Nauck den Vers vor schon fast hundert
Damit haben wir immerhin drei arabische QueUen, die uns für das
voneinander abhängig sind, können wir die Lücken der einen durch die
Sprüche der anderen wenigstens teüweise ergänzen und so diese arabischen
,, Homer" verse zu etwa einem Drittel des bei Meineke griechisch erhal¬
auch im Muntahab und bei Sahrastäni eine Anzahl von Sprüchen, die
ich unter den uns bekannten MevdvSpou Pvtoji-ai bisher nicht habe fest¬
stellen können. Hier bedarf es noch einer genauen Vergleichung mit den
anderweitig auf griechisch und vor allem auf altkirchenslawisch um¬
laufenden Menandersentenzen', bis zu entscheiden ist, ob solche noch
späterer Zeit zu betrachten sind. In jedem Falle müssen für die Aufgabe,
„die ganze mittelalterliche Überlieferung der Spruchverse aufzuarbeiten
und übersichtlich darzustellen*", nun auch die arabischen Menandrea
herangezogen werden. Hier kann aus den rund 250 Sprüchen, deren
griechischer Ursprung schon jetzt mit Sicherheit nachweisbar ist,
natürlich nur eine ganz knappe Auswahl gegeben werden.
Zunächst sind wieder einige gut islamisch aussehende oder auch im
islamischen Sinne umgedeutete Sentenzen zu nennen. So ist der beinahe
Ttapouari? -zrfi xux^l? = i4ä hadara l-baht Shrst. nr. 33 (Cureton p. 301,3
V. u.); Mon. 124 Sou? xf) tOxy) • • • = in a'taita sähiba (sie) l-bahti . .. Sahra¬
züri nr. 57. Bei Birünl, India p. 193,11 (Erklänmg des Mythus von der
Stemengöttin Dike; vgl. TeU I S. 271, Amn. 1 imd 273, Anm. 3) steht al-baht
wa-l-ittifäq für den Begriff der Tiix^).
1 Vgl. oben S. 308, Anm. 4f. Viel weniger wichtig ist dagegen die Sammlung
der syrischen sog. Menandersprüche (ed. J. P. N. Land, Anecdota Syriaca
I, 1862, p. 64—73; dazu E. Sachau, Inedita Syriaca, 1870, p. 80f.), weU sie
nur sehr allgemeine Anklänge an die eigentlichen MevivSpou yvwixai. zeigt
und in der uns vorliegenden Gestalt ledigUch eine „Anthologie ... aus der
internationalen Weisheitsliteratur Vorderasiens und Griechenlands" dar-
steUen dürfte (Fr. Schulthess, Die Sprüche dea Menander, aua dem Syri¬
schen überaetzt, Zeitschr. für die alttest. Wissensch. Bd. 32, 1912, S. 202. Zur
älteren Literatur — Geiger, Baumstark, Frankenberg usw. — s. ebenda und
Baumstark, Oeach. der ayr. Literatur, Bonn 1922, S. 169f.).
" K. Kalbfleisch, Hermes Bd. 63, S. 102. Umfangreiche Vorarbeiten hier¬
für haben W. Meyeb und auch K. Zauzich hinterlassen, s. A. Köbtk, Me¬
nandri quae supers. II, 1953, p. XI n. 1. — Eine zusammenfassende Arbeit
über die sämtlichen bis jetzt aufgefundenen arabischen Menandrea ist in Vor¬
bereitung.
Arabische Homerverse 311
qima li-taküna hairan „schlage den rechten Weg ein, damit du gut seiest"
nichts anderes als (Men.) Mon. 62 ßdSi^e t7)v Eu&etav ^va Sixaio? ^c. In
M 85 = Sz (Sahrazüri) 103 = Sst (Sahrastäni) 19 Inna t-tabi'atakaunvanat
gami'a l-aSyä'i bi-irädati r-rabbi (ta'älä) „die Natur hat alle Dinge nach
dem Wülen des höchsten Herrn hervorgebracht" sind die letzten Worte
Böses tut, ist göttlich" (Mon. 234: ö-eo?' 7te9uxEv octti? ouSev Spa xaxov),
was Sz durch die Worte yurldu bi-l-ilählyi S-Sarifa ka-l-maWika zu
kommentieren für nötig hält. — Daneben findet sich natürlich eine
über den Feigimg Inna r-ra'yamina l-gabäni gabän — Mon. 128 SsiXoü yap
andere) eav S' EXcofA^v xpV«^', s^o[i.ev 91X00?*; Sst 32 über vorlautes
Reden Inna l-kaläma fi gairi waqtihi yufsidu l-'umra kullah — Mon. 466
p9i[j,a Tcapdxaipov tov 8Xov dvaTp^TOi ßlov. Der Rat, dem Edlen nach¬
zustreben und das Niedrige zu meiden, wird sogar in sa^'-Form gekleidet
Sz 61 ütlubu S-Sarafa wa-l-fadlla wa-hrub mina d-dammi wa-r-radila; er
entspricht aber genau Mon. 137 S[a>xe So^tqv xdcpeTVjv, 9eiiye ij;6yov.
Manches ist auch darunter, was noch bei uns sprichwörtlich gebraucht
wird, wie „Mehr Glück als Verstand" M 148 Katlrun mun lahü bahtun wa¬
lä 'aqla Iah = Mon. 447 ttoXXoI (asv £utuxoi>(T(.v, ou 9povoü(Ti Se; „Die Sonne
(bzw. Zeit) bringt es an den Tag" Sst 7 = Sz 7 Inna z-zamäna yubaiyinu
Sst 35 Inna l-yada tagsilu l-yada wa-l-isba'u l-isba' = Mon. 543 jzip yslpx
voTrrei, Sdy.TuXoi Ss SaxrüXou?.
aus der Alkestis gleichfalls des Euripides (v. 782) = Mon. 69 ßpoToti;
aTtacn xax-D-aveiv b^peiXszoii = M 34 Inna l-mauta wägibun 'alä gami'i
(gest. ura 262 vor Chr. ; Frgra. 198 Kock*), yafxetv 6 (jieXXwv zlc, [xerdvoiav
Ep^eTat. = M 42, Sz 41 Man tazaurwaga fa-innahü sa-yandam^.
Daran seien einige weitere Komikerverse gleich angeschlossen. Nooh
stararaen soll die Erraahnung Mon. 173 (= Frgra. 289 Kock), der eigenen
Sterblichkeit eingedenk zu sein: ei ^vyitoc el, PeXtictte, ■ö-VTjTa xal 9p6vei;
arabisch lautet sie bei Sz nr. 86 In kunta rmyitan fa-'mal 'amala mam
yamüt. Dera Diphhos von Sinope, dera dritten großen Vertreter der
1 (6./5. Jahrh. vor Chr.), Frgm. 53 bei A. O. Fb. Lorenz, Leben und
Schriften des Roers Ep., Berlin 1864, S. 274 = Frgm. Ep. 273 bei G. Kaibel,
Comic. Graec. Fragmenta 1, 1, Berlin 1899, p. 142. Vgl. Büchmann, Ge¬
flügelte Worte 26. Aufl. 1918, [die heillos entsteUte 28. Aufl. von 1937 ist un-
zitierbar], S. 347 f. ' K. Hobna, R E Suppl. VI, 1935, Art. Onome, Sp. 84.
3 Daß dies — für vöctov bei Meüieke — die gewöhnliche Lesart ist (vgl.
Mein. Com. IV p. 368; W. Meyeb, Abh. Bay. Akad. XV, S. 437 etc.), wird
auch dmch den arabischen Plural amräd bestätigt.
* Diesen Text der Monosticha (statt des richtigen yipovTi des Fragmentes)
gibt, wie nicht anders zu erwarten, auch die arabische Übersetzung wieder.
' Fragm. Com. Attic. T. II p. 531; zum griechischen Text (6 (i£XX(ov für 8?
i&i-Xzi) vgl. Meyer, Abh. Bay. Ak. XV, S. 405.
• Alle Mss. (aufler Landberg 430, Bl. 38a, 12 v. u.) : sa-yvdamm !
Arabische Homerverse 313
preisen". Damit kann nur das, freUich etwas anders lautende, Diphilos-
fragment 114 Kock' ax; (i.axdpi,ov cpp6v7]CTt(; ev xpr\aiü) rpoTTCo wiederge¬
geben sein, das zwar in Meinekes ZusammensteUimg der Spruchverse fehlt,
aber sowohl in der altkirchenslawischen Übersetzung* als auch, aller¬
(*45 Kö, Andria) Cä>(Asv yap oux •S'^Xojxev, äXX' iiC, SuvdfxeS-a ist zwar
in dieser Form unter unseren arabischen ,, Homer "versen leider nicht
1 Com. Att.Fragm. Up. 575 = StobaiosjPZor. III 37,7 Hensb (Fab. incert.).
2 Bei V. Jagiö, Sitz.ber. Wiener Akad. Bd. 126, 1892, VII, S. 44.
' Bei K. Kalbfleisch, Hermes Bd. 63, S. 102 nr. 8.
* Die Reihenfolge im Arabischen wäre aherdings dann gerade vertauscht,
weü voü? ja für gewöhnlich dmch 'aql wiedergegeben wird.
^ Frgm. 72 (aus 'App7j96po? ^ AüXYj-rpi?) und 143 (ang. aus 'EauTÖv ti|ji(o-
po\i(iEvo(;) Kock; Frgm. 66 (nur 'Appyi96po(;) Körte.
• Der Vers ist allerdings als anonymes Monostichon überhefert und daher
von Körte (s. dort p. 391) nicht übemommen worden.
314 JÖRG Kraemer
führt uns zum Schluß wieder zu Euripides zurück, aus dessen ver¬
lorener Tragödie Alkmene (Frgm. 98 N) das ganz ähnliche lautende
Zitat Mon. 480 (yxeppwt; 9epetv XP^ (TU[X<pop(zi; tov euysMiq entnommen zu
landes aus den Phönizierinnen (v. 406) = Mon. 216 y) TCaxpi?, utc, eoixe,
cplXTaTov ßpoTOL?* = M 78 Inna l-watana mahbubun mahbvhun Hnda n-näs,
oder das Wort von der Kostbarkeit der Seele' aus der Alkestis (v. 301),
Mon. 552 (J^^Z^ y°^P ouSev etrxi Ti.[i.i,WTepov = M 200 Fa-innahü laisa
Sai'ün akramu mina n-nafs*: Aber Euripides ist, woran hier nur eben
erinnert sei, zwar der am häufigsten zitierte, keineswegs jedoch der
einzige griechische Tragiker, von dem sich Verse in die menandrische
Spruchsammlung und damit letztlich auch ins Arabische hinüber¬
gerettet haben. Wir finden dort auch Zitate aus kleineren, kaum bekann¬
ten tragischen Dichtern wie zum Beispiel das nicht eben ritterliche Wort
des Chairemon* (Frgm. 32, p. 790 Nauck =) Mon. 95 yuvatxa ■S-aTtxetv
xpetoCTOV sffxtv yafxelv, das M 45 = Sz 44 durch (An) tadfina l-mar'ata
aslahu min an tatazavnoaga bihä wiedergegeben ist. Oder wir finden die
' Mit diesem imd dem vorhergehenden Spruch fast gleichlautend ist die
nr. 236 in den späten, wohl von einem byzantinischen Dichterling verfaßten
„Spruchversen der sieben Weisen", die ihrem ganzen Charakter nach für ein
Fortwirken in den orientalischen Literatmen auch sehr wohl in Frage
kommen (vgl. S. 301, Anm. 2): (pipeiv xa tTUfjLßaivovTa yevvaltü? ^xP^v, s.
E. Wölfflin, Sprüche der sieben Weisen, Sitz.ber. Bay. Akad. 1886, S. 298
und W. Meyer, ebenda 1890 II, S. 379 (unter den angeblichen Aussprüchen
des Periandros).
2 In Schillers Wiedergabe : „Die Heimat / ist also wohl das Teuerste, was
Menschen / besitzen!" (Szenen aus den Phönizierinnen des Euripides, v.
397—99).
' Im griechischen Text hier allerdings svw. „Lebenskraft, Leben".
* Im Arabischen ist dieser Vers mit dem dort unmittelbar vorangehenden
Spruch Mon. 548 'j'^xV ^^'^^ '^P^? XPI'^'^'^ Trpayjiaxa = M 199 'Aunvid
nafsaka li-l-umüri s-?äliha konfundiert.
^ So nach Stobaios Flor. IV cap. 22b, 50 Hense; vieUeicht ist aber auch
der Komiker Philemon gemeint, s. Meineke, Com. IV p. 690; Kock II p. 537.
In FäUen wie diesem und so manchem anderen, wo ledighch das Zeugnis des
Stobaios oder eines ähnlichen späten Florilegiums vorliegt, ist die Zuschrei¬
bung des betreffenden Monostichons an einen bestünmten Dichter natürhch
nicht absolut sicher; vgl. dazu A. Körte, Onomon Bd. 13, 1937, S. 647.
' Vgl. Mon. 379 v6(ii?e aauTÜ xotii; yovet? eTvai ^eoiii; = Sst 30 Ba(h)
.[Druck : Ra'y} anna wälidaika älihatun lak.
Arabische Homerverse 316
sind auch Aischylos und Sophokles vertreten, etwa mit Mon. 193
ständigen ziehen den Tod (einem) verderbten Leben vor", und Mon. 545
(Soph. Frgm. 868 N) XP<^^°? ^' «[J-«upoi! TudvTa y.zi<; Xyi^^t^v oiyzi = M 196
Inna z-zamäna yufni kulla SaiHn wa-yunsl kulla amrin ,,die Zeit macht
geblieben sind: Das echt menandrische ,,Jung stirbt, wen die Götter
lieben" (6v ol &eol 9I.XoÜ(tiv aTtoS-vfjCfxei veo?, Mon. 425'), das euripideisch-
menandrische, vom Apostel Paulus wiederaufgenommene ,,Ein schlechter
möglich, daß auch sie dort einmal wieder zum Vorschein kommen. So¬
lange das aber noch nicht der Fall ist, mögen wenigstens für die beiden
letzten der genannten Verse zwei ährüiche arabische Menandrea als
Ersatz dienen:
(,,Wer auf die schlechte Weise der Verderbten lebt, wird selbst ver¬
dorben", M 95) = Mon. 274 xaxot? ofxtXwv xaüxü? sxßyjCTY] xaxoc;*. Und
endlich soll ein Zitat aus Euripides (Frgm. 364, 1 N, aus dem Erechtheus)
auch den Beschluß machen :
(„Das Gute mehrt durch Anwendimg von Mühe bei den Menschen sich",
Sz 69) = Mon. 149 sx twv Tt6vwv yap TayaO-' au^STat ßpOTOi;;.
Damit seien diese Mitteilungen über arabische „Homer"-Verse vor¬
nur beiläufiger griechischer Spruchweisheit, die sie uns bieten, hat nur
den ,, Verfasser" gewechselt, weil der Name Homers den Arabern immer¬
hin bekannter gewesen ist als der des Menander. Was von der Sammlung
überhaupt übernommen worden und bei den drei arabischen Schrift¬
stellern Abü Sulaimän al-Mantiqi, Sahrastäni und Sahrazüri bisher
nachweisbar ist, hat sich im Verlauf von drei Jahrhunderten inhaltlich
kaum verändert. Trotzdem können wir von einem eigentlichen Portleben
Art Nebenlinie gehandelt, um ein dünnes Rinnsal, das bald wieder ver¬
sickert ist. Gerade auf diesem, dem Morgenlande seit je besonders
Aber auch Nebenlinien, und oft gerade sie, haben für die Wissenschaft
lieferung der Griechen sind in letzter Zeit aus der arabischen Literatur
wieder zutage getreten*. Neben ihnen ist nun auch die gnomologische
Tradition, die uns nicht geringe Reste der griechischen Spruchdichtung
im Arabischen bewahrt hat, unserer Beachtung wert.
Herrn Professor Dr. A. Falkenstein zum 17. IX. 1956 ergebenst zugeeignet
(Februar bis Juni 1955), der zur Hauptsache Studien in arabischen Hand¬
schriften diente, kam eine Sammlung von über fünfzig volkstümlichen
Schwänken zustande, die vielleicht in dialektologischer und folkloristi¬
scher Hinsicht ein wenig Interesse beanspruchen dürfen und deshalb im
folgenden mitgeteilt werden sollen. Sie stammen alle von einem Gewährs¬
mann, dem 28 jährigen Ahmed Sälim, der, in der Altstadt von Damaskus
als Muslim geboren und aufgewachsen, heute im Stadtviertel al-'Assä*
(al- Qassä') wohnt, aber immer noch in der Altstadt tätig ist, wo er in
der kleinen Apotheke einer Ambulanz der Sozialfürsorge (mustausaf ar-
räbita ol-igtimäHya) die Arzneimittel ausgibt. Er verfügt über eine be¬
ungezwungener Rede, so daß ich sie mittels eines eigenen Systems kurz¬
schriftartiger Kürzungen und Siglen in Transkription mitschreiben
konnte. Dann las ich ihm die Geschichten zur Kontrolle vor, wobei die
Transkription präzisiert und verfeinert wurde. Vielleicht ist die Zeit nicht
mehr fern, in der das Tonbandgerät, dessen sich in steigendem Maße auch
stellte, ebenso für seine häufigen Führungen durch die Altstadt, auf
denen er mich mit seiner Heimat vertraut machte, und nicht zuletzt für
von neuen Witzen und Schwänken zu treffen pflegte. Aus dieser breiten,
lebendigen und volkstümlichen Quelle stammen die nachstehenden