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PLANER UND POLITIKER

Author(s): Rudolf Bicanic and Franz Becker


Source: Der Staat , 1967, Vol. 6, No. 1 (1967), pp. 17-44
Published by: Duncker & Humblot GmbH

Stable URL: https://www.jstor.org/stable/43639708

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PLANER UND POLITIKER

Von Rudolf Bicanic, Zagreb*

Die Planung erfordert eine vielschichtige und beständige soz


tigkeit. Mehrere Gruppen von Akteuren nehmen an dem wied
renden Zyklus der Vorbereitung, der Entscheidung, der Ausf
und der Kontrolle teil, und ihre gegenseitige Abhängigkeit erzeugt
komplizierte Beziehungen. Dieses Zusammenwirken kann unter ver-
schiedenen Aspekten betrachtet werden: den Beziehungen zwischen Pla-
nern und Verwaltungsbeamten, Planern und Wissenschaftlern, Planern
und Wirtschaftlern, Planern einerseits und Produzenten, Verbrauchern,
der Öffentlichkeit usw. andererseits. Von diesen Beziehungen scheinen
uns die zwischen Planern und Politikern die wichtigsten zu sein.

I.

1. a) Im Rahmen dieser Untersuchung verstehen wir unter „Planern"


im engsten Sinne des Wortes die Personen, die die Methoden der Pla-
nung kennen und für die Aufstellung der Pläne eine geeignete Pla-
nungstechnik benutzen. Planer in diesem Sinne sind demnach nur die
Personen, die an dem Studium, der Vorbereitung und der Fertigstel-
lung der Pläne durch Anpassung der verplanten Mittel an die ver-
planten Bedürfnisse teilnehmen, also Planentwürfe ausarbeiten, die der
Entscheidung der politischen Macht unterworfen werden. Es sind quali-
fizierte Experten, die in den Planungskommissionen der Regierung, den
Planungsräten, den Instituten, den Ministerien für Planung und Koor-
dinierung usw. arbeiten. In einem weiteren Sinne kann das Wort „Pla-
ner" auch alle diejenigen umfassen, die an dem Planungs verfahr en ak-
tiv teilnehmen: die Politiker, die Entscheidungen über den Plan tref-
fen, die Verwaltungsbeamten, die ihre Ausführung sicherstellen, und
die Organismen, die die Ausführung überwachen.
b) Unter „Politikern" verstehen wir im Rahmen dieser Untersuchung
die Personen, die aktiv an den politischen Vorgängen in einem Land
teilnehmen - , diejenigen, die in dem politischen Kampf um die Macht
* Bericht für die internationale Konferenz von „Futuribles" vom 5. - 7.
April 1965 in Paris, im: Bulletin SEDEIS, Futuribles, Nr. 103.

2 Der Staat 1/1967

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Partei ergreifen, die Pläne in ihren großen Zügen aufstellen und die
Entscheidungen fällen. Sie bleiben in dem politischen Spiel nicht neu-
tral, sondern treffen ihre Wahl und übernehmen für diese persönliche
Verantwortung. Ihre Entscheidungen beruhen nicht stets auf logischem
Denken. Sie handeln unter dem Einfluß von Emotionen, Instinkt und
Interessen. Manchmal zögern sie nicht, ihre Entscheidungen auf Impon-
derabilien und unvollständige Informationen zu gründen. Sie sind mehr
oder minder Experten in der Kunst des Regierens (d. h. in der Art, die
Macht erfolgreich auszuüben - andernfalls werden sie von ihren Kon-
kurrenten ausgeschaltet). Das bedeutet, daß sie politische Wirkungen
erzielen können, indem sie die Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen,
zu Zwecken benutzen, die ihnen wünschenswert erscheinen. Sie sind
durch Ausbildung, Erfahrung oder Temperament an den Umgang mit
Menschen gewöhnt; sie können sie zu politischen Zwecken mobilisieren
und verstehen es, die Ziele des Plans so zu formulieren, daß dieser die
Zustimmung des Volkes findet.
Die Politiker sind Bestandteile des Staates, der regionalen und der
lokalen Regierungen. Sie sind die Mitglieder der Ministerräte, die
Staatssekretäre, die Mitglieder der Parlamente und ihrer einzelnen Aus-
schüsse; die Funktionäre der verschiedenen politischen Gruppierungen
usw. In einem gewissen Sinne spielen die Mitglieder der - legalen
oder illegalen - Parteien und Oppositionsgruppen eine Rolle bei dem
Verfahren der Planung. Gemeinsam ist ihnen allen, daß sie den Befeh-
len der Maschine unterliegen, die die politische Macht ausübt - sofern
sie nicht darum kämpfen, an die Macht zu kommen - , und daß ihr
wirklicher Einfluß nicht allein an ihre legale Autorität gebunden ist.
In einer parlamentarischen Demokratie mit einem Mehrparteiensystem
sind diese Personen die führenden Mitglieder der politischen Parteien.
In einem Einparteisystem sind sie die Kader der Partei. In einem Sy-
stem ohne Parteien sind sie die Mitglieder der herrschenden Elite, die
Mitglieder einer Militärjunta oder eines Revolutionsausschusses.
2. a) Die Rolle des Planers im Planungsverfahren ist die des Experten
oder des Technikers. Er muß die statistischen und andere Tatsachen
sammeln, die gesammelten Unterlagen analysieren und ein Modell der
von ihm angestrebten Wirtschaftsform aufstellen. Er muß auch eine
Planungsmethode ausarbeiten, die die Form bezeichnet und das Ver-
fahren organisiert, nach denen die Planung durchgeführt wird.
Wir verstehen unter Planung die Festlegung der Ziele des Plans, die
Bewertung der geplanten Hilfsquellen und Bedürfnisse und ihre An-
passung an die Ziele der Planung. Der Planer muß auch die Instru-
mente der Planung bereitstellen, die die Hilfsquellen so einsetzen, daß
sie in jedem Punkt den durch die geplanten Ziele bestimmten Bedürf-
nissen entsprechen. Um dies alles bewerkstelligen zu können, muß der

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Planer und Politiker 19

Planer über ausreichende Informatio


lichen, die Pläne aufzustellen. Er muß auch eine gute Kenntnis der
Planungstheorie und genügend Erfahrung besitzen, um die ihm zur
Verfügung stehenden Unterlagen und die für die Ausführung der Pläne
geeigneten Instrumente zu benutzen, die er für die Gesellschaft, in der
er lebt, konzipiert hat. Der Planer muß sich insbesondere darum be-
mühen, daß die Pläne konsequent durchgeführt werden. Dies macht die
Suche nach einem zeitlichen Gleichgewicht und bestimmte soziale
Zwangsmaßnahmen notwendig, die ihren Ursprung in der gegenseiti-
gen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Abhängigkeit haben, und
bringt das Interesse der Öffentlichkeit zum Ausdruck, das dem gewoll-
ten sozialen Interesse der Verfasser des Plans gleichgestellt ist.
Der Entwurf eines wirtschaftlichen Modells ist nicht ein neutraler,
technischer Planungsvorgang, sondern ein machtvolles volkswirtschaft-
liches Instrument, das eine Interessentengruppe begünstigen und eine
andere benachteiligen kann. Desgleichen ist die strategische Wahl der
Ziele und der Instrumente der Planung, die die geplanten Bedürfnisse
und Hilfsquellen in ein Gleichgewicht bringen müssen, nicht einfach die
Wirkung der Planungsmethoden; sie sind vielmehr wichtige Bestand-
teile der Politik, die an die Substanz des Wirtschaftslebens rühren. Je
weniger die Planungstechnik und die Planungsmethoden zum Vorschein
kommen, um so kräftiger sind sie, und je weniger sie ins Bewußtsein
rücken, um so gefährlicher sind sie. Ein erfahrener Planungsfachmann
kann, noch bevor dem Modell bestimmte Werte zuerkannt werden, aus
einem Planungsmodell richtige Schlußfolgerungen bezüglich der sozia-
len, wirtschaftlichen und politischen Struktur des Landes ziehen, und
zwar anhand der Wahl der Bestimmungszahlen, der Parameter der
Gleichungen und der Art, in der diese aufgestellt sind.
Das Bewußtsein der Bedeutung der Planung erzeugt bei den Planern
häufig technokratische Tendenzen. Diese beruhen auf der Tatsache, daß
die Planer wissen, wie man die Zukunft einer Nation aufbaut, daß sie
sich der Wichtigkeit der in den Plänen zum Ausdruck gelangenden so-
zialen Interdependenz bewußt sind, und daß sie die Technik beherr-
schen, die anzuwenden sie allein in der Lage sind. Aus diesem Grunde
neigen die Planer dazu, ihre Funktionen überzubewerten. Einige von
ihnen tauschen die Leistung eines sozialen Dienstes gegen einen arro-
ganten Kommandoton ein. Sie vergessen, daß sie die sozialen Zwecke
in bestmöglicher Weise verwirklichen sollen, und befleißigen sich statt-
dessen der Ungeduld derer, die glauben, daß sich das Volk nach ihren
Urteilen zu richten habe. Sie halten für dieses gut, was sie für sich gut
halten. Von der Wichtigkeit ihrer Mission erfüllt, unterschätzen einige
Planer die innere Schwäche ihrer Position. Sie zeigen sich unfähig, eine
Entscheidung zu treffen, wenn sich mehrere mächtige Interessen im

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Konflikt befinden, und versuche


eine äußere Autorität zu kompen
angeblich notwendig macht. Die
die Bevölkerung von der Notwen
rung ihrer Pläne zu überzeugen. Sie greifen daher häufig zu autoritä-
ren Methoden, die nur dann wirksam sind, wenn physischer Zwang an-
gewendet werden kann. Die Planer vermögen auch oft nicht, die Massen
für die Aktion zu mobilisieren. Sie begnügen sich damit, auf dem Pa-
pier Pläne zu entwerfen und statistische Formulare auszufüllen, anstatt
die vorhandenen Lebensverhältnisse zu verändern. Die Tatsache, daß
die Planer nicht selbst die wichtigsten Entscheidungen treffen können,
schafft für sie eine Situation der Unzulänglichkeit. Sie finden die Lö-
sung begrenzter Probleme, die aber nur dann gelöst werden können,
wenn zuvor wichtigere Probleme gelöst worden sind, und diese wichti-
geren Probleme können häufig erst dann gelöst werden, wenn vorher
andere, noch wichtigere Probleme gelöst worden sind1. Die Pläne ähneln
dann dem akademischen Kriegsspiel der Offiziere des Großen Wirt-
schaftshauptquartiers, das die „Frontoffiziere" geringschätzig als wenig
realistische Verallgemeinerung „der Planung um der Planung willen"
abtun, die kein Verständnis für den wirklichen Interessenkonflikt offen-
bart.

b) Die Politiker spielen bei der Planung sehr unterschiedliche Rollen.


Diese entsprechen ihren persönlichen Interessen und ihren sozialen
Funktionen. Ein Politiker kann den Mechanismus der Planung benut-
zen, um seine politischen Ziele zu verwirklichen. Dadurch wird es ihm
möglich, seinen besonderen Interessen eine objektive Form zu geben,
indem er sie mit größeren sozialen Zielen und einer politischen Aktion
verbindet. Die Planung kann seiner Politik stets einen konkreteren As-
pekt verleihen: Durch sie kann man sich besser über die Politik infor-
mieren, und diese kann daher leichter von denjenigen akzeptiert wer-
den, die der Politiker an ihr zu interessieren versucht; auch wird es
einfacher, sie gegenüber ihren Gegnern zu verteidigen. Die Planung er-
höht den Wert der politischen Tätigkeit. Sie trägt dazu bei, das Selbst-
gefühl des Politikers zu stärken und gestattet ihm, in organisierter
Form seine Rolle als Bestandteil eines größeren Ganzen zu bewerten.
Sie erhöht auch das Gefühl der sozialen Interdependenz. Die gutge-
heißenen Anstrengungen, geplante Ziele zu erreichen, vermitteln den
Eindruck, Teil eines politischen Ganzen zu sein; sie heben die Disziplin
und den sozialen Zusammenhalt. Sie zeigen die Möglichkeiten auf, Pro-
bleme zu lösen, die bedeutsamer sind und schneller ihrem Ziel näherge-

1 Lord Robbins in dem Vorwort zu Jöhr-Singer, The role of the economist


as official adviser, London 1955, S. VI.

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bracht werden können als die Problem


der Einzelaktionen gelöst wurden.
Dies alles trägt dazu bei, eine Situati
tionelle Appell zu den Komplexitäten der Planung hinzutritt, und die
Ziele der Planung können in Formen übersetzt werden, die breiten
Schichten der Bevölkerung verständlich und für sie akzeptabel sind.
Dies ist die erste Bedingung, um sicherzustellen, daß die Menschen sich
in Bewegung setzen - nicht nur die Massen in ihrer Eigenschaft als
Wähler, sondern in erster Linie die Menschen, die als Produzenten,
Wirtschaftsdirektoren, Arbeitnehmer, Staatsbeamte usw. organisiert
sind. Sie bedürfen der Inspiration (des Mythos der Planung), sobald
man von ihnen fordert, eine Politik mit Perspektiven zu befolgen, die
das unmittelbare persönliche Interesse übersteigen, und die sogleich
verlangt, den Konsum zugunsten wichtiger und entfernter Ziele einzu-
schränken.

Die verschiedenen politischen Systeme erzeugen unterschiedliche Cha-


rakteristika der Politiker und ihres Verhaltens gegenüber der Planung.
Wir wollen kurz diese verschiedenen Verhaltensweisen in den Syste-
men ohne Parteien, den Einparteisystemen und den Mehrparteiensyste-
men behandeln.

In einem System ohne Parteien werden alle Interessen und Bedürf-


nisse in den Plänen in Form globaler nationaler Notwendigkeiten dar-
gestellt. Die soziale Anerkennung dieser Notwendigkeiten ist Sache der
Regierung. Diese versucht, sich der Mitwirkung der Produzenten und
Verbraucher zu versichern, indem sie durch parteimäßig nicht gebun-
dene Regierungsorganismen Pläne aufstellen läßt. Das führt notwen-
digerweise zur administrativen Planung. In solchen Fällen treten die
Ziele der Planung in gewissem Umfang an die Stelle des öffentlichen
Willens, den die Regierung angeblich im Plan zum Ausdruck bringt.
Der Plan wird demnach als Vertreter der allgemeinen, nationalen, allen
Klassen gemeinsamen Interessen angesehen, so wie die Regierung sie
konzipiert. In der Planung kommt die Mission der Regierung zum Aus-
druck, und der Plan muß die konkreten Mittel zur Verfügung stellen,
damit diese Mission erfüllt werden kann.

In einem Einparteisystem repräsentiert die Partei den Willen einer


einzigen politischen Organisation, die die beherrschende Stellung er-
worben hat. Der Plan spiegelt hier die Vorherrschaft ihrer Interessen
wider. Er wird der konkrete Ausdruck des Programms der Partei wäh-
rend eines bestimmten Zeitabschnitts. Da der Wille der Partei im Vor-
dergrund steht, besteht die Hauptaufgabe des Planers darin, die ma-
terielle Umsetzung dieses Willens möglich zu machen. Er wird sich be-
mühen, alle Disproportionen, die dadurch entstanden sind, daß sich die
wirtschaftliche Entwicklung unter der politischen Leitung der Partei

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vollzieht, zu beseitigen und zu korrigieren. Die Planer sehen sich also


vor die undankbare Aufgabe gestellt, die Irrtümer der anderen zu kor-
rigieren, ohne das Recht zu haben, Initiativen zu ergreifen. Ihre Ver-
antwortung ist persönlich und passiv; sie dürfen nicht tun, was sie als
richtig ansehen, sondern müssen sich davor hüten, „falsche Schritte" zu
machen.

In einem Mehrparteiensystem stellt die Planung für die Politiker den


gemeinsamen Nenner der Übereinstimmungen, der Ziele und der In-
strumente der Personen an der Macht dar. Der Plan ist in erster Linie
ein konkretes Programm der gemeinsamen Aktion der Regierungspa
tei oder einer Parteienkoalition. Er enthält im allgemeinen alle Merk-
male eines Kompromisses, was ihn häufig farblos, aber praktikabel
macht. Der Vorteil liegt hier darin, daß die Politiker ■ - aus Gründen
des Wettbewerbs mit den anderen Parteien - darüber wachen müssen,
daß ihr Plan für die Mehrheit des Volkes annehmbar ist. Da er der
öffentlichen Kritik unterliegt, muß er für diese Kritik empfänglich s
Andernfalls könnte ihm die öffentliche Meinung ihre Unterstützun
entziehen. Der Politiker hat also die Aufgabe, einen Kompromiß zu e
zielen: zunächst einmal innerhalb der Regierung oder der regierende
Partei, zwischen den verschiedenen Interessengruppen und den ver-
schiedenen Ministerien, sodann außerhalb der Regierung in den Parteien-
koalitionen. Er muß den Plan auch gegen die Opposition verteidigen.
Das bedeutet, daß er sich bemühen muß, eine Position einzunehmen, die
keine allzu große Opposition gegen die Ziele hervorruft, weil sonst das
Gleichgewicht des politischen Systems zerstört werden könnte. Um die
schwachen Punkte der Kompromisse zwischen den Parteien zu ver-
decken, bedient man sich an Stelle der direkten Planung meistens der
Planung durch Zustimmung oder der indirekten Planung.
3. Es herrscht kein Zweifel darüber, daß diese unterschiedlichen Ver-
haltensweisen gegenüber der Planung Keime des Konflikts zwischen
Planern und Politikern in sich tragen2. Tatsächlich bestehen in den
meisten Ländern, in denen es eine Planung gibt, auch Konfliktsituatio-
nen. Diese stellen sich zuweilen in der Form persönlicher Konflikte
zwischen Planern und einzelnen Politikern dar, die in Ausschußsitzun-
gen ihre divergierenden Ansichten schriftlich oder im Protokoll zum
Ausdruck bringen. Sie nehmen zuweilen auch die Form des institutio-
nellen Gegensatzes zwischen der Gesetzgebung und der Exekutive
einerseits und den Planungsräten und -kommissionen - und zuwei-

2 Dieser Konfliktstyp wurde von den Teilnehmern des 2. Internationalen


Kongresses für Wirtschaftswissenschaftler in der Diskussion der 3. Abteilung
deutlich hervorgehoben. An der Diskussion, die nach dem Vortrag von
P. Mass über „La planification discrétionnaire et formaliste" stattfand, be-
teiligten sich Wirtschaftswissenschaftler aus Frankreich, Großbritannien, der
UdSSR, Israel, Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, Indien und Jugoslawien.

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len selbst den Planungsräten der Re


dererseits an. Die sozialistische Planwirtschaft ist von diesen Proble-
men und Spannungen nicht frei. Die sowjetischen Volks wirtschaftsrät
und die staatlichen Planungskommissionen sind Einzelfälle dieses Pro-
blems. Probleme der gleichen Art bestehen zwischen dem Bundesparla-
ment und den Planungsbehörden in Jugoslawien. Diese Konflikte be-
rühren sowohl die Form und die Anwendungsweise als auch den Inhalt
der Pläne. Die Planer klagen die Politiker der billigen Demagogie an,
während die Politiker ihrerseits von einer uninteressierten akademi-
schen Haltung der Planer sprechen. Der arbiträre Dilettantismus der
Politiker wird dem deterministischen Formalismus der Planer gegen-
übergestellt. Diejenigen, die dafür verantwortlich sind, was man als
Anarchie der politischen Aktion bezeichnet hat, entschuldigen sich, in-
dem sie sich auf die engherzige Strenge der Planer berufen. Auf den
Vorwurf, eine selbstzufriedene Technokratie von Experten zu bilden,
erwidern die Techniker damit, daß sie die Politiker, die sie kritisieren,
als selbstgefällige „politicailleurs" und Mitglieder einer professionellen
Politokratie bezeichnen.

Die politischen Zufallsentscheidungen, die alle Symmetrie der Pla-


nung zerstören, werden durch den Mangel an Vertrauen in die Präzi-
sion der Planungsmethoden aufgewogen. Die Mißachtung der akzeptier-
ten Ziele der Planung, die den Politiker für die Zukunft binden, geht
Hand in Hand mit der Mißachtung der unmittelbaren Interessen der
Bevölkerung (wie sie die Politiker auffassen), die in der Veränderung
der täglichen Lebensverhältnisse zum Ausdruck kommt. Die Planer be-
klagen sich darüber, daß die Politiker stets versuchten, übertriebene
Bedürfnisse zu verwirklichen, ohne sich viel um die Hilfsquellen zu
kümmern, mit denen diese Bedürfnisse befriedigt werden können. Den
Planern wird vorgeworfen, sie gäben dem Problem der Verteilung der
Mittel den Vorzug, um die Forderungen der Politiker zu vermindern,
und nützten nicht alle Möglichkeiten aus, um die Ziele des Plans zu
steigern.
Während die Planer ihre planerische Tätigkeit hauptsächlich auf öko-
nomische Überlegungen stützen, betonen die Politiker vor allem die
außerwirtschaftlichen Erwägungen. Die Planungsmodelle, ob sie nun
formalistisch oder nach freiem Ermessen gestaltet sind, vermindern die
Forderungen nach rationellen Lösungen, und die Politiker beklagen
sich darüber, daß dieser Rationalismus jeden Appell an die Emotionen
und die Ideologie bei denen töte, die eine planerische Tätigkeit aus-
üben. Wenn die Verwendung komplexer mathematischer Methoden ge-
fordert wird, um den Genauigkeitsgrad der Planung zu erhöhen, ant-
wortet der Politiker, die politischen Ziele seien so zahlreich, daß die
Planer sie nicht mit solchen formalistischen Methoden erreichen könn-

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ten, und daß diese Imponderabilien nicht der Planung fähig seien. Die
Planer hoffen, daß genauere Methoden die unsichtbare Hand Adam
Smiths etwas deutlicher hervortreten lassen. Dagegen geben viele Poli-
tiker aus politisch-strategischen Gründen, die die naiven Gelehrten
nicht verstehen können, verschleierten Zielen und einer vorgeblichen
Aktivität den Vorzug.
Die wichtigste gesellschaftspolitische Aufgabe der Politiker besteht
darin, politische Verantwortung zu übernehmen und das Risiko dafür
zu tragen, wie die Pläne aussehen, welche Ziele sie verfolgen, welche
Anstrengungen gemacht, welche Lasten der Bevölkerung auferlegt
werden sollen und wer sie auferlegt. Die Politiker versuchen, das Mo-
nopol der arbiträren politischen Entscheidungen zu behalten, obwohl
sie weder die notwendigen technischen Kenntnisse haben, um die Wirt-
schaftspläne konsequent durchzuführen, noch sich viel um die Verflech-
tung ihrer Entscheidungen und ihrer Verantwortlichkeit kümmern, was
die Folgen dieser verschiedenen Tätigkeiten betrifft.
Die Hauptaufgabe der Planer ist, Pläne lege artis zu entwerfen, d. h.
gemäß den Regeln, die die Planungswissenschaft aufgestellt hat, und
zwar in der Weise, daß die vorgeschriebenen Ziele durch die Verwen-
dung der Planungsinstrumente erreicht werden. Um eine konsequente
Verwirklichung der Pläne zu gewährleisten, sehen die Planungsmetho-
den gewisse Zwangsmaßnahmen vor und engen die Handlungsfreiheit
der Politiker ein, die die Entscheidungen treffen.
Die Politiker wehren sich gegen diesen Zwang. Die meisten von ihnen
ziehen es vor, die Probleme von Tag zu Tag mit ad hoc-Teillösungen
anzupacken, die der Linie des größten politischen Drucks folgen. Sie
neigen dazu, die Anpassung ihrer Entscheidungen über die Pläne zu-
künftigen komplementären und partiellen Handlungen vorzubehalten.
Selbst in den Ländern, in denen die Planung besonders streng und zen-
tralistisch durchgeführt ist, akzeptieren die politischen Behörden die
Regel über den konsequenten Charakter der Pläne nicht in vollem
Umfang. Obwohl die politischen Spitzen allen Regierungsbeamten und
Wirtschaftsorganisationen härteste Disziplin aufzwingen, halten sie sich
selbst die Hände frei und werden so die Hauptursache für das Durch-
einander in den Plänen, während ihre Planer häufig vor der undank-
baren Aufgabe stehen, die Mißverhältnisse zu beseitigen. Andererseits
identifizieren die Planer, während sie für das Gleichgewicht des Plans
kämpfen, dieses zuweilen mit der formellen Präsentation von Plänen,
die im Gegensatz zu den partiellen und lokalen Interessen die Inter-
essen der Wirtschaft in ihrer Gesamtheit darstellen („nationales Inter-
esse"); sie geben dabei zu verstehen, daß die Politiker stärker am Ge-
genteil interessiert seien. Diese objektiven und globalen Pläne enthal-
ten jedoch nicht nur ausdrückliche, sondern auch unausgesprochene

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Planer und Politiker 25

Ziele, in denen, was menschlich verständlich ist, die subjektiven Prä-


ferenzen der Planer zum Ausdruck gelangen. Viel gefährlicher sind
jedoch die unausgesprochenen Vorurteile, die Forderungen und die Am-
bitionen, die von den Planern so gut verdeckt werden, daß nur er-
fahrene Analytiker oder Gegner, deren Interessen verletzt werden, sie
zutage fördern können. Wenn über die Ziele der Planung keine politi-
sche Diskussion geführt wird, können viele subjektive Ziele der Pla-
ner als objektive nationale Ziele ausgegeben werden.
Die Planer haben die Neigung, an ihrer Beweisführung sowohl auf
wirtschaftlichem als auch auf technischem Gebiet festzuhalten. Sie wer-
den daher leicht zu Technokraten. Da sie zu ungeduldig oder nicht fähig
sind, sich verständlich zu machen, verlangen sie, daß diejenigen, die die
Planungstechnik nicht kennen, an ihre beruflichen Fähigkeiten und an
die Ehrlichkeit ihrer Absicht glauben, diese Technik zum Nutzen der
Bevölkerung, deren Tätigkeit sie „verplanen", einzusetzen. Der techno-
kratische Standpunkt führt leicht auf alle möglichen undemokratischen
Abwege. Ihm setzen die Politiker der verschiedensten Art den politi-
schen Standpunkt des empirisch gewonnenen gesunden Menschen-
verstandes und der Erfahrung entgegen, gleichgültig welchen Sinn sie
diesen Worten geben. Sie hegen gegenüber den Planungstechniken, die
sie nicht kennen und recht häufig auch nicht verstehen, Mißtrauen. Das
führt dazu, daß sie deren Notwendigkeit und sogar ihre Zweckmäßigkeit
bezweifeln. In diesem Spannungsverhältnis zwischen beiden Gruppen
glaubt der eine, daß er der Hüter des wissenschaftlichen Standpunktes
sei und daß die Autorität der Wissenschaft und des Fortschritts hinter
ihm stehe. Dagegen betrachtet sich der andere als der oberste Wäch-
ter der Interessen der Nation und der Gesellschaft und glaubt, hieraus
seine Autorität und seine Macht ableiten zu können.

Alle diese Argumente und Gegenargumente erzeugen Spannungen.


Diese werden noch dadurch verschärft, daß jede der beiden Parteien
dazu neigt, ihre eigene Funktion überzubewerten und die der anderen
Partei möglichst gering einzuschätzen. Unter den persönlichen Schmä-
hungen und gegenseitigen Anklagen verbirgt sich aber ein Kompetenz-
konflikt der öffentlichen Bediensteten und der politischen Verfahrens-
systeme. Sodann gibt es noch zwei Gründe, die uns von wesentlicher
Bedeutung zu sein scheinen:
1. In den meisten Staaten sind die gegenwärtigen politischen Insti-
tutionen nicht im Hinblick auf die Planung organisiert und dieser auch
nicht angepaßt;
2. die Planungsmethoden sind nicht immer gut angepaßt und auch
nicht flexibel genug, um der politischen Tätigkeit, die die sozialen In-
teressen zum Ausdruck bringt, und dem Kampf um die Verwirklichung
politischer Ziele zu genügen.

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Von noch größerer Bedeutung als diese Anpassungsprobleme der


Institutionen sind die Probleme bei der Wahl der geeigneten Planungs-
methoden auf den verschiedenen Stufen der wirtschaftlichen Entwick-
lung, der ungenügenden Genauigkeit der Vorausschau, des Empirismus
in der Bewertung der sozialen Gewinne, die sich aus der Planung er-
geben, der Schwierigkeiten, die Planimgsziele durch politische Metho-
den festzulegen, und der Priorität und des Grades der Planungsfähig-
keit der sozialen Aktion. Es ist daher notwendig, die Planung in den
politischen Mechanismus als soziale Aktion einzuführen, d. h. von der
autoritären staatlichen Planung zur öffentlichen Planung überzugehen,
die als Dienst an der Gesellschaft betrachtet wird. Die ökonomische
Theorie der Planung ist noch wenig entwickelt; die politische The
der Planung befindet sich aber erst in ihren Anfängen.

II.

Es ist nicht unsere Absicht, eine politische Theorie der Planung


zustellen; das würde außerhalb unseres Zuständigkeitsbereiches lie
Wir wollen vielmehr versuchen, einige der Lösungen darzubieten,
in der Planungspraxis diskutiert oder akzeptiert oder von verschie-
denen Autoren untersucht werden, um das Verhältnis zwischen Politi-
kern und Planern zu klären. Wenn wir davon ausgehen, daß diese bei-
den Gruppen existieren und daß sie verschiedenartige soziale Funktio-
nen ausüben, so stellt sich folgende Frage: Lassen sich alle Konflikte
zwischen diesen Gruppen durch eine rationelle Arbeitsteilung lösen,
die jeder von ihnen die spezifischen Aufgaben überträgt, die sie am
besten erfüllen kann8? Wir werden sieben Bereiche untersuchen, um die
Eigentümlichkeiten des Phänomens der Planung festzustellen: 1. den
persönlichen Bereich, soweit er die Position der Politiker und der Pla-
ner berührt, die an dem Planungsvorgang teilnehmen; 2. den Gegen-
stand der Planung, wobei wir versuchen, den politischen und techni-
schen Aspekt des Planungsproblems offenzulegen; 3. die Instrumente,
wobei wir erkennen werden, welcher Mittel sich die Planer und die
Politiker bedienen; 4. den Rahmen der Institutionen und die Rolle, die
die Politiker und Planer bei der Organisation der Planung spielen; wir
werden dabei sehen, mit wem die Planung durchzuführen ist; 5. die
Technik der Planung, soweit sie Verfahrensfragen betrifft; wir werden
hier feststellen, in welcher Weise die Planer und die Politiker an der
Ausarbeitung der Pläne beteiligt sind; 6. die Zeit. Hierbei wird die

8 Da wir in diesem Beitrag in erster Linie das Problem der Beziehungen


zwischen Politikern und Planern untersuchen, haben wir die Probleme bei-
seitegelassen, die sich aus den Beziehungen zwischen den Planern und an-
deren Gruppen, z.B. der Geschäftswelt, den Angehörigen der allgemeinen
Verwaltung usw., ergeben.

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Planer und Politiker 27

Frage beantwortet, wann die Planer un


handeln sollen (Kontinuität); 7. den räu
der dieser die Aufgabe der Politiker und der Planer hinsichtlich der
Lage der Planung berührt (Dezentralisation).
1. Im persönlichen Bereich ist die umstrittenste Frage die, wer im
Planungsprozeß das letzte Wort haben soll: die Planer oder die Politi-
ker. Zwei Lösungen werden vorgeschlagen:
a) Das letzte Wort sollen die Planer haben. Als Grund dafür wird
angegeben, daß die Planer die notwendigen Kenntnisse der Planungs-
technik besitzen, die so kompliziert ist, daß nur qualifizierte Experten
geeignete Pläne aufstellen können. Dieses Argument wird durch ein
zweites ergänzt, daß nämlich die Planer über sehr viele Informationen
verfügen, und daß sie in der Lage sind, sie zu analysieren. Man be-
hauptet, daß sie unbeteiligt seien und daher die Autorität hätten, die
notwendig sei, um für alle akzeptable Pläne aufzustellen. Zur Unter-
stützung dieser These hat man vorgeschlagen, daß die Planer nicht nur
für diese Aufgabe ausgebildet werden sollten, sondern auch die für ihre
Arbeit erforderlichen formellen Qualifikationen in Form von Planungs-
diplomen erwerben müßten. Um die Autorität der Planer zu stärken,
sind als Berater der Regierungen zuweilen Planer aus dem Ausland
angefordert worden. Diese Fachleute haben häufig eine größere Über-
zeugungskraft und eine größere Unabhängigkeit gegenüber den Politi-
kern als die einheimischen Planer. Manchmal werden ausländische Be-
rater aber auch von Politikern angefordert, die kein volles Vertrauen
zu den örtlichen Planungsbehörden haben.
b) Diejenigen, die meinen, das letzte Wort bei den Planungsentschei-
dungen gebühre den Politikern, machen geltend, daß die Planung die
wichtigsten Entscheidungen des politischen, wirtschaftlichen und sozia-
len Lebens der Nation umfasse, und daß die Politiker daher nicht dar-
auf verzichten könnten, selbst diese Entscheidungen zu fällen. Wenn sie
auf dem Gebiet der Planung nichts zu sagen haben, worüber sollen sie
dann entscheiden? Die wichtigste gesellschaftliche Funktion eines Po-
litikers bestehe darin, Entscheidungen zu treffen, sowie das Risiko und
die Verantwortung für sie zu tragen.
Man entschärft zuweilen das Problem, indem man die Rolle der Pla-
ner und der Politiker in der Absicht, ihre Funktionen miteinander in
Einklang zu bringen, zu beschränken versucht. Die Beschränkungen, die
sich bezüglich des Verfahrens und der Instrumente ergeben können,
werden wir später behandeln. Es gibt aber auch im persönlichen Be-
reich einige grundsätzliche Einschränkungen. Die Entscheidungsfreiheit
des Planers wird durch zwei Faktoren begrenzt: durch die technische
Praktikabilität und die wirtschaftliche Rentabilität der Pläne. Diese

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Faktoren antworten auf die Frag


es sich?" Der Politiker kümmert sich in erster Linie um die Zweck-
mäßigkeit des Plans, d. h. darum, in welcher Weise er die Machtver-
hältnisse beeinflußt. Die Planer betrachten die politischen Bedingun-
gen der Planung, deren wichtigstes Element die Aufrechterhaltung der
Ordnung während der gesamten Planungsperiode ist, als feststehend.
Sie halten auch die Sicherheit und die Kontinuität, die es ihnen ermög-
lichen, in Ruhe zu planen, als etwas Gegebenes. Für diese Sicherheit
und Kontinuität haben die Politiker zu sorgen. Aber auch die Entschei-
dungsfreiheit des Politikers ist eingeengt. Er muß bei dem Planer an-
fragen, ob und zu welchem Preis sich seine politischen Ziele verwirk-
lichen lassen. Die Antwort auf diese Frage beschränkt notwendiger-
weise seine Entscheidungsfreiheit. Er ist zuständig, darüber zu ent-
scheiden, ob gehandelt werden soll oder nicht, d. h. die Entscheidung
über die Planung zu treffen. Dem Planer fällt jedoch die Aufgabe zu,
dem Politiker zu sagen, welche Folgen diese oder jene Entscheidung
auf dem Gebiet der Planung wahrscheinlich nach sich ziehen wird.
Hierin liegt seine Verantwortlichkeit. Auf der Grundlage der qualifizier-
ten Meinung des Planers muß der Politiker das Für und Wider gegen-
einander abwägen und einen Zustand des Gleichgewichts wählen. Eine
weitere Begrenzung der Entscheidungsfreiheit des Politikers ergibt sich
aus dem konsequenten Charakter des Plans und aus dem - mathema-
tischen oder empirischen - Planungsmodell. Wenn der Politiker das
Ziel A verfolgt, muß er die Konsequenzen B auf sich nehmen, die einen
integrierenden Bestandteil des Planungsmodells darstellen.
Es gibt aber noch weitere Begrenzungen der Freiheit der Planer und
der Politiker. Sie ergeben sich aus der Verfassung eines Landes, seinen
Gesetzen und seinen Gesetzgebungsverfahren, den Verordnungen und
Erlassen der Regierung usw. Die Politiker sind durch ihre Parteipro-
gramme gebunden. Der Unterschied besteht darin, daß die Planer den
rechtlichen Rahmen als eine Konstante, eine feststehende Gegebenheit
hinnehmen müssen, während die Politiker versuchen können, die Ge-
setze zu ändern, die in diesem Sinne variable Größen für sie darstellen.
Andererseits ist der Politiker viel stärker durch die Erwartungen der
Menschen und ihre Reaktionen auf den Plan gebunden. In den meisten
Fällen kann der Planer diese Sorge dem Politiker überlassen und
davon ausgehen, daß seine Pläne dank der Aktivität dieses Politikers
angenommen werden; dieser übernimmt die Rolle des Schildes, der den
Planer vor den Personen schützt, die sich seinem Plan widersetzen.
2. Der Gegenstand der Planung ist ein weiterer Bereich, in dem man
den Konflikt zwischen Planer und Politiker zu lösen versucht. Hierzu
sind verschiedene Aufteilungen der Planungstätigkeit zwischen den
beiden Gruppen vorgeschlagen worden: a) Die Politiker sollten über

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Planer und Politiker 29

die politischen Fragen und die Planer


scheiden; b) die Politiker sollten sich mit der sozialen Planung, die
Planer und die anderen Gruppen (Geschäftsleute usw.) mit der wirt-
schaftlichen Planung befassen; c) die Politiker sollten nur die wichtig-
sten Fragen entscheiden und die Entscheidung über weniger wichtige
Probleme den Planern überlassen; d) die Politiker sollten sich nur mit
den kontroversen Fragen beschäftigen und die Bereiche von mittlerer
Bedeutung den Planungstechnikern anvertrauen.
a) Nach einer Auffassung enthält die Planung zwei Aspekte: einen
politischen und einen technischen. Es gibt Ziele, die politisch neutral
sind. Zu ihnen zählen die Ziele, die von allen als generelle betrachtet
werden. Vielleicht erzeugen sie keine politischen Kontroversen, weil
die Bevölkerung sich für sie nicht interessiert; vielleicht sehen es aber
auch die Planer als anerkannt an, daß sie politisch neutral sind. Das
kann dort vorkommen, wo eine freie Wahl nicht möglich ist, weil die
Ziele durch die von der Wissenschaft definierten wirtschaftlichen Ge-
setze oder die Naturgesetze festgelegt sind (z. B. die Menge von Saat-
gut in Kilogramm, die notwendig ist, um auf einer bestimmten Fläche
Getreide zu säen, oder die Zahl der Liter Benzin, die benötigt werden,
um mit einem bestimmten Wagen 100 km zu fahren). Diese Entschei-
dungen beziehen sich auf feststehende technische oder ökonomische
Normen. Ein zweiter Fall ist der, daß es auch technischen, wirtschaft-
lichen oder politischen Gründen nicht möglich ist, eine Entscheidung zu
treffen, weil diese von anderen aufgezwungen wird (z. B. Änderungen
im Außenhandel oder Maßnahmen, um sich gegen einen agressiven
Nachbarn zu verteidigen).
Die politischen Entscheidungen sind diejenigen, bei denen die Ziele
der Planung von der Bewertung dessen abhängen, der entscheidet.
Dies ist dann der Fall, wenn Interessenkonflikte entstehen und die
Wahl im Zusammenhang mit politischen Urteilen getroffen werden
muß. Diese Differenzen der Planungsziele scheinen mehr formeller als
realer Art zu sein. Es ist nicht möglich, die politischen und die tech-
nischen oder wirtschaftlichen Ziele völlig voneinander zu trennen4. Er-

4 Die nachstehend beschriebene Kontroverse deutet an, wie unterschiedlich


die Kriterien sein können. Während der Aussprache auf dem 2. Internationa-
len Kongreß für Wirtschaftswissenschaftler 1962 in Wien betonte der höchste
Planungsbeamte eines der besonders hoch entwickelten Länder den Unter-
schied zwischen politischen Entscheidungen und technischen Entscheidungen,
die als politisch neutral betrachtet werden. Als Beispiel zitierte er die Aus-
gaben der Einzelhaushalte, deren Elastizität bekannt ist und deren Planung
- so sagte er - ein technisches Problem darstelle. Unmittelbar nach ihm
ergriff der höchste Planungsbeamte eines benachbarten, gleichfalls hochent-
wickelten Landes das Wort. Er war der Meinung, die Ausgaben der Haushalte
seien eine Frage von höchster politischer Bedeutung. Auf dieser Ebene wird
entschieden, welcher Teil der Einkünfte dem Konsum zugeführt und welcher

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:ffff:ffff:ffff:ffff:ffff:ffff:ffff on Thu, 01 Jan 1976 12:34:56 UTC
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30 Rudolf Bicanic

innern wir uns an den Ausspruch Lenins, daß „die Politik die Konzen-
tration der Wirtschaft" ist. Er wollte damit sagen, daß jedes wirtschaft-
liche Problem, sobald es sich auf einer höheren Stufe verdichtet, zu
einem politischen Problem werden kann (so ist z. B. die Zuteilung einer
täglichen Brotration ein sehr einfacher wirtschaftlicher Vorgang. Wenn
man jedoch eine Stadt mehrere Tage ohne Brot läßt, können sehr kom-
plizierte wirtschaftliche Probleme auftreten. Die Wasserversorgung
kann als weiteres sehr wichtiges Beispiel eines technischen Problems
angesehen werden, das ein Politikum wird, wenn man versäumt, es zu
lösen).
b) Ein anderer Vorschlag zur Lösung des Konflikts zwischen Planern
und Politikern ist, die Planung aufzuteilen, und zwar einerseits in die
Maßnahmen, die entweder in Geld meßbare Ziele oder das Geld als
Ziel und absolutes Maß haben - sie werden als wirtschaftliche Pla-
nung bezeichnet - und andererseits in die Pläne, die von einigen
Autoren soziale Pläne genannt werden5. Diese Pläne nützen der Ge-
meinschaft im ganzen.
Diese Einteilung kann nicht ganz befriedigen. Wir können z. B. zwi-
schen der Errichtung einer Ölraffinerie und einer Mehlfabrik entspre-
chend dem wirklichen Bedürfnis und der Rentabilität der Kapitalinve-
stition wählen. Wie soll man jedoch die Frage entscheiden, ob in einem
entlegenen landwirtschaftlichen Gebiet besser ein Krankenhaus oder
eine Schule gebaut wird? Das Kriterium ist in beiden Fällen der Nutz-
wert oder der Vorteil, den diese Ziele bieten. Wir sind unter den heuti-
gen Verhältnissen daran gewöhnt, im ersten Falle diesen Vorteil in
Geld auszudrücken. Im zweiten Falle steht uns für die Bewertung des
Vorteils jedoch kein vergleichbarer Begriff zur Verfügung. Denn in
den meisten Ländern werden die Schulen und Krankenhäuser mit
öffentlichen Mitteln und ohne Gewinnstreben gebaut. Vielleicht soll
wir die Begriffe unserer Definition umkehren: Wir errichten Kranken
häuser und Schulen mit öffentlichen Mitteln, weil sich der Wert de
Dienste, die sie leisten, nicht in Geld ausdrücken läßt. Der zweite
Grund ist der, daß in die wirtschaftliche Planung nichtwirtschaftliche
Erwägungen eingeführt werden, die nicht sofort ins Auge fallen, jedoc
vorhanden sind (so bestimmen zuweilen die Überlegungen, wie die
Städte im Kriegsfalle mit Mehl versorgt werden, die Lage der Mühl
fabriken. Der Standort der Ölraffinerien wird im Hinblick auf ihre
Zugänglichkeit für die Einfuhr von Rohöl aus dem Ausland im Falle

Teil als Sparguthaben angelegt wird. Aus diesem Grunde hängen die Investi-
rons- und die spätere Wirtschaftspolitik von Entscheidungen ab, die große
politische Bedeutung erlangen.
5 Vgl. den für die UNO erstellten Bericht einer Gruppe europäischer Exper-
ten über die Probleme und die Methoden der sozialen Planung, Dubrovnik
(UN SO A/ESWP/ Rap. 4, 1963).

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Planer und Politiker 31

einer Blockade des Landes bestimmt). Die Gründe, die von direkten
geldlichen Interessen unabhängig sind, bestehen in der Planung häufi-
ger, als man gemeinhin annimmt: die Schaffung von Arbeitsplätzen,
die Ausbeutung der natürlichen Hilfsquellen, die Errichtung von Unter-
nehmen der Verteidigungsindustrie.
c) Man hat vorgeschlagen, die Arbeitsteilung zwischen Politikern
und Planern in der Weise vorzunehmen, daß die ersteren sich mit den
wichtigeren Problemen beschäftigen, während die kleineren Probleme
den Planern überlassen werden. In diesem Falle hätten die Politiker
die Oberaufsicht über die Planung, und die Planer würden auf Ent-
scheidungen minderer Bedeutung verwiesen. Es ist offensichtlich, daß
die Politiker nicht alle mit der Planung verbundenen Probleme lösen
können. Das läuft darauf hinaus, das gesamte Expertensystem mit Po-
litikern zu doublieren. Die Auswahl müsse daher, so hat man gesagt,
nach der Wichtigkeit der Entscheidungen getroffen werden. Hierbei
stellt sich natürlicherweise die Frage, welche Probleme als bedeutend
und welche als weniger bedeutend angesehen werden. Obwohl in den
meisten Fällen weitgehende Übereinstimmung besteht, ist es schwierig,
klare Regeln aufzustellen, so daß die Wichtigkeit der Entscheidungen
ein Streitpunkt zwischen den beiden Gruppen ist. Als bedeutende Pro-
bleme könnte man diejenigen betrachten, die die Investition größerer
Summen erforderlich machen, sowie diejenigen, die wahrscheinlich
wichtige politische Konsequenzen nach sich, ziehen. Ferner könnten die
Probleme, die die Tätigkeit eines wichtigen Bereiches der staatlichen
Verwaltung beherrschen, als bedeutend bezeichnet werden. Ein Politi-
ker wird zweifellos die Probleme als wichtig ansehen, auf die die
öffentliche Meinung empfindlich reagiert, oder diejenigen, welche die
einzelnen Interessengruppen, von denen er abhängig ist, berühren,
oder schließlich die Probleme, die starke Auswirkungen auf die inter-
nationalen Beziehungen haben. Bei dieser Aufteilung hätten die Poli-
tiker darüber zu befinden, welche Probleme bedeutend und welche
weniger bedeutend sind. Über ihre Wichtigkeit würden also die Politi-
ker nach ihren Wertvorstellungen entscheiden. Die Planer, die sich vor
der Verantwortung drücken möchten, könnten mit dieser Aufgaben-
verteilung zufrieden sein, weil sie den Politikern in zweifelhaften Fäl-
len die gesamte Verantwortung aufbürden würde. Die Politiker wären
mithin dafür zuständig, die Initiative zu ergreifen und die wichtigsten
Ziele der Planungshandlungen zu bestimmen. Danach wäre es Aufgabe
der Planer, die sich daraus ergebenden Wirkungen festzulegen.
d) In einigen Ländern müssen die Politiker die Ziele und die wichtig-
sten Instrumente des Plans bestimmen und den Rest den technischen
Planern überlassen. Diese „avantgardistischen Kreise" (Stalin) legen
die im Brennpunkt der wirtschaftlichen Entwicklung stehenden Be-

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reiche fest und ordnen ihnen alle


gabe des Politikers besteht also d
Die Auswahl der Brennpunkte un
führung der Pläne erfordert umf
gen. Sie kann daher nur von de
werden. Aus diesem Grunde ist man z. T. auch der Auffassung, die
Politiker müßten auf diesem Gebiet das letzte Wort haben, d. h. sie
müßten es zunächst den Technikern überlassen, die Alternativen und
Varianten der Planungsziele festzulegen, die eine Kettenreaktion aus-
lösen könnten. Die Planer müssen danach im Hinblick auf die Multi-
plikatoren, die in Aktion treten, die Akzeleratoren, die geschaffen we
den, sowie die sich ergebende äußere Wirtschaftlichkeit oder Vergeu-
dung alle Konsequenzen ihrer Tätigkeit in Betracht ziehen. Die Auf-
gabe der Planer wäre es, die Alternativen aufzuzeigen, die Unter-
schiede zu verringern und die Gewinne und die Verluste komplizierter
Verfahren zu berechnen.

3. Die Verteilung der Planungsinstrumente ist gleichfalls eine Me-


thode, um die Stimmengleichheit von Politikern und Planern aufzu-
heben. Unter den Planungsinstrumenten verstehen wir die politischen
Maßnahmen, durch die die verplanten Mittel und Bedürfnisse auf der
durch die Planungsziele bestimmten Ebene in ein Gleichgewicht ge-
bracht werden.

Es kann hier zwei Extreme geben. Das eine Extrem wäre, daß die
Politiker nur das berücksichtigen, was sie selbst wollen (sic volo, sic
jubeo) und alle Versuche verwerfen, wissenschaftliche und objektive
Planungsmethoden anzuwenden. Das andere Extrem bestünde darin,
daß die Planer mit formalistischen Methoden einen Druck auf die Poli-
tiker ausüben, um eine Annahme der Pläne, so wie sie sind, ohne echte
Diskussion zu erreichen (sie würden dabei ein wirklich vorhandenes
oder ein nur erdachtes dringendes Bedürfnis ins Feld führen). Die Pla-
ner würden behaupten, daß anderenfalls der konsequente Charakter
der Pläne zerstört werde (es handelt sich um die Methode des „Neh-
mens oder Lassens"). Diese Pläne können schwer verständlich sein,
weil die mathematischen Modelle, auf denen sie beruhen, kompliziert
sind. Die Konflikte über die Instrumente erstrecken sich von den empi-
rischen politischen Direktiven bis zu den formalistischen mathemati-
schen Modellen.

Die politischen Direktiven sind ein bevorzugtes Instrument der Pla-


nung. Unter dem Ausdruck „politische Planungsdirektiven" verstehen
wir die offiziösen Entscheidungen der politischen Körperschaften, die
den Planern mitgeteilt werden und in denen die Grundsatzentscheidun-
gen zum Ausdruck kommen. Diese Direktiven sind gänzlich asymme-

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Planer und Politiker 33

trisćh: sie binden zwar die Planer, nich


muliert haben6. Der Grad ihrer Bindu
tischen System des jeweiligen Landes ab. In einigen Staaten sind es
Anordnungen, die bedingungslos durchgeführt werden müssen. Hier
besteht die Aufgabe der Planer darin, diese Anordnungen in der Form
von Plänen zu fassen und festzulegen, in welchem Umfang die Bedürf-
nisse entsprechend den vorhandenen Mitteln befriedigt werden. Der für
dieses Gleichgewicht zu zahlende wirtschaftliche „Preis" ist kein Hin-
dernis für die Verwirklichung dieser Ziele, denn er ist Sache der poli-
tischen Faktoren. Die Direktiven können aber auch einen geringeren
Grad des Zwangs annehmen. In diesem Falle sind sie Anordnungen,
die ausgeführt werden müssen, wenn dies möglich und der Preis nicht
zu hoch ist. Die dritte Möglichkeit ist die, daß in den Direktiven die
Wünsche der Politiker zum Ausdruck kommen, die die Planer durch
kohärente und harmonisch aufeinander abgestimmte Pläne verwirk-
lichen müssen. Sie haben hierbei die wirtschaftlichen Gesetze zu beach-
ten und die besten Lösungen zu finden.
Für die Planung kann eine ganze Reihe von Instrumenten eingesetzt
werden, deren Gebrauch von der Anwendung oder Nichtanwendung
von Zwangsbefugnissen abhängt7: Pläne, die gegen die Person gerich-
tete Straf maßnahmen vorsehen; Pläne, die mit Zwang durchgesetzt
werden, autoritäre Pläne, von denen Befehle ausgehen; anzeigende
Pläne, die eine Zustimmung notwendig machen; anregende Pläne, die
die Verträge anstelle von Instrumenten benutzen, und informierende
Pläne.

Die machtvollsten Instrumente, über die die Planer verfügen, um den


Zusammenhalt der Pläne zu gewährleisten, sind die kohärenten mathe-
matischen Modelle der Makro-Ökonomik. Diese Modelle verfolgen
einen doppelten Zweck. Zunächst beseitigen sie die etwas primitiven,
nur auf „eine Nasenlänge" berechneten empirischen Planungsmetho-
den. Sie wirken aber auch den etwas zu willkürlichen Forderungen der
Politiker entgegen. Solche Forderungen können im Verlaufe des ge-
samten Planungsverfahrens gestellt werden. Während der Ausarbei-
tung der Pläne werden exzessive Ansprüche geltend gemacht; während
der Phase der Entscheidung wird den Erfordernissen der Planungs-
methodologie wenig Beachtung geschenkt; im Stadium der Ausführung
der Pläne werden die Ziele geändert und damit die Ausführung behin-
dert und die Planungstätigkeit unterbrochen; die Kontrolle wird in

6 „Unsere Pläne sind keine Prognosen, sondern Direktiven", sagte Stalin


unid meinte damit, daß sie bedingungslos ausgeführt werden müßten.
7 Eine eingehende Untersuchung über den Umfang des Zwanges in der
Planung enthält mein Aufsatz „Problemas de planificación en el Oriente y
Occidente", in: Revista de Economia Latinoamericana, Caracas 1963, Nr. 11,
S. 24 ff.

3 Der Staat 1/1967

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34 Rudolf Bicanic

manchen Fällen aufgehoben, in an


wodurch das gesamte Planungssys
wird. Die Modelle sollen den Politikern Zufalls- und Willkürhandlun-
gen, die das Planungsverfahren unterbrechen, erschweren. Die Benut-
zung von Modellen erfordert, daß die Interventionen der Politiker den
Notwendigkeiten dieser Modelle angepaßt werden, um so das Gleich-
gewicht der Pläne zu erhalten.
In einigen Ländern dominieren die verwaltungsmäßigen Planungs-
instrumente. Sie stützen sich auf die Anordnungen der Behörden,
denen die Personen, die mit der Ausführung der Pläne beauftragt sind,
gehorchen müssen. Andere Instrumente sind die wirtschaftlichen An-
reize. Sie beeinflussen die Ausführung der Pläne, indem sie den Aus-
führenden materielle Vorteile gewähren. Wir sehen also, daß die An-
ordnungen, die Befehle, die Taxierung und die sozialen Belastungen,
der Zwang und die Verbote eine Gruppe von Instrumenten bilden, zu
denen sich die Auszeichnungen, die Belohnungen, die Medaillen und
die Diplome hinzugesellen. Andererseits figurieren unter den wirt-
schaftlichen Instrumenten die Prämien, Subventionen, Kredite, die
Aufteilung der Gewinne und der Einkünfte, die Steuerermäßigungen,
aber auch die Haftung für Verluste und die finanziellen Vorteile für
diejenigen, die die Pläne ausführen.
Entsprechend der Natur der Instrumente ist der Einfluß der Politiker
bei der ersten administrativen Gruppe der Instrumente größer als bei
der zweiten. Dagegen ist der Einfluß der Planer dort größer als der der
Politiker, wo die Aktion von der wirtschaftlichen Tätigkeit abhängt
und wo der Wert der Vorausschau und das Funktionieren der Instru-
mente eine bedeutsame Rolle spielen. Nach allgemeiner Meinung wi
die temporäre Wirkung um so stärker und steigt die Bedeutung der
wirtschaftlichen Instrumente, je länger die Planung in einem Land
praktiziert wird und je größer die Erfahrung auf diesem Gebiet ist.
Die Planungsinstrumente werden hier in der Reihenfolge, in der die
Willkür und die Ermessensgewalt der Politiker abnehmen, aufgeführt:
politische Direktiven der Führer der politischen Parteien oder der Re-
gierung; Empfehlungen der Regierung oder des Parlaments; Instruk-
tionen an die Planungsbehörden; formelle Dekrete; Beschlüsse der ge-
setzgebenden Körperschaften und der Exekutive; Regierungsverord-
nungen, Gesetze, Verfassungsvorschriften. Man sucht nach einer Lö-
sung, um den Zwang der politischen Akte zu beschränken und die For-
men und den Umfang des Zusammenhalts, den die Pläne haben müs-
sen, festzulegen. Eine Kompromißlösung besteht darin, daß man den
Planern bei den Planungsentscheidungen das letzte Wort gibt. Die
Form ihrer Entscheidungen wird jedoch durch formelle Planungs-
modelle begrenzt, die eine gewisse Interdependenz der Planung auf-

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Planer und Politiker 35

drängen und dem Planungsmechanismu


ren ermöglichen. Das bedeutet, daß nu
nutzt werden können, die mit der akze
in Einklang stehen.
4. Es ist sehr wichtig, die den Politik
Rollen zu bestimmen, wenn man den Ra
Planung absteckt. Auch hier ist die Zah
und erstreckt sich von der völligen Tr
Übereinstimmung von Planung und Po
Überblick über die Organisationen en
fluß des politischen Elements: a) die Planung in den überpolitischen
Organisationen; b) die Planung in den politischen Organismen mit
zwei oder mehreren Parteien; c) die interministeriellen Planungsaus-
schüsse; d) die Planungsbehörden als verwaltungsmäßige Einrichtun-
gen; e) die ad hoc-Planungseinrichtungen; f) die Planung und die poli-
tischen Organisationen.
a) Innerhalb der überpolitischen Organisationen sind die Planer bei
der Aufstellung der Pläne völlig unabhängig. Sie werden als eine stän-
dige Körperschaft angesehen, die sich nicht an den Kämpfen der politi-
schen Parteien beteiligt, von dem politischen Leben getrennt ist und
auch außerhalb der ordentlichen staatlichen Verwaltungsbehörden
steht. Die Beziehungen zwischen den Planern und den politischen Kör-
perschaften, die damit betraut sind, Entscheidungen zu treffen, werden
allein durch den Staatschef hergestellt8. Man will einen neutralen Pla-
nungsorganismus haben, aus dessen Tätigkeit alle politischen Kontro-
versen verbannt sind. Dieser Organisationstyp birgt die Gefahr in sich,
daß er sich leicht von dem wirklichen wirtschaftlichen Leben und den
internen Machtverhältnissen loslöst und daß sich seine Tätigkeit auf
eine Planung auf dem Papier und auf die Behandlung zweitrangiger
Fragen beschränkt. Aus diesem Grunde sollte man es nicht versäumen,
die Bindungen zwischen einer solchen Organisation und den politischen
Körperschaften aufrechtzuerhalten und ihrer Beziehungen zu den an-
deren wirtschaftlichen Organisationen, den Gewerkschaften, den Ge-
nossenschaften usw. zu erweitern.

In einigen Fällen wird auch ein Oberster Planungsrat eingesetzt, der


den Staatschef in Planungsfragen berät oder Entscheidungen trifft, die
dem Staatschef zur Genehmigung vorgelegt werden. Kein Vertreter
einer politischen Partei und kein Politiker ist in dieser Eigenschaft

8 Einige Planungstheoretiker würden es gerne sehen, wenn dieser Organis-


mus eine Art technokratischer Über-Regierung darstellte, die sich aus Weisen
im Sinne Piatons zusammensetzte. Diese würden Planungsziele entwickeln,
die das höchste Glück aller sicherten und anderen die unangenehme Verant-
wortung für die Durchführung dieser Pläne überließen.

3*

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36 Rudolf Bicanic

Mitglied des Rats. Dieser umfaßt


lichen und sozialen Lebens, die vom Staatschef ausgewählt werden. In
vielen Fällen übt dieser Oberste Planungsrat nur eine formale Kon-
trolle über die Pläne aus. Diese müssen, bevor sie zur Genehmigung
vorgelegt werden, einem Verfahren unterzogen werden, in dem alle
Streitpunkte nach Möglichkeit ausgeräumt wurden. Solche Räte entfal-
ten jedoch Wirksamkeit, wenn politische Konflikte ausbrechen, die
weder die Regierung noch die Planer beilegen können.
b) Der Planungskörper, der eine Politik mit zwei oder mehreren
Parteien betreibt, setzt sich aus Politikern zusammen, die alle politi-
schen Parteien und alle verwurzelten sozialen Interessen vertreten. Er
ist eine Art Parlament im Kleinen (oder ein Parlamentsersatz), eine
Zusammenfassung der politischen Repräsentation des Landes. Man geht
in diesem Fall davon aus, daß alle Meinungs- und Interessenunter-
schiede innerhalb dieses Organismus ausgeglichen werden und daß das
Ergebnis ein unpolitisches Dokument des Gleichgewichts ist, das die
Interessen der Nation in ihrer Gesamtheit darstellt, ein Kompromiß
zwischen den divergierenden Standpunkten und Interessen. Die Wirk-
samkeit dieses Organismus hängt davon ab, wie weit die Ansichten der
Politiker voneinander abweichen, und bis zu welchem Grade die ent-
gegengesetzten Interessen ausgeglichen werden können. Kann ein Kon-
flikt weder durch den Planungsorganismus noch durch die Regierung
gelöst werden, so muß das Parlament mit politischen Mitteln eine Ent-
scheidung fällen. Personen, die sehr verschiedenartige Interessen und
Meinungen vertreten, Handelsorganisationen und Gewerkschaften,
Wissenschaftler und Verwaltungsbeamte, beteiligen sich häufig an der
Tätigkeit dieser Organismen.
c) Die interministeriellen Planungsausschüsse bilden die Exekutive
einer ministeriellen Behörde, die die Planungspolitik der Regierung
lenkt. Sie unterstehen im allgemeinen unmittelbar dem Ministerpräsi-
denten oder dem Ministerrat. In einigen Fällen ist ein ständiger Re-
gierungsausschuß, der sich aus Mitgliedern der Regierung zusammen-
setzt, damit beauftragt, die Regierung auf dem Gebiet der Planung zu
beraten. Die Entscheidungen über die wichtigsten Regierungsziele, die
in diesen Plänen zum Ausdruck kommen, dienen als wesentliche Be-
zugspunkte. Es bleibt auch die schwierige Aufgabe, die gegensätzlichen
Interessen der verschiedenen politischen Verwaltungschefs hinsichtlich
der Ziele, Zwecke und Mittel des Plans miteinander in Einklang zu
bringen.
d) Die einem bestimmten Ministerium unterstellten Planungsbehör-
den sind in vielen Ländern für die Planung verantwortlich. Hier wird
die Planung zu einer Tätigkeit, die an Bedeutung der Tätigkeit der
anderen Behörden gleichwertig ist, und ihr politischer Chef hat den

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Planer und Politiker 37

gleichen Rang wie seine Kollegen in der Regierung. Manchmal be-


schränkt sich diese Planungsbehörde auf eine Abteilung eines Ministe-
riums, des Finanzministeriums oder des Wirtschaftsministeriums, mit
einem Staatssekretär als politischem Chef oder mit einem hohen Be-
amten als Verwaltungschef der Planung. Der Planer ist in die reguläre
staatliche Verwaltung eingegliedert und hat keine Berührung mit den
Politikern. Das ist dann der Fall, wenn die Planungsbehörde eine Ab-
teilung eines Ministeriums oder eine Sektion einer Abteilung ist, mit
einem hohen Verwaltungsbeamten an der Spitze. Hier hat die Planung
im politischen Leben keine große Bedeutung, und die Planer können
weder großen Einfluß ausüben noch die Tätigkeit der Politiker mehr
als jeder andere Bürokrat bedrohen. Die Planungsbehörde kann in den
Rang eines unabhängigen Ministeriums erhoben werden mit einem
Minister, der Mitglied des Kabinetts ist und dem Parlament oder, wenn
es ein Parlament nicht gibt, dem Staatschef verantwortlich ist. Der
Kontakt zwischen den Planern und den Politikern wird hier durch
den verantwortlichen Minister hergestellt. Von seinen Fähigkeiten
seiner politischen Stellung hängt die Bedeutung ab, die der Planer in
den Augen seiner politischen Kollegen genießt. In diesem Falle können
die Planer in ihrer Hauptfunktion als Wächter der Stabilität behindert
werden, weil die Gefahr besteht, daß das Planungsministerium auf die
Stufe eines beliebigen Ministeriums herabsinkt, während seine Koordi-
nierungsfunktion eine ganz andere ist.
Der Ausgleich der verschiedenen politischen Interessen und der In-
teressen der einzelnen Abteilungen mit den Planungsinteressen kann
auf drei verschiedenen Stufen stattfinden:

1. Ausgleich der verschiedenen politischen Interessen, um die allge-


meinen makro-ökonomischen Ziele der Planung, wie die Wachstums-
raten, das Gleichgewicht der Zahlungsbilanz usw., zu erreichen.
2. Schlichtung zwischen den einzelnen Ministerien der Regierung,
d. h. Regelung der Konflikte innerhalb der Regierung durch Festlegung
einer Rangordnung;
3. methodologischer Ausgleich, um sicherzustellen, daß die Pläne
einen konsequenten Charakter haben und daß sie den Zielen der Pla-
nung angepaßt werden und umgekehrt.
e) Ein Planungsausschuß wird ad hoc eingesetzt, um Pläne aufzu-
stellen, die das zwischen den politischen Kräften bestehende Gleich-
gewicht zum Ausdruck bringen. Die Kommission umfaßt entweder
überhaupt keine oder nur sehr wenige Planer (Schweden). Sie leitet
den Entwurf ihres Plans der Regierung zu. - Der Einfluß, den die Po-
litiker auf die Planung ausüben, beschränkt sich nicht auf die Pla-
nungstätigkeit innerhalb der Regierung. In dieser Hinsicht sind die

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38 Rudolf Bicanic

Beziehungen zwischen der Regi


den Parlamenten oder ihren Ers
Planungsräte) von besonderer Bedeutung. In den meisten Ländern
werden die Pläne dem Parlament zur endgültigen oder wirksamen Ge-
nehmigung vorgelegt. Es gibt besondere Parlamentsausschüsse, die sich
mit der Planung beschäftigen, als Berichterstatter beim Parlament fun-
gieren, das hierüber diskutiert, Initiativen ergreifen, Schätzungen
machen und die Planungsprojekte der Regierung modifizieren. In eini-
gen Ländern hat der Parlamentsausschuß vom Stadium der Vorberei-
tung an ein Initiativrecht bezüglich der Ziele und der Instrumente der
Planung. Es muß auch die Schlußberichte über die Durchführung der
Pläne genehmigen und übt so eine Endkontrolle über den Planungs-
mechanismus aus. Die Planungsbehörden sind verpflichtet, periodisch
dem Parlament Berichte vorzulegen, das wie bei den Haushaltsrech-
nungen seine Zustimmung erteilt.

f) In einigen Ländern erstreckt sich die Rolle der Politiker auch auf
die Initiative bei der Aufstellung der Pläne. Diese Befugnis steht den
obersten Chefs der politischen Parteien zu. Das ist in den Einpartei-
systemen von besonderer Bedeutung. Zuweilen werden die Pläne vor
ihrer endgültigen Genehmigung durch das Parlament in allen politi-
schen Organisationen, und zwar selbst auf örtlicher Ebene, zur Diskus-
sion gestellt. In einigen Fällen müssen Wählerversammlungen stattfin-
den, in denen Planentwürfe öffentlich diskutiert werden. In manchen
Ländern sind diese Maßnahmen durch Gesetz zwingend vorgeschrieben
(Jugoslawien). Die Kritik und die Initiative der Pläne erfolgen durch
die politische Partei oder die örtliche Verwaltung und erstrecken sich
bis zur Regierung und zur Planungsbehörde hinauf.

5. Die Planungstechnik ist zur Lösung der Konflikte zwischen Politi-


kern und Planern besonders wichtig. Da Hauptaufgabe der Planer ist,
die Pläne vorzubereiten, und die der Politiker, die Entscheidungen zu
fällen, liegt es im Interesse beider, daß die Pläne so vorbereitet sind,
daß sie für die Politiker, die entscheiden, annehmbar sind. Das Pro-
blem besteht also darin, das Planungsverfahren so zu gestalten, daß ak-
zeptable Pläne aufgestellt werden. In einem autoritären System gibt
es keine großen Probleme. Die Pläne werden ohne viele Diskussionen
beschlossen und für jedermann als verbindlich erklärt. In einem büro-
kratischen System setzen die Pianokraten ihre Pläne mit Hilfe des
Planungs Verfahrens durch; sie benutzen dabei den Zeitdruck, um die
Annahme ihrer Pläne in einem bestimmten Augenblick zu erzwingen.
Eine zweite Methode besteht darin, daß dem für die Entscheidung zu-
ständigen Organ nur ein einziger Gesetzentwurf vorgelegt und dieses
danach unter Druck gesetzt wird, aus Opportunitätsgründen, d. h. um

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Planer und Politiker 39

der Schwierigkeit, Änderungen vorz


so wie er ist, zu akzeptieren.
Das Problem ist komplizierter, wenn ein demokratisches Verfahren
gefordert wird und wenn der Plan ein auf demokratische Weise ange-
nommenes Dokument ist, gemäß dem Prinzip: „Nichts, was uns betrifft,
ohne uns." Dieses Erfordernis wird nicht nur aus ideologischen Grün-
den aufgestellt; es ist auch in dem Begriff der Planwirtschaft tief ver-
ankert. Ein umfassender Plan verlangt die Mitwirkung aller. Wenn
diejenigen, die zur Ausführung des Plans aktiv werden, sich nicht als
beteiligt fühlen, kann der Plan nicht zu optimalen Ergebnissen führen.
Diese müssen daher die Möglichkeit haben, in dem Plan ihre eigenen
Probleme aufnehmen zu lassen, damit diese berücksichtigt werden, und
auch an dem Planungsvorgang teilzunehmen, ohne dabei jedoch ledig-
lich als ein Teil der Maschine angesehen zu werden, die die Pläne
durchzuführen hat.

Das demokratische Planungs verfahren gliedert sich in drei Teile:


a) das Initiativrecht in der Planung; b) die Aufstellung der Pläne und
c) das Vertrautmachen der Personen, die die Pläne ausführen, mit
deren Zielen und den Mitteln ihrer Durchsetzung9.
a) In den meisten Ländern geht man davon aus, daß die erste Pla-
nungsinitiative von den Politikern ergriffen werden muß. Denn es ist
die Aufgabe des Politikers, die politischen Ziele des Plans festzulegen.
Diese Initiative geht entweder von den Hauptbeteiligten - den politi-
schen Parteien - oder der Regierung oder dem Parlament aus. Sie
nimmt im allgemeinen die Form von Richtlinien an, die vertraulich
oder öffentlich gegeben werden. Es ist von größter Wichtigkeit, daß sie
wenigstens teilweise öffentlich erteilt werden, wenn sie anregend auf
alle Personen wirken sollen, die am Planungsverfahren teilnehmen.
Viel bedeutsamer als die Diskussion über die Pläne ist jedoch zu wis-
sen, wie die politischen Direktiven ausgearbeitet worden sind. Meistens
sind sie das Werk anonymer und nicht veranwortlicher grauer Emi-
nenzen, die hinter den Kulissen arbeiten, bei den höchsten politischen
Führern Gehör finden, Zugang zu diesen haben und ihnen geistig un-
zureichend verarbeitete Berichte und unvollständige Informationen
vorlegen, auf deren Grundlage die Direktiven erlassen werden, ohne
daß jemand für sie öffentlich die Verantwortung übernähme. Dieser
Vorgang entzieht sich meistens der Kontrolle durch die öffentliche
Meinung, weil er sich unter Ausschluß der Öffentlichkeit in geschlosse-
nen Kreisen vollzieht. Sobald jedoch die politischen Richtlinien erlas-
sen sind, sehen sich die politischen Körperschaften aus Prestigegründen

9 Wir beschäftigen uns hier nur mit der politischen Seite des Planungsver-
fahrens und lassen daher die Mitwirkung anderer Faktoren außer Betracht.

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gezwungen, an ihnen festzu


schwert.

Aus diesem Grunde ist es wichtig, daß die politischen Richtlinien


offen und öffentlich erlassen werden, und daß zuvor eine politische
Diskussion über die bedeutsamsten zu erwartenden Ergebnisse statt-
findet. Ein solches Verfahren steht in Einklang mit der Auffassung der
Parlamentsmitglieder, daß es zu spät sei, wenn man ihnen fertige Pläne
in definitiver Form vorlege, weil diese in letzter Minute nur schwer zu
ändern seien. Man betrachtet es daher als eine gute demokratische
Praxis, den Planern die politischen Direktiven durch eine Resolution
des Parlaments öffentlich bekanntzugeben, in der die wesentlichen
Thesen und die wichtigsten Ziele der Planung diskutiert und aus-
gedrückt werden, und die sowohl für die Regierung, als auch für die
Planungsbehörden als Anleitung dienen.
Nach unserer Meinung müßten die Planungsbehörden auch ein Ini-
tiativrecht haben. Ihre Rolle sollte sich nicht auf eine mehr oder we-
niger passive Verwirklichung der Initiativen anderer beschränken. Sie
sollten vielmehr die Möglichkeit erhalten, an den Arbeiten aktiv mit-
zuwirken und in eigener Verantwortung neue Bestandteile in den Plan
einzufügen. Insbesondere sollten die Planungsbehörden das Recht
haben, den politischen Körperschaften ihre Vorschläge für die Gestal-
tung der künftigen Pläne zu unterbreiten, bevor diese politische Richt-
linien erlassen, damit sie sich zu ihrem Inhalt äußern können. Dies ge-
schieht zwar häufig inoffiziell. Wir meinen jedoch, dieses Verfahren
müsse formalisiert werden, damit die Planungsbehörden ihre Rechte
kennen und die Verantwortung für ihre Handlungen übernehmen kön-
nen. Das Recht, Initiativen zu ergreifen und Vorschläge zu machen,
sollte auch den anderen Beteiligten an der Planung zugestanden wer-
den: den staatlichen Verwaltungsbehörden, den Wirtschaf tsverbänden,
den Gewerkschaften, den Forschungsinstituten usw.
b) Es gibt keinen Zweifel, daß die Aufstellung der Pläne das Werk
der Planer sein muß und daß die Planungsbehörden sich eines forma-
listischen oder nach freiem Ermessen ausgestalteten Modells bedienen
müssen. Die Planer müssen die notwendige Autorität besitzen, um in
dem ersten Entwurf eine große Zahl von Bedürfnissen aufzunehmen,
die durch eine ebenso große Vielfalt von Mitteln ausgeglichen werden.
Diese technische Aufgabe hat die Domäne der Planer zu bleiben, so-
lange das Stadium der Entscheidung nicht erreicht ist. Der Vorentwurf
des Plans muß das Ergebnis dieser internen Erörterung sein. Man hat
zuweilen vorgeschlagen, daß dieser Vorentwurf in weiteren Kreisen
zur Diskussion gestellt werden und daß die Rolle der Politiker bereits
in diesem Stadium beginnen sollte. Andere glauben jedoch, daß dies ver-
früht und den Bemühungen, den Plan konsequent auszugestalten,

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Planer und Politiker 41

schädlich sei, und daß sich daher die B


beschränken müßten.

Während des ersten Hin und Her der Beratungen über den Vorent-
wurf in den Konsultativorganen der Planungsbehörden müssen die Po-
litiker zwar informiert werden, sie sollten sich aber nicht allzusehr in
die laufenden Arbeiten einmischen. Einige schlagen vor, daß ein stän-
diger politischer Ausschuß in jedem Stadium des Verfahrens, ein-
schließlich des Stadiums der Vorbereitung, die Tätigkeit der Planungs-
behörde überwachen sollte. Nach einer anderen Meinung sollen die
Vertreter der politischen Parteien an den Arbeiten gemischter Kon-
sultativorgane als vollberechtigte Mitglieder teilnehmen. Eine wichtige
Frage in dieser Phase ist, ob die Mitglieder der konsultierten internen
Ausschüsse den Plan global diskutieren sollen, oder ob sich jeder Aus-
schuß auf den Bereich beschränken soll, der ihn besonders angeht. Der
Vorentwurf wird sodann den staatlichen Verwaltungsbehörden, Wirt-
schaftsverbänden, Gewerkschaften und Forschungsinstituten zur Be-
gutachtung übermittelt. In einigen Ländern ist durch Gesetz angeord-
net, daß der Vorentwurf des Plans, bevor er der gesetzgebenden Kör-
perschaft vorgelegt wird, während eines gewissen Zeitraums (wenig-
stens während eines Monats) öffentlich zur Diskussion gestellt wird.
Dieses Verfahren kann noch formeller gestaltet werden, indem der
Vorentwurf in den regionalen und lokalen Verwaltungen und auch in
Wählerversammlungen, die den umfassendsten Teilnehmerkreis dar-
stellen, diskutiert wird. Auf der Grundlage aller dieser Diskussionen
und Konsultationen wird unter der Verantwortung der Planungsbe-
hörde ein Planentwurf erstellt und der Regierung vorgelegt.

Die Politiker sollten sich während des gesamten vorbereitenden Ver-


fahrens auf die Rolle der Beobachtung, der Information und der Kon-
sultation beschränken.

c) Eine vollkommene Synthese von Politik und Planung findet statt,


wenn die Planung zeitlich mit einem Wahlkampf zusammentrifft. In
diesem Falle ist es möglich, die Planung so zu organisieren, daß die
Wähler ihre Stimme nicht nur für die Kandidaten oder für das allge-
meine oder ad hoc- Programm einer politischen Partei abgeben, sondern
auch für einen Plan oder verschiedene Varianten eines Plans, und daß
sie der neugewählten politischen Körperschaft den Auftrag erteilen,
die Ziele des Plans zu verwirklichen. Ein solcher Vorschlag würde in
vielen Ländern auf den Widerstand der Politiker stoßen, die angesichts
der sich ständig verändernden Situationen in völliger Freiheit über
das Aktionsprogramm der Regierung entscheiden und die Möglichkeit
haben wollen, den Plan zu modifizieren, wenn sich die Verhältnisse

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ändern10. Er könnte jedoch das Problem der Auswirkungen von Ver-


änderungen in der Regierung auf die Planung lösen und die sich hier-
aus möglicherweise ergebenden Konflikte verhüten.
6. Der Konflikt zwischen Politikern und Planern im zeitlichen Be-
reich entsteht in erster Linie aus dem Problem der Kontinuität der
Pläne. Einige Autoren sind der Auffassung, daß die Kontinuität der
Planung am besten in einer Diktatur gewährleistet sei, weil diese die
Kontinuität der Regierung eines Landes garantiere. Gegen dieses Ar-
gument können zwei Einwendungen geltend gemacht werden:
a) Die Diktatoren können leichter ihren Willen, ihre Präferenzen, die
Ordnung der Prioritäten sowie ihre politischen Ziele ändern und tun
dies auch. Sie stoßen daher die Pläne viel leichter um als die Politiker
der Länder, in denen die Regierung dem Volk verantwortlich ist. S
neigen mithin eher dazu, Änderungen an Plänen vorzunehmen, die
eigenmächtigen Entscheidungen beruhen.
b) Die Diktaturen können die Kontinuität für einen kurzen Zeitraum
gewährleisten. Ihr schwacher Punkt ist jedoch die Regierungsnachf
Daher können kurzfristige Gewinne in der Planung auf lange Sicht
durch Änderungen wieder verloren gehen. In einem demokratischen
Regierungssystem stellt sich die Frage der Kontinuität bei Regierungs-
wechseln als Folge der periodisch stattfindenden Wahlen. Aus dieser
Tatsache hat man zuweilen herzuleiten versucht, daß die Planung in
einer Demokratie nicht möglich sei. Dieses Argument ist jedoch nicht
stichhaltig; andernfalls müßte es noch stärker für das Budget eines
Landes gelten. Wir erleben jedoch, daß Regierungen einander ablösen,
ohne daß ihre Budgets allzu sehr aus dem Gleichgewicht gebracht wer-
den. Man hat in der Finanzpolitik Methoden entwickelt und verfeinert,
die es ermöglichen, „die Pferde während der Überquerung eines Flus-
ses" zu wechseln. Warum sollte dies nicht auch auf dem Gebiet der
Planung möglich sein? Drei Fälle sind denkbar: 1. die Änderun
Pläne ohne Änderung der Regierung; 2. die Änderung der Regi
ohne Änderung der Pläne; 3. die gleichzeitige Änderung der Regier
und der Pläne.

1. Es gibt Fälle, in denen die Notwendigkeit entsteht, daß die Regie-


rung ihre eigenen Pläne ändert oder das Ungleichgewicht beseitigt, das
durch eine Veränderung der Verhältnisse verursacht wurde. Das ist
völlig begreiflich und akzeptabel.
2. Das Problem von Regierungswechseln während der Periode der
Ausführung eines Plans spielt eine besonders wichtige Rolle. Hier sind

10 Dies ist insbesondere in England der Fall, wo die Politiker während der
Legislaturperiode von ihren Wählern völlige Handlungsfreiheit verlangen
und sich weigern, sich von vornherein an ein bestimmtes Programm zu
binden.

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Planer und Politiker 43

verschiedene politische Maßnahmen mög


tenen Regierung kann in seiner bestehen
die neue Regierung angesehen werden; er
wie jedes andere Gesetz und das Budget respektiert. 2. Da jeder Plan
feste und variable Bestandteile enthält, können die festen Bestandteile
unverändert bleiben, während die anderen entsprechend der neuen Re-
gierungspolitik teilweise modifiziert werden.

3. Wenn die Politik der neuen Regierung strukturelle Reformen er-


fordert, gibt es keinen anderen Ausweg, als den Plan abzuändern, oder
aufzuheben und einen neuen Plan aufzustellen. Wenn die Veränderun-
gen funktioneller Art sind, können einfache Anpassungsmaßnahmen
dem neuen Regierungsprogramm genügen.
Die Kontinuität kann durch gewisse präventive Maßnahmen gewahrt
werden, wie durch nicht umstrittene Planungsentscheidungen, eine
Planungspolitik mit zwei oder mehreren Parteien, einen allgemeinen
Konsensus usw. Das andere Mittel, das wir bereits erwähnt haben, ist
die Koordinierung der Wahl- und der Planungsperiode.
7. Der Konflikt zwischen Politikern und Planern kann auch durch das
Mittel des Ortes der Planung gelöst werden. Die räumliche Dezentrali-
sierung der Planung ist nicht nur ein verwaltungsmäßiges, sondern
auch ein politisches Problem, weil in vielen Ländern die regionalen und
lokalen Zentren nicht lediglich administrative Planungszentren, son-
dern auch politische Loyalitäten, verschiedene Interessen und Entwick-
lungsstufen und damit auch verschiedene Ziele und Mittel der Planung
umfassen. Die Planung stellt auch das Problem der Initiative für die
Festlegung der Ziele sowie die Verteilung der Mittel unter den loka-
len, regionalen und zentralen Verwaltungen. Zwei Verfahren werden
in Erwägung gezogen: Der Planungsmechanismus, der eine größere
Zahl von Plänen umfaßt, könnte mit einem Zentralplan beginnen und
sich bis zu den unteren Einheiten erstrecken, die in dem durch die
höheren Pläne gesteckten Rahmen handeln. Das zweite Verfahren geht
in die entgegengesetzte Richtung: Zunächst arbeiten die unteren Ein-
heiten ihre Pläne aus. Diese werden anschließend so zusammengefaßt,
daß sie Pläne auf einer höheren Ebene bilden11.

In den meisten Fällen fördert die räumliche Dezentralisierung die


Demokratisierung und festigt die politischen Faktoren der Planungen.
Sie wirkt in dieser Weise aber nur bis zu einem gewissen Punkt. In
Ländern mit einer vielschichtigen politischen Struktur befriedigt eine
verstärkte Dezentralisierung die Bedürfnisse einer optimalen Planung
nicht. Aus diesem Grunde tauchte an Stelle des Begriffs der dezentrali-
11 Auch hier können wir der Finanztheorie der Bundesstaaten ein Beispiel
entleihen.

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sierten Planung die Idee einer polyzentrischen Planung auf, bei der
jedes Planungszentrum die Möglichkeit hat, der Planung Impulse zu
verleihen. Hierdurch wird diese einerseits zwar komplizierter, anderer-
seits aber auch realistischer, mithin leichter durchführbar. Die moderne
Technologie und die wirtschaftliche Entwicklung fördern die Einfüh-
rung polyzentrischer Planungsmethoden, denn die Kontinuität und die
Komplexität der modernen Produktionsprozesse dulden keine autori-
täre Planung, die vom einzigen Zentrum ausgeht. Die wichtigsten In-
strumente dieser horizontalen und vertikalen Interdependenz sind die
interregionalen und intersektionellen Pläne. Eine Grundstruktur hat
aber kein Zentrum.

Aus dem Französischen übersetzt von Franz Becker

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