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Automatisierte Stichplanauslegung und Optimierung der Kalibrie-

rung von symmetrischen und asymmetrischen Formkaliberreihen


Max Stirl 1, a *, Matthias Schmidtchen 1, b and Ulrich Prahl 1, c
1
TU Bergakademie Freiberg, Institute for Metal Forming, Bernhard-von-Cotta-Strasse 4,
Freiberg, Germany
a
max.stirl@imf.tu-freiberg.de, b matthias.schmidtchen@imf.tu-freiberg.de, c ul-
rich.prahl@imf.tu-freiberg.de
* corresponding author

Keywords: groove pass design, shape roll- oder die Streckgradverteilungen sowie an-
ing, optimization dere geometrische Größen der jeweiligen
Profile, ermittelt. Aus den Konstruktions-
Einleitung richtlinien erfolgt eine automatisierte Ausle-
gung einer ersten Kalibrierung.
Die mathematische Beschreibung des
Stoffflusses bei der Herstellung von Pro-
Methodik
fildrähten stellt im Zuge der zum Teil kom-
plexen geometrischen Anforderungen eine Grundlegend gehören zu einer Kaliberaus-
Herausforderung dar, welche durch die legung eine Vielzahl von Schritten, welche
Verwendung von Simulationstools auf Ba- zusammenfassend in Abb. 1 dargestellt
sis verschiedener Ansätze gelöst werden sind. Dabei kann in Schritte der Rückwärts-
kann [1, 2]. Schnelle Simulationsansätze und Vorwärtskalibrierung unterteilt werden.
ermöglichen es, umfassende Routinen für Letztere ist über diverse Methoden simula-
die automatisierte Prozessoptimierung für tiv abbildbar, wobei je nach Verfahren
Kalibrierungen aufzustellen. Schritte der schnelle oder detailtiefe Berechnungsme-
Vorwärtskalibrierung können bereits hinrei- thoden (FEM, Schrankensätze, Säulenthe-
chend abgebildet werden. Für die Schritte orie oder anderer 1D-Ansätze) angewendet
der Rückwärtskalibrierung sind stets Start- werden können [1 - 4]. Die Anwendung die-
werte für die Streckgradverteilung und geo- ser setzten allerdings die Vorgabe einer
metrische Zwangsbedingungen für die Ka- Kaliberfolge voraus. Die Auslegung dieser,
liberauslegung nötig. Die sich daraus welche vor allem im Bereich der Profiler-
schließende nichtlineare Optimierung be- zeugung rückwärts vom Endprofil zum Aus-
nötigt numerische Entscheidungskriterien gangsquerschnitt erfolgt, benötigt die
bei der Auswahl der Lösungswege infolge Kenntnis über die (Teil-)Streckgrade sowie
der Nichtlinearität. Hierfür werden verschie- der geometrischen Randbedingungen zur
dene Zielintervalle relevanter Freiheits- Konstruktion der Kaliber. Eine Optimierung
grade, beispielsweise für den Streckgrad der Kaliberfolgen setzt stets in der ge-
schickten Wahl dieser Parameter an. Eine
numerische Abbildung der Rückwärtskalib-
rierung ist somit für eine vollständige auto-
matisierte Optimierung notwendig.
Auf Basis von durchgeführten Walzversu-
chen in Streckkalibern sowie ausgewählter
asymmetrischer Formprofile wurden bisher
systematische Zusammenhänge gesucht,
um ausgehend von der Endkontur eine Er-
zeugung von Streck- und Formkaliberfol-
gen zu erhalten [5 bis 9]. Dabei erfolgt eine
Analyse von Datensätzen, bestehend aus
bereits vorhandenen Stichplänen sowie
Abb. 1: Schritte der Auslegung einer Kalib- Stecker- und Profilreihen, um mathemati-
rierung sche Auslegungsrichtlinien für die Kalibrie-
rung abzuleiten. Insbesondere für
Formkaliberreihen führt dies zu meist star- sein müssen. Im Rahmen der Untersuchun-
ren Auslegungsvorschriften, die oft mit ei- gen sind verschiedene Gültigkeits- und Si-
ner festen Anzahl von Kalibern arbeiten. mulationsgrenzen erarbeitet worden, in
Diese Kriterien sind oft nur die Analyse von welchen eine flexible Auslegung verschie-
Istzuständen und gestatten nur begrenzt dener Kaliberformen erfolgen kann. Die bis-
eine phänomenologische Begründung die- her bekannten Streckkaliberformen können
ser. Für eine Unabhängigkeit der Profilform als Sonderfälle betrachtet werden, welche
muss eine allgemein geometrische Be- nun miteinander vermischt und variiert wer-
schreibung ermittelt werden. Zusätzlich ist den können. Daraus ergeben sich Optimie-
die Wahl der Streckgrade als Parameter rungspotentiale hinsichtlich der Prozess-
inkl. möglicher Grenzen notwendig. kettenlänge, des Kraft- und Arbeits- und
demzufolge des Energiebedarfs.
Anwendung auf Streckkaliber
Anwendung auf Profilkaliber
Im Gegensatz zu den allgemeinen Streck-
kalibern sind bei einfach bzw. kompliziert ir-
regulären Kalibern weniger bzw. keine
Symmetrien vorhanden, was eine geomet-
rische Beschreibung der Konturen er-
schwert. Trotzdem sind systematische Zu-
sammenhänge erkennbar, was am Beispiel
z-Profile dargelegt werden soll. Diese fin-
den vor allem im Bereich der Seilherstel-
Abb. 2: Verallgemeinerte Streckkaliber
lung Anwendung und werden in der her-
nach Schmidtchen [9]
Die standardmäßigen Streckkaliber wie
beispielsweise Rund, Oval, Kasten, etc.
sind hinreichend bekannt [7 bis 10]. Für die
Wahl der Streckgrade der einzelnen Kali-
berfolgen existieren auf Basis von verschie-
denen Untersuchungen [7, 11] typische Be-
reiche, aus denen Startwerte in Abhängig-
keit des Werkstoffs gewählt werden kön-
nen. Forschungsansätze zur Optimierung
solcher Kaliber in Hinblick auf den Kraft-
und Arbeitsbedarf sowie der Endeigen- Abb. 3: Analyse der Teilstreckgrade als be-
schaften des Walzgutes beziehen sich auf zogene Größe auf den Gesamtstreckgrad,
die Abwandlung einzelner Kaliberform, bei- rot: mittlerer bezogener Streckgrad je Stich
spielhaft durch den Einsatz von Mehrradi- sowie Streubänder maximaler und minima-
enovalen anstatt normaler Ovalkaliber [12]. ler bezogener mittlere Streckgrade
Andere Ansätze variieren einzelne Kaliber-
formen [13] oder Geometrien [3, 4, 14, 15]. kömmlichen Kalibrierung nach Entwürfen
Um diese Abwandlungsformen in ein geo- von Krautmacher [16] in vier Walzstichen
metrisches Modell einzubringen, wurde hergestellt. Anhand eines Datensatzes von
eine allgemeine Beschreibung für die Kaltwalzversuchen verschiedener Abmes-
Streckkaliber von Schmidtchen [11] vorge- sungen konnte eine Verteilung des Streck-
nommen (Abb. 2). Durch das Bestehen von grades ermittelt werden (Abb. 3). Typisch
Symmetrielinien kann durch die Kenntnis für Formkaliberfolgen liegt der größte mitt-
von 13 unterschiedlichen Koordinaten- lere Streckgrad im ersten Walzstich mit
punkte über eine definierte Anzahl an Bö- 𝜆 /𝜆 ≈ 0.8 ± 0.05, was aufgrund der
gen, Radien und Geraden jedes beliebige Masseverteilung im Hinblick auf die zu er-
Streckkaliber abgeleitet werden. Über die zielende finale Form sinnvoll ist. In den fol-
geometrischen Zusammenhänge ergeben genden Stichen wird ein gleichmäßig nied-
sich weitere Randbedingungen, welche für rigerer, leicht schwankender mittlerer
eine rein geometrische Auslegung erfüllt Streckgrad von 𝜆 /𝜆 ≈ 0.75 ± 0.05
realisiert, um Formgenauigkeit zu erzielen numerische Optimierung von bestehenden
und Eigenspannungen infolge der Kaltum- Kalibrierungen hinsichtlich stofffluss- und
formung zu minimieren. Es zeigt sich wei- werkstoffseitiger Kriterien zu ermöglichen.
terhin ein Streuband auf, in dem die Streck- Eine Übertragung auf weitere Profilformen
grade je Stich schwanken können. Diese ist mit entsprechenden Datensätzen reali-
Tendenzen sind ebenfalls bei anderen Pro- sierbar. Eine Implementierung der geomet-
filformen wie Winkelprofile [17], U- und rischen Profilerzeugung sowie der Schritte
Doppel-T-Profilen [7] erkennbar. Diese der Rückwärtskalibrierung ist über das Py-
Extremwerte können initial als Randbedin- Roll Projekt möglich.
gungen der Streckgrade für eine Optimie-
rung gesehen werden. Weiterhin sind die
Geometrien des Endprofils sowie der Zwi-
schenschritte und deren Abbildung von In-
teresse. Für das Endprofil ist festzustellen,
dass diese über eine Kombination geomet-
rischer Objekte darstellbar sind (Abb. 4).
Durch die spezifische Lage der Objekte zu-
einander kann durch die Vorgabe von fünf
für dieses Profil charakteristischen Endda-
ten (K, N, F, R1, H) eine Konstruktion her-
vorgerufen werden. Mit Hilfe dieser und
dem Ansetzen weiterer Kenngrößen (h1 bis
h6) kann auf die vorhergehenden Quer-
schnitte der Walzstiche zurückgerechnet Abb. 4: Kaliberreihe der Z-Profile sowie
werden. Hierfür sind die spezifischen Hö- charakteristische Kenngrößen am Endprofil
hen anhand des Datensatzes ausgemes- (grau) sowie an den Zwischenprofilen
sen und anschließend korreliert. Mit Hilfe (blau)
dieser numerischen Darstellung sind die
Schritte der Rückwärtskalibrierung pro- Literaturangaben
grammatisch abbildbar, worauf bereits be-
stehende Simulationsprogramme aufbauen [1] Schmidtchen, M., Hoffmann, F.,
können. Beispielhaft kann die geometri-
Prahl, U.: Development of fast simula-
sche Auslegung als Plugin in das Simulati-
tion tools with higher modelling depth
onsprogramm PyRoll implementiert wer-
den, womit eine anschließende Auslegung for improved description of local ma-
und Vorwärtsrechnung ermöglicht wird. terial flow, stress state and micro-
Auf Grund der hier vorliegenden Kaltumfor- structure in breakdown and shaping
mung konnte dieser Auslegung auch noch grooves. Der Kalibreur (2020) 80,
ein Zusammenhang zwischen Ausgangs- S. 29–42
zustand und Endfestigkeit des Profils über- [2] Schmidtchen, M., Prahl, U.: Status of
lagert werden. Damit sind schon bei der developments in groove pass design
Rückwärtskalibrierung Geometrie, Stoff- for asymmetric profiles. Der Kalibreur
fluss und Werkstoffeigenschaften berück- 81 (2021), S. 15–32
sichtigt. [3] Wehhage, H.: Beitrag zur rechnerge-
stützten Erarbeitung von Projekten
Zusammenfassung und Ausblick und Technologien für kontinuierliche
Bei der Kalibrierung sowohl von Streck- als Feinstahl- und Drahtstrassen, TU
auch Profilkalibern sind für die notwendigen Bergakademie Freiberg Dissertation.
Schritte der Rückwärtskalibrierungen Zu- Freiberg 1990
sammenhänge in Bezug auf die geometri- [4] Körmer, A.: Modellierung von Streck-
sche Konstruktion als auch auf die Streck- kaliberreihen, TU Bergakademie Frei-
gradverteilungen zu erkennen. Diese kön- berg Dissertation. Freiberg 1987
nen über ausreichend große Versuchsda- [5] Bachtinov, B. P., Schternov, M. M.:
tensätze nutzbar gemacht werden und die- Kalibrierung von Walzen. (kyr.). Me-
nen als Notwendigkeit, eine vollständige tallurgisdat. (1953)
[6] Smirnov, W. K., Schilov, V. A., Inato- (Walzenkalibrierung von Sortenstahl).
vic, J. W.: Kalibrierung von Walzen: (kyr.). Metallurgisdat (1963)
Lehrbuch für Studierende der Metal-
lurgie an Hochschulen. (kyr.). Mos-
kau: Teplotechnik 2010
[7] Neumann, H. (Hrsg.): Kalibrieren von
Walzen. Leipzig: Dt. Verl. für Grund-
stoffindustrie 1976
[8] Brovot, A.: Das Kaliberieren der Wal-
zen: eine vollständige Sammlung von
Kaliberierungs-Beispielen. 1902
[9] Tafel, W.: Walzen und Walzenkalib-
rieren (Rolling and Roll Pass Design).
Dortmund 1923
[10] Schmidtchen, M., Adamyanets, P.,
Kawalla, R.: Model Approaches for
Simulation of Processes in Rod and
Wire Production. Materials Science
Forum 892 (2017), S. 34–43
[11] Schmidtchen, M.: Vorlesungsskript Si-
mulation von Umformprozessen – Ka-
librieren 2020 / 2021
[12] Łabuda, E., Dyja, H., Korczak, P.:
Changes of pass geometry of the sys-
tem of oval and vertical oval stretch-
ing passes in the rolling process.
Journal of Materials Processing Tech-
nology 80-81 (1998), S. 361–364
[13] Lapovok, R., Thomson, P. F.: An ap-
proach to the optimal design of rolling
passes. International Journal of Ma-
chine Tools and Manufacture 37
(1997) 8, S. 1143–1154
[14] Spuzic, S., Narayanan, R., Kovacic,
Z., Hapu Arachchige, D., Abhary, K.:
Roll pass design optimisation. The In-
ternational Journal of Advanced Man-
ufacturing Technology 91 (2017) 1-4,
S. 999–1005
[15] Oduguwa, V., Roy, R.: A review of
rolling system design optimisation. In-
ternational Journal of Machine Tools
and Manufacture 46 (2006) 7-8,
S. 912–928
[16] Krautmacher, H.: Das Kaltwalzen und
Ziehen von hochfesten profilierten
Seildrähten 76 (1956) 17, S. 1085–
1099
[17] Litowtschenko, I. W., Biomidow, B. B.,
Kurdjumowa, W. A.: Kalibrowka
walkow sortowick stanow

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