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Hucke, Holfter: (Original-)Referendarexamensklausur – Zivilrecht: Handels- und JuS


Gesellschaftsrecht – Streitigkeiten unter Geschäftsleuten 2011,
534

(Original-)Referendarexamensklausur – Zivilrecht: Handels- und


Gesellschaftsrecht – Streitigkeiten unter Geschäftsleuten

Prof. Dr. Anja Hucke und Wiss. Mitarbeiter Marc Holfter*

Die Schwerpunkte der Klausur liegen im Handels- und Gesellschaftsrecht, ergänzt durch
kaufrechtliche Probleme. Im Mittelpunkt des ersten Teils stehen Haftungsfragen einer Vor-
Gesellschaft, Vorgründungsgesellschaft sowie von deren Gesellschaftern, der zweite Teil fokussiert
auf Rügeobliegenheiten und Aufklärungspflichten beim Handelskauf.

Sachverhalt

Am 1. 6. 2007 beschließen I, D und A mündlich, ein Unternehmen zu gründen, um damit einen


Holzhandel zu betreiben und auf Dauer einen Umsatz von mehreren Hunderttausend Euro pro Jahr
zu erzielen. Das Unternehmen, das durch Abschluss eines Gesellschaftsvertrags am 3. 9. 2007
errichtet werden soll, soll unter „IDA-Holzhandel-GmbH” firmieren. I, D und A sollen zu
alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern bestellt und vom Verbot des Selbstkontrahierens
befreit werden. Das Stammkapital soll 25000 Euro betragen.

Noch am 1. 6. 2007 kauft D, der geschäftlich sehr erfahren ist, mit Zustimmung von I und A beim
Großhändler G namens der „IDA-GmbH in Gründung” telefonisch eine Computeranlage zum Preis
von 10000 Euro. D ruft mehrmals an, da mehrere Einzelheiten des Kaufs geklärt werden müssen.
Auf Grund des Hin und Hers hält es G für sinnvoll, am nächsten Tag ein Fax an D zu schicken, um
den Abschluss des Kaufvertrags über die Computeranlage und den Liefertermin zu bestätigen. Den
Kaufpreis berichtigt G auf 12000 Euro, da dem ursprünglichen Gesamtkaufpreis von 10000 Euro
veraltete Einzelpreise zu Grunde lagen. D reagiert auf das Fax jedoch nicht. Zum versprochenen
Zeitpunkt liefert G die Computeranlage ordnungsgemäß und mangelfrei an die „GmbH i. G.”.

Am 3. 9. 2007 werden der Gesellschaftsvertrag der GmbH geschlossen und notariell beurkundet
sowie die Stammeinlagen geleistet. A kauft mit Zustimmung seiner Mitgesellschafter Maschinen und
mietet eine Halle an. Sodann nimmt die Gesellschaft den Holzhandel auf.

Vor Eintragung der GmbH ins Handelsregister geben die drei Gesellschafter allerdings die Absicht
auf, die Gesellschaft eintragen zu lassen, denn die drei sind inzwischen hoffnungslos zerstritten.

Nachdem die Gesellschaft ordnungsgemäß abgewickelt wurde, macht sich D als Einzelkaufmann mit
einem Promotion-Artikel-Handel selbstständig. Im heißen Sommer 2009 bestellt die B-GmbH, ein
Hersteller von Lutschtabletten, bei D 12000 Stück Baumkuchen. Diese sollen mit einem
Werbeaufdruck für die B-GmbH versehen und in Dosen verpackt werden. Zur Durchführung einer
Werbeaktion sollen die Baumkuchendosen direkt an verschiedene Apotheken, die allesamt Kunden
der B-GmbH sind, geliefert werden. Dies geschieht vereinbarungsgemäß. Ein Teil der Baumkuchen
ist jedoch schon vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums durch Schimmelbefall verdorben. Ob die
ausgelieferten Baumkuchen bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs mit einem Mangel behaftet
waren, der sich erst später in einem Schimmelbefall geäußert hat, kann nicht geklärt werden. Trotz
des Vorfalls verlangt D von der B-GmbH den gesamten Kaufpreis für 12000 Dosen Baumkuchen.
Den vollen Preis möchte die B-GmbH aber nicht bezahlen. Sie wendet ein, dass D nicht
„ordnungsgemäß” geliefert habe. Sie habe den Mangel gerügt, was aber einige Zeit gedauert habe
(konkret 14 Tage), weil sie nicht sofort von den Apotheken über den Mangel informiert worden sei.
Eine entsprechende Absprache habe es auch nicht gegeben. Außerdem hätte D bei Vertragsschluss
ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass eine Lagerung des Baumkuchens bei

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Zimmertemperatur oder höheren Temperaturen zum vorzeitigen Verderb führen könne. Der auf der
Unterseite der Dosen gemeinsam mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum angebrachte Hinweis „kühl
lagern” reiche nicht aus. D hingegen ist der Meinung, die B-GmbH hätte den Mangel umgehend
anzeigen müssen. Es spiele keine Rolle, dass er den Baumkuchen direkt an die Apotheken geliefert
habe. Eine ausdrückliche Informationspflicht bezüglich der Lagerung treffe ihn nicht, schließlich
habe die B-GmbH vor der Bestellung eine Musterdose mit entsprechendem Lagerungshinweis
erhalten.

Bearbeitervermerk: In einem Gutachten sind folgende Fragen zu beantworten:

1.Von wem und in welcher Höhe kann G nach Abwicklung der Gesellschaft Zahlung für die Lieferung
der Computeranlage verlangen?

2.Hat D Anspruch auf Zahlung des (vollen) Kaufpreises gegen die B-GmbH?

Gliederung

A.Ansprüche des G auf Zahlung für die Lieferung der Computeranlage

I.Gegen die „IDA-Holzhandel-GmbH” nach § 433 II BGB, § 13 II GmbHG

II.Gegen die „IDA-Holzhandel-GmbH in Gründung” nach § 433 II BGB

1.Vor-GmbHProblem: Qualifizierung einer Vor-GmbH

2.Gesellschaftsvertrag

3.Form des Gesellschaftsvertrags

III.Gegen die OHG nach § 433 II BGB, § 124 I HGB

1.Entstehung einer OHGProblem: Vorgründungsgesellschaft

2.Betrieb eines Handelsgewerbes (§§ 105 I i.V. mit 1 II HGB)

3.Eintragung in das Handelsregister (§ 105 II HGB)

IV.Gegen die BGB-Gesellschaft analog § 433 II BGB, § 124 I HGB

1.Entstehung einer BGB-Gesellschaft

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2.Rechtsfähigkeit der BGB-GesellschaftProblem: Rechtsfähigkeit einer GbR

a)Individualistische Theorie

b)Gruppenlehre

3.Kaufvertrag zwischen G und der BGB-Gesellschaft

a)Vertretung der BGB-Gesellschaft

b)Inhalt des KaufvertragsProblem: Kaufmännisches Bestätigungsschreiben

aa)Teilnahme am Verkehrsleben wie ein Kaufmann

bb)Vorverhandlungen/Abschluss eines Kaufvertrags

cc)Zeitlicher Zusammenhang

dd)Schutzwürdigkeit des Bestätigenden

4.Anspruch untergegangen

V.Gegen I, D und A als Gesellschafter der GbR nach § 433 II BGBProblem: Haftung der Gesellschafter für
Verbindlichkeit einer GbR

1.Theorie der Doppelverpflichtung

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2.Akzessorietätstheorie

VI.Gegen I, D und A als Gesellschafter der BGB-Gesellschaft analog § 128 HGB i.V. mit § 433 II BGB, § 124 I
HGB analog

VII.Gegen D nach § 11 II GmbHG

B.Anspruch des D gegen die B-GmbH

I.Kaufrechtliche Ansprüche

1.Kaufvertrag

2.Kein Ausschluss

a)RügeobliegenheitProblem: Rügepflicht bei Lieferung an Dritten

b)Nachfristsetzung

II.Anspruch der B-GmbH auf Schadensersatz wegen Verletzung von Aufklärungspflichten (§§ 280 I i.V. mit
241 II BGB)

1.Schuldverhältnis

2.PflichtverletzungProblem: Hinweispflicht bei leicht verderblicher Ware

Lösung

A. Ansprüche des G auf Zahlung für die Lieferung der Computeranlage

I. Gegen die „IDA-Holzhandel-GmbH” nach § 433 II BGB, § 13 II GmbHG

Da eine GmbH gem. § 13 I GmbHG rechtsfähig ist und das Gesellschaftsvermögen gem. § 13 II
GmbHG für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet, könnte G die „IDA-Holzhandel-GmbH” auf
Zahlung1 nach § 433 II BGB in Anspruch nehmen, wenn zwischen beiden ein wirksamer
Kaufvertrag gem. § 433 BGB zu Stande gekommen ist. Dies setzt voraus, dass die „IDA-
Holzhandel-GmbH” entstanden ist und von ihren Geschäftsführern (§ 35 I GmbHG) wirksam beim
Vertragsschluss mit G vertreten wurde. Vor der Eintragung besteht eine GmbH als solche nicht (§
11 I GmbHG). Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass die Entstehung einer GmbH deren
Eintragung in das (elektronische) Handelsregister voraussetzt. Die Eintragung wirkt somit
konstitutiv2. Eine Eintragung der „IDA-Holzhandel-GmbH” ins Handelsregister ist hier aber gerade
nicht erfolgt. Vielmehr wurde die Eintragungsabsicht aufgegeben. Die „IDA-Holzhandel-GmbH” ist
folglich nicht entstanden und kann somit auch nicht Schuldnerin eines Kaufpreisanspruchs sein.

II. Gegen die „IDA-Holzhandel-GmbH in Gründung” nach § 433 II BGB

1. Vor-GmbH

Mit Abschluss eines (notariellen) Gesellschaftsvertrages entsteht die GmbH in Gründung (sog. Vor-
GmbH) und damit die GmbH als Rechtsträgerin3. Ihrer Rechtsnatur nach ist die Vor-GmbH weder
eine BGB-Gesellschaft noch ein nicht rechtsfähiger Verein oder eine OHG. Vielmehr handelt es sich
um ein gesellschaftsrechtliches Gebilde sui generis, auf das grundsätzlich die nach
Registereintragung geltenden Regelungen des GmbHG anzuwenden sind, sofern diese nicht gerade
die Eintragung voraussetzen4. Die Vor-GmbH kann Trägerin von Rechten und Pflichten sein, also
auch Schuldnerin eines Kaufpreiszahlungsanspruchs5. Dass bereits zu diesem Zeitpunkt ein
gesellschaftsrechtliches Konstrukt entsteht, zeigt § 7 II, III GmbHG, wonach Vorgaben zur
Erbringung des Stammkapitals bereits vor Anmeldung der Gesellschaft zu beachten sind. Somit
kann die „IDA-Holzhandel-GmbH in Gründung” (Vor-GmbH) auf Zahlung nach § 433 II BGB in

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Anspruch genommen werden, sofern die „IDA-Holzhandel-GmbH in Gründung” wirksam entstanden


ist und von ihren Geschäftsführern beim Vertragsschluss mit G vertreten wurde.

2. Gesellschaftsvertrag

Die Entstehung einer Vor-GmbH setzt den Abschluss eines wirksamen Gesellschaftsvertrages
voraus. Die Gesellschafter müssten also formwirksam mit Rechtsbindungswillen Erklärungen
abgeben, die hinreichend bestimmt die rechtliche Struktur der zu gründenden GmbH sowie die
Beteiligungsverhältnisse erkennen lassen6. Die Erklärungen von I, D und A sind mit
Rechtsbindungswillen abgegeben worden. Des Weiteren ist die rechtliche Struktur der zu
gründenden GmbH hinreichend bestimmt, weil beispielsweise die Höhe des Stammkapitals sowie
Vertretungsverhältnisse ausdrücklich festgelegt sind.

3. Form des Gesellschaftsvertrags

Ein GmbH-Vertrag ist jedoch nur dann formwirksam, wenn er den Anforderungen des § 2 GmbHG
entspricht. Gemäß § 2 I GmbHG bedarf der Gesellschaftsvertrag einer notariellen Beurkundung7.
Diese lag hier am 1. 6. 2007 nicht vor. Daher wurde zu diesem Zeitpunkt keine GmbH errichtet.
Mithin war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit G keine Vor-GmbH entstanden, die auf
Zahlung in Anspruch

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genommen werden könnte. Vielmehr befand sich die „IDA-Holzhandel-GmbH” zum Zeitpunkt des
Vertragsschlusses mit G noch im Vorgründungsstadium (sog. Vorgründungsgesellschaft). Auch
wenn später – am 3. 9. 2007 – formwirksam ein GmbH-Vertrag zwischen I, D und A geschlossen
wurde, führt dies nicht zur Haftung der seit diesem Zeitpunkt bestehenden Vor-GmbH gegenüber
G. Verbindlichkeiten aus dem Vorgründungsstadium gehen nämlich nicht automatisch auf die Vor-
GmbH und mit Handelsregistereintragung auf die GmbH über8. Vielmehr braucht es dafür eine
Schuldübernahme9. Schließlich besteht zwischen Vorgründungsgesellschaft und Vor-GmbH keine
Identität (anders als bei der Vor-GmbH und der GmbH)10. Die Vorgründungsgesellschaft ist kein
Vorläufer der GmbH, sondern auf Vorbereitungshandlungen beschränkt.

Infolgedessen kann G nicht die am 3. 9. 2007 entstandene Vor-GmbH nach § 433 II BGB auf
Zahlung in Anspruch nehmen.

III. Gegen die OHG nach § 433 II BGB, § 124 I HGB

1. Entstehung einer OHG

Nach § 124 I HGB kann eine OHG Träger von Rechten und Pflichten sein. Sie wird grundsätzlich
durch ihre Gesellschafter nach § 125 I HGB vertreten (Einzelvertretungsbefugnis). Der
Zusammenschluss zwischen I, D und A mit dem Zweck, eine GmbH zu gründen, stellt zumindest
eine BGB-Gesellschaft als Innengesellschaft i.S. von § 705 BGB dar. Eine mögliche Formnichtigkeit
des von I, D und A am 1. 6. 2007 geschlossenen Gesellschaftsvertrags nach § 2 I GmbHG ist an
dieser Stelle unbedeutend. Denn schließen die Gründer einer künftigen GmbH schon vor der
ordnungsgemäßen Errichtung der GmbH gemeinsam unter der Bezeichnung der in Wahrheit noch
nicht errichteten GmbH („GmbH in Gründung”) Rechtsgeschäfte ab, entsteht auf Grund des
Rechtsformzwangs, unabhängig vom Vorhandensein einer vertraglich vereinbarten Gesellschaft,

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eine Personengesellschaft11. Eine etwaige Formnichtigkeit des Gesellschaftsvertrags betrifft


lediglich die Innengesellschaft. Durch den Abschluss von Rechtsgeschäften mit Dritten entsteht
dagegen wirksam eine Außengesellschaft12. Diese Außengesellschaft ist dann eine OHG, wenn sie
auf den Betrieb eines Handelsgewerbes i.S. von §§ 105 I i.V. mit 1 II HGB gerichtet oder nach §
105 II HGB in das Handelsregister eingetragen ist. Andernfalls ist sie als GbR zu qualifizieren.

2. Betrieb eines Handelsgewerbes (§§ 105 I i.V. mit 1 II HGB)

Eine OHG wäre gegründet worden, wenn sich I, D und A zu dem Zweck zusammengeschlossen
hätten, unter gemeinschaftlicher Firma ein Handelsgewerbe zu betreiben (§ 105 I HGB).
Handelsgewerbe meint in diesem Sinne nach § 1 II HGB jeden Gewerbebetrieb, es sei denn, dass
das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten
Geschäftsbetrieb nicht erfordert. Ein Gewerbe ist nach der Rechtsprechung jede selbstständige,
nach außen gerichtete und planmäßige Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht mit Ausnahme der
freien Berufe13.

Die Tätigkeit des Zusammenschlusses von I, D und A mit dem Zweck, die Gründung einer GmbH
vorzubereiten, stellt kein Handelsgewerbe i.S. von § 1 II HGB dar. Es fehlt schon am Betrieb eines
Gewerbes, da dieses insbesondere marktorientiertes Tätigwerden, wie das Angebot von Waren oder
Leistungen, voraussetzt14. Dazu reicht es nicht aus, wenn lediglich der eigene Bedarf gedeckt
wird15. Auch sind neben dem Vertragsschluss mit G keine weiteren Geschäfte mit Dritten
geschlossen worden und waren zur Vorbereitung der Gründung der GmbH auch nicht notwendig.
Kaufmännische Einrichtungen i.S. von § 1 II HGB sind mithin nicht erforderlich. Bloße
Vorbereitungshandlungen reichen nicht aus, um einen Gewerbebetrieb zu bejahen. Der
Zusammenschluss zwischen I, D und A betreibt kein Handelsgewerbe.

3. Eintragung in das Handelsregister (§ 105 II HGB)

Eine Eintragung ins Handelsregister ist laut Sachverhalt nicht erfolgt. Vielmehr wurde die
Eintragungsabsicht aufgegeben. Die Voraussetzungen nach § 105 II HGB sind folglich nicht erfüllt.

Es ist keine OHG entstanden, die von G in Anspruch genommen werden könnte.

IV. Gegen die BGB-Gesellschaft analog § 433 II BGB, § 124 I HGB

1. Entstehung einer BGB-Gesellschaft

Durch den Zusammenschluss von I, D und A mit dem Zweck, eine GmbH zu gründen, ist eine
Gesellschaft entstanden. Diese war keine OHG. Stattdessen ist eine GbR entstanden. Diese kann
von G allerdings nur dann auf Zahlung des Kaufpreises in Anspruch genommen werden, wenn sie
selbst überhaupt Schuldnerin eines Kaufpreisanspruchs sein kann.

2. Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft

Die §§ 705ff. BGB vermitteln für die BGB-Gesellschaft keine dem § 124 I HGB entsprechende
Klarheit, ob eine GbR überhaupt rechtsfähig ist. Entscheidend ist also, wen man als Träger der GbR
ansieht. In Betracht kommen dabei sowohl die Gesamthand als Rechtssubjekt als auch die zur
Gesamthand verbundenen Gesellschafter selbst. Hierzu bestehen zwei voneinander verschiedene
Ansichten.

a) Individualistische Theorie

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Die früher weitverbreitete sog. individualistische Theorie stellte ausschließlich auf die Gesellschafter
als Zuordnungssubjekte der die Gesellschaft betreffenden Rechte und Pflichten ab16. Hiernach soll
die BGB-Gesellschaft nur in vermögensrechtlicher

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Hinsicht verselbstständigt sein. Das Gesellschaftsvermögen sei ein Sondervermögen. Dieses sei von
dem Privatvermögen der Gesellschafter zu trennen. Gläubiger und Schuldner sei aber nicht die
Gesellschaft selbst, sondern seien stets lediglich die Gesellschafter17. Schließlich vertrete jeder
Gesellschafter, der im Rahmen seiner Vertretungsmacht handelt, die anderen Gesellschafter und
handele zugleich auch für sich selbst18. Insbesondere die vermögensrechtlichen Bestimmungen zur
Gesamthand (vgl. §§ 718 I, 706 II 1 BGB) würden dies zeigen. Darüber hinaus spreche auch § 736
ZPO, wonach zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ein gegen alle Gesellschafter
ergangenes Urteil erforderlich ist, dafür. Nach alledem sei das Gesamthandsprinzip ein Prinzip der
Vermögenszuordnung. Folglich könne das Gesamthandsvermögen als ein Sondervermögen nur als
Haftungsmasse dienen. Nach dieser Ansicht kann G die BGB-Gesellschaft nicht nach § 433 II BGB
in Anspruch nehmen.

b) Gruppenlehre

Die individualistische Theorie hat der BGH im Urteil „Weißes Ross” zurückgewiesen19. Vielmehr ist
nach der heute ganz überwiegenden Ansicht die (Außen-)BGB-Gesellschaft rechtsfähig, soweit sie
durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet20. Eine BGB-
Außengesellschaft könne demnach als Teilnehmerin am Rechtsverkehr jede Rechtsposition
einnehmen, soweit nicht spezielle rechtliche Gesichtspunkte entgegenstünden21. Nicht die
Gesellschafter, sondern analog § 124 I HGB die von ihnen errichtete Gesellschaft als „Gruppe” sei
Trägerin der gesellschaftsbezogenen Rechte und Pflichten (daher auch die Bezeichnung als
„Gruppenlehre”)22. Es kommt somit zu einer Annäherung an die Rechtslage bei OHG und KG und
damit zu einer Vereinfachung der Behandlung von Personengesellschaften insgesamt.

Begründet wird diese Auffassung zunächst damit, dass die traditionelle Auffassung konzeptionelle
Schwächen aufweise23. So vermag die individualistische Theorie nicht zu erklären, dass der
einzelne Gesellschafter zwar Rechtsträger sein, entgegen § 903 BGB aber keine
Verfügungsbefugnis haben soll24. Liege die Verfügungsbefugnis bei der Gruppe, sei es nur
folgerichtig, der Gruppe auch die Rechtsinhaberschaft zuzuweisen25. Außerdem müsse wegen des
Grundsatzes der Identität der Personengesellschaften auch eine BGB-Gesellschaft die Fähigkeit
besitzen, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Betreibe nämlich eine GbR ein Handelsgewerbe,
werde sie ohne Weiteres zur OHG, sobald das Unternehmen einen in kaufmännischer Weise
eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordere (vgl. §§ 105 I i.V. mit 1 II HGB). Da die Grenze zwischen
BGB-Gesellschaft und OHG auf Grund dieses Kriteriums fließend sei, sei die Rechtssubjektsfähigkeit
der BGB-Gesellschaft dieselbe wie die der OHG26.

Nach diesem Ansatz könnte G die BGB-Gesellschaft selbst analog § 433 II BGB, § 124 I HGB auf
Zahlung in Anspruch nehmen, wenn zwischen beiden ein wirksamer Kaufvertrag zu Stande
gekommen ist.

Die besseren Gründe sprechen für die herrschende Ansicht, da diese insbesondere eine lückenlose
Eingliederung der BGB-Gesellschaft in das System der Personengesellschaften ermöglicht27. Es

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kommt darauf an, ob und zu welchen Bedingungen zwischen G und der BGB-Gesellschaft ein
wirksamer Kaufvertrag zu Stande gekommen ist.

3. Kaufvertrag zwischen G und der BGB-Gesellschaft

a) Vertretung der BGB-Gesellschaft

Voraussetzung für das Vorliegen eines wirksamen Kaufvertrages zwischen G und der BGB-
Gesellschaft ist insbesondere, dass die GbR ordnungsgemäß vertreten worden ist. Dies setzt ein
Handeln im Namen der Gesellschaft und Vertretungsmacht des handelnden D voraus.

D handelt vorliegend in Namen der „IDA-Holzhandel-GmbH in Gründung”. Da weder eine Vor-GmbH


noch eine GmbH entstanden ist, bezeichnet D den Rechtsträger, für den er handelt, falsch. Nach
den Grundsätzen über das unternehmensbezogene Handeln wird in diesen Fällen der wahre
Rechtsträger aus dem Geschäft berechtigt und verpflichtet28. Die von D abgegebene Erklärung ist
mithin als ein Handeln im Namen der BGB-Gesellschaft auszulegen.

Vertretungsmacht steht den Gesellschaftern einer GbR grundsätzlich nur gemeinsam zu (vgl. §§
714 i.V. mit 709 I BGB). Allerdings kommt es im konkreten Fall auf diese Regelung nicht an, da D
mit Zustimmung von I und A handelte. Mithin wurde die BGB-Gesellschaft ordnungsgemäß
vertreten.

b) Inhalt des Kaufvertrags

Ein Kaufvertrag wird geschlossen durch Abgabe und Zugang von zwei einander korrespondierenden
Willenserklärungen, Angebot und Annahme, nach den §§ 145ff. BGB. Die Parteien waren sich am 1.
6. 2007 über den Kauf einer Computeranlage zum Preis von 10000 Euro einig. Allerdings wurde der
Kaufpreis von G einseitig einen Tag später per Fax geändert und soll nun 12000 Euro betragen.
Fraglich sind die diesbezügliche rechtliche Qualifikation des Schreibens und die damit
einhergehende Rechtsfolge. Eine Modifikation des Inhalts eines bereits geschlossenen Vertrags
kommt nur in Betracht, wenn es sich bei dem Schreiben um ein echtes kaufmännisches
Bestätigungsschreiben handelt.

D reagierte auf das Fax des G nicht. Grundsätzlich stellt Schweigen keine Willenserklärung dar.
Gewohnheitsrechtlich gilt jedoch etwas anderes, wenn ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben
in Rede steht. In diesem Fall muss der Empfänger eines solchen Bestätigungsschreibens
unverzüglich widersprechen, wenn er den Inhalt des Schreibens nicht

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gegen sich gelten lassen will29. Damit die Grundsätze über das kaufmännische
Bestätigungsschreiben eingreifen, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein.

aa) Teilnahme am Verkehrsleben wie ein Kaufmann. Absender und Empfänger müssen entweder
Kaufleute sein oder am Rechtsverkehr wie Kaufleute teilnehmen. G ist Kaufmann nach § 1 II HGB.
D war im Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens des G kein Kaufmann i.S. von § 1 II HGB. Auch
handelte es sich bei der „IDA-Holzhandel-GmbH in Gründung” nicht um eine OHG, sondern um eine
BGB-Gesellschaft (s. o.). Diese kann kein Handelsgewerbe betreiben, ohne per se zu einer OHG zu
werden.

Da die Grundsätze über das kaufmännische Bestätigungsschreiben ursprünglich ein Handelsbrauch


waren, galten sie früher nur unter Kaufleuten30. Inzwischen ist der Anwendungsbereich aber

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ausgeweitet worden. Bezüglich des Empfängers fordert der BGH für die Anwendung der Regeln
über das Bestätigungsschreiben, dass dieser in ähnlicher Weise wie ein Kaufmann am
Verkehrsleben teilnimmt und man von ihm daher die Beachtung kaufmännischer Verkehrssitten und
einer kaufmannsähnlichen Betriebsorganisation erwarten kann31. D nimmt als in Aussicht
stehender GmbH-Gesellschafter und Geschäftsführer in solcher Weise am Rechtsverkehr teil, so
dass von ihm die Beachtung kaufmännischer Verkehrssitten erwartet werden kann32. Auch bestellte
er die Bürotechnik namens der „IDA-Holzhandel-GmbH in Gründung”. G konnte darauf vertrauen,
dass die hinter D stehende Gesellschaft am Handelsverkehr teilnimmt und mit den diesbezüglichen
Bräuchen vertraut ist. Mithin ist D tauglicher Adressat der Regeln über das kaufmännische
Bestätigungsschreiben.

bb) Vorverhandlungen/Abschluss eines Kaufvertrags. Es liegt ein telefonischer Vertragsschluss vor.


Beide Parteien gingen davon aus, dass ein Kaufvertrag über die Computeranlage zum Kaufpreis von
10000 Euro zu Stande gekommen war. Keine Vertragsannahme liegt regelmäßig im Schweigen auf
eine „Auftragsbestätigung”. Eine solche könnte hier vorliegen. Jedoch ist zur Abgrenzung zum
kaufmännischen Bestätigungsschreiben entscheidend, ob das Schreiben nach seinem Inhalt den
Vertrag erst zu Stande bringen (dann Auftragsbestätigung) oder das Ergebnis vorangegangener
Vertragsverhandlungen festlegen soll (dann kaufmännisches Bestätigungsschreiben)33. Bei dem
Fax handelt es sich nicht nur um eine Auftragsbestätigung. Es gingen Vertragsverhandlungen und
ein Vertragsschluss voraus.

cc) Zeitlicher Zusammenhang. Das Bestätigungsschreiben muss dem Empfänger in einem engen
zeitlichen Zusammenhang zugegangen sein. Das Fax des G ist dem D einen Tag nach den
Vertragsverhandlungen, mithin zeitnah, zugegangen.

dd) Schutzwürdigkeit des Bestätigenden. G müsste auch schutzwürdig sein. Der Bestätigende kann
sich nicht auf den Erklärungswert des Schweigens des anderen Teils berufen, wenn Umstände
vorliegen, die ihn nicht schutzwürdig erscheinen lassen34. Dies ist insbesondere bei bewusst
unrichtiger Bestätigung oder einer starken inhaltlichen Abweichung vom Verhandlungsergebnis
gegeben35. Vorliegend ist die Abweichung des neuen Kaufpreises gegenüber dem alten mit 20% so
hoch, dass der Vertragsinhalt nicht modifiziert wird36.

Festzuhalten bleibt, dass ein Kaufvertrag geschlossen wurde, der den Kauf einer Computeranlage
beinhaltete. Der Kaufpreis beträgt 10000 Euro.

4. Anspruch untergegangen

Der Anspruch auf Kaufpreiszahlung gegen die GbR ist auch nicht durch einen möglichen Übergang
auf die damals noch zu gründende GmbH erloschen. Die Haftung einer BGB-Gesellschaft für
Verbindlichkeiten, die sie vorweg für die erst noch zu gründende GmbH eingeht, endet mit der
Errichtung oder Eintragung der GmbH in das Handelsregister schließlich nur dann, wenn das mit
dem Gläubiger vereinbart worden ist37. Das Handeln für eine nicht existierende „GmbH in
Gründung” reicht hierfür nicht aus38. Eine Vereinbarung mit G, wonach die BGB-Gesellschaft nicht
mehr für den Zahlungsanspruch nach § 433 II BGB haften sollte, wurde nicht getroffen.

G steht gegen die BGB-Gesellschaft ein Anspruch auf Zahlung von 10000 Euro analog § 433 II
BGB, § 124 I HGB zu.

V. Gegen I, D und A als Gesellschafter der GbR nach § 433 II BGB

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G hätte auch gegen I, D und A einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung nach § 433 II BGB, wenn I, D
und A ebenfalls Vertragspartner geworden wären. Dafür hätte D alle Personen wirksam vertreten
müssen. Als Folge der hier angenommenen Rechtsfähigkeit der Gesamthand wird die Gesellschaft
selbst vertreten und daher Vertragspartei. Umstritten ist hierbei jedoch, ob daneben auch im
Namen der Gesellschafter gehandelt (sog. Doppelverpflichtungslehre) oder ob allein die
Gesellschaft Vertragspartei wird (sog. Akzessorietätstheorie).

1. Theorie der Doppelverpflichtung

Nach der Theorie der Doppelverpflichtung wird durch das Handeln der Vertreter eine Verbindlichkeit
sowohl für die Gesellschaft als auch für die Gesellschafter begründet39. Die Gesellschaft haftet
demnach mit dem Gesellschaftsvermögen und die Gesellschafter mit dem Privatvermögen40. Dies
ist darauf zurückzuführen, dass nach dieser Ansicht ein Vertreter sowohl im Namen der Gesellschaft
als auch im Namen der Gesellschafter handelt.

2. Akzessorietätstheorie

Die Akzessorietätstheorie hingegen besagt, dass zunächst eine Schuld der Gesellschaft entsteht, für
die diese mit dem

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Gesellschaftsvermögen haftet. Die Gesellschafter haften für die Gesellschaftsverbindlichkeiten


allerdings nach dieser Meinung akzessorisch mit (analog §§ 128ff. HGB)41. Dies bedeutet
wiederum, dass nur die Gesellschaft vertreten wird. Die Haftung der Gesellschafter besteht damit
nicht kraft Rechtsgeschäfts, sondern kraft Gesetzes42.

Die Lehre von der Doppelverpflichtung wirkt sehr künstlich, da diese auf rein erfundenen
Willenserklärungen basiert. Der Akzessorietätstheorie ist damit der Vorzug zu geben43. I, D und A
sind also nicht kraft Rechtsgeschäfts Partei des Kaufvertrags mit G geworden. Dieser hat keinen
Anspruch gegen die drei Gesellschafter nach § 433 II BGB.

VI. Gegen I, D und A als Gesellschafter der BGB-Gesellschaft analog § 128 HGB i.V. mit §
433 II BGB, § 124 I HGB analog

G kann auch I, D und A neben der GbR als Gesamtschuldner (§§ 421ff. BGB) auf Kaufpreiszahlung
in Anspruch nehmen. Diese haften als Gesellschafter akzessorisch mit dem Privatvermögen für
Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§ 128 HGB analog).

VII. Gegen D nach § 11 II GmbHG44

Die Handelndenhaftung nach § 11 II GmbHG gilt nicht im Vorgründungsstadium, sondern erst ab


Entstehung der Vor-GmbH45. Des Weiteren sind keine überzeugenden Argumente für eine
Rechtfertigung der Anwendung im Vorgründungsstadium ersichtlich. Schließlich haften sowohl die
Vorgründungsgesellschaft als auch die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten. Bei
Vertragsabschluss mit G am 1. 6. 2007 befand sich die GmbH-Gründung erst im
Vorgründungsstadium. § 11 II GmbHG ist nicht anwendbar.

B. Anspruch des D gegen die B-GmbH

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Grundsätzlich hat D gegen die B-GmbH einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises für 12000
Dosen Baumkuchen aus § 433 II BGB. Ein anderes Ergebnis könnte sich allerdings ergeben, wenn
der B-GmbH selbst Ansprüche gegen D wegen der verschimmelten Baumkuchen zustünden, die sie
D entgegenhalten kann.

I. Kaufrechtliche Ansprüche

Als einziges den Interessen der B-GmbH gerecht werdendes Gewährleistungsrecht kommt
vorliegend die Minderung des Kaufpreises nach § 441 I BGB in Betracht. Die Minderung ist ein
Gestaltungsrecht und entfaltet bei Ausübung ohne Weiteres Rechtswirkung. Dafür müssen jedoch
unterschiedliche Voraussetzungen gegeben sein.

1. Kaufvertrag

Ein Kaufvertrag gem. § 433 BGB liegt zwischen D und der B-GmbH vor.

2. Kein Ausschluss46

Als Ausschlussgründe kommen im konkreten Fall sowohl § 377 III HGB als auch die fehlende
Fristsetzung nach § 323 I BGB in Betracht.

a) Rügeobliegenheit

Gemäß § 377 III HGB gilt bei einem Handelskauf die Ware als genehmigt, wenn der Käufer einen
verdeckten Mangel nicht rechtzeitig rügt. Dies muss auch dann gelten, wenn der Verkäufer wie in
diesem Fall die Kaufsache auf Anweisung des Käufers an einen Dritten liefert. Da den Käufer auch
in solchen Fällen generell eine Rügepflicht trifft, hat der Käufer dafür zu sorgen, dass der Abnehmer
ihn so bald wie möglich von Mängeln unterrichtet. Bei einer vermeidbaren Verzögerung der
Mängelanzeige muss sich der Käufer den aus § 377 III HGB folgenden Rechtsnachteil vom
Verkäufer entgegenhalten lassen47.

Es handelt sich vorliegend um einen Handelskauf. D ist (Einzel-)Kaufmann, die B-GmbH


Formkaufmann gem. § 13 III GmbHG, § 6 I HGB. Die Baumkuchendosen wurden direkt an die
Apotheken ausgeliefert, so dass die B-GmbH dafür Sorge tragen musste, dass eventuell
vorhandene oder später zu Tage tretende Mängel umgehend an sie (B) weiterleitet werden48. Eine
entsprechende Vereinbarung hat die B-GmbH mit den belieferten Apotheken jedoch nicht getroffen.
Dabei kann zu Gunsten der B-GmbH davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem bei
Gefahrübergang etwa vorhandenen Schimmelbefall um einen verdeckten Mangel handelt, der mit
bloßem Auge nicht erkennbar war. Es kann unterstellt werden, dass eine einfache Untersuchung
etc. bei Gefahrübergang keine Verdachtsgründe ergeben hätte. Mangels Abrede mit den Apotheken
dauerte es 14 Tage, bis die B-GmbH von den aufgetretenen Mängeln erfuhr und dem D gegenüber
rügte. Die Rüge erfolgte somit nicht unverzüglich, so dass die Genehmigungsfiktion nach § 377 III
HGB eingetreten ist. Ein arglistiges Verhalten des D kann nicht unterstellt werden.

b) Nachfristsetzung

Etwaige Gewährleistungsrechte scheitern im Übrigen daran, dass die B-GmbH den D nicht
aufgefordert hat, den Mangel zu beseitigen. Das Minderungsrecht des Käufers setzt grundsätzlich
voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt
hat49. Die B-GmbH hat den D nicht zur Nacherfüllung aufgefordert. Auch liegen keine

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Ausnahmefälle i.S. des § 440 BGB vor, desgleichen gibt es keine Anhaltspunkte für das Vorliegen
eines Fixgeschäfts.

Ein Minderungsrecht der B-GmbH ist aus den genannten Gründen ausgeschlossen.

Hucke, Holfter: (Original-)Referendarexamensklausur – Zivilrecht: Handels-


und Gesellschaftsrecht – Streitigkeiten unter Geschäftsleuten(JuS 2011, 540
534)

II. Anspruch der B-GmbH auf Schadensersatz wegen Verletzung von


Aufklärungspflichten (§§ 280 I i.V. mit 241 II BGB)

§ 377 HGB erfasst nur solche Rechte, die sich aus der Mangelhaftigkeit der Sache selbst ergeben.
Deren Geltendmachung ist bei verspäteter Rüge ausgeschlossen. Nicht ausgeschlossen sind
Ansprüche, die auf der Verletzung von Nebenpflichten beruhen.

1. Schuldverhältnis

Ein Schuldverhältnis liegt in Form des Kaufvertrags vor.

2. Pflichtverletzung

Die B-GmbH wirft D vor, sie nicht ausdrücklich auf das Erfordernis einer kühlen Lagerung des
Baumkuchens hingewiesen zu haben. Nach st. Rspr. des BGH besteht bei Vertragsverhandlungen,
in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, für jeden Vertragspartner die Pflicht,
den anderen Teil über die Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln
können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung
nach der Verkehrsauffassung erwarten konnte50. Vom Verkäufer kann nach Treu und Glauben
unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung eine Mitteilung über solche Umstände erwartet
werden, die nur ihm bekannt sind oder bekannt sein müssen und von denen er weiß oder wissen
muss, dass sie für den Käufer von wesentlicher Bedeutung sind51. Ein Käufer von Baumkuchen
muss nach diesen Grundsätzen nicht ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass der Verderb
der Ware vor Ablauf des angegebenen Mindesthaltbarkeitsdatums droht, wenn die Ware entgegen
dem nach § 7 V LMKV auf der Ware angebrachten Hinweis, dem er entnehmen kann, dass die
Mindesthaltbarkeit nur bei kühler Lagerung gewährleistet ist, gelagert wird52. Einem verständigen
Käufer ist bekannt, dass die Mindesthaltbarkeit bestimmter Lebensmittel nur bei Einhaltung
bestimmter Temperaturen gewährleistet ist, insbesondere, wenn das Lebensmittel wie hier
vorwiegend aus Ei und Schokolade besteht53. Den ausreichenden Hinweis auf die erforderliche
kühle Lagerung erhielt die B-GmbH durch den Dosenaufdruck. Dies geschah auch bereits vor
Vertragsschluss, da D ihr eine Musterdose zur Verfügung gestellt hatte. Weitergehende
Hinweispflichten, z.B. durch einen speziellen Kartonaufdruck oder einen Hinweis auf den
Frachtpapieren, existieren nicht54. Mithin liegt keine Pflichtverletzung des D vor.

Die B-GmbH hat gegen D keinen Anspruch auf Schadensersatz. D kann somit von der B-GmbH den
vollen Kaufpreis für 12000 Dosen Baumkuchen verlangen.

* Die Autorin Hucke ist Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels- und
Gesellschaftsrecht, deutsches und europäisches Wirtschafts- und Unternehmensrecht an der
Universität Rostock sowie Richterin am OLG Rostock; der Autor Holfter ist Wiss. Mitarbeiter und
Doktorand an diesem Lehrstuhl. – Die fünfstündige Klausur wurde im staatlichen Pflichtfach der

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Ersten Juristischen Prüfung im Herbsttermin 2009 in Mecklenburg-Vorpommern gestellt. Im


Durchschnitt wurden von den Bearbeitern 5,18 Punkte erzielt.
1 Die Frage, mit welchem Inhalt der Kaufvertrag geschlossen wurde, insb. wie hoch nun der
tatsächl. Kaufpreis ist, wird später beantwortet. Jedoch ist es auch vertretbar, dies schon an dieser
Stelle anzusprechen.
2 Vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. (2010), § 11 Rdnr. 2; Roth, in:
Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. (2009), § 11 Rdnr. 2.
3 Vgl. Eisenhardt, GesellschaftsR, 13. Aufl. (2007), Rdnr. 689; Karsten Schmidt, GesellschaftsR, 4.
Aufl. (2002), § 34 III 3; Wicke, GmbHG, 2008, § 11 Rdnr. 3. Ähnl. zur Vorgründungsproblematik
bei der GmbH Lettl, JuS 2006, 912.
4 Vgl. BGHZ 117, 323 (326) = NJW 1992, 1824; Eisenhardt (o. Fußn. 3), Rdnr. 690; Karsten
Schmidt (o. Fußn. 3), § 34 III 3.
5 Vgl. BGHZ 80, 129 (129) = NJW 1981, 1373; BGH, NJW 1998, 1079 (1080).
6 Vgl. Karsten Schmidt (o. Fußn. 3), § 34 II .
7 Daran ändert auch die Reform des GmbHG zum 1. 11. 2008 (vgl. hierzu Körber/Kliebisch, JuS
2008, 1041) nichts. Selbst wenn das vereinfachte Gründungsverfahren unter Verwendung des
Musterprotokolls gewählt wird, ist dieses notariell zu beurkunden (vgl. § 2 I a 5 GmbHG).
8 Vgl. BGHZ 91, 148 (151) = NJW 1984, 2164; BGH, NJW 1998, 1645.
9 Vgl. BGH, NJW 1998, 1645 (1645).
10 Vgl. BGHZ 91, 148 (151f.) = NJW 1984, 2164.
11 Vgl. Kübler/Assmann, GesellschaftsR, 6. Aufl. (2006), § 25 I 2c; Karsten Schmidt (o. Fußn. 3), §
34 III 2b; Wicke (o. Fußn. 3), § 11 Rdnr. 2; Windbichler, GesellschaftsR, 22. Aufl. (2009), § 21
Rdnr. 17.
12 Vgl. Karsten Schmidt, (o. Fußn. 3), § 11 II 2c.
13 Vgl. BGHZ 33, 321 (324f.) = NJW 1961, 725.
14 Vgl. schon BGHZ 33, 321 (325) = NJW 1961, 725.
15 Vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. (2010), § 1 Rdnrn. 15ff.; Kindler, in:
Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB I, 2. Aufl. (2008), § 1 Rdnr. 22; Roth, in: Koller/Roth/Morck,
HGB, 6. Aufl. (2007), § 1 Rdnr. 6.
16 Vgl. BGHZ 146, 341 (344f.) = NJW 2001, 1056, m.Anm. Timme/Hülk, JuS 2001, 536; Kindler,
Grundkurs Handels- u. GesellschaftsR, 2. Aufl. (2007), § 10 Rdnr. 58; Windbichler (o. Fußn. 11), §
2 Rdnr. 4.
17 Vgl. BGHZ 34, 293 (296) = NJW 1961, 1022; Berndt/Boin, NJW 1998, 2854 (2856).
18 Vgl. Windbichler (o. Fußn. 11), § 9 Rdnr. 11.
19 Vgl. BGHZ 146, 341 (341ff.) = NJW 2001, 1056, m. Anm. Timme/Hülk, JuS 2001, 536.
20 Ebda.
21 Ebda.
22 Vgl. Eisenhardt (o. Fußn. 3), Rdnr. 71; Kindler (o. Fußn. 16), § 10 Rdnr. 59.
23 Vgl. BGHZ 146, 341 (341ff.) = NJW 2001, 1056, m.Anm. Timme/Hülk, JuS 2001, 536.
24 Vgl. Grunewald, GesellschaftsR, 7. Aufl. (2008), 1 A Rdnr. 98; Kindler (o. Fußn. 16), § 10 Rdnr.
60.
25 Ebda.
26 Vgl. BGHZ 146, 341 (346) = NJW 2001, 1056, m. Anm. Timme/Hülk, JuS 2001, 536.

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27 A.A. vertretbar. Eine vergleichbar ausf. Darstellung an dieser Stelle kann nur von
überdurchschnittl. Kandidaten verlangt werden.
28 Vgl. BGHZ 91, 148 (152) = NJW 1984, 2164.
29 Vgl. Bülow, HandelsR, 6. Aufl. (2009), Rdnr. 366; Kindler (o. Fußn. 16), § 7 Rdnr. 16; Steinbeck,
HandelsR, 2. Aufl. (2011), § 26 Rdnr. 11.
30 Vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt (o. Fußn. 15), § 346 Rdnrn. 3f.
31 Vgl. BGHZ 11, 1 (3); Canaris, HandelsR, 24. Aufl. (2006), § 23 Rdnrn. 45f.
32 A. A. vertretbar. Bearbeiter müssen dann zum Kaufpreis von 10000 Euro kommen.
33 Vgl. Kindler (o. Fußn. 16), § 7 Rdnr. 17; Steinbeck (o. Fußn. 29), § 26 Rdnr. 12.
34 Vgl. Kindler (o. Fußn. 16), § 7 Rdnr. 23.
35 Vgl. BGH, NJW 1994, 1288; ähnl. bereits BGHZ 40, 42 (44) = NJW 1963, 1922.
36 A.A. vertretbar.
37 Vgl. BGH, NJW 1983, 2822.
38 Vgl. BGH, NJW 1983, 2822 (2823).
39 Vgl. Grunewald (o. Fußn. 24), 1 A Rdnr. 107; Kindler (o. Fußn. 16), § 10 Rdnr. 112; Windbichler
(o. Fußn. 11), § 9 Rdnr. 6.
40 Vgl. Habersack, JuS 1993, 1; Hommelhoff, ZIP 1998, 8.
41 Vgl. Eisenhardt (o. Fußn. 3), Rdnr. 83; Kindler (o. Fußn. 16), § 10 Rdnr. 113.
42 Vgl. BGHZ 142, 315 (315) = NJW 1999, 3483; 146, 341 (341) = NJW 2001, 1056, m.Anm.
Timme/Hülk, JuS 2001, 536.
43 A.A. vertretbar.
44 Die Prüfung dieser Anspruchsgrundlage kann nur von überdurchschnittl. Kandidaten erwartet
werden.
45 Vgl. BGHZ 91, 148 (150ff.) = NJW 1984, 2164.
46 Denkbar erscheint es auch, den Mangel bei Gefahrübergang anzusprechen. Da dieser nicht
bewiesen ist, käme man nur i.R. eines Hilfsgutachtens zum Schwerpunkt der Ausschlussgründe.
47 Vgl. BGHZ 110, 130 (139) = NJW 1990, 1290, m.Anm. Knops, JuS 1994, 106; OLG Karlsruhe,
NZG 2009, 395 (395).
48 Vgl. zur unverzüglichen Untersuchungs- u. Rügepflicht Hopt, in: Baumbach/Hopt (o. Fußn. 15), §
377 Rdnrn. 23, 37; Müller, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB II, 2. Aufl. (2009), § 377
Rdnrn. 39ff.
49 Vgl. BGH, NJW 2008, 1371 = JuS 2008, 557 (Faust).
50 Vgl. BGH, NJW 2007, 3057 (3059).
51 Ebda.
52 Vgl. OLG Karlsruhe, NZG 2009, 395 (397).
53 Ebda.
54 Ebda.

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