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P É T E' R I V f ll

Erneute (Jntersuchung
desKönwberyerFragments
undseiner
Strefen
Zusammenfassung

Das aus zwei Gliedern bestehendeSprachdenkmal, Das Ensemble wurde dann mehrmals nach Ungarn
bekannt unter dem Namen Königsberger Fragment
und gebracht und auch mehrfach fotografiert, aber kein
seineStreiJen(KönigsbergiTöredé kí sS4tlagai : KTSz, Bild gelanggut genug' und die lrsung des Jé xtesisr
Kat. 10_t t), ist einesder bedeutendstenfrühen un_ bis heute an vielen Stellen unsicher Soáter haben die
garischenSprachdenkmáleqdas aus der Periodevor Akademie und das Ungarische Nationalmuseum
dem Aufblühen der ungarischsprachigenSchrift- mehrfach den Ankauf des Sprachdenkmalsversucht,
lichkeit im 1.5.-l.6.Jahrhundertstammt. Es besteht jedochohne Erfolg, die Fragmenteblieben in Konigs-
aus einem 12)x7) mm gro8en Pergamentblattmit berg. I m Zwerten Weltkrieg hat man die Bibliothek
lateinischemTé xtsowie mit neun Ze| I enin ungari_ vor den sowjetischenBombardementsin verschiede-
scherSpracheund vier 1e9O-95 x2O-25 mm gro- ne andereSammltrngenausgelagert'Dadurch ging für
Ben auf der Vorder_und Rückseite mit zehn bis elf | angeZeit die Spur der Sprachdenkmáler verloren.
ZeI I en ungarischbeschriebenenPergamentstreifen. Erst 1984 konnten sie in der Torner (Torufl) Univer-
Alle Fragmente wurden etwa in der zwetten Hálí te sitátsbibliothek in Polen identifiziert werden,aber da
des 14.Jahrhundertsvon derselbenHand beschrie- war nur noch dasFragment
erhalrcn,dieStrefenund die
ben, die eine etwas zur Té xtgall'sneigende, aber im Ti.ágerhandschriftsind bis heute verschollen,sie be-
Grunde í rthgotische Kursive (gothica cursivaantiq- finden sich an unbekanntemOrt oder wurden mösli_
uior) verwendete. cherweisesogar vernichtet.
Von denbeidenJé ilenwurde 186 ] zuerst dasFrag_ Das FragmenÍwar ursprünglich das rechtsseitige
ment mit dem neunzeiligen ungarischenJé xt a1sdas Blam eines Doppelblattes, das der Buchbinder nicht
Vorsatzblatt eines lateinischen Kodex aus dem 11.- genau in der Mime zerschnimen hatte, sondern so,
1{ ' Jahrhundertin der UniversitátsbibliothekKönigs- dassan dem vorliegendenBlatt 1-1,5-Fingerbreitder
berg entdeckl Davon informierte man sogleich die gegenüberliegendenSeite erhalten blieb. Auf beiden
Ungarische Akademie der Wissenschaí ten'deren da- Seiten dieses Streií ens sind die letzten Buchsmben
maliger Prásident Ferenc Töldy als erster von der von ungarischen fé xtzeilen derselben Hand Zu er
Entdeckung Mitteilung machteund dasSprachdenk- kennen (2.8. -uc,-rrzr).Diesen Streifen hat der Buch-
mal Kanrgsberger
Fragment
nannte. Die Streifen wurden binder dann umgebogenund aufdieseWeisedasBlatt
erst mehr als ] o Jahre spáter, 1894 im innband des an den A"f""g des Kodex gebunden, und zwar so,
Kodex gefunden. Damals lösrc der damaligeBiblio- dassdasFragment alsVorsazblatt an den Anfang des
theksdirektor Paul Schwenkeden Kodexeinbandund erstenHeftes kam.Der Streifen stand somit am Ende
scie8 auf die vier Streifen mit ungarischem Té xt. desHeftes, zwischenBlatt 1,2und tl.

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T ANULNl ANYOK

Der auf den Streifen stehendeGxt - soweit er auf Wegen der Unzugánglichkeit des Sprachdenkmals
den Fotos vom Ende des 19. und Anfang des 20. ist der ungarischeTé xtbis heutevon einerMenge von
Jahrhundenszu erkennenist - stammt von derselben FragenundProblemen umgeben:wederseineHerkunft
Hand wie die neun Zeilen desFragmentes.
Der Jé xt noch sein genauesDatum, noch die FrageseinerGat-
leuft auí beiden Hálí ten der vier Streifen entlang,auf tung sind gelösl Schon die Datierung ist au8erordent-
der Vorderseite (recto) fehlt der Zeilenanfans und lich unsicher denn früher hielt man es auf Grund sei-
Jé xtendeund Rand sind zu sehen,wogegenauf der ner Schrift für ern Denkmal des 1'4.Jahrhunderts,je-
Rückseite (verso) Gxtanfang und Rand gut erkenn- doch sind die Forscherbei zr-rnehmend
eingehenderer
bar sind, das Zeilenende dagegenabgeschnimenwur- sprachwissenschaftlicher
LJntersuchungdesTé xteszu
de. Die vier Streifen ergeben,etwa in der Mitte zu- der Feststellunggekommen,dasser einen weit fnihe-
sammengesetzt,zehn bis elf ungarischeZeilen. Aus ren ungarischenSprachgebrauchals die An der Nie-
der zerschnittenenSeitekönnen Vermutlichvier wei_ derschrift spiegelt,den von der Wende vom 12. zum
tere Streifen herausgeschnittenworden sein, die 13.)ahrhundert.Diese Doppelheit ist bis heutegeblie-
höchstwahrscheinlich endgültig verloren gingen' ben, und man beruft sich in der Literatur auf ihn mal
Der Jé xt selbst bildet ein - in den Details ziem- als ein Sprachdenkmalum 12oo und mal auf ernsdes
- lebhaftesNarraciv mic
lich schwerrekonstruierbares 1{ . ] ahrhunderts.Bei der lircraturwissenschaftlichen
eingestreutenDialogen und Monologen, in dessen Beurteilung ist die Unsicherheit noch gröBer: Allge-
Mittelpunkt Maria steht. Die Erzáhlung verláuí t of mein deutet man es a1sFragment aus einer Predigt
fensichtlich in der ZeiabfoÍ ge: Auf der Vorderseite (Ié ileinesSermonariums?)' Anderevermutetenrn ihm
der Bánder wird von der Auswalrl des Engels Gabriel eine französisch beeinflussteSequenz,wieder andere
gesprochen,den Gott nach Nazareth sendet,und ein ungarischesl(rchenlied oder sogarTé ileineslitur-
danach findet sich - auf dem fragmentarischenunce- gischenSpiels. Und dabeiwar nicht einmal bewiesen,
ren Jé il der Bandvorderseiten- die Niederschrift des ob die SniJen md dasFragmentthematisch und buch-
EnglischenGru8es. Das Geschehensetzt sich auf der geschichdichZusalTunengehörentnd in welchemVer-
Rückseite der Streifen in Rom fort, wo eine Seherin hálmis sie zu dem Kodex stehenkörrnen, in dem sie
von Maria als Gottes ,,desKönigs der Könige heili- gefundenwurden. Die emeute[ Jntersuchunghat die
gem,goldenemAltar', spricht (,a keraluc kerálának
s4nt, Antwort auf dieseFragen gesucht und mit Hilfe der
aran1oltararől,,),die ihr in einer Vsion als Jungfrau entdecktenFotos von der TiágerharrdsclrriftdasVerhilt-
mit ihrem Kind aufdem Scho8 erschienensei.Danach nis der Fragmentezu ihnemTiágerkoderneubewertet,in
- auf den Fragmentender Rückseiten der Streifen - dessenLicht sie eine neue Theorie fur die Entstehung
geht es darum, dass jemand die Krippe besucht und des Sprachdenkmalsent.arí die sich auch auf seinen
dort das Kind in Windeln gewickelt sieht, worüber literarischenCharakter und seineDatierurrgbezieht.
die,fufel sich en$etzten', (,,iirdi.gők
ssrytwlmek,,)
.Da- Die von den Streifen gebildete Seite und dasFrag-
nach folgt die berühmte Beschreibungdes Fragmen- mentwerden,wie die neuerenForschungenmitrcls ei-
tes, wonach irgendwelche,,gesagthaben'' (,,,űgs{ lá- ner T&tparallelebewiesenhaben,ursprtinglichzusam-
noÁ'')dass
, - Vom
noch niemalsQt ágkef lt t at t alf ugv,' mengehört haben.GemáB dem vor nichtlanger Zett
Anfang der Welt an) solchesgeschehensei, dasseine geftrndenenTixL der hochgradigeÁhnlichkeit mit dem
Jungfrau ein Kind gebiert und doch Jungfrau bleibe, trngarischenTtx t desFragmentes
aufiveist,kann dasSub-
und damit endet der Jé xt auch. 1ektvon űg s{ lano&(gesagthaben) dieürdi,gök(Teufel)
PrlrEt TórH: Ernilft LJntersuchurydes Kőntlsbe1* tfFragffientsund seintr Stretfen

am Ende der Streifen sein, die - wie der ungarische Gro8herzogs Vtold von Litauen rrar, dessenKanzlei
Tert besagt- wahrschetí ichmit den Sátzen desFrag- er leitete.Der Band kannalsowahrscheinlichdurch ihn
lnentesqüny.llenek1sichenrsetzten). oder durch seineUmgebung aus Breslauins Franzis-
Das KTSz kann in seiner ursprürrglichen Form kanerklosterWelrlau bei Königsberg gekommen Seln'
alsoein Doppelblatt gewesensein,dessenerstesBlarr Von dort gelangteer nach dessenAuflösrrng 1525 mit
auf beiden Seiten einen ungariscl'renTé xcenthielq den übrigen Büchem des Klosters rrrdie fürsdiche Bi-
wogegenauf dem zweiren Blatt am Arfirg ungari- bliothek von Tápiau, wo ihn der Bibliothekar Felix
sche,danach aber lateinischeTé xte,unterschiedliche Rex Poliphemus eigenhándigkamlogisierte;und mit
Predigt skizzen gest anden haben können. Diese dieser Sammlung zusammenging er dam in den Be-
Doppelseite kann, wie sich durcl-rdie vergleichende sitz der Königsberger Universitátsbibliotheküber.
Analysevon KTSz und seinemTiagerkodexer-wiesen Nach dem gegenwártigenForschtrngsstand hat a1so
hat, ein Blatt von diesenr Tiágerkodex gewesensein' die Doppelseite mlt derr.Köntgsberger
Fragmenttrnd sei-
und zwar vernudich vom Ende des Kodex, aus des- nen Streifen urspriinglich einen Jé il diesesKodex
ge-
sen letztem Heft, wo mit derselbenSchrift auch ein bildet, wurde bei dessenWiedereinbindung enrnom-
lateinischerJé xt über zwei vo1leSeiten mit wetteren men und zum neuen Einband verwendel Das rsr um
Predigtmustern erhalten blieb. Die Blámer mit dem so wahrscheinlicheqals sich die Schrift der Hand. die
ungarischenJé xt können also vermutlich die oberste, den ungarischenlárt des KTSz schieb,nicht nur am
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leicht zu entfernendeDoppelseite des Heí tes gewe_ Ende desKodex' sondem auch aufvielen anderenBlát-
sen sein,die im 15.] ahrhundert- als der Kodex sich tem findeq wo sie die fé xte des Bandesmit Anmer-
bereitsin der Bibliothek des unweit von Königsberg krngen und den verschiedenscenKommentareir und
gelegenenFranziskanerklostersWehlau befand- ver- Denksprüchen versieht.Besondersinteressantist dies
mutlich wegendesunverstándlichenungarischenTer- beim zweiten Stück des Kodex, denMariale des nam-
tes entfernt und statt il'rrer ein Papierheft aus zehn haftenfrarrzösischenDominikanergelelmenrrn t ] ' Jahr-
BlárrerI rgebundenwurde.wobei die zerschnirrenen htrndercVncenrius Bellovacensis (f 1,261),einemWerk,
Stücke der entnommenen Doppelseite zur Wieder- das das l-eben Mariens in der Form von Zitaten aus
einbindung des Kodex verwendetwurden. den Werken der Kirchenváter erzá| rh Denn die ungari_
Der Kodex selbst kann urspriinglicl'reine an der scheHand bezeichnecvieleDenils desJexres,dieschon
Wende vom 11. zum 1,!. Jahrhundert geschriebene die frühereForschtrngmit demJé xtdesFragmentesin
und zusammengestellreSammelhandschriftvon Wer- Beziehungbrachte,es findet sich hier sogar auch der
ken dominikanischerAutoren, die auf Grund des an unlángst identtfiziene fé xt der das
,,Entsetzen der
die italische Rotunda eriruremdenSchriftbildes bzw.. Gufel,, erzáhlenden Homilie, und die ungarische
des italischenCharaktersder enthalrcnenWerke (sog. Hand bezeicl'rnetund kommentiert auch ihn. Auf
lornbardischeRezension desWerkesDe poenitentia
des Grund all dessenhat es folglich den Anschein, dass
Yt nzenz von Beauvais bzw. Marienwunder des der Schreiber desKöntgsberger
Fragmentes
diesebesonders
Bartolomeo di Ti"ento) wahrscheinlichaus I talien schönen, lyrischen oder dialogischen, fast dramati-
stammte.Der unbekannteBesirzertaucht dann 1l9l schen Details am Ende des Kodex gesammell über-
beim hochangesehenenKanzler Breslaus, Perrus de setzt oder eher paraphrasierrund mit ihrer Hilfe ein
Boleslauiauí Von ihm wissenwir l'reutebereits.dasser ungarischsprachigesNarratiq vielleichr eine kurze
I )94 seinBreslauerAmtaufqabund in die Diensredes Marienbiografie zusammengestellrhatre.

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