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Lifestyle Erkenntnis Nr.

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KOLUMNE Das Dilemma der Bildertransporte. Ich gebe es zu, ich war auch so jemand,
der seine erste Arbeitsstelle ohne Führerschein angetreten hat. In voller Überzeu-
gung meinte ich damals zu meinem Chef: “Bald fliegen eh alle durch die Luft, für
Text: Marco Spitzar was brauche ich da noch einen Führerschein für’s Auto. Das war Mitte der Achtziger
– was der sich wohl im Geheimen gedacht hat – ich kann es mir vorstellen. Zähne-
knirschend organisierte er einen Chauffeur, etwas frech wie ich wohl war glaubte ich
daran, dass ich das wohl wert sei. Anekdote am Rande – am Freitag Mittag durfte
ich den Lunch mit einem Bregenzer Fahrlehrer einnehmen und darüber diskutieren,
ob es nicht viel feiner sei selbst Hand ans Steuer zu legen – nach mindestens fünf
psychologischen Lunchterminen war es soweit. Gut, sagte ich zu meinem Chef, wenn
das unauffällig und mit Spaß vorübergeht mache ich das, natürlich auf Firmenkos-
ten – keine Ahnung was ihn das gekostet hat. Aber wie er das eingefädelt hat, alle
Achtung, das gebührt meinen vollsten Respekt, bis heute.

Das Verzichten ist das neue Tun. So viel dazu, dass wir nicht lästern sollten über
jüngere Generationen, die noch viel bessere und sinnvollere Gründe haben auf einige
scheinbare moderne Errungenschaften bewußt zu verzichten. Das Verzichten ist ja
das neue Tun. Fahrpläne hin oder her und erst die Dörfer spaltenden Landstraßen.
Ich bewundere sie, wenn sie es schaffen, alles anders zu machen, darauf kommt es an.
Bei mir kommt es leider noch viel schlimmer, die deutschnordfriesische Flachland-
herkunft ist ja bekannt und auch wenn ich schon als Kind nach Vorarlberg verpflanzt
worden bin, ein Liebhaber des Bergauffahrens mit dem Fahrrad bin ich nie gewor-
den. Die holländische Fitze meiner Kindheit hatte keine Gangschaltung und die
Mountainbikes hatten für mich Traktorradprofile. Meine Radkarriere dauerte somit
Marco mit seinem ersten Roller nur ein Gewitter lang. Mein Nachbar freut sich seitdem über das Ungebrauchte.

Ich bin selten praktisch veranlagt, aber beim Leinwandmaß war ich es.
Auf jeden Fall finde ich mich gar nicht mehr zurecht mit den widersprüchlichen
Anforderungen heutiger Gefährte. Mein ganzer Stolz der Audi ist schon mindestens
10 Jahre alt und wie lange ich die Straßen damit noch belästigen darf ist mir nicht
klar. Solange er fährt scheine ich glücklich zu sein. Der Clou ist aber, dass ich in mei-
nen wiedererstarkten künstlerischen Anfängen die Naturleinwände genau auf das
Maß des großzügigen Kofferraums konzipiert habe. Wer konnte auch wissen, dass
ich sehr konsequent mit diesem gottgegebenen Format umgehe.

Flachland passt zu Flachware. Ich konnte auch nicht ahnen, dass sich ein im-
mer etwas mehr produzierender, professioneller werdender Künstler mehr zu einem
Logistiker entwickelt als zu einem Bilderfinder. Womit sich der Kreis schließt und
das Dilemma der Bildertransporte offenbart. Ja, ich bin in erster Linie Flachwa-
renproduzent und das wollte ich auch immer eher sein, als ein Hersteller von
gigantischen Kunstmaschinen. Ich bin Gironcolischüler und die Riesenungetüme
haben mich immer eingeschüchtert. Trotzdem kann ich mit dem Fahrrad gar
nichts transportieren. Ich bin nach wie vor leidenschaftlicher Transporteur, aber in
was genau für ein Gefährt ich investieren soll hat sich mir noch nicht erschlossen.
Klar ist, noch finde ich original physische Werke ein bisschen spannender als NFTs.
Bildertransport nach Kärnten – Yellows inside Es wird dazu kommen, dass wir selbst klassische Werte überdenken müssen.
Fotos: privat

Ein großes Dankeschön an alle Kunstkäufer und Kunstrransporteure da draußen.


Ich weiß, wir alle können Geschichten erzählen und darauf kommt es an.

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