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NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL

Argininsupplementierung:
warum, wann und wie viel

ERICH R OTH1, EVA STRASSER2, BARBARA WESSNER3

L-Arginin ist eine semiessenzielle Aminosäure, deren endogene Synthese in der Niere über Citrullin
läuft. Beim heranwachsenden Kind und bei gewissen eiweisskatabolen Zuständen ist die endo-
gene Synthese möglicherweise zu gering, sodass eine L-Argininzufuhr empfohlen wird. Neben der
Bedeutung des L-Arginins als proteinogene Aminosäure und als Zwischenprodukt des intermediä-
ren Stoffwechsels ist L-Arginin ein Zellmodulator, der die Sekretion anaboler Hormone, wie Growth-
Erich Roth
Hormon, Prolaktin und Insulin-like Growth Factor 1 stimuliert. Darüber hinaus spielt L-Arginin eine
wichtige Rolle in der Immunantwort, da es sowohl die lymphozytäre als auch die monozytäre
Immunantwort beeinflusst. Klinische Schwerpunkte der L-Argininanwendung und -forschung sind
seine Bedeutung als Stimulator der Wundheilung und der Immunantwort im postoperativen und
posttraumatischen Bereich. Hier liegen überzeugende Ergebnisse einer supplementierten L-Arginin-
Eva Strasser zufuhr vor. L-Arginin ist die Vorläufersubstanz von Stickoxid (nitric oxide: NO), das vasodilatierend
wirkt und die Mikrozirkulation verbessert. Obwohl eine Reihe von Studien den Einfluss von L-Argi-
nin/NO auf die Funktion verschiedener Organe wie die des Herz-Kreislauf-Systems, der Lunge, der
Leber und der Niere untersucht haben, sind die Ergebnisse widersprüchlich. L-Arginingaben sind
möglicherweise auch für die Onkologie und die Sportmedizin von Bedeutung. Diesbezügliche Sup-
plemente, in denen L-Arginin allein oder in Kombination mit anderen Aminosäuren gegeben wird,
Barbara werden zurzeit untersucht.
Wessner

Chemie und Physiologie endogene L-Argininsynthese bei Neuge- die Sekretion der anabolen Hormone wie
L-Arginin ist die Aminosäure mit der borenen, wachsenden Kindern und auch die des Wachstumshormons, des Prolak-
höchsten Anzahl an Stickstoffatomen im eiweisskatabolen Zustand (Sepsis, Ver- tins sowie des Insulin-like Growth Factor 1,
und spielt als zentraler Metabolit des brennung, Polytrauma) zu gering sein, so- fördert die Bildung gewisser Zytokine und
Harnstoffzyklus eine wichtige Rolle in der dass L-Arginin als semiessenzielle Amino- wirkt so immunmodulierend.
Stickstoffhomöostase des Körpers (1, 2). säure gewertet wird. Wichtige Produkte Eine neue wichtige Rolle von L-Arginin er-
Endogen wird L-Arginin in der Niere aus des L-Argininstoffwechsels sind die Ami- gab sich aus der Erkenntnis, dass L-Arginin
dem vom Dünndarm angelieferten Citrul- nosäuren Ornithin, Prolin und Glutamin die Vorstufe von Stickoxyd (nitric oxide:
lin in einer Grössenordnung von 2 g pro sowie die Polyamine und das Kreatin. L- NO) ist (3). NO ist der erste entdeckte gas-
Tag synthetisiert. Allerdings kann die Arginin gehört zu den proteinogenen förmige Modulator, dessen physiologi-
Aminosäuren und ist ein Bestandteil von sches Wirkungsspektrum enorm ist. Die
1Chirurgisches Forschungslabor, Klinik für Chirurgie, Proteinen. Umwandlung von L-Arginin in NO erfolgt
Medizinische Universität Wien Neben diesen Funktionen im Stickstoff- mittels der Nitric-Oxide-Synthase (NOS).
2Institut für Physikalische Medizin und Rehabilitation,

Sozialmedizinisches Zentrum Süd/Kaiser Franz haushalt wirkt L-Arginin aber auch als Zell- Von der NOS gibt es drei Isoenzyme, näm-
Joseph Spital, Wien modulator. Über die Polyaminsynthese lich die konstitutive, die induzierbare (in-
3Abteilung für Sport und Leistungsphysiologie, Zen-

trum für Sportwissenschaft und Universitätssport,


unterstützt die Substanz Zellwachstum duzierbar u.a. durch Endoxin und TNF-α)
Universität Wien und -differenzierung. Sie stimuliert zudem und die neuronale NOS. Es ist biochemisch

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nicht verständlich, warum eine L-Arginin- Nach Gabe von 10 g L-Arginin wurde die ist der L-Argininspiegel verringert. Hier
zufuhr, die nur eine minimale Erhöhung maximale Argininkonzentration nach ei- bewirkt eine L-Arginingabe möglicher-
der L-Argininkonzentrationen bewirkt, ner Stunde im Plasma gemessen, wobei weise eine Funktionsverbesserung der
eine vermehrte NO-Bildung hervorrufen die absolute Bioverfügbarkeit bei 20 Pro- Makrophagen und Lymphozyten.
soll, da die physiologischen L-Argininspie- zent lag (8). Der Basiswert von L-Arginin Aufgrund der vasodilatierenden Wirkung
gel etwa 25-mal höher sind als die maxi- betrug in dieser Studie 15 μg/ml; dieser von NO war es nahe liegend zu untersu-
male Aktivierung der NO-Synthase benöti- Wert wurde unter oraler Gabe (10 g) auf chen, inwieweit eine L-Argininzufuhr zur
gen würde. Die Erklärung dieses «Arginin- 51 μg/ml erhöht. Unter parenteraler Gabe Besserung oder Vermeidung kardiovas-
Paradoxons» liegt offenbar in den Arginin- (30 g L-Arginin in 30 min) erhöhte sich kulärer Erkrankungen beiträgt. In der Tat
metaboliten ADMA und SDMA (asymme- dieser Wert auf 1390 μg/ml. Trotz der in verbessert L-Arginin die Endothelfunkti-
trisches bzw. symmetrisches Dimethyl- dieser Studie verwendeten unterschiedli- on bei Hypercholesterinämie und bei
arginin), die beide endogene Inhibitoren chen Dosierungen ist aus diesen Zahlen Arteriosklerose (12–14). Zurzeit wird un-
der NO-Synthase sind und als kardiovasku- ersichtlich, dass eine parenterale L-Argi- tersucht, ob sich die Substanz bei korona-
läre Risikofaktoren gelten, da sie eine loka- ningabe effektiver zu sein scheint. ren Herzerkrankungen, peripherer arte-
le Vasokonstriktion verursachen (4, 5). In rieller Verschlusskrankheit oder bei der
der Tat sind die ADMA-Werte bei Patienten Parenterale L-Argininzufuhr Verhinderung von Reststenosen als wirk-
mit Hypercholesterinämie, Arteriosklero- Aminosäurelösungen, die für den par- sames Therapeutikum eignen könnte.
se, Hypertension sowie chronischem Nie- enteralen Gebrauch im klinischen Bereich Die Bedeutung von L-Arginin in der Onko-
renversagen oder chronischem Herzver- bestimmt sind, enthalten 8 bis 11 g L-Ar- logie ist noch nicht abschliessend geklärt.
sagen erhöht. Möglicherweise stehen ginin pro 100 g Aminosäuren. Bei einem Verschiedene Studien zeigen, dass die
erhöhte ADMA-Konzentrationen in Ver- Bedarf von 1,5 g Aminosäuren pro kg Kör- Aminosäure einen Einfluss auf die Tumor-
bindung mit der Entwicklung eines Multi- pergewicht (KG) und Tag entspricht das initiation, die Tumorprogression, die Ad-
organversagens. einer täglichen L-Argininzufuhr von 10 g. häsion von Tumorzellen und die Angioge-
In experimentellen Untersuchungen wur- nese, die Differenzierung, die Chemo-
Dosierungen, Toxizität den sogar höhere L-Arginingaben ein- und Radiosensitivität sowie auf die tu-
Aufgrund des grossen Wirkungsspek- gesetzt, und zwar 20 g über einen Zeit- morunterstützte Immunosuppression hat
trums von L-Arginin wird verständlich, raum von sieben Tagen beziehungsweise (15). Kürzlich ist ein neues Produkt zur Er-
dass die Wirkung einer exogenen Zufuhr 0,5 g/kg KG in 30 Minuten (6). Die klini- nährung von Tumorpatienten auf den
von L-Arginin auf verschiedene physiolo- schen Studien erwecken den Eindruck, Markt gekommen, das Leuzin, Omega-3-
gische und pathophysiologische Zustän- dass die Wirksamkeit einer L-Argininzu- Fettsäuren und L-Arginin enthält. Als Ra-
de in zahlreichen Untersuchungen ge- fuhr im Bereich von 10 g/Tag liegen sollte, tionale für den Zusatz von L-Arginin wird
nauer analysiert wurde. um physiologische Effekte wirklich mess- angegeben, dass Tumorpatienten verrin-
bar zu machen. In der Sekundärliteratur gerte Argininplasmaspiegel haben und
Orale enterale L-Arginingabe werden vielfach L-Argininmengen im Be- diese Hypoargininämie möglicherweise
Der Arginingehalt von tierischem Protein reich von 3 g empfohlen. Diese Zufuhr- für die schlechte Erholungsphase von
liegt im Bereich von 5 Prozent. Die tägli- mengen liegen jedoch unter den bekann- Karzinompatienten verantwortlich ist.
che über die Nahrung aufgenommene ten Dosis-Wirkungs-Daten (siehe unten). Darüber hinaus gibt es eine Arbeit an ei-
L-Argininmenge liegt zwischen 2 und 6 g nem Mausmodell (Neuroblastom), die
in Abhängigkeit vom aufgenommenen Wund-, Knochenheilung, kardiovas- zeigt, dass L-Arginin in Kombination mit
Protein. Die meisten wissenschaftlichen kuläre Effekte, Onkologie Interleukin-2 zu einer verbesserten Über-
Studien verwendeten eine L-Argininzu- Die ersten klinischen Studien mit einer lebensrate führt (16). Die Bedeutung von
fuhrrate von 9 g/Tag, andere setzten auch additiven L-Arginingabe wurden an chir- L-Arginin in der Onkologie bedarf sicher-
Supplemente mit geringeren Dosierun- urgischen Patienten durchgeführt mit der lich weitergehender Untersuchungen,
gen ein (4–5 g) (6). Gesunde Freiwillige er- Intention, dass L-Arginin die Wundhei- die derzeit im Gange sind.
hielten bis zu 25 g L-Arginin pro Tag über lung verbessern könnte (9). Patienten, die
einen Zeitraum von zwei Wochen, ohne 25 beziehungsweise 15 g L-Arginin erhiel- Chirurgische Patienten, Intensiv-
dass Nebenwirkungen zu beobachten ten, zeigten eine verbesserte Kollagenbil- patienten
waren. Beaumier steigerte die Dosierung dung im Wundbereich, nicht aber in der Wie schon erwähnt, kann L-Arginin das
auf nahezu 40 g/Tag über einen Zeitraum Epithelialisierung oder im DNA- bezie- Immunsystem beeinflussen, indem es
von drei Tagen – auch hier blieben uner- hungsweise Proteingehalt. Jüngste Er- einerseits die Lymphozytenproliferation
wünschte Effekte aus (7). Im Rahmen gebnisse haben gezeigt, dass L-Arginin stimuliert und andererseits die Funktion
einer oralen oder enteralen Immuno- auch die Heilung stabilisierter diaphysä- der Monozyten/Makrophagen verbes-
nutrition liegt die Zufuhr von L-Arginin im rer Knochendefekte beschleunigen kann sert. Aus diesen Gründen ist es nicht ver-
Bereich von 9 bis 12 g/Tag. (10, 11). Beim Patienten mit Polytrauma wunderlich, dass L-Arginin in Kombina-

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tion mit Omega-3-Fettsäuren und Nu- septischen Patienten herausfilterte. Ob- sind – neben der Prävention möglicher
kleotiden sowie teilweise mit Glutamin wohl der Negativeffekt einer L-Argininga- Mangelzustände – auch ein positiver Ein-
als sogenannte Immunonutrition sowohl be aufgrund der Anwendung eines fluss auf die Proteinsynthese beziehungs-
für postoperative, -traumatische Patien- Kombinationspräparats (neben L-Arginin weise die Proteinhydrolyse des Skelett-
ten als auch für Intensivpatienten ange- wurden noch vermehrt Nukleotide und muskels und damit die Verhinderung
boten wird (17). Ziel dieser Produkte ist Omega-3-Fettsäuren angeboten) hypo- oder Eindämmung des muskulären Ei-
es, die immunologische Situation immun- thetisiert wurde, wurde L-Arginin als ge- weisskatabolismus (28). Die Atrophie der
supprimierter Patienten zu verbessern. fährliche Substanz beim septischen Pa- Skelettmuskulatur ist eine Begleiterschei-
Die meisten Studien wurden mit «Oral Im- tienten deklariert. Die Rationale hinter nung bei einer Vielzahl akuter und chroni-
pact» (Novartis, jetzt Nestlé) durchge- dieser Vermutung ist, dass NO zellschädi- scher Erkrankungen, wie Sepsis, chirur-
führt. Diese Trinknahrung enthält L-Argi- gend wirken kann, wenn sich das Stick- gische Interventionen, Trauma oder
nin, Nukleotide und Omega-3 Fettsäuren. oxyd mit dem Superoxidradikal (O2-) zu Immobilität (29). Auch während des Alte-
Es gibt eine Reihe von Metaanalysen, bei Peroxinitrit verbindet. Allerdings gibt es rungsprozesses kommt es zu einem mas-
denen der Einfluss dieses Produkts auf eine Reihe von Untersuchungen, die zei- siven allgemeinen Muskelabbau. Davon
verschiedene Outcome-Parameter mit gen, dass Argininmangel per se eine ver- betroffen sind insbesondere die für die
dem anderer Immunonutrition-Formulie- mehrte Bildung von Superoxidradikal be- Muskelkontraktion notwendigen myofi-
rungen verglichen wurde (ein Teil dieser wirkt, da er zu einer Entkoppelung der brillären Proteine Myosin und Aktin, wo-
Produkte kam nie auf den durch ein Verlust an Muskel-
Markt). Diese Vergleiche masse und Muskelkraft sowie
erweisen sich jedoch inso- « L-Arginin hat zahlreiche Funktionen. Es
fern als problematisch, da spielt nicht nur im Stickstoffhaushalt, sondern
eine beschleunigte Muskel-
ermüdung entstehen. Die
bekannt ist, dass die ein- auch in der Immunantwort eine zentrale Rolle.
zelnen Komponenten der
» Folgen beim kritisch Kranken
oder immobilen Patienten
Immunonutrition dosisabhängig wirken, konstitutiven NOS führt und so indirekt sind erhöhte Infektionsraten, verlang-
unterschiedliche Zusammensetzungen die induzierbare NOS stimuliert (20). Es ist samte Wundheilung, Komplikationen bei
also unterschiedliche Wirkungen hervor- daher nicht erstaunlich, dass einige Ar- der Entwöhnung der Beatmung und er-
rufen können. beiten die Sepsis als ein «arginindefizien- schwerte Mobilisation. Im Alter führt dies
Die orale Immunonutrition hat sich bei tes» Zustandsbild definieren (21–24). zu Stürzen, Knochenbrüchen, Verletzun-
chirurgischen und polytraumatisierten Eigene Ergebnisse zeigen, dass der Argi- gen und Mobilitätsverlust. Ausgehend
Patienten bewährt, da gezeigt werden ninspiegel septischer Patienten in der Tat von den primären Stimulatoren – Hormo-
konnte, dass sich die Komplikationsrate, um 33 Prozent und im Muskelgewebe um ne, Muskeldehnung, Stress, Inflammati-
die Krankenhausaufenthaltsdauer und 38 Prozent unter dem Normalwert liegt. on, neuronale Aktivität – konzentriert
die Rate der respiratorischen Insuffizienz Um hier Klarheit zu schaffen, bedarf es zu- sich die Wissenschaft auf die Erforschung
damit senken liessen. Dieser positive Ef- sätzlicher klinischer Studien (25). der Signaltransduktionswege, die eine
fekt kommt ebenfalls in den Ernährungs- Im Lebergewebe ist kein freies L-Arginin Beeinflussung der Proteinsynthese und
empfehlungen der ESPEN, der Arbeitsge- messbar, da die hepatische Arginasekon- des Proteinabbaus bei Atrophien des Ske-
meinschaft für Klinische Ernährung (AKE) zentration so hoch ist, dass das aufge- lettmuskels ermöglichen. Erste Zellkul-
sowie in den Ernährungsrichtlinien der nommene L-Arginin sofort metabolisiert turdaten deuten darauf hin, dass eine
Deutschen Gesellschaft für Ernährungs- wird. Der L-Argininmetabolismus der Le- Elektrostimulation der Myoblasten die
medizin zum Ausdruck (18). ber hängt also vom L-Argininplasmaspie- Freisetzung von NO sowie die Expression
Eine Kontroverse über den Einsatz einer gel ab. In einem septischen Hundemodell von Differenzierungsmarkern erhöht.
Immunonutrition besteht beim Intensiv- wurde gezeigt, dass eine L-Arginingabe Neben der Unterstützung der Proteinsyn-
patienten, da – ausgelöst durch die Emp- die Mortalität der Hunde erhöht (26), these werden als weitere Anwendungs-
fehlungen der Canadian Clinical Practice während ein endotoxisches Schweine- bereiche von Supplementen die Optimie-
Guidelines for Nutrition Support (CCPG) – modell genau das gegenteilige Ergebnis rung des Energiestoffwechsels, Schutz
hier die Zufuhr einer argininhaltigen brachte (27). und Reparatur von Körperzellen sowie
(enteralen) Immunonutrition bei septi- eine Modulierung des Immunsystems
schen Patienten als kontraindiziert, ja so- Erwartungen an Protein- und diskutiert. Dabei sollte man im Auge be-
gar mortalitätssteigernd dargestellt wur- Aminosäurensupplemente für eine halten, dass bei einer optimalen Basisver-
de (19). Die Gruppe um D. Heyland kam zu neuromuskuläre Stimulation sorgung durch ausgewogene Mischkost
diesem Schluss, nachdem sie L-Arginin in Die Erwartungen, die an ein Nahrungser- entsprechend den Empfehlungen der Er-
Metaanalysen und Subanalysen sowie gänzungsmittel (oder Nährstoffsupple- nährungsgesellschaften die Versorgung
nach Auswertung anderer Reviews als ment) im Zusammenhang mit der musku- an Makro- und Mikronährstoffen sowohl
möglichen negativen Metaboliten bei lären Leistungsfähigkeit gestellt werden, im Breiten- und Gesundheits- als auch im

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Leistungs- und Spitzensport sicherge- Arginingabe von 9 g, der höchste Sekreti- Betätigung auswirkt, nicht um kontrol-
stellt ist, da der erhöhte Bedarf meist onspeak wurde nach 30 Minuten erreicht. lierte Doppelblindstudien mit und ohne
durch die höhere Energiezufuhr gedeckt Interessanterweise scheint die gleichzei- L-Arginingaben handelt (38). Bei der der-
wird. Dabei ist es essenziell, die Ernäh- tige Gabe von L-Arginin und Lysin einen zeitigen Studienlage kann L-Arginin also
rungsbilanzen (Energie-, Nährstoff-, Flüs- weitaus grösseren Sekretionsstimulus nicht als Stimulans für die Zunahme der
sigkeits-, Elektrolyt- Vitamin- und Mine- auszuüben als die Gabe der einzelnen Muskelmasse oder der Muskelkraft ange-
ralstoffbilanz) im Auge zu behalten, da Aminosäuren (33). So bewirkt die orale sehen werden. Allerdings bewirkt die
der Mangel an Nährstoffen die Leistungs- Zufuhr von 1,5 g L-Arginin in Kombinati- Substanz möglicherweise eine bessere
fähigkeit einschränken kann. Dement- on mit 1,5 g Lysin einen achtfachen GH- Muskelrelaxation, da unter L-Arginingabe
sprechend kann auch innerhalb der er- Anstieg (nach 90 min). Dieselbe Gabe und sportlicher Betätigung niedrigere
hältlichen Nahrungsergänzungsmittel führte allerdings bei Individuen, die ein Laktat- und Ammoniakwerte gemessen
zwischen Energiekonzentraten (weight Widerstandstraining absolvierten, nur zu wurden (39).
gainer), Kohlenhydratkonzentraten, Pro- einem 2,7-fachen GH-Anstieg (34). Ein etwas anderer Ansatz eines Amino-
teinkonzentraten, Sportgetränken, Mikro- Einer der stärksten physiologischen GH- säurensupplements wurde jüngst von E.
nährstoffpräparaten und Leistungs- Stimulatoren ist die sportliche Betäti- Borsheim et al. publiziert. Diese Arbeits-
förderern (ergogenen Substanzen) gung (exercise), die – abhängig von Art gruppe versuchte, mithilfe eines Amino-
unterschieden werden. und Dauer – eine bis zu fünffach erhöhte säurensupplements eine Erhöhung der
GH-Sekretion bewirken kann. Bis der GH- Skelettmuskelmasse und -stärke bei alten
L-Arginin als Sportsupplement Spiegel nach körperlicher Aktivität wie- Menschen mit bestehender Glukose-
Im Sinne dieses Reviews soll besonders der absinkt, kann es einige Stunden dau- intoleranz zu erreichen (40). Die Arbeits-
auf die Anwendung von L-Arginin als ern. Interessanterweise führt bereits eine gruppe verwendete ein kombiniertes
möglicherweise anabole Substanz einge- kurzzeitige intensive sportliche Betäti- Aminosäurensupplement bestehend aus
gangen werden. Die physiologischen Ef- gung (75% VO2max, 10 min) zu einem be- Histidin, Isoleuzin, Leuzin, Lysin, Methio-
fekte einer L-Arginingabe wie eine Hem- trächtlichen GH-Anstieg (35): Bei länger nin, Phenylalanin, Threonin, Valin und
mung der Plättchenaggregation, eine dauernder sportlicher Betätigung kommt auch Arginin. Die weitaus grössten Kon-
Verbesserung der endothelialen Vasodi- es zu einem drei- bis fünffachen Anstieg. zentrationen in diesem Supplement wa-
lation, eine verringerte Makrophagenad- Collier et al. untersuchten die Wirkung ei- ren die von Isoleuzin und Leuzin (36 bzw.
häsion an das Endothel, eine Stimulation ner L-Arginingabe (7 g) in Kombination 17%), gefolgt von Arginin und Threonin
des Wachstumshormons (growth hor- mit einer Widerstandsübung auf die GH- (10 bzw. 9,5%). In früheren Studien wurde
mone: GH) machen L-Arginin für die Sekretion (36). Bei diesem experimentel- bereits festgestellt, dass vor allem die
Sportmedizin interessant. Ausserdem ist len Ansatz erhöhte jeweils beides, also essenziellen Aminosäuren den grössten
L-Arginin eine Vorstufe des Kreatins und die L-Arginingabe und die Übungsein- Effekt auf die Proteinsynthese des Ske-
des Stickoxids NO, einem potenten Me- heit, die GH-Sekretion, wobei sich der GH- lettmuskels haben (41). Allerdings
diator des Gefässsystems. Effekt interessanterweise durch die Kom- scheint dieser Effekt im Alter abzuneh-
Im Folgenden soll auf den Zusammen- bination von L-Arginin und sportlicher men (42). Der hohe Anteil von Isoleuzin
hang von L-Arginin, GH und Muskelkraft Betätigung verringerte, im Vergleich zur und Leuzin ist darin begründet, dass vor
näher eingegangen werden, da der GH- Übungseinheit allein. Die Erklärung dafür allem Leuzin als Stimulator der muskulä-
Anstieg möglicherweise für die Stimulati- ist, dass die kombinierte Anwendung von ren Skelettmuskelsynthese gilt. Aller-
on der Proteinsynthese verantwortlich ist L-Arginin und sportlicher Betätigung eine dings gibt es auch Studien, die bezwei-
(30, 31). L-Arginin, aber auch Methionin, Feedback-Hemmung der GH-Sekretion feln, dass die essenziellen Aminosäuren
Phenylalanin, Lysin und Histidin bewirken bewirkt. Diese Arbeit bestätigte frühere für eine vermehrte Proteinsynthese nach
bei intravenöser Gabe eine enorme GH- Befunde, dass die Kombination von L-Ar- körperlicher Betätigung verantwortlich
Sekretion, da die endogene Sekretion des ginin und sportlicher Betätigung keinen sind (43). Die Ergebnisse der Arbeitsgrup-
Gegenspielers Somatostatin dabei unter- zusätzlichen Effekt auf die GH-Sekretion pe um E. Borsheim zeigen, dass die Verab-
drückt wird. Zur Stimulation der GH-Se- bringt. Im Gegensatz dazu steht eine Stu- reichung des Supplements (11 g EAS + L-
kretion ist parenteral gegebenes L-Argi- die von Colombani et al., die zeigt, dass Arginin) zweimal pro Tag zwischen den
nin prinzipiell effektiver als eine orale Marathonläufer, die 14 Tage vor dem Ma- normalen Mahlzeiten über eine Periode
Gabe. Die verwendeten Dosierungen lie- rathon täglich 15 g Arginin-Aspartat zu von 16 Wochen zu einem Anstieg der
gen zwischen 12 und 30 g. Untersuchun- sich nahmen, nach dem Lauf erhöhte GH- Lean-Body-Mass in der experimentellen
gen über die Wirksamkeit einer oralen L- Spiegel aufwiesen (37). Gruppe führte (1,14 kg nach 12 Wochen,
Argininzufuhr (Bolusapplikation) zeigten Enttäuschend ist, dass es sich beim Gross- 0,6 kg nach 16 Wochen) (40). Auch die
eine Zunahme der GH-Sekretion bei stei- teil der Studien, die untersuchten, inwie- Muskelkraft der unteren Extremitäten
genden Dosierungen bis zu 13 g L-Arginin weit sich eine L-Arginingabe positiv auf nahm signifikant zu (um 22,6%). Diese Zu-
(32). Die stärkste Sekretion ergab eine L- den Muskelstoffwechsel bei sportlicher nahme drückte sich in einer Verbesserung

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