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Karen M.

McManus

DIE BAYVIEW FOUR


EIN JAHR DANACH
Aus dem Amerikanischen
von Anja Galić
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Copyright © 2020 by Karen M. McManus, LLC


Published by Arrangement with Karen M. McManus
Dieses Werk wurde vermittelt durch die
Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover
© 2020 für die deutschsprachige Ausgabe
cbj Kinder- und Jugendbuchverlag
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Aus dem Amerikanischen von Anja Galić
Lektorat: Katarina Ganslandt
Umschlaggestaltung und Artwork: © Suse Kopp, Hamburg
he • Herstellung: MJ
Satz: dtp im Verlag
ISBN 978-3-641-26233-4

V001

www.cbj-verlag.de
THE BAYVIEW FOUR: WHERE
ARE THEY NOW

Cooper deutet mit der Fernbedienung auf das eingefrorene Standbild des
Flatscreens an der Wand. »Okay, was sagt ihr? Sollen wir das jetzt wirklich
machen?«
»Uns bleibt doch gar nichts anderes übrig, oder?«, sagt meine Schwester.
»Die anderen werden es sich auf jeden Fall alle anschauen, dann wissen wir
wenigstens, worüber sie reden.« Wir haben es uns auf der großen Couch in
unserem Fernsehzimmer bequem gemacht. Bronwyn kuschelt sich mir
gegenüber in einer Ecke an ihren Freund. Nate hat den Arm um ihre
Schultern gelegt und spielt abwesend mit einer ihrer Locken. Er sieht aus,
als gäbe es absolut nichts, das ihn weniger interessieren könnte, als das, was
Mikhail Powers zu sagen hat, dabei muss selbst er doch zumindest ein
bisschen neugierig sein. »Außerdem müssen wir uns das Interview mit
Addy anschauen.«
Nate schüttelt den Kopf. »Ich kann immer noch nicht fassen, dass du dich
bereit erklärt hast, mit diesem Typen zu reden.«
Addy zieht eine Grimasse. »Ich hatte keine andere Wahl. Die waren drauf
und dran, mich in die Ecke der abgewrackten Schönheitskönigin zu stecken,
bloß weil ich nicht studiere wie ihr alle. Voll sexistisch.«
»Außerdem stimmt es nicht.« Bronwyn lehnt den Kopf an Nates
Schulter. Sie ist jetzt zwar erst seit knapp drei Monaten in Yale, aber die
beiden haben während dieser Zeit schon einige Härteproben durchgemacht.
Es gab viele Diskussionen über Fernbeziehungen und sogar eine kurze
Trennung, die bis heute Nachmittag gedauert hat. Sie ist übers
Thanksgiving-Wochenende nach Hause gekommen und Nate hat mich
gefragt, ob es okay wäre, wenn er sie vom Flughafen abholt, obwohl das
eigentlich ich machen sollte. Ich hatte seitdem noch keine Gelegenheit,
mich mit Bronwyn allein zu unterhalten, aber ich nehme an, dass es gut
gelaufen ist, weil sie gerade praktisch auf seinem Schoß sitzt.
Trotzdem habe ich das Gefühl, dass das für die beiden ein sehr langes
Jahr werden wird.
»Es völlig okay, sich nach dem Abschluss erst mal eine Auszeit zu
nehmen«, sagt Bronwyn.
»Sehe ich genauso«, stimme ich zu, worauf meine Schwester die Augen
verengt. Sie hat das nicht in Bezug auf mich
gemeint. Seit sie in Yale ist,
schickt sie mir ständig College-Broschüren und ist jedes Mal zutiefst
enttäuscht, wenn sie mich darauf anspricht und erfährt, dass sie sich auf
meinem Schreitisch stapeln und ich noch nicht mal einen Blick
hineingeworfen habe.
»Ich bin in der Elften
«, erinnere ich sie immer wieder. Bronwyn ist nur
ein Jahr älter als ich, aber was die Schule angeht, hinke ich zwei Jahre
hinterher, weil ich meine frühe Jugend zu einem großen Teil in
Krankenhäusern verbracht habe. Hausaufgaben standen in der Rangordnung
nicht unbedingt ganz oben auf der Liste, während ich damit beschäftigt war,
gegen Leukämie zu kämpfen.
»Das ist der perfekte Zeitpunkt, um über deine Zukunft nachzudenken«,
erwidert Bronwyn dann jedes Mal. Und der Blick, den sie mir jetzt zuwirft,
sagt mir, dass das ein Thema ist, über das wir definitiv noch diskutieren
werden, wenn sie mal gerade nicht an Nates Lippen klebt.
Coopers Freund Kris nimmt sich eine Handvoll Popcorn aus der
Schüssel, die zwischen den beiden steht. »Bei uns in Europa ist es total
normal, nach dem Abitur ein Jahr auszusetzen«, sagt er, bevor er sich ein
Popcorn in den Mund wirft. »Hätte ich auch gemacht, wenn ich nicht
hierher gezogen wäre.«
»Als ob du jemals versucht gewesen wärst, ein Jahr einfach so zu
verbummeln, du Überflieger.« Addy schiebt sich eine violette Strähne aus
der Stirn. »So zielstrebig, wie du dein Medizinstudium durchziehst, kauft
dir das keiner ab.«
Cooper hat immer noch die Fernbedienung auf den Fernseher gerichtet.
Er räuspert sich laut und schüttelt verzweifelt den Kopf. »Hallo? Können
wir vielleicht mal wieder zur wesentlichen Frage des Abends
zurückkehren? Also, was ist? Schauen wir uns jetzt diese verdammte
Sendung an oder nicht?«
»Na ja, wir sind alle da, der Festplattenrekorder ist abspielbereit, wir
haben Popcorn.« Addy schüttelt die Plastikschüssel auf ihrem Schoß.
»Spricht alles dafür.«
Cooper drückt auf einen Knopf und der Bildschirm erwacht wieder zum
Leben. Ein Moderator im Maßanzug strahlt hinter einem verchromten
Schreibtisch in die Kamera und zeigt seine blendend weißen Zähne. »Guten
Abend. Schön, dass Sie zur Thanksgiving-Sondersendung von Mikhail
Powers Investigates
eingeschaltet haben. Ich bin Mikhail Powers und werde
Ihnen heute Abend unsere nachträglichen Recherchen zu einem Fall
vorstellen, der uns im vergangenen Jahr ganz besonders beschäftigt hat.
Willkommen zu ›Die Bayview Four: Wo stehen sie heute?‹«
Im schnellen Wechsel werden vier Einspieler gezeigt. Der gut aussehende
Cooper mit seinem markanten Gesicht, wie er gerade zu einem kraftvollen
Fastball ausholt. Addy, die mit leuchtend violetten, ihre feenhaften Züge
betonenden Haaren eine sonnenbeschienene Straße entlangläuft. Meine
Schwester, die mit ihrer Brille und einem locker gebundenen
Pferdeschwanz den sexy Nerd-Look verkörpert und gerade mit einem
Stapel Bücher im Arm aus einem der ehrwürdigen roten Backsteingebäude
auf dem Yale-Campus kommt. Und Nate, der auf einem parkenden
Motorrad sitzt, sich den Helm abzieht und das Gesicht eines gefallenen
Engels mit verwegenem Grinsen enthüllt.
Kein Wunder, dass die Medien letztes Jahr so auf die vier fixiert gewesen
sind. Es ist fast schon lächerlich, wie sehr sie die klassischen
amerikanischen Prototypen verkörpern und wie kameratauglich sie selbst in
alltäglichen Situationen sind.
Zum Glück gibt es keine Aufnahmen von Kris und mir. Wir sind nur
Ehrenmitglieder der »Bayview Four«, obwohl die Medien uns auch
Nebenrollen im Drama zugedacht haben. Kris sorgt für den Romantikfaktor
und ich für das Pathos. Die bemitleidenswerte kleine Schwester, die fast an
Krebs gestorben wäre, was Bronwyn auszugleichen versucht hat, indem sie
sich bemüht hat, noch perfekter zu sein. Die Geschichte ist schon so oft
wiederholt worden, dass ich langsam selbst anfange, sie zu glauben. Ich bin
eine Requisite im extrem dramatischen Leben meiner Schwester, die
Hintergrundkulisse für ihre Bühne. Aber nichts von dem, was ich tue oder
sage, könnte jemals so interessant sein, wie die Rolle, die das Schicksal ihr
zugedacht hat.
Als wieder ins Studio zurückgeschaltet wird, spricht Mikhail Powers mit
großem Ernst in die Kamera: »Im vergangen Herbst hat sich vor den Augen
der Welt eine aufsehenerregende und erschütternde Kriminalgeschichte
abgespielt, in deren Verlauf sich herausstellte, dass Simon Kelleher, ein
Schüler der Abschlussstufe in Bayview, Kalifornien, sich das Leben
genommen und zugleich versucht hat, seinen Tod vier seiner Mitschüler
anzuhängen. Wir haben den Fall im Rahmen unserer später mit einem
Emmy ausgezeichneten Berichterstattung aus allen Blickwinkeln
beleuchtet, einschließlich der persönlichen Umstände, die zu der
unfassbaren Tragödie geführt haben. In der heutigen Sondersendung wollen
wir uns jedoch darauf konzentrieren, wie die vier betroffenen Schüler ins
Leben zurückgefunden haben – oder auch nicht.«
»Hey!« Addy setzt sich mit einem Ruck auf. »Wenn der auf mich
anspielt …«
Wieder werden diverse Aufnahmen eingeblendet – ein Baseballstadion,
die Innenstadt von Bayview und ein grüner College-Campus –, während
Mikhail Powers in ein paar Sätzen zusammenfasst, worum es in den
folgenden sechzig Minuten gehen wird.
»Cooper Clay hat sich entschieden, ein Baseball-Stipendium der
California State University in Fullerton anzunehmen, wo er zurzeit für die
im nächsten Februar beginnende Saison trainiert. Das Interesse der
Profiligateams an ihm ist nach wie vor groß, aber er äußert auch freimütig
seine Bedenken, dass sie sich in Bezug auf seine Homosexualität
womöglich nicht ganz so aufgeschlossen zeigen werden.
Bronwyn Rojas hat den Chemie-Test, bei dem sie betrogen hatte, noch
einmal wiederholt und erfolgreich bestanden. Nachdem sie zusätzliche
Kurse belegt und sich in gemeinnützigen Projekten engagiert hatte, ist sie
schließlich an der Yale University angenommen worden. Sie hat gerade ihr
erstes Semester in Politikwissenschaften angetreten und bekundet Interesse
an einer juristischen Laufbahn.
Adelaide Prentiss war eine der Hauptzeuginnen im Prozess gegen ihren
früheren Freund Jake Riordan, der im Frühherbst wegen versuchten Mordes
angeklagt wurde. Während Riordan noch auf sein Urteil wartet, hat Addy
das College erst einmal hinten angestellt, um darüber zu reflektieren, wo in
ihrem Leben ihre Prioritäten liegen. Derzeit jobbt sie im Restaurant eines
Freunds der Familie.«
Addy, die sich mit gerunzelter Stirn in ihrem Sessel nach vorn gebeugt
hatte, entspannt sich und wirft sich Popcorn in den Mund. »Ich hatte mit
was Schlimmerem gerechnet«, sagt sie.
Mikhail Powers fährt fort. »Nate Macauley wurde von allen
Tatvorwürfen freigesprochen und auch die Anklage wegen
Drogenmissbrauchs, die seiner Verhaftung vorausgegangen war, nachdem
man ihn fälschlicherweise wegen des Mordes an Simon Kelleher festgesetzt
hatte, ist fallen gelassen worden. Nate arbeitet mittlerweile für das in
Bayview ansässige Bauunternehmen Myers Constructions und studiert
parallel dazu am Community College Betriebswirtschaftslehre. Unseren
Quellen zufolge sind er und Bronwyn Rojas immer noch ein Paar.« Ich
werfe meiner Schwester und ihm einen Blick zu. Aber obwohl Nate es hasst
, wenn in den Medien über sie gesprochen wird, sieht er sie nur mit einem
kleinen Lächeln an. Wären er und Bronwyn nicht gerade erst wieder
zusammengekommen, hätte ich meine Schwester verdächtigt, besagte
»Quelle« zu sein, weil sie es bisher noch nie geschafft hat, sich von Mikhail
Powers nicht um den Finger wickeln zu lassen, wenn er etwas von ihr
wissen wollte.
Als Mikhail Powers den Mund öffnet und zum nächsten Punkt ansetzt,
friert genau in dem Moment sein Gesicht ein. Wir drehen uns alle zu
Cooper, der die Fernbedienung wieder auf den Fernseher gerichtet hat.
»Ich hab es mir anders überlegt«, sagt er. »Ich hab das alles
durchgemacht. Ich mache es immer noch
durch. Ich brauche es mir nicht
anzuschauen.«
»Gott sei Dank.« Nate reibt sich mit der Hand, die nicht in Bronwyns
Haaren vergraben ist, übers Kinn. »Das kann ich echt nur unterschreiben.«
Er und Cooper tauschen einen Blick und plötzlich fällt mir auf, dass die
beiden sich fast immer einig sind, obwohl sie von allen im Raum am
wenigsten gemeinsam haben und sich wahrscheinlich nie mal einfach so zu
zweit treffen würden.
Addy zuckt mit den Achseln. »Irgendwann werde ich es mir anschauen«,
sagt sie. »Dazu bin ich einfach zu neugierig. Aber es muss nicht
ausgerechnet jetzt sein, wo Bronwyn endlich mal wieder hier ist. Es ist eine
Ewigkeit her, seit wir alle was zusammen gemacht haben. Was haltet ihr
davon, wenn wir ins Glennʼs gehen?«
Bronwyn wirkt hin- und hergerissen. Sie saugt Informationen auf, als
wären sie Sauerstoff, den sie zum Leben braucht. Sie hat gern alle Fakten
und hält es sicher schwer aus, zu wissen, dass viele Leute in Bayview, die
Mikhail Powers Sondersendung gesehen haben, mehr wissen als sie. Aber
ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es auch nicht gerade angenehm findet,
wenn ihre Beziehung zu Nate öffentlich im Fernsehen analysiert wird,
während sie neben ihm sitzt. »Okay«, sagt sie, aber ihr Blick bleibt noch
etwas länger auf den Bildschirm gerichtet, weshalb ich mir ziemlich sicher
bin, dass wir uns irgendwann heute Abend noch den Rest anschauen
werden.
Umso besser. Vielleicht lenkt sie das von der »Zeit dein Leben auf die
Reihe zu kriegen«-Standpauke ab, die mich sonst erwartet hätte.

••••

Es gibt zwei Zeiteinheiten: die normale Zeit und die Zeit, die man damit
verbringt, auf seine Schwester zu warten, der es anscheinend extrem
schwerfällt, sich für einen Nachmittag mal von ihrem Freund zu trennen,
den sie seit Monaten nicht gesehen hat. Und Zeiteinheit Nummer zwei
scheint definitiv rückwärts zu laufen.
Okay, das ist leicht übertrieben. Aber ich stehe jetzt schon seit fast
zwanzig Minuten mit unserem Volvo in der Einfahrt des verwinkelten alten
Hauses, in dem Nate seit gestern ein Zimmer mietet. Bronwyn und ich
werden zu spät zu unserer Lunch-Verabredung mit Eli Kleinfelter kommen,
was ein größeres Problem wäre, wenn ich daran glauben würde, dass Eli es
tatsächlich schaffen wird, sein Büro zu verlassen, um mit uns zu Mittag zu
essen. Er arbeitet sogar am Black Friday, an dem der Rest des Landes
entweder auf Schnäppchenjagd geht oder noch damit beschäftigt ist, den
Truthahn vom Vortag zu verdauen.
Irgendwann taucht Bronwyn endlich auf und knöpft sich auf dem Weg
zum Wagen ihre dünne Jacke gegen den kühlen Wind zu. Nate hat sie heute
Morgen um zehn zum einem Besuch im San Diego Museum of Art
abgeholt, in dem gerade eine Ausstellung über deutsche Expressionisten
gezeigt wird, die Bronwyn sich unbedingt anschauen wollte.
Das ist zumindest die Version, die sie unseren Eltern aufgetischt hat.
»Du solltest dir dringend die Haare bürsten, junge Dame«, sage ich
gespielt streng, als sie sich auf den Beifahrersitz setzt und nach dem
Sicherheitsgurt greift. »Muss ja nicht gleich jeder sehen, was du die letzten
Stunden getrieben hast.«
Bronwyn wird rot und klappt die Sonnenblende herunter, um sich in dem
kleinen Spiegel anzuschauen. »Es ist total windig draußen«, rechtfertigt sie
sich.
»Mhmmm, ist klar.« Ich lasse den Wagen an und setze aus der Einfahrt.
»Und wie war es bei den Deutschen?«
Ihre Mundwinkel zucken. »Expressiv«, sagt sie und wir brechen beide in
Lachen aus. Weil Bronwyn keine Tasche mitgenommen hatte, kramt sie aus
meiner eine Bürste und macht sich daran, ihre Haare zu entwirren.
»Dann ist zwischen dir und Nate jetzt wieder alles gut?«, frage ich. Gut
ist ziemlich eindeutig die Untertreibung des Jahres. Es ist offensichtlich,
womit sie die letzten zwei Stunden – und zwanzig Minuten – verbracht
haben.
»Besser als gut«, sagt sie glücklich. »Die Krise war nichts wirklich
Ernstes. Wir müssen uns einfach erst an diese ganze Fernbeziehungskiste
gewöhnen.« Ich werfe ihr einen Blick zu, bevor ich auf die Straße biege. Es
fällt ihr sichtlich schwer, es bei diesem einen Satz zu belassen, statt
ausgiebig von ihrem Liebesglück zu schwärmen. Aber unsere Leben
verlaufen gerade mal wieder ziemlich gegensätzlich und das scheint sie
auch zu spüren. »Denkst du manchmal darüber nach, es noch mal mit Knox
zu versuchen?«, fragt sie.
»Nein. Als Freunde verstehen wir uns besser.«
Bronwyn gibt einen Laut von sich, als wäre sie nicht sicher, ob sie mir
glauben soll, aber es ist die Wahrheit. Knox Myers und ich haben letzten
Frühling zusammen in einem Theaterstück gespielt und sind im Sommer
ein Paar geworden. Er ist mein erster Freund gewesen, und wir waren beide
so unerfahren, dass wir viel zu lange gebraucht haben, uns darüber klar zu
werden, dass wir uns eigentlich gar nicht wirklich zueinander hingezogen
fühlen. Ich hoffe, dass ich irgendwann jemanden finden werde, bei dem die
Chemie genauso stimmt wie bei meiner Schwester und Nate. Knox war
jedenfalls definitiv nicht dieser jemand. Ich bin einfach froh, dass wir jetzt
wissen, dass es zwischen uns nicht passt, und es trotzdem geschafft haben,
Freunde zu bleiben. Und Freunde brauche ich so viele, wie ich kriegen
kann, seit Bronwyn mich im Stich gelassen hat, um nach Yale zu gehen.
»Ist er heute auch in der Kanzlei?«, fragt Bronwyn.
»Nein.« Ich grinse. Knox hat Bronwyns Praktikumsplatz bei Elis
kostenloser Rechtsberatungsstelle Until Proven
übernommen, als sie ihr
Studium angefangen hat, aber selbst, wenn er nicht gerade bei seinen
Großeltern in Kansas zu Besuch wäre, würde er an einem Feiertag wohl
eher nicht arbeiten. »Nicht jeder ist so ein Workaholic wie du und Eli.«
Es ist nicht viel Verkehr, sodass ich bereits zwanzig Minuten später auf
einen freien Parkplatz vor Elis Kanzlei biege. Das Café in der Lobby hat
geöffnet, ist aber nur spärlich besucht. Mich schaudert es immer ein
bisschen, wenn wir daran vorbeigehen, weil es der Ort ist, an dem wir
letztes Jahr herausgefunden haben, was Simon getan hat.
Gleichzeitig sind aber auch glücklichere Erinnerungen damit verbunden.
Auf dem Weg zu den Aufzügen stupse ich Bronwyn mit dem Ellbogen an.
»Weißt du noch, wie schockverliebt Eli war, als er Ashton das erste Mal
gesehen hat?«
Bronwyn lacht. »Oh mein Gott, ja! Er ist fast über seine eigenen Füße
gestolpert.« »Sie sind bestimmt Adelaides Schwester, stimmtʼs?«,
ahmt sie
Elis Stimme nach. »Total geistreich. Und Ashton darauf zu Addy: Kennst
du den???
«
»Wer hätte gedacht, dass die beiden ein Jahr später ein glückliches Paar
sein würden«, sage ich, nachdem wir in den Aufzug gestiegen sind und ich
den Knopf für den dritten Stock gedrückt habe. Eli und Ashton gehören zu
den Menschen, die ich am allerliebsten mag, und im Doppelpack sind sie
sogar noch besser.
Als wir oben angekommen sind und die Türen auseinandergleiten,
empfängt uns ein penetranter Geruch nach Chemie. Bronwyn zieht eine
Grimasse. »Bah, was ist das?«
»Hier ist seit Neuestem eine Filiale von ›Hair Club für Men‹ eingezogen,
wo sie Männern, die eine Glatze kriegen, künstliche Haare aufkleben. Hast
du die Werbung noch nie gesehen?«, antworte ich und deute im
Vorbeigehen mit dem Kopf auf den Eingang.
»Zum Glück erst, nachdem ich schon weg war«, murmelt sie.
In den Büroräumen von Until Proven
geht es viel ruhiger zu als sonst. Es
sind höchstens eine Handvoll Mitarbeiter an ihrem Platz. Eli lehnt an
seinem Schreibtisch und unterhält sich mit einer jungen Frau, die ihre
langen Rastazöpfe zu einem Pferdeschwanz gebunden hat. Er grinst breit,
als er meine Schwester entdeckt und kommt uns entgegen.
»Bronwyn, hey! Willkommen zurück«, ruft er und umarmt erst sie und
dann mich auch noch gleich mit, obwohl wir uns erst letzte Woche gesehen
haben. Er hat sich während des letztes Jahres nicht verändert: zerknittertes
Hemd, hochgerollte Ärmel, strahlend braune Augen hinter seiner Brille und
ein Schopf lockiger Haare, die der Schwerkraft trotzen. »Schön, euch zu
sehen. Kommt, ich will euch jemanden vorstellen.« Er zeigt auf die Frau,
mit der er sich gerade unterhalten hat und die jetzt lächelnd auf uns zugeht.
»Das ist Bethany Okonjo, unsere neue Rechtsassistentin. Bethany, das ist
meine brillante Ex-Praktikantin Bronwyn Rojas und ihre Schwester Maeve,
das Computergenie.« Es ist nett von ihm, mich so zu bezeichnen, allerdings
habe ich meine Computerskills ziemlich einrosten lassen, seit ich sie letztes
Jahr genutzt habe, Simon nachzuspionieren.
Bethany schüttelt uns die Hand. Ihr Griff ist angenehm fest. »Freut mich
sehr. Ich hab schon viel von euch gehört.«
»Wir können gleich los«, sagt Eli zu meiner Überraschung. Ich bin mir
zu neunzig Prozent sicher gewesen, dass er versuchen würde, uns
abzuwimmeln. »Ich muss nur noch kurz mit Bethanys Professorin
telefonieren. Wir sind an einem Riesenfall dran und ich würde sie gern als
Beraterin hinzuziehen. Dauert höchstens fünf Minuten.«
»Eli, lass gut sein«, sagt Bethany. »Du hast jetzt was Besseres zu tun. Wir
können auch ein anderes Mal mit meiner Professorin sprechen.«
»Kein Problem«, sage ich. »Wir haben es nicht eilig.«
»Sicher?«, fragt Bethany nicht überzeugt, aber Bronwyn und ich winken
ab.
»Fünf Minuten, versprochen«, sagt Eli und steuert mit Bethany auf den
Konferenzraum zu. »Wenn überhaupt. Es geht bloß darum, die Eckdaten für
ein ausführlicheres Gespräch nächste Woche zu klären.«
»Wetten, wir sehen ihn erst in einer halben Stunde wieder«, prophezeit
Bronwyn und lässt sich in den Bürostuhl hinter seinem Schreibtisch fallen.
Nachdem ich einen freien Stuhl herangezogen und mich neben sie gesetzt
habe, bekomme ich einen Niesanfall – die Ausläufer einer dicken
Erkältung, die ich letzte Woche hatte – und krame in meinem Rucksack
nach einem Taschentuch. Ich seufze frustriert, als ich keines finde. »Du hast
nicht zufällig Taschentücher dabei?«
»Sorry. Ich bin total schnell los heute Morgen und hab praktisch nichts
mitgenommen.«
»Das
hab ich gemerkt«, sage ich und stupse sie mit dem Fuß an.
Sie verdreht die Augen. »Schau mal in der linken oberen Schublade nach.
Da hat Eli normalerweise immer welche drin liegen.«
Ich ziehe sie auf, aber sie ist praktisch leer, bis auf …
»Bronwyn!« Ich stupse sie erneut mit dem Fuß an und ziehe die
Schublade ganz auf. »Ist das das, wonach es aussieht?«, flüstere ich.
Sie beugt sich an mir vorbei zur Schublade und reißt die Augen auf, als
sie das kleine schwarze Samtkästchen sieht. »Nein!«,
raunt sie. »Ich meine,
ja! Ich glaube schon.« Wir haben in unserem Leben schon genügend
Werbespots für Schmuck gesehen, um ein Etui für einen Verlobungsring zu
erkennen, wenn wir eines vor uns haben.
Ich grinse. »Sollen wir einen Blick reinwerfen?«
»Auf keinen Fall. Damit würden wir Elis Privatsphäre verletzen.«
Bronwyn zieht ein missbilligendes Gesicht und rückt ihre Brille zurecht.
»Das ist unter unserer Würde.«
»Total«, nicke ich, worauf wir beide verstohlen zu dem verglasten
Konferenzraum hinüberspähen, in dem Eli und Bethany sich gerade über
des Lautsprecher des Telefons in der Mitte des Tischs beugen. »Vielleicht
sind es ja auch bloß Manschettenknöpfe oder so was.«
»Klar«, sagt Bronwyn. »Weil Eli ja ständig Manschettenknöpfe trägt.«
Wir starren ein paar Sekunden schweigend auf die Schublade.
»Ich würde ihn mir wahnsinnig gern anschauen«, flüstere ich.
»Ich auch«, flüstert sie zurück und ich greife nach dem Kästchen.
»Nur ein ganz kurzer Blick«, beteure ich und klappe den Deckel auf.
Wir schnappen beide nach Luft. Es ist ein Verlobungsring, da bin ich mir
fast sicher, aber keiner von den üblichen Diamant-Platin-Klunkern, wie man
sie bei den normalen Juwelieren in Bayview zu Gesicht kriegt. Der Stein
schimmert in einem wunderschönen dunklen Honigton und ist in einen
schlichten mattgoldenen Ring mit kleineren Edelsteinen in derselben Farbe
eingefasst. »Ist der
schön!« Bronwyn nimmt mir das Kästchen aus der
Hand und hält es so, dass sich das Licht der Deckenspots in den Edelsteinen
bricht.
»Ist das ein Diamant?«, frage ich.
»Ich glaube schon.« Bronwyn kneift die Augen leicht zusammen. »Ein
Rohdiamant.«
»Was heißt das?«
»Dass er ungeschliffen ist und nicht poliert wurde«, antwortet Bronwyn.
»Naturbelassen. Nicht verarbeitet.«
Ich blinzle verblüfft. Hat sie etwa schon angefangen, sich über
Verlobungsringe schlau zu machen? Ich hätte nicht gedacht, dass eine
Hochzeit Teil des Fünfjahresplans ist, den sie sich für die Zeit nach der
Highschool aufgestellt hat. Oder ihres Zehnjahresplan. »Woher weißt du
das alles?«
Sie zuckt mit den Achseln. »Wir sprechen in meinem Wirtschaftskurs
gerade über die Edelsteinindustrie. So wie ich Eli kenne, ist das bestimmt
kein Blutdiamant.«
»Da hast du verdammt recht«, sagt eine Stimme. Bronwyn klappt
erschrocken das Kästchen zu und wirft es so hastig in die Schublade zurück
wie eine Dreijährige, die beim Kekseklauen erwischt wurde.
Eli steht mit verschränkten Armen vor seinem Schreibtisch und mustert
uns. Bethany ist nirgends mehr zu sehen. Ich muss meine Schwester nicht
anschauen, um zu wissen, dass sie genauso rot angelaufen ist wie ich.
»Sorry«, murmeln wir im Chor und senken den Blick.
»Ihr zwei seid wirklich unglaublich«, schimpft Eli. »Euch kann man
noch nicht einmal für fünf Minuten allein lassen.«
»Trotzdem … ähm … herzlichen Glückwunsch?«, sage ich kleinlaut.
»Noch hat sie nicht Ja gesagt.« Eli hebt die Hand, als ich den Mund
öffne. »Keine gut gemeinten Ratschläge bitte. Was das Heiraten angeht, hat
Ashton nicht gerade die besten Erfahrungen gemacht. Sie ist vorsichtig. Ich
wäre euch also dankbar, wenn ihr die Angelegenheit für euch behalten
könntet.« Er mustert uns mit schmalen Augen, als wir energisch nicken.
»Das gilt auch Addy gegenüber. Es ist ganz allein Ashtons Sache, wie sie
sich entscheidet.«
»Natürlich«, sagt Bronwyn. »Wann willst du sie fragen?«
»Das geht euch nichts an.« Eli weicht unserem Blick aus.
Und in dem Moment macht es in meinem Kopf klick
. Exakt vor einem
Jahr hatten Eli und Ashtons ihr erstes offizielles Date – nachdem sie es
endlich geschafft hatte, sich einzugestehen, dass sie nicht bloß Freunde
sind, die gern Zeit miteinander verbringen –, woran ich mich deshalb noch
so gut erinnern kann, weil sie sich im Café Contigo im Zentrum von
Bayview getroffen haben, wo an Thanksgiving immer die halbe Stadt
zusammenkommt. Dort haben sie sich das erste Mal als Paar gezeigt. Das
Café gehört der Familie von Coopers bestem Freund Luis. Addy arbeitet
mittlerweile als Kellnerin dort und Bronwyn und ich haben uns für später
mit den anderen dort verabredet. »Ich weiß! Du machst ihr den Antrag
heute Abend, weil ihr heute auf den Tag genau ein Jahr zusammen seid!«,
rufe ich.
»Oh mein Gott, ja!«, keucht Bronwyn und gibt mir High Five. Dass wir
unsere Nase in Dinge gesteckt haben, die uns nichts angehen, ist völlig
vergessen.
»Das reicht
«, sagt Eli mit einem drohenden Unterton in der Stimme,
aber er ist so rot geworden, dass es einfach unmöglich ist, ihn ernst zu
nehmen. »Okay, falls ihr immer noch mit mir zu Mittag essen wollt, dann
macht, dass ihr von meinem Schreibtisch wegkommt.«
Ich stehe auf und schenke ihm mein engelsgleichstes Lächeln.
»Natürlich laden wir dich zur Feier des Tages ein«, sage ich. »Das ist das
Mindeste, was wir tun können.«

••••
Im Café Contigo ist es an diesem Abend bereits um neun brechend voll. Es
ist ein argentinisches Lokal, dessen Wände leuchtend blau gestrichen sind,
in die Decke sind Blechfliesen mit gehämmerten Ornamenten eingelassen.
Auf einer großen Tafel stehen mit bunter Kreide die Angebote des Tages
angeschrieben. Mr Santos, Luisʼ Vater, hat uns geholfen, ein paar Tische
zusammenzuschieben, sodass in der einen Hälfte des Raums jetzt so eine
Art Bayview-High-Reunion stattfindet. Ich sitze zwischen Luis und Cooper,
die während der letzten fünfzehn Minuten noch einmal in allen
schmerzhaften Einzelheiten die Baseball-Staatsmeisterschaft vom letzten
Jahr durchgegangen sind.
»Ich vermisse Kris«, seufze ich leise vor mich hin. Er ist heute Abend bei
Verwandten, kann Cooper also nicht davon abhalten, ununterbrochen über
Sport zu reden.
Luis stupst mich mit der Schulter an. »Wenn du willst, können wir gern
noch ein bisschen detaillierter über diesen Infield Fly Call reden. Ich hab
dich noch nie so interessiert einem Thema lauschen sehen.«
Ich halte drohend meine Gabel hoch. »Lieber steche ich mir damit ein
Auge aus.«
Luis runzelt die Stirn. »Das verstehe ich nicht. Hören könntest du uns ja
dann trotzdem noch.«
»Es geht ums Prinzip«, entgegne ich genau in dem Moment, in dem er
hinterherschiebt: »Außerdem wäre es echt schade um deine schönen
Augen.«
Ich spüre, wie mir die Hitze in die Wangen schießt, als Cooper sich
räuspert und sagt: »Wolltest du uns nicht noch mehr Empanadas besorgen,
Luis?«
»Stimmt«, sagt Luis friedfertig und steht auf.
Als er sich auf den Weg in die Küche gemacht hat, schaue ich Cooper mit
hochgezogenen Brauen an. »Bilde ich mir das bloß ein, oder hast du dich
gerade als mein Vater
aufgespielt und Luis absichtlich davongescheucht?«
Cooper lächelt schief. »Sorry. Ich liebe diesen Typen, aber was Frauen
angeht, ist er echt ein Scheißkerl. Außerdem weiß er, dass du nicht zu haben
bist.«
Ich zögere und überlege, ob ich Cooper daran erinnern soll, dass ich
schon seit einem Monat nicht mehr mit Knox zusammen bin, oder ob das
dann so klingen würde, als wäre ich an Luis interessiert. Und dann frage ich
mich, ob ich es bin. Bevor ich mich entscheiden kann, greift Bronwyn über
den Tisch und packt mich am Handgelenk.
»Maeve«, zischt sie. »Schau.«
Ich folge ihrem Blick und sehe, wie Eli in das Café kommt. Allein. Er
setzt sich mit versteinerter Miene an den noch einzigen freien Tisch, senkt
den Kopf und verschränkt die Hände vor sich. »Oh nein«, flüstere ich
besorgt. »Meinst du, dass …«
»Was?« Cooper schaut in die Richtung, in die wir schauen.
»Nichts«, antworten Bronwyn und ich gleichzeitig.
Nate, der neben Bronwyn sitzt, lehnt sich vor und kneift die Augen leicht
zusammen. »Ich hab noch nie ein Nichts
gehört, das sich weniger nach
nichts angehört hat«, sagt er. Sein Blick fällt auf Eli. »Was ist denn mit
unserem Staranwalt los? Er sieht aus, als hätte ihm gerade jemand gesagt,
dass er an den Wochenenden nicht mehr arbeiten darf.«
»Nichts«, wiederholen Bronwyn und ich. Eli sieht so niedergeschlagen
aus, dass es mir das Herz zusammenzieht, und ich hoffe inständig, dass es
nicht so schlimm ist, wie es aussieht. Vielleicht hat er kalte Füße
bekommen oder Ashton hat bloß gesagt, dass sie noch ein bisschen mehr
Zeit braucht. Auf keinen Fall hat sie einfach so Schluss mit ihm gemacht …
oder?
Addy, die sich ganze Zeit angeregt mit Keely unterhalten hat, dreht sich
zu uns. »Wovon redet ihr?«, fragt sie.
Nate grinst. »Anscheinend über nichts

»Ganz genau«, sage ich in dem Moment, in dem Eli den Blick hebt, mich
ansieht und schwer seufzend die Schultern hochzieht … und mir nur eine
Sekunde später zuzwinkert.
Plötzlich geht die Tür auf und Ashton kommt in einem umwerfenden
roten Kleid herein. Sie sieht sensationell aus. »Addy!«, ruft sie mit
glühenden Wangen. »Addy, komm mal schnell her!« Sie greift nach Elis
Hand und zieht ihn von seinem Stuhl, während Addy verwirrt aufsteht.
»Was ist denn?«, fragt sie und schiebt sich an Cooper und mir vorbei.
Bronwyn umklammert immer noch mein Handgelenk, jetzt fängt sie an,
es zu schütteln. Nate schaut zwischen uns beiden hin und her. »Geht es hier
immer noch um nichts?«, fragt er.
»Warte einfach«, sagt Bronwyn und beobachtet gebannt, wie Ashton
ihrer Schwester die linke Hand hinstreckt. Addy kreischt sofort los und fällt
zuerst Ashton um den Hals und dann Eli. Bronwyn und ich grinsen, hüten
uns aber, auch nur ein Wort zu verlieren, bis Addy sich schließlich zu
unserem Tisch umdreht und ruft: »Sie sind verlobt!« Sie zieht Ashton in
unsere Richtung, Eli folgt ihnen und im nächsten Moment sind alle
aufgesprungen und drängen sich um Ashton, um den Ring zu bewundern.
Ich gehe zu Eli und zupfe ihn am Ärmel.
»Warum hast du so ein trauriges Gesicht gezogen?«, raune ich ihm zu.
Er grinst. »Ashtons Mutter hat angerufen, als wir hier angekommen sind.
Sie hat mich gebeten, schon mal vorzugehen, und da dachte ich, ich nutze
die Gelegenheit, um euch eins auszuwischen.«
»Ich hab fast einen Herzinfarkt bekommen«, sage ich.
»Sorry, dass mein Mitleid sich in Grenzen hält. Wird dir hoffentlich eine
Lehre sein, in Zukunft nicht mehr in anderer Leute Sachen
herumzuschnüffeln«, entgegnet er, lässt sich aber von mir umarmen, bevor
ich mich wieder zu den anderen drehe, um mir den Ring noch einmal
anzuschauen. An Ashtons Finger sieht er sogar noch hübscher aus. Sie kann
gar nicht aufhören, ihn verzückt anzustarren. Eli hätte ihren Geschmack
ganz offensichtlich nicht besser treffen können. Cooper schüttelt Eli die
Hand und Bronwyn schmiegt sich strahlend an Nate und hört zu, wie
Ashton über mögliche Hochzeitstermine redet.
In diesem Moment wird mir überdeutlich klar, dass ein Jahr alles
verändert kann. Als wir am letzten Black Friday hier waren, sind alle
niedergedrückt und schweigsam gewesen und standen wegen der Sache mit
Simon immer noch unter Schock. Jetzt fühlt es sich so an, als wäre in
Bayview endlich alles so, wie sie sein sollen.
Ab jetzt wird alles gut, da bin ich mir sicher. Ich meine, was soll schon
schiefgehen?
© Kaitlyn Litchfield Photography

Karen M. McManus
Debütroman »One of us is lying« stürmte auf Anhieb die Bestsellerlisten, so wie
auch »Two can keep a secret« und »One of us is next«. Ihre Romane wurden in über 40 Länder
verkauft und sind internationale Bestseller; »One of us is lying« wurde für den Deutschen
Jugendliteraturpreis 2019 nominiert. Karen M. McManus wohnt in Massachusetts und hat ihren
Master-Abschluss in Journalismus an der Northwestern University gemacht.

Die Autorin ist auch auf Twitter


und auf Instagram
zu finden unter @writerkmc.

Von der Autorin sind ebenfalls bei cbj erschienen:


One of us is lying (31165)
Two can keep a secret (16538)
© privat

Anja Galić
lebt und arbeitet in der Kölner Südstadt, wo es sie des Studiums wegen hinverschlug, und
hat badische Wurzeln. Dass man beim Übersetzen Dinge recherchiert und erfährt, denen man sonst
nie begegnet wäre, findet sie bei jedem Buch aufs Neue spannend.

Mehr zu cbj auf Instagram unter @hey_reader


Haben Sie Lust gleich weiterzulesen?


Dann lassen Sie sich von unseren Lesetipps
inspirieren.
Karen M. McManus

ONE OF US IS NEXT

Die Fortsetzung des SPIEGEL-Bestsellers ONE OF US IS LYING

Kostenlos reinlesen

Es ist ein Jahr her, seit Simon Kelleher starb. Maeve ist in der elften Klasse
an der Bayview High. Über Simons Tod und dessen Folgen wird kaum
mehr geredet. Da taucht ein anonymes Wahrheit-oder-Pflicht-Spiel auf, das
die gesamte Schülerschaft in Atem hält. Jeder, der nicht mitspielt, wird
bloßgestellt. Doch als Maeve an der Reihe ist, weigert sie sich,
mitzumachen — das virtuelle Spiel, ausgerichtet von »DarkestMind«, lässt
bei ihr alle Alarmglocken läuten. Und dann sind sie plötzlich wieder da: die
Schaulustigen. Die Reporter. Die Polizei. Denn es hat wieder einen Toten
gegeben …

Die furiose Fortsetzung des Weltbestsellers »One of us is lying« –


hochspannend, sexy, raffiniert.

Karen M. McManus bei cbj & cbt:

1. One Of Us Is Lying

2. Two Can Keep A Secret

3. One Of Us Is Next

4. The Cousins

Alle Bücher können unabhängig voneinander gelesen werden.

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Karen M. McManus

ONE OF US IS LYING

Nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2019


Kostenlos reinlesen

An einem Nachmittag sind fünf Schüler in der Bayview High zum


Nachsitzen versammelt. Bronwyn, das Superhirn auf dem Weg nach Yale,
bricht niemals die Regeln. Klassenschönheit Addy ist die perfekte
Homecoming-Queen. Nate hat seinen Ruf als Drogendealer weg. Cooper
glänzt als Baseball-Spieler. Und Simon hat die berüchtigte Gossip-App der
Schule unter seiner Kontrolle. Als Simon plötzlich zusammenbricht und
kurz darauf im Krankenhaus stirbt, ermittelt die Polizei wegen Mordes.
Simon wollte am Folgetag einen Skandalpost absetzen. Im Schlaglicht:
Bronwyn, Addy, Nate und Cooper. Jeder der vier hat etwas zu verbergen –
und damit ein Motiv...

Karen M. McManus bei cbj & cbt:

1. One Of Us Is Lying

2. Two Can Keep A Secret

3. One Of Us Is Next

4. The Cousins

Alle Bücher können unabhängig voneinander gelesen werden.

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Karen M. McManus

Two can keep a secret

Kostenlos reinlesen

Ellery kennt die dunkle Vergangenheit der Kleinstadt Echo Ridge nur allzu
gut. Erst verschwand dort ihre Tante spurlos, dann wurde vor fünf Jahren
die Homecoming Queen der Highschool ermordet. Der »Murderland-
Killer« machte landesweit Schlagzeilen. Ausgerechnet dorthin zieht Ellery
nun mit ihrem Zwillingsbruder. Zu einer Großmutter, die fast eine Fremde
für sie ist. Als aus dem Nichts Morddrohungen gegen die zukünftige
Homecoming Queen zirkulieren, ermittelt Ellery auf eigene Faust. Dabei
lernt sie Malcolm kennen, den jüngeren Bruder des Hauptverdächtigen.
Dann verschwindet wieder ein Mädchen und plötzlich steht jeder unter
Verdacht …

Karen M. McManus bei cbj & cbt:

1. One Of Us Is Lying

2. Two Can Keep A Secret

3. One Of Us Is Next

4. The Cousins

Alle Bücher können unabhängig voneinander gelesen werden.

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