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RÄUMLICHKEIT IN DER UNIVERSALCHRONIK OTTOS VON FREISING

Paul Predatsch*

Abstract: Extensive research on Otto of Freising’s Historia de duabus civitatibus has left us with a thor­
ough understanding of concepts of time and of history in this well-known twelfth-century universal chroni­
cle. The insight that techniques of the social production of space differ depending on the discursive context
however makes a new reading of the text worthwhile in order to analyze spatiality in Otto’s narrative of
universal history. On the one hand, hypotheses of medieval space as a space of emplacement can be shown
to apply to the actions and events of earthly politics, even though networks of emplaced events become
more complex over time and elements of terrain and spatial extension come up in the later passages. On the
other hand, events that are part of salvation history are shown to have specific spatial characteristics differ­
ent from those of the mutatio rerum.
Keywords: Otto of Freising, Historia de duabus civitatibus, spatiality, spatial turn, topographical turn,
locus, situs, space of emplacement, universal history, narrativity.

R ä u m l ic h k e it u n d Mit t e l a l t e r f o r s c h u n g
Vor einhundert Jahren bilanzierte Adolf Hofmeister, als Editor der bis heute maßgeb­
lichen kritischen Edition1 der Historia de duabus civitatibus des Freisinger Bischofs
Otto ein hervorragender Kenner der Literatur zu Leben und Werk Ottos von Freising,
den damaligen Stand der Forschung:

Im Kleinen wie im Grossen bestehen zahlreiche Meinungsverschiedenheiten, und ziemlich


alle Punkte sind mehr als einmal erörtert worden, sodass fast regelmäßig an irgend einer
Stelle von irgend einem bereits das Richtige gesagt ist und jede neue Behandlung notwendig
in Einzelheiten oder im Gesamturteil mit irgend einem ihrer Vorgänger übereinkommt.2

Die Forschung hat sich im Grunde seit der Etablierung der Geschichte als Wissen­
schaft durchgängig intensiv mit der chronik Ottos von Freising beschäftigt und so
nimmt es nicht Wunder, dass die Literaturmasse zur universalchronik seitdem noch
stark angewachsen ist.3 Ohne den Hofmeister’schen Pessimismus gegenüber der Krea­
tivität der Forschung insgesamt zu teilen, muss doch festgestellt werden, dass neuere
Fragestellungen und Forschungsansätze, die seit längerem die Debatten in vielen
Kultur- und Sozialwissenschaften bestimmen, in der Forschung zum so prominenten
Werk Ottos von Freising bisher kaum berücksichtigt worden sind. Neben der
Auswertung zu Spezialthemen ist Ottos Chronik bisher fast ausschließlich unter den
Gesichtspunkten von Zeit- und Geschichtskonzepten untersucht worden. Es gibt der-

Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Geschichtswissenschaften, Institut für Vergleichende


Geschichte Europas im Mittelalter, Unter den Linden 6, 10099 Berlin.
1 Ottonis Episcopi Frisingensis Chronica sive historia de duabus civitatibus, ed. von Adolf Hofmeister,
MGH SS rer. Germ. 45. Im Folgenden soll diese Edition unter Angabe des Buches und des Kapitels als
“Chronica” zitiert werden. In der Regel werden Übersetzungen des Chroniktextes ins Deutsche der
zweisprachigen Ausgabe in der entnommen: Otto Bischof von Freising, Chronik oder die Geschichte der
zwei Staaten, ed. von Walther Lammers und Adolf Schmidt (Darmstadt 62011). Diese soll als “Chronik”
zitiert werden.
2 Adolf Hofmeister, “Studien über Otto von Freising. I. Der Bildungsgang Ottos von Freising,” Neues
Archiv der Gesellschaft für Ältere Deutsche Geschichtskunde zur Beförderung einer Gesamtausgabe der
Quellenschriften deutscher Geschichten des Mittelalters 37 (1912) 99-161, 633-768, hier 109.
3 Einen Überblick über die ältere Literatur bietet Adolf Hofmeister, “Praefatio,” Chronica (wie Anm. 1)
VII-CXIV, hier CII-CIV; neuere Literatur bei Hans-Werner Goetz, Das Geschichtsbild Ottos von Freising
(Köln 1984) 16-19; idem, “Literatur seit Erscheinen der Erstausgabe,” Chronik (wie Anm. 1) LXIX-
LXXII.

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16 PAUL PREDATSCH

zeit nur eine einzige Arbeit, in der eine Annäherung an Ottos Chronik unter dem
Gesichtspunkt der Räumlichkeit unternommen wurde: In seiner Studie zu Geschichts­
schreibung und Geschichtsbewußtsein im hohen Mittelalter führt Hans-Werner Goetz
diesen Versuch auf nicht einmal fünf Seiten durch—inklusive zweier ganzseitiger
Abbildungen.4 Indem er die im Chroniktext erwähnten Orts- und Landschaftsnamen
auf einer modernen Karte einzeichnet kommt Goetz zu dem Ergebnis, dass sich Ottos
Berichtshorizont auf die christlich-lateinische Welt beschränke und dass er zum über­
wiegenden Teil über das römisch-deutsche Reich, insbesondere Süddeutschland,
berichte: “Ottos Chronik bietet daher ein signifikantes Beispiel einer bewußt
beschränkten Universalität.”5
Eine solche rein quantitativ-topographische Auswertung der Geschichte im Raum
kann jedoch kaum zufriedenstellen.6 “Universalität” wird hier in eins gesetzt mit
planetarer Vollständigkeit, ohne dass nach den Darstellungsprinzipien der Chronik
gefragt würde. Die Historia de duabus civitatibus ist weder eine auf raum-zeitliche
Vollständigkeit zielende Weltgeschichte, noch eine Geschichte weltweiter Interak­
tionen, wie sie in der jüngeren transkulturellen Globalgeschichte erforscht wird.7 Es
handelt sich um eine Universalchronik, die in narrativer Form von der historischen
Entfaltung des göttlichen Heilsplanes berichtet. Dieser hat zwar Bedeutung für das
universale Ganze, ist aber historisch gelegentlich sogar auf den Handlungsraum
einzelner Personen—wie etwa das Oberhaupt eines landwirtschaftlichen Familienbe­
triebes und seine Frau8—beschränkt. Bei der Untersuchung eines mittelalterlichen
Textes müssen darüber hinaus Hinweise auf epistemische Brüche in Bezug auf
Raumwahrnehmung und -vorstellung ernst genommen und methodisch abgebildet
werden:9 In einem ersten grundlegenden Überblick zu mittelalterlicher Räumlichkeit
betonen Ludolf Kuchenbuch und Joseph Morsel die Andersartigkeit mittelalterlichen

4 Hans-Werner Goetz, Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im hohen Mittelalter (Berlin


1999) 188-192.
5 Ibid. 192.
6 Vgl. dazu Jörg Dünne, Geschichten im Raum und Raumgeschichte, Topologie und Topographie. Wo­
hin geht die Wende zum Raum? (2009) http://www.uni-potsdam.de/romanistik/ette/buschmann/ dyn-
raum/pdfs/duenne.pdf, der die vergeblichen und wenig erkenntnisfördernden Versuche kritisiert, die
dargestellten Räume literarischer Texte auf topographischen Karten einzuzeichnen.
7 Zur Typologie historiographischer Werke mit maximalem Horizont vgl. Jürgen Osterhammel, “‘Welt­
geschichte.’ Ein Propädeutikum,” Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 56.9 (2005) 452^79. Einen
Überblick über unterschiedliche aktuelle Forschungsansätze zu einer transkulturellen Globalgeschichte des
Mittelalters geben Julia Dücker und Marcel Müllerburg, “Bilanz eines Aufbruchs,” Integration und Desin­
tegration der Kulturen im europäischen Mittelalter (wie Anm. 7) 561-586; Wolfram Drews, “Transkul­
turelle Perspektiven in der mittelalterlichen Historiographie. Zur Diskussion welt- und globalgeschichtlicher
Entwürfe in der aktuellen Geschichtswissenschaft,” Historische Zeitschrift 292 (2011) 31-59.
8 Vgl. Chronica (wie Anm. 1) IV,4, 188: ut circa tempora decimi a Noe Abrahae, excepto ipso uxoreque
sua, paucos invenias cives Ierusalem. (Chronik [wie Anm. 1] 307: “daß man zur Zeit Abrahams, der
zehnten Generation nach Noah, außer ihm und seiner Frau nur noch wenige Bürger Jerusalems finden
konnte.”)
9 Einige erste Überlegungen zu dieser Frage enthält Michel Foucaults berühmt gewordener Vortrag “Des
espaces autres” von 1967: Mittelalterliche Räumlichkeit beschreibt er dort als “Ortungsraum” und setzt ihr
den modernen Raum der Ausdehnungen entgegen. Vgl. Michel Foucault, “Andere Räume,” Aisthesis.
Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik, ed. Karlheinz Barck et al. (Leipzig 41992)
3 4 ^6 , hier 34-36.
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Raumverständnisses.10 Die an Karten geschulten Vorstellungen des Mediävisten vom


flächigen Raum oder vom Behälterraum müssen beiseitegeschoben werden, um nicht
“die Diskontinuität und Partikularität der Orts-Räume durch die neutralisierte Raum­
fläche der Karte [zu] tilgen.”11 Die Räumlichkeit des Mittelalters sei charakterisiert
durch ein Nebeneinander von Orten (loci), die durch Distanzen (spatia) getrennt
seien.12 Im 12. Jahrhundert zeige sich jedoch ein “Übergang von einem Nebeneinander
der Orte (loci) in umgrenzte und differenziert durchgliederte Soziotope (situs)”13. Von
dem derart strukturierten Raum lasse sich die eremus unterscheiden, die Wildnis jen­
seits der kultivierten Plätze, die “nicht nur asozial, sondern auch unchristlich” ist.14
Weder unserem Verständnis des Chroniktextes als Universalgeschichte noch dem
Stand der Theoriebildung oder den bisherigen Erkenntnissen zur mittelalterlichen
Räumlichkeit wird eine Kartierung der berichteten Ereignisse also gerecht. Ein
Neuansatz ist nötig. Zum einen soll die hier unternommene Untersuchung der otto-
nischen Geschichte von den beiden civitates unter dem Aspekt der Räumlichkeit einen
Beitrag leisten zu einem aktualisierten Verständnis dieser so prominenten Quelle. Zum
anderen soll anhand der Universalchronik Ottos von Freising ausgelotet werden, mit
welchen Methoden die Untersuchung der Räumlichkeit mittelalterlicher histo-
riographischer Texte fruchtbar gemacht werden kann, um so unser Verständnis mittel­
alterlicher Räumlichkeit vertiefen und differenzieren zu helfen. Theoretische und
methodische Impulse aus den Diskussionen in anderen Disziplinen aufnehmend muss
dafür ein eigenes methodisches Instrumentarium zusammengestellt—und seine Teile,
wo nötig, “umgeschmiedet”—werden.
“Always spatialise!”15 könnte der Schlachtruf einer intellektuell-akademischen
Bewegung lauten, die seit den 1980er Jahren versucht, eine methodische Wende in
den Kultur- und Sozialwissenschaften zu erstreiten.16 Einerseits wurde diese Wende
angestoßen durch die Erfahrungen von Globalität und Synchronität in der postmo­
dernen Welt, die statt der zeitlichen Qualität menschlichen Daseins nun die räumliche
Qualität in den Vordergrund rücke.17 Mit der Durchdringung des globalen Raums und

10 Ludolf Kuchenbuch und Joseph Morsel, “Lebensräume und Bedingungen,” Enzyklopädie des
Mittelalters, ed. Gert Melville und Martial Staub (Darmstadt 2008) 241-298. Neben diesem von Sozial­
geschichte und Historischer Anthropologie geprägten Überblick bieten Kunibert Bering und Alarich Rooch
im gleichen Jahr eine weitere “erste Annäherung” an mittelalterliche Räumlichkeit. Sie konzentrieren sich in
ihren Ausführungen allerdings auf philosophische und theologische Fragen und Texte. Vgl. Kunibert Bering
und Alarich Rooch, Raum. Gestaltung, Wahrnehmung, Wirklichkeitskonstruktion, Bd. 1 (Oberhausen 2008)
111-114.
11 Kuchenbuch und Morsel, “Lebensräume und Bedingungen” (wie Anm. 10) 249.
12 Ibid. 241.
13 Ibid. 242-243.
14 Ibid. 246.
15 Fredric Jameson, The political unconscious. Narrative as a socially symbolic act (Ithaca, NY 1981) 9.
16 Vgl. Doris Bachmann-Medick, Cultural turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften (Rein­
bek b. Hamburg 2009) 284, mit dem Hinweis auf den Slogan Jamesons ibid. Der Begriff spatial turn ist
wohl vom Geographen Edward Soja erstmals verwandt worden, der 1989 unter der Überschrift “Uncovering
Western Marxism’s spatial turn” die fortschrittsgläubigen Entwicklungsgeschichten historistisch-materia­
listischer Geschichtsschreibung kritisiert und mit Lefebvre eine Hinwendung zu Fragen der Räumlichkeit
anmahnt. Vgl. dazu Jörg Döring und Tristan Thielmann, “Was lesen wir im Raume? Der Spatial Turn und
das geheime Wissen der Geographen,” Spatial turn. Das Raumparadigma in den Kultur- und Sozialwissen­
schaften, ed. Jörg Döring und Tristan Thielmann (Bielefeld 22009) 7-45, hier 7.
17So schon Foucault, “Andere Räume” (wie Anm. 9) 34.
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seiner zunehmenden Verdichtung zu einem globalisierten Raum, der Orte unter öko­
nomischen Gesichtspunkten ein- oder ausschließt, gehe eine “Enträumlichung und
Entortung”18 einher, so ein gängiges, jedoch harmonisierendes Bild globalisierter Mo­
bilität und Kommunikation.19 Andererseits wird aber mit den Methoden des spatial
turn auch der politische Anspruch verbunden, kolonialistische und eurozentristische
Weltbilder und fortschrittsgläubige, evolutionistische Zeitvorstellungen dekon-
struieren und Machtverhältnisse durch die Analyse der Räumlichkeit sozialer Bezie­
hungen klarer in den Blick nehmen zu können.20 Statt mit einer solchen spatial turn­
Bewegung hat man es unter diesem Label—diesem und weiteren21—mit einer Viel­
zahl äußerst heterogener Konzepte und Debatten über Räumlichkeit in vielen ver­
schiedenen Kontexten und mit unterschiedlichsten Bezugspunkten und Traditionen zu
tun.22 Auch in den Geschichtswissenschaften wurden in den letzten Jahren rege Debat­
ten über die Räumlichkeit der Geschichte geführt.23 Dagegen bleibt die Literatur
innerhalb der historischen Mediävistik, von Ausnahmen abgesehen, bisher fast
ausschließlich auf kleinere, gegenstandsbezogene Arbeiten beschränkt.24 Systematisch
als Gegenstand oder Methode der Mittelalterforschung ist der Raum vor allem im
Aggregatzustand seiner Repräsentation auf Karten behandelt worden.25

18 Bachmann-Medick, Cultural turns (wie Anm. 16) 287.


19 Übersehen wird dabei oft, dass auch die Netzwerke des 21. Jahrhunderts konkrete Orte miteinander
verbinden und keine abgetrennte Parallelwelt bilden. Telekommunikation etwa funktioniert in weiten Teilen
der Welt aufgrund von Zensur oder ungleichem Zugang zur Technik völlig anders als in Deutschland oder
in den USA. Vgl. dazu bspw. Gilles Lordet, Internet Enemies (2011) http://march12.rsf.org/i/ Inter-
net_Enemies.pdf.
20 Vgl. Henri Lefebvre, The Production o f Space, trans. Donald Nicholson-Smith (Oxford 1994); im frz.
Henri Lefebvre, La production de l ’espace (Paris 1974).
21 Vgl. bspw. Dünne, Geschichten im Raum (wie Anm. 6) 5-6.
22 Einen Überblick bietet: Bachmann-Medick, Cultural turns (wie Anm. 16) 284-328. Vgl. außerdem
die neueren Textsammlungen und Sammelbände zum spatial turn: Key thinkers on space and place, ed. Phil
Hubbard et al. (London 2004); Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften,
ed. Jörg Dünne und Stephan Günzel (Frankfurt a. M. 2007); Topologie. Zur Raumbeschreibung in den Kul­
tur- und Medienwissenschaften, ed. Stephan Günzel (Bielefeld 2007); Raumwissenschaften, ed. Stephan
Günzel (Frankfurt a. M. 2008); Spatial turn (wie Anm. 16); Raum und Bewegung in der Literatur. Die
Literaturwissenschaften und der Spatial Turn, ed. Wolfgang Hallet und Birgit Neumann (Bielefeld 2009);
Raum. Ein interdiszipliäres Handbuch, ed. Stephan Günzel (Stuttgart 2010).
23 So war der 45. Historikertag 2004 mit den Schlagworten “Kommunikation und Raum” überschrieben.
Die Debatten haben in den Geschichtswissenschaften u. a. durch die Rede von der “Wiederkehr des
Raumes” im Zuge der Herausbildung einer neuen geopolitischen Raumordnung seit 1989 erheblich an Mo­
ment gewonnen. Vgl. bes. Jürgen Osterhammel, “Die Wiederkehr des Raumes. Geopolitik, Geohistorie und
historische Geographie,” Neue Politische Literatur 43,3 (1998) 374-397, mit vorangegangenem Zitat im
Titel; und Karl Schlögel, Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik
(München 2004). Zusammenfassend zu Aspekten der Debatte in der Geschichtswissenschaft und ihren
Traditionslinien vgl. Marcus Sandl, “Geschichtswissenschaft,” Raumwissenschaften (wie Anm. 22) 159­
174; Matthias Middell, “Der Spatial Turn und das Interesse an der Globalisierung in der Geschichtswissen­
schaft,” Spatial turn (wie Anm. 16) 103-123; Eric Piltz, “‘Trägheit des Raums.’ Fernand Braudel und die
Spatial Stories der Geschichtswissenschaft,” Spatial turn (wie Anm. 16) 75-102.
24 Vgl. die Sammelbände Raum und Raumvorstellungen im Mittelalter, ed. Jan A. Aertsen und Andreas
Speer (Berlin 1998); Mobilität - Raum - Kultur. Erfahrungswandel vom Mittelalter bis zur Gegenwart, ed.
Karl-Siegbert Rehberg et al. (Dresden 2005); Raumerfahrung - Raumerfindung. Erzählte Welten des Mittel­
alters zwischen Orient und Okzident, ed. Laetitia Rimpau und Peter Ihring (Berlin 2005), deren Beiträge
zum größten Teil ohne Nennung theoretisch-methodischer Literatur auskommen. Auch Caspar Ehlers, Die
Integration Sachsens in das fränkische Reich (Göttingen 2007), bleibt der modernen Karte als Mittel der
Forschung und Darstellung verhaftet.
25 Vgl. Brigitte Englisch, Ordo orbis terrae. Die Weltsicht in den Mappae mundi’ des frühen und hohen
Mittelalters (Berlin 2002); Evelyn Edson et al., Der mittelalterliche Kosmos. Karten der christlichen und
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Grundlegend für die Wahl der Untersuchungsinstrumente aus diesem Arsenal theo­
retisch-methodischer Debatten ist wohl die Annahme, dass Raum weder neutrale noch
unveränderliche Bedingung des Handelns und Wahrnehmens ist, sondern sozial kon­
struiert oder, wie der Soziologe und Philosoph Henri Lefebvre sagt, “produziert”
wird.26 Raum ist kein monolithisches Gebilde, keine Konstante jenseits des Diskurses,
kein leeres Gefäß, das mit Objekten und Subjekten gefüllt und von ihnen durchquert
würde.27 Der Raum entsteht erst im Handeln.28 Raum werde dabei konstituiert durch
“zwei analytisch zu trennende Prozesse, die Syntheseleistung und das Spacing”29
Körper werden diesem Verständnis zufolge an Orten angeordnet, die nicht als unteil­
bar kleine Punkte, sondern beliebig groß gedacht werden können:30 Der Altar, St. Pe­
ter, Rom, Italien—je nach Kontext kann jeder dieser Begriffe einen Ort oder einen
Raum gebildet aus Körpern an Orten bezeichnen. Denn neben dem spacing “bedarf es
zur Konstitution von Räumen einer Syntheseleistung, das heißt, über Wahrnehmungs-,
Vorstellungs- oder Erinnerungsprozesse werden Güter und Menschen zu Räumen
zusammengefasst.”31 Beide Handlungen kann auch der Historiograph vollziehen, um
Räumlichkeit in seinem Text zu organisieren. Er wählt unter dem verfügbaren Mate­
rial Menschen, Handlungen oder Güter aus, verortet sie implizit oder explizit (spacing)
und fasst sie entsprechend seiner Wahrnehmung, Vorstellung oder Erinnerung zu
Räumen zusammen. Ob allerdings berichtete Handlungen im untersuchten Text tat­
sächlich lokalisiert werden, ob Beziehungen zwischen Orten geknüpft, ob die Syn­
these zu Räumen nahegelegt wird oder auch nur zulässig erscheint, ob Flächen,
Strecken, Gelände oder Grenzen aufscheinen, muss erst geklärt werden und kann nicht
durch den Einsatz moderner Mittel der Raumdarstellung methodisch vorwegge­
nommen werden.
Bei der Analyse des Textes muss darüber hinaus die narrative Vermitteltheit der
dargestellten Räumlichkeit beachtet werden. Der Historiker Hayden White wies auf
die narrativen Qualitäten auch historiographischer Texte hin. Erzählung sei “unab­
dingbar ... für jede Schilderung eines realen Geschehens”32 und ein Mittel zur Über­
setzung von Wissen in Sprache, von Erfahrung in Sinn. Narrative Texte—ob fiktional
oder nicht—weisen berichteten Ereignissen durch “emplotment” und Narrativierung
Sinn und Bedeutung zu. So werden in der Historiographie auch Zustandsveränderun-

islamischen Welt (Darmstadt 2005); Anna-Dorothee von den Brincken, Studien zur Universalkartographie
des Mittelalters (Göttingen 2008); Europa im Weltbild des Mittelalters. Kartographische Konzepte, ed.
Ingrid Baumgärtner und Hartmut Kugler (Berlin 2008); Michael Borgolte, “Christliche und muslimische
Repräsentationen der Welt. Ein Versuch in transdisziplinärer Mediävistik,” Berichte und Abhandlungen der
Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften 14 (2008) 89-147.
26 Vgl. Lefebvre, Production o f space (wie Anm. 20).
27 Vgl. Lefebvre, Production o f Space (wie Anm. 20) 15: “To speak of ‘producing space’ sounds bizarre,
so great is the sway still held by the idea that empty space is prior to whatever ends up filling it.”
28 Vgl. Martina Löw, Raumsoziologie (2001, repr. Frankfurt a. M. 2007) 67. Vgl. auch Markus Schroer,
Räume, Orte, Grenzen. A u f dem Weg zu einer Soziologie des Raums (Frankfurt a. M. 2006) 29-46, der einen
historischen Abriss der Auseinandersetzung zwischen absoluten “Behälterraum”-Konzepten und
relationalen Raumvorstellungen bietet.
29Löw, Raumsoziologie (wie Anm. 28) 224.
30 Vgl. Löw, Raumsoziologie (wie Anm. 28) 157.
31 Löw, Raumsoziologie (wie Anm. 28) 159 (Hervorh. im Original).
32 Hayden White, Die Bedeutung der Form. Erzählstrukturen in der Geschichtsschreibung (Frankfurt a.
M. 1990) 11.
20 PAUL PREDATSCH

gen in der Welt-außerhalb-des-Textes, zunächst Elemente “der sinnlosen Unendlich­


keit des Weltgeschehens”33, zu Elementen einer Erzählung gemacht.34 Die Narrativität
historiographischer Texte rechtfertigt die Anwendung narratologischer Methoden in
geschichtswissenschaftlicher Absicht. Dieser Einsicht folgend sollen einzelne Episo­
den der Chronik unter dem Gesichtspunkt der Räumlichkeit gelesen und analysiert
werden und in den weiteren Kontext des universalhistorisch-heilsgeschichtlichen Ge­
samtplots der Chronik eingeordnet werden, anstatt den narrativen Fluss der Erzählung
durch die themengeleitete Auswahl kurzer Textbelegstellen zu “zerstückeln.”
Im Sinne der Forderung nach einem topographical turn—dieser Begriff ist vor
allem vom Wortbestandteil ypayeiv als produktiv-kommunikativem Akt her zu verste­
hen35—soll dabei nach den textuellen Techniken des Raummachens gefragt werden.
Hierfür lässt sich ein Katalog raumreferentieller Ausdrücke erstellen:36 Orte können
mit Toponymen, Eigennamen, Deiktika oder Konkreta benannt werden. Durch posi-
tionale oder direktionale Ausdrücke können Gegenstände oder Handlungen an einem
Ort statisch lokalisiert oder Bewegungen beschrieben werden. Diese Ausdrücke
können nach einem deiktischen Bezugssystem auf einen Ort verweisen oder nach
einem intrinsischen (bei gerichteten Objekten), einem toponymischen (Ortsnamen),
einem topologischen (Nachbarschaft bzw. Enthaltensein) oder einem metrischen (Ent­
fernungsangaben). Fehlen diese Ausdrücke, muss auf eine eventuelle implizite Loka­
lisierung geachtet werden.
Interessant ist dabei auch das Konzept der Ereignisregion aus der Narratologie des
Raumes:37 Ebenso wie einem Objekt sprachlich häufig ein gewisser Raum auch jen­
seits seiner materiellen Ausdehnung zugewiesen wird (man denke an Lokalisierungen
wie “vor dem Haus” im Gegensatz zu “auf der Straße”), kann Ereignissen eine Aus­
dehnung zugewiesen werden. So ist das äußerst erfolgreiche Narrativ von der Mond­
landung als globales, ja geradezu universalhistorisches Ereignis auf dem Weg zu einer
fortschrittlichen und friedlichen Weltgesellschaft nicht nur ein Produkt der Erfahrung
medialer Teilhabe vor hunderten Millionen Fernsehschirmen, sondern vor allem auch
ein Produkt der narrativ-medialen Strategien der US-amerikanischen Regierung.38 In
einer Erzählung vom Verlauf der Mission selbst wäre die Ereignisregion des ersten
Schrittes auf den Mondboden wesentlich kleiner und beschränkte sich wohl auf die
Umgebung der Ausstiegsluke. Wollte man dasselbe Ereignis als Teil einer Geschichte
des sogenannten Kalten Krieges erzählen, würden das Weiße Haus und der Kreml zu
den räumlichen Zentren der Erzählung; der Vollzug der Handlung auf dem Erdtra­
banten könnte hier fast völlig ausgeblendet werden, da seine eigentlichen Akteure
nach dieser Lesart keine Raumanzüge, sondern Krawatten tragen. Um jedoch naive

33 Max Weber, “Die ‘Objektivität’ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis,” Archiv für
Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 19 (1904), repr. in idem, Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre
(Tübingen 71988) 146-214, hier 180.
34 Vgl. White, Bedeutung der Form (wie Anm. 32) 15.
35 Vgl. Dünne, Geschichten im Raum (wie Anm. 6) 18; Sigrid Weigel, “Zum ‘topographical turn.’
Kartographie, Topographie und Raumkonzepte in den Kulturwissenschaften,” KulturPoetik 2.2 (2002) 151­
165.
36Vgl. im Folgenden Katrin Dennerlein, Narratologie des Raumes (Berlin 2009) 73-96, 208-209.
37 Vgl. Dennerlein, Narratologie (wie Anm. 36) 122-126.
38 Vgl. Foy D. Kohler und Dodd L. Harvey, “The International Significance of the Lunar Landing,”
Journal o f Interamerican Studies and World Affairs 12.1 (1970) 3-30.
RÄUMLICHKEIT IN DER UNIVERSALCHRONIK 21

Vorstellungen von psychologisch oder narrativ gestifteten dreidimensional begrenzten


“Ereignisbehältern” zu vermeiden, muss das Konzept der Ereignisregion modifiziert
werden. Ereignisräume, von solchen möchte ich sprechen, werden narrativ durch eine
verortete Handlung oder ein verortetes Geschehen gestiftet und durch die Beziehungen
zwischen dem Ort des Ereignisses und anderen Orten des Wahrnehmens oder
Betroffenseins. Auf den Bereich der Historiographie übertragen hieße es diesem Kon­
zept folgend danach zu fragen, ob und wie berichtete Ereignisse verortet oder
verräumlicht werden, welche Ausdehnung, welche räumliche Relevanz ihnen narrativ
zugewiesen wird, ob sie miteinander verknüpft einen komplexen Raum bilden.

DER W ELTENEROBERER ALEXANDER


Seinem Vorbild Orosius folgend beginnt Otto seine Universalgeschichte von der Un­
beständigkeit irdischer Verhältnisse mit einer Darstellung der räumlichen Aufteilung
der Welt. Schon nach einer kurzen Beschreibung der klassischen Dreiteilung in Eu­
ropa, Asien und Afrika bricht er jedoch ab: “Wer deren einzelne Länder, ihre Lage
und ihre Landschaften kennenlernen will, möge Orosius lesen.”39 Über die räumliche
Gestalt seiner Welt erfahren wir in diesem einleitenden Abschnitt also nur wenig. Da­
rum sollen in diesem Abschnitt die Berichte der Chronik über den Welteneroberer
Alexander den Großen im Mittelpunkt stehen, die einigen Aufschluss über die globale
Räumlichkeit des ottonischen Weltbildes erwarten lassen.
In den annähernd 1400 Jahren, die zu der Zeit der Abfassung der Chronik seit
Alexander vergangen waren, war der Makedone zu einer prominenten Figur in den
verschiedenen literarischen Kontexten und Genres des Euromediterraneums ge­
worden.40 Die Urteile über Alexander fielen dabei jedoch höchst unterschiedlich aus
und schwankten zwischen Anerkennung der imperialen, vermeintlich gottgleichen
Herrschaft Alexanders und Ablehnung seines Hochmutes, zwischen der Interpretation
als idealer Herrscher und als Antichrist, zwischen christlicher Vereinnahmung des
Alexanderreiches als drittes Weltreich und jüdischer Vereinnahmung als Werkzeug
Gottes zur Zerschlagung des persisch-babylonischen Reiches, zwischen dem Gebrauch
als Exempel für Tugendhaftigkeit und für Lasterhaftigkeit.41 Bischof Otto stützt sich
in seinen Schilderungen vor allem auf die “Historia adversos paganos” des Paulus
Orosius, einzelne Episoden übernimmt er aus Ciceros “De officiis” und auch aus den
“Antiquitates” des Josephus und neigt damit deutlich zu der Interpretation der Alexan­
derfigur als tugendhaftem Herrscher und Gotteswerkzeug.42
Nachdem Otto über einige Kapitel seiner Chronik hinweg zwischen Episoden zur

39 Chronica (wie Anm. 1) I,1, 38: Quarum provintias, situs, regiones qui velit cognoscere, legat Oro­
sium. Übers. aus: Chronik (wie Anm. 1) 61. Vgl. Pauli Orosii historiarum adversum paganos libri VII, ed.
von Karl Zangemeister (Wien 1882) I,2, 9-40.
40 Vgl. den Überblick zu den verschiedenen Literaturen in Herwig Buntz et al., “Alexander d. Gr. in
Kunst und Literatur. B. Alexanderdichtung,” Lexikon des Mittelalters, Bd. 1 (München 1980) 355-366.
41 Vgl. Stephanie Seidl und Julia Zimmermann, “Jenseits des Kategorischen. Konzeptionen des ‘Heid­
nischen’ in volkssprachigen literarischen und chronikalischen Texten des 13. Jahrhunderts,” Integration und
Desintegration der Kulturen im europäischen Mittelalter (wie Anm. 7) 325-381, hier 334-335. Für einen
Überblick zum aktuellen Wissen um Alexanders Kriegszüge vgl. Ernst Badian, “Alexander ‘der Große.’
Makedon. König Alexander III. (356-323 v. Chr.),” Der Neue Pauly (Leiden 2011), mit weiterer Literatur
ibid.
42 Vgl. Chronik (wie Anm. 1) 144-153, Anm. 123-140.
22 PAUL PREDATSCH

römischen und zur griechischen Geschichte hin- und hergewechselt hatte, hält er es in
der Mitte des zweiten Buches seiner Chronik “für an der Zeit, zur Geschichte der
Griechen überzugehen.”43 Darunter ist die Geschichte Alexanders des Großen zu
verstehen. Der junge Alexander, so erfahren wir, begleitet seinen Vater Philipp II., als
dieser, um zu plündern auf die Skythen losstürmt44, und wird von seinem Vater für
seine Freigiebigkeit gegenüber den Makedonen getadelt.45 Diese Gruppenbezeichnun­
gen könnten vielleicht als implizite Lokalisierungen gelesen werden, es sind jedoch
nicht die Orte, sondern die jeweils besiegten oder beherrschten Menschengruppen
benannt, an denen Philipp und Alexander als Herrscher handeln. Die Passage liefert
mithin nur eine vage Räumlichkeit. Im Bericht über Philipps Ermordung auf der Ver­
mählungsfeier seiner Tochter finden wir dagegen eine explizite Lokalisierung:
“zwischen den beiden Alexandern, dem Schwiegersohn und dem Sohn”46, habe der
König gesessen, als Pausanias ihn erstach. Diese Lokalisierung aber wird nicht etwa
relativ zu Städten oder Landschaften oder einer politischen Einflusssphäre
vorgenommen. Der hier präsentierte Ereignisraum ist auf den sozialen Kleinraum am
Ehrentisch der feiernden Hochzeitsgesellschaft beschränkt und wird durch den Bericht
vom gemeinsamen Mahl—eine Inszenierung der Anerkennung der neuen Ehe und der
Herrschaft des Brautvaters—und vom Regizid produziert. Dem Zusammenbruch der
Herrschaft Philipps entspricht die sprachliche Abwesenheit der oder des Beherrschten.
Alexander folgt dem ermordeten Vater auf dem Thron und nachdem er die Verhält­
nisse in Griechenland geordnet hat, mobilisiert er einige Truppen und beginnt seinen
Krieg gegen den Perserkönig Dareios,47 der die Alleinherrschaft über den gesamten
Orient innehat48. Es werden hier mit Griechenland und dem Orient zwar die
Herrschaftsbereiche der beiden Herrscher benannt und blass entsteht so ein Ereignis­
raum, der einen Gutteil der antiken Ökumene umfasst, doch weitere räumliche Ver­
weise sucht der Leser vergebens: Keiner der Berichte vom vorangegangenen, wenig
“diplomatischen” Gesandtenaustausch, von den Schlachten zwischen den Heeren der
beiden Monarchen, von den Beutezügen und Verhandlungen, die den Niederlagen der
Truppen Dareios’ folgen, enthält Lokalisierungen. Botschaften erreichen ihre
Adressaten unmittelbar, Heere marschieren nicht, sondern schlagen Schlachten auf
strukturlosen, nicht verorteten Schlachtfeldern. Die militärischen und diplomatischen
Auseinandersetzungen zwischen dem makedonischen und dem persischen König fin­
den scheinbar nicht im benennbaren Raum statt.

43 Chronica (wie Anm. 1) II,24, 93: Tempus esse puto, ut ad Grecorum tempora veniamus. Übers. aus:
Chronik (wie Anm. 1) 145.
44 Chronica (wie Anm. 1) II,24, 93: Obsidione dimissa ad Scithas cum Alexandro filio suo predandi
causa properavit.
45 Ibid. II,24, 94: Hic etiam filium Alexandrum benivolentiam Macedonum largitione secttantem in
epistola redarguit.
46 Ibid.: inter duos Alexandros, generum scilicet et filium. Übers. aus: Chronik (wie Anm. 1) 147.
47 Chronica (wie Anm. 1) II,25, 95: Itaque compositis ac ordinatis rebus in Grecia, assumptis secum
paucis. Schmidt übersetzt: “Nachdem er also die Verhältnisse in Griechenland geordnet ... hatte, zog er mit
einer kleinen Streitmacht ... aus” (Chronik [wie Anm. 1] 149) und fügt so mit dem Auszug Alexanders eine
Direktionalisierung hinzu, die das Original mit assumptis nicht hat. Vgl. Karl E. Georges, Ausführliches
lateinisch-deutsches Handwörterbuch. Aus den Quellen zusammengetragen und mit besonderer Bezug­
nahme auf Synonymik und Antiquitäten unter Berücksichtigung der besten Hilfsmittel ausgearbeitet.
(Hannover 1913-1918, repr. Darmstadt 1998), s. v. assumo.
48 Chronica (wie Anm. 1) II,25, 95: tocius orientis monarchiam.
RÄUMLICHKEIT IN DER UNIVERSALCHRONIK 23

Erst als Alexanders Heer nach Syrien zieht, um dort die Unterwerfung ver­
schiedener Könige zu empfangen, wird eine Handlung explizit lokalisiert: Alexander
“wandte sich mit dem Heer nach Syrien und nahm dort einige der Könige, die ihm
unaufgefordert entgegeneilten und sich ihm aus ihrem eigenen Entschluss unterwar­
fen, in Gnaden auf, andere tauschte er aus, wieder andere brachte er sogar um.”49 Die
freiwillige Unterwerfung der Könige der verschiedenen in Syrien lokalisierten Herr­
schaften geschieht dabei gleichzeitig mit dem Einmarsch Alexanders; unmittelbar
scheint die gesamte Region erfasst zu sein. In Tyrus, das vergeblich auf die Hilfe der
Karthager gehofft hatte, verortet der Chroniktext eine weitere Eroberung durch die
Erwähnung ihres Patiens.50 Von dort aus zieht Alexander durch Kilikien, Rhodos und
Ägypten, unterwirft die dortigen Herrschaften und gründet das erste Alexandria.51 Von
dort aus kommt er nach Jerusalem und wird mit großen Ehren empfangen.52 Zweimal
enthält der Chroniktext in diesem kurzen Abschnitt eine Wendung nach dem Muster
“von dort aus nach Ort(X) gekommen, tat er Handlung(Y)” und verweist damit
toponymisch auf Ausgangspunkt und Ziel der einzelnen Etappen auf Alexanders
“Siegeslauf.” Diese werden jeweils—dem im Falle Syriens ausgeführten Muster fol­
gend—im Ganzen zum Ereignisraum der berichteten Handlungen, die in Alexanders
Unterwerfung aller jeweils vorgefundenen Herrschaften bestehen. Die Gründung
Alexandrias in Egypto wird zwar nicht unter Verwendung dieses Musters berichtet,
sondern eigens explizit positional verortet, dem Charakter des Zuges entsprechend, der
Städte oder Landstriche erreicht und verlässt, enthält der Abschnitt jedoch vor allem
direktionale Lokalisierungen auf die Ereignisräume der Unterwerfung hin. Mag auch
Alexandria in Ägypten gegründet worden sein, und damit zumindest die Unterteilung
eines der Ereignisräume angedeutet werden, in der Summe dominiert der Eindruck des
unmittelbaren völligen Erfassens der unterworfenen Landschaften. Von Flächen oder
Distanzen ist in der untersuchten Passage höchstens in der Verwendung des Verbes
peragrare etwas zu ahnen, das zumindest im Latein Livius’ und Ciceros den Bedeu­
tungsaspekt des Durchstreifens einer Strecke hatte, aber auch als das Passieren eines
Punktes—oder eben eines monolithisch gedachten Ereignisraums—gedacht werden
konnte.53
In der folgenden Passage wird dieses Muster unterbrochen und wir lesen von we­
sentlich kleinteiligeren Ereignisräumen: “Von dort kam er nach Jerusalem, wo er von
den Juden mit großer Ehrerbietung empfangen wurde und ging in den Tempel; er
brachte dem wahren Gott Opfer dar, erwies, so heißt es bei Josephus, dem
Hohepriester die höchste Ehre und versicherte zum Erstaunen aller, dass er ihn aus
einer Vision als den Priester des höchsten Gottes wiedererkenne, der ihm, Alexander,

49 Ibid.: Ipse vero cum exercitu in Syriam tendit ibique reges ultro sibi occurrentes ac suae ditioni se
subicientes quosdam in gratiam recepit, quosdam mutavit, alios vero perdidit.
50 Ibid.: Tyrum etiam fidutiaKartaginensium sibi resistentem, cepit.
51 Ibid.: Inde Ciliciam, Rodum ac Egyptum peragrans omnes in deditionem accepit. Tunc etiam Alexan-
driam in Egypto condidit.
52 Ibid. II,25, 95-96 : Inde Hierusalem veniens a Iudeis cum magno suscipitur honore.
53 Vgl. Georges, LDHW (wie Anm. 47), s. v. peragro; Edwin Habel und Friedrich Gröbel, Mittel­
lateinisches Glossar (1959, repr. Paderborn 1989), s. v. peragrare. Für eine mittelalterliche Verwendung des
Morphems per- im Sinne eines punktuellen Geschehens vgl. ibid., s. v. percutere: “durchstoßen, durch­
bohren.”
24 PAUL PREDATSCH

die ganze Erde untertan mache.”54 Neben dem Festsaal, in dem Philipp ermordet
wurde, ist mit dem serubbabelischen Tempel hier der einzige Ort unterhalb des
Größenmaßstabes einer ganzen Stadt benannt, der sich im Bericht von der Geschichte
Alexanders findet. Im Gegensatz zum Tatort des Mordes am makedonischen Königs­
vater aber wird dieser Ort seinerseits in Bezug zu anderen Orten gesetzt und in der
Stadt Jerusalem lokalisiert. Diese Genauigkeit mag zum einen natürlich mit der großen
Bedeutung zu tun haben, die der Tempel als materielles Symbol der ecclesia für den
Christen Otto und allgemeiner für die Erzählung von der civitas Dei hat.55 Anderer­
seits bekennt Alexander an diesem Ort auch den Tempelpriestern seine besondere Be­
ziehung zum Gott Abrahams, der ihm in einer Vision die Herrschaft über die Welt
versprochen haben soll. Alexander wird so—räumlich wie symbolisch—in die Nähe
der civitas Dei gerückt und mit dem “wahren Gott” verbunden. Diese Episode
übernimmt Otto aus Josephus’ Antiquitates und zieht damit neben Orosius, der seine
Hauptquelle für diesen Abschnitt darstellt, eine zweite Quelle heran, um ihr die
Geschichte der Berufung Alexanders im Tempel zu Jerusalem zu entnehmen.56 Denn
derart an einem Zentralort der Heilsgeschichte berufen, am räumlichen Zentrum der
civitas Dei in der vorchristlichen Epoche nämlich57, kann Alexander auch zum “Voll­
strecker”58 des heilsgeschichtlichen Planes werden. Schon jüdischer Tradition zufolge
lag “im Zentrum der Welt das Heilige Land ..., in dessen Mitte Jerusalem und
zuinnerst der Tempel.”59 Diese Tradition wurde von Christen erneuert und Jerusalem
gerade im 12. Jahrhundert im Anschluss an patristische Traditionen und im Kontext
der Kreuzzüge zum Nabel der Welt umgedeutet.60
Alexander, ins Zentrum der Heilsgeschichte gerückt, zieht also ein weiteres Mal
gegen Dareios und besiegelt mit der endgültigen Zerschlagung des persischen Reiches
den Übergang vom zweiten, dem medisch-persischen, zum dritten Weltreich. Auch
diese letzte Schlacht der Truppen unter Alexander gegen jene unter Dareios lokalisiert
Otto nicht. Statt einer Verräumlichung der Ereignisse nimmt Otto an dieser Stelle eine
chronologisch-geschichtstheologische Einordnung in den Gesamtplot seiner Chronik

54 Chronica (wie Anm. 1) II,25, 95-96 : Inde Hierusalem veniens a Iudeis cum magno suscipitur ho­
nore, templumque ingressus hostias Deo vero obtulit ac summum sacerdotem summa veneratione, iuxta
Iosephum, coluit mirantibusque cunctis summi dei, qui sibi orbem subingaret, eum sacerdotem esse, cuius
revelatione ipsum cognosceret, asseruit.
55 Otto bezeichnet an anderer Stelle auf Ez 4 0 ^ 8 verweisend die Kirche als geistigen Tempel.
(Chronica [wie Anm. 1] II,12, 81: spiritali templo quae est ecclesia.) In Chronica (wie Anm. 1) II,16, 85­
86, berichtet er von der Prophezeiung Haggais über die Herrlichkeit des neuen Tempels (Hag 2.1-9), die die
Juden fälschlicherweise auf den materiellen Tempel, nicht auf die ecclesia bezogen hätten. Schon Au­
gustinus erzählt in der gleichen Weise von dieser Episode und deutet sie ebenso. Vgl. Aurelius Augustinus,
De civitate Dei, ed. von Emanuel Hoffmann (Wien 1899-1900) XVIII,45, Bd. 2, 340-341.
56 Flavii Iosephi Opera, Bd. 3: Antiquitatum Judaicarum libri XI—XV, ed. von Benedikt Niese (Berlin
21955) XI,8,5-6, 66-68. Vgl. Chronik (wie Anm. 1) 148, Anm. 132.
57 Siehe dazu unten, Anm. 77.
58 Seidl und Zimmermann, “Jenseits des Kategorischen” (wie Anm. 41) 335, mit Hinweisen zu weiterer
Literatur zum Bild Alexanders als Vollstrecker der christlichen Heilsgeschichte.
59 Arnold Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter (Darmstadt 1997) 208.
60 Vgl. Anna-Dorothee von den Brincken, “Jerusalem on medieval mappaemundi: a site both historical
and eschatological,” The Hereford World Map. Medieval World Maps and their Context, ed. Paul Dean
Adshead Harvey (London 2006) 161-178, repr. in idem, Studien zur Universalkartographie des Mittelalters
(Göttingen 2008) 683-703, hier 690; “Ekkehardi Chronica. Recensio III.,” ed. von Franz-Josef Schmale und
Irene Schmale-Ott, Frutolfs und Ekkehards Chroniken und die anonyme Kaiserchronik (Darmstadt 1972)
268-333, hier 332.
RÄUMLICHKEIT IN DER UNIVERSALCHRONIK 25

vor, indem er erneut alle persischen Könige auflistet und die Wandlung der Herrschaft
Alexanders vom Königreich zum epochenmachenden Weltreich explizit macht:
Exhinc imperium supputatur Grecorum seu Macedonum61. An dieser Stelle nun wird
offensichtlich, dass die bisher gelieferten Berichte von den Auseinandersetzungen
zwischen den beiden Königen auf räumliche Bezüge verzichtet hatten, weil die dia-
chrone Einordnung des Geschehens gegenüber der synchronen Einordnung für das
Gesamtwerk wesentlich entscheidender ist: Wo das zweite Weltreich zerschlagen
wurde, ist nebensächlich angesichts der geschichtstheologischen Bedeutung des Ereig­
nisses. Der Wechsel in eine neue Epoche der Heilsgeschichte ist für die universale
Ganzheit und Gesamtheit der Menschen relevant, unabhängig von der Frage, ob sie an
dem Geschehen beteiligt waren, seine irdischen Auswirkungen gespürt oder auch nur
je davon gehört haben. Es handelt sich also im Grunde um ein Ereignis ohne Ereignis­
raum, denn der heilsgeschichtliche Epochenwandel ist ein zeitliches, kein räumliches
Phänomen. Die Berufung Alexanders dagegen musste am irdischen Ort der civitas Dei
im Tempel zu Jerusalem verortet werden, um die Erfolge des Makedonen aus der
scheinbar ungeordneten menschlichen Geschichte herausheben und seine besondere
Rolle im verborgenen heilsgeschichtlichen Gesamtplot verstehen zu können. Der
Ereignisraum dieser Berufung hat einen benennbaren irdischen Ort, der eine besondere
Verbindung zum universellen Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs hat.
Das Perserreich ist zerschlagen und Alexanders kurzlebige Herrschaft als drittes
Weltreich etabliert. Damit ist eine zentrale Epochengrenze passiert und Otto verlässt
die streng diachrone Perspektive seines heilsgeschichtlichen Gesamtplots und liefert
nun auch räumliche Informationen zum weiteren Geschehen im Reich des gestürzten
Dareios: Alexander zog “als Sieger in Persepolis, der Hauptstadt des Perserreiches,
ein.”62 Dareios sei nach der letzten verlorenen Schlacht von seinen Generalen festge­
setzt und gefoltert “sterbend am Wege liegen”63 gelassen worden, wo Alexander ihn
fand. Zwar wird der hier erwähnte Wegesrand nicht in Bezug zu anderen Orten loka­
lisiert, jedoch fehlten in den Ereignisberichten aus dem persisch-makedonischen Krieg
vor der Epochengrenze selbst solche in sich geschlossenen Ereignisräume. Den poli­
tischen und militärischen Ereignissen, die auf den Epochenwechsel folgen, wird
dagegen eine Räumlichkeit zugestanden; sie ist nicht mehr durch die heilsgeschicht­
liche Chronologie überlagert.
Nachdem Dareios’ Mörder gefunden und bestraft sind, so berichtet Otto, bricht
Alexander erneut auf und unterwirft die Hycanos et Mandros und die Königin Ama-
zonum.64 Wie schon im Bericht vom Aufstieg des Makedonenreiches und von
Alexanders “Siegeslauf” im Mittelmeerraum werden also auf seinem beginnenden
Eroberungszug Richtung Osten Gruppen unterworfen, die durch die Benennung als
gens identifiziert werden. Im Falle der Amazonenkönigin Thalestris hören wir auch
etwas von der gruppenkonstituierenden Herrschaftsstruktur. Wo allerdings die Sied-61234

61 Chronica (wie Anm. 1) II,25, 96. Chronik (wie Anm. 1) 151: “Von da an rechnet man das Reich der
Griechen oder Makedonier.”
62 Chronica (wie Anm. 1) II,25, 96: Alexander XXXIII diebus predam percensuit Persipolimque urbem,
caput Persici regni, victor invadit. Übers. aus: Chronik (wie Anm. 1) 151.
63 Chronica (wie Anm. 1) II,25, 96: extremum spiritum trahentem in via relinquunt.
64 Ibid. II,25, 97: Igitur Alexander Magnus ... Hyrcanos et Mandros imperio adiecit Amazonumque regi­
nam Alestram ... excepit.
26 PAUL PREDATSCH

lungsgebiete dieser gentes zu suchen wären, wo ihre Städte, Kult- und Herr­
schaftszentren, erfahren wir im Bericht von Alexanders Heerzug in den Osten nicht.
Im Gegensatz zum mediterranen “Siegeslauf’ werden nun scheinbar keine Landstriche
mehr durchquert und keine Orte passiert. Räumliches Handeln scheint mehr und mehr
aus dem Bericht zu verschwinden und auch die Hoffnung auf eine Beschreibung der
räumlichen Gliederung der Welt östlich Kleinasiens enttäuscht Otto schroff: “Es
würde zu weit führen, alle Völker und Reiche aufzuzählen, unterwarf er doch seiner
Herrschaft den ganzen Orient von Skythien bis ans Ende der Erde.”65 Nicht genug,
dass er Reiche und Völker nicht aufzählen kann oder will, er hätte auch mit mehr
Wissen oder bei einem größeren Umfang des Textes regna ac gentes, raumlose Herr­
schaften identifiziert durch die Bezeichnung der beherrschten Gruppe, beschrieben,
keine Landschaften oder Städte, keine topologischen Verhältnisse und keine raumbil­
denden Interaktionen zwischen Invasoren, Angegriffenen, ihren Verbündeten und
Handelspartnern. Von raumbildendem Handeln hätte der Leser somit nichts erfahren.
Der Vorstoß Alexanders “bis ans Ende der Erde” erscheint im Text nicht wie ein
Agieren in einem Raum, der durch das Handeln der dort lebenden Menschen
geschaffen bereits besteht, sondern wie ein Raum erst etablierendes Vordringen in
eine ungegliederte eremus. Besonders deutlich zeigt dies Ottos Charakterisierung In­
diens, das Alexander “durchziehen konnte, obgleich es, am Ozean im äußersten Osten
liegend, das Ende der Erde bildet und, für Menschen undurchdringlich, nur für wilde
Tiere und Schlangen bewohnbar erscheint.”66 Über die folgenden Erzählungen von der
Eroberung eines Felsens, an der Herkules seinerzeit gescheitert sei, von dem Sieg
gegen Porus, den König der Inder (Indorum), von dessen außergewöhnlicher Körper­
große und seinem Reichtum, und von vielem anderen mehr sagt selbst Otto, dass es
“so wunderbar ist, daß es fast unglaublich erscheint.”67 Diese Erzählungen sind
weitere Belege dafür, dass der Heerzug unter dem Makedonen den durch menschliche
Interaktionen erschlossenen Raum verlässt und in den fabelhaften Nicht-Raum der
mythischen Helden und Völker vordringt. Dieser Nicht-Raum mag zwar Teil der Welt,
der terra, sein, ist aber kein durch Interaktionen gestifteter und gegliederter Raum und
somit weder räumlich erfahrbar noch beschreibbar. Dieser Nicht-Raum bildet einen
Sonderfall der eremus: Während die eremus der bekannten, durch menschliche In­
teraktionen gestifteten Weltzone einen asozialen Zwischen-Raum zwischen den loci
des sozialen Handelns darstellt, ist die eremus absoluta des Weltenrandes nicht von
loci “durchlöchert,” die über eine Kette von loci mit dem sozialen Raum der antiken
Ökumene verbunden wären.
Zurückgekehrt vom östlichsten Rande der Welt empfängt Alexander in Babylon die
Unterwerfung zahlreicher weiterer Herrscher “fast aus der ganzen Welt, auch aus dem
fernsten [Westen], nämlich [von den Hispaniern, Galliern, aus] Germanien, Afrika und

65 Ibid.: Longum est enumerare gentes ac regna : totum enim orientem a Scithia usque ad finem terrae
suae subiugavitpotestati. Übers. aus: Chronik (wie Anm. 1) 151.
66 Chronica (wie Anm. 1) II,25, 97: India citerior, quae, quamvis in oceano ultimoque oriente posita or­
bem claudat hominibusque inpervia solis bestiis ac serpentibus videatur habitabilis, Alexandro tamen facta
e s t... penetrabilis. Übers. aus: Chronik (wie Anm. 1) 151-153.
67 Chronica (wie Anm. 1) II,25, 97: et multa, quae tam mirabilia sunt, ut etiam incredibilia videantur.
Übers. aus: Chronik (wie Anm. 1) 153.
RÄUMLICHKEIT IN DER UNIVERSALCHRONIK 27

fast ganz Italien.”68 Mit dieser Reihung von Toponymen und auf Toponyme rückführ-
baren Gentilnamen wird der von Alexander bisher noch nicht eroberte Teil der
Westhälfte der antiken Welt als unterworfen benannt. Nachdem Alexander sich auf
seinem “Siegeslauf’ zwischen Makedonien und Ägypten alle Herrschaften Landschaft
für Landschaft unterworfen hatte und nachdem diesem Großreich die unräumlichen
Herrschaften der eremus absoluta hinzugefügt worden waren, sehen wir nun in Baby­
lon die in den Landschaften der Westhälfte der Welt lokalisierten Herrschaften sich
unterwerfen. Dabei zeigt sich Otto erstaunt, dass “man selbst von dort eine Gesandt­
schaft ankommen sehen konnte, wohin, wie man hätte glauben sollen, in so kurzer
Zeit kaum auch nur eine Nachricht hätte gelangen können.”69 Der ganze Globus habe
von Furcht ergriffen Gesandte zu ihm geschickt70 und der gesamte Globus wird hier
zum Ereignisraum der erneuten Ankunft Alexanders und der unmittelbaren Unterwer­
fung aller dort lokalisierten Herrschaften. Die Gesamtheit der Menschen scheint für
einen kurzen Moment der Geschichte in der Einheit des weltumspannenden Alexan­
derreiches zusammengeführt, das jenem späteren Reich des Augustus schon so ähnlich
geworden zu sein scheint.71 Anders als bei den Stationen auf dem “Siegeslauf’ wird
uns jedoch hier nicht nur ein von der Unterwerfung betroffener Ereignisraum
vorgestellt, sondern auch eine konkrete Stadt benannt, in der Alexander die Unterwer­
fungen der Könige des gesamten Globus’ empfängt: Babylon.72 Ohne dass Otto es
ausspricht, ist doch durch die Lokalisierung der Berufung Alexanders im Tempel zu
Jerusalem und die Lokalisierung der vollständigen Unterwerfung des Globus’ in
Babylon auf die Spannung zwischen den civitates verwiesen und ein Weg
Alexanders—wiederum räumlich und symbolisch—von der Assoziierung mit der
civitas Dei, deren Ziel die Ewigkeit ist, hin zur civitas terrena, die der mutatio rerum
unterworfen ist. Folgerichtig zerfällt das wahrhaft globalisierte Weltreich durch den
Mord an dem makedonischen Monarchen: “O Schicksal der Sterblichen, o ihr
jammervollen, blinden Sinne!” klagt Otto, die “Weltherrschaft der Makedonier, die
mit ihm begann, endete auch mit seinem Tode.”73
Insgesamt scheint sich anzudeuten, dass zwei unterschiedliche Prinzipien der

68 Chronica (wie Anm. 1) II,25, 98: ex toto pene orbe ac ultimo occidente, id est ab Hispanis, Gallis,
Germania, Affrica ac ferme omni Italia. Übers. aus: Chronik (wie Anm. 1) 153. Hier nun wechselt Otto
innerhalb einer Aufzählung von der Benennung durch Gruppenbezeichnungen zur Benennung durch Re­
gionenbezeichnungen, ohne dass ein Bedeutungsunterschied deutlich würde.
69 Chronica (wie Anm. 1) II,25, 98: ut inde venisse cerneres legationem, quo vix tam parvo tempore cre­
deres etiam rumorem pervenisse. Übers. aus: Chronik (wie Anm. 1) 153.
70 Chronica (wie Anm. 1) II,25, 98: tantus timor totum invaserat orbem.
71 Otto begründet die späte Menschwerdung Gottes im letzten der sechs Weltzeitalter mit der Einigung
der gesamten Menschheit in der Ganzheit des römischen Reiches unter einem Herrscher, “damit den auf
solche Weise Geeinten die Einheit des Glaubens ans Herz gelegt werde: dadurch, daß alle Menschen durch
das Schreckensregiment einer Stadt zur Verehrung eines Menschen gezwungen wurden, sollten sie lernen,
auch einen Glauben zu üben und in ihm nicht nur einen göttlichen Menschen, sondern Gott als Schöpfer des
Alls zu verehren und anzubeten.” (Chronica [wie Anm. 1] III, prol., 133: ut his modis unitis unitas com­
mendaretur fidei, quatinus unius urbis terrore ad unum hominem colendum homines universi constricti
unam quoque fidem tenendam caelestemque in ea non hominem tantum, sed auctorem omnium colendum ac
adorandum Deum ad discerent. Übers. aus: Chronik [wie Anm. 1] 211.)
72 Chronica (wie Anm. 1) II,25, 98: ab India revertitur in Babylonem. Sicher ist hier die Stadt, nicht die
Landschaft bezeichnet. Vgl. Georges, LDHW (wie Anm. 47), s. v. Babylon im Ggs. zu Babylonia.
73 Chronica (wie Anm. 1) II,25, 98: O mortalium conditio, o mentes miseras et cecas! ... Regni Mace­
donum monarchia, quae ab ipso cepit, ipso mortuo cum ipso finitur. Übers. aus: Chronik (wie Anm. 1) 153.
28 PAUL PREDATSCH

Verräumlichung zur Anwendung kommen: Die Herrschaften und Akteure der


wechselvollen irdischen Geschichte sind stets in Landschaften, seltener in Städten,
verortet. Zu Ereignisräumen werden diese Landschaften häufig als ganze und stets
ohne Hinweise auf Distanzen oder den Prozess des Marsches oder der Reise, ganz so
als seien sie punktuelle Orte ohne Flächen. Der Globus erscheint als hierarchisch ge­
gliederte, distanzenlose Nebeneinanderordnung dieser “Orts-Räume,” an dessen
Rändern allerdings auch scheinbar unräumliche Herrschaften und Personenverbände
in der eremus absoluta zu finden sind. Für den narrativen Gesamtplot der
Heilsgeschichte besonders relevante Ereignisse verlieren dagegen ihre synchrone,
räumliche Einordnung zugunsten der diachronen, teleologisch-theologischen Verknüp­
fung. Mit Jerusalem konnte jedoch auch ein geschichtstheologisch hochrelevanter Ort
identifiziert werden, an dem solche Ereignisse lokalisiert werden. Wie auch im Falle
Babylons wird durch diese Verräumlichung die inhaltliche, geschichtstheologische
Bedeutung des Ortes für das sinngebende emplotment benutzt.

De r Üb e r g a n g in d e n z w e it e n s t a t u s
Mit einer entscheidenden Schlacht, so schilderte Otto, hätten die von Alexander be­
fehligten Truppen die Regentschaft des Dareios beendet und sein Reich zerstört.
Einige Stunden nur wurden für diesen Übergang von einer Epoche der Weltgeschichte
zur anderen benötigt, ja im Grunde wurde er in dem Moment vollzogen, in welchem
sich der persische König zur Flucht wendet und seine Herrschaft verloren haben wird.
Im Gegensatz dazu nimmt der Übergang vom ersten, dem vorchristlichen, status ins
christlich-römische Zeitalter, zugleich der Übergang zum sechsten und letzen
Weltzeitalter, ungleich mehr Erzählzeit und erzählte Zeit ein: Von der Geburt Jesu von
Nazareth bis zum Ende der Christenverfolgungen unter Konstantin und schließlich
dem Beitritt Roms unter Theodosius I. zum katholischen Christentum74 erstreckt er
sich über einen Zeitraum von nahezu vier Jahrhunderten:

Über die beiden Staaten, von denen der eine im anderen zunächst bis zur Ankunft Christi
verborgen lag und sich von da an bis zu Konstantin allmählich fortschreitend entwickelt hat,
glaube ich ebenfalls genug gesagt zu haben. Nachdem aber von Konstantin die äußeren
Drangsale vollständig beseitigt waren, begannen auf Anstiften des Teufels schwere innere
Streitigkeiten .... Diese Konflikte dauerten bis zu Theodosius d. Ä. Von da an aber ...
glaube ich sagen zu können, daß ich die Geschichte nicht mehr der zwei Staaten, sondern
fast nur noch eines einzigen, den ich die “Christenheit” (ecclesiam) nenne, dargestellt habe.75

74 Welchem der beiden Kaiser das Verdienst zukommt, die Einigung von Reich und Christenheit voll­
zogen zu haben, entscheiden die Historiographen nicht einhellig. Schon Eusebius, dessen Kirchengeschichte
Otto in der Übersetzung Rufmus’ für seine Chronik benutzt, hatte die enge Verbindung zwischen Kaiser
Konstantin und dem Christentum geschildert und propagiert. Vgl. dazu Heinz Bellen, “Christianissimus
Imperator. Zur Christianisierung der römischen Kaiserideologie von Constantin bis Theodosius,” E fontibus
haurire. Beiträge zur römischen Geschichte und zu ihren Hilfswissenschaften, ed. R. Günther und S. Re-
benich (Paderborn 1994), 3-19, repr. in idem, Politik—Recht—Gesellschaft. Studien zur Alten Geschichte
(Stuttgart 1997) 151-166, hier 156-162.
75 Chronica (wie Anm. 1) V, prol., 228: Porro de duabus civitatibus, qualiter una in alia latendo usque
ad adventum Christi ac inde ad Constantinum paulatim progressa profecerit, supra sat dictum puto. A
Constantino vero exterioribus malis ad plenum sopitis cepit intestinis malis instigante diabolo ... graviter
angi usque ad Theodosium seniorem. A t deinceps ... videor mihi non de duabus civitatibus, sed pene de una
tantum, quam ecclesiam dico, hystoriam texuisse. Übers. aus: Chronik (wie Anm. 1) 375.
RÄUMLICHKEIT IN DER UNIVERSALCHRONIK 29

Mit den Abschnitten zum Leben Jesu von Nazareth und zum Beitritt des römischen
Weltreiches unter Theodosius zur ecclesia sollen im Folgenden die Ereignisse, die
Beginn und Ende dieser Übergangsphase bilden, im Mittelpunkt stehen.
Nachdem bereits in den ersten beiden Büchern der Chronik die Geschichte der ers­
ten fünf der sechs Weltzeitalter und der ersten drei der vier Weltreiche abgehandelt
sind, will sich Bischof Otto nun in den nächsten fünf Büchern der letzten Epoche der
Weltgeschichte, dem christlich-römischen Zeitalter, widmen. Er datiert die Geburt
Jesu von Nazareth anhand verschiedener Ären in die Zeit der friedenbringenden Herr­
schaft des römischen Reiches über alle Menschen und gibt mit Bethlehem in Judäa (in
Bethlehem Iudae) auch den Ort der Menschwerdung an.76 Der Ereignisraum der
Menschwerdung Gottes wird damit zunächst über die kleine Stadt Bethlehem hinaus
auf Judäa ausgeweitet, den irdischen Raum der vorchristlichen civitas Dei, die “bis zu
den Zeiten Cäsars [Augustus’—PP] auf Judäa beschränkt blieb.”77 Jedoch weitet der
Text diesen Ereignisraum im Folgenden gleich noch weiter aus: “Um zu zeigen, dass
er das Licht der Welt und der wahre Friede sei, erschien in der Nacht ... ein Engel und
verkündete ihnen die frohe Botschaft seiner Geburt.”78 Von Bethlehem über die Land­
schaft Judäa bis zur ganzen dinglichen Welt weitet sich der Ereignisraum des knappen
Berichtes, der mit der Transzendenz des Engels sogar über die dingliche Welt
hinausweist. Indem er einige historische Parallelen zwischen Babylon und Rom sowie
zwischen dem Reich des Augustus und jenem des Christus aufweist, zeigt Otto erneut
die strenge Komposition der Heilsgeschichte und die symbolischen Verweise
zwischen ihren verschiedenen status (ante lege/babylonisches Reich—sub
lege/römisches Reich—sub gratia/Christi Reich) auf.79 Dabei wird der Triumph
Augustus’ in Rom (in Urbe) nach seiner Rückkehr aus dem Osten (ab oriente) auf
denselben 6. Januar datiert, an dem auch die Weisen aus dem Osten (ab oriente) Jesus
von Nazareth gehuldigt hätten.80 Gleichzeitig also habe es zwei Reisen aus dem Osten
nach Rom bzw. Bethlehem gegeben, deren Ziel die Huldigung eines Herrschers war.
Diese Reisen werden jedoch in der Chronik nur zeichenhaft miteinander verbunden
und ein gemeinsamer irdischer Ereignisraum, in dem sich die Akteure der Evangelien

76 Chronica (wie Anm. 1) III,6, 141: anno imperii Cesaris Augusti XL°II°, anno vero ab Urbe condita
DCC0L oII°, olimpiade CaXCaIIf, revolutis ab Adam V milibus D13 annis, regnante in Iudea Herode filio
Antipatris alienigena, ebdomada iuxta Danielem LX2VH, Iesus Christus filius Dei, secundum carnem filius
David, ex Maria virgine in Bethlehem Iudae nascitur. Der Chroniktext unterscheidet nicht zwischen Iudea
und Iuda. Lammers und Schmidt gehen davon aus, mit Iudea sei das räumliche Zentrum jüdischer Siedlung
und Herrschaft rings um Jerusalem in nachbabylonischer Zeit gemeint, mit Iuda dagegen das südliche Reich
der Davididen bzw. der Stamm Israel, und schreiben die zahlreichen Abweichungen von dieser Zuordnung
dem Irrtum Ottos zu. Vgl. das Register in Chronik (wie Anm. 1) 729, s. v. Iuda bzw. Iudea. Im Lichte der
bisherigen Ergebnisse scheint es aber plausibler in beiden Formen einen Raumbegriff zu sehen, mit dem
Herrschaften lokalisiert werden können, sodass beide ohne Unterschied im Deutschen mit ‘Judäa’ wieder­
gegeben werden können. Vgl. beispielsweise Chronica (wie Anm. 1) II,1, 69: regnate in Iudea Ozia.
77 Chronica (wie Anm. 1) III,2, 138: civitas nostra in Iudea manens usque ad Cesaris tempora. Übers.
aus: Chronik (wie Anm. 1) 219.
78 Chronica (wie Anm. 1) III,6, 141: Qui ut lux mundi paxque vera monstraretur, eadem ... nocte ...
angelus gaudium nati predicans apparet. Übers. aus: Chronik (wie Anm. 1) 219.
79 Vgl. Chronica (wie Anm. 1) III,6, 141-142.
80 Ibid. III,6, 142: Ille enim VIII. Idus Ian. ab oriente rediens regibusque sibi subiugatis ac civilibus se­
datis motibus cum triplici triumpho in Urbe suscipitur Augustusque vocatur. Iste natus humiliterque in
carne latens similiter eadem die, id est VIII. Idus Ian., quam nos epiphaniam dicimus, stella duce ab oriente
trinis adoratur muneribus apparensque, qui ante latuerat, augustus ac rex regum declaratur.
30 PAUL PREDATSCH

und die Akteure des römischen Reiches begegnet wären oder auch nur Kenntnis
voneinander erhalten hätten, lässt sich nicht finden. Wie ausgeprägt diese
Beschränkung auf eine zeichenhafte Beziehung ist, lässt sich auch an der folgenden
Episode zeigen: In einem Stadtteil Roms (in Transtyberina Urbis regione) soll ein
Ölbach auf die Geburt Jesu und seine spätere Salbung hingewiesen haben.81 Der Öl­
bach als Zeichen für die zukünftige Salbung Jesu muss aber für die Bürger Roms un­
verständlich geblieben sein. Der Chroniktext deutet die Erscheinung als Äußerung
Gottes und unterstellt entsprechend eine göttliche Äußerungsabsicht (der Ölbach sei
geflossen, damit die Geburt und die spätere Salbung Jesu angezeigt würde), macht
jedoch keine Aussage über die Wirkung des Zeichens im historischen Rom der
Zeitenwende.
Auch im Folgenden bleiben beide Ereignisräume getrennt voneinander: Otto
berichtet zunächst nach dem biblischen Text von Herodes’ Nachforschungen zu Ort
und Zeit der Geburt des Christus, von der Flucht der heiligen Familie nach Ägypten
und dem vielfachen Kindermord in der Gegend um Bethlehem.82 Sodann liefert er
einige Nachrichten aus der römischen Politik: Nach dem Tod Herodes’ habe in Rom
eine Hungersnot geherrscht und darum seien Nichtbürger und Sklaven der Stadt ver­
wiesen worden. Der Janustempel sei anlässlich der Aufstände der Athener und Daker
wieder geöffnet worden.83 Kaiser Tiberius beging im Innern “kein Unrecht gegen die
Bürger, und nach außen erregte er keine Kriegsstürme,”84 unter seiner Herrschaft seien
aber dennoch die Germanen geschlagen worden und er vergab aus übergroßer Milde
einem jungen Mann, der eine verheiratete Frau mit einer Lüge in einen Tempel
gelockt und sie dort zum Ehebruch verleitet hatte.85 Diese Passage zur römischen
Geschichte ist mit sehr unterschiedlichen räumlichen Verweisen versehen: Von der
expliziten positionalen Lokalisierung der Hungersnot durch ein Toponym, der impli­
ziten positionalen Lokalisierung der Öffnung des Janustempels und der römischen
Siege durch die Erwähnung ihres jeweiligen Patiens, den Lokalisierungen der Politik
Tiberius’ durch topologische Ausdrücke relativ zur Grenze seiner Herrschaft bis hin
zur expliziten direktionalen Lokalisierung der Lockungen des Ehebrechers durch den
Gattungsbegriff Tempel reicht die Spanne. Die berichteten Ereignisse und Handlungen
beziehen sich dabei kaum aufeinander, sodass kein Netzwerk von Ereignisräumen
aufeinander bezogener Handlungen entsteht. Ihr Gemeinsames besteht einzig im Be­
zug zur Herrschaft des römischen Reiches. Das kaiserliche Handeln scheint geradezu
ubiquitär und weniger ein Handeln in diesen so verschiedenen Ereignisräumen, die

81 Ibid.: Illis diebus largus olei rivulus in Transtyberina Urbis regione fluxisse invenitur, ut nasciturus in
carne, qui super omnes reges oleo laeticiae et exultationis spiritu sancto unguendus foret, monstraretur.
82 Ibid. III,7, 143: callide loco ac tempore perscrutato, circa Bethlehem a bimatu et infra pueros occidi
precepit, nutricio Christi ante per angelum premonito pueroque in Egyptum translato. Vgl. Mt 2.2-16.
83 Ibid. III,8, 144: maxima fames in urbe Roma fuit. ... lanistarum familias et peregrinos, servos quoque
... Augustus ab Urbe expelli preceperit. Ea tempestate Augusto iam sene Iani portae ... propter Athenien­
sium et Dacorum seditionem aperiuntur.
84 Ibid. III,9, 144: nec cives intus iniuriavit nec foris bellorum tempestates movit. Übers. aus: Chronik
(wie Anm. 1) 229.
85 Chronica (wie Anm. 1) III,9, 144-145: Quarto vero imperii eius anno ... Germanicus Drusi filius,
Galigulae pater, de Germanis triumphavit. . His diebus sceleratus quidam, Mundus nomine, callidissime
quandam matronam castam Paulinam decepit. . Haec idcirco ponere volui, ut ostenderem Tyberium
quidem mansuetum fuisse, sed in iudiciis suis contra peccantes remissum.
RÄUMLICHKEIT IN DER UNIVERSALCHRONIK 31

zusammengenommen das römische Reich bilden, als vielmehr an ihnen.


Herodes’ Herrschen dagegen, dies deutete sich im Bericht vom Kindermord und
demjenigen von seinem Ende bereits an,86 ist klar in Orts-Räumen verräumlicht. Otto
berichtet, dass Johannes angefangen habe, in der Wüste zu predigen, als in Judäa die
Tetrarchen herrschten.87 Die Haft Johannes’ vor seiner Hinrichtung wegen seiner An­
griffe auf den Tetrarchen wird direktional und explizit durch die Erwähnung des
Gattungsbegriffes im Gefängnis Herodes’ lokalisiert,88 ein weiteres mal durch die Er­
wähnung des Eigennamens der Festung im von Otto zitierten Ausschnitt aus
Josephus.89 Die Hinrichtung Johannes’ wird im Festsaal der Geburtstagsfeierlichkeiten
Herodes’ lokalisiert.90 Dieser kleinteiligen Ereignisräume in den Sälen und Kerkern
Herodes’ entrückt finden wir dagegen im Bericht von den Taten Jesu, der in dieser
Passage eingeschoben ist, kaum räumliche Verweise: Die Taufe Jesu mag noch als
implizit in der Wüste lokalisiert gelesen werden, seine Predigttätigkeit und die
Wunder werden nur summarisch und ohne Raumreferenzen erwähnt.91
Auch der spätere Bericht von der Passion ist nicht sonderlich detailliert, dafür aber
reich an räumlichen Bezügen: Explizit positional verortet wird die Statthalterschaft
Pilatus’ in Jerusalem sowie die Kreuzigung in Golgatha vor den Toren der Stadt.92 In
Übereinstimmung mit der biblischen Überlieferung93 berichtet Otto, beim Tod Jesu

86 Vgl. ibid. III,7, 143-144. Herodes hatte, so wird berichtet, die Elite aus den Städten und Ortschaften
seines Reiches um sich versammelt und sie gefangen gehalten (ex singulis vicis seu castellis nobiles ac
primarios viros ad se vocatos in vincula posuerit; ibid., 143.), um sie nach seinem Tode ermorden zu lassen.
87 Ibid. III, 10, 145: cum iam in Iudea IIII0principes, quos Greci tetrarchas vocant, Archelao mortuo
presiderent, Iohannes in deserto baptismum penitenciae predicare cepit.
88 Ibid.: Ob quam causam ab eo in carcerem ponitur dieque natalis sui, quod in Evangelio plenius ha­
bes, eductus flagitiose inter epulas necatur. Vgl. Mt 14.3-12.
89 Ibid. III, 10, 146: Ea sola igitur suspicione Herodis vinctus in castellum Macherunta abducitur
Iohannes ibique obtruncatur. Otto stützt sich in diesem gesamten Abschnitt nur vereinzelt direkt auf die
biblische Überlieferung und verweist stattdessen auf eine Reihe von nichtchristlichen Belegen für das
Gesagte. Vor allem aus Josephus’ “Antiquitates Judaicae” übernimmt er längere Passagen, die teils als
spätere Interpolationen erkannt worden sind. (Vgl. Chronica (wie Anm. 1) III,9—10, 145-146; Chronik [wie
Anm. 1] 231, Anm. 61; 232, Anm. 62.) Wie schon sein Vorgänger Orosius gibt Otto auch an vielen anderen
Stellen nichtchristliche und nichtjüdische Zeugnisse für die Geschichte der Träger der civitas Dei an. (Von
den zahlreichen Beispielen sei Verwiesen auf den Bericht von den Taten Mose, der Verweise auf Flavius
Josephus und Pompeius Trogus enthält, in Chronica [wie Anm. 1] 1,18, 52—53 bzw. Pauli Orosii historia­
rum libri [wie Anm. 39] I,8, 49—53.) Einerseits mag durch den Verweis auf diese Zeugnisse—wie etwa die
dokumentierten Verwaltungsakte des heidnischen Kaisers nach dem Erdbeben beim Tod Jesu—die “inter­
religiöse” Überprüfbarkeit des Gesagten belegt werden. Andererseits aber dient der Verweis auf das Wissen
insbesondere der Juden auch dem Beleg ihrer vermeintlichen Verstocktheit, da sie zwar “von der Ankunft
Christi wohl wissen, aber, durch Mißgunst verblendet, zur Vergrößerung ihrer Verdammnis, an sie nicht
glauben wollen.” (Chronica [wie Anm. 1] III,11, 147: ut ostenderem Iudeos de adventu Christi non ig­
norare, sed ad dampnationis augmentum invidia excecatos credere nolle. Übers. aus: Chronik [wie Anm. 1]
233.) Eine ähnliche Begründung, hier bezogen auf die römische Überlieferung über Moses, wird in der oben
erwähnten Passage gegeben: Haec idcirco de hystoriis gentium ponere volui, ut ostenderem cives Babylo­
niae ad dampnationis suae cumulum veritatis assertores scisse quidem, sed erroris mendatia non
deseruisse. (Chronica [wie Anm. 1] I,18, 53.)
90 Siehe oben, Anm. 88.
91 Chronica (wie Anm. 1) III,10, 146: A d cuius baptismum Dominus quoque aquas sanctificaturus bapti­
zandus venit. Et exhinc predicare, miracula facere cepit.
92 Ibid. III,11, 146—147: in Hierosolimis vero presidente Pontio Pilato, Dominus ad passionem venire
dignatus fuit ac in loco Calvariae extra portam in parasceue a Iudeis gentibus traditus VI a hora crucifigi.
93 Vgl. Mt 27.45—50; Mk 15.33—37; Lk 23.4—46.
32 PAUL PREDATSCH

habe “nicht nur in Judäa, sondern auch in der ganzen Welt”94 eine plötzliche Finsternis
geherrscht. Auch das Erdbeben, das sich nach biblischer Überlieferung beim Tode
Jesu von Nazareth ereignete95, erwähnt Otto und lokalisiert es implizit durch die
summarische Erwähnung der zerstörten Städte Asiens.96 Wiederum also weisen die
Räume der Ereignisse im Leben und Sterben Jesu von Judäa aus auf die ganze Welt.
Im Gegensatz zur Schilderung seiner Geburt in Bethlehem scheint nun jedoch die
Welt außerhalb Judäas davon stärker direkt, sozusagen auch nach irdischen
Maßstäben, betroffen zu sein, freilich ohne dass wir aus den verschiedenen Teilen des
römischen Reiches von einer Deutung der Ereignisse als Gotteshandeln erführen.
Häufig springt der Berichtsgegenstand in der untersuchten Passage zwischen Judäa
und Rom, dem Christus und dem Kaiser, Heils- und Reichsgeschichte hin und her.
Obwohl beide Erzählstränge gerade an diesem Punkt im Narrativ von der christlich­
römischen civitas permixta zusammenlaufen sollten und beide Ereignisketten auch
Auswirkungen auf die jeweils andere haben (man denke an die Reise nach Bethlehem
wegen der Steuerschätzung, an den Ölbach in Rom, an den kaiserlichen Steuererlass
für die vom Erdbeben betroffenen Städte Asiens), ein gemeinsamer Handlungsraum
entsteht nicht. Die vielen unterschiedlichen Typen räumlicher Anordnung der
berichteten Ereignisse und die Isolation der einzelnen Handlungen lassen eher das Bild
einer zersplitterten Welt entstehen, auf deren einzelne Teile von verschieden Orten aus
eingewirkt wird. Es scheint, dass Otto zwischen Heilsgeschichte und ihrem irdisch in
Judäa verorteten Vollzug einerseits und den Handlungen in der weltlichen Geschichte
römischer Politik andererseits kein Gemeinsames finden konnte, um vom Universalen
der christlich-römischen civitas permixta erzählen zu können. Nur durch ihre Gleich­
zeitigkeit und ihre abstrakte Beziehung zum universalen Gott, nicht aber durch einen
gemeinsamen Raum irdischer Handlung oder Kommunikation, scheinen beide Stränge
verbunden.
Nach verschiedenen historiographischen Traditionen des Mittelalters kommt Kaiser
Theodosius I. eine besondere Rolle in der Geschichte zu. Als “allerchristlichster Kai­
ser” habe er die inneren Streitigkeiten des Christentums per Edikt beendet und die
römische Orthodoxie zur verbindlichen Form des Christentums erklärt.97 Damit sieht
Otto den Beitritt des römischen Reiches zur ecclesia in ihrem durchmischten Zustand
endgültig als vollzogen an98 und nennt Theodosius den historiographischen Tradi­
tionen folgend einen christianissimus princeps99 Ottos Bericht vom Leben und den
Taten Theodosius’ beginnt mit seiner üblichen Formel für einen Herrschaftswechsel:
“Im Jahre 383 nach der Fleischwerdung des Herrn übernahm als 40. Herrscher von

94 Chronica (wie Anm. 1) III, 11, 147: Tenebrae ab eadem hora usque ad horam, qua expiravit, VIIIF™
non solum in Tudea, sed et per totum mundum factae sunt.
95 Vgl. Mt 27.50-51.
96 Chronica (wie Anm. 1) III, 11, 147: Terrae motus quoque tunc factus quasdam civitates Asiae diruit,
quae propter hoc etiam a tributo libertati datae a Tyberio fuerunt.
97 Vgl. Bellen, “Christianissimus Imperator” (wie Anm. 74); Harmut Leppin, “Theodosius I., der Große
(347?-395),” Theologische Realenzyklopädie, Bd. 33 (Berlin 2002) 255-258, mit weiterer Literatur.
98 Siehe oben bei Anm. 74-75.
99 Chronica (wie Anm. 1) IV,18, 204. Die Anrede christianissime principum hatte Ambrosius von
Mailand im Kontext der allmählichen Christianisierung des Kaiserbildes seit Konstantin erstmals für Kaiser
Gratian verwandt, bald darauf aber auch auf Theodosius übertragen. Vgl. dazu Bellen, “Christianissimus
Imperator” (wie Anm. 74) 151, 162.
RÄUMLICHKEIT IN DER UNIVERSALCHRONIK 33

Augustus an Gratian ... die Regierung.”100 Gratian, so fährt Otto fort, habe nämlich
Theodosius, der Geburt nach ein Spanier (natione Hyspanum), zum Kaiser des Ostens
(Orientis) gemacht, indem er ihm in Sirmium (apud Sirmium) den Purpur anlegte.101
In Konstantinopel (urbe regia) habe zu dieser Zeit ein Konzil stattgefunden, und dort­
hin (ad se Constantinopolim) habe Theodosius auch den König der besiegten Goten
gerufen.102 Der Usurpator Maximus, der sich illegitim in Britannien (in Brittanniae)
die Herrschaft über das Reich anmaßte, tötete Kaiser Gratian in Gallien (in Galliis)
und vertrieb dessen Bruder Valentinian aus Italien, der wiederum zu Kaiser Theodo­
sius (ad Theodosium) floh.103 Theodosius, nun Alleinherrscher “als 41. Herrscher von
Augustus an,”104 zieht gegen Maximus zu Felde und schlägt ihn in der Nähe Aquilejas
(in Aquileiensium finibus).105 Er kommt nach Rom (Romam venit), macht Valentinian
zum Kaiser des Westens (Occidentis) und kehrt nach Konstantinopel zurück (Con­
stantinopolim rediit)}06 Valentinian jedoch wird auf dem Weg in die gallischen
Provinzen (ad Gallias) von Arbogast und Eugenius ermordet.107 In seinen Absichten
bestärkt durch die Prophetie des ägyptischen Mönchs Johannes, zu dem er gesandt
hatte (ad Iohannem Egypti monachum)108, zieht Theodosius gegen die Usurpatoren.
Die vorausgesandten Goten unterliegen zunächst jedoch dem Heer des Arbogast.
Unter dem Befehl des Kaisers selbst kann schließlich das Heer der Usurpatoren in den
Alpen (in Alpibus) gestellt und nach im Gebet durchwachter Nacht trotz ihrer güns­
tigeren Stellung auf einer Anhöhe (in eminentiori loco) geschlagen werden.109 Wenig
später stirbt Theodosius in Mailand (apud Mediolanum)}10
Diese Passage ist geradezu übervoll mit räumlichen Verweisen, mit Bewegungen,
Aktionen und Reaktionen im räumlichen Netzwerk, als das uns das kulturell hetero-1023456789

100 Chronica (wie Anm. 1) IV,17, 203: Anno ab incarnatione Domini CCCaLXXXaIIIaGratianus XLu ab
Augusto imperium ... obtinuit. Übers. aus: Chronik (wie Anm. 1) 335.
101 Chronica (wie Anm. 1) IV,17, 203: Qui ... Theodosium, natione Hyspanum, ... apud Sirmium purpura
indutum imperatorem Orientis fecit.
102 Ibid. IV,17, 203-204 : Huius diebus synodus secunda CL episcoporum ... in urbe regia congregatur.
... Theodosius ... Gothorum gentes devicit federeque cum Athalarico rege eorum inito ipsum ad se Constan-
tinopolim vocavit.
103 Ibid. IV,17, 204: Inter haec Maximus arrepto per tyrannidem in Brittanniae imperio Gratianum VI0
post mortem Valentis imperii sui anno in Galliis interfecit fratremque suum Valentinianum Italia expulit.
Qui ad Theodosium fugiens paterne ab eo excipitur. Übers. aus: Chronik (wie Anm. 1) 335.
104 Chronica (wie Anm. 1) IV,18, 204: Anno ab incarnatione Domini CCC0LXXX0VIII0 Gratiano inter­
fecto Theodosius X L ^f^ ab Augusto Romanum imperium solus obtinuit. Übers. aus: Chronik (wie Anm. 1)
335.
105 Chronica (wie Anm. 1) IV,18, 204: Quem in Aquileiensium finibus aggressus interemit.
106 Ibid.: Theodosius ... Romam venit ibique ordinata bene re publica et Valentiniano Occidentis imperio
relicto Constantinopolim rediit.
107 Ibid. IV, 18, 205: Porro Valentinianus, dum ad Gallias revertitur, fraude Arbogasti ac Eugenii laqueo
... suspenditur.
108 Ibid. IV,18, 206: Theodosius, dum contra tyrannos exercitum parat, ad Iohannem Egypti monachum
Eutropium eunuchum misit.
109 Ibid.: Igitur religiosissimus imperator, fide potius quam milite armatus, exercitum contra tyrannos
movet, premissisque Gothis, quorum X milia ab Arbogaste fusa dicuntur, et ipse cum aliis iter peragit. Dum
ergo in Alpibus convenissent, tyrannique meliorem pugnandi facultatem in eminentiori loco haberent, au­
gustus totam noctem lacrimis et orationibus pervigilem ducens Deo se committebat. Mane facto pugna
conseritur, victisque tyrannis Eugenius captus interficitur, Arbogastes vero propria manu sibi iniecta
vivendi finem fecit.
110 Ibid. IV,18, 207: Theodosius itaque omnibus bene compositis ac ordinatis X I0post mortem Valentis
imperii sui anno apud Mediolanum beato fine quievit.
34 PAUL PREDATSCH

gene, poly zentrische römische Reich am Ende des 4. Jahrhunderts präsentiert wird.
Als Zentralorte der Herrschaft, so ist offensichtlich, funktionieren Rom und Konstan­
tinopel nicht mehr und auch die Herrschaft der Kaiser ist längst nicht mehr allgemein
verbindlich. Die Kaiser der Spätantike werden uns als hochmobile Akteure in einem
auseinanderdriftenden Reich vorgestellt. Viele der vorgefundenen Verräumlichungen
entsprechen dabei der bekannten Erzählweise, die eine ganze Landschaft zum
Ereignisraum einer Handlung macht: Britannien wird zum Orts-Raum der Usurpation
Maximus’, die gallischen Provinzen zum Tatort seines Mordes an Gratian. Dabei sind
die Gliederungen des römischen Reiches den Städten ihrer Funktion als Knotenpunkte
im Netzwerk aus Orts-Räumen nach gleichgestellt; sowohl Provinzen als auch Städte
werden zu Ereignisräumen der Herrschaft, der Konzilien und des Krieges. Doch fin­
den wir in dieser Passage auch einige räumliche Verweise, die von einer Veränderung
der Räumlichkeit im Laufe der erzählten Geschichte zeugen: Mit der topologischen
positionalen Lokalisierung der Niederlage des Maximus in der Gegend um Aquileja
haben wir einen der seltenen Belege für die Vorstellung eines umgrenzten Gebietes
vor uns.111 Wenn man auch davon ausgehen muss, dass die stehende metonymische
Wendung in finibus112 hier nicht eine genau umgrenzte Fläche—etwa der Gemeinde
oder der Diözese Aquileia113—meint, so wird das berichtete Ereignis doch deutlich in
einiger Entfernung relativ zur Stadt Aquileia lokalisiert. Sowohl die “Kaiserkrönung”
als auch der Tod Theodosius’ werden mit der Präposition apud nicht an einem Ort—
etwa “in Pannonien” oder “in Italien”—lokalisiert, sondern relativ zu einem topo-
nymisch bezeichneten Ort.114 Auch die Schlacht zwischen den Truppen Theodosius’
und jenen Arbogasts und Eugenius’ wird nicht in einem monolithischen Orts-Raum
lokalisiert, sondern in einer Folge von Ereignissen werden uns die räumlichen
Bedingungen der Episode in den Alpen zwischen dem Ort auf der Anhöhe und dem
Lager der kaiserlichen Truppen im Tal plastisch und detailreich beschrieben.115
Auffällig ist, dass in der ganzen Episode kein Hinweis auf die Trennung der beiden
civitates noch auf deren endgültiges Aufgehen in der civitas permixta zu finden ist. Es
scheint für Otto kein punktuelles Ereignis im Leben des Theodosius zu geben, das für
den Vollzug dieser Vereinigung zur ecclesia stünde. Stattdessen wird immer wieder in
Superlativen die Christlichkeit, Gläubigkeit und Religiosität des Kaisers unterstrichen.
Er scheint bereits Kaiser in der civitas permixta zu sein, obwohl doch auch dem
Chroniktext zufolge seine Nähe zum Christentum und sein Verdienst um diese Fusion12345

111 Das Wortfeld finis—finio bezeichnet bei Otto in den meisten Fällen ein zeitliches Ende, ein Sterben
oder Beenden (Vgl. bspw. oben, Anm. 109 und 110.), seltener die Grenzen des Erdkreises, benachbarte
Siedler oder eben eine Region.
112 Vgl. Georges, LDHW (wie Anm. 47), s. v. finis, I.1.
113 Vgl. Clemens Heucke, “Aquileia. 1. h. Aquileia, in Oberitalien,” Der Neue Pauly (Leiden 2011).
114 Vgl. Georges, LDHW (wie Anm. 47), s. v. apud, II.a. In beiden Fällen übersetzt Schmidt apud mit
“in” (Vgl. Chronik [wie Anm. 1] 335 bzw. 339.) und nivelliert damit diesen Unterschied.
115 Schon die Lokalisierung des herodianischen Kindermordes circa Bethlehem hatte eine solche
Ergeignisräumlichkeit relativ zu einem Orts-Raum angedeutet. Umso deutlicher ist dieser Befund, da Ottos
Formulierung von der der Vulgata abweicht: omnes pueros qui erant in Bethleem et in omnibus finibus eius
(Mt 2.16). Was also Otto synthetisch mit der Präposition circa ausdrückte, war im Vulgatatext noch analy­
tisch ausgedrückt worden. Letztlich bleibt dieser Beleg jedoch singulär in der Passage aus der Lebenszeit
Jesu.
RÄUMLICHKEIT IN DER UNIVERSALCHRONIK 35

noch einmal eine andere Qualität haben als die des Konstantin.116
Viele der Ereignisräume in diesen Passagen zum Übergang der Weltgeschichte in
den zweiten status sin also einem Toponym benannte Orts-Räume, die im Ganzen,
ungeachtet ihrer Ausdehnung nach heutigem Verständnis, also Städte ebenso wie
Landschaften oder Provinzen, zum Raum eines Ereignisses oder einer Handlung
gemacht werden. Dieses Handeln in Orts-Räumen prägt vor allem die Berichte über
Herrschaft und Kriege, über die Elemente der mutatio rerum also. Die Ereignisse, die
dem Kernbereich der Heilsgeschichte zuzuordnen sind, werden also an Orten in Judäa,
dem Orts-Raum der civitas Dei ante lege, verortet, von hier aus aber nun
“globalisiert.” Die Globalität des Weltreiches spiegelt diese Globalität der
Heilsgeschichte, beide bleiben allerdings zunächst getrennt. Im Bericht vom Leben
und den Taten Theodosius’ ist diese Trennung zweier Handlungsstränge nicht mehr
nachweisbar, jedoch geht auch die Betonung der Globalität der Ereignisräume ver­
loren. Stattdessen deutet sich in den Lokalisierungen relativ zu Orten gegen Ende des
Berichts eine Räumlichkeit der situs an, die auch Hinweise auf die Vorstellung vom
Gelände enthält.

K o m p l e x e Rä u m l ic h k e it a m En d e d e r Z e i t e n : De r e r s t e Kr e u z z u g
Viele der frühen Historiographen des ersten Kreuzzuges im Reich haben dem
Kreuzzug eine besondere Bedeutung zugeschrieben: Sie betonen das Neue am
Kreuzzugsunternehmen und den “unentrinnbaren Mentalitätsschub,”117 der eine unge­
heure Menge aus nahezu allen Teilen der Welt und aus allen Ständen für den Krieg
mobilisieren konnte. Indem sie alle Jerusalem als Ziel des Kreuzzuges nennen und ihn
durch Berichte von Vorzeichen und Wundern als Werk Gottes darstellen, weisen sie
ihm eine hohe heilsgeschichtliche Relevanz zu. Die Chronik Ekkehards von Aura, die
Otto ausgiebig nutzte, geht hierin besonders weit und deutet den Kreuzzug seinerseits
als Vorzeichen der nahen Endzeit. Otto folgt ihm in dieser Deutung und ordnet damit
die Berichte vom Kreuzzug an hochrelevanter Position in den universalgeschichtlichen
Gesamtplot der Chronik ein.
Mit einer Vielzahl von Verortungen und Verräumlichungen ist der Kreuzzugs­
bericht Zeugnis einer räumlich komplexen Narrativierung der Ereignisse. Mit den als
Endzeitkriegen verstandenen Kreuzzügen erzählt Otto zu Beginn des siebenten Buches
seiner Chronik universalgeschichtlich hochrelevante Ereignisse, in deren weltumspan­
nenden Ereignisraum konkrete Orts-Räume nahezu verschwinden: Rom und Konstan­
tinopel werden hier nur kurz als irdische Herrschaftsorte erwähnt und stehen eher pars
pro toto für die beiden römischen Reiche. Denn Otto deutet den ersten Kreuzzug und
seine Vorgeschichte als Zeichen der nahenden Apokalypse: “In dieser Zeit ... erhob
sich überall auf Erden, wie es im Evangelium heißt, ‘Volk wider Volk,’ und die
Kirche des Ostens erlitt eine schwere Verfolgung durch die Heiden.”118 Die Ereignisse

116Siehe oben, bei Anm. 74-75.


117 Hans-Werner Goetz, “Der erste Kreuzzug im Spiegel der deutschen Geschichtsschreibung,”
Auslandsbeziehungen unter den salischen Kaisern. Geistige Auseinandersetzung und Politik, ed. Franz
Staab (Speyer 1994) 139-162, hier 144.
118 Chronica (wie Anm. 1) VII,2, 310: Ea tempestate, ... ubique terrarum iuxta Evangelium gens contra
gentem surrexit, orientalisque ecclesia gravem persecutionem a paganis passa fuit. Übers. aus: Chronik
(wie Anm. 1) 501. Das Zitat (Luk 21.10) ist einer Rede Jesu entnommen, in der er Anzeichen für das Welt-
36 PAUL PREDATSCH

in Kleinasien, in Syrien und Palästina werden hier durch die heilsgeschichtliche


Einordnung nicht nur als Teil der universalen Geschichte der gesamten Menschheit
und ihrer Beziehung zu Gott dargestellt. Die Konflikte im östlichen Mittelmeerraum
werden darüber hinaus regelrecht globalisiert, indem Otto von einer weltum­
spannenden Beteiligung an den Auseinandersetzungen spricht (ubique terrarum). Als
einzigen konkreten Ort der angeblichen Bedrängnisse der Christen im nahen Osten
nennt Otto Jerusalem. Durch die Bezeichnung mittels des gleichsam toponymischen
Ausdrucks “heilige Stadt” sowie durch die Erwähnung des Christusgrabes als Pilgerort
setzt Otto auch diesen Ort in einen heilsgeschichtlichen Kontext.119 Die großen Kriege
der Endzeit als Teil der universalen Geschichte werden hier also sowohl globalisiert
als auch an einem zentralen Ort der Heilsgeschichte lokalisiert. Die ganze Welt ist an
diesen Ereignissen beteiligt.
Kurz unterbrochen durch den Hinweis auf Urbans II. “beschwerliche Reise nach
Gallien”120—eine der seltenen Bemerkungen zum praktischen Vollzug des Überwin­
dens einer Strecke im Gelände—legt Otto sich weiter auf die globale Ereignisräum­
lichkeit fest: Er liefert eine Liste der Fürsten, die Urban II. über die auf seinem Konzil
für den Kreuzzug gewonnenen 100 000 Männer eingesetzt habe, und nennt die ver­
schiedenen Regionen, aus denen die Kreuzfahrer kamen. Doch der Kreuzzugsaufruf
des Papstes sei nicht nur in vielen verschiedenen Regionen gehört worden, sondern
auch in bislang gänzlich unbekannten und weit entfernten Weltgegenden.121 Nicht
ohne Exotismus beschreibt Otto die weitgereisten Krieger: “Da sah man Völker, deren
Sprache, Sitten und wirtschaftliche Verhältnisse so unbekannt waren, daß von den
einen behauptet wurde, sie lebten nur von Brot und Wasser, von den anderen
hingegen, sie verwendeten für alle Gebrauchsgegenstände Silber.”122 Sie sind Otto so
fremd, dass er sie nicht einmal als Christen anspricht, sondern stets als populi, gentes
oder omnes diversis nationibus et linguis, obwohl sie sich doch in den Kriegen der
Endzeit für die Partei der christlichen civitas permixta entscheiden. Jenseits Galliens
und der britischen Inseln scheint es auch im Westen mit den Inseln des Meeres und
den entferntesten Teilen des Ozeans123 eine eremus absoluta zu geben, zu dem bisher
keine raumbildenden Beziehungen bestanden. Otto unterstreicht hier durch den Exo-

ende nennt. Auch die vermeintliche neue Christenverfolgung ist ein Anzeichen der nahenden Apokalypse.
Vgl. Chronica (wie Anm. 1) III,45, 179.
119 Ibid. VII,2, 310: “Auch die Heilige Stadt wurde von Heiden niedergestampft, nur das Grab des Herrn
hielten sie, allerdings aus Gewinnsucht, in hohen Ehren.” (Civitas etiam sancta a gentibus conculcabatur,
sepulchrum tantum Domini ab eis questus dumtaxat gratia in magna veneratione habebatur. Übers. aus:
Chronik [wie Anm. 1] 501.)
120 Chronica (wie Anm. 1) VII,2, 310: laborioso itinere in Galliam profectus est habitoque ibi concilio.
Übers. aus: Chronik (wie Anm. 1) 501.
121 Chronica (wie Anm. 1) VII,2, 311: prefectis sibi ducibus Gotefrido Lotharingiensi, Rüberto
Flandrensi, Regimundo comite de Sancto Egidio, Hugone fratre Philippi regis Galliae aliisque nobilibus et
viris bellatoribus, quorum omnium curam venerabili Podiensi episcopo commisit. Haec fama commovit
diversos populos et ignotos, scilicet ex Aquitania atque Nortmannia, Anglia, Scotia, Hibernia, Brittannia,
Galicia, Gaschonia, Gallia, Flandria, Lotharingia, ceterosque populos non solum terram, sed et insulas
maris ac ultimum oceanum inhabitantes.
122 Chronica (wie Anm. 1) VII,2, 311: E quibus tam ignotae et lingua, moribus et opibus visae sunt
gentes, ut alii pane tantum et aqua, alii pro omnibus utensilibus argento uti dicerentur. Übers. aus: Chronik
(wie Anm. 1) 503.
123 Chronica (wie Anm. 1) VII,2, 311: populos non solum terram, sed et insulas maris ac ultimum
oceanum inhabitantes.
RÄUMLICHKEIT IN DER UNIVERSALCHRONIK 37

tismus, der an die bekannten monstra-Darstellungen erinnert124, und durch die


Nennung der äußersten Grenzen der Welt die Globalität des Ereignisraumes.125126Die
zahlreichen Krieger ex diversis nationibus et linguis126 haben ihre jeweilige (teils un­
bekannte und exotische) Heimat verlassen, um sich dem Körper des Kreuzzuges
anzuschließen. Das irdische Weltganze wird an dieser Stelle zum Ereignisraum des
heilsgeschichtlichen plots, der sich seinem Endpunkt nähert. Dieser Ereignisraum um­
fasst sowohl die Orts-Räume des bekannten Euromediterraneums als auch die eremus
absoluta am westlichen Rande der terra.
Von der globalen Ereignisräumlichkeit kehrt Otto nun zu einer lokalen Sichtweise
zurück und berichtet von den Ereignissen auf dem ersten Kreuzzug in einer Reihung
von Stationen und dortigen Ereignissen oder Verhältnissen: Die Kreuzfahrer brechen
Richtung Osten (in orientem) auf, ziehen “mit Gottes Beistand, wenn auch unter
Schwierigkeiten, durch Bulgarien und gelang[en] nach Konstantinopel.”127 Die Erwäh­
nung der schwierigen Passage durch Bulgarien könnte als ein weiterer Hinweis auf die
Gefahren und Beschwerlichkeiten der Bewegung im Gelände gedeutet werden,
allerdings folgt diese Formulierung dem Bericht von der durch ungarische Bauern
erzwungenen Umkehr des Kreuzzugs unter Emicho von Leiningen, sodass auch diplo­
matische oder militärische, also soziale, Probleme gemeint sein können.128 Bei den
weiteren Episoden in diesem Abschnitt wiederholt sich das Muster einer Abfolge aus
Ankunft und dortigen Ereignissen: In Konstantinopel angekommen eskaliert der Kon­
flikt zwischen lateinischen Truppen und byzantinischen Machthabern und es kommt
zu militärischen Auseinandersetzungen.129 Die Kreuzfahrer kommen nach Nikaia und
nehmen es für die Byzantiner.130 Sie kommen an die skythische Küste und haben dort
Überfluss.131 Sie legen einen Belagerungsring um Antiochia und leiden dort Hun-

124 Vgl. beispielsweise Aurelius Augustinus, Gottesstaat (wie Anm. 55) XVI,8, 2.138-141, der von
Skiapoden, Kynokephalen und vielen anderen Völkern berichtet, um die Vielfalt der göttlichen Schöpfung
und die Einheit der Menschheit zu zeigen.
125 Diese Darstellung der Kreuzzüge als unmittelbar globales Ereignis ist indes in vielen Chroniken zu
finden. (Vgl. Frederic Duncalf, “The First Crusade: From Clermont to Constantinople,” A History o f the
Crusades, Bd. 1: The First Hundred Years, ed. Marshall W. Baldwin [Madison 1969] 253-279, hier 254­
255; Colin Morris, “Propaganda for War. The dissemination of the crusading ideal in the twelfth century,”
The Crusades. Critical Concepts in Historical Studies, Bd. 2: Crusading and the Crusader States 1095—
U97, ed. Andrew Jotischky [London 2008] 137-155.) Otto schränkt allerdings die Globalität der
Auseinandersetzung durch den Hinweis auf die Zurückhaltung der römisch-deutschen Fürsten ein, die er mit
dem Konflikt zwischen regnum und sacerdotium und dem Kirchenbann erklärt. Die Pogrome in den
jüdischen Vierteln deutscher Städte stellt Otto als Begleiterscheinungen des illegitimen und erfolglosen
Versuches eines römisch-deutschen Kreuzzuges unter Emicho von Leiningen dar. Vgl. Chronica (wie Anm.
1) VII,2, 311; Maria Dorninger, “Notizen zur Darstellung des Judentums bei Otto von Freising,” Chilufim 5
(2008) 3-37, hier 22-23.
126 Chronica (wie Anm. 1) VII,2, 311.
127 Ibid.: Deo propitio Bulgaria, quamvis difficulter, permeata Constantinopolim pervenere. Übers. aus:
Chronik (wie Anm. 1) 503. Wie schon in der Alexander-Episode ließe sich wegen des Morphems per- an
eine prozesshafte Darstellung einer kontinuierlichen Bewegung im Gelände denken, jedoch sind auch
punktuelle, diskontinuierliche Bedeutungen möglich. (Siehe oben, Anm. 53.)
128Zu diesen vgl. Duncalf, “From Clermont” (wie Anm. 125) 257-258, 268-269.
129 Chronica (wie Anm. 1) VII,2, 311: Constantinopolim pervenere. Ubi multa dolis Alexii imperatoris
perpessi.
130 Ibid.: Niceam ... devenere eamque ... imperatori tradidere.
131 Ibid. VII,2, 311-312: maritima Scytharum attingunt, ubi tanta usi sunt rerum habundantia.
Interessant ist dabei das Toponym maritima Scytharum: Ottos Vorlage für diesen Abschnitt, die Chronik
Frutolfs von Michelsberg in der Fortsetzung Ekkehards von Aura, lokalisiert die Völlerei der Kreuzfahrer
38 PAUL PREDATSCH

ger.132 Weder erfahren wir etwas über die überwundenen Distanzen oder das
durchquerte Gelände noch über die konkreten Umstände des Marsches. Die knapp
geschilderten Ereignisse dieses Abschnittes werden in Orts-Räumen, zumeist Städte,
verräumlicht. Die ausschließlich toponymisch bezeichneten Ereignisräume werden
nicht in eine räumlich-flächige Relation zueinander gesetzt, vielmehr sind sie
distanzlos benachbarte Orts-Räume auf dem linearen (und geradlinigen!) Kreuzzug
ohne Verknüpfungen zu anderen Akteuren oder Orten jenseits des Kreuzzuges. Ledig­
lich die Schlachten gegen muslimische Heere zwischen Nikaia und Antiochia werden
summarisch ohne Lokalisierung berichtet, als gehörten sie beinahe schon zu den nicht
berichtenswerten Begleitumständen des Vormarsches der Truppen lateinischer Für-
sten.133
Obwohl die Kreuzfahrer natürlich auch weiterhin vorrücken, wandelt sich der
Charakter des Berichts vom Kreuzzug als streng lineares “Distanzen überspringendes
‘Rücken’ von Ort zu Ort”134 abrupt, nun, da sie in die Levante gekommen sind: Ge­
sandte eines Königs, den Otto abwechselnd den “babylonischen” oder den “ägypti­
schen” nennt—gemeint ist wohl Malik al-Afdal, der Wesir der fatimidischen Kalifen
von Kairo135—erreichen das Kreuzfahrerheer vor Antiochia. Die Franken—“so
pflegen nämlich die Orientalen alle abendländischen Völker zu nennen”136—entsenden
Gegengesandte nach Memphis, das jetzt Babylon heiße.137 Sie ziehen mit dem Heer,
das die Fatimiden gegen das seldschukisch besetzte Jerusalem entsenden, und beteili­

dort, wo sie mare contingunt Rusciae. (“Ekkehardi chronicon universale,” ed. von Georg Waitz, Chronica et
annales aevi Salici, MGH SS, Bd. 6, 33-231, hier 216.) Schmale und Schmale-Ott übersetzen “und
erreichten das Meer bei Ruscia.” (“Ekkehardi Chronica,” ed. von Schmale und Schmale-Ott, Frutolfs und
Ekkehards Chroniken [wie Anm. 60] 123-209, hier 151.) Dass Ekkehard irrtümlich das mare Rusciae, das
“Russische Meer,” gemeint haben könnte, ist ihnen dabei anscheinend entgangen. Stattdessen vermuten sie,
dass Ekkehard versehentlich aus dem Ortsnamen Marasim bzw. Marasch (kurz vor Antiochia) die For­
mulierung mare Rusciae gebildet habe (ibid., Anm. 81). Die Bezeichnung ‘Russisches Meer’ ist für das
Schwarze Meer aufgrund des regen Handels aus der Rus’ über dieses Gewässer vor allem in arabischen und
griechischen, seltener jedoch in lateinischen Quellen zu finden. (Vgl. Vladimir Cerepnin, “Die Rus’ vom 10.
bis ins 14. Jahrhundert,” Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2, ed. Jan A.
van Houtte [Stuttgart 1980] 682-702.) Otto übernimmt anscheinend die irrtümliche Lokalisierung des Vor­
marsches der Kreuzfahrer an der Küste des Schwarzen Meeres, ändert aber die Benennung etwas archaisie­
rend in “Skythisches Meer.”
132 Chronica (wie Anm. 1) VII,2, 312: Antiochiam Syriae metropolim obsidione cingunt, ubi ...
exhaustis copiis plurimum humiliantur.
133 Ibid.: Principes quoque seu reges Sarracenorum occurrentes sibi opitulante Deo oppresserunt.
134Kuchenbuch und Morsel, “Lebensräume und Bedingungen” (wie Anm. 10) 242.
135Vgl. Chronik (wie Anm. 1) 506, Anm. 29. Chronica (wie Anm. 1) VII,2, 312: Egyptiorum regis, qui
vulgo Babyloniorum putatur.
136 Ibid. VII,4, 313: Itaque prefati regis legatis duci Gotefrido presentatis lectissimi proceres Fran­
corum—sic enim omnes occidentales populos ... orientales appellare solent—Babyloniam destinantur.
Übers. aus: Chronik (wie Anm. 1) 505.
137 Nach der Zerstörung des alten Babylon in Mesopotamien durch Cyrus sei Memphis als neues Baby­
lon gegründet worden. Memphis sei nun der Sitz des rex Egyptiorum, Alexandria aber die Hauptstadt seines
Reiches: Porro ea, quae nunc vulgo, ut dixi, Babylonia vocatur, non super Eufraten, ut illi putant, sed super
Nilum circiter VI dietas ab Alexandria posita est, ipsaque est Memphis, a Cambise filio Cyri olim Babylonia
vocata. Et ibi rex Egyptiorum, quamvis caput regni sui Alexandria sit, propter ortum balsami morari dici­
tur. (Chronica [wie Anm. 1] VII,3, 313.) Zuvor versucht Otto durch eine Parallele zur lateinischen Welt­
zone zu erklären, warum das alte Babylon, das jetzt Bagdad heiße, nicht vom persischen König beherrscht
werde: Wie Rom vom Zentrum weltlicher Macht nun zur Papststadt geworden sei, so sei Bagdad in einer
Art “sultanischen Schenkung” dem höchsten Priester der Muslime übergeben worden: summo sacerdoti suo,
quem Caliph dicunt, . concessa. (Chronica [wie Anm. 1] VII,3, 312.)
RÄUMLICHKEIT IN DER UNIVERSALCHRONIK 39

gen sich an der Eroberung der Stadt.138 Derweil verteidigen die Kreuzfahrer mühevoll
Antiochia, das sie inzwischen erobert hatten. Motiviert durch den Fund der heiligen
Lanze können sie die Belagerer abwehren.139 Sie erobern von Antiochia aus Barra und
Marra, wo sie vor Hunger Menschenfleisch verzehren, und marschieren schließlich
gegen Jerusalem, das mittlerweile auch mit Unterstützung der Lateiner durch die
Truppen der Fatimiden erobert worden war.140 Die Belagerung bleibt zunächst erfolg­
los. Acht Tage nach der barfüßigen Prozession um die Mauern der belagerten Stadt
nehmen sie sie jedoch ein: “die Feinde, die man dort vorfand, wurden in solchen
Massen abgeschlachtet, daß im Vorhof Salomos das Blut der Getöteten bis an die Knie
der Pferde der Unseren reichte,”141 jubelt Otto. Von Askalon aus versucht nun der
ägyptisch-babylonische König, die Kreuzfahrer zurückzuschlagen und Jerusalem
zurückzuerobern, diese jedoch ziehen ihm entgegen und schlagen sein Heer.142
Anders als noch auf dem Marsch der Lateiner von Clermont nach Konstantinopel
und von dort nach Antiochia werden in Ottos Schilderung des Kreuzzugsgeschehens
in der Levante Orte durch menschliche Handlungen zu einem komplexen Netzwerk
von Orts-Räumen verknüpft. So folgt der Gesandtschaft eine Gegengesandtschaft, der
Eroberung folgt ein Rückeroberungsversuch. Nahezu alle Ereignisse der berichteten
Episode sind verortet: Belagerungen, Reisen, Beratungen, Beobachtungen, Schlachten.
Zwischen den genannten Orten sind Gesandtschaften und Heerzüge unterwegs, sie
verbinden Orte unterschiedlicher Herrschaften bzw. verändern die Zuordnung der Orte
zu Herrschaften. Die Linearität des Berichtes vom Vormarsch der Lateiner bis Antio-

138 Chronica (wie Anm. 1) VII,4, 313: Proinde habito consilio Babyloniorum rex ductis secum Fran­
corum legatis Hierusalem obsedit...; et sic eorum potius quam suo terrore civitate in deditionem accepta,
Turcis expulsis, Sarracenos ibi locavit. Die Nachricht, die belagerten Truppen der Seldschuken hätten sich
aus Angst vor den Lateinern ergeben, die sie für Götter gehalten hätten, und damit das Motiv des Polytheis­
mus der Muslime übernimmt Otto aus Ekkehards Chronik. (Vgl. “Ekkehardi Chronica,” ed. von Schmale
und Schmale-Ott [wie Anm. 131] 152-154.) Dies will nicht recht zu seinen Kenntnissen über den Islam
passen, ist er doch sonst für die Mitte der 1140er Jahre erstaunlich gut informiert. So unterscheidet er recht
genau zwischen Turkmenen (turci) und Arabern (sarraceni) und weiß um die politisch-militärischen Kon­
flikte zwischen ihnen (Vgl. Chronica [wie Anm. 1] VII,3, 312.), er weiß, dass Christen, die in muslimischen
Herrschaftsgebieten leben, als dimmis die gizyah zu entrichten haben (Vgl. ibid. VII,3, 313), dass der Islam
eine monotheistische Religion ist, Muslime beschnitten sind und Jesus im Islam als Prophet anerkannt ist
(Vgl. ibid. VII,7, 317.) Allerdings ist der Chroniktext auch nicht eindeutig in der Zuordnung der turci zum
Islam, die er im Gegensatz zu den sarraceni auch pagani nennt. Otto mag seine Kenntnisse über den Islam
gar nicht auf die Siedler unter seldschukischer Oberhoheit angewandt haben, da er sie, anders als die
Fatimiden, nicht für Muslime hielt.
139 Chronica (wie Anm. 1) VII,4, 313-314 : Inter haec Christiani capta, ut diximus, Antiochia ... tanta
Sarracenorum multitudine cinguntur, ut priorem ubertatem tam intolerabilis sequeretur fames ... Itaque
contricionem populi sui misericors Dominus ... lanceam sacram ... fidelibus suis monstravit. Cuius fiducia
Christiani, quamvis fame attenuati, egressi Sarracenos non sua, sed Christi virtute fuderunt. Otto nennt
Sarazenen, tatsächlich waren es aber seldschukische Truppen unter dem Atabeg Kerboga, die die
Kreuzfahrerheere nur wenige Tage nach der Einnahme Antiochias belagerten. Vgl. dazu Steven Ranciman,
“The First Crusade: Antioch to Ascalon,” A History o f the Crusades, Bd. 1 (wie Anm. 125) 308-341, hier
319.
140 Chronica (wie Anm. 1) VII,4, 314: Inde in Syriam profecti Barram et Marram urbes ceperunt. Ubi
moram facientes tanta rursus famis inopia narrantur attriti, ut humana quoque corpora iam fetentia co­
mederent. Post contra civitatem sanctam, iam a Sarracenis inhabitatam, aciem dirigunt.
141 Ibid.: Igitur octava ... die civitas capitur, ac hostes, qui ibidem reperti fuerunt, tanta strage ceduntur,
ut in porticu Salemonis sanguis interfectorum nostris ad genua usque attingeret equorum. Übers. aus:
Chronik (wie Anm. 1) 507.
142 Chronica (wie Anm. 1) VII,5, 315: Christiani ... contra Sarracenos procinctum movent ... Et mirum
dictu, ... terga vertere compellunt.
40 PAUL PREDATSCH

chia wird sowohl zeitlich durch Vor- und Rückblenden als auch räumlich im Bericht
von den Ereignissen in der Levante aufgebrochen. Von den Reisen und Heerzügen
selbst erfahren wir allerdings auch hier nichts: Es werden keine Entfernungen, Zeiten
oder Verkehrsmittel genannt. Zwischen den Zentralorten der Levante scheint es keinen
Zwischenraum zu geben. Die räumlichen Bausteine selbst sind nicht monolithisch und
werden unterteilt oder zusammengefasst, wenn es die Darstellung erfordert: In Syrien
werden Barra und Marra erobert, in Jerusalem im Tempel gemordet. Die zahlreichen
berichteten Schlachten und Belagerungen werden vor Ort entschieden, die Herrscher
der Kreuzfahrer, Fatimiden und Seldschuken dagegen taktieren mit größeren räum­
lichen Bausteinen im mittelalterlichen Nahostkonflikt, universale göttliche Interven­
tion jedoch steuert immer wieder das Verhalten der Kreuzfahrer und führt ihr Vorha­
ben mit der Eroberung Jerusalems schließlich zum Erfolg. Göttliches Handeln scheint
in dieser Episode jedoch, anders als bei den bisher untersuchten Beispielen, auch in
Orts-Räumen verräumlicht zu sein.
Von der universalen Geschichte der Menschheit sind im Falle der Erhebung “Volk
wider Volk” nicht nur alle Menschen betroffen, sondern sie sind unmittelbar daran
beteiligt. Die Kreuzfahrer treffen sogar aus der eremus absoluta des Westens ein, um
sich an den Kriegen zu beteiligen. Im Bericht vom Marsch der Kreuzfahrer in die Le­
vante entsteht eine Kette aus Orts-Räumen ohne Abstände oder Geländeeigenschaften,
wie sie uns in den vorangegangenen Abschnitten stets im Zusammenhang irdischer
mutabilitas unterkamen. Einmal in der Levante angelangt, agieren die lateinischen
Heere in einem durch die Inter-Aktionen verschiedener Akteure gestifteten Netzwerk
aus Orts-Räumen. Ein globaler Ereignisraum tritt uns erst wieder nach der Etablierung
der lateinischen Herrschaft in Jerusalem entgegen, “als die Gläubigen aus aller Welt
im irdischen Jerusalem, dem Abbild des himmlischen, zusammenströmten, um dort zu
beten.”143 Der Bericht vom Kreuzzug scheint trotz seiner engen Einbindung in den
narrativen Gesamtplot vom Aufstieg der civitas Dei zur ewigen stabilitas eher von der
Räumlichkeit der von Krieg und Politik geprägten irdischen mutabilitas bestimmt zu
sein.
Von der rückenden Reise der Kreuzfahrer und dem interaktionalen Netzwerk aus
Orts-Räumen in der Levante bis zum Globalraum: In keiner dieser unterschiedlichen
Ereignisräumlichkeiten erscheinen Strecken oder umgrenzte, flächige Räume und ein­
zig das irdische Weltganze hat mit dem ultimus oceanus eine definitive Grenze.
Festzustellen ist, dass mit dem komplexen Orts-Raum-Netzwerk der Levante ein we­
sentlich differenzierterer Ereignisraum entsteht als in den bisher untersuchten
Kapiteln. Die Entwicklung einer stärkeren Berücksichtigung des Geländes, die sich in
der Analyse des Berichtes aus der Lebenszeit Theodosius’ angedeutet hatte, setzt sich
dagegen nicht im selben Grade fort: Die hier betrachteten Ereignisräume sind der
globale Raum der Heilsgeschichte, der verschwommene Nicht-Raum der eremus ab­
soluta oder Ketten und Netzwerke gebildet aus toponymisch benannten Orts-Räumen
(loci) der irdischen mutatio rerum.

143 Ibid. VII,2, 316: cum ex omnibus mundi partibus ad Hierusalem terrestrem, caelestis typum
gerentem, fideles orationis causa confluerent. Übers. aus: Chronik (wie Anm. 1) 509.
RÄUMLICHKEIT IN DER UNIVERSALCHRONIK 41

Sc h l u s s b e t r a c h t u n g e n
Die Analyse ausgewählter Passagen der Universalchronik Ottos von Freising von der
mutabilitas und dem Verfall der irdischen Dinge hat einige der Ergebnisse der bisheri­
gen Forschung zur mittelalterlichen Räumlichkeit und zur Räumlichkeit narrativer
Texte bestätigen können, sie aber zur Fortentwicklung der Methodik auf einen neuen
Gegenstand angewandt und modifiziert.
Viele der räumlichen Verweise konnten gut mit den bisherigen Vorarbeiten zur
mittelalterlichen Räumlichkeit in Einklang gebracht werden: Es finden sich bei den so
häufig vorkommenden Orts-Räumen keine Hinweise auf Flächen oder Distanzen im
Gelände. Städte, Landschaften, Provinzen und Erdteile werden zumeist als distan­
zenlos neben-, über- oder untergeordnete loci behandelt, sodass die Unterscheidung
zwischen Raumbegriffen und Ortsbegriffen im Grunde hinfällig ist. Orts-Räume wer­
den meist durch Toponyme, seltener durch Eigennamen oder Gattungsbegriffe,
bezeichnet und werden stets en bloc zu Ereignisräumen. Im Gegensatz zu positionalen
Lokalisierungen an/in Orts-Räumen, können direktionale Lokalisierungen diese Orts­
Räume in Beziehung zueinander setzen. Dabei gab es Anzeichen, dass die Folge aus
direktionaler Lokalisierung einer Bewegung auf einen Orts-Raum zu und positionaler
Lokalisierung einer Handlung am/im selben Orts-Raum ein sprachliches Grundschema
der Erzählung von der mutatio rerum sein könnte. Mit einer wachsenden Dichte der
erwähnten Orts-Räume schafft Otto im Laufe der erzählten Zeit eine immer
komplexere Orts-Räumlichkeit, wie das Beispiel der Passage zu den Kreuzzügen
gezeigt hat. Im Laufe der erzählten Zeit tauchen jedoch auch mehr und mehr Hinweise
auf die Räumlichkeit der situs auf: So konnte in der Untersuchung der Passage aus der
Lebenszeit des Theodosius gezeigt werden, dass Ereignisse zunehmend relativ zu
toponymisch benennbaren Orts-Räumen lokalisiert werden, nicht mehr ausschließlich
an/in ihnen. Auch ließen sich erst in den späteren Passagen Hinweise auf Bewegungen
im Gelände finden. Um diese Spuren der Verschiebung von der Räumlichkeit der loci
hin zu jener der situs innerhalb eines Textes zu erklären, müsste eine umfangreichere
Untersuchung der sprachlichen Abhängigkeit Ottos von seinen Quellen ins Auge ge­
fasst werden. Der Verdacht besteht, dass er mindestens einen Teil seiner Räumlich­
keitssprache, sicherlich jedoch die “Räumlichkeitsfakten” von ihnen übernimmt und
damit die Unterschiede zwischen der Räumlichkeit Eusebius’ und Ekkehards von
Aura auch in seinen Text einfließen. Die eremus als asoziale und unchristliche Wildnis
hat in Ottos Chronik dagegen keinen Platz. Nur in der Spielart der eremus absoluta
taucht sie auf. Hier erscheint sie als ungegliederte ferne Weltzone am Rande der
Ökumene, zu der keine sozialen Beziehungen bestehen und aus der keine Handlungen
bekannt sind und die darum nicht räumlich erzählt werden kann.
Diese Räumlichkeit der Orts-Räume, die allmählich in eine Räumlichkeit der situs
übergeht, ist unterdessen vor allem für die Berichte von der irdischen Geschichte und
damit für den Ablauf der mutatio rerum bestimmend. In den Berichten von
Ereignissen, die dem Kernbereich der Heilsgeschichte zugeordnet werden können,
erscheinen dagegen auch Verräumlichungen anderer Natur: Diese Ereignisse können,
wie etwa im Falle der Zerschlagung des Perserreiches durch Alexander gezeigt werden
konnte, völlig aus der Räumlichkeit der Passage, in die sie eingebunden sind, heraus­
fallen und überhaupt nicht Verräumlicht werden. Statt der Verräumlichung ist die dia-
42 PAUL PREDATSCH

chrone, die theologisch-heilsgeschichtliche Einordnung dieser Ereignisse dominant. In


derselben Passage sowie im Kapitel zum Übergang in den zweiten status fanden sich
aber auch Ereignisse, die mit großer Deutlichkeit in Jerusalem lokalisiert wurden,
wodurch narrativ symbolische und räumliche Nähe zum universellen Gott Abrahams
und der seiner civitas in eins gesetzt werden konnte. Von dort aus, so konnte be­
sonders die Untersuchung der Episoden aus dem Leben Jesu zeigen, werden die
zentralen Ereignisse der Heilsgeschichte globalisiert; ihre Ereignisräume breiten sich
den bleiernen Kreisen des Stundenschlags gleich von einem Punkt aus über die ganze
Welt aus144, ohne dass von einer Beteiligung aller Menschen an diesen Ereignissen
oder von einem Verständnis für dieselben berichtet würde. Schließlich, so zeigte die
Globalisierung der Kreuzzüge, gibt es im Zusammenhang mit den Kriegen der Endzeit
Ereignisse der universal bedeutsamen Heilsgeschichte, an denen tatsächlich alle
Menschen beteiligt sind, die also als globale Geschehnisse gelten müssen.
Unter Verwendung des Ereignisraum-Konzeptes konnte der Text einer neuen
Fragestellung zugänglich gemacht werden. Dabei fiel zum einen auf, wie nahe sich
moderne Konzepte vom relationalen Raum, der erst durch Handlungen entsteht, durch
die Anordnung von Körpern an Orten, durch ihre wahrnehmende und darstellende
Synthese, und die mittelalterliche Räumlichkeit der Orte, die die Fläche nicht kennt,
im Grunde sind. Zum anderen konnte aber auch das Verständnis mittelalterlicher
Räumlichkeit erweitert werden um den Aspekt der Räumlichkeit heilsrelevanter Ereig­
nisse, die unbedingt als Teil der Lebenswelt der mittelalterlichen Menschen zu be­
trachten sind. Für beide Aspekte war die Zurückweisung des Behälterraumkonzeptes
unbedingt nötig. Um die hier erarbeiteten Ergebnisse zu erhärten, müsste der Text der
Chronik umfangreicheren Untersuchungen mit einer höheren Dichte der ausgewählten
Passagen oder auch einem größeren Umfang derselben unterzogen werden. Auch
könnte eine Untersuchung des Verhältnisses des Chroniktextes zu seinen Quellen und
Vorlagen gerade in der Frage der Belastbarkeit der Ergebnisse wertvolle Erkenntnisse
liefern. Schließlich wäre die Untersuchung der Räumlichkeit in anderen narrativen
Texten interessant. So ließe sich fragen, ob das Ergebnis bei fiktionalen Texten, Heili-
genviten oder Visionsliteratur anders ausfiele und in diesen Genres, die dem Schriftgut
aus Herrschaft und Verwaltung, das Objekte im Raum hierarchisch auflistet, ferner
stehen als die Historiographie es tut, eine weniger streng hierarchisch gegliederte
Räumlichkeit aus Orts-Räumen zugrunde liegt.

144 “one feels ... an indescribable pause; a suspense ... before Big Ben strikes. There! Out it boomed.
First a warning, musical; then the hour, irrevocable. The leaden circles dissolved in the air.” (Virginia
Woolf, Mrs Dalloway [London 1996] 6.)

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