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Institut für Geodäsie und

Geophysik
Technische Universität Wien
Gußhausstrasse 27-29/128
1040 Wien, Österreich

Univ. Ass. Dipl.-Ing. Hausmann Helmut


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Hammerschlagseismik an der
unterkühlten Schutthalde bei
Puchenstuben
(Bezirk Scheibbs, Niederösterreich)

Univ. Ass. Dipl.-Ing. Hausmann Helmut


Wien, November 2010
Einleitung
Die unterkühlte Schutthalde bei Puchenstuben (Bezirk Scheibbs, Niederösterreich)
befindet sich am Nordhang des Turmkogels (1246 m) und ist im September 1987
beim Forststrassenbau angefahren worden. Der Aufschluss zeigte
Hangeisvorkommen mit Verkittung des Schuttes durch Wassereis ohne Feinmaterial
wie Sand und Lehm. Erste Untersuchungen an der Schutthalde wurden durch Fink,
1989 sowie Christian, 1985; 1987 durchgeführt. Im Gegensatz zum
Permafrostboden wo hochmontaner Buchenwald vorherrschte fand sich am
Eisstandort Fichte. Bemerkenswert sind verschiedene Torfmoose, die mitunter
mächtige (bis 70 cm) Decken bildeten. Im Bereich des Permafrostbodens waren ca.
95 % der Fläche mit Moosen bedeckt. Es wird angenommen, daß das
Eisvorkommen durch eine Wetterführung nach Art der „Windröhren“ entstand. Es
wird angenommen, daß die Basis des Schuttes die undurchlässigen Lunzer
Schichten bilden. Der Permafrostboden wurde mit dem Bescheid Zl. 9-N-8794/4
am 22. Dezember 1987 zum Naturdenkmal erklärt. Mit den Beobachtungen von
Fink, 1989 wurde eine mögliche Störung des Mikroklimas des Schuttkegels sowie
das gänzliche Abschmelzen des Permafrostboden indiziert. Wakonigg (1996)
beschreibt, daß bei seiner Nachschau im August 1994 keinerlei Eis bzw.
Windröhrenzirkulation mehr festgestellt werden konnte.

In dieser Arbeit soll eine Aussage über den Zustand des Permafrostbodens bzw. das
lokale Vorkommen von Bodeneis getroffen werden. Im Gegensatz zu einer teueren
Kernbohrung soll hier eine indirekte geophysikalische Methode angewendet werden.
Im speziellen können die beiden geophysikalischen Methoden Geoelektrik und Seismik
Auskunft über Bodeneisvorkommen geben da sich die Parameter elektrischer
Widerstand und Longitudinalwellengeschwindigkeit mit dem Vorhandensein von Eis
im Untergrund signifikant ändern. In dieser Arbeit wurde die Refraktionsseismik mit
Hammerschlag ausgewählt um die Fragestellung zu untersuchen.

Methode
Das Ziel seismischer Methoden ist es, aus der Beobachtung und Analyse der
seismischen Wellenausbreitung auf die Verteilung der seismischen
Geschwindigkeit(en) im Untergrund zu schließen. Durch die Bestimmung der
seismischen Geschwindigkeiten erhält man Auskunft über geomechanische
Parameter des Untergrunds. Bei der seismischen Datenerfassung werden
seismische Wellen künstlich angeregt. An Geophonen werden dann Form und
Laufzeit der Welle, welche sich entlang eines Weges ausgebreitet hat (Strahl),
aufgezeichnet.

Eine seismische Auswertemethode ist die Tomographie. Dabei werden die Laufzeiten
seismischer Wellen zwischen Anregung und Geophon gemessen, und mit
theoretischen Laufzeiten durch ein angenommenes Geschwindigkeitsmodell
verglichen. Die Differenz zwischen gemessener und theoretischer Laufzeit wird
entlang der Strahlen auf das Geschwindigkeitsmodell aufgeteilt, wodurch ein
verbessertes Geschwindigkeitsmodell erhalten wird (Inversion). Eine weitere
Methode ist die Refraktionsseismik. Diese macht sich die Brechung von Wellen an
Grenzflächen, an denen sich die geomechanischen Eigenschaften des Untergrundes
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ändern, zunutze. Bei Zunahme der seismischen Geschwindigkeit in der unteren
Schicht (V2) gegenüber der oberen (V1) erfolgt eine Brechung der Welle vom Lot.
Im Grenzfall der kritischen Brechung läuft die Welle mit der Geschwindigkeit V2 an
der Grenzfläche entlang und in einer von den Geschwindigkeiten V1 und V2 und der
Tiefe der Grenzfläche abhängigen Entfernung vom Anregungspunkt an die Oberfläche
auftaucht. Die Messung der Laufzeiten dieser Welle zu mehreren Geophonen
ermöglicht die Erfassung der Tiefe der Schichtgrenze (=Refraktor) sowie die
Bestimmung der Geschwindigkeit V2.

Für die Interpretation von Permafrost aus der Seismik lassen sich folgende
Beurteilungen vornehmen: (i) die Werte der seismischen Geschwindigkeiten liegen
zwischen 3000 und 4000 m/s (bei Hauck und Kneisel, 2008 ab 2000 m/s), (ii)
das Auftreten einer Inversion im Geschwindigkeitsfeld bzw. deutliche laterale
Änderungen der Geschwindigkeiten (z.B.: "Eislinsen") (iii) die lokale Korrelation von
Höhenlage mit Mächtigkeit der Auftauschicht.

Messanordnung und Instrumente


Die Hammerschlagseismik wurde am 23. September 2010 an zwei Profilen (Abb.
1) durchgeführt. Profil 1 verläuft von W nach O quer zu dem Schuttkegel mit einer
Geophonauslage von 95 m.

Abb. 1: Konturierte Geländekarte mit Übersicht der seismischen Profile.

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Im westlichen Teil finden sich Moos, Heidel-, Preiselbeerpolster, im östlichen Teil
nackter Waldboden (unter Fichtenbestand) mit Moospolster und Bärlapp. Im
Bereich der Mitte des Schuttkegels fehlt der Baumbestand gänzlich. Die Decken der
Torfmoose variieren von 10 cm bis > 35 cm. Die kühlste Bodentemperatur wurde
am Ostteil des Profils empfunden. Profil 2 verläuft von N nach S entlang des
Schuttkegels im Bereich des fehlenden Baumbestandes und hat eine
Geophonauslage von 48 m. Im oberen Teil finden sich ausgedünnte Torfflächen (ca.
10 cm). An der platzartigen Erweiterung der Forststrasse (Aufschluß der
Schutthalde) konnte blockiges Material (ca. 30 cm Durchmesser) ohne Feinanteil
und Eis festgestellt werden.

Die angeregten seismischen Wellen wurden jeweils an 12 Geophonen (Sensor SM-


6/O-B 14 Hz, omni-directional) mittels zweier Datenrekorder (Reftek 130, 6 Kanäle)
aufgezeichnet. Die Aufzeichnung erfolgte im kontinuierlichen Modus mit einer
Abtastrate von 1000 Hz. Der Geophonabstand betrug 8 m (Profil 1) und 4 m (Profil
2). Die Anregung der seismischen Wellen erfolgte mittels eines 5 kg Hammers und
einer Kunststoffschlagplatte. Der mittlere Schlagabstand betrug ca. 8 m. Zur
Verbesserung des Signal/Rauschverhältnisses wurde an jeder Station mindestens
16 mal angeregt. Das mit dem Hammer erzeugte Quellsignal wurde mit einem
Beschleunigungssensor (PCB 608A11) an einem weiteren Rekorder aufgezeichnet.
Die zeitliche Synchronisation der drei Rekorder erfolgte über GPS Antennen.

Daten und Auswertung


Abbildung 2 zeigt ein Seismogramm der erhobenen Daten für jedes Profil. Dieses
wurde durch Stapelung von Einzelspuren mit ähnlichen Schuß-Geophon Distanzen
erstellt (Offset Bin Stack), und bildet die aufgezeichneten Wellentypen ab. In beiden
Profilen ist die direkte Welle der Schuttlage deutlich erkennbar (500 - 560 m/s).
Weiters ist bei Profil 1 ab einer Schuß-Geophon Distanz von 40 m ein Refraktor
erkennbar (ca. 3000 m/s). Für die Auswertung wurde folgende Anzahl an
Ersteinsätzen bestimmt: 209 (Profil 1), 119 (Profil 2).

Für die Auswertung des Refraktors bei Profil 1 wurden die Laufzeiten ab 40 m
Schuß-Geophon Distanz sowie eine Geschwindigkeit von 560 m/s für die Schuttlage
verwendet. Tiefe und Geschwindigkeit des Refraktors wurden mit dem Programm
ProMAX 2D (Refraction Statics Calculation) berechnet.

Weiters wurde eine Laufzeittomographie (mit dem Code von Hole, 1992) mit allen
Erssteinsätzen der beiden Profile berechnet. Als Parameter wurden ein Startmodell
mit einer Zellengröße von 1 m und 12 Iterationen mit Glättung gewählt. Dabei
konnten die Standardabweichungen der Residuen von ±11 auf ±3 ms reduziert
werden.

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a)

b)

Abb. 2: Seismogramm mit den gestapelten Spuren (Offset Bin Stack) für jedes Profil: (a) Profil 1, (b)
Profil 2. Während in Profil 1 ab einer Distanz von 40 m ein Refraktor identifizierbar ist (rot), zeigt
Profil 2 nur die direkte Welle der Schuttlage (blau).

Ergebnis
Sowohl die 2D - Laufzeittomographie als auch die Refraktionsauswertung für Profil 1
zeigen mit Ausnahme von einem kleinen Bereich höherer Geschwindigkeiten in der
Mitte des Schuttkegels (ca. 3000 m/s, Abb. 3 bei 50 m) durchschnittlich niedrige
Geschwindigkeiten (< 2000 m/s) im oberflächennahen Bereich. Der Refraktor in ca.
20 m Tiefe läßt sich aufgrund der kurzen Auslagen und fehlender Kenntnisse über
den Verlauf des Wettersteinkalks schwer interpretieren. Die seismischen
Geschwindigkeiten sind mit verwittertem Wettersteinkalk, den Lunzer Schichten als
Basis der Schutthalde und auch mit Bodeneis kompatibel. Die Mächtigkeit von dem
Bereich mit sehr geringen Geschwindigkeiten (blau) ist direkt unter dem Schuttkegel
am größten. Bei Profil 2 bilden sich im oberflächennahen Bereich überhaupt keine
überdurchschnittlich hohen Geschwindigkeiten ab (Abb. 4). Die von N nach S
abnehmende Mächtigkeit von Bereichen mit niedrigen Geschwindigkeiten (blau)
korrelieren mit den geschätzten Änderungen der Torfauflage. Die Schuttlage kann
mit Geschwindigkeiten von ca. 560 m/s ähnlich den früheren Beobachtungen als
trocken (nicht wassergesättigt) mit wenig Feinanteil interpretiert werden.
Oberflächlich gelegene wasserstauenden Schichten (< 2 m) können mit dieser
Methode nicht detektiert werden.

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Abb. 3: Ergebnis von 2D - Laufzeittomographie und Refraktionsauswertung für Profil 1. Mit
Ausnahme von einem kleinen Bereich erhöhter Geschwindigkeiten (ca. 3000 m/s) in der Mitte des
Schuttkegels zeigen sich Geschwindigkeiten < 2000 m/s im oberflächennahen Bereich.

Abb. 4: Ergebnis der 2D - Laufzeittomographie für Profil 2. Im oberflächennahen Bereich zeigen sich
keine überdurchschnittlich hohen Geschwindigkeiten. Die von N nach S abnehmende Mächtigkeit von
Bereichen mit niedrigen Geschwindigkeiten (blau) korrelieren mit der geschätzten Mächtigkeit der
Torfauflage.

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Zur Interpretation über das Vorkommen von Bodeneis wurde ein Vergleich der 1D -
Geschwindigkeitstiefenfunktionen von Puchenstuben mit Daten aus Schutthalden im
Hochgebirge angestellt. Die Abbildung 5 zeigt deutlich, daß sich die Puchenstuben
Daten von jenen mit Eis in 4-7 m Tiefe ("Permafrost eisreich", "Permafrost Eislinse")
unterscheiden. Zusätzlich fällt auf, daß die Puchenstuben Daten ähnlich jener Kurve
mit der Bezeichnung "kein Permafrost" verlaufen. Daher kann angenommen werden,
daß sich an der unterkühlten Schutthalde am Turmkogel kein oberflächennahes
Bodeneis mehr befindet welches eine impermeable Schicht bildet. Die Zone mit
hohen Geschwindigkeiten in der Mitte der Schutthalde bildet möglicherweise den
letzten Teil des Bodeneisvorkommens oder einen großen Felsblock ab.

Abb. 5: Vergleich der 1D - Geschwindigkeitstiefenfunktionen von Puchenstuben mit jenen von


Schutthalden im Hochgebirge. Die Puchenstuben Daten zeigen im oberflächennahen Bereich (< 15
m) das Fehlen von Bodeneis.

Literatur
Fink, M. H., 1989. Ein Permafrostboden in den Kalkvoralpen bei Puchenstuben
(Niederösterreich). Die Hoehle , Volume 40 , Issue 4.

Hauck, C. & Kneisel, C. (eds.) 2008. Applied geophysics in periglacial


environments.- 240pp Cambridge University Press.

Wakonigg, H., Unterkühlte Schutthalden. 1996, Arbeiten aus dem Institut für
Geographie der Karl-Franzens-Universität Graz, Band 33.

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