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Aerodynamik des Flugzeuges

Erster Band
Aerodynamik
des Flugzeuges
Von

Dr. phil. H. Schlichting Dr.-Ing. E.Truckenbrodt


o. Professor an der Technischen Hochschule Braunschweig o. Professor für Technische Mechanik
Direktor der Aerodynamischen Versuchsanstalt Göttingen und Direktor des Instituts für Strömungsmechanik
und Leiter des Instituts für Aerodynamik an der Technischen Hochschule München
der Deutschen Forschungsanstalt für Luftfahrt Braunschweig

Erster Band
Grundlagen aus der Strömungsmechanik
Aerodynamik des Tragflügels (Teil I)

Mit 260 Abbildungen

Springer-Verlag
Berlin I Göttingen I Heidelberg
1959
Alle Rechte, insbesondere das der übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten
Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet,
dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege
(Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen

ISBN 978-3-642-53045-6 ISBN 978-3-642-53044-9 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-642-53044-9

® by Springer-Verlag OHG., Berlin/Göttingen/Heidelberg 1959


Softcover reprint of the hardcover I st edition 1959

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw.


in diesem Buche berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der An-
nahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetz-
gebung als frei zu betrachten wären. und daher von jedermann benutzt werden dürften
Vorwort
Die Grundlagen der Aerodynamik des Flugzeuges sind in einer aus-
führlichen Darstellung in deutscher Sprache zuletzt vor mehr als zwan-
zig Jahren in den bekannten Büchern von R. FUCHS und L. HOPF des
Springer-Verlages behandelt worden. Bei der außerordentlich raschen
Entwicklung und der starken Ausweitung, welche dieses Gebiet in den
letzten beiden Jahrzehnten erfahren hat, ist es verständlich, daß eine
einfache Neubearbeitung der b~iden Bände von FUCHS und HOPF un-
möglich ist. Als vor nunmehr etwa fünf Jahren Herr Dr. JULIUS
SPRINGER uns deshalb den Vorschlag machte, als Ersatz für den "Fuchs-
Hopf" ein völlig neues Lehrbuch über die Aerodynamik des Flugzeuges
zu verfassen, haben wir diesen Plan nur sehr zögernd aufgegriffen. Denn
damals war noch nicht abzusehen, ob die nach dem Ausgang des zwei-
ten Weltkrieges zum Erliegen gekommene deutsche Flugzeugindustrie
wieder aufleben würde, und ob auch eine deutsche Luftfahrtforschung
wieder erstehen würde. Wenn wir uns schließlich doch dazu entschlos-
sen, die sehr umfangreiche Arbeit der völligen Neufassung eines Werkes
über die Aerodynamik des Flugzeuges zu übernehmen, so taten wir
es deshalb, weil wir letztlich die Entwicklung der deutschen Flug-
zeugindustrie und der deutschen Luftfahrtforschung optimistisch be-
urteilten, und weil wir glaubten, daß für die Ausbildung des jungen
Ingenieurnachwuchses ein umfassendes Lehrbuch auf diesem Gebiet
unentbehrlich sein würde.
Wir waren uns von vornherein darüber klar, daß wegen des außer-
ordentlich starken Anwachsens des Stoffes in den letzten beiden Jahr-
zehnten es uns nicht möglich sein würde, das gesamte Gebiet dar-
zustellen, welches das zweibändige Werk von FUCHS-HoPF behandelte,
nämlich die "Theorie der Luftkräfte" (R. FUCHS) und die "Mechanik
des Flugzeuges" (L. HOPF). Wir entschlossen uns, nur die "Theorie der
Luftkräfte" zu behandeln, und die Neuabfassung der "Flugme chanik" ,
d. h. die Bewegung des Flugzeuges bei gegebenen Luftkräften, einem
anderen Autor zu überlassen. Auch die mit dem Antrie b des Flugzeuges
im Zusammenhang stehenden aerodynamischen Fragen (Triebwerks-
aerodynamik) bleiben im vorliegenden Werk unberücksichtigt. Nach-
dem für den Antrieb des Flugzeuges das Strahltriebwerk und die Rakete
neben der Luftschraube eine überragende Bedeutung erlangt haben, ist
das Gebiet der Triebwerks-Aerodynamik so umfangreich, daß es ge-
sondert behandelt werden muß.
VI Vorwort

In dem vorliegenden Werk "Aerodynamik des Flugzeuges" beschäf-


tigen wir uns ausschließlich mit den Luftkräften, welche bei der Be-
wegung des Flugzeuges durch die irdische Atmosphäre an seinen Teilen
und damit am ganzen Flugzeug wirksam sind (Aerodynamik der Flug-
zeugzelle ). Diese Luftkräfte hängen in recht verwickelter Weise von der
geometrischen Gestalt des Flugzeuges, von der Fluggeschwindigkeit,
von den Bewegungsformen des Flugzeuges und von einigen physika-
lischen Eigenschaften der Luft ab. Aufgabe der Aerodynamik des Flug-
zeuges ist es, über diese Zusammenhänge Auskunft zu geben. Die
Aerodynamik des Flugzeuges bildet die unerläßliche Grundlage für die
Flugmechanik und auch für viele Fragen der Festigkeit des Flugzeuges.
Jedoch haben wir auf die Behandlung des umfangreichen Sonder-
gebietes der instationären Luftkräfte (Aeroelastizität) verzichten
mÜ8sen.
Das Studium der aerodynamischen Fragen des Flugzeuges erfordert
sehr gründliche Kenntnisse in der Strömungslehre. Aus diesem Grunde
haben wir es für angebracht gehalten, einen ziemlich ausführlichen Ab-
riß der allgemeinen Strömungslehre vorauszuschicken. Neben der klas-
sischen Hydrodynamik des vorigen Jahrhunderts kommt dabei der
modernen Strömungslehre dieses Jahrhunderts mit den drei Teilgebieten
"Gasdynamik", "Grenzschicht-Theorie" und "Tragflügel-Theorie" eine
große Bedeutung zu. Diese Grundlagen der Strömungslehre sind nicht
nur für die Luftfahrt, sondern auch für viele andere Gebiete der Physik
und Technik von erheblichem Interesse.
Das vorliegende Werk gliedert sich in drei Hauptabschnitte mit
insgesamt zwölf Kapiteln, die auf zwei Bände verteilt sind. Im ersten
Abschnitt werden nach einem einleitenden Kapitel über die Atmosphäre
die Grundlagen aus der Strömungsmechanik in einem solchen Umfang
dargestellt, wie sie in den folgenden Abschnitten benötigt werden. Der
zweite Abschnitt befaßt sich mit der Aerodynamik des Tragflügels und
der dritte Abschnitt mit der Aerodynamik der übrigen Teile des Flug-
zeuges (Rumpf, Leitwerke), wobei auch die Probleme der gegenseitigen
Beeinflussung der Flugzeugteile eine wichtige Rolle spielen. Der moder-
nen Entwicklung im Flugzeugbau wird dadurch Rechnung getragen,
daß die Aerodynamik bei hohen Geschwindigkeiten (Unter- und Über-
schallgeschwindigkeit) ziemlich eingehend behandelt wird.
Dieses Buch wendet sich in erster Linie an Ingenieure. Wir haben
uns bemüht, soweit wie möglich die theoretische Behandlung der Pro-
bleme in den Vordergrund zu stellen. Dabei haben wir versucht, diese
in eine anschauliche, für den Ingenieur leicht faßliche Form zu bringen.
In der Tat ist es heute möglich, unter Verwendung der modernen
Strömungslehre den überwiegenden Teil der Aerodynamik des Flug-
zeuges aus rein theoretischen Überlegungen zu gewinnen. Das in der
Vorwort VII
Literatur vorhandene, sehr umfangreiche experimentelle Material wurde
nur insoweit herangezogen, als es zur Belebung der physikalischen An-
schauung und zur Nachprüfung der Theorie erforderlich ist. Es kam uns
darauf an, zum Ausdruck zu bringen, daß die entscheidenden Fort-
schritte nicht durch eine Anhäufung von umfangreichen Versuchs-
ergebnissen erreicht worden sind, sondern vielmehr durch die Synthese
von theoretischen Überlegungen mit wenigen grundlegenden Experi-
menten. Darüber hinaus haben wir uns bemüht, die Ergebnisse der
Theorie dem Leser durch zahlreiche durchgerechnete Beispiele näher-
zubringen.
Für den ersten Abschnitt des Buches (Grundlagen aus der Strömungs.
mechanik) konnten wir weitgehend auf Vorlesungsmanuskripte des
ersten Verfassers zurückgreifen, u. a. auch auf das Buch "Grenzschicht-
Theorie", welches VOJ; kurzem beim Verlag G. Braun, Karlsruhe, in
dritter Auflage erschienen ist. Weiterhin kam es uns sehr zustatten, daß
der zweite Verfasser durch seine langjährige Tätigkeit in der Luftfahrt,
zuletzt als Leiter der aerodynamischen Abteilung der Heinkel-Flugzeug.
Werke, mit den Problemen des Flugzeugbaues in enger Berührung
war.
Der hiermit vorgelegte erste Band umfaßt sechs Kapitel, nämlich
den ersten Abschnitt "Grundlagen aus der Strömungsmechanik" mit
vier Kapiteln und zwei Kapitel aus dem zweiten Abschnitt "Aerodyna.
mik des Tragflügels". Wir hoffen, daß es uns möglich sein wird, den
zweiten Band bald folgen zu lassen.
Bei der Herstellung der Abbildungen und beim Lesen der Korrek-
turen wurden wir von unseren "Mitarbeitern V. DENK, K. GERSTEN,
R. KARWINSKI und W. PECHAU wesentlich unterstützt. Die sorgfältige
Herstellung der Reinschrift des Manuskriptes verdanken wir Fräulein
M. FROBENIUS. Dem Springer-Verlag danken wir für sein bereitwilliges
Eingehen auf unsere Wünsche sowie für die sorgfältige Ausstattung des
Buches.
Göttingen, im August 1958
H. Schlichting E. Truckenbrodt
Inhaltsverzeichnis
TeilA
Grundlagen aus der strömungsmechanik
I. Einführung und physikalische Eigenschaften der Atmosphäre
Seite
1.1 Aufgaben der Flugzeug-Aerodynamik 1
1.2 Physikalische Eigenschaften der Luft. 2
1.21 Strömungsmechanik und physikalische Eigenschaften des strömen-
den Mediums. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.22 Druck, Dichte und Temperatur in der Atmosphäre. 4
1.23 Kompressibilität . . . . . . . . . . 8
1.24 Zähigkeit . . . . . . . . . . . . . 11
1.3 Ähnlichkeitsgesetze der Strömungen 13
Literatur . . . . . . . . . . 18

II. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)


2.1 Kinematik der Flüssigkeitsbewegungen . . . . . . . . . . 18
2.11 Darstellungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.12 Dreidimensionale, zweidimensionale und eindimensionale Bewegun-
gen. . . . . . . . . . . . 21
2.13 Stromlinien und Stromröhren . . . 22
2.14 Kontinuitätsgleichung. . . . . . . 23
2.15 Drehung einer Flüssigkeitsbewegung 25
2.2 Eindimensionale Strömungen (Stromfadentheorie) 29
2.21 Eindimensionale EULERsche Bewegungsgleichung . . . 29
2.22 BERNOULLIsche Gleichung . . . . . . . . . . . . . 34
2.23 Einige Anwendungen der BERNOULLIschen Gleichung. 36
2.231 Ausfluß aus einem Gefäß . . . . . . . . . . 36
2.232 Messung von Druck und Geschwindigkeit in einer Strömung 37
2.233 Trennungsflächen . . . . . . . . . . . . . 39
2.3 Zwei- und dreidimensionale Strömungen . . . . 40
2.31 Die allgemeinen EULERschen Bewegungsgleichungen 40
2.32 BERNOULLIsche Gleichung . . . . . . . . . . . . 42
2.33 Drehungsfreie Strömungen als Lösungen der EULERschen Bewegungs-
gleichungen . . . . . . . . . . . . . 44
2.34 Potential- und Stromfunktion . . . . . 46
2.35 Beispiele einfacher Potentialströmungen 51
2.351 Translationsströmung . . . . . . 52
2.352 Ebene Staupunktströmung . . . . 52
2.353 Rotationssymmetrische Staupunktströmung 53
Inhaltsverzeichnis IX
Seite
2.354 Ebene Quell- und Senkenströmung . . 54
2.355 Ebener Potentialwirbel . . . . . . . 55
2.356 Räumliche Quell- und Senkenströmung 57
2.357 Strömung um einen ebenen Halbkörper . 57
2.358 Strömung um einen rotationssymmetrischen Halbkörper 60
2.359 Dipol und Kreiszylinder . . . 61
2.3510 Strömung um eine Kugel. . 67
2.3511 Strömung um andere Körper 68
2.4 Wirbelbewegung . . . . . . . . . . 70
2.41 Begriff der Zirkulation . . . . . . 70
2.42 Beispiele für Strömungen mit Zirkulation. 73
2.421 Translationsströmung . . . . . . . 73
2.422 Translationsströmung mit Trennungsfläche . 73
2.423 Potentialwirbel . . . . . . . . . . . . . 74
2.424 Tragflügel mit Auftrieb. . . . . . . . . . . .. 75
2.43 Zusammenhang zwischen Zirkulation und Drehung. 75
2.44 Dynamik der Wirbelbewegung . . . . . . . . . . . . 77
2.45 Satz von W. TROMSON . . . . . . . . . . . . . . . 79
2.46 Entstehung der Zirkulation bei der Anfahrt eines Tragflügels 81
2.47 Die HELMROLTzschen Wirbelsätze . . . . . . . . . . . . 83
2.48 Das BIOT-SAvARTsche Gesetz . . . . . . . . . . . . . . 85
2.5 Berechnung ebener Potentialströmungen mit Hilfe komplexer
Funktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
2.51 Die Grundgleichungen. . . . . . . . . . . . . . 91
2.52 Die CAUCRy-RIEMANNSchen Differentialgleichungen. 92
2.53 Die komplexe Strömungs funktion . . . . . 93
2.54 Beispiele zur komplexen Strömungsfunktion . 94
2.541 Translationsströmung . . . . . . 95
2.542 Strömung in einem Winkelraum . 95
2.543 Quelle, Senke und Potentialwirbel 97
2.544 Dipol . . . . . . . . . . . . . 98
2.545 Translationsströmung um den Kreiszylinder 99
2.546 Strömung um den Kreiszylinder mit Zirkulation. 100
2.55 Der Begriff der konformen Abbildung 103
2.56 Beispiele zur konformen Abbildung. . . 107
2.561 Die parallel angeströmte Platte. . 107
2.562 Die senkrecht angeströmte Platte. 108
2.563 Die ebene angestellte Platte UO
2.564 Elliptische Zylinder 119
2.565 JouKOwsKy-Profile 122
2.6 Der Impulssatz. . . . . . 124
2.61 Das allgemeine Theorem des Impulssatzes 124
2.62 Beispiele zum Impulssatz . . . . . . . . 128
2.621 Strömung in einer Rohrumlenkung . 128
2.622 Der Strahl senkrecht auf eine Wand 129
2.623 Der Strahl schräg auf eine Wand . 130
2.624 Widerstand eines Halbkörpers . . . 131
2.625 Ermittlung des Widerstandes aus dem Impulsverlust . 132
Literatur. . . . . . . 136
x Inhaltsverzeichnis

IH. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)


Seite
3.1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . 136
3.11 Kompressibilität, MAcHsche Zahl. 136
3.12 Zustandsgleichung 138
3.13 Schallgeschwindigkeit . . . . . . 139
3.14 MAcHscher Winkel . . . . . . . 141
3.15 Temperaturerhöhung in einer kompressiblen Strömung. 144
3.2 Eindimensionale Strömungen (Stromfadentheorie) . 146
3.21 EULERsche Bewegungsgleichung und BERNOULLIsche Gleichung 146
3.22 Kritische MAcH-Zahl . . . 149
3.23 Staupunkt. . . . . . . . 151
3.24 Ausfluß aus einem Kessel . 153
3.25 Lavaldüse . . . . . . . . 158
3.3 Zweidimensionale Strömungen. 159
3.31 Grundgleichungen . . . . 159
3.32 Drehungsfreiheit . . . . . . . 160
3.33 Geschwindigkeitspotential . . . . . . 161
3.34 Lösungstypus für Überschallströmungen 163
3.35 Strömung längs einer schwach welligen Wand 164
3.4 Ebene Unterschallströmungen . . . . 167
3.41 Verfahren von JANZEN und RAYLEIGH . 167
3.42 PRANDTL-GLAuERTsche Regel. . . 170
3.43 Vergleich mit Versuchsergcbnissen . 175
3.5 Ebene Überschallströmungen . . . 176
3.51 PRANDTL-MEYERSche Eckenströmung 176
3.52 Strömung um eine flache Ecke 182
3.53 Auftrieb und Widerstand der ebenen Platte. 185
3.54 Auftrieb und Widerstand schlanker Profile . . . . . . . . . 188
3.55 Charakteristiken-Verfahren für Überschallströmungen um Profile 195
3.6 Ebene transsonische Strömungen . . . . 196
3.61 Allgemeines und experimentelle Ergebnisse 196
3.62 Der senkrechte Verdichtungsstoß . 204
3.63 Der schiefe Verdichtungsstoß . . . . . 207
3.64 Das Stoßpolaren-Diagramm . . . . . 211
3.65 VON KARMANsches Ähnlichkeitsgesetz . 213
Literatur . . 217

IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-i'heorie)


4.1 Grundzüge der Strömung mit Reibung 219
4.11 Allgemeines . . . . . . . . . . 219
4.12 NEWToNsches Reibungsgesetz . . 220
4.13 REYNOLDSSches Ähnlichkeitsgesetz 220
4.14 Laminare Rohrströmung 222
4.15 Turbulente Rohrströmung . . . . 226
4.16 Das Widerstandsproblem umströmter Körper 231
4.2 Grundzüge der Grenzschicht-Theorie 235
4.21 Begriff der Grenzschicht 235
4.22 Ablösung der Grenzschicht 236
Inhaltsverzeichnis XI
Seite
4.23 Abschätzung der Grenzschichtdicke und des Reibungswiderstandes
bei laminarer Strömung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
4.24 Turbulente Strömung in der Grenzschicht . . . . . . . . . . 241
4.3 Die Bewegungsgleichungen der zähen Flüssigkeit (NAVIER-
SToKEssche Gleichungen). . . . . . . . . . . 243
4.4 Die FRANDTLschen Grenzschichtgleichungen . . . . 247
4.41 Aufstellung der Grenzschichtgleichungen . . . . . . 247
4.42 Einige physikalische Eigenschaften der Grenzschicht . 249
4.43 Die Plattengrenzschicht bei laminarer Strömung. . . 251
4.44 Impulssatz der Grenzschicht. . . . ..... 255
4.45 Näherungsverfahren zur Berechnung der laminaren Grenzschicht 257
4.5 Grenzschichtbeeinflussung . 260
4.51 Allgemeines . . . . . . . 260
4.52 Mitbewegen der Wand 261
4.53 Beschleunigung der Grenzschicht. 261
4.54 Absaugung der Grenzschicht. . . 264
4.55 Laminarhaltung durch Formgebung (Laminarprofile) 271
4.6 Einiges über turbulente Strömungen . . . . . . . 272
4.61 Mittlere Bewegung, Schwankungsbewegung und turbulente Schein-
reibung . . . . . . . . . . . 272
4.62 Windkanalturbulenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
4.63 Der PRANDTLsche Mischungsweg . . . . . . . . . . . . . 276
4.64 Geschwindigkeitsverteilung in der turbulenten Grenzschicht. 278
4.7 Der turbulente Reibungswiderstand der längsangeströmten
ebenen Platte . . . . . . . . . . . . . . . . 280
4.71 Die glatte Platte bei inkompressibler Strömung. 280
4.72 Einfluß der Kompressibilität. . . . . . . . . . 284
4.73 Einfluß der Rauhigkeit . . . . . . . . . . . . 286
4.8 Berechnung der Grenzschicht mit Druckabfall und Druck-
anstieg . . . . ...... 291
4.81 Allgemeines . . . . . . . . . . . 291
4.82 Kenngrößen der Grenzschicht . . . 292
4.83 Berechnung der Impulsverlustdicke . 295
4.84 Beispiel . . . . . . . . . . . . . 296
4.85 Rechnerische Ermittlung des Profilwiderstandes 298
4.9 Grenzschichten bei kompressibler Strömung 301
4.91 Allgemeines 301
4.92 Stoffbeiwerte . . . . . . . . . . . . . . . . 302
4.93 Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . . . 303
4.94 Temperaturerhöhung durch adiabatische Kompression und Rei-
bung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
4.95 Laminare flattengrenzschicht . . . . . . . . . . . 308
4.96 Zusammenwirken von Grenzschicht und Verdichtungsstoß 309
4.10 Der Umschlag laminar-turbulent . . . . . . . . . . 312
4.101 Experimentelle Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . 312
4.102 Grundzüge der Stabilitätstheorie der Laminarströmung . 314
4.103 Ermittlung des Umschlagpunktes für ein Tragflügelprofil 319
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . 322
XII Inhaltsverzeichnis

Teil B
Aerodynamik des Tragflügels
V. Einführung in die Aerodynamik des Tragflügels
Seite
5.1 Geometrie des Tragflügels. 327
5.11 Allgemeine Angaben 327
5.12 Flügelgrundriß . . . . . . 328
5.13 Flügelprofil . . . . . . . 332
5.14 Verwindung und V-Stellung 340
5.15 Ausgeführte Flügelformen . 341
5.2 Kräfte und Momente am Tragflügel 349
5.21 Auftrieb, Widerstand und Gleitzahl. 349
5.22 Sonstige Kräfte und Momente, Achsensysteme . 350
5.23 Dimensionslose Beiwerte der Kräfte und Momente . 352
5.24 Druckverteilungen und Auftriebsverteilungen . . . 354
5.3 Zusammenhang zwischen den Luftkräften und den Bewegungs-
formen des Tragflügels. . . . . . . . . . . . 357
5.31 Bewegungsformen des Flugzeuges . . . . . . . 357
5.32 Kräfte und Momente beim Geradeausflug . . . 359
5.33 Kräfte und Momente beim Schiebeflug . . . . 361
5.34 Kräfte und Momente bei Drehbewegungen des Flugzeuges 362
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363

VI. Der Tragflügel unendlicher Spannweite bei inkompressibler Strömung


(Profiltheorie )
6.1 Grundlagen der Theorie des Auftriebes 364
6.11 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . 364
6.12 Der Satz von KUTTA-JouKOWSKY . . . 366
6.121 Berechnung des Auftriebes aus dem Druckintegral . . 366
6.122 Berechnung des Auftriebes für ein Flügelgitter . 367
6.13 Entstehung und Größe der Zirkulation . . . . 371
6.2 Profiltheorie nach der konformen Abbildung . . 374
6.21 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374
6.22 Berechnung von Auftrieb und Moment für ein beliebiges Tragflügel-
profil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375
6.221 Die BLAslUsschen Formeln . . . . . . . . . . . . 375
6.222 Anderer Beweis der KUTTA-JouKOwsKYschen Formel. 378
6.223 Nullauftriebsrichtung eines Profils (erste Achse) 379
6.23 Kreisbogenprofil sehr geringer Dicke 382
6.24 Symmetrisches JOUKOWSKy-Profil . . . . . . . . 386
6.25 Schlußbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . 389
6.3 Profiltheorie nach der Singularitätenmethode. 390
6.31 Allgemeines . . . . . . . . . . . . 390
6.32 Sehr dünne Profile (Skelett-Theorie) . . . . . . . 391
6.321 Grundlagen der Skelett-Theorie. . . . . . . 391
6.322 Berechnung der Skelettlinie aus der Zirkulationsverteilung
(1. Hauptaufgabe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394
Inhaltsverzeichnis XIII
Seite
6.323 Berechnung der aerodynamischen Beiwerte . . . . . . . 399
6.324 Berechnung der Geschwindigkeitsverteilung auf der Profil-
kontur (II. Hauptaufgabe) . . . . . . . . . . . . . . . 407
6.33 Symmetrische Profile endlicher Dicke bei symmetrischer Anströ-
mung (Tropfentheorie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
6.331 Grundlagen der Tropfentheorie . . . . . . . . . . . . . 411
6.332 Berechnung der Geschwindigkeitsverteilung auf der Profil-
kontur . . . . . . . . . . . ......... 413
6.333 Berechnung des Profiltropfens aus der vorgegebenen Ge-
schwindigkeitsverteilung . . . . . . . . . . . . . . 417
6.34 Profile endlicher Dicke mit Anstellwinkel. . . . . . . . . 420
6.341 Berechnung der Geschwindigkeitsverteilung auf der Profil-
kontur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420
6.342 Berechnung der aerodynamischen Beiwerte . . . . . . . 422
6.343 Berechnung der Profilform aus der vorgegebenen Geschwin-
digkeitsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 429
6.35 Das Geschwindigkeitsfeld in der Umgebung eines Tragflügels. 431
6.36 Der Tragflügel in gekrümmter Strömung . . . . . . 434
6.4 Einfluß der Reibung auf die Profileigenschaften 437
6.41 Auftrieb . . 437
6.42 Widerstand 441
Literatur 445
Namenverzeichnis 448
Sachverzeichnis 451
Zusammenstellung der wichtigsten Formelgrößen

Wegen der Vielzahl der auftretenden Größen war es nicht vermeidbar, daß
einige Buchstaben in mehrfacher Bedeutung verwendet werden. So bedeutet
z. B. l in Kap. 4.1 die Rohrwiderstandszahl, in Kap. 4.9 die Wärmeleitzahl
und in Kap. 5 die Zuspitzung des Flügels.
Im folgenden sind die wichtigsten Bezeichnungen zusammengestellt:

1. Stoffbeiwerte Re = V l/v REYNoLDssche Zahl


y spezifisches Gewicht (Gewicht der Ma = Via MAcHsehe Zahl
Volumeneinheit) f1 MAcHscher Winkel
e y/g Dichte (Masse der Volumen· 15 Grenzschichtdicke
einheit) 15* Verdrängungsdicke der Grenz-
(J Erdbeschleunigung schicht
cp , c. spezifische Wärme bei konstan- {} Impulsverlustdicke der Grenz-
tem Druck bzw. konstantem Vo- schicht
lumen <P Geschwindigkeitspotential
x = c'P/c. Adiabaten-Exponent lJf Stromfunktion
a = Vx p/ e Schallgeschwindigkeit r Zirkulation
R Gaskonstante k(x) Wirbeldichte
f1 Zähigkeitsbeiwert q(x) Quelldichte
v f1/e kinematische Zähigkeit l Rohrwiderstandszahl
l Wärmeleitzahl
al Temperaturleitfähigkeit 3. Geometrische Größen
Pr = v/al = f1 g c'P/l PRANDTL-Zahl x, y, z rechtwinklige Koordinaten
2. Strömung8größen z = x + i Y komplexe· Koordinate
p Druck (Normalkraft pro Flächen- r, f{J Polarkoordinaten
einheit) D = 2 R Durchmesser
T Schubspannung (Tangentialkraft Körperlänge, Flügeltiefe
pro Flächeneinheit ) b = 28 Flügelspannweite
u, v, w Geschwindigkeitskomponenten F Flügelfläche
in rechtwinkligen Koordinaten A = b2 /F Seitenverhältnis des Flügels
W r , wep Geschwindigkeitskomponenten 11 , la Flügeltiefe innen bzw. außen
in Polarkoordinaten
l = la/I, Flügelzuspitzung
V, U 00 , w oo , U oo Anströmungsgeschwin-
f{J Pfeilwinkel
digkeit
f Verwindungswinkel
W K, W K Geschwindigkeit auf der
Profilkontur v Winkel der V-Stellung
N 25 geometrischer Neutralpunkt
q -- JL
2 V2 Staudruck d Profildicke
T absolute Temperatur 15 = d/l relatives Dickenverhältnis
Zusammenstellung der wichtigsten Formelgrößen xv
f Profilwölbung M Kippmoment
Xd Dickenrücklage N Giermoment
X, Wölbungsrücklage CA Auftriebsbeiwert, GI. (5.39)
z('), zU) Skelettlinie bzw. Profiltropfen Cw Widerstands beiwert
Cy Seitenkraftbeiwert
4. Aerodynamische Größen
CL Rollmomentenbeiwert
(Vgl. Abb. 5.14)
CM Kippmomentenbeiwert
a; Anstellwinkel CD Giermomentenbeiwert
ß Schiebewinkel cp = (p - Poo)/q Druckbeiwert
A Auftrieb LI Cp Beiwert der Lastverteilung
W Widerstand Gleitwinkel
y Seitenkraft CI Beiwert des Reibungswider-
L Rollmoment standes
Teil A
Grundlagen aus der Strömungsmechanik.

I. Einführung
und physikalische Eigenschaften der Atmosphäre
1.1 Aufgaben der Flugzeug-Aerodynamik
Das Flugzeug bewegt sich in der irdischen Atmosphäre. Der Be-
wegungszustand des Flugzeuges wird bestimmt durch sein Gewicht, den
vom Triebwerk erzeugten Schub sowie durch die Luftkräfte, welche bei
der Bewegung an den Teilen des Flugzeuges entstehen. Für jeden
Flugzustand mit gleichförmiger Geschwindigkeit muß die resultierende
Kraft aus Gewicht und Schub im Gleichgewicht sein mit der resultie-
renden Luftkraft. Für den besonders einfachen Flugzustand des Hori-
zontalfluges sind die am Flugzeug angreifenden Kräfte in Abb. l.1
dargestellt. In diesem Fall kommt die soeben erwähnte Gleichgewichts-
bedingung darauf hinaus, daß für die vertikale Richtung das Gewicht
gleich dem Auftrieb (0 = A) und für die horizontale Richtung der
Schub gleich dem Widerstand ist (S = W). Dabei sind Auftrieb A und
Widerstand W die Komponenten der resultierenden Luftkraft R 1 senk-
recht bzw. parallel zur Fluggeschwindigkeit w. Bei ungleichförmiger
Bewegung des Flugzeuges kommen zu diese~ Kräften noch die Träg-
heitskräfte hinzu.
In dem vorliegenden Werk "Aerodynamik des Flugzeuges" wollen
wir uns ausschließlich mit den Luftkräften beschäftigen, welche bei der
Bewegung des Flugzeuges an seinen Teilen und damit am ganzen Flug-
zeug entstehen. Die wichtigsten Teile des Flugzeuges, welche zu den
Luftkräften beitragen, sind Tragflügel, Rumpf, Leitwerk und Trieb-
werk. Die Luftkräfte hängen in recht komplizierter Weise von der
geometrischen Gestalt dieser Flugzeugteile und von der Fluggeschwin-
digkeit sowie von einigen physikalischen Eigenschaften der Luft (z. B.
Dichte und Zähigkeit) ab. Aufgabe der Aerodynamik des Flugzeuges
ist es, über diese Zusammenhänge Angaben zu machen. Die Ermitt-
lung der Bewegungen des Flugzeuges bei gegebenen Luftkräften so-
wie bei bekanntem Gewicht des Flugzeuges und gegebenem Schub
des Triebwerkes ist das Aufgabengebiet der Flugmechanik. Hierzu
gehören außer den Fragen der Flugleistungen auch die der Flugeigen-
schaften, wie Steuerung und Stabilität des Flugzeuges. Das Gebiet der
Flugmechanik gehört nicht zum Aufgabengebiet dieses Werkes; auch
Schlichting/Truckenbrodt, Aerodynamik I 1
2 1. Einführung und physikalische Eigenschaften der Atmosphäre

das Gebiet der Aeroelastizität (d. i. das Zusammenwirken der Luft-


kräfte mit den elastischen Kräften bei einer Deformation der Flugzeug-
teile ) möge unberücksichtigt bleiben.
Die hier zu behandelnde Lehre von den Luftkräften des Flugzeuges
bildet die Grundlage sowohl für die Flugmechanik als auch für viele
Fragen der Festigkeit
A
des Flugzeuges.
Das Studium der
aerodynamischen Fra-
TU s gen des Flugzeuges er-
fordert sehr gründliche
w Kenntnisse in der Strö-
mungslehre. Um zu
einem guten Verständ-
G
nis der zum Teil recht
schwierigen Fragen der
speziellen Flugzeugaero-
dynamik zu gelangen,
wollen wir zunächst
einen Abriß der allge-
meinen Strömungslehre
vorausschicken. Im fol-
genden sollen deshalb
im Teil A (Kap. II bis
IV) die Grundlagen der
Abb. 1.1. Kräfte am Flugzeug im Horizontalflug Strömungsmechanik
A Auftrieb R I resultierende Luftkraft
W Widerstand (Resultierende aus A und W) entwickelt werden unter
G Gewicht R, Resultierende aus G und S
S Schub Betonung derjenigen
Prinzipien, die für die
flugtechnische Aerodynamik von besonderer Bedeutung sind. Des
weiteren ist Teil B (Kap. V bis VIII) der Aerodynamik des Trag-
flügels gewidmet, während Teil C (Kap. IX bis XII) den Rumpf
sowie die Leitwerke und andere Steuerorgane behandelt.

1.2 Physikalische Eigenschaften der Luft


1.21 Strömungsmechanik und physikalische Eigenschaften
des strömenden Mediums
Für die Strömungsmechanik sind einige physikalische Eigenschaften
des strömenden Mediums von Wichtigkeit, wie z. B. Dichte, Tem-
peratur, Kompressibilität und Zähigkeit, über die in diesem ersten
Kapitel einige quantitative Angaben für Luft gemacht werden. Im
1.2 Physikalische Eigenscha'ften der Luft 3

Hinblick auf die Flugtechnik ist dabei insbesondere auch die Änderung
dieser Eigenschaften mit der Höhe in der Atmosphäre von Bedeutung.
Diese physikaliS<lhen Eigenschaften der irdischen Atmosphäre haben
unmittelbar einen Einfluß auf die Flugzeugaerodynamik und dadurch
mittelbar auch auf die Flugmechanik. Deshalb sind die Ausführungen
dieses Kapitels in gleicher Weise wichtig für die Aerodynamik sowie
für die Flugmechanik des Flugzeuges.
Im folgenden soll das strömende Medium durchweg als ein Kon-
tinuum angesehen werden. In diesem Falle sind für die Strömungs-
gesetze die Dichte, Temperatur, Kompressibilität und Zähigkeit des
strömenden Mediums von besonderer Bedeutung.
Die Dichte e ist definiert als die Masse der Volumeneinheit. Sie
hängt mit dem spezifischen Gewicht y (= Gewicht der Volumen-
einheit) zusammen durch e = yjg, wobei g die Schwerebeschleunigung
bedeutet. Im technischen Maßsystem hat das spezifische Gewicht y die
Dimension [kgjm3] und die Dichte e die Dimension [kg s2jm4]. Die Dichte
hängt sowohl von der Temperatur als auch vom Druck ab.
Unter der Kompressibilität verstehen wir das Maß der Zusammen-
drückbarkeit des Mediums unter der Wirkung äußerer Druckkräfte. Für
Gase ist die Kompressibilität sehr viel größer als für tropfbare Flüssig-
keiten. Für Strömungsvorgänge hat die Kompressibilität dann eine Be-
deutung, wenn die mit der Strömung verbundenen Druckänderungen
eine merkliche Volumenänderung hervorbringen. Da für die tropf-
baren Flüssigkeiten die Kompressibilität sehr gering ist, können' die
Strömungsvorgänge von Flüssigkeiten immer als inkompressibel an-
gesehen werden, während bei Gasen für große Strömungsgeschwindig-
keiten die Kompressibilität berücksichtigt werden muß. Bei mäßigen
Geschwindigkeiten dagegen können auch die Gase mit guter Näherung
als inkompressibel angesehen werden.
Die Zähigkeit hängt zusammen mit den Reibungskräften eines strö-
menden Mediums, d. h. mit den zwischen den Volumenelementen über-
tragenen Tangentialkräften. Der Zähigkeitsbeiwert ändert sich sowohl
bei tropf baren Flüssigkeiten als auch bei Gasen ziemlich stark mit der
Temperatur. Für viele technisch wichtige Flüssigkeiten (z. B. Wasser)
und für alle Gase können zur Vereinfachung der Strömungsgesetze
vielfach auch die Zähigkeitskräfte mit guter Näherung vernachlässigt
werden (reibungslose Flüssigkeit).
Damit haben wir für die Strömungsmechanik folgenden Sach-
verhalt: Bei mäßigen Geschwindigkeiten, d. h. solange man das strö.
mende Medium als inkompressibel ansehen kann, sind für tropfbare
Flüssigkeiten und Gase die Strömungsgesetze gleich. Man nennt diesen
Teil der Strömungslehre "Hydromechanik" (Kap. II und Kap. IV).
Dabei können viele Aufgaben (z. B. die Theorie des Auftriebes von
1*
4 I. Einführung und physikalische Eigenschaften der Atmosphäre

Tragflügeln) unter Zugrundelegung einer reibungslosen, inkompressiblen


Flüssigkeit behandelt werden (ideale Flüssigkeit, Kap. II, VI, VII).
Bei anderen Fragen (z. B. beim Widerstand umströmter Körper) muß
dagegen die Zähigkeit berücksichtigt werden (Grenzschicht-Theorie,
Kap. IV). Die starke Erhöhung der Fluggeschwindigkeit in den letzten
beiden Jahrzehnten hat für die Flugzeugaerodynamik auf Probleme
geführt, bei denen die Kompressibilität der Luft und zum Teil auch
gleichzeitig die Zähigkeit berücksichtigt werden muß. Dies tritt ein,
wenn die Fluggeschwindigkeit vergleichbar ist mit der Schallgeschwin c
digkeit. Man nennt diesen Teil der Strömungslehre die" Gasdynamik" ;
ihre Grundlagen werden in Kap.III und ihre Anwendungen auf das
Flugzeug, insbesondere auf den Tragflügel, in Kap. VIII behandelt.
Im folgenden sollen jetzt für die Dichte, die Zähigkeit und die
Kompressibilität einige quantitative Angaben gemacht werden, um
diese für die gesamten folgenden Ausführungen bereitzustellen. Im
Hinblick auf die Strömungsvorgänge am Flugzeug wollen wir uns dabei
im wesentlichen auf Luft beschränken, jedoch auch einige wenige An-
gaben für Wasser beifügen. Insbesondere aber soll über die Abhängig-
keit der physikalischen Eigenschaften der Luft von der Höhe in der
irdischen Atmosphäre berichtet werden.

1.22 Druck, Dichte und Temperatur in der Atmosphäre


Die Dichte eines Gases ist abhängig von Druck und Temperatur.
Der Zusammenhang zwischen Dichte (h Druck p und absoluter Tem-
peratur T wird durch die thermodynamische Zustandsgleichung für
ideale Gase
p=(!gRT=yRT (1,1)

gegeben, wobei R die Gaskonstante und g die Schwerebeschleunigung


bedeuten. Für Luft ist die Gaskonstante
R = 29,27mJgrd (Luft). (1,2)
Von den verschiedenen Zustandsänderungen eines Gases sind besonders
wichtig die isotherme und die adiabatische Zustandsänderung. Bei der
isothermen Zustandsänderung ist die Temperatur konstant, T = const,
In diesem Fall ist nach GI. (1,1) der Zusammenhang zwischen Druck
und Dichte:
L = const. (1,3)
(!

Es ist also die Dichte proportional zum Druck. Bei der adiabatischen
Zustandsänderung wird für eine betrachtete Gasmasse Wärme von
außen weder zu- noch abgeführt. Es tritt also bei der adiabatischen
1.2 Physikalische Eigenschaften der Luft 5

Zustandsänderung kein Wärme austausch mit der Umgebung ein. In


diesem Fall ist der Zusammenhang zwischen Druck und Dichte
gegeben durch
Y-
e~
= const. (1,4)

Dabei ist der adiabatische Exponent


Cp
x= - (1,5)
Co '

wobei cp und Cv die spezifische Wärme bei konstantem Druck bzw. kon-
stantem Volumen bedeutet. Für Luft ist
x = 1,405. (1,5 a)
Die adiabatische Zustandsänderung ohne Wärmeaustausch mit der
Umgebung liegt mit sehr guter Näherung bei sehr schnell verlaufenden
Zustandsänderungen vor, weil hierbei der Wärmeaustausch mit der
Umgebung, der ziemlich langsam verläuft, nicht zur Auswirkung kom-
men kann. Strömungsvorgänge bei großen Geschwindigkeiten könnEn
im allgemeinen in diesem Sinn als schnelle Zustandsänderungen geIten,
so daß für diese die adiabatische Zustandsänderung nach GI. (1,4)
zutrifft.
Für die flugtechnischen Anwendungen ist die Änderung von Luft-
dichte und Luftdruck mit der Höhe H in der ruhenden Atmosphäre wich-
tig. Beide sind abhängig von der vertikalen Temperaturverteilung in
der Atmosphäre T(H). Unter normalen Verhältnissen nimmt in der
Atmosphäre die Temperatur nach oben ab, wobei der Temperaturgradient
dTjdH je nach den Witterungsbedingungen etwa -0,5 grd bis -1 grd
auf 100 m beträgt.
Die Druckabnahme für eine vertikale Höhe dH beträgt nach der
hydrostatischen Grundgleichung :
dp = - ydH = - egdH.
Durch Integration ergibt sich hieraus:

H = j. ap
- . y(p)
p

= -(i
J ap
1
P

e('p)-' ( 1,6)
Po Po

wenn der Druck in der Höhe H = 0 (Meereshöhe) mit Po bezeichnet


wird. Um aus GI. (1,6) die Abhängigkeit des Druckes p und der Dichte e
von der Höhe H zu erhalten, muß die Abhängigkeit der Dichte vom
Druck, e = e(p), vorgegeben werden. Die Verhältnisse in der Atmo-
sphäre können beschrieben werden durch die sog. polytropische Zu-
standsgleichung
~ = const ( 1,7)
e"
6 1. Einführung und physikalische Eigenschaften der Atmosphäre

mit n als polytropischem Exponenten; es gilt 1 < n < "'. Die poly-
tropische Zustandsänderung liegt also zwischen der adiabatischen
(n = "') und der isothermen (n = I), was verständlich ist, wenn man
bedenkt, daß eine Zustandsänderung in der ruhenden Atmosphäre ein
langsam verlaufender Vorgang ist. Der polytropische Exponent n hängt
unmittelbar mit dem vertikalen Temperaturgradienten in der Atmo-
sphäre dTjdH zusammen, wie sich sogleich noch ergeben wird. Aus
G1. (1,7) folgt zusammen mit GI. (1,1):
1
I RT o
y = -n-=-1 P
n

Po "
wobei Po und T o dieBodenwerte (für H = 0) von Druck bzw. Tempera-
tur bedeuten. Damit liefert die Ausführung der Integration in GI. (1,6):

H = R :~ IT. P- n d 1
p = n': I R To 1 -
[n-l -I
(~) -n-j' (1,8)
Po
n-l
n p .

Wegen TjTo = (pjpo) n nach GI. (1,1) und (1,7) erhält man aus
GI. (1,8) die lineare Temperaturverteilung :
T = T - n - I H (1,9)
o nR

und somit für den konstanten Temperaturgradienten :


dT n-l
-dH = -nIl' (1,10)

Zu einem vorgegebenen Temperaturgradienten kann hieraus der Zahlen-


wert des polytropischen Exponenten n ermittelt werden.
Für die Druckverteilung in Abhängigkeit von der Höhe ergibt sich
aus GI. (1,8):
(1,11)

und für die Abhängigkeit der Luftdichte von der Höhe:

I :J
1

{~ = (1 - nn~ n-l . (1,12)

Für die numerische Auswertung der GIn. (1,9), (1,11) und (1,12) müssen
die Bodenwerte Po, eo, T o und auch der Temperaturgradient dTjdH,
der nach GI. (1,10) den polytropischen Exponenten bestimmt, fest-
gelegt werden. Diese Werte sind für die Atmosphäre mit der Wetterlage
und vor allem mit der geographischen Breite verschieden. Um für
flugmechanische Rechnungen jedoch eindeutige Verhältnisse zu haben,
hat man durch internationale Vereinbarung eine sog. "Normalatmo-
1.2 Physikalische Eigenschaften der Luft 7

sphäre" festgelegt mit festen Werten von Po, eo, T o und dTjdH. Für
die IOAO Standard Atmosphäre [1] gelten die folgenden Werte 1:
Po = 10332 kg rn- 2 ,
eo = 0,1249 kg S2 m- 4 ,
Yo = 1,2250 kg rn- 3 , (1,13)2
To = 288°K; t o = 15°0,
aT - 0,65 grd auf 100 m.
aH

mjse.k
J~O

oe
320 20

l<glm.2
JOO 0 1,0

tI 280 ! -20 ~j48 t 48


<:j
~ ~
~
260 -40 "'-1/6 0,6

2~0 -60 4* 0,*

220 -80 42 42

200 -100 - 0 OL-__~__-L__~____L -__~~-L__~____L -__~__~O


o 2 6 8 10 11 12 1* 16 18 km 20
fJ-

Abb. 1.2. Luftdruck P. Luftdichte e. Temperatur t. Schallgeschwindigkeit a und kinematische


Zähigkeit l' in Abhängigkeit von der Höhe H für die Internationale Normalatmosphäre
(I CAO- Standard -Atmosphäre)

ICAO = International Civil Aviation Organization.


1
Der Temperaturgradient d T/dH bestimmt die Stabilität der Schichtung
2
in der ruhenden Atmosphäre. Die Schichtung ist um so stabiler, je geringer die
Temperaturabnahme mit der Höhe ist. Für d T/dH = 0 mit n = 1 nach GI. (1,10)
hat man die isotherme Atmosphäre mit sehr stabiler Schichtung. In diesem Fall
liefern die Formeln (1,11) und (1,12) für die Druck- und Dichteverteilung durch
Grenzübergang die barometrische Höhenformel:
.'L = !L = e-RIR,
Po eo
mit H 1 = Pojyo = 8435 m .als "Höhe der gleichförmigen Atmosphäre". Der Fall
n = ;{ = 1,405 ist die adiabatische Schichtung mit d TjdH = - 0,98 grdjlOO m.
Diese Schichtung ist indifferent, weil eine Luftmenge, die um eine bestimmte
Höhe gehoben wird, sich dabei infolge der Expansion gerade so viel abkühlt, wie
es der Temperaturabnahme mit der Höhe entspricht. Das Luftvolumen hat
also gerade die Temperatur seiner neuen Umgebung und ist damit in jeder Höhe
im indifferenten Gleichgewicht. Negative Temperaturgradienten, deren Betrag
größer als 0,98 grd/lOO m ist, bedeuten instabile Schichtung.
8 1. Einführung und physikalische Eigenschaften der Atmosphäre

Damit errechnet sich der polytropische Exponent nach GI. (1,10) zu


n = 1,235.
Die hiermit errechneten Werte von Temperatur, Druck und Dichte
sind in Tab. 1.1 angegeben und in Abb. 1.2 über der Höhe H auf-
getragen.
Die angege benen Formeln gelten bis zu einer Höhe von
H ~ 11 000 m. Für größere Höhen rechnet man mit einer isothermen
Atmosphäre. Auch diese Werte sind in Tab. 1.1 und Abb. 1.2 mit
angegeben. Ausführlichere und genauere Zahlenangaben findet man in
dem umfangreichen Tabellenwerk der ICAO-Standard-Atmosphäre [1].
Tabelle 1.1. Temperatur T bzw. t, Druck p, Dichte (], Schallgeschwindigkeit a und
kinematische Zähigkeit v in Abhängigkeit von der Höhe H der ICAO-Standard-
Atmosphäre (nach [1]). Es ist t = T - 273 0

0 288 15,0 1,0000 110332 1,0000 0,1249 340 14,6


1 281,5 8,5 0,8870 9165 0,9075 0,1134 337 15,8
2 275 2,0 0,7846 8106 0,8216 0,1026 333 17,2
3 268,5 - 4,5 0,6919 7149 0,7421 0,0927 329 18,6
4 262 -11,0 0,6083 6286 0,6687 0,0835 325 20,3
5 255,5 -17,5 0,5331 5508 0,6009 0,0751 321 22,1
6 249 -24,0 0,4656 4811 0,5385 0,0673 317 24,2
7 242,5 -30,5 0,4052 4187 0,4812 0,0601 312 26,5
8 236 -37,0 0,3513 3630 0,4287 0,0536 308 29,0
9 229,5 -43,5 0,3034 3135 0,3807 0,0476 304 31,9
10 223 -50,0 0,2609 2696 0,3369 0,0421 300 35,2
11 216,5 -56,5 0,2234 2308 0,2971 0,0371 295 38,9
12 216,5 -56,5 0,1908 1971 0,2537 0,0317 295 45,6
13 216,5 -56,5 0,1629 1684 I 0,2167 0,0271 295 53,4
14 216,5 -56,5 0,1392 1438 0,1851 0,0231 295 62,5
15 216,5 -56,5 0,1189 1228 0,1581 0,0197 295 73,2
16 216,5 -56,5 0,1015 1049 0,1350 0,0169 295 85,7
17 216,5 -56,5 0,0867 896 0,1153 0,0144 295 100,3
18 216,5 -56,5 0,0741 765 0,0985 0,0123 295 117,5
19 216,5 -56,5 0,0633 I 654 0,0841 0,0105 295 137,.5
20 I 216,5 I -56,5 0,0540 I 558 I 0,0719 I 0,0090 I 295 I 161,0

1.23 Kompressibilität
Ein Maß für die Kompressibilität einer Flüssigkeit oder eines Gases
ist der sog. Volumen-Elastizitätsmodul E, welcher durch die Gleichung
LJp = - E ---v
LlV
(1,14)
definiert ist. Dabei bedeutet LI VI V die relative Volumen änderung,
welche durch eine Druckerhöhung Llp hervorgerufen wird. Für die
tropfbaren Flüssigkeiten ist die Kompressibilität außerordentlich ge-
1.2 Physikalische Eigenschaften der Luft 9

ring. So ist z. B. für Wasser E = 20000 kg/cm 2 , d. h., es wird durch


eine Druckerhöhung von einer Atmosphäre, Llp = 1 kg/cm 2, eine
relative Volumenänderung von LI V/V = 1/20000 = 0,05%0 hervor-
gerufen. Ähnliches gilt für alle anderen tropfbaren Flüssigkeiten.
Wegen dieser sehr geringen Kompressibilität können die tropfbaren
Flüssigkeiten für Strömungsvorgänge meist als inkompressibel an-
gesehen werden. Demgegenüber ist die Kompressibilität der Gase
durchweg wesentlich größer. Nach der isothermen Zustandsgleichung
des idealen Gases gilt für die durch eine Druckänderung Llp hervor-
+ +
gerufene Volumenänderung LI V die Beziehung (p LI p) (V LI V) = p V
und somit:
(1,15)

Durch Vergleich mit GI. (1,14) erkennt man, daß für ein Gas der
Elastizitätsmodul gleich dem Druck im Ausgangszustand ist. Für Luft
im Normalzustand (Druck gleich eine Atmosphäre, Temperatur gleich
0° C) ist somit E = 1 kg/cm 2 • Luft ist im Normalzustand also
20000mal so stark kompressibel wie Wasser.
Ob nun für Strömungen von Luft die Kompressibilität berück-
sichtigt werden muß, hängt davon ab, ob die durch den Strömungs-
vorgang hervorgerufenen Druckänderungen eine merkliche Volumen-
änderung hervorbringen oder nicht. Statt der Volumenänderung LI V
können wir auch die Dichteänderung Lle abschätzen. Wegen der Er-
haltung der Masse gilt (V + LI V) (e + Lle) = Ve und somit Lle/!!
= -LI V/V, so daß man GI. (1,15) in der Form schreiben kann:
A LI 0
LJP = E - - . (1,16)
e
Eine Strömung kann mit guter Näherung als inkompressibel behandelt
werden, solange die relative Dichteänderung sehr klein bleibt, Lle/e~ 1.
Nun ist die mit einer Strömung verbundene Druckänderung Llp, wie
man aus der BERNOULLlschen Gleichung für inkompressible Strömung
p + ew 2 /2 = const (w = Strömungsgeschwindigkeit) weiß, von der
Größenordnung q = (e/2) w 2 • Damit erhält man aus GI. (1,16) für die
relative Dichteänderung die Abschätzung:
Lle Llp e w2
-e- = -T = 2 E' (1,17)

Falls also die durch die· Strömung verursachte relative Dichteände-


rung Lle/e <{:: 1 sein soll, so kommt dies nach GI. (1,17) darauf hinaus,
daß q/E<{:: 1 sein muß. Wir haben somit das Ergebnis, daß die Strö-
mungen von Gasen mit guter Näherung als inkompressibel behandelt
werden können, wenn der Staudruck q sehr klein ist im Vergleich mit dem
Elastizitätsmodul.
10 1. Einführung und physikalische Eigenschaften der Atmosphäre

Wir können dieses Ergebnis auch noch etwas anschaulicher aus-


drücken, wenn wir die Schallgeschwindigkeit a des Gases einführen.
Nach der LAPLAcEschen Formel für die Schallgeschwindigkeit! ist

a2
E
-- ---
ap (1,18)
- (! - d(]'

wobei p = p(e) die Zustandsgleichung des Gases bedeutet. Damit


kann man die Bedingung Je/e ~ 1 nach GI. (1,17) auch in der Form
schreiben:
~~ ~ -.!.- (~)2 ~ l.
(] 2 a

Man nennt das hier auftretende Verhältnis von Strömungsgeschwindig-


keit w zu Schallgeschwindigkeit a die Machsche Zahl
Ma=~. (1,19)
a

Die Kompressibilität des Gases kann somit auch bei Strömungen von
Gasen vernachlässigt werden, falls

~ Ma 2 ~ 1, (näherungsweise inkompressibel) (1,20)

d. h., falls die MAcHsche Zahl klein bleibt gegen Eins, oder mit anderen
Worten, falls die Strömungsgeschwindigkeit klein ist gegen die Schall-
geschwindigkeit. Die durch die Strömung verursachte relative Dichte-
änderung ist nach GIn. (1,17) und (1,18) näherungsweise

(1,21)

Den Zahlenwert der Schallgeschwindigkeit erhält man, wenn man in


die LAPLAcEsche Formel GI. (1,18) die adiabatische Zustandsgleichung
GI. (1,4) einführt. Wegen dp/de = xp/e ergibt sich

a= V x : = Vx g R T , (1,22)

wenn man noch für p!e den Wert nach der Zustandsgleichung des
idealen Gases, GI. (1,1), einführt. Wir haben also die einfache Bezie-
hung, daß die Schallgeschwindigkeit der Wurzel aus der absoluten
Temperatur proportional ist.
Für Luft ergibt sich für die Normalatmosphäre in Bodennähe mit
T o = 288 0 K, mit x = 1,40 und mit dem Zahlenwert der Gaskon-
stanten R nach GI. (1,2) für die Schallgeschwindigkeit in Bodennähe :
a o = 340m/s.

1 Diese Formel wird hergeleitet in Kap. IU, vgl. GI. (3,13)


1.2 Physikalische Eigenschaften der Luft 11

'Wegen der Abnahme der Temperatur mit der Höhe nimmt auch die
Schallgeschwindigkeit mit der Höhe ab. Die nach GI. (1,22) für die Schall-
,geschwindigkeit a in verschiedenen Höhen errechneten Werte sind
in Tab. 1.1 und in Abb. 1.2 mit angegeben. In 10 km Höhe beträgt
die Schallgeschwindigkeit nur noch 300 m/s. Zur gleichen Fluggeschwin-
digkeit w gehört somit in 10 km Höhe eine um rund 10% höhere MAcHsehe
Zahl als in Bodennähe, was für die Beurteilung der aerodynamischen
Eigenschaften eines Flugzeuges bei Fluggeschwindigkeiten nahe der
Schallgeschwindigkeit wichtig ist.
Die relative Dichteänderung wird für eine Fluggeschwindigkeit
von w = 500 km/h = 139 m/s, also für eine MAcHsche Zahl in Boden-
nähe von Ma = 139/340 = 0,4 nach GI. (1,21) rund L1 eil? = 0,08. Diese
Fluggeschwindigkeit kann etwa als die obere Grenze angesehen
werden, bis zu welcher die Luftströmung mit einigermaßen guter An-
näherung als inkompressibel angenommen werden kann. Da diese Flug-
geschwindigkeit seit langem erheblich überschritten wurde, ergibt sich
hieraus, daß die Kompressibilitätseinflüsse in der heutigen Flugzeug-
Aerodynamik keinesfalls mehr vernachlässigt werden können. Sie
spielen vielmehr eine ganz ausschlaggebende Rolle, so daß es erforder-
lich ist, den kompressiblen Strömungen im folgenden erhebliche Auf-
merksamkeit zu schenken.

1.24 Zähigkeit
Bei den Strömungen einer reibungslosen Flüssigkeit treten zwischen
den sich berührenden Schichten keine Tangentialkräfte (Schubspan-
llungen), sondern nur Normalkräfte (Drücke) auf. Die Theorie der
Strömungen der reibungslosen, inkompressiblen Flüssigkeit (ideale
Flüssigkeit) ist mathematisch sehr weit entwickelt worden und liefert in
vielen Fällen auch eine befriedigende Beschreibung der wirklichen Strö-
mungen, wie Z. B. bei der Wellenbewegung von Flüssigkeit oder bei
der Berechnung des Auftriebes eines Tragflügels bei mäßigen Flug-
geschwindigl;:eiten. Dagegen versagt die Theorie der idealen Flüssigkeit
völlig bei dem Problem der Berechnung des Widerstandes eines Körpers.
Sie lieferi hier die Aussage, daß ein Körper, der sich gleichförmig durch
Bine unendlich ausgedehnte Flüssigkeit bewegt, keinen Widerstand er-
fährt (D 'ALEMBERTsches Paradoxon). Dieses unannehmbare Ergebnis
der Theorie der idealen Flüssigkeit ist darauf zurückzuführen, daß
in den wirklichen Flüssigkeiten sowohl zwischen den Schichten im
Innern als auch zwischen der Flüssigkeit und der be strömten Wand
außer den Normalkräften auch Tangentialkräfte übertragen werden.
Diese Tangential- oder Reibungskräjte der wirklichen Flüssigkeiten hän-
gen mit einer Eigenschaft zusammen, die man als die Zähigkeit der
Flüssigkeit oder des Gases bezeichnet.
12 I. Einführung und physikalische Eigenschaften der Atmosphäre

Das Wesen der Zähigkeit eines strömenden Mediums kann man sich
am einfachsten durch den folgenden Versuch klarmachen:
Wir betrachten die Strömung zwischen zwei sehr langen parallelen
ebenen Platten, von denen die eine in Ruhe ist, während die andere
mit der konstanten Geschwindigkeit U in ihrer eigenen Ebene bewegt
wird (Abb. 1.3). Der Raum zwischen den beiden Platten sei mit dem
u strömenden Medium gefüllt. Der
;;W!~-- Plattenabstand sei h, und der
~ Druck sei in dem ganzen Raum
konstant. Aus dem Versuch er-
hält man die Aussage, daß das
f - - - - - , / u(yJ
y strömende Medium an den beiden
Platten haftet, so daß an der
%~W%~~~~~»;;;//%?'~~~~0. unteren Platte die Geschwindig-
Abb. 1.3. Geschwindigkeitsverteilung einer zähen keit des strömenden Mediums
Flüssigkeit zwischen zwei parallelen ebenen gleich Null ist, während sie an
Wänden (Scherströmung)
der oberen Platte mit der Platten-
geschwindigkeit U übereinstimmt (Hajtbedingung). Ferner herrscht
zwischen den Platten eine lineare Geschwindigkeitsverteilung. Somit ist
die Strömungsgeschwindigkeit dem Abstand y von der unteren Platte
proportional, und es gilt:
u(y) = i U. (1,23)

Um diesen Bewegungszustand aufrechtzuerhalten, muß an der oberen


Platte eine Tangentialkraft in der Bewegungsrichtung angreifen, die
den Reibungskräften der Flüssigkeit das Gleichgewicht hält. Nach den
Versuchsergebnissen ist diese Kraft (genommen pro Einheit der Platten-
fläche) proportional zur Geschwindigkeit U der oberen Platte und
umgekehrt proportional dem Plattenabstand h. Die Reibungskraft pro
Flächeneinheit (Reibungsschubspannung) 7: ist somit proportional U jh.
wofür nach GI. (1,23) auch der Geschwindigkeitsgradient du{dy ge-
setzt werden kann. Der Proportionalitätsfaktor zwischen 7: und dujdy,
der mit f1, bezeichnet wird, hängt von der Natur des strömenden Mediums
ab. Er ist klein für alle Gase und für die sog. "leichtflüssigen" tropfbaren
Flüssigkeiten wie Wasser und Alkohol, dagegen groß für die sog. "sehr
zähen" Flüssigkeiten wie Öl und Glyzerin. Wir haben somit das Ele-
mentargesetz der Flüssigkeitsreibung in der Form:
au
7: = f1, dY' (1,24)

Die Größe f1, heißt das Zähigkeitsmaß oder die dynamische Zähigkeit
der Flüssigkeit oder des Gases. Sie ist eine vom Druck fast unabhängige,
aber von der Temperatur stark abhängige Materialkonstante. Das durch
1.3 Ähnlichkeitsgesetze der Strömungen 13

GI. (1,24) gegebene Reibungsgesetz heißt das Newtonsche Reibungs-


gesetz. Die GI. (1,24) kann als Definitionsgleichung für den Zähigkeits-
beiwert ß aufgefaßt werden. Die physikalische Dimension des Zähigkeits-
beiwertes kann aus GI. (1,24) sofort abgelesen werden. Die Schubspan-
nung hat die Dimension [kgjm2] und der Geschwindigkeitsgradient
dujdydie Dimension [S-l]. Somit hat man für die Dimension des Zähig-
keitsbeiwertes : [kgs]
!t = llJ:2 .
Bei allen Strömungen, bei denen die Reibungskräfte mit den Trägheits-
kräften zusammenwirken, spielt der Quotient aus der Zähigkeit ß und
der Dichte (2 eine wichtige Rolle, der als kinematische Zähigkeit v
bezeichnet wird:
v =.!!...-. (1,25)
(}

Die kinematische Zähigkeit v hat die Dimension [m 2js].


Zahlenwerte: Sowohl für die tropfbaren Flüssigkeiten als auch für
die Gase ist die dynamische Zähigkeit ß nahezu unabhängig vom Druck.
Die dynamische Zähigkeit ß nimmt bei tropfbaren Flüssigkeiten mit
steigender Temperatur stark ab, während sie bei Gasen etwas zunimmt.
Einige Zahlenwerte für die Dichte (2, die dynamische Zähigkeit ß und
die kinematische Zähigkeit v von Wasser und Luft in Abhängigkeit
von der Temperatur bei konstantem Druck sind in Tab. 1.2 (S. 18) an-
gegeben. Für die flugtechnischen Anwendungen interessieren die Werte
von v für Luft auch in Abhängigkeit von der Höhe; diese sind in
Tab. 1.1 mit angegeben. Die kinematische Zähigkeit v nimmt in der At-
mosphäre mit der Höhe erheblich zu, weil die Dichte (2 stark abnimmt.
Diese Abhängigkeit ist in Abb. 1.2 dargestellt.

1.3 Ähnlichkeitsgesetze der Strömungen


Sowohl für die Theorie der Strömungen als auch für das ausgedehnte
Versuchswesen der Strömungsmechanik spielt die Frage der mecha-
nischen Ähnlichkeit zweier Strömungen eine grundlegende Rolle. Es
handelt sich dabei um die Frage, unter welchen Bedingungen die Strö-
mungen irgendwelcher Flüssigkeiten (oder Gase) mit verschiedenen
physikalischen Eigenschaften um zwei geometrisch ähnliche Körper
zueinander geometrisch ähnlich sind, d. h., wann sie einen geometrisch
ähnlichen Verlauf der Stromlinien haben. Wir nennen solche Str'ö-
mungen mit geometrisch ähnlicher Begrenzung und geometrisch ähn-
lichen Stromlinienbildern mechanisch ähnliche Strömungen. Nur für
mechanisch ähnliche Strömungen kann man aus der Kenntnis der
Strömung um den ersten Körper, die theoretisch oder experimentell
erhalten sein möge, Rückschlüsse ziehen auf die Strömung um den
-zweiten geometrisch ähnlichen Körper. Damit die Strömungen um zwei
14 1. Einführung und physikalische Eigenschaften der Atmosphäre

geometrisch ähnliche Körper (z. B. zwei Kugeln) bei verschiedenem


strömendem Medium, verschiedener Geschwindigkeit und verschiedener
Größe der Körper mechanisch ähnlich sind, muß offenbar die Be.
dingung erfüllt sein, daß in allen ähnlich gelegenen Punkten die auf
ein Volumen~lement wirkenden Kräfte in gleichem Verhältnis zuein-
ander stehen.
Wir betrachten zunächst den Fall einer kompressiblen, reibungslosen
Flüssigkeit. In diesem Fall wirken auf das Volumenelement außer der
Trägheitskraft nur die elastischen Kräfte, wenn wir ein homogenes
Medium zugrunde legen und von freien Oberflächen absehen, so daß
die Schwerkraft keine Rolle spielt. Damit die Strömungen mechanisch
ähnlich sind, muß in diesem Fall offenbar die durch die elastischen
Kräfte verursachte relative Volumenänderung beider Strömungen
gleich sein. Dies führt nach GI. (1.21) zu der Forderung, daß für beide
Strömungen die MAcHsche Zahl als das Verhältnis von Strömungs-
geschwindigkeit zu Schallgeschwindigkeit gleich sein muß. Dies ist
das Machsche Ähnlichkeitsgesetz. Die MAcHsche Zahl Ma = wja ist somit
eine erste wichtige dimensionslose Kennzahl für Strömungsvorgänge. Da
die Kompressibilitätseffekte, wie oben ausgeführt, erst für MACH-
Zahlen Ma> 0,4 merklich werden, braucht das MAcHsche Ähnlich-
keitsgesetz offenbar erst oberhalb dieser Grenze berücksichtigt zu
werden. Die Strömungsgesetze einer inkompressiblen Flüssigkeit kön-
nen wir hiernach auch auffassen als diejenigen für sehr kleine MACH-
Zahlen, als den Grenzfall Ma -3>- 0.
Weiterhin betrachten wir jetzt den Fall einer inkompressiblen,
reibungsbehafteten Flüssigkeit. In diesem Fall wirken am Volumen-
element nur Trägheits- und Reibungskräfte. Die Bedingung der mecha-
nischen Ähnlichkeit ist dabei erfüllt, wenn an den ähnlich gelegenen
Volumenelementen Trägheits- und Reibungskraft in gleichem Verhältnis
zueinander stehen. Für eine Strömung, die sich mit der Zeit nicht
ändert (stationäre Strömung), kommt eine zeitliche Änderung d~r
Geschwindigkeit eines Flüssigkeitsteilchens allein durch seine Ortsände-
rung zustande. Es gilt z.B. dujdt = (aujax) (dxjdt) = uau/ax, wobei
aula x die Geschwindigkeitsänderung längs der Koordinate x bedeutet.
Die Trägheitskraft pro Volumeneinheit ist somit (}Uaujax.
Die Reibungskraft läßt sich leicht aus dem NEwToNschen Reibungs-
gesetz GI. (1,24) ableiten. Für ein Volumenelement, dessen x-Richtung
mit der Bewegungsrichtung zusammenfällt, beträgt nach Abb. 1.4
die Resultierende der Schubkräfte:
(r + ;;- dy)dxdz - rdxdz = ;~ dxdydz.
Die Reibungskraft pro Volumeneinheit ist somit arjay, was nach
GI. (1,24) gleich fl a 2 uja y 2 ist.
1.3 Ähnlichkeitsgesetze der Strömungen 15

Damit wird die Bedingung der mechanischen Ähnlichkeit, nämlich


daß in allen ähnlich gelegenen Punkten das Verhältnis der Trägheits-
kraft zur Reibungskraft konstant sein muß, erfüllt, wenn
au
Trägheitskraft _
- eu 7iX = const.
---;;-;;--
Reibungskraft a2 u
ft a y2

Wir haben jetzt zu überlegen, wie sich diese Kräfte ändern, wenn sich
die charakteristischen Größen der Strömung ändern, nämlich die
Dichte e, die Zähigkeit tt, die Anströmungsgeschwindigkeit w und eine

7:+ : ; dy
.7""'--1_...

:::-:..------- ..........
dx----t'

Abb. 1.4. Reibungskräfte am Volumenelement bei einer Seherströmung u (1/)

kennzeichnende Längenabmessung des Körpers, die mit l bezeichnet


werden möge. Die Geschwindigkeit u in irgendeinem Punkt des Strö-
mungsfeldes ist proportional zur Anströmungsgeschwindigkeit w, der
Geschwindigkeitsgradient oujox ist proportional zu wjl und ebenso ist
o2ujoy2 proportional zu wjl2. Damit wird das Verhältnis von Trägheits-
zu Reibungskraft :
Trägheitskraft e w21l ew l
Reibungskrait = ft w/l2 = -ft- .
Die mechanische Ähnlichkeit der beiden Strömungen ist also erfüllt,.
wenn die Größe e wljtt für beide Strömungen den gleichen Wert hat.
Diese Größe, die mit ttje = v nach GI. (1,25) auch in der Form wljv ge-
schrieben werden kann, ist als der Quotient zweier Kräfte eine dimen-
sionslose Zahl; sie heißt die Reynoldssche Zahl Re. Bei inkompressibler,
reibungsloser Flüssigkeit ist also mechanische Ähnlichkeit vorhanden,
wenn die REYNoLDssche Zahl
(1,26}
16 1. Einführung und physikalische Eigenschaften der Atmosphäre

für beide Strömungen gleich ist. Dieses Gesetz wurde von ÜSBORNE
REYNOLDS im Jahre 1883 bei der Untersuchung der Strömung in
Rohren gefunden und heißt nach ihm das Reynoldssche Ähnlichkeits-
gesetz.
Einige praktisch besonders wichtige Flüssigkeiten und Gase, wie
z. B. Wasser und Luft, haben einen sehr kleinen ZähigKeitsbeiwert v,
vgl. Tab. 1.2. Bei einigermaßen großen Geschwindigkeiten und Körper-
2,2r--,--~-,---,--,-~--,--,---:--'--,~

2, 0 e---+---+--+

1,8 f----+--C-

1,6e---+---+-----+--_t_
1, 4e---+----t---t---+_-

11,2
~ 1,0f-- --+--t--

0,8 -

0,6

+-!---f----I
0,4

-i-------+--+---
I I I
o 400 600 800 1000 1600 1800 2000 km/h 2400

Abb.1.5
Die Jl-IAcHsche Zahl Ma in Abhängigkeit von der Fluggeschwindigkeit w und der Flughöhe H

abmessungen, wie sie bei den meisten technischen Anwendungen, ins-


besondere in der Flugtechnik, vorliegen, ist für solche "Flüssigkeiten
kleiner Reibung" die REYNoLDs-Zahl sehr groß. Dies bedeutet physika-
lisch, daß in solchen Fällen die Reibungskräfte sehr viel kleiner sind als
die Trägheitskräfte. Der reibungslosen Flüssigkeit (y -+ 0) entspricht
der Grenzfall Re -+ 00. Die Strömungsgesetze der Flüssigkeiten mit
kleiner Reibung stimmen in vielen Fällen recht gut mit denen der
reibungslosen Flüssigkeit überein. Andererseits darf jedoch in vielen
Fällen selbst eine sehr kleine Zähigkeit in der Theorie nicht vernach-
lässigt werden (Grenzschicht-Theorie).
Für eine reibungsbehaftete, kompressible Flüssigkeit erfordert die
mechanische Ähnlichkeit die gleichzeitige Erfüllung des MAcHschen und
des REYNoLDsschen Ähnlichkeitsgesetzes, was bei experimentellen
Untersuchungen sehr schwierig zu verwirklichen ist.
Das MAcHsche Ähnlichkeitsgesetz und das REYNoLDssche Ähn-
lichkeitsgesetz beherrschen maßgeblich die ganze theoretische und ex-
1.3 Ähnlichkeitsgesetze der Strömungen 17
perimentelle Strömungsmechanik und insbesondere auch die Strö-
mungsgesetze der Flugtechnik. Um die in der Aerodynamik des Flug-
zeuges vorkommenden MAcH-Zahlen und REYNoLDs-Zahlen bequem
zu übersehen, sind die Diagramme von Abb. 1.5 und Abb. 1.6 berechnet
worden, welche diese beiden dimensionslosen Kennzahlen in Abhängig-
keit von d~r Fluggeschwindigkeit und der Flughöhe darstellen.
Nach Abb. 1.5 nimmt bei konstanter Fluggeschwindigkeit die MACH-
Zahl mit wachsender Höhe zu, weil die Schallgeschwindigkeit mit der
Höhe abnimmt, wie bereits in Tab. LI angegeben wurde. Die Abb. 1.6
für die REYNoLDs-Zahl ist für
die Bezugslänge l = I m an-
gefertigt worden. Unter list
die Rumpflänge oder Flügel-
tiefe oder Leitwerkstiefe zu
verstehen. Die abgelesenen
Re-Zahlen sind deshalb mit
dem Faktor zu multiplizieren,
welcher dem Wert der Bezugs-
länge l in m entspricht. Weil
die kinematische Zähigkeit 'V
2* t
M~--+---+--Ahh~~~~~~m
mit wachsender Höhe erheb- ~I ...
<0
lich zunimmt, vgl. Tab. LI,
~ ~r---t---~~~~~,L74~~
nimmt die Re-Zahl bei kon-
stanter Fluggeschwindigkeit
mit wachsender Höhe stark
ab, was besonders für den
Widerstand des Flugzeuges
von Bedeutung ist.

In den nachfolgenden Ka-


1600 ZfKJO
piteln über die Grundlagen
der Strömungslehre werden Die REYNOLDSSche Zahl Abb. 1.6
Re in Abhängigkeit von der
wir zunächst. die Strömungs- Fluggeschwindigkeit w und der Flughöhe H
gesetze der reibungslosen, in-
kompressiblen (idealen) Flüssigkeit behandeln (Kap. II). Dieses ent-
spricht dem Grenzfall Ma -+ 0 und gleichzeitig Re -+ 00. Danach be-
handeln wir die kompressiblen, reibungslosen Strömungen (Kap.III),
also den Einfluß der Kompressibilität (MAcH-Zahl-Einfluß), wobei noch
der Einfluß der Zähigkeit vernachlässigt wird, Re -+ 00. Anschließend
folgen die inkompressiblen, reibungsbehafteten Strömungen (Kap. IV),
d. i. der Einfluß der Zähigkeit (Re- Zahl) bei Ma-+ O. Der allgemeine Fall
eines strömenden Mediums, das gleichzeitig kompressibel und reibungs-
behaftet ist, bei dem also sowohl die MAcH-Zahl Ma als auch die
Schlichting/Truckenbrodt, Aerodynamik I 2
18 II. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

REYNoLDs-Zahl Re maßgeblich ist, ist so schwierig, daß die Theorie


hierfür bisher nur ganz vereinzelte Ergebnisse geliefert hat. Wir werden
diesen Fall in Kap. IV kurz streifen.
Die Flugzeug-Aerodynamik ist in der glücklichen Lage, für viele
Probleme, insbesondere die des Auftriebes, die ideale Flüssigkeit zu-
grunde legen zu können, deren Strömungsgesetze sehr viel einfacher
sind als diejenigen der kompressiblen und der reibungsbehafteten
Flüssigkeit. Aus diesem Grunde erscheint es berechtigt, der Theorie
der idealen Flüssigkeit in dem vorliegenden Buch über Flugzeug-
Aerodynamik einen verhältnismäßig breiten Raum zu widmen. Hinzu
kommt aber noch, daß die Einflüsse der Kompressibilität (MAcHsche
Zahl) und der Zähigkeit (REYNoLDssche Zahl) auf die Strömungsvor-
gänge in vielen Fällen nur dann verständlich sind, wenn man zuvor die
entsprechende Aufgabe für die ideale Flüssigkeit gelöst hat.
Tabelle 1.2. Dichte e, dynami8che Zähigkeit f.l und kinemati8che Zähigkeit v von
Wa88er und Luft in Abhängigkeit von der Temperatur bei kon8tantem Druck
Luft
p = 760 mm Hg Wasser
t
i I' . 10' I' • 10'
• ·10' v·10'
II
Q Q
[OC] [kgs'jm']
I [kgs/m'] I [m'js] [kgs'jm'] [kgsjm"
I [m'js]

- 50 0,161 1,49 9,3 - - -


- 20 0,142 1,59 11,3 - - -
- 10 0,137 1,65 12,1 - - -
0 0,132 1,71 13,0 101,9 183 1,80
+ 10 0,127 1,77 13,9 101,9 133 1,30
+ 20 0,123 1,83 14,9 101,7 103 1,01
+ 40 0,114 1,95 17,0 101,1 66,8 0,661
+ 60 0,108 2,07 19,2 100,2 48,3 0,482
+ 80 0,101 2,19 21,7 99,1 36,4 0,368
+100 0,096 2,33 24,5 97,8 28,9 0,296
I

Literatur
[1] Standard Atmosphere-Tables and Data for Altitudes to 65800 feet. - [ICAO
Standard Atmosphere] NACA Report No. 1235 (1955).

11. Inkompressible reibungslose Strömungen


(Hydrodynamik)
2.1 Kinematik der Flüssigkeitsbewegungen
Die Betrachtungen des vorigen Kapitels über die physikalischen
Eigenschaften Zähigkeit und Kompressibilität der Flüssigkeiten und
Gase geben bereits den Hinweis, daß die Bewegungsgesetze sich
erhe blich vereinfachen, wenn man bezüglich dieser physikalischen
2.1 Kinematik der Flüssigkeitsbewegungen 19

Eigenschaften gewisse vereinfachende Annahmen einführt. Die Ver-


nachlässigung der Kompressibilität führt zur inkompressiblen Flüssig-
keit. Werden darüber hinaus auch noch die Zähigkeitskräfte ver-
nachlässigt, so erhält man die reibungslose, inkompressible Flüssigkeit,
die auch als ideale Flüssigkeit bezeichnet wird. Die Bewegungs-
gesetze dieser idealen Flüssigkeit sind erheblich einfacher als diejenigen
der inkompressiblen Flüssigkeit mit Reibung sowie die der kom-
pressiblen Flüssigkeit. Um vom Einfachen zum Schwierigeren auf-
zusteigen, werden wir in den folgenden Kapiteln nacheinander die
Strömungsgesetze der idealen, also inkompressiblen und reibungslosen,
Flüssigkeit behandeln (Kap. II), danach die Strömungen eines kom-
pressiblen, reibungslosen Mediums (Kap. III) sowie schließlich die Strö-
mungen eines zähen inkompressiblen und kompressiblen Mediums
(Kap. IV). Für sämtliche Arten von Strömungen gelten jedoch gewisse
allgemeine Gesetze, die im wesentlichen geometrischer Natur sind, und
die hier als Kinematik der Flüssigkeitsbewegung vorweg behandelt
werden mögen.

2.11 Darstellungsmethoden

Um eine Flüssigkeitsbewegung rein geometrisch zu beschreiben, ist


eine Verknüpfung der geometrischen Lagebeziehungen mit der Zeit
erforderlich. Hierbei sind grundsätzlich zwei Methoden möglich. Bei
der ersten Methode, die an den Namen von LAGRANGE anknüpft, geht
man von der Frage aus: Was geschieht mit den einzelnen Flüssigkeits-
teilchen im Verlaufe der Zeit, welche Bahnen beschreiben sie, und
welche Geschwindigkeiten und Beschleunigungen erfahren sie bei der
Bewegung auf ihrer Bahn 1 Diese sog. substantielle Betrachtungsweise nach
LAGRANGE, bei der also das Schicksal der einzelnen Flüssigkeitsteilchen
verfolgt wird, erweist sich bei der Durchführung als recht umständlich
und schwierig. Sie hat deshalb keine praktische Anwendung gefunden.
Auf die individuelle Behandlung des einzelnen Flüssigkeitsteilchens
kann durchweg verzichtet werden, da es sich, wenigstens bei homogenen
Flüssigkeiten, durch nichts von den übrigen unterscheidet. In den mei-
sten Fällen genügt es, den Strömungszustand und seine Veränderung
mit der Zeit in jedem Raumpunkt zu kennen. Dies ist die lokale Betrach-
tungsweise nach EULER. Bei der EULERschen Methode lautet also die
Fragestellung : Was geschieht zu einer bestimmten Zeit t an den ein-
zelnen Raumpunkten r des von Flüssigkeit erfüllten Raumes? Die
Geschwindigkeitsvektoren ttJ in den einzelnen Raumpunkten r zu ver-
schiedenen Zeiten t geben das Geschwindigkeitsfeld, welches beschrieben
wird durch
ttJ = j(r ,tl. (2,1)
2*
20 11. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Nach Einführung der rechtwinkligen Ortskoordinaten durch


t = ix + i y +fz (2,2)
und der rechtwinkligen Geschwindigkeitskomponenten durch
+jv +fw

I
\tJ = iu (2,3)
läßt sich das Geschwindigkeitsfeld beschreiben durch die Gleichungen:

u. = fl(X, y, z, t),
v = f2(X, y, z, t), (2,4)
w = f3(X, y, z, t).
Eine Bewegung, bei welcher
in einem festgehaltenen Raum-
punkt eine oder mehrere Ge-
a schwindigkeitskomponenten von
der Zeit abhängig sind, heißt
instationär. Oft liegt der Fall vor,
daß in jedem Raumpunkt die Ge-
schwindigkeit zeitlich konstant
ist, d. h: daß in den GI. (2,4)
die Zeit nicht explizit vorkommt.
Diese Gleichungen vereinfachen
sich dann zu:
u = fl(X, y, z),
v = f2(X, y, z), (2,5)

b w = f3(X, y, z).
Eine solche Bewegung heißt
Abb. 2.1. Stationäre und instationäre Strömung
um einen Körper
stationär.
a) Die Strömung ist stationär für das körper/este
Koordinatensystem, in welchem der Körper Die Eigenschaft stationär
mit der Geschwindigkeit U oo angeströmt wird
oder instationär ist nicht un-
b) Die Strömung ist instationär für das /lüssig-
keits/este Koordinatensystem, in welchem der
bedingt ein physikalisch wesent-
Körper mit der Geschwindigkeit uoo durch
die ruhende Flüssigkeit gesohleppt wirdliches Merkmal einer Strömung.
Es kann nämlich unter Um-
ständen die gleiche Strömung stationär oder instationär sein, je nach-
dem, von welchem Koordinatensystem aus sie betrachtet wird. Nehmen
wir als Beispiel die Strömung um einen Kreiszylinder nach Abb. 2.1.
Wird der Kreiszylinder mit der konstanten Geschwindigkeit U oo
parallel zur x-Achse angeströmt, so ist dies, von dem körperfesten Ko-
ordinatensystem nach Abb. 2.1 a aus betrachtet, ein stationärer Strö-
mungsvorgang, da in diesem Koordinatensystem die Geschwindigkeit
in jedem Raumpunkt nach Größe und Richtung konstant ist. Physika-
lisch der gleiche Strömungsvorgang liegt vor, wenn der Kreiszylinder
2.1 Kinematik der Flüssigkeitsbewegungen 21

mit der konstanten Geschwindigkeit U oo durch die ruhende Flüssigkeit


geschleppt wird. Betrachtet man diesen letzteren Vorgang von einem
mit der ruhenden Flüssigkeit verbundenen Koordinatensystem, so erhält
man eine Bewegung nach Abb. 2.1 b. Diese ist offenbar instationär, da in
einem festgehaltenen Raumpunkt die Geschwindigkeit sehr klein ist,
solange der Körper weit entfernt ist, beim Vorbeiwandern des Körpers
aber vorübergehend große Werte annimmt.
Da eine stationäre Bewegung sich einfacher beschreiben läßt als
eine instationäre, wird man dort, wo die Möglichkeit dazu besteht, im-
mer das Koordinatensystem so wählen, daß die Bewegung stationär ist.

2.12 Dreidimensionale, zweidimensionale und eindimensionale


Bewegungen
Sind in einer Strömung sämtliche drei Geschwindigkeitskomponen-
ten von Null verschieden, so nennen wir die Bewegung dreidimensional.
Sie wird beschrieben durch die GI. (2,4) oder (2,5). Sind nur zwei Ge-
schwindigkeitskomponenten vorhanden, z. B. u und v, während im
ganzen Raum w = 0 ist, und sind überdies u und v von der dritten
Ortskoordinate z unabhängig, so hat man eine zweidimensionale oder
ebene Bewegung. Sie wird im stationären Fall beschrieben durch die
Gleichungen:

(2,6)

Eine solche zweidimensionale Bewegung liegt vor bei einem unendlich


langen Zylinder, der senkrecht zu den Erzeugenden angeströmt wird
wie in Abb. 2.1. Auch die Strömung um einen Flugzeugtragflügel, dessen
Breite (Spannweite) wesentlich größer ist als seine Tiefe, kann für
Schnitte, die weit von den Enden entfernt liegen, näherungs weise als
eben angesehen werden.
Eine Strömung heißt eindimensional, wenn nur eine Geschwindig-
keitskomponente von Null verschieden ist. Diese ist dann auch nur von
einer Orts koordinate abhängig, also
u = 1l(x); V = 0; w == o. (2,7)
Dieser Fall liegt näherungsweise vor bei einer Rohrströmung mit längs
des Rohres veränderlichem Rohrquerschnitt, wenn x dabei die Koordi-
nate längs des Rohres und u die über den Rohrquerschnitt gemittelte
Geschwindigkeit bedeutet. Bei genauerer Betrachtung ist aber bei der
Rohr- und Kanalströmung die axiale Geschwindigkeitskomponente noch
mit der Querkoordinate y veränderlich. Auch sind bei nicht konstantem
Rohrquerschnitt immer Querkomponenten der Geschwindigkeit vor-
22 Ir. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

handen. Die eindimensionale Beschreibung, die man auch "Stromfaden.


theorie" nennt, kann nur als eine erste sehr grobe Näherung gelten. Sie
vermag auf viele wichtige Fragen keine hinreichende Antwort zu geben.

2.13 Stromlinien und Stromröhren


Die Stromlinien sind ein geometrisches Hilfsmittel zur anschaulichen
Beschreibung einer Strömung, das wir in Abb. 2.1 schon stillschweigend
benutzt haben. In der lokalen EULERschen Betrachtungsweise wird
durch das Geschwindigkeitsfeld GI. (2,1) jedem Raumpunkt die Ge·
schwindigkeit nach Größe und Richtung zugeordnet. Wir definieren als
eine Stromlinie zu einem bestimmten Zeitpunkt diejenige Kurve, deren
Richtung in jedem Raumpunkt mit der dort vorhandenen Richtung des
Geschwindigkeitsvektors über-
einstimmt (Abb. 2.2). Die Strom-
linien ge ben somit Aufschluß über
die Geschwindigkeitsrichtungen
in jedem Raumpunkt. Bei einer
instationären Bewegung ändert
sich das System der Stromlinien
mit der Zeit, die Stromlinien
ge ben hier gleichsam ein Moment-
bild des augenblicklichen Strö-
mungszustandes. Man kann die
Abb. 2.2. Stromlinienbild einer ebenen Strömung.
Stromlinien sichtbar machen
Die Stromlinien y (x) sind die "Integralkurven" durch Aufstreuen eines Pulvers
des Richtungsfeldes des Geschwindigkeitsvek-
tors hJ auf die Wasseroberfläche. Hierbei
beschreibt jedes Teilchen einen
kurzen oder längeren Strich, je nach seiner Geschwindigkeit. Dies gibt
das Richtungsfeld der Stromlinien.
Die mathematische Gleichung einer Stromlinie ist in Vektorform,
wenn d i3 ein Linienelement der Stromlinie bedeutet,
(2,8)
In Komponentenform hat man wegen d i3 = i dx + j dy + f dz:
dx:dy:dz=u:v:w. (2,9)

Für eine ebene Strömung nach Abb. 2.2 lautet somit die Differential.
gleichung der Stromlinie y(x):
dy v
-;rx- = u' (2,9 a)
Bei der oben angedeuteten substantiellen Betrachtungsweise einer
Flüssigkeitsbewegung nach LAGRANGE, bei welcher das Schicksal eines
Flüssigkeitsteilchens verfolgt wird, erhält man Kenntnis von den
2.1 Kinematik der Flüssigkeitsbewegungen 23

Kurven, die von dem Flüssigkeitsteilchen durchlaufen werden. Dieses


sind die Bahnkurven. Sie können sichtbar gemacht werden durch photo-
graphische Aufnahmen von langerer Dauer (Zeitaufnahmen) oder durch
Kennzeichnung bestimmter Flüssigkeitsteilchen, z. B. durch Farb-
beimischung. Im Falle der stationären Bewegung sind die Stromlinien
und Bahnlinien identisch, da in diesem Fall die Stromlinien ihre Lage
im Raum beibehalten, und infolgedessen ein Flüssigkeitsteilchen beim
Durchmessen einer Bahnlinie somit
gleichzeitig eine Stromlinie durchläuft.
Von der Stromlinie gelangt man
sofort zum Begriff der Stromröhre,
wenn man die sämtlichen Stromlinien
betrachtet, die durch eine geschlossene
Kurve gehen und somit eine röhren-
förmige Fläche bilden, die man auch
"Stromfläche" nennt Abb. 2.3. Zur
Veranschaulichung einer Strömung
darf man sich jede Stromröhre erstarrt
denken, d. h. als feste Wand betrachten,
ohne daß sich dadurch das Strömungs- Abb.2.3. Eine Stromröhre wird gebildet
von den Stromlinien durch eine ge-
bild ändert. Durch die Wandung einer schlosse ne Kurve
solchen Stromröhre fließt definitions-
gemäß keine Flüssigkeit hindurch. Es ist deshalb für jede Stromröhre
der flüssige Inhalt, d. h. die pro Zeiteinheit hindurchfließende Masse,
zeitlich konstant. Dies ist die Kontinuitätsbedingung für die Strom-
röhre.
2.14 Kontinuitätsgleichung
Die Kontinuitätsgleichung drückt für die strömende Flüssigkeit die
Bedingung der Erhaltung der Masse aus. Sie läßt sich besonders einfach
formulieren für die eindimensionale Bewegung längs einer Stromröhre,
bei welcher die Geschwindigkeit w über den Stromröhrenquerschnitt F
als konstant angenommen wird. Es ist dann F w die an einer Stelle der
Stromröhre pro Zeiteinheit durchfließende Menge und somit (! F w die
pro Zeiteinheit durchfließende Masse. Da durch die Wandung der
Stromröhre nichts hindurchfließt, muß dieser Massenfluß längs der
ganzen Stromröhre konstant sein. Somit lautet die Kontinuitätsglei-
chung für die eindimensionale Bewegung einer kompressiblen Flüssig-
keit:
(! F w = const. (2,10)
Für die inkompressible Flüssigkeit vereinfacht sie sich wegen der kon-
stanten Dichte, (! = const, zu
Fw = const. (2,11)
24 Ir. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Diese Gleichung gestattet es, aus dem Stromlinien bild sofort eine Aus-
sage über die Geschwindigkeit zu erhalten. Üblicherweise zeichnet man
für ebene Strömungen das Stromlinienbild so, daß jede Stromröhre
die gleiche Durchflußmenge besitzt. Damit ergibt sich aus GI. (2,11)
die Aussage, daß an den engen Stellen der Stromröhre (F klein)
die Geschwindigkeit groß ist und umgekehrt. Man hat also für eine
inkompressible Strömung die Regel, daß an den Stellen, wo die
Stromlinien sich verengen, die Geschwindigkeit in Strömungsrichtung
zunimmt und dort, wo ,sie sich erweitern, die Geschwindigkeit ab-
nimmt. Für kompressible Strömungen gilt diese Regel nur für Ge-
schwindigkeiten unterhalb der Schallgeschwindigkeit. Für Überschall-
geschwindigkeit gilt jedoch, wie hier ohne Beweis vorweggenommen
werden möge, das entgegengesetzte Verhalten, nämlich, daß eine Zu-
nahme der Geschwindig-
z keit in Strömungsrichtung
mit einer Erweiterung der
Stromröhre verbunden ist.
dz Der Grund hierfür ist
die mit der Geschwindig-
\l--+--+-nu+ d{fJU} dr
,\ • u:r: keitszunahme verbundene
Druckerniedrigung, welche
eine starke Volumenver-
größerung des Gases zur
Folge hat.
Für die allgemeine drei-
Abb. 2.4. Zur Herleitung der Kontinuitätsgleichung dimensionale Strömung, bei
welcher man den Verlauf
der Stromlinien nicht von vornherein kennt, erhält man die Kon-
tinuitätsgleichung in der Weise, daß man für ein beliebiges Volumen-
element die Bedingung der Erhaltung der Masse zum Ausdruck bringt.
Wählt man nach Abb. 2.4 ein Parallelepiped mit den Kantenlängen d x,
dy, dz, so ist im Falle der kompressiblen Strömung für dieses Volumen-
element die durch eine Dichteänderung verursachte Massenänderung
pro Zeiteinheit gleich der Summe der ein- und ausfließenden Massen
pro Zeiteinheit. Die durch die Dichteänderung verursachte Massen-
änderung ist (8e/8t) dx dy dz. Die einströmende Masse pro Zeiteinheit
für die x-Richtung, also durch das links liegende Flächenelement dy dz,
ist vom Betrage (e u) dy dz, während die ausfließende Masse durch das
Flächenelement dy dz auf der rechten Seite [e u + a~(!xu) dX] dydz
beträgt. Die Bilanz des Massenflusses für die x-Richtung ist somit
a ~(!Xu) d x d y dz. Mit den analogen Beiträgen für die y- und z-Rich-
2.1 Kinematik der Flüssigkeitsbewegungen 25

tung lautet somit die gesamte Massenbilanz nach Kürzung durch das
Volumenelement dx dy dz:
ft + o(e u ) + o(eoyv ) + o(eOZw ) = O. (2,12)
ot OX

Dies ist die Kontinuitätsgleichung für den allgemeinen Fall einer in-
stationären kompressiblen dreidimensionalen Strömung. Für die statio-
näre kompressible Strömung vereinfacht sie sich zu:
o(e u ) + o(e v) + o(e w ) = 0 (2,13 )
OX oy OZ '

was III Vektorform auch abgekürzt


div(e 1tJ) = 0 (2,13a)
geschrieben werden kann.
Für die inkompressible Strömung vereinfacht sich GI. (2,12) wegen
der konstanten Dichte, e = const, zu:

~ +~ + ow = 0 (2,14)
OX Gy OZ
oder in Vektorform :
div ltJ = o. (2,14 a)
Diese Gleichung drückt die Quellenfreiheit des Geschwindigkeitsfeldes
aus. Damit ist gemeint, daß sich in der Strömung keine sog. Quellen
oder Senken befinden, d. h. Stellen, an denen Flüssigkeit neu entsteht
bzw. verschwindet.

2.15 Drehung einer Flüssigkeitsbewegung


Die Gesamtheit der Flüssigkeitsbewegungen läßt sich in zwei Klas-
sen einteilen, die sich sowohl rein kinematisch als auch physikalisch und
damit in ihrer mathematischen Behandlung unterscheiden: Es sind dies
erstens die Bewegungen ohne Drehung, auch Potentialströmungen ge-
nannt, und zweitens die Bewegungen mit Drehung. Vorweg sei bemerkt,
daß die Bewegungen ohne Drehung im allgemeinen bei reibungsloser
Flüssigkeit vorhanden sind, dagegen die Bewegungen mit Drehung bei
einer reibungsbehafteten Flüssigkeit.
Bevor wir auf die mathematische Beschreibung der Drehung näher
eingehen, möge sie durch einen einfachen Versuch anschaulich erläutert
werden. Ob eine Strömung drehungsfrei ist oder Drehung besitzt, kann
man dadurch nachprüfen, daß man auf der freien Oberfläche einen
kleinen festen Körper, z. B. ein Korkstückchen, mitschwimmen läßt,
auf welchem man eine bestimmte Richtung markiert hat, Abb. 2.5.
Bleibt diese markierte Richtung bei der Fortbewegung des Teilchens
zu ihrer Ausgangslage dauernd parallel, ist also a' 11 a" 11 a'" ... , so
26 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

ist die Strömung längs dieser Stromlinie drehungsfrei. Die Strömung


in einem zylindrischen Gefäß, in welchem einige Zeit nach Beginn der
Bewegung die Flüssigkeit wie ein starrer Körper, d. h. mit konstanter
Winkelgeschwindigkeit, mit umläuft, Abb. 2.6, ist nach diesem Krite-
rium eine Bewegung mit Drehung, und zwar ist auf jeder Stromlinie
eine Drehung vorhanden. Ein mitschwimmender fester Körper bewegt
sich offenbar so, daß eine im Ausgangszustand markierte radiale Rich-
tung dauernd radial bleibt, also nicht zu sich selbst parallel bleibt.

Abb. 2.5. Zum Begriff der Drehung einer Abb. 2.6. Strömung mit Drehung in einem
Strömung. Die Strömung ist drehungsfrei, mit Flüssigkeit gefüllten zylindrischen Gefäß
faUs a' 11 a" 11 a'"

Wir wollen nun einen quantitativen Ausdruck für die Drehung an-
geben, der uns gestattet, bei einem nach GI. (2,4) vorgegebenen Ge-
schwindigkeitsfeld zu entscheiden, ob in einem bestimmten Punkt eine
Drehung vorhanden ist oder nicht. Jedes Flüssigkeitsteilchen erleidet
bei der Fortbewegung im allgemeinen eine Deformation in ähnlicher
Weise, wie die Volumenelemente eines festen elastischen Körpers, wenn
dieser sich unter der Einwirkung von äußeren Kräften verformt. Den
Deformationszustand eines beliebigen deformierbaren Körpers, sei er
fest, flüssig oder gasförmig, kann man dadurch beschreiben, daß man
für jeden Punkt des Kontinuums den Verschiebungsvektor
(2,15)
angibt. Dabei seien die Koordinaten eines Körperpunktes vor der
Deformation x, y, z, während sie nach der Deformation x + ~, y + 'Yj,
z + C betragen. Der Deformationszustand des Körpers ist völlig be-
stimmt, falls für jeden Raumpunkt des Kontinuums die Komponenten
des Verschiebungs vektors gegeben sind:
~ = ~(x, y, z); 'Yj='Yj(x,y,z); C=C(x,y,z). (2,16)
2.1 Kinematik der Flüssigkeitsbewegungen 27

Es muß deshalb möglich sein, die Drehung durch die Komponenten


des Verschiebungsvektors i3 auszudrücken.
Für eine zweidimensionale oder ebene Strömung, die parallel zur
x, y-Ebene verläuft, sind nur die Komponenten und 'YJ des Verschie- e
bungsvektors von Null verschieden,
g
und diese nur abhängig von x und y,
also E= E(x, y) und 'YJ = 'YJ (x, y).
Die allgemeine ebene Deformation
eines kleinen rechteckigen Flächen-
elementes mit den Kantenlängen LI x
und Lly nach Abb. 2.7 erhält man
durch Überlagerung der folgenden
vier Sonderfälle:
a -d,x
1. 'f} = 0, E = e(y),
2. e=O, = 'f}(x) ,
'f}
3. 'f}=0, e= e(x},
4. E=O, 'f} = 'f}(y).
Für den ersten und zweiten Fall
ist die sich ergebende Deformation
in Abb. 2.7 a und Abb. 2.7b dar-
,x
gestellt. Nimmt man als Maß für b 1---- J,x
die Drehung die halbe Summe der Abb.2.7. Zur Erläuterung der Drehung eines
Flüssigkeitsteilchens bei Deformation
Winkeländerungen {}z der beiden a) Deformation ~ =E(I/), '1 =0 mit Drehung".l
Diagonalen, so gilt für diese Fälle: b) Deformation '1 ='1(:1), ~ =0 mitDrehung".2

1. e= e(y), 'f}=0;

2. 'YJ = 'YJ(x) ,

Für die beiden übrigen Fälle ist die Drehung Null, da sich die beiden
Diagonalen um den gleichen Betrag in entgegengesetzter Richtung
drehen. Somit hat man als Drehung für die ebene Bewegung,
{}z = {}Zl + {}Z2:
{} =
z
~(i!L
2 iJx
_!.I)
iJy'
(2,17)

Für die ebene Bewegung ist nur diese z-Komponente der Drehung vor-
handen. Die dreidimensionale Bewegung hat auch die Drehkomponenten
{}x und {}I/ um die x- bzw. y-Achse. Der Drehvektor
28 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

hat dann die aus GI. (2,17) durch zyklische Vertauschung zu erhalten-
den Komponenten:
{} =~(~-~)
x 2 ßy ßz'

{} 1/-2
- ~(!L
ßz
_ ii)
ßx'
(2,18)

{} = ~(~ _ !L).
z 2 ßx ßy

Hiermit ist gefunden, daß der Drehvektor {} dargestellt wird durch


die Rotation des Verschiebungsvektors 5 in der Form
- 1
{} = 2rot~. (2,19)

Die Verknüpfung des Drehvektors mit dem Geschwindigkeitsfeld \tJ


ist nun in einfacher Weise dadurch gegeben, daß der Geschwindigkeits-
vektor \tJ die zeitliche Ableitung des Verschiebungsvektors 5 darstellt:
d?J •
\tJ=Tt=~· (2,20)

Führt man in analoger Weise zu dem Drehvektor {} noch seine zeitliche


Ableitung ein, also den Vektor der Drehwinkelgeschwindigkeit
-w = ---rIt
da = {}- '- (2,21)
mit den Komponenten
w= iw x + jw + fw
y z, (2,22)
so erhält man durch Differentiation von GI. (2,19) nach der Zeit:
df} - 1 . 1
Te = w = 2 rot ~ = 2 rot \tJ .
Somit hat man als Beziehung zwischen dem Vektor der Drehwinkel-
geschwindigkeit co und dem Geschwindigkeitsvektor \tJ:
- 1
w = 2 rot \tJ. (2,23)

Die Komponentenzerlegung liefert nach GI. (2,3) und GI. (2,22):

w X =2
l(ßW ßV)
ay-az' I
wy = ~ ( :: - ::), I (2,24)

Wz = ~ ( ~ ~ - ::).
Durch diese Gleichungen kann für ein vorgelegtes Geschwindigkeits-
feld nach GI. (2,4) der Vektor der Drehwinkelgeschwindigkeit co, den
2.2 Eindimensionale Strömungen (Stromfadentheorie) 29
man auch kurz als den Drehvektor der Strömung bezeichnet, leicht
ermittelt werden.
Eine dreidimensionale Strömung heißt drehungsfrei, wenn sämtliche
drei Komponenten des Drehvektors im ganzen Strömungsraum ver-
schwinden. Für eine ebene Strömung u = u(x, y), v = v(x, y), w = 0
sind die Komponenten W x und w y identisch Null, und es entscheidet
die z-Komponente
wZ =2
1 (ßV DU)
Tx-ay (2,25)

allein darüber, ob die Strömung drehungsfrei ist. Eine ebene Strömung


heißt drehungsfrei, falls
(2,25a)

ist.
Als Beispiel sei die ebene Scherströmung nach Abb. 1.3 angeführt,
die bei einer zähen Flüssigkeit zwischen zwei parallelen ebenen Wänden
vorhanden ist. Sie hat die Geschwindigkeitsverteilung :

u = U JL
h'
· v == 0; w=O.

Aus GI. (2,25) folgt W z = - ; ~. Es handelt sich also um eine Strö-


mung mit Drehung.

2.2 Eindimensionale Strömungen (Stromfadentheorie)


2.21 Eindimensionale Eulersche Bewegungsgleichung
Nachdem in den vorigen Abschnitten einige rein kinematische
Grundbegriffe der Flüssigkeitsbewegungen vorausgeschickt worden
sind, sollen jetzt die dynamischen Grundgleichungen aufgestellt
werden. Dabei möge zunächst eine reibungslose Flüssigkeit zugrunde
gelegt werden. Ferner soll in diesem Abschnitt zunächst lediglich die
eindimensionale Bewegung behandelt werden, bei welcher der Verlauf
der Stromlinien und damit auch der Stromröhren bekannt ist. In diesem
Fall wird das Geschwindigkeitsfeld durch nur eine Geschwindigkeits-
komponente längs der Stromröhre beschrieben.
Die an einem Flüssigkeitsvolumen angreifenden Kräfte sind die
Schwerkraft und die Druckkraft als Resultierende der Oberflächen-
kräfte, welche bei reibungsloser Flüssigkeit sämtlich normal zur Ober-
fläche des Volumenelementes wirken.
Man erhält die dynamischen Grundgleichungen, wenn man auf ein
Flüssigkeitselement das NEwToNsche Grundgesetz anwendet, welches
aussagt, daß Masse mal Beschleunigung gleich der Summe der Kräfte
30 II. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

ist. Dabei ist die Kräftesumme einmal für die Richtung längs der Strom-
röhre und zum anderen für die Richtung normal zur Stromröhre zu
nehmen.
Für die Aufstellung der Grundgleichung in Richtung der Koordinate s
längs der Stromröhre denkt man nach Abb. 2.8 aus der Stromröhre ein
Volumenelement der Länge ds
z mit dem Querschnitt dF heraus-
geschnitten. Dieses besitzt das
Volumen dF· ds und die Masse
dm = e dF ds. Die Druckkraft
ist am unteren Ende des
zylindrischen Volumenelemen-

:!
tes p dF und am oberen Ende
-(P+ dS)dF. Somit ist

Richtung von s: -:!


die resultierende Druckkraft in
ds dF.
Mit g als Schwerebeschleunigung
Abb. 2.8. Kräftegleichgewicht am Volumenele-
ment in Richtung der Stromröhrenachse ist die Schwerkraft g dm und ihre
Komponente in Richtung der
Stromröhrenachse - g dm cos IX, wo bei a den Winkel zwischen der Ver-
tikalen und der Stromröhrenachse bedeutet. Ist ferner w(s, t) die von
Ort und Zeit abhängige Geschwindigkeit und DwjDt die Beschleu-
nigung, so lautet die NEwToNsche Grundgleichung :
Dw op
dm Dt = - iii ds dF - gdmcoslX

und nach Division durch dm = e dF ds :


Dw
Dt = - eI 7f8
op
- g cos IX • (2,26)

Die Beschleunigung des Flüssigkeitsteilchens bedarf einer näheren


Erläuterung: Gemäß der NEwToNschen Grundgleichung handelt es
sich bei der Berechnung der Beschleunigung darum, die Geschwindig-
keitsänderung eines festgehaltenen Teilchens zu ermitteln (substan-
tieller Differentialquotient). Diese Beschleunigung besteht offenbar aus
zwei Anteilen. Ein erster Anteil kommt dadurch zustande, daß sich
in jedem Raumpunkt die Geschwindigkeit mit der Zeit ändert, wenn die
Bewegung instationär ist. Dieser Anteil heißt die lokale Beschleunigung,
wir bezeichnen sie mit 8wj8t. Ein zweiter Anteil der Beschleunigung
wird durch die Orts änderung des Flüssigkeitsteilchens hervorgerufen,
wenn sich die Geschwindigkeit längs der Stromröhre ändert. Dieser
Anteil heißt die konvektive Beschleunigung und möge mit dwfdt bezeich-
2.2 Eindimensionale Strömungen (Stromfadentheorie ) 31

net werden. Dieser Beschleunigungsanteil ist auch bei stationärer


Bewegung vorhanden, und zwar immer dann, wenn die Stromröhren
konvergent oder divergent sind. Die gesamte Beschleunigung eines
Flüssigkeitsteilchens ist demnach
Dw _ aw + dw (2,27)
Dt -7ft Tt
subst. B = lok. B + konv. B.
Es ist zweckmäßig, den konvektiven Anteil durch die Geschwindigkeits-
änderung mit dem Ort, hier also längs der Stromröhre, auszudrücken.
Es ist
dw aw ds aw
Tt=TsTt=wTs'
Damit wird die substantielle Beschleunigung nach GI. (2,27):

Dw =~+w~. (2,28)
Dt at as
Führt man dieses in die Bewegungsgleichung (2,26) ein, und ersetzt
man noch cos IX durch 8z/8s, wobei z (s) die hier als bekannt voraus-
gesetzte Lage der Stromröhre im Raum angibt, so erhält man:

~+w~+~~--l-.
at as (! as
~-O .
' g as - (2,29)

Dies ist die eindimensionale Eulersche Bewegungsgleichung. Sie gilt für


inkompressible und kompressible Strömung. Die Berechnung von Ge-
schwindigkeit und Druck als Funktion des Ortes s und der Zeit t wird
dann möglich, wenn man zu dieser Bewegungsgleichung noch die ein-
dimensionale Kontinuitätsgleichung nach GI. (2.11) bzw. (2,10) hinzu-
nimmt. Für kompressible Strömung ist ferner noch die Beziehung zwi-
schen Druck und Dichte (Zustandsgleichung) nach GI. (1,4) hinzu-
zunehmen (vgI. auch Kap. III).
Für den Fall der stationären Bewegung ist in GI. (2,29) die lokale
Beschleunigung gleich Null, und die EULERsche Bewegungsgleichung
vereinfacht sich dann zu
w dw
ds
+~ft--l_
(! ds g ~-O
ds - . (2,30)

Dabei sind jetzt die Ableitungen nach dem Ort als gewöhnliche Ab-
leitungen geschrieben, weil jetzt Druck und Geschwindigkeit nur von
der einen Variablen s abhängig sind.
Die konvektive Beschleunigung spielt bei den meisten Flüssigkeits-
bewegungen eine überragende Rolle. Häufig beträgt sie ein großes
Vielfaches der Schwerebeschleunigung, wie das folgende Beispiel lehrt.
Wir betrachten die Strömung durch einen Kanal nach Abb. 2.9, der
32 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

aus zwei parallelwandigen Stücken und einem dazwischengeschalteten


konvergenten Teil besteht. Es sei auf der Abströmseite (3) die Kanal-
breite halb so groß wie auf der Zuströmseite (1), und das Über-
gangsstück sei Lls = 1 m
lang. Dann ist nach der Kon-
tinuitätsgleichung w 3 = 2 wt>
und die Geschwindigkeit an
TU.! der Stelle (2) in der Mitte
des Übergangsstückes ist
w2 = ~ (w 1 + w3 ). Wir fragen
nach der Größe der kon-
1 3
vektiven Beschleunigung an
Abb.2.9. Strömung in einem konvergenten Kanal
zur Erläuterung der konvektiven Beschleunigung der Stelle (2). Für W 1= 20 m(s
ergibt sich W 3 = 40 mls und
W 2 = 30 m/s. Der Geschwindigkeitsgradient im Übergangsstück ist
dw Llw 20
Ts = Lf8 = -1- = 20 sec-I. Damit wird die konvektive Beschleu-
nigung an der Stelle (2):

dw
w7l8 = 30·20 = 600 m JS2 = 60g;

sie ist also etwa gleich der 60fachen Schwerebeschleunigung. Im vor-


liegenden Beispiel kann also die Schwerebeschleunigung gegenüber
der konvektiven Beschleu-
nigung mit guter Annähe-
rung vernachlässigt werden.
Dies gilt auch für sehr viele
andere Fälle.
In gleicher Weise wie
oben für die Richtung längs
der Stromröhrenachse soll
jetzt auch die N EWToNsche
Grundgleichung für die Rich-
tung normal zur Stromröhren-
achse aufgestellt werden.
Wie betrachten ein Volu-
g·dm menelement, das aus einer
gekrümmten Stromröhre
Abb.2.10. Kräftegleichgewicht am Volumenelement
senkrecht zur Stromröhrenachse herausgeschnitten ist, Ab-
bildung 2.10. Es sei + n die
Richtung zum Krümmungsmittelpunkt hin und r der Krümmungs-
radius an der betreffenden Stelle der Stromröhre. Ist ferner dF das
2.2 Eindimensionale Strömungen (Stromfadentheorie) 33

Flächenelement senkre'Cht zu n, so ist die resultierende Druckkraft


in der positiven n-Richtung:

dF[p-(p+ ;~dn)] = -dF ~~ dn.


Die Komponente der Schwerkraft in der n-Richtung ist - gdm sinlX.
Als Beschleunigung in der n-Richtung tritt die Zentrifugalbeschleuni-
gung w 2 /r auf. Somit lautet die NEwToNsche Grundgleichung für die
n-Richtung:
dm-
w2
r
= - d F8p
8-
n
dn - gdm sin,x.

Nach Division durch dm = ed F d n und nach Einführung von sin lX = an


8z

folgt:
w2 18p 8z
r= ---ean-gan' (2,3l)

Diese Gleichung gestattet die Berechnung der Druckverteilung quer


zu den Stromlinien, nachdem zuvor die Druckverteilung und die Ge-
schwindigkeitsverteilung längs der Stromlinien aus GI. (2,30) zu-
sammen mit der Kontinuitätsgleichung berechnet worden ist, wie oben
angegeben. Insbesondere lehrt GI. (2,31), daß in einer gekrümmten
Strömung quer zu den Stromlinien ein Druckabfall gegen den Krüm-
mungsmittelpunkt hin vorhanden ist. Für
den Fall, daß die Wirkung der Schwerkraft
in Fortfall kommt, wenn z. B. die gekrümmte
Strömung in einer Horizontalebene verläuft,
vereinfacht sich GI. (2,31) zu

an
8p w
= - e-r- ·
2
(2,32)

Diese Gleichung möge durch Anwendung


auf eine Krümmerströmung veranschaulicht.
werden. Wir betrachten einen Krümmer
nach Abb. 2.11, dessen Wände von zwei kon- '
zentrischen Kreisen mit dem Innenradius R i Abb. 2.11. Strömung durch einen
· R a ge b'ld
un d d em Au ß enrad lUS d
1 et wer en.
Krümmer

Der Druckunterschied zwischen der Außen- und Innenwand ist in


diesem Fall:
L1p=L1 und

ist. Für Ra = 0,3 mund R i = 0,2 m erhält man für Luft mit der Dichte
e = 0,125 kg S2/m 4 bei einer Geschwindigkeit von w = 20 m/s einen
Druckunterschied von
_ ~400_ 2
L1p - 0,1 8 0,25 - 20kg/m .
SchlichtingjTruckenbrodt, Aerodynamik I 3
34 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Die Beschleunigung in der Normalenrichtung beträgt in diesem Fall


bn = wl/r = 400/0,25 = 1600 m/s 2 "'" l60g. Auch die Normalbeschleuni-
gung ist so groß, daß im Vergleich dazu die Schwere beschleunigung mit
guter Näherung vernachlässigt werden kann.

2.22 Bernoullische Gleichung


Die EULERsche Bewegungsgleichung für die stationäre Strömung
längs der Stromröhre, GI. (2,30), läßt sich für inkompressibles Medium,
e = const, in einfacher Weise integrieren. Beachtet man, daß sich das
dw auc h'm d er F orm 2-
Glied wTs d(w 2 ) sc h'b
1 -----aB rel en l"ßt . d sam
a , so sm .. tl'lC h e
drei Glieder Differentialquotienten nach 8. Die gliedweise Integration
von GI. (2,30) nach 8 ergibt damit:
w2
2 + e + IJ
P
Z = const. (2,33)

Dies ist die für die Bewegung der reibungslosen inkompressiblen Flüs-
sigkeit fundamentale Gleichung, welche den Zusammenhang von Ge-
schwindigkeit, Druck und Lage der Stromröhre gibt. Sie wurde zum
ersten Male von D. BERNOULLI aufgestellt, schon bevor EULER seine
Theorie der idealen Flüssigkeit entwickelt hatte. Nach Division durch
die Erdbeschleunigung IJ und unter Beachtung von eIJ = y läßt sich
GI. (2,33) auch in der Form schreiben:
w2
-2
g + -yP + z = const. (2,34)

Dies ist sog. Höhentorm der BERNOULLlschen Gleichung. Die drei


Glieder der linken Seite dieser Gleichung stellen ihrer Dimension nach
Längen dar. Das erste Glied ist die aus der Mechanik des Massenpunktes
bekannte Geschwindigkeitshöhe, njimlich die Höhe, die ein mit der
Anfangsgeschwindigkeit w vertikal nach oben geworfener Massenpunkt
im luftleeren Raum erreicht. Das zweite Glied pi')! ist die zu einem Druck
p in ruhender Flüssigkeit gehörige Druckhöhe, d. i. die Steighöhe der
Flüssigkeit in einem vertikalen Steigrohr. Das letzte Glied gibt die
geometrische Höhe (Ortshöhe) über einer beliebig gewählten horizon-
talen Nullebene. Die Höhenform der BERNoULLI-Gleichung sagt so-
mit aus, daß bei der stationären Bewegung einer idealen Flüssigkeit für
alle Punkte längs einer Stromlinie die Summe aus Geschwindigkeits-
höhe, Druckhöhe und Ortshöhe konstant ist.
Eine graphische Darstellung dieses Zusammenhanges ist in Abb. 2.12
angegeben. Es sind an den beliebigen Stellen (1) und (2) eines Strom-
fadens über den Ortshöhen die Druckhöhen und die Geschwindigkeits-
2.2 Eindimensionale Strömungen (Stromfadentheorie) 35

höhen dargestellt. Die Endpunkte dieser beiden Streckensummen liegen


in einer horizontalen Ebene, dem sog. idealen Niveau des betreffenden
Stromfadens.
Die Größe der Konstanten, welche die Summe der drei Höhen dar-
stellt, ändert sich im allgemeinen beim Übergang von einer Stromlinie
zu einer anderen. In dem besonderen Fall der stationären und drehungs-
freien Strömung hat sie je-

H
-:- -:- -.:--,- _.i!leJ!/jVjiffpJL __ I ~ - -
doch für den ganzen Strö- Geschwmd,!!- TU 2 , iVerlusfhöhe
mungsraum den gleichen keifshöhe T :
Wert.
' ,
I" 1
Die BERNOULLlsche Glei- , .!'!L
1
Druckhöhe : Steigrohr : 2g
chung kann auch noch in
,, I
einer dritten Form geschrie-
ben werden, die eine physi- ,
1

kalisch wichtige Deutung I

jl:
Ortshöhe z ---.J?:,::':;E1k--___
zuläßt. DurchMultiplikation
1
,/Vz

von GI. (2,33) mit der Dichte (! I : Zz

erhält man die Form: I Nul/nlVeau ,1


'm! iTimih/llI/lIII/l/l7Jl/lll/l7JlJ/lI mlm17J/I// J11 i
1 2
~ w 2 +p+yz=const, (2,35) Abb. 2.12. Schematische Darstellung der Höhenform
der BERNOULLlschen Gleichung

die als Energie/orm bezeichnet wird. In dieser Form hat jeder Term die
physikalische Bedeutung von Energie pro Volumeneinheit, somit
m kgjm3 = kgjm 2 • Es bedeutet (! w 2 j2 die kinetische Energie, p die
Druckenergie und y z die potentielle Energie pro Volumeneinheit. In
dieser Form sagt die BERNouLLI-Gleichung also aus, daß längs einer
Stromlinie die Summe aus kinetischer Energie, Druckenergie und poten-
tieller Energie einen unveränderlichen Wert hat. Man nennt die Summe
dieser drei Energieformen die mechanische Energie oder auch die
Strömungsenergie. Die BERNOULLlsche Gleichung kann somit auch als
das Gesetz von der Erhaltung der Energie für einen Stromfaden auf-
gefaßt werden, in dem Sinne, daß die mechanische Energie längs eines
Stromfadens unveränderlich ist. Auch die Höhenform der BERNOULLI-
sehen Gleichung, GI. (2,34), kann als Energieform aufgefaßt werden.
In dieser Gleichung hat jedes Glied die physikalische Bedeutung von
Energie pro Kilogramm Flüssigkeit, also mkgjkg = m.
Dieses Gesetz der Erhaltung der mechanischen Energie oder der
Konstanz der Strömungsenergie längs eines Stromfadens ist eine typi-
sche Eigenschaft der reibungslosen Flüssigkeit. Man nennt eine solche
Strömung auch eine "verlustlose" Strömung, womit gemeint ist, daß
keine Verluste an mechanischer Energie auftreten. Bei der Strömung
von wirklichen, also von reibungs behafteten Flüssigkeiten, treten immer
mehr oder weniger große "Verluste" auf in dem Sinne, daß ein Teil
3*
36 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

der mechanischen Energie durch Reibung in Wärme umgewandelt wird.


In der graphischen Darstellung der BERNoULLI-Gleichung nach Ab b. 2.12
kommt ein solcher Verlust dadurch zum Ausdruck, daß an der Stelle (2),
welche stromabwärts von (1) liegt, die Höhensumme kleiner ist als an
der SteHe (1), und zwar um einen Betrag, den man als die "Verlusthöhe"
bezeichnet. Diese bedeutet den auf der Strecke (1) -+ (2) eingetretenen
Energieverlust durch Reibung pro kg Flüssigkeit.
Der BERNouLLIschen Gleichung für die inkompressible Flüssigkeit, GI. (2,35),
können wir auch noch eine andere besonders einfache Form geben. Wir können
den gesamten Druck p in einem Punkt der Strömung aufteilen in den durch das
Eigengewicht der Flüssigkeit verursachten sog. Schwere druck p (auch Ruhe-
druck oder Barometerdruck genannt) und den durch dynamische Wirkungen
bedingten Anteil p*. Oft interessiert vor allem dieser letzter Anteil, während die
Druckverteilung in der Ruhe von geringerer Wichtigkeit ist. Wir wollen deshalb
die BERNouLLI-Gleichung in einer Form schreiben, daß der darin auftretende
Druck die Differenz gegenüber dem Schweredruck ist. Wir setzen
p=p+p*.
Für den Barometerdruck gilt nach der hydrostatischen Grundgleichung für in-
kompressible Flüssigkeiten:
p = const - y z.
Somit hat man
p = const - y z p* . +
Setzt man dieses in GI. (2,35) ein, so erhält man die BERNOULLlsche Gleichung
in der einfacheren Form:
J!_ WB + p* = const. (2,36)
2
Diese einfachere Form der BERNoULLI-Gleichung kann so gedeutet werden,
daß der dynamische Druck p* um so kleiner ist, je größer die Geschwindigkeit
ist und umgekehrt.
In dieser Form enthält die BERNouLLI-Gleichung die Schwerkraft nicht mehr
explizit. Dies rührt daher, daß im Inneren der Flüssigkeit die Wirkung der Schwer-
kraft auf die Flüssigkeitsteilchen kompensiert wird durch den gleich großen
hydrostatischen Auftrieb, den jedes Flüssigkeitsteilchen von seiner Nachbarschaft
erfährt. Die Bewegung einer schweren, inkompressiblen Flüssigkeit läßt sich also
behandeln, ohne daß die Schwerkraft selbst berücksichtigt wird. Die Schwer-
kraft erlangt erst wieder Bedeutung an den Begrenzungsfiächen, wo der gesamte
Druck p und nicht der dynamische Druck p* gewisse Grenzbedingungen er-
füllen muß.

2.23 Einige Anwendungen der Bernoullischen Gleichung


2;231 Ausfluß aus einem Gefäß. Aus einem Gefäß, dessen freier
Flüssigkeitsspiegel durch Zufluß auf konstanter Höhe gehalten wird,
möge durch eine Öffnung, deren Querschnitt im Vergleich zum Gefäß-
querschnitt klein ist, Flüssigkeit ausströmen (Abb. 2.13). Die Ausfluß-
öffnung liegt in der Tiefe h unter dem Flüssigkeitsspiegel. An der freien
Oberfläche. der Flüssigkeit sowohl wie an der Oberfläche des Strahles
herrscht der gleiche Atmosphärendruck Poo' Wir nehmen an, daß dieser
2.2 Eindimensionale Strömungen (Stromfadentheorie) 37

auch im Inneren des Strahles vorhanden ist. In der freien Oberfläche


des Gefäßes kann die Geschwindigkeit mit ausreichender Näherung
gleich Null angenommen werden. Für eine Stromlinie, die von einem
Punkt (1) der freien Oberfläche zu einem Punkt (2) in der Ausfluß-
öffnung führt, lautet die BERNoULLI-Gleichung (2,34) mit w 1 = 0,
wenn Zl und Z2 die von einem beliebigen Nullniveau aus gemessenen
Ortshöhen bedeuten:

- I I
~
-:-t- I·
h

I
l
1
Da Zl - Z2 = h ist, erhält man für die Aus-
flußgeschwindigkeit '-__. . . G
. la
W
a

(TORICELLI-Formel). (2,37) j
Dies ist die Formel von TORICELLI. Die Aus- Abb. 2.13. Ausfluß aus einem
offenen Gefäß
flußgeschwindigkeit ist also die gleiche, die
ein Körper beim freien Fall im luftleeren Raum erreicht, wenn er mit
der Anfangsgeschwindigkeit Null die Höhe h frei durchfällt.
Der aus Versuchen ermittelte Wert der Ausflußgeschwindigkeit ist
bei guter Abrundung der Ausflußöffnung nur wenig kleiner als dieser
theoretische Wert bei reibungsloser Strömung. Ist allerdings die Aus-
flußäffnung scharfkantig, so tritt eine beträchtliche Einschnürung des
ausfließenden Strahles ein, derart, daß der effektive Strahlquerschnitt
wesentlich kleiner ist als die geometrische Ausflußäffnung. Da die Aus-
flußgeschwindigkeit nahezu die gleiche ist wie bei abgerundeter Öff-
nung, tritt durch diese "Strahlkontraktion" eine erhebliche Verminde-
rung der Ausflußmenge ein.
2.232 Messung von Druck und
Geschwindigkeit in einer Strömung.
Befindet sich in einemgleichmäßigen
Flüssigkeitsstrom von der Ge-
schwindigkeit w"" ein Hindernis, so
staut sich unmittelbar vor dem
Hindernis die Strömung auf und Abb.2.14. Aufstau der Strömung an einem
Hindernis
teilt sich dann. vor dem Körper nach
allen Seiten, um ihn zu umfließen, Abb. 2.14. Die Mittelstromlinie führt
zum "Staupunkt", in welchem die Strömung völlig zur Ruhe kommt.
Bezeichnen wir den Druck im Staupunkt mit Po und den Druck in der
ungestörten Strömung in gleicher Höhe mit p"", so liefert die BER-
NOULLlsche Gleichung für die zum Staupunkt führende Stromlinie:
_
Po - p""
+ TWoc'
I! 2 (2,38)
38 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Der Druckanstieg Po - Poo = ~ w~ führt den Namen Staudruck und


wird auch mit qoo bezeichnet:

qoo = ~ w~ (Staudruck). (2,39)

Ferner heißt Poo der statische Druck der ungestörten Strömung, und die
nach GI. (2,38) gebildete Summe des statischen Druckes Poo und des
Sta,udruckes qoo führt den Namen Gesamtdruck. Es gilt also:
Pu = Po = Poo + qoo (2,40)
Gesamtdruck = statischer Druck + Staudruck
Zur Messung des Gesamtdruckes Pu = Poo + ~ w~ in irgendeiner Strö-
• mung genügt ein einfaches, umgebogenes,
vorn offenes Rohr, nach Abb. 2.15a, das
man nach seinem Erfinder als Pitot-Rohr
• bezeichnet. Der Druck Po im Staupunkt,
der mit dem Gesamtdruck Pu identisch
a ist, pflanzt sich in das Innere des Rohres
fort und kann zu einem Meßinstrument
geleitet werden .
• Um die Beziehung (2,38) zur Ermittlung
der Strömungsgeschwindigkeit W oo zu ver-
• wenden, muß neben dem Gesamtdruck Po
auch der statische Druck Poo ermittelt
b werden. Dies macht größere Schwierig-
keiten als die Messung von Po, da der
statische Druck durch das Einbringen einer
• Sonde gerade an der Stelle gestört wird,
wo man ihn messen will. Als geeignet zur
Messung des statischen Druckes hat sich
• eine Sonde nach Abb. 2.15 b erwiesen, die
man als statische Sonde oder Hakenrohr
c
bezeichnet. Diese besteht aus einem dünnen
\
P~ Pg"Po
Röhrchen von einigen Millimetern Durch-
Abb.2.15. Sonden zur Messung messer, das vorn geschlossen ist und einen
von Drücken in einer strömenden gut abgerundeten Kopf besitzt. In einiger
Flüssigkeit
a) PITOT-Rohr mißt den Gesamt- Entfernung vom Kopf, im Abstand von
druck P g = Po etwa drei Durchmessern, befinden sich
b) Statische Sonde mißt den stati-
schen Druck Poo einige kleine seitliche Anbohrungen. Weicht
c) PRANDTL-Staurohr mißt deu
Staudruck qoo = P g - Poo die Anströmrichtung nicht mehr als 50
von der axialen Richtung ab, so messen
diese Anbohrungen mit sehr guter Annäherung den statischen Druck
der ungestörten Strömung Poo'
2.2 Eindimensionale Strömungen (Stromfadentheorie) 39
Man kann das PIToT-Rohr nach Abb. 2.15a mit einer solchen stati-
schen Sonde nach Abb. 2.15 b zu einem einzigen Gerät vereinigen, und
dabei als Differenzdruck den Staudruck

ermitteln. Abb. 2.15 c stellt ein solches Prandtlsches Staurohr dar.


Es mißt an der vorderen Öffnung den Gesamtdruck und an den seit-
lichen Schlitzen den stati- .~
sehen Druck. Diese beiden ==:::::----::: --
.. Trennurgsf/äche

--==--
Drucke werden durch ge- ;/ _______ ~ a
trennte Leitungen abgeführt.
Die an einem U-Rohr-Mano-
meter ermittelte Differenz ~-
dieser beiden Drücke gibt b ~
unmittelbar den Staudruck, t T =r - 1=
aus dem die Geschwindig- [ I I I
keit W oo bei bekannter I I I
Dichte des strömenden Me- c ~
diums sofort ermittelt wer- I
den kann. Für Luft ist un-

»
I
ter normalen Bedingungen
die Dichte ziemlich genau d

(! = ! kg S2/ m4 . Für einen


Luftstrom mit der Geschwin-
digkeit von W oo = 40 mjs be- e
trägt demnach der Staudruck
1
qoo = 16 .40 2
100 kg/m 2 .
=
Wird er mit einem mit f
Wasser gefüllten U-Rohr-
Manometer gemessen, so
beträgt die zu diesem Stau- Abb.2.16. Labilität einer Trennungsfläche (a). Die an-
druck gehörige Höhendiffe- fangs (b) geringe Welligkeit der Trennungsfläche führt
zu einer Druckverteilung, welche die Welligkeit ver-
renz der Flüssigkeitssäulen größert (c). Danach tritt ein überschlagen der Wellen
ein (d) und (e), sowie schließlich ein Aufrollen zu
also 100 mm. einzelnen Wirbeln (I)

2.233 Trennungsflächen. Beim Zusammenfließen von zwei vorher


getrennten Flüssigkeitsströmen, z. B. auf der Rückseite eines Körpers,
Abb. 2.16, kann es 'vorkommen, daß zu beiden Seiten der Trennungs-
fläche die Konstante der BERNOULLlschen Gleichung verschieden,
jedoch der Druck gleich ist. Solche Trennungsflächen zeigen eine starke
Neigung dazu, daß irgendwelche zufälligen Ausbuchtungen sich schnell
vergrößern. Bei einer nach Abb.2.16b gewellten Trennungsfläche
40 II. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

würde man im stationären Strömungszustand für die untere Strömung


in den Wellentälern vergrößerte Geschwindigkeit, in den Wellenbergen
verkleinerte Geschwindigkeit haben. Diese Drücke bewirken aber eine
Vergrößerung der Wellenamplitude. Die Wellenform bildet sich somit
mehr und mehr aus und wird bald unsymmetrisch, Abb. 2.16 c und
2.16d. Die Wellen überschlagen sich schließlich, Abb. 2.16e, und spulen
sich zu einzelnen Wirbeln auf, Abb. 2.16f..

2.3 Zwei- und dreidimensionale Strömungen


2.31 Die allgemeinen Eulerschen Bewegungsgleichungen
Es sollen jetzt die allgemeinen Bewegungsgleichungen einer reibungs-
losen Flüssigkeit aufgestellt werden für den Fall einer dreidimensio-
nalen Strömung, für welche also der Verlauf der Stromlinien nicht von
vornherein bekannt ist. Ebenso wie in Kap. 2.21 bei der eindimensio-
nalen Bewegung längs einer Stromlinie geht man auch hier von der
Grundgleichung der Dynamik aus, nach der für das Volumenelement
die Summe der Kräfte gleich Masse mal Beschleunigung ist. Gegen-
über der früheren Ableitung in Kap. 2.21 ist diese Grundgleichung
jetzt für drei Koordinatenrichtungen zu erfüllen. Die Kräfte bestehen
aus der Massenkraft und den Druckkräften, während die Reibungs-
kräfte nach Voraussetzung Null sind. Die Massenkraft pro Volumen-
einheit betrage
sr=iX+iY+fZ.
Es ist sr = (2 g, wenn sie lediglich vom Gewicht herrührt und 9 den
Vektor der Schwerebeschleunigung bedeutet. Die Druckkraft pro
Volumeneinheit beträgt - grad p.
Damit lautet die dynamische Grundgleichung in Vektorform :
Dm
(2--
Dt
= sr - gradp (2,41)

oder in Komponentendarstellung für ein rechtwinkliges Koordinaten-


system x, y, z:
Du 8p
(275t =X - Ti'
Dv 8p (2,42)
(2 Dt = Y - ay'
Dw _ Z 8p
(275t - -7iZ'

Dabei bedeutet wie in Kap. 2.21 die zeitliche Ableitung DjDt wieder
die substantielle Beschleunigung, die nach GI. (2,27) aus den beiden
2.3 Zwei- und dreidimensionale Strömungen 41

Anteilen der lokalen Beschleunigung und der konvektiven Beschleuni-


gung besteht. Die konvektive Beschleunigung, die bei der eindimensio-
" . f h cIw aw cIs 8w
naIen B ewegung Iängs d er Strom Ilme em ac dt = 7f8 dt = W 7f8
ist, besteht hier für jede Geschwindigkeitskomponente aus drei An-
teilen, da die Änderung der Geschwindigkeit mit den drei Raum-
koordinaten x, y, z zu berücksichtigen ist. Man erhält z. B. für die
konvektive Beschleunigung in Richtung der z-Achse:

~
cIt
= ~~
ax cIt
+ ~~
8y dt
+!!.!!!..~
{)z cIt
= u~
8x
+ v~
{)y
+ w~
{)z .

Damit ergibt sich für die substantielle Beschleunigung in Richtung


der z-Achse:
Dw =~+u.!!'!!!..+v~+w~. (2,43) 1
Dt {)t ax 8y {)z

Somit lauten die EULERschen Bewegungsgleichungen (2,42) in aus-


führlicher Schreibweise:

(!
(
{)U
7ft + Uax
{)U
+ Va:;
{)U
+ wTz
()U) {)p
=X -7[X'

(! (~
at
+ u~
{)x
+ v~
{)y
+ W~)
iJz
= Y- ~
{)y'
(2,44)

(! (~
iJt
+ u~
iJx
+ v~
iJy
+ w~)
iJz
= Z -~.
{)z

Auch diese Gleichungen gelten ebenso wie GI. (2,29) sowohl für in-
kompressible als auch für kompressible Strömung. Hierzu kommt die
Kontinuitätsgleichung, die für inkompressible Strömung nach GI. (2,14)
lautet:
~+~+!!.!!!..=o.
{)x {)y {)z
(2,45)

Die GIn. (2,44) und (2,45) sind für inkompressible Strömung ein System
von vier Gleichungen für die vier Unbekannten u, V, W, p. Für die kom-
pressible Strömung ist die Kontinuitätsgleichung (2,45) durch GI. (2,13)
zu ersetzen. Außerdem kommt eine Beziehung zwischen Druck und
Dichte [Zustandgleichung, GI. (1,4)] hinzu, so daß man fünf Gleichungen
für die fünf Unbekannten u, V, W, p, (! hat.
In diesem Kapitel sollen im folgenden nur inkompressible, reibungs-
lose Strömungen (ideale Flüssigkeit) betrachtet werden, während die
1 Für später merken wir an, daß somit für die dreidimensionale Strömung
der substantielle Differentialquotient die Bedeutung hat:

D () a 8 a
Fe = 7ft + ufiX + Vay + waz' (2,43 a)
42 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

kompressible Strömung in Kap. III weiterverfolgt wird. Für die ideale


Flüssigkeit hat man in GI. (2,44) und (2,45) ein System von vier nicht-
linearen partiellen Differentialgleichungen erster Ordnung. Die Nicht-
linearität dieser Differentialgleichungen, die von den Trägheitskräften,
z. B. von dem Glied u 8 uj8 x herrührt, erschwert ihre Lösung sehr er-
heblich. Für den allgemeinen Fall sind deshalb nur sehr wenige Lösun-
gen bekannt.
Bei der Umströmung von Körpern sind an den Wänden gewisse
Randbedingungen zu erfüllen: An einer freien Oberfläche muß der Druck
konstant sein, also z. B. an einer freien Wasseroberfläche gleich dem
Luftdruck der Atmosphäre oberhalb des Wassers. Für eine ruhende
undurchlässige feste Wand muß die Bedingung erfüllt werden, daß die
Wand eine Stromlinie ist. Dies kommt darauf hinaus, daß die Geschwin-
digkeitskomponente normal zur Wand verschwindet. Somit hat man
als Randbedingung
an Wänden: ttJ n = O. {2,45a)
Dagegen ist die Tangentialkomponente der Geschwindigkeit an der
Wand in einer reibungslosen Flüssigkeit im allgemeinen von Null

b
Abb.2.17. Randbedingungen für die Geschwindigkeit an der Wand bei der
Umströmung eines Körpers
a Reibungslose Strömung: Gleiten: tJJ n = 0, tJJt =F 0;
b Zähe Flüssigkeit: Haften: tJJ n = 0, tJJ t = 0

verschieden, ttJ t =f= O. Dies bedeutet, daß in der reibungslosen Flüssig-


keit ein Gleiten der Flüssigkeit an der Wand stattfindet.
Im Gegensatz dazu ist in der zähen Flüssigkeit an der Wand außer
der Normalkomponente der Geschwindigkeit auch die Tangential-
komponente gleich Null, ttJ t = 0, da die Reibungskräfte die Geschwindig-
keit an der Wand auf Null abbremsen. Man nennt dieses Verhalten der
zähen Flüssigkeit das Haften an der Wand. In Abb. 2.17 sind die Ver-
hältnisse für beide Fälle dargestellt.

2.32 Bernoullische Gleichung


Bevor die Lösungen dieser EULERschen Gleichungen näher diskutiert werden,
möge kurz gezeigt werden, daß man auch durch Integration der Gln. (2,44) und
(2,45) längs einer Stromlinie wieder die BERNOULLlsche Gleichung erhält. Unter
Beschränkung auf den stationären Fall ergibt sich aus GI. (2,44), wenn man die
2.3 Zwei- und dreidimensionale Strömungen 43
erste Gleichung mit dx, die zweite mit dy und die dritte mit dz multipliziert
und addiert:
Du Du Du
u-dx+v--dx+w-dx
ox oy oz
uv ov Dv
+ußxdy+vayd y + wazdy

ow UW ow
+ußxaz + vaydz + wazdz
1 . 1 (OP OP) =0.
op dy+-az
--(Xdx+Ydy+Zaz)+- -D-dx+-o
e e x y oz

Bei drehungs freiem Kraftfeld kann man für die Massenkraft Sf ein Potential U
einführen, derart, daß Sf/ e = - grad U ist. Die Geschwindigkeitsglieder in der
vorstehenden Gleichung lassen sich umformen, wenn man beachtet, daß die In-
tegration längs einer Stromlinie erfolgt, so daß nach Gl. (2,9)
vdx=udy, wdy=vdz, udz=wdx
gilt. Damit kommt:
Du Du OU
u-dx
Dx
+ u-dy
Dy
+ u-dz
OZ
UV Dv GV
+vTxdx+ vaydy+ vazdz

Dw Dw uw
+ Wßx dx + Way dy + Waz dz

+ DU dx+ DU dy+ OU dZ+~(~dx+~dy+~az)=o.


GX GY Dz e GX GY OZ
Nunmehr lassen sich sämtliche Terme als vollständige Differentiale schreiben
in der Form:
udu+vav+waw+dU + ~ = 0
e
oder
! a(u2 + V2 +W2 ) + dU + d: = o.
Nach Ausführung der Integration hat man somit, wenn man noch den Geschwin-
+ +
digkeitsbetrag II1J 12 = u 2 v2 w 2 einführt:

II1J 1
- 2
- + u + -Pe = const.
2
(2,46)

Falls die xy-Ebene horizontal liegt und somit die z·Achse vertikal, ist U = gz,
so daß man aus Gl. (2,46)

~ + J!.. + g z = const (2,47)


2 e
erhält in übereinstimmung mit der früher in GI. (2,33) abgeleiteten Form der
BERNOULLlschen Gleichung.
44 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

2.33 Drehungsfreie Strömungen als Lösungen der


Eulerschen Bewegungsgleicbungen
Bevor die Integration der EULERschen Bewegungsgleichungen in
Angriff genommen wird, sollen einige allgemeine Eigenschaften dieser
Gleichungen angegeben werden, die für ihre Integration von großem
Nutzen sind. Die Bewegungen der reibungslosen Flüssigkeit als Lösun-
gen der EU~ERschen Bewegungsgleichungen zeichnen sich gegenüber
den Bewegungen einer zähen Flüssigkeit vor allem durch eine rein
kinematische Eigenschaft aus, die mit dem früher eingeführten Begriff
der Drehung einer Strömung zusammenhängt. Es gilt der einfach
auszusprechende Satz, daß die Bewegungen einer reibungslosen, inkom-
pressiblen Flüssigkeit, abgesehen von einigen singulären Stellen (Wirbel),
im allgemeinen drehungsfrei sind. Als Drehvektor eines Geschwindig-
keitsfeldes wurde in GI. (2,23) eingeführt:
- .
W = t W z + 1. w1I + f Wz = "21 rot \tJ •
Die Komponenten des Drehvektors sind nach GI. (2,24):

~m =gI
::U'=~(~-~).l (2,48)

z 2,ox oy

Eine Strömung soll als drehungsfrei bezeichnet werden, wenn im ganzen


Feld alle drei Komponenten des Drehvektors verschwinden, wenn also
gilt:
(2,49)
Den oben angegebenen wichtigen Satz von der Drehungsfreiheit
der reibungslosen Flüssigkeitsströmungen erhält man in folgender
Weise leicht aus den EULERschen Bewegungsgleichungen : Durch eine
einfache Umformung ergeben sich aus den EULERschen Bewegungs-
gleichungen (2,44) und aus der Kontinuitätsgleichung (2,45) die folgen-
den drei Gleichungen:

= wzax + W 1Iay +wzaz ,


Dw x OU OU OU
J5t
Dw.
J5t = w zax
OV OV
+ W1lay OV
+ wzaz , (2,50)

= wza:; + W 1Iay + wzaz ·


Dw z ow ßw ßw
. Dt

Hierbei bedeutet D/D t den substantiellen Differentialquotienten nach


GI. (2,43a). Wir beweisen nur die dritte dieser drei Gleichungen. Die
2.3 Zwei- und dreidimensionale Strömungen 45

beiden übrigen ergeben sich dann durch zyklische Vertauschung. Diffe-


renziert man die zweite der GIn. (2,44) nach x und die erste nach y,
so fallen nach Subtraktion der ersten von der zweiten Gleichung das
Druckglied und die konstante Massenkraft fort, und es ergibt sich:

o (OV
ot OX - oy + u ox ox - oy + v oy ox - oy + w oz ox - oy +
OU) 0 (OV OU) 0 (OVOU) 0 (OV OU)

+ OUOV _ OUOU + OV OV _ OV OU + OWOV _ OWOU = O. (2,51)


OXOX oyox oxoy oyoy OXOZ oyoz
Die erste Zeile dieser Gleichung kann abgekürzt als

2 DWz = 2 ( 0 w. + u 0 w. + v 0 w. + w 0 W z )
'Dt ot OX oy OZ

geschrieben werden. Die zweite Zeile ergibt nach einfacher Umformung


unter Benutzung der Kontinuitätsgleichung (2,45):

-~i~-~)
ox\oy oz -~(~-~)
oy OZ OX
-~(~-~)
OZ OX oy

= - OW
2 ( w Xh + WlIay
OW
+ wZaz
OW)
.
Setzt man beides in GI. (2,51) ein, so ist damit die dritte der GIn. (2,50)
bewiesen und damit durch zyklische Vertauschung auch die Gültig-
keit des ganzen Systems (2,50).
Da ferner, wie man sofort sieht, das Gleichungssystem (2,50) durch
die Bedingung der Drehungsfreiheit GI. (2,49) identisch erfüllt wird,
ist somit bewiesen, daß drehungsfreie Bewegungen Lösungen der drei-
dimensionalen EULERschen Bewegungsgleichungen sind.
Ebene Strömung. Für eine ebene Strömung ist u = u(x, y);
v = v(x, y); w =O. Weiterhin ist W x =
wy = 0, und somit folgt aus
GI. (2,50) sofort die einzige Gleichung:
Dw z = 0 (2,52)
Dt .
Diese Gleichung besagt:
1. Jede drehungsfreie Bewegung ist eine Lösung der EULERschen
Bewegungsgleichung ;
2. jede Bewegung einer reibungslosen Flüssigkeit aus der Ruhe
heraus ist drehungsfrei.
Der erste Satz ist sofort evident. Der zweite Satz folgt daraus, daß
in der Ruhe W z =0 ist und deswegen auch für alle weiteren Zeiten
bei der Bewegung W z =
0 bleibt, weil für jedes Flüssigkeitsteilchen
die zeitliche Änderung der Drehung verschwindet.
46 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Dreidimensionale Strömung. Für eine dreidimensionale Strömung


gilt der erste Satz, wie bereits oben angegeben.
Daß für eine dreidimensionale Strömung aber auch der zweite
Satz gilt, läßt sich leicht so einsehen: Sind GOI und G02 die Drehvektoren
eines bestimmten Flüssigkeitsteilchens zur Zeit t l bzw. t2 , so gilt für
ein genügend kleines Zeitintervall t2 - t1 :
-w 2 = - + (t
W1 2 -
)(DW)
t1 Dt I· (2,53)

Ist nun der Zeitpunkt t1 die Ruhe mit W z = wII = W z = 0, dann ist
nach GI. (2,50) auch der substantielle Differentialquotient (D wjD th =0,
und es folgt dann aus GI. (2,53) auch W2 = O. Die wiederholte Anwen-
dung dieses Satzes liefert, daß auch für die dreidimensionale Strömung
die Bewegung aus der Ruhe heraus für alle Zeiten drehungsfrei bleibt.
Damit ist der wichtige Satz bewiesen:
Ist in einer reibungsfreien, inkompressiblen Flüssigkeit in einem be-
stimmten Augenblick das Geschwindigkeitsfeld drehungsfrei, so bleibt
es unter der Wirkung eines drehungsfreien Kräftesystems dauernd
drehungsfrei. Insbesondere gilt der Satz der Drehungsfreiheit für alle
Bewegungen einer reibungslosen Flüssigkeit aus der Ruhe heraus. Da
nun die meisten praktisch vorkommenden Bewegungen als solche aus
der Ruhe heraus aufgefaßt werden können, gilt der Satz von der
Drehungsfreiheit für alle diese Strömungen.
Wie sich nun weiterhin zeigen wird, ist dieser Satz von der Dre-
hungsfreiheit der reibungslosen Strömungen eine wichtige Grundlage
für die Integration der EULERschen Bewegungsgleichungen.

2.34 Potential- und Stromfunktion


Potential. Unter Heranziehung des Satzes von der Drehungsfreiheit
der reibungslosen, inkompressiblen Strömungen läßt sich nun das
Integrationsproblem der EULERschen Gleichungen erheblich verein-
fachen. Anstatt die Gin. (2,44) und (2,45) zu lösen, ist es jetzt nur noch
erforderlich, neben der Kontinuitätsgleichung die Bedingung der Dre-
hungsfreiheit zu erfüllen, also in Vektorform die beiden Gleichungen
Kontinuität: div itJ = 0, (2,54)
Drehungsfreiheit : rot itJ = O. (2,55)
In Komponentendarstellung lauten diese Gleichungen für die drei-
dimensionale Strömung:
OU
ox +~+2..3!!...=O
oy oz ' (2,56)
2..3!!..._~-o
oy OZ - , ~-~=o.
OX oy (2,57)
2.3 Zwei- und dreidimensionale Strömungen 47
Für die ebene Strömung, die parallel zur x-y-Ebene verläuft, verein-
fachen sich diese Gleichungen zu:
Kontinuität: ~
OX
+~
oy
= 0, (2,58)

Drehungsfreiheit: ~v _ ~u
uX uy
= o. (2,59)

Nach einem bekannten Satz der Vektoranalysis kann ein Ge-


schwindigkeitsfeld, dessen Rotation überall verschwindet, als Gradient
einer Potentialfunktion dargestellt werden. Wir führen als Geschwin-
digkeitspotential die skalare Funktion cfJ(x, y, z) ein, die im ganzen
Raum stetig und differenzierbar sei, und setzen
iU = grad ifJ . (2,60)
Damit ist wegen der Identität rot (grad ifJ) 0 die Bedingung der =
Drehungsfreiheit GI. (2,55) identisch erfüllt. Die Kontiniuitätsglei-
chung (2,54) liefert dann nach Einsetzen von GI. (2,60) in GI. (2,54)
wegen div(grad ifJ) = LI ifJ für die Funktion ifJ die Gleichung:
LlifJ=O. (2,61)
Dabei bedeutet LI den LApLAcEschen Operator
02 f)2 f)2
LI = 0 x2 + 0 y2 + 0 Z2 •

In Komponentendarstellung lautet GI. (2,60) für die dreidimensionale


Strömung:
f)l[J 0l[J
V=--,
oy
w=az-, (2,62)

während GI. (2,61) ausgeschrieben lautet:


02l[J 02l[J 02l[J
Ox2 + oy2 + 7fZ2 = O. (2,63)

Diese Gleichung für ifJ heißt in der mathematischen Physik die Potential-
gleichung oder LApLACEsche Gleichung und die Funktion ifJ die Poten-
tialfunktion. Wir nennen ifJ auch kurz das Potential des Geschwindig-
keitsfeldes. Eine Strömung, welche durch die GIn. (2,62) und (2,63)
dargestellt wird, heißt Potentialströmung. Die Strömungen der idealen
Flüssigkeit sind somit Potentialströmungen.
Für die ebene Strömung vereinfachen sich die Gln. (2,62) und
(2,63) zu:
o(/J f)l[J
u=-- V=-- (2,64)
OX ' f)y
und
(2,65)
48 11. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Durch die Einführung der Potentialfunktion ist eine beträchtliche


mathematische Vereinfachung des Integrationsproblems erreicht wor-
den. Statt der vier GIn. (2,44) und (2,45) für die drei Geschwindig-
keitskomponenten u, v, w und den Druck p ist jetzt nur noch die eine
GI. (2,63) für die Potentialfunktion zu lösen. Eine besonders große
mathematische Vereinfachung besteht weiter darin, daß die Gleichung
für das Potential linear ist, während die drei EULERschen Gleichungen
in den Geschwindigkeitskomponenten nicht-linear sind. Überdies ist
die Potentialgleichung (2,63) in vielen anderen Teilen der mathemati-
schen Physik eingehend bearbeitet worden, z. B. in der Himmels-
mechanik, der Elektrotechnik und der Festigkeitslehre, so daß man für
die Strömungsmechanik auf die dort erhaltenen Lösungen in vielen
Fällen zurückgreifen kann. Nachdem man eine Lösung für das Ge-
schwindigkeitspotential tP(x, y, z) erhalten hat, findet man die Ge-
schwindigkeitskomponenten nach GI. (2,62) leicht durch Differentiation
und die Druckverteilung aus der BERNOULLlschen GI. (2,47).
Aus der Linearität der Potentialgleichung (2,63) folgt ein wichtiges
Prinzip für die Beschaffung von Lösungen dieser Gleichung, nämlich
das Prinzip der Überlagerung (Superposition): Sind zwei Lösungen
tPl (x, y, z) und tP2 (x, y, z) bekannt, so hat man damit eine große
Mannigfaltigkeit von weiteren Lösungen, weil auch jede Linearkombi-
nation dieser beiden Lösungen in der Form:
(2,66)
eine Lösung von GI. (2,63) ist, wie man durch Einsetzen sofort verifi-
ziert. Von diesem Überlagerungsprinzip wird im nächsten Abschnitt
bei der Behandlung von Beispielen Gebrauch gemacht werden. Hierfür
werden zunächst einige wenige Grundlösungen tP1 , tP2 , • • • beschafft
und aus diesen nach GI. (2,66) durch geeignete Wahl der Konstan-
ten Cl' C2 allgemeinere Lösungen aufgebaut.
Bevor wir eine anschauliche Deutung der Potentialfunktion geben,
wollen wir zunächst für ebene Strömungen noch eine weitere Funktion
einführen.
Stromfunktion. Für ebene Strömungen kann man die Erfüllung der
beiden Gleichungen der Kontinuität und der Drehungsfreiheit auch
noch durch ein anderes Verfahren erreichen, das mit dem vorstehend
erläuterten der Potentialfunktion nahe verwandt ist. Durch die Ein-
führung der Potentialfunktion mit Hilfe von GI. (2,60) wurde erreicht,
daß von den beiden Grundgleichungen der Kontinuität und der Dre-
hungsfreiheit GI. (2,54) und (2,55) die letztere identisch erfüllt wird,
während die erstere dann die Bestimmungsgleichung für die Potential-
funktion liefert.
2.3 Zwei- und dreidimensionale Strömungen 49
Analog möge jetzt, allerdings nur für ebene Strömungen, die Strom-
funktion lJI(x, y) eingeführt werden, derart, daß dadurch die Kontinui-
tätsgleichung (2,58) identisch erfüllt wird, während dann die Bedin-
gung der Drehungsfreiheit GI. (2,59) eine Bestimmungsgleichung für
die Stromfunktion lJI ergibt. Verknüpft man das Geschwindigkeits-
feld mit der Stromfunktion durch die Gleichungen:
iJlJI iJlJI
U=--, v = ---, (2,67)
iJy iJx

so ist die Kontinuitätsgleichung (2,58) identisch erfüllt. Die Bedingung


der Drehungsfreiheit des Geschwindigkeitsfeldes nach GI. (2,59) liefert
dann für die Stromfunktion die Bedingung:
iJ2lJ1 iJ2lJ1
iJ x2 + iJ y 2 = 0 (2,68)
oder
LJlJI=O. (2,69)

Es muß also die Stromfunktion lJI die Potentialgleichung der ebenen


Strömung erfüllen 1.
Die Beziehung zwischen Potential- und Stromfunktion und auch
ihre Beziehung zum Geschwindigkeitsfeld läßt sich anschaulich leicht
in folgender Weise darstellen: Nach GI. (2,64) gilt für eine ebene Strö-
mung für die Potentialfunktion :
' .iJ</J .iJ</J . .
grad
m
'P=t~+Jay=tU+IV (2,70)

und nach GI. (2,67) für die Stromfunktion :


al[f alJI
gra d
lTi
r

= t~ + Jay
.
= -
.
tV + lU.
.
(2,71 )

Nach Abb. 2.18 stehen die Vektoren grad lJI und grad (/J aufeinander
senkrecht. Es sind demnach die bei den Kurvenscharen f/> = const
und lJI = const zueinander orthogonal.
Da der Vektor grad f/> mit dem Geschwindigkeitsvektor identisch
und deshalb tangential zu den Stromlinien ist, sind die Äquipotential-
linien f/>(x, y) = const senkrecht zu den Stromlinien. Die Kurven
lJI(x, y) = const sind deshalb identisch mit den Stromlinien.

1 Es sei hier vermerkt, daß sich die Potentialfunktion nur für reibungslose
Strömungen einführen läßt, da nur für diese die Bedingung der Drehungsfreiheit
erfüllt ist. Die Stromfunktion läßt sich dagegen auch für Strömungen zäher
Flüssigkeiten einführen, da die Kontinuitätsgleichung für diese in gleicher Weise
wie für reibungslose Strömungen gilt, vgl. Kap. IV. Da aber die Bedingung der
Drehungsfreiheit für die Strömungen der zähen Flüssigkeit nicht erfüllt ist, ist
dann für diese im allgemeinen LllJl =F O.
Schlichting)Truckenbrodt, Aerodynamik I 4
50 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Somit hat sich ergeben, daß die Äquipotentiallinien tP = const und


die Stromlinien lJI = const zwei orthogonale Kurvenscharen bilden, wie
es in Abb. 2.19 dargestellt ist.

~.const

Abb.2.18. Geometrische Beziehung zwischen Abb. 2.19. Die Aquipotentiallinien r[> = const
den Gradienten der Potentialfunktion r[> und und die Stromlinien 'P = const bilden zwei
der Stromfunktion 'P. Es gilt grad r[> 1. grad 'P orthogonale Kurvenscharen

Da die Potentialfunktion tP und die Stromfunktion lJI beide die


zwei Bedingungen der Drehungsfreiheit rot tu = 0 und der Quellen-
freiheit div tu = 0 erfüllen,
können sie vertauscht wer-
y den, d. h., es kann auch
die Potentialfunktion als
Stromfunktion und die
Stromfunktion als Poten-
tialfunktion aufgefaßt wer-
den.
Auch gilt das oben für
die Potentialfunktion er-
läuterte Überlagerungs-
prinzip in gleicher Weise
für die Stromfunktion.
Durchflußmenge.
Die
Stromfunktion kann da-
Abb. 2.20. Zur Ermittlung der Durchflußmenge Q12
zu benutzt werden, die
zwischen zwei Stromlinien 'P = 'P. und 'P = 'P, Durchflußmenge zwischen
zwei beliebigen Stromlinien
in einfacher Weise zu ermitteln. Es sei die Aufgabe gestellt, für die ebene
Strömung nach Abb. 2.20 die Dllrchflußmenge zu ermitteln für eine be-
lle bige Kurve 0 zwischen den Punkten PI und P 2 auf den Stromlinien (1)
2.3 Zwei- und dreidimensionale Strömungen 51
und (2). Diese beiden Stromlinien mögen gegeben sein durch die Kon-
stanten 'PI und 'P2 ihrer Stromlinien. Man erhält offenbar die Durch-
flußmenge durch die Kurve 0, indem man von der Durchflußmenge
durch die zur y-Achse parallelen Strecke PIA diejenige durch die zur
x-Achse parallelen Strecke AP2 subtrahiert. Da für die Strecke PI A
nur die x-Komponente und für die Strecke A P 2 nur die y-Komponente
der Geschwindigkeit zum Durchfluß beiträgt, ist somit die Durchfluß-
me:p.ge zwischen PI P 2' genommen für die Schichthöhe Eins:

oder wegen GI. (2,67):

Q,,~ [,1: ~;dyL. + U: ~: dxL.


Unter dem Integral steht das vollständige Differential der Funk-
tion 'P(x, y), so daß man schreiben kann:

J d'P
(x,. y,)

QI2 = = lJI2 - 'PI'


(x,. y,)

Man hat also für die Durchflußmenge :


Q12='P2 -'PI · (2,72)
Die Durchflußmenge zwischen zwei Stromlinien einer ebenen Strö-
mung ist somit gleich der Differenz der Werte der Stromfunktion
dieser beiden Stromlinien.
Diese Regel, die auch für die Strömung zäher inkompressibler
Flüssigkeiten gilt, ist von großem Wert für die graphische Konstruktion
von Stromlinienbildern.

2.35 Beispiele einfacher Potentialströmungen


Bei der Berechnung von Beispielen soll in diesem Abschnitt so ver-
fahren werden, daß einfache Funktionen angegeben werden, die der
Potentialgleichung 11 tP = 0 genügen. Es wird sodann festgestellt,
welche Strömungen durch die so erhaltenen Lösungen dargestellt wer-
den. Aus einigen so beschafften einfachen Grundlösungen können sodann
mit Hilfe des Superpositions prinzips weitere kompliziertere Lösungen
gewonnen werden. In Kap. 2.5 wird später für die ebenen Strömungen
auch ein Verfahren angegeben werden, mit Hilfe dessen man zu einer
vorgegebenen Körperform unmittelbar Lösungen der Potentialglei-
chung erhält.
4*
52 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

2.351 Translationsströmuug. Die lineare Funktion


f/J = ax + by + cz (2,73)
ist mit beliebigen Werten der Konstanten a, b, c eine Lösung der drei-
dimensionalen Potentialgleichung (2,63). Die Geschwindigkeitskom-
ponenten
iJrp iJrp iJrp
--=u=a; --=v=b; --=W=C (2,74)
iJx iJy iJz

sind im ganzen Raum konstant; es ist also der Geschwindigkeitsvektor


nach Größe und Richtung konstant. Die Strömung ist also eine Parallel-
strömung, deren Geschwindigkeitsbetrag ltu 1= 2 + b2+ 2 ist. Va c
Sie werde Translationsströmung ge-
nannt.
11
Die ebene Translationsströmung
mit den Geschwindigkeitskompo-
nenten U oo und Voo in Richtung der
x- bzw. y-Achse, nach Abb. 2.21,
ist ein Sonderfall von GI. (2,73).
Sie hat das Potential
:r:
f/J(x, y) = ~tooX + vooy. (2,75)
Die Geschwindigkeitsrichtung ist
gegeben durch tg(X= voolu oo , wobei (X
den Winkel der Stromlinien gegen
Abb. 2.21. Die ebene Translationsströmung die x-Achse bedeutet. Der Geschwin-
digkeitsbetrag ist Vu~ v~. +
2.352 Ebene Staupunktströmung. Die Funktion
1
f/J (x, y) = 2a(x2 - y2) (2,76)

stellt eine Lösung der ebenen Potentialgleichung (2.65) dar. Die Ge-
schwindigkeitskomponenten der ebenen Strömung sind:
u=ax; v = -ay; W= o. (2,77)
Die Stromlinien erhält man aus GI. (2,9a) zu
y
x
Dder
~+!0L=o.
x y
Die Integration ergibt In x + In y = In C, und somit hat man als
Stromlinien die Kurven
xy = const. (2,78)
2.3 Zwei- und dreidimensionale Strömungen 53
Die Stromlinien 'P = const bilden also eine Schar gleichseitiger
Hyperbeln mit der x- und y-Achse als Asymptoten (Abb. 2.22). Die
Äquipotentiallinien f[> = const sind nach Gl. (2,76) ebenfalls gleich-
seitige Hyperbeln, aber mit den Winkelhalbierenden der Quadranten
als Asymptoten. Faßt man !f
die x-Achse als feste Wand
.., .., /
auf, und betrachtet man , ./ , / /// ~=canst
nur die positive Halb- x.. / / /
;>e,\/ / /
/ / /
ebene, so hat man eine , ./
Strömung, die senkrecht
auf eine ebene Wand auf- !Y.const
trifft, sich an dieser teilt
Staupunld
und nach beiden Seiten
Abb.2.22. Die ebene Staupunktströmung. Die Stromlinien
abfließt. Der Koordi- 'P = oonst und die Äquipotentiallinien tp = const bilden
zwei orthogonale Hyperbelsoharen. Die Isobaren p = const
natenursprung 0 ist der sind konzentrische Kreise um den Staupunkt
Verzweigungspunkt und
gleichzeitig der Staupunkt dieser Strömung, da in diesem Punkt
nach GI. (2,77) die Geschwindigkeit gleich Null ist.
Für die Druckverteilung erhält man aus der BERNouLLI-Glei-
chung (2,47) für die Ebene z = 0:

eT(x 2 + y2),
a2
P = Po - (2,79)
wobei Po den Maximalwert des Druckes im Staupunkt bedeutet. Die
Kurven konstanten Druckes (Isobaren) sind konzentrische Kreise um
den Staupunkt; sie sind in Abb. 2.22 mit eingetragen.
2.353. Rotationssymmetrische Staupunktströmung. Die allgemeine
quadratische Funktion für das Geschwindigkeitspotential

(ax 2 + by2 + cz2)


1
(/) = 2"
ist, wie man leicht verifiziert, nur dann eine Lösung der räumlichen
Potentialgleichung (2,63), wenn a + b + c = 0 ist. Eine mit der vor-
stehend besprochenen verwandte Strömung erhält man für b = a
und c = - 2 a. Das Potential ist dann

W(x,y,z) = ; (x 2 + y2 - 2z2 ). (2,80)

Diese Strömung ist rotationssymmetrisch um die z-Achse. Die Ge-


schwindigkeitskomponenten sind:
u=ax; v =ay; w = -2az. (2,81)
Als Gleichung für die Stromlinien erhält man somit:
dx :dy :dz = x: y: (-2z).
54 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Für die Projektion der Stromlinien auf die x-y-Ebene ergibt sich
d xj x = d yj y. Somit ist In x = In y + In 0 oder x = const y. Die Pro-
jektion der Stromlinien auf die x-y-Ebene ist also die Schar der Ge-
raden durch den Ursprung (Abb.2.23).
Für die Projektion der Stromlinien auf die x-z-Ebene ergibt sich:
x 2 z = const.
Die Projektion der Stromlinien auf die x-z-Ebene ist also eine Schar
kubischer Hyperbeln mit der x- und z-Achse als Asymptoten, ebenso
wie die Projektion der Strom-
linien auf die y-z-Achse.
Abb. 2.23 zeigt das Strom-
linienbild dieser Strömung;
es ist rotationssymmetrisch um
die z-Achse. Der Koordinaten-
ursprung ist Staupunkt. Da für

-- die Ebene z = 0 die Geschwin-


.x digkeitskomponente W = 0 ist,
kann die x-y-Ebene als Be-
grenzungsfläche dieser Strö-
mung aufgefaßt werden. Die
Strömung im oberen Halbraum
kann gedeutet werden als ein
rotationssymmetrischer Strom,
der senkrecht auf eine unend-
lich ausgedehnte ebene Wand
auftrifft, sich dort im Punkt 0
staut und verzweigt und ent-
Abb. 2.23. Stromlinienbild der rotationssymmetri- lang der Wand nach allen Seiten
sehen Staupunktströmung. (Auftreffen eines runden
Strahles auf eine ebene Wand) abströmt. Diese Strömung wird
rotationssymmetrische Stau-
punktströmung genannt. Sie stellt einen kleinen Ausschnitt dar aus
der Strömung auf der Vorderseite eines Drehkörpers mit runder
Nase, der in axialer Richtung angeströmt wird.
2.354. Ebene Quell- und Senkenströmung. Die Funktion
c.P(x, y) = 2~ lnr mit r = Vx 2 + y2 (2,82)
ist, wie man leicht verifiziert, ebenfalls eine Lösung der ebenen Potential-
gleichung (2,65). Da die Potentiallinien r = const Kreise um den
Nullpunkt sind (Abb.2.24), und da andererseits die Geschwindigkeit
ttJ = gradc.P senkrecht auf den Potentiallinien c.P = const steht, hat
man nur radiale Geschwindigkeitskomponenten W r , nämlich
o([J E 1
wr = Tr = ~r· (2,83)
2.3 Zwei- und dreidimensionale Strömungen 55
Die durch eine Zylinderfläche vom Radius R und der Höhe 1 hindurch.
strömende sekundliche Menge ist
E
Q = 2:rc Rwr(R) = 2:rc R 2nR = E. (2,84)

Diese Menge ist also, unabhängig vom Radius R des gewählten Zylin.
ders, gleich der Konstanten E. Positives E bedeutet eine Strömung
radial nach auswärts, die wir als Quellströmung bezeichnen, und nega·
tives E gibt eine Strömung nach innen (Senkenströmung). Wir be·
zeichnen E als die Ergiebigkeit der Quell- bzw. Senkenströmung. In
Abb. 2.24 ist das Stromlinienbild der Quellströmung dargestellt.
Bei Annäherung an den Ursprung
wird der Geschwindigkeitsbetrag unend-
lich groß wie l/r. Der Ursprung ist eine
singuläre Stelle, und die ganze z-Achse
ist eine singuläre Linie der Quell- bzw
Senkenströmung. Dort entsteht bzw. ver-
I
schwindet sekundlich die Menge Q = E, I
I
was jedoch physikalisch unmöglich ist. /
Der obige Ausdruck für das Geschwin-
digkeitspotential t[> stellt deshalb nur
dann den Ausdruck für eine wirkliche
Strömung dar, wenn man eine kleine Abb.2.24. Die ebene Quellströmung
Umgebung des Ursprungs ausscheidet.
Im Hinblick auf eine spätere Anwendung sei hier auch noch die
Stromfunktion dieser Strömung vermerkt. Da sämtliche Stromlinien
Geraden durch den Ursprung sind, ist die Stromfunktion offenbar
E
P = 2Jl" rp, (2,85)

wobei q; den Polarwinkel bedeutet. Die Potential- und Stromlinien wer-


den hier gebildet von den beiden Kurvenscharen der konzentrischen
Kreise um den Ursprung bzw. der Strahlen durch den Ursprung.
2.355 Ebener Potentialwirbel. Eine weitere wichtige Grundströ·
mung erhalten wir aus der soeben besprochenen ebenen Quellströmung,
wenn wir von dem in Kap. 2.34 erläuterten Vertauschungsprinzip der
Potential· und Stromlinien Gebrauch machen. Wenn wir dabei noch,
der Deutlichkeit halber, die Konstante E der Quellströmung in r o
umbenennen, so hat die neue Strömung das Potential

<1>= +~
2n rp (2,86)

und die zugehörige Stromfunktion


p = - ~; lnr. (2,87)
56 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Diese Strömung hat also die konzentrischen Kreise um den Ursprung


als Stromlinien, während die Potentiallinien durch die Strahlen durch
den Ursprung dargestellt werden (Abb. 2.25). Diese um den Ursprung
kreisende Strömung hat somit keine radialen GBschwindigkeitskompo-
nenten, sondern nur Umfangskomponenten der GBschwindigkeit vom
gleichen Betrage wie die radiale Komponente bei der Quellströmung.
Die Geschwindigkeitskomponenten sind somit:

W
I iJ(]J
----- ------
iJlf' r o .
w,
iJ (]J I iJ lf'
= -iJ- = - -iJ- = O. (2,88)
'P - r iJ rp - iJr - 2nr ' r r rp

Die Verteilung der Umfangskomponente der Geschwindigkeit über den


Radius gehorcht also dem Gesetz
wq>r = const. (2,89)
Wir nennen diese kreisende Bewegung das Geschwindigkeitsfeld eines
Potentialwirbels. Nach außen hin nimmt die Geschwindigkeit mit Ijr
ab, während sie bei Annäherung an den Ursprung unbegrenzt zunimmt
(Abb. 2.25). Der Ursprung r = 0 ist
auch hier wieder eine singuläre Stelle,
die bei der physikalischen Realisierung
auszuschließen ist. Diese Strömung
kann man sich etwa entstanden denken
durch Rotation eines längs der z-Achse
liegenden unendlich langen Kreiszylin-
ders, der bei Drehung um seine Achse
die Flüssigkeit in seiner Umgebung
mit nimmt. Allerdings ist hierbei die
Flüssigkeitsreibung im Spiel, während
hier ja reibungslose Flüssigkeit an-
Abb. 2.25. Der ebene PotentialwirbeI.
Stromlinien 'F = const und Äquipoten- genommen wurde.
tiallinien tP = const, w'I'(r) = Geschwin- Die Konstante F o kann physikalisch
digkeitsverteilung, r. = Wirbelstärke.
Es ist " = R noch in folgender Weise gedeutet wer-
den. Bei einem vollen Umlauf auf einer
Stromlinie vom Radius R ist das Produkt von Geschwindigkeit mal
Weg nach GI. (2,88) gleich 2 7t R· wq> = r o , also unabhängig von der
gewählten Stromlinie und gleich der Konstanten r o .
Eine Besonderheit dieser Strömung ist noch, daß sich bei einem
vollen Umlauf auf einer Stromlinie das Potential nach GI. (2,86) um
den Betrag:
(j)(rp + 2n) - (j)(rp) = 2;r 2n = F o
vermehrt. Wir haben es also hier mit einer Strömung mit mehrdeutigem
Potential zu tun. Zwischen der Mehrdeutigkeit und dem Integral der
2.3 Zwei· und dreidimensionale Strömungen 57
Geschwindigkeit längs der geschlossenen Stromlinie besteht ein Zu-
sammenhang, auf den wir später zurückkommen werden (Kap. 2.41).

2.356 Räumliche Quell- und Senkenströmung. Zu der in 2.354 be-


handelten ebenen Quell- und Senkenströmung läßt sich auch ein räum-
liches Analogon angeben. Wählt man für das Potential den Ansatz

r1J(x , y , z) = - ~~
4n r mit r = VX2 + y2 + Z2 , (2,90)

so hat man, wie man leicht verifiziert, hiermit eine Lösung der räum-
lichen Potentialgleichung (2,63). Die rechtwinkligen Geschwindig-
keitskomponenten sind:

u =E- _x
· E y E z
4n r
3 , v=~ra; W=~~. (2,91)

Da die Potentialflächen (jJ = const durch die zum Ursprung konzen-


trischen Kugeln r = const gegeben sind und der Geschwindigkeits-
vektor zu den Potentialflächen senkrecht ist, verlaufen die Strom-
linien radial. Die resultierende Geschwindigkeit I ttJ I = 2 + 2 + w2 Vu v
und damit gleichbedeutend die radiale Geschwindigkeitskomponente wr
erhält man zu
E 1
IttJl = w r = - 4 2".
. n r
(2,92)

Die Durchflußmenge durch eine Kugel vom Radius Rist


Q= 4 Jt R2. W r (R) = E, also unabhängig vom Kugelradius. Für E> 0
liegt eine Strömung vor, die vom Ursprung aus nach allen Seiten radial
auswärts gerichtet ist (räumliche Quelle), während für E < 0 die
Strömung radial einwärts gerichtet ist (räumliche Senke). Wir nennen
wieder E die Ergiebigkeit der Quelle oder Senke. Während bei der
ebenen Quellströmung die Quelle ein linienförmiges Gebilde ist, hat
sie hier punktförmige Gestalt. Während bei der ebenen Quellströmung
der Geschwindigkeitsbetrag nach außen mit 1fr abnimmt, ändert er
sich bei der räumlichen Quelle und Senke mit 1jr2 •
Mit den vorstehend besprochenen Beispielen steht jetzt ein kleiner
Vorrat von Grundlösungen der Potentialgleichung zur Verfügung.
Weitere Strömungen können wir aus diesen erhalten, wenn wir von dem
in Kap. 2.34 besprochenen Überlagerungsprinzip Gebrauch machen.
Im folgenden sollen einige solche aus den Grundlösungen durch Über-
lagerung erhaltenen Strömungen behandelt werden.

2.357 Strömung um einen ebenen Halbkörper. Wir überlagern die


Translationsströmung parallel zur x-Achse mit der Geschwindigkeit U oo
und die ebene Quelle der Ergiebigkeit E im Ursprung (Abb.2.26a).
58 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Die erstere Strömung hat nach GI. (2,75) das Potential $p = UooX'
E
während für die letztere nach GI. (2,82) $Q = 2n In r ist mit E> O.
Durch Überlagerung ergibt sich somit das Potential
tP(x, y) = tP T + tP Q = uoox + 2"nlnr.
E
(2,93)

Die Geschwindigkeitskomponenten sind hiermit

W=Ü. (2,94)

Diese resultierende Strömung ist in sehr großem Abstand von der


Quelle näherungsweise die Translationsströmung parallel zur x-Achse,

Uoc; e

~J I
I

(0

tltJ
11
Ol+---------_=_

","-

Abb. 2.26. Strömung um einen ebenen Halbkörper.


a) Stromlinienbild. b) Druckverteilung auf der Oberfläche des Körpers

dagegen sehr nahe an der Quelle (am Ursprung) näherungsweise die


Quellströmung. Für mittlere Abstände vom Ursprung weicht die
resultierende Strömung von beiden stark ab.
Eine anschauliche Vorstellung der Strömung gibt das Strom-
linienbild in Abb.2.26a. Die resultierende Strömung besitzt einen
2.3 Zwei- und dreidimensionale Strömungen 59

Staupunkt (u = 0, v = 0) auf der negativen x-Achse im Abstand


xo = - E/2:rt U(XJ vom Ursprung. Durch diesen Staupunkt verläuft eine
Stromlinie, die dort senkrecht zur x-Achse beginnt und weiter nach
rechts mehr und mehr zur positiven x-Achse parallel wird.
Das Stromlinienbild der resultierenden Strömung wird durch diese
Staupunktstromlinie in zwei Gebiete eingeteilt, derart, daß die von der
Parallelströmung herrührende Flüssigkeitsmenge ganz außerhalb und
die von der Quellströmung herrührende Menge ganz innerhalb dieser
Stromlinie verläuft. Faßt man diese Staupunktstromlinie als feste Wand
auf und betrachtet man nur die Strömung im Außenraum, so hat man
die Strömung um einen zylindrischen Körper mit runder Nase und
parallelen Flanken, der nach der einen Seite parallel zur Anström-
richtung unendlich lang ist. Wir nennen ihn den ebenen Halbkörper.
Da diese Strömung typisch ist für die Strömung am vorderen Teil
eines jeden zylindrischen Körpers mit abgerundeter Nase, z. B. eines
Tragflügelprofils bei symmetrischer Anströmung, möge sie hier etwas
näher untersucht werden.
Die Breite D des ebenen Halbkörpers in großem Abstand von der
Nase erhält man aus der schon angegebenen Bedingung, daß die ge-
samte aus der Quelle ausströmende Menge innerhalb des Halbkörpers
fließt. Dies gibt D U(XJ = E und somit D = E/u(XJ'
Die Kontur des Körpers erhält man aus der Stromfunktion der
resultierenden Strömung. Wie hier nicht näher ausgeführt werden soll,
erhält man für die Kontur in Polarkoordinaten die Gleichung:
r=~-rp-. (2,95)
2n sin rp
Dabei ist q; der vom Staupunkt aus gemessene Polarwinkel. Die nach
GI. (2,95) errechnete Kontur ist aus Abb. 2,26a zu ersehen.
Die Druckverteilung längs der Oberfläche des Halbkörpers erhält
man aus der BERNOULLlschen Gleichung, wie hier ebenfalls nicht
näher ausgeführt werden soll, zu

(2,96)

Dabei bedeutet q(XJ = ((2/2) u~ den Staudruck der Anströmung. Die


hiernach berechnete Druckverteilung ist in Abb. 2.26b längs der Achse
des Körpers aufgetragen. In einer gewissen Umgebung der Nase herrscht
Überdruck, während weiter stromabwärts Unterdruck vorhanden ist.
Der stärkste Unterdruck beträgt p - p(XJ = - 0,57 q(XJ' Der Über-
druck in der Umgebung der Nase liefert eine nach hinten (in Strömungs-
richtung) gerichtete Druckkraft, während der Unterdruck eine nach
vorn gerichtete Saugkraft ergibt. Die sich aus diesen beiden Anteilen
ergebende resultierende Kraft ist Null, wie hier ohne Beweis angegeben
60 II. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

werden möge. Man hat also das Ergebnis, daß die aus der Druckver-
teilung auf der Körperoberfläche resultierende Kraft in Strömungs-
richtung, der sog. Widerstand, Null ist. Dieses Ergebnis steht im Wider-
spruch mit der Erfahrung, nach welcher jeder Körper einen Widerstand
hat. Dieser rührt her von den Schubkräften, die in der wirklichen Flüs-
sigkeit von der Strömung auf die Wand übertragen werden. Die Ab-
weichung zwischen der Theorie und der Erfahrung ist auf die Vernach-
lässigung der Zähigkeit zu-
rückzuführen.
Wenn auch die Theorie der
reibungslosen Flüssigkeit so-
mit für den Widerstand ein un-
brauchbares Ergebnis liefert,
a so ist die aus ihr ermittelte
Druckverteilung in vielen
Fällen doch in guter Über-
t einstimmung mit der Erfah-
rung, wie wir späterhin noch
sehen werden.
2.358 Strömung um einen
rotationssymmetrischen Halb-
x körper. Durch die Über-
oHI-------=====::::;==:=::!~ lagerung der Translations-
strömung mit der räumlichen
Quellströmung erhält man die
b Strömung um einen rotations-
symmetrischen Halbkörper.
Abb. 2.27. Strömung um einen rotationssymmetrischen
Halbkörper Die Überlagerung der Trans-
a) Körperform, b) Druckverteilung auf der Oberfläche lationsströmung der Gesch win-
des Körpers
digkeit U oo längs der x-Achse
mit der räumlichen Quelle der Ergiebigkeit E im Ursprung nach
Abb. 2.27 ergibt für das Potential der resultierenden Strömung
E
1J(x, y, z) = uoox - - -
4,nr
(2,97)

mit r 2 = x2 + y2 + Z2. Die Geschwindigkeitskomponenten sind:

E z
w=4"nra'

Auf der negativen x-Achse befindet sich ein Staupunkt in Abstand


x o = 11 Ej4;;:;;;:' vom Ursprung. Die durch diesen Staupunkt gehende
rotationssymmetrische Stromfläche teilt die Translationsströmung von
2.3 Zwei· und dreidimensionale Strömungen 61

der Quellströmung und kann als Körperkontur aufgefaßt werden. Die


Außenströmung gibt die Umströmung dieses rotationssymmetrischen
Halbkörpers, der für große x einen konstanten Radius R hat. Dieser
Radius des Halbkörpers ergibt sich aus:rt R2 uoc = E zu R = YEj:rtuoo .
Die Gestalt des Halbkörpers kann aus der Bedingung berechnet wer-
den, daß die Flüssigkeitsmenge der Translationsströmung für einen
Zylinder vom Durchmesser y gleich sein muß der Teilmenge der Quell-
strömung, die im Kegel vom halben Öffnungswinkel cp enthalten ist
(Abb. 2.27a). Dies ergibt :rty2 uoo = E(1 - coscp)j2. Damit erhält man
für die Kontur, wenn man noch y = r sin cp einführt:
~ _ sin(rpj2)
R - sin rp (2,98)

Für die Druckverteilung auf der Kontur ergibt sich nach einfacher
Rechnung:
Cp = p- Poo = 1 - 4sin2 !L
~ 2
+
3 sin4 .!!!..-.
2
(2,99)

Die hiernach errechnete Druckverteilung ist in Abb. 2.27 b mit an-


gegeben. Das Druckminimum beträgt (p - Pex,)min = - 0,33 qoo; es
ist kleiner als beim ebenen Halbkörper nach Abb. 2.26b. Bei gleicher
Anströmgeschwindigkeit ist also die größte Geschwindigkeit auf der
Körperoberfläche beim rotationssymmetrischen Halbkörper kleiner als
beim ebenen Halbkörper.
2.359 Dipol und Kreiszylinder. Dipol: Bei den beiden zuletzt be-
handelten Beispielen hatten wir Körperformen erhalten, die sich in einer
Richtung ins Unendliche erstrecken. Sorgt man durch Anbringen von
Senken im hinteren Teil des Körpers dafür, daß die gesamte aus der
Quelle entstammende Flüssigkeitsmenge in den Senken wieder ver-
schluckt wird, so bleibt in großem Abstand von den Quellen und Sen-
ken keine Wirkung übrig, und man kann auf diese Weise Körper-
konturen erhalten, die sich im Endlichen wieder schließen. Durch ver-
schiedene Anordnungen von Quellen und Senken auf der Achse des
Körpers läßt sich eine große Mannigfaltigkeit von Körperformen für
den ebenen und rotationssymmetrischen Fall erhalten. Insbesondere
kann man auf diese Weise durch einen Grenzübergang auch die geo-
metrisch besonders einfachen Körperformen Kreiszylinder und Kugel
erhalten, die im folgenden etwas näher behandelt werden mögen.
Als Vorarbeit betrachten wir zunächst den Fall einer ebenen Quelle
und Senke von gleicher Intensität E (Quell-Senken-Paar), die im Ab-
stand h derart angeordnet sind, daß sich die Senke im Ursprung und
die Quelle auf der negativen x-Achse befindet, Abb. 2.28. Das Potential
lautet nach GI. (2,82):
<P(x,y)= 2~ [lny(x+h)2+y2 -lnYx 2 +y2], (2,100)
62 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

während die Stromfunktion geschrieben werden kann in der Form:


E
lJI = 2n(<PI- <P2). (2,101)

Dabei bedeuten <PI und <P2 die von der Quelle bzw. Senke aus ge-
messenen Polarwinkel. Die Stromlinien lJI = const sind also die

/
/
/

/
/
/

Abb.2.28. Stromlinien und Potentiallinien eines Quell-Senken-Paares

Kurven <PI - Cf!2 = const, und somit das Kreisbüschel durch den
Quell- und Senkenpunkt. Durch Überlagerung dieses Quell-Senken-
Paares mit einer Translationsströmung in Richtung der Verbindung
von Quelle und Senke mit der Geschwindigkeit u"" erhält man ovale
Körperformen von ellipsenähnlicher Gestalt, deren Schlankheitsgrad
von dem Parameter Ejh U oo abhängig ist.
2.3 Zwei- und dreidimensionale Strömungen 63

Eine besonders bemerkenswerte Strömung erhält man, wenn man


bei dem Quell-Senken-Paar den Abstand gegen Null gehen läßt. Da-
mit in diesem Fall aber noch eine Wirkung nach außen übrigbleibt,
muß man gleichzeitig die Ergiebigkeit E umgekehrt proportional zum
Abstand h anwachsen lassen, derart, das M = E hj27t konstant bleibt.
Das Potential dieser Strömung lautet somit nach GI. (2,100):
d.(
'V x, y
) = M . I'Im InV~~h -lnV~
h-+O

Der Grenzwert für h --70 kann aber auch als Differentialquotient


nach x geschrieben werden, so daß man hat:

$(x, y) = Maa- In Vx 2
x
+ y2 = Maa-
x
Inr = M~.
r
Man hat also, wenn man noch Polarkoordinaten einführt, für das
Potential:
$ = M~ = M cosrp (2,102)
r2 r'

Dies ist die Strömung eines Dipols. Man nennt die Konstante Mdas
Moment des Dipols. Die Stromfunktion des Dipols lautet:

(2,103)

Dies läßt sich dadurch verifizieren, daß man die Geschwindigkeits-


komponenten bildet, die sich sowohl aus dem Potential (jJ nach
GI. (2,102) als auch aus der Stromfunktion IJI nach GI. (2,103) er-
geben zu:

(2,104)
v = _. M 2xy = _ M sin 2 rp .
r4 r2
Der Geschwindigkeitsbetrag ltu 1= Vu 2 + v2 ist hiernach also

Itu I = Mr-2 . (2,105)

Während bei der ebenen Quelle und Senke der Geschwindigkeits-


betrag nach GI. (2,83) nach außen mit Ijr abnimmt, ändert er sich beim
Dipol mit IJr 2 •
Die Stromlinien IJI = const dieser Dipolströmung sind gegeben
durch die Kreisschar, welche die x-Achse im Ursprung tangiert. Dies
erkennt man sofort aus GI. (2,103) und Abb.2.29, wenn man die
Gleichung der Stromlinien in der ]'orm sin q; = const· r schreibt. Die
Potentiallinien bilden das hierzu orthogonale Kreisbüschel, welches die
y-Achse tangiert. Man nennt die Symmetrielinie des Stromlinien-Kreis-
büschels, im vorliegenden Fall also die x-Achse, die Achse des Dipols.
Obgleich ein Dipol ein punktförmiges Gebilde ist, besitzt er doch eine
64 II. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

ausgezeichnete Richtung in seiner Achse, welche die Richtung des


Quell-Senken-Paares angibt, aus welchem der Dipol durch Grenzüber-
gang hervorgegangen ist.

/
/

1jr=const

Abb. 2.29. Stromlinien und Potentiallinien der Dipolströmung

Kreiszylinder : Aus der Dipolströmung erhält man in einfacher


Weise die Strömung um einen Kreiszylinder durch Überlagerung mit
einer Translationsströmung der Geschwindigkeit U oo in Richtung der
x-Achse. Das Potential der resultierenden Strömung ist nach Gi. (2,102):
tJ>(x, y) = 11 00 X + M2"'
r
x
(2,106)
Die x-Komponente der Geschwindigkeit verschwindet in zwei sym-
metrisch zum Ursprung gelegenen Punkten. Da in diesen auch die
v-Komponente der Geschwindigkeit Null ist, sind diese beiden Punkte
Staupunkte der resultierenden Strömung. Aus 11 = 0 erhält man:
(2,107)
2.3 Zwei- und dreidimensionale Strömungen 65

Setzt man diesen Wert in GI. (2,106) ein, so lautet das Potential:

([> = U 1 + ~22)
oo ( X = uoo(r + ~2) costp (2,108)

und die Stromfunktion mit GI. (2,103):

p = U oc ( 1- ~22) Y = uoo(r _ ~2) sintp. (2,109)

Aus der letzten Gleichung ist sofort ersichtlich, daß der Kreis r = R
eine Stromlinie ist und daß er zur Stromlinie P = 0 gehört, die von der
positiven und negativen x-Achse gebildet wird. In ähnlicher Weise wie
beim Halbkörper verzweigt sich diese zum Staupunkt führende Strom-
linie und bildet dabei die Kreiskontur. Die Strömung um diese Kreis-

u_oo_~_ _

Abb.2.30. Strömuug um einen Kreiszylinder (Translationsströmung)

kontur, die sich nach den obigen Formeln leicht berechnen läßt, ist

I
in Abb.2.30 angegeben. Für die Geschwindigkeitskomponenten er-
gibt sich:
u = U oo ( 1 + R2 ~ x y2
2
) = U oo ( 1- ~22 cos 2 tp),
xy H2 (2,110)
v = - 2uoo R2_
r
4 = - U OO -
r
2 sin2tp.

Es ist zweckmäßig, das Geschwindigkeitsfeld auch noch in Polar-


koordinaten anzugeben, also die Komponenten W r in radialer Richtung
und w'{! in Umfangsrichtung. Diese ergeben sich aus dem Potential
durch Wr = ar und w'{! = r1 aq; zu:
ß<[) ß<[)

Wr = U oo ( 1 - ~:) cos tp ,
(2,111)
I H2).
w'{!=-uoo~l+----;.z Sllltp,

Schlichting/Truckenbrodt, Aerodynamik I 5
66 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Auf der Kreiskontur verschwindet die radiale Geschwindigkeits-


komponente, so daß der Geschwindigkeitsbetrag dort mit wrp identisch
ist. Man hat somit auf dem Kreis:
r = R: WK = 2 U oo sin rp (0;::;; rp ~ n-). (2,112)
Die maximale Geschwindigkeit des ganzen Feldes ist auf der Kontur
bei rp=n-j2 vorhanden; sie beträgt wKmax=2uoc •
Die Druckverteilung längs der Kontur errechnet sich aus:
(!2_ +(!2
P + 2WK - Poo TUoo.

-0,5

-1.0

~18
r::.. \:,'_1.5
11
<.\"

-zp

-2,5

-~000 MO 60° 90' JIJO O 830° JOD'


Abb. 2.31. Druckverteilung auf der Oberfläche eines Kreiszylinders und einer Kugel bei
inkompressibler, reibungsloser Strömung

Bezieht man die Druckverteilung auf den Staudruck der Anströ-


mung qoo = (!u~/2, so erhält man den Druckbeiwert

cp = P-P<X!...
qoo
= 1- w:oo
U
= 1- 4sin2 rp = 2cos2rp -1. (2,113)

In Abb. 2.31 ist die hiernach errechnete Druckverterlung über dem


abgewickelten Umfang aufgetragen. Die resultierende Kraft in Strö-
mungsrichtung ist Null. Die wirkliche Druckverteilung zeigt erhebliche
Abweichungen von dieser potentialtheoretischen. Diese Abweichungen
rühren daher, daß auf der Rückseite das wirkliche StrömungsbiId
erheblich anders aussieht, als es hier von der reibungslosen Strömung
geliefert wird. Infolge der Reibungseinflüsse tritt auf der Rückseite
eine Ablösung der Strömung vom Körper und damit eine Umgestal-
2.3 Zwei- und dreidimensionale Strömungen 67

tung der Druckverteilung ein, die mit einem großen Widerstand ver-
bunden ist. Hierüber wird in Kap. IV berichtet werden.
2.35.10 Strömung um eine Kugel. In analoger Weise wie vorstehend
für den Kreiszylinder erhält man die Strömung um eine Kugel durch
Überlagerung der räumlichen Dipolströmung mit der Translationsströ-
mung. Das Potential des räumlichen Dipols, der sich im Ursprung
befindet und dessen Achse mit der x-Achse zusammenfällt, erhält man
aus demjenigen der räumlichen Quelle genauso wie bei der ebenen
Strömung (Kap. 2.359) durch Differentiation nach x. Mit dem Quell-
potential nach GI. (2,90) hat man somit für das Potential der resul-
tierenden Strömung mit M = E hj4n:

rfJ(x, y, z) = uoox + M-;-.


r
(2,114)

Hieraus ergibt sich die x-Komponente der Geschwindigkeit zu:


r2 - 3x 2
U = U oo +M r
S

Auf der x-Achse gibt es zwei zum Ursprung symmetrisch gelegene


Staupunkte. Aus u = 0 ergibt sich ihr Abstand vom Ursprung zu:

xo = ± R = ± öl 2M
L --
V U
.
oc

Durch Einsetzen in GI. (2,114) findet man für das Potential:

. (2,115)

Die radiale Geschwindigkeitskomponente Wr = ß rfJ/ßr ergibt sich hier-


aus zu:
Wr = U oo (1 - ~33) cos Cf! •

Sie verschwindet auf der ganzen Kugel r = R, womit gezeigt ist,


daß GI. (2,115) das Potential für die Strömung um eine Kugel darstellt,
die in Richtung der x-Achse angeströmt wird. Die rechtwinkligen
Komponenten der Geschwindigkeit ergeben sich zu:

U = U oo (1 + T--r
R3 r 3
s- -- ,
1 2 -- X2 )

_
V - -2uoo
3 R3 xy
7'
I
J
(2,116)

Da die Strömung um die x-Achse rotationssymmetrisch ist, genügt es


für die Ermittlung der Geschwindigkeitsverteilung auf der Oberfläche
5*
68 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

der Kugel, wenn wir diese auf dem Schnittkreis mit der x-y-Ebene an-
geben. Die Umfangskomponente der Geschwindigkeit für die x-y-Ebene
. 1 Ei (/) •
1st Wrp = rar;' somIt

z = 0: W rp = - U oo (1 + ~ ~:) sin rp .
Der Geschwindigkeitsbetrag auf der Kugeloberfläche ist also
3.
r = R: WK = 2' U oo sm rp (2,117)

Während also beim Kreiszylinder nach GI. (2,112) die maximale Ge-
schwindigkeit gleich der doppelten Anströmungsgeschwindigkeit ist,
ist sie bei der. Kugel nur das Anderthalbfache. Für die Druckver-
teilung ergibt sich:
p-p 9 .
cp = 00 = 1 - - sIn2 rp. (2,118)
qoo 4

Sie ist in Abb. 2.31 miteingetragen. Wegen des Vergleiches dieser


theoretischen Druckverteilung mit Messungen gilt ebenfalls das für
den Kreiszylinder Gesagte, vg1. auch Kap. IV.
2.35.11 Strömung um andere Körper. Das vorstehend erläuterte
Verfahren der Erzeugung von Körpern durch Quellen und Senken läßt
sich erheblich weiter ausdehnen. Läßt man neben punktförmigen Quel-
len und Senken auch linienförmige Quell- und Senkenverteilungen zu,
so kanri man eine große Mannigfaltigkeit von Körperformen erzeugen,
insbesondere dann, wenn man auch noch eine ungleichförmige Inten-
sitätsverteilung der Quellen und Senken zuläßt. Bedeutet q(x) die
längs der x-Achse von x = °
bis x = l verteilte Quell- und Senken-
intensität (q> 0, Quellen; q < 0, Senken), so muß, um einen geschlos-
senen Körper zu erhalten, die Quell-Senken-Summe gleich Null sein:
I

Jq(x)dx=O. (2,119)
x=O

Für den ebenen Fall erhält man auf diese Weise zylindrische Körper
von symmetrischer Gestalt, die in der Symmetrieebene angeströmt
werden, wie z. B. symmetrische Tragflügelprofile bei symmetrischer
Anströmung. Das Potential lautet nach GI. (2,93) für diesen Fall:
I

@(x,y)=uoox+ 2~ J q(;)lnV(x-;)2+y2 d;. (2,120)


g=o
2.3 Zwei- und dreidimensionale Strömungen 69

Für den rotationssymmetrischen Fall erhält man axial angeströmte


Drehkörper von der Art von Luftschiffkörpern und Flugzeugrümpfen.
In diesem Fall lautet das Potential nach GI. (2,97) :

J
I
q(~) d~
f1> (x " y z) = u
00
x - _1_
4:n:
(2,121)
<~O

----------------==============-------~=========
I&,---.~--...::-~ - 11111:,!lIIIIIII~.-
--
I

-------~~===========~==~=====
.
L
Z

qa
r:=--t'-1---'-~
q6

t
JI8
~

11:>'
--<>- Messung
----- Theorie ,
"'- 42
11
",,"'-
oI
,
I
)
~ --
~
/
tI
-0,2
Re = llool = 1.3-10 6
V '
<. ~
(/1 0,2 0) q~ 0,5 (/6 0,7 o,B a,g iU
b x/l-
Abb. 2.32. Stromlinienbild und Druckverteilung eines axial angeströmten Drehkörpers (nach
G. FUHRMANN [1], Körper III)
a) Stromlinienbild, b) Druckverteilung auf der Oberfläche des Körpers

Der rotationssymmetrische Fall ist insbesondere von G. FUHRMANN [1]


weiter ausgebaut worden. Abb. 2.32 zeigt die Strömung um einen
schlanken Drehkörper (sog. StromIinienkörper). Dabei ist in der oberen
Abbildung die Quell-Senkenverteilung mit angegeben. Die theoretische
Druckverteilung ist hierbei in ausgezeichneter Übereinstimmung mit
Messungen.
70 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

2.4 Wirbelbewegung
2.41 Begriff der Zirkulation

Bisher wurden ausschließlich drehungsfreie Flüssigkeitsbewegungen


betrachtet, d. h. solche, für welche im ganzen Geschwindigkeitsfeld
die Gleichung rot \t1 = 0 erfüllt ist. Allgemein hatten wir festgestellt,
daß die Bewegungen einer reibungslosen inkompressiblen Flüssigkeit
die beiden Gleichungen div\t1 = 0 und rot\t1 = 0 erfüllen, von denen
die erstere physikalisch aussagt, daß im ganzen keine Masse entsteht
und verschwindet (Quellenfreiheit ), während die zweite Gleichung die
rein kinematische Bedingung der Drehungsfreiheit ist. Nun sind aber,
wie wir gesehen haben, gerade solche Flüssigkeitsbewegungen von be-
sonderem Interesse, bei welchen in einzelnen Punkten oder auf einzelnen
Linien die Bedingung der Quellenfreiheit nicht erfüllt ist, wo also an
einzelnen Stellen div\t1 =1= 0 ist. Bei d!'lr räumlichen Quell- und Senken-
st~ömung ist die Bedingung der Quellenfreiheit in einem Punkt, dem
Quell- bzw. Senkenpunkt, verletzt, und bei der ebenen Quell- und
Senkenströmung auf der unendlich langen Quellinie. Der Quell~ oder
Senkenpunkt und die Quell- oder Senkenlinie sind singuläre Stellen des
Strömungsfeldes, bei dem an allen übrigen Stellen die Gleichung der
Quellenfreiheit erfüllt ist. Durch Überlagerung einer solchen Strömung
mit singulären Stellen mit anderen regulären Strömungen hatten sich
praktisch besonders wichtige Fälle ergeben, wie z. B. die Strömungen
um den Kreiszylinder, die Kugel und um schlanke Drehkörper, die axial
angestrpmt werden.
In diesem Abschnitt wollen wir jetzt solche Strömungen einer
reibungslosen Flüssigkeit behandeln, bei denen in ähnlicher Weise an
einzelnen Stellen des Geschwindigkeitsfeldes die Bedingung der Dre-
hungsfreiheit nicht erfüllt ist, wo also an einzelnen Stellen rot \t1 =\o~ 0
ist. Solche Strömungen heißen Wirbelbewegungen, wie wir nachher noch
näher erläutern werden. Es wird sich zeigen, daß diejenigen singulären
Stellen des Geschwindigkeitsfeldes, an welchen die Bedingung der
Drehungsfreiheit nicht erfüllt ist, auf einer Kurve, der sog. Wirbellinie,
liegen. Solche Wirbelbewegungen ergeben durch Überlagerung mit
regulären Strömungen weitere praktisch besonders wichtige Strömun-
gen, und zwar insbesondere Strömungen um auftrieberzeugende Körper
(Tragflügel) .
Als Vorbereitung der Betrachtungen über Wirbelbewegungen führen
wir den Begriff des Linienintegrals der Geschwindigkeit längs einer
Kurve ein. Wir definieren: Das Linienintegral L der Geschwindigkeit
längs einer gegebenen Kurve C zwischen den Punkten A und B ist das
2.4 Wirbelbewegung 71

Integral über das Produkt des Bogenelementes dCJ mit der- Geschwin-
digkeitskomponente in Richtung der Kurve, Abb. 2.33 a. Somit ist:
B B
L=IrodCJ= Ilrolcosads. (2,122)
A A
Das Linienintegral der Geschwindigkeit ist laut Definition eine skalare
Größe. Die Definition dieses Linienintegrals ist nicht auf reibungslose
inkompressible Strömungen beschränkt. Es kann nach GI. (2,122) ent-
weder als Integral über das skalare Produkt der Vektoren 10 und dCJ
geschrieben werden, oder als das Integral über das Produkt der Beträge
von 110 1 und I d31 = ds sowie cosa, wobei a den Winkel zwischen
dem Geschwindigkeitsvektor und der Kurventangente bedeutet.

A
a
Abb. 2.33. Zur Definition a) des Linienintegrals der Geschwindigkeit längs einer Kurve G.
b) der Zirkulation längs einer geschlossenen Kurve K

Verläuft die Kurve C senkrecht zu den Stromlinien, d. h. längs einer


Potentiallinie, so ist wegen cosa = 0 das Linienintegral L gleich Null.

fI
B

Andererseits ist einfach L = tu I ds, falls die Kurve C längs einer


A
Stromlinie verläuft. Wünscht man das Linienintegr;tl der Geschwindig-
keit durch die rechtwinkligen Geschwindigkeitskomponenten auszu-
drücken, so erhält man mit 10 = i u + +
i v f wund d s = i d x j d y +
+ f dz aus GI. (2,122):
B
L = .r (udx + vdy + wdz). (2,122a)
A

Ersetzt man die Gfi)schwindigkeitskomponenten nach GI. (2,62) durch


das Potential, so erhält man:
B B

L=
A
J(~~ dx+ ~~-dY+ ~~ dZ) = JdW, A
und nach Ausführung der Integration:
L= Wh - W..t. (2,123)
72 H. Inkompressible reibungslosr Strömungen (Hydrodynamik)

Das Linienintegral der Geschwindigkeit längs der Kurve C von A nach B


ist also für eine Potentialströmung gleich der Potentialdifferenz in den
Punkten Bund A. Falls das Potential eindeutig ist, ist das Linien-
integral somit unabhängig von dem Verlauf der Kurve C zwischen ihrem
Anfangs- und Endpunkt.
Von dem Linienintegral der Geschwindigkeit kommen wir jetzt zu
dem wichtigen Begriff der Zirkulation: Wir verstehen unter der Zirku-
lation das Linienintegral der Geschwindigkeit längs einer geschlossenen
Kurve. Es ist also nach GI. (2,122) die Zirkulation r gegeben durch:

r= ~ iU d ~= ~ I iU I cos IX d s , (2,124)
(K) (K)

wobei das Integral über die geschlossene Kurve K zu erstrecken ist


(Abb. 2.33 b). Auch die Definition der Zirkulation ist nicht auf reibungs-
lose inkompressible Strömungen beschränkt. Ausgedrückt durch die
rechtwinkligen Geschwindigkeitskomponenten ist die Zirkulation:

r = ep (udx + vdy + wdz). (2,124 a)


(Jö
Für Potentialströmungen ergibt sich die Zirkulation nach GI. (2,123) zu:

(2,125)

Dabei ist Li(/> (K) die Potentialdifferenz, die man nach einem Umlauf
über die geschlossene Kurve K bei Rückkehr zum Punkt A erhält. Diese
Potentialdifferenz ist nur bei Mehrdeutigkeit des Potentials von Null
verschieden. Die Zirkulation ist ebenso wie das Linienintegral der Ge-
schwindigkeit gleich Null, wenn der Integrationsweg K längs einer
Potentiallinie verläuft, allerdings mit der Einschränkung, daß das Poten-
tial eindeutig und stetig ist. Auch längs einer beliebigen Kurve K ist die
Zirkulation Null, wenn das Geschwindigkeitspotential eindeutig ist. Bei
mehrdeutigem oder unstetigem Potential kann die Zirkulation sowohl
längs einer geschlossenen Stromlinie als auch längs einer beliebigen
geschlossenen Kurve von Null verschieden sein. Wie sich im folgenden
noch näher ergeben wird, sind gerade Geschwindigkeitsfelder mit mehr-
deutigem Potential, bei denen also die Zirkulation von Null verschieden
sein kann, von besonderer Bedeutung für den Auftrieb von umströmten
Körpern.
Die Zirkulation steht in engem Zusammenhang mit der Drehung der
Strömung. Bevor wir jedoch hierauf eingehen, soll zunächst an Hand
einiger Beispiele der Begriff der Zirkulation etwas näher erläutert wer-
den. Wir berechnen die Zirkulation für einige einfache Strömungsfelder.
2.4 Wirbel bewegung 73
2.42 Beispiele für strömungen mit Zirkulation
2.421 Translationsströmung. Die Translationsströmung habe die Geschwindig-
keit U o parallel zur x-Achse, Abb. 2.34. Wir wählen nach Abb. 2.34a als ersten
Integrationsweg X ein Rechteck, dessen eines Seitenpaar parallel zu den Strom.

~I

Abb. 2.34. Zur Berechnung der Zirkulation in einer Parallelströmung


a) Integrationsweg Rechteck (1)-(2)-(3)-(4)-(1), b) Integrationsweg Dreieck (1)-(2)-(3)-(1)

linien ist. Die Zirkulation F als die Summe der Linienintegrale L längs der vier
Rechteckseiten ist:
F(X) = L(12) + L(23) + L(34) + L(41),
F(X) = +auo+O - auo + O.
Somit ist:
F(X) = O.
Wählt man nach Abb. 2.34 b als zweiten Integrationsweg ein Dreieck, so ist
F(L) = L(12) + L(23) + L(31),
F(X) = + auo + 0 - cUo cos Cf!;
wegen c = ajcos Cf! ist somit auch für diesen Fall F (X) = 0.· Darüber hinaus ist für
jede geschlossene Kurve in der Translationsströmung F = 0, was natürlich auch
sofort aus der Eindeutigkeit des Potentials folgt.
2.422 Translationsströmung mit Trennungsfläche. Gegeben sei nach Abb. 2.35
eine ebene Translationsströmung parallel zur x-Achse, die für y > 0 die Geschwin-

Abb.2.35. Zur Berechnung der Zirkulation in einer Parallelströmung mit Trennungsfläche


a) Unstetige Geschwindigkeitsverteilung (in reibungsloser Strömung), b) Stetige Geschwindig-
keitsverteilung mit steilem Geschwindigkeitsgradienten (in zäher Flüssigkeit)

digkeit u 2 und für y < 0 die kleinere Geschwindigkeit u 1 besitzt. Es ist also die
xz-Ebene eine Trennungsfläche mit dem Geschwindigkeitssprung u 2 - u 1 von
der Art, wie sie in Kap. 2.233 behandelt wurde (Abb.2.16). Wählt man nach
Abb. 2.35 aals Integrationsweg das Rechteck X, dessen eines Seitenpaar paralle
74 11. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

zu den Stromlinien ist und das die Trennungsfläche umschließt, so ergibt sich
als Zirkulation:
F(K) = L(12) +
L(23) L(34) + L(41), +
F (K) = + l U2 + 0 - l u1 +0 = l (ua - u 1 ).
Für die gewählte Kurve K ist die Zirkulation also von Null verschieden, weil im
vorliegenden Fall das Potential dort unstetig ist, wo die Geschwindigkeitsver-
teilung den Sprung besitzt. Im Gebiet unterhalb der Trennungsfläche ist (/)1 =U 1 x,
dagegen oberhalb der Trennungsfläche (/)2 = u 2 x. Es ist somit gemäß GI. (2,125):
F = LI (/)(K) = l(U2 - U1).

Ein Geschwindigkeitssprung nach Abb. 2.35a kann nur in einer reibungslosen


Flüssigkeit bestehen. In der wirklichen Flüssigkeit bildet sich infolge der Rei-
bungskräfte ein stetiger Übergang der Geschwindigkeitsverteilung nach Ab b. 2.35 b
aus.
2.423 Potentialwirbel. In Kap. 2.355 war bereits die Strömung eines
Potentialwirbels behandelt worden, deren Stromlinien lauter konzen-
trische Kreise sind (Abb. 2.25). Das Potential und die Stromfunktion
sind durch GIn. (2,86) und (2,87) gegeben. Das Geschwindigkeitsfeld
in Polarkoordinatendarstellung ist nach GI. (2,88) W r = 0 und
wep = r o/2 JT r. Berechnet man für diese Strömung die Zirkulation für
einen Kreis K um den Ursprung vom Radius R, Abb. 2.25, so erhält man:

r(K) = 2nRwep(R) = 27&R 2~~ = r o·

Die Zirkulation ist also gerade gleich der Konstanten r o ; sie ist
unabhängig vom Radius des gewählten Kreises. Diese Strömung hat
ein mehrdeutiges Potential. Man erhält die Zirkulation auch nach
GIn. (2,86) und (2,125) in der Form:

T(K) = L1 <P(K) = ;~ (rp + 27&) - ;~ rp = Po,

Für jeden Integrationsweg, der den Ursprung nicht umschließt, ist die
Zirkulation Null.
Man nennt das Geschwindigkeitsfeld, das mit seinen Geschwindig-
keitskomponenten durch GI. (2,88) und mit seinem Potential durch
GI. (2,86) gegeben ist, auch dasjenige eines unendlich langen Wirbel-
fadens. Den Wirbelfaden hat man sich in der z-Achse befindlich vor-
zustellen, die eine besondere Rolle spielt als singuläre Linie des Strö-
mungsfeldes, da dort die Geschwindigkeit unendlich groß ist. Man nennt
weiter r o die Wirbelstärke des unendlich langen geraden Wirbelfadens,
und man sagt, daß er in seiner Umgebung ein Geschwindigkeitsfeld
induziert. Ein solcher Wirbelfaden mit seinem induzierten Geschwindig-
keitsfeld besitzt nahe Verwandtschaft mit einem stromdurchflossenen
Leiter und dem in seiner Umgebung induzierten magnetischen Feld.
Auf diese Verwandtschaft werden wir später noch zurückkommen
(Kap. 2.48).
2.4 Wirbelbewegung 75
2.424 Tragflügel mit Auftrieb. Die Auftriebserzeugung an einem
Tragflügel hängt sehr eng mit der Zirkulation des Geschwindig-
keitsfeldes in der Umgebung des Tragflügels zusammen. Hier möge
dieser Zusammenhang nur qualitativ erläutert werden; wir kommen
später ausführlich darauf zurück (Kap. VI). Die Strömung um ein Trag-
flügelprofil mit Auftrieb ist in Abb. 2.36 angegeben. Der Auftrieb A ist
die Resultiereride der Druckkräfte auf Unter- und Oberseite der Kontur.
Gegenüber dem Druck in großem Abstand vom Profil herrscht auf der
Unterseite ein Überdruck und auf der Oberseite ein Unterdruck. Dem
entspricht nach der BERNoULLIschen Gleichung, daß auf der Unter-
seite die Geschwindigkeit kleiner und auf der Oberseite größer ist als
die Anströmungsgeschwindigkeit V. Für die Kurve K, die nach Abb. 2.36
das Profil umschließt, und deren Teilstücke entlang den Stromlinien
und senkrecht zu den Stromlinien verlaufen, folgt aus dem soeben
A

Abb. 2.36. Strömung um ein Tragflügelprofil mit Auftrieb A, r = Zirkulation des Tragflügels

Gesagten, daß die Zirkulation von Null verschieden ist. Auch für eine
Kurve, die das Profil ganz eng umschließt, ist die Zirkulation von Null
verschieden, falls Auftrieb erzeugt wird. Man kann das Geschwindig-
keitsfeld in der Umgebung des Tragflügels erzeugt denken durch einen
rechtsdrehenden Wirbel r,
welcher sich innerhalb des Tragflügels be-
findet. Man nennt diesen Wirbel, welcher offenbar für die Auftriebs-
erzeugung von grundlegender Bedeutung ist, den gebundenen Wirbel
des Tragflügels. Der quantitative Zusammenhang zwischen dem Auf-
trieb A, der Anströmungsgeschwindigkeit V und der Zirkulation r
bei ebener Strömung wird durch die KUTTA-JouKOWSKYSche Formel
A = e Vbr (2,126)
gege ben, die hier zunächst ohne Beweis mitgeteilt sei (Beweis in
Kap. VI). Dabei bedeutet b die Breite des Tragflügels senkrecht zur
Strömungse bene.
2.43 Zusammenhang zwischen Zirkulation und Drehung
Es besteht ein wichtiger Zusammenhang zwischen der Zirkulation
längs einer KurveK und der Drehung der Flüssigkeitsbewegung in der
76 II. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

von der Kurve K umschlossenen Fläche. Wir wollen diesen Zusammen-


hang zunächst für eine ebene Strömung angeben. Es sei nach Abb.2.37
in der x-y-Ebene ein Flächenelement dF = dx dy gegeben, für dessen
Randkurve die Zirkulation dr ermittelt werden soll. Man erhält die
Zirkulation dr als die Summe der Linienintegrale der Geschwindigkeit
längs der vier Rechteckseiten :
dr = L(AB) + L(BO) + L(OD) + L(DA).
Mit den an den Rechteckseiten angeschriebenen Geschwindigkeiten
ergibt sich:
dr=udx+(v+ ~:dx)dy-(u+ ~;dy)dx-vdy
oder
u'~dy-
D dy (]
dr= (:: - ~;)dxdY.
Nach Einführung der Drehung nach GI. (2,25)
kommt:

u-=-1
I - - - dx
,
und hieraus durch Integration
Fläche F:
über eine

Abb.2.37. Zirkulation und


Drehung eines Flächen· r=2JJwz dF. (2,127)
elementes
(F)

Es gilt also über den Zusammenhang v~n Drehung und Zirkulation


der Satz: Das Flächenintegral über die Drehung (Wirbelstärke) einer
Strömung in einer Fläche ist gleich der Zirkulation längs der Randkurve
dieser Fläche (SToKEsscher Satz).
Wenden wir diesen Satz auf das vorhin behandelte Beispiel des
Potentialwirbels nach Abb. 2.25 mit einem den Ursprung umschließen-
den Kreis als Integrationsweg an, so ist die Stelle, wo die Drehung
W z =1= 0 ist, offenbar der Ursprung, den wir als Ort der Wirbellinie
bezeichnet hatten. Für die Translationsströmung mit Trennungsfläche
nach Abb. 2.35 a ist die Unstetigkeitslinie der Geschwindigkeit diejenige
Stelle, wo die Drehung W z =1= 0 ist. Auf dieser Unstetigkeitslinie ist
aula y = 00 und damit W z =1= O. In einer wirklichen Flüssigkeit wird
sich eine solche Unstetigkeit in der Geschwindigkeitsverteilung durch
den Einfluß der Reibung abflachen, derart, daß die Geschwindigkeit
stetig von dem Gebiet 1 in das Gebiet 11 übergeht, wie es in Abb. 2.35 b
angedeutet ist. Es ist dann zwischen den beiden Gebieten ein Streifen
endlicher Breite vorhanden (in Abb. 2.35 b schraffiert), in welchem der
Geschwindigkeitsgradient aula y von Null verschieden und somit eine
Drehung vorhanden ist.
2.4 Wirbelbewegung 77
Bei der Tragflügelströmung nach Abb.2.36 ist der Bereich mit
Drehung in der analytischen Fortsetzung der Strömung im Innern der
Flügelkontur zu suchen, wo sich mehrere Wirbel von der Art des
Potentialwirbels befinden.
Wir wollen den durch GI. (2,127) gegebenen Zusammenhang zwischen der Zir-
kulation und Drehung jetzt noch verallgemeinern für den Fall einer dreidimensio-
nalen Strömung. Es sei nach Abb. 2.38 d'iY ein beliebig im Raum liegendes Flächen-
element, dessen Normale n mit den Koordinatenachsen die Winkel 0(, ß, y bildet.
Die Projektionen von d'iY auf die drei Koordinatenebenen sind dann:
dF x = dF coso:; dF y = dF cosß; dF, = dF cosy.
Die Zirkulation dr für die Fläche d'iY kann in folgender Weise ausgedrückt wer-
den durch die Summe der Zirkulationen der Flächen dF x , dF., dF,:
dr = L(BCAB) = L(P BC P) + L(PCA P) + L(P ABP).
Die drei auf der rechten Seite stehenden Zir- z
kulationsintegrale sind nach GI. (2,127):
dr = 2ro x dF x + 2ro. dF. + 2ro dF z z
oder
dr = 2(ro x cos 0:+ roy cosß + ro cosy) dF. z n
Die rechte Seite dieser Gleichung kann aber ge-
schrieben werden als das skalare Produkt des Dreh-
vektors w= i ro x + i roy + f ro, mit dem Vektor des
Flächenelementes d 'iY; somit gilt:
dr=2wd'iY.
Nach Integration über eine beliebige räumliche P
Fläche F hat man:

r = 2 JJ
(F)
wd'iY = JJ
(F)
rot tu d'iY. (2,128)

Unter Einführung von r


nach GI. (2,124) läßt sich Abb. 2.38. Zur Herleitung des
dieses Ergebnis auch schreiben in der Form: STOKEsschen Satzes über den

p JJ JJ
Zusammenhang zwischen Zir-
kulation und Drehung für eine
r = tu d?' = rot tu d'iY = 2 wd'iY. (2,129) dreidimensionale Strömung
(K) (F) (F)

Dies ist der STOKES sehe Satz für den allgemeinen Fall der dreidimensionalen Strö-
mung. Er ist ebenso auszusprechen wie oben für die ebene Strömung: Das Flächen-
integral über die Drehung einer Strömung innerhalb einer beliebigen räumlichen
Fläche ist gleich der Zirkulation längs der Randkurve dieser Fläche.

2.44 Dynamik der Wirbelbewegung


Wir wollen im folgenden die Gesetzmäßigkeiten einer reibungslosen
Flüssigkeit, bei welcher an einzelnen Stellen eine Drehung vorhanden
ist, noch näher untersuchen. Es erhebt sich die Frage, wie überhaupt
in einer reibungslosen Flüssigkeit oder in einer Flüssigkeit mit sehr
geringer Reibung eine Drehung entstehen kann. Ein Beispiel hierfür
ist die Trennungsfläche nach Abb. 2.16a und 2.35a, wie sie sich beim
78 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Umströmen von scharfkantigen Körpern ausbildet, und in welcher


der Geschwindigkeitsbetrag einen Sprung aufweist. Ein derartiges
unstetiges Geschwindigkeitsprofil wird bei der immer vorhandenen,
wenn auch sehr geringen Reibung, in ein solches nach Abb. 2.35 b
übergehen, welches in der Übergangsschicht Drehung besitzt.
Es erweist sich für die rechnerische Verfolgung der Bewegungen
mit Drehung als zweckmäßig und anschaulich, statt des Geschwindig-
keitsfeldes tu das Feld der Drehungsvektoren co ins Auge zu fassen. Um
das Feld der Drehungsvektoren anschaulich zu machen, führen wir
den Begriff der Wirbellinie ein. Die WirbeIIinien seien in Analogie zu
den Stromlinien des Geschwindigkeitsfeldes definiert als diejenigen
Kurven im Feld der Drehungsvektoren, welche überall tangential
zum Drehungsvektor sind. Das Richtungsfeld der Wirbellinien ist somit
ge ge ben durch die Differentialgleichungen:
d x :d y :d z = W", : wy : W z • (2,130)

Dies entspricht genau der Gleichung der Stromlinien nach GI. (2,9).
Die so definierten Wirbellinien besitzen nun geometrisch ganz ähnliche
Eigenschaften wie die Stromlinien, wie sich aus folgendem ergibt.
Wie früher in GI. (2,23) gezeigt wurde, besteht zwischen den beiden
Feldern des Geschwindigkeitsvektors tu und des Drehvektors w die
Beziehung rot tu = 2 w. Nach einem allgemeinen Satz der Vektorana-
lysis gilt nun:
div(rottu) = div(2w) = O. (2,131 )

In Komponenten ge schrie ben lautet die letztere Gleichung:


8w x + 8w y + 8w, = O. (2,132)
8x 8y 8z

Die Gln. (2,131) und (2,132) entsprechen der Kontinuitätsgleichung für


das Geschwindigkeitsfeld, weiche für inkompressible Flüssigkeit nach
GI. (2,14a) divtu = 0 lautet. Damit lassen sich alle kinematischen Sätze
über die Stromlinien von inkompressiblen Flüssigkeitsströmungen auf
die Wirbellinien übertragen. Ebenso wie eine Stromlinie nirgends im
Innern einer Flüssigkeit endigen kann, so ist dies auch für die Wirbel-
linien nicht möglich. Sie müssen entweder geschlossene Kurven bilden
oder können nur an den Begrenzungsflächen bzw. an den freien Ober-
flächen der Flüssigkeit endigen.
Ebenso wie früher aus den Stromlinien die Stromröhre erhalten
wurde, gelangt man von den WirbeIIinien zur Wirbelröhre, wenn man
die Gesamtheit der Wirbellinien durch eine kleine geschlossene Kurve
betrachtet (Abb. 2.39). Ist F der Querschnitt der Wirbelröhre und w
der Drehvektor, der für dünne Wirbelröhren als konstant angenom
2.4 Wirbelbewegung 79
men werden kann, so bezeichnen wir F wals den W irbeljluß der Wirbel-
röhre in Analogie zum Mengenfluß Fw der Stromröhre. Wegen divw = 0
ist der Wirbelfluß längs der Röhre konstant. Nach dem SToKEssehen
Satz, GI. (2,129), ist

2 JJ
(F)
wd'J = ~ tu d§3 = T.
(K)

Das Flächenintegral stellt den doppelten Wert des Wirbelflusses der


Wirbelröhre mit dem Querschnitt F dar. Der doppelte Wirbelfluß einer
Wirbelröhre ist also gleich der Zirkulation
längs der Randkurve der Wirbelröhre. Aus
der Konstanz des Wirbelflusses längs der
ganzen Wirbelröhre folgt somit sofort, daß
auch die Zirkulation für eine die Wirbel-
röhre umschließende Kurve sich längs der
Wirbelröhre nicht ändert. Dies ist in Abb. 2.39
dargestellt. Es gilt für eine solche Wirbel-
röhre also Tl = 2F I (VI = 2F2 Ct'2 = T 2 oder
2Fw = T = const. (2,133)

Eine die Wirbelröhre umschlingende Schleife


kann demnach längs der Wirbelröhre beliebig
verschoben werden, ohne daß sich ihre Zir- fl
kulation ändert. Dies ist der dritte Helm-
holtzsche Wirbelsatz.
Weitere Eigenschaften der Wirbelbewe-
gung werden wir weiter unten in Zusammen-
hang mit den HELMHOLTzschen Wirbelsätzen
noch besprechen. Vorweg möge ein wichtiger
Satz über die Entstehung der Zirkulation
Abb. 2.39. Wirbelröhre
bei der Tragflügelströmung behandelt wer-
den, der von W. THOMSON (LORD KELVIN) stammt. Dabei schließen wir
uns an eine von L. PRANDTL [2] gegebene Darstellung an.

2.45 Satz von W. Thomson


Wir bilden die Zirkulation längs einer geschlossenen flüssigen Linie, also über
eine mitschwimmende Kurve, und fragen, wie sich diese Zirkulation mit der Zeit
ändert. Da die flüssige Linie dauernd aus den gleichen Flüssigkeitsteilchen be-
steht, handelt es sich also um den substantiellen Differentialquotienten, also um
die Größe
Dr =~rf..\tJa~. (2,134)
Dt Dt:Y
(K)
80 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Bevor wir die zeitliche Ableitung von p


(K)
tu d s über eine geschlossene Kurve bilden,

wollen wir zunächst das Linienintegral der Geschwindigkeit über eine zwischen zwei
Punkten A und B verlaufende Kurve bilden:

m=m.r
B
DL D
tuds.
A
Durch den Grenzübergang B -> A werden wir sodann hieraus DrjDt erhalten.
Die Differentiation unter dem Integralzeichen liefert:

~JtudS =J Dtu ds+Jtu D(ds) (2,135)


Dt Dt Dt .
Das erste Integral der rechten Seite können wir aus der EULERschen Bewegungs-
gleichung durch Integration erhalten. Nach GI. (2,41) ergibt sich:

J Dtu-ds=f~dS
Dt (!
- J gradp ds.
(!
(2,136)

Die Massenkraft läßt sich nach Kap. 2.32 darstellen als Gradient eines Potentials U
in der Form Sl' = - (! grad U. Damit hat man

J ~ ds = - J gradU ds = - J dU = - U.
Für das Druckglied in der obigen Gleichung kann man schreiben:

J gradp
(!
ds=J~
(! ox + ~dy
(~dx oy + ~r1z)
OZ
=J~.
(!

Nimmt man an, daß die Dichte e nur eine Funktion des Druckes ist, wobei Kom-
pressibilität der Flüssigkeit zugelassen ist, so gilt

J d: = P(p)
mit P(p) als Druckfunktion. Im inkompressiblen Fall ist P(p) = pie. Damit
wird das unbestimmte Integral in GI. (2,136)

Dt ds=-U-P .
f Dtu
Das zweite Integral der rechtcn Seite in GI. (2,135) läßt sich folgendermaßen
weiter ausrechnen:
D(r1s) = r1~ = d
Dt Dt tu,
somit
f tu D~~S) = J tudtu = ~ tu 2 •

Damit erhält man aus GI. (2,135) für das unbestimmte Integral:
D
Dt J tu ds = - U - P + 2' \1)2

Das bestimmte Integral zwischen zwei Punkten A und B der flüssigen Linie
ist somit:

-D
Dt.
A
r = [-
B

tu ds U - P + -tu22]BA .
2.4 Wirbelbewegung 81

Das Integral längs einer geschlossenen flüssigen Linie erhält man für B --'> A.
Bei Stetigkeit von tu im Integrationsgebiet, wenn also keine Trennungsflächen
im Integrationsgebiet liegen, ist dann

~ (~ tu a?iJ = nr = 0
Dt J Dt
(K)
und damit
cP tu d?iJ = r = const (2,137)

für die flüssige Linie.
Wir haben hiermit den Satz von W. THOMSON bewiesen, daß in einer reibungs-
losen homogenen Flüssigkeit bei Vorhandensein eines drehungsfreien Kräftefeldes
die Zirkulation längs einer flüssigen Linie zeitlich konstant ist.
Für eine in Ruhe befindliche Flüssigkeit ist für jede beliebige flüssige Linie
die Zirkulation gleich Null, da ja die Geschwindigkeit gleich Null ist. Aus dem
THoMsoNschen Satz folgt deshalb sofort, daß bei der Bewegung aus der Ruhe
heraus für alle in der Ruhe vorhanden gewesenen flüssigen Linien die Zirkulation
dauernd Null bleibt. Andererseits folgt auch, daß bei einer Bewegung aus der
Ruhe heraus eine Zirku-
,----------------,
lation allenfalls nur auf- I ,-------1 r--------- I
~l"I
treten kann für solche
flüssigen Linien, die in der I!
Ruhe nicht vorhanden ge-
1 I ~ /: "/ -~- I
wesen sind. Von dieser Tat· 'i~~JI
sache wollen wir jetzt Ge- 1I-I ~
- I
brauch machen, um das L~_=_-==_-==---=__=___===__== _~
Entstehen der Zirkulation 8.

um ein Tragflügelprofil bei


der Bewegung aus der
Ruhe heraus zu verstehen.

2.46. Entstehung der Zir-


kulation bei der Anfahrt
eines Tragflügels
Wir betrachten die
Bewegung eines Trag-
flügels aus der Ruhe
heraus nach Abb. 2.40.
Im Ruhezustand, Ab-
bildung 2.40a, ist für
die bei den flüssigen
Linien I und I I die Zu-- c
kulation gleich Null. Abb.2.40. Entstehung der Zirkulation bei der Anfahrt emes
Tragflügels
Nach dem THOMSON- a) Tragflügel in Ruhe, b) Tragflügel kurz nach Beginn der
sehen Satz bleibt die Bewegung; von der Hinterkante aus bildet sich eine Tren-
nungsfläche, c) Tragflügel etwas später als b). Aus der
Zirkulation nach Beginn Trennungsfläche hat sich der Anfahrwirbel -r gebildet.
Der Tragflügel hat die entgegengesetzte gleich große Zir-
der Bewegung, z. B. für kulation +r

SchlichtingjTruckenbrodt, Aerodynamik I 6
82 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

den in Abb. 2.40b gegebenen Zustand, für die beiden flüssigen Linien 1
und 11 weiterhin gleich Null. Nach Einleitung der Bewegung geht
von der scharfen Hinterkante eine Trennungsfläche aus, die nicht im
Innern der flüssigen Linie 11 liegt, für die also der THoMsoNsche
Satz nicht gilt. Es ist dies die Zusammenflußfläche der vorher
getrennt gewesenen Flüssigkeitsschichten auf den beiden Seiten der
Tragfläche. In dieser Fläche kann die Geschwindigkeit beim Übergang
von der einen Seite der Fläche zur anderen unstetig sein. Wir sprechen
dann von einer Trennungsfläche, wie sie früher in Abb. 2.16 bereits be-
handelt wurde. Eine solche Trennungsfläche ist aber, wie wir früher in
Abb. 2.35 gesehen haben, gleichbedeutend mit dem Vorhandensein von
Wirbeln. Für die geschlossene Linie Bin Abb. 2.40b, welche diese Tren-
nungsfläche umschließt, sagt der THoMsoNsche Satz nichts aus. Das
Vorhandensein von Wirbeln innerhalb dieser Linie ist also nicht im
Widerspruch mit dem THoMsoNschen Satz.
Andererseits kann aber nach Abb. 2.40c die flüssige Linie 1,
für die ja die Zirkulation gleich Null ist, ersetzt werden durch die
beiden geschlossenen Linien A und B, die beide im angegebenen Sinn
durchlaufen werden. Auch für die Linien A und B zusammen ist die

Abb. 2.41. Anfahrwirbel eines Tragflügels (nach PRANDTL·TIETJENS Bd. II [2])

Zirkulation gleich Null. Andererseits ist aber für die flüssige Linie A,
die das Tragflügelprofil umschließt, sicher eine von Null verschiedene
Zirkulation +r vorhanden, falls der Tragflügel Auftrieb hat. Dies
2.4 Wirbelbewegung 83

hatten unsere früheren Betrachtungen zu Abb. 2.36 gezeigt. Hieraus


folgt dann sofort, daß für die flüssige Linie B eine dem Betrage nach
gleich große, aber entgegengesetzt drehende Zirkulation - r vorhanden
sein muß. Es ist dies die Zirkulation des Anfahrwirbels.
Daß diese theoretischen Überlegungen durch die wirklichen Ver-
hältnisse bestätigt werden, zeigt die photographische Aufnahme des
Anfahrwirbels in Abb. 2.41.
Die Anwendung des THoMsoNschen Satzes auf die Anfahrt eines
Tragflügels lehrt also zweierlei:
1. Das Auftreten von Wirbeln in der von der Flügelhinterkante sich
stromabwärts erstreckenden Trennungsfläche ist vereinbar mit dem
THoMsoNschen Satz von der zeitlichen Unveränderlichkeit der Zir-
kulation einer flüssigen Linie in einer reibungslosen Flüssigkeit.
2. Bei der Anfahrt eines Tragflügels aus der Ruhe heraus entsteht
ein Anfahrwirbel, dessen Zirkulation von entgegengesetztem Vorzei-
chen, aber dem Betrage nach gleich groß ist wie die Zirkulation des
Tragflügels.
Auf die näheren Einzelheiten der Entstehung des Anfahrwirbels und
der Flügelzirkulation werden wir später zurückkommen (Kap. VI).

2.47 Die HeImholtzsehen Wirbelsätze


Die Sätze über die Dynamik der Wirbelbewegung hat HELMHoLTz für
inkompressible und reibungslose Strömungen folgendermaßen formuliert:
1. Kein FlüssigkeitsteiIchen kommt in Drehung, welches nicht von
Anfang an in Drehung ist (zeitliche Konstanz der Drehung).
2. Die Flüssigkeitsteilchen, welche zu irgendeiner Zeit einer
Wirbellinie angehören, bleiben auch bei der Fortbewegung dauernd zur
gleichen Wirbellinie gehörig.
3. Der Wirbelfluß (Produkt von Querschnitt und Drehgeschwindig-
keit) ist längs der ganzen Wirbelröhre konstant und behält auch bei der
Fortbewegung der Wirbelröhre dauernd den gleichen Wert. Die Wirbel-
röhren müssen deshalb entweder geschlossen sein, oder sie können nur
an den Grenzen des Strömungsfeldes enden.
Diese Sätze kommen im wesentlichen darauf hinaus, daß ein Wirbel-
faden dauernd aus den gleichen FlüssigkeitsteiIchen besteht, und daß
seine Wirbelstärke nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich konstant
ist. Eine Veranschaulichung hierfür sind die bekannten kreisförmigen
Rauchringe, die von geübten Rauchern erzeugt werden. Die mit Drehung
behafteten LuftteiIchen sind dabei durch den Rauch kenntlich gemacht.
Daß der Rauchring sich nach einiger Zeit auflöst, ist ein Einfluß der
Reibung, von dem hier abgesehen werden soll.
6*
84 Ir. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Den ersten Helmholtzschen Wirbelsatz über die zeitliche Konstanz der


Drehung eines Teilchens können wir durch umere Betrachtungen in
Kap. 2.33 im Anschluß an die EULERschen Gleichungen als bewiesen
ansehen. Es wurde dort nachgewiesen, daß jede Bewegung einer rei-
bungslosen Flüssigkeit aus der Ruhe heraus drehungsfrei ist und bleibt.
Daraus folgt, daß ein Flüssigkeitsteilchen, welches zu irgendeinem Zeit-
punkt keine Drehung hat, auch niemals Drehung erhalten kann. Oder
m. a. W., ein Flüssigkeitsteilchen kann nur dann Drehung haben, wenn
es sie schon von Anfang an hatte.
Der zweite Helmholtzsche Wirbelsatz, daß die Wirbellinie dauernd
von den gleichen Flüssigkeitsteilchen gebildet werden, kann unter Zu-
hilfenahme des THoMsoNschen Satzes in folgender Weise bewiesen
werden. Wir betrachten eine Wirbelröhre und ein Flächenelement d'J
auf dem Mantel dieser Wirbelröhre, Abb. 2.39. Der Fluß des Dreh-
vektors durch dieses Flächenstück, und damit die Zirkulation um den
Rand dieses Flächenstückes ist gleich Null, da durch das Flächenstück
keine Wirbellinien hindurchgehen. Nach dem THoMsoNschen Satz muß
dann aber der Wirbelfluß durch dieses Flächenstück dauernd Null
bleiben, wenn wir die Randkurve des Flächenstückes als flüssige Linie
betrachten. Setzen wir die ganze Wirbelröhre aus solchen Flächen-
stücken zusammen, so folgt, daß der Wirbelfluß durch die ganze Fläche
der Wirbelröhre, wenn diese als flüssige Fläche betrachtet WIrd, dauernd
gleich Null bleiben muß. Das heißt aber: Diejenigen Flüssigkeitsteil-
chen, die zu einem Zeitpunkt gerade einmal eine Wirbelröhre bildeten,
tun es auch nach beliebiger Zeit noch, d. h. Wirbelröhren bleiben dauernd
Wirbelröhren .
Den dritten Helmholtzschen Satz von der Konstanz des Wirbelflusses
längs der Wirbelröhre hatten wir schon früher in Kap. 2.44 bewiesen.
Der Tragflügel endlicher Spannweite. Der dritte HETMHoLTzsche
Wirbels atz findet eine wichtige Anwendung beim Tragflügel endlicher
Spannweite. Die Auftriebserzeugung bei einem Tragflügel ist nach
Abb.2.36 mit dem Vorhandensein eines Wirbels verknüpft, welcher
sich innerhalb des Tragflügels befindet. Das ebene Problem der Trag-
flügelströmung entspricht dem Tragflügel unendlicher Spannweite. Für
diesen ist der den Auftrieb erzeugende Wirbelfaden, welcher auch der
gebundene Wirbel heißt, unendlich lang in Übereinstimmung mit dem
dritten HELMHoLTzschen Wirbelsatz. Bei dem Tragflügel endlicher
Spannweite nach Abb. 2.42 kann nun aber nach dem dritten HELM-
HOLTzschen Wirbels atz der gebundene Wirbel an den Tragflügelenden
nicht aufhören. Er setzt sich deshalb fort in zwei Wirbelfäden, die von
den Tragflügelenden etwa parallel zur Anströmungsrichtung nach
hinten abgehen, und die man als die zum Tragflügel gehörigen freien
2.4 Wirbelbewegung 85

Wirbel bezeichnet. Weit hinten sind diese bei den freien Wirbel durch
den Anfahrwirbel verbunden, dessen Entstehung in Kap. 2.46 erläutert
wurde. Der gebundene Wirbel im Tragflügel, die bei den von den Trag-
flügelenden abgehenden freien Wirbel und die Anfahrwirbel bilden zu-
sammen eine geschlossene Wirbellinie in Übereinstimmung mit dem drit-
ten HELMHoLTzschen Wir beIsatz. Diese Wir bel erzeugen in der U mge bung
des Tragflügels zusätzliche Geschwindigkeiten, sog. induzierte Geschwin-
digkeiten. Diese sind, wie sich aus dem Drehsinn der Wirbel ergibt, am
Ort des Tragflügels und hinter dem Tragflügel nach unten gerichtet. Sie
spielen für die Theorie des Auftriebes eine wichtige Rolle, vgl. Kap. VII.
Für die Behandlung der Vorgänge in der Umgebung des Tragflügels
kann man den Anfahrwirbel auch außer Betracht lassen. Dies entspricht

'""".
~/·R.
r"""
.". / . . . ,,>
freie Wirbel

Zr
. ~ r./' .
Abb.2.42
'-"'-. ~.
Wirbel system eines Tragflügels ~ .
endlicher Spannweite ······'-..../.~nfahr-'Mrbel

der Vorstellung, daß bei seiner Bewegung aus der Ruhe heraus der
Tragflügel bereits einen sehr langen Weg durchmessen hat. In diesem
Fall besteht das Wirbelsystem nur aus dem gebundenen Wirbel im
Flügel und zwei unendlich langen freien Wirbeln Diese bilden, wieder
in Übereinstimmung mit dem dritten HELMHoLTzschen Wirbelsatz,
eine unendlich lange Wirbellinie in Form eines nach hinten offenen
Hufeisens. Diese Wirbellinie bezeichnet man als Hufeisenwirbel. Er
spielt in der Theorie des Auftriebes ebenfalls eine wichtige Rolle, wie
wir später noch näher sehen werden.

2.48 Das Biot-Savartsche Gesetz


Wir wollen jetzt die Wirkung eines Wirbelfadens auf seine Um-
gebung untersuchen, und insbesondere das von einem einzelnen
Wirbelfaden erzeugte Geschwindigkeitsfeld. Da außerhalb des Wirbel-
fadens überall die Drehung gleich Null ist, w = 0, ist dieses induzierte
Geschwindigkeitsfeld also eine Potentialströmung. Der Zusammenhang
zwischen dem Wirbelfaden und seinem induzierten Geschwindigkeits-
feld wird durch das Gesetz von BIOT-SAvART vermittelt, das auch in
der Elektrodynamik eine wichtige Rolle spielt.
6a
86 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Für den einfachsten Fall eines unendlich langen geraden Wirbel-


fadens (ebener Potentialwirbel) hatten wir das induzierte Geschwindig-
keitsfeld schon früher angegeben. In diesem Fall sind nach Abb. 2.25
die Stromlinien konzentrische Kreise um den Wirbelfaden, und die
GeschwU;digkeitsverteilung ist nach GI. (2,88) w", = Tj2nr, wobei rdie
Wirbelstärke des Wirbelfadens und r den Abstand des Aufpunktes vom
Wirbelfaden bedeuten.
Für den allgemeinen Fall, wenn die Wirbellinie eine räumlich ge-
krümmte, unendlich lange oder geschlossene Kurve ist, ist die Berech-
nung des induzierten Geschwindigkeitsfeldes wesentlich schwieriger.
Um den Zusammenhang zwischen der Gestalt des Wirbelfadens und
dem Geschwindigkeitsfeld herzuleiten, wollen wir die Analogie benut-
zen, die zwischen dem Wirbelfaden und einem stromdurchflossenen
Leiter besteht. Es ist nämlich das von einem Wirbelfaden beliebiger
Gestalt erzeugte Geschwindigkeitsfeld analog zu dem von einem strom-
durchflossenen Leiter in seiner Umgebung induzierten magnetischen
Feld. Da die elektrodynamische Aufgabe anschaulicher ist als die ent-
sprechende hydrodynamische, ziehen wir für die Herleitung des BroT-
SAvARTschen Gesetzes diese elektrodynamische Analogie heran.
Im einzelnen entsprechen sich die folgenden Größen: Der Wirbel-
linie mit der Wirbelstärke r
entspricht der stromdurchflossene Leiter
mit der Stromstärke I. Für beide gilt, daß sie entweder geschlossen oder
unendlich lang sind, und daß die Wirbelstärke bzw. die Stromstärke
über ihre ganze Länge konstant ist. Die Wirbellinie erzeugt in ihrer
Umgebung ein Geschwindigkeitsfeld \tJ; dem entspricht das vom strom-
durchflossenen Leiter in seiner Umgebung induzierte Magnetfeld S). In
der nachstehenden Tabelle sind die einander entsprechenden Größen
gegen übergestellt.
Elektrodynamik Hydrodynamik
stromdurchflossener Leiter Wirbellinie
Stromstärke I Zirkulation r
magnetische Feldstärke S) Geschwindigkeit tu

I = PS) d ~ = PH cos a ds. r = P d ~ = P cos


\tJ w a d8 ;
(2,138 a) (2,138 b)
Für eine geschlossene Kurve in dem Geschwindigkeits-oder Magnet-
feld gilt der in GI. (2,138) mit angegebene Zusammenhang zwischen
Wirbelstärke und Geschwindigkeitsverteilung bzw. Stromstärke und
Magnetfeld. Die hydrodynamische Gleichung ist die Definitionsglei-
chung der Zirkulation, wie sie in Gl. (2,124) angegeben wurde, während
die entsprechende elektrodynamische Gleichung zu den Grundlagen
der Elektrodynamik gehört.
2.4 Wirbelbewegung 87
Besonders einfach ist das magnetische Feld und das Geschwindig-
keitsfeld in der Umgebung eines einzelnen unendlich langen geraden
Leiters bzw. Wirbels. Wird das Integral in GI. (2,138a) nach Abb. 2,43 a
über einen Kreis vom Radius a erstreckt, dessen Mittelpunkt im Leiter
liegt und dessen Ebene senkrecht zum Leiter ist, so ist H längs des
ganzen Kreises konstant und überall cosa = 1. Somit erhält man aus
GI. (2,138a) und (2,138b):
1 = 2naH, T= 2naw,
oder
H=--,
1
w ---
r
- 2na' (2,139a, b)
2na
Dieses ist der schon bekannte einfachste Fall des BIOT-SAVARTschen
Gesetzes.
Für die Behandlung des allgemeinen Falles eines Leiters von be-
liebiger Gestalt schließen wir uns an A. BETZ [3] an. Wir fragen nach

T'

1
ds b
I

Abb.2.43. Zur Herleitung des BIOT·SAVARTschen Gesetzes mit Hilfe der elektrodynamischen
Analogie
a) Gerader unendlich langer stromdurchflossener Leiter. Stromstärke I. magnetische Feld-
stärke -il. b) Einfluß eines Stückes ds eines beliebigen stromdurchflossenen Leiters im Punkte P

dem Anteil der Feldstärke, die in einem beliebigen Punkt P durch das
Element ds des Leiters erzeugt wird (Abb. 2.43b). Obgleich ein Stück
eines Leiters für sich allein genommen kein Magnetfeld erzeugen kann,
da in ihm kein Strom fließt, ist die gestellte Frage doch insofern sinn-
voll, als wir beabsichtigen, das Feld eines unendlich langen oder
geschlossenen Leiters beliebiger Gestalt aus den Beiträgen seiner Ele-
mente ds durch Integration zu erhalten. Das Leiterelement ds liefert
zum Magnetfeld einen Beitrag dH und das Wirbellinienelement ds
zum Geschwindigkeitsfeld einen Beitrag dw, welche gegeben sind durch:

dH = ~2
4nr
sinrpds (2,140a)
bzw.
dw = 4r 2 sin rp d s . (2,140b)
nr

Dabei sind dH und dw senkrecht zu der von ds und r gebildeten Ebene


in Abb. 2.43b.
6a*
88 II. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Den Beweis von GI. (2,140a) wollen wir auf Grund des Gesetzes der Elektro-
dynamik führen. GI. (2,140b) ergibt sich dann durch die obige Analogie.
Wir betrachten einen geraden Leiter nach Abb. 2.44a, der in Punkt B endigt
und der vom Strom I durchflossen wird. Eigentlich kann in einem solchen Leiter,
der irgendwo endigt, kein Strom fließen. Wir müssen uns mit dieser begrifflichen
Schwierigkeit abfinden, daß einem Leiterstück ein bestimmter Einfluß zu-
geschrieben wird, während ja in Wirklichkeit nur der Leiter als Ganzes einen
Strom und ein Magnetfeld haben kann, wenn er entweder in sich geschlossen oder
unendlich lang ist.
Wir wollen uns klarmachen, was wir physikalisch unter einem solchen end-
lich begrenzten Leiterstück zu verstehen haben, wie es im BWT-SAvARTschen
Gesetz vorkommt. Wenn der Leiter nach
Abb. 2.44a in B endigt, so muß dafür gesorgt
werden, daß der Strom in irgendeiner Weise
weitergeführt wird. Im allgemeinen geschieht
dies durch Anfügen irgendeines anderen Lei-
terstückes nach der gestrichelten Kurve. Wir
wollen uns nun eine solche Weiterführung
überlegen, daß beim Zusammenfügen zweier
Leiterstücke in beliebiger Lage zueinander
die Ströme in den beiderseitigen Weiter-
führungen sich stets aufheben. Dieses ist
offenbar nötig, wenn wir die endlich langen
Leiterstücke in sinnvoller Weise zusammen-
fügen wollen.
Diese gewünschte Weiterführung ist nun
in der Weise möglich, daß wir den Strom von
den Endpunkten des Leiters so weiterführen,
daß er sich nach allen Richtungen räumlich
gleichmäßig verteilt, wie es in Abb. 2.44 b
A 8 angedeutet ist. Es fließt dann im Leiter LI
ein Strom zur Endstelle hin und von dort
räumlich radial fort, und im Leiter L 2 fließt
der Strom radial zur Endstelle hin und von
dort im Leiter fort. Beim Zusammenfügen
d
Abb. 2.44. Zum Beweis des BroT- SAVART-
von LI und L 2 verschwinden nach Ab]). 2.44c
schen Gesetzes I die Ströme im Raum, und es bleibt nur der
Leiterstrom übrig.
Wir haben damit gefunden: Das Leiterstück, bei dem der Strom von den Enden
gleichmäßig nach allen Richtungen weitergeführt wird, ist also eine physikalische
Anordnung, die dem stromdurchflossenen Leiterstück endlicher Länge im Sinne
des BWT-SAvARTschen Gesetzes entspricht.
Wir wollen jetzt nach Abb. 2.44d das magnetische Feld eines solchen Leiter-
stückes endlicher Länge AB und im Grenzfall dasjenige eines sehr kleinen Leiter-
stückes ds berechnen.
Wir betrachten dazu zunächst nochmals den einseitig unendlich langen
Leiter nach Abb. 2.45 a und fragen nach der magnetischen Feldstärke im Punkt P.
Infolge der einfachen Symmetrie ist die Berechnung der Feldstärke in P in ganz
ähnlicher Weise möglich wie beim unendlich langen geraden Leiter nach Abb. 2.43 a.
Der Punkt P hat von der verlängerten Leiterachse den Abstand a. Wir ziehen den
Kreis durch P, der die Leiterachse zentrisch umschlingt. Durch diesen Kreis
2.4 Wirbelbewegung 89
fließen von den gleichmäßig radial verteilten Weiterführungen Ströme im Betrage:
1'=I l -cosg;
2
hindurch!. Aus Symmetriegründen ist die magnetische Feldstärke H längs des
ganzen Kreises konstant. Somit gilt nach GI. (2,138b) für die magnetische Feld-
stärke:
1
2naH = 21(1- cosg;)
./
oder

_*s~~~
H = I 1 - coSCL . (2,141 a)
4na
--=-[_ . .
Die entsprechende hydrodyna-
mische Formf:l für die indu-
zierte Geschwindigkeit lautet
nach der obigen Analogie: a
r 1- cosg;
(2,141 h)
w = 4na'
Dies ist das BIOT·SAvARTsche
Gesetz für den einseitig un- b
endlich langen Leiter hzw. Wir-
beHaden. la
I
Es ist nun einfach, von hier
aus den Anteil eines Leiter- __ ~r_d~ ~ ~
__ __ __ l _________J__
elementes ds nach Abb. 2.45b ds
zu erhalten: Der Aufpunkt P
habe vom Leiterelement den Abb. 2.45. Zum Beweis des BroT- SAVARTschen Gesetzes II
Abstand r, und der vom Auf- a)Einseitig unendlich langer Leiter, b) Leiterelement ds
punkt zum Leiterelement ge-
zogene Fahrstrahl bildet den Winkel g; mit der Leiterachse. Aus der Geometrie
folgt sin g; = r d g;jds und sin g; = ajr. Hieraus ergibt sich:
a
ag; = - 2 as. (2,142)
r
Aus GI. (2,141 a) erhält man durch Differentiation:

aH = _I_sing; ag;
4na
und mit Berücksichtigung von GI. (2,142):

aH = - 4
I 2 sing; as.
nr
Damit ist GI. (2,140a) bewiesen.
Für die Hydrodynamik erhält man durch Analogie, wie in GI. (2,140b) an-
gegeben:
dw = ~ sing;ds.
4nr

1 Es verhält sieh l' : I wie die Oberfläche des Kugelabschnittes mit dem
Zentriwinkel g; zur gesamten Kugeloberfläche, 2nr2(1- cosg;) :4nr 2.
90 II. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Die Geschwindigkeit dw im Punkt P von Abb. 2.45 b ist, wie schon


oben angegeben, senkrecht zu der von ds und r aufgespannten Ebene.
Für eine Wirbellinie, die in einer Ebene liegt, ergibt sich hieraus für
die induzierte Geschwindigkeit in einem beliebigen Punkte P dieser
Ebene durch Integration aus GI. (2,140b):
(2,143)

Diese Geschwindigkeit w ist senkrecht zu der Ebene, in welcher die


Wirbellinie liegt.
p Ist die Wirbellinie
eine räumlich gekrümmte
Kurve, so ist es zweck-
mäßig, in GI. (2,140b)
das dw als Vektor dhJ zu
schreiben. Dieser ist
natürlich auch jetzt senk-
recht zu der Ebene,
Abb. 2.46. Zum BIOT-SAVARTBchen Gesetz für eine räum-
welche von d?:' mit dem
lich gekrümmte WirbelJinie Radiusvektor t vom Ele-
ment d?:' der Wirbellinie
zum Aufpunkt P gebildet wird, Abb.2.46. Es ist in diesem Fall in
GI. (2,140 b) r ds . sin gnu ersetzen durch den Absolutbetrag des Vektor-
prorluktes It X di31 ' also
. rp d 8 = -'-------'--
sm Ir xdi31
r

Somit wird der Beitrag des Elementes d?:' der Wirbellinie zur Ge-
schwindigkeit im Punkt P:
drv=.s...rxdi3
47& r3
und durch Integration:
(2,144)

Dies ist der allgemeine Fall des BIOT-SAvARTschen Gesetzes für eine
räumlich gekrümmte Wirbellinie.
Zum Schluß dieser Betrachtungen über das BIOT-SAvARTsche Gesetz
wollen wir noch für eine gerade Wirbellinie endlicher Länge die induzierte
Geschwindigkeit berechnen. Auch hier gilt das schon früher mehrfach
Gesagte, nämlich daß es eine Wirbellinie endlicher Länge an sich nicht
gibt. Wir werden jedoch geschlossene Wirbellinien aus mehreren Geraden-
stücken zusammensetzen. Das Wirbelsystem eines Tragflügels endlicher
Spannweite, wie es in Abb. 2.42 angegeben wurde, ist z. B. ein Recht-
eck und kann somit aus Geradenstücken zusammengesetzt werden.
2.5 Berechnung ebener Potentialströmungen 91
Die Wirbellinie endlicher Länge AB nach Abb. 2.47 habe die Zirku-
lation T, und der Aufpunkt P, für welchen die induzierte Geschwin-
digkeit ermittelt werden soll, habe von der Wirbellinie den Abstand a.
Es gilt dann wie vorhin sintp = rdtp/ds = air, und somit wieder
ds/r" = d tp!a. Damit erhält man aus GI. (2,143) für die ebene Wirbel-
linie :

f
'P,

W= 4~a sintpdf[!.
'P=rp,

Die Ausführung der Integration


ergibt:
r A
W =-4na
-(COSf[!I-COSf[!2)' (2,145)
Das BIOT-SAVARTsche Gesetz für eine
Abb.2.47.
Für die beidseitig unendlich gerade Wirbellinie AB von endlicher Länge
lange gerade Wir bellinie ist
tpl = 0 und tp2 = Tt. Damit erhält man aus GI. (2,145) W = T(2'J'Ca in
Übereinstimmung mit dem früheren Ergebnis für den ebenen Potential-
wirbel, vgl. GI. (2,88).
Für einen einseitig unendlich langenWirbelfaden, bei welchem derAuf-
punkt querab vom Endpunkt des Wirbelfadens liegt, ist f[!1 = 0, tp2 = 'J'C12
und somit:
r (2,146)
W = 4na'

Dieser Fall findet Anwendung beim Tragflügel endlicher Spannweite, bei


welchem für einen Aufpunkt am Ort des Flügels die freien Wir bel als solche
einseitig unendlich langen Wirbelfäden aufzufassen sind (Abb. 2.42).

2.5 Berechnung ebener Potentialströmungen mit Hilfe


komplexer Funktionen
2.51 Die Grundgleichungen
Es soll in diesem Abschnitt nunmehr die ebene reibungslose Strö-
mung etwas eingehender behandelt werden als früher in Kap. 2.3. Ob-
gleich diese ebene Strömung in strenger Form in Wirklichkeit kaum
vorkommt, lassen sich doch viele Probleme angenähert darauf zurück-
führen. Dies gilt insbesondere für die Strömung um Tragflügel.
Die ebene Strömung ist einer rechnerischen Behandlung sehr viel
leichter zugänglich als die räumliche Strömung. Dies rührt nicht so sehr
daher, daß wir bei der ebenen Strömung statt der drei Ortskoordinaten
nur zwei haben, sondern hängt vielmehr damit zusammen, daß bei Ab-
hängigkeit des Strämungsvorganges von zwei kartesischen Ortskoordi-
naten (x, y) in den analytischen Funktionen des komplexen Arguments
92 II. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

ein sehr weittragendes mathematisches Hilfsmittel zur Verfügung steht.


Von diesem Hilfsmittel wollen wir jetzt Gebrauch machen.
In Kap. 2.34 hatten wir für die ebenen Strömungen die folgenden
Ergebnisse erhalten: Das Geschwindigkeitsfeld muß die beiden Be-
dingungen der Quellen- und Drehungsfreiheit erfüllen, welche nach
GIn. (2,58) und (2,59) lauten:

div\1.J = 0 oder ~+~=O


ax ay , (2,147)

rot\1.J = 0 oder ~-~=O.


ax ay (2,148)

Um diese beiden Gleichungen zu lösen, hatten wir die Potentialfunktion


Ij) (x, y) und die Stromfunktion lJI (x, y) eingeführt, welche nach
Gln. (2,64) und (2,67) mit den Geschwindigkeitskomponenten ver-
knüpft sind durch die Gleichungen:
arp aljf
u=a;;;=--ay,
(2,149)
arp aljf
V=--=
ay ---.
ax
Die Potentialfunktion und die Stromfunktion müssen dann nach
GIn. (2,65) und (2,68) der LApLAcEschen Differentialgleichung genügen:
a2 rp arp2
LI C/J = a x2 + a y2 = 0,
(2,150)
a2 ljf a2 ljf
LI P = 8x 2 + a y2 = o.
In Kap. 2.35 waren wir bei der Berechnung von Beispielen so vor-
gegangen, daß wir einfache Lösungen der LAPLAcEschen Gleichung
durch Probieren beschafften und anschließend untersuchten, welche
Strömungen durch diese Lösungen dargestellt werden.

2.52 Die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen


Die Verwendung der analytischen Funktionen des komplexen
Arguments für die Berechnung der ebenen Strömungen beruht nun
darauf, daß sowohl der reelle als auch der imaginäre Teil einer jeden
analytischen Funktion des komplexen Arguments z = x +
i y der
LAPLAcEschen Differentialgleichung genügt. Bezeichnen wir mit F (z)
eine analytische Funktion des komplexen Arguments z = x +
i y, so
läßt sie sich immer in einen reellen und in einen imaginären Teil zer-
legen:
F(z) = F(x +
iy) = C/J(x, y) iP(x, y), + (2,151)
wobei Ij) und lJI reelle Funktionen von x und y sind.
2.5 Berechnung ebener Potential strömungen 93

Nach den Regeln der Funktionentheorie gelten dann für den reellen
und imaginären Teil die Beziehungen der GI. (2,149), die als die Cauchy-
Riemannschen Differentialgleichungen bezeichnet werden. Aus diesen
Beziehungen folgt dann sofort auch die Gültigkeit der LAPLAcEschen
Gleichungen (2,150) für den Real- und Imaginärteil. Das Bestehen der
Gln. (2,149) und (2,150) für den Realteil rJ> und den Imaginärteil P
gibt die Möglichkeit, diese als die Potentialfunktion und die Strom-
funktion einer ebenen Strömung aufzufassen. Wir sind damit der etwas
unbefriedigenden Methode des Erratens von Lösungen der LAPLACE-
sehen Gleichung enthoben und haben nunmehr in den analytischen
Funktionen des komplexen Arguments einen großen Vorrat von Lösun-
gen zur Verfügung.
Die CAUCHy-RIEMANNschen Differentialgleichungen (2,149) sind eine Folge
der Differenzierbarkeit einer komplexen Funktion. Eine Funktion F (z) ist kom-
plex differenzierbar, falls der Differentialquotient dFjdz unabhängig ist von der
Differentiationsrichtung, d. h. unabhängig von der Richtung der vom Punkt z
zum Nachbarpunkt z + dz gezogenen Strecke. Es muß also z. B. der für eine
beliebige Richtung gewählte Differentialquotient dFjdz gleich sein dem in Rich-
tung der reellen Achse (dz = dx) oder auch gleich dem in Richtung der ima-
ginären Achse (dz = i d y) genommenen partiellen Differentialquotienten, also:
dF aF 1 aF aF .oF
Tz ax i ay oder ay= ~ßx' (2,152)

Nun ist nach GI. (2,151):


aF aq; . a'F aF oq; .o'F
ßx=ax+~ax; oy oy
-=--+~--
ay'
Einsetzen dieser Beziehungen in GI. (2,152) ergibt:

otJ) +i o'F =i(aq; +i O'F)


ay ay ax ax
und nach Zerlegung in Real- und Imaginärteil:
aq; a'F oq;
ay
womit die CAUCHy-RIEMANNschen Differentialgleichungen bewiesen sind. Durch
nochmalige partielle Differentiation nach x und y erhält man die LAPLAcEschen
Differentialgleichungen für q; und 'F.

2.53 Die komplexe Strömungsfunktion


Für die Berechnung von ebenen Strömungen haben wir somit die
einfache Re ehen vorschrift , daß wir eine beliebige analytische Funktion
eines komplexen Arguments F(z) = rJ>(x, y) +
iP(x, y) lediglich in
ihren Real- und Imaginärteil zu zerlegen brauchen und auf diese Weise
die Potentialfunktion rJ>(x, y) und die Stromfunktion P(x, y) erhalten.
94 Ir. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Das Geschwindigkeitsfeld u, verhält man dann, wie früher, durch Diffe-


renzieren im Reellen nach GI. (2,149).
Das in Kap. 2.34 besprochene Vertauschungsprinzip von Potential-
funktion und Stromfunktion, d. h. daß auch ([J als Stromfunktion und P
als Potentialfunktion aufgefaßt werden kann, kommt in der komplexen
Schreibweise dadurch zum Ausdruck, daß neben F (z) auch F* (z) = iF (z)
eine komplexe Funktion von der betrachteten Art ist. Wir wollen F(z)
die komplexe Strömungs/unktion nennen.
Wir wollen noch zeigen, wie man das Geschwindigkeitsfeld aus der
komplexen Strömungs funktion unmittelbar durch eine Differentiation
im Komplexen erhalten kann: Wir bilden das vollständige Differential
von F(x + i y):

Durch Einsetzen von GI. (2,151) kommt:

dF=(8(]) +i 8 'l')dx+(8(]) +ia'l')d


8x ax ay ay Y
= (u - iv)dx + (v + iu)dy
=(u-iv)dz.
Man hat somit:
rlF .
Tz = u- ~ v = w(z )= -
ttJ. (2,153)

Dabei bedeutet w (z) = W = u - iv die zu ttJ = u +


iv konjugiert
komplexe Zahl, die man bekanntlich durch Spiegelung von ttJ an der
reellen Achse erhält. GI. (2,153) sagt somit aus: Die Ableitung der
komplexen Strömungsfunktion nach dem Argument ist gleich dem
an der reellen Achse gespiegelten Geschwindigkeitsvektor. Für den
Geschwindigkeitsbetrag hat man

IttJl= I Tz\·
dF I
(2,153 a)

2.54 Beispiele zur komplexen strömungsfunktion


Bei den jetzt zu besprechenden Beispielen gehen wir, ähnlich wie
in Kap. 2.35 bei den Beispielen zur reellen Potentialfunktion und
Stromfunktion, so vor, daß wir für eine Reihe von einfachen kom-
plexen Funktionen nach der vorstehend gegebenen Rechenvorschrift
das Geschwindigkeitsfeld ermitteln und durch Berechnen der Strom-
linien feststellen, welche Strömung dargestellt wird, wenn man be-
sonders ausgezeichnete Stromlinien als feste Wand auffaßt. Gegen-
über dem früheren Rechenverfahren wissen wir von vornherein, daß die
2.5 Berechnung ebener Potentialströmungen 95
aufgeschrie benen Ausdrücke für (jJ und 1JI Lösungen der LAPLAcE-
sehen Differentialgleichung sind, während dies früher von Fall zu
Fall nachzuprüfen war.
Das schon früher für Potential- und Strom funktion erläuterte Uber-
lagerungsprinzip gilt auch in der komplexen Schreibweise, da ja neben
F1(z) und F 2 (z) auch F(z) = c1Fdz) +
c2 F 2 (z) als komplexe Strö-
mungsfunktion aufgefaßt werden kann.
2.541 Translationsströmung. Die lineare komplexe Funktion
F(z) = az, (2,154)
wo a = a 1 +ia2 eine komplexe Konstante bedeutet, stellt die Trans-
lationsströmung dar. Potential und Stromfunktion sind nach GI. (2,151):
(jJ = a 1 x - a2 Y ; 1JI = a 2 x +a 1Y .

Die komplexe Geschwindigkeit ist


w(z) = ~t - iv = a = a 1 + ia 2 •

Die Translationsströmung mit der Geschwindigkeit U oo in Richtung


der positiven x-Achse hat also die komplexe Strömungsfunktion
F (z) = U oo z und diejenige mit der Geschwindigkeit Voo in Richtung
der positiven y-Achse die komplexe Strömungsfunktion F (z) = - i Voo z.
2.542 Strömung in einem Winkelraum. Eine Verallgemeinerung
des soeben behandelten Beispieles ist die Strömungsfunktion
a
F(z)=-zn, (2,155)
n
wobei die Konstanten a und n reell seien. Die Zerlegung von F in
Real- und Imaginärteil gelingt am einfachsten durch Einführung von
Polarkoordinaten mit z = rei'P. Man erhält

F(z) = ·~rnein'P = 3'..rn(cosnrp


n n
+ i sinnrp).
Somit ist die Potentialfunktion
a
cP (r, rp) = -
n
r" cos n rp
und die Stromfunktion
1JI( r, rp ) -- na rnsm
' n rp .

Die Stromlinien sind also gegeben durch die Kurven


r" sin nrp = const.
Die einzelnen Stromlinien erhält man hieraus, wenn man r in Ab-
hängigkeit von rp ermittelt für verschiedene Werte der Konstanten.
Insbesondere wird die Stromlinie 1JI = °
erhalten durch sin n rp = °
oder rp = k7t/n mit k = 0, 1,2, ...
96 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Dies sind die Geraden durch den Ursprung unter den Winkeln
q; = 0, ~, 2~, 3~, .... Je nach dem Zahlenwert von n erhält man
n n n
verschiedene Strömungen. Für n = 2 ergibt sich die schon früher an-
gegebene Staupunktströmung nach Abb.2.22. Stromlinienbilder für
andere Werte von n sind in Abb. 2.48 angegeben. Für n > 2 ergeben sich

~~
,~

Abb.2.48. Ebene Strömung in einem Winkelraum LI <p = "'In; komplexe Stromfunktion nach
GI. (2.155). Stromlinienbilder für verschiedene Werte von n. Es ist a < 0 für a). b). b'). c) und d);
a> 0 für a')

Stromlinienbilder vom Typus Abb. 2.48a. Dabei kann man entweder


°
die Geraden q; = und q; = njn, ... als Wände auffassen und erhält
dann die Strömung in einem Winkelraum L1 q; = n/n bei welcher die
Flüssigkeit längs der einen Wand einströmt und längs der anderen

°
abströmt (Abb.2.48a). Man kann aber auch nach Abb.2.48a' nur
die Geraden q; = und q; = 2 n/n, ... als Wände auffassen. Dies ist
2.5 Berechnung ebener Potentialströmungen 97
dann eine Strömung in einem konkaven Winkelraum Llrp = 2:n:/n, bei
welcher die Flüssigkeit in der Mitte einströmt und längs beider Wände
abströmt. Der Ursprung ist dabei Staupunkt und die Halbierende des
Winkelraumes Staupunktstromlinie.
Für 1 < n < 2 ergeben sich Strömungsbilder vom Typus Abb. 2.48 b
und 2.48 b'. Letzteres ist für n = 3/2 die Strömung gegen eine vorsprin-
gende (konvexe) Ecke, wobei wieder die Ecke Staupunkt ist.
Für 1/2< n < 1 erhält man die Strömungsbilder vom Typus
Abb. 2.48c und 2.48d. Abb. 2.48c gilt für n = 2/3 und gibt die Strö-
mung um eine vorspringende Ecke mit dem EckenwinkeLrt/2. Abb. 2.48 d
gilt für n = 1/2 und stellt die Strömung um eine scharfe Kante mit dem
Eckenwinkel Null dar, a~so die Umströmung einer ebenen Platte. In
den letzten beiden Fällen ist an der Ecke die Geschwindigkeit unend-
lich groß, wie man aus w(z) = a zn-l = a rn- 1 ei(n-l) '" erkennt.
Diese Strömungen im Winkelraum mit der komplexen Strömungs-
funktion nach GI. (2,155) hätten sich nach dem früheren Verfahren
mit Rechnungen im Reellen· nur sehr umständlich behandeln lassen.
Man erkennt an diesem Beispiel besonders deutlich die Eleganz der
komplexen Darstellung.
2.043 Quelle, Senke und Potentialwirbel. Quelle und Senke: Wir
gehen aus von der komplexen Strömungsfunktion
F(z) = a lnz, (areeIl). (2,156)
Die Zerlegung in Real- und Imaginärteil mit z = re i ", ergibt:
(]J=alnr; P=arp.
Die Stromlinien sind die Strahlen rp = const vom Ursprung aus und
die Potentiallinien die Kreise r = const um den Ursprung. Die Ge-
schwindigkeit ist w(z) = a/z; sie verläuft radial, also
a
wr =-;:; W",= o.
Für positives a liegt die Quellströmung und für negatives a die Senken-
strömung vor, die früher in Kap. 2.354 bereits behandelt wurden
(Abb. 2.24). Die pro Schichthöhe eins aus- oder einfließende Menge,
die Ergiebigkeit, ist E = 2:n: r IW r I = 2:n: a. Eine Quelle bzw. Senke
der Ergiebigkeit E hat also die komplexe Strömungsfunktion
E
F(z) = 2n lnz

Potentialwirbel: Aus der Quellströmung hatten wir bereits früher


in Kap. 2.355 durch Vertauschung von Potential- und Stromlinien
die Strömung des Potentialwirbels erhalten. In der komplexen Dar-
stellung bedeutet die Vertauschung von Potential- und Stromlinien
Schlichting(Truckenbrodt, Aerodynamik I 7
98 11. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

die Multiplikation der komplexen Strömungsfunktion mit der imagi-


nären Einheit i, wie bereits oben ausgeführt. Wir erhalten somit aus
GI. (2,156) für die komplexe Strömungsfunktion des Potentialwirbels :
F{z)=ialnz (areell).
Das Potential und die Stromfunktion ergeben sich zu
@ = -acp; P = alnr. (2,157)
Die Stromlinien sind also die konzentrischen Kreise um den Ursprung
und die Potentiallinien die Strahlen durch den Ursprung (Abb. 2.25).
Die Geschwindigkeit verläuft überall in Umfangsrichtung ; es ist
w(z)= iajz, also
a
w ---' Wr = O. (2,158)
"'- r'
Die im Uhrzeigersinn drehende Zirkulation auf einem beliebigen Kreis
um den Ursprung ist r = - 2 n r w'" = 2 na. Die Konstante a be-
stimmt also die Zirkulation durch a = F/2n. Ein ebener Potential-
r
wirbel der Stärke im Punkte z = 0 hat somit die komplexe Strö-
mungsfunktion :
iF
F(z) = 2nlnz. (2,157a)

2.544 Dipol. Wir wollen jetzt aus den bisherigen Fällen einige
weitere durch Überlagerung aufbauen. Als erstes behandeln wir das
Strömungsfeld eines Quell-Senken-Paares, d. h. einer Quelle und einer
Senke von gleicher Stärke. Die Senke befinde sich im Ursprung z = 0
und die Quelle auf der negativen reellen Achse im Punkt z = - h
(Abb. 2.28). Nach GI. (2,156a) lautet die komplexe Strömungs funktion
dieses Quell-Senken-Paares:

F(z) =
E
2n [ln(z + h) -lnz].
Die Stromlinien sind gegeben durch das Kreis büschel durch die beiden
Punkte z = 0 und z = - h, wie man leicht verifiziert und wie auch
früher in Kap. 2.359 bereits ausführlich erläutert wurde. Aus diesem
Quell-Senken-Paar erhält man die Strömung eines Dipols, wenn man
den Abstand h von Quelle und Senke gegen Null gehen läßt und dabei
ihre Ergiebigkeit E mit 1jh zunehmen läßt, derart, daß das Moment
M = Ehj2n konstant bleibt. Dies ergibt:
=M~l
z =MI'Im ln(z+h)-lnz
F() h d nz.
h--.O z
Somit ist die komplexe Strömungsfunktion des Dipols:

F(z) = .!!...
z
(2,159)
2.5 Berechnung ebener Potentialströmungen 99

Die Zerlegung in Real- und Imaginärteil ergibt für das Potential:


</J = M cos cp
r
und für die Stromfunktion :
P = _MsinCP
r

in Übereinstimmung mit GI. (2,102) und (2,103). Die Stromlinien sind


gegeben durch die Schar der Kreise, welche die reelle Achse im Ur-
sprung tangieren, und die Potentiallinien durch die dazu orthogonale
Kreisschar, welche die imaginäre Achse im Ursprung tangiert, Abb. 2.29.
GI. (2,159) stellt für reelles M einen Dipol im Ursprung dar, dessen
Achse mit der reellen Achse zusammenfällt. Einen Dipol, dessen Achse
in die imaginäre Achse fällt, erhält man aus dem ersteren durch Ver-
tauschung der Potential- und Stromlinien, d. h. durch Multiplikation
mit i. Die komplexe Strömungsfunktion lautet hierfür F (z) = iM/z.
2.545 Translationsströmung um den Kreiszylinder. Wie schon in
Kap. 2.359 besprochen, erhält man die Strömung um einen Kreis-
zylinder durch Überlagerung der Dipolströmung mit der Translations-
strömung. Insbesondere ergibt sich ein Kreiszylinder, der in Richtung
der reellen Achse angeströmt wird, durch Überlagerung der Translations-
strömung längs der reellen Achse mit einem Dipol, dessen Achse mit
der x-Achse zusammenfällt. Somit ergibt sich nach GI. (2,154) und
(2,159) für die komplexe Strömungsfunktion, wenn U oo die Geschwindig-
keit der Translationsströmung bedeutet und für das Moment des Dipols
nach GI. (2,107) M = U OO R2 gesetzt wird:
R2'
F(z) = U oo
( z+-z-)' (2,160)

Die Zerlegung in Real- und Imaginärteil mit z = reirp ergibt für das
Potential:
</J(r, rp) = uoo(r + ~2) cosrp (2,161a)
und für die Stromfunktion :
P(r,rp)=uoo(r- ~2)sinrp (2,161b)

in Übereinstimmung mit GI. (2,108) und (2,109). Aus GI. (2,161 b) er-
sieht man, daß die Stromlinie lJI = 0 durch die reelle Achse rp = 0
und rp = n und den Kreis r = R gebildet wird. Das Stromlinienbild
dieser Translationsströmung um den Kreiszylinder wurde bereits in
Abb. 2.30 angegeben.
Das Geschwindigkeitsfeld wollen wir durch Differenzieren der kom-
plexen Strömungsfunktion nach GI. (2,153) beschaffen. Dies ergibt:
aF = w(z) = u - iv =
di U oo
(1- --z2
R2)'
. (2,162)
7*
100 II. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Hieraus ersieht man sofort, daß die beiden Punkte z = ± R Stau-


punkte sind, wo u = v = 0 ist. Die rechtwinkligen Geschwindigkeits-
komponenten erhalten wir aus GI. (2,162) durch Zedegung in Real-
und Imaginärteil zu:
R2 .
V = -u00 -sm2m
r2 r

in Übereinstimmung mit GI. (2,110).


Man erkennt aus diesen Gleichungen, daß die von der Verdrän-
gungswirkung des Kreiszylinders herrührenden Zusatzgeschwindigkeiten
mit dem Abstand vom Zylinder wie 1jr2 abnehmen.
Die Geschwindigkeitsverteilung auf der Kontur des Zylinders,
r = R, ist hiernach, wie bereits in GI. (2,112) angegeben:

(2,163)
Die Druckverteilung auf der Kontur wurde auch bereits in GI. (2,113)
angegeben; sie ist in Abb. 2.31 dargestellt.
2.546 Strömung um den Kreiszylinder mit Zirkulation. Wir wollen
jetzt der Translationsströmung um einen Kreiszylinder noch die
Strömung eines Potentialwirbels überlagern. Dies ergibt die Kreis-
zylinderströmung mit Zirkulation, die für die Auftriebserzeugung des
Tragflügels von grundlegender Bedeutung ist. Überlagert man der
Translationsströmung des Kreiszylinders nach Abb. 2.30 einen ebenen
Potentialwirbel, der auf der Zylinderachse angeordnet ist, so ist für die
resultierende Strömung
der Kreis auch wieder
Stromlinie, da ja das
Stromlinienbild des Po-
tentialwirbels die sämt-
lichen zum Ursprung
konzentrischen Kreise als
Stromlinien hat, darunter
auch die Kontur des
Abb. 2.49. Strömung um einen Kreiszylinder mit
Zirkulation Zylinders. Für einen im
Uhrzeigersinn drehenden
Wirbel ergibt sich eine Strömung um den Kreiszylinder, bei welcher auf
der Oberseite die Geschwindigkeiten gegenü ber der Translationsströmung
vergrößert, dagegen auf der Unterseite verkleinert sind (Abb.2.49).
Diese Strömung hat auf der Kontur des Zylinders eine Druckvertei-
lung, die auf der Unterseite größere Drücke als auf der Oberseite be-
sitzt. Dadurch ergibt sich eine resultierende Kraft auf den Kreiszylinder
in Richtung der y-Achse, ein sog. Quertrieb oder Auftrieb, den wir
im folgenden berechnen wollen.
2.5 Berechnung ebener Potentialströmungen 101

Für die Translationsströmung um den Kreiszylinder vom Radius R,


dem ein im Kreismittelpunkt gelegener rechtsdrehender Potential-
r
wirbel mit der Zirkulation überlagert ist, lautet die komplexe Strö-
mungsfunktion nach GI. (2,160) und (2,157 a):
, R2 ir
F(z) = uoolz + z) + 2"n lnz . (2,164)

Hieraus ergibt sich die komplexe Geschwindigkeit zu

elF
elz
= w(z) = u
00
(1-~)
Z2
+ ~~.
2n z
(2,165)

Für die Druckverteilung auf der Kontur des Zylinders benötigen wir
den Geschwindigkeitsbetrag auf der Kontur. Wir schreiben diesen in
der Form R
WK = wtp( ) = Wo + W1, (2,166)
wobei wo( qy) den Geschwindigkeitsbetrag über der Kontur für die Trans-
lationsströmung um den Kreiszylinder und w1 die vom Potential-
wirbel herrührende Geschwindigkeit auf der Zylinderkontur bedeuten.
Nach GI. (2,163) ist
Wo = - 2 U oo sin cp , (2,167)
während nach GI. (2,158) für den Potentialwirbel gilt:
r (2,168)
w1 = - 2nR·

Die Druckverteilung auf der Zylinderkontur ist:

P - Poo = 2e (U oo2 - 2 )
WK ,

und mit WK nach GI. (2,166):


P - Poo= ~ [u~ -(wg + 2wOw1 + wi)]. (2,169)

Den Auftrieb des Zylinders erhält man y+


,
durch Integration der Druckverteilung. ,,
Der Beitrag des Flächenelementes dF v"l_-......'dl1

-
in Abb. 2.50 zur Kraft in der y-Rich-
tung ist:
:r:
dP y = - (p - Pcc) sincp dF
oder
dP y = - (p - Pool sincp Rbdcp
mit b als Höhe des Kreiszylinders. Die
Abb. 2.50. Zur Berechnung der Quer-
Integration über den Zylinderumfang kraft (Auftrieb) für die Strömung um
einen Kreiszylinder mit Zirkulation
ergibt: nach Abb. 2.49 •

f
2"
Py = - bR (p - Pool sin cp dcp . (2,170)
tp~O

7a
102 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Für die Berechnung des Integrals ist die Druckverteilung nach


GI. (2,167) durch die Geschwindigkeitsverteilung zu ersetzen mit Wo
und W 1 nach GI. (2,167) bzw. GI. (2,168). Bei der Integration über den
vollen Kreis nach GI. (2,168) liefern diejenigen Glieder, welche sin fP
und sin3 fP als Faktor besitzen, keinen Beitrag. Einen von Null ver-
schiedenen Beitrag liefert nur das Glied mit dem Faktor sin 2 fP, welcher
bei dem Glied Wo w 1 auftritt. Somit vereinfacht sich GI. (2,170) zu:

J
2"
Py = b R (] W 1 Wo sin fP d fP
q>=O
oder mit Wo und W1 nach GI. (2,169) bzw. (2,170):

J
2"
P y = 2bR(] 2~R UOO sin 2 tpdtp.
q>=O

Das Integral hat den Wert n. Damit kommt schließlich:


Py = A = (]uoobr. (2,171)
Dies ist die Formel von KUTTA-JouKOWSKY. Sie wurde in GI. (2,126)
auch bereits für den Tragflügel (aber ohne Beweis) angegeben. Wir
haben also gefunden, daß ein Kreiszylinder mit Zirkulation einen
Quertrieb (Auftrieb) erfährt, welcher der Anströmungsgeschwindig-
r
keit Uoo und der Zirkulation proportional ist. Die Kraft in Richtung
der Anströmung (x-Richtung), d. i. der Widerstand, ist im vorliegenden
Fall gleich Null. Somit können wir das Ergebnis auch so aussprechen,
daß die resultierende Kraft senkrecht steht auf der Anströmungs-
richtung.
Wir werden später sehen, daß dieses hier für den Kreiszylinder
erhaltene Ergebnis über die Größe des Auftriebes eine sehr allgemeine
Gültigkeit hat. Die KUTTA-JouKOwsKYsche Formel, GI. (2,171), ist in
ihrer Gültigkeit keineswegs auf den Kreiszylinder beschränkt. Sie
gilt ganz allgemein für die ebene reibungslose Strömung mit Zirku-
lation um einen zylindrischen Körper von beliebigem Querschnitt, ins-
besondere auch für den Tragflügel. Näheres hierüber wird in Kap. VI
berichtet.
Die unsymmetrische Druckverteilung um den Kreiszylinder ist in
Abb. 2.51 für mehrere Werte von FjRu oo dargestellt. Für FjRuoo = 4n
fallen die beiden Staupunkte in einem Punkt zusammen.
Für den Kreiszylinder kann man die Strömung mit Zirkulation
durch eine Drehung des Zylinders verwirklichen. Das dabei entstehende
Strömungsbild, Abb.2.52, stimmt weitgehend mit demjenigen der
reibungslosen Flüssigkeit (Abb. 2,49) überein. Die große Querkraft
dieser Strömung ist seit langem als "MAGNus-Effekt" des rotierenden
2.5 Berechnung ebener Potentialströmungen 103

Zylinders bekannt. Es ist versucht worden, diese Querkraft von


rotierenden Zylindern für den Vortrieb von Schiffen praktisch nutzbar
zu machen (FLETTN'ER-Rotor) [4].

o'~
1\'\ ~
--- -- - --t--I//I~

I/ ;Vj -
/I ~l'- V i\ V
~~

-2
'\ V If i'-- Ku \
1\ ~\ ~/J I

\ \ I~ / /
'\ ""Ri/l 1/
i_@
I
~ ~~- 21( /1
\ /
-70
Uoo r
-/2
If--..r
I
I

\ J Rlioo- *:it I
"--V
~

-15
o' JO' 60' 90" 7JO' (50' /80' lTf)' ~OO
i
270' JOt)' W
, J6(f
'f -
Abb. 2.51. Druckverteilung auf der Oberfläche eines KreiszyJinders für die Strömung mit
Zirkulation, nach Abb. 2.49

Abb.2.52. Strömung um einen rotierenden Kreiszylinder. Dieses photographische Strömungs ·


bild stimmt weitgehend überein mit dem potentialtheoretischen StromJinienbild, nach
Abb.2.49
7a*
104 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

2.55 Der Begriff der konformen Abbildung


Im letzten Abschnitt haben wir für einige einfache analytische
Funktionen einer komplexen Variablen untersucht, welche Strömungen
durch diese Funktionen dargestellt werden. Nunmehr wollen wir zu
Methoden übergehen, mit Hilfe deren man umgekehrt zu einem vor-
gege benen Körper die komplexe Strömungsfunktion und damit die
ganze Strömung ermitteln kann.
Die Grundlage der bisherigen Rechnungen war die Tatsache, daß
jede analytische Funktion F der komplexen Veränderlichen z = x iy +
als komplexe Strömungsfunktion aufgefaßt werden kann, weil ihre
Zerlegung in Real- und Imaginärteil
F(z) = €P(x, y) +
ilJf(x, y) (2,172)
das reelle Potential €P und die reelle Stromfunktion lJf liefert. Die
Kurven €P = const (Potentiallinien) und lJf = const (Stromlinien)
bilden zwei orthogonale Kurvenscharen in der x-y-Ebene. Faßt man eine
geeignete Stromlinie als feste Wand auf, so stellen die übrigen Strom-
linien das Strömungsfeld längs dieser Wand dar. Das Geschwindig-
keitsfeld ist hierbei gegeben durch die erste Ableitung der komplexen
Strömungsfunktion : . dF
Wz = uz - ~VZ = Tz' (2,173)
Dabei soll der Index z andeuten, daß es sich um Geschwindigkeiten in
der komplexen z-Ebene handelt, die mit der physikalischen x-y-Ebene
identisch ist.
Bei dem bisherigen Rechenverfahren war also die Strömungs-
funktion gegeben und die Körperform gesucht. Dabei war es mehr oder
weniger dem Zufall überlassen, ob sich zu einer vorgegebenen Strö-
mungsfunktion eine Körperkontur ergibt, die einige praktische Be-
deutung hat.
Die umgekehrte Aufgabe, bei welcher die Körperform gegeben und
die Strömungsfunktion gesucht ist, ist praktisch erheblich wichtiger,
aber in der rechnerischen Durchführung auch wesentlich schwieriger
als die bisher gelöste Aufgabe. Man bedient sich dafür des Hilfsmittels
der konformen Abbildung, welches sehr weit ausgebaut worden ist.
Eine sehr umfassende Darstellung dieses Gebietes ist von A. BETz [5]
gegeben worden.
Es möge zunächst der Begriff der konformen Abbildung er-
läutert werden: Wir betrachten eine analytische Funktion der kom-

f(z) = f(x + iy) =, =


plexen Veränderlichen mit ihrer Zerlegung in Real- und ImaginärteiI:
;(x, y) + i1J(x, y).
Wir denken hierbei zunächst nicht an die komplexe Strömungsfunktion.
(2,174)

Den durch GI. (2,174) vermittelten Zusammenhang zwischen den kom-


plexen Zahlen z = x + i y und' = ; + i1J kann man rein geometrisch
2.5 Berechnung ebener Potentialströmungen 105

deuten: Es wird jedem Punkt der komplexen z-Ebene ein Punkt der
komplexen '-Ebene zugeordnet, der als das Bild des Punktes in der
z-Ebene bezeichnet werden möge. Durchläuft insbesondere der Punkt
in der z-Ebene eine Kurve, so durchmißt im allgemeinen auch der
zugeordnete Bildpunkt eine Kurve in der '-Ebene. Diese bezeichnen
wir als die Bildkurve der in der z-Ebene durchlaufenen Kurve.
Ein Beispiel möge diese Zuordnung der komplexen z- und '-Ebene
erläutern: Wählen wir

j(z) = ~Z2
2 2 (x + iy)2 = ,
=~ = ~ + in,
./

so ist nach Zerlegung in Real- und Imaginärteil :

~= ~ (x 2 - y2); 1') = x y•

y
z-Ebene

e-const tTJ (-Ebene


I 1'1 I 1 I
I I 1 1 I cr-const
I 1 I
1 I I
I I I I I I
I I1 II I I
x
I I I I
t I Ir-
1 I
I
1 1 I
I
-t i I I I I
Abb. 2.53. Die durch die komplexe Funktion C = z'/2 vermittelte konforme Abbildung

Es entsprechen hiernach den Parallelen zur imaginären Achse in der


'-Ebene, also den Geraden ~ = const in der z-Ebene, die gleichseitigen
Hyperbeln x 2 - y2 = const, während den Geraden 1') = const die zur
ersteren orthogonale Hyperbelschar xy= const entspricht (Abb. 2.53).
Man kann das Ergebnis auch so ausdrücken, daß die beiden ortho-
gonalen Geradenscharen ~ = const und 1') = const der '-Ebene ab-
gebildet werden auf die beiden orthogonalen Hyperbelscharen der
z-Ebene. Man sagt auch kurz, daß durch GI. (2,174) allgemein eine
konforme Abbildung der z-Ebene auf die '-Ebene vermittelt wird. Aus
der schon bisher benutzten Deutung der komplexen Funktionen als
Potential- und Stromfunktion erkennt man sofort, daß es eine all-
gemeine Eigenschaft der analytischen Funktionen einer komplexen
106 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Variablen ist, daß bei dieser Abbildung zwei orthogonale Kurvenscharen


der einen Ebene in solche der anderen Ebene übergeführt werden.
Unter einer konformen Abbildung versteht man somit eine Abbil-
dung einer Ebene auf eine andere, derart, daß Winkel der einen Ebene
in gleiche Winkel der anderen Ebene übergeführt werden. Auch ist das
Verhältnis zweier Strecken der einen Ebene gleich dem Verhältnis
der entsprechenden Strecken der anderen Ebene für den Fall, daß die
Größe der Strecken nach Null konvergiert. Man sagt auch, daß bei einer
solchen konformen Abbildung eine Ebene auf eine in den kleinsten
Teilen ähnliche Ebene abgebildet wird.
Für die Berechnung von Strömungen kann nun dieser rein geo-
metrische Prozeß der konformen Abbildungen zweier Ebenen auf-
einander aber auch so gedeutet werden, daß ein bestimmtes System
von Potential- und Stromlinien der einen Ebene übergeführt wird in
ein solches der anderen Ebene. Damit kann die oben formulierte Auf-

Abb.2.54. Konforme Abbildung der z-Ebene auf die C-Ebene durch die Abbildungsfunktiori
C = fez). Dabei wird die Kontur A mit ihren Potential- und Stromlinien abgebildet auf die
Kontur B mit ihren Potential- und Stromlinien

gabe, die Strömung um einen vorgelegten Körper zu berechnen,


folgendermaßen gelöst werden (Abb. 2.54):
Wir gehen aus von einer bekannten Strömung um einen Körper
mit der Kontur A in der z-Ebene, für welche also die Strömungs-
funktionF(z) bekannt ist. Meist wird hierfür die Kreiszylinderströmung
genommen. Die Kontur des Körpers, für welchen die Strömung gesucht
wird, sei die Kontur B in der '-Ebene. Um nun die Strömung um die
Kontur B zu erhalten, ist eine
Abbildungs/unktion C= /(z) (2,175)
zu finden, welche die Kontur Ader z-Ebene abbildet auf die Kontur B
der '-Ebene. Dabei wird dann auch gleichzeitig das bekannte System
der Potential- und Stromlinien um den Körper A in der z-Ebene über-
geführt in das gesuchte System der Potential- und Stromlinien um den
2.5 Berechnung ebener Potentialströmungen 107

Körper B der '-Ebene. Das gesuchte Geschwindigkeitsfeld um den


Körper B der '-Ebene erhält man dabei nach folgender Vorschrift:

(C) _ dF = dF ~
w - dC rIz rIC
oder
(2,176)

Dabei sind F(z) und W z = dF/dz bekannt aus der Strömungsfunk-


tion des Körpers A in der z-Ebene (z. B. Kreiszylinder), während

funktion ,=
dzldC = 1//' (z) den reziproken Differentialquotienten der Abbildungs-
w,
/(z) darstellt. Die gesuchte Geschwindigkeitsverteilung
um den Körper B kann nach GI. (2,176) berechnet werden, nachd.em die
Abbildungsfunktion /(z) gefunden worden ist, welche den Körper A auf
den Körper B abbildet. Wie die Berechnung von Beispielen zeigt, ist

funktion ,=
bei diesem Verfahren die Hauptarbeit die Berechnung der Abbildungs-
/(z), welche den vorgelegten Körper auf einen anderen
Körper abbildet, dessen Strömung bekannt ist (z. B. Kreiszylinder) .
. Nach dem Riemannschen Abbildungssatz ist es, von einigen unbedeu-
tenden Spezialfällen abgesehen, stets möglich, einen einfach zusammen-
hängenden Bereich auf einen Kreis abzubilden. Die Aufgabe, die ebene
Umströmung einer vorgegebenen Körperkontur zu berechnen, ist somit
grundsätzlich gelöst. Für die praktische Anwendung besteht die Schwie-
rigkeit jedoch darin, die jeweils entsprechende Abbildungsfunktion zu
finden, die für viele Fälle zudem noch einen sehr komplizierten Aufbau
besitzt.
2.56 Beispiele zur konformen Abbildung
Wir wollen jetzt die vorstehende erläuterte Methode an einigen Bei-
spielen näher ausführen:
2.561 Die parallel angeströmte Platte. Wir gehen aus von der
Translationsströmung parallel zur x-Achse um einen Kreiszylinder mit
dem Radius a. Diese Strömung hat in der z-Ebene nach GI. (2,160)
die Strömungsfunktion
F (z) = u oo (z + :2). (2,177)

Als AbbiIdungsfunktion wählen wir:


C= /(z) = z +-.
a
z
2
(2,178)

Dies ist die Joukowskysche Abbildungs/unktion. Sie bildet nach Abb. 2.55
den Kreis mit dem Radius a um den Nullpunkt der z-Ebene ab auf die
doppelt durchlaufene Strecke (Schlitz) von - 2a bis +
2a der '-Ebene.
Dabei gehen die Kreispunkte (I), (2), (3), (4) der z-Ebene in die
108 Ir. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

angegebenen Punkte des Schlitzes der C-Ebene über. Dies läßt sich so
einsehen: Für einen Punkt, der den Kreis der z-Ebene durchläuft,
gilt z = aei'P, wobei cp von 0 bis 2 n läuft. Setzt man dies in GI. (2,178)
ein, so kommt C = a(ei'P + e-i'P) = 2a cos cp, also ~ = 2a cos cp; 'YJ = O.
Für die Strömung in der C-Ebene erhält man aus GI. (2,177) und
(2,178) :

Das ist die Translationsströmung mit der Geschwindigkeit U oo längs


der reellen Achse in der C-Ebene. Wir haben also die Translationsströ-
mung um den Kreis mit dem Radius ader z-Ebene abgebildet auf die
Parallelströmung längs der reellen Achse in der C-Ebene. Diese Ab-
bildung muß als trivial bezeichnet werden, da sie uns keine neue Strö-
y
1J

J
x Uoo -Ja
~---

Abb. 2.55. Konforme Abbildung eines Kreiszylinders auf eine längs angeströmte ebene Platte
durch die JOUKOWSKYSche Abbildungsfunktion nach GI. (2.178)

mung vermittelt hat. Wir brauchen sie jedoch als Vorstufe für eine
jetzt zu besprechende verwandte Strömung, die etwas wesentlich Neues
liefern wird.
2.562 Die senkrecht angeströmte Platte. Die Strömung um die
senkrecht zur Anströmungsrichtung stehende Platte können wir nach
Abb.2.56 dadurch erhalten, daß wir mittels der gleichen JOUKOWSKY-
schen Abbildungsfunktion wie in Kap.2.561 den Kreis mit dem
Radius ader z-Ebene wiederum auf den Schlitz der C-Ebene abbilden,
jedoch jetzt den Kreis in Richtung der y-Achse umströmen lassen. Die
Platte erstreckt sich in der C-Ebene auf der reellen Achse von ~ = -2a
bis ~ = +2a; sie hat also die Breite l = 4a. Die Kreisströmung ergibt
sich durch Überlagerung einer Parallelströmung mit der Geschwindig-
keit Voo in Richtung der positiven y-Achse mit einem Dipol, dessen
Achse in der y-Achse liegt. Die Strömungsfunktion lautet somit:

F(z) = .
~voo (- z + Za 2
) . (2,179)

Die Geschwindigkeit in der z-Ebene ist:


dF
Tz = Wz = .
-~Voo 1
(
+ Z2
a
=
2 ) •
-~VOO-Z-2-'
Z2 +a 2
2.5 Berechnung ebener Potentialströmungen 109

Die Geschwindigkeit m der '-Ebene ist dann nach GI. (2,176) mit
dt, Z2 - a2
dz • Z2 +a 2
w~ = - t V oo Z2_ a2 ' (2,180)

wegen ,=
Ersetzt man hierin z durch' auf Grund von GI. (2,178), so erhält man
~ und ±
z
2 + 2
4a 2 V'2 -
~ für die Geschwindig-
z
= 2 2

keitsverteilung der senkrecht angeströmten Platte:


, . t,
Wc = ::r'~vooV . (2,181)
1:,2 - 4a2
y IJ

Abb. 2.56. Die senkrecht angeströmte ebene Platte. a) Rreiszylinderströmung, b) Strömung


um die Platte, c) Geschwindigkeitsverteilung längs der Plattenoberseite und in Verlängerung
der Plattenrichtung

Aus GI. (2,180) und (2,181) erkennt man, daß die Plattenmitten

an den Plattenenden z = ± a,
lich groß ist.
,=
z = ± ia, , = 0 Staupunkte der Strömung sind mit Wc = 0, während
± 2 a die Geschwindigkeit unend-

,= ~
Die Geschwindigkeitsverteilung an der Platte selbst und in der Ver-

längerung de: ~la::~;~:~g_C;~ib'r:~Ch ~: ~;.[ ~T) Jfür zu:

(2,182)
v- v I~ I ~ I > .i
- 00 Ve - {l/2)2
für I
I 2.
llO H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

In der oberen Gleichung gilt das +-


Zeichen für die Unter- und
das - - Zeichen für die Oberseite der Platte. In Abb. 2.56c sind die
Geschwindigkeitsverteilungen über ~!(l/2) dargestellt.
2.563 Die ebene angestellte Platte. Die Strömung um die unter
einem kleinen Winkel gegen die Plattenrichtung angeströmte ebene
Platte ist der einfachste Prototyp einer Tragflügelströmung mit Auf-
trieb. Diese Strömung möge deshalb hier etwas eingehender behandelt
werden. Der Winkel zwischen der Anströmrichtung und der Platten-
richtung heißt der Anstellwinkel a der Platte.
Man erhält die Strömung um die angestellte ebene Platte nach
Abb. 2.57, wenn man die längs angeströmte Platte (a)· und die senk-
recht angeströmte Platte (b) überlagert. Die hieraus resultierende
Strömung
(c) = (a) + (b)
hat jedoch noch keinen Auftrieb der Platte; es wird dabei die Vorder-
und Hinterkante der Platte in gleicher Weise umströmt. Der vordere
Staupunkt liegt auf der Unterseite und der hintere Staupunkt auf der
Oberseite der Platte.
Um die Plattenströmung mit Auftrieb zu erhalten, muß dem
r
Fall (c) noch eine Zirkulation nach (d) überlagert werden. Die hieraus
resultierende Strömung
(e) = (c) + (d) = (a) + (b) + (d)
ergibt dann die Plattenströmung mit Auftrieb. Die Größe der Zirku-
lation bestimmt sich dabei aus der Bedingung des glatten Abströmens
an der Plattenhinterkante, d. h., der hintere Staupunkt liegt in der
Plattenhinterkante (KuTTAsche Abflußbedingung). Die nähere Be-
gründung dieser Abflußbedingung, die mit dem Experiment in sehr
guter Übereinstimmung steht, wird in Kap. VI gegeben.
Wir wollen jetzt den soeben skizzierten Gang der Rechnung im ein-
zelnen durchführen. Die komplexen Strömungsfunktionen in der
z-Ebene für die Strömungen (a), (b), (d) nach Abb. 2.57 lauten nach
GI. (2,177), (2,179) und GI. (2,157a):

(a) F 1 (z) = uoo(z + :2),


(b) F 2(Z)=-iV oo (z-_a:),
(c)

Durch Überlagerung dieser drei Strömungen ergibt sich in der z-Ebene


die Strömung um den Kreis mit dem Mittelpunkt in z = 0 und mit dem
y
Ti

u -(Z +fL -2a -2fL


a ____
~

i---- ~a~l~

Ti

y
Tl

/'

"

"

Abb.2.57. Strömung um die angestellte ebene Platte. (a) Längs angeströmte ebene Platte.
(b) Senkrecht angeströmte ebene Platte. (c) Angestellte ebene Platte ohne Auftrieb, (c) = (a) + (b).
(d) Reine Zirkulationsströmung. (e) Angestellte ebene Platte mit Auftrieb (KUTTAsche Abfluß-
bedingung), (e) = (c) + (d)
112 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Radius a, der unter dem Winkel IX = arc tg~ gegen die x-Achse an-
Uoo
geströmt wird. Die komplexe Strömungsfunktion dieser Strömung ergibt
sich somit zu,

F(z) = (u oo - ivoo)z +(u oo + ivoo)~z + 2irn lnz.

Die Geschwindigkeit in der z-Ebene erhält man hieraus zu:

Wz = dF
~
aZ
= (
U oo
.)
- ~voo - ( Uoo + .)
oo 2Z + - 2
a
tV
ir 1
-.
n Z
2
(2,183)

Als Abbildungsfunktion wird wieder die JouKOwsKYsche Abbildungs-


funktion nach GI. (2,178) gewählt, welche den Kreis mit dem Radius a
der z-Ebene in die Platte der Länge 1 = 4a der '-Ebene überführt.
Die Geschwindigkeit in der '-Ebene ergibt sich damit nach G. (2,176)
mit

zu

oder mit Wz nach GI. (2,183):


Wt
.
= U oo - . Z2+ a 2
tV oo - 2 - - 2
Z -a
+ t. -r2n Z
-2--2·
z-a
(2,184)

Da für große z und' der Differentialquotient der Abbildungsfunktion


gleich 1 ist,
( ~)
dz
=
00
1
'

sind die Geschwindigkeiten im Unendlichen in der z-Ebene und '-Ebene


gleich:
wc(oo) = wz(oo) = U oo - iv oo •
Die weitere Ausrechnung von GI. (2,184) ergibt mit
Z2 + a2 ± ' und Z ± 1
Z2_ a2 = Y'2-4a2 a 2 _z2 = Y'2_4a2

für die Geschwindigkeitsverteilung in der Umgebung der Platte:

vocC - -
r
::r . 2n
Wc = U oo T ~ Y .
'2 -4a2
Die Größe der Zirkulation r wird jetzt aus der KUTTAschen Abfluß-

w,
bedingung ermittelt. Der glatte Abfluß an der Hinterkante erfordert,
daß dort, also für' = +
2a, die Geschwindigkeit endlich bleibt.
Deshalb muß der Zähler des Bruches in der letzten Formel für' = 2a
verschwinden. Somit wird wegen 4a = l:
(2,185)
2.5 Berechnung ebener Potentialströmungen 113

Damit ergibt sich die Geschwindigkeitsverteilung in der Umgebung

. V+
der Platte zu:
C-l/2 (2,186)
Wc = U oo =f ~ Voo C l/2 .
Druckverteilung an der Platte. An der Platte ist C= ~ und
I~ I < l/2. Damit ergibt sich für die
Geschwindigkeitsverteilung an der
Platte aus GI. (2,186):

U = U oo ± vooV1/' l+2~
l-2~
, (2,187)

wobei das +-Zeichen für die Oberseite und das --Zeichen für die
Unterseite gilt.
Führt man noch die resultierende Anströmungsgeschwindigkeit der
Platte ein:

und den Anstellwinkel ~ zwischen der Platte und der resultierenden


Anströmrichtung woo , so gilt:

Damit wird die Geschwindigkeitsverteilung an der Platte nach


GI. (2,187):

U
.
= w"" (cos ~ ± sm ~ V l + 2~
. "\1 l - 2~ )
(2,188)
+ Oberseite, - Unterseite.
An der Plattenvorderkante, ~ = -lf2, ist die Geschwindigkeit unend-
lich groß und damit der Druck negativ unendlich. Die Platte wird von
unten nach oben umströmt, wie aus Abb. 2.57 e zu ersehen ist. An
der Plattenhinterkante, ~ = + lj2, ist die Tangentialgeschwindigkeit
U = W oo cos~. An einer beliebigen Stelle der Platte hat die Tangential-
geschwindigkeit einen Sprung zwischen Ober- und Unterseite vom
Betrage:
LI U = Uo - Uu
.
= 2woo sm~ l + 2~ .
Vl-2~ (2,188a)

An der Hinterkante ist LI U = 0 (glattes Abfließen),


Die dimensionslose Druckverteilung über die Plattentiefe ist, be-
zogen auf den Staudruck qoo = : w~:

Cp = 'P - 'Poo _
- 1 - ( -W- . )2
qoo Woo

Daraus ergibt sich für die Druckdifferenz zwischen Unter- und Ober-
seite:

Schlichting/Truokenbrodt. Aerodynamik I 8
114 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

wobei Wo und W u die Geschwindigkeiten auf Ober- und Unterseite der


Platte bedeuten. Mit Wo = Uo und W u = Uu nach GI. (2,188) ergibt sich
für die Druckdifferenz zwischen Unter- und Oberseite der Platte;

Llcp = pu-po .
= 2sm2",
VZ-2X
-Z-L
2 .' (2,189b)
~ , x
wobei im folgenden jetzt x parallel zur Platte gerechnet wird. Diese
"Lastverteilung" ist in Abb. 2.58 c über der Plattentiefe dargestellt.

~
--------------------

t-1/51----+..,L~-I----I

-fJ.50 -0)5 Q50


b
Abb.2.58. Strömung um die angestellte ebene Platte
a) Stromlinienbild, b) Druckverteilung für Anstellwinkel « = 10', c) Lastverteilung

An der Plattenvorderkante ist die Belastung unendlich groß, während


sie ander Hinterkante Null ist. Der Schwerpunkt dieser Lastverteilung
(Auftriebsmittelpunkt) liegt im Abstand lj4 von der Vorderkante.
Resultierende Kraft auf die Platte. Die aus der Druckverteilung
auf der Oberfläche resultierende Kraft kann grundsätzlich durch Inte-
gration ermittelt werden, wie es in Kap. 2.546 für den Kreiszylinder
mit Zirkulation ausgeführt wurde. Für den allgemeinen Fall (beliebige
Körperform) ist diese Integration recht umständlich. Im vorliegenden
Fall (ebene Platte) erscheint diese Integration auf den ersten Blick
2.5 Berechnung ebener Potentialströmungen 115

einfach; jedoch ist wegen der Singularität an der Plattenvorderkante,


wo der Druck p = -00 ist, Vorsicht geboten. Man vergleiche hierzu
den Abschnitt "Saugkraft" weiter unten.
Wir wollen deshalb die Ermittlung der resultierenden Kraft nicht
durch Integration der Druckverteilung ausführen, sondern hierfür auf
das allgemeine Theorem von Kutta-Joukowsky vorgreifen, dessen Beweis
erst in Kap. VI gegeben wird. Nach diesem Theorem ist für reibungslose
inkompressible Flüssigkeit die auf einen umströmten Körper übertragene
Kraft senkrecht zur Anströmungsrichtung; wir bezeichnen sie als
Auftrieb A. In Abb. 2.58 ist dieser Auftrieb A senkrecht zur An-
strömungsgeschwindigkeit W oo eingezeichnet. Außer dem Auftrieb A
wollen wir auch seine Komponente normal zur Platte P y und
tangential zur Platte P x berechnen (Abb. 2.58). Es gilt
A = VP~ + P~ . (2,190)
Diese Komponenten der resultierenden Kraft erhält man aus den
KUTTA-JoUKowSKYschen Formeln, GI. (6,1l), zu
Px = - ebvoo T , .}
(2,191)
Py = ebuoo T .
Dabei bedeutet das negative Vorzeichen bei P x , daß diese Kraft nach
der Plattenvorderkante hin gerichtet ist. Hierbei ist b die Breite der
Platte.
Durch Einsetzen der Zirkulation T nach GI. (2,185) erhält man:
P x = -e'JTblv~ = -e'JTblw~sin2(X, }
(2,192)
P y = e'JTbluoov oo = e1&blw~sinoccos(X.
Hieraus ergibt sich für den Auftrieb:
A = e'JT b l w~ sin (X . (2,193)
Wir führen noch die dimensionslosen Kraftbeiwerte ein (vgl. Kap. 5.23),
welche auf den Staudruck der resultierenden Geschwindigkeit qoo = ew~/2
und die Plattengrundrißfläche b l bezogen sind, also:
A
CA = b lqoo . (2,194)
Dabei ist
C~ = C~ + c}. (2,195)
Es ergibt sich dann aus GI. (2,192) und (2,193):
Cx = - 21& sin 2 oc,
Cy = 2'JT sin (X cos (X (2,196)
und
CA = 2'JTsin(X. (2,197)
8*
116 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Für kleine (t kann hierfür auch geschrieben werden:


CA = 2:n:(t. (2,197a)
Die letzte Gleichung stellt den grundlegenden Zusammenhang dar
zwischen dem Auftriebsbeiwert und dem Anstellwinkel für die ebene
Platte in zweidimensionaler
Strömung. Hiernach ist der
sog. Auftriebs anstieg für
~~--+---4--='~~~~~7~--~--+----r--~
GA =2Jra-...f
kleine cx:
I I
~'~--~--+---+-~+---4----r---
~c: = 2:n:. (2,198)

In Abb. 2.59 sind für die ebene


Platte und ein sehr dünnes
symmetrisches Profil Messun-
gen mit der Theorie nach
GI. (2,197a) verglichen. Bis
etwa (t = 6 0 ist die überein-
stimmung recht gut, und
;Platte zwar für die ebene Platte
0)1------1-11-'-------1- - " " ' - - - - - etwas besser als für das Pro-
fil. Bei Anstellwinkeln größer
als 8 0 liegen die experimen-
tellen Kurven erheblich unter-
halb der theoretischen Kurve.
Die Unterschiede zwischen
0 10 1*C Theorie und Experiment sind
auf den Einfluß der Reibung
Abb.2.59. Auftriebsbeiwert CA in Abhängigkeit vom
Anstellwinkel fZ für die ebene Platte und für ein zurückzuführen. Bei Anstell-
dünnes symmetrisches Profil. Vergleich von Theorie winkeln größer als 12 0 tritt
nach GI. (2,197 a) und Messung nach [10]
Ablösung der Strömung ein.
Der Wert des Auftriebs anstieges nach GI. (2,198) trifft auch
näherungsweise für gewölbte Profile zu (vgl. Kap. 6.323).
Moment. Es möge jetzt auch noch das Moment der resultierenden
Kraft um die Plattenvorderkante (Abb. 2.58) ermittelt werden. Ein
Plattenstreifen der Breite dx, der von der Vorderkante den Abstand
(x, +~)
2
hat und die Normalkraft dPII erfährt, liefert zum Moment
um die Vorderkante (schwanzlastig positiv) den Beitrag

dM= -(x+ ;)dP II •

Das gesamte Moment ist somit:

f
+1/2
M= - (x + !) dP 11· (2,199)
x=-l/2
2.5 Berechnung ebener Potentialströmungen 117

Nach Gl. (2,191) ist dP y = (! b u"" dT, wobei dr die Zirkulation eines
Plattenstreifens der Breite d x bedeutet. Diesen erhält man aus dem
Geschwindigkeitssprung an der Platte zu dr= iJ u dx (vgI. Kap 2.422),
wobei iJ u durch GI. (2,188a) gegeben ist. Damit ist

dP y =2e bu oo v oo 1/
l-2X
1+2x dx.

Einsetzen in GI. (2,199) ergibt nach Ausführung der Integration für


das gesamte Moment:
M = - ~ en'bl 2 w;'sinoccoset. (2,200)

Durch Vergleich mit GI. (2,192) erhält man

(2,201)

Dies bedeutet, daß der Angriffspunkt der resultierenden Kraft den


Abstand l/4 von der Plattenvorderkante hat (Abb. 2.58c). Führt man
analog zu GI. (2,194) auch noch für das Moment einen dimensionslosen
Beiwert ein durch
(2,202)
so ergibt sich:
(2,203)

Saugkraft. Ein überraschendes Ergebnis der hier berechneten


reibungslosen Strömung um die unendlich dünne angestellte ebene Platte
ist die Tatsache, daß die resultierende Kraft A nicht senkrecht zur
Platte ist, sondern senkrecht zur Anströmungsrichtung w oo , Abb. 2.58a.
Da in reibungsloser Strömung an der Plattenoberfläche nur Normal-
kräfte (Drücke) auftreten, könnte man vermuten, daß auch die resul-
tierende Kraft normal zur Platte ist. Neben der Normalkomponente
P y = A COSet tritt jedoch noch eine zur Plattenvorderkante hin ge-
richtete Tangentialkomponente P x = -A sinet auf, die zusammen
mit der Normalkomponente P y die resultierende Kraft A ergibt, welche
senkrecht zur Anströmungsrichtung steht. Die Existenz der Tangential-
komponente P x , die wir auch als Saugkraft bezeichnen wollen, bedarf
für die reibungslose Strömung einer näheren Erläuterung: Die Saug-
kraft hängt mit der Strömung an der Plattennase zusammen, die mit
unendlich großer Geschwindigkeit umströmt wird, und wo infolgedessen
ein unendlich großer Unterdruck vorhanden ist. Diese Verhältnisse
sind besser zu übersehen, wenn man statt der unendlich dünnen Platte
eine Platte von endlicher, aber geringer Dicke annimmt und diese vorn
abrundet, Abb.2.60a. Die jetzt endlich großen Unterdrücke auf
118 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

der Nase der Platte setzen sich zu einer längs der Platte nach vorn
gerichteten "Saugkraft" zusammen. Die nähere Durchrechnung zeigt,
daß die Größe dieser Saugkraft von der Plattendicke und der Nasen-
abrundung unabhängig ist, und daß sie auch im Grenzfall der unend-
lich dünnen Platte den Wert S = A sin (X behält.

------------------- --------=----

Abb.2.60. Zur Entstehung der Saugkraft S an der Vorderkante eines umströmten Profils.
a) Dünnes symmetrisches Profil mit abgerundeter Nase: hat Saugkraft S. b) Ebene Platte mit
zugeschärfter Nase: Saugkraft fehlt

Bei der wirklichen Strömung (mit Reibung) um stark zugeschärfte


Platten treten die unendlich großen Unterdrücke an der Nase nicht auf,
sondern es bildet sich eine schwache Ablösung der Strömung in der
Nähe der Nase aus, Abb. 2.60b. Bei kleinen Anstellwinkeln (X legt sich
die Strömung jedoch etwas stromabwärts wieder an, und sie stimmt
deshalb im großen und ganzen mit der reibungslosen Strömung überein.
Es fehlt jedoch die Saugkraft. Man hat deshalb für die wirkliche Strö-
mung um eine angestellte zugeschärfte Platte einen Widerstand
W = WReibg. A tg(X, +
wobei der erstere Anteil aus den Reibungsschubspannungen herrührt
und der letztere die fehlende Saugkraft darstellt, die sich in einem
Druckwiderstand äußert.
2.5 Berechnung ebener Potentialströmungen 119

Gleichzeitig folgt aus dieser Betrachtung,


daß eine gute Abrundung der Vorderkante von
Tragflügelprofilen sehr wichtig ist für geringen
Widerstand. Abb.2.61 zeigt (a) die Polaren
(Auftragung CA über cw) und (b) die Gleit-
winkel e = CWICA einer dünnen zugeschärf-
ten 'ebenen Platte und eines dünnen sym-
metrischen Profils l . Im Bereich der kleinen ebene Piaffe
und mittleren Anstellwinkel hat das dünne
Profil mit abgerundeter Nase wesentlich
geringere Widerstände als die zuge schärfte
ebene Platte. Für das dünne Profil ist in
einem gewissen Bereich von Anstellwinkeln
e < (x, d. h. die resultierende Luftkraft gegen-
über der Normalen ist zur Profilsehne nach
vorn geneigt. Dies ist auf die Wirkung der w
Saugkraft zurückzuführen.
dünnes Profl7
2.564 Elliptische Zylinder. Die Strömung um (Göm)
eine Ellipse erhalten wir ebenfalls mit Hilfe
/0 ,

qgl--+----t-+--+-+--+-- -
I I I I

~~+--r-+~i--~+-~~ \ I

t
1,8
~~;..- ebene Piaffe
dünnes Profi~fifr0 I
1/71--+----t-+,-
#"-+75"f'--'"--+-_+_1--; ,
6,50 f'"/ I , I
I,
I
f o,s VVI, I t1,2
O.5f---h
/
V
/
Vf-t--f-+--+--+--i--t--l
ebene Piaffe i
~ 1,0 I~~
t..J~
~~o~
I
~
i/I I
I
i\ J
0,8 ,

+:
4f rJ° ! I
i i 0.8 ! I
Jea=:?,l· \. V"--dti'nnes Pro{,j
+---4-:,
4J I I
~ I
q2 1-++I----+-'--4----f-- ! Qi' , ,
(Oi ' I I! I

I I
I
at 1'-1 !
o·! I o i I
o 0,02 q04 a08 408 OJO qT3 W~ Olli b 0' /0' 12'
8 Cw -
Abb. 2.61. a) Polaren CA (c w )' b) Gleitwinkel e = cwlc A einer zugeschärften ebenen Platte und
eines dünnen symmetrischen Profils nach [10], Re = 4 ·10'. A = 00

der JouKOwsKyschen Abbildungsfunktion nach GI. (2,178), wobei jedoch als ab-
zubildender Kreis in der z-Ebene nach Abb. 2.62 jetzt ein Kreis um den
1 Näheres über die Polare und den Gleitwinkel s. Kap. V.
120 11. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Ursprung mit dem Radius R > a zu wählen ist. Dieser Kreis wird auf eine
Ellipse der C-Ebene abgebildet, welche den Schlitz von - 2a bis + 2a um-
schließt. Dies ergibt sich folgendermaßen: Für den auf dem Kreis mit dem Radius R
wandernden Punkt ist z = Rei ",. Eingesetzt in die Abbildungsfunktion GI. (2,178)
ergibt sich für die Bildkurve in der C-Ebene:

C=Rei'l'+ ~ e-i'l'=(R+ ~2)costp+i(R_ ;)sintp.

Es ist also:
~= (R + ;) cos qJ = a1 cos qJ,

1) = (R - ~2) sin qJ = 1
b sin qJ •

y TI
I~

Abb. 2.62. Abbildung eines Kreises auf eine Ellipse durch die JOUKOWSKYSche Abbildungs-
funktion GI. (2,178)

Die letzten beiden Gleichungen sind aber die Parameterdarstellung einer


Ellipse mit den Halbachsen

Das Achsenverhältnis der Ellipse ist


a2
1--
!!2... = k = R2 (2,204)
a1 a2 •
1+jl2
Durch Wahl von Rja wird also das Achsenverhältnis der Ellipse festgelegt.
Die Geschwindigkeitsverteilung für die Ellipse erhalten wir durch Abbildung
der Translationsströmung um den Kreis mit dem Radius R. Man hat also in der
z-Ebene die Strömungsfunktion :

F(Z)=UOO(Z+~2)

und die Geschwindigkeitsverteilung w. = ~:


dz
Z2 _ R2
WZ = U CC - -Z-';-2-
2.5 Berechnung ebener Potentialströmungen 121
.Die Geschwindigkeitsverteilung in der C-Ebene erhält man sodann nach GI. (2,176)
. dC (Z2 - a2 )
mIt - = - - - zu:
dz Z2

(2,205)

Dabei wird die Ellipse in Richtung der großen Achse mit der Geschwindigkeit U oo
angeströmt. Hierin ist noch z zu ersetzen durch C auf Grund der Abbildungs-
funktion, GI. (2,178). Durch Zerlegung des so entstehenden Ausdruckes in Real-
und Imaginärtcil erhält man das Geschwindigkeitsfeld bei der Umströmung der
Ellipse.

u
0/4~7 V
2,0
'I\.
8
1/ ;:
\
l\

-- -- _1.
t-
ri ~
~:'\
1.2 7 8
d -/ \ \'
~~
a r/7/7/ \:\ \
/0

8
ao r; \ a
a I
\\
"
a12 \
o
0.' 0,2 0.3 0." 0,5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0
8/l'-
Abb. 2.63. Geschwindigkeitsverteilung an elliptischen Zylindern vom Achsenverhältnis
a,fb,= 8,4,2,1 bei Anströmung in Richtung der großen Achse; aufgetragen über
der Bogenlänge s längs der Kontur; l' = halber Umfang

Wir wollen hier lediglich noch die Geschwindigkeitsverteilung auf der Ellipsen-
kontur angeben. Der Betrag der Geschwindigkeit auf der Ellipsenkontur ist nach
GI. (2,205):
WK = Uoc I -Z22 -- - -R2!
2- ,
I z -a
wobei noch z = R ei <P einzusetzen ist. Es ergibt sich:

W 1 = uix, __~2=+,(1=----_cO_s,,2....!..Cf!:...)__
a a2
+ --
R4 -
4
1 2R2
- cos2Cf!

Nach einfacher Zwischenrechnung erhält man schließlich mit a 2 j R2 = (1- k)/(I+k):


WK 1 +k
(2,206)
Uoc = V1 + k2 ctg2 Cf! •

Dabei bedeutet k = bila l das Achsenverhältnis der Ellipse. Die hiernach für ver-
schiedene Achsenverhältnisse berechneten Geschwindigkeitsverteilungen sind in
Abb. 2.63 dargestellt. Für k = 1 geht GI. (2,206) in die Geschwindigkeitsver-
teilung des Kreiszylinders über mit WK = 2u oo sin Cf! nach GI. (2,112). Die Stau-
punkte mit [w K [ = 0 liegen bei Cf! = 0 und Cf! = n entsprechend den Staupunkten
122 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

des Kreiszylinders. Die maximale Geschwindigkeit liegt bei qJ = n/2, also auf der
kleinen Achse; sie hat den Betrag

(2,207)

Die durch die Verdrängungswirkung erzeugte relative maximale Übergeschwindig-


keit ist also gerade gleich dem Achsenverhältnis bI/ai der Ellipse.
Es sei noch vermerkt, daß man auf die hier angegebene Weise nur die Um-
strömung der Ellipse parallel zur großen Achse erhält. Die Umströmung parallel
zur kleinen Achse gewinnt man leicht, wenn man den Kreis in Abb. 2.62 in Rich-
tung der y-Achse anströmt.
y

Abb. 2.64. Erzeugung von JouKOwsKy-Profilen durch konforme Abbildung mittels der
JouKowsKYSchen Abbildungsfunktion GI. (2,178)
a) Symmetrisches JouKOwsKy·Profil, b) Kreisbogen-Profil, r) gewölbtes JOUKOWSKy·Profi!

2.565 Joukowsky.Profile. Mit der gleichen Abbildungsfunktion


GI. (2,178) lassen sich bei anderer Wahl des Bildkreises auch leicht
tragflügel artige Körperformen mit runder Nase und scharfer Hinter-
2.5 Berechnung ebener Potentialströmungen 123

kante erzeugen, die sog. JouKOwsKy-Profile, nach denen die Abbil-


dungsfunktion benannt ist, Abb. 2.64. Wählt man nach Abb. 2.64a
in der z-Ebene einen Bildkreis, dessen Mittelpunkt gegenüber dem-
jenigen des Einheitskreises um X o auf der negativen Achse verschoben
ist und der durch den Punkt z = a geht, so liefert die Abbildung in
der C-Ebene ein tragflügelartiges Profil von symmetrischer Form,
welches den Schlitz von - 2 abis +
2 a umschließt. Es ist dies ein
symmetrisches Joukowsky-Profil, dessen Dicke d durch die Lage X o des
Mittelpunktes des Bildkreises bestimmt wird. Das Profil läuft an der
Hinterkante in eine Schneide mit dem Kantenwinkel Null aus, wie man
aus der Abbildungsfunktion leicht entnimmt: Es läßt sich die Ab-
bildungsfunktion nach GI. (2,178) auch schreiben in der Form:

c-2a _ ( z - a)2 (2,208)


C+2a - z+a .

Der Kreispunkt z = a wird abgebildet in die Hinterkante des Profils


C = 2a, wobei jedoch die Winkeltreue in der Umgebung dieses Punktes
nicht erfüllt ist. Für eine kleine Umgebung von z = a, C = 2a,
gilt (C - 2a) =
~ (z - a)2 oder in Polarkoordinatendarstellung mit
!,;-2a=R'ei t/J und z-a=r'ei ",:

, 2
R' eit/J = _T_ e2irp.
a

Der gestreckte Winkel cp = - 7t/2 bis +


7t/2, d. i. das Äußere des Bild-
kreises in der Umgebung von z = +
a, wird also abgebildet auf (jJ=-7t
bis +7t, d. h. den vollen Winkel in der Umgebung der Hinterkante
C= +2a.
Man erhält Kreisbogenprofile, wenn nach Abb. 2.64 b der Mittel-
punkt des Bildkreises auf der imaginären Achse liegt. Wählt man einen
+
Bildkreis mit dem Mittelpunkt in i Yo, der durch den Punkt z = + a
geht, so liefert die gleiche Abbildungsfunktion in der C-Ebene einen
doppelt durchlaufenen Kreisbogen, der sich von C= -2a bis +2a
erstreckt. Die Wölbungshöhe f dieses Kreisbogens hängt von Yo ab.
Wählt man schließlich einen Bildkreis, dessen Mittelpunkt sowohl in
Richtung der reellen als auch der imaginären Achse verschoben ist,
Abb.2.64c, so ergibt die Abbildung ein gewölbtes Joukowsky-Profil,
dessen Dicke und Wölbung durch die beiden Parameter X o bzw. Yo
bestimmt werden. Näheres über die J OUKOWSKY-Profile wird in Kap. VI
behandelt werden.
124 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

2.6 Der Impulssatz


2.61 Das allgemeine Theorem des Impulssatzes
In vielen Fällen bereitet die Integration der EULERschen Bewegungs-
gleichungen unüberwindliche mathematische Schwierigkeiten. In sol-
chen Fällen ist es von großem Vorteil, wenigstens in großen Zügen über
den Bewegungsvorgang Aufschluß zu erhalten ohne Berücksichtigung
aller Einzelheiten. Hierfür kann man den Impulssatz heranziehen.
Der besondere Vorteil des Impulssatzes ist, daß man durch seine An-
wendung Aussagen lediglich aus den Vorgängen auf der Begrenzungs-
fläche eines Strömungsbereiches erhalten kann, ohne von den Vor-
gängen im Innern des Bereiches Kenntnis zu haben. Ein Beispiel möge
dies erläutern: Der Aufprall eines kreisrunden Flüssigkeitsstrahles senk-
recht auf eine ebene Wand ist ein Strömungsvorgang, der schon ver-
hältnismäßig schwierig zu berechnen ist. In erster Linie interessiert
hierbei die vom Strahl auf die Wand ausgeübte Kraft, während die
Einzelheiten der Geschwindigkeits- und Druckverteilung von minderer
Bedeutung sind. Mit Hilfe des Impulssatzes läßt sich diese resultierende
Kraft in außerordentlich einfacher Weise berechnen, wie wir nachher
noch sehen werden. Die Kraft ist R = F f2w 2 , wobei F den Querschnitt
und w die Geschwindigkeit des Strahles in großem Abstand von der
Wand bedeuten. Ohne Kenntnis des Impulssatzes müßte man für die
Ermittlung dieser Kraft zunächst alle Einzelheiten des Vorganges
ermitteln, um darauf schließlich durch Integration über die Druck-
verteilung die resultierende Kraft zu erhalten.
Der Impulssatz ist ein Theorem, welches Gültigkeit hat für Flüssig-
keiten mit und ohne Reibung; jedoch beschränken wir uns hier auf
stationäre und inkompressible Strömungen.
In der Mechanik des starren Körpers ist der Impulssatz auch be-
kannt als Schwerpunktsatz. Wir wollen die von dorther bekannten Über-
legungen auf Strömungsvorgänge übertragen. Unter Impuls 0 ver-
steht man den Vektor Masse mal Geschwindigkeit, also

3=mm.
Der Schwerpunktsatz des starren Körpers sagt aus: Die zeitliche Ände-
rung des Impulses eines abgegrenzten Massensystems ist gleich der
Summe der von außen auf das System wirkenden Kräfte, also

(2,209)

Dabei bedeutet S' = I m tu den Impuls des abgegrenzten Massensystems,


d. h. eines während des ganzen Bewegungsvorganges aus den gleichen
Massen bestehenden Systems diskreter Massenpunkte, während unter
2.6 Der Impulssatz 125

~ $ die sämtlichen von außen auf dieses System wirkenden Kräfte


zu verstehen sind.
Beim Übergang vom System diskreter Massenpunkte zur Flüssig-
keit, die als ein Kontinuum aufgefaßt wird, ist es zweckmäßig, die
Summe 'J; m tu durch das Integral ~ =Jtu dm zu ersetzen. Damit lautet
der Schwerpunktsatz dann:

dS ciT
Tt= d Jtu dm = ~ $. (2,210)
(n. Fl.)
Die Integration über ein abgegrenztes Massensystem erfordert jetzt
die Integration über eine "flüssige Fläche" (fI. FI.), welche dauernd die
gleichen Flüssigkeitsteilchen umschließt. Diese "flüssige Fläche" kann
einmal aus einer mitschwimmenden Fläche bestehen, zum anderen aber

Abb. 2.65. Zur Herleitung des Impulssatzes; K = raumfeste Kontrollfläche

auch durch feste Wände von Körpern gebildet werden, die sich eventuell
innerhalb des betrachteten Flüssigkeitsvolumens befinden. Dement-
sprechend können auch die äußeren Kräfte ~ $ teilweise aus solchen
Kräften bestehen, die auf die mitschwimmenden flüssigen Teile aus-
geübt werden und teilweise aus solchen, die von den umströmten
festen Körpern auf die Flüssigkeit übertragen werden.
Bei den Anwendungen des Impulssatzes ist häufig nach den Kräften
gefragt, welche die Flüssigkeit auf einen umströmten Körper über-
trägt. Diese Kräfte erhält man aus der zuletzt genannten nach dem
Prinzip von "actio gleich reactio".
Um eine für die Anwendungen bequemere Form des Impulssatzes
zu erhalten, wollen wir jetzt das Volumen-Integral in GI. (2,210), wel-
ches sich über ein mitschwimmendes Volumen erstreckt, umwandeln
in ein Oberflächert-Integral über eine raum/este Fläche, welche wir als
die Kontroll/läche bezeichnen wollen.
In Abb. 2.65 möge das betrachtete Flüssigkeitsvolumen zur Zeit
t = 0 durch die flüssige Fläche I abgegrenzt sein, die nach der Zeit dt
126 H. Inkompressible reibungslose Strömungen "(Hydrodynamik)

in die Fläche II übergegangen ist, derart, daß die Fläche II durch die
Verschiebung d~ = \tJ dt aus der Fläche 1 erhalten wird. Damit kann
für die in GI. (2,210) benötigte Änderung des Impulses geschrieben
werden

wobei SI bzw. Sn die Impulsintegrale über die Flächen 1 bzw. II


bedeuten. Die Fläche 11 unterscheidet sich nun von der Fläche 1 durch
die in Abb. 2.65 schraffierten Flächenstüc~e a und b derart, daß
Sn = SI - Sa + Sb
ist, oder
dS = -Sa + Sb.
Nun ist aber der in der Fläche (a) enthaltene Impuls der in der Zeit dt
durch die Fläche 1 eingeströmte Impuls Sa und der in (b) enthaltene
der in der gleichen Zeit durch die Fläche 1 ausgeströmte Impuls Sb'
Die algebraische Summe -Sa + Sb kann somit aufgefaßt werden als
der Impulsfluß in der Zeit dt durch die raumfeste Fläche 1, wobei ein-
strömende Mengen negativ und ausströmende Mengen positiv zu neh-
men sind. Wir bezeichnen diese raumfeste Fläche als die Kontroll-
fläche K. Damit können wir nun die zeitliche Änderung des Impulses
dS/dt darstellen als den Impulsfluß pro Zeiteinheit durch die raum-
feste Kontrollfläche K:
d0/.
d~ d
= Tt" r ro dm f
= e ro dQ = .171.13. (2,211)
(n. Fl.) (K)

Dabei bedeutet dQ das durch ein Oberflächenelement d'ij der Kontroll-


fläche pro Zeiteinheit durchströmende Volumen, welches auch in der
Form dQ = \tJ d'ij geschrieben werden kann. Mit GI. (2,211) ist die
zeitliche Änderung des Impulses umgewandelt worden von einem
Volumenintegral über eine mitschwimmende "flüssige Fläche" in ein
Oberflächenintegral über eine raumfeste Kontrollfläche K. Hierdurch
ist die Berechnung des Integrals ganz erheblich vereinfacht worden.
Es ist noch zu bemerken, daß die Kontrollfläche K in GI. (2,211)
auch eine den umströmten festen Körper umschließende Fläche mit
umfaßt, wie in Abb. 2.65 angegeben. Für den Fall, daß die Wand des
Körpers undurchlässig ist, bringt dieser Teil der Kontrollfläche jedoch
keinen Beitrag zum Impulsflußintegral, da die Durchflußmenge an
jeder Stelle Null ist. Ist dagegen die Wand des Körpers durchlässig,
wie z. B. bei Absaugung durch die Körperoberfläche,so ist der Impuls-
fluß durch die Körperoberfläche in GI. (2,211) zu berücksichtigen.
Wir wollen jetzt auch noch die äußeren Kräfte, die auf das betrach-
tete Flüssigkeitsvolumen wirken, und die in GI. (2,211) unter L' 1.13 zu-
2.6 Der Impulssatz 127
sammengefaßt sind, einer näheren Betrachtung unterziehen. Meist
liegen die Verhältnisse bei der Anwendung des Impulssatzes so, daß
die Kontrollfläche zum Teil an einer festen Wand und zum Teil durch
die freie Flüssigkeit verläuft, wie in Abb. 2.66 angegeben. Dementspre-
chend wollen wir die an der Kontrollfläche als Oberflächenkräfte wir-
kenden Kräfte unter-
scheiden. Es sei .\J die
(K)={FJ-(O)
auf der Kontrollfläche
wirkende Oberflächen-
kraft pro Flächeneinheit,
die aus einer Normal-
kraft (Druck) und einer
Tangentialkraft (Schub-
spannung) bestehen
kann; sie sei positiv von Abb. 2.66. Zur Herleitung des Impulssatzes; die Kontroll-
fläche (X) besteht aus dem "freien" Teil (F) und dem
außen auf die Kontroll- "festen" Teil (0)
fläche hin. Ferner sei dF
und d 0 ein Oberflächenelement des freien Teiles der Kontrollfläche (F)
bzw. des an der festen Wand verlaufenden Teiles (0). Wir können die
gesamte Oberflächenkraft dann aufteilen in:

I .\J dF = \ß (freier Teil von K) ,


(Ji')

! .\J m (feste Wand von


(0)
dO = K).

Den letzteren Teil nennen wir auch die Reaktionskraft zwischen Körper
und Flüssigkeit. Sie ist positiv als Kraft von der Wand auf die Flüssig-
keit. Die von der strömenden Flüssigkeit auf die feste Wand über-
tragene Kraft, nach der bei den Anwendungen des Impulssatzes mei-
stens gefragt ist, ist demnach nach dem Gesetz von actio und reactio
gleich -mo
Außer den Oberflächenkräften auf die Kontrollfläche können unter
den äußeren Kräften I \ß in GI. (2,211) auch noch Volumenkräfte ent-
halten sein, die an jedem Volumenelement angreifen. Meist ist dies die
Schwerkraft. Sei f der Vektor der Volumenkraft pro Volumeneinheit,
also Z. B. f = e g für die Schwerkraft mit g als Vektor der Schwere-
beschleunigung, so ist die resultierende Volumenkraft

~= !fdV,
(V)

wobei dieses Volumenintegral über das ganze von der Kontrollfläche


eingeschlossene Volumen V zu erstrecken ist.
128 II. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Damit sind die bisher unter 2: \ß zusammengefaßten äußeren Kräfte


(2,212)
Durch Einsetzen von GI. (2,212) in GI. (2,211) erhält man den Impuls-
satz in der für die Anwendungen geeigneten Form:

e.f l1J dQ = Sl' + \ß + ffi. (2,213)


(R)

Dabei sind folgende Regeln zu beachten:


1. In dem Impulsfluß-Integral über die raumfeste Kontrollfläche K
sind einströmende Mengen negativ und ausströmende Mengen positiv
zu zählen.
2. Es ist \ß die resultierende Oberflächenkraft auf dem "freien Teil"
der Kontrollfläche.
3. Es ist ffi die resultierende Oberflächenkraft auf den "starren
Teil" der Kontrollfläche, positiv: Wand -+ Flüssigkeit. Es ist - ffi die
Reaktionskraft Flüssigkeit -+ Wand.
Der Impulssatz in der Form GI. (2,213) kann als Vektorgleichung
naturgemäß in seine Komponenten aufgespalten werden. So lautet er
z. B. für die rechtwinkligen x- und y-Komponenten:

ef wxdQ=Kx+Px+Rx ,
(R)
(2,214)
e.f wydQ = Ky + P y + Ry.
(R)

Bei den nachfolgenden Anwendungen werden wir durchweg diese Kom-


ponentendarstellung verwenden.

2.62 Beispiele zum Impulssatz


2.621 Strömung in einer Rohrumlenkung. Wir betrachten die Strö-
mung durch eine Rohrumlenkung von 180 nach Abb. 2.67. Das Rohr
0

1 habe den konstanten Quer-


ro .. Hp'......, /K schnitt F. Die mittlere Ge-
~, schwindigkeit über den Quer-
schnitt sei w. Der Druck p
werde längs der Rohrlänge
R als konstant angenommen,
d. h. der Druckabfall infolge
Reibung vernachlässigt. Wir
wählen die Kontrollfläche wie
Abb.2.67. Rohrumlenkung von 180 0 in Abb. 2.67 angegeben. Wir
2.6 Der Impulssatz 129

fragen nach der Kraft R, die von der Flüssigkeit auf den Rohr-
krümmer ausgeübt wird und die somit die beiden Flanschen be-
ansprucht.
Unter der Annahme, daß der Rohrkrümmer in einer horizontalen
Ebene liegt, ist die von der Schwerkraft herrührende Volumenkraft
K x = O. Die Anwendung des Impulssatzes für die x-Richtung nach
GI. (2,214) ergibt:
e f wxdQ = P x + Rx ·
(K)

Der Impulsfluß für die Querschnitte (1) und (2) ergibt:

ef wxdQ= -e Fw2 +e F (-w)w= -2e Fw2 .


(K)

Aus den Druckkräften ergibt


sich P x = 2 F p. Somit liefert
der Impulssatz: r---
I
-2eFw2 = R x + 2Fp. I
I
Die gesuchte Kraft R ist gleich I
I
- R x • Damit ergibt sich für
diese: ro ++--.. -l'----..----.---lI:
R = 2F(p + ew2). (2,215)

2.622 Der Strahl senkrecht auf I


eine Wand. Ein Strahl von kreis-
I
I
förmigem oder rechteckigem Quer- I
schnitt prallt senkrecht auf eine Wand I
auf und fließt längs der Wand nach L_ ----.-;.-;--';::;;'...1
allen Seiten ab, Abb. 2.68. Wir fragen
nach der Kraft, die der Strahl auf die
Wand ausübt. Der Querschnitt des Abb.2.68. Der kreisruude oder ebene Strahl
ankommenden Strahles seiF und seine der senkrecht auf eine Wand auftrifft
Geschwindigkeit w. Im ankommen-
den Strahl herrscht der Druck Po der umgebenden ruhenden Luft, ebenso
wie im abfließenden Strahl in einiger Entfernung vom Staupunkt.
Wir wählen die Kontrollfläche K nach Abb. 2.68. Die Wand denken wir in
einem genügend großen Abstand vom Staupunkt durchschnitten und die Kontroll-
fläche wie angegeben durch die Schlitze hindurchgeführt. Der Impulssatz für die
Richtung senkrecht zur Wand (x-Richtung) lautet nach GI. (2,214):

ef wxaQ=Kx+Px+Rx.
(Kl
Auf demjenigen Teil der Kontrollfläche, der nicht an der Wandung entlangführt
herrscht überall der Druck Po' somit ist für diesen die resultierende Oberflächen-
kraft gleich Null, P x = O.
SchlichtingjTruckenbrodt, Aerodynamik I 9
130 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Der Impulsfluß durch die Kontrollfläche ist, da nur x.Impuls einströmt aber
nicht ausströmt:
e
(Xl
f wxdQ = -e Fw2 .

Falls die x-Richtung in der Horizontalebene verläuft, ist die Volumenkraft


K z = 0. Somit wird, weil R = - R z '

(2,216)

Die Kraft auf die Wand ist also gleich dem Strahlquerschnitt mal dem doppelten
Staudruck. Damit ist das oben in Kap. 2.61 vorweggenommene Ergebnis be-
stätigt.
2.623 Der Strahl schräg auf eine Wand. Ein Flüssigkeitsstrahl treffe schräg
auf eine ebene Wand (Abb. 2.69). Der ankommende Strahl sei ein ebener Strahl
vom Querschnitt F, der senk-
recht zur Zeichenebene sehr
breit ist. An der Wand fließt
der Strahl in ungleichen Teil-
strahlen tangential ab. Der
Winkel zwischen der Rich-
tung des ankommenden
Strahles und der Wand sei oe.
Wir fragen nach der Normal.
komponente N der resul·
tierenden Kraft, die von die·
sem Flüssigkeitsstrahl auf die
Wand ausgeübt wird. Zu
diesem Zweck wenden wir
den Impulssatz für die Rich·
tung normal zur Wand an,
er lautet:

ef wndQ=Kn+Pn+Rn.
(Xl

Die Kontrollfläche wird wie·


Abb. 2.69. Der ebene Strahl, der schräg auf eine Wand
auftrifft
der wie beim vorigen Beispiel
durch die aufgeschnittene
Wand hindurchgeführt und um die Wand herumgelegt. Die Geschwindigkeit w
im ankommenden Strahl wird zerlegt in die Komponenten normal und tangential
zur Wand:
wn = w sin (X; Wt = - W cos (X .

Die Volumenkraft ist Null, K n = 0, wenn die Platte in einer Vertikalebene liegt.
Auch die Oberflächenkraft über den freien Teil der Kontrollfläche ist wieder Null,
P n = 0, da auf diespr überall der konstante Druck Po herrscht. Der Impulsfluß
ist, da Normalimpuls nur einströmt, aber nicht ausströmt:

e
(Xl
f wndQ = -e wnFw= -e Fw2 sin(X.
2.6 Der Impulssatz 131
Da ferner N = -Rn ist, erhält man somit für die Normalkraft des Strahles auf
die Wand:
N = (!Fw 2 sinLX. (2,217)
Dies geht für IX = 90° in GI. (2,216) über.
2.624 Widerstand eines Halbkörpers. Die Strömung um einen Halb-
körper wurde bereits in Kap. 2.357 und 2.358 behandelt, und zwar
sowohl für den ebenen als auch für den rotationssymmetrischen Fall
(Abb. 2.26 und 2.27). Diese Strömungen wurden erhalten durch Über-
lagerung der Quellströmung mit einer Parallelströmung. In reibungs-
loser Strömung ist, wie schon früher angegeben, die Druckverteilung
über die Oberfläche eines solchen Körpers von der Art, daß die resul-
tierende Kraft in Richtung der Anströmung, der sog. Widerstand, gleich
Null ist. Wir wollen diese wichtige Tatsache, die früher ohne Beweis
angegeben wurde, jetzt mit /««(((/!({(
/ {C{ « ( { ( { « ( ( « (« ( / ( ( ( ( ( ( («(C«C«(<<.

Hilfe des Impulssatzes be- j" i<7""" - -1~2


weisen. IP' IPa

Esw' IIPz
Wir betrachten einen Halb- I ~"Ä_ "9 1
körper, der in einem Hohl-
zylinder nach Abb. 2.70 rei- I
~ ~"~" "dI~
bungslos angeströmt werde. ~,c; 17Vz
I
L _ _
-----r--
In genügend großem Abstand ;;;);;;;;;»;));;;;;;;;;};;;;;;;;;;);;;;;;;;;;;;;;;
_""-1
,
vom Vorderende sei der Halb-
Abb. 2.70. Strömung um einen rotationssymmetrischen
körper durch einen Spalt un- Halbkörper iu einem zylindrischen Rohr
terbrochen. In diesem Spalt
stellt sich der Druck der umgebenden Strömung mit der Geschwindig-
keit W 2 ein. Der Halbkörper habe den Querschnitt F 2 und der Hohl-
zylinder den Querschnitt F 1 . Das Verhältnis der beiden Querschnitte
sei IX, also F 2 = IX F 1 •
Die Kontrollfläche K sei nach Abb. 2.70 gewählt. Aus der Konti-
nuitätsgleichung ergibt sich:
FIw I = (F I - F 2) W2
oder
WI = (1 - IX) w2 •

J
Der Impulssatz für die axiale Richtung (x-Richtung) liefert nach
GI. (2,214):
e wxdQ = K x + Px + R x·
(K)

Die Volumenkraft ist gleich Null, wenn die Strömung in einer horizon-
talen Ebene verläuft, K x = o. Die Oberflächenkraft auf dem freien
Teil der Kontrollfläche ergibt sich aus den Drücken zu P x =F1 (PI - P2).
Die Oberflächenkraft auf dem Hohlzylinder ist gleich Null, weil rei-
bungslose Flüssigkeit vorausgesetzt wurde. Es ist R x = - W der Wider-
9*
132 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

stand des Halbkörpers, der sich in einem Hohlzylinder befindet. Der


Impulsfluß ist
e f w",dQ= -eFIWi+e(FI-Fz)w§.
(Kl

Somit ergibt sich aus dem Impulssatz:


W = F1(PI -- pz) + eFI wi - e(F1 - Fz)w§,
oder bei Berücksichtigung der Kontinuitätsgleichung:
W = F1(Pl - pz) + eFIWl(W l - w 2 )·
Die Druckdifferenz ergibt sich aus der BERNOULLlschen Gleichung zu:
PI - Pz = ~ (w~ - wi) = ~ wHl - (1 - 1X)2].
Damit wird der Widerstand:

W =F1 ~ wHl- (1-1X)2 + 2(1-1X)(-1X)]


und nach Vereinfachung:
W= F (!22
12w21X =
F(!2
z2 W21X · (2,218)

Führt man für den Halbkörper eine auf seine Stirnfläche F z und die Ge-
schwindigkeit Wz bezogene Widerstandsziffer ein durch Cw = W/~ w~Fz,
so ist also
Cw = IX. (2,218a)
Läßt man den Rohrquerschnitt F 1 über alle Grenzen wachsen, so wird
F 2 /F 1 =(X ~ o. Nach GI. (2,118) ergibt sich dann, daß der Widerstand

des runden Halbkörpers in reibungsloser Strömung in unbegrenzter


Flüssigkeit gleich Null ist. Für den ebenen Halbkörper erhält man
dieses Ergebnis in genau der gleichen Weise.
Eine anschauliche Erklärung für dieses Ergebnis erhält man auch
aus der Druckverteilung auf dem vorderen Teil des Halbkörpers, wie
sie in Abb. 2.26 und 2.27 angegeben wurde. In der Nähe des vorderen
Staupunktes herrscht Überdruck, welcher eine Schubkraft in Strö-
mungsrichtung liefert, dagegen in größerer Entfernung vom Staupunkt
herrscht Unterdruck, welcher eine Saugkraft entgegen der Strömungs-
richtung liefert. Die Resultierende aus diesen beiden Anteilen ist Null
sowohl für den ebenen als auch für den rotationssymmetrischen Halb-
körper.
2.625 Ermittlung des Widerstandes aus dem Impulsverlust. Als letztes
Beispiel zum Impulssatz soll jetzt eine Methode besprochen werden, mit
deren Hilfe der Widerstand eines Körpers in einer wirklichen, unendlich
ausgedehnten Flüssigkeit aus einer Messung der Geschwindigkeits- und
Druckverteilung hinter dem Körper, in dem sog. Nachlauf des Körpers
2.6 Der Impulssatz ]33

ermittelt werden kann. Während in einer unendlich ausgedehnten


reibungslosen Flüssigkeit, wie wir gesehen haben, der Widerstand Null
ist, erfährt in einer wirklichen Flüssigkeit jeder Körper einen mehr oder
weniger großen Widerstand. Es treten bei der Umströmung des Körpers
in den körpernahen Schichten Energieverluste durch Reibung ein, die
hinter dem Körper eine Verminderung der Geschwindigkeit und des
statischen Druckes gegenüber den Werten der reibungslosen Strömung
verursachen (Abb. 2.71). Der gesamte Widerstand des Körpers besteht
aus dem Reibungswiderstand als dem Integral der Tangentialkräfte
über die Oberfläche und dem Druckwiderstand (Integral der Normal-
kräfte). Die Summe beider ist der Gesamtwiderstand, der beim Trag-
flügel auch als Profilwiderstand bezeichnet wird. Dieser Gesamtwider-
D ~ -.!~~-~---- --__ c
I
I u,

dl.-
~ r:
!J
, >--'=-, Ya
. .=-. X

~l

A --~-~--
Ilo, f100 g,P'. flz N,-Poo
Abb, 2.71. Zur Ermittlung des Widerstandes aus einer Impulsmessung hinter dem Körper

stand soll im folgenden ermittelt werden. Die hier zu besprechende


Methode ist grundsätzlich anwendbar auf den ebenen und den rotations-
symmetrischen Fall und auch für kompressible Strömung. Wir wollen
uns im folgenden jedoch auf die ebene inkompressible Strömung be-
schränken.
Vor dem Körper ist die konstante Zuströmgeschwindigkeit U co vor-
handen und der statische Druck Poo. Hinter dem Körper hat die Ge-
schwindigkeitsverteilung eine Delle, deren Breite stromabwärts zu-
nimmt, während ihre Tiefe stromabwärts abnimmt. Beim Fortschreiten
in Strömungsrichtung hinter dem Körper erreicht der statische Druck
den ungestörten Wert vor dem Körper wesentlich schneller als die
Geschwindigkeit. Wir wollen zunächst annehmen, daß die Messung der
Geschwindigkeitsverteilung in einem solchen Abstand hinter dem
Körper ausgeführt wird, daß dort der statische Druck bereits den un-
gestörten Wert Pco wieder erreicht hat. Dies sei der Schnitt I in Abb. 2.7]
Der Impulssatz für die x-Richtung lautet nach GI. (2,214):
eI
(K)
wa;dQ = Ka; + Pa; + Ra;.
9a
134 H. Inkompressible reibungslose Strömungen (Hydrodynamik)

Die Kontrollfläche K wird als Rechteck ABCD so gewählt, daß die


seitlichen Begrenzungsflächen AB und DC in der ungestörten Strö-
mung verlaufen. Die Volumenkraft ist gleich Null, K x = 0, wenn die
x-Richtung in der Horizontalebene liegt. Die Oberflächenkraft über
den freien Teil der Kontrollfläche ist gleich Null, P x = 0, weil der
Druck auf der ganzen Kontrollfläche konstant gleich Poo ist. Die
Oberflächenkraft über den Teil der Kontrollfläche, welche den Körper
umschließt, ist entgegengesetzt gleich dem gesuchten Widerstand,
R x = - W. Somit wird der Impulssatz:

W= -(2
(K)
J wxdQ.

Bei der Ermittlung des Impulsintegrals ist zu beachten, daß auch


durch die Seitenflächen AB und DC der Kontrollfläche Impuls fließt.
Die Erfüllung der Kontinuitätsgleichung erfordert, daß diejenige
Menge, die durch BC weniger ausfließt als durch AD einfließt, die
Kontrollfläche seitlich verläßt. Für die Ermittlung des Impulsfluß-
integrals geben wir die folgende Tabelle. Dabei bedeutet b die Höhe
des zylindrischen Körpers senkrecht zur Zeichenebene.

Fläche Menge x-Impuls

AD -b f uoody - eb f 11,'Oc dy

BC +bfu1dy + eb f u;dy

AB+DC +b f (uoo - u 1 ) dy + eb f uoo(uoo - u 1 ) dy

2: = (K) 2: = 0
(Kontinuität)
2: = e
{Kl
J wxdQ

Durch die Summation der letzten Spalte dieser Tabelle ergibt sich
als Impulsfluß :
(2
(K)
J wxdQ = -(2b J u1(uoo - u1)dy.

Somit erhält man den Widerstand aus einer Messung im Querschnitt I


zu:
(2,219)

Führt man noch den Widerstandsbeiwert ein durch:


2.6 Der Impulssatz 135

wobei b l die Bezugsfläche für den Widerstand bedeutet (l = Profiltiefe


beim Tragflügel), so erhält man aus GI. (2,219) für den Widerstands-
beiwert:
CW=2J~(1-~)dJL.
uoo , Uoo l
(2,220)
(/)

Aus GI. (2,220) geht hervor, daß für die Ermittlung des Widerstandes
lediglich die Geschwindigkeitsverteilung im Nachlauf ermittelt zu wer-
den braucht. Da der Integrand in GI. (2,220) nur in der Nachlaufdelle
von Null verschieden ist, ist der Wert des Integrals unabhängig von der
Breite BO der Kontrollfläche, wenn diese sich nur über die ganze Delle
erstreckt.
Für manche Anwendungen, insbesondere z. B. bei Messungen hinter
Tragflügeln, ist es erwünscht, den Meßquerschnitt näher hinter dem
Körper zu wählen, Querschnitt II nachAbb. 2.71. Für diesen Fall erfährt
GI. (2,220) eine Korrektur, die hier noch kurz mitgeteilt sei. Sie wurde
zuerst von A. BETZ [6] angegeben und später von B. M. JONES [7] ver-
einfacht. Um die Bestimmung von u 1 auf Messungen im Querschnitt 11
zurückzuführen, gilt zunächst die Kontinuitätsgleichung für eine
Stromröhre :
eUldYl = e U2 d Y2·
Damit wird aus GI. (2,219):

W = e bJ 1l 2(U oo - u 1 )dY2· (2,221)

Es wird nun weiter die Annahme gemacht, daß die Strömung vom
körpernahen Querschnitt 11 zu dem entfernteren Querschnitt 1 verlust-
los verläuft, d. h., daß für jeden Stromfaden von 11 nach 1 der Gesamt-
druck konstant ist:
fh = (Jl·
Unter Einführung der Gesamtdrücke

erhält man aus GI. (2,221):

W = 2b J V(J2 - P2 [V(Joo - Poo - V(J2 - Poo J dY2' (2,222)

wobei der Integrand über den Querschnitt 11 zu erstrecken ist. Auch


hier ist der Integrand nur in der "Delle" von Null verschieden. Führt
man noch wie oben den dimensionslosen Widerstandsbeiwert ein, so ist
wegen (100 - poo = qoo :

(2,223)

9a*
136 IH. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

Dieses ist die Formel von B. M. J ONES [7]. Für den Fall, daß im Meß.
querschnitt der statische Druck gleich dem ungestörten statischen
Druck ist, P2 = P<X» geht die Formel von JONES in die einfachere
GI. (2,220) über.
In einer Arbeit von W. PFENNIN'GER[8] sind für Tragflügelprofile diese
Formeln für die Ermittlung des Profilwiderstandes aus einer Impuls-
messung mit der Ermittlung durch Wägung kritisch verglichen worden.
Dabei hat sich gute Übereinstimmung ergeben.

Literatur
[1] FUHRMANN, G.: Theoretische und experimentelle Untersuchungen an Ballon-
modellen. Dissertation Göttingen 1910. Jahrbuch der Motorluftschiff-Studien-
ges. Bd.5 (1911jI2) S. 63-123.
[2] PRANDTL, L., u. O. TIETJENS: Hydro- und Aeromechanik. Berlin Bd. l.
2. Aufl. (1944) Bd. 2 (1931).
[3] BETz, A.: Eine anschauliche Ableitung des Biot-Savartschen Gesetzes.
ZAMM Bd. 8 (1928) S. 149-151.
[4] ACKERET, J.: Das Rotorschiff und seine physikalischen Grundlagen. Göttin-
gen 1925.
[5] BETz, A.: Konforme Abbildung. Berlin, Göttingen, Heidelberg: Springer 1948.
[6] BETz, A.: Ein Verfahren zur direkten Ermittlung des Profilwiderstandes.
Z. Flugtechn. Motorluftschiffahrt Bd. 16 (1925) S.42--44.
[7] J ONES, B. M.: The measurement of profile drag by the pitot traverse method.
ARC Report 1688 (1936).
[8] PFENNINGER, W.: Vergleich der Impulsmethode mit der Wägung bei Profil-
widerstandsmessungen. Mitt. Inst. Aerodyn. ETH. Zürich, No. 8 (1943)
S.50-72.
[9] PRANDTL, L.: über die Entstehung von Wirbeln in der idealen Flüssigkeit
mit Anwendung auf die Tragflügeltheorie und andere Aufgaben. Vorträge
aus dem Gebiet der Hydro- und Aerodynamik. Innsbruck 1922. Heraus-
gegeben von Th. v. Karman und T. Levi-Civita, Berlin 1924. S. 18-33.
[10] PRANDTL, L., u. A. BETZ (Herausgeber): Ergebnisse der Aerodynamischen
Versuchsanstalt zu Göttingen, München und Berlin. Profil Gö 445: 1. Lieferg.
(1921) S. 7l-112.
Ebene Platte. IV. Lieferg. (1932) S.96-100.
[11] KAUFMANN, W.: Technische Hydro- und Aeromechanik. 2. Aufl. Berlin,
Göttingen, Heidelberg: Springer 1958.

III. Kompressible reibungslose Strömungen


( Gasdynamik)
3.1 Grundbegriffe
3.11 Kompressibilität, Machsehe Zahl
Nachdem im vorigen Kapitel die Grundgesetze einer reibungslosen
inkompressiblen Flüssigkeit (ideale Flüssigkeit) erörtert worden sind,
wollen wir jetzt die Strömungsgesetze unter Berücksichtigung der Kom-
pressibilität des strömenden Mediums behandeln. Die Zähigkeit des
3.1 Grundbegriffe 137

strömenden Mediums soll aber noch weiterhin vernachlässigt werden.


Sie wird erst im nächsten Kapitel berücksichtigt werden, wobei dann
aber zunächst wieder eine inkompressible Flüssigkeit zugrunde gelegt
wird. Den vom theoretischen Standpunkt aus besonders schwierigen Fall
der gleichzeitigen Berücksichtigung von Kompressibilität und Zähigkeit
werden wir am Ende des nächsten Kapitels kurz streifen.
Wie bereits in Kap. 1.23 ausgeführt wurde, sind die Gase durchweg
erheblich stärker kompressibel als die tropfbaren Flüssigkeiten. Ein
quantitatives Maß für die Kompressibilität ist der bereits in GI. (1,14)
eingeführte Volumenelastizitätsmodul E, welcher definiert ist durch
die Gleichung LlV Lle
Llp= - E - = E - . (3,1)
V e
Dabei bedeutet Ll V/V die relative Volumenänderung und L1 eie die rela-
tive Di chte änderung, welche durch eine Druckerhöhung L1 p hervor-
gerufen wird. Zahlenwerte des Elastizitätsmoduls E wurden bereits
in Kap. 1.23 angegeben. Maßgeblich für die Berücksichtigung der
Kompressibilität bei der Strömung ist die durch die dynamischen Druck-
unterschiede verursachte Dichteänderung. Der dynamische Druck-
unterschied ist nach der BERNOULLlschen Gleichung L1 p = (e/2)w2.
Damit ergibt sich nach GI. (3,1) für die relative Dichteänderung :

(3,2)

Hiernach ist also die relative Dichteänderung gegeben durch das Ver-
hältnis von Staudruck zu Elastizitätsmodul.
Unter Vorwegnahme der nachstehend noch abzuleitenden LAPLAcE-
schen Formel für die Schallgeschwindigkeit a, nämlich
2 E Llp
a =-=-, (3,3)
eLle
wobei p = p(e) das Kompressionsgesetz des Mediums bedeutet, erhält
man aus GI. (3,2) :
~=~Ma2 (3,4)
e 2 '
wobei
Ma= w (3,5)
a

die Machsche Zahl bedeutet. Hiernach wird für die MAcHsche Zahl
Ma = 0,4 die relative Dichteänderung Ll e/ e = i . 0,4 2 = 0,08, also 8 %.
Etwa von dieser MACHschen Zahl ist deshalb die Kompressibilität
zu berücksichtigen. Für Luft mit der Schallgeschwindigkeit von
340 m/s (in Bodennähe ) ergibt dies eine Strömungsgeschwindigkeit von
0,4.340 = 136 m/s = 500 km/ho Da diese Geschwindigkeit von vielen
Flugzeugen überschritten wird, sind die kompressiblen Strömungen
138 IH. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

für die Flugzeug-Aerodynamik sehr wichtig. Wir wollen deshalb in


diesem Kapitel die wichtigsten Grundgesetze der kompressiblen Strö-
mungen in einiger Ausführlichkeit behandeln, während die speziellen
Fragen der Aerodynamik des Tragflügels und des Rumpfes bei kompres-
sibler Strömung in Kap. VIII und IX erörtert werden sollen. Eine ein-
gehendere Darstellung dieses Gebietes findet man in zahlreichen Lehr-
und Handbüchern [1] bis [20].

3.12 Zustandsgleichung
Bei der Aufstellung der Bewegungsgleichungen einer kompressiblen
Flüssigkeit kommt gegenüber der inkompressiblen Flüssigkeit als neue
Variable die Dichte (2 hinzu. Es bedarf also einer Angabe über den Zu-
sammenhang zwischen der Dichte (! und den Zustandsgrößen Druck P
und Temperatur T. Hierfür steht die Zustandsgleichung der Thermo-
dynamik zur Verfügung, welche für vollkommene Gase lautet, vgl.
GI. (1,1):
p=(!gRT. (3,6)

Dabei bedeutet R die Gaskonstante, welche sich aus den spezifischen


Wärmen des Gases bei konstantem Druck Cp und bei konstantem
Volumen c" zu:
" --1 c
R = cp - c'/) = - p (3,7)
ergibt, mit
"
(3,8)

Für Luft hat die Gaskonstante den Wert


R = 29,27 mJgrd (Luft), (3,7 a)
und das Verhältnis der spezifischen Wärmen ist
x = 1,405 (Luft). (3,8a)
Für die Strömung einer reibungslosen kompressiblen Flüssigkeit kann
im allgemeinen eine Zustandsänderung angenommen werden, bei
welcher kein Wärmeaustausch eines strömenden Gasteilchens mit der
Umgebung stattfindet. Diese ist die sog. adiabatische Zustandsänderung.
Hierfür gilt
X-
121<
= const. (3,9)

Bezeichnen PI und (21 Druck bzw. Dichte in einem beliebigen Aus-


gangszustand, so folgt aus Gl. (3,9):
P ( 12 )' (3,9a)
p;= ~
1<
3.1 Grundbegriffe 139

und unter Beachtung von GI. (3,6) für die Temperatur:

~= (--'L)"-1 = (~) ";;-1 , (3,10)


Tl el PI .
wobei Tl die zu P1 und e1 gehörige Temperatur bedeutet.

3.13 Schallgeschwindigkeit
Wir wollen jetzt für die schon in Kap. 1.23 und in Kap. 3.11 be-
nutzte LAPLAcE-Formel für die Schallgeschwindigkeit, GI. (3,3), eine
anschauliche Ableitung geben [10]. Die Schallgeschwindigkeit ist iden-
tisch mit der Fortpflanzungsgeschwindigkeit einer schwachen Druck-
störung in einem ruhenden Gas. Wir betrachten nach Abb. 3.1 eine
ruhende Gasmasse in einem weiten Rohr mit dem Querschnitt F
und nehmen an, daß eine
Kolben
Drucksteigerung durch eine
kurzzeitige ruckartige Be- F
wegung eines Kolbens er-
zeugt werde. Verursacht
durch die Bewegung des
Kolbens wird das Gas in der
Nähe des Kolbens zusam-
mengedrückt, und diese
Drucksteigerung pflanzt
sich als Druckwelle in das
ruhende Medium hinein mit Abb.3.1. Zur Berechnung der Fortpflanzungsgeschwin-
einer Geschwindigkeit a digkeit einer Druckstörung in einem Rohr

fort, die wir im folgenden


berechnen wollen. Dabei muß derjenige Teil der Gasmasse, über welchen
der Druckanstieg bereits hinweggegangen ist, eine Geschwindigkeit w
nach rechts besitzen. Wir machen die Annahme, daß die Druck-
erhöhung LI P = P1 - Po klein sei gegen den ursprünglichen Druck Po.
Dann ist auch die durch die Kompression verursachte Dichteerhöhung
LI e = e1 - eo klein gegen die ursprüngliche Dichte eo. Ferner machen
wir die Annahme, daß sich die Drucksteigerung LI P in einem Über-
gangsgebiet der Breite b vollzieht, welches mit der Geschwindigkeit a
nach rechts wandert.
Wir können die Fortpflanzungsgeschwindigkeit a der Druckwelle
dadurch ermitteln, daß wir auf dieses Übergangsgebiet mit dem Volu-
men F b die Kontinuitätsgleichung und die N EWToNsche Grundgleichung
anwenden. Die Anwendung der Kontinuitätsgleichung auf ein raum-
festes Volumen F b, über welches die Druckwelle in der Zeit 7: = bja hin-
wegrückt, liefert die Aussage, daß die durch die Kompression ein-
getretene Massenzunahme pro Zeiteinheit durch die vom verdichteten
140 III. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

Gebiet in der Zeiteinheit zufließende Masse verursacht werden muß. Die


Kompression verursacht eine Dichtezunahme von (10 auf (11 in der
Zeit -r, so daß für das Volumen F b die Massenzunahme pro Zeit-
einheit F b ((11 - (lo)!-r = F a ((11 - (10) beträgt. Die in das Ge biet F b
pro Zeiteinheit zufließende Masse ist (11 F w. Somit muß sein
Fa((ll - (10) = (lI Fw
oder
(3,11)
Für die Anwendung des NEwToNschen Grundgesetzes beim Hinweg-
rücken der Druckwelle über das raumfeste Gebiet Fb hat man eine
mittlere Beschleunigung w/-r = w (alb) und eine Masse Fb(lm, wobei
(Im = ((10+ (11)/2 den zeitlichen Mittelwert der Dichte in diesem Gebiet
bedeutet. Die resultierende Kraft ist F(PI - Po). Somit erhält man aus
Masse X Beschleunigung = resultierende Kraft:

oder
(lm wa = PI - PO· (3,12)
Ersetzt man nun in GI. (3,11) die Dichte (11 nach der Kompression
näherungs weise durch (Im, was wegen der vorausgesetzten schwachen
Kompression zulässig ist, so erhält man aus GI. (3,11) und (3,12):
a2 - PI-PO _ Llp
- el - eo - LI e .
Dabei kann schließlich wegen der vorausgesetzten schwachen Druck-
welle der Differenzenquotient durch den Differentialquotienten ersetzt
werden:
2 _ ap
a -di (3,13)

Dies ist die Laplacesche Formel für die Schallgeschwindigkeit, die oben
bereits benutzt wurde. Der Differentialquotient dp/d(l hängt ab von
dem Kompressionsgesetz p ((I) des Gases. Bemerkenswert ist, daß die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Druckwellen a unabhängig ist von
der Größe der Druckänderung, was aber nur für schwache Druckände-
rungen gilt. Auch hat die Breite des Übergangsgebietes keinen Einfluß
auf die Größe der Fortpflanzungsgeschwindigkeit. Es können somit
beliebige positive und negative kleine Druckänderungen aufeinander-
folgen, ohne sich zu stören. Dies ist gleichbedeutend damit, daß a die
Ausbreitungsgeschwindigkeit von Schallwellen, kurz Schallgeschwin-
digkeit genannt, ist.
Für die Ausrechnung des in GI. (3,13) benötigten Differentialquotien-
ten darf man eine adiabatische Zustandsänderung annehmen, da die
3.1 Grundbegriffe 141

Druckänderungen der akustischen Schwingungen mit so hoher Frequenz


erfolgen, daß in der Luft kein nennenswerter Wärmeaustausch mit der
Umgebung eintreten kann. Damit ergibt sich unter Berücksichtigung
von GI. (3,9) für die Schallgeschwindigkeit

(3,14)

oder mit pie nach G1. (3,6):


a= VxgRT. (3,14a)

Die letztere Gleichung, die auch bereits in GI. (1,22) angegeben wurde,
läßt erkennen, daß die Schallgeschwindigkeit in der Atmosphäre mit
der Höhe abnimmt, da die Temperatur mit der Höhe abnimmt. Zahlen-
angaben über die Schallgeschwindigkeit und ihre Änderung mit der
Höhe wurden bereits in Tab. 1.1 und Abb. 1.2 gemacht. Für Boden-
nähe ist die Schallgeschwindigkeit a = 340 mls und für 10 km Höhe
300m/s.

3.14 Machscher Winkel


Der für uns wichtige Fall der Fortpflanzung einer Druckstörung in
einem strömenden Medium läßt sich auf den bisher betrachteten Fall
der Ausbreitung von Druckstörungen in einem ruhenden Medium zu-
rückführen, indem man zunächst ein Störungszentrum betrachtet, das
sich mit der Geschwindigkeit w von links nach rechts durch das ruhende
Medium bewegt (Abb. 3.2). Relativ zu diesem bewegten Störungs-
zentrum erfolgt dann die Ausbreitung der Druckwellen mit der Ge-
schwindigkeit a. Physikalisch ist dieser Vorgang offenbar identisch mit
einer ruhenden Schallquelle, die von rechts her mit der Geschwindig-
keit wangeströmt wird. Bei der näheren Betrachtung dieses Vorganges
tritt die überragende Bedeutung der Schallgeschwindigkeit und ins-
besondere des Verhältnisses von Strömungsgeschwindigkeit zu Schall-
geschwindigkeit, d. i. der MAcHschen Zahl, zutage.
Betrachten wir diesen Vorgang zunächst von demjenigen Koordi-
natensystem aus, in welchem sich die Schallquelle mit der Geschwindig-
keit w durch die ruhende Flüssigkeit bewegt: Es zeigt dann Abb. 3.2a
für den Fall der ruhenden Schallquelle, w = 0, die Ausbreitung der
Schallwellen auf konzentrischen Kugelflächen. Abb. 3.2b zeigt die Lage
der in äquidistanten Zeitabständen ausgesandten Schallwellen für den
Fall, daß sich die Schall quelle mit der halben Schallgeschwindigkeit
bewegt, w = a/2. Abb. 3.2c zeigt das entsprechende Bild für w = a
und schließlich Abb. 3.2d für w = 2 a. Im letzteren Fall, bei dem sich
die Schall quelle also mit Überschallgeschwindigkeit bewegt, beschränkt
142 III. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

sich die Wirkung der Schall quelle auf das Innere eines Kegels, dessen
halber Öffnungswinkel f-t sich aus der Beziehung
. ar a I
Slllf-t = u;; = w = -Ma (3,15)

berechnet. Dieser Kegel heißt der Machsche Kegel.


Von dem mit der Schallquelle mitbewegten Koordinatensystem aus
betrachtet, in welchem also diese ruht und in Abb. 3.2 mit der Geschwin-
digkeit w von rechts angeströmt wird, hat man also den folgenden
charakteristischen Unterschied: Für Strömungsgeschwindigkeiten, die
f
rv=O rv-Ta

m=a

rv-Za
Zone des Schweigens

TU
I
I
I
I
I
I
c I
~mr----l
I

Abb. 3.2. Ausbreitung von Schallwellen einer durch ein ruhendes Medium mit der Geschwin-
digkeit w bewegten Schallquelle. a) Schallquelle in Ruhe, W = 0; b) Schallquelle bewegt sich
mit Unterschallgeschwindigkeit, W = a/2; c) Schallquelle bewegt sich mit Schallgeschwindig-
keit, W = a; d) SchaIIquelle bewegt sich mit überschallgeschwindigkeit, W = 2a; die Schall-
wellen breiten sich aus in dem MAcHschen Kegel mit dem halben Öffnungswinkel I-'

kleiner sind als die Schallgeschwindigkeit (w < a, Unterschallströmung)


breitet sich eine Druckstörung allseitig im Raum aus, Abb. 3.2a und
3,2b. Ist dagegen die Strömungsgeschwindigkeit größer als die Schall-
geschwindigkeit (w > a, Überschallströmung), so können sich Druck-
störungen nur in dem stromabwärts von der Schall quelle gelegenen
MAcHschen Kegel ausbreiten. In Punkten außerhalb des MAcHsehen
Kegels kann die Schall quelle kein Signal senden; diesen Bereich nennt
man auch die "Zone des Schweigens". Bei einem mit Überschall-
3.1 Grundbegriffe 143

geschwindigkeit fliegenden Körper, der auf einen Beobachter zukommt,


hört man also vor der Ankunft des Körpers keine Schallwirkung. Die
Begrenzungslinien des MAcHschen Kegels heißen die M achschen Linien.
Auf diesen MAcHschen Linien ändern sich die Strömungsgrößen Druck,
Dichte und Geschwindigkeit nahezu unstetig.
Wird ein schlanker, vorn spitzer Körper in Richtung seiner Längs-
achse mit Überschallgeschwindigkeit angeströmt, Abb. 3.3, so über-
nimmt die Vorderkante des Körpers
die Rolle der Schallquelle in den
obigen Betrachtungen. Daraus er-
gibt sich, daß von der scharfen
Vorderkante MAcHsche Linien aus-
gehen, derart, daß stromaufwärts
von diesen die ankommende Par-
allelströmung ungestört bleibt,
während nur stromabwärts von die-
sen MAcHschen Linien die Strömung
durch den Körper gestört ist. Als
Beispiel hierfür zeigt Abb. 3.4 die Abb.3.3. überschallströmung um einen
spitzen Keil
Strömung um ein bikonvexes Profil
bei Überschallgeschwindigkeit. Die MAcHschen Linien, auf denen sich
der Druck sprungweise ändert, sind nach dem Schlierenverfahren

Abb. 3.4. Strömung um ein bikonvexes Profil mit überschallgeschwindigkeit, Schlierenaufnahme.


Von Vorder- und Hinterkante des Profils gehen MACHsche Wellen aus

sichtbar gemacht. Aus dem Winkel der MAcHschen Linien, die von
der Vorderkante des Profils ausgehen, kann man nach GI. (3,15) die
Anströmungsgeschwindigkeit ziemlich genau berechnen.
144 III. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

Die bisherigen Betrachtungen zeigen, daß die Unterschallströ-


mungen im Charakter mit der inkompressiblen Strömung verwandt
sind, daß jedoch die Überschallströmungen völlig anders verlaufen.
Aus diesem Grunde wird es sich als zweckmäßig erweisen, bei den
späteren Betrachtungen dieses Kapitels die Unterschallströmungen und
die Überschallströmungen getrennt zu behandeln.

3.15 Temperaturerhöhung in einer kompressiblen Strömung


Es ist ein besonderes Merkmal aller kompressiblen Strömungen, daß
die Strömungsvorgänge durchweg mit thermodynamischen Vorgängen
gekoppelt sind. Die in der Strömung auftretenden Druckänderungen
sind im allgemeinen mit Temperaturänderungen verbunden, die aus
der Zustandsgleichung (3,6) ermittelt werden können. Wir wollen an
dieser Stelle eine einfache Abschätzung der in einer kompressiblen
Strömung entstehenden örtlichen Temperaturunterschiede geben. Diese
Abschätzung soll später, nachdem wir die Bewegungsgleichungen auf-
gestellt haben, durch eine
genauere Rechnung ersetzt

r..
1/100
P••
~~ ._----
1/10 =0
werden.
Es möge die Umgebung
des vorderen Staupunktes
eines umströmten Körpers
nach Abb. 3.5 betrachtet
werden. In der ungestörten
Abb. 3.5. Zur Berechnung der Temperaturerhöhung durch
adiabatische Kompression Strömung mit der Ge-
schwindigkeit W oo sei der
Druck Poo, die Dichte eoo und die Temperatur Tao. Im Staupunkt ist
die Geschwindigkeit Wo = 0, und ferner Po, Qo, T o . Auf der zum Stau-
punkt führenden Stromlinie findet eine Druckerhöhung L1 P = Po - Poo
statt, die eine Temperaturerhöhung L1 T = T o - Tao verursacht. Der
Wärmeinhalt des Gases beträgt in bekannter Weise pro Gewichts-
einheit:
i = Cp T [mkg/kg].

Die Erwärmung des Gases durch Kompression läßt sich aus einer
Energiebetrachtung ermitteln (vgl. Fußnote auf S. 148). Nimmt man
an, daß für den zum Staupunkt führenden Stromfaden die vorhandene
kinetische Energie des Gasteilchens beim Aufstau vollständig in Wärme
umgesetzt wird und somit eine Erwärmung L1 T verursacht, so liefert
die Energiebilanz pro Gewichtseinheit:
3.1 Grundbegriffe 145

Hieraus ergibt sich für die Temperaturerhöhung :


2
L1 T = W oo • (3,16)
2g Cp
Für Luft mit einer spezifischen Wärme von cp = 0,24 kcaljkg grd
= 0,24 .427 mjgrd ergibt sich hieraus bei einer Strömungsgeschwindig-
keit von W oo = 100 mls eine Tem-
50'0
peraturerhöhung im Staupunkt I
oe
1002 3'0'0
1/
L1 T = , 427
2.9 ,81 .024. = 5 grd, 2a"0 J

während sie bei W oo = 1000 mls 15,'0 1/


rund 500 grd beträgt. 10'0
J

Wie sich später (Kap. 3.23) noch 80


I
ergeben wird, gibt GI. (3,16) den 60
exakten Wert für die Temperatur-
erhöhung durch adiabatische Kom- /
pression. DieseTemperaturerhöhung ~~2O
"'81&- 30 /
wächst also mit dem Quadrat der 11~ 15 J I
Geschwindigkeit an und erreicht -.::::; /
~ 10
deshalb im Bereich der Überschall- 8
7
"7
geschwindigkeit sehr erhebliche Be- 6 ,

träge, wie aus Abb. 3.6 zu ent- I


nehmen ist. * 1/
J
Besonders bemerkenswert ist,
2
J
daß eine Temperaturerhöhung vom 1/
Betrag der Gl. (3,16) aber nicht nur 5
1 J
im Staupunkt und seiner nächsten *0 50 70 100 200 JOO 500 m/sek 1'0'00
Umgebung auftritt, sondern nähe- TVoo -
Abb. 3.6. Temperaturerhöhung der Luft
rungsweise überall längs einer an- durch adiabatische Kompression in Ab-
ge strömten Wand. In einer dünnen hängigkeit von der Strömungsgeschwindig-
keit u'oo
wandnahen Schicht (Reibungs-
schicht oder Grenzschicht, vgl. Kap. IV) wird nach Abb. 3.7 die kine-
tische Energie des strömenden Gases durch die Wirkung der Zähigkeit
in Wärme umgewandelt. Dies hat eine Aufheizung der Wand um den
Betrag LlT = T w - T oc
TVoo

fl ~
zur Folge, der nähe-

;;;------ ----;-------
rungsweise ebenfalls
durch eine Beziehung ---- --
wie GI. (3,16) dar- ,,/-
gestellt wird. Näheres / ~

über solche Tempera- -


TVoo
~fifß00WW~41
turgrenzschichten wird Abb.3.7. Aufheizung einer beströmten Wand durch die
Reibnngswärme; Strömungsgrenzschicht wund Temperatur-
in Kap. 4.9 berichtet grenzschicht T

SchlichtingjTruckenbrodt, Aerodynamik I 10
146 IIr. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

werden. Man kann somit abschließend feststellen, daß bei der U mströmung
eines Körpers mit großer Geschwindigkeit sich längs der ganzen Körper-
oberfläche ein "Wärmepolster" ausbildet. Dabei kommt in der nächsten
Umgebung des Staupunktes die Erwärmung durch die Kompression
und an den übrigen Teilen der Wand durch die Reibung zustande.

3.2 Eindimensionale Strömungen (Stromfadentheorie)


3.21 Eulersche Bewegungsgleichung und Bernoullische Gleichung
Wir wollen jetzt in gleicher Weise wie in Kap. 2.2 für die inkom-
pressible Flüssigkeit die Bewegung längs einer Stromröhre für ein kom-
pressibles Medium behandeln. Die Überlegungen von Kap. 2.21, welche
nach Abb. 2.8 aus dem Kräftegleichgewicht von Trägheitskraft, Druck-
kraft und Schwerkraft zu der EULERschen Bewegungsgleichung längs
einer Stromröhre geführt hatten, bleiben hier unverändert mit dem
einzigen Unterschied, daß jetzt die Dichte e als veränderlich angesehen
werden muß. Für stationäre Strömung, auf die wir uns hier ausschließ-
lich beschränken wollen, lautet demnach nach GI. (2,30) und Abb. 2.8
die Bewegungsgleichung :
w aw
as + 2... ap
(!as + (J !!...
as -- 0 . (3,17)
Hierzu kommt die Kontinuitätsgleichung, die für die eindimensionale
kompressible Strömung bereits in GI. (2,10) angegeben wurde:
(! F w = const. (3,18)
Als dritte Gleichung ist die Zustandsgleichung hinzuzunehmen. Da wir
durchweg adiabatische Zustandsänderung annehmen wollen, gilt somit
GI. (3,9). Bei vorgegebener Lage der Stromröhre Z(8) und bei vor-
gegebenem Stromröhrenquerschnitt F (8) stellen die GIn. (3,17), (3,18)
und (3,9) ein System von drei Gleichungen für die drei Unbekannten w,
p, e dar. Für die inkompressible Flüssigkeit mit e = const kommt die
Zustandsgleichung in Fortfall, und es reduziert sich dann dieses System
auf zwei Gleichungen für wund p, vgI. Kap. 2.21.
Die Integration der EULERschen Bewegungsgleichung (3,17) längs
der Stromröhre führt auch im Fall der kompressiblen Strömung zur
BERNOULLlschen Gleichung. Im vorliegenden Fall ist wegen der ver-
änderlichen Dichte die Integration des Druckgliedes aber nur ausführ-
bar, wenn die Dichte eine eindeutige Funktion des Druckes ist, wie es
bei einer homogenen Flüssigkeit der Fall ist. Die Integration des Druck-
gliedes in GI. (3,17) ergibt dann:

J~ ~~ d8 = J
d: = P(p).

1 P heißt "Groß Rho".


3.2 Eindimensionale Strömungen (Stromfadentheorie ) 147

Dabei ist zur Abkürzung die Druckfunktion P(p) eingeführt worden.


Sie kann erst ausgewertet werden, wenn die Zustandsänderung, z. B.
isotherm oder adiabatisch, bekannt ist. Somit liefert die Integration
der Bewegungsgleichung (3,17) längs der Stromröhre :

2
w2
+ P(p) + gz = const. (3,20)

Dies ist die Bernoulli-Gleichung für kompressible Strömungen. Dabei


ist zunächst noch offengelassen, welche Zustandsänderung des Gases
zugrunde gelegt wird.
Für kompressible Strömungen ist es im allgemeinen zulässig, die
Ortshöhe z gegenüber der Geschwindigkeitshöhe w 2 /2 g zu vernach-
lässigen. Einer Geschwindigkeit von w = 100 mfs entspricht eine Ge-
schwindigkeitshöhe von w 2 /2 g = 500 m; demgegenüber ist die Orts-
höhe meist sehr klein. Damit vereinfacht sich GI. (3,20) zu

+ Jdp(! = 0 ,
P

~
2 (w 2 - w002 ) (3,21)
Poc

wobei die Integration von einer Stelle mit dem Zustand Poo, eoo, W oo
bis zu einer Stelle mit p, e, wauszuführen ist.
Es möge jetzt in dieser BERNoULLI-Gleichung die Druckfunktion für
die adiabatische Zustandsänderung nach GI. (3,9) ausgewertet werden.
Mit e = eoo (pjPoo)l/" ergibt sich:

P(p)=
P
j dp
- =poo
-
(!
1/"

(!oo
J P
P --d
1
" P ="Poc
- - - [( - P ) " - 1].
" - 1 (!oo poo
,,-1
(3,22)

Durch Einsetzen dieser Druckfunktion in GI. (3,21) ergibt sich die


Bernoulli-Gleichung für kompressible Strömung mit adiabatischer Zu-
standsänderung:

w2 _ w';' + ~ Pcc:.
,,-1 (!oo
[(-'L) ,,-;;-1 _ 1] = O.
poo
(3,23)

Für spätere Anwendungen möge diese GI. (3,23) noch in einer


anderen Form geschrieben werden. Das Druckglied läßt sich unter
Verwendung der Zustandsgleichung (3,9) in folgender Form schreiben:

(-'L)-"
,,-1
poo = J?.. •
(!oo Poc (!
10*
148 III. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

Damit ergibt sich aus GI. (3,23):


2
~ + __"_ k = ~
w2
+ __"_ pco • (3,24 1 )
2 ,,-1 e 2 ,,-1 eco

Unter Einführung der Schallgeschwindigkeit nach GI. (3,14) kann man


auch schreiben:
Q

w2 - w;" ,,-
= ~1 (a~ - a 2 ). (3,25)

Diese Beziehung läßt sich auch in der Form schreiben:

(a: r = 1- "; 1 Ma~ [ c;: r-1]. (3,25 a)

Dabei ist die MAcH-Zahl der Anströmung

Ma
co
= Woc
aco
(3,26)
eingeführt worden.
Im Hinblick auf Betrachtungen über die Druckverteilung an um-
strömten Körpern empfiehlt es sich, in GI. (3,23) das Druckverhältnis
p/Poc auszudrücken durch den dimensionslosen Druckkoeffizienten 2
p- pco
cp = eco .
(3,27)
TWco
2

der bereits für inkompressible Strömung in GI. (2,113) eingeführt wurde.


Mit der MACH-Zahl Ma oo nach GI. (3,26) sowie mit a;, = x Poo/(loo
erhält man aus GI. (3,27):
P
--
pco
= 1 + -2 "U·2
J..Y.J.a ro c p • (3,28)

1 Diese Form der BERNouLLI-Gleichung gilt nicht nur für die adiabatische,
sondern für eine beliebige Zustandsänderung. Dieses erkennt man so: Es gilt nach
der allgemeinen Zustandsgleichung
p ,,- 1
-=gR T=g(cp-c v) T=gc p - - T
somit mit
e "

als Wärmeinhalt (Enthalpie):


- -" - - =
p g t.
" - 1 e
oder
W2 • w~ .
2g + t = 2g + t oc •

Dies ist die allgemeine Energiegleichung.


2 Der Druckkoeffizient cl' darf nicht verwechselt werden mit der spezifischen
Wärme bei konstantem Druck nach GI. (3,7)
3.2 Eindimensionale Strömungen (Stromfadentheorie) 149

Setzt man GI. (3,28) und (3,27) in die BERNoULLI-Gleichung (3,23) ein,
so ergibt sich durch Auflösung nach dem Druckbeiwert cp :

(3,29)
" 2
2.Macc

Hieraus erhält man für kleine Werte von "-; 1 Ma;;, [1 - (:00 Yl
durch binomische Entwicklung:
(3,29 a 1 )

Es sei hier besonders vermerkt, daß diese für die kompressible Strömung
linearisierte Beziehung formal mit der inkompressiblen BERNouLLl-
Gleichung, vgI. GI. (2,113), übereinstimmt.
Die Dichte in Abhängigkeit vom Druckkoeffizienten cp erhält man
durch Einführung von GI. (3,28) in die adiabatische Zustandsgleichung
(! = (!oo (p/Poo)l /" zu:

e: = ( + ;
1

1 Ma;;'cpr;-· (3,30)

Dies ergibt durch Linearisierung

-e= Il
eoo
2
+
-2 M aooc p, (3,30a)

was für den Staupunkt mit cp = 1 in die früher in GI. (3,4) angegebene
Abschätzung -{}-
{}oo = 1 + 21 Ma~ übergeht.
.

3_22 Kritische Machzahl


Wie die späteren Ausführungen ergeben werden, ist für alle kom-
pressiblen Strömungen die örtliche Überschreitung der Schallgeschwin-
digkeit (d. h. Strömungsgeschwindigkeit w gleich örtlicher Schall-
geschwindigkeit a) für den gesamten Strömungsablauf von sehr
großer Bedeutung. Insbesondere gibt die hierzu gehörige Anströmungs-
geschwindigkeit die untere Grenze für das Auftreten von Verdichtungs-
stößen (vgI. Kap. 3.6), die das gesamte Strömungs bild erheblich ver-
ändern. Unter der kritischen MAcHschen ZahlMa! wird hier die mit der
Anströmgeschwindigkeit und der Schallgeschwindigkeit des Anström-
zustandes gebildete MAcH-Zahl verstanden, bei welcher örtlich am
1 Bei Berücksichtigung eines weiteren Gliedes der binomischen Entwicklung
von GI. (3,29) ergibt sich:

(3,29b)
150 III. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

Körper die Schallgeschwindigkeit erreicht wird; es ist also für


Ma oo = Ma!: w=a. (3,31)
Dazu gehört der kritische Druck p = p* und der Druckkoeffizient
cp = C; . Die Formeln für die Ermittlung dieser kritischen Werte er-
halten wir aus GI. (3,23) zu:
,,-1
a2 - w~ + ~
" - 1
[(L)-,,- - 1] = O.
'Poo
eoo poo

(~ r
Unter Einführung der Schallgeschwindigkeit a~ = x poo/eoo sowie mit
= ( :00) ";- 1 ergibt sich aus der vorstehenden Gleichung:
L =
poo
[_2_
x+l
+ ,,-1
x+l
Ma*21-"~I.
ooj,
(3,32)

Durch Einsetzen von GI. (3,28) in GI. (3,32) für p = p*, p = und c c;
Ma oo = Ma! ergibt sich für den kritischen Druckkoeffizienten :
*_ _
Cp - x
2
Ma~ [
1
_ _2_
( x +1
x-I
+ x + 1 Maoo )
*2 ,,-1
" ] (exakt). (3,33)

ab
-1,0

\\
Dieser Zusammenhang von c; mit Ma!
ist in Abb. 3.8 dargestellt. Die kriti-
-0,9
\, sche MAcH-Zahl erhält man aus dieser
Beziehung, indem man für den c;
-0.8
exakt
, größten am Körper auftretenden Un-
-0. 7
\\ terdruck Cpmin einsetzt. Für schlanke
Körperformen ist cpmin klein und Ma~
ähertlng~, nahe bei 1. In diesem Fall vereinfacht
-0.6

~\
sich GI. (3,33) zu
t
~...-0,5
\ (Näherung).
\
-0.*
\, Diese Beziehung ist in Abb. 3.8 mit ein-
(3,33a)

\
-0.3
getragen. Die Übereinstimmung beider
-o,z Kurven ist bis zu den bei schlanken
~ Körpern auftretenden Druckkoeffi-

\
1 zienten cp """ - 0,6 recht gut. Löst man
GI. (3,33a) nach der kritischen MACH-
o Zahl Ma~ auf, so ergibt sich:
0.5 0,6 0.7 * 0,8 0,9 1,0
Ha oo -
Abb.3.8. Kritischer Druckkoeffizient in 2 1
Ma! =----,----,:-- (3,34)
x + 1 c* .
Abhängigkeit von der kritischen l\:[ACH-
Zahl. a Exakt nach GI. (3,33), b lineare 1-
Näherung nach GI. (3,33a) 2 p
3.2 Eindimensionale Strömungen (Stromfadentheorie) 151

3.23 Staupunkt
Eine ausgezeichnete Stelle bei der Umströmung eines Körpers ist
der vordere Staupunkt, wo die Geschwindigkeit w = 0 ist. Wir be-
zeichnen die Zustandsgrößen im Staupunkt mit dem Index 0, vgl.
Abb.3.9.

Druck. Für den Druckkoeffizienten im Staupunkt erhält man aus


GI. (3,29):

epo = Po - poo
1200 "
--=-2~
"Ma'fx,
[(1 + "-2 1Ma~) "~1 1]. - (3,35)
TWÖc

Die Abhängigkeit des Druckkoeffizienten im Staupunkt epo von Maoo


ist in Abb. 3.10 dargestellt. Für mäßig große MACH-Zahlen, insbesondere
im Unterschallbereich, ergibt sich aus 3,0
GI. (3,35) durch Reihenentwicklung :
Po - Poo = 12; w~( 1 + ! Ma~). (3,36) 2,5

In dimensionsloser Form ist also für


diese Näherung epo = 1 +r
Ma~, g.2,o
I
i
//'-lJ/

--
1,5
/, .-
~,/

V lt-1,!*Ha 2
'1'>0
0.5 1 1,5 2
Ha",,-
Abb, 3,9, Zum Einfluß der Kompressibilität auf Abb. 3,10, Druckkoeffizient im Staupunkt
die Staudruckmessung bei kompressibler Strömung in Abhängig·
keit von der MAcH·Zahl Ma oo , für Luft
" = 1,4. a Exakt nach GI. (3,35),
b lineare Näherung nach GI. (3,36)

was in Abb. 3.10 mit eingetragen ist. Die Übereinstimmung der Nähe-
rung nach GI. (3,36) mit der exakten Formel GI. (3,35) ist bis etwa
Ma oo = 1 recht gut.
Die beiden GIn. (3,35) und (3,36) sind von Wichtigkeit für die Ge-

°
schwindigkeitsmessung mit Hilfe von Druckmessungen bei kompres-
sibler Strömung. Für Ma oo -7 geht GI. (3,36) in die bekannte Stau-
druckformel der inkompressiblen Strömung GI. (2,38) über, Po - Poo
= ((200/2) w;" die der Geschwindigkeitsmessung mit Hilfe des PRANDTL-
sehen Staurohres zugrunde liegt (Kap. 2.232). Schreibt man GI. (3,36)
in der Form:

(3,37)
152 IIr. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

so gibt der Faktor C die Kompressibilitätskorrektur der Staudruck-


formel. Nach GI. (3,36) ist
C= ---::-1_ _
! Maix,
(3,38)
1 +
Ein PRANDTLsches Staurohr mißt auch in kompressibler Strömung die
Druckdifferenz Po - Poo- Diese ist also mit dem Faktor C < 1 zu multi-
plizieren, um daraus die Größe ((}oo/2) w~ zu erhalten. Der Faktor C
der Kompressibilitätskorrektur ist in Tab. 3.1 für Ma oo ;;;; 1 angegeben;
er ist von" unabhängig. Würde
Tabelle 3.1. Eichfaktor eines Prandtlschen man bei einer Geschwindigkeits-
Staurohres bei hohen Unterschallge8chwin-
digkeiten, nach GI. (3,37) und (3.38)
messung mit einem Staurohr
diese Korrektur außer acht las-
Ma oo
I c Ma oo
I
C sen, also mit C = 1 rechnen, so
0 1 0,6 0,917 würde man aus der Druckdiffe-
0,1 0,998 0,7 0,891 renz (Po - Pool fälschlicherweise
0,2 0990 0,1'\ 0,862 zu große Geschwindigkeiten W oo
0,3 0,978 0,9 0,832
erhalten. Nach Messungen von
0,4 0,962 1,0 0,800
O. WALCHNER[22] kann GI. (3,38)
0,5 0,941 I mit einer Genauigkeit von 1 %
bis Ma oo =0,95 angewendet werden. Bei MAcH-Zahlen Ma oo > 0,8 treten
am Staurohr zwar Verdichtungsstöße auf, die aber die Gültigkeit der
obigen Gleichung bei mäßiger Überschreitung von Ma oo = 0,8 nicht
wesentlich beeinträchtigen.
Temperatur. Mit der Druckerhöhung im Staupunkt ist immer eine
Temperaturerhöhung verbunden. Diese errechnet sich am einfachsten
aus der BERNouLLI-Gleichung (3,24), wenn man dort die Größen ohne
Index für den Staupunkt nimmt. Damit wird
poo + wix,
x
" - 1 eo - ,,-x 1 e;;;
Po _
-2- .
Da auf Grund der Zustandsgleichung (3,6)
~- Poo =gR(T - T )
flo floo 0 00

ist, ergibt sich für die Temperaturerhöhung im Staupunkt


LfT = T o - Tee:
gRJT= x-I w&,.
x 2
Mit dem Wert der Gaskonstanten R nach GI. (3,7) wird somit:
J T = wix, . (3,39)
2gcp
Dies ist in Übereinstimmung mit GI. (3,16), die aus einer Abschätzung
mit Hilfe des Energiesatzes erhalten wurde, Abb. 3.6.
3.2 Eindimensionale Strömungen (Stromfadentheorie) 153

3.24 Ausfluß aus einem Kessel


Im Hinblick auf die Versuchstechnik bei kompressiblen Strömungen
möge jetzt der Fall des Ausflusses aus einem Kessel diskutiert werden.

W = Wo = °
Wir bezeichnen den Kesselzustand mit dem Index 0, weil im Kessel
ist. Aus der BERNouLLI-Gleichung (3,23) ergibt sich, wenn
man w'" = Wo = 0, Poc = Po, e", = eo setzt:

w2 + ~~2" -Po [( -P )~
" - 1 eo Po
" - I ] = 0. (3,40)

Durch Auflösung von GI. (3,40) nach der Geschwindigkeit werhält


man:

w = V~
" - 1
Po
eo
[1- (L)· ":-lj.
Po
(3,41)

Dies ist die Formel von B.DE SAINT-VENANT undL. WANTzEL[21]. Sie
ergibt die Ausflußgeschwindigkeit eines Gases, welches aus einem Kessel
mit dem Druck Po und der Gasdichte eo ausströmt in einen Raum, in
welchem der kleinere Druck P (=" Gegendruck") herrscht.
Die größte Ausflußgeschwindigkeit ergibt sich beim Ausströmen des
Gases aus dem Kessel mit dem Druck Po in das Vakuum mit p = O.
Man erhält aus GI. (3,41) für diesen Fall:

w -
max - V 2"
~~--
" _ 1
Po
eo -
V~~a 2
" - 1 0•
(3,42)

Die zweite Beziehung folgt, wenn man die zum Kesselzustand Po' eo
gehörige Schallgeschwindigkeit a o = Vx
Po/~ einführt.
Die numerische Auswertung dieser Gleichungen ergibt für Luft
(x = 1,4) vom Normalzustand Po = 10332 kg/m 2 und eo =0,125kgs 2 /m 4 :

w rnax = 2,23· a o = 2,23·340 = 757 m/s. (3,42a)

Die maximale Ausflußgeschwindigkeit ist also gleich der 2,2fachen


Schallgeschwindigkeit des Kesselzustandes. Ist der Gegendruck so
klein, daß sich nach GI. (3,41) Ausflußgeschwindigkeiten größer als
die Schallgeschwindigkeit ergeben, so muß die Ausflußdüse eine be-
sondere Form haben, damit diese Ausflußgeschwindigkeiten auch tat-
sächlich erreicht werden (LAvAL-Düse). Hierüber wird weiter unten
berichtet.
Der Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Druck, wie er
durch die SAINT-VENANTsche Ausflußformel, GI. (3,41), gegeben wird,
soll jetzt in einem Diagramm, Abb. 3.11a, dargestellt werden. Dabei
empfiehlt es sich, die Geschwindigkeit w auf die Schallgeschwindigkeit
154 ur. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)
/---
des Kesselzustandes a o = b, Po/(lo zu beziehen. Es ergibt sich aus

V ( )"-1
GI. (3,41):
/ -2
~=l- 1- ~~,,~ (kompressibel). (3,43)
ao " - 1 Po

Zum Vergleich sei die Ausflußgeschwindigkeit für inkompressible Strö-


mung (TORRICELLI-Formel) angegeben: w = V2(po - p)feo' Mit dem
oben angegebenen Ausdruck für die Schallgeschwindigkeit a o ergibt
sich:
w = 1/ 2 1/1_ P (inkompressibel). (3,43a)
ao V" V Po
~~,~--------~--~~---,----~ 1.2·~----r-----r--r-T----r----,

1,23

1, Ol-----+-----+--+-+-----I-----c:AOI

1,2~--+~~+-~-+--4--~

q*~--~~--~--~I-+----~~~
I
I I

J J
I I
Ip* Ip*
q* q& 1,0 q2 q* 4& qa tO
q527 0,527
a
überschall---l!:terschall b Überschall ~
.1 :terschall
Abb. 3.11. Ausfluß aus einem Kessel mit dem Gaszustand Po, Qo, a o , T. a) Geschwindigkeit w
und Stromdichte QW in Abhängigkeit vom Druckverhältnis p/P. für Luft ,,~1,4. b) Dichte Q
und Temperatur T in Abhängigkeit vom Druckverhältnis p/p, für Luft " ~ 1,4

Diese Beziehung ist zum Vergleich in Abb.3.11a mit eingetragen.


Bis zu einem Druckverhältnis pfpo =
0,7 sind die Unterschiede beider
Kurven gering. Des weiteren sind in Abb. 3.11 b die Dichte und die
Temperatur in Abhängigkeit vom Druckverhältnis angegeben. Aus der
adiabatischen Zustandsgleichung (3,9) und der allgemeinen Zustands-
gleichung (3,6) ergibt sich:
( P ).!.
g;;=
(!
Po " (3,44)
und
T ,,-1

1';= (~)-" . (3,45)


3.2 Eindimensionale Strömungen (Stromfadentheorie) 155

Stromdichte. Um eine anschauliche Vorstellung über den Verlauf


der Stromröhren in der kompressiblen Strömung zu erhalten, ziehen
wir die Kontinuitätsgleichung heran: Längs der Stromröhre ist der
Massenfluß (= Masse/sec) Fe w konstant. Unter der Stromdichte
wollen wir den Massenfluß pro Flächeneinheit der Stromröhre ver-
stehen, somit
Stromdichte - Massenfluß = n W = coFnst . (3,46)
- Flächeneinheit <:

Die Stromdichte ist also dem Stromröhrenquerschnitt F umgekehrt


proportional. Nach GI. (3,43) und (3,44) ergibt sich:

120a-; =
12 w V-
"-
2
I
)~
( P
Po" V (Po )-"-=-!." .
1-
p (3,47)

Diese Beziehung ist in Abb. 3.11 a mit eingetragen. Da für inkom-


pressible Strömung e = eo ist, gilt GI. (3,43a) auch für die Stromdichte
des inkompressiblen Falles.
Die Kurve der Stromdichte ((!w) in Abhängigkeit vom Druck-
verhältnis p!Po hat einen besonders charakteristischen Verlauf mit
einem Maximum bei einem bestimmten Druck p = p* und einer dazu-
gehörigen Geschwindigkeit w = w*. Daß ein solches Maximum vor-
handen ist, läßt sich leicht einsehen: Bei p = Po ist w = 0 und e = (!o
und somit (!W = 0; bei p = 0 ist (! = 0 und w = W max und somit
wieder (!W = O. Infolgedessen muß die Stromdichte (!W ein Maximum
und somit der Stromröhrenquerschnitt F ein Minimum haben.
Wir wollen jetzt zeigen, daß die maximale Stromdichte (und damit
der kleinste Stromröhrenquerschnitt) bei derjenigen Geschwindig-
keit w* liegt, die gleich der zu diesem Zustand gehörigen Schallgeschwin-
digkeit ist: Aus der BERNouLLI-Gleichung (3,21) ergibt sich durch Diffe-
rentiation für die Stromdichte :
dp
ew = - aw . (3,48)

Die Bedingung für die maximale Stromdichte lautet:


d((!w) _
({p--eTp
dw + wap-
a(! _ 0
.
Wegen GI. (3,48) und mit dp(de = a2 folgt hieraus für die zur maxi-
malen Stromdichte .gehörige Geschwindigkeit:
w = w* = a, oder Ma = 1, (3,49)
wenn man Ma = w/a als örtliche MACHsehe Zahl einführt. Damit ist
gezeigt, daß die maximale Stromdichte und damit der minimale Strom-
röhrenquerschnitt bei Ma = 1 vorhanden ist, d. h., wenn die Strömungs-
geschwindigkeit gleich der örtlichen Schallgeschwindigkeit ist, w* = a.
156 111. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

Das Druckverhältnis p*fpo, welches zur maxima-


.;..
~

1~lt I~;;
;;
len Stromdichte gehört, wird das kritische Druck-
.<: ...
.,,,
".~ ~ verhältnis genannt. Dementsprechend bedeutet
~~
:;; 11 Ö in Abb.3.11 der Bereich rechts des kritischen
.<:
*1S I ~ Wertes p*fpo die Unterschallströmung und links
"
""'.
III
..... davon die überschallströmung .

"1------
Kritische Werte. Für die Ermittlung des kriti-
10: +
x~ 7x schenDruckverhältnisses ist in GI. (3,43) nach
~
'"
~
.. ::::"
GI. (3,49) w = w* = a einzusetzen. Dabei tritt
~
.;
;;"
S
0
!!
~I~ I~.
____ 0
das Verhältnis der örtlichen Schallgeschwindig-
keit a zur Schallgeschwindigkeit des Kessel-
11 III 11 zustandes ao auf. Für dieses gilt:

*~I~
;:l

"i <lJ<lJ 0
~
~
Durch Einführung dieses Wertes GI. (3,43)
.5
~ ....;;; 1 I. . . findet man mit p = p*:
In

'" ~
I'~I+x
~
"'<.
;;
.5
~
";:::::::::..
.....
~

0)
ö
p*
p;; =
(2 )-"
" + 1 ,,-1. (3,50)
~ '~ 11
" Die übrigen kritischen Werte ergeben sich durch
~ Cl
*1
...
;:l t:S

I.+. I
0
""1 Einführung von GI. (3,50) in die entsprechenden
'"
,.Q oben angegebenen Gleichungen. Sämtliche kriti-
...
~
~
So
....
.E! <:--1
10:
I
I~
schen Werte sind in Tab. 3.2 zusammengestellt,
wobei auch die Zahlenwerte für Luft " = 1,4
"s""
1.., "
E-<
*1"
E:-!E:-!
11 ~ mit angegeben sind.
Ferner enthält Tab. 3.3 die in Abb. 3.11 dar-

. tl
~
;;3
gestellten Größen sowie die auf die kritische Ge-
~ schwindigkeit bezogene MACH-Zahl Ma* =wja*
~
.'" und die auf den jeweiligen Gaszustand bezogene
MACH-Zahl Ma = w/a.
==
'"..,..,
~
.<: ~I+x I~
----
oe oS ~ stromröhrenquerschnitt. Wir berechnen noch
...
~ 0
.~
die Änderung des Stromröhrenquerschnittes F
11
~ mit der Geschwindigkeit w: Aus Few = const
tN *<lJ1 ~ I folgt:
~
d (F g w) _ dF + F d (g w) _ 0
~
CI)

xl7 dw - ew dw dw - .
~
E-i ------ Die Änderung der Stromdichte ewerhält man
~
"~ ~It "'"
~
lO
aus GI. (3,48) zu:

e + w~ft
Ö
~
d(gw) = = (1-~)
11 dw dp dw e a 2

*~!~ = e(l - Ma 2 ).
3.2 Eindimensionale Strömungen (Stromfadentheorie) 157

Tabelle 3.3. Dichte (h Temperatur T, Geschwindigkeit w, Stromdichte ew, Schall-


geschwindigkeit und Machzahlen Ma und Ma* in Abhängigkeit vom Druckverhältnis
p/Po für Luft x = 1,4, vgl. Abb.3.11

P e Ma=~ Ma*=~
Po eo a a*

Überschall

°
0,1 °
0,194
0,318
°
0,515
0,628
2,227
I 1,553
1,359
0,302
0,432
° 00
2,157
1,708
2,437
1,698
1,484
0,2
0,3 0,425 0,707 1,207 0,513 1,430 1,319
0,4 0,521 0,768 1,074 0,560 1,221 1,174
0,5 0,611 0,819 0,948 0,578 1,045 1,037
0,527 0,634 0,833 0,913 0,578 1 1
Unterschall
0,6 0,695 0,862 0,825 0,573 0,885 0,902
0,7 0,776 0,901 0,696 0,540 0,731 0,762
0,8 0,853 0,936 0,556 0,475 0,573 0,608
0,9 0,928 0,970 0,386 0,358 0,390 0,422
0,95 0,965 0,985 0,270 0,261 0,271 0,295
1,0 1 110
° °
Somit ist elF F
-y-
u,w
= - - ( 1 - Ma 2 ).
w
(3,51)

Hieraus ersieht man, daß für


elF
Ma< 1 : dw < 0,
dF
Ma = 1: elw = 0, (3,52)

Ma> 1: elw
elF
> °
ist. Der Zusammenhang zwi-
Geschwindigkeit Unterschall Überschall
schen der Änderung des Strom- ro Ma<1 l1a>1
röhrenquerschnittes und der

-- ---
Änderung der Geschwindigkeit ~ ~
ist in Abb. 3.12 schematisch nimmt zu
dargestellt. Bei Unterschall-
geschwindigkeit nimmt der ~ ~
/,, , '

~ ~
- -- -
Stromröhrenquerschnitt wie bei
inkompressibler Strömung mit nimmt ab
wachsender Geschwindigkeit
ab; bei Überschallgeschwindig- ~ ~
keit dagegen nimmt er mit wach- Abb. 3.12. Änderung der Geschwindigkeit längs
einer Stromröhre bei Unter· und überschall-
sender Geschwindigkeit zu, weil geschwindigkeit (schematisch)
158 III. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

die mit der Drucksenkung verbundene große Dichteabnahme das Volu-


men so stark vergrößert, daß eine Vergrößerung des Stromröhren-
querschnittes erforderlich wird. Beim Durchgang durch die Schall-
geschwindigkeit (Ma = 1) hat der Stromröhrenquerschnitt ein Mini-
mum.
3.25 Lavaldüse
Die vorstehenden Betrachtungen sind von großer Wichtigkeit für
die Strömung durch Düsen, wenn dabei sehr große Druckunterschiede
in Geschwindigkeit umgesetzt
werden sollen, derart, daß im
Austritt der Düse Überschall-
geschwindigkeit herrscht. Die
obigen Betrachtungen haben
IP~-r--r-~~r-~~
">... gezeigt, daß dort, wo die
Strömungsgeschwindigkeit die
Schallgeschwindigkeit durch-
schreitet, der Stromfaden-
querschnitt F ein Minimum
hat. Somit ist Überschall-
geschwindigkeit nur erreich-
bar, falls die Düse hinter der
engsten Stelle noch eine Er-
weiterung besitzt. Dies ergibt
die Form einer Lavaldüse, wie
Abb. 3.13. Druckverlauf in einer LAVAL-Düse sie in Abb. 3.13 dargestellt
ist. Fließt durch ·eine solche
Düse mit dem engsten Querschnitt F 1 Gas aus einem Kessel mit dem
Druck Po in einen Raum mit dem Gegendruck P2' so beträgt der maxi-

V(2)
mal erreichbare Massenfluß durch die Düse nach Tab. 3.2 und mit
f!oao = Vx Po (10: ,,+1
F le * w* -- F 1 x,,+1 ,,-1 poeo· (3,53)

Dieser größte Massenfluß wird aber nur erreicht bei einer Druckver-
teilung längs der Düse, bei der sich im engsten Querschnitt der kritische
Druck p* einstellt. Hierzu gehört bei vorgegebenem Kesseldruck ein
ganz bestimmter "Gegendruck" P2. Wenn man den Gegendruck P2'
ausgehend von P2 = Po, nach und nach senkt, so nimmt zunächst der
Druck im engsten Querschnitt PI ab und die Geschwindigkeit sowie die
durchfließende Masse (ewh zu, vgl. Abb. 3.1la. Solange der Druck im
engsten Querschnitt größer ist als der kritische Druck, PI> p*, hat man
längs der ganzen Düse Unterschallgeschwindigkeit. Der Druckverlauf
entspricht in diesem Fall dem einer Venturidüse, vgl. Abb. 3.13. In
3.3 Zweidimensionale Strömungen 159

diesem Fall ist der Massenfluß kleiner als nach GI. (3,53). Ist die Sen-
kung des Gegendruckes P2 so weit fortgeschritten, daß im engsten
Querschnitt der kritische Druck PI = p* erreicht wird, so wird dabei
die größte Stromdichte 12* w* erreicht und damit der größte Massenfluß
nach GI. (3,53). Es sind jetzt im divergenten Teil der Düse zwei Strö-
mungszustände möglich, die gleichen Massenfluß besitzen. Für P2 = P20
herrscht auch jetzt im divergenten Teil der Düse noch überall Unter-
schallgeschwindigkeit ; für P2 = P2 u dagegen ist im ganzen divergenten
Teil der Düse Überschallgeschwindigkeit vorhanden. Der letztere Fall
kennzeichnet die Lavaldüse. Die bei den Gegendrucke P20 und P2 u
können aus Abb. 3.11a als zur gleichen Stromdichte (ew) gehörig ent-
nommen werden. Diese Betrachtungen lehren gleichzeitig, daß bei
gegebener Kanalform im AustrittsquerschnittF2 nur die zum Druck P2u
gehörige Überschallgeschwindigkeit erreicht werden kann. Man muß
deshalb für jede im Austrittsquerschnitt gewünschte Überschall-
geschwindigkeit eine passende Kanalform entwerfen.
Für Gegendrucke P2' die zwischen P2u und P20 liegen, P2u <P2 < P20,
gibt es keinen stetigen Druckverlauf längs der Düse. In diesem Fall
tritt im divergenten Teil der Düse, meist kurz vor dem Austrittsquer-
schnitt, ein sehr steiler Druckanstieg, ein sog. VerdichtunfJsstoß, auf,
vgI. Abb. 3.13.

3.3 Zweidimensionale Strömungen


Nachdem wir in Kap. 3.2 die Grundzüge der kompressiblen Strö-
mung in eindimensionaler Betrachtungsweise kennengelernt haben,
wollen wir in gleicher Weise wie in Kap. II für die inkompressiblen
Strömungen jetzt auch die mehrdimensionalen kompressiblen Strömun-
gen behandeln. Hierbei werden wir uns in diesem Kapitel auf ebene
(zweidimensionale) Strömungen beschränken. Einige allgemeine Theo-
reme der ebenen kompressiblen Strömungen, z. B. die Drehungsfreiheit
und die Einführung eines Potentials, können im Anschluß an die
Grundgleichungen gemeinsam für sämtliche kompressible Strömungen
(Unterschall- und Überschallgeschwindigkeit) behandelt werden. Die
Lösungsverfahren (Integrationsmethoden) sind jedoch für die Unter-
und Überschallströmungen so erheblich verschieden, daß wir diese
anschließend getrennt behandeln müssen (Kap. 3.4 und 3.5).

3.31 Grundgleichungen
Es sei in = i u + i v der Geschwindigkeitsvektor der stationären
Strömung, welcher abhängig ist von den rechtwinkligen Ortskoordi-
naten x, y. Die Grundgleichungen der ebenen kompressiblen Strömung,
nämlich die Kontinuitätsgleichung und die Bewegungsgleichungen
160 III. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

in der x- und y-Richtung, wurden bereits in Kap. II bereitgestellt.


Nach GI. (2,13) lautet die Kontinuitätsgleichung:

o(e u ) + o(e v ) = o. (3,54)


ox oy
Die Bewegungsgleichungen für die x- bzw. y-Richtung lauten nach
GI. (2,44) für stationäre Strömung und unter Vernachlässigung der
Massenkraft :
(! (u ~
ox + v~)
oy = - ~
ox ' I (3,55a, b)
(! (u ~: + v;; ) = - ~~ .
Zusammen mit der adiabatischen Zustandsgleichung (3,9)

L = const
e"
sind dies vier Gleichungen für die vier Dn bekannten u, v, p, (!.

3.32 Drehungsfreiheit
Bei der Lösung der entsprechenden Gleichungen für die inkompres-
sible Strömung wurde von der Tatsache Gebrauch gemacht, daß das
Geschwindigkeitsfeld drehungsfrei ist, somit nach GI. (2,55) bzw. (2,59):

rot tu = 0 oder
ov
---=0
ou
OX oy (3,56)
erfüllt ist.
Zum Nachweis, daß die Bedingung der Drehungsfreiheit, GI. (3,56),
auch für kompressible Strömung gilt, wird GI. (3,55a) nach y und
GI. (3,55b) nach x differenziert. Dies ergibt:

02 U 02 U OU (OU ov )
(! u 0y 0x + (! v 0 u2 + (! ay h + ay +
+~(u~+v~)=
oy OX oy -~
oxoy , (3,57 a)

02 V 02 V fJv (OU fJv )


(! u 0 x2 + (! v 0x 0y + (! h 7iX + ay +
+~(u~+v~)=
OX . OX oy -~.
oxoy (3,57b)

Da die Dichte eine eindeutige Funktion des Druckes ist, (! = f (p),


gilt:
und
3.3 Zweidimensionale Strömungen 161

Durch Einsetzen von opjox und opjoy nach GI. (3,55a, b) erhält man
für:
~(U~+ v~) = ~!L(_2-!L)
iJ Y iJ x iJ y dp iJ y e iJ x '

~(u~
iJx iJx
+ v~)
iJy
=~ !L(_ ~!L).
dp iJx e iJy

Damit ist gezeigt, daß bei Subtraktion der beiden GIn. (3,57a) und
(3,57b) die letzten Glieder der linken Seiten sich fortheben. Somit
ergibt sich
eUa;- ay-a;-
iJ (iJU iJV)
+e Vay ay-a;-
iJ (iJU iJV)
+
+ e (~+~)
iJx iJy (~-~)
iJy iJx = o.

Hieraus ersieht man, daß ebenso wie bei der inkompressiblen Strö-
mung auch die Lösungen der reibungslosen, kompressiblen ebenen Strö-
mungen drehungsfreie Bewegungen nach GI. (3,56) sind. Man kann
deshalb in gleicher Weise wie bei inkompressibler Strömung das Ge-
schwindigkeitsfeld als Gradient einer Potentialfunktion ifJ(x, y) in fol-
gender Weise einführen:
i1J = grad ifJ
oder
iJ(]>
u=--=ifJ x ; (3,58)
iJx
Hiervon wird im folgenden Gebrauch gemacht.

3.33 Geschwindigkeitspotential
Die Bestimmungsgleichung für die Potentialfunktion ifJ(x, y) er-
hält man durch Einsetzen von GI. (3,58) in die Kontinuitätsgleichung
(3,54). Diese läßt sich zunächst in der Form schreiben:

e (~
iJx
+~)
iJy
+ u~
iJx
+ v~
iJy
= o. (3,59)

Weiter ergibt sich wegen dpjde = a 2 und mit GI. (3,55):


oe de op 1 op e (OU OU)
ax=dpa;-=-;)2ßx= --;)2 Ußx+Vay ,
oe de iJp 1 iJp e (OV OV)
ay=apay=-;)2ay= --;)2 Ußx+Vay .
Nach Einsetzen dieser Ausdrücke in GI. (3,59) erhält man nach Division
durch e:
~(l-
iJ x
U
a2
2
) +~(l-~)
iJ y a
- ~(~
a iJ y
+~)
2iJ
= O. 2 \ X
(3,60)
SchlichtingjTruckenbrodt, Aerodynamik I 11
162 II!. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

Durch Einführung von (1J nach GI. .(3,58) erhält man schließlich:

(1Jxx (1 - :2;) + (1Jyy (1 - ::) - 2f!J:~y qJXY = 0 (3,61 )


oder
(3,61 a)

Für den Grenzfall sehr großer Schallgeschwindigkeit, a ~ 00, d. i.


für Ma ~ 0, geht diese Gleichung in die Potentialgleichung der in-
kompressiblen ebenen Strömung (LApLAcEsche Gleichung), GI. (2,65),
über, welche lautet:
{j2 <1> 0 2 (/J
ox2 + oy2 = qJxx + qJyy = O.

Es ist zu beachten, daß in den GIn. (3,60) und (3,61) die Schallgeschwin-
digkeit a nicht konstant ist, sondern die örtliche Schallgeschwindig-
keit bedeutet. Diese hängt mit der konstanten Schallgeschwindig-
keit a co des Bezugszustandes (Index 00) nach GI. (3,25a), in der
w2 = u2 + v2 zu setzen ist, folgendermaßen zusammen:

( ~)2
aoc
= 1 _ " - 1 M a~ [ u 2 ~ v~ _ I] .
2 W oo
(3,62)

Wird das Umströmungsproblem eines Körpers behandelt, wobei


etwa die ungestörte Strömung in großem Abstand vom Körper parallel
zur x-Achse sein möge, so lauten die Randbedingungen für GI. (3,61):
0<1> 0<1> = 0
x= ±oo: fiX -u
- 00' oy ,

an der Wand: 0<1>


on = 0 '
wobei n die Richtung normal zur Wand bedeutet. Die durch Berück-
sichtigung der Kompressibilität eingetretene mathematische Erschwe-
rung besteht darin, daß GI. (3,61) für <P(x, y) nichtlinear ist, während
die entsprechende Gleichung für die inkompressible Strömung, die
Potentialgleichung (2,65), linear ist. Bei der kompressiblen Strömung
ist infolgedessen das Uberlagerungsprinzip für die Potentiale nicht
mehr anwendbar, welches bei der inkompressiblen Strömung die
Lösungsverfahren stark vereinfachte (Kap. 2.34). Insbesondere ist auch
die Verwendung der Funktionen einer komplexen Veränderlichen,
welche bei der inkompressiblen Strömung wertvolle Dienste leisteten
(Kap. 2.5), hier nicht mehr möglich. Dieses bedeutet eine so beträcht-
liche Erschwerung des mathematischen Problems, daß von der GI. (3,61)
bisher nur eine sehr geringe Anzahl von Lösungen erhalten werden
konnte.
3.3 Zweidimensionale Strömungen 163

Linearisierung der Potentialgleichnng. Gewisse Vereinfachungen für


die Integration der GI. (3,61) ergeben sich für schlanke Körper-
formen, die etwa in Richtung ihrer Längsachse mit der Geschwindig-
keit W oo = U oo angeströmt werden (z. B. Tragflügelprofile und Flugzeug-
rümpfe). Nach GI. (3,61) gilt für das Potential der kompressiblen
Strömung:
(/Jxx ~) + (/Jyy (~)
( 1- U2 1- U2 - uv
2 (/JXY---;]F = o. (3,63)

Bei der Umströmung solcher Körper ist die örtliche Geschwindigkeit


nach Größe und Richtung nur wenig von der Anströmungsgeschwindig-
keit U oo verschieden. Setzt man u = U oo +
Au, so gilt (mit Ausnahme
einer kleinen Umgebung des Staupunktes):
Au ~uoo, v ~ U oo ; somit u = ur,,)) a = a oo .
Man erhält damit aus GI. (3,63) unter Beibehaltung nur der größten
Glieder (Linearisierung):
8 2 (/J
8 x2
(
1-
u;,
a;, ) + 88 (/J
2
y2 = o.
Mit M a oo = uoolaoo wird die vorige Gleichung:
82 (/J 82 (/J
(1 - Ma~) 8 x2 + -fiY2 = o. (3,64)

Durch diese Vereinfachungen ist erreicht worden, daß .die Gleichung


für tP(x, y) jetzt linear ist. Sie unterscheidet sich von der entsprechen-
den Gleichung für inkompressible Strömung nur durch den konstanten
Faktor (1 - Ma;,) beim ersten Glied. Für Unterschallströmungen,
Ma oo < 1, ist GI. (3,64) vom elliptischen Typus (wie bei inkompres-
sibler Strömung), dagegen für Überschallströmungen, Ma oo > 1, ist
sie von hyperbolischem Typus. Wir können deshalb erwarten, daß die
Unterschallströmung von ähnlicher Art ist wie die inkompressible
Strömung, daß dagegen die Überschallströmung von der inkompres-
siblen Strömung grundsätzlich verschieden ist. Diese Erkenntnis.
hatten wir in Kap. 3.14 bereits rein anschaulich gewonnen.

3.34 Lösungstypus für tlberschallströmungen


Bevor wir auf die Behandlung von GI. (3,64) für Unterschall-
strömungen näher eingehen (vgI. Kap. 3.42), möge eine Bemerkung
über Lösungen für Überschallströmungen gemacht werden. Für diese
hat GI. (3,64) einen recht eigenartigen Lösungstypus. Wie man leicht
verifiziert, ist für u oo > a oo jede zweimal differenzierbare Funktion
(3,65)
11*
164 III. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

eine Lösung von GI. (3,64), wenn p. der Bedingung

(3,66)

genügt. Hieraus folgt:


. 1
SillP.=--- (3,67)
Maoo
in Übereinstimmung mit GI. (3,15). Der Winkelp. stellt also den MACH-
sehen Winkel dar, wie er bereits in Kap. 3.14 eingeführt wurde.
Die Lösung (3,65) sagt aus,
y y-x·tgp=const daß 4>und damit auch alle Größen
des Strömungsfeldes auf den
parallelen .Geraden der beiden
Scharen y = ± x tg P. + const,
nach Abb. 3.14 konstant sind.
Sämtliche Geraden dieser beiden
Scharen bilden mit der Haupt-

-----------
y+x·tgp=const
Abb.3.14. Die beiden Scharen von MAcHschen
Linien bei einer Strömung mit tl"berschall·
strömungsrichtung U oo den Win-
kel p.. Die Lösung (3,65) stellt
demnach stehende Wellen von
geschwindigkeit (Ma"" > 1) belle biger Form dar, deren gerade
Fronten unter dem MAcHsehen
Winkel gegen die Hauptströmungsrichtung geneigt sind. Diese Ge-
raden sind die Machsehen Linien oder MAcHsehen Wellen, die wir be-
reits in Kap. 3.14 in vereinfachter Betrachtung kennengelernt haben.

3.35 Strömung längs einer schwach welligen Wand


Ein Beispiel einer Strömung, welche den grundlegenden Unterschied
zwischen der Unterschall· und der Uberschallströmung besonders deut-
lich erkennen läßt, ist die Strömung längs einer schwach welligen Wand
nach Abb.3.15. 1 Dieses Beispiel erfüllt auch die Bedingungen des
schlanken Körpers und kann deshalb mit der linearisierten Potential-
gleichung (3,64) behandelt werden. Die Wand sei gegeben durch eine
Sinuslinie nach Abb. 3.15 in der Form
Yw(X) =hsin(Äx). (3,68)
Es ist also h die Amplitude der Wandwelle und L = 2:n:/Ä die Wellen-
länge. Voraussetzungsgemäß ist h ~ L. In großem Abstand von der
Wand sei parallel zur x·Achse die Geschwindigkeit U oo vorhanden,
somit ist für
y ....,.. 00 : u = u"", v=ü. (3,69)
1 ACKERET, J.: Helv. Phys. Acta 1 (1928), S.301-322.
3.3 Zweidimensionale Strömungen 165
An der Wand ist die kinematische Strömungsbedingung
y_o: ~ = d:w = hÄ,cos(Ä,x) (3,70)
zu erfüllen. Uoo x
Für inkompressible Strömung, Ma = 0, ist die Gleichung
a2 (]) a2 (])
ax2 + a y 2 =0
mit den Randbedingungen (3,69) und (3,70) zu lösen. Man kann leicht
zeigen, daß C/>(x, y) = uoo[x _ he-lv cos (Ä,x)] (3,71)
lLoo .

L
x

a
Uoo
--_.-------------------------

c
Abb. 3.15. strömung längs einer schwach welligen Wand. a) inkompressible Strömung, Maoo = 0,
b) Unterschallströmung, Maoo = 0,9, c) überschallströmung, Maoo = 1,3

eine Lösung dieser Gleichung ist und die angegebenen Randbedingungen


erfüllt. Hieraus erhält man für die Geschwindigkeitskomponenten :
u = u oo [1 + hÄ,e-lYsin(Ä,x}J, }
(3,72)
v= U oo h Ä, e- Äy cos (Ä, x) .
Das Stromlinienbild ist in Abb. 3.15a dargestellt.
166 IIl. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

Für die Unterschallslrömung, Ma oc < 1, ist die Gleichung


8 8
+
2 (/J 2 (/J
(1 - Ma~) 8x z- 8 yz = 0

zu lösen. Man verifiziert leicht, daß der Ausdruck

W(x, y) = U oo [x - -_h-2-e-.lVI-Maix,YcOS(AX)] (3,73)


11 1 - Maoo
eine Lösung der kompressiblen Potentialgleichung für Ma~ < 1 ist.

I
Dabei sind die Randbedingungen GI. (3,69) und (3,70) erfüllt. Für die
Geschwindigkeitskomponenten ergibt sich hieraus:

u=uoo ll+
r

VI -
h)'
Ma oo
2
1/-2
e-.lVl-MaooYsin(AX) ,
]

(3,74)
v = U oo hA e-.l VI-Maix, Y COS (A X).

Das Stromlinien bild ist in Abb.3.15b für Ma oo = 0,9 dargestellt.


Durch Vergleich von GI. (3,72) und (3,74) ergibt sich, daß bei gleicher
Wellenhöhe der Wand die Amplitude der Stromlinien in der kompres-
siblen Unterschallströmung nach außen schwächer abklingt als in der
inkompressiblen Strömung.
Für Überschallslrömung, Ma oo > 1, lautet die Potentialgleichung :
8 2 (/J 8 Z (/J
(Ma~ -·1) 8~2 - 8 y2 = o.
Diese Differentialgleichung hat nach GI. (3,65) die allgemeine Lösung
W(x, y) = F(y ± xtg,u) + UooX,
wobei F eine beliebige Funktion des angegebenen Argumentes ist und
tg,u nach GI. (3,66) gegeben ist. Das Zusatzpotential ist also konstant
längs der beiden Geradenscharen y = ± x tg,u const. Die beliebige +
Funktion F ist aus der kinematischen Strömungsbedingung zu bestim-
men. Nach Erfüllung von GI. (3,70) findet man:

W(x, y) = U oo {x - V h sin[A (x - y 11 Ma~ - 1)]}. (3,75)


Ma~-l

Für die Geschwindigkeitskomponenten ergibt sich hieraus:

U=U oo {l-
'
11 h2),
Ma oo - l
cos[A(x-y1lMU~-1)]}, I (3,76)
v = uoohACOS[Ä(x - y 11 Ma~ -1)].
Das Stromlinienbild ist in Abb. 3.15c für Muco = 1,3 dargestellt. In
diesem Fall klingt die Amplitude der Stromlinien nach außen über-
3.4 Ebene Unterschallströmungen 167

haupt nicht ab, d. h., die Randbedingung in großem Wandabstand,


GI. (3,69), läßt sich im Fall der ebenen Uberschallströmung nicht er-
füllen.

3.4 Ebene Unterschallströmungen


Nachdem in Kap. 3.3 die Grundgleichungen der kompressiblen
ebenen Strömungen bereitgestellt und die charakteristischen Unter-
schiede ihrer Lösungen für Unterschall- und Uberschallströmungen
aufgezeigt worden sind, sollen jetzt zunächst die ebenen Unterschall-
strömungen näher behandelt werden. Aus der großen Zahl der Lösungs-
verfahren mögen hier zunächst nur zwei Verfahren besprochen werden.
Weitergehende Ausführungen enthält Kap. VIII.

3.41 Verfahren von Janzen und Rayleigh


Von O. JANZEN [23] und LORD RAYLEIGH [24] ist ein Näherungs.
verfahren zur Lösung von GI. (3,61) angegeben worden, das in der
Durchführung allerdings sehr mühsam ist. Da es im Gegensatz zu dem
weiter unten zu erläuternden Verfahren von PRANDTL-GLAUERT, das
auf schlanke Körperformen beschränkt ist, für beliebige Körperformen
anwendbar ist, möge es in seinen Grundzügen kurz erläutert werden.
Bei dem Verfahren von JANZEN und RAYLEIGH wird GI. (3,61)
durch Entwicklung der Funktion W(x, y) nach Potenzen von l/a2 ,
d. h. nach steigenden Potenzen der MAcHsehen Zahl Ma 2 gelöst, indem
man setzt:

Durch Einsetzen von GI. (3,77) in GI. (3,61) und Vergleich der Koeffi-
zienten gleicher Potenzen von l/a 2 ergibt sich eine Folge von Diffe-
rentialgleichungen, aus denen die Funktionen Wo, <PI' ... sukzessive
berechnet werden können. Die ersten beiden Gleichungen lauten:

Jrt>1 = rt>oxx rt>Öx + rt>OYy rt>~y+ 2rt>ox WOy rt>OXY'


wobei J den LAPLACEschen Operator bedeutet.
Es ist also Wo (x, y) das Potential der inkompressiblen Strömung,
welches als bekannt angesehen werden kann. Für rt>dx, y) ergibt sich
eine Potentialgleichung mit inhomogenem Glied (sog. PorssoNsche
Gleichung). Nach dieser Methode ist von O. JANZEN [23] und LORD
RA YLEIGH [24] zuerst der Kreiszylinder behandelt worden. Später sind
von E. LAMLA [31] für den Kreiszylinder noch höhere Näherungen ge-
rechnet worden.
168 III. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

Kreiszylinder. Ohne auf die Einzelheiten der Rechnung einzugehen,


mögen noch ein paar Angaben über die Strömung um den Kreiszylinder
gemacht werden. Unter Verwendung von Polarkoordinaten r, {} nach
Abb. 3.16 erhält man für das Potential der inkompressiblen Strömung,
wie bereits in GI. (2,108) angegeben:

$o(r, {}) = U oo (r + ~2) cos{}.


Unter Übergehung der weiteren Rechnung möge lediglich die Geschwin-
digkeitsverteilung auf der Kontur des Kreiszylinders angegeben wer-
den. Man erhält, wenn man nur $0 und $1 berücksichtigt:

(3,78)

2,4
S 3 Mbo -aJS
,
2,0 #" 21 ~

b~
~
I
I
I
~

8')
1
1,6

t':i' V '\
I
I
1

/ \,
1,2
...
!I 0,8 1 , ___ R ~

4 }2 Uoo \
0,
(3 \
. 20 0 1f(J 0
I
60 . I,,-i I .
80 0 100 120 0 140 0 150 0 180·

Abb. 3.16. Geschwindigkeitsverteilung am Kreiszylinder im Unterschallbereich nach E. LAMLA[31].


(1) Inkompressibel, (2) 1. Näherung, (3) H. Näherung

Es bedeutet hierin Ma o = uoo/ao = Maooj Ma;, die MACH- VI + K -;- 1


Zahl bezogen auf die Schallgeschwindigkeit des ruhenden Gases (Kessel-
zustand) und M a oo = uoo/a oo .
Die hiernach für Ma o = 0,36 berechnete Geschwindigkeitsverteilung
ist in Abb. 3.16 als Kurve (2) dargestellt. Die außerdem angegebene
Kurve (3) ergibt sich, wenn man nach E. LAMLA [31] zwei weitere
Glieder der Entwicklung GI. (3,77) berücksichtigt. Der Einfluß der
Kompressibilität auf die Geschwindigkeitsverteilung beschränkt sich
hauptsächlich auf die Umgebung des Geschwindigkeitsmaximums.
Kritische Anströmgeschwindigkeit. Von besonderer Bedeutung ist
diejenige AnströmuIigsgeschwindigkeit u oo , bei welcher am Zylinder-
umfang örtlich zuerst die Schallgeschwindigkeit erreicht wird, da in
3.4 Ebene Unterschallsträmungen 169

vielen Fällen bei dieser Geschwindigkeit die ersten Verdichtungsstöße


auftreten. Die Maximalgeschwindigkeit am Kreiszylinder liegt bei
{} = 7(/2, und sie hat nach GI. (3,78) den Betrag

W K max = U oo { 2 + ~ Mag} . (3,79)

Wegen W K max = a und a = ao V2/(x + 1) , vgI. Tab. 3.2, erhält man mit
x = 1,4 für Luft die kritischen MAcH-Zahlen

Mati = 0,414; Ma~ = 0,421.

Am Kreiszylinder wird also örtlich zuerst die Schallgeschwindigkeit


erreicht bei einer Anströmungsgeschwindigkeit

Uookrit = 0,421 a oo , (3,80)

die rund 42 % der Schallgeschwindigkeit der ungestörten Strömung


beträgt.
Elliptischer ZyJinder und Tragflügel. Die vorstehend für den Kreis-
zylinder durchgeführte Rechnung ist von S. G. ROOKER [32] auf ellip-
tische Zylinder bei Anströmung parallel zur großen Achse übertragen
worden. Auch C. KAPLAN [33] hat den elliptischen Zylinder nach einer
etwas anderen Methode behandelt und seine Rechnungen auch auf
JOUKOWSKy-Profile ausgedehnt [34]. Man vergleiche in diesem Zusam-
menhang auch E. KRAHN [35]. Als wichtigstes Ergebnis möge hier nur
die kritische MAcH-Zahl Ma! = uookritlaoo in Abhängigkeit von der
relativen Dicke dll angegeben werden, vgI. Tab. 3.4. Die maximale
örtliche Geschwindigkeit auf der Kontur ist beim elliptischen Zylinder
auf der kleinen Achse vorhanden. Für inkompressible Strömung be-
trägt sie nach GI. (2,207).:

W K max = U oo (1 + 7) .
Für diesen Fall beträgt die kritische MAcH-Zahl unter der Annahme,
daß WKmax = a cc ist, in grober Näherung

*
M a oo _ Uoo krit _
------------
1
(inkompressibel).
a oo 1 ~ + l

Dieser Wert ist in der dritten Spalte von Tab. 8.4 zum Vergleich mit
angegeben. Es ergibt sich, daß auch für elliptische Zylinder der Kom-
pressibilitätseinfluß auf die kritische MAcHSche Zahl beträchtlich ist.
170 III. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

Tabelle 3.4. Kritische Machsche Zahl für elliptische Zylinder vom Achsenverhältnis dll
bei Anströmung parallel zur großen Achse (nach C. KAPLAN [33])
kompressibel Inkompressibel kompressibel inkompressibel

d U oo krit Uookrit.. d U oo krlt U oo krit


- -- -- - ---
1 a oo aoo 1 a oo a oo

°
0,05
0,10
I
1
0,919
0,857
1
0,952
0,909
0,25
0,333
0,50
0,719
0,663
0,577
0,800
0,750
0,667
0,125 0,830 0,888 1,75 0,485 0,571
t
0,20 I 0,759 I
0,833 1 0,420 0,5

3.42 Prandtl-Glauertsche Regel


Für Unterschallströmungen lassen sich nach L. PRANDTL [27] und
H. GLAUERT [26] Lösungen von GI. (3,64) nach dem folgenden Ver-
fahren gewinnen: Wir versuchen die Lösung von GI. (3,64) auf die

a kompressilJel b inkompressilJel

~u
u

Abb.3.17. Zur PRANDTL-GLAuERTschen Regel

Lösung der Potentialgleichung (/lxx +


(/lyy = 0 der inkompressiblen
Strömung zurückzuführen. Zu diesem Zweck vergleichen wir die kom-
pressible Strömung mit einer ihr in geeigneter Weise zugeordneten
inkompressiblen Strömung. Dabei soll in beiden Strömungen die An-
strömungsgeschwindigkeit gleich U oo sein. Wir versehen die inkom-
pressiblen Vergleichsgrößen mit dem Index ik (Abb. 3.17). Die Glei-
chungen für die Potentiale lauten:

kompressibel: (3,81)

inkompressibel: (3,82)

Die Zuordnung der kompressiblen zur inkompressiblen Strömung ist


nun in verschiedener Weise möglich.
Zuordnung I. Bei dieser betrachten wir die kompressible und die
inkompressible Strömung um den gleichen Körper. Dabei sollen die
Potentiale in entsprechenden Punkten der beiden Strömungsfelder
3.4 Ebene Unterschallströmungen 171

zueinander proportional gesetzt werden. Mit C2 als einer noch näher


zu bestimmenden Konstanten wird gesetzt:
(3,83)
Es muß nun gleichzeitig lf> die Differentialgleichung (3,81) und lf>ik
die Differentialgleichung (3,82) erfüllen. Damit dies möglich ist, muß
eine Zuordnung von x und Xik sowie von Y und Yik vorgenommen
werden, die jedoch mit verschiedenen Maßstäben erfolgen kann. Wir
setzen: (3,84)
Hiermit läßt sich die Differentialgleichung der kompressiblen Strö-
mung (3,81) jetzt schreiben:

c2 [ (1 -
U 2
ff.La oo )
{jZ (j>ik
---,,----z-
uX/k
+ Cl2 ~
{j2 (j>; k ]
u Yik
= o.
Dies wird mit der inkompressiblen Gleichung (3,82) identisch, wenn
gesetzt wird:
(3,85)
Die zweite Konstante C2 der Transformation von GI. (3,83) wird aus
der Bedingung ermittelt, daß beide Strömungen, die kompressible und
die inkompressible, zum gleichen Körper gehören sollen.
Bezeichnet ~ die Neigung der Stromlinien in der kompressiblen
Strömung und ~ik diejenige in der inkompressiblen Strömung (Abb. 3.17),
so gilt:
kompressibel: t gus _ - v _- I {j(j>
-
- Uoo - Uoo {jy ,

s
t gUik _ Vik _ 1 {j (j>ik
inkompressibel: - - - -- - - - .
Uoo U oo {j Yik

Wenn beide Strömungen durch den gleichen Körper hervorgerufen


werden sollen, so muß für die Körperkontur gelten
tgo = tgO ik .
Dies erfordert
{j(j> {j(j>/k
{j Y ay:;-.
Wegen GI. (3,83) und (3,84) erhält man hieraus:
(3,86)
Somit ist
(3,87)

Die Transformationen sind reell nur für Maoo < 1, d. h. für Unter-
schallströmullgen. Da Cl <1 ist, wird wegen Y = Yik/CI = Yilc!"Vl - Mai
172 IH. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

die Querausdehnung in der kompressiblen Strömung (y) größer als in


der inkompressiblen Strömung (Y'k). Dies ist verständlich, da in der
kompressiblen Strömung mit der Druckabsenkung eine Abnahme der
Dichte verbunden ist, die einen größeren Platzbedarf der Stromfäden
verursacht.
Druckverteilung : Um nun die resultierende Kraft auf den umström-
ten Körper in der inkompressiblen und kompressiblen Strömung zu
vergleichen, muß zunächst die Druckverteilung längs der Körperkontur
ermittelt werden. Dabei genügt es, die Druckgradienten in der x-Rich-
tung miteinander zu vergleichen. Da nämlich die x-Richtung im Maß-
stab ungeändert bleibt, verhalten sich die endlichen Druckunterschiede
bei gleicher Anströmungsgeschwindigkeit U eo wie diese Gradienten. Nach
GI. (3,55 a) ist für schlanke Körper:

kompressibel: (-fJP)
fJx ,..., ,,"00
fJu
n U 00 - fJx -- n
,,"00
U
00
fJ2cp
--
fJx2 ,

Somit ist das Verhältnis dieser beiden Druckgradienten :

Damit gilt dann für den Druck an den gleichen Stellen des Körpers
bei kompressibler und inkompressibler Strömung

p(x) - Poo = V 1
2 [pidx) - Poo]. (3,89)
1 - Ma oo

Bei gleicher Körperform und bei gleicher Anströmungsgeschwindigkeit


sind also die Druckunterschiede in der kompressiblen Strömung in erster
Ordnung im Verhältnis I(VI - Ma;, größer als in der inkompressiblen
Strömung. Dies ist die Prandtl-Glauertsche Regel.
Diese Regel gilt auch für schlanke Körper, die unter einem kleinen
Anstellwinkel (X angestellt sind, also für Tragflügelprofile. Der Auftrieb,
der durch Integration der Druckverteilung über die Profiltiefe gewonnen
wird, steigt dann beim Übergang von der inkompressiblen zur kom-
pressiblen Strömung ebenfalls mit I(VI- Ma~ an. Für die Auftriebs-
beiwerte CA = A(F f2; u;, (F = Flügelfläche) gilt dann also für gleiches
Profil und gleichen Anstellwinkel:

(3,90)
3.4 Ebene Unterschallströmungen 173

Ebenso gilt für den Anstieg des Auftriebsbeiwertes mit dem Anstell-
winkel (sog. Auftriebsanstieg) :
dCA 1 (dCA) 2~ (3,91)
~= VI - Ma~ ~ ile = VI - Ma~ .

In Abb.3.18 ist der hierdurch berechnete Auftriebsanstieg in Ab-


hängigkeit von der MAcH-Zahl Ma oc dargestellt, wobei für (dCA/dlX)ik
der inkompressible Wert mit 2n ein-
gesetzt wurde, wie er der angestellten
ebenen Platte entspricht, GI. (2,198).
12 I
Da nach GI. (3,89) die Druckver-
teilungen um den Körper bei verschie-
1/
10
denen MACH-Zahlen affin zur inkom-
/
- -
pressiblen Druckverteilung sind, folgt 8
unmittelbar, daß die Lage der resul- t 2.7t
tierenden Luftkraft im ganzen Unter- {;j'~ G
V
schallbereich (solange keine Verdich-
tungsstöße auftreten) die gleiche ist
wie bei inkompressibler Strömung.
Auch verhält sich der Widerstand im 2
ganzen Unterschallbereich ebenso wie
bei inkompressibler Strömung, d. h., o 1/2 1/8
er ist gleich Null für reibungslose
Strömung (vgl. Abb. 3.27). Abb. 3.18. Theoretischer Auftriebsanstieg
Bevor wir dieses wichtige Erge bnis bei Unterschallströmung nach der
PRANDTL-GLAuERTschen Regel
mit Versuchen vergleichen, möge noch
kurz eine andere Zuordnung der kompressiblen und inkompressiblen
Strömung erwähnt werden.
Zuordnung 11. Wir stellen jetzt die Forderung, daß für die beiden
Körper nicht mehr ihre Kontur, sondern die Druckverteilung bei der
kompressiblen und inkompressiblen Strömung gleich sein soll. Es erhebt
sich dann die Frage, wie beim Übergang von der inkompressiblen zur
kompressiblen Strömung die Körperform geändert werden muß, damit
die Druckverteilung gleichbleibt. In diesem Fall muß nach GI. (3,88)
Cz = 1

sein, während der Wert von Cl nach GI. (3,85) bestehenbleibt.


Die Neigungen der Körperkonturen werden dann:

kompressibel: t b __v_ - _1_ odJ


g - Uoc - Uoc oy'
tg~ _ Vik _ 1 0 dJl k
inkompressibel: uik------·
Uoo Uoo 0 Yik
174 III. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

Da wegen c2 = 1 nach GI. (3,83) (j) = (j)ik und nach GI. (3,84)
Yik = Vl-
Ma~ Y ist, ergibt sich die folgende Beziehung zwischen den
Neigungen der Körperkonturen :

(3,92)

Der Körper in der kompressiblen Strömung muß also um den Faktor


Vl- Ma~ schlanker geformt werden als derjenige in der inkompres-
siblen Strömung, um die gleiche Druckverteilung zu ergeben.
Auch der Anstellwinkel eines Tragflügelprofils muß dann bei
gleichem Auftrieb in der kompressiblen Strömung um den Faktor
VI - Ma~ kleiner sein als in der inkompressiblen Strömung, d. h.,
der Auftriebsanstieg dCA/dlX ist im Verhältnis I/VI-Ma!: größer als
in der inkompressiblen Strömung in Übereinstimmung mit GI. (3,91).
Es gibt noch eine andere Variante der PRANDTL- GLA UERTschen Regel
(Stromlinien-Analogie), die bei dreidimensionaler Strömung Anwendung
findet. Gewisse Verfeinerungen der PRANDTL-GLAUERTSchen Regel
(KARMAN-TsrEN, KRAHN) werden ebenfalls in Kap. 8.12 besprochen
werden.

NA CA -0018-1,130

-E-·E-~
0015-1,1 JO
-C--E---~
0012 -1,1 30
-E:--F---~

0009-Z1 JO
-E:--I-----7=--
0006 0006-F JO
o JI 0009I---t---t---t--+--t---t---t--; ----E; -+=-

o JI 000$'----1..-.1-----'--..1..---'---'-----'--.....
0,2 0,4 o,G 0,8 1,0
"" UOO ---
nrJoo=a;;;

Abb. 3.19. Auftriebsanstieg von Tragflügelprofilen versohiedener Dioke in Abhängigkeit von


der MAcHsehen Zahl für Untersohallgeschwindigkelt; Vergleioh der PRANDTL-GLAuERTschen
Rellel nach GI. (3,91) mit Versuchsergebnissen von B. GÖTHERT [36]
3.4 Ebene Unterschallströmungen 175

3.43 Vergleich mit Versuchsergebnissen


In Abb. 3.19 ist das wichtigste Ergebnis der PRANDTL-GLAUERT-
sehen Regel nach GI. (3,91) mit Messungen von B. GÖTHERT [36] ver-
glichen. Für fünf symmetrische Tragflügelprofile mit den Dickenver-
hältnissen d/l = 0,06; 0,09; 0,12; 0,15 und 0,18 ist der Auftriebsanstieg
für unendliches Seitenverhältnis (dCA/dlX)oo über der MAcH-Zahl auf-
getragen. Zum Vergleich mit den Messungen ist die Theorie nach
GI. (3,91) für jedes der fünf Profile eingetragen. Im Bereich der unteren
MACH-Zahlen ist mit Ausnahme des Profils von 18 % Dicke die Über-
einstimmung zwischen Theorie
und Messung sehr gut. Die
theoretische Kurve folgt den o,OZIf
Messungen bis zu einer MACH-
Zahl, die um so näher bei

I,
Ma oo = 1 liegt, je dünner das 0,016
Profil ist. Die Abweichung - f - krilische

von Theorie und Experiment t0,008


Nachsehe Zoll/ l1a~
jenseits dieser MAcH-Zahl ist
auf eine starke Ablösung der '>~
0018
J
I I
I

I
Strömung zurückzuführen. 0015 I I
I
OfürOO18
Dies erkennt man aus der 0012
v I
I
Darstellung der Widerstands- o " 0015 I

beiwerte der gleichen Profile 0009 I


I
o " 0012
in Abb. 3.20. Die Kurven v
I~
0 0 I
der Widerstandsbeiwerte ClJ'p o " 0009 f-- 0006
(= Profilwiderstand) in Ab-
0" 0006 I I
hängigkeit von der MAcH-Zahl 0,2 Oß 0,8 1,0
sind dadurch gekennzeichnet, l1a = U oo ___
00 aoo
daß im unteren MAcH-Zahl- Abb. 3.20. Profilwiderstand von Tragflügelprofilen
Bereich Cw p von der MACH- verschiedener Dicke in Abhängigkeit von der MACH-
sehen Zahl für Unterschallgeschwindigkeit, nach
Zahl nahezu unabhängig ist, Messungen von B. GÖTHERT [.36]
während bei Annäherung an
Ma oo = 1 ein sehr steiler Widerstandsanstieg erfolgt. Dieser Wider-
standsanstieg, der bei dünnen Profilen näher an Ma oo = 1 liegt als bei
den dickeren Profilen, ist eine Folge der Strömungsablösung. Diese
Ablösung wird verursacht durch einen Verdichtungsstoß, der dort
einsetzt, wo am Profil örtlich die Schallgeschwindigkeit überschritten
wird (kritische MACH-Zahl Ma!). Dieses erste örtliche Überschreiten
der Schallgeschwindigkeit tritt natürlich bei dicken Profilen bei
kleinerer MACH-Zahl ein als bei dünnen Profilen. Aus diesem Grunde
nimmt die kritische MAcH-Zahl mit wachsender Profildicke stark ab.
Näheres hierüber s. Kap. 8.12.
176 IH. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

Aus dem Vergleich des Widerstandsdiagramms, Abb. 3.20, mit dem


Auftriebsdiagramm, Abb. 3.19, erkennt man, daß die kritischen MACH-
Zahlen der Widerstandskurven nahezu zusammenfallen mit denjenigen
MAcH-Zahlen, bei denen in den Auftriebskurven der Unterschied
zwischen Theorie und Messungen beginnt. Hieraus kann man schließen,
daß die PRANDTL-GLAuERTsche Regel immer dann gute Übereinstim-
mung mit Messungen ergibt, wenn kein Verdichtungsstoß und damit
keine Ablösung der Strömung auftritt.

3.5 Ebene Überschallströmungen


Die in Kap. 3.4 angegebenen Berechnungsverfahren für die Unter-
schallströmung (JANZEN-RAYLEIGH, PRANDTL-GLAUERT) sind durchweg
nicht anwendbar, falls irgendwo im Strömungsbereich die Schall-
geschwindigkeit überschritten wird. Lediglich das in Kap. 3.33
erläuterte Verfahren der linearisierten Potentialgleichung ist für Über-
schallströmungen anwendbar, aber nur falls im ganzen Strömungs-
bereich Überschallgeschwindigkeit herrscht. Diese sog. "reinen Über-
schallströmungen" sind im allgemeinen erheblich einfacher als die
entsprechenden Unterschallströmungen, weil z. B. bei der Umströmung
eines Körpers mit Überschallströmung große Teile des Strömungsfeldes
ungestört bleiben.
Wir wollen in diesem Abschnitt solche reinen Überschallströmungen
behandeln. Strömungen vom sog. gemischten Typus, d. h. mit Durch-
gang durch die Schallgeschwindigkeit, führen im allgemeinen zu Ver-
dichtungsstößen. Solche Strömungen werden in Kap. 3.6 besprochen.

3.51 Prandtl-Meyersche
Eckenströmung
Wir beginnen die Be-
handlung der reinen Über-
schallströmungen mit dem
besonders einfachen Fall der
a Strömung um eine Ecke
nach Abb. 3.21, der eine viel-
'1'=0 fältige Anwendung findet.
I
I
I Wir betrachten die Parallel-
I
I
I
strömung längs einer ebenen
I
b
1-11' Wand mit der Geschwindig-
I
I
' r keit W 1 , die größer sei als die
I
I
A Schallgeschwindigkeit a 1 , die
Abb. 3.21. Strömung um eine konvexe Ecke. zu dem Gaszustand vor der
a) Stromlinienbild, b) Geschwindigkeiten
I und II MACHsche Linien. Ecke gehört, w1 > a 1 • Im
3.5 Ebene Überschallströmungen 177
Punkt A habe die Wand einen Knick derart, daß dort eine konvexe
Ecke vorhanden ist. An der Ecke tritt eine Druckabsenkung ein, so
daß der Druck P2 hinter der Ecke kleiner ist als der Druck PI vor der
Ecke, somit P2 < PI' Diese Druckabsenkung bedingt eine Beschleunigung
von W I auf w 2 ; es ist also W 2 > W I • Hinter der Ecke bildet sich wieder
eine Parallel strömung mit der Geschwindigkeit w 2 aus. Die an-
kommende Parallelströmung mit der Geschwindigkeit w l ändert sich
nicht bis zum Fahrstrahl 1, der als MAcHsche Linie von der Ecke A
ausgeht mit sin,u1 = aI!wl . Hinter dem Fahrstrahl 11, der ebenfalls
eine MACH-Linie mit sin,u2 = a 2 /w 2 darstellt,. herrscht wieder Parallel-
strömung. In dem Keilraum zwischen den Fahrstrahlen 1 und 11
findet eine Umlenkung der Strömung und dabei gleichzeitig eire Be-
schleunigung von w l auf W 2 und eine Druckabsenkung von PI auf P2
statt. Die Begrenzung der Strömung hinter der Stelle A kann sowohl
eine feste Wand als auch eine freie Strahlgrenze sein. Im letzteren Fall
muß der Druck P2 hinter der Ecke A vorgegeben sein; es folgt dann aus
der Druckdifferenz PI - P2 die Größe der Ablenkung der Strömung,
die bei A eintritt.
Die hiermit skizzierte Strömung ist die Prandtl-Meyersche Ecken-
strömung [25], [25 a]. Für diese Strömung existiert eine exakte Lösung
der kompressiblen Bewegungsgleichungen, die hier zunächst besprochen
werden möge. Anschließend werden wir in Kap. 3.52 diese Strömung
auch in der linearisierten Näherung behandeln.
Das Ziel der weiteren Betrachtungen ist die Ermittlung des Strö-
mungsfeldes in dem Keilraum.
Unter Einführung von Polarkoordinaten r, rp mit der Ecke Aals
Ursprung nach Abb. 3.21 und mit W r und wrp als Geschwindigkeits-
komponenten lauten die Kontinuitätsgleichung und die Bewegungs-
gleichungen :

(3,93)

W dW, + Wrp dW, _


2
wrp _ _ ..!:. ~ (3,94)
r dr r dcp r - e dr'

W dWrp + Wrp dWrp + WrWrp = 1 1 dP


T dr r dcp r --;racp' (3,95)

Da das vorliegende Problem keine ausgezeichnete Länge besitzt,


ist es naheliegend anzunehmen, daß das Strömungsfeld auf jedem
Fahrstrahl von A aus konstant ist, d. h., daß w" wrp und P un-
abhängig von r und nur abhängig von rp sind. Dies bedeutet, daß
Schlichting/Truckenbrodt, Aerodynamik I 12
178 III. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

man in den obigen Gleichungen


.
-aar = 0 setzt. Damit folgt aus
GI. (3,93) bIs (3,95):
eWr + aq; (e Wq;)
d
= 0, (3,96)

Wq; = ~~r , (3,97)


dWq;
Wq; ( ~ + wr ) = - e1 d;p
dp
. (3,98)
Wegen der Beziehung
de de dp 1 dp
d;p = dp d;p = as d;p (3,99)
folgt aus GI. (3,96) und (3,98) nach kurzer Zwischenrechnung

(w + ~~) (1 -
r ::) = o. (3,100)
In dieser Gleichung kann der erste Faktor nicht Null sein, da sonst
nach GI. (3,98) der Druck im ganzen Raum konstant wäre. Es muß also
der zweite Faktor Null sein. Somit hat man
Wq; = a. (3,101)
Hieraus folgt nach Abb. 3.21 b für den Winkel f-l, den der Fahrstrahl
mit dem Geschwindigkeitsvektor einschließt:
. Wq; a I
SIllf-l=W-=V;= Ma· (3,102)

Es ist also dieser Winkel gleich dem MAcHschen Winkel. Jeder Fahr-
strahl von der Ecke A aus ist somit eine MACHsche Linie ebenso wie
die beiden den Keilraum begrenzenden Fahrstrahlen 1 und 11. Dies ist
gleichbedeutend damit, daß die Geschwindigkeitskomponente senk-
recht zum Fahrstrahl überall gleich der örtlichen Schallgeschwindig-
keit ist.
Für die Berechnung der Geschwindigkeitskomponenten Wr und Wq;
benutzen wir die BERNoULLI-Gleichung (3,24)
2
+ " 2

2
W
"- 1 e - ,,- 1 e; -
p _ " Po _ Wmax
-2- ,
wobei nach GI. (3,42) W max die Ausflußgeschwindigkeit aus einem Kes-
sel mit dem Druck Po ins Vakuum bedeutet. Weiter erhält man wegen
w 2 = w~+ w; und wegen w!
=, a2 = x pie aus der vorigen Gleichung:

(3,103)

Unter Berücksichtigung von GI. (3,97) kommt dann:

dW r =
drp
V" -+
"
I W
1 max
VI _ (~)2 . W max
3.5 Ebene Überschallströmungen 179
Die Integration durch Trennung der Variablen liefert:

V- + rp
I<:-l
x
1

= arc sm -
W
Wr
- max
+ const.
Wird der Strahl rp = 0 nach Abb. 3.22 gewählt, so ist w r = 0 bei rp = 0
und somit die Integrationskonstante in der letzten Gleichung gleich
Null. Damit ergibt sich unter Berücksichtigung von GI. (3,97):

Wr = •
W max ~·m (VI<:-l
I<: 1 + rp ) ,
(3,104)
wtp = wmax l~l
V-;+1 cos (V~)
I<: + 1 rp .

Mach-Linie

Abb. 3.22. PRANDTI.-MEYERSche Eckenströmung und Hodograph für Luft mit " = 1,40

Für rp = 0 ergibt sich W r = 0 und wtp =


GI. (3,42) und nach Tab. 3.2 ist für
V+ I<: - 1
I<: 1
W max ' Mit wmax nach

Ip = 0: W = V+ I<:
21<:
1 eo-
Po 11 2
= V I<: + 1 ao = a*.

Es ist also für rp = 0 : W = W 1 gerade gleich der örtlichen Schall-


geschwindigkeit beim Ausströmen aus einem Raum mit dem Gas-
zustand Po, (10'
Druckverteilung. Nach der BERNouLLI-Gleichung GI. (3,41) ist mit
w2 = w; + w;:
w; + W~ = W~ax [1- (:J-"-J.
,,-1

(3,105)

Setzt man hierin die Ausdrücke für W r und wtp nach GI. (3,104) ein, so
ergibt sich nach trigonometrischer Umformung:

~ 1 [ 1 + cos ( 2 V-; ~ ~ rp) 1·


,,-1

(:J-" = I<: (3,106)


12*
180 III. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

Die Expan8ion in8 Vakuum, p =0, wird erhalten für 2


d .1.. f··ur
V",,+ -1
1
rp = 'JT:,

7(,1r;+!
rpm = 2" V~ . (3,107)
Gleichzeitig ist für diesen Wert von rp, wie man aus GI. (3,104) erkennt,
rp = rpm: W", = 0 und W r = wmax •
Für den Fahrstrahl rp = rpm ist also die Strömung rein radial, und man
hat für diesen Fall ein Stromlinienbild nach Abb. 3.22.
Für Luft mit" = 1,405 ist rpm = 219,3°. Die größte Umlenkung,
welche bei dieser zweidimensionalen Eckenströmung auftreten kann,
ist also 219,3° - 90° = 129,3°. Sie tritt dann ein, wenn vom kritischen
Druck p* ins Vakuum expandiert wird.
Ablenkungswinkel. Es ist zweckmäßig, zur Charakterisierung der
Strömung noch den Winkel {} nach Abb. 3.21 einzuführen, welchen der
Geschwindigkeitsvektor auf einem beliebigen Fahrstrahl mit der an-
kommenden Strömungsrichtung w1 bildet. Nach Abb. 3.21 ist

ß=rp+.u-;.
Führt man weiter noch den Winkel1jJ zwischen w'" und W ein, für den
7(,
.u+1jJ=2" (3,108)
gilt, so hat man
ß = rp - 1jJo (3,109)
Der Winkel1jJ wird aus der Lösung (3,104) erhalten durch:

= l/~
Wr (l/~) (3,110)
tg 1jJ = W", V " _ 1 tg V ,,+ 1 rp .
Hiermit besitzt man ein vollständiges Formelsystem, um die MEYER-
sehe Eckenströmung numerisch auswerten zu können. Das Ergebnis
ist in Tabelle 3.5 dargestellt.
Tabelle 3.5. Prandtl-Meyersche Eckenströmung für Luft, " = 1,405

rpO P w 1j!0 Ma
Po

0 0,527 0,410 0 0 90 1
17,29 I 0,50 0,426 16,88 0,41 73,12 1,045
39,11 0,40 0,482 35,02 4,09 54,98 1,221
55,47 0,30 0,541 45,63 9,84 44,37 1,430
72,09 0,20 0,609 54,16 17,93 35,84 1,708
92,81 0,10 0,697 62,38 30,53 27,62 2,157
108,66 0,05 0,760 67,40 41,26 22,60 2,602
135,56 0,01 0,857 74,32 61,24 15,68 3,699
219,32 0 1,0 90,00 129,32 0 00
3.5 Ebene Überschallströmungen 181

Eine besonders anschauliche Darstellung der PRANDTL-MEYERschen


Eckenströmung erhält man, wenn man den Geschwindigkeitsvektor auf
den einzelnen Fahrstrahlen in einem sog. Hodographen darstellt, d. h. die
sämtlichen Geschwindigkeitsvektoren w( {}) in einem Polardiagramm
aufträgt, Abb. 3.22. Für {} = 0 ist w = a*, d. h. es ist die Strömungs-
geschwindigkeit gleich der Schallgeschwindigkeit; für {} = {}max ist
w = w max • Die Endpunkte sämtlicher Geschwindigkeitsvektoren be-
schreiben also eine Kurve, welche zwischen den beiden konzentrischen
Kreisen W = a* und W = W max liegt. Diese Kurve heißt die charak-
teristische Kurve der Eckenströmung oder kurz die Charakteristik.
Sie ist, wie hier nicht näher ausgeführt werden soll, ein Epizykloide,
die entsteht, wenn man den Kreis mit dem Durchmesser W max - a*
auf dem inneren Kreis mit
dem Radius a* abrollen
läßt.
Auf eine wichtige Eigen-
schaft dieser Charakteri-
stik, die später zur Kon-
struktion von Überschall-
strömungen benutzt wird,
möge hier noch hingewiesen
Abb. 3.23. überschallströmung an einer Wand mit
werden: Oben war gezeigt mehreren Ecken
worden, daß bei der Ecken-
strömung jeder Fahrstrahl eine MACH-Linie ist und daß für jeden Fahr-
strahl der Geschwindigkeitsvektor ttJ konstant ist. Der vektorielle Ge-
schwindigkeitszuwachs LI ttJ muß deshalb senkrecht zum Fahrstrahl sein
und damit auch senkrecht zur MACH-Linie. Im Hodographen hat aber
der vektorielle Geschwindigkeitszuwachs die Richtung der Tangente
an die Charakteristik, Abb. 3.22. Somit gilt der Satz: Die Tangente an
die Charakteristik ttJ ({}) steht in jedem Punkt senkrecht auf der durch
den entsprechenden Punkt der Stromlinie hindurchgehenden MACH-
Linie, d. h. senkrecht auf dem Fahrstrahl.
Eine andere charakteristische Eigenschaft der PRANDTL-MEYERSchen
Eckenströmung ist, daß sie nach Abb. 3.23 auf einem beliebigen Fahr-
strahl, etwa A C abgebrochen werden darf. Auch kann ein Stück gerad-
linige Strömung angesetzt werden, z. B. ACE D, ohne daß sich die
Strömung im Raum ABC dadurch ändert. Der physikalische Grund
für diese der inkompressiblen Strömung völlig fremde Tatsache ist, daß
alle Störungen, die im Zwischenraum ADEC vorhanden sind (etwa
der neue Knick bei D) nicht stromaufwärts zurückwirken können.
Diese Störungen breiten sich auf den entsprechenden MAcHschen
Linien aus, z. B. auf DE, und sie erreichen deshalb das Gebiet ABC
nicht.
182 ur. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

3.52 Strömung um eine flache Ecke


Die im vorstehenden Abschnitt behandelte exakte Lösung der
PRANDTL-MEYERschen Eckenströmung hat nur für konvexe Ecken, aber
beliebigen Eckenwinkel, Gültigkeit. Wir wollen jetzt die Überschall-
strömung für eine flache Ecke nach einem Näherungsverfahren berech-
nen, wobei jetzt aber sowohl die konvexe als auch die konkave Ecke
behandelt werden soll. Der Eckenwinkel L1 {} nach Abb. 3.24 sei klein,
und es bedeute L1 {} > 0 die konvexe und L1 {} < 0 die konkave Ecke.
Für den Fall der konvexen Ecke darf man annehmen, daß bei sehr
kleinem Eckenwinkel L1 {} das Keilgebiet von Abb. 3.23, in welchem die
Druckabsenkung stattfindet, sehr schmal wird, so daß man es für eine

konvexe Ecke konkave Ecke


Verdiinnungs-Linie verdichtungs-Linie)

_ .------,(/~
--------,<-

W////ff////ß'~
.~
0:
W$/d/dyiffit

a b

Abb. 3.24. überschallströmung an einer flachen Ecke. a) Konvexe Ecke, L1 /J > 0,


b) konkave Ecke, L1 () < 0

Näherungsrechnung durch eine einzige MAcHsche Linie ersetzen


kann, auf welcher dann eine unstetige Druckabsenkung stattfindet
(Verdünnungslinie), Abb.3.24a. Entsprechend ist ·für den Fall der
konkaven Ecke eine Verdichtungslinie mit unstetiger Druckzunahme
zu erwarten, Abb. 3.24 b. Für den Fall der flachen Ecke (konvex und
konkav) dürfen wir demnach in vereinfachter Betrachtungsweise an-
nehmen, daß das Strömungsfeld aus zwei Teilbereichen mit Parallel-
strömung besteht, die durch geradlinige Unstetigkeitslinien getrennt
werden. Auf diesen Unstetigkeitslinien erleidet die Geschwindigkeit
eine unstetige Änderung der Richtung und des Betrages. Der Druck
3.5 Ebene Überschallströmungen 183

und die Dichte haben einen Sprung LI p bzw. LI (2, der im Vergleich zu
den Werten in der ankommenden Strömung sehr klein ist:

Für die rechnerische Ermittlung dieser Strömung greifen wir auf die
in Kap. 3.33 erläuterte linearisierte Potentialgleichung zurück. Mit den
Bezeichnungen nach Abb. 3.24 hat man nach GI. (3,64) für das Poten-
tial <P(x, y) die Gleichung
(Ma~ - 1) <P xx - f/J yy = 0

mit Maoo = woo/aoo als MAcH-Zahl der Zuströmung. Wir zerlegen das
Potential <P(x, y) in den Anteil der Grundströmung (Index (0) und
das Zusatz potential (Index '):
f/J = f/J oo + f/J' = W oo x + f/J' (x, y).
Man hat dann für das Zusatzpotential die Differentialgleichung
(Ma~ - 1) f/J~x - f/J~y = O. (3,111)
Die Geschwindigkeitskomponenten der Zusatzströmung sind dann
, _ 0 (])' v' = 0 (])' •
(3,112)
1t-~, oy
Die hyperbolische Differentialgleichung (3,111) hat, wie in GI. (3,65)
ausgeführt wurde, das allgemeine Integral
f/J'(x, y) = 11(Y - xtg,u) + 12(Y + xtg,u), (3,113)
wobei nach GI. (3,66)
(3,114)

ist. Die beiden Geradenscharen Y =f x tg,u = const sind die MAcHsehen


Linien nach Abb. 3.14. Es sind 11 und 12 willkürliche Funktionen, die
aus den Randbedingungen des Problems derart zu bestimmen sind, daß
im Gebiet vor der Unstetigkeitslinie (Index (0) die Parallelströmung
mit der Geschwindigkeit w"" herrscht, und hinter der Unstetigkeitslinie
(Index 1) eine Parallelströmung, die gegenüber W oc den Winkel LI-&
bildet. Dabei war schon früher festgesetzt worden:
L1-& > 0: konvexe Ecke,
L1 f} < 0: konkave Ecke.
Dies ergibt für 11 und 12' wie weiter unten näher ausgeführt wird:
Gebiet (00): y>xtg,u: 11=0, 12=0;
Gebiet (1): y<xtg,u: 11 = -(y-xtg,u)wooLlf), 12=0.
184 III. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

Die Geschwindigkeitskomponenten sind nach GI. (3,112):


u' = (f~ - fi) tg.u, v' = fi + f~, (3,115)
wobei der Strich bei f die Differentiation nach dem Argument
y =f x tgp, bedeutet. Damit ergibt sich aus GI. (3,115) für die Zusatz-
strömung nach Abb. 3.24 folgende Geschwindigkeitsverteilung :
Gebiet (=): u' = v' = 0,
Gebiet (1): u' = Woo Llit tg.u, v' = -WooLlit.} (3,116)
Hieraus folgt für die Richtung der Stromlinien im Gebiet (1) hinter
der Unstetigkeitslinie (MAcHsche Linie):

( -d y ) -- v' v'
dx Str Woo + u' =Woc
-- -
-Llit •

Es ist also stromabwärts von der MAcHschen Linie die Strömung um


den Winkel LI it abgelenkt, wie es verlangt wurde.
Drucksprung. Den prucksprung auf der MAcHschen Linie
Llp = PI - poo (3,117)
kann man, da es sich um einen kleinen Drucksprung handelt, aus der
linearisierten kompressiblen BERNoULLI-Gleichung, die formal mit der
inkompressiblen BERNouLLI-Gleichung übereinstimmt, vgI. GI. (3,29a)
und GI. (3,27), berechnen. Somit hat man
A
LJP = PI - poo = 2[!oc (9
W Öc -
2)
W1 .

Dabei ist wi = (w oo + U')2 + v,2 = W;, + 2 woou'. Somit hat man:


Llp = - (200 W oo u' (3,118)
oder mit u' nach GI. (3,116):
Llp = - (200 w;;" tg.u LI it. (3,119)
Der Drucksprung ist hiernach also proportional dem Ablenkungs-
winkel LI it. Für die konvexe Ecke (LI it > 0) ist er negativ (Verdün-
nungslinie), für die konkave Ecke (Llit <0) ist er positiv (Verdichtungs-
linie ).
Führt man noch, wie schon früher in GI. (3,27), den rechnerischen
Staudruck

ein, so läßt sich der Drucksprung schreiben in der Form:


(3,120)
3.5 Ebene Überschallströmungen 185

Für spätere Anwendungen möge diese Gleichung auch noch in differen-


tieller Form geschrieben werden, wobei tgll nach GI. (3,114) eingesetzt
wird:
2
dp = _ 1200 Woo d {} . (3,121)
VMa~-1
Diese Ergebnisse über die Strömung um flache Ecken werden es uns
gestatten, im nächsten Abschnitt in einfacher Weise die Kräfte auf
schlanke Körper (insbesondere Tragflügelprofile) in ebener Strömung
bei Überschallgeschwindigkeit zu ermitteln.

3.53 Auftrieb und Widerstand der ebenen Platte


Die Ergebnisse des vorigen Abschnittes hat erstmalig J. ACKE-
RET [37] benutzt, um in recht einfacher Weise die Strömung um eine
ebene Platte zu berechnen, die unter einem kleinen Winkel (X angestellt
ist. Nach Abb. 3.25 bildet die auf die Plattenvorderkante auftreffende
Stromlinie zusammen
mit der Platte auf der verdünnfjg Apo
Oberseite eine konvexe Verdichtung
Ecke und auf der Unter-
y
seite eine konkave Ecke
mit dem Winkel (x. Von
der Vorderkante geht in-
folgedessen auf der Ober-
seite eine Verdünnungs-
MACH-Linie und auf der
Unterseite eine Verdich- Verdünnung
tungs-MAcH-Linie aus. Abb. 3.25. Strömung um eine angestellte ebene Platte bei
An der Hinterkante liegt überschallgeschwindigkeit

die Verdichtungslinie
oben und die Verdünnungslinie unten. Hinter der Platte ist die Ge-
schwindigkeit wieder gleich w oo und der Druck gleich Poo wie vor der
Platte.
Infolgedessen herrscht auf der ganzen Plattenoberseite ein konstan-
ter Unterdruck Po und auf der ganzen Plattenunterseite ein konstanter
Überdruck Pu. Für die Drücke ergibt sich nach GI. (3,120) unter Beach-
tung, daß jetzt L1 {} = ± (X ist:
Oberseite (LI {} = + (X) : Po - Poo = -2qoo cxtg,u,
Unterseite (LI {} = - (X): Pu - Pcc = 2qoo cxtg,u.
Hieraus ergibt sich der Druckunterschied zwischen Plattenunterseite
und Plattenoberseite zu
Pu - Po = 4qoocxtgll' (3,122)
186 IIr. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

Diese Druckverteilung ist in Abb. 3.26a dargestellt. Die hieraus für


die Platte der Breite b und der Tiefe 1resultierende Kraft R (Abb.3.25)
ist senkrecht zur Platte und hat den Betrag
R = bl(pu - Po) = 4blqoorxtgp,. (3,123)

/_~-------- /

i
I I

~~
a
'P ~ u
b
/_---- /

''''-----,
1 1
1 1

." : 1
I
1
I

I
1
1
1
1
1
i~
I

~ c
fP~ tJ:v~
d

/ /

TV~~*~·::~
::."" I,
~ ~
'.
1 1

1
1
1

e f

Abb. 3.26a-f. Druckverteilnng an Profilen bei überschallgeschwindigkeit;


u Unterseite, 0 Oberseite.
a) Angestellte ebene Platte, b) Parabel skelett beim Anstellwinkel tt. = 0°, c) bikonvexes
Profil beim Anstellwinkel tt. = 0°, d) Kreisabschnittprofil, tt. = 0°, e) bikonvexes Profil, tt. =1= 0,
f) Kreisabschnittprofil tt. =1= 0
3.5 Ebene Überschallströmungen 187

Zerlegt man diese Kraft in den Auftrieb A (senkrecht zur Anström-


richtung) und den Widerstand W (parallel zur Anströmrichtung), so
hat man für kleine Anstellwinkel a:
A = R cos 0: = R, (3,124)
W = R sino: =
R 0: = Ace. (3,125)
Definiert man die dimensionslosen Beiwerte für Auftrieb und Wider-
stand in gleicher Weise wie bei inkompressibler Strömung, also
A W
CA. = l b qoo' Cw = l b qoo '

so erhält man aus GI. (3,124) und (3,125)


cA=4tg,u'oe, }
(3,126)
Cw = 4 tg,u . oe2 = cA. oe •

Der Auftriebsanstieg ist somit für Überschallströmung :


~:A-=4tg,u= V 4 (Überschall). (3,127)
Ma~-l
Für die Unterschallströmung (PRANDTL-GLAuERTsche Regel) gilt nach
GI. (3,91):
2n
--;r;: - 11 M 2 (UnterschalI).
vI - a oo

In Abb. 3.27a sind die Kurven für den Auftriebs anstieg im Unter-
schall- und Überschallbereich dargestellt. Für M a oo -+ 1 versagen die
beiden hier vorliegenden linearen Theorien, weil die gemachten Voraus-
setzungen dort nicht zutreffen.
Im Fall der Überschallströmung ist die Druckverteilung über die
Plattentiefe ganz besonders einfach. Der Druckunterschied zwischen
Plattenunter- und -oberseite ist konstant, wie in Abb. 3.26a angegeben.
Hieraus ergibt sich, daß die resultierende Luftkraft in der Plattenmitte
angreift. Der Abstand des Angriffspunktes der Luftkraft von der Vorder-
kante xN/l = 1/2 für die Überschallströmung ist in Abb. 3.27b dar-
gestellt, wobei auch die früher für die inkompressible und die Unter-
schaIlströmung erhaltenen Werte xN/l = 1/4 mit angegeben sind. Es ist
hervorzuheben, daß beim Übergang von der Unterschall- zur Überschall-
strömung die Lage des Angriffspunktes der Luftkraft sich erheblich
nach hinten verschiebt.
Besonders bemerkenswert ist ferner, daß bei Überschallgeschwindig-
keit schon in reibungsloser Strömung ein Widerstand auftritt, den
man als Wellenwiderstand bezeichnet. Seine Größe ergibt sich nach
GI. (3,126) zu:
1 1 1M 2
1
Cw = - - CA = -4 V
2
4 tg,u
a oo - 1 CA'
2 (3,128)
188 In. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

Der Beiwert des Wellenwiderstandes ist also dem Quadrat des Auf-
triebsbeiwertes proportional. In Abb. 3.27 c ist für den Überschall-
bereich der Quotient cw/c~ in Abhängigkeit von der MAcH-Zahl dar-
1* gestellt. Im Unterschall-

12
I
I
/ bereich ist in reibungs-
loser Strömung Cw = o. 1
unterschaff
l1a oo ""1
V I I Überschall
l1a oo >1
Der Wellenwiderstand
prandfl-IGla/Je~y \ läßt sich anschaulich

~ ACke~et \ dadurch erklären, daß

'" ---
die bei inkompressibler
inkompressibel
reibungsloser Strömung
......... nach Abb. 2.60a an der
2 Plattenvorderkante an-
greifende Saugkraft, die
a 0 0,2 0,* 0,6 0,8 Z 1,2 1,* t6 1,8 2,0 von der Umströmung
Maoo~
der Plattennase herrührt,
0,6
I hier in Fortfall kommt.
'Pz
Während bei inkom-
'/4
pressibler reibungsloser
I
I ProftJvorderkante
Strömung diese Saug-
b 0 0,2 0,'1 0,6 0,8 1,0 1,2 1,* 1,6 t8 2,0 kraft zusammen mit der
Ma -
oo Resultierenden aus den
Oß Druckunterschieden auf
~~~
klli] r~~~:~:;l:;E;
Plattenober- und -unter-
t 0,*
1

~1~0,2 111 1

C {} 0,2 0,* 0,6 0,8 1,0 1,2 steht (Auftrieb), hat hier
1,8 2,0
Ma oo -
die fehlende Saugkraft
Abb. 3.27. Luftkräfte an der angestellten ebenen Platte
bei Unter- und "Überschallgeschwindigkeit. zur Folge, daß die Ge-
a) Auftriebs anstieg dCA/da, b) Lage der resultierenden
Lnftkraft xp, vgI. Abb. 3.25, c) Widerstands beiwert C w
samtkraft senkrecht zur
Platte steht. Eine andere
physikalische Erklärung für das Vorhandensein eines Widerstandes bei
Überschallgeschwindigkeit besteht darin, daß für die Erzeugung der
Druckwellen (MAcHsche Linien), die vom umströmten Körper aus-
gehen, laufend Energie verbraucht wird.

3.54 Auftrieb und Widerstand schlanker Profile


Polygon-Profile. In ähnlicher Weise, wie vorstehend für die an-
gestellte ebene Platte erläutert, können auch für schlanke Profile end-
1 Es sei schon hier darauf hingewiesen, daß ein Tragflügel endlicher Spann-
weite auch im Unterschallbereich einen dem Quadrat des Auftriebes proportio-
nalen Widerstand besitzt (induzierter Widerstand, s. Kap. 7.4).
3.5 Ebene Überschallströmungen 189

lieher Dicke mit scharfer Nase Auftrieb und Widerstand ermittelt wer-
den. Ersetzt man das Profil näherungsweise durch ein Polygon nach
Abb. 3.28, so wird damit die Aufgabe auf die Strömung um die flache
Ecke zurückgeführt, die in Kap. 3.52 behandelt wurde. Im allgemeinen
sind die vorderste und hinterste Ecke konkave Ecken, während alle
übrigen Ecken konvex sind. Demnach hat man an derVorder- und

Verdünnung
Verdichtung , ' Verdichtung

~~.~
~ ~m-: \---, ,
----'''--

>-
Verdünnung
Abb. 3.28. überschallströmung um ein Po]ygonprofi!

Hinterkante je zwei Verdichtungslinien, an allen übrigen Ecken Ver-


dünnungslinien.
Man erhält den Druck an einer beliebigen Stelle des Profils durch
Summierung der Drucksprünge nach GI. (3,117) und (3,120) von der
Vorderkante bis zu dieser Stelle in folgender Weise:
PI - Pco = Llpl = - 2qoo tgl' Ll19 1
P2 - PI = Llp2 = - 2qco tgl' Ll O2

i i
Pi - pco = E LlPi =
v~l
- 2qco tgl' E Ll Ov
v~l

Setzt man
i i
ELlOv=Oo und 2,' Ll Ov = 0:,
v~l v=l
oben unten

so hat man für den Druck auf Ober- bzw. Unterseite des Profils an
einer beliebigen Stelle x der Kontur:
LlPo(X), = Po(x) - poo = - 2qoo tgl' Oo(x), }
(3,129)
Llpu(x) = Pu(x) - poo = - 2qoo tgl' Ou(x).
Dabei bedeutet Oo(x) bzw. Ou(x) die Neigung der Kontur an der betref-
fenden Stelle gegen die Anströmungsrichtung Wo<> nach Abb. 3.29.
190 III. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

Stetig gekrümmte Profile. Bei stetiger Krümmung des Profils nach


Abb. 3.29 kann für die Druckverteilung die GI. (3,129) unmittelbar
übernommen werden. Für die Ermittlung von Auftrieb und Widerstand
ist dann eine Integration über die Profiltiefe erforderlich. Es ist zweck-
mäßig, die örtliche Neigung der Kontur 1}o und 1}u aufzuteilen in den
Anstellwinkel der Sehne IX und die örtliche Neigung der Kontur gegen
die Sehne 1}~ und 1}~. Man hat somit:

1}o{x) = cx + 1}~(x), 1 (3,130)


1}u{X) = -IX + 1}~{x). r

Die Größen 1}~ und 1}~ sind dann rein geometrische Profilgrößen.

Abb.3.29. Zur Berechnung der überschallströmung um ein stetig gekrümmtes Profil

Mit den Beziehungen von Abb. 3.29 ergibt sich für Auftrieb und
Widerstand \ = Wellenwiderstand) mit cos1}u cos1}o 1, sin 1}u = 1}u, = =
... und dsu = dso = dx:
I

A = b J{L1Pu - L1Po)dx,
o
I

W= -bJ{L1PuiJu + L1Po iJo)dx.


o

Nach Einsetzen vdn GI. (3,129) und GI. (3,130) kommt:

r[2cx -
I

A = 2b qoo tgfl iJ~ + 19~) dx,


o"'
(3,131)
W = 2bqoo tgfl J[2cx
o
2 - 2cx(iJ~ - iJ~) + (iJ~2 + iJ~2)]dx.
Die Gleichung des Profils in rechtwinkligen Koordinaten sei Yu (x)
und yo(x), wobei die x-Achse mit der Sehne zusammenfällt, Abb. 3.29.
3.5 Ebene Oberschallströmungen 191

Dann gilt
{} ' _ dyu {}' = _ dy.
v- dx ' o dx

und somit für geschlossene Profile:

J{}~ J J{}~dx = - J
1 1 1

dx = d '!Iv = 0; d'!lo = O.
o 0 o 0

I
Da.mit erhält man aus GI. (3,131) die dimensionslosen Beiwerte von
Auftrie b und Widerstand zu :
A
CA = b l qoo = 4 tg.u. CX,
(3,132)
cw= b~oo =4tg.u[CX2 + ~ (Bv+Bo)].

Dabei ist

Bo = +J(~~o t
o
t

dx. (3,133 )

Die Integrale B u und B o sind nur von der Geometrie des Profils ab-
hängig. Die Formel für den Widerstandsbeiwert läßt sich auch in folgen-
der Form beschreiben:

(3,134)

Aus dem Vorstehenden ergeben sich folgende allgemeine Feststellungen


über die Druckverteilung, den Auftrieb und den Widerstand von
schlanken Profilen bei Überschallgeschwindigkeit.
Druckverteilung. Da nach GI. (3,129) der Druck an einem Ober-
flächenelement proportional zur Neigung des Flächenelementes gegen-
über der Anströmungsrichtung ist, läßt sich die Druckverteilung aus
der Geometrie sehr einfach ermitteln. In Abb. 3.26 sind außer der
schon oben besprochenen ebenen Platte die Druckverteilungen für ein
Parabelskelett (Abb. 3.26b), ein symmetrisches bikonvexes Profil und
ein Kreisabschnittprofil beim Anstellwinkel Cl = 0 (Abb.3.26c und d)
und bei Cl =1= 0 (Abb. 3.26c und f) dargestellt. Der charakteristische
Unterschied in der Druckverteilung für Anströmung bei Überschall-
geschwindigkeit und bei inkompressibler Strömung ist in Abb. 3.30 für
192 III. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

die angestellte ebene Platte


;/
~
und für die gewölbte Platte
1111111111111111 . I beim Anstellwinkel Null
I I
I I I
I
.
1
I dargestellt.
I
I A I I I I
Auftrieb. Bei fester MACH-
I
I : A II
I I
I I
scher Zahl und festem An-
I
I
I
I
I
I stellwinkel haben alle Pro-
I
file den gleichen Auftriebs-
I I
I I TVoo<a I I I' II beiwert. Der Auftriebs-
I I
I I I . I
beiwert ist proportional

-~
I I
dem Anstellwinkel, der
-~
TVoo a TVoo b von der Sehne des Profils
ausgemessen wird, welche
Abb. 3.30. Druckverteilung fiber die Plattentiefe für
Unterschallgeschwindigkeit (w oo < a) und überschall- Vorder und Hinterkante
geschwindigkeit (woo > a). a) Angestellte ebene Platte,
b) gewölbte Platte beim Anstellwinkel. =0 miteinander verbindet. Da-
nach haben z: B. ein sym-
metrisches bikonvexes Profil und ein Kreisabschnittprofil nach
Abb. 3.26c und 3.26d beide Auftrieb Null bei sehnenparalleler An-
strömung und gleichen Auftriebsbeiwert bei gleichem Anstellwinkel.

Widerstand. Der Wellenwiderstand besteht nach GI. (3,134) aus


zwei Anteilen:
a) dem Widerstand beim Auftrieb Null, der nur von der Gestalt des
Profils abhängt. Bei einem symmetrischen Profil ist dieser Anteil pro.
portional zum Quadrat des Dickenverhältnisses (djl)2.
b) dem zusätzlichen Widerstand in folge Auftrieb; dieser ist propor-
tional zu c~ und für alle Profile ebenso groß wie bei der ebenen Platte,
Abb.3.27c.
Bei gegebenem Auftrieb hat von allen Profilen die ebene Platte den
kleinsten Widerstand; sie stellt somit das "beste Überschallprofil" dar.

Theorie der zweiten Näherung. Die vorstehende Theorie erster Ord-


nung, bei welcher die Druckdifferenz P - Poo proportional zur Profil.
neigung {j ist, ist später von A. BUSEMANN [41] zu einer Theorie höherer
Ordnung erweitert worden, indem Glieder mit {j2, {j3, ... hinzugenom-
men wurden. Erweitert man GI. (3,129) bis zum zweiten Glied, also
Pu,o - Poo = qoo [-Cl {}u,o +C 2 {}!,o]' (3,135)
so ergibt sich für die Koeffizienten:
2
Cl = ~==;:===- (3,136)
VMa~ -1
(3,137)
3.5 Ebene Überschallströmungen 193

Über die Berechnung der Auftriebs- und Widerstandsbeiwerte nach


diesen Gleichungen wird in Kap. 8.13 berichtet werden.
Vergleich mit Messungen. Die ersten experimentellen Ergebnisse
über Profilmessungen bei Überschallgeschwindigkeit wurden von
A. BusEMANN und O. WALCHNER [40] mitgeteilt. In Abb. 3.31 sind die
Widerstandspolaren für mehrere Kreisabschnittprofile von verschie-
dener Dicke bei der MAcH-Zahl Ma oo = 1,47 dargestellt. Zum Vergleich
sind auch die theoretischen Kurven nach der vorstehenden zweiten

0.0
Versuch
",,,,",JXf2° ------- Theorie
0.0

/ / ~V
/'
r
-
d o d/l=0,o885

,1
/ ~8°
/;
~o 10' f/-0 c::;!:j0
80
.d/l=0,1250

d/Z=0,1070
0.2 80
6"-
tr
~4°
I 40
!0
eS-
I 20

a=oo~\ " \
°l~t
_0 ...
-0.2

'~L~-*~ -8°', -...::::8 0


-~ "
-~ ....

" ~'xt.... -8~'"


"- ..... ' ...............
........
....
.... ..... _2°
-0.0
-SO r-. .............. ............ -..;;-,

-10~ .... '~


0.05 0) D,15 0.2 0,25 0.3 q35 0.*
cw-
Abb. 3.31. Widerstandspolaren cA (c w ) von Kreisabschnittprofilen mit verschiedenem Dicken-
verhältnis d/l bei der MAoH·Zahl M a~ = 1,47, nach Messungen von BUSEMANN und W ALOHNER [40];
Vergleich mit der Theorie zweiter Näherung vOn A. BUSEMANN [41]

Näherung eingetragen; es ergibt sich befriedigende Übereinstimmung


von Theorie und Experiment.
Schließlich sind in Abb. 3.32 für zwei Profile gemessene Druck-
verteilungen bei verschiedenen Anstellwinkeln für die MAcH-Zahl
Ma oo = 2,13 dargestellt, [49]. Die nach der Theorie zweiter Ordnung
berechneten Druckverteilungen sind zum Vergleich eingetragen. Mit
Ausnahme eines kleinen Bereiches in der Nähe der Hinterkante ist die
Übereinstimmung von Messung und Theorie recht gut. Die auffällige
Abweichung der gemessenen Druckverteilung von der Theorie in der
Nähe der Hinterkante dürfte auf eine starke lokale Verdickung der
Grenzschicht zurückzuführen sein, welche durch den Verdichtungs-
stoß verursacht wird, der von der Hinterkante des Profils ausgeht.
Schlichting/Truckenbrodt, Aerodynamik I 13
194 IIr. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

a b
------- Theorie ~== Experiment

~17
d/l = 0.10 d/I=0,o88

0.6

"
a=o.° a=o.°

~ ~La

0.
~
~ -. t-... u
"-I'---.. ~~

-0,2
---- ",
--
0,6
a=qO a=2°

<>.
<.> 0,2

0.
~'" -r---... ------
~u

Ik-~
0
~
~
u
~ --
~ I--
-
.-
-0,2 --- - --- ---

~ a=8° a=6°
~t'Z
i"--.. i'..., u
""'" ~ K
---
or--......
ro- I-
~ 0
I'-..
-0,2 ~---
-- -----

0,6
'"N a=14° a=14°

~ u
-- ---
" ~
o
~
~ ""- (f'
-0.2
, 0.
~ -- -
~ - -
42 44 0.6 0,8 0. 0,2 0,* 0.6
x/l- :r.!Z-
Abb. 3.32. Druckverteilung bei überschallgeschwindigkeit (Maoo = 2,13) für verschiedene
Anstellwinkel <x, nach Messungen von FERRl [49]; Vfrgleich mit der Theorie BUSEMANN [40].
a) Symmetrisches bikonvexes Profil, Re = 6,4· 10', b) Kreisabschnittprofil, Re = 7,0' 10'
3.5 Ebene Überschallströmungen 195

3.55 Charakteristiken-Verfahren für tJberschallströmungen um Profile


Die PRANDTL-MEYERSche Lösung für die Eckenströmung, die in
Kap.3.51 besprochen wurde, kann nach L. PRANDTL und A. BUSE-
MANN [28] dazu benutzt werden, um die Strömung längs einer gekrümm-
ten Wand in einfacher Weise graphisch zu konstruieren. Dabei soll
vorausgesetzt werden, daß in der Strömung überall adiabatische Zu-
standsänderung vorhanden ist, also keine Verdichtungsstöße auftreten.
In Abb. 3.33 ist dieses Verfahren an dem Beispiel eines dünnen gewölb-
ten Profils erläutert. Im linken Teil dieses Bildes ist der Hodograph
.f..
Po

\
I
/L;-
I ,
\~PJ
Verdiclitufl(JSstoß '\
\\

Abb. 3.33. Konstruktion der Vberschallströmung um ein unendlich dünnes Profil nach dem
Charakteristiken-Verfahren von PRANDTL und BUSEMANN [28]

dargestellt, d. h. es ist wie in Abb. 3.22 der Geschwindigkeits-


vektor w ({}) mit {} als Ablenkungswinkel in Polarkoordinaten auf-
getragen (Charakteristiken). Dabei gilt die Kurve R für eine Expansion
mit Vergrößerung von {} im Uhrzeigersinn, und die Kurve L für eine
Zunahme von {} gegen den Uhrzeigersinn. Darüber ist noch die Druck-
verteilung p/Po nach der MEYERschen Lösung angegeben, Tab. 3.5.
Im rechten Teil der Abbildung ist das Profil gezeichnet; im vor-
liegenden Fall ist die Nasentangente des Profils parallel zur Anströ-
mungsrichtung. Parallel zu den Profiltangenten in verschiedenen
Punkten des Profils erhält man aus den Charakteristiken die zu-
gehörigen Geschwindigkeitsvektoren. Die MACH-Linie an den einzelnen
Stellen des Profils erhält man aus der Beziehung, daß die MACH-Linie
13*
196 III. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

senkrecht steht auf der Tangente an die Charakteristik, wie es bereits


in Abb. 3.22 erläutert wurde. Der MAcHsehe Winkel ist beiderseits der
Profiltangente abzutragen. Zwischen den MAcH-Linien erhält man in
einfacher Weise das Stromlinienbild. Auf der Oberseite wird strom-
abwärts der Abstand der Stromlinien größer (beschleunigte Strömung),
während er auf der Unterseite kleiner wird (verzögerte Strömung), wie
es bei einer Überschallströmung sein muß (Abb. 3.12). Auf der Ober-
seite divergieren die MAcHsehen Linien, auf der Unterseite konver-
gieren sie. Ihre Enveloppe auf der Unterseite gibt einen Verdichtungs-
stoß. Über dem Profil ist noch die Druckverteilung für beide Profil-
seiten angegeben.

3.6 Ebene transsonische Strömungen


3.61 Allgemeines und experimentelle Ergebnisse
In diesem Abschnitt sollen Strömungen behandelt werden, die vom
gemischten Typus sind, d. h. bei denen im Strömungsfeld sowohl Unter-
als auch Überschallgeschwindigkeiten vorliegen. Bei diesen wird also
an gewissen Stellen die Schallgeschwindigkeit durchschritten.
Das Verhalten der Strömung in unmittelbarer Nähe der Schall-
geschwindigkeit ist in vielen Fällen noch nicht geklärt. Die für Unter-
schallgeschwindigkeit entwickelten Rechenverfahren (z. B. Verfahren
von JANzEN-RAYLEIGH; PRANDTL-GLAuERTsche Regel) sind von
anderer Art als die für Überschall (z. B. PRANDTL-MEYERsche Ecken-
strömung, Verfahren von ACKERET und BusEMANN). Jede dieser Me-
thoden versagt an der Schallgrenze, so daß also Lösungen, bei denen die
Schallgrenze durchschritten wird, damit nicht erhalten werden können.
Es gibt jedoch einzelne Beispiele solcher Strömungen, bei denen in
räumlich begrenzten Gebieten ein stetiger Durchgang durch die Schall-
geschwindigkeit möglich ist [43], [44], [45]. Für die transsonische Strö-
mung sind in neuerer Zeit verwandte Berechnungsverfahren entwickelt
worden (v. KARMANsche Ähnlichkeitsregel), über die in Kap. 3.65
berichtet werden wird.
Nach den Beobachtungen verläuft der Übergang von Unterschall-
zu Überschallgeschwindigkeit immer stetig; der umgekehrte Übergang,
also von Überschall- in Unterschallgeschwindigkeit, führt aber meistens
zu Verdicht'ungsstößen von ähnlicher Art, wie sie bei der Lavaldüse
beschrieben wurden (Abb. 3.13). In diesen Verdichtungsstößen tritt ein
unstetiger Verlauf von Geschwindigkeit, Dichte und Druck ein (Druck-
anstieg). Der plötzliche Druckanstieg führt häufig zur Strömungs-
ablösung, und damit zu einer völligen Umgestaltung des Strömungs-
bildes. Der Strömungsvorgang im Verdichtungsstoß verläuft nicht
"verlustlos". Hinter dem Verdichtungsstoß ist ein Verlust an mechani-
3.6 Ebene transsonische Strömungen 197
scher Energie (Druckenergie und kinetische Energie) eingetreten, der
als zusätzliche Erwärmung in Erscheinung tritt.
Zur Erläuterung dieser Vorgänge ist in Abb. 3.34a die Druckver-
teilung um ein Tragflügelprofil bei verschiedenen MAcH-Zahlen nach
amerikanischen Messungen [42] dargestellt. Die Druckverteilung ist
stetig für solche MAcHsehen
Zahlen, bei denen die größte
Geschwindigkeit an der Profil-
kontur überall kleiner als die --
/In~
-=:::::-...
TlJoo c= ~ _ _ _ _ _-:--;-:---:::: ii :c•
örtliche Schallgeschwindigkeit
ist, WH < a. Im vorliegenden i \\~'V i
Fall ist das bis Ma oo = 0,6 er-
I- \ .. ,

füllt. Der Wiederanstieg des


Druckes im hinteren Bereich
des Profils ist bis Ma oo = 0,6
ebenso stetig wie der Abfall
vorn. Für größere MAcHsehe
Zahlen, Ma oo > 0,7, bei denen
die Schallgeschwindigkeit örtlich
überschritten wird, WH> a, geht
der Wiederanstieg des Druckes
hinter dem Druckminimum un-
a
stetig vor sich. Der Drucksprung o q2 q8 1,0
ist um so größer, je größer die
MAcHsehe Zahl ist. Man be- 401i
I
zeichnet diesen Drucksprung als I
I
Verdichtungsstoß . ,,
I

Dieser plötzliche Druckanstieg ,


ist für die Grenzschicht außer- 402 11
ordentlich gefährlich, da ja die .-V,,
Grenzschicht schon bei stetigem b ,'/'1aoo*=0,7
Druckanstieg stark zur Ablösung o 42 48
neigt; man vergleiche hierzu die
Abb. 3.34. Messungen an einem Tragflügelprofi)
Ausführungen in Kap. IV. Der bei Unterschallgeschwindigkeit nach [42]; An-
stellwinkel IX = O. a) Druckverteilung bei ver-
Verdichtungsstoß führt meist zur schiedenen MAcHschen Zahlen, b) Widerstands-
Ablösung der Strömung von der beiwert in Abhängigkeit von der MAcHsehen Zahl
Wand und damit zu einer starken
Erhöhung des Widerstandes, wie es aus der in Abb. 3.34 angegebenen
Kurve des Widerstandsbeiwertes in Abhängigkeit von der MAcHsehen
Zahl zu ersehen ist.
In Abb. 3.35 ist nach D. W. HOLDER [50] eine Reihe von Strö-
mungsaufnahmen (Schlierenbilder) eines Tragflügelprofils bei kon-
stantem Anstellwinkel im Unterschallbereich wiedergegeben. Man
l3s.
198 In. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

a Maoo = 0,70

b Jfax = 0,80
Abb. 3.35. Strömung um ein Tragflügelprofi) im Unterschallbereich bei verschiedenen lIIACH-
sehen Zahlen und konstantem Anstellwinkel'" = 2 0, nach D. W. Holder [50]; Schlierenaufnahmen.
a) Maoo = 0,70, kein Verdichtungsstoll, b) Maoo = 0,80, schwacher Verdichtungsstoß auf der
3.6 Ebene transsonische Strömungen 199

c Macc = 0,85

d l'rlaoo = 0,87
Oberseite, c) Maoo ~ 0,85; Verdichtungsstoß auf beiden Seiten; Ablösung auf der Oberseite,
d) Maoo ~ 0,87; starke Verdichtungsstöße auf beiden Seiten; starke Ablösung auf der Oberseite
13a*
a

b
Abb. 3.36 Strömung um ein Tragflügelprofi! bei der MAcH-Zahl Maoc = 0,9. Anstellwinkel
IX = 8°, nach D. W. HOLDER [50]. a) Schlierenaufnahme, b) Interferometer-Aufnahme
3.6 Ebene transsonische Strömungen 201
erkennt deutlich die Ausbildung des Verdichtungsstoßes mit wachsender
MAcHscher Zahl und eine starke Ablösung der Strömung unmittelbar
hinter dem Stoß bei Maoo = 0,85 und 0,87 (Abb. 3.35 c und d). Der Ver-
dichtungsstoß tritt zuerst im vorderen Teil der Oberseite des Profils auf
und rückt mit wachsender MAcHscher Zahl nach hinten. In Abb. 3.36
ist noch für den Fall Maoo = 0,9 und (X = 8 0 eine Schlierenaufnahme
und eine Interferometer-Aufnahme gegenübergestellt. Auch in diesem
Fall ist hinter dem gegabelten Verdichtungsstoß eine starke Ablösung
vorhanden 1.
TV;; _...........~-

Maoo<1 +c;h~"'"''''''
,
~.~~~
.

~
c
~
örtlich Uberscha//

/11
I
I
f

Lii!!! 6

Abb. 3.37. Druckverteilung und Strömungsbilder an einem bikonvexen Profil im transsonischen


Bereich (schematisch) nach [51]

1 Die Strömungsaufnahmen in Abb. 3.35 und 3.36 wurden uns in dankens-


werter Weise von Dr. D. W. HOLDER, National Physical Laboratory Teddington,
zur Verfügung gestellt.
202 ur. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

Der im allgemeinen recht komplizierte Strömungszustand im trans-


sonischen Geschwindigkeitsbereich ist in Abb. 3.37 für ein bikonvexes
Profil bei symmetrischer Anströmung schematisch dargestellt. Es sind
die Druckverteilungen und Stromlinienbilder bei wachsender MACH-
Zahl angegeben. Abb. 3.37a stellt die inkompressible Strömung dar,
und Abb. 3.37 b die kompressible Unterschallströmung, bei der die
"Schallgrenze" noch nirgends überschritten wird. Abb. 3.37 c und 3.37 d
zeigen die Ausbildung des Verdichtungsstoßes nach Überschreiten der
"Schallgrenze" (kritischer Druck) in der Druckverteilung. Die Abb. 3.37 f
und 3.37 g zeigen die typischen Druckverteilungen bei Überschall-
geschwindigkeit, wie sie bereits in Abb. 3.26 und 3.32 angegeben wurden.
Die Ausbildung der Verdichtungsstöße im transsonischen Bereich
wirkt sich auch stark auf den Auftrieb aus. Dieses ist schematisch in

Prandtl-6/auerti I
8/
,,
jAckeret

, \
\
\
\
\
~

Unterschal/--~--Überschal/----l

o 0,5 1,0 1,5 2,0


Maoo -
Abb. 3.38. Auftriebsbeiwert eines Tragfliigels in Abhängigkeit von der MAcHsehen Zahl;
ausgezogene Kurve: typischer Verlauf einer Messung; gestrichelte Kurve: Theorie nach Abb. 3.27 a

Abb. 3.38 dargestellt, wo die ausgezogene Kurve eine typische Messung


für die Abhängigkeit des Auftriebsbeiwertes von der MAcHschen Zahl
angibt, während die gestrichelte Kurve die lineare Theorie entspre-
chend Abb. 3.27 a zeigt. Zum besseren Verständnis der gemessenen
Auftriebskurve ist für die Punkte A, B, 0, D, Ein Abb. 3.39 die Lage
der Verdichtungsstöße und die Druckverteilung am Profil angegeben.
Bei der MAcH-Zahl Ma oo = 0,75 (Punkt A) tritt noch kein Verdich-
tungsstoß auf, weil auf beiden Seiten des Profils die Schallgeschwindig-
keit noch nicht wesentlich überschritten ist. Bei Maoo = 0,81 (Punkt B)
ist auf der Oberseite im vorderen Teil des Profils die Schallgeschwindig-
keit stark überschritten, was zur Ausbildung eines Verdichtungsstoßes
bei 70% der Profiltiefe führt. Auf der Unterseite herrscht noch überall
Unterschallgeschwindigkeit. Bis zum Punkt B steigt der Auftrieb mit
a b
Geschwlf7dlgkeitsverteilung
Na 00 loge des Verdic!ltungsstoßes am Profil

0 NOClliruf t ;;~
08 -------
U
----
, I
0,75
TUoo
~IJ 0,6 •
A U o,/; ,
0 0,5 1,0
x/l-
W
(4
1,2
-0
VerdiCh!UngsstoBj t 7,0 lL--, ... -
/ ....... u ~~-
0,81

B - U
i2IJ 0.8
0.6
I
....
0,4
0 0,5 W
x/l-

- ---
1,6
7,1;
0
L /

r1
1,2

J t (0 .~~.
--~
(
0,89 /U
i2IJ 0,8
C
[- U 0.6
0.*
I

0 0,5 1,0
x/l-
1,6
1,*
n
~ ~~
-
1,2[7 / U
t
~
10
'
...::--- ~----
0

[-
/
0,98
i2IJ 0.8
I

D
r
U 0,6
0,4
0 0.5 1,0
x/l-
2,0
(6 0
/~ -.u
1,4 / / -

[-(
t 1,2

<1
~q 0 10 It---
_._.-
( ~IJ ;'8
E u 0.6
0,*
0 0,5 ~O
x/l-

Abb.3.39. Transsonische St.römung um ein Tragflügelprofil bei verschiedenen MACH-ZalJlen;


Anstellwinkel 0; = 2°, nach D. W. HOLDER [50]. Die Punkte A, B, 0, D, E entsprechen den
Auf triebs beiwerten nach Abb. 3.33. a) Lage des Verdichtungsstoßes, b) Geschwindigkeits-
verteilung am Profil
204 !Ir. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

der MAcHschen Zahl an. Bei der MAcH-Zahl 0,89 (Punkt C) wird auch
auf der Unterseite in einem großen Bereich die Schallgeschwindigkeit
überschritten, was zur Ausbildung eines Verdichtungsstoßes auf der
Unterseite nahe an der Hinterkante führt. Hierdurch wird die Ge-
schwindigkeitsverteilung am Profil sehr stark geändert, derart, daß der
Auftrieb gegenüber Punkt B erheblich aufgebaut wird. Bei der MACH-
Zahl Maoo = 0,98 (Punkt D) sind die beiden Verdichtungsstöße auf
Ober- und Unterseite wesentlich schwächer als bei Ma oo = 0,89 und
an der Hinterkante gelegen. Der Auftrieb ist deswegen wieder größer
als im Punkt C. Schließlich wird bei Maoo = 1,4 (Punkt E) die reine
Überschallströmung erreicht mit einer Geschwindigkeitsverteilung, die
für die Überschallströmung typisch ist (vgl. Abb. 3.32a). Die Größe
des Auftrie bes entspricht dann der linearen Überschalltheorie (ACKERET).
Eine mathematische Theorie des Verdichtungsstoßes ist, ausgehend
von den partiellen hyperbolischen Differentialgleichungen der Be-
wegung, von B. RIEM.A.NN um
Verdichfllngs-Stoß
2
1860 gegeben worden [47]. Diese
Theorie ist sehr schwierig. Im
folgenden sollen deshalb ledig-
lich einfache Betrachtungen auf
Grund von Impulssatz und
Energiesatz gegeben werden.

3.62 Der senkrechte Verdichtungs-


stoß
jj'I: 111111111111111111111 Die in der wirklichen Strö-
mung auftretenden Verdich-
Abb. 3.40. Senkrechter Verdichtungsstoß
(schematisch) tungsstöße sind meist "schief",
d. h. sie verlaufen nicht senkrecht,
sondern schräg zu den Stromlinien (Abb. 3.35 und 3.36). Da die Theorie
des schiefen Verdichtungsstoßes aber ungleich schwieriger ist als die
desjenigen, der senkrecht zu den Stromlinien verläuft, soll zunächst
dieser einfachere Fall behandelt werden.
Der Verlauf der Geschwindigkeit sowie der Zustandsgrößen Druck P,
e
Dichte und Temperatur T in der Umgebung des Verdichtungs stoßes
ist in Abb. 3.40 schematisch dargestellt. In der Stoßlinie erfahren Druck
und Dichte eine Zunahme um
Llp = P2 - PI' (3,138)
Lle = e2 - el' (3,139)
während die Geschwindigkeit abnimmt um
Llw = Wl - w2 • (3,140)
3.6 Ebene transsonische Strömungen 205

Seien etwa die drei Größen vor dem Stoß PI' I?!, WI gegeben, so stehen
für die Ermittlung der drei entsprechenden Größen hinter dem Stoß
die folgenden drei Gleichungen zur Verfügung. Dabei wird die Annahme
gemacht, daß vor und hinter dem Stoß die adiabatische Zustands-
änderung gilt, aber nicht durch den Stoß hindurch.

Kontinuitäts-Gleichung: (h wl = Q2 w2 ' (3,141)


Impulssatz: PI + QI wi = P2 + Q2 w§, (3,142)

Energiesatz l : (3,143)

Es ist das Ziel der folgenden Rechnung, zunächst aus den drei GIn.
(3,141) bis (3,143) ,welche die sechs Größen PI' P2' QI' Q2' W I , W 2 ent-
halten, eine Gleichung für PI' P2' Ql' Q2 herzustellen. Dazu müssen
W I und w2 eliminiert werden. Aus Gl. (3,141) und (3,142) folgt nach
kurzer Zwischenrechnung :

oder
W
2
=V(!le2 LlP.
Ll (!
(3,144)

Die Elimination von w l und w 2 wird vollzogen, indem diese Ausdrücke


für W I und w 2 in GI. (3,143) eingesetzt werden. Nach längerer, aber ein-
facher Rechnung ergibt sich:

(3,145)

Dies ist die Gleichung von H. HUGONIOT [30]. Sie liefert den Zusammen-
hang zwischen dem Druckverhältnis und dem Dichteverhältnis vor
und hinter dem Stoß. Aufgelöst nach dem Druckverhältnis P2/Pl ergibt
sich:
(,,-1 ). ( -
e2- 1 ) +.2-
e2
el el (3,145 a)
(" + 1) - (" - 1) ~
el
Die numerische Auswertung dieser Gleichung ist in Abb. 3.41 angegeben.
Diese HUGoNIOT-Kurve besitzt eine Asymptote bei

( ~) =" + 1 = 5,93 (Luft).


el max " - 1

1 Diese in GI. (3,24) auch als BERNouLLI-Gleichung erhaltene Beziehung ent-


hält nicht die Voraussetzung der adiabatischen Zustandsänderung.
206 II!. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

Für diesen Wert wird das Druckverhältnis P2/PI unendlich. Es kann


also durch einen senkrechten Verdichtungsstoß eine maximale Ver-
dichtung erreicht werden, die bei Luft höchstens das etwa Sechsfache
beträgt.
Durch elementare Rechnung läßt sich ferner zeigen, daß die HUGO-
NIOT-Gleichung (3,145) auch in der Form
Llp
Llp Pl+2
-=X (3,146)
Ll(.1 Ll(.1
(.11+2

geschrieben werden kann. Somit gilt für schwache Verdichtungsstöße,


d. i. L1 P -0>- 0, L1 e -0>- 0,
11J(J

50
"=f,~O J: ~P -,>( dd P_) = x~ = a~. (3,146a)
11 : LJ (.1 (.1 QI (.11
30
I
I
I Somit haben Adiabate und Hu-
20

t Hugoniot) V ), GONIOT-Kurve im Anfangspunkt


P2/ PI = e2! el = 1 die gleiche Tangente.
~<t 10
5
l? kAdiOb'rrte Schwache Verdichtungsstöße ver-
3
/ JI~~ f---
laufen also annähernd adiabatisch.
2 / ~l'(1 In Abb. 3.41 ist die Adiabate zum
~ ~i Vergleich mit eingetragen. Es tritt
2 7 10 erst bei recht starken Verdichtungs-
stößen eine merkliche Abweichung
Abb.3.41. Gleichung von HUGONIOT; Zusam-
der Adiabate von der HUGONIOT-
menhang des Druckverhältnisses P,/PI mit
dem Dichteverhältnis Q,/QI nach GI. (3,145 a),
Kurve ein.
gültig für den geraden und den schiefen Auch die Beziehung zwischen
Verdichtungsstoß
den Geschwindigkeiten vor und
hinter dem Stoß läßt sich noch leicht angeben. Aus GI. (3,144) folgt:
Llp
W1W2 = Lfe'
Da für "schwache" Stöße L1 p/L1 e = ai ist, hat man somit:
w 1 w 2 = ai· (3,147)
Es ist also das Produkt der Geschwindigkeiten vor und hinter dem
Stoß gleich dem Quadrat der Schallgeschwindigkeit vor dem Stoß.
Da w1 > a 1 ist, wird somit w 2 < a l . Man hat somit das Ergebnis, daß
für schwache senkrechte Verdichtungsstöße die Geschwindigkeit hinter
dem Stoß Unterschallgeschwindigkeit ist.
Führt man in GI. (3,143) noch die Größen des Ruhezustande3 (Kesselzustand)
Po, (.10 ein, indem man setzt

wi + _"_ .Jl = w~ + _"_ ~ = _"_ 1!.,


2 " - 1 (.11 2 " - 1 (.12 " - 1 (.10
3.6 Ebene transsonische Strömungen 207
dann findet man nach elementarer Rechnung aus den GIn. (3,141) bis (3,143) die
für alle Druckverhältnisse P2!Pl gültige Beziehung:
Po
= -2x
- - -- 2
= -- - aÖ = a*
2
(3,147 a)
W 1 ·W2
x +1 (10 x +1
Hierin ist a* nach Tab. 3,2 die kritische Schallgeschwindigkeit.

3.63 Der schiefe Verdichtungsstoß


Die Überschallströmung um eine flache Ecke, die in Kap. 3.52
näherungsweise behandelt wurde, hatte für die konvexe Ecke eine un-
stetige Verdichtung ergeben. Die entsprechende Strömung um eine
konvexe Ecke mit großem
Winkel ergab nach Kap. 3.51
in strenger Behandlung nach
PRA.NDTL-MEYER eine stetige
Verdünnung in dem Keilraum _711._1_ _ _ _ _-+-.,{
zwischen den beiden MAcHschen
Linien m1 und m 2 von Abb. 3.42a.
Wir wollen jetzt die ent-
sprechende Aufgabe für eine a TlJ1<TlJZ
Verdichtungsströmung um eine
konkave Ecke mit großer Um-
lenkung behandeln.
Bei der stetigen Verdünnungs-
strömung nach Abb. 3.42a diver-
gieren die MAcHschen Linien
stromabwärts, es liegt m 2 strom- TV1
abwärts von m 1 . Bei der Ver- - - - - - - t j , - r
dichtungsströmung an der kon-
kaven Ecke würde man bei
gleicher Konstruktion MAcHsche b TlJ1 >TlJz s~StoBlinie
Linien erhalten, die stromauf-
Abb. 3.42. überschallströmung an einer kon-
wärts divergieren, Abb. 3.42b. vexen und konkaven Ecke. a) Konvexe Ecke:
Dies ergibt aber ein physikalisch stetige Verdünnung zwischen den MAcHschen
Linien ml und m" b) konkave Ecke: unstetige
unmögliches Strömungsbild mit Verdichtung auf der "Stoßlinie" S
rückläufigen Stromlinien, die sich
durchsetzen. Statt dessen tritt in Wirklichkeit ein unstetiger Übergang
von der ankommenden zur abgehenden Strömung mit einem Verdich-
tungsstoß auf. Die Stoßlinie S liegt zwischen den MACH-Linien m1
und m 2 • Die Stoßlinie ist im allgemeinen nicht senkrecht zu den an-
kommenden und abgehenden Stromlinien. Es handelt sich also um
einen sog. schiefen Verdichtungsstoß. Wir wollen im folgenden den
schiefen Verdichtungsstoß in gleicher Weise mit elementaren Mitteln
208 111. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

(Impuls- und Energiesatz) behandeln wie im vorigen Abschnitt den


senkrechten Verdichtungsstoß.
Die Grundgleichungen. Der Winkel zwischen der Richtung der an-
kommenden Strömung und der Stoßlinie sei (J, Abb. 3.43. Der Ab-
lenkungswinkel sei 1} > o. Die Geschwindigkeitsvektoren tu 1 vor dem
Stoß und tu 2 hinter dem Stoß werden in die Komponenten senkrecht
und parallel zur Stoßlinie zerlegt:

s~"~//~7
r!..--------J" . . " "~n
. V ~/r:;;=--
~
I
. v~j
! .~~.-~",.
L _____ :..\;~~ .".

W////////////l///7//~ ___________ L_ .
S=Stoßlinie K=Kontrollfläche
Abb. 3.43. Schiefer Verdichtungsstoß ; Abb. 3.44. Zur Anwendung des Impulssatzes
Bezeichnungen beim schiefen Verdichtungsstoß

Für die Anwendung des Impulssatzes wird eine Kontrollfläche K nach


Abb.3.44 zugrunde gelegt, die aus je zwei Stromlinien und je einer
Parallelen zur Stoßlinie stromauf- und -abwärts von der Stoßlinie be-
steht. Der Impulssatz wird im vorliegenden Fall für die Richtungen
normal und tangential zur Stoßlinie angewendet. Damit liefern Kon-
tinuitätsgleichung, Impulssatz und Energiesatz das folgende Glei-
chungssystem in Analogie zu GI. (3,141) bis (3,143):
Kontinuitätsgleichung: ~3,148)

Impulssatz .L 8 : (3,149)
Impulssatz 118: (3,150)

·
E nerglesatz: 1(2
-2 Wl n + wlt2 ) +-,,-
"
- 1 -PI =
(l!
1(2
-2 w2n + w2t
2)+ - -" 1 -
pz.
,,- (!z

(3,151)
Aus GI. (3,148) und (3,150) folgt sofort:

(3,152)

Beim Durchgang durch die Stoßlinie bleibt also die zur Stoßlinie par-
allele Geschwindigkeitskomponente ungeändert. Somit besteht also zwi-
schen den Geschwindigkeitsvektoren tu 1 und tu z , dem Stoßwinkel (J
3.6 Ebene transsonische Strömungen 209

und dem Ablenkungswinkel {} der einfache geometrische Zusammen-


hang nach Abb. 3.45. Unter Berücksichtigung von GI. (3,152) reduziert
sich das Gleichungssystem (3,148) bis (3,151) auf:
f!lWl n = f!2 W 2n,

PI + f!l W~ n = P2 + f!2 W~ n , (3,153)


2
+
WI n
-2-
X PI _ W 2 n
x - I ~ - -2-
2
+
x-I
X P2
e;'
Das Gleichungssystem (3,153) ist iden-
tisch mit dem Gleichungssystem
(3,141) bis (3,143) des geraden Vet-
dichtungsstoßes, wenn man WIn, W2n
ersetzt durch W 1 , W 2 .
Hugoniot-Gleichung. Wir können
to,
deshalb die beim geraden Verdich-
Abb. 3.45. Geschwindigkeiten vor und hinter
tungsstoß ausgeführten Rechnungen, dem schiefen Verdichtungsstoß
die dort den Zusammenhang zwischen
PI' f!l und P2' f!2 lieferten (HuGoNIOT-Kurve), hier ungeändert über-
nehmen. Wir brauchen nur w1 , W 2 des senkrechten Verdichtungsstoßes
zu ersetzen durch WI n, W2 n des schiefen Verdichtungsstoßes . Auf diese
Weise erhält man an Stelle von GI. (3,144):

W -
In -
Vi ele2 L1 P
L1 e
und (3,154)

Hieraus folgt:
(3,155)

Somit gilt also für den schiefen Verdichtungsstoß die HUGoNIOT-Glei-


chung (3,145) unabhängig vom Ablenkungswinkel {}, vg1. Abb.3.41.
Ermittlung des Stoßwinkels. Der Zusammenhang zwischen den
Zustandsgrößen PI' f!l; P2' f!2 und den Winkeln a und {} ist das eigent-
lich Neue des schiefen Verdichtungsstoßesgegenüber dem geraden.
Nach dem" Geschwindigkeitsdreieck" in Abb. 3.45 ist:

tga=-'
Wl n
tg(a _ fJ) = W2n • (3,156a, b)
w, ' W,
Hieraus folgt:
tga
tg(a - 1Jo)

Ferner ergibt sich aus GI. (3,154):


L1e L1e
A
LJP = 9
IhWin- = 2'
f! l w1 sm 2 a - - ; - ' - , - -
e2 el + L1 e
SchlichtingjTruckenbrodt, Aerodynamik I 14
210 Ur. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

Schließlich gilt GI. (3,146), die ja mit der HUGONIOT-Gleichung iden-


tisch ist, unverändert für den schiefen Verdichtungsstoß. Als Zusam-
menhang zwischen den beiden Winkeln (J und {) und den Größen vor
und hinter dem Stoß hat man somit die folgenden drei Gleichungen:
Llp
Llp Pl+T
- = X -----:--
Lle 1+~ ,
2
(3,157)
L1 P = (?! wi sin 2 a _ _
Lle=--c-_
el + Ll e '
tga
tg(a -lJ.) .

Diese drei Gleichungen enthalten sie ben Größen:


el' PI> wI ' L1 e, L1 P, (J, {).

Das Gleichungssystem (3,157) kann benutzt werden, um bei Vorgabe


von vier Größen die übrigen drei Größen zu ermitteln. Dabei sind die
vorgegebenen vier Größen bestimmt durch den Strömungszustand vor
dem Stoß PI' el' w1 und durch eine der drei Größen L1 P, L1 e, {). So mit
ergeben sich folgende drei verschiedenen Aufgaben:

Aufgabe Gegeben: 4 Größen Gesuch t: 3 Größen


Kr.

(1) Pl' el> W1; Ll P a,{},Lle


(2) Pl> el> W l ; Ll e a, {}, L1p
(3) Pi> el' W1; {} a,Lle,L1p

Praktisch am wichtigsten ist die dritte Aufgabe, da bei dieser außer


dem Strömungszustand vor dem Stoß die geometrische Größe des Ab-
lenkungswinkels {) mit vorgegeben ist. Wir werden im folgenden Ab-
schnitt lediglich die Lösung dieser dritten Aufgabe nach einem von
A. BUSEMANN [29] angegebenen graphischen Verfahren näher behan-
deln (Stoßpolaren-Diagramm).
Geschwindigkeit vor und hinter dem Stoß. An Stelle der GI. (3,147a)
des geraden Verdichtungsstoßes (wt = 0) tritt beim schiefen Verdich-
tungsstoß die Gleichung
(3,158)
Dabei ist
a *2 = -
2"- -Po= - -
2 a2 (3,159)
eo"+1" +1 0
die zum Kesselzustand Po, eo gehörige kritische Schallgeschwindigkeit,
Tab. 3.2. GI. (3,158) wird aus den angegebenen Beziehungen durch eine
längere elementare Rechnung erhalten.
3.6 Ebene transsonische Strömungen 211
3.64 Das Stoßpolaren-Diagramm
Dieses von A. BusEMANN angegebene Diagramm dient dazu, in ein-
facher Weise bei gegebener Geschwindigkeit ttJ 1 vor dem Stoß und
gegebenen Werten von PI und (11 zu vorgegebenem Ablenkungswinkel {}
den Betrag der Geschwindigkeit ttJ 2 hinter dem Stoß zu ermitteln. Da-
mit wird dann nach Abb. 3.45 auch der Stoßwinkel a erhalten. Die
weiteren Größen, nämlich LI P und LI (I, erhält man dann aus GI. (3,157).
Zur Ermittlung von ttJ 2 wer-
den nach Abb. 3.46 in der u, v- v
Ebene von 0 aus die vorgegebene
Geschwindigkeit ttJ 1 vor dem
Stoß und die zu verschiedenen
Ablenkungswinkeln {} gehörigen
Geschwindigkeiten ttJ 2 hinter dem
Stoß aufgetragen. Die von den
u
Endpunkten des Vektors ttJ 2 er-
zeugte Kurve soll als die zu ttJ 1
gehörige Stoßpolare bezeichnet k-------~--------~

werden.
Abb. 3.46. Stoßpolaren·Diagramm nach BUSE-
Zunächst ist nach Abb. 3.46 MANN; Bezeichnungen

die Beziehung zwischen ttJ 1 und ItJ 2


erfüllt, die nach Abb. 3.45 erforderlich ist, und die den Stoßwinkel a
ergibt. Ferner liest man aus Abb. 3.46 mit w 1 = u 1 die folgenden
Beziehungen ab:
(3,160)

(3,161)

Die analytische Gleichung der Stoßpolaren erhält man, wenn man die
Gln. (3,160) und (3,161) in GI. (3,158) einsetzt und dabei sina und cosa
durch tga ausdrückt, in der Form:

uj tg 2 a *2 " - 1 uj
1 + tg 2 a - u 1 v 2 tg a = a -" + 1 1 + tg 2 a

Da ferner tga = (u 1 - U 2 )/V 2 ist, erhält man nach einfacher Zwischen-


rechnung:

(3,162)

Dies ist die Gleichung der Stoßpolaren in den Koordinaten U 2 ' v 2 des
Punktes P 2' welcher den Endpunkt des Vektors ttJ 2 darstellt. Die
Gleichung der Stoßpolaren ist bestimmt durch die beiden Kon-
14*
212 ur. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

stanten u l und a*, d. h. durch die Geschwindigkeit vor dem Stoß und
durch die nur vom Kesselzustand abhängige Schallgeschwindigkeit a*
nach GI. (3,159). Die Gleichung der Stoßpolare nach GI. (3,162) ist die
Gleichung einer Strophoide (CARTEslsches Blatt).
Aus GI. (3,162) liest man folgende Beziehungen ab, die in Abb. 3.47
eingetragen sind:
V2 = 0: 1) für U2,I = UI = OP I ,

2) für
Somit gilt

Es sind also die beiden Schnittpunkte der Stoß polaren mit der u-Achse,
d. i. U2, I und U2, II , reziprok bezüglich des Kreises w = a* um O. Dieser
Kreis teilt demnach die Stoß~
polare in zwei Teile, denen
v Verdichtungsstöße mit Un-
__ ,:!cha/Igrenze ter- und Überschallgeschwin-
.................... ,
digkeit \tJ 2 hinter dem Stoß
"
'1",--_ entsprechen. Dem Punkt Q
\ entspricht der senkrechte Ver-
dichtungsstoß ; bei diesem ist
u die Geschwindigkeit hinter
dem Stoß kleiner als die
Schallgesch windigkeit, was
bereits in GI. (3,147a) erhal-
ten wurde.
Beim schiefen Verdich-
tungsstoß (Ablenkungswin-
kel ß) tritt von den beiden
Abb. 3.47. Physikalische Deutung der Stoßpolaren möglichen Schnittpunkten
mit der Stoßpolare in Wirk-
lichkeit derjenige ein, welcher der größeren Geschwindigkeit hinter
dem Stoß entspricht. Es herrscht also Überschallgeschwindigkeit hinter
dem Stoß.
Der Punkt PI der Stoßpolaren ist der Doppelpunkt des CARTESI-
sehen Blattes; die Fortsetzung über den Doppelpunkt hinaus zur
Asymptote hin hat keine physikalische Bedeutung. Für den Grenzfall
einer sehr kleinen Ablenkung, P 2 -» PI' ergibt sich die unendlich
kleine adiabatische Verdichtung, wie sie bei der Strömung um eine
flache konkave Ecke in Kap. 3.52 behandelt wurde. Hierbei geht der
Stoßwinkel Cf in den MACH-Winkel # über. Die Tangente im Doppel-
3.6 Ebene transsonische Strömungen 213

punkt der Stoßpolaren bildet deswegen mit der u-Achse den Winkel
:n:/2 - fl (Abb.3.47). Es gilt somit
a> fl. (3,163)

Der Stoßwinkel a ist somit immer größer als der MAcHsche Winkel fl.
Kritischer Ablenkungswinkel. Der kritische Ablenkungswinkel {}E ist
derjenige Winkel, den die Tangente von 0 an die Stoßpolare mit der
u-Achse bildet, Abb.3.47. Für {} < {}E gibt
es zwei Schnittpunkte, aber für {} > {}E
keinen Schnittpunkt. Der letztere Fall liegt
vor bei einem sehr stumpfen Hindernis
(Abb. 3.48b). Hier kann die Ablenkung nicht
mehr durch einen von der Ecke E des Hin-
dernisses ausgehenden Verdichtungsstoß er-
I
a
folgen. Es bildet sich in diesem Fall in einem
gewissen Abstand vor dem Körper ein Ver-
dichtungsstoß mit gekrümmter Front aus
(sog. abgelöster Verdichtungsstoß).
Vollständige Stoßpolarendiagramme fin-
det man u. a. in [3] und [5].

3.65 Von Karmansches Ähnlichkeitsgesetz


b
Eine analytische Berechnung der trans-
sonischen Strömung mit Verdichtungsstößen
ist bisher noch kaum gelungen. Dies dürfte
z. T. dadurch begründet sein, daß die Aus-
bildung der Verdichtungsstöße von der
Grenzschicht her maßgeblich beeinflußt wird.
Dies erkennt man z. B. daraus, daß der Cha-
rakter der Verdichtungsstöße wesentlich ver-
schieden ist bei laminarer und turbulenter C

Strömung in der Grenzschicht (vgl. Ka p.4. 96).


Eine theoretische Berechnung der Verdich-
tungsstöße wird deshalb wohl nur auf der
Abb. 3.48. Anliegender und ab-
Basis der kompressiblen Strömung mit Rei- gelöster Verdiehtungsstoß.
a) Keil, {J < (JE' Stoß anliegend,
bung möglich sein. b) Keil, {J > (JE' Stoß abgelöst,
Für Strömungen mit MAcHschen Zahlen e) Halbkörper, Stoß abgelöst
nahe Eins, bei denen häufig ein stetiger
Durchgang durch die Schallgeschwindigkeit stattfindet, ist von
Tn. v. KARMAN [53] ein allgemeines Theorem angegeben worden, das
insbesondere für die Ordnung von Versuchsergebnissen sehr wertvoll
ist. Dieses Ähnlichkeitsgesetz für transsonische Strömung ist verwandt
14a
214 III. Kompressiblereibungslose Strömungen (Gasdynamik)

mit der PRANDTL-GLAUERTSchen Theorie der Unterschallströmung und


der ACKERETschen linearen Theorie der Überschallströmung. Es wird
erhalten aus der Potentialgleichung der kompressiblen Strömung,
GI. (3,61), wenn man dort die Vereinfachungen einführt, die sich daraus
ergeben, daß die MAcH-Zahl nahezu gleich Eins ist. Ohne auf die Ab-
leitungen einzugehen, seien hier nur die Ergebnisse angegeben:
Zwischen der Druckverteilung und dem Widerstandsbeiwert von
Tragflügelprofilen von verschiedenem Dickenverhältnis dll und bei ver-
schiedenen schallnahen MAcHschen Zahlen bestehen die folgenden Be-
ziehungen. Für den Druckkoeffizienten cp = (p - Poo) ~ w~ gilt:
I 2
!
d ) (d/I)2}3 _ (X . )
cp ( ~; T' Ma oo = (Ie + 1)1}3 c p T' m oo (3,164)

und für den Widerstands beiwert :

(3,165)

Dabei bedeutet
(3,166)

Wir bezeichnen dabei cp als reduzierten Druckbeiwert und Cw als


reduzierten Widerstandsbeiwert. Eine eingehende experimentelle Nach-
prüfung dieses Ähnlichkeitsgesetzes nach GI. (3,164) bis GI. (3,166)
wurde von L. MALAVARD [52] ausgeführt.
In Abb. 3.49 ist für ein symmetrisches bikonvexes Profil bei sym-
metrischer Anströmung die Geschwindigkeitsverteilung auf der Kon-
tur w/aoo (= örtliche MAcHsche Zahl) für verschiedene MAcHsche Zahlen
der Anströmung Maoo dargestellt, die zwischen Maoo = 0,775 und 1,00
liegen. Bei den kleineren MAcHschen Zahlen ist die Geschwindigkeits-
verteilung noch vom Typus der inkompressiblen Strömung, vgl.
Abb. 3.37a, während bei den MACH-Zahlen sehr nahe Eins der Typus
der Überschallströmung (Abb.3.37e) vorliegt. Die gemäß GI. (3,164)
errechneten reduzierten Druckbeiwerte für gleichartige Messungen an
Profilen der Dicke di'l = 0,06, 0,08, 0,10, 0,12 sind in Abb. 3.50 für ver-
schiedene Werte von moo dargestellt. Durch das Zusammenfallen der
cp-Kurven für verschiedene Werte dll wird die Gültigkeit des v. KAR-
MANschen Ähnlichkeitsgesetzes sehr gut bestätigt.
Des weiteren gibt Abb. 3.51 eine Auswahl von Widerstandsmessun-
gen an Profilen von verschiedener Dicke. Die Auftragung des Wider-
standsbeiwertes Cw über der MAcH-Zahl in Abb. 3.51 a zeigt den bekann-
ten starken Widerstandsanstieg in der Nähe von M a oo = 1 und überdies
3.6 Ebene transsonische Strömungen 215

1,*
Ha _ Woo
oo-a oo
1,3

1,2 t---_f_--t--_f_-~$"',.....oq-----'\___\_f____\_-+\_-_\t_---'__'_.j Ha"" =


1,000
0,985
1,1
0,970
!8 1,0
1
0.950
0.930
~'" 0,915
0,895
0,9 ~r.::-'r-7r 0,880

.!/'+
0.860
0.840
q8 , 0.820
0.800
0.775

0,7
d

-
'2
Woo 0 0,1 0,2 0,3 q* 0,5 q6 0,7 q8 0,9 1,0
x
T-
Abb. 3.49. Geschwindigkeitsverteilung an einem symmetrischen Profil der relativen Dicke
dll = 0,08 im transsonischen Geschwindigkeitsbereich. Nach Messungen von L. MALAVARD [52]

-*
*'
3
Imoo'=o 1
V \ \
-3
moo=-0,6 Je K\ I
.,/ ..
\
Ha oo =11
I "'~ I\..
\

r
! '
}. 1<.,~ J I
I~ 2 lJf i
I
\ I 1
!
-1
i/I i \ lL ~ I

o o
1 .

Vi I

I
I
I J i ~
'0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 q7 q8 0,9 1,0 '0
0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 q8 0,9 1,0
L_
i 7-
-4
-3
imoo =-0,3 A .
" ~
4
moo~-1 _L
<.,"'--2 1 / I b~\ -'~ ""'-.. ........ i I
L 1/
~
,JI1 'a"...
1 ! I \ ., ~" "
,',
1
11 1 I
'0
V r~
~
o
0

,
%'! 1
... I 0,1 ~
1
o 0,1 0,20,3 O,f/. 0,5 q6 q7 0,8 0,9 1,0 0,2 q3 0,4 q5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0
.!f._ L_
l i

Abb.3.50. Reduzierter dimensionsloser Druckbeiwertl c p nach (GI. 3,164) im transsonischen


Geschwindigkeitsbereich für symmetrische Profile von verschiedenem Dickenverhältnis dll und
bei verschiedenen Werten von moo nach GI. (3,166). Nach Messungen von L. MALAVARD [52]

14a*
216 Irr. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

das starke Anwachsen mit dem Dickenverhältnis dll. Die Auftragung


des reduzierten Widerstands beiwertes Cw in Abhängigkeit von mco
nach GI. (3,165) in Abb. 3.51 b zeigt ein befriedigendes Zusammen-
fallen der Kurven für verschiedene dll, womit auch das Ähnlichkeits-
gesetz des Widerstandsbeiwertes bestätigt wird.

lJ,2_
10 5
r r--. l '
~ \I-.
08 4
j
r::: r".
4-=0,12 V/I
11 11f 0,10 0,10tJ VI

-
0
008 7/h
77 ,I' r- 008 os! '1/
r7 II I1 If!.
) J I I r-~oo
VIJ
IA w
0,02 1
r7 f7 Il V

~V o -~~
~
~
0 '0-
0,8 0,9 1,0
-1,2 -1,0 -0,8 -0,6 -0,* -0,2 0 0,2 0,* 0,0 0.6 l,Q
1,2
a Ma no - - b moo-
Abb.3.51. Widerstandsmessnngen an symmetrischen Profilen im transsonischen Geschwindig-
keitsbereich nach L. MALAVARD [52]. a) Widerstandsbeiwert Cw in Abhängigkeit von der
MAcHschen Zahl Maoo für symmetrische Profile von verschiedenem Dickenverhältnis i/I,
b) reduzierter Widerstandsbeiwert Cw nach GI. (3,165) in Abhängigkeit von der reduzierten
MAcHschen Zahl moo für symmetrische Profile von verschiedenem Dickenverhältnis dll

Für den Sonderfall Maco = 1 (Schallansträmung) ist nach GI. (3,166)


moo = o. Damit folgt aus GI. (3,164) unmittelbar, daß in diesem ]'all
der Druckbeiwert cp proportional zu (dll)2/3 und der Widerstandsbeiwert
proportional zu (dll)5/3 ist. Bezüglich der Abhängigkeit vom Dicken-
2,0

1,5

t
~1~1,0
"I~
:}(.Jtl. <.><'>

0,5

0 0,5 dz 1,0
_ 1,5 2,0 0 1,0 1,5 2,0
a
d,
b !!.z._
d,
Abb. 3.52. Vergleich des V. KARlIIANschen .Ähnlichkeitsgesetzes für transsonische Strömung
(ausgezogene Kurven) mit der linearen Theorie der Unterschall- und tJberschal1strömung für
zwei Profile mit den Dicken d, und d2 • a) Druckbeiwert, b) Widerstandsbeiwert (nur für
tJberschaliströmung)
3.6 Ebene transsonische Strömungen 217
verhältnis gilt, daß nach der linearen Theorie im Unter- und Uberschall-
bereich cp proportional zu djl ist, und daß im Uberschallbereich Cw pro-
portional zu (djl)2 ist. Die Gegenüberstellung dieser linearen Theorie mit
dem v. KARMANschen Ähnlichkeitsgesetz ist für zwei Profile mit den
Dicken d 1 und d2 in Ab b. 3.52 a für den Druckbeiwert und in Ab b. 3.52 b
für den Widerstandsbeiwert dargestellt.

Literatur
A. Zusammenfassende Darstellungen und Lehrbücher
[1] ACRERET, J.: Gasdynamik. Beitrag zum Handbuch der Physik. Bd. VII.
Herausgegeben von H. Geiger u. K. Scheel. Berlin 1927.
[2] BusEMANN, A.: Gasdynamik. Beitrag zum Handbuch der Experimental-
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[3] SAUER, R. : Theoretische Einführung in die Gasdynamik. Berlin 1943. 2. Aufl.
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[5] OSWATITSCH, K.: Gasdynamik. Wien: Springer 1952.
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Bd. VI, High Speed Aerodynamies and Jet Propulsion. Princeton: Univer-
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[8] SHAPIRO, A. H.: The dynamics and thermodynamics of compressible fluid
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[10] PRANDTL, L.: Führer durch die Strömungslehre, Kap. IV, Braunschweig 1949.
[11] TAYLOR, G. 1., u. J. W. MACOLL: The Mechanies of Compressible Fluids. Bei-
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[12] Bericht über den Volta Kongreß über Hochgeschwindigkeits-Aerodynamik:
Convegno di Scienze fisiche, mathematiche e naturali, Thema: Le alte velo-
cita in aviazione. 30. Sept. bis 6. Okt. 1935. Rom 1936.
[13] Göttinger Monographien über Fortschritte der deutschen Luftfahrtforschung
seit 1939, im Auftrage des britischen Ministry of Supply verfaßt bei der A VA
Göttingen, 1945j46. Monographie C "Kompressible Strömungen", redigiert
von W. TOLLMIEN, mit den folgenden Beiträgen:
Cl: K.OSWATITSCH: Grundbegriffe und allgemeine Sätze.
C 2: W. ROTHSTEIN: Nichtstationäre kompressible Strömungen.
C 3: E. KRAHN: Stationäre Unterschallströmungen.
C 4: M. SCHÄFER, W. TOLLMIEN. K.OSWATITSCH: Stationäre Überschall-
strömungen.
C 5: W. WUEST, O. WALCHNER: Geschosse.
C 6: W. TOLLMIEN, H. LUDWIEG: Durchgang durch die Schallgeschwindig-
keit.
[14] GUDERLEY, K. G.: Theorie schallnaher Strömungen. BerlinjGöttingenjHei-
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[16] WARD, G. N.: Linearized Theorie of Steady Highspeed Flow. Cambridge;
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218 IIr. Kompressible reibungslose Strömungen (Gasdynamik)

[17] DORFNER, K. R.: Dreidimensionale Überschallprobleme der Gasdynamik.


Ergebnisse der angewandten Mathematik, Heft 3. BerlinjGöttingenjHeidel.
berg; Springer, 1957.
[18] LIEPMANN, H. W., u. A. RosHKo,: Elements of Gasdynamies. New York;
John Wiley, 1956.
[19] CARAFOLI, E.: High Speed Aerodynamics (Compressible flow). Bukarest 1956.
[20] BON~Ey,A.; Engineering Supersonics Aerodynamics. New YorkjTorontoj
London; McGraw·Hill, 1950.

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determine par des differences de pressions considerables. J. de l'Ecole polyt.,
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eines Prandtl·Rohres bei Strömungen mit Unterschallgeschwindigkeit. Jb.
1938 deutschen Luftfahrtforschung S. l, 578-582.
[23] JANZEN, 0.: Beitrag zu einer Theorie der stationären Strömung kompres.
sibler Flüssigkeiten. Phys. Z. Bd. 14 (1913) S. 639.
[24] Lord RAYLEIGH: On the flow of compressible fluid past an obstacle. Phil.
Mag. Bd. 32 (1916) S. 1 = "Scient. Papers" Bd. 6, S.402. .
[25] MEYER, TH.: Über zweidimensionale Bewegungsvorgänge in einem Gas, das
mit Überschallgeschwindigkeit strömt. Diss. Göttingen 1907, VDl For-
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Gase und Dämpfe. Phys. Z. Bd. 8 (1907) S. 23-30.
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4.1 Grundzüge der Strömung mit Reibung 219
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[46] LIEPMANN, H. W.: The interaction of boundary layer and shock waves in
transonic flow. J. Aeronaut. Sei. Bd. 13 (1946) S. 623-638.
[47] RIEMANN, B.: Über die Fortpflanzung ebener Druckwellen von endlicher
Schwingungsweite. Abh. Ges. Wiss. Göttingen, Math. Phys. Kl. Bd. 8
(1860) S.43. - Gesammelte Werke, Leipzig 1876, S. 144. - Siehe auch
RIEMANN-WEBER: Die partiellen Differentialgleichungen der mathemati-
schen Physik. Bd. 2, 6 Aufl., S. 503. Braunschweig 1919.
[48] BETZ, A., U. E. KRAHN: Berechnung von Unterschallströmungen kompres-
sibler Flüssigkeiten und Profile. Ing.-Arch. Bd. 17 (1949) S. 403-417.
[49] FERR!, A.: Atti di Guidonia. Nr. 17 (1939).
[50] FARREN, W. S.: The Aerodynamic Art. J. Roy. Aeronaut. Soc. Bd. 60 (1956)
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[51] QUICK, A. W.: Strömungsmechanische Probleme des Überschallfluges.
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[52J MALAVARD, L.: Etude des ecoulements transsonique. Controle experimental
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[53] V. KARMAN, TH.: The similarity law of transsonic flow. J. Math. Physics
Bd.26 (1947) S. 182ff.

IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)


4.1 Grundzüge der Strömung mit Reibung
4.11 Allgemeines
Nachdem in Kap. II und III die Grundgesetze der Strömung einer
reibungslosen Flüssigkeit behandelt worden sind, sollen jetzt in diesem
Kapitel die Strömungsgesetze einer reibungsbehafteten (zähen) Flüssig-
keit besprochen werden. Bei den Strömungen einer reibungslosen Flüssig-
220 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

keit treten zwischen den sich berührenden Schichten nur Normal-


kräfte (Drücke) auf, bei der zähen Flüssigkeit dagegen auch Tangential-
kräfte (Schubspannungen). Diese Reibungskräfte bewirken ein Haften
der Flüssigkeit an den beströmten Wänden, d. h., es ist bei allen Strö-
mungen einer zähen Flüssigkeit an den beströmten Wänden nicht nur
die Normalkomponente der Geschwindigkeit gleich Null, sondern
auch die Tangentialkomponente der Geschwindigkeit (Haftbedingung) ,
Abb. 2.17, Fall b. Vom theoretischen Standpunkt aus bedeutet die Hin-
zunahme der Reibungskräfte eine sehr erhebliche Erschwerung. Aus
diesem Grunde ist die Theorie der reibungslosen Flüssigkeitsbewegungen
zu wesentlich größerer Vollkommenheit entwickelt worden als die der
reibungsbehafteten Flüssigkeit. Wir werden uns deshalb bei der Be-
sprechung der Strömungen mit Reibung wesentlich stärker auf experi-
mentelle Ergebnisse stützen müssen als bisher.
Zur Vereinfachung wollen wir ferner zunächst eine inkompressible,
reibungsbehaftete Flüssigkeit zugrunde legen. Den vom theoretischen
Standpunkt aus besonders schwierigen Fall einer kompressiblen, zähen
Flüssigkeit werden wir gegen Ende dieses Kapitels kurz berühren.
Wegen einer eingehenderen Darstellung dieses Teilgebietes der
Strömungslehre sei auf Spezialwerke verwiesen [1], [2], [3], [4].

4.12 Newtonsches Reibungsgesetz


Das Wesen der Zähigkeitskräfte tritt am einfachsten in Erschei-
nung bei der bereits in Kap. I behandelten Strömung zwischen zwei
parallelen ebenen Wänden, von denen die eine ruht, während die andere
sich in ihrer eigenen Ebene mit konstanter Geschwindigkeit bewegt
(Abb. 1.3). Bei dieser einfachen Scherströmung (COUETTE-Strömung)
stellt sich wegen der Haftbedingung an den beiden Wänden eine lineare
Geschwindigkeitsverteilung u(y) = U yjh ein, und es wirkt an beiden
Wänden und in der Flüssigkeit an jedem wandparallelen Flächen-
element in der Strömungsrichtung eine Reibungskraft pro Flächenein-
heit (Schubspannung) vom Betrage, vgI. (GI. 1,24),
du
T = fla:y. (4,1)

Hierbei ist duld y = Ulh der konstante Geschwindigkeitsgradient und


fl die dynamische Zähigkeit, deren Zahlenwerte für Luft und Wasser
bereits in Tab. 1.2 angegeben wurden. GI. (4,1) stellt das Newtonsche
Reibungsgesetz dar; es ist ein rein empirisches Gesetz, das für Luft und
Wasser durch die Erfahrung ausgezeichnet bestätigt wird.

4.13 Reynoldssches Ähnlichkeitsgesetz


Der Ablauf der Strömung einer inkompressiblen, zähen Flüssigkeit
wird beherrscht durch das Reynoldssche Ähnlichkeitsgesetz, das ebenfalls
4.1 Grundzüge der Strömung mit Reibung 221

bereits in Kap. 1.3 erläutert wurde. Dieses besagt, daß für verschiedene
strömende Medien bei verschieden großer Geschwindigkeit und bei
verschieden großen, aber geometrisch ähnlichen Körpern die Strömung
mechanisch ähnlich verläuft, d. h. mit geometrisch ähnlichen Strom-
linienbildern, wenn die REYNoLDssche Zahl Re gleich ist:

Re
e Vl
= - - = -Vl = const. (4,2)
ft v

Dabei bedeutet l eine charakteristische Länge des Körpers, V eine


charakteristische Geschwindigkeit und 'jJ = ""fe die kinematische Zähig-
keit (e = Dichte). Zahlenwerte von e und 'jJ für Luft und Wasser
wurden bereits in Tab. 1.2 angegeben. Die REYNoLDssche Zahl kann
physikalisch aufgefaßt werden als das Verhältnis der Trägheitskräfte
zu den Reibungskräften. Kleine REYNoLDssche Zahlen bedeuten Strö-
mungen mit Überwiegen der Reibungskräfte, große REYNoLDssche
Zahlen solche mit Überwiegen der Trägheitskräfte. Der erstere Fall
(Re sehr klein) liegt vor bei sehr kleinen Abmessungen oder sehr kleinen
Geschwindigkeiten und großer kinematischer Zähigkeit, wie z. B. beim
Fallen eines Nebeltröpfchens oder im Schmierfilm zwischen Zapfen
und Lager einer sich drehenden Welle (schleichende Bewegung). Bei den
meisten technischen Anwendungen, insbesondere auch bei den flug-
technischen Problemen, liegt meist der andere Grenzfall der sehr großen
REYNoLDs-Zahl vor, weil für die technisch wichtigsten Flüssigkeiten
Luft und Wasser die kinematische Zähigkeit 'jJ sehr klein ist und die
Abmessungen und Geschwindigkeiten meist ziemlich groß sind!.
In diesem Fall beschränkt sich bei umströmten Körpern der Ein-
fluß der Zähigkeit, wie wir später noch näher sehen werden, auf eine
dünne Schicht in der Nähe der umströmten Oberflächen und auf einen
schmalen Nachlauf hinter dem Körper (Grenzschicht oder Reibungs-
schicht), während die übrige Strömung im wesentlichen reibungslos
verläuft.
Der Einfluß der REYNoLDsschen Zahl auf die Umströmung eines
Körpers ist in vielen Fällen sehr groß. Als Beispiel hierfür zeigt Abb. 4.1
die Strömung um einen Kreiszylinder bei verschiedenen REYNOLDS-
sehen Zahlen. Die Nachlaufströmung hinter dem Zylinder verläuft bei
kleinen REYNoLDsschen Zahlen in wohlgeordneten parallelen Schichten;
man nennt diese Strömung laminar. Bei größeren REYNoLDsschen
Zahlen bilden sich hinter dem Körper zunächst regelmäßige Wirbel-

1 Für den Tragflügel eines Flugzeuges mit einer Flügeltiefe von l = 2 m


ist bei einer Fluggeschwindigkeit von V = 500 kmjh ~ 140 mjs in Bodennähe
(" = 15· lO-6 m 2js) die REYNoLDssche Zahl

Vl 140· 2 7
Re = ----;- = 15.10- 6 ~ 2·10 .
222 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

anordnungen aus, die man als Karmansche Wirbelstraße bezeichnet.


Mit wachsender REYNoLDs-Zahl bilden sich im Nachlauf unregelmäßige
Querbewegungen stärker aus, die eine starke Durchmischung der
benachbarten Schichten verursachen. Man nennt diese Strömung tur-
bulent. Die hier für den Kreiszylinder aufgezeigte Tendenz, daß mit
wachsender REYNoLDs-Zahl die Strömung von einer wohlgeordneten
Schichtenströmung (laminar) in eine mehr ungeordnete durchwirbelte
Strömung (turbulent) übergeht, ist von allgemeiner Gültigkeit und wird
im folgenden noch des öfteren erörtert werden. Das in GI. (4,1) an-

' f~ _ ______ -- __ _ ' -

a) Re = 32 b) Re = 55

c) Re = 65 d) Re = 71

e) Re = 102 f) Re = 161

g) Re = 225 h) Re = 281
Abb.4.1. Einfluß der REYNOLDSSchen Zahl auf die Strömnng um einen Kreiszylinder.
übergang von der laminaren Strömung zur Wirbelstraße, nach ROMANI' [7J

gegebene NEwToNsche Reibungsgesetz hat nur für laminare Strömung


Gültigkeit. Für turbulente Strömung tritt an seine Stelle ein anderes
Gesetz, vgI. Kap. 4.6.

4.14 Laminare Rohrströmung


Einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der Strömungsgesetze
einer zähen Flüssigkeit hat die eingehende experimentelle Untersuchung
der Rohr- und Kanalströmung geliefert, die teilweise schon im vorigen
Jahrhundert ausgeführt wurde. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse
haben auch für das Umströmungsproblem, das für die Flugtechnik
4.1 Grundzüge der Strömung mit Reibung 223

hauptsächlich interessiert, große Bedeutung erlangt. Aus diesem Grunde


möge hier über die Rohrströmung einiges berichtet werden.
Die laminare Strömung durch ein Rohr von kreisförmigem Quer-
schnitt ist nach G. HAGEN [5] und J. POISEUILLE [6] einer einfachen
theoretischen Behandlung zugänglich, wobei das NEWToNsche Rei-
bungsgesetz nach GI. (4,1) Anwendung findet. In genügender Ent-
fernung vom Einlauf ist die Geschwindigkeitsverteilung über dem
Radius unabhängig von der Koordinate in der Längsrichtung. Nach
Abb. 4.2 ist wegen des Haftens die Geschwindigkeit an der Rohrwand
gleich Null und in der Rohrmitte am größten, während sie auf den zur
Rohrachse konzentrischen Zylindern konstant ist. Bei der laminaren
Strömung gleiten die einzelnen zylindrischen Schichten nebeneinander
her. Die Flüssigkeit wird durch ein Druckgefälle in Richtung der Rohr-
achse durch das Rohr getrieben, während die Schubspannung zwischen
den einzelnen zylindrischen Schichten die Bewegung zu hemmen sucht.

Abb.4.2. Laminare Rohrströmung

Da Trägheitskräfte nicht vorhanden sind, bestimmt das Kräftegleich-


gewicht zwischen den Druckkräften und den Reibungskräften den Ab-
lauf der Bewegung. Für einen Flüssigkeitszylinder von der Länge L
und dem Radius r nach Abb. 4.2 liefert die Druckdifferenz an den beiden
Endflächen in Richtung der Rohrachse die Kraft (PI - P2) 7t r2 und die
Schubspannung am Zylindermantel die Kraft 2 7tr Li. Durch Gleich-
setzen dieser beiden Kräfte ergibt sich:

i = PI - P2 r
L 2· (4,3)

Führt man hier nach dem NEwTONsehen Reibungsgesetz, GI. (4,1),


i = - fl du/dr ein, so ergibt die Integration unter Berücksichtigung
der Haftbedingung u = 0 für r = R:

(4,4)

Hiernach ist die Geschwindigkeit parabolisch über den Radius ver-


teilt (Abb. 4.2). Die Maximalgeschwindigkeit in der Rohrmitte (r = 0)
224 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

ist U = p~: 1 R2.


2 Die gesamte Durchflußmenge Q durch den
Rohrquerschnitt ist

J
R
1 nR4
Q = 2n u(r) rdr = 2 nR2 U = SflL (PI - P2)' (4,5)
o
Dies ist das HAGEN-POISEUILLEsche Durchflußgesetz für die laminare
Rohrströmung. Die Durchflußmenge ist hiernach proportional der
ersten Potenz des Druckabfalles pro Längeneinheit (PI - P2)/L. Führt
man noch die mittlere Durchströmgeschwindigkeit über den Rohr-
querschnitt u = Q/:rt R2 und den Druckgradienten in Richtung der
Rohrachse - dp(d x = (PI -- P2)(L ein, so kann GI. (4,5) auch geschrie-
ben werden in der Form:

(4,6)

Den Zusammenhang zwischen Druckgefälle und mittlerer Durchfluß-


geschwindigkeit pflegt man in der Hydraulik durch eine dimensionslose
Rohrwiderstandszahl A auszudrücken. Diese wird so definiert, daß man
den Druckabfall proportional setzt dem Staudruck der mittleren Durch-
flußgeschwindigkeit nach der Gleichung
PI-P2 =~~U2 (4,7)1
L D 2 '
wobei D = 2 R den Rohrdurchmesser bedeutet. Setzt man den Aus-
druck für (PI - P2)/L nach GI. (4,6) in GI. (4,7) ein, so erhält man

A-~4.
- Re' (4,8)
wobei
Re= (!uD = uD (4,9)
fl v

die auf den Rohrdurchmesser und die mittlere Durchflußgeschwindig-


keit bezogene REYNoLDssche Zahl des Rohres bedeutet.
Die durch GI. (4,4), (4,5) und (4,8) beschriebene Strömung ist nach
Messungen nur vorhanden bis zu mäßig großen REYNoLDs-Zahlen,
und zwar bis etwa Re """ 2300. Man nennt

Rekrit = (-UD) . = 2300


v knt
die kritische Reynoldssche Zahl der Rohrströmung. Für Re< Rekrit ist
GI. (4,8) jedoch in vorzüglicher Übereinstimmung mit Versuchs-

1 Dieses quadratische Widerstandsgesetz, bei welchem dp/dx '" ü: 2 gesetzt


wird, ist der turbulenten Rohrströmung angepaßt. Man behält es aber auch für
die laminare Rohrströmung bei, obgleich hier nach GI. (4,6) dp/dx '" u ist. Dann
wird natürlich A für die laminare Rohrströmung keine Konstante.
4,1 Grundzüge der Strömung mit Reibung 225
ergebnissen, wie das Widerstandsgesetz Kurve (1) in Abb. 4.3 zeigt.
Bei größeren REYNoLDsschen Zahlen wird der Charakter der Strömung
ein völlig anderer, wie zuerst O. REYNOLDS [8] mit Hilfe von Farb-
fadenversuchen gezeigt hat.
Der Druckabfall ist oberhalb der kritischen REYNoLDsschen Zahl
nicht mehr proportional der ersten Potenz der Geschwindigkeit, sondern
näherungs weise proportional der zweiten Potenz von U. An Stelle der
wohlgeordneten Schichtenströmung tritt eine Strömung mit überlager-
ten unregelmäßigen Querkomponenten, welche eine starke Durch-
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SchlichtingjTruckenbrodt. Aerodynamik I 15
226 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

mischung in der Querrichtung besorgen. Dies ist die turbulente Rohr-


strömung. Hierbei ist das NEWTONS ehe Reibungsgesetz (4,1) nicht mehr
gültig.
4.15 Turbulente Rohrströmung
Für die turbulente Rohrströmung kann eine theoretische Berech-
nung, wie vorstehend für die laminare Strömung angegeben, nicht
ausgeführt werden, da das turbulente Analogon für das NEwToNsehe
Widerstandsgesetz (4,1) zunächst fehlt. Vielmehr ist man bei der turbu-
lenten Rohrströmung so vorgegangen, daß man den Zusammenhang
zwischen Druckabfall und Durchflußmenge, also das Widerstandsgesetz,
aus Versuchen entnommen hat, um zusammen mit Messungen der
Geschwindigkeitsverteilung zu einer Analyse der Strömung vorzudrin-
gen. Im Jahre 1911 hat zum erstenmal H. BLASIUS [9] das auch damals
schon recht umfangreiche Versuchsmaterial nach dem REYNoLDsschen
Ähnlichkeitsgesetz geordnet. Dabei konnte er für den Widerstand von
glatten Rohren von kreisförmigem Querschnitt die folgende empirische
Formel aufstellen:
(4,10)

die als Blasiussches Widerstandsgesetz bezeichnet wird. Diese Formel,


die als Kurve (2) in Abb. 4.3 eingetragen ist, gibt bis zu REYNOLDS-
Zahlen Re ~ 100000 gute Übereinstimmung mit Versuchsergebnissen.
Später wurden von J.NIKURADSE [10] die Rohrmessungen auf wesent-
lich größere REYNoLDs-Zahlen (bis etwa Re = 3 . 106 ) ausgedehnt. Aus
diesen ergab sich zusammen mit theoretischen Überlegungen von
L. PRANDTL [12], [13] das Widerstandgesetz :

A = 2,0 log (Re VI) - 0,8. (4,11)

Dies ist das Prandtlsche universelle Widerstandsgesetz für glatte


Rohre; es ist als Kurve (3) in Abb. 4.3 eingetragen. Bis Re = 100000
stimmt es mit dem BLAsIUsschen Gesetz nach GI. (4,10) überein. Bei
höheren REYNoLDsschen Zahlen weicht das BLAsIUssche Gesetz er-
heblich von den Messungen ab, während GI. (4,11) gute Übereinstim-
mung zeigt.
Geschwindigkeitsverteilung. Für die turbulente Rohrströmung ist
neben dem Widerstandsgesetz auch die GeschwindigkeitsverteiIung in
dem sehr großen Bereich von REYNoLDsschen Zahlen, 4 .103~ Re~ 3,2· 106 ,
sehr eingehend untersucht worden. Die Geschwindigkeitsverteilungen
für einige REYNoLDs-Zahlen sind in Abb.4.4 in der dimensionslosen
Darstellung uJUüber yJR ngegebsn, wobei U die Maximalgeschwindig-
4.1 Grundzüge der Strömung mit Reibung 227

keit in der Rohrmitte und y jetzt den Abstand von der Rohrwand be-
deutet. Die Geschwindigkeit ist bei turbulenter Strömung wesentlich
gleichmäßiger über den Querschnitt verteilt als bei laminarer Strö-
mung; außerdem wird mit wachsender REYNoLDsscher Zahl das turbu-
lente Geschwindigkeitsprofil noch völliger. Es läßt sich darstellen durch
die Interpolationsformel
(4,12)

wobei im REYNoLDs-Zahl-Bereich Re = 4.103 bis 3.106 der Expo-


nent n sich von etwa n = 6 bis n = 10 ändert.

~
~~ ~ ~~
=-
~
~ ~
V
0 V-

0,8 ~ V~ ,

~~
~
~

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--;
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" = ~1 .10 5
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~ • .. ~ 1,1 ·10·
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t:> " ~3,0 '10·
~
/ • .. ~3,2 ·10· :
~
~/ I

~
~ !
2

~
--;~
o y 0,6 0,8 zo
7r-
Abb. 4.4. Turbuleute Geschwindigkeitsverteilung im glatten Rohr bei verschiedenen REYNOLDS-
schen Zahlen, nach NIKURADSE [10]

Zusammenhang zwischen Widerstandsgesetz und Geschwindigkeitsvertei-


lung. Zwischen dem BLASIUsschen Widerstandsgesetz nach GI. (4,10) und dem
Geschwindigkeitsverteilungsgesetz nach GI. (4,12) besteht nach L. PRANDTL [12]
ein innerer Zusammenhang, der von grundlegender Bedeutung ist für alle Über-
legungen über turbulente Strömungen. Insbesondere gestattet e3 dieser Zusammen-
hang, aus den Ergebnissen von Rohrwiderstandsversuchen Rückschlüsse zu ziehen
auf den Reibungswiderstand der längsangeströmten ebenen Platte [14]. Da dieser
den wesentlichen Anteil des sog. Profilwiderstandes von Tragflügelprofilen aus-
macht, wollen wir an dieser Stelle auf diesen Zusammenhang etwas näher ein-
gehen.
15*
228 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

Für die Rohrströmung gilt allgemein (für laminare und turbulente Strömung)
der folgende Zusammenhang zwischen dem Druckabfall und der Schubspannung
an der Wand T o :
(4,13)

was man aus GI. (4,3) bestätigt, wenn man dort für die Rohrwand r = Rund
T = To setzt. Vergleicht man GI. (4,13) mit der Definitionsgleichung für den Rohr-
widerstandskoeffizienten GI. (4,7), so ergibt sich die folgende Beziehung zwischen
der Wandschubspannung und der Rohrwiderstandszahl

To = ~ eu2. (4,14)

Setzt man nun in GI. (4,14) den Wert von JI. nach dem BLAsIUsschen Wider-
standgesetz GI. (4,10) ein und geht man mittels D = 2R auf den Rohrradius
über, so erhält man:
7 1 1
To=O,03325eu4 v 4 R- 4 = ev~. (4,15)
Dabeiist v* = VTo/e die mit der Wandschubspannung gebildete Schubspannungs-
geschwindigkeit, deren Einführung sich für eine universelle dimensionslose Darstel-
lung der Geschwindigkeitsverteilung als zweckmäßig erweist. Aus GI. (4,15) erhält
man zunächst u/v* = 6,99 (v* R/V)1/7. Geht man in dieser Gleichung noch von
der mittleren Geschwindigkeit u auf die Maximalgeschwindigkeit U über, indem
man u/U = 0,8 einführt, was für n = 7 und damit für Re = 10 5 zutrifft, so
erhält man:
[1 R 1
-=8,74(~)7. (4,16)
v* v
Es ist nun naheliegend, anzunehmen, daß diese Formel nicht nur für die Rohr-
mitte (y = R), sondern auch für jeden Wandabstand y gilt. Man erhält dann aus
Gl. (4,16):
(4,17)

Wir haben hiermit aus dem BLAsIUsschen Widerstandsgesetz das t-Potenzgesetz


der Geschwindigkeitsverteilung erhalten, von dem schon oben festgestellt wurde,
daß es in einem gewissen Bereich der REYNoLDsschen Zahlen gültig ist.
Die dimensionslose Geschwindigkeitsverteilung nach GI. (4,17) ist
in Abb. 4.5 als Kurve (4) eingetragen und mit Versuchsergebnissen ver-
glichen. Bis zu REYNoLDsschen Zahlen Re = 100000 stimmt das
+-Potenzgesetz gut mit den Versuchsergebnissen überein. Mehr darf
aber auch nicht erwartet werden, da ja das BLAsIUssche Widerstands-
gesetz (4,10), aus welchem GI. (4,17) abgeleitet wurde, ebenfalls nur bis
zu dieser REYNOLDsschen Zahl Gültigkeit hat.
Im Hinblick auf eine spätere Verwendung wollen wir aus GI. (4,16)
noch rückwärts die Schubspannungsgeschwindigkeit v* ausrechnen.
Man erhält v* = 0,150 U7/ 8 (vjR)1/8 und somit für die Wandschubspan-
nung 1'0 = ev! : 7 1
1'0 = 0,0225 e U4 (~ )4. (4,18)
4.1 Grundzüge der Strömung mit Reibung 229

Auf diese Beziehung werden wir später bei der Ermittlung des
Reibungswiderstandes der längs angeströmten ebenen Platte zurück-
kommen.
Die Darstellung der gemessenen Geschwindigkeitsverteilung der
Rohrströmung in Abb. 4.5 zeigt, daß in unmittelbarer Wandnähe das
turbulente Gesetz (4,17) nicht gültig ist. Die nähere Untersuchung hat
ergeben, daß bei jeder turbulenten Rohrströmung in unmittelbarer
Wandnähe eine sehr dünne Schicht vorhanden ist, die laminar strömt
(laminare Unterschicht). Die Existenz einer solchen laminaren Unter-
schicht leuchtet ein, wenn man bedenkt, daß ja in allernächster Wand-
35r----,----------------,_----r----,----~-----r----,_--__,

o Re = ~O' 10 3
6 " = 3,3'10'
30
e " = 1.1' lOS

o " = ~0'105 Nikurlldse


25 X " = 1,1'10'
." = 3,0 ·10'
e" =3,2-10'
" Reichllrdt

1O~--~~~-k~--_r----i_----t_----i----_t----_r----i_--__1

2 YIJ J 5
t917=L9---tf -
Abb. 4.5. Das universelle logarithmische Geschwindigkeitsverteilungsgesetz im glatten Rohr.
Kurve (1) laminar nach GI. (4,19); Kurve (2) übergang laminar-turbulent; Kurve (3) turbulent
für alle REYNOLDSSchen Zahlen nach GI. (4,20); Kurve (4) turbulent für Re< 10' nach GI. (4,17)

nähe die unregelmäßigen turbulenten Querbewegungen erlöschen müssen,


da sie durch die Wand verhindert werden. In dieser Unterschicht herrscht
Laminarströmung mit 7:0 = f-lujy. Mit 7:0 = ev~ führt dies auf

(laminare Unterschicht), (4,19)

was als Kurve (1) in Abb. 4.5 mit eingetragen ist und bis etwayv*jv = 5
die Messungen wiedergibt. Man entnimmt hieraus für die Dicke der
laminaren Unterschicht den Wert:

01
"
= 5_v* 1_' •
(4,19a)
I5a
230 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

Diese laminare Unter8chicht ist von großer Bedeutung für den Ein-
fluß der Wandrauhigkeit auf den Widerstand bei turbulenter Strömung.
Für sehr große REYNoLDssche Zahlen zeigt sich nach Abb.4.5
eine beträchtliche Abweichung der gemessenen Geschwindigkeitsver-
teilung von dem 1j7-Potenzgesetznach GI. (4,17). Für die sehr großen
REYNoLDsschen Zahlen werden die Messungen durch das logarith-
mische Gesetz
~
v*
= 5,5 + 5,751og y v*
v
(4,20)

gut dargestellt, das als Kurve (3) in Abb. 4.5 mit eingetragen ist.
Rauhe Rohre. Der Widerstand von rauhen Rohren und Kanälen ist
besonders für körnige Rauhigkeiten eingehend untersucht worden.
J. NIKURADSE [11] führte umfangreiche Untersuchungen an Rohren
von kreisförmigem Querschnitt aus, die mit Sandkörnern einer bestimm-
ten Korngröße k s dicht beklebt waren. Die Wandbeschaffenheit läßt
sich in diesem Fall durch einen einzigen Rauhigkeitsparamater, die sog.
relative Rauhigkeit ksj R, charakterisieren. In Abb. 4.3 sind die Wider-
-stands beiwerte der sandrauhen Rohre für Rjks = 15 bis 500 mit ein-
getragen. Im Bereich der lIAGEN-POISEUILLEschen laminaren Rohr-
strömung hat die Rauhigkeit keinen Einfluß auf den Widerstand.
Die rauhe Wand wirkt hier hydraulisch glatt. Im Bereich der turbulen-
ten Strömung (Re> 2300) ist für den Widerstand des rauhen Rohres
das Verhältnis von Korngröße der Rauhigkeit k zur Dicke der laminaren
Unterschicht ~l, also kj~l physikalisch maßgeblich. Ist die Rauhig-
keitshöhe so klein (oder die laminare Unterschicht so dick), daß alle
Rauhigkeitserhebungen in dieser laminaren Unterschicht liegen,
k ~ ~l, so gibt die Rauhigkeit überhaupt keine Widerstandserhöhung.
In diesem Fall wirkt auch bei turbulenter Strömung die rauhe Wand
hydraulisch glatt. Nach GI. (4,19a) ist die Dicke der laminaren Unter-
schicht ~l "'" 5 v!v*. Damit ergibt sich für die hydraulisch glatte Wand:

ksv*
v
~
-
5 (hydraulisch glatt). (4,21)

Die Widerstandsmessungen an sandrauhen Rohren nach Abb.4.3


zeigen im Bereich der turbulenten Strömung für jede relative Rauhig-
keit drei Bereiche:

1. H ydrauli8ch glatt, v*vk s -~ 5 : A = f (Re). Es existiert ein gewisser


Re-Zahlbereich, in welchem das rauhe Rohr den gleichen Widerstand
hat wie das glatte, Ahängt nur ab von Re. Alle Rauhigkeiten liegen inner-
halb der laminaren Unterschicht.
4.1 Grundzüge der Strömung mit Reibung 231

H. Übergangsbereich: 5 ~ v*vks ~ 70: A = f (Re, ~). Von einer ge-


wissen Re-Zahl ab, deren Größe mit wachsendem kslR abnimmt,
biegt die Widerstandskurve des rauhen Rohres von derjenigen des
glatten Rohres nach oben ab. Von hier ab durchläuft sie mit wachsender
Re-Zahl einen Übergangbereich, wo A sich mit Re und ksl Rändert.
In diesem Fall sind die Rauhigkeiten etwa von derselben Größe wie
die Dicke der laminaren Unterschicht.
IH. Voll ausgebildete Rauhigkeitsströmung, v*vks ~ 70: A = f (~).
Für noch größere Re-Zahlen wird schließlich der Bereich des quadra-
tischen Widerstandsgesetzes erreicht, wo A nur von ksl R abhängt. In
diesem Bereich gilt für die Sandrauhigkeit:

A=( 2 log TaR 1+ 1,74 r' (4,22)

In diesem Fall ragen alle Rauhigkeiten beträchtlich aus der laminaren


Unterschicht hervor.
Andere Raubigkeiten. Die NmURADsEsche Sandrauhigkeit kann dadurch
charakterisiert werden, daß die Rauhigkeitsdichte ihren Maximalwert hat. Bei
vielen technischen Rauhigkeiten ist die Rauhigkeitsdichte wesentlich geringer.
Solche Rauhigkeiten können dann nicht mehr durch Angabe nur der Rauhig-
keitshöhe k bzw. der relativen Rauhigkeit kiR gekennzeichnet werden. Es hat
sich nach H. SCHLICHTING [15] als zweckmäßig erwiesen, beliebige Rauhigkeiten in
die Skala einer Normalrauhigkeit einzuordnen und hierfür die NmuRADsEsche
Sandrauhigkeit zu wählen, da diese in einem sehr großen Bereich von Re und ksl R
untersucht worden ist. Die Einordnung in die Skala der Sandrauhigkeiten ist am
'einfachsten für den Bereich der voll ausgebildeten Rauhigkeitsströmung, für wel-
chen der Widerstandsbeiwert durch GI. (4,22) gegeben ist. Hierbei wird einer be-
liebigen Rauhigkeit eine äquivalente Sandrauhigkeitzugeordnet. Wir verstehen
darunter diejenige Korngröße der Sandrauhigkeit, die nach GI. (4,22) den gleichen
Widerstandsbeiwert liefert wie die vorgelegte Rauhigkeit.

4.16 Das Widerstandsproblem umströmter Körper


Bewegt man einen Körper von beliebiger Gestalt mit konstanter
Geschwindigkeit auf geradliniger Bahn durch die ruhende Flüssigkeit,
so erfährt dieser Körper eine Strömungskraft, die im allgemeinen eine
Komponente sowohl senkrecht zur Anströmungsrichtung als auch in
der Anströmungsrichtung hat (Abb. 4.6). Wir können diese Kraft dann
zerlegen in die Komponenten Widerstand W in der Anströmungsrich-
tung und Auftrieb A senkrecht zur Anströmungsrichtung. Im vor-
liegenden Abschnitt soll nur der Widerstand näher untersucht
werden.
Da bei den meisten technisch wichtigen Anwendungen des Um-
strömungsproblems die REYNoLDssche Zahl sehr groß ist, könnte man
15a*
232 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

erwarten, daß man eine brauchbare Übereinstimmung zwischen Ver-


such und Theorie erhält, wenn man in erster Annäherung die Zähig-
keit ganz vernachlässigt, also mit der Theorie der idealen Flüssigkeit
rechnet, wie sie in Kap. II entwickelt wurde. Dies trifft in der Tat für
gewisse Körperformen (z. B. Stromlinienkörper und Tragflügelprofile )
und für gewisse Teilaufgaben (z. B. Ermittlung der Druckverteilung
und des Auftriebes) mit guter Näherung zu. In Abb.2.32 wurde für
einen Stromlinienkörper die aus der Theorie der idealen Flüssigkeit
(Potentialströmung) ermittelte Druckverteilung mit Messungen ver-
glichen, wobei sich vorzügliche Über-
einstimmung ergab. Auch für ein
A
Tragflügelprofil ist die Druckvertei-
lung der Potentialströmung in guter
Übereinstimmung mit Messungen,
wie Abb. 6.14 zeigt. Bei anderen
Körperformen (vor allem solchen von
gedrungener Gestalt) stimmt die
Potentialströmung weit weniger mit
den Versuchsergebnissen bei sehr
großen REYNoLDs-Zahlen überein.
Abb. 4.6. Zerlegung der resultierenden Strö- Ein großer Unterschied zwischen der
mungskraft R in Widerstand W und Auf-
trieb .A Theorie der idealen Flüssigkeit und
den Beobachtungen bei großen
REYNoLDsschen Zahlen besteht bei allen Körperformen für das Wider-
standsproblem. Die Potentialströmung liefert für die gleichförmige
Bewegung eines beliebigen Körpers durch eine unendlich ausgedehnte
ruhende Flüssigkeit keine Resultierende in der Bewegungsrichtung, also
den Widerstand Null (D'ALEMBERTsches Paradoxon). Dies ist in schrof-
fem Gegensatz zu den Beobachtungen, die für jeden Körper einen
Widerstand ergeben, der allerdings bei schlanken in ihrer Längsrich-
tung angeströmten Körperformen sehr klein sein kann. Eine theoretische
Berechnung des Widerstandes wird erst möglich, wenn man die Zähigkeit
der Flüssigkeit berücksichtigt. Die ideale Flüssigkeit gibt ein Gleiten
an der Wand. Dadurch werden ihre Lösungen gegenüber der wirklichen
Flüssigkeit, welche an den Wänden haftet, auch bei sehr kleiner Zähig-
keit grundsätzlich so verschieden, daß es erstaunlich ist, daß trotzdem
in manchen Fällen (z. B. bei schlanken Körpern) eine einigermaßen gute
Übereinstimmung beider Lösungen vorhanden ist.
Als Erläuterung zum Widerstandsproblem seien einige Angaben
über die Strömung um die Kugel gemacht. Die reibungslose Strömung
uni die Kugel wurde in Kap. 2.35 behandelt. Das Stromlinienbild der
reibungslosen Strömung ist ähnlich dem des Kreiszylinders, das in
Abb. 2.30 angegeben wurde. Aus der Symmetrie folgt, daß die resul-
4.1 Grundzüge der Strömung mit Reibung 233

tierende Kraft in Strömungsrichtung (Widerstand) gleich Null ist. Die


Druckverteilung um die Kugel, die nach der Theorie der reibungslosen
Strömung bereits in Abb.2.31 angegeben wurde, ist in Abb.4.7 zu-
sammen mit Messungen dargestellt. Dabei ist die gemessene Druck-
verteilung je nach der REYNoLDsschen Zahl noch erheblich verschieden.
Auf der Vorderseite der Kugel stimmen die gemessenen Druckver-
teilungen mit der Potentialtheorie einigermaßen überein. Auf der
Rückseite sind die Abweichungen sehr groß, wobei die Messung für die

rf
+1,0
i\ 1 Ir\ Reüberhd = q, ~ • lOS
\ ! \ Reuet,eled = 1,6 . lOS
\ fheoretisch-II
L '{
\ 11/ ''\1\ /
\ /J I~ /
81 0
~J \ I I 1\ J
" \\ _llL -~ r-... /7
ri
'-,',
\ ,j unferkrlhsch \1\ :\ . ,lr!
A'r--" überkritisch
L\\
-1.0 1\ /i \\ J
'\ / \',-'?
i i
o0
.90 0 180 0 370 0
9"-
Abb. 4.7. Druckverteilung um eine Kugel im unter kritischen und überkritischen Bereich der
REYNOLDSschen Zahlen nach Messungen von FLACHSBART [16]

größere REYNoLDssche Zahl (Re = 4,4. 105 ) näher an der potential-


theoretischen Druckverteilung liegt als diejenige für die kleinere
REYNOLDSSche Zahl (Re = 1,6. 105 ). Die Abweichungen der gemesse-
nen Druckverteilungen von der potentialtheoretischen bedingen den
Widerstand der Kugel, der somit im vorliegenden Fall für die größere
REYNoLDssche Zahl geringer ist als für die kleinere REYNoLDssche
Zahl. Die Ursache hierfür wird weiter unten erläutert werden.
Im allgemeinen rührt aber
der Widerstand eines umström-
ten Körpers nicht nur von den
Druckunterschieden (Normal-
spannungen) an der Körper-
oberfläche her, sondern es tragen
auch die Tangentialspannungen
Abb. 4.8. Erläuterungsskizze zum Druck- und
(Schubspannungen), d ie von Reibungswiderstand
der Zähigkeit der Flüssigkeit
herrühren, dazu bei. Man kann diese beiden Anteile trennen, indem man
nach Abb. 4.8 die Drücke und die Schubspannungen getrennt integriert.
234 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

Die Integration der Drücke liefert den Druckwiderstand W D nach


der Gleichung
W D = 1> p cos rp dF (4,23)

und die Integration über die Wandschubspannung 1'0 den Reibungs-


widerstand:
(4,24)

Dabei ist dF ein Oberflächenelement des zylindrischen Körpers und


rp der Winkel zwischen der Flächennormalen und der Anströmungs-
richtung. Die Integration ist über die ganze Körperoberfläche zu er-
strecken. Der Gesamtwiderstand ist die Summe von Druck- und Rei-
bungswiderstand:
(4,25)
Bei stumpfen Körperformen, z. B. Kreiszylinder und Kugel, ist der
Anteil des Druckwiderstandes wesentlich größer als der des Reibungs-
widerstandes, während bei einer in ihrer Längsrichtung angeströmten
ebenen Platte der gesamte Widerstand nur aus Reibungswiderstand
besteht.
Bei solchen Körperformen, für welche der Widerstand im wesent-
lichen durch die Druckunterschiede auf der Körperoberfläche zustande
kommt, ist bei großen REYNOLDsschen Zahlen der Widerstand in
guter Näherung proportional dem Quadrat der Anströmungsgeschwin-
digkeit WOO ' Man pflegt deshalb für den Widerstand einen dimensions-
losen Beiwert Cw einzuführen durch die Gleichung

W = Cw F ~ w~ = Cw F q. (4,26)

Dabei bedeutet F eine geeignete Bezugsfläche des umströmten Kör-


pers, z. B. seine Stirn fläche senkrecht zur Anströmungsrichtung, und
ew't,/2 = q den Staudruck.
Nach den Gesetzen der mechanischen Ähnlichkeit von Strömungen
kann man erwarten, daß für geometrisch ähnliche Körperformen in
verschiedenen strömenden Medien der Widerstandsbeiwert Cw den
gleichen Wert hat, wenn die Kennzahlen, also z. B. die MAcHsehe Zahl
und die REYNoLDssche Zahl, gleich sind. Bei geometrisch ähnlichen
Körpern, welche die gleiche Orientierung zur Anströmungsrichtung be-
sitzen, kann der dimensionslose Widerstands beiwert nur von der MACH-
sehen Zahl und von der REYNoLDsschen Zahl abhängig sein:
Cw = f(Ma, Re) (kompressibel).
Für die inkompressible Strömung ist eine Abhängigkeit nur von der
REYNoLDsschen Zahl vorhanden:
Cw = f(Re) (inkompressibel) . (4,27)
4.2 Grundzüge der Grenzschicht-Theorie 235
Als Beispiel zum REYNoLDsschen Ähnlichkeitsgesetz nach GI. (4,27)
zeigt Abb. 4.9 den Widerstandsbeiwert von Kugeln in einem sehr großen
Bereich von REYNoLDsschen Zahlen. Das REYNoLDssche Ähnlichkeits-
gesetz wird in diesem Fall durch die Versuchsergebnisse in vorzüglicher
Weise bestätigt. Die Widerstandsbeiwerte von Kugeln von stark ver-
schiedenem Durchmesser ordnen sich sehr gut auf einer Kurve an,
wenn man den Widerstandsbeiwert in Abhänigigkeit von der REYNOLDS.
Zahl aufträgt. Diese Messungen zeigen, daß das quadratische Wider-
standsgesetz nach GI. (4,26) mit konstantem, d. h. von Re unabhängigem
cw·Wert, nur für REYNoLDs-Zahlen zwischen 103 und 105 einigermaßen
gut erfüllt ist. Bei sehr kleinen REYNoLDsschen Zahlen (schleichende Be-
0

0 ~
II
0
1
II
Messungen:
0
0 o Schiller-Schmiede!.
f.l.. D=I···fjmm
0 • Liebsfer
~~ 2
o Allen
• 1921)!Vi.lese/sberger
f:> 1936

, I .fW'. ~ D=8···IOOmm
2
ltI
I
0, 6
aif
0, 2 111
QI
~
0,0 10 -1 2 " 6 1 • "6 10 2 "6 10· 2 "6 10' 2 9 6 10' a v 6 10 5 2 " 6 10'
Re = ro~ D _ Re K,;,
v
Abb. 4.9. Widerstandsbeiwert C w~ W
I"
/4:
D' q von Kugeln in Abhängigkeit von der REYNOLDS-
schen Zahl

wegung) gilt das quadratische Widerstandsgesetz nicht. Bei REYNOLDS.


Zahlen zwischen Re = 2 . 105 und 4. 105 tritt ein plötzlicher starker
Abfall des Widerstandsbeiwertes ein, der in der starken Änderung der
Druckverteilung (Abb. 4.7) bereits zum Ausdruck kommt. Diese auf-
fällige Änderung der Strömung hängt mit dem Umschlag laminar-tur-
bulent in der wandnahen Schicht (Grenzschicht) zusammen, auf die
wir im nächsten Abschnitt noch zurückkommen werden (vgI. auch
Kap. 4.10).

4.2 Grundzüge der Grenzschicht-Theorie


4.21 Begriff der Grenzschicht
Während bei der Durchströmung eines Kanals oder Rohres der
Einfluß der Reibung sich auf der ganzen Breite des durchströmten
Querschnittes auswirkt, wie wir in Kap. 4.14 gesehen haben, beschränkt
236 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht.Theorie)

er sich bei der Umströmung eines Körpers in vielen Fällen, insbesondere


bei schlanken Körperformen, auf eine sehr dünne Schicht in unmittel-
barer Nähe der festen Wände. Während nach Abb. 2.17 die reibungs-
lose Flüssigkeit an der Wand gleitet, wird in der wirklichen Flüssigkeit
durch das Haften an der Wand eine dünne Schicht des strömenden
Mediums durch die Zähigkeitskräfte abgebremst. Man bezeichnet diese
Schicht nach L. PRANDTL [17] als Grenzschicht oder Reibungsschicht.
In Abb. 4.10 ist für die Strömung längs einer Platte die Geschwindig-
keitsverteilung in dieser Grenzschicht schematisch dargestellt, wobei
jedoch die Abmessungen in der Querrichtung stark überhöht sind.
Mit wachsendem Abstand von der Plattenvorderkante nimmt die
Dicke <5 der durch die Reibung abgebremsten Schicht zu. Diese Rei-
bungsschicht oder Grenzschicht ist um so dünner, je kleiner der
Zähigkeitsbeiwert ist. Andererseits hat aber, auch bei i3ehr kleiner

x
Abb. 4.10. Grenzschicht an einer längsangeströmten ebenen Platte (schematisch)

Zähigkeit (große REYNoLDs-Zahl), wegen des großen Geschwindigkeits-


gradienten quer zur Wand die Reibungsschubspannung T = /lou/oy in
der Grenzschicht beträchtliche Werte, während sie außerhalb der Grenz-
schicht sehr klein ist. Dies führt dazu, bei den Strömungen mit kleiner
Zähigkeit (große REYNoLDssche Zahl) für theoretische Betrachtungen
das ganze Strömungsfeld in zwei Bereiche aufzuteilen: das Ge biet der
dünnen Reibungsschicht in Wandnähe, in welcher die Reibungskräfte
zu berücksichtigen sind, und das Gebiet außerhalb der Reibungsschicht,
wo die Reibungskräfte wegen ihrer Kleinheit vernachlässigt werden
können, und wo demnach in guter Näherung mit dyr idealen Flüssig-
keit gerechnet werden kann. Dieses Aufteilen des Strömungsfeldes
bringt für die theoretische Behandlung der Strömungen mit geringer
Zähigkeit (große REYNoLDssche Zahl) eine erhebliche Vereinfachung.

4.22 Ablösung der Grenzschicht


Das verzögerte Grenzschichtmaterial bleibt nicht in allen Fällen
als dünne Schicht längs der ganzen be strömten Wand am Körper an-
liegend. Es kann vorkommen, daß sich die Grenzschicht stromabwärts
stark verdickt, und daß in der Grenzschicht Rückwärtsströmung auf-
4.2 Grundzüge der Grenzschicht-Theorie 237

tritt. Dabei wird· dann das verzögerte Grenzschichtmaterial in die


Außenströmung und dadurch diese vom Körper abgedrängt. Man be-
zeichnet diese Erscheinung als Ablösung der Grenzschicht. Sie tritt
in erster Linie bei stumpfen Körpern wie Kreiszylinder und Kugel auf,
aber auch in einem divergenten Kanal (Diffusor), wenn der Erweite-
rungswinkel ziemlich groß ist. Diese Erscheinung ist immer mit starker
Wirbel bildung und großen Energieverlusten verbunden. Auf der Rück-
seite der stumpfen Körper und auch im Diffusor bildet sich dabei ein
Gebiet mit stark abgebremster Flüssigkeit (sog. "Totwasser") aus.
Dieses zeigt die Strömungsaufnahme in Abb. 4.11 für den Kreiszylinder.

Abb. 4.11. Abgelöste Strömung hinter einem Kreiszylinder nach PRANDTL-TIETJENS

Auf der Rückseite des Körpers ist in diesem Fall die Druckverteilung
gegenüber der reibungslosen Strömung stark geändert, wie z. B. aus
Abb.4.7 für die Kugel hervorgeht. Die gegenüber der reibungslosen
Strömung veränderte Druckverteilung und damit letzten Endes die
Ablösung der Strömung sind die Ursache für den großen Widerstand
solcher Körper.
Um die wichtige Erscheinung der Grenzschichtablösung und Wirbel-
bildung näher zu erläutern, betrachten wir die Strömung um einen
stumpfen Körper, z. B. um einen Kreiszylinder nach Abb.4.12. Bei
reibungsloser Strömung ist auf der vorderen Hälfte von D nach E Druck-
abfall und damit beschleunigte Strömung und auf der hinteren Hälfte
von E nach F Druckanstieg und somit verzögerte Strömung vorhanden.
Für ein Flüssigkeitsteilchen in der Außenströmung findet auf dem
Wege von D nach E eine Umsetzung von Druck in kinetische Energie
238 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

statt und auf dem Wege von E nach F eine Umsetzung von kinetischer
Energie in Druckenergie. Ein Flüssigkeitsteilchen, das in der Grenz-
schicht strömt, befindet sich unter der Wirkung des gleichen Druck-
feIdes wie in der Außenströmung, da dieses der Grenzschicht aufgeprägt
wird. Durch die Abbremsung in der Reibungsschicht hat ein solches
Grenzschichtteilchen auf dem Wege von D nach E so viel an kinetischer
Energie eingebüßt, daß diese nicht ausreicht, um den "Druckberg"
von E nach F hinaufzukommen. Ein solches Teilchen vermag in dem Ge-
biet ansteigenden Druckes zwischen
E und F nicht weit vorzudringen.
Es kommt dort zum Stillstand und
wird durch die Druckverteilung
der äußeren Strömung nach rück-
wärts in Bewegung gesetzt. Diese
Rückströmung ist der Beginn der
Ablösung.
Aus dieser Betrachtung folgt die
allgemeine Regel, daß Ablösung
niemals im Bereich des Drucka bfalles
(beschleunigte Strömung) auftreten
Abb. 4.12. Ablösung der Grenzschicht und kann, sondern nur im Bercich des
Wirbelbildung am Kreiszylinder (schema- S
tisch); A = Ablösungspunkt Druckanstieges (verzögerte trö-
mung). Für eine Reibungsschicht,
die ein Gebiet mit Druckanstieg durchströmt, besteht also grundsätz-
lich Ablösungsgejahr.
Ob im Druckanstieggebiet tatsächlich Ablösung eintritt, hängt von
den näheren Einzelheiten der betreffenden Strömung ab. Wichtig
hierfür ist vor allem die Größe des Druckanstieges und der Strömungs-
zustand in der Grenzschicht (laminar oder turbulent). Ein steiler
Druckanstieg, wie er auf der Rückseite eines stumpfen Körpers vorliegt,
führt eher zur Ablösung. als ein sanfter Druckanstieg auf der Rückseite
eines schlanken Körpers, da im letzteren Fall die mitschleppende Wir-
kung der äußeren Schichten u. U. noch gerade ausreicht, um Rück-
strömung in der Reibungsschicht zu vermeiden. Ferner "verträgt"
eine turbulente Grenzschicht einen größeren Druckanstieg als eine
laminare. Hieraus folgt, daß man zur Vermeidung der Ablösung und
zur Erzielung geringen Widerstandes die Rückseite des umströmten
Körpers schlank ausführen muß. Eine stumpfe Form auf der Vorder-
seite hat dabei auf den Widerstand keinen wesentlichen Einfluß. Diese
strömungsmäßig günstige Form ist verwirklicht bei den sog. "Strom-
linienkörpern" und auch bei allen Tragflügelprofilen.
Auch bei der Auftriebserzeugung eines Tragflügels spielt die Ab-
lösung eine wichtige Rolle. Bei kleinen Anstellwinkeln (bis etwa lOO)
4.2 Grundzüge der Grenzschicht·Theorie 239
verläuft die Strömung auf Ober· und Unterseite ohne Ablösung, so
daß man mit guter Näherung die reibungslose Strömung erhält ("ge-
sunde" Strömung, Abb. 4.13a). Bei größeren Anstellwinkeln entsteht
auf der Saugseite des Profils Ablösungsgefahr, da dort der Druckanstieg

b
Abb. 4.13. Strömuug um eiu Tragflügelprofi! nach PRANDTL. a) Bei "gesuuder" Strömung,
b) bei abgelöster Strömung

zu steil wird. Bei einem gewissen Anstellwinkel, der bei etwa 15° liegt,
tritt infolgedessen Ablösung ein (Abb.4.13b). Die Ablösungsstelle
liegt ziemlich nahe hinter der Flügelnase. Die abgelöste Strömung
weist ein großes Totwasser auf. Die reibungslose, auftriebserzeugende
240 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

Strömung ist durch die Ablösung zerstört worden, und der Widerstand
ist jetzt sehr groß. Der Beginn der Ablösung fällt etwa mit dem Erreichen
des Maximalauftriebes des Tragflügels zusammen.

4.23 Abschätzung der Grenzschichtdicke und des Reibungswiderstandes


bei laminarer Strömung

Grenzschichtdicke. Während außerhalb der Grenzschicht wegen


der kleinen Zähigkeit die Reibungskräfte gegenüber den Trägheits-
kräften vernachlässigt werden können, sind innerhalb der Grenzschicht
beide von gleicher Größenordnung. Die Trägheitskraft pro Volumen-
einheit ist nach Kap. 1.3 gleich eu &u/& x. Für einen Körper der Länge l
ist &u/& x proportional zu Ull, wenn U die Geschwindigkeit der Außen-
strömung bedeutet. Damit ist die Trägheitskraft von der Größen-
ordnung e U21l. Die Reibungskraft pro Volumeneinheit ist gleich &./& y,
und dies ist für die laminare Strömung mit. nach GI. (4,1) gleich
ft&2 U /&y2. Der Geschwindigkeitsgradient quer zur Wand &u/&y ist
von der Größenordnung Ult5, so daß man für die Reibungskraft pro
Volumeneinheit hat &./&y --- ft Ult5 2. Aus dem Gleichsetzen von Träg-
heits- und Reibungskraft ergibt sich somit die Beziehung e U21l= ft Ult5 2
oder aufgelöst nach der Grenzschichtdicke :

(4,28)

Der in dieser Gleichung noch unbestimmt gebliebene Zahlen faktor


wird aus der exakten Lösung der Grenzschichtgleichungen in Kap. 4.4
für die längsangeströmte ebene Platte zu etwa 5 erhalten. Damit hat
man für die laminare Grenzschicht am Ende der längsangeströmten
ebenen Platte der Länge l:
(4,29)

Die auf die Plattenlänge l bezogene dimensionslose Grenzschichtdicke


wird somit
(4,30)

wobei Re = Ullv die auf die Plattenlänge bezogene REYNoLDssche


Zahl bedeutet. Nach GI. (4,28) ist die Grenzschichtdicke proportional
V;- ,
also für Flüssigkeiten mit geringer Zähigkeit sehr klein. Die relative
Grenzschichtdicke bll nimmt bei wachsender Re-Zahl mit I/V Re ab,
so daß im Grenzübergang zur reibungslosen Flüssigkeit, Re ---;. 00, die
Grenzschichtdicke verschwindet.
4.2 Grundzüge der Grenzschicht·Theorie 241

Reibungswiderstand. Hiermit läßt sich nun auch leicht der Rei-


bungswiderstand der Platte bei laminarer Strömung abschätzen:
Nach dem NEwToNschen Reibungsgesetz GI. (4,1) ist die Wandschub-
spannung.o =f.l(aulay)o, wobei der Index 0 den'Wert an der Wand
bedeutet. Mit der Abschätzung (aulay)o '" Ulb erhält man.o '" f.l Ulb,
und wenn man den Wert von b nach GI. (4,28) einsetzt:

·0 ~ f.l U V----,;r
e U Ve =
fl U3
--1- . (4,31)

Der gesamte Reibungswiderstand WR der Platte ist proportinal zu b l.o,


wobei b die Plattenbreite bedeutet. Dies ergibt mit GI. (4,31):
WR~b-V(]f.llU3. (4,32)
Der laminare Reibungswiderstand ist also proportional zu U 3 / 2 und Zl/2.
Die Proportionalität mit ll/2 wird verständlich, wenn man bedenkt, daß
die hintere Plattenhälfte wegen der dort größeren Grenzschichtdicke
einen geringeren Widerstand hat als die vordere Plattenhälfte. Bildet
man schließlich noch den dimensionslosen Widerstandsbeiwert nach
GI. (4,26), der jedoch mit CI bezeichnet sei, wobei für die Bezugsfläche F
die benetzte Oberfläche b l gesetzt wird, so erhält man aus GI. (4,32):

Cf ' " Ve fl
U1 = VRe
1
.

Der fehlende Zahlenfaktor ergibt sich aus der exakten Lösung nach
Kap. 4.44 zu 1,328, so daß man für das Widerstandsgesetz der längs-
angeströmten Platte bei laminarer Strömung hat:
1,328
Cf = VRe . (4,33)

Ebenso wie bei der Kugel nach Abb. 4.9 ist auch für die Platte der
Widerstandsbeiwert nur eine Funktion der REYNoLDsschen Zahl.
Ein Zahlenbeispiel möge diese Abschätzung noch veranschaulichen. Die hier
angenommene laminare Strömung erhält man nach den Beobachtungen bis zu
einer REYNoLDsschen Zahl Re = Ul/v von etwa 5· 10' bis 10 6 • Für größere
REYNoLDssche Zahlen wird die Plattengrenzschicht turbulent. Wir berechnen
die Grenzschichtdicke für eine Strömung von Luft (v = 15· 10- 6 m 2/s) am Ende
einer Platte der Länge 1 = 1 m bei einer Geschwindigkeit von U = 15 m/s.
Dies ergibt Re = Ul/v = 106 und somit nach GI. (4,30) b/l = 5.10- 3 und
b = 5 mm. Der Widerstandsbeiwert ist nach GI. (4,33) CI = 0,0013, also sehr
klein, wenn man ihn mit demjenigen einer Kugel nach Abb. 4.9 vergleicht.

4.24 Turbulente Strömung in der Grenzschicht


In ähnlicher Weise wie die Rohrströmung wird auch die Grenz-
schichtströmung längs einer Wand turbulent, wenn die Grenzschicht-
dicke oder die Außengeschwindigkeit genügend groß ist. Bei der Grenz-
Schlichting/Truckenbrodt, Aerodynamik I 16
242 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

schicht an der Platte hat man in der Nähe der Nase zunächst laminare
und weiter stromabwärts turbulente Strömung. Die Lage der Umschlag-
steIle X u ist dabei nach den Beobachtungen gegeben durch die mit der
Lauflänge x gebildete kritische REYNoLDssche Zahl
(Platte). (4,34)

Abb. 4.14. Strömung um eine Kugel nach WIESELSBERGER [J9]


a) im unterkritischen Re-Zahlbereich, b) im überkritischen Re-Zahlbereich. Durch Auflegen
eines dünnen Drahtreifens ("Stolperdraht") ist die überkritische Strömungsform erhalten worden

Der Zahlenwert dieser kritischen REYNoLDsschen Zahl hängt stark


ab vom Turbulenzgrad der Außenströmung (vgl. Kap. 4.62 und 4.10.3).
Je geringer der Turbulenzgrad ist, desto größer ist der Zahlenwert der
kritischen REYNOLDsschen Zahl.
Eine besonders auffällige Erscheinung, die mit dem Umschlag
laminar-turbulent in der Grenzschicht zusammenhängt, tritt bei
4.3 Die Bewegungsgleichungen der zähen Flüssigkeit 243

stumpfen Körpern, z. B. Kreiszylinder und Kugel, auf. Aus Abb. 4.9


ist ersichtlich, daß bei der Kugel bei einer REYN'oLDsschen Zahl von
etwa 3 . 105 ein plötzlicher starker Abfall des Widerstands beiwertes
vorhanden ist. Dieser wurde für die Kugel zuerst von G. EIFFEL [18]
festgestellt. Dieser starke Widerstandsabfall ist auf ein Turbulent-
werden der Grenzschicht zurückzuführen. Bei laminarer Grenzschicht
liegt die Ablösungsstelle etwa am Äquator der Kugel (Abb.4.14a).
Durch das Turbulentwerden der Grenzschicht wird bewirkt, daß sich
die Ablösungsstelle weiter nach hinten verlagert (Abb. 4.14b), da die
turbulente Grenzschicht den Druckanstieg auf der Rückseite besser
verträgt, und infolgedessen die Ablösung erst weiter hinten einsetzt.
Infolge der Verlagerung der Ablösungsstelle wird das Totwassergebiet
wesentlich schmaler, und die Druckverteilung nähert sich mehr der-
jenigen der reibungslosen Strömung (Abb.4.7). Es ist also mit dem
Turbulentwerden der Grenzschicht eine beträchtliche Verminderung
des Druckwiderstandes verbunden, die als Sprung in der Widerstands-
kurve Cw = f(Re) in Erscheinung tritt, Abb. 4.9. Daß diese Erklärung
tatsächlich zutrifft, konnte L. PRANDTL [20] durch Auflegen eines dün-
nen Drahtreifens ("Stolperdraht") etwas vor dem Äquator der Kugel
beweisen. Dadurch wird die laminare Grenzschicht künstlich turbulent
gemacht, was sonst erst durch Erhöhung der Re-Zahl eintritt. Die
Strömungs aufnahmen mit Rauch in Abb.4.14a und b zeigen den
unterkritischen Strömungszustand mit großem Totwasser und großem
Widerstand und den überkritischen Zustand mit kleinem Totwasser
und kleinem Widerstand.
Das Turbulentmachen der Grenzschicht durch den Stolperdraht ist
eine der Möglichkeiten der Grenz8chichtbeeinflu88ung, durch die der Ver-
lauf der Strömung in einem gewünschten Sinne "gesteuert" werden
kann. Andere Maßnahmen, die zum Teil eine erhebliche praktische
Bedeutung erlangt haben, sind die Absaugung der Gren~schicht, das
Mitbewegen der Wand und das Laminarhalten der Grenzschicht. Hierauf
werden wir in Kap. 4.5 noch näher eingehen.

4.3 Die Be~egungsgleichungen der zähen Flüssigkeit


(Navier-Stokessche Gleichungen)
Nachdem wir in den vorigen Abschnitten uns eine erste Ubersicht über die
Bewegungsgesetze einer reibungsbehafteten Flüssigkeit verschafft haben, sollen
jetzt die allgemeinen Bewegungsgleichungen der zähen Flüssigkeit angegeben
werden, allerdings ohne diese vollständig herzuleiten; hierfür verweisen wir z. B.
auf [2].
Die in Kap. 2.3 hergeleiteten Bewegungsgleichungen der idealen Flüssigkeit
(EuLERsche Gleichungen) bringen das Kräftegleichgewicht zwischen den Träg-
heitskräften, Massenkräften und Druckkräften zum Ausdruck. Dabei sind die
Druckkräfte ein Sonderfall der am Volumenelement angreifenden Oberflächen-
16*
244 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

kräfte derart, daß nur Normalkräfte vorhanden sind. Für die Aufstellung der Be-
wegungsgleichungen der reibungsbehafteten inkompressiblen Flüssigkeit haben
wir zu den eben genannten Kräften noch die Reibungskräfte hinzuzunehmen.
Diese bilden ein Kräftesystem, welches außer Normalkräften (Drücke) auch
Tangentialkräfte (Schubspannungen) am Volumenelement liefert von der Art
wie sie im einfachsten Fall der reinen Scherströmung nach Abb. 1.4 durch den
NEwToNschen Reibungsansatz, GI. (4,1), dargestellt werden.
Bedeutet ~ = e 9 die Massenkraft pro Volumeneinheit (g = Vektor der Erd-
beschleunigung) und \l5 die Oberflächenkraft pro Volumeneinheit, so lautet die
Bewegungsgleichung in Vektorschreibweise, vgI. GI. (2,41):
Dm
I} Dt =~+\15. (4,35)

Danei ist in rechtwinkligen Koordinaten:


der Geschwindigkeitsvektor : m= i u + iv + f w. (4,36)
die Massenkraft : ~ =iX + i Y + f Z, (4,37)
die Oberflächenkraft: \l5 = i Px +iP +fP
y z• (4,38)

~-II-dx

l'x+ ~Ex dx

1 - - - - dx---I
Abb. 4.15. Zum allgemeinen Spannungstensor der strömenden zähen Flüssigkeit

Die Gesamtheit der Oberflächenkräfte, welche nach Abb. 4.15 an einem Volumen-
element d V = d x d y dz angreift, läßt sich darstellen durch einen Spannungstensor
mit den Komponenten lJx. lJy, lJz· Die resultierende Oberflächenkraft pro Volu-
meneinheit ist somit:
(4,39)

Die Spannungsvektoren lJx. lJy, lJz haben die Komponenten:

lJx = ~ I1 x + i ~Xy + hxz ,


lJy = lTyx + Jl1y + fT yz •
I (4,40)
lJz = i T zx + i T zy + f 11 z •
wobei 11 die Normalspannungen (positiv Zug, negativ Druck) und T die Schub-
spannungen bedeuten. Zwischen den letzteren bestehen nach den Gesetzen
der Elastizitätstheorie die Symmetriebeziehungen T x y = T Y x' T X Z = Tz x'
Tyz = Tzy·
4.3 Die Bewegungsgleichungen der zähen Flüssigkeit 245
Führt man die aus GI. (4,39) und (4,40) sich ergebenden Werte für die Kom-
ponenten der resultierenden Oberflächenkraft P x' P v' P z in die Bewegungs-
gleichung (4,35) ein, so lautet diese nach Zerlegung in Komponenten:

Du =x (aGx + a· xu + a.u ) 1
Dt + ax ay az'
I
(!

Dv = y + (a.xv + aG v + a. y .), (4,41)


(! Dt ax ay az (
Dw = Z + (a. x• + a. + aGx). J
y •
(! Dt ax ay az
Für die reibungslose Flüssigkeit sind alle Tangentialspannungen gleich Null;
es bleiben dann nur die Normalspannungen übrig, welche. überdies unter sich
gleich sind und deren negativen Wert man als den Flüssigkeitsdruck bezeichnet:
.xv = .xx = .v. = 0; Gx = Gy = Gx = -po (4,42)
In diesem Fall gehen die GIn. (4,41) in die EULERschen Bewegungsgleichungen
der reibungslosen Flüssigkeit über, wie sie in GI. (2,42) angegeben wurden.
Um nun aus GI. (4,41) die Bewegungsgleichungen der zähen Flüssigkeit zu
erhalten, muß noch der Zusammenhang zwischen den Spannungsgrößen und den
Geschwindigkeitskomponenten angegeben werden. Dieser Zusammenhang ist
rein empirischer Natur. Er wird gegeben durch das Stokessche Reibungsgesetz,
welches eine Verallgemeinerung des NEwToNschen Reibungsgesetzes nach GI. (4,1)
darstellt. Es lautet für eine inkompressible zähe Flüssigkeit folgendermaßen:
au
G =-p+2p,-;
x
ax
av
Gy= -p+2p,ay; (4,43)
aw
x= -p+2p,~; aw + ~
(8x au) .
G ·xx = p,

Für die einfache Scherströmung nach Abb. 1.3 mit u = u(y), v = 0, w= 0

GI. (4,1) mit 'xv =.


geht das STOKES sehe Reibungsgesetz in das NEwToNsche Reibungsgesetz nach
über.
Führt man das SToKEssche Reibungsgesetz nach GI. (4,43) und die Kon-
tinuitätsgleichung (2,14) in GI. (4,41) ein, und schreibt man noch die Beschleuni-
gungsglieder der linken Seiten nach GI. (2,43) vollständig aus, so erhält man
unter Hinzufügung der Kcntinuitätsgleichung das folgende Gleichungssystem:

au au
(-+u-+v-+u'- au au) =x--+p,
ap (a--+-+--
2u a2 u a2 u)
(!
at ax ay az ax ax 2 ay2 aZ2 '
( av ov av av) ap (a 2v a2v a v)
(J at- + u ax + Vay + w Tz = y - ay + fh ax 2 + 8y2 + Tz2 '
2

(4,44)
(aw aw aw aw) _ z _ ~ (a2W. a2 w a2w)
(J at +uax+vay+waz - az+ fh 8x2+8y2+az2 ,
~+~-+~-o
ax 8y 8z - .
Dies sind die NAVIER-STOKEsschen Bewegungsgleichungen. Die drei Bewegungs-
gleichungen zusammen mit der Kontinuitätsgleichung stellen bei gegebenen
Massenkräften ein System von vier Gleichungen für u, v, w, p dar.
16a
246 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

Bandbedingungen. Für die zähe FlÜBsigkeit ist nach Abb. 2.17b Haften der
Flüssigkeit an den begrenzenden Wänden vorhanden, d. h. an den Wänden ver-
schwindet sowohl die Normal- als auch die Tangentialkomponente der Geschwin-
digkeit:
1tJ.. = 0, 1tJ, = 0 an den Wänden. (4,45)
Durch das Hinzutreten der Reibungskräfte ist die Ordnung der partiellen Diffe-
rentialgleichungen von eins auf zwei erhöht worden. Schon die EULERschen Be·
wegungsgleichungen waren für den allgemeinen Fall der dreidimensionalen Strö·
mung wegen der nichtlinearen Glieder mathematisch sehr schwierig. Von den
NAVlER-STOKEsschen Gleichungen gilt dies in verstärktem Maße, weil durch die
Reibungsglieder die Ordnung der Differentialgleichungen von eins auf zwei er-
höht worden ist. Aus diesem Grunde ist es bisher nicht gelungen, Lösungen der
NAVlER-STOKEsschen Gleichungen für den allgemeinen dreidimensionalen Fall
zu erhalten.
Für ebene 8tationäre Strömungen vereinfachen sich die NAVIER-SToKEsschen
Gleichungen in folgender Weise:

(4,46)

Dieses System von drei Gleichungen für u, v, p werden wir unseren weiteren Be-
trachtungen zugrunde legen. Auch für diese Gleichungen sind die mathematischen
Schwierigkeiten vor allem wegen der nichtlinearen Trägheitsglieder noch so groß,
daß allgemeine Lösungen, bei welchen die TräghElitskräfte mit den Reibungs-
kräften in Wechselwirkung treten, nur in sehr geringer Zahl bekannt sind. Die
in Kap. 4.14 angegebene HAGEN-POISEUILLEsche laminare Rohrströmung ist
eine solche exakte Lösung der NAVlER-STOKEsschen Gleichungen, bei welcher
allerdings die Trägheitskräfte identisch verschwindenI.
Wegen der großen mathematischen Schwierigkeiten, welche die NAVIER-
SToKEsschen Gleichungen darbieten, ist ein starkes Bedürfnis vorhanden, sie
durch Fortlassung numerisch kleiner Glieder zu vereinfachen, um dadurch die
Möglichkeit ihrer Lösung zu erleichtern. Solche Vereinfachungen sind möglich
für die beiden Grenzfälle sehr kleiner und sehr großer REYNoLDsscher Zahl.
Der erstere Fall (REYNOLDSSche Zahl sehr klein) bedeutet physikalisch, daß
die Trägheitsglieder sehr klein sind im Vergleich zu den Reibungsgliedern. Dieses
sind die 8chleichenden Bewegungen. Man kann in diesem Fall die TrägheitsgIieder in
den Bewegungsgleichungen ganz fortlassen. Die hierdurch erreichte mathemati-
sche Vereinfachung ist beträchtlich, da die verbleibenden Differentialgleichungen
linear sind. Zu den schleichenden Bewegungen gehören z. B. die Strömungs-
vorgänge im Schmierfilm zwischen Zapfen und Lager (hydrodynamische Schmie-
rungstheorie). Wir wollen auf diesen Fall nicht näher eingehen, da er für die
Aerodynamik des Flugzeuges ohne Bedeutung ist.
Der zweite Fall (REYNoLDssche Zahl sehr groß) bedeutet physikalisch, daß
die ReibungsgIieder klein sind gegenüber den TrägheitsgIiedern. Eine vollständige

1 Dies verüiziert man leicht, wenn man die NAVIER-SToKEsBchen Gleichungen


in Zylinderkoordinaten aufschreibt.
4.4 Die PRANDTLschen Grenzschichtgleichungen 247
Streichung der Reibungsglieder ist in diesem Fall jedoch nicht erlaubt, wenn
man nicht zur reibungslosen Strömung mit ihren vor allem für das Widerstands-
problem unzureichenden Ergebnissen zurückkommen will. Im Fall der sehr großen
REYNoLDsschen Zahl bedarf die Vereinfachung der NAVIER·STOKEsschen Glei-
chungen deshalb einer sorgfältigen Überlegung. Diese führt auf die Grenz8chicht-
theorie, die wir im vorigen Abschnitt bereits in empirischer Beschreibung kennen-
gelernt haben, und deren Grundgleichungen nunmehr im folgenden Abschnitt
hergeleitet werden sollen. Wir wollen diesen Fall etwas eingehender behandeln,
da er für die Aerodynamik des Flugzeuges von großer Bedeutung ist.

4.4 Die Prandtlschen Grenzschichtgleichungen


4.41 Aufstellung der Grenzschichtgleichungen
Die Vereinfachungen, die sich im Fall sehr kleiner Zähigkeitskräfte
(sehr große REYNoLDssche Zahl) in den NAVIER-SToKEsschen Gleichun-
gen ergeben, sollen auf einem physikalisch anschaulichen Wege her-
geleitet werden. Wir betrachten
die ebene Strömung einer Flüssig-
keit mit sehr geringer Zähigkeit
um einen zylindrischen Körper
von schlanker Form nach Abbil- Uoo
dung 4.16. Die Geschwindigkeit
ist bis nahe an die Körperober-
fläche von der Größenordnung
der Anströmungsgeschwindig-
keit U00. An der Körpero berfläche Abb. 4.16. Grenzschichtströmung längs
einer Wand
ist jedoch wegen der Haftbedin-
gung die Geschwindigkeit gleich Null. Wir machen die Annahme, daß sich
der Übergang von der Geschwindigkeit Null an der Wand auf die volle
Geschwindigkeit, wie sie in einiger Entfernung von der Wand vor-
handen ist, in einer sehr dünnen Schicht, der sog. Grenzschicht oder
Reibungsschicht, vollzieht. Wir unterscheiden demnach zwei Gebiete:
a) Die Grenzschicht, in welcher der Geschwindigkeitsgradient normal
zur Wand ()ul() y sehr groß ist. Hier kommt eine kleine Zähigkeit ft
doch wesentlich zur Geltung, insofern als die Reibungsschubspannung
T = ft () ul() y beträchtliche Werte annehmen kann. Hier sind die Rei-
bungs- und Trägheitskräfte von gleicher Größenordnung.
b) Die Außenströmung, d. i. das Gebiet außerhalb der Grenzschicht.
Hier sind keine so großen Geschwindigkeitsgradienten vorhanden, so
daß die Wirkung der Zähigkeit hier bedeutungslos wird. Hier herrscht
näherungsweise die reibungslose Potentialströmung.
Wir machen ferner die Annahme, daß die Grenzschichtdicke () sehr
klein ist im Vergleich zu einer charakteristischen Länge L des umström-
ten Körpers: () ~ L.
16a*
248 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

Ferner sei die mit L und U 00 gebildete REYNoLDssche Zahl


Re = UooLe = UooL
ß v
sehr groß.
Schätzt man mit diesen Voraussetzungen die einzelnen Glieder der
NAVIER-SToKEsschen Gleichungen (4,46) ab, so ergibt sich zunächst,
daß in der Grenzschicht die Trägheits- und Reibungskräfte nur dann
von der gleichen Größenordnung sind, wenn die Grenzschichtdicke
~,...,_l_
VRe
ist, wie es in GI. (4,30) bereits angegeben wurde. Behält man in den
NAVIER-SToKEsschen Gleichungen nur die größten Glieder bei, so er-
geben sich die folgenden vereinfachten Gleichungen, die man als die
Prandtlschen Grenzschichtgleichungen bezeichnet:

(4,47a)

(4,47b)

Dabei ergibt die Bewegungsgleichung in y-Richtung GI. (4,46) einfach


op/oy = 0 und somit für den Druck die Aussage p(x, y) = p(x). Für
die Grenzschicht ist also das Druckgefälle längs der Wand als bekannt
anzusehen. Es wird aus der Potentialströmung mittels der BERNOULLI-
schen Gleichung p +~ U2 = const zu:

--edX-
1 Udp _
dX
dU (448)
'
bestimmt.
Die Randbedingungen sind
y = 0: u = 0, v == 0; y = ~(x): u = U(x). (4,49)
Die durch diese Überlegungen erreichte mathematische Verein-
fachung ist beträchtlich: Für das ebene Problem ist von den ursprüng-
lich drei Gleichungen für u, v, p eine ganz in Fortfall gekommen, näm-
lich die Bewegungsgleichung senkrecht zur Wand. Dementsprechend ist
die Anzahl der Unbekannten um eine verringert worden. Die Grenz-
schichtgleichungen sind ein System von zwei Gleichungen für u und v.
Der Druck ist nicht mehr als eine unbekannte Funktion zu betrachten,
sondern kann mittels der BERNOULLlschen Gleichung aus der als be-
kannt anzusehenden Potentialströmung für den betreffenden Körper
ermittelt werden. Der Druck wird der Grenzschicht von der Außen-
strömung her aufgeprägt. Ferner ist in der ersten Bewegungsgleichung
eines der beiden Reibungsglieder in Fortfall gekommen.
4.4 Die PRANDTLschen Grenzschichtgleichungen 249

4.42 Einige physikalische Eigenschaften der Grenzschicht


Aus den Grenzschichtgleichungen GI. (4,47a) bis (4,49) lassen sich,
ohne auf ihre Integration einzugehen, einige wichtige Folgerungen
ziehen. Eine wichtige Frage ist zunächst, unter welchen Bedingungen
Ablösung der Strömung von der Wand eintritt. Die qualitativen Betrach-
tungen in Kap. 4.22 hatten ergeben, daß Ablösungsgefahr nur im Gebiet
des Druckanstieges (ver-
zögerte Strömung) besteht, a.
daß dagegen im Bereich des
Druckabfalles (beschleu-
nigte Strömung) keine Ab-
lösung zu erwarten ist. Die-
ses läßt sich nun ebenfalls
auf Grund der Grenzschicht-
differentialgleichungen ein-
sehen. In der Umgebung
einer Ablösungsstelle hat
die Strömung in der Grenz-
schicht einen Verlauf, wie
er durch Abb. 4.17 ver- c
anschaulicht wird. Hinter
der Ablösungsstelle A (Ab-
bildung 4.17 b) herrscht in
Wandnähe Rückströmung,
(JJu..) >0' au..) = 0 • (ßu..) <0
wodurch in der Umgebung IOylo ' ( 8glo ' 'Oylo
der Ablösungsstelle die
Abb. 4.17. Ablösung der Grenzschicht. a) Umströmung
Strömung sowohl in der eines Körpers mit Ablösnng (A = Ablösungspunkt),
b) Verlauf der Stromlinien in der Nähe des Ablösungs-
Grenzschicht als auch punktes, c) Geschwindigkeitsverteilung in der Nähe des
Ablösungspunktes (W = Wendepunkt)
außerhalb nach außen ab-
gedrängt wird. Als Ab-
lösungsstelle definieren wir die Grenze zwischen Vor- und Rückwärts-
strömung der wandnächsten Schicht, vg1. Abb. 4.17 c, also
Ablösungsstelle : (~~) = o. (4,50)
uy Wand
Das Geschwindigkeitsprofil u (y) an der Ablösungsstelle besitzt offen bar
im Innern der Grenzschicht einen Wendepunkt (W), also eine Stelle,
wo 8zu/8 yZ = 0 ist.
Daß bei stationärer Strömung Ablösung der Grenzschicht nur in verzögerter
Strömung (dp/d x > 0) eintreten kann, läßt sich leicht ansehen, wenn man den
Zusammenhang zwischen dem Druckgradienten dp/dx und der Geschwindig-
keitsverteilung u (y) betrachtet. Aus GI. (4,47 a) folgt wegen der Randbedingungen
u = v = 0 für y = 0 sofort:
( iJ2U) dp
(4,51)
fl iJ y 2 y~O = d;"
250 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

In nächster Wandnähe wird also die Krümmung des Geschwindigkeitsprofils


lediglich durch das Druckgefälle bestimmt; sie wechselt ihr Vorzeichen mit dem
Vorzeichen des Druckgradienten. Nun ist am äußeren Rand der Grenzschicht, wo
diese in die Potentialströmung übergeht, offenbar in jedem Fall das Geschwindig-
keitsprofil konvex gekrümmt, also 82 uj8 y2 < o. Für die beschleunigte Strömung
(dpjd x < 0) ist nun nach GI. (4,51) (8 2 uj8 y2)wand < 0 und infolgedessen auch über
die ganze Grenzschichtbreite 82 ujd y2 < O. Ein Wendepunkt im Geschwindigkeits-
profil ist also in diesem Fall nicht möglich und infolgedessen auch kein "Ab-
lösungsprofil" , da dieses ja im Innern einen Wendepunkt haben muß. Andererseits
ist für die verzögerte Strömung (8 2ujd y2)wand > O. Da aber am äußeren Rand der
Grenzschicht 8 2 uj8 y2 < 0 ist, liegt in diesem Fall im Innern der Grenzschicht
eine Stelle mit verschwindender Krümmung des Geschwindigkeitsprofils, also ein
Wendepunkt vor. Hieraus folgt also, daß bei verzögerter Potentialßtrömung
das Grenzschichtprofil immer einen Wendepunkt besitzt, dagegen bei be-

Umsfrömfer Körper Durchsfrömter Körper

konvergent divergent
Oruckobfo/I Oruckonstieg

a b
Abb. 4.18. Geschwindigkeitsverteilung in der Grenzschicht. a) an einem umströmten Körper
b) in einem konvergenten und divergenten Kanal (W = Wendepunkt) •

schleunigter Strömung immer wendepunktfrei ist. Da nun das Ablösungsprofil mit


verschwindender Wandtangente einen Wendepunkt hat, ist damit gezeigt, daß
Ablösung nur in verzögerter Strömung auftreten kann.
Die Frage, ob in einem speziellen Fall im Gebiet der verzögerten Strömung
tatsächlich Ablösung auftritt und wo gegebenenfalls die Ablösungsstelle liegt,
kann nur durch Integration der Grenzschichtgleichungen beantwortet werden.
Die soeben getroffene Feststellung über das Auftreten eines Wende-
punktes nach Abb. 4.18a bedeutet, daß bei der Umströmung eines
Körpers auf dem vorderen Teil vor dem Druckminimum die Grenz-
schichtprofile wendepunktfrei sind und hinter dem Druckminimum
einen Wendepunkt besitzen. Das Vorhandensein eines Wendepunktes
im laminaren Grenzschichtprofil ist auch bedeutungsvoll für den
Umschlag laminar-turbulent, da laminare Geschwindigkeitsprofile mit
Wendepunkt eine wesentlich größere Neigung haben, turbulent zu
4.4 Die PRANDTLschen Grenzschichtgleichungen 251

werden als die wendepunktfreien Geschwindigkeitsprofile. Dies kommt


darauf hinaus, daß bei einem umströmten Körper die Lage des Druck-
minimums maßgeblich ist für die Lage der Umschlagstelle laminar-
turbulent, und zwar so, daß bei REYNoLDs-Zahlen zwischen Re '= 106
und 108 die Umschlagstelle laminar-turbulent immer nahe hinter
dem Druckminimum liegt. Hierüber wird in Kap. 4.10 noch Näheres
berichtet werden.
Da nun der Reibungswiderstand bei laminarer Grenzschicht, wie
noch gezeigt wird, wesentlich geringer ist als bei turbulenter, kann man
den Reibungswiderstand von Tragflügelprofilen dadurch wesentlich
herabsetzen, daß man die Umschlagstelle laminar-turbulent möglichst
weit nach hinten verschiebt. Dies wird ausgenutzt bei den sog.
Laminarprofilen, die zuerst von H. DOETscH [21] entwickelt und
die später sehr ausführlich untersucht worden sind. Nach den obigen
Ausführungen kommt es zur Erzielung langer laminarer Laufstrecken
der Grenzschicht darauf an, das Druckminimum möglichst weit zurück-
zuverlegen. Wir kommen hierauf in Kap. 4.5 zurück.
Auch in einer Kanalströmung bestimmt der Druckgradient maß-
geblich die Form der Geschwindigkeitsverteilung. Nach Abb. 4.18b hat
man im konvergenten Kanal mit Druckabfall ein wendepunktfreies
Geschwindigkeitsprofil, dagegen im divergenten Kanal mit Druck-
anstieg ein Geschwindigkeitsprofil mit Wendepunkt, welches bei zu
starkem Druckanstieg zur Ablösung führt.

4.43 Die Plattengrenzschicht bei laminarer Strömung


Der einfachste Fall einer Grenzschicht liegt bei der in ihrer Längs-
richtung angeströmten sehr dünnen ebenen Platte vor. Dieser Fall, der
von H. BLASIUS [22] in seiner Göttinger Dissertation 1907 als erstes
Beispiel zur PRANDTLschen Grenzschichttheorie behandelt wurde, möge
hier etwas näher erörtert werden. Die Platte sei unendlich lang; wir
wählen das Koordinatensystem nach Abb.4.10. Die Anströmungs-
geschwindigkeit sei U 00 parallel zur x-Achse. In diesem Fall ist die
Geschwindigkeit der Potentialströmung konstant, also dpjdx = O. Die
Grenzschichtgleichungen (4,47a) und (4,49) werden demnach:
iJu iJu iJ2 u
u--a;;+Vay=V iJ y 2' (4,52)

~+~=O, (4,53)
iJx iJy
y=O: u=O, v=O; y=r5(x): u=U oo ' (4,54)
Da das ganze System keine ausgezeichnete Länge besitzt, liegt es nahe,
anzunehmen, daß die Geschwindigkeitsprofile in verschiedenen Ab-
ständen von der Plattenvorderkante zueinander affin sind. Als Maß-
252 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

stabsfaktor für y wählen wir die Grenzschichtdicke t5 (x), die nach


GI. (4,28) proportional zu V'/i X IU00 ist. Wir bezeichnen den dimensions-
losen Wandabstand y/t5 mit 'YJ und setzen

r;=y V· Uoo
-.
vx
(4,55)

Durch Einführung der neuen Variablen 'YJ an Stelle von x und y gelingt
es im vorliegenden Fall, die beiden partiellen Differentialgleichungen
(4,52) und (4,53) auf eine gewöhnliche Differentialgleichung zurück-
zuführen.
Zunächst wird die Kontinuitätsgleichung durch Einführung einer
Stromfunktion "P (x, y) integriert, vgI. Kap. 2.34. Wir setzen
"P (x, y) = V'/i X U 00 f(r;), (4,56)
wo f('YJ) die dimensionslose Stromfunktion bedeutet. Für die Geschwin-
digkeitskomponenten erhält man sodann:
[hp ,
u=ay=Uoof (r;), (4,57)

v = - ~
8x
= ~V
2
v Uoo (r;/' -
x
f), (4,58)

wobei der Strich bei f die Differentiation nach r; bedeutet. Bildet man
hieraus die einzelnen Glieder von GI. (4,52), so erhält man nach ein-
facher Rechnung für f ('YJ) die gewöhnliche Differentialgleichung
f f" + 2/'" = 0 (4,59)
mit den Randbedingungen
r;=0: /=0, /,=0; r;=oo: /,=1. (4,60)
Die Lösung dieser nichtlinearen Differentialgleichung wurde zuerst von
H. BLASIUS angegeben und später von anderen Autoren verbessert [23].
In Abb. 4.19 ist die theoretische Geschwindigkeitsverteilung u/U00 = /'(r;)
mit Messungen von J. NIKURADSE [24] verglichen, die an einer mit
Luft beströmten ebenen Platte ausgeführt wurden. Die von der Theorie
vorausgesagte Affinität der Geschwindigkeitsprofile in verschiedenen
Abständen x von der Plattenvorderkante wird durch die Messungen gut
bestätigt. Auch stimmt die Form der gemessenen Geschwindigkeits-
profile ausgezeichnet mit der Theorie überein. Hiermit wird gleichzeitig
die Zulässigkeit der Grenzschichtvereinfachungen in vorzüglicher Weise
bestätigt.
Der Reibungswiderstand der längsangeströmten ebenen Platte läßt
sich aus der angegebenen Lösung leicht ermitteln: Der Widerstand
einer Plattenseite ist:

bI I( ~;t=odx,
I I

WR = To(x)dx = bfL (4,61 )


o 0
4.4 Die PRANDTLschen Grenzschichtgleichungen 253

wobei l die Länge und b die Breite der Platte bedeutet. Nach GI. (4,55)
und (4,57) ist der Geschwindigkeitsgradient an der Wand:

(.~)
oy y=o = U 00 V UOO
vx
I" (0) (4,62)

mit 1"(0) = 0,332. Damit ergibt sich aus GI. (4,61):

J~~ =0,664b-Vf-telU~
I

WR=I"(O)f-tbUooV~OO (4,63)
",=0

jA1"
i
-,+Ö-
JW""

0.8
Theorie B/asius
-" I

l\1 ff
JIp;n
I

Hessungen: Nikuradse I
6
V +Re- U,;;X = ~08"05 :

'I
j
11
0


" = 1,82 " I
" = 3,6'1 ..
V' " = 5,'16
I
0 " = 7,28 "

a2 I I I
I
j I I

o~ 3 5.
516'1
7
2 'I 6
1m;;;
T]=YVvx-
Abb. 4.19. Geschwindigkeitsverteilung in der laminaren Grenzschicht an der längsangeströmten
ebenen Platte. Theorie nach BLASIUS [22]. Messungen nach NIKURADSE [24]

Führt man den dimensionslosen Widerstandsbeiwert ein durch

(4,64)

wobei b l die benetzte Fläche bedeutet, so ergibt sich aus GI. (4,63):
1,328
cf = VRe ' (4,65)

wobei Re = Uooljv die mit der Plattenlänge und der Anströmungs-


geschwindigkeit gebildete REYNoLDssche Zahl bedeutet. Dieses Blasius-
sche Plattenwiderstandsgesetz, das in Abb. 4.41 als Kurve (1) eingetragen
ist, ist im Bereich der Laminarströmung, d. i. für Re < 5. 105 bis 106 ,
in vorzüglicher Übereinstimmung mit Messungen. Im Bereich der tur-
bulenten Strömung, Re> 106 , ist der Reibungswiderstand erheblich
größer als nach GI. (4,65). Die turbulente Plattengrenzschicht wird in
Kap. 4.7 behandelt werden.
254 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

Ein Maß für die Grenzschichtdicke läßt sich nicht ohne weiteres an-
geben, da die Geschwindigkeit u asymptotisch in die Potentialgeschwin-
digkeit U 00 übergeht. Will man etwa als Grenzschichtdicke b denjenigen
Wandabstand definieren, wo u = 0,99 U oo ist, so erhält man hierfür:

b(x) = 5,0 V vx
U oo ' (4,66)

Ein physikalisch sinnvolles Maß für die Grenzschichtdicke ist die


Verdrängungsdicke b*. Wir verstehen darunter diejenige Schichtdicke,
um welche die Potentialströmung infolge der Geschwindigkeitsabminde-
rung in der Grenzschicht nach außen abgedrängt wird. Die in folge der

J
00

Reibungswirkung weniger durchfließende Menge ist (U 00 - u)dy,


y~O

und somit gilt für b* nach Abb. 4.20 die Definitionsgleichung

J
00

Uoob*(x) = (U oo -u)dy. (4,67)


y~O

Für die Verdrängungsdicke ergibt sich hieraus:


y
u
b*(x) = 1,73 V~: . (4,68)

Konfro/lf/öche

I - - - - x ------<
/

Abb. 4.20. Zur Definition der Ver- Abb. 4.21. Zur Anwendung des Impulssatzes auf
drängungsdicke 6* der Grenzschicht die Grenzsohicht bei der längsangeströmten ebenen
nach GI. (4,67) Platte

Ein anderes wichtiges Maß für die Grenzschichtdicke ist die Impuls-
verlustdicke {}. Wir werden auf diese geführt, wenn wir das in Kap. 2.62
geschilderte Verfahren der Widerstandsermittlung aus der Messung des
Impulsverlustes im Nachlauf auf die längsangeströmte ebene Platte
übertragen. Die dort in GI. (2,219) für den Gesamtwiderstand eines
zylindrischen Körpers gefundene Formel setzt voraus, daß auf der
ganzen Kontrollfläche der statische Druck konstant ist. Für die ebene
Platte ist diese Voraussetzung bei beliebiger Wahl der KontroUHäche
erfüllt. Wählen wir insbesondere für die Platte die Kontrollfläche nach
Abb. 4.21, so erhält man für den Widerstand des einseitig benetzten
4.4 Die PRANDTLschen Grenzschichtgleichungen 255

Plattenstückes der Länge x und der Breite b aus GI. (2,219) mit den
hier verwendeten Bezeichnungen:

J
00 x

WR(x)=(!b u(U",,-u)dy=b!To(x)dx, (4,69)


y=O 0

wobei u(x, y) die Geschwindigkeitsverteilung in der Grenzschicht an


der Stelle x bedeutet. Schreibt man GI. (4,69) unter Einführung der
Impulsverlustdicke {} in der Form:

(4,70)

so ist die Impulsverlustdicke definiert durch

U~ ß(x) =
y=o
!"" u(U"" - u)dy. (4,71)

Die Ausrechnung von ß(x) nach GI. (4,71) und (4,57) ergibt

ß(X)=0,664V~: . (4,72)

Das Verhältnis von Verdrängungsdicke zu Impulsverlustdicke ist


H = o*/ß = 1,73/0,664 = 2,59. Die beiden Größen, Verdrängungsdicke
und Impulsverlustdicke, spielen auch für die Grenzschicht an einem
beliebigen Körper und auch bei turbulenter Strömung eine wichtige
Rolle.

4.44 Impulssatz der Grenzschicht


Die Plattengrenzschicht mit der konstanten Außenströmung
U(x) = U 00 = const ist ein besonders einfacher Fall. Für den all-
gemeinen Fall der Umströmung eines Körpers, bei welchem der Druck-
gradient der Außenströmung längs der Wand veränderlich ist, ist die
Integration der Grenzschichtgleichungen wesentlich schwieriger. Da für
diesen allgemeinen Fall die exakte Lösung der Grenzschichtgleichungen
sehr mühsam ist, hat man für diesen Fall Näherungsmethoden ent-
wickelt, die zwar an Genauigkeit den exakten Lösungen nachstehen,
dafür in der numerischen Durchführung aber wesentlich bequemer sind.
Insbesondere ist man für die Ermittlung der Grenzschicht an Trag-
flügelprofilen und Rumpfkörpern sowohl für laminare als auch für
turbulente Strömung ausschließlich auf solche Näherungsmethoden
angewiesen. Der Grundgedanke der Näherungsverfahren besteht darin,
daß man darauf verzichtet, die Grenzschichtdifferentialgleichungen
für jede wandparallele Schicht zu erfüllen, sondern sie statt dessen nur
im Mittel über die Grenzschichtdicke erfüllt. Einen solchen Mittel-
256 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

wert liefert der Impulssatz der Grenzschichttheorie, den man nach


TH. v. KARMAN [14] durch Integration der Grenzschichtgleichung
über die Grenzschichtbreite erhält, vgl. E. GRUSCHWITZ [25].
Durch Integration der Grenzschichtgleichung (4,47a) von y = 0 (Wand)
bis y = h, wobei die Schicht y = h> Cl (x) überall außerhalb der Grenzschicht
liegt, erhält man:

J
h

(u ~: + v ~; - U ~~ ) dy = _ ~o . (4,73)
y~O

Dabei ist für p,(i}u/i}y)o die WandschubspannungTo eingeführt worden, damit


GI. (4,73) sowohl für laminare als auch für turbulente Strömung gilt. Nach der
Kontinuitätsgleichung (4,53) kann man die Quergeschwindigkeit ersetzen durch

J~
y

v = - dy, so daß man erhält:


i}x
o
h Y

J ( u~-~J~dY-
i}x i}y i}x
udU)dY= -~.
dx (]
y~O 0

Eine Umformung durch partielle Integration liefert für das zweite Glied:

Jh(~JY~dY)dY=
g~O
i}y i}x
UJh~dY
i}x
0
_JhU~dY
i}x'
0 0

so daß man erhält:


h

J( 2U~-
i}x
U~-
i}x
U dU )dy =
dx
-~.
(]
o
Dieses läßt sich zusammenfassen zu:
h h

ddx J u (U - u) d y + ~~ J (U - u) d y = ~o •
o 0

Da in beiden Integralen außerhalb der Grenzschicht der Integrand verschwindet,


kann man auch h --> Cl (x) gehen lassen.
Wir führen jetzt wie in GI. (4,67) und (4,71) auch für den allgemeinen Fall
der veränderlichen Außenströmung U (x) die Verdrängungsdicke 15* und die
Impulsverlustdicke {} ein durch die Beziehungen:

J
6

U 15* = (U - u) dy (Verdrängungsdicke), (4,74)

U2,,}= J u(U-u)dy (ImpulsverIustdicke). (4,75)

Somit ergibt sich:


~ = ~ (U2 {}) + 15* U dU.
(4,76)
(] dx dx
Dieses ist der Impulssatz für die Grenzschicht bei ebener inkompressibler
Strömung.
4.4 Die PRANDTLschen Grenzschichtgleichungen 257

4.45 Näherungsverfahren zur Berechnung der laminaren Grenzschicht


Ausgehend von dem Impulssatz, GI. (4,76), sind verschiedene Nähe-
rungsverfahren für die Berechnung der laminaren Grenzschicht an-
gegeben worden. Sie sind in der praktischen Anwendung meist ziemlich
einfach; doch erfordert ihre detaillierte Beschreibung einen ziemlich
breiten Raum, so daß wir uns hier mit wenigen Angaben begnügen
müssen. Von K. POHLHAUSEN [26] ist ein Rechenverfahren angegeben
worden, das später von H. HOLSTEIN und T. BOHLEN [27] sowie von
A. WALZ [28] für die rechnerische Durchführung wesentlich vereinfacht
worden ist. Wir geben hier für dieses Verfahren nur diejenigen Formeln
an, die für die praktische Durchführung der Rechnung erforderlich sind
und verweisen für die Einzelheiten auf die ausführliche Darstellung von
H. SCHLICHTING [2], Kap. XII.
In dem allgemeinen Fall der längs der Wand veränderlichen Poten-
tialströmung U (x) können die Geschwindigkeitsprofile in der Grenz-
schicht nicht mehr als affin wie bei der Plattenströmung angesehen
werden. Die Änderung ihrer Form längs der be strömten Wand wird
nach POHLHAUSEN beschrieben durch den Formparameter
d2 dU
J1-----
- v dx' (4,77)

Dabei bedeutet b (x) die Grenzschichtdicke. Die Geschwindigkeits-


profile in der Grenzschicht vom vorderen Staupunkt bis zum Ab-
lösungspunkt werden als einparametrige Schar angesetzt in der
Form:
u(x, y) = U (x) [F(t]) J1 G(t])], + (4,78)

t] = yjb(x) den dimensionslosen Wandabstand bedeutet,


°: ;
wobei
t] ::;; 1, und F (t]) und G (t]) die Polynome vierten Grades:

F(t]) = 1 - (1 - t])3 (1 + 1)) und G(t])


1
= "6t](l - t])3. (4,79)

° °
Der Formparameter J1 läuft von. J1 = 7,05 im vorderen Staupunkt,
wo U = ist, über J1 = im Druckminimum bis Li = -12 im Ab-
lösungspunkt. Durch GI. (4,78) zusammen mit GI. (4,79) wird postu-
liert, daß im endlichen Wandabstand y = b, d. i. t] = 1, die Grenz-
schicht an die Außenströmung anschließt. Ferner erfüllt der Ansatz
(GI. 4,78) für die Geschwindigkeitsverteilung die Haftbedingung an der
Wand, u = 0, und gewisse Bedingungen des "glatten" Anschlusses
an die Außenströmung. Nach Einführung von G1. (4,78) in den
Impulssatz (4,76) können die Grenzschichtgrößen Wandschubspannung
"0 und Verdrängungsdicke b* durch die Impulsverlustdicke 1} und
den Formparameter J1 ausgedrückt werden. Dabei entsteht sehließlich
aus dem Impulssatz GI. (4,76) eine Gleichung für die Impulsverlust-
SchlichtingjTruckenbrodt. Aerodynamik I 17
258 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

dicke f} (x). Diese läßt sich unter vereinfachenden Annahmen geschlossen


integrieren und liefert für den Verlauf der ImpuJsverlustdicke längs
der Kontur die folgende Quadraturformel :

U{}2
11
= 0,470
U5
f U5d x.
x
(4,80)
x=o
Nachdem aus dieser Gleichung der Verlauf der Impulsverlustdicke
längs der Wand ermittelt worden ist, erhält man die übrigen Kenn-
OrUCk5cifc
-- --
2 / --
-lI 1/../v·
J /~~ F<

//1; .... ~(/ ehen


Platte
~:---
/~ ./'

a.
P'
---
0,2 0.3 0.'1 0.5 o 0./1 Oß 1,0
x/l'--- x/L'-
8 8
~ ~."

-- o !\~
.,~~
\ " ~ ........ ..... -...
..........
"\
.
. ...
. ::: -......-t-r-
.... ~,~ .
.......... .... ....,
~ ............. \ ';' ..-/
'" \ \ 1\
-8 -8

b -12 0
0.1 0.2
x/l' ___
0.3
""
0.'1"'r--. 45

1'\ 12
\\.'
r1
---CA
----
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. = 0
= 0,25
r--
n
" =0,50 r--- 8
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\~ " =1,00 yl

(,
11
." \~ I\- ,t\\
'~
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.,1-'::::--
r:::::::: 1::"::-:::
~ ~"" ~~ ..- ..
c o 0,1 0,2 0.3
~
0./1 qs 0 0,/1
~':..:
0,8 ~O
x/l'- x/L'-
Abb.4.22. Ergebnis der Berechnung der laminaren Grenzschicht für das JOUKOWSKY-Profi! J 015
bei verschiedenen Auftriebs beiwerten. /' = halber Profilumfang ; x = Koordinate längs der
Profilkontur. a) Verdrängungsdicke der Grenzschicht, b) Formparameter A nach GI. (4,77),
c) Wandschubspannung ~ •. Es gibt " = 0 die Lage der Ablösungsstelle
4.4 Die PRANDTLschen Grenzschichtgleichungen 259
größen der Grenzschicht wie Wandschubspannung 1:0 und Formpara.
meter Li (zur Beurteilung der Ablösung) in einfacher Weise aus uni.
versellen Tabellen.
Als Beispiel einer solchen Grenzschichtrechnung sind in Abb. 4.22
und 4.23 die Ergebnisse für ein symmetrisches JOUKoWSKy·Profil bei

11
G

3
/
V
1
f. = D,l17 fj 5 IJlj
I
V /
1/
/
Ablösung, J 438 V ~"
V J /
1/ /
V V
I ,..v 1
V
1
1/
1 / o.Z/f
/
/ V V ./
1/ / V VO,1/f /' EI
I I V V V 0.06' V V
~I )/' V .-V
-
~
!L
VI..... ~ f.-- (..!!- I--.-
0
qv- 46 48 zo
u/u---
A
il i
I
~: 1
I
1
I
1
I I
ii I I I
I
I I I QZ, 1f , 6 Q8 0

Abb. 4.23. Geschwindigkeitsprofile der laminaren Grenzschicht und potentialtheoretische Ge.


schwindigkeitsverteilung am JOUKOWSKY-Profil J 015 von der relativen Dicke dll = 0,15 beim
Anstellwinkel a = 0 0 ; A = Ablösungsstelle
17*
260 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

verschiedenen Anstellwinkeln (Auftriebs beiwerten) dargestellt. Die zu-


gehörigen potentialtheoretischen Geschwindigkeitsverteilungen sind aus
Abb. 6.12 zu entnehmen. In Abb. 4.22 sind, getrennt für die Saugseite
und Druckseite des Profils, der Verlauf der Verdrängungsdicke 15*, des
Formparameters A und der Wandschubspannung T'o längs der Kontur
angegeben. Die gewählten Darstellungen sind unabhängig von der
REYNoLDsschen Zahl. Für die Verdrängungsdicke ist in Abb.4.22a
zum Vergleich der Wert der ebenen Platte nach Gl. (4,68) eingetragen.
Im Bereich der beschleunigten Strömung ist am Tragflügelprofil die
Verdrängungsdicke etwas geringer als an der ebenen Platte, dagegen in
der verzögerten Strömung bei Annäherung an den Ablösungspunkt
größer. Der Verlauf des Formparameters in Abb. 4.22b zeigt, daß der
Ablösungspunkt mit wachsendem Auftriebsbeiwert auf der Saugseite
nach vorn und auf der Druckseite nach hinten wandert. Wenn die
REYNoLDs-Zahlen nicht allzu klein sind, wird allerdings die Strömung
schon vor dem Ablösungspunkt turbulent. In Abb. 4.23 ist für die sym-
metrische Anströmung (CA = 0) für mehrere Stellen längs der Kontur
die Geschwindigkeitsverteilung in der Grenzschicht dargestellt. Auch
diese Darstellung ist unabhängig von der REYNoLDsschen Zahl.

4.5 Grenzschichtbeeinflussung
4.51 Allgemeines
Es ist eine besondere Eigentümlichkeit der Strömungsvorgänge in
der Grenzschicht, daß durch sie die gesamte Umströmung eines Körpers
"gesteuert" werden kann. Damit ist gemeint, daß durch eine Be-
einflussung der Strömung in der sehr dünnen Grenzschicht unter Um-
ständen die gesamte Umströmung des Körpers sehr erheblich geändert
werden kann. Als Beispiel hierfür hatten wir in Kap. 4.24 bereits den
PRANDTLschen Stolperdraht auf der Kugel besprochen. Durch diesen
wird die laminare Reibungsschicht künstlich turbulent gemacht und
infolgedessen die Ablösungsstelle beträchtlich nach hinten verlagert.
Dadurch ergibt sich eine erhebliche Verkleinerung des Totwassers und
eine Verringerung des Druckwiderstandes.
Es sind nun eine Reihe von weiteren Verfahren der Grenzschicht-
beeinflussung entwickelt worden, die zum Teil für die Aerodynamik
des Flugzeuges Bedeutung erlangt haben, und deren Grundprinzipien
in diesem Abschnitt deshalb kurz erläutert werden sollen [29]. In den
meisten Fällen handelt es sich bei diesen Maßnahmen zur Grenzschicht-
beeinflussung um die Vermeidung der Ablösung im Hinblick auf eine
Verringerung des Widerstandes oder zur Erhöhung des Auftriebes, in
einigen Fällen auch nur um eine Änderung des Strömungszustandes von
laminar zu turbulent oder um die Aufrechterhaltung der Laminar-
4.5 Grenzschichtbeeinflussung 261

strömung. Die verschiedenen Methoden, die hauptsächlich experimen-


tell, zum Teil aber auch theoretisch untersucht worden sind, lassen
sich folgendermaßen kennzeichnen:
a) Mitbewegen der Wand.
b) Beschleunigung der Grenzschicht.
c) Absaugung der Grenzschicht.
d) Laminarhaltung durch Formgebung (Laminarprofile ).

4.52 Mitbewegen der Wand


Das nächstliegende Verfahren, die Strömungsablösung zu verhin-
dern, besteht darin, die Ausbildung der Reibungsschicht überhaupt zu
vermeiden. Da die Reibungsschicht sich wegen der Geschwindigkeits-
differenz zwischen Wand und Außenströmung ausbildet, kann man sie
beseitigen, indem man die Wand mit der Strömung mitbewegt. Am
einfachsten läßt sich die mitbewegte Wand bei der Rotation eines Kreis-
zylinders verwirklichen. Abb. 2.52 zeigt das Strömungsbild um einen
rotierenden Kreiszylinder, der senkrecht zu seiner Achse angeströmt
wird. Auf der oberen Seite, wo Strömungsrichtung und Drehrichtung
gleichsinnig sind, ist die Ablösung der Grenzschicht völlig vermieden,
wie ein Vergleich mit dem nicht rotierenden Zylinder nach Abb. 4.11
zeigt. Aber auch auf der Unterseite, wo Strömungsrichtung und Dreh-
richtung gegensinnig sind, kommt die Ablösung kaum zur Ausbildung.
Im ganzen erhält man auf diese Weise mit sehr guter Annäherung das
Strömungsbild der reibungslosen Strömung um einen Kreiszylinder mit
Zirkulation, wie es in Abb. 2.49 angegeben wurde. Diese Strömung
liefert einen starken Quertrieb, der in Kap. 2.546, GI. (2,171), berechnet
wurde und der als "Magnuseffekt" bekannt ist. Eine gewisse technische
Anwendung hat der Quertriebvon rotierenden Zylindern für den Vor-
trieb von Schiffen beim FLETTNER-Rotor [30] gefunden. Bei anderen
Körperformen läßt sich allerdings dieses Prinzip nur schwierig technisch
verwirklichen. Für die längsangeströmte Platte ist die laminare Grenz-
schicht bei mitbewegter Wand von E. TRUCKENBRODT [32] berechnet
worden.

4.53 Beschleunigung der Grenzschicht


Eine andere Möglichkeit zur Vermeidung der Ablösung besteht darin,
den verzögerten Flüssigkeitsteilchen in der Reibungsschicht neue Ener-
gie zuzuführen. Dies kann entweder durch Ausblasen von Flüssigkeit
aus dem Innern des Körpers unter Verwendung eines besonderen Ge-
bläses geschehen (Abb. 4.24a) oder einfacher dadurch, daß die Energie
unmittelbar der Hauptströmung entnommen wird, indem durch einen
Schlitz der verzögerten Grenzschicht aus dem Gebiet hohen Druckes
17a
262 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

Flüssigkeitsteilchen mit großer

.~
Energie zugeführt werden (Schlitz-
flügel, Abb. 4.24 b). In beiden Fällen
wird in der wandnahen Schicht
-------------~ durch Energiezufuhr die Geschwin-
digkeit erhöht und dadurch die Ab-
lösungsgefahr beseitigt.
Bei dem Ausblasen nach Ab-
bildung 4.24a ist allerdings in der
praktischen Ausführung besondere
Sorgfalt bei der Gestaltung des
Schlitzes geboten, damit sich der
Strahl nicht kurz nach dem Aus-
tritt in Wirbel auflöst. In neuerer
Zeit hat sich auf Grund von aus-
c gedehnten Versuchen [31] das Aus-
blasen eines Strahles an der Hin-
terkante eines Tragflügels für die
Abb. 4.24. Verschiedene Anordnungen zur Erhöhung des Maximalauftrie bes als
Grenzschichtbeeinflussung. a) Ausblasen; sehr erfolgreich erwiesen. Auch ge-
b) Schlitzflügel; c) Absaugung
langes, durchAusblasen im Schlitz
eines Klappenflügels
J+-N den Maximalauftrieb
beträchtlich zu steigern.
/
'/ ~I 1/1 Beim Schlitzflügel [33]
3,0 ~
/ ~
nach Abb. 4.24 b besteht
die Wirkung darin, daß
/
/ iB7;-.. ~
~;: die durch den Schlitz
1,6
'mo hindurchtretende Strö-
/~ mung die am Vorflügel
{,o 1~5°
~ f1,5°
~
A-B gebildete Grenz-
schicht in die freie Strö-
~60
~
«._ge
mung fortträgt, bevor
/,~6° diese sich ablöst. Bei
as ~7° großen Anstellwinkeln
11'
I ist auf der Saugseite des
I--
~TOßo
_1,70
VorflügeIs der größte
c- P-·V o Druckanstieg und damit
-'1,6 0
I
die größte Ablösungs-
h -Z5°
'I gefahr vorhanden. Von 0
_gO
o
1-13 0

0,1 a3 0,'1
Abb. 4.25. Polare eines Trag-
flügels mit Vorflügel und Klappe
4.5 Grenzschichtbeeinflussung 263

an bildet sich eine neue Grenzschicht, die unter Umständen ohne


Ablösung bis zur Hinterkante D gelangt. Auf diese Weise kann man
beim Tragflügel mit Hilfe eines VorflügeIs die Ablösung zu wesentlich
größeren Anstellwinkeln hinausschieben und dadurch beträchtlich
größere Auftriebsbeiwerte erreichen. In Abb. 4.25 ist das Polardiagramm
(Auftriebsbeiwert CA über
Widerstands beiwert c~) für
einen Tragflügel ohne und -p
mit Vorflügel sowie auch
mit einem hinteren Klap-
penflügel angegeben. In
dem Schlitz zwischen dem
Hauptflügel und der hinte- «~---#$E:E~~~
ren Klappe sind die Vor-
gänge im Prinzip die glei-
chen wie im vorderen
Schlitz. Die Auftriebsstei-
gerung durch den Vorflügel ..
und die KJappen ist. be-
trächtlich.WeitereAngaben
hierzu werden in Kap. XII
gemacht.
Wird ein zylindrischer
Körper schräg zu den
Erzeugenden angeströmt
(schiebender Zylinder), so
treten in der Grenzschicht Abb. 4.26. Zur Entstehung der Querströmung in der
unter Umständen kom- Grenzschicht an einem schiebenden Flügel (Pfeilflügel).
Kurven konstanten Druckes (Isobaren) auf der Saug-
plizierte dreidimensionale seite des Flügels
Strömungsvorgänge auf.
Diese sind von erheblicher Bedeutung für die aerodynamischen Eigen-
schaften von Pfeilflügeln. Bei einem schiebenden Flügel und bei einem
Pfeilflügel tritt infolge der Versetzung der Flügelschnitte auf der Saug-
seite in der Nähe der Flügelnase bei größeren Auftriebsbeiwerten ein
starker Druckabfall gegen das zurückliegende Flügelende auf, wie aus
Abb. 4.26 hervorgeht, wo für die Saugseite eines angestellten schiebenden
Flügels die Isobaren dargestellt sind. Die in der Grenzschicht abgebrems-
ten Flüssigkeitsteilchen folgen diesem Druckgradienten, und es bildet
sich infolgedessen eine starke Querströmung in Richtung des zurück-
liegenden Flügels aus. Wie Messungen von R. T. JONES [34] und W. JA-
COBS [35] gezeigt haben, entsteht hierdurch auf dem zurückliegenden
Flügelende eine starke Verdickung der Grenzschicht, und dadurch
veranlaßt, eine vorzeitige Ablösung der Strömung. Bei Flugzeugen mit
17a*
264 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

Pfeilflügeln bewirkt dieses Abwandern der Grenzschicht nach außen,


daß die Strömung zuerst am Außenflügel, im Querruderbereich, abreißt
und dadurch das sehr gefürchtete "Abkippen über den Flügel" ver-
ursacht. Man kann diesen Ablösungsbeginn am Außenflügel und damit
das unerwünschte Abkippen dadurch vermeiden, daß man den Flügel
mit einem Grenz8chichtzaun versieht. Dies ist eine auf der Flügelsaug-
seite im vorderen Flügelteil aufgesetzte dünne Blechwand, welche die
Querströmung in der Grenzschicht verhindert. Abb. 4.27 zeigt ein Flug-
zeug mit Pfeilflügel und je einem Grenzschichtzaun auf jeder Flügel-
hälfte. Über die hierdurch erreichten Verbesserungen des Abreißver-

Abb. 4.27. Düsenjäger De HaviJIand DH 110 mit Pfeilflügel und Grenzschichtzäunen nach [36]

haltens hat W. LIEBE [36] berichtet. Ein amerikanischer Bericht [37]


enthält umfangreiche Messungen über die Verbesserung der aerodyna-
mischen Eigenschaften eines Tragflügels durch Grenzschichtzäune.

4.54 Absaugung der Grenzschicht


Die Absaugung der Grenzschicht wird in zweierlei Weise angewen-
det: 1. zur Vermeidung der Ablösung, 2. zur Aufrechterhaltung der
Laminarströmung. Im ersten Fall besteht die Wirkungsweise der
Absaugung darin, daß die verzögerten Teile der Grenzschicht in einem
Druckanstieggebiet durch Absaugung mittels eines Schlitzes entfernt
werden (Abb.4.24c), bevor sie die Ablösung der Strömung herbei-
führen können. Hinter dem Absaugeschlitz bildet sich eine neue Grenz-
schicht, die wieder einen bestimmten Druckanstieg überwinden kann
und bei geeigneter Anordnung der Schlitze unter Umständen gar nicht
zur Ablösung kommt. Dieses Prinzip der Absaugung wurde bereits 1904
von L. PRANDTL [12] für den Kreiszylinder erprobt.
4.5 Grenzschichtbeeinflussung 265
Erhöhung des Maxi-
malauftriebes. Bei Trag-
flügeln hat man durch
Schlitzabsaugung eine
3,ol---+--+-____'l----,~'+---L/
erhebliche Steigerung
des Maximalauftriebes
erreichen können. Um-
fangreiche Versuche hier-
zu sind von O. SCHRENK
[38] ausgeführt worden.
4 .
€-._,3ij,
Am wirksamsten erwies
sich eine Verbindung der ~o
1----'(---+-_-1
Schlitzabsaugung mit
einem Klappenflügel,
insbesondere bei dicken
Flügelprofilen. Abb.4.28 O~-~-1~.O--L--2~.O-~-~40---~~~O
zeigt, daß für ein dickes -Cp ; 100'Ce -

Tragflügelprofil mit Abb. 4.28. Auftriebsbeiwerte von Klappenflügeln mit Schlitz-


Klappe und Absaugung absaugung nach SCHRE~K [38]

Auftriebsbeiwerte bis
etwa CA =4 erreicht werden. Dabei sind die Mengenbeiwerte der Ab-
saugung etwa cQ = QjF U 00 = 0,01 bis 0,03 und der Absaugedruck
cp = (p - poc)!; U~ = -2 bis -4, wobei Qdie gesamte abgesaugte Menge
und p den Druck im Absaugeschlitz bedeutet. Die Wirkung der Ab-
saugung beruht darauf, daß die Strömung an der Klappe anliegend er-
halten wird. Diese erkennt man aus Abb.4.29, wo für das Göttinger Ab-
saugeflugzeug [39] die Strömung an der Klappe durch Wollfäden sicht-
bar gemacht ist.
Nachdem mit Absaugeklappenprofilen günstige Windkanalergeb-
nisse vorlagen, hat die Aerodynamische Versuchsanstalt Göttingen
(AVA) schon Anfang der dreißiger Jahre die erste fliegerische Erprobung
der Absaugung durchgeführt. Am Bau und der Erprobung der beiden
Göttinger Absaugeflugzeuge AF I und AF 2 waren O. SCHRENK, B. RE-
GEN SCHEIT und J. STÜPER maßgeblich beteiligt [40]. Abb. 4.30 gibt eine
Übersicht der beiden Absaugeflugzeuge AF I und AF 2. Die wichtigsten
Baudaten sind in der Bildunterschrift angegeben. Das Flugzeug AF 1
ist ein Schulterdecker mit einem Trapezflügel und einer in der Mitte
geteilten Klappe. Das Flügelprofil hat in der Mitte eine Dicke von rund
20%; es ist mit einem Absaugeschlitz versehen. Das Muster AF 2 ist im
Gesamtaufbau dem Muster AF 1 ähnlich und hat ein etwas dünneres
Flügelprofil als AFI (18%) und zwei Absaugeschlitze. Abb.4.31gibtdie
Auftriebsbeiwerte der Muster AF 1 und AF2 sowie die des bekannten
266 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

Langsamflugzeuges "FieseIer Storch" (Fi 156), welches einen festen


Vorflügel nach Art von Abb. 4.24b und eine Klappe, aber keine Ab-
saugung besitzt. Für die beiden Absaugeflugzeuge AF 1 und AF 2 ist
die Steigerung des maximalen Auftriebsbeiwertes durch die Absaugung
sehr beträchtlich (CA max "'=< 4) .

• •

a
Abb. 4.29. Strömungsaufnahmen an einem Klappenflügel des Göttinger Absaugeflugzeuges
nach SCHRENK [39]. a) ohne Absaugung; b) mit Absaugung

Laminarhaltung. Die Absaugung ist auch angewendet worden,


um den Reibungswiderstand von Tragflügelprofilen zu vermindern.
Die Wirkung beruht darauf, durch die Absaugung die Umschlag-
steIle laminar-turbulent stromabwärts zu verschieben. Dabei hat
sich eine flächenhafte (kontinuierliche) Absaugung, z. B. durch poröse
Wände, als günstiger erwiesen als die Schlitzabsaugung, weil durch die
Schlitze leicht Störungen verursacht werden, welche vorzeitigen Um-
schlag herbeiführen. Die Laminarhaltung durch Absaugung kommt ein-
mal dadurch zustande, daß die infolge Absaugung dünnere Reibungs-
schicht weniger Neigung hat, turbulent zu werden [41], [42] und
andererseits die Geschwindigkeitsprofile der laminaren Grenzschicht mit
Absaugung im Vergleich zu denen ohne Absaugung eine solche Form
haben, daß sie auch bei gleicher Grenzschichtdicke nicht so leicht
turbulent werden.
Über die laminare Grenzschicht mit kontinuierlicher Absaugung
lassen sich für die längsangeströmte Platte einige einfache theoretische
Aussagen machen: Die homogene Absaugung nach Abb. 4.32 sei so
4.5 Grenzschichtbeeinflussung 267

AF1 Afz

o
1-------9,72 m-------;~

Abb. 4.30. übersicht der beiden Göttinger Absaugeflugzeuge AF 1 und AF 2 (nach J. STtlPER [40])
(aus NACA TM 1232) AF 1 AF 2
Fluggewicht: G [kg] 1370 1340
Motorleistung: N [PS] 150 270
maximale Flug.
geschwindigkeit: V [km/h] 180 270

v-
3 / ~F2 . / -1!:
/ /V
17
,,'"' Fi156 -
/
z /
~
[AF2
//
Y'
~~
AFI ,/" '-
./ L.~
,,/
~/
1
L/ - - mit Absougung
---ohne "
"
0
-100 0° 10° 20° JO °
C(-

Abb. 4.31. Auftriebsbeiwerte der Göttinger Absaugeflugzeuge AF 1 und AF 2 sowie des Musters
Fi 156 (nach J. STtlPER [40]) (aus NACA TM 1232)
Für Fi 156 gilt die Kurve CA (<X) für Gleitflug mit maximalem Klappenausschlag von 400
268 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

schwach, daß nur die Flüssigkeitsteile in unmittelbarer Wandnähe ab-


gesaugt werden. Dies kommt darauf hinaus, daß das Verhältnis von
Absaugegeschwindigkeit zu Anströmungsgeschwindigkeit sehr klein
ist, etwa (-vo)/Uoc = 0,0001 bis 0,01. Die gesamte Absaugemenge ist
u"" Q = (-vo)F, (4,81)

~~-
wobei F die Plattenfläche be-
deutet. Der durch Q = cQ F U00
definierte Mengenbeiwert der
-Vo = const Absaugung ist also
Abb. 4.32. Die längsangeströmte ebene Platte mit
homogener Absaugung (4,82)

Die Grenzschichtdifferentialgleichungen lauten nach GI. (4,52) und


(4,53) :
(4,83)
ßu ßu ß2 U
ußx
- + v ßy
-=v- -
ßy2
(4,84)

mit den Randbedingungen


Y = 0: u = 0, v = V o = const < 0,
(4,85)
y=oo: u=U oo •
Die Haftbedingung der Strömung an der Wand wird auch mit Ab-
saugung beibehalten, ebenfalls der Ansatz für die Wandschubspannung
T'o = p,(8u/8y)0. Das Gleichungssystem (4,83), (4,84) hat u. a. eine über-
raschend einfache Lösung, bei welcher die Geschwindigkeitsverteilung
von der Lauflänge x unabhängig ist. Mit 8u/8x = folgt aus der Kon-°
tinuitätsgleichung v (x, y) = Vo = const und damit aus GI. (4,84):
VOY)
u(y) = Uoo (1 - e-"- ; v(x, y) = vo < 0. (4,86)

Die Verdrängungsdicke und Impulsverlustdicke erhält man zu


b* = v/( -vo} und 1} = v/( -2vo}. Die WandschubspannungT'o =p,(8u/iJy}o
wird einfach
(4,87)
sie ist also unabhängig von der Zähigkeit.
Die hier gefundene Lösung ist bei einer längsangeströmten ebenen
Platte mit homogener Absaugung erst in einiger Entfernung von der
Plattenvorderkante vorhanden, auch wenn die Absaugung unmittelbar
an der Vorderkante beginnt. Dort muß natürlich die Reibungsschicht-
dicke mit Null beginnen; sie wächst dann stromabwärts an und erreicht
den obigen Wert von b* erst asymptotisch. Auch die Geschwindigkeits-
4.5 Grenzschichtbeeinflussung 269
verteilung erreicht das einfache Gesetz (4,86) erst nach einer gewissen
Anlauflänge asymptotisch. Die obige Lösung wird deshalb auch. das
asymptotische Absaugeprojil genannt.
Von besonderem Interesse im Hinblick auf die Widerstandsersparnis
durch Laminarhaltung mit Absaugung ist das Widerstandsgesetz der
Platte mit homogener Absaugung, welches in Abb. 4.33 angegeben ist.
Für sehr große REYNoLDssche Zahlen Re, wo der überwiegende Teil
der Platte im Bereich der asymptotischen Lösung liegt, ist der Wider-

I
r-- I 10 3,cll = 10

z~ =--~
~
!0- S

---
3 2
~ -.4_- z-
~
z ~R 1...1-- ':::-'::::. ~- -- ---
--1
~
~ ;:--,-
-
I Q5

I~ ~ t.:::- ~
ll2

~~ ~
~
0,1

10-
, I 'rr-
10' 10 5 5 10 6 Z 5 10 7 Z
Re= Uoo·l_
v
Abb. 4.33. Widerstandsbeiwerte der längsangeströmten ebenen Platte mit homogener Absaugung;
cQ = ( - v.)/U oo = Mengenbeiwert der Absaugung. Kurve (1), (2) und (3) ohne Absaugung.
(1) Laminar, (2) übergang laminar-turbulent, (3) voll-turbulent, (4) günstigste Absaugung

stand durch das einfache Gesetz (4,87) gegeben, woraus für den ört-
lichen Widerstands beiwert folgt:

cf 00
'0
= -- - = 2 -u
- Vo = 2 cQ. (4,88)
~ U2 oe
2 00

Für kleine REYNoLDs-Zahlen ist der Widerstandsbeiwert etwas größer,


da auf dem vorderen Plattenteil, der im Anlaufgebiet liegt, wegen der
dünneren Reibungsschicht die Schubspannung größer ist als weiter
hinten. Zum Vergleich ist in Abb. 4.33 auch das Widerstandsgesetz der
Platte bei turbulenter Reibungsschicht ohne Absaugung als Kurve (3)
eingetragen (vgl. Kap. 4.7).
Die durch Absaugung tatsächlich erreichbare Widerstandsersparnis
läßt sich hieraus erst bestimmen, wenn man weiß, mit welchem Mengen-
beiwert mindestens abgesaugt werden muß, damit die Reibungsschicht
auch bei großen REYNoLDsschen Zahlen laminar bleibt. Diese Frage ist
270 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

auf Grund der Stabilitätstheorie der Grenzschicht (vgl. Kap. 4.10) von
A. ULRICH [43] eingehend untersucht worden. Es ergibt sich, daß die
mindest erforderliche Absaugemenge zur Laminarhaltung bei beliebig
hohen REYNoLDsschen Zahlen
CQ krit = 1,2 . 10- 4 (4,89)
beträgt. Dieser Wert ist als "günstigste Absaugung" in Abb. 4.33 mit
eingetragen (Kurve 4). Die Differenz zwischen den Kurven (3) "turbulent"
und (4) "günstigste Absaugung" ist die mögliche Widerstandsersparnis.
Sie beträgt im Bereich der REYNoLDsschen Zahlen Re = 106 bis 108 etwa
70 bis 80% des vollturbulenten Widerstandes. Dabei ist allerdings zu

10
"- --. --<::.:..
8
7
........
-
-
!-~

-- ---
0,7
1
Re= l,Z·10!.. -I ....-
'" ..."
Z 1--- '-

l2,z.L{
6'
~ ./ V
./
Ohne AbrUguni -Re
k' ......CA=o,fl.9/
. ~
t

< i'"I<? '\ ,mif Absaugung

""1'\
'~.4=(J,1Y 43
r.... ,.....
......~ r--.CA=o,'I:!.
, ,
..... ... ........... r-- i..(
CA =0,88
43 _l
i:::::::.
3

a
' ...... , 0,1
b
1,5 3 3 3 (1 'f 5 o 1
'T'e- Cwp ·10 3 -
Abb.4.34. Verminderung des Widerstandsbeiwertes von Tragflügelprofilen bel Absaugung durch
Schlitze, nach PFENNINGER [44]. a) Optimaler Widerstandsbeiwert eines Tragflügels mit
Absaugung in Abhängigkeit von der REYNOLDSSchen Zahl, b) Profilwiderstandspolare

berücksichtigen, daß in dieser Bilanz die für die Absaugung erforderliche


Leistung nicht mit enthalten ist. Aber auch bei Berücksichtigung der
Absaugeleistung ergeben sich noch sehr erhebliche Widerstandserspar-
nisse. Es ist deshalb nicht überraschend, daß an der praktischen Ver-
wirklichung dieser theoretischen Erkenntnisse in neuerer Zeit intensiv
gearbeitet wird. Bemerkenswert ist die sehr geringe Größe der Absauge-
menge mit cQ = 10- 4 .
Die Möglichkeit, die Grenzschicht durch Absaugung laminar zu
halten, ist zuerst von H. HOLSTEIN [41] und kurz darauf von J. ACKE-
RET, M. RAS und W. PFENNINGER [42] experimentell nachgewiesen wor-
den. Einige Meßergebnisse von W. PFENNINGER [44] an einem Trag-
4.5 Grenzschichtbeeinflussung 271

flügelprofil sind in Abb. 4.34 dargestellt. Dabei handelt es sich um ein


Tragflügelprofil, das mit einer großen Zahl von Schlitzen versehen war.

--
Man ersieht hieraus, daß eine beträchtliche Ersparnis an Widerstand
erreicht worden ist,
selbst wenn man die für
9
8
2
--........
die Absaugung erfor- 7 r--.....
t--.
derliche Gebläseleistung t-.~
6
mit einrechnet. Neuere k; ""'
V /~ACA 0009
Untersuchungen an 5
V 1/
Tragflügeln mit poröser '~
Oberfläche von B. M. q J
"................. I
J ONES und M. R. HEAD l' «J!..A CA 66-009
[45] haben die günstigen 3
I"\. ~
theoretischen Erge b- l'.
nisse über die Wider-
standsersparnis durch
Laminarhaltung vollauf
a. z
3 f 5 G 8 10
,<
Z 3
~ 9 5 6 8 10 7
Re= UOo·l _
bestätigt. Ein einfaches v
Näherungsverfahren zur

- f::::
L
Berechnung der lamina- Uoo
ren Reibungsschicht mit d
Absaugung für beliebige 1---0,3l - -
NACA 0009
Körperformen ist von
E. TRUCKENBRODT [46] F=- Td ::::::=:-
angegeben worden. o.qSl -----l NACA 66-009

1
4.55 Laminarhaltung ~ 1 r--
t
~O
durch Formgebung (Jeschwindigkeits
(Laminarprofile ) 0.8 1\ maXlmllm
"7
/~
-:::,8 NACA 0009 NACA 6$-009
Nahe verwandt mit ::s- 0.6
der Laminarhaltung
durch Absaugung ist die
Laminarhaltung der Rei- az
bungsschicht durch ge- b 0
eignete Formge bung des 0.2 0.9 0.6 as
xlL-
umströmten Körpers, Abb. 4.35. Widerstandsbeiwerte und Druckverteilung eine"
normalen Profils und eines Laminarprofils nach [47]
ebenfalls mit dem Ziel, a) Widerstandsbeiwerte. (1) laminar. (2) voll-turbulent.
den Reibungswiderstand (3) Übergang laminar-turbulent;
b) Druckverteilung
durch Verschiebung des
Umschlagpunktes stromabwärts zu vermindern. Von H. DOETscH [21]
wurde zuerst experimentell festgestellt, daß beträchtliche Widerstands-
verminderungen an Tragflügelprofilen mit großer Dickenrücklage
272 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

(Laminarprofile ) erhalten werden können. Mit der Zurückverlegung


der größten Dicke verschiebt sich das Druckminimum und damit
auch der Umschlagpunkt laminar-turbulent der Grenzschicht nach
hinten, weil die Grenzschicht im Druckabfallgebiet im allgemeinen
laminar bleibt und erst im Druckanstieggebiet turbulent wird.
Abb. 4.35 zeigt diese Verhältnisse durch Gegenüberstellung eines
"normalen" Tragflügelprofils mit einer Dickenrücklage von 0,3 l und
eines Laminarprofils mit einer Dickenrücklage von 0,45l. Das Druck-
minimum liegt beim ersten Profil bei O,ll und beim letzteren bei 0,65l.
Das Widerstandsdiagramm zeigt, daß im Bereich der REYNoLDS-Zahlen
zwischen 3.106 und 107 der Widerstand des Laminarprofils nur etwa
halb so groß ist wie der des normalen Profils. Die aerodynamischen
Eigenschaften solcher Laminarprofile sind in neuerer Zeit in USA sehr
eingehend untersucht worden [47]. Die praktische Anwendung der
Laminarprofile wird besonders dadurch erschwert, daß außerordentlich
hohe Anforderungen an die Oberflächenglätte solcher Profile zu stellen
sind, damit durch Rauhigkeiten der Laminareffekt nicht verlorengeht.

4.6 Einiges über turbulente Strömungen


Nachdem wir in Kap. 4.1 bereits über Messungen turbulenter Strö-
mungen, insbesondere der Rohrströmung, berichtet haben, möge jetzt
zunächst, bevor wir näher auf die turbulente Grenzschicht an um-
strömten Körpern eingehen, einiges über die physikalischen Grund-
lagen der turbulenten Strömungen vorausgeschickt werden.

4.61 Mittlere Bewegung, Schwankungsbewegung und


turbulente Scheinreibung
Bei näherer Analyse einer turbulenten Strömung ergibt sich als ihr
hervorstechendstes Merkmal, daß in einem festgehaltenen Raumpunkt
die Geschwindigkeit und der Druck nicht zeitlich konstant sind, sondern
sehr unregelmäßige Schwankungen von hoher Frequenz aufweisen. Die
Flüssigkeitselemente, die als Ganzes Schwankungen in der Haupt-
strömungsrichtung und quer dazu ausführen, sind makroskopische,
mehr oder weniger kleine "Flüssigkeitsballen". Obgleich bei der Strö-
mung in einem Kanal oder Rohr beispielsweise die Geschwindigkeits-
schwankungen nur wenige Prozent der mittleren Geschwindigkeit betra-
gen,. sind sie doch von ausschlaggebender Bedeutung für den Ablauf
der ganzen Bewegung. Für die experimentelle Analyse und auch für
die rechnerische Behandlung einer turbulenten Bewegung ist es zweck-
mäßig, diese aufzuteilen in eine mittlere Bewegung und eine Schwankung8-
bewegung. Bezeichnet man z. B. den zeitlichen Mittelwert der Ge-
schwindigkeitskomponente u mit u und die Schwankungsgeschwindig-
4.6 Einiges über turbulente Strömungen 273

keit mit u ' , so gilt für die Geschwindigkeitskomponenten und den


Druck:
u
u = + u' , v = v v',+ w=w+w' , p =p +p'. (4,90)
Hierbei werden die Mittelwerte als zeitliche Mittelwerte in einem fest-
gehaltenen Raumpunkt gebildet, also z. B.

J
10+T

U= ~ udt. (4,91)
10

Die Mittelwertbildung ist über ein so großes Zeitintervall T zu erstrek-


ken, daß die Mittelwerte von der Zeit unabhängig sind. Die zeitlichen
Mittelwerte der Schwankungsgrößen sind dann nach Definition gleich
Null:
u ' = 0; 17 = 0; w' = 0; p' = o. (4,92)

Die für den Ablauf der turbulenten Bewegung fundamental wichtige


Tatsache ist nun die, daß die Schwankungsbewegung u ' , v', w' den Ab-
lauf der mittleren Bewegung so beeinflußt, als ob für die letztere die
Zähigkeit scheinbar erhöht ist. Diese erhöhte scheinbare Zähigkeit der
mittleren Bewegung steht in Mittelpunkt aller theoretischen Betrach-
tungen über turbulente Strömungen.
Die turbulenten Schwankungsbewegungen u ' , v', w ' verursachen
zusätzliche Spannungen, die sich mit Hilfe des Impulssatzes leicht
berechnen lassen, was hier jedoch nicht näher ausgeführt werden soll.
Für die Spannungskomponenten an dem zur x-Achse senkrechten
Flächenelement erhält man:
(4,93)
Entsprechende Ausdrücke für die Spannungskomponenten erhält man
für die Flächenelemente senkrecht zur y- und z-Achse und damit einen
vollständigen Spannungstensor der turbulenten Scheinreibung. Diese
"scheinbaren Spannungen" der turbulenten Strömung kommen zu den
Spannungen der stationären Strömung, wie wir sie bei der laminaren
Strömung kennenlernten (Kap. 4.3) additiv hinzu. Die GIn. (4,93) wur-
den zuerst von O. REYNOLDS aus den hydrodynamischen Bewegungs-
gleichungen hergeleitet.
Die Spannungskomponente i~ y = i~ x = - eu I v' kann gedeutet
werden als der Transport von x-Impuls durch eine zur y-Achse
senkrechte Fläche. Daß die zeitlichen Mittelwerte der gemischten
Produkte der Geschwindigkeitsschwankungen, wie z. B. u' v', tat-
sächlich einen von Null verschiedenen Wert haben, läßt sich an-
schaulich leicht einsehen: Wir betrachten als mittlere Bewegung die
ebene Scherströmung mit u = u(y), v = Vi = 0 und mit dujdy > 0
SchlichtingjTruekenbrodt, Aerodynamik I 18
274 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht·Theorie)

nach Abb. 4.36. Die in der Schicht y infolge der Querbewegung


von unten her ankommenden Teilchen (v' > 0) kommen aus einem
Gebiet mit kleinerer mittlerer Geschwindigkeit U. Da sie bei der Quer-
u
bewegung ihr ursprüngliches im wesentlichen beibehalten, verursachen
sie in der Schicht y ein negatives u'. Umgekehrt geben die von oben
y kommenden Teilchen (v' < 0) in der Schicht y
J ein positives u'. Im ganzen ist also bei dieser
J.
jUry) Strömung ein positives v' "meistens" mit einem
.n.J
+vJi negativen u' und ein negatives v' mit einem posi-
tiven u' gekoppelt. Somit ist zu erwarten, daß
_L.J
//~-u· der zeitliche Mittelwert u' v' von Null verschieden
./ ist, und zwar negativ. Die zusätzliche Schubspan-
x nung 7:' = - (!U' v' ist in diesem Fall also positiv
Abb. 4.36. Impulsübertragung und hat somit das gleiche Vorzeichen wie die
durch die turbulente Schwan-
kungsgeschwindigkeit laminare Schubspannung 7:1 == f-l dii/dy.
Messungen turbulenter Schwankungsgeschwindigkeiten. Bei der Messung
turbulenter Strömungen pflegt man im allgemeinen nur die zeitlichen Mittelwerte
von Druck und Geschwindigkeit zu ermitteln, da nur diese der Messung einiger.
maßen bequem zugänglich sind und für die technischen Anwendungen auch meist
eine hinreichende Auskunft geben. Aber erst die Ermittlung der Schwankungs-
geschwindigkeiten vermittelt eine tiefere Einsicht in den Mechanismus der turbu·
lenten Strömung. Zur Belebung der Anschauung mögen deshalb einige Ergebnisse

--
von turbulenten Schwankungsmessungen mitgeteilt werden.

0,10 , 1,0
,.--
..........-\
\1 ,.-/
V u
u""

I~,
0.08
'\V ./

---
Q12,
......

~~ 0.08 I "-,"""0 -

~h .!>,
U"" "" -
0.06
z ~ 0,0~ ..- ..0-
~-
~ /'
?- f---- -
~
~~
~. 0
Uao O.o05/};o;0 4015 4020
3 0-
r r--cI--t "'-0 ..........

~~
~

\ ilil l ~ r----:....
402 -20u;;: L ~
~~
~
"""- ~~
~~
o o
il2 46 0,8 ~'1
y/rJ---
Abb. 4.37. Verteilung der turbulenten Schwankungsgeschwindigkeiten in der Grenzschicht an
der längsangeströmten ebenen Platte nach Messungen von KLEBANOFF [49]
4.6 Einiges über turbulente Strömungen 275
Eingehende Messungen über die turbulenten Schwankungsgeschwindigkeiten
sind zuerst von H. REICHARDT [48] für eine Kanalströmung ausgeführt worden,
und in neuerer Zeit auch von P. S. KLEBANoFF [49] für die Grenzschicht an der
längsangeströmten Platte. Abb. 4.37 zeigt einige Ergebnisse für die Plattengrenz-
schicht bei der REYNOLDS-Zahl Rex = U00 x/v = 4,2· 106 • Der zeitliche Mittelwert
der Geschwindigkeit u hat etwa die gleiche völlige Form wie bei der Rohrströ-
mung (Abb.4.4). Die Verteilung der Längsschwankung hat ein stark ausgeprägtes
Maximum in unmittelbarerWandnähe mit VU'2 = 0,11 Uoo . Die Querschwankung
senkrecht zur Wand Vv' 2 hat einen flacheren Verlauf, aber ebenfalls ein Maximum
in·Wandnähe. Die Querschwankung parallel zur Wand VW'2 ist sogar stärker
als diejenige senkrecht zur Wand. Außerdem ist in Abb. 4.37 auch der zeitliche
Mittelwert - u' v' angegeben, welcher nach GI. (4,93) bis auf den Faktor 12 die
zusätzliche turbulente Schubspannung T~y darstellt.

4.62 Windkanalturbulenz
Bei Messungen im Windkanal spielt die Größe der turbulenten Schwankungs-
geschwindigkeiten für die Übertragbarkeit der Messungen vom Modell auf die
Groß ausführung und auch für den Vergleich der Messungen in verschiedenen
Kanälen untereinander eine wichtige Rolle. Die Größe der turbulenten Schwan-
kungsgeschwindigkeit wird hier maßgeblich bestimmt durch die Maschenweite
der eingebauten Gitter und Siebe. In einiger Entfernung hinter den Sieben herrscht
sogenannte isotrope Turbulenz, d. h. eine turbulente Strömung, bei welcher die
mittlere Geschwindigkeitsschwankung in allen drei Koordinatenrichtungen
gleich ist:

Als Maß für die turbulente Schwankungsgeschwindigkeit kann man dann die
Größe
-1-1p-(u'2
U oo ' 3
+ 1)'2 + W'2) = Tu (4,94)

ansehen, die mit Vu' 2-/ U 00 identisch ist und die man auch als Turbulenzgrad be-
zeichnet. Durch den Einbau von genügend vielen und sehr feinmaschigen Gittern
und Sieben läßt sich der Turbulenzgrad auf Werte in der Größenordnung 0,1 %
und weniger herunterdrücken.
Eine wichtige experimentelle Feststellung ist, daß die kritische REYNoLDssche
Zahl der Kugel, bei welcher der steile Abfall des Widerstandsbeiwertes eintritt
(Abb.4.9), stark von dem Turbulenzgrad des Windkanals abhängt. Der Wert
dieser kritischen REYNoLDsschen Zahl der Kugel, der zwischen Rekrlt = 1,5-
und 3,8 . 105 liegt, ist um so kleiner, je größer der Turbulenzgrad des Wind·
kanals ist. Dies ist physikalisch einleuchtend, da ein starker Turbulenzgrad der
äußeren Strömung den Umschlag laminar·turbulent in der Grenzschicht schon
bei kleineren REYNOLDSSchen Zahlen herbeiführt und dadurch eine Verschiebung
des Ablösungspunktes nach hinten und damit eine Verkleinerung des Totwassers
und eine Verringerung des Widerstandes herbeiführt in gleicher Weise wie der
PRANDTLsche Stolperdraht, Abb. 4.14a, b. Messungen im freien Flug von C. B.
MILLIKAN und A. L. KLEIN [50] zeigten das überraschende Ergebnis, daß hier
die kritische Kugelkennzahl unabhängig von der witterungsbedingten Turbulenz-
struktur der Atmosphäre mit Rekrit = 3,85' 105 einen größeren Wert hat als
18*
276 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

alle Messungen im Windkanal. Allerdings kommen die Kugelmessungen in den


modernen turbulenzarmen Windkanälen dem Wert des freien Fluges sehr nahe.
Jedenfalls ist aus diesen Kugelmessungen zu folgern, daß für eine einwandfreie
Übertragbarkeit ein möglichst geringer Turbulenzgrad anzustreben ist. Dies gilt
insbesondere für Messungen an widerstandsarmen Tragflügelprofilen mit großer
laminarer Laufstrecke (Laminarprofile, vgl. Kap. 4.55). Für diese können brauch-
bare Windkanalmessungen nur in sog. turbulenzarmen Windkanälen erhalten
werden, d. s. Windkanäle mit äußerst
q,0
I geringem Turbulenzgrad (Tu=0,0005).
.10 5 r- freier flug Soweit es sich nicht um turbulenz-
3,6 arme Windkanäle handelt, kann man an

\
o NAC4 RepS87 Stelle der mittleren Längsschwankung
• NACA Rep 31fi!
VUi2 /u auch die kritische REYNOLDS-

\
3,2 00

sehe Zahl der Kugel als ein Maß für


den Turbulenzgrad des Windkanals an-

\
sehen. H. L. DRYDEN und A. M. KUETHE
[51] fanden einen eindeutigen Zu-
sammenhang zwischen der kritischen
\:
~

REYNoLDsschen Zahl der Kugel und


0 der mittleren Längsschwankung, der in

~~
Abb. 4.38 dargestellt ist. Der im freien
Flug gemessene Wert der kritischen
1,8
REYNoLDsschen Zahl der Kugel von
~i'-.. Rekrit = 3,8 . 105 entspricht einem ver·
schwindend kleinen Turbulenzgrad im
""-....
1-02-r-- Windkanal, Tu -> O.
0,8
4.63 Der Prandtlsche Mischungsweg
Die Grenzschichtgleichungen
I (4,47 a) bis (4,48) können auch
o 2 3 _--'I 5 6 für die Berechnung der zeitlichen
VU'J
700 Tu -700 tJ;;; -
Mittelwerte der Geschwindigkeits.
Abb.4.38. Abhängigkeit der kritischen Re-Zahl komponenten turbulenter Strö·
vom Turbulenzgrad des Windkanals nach
Messungen von DRYDEN und KUETHE [51] mungen verwendet werden, wenn
man das Reibungsglied fJ,C)2 ufo y2
durch fh:/ay ersetzt und dann einen geeigneten Ansatz für die turbu·
lente Schubspannung • einführt. Die REYNoLDsschen Ansätze GI. (4,93)
sind allerdings erst dann anwendbar, wenn der Zusammenhang der
Schwankungsgeschwindigkeiten mit dem zeitlichen Mittelwert der Ge·
schwindigkeitskomponenten bekannt ist. Um Berechnungen turbulenter
Strömungen durchführen zu können, ist es also erforderlich, für die
turbulente Schubspannung einen Ansatz zu finden, welcher die Schub·
spannung der turbu1enten Scheinreibung 7:' mit den zeitlichen Mittel.
werten der Geschwindigkeitskomponenten verknüpft.
Ein Ansatz dieser Art, der sich gut bewährt hat, wurde 1925
von L. PRANDTL [52J angegeben; er ist unter der Bezeichnung Prandtl·
scher Mischungsweg bekannt und möge im folgenden kurz erläutert
4.6 Einiges über turbulente Strömungen 277

werden. Der zeitliche Mittelwert der Geschwindigkeit sei nach Abb. 4.39
gegeben durch
u=u(y); v=Ü; W=Ü. (4,95)
Von den Schubspannungskomponenten soll nur
(4,96)
ermittelt werden. Von dem turbulenten Strömungsmechanismus kann
man sich nach L. PRANDTL nun folgendes vereinfachtes Bild machen:
Es gibt in der turbulenten Strömung Flüssig-
keitsballen, die mit einer Eigenbewegung y
ausgestattet sind und sich auf einer gewissen
Strecke sowohl in der Längs- als auch in
der Querrichtung als zusammengehöriges
Ganzes unter Beibehaltung ihres x-Impulses
bewegen. Es werde jetzt angenommen, daß
ein solcher Flüssigkeitsballen, welcher aus
der Schicht (Y1 - l) stammt und die Ge-
schwindigkeit 11, (Y1 - l) besitzt, sich um den
x
Weg l quer zur Hauptströmungsrichtung be-
wegt (Abb.4.39). Wir nennen nach L. PRANDTL Abb. 4.39. Zur Erklärung des
l den Mischungsweg. Wenn dieser Flüssig- PRANDTLschen Mischungsweges
keitsballen seinen x-Impuls beibehält, so hat
er an dem neuen Ort Y1 eine kleinere Geschwindigkeit als seine neue
Umgebung. Der Geschwindigkeitsunterschied beträgt

Llu 1 = U(Y1) - U(Y1 -l) = l (~: )1.


Bei dieser Querbewegung ist v' > ü. Entsprechend hat ein Flüssigkeits-
ballen, welcher aus der Schicht (Y1 +
l) nach Y1 kommt, am neuen
Ort eine größere Geschwindigkeit als die dortige Umgebung. Der
Unterschied beträgt
Llu 2 = U(Y1 + l) - U(Y1) = l (~: \.
Dabei ist v' < ü. Die durch die Querbewegung verursachten Geschwin-
digkeitsunterschiede LI U 1 und LI U 2 können nun aufgefaßt werden als
die turbulenten Längsschwankungen in der Schicht Y1. Somit erhält
man für den zeitlichen Mittelwert des absoluten Betrages dieser Längs-
schwankung
(4,97)

Der hiermit eingeführte PRANDTLsche Mischungsweg steht in einer ge-


wissen Analogie zur freien Weglänge der kinetischen Gastheorie, jedoch
mit dem Unterschied, daß es sich dort um mikroskopische Bewegungen
278 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht.Theorie)

der Moleküle, hier jedoch um makroskopische Bewegungen größerer


Flüssigkeitsballen handelt.
Für die Querbewegung kann man die plausible Annahme machen,
daß v' proportional zu u' ist. Somit hat man:
--- --- du
[v' ! = Zahl [u' [ = Zahl· 1dY . (4,98)

Um die Schubspannung nach GI. (4,96) auszudrücken, müssen wir noch


den Mittelwert u' v' näher betrachten. Oben wurde bereits ausgeführt,
daß dieser Mittelwert von Null verschieden, und zwar negativ ist. Wir
setzen deshalb
u' v' = - kTU1'jv'T,
wobei kein Zahlenfaktor zwischen Null und Eins ist, der nicht näher

r.
bekannt ist. Nach GI. (4,97) und (4,98) erhält man jetzt:

u' v' = - Zahl· l2 ( ::

Falls wir die "Zahl" in den noch unbekannten Mischungsweg 1 mit


einbeziehen und ferner beachten, daß 7:' mit dujdy sein Vorzeichen
ändern muß, erhalten wir schließlich für die turbulente Schubspan-
nung aus GI. (4,96):
, _ l2/ au / au (4,99)
:r - (! dy ay'

Dies ist die PRANDTLsche Mischungswegformel, welche für die Be-


rechnung turbulenter Strömungen recht wertvolle Dienste leistet.
In vielen Fällen kann man die Länge 1 in eine einfache Beziehung
bringen zu den charakteristischen Längen der betreffenden Strömung.
Für die Strömung längs einer glatten Wand muß z. B. an der Wand
selbst 1 = osein, da ja an der Wand jede Querbewegung verhindert wird.
Die PRANDTLsche Formel (4,99) ist mit Erfolg verwendet worden
sowohl für turbulente Strömung an Wänden (Rohr, Kanal, Platte) als
auch für Probleme der sogenannten frel:en Turbulenz (Freistrahl, Nach-
lauf u. a.).
Im nächsten Abschnitt soll die turbulente Strömung im Rohr mit
Hilfe der PRANDTLschen Mischungswegformel kurz behandelt werden,
da diese auch von grundlegender Bedeutung ist für die turbulente
Grenzschicht an der längsangeströmten Platte und an umströmten
Körpern von beliebiger Form.

4.64 Geschwindigkeitsverteilung in der turbulenten Grenzschicht


Wir wollen die PRANDTLsche Mischungswegformel für die turbu-
lente Schubspannung jetzt benutzen, um die Geschwindigkeitsver-
teilung in einer turbulenten Grenzschicht zu berechnen. Dabei lassen
4.6 Einiges über turbulente Strömungen 279

wir es noch offen, ob es sich um die turbulente Grenzschicht an der


Platte oder um die Rohr- oder Kanalströmung handelt. Für Wand-
nähe setzen wir den Mischungsweg proportional dem Wandabstand y,
also
l = xy. (4,100)
Dabei ist x eine dimensionslose Konstante, die aus Versuchen bestimmt
werden muß. Somit ist die turbulente Schubspannung nach GI. (4,99):

1" = ex 2 y2 ( ~; r'
wenn u(y) jetzt den zeitlichen Mittelwert der Geschwindigkeit be-
deutet. PRANDTL macht die weitgehende Annahme, daß die Schub-
spannung konstant sei, 1" = 1'0' wobei 1'0 die Wandschubspannung be-
deutet. Führen wir, wie schon früher in Gl. (4,15), die Schubspan-
nungsgeschwindigkeit v* = V1'o/e ein, so läßt sich die vorige Glei-
chungschreiben inder Form v~ = X 2y 2(du/dy)2 oder duJdy = v*/"y,
Durch Integration ergibt sich hieraus

u= ~lny + c. (4,101)
"
Dabei ist die Integrationskonstane C aus der Bedingung zu bestimmen,
daß die turbulente Geschwindigkeitsverteilung an diejenige der
laminaren Unterschicht anzuschließen ist. Wir bestimmen C aus der
Bedingung, daß u = 0 ist. In einem gewissen sehr kleinen Wand-
abstand Yo, der von der Größenordnung der laminaren Unterschicht
ist. Dies ergibt aus GI. (4,101):
(4,101a)

Die Dicke der laminaren Unterschicht ist von der Größenordnung v/1J* ,
wie schon früher in Gl. (4,19a) angegeben, d. h. man hat Yo = ßvJv* ,
wobei ß eine dimensionslose Konstante bedeutet. Somit erhalten wir
aus GI. (4,101a) die Geschwindigkeitsverteilung in der turbulenten
Grenzschicht in der dimensionslosen Form:

~ = ~ (ln
v. "
y v. - In
v
ß) . (4,101 b)

Führt man noch die Abkürzungen


I I
A=-, D = --lnß (4,102)
" "
ein, so erhält man aus GI. (4,101 b):

~ = A In y v ~ + D. (4,103)
v* v
280 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

Dieses ist das universelle logarithmische Geschwindigkeitsverteilungsgesetz.


Es ist in den gleichen Veränderlichen dargestellt wie das 1J7-Potenz-
gesetz der Rohrströmung nach GI. (4,17). Das logarithmische Ge-
setz nach GI. (4,103) gilt, wie ein Vergleich mit Messungen zeigt, sowohl
für die turbulente Plattengrenzschicht als auch für die turbulente
Rohrströmung, und zwar ist es ein asymptotisches Gesetz für sehr
große REYNoLDssche Zahlen. In Abb. 4.5 ist das logarithmische Gesetz
nach GI. (4,103) als Kurve (3) mit eingetragen. Es stimmt mit den
Messungen in glatten Rohren sehr gut überein. Die Konstanten ergeben
sich aus den Rohrversuchen zu
A = 2,5; D =5,5; (4,104)

somit ist die Konstante x = 0,4, was plausibel erscheint.

4.7. Der turbulente Reibungswiderstand der


längs an ge strömten ebenen Platte
4.71 Die glatte Platte bei inkompressibler Strömung
Der einfachste Fall der turbulenten Grenzschicht an einem um-
strömten Körper liegt bei der längsangeströmten Platte vor. Die turbu·
lente Plattengrenzschicht ist praktisch besonders wichtig, da der
Reibungswiderstand der längsangeströmten ebenen Platte bei großen
REYN"oLDsschen Zahlen den wesentlichen Anteil des Widerstandes
von Flugzeugtragflügeln, Flugzeugrümpfen, Turbinen- und Gebläse.
schaufeln sowie von Schiffen ausmacht. Da eine Integration der Grenz.
schichtdifferentialgleichungen mit dem Ansatz für die turbulente Schub·
spannung für diesen Fall auf sehr große Schwierigkeiten führt, ver·
wenden wir das einfachere Näherungsverfahren, welches mit dem
Impulssatz arbeitet (Kap. 4.44). Um dieses Näherungsverfahren an-
wenden zu können, muß eine Annahme über die Geschwindigkeits.
verteilung in der Grenzschicht gemacht werden. Hierfür wird nach
PRANDTL [12] die grundlegende Annahme gemacht, daß in der Grenz.
schicht an der Platte die gleiche Geschwindigkeitsverteilung vorhanden
ist wie im Rohr. Mit Hilfe dieser Annahme kann man die umfangreichen
experimentellen Untersuchungen über die Rohrströmung (vgI. Kap.4.15)
für die Platte nutzbar machen. Beim Übergang vom Rohr zur Platte
entspricht der Maximalgeschwindigkeit U im Rohr die Anströmungs-
geschwindigkeit Uoo der Platte und dem Rohrradius R die Grenz·
schichtdicke t5. Ferner nehmen wir für die folgenden Betrachtungen an,
daß die Grenzschicht an der Platte von der Vorderkante an turbulent
sei. Das Koordinatensystem sei nach Abb. 4.40 gewählt, b sei die Breite
der Platte, und x = 0 die Plattenvorderkante. Die Grenzschichtdicke
nimmt mit der Lauflänge x zu.
4.7 Der turbulente Reibungswiderstand 281

Der Impulssatz liefert für den Reibungswiderstand WR (x) der ein-


seitig benetzten Platte von der Länge x, vgI. GI. (4,69) und (4,70):

f f
x 6(x)

W R (x) = b 'T 0 (x) dx = eb u (U 00 - u) d y = e b U~ {f (x) , (4,105)


o 0

wobei das zweite Integral über die Grenzschichtdicke an der Stelle x


zu nehmen ist und f}(x) nach GI. (4,71) die Impulsverlustdicke an der
Stelle x bedeutet. Aus GI. (4,105) ergibt sich:

(4,106)

Für die weitere Rechnung ist jetzt in GI. (4,106) ein Ansatz für die
Geschwindigkeitsverteilung einzuführen. Das 1j7-Potenzgesetz der Ge-
schwindigkeitsverteilung für das Rohr y
nach GI. (4,12) ergibt auf Grund der
obigen Ausführungen als Geschwindig- u""
keitsverteilung für die Plattengrenz-
schicht :
~
U oo
= (JL)l/7
0 . (4,107)
-j
Dieser Ansatz für die Geschwindigkeits- 7 ~
verteilung in der Grenzschicht enthält / ~

die Annahme der Ähnlichkeit der Ge- 7


schwindigkeitsprofile. Die Grenzschicht- /u(x,y)
dicke 15 (x) ist aus der folgenden Rech- ./ x

nung zu ermitteln. Das Gesetz für die Abb. 4.40. Turbulente Grenzschicht an
Wandschubspannung übernehmen wir der längsangeströmten ebenen Platte
(schematisch)
ebenfalls aus der Rohrströmung ; es
lautet, wenn man in GI. (4,18) U durch Uoo und R durch 15 ersetzt:

--2-
'0
=
V )1/4 .
0,0225 ( U-----r (4,108)
eUoo 00

Die Impulsverlustdicke f) und die Verdrängungsdicke 15* errechnen


sich nach GI. (4,71) und (4,67) mit der Geschwindigkeitsverteilung
GI. (4,107) zu:
ö* = ~ö.
8
(4,109)

Durch Einsetzen von GI. (4,109) und (4,108) in GI. (4,106) ergibt sich
für Ö(x) die Differentialgleichung:

7 do _( v )1/4
72 Tx = 0,0220 Uooo .
282 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

Die Integration dieser Gleichung mit der Anfangsbedingung r5 = °


°
bei x =

und somit
ergibt:
r5(x) = 0,37 x ( x l/5 U; r
(4,110)

&(x) = 0,036 x ( U;x_r l/5


• (4,111)

Hiermit nimmt also die Grenzschichtdicke mit der Potenz X 4/5 der Lauf-
länge zu, während bei laminarer Strömung r5 ,...., X1/ 2 ist.
Der gesamte Reibungswiderstand der einseitig benetzten Platte
der Länge l und der Breite b ist somit nach GI. (4,105):

WR = 0,036 e U~ b l ( U: l r l/5

Hieraus ersieht man, daß bei turbulenter Strömung der Plattenwider-


stand proportional zu U~5 und l4/5 ist; bei laminarer Strömung waren
die entsprechenden Potenzen U~2 und ll/2. Führt man noch dimensions-
lose Beiwerte für den örtlichen Widerstand (Wandschubspannung) und
den Gesamtwiderstand ein durch:

,
cf= --'t'o
- b zw.
JL U2 2 00

so erhält man
Cf=2~
dx
bzw. cf = 2 (}?) . (4,112)

Damit ergibt sich aus GI. (4,111):


cf = 0,0576 (U 00 xlv)-1/5 und cf = 0,072 (U 00 llv)-1/5.

Für Platten, deren Reibungsschicht von vorn an turbulent ist, ist


die letztere Formel in guter Übereinstimmung mit Versuchsergebnissen,
wenn der Zahlenfaktor 0,072 abgeändert wird in 0,074. Damit hat man:

Cf = 0,074 (Re)-1/5; 5 . 105 < Re < 107 • (4,113)

Dieses Widerstandsgesetz ist als Kurve (2) in Abb.4.41 eingetragen.


Es stimmt bis Re = 107 gut mit Messungen überein. GI. (4,113) gilt,
wie schon oben erwähnt, unter der Voraussetzung, daß die Reibungs-
schicht von der Plattennase an turbulent ist. In Wirklichkeit ist die
Grenzschicht, wie schon in Kap. 4.2 angegeben, vorn laminar und erst
weiter stromabwärts turbulent. Die Lage der Umschlagstelle ist je
nach dem Turbulenzgrad der äußeren Strömung gegeben durch eine
kritische REYNoLDssche Zahl (U00 xl v)krit = 3 . 105 bis 3· 106 . Die
~~ I I I I i I U+=I +=U I I 11111 I I I I I I 1111 I I I I I I 111I ~~-
L II I II II
8 c- -l-
7~
~io-.
:L '; t-;~~Ill.. h \L~~,.' I I 1111 I1 ~~-:r
• 1 l' ~'\l " .""t,h,,!W ""'~
t '" I I • 6ebers
g- t'-., I MI' &, ' frood, ~
~ J Kr !l J _
~"gl. I I I'" Kempf
" 1''1-- 3a 6. 0 {kh",'m ~
• ~I
lJS iI .~ 3 i~
z ~~I '"
SO
I~n-~ §
:1 1111 111 r'~
,1 1IIIIIIIilti I
10' 1,5 2 3 9 5 C B 10 G 1,5 9 5 C 8 10 7 ,5Z 3956 8 10 8 i5 2 3 9 5 6 8 10 g l5 5 §
Re= Uoo'l_
V
I
p..

AlJh. 4.41. DaH Wi<lerstandsgesetz der längsangeströmten glatten ebenen Platte; Vergleich von Theorie und Messungen. Theoretische Kurven:
Kurve (1) laminar, BLASlUS nach GI. (4,65):
Kurve (2) turbulent, PRANDTL nach GI. (4,113);
Kurve (3) turbulent, PRANDTL-SCHLICHTING;
Kurve (3a) übergang laminar-turbulent nach GI. (4,115);
Kurve (4) turbulent nach SCHULTZ-GRUNOW [53)

t-:>
($)
<:I:>
284 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht.Theorie)

Widerstandsverminderung durch das laminare Anlaufstück kann man


durch ein Zusatzglied zu GI. (4,113) angeben in der Form:
0,074 A
CI = 'Y.Re - Re . (4,114)

Dabei ist die Konstante A durch die folgende Tabelle gegeben:

Tabelle 4.1. Die Konstante Ades Plattenwider8tandsgesetzes Gl. (4,114) in Abhängig.


keit von der kriti8chen Reynold88chen Zahl Re xkrit

3.105 5.10 5

A 1050 1700 3300 8700


Für größere REYNoLDssche Zahlen, für welche beim Rohr an Stelle des
1/7.Potenzgesetzes der Geschwindigkeitsverteilung ein logarithmisches
Gesetz tritt, GI. (4,103), erhält man dementsprechend für die Platte
auch ein anderes Widerstandsgesetz. Dieses lautet mit dem gleichen
Zusatzglied für den laminaren Anlauf wie in GI. (4,114):
0,455 A
CI = (logRe)2,58 - Re' (4,115)
Dieses PRANDTL·SCHLICHTINGSche Widerstandsgesetz der glatten Platte,
das mit A = 1700 für Rexkrit = 5 .105 als Kurve (3a) und ohne das Zu·
satzglied in GI. (4,115) als Kurve (3) in Abb.4.41 mit eingetragen ist,
stimmt im unteren Bereich der Re·Zahlen mit GI. (4,114) überein. Es gilt
bis etwa Re = 109 und überdeckt damit den ganzen flugtechnisch wich·
tigen Bereich der REYNoLDs.Zahlen.

4.72 Einfluß der Kompressibilität


Die vorstehenden Betrachtungen gelten für inkompressible Strö·
mung und sind somit nach den Ausführungen in Kap. III über den
Einfluß der Kompressibilität etwa bis zur MAcH.ZahlMa oo = Uoo /aoo =0,5
mit guter Näherung anwendbar. Da die in der Flugtechnik vorkommen·
den MAcHschen Zahlen teilweise erheblich größer sind, mögen bereits
an dieser Stelle einige Angaben über den Einfluß der MAcHschen Zahl auf
die Grenzschicht eingefügt werden, während die genauere Behandlung
dem Kap. 4.9 vorbehalten bleibt. Für jede kompressible Grenzschicht
spielt der Wärme übergang zwischen der Wand und dem strömenden
Medium eine ausschlaggebende Rolle. Dabei ist der Fall der wärme·
undurchlässigen Wand von besonderer Bedeutung.
Während die laminare Grenzschicht bei kompressibler Strömung
einer rechnerischen Behandlung zugänglich ist, beschränken sich die
bisherigen theoretischen Bemühungen um die turbulente kompressible
Grenzschicht ganz auf halbempirische Theorien von der Art der
PRANDTLschen Mischungsweg.Hypothese, wobei jedoch weitere zu·
4.7 Der turbulente Reibungswiderstand 285
sätzliche Annahmen gemacht werden müssen. Einen ersten Vorstoß
in dieser Richtung unternahm E. R. VAN DRIEST [54]. Die von ihm
errechneten Widerstands beiwerte der längsangeströmten ebenen Platte
In Abhängigkeit von der REYNOLDSSchen und MAoHschen Zahl sind
in Abb.4.42 angegeben und mit Messungen verglichen. Die Über-

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I----r----t - rr'
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1
Z
11
'6B10 7 Z • 6 810 8
Re- Uo,;l _
Voo

Abb. 4.42. Beiwerte des Reibungswiderstandes der li,ngsangeströmten ebenen Platte bei lami-
narer und turbulenter Grenzschicht in Abhängigkeit von der REYNOLDSSchen Zahl und der
MAcHschen Zahl für wärmeundurchlässige Wände, nach VAN DRIEST [54]

einstimmung von
~ Dhowon
<)
Rechnung und Mes- 1
o. Co/es (ebene Strömyng)
IJ)J

':\ ".
sung ist nicht in allen Brinich,Dioconis fAxialsfr.)
Fällen befriedigend, GI Chapmon,Kesfer(Axialslr)
118
wobei jedoch auf eine z <> Seiff (Axialströmung)
~,o "I7Y Lohb,Winkler;fershfebene SIr)
gewisse Unsicherheit 0,7 3
der Messungen bei ~ ~.D o. HilI (Atials/römung)

großen MAcHschen
Zahlen hingewiesen ~ I''\..
werden muß. Des wei- ~ ',-
'"
teren ist in Abb. 4.43 .......,
0, r-....
für die REYN"OLDS-

Abb.4.43. Reibungsbeiwert
der längsangeströmten
0,3

- - Theorie Irilson, ohne Wärme/elfung


~
. i'-- r~, ®
---
ebenen Platte bei turbulen-
ter Grenzschicht in Ab- - - Theorie von Driesf, md Wärme/eifung
1
hängigkeit von der MACH-
sehen Zahl; REYNOLDS-Zahl
Re"" 10'. Vergleich von
Theorie und Messung
o 2 3 'I 5 6 7 8 !l 10
Ha oo -
286 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

Zahl Re ~ 107 das Verhältnis der Widerstands beiwerte bei kompressibler


und inkompressibler Strömung in Abhängigkeit von der MAcH-Zahl
bis zu sehr großen MAcHschen Zahlen dargestellt. Die Abnahme des
Reibungswiderstandes ist bei großen MAcH-Zahlen sehr beträchtlich.
Von den beiden theoretischen Kurven gilt diejenige von R. E. WIL-
SON [55] für die wärmeundurchlässige Wand und diejenige von E. R.
VAN DRIEST [54] mit Wärmeübergang. Die Messungen mehrerer Autoren
stimmen mit der Theorie gut überein.

4.73 Einfluß der Rauhigkeit


Bei den meisten technischen Anwendungen der Plattenströmung
(z. B. Schiff, Tragflügel, Turbinenschaufel) ist die Wand nicht hydrau-
lisch glatt. Die Strömung an der rauhen Platte hat deshalb ein ebenso
großes praktisches Interesse wie die Strömung im rauhen Rohr, die
bereits in Kap. 4.1 behandelt wurde.
An Stelle der relativen Rauhigkeit kl R des Rohres tritt bei der Platte
die Größe k!b, wobei b die Grenzschichtdicke bedeutet. Der wesentliche
Unterschied zwischen dem rauhen Rohr und der rauhen Platte be-
steht darin, daß im Gegensatz zum Rohr, bei dem bei konstantem k
die relative Rauhigkeit kl R konstant ist, hier bei der Platte die relative
Rauhigkeit kib längs der Platte abnimmt, da die Grenzschichtdicke (j
stromabwärts zm1.immt. Dies hat zur Folge, daß die vorderen und
hinteren Plattenteile sich in bezug auf den Rauhigkeitswiderstand ver-
schieden verhalten. Nehmen wir der Einfachheit halber an, daß die
turbulente Grenzschicht bereits an der Plattenvorderkante beginnt,
so haben wir vorn 'an der Platte, wo kib groß ist, zunächst über eine
gewisse Lauflänge die vollausgebildete Rauhigkeitsströmung. Daran
schließt sich das sog. Übergangsgebiet an, und weiter stromabwärts
kommt man, falls die Platte lang genug ist, in den Bereich der hydrau-
lisch glatten Wand.
Die Bereiche werden abgegrenzt durch Angabe der dimensionslosen
Rauhigkeitskennzahl v*kslv, nämlich, vgl. Kap. 4.15:

5:>
v" ks::;: 5:

,~.. : 70,
hydraulisch glatt,

Üb "gang;<bereieh,

v*~k .. ~ 70: ausgebildet rauh.


I
1

J
(',116)

Dabei bedeutet v* = VTo/e die Schubspannungsgeschwindigkeit.


Die Umrechnung vom 1tohr auf die Platte kann für die rauhe Platte
in gleicher Weise ausgeführt werden, wie es für die glatte Platte bei in-
kompressibler Strömung oben erläutert wurde. Diese Rechnungen wur-
4.7 Der turbulente Reibungswiderstand 287
den von L. PRANDTL und H. SCHLICHTING [56] unter Benutzung der NIKU-
RADsEschen Messungen an rauhen Rohren [11] durchgeführt. Das Er-
gebnis für den Beiwert des Gesamtwiderstandes der sandrauhen Platte
ist in Abb. 4.44 angegeben, wobei cf in Abhängigkeit von Re mit ljk s
als Parameter dargestellt ist. Die eingetragene gestrichelte Kurve gibt
die Grenze des Bereiches der voll ausgebildeten Rauhigkeitsströmung
an. Ebenso wie beim Rohr (Abb.4.3) wirkt eine bestimmte relative
Rauhigkeit nicht bei allen Re-Zahlen widerstandserhöhend, sondern
erst oberhalb einer bestimmten Re-Zahl. Für kleine Re-Zahlen ist eine
rauhe Platte u. U. hydraulisch glatt.
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Uoo·L
v
Abb. 4.44. Beiwerte des Reibungswiderstandes für die sandrauhe Platte
nach PRANDTL-SCHLICHTING [56]

Für andere Rauhigkeiten als die hier zugrunde gelegten Sandrauhig-


keiten ist dieses Diagramm ebenfalls verwendbar, wenn man mit der
äquivalenten Sandrauhigkeit rechnet, wie es für die Rohrströmung in
Kap, 4.15 angegeben wurde. Auch die Anstriche der Flugzeugoberflächen
lassen sich nach Untersuchungen von A. D. YOUNG [57] gut in die Skala
der Sandrauhigkeiten einordnen. Es wurden hierfür an Tragflügeln
äquivalente Sandrauhigkeiten von ks = 0,003 bis 0,2 mm gemessen;
sie betragen etwa das 1,6fache der mittleren geometrischen Rauhig-
keitserhebungen. Dabei ist noch bemerkenswert, daß die Zusatzwider-
stände infolge der Rauhigkeit im Unterschallbereich unabhängig sind
von der MAcHschen Zahl.
288 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

Zulässige Rauhigkeit. Unter der zulässigen Rauhigkeitshöhe ver-


stehen wir diejenige Höhe, die gerade noch keine Widerstandszunahme
gegenüber der glatten Wand ergibt. Die Frage nach der zulässigen
Rauhigkeitshöhe einer be strömten Wand ist praktisch recht wichtig,
da sie Auskunft darüber gibt, welcher Aufwand beim Glätten einer be-
strömten Oberfläche zum Zweck der Widerstandsverminderung sinn-
voll ist. Die Dinge liegen hier wesentlich verschieden für die laminare
und die turbulente Grenzschicht.
Bei turbulenter Grenzschicht wirken Rauhigkeiten hydraulisch
glatt, wenn sie ganz innerhalb der laminaren Unterschicht liegen, deren
Dicke nur ein sehr geringer Bruchteil der turbulenten Grenzschicht-
dicke ist. Aus Rohrmessungen wurde nach Kap. 4.15 als Bedingung für
hydraulisch glatt
v* k s
v
<5 (hydraulisch glatt) (4,117)

gefunden, wobei v* = Viole die Schubspannungsgeschwindigkeit bedeu-


tet. Diese Bedingung dürfen wir auch für die längsangeströmte ebene
Platte als gültig ansehen. Es ist aber bequemer, für die Platte einen
zulässigen Wert von kll anzugeben. Aus dem Widerstandsdiagramm der
rauhen Platte, Abb. 4.44, erhält man das zulässige kll dort, wo eine
bestimmte Kurve kfl = const von der Kurve der glatten Platte abbiegt.
Man findet aus Abb. 4.44 die in nebenstehender Tabelle angegebenen
abgerundeten Werte:

Re = Uool 105 106 107 108 109


V

(~Ll 10- 3 10- 4 10- 5 10- 6 10- 7

Diese lassen sich zusammenfassen in die einfache Formel:


Uookzul = 100. (4,118)
v

Hiernach ist die zulässige Rauhigkeitshöhe von der Plattenlänge gar


nicht abhängig; sie wird lediglich durch die Geschwindigkeit und die
kinematische Zähigkeit bestimmt nach der Formel:

k zul ;;:;; 100 ;00 . (4,119)

Bei den praktischen Anwendungen ist es jedoch zweckmäßig, die zu-


lässige Rauhigkeitshöhe unmittelbar zu der Plattenlänge l oder all-
gemeiner zu der Länge l des beströmten Körpers (z. B. Schiffslänge,
Länge des Flugzeugrumpfes, Flügeltiefe) ins Verhältnis zu setzen, da
4.7 Der turbulente Reibungswiderstand 289

dies ein anschauliches Maß für die erforderliche Oberflächenglätte gibt


Zu diesem Zweck schreiben wir GI. (4,119) in der Form:
100
kzu1 ;;:;; l Re ' (4,120)

wobei Re = U00 lj v ist. Für die bequeme Auswertung von GI. (4,120) ist
in Abb.4.45 die zulässige Rauhigkeitshöhe in Abhängigkeit von der
REYNoLDs-Zahl mit der Plattenlänge als Parameter aufgetragen. Die
REYNoLDs-Zahl-Bereiche, wie sie bei den verschiedenen Anwendungen
(Schiff, Flugzeug, Luftschiff, Gebläseschaufel, Dampfturbinenschau-
fel) vorkommen, sind in dieses Diagramm mit eingetragen. Darüber
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mm
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Abb.4.45. Die zulässige Rauhigkeitshöhe kzn! für längsangeströmte rau he Platten und Trag-
flügelprofile nach GI. (4,120)

SchIichtingjTrllckenbrodt, Aerodynamik I 19
290 IV. Strömungen mit Reibung (Grenzschicht-Theorie)

hinaus gibt Tab. 4.2 eine Zusammenstellung von einigen Beispielen, die
mit Hilfe von Abb. 4.45 berechnet wurden. Für Schiffe liegen die zu-
lässigen Rauhigkeitshöhen bei einigen hundertstel Millimeter; sie sind
praktisch nicht erreichbar, so daß hier immer mit einer beträchtlichen
Widerstandserhöhung durch Rauhigkeit zu rechnen ist. Dasselbe gilt
auch für Luftschiffe. Bei Flugzeugtragflügeln liegen die zulässigen
Rauhigkeitshöhen zwischen 1/100 und 1/10 Millimeter. Solche Werte sind
bei sehr sorgfältiger Oberflächen behandlung erreichbar. Bei Modell-Trag-
flügeln, bei denen die zulässigen Rauhigkeiten ebenfalls zwischen 1/100
und 1/10 Millimeter liegen, sind hydraulisch glatte Oberflächen ohne
weiteres zu erzielen. Über den Einfluß der Rauhigkeit auf die aero-
dynamischen Eigenschaften von Tragflügeln liegen mehrere experimen-
telle Untersuchungen vor [58], [59], [60].

Tabelle 4.2. Zulässige Rauhigkeitshöhe für Schiffe, Luftschiffe und Flugzeuge bei
verschiedenen Geschwindigkeiten

Gattung Nähere
Geschwindig-
keit Länge
I matische
Kine- REYNOLDS-
Zahl
Zulässige
Rauhig-
Bezeichnung Zähigkeit keitshöhe
U oo [knt/h] I [ml IlOo.v[m'/sl Re= Uool/v kzu1[mm]

groß 56
Schiff 250 1,0 4.10 9 0,007
schnell (30 Kn)
klein 18
Schiff 50 1,0 3.108 0,02
langsam (10Kn)
Luftschiff - 120 250 14,4 6.18 8 0,04
groß
Flugzeug schnell 600 41 14,4 5.107 0,01
am Boden
klein
Flugzeug langsam 200 2 14,4 8.106 0,025
am Boden
groß
Flugzeug schnell 600 4 35,4 2.10 7 0,02
in 10 km Höhe
klein
Flugzeug langsam 200 2 35,4 3.106 0,065
in 10 km Höhe

Kritische Rauhigkeit. In der laminaren Grenzschicht ist die Rauhig-


keit ohne Einfluß auf den Widerstand, solange sie nicht den Umschlag
zu turbulenter Strömung herbeiführt. Wir nennen diejenige Rauhig-
keitshöhe, welche den Umschlag herbeiführt, die kritische Rauhigkeits-
höhe. Der Widerstand wird dadurch verändert, daß der Umschlag-
1 Beim Flugzeug dient die Tiefe des Tragflügels als Bezugslänge.
4.8 Berechnung der Grenzschicht mit Druckabfall und Druckanstieg 291

punkt nach vorn verschoben wird. Bei einem umströmten Körper mit
überwiegendem Reibungswiderstand, wie z. B. bei Flugzeugtragflügeln,
wird durch diese Verschiebung des Umschlagpunktes der Widerstand
vergrößert. Diese kritische Rauhigkeitshöhe ist besonders wichtig für
Laminarprofile mit ihrem weit hinten liegenden Umschlagpunkt. Nach
japanischen Messungen mit Einzelrauhigkeiten [61] gilt für die kritische
Rauhigkeitshöhe:
v* hrit = 15. (4,121)
v
Wir geben hierzu ein Beispiel: Ein Tragflügel der Tiefe l = 2 m sei in Luft
(v = 14· 10- 6 m 2/s) mit einer Geschwindigkeit von U"" = 300 km/h = 83 m/s
angeströmt. Es ist Re = U""l/v = 107 • Wir betrachten eine Stelle des Tragflügels
im Abstand x = 0,1 l von der Nase, also Rex = U"" x/v = 106 • Bis dahin wird
die Grenzschicht unter der Wirkung des Druckgefälles laminar sein. Für die
laminare Grenzschicht ist die Wandschubspannungnach GI. (4,62): To/e = v (iJu/iJ y)o
= 0,332 Uix, Vj,TtJ"" x = 0,332 . 6900 . 10 -3 m 2/s 2 = 2,3 m 2/s 2• Somit ist v* = fr~Ti
= 1,52 m/s. Dies ergibt nach GI. (4,121):
v 15
hdt = 15 ~ = 1,52 0,14.10- 4 m = 0,14 mm.

Es ist also in diesem Fall die kritische Rauhigkeitshöhe, welche den Umschlag
herbeiführt, etwa zehnmal größer als die in der turbulenten Grenzschicht zulässige
Rauhigkeitshöhe, die nach Tab. 4.2 für diesen Fall (kleines Flugzeug) etwa 0,02 mm
beträgt. Die laminare Reibungsschicht "verträgt" also eine wesentlich größere
Rauhigkeit als die turbulente.
Messungen über das Verhalten der laminaren Reibungsschicht mit
einzelnen Störkörpern (Nietköpfen) sind von K. SCHERBARTH [100] aus-
geführt worden. Es ergibt sich hinter der Einzelrauhigkeit ein keil-
förmiges turbulentes Störungsgebiet mit einem Ausbreitungswinkel von
14° bis 18°.

4.8 Berechnung der Grenzschicht mit Druckabfall und Druckanstieg


4.81 Allgemeines
Die turbulente Grenzschicht mit einem Druckgradienten längs der
Wand hat sowohl für den Tragflügel als auch für den Rumpf eine beson-
dere Bedeutung. Der Druckabfall und besonders der Druckanstieg haben
ebenso wie in der laminaren Strömung auch bei turbulenter Strömung
einen starken Einfluß auf die Ausbildung der Grenzschicht. Für die
Berechnung der turbulenten Grenzschicht sind