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is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Der Staat
I.
Partei ergreifen, die Pläne in ihren großen Zügen aufstellen und die
Entscheidungen fällen. Sie bleiben in dem politischen Spiel nicht neu-
tral, sondern treffen ihre Wahl und übernehmen für diese persönliche
Verantwortung. Ihre Entscheidungen beruhen nicht stets auf logischem
Denken. Sie handeln unter dem Einfluß von Emotionen, Instinkt und
Interessen. Manchmal zögern sie nicht, ihre Entscheidungen auf Impon-
derabilien und unvollständige Informationen zu gründen. Sie sind mehr
oder minder Experten in der Kunst des Regierens (d. h. in der Art, die
Macht erfolgreich auszuüben - andernfalls werden sie von ihren Kon-
kurrenten ausgeschaltet). Das bedeutet, daß sie politische Wirkungen
erzielen können, indem sie die Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen,
zu Zwecken benutzen, die ihnen wünschenswert erscheinen. Sie sind
durch Ausbildung, Erfahrung oder Temperament an den Umgang mit
Menschen gewöhnt; sie können sie zu politischen Zwecken mobilisieren
und verstehen es, die Ziele des Plans so zu formulieren, daß dieser die
Zustimmung des Volkes findet.
Die Politiker sind Bestandteile des Staates, der regionalen und der
lokalen Regierungen. Sie sind die Mitglieder der Ministerräte, die
Staatssekretäre, die Mitglieder der Parlamente und ihrer einzelnen Aus-
schüsse; die Funktionäre der verschiedenen politischen Gruppierungen
usw. In einem gewissen Sinne spielen die Mitglieder der - legalen
oder illegalen - Parteien und Oppositionsgruppen eine Rolle bei dem
Verfahren der Planung. Gemeinsam ist ihnen allen, daß sie den Befeh-
len der Maschine unterliegen, die die politische Macht ausübt - sofern
sie nicht darum kämpfen, an die Macht zu kommen - , und daß ihr
wirklicher Einfluß nicht allein an ihre legale Autorität gebunden ist.
In einer parlamentarischen Demokratie mit einem Mehrparteiensystem
sind diese Personen die führenden Mitglieder der politischen Parteien.
In einem Einparteisystem sind sie die Kader der Partei. In einem Sy-
stem ohne Parteien sind sie die Mitglieder der herrschenden Elite, die
Mitglieder einer Militärjunta oder eines Revolutionsausschusses.
2. a) Die Rolle des Planers im Planungsverfahren ist die des Experten
oder des Technikers. Er muß die statistischen und andere Tatsachen
sammeln, die gesammelten Unterlagen analysieren und ein Modell der
von ihm angestrebten Wirtschaftsform aufstellen. Er muß auch eine
Planungsmethode ausarbeiten, die die Form bezeichnet und das Ver-
fahren organisiert, nach denen die Planung durchgeführt wird.
Wir verstehen unter Planung die Festlegung der Ziele des Plans, die
Bewertung der geplanten Hilfsquellen und Bedürfnisse und ihre An-
passung an die Ziele der Planung. Der Planer muß auch die Instru-
mente der Planung bereitstellen, die die Hilfsquellen so einsetzen, daß
sie in jedem Punkt den durch die geplanten Ziele bestimmten Bedürf-
nissen entsprechen. Um dies alles bewerkstelligen zu können, muß der
2*
ten, und daß diese Imponderabilien nicht der Planung fähig seien. Die
Planer hoffen, daß genauere Methoden die unsichtbare Hand Adam
Smiths etwas deutlicher hervortreten lassen. Dagegen geben viele Poli-
tiker aus politisch-strategischen Gründen, die die naiven Gelehrten
nicht verstehen können, verschleierten Zielen und einer vorgeblichen
Aktivität den Vorzug.
Die wichtigste gesellschaftspolitische Aufgabe der Politiker besteht
darin, politische Verantwortung zu übernehmen und das Risiko dafür
zu tragen, wie die Pläne aussehen, welche Ziele sie verfolgen, welche
Anstrengungen gemacht, welche Lasten der Bevölkerung auferlegt
werden sollen und wer sie auferlegt. Die Politiker versuchen, das Mo-
nopol der arbiträren politischen Entscheidungen zu behalten, obwohl
sie weder die notwendigen technischen Kenntnisse haben, um die Wirt-
schaftspläne konsequent durchzuführen, noch sich viel um die Verflech-
tung ihrer Entscheidungen und ihrer Verantwortlichkeit kümmern, was
die Folgen dieser verschiedenen Tätigkeiten betrifft.
Die Hauptaufgabe der Planer ist, Pläne lege artis zu entwerfen, d. h.
gemäß den Regeln, die die Planungswissenschaft aufgestellt hat, und
zwar in der Weise, daß die vorgeschriebenen Ziele durch die Verwen-
dung der Planungsinstrumente erreicht werden. Um eine konsequente
Verwirklichung der Pläne zu gewährleisten, sehen die Planungsmetho-
den gewisse Zwangsmaßnahmen vor und engen die Handlungsfreiheit
der Politiker ein, die die Entscheidungen treffen.
Die Politiker wehren sich gegen diesen Zwang. Die meisten von ihnen
ziehen es vor, die Probleme von Tag zu Tag mit ad hoc-Teillösungen
anzupacken, die der Linie des größten politischen Drucks folgen. Sie
neigen dazu, die Anpassung ihrer Entscheidungen über die Pläne zu-
künftigen komplementären und partiellen Handlungen vorzubehalten.
Selbst in den Ländern, in denen die Planung besonders streng und zen-
tralistisch durchgeführt ist, akzeptieren die politischen Behörden die
Regel über den konsequenten Charakter der Pläne nicht in vollem
Umfang. Obwohl die politischen Spitzen allen Regierungsbeamten und
Wirtschaftsorganisationen härteste Disziplin aufzwingen, halten sie sich
selbst die Hände frei und werden so die Hauptursache für das Durch-
einander in den Plänen, während ihre Planer häufig vor der undank-
baren Aufgabe stehen, die Mißverhältnisse zu beseitigen. Andererseits
identifizieren die Planer, während sie für das Gleichgewicht des Plans
kämpfen, dieses zuweilen mit der formellen Präsentation von Plänen,
die im Gegensatz zu den partiellen und lokalen Interessen die Inter-
essen der Wirtschaft in ihrer Gesamtheit darstellen („nationales Inter-
esse"); sie geben dabei zu verstehen, daß die Politiker stärker am Ge-
genteil interessiert seien. Diese objektiven und globalen Pläne enthal-
ten jedoch nicht nur ausdrückliche, sondern auch unausgesprochene
II.
innern wir uns an den Ausspruch Lenins, daß „die Politik die Konzen-
tration der Wirtschaft" ist. Er wollte damit sagen, daß jedes wirtschaft-
liche Problem, sobald es sich auf einer höheren Stufe verdichtet, zu
einem politischen Problem werden kann (so ist z. B. die Zuteilung einer
täglichen Brotration ein sehr einfacher wirtschaftlicher Vorgang. Wenn
man jedoch eine Stadt mehrere Tage ohne Brot läßt, können sehr kom-
plizierte wirtschaftliche Probleme auftreten. Die Wasserversorgung
kann als weiteres sehr wichtiges Beispiel eines technischen Problems
angesehen werden, das ein Politikum wird, wenn man versäumt, es zu
lösen).
b) Ein anderer Vorschlag zur Lösung des Konflikts zwischen Planern
und Politikern ist, die Planung aufzuteilen, und zwar einerseits in die
Maßnahmen, die entweder in Geld meßbare Ziele oder das Geld als
Ziel und absolutes Maß haben - sie werden als wirtschaftliche Pla-
nung bezeichnet - und andererseits in die Pläne, die von einigen
Autoren soziale Pläne genannt werden5. Diese Pläne nützen der Ge-
meinschaft im ganzen.
Diese Einteilung kann nicht ganz befriedigen. Wir können z. B. zwi-
schen der Errichtung einer Ölraffinerie und einer Mehlfabrik entspre-
chend dem wirklichen Bedürfnis und der Rentabilität der Kapitalinve-
stition wählen. Wie soll man jedoch die Frage entscheiden, ob in einem
entlegenen landwirtschaftlichen Gebiet besser ein Krankenhaus oder
eine Schule gebaut wird? Das Kriterium ist in beiden Fällen der Nutz-
wert oder der Vorteil, den diese Ziele bieten. Wir sind unter den heuti-
gen Verhältnissen daran gewöhnt, im ersten Falle diesen Vorteil in
Geld auszudrücken. Im zweiten Falle steht uns für die Bewertung des
Vorteils jedoch kein vergleichbarer Begriff zur Verfügung. Denn in
den meisten Ländern werden die Schulen und Krankenhäuser mit
öffentlichen Mitteln und ohne Gewinnstreben gebaut. Vielleicht soll
wir die Begriffe unserer Definition umkehren: Wir errichten Kranken
häuser und Schulen mit öffentlichen Mitteln, weil sich der Wert de
Dienste, die sie leisten, nicht in Geld ausdrücken läßt. Der zweite
Grund ist der, daß in die wirtschaftliche Planung nichtwirtschaftliche
Erwägungen eingeführt werden, die nicht sofort ins Auge fallen, jedoc
vorhanden sind (so bestimmen zuweilen die Überlegungen, wie die
Städte im Kriegsfalle mit Mehl versorgt werden, die Lage der Mühl
fabriken. Der Standort der Ölraffinerien wird im Hinblick auf ihre
Zugänglichkeit für die Einfuhr von Rohöl aus dem Ausland im Falle
Teil als Sparguthaben angelegt wird. Aus diesem Grunde hängen die Investi-
rons- und die spätere Wirtschaftspolitik von Entscheidungen ab, die große
politische Bedeutung erlangen.
5 Vgl. den für die UNO erstellten Bericht einer Gruppe europäischer Exper-
ten über die Probleme und die Methoden der sozialen Planung, Dubrovnik
(UN SO A/ESWP/ Rap. 4, 1963).
einer Blockade des Landes bestimmt). Die Gründe, die von direkten
geldlichen Interessen unabhängig sind, bestehen in der Planung häufi-
ger, als man gemeinhin annimmt: die Schaffung von Arbeitsplätzen,
die Ausbeutung der natürlichen Hilfsquellen, die Errichtung von Unter-
nehmen der Verteidigungsindustrie.
c) Man hat vorgeschlagen, die Arbeitsteilung zwischen Politikern
und Planern in der Weise vorzunehmen, daß die ersteren sich mit den
wichtigeren Problemen beschäftigen, während die kleineren Probleme
den Planern überlassen werden. In diesem Falle hätten die Politiker
die Oberaufsicht über die Planung, und die Planer würden auf Ent-
scheidungen minderer Bedeutung verwiesen. Es ist offensichtlich, daß
die Politiker nicht alle mit der Planung verbundenen Probleme lösen
können. Das läuft darauf hinaus, das gesamte Expertensystem mit Po-
litikern zu doublieren. Die Auswahl müsse daher, so hat man gesagt,
nach der Wichtigkeit der Entscheidungen getroffen werden. Hierbei
stellt sich natürlicherweise die Frage, welche Probleme als bedeutend
und welche als weniger bedeutend angesehen werden. Obwohl in den
meisten Fällen weitgehende Übereinstimmung besteht, ist es schwierig,
klare Regeln aufzustellen, so daß die Wichtigkeit der Entscheidungen
ein Streitpunkt zwischen den beiden Gruppen ist. Als bedeutende Pro-
bleme könnte man diejenigen betrachten, die die Investition größerer
Summen erforderlich machen, sowie diejenigen, die wahrscheinlich
wichtige politische Konsequenzen nach sich, ziehen. Ferner könnten die
Probleme, die die Tätigkeit eines wichtigen Bereiches der staatlichen
Verwaltung beherrschen, als bedeutend bezeichnet werden. Ein Politi-
ker wird zweifellos die Probleme als wichtig ansehen, auf die die
öffentliche Meinung empfindlich reagiert, oder diejenigen, welche die
einzelnen Interessengruppen, von denen er abhängig ist, berühren,
oder schließlich die Probleme, die starke Auswirkungen auf die inter-
nationalen Beziehungen haben. Bei dieser Aufteilung hätten die Poli-
tiker darüber zu befinden, welche Probleme bedeutend und welche
weniger bedeutend sind. Über ihre Wichtigkeit würden also die Politi-
ker nach ihren Wertvorstellungen entscheiden. Die Planer, die sich vor
der Verantwortung drücken möchten, könnten mit dieser Aufgaben-
verteilung zufrieden sein, weil sie den Politikern in zweifelhaften Fäl-
len die gesamte Verantwortung aufbürden würde. Die Politiker wären
mithin dafür zuständig, die Initiative zu ergreifen und die wichtigsten
Ziele der Planungshandlungen zu bestimmen. Danach wäre es Aufgabe
der Planer, die sich daraus ergebenden Wirkungen festzulegen.
d) In einigen Ländern müssen die Politiker die Ziele und die wichtig-
sten Instrumente des Plans bestimmen und den Rest den technischen
Planern überlassen. Diese „avantgardistischen Kreise" (Stalin) legen
die im Brennpunkt der wirtschaftlichen Entwicklung stehenden Be-
Es kann hier zwei Extreme geben. Das eine Extrem wäre, daß die
Politiker nur das berücksichtigen, was sie selbst wollen (sic volo, sic
jubeo) und alle Versuche verwerfen, wissenschaftliche und objektive
Planungsmethoden anzuwenden. Das andere Extrem bestünde darin,
daß die Planer mit formalistischen Methoden einen Druck auf die Poli-
tiker ausüben, um eine Annahme der Pläne, so wie sie sind, ohne echte
Diskussion zu erreichen (sie würden dabei ein wirklich vorhandenes
oder ein nur erdachtes dringendes Bedürfnis ins Feld führen). Die Pla-
ner würden behaupten, daß anderenfalls der konsequente Charakter
der Pläne zerstört werde (es handelt sich um die Methode des „Neh-
mens oder Lassens"). Diese Pläne können schwer verständlich sein,
weil die mathematischen Modelle, auf denen sie beruhen, kompliziert
sind. Die Konflikte über die Instrumente erstrecken sich von den empi-
rischen politischen Direktiven bis zu den formalistischen mathemati-
schen Modellen.
3*
f) In einigen Ländern erstreckt sich die Rolle der Politiker auch auf
die Initiative bei der Aufstellung der Pläne. Diese Befugnis steht den
obersten Chefs der politischen Parteien zu. Das ist in den Einpartei-
systemen von besonderer Bedeutung. Zuweilen werden die Pläne vor
ihrer endgültigen Genehmigung durch das Parlament in allen politi-
schen Organisationen, und zwar selbst auf örtlicher Ebene, zur Diskus-
sion gestellt. In einigen Fällen müssen Wählerversammlungen stattfin-
den, in denen Planentwürfe öffentlich diskutiert werden. In manchen
Ländern sind diese Maßnahmen durch Gesetz zwingend vorgeschrieben
(Jugoslawien). Die Kritik und die Initiative der Pläne erfolgen durch
die politische Partei oder die örtliche Verwaltung und erstrecken sich
bis zur Regierung und zur Planungsbehörde hinauf.
9 Wir beschäftigen uns hier nur mit der politischen Seite des Planungsver-
fahrens und lassen daher die Mitwirkung anderer Faktoren außer Betracht.
Während des ersten Hin und Her der Beratungen über den Vorent-
wurf in den Konsultativorganen der Planungsbehörden müssen die Po-
litiker zwar informiert werden, sie sollten sich aber nicht allzusehr in
die laufenden Arbeiten einmischen. Einige schlagen vor, daß ein stän-
diger politischer Ausschuß in jedem Stadium des Verfahrens, ein-
schließlich des Stadiums der Vorbereitung, die Tätigkeit der Planungs-
behörde überwachen sollte. Nach einer anderen Meinung sollen die
Vertreter der politischen Parteien an den Arbeiten gemischter Kon-
sultativorgane als vollberechtigte Mitglieder teilnehmen. Eine wichtige
Frage in dieser Phase ist, ob die Mitglieder der konsultierten internen
Ausschüsse den Plan global diskutieren sollen, oder ob sich jeder Aus-
schuß auf den Bereich beschränken soll, der ihn besonders angeht. Der
Vorentwurf wird sodann den staatlichen Verwaltungsbehörden, Wirt-
schaftsverbänden, Gewerkschaften und Forschungsinstituten zur Be-
gutachtung übermittelt. In einigen Ländern ist durch Gesetz angeord-
net, daß der Vorentwurf des Plans, bevor er der gesetzgebenden Kör-
perschaft vorgelegt wird, während eines gewissen Zeitraums (wenig-
stens während eines Monats) öffentlich zur Diskussion gestellt wird.
Dieses Verfahren kann noch formeller gestaltet werden, indem der
Vorentwurf in den regionalen und lokalen Verwaltungen und auch in
Wählerversammlungen, die den umfassendsten Teilnehmerkreis dar-
stellen, diskutiert wird. Auf der Grundlage aller dieser Diskussionen
und Konsultationen wird unter der Verantwortung der Planungsbe-
hörde ein Planentwurf erstellt und der Regierung vorgelegt.
10 Dies ist insbesondere in England der Fall, wo die Politiker während der
Legislaturperiode von ihren Wählern völlige Handlungsfreiheit verlangen
und sich weigern, sich von vornherein an ein bestimmtes Programm zu
binden.
sierten Planung die Idee einer polyzentrischen Planung auf, bei der
jedes Planungszentrum die Möglichkeit hat, der Planung Impulse zu
verleihen. Hierdurch wird diese einerseits zwar komplizierter, anderer-
seits aber auch realistischer, mithin leichter durchführbar. Die moderne
Technologie und die wirtschaftliche Entwicklung fördern die Einfüh-
rung polyzentrischer Planungsmethoden, denn die Kontinuität und die
Komplexität der modernen Produktionsprozesse dulden keine autori-
täre Planung, die vom einzigen Zentrum ausgeht. Die wichtigsten In-
strumente dieser horizontalen und vertikalen Interdependenz sind die
interregionalen und intersektionellen Pläne. Eine Grundstruktur hat
aber kein Zentrum.