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Dissertation
zur Erlangung des akademischen Grades
des Doktors der Rechtswissenschaft
an der Universität Konstanz
Fachbereich Rechtswissenschaft
vorgelegt von
Katharina Hellmann
Mein Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Jens Koch, für die überaus enga-
gierte und unkomplizierte Betreuung, Herrn Prof. Dr. Christoph Althammer für die ra-
sche Erstellung des Zweitgutachtens. Der Landesgraduiertenförderung Baden-
Württemberg danke ich für die großzügige finanzielle Förderung mit einem Promoti-
onsstipendium.
Ohne die unermüdliche Unterstützung der mir nahestehenden Personen wäre diese Ar-
beit so nicht entstanden. Meinem persönlichen Umfeld, insbesondere meinem Partner,
danke ich für langjährige Geduld und Kompromissbereitschaft, meiner Mutter für
mehrmaliges Korrekturlesen des Manuskripts und logistische Unterstützung bei der
Erstellung der Druckexemplare. Zutiefst zu Dank verpflichtet bin ich jedoch meinem
Vater. Er hat nicht nur den entscheidenden Impuls für die Auswahl des Themas gegeben
und mir großzügig Fachliteratur und technische Infrastrukturen seiner Anwaltskanzlei
für meine Recherchen zur Verfügung gestellt, sondern auch in zahlreichen Diskussionen
konstruktive Kritik an meinen Ergebnissen geübt und damit wertvolle Anregungen für
die weitere Forschung gegeben. Ihm ist diese Arbeit in liebevoller Anerkennung ge-
widmet.
Katharina Hellmann
Inhaltsübersicht
§1 Problemstellung 1
§ 2
Der vorliegende Beitrag 13
1. Kapitel Grundlagen 22
I
4. Kapitel
Die Bedeutung der Gesellschafterkonten für die Berechnung des
Auseinandersetzungsguthabens 83
§ 14 Das Gesellschafterkonto 83
§ 15 Im Einzelnen: Die in das Gesellschafterkonto einzubuchenden Positionen
(§ 733 Abs. 1, 2 BGB) 97
II
§ 28
Der Anspruch auf Auszahlung des Abfindungsguthabens
(§ 738 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 BGB) 234
11. Kapitel Die Bewertung des Gesellschaftsvermögens (§ 738 Abs. 2 BGB) 241
III
Inhaltsverzeichnis
§ 1
Problemstellung 1
I.
Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts im historischen Kontext 1
II.
Das heutige Rechtsverständnis 3
III.
Auseinandersetzung und Auflösung - Problemaufriss 5
IV.
Das Lösungsangebot der juristischen Wissenschaft 7
1.
Systematische und terminologische Unschärfe 7
2.
Unklarheit der praktischen Umsetzung 9
1. Kapitel Grundlagen 22
IV
2. Kapitel
Bildung der Liquidationsmasse und Abwicklung gegenüber
Nichtgesellschaftern 33
§ 9 Zusammenfassung 60
V
3. Kapitel
Abwicklung unter den Gesellschaftern: Das verteilbare
Gesellschaftsvermögen 62
§ 13 Zusammenfassung 82
VI
4. Kapitel
Die Bedeutung der Gesellschafterkonten für die Berechnung des
Auseinandersetzungsguthabens 83
§ 14
Das Gesellschafterkonto 83
I.
Gesellschaftsanteil, Kapitalanteil und Gesellschafterkapitalkonto in der
OHG 83
II.
Anwendbarkeit der §§ 120 bis 122 HGB auf die Gesellschaft
bürgerlichen Rechts 85
III.
Erstellung und Saldierung der Gesellschafterkonten zum Zwecke der
Abwicklung 87
1.
Aufstellung der Gesellschafterkonten mit Auflösung 87
2.
Das einheitliche Gesellschafterkonto 89
3.
Verrechnung und Saldobildung nach Vorbild des Kontokorrents 90
4.
Der Kontensaldo als Anspruch bzw. Verbindlichkeit im
Abwicklungsstadium 91
IV.
Folgerungen 92
1.
Gesellschafterkonten und Saldierung in der werbenden Gesellschaft 92
2.
Die fortlaufende Saldierung als Grundprinzip des
Gesellschaftsverhältnisses 94
VII
II.
Buchung der geleisteten Einlagen gemäß § 733 Abs. 2 BGB 113
III.
Anrechnung getätigter Entnahmen 115
IV.
Zusammenfassung: Buchungsposten des Gesellschafterkontos 115
VIII
3.
Folgerung: Der Innenausgleich unter den Gesellschaftern als
notwendiger Bestandteil der Abwicklung 148
II.
Nachtragsliquidation 151
IX
III.
Stattdessen: Klage auf Erteilung einer umfassenden Alleinvertretungs-
und Alleingeschäftsführungsbefugnis 177
X
8. Kapitel
Zusammenfassung des Zweiten Teils 206
XI
10. Kapitel
Die Ansprüche des Gesellschafters 227
11. Kapitel Die Bewertung des Gesellschaftsvermögens (§ 738 Abs. 2 BGB) 241
XII
i.
Der Abfindungsanspruch als Gesellschaftsverbindlichkeit im
Sinne des § 128 HGB analog 249
ii.
Unbegrenzte Gesellschafterhaftung als ungerechtfertigte
Besserstellung des Ausgeschiedenen 251
iii.
Ungleiche Verteilung des Inkassorisikos 252
c)
„Wettlauf der Kündigenden“ 253
2.
Anwendung betriebswirtschaftlicher Bewertungsmethoden 254
a)
Maßgeblichkeit der Abfindungsbilanz 254
b)
Unternehmensbewertung als Rechtsproblem 255
c)
Auswahl der Wertermittlungsmethode durch den Kläger 257
XIII
I.
Aktualisierung der Abfindungsbilanz: Nachtragsbilanz 279
II.
Positives Abfindungsguthaben im Ausscheidenszeitpunkt als
Mindestbetrag 283
I.
Fazit 307
II.
Thesen 309
1.
Auflösung der Gesellschaft 309
2.
Ausscheiden aus der fortbestehenden Gesellschaft 313
XIV
Abkürzungsverzeichnis
XV
etc. et cetera
evtl. Eventuell
f./ff. Folgende
FamRZ Zeitschrift für das gesamte Familienrecht
Fn. Fußnote
FS Festschrift
GBO Grundbuchordnung
GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts
GesR Gesellschaftsrecht
GewO Gewerbeordnung
ggf. Gegebenenfalls
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
GmbHR GmbH Rundschau
grds. Grundsätzlich
HGB Handelsgesetzbuch
Hs. Halbsatz
InsO Insolvenzordnung
IT Informationstechnologie
iVm in Verbindung mit
JuS Juristische Schulung
JZ Juristenzeitung
KG Kommanditgesellschaft / Kammergericht Berlin
LG Landgericht
m.w.N. mit weiteren Nachweisen
MDR Monatsschrift des Deutschen Rechts
MoMiG Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Be-
kämpfung von Missbräuchen
MünchHdb Münchener Handbuch
MünchKomm Münchener Kommentar
n.F. neue Fassung
NJOZ Neue Juristische Online Zeitschrift
NJW Neue Juristische Wochenschrift
NJW-RR NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht
Nr. Nummer
NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
o.ä. oder ähnliche/r/s
OHG Offene Handelsgesellschaft
XVI
OLG Oberlandesgericht
OLGE Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen
PartGG Partnerschaftsgesellschaftsgesetz
RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen
Rn. Randnummer
S. Seite
sog. sogenannte/n/r/s
str. Streitig
u.a. unter anderem
u.U. unter Umständen
UmwG Umwandlungsgesetz
UStG Umsatzsteuergesetz
v.a. vor allem/n
vgl. Vergleiche
Vorbem. Vorbemerkungen
WM Wertpapier-Mitteilungen, Zeitschrift für Wirtschafts- und
Bankrecht, Teil IV
z.B. zum Beispiel
z.T. zum Teil
ZEV Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge
ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht
ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht
Ziff. Ziffer
ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis
ZPO Zivilprozessordnung
ZVG Zwangsversteigerungsgesetz
zzgl. Zuzüglich
XVII
Erster Teil
Einführung
§1 Problemstellung
Titel 16 des BGB ist ein herausragendes Beispiel für die Abstraktionsfähigkeit des hi-
storischen Gesetzgebers. In lediglich 36, geradezu minimalistisch formulierten Einzel-
paragraphen umreißt das BGB die gesamten hoch komplexen Strukturen der Gesell-
schaft bürgerlichen Rechts als Grundform des Personengesellschaftsrechts. Der histori-
sche Gesetzgeber des BGB sah die Gesellschaft bürgerlichen Rechts dabei noch als
nicht rechts- oder parteifähiges, nicht unternehmenstragendes Rechtsgebilde1, das nur
durch Zerschlagung und anschließende Verteilung des Gesellschaftsvermögens nach
dem Vorbild der Gemeinschaft aufgelöst werden kann. Die länger dauernde, unterneh-
merisch tätige Gesellschaft bürgerlichen Rechts kannte das BGB eher als Ausnahmefall
denn als konzeptionelle Grundstruktur (§ 721 Abs. 2 BGB)2. Das BGB orientiert sich
dabei am Muster der Zweck- oder Gelegenheitsgesellschaft, die für eine bestimmte Zeit
eingegangen und unmittelbar nach Zweckerreichung abgewickelt wird (§ 726 BGB),
wobei es erst im Zuge der Abwicklung zu einer Ausschüttung von Gewinnanteilen
kommt (§ 721 Abs. 1 BGB)3.
Während die Anerkennung der Gruppe als selbständiges Zuordnungssubjekt von Rech-
ten und Pflichten für die OHG und KG durch die Sondervorschriften des HGB eindeutig
vorgenommen wird, die es den Handelsgesellschaften ermöglicht, trotz ihrer gesamt-
händerischen Struktur am Rechtsverkehr teilnehmen zu können, ging der historische
1
Hierzu ausführlich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 58 I, V 1 ff., S. 1720 ff.
2
Zu konzeptionellen Grundstrukturen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausführlich K. Schmidt,
Gesellschaftsrecht, § 58 I, 1 ff., S. 1689 ff.
3
MünchKomm BGB/Ulmer/Schäfer Vorbem. zu § 705 Rn. 86 f.
1
BGB-Gesetzgeber für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ursprünglich davon aus,
dass ein entsprechendes Regelungsbedürfnis nicht bestehe4.
Seit Inkrafttreten des BGB ist die Rechtswirklichkeit jedoch in Bereiche vorgestoßen,
die die Vorstellungskraft des historischen Gesetzgebers weit hinter sich gelassen haben.
So sind die Regelungen des BGB zum Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts
durch jüngere Entwicklungen in der Rechtspraxis zunehmend überlagert worden. Die
Gesellschaft bürgerlichen Rechts nimmt heute in den unterschiedlichsten Erscheinungs-
formen und Betätigungsfeldern am Wirtschaftsleben teil5. Die größte Bedeutung dürfte
dabei der als Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisierten Freiberuflersozietät zu-
kommen6: Der Gesellschaftszweck der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist - im Gegen-
satz zur OHG und zur KG - nicht auf den Betrieb eines Handelsgewerbes ausgerichtet
(§§ 105 Abs. 1, 161 Abs. 3 HGB), weshalb die Ausklammerung der freien Berufe aus
dem Gewerbebegriff der BGB-Gesellschaft ein wichtiges Anwendungsfeld eröffnet7.
4
MünchKomm BGB/Ulmer/Schäfer Vorbem. zu § 705 Rn. 16.
5
Vgl. nur Auflistungen bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 58 II., S. 1659 ff.; MünchKomm
BGB/Ulmer/Schäfer Vorbem. zu § 705 Rn. 34 ff.; Erman/Westermann BGB Vorbem. zu § 705 Rn. 29
ff. Ausführlich zu den einzelnen Fallgruppen MünchHdb GesR I §§ 24 ff.
6
Erman/Westermann BGB Vorbem. zu § 705 Rn. 31. Freiberuflersozietäten werden heute unter Gel-
tung des PartGG zunehmend als Partnerschaftsgesellschaften konstituiert. Für die Auflösung einer
Partnerschaftsgesellschaft und das Ausscheiden aus einer solchen bedient sich das PartGG einer Ver-
weisung auf die Regeln des HGB zum Recht der OHG (§ 9 Abs. 1 PartGG). Die Generalverweisung
des § 1 Abs. 4 PartGG auf die Vorschriften der Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird damit zwar
grundsätzlich in Bezug auf das Ausscheidens eines Partners sowie auf die Auflösung und Liquidation
einer Partnerschaft durch die im Handelsgesetzbuch normierten Vorschriften zur OHG verdrängt.
Über § 1 Abs. 4 PartGG kommen die Vorschriften zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts jedoch mit-
telbar dort wieder zur Anwendung, wo das HGB keine für die OHG spezifischen Regelungen trifft
(Meilicke/Graf von Westphalen/Hoffmann PartGG § 9 Rn. 1). Damit richtet sich, sofern der Gesell-
schaftsvertrag nichts Abweichendes bestimmt, die Auseinandersetzung nach Auflösung und die Ab-
schichtung nach Ausscheiden eines Partners nach den gesetzlichen Regeln der § 1 Abs. 4 PartGG iVm
§§ 738 ff. BGB, da das HGB hierfür keine speziellen Regeln vorsieht (Meilicke/Graf von Westpha-
len/Hoffmann PartGG § 9 Rn. 59).
7
Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht, § 3 Rn. 2.
8
Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht, § 3 Rn. 2.
2
sein9. All diesen Fallgruppen ist gemein, dass die Gesellschaften nicht nur über mehrere
Jahre existieren, sondern zumeist erhebliche Vermögenswerte verwalten und bewegen.
So haben sich die innere und äußere Verfassung einer wirtschaftlich tätigen Gesellschaft
bürgerlichen Rechts im Laufe der Zeit immer mehr der OHG angenähert; auch die In-
teressenslage des Gesellschafters einer solchen Gesellschaft ist mit der eines OHG-
Gesellschafters weitgehend identisch.
In Konsequenz dieser Schwierigkeiten ist die historische Rechtspraxis11 denn auch zu-
nehmend dazu übergegangen, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Anlehnung an die
OHG als ein eigenständiges, von ihren Gesellschaftern losgelöstes Rechtsgebilde zu
verstehen. Den nicht zuletzt von Flume12 angestoßenen, höchst streitig geführten Dis-
kussionen über die Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit der Außengesellschaft
bürgerlichen Rechts13 setzte der BGH schließlich mit seinem Grundlagenurteil vom
29.01.200114 ein Ende. Die (Teil-)Rechtsfähigkeit der Außengesellschaft bürgerlichen
Rechts ist seitdem allgemein anerkannt und wird, soweit ersichtlich, auch nahezu ein-
9
Erman/Westermann BGB Vorbem. zu § 705 Rn. 3.
10
Zu einzelnen Reformansätzen im Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts MünchKomm
BGB/Ulmer/Schäfer Vorbem. zu § 705 Rn. 27 ff.
11
Hierzu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 58 IV 2., S. 1712 ff.
12
ZHR 136 (1972), 177 ff. sowie BGB AT § 4 I., S. 50 ff.
13
Zur historischen Rechtsentwicklung ausführlich Erman/Westermann BGB Vorbem. zu § 705 Rn. 18.
14
BGHZ 146, 341 ff. = NJW 2001, 1056 ff., als Fortsetzung von BGHZ 142, 315 ff. = NJW 1999, 3483
ff.
3
hellig befürwortet15. Mit dieser zum Teil als Meilenstein16 bezeichneten Wende ist die
nachhaltig wirtschaftlich nach außen tätige Gesellschaft bürgerlichen Rechts dem hier-
für nach der gesetzgeberischen Intention vorgesehen Rechtsinstitut der OHG (§§ 105
bis 160 HGB) angeglichen worden. Dies zeigt sich insbesondere an der Übertragung des
Haftungsregimes aus § 128 HGB auf den BGB-Gesellschafter17. Eine weitgehende
Übernahme der Regelungen zu den Personenhandelsgesellschaften auf die Mitunter-
nehmergesellschaft bürgerlichen Rechts ist v.a. von Karsten Schmidt18 bereits befürwor-
tet worden19.
15
Vgl. beispielhaft Dauner-Lieb DStR 2001, 356 ff.; Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht, § 3 Rn. 9 ff.; K.
Schmidt NJW 2001, 993 ff.; Westermann NZG 2001, 289 ff.; Wertenbruch NJW 2002, 324 ff. Allen-
falls vereinzelt sind in der Folgezeit Gegenstimmen gegen diesen Richtungswechsel laut geworden, so
z.B. Peifer NZG 2001, 296 ff.; Beuthien NZG 2011, 481 ff.; dagegen wiederum Altmeppen NJW
2011, 1905 ff.
16
K. Schmidt NJW 2001, 993, 995.
17
BGHZ 146, 341, 358 = NJW 2001, 1056 ff. im Anschluss an Vorarbeiten der Literatur, z.B. Flume,
BGB AT, § 16 IV 3, S. 325 ff.; K. Schmidt § 60 III 2. a), S. 1790 ff.; Dauner-Lieb DStR 1998, 2014
ff.; Reiff NZG 2000, 281 ff. Kritisch hierzu Canaris ZGR 2004, 69, 125 ff.; dagegen wiederum Alt-
meppen NJW 2004, 1563 ff.
18
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 58 V 2. a), S. 1722; Baumbach/Hopt/Hopt HGB Einleitung vor
§ 105 Rn. 14. Dagegen MünchHdb Ges I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 35.
19
Mehrheitlich abgelehnt wird hingegen der z.T. im Schrifttum (Timm NJW 1995, 3209 ff.) vertretene
Ansatz, alle Personengesellschaften als juristische Personen zu qualifizieren. Zum zum Streitstand
ausführlich Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht, § 3 Rn. 13.
20
Z.B. BGH NJW 2002, 1207, 1207.
21
Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht, § 3 Rn. 11. Eine Übersicht über die gesetzlichen Regelungen, die
einen Rückschluss auf das gesetzgeberische Verständnis der BGB-Gesellschaft zulassen, findet sich
bei Münch DNotZ 2001, 535, 537 f.
22
Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht, § 3 Rn. 18.
23
MünchKomm BGB/Schäfer § 718 Rn. 36 f.
4
bürgerlichen Rechts lange abgelehnt24. Mit Beschluss vom 04.12.200825 hat der BGH
die Grundbuchfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter einem frei gewähl-
ten Gesellschaftsnamen anerkannt, worauf der Gesetzgeber durch Einführung des
§ 899a BGB reagiert hat26: Neben der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind nach § 47
Abs. 2 Satz 1 GBO auch die Gesellschafter in das Grundbuch einzutragen27. Damit ist
die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Inhaberin des Grundstücksrechtes als solche
formell eintragungsfähig28.
Auch wenn die Einordnung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als eigenständiges
Rechtssubjekt eine Vielzahl der Probleme zu lösen vermocht hat, die auftreten, wenn
eine immense Vielzahl an höchst unterschiedlichen tatsächlichen Erscheinungsformen
und eine sich daraus ergebende nahezu unüberschaubare Zahl an rechtlichen Fragestel-
lungen unter den losen Rahmen einiger weniger unveränderbarer Regeln29 gefasst wer-
den muss, so verbleiben dennoch signifikante Teilbereiche im Recht der Gesellschaft
bürgerlichen Rechts, die auch ohne Rücksicht auf die Einordnung ihres Zuordnungssub-
jektes in der Praxis z.T. erhebliche praktische Schwierigkeiten aufwerfen. Dies gilt ins-
besondere für die Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung einer
Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach Auflösung oder nach dem Ausscheiden eines
Gesellschafters stellen.
Wie komplex die Fragestellungen sind, die die Teilnahme einer nachhaltig wirtschaft-
lich tätigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts am Rechtsverkehr aufwirft, zeigt sich ins-
besondere dann, wenn das gesellschaftliche Engagement einzelner oder aller Gesell-
24
BayObLG NJW 2003, 70 ff.; OLG Celle NJW 2006, 2194 ff.; dagegen OLG Stuttgart NJW 2008,
304, 305.
25
BGHZ 179, 102 ff. = NJW 2009, 594 ff.
26
Gesetz zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte im Grund-
buchverfahren (ERVGBG) vom 11.08.2009, BGBl. I S. 2713.
27
Zu formalen Fragen hierzu Steffek ZIP 2009, 1445, 1446 ff.
28
BT-Drucks. 16/13437, S. 27 ff.; Bamberger/Roth/Eckert BGB § 899a Rn. 2. Zur Grundbuchfähigkeit
der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowie zu § 899a BGB zuletzt ausführlich Wilhelm NZG 2011,
801 ff. sowie Altmeppen NJW 2011, 1905 ff.
29
Prägnant K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 58 I 2. a) bb), S. 1691.
5
schafter in der Gesellschaft beendet werden soll. Während ihrer Lebenszeit hat die Ge-
sellschaft in aller Regel ein Gesellschaftsvermögen gebildet und im Rahmen ihrer Teil-
nahme am Rechtsverkehr Ansprüche und Verbindlichkeiten begründet, die in der Regel
nicht allein durch den Eintritt eines Auflösungsgrundes (§§ 723 ff. BGB) aus der Welt
geschafft werden können. Statt dessen bedarf es einer geordneten und vollständigen
Entfernung der Gesellschaft als organisierter Wirkungseinheit mit allem Vermögen,
allen Verbindlichkeiten, Rechten und Pflichten aus dem Rechtsverkehr30. So stellen sich
im Rahmen der Auseinandersetzung nach Auflösung im Wesentlichen folgende Fragen:
30
Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht, § 10 Rn. 1, 6.
6
§ Wann und in welchem Umfang kann in der Gesellschaftskasse befindliches Bar-
vermögen nach Auflösung von einem Gesellschafter unter Berufung auf einen
Auszahlungsanspruch entnommen werden? In welchem Umfang kann der Ge-
sellschafter zur Befriedigung seiner Ansprüche auf das Privatvermögen seiner
Mitgesellschafter zugreifen?
Ähnliche Fragen stellen sich auch beim Ausscheiden eines Gesellschafters. Für den
Ausgeschiedenen ergeben sich zusätzliche Besonderheiten daraus, dass er mit dem Aus-
scheiden seinen Gesellschafterstatus verliert und damit nicht mehr über die Informa-
tions- und Mitwirkungsrechte eines Gesellschafters verfügt31. Er kann daher nicht mehr
wie noch zu Zeiten seiner Mitgliedschaft auf die Verwendung von Gesellschaftsvermö-
gen zur Befriedigung seiner Ansprüche hinwirken und ist daher in besonderem Maße
auf eine effektive Durchsetzung seiner Ansprüche angewiesen. Dennoch scheint es gän-
gige Meinung zu sein, dass zum Thema Auflösung und Auseinandersetzung bei Perso-
nengesellschaften schon alles gesagt sei. Tatsächlich entsteht angesichts der umfassen-
den Kommentierung der gesetzlichen Regelungen und der Fülle der obergerichtlichen
Entscheidungen auf den ersten Blick der Eindruck, die hier behandelte Problematik sei
bis in das letzte Detail ausdiskutiert. Bei näherer Betrachtung jedoch zeigt sich, dass
vorhandene Lösungsansätze sich zumeist auf die Diskussion von Einzelproblemen der
Handhabung und Normauslegung beschränken, ohne ein für die juristische Praxis ohne
Weiteres übernahmefähiges, dem aktuellen Stand der Gesellschaftsrechtsdogmatik ent-
sprechendes Gesamtkonzept für die Berechnung und Durchsetzung der dem einzelnen
Gesellschafter zustehenden Ansprüche zu entwickeln32.
31
Hierzu ausführlich unten § 25, S. 213 ff.
32
MünchHdb GesR I/Butzer/Knof § 84 Rn. 4.
7
von Gesellschaftern bislang noch nicht vollständig in das geschriebene Recht des BGB
umgesetzt worden. Beispielhaft hierfür ist der Wortlaut des § 730 Abs. 1 BGB, wonach
die Auflösung der Gesellschaft „unter den Gesellschaftern“, aber „in Ansehung des Ge-
sellschaftsvermögens“ stattfinden soll. Tatsächlich ist der Wortlaut der §§ 730 ff., 738
ff. BGB im Zuge der zunehmenden Annäherung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts
an die OHG neu zu interpretieren. Dies gilt namentlich für den Begriff der gemein-
schaftlichen Schulden in § 733 Abs. 1 BGB und das Rechtsinstitut der Anwachsung in
§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Andernorts findet sich innerhalb derselben Kommentierung an einer Stelle die Aussage,
der Abfindungsanspruch werde mangels anderweitiger Vereinbarung gemäß § 271
Abs. 1 BGB sofort mit Ausscheiden fällig36, an anderer Stelle in der Kommentierung zu
§ 387 BGB zur Frage der Fälligkeit als Voraussetzung der Aufrechnung wird sodann
33
MünchHdb GesR I/Butzer/Knof § 84 Rn. 1.
34
Staudinger/Habermeier BGB (2003) § 738 Rn. 1 ff.
35
Staudinger/Habermeier BGB (2003) § 730 Rn. 20.
36
Palandt/Sprau BGB § 738 Rn. 6.
8
die Auffassung vertreten, dass das Guthaben aus der Auseinandersetzung einer Gesell-
schaft bürgerlichen Rechts erst mit abschließender Saldierung aufrechenbar37 werde. In
einer Vorauflage hieß es noch, der Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesell-
schafters werde erst mit Beendigung der Auseinandersetzung aufrechenbar38, wobei
offen blieb, wann von einer Beendigung der Auseinandersetzung gesprochen werden
kann - ist damit die Auszahlung des Abfindungsguthabens oder erst die vollständige
Abwicklung der schwebenden Geschäfte nach § 740 BGB gemeint?
37
Palandt/Grüneberg BGB, 68. Aufl., § 387 Rn. 11.
38
Palandt/Grüneberg BGB, 67. Aufl., § 387 Rn. 11.
39
Hörstel NJW 1994, 2268, 2269.
40
Sudhoff DB 1964, 1324 ff.
9
abweichende vertragliche Gestaltung des weitgehend dispositiv gehaltenen gesetzlichen
Regimes zu entwickeln41. Soweit das gesetzlich vorgesehene Regime behandelt wird,
trifft man in der Regel auf eher vage gehaltene Generalklauseln oder gar widersprüchli-
che Aussagen. So vertritt die herrschende Meinung42, dass das bei Liquidation (§§ 730
ff. BGB) an die Gesellschafter auszuschüttende Gesellschaftsvermögen mit Hilfe einer
Auseinandersetzungsbilanz rechnerisch festgestellt werden müsse. Eine formelle, nach
den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung erstellte Bilanz sei jedoch nicht vorge-
schrieben43, statt dessen könne eine etwaige Ausgleichsforderung auch in Form einer
sog. einfachen Auseinandersetzungsrechnung44 geltend gemacht werden. Worin der Un-
terschied zwischen einer formellen Bilanz und einer einfachen Auseinandersetzungs-
rechnung besteht und welche Bilanzierungsgrundsätze jeweils anwendbar sein sollen,
wird dabei nicht erläutert.
Auch der genaue Ablauf der Auseinandersetzung, insbesondere wann eine - wie auch
immer geartete - Auseinandersetzungsabrechnung frühestens bzw. spätestens zu erstel-
len und wann die Auseinandersetzung insgesamt beendet sein soll, bleibt unklar. So
wird beispielsweise vertreten, dass am Ende der Auseinandersetzung, aber vor Erstat-
tung der Einlagen, der Verteilung des Überschusses oder der Einforderung von Nach-
schüssen eine Schlussabrechnung zu erfolgen habe, da andernfalls diese am Schluss der
Auseinandersetzung stehenden Auseinandersetzungsmaßnahmen nicht getroffen werden
könnten45. Ein paar Zeilen später heißt es dann im selben Werk, dass die Auseinander-
setzung - und damit auch die Gesellschaft selbst - erst beendet sei, wenn die Einlagen
und Überschüsse ausgekehrt oder etwaige Nachschüsse eingezogen und zur Befriedi-
gung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft verwandt worden seien, die Gesellschaft
also kein Vermögen mehr habe, wobei unerheblich sei, ob noch weitere Verbindlichkei-
ten der Gesellschaft bestünden46. Bereits dieser einzelnen Untersuchung lassen sich drei
mögliche Zeitpunkte für das Ende der Auseinandersetzung entnehmen: Erstens soll die-
41
Siehe hierzu nur die umfangreiche Rechtsprechung und Literatur zu vertraglichen Abfindungsklau-
seln, beispielhaft K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV 2., S. 1481 ff.; Engel NJW 1986, 345 ff.;
Haack GmbHR 1994, 437 ff.; Heß NZG 2001, 648 ff.; Kort DStR 1995, 1961 ff.; Notthoff DStR
1998, 210 ff.; für die Freiberuflergesellschaft ausführlich Bunk, Vermögenszuordnung, S. 114 ff.
42
Vgl. statt vieler Palandt/Sprau BGB § 734 Rn. 1; MünchKomm BGB/Schäfer § 734 Rn. 1.
43
MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 58; Staudinger/Habermeier BGB (2003) § 730 Rn. 24.
44
BGH WM 2009, 1231, 1232 (Rn. 8).
45
MünchHdb GesR I/Gummert § 21 Rn. 99.
46
MünchHdb GesR I/Gummert § 21 Rn. 101.
10
ses wohl bereits zeitlich vor der Erstattung der Einlagen sowie der Verteilung des Über-
schusses oder der Einziehung von Nachschüssen anzusiedeln sein, was zugleich impli-
ziert, dass die Auseinandersetzung bereits mit Rückgabe der Gegenstände an die Gesell-
schafter nach § 732 BGB und der Befriedigung der Schulden nach § 733 Abs. 1 BGB
beendet sei. In der zweiten Variante soll wohl die Erstattung der Einlagen, die Vertei-
lung des Überschusses oder der Einforderung von Nachschüssen als solche, in der drit-
ten Variante die Beendigung dieser Vorgänge den Schlusspunkt der Auseinanderset-
zung bilden.
Insbesondere die zuletzt getroffene Festlegung, die Auseinandersetzung sei erst nach
Ausschüttung der Einlagen und Überschüsse an die Gesellschafter beendet, widerspricht
der zuerst geäußerten Annahme, das Ende der Auseinandersetzung sei zeitlich vor die-
sen Auseinandersetzungshandlungen anzusiedeln. In einer anderen Abhandlung findet
sich in der Kommentierung zu § 734 BGB zur Frage, wie der Überschuss nach § 734
BGB zu ermitteln sei, die Vorgabe, bei unternehmerisch tätigen Gesellschaften sei es
„zur sicheren Feststellung des Gesellschaftsvermögens notwendig, dass auf den maß-
geblichen Zeitpunkt der Vollbeendigung der Gesellschaft eine Auseinandersetzungsbi-
lanz erstellt“47 werde, aus der sich alle Gegenstände des Gesellschaftsvermögens und
deren Wert entnehmen ließen48. In Zusammenschau mit der im selben Werk getroffenen
Aussage, die Vollbeendigung der Gesellschaft trete in dem Augenblick ein, in dem das
letzte Aktivvermögen verteilt sei49, ergibt diese Äußerung keinen Sinn. Vielmehr bleibt
offen, welche Gegenstände des Gesellschaftsvermögens überhaupt in einer Bilanz auf-
geführt werden können, die bezogen auf den Zeitpunkt der vollständigen Verteilung
aller Gegenstände des Gesellschaftsvermögens aufzustellen ist.
Ähnlich verwirrend sind die Vorgaben der herrschenden Meinung für die Konstellation
des Ausscheidens eines Gesellschafters aus der fortbestehenden Gesellschaft, insbeson-
dere die Vorgaben, wie der Abfindungsanspruch des Ausgeschiedenen zu berechnen sei.
Häufig wird in diesem Zusammenhang die Erstellung einer Abfindungsbilanz als ent-
behrlich bezeichnet, da der Wert des Gesellschaftsvermögens nach § 738 Abs. 2 BGB
heutzutage üblicherweise mit Hilfe betriebswirtschaftlicher Verfahren zur Unterneh-
47
Soergel/Hadding/Kießling BGB § 734 Rn. 4.
48
Soergel/Hadding/Kießling BGB § 734 Rn. 4.
49
Soergel/Hadding/Kießling BGB Vorbem. zu § 730 Rn. 2 sowie § 730 Rn. 1 und Rn. 25.
11
mensbewertung, v.a. mit Hilfe des sog. Ertragswertverfahrens, ermittelt werde50. Im
nächsten Atemzug halten dieselben Autoren jedoch die unmittelbar zuvor für überflüs-
sig befundene Abfindungsbilanz für erforderlich, um aus dem Ertragswert des Unter-
nehmens die Höhe des Abfindungsanspruchs abzuleiten51. Versuche, anhand eines fikti-
ven Sachverhalts auf der Grundlage der von der Rechtsprechung und der gängigen
Kommentarliteratur erteilten Handlungsanweisungen die Höhe der jeweiligen Ansprü-
che der einzelnen Gesellschafter, die sich bei Geltung des jeweils gesetzlich festgeleg-
ten Regimes ergeben, rechnerisch zu ermitteln, enden daher nach kurzer Zeit in einer
Sackgasse.
Auch die prozessuale Durchsetzung der Ansprüche des Gesellschafters ist bei genauer
Befolgung der in Rechtsprechung und Literatur postulierten Vorgehensweise nicht prak-
tikabel. So soll beispielsweise ein Gesellschafter die Auseinandersetzung der Gesell-
schaft dadurch forcieren können, dass er seine Mitgesellschafter auf Zustimmung zu
einem sog. Auseinandersetzungsplan in Anspruch nimmt, wobei das stattgebende Ge-
staltungsurteil die Zustimmung der Mitgesellschafter nach § 894 ZPO ersetzen und so
einen entsprechenden Beschluss der Gesellschafter über die Vorgehensweise bei der
Auseinandersetzung fingieren soll52. Dass dem einzelnen Gesellschafter ein solch statt-
gebendes Urteil nicht weiterhilft, zeigt sich schon daran, dass nach Rechtskraft des Ur-
teils zwar die Durchführung der Auseinandersetzung als beschlossen gelten mag, die
Auseinandersetzung selbst dadurch aber noch lange nicht tatsächlich durchgeführt wor-
den ist.
50
MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 23 ff.
51
MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 25.
52
Palandt/Sprau BGB § 730 Rn. 4; siehe hierzu ausführlich unten § 20, S. 170 ff.
12
§2 Der vorliegende Beitrag
I. Lösungsansatz
Die Überlagerung des Gesetzeswortlauts der §§ 723 ff. BGB durch die tatsächliche
Rechtspraxis und die sich daraus ergebende Unschärfe in der praktischen Umsetzung
durch Rechtsprechung und Literatur rufen nach einem einheitlichen Regime zur Rege-
lung der Auseinandersetzung von Personengesellschaften und der Abfindung ausge-
schiedener Gesellschafter. Die tiefgreifenden Umwälzungen, die das Rechtsverständnis
der Gesellschaft bürgerlichen Rechts seit Inkrafttreten des BGB im Wege der richterli-
chen und auch gesetzgeberischen Rechtsfortbildung erfahren hat, lassen die herrschende
Meinung heutzutage im Allgemeinen zu dem Schluss kommen, dass die Regelungen
des BGB der Gesellschaft bürgerlichen Rechts in ihrer heutigen Ausprägung nicht mehr
gerecht werden53. So hat die Wissenschaft bereits eine grundlegende Neukodifikation
des Rechts der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gefordert54.
Auf der Suche nach geeigneten Lösungsansätzen zur Bewältigung der Probleme, die
sich im Rahmen der Auseinandersetzung nach Auflösung bzw. Ausscheiden stellen,
erweist sich jedoch paradoxerweise der so knapp formulierte und vermeintlich einem
veralteten Gesellschaftsbild verhaftete Gesetzeswortlaut des BGB als überaus wertvoll
und hilfreich. Wie im Verlauf dieser Arbeit darzustellen sein wird, enthalten die ein-
schlägigen Vorschriften der §§ 730 bis 740 BGB - unter dem Blickwinkel der Bedürf-
nisse einer unternehmerisch tätigen Gesellschaft ausgelegt, ergänzt durch eine analoge
Anwendung einiger Regelungen des HGB - eine klar und einfach umsetzbare Anleitung
für die Ermittlung und Berechnung der dem einzelnen Gesellschafter zustehenden An-
sprüche. Es zeigt sich, dass sich unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut ein klares Re-
chenmodell ergibt, das auf alle denkbaren Sachverhaltskonstellationen bei Auseinander-
setzung nach Auflösung und Ausscheiden gleichermaßen angewendet werden kann und
zu interessengerechten Lösungen führen kann, wobei sich viele der von der herrschen-
53
Vgl. nur MünchKomm BGB/Ulmer/Schäfer Vorbem. zu § 705 Rn. 26; K. Schmidt, Gesellschafts-
recht, § 58 I 1 b), S. 1690; Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht, § 12 Rn. 6 spricht gar von einer „verun-
glückten gesetzlichen Ursprungskonzeption”.
54
K. Schmidt, Gutachten, S. 413 ff. Kritisch hierzu Ulmer ZGR 1984, 313 ff. Zum Ganzen Münch-
Komm BGB/Ulmer/Schäfer Vorbem. zu § 705 Rn. 26 ff.
13
den Meinung thematisierten Probleme entweder gar nicht stellen oder sich anhand des
vom Gesetz selbst aufgezeigten Lösungs- und Rechenwegs klären lassen. Dabei wird
deutlich, dass die Ermittlung der Ansprüche des Gesellschafters nach Auflösung und
Ausscheiden ein Problem des materiellen Zivilrechts ist, die dabei auftretenden Fragen
in der Entscheidungskompetenz des Zivilrichters liegen und nicht pauschal im Wege
des Sachverständigenbeweises Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern zugewiesen wer-
den sollten.
Ziel dieser Arbeit ist es daher, die gängigen Interpretationen der gesetzlichen Regelun-
gen der §§ 730 bis 740 BGB einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Dabei sollen –
wo erforderlich – neue Lösungsansätze angeboten werden, um die Ermittlung und Be-
friedigung der Ansprüche und Verbindlichkeiten der einzelnen Liquidationsgesellschaf-
ter bzw. des Ausgeschiedenen auf möglichst unkomplizierte und für die forensische
Praxis ohne Weiteres nachvollziehbare Art und Weise bewerkstelligen und den wider-
streitenden Interessen aller beteiligten Parteien möglichst gleichmäßig Rechnung tragen
zu können.
Die nachfolgende Untersuchung befasst sich ausschließlich mit der Auflösung einer
bzw. dem Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Außengesellschaft bürgerlichen
Rechts mit Gesellschaftsvermögen, die ihren Gewinn mittels Einnahmen-
Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG), also ohne fortlaufende Bilanzierung feststellt.
Andere Personengesellschaften, insbesondere Handels- bzw. Partnerschaftsgesellschaf-
ten, die stille sowie die fehlerhafte Gesellschaft werden nicht explizit behandelt. Die für
die Gesellschaft bürgerlichen Rechts gewonnenen Erkenntnisse gelten aufgrund der
umfassenden Verweisungen des PartGG (§ 1 Abs. 4 PartGG) und HGB (§ 105 Abs. 3
HGB) in das BGB jedoch auch für die Partnerschaftsgesellschaft wie für die Personen-
gesellschaften des Handelsrechts.
Aufgrund der Knappheit der gesetzlichen Regelung ist die juristische Praxis weitgehend
dazu übergegangen, das weitgehend dispositiv gestaltete (§ 731 BGB) Verfahren der
Auseinandersetzung nach Auflösung bzw. nach Ausscheiden abweichend vom gesetzli-
14
chen Regime zu regeln. Dies erfolgt in der Praxis beispielsweise durch sog. Abfin-
dungsklauseln im Gesellschaftsvertrag55. Deren Wirksamkeit, Inhaltskontrolle und Aus-
legung wurde in Rechtsprechung und Literatur bereits umfassend diskutiert56, so dass
eine erneute Diskussion in der vorliegenden Arbeit entbehrlich ist.
Entscheidend ist vielmehr, wie die Vermögensverteilung verlaufen soll, wenn solche
vertraglichen Regelungen nicht existieren oder unwirksam, unklar oder lückenhaft sind,
so dass trotz einer vom Gesetz abweichenden Vereinbarung das gesetzliche Verfahren
Anwendung findet57. Die Frage nach dem genauen Inhalt des gesetzlichen Verfahrens
und den Möglichkeiten zu dessen Umsetzung stellt sich in der Praxis stets dann, wenn
eine vom Gesetz abweichende vertragliche (§ 731 BGB) oder vergleichsweise Lösung
unter den Gesellschaftern nicht möglich ist oder nicht wirksam zustande kommt, insbe-
sondere wenn sämtliche Einzelfragen der Auseinandersetzung nach Auflösung oder
nach Ausscheiden in streitigen Gerichtsverfahren entschieden werden müssen, weil sich
alle Beteiligten durch Vetorechte, Bestreiten oder sonstigen Widerstand gegenseitig
blockieren, sich der Mitwirkung gänzlich widersetzen oder nicht mehr erreichbar sind.
Für diesen Fall benötigen Kautelarpraxis und Gerichtsbarkeit eine gesicherte Interpreta-
tion des gesetzlichen Regimes. Ziel dieser Arbeit ist es daher, die gesetzlich geregelten
Rechtsfolgen der Auflösung und des Ausscheidens, d.h. das jeweils gesetzlich vorgese-
hene Verfahren der Vermögensauseinandersetzung einer umfassenden Klärung zuzu-
führen. Dabei beschränkt sich die Darstellung ausschließlich auf die Diskussion und
Interpretation der gesetzlichen Regelung und lässt Möglichkeiten und Praxis der abwei-
chenden Vertragsgestaltung bewusst außer Betracht. Es wird unterstellt, dass keine vom
Gesetzeswortlaut abweichenden gesellschaftsvertraglichen oder vergleichsweisen Ver-
einbarungen (§ 731 Satz 1 BGB) existieren, insbesondere kein Bestandteil des gesetzli-
chen Verfahrens abbedungen oder ausgeschlossen worden ist. Dabei werden allein die
zivil-, handels- und prozessrechtlichen Fragen näher behandelt; auf steuerrechtliche
oder insolvenzrechtliche Aspekte soll nicht eingegangen werden.
55
Hierzu statt vieler MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 39 ff.
56
Vgl. beispielhaft MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 41 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50
IV 2., S. 1481 ff.; Engel NJW 1986, 345 ff.; Haack GmbHR 1994, 437 ff.; Heß NZG 2001, 648 ff.;
Kort DStR 1995, 1961 ff.; Notthoff DStR 1998, 210 ff.; für die Freiberuflergesellschaft ausführlich
Bunk, Vermögenszuordnung, S. 114 ff.
57
Beispielhaft die Entscheidung des BGH NJW 2008, 2987 ff., wonach für den Fall der Unwirksamkeit
einer im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Abfindungsbeschränkung die allgemeinen Regeln eingrei-
fen (BGH NJW 2008, 2987, 2990 [Rn. 21]).
15
Für die Auseinandersetzung nach Auflösung sind dabei lediglich die §§ 730 ff. BGB
von Bedeutung. Andere Möglichkeiten der Auseinandersetzung wie z.B. die Übernah-
me durch einen Gesellschafter oder durch Einbringung und Umwandlung sowie die
Abwicklung im Rahmen des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschaf-
ters bleiben außer Betracht. Für die Untersuchung des Ausscheidens des Gesellschafters
ist nur die Konstellation von Interesse, dass ein Gesellschafter ersatzlos aus der Gesell-
schaft ausscheidet und keine Sonderrechtsnachfolge in seinen Gesellschaftsanteil statt-
findet, so dass das Verfahren der §§ 738 ff. BGB Anwendung findet.
Als ersten Schritt nach der Auflösung der Gesellschaft haben die Gesellschafter zu-
nächst die Liquidationsmasse zu bilden, indem sie nicht zum Gesellschaftsvermögen
gehörende Gegenstände aussondern und das verbleibende Gesellschaftsvermögen in
Geld umsetzen (§§ 732, 733 Abs. 3 BGB). Im Rahmen der Diskussion, wie die Vermö-
gensverwertung in der Praxis am besten zu bewerkstelligen sein kann (§ 6), wird beson-
deres Augenmerk auf die Verwertung von Forderungen gelegt, die der Gesellschaft ge-
genüber ihren Gesellschaftern zustehen (§ 7). Dabei ist insbesondere darauf einzugehen,
ob rückständige Einlagen, die ein Gesellschafter im Zeitpunkt der Auflösung noch nicht
geleistet hat, nach Eintritt der Auflösung überhaupt noch eingezogen werden dürfen
oder ob ihrer Einziehung der Einwand des § 242 BGB entgegensteht, da sie nach § 733
Abs. 2 BGB sofort wieder an den Gesellschafter auszukehren sind (§ 7, II.). Ebenso
wird erörtert, ob der Einwand der sofortigen Rückforderung auch in Bezug auf alle an-
deren Geldforderungen der Gesellschaft gegenüber dem Liquidationsgesellschafter ge-
16
geben ist, die im Zeitpunkt der Auflösung noch nicht eingezogen sind (§ 7, III.). Die
Untersuchung unternimmt sodann einen Versuch, den Begriff der Einlage für die Zwek-
ke der Vermögensauseinandersetzung nach Auflösung neu zu definieren.
Nach einem kurzen Überblick über die Befriedigung von Schulden und die Bildung von
Rückstellungen nach § 733 Abs. 1 BGB (§ 8) untersucht die Arbeit in einem nächsten
Schritt, wie das Gesellschaftsvermögen zu ermitteln ist, das nach Berichtigung der
Schulden der Gesellschaft nach § 733 Abs. 1 BGB verbleibt und daher unter den einzel-
nen Gesellschaftern verteilt werden kann (3. Kapitel). Die Darstellung untersucht zu-
nächst die in Rechtsprechung und Literatur gebräuchliche sog. Auseinandersetzungsbi-
lanz und diskutiert die Frage, ob eine Bilanz als stichtagsbezogene Darstellung der ge-
schätzten Verkaufswerte des Gesellschaftsvermögens für die Zwecke der Vermö-
gensauseinandersetzung nach Auflösung überhaupt tauglich ist (§ 10), da die Vermö-
gensverteilung nach dem Gesetz auf der Basis tatsächlich erzielter Verwertungserlöse
vorzunehmen ist. Zur rechnerischen Darstellung des Liquidationsvermögens wird so-
dann an Stelle der Bilanz ein besonderes Verrechnungskonto (sog. Liquiditätskonto)
eingeführt, auf dem das jeweils in Geld umgesetzte Gesellschaftsvermögen den tatsäch-
lich (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder potentiell (§ 733 Abs. 1 Satz 2 BGB) bestehenden
Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber gestellt und dessen Stand analog zur fort-
schreitenden Vermögensversilberung und Schuldenbefriedigung im Rahmen einer fort-
laufenden Saldierung kontinuierlich angepasst werden kann (§ 11, § 12).
Sodann widmet sich die Darstellung der Frage, wie die Auseinandersetzungsguthaben
der einzelnen Gesellschafter zu ermitteln sind (4. Kapitel). Hierbei identifiziert sie die
Gesellschafter(kapital)konten als geeignetes Medium, um die Ansprüche und Verbind-
lichkeiten des einzelnen Gesellschafters im Verhältnis zur Gesellschaft abschließend
und umfassend darzustellen (§ 14) und setzt sich ausführlich damit auseinander, welche
Positionen im Einzelnen in das Gesellschafterkapitalkonto einzubuchen sind (§ 15).
Dabei wird insbesondere auf die Frage eingegangen, ob die von der herrschenden Mei-
nung vorgenommene Unterteilung der Verbindlichkeiten im Verhältnis der Gesellschaft
zum Gesellschafter in Drittgläubigerverbindlichkeiten und Sozialverbindlichkeiten und
die Vorabbefriedigung von Ansprüchen aus Drittgläubigerrechtsgeschäften ohne Rück-
sicht auf den Gang der Auseinandersetzung gerechtfertigt ist (§ 15, I.). Die gefundenen
Ergebnisse werden sodann in einem einheitlichen, unmittelbar dem Gesetzeswortlaut
der §§ 733 bis 735 BGB entnommenen Rechenmodell zusammengefügt.
17
Abs. 2 Satz 1 HGB analog auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzuwenden ist und
wie sich eine solche Vorabausschüttung auf das Auseinandersetzungsguthaben des Ge-
sellschafters auswirkt (§ 18), bevor der Zeitpunkt der Vollbeendigung definiert und die
Nachtragsliquidation beschrieben werden (§ 19). Das vorgeschlagene Rechenmodell
wird sodann nochmals abschließend anhand eines Beispielsfalls nachvollzogen (6. Ka-
pitel).
In einem nächsten Schritt widmet sich die Untersuchung sodann der Diskussion, wann
der Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben entsteht und fällig wird und wie
der anspruchsberechtigte Gesellschafter seine Ansprüche, die ihm mit Eintritt der Auf-
lösung zustehen, prozessual durchsetzen kann (7. Kapitel). Hierbei wird insbesondere
die Frage zu diskutieren sein, welche Rechtfertigung dem von der Rechtsprechung ent-
wickelten Grundsatz der Durchsetzungssperre im Rahmen der prozessualen Durchset-
zung des Anspruchs auf das Auseinandersetzungsguthaben zukommt. Abschließend
entwickelt die Untersuchung sodann eine eigene Lösung, wie der einzelne Gesellschaf-
ter ein ihm zustehendes Auseinandersetzungsguthaben gerichtlich geltend machen kann
(§ 22).
In zweiten Hauptteil der Arbeit werden die Ansprüche des Gesellschafters bei Aus-
scheiden aus einer fortbestehenden Gesellschaft untersucht (Dritter Teil). Der Gang der
Untersuchung orientiert sich dabei so weit wie möglich an der Gliederung des ersten
Hauptteils, um den Vergleich zur Konstellation der Auflösung zu ermöglichen. Diesem
Ansatz folgend geht die Untersuchung nach einem kurzen Abriss über Voraussetzungen
und Rechtsfolgen des Ausscheidens zunächst auf die methodisch-dogmatischen Grund-
lagen des Ausscheidens aus einer Gesellschaft und die daraus resultierende Systematik
der Ansprüche des Gesellschafters ein (§ 26). Dabei wird der in § 738 Abs. 1 Satz 2
BGB niedergelegte wirtschaftliche Gleichlauf zwischen Auseinandersetzung nach Auf-
lösung und Ausscheiden als allgemeiner Rechtsgedanke bei der Vermögensverteilung
nach Ausscheiden aus der Gesellschaft identifiziert.
Nach einem kurzen Überblick über die Ansprüche des Ausgeschiedenen auf Rückgabe
der eingebrachten Gegenstände sowie auf Schuldbefreiung bzw. Sicherheitsleistung (10.
Kapitel) widmet sich die Untersuchung sodann der Frage, wie der Abfindungsanspruch
des Ausgeschiedenen im Einzelnen zu berechnen ist. Der vom Gesetz beabsichtigte
wirtschaftliche Gleichlauf zwischen Auseinandersetzung nach Auflösung und Aus-
scheiden führt zu einem dem Verfahren zur Berechnung des Anspruchs auf das Ausein-
andersetzungsguthabens nahezu identischen Berechnungsverfahren (§ 28): Der wesent-
liche Unterschied zwischen beiden Konstellationen besteht allein darin, wie das Gesell-
18
schaftsvermögen, das der zweiten Komponente des Abfindungsguthabens zugrunde
liegt, zu ermitteln ist (§ 738 Abs. 2 BGB). Die Untersuchung kann sich daher weitge-
hend auf die Art und Weise der Ermittlung des Gesellschaftsvermögens beschränken.
Auch hier erfolgt wiederum eine intensive Auseinandersetzung mit den von der herr-
schenden Meinung angewendeten Methoden zur Ermittlung und Berechnung des dem
Ausgeschiedenen anteilig zustehenden Gesellschaftsvermögens, nämlich einerseits der
Abfindungsbilanz, andererseits der Unternehmensbewertung mit Hilfe betriebswirt-
schaftlicher Berechnungsmethoden (11. Kapitel). Da im Unterschied zur Auflösung die
Gesellschaft beim Ausscheiden eines Gesellschafters nach § 736 BGB weiterbesteht
und somit eine tatsächliche Versilberung nicht stattfindet, ist die Erstellung einer Ab-
findungsbilanz hier – im Gegensatz zur Auflösungskonstellation – grundsätzlich ein
taugliches Mittel, um den Wert des Gesellschaftsvermögens rechnerisch abzubilden.
19
uneinheitlich verwendet und oft vermischt. Im Interesse einer klaren Terminologie in-
nerhalb der vorliegenden Untersuchung bedarf es daher einer Begriffsklärung.
Für die Zwecke dieser Untersuchung kennzeichnet der Begriff des „Auseinanderset-
zungsguthabens“ die Gesamtheit der vermögenswerten Ansprüche, die dem einzelnen
Gesellschafter im Zuge der Auseinandersetzung zustehen. Er ist nach § 717 Satz 2 BGB
ein selbstständig abtretbares Vermögensrecht. Der Anspruch auf dessen Auszahlung
wird folgerichtig als „Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens“
bezeichnet. Demgegenüber ist der „Auseinandersetzungsanspruch“ der Anspruch jedes
58
MünchHdb GesR I/Gummert § 21 Rn. 88.
20
Gesellschafters auf Auseinandersetzung, d.h. auf Durchführung bzw. Mitwirkung an der
Auseinandersetzung der Gesellschaft.
59
Beispielhaft Stötter BB 1974, 676 ff., der innerhalb des ersten Abschnitts (Ziffer 1 „Der Anspruch des
ausscheidenden Gesellschafters auf die Aufstellung und Vorlage einer Abschichtungsbilanz“) alle drei
Begriffe als Bezeichnung für die beim Ausscheiden des Gesellschafters (§§ 736 ff. BGB) anzuferti-
gende Bilanz verwendet.
21
Zweiter Teil
Die Auseinandersetzung der Gesellschaft nach Auflösung
1. Kapitel Grundlagen
Nach dem Verständnis des Gesetzes (§§ 733 Abs. 1 BGB, 145 Abs. 1 HGB) markiert
der Zeitpunkt der Auflösung den rechtsgestaltenden Akt, der das Ende der werbenden
Gesellschaft und zugleich den Beginn der Auseinandersetzung einleitet, also den Eintritt
in das Stadium der Abwicklung und Beendigung der Gesellschaft. Die Auflösung der
Gesellschaft hat keine Auswirkung auf Existenz, Identität und Mitgliederbestand der
Gesellschaft, sie besteht bis zu ihrem Erlöschen durch Vollbeendigung fort60. Rechts-
und Parteifähigkeit der aufgelösten Gesellschaft bleiben unberührt und sind nicht auf
den Liquidationszweck begrenzt61. Mit dem Eintritt des Auflösungsgrundes ändert sich
60
Statt vieler vgl. nur MünchKomm BGB/Schäfer Vorbem. zu § 723 Rn. 5 sowie Bamber-
ger/Roth/Schöne BGB Vorbem. zu § 723 Rn. 3 (herrschende Meinung).
61
BGH WM 1964, 152, 153.
22
lediglich der gemeinsame Zweck (§ 705 BGB) der Gesellschaft; er beschränkt sich
fortan nur noch auf die Abwicklung der Gesellschaft62, d.h. die vermögensrechtliche
Auseinandersetzung und Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses. Die vormals „wer-
bende“ Gesellschaft verwandelt sich in eine „sterbende“ Gesellschaft („Abwicklungsge-
sellschaft“ oder „Liquidationsgesellschaft“). Zweck der Gesellschaft ist mit Eintritt des
Auflösungsgrundes nicht mehr der ursprüngliche Gesellschaftszweck, sondern nur noch
die vermögensrechtliche Auseinandersetzung und die Beendigung des Gesellschaftsver-
hältnisses, die in letzter Konsequenz zum Wegfall eines Trägers von Rechten und
Pflichten führt. Entsprechend wandelt sich die Pflicht der Gesellschafter zur Förderung
des Gesellschaftszwecks mit Auflösung in eine Pflicht zur Förderung der Auseinander-
setzung63, jeden Gesellschafter treffen dabei besondere Auskunfts- und Mitwirkungs-
pflichten64. Die Bindung des Gesellschaftsvermögens für die Zwecke der werbenden
Gesellschaft wird hinfällig65, es ist daher an Gläubiger und Gesellschafter mangels ab-
weichender vertraglicher Vereinbarung66 nach Maßgabe der §§ 730 ff. BGB auszukeh-
ren.
Mit Auflösung erlischt die einem Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag zuste-
hende Geschäftsführungsbefugnis und geht auf alle Gesellschafter über, § 730 Abs. 2
Satz 2 BGB (Gesamtgeschäftsführungsbefugnis). Es gilt das Kollektivprinzip des § 709
Abs. 1 BGB67. Entsprechend sind die Gesellschafter im Innenverhältnis nur gemeinsam
zur Vertretung der Gesellschaft nach außen ermächtigt; ihre organschaftliche Vertre-
tungsbefugnis richtet sich nach § 714 BGB68. Der Umfang der Vertretungsmacht be-
stimmt sich nach dem Aufgabenkreis der §§ 730, 732 bis 735 BGB: Die Gesellschafter
62
Herrschende Meinung, statt vieler E/B/J/S/Hillmann HGB § 145 Rn. 12. Anderer Ansicht K. Schmidt,
Gesellschaftsrecht, § 11 V 4. c), S. 313: Der Liquidationszweck überlagert nur die Rechte und Pflich-
ten der Beteiligten.
63
BGHZ 1, 324, 332 = NJW 1951, 650 ff.; Bamberger/Roth/Schöne BGB § 730 Rn. 18.
64
Dazu näher Bamberger/Roth/Schöne BGB § 730 Rn. 18.
65
Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S. 5.
66
Die §§ 730 ff. BGB sind in vollem Umfang dispositiv, § 731 BGB. Die Gesellschafter können daher
im Rahmen ihrer vertraglichen Gestaltungsfreiheit nicht nur einzelne Abwicklungsschritte abwei-
chend von der gesetzlichen Regel vorsehen, sondern anstelle der Abwicklung auch eine ganz andere
Art der Auseinandersetzung wählen, Bamberger/Roth/Schöne BGB § 730 Rn. 12. Zu sonstigen Arten
der Liquidation, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, ausführlich Grziwotz DStR 1992,
1813 ff.
67
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 730 Rn. 23.
68
MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 43; Bamberger/Roth/Schöne BGB § 730 Rn. 27.
23
sind an den Liquidationszweck gebunden und dürfen neue Geschäfte nur eingehen, so-
weit sie zur Abwicklung erforderlich sind69.
Das Gesetz normiert in den §§ 730 ff. BGB eine Reihe von Maßnahmen, die nach Auf-
lösung der Gesellschaft von den Gesellschaftern zum Zwecke der Verwertung und Ver-
teilung des Gesellschaftsvermögens durchzuführen sind. Dabei ist zunächst zu untersu-
chen, inwieweit die in den §§ 732 ff. BGB normierten Abwicklungsmaßnahmen über-
haupt Gegenstand von Ansprüchen des Gesellschafters sein können, d.h. ob der Gesell-
schafter die Durchführung dieser Abwicklungsmaßnahmen als Tun oder Unterlassen im
Sinne des § 194 Abs. 1 BGB fordern kann. Statt dessen könnte es sich auch um Ansprü-
che der Gläubiger (z.B. Anspruch auf Schuldenbefriedigung, § 733 Abs. 1 BGB) bzw.
der Gesellschaft (z.B. Anspruch auf Zahlung von Nachschussbeträgen in das Gesell-
schaftsvermögen, § 735 BGB) handeln.
69
MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 8 und 44; Bamberger/Roth/Schöne BGB § 730 Rn. 25.
70
MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 36.
71
Vgl. nur Staudinger/Habermeier BGB (2003) § 730 Rn. 20; Soergel/Hadding/Kießling BGB § 730
Rn. 21; Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 160 Rn. 1.
72
Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 160 Rn. 1.
24
Die §§ 730 ff. BGB enthalten eine Verpflichtung aller Gesellschafter zur Durchführung
des Auseinandersetzungsverfahrens. Jeder Gesellschafter hat gegen seine Mitgesell-
schafter einen Anspruch auf Vornahme der Auseinandersetzung entsprechend den ver-
traglichen Vereinbarungen bzw. - soweit solche nicht existieren - gemäß und in Reihen-
folge der gesetzlichen Regelung73. Mit Eintritt des auflösenden Ereignisses ist jeder Ge-
sellschafter verpflichtet, die Abwicklung und Beendigung der Auseinandersetzung der
Gesellschaft zu fördern74. Ein solcher Anspruch auf Durchführung der Auseinanderset-
zung im Allgemeinen wiederum ist nur sinnvoll, wenn mit ihm zugleich ein originärer
Anspruch jedes Gesellschafters auf Durchführung im Besonderen, d.h. auf Vornahme
jeder einzelnen gesetzlich vorgeschriebenen Abwicklungsmaßnahme, einhergeht. Zwar
besteht der Anspruch auf Schuldenberichtigung bzw. Zurückbehalt zugleich auch zu
Gunsten des jeweiligen Gesellschaftsgläubigers. Ebenso sind Nachschussleistungen
nach § 735 BGB grundsätzlich in das Gesellschaftsvermögen zu zahlen75, so dass ein
entsprechender Anspruch der Gesellschaft aus § 735 BGB vorliegt. Daneben ist aber
aufgrund seines allgemeinen Mitwirkungsanspruchs stets auch jeder Gesellschafter
selbst aktivlegitimiert und kann seine Mitgesellschafter auf Vornahme der in den §§ 730
ff. BGB vorgeschriebenen Abwicklungshandlungen in Anspruch nehmen76. Der An-
spruch auf Durchführung der Auseinandersetzung insgesamt umfasst daher auch den
Anspruch auf Vornahme einzelner Auseinandersetzungshandlungen77.
73
Palandt/Sprau BGB § 730 Rn. 2.
74
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 730 Rn. 18.
75
Hierzu ausführlich unten § 17, II., S. 125 ff.
76
Zur prozessualen Durchsetzung ausführlich unten § 20, S. 170 ff.
77
MünchHdb GesR I/Gummert § 21 Rn. 91.
25
§ Anspruch auf Befriedigung von Gesellschaftsschulden, § 733 Abs. 1 Satz 1
BGB78;
§ Anspruch auf Zurückbehalt des für die Befriedigung von noch nicht fälligen
oder streitigen Verbindlichkeiten Erforderlichen, § 733 Abs. 1 Satz 2 BGB;
§ Anspruch auf Rückerstattung seiner Einlagen, § 733 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB,
sowie
78
Diese Gesellschaftsschulden können dabei sowohl gegenüber einem Gesellschafter als auch gegen-
über einem nicht an der Gesellschaft beteiligten Dritten bestehen.
26
III. Methodische Überlegungen
Im Gegensatz zum HGB, das für die Auseinandersetzung nach Auflösung einer OHG
die Aufstellung sowohl einer Liquidationseröffnungs- als auch einer Liquidations-
schlussbilanz fordert (§ 154 HGB), sieht das BGB eine förmliche schriftliche Ausein-
andersetzungsabrechnung nicht vor79. Die Vermögens- und Rechtsverhältnisse einer
über einen längeren Zeitraum bestehenden, am Rechts- und Geschäftsleben teilnehmen-
den Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind jedoch regelmäßig so komplex, dass die im
Auseinandersetzungsverfahren durchzuführende Verteilung des Gesellschaftsvermögens
an Gläubiger und Gesellschafter nicht in wenigen, schnell auszuführenden Verfügungen
erfolgen können. Eine Anwaltskanzlei beispielsweise unterhält normalerweise eine Fül-
le von Rechtsbeziehungen zu Mandanten und Dritten, verwaltet Fremdgelder, hat Um-
satzsteuer, Lohnsteuer und andere Abgaben abzuführen, Honorarforderungen abzurech-
nen und einzuziehen und steuerliche Gewinnermittlungen zu erstellen. Daneben beste-
hen in der Regel Verbindlichkeiten aus laufenden Dauerschuldverhältnissen, wie z.B.
Miet- und Leasingverträgen. Hinzu kommt die Abrechnung der Leistungs- und Forde-
rungsverhältnisse zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern, die Erfassung und Be-
handlung von Einlagen und Entnahmen, Gewinnausschüttungen, Überentnahmen oder
Erstattungsansprüchen aus einer persönlichen Leistung von Gesellschaftern auf Ver-
bindlichkeiten der Gesellschaft oder von Leistungen der Gesellschaft auf private Ver-
bindlichkeiten einzelner Gesellschafter. Die Abwicklung dieser vielfältigen Leistungs-
und Forderungsverhältnisse dürfte in der Praxis nur mit Hilfe eines umfassenden Re-
chenwerks möglich.
Dies führt zur Folgefrage, was genau Gegenstand eines solchen Rechenwerks sein
muss. Die §§ 733 Abs. 1 und 2, 734, 735 BGB beinhalten eine systematische Trennung
von Vermögensverhältnissen der Gesellschaft gegenüber außenstehenden Dritten
79
MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 7.
27
(Schulden nach § 733 Abs. 1 BGB, Nachschusspflicht nach § 735 BGB) sowie gegen-
über ihren Gesellschaftern (Schulden nach § 733 Abs. 1 BGB, Einlagenrückerstattung
nach § 733 Abs. 2 BGB, Auszahlung des anteiligen Überschusses nach § 734 BGB,
Nachschusspflicht nach § 735 BGB).
Das Ergebnis der Abwicklung gegenüber Nichtgesellschaftern nach § 733 Abs. 1 BGB
bedingt die Abwicklung im Verhältnis zu den Gesellschaftern nach §§ 733 Abs. 2, 734,
735 BGB, indem sie den Umfang des an die Gesellschafter ausschüttungsfähigen Ge-
sellschaftsvermögens („aus dem nach Befriedigung der Schulden übrig bleibenden Ge-
sellschaftsvermögen sind die Einlagen zurückzuerstatten“, § 733 Abs. 2 Satz 1 BGB)
bzw. den Umfang ihrer Nachschusspflicht („Reicht das Gesellschaftsvermögen zur Be-
richtigung der gemeinschaftlichen Schulden [...] nicht aus“, § 735 BGB) bestimmt. Es
muss also zunächst das an Nichtgesellschafter zu verteilende Gesellschaftsvermögen
rechnerisch oder tatsächlich ausgesondert werden, bevor mit der Verteilung unter den
Gesellschaftern begonnen werden kann. Dabei wird noch die Frage zu beantworten sein,
ob der Vorrang des § 733 Abs. 1 BGB sich auch auf die Schulden gegenüber Gesell-
schaftern erstrecken kann, die aus Rechtsgeschäften herrühren, bei denen sich Gesell-
schaft und Gesellschafter wie unbeteiligte Dritte gegenüberstehen (sog. Drittgläubiger-
rechtsgeschäfte)80.
Die gesetzliche Regelung der §§ 732 ff. BGB sieht vor, dass die Abwicklung einer Ge-
sellschaft in mehreren Schritten vorzunehmen ist, von denen der nächste Schritt erst
nach Abschluss des vorigen Schrittes begonnen werden kann. Nähme man das Gesetz
beim Wort und befolgte man die Reihenfolge der Abwicklungshandlungen minutiös, so
müssten zunächst alle Schulden gegenüber allen Gläubigern sowie gegenüber allen Ge-
sellschaftern befriedigt werden (§ 733 Abs. 1 BGB), bevor mit der Rückerstattung der
Einlagen begonnen werden könnte. Diese Vorgehensweise birgt die Gefahr, dass ein
Gesellschafter den Betrag seines zunächst in voller Höhe befriedigten Anspruchs aus
§ 733 Abs. 1 BGB später wieder zumindest teilweise nach § 735 BGB an die Gesell-
80
Hierzu ausführlich unten § 15, I., S. 97 ff.
28
schaft zurückzahlen muss, weil das Gesellschaftsvermögen nicht zur Befriedigung der
Einlageforderungen seiner Mitgesellschafter ausreicht.
In Rechtsprechung und Literatur besteht daher Einigkeit, dass zur Vermeidung solcher
überflüssigen Hin- und Herzahlungen alle auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden
wechselseitigen Ansprüche, die jedem Gesellschafter gegen die Gesellschaft bzw. gegen
seine Mitgesellschafter als Gesamtschuldner zustehen und aus dem Gesellschaftsver-
hältnis entstanden sind81, in einem einheitlichen Verfahren abzuwickeln sind82. Zu die-
sem Zweck sind alle Einzelansprüche bzw. -verbindlichkeiten als unselbständige Rech-
nungsposten in eine sog. Auseinandersetzungsabrechnung einzustellen83 und miteinan-
der zu einem positiven oder negativen Ergebnis (Saldo) zu verrechnen. Der Anspruchs-
berechtigte kann damit nur noch einen Anspruch auf Auszahlung des aus dieser Ab-
rechnung ersichtlichen Saldos erheben. Dieser Saldo aller Ansprüche und Verbindlich-
keiten des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft und seinen Mitgesellschaftern
wird als Auseinandersetzungsguthaben bezeichnet84. Dabei ist denknotwendig nicht nur
eine Auseinandersetzungsabrechnung über das Vermögen der Gesamtgesellschaft, son-
dern (zumindest auch) für jeden einzelnen Gesellschafter eine eigene Abrechnung zu
erstellen, aus der sein persönlicher Saldo hervorgeht85.
81
Das Erfordernis „aus dem Gesellschaftsverhältnis entstanden“ dient der Aussonderung von Ansprü-
chen der Gesellschafter untereinander wie z.B. Schadensersatzansprüchen eines Gesellschafters gegen
einen anderen aus § 823 Abs. 1 BGB wegen einer Verletzungshandlung, die mit dem Gesellschafts-
verhältnis nichts zu tun hat. Diese sind nicht Bestandteil der Liquidationsmasse. Sie sind vielmehr un-
abhängig vom Liquidationsverfahren der §§ 732 ff. BGB abzuwickeln und finden daher keinen Ein-
gang in das Auseinandersetzungsguthaben des Gesellschafters (MünchKomm BGB/Schäfer § 730
Rn. 49 ff.).
82
Statt vieler Palandt/Sprau BGB § 730 Rn. 6.
83
Dabei ist jedoch streitig, wie diese Auseinandersetzungsabrechnung auszusehen und welchen Min-
destanforderungen sie zu genügen hat. Hierzu ausführlich unten § 10, S. 62 ff.
84
Palandt/Sprau BGB § 730 Rn. 1, 5.
85
Dies stellt die Literatur nicht ausreichend klar, sondern spricht zumeist nur von „einer“ oder „der“
Auseinandersetzungsrechnung (z.B. MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 57 ff.).
29
Ansprüche nicht mehr selbstständig mit einer Leistungsklage durchsetzen können86.
Statt dessen kann die Klage stets nur auf den Saldo gerichtet werden.
Die im Verhältnis zu den Gesellschaftern nach §§ 732 ff. BGB abzuwickelnden An-
sprüche und Verbindlichkeiten unterteilen sich damit in Ansprüche und Verbindlichkei-
ten, die auf Zahlung von Geld gerichtet, mithin saldierungsfähig sind sowie in sonstige
Ansprüche und Verbindlichkeiten, die nicht in Geld ausgedrückt werden können, mithin
weder gleichartig noch verrechenbar sind und damit auch nicht in die Auseinanderset-
zungsabrechnung gehören. Bestandteile des Auseinandersetzungsguthabens sind danach
jedenfalls die zurückzuerstattenden Einlagen (§ 733 Abs. 2 BGB) und ein ggf. beste-
hender quotaler Überschuss nach § 734 BGB.
86
BGH NJW 1962, 1863, 1864 f.; NJW 1984, 1455, 1455 f.; NJW-RR 1991, 1049, 1049. Dem folgend
die Literatur, statt vieler Palandt/Sprau BGB § 730 Rn. 6 f.
30
Verbindlichkeiten nach § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB innerhalb der Auseinandersetzungsab-
rechnung zu behandeln sind87.
Nicht auf Zahlung gerichtete Ansprüche des Gesellschafters aus den §§ 732 ff. BGB
sind nicht verrechnungsfähig und werden daher nicht Bestandteil des in Geld ausge-
drückten Auseinandersetzungsguthabens88. Sie dienen vielmehr dazu, die Ermittlung
und Befriedigung der Auseinandersetzungsguthaben erst zu ermöglichen, indem sie
nicht zur Liquidationsmasse gehörige Gegenstände aussondern (Anspruch auf Rückga-
be der Gegenstände, § 732 BGB), das Gesellschaftsvermögen durch Versilberung in
einen zur Verteilung geeigneten Zustand versetzen (Anspruch auf Umsetzung des Ge-
sellschaftsvermögens in Geld, § 733 Abs. 3 BGB) oder die Berechnung des Auseinan-
dersetzungsguthabens erleichtern (z.B. Hilfsansprüche auf Mitwirkung und Auskunft89).
87
Konkret geht es um die Frage, ob der Gesellschafter die Befriedigung einer solchen Forderung ohne
Rücksicht auf den Fortgang der Abwicklung im Übrigen vorab verlangen kann. Siehe hierzu ausführ-
lich unten § 15, I., S. 97 ff.
88
Soergel/Hadding/Kießling BGB § 732 Rn. 4. Nichts anderes als diese Unterscheidung der verrechen-
baren und nicht verrechenbaren Ansprüche meint wohl Palandt/Sprau BGB § 730 Rn. 7 mit der Aus-
sage, dass Ansprüche, die nach Sinn und Zweck der gesellschaftlichen Bestimmungen auch im Falle
der Auseinandersetzung ihre Selbständigkeit behalten sollen und daher nicht der sog. Durchsetzungs-
sperre unterfallen.
89
Da die Gesellschafterstellung durch den Eintritt der Gesellschaft in das Liquidationsstadium nicht
beeinflusst wird, hat jeder Gesellschafter auch nach Auflösung das Recht, sich nach § 716 BGB aus
den Büchern der Gesellschaft über die Angelegenheiten der Gesellschaft und den Stand des Gesell-
schaftsvermögen zu unterrichten. Zur Frage, ob ein Gesellschafter sich zur Ausübung seiner Informa-
tionsrechte eines Sachverständigen bedienen kann oder muss, ausführlich Hirte BB 1985, 2208 ff.
90
Ich konnte trotz intensiver Recherche keinen Nachweis dafür ausfindig machen, dass diese Differen-
zierung des Auseinandersetzungsguthabens in zwei Komponenten und die daraus folgenden, sogleich
dargestellten Konsequenzen in dieser Form bereits in Rechtsprechung oder Literatur vertreten worden
sind. Daher gehe ich davon aus, dass hierfür, soweit ersichtlich, keine zitierfähige Fundstelle existiert.
31
chen Konzeption darin, dass die „persönlichen“ Ansprüche des Gesellschafters in Grund
und Höhe vom Fortgang der Auseinandersetzung, insbesondere vom Erfolg oder Miss-
erfolg der durchzuführenden Vermögensversilberung nach § 733 Abs. 3 BGB unabhän-
gig sind. Ob die Gesellschaft dafür ausreichende Liquidität aufweist, ist unerheblich,
erforderlichenfalls ist deren Befriedigung von den Gesellschaftern über deren Nach-
schusspflicht zu leisten (§ 735 BGB). Insbesondere der Anspruch auf Rückerstattung
geleisteter Einlagen beruht auf einer Zuführung von Privatvermögen des Gesellschafters
in das Vermögen der Gesellschaft, die mit Auflösung der Gesellschaft ihre Rechtferti-
gung verliert und daher in voller Höhe wirtschaftlich rückgängig zu machen ist.
Statt dessen kommt in diesem Fall die Nachschusspflicht der Gesellschafter nach § 735
BGB zum Tragen; § 734 BGB und § 735 BGB schließen sich gegenseitig aus91. Die
Gesellschafter haften über ihre Nachschusspflicht also nur für die Rückerstattung von
geleisteten Einlagen, d.h. von Vermögenswerten, die zumindest zum Zeitpunkt ihrer
Einzahlung im Gesellschaftsvermögen tatsächlich vorhanden waren. Sie haften jedoch
nicht für die erfolgreiche Geschäftstätigkeit der Gesellschaft, d.h. für die die Einlagen
übersteigenden, von der werbenden Gesellschaft im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit
erfolgreich erwirtschafteten Vermögenswerte.
Im Folgenden soll zunächst darauf eingegangen werden, wie das im Rahmen der Ab-
wicklung zu verteilende Gesellschaftsvermögen, die Liquidationsmasse, gebildet wird.
91
MünchKomm BGB/Schäfer § 735 Rn. 3.
32
Erst wenn feststeht, welche Vermögenswerte überhaupt zur Verteilung an die einzelnen
Gesellschafter zur Verfügung stehen, kann in einem zweiten Schritt untersucht werden,
wie sich das Auseinandersetzungsguthaben jedes einzelnen Gesellschafters im Einzel-
nen ermitteln lässt.
Erster Schritt nach Auflösung der Gesellschaft ist eine Bestandsaufnahme des vorhan-
denen Gesellschaftsvermögens. Zunächst sind solche Gegenstände auszusondern, die
nicht zum Gesellschaftsvermögen gehören und daher nicht Bestandteil der Liquidati-
onsmasse sind. Dazu gehören die der Gesellschaft von einem Gesellschafter im Rahmen
der Beitragspflicht aus § 706 BGB zum Gebrauch überlassenen Gegenstände (§ 732
BGB)92. Ob der Gesellschafter den Gegenstand selbst oder nur die Auszahlung von des-
sen Wert verlangen kann, richtet sich nach der Art des Beitrags. Hat er der Gesellschaft
nur das Gebrauchsrecht überlassen, ohne sein Eigentum an dem Gegenstand aufzugeben
(sog. Einlage quoad usum93), so kann er nach § 732 BGB Wiedereinräumung des unmit-
telbaren Besitzes verlangen.
§ 732 BGB gilt nach nunmehr wohl herrschender Meinung94 entsprechend auch für sol-
che Gegenstände, die der Gesellschaft lediglich dem Wert nach überlassen wurden, aber
nach wie vor im Eigentum des Gesellschafters stehen (sog. Einlage quoad sortem)95.
92
Allgemeine Meinung, vgl. nur Bamberger/Roth/Schöne BGB § 732 Rn. 2.
93
Zur Terminologie Piltz DStR 1991, 251 ff.
94
Erman/Westermann BGB § 732 Rn. 1; ausführlich zum Meinungsstand Bamberger/Roth/Schöne BGB
§ 732 Rn. 3.
95
Reinhardt DStR 1991, 588, 589. Nach einer früheren Ansicht hatte der Gesellschafter das Eigentum
an der Sache bei Auflösung an die Gesellschaft zu übertragen, ihm wurde als Ausgleich jedoch eine
Wertersatzabfindung gemäß § 733 Abs. 2 Satz 2 BGB in Höhe des Sachwerts zum Einbringungszeit-
punkt zugesprochen (BGH WM 1965, 744, 746).
33
Danach erhält der Gesellschafter seine Sache zurück, deren Wert wird aber im Rückga-
bezeitpunkt auf das Auseinandersetzungsguthaben des Gesellschafters angerechnet bzw.
von dessen Kapitalkonto abgezogen96. Übersteigt der Sachwert das Auseinanderset-
zungsguthaben, so führt dies in Höhe der Differenz zu einem Anspruch der Gesellschaft
bzw. seiner Mitgesellschafter auf Wertausgleich97: Wenn die Gesellschafter sich in der
Beitragsvereinbarung dafür entschieden haben, der Gesellschaft nur schuldrechtlich den
Wert der Sache zukommen zu lassen, die Sache selbst aber im Eigentum des Gesell-
schafters zu belassen, so darf diese Entscheidung in der Abwicklung nicht korrigiert
werden98. Ist der Gesellschafter zum Wertausgleich nicht in der Lage, so muss er den
Gegenstand zu Verwertungszwecken zur Verfügung stellen99. Jedenfalls nicht von § 732
Satz 1 BGB umfasst sind Gegenstände, die der Gesellschafter der Gesellschaft im Rah-
men eines Drittgeschäfts (z.B. Mietvertrag) überlassen hatte: Die Rückgabepflicht sol-
cher Gegenstände richtet sich nach den Bestimmungen des jeweiligen Drittvertrags100.
Der Anspruch auf Rückgabe entsteht mit Auflösung101 und wird zum gleichen Zeitpunkt
fällig102. Er kann mit Eintritt der Auflösung103 und isoliert, d.h. ungeachtet des Fortgangs
der Auseinandersetzung geltend gemacht werden104. Der Gesellschafter kann jedoch
aufgrund seiner mitgliedschaftlichen Treuepflicht gehalten sein, der Gesellschaft von
96
Erman/Westermann BGB § 732 Rn. 1; MünchKomm BGB/Schäfer § 732 Rn. 9.
97
MünchKomm BGB/Schäfer § 732 Rn. 9. Beispiel (nach Reinhardt DStR 1991, 588, 589): Haben zwei
Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine Bareinlage von je 100.000 erbracht und der
dritte Gesellschafter ein Grundstück im Wert von 100.000 quoad sortem in die Gesellschaft eingelegt
und ist das Grundstück im Zeitpunkt der Auseinandersetzung 400.000 wert, so fällt diese Wertsteige-
rung aufgrund der Einlage dem Werte nach in das Gesellschaftsvermögen und muss vom Grund-
stückseigentümer gegenüber seinen Mitgesellschaftern ausgeglichen werden. Der Grundstückseigen-
tümer muss daher an seine Mitgesellschafter je 100.000 als Ausgleich für diesen Wertzuwachs zahlen.
98
MünchKomm BGB/Schäfer § 732 Rn. 10.
99
Reinhardt DStR 1991, 588, 589.
100
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 732 Rn. 4.
101
Erman/Westermann BGB § 732 Rn. 2.
102
Erman/Westermann BGB § 738 Rn. 9.
103
MünchHdb GesR I/Gummert § 21 Rn. 109; anderer Ansicht MünchKomm BGB/Schäfer § 732 Rn. 3
mit der Begründung, dass die Vertragspflichten der Gesellschaft einschließlich derjenigen auf Lei-
stung von Beiträgen durch die Auflösung nicht ohne weiteres entfallen, sondern so lange fortbestehen,
als die Beiträge im Rahmen des geänderten, auf Abwicklung gerichteten Zwecks noch benötigt wer-
den. Der letztgenannten Ansicht kann nicht gefolgt werden, da mit Eintritt der Auflösung der Einfor-
derung rückständiger Beiträge, die in Geld bestehen, die Einrede des § 242 BGB (dolo agit) entgegen-
steht. Dazu ausführlich unten § 7, S. 42 ff.
104
MünchHdb GesR I/Gummert § 21 Rn. 109.
34
dieser dringend benötigte Gegenstände vorübergehend weiter zu belassen105. In diesem
Fall steht ihm als Ausgleich ein Nutzungsentgelt zu106. Der Gesellschaft steht jedoch ein
Zurückbehaltungsrecht zu, wenn und solange sie die Gegenstände noch für die Zwecke
der Abwicklung benötigt107 oder wenn mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit
angenommen werden kann, dass der Gesellschafter nach § 735 BGB ausgleichsver-
pflichtet ist108 und die Leistungsverweigerung das sachgerechte Sicherungsmittel ist109.
Auch Schadensersatzansprüche wegen verschuldeten Untergangs oder Verschlechterung
der Sache durch einen Mitgesellschafter oder durch eine andere Person, deren Verhalten
der Gesellschaft nach §§ 31, 278, 831 BGB zuzurechnen ist110, gehören zum Auseinan-
dersetzungsguthaben des Gesellschafters.
In der Regel reichen die liquide vorhandenen Geldmittel der Gesellschaft zur Beglei-
chung der Schulden und zur Rückerstattung der Gesellschaftereinlagen nicht aus. Nach
§ 733 Abs. 3 BGB ist daher die Umsetzung des Gesellschaftsvermögens in Geld im
Sinne des § 733 Abs. 3 BGB erforderlich. Geld meint hierbei nicht nur Bargeld, sondern
auch Giralgeld (Buchgeld)111. Zum Gesellschaftsvermögen gehören nach § 718 BGB die
Beiträge der Gesellschafter, die durch die Geschäftsführung für die Gesellschaft erwor-
benen Gegenstände sowie das, was auf Grund eines zum Gesellschaftsvermögen gehö-
renden Rechts oder als Surrogat für Gesellschaftsvermögen erworben wird.
105
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 77.
106
MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 76; MünchHdb GesR I/ Piehler/Schulte § 10 Rn. 77.
107
Erman/Westermann BGB § 732 Rn. 2; MünchHdb GesR I/Gummert § 21 Rn. 109.
108
BGH NJW 1981, 2802, 2802.
109
OLG Karlsruhe NJW 1961, 2017, 2018.
110
MünchHdb GesR I/Gummert § 21 Rn. 109; MünchKomm BGB/Schäfer § 732 Rn. 6.
111
MünchKomm HGB/K. Schmidt § 149 Rn. 32.
35
Zum Zweck der Versilberung haben die Gesellschafter zunächst solche Gegenstände
aus der Vermögensmasse der Gesellschaft auszusondern, die aus rechtlichen oder tat-
sächlichen Gründen nicht an der Vermögensverteilung teilnehmen können, weil sie
entweder nicht im Eigentum der Gesellschaft stehen und daher an ihre Eigentümer zu-
rückzugeben sind oder weil sie nicht oder nicht mehr in Geld umgesetzt werden können
oder sonst wertlos sind. Sodann ist das verbleibende Gesellschaftsvermögen zu versil-
bern. Die §§ 730 bis 735 BGB schweigen zur Art und Weise der Umsetzung des Gesell-
schaftsvermögens in Geld, sondern verweisen auf die Vorschriften über die Gemein-
schaft (§§ 731 Satz 2, 752 ff. BGB). Es fragt sich daher, welche Art der Gemeinschafts-
auflösung (Teilung in Natur, § 752 BGB, oder Teilung durch Verkauf, § 753 BGB) auf
die Gesellschaft anwendbar ist.
Nach der gesetzlichen Systematik ist die Teilung der Gemeinschaft in Natur (§ 752
BGB) der Regelfall, die Teilung durch Verkauf (§ 753 BGB) hingegen die Ausnahme112
und darf nur durchgeführt werden, wenn eine Verteilung des Gesellschaftsvermögens in
Natur (§ 752 BGB) nicht möglich ist113. Da aber bei einer Teilung in Natur das Gesell-
schaftsvermögen gerade nicht zu Geld gemacht, sondern die von § 733 Abs. 3 BGB
geforderte Rechtsfolge „Umsetzung in Geld“ nur durch eine Teilung durch Verkauf
(§§ 753, 754 BGB) erzielt werden kann, ist § 752 BGB im Kontext des § 733 Abs. 3
BGB nicht anwendbar. Es kommt damit lediglich ein Rückgriff auf die §§ 753, 754
BGB (Teilung durch Verkauf) in Frage, und zwar unabhängig davon, ob eine Teilung
des Gesellschaftsvermögens in Natur nach §§ 731 Satz 2, 752 BGB praktikabel oder
möglich ist114. Die Frage der Teilbarkeit des Gesellschaftsvermögens wird damit nicht
schon bei § 733 Abs. 3 BGB, sondern erst im Rahmen des § 734 BGB relevant. §§ 753,
731 Satz 2 BGB normiert einen Anspruch auf Duldung des Verkaufs sowie Zuweisung
eines entsprechenden Erlösanteils115. Voraussetzung ist, dass das Gesellschaftsvermögen
112
Anders jedoch die Praxis, vgl. nur MünchKomm BGB/K. Schmidt § 752 Rn. 2.
113
Zu Problemen der Beweislast in diesem Zusammenhang Krönig MDR 1951, 602 ff.
114
Andere Ansicht Erman/Westermann BGB § 733 Rn. 7.
115
MünchKomm BGB/K. Schmidt § 753 Rn. 4.
36
veräußerungsfähig ist. Verkaufsgegenstand kann auch ein Unternehmen116 oder eine
freiberufliche Praxis sein117.
Nach § 733 Abs. 3 BGB ist das Gesellschaftsvermögen nur in Geld umzusetzen, soweit
dies zur Schuldenbereinigung und zur Rückerstattung der Einlagen erforderlich ist. In
der vom Gesetz vorgesehenen Abfolge der Auseinandersetzung findet nach Schulden-
ausgleich und Einlagenrückerstattung (§ 733 Abs. 1 und 2 BGB) nur noch eine Vertei-
lung des Überschusses statt (§ 734 BGB). Dabei trifft das Gesetz in § 734 BGB keine
Aussage darüber, ob das Gesellschaftsvermögen auch für die Zwecke der Verteilung des
Überschusses in Geld umzusetzen ist. Vielmehr ist § 733 Abs. 3 BGB im Umkehr-
schluss zu entnehmen, dass die Versilberung des Gesellschaftsvermögens für die Zwek-
ke der Überschussverteilung nach § 734 BGB nicht in Betracht kommt. Demgegenüber
sieht § 149 HGB für die OHG generell eine Versilberung vor. Daher wird vertreten,
dass die Versilberung zum Zwecke der Überschussverteilung nicht zwingend erforder-
lich ist118, sondern nur für die Schuldenberichtigung und Einlagenrückerstattung. Nach
Ansicht des OLG Hamm119 kann das Gesellschaftsvermögen zum Zwecke der Auftei-
lung in Bruchteilseigentum überführt werden. Dabei bleibt jedoch unklar, was mit der
Überführung des Gesellschaftsvermögens in Bruchteilseigentum gewonnen wurde: Die
Auflösung der dann gebildeten Bruchteilsgemeinschaft erfordert ebenfalls eine Ausein-
andersetzung nach Maßgabe der §§ 752, 753 BGB, so dass das Problem nicht gelöst,
sondern nur verlagert wird.
In der Praxis ist die gesetzliche Forderung nach einer Teilung des Gesellschaftsvermö-
gens in Natur bei nachhaltig wirtschaftlich tätigen Gesellschaften in der Regel nicht
116
Palandt/Weidenkaff BGB § 453 Rn. 7.
117
BGH NJW 1989, 763 ff. (Arztpraxis); BGH NJW 1995, 2026 ff. (Anwaltskanzlei); BGH NJW 1991,
1223 ff. (Steuerberaterkanzlei); BGH NJW-RR 1989, 306 ff. (Rechtsbeistand). Die Veräußerung von
Freiberuflersozietäten ist mit vielfältigen Einzelproblemen behaftet wie beispielsweise Mandatsvertei-
lung, Wettbewerbsregelungen, Sozietätsname etc. Diese wurden in Rechtsprechung und Literatur be-
reits ausführlich diskutiert, vgl. beispielhaft Bunk, Vermögenszuordnung, S. 30 ff.; Wolff NJW 2009,
1302 ff.; Römermann NJW 2007; 2209 ff.; Westermann AnwBl 2007, 103 ff.; Michalski/Römermann
NJW 1996, 1305 ff.
118
Palandt/Sprau BGB § 734 Rn. 2.
119
OLG Hamm NZG 2004, 1106, 1106.
37
sinnvoll umsetzbar. Die Pflicht zur Teilung in Natur würde bedeuten, dass beispielswei-
se ein Gesellschafter einer Rechtsanwaltssozietät die Teilung der juristischen Fachbi-
bliothek in Natur gemäß § 752 BGB im Wege einer Teilungsklage als Leistungsklage
durchsetzen müsste. Zu klagen wäre auf eine je nach der Art des zu teilenden Gegen-
standes bestimmte Art der Teilung, die durch entsprechendes Verfügungsgeschäft zu
erfüllen wäre120, d.h. Übertragung, Abtretung oder Übereignung eines seinem Anteil
entsprechenden bestimmten Teils121 der Bibliothek. Ein entsprechendes Urteil wäre im
Wege der Leistungsklage zu erwirken, ggf. sogar durch das Los (§ 752 Satz 2 BGB) im
Wege der Klage auf Mitvornahme der Verlosung122. Die Umständlichkeit dieses Vorge-
hens liegt auf der Hand.
Voraussetzung der Teilung in Natur ist zudem stets, dass der betreffende Vermögensge-
genstand teilbar ist, d.h. sich in gleichartige, den Anteilen der Teilhaber entsprechende
Teile zerlegen lässt, ohne dass durch die Teilung eine Wertminderung herbeigeführt
wird123. Die Unteilbarkeit kann sich aus der natürlichen Beschaffenheit des Gegenstands
oder aus wirtschaftlichen Gründen ergeben, wobei wirtschaftliche Unteilbarkeit vor-
liegt, wenn die Summe der Werte jedes Einzelteils objektiv nicht den Gesamtwert des
ungeteilten Gegenstands erreicht124. Das Vermögen unternehmenstragender Gesellschaf-
ten zeichnet sich in der Regel jedoch gerade dadurch aus, dass darin große Anteile an
immateriellen Geschäftswerten enthalten sind, die in der Regel nicht isoliert, sondern
nur durch einen Verkauf des Unternehmens im Ganzen zu einem angemessenen Preis
veräußert werden können. Hierzu gehört insbesondere der Unternehmenswert (good
will), der z.B. in der Fachkompetenz und persönlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen
Gesellschafter verkörpert ist und bei Freiberuflergesellschaften häufig den entscheiden-
den Vermögenswert der Gesellschaft darstellt125. Enthält das Gesellschaftsvermögen
hohe immaterielle Werte, so dürfte ein Verkauf in der Regel wirtschaftlich vorteilhafter
120
Palandt/Sprau BGB § 752 Rn. 4 f.
121
MünchKomm BGB/K. Schmidt § 752 Rn. 32.
122
Palandt/Sprau BGB § 752 Rn. 5.
123
Bamberger/Roth/Gehrlein BGB § 752 Rn. 2; MünchKomm BGB/K. Schmidt § 752 Rn. 8.
124
Erman/Aderhold BGB § 752 Rn. 2.
125
BGH NJW 2000, 2584, 2584.
38
als eine Teilung in Natur sein, das Gesellschaftsvermögen wäre in diesem Fall also
wirtschaftlich unteilbar126.
Wenn die Überschussverteilung des § 734 BGB in Form einer Teilung durch Natur
durchgeführt werden soll, der Umfang des dafür verbleibenden Gesellschaftsvermögens
aber erst nach Schuldentilgung und Einlagerückgewähr ermittelt werden kann, so hätte
das zur Folge, dass die Frage nach der Art und Weise der Aufteilung des Gesellschafts-
vermögens bis zur Überschussverteilung offengehalten werden müsste. Dann stellt sich
zugleich die Frage, ob die Beschränkung des § 733 Abs. 3 BGB einer Verkaufsabsicht
als Einwendung oder Einrede entgegenzuhalten ist und wie das nachzuweisen sein soll.
Warum für das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Gegensatz zur Regelung
bei der OHG (§ 149 HGB) keine generelle Versilberungsverpflichtung gelten soll, ist
nicht zu erkennen. Im Ergebnis ist daher in der Regel das gesamte Gesellschaftsvermö-
gen, nicht lediglich der für die Begleichung der Schulden oder Rückerstattung der Ein-
lagen erforderliche Anteil, durch Verkauf in Geld umzusetzen127.
Umstritten ist die Art und Weise der praktischen Durchführung des Verkaufs, d.h. ob
das Gesellschaftsvermögen als Ganzes oder in Einzelteilen zu verkaufen ist. Besteht
eine Gemeinschaft an mehreren Gegenständen, so erfolgt ihre Aufhebung durch Ver-
kauf nach einer Ansicht128 durch Verkauf jedes Vermögensgegenstandes gesondert und
nicht im Rahmen eines einheitlichen Gesamtauseinandersetzungsverfahrens. Bei der
Gesellschaft (§§ 731 Satz 2, 752 ff. BGB) würde dies bedeuten, dass kein Beteiligter die
Veräußerung des Unternehmens als „des gemeinschaftlichen Gegenstands“ nach § 753
BGB verlangen könnte129, sondern das Gesellschaftsvermögen in Einzelgegenstände
zerschlagen und diese verwertet werden müssten. Andere wiederum lassen bei Gesell-
126
Palandt/Sprau BGB § 752 Rn. 2; MünchKomm BGB/K. Schmidt § 752 Rn. 29 für Unternehmen ins-
gesamt.
127
Ebenso Erman/Westermann BGB § 733 Rn. 7.
128
BGH NJW-RR 2001, 369, 369.
129
MünchKomm BGB/K. Schmidt § 753 Rn. 9.
39
schaften im Auflösungsstadium die Veräußerung des Unternehmens als Ganzes nach
§ 753 BGB zu130.
Streitentscheidend ist der Zweck des Liquidationsverfahrens, wie er in § 733 BGB zum
Ausdruck kommt. Im Gegensatz zur Aufhebung der nicht rechtsfähigen Gemeinschaft
dient die Auseinandersetzung einer Gesellschaft auch der Befriedigung der Gesell-
schaftsgläubiger, § 733 BGB131, deren Interessen daher bei der Wahl des Verfahrens zur
Versilberung des Gesellschaftsvermögens dahingehend zu wahren sind, als eine Pflicht
der Liquidationsgesellschafter zur Erwirtschaftung eines optimalen Liquidationsergeb-
nisses besteht132. Das Gesellschaftsvermögen ist daher so wirtschaftlich wie möglich zu
verwerten133. Wie sie dieses Ziel im Einzelnen erreichen, bleibt ihrem Ermessen über-
lassen. Die wirtschaftlich gewinnbringendste Methode zur Versilberung des Gesell-
schaftsvermögens ist eine Frage des Einzelfalls: Je nach Werthaltigkeit des Gesell-
schaftsvermögens kommt entweder der Verkauf des Unternehmens im Ganzen oder die
Zerschlagung und Veräußerung der Einzelgegenstände in Betracht. Zum Teil wird ver-
treten, dass die Mindestvorgabe für den anzustrebenden Veräußerungserlös des Gesell-
schaftsvermögens die Summe der Abfindungsguthaben sei, die bei Ausscheiden nach
§ 738 BGB an die Ausgeschiedenen zu zahlen sei: Die Veräußerung dürfe nicht zum
Schaden der Gesellschaft oder der Mitgesellschafter erfolgen134.
Dazu ist anzumerken, dass es gerade charakteristisch für die Liquidation ist, dass die
Vermögensverteilung ausschließlich auf Basis der tatsächlich durch Umsetzung in Geld
erzielten Vermögenswerte vonstatten gehen kann, § 733 Abs. 3 BGB. Da nur die Erlöse
verteilt werden können, die tatsächlich vorhanden sind, richtet sich die Höhe der Aus-
einandersetzungsguthaben der Gesellschafter nach dem erzielten Verwertungserlös für
das Gesellschaftsvermögen, nicht jedoch umgekehrt; etwaige Fehlbeträge sind aus dem
Privatvermögen der Gesellschafter nachzuschießen, § 735 BGB. Es gibt also keine ob-
jektive Verpflichtung, einen bestimmten Mindestpreis für das Gesellschaftsvermögen zu
erzielen, vielmehr ist es das wirtschaftliche Risiko der Gesellschafter, wenn der erzielte
Preis nicht zur Deckung aller Verbindlichkeiten ausreicht.
130
LG Hamburg MDR 1957, 419, 420.
131
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 V 3. b), S. 311.
132
MünchHdb GesR I/Butzer/Knof § 84 Rn. 39.
133
MünchKomm BGB/Schäfer § 733 Rn. 22.
134
MünchKomm HGB/K. Schmidt § 149 Rn. 37.
40
III. Die Verwertung der Einzelgegenstände
Scheitert der Verkauf des Unternehmens im Ganzen und hat auch ein Wiederholungs-
versuch (§§ 753 Abs. 2 BGB, 751 BGB) keinen Erfolg, so greift bei der Gesellschaft
anders als im Recht der Gemeinschaft135 kein Aufhebungshindernis: Die vorrangigen
§§ 732 ff. BGB verlangen eine Auseinandersetzung. Daher sind, sofern keine anderwei-
tige Vereinbarung der Gesellschafter getroffen wird, das Unternehmen zu zerschlagen
und die Einzelvermögensgegenstände gesondert zu verwerten136. Wie die Verwertung
jedes einzelnen Vermögensgegenstands erfolgt, hängt von dessen Rechtsnatur ab.
135
Vgl. MünchKomm BGB/K. Schmidt § 753 Rn. 34.
136
Neuhaus, Unternehmensbewertung, S. 62.
137
MünchKomm HGB/K. Schmidt § 149 Rn. 32.
41
nung schwebender Geschäfte angesprochen. Gemäß § 730 Abs. 2 Satz 1 BGB sind die
schwebenden Geschäfte der Gesellschaft nach Maßgabe des dem schwebenden Ge-
schäft jeweils zugrunde liegenden Vertrags zu beenden, mithin also die Voraussetzun-
gen für die Fälligkeit der Vergütung herbeizuführen und diese Vergütung dann auch
dem Gesellschaftsvermögen zu überführen.
Das Abwicklungsverfahren soll nach der Intention des Gesetzes der Verwertung und
Verteilung des gesamten Gesellschaftsvermögens dienen138. Zum Gesellschaftsvermö-
gen im Sinne des § 718 BGB gehören dabei alle materiellen und immateriellen Gegen-
stände, die die Gesellschaft entweder als Beitrag ihrer Gesellschafter (§§ 705, 706
BGB), durch Geschäftsführung in ihrem Namen oder im Wege einer dinglichen Surro-
gation erworben hat. Problematisch scheint auf den ersten Blick die Qualifizierung von
Forderungen der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter (z.B. Regressansprüche und
Nachschussansprüche nach § 735 BGB etc.) zu sein. So weist § 718 Abs. 1 Alt. 1 BGB
ausdrücklich nur die - bereits geleisteten - Beiträge dem Gesellschaftsvermögen zu,
nicht aber den Anspruch der Gesellschaft auf Beitragsleistung139. Richtigerweise gehö-
ren jedoch nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts
auch Forderungen der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter zum Gesellschaftsvermö-
gen140 und damit zur Liquidationsmasse, und zwar ungeachtet dessen, ob es sich bei
ihnen um Forderungen der Gesellschaft aus Regress, Sozialverbindlichkeiten, Dritt-
rechtsgeschäften oder aus § 735 BGB141 handelt. Es ist nicht ersichtlich, warum der
noch nicht erfüllte Anspruch der Gesellschaft anders zu qualifizieren sein sollte als das
138
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 52 IV 1. b), S. 1520.
139
Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht, § 9 Rn. 5.
140
So wohl auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 II 4., S. 578.
141
In Bezug auf § 735 BGB ebenso Soergel/Hadding/Kießling BGB § 735 Rn. 6.
42
aufgrund des Anspruchs bereits Geleistete142. Solche Forderungen stehen der Gesell-
schaft als eigene Rechtsträgerin zu und sind damit ein verwertbarer Bestandteil der Li-
quidationsmasse. Eine davon zu trennende Frage ist allerdings, ob solche noch offenen
Forderungen gegen Gesellschafter nach Eintritt der Auflösung noch im Wege des For-
derungseinzugs im Sinne des § 733 Abs. 3 BGB in Geld umgesetzt werden können oder
müssen. Relevant wird dies insbesondere für im Auflösungspunkt noch nicht geleistete
Einlagen.
Hierzu wird vertreten, dass rückständige Einlagen nach Auflösung der Gesellschaft nur
noch geschuldet, soweit sie für die Durchführung der Auseinandersetzung, d.h. für eine
dem Abwicklungszweck entsprechende Betätigung der Gesellschaft und zur Befriedi-
gung der Gläubiger erforderlich sind143. Ausstehende Sacheinlagen, die für eine optima-
le Verwertung des Gesellschaftsvermögens nicht mehr benötigt werden, können dabei
durch Zahlung eines dem Sachwert entsprechenden Geldbetrags abgegolten werden144.
Sind die rückständigen Einlagen nach diesen Grundsätzen erforderlich, so soll jeder
Gesellschafter befugt sein, den Einlagenanspruch der Gesellschaft gegen den säumigen
Mitgesellschafter durchzusetzen145. Allerdings können die Gesellschafter die Einlagelei-
stung nach § 242 BGB verweigern, soweit bereits feststeht, dass der eingezahlte Betrag
aus der Liquidationsmasse wieder an sie zurückgezahlt werden müsste146.
142
Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht, § 9 Rn. 4.
143
BGH NJW 1980, 1522, 1523 f.; MünchKomm HGB/K. Schmidt § 149 Rn. 19; Hillers, Personenge-
sellschaft und Liquidation, S. 243 f.
144
E/B/J/S/Hillmann HGB § 149 Rn. 12.
145
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 II 4., S. 577.
146
MünchKomm HGB/K. Schmidt § 149 Rn. 19.
43
2. Stellungnahme
Dieser Ansicht kann nur zum Teil gefolgt werden - es ist vielmehr nach der Art und
Rechtsnatur der geschuldeten Einlage zu differenzieren. Soweit es sich bei der geschul-
deten Einlageleistung um eine Dienstleistung oder um die Überlassung der Benutzung
eines Gegenstandes (§ 733 Abs. 2 Satz 3 BGB) handelt, kann die nachträgliche Einfor-
derung tatsächlich davon abhängig gemacht werden, ob die betreffende Dienstleistung
oder die Möglichkeit zur Benutzung des Gegenstandes für die Durchführung der Aus-
einandersetzung erforderlich ist. Diese Art der Einlageleistung schlägt sich nach dem
Willen des Gesetzgebers nicht in Form einer messbaren Wertsteigerung im Gesell-
schaftsvermögen nieder147, so dass grundsätzlich auch keine Gefahr einer Verletzung
von schützenswerten Vermögensinteressen besteht, wenn sie nach Auflösung nicht
mehr eingefordert wird.
b) Sacheinlagen
Soweit die rückständige Einlage nicht in Geld (§ 733 Abs. 2 Satz 2 BGB), sondern in
einer Sachleistung besteht, so ist sie - soweit keine anderweitige Vereinbarung der Ge-
sellschaft getroffen wird - in jedem Fall auch noch nach dem Auflösungszeitpunkt ein-
zufordern, und zwar unabhängig davon, ob sie für die Auseinandersetzung benötigt wird
oder nicht. Dies gilt auch dann, wenn die Sachleistung unmittelbar nach ihrer Einbrin-
gung nach § 733 Abs. 3 BGB verwertet werden müsste: Dem einbringenden Gesell-
schafter wird zwar der objektive Wert der Sache im Zeitpunkt der Einbringung als Ein-
lageleistung gutgeschrieben (§ 733 Abs. 2 Satz 2 BGB), jedoch besteht stets die Chance
bzw. das Risiko, dass die Sache unerwarteter Weise zu einem Erlös verwertet werden
kann, der über oder unter ihrem objektiven Wert liegt, z.B. weil ein Käufer gefunden
werden kann, der einen besonders hohen Liebhaberpreis für den Gegenstand bezahlt
oder weil die Verwertung des Gesellschaftsvermögens nach § 733 Abs. 3 BGB sich
unerwartet lange hinzieht. Derartige Wertsteigerungen seit dem Einbringungszeitpunkt
fließen der Gesellschaft und über die Auseinandersetzungsguthaben im Ergebnis allen
Gesellschaftern zu, umgekehrt tragen die Gesellschaft und damit im Ergebnis mittelbar
147
Soergel/Hadding/Kießling BGB § 733 Rn. 12.
44
auch alle Gesellschafter die Gefahr eines Wertverlustes148. Da der Gesellschaft die
Chance erhalten bleiben muss, den eingebrachten Gegenstand zu einem über dem objek-
tiven Wert im Einbringungszeitpunkt liegenden Erlös zu verwerten, kann ein Gesell-
schafter auch nicht ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter von sich aus beschlie-
ßen, den ursprünglich geschuldeten Gegenstand zu behalten und an seiner Stelle der
Gesellschaft den objektiven Wert des Gegenstandes zum Einbringungszeitpunkt zu be-
zahlen149.
c) Geldeinlagen
Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Einziehung von rückständigen Einlagen, die in
einer Geldleistung bestehen, nach Eintritt der Gesellschaft in das Abwicklungsstadium
weder möglich noch nötig ist150. Mit Eintritt der Auflösung sind jedem Gesellschafter
die von ihm geleisteten Einlagen nach § 733 Abs. 2 BGB zurück zu gewähren. Zwar
erfolgt diese Rückerstattung, soweit es sich dabei um eine Geldzahlung handelt, grund-
sätzlich nur in Gestalt des Auseinandersetzungsguthabens, d.h. unter Verrechnung mit
allen anderen dem Gesellschafter zustehenden (geldwerten) Ansprüchen und Verbind-
lichkeiten. Diese Verrechnung ändert jedoch nichts daran, dass mit Eintritt der Auflö-
sung jeder rückständigen Geldeinlageforderung grundsätzlich die von Amts wegen zu
beachtende Einwendung der unzulässigen Rechtsausübung aus § 242 BGB in Form des
sog. dolo agit-Grundsatzes151 entgegensteht: § 733 Abs. 2 BGB hat zur Folge, dass der
leistende Gesellschafter seine soeben eingezahlte Geldeinlage sofort wieder im Wege
des Einlagerückzahlungsanspruchs – wenn auch verrechnet mit anderen Ansprüchen –
zurückfordern könnte. Er kann sich daher mit Eintritt der Auflösung jederzeit darauf
berufen, dass die Einforderung der rückständigen Einlagezahlung missbräuchlich ist;
148
Soergel/Hadding/Kießling BGB § 733 Rn. 13.
149
So aber offenbar E/B/J/S/Hillmann HGB § 149 Rn. 12.
150
So wohl auch Soergel/Hadding/Kießling BGB § 733 Rn. 11.
151
„Dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“, auch als „dolo agit-Einwand“ bezeichnet, BGHZ 79,
201, 204 = NJW 1981, 980; BGH NJW 1990, 1289, 1290; Palandt/Grüneberg BGB § 242 Rn. 52 ff.
Zu Bedenken gegen den dolo agit-Einwand im Rahmen der Auseinandersetzung Messer, FS Stimpel
1985, S. 210 f.: Danach sei der dolo agit-Einwand nur möglich, wenn die Pflicht zur alsbaldigen
Rückgewähr des Erlangten sicher feststehe, d.h. ein fälliger, zumindest nach Grund und Höhe festste-
hender Gegenanspruch bestehe; der Schuldner werde hingegen mit dem Einwand nicht gehört, dass
ihm womöglich, wenn auch zur Zeit noch nicht errechenbar und vom Abschluss des Abrechnungsver-
fahrens abhängig, ein Gegenanspruch zustehe.
45
ihre Einziehung ist damit mit Eintritt der Gesellschaft in das Abwicklungsstadium dau-
erhaft ausgeschlossen152.
3. Beispielsfall
Fall 1: Die aufgelöste Gesellschaft besteht aus den Gesellschaftern A und B, die zu
je 50% am Verlust beteiligt sind. Laut Gesellschaftsvertrag hatten beide Ge-
sellschafter Einlageleistungen in Geld von je 5.000153 zu erbringen. Dieser
Verpflichtung ist nur A nachgekommen, die Einlageleistung des B steht im
Zeitpunkt der Auflösung noch aus. Die Gesellschaft hat im Zeitpunkt der
Auflösung außer der von A geleisteten Einlage von 5.000 kein weiteres
152
In diese Richtung auch MünchHdb GesR I/Gummert § 21 Rn. 111, der zum Ergebnis kommt, dass
Drittgläubigeransprüche des Gesellschafters dann als unselbständige Rechnungsposten in die Ausein-
andersetzungsrechnung einbezogen werden sollten, wenn eine Nachschusspflicht des betreffenden
Gesellschafters bereits bestehe; in diesem Fall stünde einer isolierten Einforderung des Drittgläubiger-
anspruchs der dolo agit-Grundsatz entgegen. Ähnlich MünchHdb GesR I/Butzer/Knof § 84 Rn. 44,
wonach der einzelne Gesellschafter aus Gründen der mitgliedschaftlichen Treuepflicht mit der Gel-
tendmachung seiner Drittgläubigerforderung zuwarten muss, wenn dies zur Vermeidung von Nachtei-
len für die Gesellschaft erforderlich ist. Des Weiteren soll der Gesellschaft gegen den Anspruch des
Gesellschafters ggf. der Einwand aus § 242 BGB (dolo agit) zustehen (MünchHdb GesR
I/Butzer/Knof § 84 Rn. 44). Die Autoren geben jedoch kein Beispiel dafür, wann ein solcher Fall ein-
getreten sein kann.
153
In sämtlichen im Folgenden dargestellten Beispielsfällen wird der Übersichtlichkeit halber auf Wäh-
rungsangaben sowie den Ausweis von Nachkommastellen verzichtet.
46
Vermögen mehr, dafür jedoch Schulden gegenüber Drittgläubigern in Höhe
von 8.000 (§ 733 Abs. 1 BGB).
Nach der hier vertretenen Lösung ist die Einforderung der noch ausstehenden Einlage
des B mit Eintritt der Auflösung ausgeschlossen (§ 242 BGB). Dieser Betrag nimmt
zunächst nicht an der weiten Vermögensverteilung teil. Das Gesellschaftsvermögen ist
vorrangig zur Befriedigung der Schulden gegenüber Drittgläubigern von 8.000 zu ver-
wenden (§ 733 Abs. 1 BGB). Da dies jedoch nur zum Teil gelingt, verbleibt ein Fehlbe-
trag von 3.000. Hinzu kommt der Einlagenrückzahlungsanspruch des A in Höhe von
5.000 gegen die Gesellschaft nach § 733 Abs. 2 BGB. Dieser kann nicht mehr aus dem
Gesellschaftsvermögen befriedigt werden, da dieses bereits vollständig für die Schul-
denbefriedigung ausgeschöpft wurde. Insgesamt ist damit ein Fehlbetrag von 8.000 ent-
standen, der nach § 735 BGB von beiden Gesellschaftern hälftig zu tragen ist. Auf jeden
Gesellschafter entfällt damit eine Nachschussleistung von 4.000. Im Gegensatz zu B
kann A jedoch gegen den Anspruch der Gesellschaft auf Nachschussleistung von 4.000
(§ 735 BGB) mit seinem Einlagenrückzahlungsanspruch (§ 733 Abs. 2 BGB) gegen die
Gesellschaft in Höhe von 5.000 aufrechnen, so dass ihn keine Zahlungspflicht mehr
trifft, sondern er vielmehr noch 1.000 von der Gesellschaft fordern kann. B hingegen
hat seine Nachschussverpflichtung von 4.000 (§ 735 BGB) noch durch Zahlung an die
Gesellschaft zu erfüllen, da er mangels vorheriger Einlageleistung keinen aufrechnungs-
fähigen Gegenanspruch vorweisen kann. Vom Betrag seiner Nachschussleistung werden
3.000 verwendet, um die verbliebenen Schulden der Gesellschaft gegenüber den Dritt-
gläubigern zu befriedigen, die übrigen 1.000 stehen A zu, dessen Einlagenrückerstat-
tungsanspruch in dieser Höhe ebenfalls nicht mehr aus dem Gesellschaftsvermögen be-
friedigt werden konnte. Im Ergebnis zahlen damit sowohl A als auch B per Saldo 4.000
in das Gesellschaftsvermögen.
Würde man statt dessen gemäß der Vorgehensweise der herrschenden Meinung nach
Auflösung zunächst von B die rückständige Einlage fordern, so ergäbe sich rechnerisch
kein anderes Ergebnis. B müsste die von ihm geschuldeten 5.000 zunächst als Einlage
in das Gesellschaftsvermögen einzahlen. Aus dem so entstehenden Gesamtgesell-
schaftsvermögen von 10.000 könnten dann die Schulden der Gesellschaft von 8.000
vollständig befriedigt werden, es verbliebe ein Restvermögen von 2.000. Im Anschluss
daran hätten aber sowohl B als auch A einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf
Rückerstattung ihrer Einlagen in Höhe von je 5.000, insgesamt von 10.000 gegen die
Gesellschaft (§ 733 Abs. 2 BGB). Da im Gesellschaftsvermögen nach Schuldenbefrie-
digung aber nur 2.000 verblieben sind, könnten die Einlagenrückzahlungsansprüche im
Umfang von 8.000 nicht befriedigt werden. Dieser Fehlbetrag wäre wiederum nach
47
§ 735 BGB hälftig aufzuteilen, wobei nun aber im Vergleich zur soeben dargestellten
Lösung nicht nur A, sondern beide Gesellschafter mit ihrem Einlagenrückzahlungsan-
spruch von je 5.000 gegenüber ihrer jeweiligen Nachschussleistung von 4.000 aufrech-
nen könnten. Damit verbleibt für jeden Gesellschafter ein Guthaben von 1.000, das er
aus dem verbliebenen Gesellschaftsvermögen von 2.000 entnehmen kann. Im Ergebnis
zahlt also auch bei dieser Variante jeder Gesellschafter per Saldo nur 4.000 an die Ge-
sellschaft.
Es könnte nach Auflösung also allenfalls noch die Einziehung von sonstigen Forderun-
gen der Gesellschaft gegen den Gesellschafter in Betracht kommen, die auf eine Geld-
zahlung gerichtet sind, jedoch nicht als Einlage oder sonstiger Beitrag nach § 706 BGB
geschuldet sind. Dazu könnten beispielsweise Ansprüche der Gesellschaft auf Rückzah-
lung unberechtigter Entnahmen zählen, die das Gesellschaftsvermögen vertragswidrig
schmälern154. Allerdings gilt auch für solche Forderungen, dass kein Gesellschafter ver-
pflichtet ist, Zahlungen an die Gesellschaft zu leisten, soweit der einzuzahlende Betrag
an ihn wieder ausgeschüttet werden müsste155. Fraglich ist also, ob der Gesellschafter
einer Forderung der Gesellschaft, die nicht aufgrund gesellschaftsvertraglicher Rege-
lung geschuldet ist, mit dem dolo agit-Argument des § 242 BGB entgegentreten kann.
Dies wäre dann möglich, wenn alle Zahlungen des Gesellschafters an die Gesellschaft
ungeachtet ihrer Qualifikation oder ihrer Begründung im Gesellschaftsvertrag Einlagen
im Sinne des § 733 Abs. 2 BGB darstellten. Nachfolgend ist daher der Begriff der Ein-
lage genauer zu untersuchen.
Die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind mit Abschluss des Ge-
sellschaftsvertrags verpflichtet, den Gesellschaftszweck in der vereinbarten Weise zu
154
Palandt/Sprau BGB § 705 Rn. 29 iVm § 721 Rn. 4.
155
Hillers, Personengesellschaft und Liquidation, S. 205 ff.; E/B/J/S/Hillmann HGB § 149 Rn. 14.
48
fördern (§ 705 BGB). Zu diesem Zweck haben sie Beiträge (§ 706 BGB) und Einlagen
zu leisten. Das Gesetz verwendet die Begriffe „Beitrag“ und „Einlage“ nicht einheitlich.
Zum Teil wird der Unterschied zwischen Beitrag und Einlage darin gesehen, dass der
Beitrag noch geschuldet, die Einlage hingegen schon geleistet ist156. Nach anderer An-
sicht soll der Unterschied zwischen Beitrag und Einlage darin liegen, dass der Beitrag
als Oberbegriff jedes als Primärpflicht vom Gesellschafter geschuldete zweckfördernde
Tun oder Unterlassen bezeichnet, während die Einlage ein zur Eigenkapitalbildung in
das Gesellschaftsvermögen zu leistender Beitrag ist, der dort als Vermögenswert ver-
bleibt und die Haftungsmasse der Gesellschaft mehrt157.
156
Palandt/Sprau BGB § 706 Rn. 1.
157
Erman/Westermann BGB § 706 Rn. 1; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 30 II 1. a), S. 567.
158
Zur Terminologie eingehend Piltz DStR 1991, 251 ff.
159
MünchKomm BGB/Schäfer § 706 Rn. 11; Staudinger/Kessler BGB (1991) § 706 Rn. 29; Piltz DStR
1991, 251.
160
MünchKomm BGB/Schäfer § 706 Rn. 12; Staudinger/Kessler BGB (1991) § 706 Rn. 29.
161
Reinhardt DStR 1991, 588, 589.
162
BGH WM 1975, 196, 196 für Aufwendungen für ein gemeinsames Grundstück, hier sollen allenfalls
Aufwendungsersatzansprüche in Betracht kommen.
49
rechtsverhältnisses erbracht hat163 sowie mangels anderer Vereinbarung nicht abgerufe-
ne Ansprüche des Gesellschafters aus dem Gesellschaftsverhältnis164, z.B. nicht ent-
nommene („stehen gelassene“) Gewinnanteile.
2. Stellungnahme
Die Einschränkungen der herrschenden Meinung, dass eine Einlage nur dann vorliegen
soll, wenn die Leistung des Gesellschafters vertraglich vorgesehen bzw. von den übri-
gen Gesellschaftern als Einlage anerkannt worden ist, sind nicht gerechtfertigt. Würde
man eine gesellschaftliche Regelung oder nachträgliche Anerkennung als Einlage durch
die übrigen Gesellschafter zur Voraussetzung einer als Einlage zu qualifizierenden Lei-
stung machen, so wäre der Anspruch des leistenden Gesellschafters aus § 733 Abs. 2
BGB von der Kooperation und dem Belieben seiner Mitgesellschafter abhängig. Diese
hätten es in der Hand, durch (nachträgliche) Verweigerung ihrer Anerkennung einer
Zahlung als Einlage über das Bestehen eines Anspruchs aus § 733 Abs. 2 BGB zu ent-
scheiden.
Dass dies den Berechtigten - insbesondere in der hier zugrunde gelegten Fallkonstellati-
on der gegenseitigen Blockade aller Gesellschafter - vor unüberwindliche Hindernisse
stellt und ihn ungerechtfertigt benachteiligt, liegt auf der Hand: Danach müsste der Be-
rechtigte zur Geltendmachung seines Anspruchs aus § 733 Abs. 2 BGB stets zunächst
seine Mitgesellschafter auf Zustimmung zur Anerkennung seiner Leistung als Einlage
verklagen, bevor er in einem zweiten Schritt deren Rückerstattung nach § 733 Abs. 2
BGB prozessual geltend machen könnte. Dabei würde das Zustimmungserfordernis der
Mitgesellschafter an der Anspruchsberechtigung nichts ändern, sondern allenfalls die
Anspruchsgrundlage verändern: Leistungen an die Gesellschaft oder in ihrem Interesse
kann der leistende Gesellschafter bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch
im Wege des Aufwendungsersatzes nach Auftragsrecht (§ 670 BGB) oder aus unge-
rechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) von der Gesellschaft einfordern. Um auf An-
erkennung seiner Leistung als Einlage klagen zu können, müsste der Anspruchsberech-
tigte die Voraussetzungen seines Erstattungsanspruches in gleicher Weise darlegen, wie
163
OLG München NZG 2000, 1124, 1125.
164
OLG Köln NZG 2000, 979, 980; Palandt/Sprau BGB § 706 Rn. 1.
50
er dies bei einer Leistungsklage auf Zahlung des Erstattungsanspruches aus §§ 670, 812
BGB tun müsste.
Das Kriterium, ob die Leistung in das Gesellschaftsvermögen zur Bildung von Haf-
tungsmasse erbracht wurde165, ist ebenfalls nicht tauglich, um eine Einlageleistung von
einer nicht als Einlage zu qualifizierenden Zahlung abzugrenzen. Jede vermögenswerte
Leistung des Gesellschafters an die Gesellschaft oder für Rechnung der Gesellschaft
mehrt das Gesellschaftsvermögen und damit die im Innenverhältnis primär für die Ver-
bindlichkeiten der Gesellschaft haftende Vermögensmasse. Auf die finale Leistungsbe-
stimmung „zur Mehrung der Haftungsmasse“ durch den Gesellschafter kann es daher
ebenso wenig ankommen wie auf eine Annahme der Leistung durch die Gesellschaft, da
jede Leistung des Gesellschafters im Ergebnis auch dann dem Gesellschaftsvermögen
als Haftungsmasse zugute kommt, wenn weder er noch die Gesellschaft dies wollen
oder bezwecken. Es kann somit für das Vorliegen einer Einlagenleistung nicht entschei-
dend sein, ob der Gesellschafter der Gesellschaft Vermögenswerte auf Grundlage des
Gesellschaftsverhältnisses oder eines Drittverhältnisses, zur Mehrung der Haftungsmas-
se oder mit sonstiger Zweckbestimmung, freiwillig oder unfreiwillig, mit Zustimmung
oder gegen den Widerstand der Mitgesellschafter zugeführt hat oder ob die Gesellschaft
oder die übrigen Gesellschafter die Leistung als Einlage anerkannt haben oder zur An-
erkennung verpflichtet sind. Umständliche Abgrenzungen und Beweisprobleme wären
die Folge, die eine Abwicklung letztlich erschweren oder sogar verhindern könnten.
Der reibungslose Verlauf der Abwicklung erfordert statt dessen eine objektivierbare,
von der Mitwirkung der Mitgesellschafter unabhängige Definition, um eine Leistung als
Einlage im Sinne des § 733 Abs. 2 BGB qualifizieren zu können. Dabei erweisen sich
die Definitionen des Steuerrechts als hilfreich. In § 4 Abs. 1 Satz 7 EStG werden Einla-
gen definiert als „alle Wirtschaftsgüter (Bareinzahlungen und sonstige Wirtschaftsgü-
ter), die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat“.
Als Entnahmen gelten nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG „alle Wirtschaftsgüter (Barentnah-
men, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem
165
So K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 30 II 1. a), S. 567.
51
Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe
des Wirtschaftsjahres entnommen hat“.
Für die Qualifikation als Einlage in dem soeben beschriebenen Sinne ist unerheblich, ob
die Leistung an oder nur für Rechnung der Gesellschaft oder des Gesellschafters er-
bracht wird. Ebenso unerheblich ist, wie dargelegt, ob die Leistung als Beitrag oder als
sonstige gesellschaftsvertraglich vereinbarte Verbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft
zu qualifizieren ist, ob die Gesellschaft oder die übrigen Mitgesellschafter die Leistung
als Einlage anerkennen oder ihre Zustimmung zur Leistung erklärt haben. Auch kommt
es nicht darauf an, auf welcher Rechtsgrundlage solche Zahlungsflüsse erfolgen. So ist
beispielsweise auch die Befriedigung einer Gesellschaftsschuld durch Zahlung an den
Gläubiger als Einlage des leistenden Gesellschafters zu qualifizieren. Zwar erfolgt sie
nicht direkt in das Gesellschaftsvermögen, sondern an den Gläubiger, die Gesellschaft
erlangt durch sie aber die Befreiung von einer Verbindlichkeit im Umfang der Leistung
an den Gläubiger. Diese Befreiung hat selbst Vermögenswert, da sie das verbleibende
Gesellschaftsvermögen erhöht bzw. dessen Schmälerung durch die Inanspruchnahme
des Gläubigers verhindert. Ebenso ist es für die Qualifizierung als Einlage unerheblich,
ob der Leistung des Gesellschafters eine Gegenleistung der Gesellschaft gegenübersteht,
die dem Einlagebetrag entspricht und ihn so wirtschaftlich qua Saldo wieder ausgleicht.
So ist z.B. der Kaufpreis, den ein Gesellschafter für einen Vermögensgegenstand der
Gesellschaft nach § 433 Abs. 2 BGB bezahlt, auch dann eine Einlage, wenn er marktan-
166
Ich konnte trotz intensiver Recherche keinen Nachweis dafür ausfindig machen, dass diese weite
Auslegung des Begriffs der Einlage und der Entnahme für die Zwecke der Abwicklung in dieser Form
bereits in Rechtsprechung oder Literatur vertreten worden ist. Daher gehe ich davon aus, dass hierfür,
soweit ersichtlich, keine zitierfähige Fundstelle existiert.
52
gemessen ist und somit durch die dingliche Eigentumsübertragung des Kaufgegenstands
an den einlegenden Gesellschafter wirtschaftlich wieder kompensiert wird. Dabei ist die
Überführung des Kaufgegenstands vom Vermögen der Gesellschaft in das Privatvermö-
gen des Gesellschafters durch Übereignung als Entnahme zu qualifizieren.
Es ist also festzuhalten, dass der Einlagebegriff erweiternd auszulegen und auf alle ver-
mögenswerten Leistungen aus dem Privatvermögen eines Gesellschafters an oder
zugunsten der Gesellschaft auszudehnen ist einschließlich derer, die erst nach Auflö-
sung der Gesellschaft erfolgen. Der erweiternden Auslegung des Einlagebegriffs unter-
167
Siehe zum ähnlich gelagerten Problem der aufgedrängten Bereicherung beispielsweise Bamber-
ger/Roth/Kindl BGB § 951 Rn. 17 ff.
53
liegt damit auch der Einlagenrückerstattungsanspruch nach § 733 Abs. 2 BGB. Es be-
darf keiner Erörterung, dass die Verpflichtung zur Einlagenrückzahlung aus § 733
Abs. 2 Satz 1 BGB nur tatsächlich geleistete Einlagen betrifft. Jede Leistung des Gesell-
schafters auf eine Forderung der Gesellschaft, die eine Einlageleistung in diesem Sinne
darstellen würde, unterliegt daher mit Auflösung der sofortigen Rückforderung nach
Maßgabe der in § 733 Abs. 2 Satz 1 bis 3 BGB vorgenommenen Abstufungen. Dies hat
zur Folge, dass Forderungen der Gesellschaft gegen den Gesellschafter, die auf Zahlung
eines Geldbetrages gerichtet sind, mit Eintritt der Auflösung nicht mehr eingefordert
werden können. Ihrer Einziehung steht vielmehr grundsätzlich das Verbot der unzuläs-
sigen Rechtsausübung aus § 242 BGB (dolo agit) entgegen, da nicht verlangt werden
kann, was sofort zurück zu gewähren ist.
Etwas Anderes gilt wie dargestellt nur, soweit es sich um Sacheinlagen im Sinne des
§ 733 Abs. 2 Satz 2 BGB oder um Dienstleistungen sowie Nutzungsrechte im Sinne des
§ 733 Abs. 2 Satz 2 BGB handelt. Noch nicht geleistete, auf Zahlung eines Geldbetra-
ges gerichtete Einlagen und Beiträge werden damit weder bei der Ermittlung des abzu-
wickelnden Gesellschaftsvermögens noch bei der Berechnung des dem jeweiligen Ge-
sellschafter zustehenden Auseinandersetzungsguthabens berücksichtigt.
Von der Einforderung rückständiger Einlagen im soeben angesprochenen Sinne ist die
Einforderung von Nachschussleistungen nach § 735 BGB zu unterscheiden. Zwar stellt
letztlich auch eine in Erfüllung der Nachschusspflicht nach § 735 BGB geleistete Zah-
lung eine Mehrung des Gesellschaftsvermögens dar, da sie aus dem Privatvermögen
eines Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen zugeführt worden ist. Schuldnerin
der ursprünglichen Verpflichtung „Schuldenbefriedigung“ und „Einlagenrückerstat-
tung“ ist zunächst die Gesellschaft selbst, die Nachschussleistung bei nicht vorhande-
nem Gesellschaftsvermögen stellt daher eine Leistung auf eine Gesellschaftsschuld dar
und erfolgt für Rechnung der Gesellschaft. Die so erreichte Befreiung der Gesellschaft
von einer Verbindlichkeit stellt eine Zuführung von Vermögenswerten in das Gesell-
schaftsvermögen und damit eine Einlage des Gesellschafters im hier definierten Sinne
54
dar168. Dies gilt auch dann, wenn die Leistung nach § 735 BGB zur Abkürzung der Zah-
lungswege direkt an den Gläubiger oder den Gesellschafter erfolgt.
Jedoch kann die Qualifizierung einer Zahlung, die in Erfüllung der Nachschusspflicht
nach § 735 BGB geleistet wurde, als Einlage im hier definierten Sinne nicht dazu füh-
ren, dass der Einforderung einer Nachschussleistung die Einrede des § 733 Abs. 2 iVm
§ 242 BGB (dolo agit-Einwand) entgegengehalten werden könnte. Andernfalls hätte
§ 735 BGB keinerlei Anwendungsbereich. § 735 BGB schließt insoweit als gesetzliche
Spezialregelung die Berufung auf die Einrede des § 242 BGB aus, als es um die Pflicht
des Gesellschafters geht, Fehlbeträge im Gesellschaftsvermögen auszugleichen, damit
die Verbindlichkeiten der Gesellschaft im Innen- und Außenverhältnis befriedigt wer-
den können. Daher unterfällt eine in Erfüllung der Nachschusspflicht geleistete Zahlung
nicht dem Einforderungsverbot des § 242 BGB, sondern kann zu jedem beliebigen Zeit-
punkt nach Auflösung eingefordert werden. Daraus ergibt sich zugleich, dass die actio
pro socio nach Auflösung für die Einforderung von Nachschussleistungen nach § 735
BGB - aber auch nur für diese - nach wie vor Anwendung findet.
IV. Folgerung: Der Anwendungsbereich der actio pro socio nach Auflösung der
Gesellschaft
Ist nach den soeben dargestellten Grundsätzen ab dem Auflösungszeitpunkt somit be-
reits materiellrechtlich kein durchsetzbarer Anspruch der Gesellschaft auf Einforderung
rückständiger Geldeinlagen des Gesellschafters mehr gegeben, so folgt daraus, dass
auch entsprechende Leistungsklagen auf Zahlung ins Leere gehen müssen. Mit Auflö-
sung werden damit auch die prozessualen Instrumentarien entbehrlich, die von der herr-
schenden Ansicht für die Geltendmachung von rückständigen Geldeinlagen gegenüber
Mitgesellschaftern entwickelt wurden. Dies gilt namentlich für die sog. actio pro socio.
Der Begriff der actio pro socio bezeichnet eine Klage, mit der jeder Gesellschafter aus
eigenem Individualrecht der Mitgliedschaft169 unabhängig von einer ihm gesellschafts-
vertraglich eingeräumten Vertretungs- oder Geschäftsführungsbefugnis Ansprüche der
168
Andere Ansicht Palandt/Sprau BGB § 706 Rn. 1 a.E.
169
Kort DStR 2001, 2162, 2163.
55
Gesellschaft gegen seine Mitgesellschafter aus dem Gesellschaftsverhältnis im eigenen
Namen für Rechnung der Gesellschaft geltend machen kann170. Es handelt sich um einen
Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft171 In Rechtsprechung und Literatur ist umstrit-
ten, ob im Abwicklungsstadium eine Befugnis der Gesellschafter zur Klageerhebung im
Wege der actio pro socio besteht. Teilweise wird vertreten, dass mit Eintritt der Gesell-
schaft in das Abwicklungsstadium die Berechtigung einzelner Gesellschafter zur actio
pro socio entfalle, da diese grundsätzlich den Liquidatoren vorbehalten bleibe172. Andere
kritisieren dies als nicht gerechtfertigte Einschränkung der Geltendmachung von Bei-
tragsansprüchen durch Mitgesellschafter im Liquidationsstadium; die Grundsätze der
actio pro socio seien nach Auflösung der Gesellschaft nicht anders zu beurteilen als
zuvor173.
Im Hinblick auf die durch die Auflösung unveränderte Identität der Gesellschaft ist
grundsätzlich letzterer Ansicht zu folgen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es,
soweit es um die Einforderung von Geldbeträgen nach Auflösung geht, überhaupt kei-
nen durchsetzbaren materiellen Anspruch der Gesellschaft auf Zahlung dieser Einlagen
oder Beiträge mehr gibt174. Wie dargelegt, stellt jede Zahlungsleistung des Gesellschaf-
ters in das Gesellschaftsvermögen eine Einlage dar, die mit Eintritt der Auflösung als
solche der sofortigen Rückforderung nach § 733 Abs. 2 BGB unterliegt. Ihrer Einzie-
hung steht der Grundsatz der Saldierung (§ 242 BGB) entgegen, so dass auch eine ent-
sprechende Einziehungsklage als actio pro socio mangels Vorliegen eines durchsetzba-
ren Anspruchs ins Leere geht. Damit verbleibt für die actio pro socio nach Auflösung
der Gesellschaft nur noch ein Anwendungsbereich, soweit es um die Einforderungen
von Nachschussleistungen nach § 735 BGB geht oder soweit Forderungen gegenüber
einem Gesellschafter eingezogen werden sollen, die unter § 733 Abs. 2 Satz 2 oder
Satz 3 BGB fallen.
170
Kort DStR 2001, 2162, 2162; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 IV 1. a), S. 629. Zu Voraussetzun-
gen und dogmatischer Begründung der actio pro socio ausführlich Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht,
§ 8 Rn. 50 ff. sowie Soergel/Hadding/Kießling BGB § 705 Rn. 47 ff.
171
Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht, § 8 Rn. 51 (quasigesetzliche Befugnis kraft ungeschriebenen Ge-
wohnheitsrechts aufgrund dauerhafter richterrechtlicher Anerkennung); MünchKomm
BGB/Ulmer/Schäfer § 705 Rn. 209; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 IV 4. a), S. 36 (herrschende
Meinung). Anderer Ansicht (gewillkürte Prozessstandschaft) Bork/Oepen ZGR 2001, 515, 526 ff.
172
RGZ 100, 165, 166; BGH NJW 1960, 433, 434; offen lassend BGHZ 155, 121, 125 = NJW 2003,
2676 ff.
173
Kort DStR 2001, 2162, 2164; Bork/Oepen ZGR 2001, 515, 539.
174
In diesem Sinne auch Nitschke ZHR 128 (1966), 49, 85.
56
§8 Abwicklung gegenüber Nichtgesellschaftern: Schuldenberichtigung und
Bildung von Zurückbehalten
Umstritten ist, ob zu den gemeinschaftlichen Schulden im Sinne des § 733 Abs. 1 BGB
auch Verbindlichkeiten gegenüber einem Gesellschafter zählen, die aus einem au-
ßerhalb des Gesellschaftsverhältnisses abgeschlossenen Rechtsgeschäft entstanden sind,
bei dem sich Gesellschafter und Gesellschaft wie Dritte gegenüberstehen (sog. Dritt-
gläubigerrechtsgeschäfte)175. Auf deren Behandlung im Zuge der Abwicklung soll aber
aus systematischen Gründen erst zusammen mit den anderen Ansprüchen und Verbind-
lichkeiten des Gesellschafters eingegangen werden176.
Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist seit Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit177 Trä-
gerin von Rechten und Pflichten und damit selbst Schuldnerin vertraglicher und gesetz-
licher Ansprüche. Im Zuge ihrer Vollabwicklung sind damit auch alle ihre vertraglichen
oder gesetzlichen Verbindlichkeiten178, ungeachtet ihres Rechtsgrundes, vollständig ab-
zuwickeln. Diese sind nach den für sie geltenden Regeln entstanden und fällig und un-
geachtet des Fortgangs der Liquidation gegen die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter
als Gesamtschuldner (§ 128 HGB analog) durchsetzbar. Auf die Einhaltung der in § 733
BGB festgelegten Reihenfolge der Abwicklungsmaßnahmen haben die Gläubiger kei-
nen Anspruch, § 733 Abs. 1 BGB ist dispositiv179 und betrifft nur das Verhältnis der
175
Dafür MünchHdB GesR I/Gummert § 21 Rn. 111; MünchKomm BGB/Schäfer § 733 Rn. 7; dagegen
BGH WM 1971, 931, 931 f.; BGH WM 1979, 937, 938 f.
176
Siehe dazu ausführlich unten § 15, S. 97 ff.
177
BGHZ 146, 341 ff. = NJW 2001, 1056.
178
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 733 Rn. 4.
179
Erman/Westermann BGB § 733 Rn. 8; MünchKomm BGB/Schäfer § 733 Rn. 5.
57
Gesellschafter untereinander180. Zwar hat § 733 BGB gläubigerschützende Effekte, dar-
aus ergibt sich aber kein subjektives Recht des Gläubigers auf Vornahme der Auseinan-
dersetzung überhaupt oder in der gesetzlich festgelegten Reihenfolge181. Es steht den
Gesellschaftern frei, von der gesetzlich vorgesehenen Prozedur abzuweichen, in diesem
Fall bestehen auch keine Schadensersatzansprüche der Gläubiger182. Eine die Gläubiger
gefährdende Abwicklung begründet im Innenverhältnis jedoch eine Rechtsverletzung
des einzelnen Gesellschafters183.
§ 733 Abs. 1 BGB verlangt, dass aus dem Gesellschaftsvermögen zunächst die gemein-
schaftlichen Schulden zu berichtigen sind. Der Zusatz, dass dies auch solche Schulden
betrifft, welche den Gläubigern gegenüber unter den Gesellschaftern geteilt sind oder
für welche einem Gesellschafter die übrigen Gesellschafter als Schuldner haften, beruht
terminologisch auf der Konzeption der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als schuld-
rechtlichem Vertragsverhältnis und hat nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Ge-
sellschaft bürgerlichen Rechts nur noch insoweit eine eigenständige Bedeutung, als eine
lediglich das Innenverhältnis betreffende Aufteilung der Haftung für Gesellschafts-
schulden gemeint ist, für die im Außenverhältnis gesamtschuldnerisch gehaftet wird184.
Die Gesellschafter müssen dabei sorgfältig prüfen, ob und inwieweit eine Forderung
gegen die Gesellschaft begründet ist, sie können und müssen alle Einreden und Einwen-
dungen erheben, die der Gesellschaft zustehen185. Sie sind dabei verpflichtet, zum Be-
sten der Gesellschaft zu handeln und dem Abwicklungszweck zu dienen186. Dies bedeu-
tet aber nicht, dass sie verpflichtet sind, auf Einreden zu verzichten oder eine streitige
Forderung anzuerkennen187. Soweit eine Verbindlichkeit von den Gesellschaftern nicht
bestritten wird, ist sie zu erfüllen188. Dabei besteht keine Rechtspflicht zur Gleichbe-
180
MünchHdb GesR I/Gummert § 21 Rn. 110; Soergel/Hadding/Kießling BGB § 733 Rn. 1.
181
Allgemeine Ansicht, vgl. nur Palandt/Sprau BGB § 730 Rn. 2; Erman/Westermann BGB § 733 Rn. 4.
Die abweichende Ansicht von K. Schmidt ZHR 153 (1989), 270, 284 wurde in MünchKomm HGB/K.
Schmidt § 149 Rn. 40 wieder aufgegeben.
182
Erman/Westermann BGB § 733 Rn. 4. Letztlich sind die Gläubiger auf einen solchen Schutz auch
nicht angewiesen, da sie auch im Liquidationsstadium durch die persönliche Gesellschafterhaftung
ausreichend abgesichert sind (MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 37).
183
MünchKomm HGB/K. Schmidt § 149 Rn. 40.
184
Erman/Westermann BGB § 733 Rn. 2.
185
MünchHdb GesR I/Butzer/Knof § 84 Rn. 43; MünchKomm HGB/K. Schmidt § 149 Rn. 39.
186
MünchKomm HGB/K. Schmidt § 149 Rn. 39.
187
Anderer Ansicht E/B/J/S/Hillmann HGB § 149 Rn. 19.
188
MünchKomm HGB/K. Schmidt § 149 Rn. 41.
58
handlung der Gläubiger189: Da jeder Gläubiger ungehindert nach § 128 HGB analog auf
Erfüllung klagen und vollstrecken könnte, können die Gesellschafter grds. die bereits
bekannten Verbindlichkeiten auch dann voll erfüllen, wenn noch nicht alle Verbindlich-
keiten bekannt oder unstreitig sind190.
Ist eine Schuld noch nicht fällig oder streitig; so ist das zur Berichtigung Erforderliche
zurückzubehalten (§ 733 Abs. 1 Satz 2 BGB) und steht daher ebenfalls nicht für die
Verteilung an die Gesellschafter zur Verfügung. Grundsätzlich ist für jede noch nicht
fällige oder streitige Schuld ein Zurückbehalt191 zu bilden, es gilt das bilanzrechtliche
Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Ziff. 4 HGB): Eine Zurückbehaltungspflicht entfällt le-
diglich für solche Verbindlichkeiten, die offensichtlich unbegründet oder missbräuch-
lich geltend gemacht werden oder mit deren Geltendmachung auch bei vorsichtiger
Prognose nicht ernsthaft zu rechnen ist192. Der zur Berichtigung erforderliche Geldbe-
trag ist im Zweifel gemäß § 372 BGB zu hinterlegen193.
Der Anspruch auf Zurückbehalt kann durch den einzelnen Gesellschafter einfach in
Form einer Einrede geltend gemacht werden194: Infolge der mit Auflösung eintretenden
Gesamtvertretungsbefugnis aller Gesellschafter (§ 730 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz
BGB) ist kein Gesellschafter berechtigt, alleine die Auszahlung des Gesellschaftsver-
mögens an sich zu bewirken. Das gilt auch dann, wenn der Gesellschaftsvertrag die Ge-
samtvertretung der Gesellschafter auch für die Zeit nach Auflösung vorsieht. In diesen
189
E/B/J/S/Hillmann HGB § 149 Rn. 20.
190
MünchKomm HGB/K. Schmidt § 149 Rn. 42; E/B/J/S/Hillmann HGB § 149 Rn. 20.
191
Im Bilanzrecht wird für Zurückbehalte im Sinne des § 733 Abs. 1 Satz 2 BGB der Terminus „Rück-
stellungen“ verwendet. Dieser ist hier aber irreführend, da vorliegend das Erfordernis einer Auseinan-
dersetzungsbilanz gerade verneint wird, siehe dazu oben unter § 10, III., S. 64 ff. Zur Vermeidung von
Missverständnissen soll daher dem Wortlaut des § 733 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend von „Zu-
rückbehalten“ gesprochen werden.
192
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 733 Rn. 8.
193
MünchKomm BGB/Schäfer § 733 Rn. 9; Palandt/Sprau BGB § 733 Rn. 5.
194
Ich konnte trotz intensiver Recherche keinen Nachweis dafür ausfindig machen, dass die Art und
Weise, wie der einzelne Gesellschafter die Bildung der Rückstellungen erwirken kann, in dieser Form
bereits in Rechtsprechung oder Literatur vertreten worden ist. Daher gehe ich davon aus, dass hierfür,
soweit ersichtlich, keine zitierfähige Fundstelle existiert.
59
Fällen greift dann die Widerspruchsberechtigung des § 711 BGB. Auch wenn die Ge-
sellschaft über sofort verteilbares Vermögen verfügt, kann jeder Gesellschafter den An-
spruch auf Zurückbehalt dadurch verwirklichen, dass er dem Auszahlungsverlangen
eines Mitgesellschafters entgegenhält, dass dieses Geld zugunsten potentieller Gläubi-
ger nach § 733 Abs. 1 Satz 2 BGB zu sichern sei und daher nicht zur Ausschüttung an
die Gesellschafter zur Verfügung stehe. Ein gesondert einklagbarer Anspruch auf Bil-
dung eines Zurückbehalts ist nicht erforderlich.
§9 Zusammenfassung
Nach Auflösung der Gesellschaft sind, wie dargestellt, zunächst die Gegenstände aus
dem Gesellschaftsvermögen auszusondern, die nicht zur Liquidationsmasse gehören,
weil sie der Gesellschaft von ihren Gesellschaftern zur Benutzung überlassen wurden
(§ 732 BGB). Anschließend ist das verbleibende Gesellschaftsvermögen nach § 733
Abs. 3 BGB zu versilbern, d.h. in einen verteilungsfähigen Zustand zu bringen. Ob der
Verkauf der Vermögensgegenstände einzeln oder als Gesamtheit einen höheren Erlös
erzielen kann, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab und kann nicht pauschal beantwortet
werden. Der Anspruch auf Umsetzung des Gesellschaftsvermögens nach § 733 Abs. 3
BGB kann nur im Wege der Teilung durch Verkauf realisiert werden, § 752 BGB.
Dabei ist das Gesellschaftsvermögen aus Gründen des Gläubigerschutzes auf die wirt-
schaftlich gewinnbringendste Art und Weise in Geld umzusetzen. Dies kann je nach
Einzelfall entweder eine Veräußerung des Gesellschaftsvermögens im Ganzen oder eine
Zerschlagung mit anschließender Verwertung der Einzelgegenstände sein. Anlagever-
mögen oder Forderungen sind grundsätzlich vor der Verteilung in Geld umzusetzen. Im
Rahmen der Versilberung des Gesellschaftsvermögens sind auch die Forderungen der
Gesellschaft einzuziehen, die gegenüber Nichtgesellschaftern bestehen. Ausstehende
Zahlungen des einzelnen Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft sind hingegen nach
Auflösung nicht mehr zu berücksichtigen: Der umfassende Vermögensschutz des Ge-
sellschafters erfordert es, der Qualifikation der ihm nach § 733 Abs. 2 BGB zurückzu-
zahlenden Einlagen einen weiten Einlagebegriff zugrunde zu legen.
Alle Geldzahlungen oder geldwerten Leistungen aus dem Privatvermögen des Gesell-
schafters in das Gesellschaftsvermögen, die keine Nachschussleistungen im Sinne des
§ 735 BGB sind, sind ungeachtet ihrer Rechtsgrundlage als Einlagen zu qualifizieren
und unterliegen damit mit Eintritt der Auflösung dem Rückzahlungsanspruch nach
60
§ 733 Abs. 2 BGB. Der Einforderung ausstehender Forderungen, die auf Geldzahlung
gerichtet sind, steht daher mit Eintritt der Auflösung die Einrede des Rechtsmissbrauchs
(§ 242 BG) entgegen, da sie unmittelbar nach ihrer Leistung in das Gesellschaftsvermö-
gen nach § 733 Abs. 2 BGB zurückzuzahlen wären. Ausstehende Geldforderungen der
Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter, die keine Nachschussleistung nach § 735
BGB darstellen, sind daher mit Eintritt der Auflösung nicht mehr geschuldet und wer-
den bei der Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens des jeweiligen Gesellschaf-
ters weder zu seinen Gunsten noch zu seinen Lasten berücksichtigt. Eine entsprechende
Einziehungsklage bleibt mangels Vorliegen eines durchsetzbaren Anspruchs erfolglos.
Sind alle gegenüber Nichtgesellschaftern bestehende Verbindlichkeiten befriedigt oder
die für eine künftige Befriedigung vorzusehenden Zurückbehalte getätigt, so steht das
verbleibende Restvermögen in vollem Umfang für die Ausschüttung an die Gesellschaf-
ter nach Maßgabe ihrer jeweiligen Auseinandersetzungsguthaben zur Verfügung: Es
wird für keine anderen Zwecke im Rahmen der Abwicklung als für die Auszahlung an
die Gesellschafter mehr benötigt.
61
3. Kapitel Abwicklung unter den Gesellschaftern: Das verteilbare Gesell-
schaftsvermögen
I. Auseinandersetzungsbilanz
195
Vgl. nur MünchKomm BGB/Schäfer § 734 Rn. 1 ff.; Bamberger/Roth/Schöne BGB § 734 Rn. 2.
196
MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 57.
197
MünchKomm BGB/Schäfer § 734 Rn. 1.
198
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 734 Rn. 2.
199
OLG Hamm NZG 1999, 996, 996.
200
MünchKomm BGB/Schäfer § 734 Rn. 4.
201
BGH WM 1972, 213, 214; Soergel/Hadding/Kießling BGB § 734 Rn. 4; MünchKomm BGB/Schäfer
§ 734 Rn. 5.
62
vorgeschlagen202. Die Gesamtheit der sich zugunsten eines Gesellschafters aus dieser
Auseinandersetzungsbilanz ergebenden Forderungen gegenüber der Gesellschaft be-
gründet nach dieser Ansicht sein Auseinandersetzungsguthaben203. Ein an den Gesell-
schafter ausschüttungsfähiger Überschuss soll vorliegen, wenn und soweit das Aktiv-
vermögen, das der Gesellschaft nach Berichtigung der Gesellschaftsverbindlichkeiten
gegenüber Dritten und Hinterlegung der auf betagte und streitige Forderungen (§ 733
Abs. 1 Satz 2 BGB) entfallenden Beträge verbleibt, die noch offenen, in der Schlussab-
rechnung als Passivposten zu berücksichtigenden Gesellschafterforderungen einschließ-
lich der Ansprüche auf Rückerstattung des Werts der Einlagen übersteigt204.
202
Soergel/Hadding/Kießling BGB § 735 Rn. 4.
203
So wohl Bamberger/Roth/Schöne BGB § 734 Rn. 2.
204
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 734 Rn. 2; MünchKomm BGB/Schäfer § 734 Rn. 3.
205
BGH WM 2009, 1231, 1232 (Rn. 8).
206
BGH ZIP 2003, 1303, 1307.
207
BGH NJW-RR 2007, 245, 246 (Rn. 10).
208
MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 58; Staudinger/Habermeier BGB (2003) § 730 Rn. 24.
63
Gesellschafter entfallenden Guthaben oder Nachschüsse ohne Auseinandersetzungsbi-
lanz zu Unsicherheit führen würde“209.
1. Terminologische Verwirrung
209
MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 58.
210
BGH NJW 1995, 188, 189.
64
so kann darunter nach der Natur der Sache nur der Saldo des Gesellschafterkontos ge-
meint sein.
Des Weiteren ist der von der herrschenden Meinung aufgestellte Anwendungsbereich
einer Auseinandersetzungsbilanz unklar. Die Ausnahme, dass es einer formellen, nach
den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung zu erstellenden Schlussbilanz nur
dann bedürfe, wenn eine Auseinandersetzung ohne Auseinandersetzungsbilanz zu Unsi-
cherheit führen würde211, dürfte in der Praxis die Regel sein, da sie von allen BGB-
Gesellschaften erfüllt wird, die länger als nur ganz kurze Zeit bestanden und sich in
nennenswertem Umfang am Rechts- und Geschäftsleben beteiligt haben.
211
MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 58.
212
Anhaltspunkte für die formelle Anforderung an die Abrechnung lassen sich bereits aus den „Grunds-
ätzen ordnungsgemäßer Buchführung“ (GOB) und einer analogen Anwendung von § 238 Abs. 1
Satz 2 HGB ableiten: „Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen
Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage
des Unternehmens vermitteln kann“. Diesen Anforderungen wird auch eine „einfache Auseinander-
setzungsabrechnung“ zu genügen haben.
65
Auch die Ansicht, die die Aufstellung einer förmlichen bzw. nicht förmlichen Ausein-
andersetzungsbilanz fordert, gibt keine in der Praxis verwertbaren Handlungsanweisun-
gen. Auf welchen Stichtag bezogen soll die Bilanz aufgestellt werden, auf den Zeit-
punkt der Auflösung oder auf den Zeitpunkt der vollständigen Versilberung des Gesell-
schaftsvermögens? Was genau ist der Inhalt der Bilanz, soll sie nach Vorbild der Abfin-
dungsbilanz lediglich Aufschluss über den Wert des Gesellschaftsvermögens unter Ab-
zug der Verbindlichkeiten geben oder enthält sie vielmehr vergleichbar einem Gesell-
schafterkapitalkonto nur die wechselseitigen Ansprüche und Verbindlichkeiten zwi-
schen Gesellschaftern und Gesellschaft213? Wie kann aus einer einzigen Liquidations-
schlussbilanz, die nach der Logik der Auseinandersetzung sowohl bei der Gesellschaft
bürgerlichen Rechts wie der OHG nichts Anderes als die Gesellschafterkonten auswei-
sen kann, da alle anderen Aktiva und Passiva vorher erledigt sein müssen, der Wert des
Gesellschaftsvermögens bzw. Überschuss und Nachschusspflichten (§§ 734, 735 BGB)
ermittelt werden? Wie ist zu verfahren, wenn der nach § 733 Abs. 3 BGB tatsächlich
erzielte Veräußerungserlös eines Vermögensgegenstandes seinen vor Versilberung in
die Bilanz eingestellten geschätzten Veräußerungswert über- oder unterschreitet; ist zu
Korrekturzwecken eine neue Bilanz zu erstellen, die bereits erstellte Bilanz zu korrigie-
ren oder ist dies Gegenstand einer Nachtragsliquidation? Wie können aus einer einzi-
gen, für alle Gesellschafter geltenden Auseinandersetzungsabrechnung die jedem ein-
zelnen Gesellschafter zustehenden Guthaben entnommen werden und wie sind Einla-
genrückerstattungsansprüche, Entnahmen und Drittgläubigeransprüche des Gesellschaf-
ter nach § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB bilanziell zu behandeln?
Darüber hinaus wird nicht deutlich, ob und, wenn ja, welche Grundsätze der Bilanzie-
rung bzw. ordnungsgemäßen Buchführung jeweils auf die förmliche bzw. die nicht
förmliche Auseinandersetzungsbilanz anzuwenden sind. So ist beispielsweise unklar, ob
213
Soll die Auseinandersetzungsbilanz die Funktion eines Gesellschafterkapitalkontos erfüllen, so müsste
für jeden Gesellschafter allein schon aus Gründen der Übersichtlichkeit ein eigenes Konto, mithin also
eine eigene Auseinandersetzungsabrechnung erstellt werden.
66
die geltenden Bilanzierungsgrundsätze und -verbote des § 248 HGB im Liquidations-
stadium Anwendung finden214.
Gänzlich falsch wäre es, in einer wie auch immer gestalteten Auseinandersetzungsab-
rechnung noch nicht versilberte Vermögenswerte der Gesellschaft mit ihren geschätzten
Verkehrswerten oder unter Zuhilfenahme bilanzieller Bewertungsgrundsätze anzusetzen
und auf Grundlage dieser Schätzungen die Auseinandersetzungsguthaben der Gesell-
schafter zu berechnen. Dabei ist unerheblich, ob dies unter Aufdeckung stiller Reserven
erfolgt oder nicht215. Ein solches Vorgehen widerspricht zum einen dem Wortlaut des
§ 733 Abs. 3 BGB, wonach Vermögenswerte zu versilbern und lediglich Geld zu vertei-
len ist. Zum anderen kann die Auseinandersetzung nach Auflösung ausschließlich auf
Grundlage des tatsächlich vorhandenen Gesellschaftsvermögens stattfinden. Es kann
und darf nur das Geld verteilt werden, das tatsächlich nach vollständiger Verwertung
des gesamten Gesellschaftsvermögens in der Gesellschaftskasse vorhanden ist. Der
Wert des Gesellschaftsvermögens darf also nicht aufgrund von Schätzungen voraus-
sichtlicher Verkehrswerte bemessen werden, sondern ist gleichsam empirisch durch
tatsächliche Veräußerung zu ermitteln. Ob ein für einen Vermögensgegenstand erzielter
Erlös über oder unter dem Buchwert oder einem geschätzten oder erhofften Verkaufs-
wert liegt, dem Buch- oder Substanzwert des Gegenstands oder in sonstiger Weise den
Erwartungen der Gesellschafter entspricht, spielt dabei keine Rolle.
Das bedeutet, dass auch die Ansprüche des einzelnen Gesellschafters ausschließlich auf
der Grundlage des tatsächlich verteilbar in der Kasse vorhandenen Vermögens berech-
214
Ausführlich diskutiert wird dies, soweit ersichtlich, nur für die Abfindungsbilanz bei Ausscheiden,
siehe dazu § 29, S. 241 ff. So darf bei einer normalen Handelsbilanz gemäß § 248 Abs. 2 HGB ein
immaterieller Geschäftswert nicht als Aktivposten angesetzt werden. Soweit ersichtlich, finden sich
nirgendwo Aussagen darüber, ob diese immateriellen Geschäftswerte im Liquidationsstadium eben-
falls nicht angesetzt werden dürfen. Wäre dem so, so bliebe unberücksichtigt, dass auch immaterielle
Geschäftswerte einen Vermögensgegenstand der Gesellschaft darstellen, der im Rahmen des Liquida-
tionsverfahren zu Geld zu machen ist und in die Vermögensverteilung unter den Gesellschaftern ein-
zubeziehen ist. An sich dürften daher Bilanzierungsverbote im Auseinandersetzungsstadium keine
Anwendung finden.
215
So aber MünchKomm BGB/Schäfer § 734 Rn. 5.
67
net werden können. Andernfalls würde Geld unter die Gesellschafter verteilt, das man-
gels entsprechender Liquidität der Gesellschaft (noch) gar nicht in der Gesellschaftskas-
se vorhanden ist und möglicherweise auch später nicht sein wird, weil sich Vermö-
genswerte als unveräußerlich erweisen oder nicht den angesetzten Schätzwert erbringen.
Die Aktiva der Gesellschaft (Kassenbestand und Wert des Firmenwagens) betragen
20.000, reichen also zunächst genau zur Deckung der Einlagenrückzahlungsansprüche
beider Gesellschafter von insgesamt 20.000 aus. Entnimmt nun B seinen Betrag von
10.000 vorab aus der Kasse, so bleiben für A noch 4.000 Kassenbestand sowie der aus
der Verwertung des Firmenwagens zu erwartende Veräußerungserlös, um seinen eige-
nen Einlagenrückzahlungsanspruch zu befriedigen. Kann der Firmenwagen jedoch wi-
der Erwarten nur zu einem Erlös von 2.000 verwertet werden, so hätte B seinen Einla-
genrückzahlungsanspruch von vorneherein nur auf Basis der (korrigierten) Aktiva der
Gesellschaft von 16.000 geltend machen können. Er hätte daher nicht 10.000, sondern
lediglich 8.000 entnehmen dürfen, da der Fehlbetrag von ihm und B nach § 735 BGB zu
gleichen Teilen zu tragen ist. A kann nach Entnahme durch B jedoch nur 6.000 (restli-
68
cher Kassenbestand und Verwertungserlös) aus der Kasse nehmen und muss B auf
Rückzahlung der Überentnahme in Höhe von 2.000 in Anspruch nehmen.
Die Folge wäre ein „Wettlauf der Liquidatoren“: Der Gesellschafter, der zuerst sein auf
Grundlage der geschätzten Verwertungserlöse errechnetes Auseinandersetzungsgutha-
ben einklagt und vollstreckt, könnte sich aus dem vorhandenen Vermögen schadlos hal-
ten und das Risiko, dass dieser Betrag bei der nachfolgenden Verwertung des Gesell-
schaftsvermögens nicht (vollständig) erwirtschaftet werden kann, auf die übrigen Ge-
sellschafter abwälzen. Dies wäre mit der mitgliedschaftlichen Treuepflicht, die auch im
Abwicklungsstadium fortgilt, nicht zu vereinbaren216.
5. Die Stichtagsproblematik
Darüber hinaus ist die Erstellung einer Bilanz über das Gesellschaftsvermögen im Zeit-
punkt der Auflösung für die Berechnung der Ansprüche der Gesellschafter von vorne-
216
Zu dogmatischen Grundlagen und inhaltlicher Ausgestaltung der Treuepflicht ausführlich Hüf-
fer/Koch, Gesellschaftsrecht, § 8 Rn. 7 ff. sowie Erman/Westermann BGB § 705 Rn. 49 ff.
69
herein nur sinnvoll, wenn auch eine Bilanz am Ende der Auseinandersetzung, d.h. nach
vollständiger Versilberung des Gesellschaftsvermögens, Auflösung der Rückstellungen
und Befriedigung aller Verbindlichkeiten erstellt wird. Nur aus einem Vergleich dieser
beiden Bilanzen wird ein evtl. bestehender Liquidationserlös bzw. -verlust der Gesell-
schaft ersichtlich und damit der wahre Betrag des an die Gesellschafter auszuschütten-
den Gesellschaftsvermögens. Es bedürfte also sowohl einer Liquidationseröffnungs- als
auch einer Liquidationsschlussbilanz nach dem Vorbild der OHG217. Dies fordert die
herrschende Meinung, soweit ersichtlich, aber für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts
gerade nicht; die Aufstellung einer Auseinandersetzungseröffnungsbilanz wird vielmehr
abweichend von § 154 HGB für entbehrlich gehalten218.
Die Aufstellung lediglich einer Bilanz am Ende der Auseinandersetzung hat jedoch zur
Konsequenz, dass die Auseinandersetzungsschlussbilanz zum Abschluss der Liquidati-
on einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts grundsätzlich nach der Gliederung des § 266
HGB nur noch aus zwei Bilanzpositionen besteht, nämlich auf die Aktivseite der Kas-
sen- bzw. Bankbestand (§ 266 Abs. 2 B. IV. HGB analog) und auf der Passivseite das
Kapital (§ 266 Abs. 3 A. HGB analog), aufgeteilt in die einzelnen Gesellschafterkonten.
Die Grundlage für eine Bewertung sonstiger Vermögensgegenstände als Aktiva kann es
bei Abschluss der Liquidation nicht mehr geben, weil vor der Schlussverteilung das
gesamte Vermögen aus Geld bestehen oder in Geld umgesetzt sein muss (§ 733 Abs. 3
BGB), ebenso wie es sonstige Verbindlichkeiten als Passiva nicht mehr geben kann,
weil alle Schulden vorab berichtigt werden mussten (§ 733 Abs. 1 BGB). Die Forderung
der herrschenden Meinung, eine einzige Bilanz bezogen auf einen Stichtag vor Ab-
schluss der Vermögensversilberung auf der Grundlage von Schätzwerten aufzustellen,
ist für die Feststellung des Werts des Gesellschaftsvermögens damit unbrauchbar.
6. Ergebnis
Aus den oben dargestellten Gründen ist die Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz
insbesondere deren Erstellung auf der Basis von geschätzten Verkehrswerten des Ge-
217
§ 154 HGB verlangt zwar für die OHG die Aufstellung einer Liquidationseröffnungs- sowie einer
Liquidationsschlussbilanz. Da die OHG in der Regel ohnedies bilanzierungspflichtig ist, stellt das
keinen grundsätzlichen Systemwechsel dar, sondern ändert nur Stichtag und Bilanzierungsgrundsätze.
218
Palandt/Sprau BGB § 731 Rn. 1 a.E.; OLG Hamm NZG 1999, 996, 996. Anderer Ansicht (Eröff-
nungsbilanz empfehlenswert) MünchHdb GesR I/Gummert § 21 Rn. 99.
70
sellschaftsvermögens, überflüssig und falsch. Eine Bilanz, die vor vollständiger Versil-
berung des Gesellschaftsvermögens und vor Auflösung aller Zurückbehalte erstellt und
zur Grundlage der Vermögensverteilung an die Gesellschafter gemacht wird, kann nie-
mals ein korrektes Abbild des Gesellschaftsvermögens darstellen, da dieses noch nicht
vollständig in Geld umgesetzt worden ist. Würde man die Auseinandersetzung auf der
Basis bilanziell ermittelter Schätzwerte betreiben, so würde die eigentlich durch Bilan-
zerstellung zu vermeidende Gefahr der Hin- und Herzahlung nicht gebannt, sondern
erhöht. Für eine Bilanz als Feststellung des Auseinandersetzungsguthabens besteht da-
her weder Grundlage noch Notwendigkeit.
Wie bereits erörtert, ist die Vermögensverteilung nach Auflösung der Gesellschaft ein
rein tatsächliches Verfahren. Charakteristisch für die Abwicklung im Vergleich zum
Ausscheiden ist, dass der Wert des dem einzelnen Gesellschafters zustehenden Anteils
am Gesellschaftsvermögen nicht hypothetisch auf dem Papier berechnet werden darf,
sondern das Gesellschaftsvermögen gleichsam im Rahmen eines Kassensturzes zu Geld
gemacht wird (§ 733 Abs. 3 BGB). Das bedeutet, dass die Ansprüche des einzelnen
Gesellschafters auch nur auf der Grundlage des tatsächlich verteilbar in der Kasse vor-
handenen Vermögens berechnet werden können219. Konsequenz dessen ist, dass für die
Ermittlung des für die Ausschüttung an die Gesellschafter zur Verfügung stehenden
Gesellschaftsvermögens eine Berechnungsmethode zu entwickeln ist, die zu jedem ge-
gebenen Zeitpunkt des Auseinandersetzungsverfahrens ausschließlich den tatsächlich
bestehenden Ist-Zustand des Gesellschaftsvermögens abbilden, alle wechselseitigen
Ansprüche und Verbindlichkeiten auflisten und kontinuierlich gemäß des Fortgangs der
219
Ich konnte trotz intensiver Recherche keinen Nachweis dafür ausfindig machen, dass die hier vertrete-
ne Differenzierung zwischen Gesellschaftsvermögen und verteilbarem Gesellschaftsvermögen sowie
die Notwendigkeit, die Abwicklung ausschließlich auf der Grundlage des verteilbaren Gesellschafts-
vermögens vorzunehmen, in dieser Form bereits in Rechtsprechung oder Literatur vertreten worden
sind. Daher gehe ich davon aus, dass hierfür, soweit ersichtlich, keine zitierfähige Fundstelle existiert.
71
Auseinandersetzung und der in ihrem Rahmen getätigten Ausschüttungen von Gesell-
schaftsvermögen an Gläubiger und Gesellschafter aktualisiert werden kann. Zu diesem
Zweck ist zunächst der Begriff des sog. verteilbaren Gesellschaftsvermögens zu definie-
ren.
220
In bilanzrechtlichen Termini ausgedrückt würde nur der Gegenstand des Aktivpostens „Kasse“ an der
Vermögensverteilung teilnehmen. Alle anderen Aktivposten müssen zuerst im Rahmen eines Ak-
tivtausches von „Anlagevermögen“ oder „Umlaufvermögen“ etc. in „Kasse“ umgebucht werden, be-
vor sie an die Berechtigten ausgekehrt werden können.
72
II. Das verteilbare Gesellschaftsvermögen als Gegenstand des Auseinanderset-
zungsverfahrens
Der Gesamtbetrag des verteilbaren Gesellschaftsvermögens hängt somit u.a. davon ab,
welchen Kaufpreis die Gesellschafter für die Gegenstände des Gesellschaftsvermögens
erzielen können. Die Gesellschafter tragen dabei das Risiko, dass ein Gegenstand über-
haupt nicht oder nicht zu seinem vollen Verkehrswert veräußert werden kann sowie das
Risiko, dass der vereinbarte Veräußerungserlös vom Erwerber aufgrund dessen Zah-
lungsunfähigkeit nicht oder nicht in voller Höhe erlangt werden kann. Verdeutlichen
soll dies ein Beispielsfall:
73
2. Nichtberücksichtigung des noch nicht in Geld umgesetzten Gesellschafts-
vermögens
Wendet man den Grundsatz, dass nur das verteilbare Gesellschaftsvermögen im hier
definierten Sinne zum Gegenstand des Auseinandersetzungsverfahrens wird, bei der
Erstellung des Liquiditätskontos an, so folgt daraus, dass Gegenstände, die zwar nach
§ 733 Abs. 3 BGB in Geld umzusetzen wären, aber noch nicht versilbert worden sind,
im Liquiditätskonto und damit in der Berechnung der Auseinandersetzungsguthaben
nicht auftauchen dürfen. Sie sind vollständig außer Acht zu lassen bzw. allenfalls mit
einem „Erinnerungswert“ von Null anzusetzen. Das Liquiditätskonto enthält also als
Guthabensposten lediglich den Posten „Bankguthaben“, d.h. das tatsächlich auf den
Gesellschaftskonten vorhandene Barvermögen und neu eingegangene Veräußerungser-
löse.
Die Vermögensverteilung auf der Basis der tatsächlichen Vermögenswerte wird da-
durch realisiert, dass zu jeder Zeit nur das jeweils vorhandene verteilbare Gesellschafts-
vermögen, d.h. das Bankguthaben der Gesellschaft, als Guthabensposten auf das Liqui-
ditätskonto gebucht wird. Die aus der Verwertung nach § 733 Abs. 3 BGB erzielten
Erlöse erscheinen erst im dem Zeitpunkt und Umfang auf dem Liquiditätskonto, in dem
ein Verwertungserlös tatsächlich in der Gesellschaftskasse eingegangen ist. Ist ein Ge-
genstand noch nicht nach § 733 Abs. 3 BGB in Geld umgesetzt worden, so tauchen er
oder sein geschätzter Veräußerungs- oder Teilwert weder als Abzugs- noch als Gutha-
bensposten auf dem Liquiditätskonto auf. Allenfalls kann er als in Form eines „Merkpo-
stens“ für die spätere Versilberung mit dem Wert „Null“ angesetzt werden.
Legt man der Berechnung der Auseinandersetzungsguthaben zu jeder Zeit allein das
verteilbare Gesellschaftsvermögen unter Außerachtlassung der noch nicht verwerteten
Gegenstände zugrunde, so kann sich die einmal vorgenommene Guthabensberechnung
mit fortschreitender Versilberung nur noch zu Gunsten des Gesellschafters verändern.
Selbst wenn ein Vermögensgegenstand wider Erwarten überhaupt nicht oder nicht zu
seinem Verkehrswert verwertet werden konnte, muss der Gesellschafter niemals einmal
an ihn ausgeschüttete Beträge an die Gesellschaft zurückzahlen: Die Nichtberücksichti-
gung noch nicht verwerteter Vermögensgegenstände fingiert, dass das derzeit vorhan-
dene verteilbare Gesellschaftsvermögen das gesamte verteilbare Gesellschaftsvermögen
darstellt. Auf diese Weise können alle Unsicherheitsfaktoren bei der Berechnung des
Auseinandersetzungsguthabens ausgeschlossen werden. Der so für jeden Gesellschafter
errechnete Guthabensbetrag ist zugleich der Mindestbetrag, der ihm unabhängig davon
zusteht, ob und welche Einnahmen die Verwertung des restlichen Gesellschaftsvermö-
74
gens erbringt und den er selbst dann nicht mehr zurückzahlen muss, wenn die Verwer-
tung aller verbliebenen Vermögensgegenstände scheitern sollte.
Fraglich ist, wie die soeben dargestellten Grundsätze rechnerisch in einer Abrechnung
dargestellt werden können. Zur Feststellung des verteilbaren Gesellschaftsvermögens
bedarf es einer Vermögensaufstellung, aus der das vorhandene Gesellschaftsvermögen
im Verhältnis zu den Verbindlichkeiten und Rückstellungen der Gesellschaft ersichtlich
ist. Diese Vermögensaufstellung darf dabei keine förmliche Bilanz sein, die die Vermö-
gensgegenstände der Gesellschaft mit ihren geschätzten Verkehrswerten unter Aufdek-
kung stiller Reserven ansetzt. Stattdessen bietet es sich an, ein als reines Liquiditätskon-
to zu führendes Verrechnungskonto zu erstellen, das in Form einer kapitalkontenähnli-
chen Plus-Minus-Rechnung das vorhandene Gesellschaftsvermögen den Verbindlich-
keiten der Gesellschaft gegenüberstellt. Diese Aufstellung über das Vermögen der Ge-
sellschaft wird im Folgenden als Liquiditätskonto bezeichnet.
75
Anlagevermögens müssen also im Rahmen einer tatsächlichen Veräußerung in geldwer-
te Positionen umgewandelt werden.
Dabei kommt es weder auf die Rechtsnatur des Gegenstands an, noch darauf, wofür und
auf welche Weise diese Veräußerungserlöse erzielt werden. Insbesondere kommt es
nicht darauf an, ob der Gegenstand selbst oder sein Veräußerungserlös einem Bilanzie-
rungsverbot nach § 248 HGB unterläge: So wird beispielsweise auch der immaterielle
Geschäftswert (good will) zum Bestandteil des verteilbaren Gesellschaftsvermögens,
wenn und soweit für ihn ein Veräußerungserlös erzielt werden konnte.
Mit Eintritt des auflösenden Ereignisses haben die Gesellschafter sich einen Überblick
über die Vermögenslage der Gesellschaft zu verschaffen221. Hierzu müssen sie zunächst
alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber Dritten ermitteln. Anschließend ist zu
klären, welche dieser Gläubigerforderungen bestehen, fällig und unstreitig sind und
welche durch Einwendungen oder Einreden im Interesse der Gesellschaft beseitigt wer-
den können. Alle nach diesen Maßstäben in Geld zu befriedigenden unstreitigen und
fälligen Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber außenstehenden Dritten ein-
schließlich solcher Verbindlichkeiten, für die nach § 733 Abs. 1 Satz 2 BGB Zurückbe-
halte zu bilden sind, sind mit ihrem Nennwert ohne Abzüge auf der Sollseite des Liqui-
ditätskontos zu buchen. Im Gegensatz zu den Vermögensgegenständen, die erst im Au-
genblick ihrer Versilberung auf dem Liquiditätskonto erscheinen, sind sämtliche im
Auflösungszeitpunkt bekannten Abzugsposten sofort mit Auflösung in das Liquiditäts-
konto einzustellen.
221
E/B/J/S/Hillmann HGB § 155 Rn. 6.
222
Siehe hierzu bereits oben unter § 4, III., S. 27 ff.
76
tern bestehen (Drittverbindlichkeiten), nicht in das Liquiditätskonto als Abzugsposten
eingebucht werden. Diese sind, wie noch ausführlich darzustellen sein wird223, vielmehr
gesondert bei der Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens jedes einzelnen Ge-
sellschafters zu berücksichtigen.
Der Saldo aller Guthabens- und Abzugsposten auf dem Liquiditätskonto - im Folgenden
als Liquiditätssaldo bezeichnet - definiert die Summe des verteilbaren Gesellschafts-
vermögens.
Ist er positiv, so stellt er das Gesellschaftsvermögen dar, das für keinen anderen Zweck
im Rahmen der Abwicklung als zur Ausschüttung an die Gesellschafter mehr benötigt
wird. Es kann daher nach Maßgabe der jeweiligen Auseinandersetzungsguthaben, auf
deren Ermittlung sogleich einzugehen ist224, auf die Gesellschafter verteilt werden.
Ist der Saldo des Liquiditätskontos negativ, so bezeichnet er den von den Gesellschaf-
tern nach Maßgabe ihrer jeweiligen Verlustquoten zu tragenden Fehlbetrag (§ 735
BGB: „Reicht das Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung der Schulden der Gesell-
schaft nicht aus [...]“).
III. Die Fortschreibung des Liquiditätskontos nach dem Fortgang der Versilbe-
rung
Geht man nach dem Vorsichtsprinzip vor und berücksichtigt Verwertungserlöse des
Gesellschaftsvermögens nur, wenn und soweit sie tatsächlich auf den Gesellschafter-
konten eingegangen sind, so erhöht sich der Betrag des Kassenbestands bzw. Bankkon-
223
Siehe unten § 15, S. 97 ff.
224
Hierzu ausführlich unten § 16, S. 116 ff.
77
tos, mithin des verteilbaren Gesellschaftsvermögens, mit fortlaufender Versilberung. Im
Gegensatz dazu steht der Betrag der aus dem vorhandenen Vermögen zu befriedigenden
Verbindlichkeiten und Rückstellungen der Gesellschaft bereits im Augenblick der Auf-
lösung fest, da alle auch nur potentiell bestehenden Verbindlichkeiten in Form von
Rückstellungen zu berücksichtigen sind. Die Gesamtsumme der Abzugsposten verän-
dert sich nach Auflösung daher nur dann, wenn Verbindlichkeiten der Gesellschaft be-
friedigt worden und dementsprechend aus dem Liquiditätskonto zu streichen sind oder
wenn Verbindlichkeiten der Gesellschaft auftauchen, die den Gesellschaftern bislang
nicht bekannt waren und daher nicht, auch nicht in Form von Rückstellungen berück-
sichtigt werden konnten. Bei Befolgung dieser Grundsätze dürfte im Regelfall die Ge-
samtsumme der Guthabensposten des Liquiditätskontos im Augenblick der Auflösung
einen niedrigeren Summenbetrag aufweisen als den der Abzugspostenseite („hängendes
Konto“).
Beispiel:
Unter Berücksichtigung der soeben dargestellten Grundsätze stellt sich das Liquiditäts-
konto der Gesellschaft im Auflösungszeitpunkt wie folgt dar:
78
Liquiditätskonto zum Auflösungsstichtag225:
Unternehmenswert226 0
Sachwerte 0
Forderungen 0
Bankguthaben 2.000
Verbindlichkeiten fällig/unstreitig -90.000
Verbindlichkeiten nicht fällig/streitig -30.000
Liquiditätssaldo -118.000
Das Bankguthaben der Gesellschaft stellt zu jedem Zeitpunkt das nach Erledigung der
in §§ 732, 733 Abs. 1 BGB vorgegebenen Abwicklungsschritte verbleibende derzeit
vorhandene verteilbare, d.h. an Gläubiger und Gesellschafter ausschüttungsfähige Ge-
sellschaftsvermögen dar.
225
Selbstverständlich kann das Liquiditätskonto auch in der sog. „T-Konten“-Form einer Bilanz erstellt
werden, indem die Guthabensposten in einer linken und Abzugsposten in einer rechten Spalte aufge-
führt werden. Allein entscheidend ist, dass als Guthabensposten lediglich verteilbares Gesellschafts-
vermögen im hier definierten Sinne angesetzt werden darf. Zur besseren optischen Abgrenzung von
einer herkömmlichen Bilanz wurde vorliegend die Kontenform gewählt, bei der Guthabens- und Ab-
zugsposten untereinander aufgeführt werden.
226
Sachwerte, Unternehmenswert und Forderungen sind im Auflösungszeitpunkt noch nicht versilbert
worden und können daher lediglich mit einem Erinnerungswert von Null angesetzt werden. Der einzi-
ge positive Posten auf dem Liquiditätskonto kann nur der Posten „Bankguthaben“ sein.
79
3. Auflösung von Zurückbehalten und Streichung befriedigter Verbindlichkei-
ten
Wird eine Verbindlichkeit befriedigt, so ist sie im befriedigten Umfang aus dem Posten
„Verbindlichkeiten fällig/unstreitig“ zu streichen. Für die Gegenbuchung kommt es dar-
auf an, aus welcher Vermögensmasse die Leistung erfolgte: Wurde die Verbindlichkeit
aus dem verteilbaren Gesellschaftsvermögen, d.h. dem Bankguthaben der Gesellschaft
befriedigt, so ist der entsprechende Betrag aus dem Guthabensposten „Bankguthaben“
auf dem Liquiditätskonto zu streichen. Hat ein Gesellschafter die Verbindlichkeit aus
seinem Privatvermögen befriedigt, so bleibt der Betrag des Bankguthabens gleich und
der Gesellschafter bekommt in Höhe der geleisteten Zahlung eine Einlage auf seinem
Gesellschafterkonto zugeschrieben.
Beispiel:
Fall 5: Sachverhalt wie Fall 4. Im weiteren Verlauf werden die immateriellen Ver-
mögensgegenstände der Gesellschaft in Geld umgesetzt und die Honorar-
forderungen eingezogen. Hieraus werden Erlöse von insgesamt 190.000 er-
227
Das wurde deutlich in BGH NJW 1958, 299 f. Dort wurde der Gesellschaft durch einen Vergleich mit
ihren Gläubigern ein Teil ihrer Verbindlichkeiten erlassen, was sich buchmäßig in der Differenz zwi-
schen den Gesellschaftsverbindlichkeiten und dem ausgewiesenen Aktivvermögen als ein Liquidati-
onsbuchgewinn dargestellt hatte, der deshalb auch nach Maßgabe des Gewinnverteilungsschlüssels
auf die Gesellschafter umzulegen war.
80
zielt, was das bisherige Bankguthaben von 2.000 auf 192.000 erhöht. Zu-
gleich stellt sich heraus, dass von den nicht fälligen bzw. streitigen Verbind-
lichkeiten solche in Höhe von 10.000 tatsächlich bestehen, während die rest-
lichen Zurückbehalte sich als unbegründet erweisen.
228
Ausführlich geschrieben ergäbe sich folgendes Bild:
Unternehmenswert 0
Sachwerte 0
Forderungen 0
Bankguthaben 2.000
Erlöse aus Vermögensverwertung 190.000
Verbindlichkeiten fällig/unstreitig -90.000
Verbindlichkeiten nicht fällig/streitig -30.000
Verbindlichkeiten (berechtigt) -10.000
Liquiditätssaldo 92.000
229
Veränderungen gegenüber dem vorherigen Stand sind zur Verbesserung der Übersichtlichkeit kursiv
dargestellt.
81
4. Fortlaufende Saldierung
Die Passivseite ist im Zeitpunkt der Auflösung auf dem höchsten, die Aktivseite auf
dem niedrigsten Stand. Im Laufe der Versilberung bzw. Schuldenberichtigung gleichen
sich beide Seiten immer mehr an. Die einzelnen Abwicklungshandlungen sind gemäß
dem Fortgang der Liquidation auf dem Liquiditätskonto abzubilden. Dadurch verändert
sich der bei Auflösung bestehende Saldo des Liquiditätskontos mit Fortschreiten des
Liquidationsverfahrens. Jeder Zahlungseingang aus Vermögensverwertung sowie jede
Ausschüttung an Gläubiger und Gesellschafter erhöht bzw. vermindert die Guthabens-
bzw. Abzugspostenseite des Liquiditätskontos. Es ist daher kontinuierlich zu aktualisie-
ren und neu zu saldieren.
§ 13 Zusammenfassung
82
senbestand) bezeichnet die Summe des zu einem gegebenen Zeitpunkt vorhandenen,
verteilbaren Gesellschaftsvermögens. Demgegenüber ist die Abzugspostenseite des Li-
quiditätskontos nach dem Vorsichtsprinzip mit allen tatsächlich oder auch nur potentiell
bestehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu bebuchen, die im Zeitpunkt der Auf-
lösung bekannt sind.
Sind alle diese nicht zur Ausschüttung an die Gesellschafter vorgesehenen Beträge aus
dem Gesellschaftsvermögen ausgesondert worden, so ist klar, dass das verbleibende
Restvermögen, d.h. der Liquiditätssaldo, für andere Zwecke als für die Auszahlung an
die Gesellschafter nicht mehr benötigt wird. Es ist daher nach Maßgabe der jeweiligen
Auseinandersetzungsguthaben auf diese zu verteilen. Im Folgenden ist daher das Au-
genmerk auf die Berechnung der Auseinandersetzungsguthaben der Gesellschafter zu
richten.
§ 14 Das Gesellschafterkonto
230
Palandt/Sprau BGB § 730 Rn. 6 ff.
83
den, § 733 Abs. 1 BGB, der Einlagenrückzahlungsanspruch nach § 733 Abs. 2 BGB
sowie der Anspruch auf den anteiligen Überschuss, § 734 BGB, und dessen Gegen-
stück, die Nachschusspflicht nach § 735 BGB. Darüber hinaus müssen aber aufgrund
des Grundsatzes der einheitlichen Abrechnung auch alle übrigen zu Gunsten bzw. zu
Lasten des Gesellschafters bestehenden Posten darin aufgehen. Wie das Auseinander-
setzungsguthaben des Gesellschafters einer BGB-Gesellschaft, d.h. der Wert seiner
vermögensmäßigen Beteiligung an der Gesellschaft, zu ermitteln ist, lässt das BGB of-
fen. Aufschlussreich ist jedoch der Blick auf die Regelungen bei der OHG.
Für die OHG enthalten die §§ 120 ff. HGB detaillierte Regelungen über die Ermittlung
des Kapitalanteils. Danach gilt: Am Beginn der Berechnung des Kapitalanteils stehen
die vom Gesellschafter geleisteten Einlagen (§ 121 Abs. 2 BGB). Die Einlage wird da-
nach als veränderliche Größe verstanden, die sich zusammensetzt aus der Leistung, die
der Gesellschafter aus seinem Privatvermögen an die Gesellschaft erbracht hat, und aus
dem in den künftigen Rechnungsperioden für den Gesellschafter ermittelten, nicht ent-
nommenen Gewinn235. Sie vermindert sich um Entnahmen und ermittelte Verluste236.
Der einem Gesellschafter zukommende Gewinn wird seinem Kapitalanteil (Gesellschaf-
terkapitalkonto) zugeschrieben (§ 120 Abs. 1 HGB), der auf ihn entfallende Verlust
231
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 47 III 2. a), S. 1382 f.; Huber, Vermögensanteil, S. 228.
232
Dass das Gesetz den Begriff des Kapitalanteils nicht definiert (Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 120
Rn. 12), legt den Schluss nahe, dass das Gesetz diesen Begriff als bekannt voraussetzt.
233
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 47 III 2. a), S. 1383.
234
MünchHdb GesR I/Gummert § 13 Rn. 18.
235
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 47 III 2. c), S. 1384.
236
Huber ZGR 1988, 1, 4.
84
sowie das entnommene Geld davon abgeschrieben (§ 120 Abs. 2 HGB). Jede Auszah-
lung von Gesellschaftsvermögen, aber auch jede Verbindlichkeit, die ein Gesellschafter
für Rechnung der Gesellschaft befriedigt, wird dem Gesellschafter als Entnahme bzw.
Einlage auf sein Gesellschafterkonto gebucht. Alle Buchungen von Gewinn, Verlust,
Einlage und Entnahme erfolgen dabei auf einem einzigen, sog. einheitlichen Kapital-
konto, das für jeden einzelnen Gesellschafter aufgestellt und während der Dauer der
Gesellschaft buchhalterisch fortgeschrieben und saldiert wird237. Der Kapitalanteil ist
gleichbedeutend mit dem gegenwärtigen Saldo des einheitlichen Gesellschafterkapital-
kontos238. Konsequenz der Saldierung dieser Gesellschafterkapitalkonten ist, dass sich
der Gewinnanspruch jedes Gesellschafters stets nur nach Verrechnung mit sämtlichen
gewinnmindernden Gegenpositionen einschließlich bereits geflossener Ausschüttungen
und Entnahmen ermitteln und durchsetzen lässt.
II. Anwendbarkeit der §§ 120 bis 122 HGB auf die Gesellschaft bürgerlichen
Rechts
Innerhalb der Literatur ist umstritten, ob die Regeln der §§ 120 ff. HGB auf die Gesell-
schaft bürgerlichen Rechts entsprechend anzuwenden sind239. Das BGB orientiert sich
im Gegensatz zur OHG am Muster der kurzfristigen Zweckgesellschaft, die nur für ei-
nen begrenzten Zeitraum besteht und nach Zweckerreichung abgewickelt wird (§ 726
BGB). Bei dieser Gesellschaftsform kommt es nur im Zuge der Abwicklung zu einer
Ausschüttung von Gewinnanteilen (§ 721 Abs. 1 BGB)240. Aus diesem Grund findet sich
auch im BGB keine Regelung über den Rechnungsabschluss oder die Erstellung von
Gesellschafterkapitalkonten.
237
Hierzu eingehend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 47 III 2., S. 1382 ff.
238
Huber ZGR 1988, 1, 6.
239
Dafür MünchKomm HGB/K. Schmidt § 122 Rn. 10; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 58 V 2 a),
S. 1722; Huber ZGR 1988, 1, 6; Staudinger/Habermeier BGB (2003) § 721 Rn. 10 für unternehmens-
tragende Gesellschaften. Dagegen Soergel/Hadding/Kießling BGB § 721 Rn. 16 ff.; MünchHdb
GesR I/Gummert § 13 Rn. 23 f.
240
MünchKomm BGB/Ulmer/Schäfer Vorbem. zu § 705 Rn. 86 f.
85
Schulden zu verzeichnen, Bilanzen zu führen und die Aufwendungen und Erträge eines
Geschäftsjahres in einer Gewinn- und Verlustrechnung gegenüberzustellen (§ 242
HGB)241. Der Gesetzgeber hat zwar, wie die §§ 716, 721 BGB zeigen, die Führung von
Geschäftsbüchern auch bei der BGB-Gesellschaft vorausgesetzt242, hierfür reicht jedoch
grundsätzlich eine geordnete, verständliche Zusammenstellung der Einnahmen und
Ausgaben aus, ohne dass die für die Bilanzen der Handelsgesellschaften nach § 247
HGB vorgeschriebene Mindestgliederung zwingend einzuhalten wäre243.
Im Ergebnis erweist sich jedoch auch ohne ausdrückliche Anordnung im BGB die Auf-
stellung und Saldierung von Gesellschafterkapitalkonten für die Auseinandersetzung
nach Auflösung einer nachhaltig wirtschaftlich tätigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts
als unentbehrlich244. Die Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung, die als System
von Regeln und Konventionen die gesamte Rechnungslegung umfassen245 und insbe-
sondere die Gebote der Klarheit, Wahrheit und formellen Kontinuität einer Bilanz, das
Gebot der Einzelbewertung und das Vorsichtsprinzip beinhalten, bilden dabei auch für
die BGB-Gesellschaft eine geeignete Rechnungsgrundlage246. Dies gilt unabhängig da-
von, ob die Gesellschaft bereits vor ihrer Auflösung handelsrechtlichen Buchführungs-
pflichten der §§ 238 ff. HGB unterliegt, insbesondere ob eine doppelte Buchführung
stattzufinden hat247: Auch wenn eine nachhaltig nach außen wirtschaftlich tätige Gesell-
schaft bürgerlichen Rechts keine Kaufmannseigenschaft aufweist und auch nach steuer-
rechtlichen Vorschriften nicht buchführungspflichtig ist, kann sie nicht auf eine fortlau-
fende und geordnete Auszeichnung von Einnahmen und Ausgaben verzichten. Die Auf-
stellung von Kapitalkonten der Gesellschafter und deren buchhalterische Erfassung und
Fortschreibung dürfte zudem aufgrund der Komplexität der wechselseitig abzuwickeln-
den Vermögensverhältnisse das einfachste Mittel zur Berechnung aller in Frage kom-
241
MünchHdb GesR I/Gummert § 14 Rn. 9.
242
MünchKomm BGB/Schäfer § 713 Rn. 11.
243
MünchHdb GesR I/Gummert § 14 Rn. 10.
244
MünchHdb GesR I/Gummert § 13 Rn. 32.
245
E/B/J/S/Wiedmann HGB § 243 Rn. 1.
246
MünchKomm BGB/Schäfer § 721 Rn. 6; MünchHdb GesR I/Gummert § 14 Rn. 12.
247
Für Angehörige der freien Berufe gilt zwar die handelsrechtliche Buchführungspflicht des § 238 HGB
nicht, da sie keine Kaufleute sind. Auch die steuerliche Buchführungspflicht gemäß §§ 141 bis 148
AO gilt nur für bestimmte Steuerpflichtige, nicht jedoch für Freiberufler. Allerdings fallen diese in der
Regel schon als vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer unter die umsatzsteuerliche Aufzeichnungs-
pflicht gemäß § 22 UStG (Meilicke/Graf von Westphalen/Hoffmann PartGG § 10 Rn. 36).
86
menden Ansprüche und Verbindlichkeiten bei Auseinandersetzung einer wirtschaftlich
tätigen Gesellschaft darstellen248:
III. Erstellung und Saldierung der Gesellschafterkonten zum Zwecke der Ab-
wicklung
Bei der OHG spricht man von Gesellschafterkapitalkonten, da hier in der Regel ein
Festkapital der Gesellschaft vereinbart wird249. Dies ist bei der Gesellschaft bürgerlichen
Rechts üblicherweise nicht der Fall; der Begriff des Gesellschafterkapitalkontos ist da-
her für die BGB-Gesellschaft irreführend. Im Folgenden soll daher von Gesellschafter-
konten gesprochen werden. Sachliche Unterschiede ergeben sich aber hieraus nicht. Mit
Auflösung der Gesellschaft gehen die sich aus §§ 733 bis 735 BGB ergebenden Einzel-
ansprüche als Rechnungsposten in die Gesellschafterkonten ein und bilden die Grundla-
ge für die Verteilung des Gesellschaftsvermögens unter den Gesellschaftern250.
248
Ähnlich MünchKomm HGB/K. Schmidt § 149 Rn. 29, der im Zusammenhang mit der Einforderung
von Nachschüssen für den Innenausgleich unter den Gesellschaftern feststellt, dass auch bei der Ge-
sellschaft bürgerlichen Rechts dem § 735 BGB das Konzept der Saldierung zugrunde liegt.
249
Einzelheiten hierzu bei Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 120 Rn. 18 ff.
250
MünchKomm HGB/K. Schmidt § 149 Rn. 29.
87
Selbst wenn während der werbenden Phase der Gesellschaft keine Gesellschafterkonten
geführt worden sein sollten, so bleibt den Gesellschaftern spätestens mit Auflösung der
Gesellschaft die Einrichtung von und die Buchung in Gesellschafterkonten nicht er-
spart: Die steuerlichen Vorschriften des § 16 Abs. 2 EStG verlangen für den Fall der
Abwicklung die Aufstellung einer Bilanz zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns,
hier in der Form des Aufgabegewinns251. Wenn also während der Dauer der Gesellschaft
Gesellschafterkonten nicht gebildet und bebucht worden sind, so ist das schon aus steu-
erlichen Gründen grundsätzlich im Zuge der Auseinandersetzung nachzuholen. Dabei
sind alle Vermögensbewegungen, die seit Beitritt des einzelnen Gesellschafters zur Ge-
sellschaft zu seinen Gunsten oder Lasten erfolgt sind, auf seinem jeweiligen Gesell-
schafterkonto abzubilden. Rechnungsperiode ist somit die gesamte Dauer seiner Mit-
gliedschaft in der Gesellschaft; es sind alle jemals getätigten Vermögensverschiebungen
seit Beitritt des jeweiligen Gesellschafters zur Gesellschaft nachzuvollziehen252. Die
Gesellschafterkonten zeichnen damit die gesamte Dauer der Mitgliedschaft des Gesell-
schafters ab. War der Gesellschafter Gründungsmitglied, so spiegeln sie zugleich die
gesamte Lebensdauer der Gesellschaft wider. Sie sind also nicht nur auf das letzte Ge-
schäfts- oder Wirtschaftsjahr vor Auflösung bezogen.
Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 733 Abs. 2 Satz 2 BGB: Danach ist für
Einlagen, die nicht in Geld bestanden haben, der Wert zu ersetzen, den sie im Zeitpunkt
der Einbringung gehabt haben. Der Zeitpunkt der Einlagenerbringung ist damit der An-
fangspunkt für die im Gesellschafterkonto des einbringenden Gesellschafters abzubil-
dende Vermögensentwicklung; jede Entnahme von Gesellschaftsvermögen, jede Ge-
winn- und Verlustzuweisung, die zu Gunsten oder zu Lasten des Gesellschafters über
die Zeit seiner Mitgliedschaft in der Gesellschaft erfolgt, wirkt sich damit durch Ver-
rechnung auf den Wert der ihm bei Auflösung zurückzuerstattenden Einlage aus.
251
§ 16 Abs. 3 EStG: Als Veräußerung gilt auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs sowie eines Anteils
im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3. § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG: Der Wert des Betriebsver-
mögens oder des Anteils ist für den Zeitpunkt der Veräußerung nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 EStG zu
ermitteln.
252
Dabei kann selbstverständlich auf die für zurückliegende Geschäftsjahre erstellten Jahresabschlüsse
und die darin festgelegten Salden der Gesellschafterkonten zurückgegriffen und diese fortgeschrieben
werden. Der Einwand, die Vorjahressalden seien unzutreffend, muss dem Betroffenen dabei allerdings
offen stehen.
88
2. Das einheitliche Gesellschafterkonto
Die gesetzliche Regelung des § 120 Abs. 2 HGB, wonach ein einheitliches Konto zu
führen ist, wird in der Praxis häufig durch eine Unterteilung der Konten ersetzt: Üblich
ist aus Gründen der Übersichtlichkeit eine Unterteilung in ein festes Konto für die Ein-
lage, ein variables Konto für Gewinne, Verluste und Entnahmen sowie ein Privatkonto,
auf dem Drittgläubigerforderungen und -verbindlichkeiten des Gesellschafters ausge-
wiesen werden253.
Die Unterteilung in feste und variable Konten sowie Privatkonten hat mit Eintritt der
Auflösung der Gesellschaft keine Bedeutung mehr. Das Gesetz unterscheidet nicht zwi-
schen einzelnen Buchungsvorgängen wie Einzahlungen in die Gesellschaftskasse, Zu-
schreibungen durch Gewinne, Abschreibungen durch Verluste oder Verminderungen
des Kontostandes durch Auszahlungen oder Entnahmen, alles wird aus bzw. in die Ge-
sellschaftskasse gezahlt, es gibt keine wesensmäßige innere Trennung der Gesell-
schaftskasse254. Es bleibt der Gesellschaft zwar unbenommen, das Gesellschafterkonto
aus Gründen der Übersichtlichkeit in Unterkonten aufzuteilen und Salden für feste Ein-
lagen (vergleichbar dem festen Kapitalkonto der OHG), variable Einlagen (vergleichbar
dem variablen Kapitalkonto der OHG) und daneben noch ein gesondertes Privatkonto
als Verrechnungskonto zu führen; an der Einheitlichkeit des Gesellschafterkontos ändert
das nichts255. Daher können mehrere Gesellschafterkonten für jeden einzelnen Gesell-
schafter immer nur Unterkonten eines einheitlichen Gesellschafterkontos sein, die ledig-
lich getrennt dargestellt werden256. Im Ergebnis müssen daher alle Einzelsalden der ver-
schiedenen Konten zu einem Gesamtsaldo des einheitlichen Gesellschafterkontos ad-
diert bzw. verrechnet werden, um den Saldo des einheitlichen Gesellschafterkontos dar-
zustellen257. Es genügt somit, für jeden Gesellschafter ein einziges Gesellschafterkonto
zu erstellen, in dem in Form einer einfachen Plus-Minus-Berechnung alle Guthabens-
253
Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 120 Rn. 19 f.; MünchHdb GesR I/Gummert § 13 Rn. 25 sowie Rn. 32
ff. Daneben gibt es Drei- oder Vierteilungen der Konten (z.B. Rücklagenkonten, Steuerkonten etc.).
Hierzu ausführlich Huber ZGR 1988, 1, 72 ff.
254
Schopp BB 1987, 581, 583.
255
Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 120 Rn. 19.
256
Schopp BB 1987, 581, 584.
257
Huber ZGR 1988, 1, 62; E/B/J/S/Hillmann HGB § 155 Rn. 14.
89
bzw. Abzugsposten258 des Gesellschafters zum Stichtag der Auflösung aufgelistet und
gegeneinander verrechnet werden.
258
Anstelle des aus dem Bilanzrecht geläufigen Begriff „Aktivposten“ oder „Aktiva“ soll hier der Begriff
Guthabensposten verwendet werden, um klarzustellen, dass der dem Gesellschafter zustehende Saldo
gerade nicht mit Hilfe einer Auseinandersetzungsbilanz ermittelt wird. Aus denselben Gründen wird
anstelle des bilanzrechtlichen Begriffs „Passivposten“ oder „Passiva“ der Begriff Abzugsposten ver-
wendet.
259
Ähnlich Hadding/Häuser WM 1988 1585, 1591.
260
Blaurock NJW 1971, 2206, 2209; Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 355 Rn. 7.
261
Canaris DB 1972, 421 ff., 469 ff. mit umfangreichen Nachweisen zur Gegenmeinung.
262
Blaurock NJW 1971, 2206, 2207.
263
Blaurock NJW 1971, 2206, 2208.
90
Diese Grundsätze können auf das Gesellschafterkonto übertragen werden264. Auch hier
erfolgt die Verrechnung automatisch ipso iure in dem Zeitpunkt, in dem sich die einzel-
nen Posten als verrechenbar gegenüberstehen, und zwar unabhängig davon, ob die Ge-
sellschafter die Verrechnung korrekt in der Buchführung der Gesellschaft nachvollzie-
hen und ob eine förmliche Anerkennung einzelner Verrechnungsposten oder des
Schlusssaldos durch die Gesellschafter erfolgt. Ein solches Anerkenntnis entfaltet auch
hier nur prozessuale Wirkungen. Die Pflicht zur Verrechnung ergibt sich dabei schon
aus dem Prinzip des § 242 BGB (dolo agit-Einwand) bzw. der Saldierung als Grund-
prinzip des Gesellschaftsverhältnisses. Mit Verrechnung entsteht durch Novation eine
neue Saldoforderung, die alle darin aufgehenden Einzelforderungen und -
verbindlichkeiten ersetzt. Jede Partei kann daher dem Verlangen der anderen nach Be-
friedigung einer Einzelforderung stets den Einwand der Saldierung entgegenhalten, so
dass sich ein verbleibender Anspruch stets nur auf den Saldo richtet.
Zum Teil wird vertreten, ein positiver Gesellschafterkontensaldo stelle während des
Bestehens der Gesellschaft keine Forderung gegen die Gesellschaft dar265, da ein Gesell-
schafter vor Auflösung der Gesellschaft nicht berechtigt sei, die Rückzahlung seiner
Einlage zu verlangen. Ebenso stelle ein negativer Saldo vor Auflösung der Gesellschaft
keine (fällige) Verbindlichkeit der Gesellschaft dar, da der Gesellschafter wegen § 707
BGB nicht zu Nachschüssen in das Gesellschaftsvermögen verpflichtet sei266.
Nach Übernahme des Haftungsregimes des § 128 HGB analog für die Gesellschaft bür-
gerlichen Rechts stellt sich die Frage, ob die Regelung des § 707 BGB für die Gesell-
schaft bürgerlichen Rechts überhaupt noch einen Anwendungsbereich entfaltet oder ob
sie nicht vielmehr obsolet geworden ist. Jedenfalls mit Auflösung der Gesellschaft fal-
264
Selbstverständlich sind die Vorschriften über das Kontokorrent, §§ 355 ff. HGB, nicht unmittelbar auf
das Verhältnis der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu ihren Gesellschaftern anwendbar, da es schon
an der Kaufmannseigenschaft der Gesellschaft bürgerlichen Rechts fehlt. Auch eine analoge Anwen-
dung ist nicht erforderlich. Vielmehr genügt es, die Erstellung und Saldierung der Gesellschafterkapi-
talkonten nach dem Prinzip des Kontokorrents vorzunehmen.
265
BGHZ 68, 225, 227 = NJW 1977, 1339.
266
E/B/J/S/Ehricke HGB § 120 Rn. 72; MünchKomm BGB/Schäfer § 707 Rn 5.
91
len diese Beschränkungen weg. Ein positiver bzw. negativer Saldo des Gesellschafter-
kontos wird zu einer Forderung der Gesellschaft bzw. des Gesellschafters. § 707 BGB
gilt nicht mehr, der Gesellschafter hat statt dessen gemäß § 733 Abs. 2 BGB Anspruch
auf Rückerstattung seiner Einlage bzw. ist nach § 735 BGB mit seinem Privatvermögen
für Verluste haftbar. Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass die auf einer Lei-
stung des Gesellschafters an die Gesellschaft beruhenden Ansprüche und Verbindlich-
keiten sich nicht aus einer Auseinandersetzungsbilanz ergeben, sondern aus den für je-
den Gesellschafter nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung geführten
einheitlichen Gesellschafterkonten. Diese sind in einer nachhaltig am Wirtschaftsleben
teilnehmenden Gesellschaft zwingend zu führen und stellen sowohl während der wer-
benden Phase der Gesellschaft als auch nach deren Auflösung nicht nur die praktikabel-
ste, sondern die einzige Möglichkeit dar, alle Einlagen, Entnahmen, Gewinne und Ver-
luste sowie sonstige Ansprüche und Verbindlichkeiten zwischen Gesellschaft und Ge-
sellschafter in einer einheitlichen Abrechnung abzubilden und durch Verrechnung nach
Vorbild des kaufmännischen Kontokorrents (§ 355 HGB) in einem einzigen Zahlungs-
posten zusammenzufassen. Erst durch die Verrechnung in den Gesellschafterkonten
kann der Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben überhaupt ermittelt, d.h. sei-
ner Höhe und Zahlungsrichtung nach inhaltlich bestimmt und so umständliche Hin- und
Herzahlungen vermieden werden. Daraus können folgende Schlussfolgerungen gezogen
werden:
IV. Folgerungen
Ruft man sich in Erinnerung, dass nach herrschender Meinung die Auflösung der Ge-
sellschaft, abgesehen von einer Zweckänderung, keine Auswirkung auf die innere und
äußere Verfassung der Gesellschaft hat267, so wirft die Forderung nach einer Saldierung
aller im Zuge der Auseinandersetzung zu berücksichtigenden geldwerten Ansprüche des
Gesellschafters die Frage auf, ob das, was die Rechtsprechung unter Berufung auf den
Grundsatz der Durchsetzungssperre explizit nur für die Phase der Auseinandersetzung
267
Siehe hierzu bereits oben § 3, S. 22 ff.
92
der Gesellschaft nach Auflösung fordert, nicht in Wirklichkeit ein Grundprinzip des
Verhältnisses der Gesellschafter untereinander und zur Gesellschaft darstellt.
Auch wenn § 705 BGB die Verpflichtung zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes
als Grundlage jeder Gesellschaft bürgerlichen Rechts an die Spitze der Regelungen zur
Personengesellschaft stellt, geschieht der Beitritt zur und die Mitwirkung an einer Ge-
sellschaft grundsätzlich im Eigeninteresse des Gesellschafters. Das Einzelinteresse des
Gesellschafters wird insbesondere durch seinen Anspruch auf Gewinnausschüttung
(§ 721 BGB) verkörpert269.
Das BGB enthält keine abschließende Regelung über die Ermittlung und Feststellung
des auszuschüttenden Gewinnanteils. Bei der länger dauernden Gesellschaft bürgerli-
chen Rechts erfolgen Rechnungsabschluss und Gewinnverteilung zum Schluss eines
jeden Geschäftsjahres (§ 721 Abs. 2 BGB). Mangels entgegenstehender vertraglicher
Regelungen ist jeder Gesellschafter nach herrschender Meinung berechtigt, den auf ihn
entfallenden Gewinnanteil zu entnehmen270. Allerdings muss dazu der Gewinn zunächst
einmal ermittelt werden.
268
Sog. Grundsatz der Durchsetzungssperre, dazu ausführlich unten § 21, III., S. 186 ff.
269
Dem entspricht für die aufgelöste Gesellschaft die Regelung des § 734 BGB.
270
Palandt/Sprau BGB § 721 Rn. 4.
93
Einnahmen im Sinne des § 259 BGB271. Der Anspruch der Gesellschafter auf Rech-
nungsabschluss nach § 721 BGB schließt daher stets einen Anspruch auf Rechnungsle-
gung ein, da ein Gewinn grundsätzlich erst nach Feststellung des Rechnungsabschlusses
verteilbar ist272. In unternehmenstragenden Gesellschaften werden darüber hinaus schon
aus steuerlichen Gründen regelmäßig Jahresbilanzen aufgestellt und beschlossen273.
Bei Dauergesellschaften im Sinne des § 721 Abs. 2 BGB ist die Feststellung des Rech-
nungsabschlusses grds. eine Angelegenheit der laufenden Verwaltung274. Die Gewinn-
ausschüttung verlangt daher auch zu Lebzeiten der Gesellschaft grundsätzlich eine sub-
stantiierte Darstellung eines positiven Saldos aus Einnahmen und Ausgaben der Gesell-
schaft einerseits sowie aus Einlagen, bereits erhaltenen Gewinnanteilen und Entnahmen
des Gesellschafters andererseits. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts von längerer
Dauer, die als solche nach außen tätig wird, sich damit als eigene Rechtspersönlichkeit
konstituiert und gegenüber Dritten wie gegenüber ihren eigenen Gesellschaftern als sol-
che auftritt, kann auf die Führung von Gesellschafterkonten nicht verzichten. Im Rah-
men ihrer über mehrere Jahre hinweg andauernden geschäftlichen Tätigkeit sind in der
Regel derart vielfältige und zahlreiche Ansprüche und Verbindlichkeiten auch im Ver-
hältnis zu den Gesellschaftern entstanden, dass deren buchhalterische Umsetzung in
Gesellschafterkonten nicht nur die praktisch einfachste, sondern die einzig praktikable
Möglichkeit ist, um alle wechselseitigen Ansprüche zwischen der Gesellschaft sowie
den Gesellschaftern zu erfassen und darzustellen.
Die Erkenntnis, dass die Erstellung und Saldierung von Gesellschafterkapitalkonten zur
Feststellung und Regelung des Rechtsverhältnisses der Gesellschafter untereinander und
zur Gesellschaft, sowohl in der werbenden wie in der aufgelösten Gesellschaft, uner-
lässlich ist, legt die Schlussfolgerung nahe, dass das Prinzip der fortlaufenden Saldie-
271
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 721 Rn. 4.
272
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 721 Rn. 3.
273
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 721 Rn. 4; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 59 III 4. b), S. 1751.
274
BGHZ 170, 283, 289 f. = NJW 2007, 1685 zur KG; MünchKomm BGB/Schäfer § 721 Rn. 9; anderer
Ansicht noch BGHZ 132, 263, 268 = NJW 1996, 1678 zur KG.
94
rung aller Ansprüche und Verbindlichkeiten ein dem Gesellschaftsverhältnis als wirt-
schaftlich geprägtem Dauerschuldverhältnis wesenstypisch immanentes Grundprinzip
ist275: Es ist bereits in der Ermittlung des Gewinns und der Gewinnanteile der Gesell-
schafter zwingend angelegt und setzt sich nach Auflösung der Gesellschaft zur Ermitt-
lung des Auseinandersetzungsguthabens der einzelnen Gesellschafter unverändert fort.
Daher sind auch alle Überlegungen überflüssig, die ein Verbot von Hin- und Herzah-
lung in Erfüllung solcher Einzelansprüche aus dem dolo agit-Grundsatz des § 242 BGB,
der mitgliedschaftlichen Treuepflicht oder schlicht aus Praktikabilitätsüberlegungen
ableiten und die Geltendmachung von Einzelansprüchen durch den Gesellschafter einer
prozessualen Durchsetzungssperre unterwerfen wollen. Alle Ansprüche und Verbind-
lichkeiten, die während der Lebenszeit der Gesellschaft entstanden sind, münden zwin-
gend in ein einheitliches Verrechnungssystem, das allein die Grundlage für die im Ver-
hältnis Gesellschafter zur Gesellschaft bestehenden Ansprüche bildet. Zahlungsansprü-
che außerhalb des Anspruches auf den Saldo des Gesellschafterkapitalkontos werden
275
Ich konnte trotz intensiver Recherche keinen Nachweis dafür ausfindig machen, dass diese These in
dieser Form bereits in Rechtsprechung oder Literatur vertreten worden ist. Daher gehe ich davon aus,
dass hierfür, soweit ersichtlich, keine zitierfähige Fundstelle existiert.
276
Ähnlich Hadding/Häuser WM 1988, 1585, 1591.
95
durch die Saldierung des Kapitalkontos noviert277 und gehen damit als eigenständig
durchsetzbare Ansprüche unter. Jeder Gesellschafter ist zur Geltendmachung von Ein-
zelansprüchen gegen die Gesellschaft von vornherein nur in Gestalt und bis zur Höhe
eines positiven Saldos seines Gesellschafterkontos befugt. Einer darüber hinausgehen-
den Erschwerung der prozessualen Geltendmachung der Ansprüche des Gesellschafters
ist weder erforderlich noch gerechtfertigt. Im Ergebnis reduziert sich damit sowohl die
Gewinn- als auch Verlustverteilung in der werbenden Gesellschaft als auch die Vermö-
gensverteilung unter den Gesellschaftern nach Auflösung der Gesellschaft auf den Aus-
gleich der Gesellschafterkapitalkonten.
Sind damit die Gesellschafterkonten als Medium zur Ermittlung des Auseinanderset-
zungsguthabens identifiziert worden, so stellt sich die Frage, welche Posten in das Ge-
sellschafterkonto einzubuchen sind. Dies sind grundsätzlich alle geldwerten Ansprüche
und Verbindlichkeiten des Gesellschafters, die dem Gesellschaftsverhältnis entstammen
und durch Verrechnung einander gegenüber gestellt werden können.
277
Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 355 Rn. 7.
96
§ 15 Im Einzelnen: Die in das Gesellschafterkonto einzubuchenden Positionen
(§ 733 Abs. 1, 2 BGB)
Die herrschende Meinung278 unterteilt die Schulden der Gesellschaft gegenüber dem
Gesellschafter (§ 733 Abs. 1 Satz 1 BGB) systematisch in Schulden aus Sozialverbind-
lichkeiten, d.h. Verbindlichkeiten, die ihren Rechtsgrund im Gesellschaftsverhältnis
haben (z.B. Ansprüche auf Gewinnausschüttung, Aufwendungsersatz, Geschäftsführer-
vergütung), und Schulden aus Drittverhältnissen, d.h. vom Gesellschaftsverhältnis un-
abhängige Rechtsgeschäfte, die in derselben Form auch zwischen der Gesellschaft und
einem beliebigen Außenstehenden hätten geschlossen werden können (im Folgenden als
Drittrechtsverhältnisse bezeichnet). Nicht zu den gemeinschaftlichen Schulden gehören
hingegen Ansprüche zwischen einzelnen Gesellschaftern, selbst wenn sie ihren Rechts-
grund im Gesellschaftsvertrag haben279.
278
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 733 Rn. 5 f.; Palandt/Sprau BGB § 733 Rn. 3 f.
279
MünchKomm BGB/Schäfer § 733 Rn. 8.
280
BGH NJW-RR 2006, 1268, 1270 (Rn. 18); BGH NZG 2008, 68, 69 (Rn. 14).
97
des Überschusses zu befriedigen. Sie unterfallen nicht dem Grundsatz der Durchset-
zungssperre281.
Diese vorrangige Behandlung findet ihre Berechtigung nach herrschender Meinung dar-
in, dass Drittgläubigeransprüche Rechtsgeschäften entstammen, die vom Gesellschafts-
verhältnis zu unterscheiden seien und daher keinen gesellschaftsrechtlichen Beschrän-
kungen in Bezug auf ihre Geltendmachung unterworfen werden sollen282. Der Gesell-
schafter, der eine Forderung aus einem Drittgläubigerrechtsgeschäft geltend macht, sei
zwar nach wie vor Gesellschafter, trete der Gesellschaft aber nicht in dieser Eigenschaft,
sondern wie ein außenstehender Gläubiger gegenüber283. Der Drittgläubigergesellschaf-
ter dürfe daher nicht schlechter stehen als ein beliebiger Dritter und könne daher unge-
achtet des Fortgangs der Auseinandersetzung im Übrigen von seiner Gläubigerstellung
aus § 128 HGB analog Gebrauch machen284. Allenfalls könne sich eine Einschränkung
aufgrund der mitgliedschaftlichen Treuepflicht dahingehend ergeben, dass der Gesell-
schafter gehalten sei, zunächst Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen zu suchen
und dürfe seine Mitgesellschafter lediglich subsidiär nach § 128 HGB analog in An-
spruch nehmen, wenn eine Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen nicht gelin-
ge285.
Strittig sind dabei jedoch die Höhe, in der die Drittgläubigerforderung geltend gemacht
werden kann, sowie der Haftungsumfang des einzelnen Gesellschafters für die Dritt-
gläubigerforderung seines Mitgesellschafters. Nach einer Ansicht soll der Drittgläubi-
gergesellschafter einen Anspruch auf die volle Forderung ohne Abzug eines seiner Ver-
lustbeteiligung entsprechenden Anteils haben, da die durch die Tilgung bewirkte Ver-
minderung des Gesellschaftsvermögens auch ihn in Höhe seiner Quote treffe286. Nach
anderer Ansicht muss sich der Drittgläubigergesellschafter bei Geldforderungen in je-
dem Fall seinen eigenen Verlustanteil anrechnen lassen287, da er ebenso wie seine Mit-
gesellschafter Gesamtschuldner ist und daher als solcher über den Innenausgleich nach
281
Zum Grundsatz der Durchsetzungssperre ausführlich unten unter § 21, III., S. 186 ff.
282
BGH NZG 2008, 68, 69 (Rn. 14).
283
Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht, § 16 Rn. 39.
284
Prediger BB 1971, 245, 246.
285
BGH NJW 1980, 339, 340; MünchKomm HGB/K. Schmidt § 128 Rn. 12; Hüffer/Koch, Gesell-
schaftsrecht, § 16 Rn. 39.
286
Palandt/Sprau BGB § 733 Rn. 3.
287
Walter JZ 1983, 260, 260.
98
§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB anteilig in Höhe seines Verlustanteils288 für seine eigene For-
derung haftet289.
Im Gegensatz dazu kann jeder Gesellschafter nach allgemeiner Ansicht die Berichti-
gung von Schulden aus Sozialverpflichtungen nur im Rahmen der Auseinanderset-
zung292 verlangen. Ihre selbständige Durchsetzung gegen Gesellschaft und Mitgesell-
schafter ist grds. ausgeschlossen293, sie werden zu unselbständigen Rechnungsposten der
Auseinandersetzungsabrechnung. Zu den Sozialverpflichtungen der Gesellschaft gehö-
ren insbesondere Regressforderungen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft, wenn
er eine Verbindlichkeit der Gesellschaft aus eigenen Mitteln befriedigt294.
Die Rechtsgrundlage für den Regressanspruch des leistenden Gesellschafters gegen die
Gesellschaft ist umstritten. Eine Ansicht will sich auf § 426 BGB stützen295, andere wei-
sen darauf hin, dass zwischen Gesellschaft und haftendem Gesellschafter kein Gesamt-
schuldverhältnis bestehe296, wollen aber gleichwohl im Einzelfall prüfen, ob der Rechts-
288
Insoweit ist im Sinne des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB „etwas anderes bestimmt“.
289
Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht, § 16 Rn. 39.
290
Walter JuS 1982, 85; Walter JZ 1983, 260, 261.
291
Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 128 Rn. 24; Koller/Roth/Morck/Koller HGB §§ 128, 129 Rn. 2; Ulmer
ZIP 2003, 1113, 1120.
292
Palandt/Sprau BGB § 733 Rn. 4.
293
Allgemeine Meinung, vgl. nur MünchKomm BGB/Schäfer § 733 Rn. 7; Palandt/Sprau BGB § 733
Rn. 4.
294
Erman/Westermann BGB § 705 Rn. 54.
295
So z.B. BGH WM 1988, 446 ff.
296
Hadding, FS Stimpel 1985, S. 150 ff.; Hadding, FS Fleck 1988, S. 75.
99
gedanke der Gesamtschuldregeln anwendbar ist297. Dies sei der Fall, wenn dies unter
Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen der Beteiligten im Einzelfall ange-
messen sei298; die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als originär Verpflichtete hafte dabei
grundsätzlich wie ein Gesamtschuldner299. Nach einer dritten Ansicht ist die Leistung an
den Gläubiger eine Aufwendung, die die Gesellschaft nach §§ 713, 670 BGB zu erstat-
ten hat, soweit der Gesellschafter diese Aufwendung für erforderlich halten durfte300.
Dies soll unabhängig davon gelten, ob der Gesellschafter zu den geschäftsführenden
Gesellschaftern (§ 710 BGB) gehört, da die Leistung auf eine Verbindlichkeit in der
Sache Geschäftsführungsmaßnahme sei und daher § 713 BGB entsprechend gelte301.
Umstritten ist ferner, ob der Gesellschafter daneben einen Anspruch aus qua cessio legis
übergegangenem Recht des Gläubigers gegen die Gesellschaft geltend machen kann302,
was insbesondere dann von Bedeutung ist, wenn die Forderung des Gläubigers tituliert,
bevorrechtigt oder gesichert ist (§§ 412, 401 BGB). Dies wird z.T. mit einer analogen
Anwendung des § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB begründet303. Nach anderer Ansicht haften die
Gesellschafter im Verhältnis zur Gesellschaft nur akzessorisch, ähnlich dem Verhältnis
von Bürgen und Hauptschuldner. Aufgrund dieser Ähnlichkeit soll sich der Forderungs-
übergang auf den Gesellschafter nach § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB analog richten304. Här-
ten, die sich aus der cessio legis insoweit ergeben als der zahlende Gesellschafter nun
im Verhältnis zu anderen Gesellschaftsgläubigern, denen er eigentlich nach § 128 HGB
analog für die Forderungen der Gesellschaft mit seinem Privatvermögen einstehen müs-
ste, Vorrang im Insolvenzverfahren der Gesellschaft genießt, sollen dadurch ausgegli-
chen werden, dass ihm eine Berufung auf dieses Rangvorrecht versagt wird, solange
nicht alle Altgläubiger, denen er persönlich haftet, befriedigt worden sind305.
297
Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 128 Rn. 19.
298
Palandt/Sprau BGB § 714 Rn. 15.
299
Palandt/Sprau BGB § 714 Rn. 15.
300
Hadding/Häuser WM 1988, 1585, 1585.
301
Hadding/Häuser WM 1988, 1585, 1587.
302
Dafür K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 49 V 1., S. 1436; Kubis, Regress, S. 107 ff.; Kol-
ler/Roth/Morck/Koller HGB §§ 128, 129 Rn. 9; Wiedemann, WM-Beilage 7/1992, S. 36; dagegen
Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 128 Rn. 25.
303
Flume, BGB AT, § 16 II 2. c), S. 295 ff.
304
Koller/Roth/Morck/Koller HGB §§ 128, 129 Rn. 9; Wiedemann, WM-Beilage 7/1992, S. 36; K.
Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 49 V 1., S. 1436.
305
Preuß ZHR 160 (1996), 1643, 175 f.
100
ii. Regressansprüche gegen die Mitgesellschafter
Während des Bestehens der Gesellschaft kann sich ein Gesellschafter zur Befriedigung
seiner Sozialansprüche bei Vermögenslosigkeit der Gesellschaft nach ganz herrschender
Meinung306 nicht nach § 128 HGB analog an seine Mitgesellschafter halten, da die Ge-
sellschafter andernfalls entgegen § 707 BGB zu Nachschüssen in das Gesellschaftsver-
mögen gezwungen wären. Eine Ausnahme gilt aber dann, wenn ein Gesellschafter für
Ansprüche eines außenstehenden Gläubigers gegen die Gesellschaft nach § 128 HGB
analog in Anspruch genommen worden ist307. Die Gesellschafter können sich nach herr-
schender Meinung gegenüber einem Regressanspruch eines Mitgesellschafters, der eine
Gesellschaftsschuld gegenüber einem Gläubiger der Gesellschaft aus seinem Privatver-
mögen beglichen hat, nicht auf § 707 BGB berufen, wenn der Regressberechtigte Aus-
gleich bei seinen Mitgesellschaftern nimmt, nachdem er von der Gesellschaft keine Be-
friedigung erlangen konnte308. Die Ausgleichspflicht der Mitgesellschafter gründet hier
auf der auch sie treffenden Haftung nach § 128 HGB selbst und verteilt nur deren Fol-
gen, bedeutet also nicht Nachschusszwang im Widerspruch zu § 707 BGB309. Statt des-
sen steht dem leistenden Gesellschafter ein gesamtschuldnerischer Rückgriffsanspruch
nach § 426 Abs. 1 BGB gegen seine Mitgesellschafter zu310, wobei deren Inanspruch-
nahme auch hier wiederum nur subsidiär für den Fall möglich ist, dass eine Befriedi-
gung aus dem Gesellschaftsvermögen keinen Erfolg hat311. Der einzelne Mitgesellschaf-
ter haftet dem Regressberechtigten pro rata nach Maßgabe seiner Verlustquote312.
Umstritten ist auch hier, ob der Regressberechtigte zusätzlich aus qua cessio legis über-
gegangenem Recht des Gläubigers gegen seine Mitgesellschafter vorgehen kann. Hierzu
wird vertreten, dass infolge der Befriedigung des Gläubigers durch den Regressberech-
tigten die Forderung des Gläubigers gegen die Gesellschaft aufgrund der anzunehmen-
den Tilgungsabrede (§ 362 Abs. 1 BGB) erlösche313, so dass auch für eine Aufrechter-
306
BGHZ 37, 299, 301 f.; Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 128 Rn. 22; Koller/Roth/Morck/Koller HGB
§§ 128, 129 Rn. 2; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 49 I 2. b), S. 1412; Prediger BB 1971, 245, 246.
307
E/B/J/S/Hillmann HGB § 128 Rn. 12; MünchKomm BGB/Schäfer § 707 Rn. 5.
308
BGHZ 37, 299, 302 = NJW 1962, 1863; Bamberger/Roth/Schöne BGB § 707 Rn. 2.
309
Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 128 Rn. 27.
310
Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht, § 16 Rn. 41.
311
BGHZ 37, 299, 302 f. = NJW 1962, 1863; BGHZ 103, 72, 76 = NJW 1988, 1375.
312
E/B/J/S/Hillmann HGB § 128 Rn. 32; Koller/Roth/Morck/Koller HGB § 128 Rn. 10.
313
Hadding/Häuser WM 1988, 1585, 1590 f.
101
haltung der zur Hauptforderung akzessorischen Gesellschafterhaftung nach § 128 HGB
analog kein Raum mehr sei: Nach Leistung des Regressberechtigten an den Gläubiger
komme ein Rückgriff gegen die Mitgesellschafter nach § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht
mehr in Betracht314. Abhilfe soll statt dessen eine Fiktion des Übergangs der Hauptfor-
derung zum Zwecke des Übergangs der Haftungsschuld nach dem Vorbild der Hypo-
thek (§§ 1138, 892 BGB) schaffen315.
2. Kritik
Für die Beantwortung der Frage, ob der in Anspruch genommene Gesellschafter dem
Drittgläubigergesellschafter nur als Teilschuldner pro rata oder stattdessen als Gesamt-
schuldner nach § 128 HGB analog haftet, müsste die herrschende Meinung mit K.
Schmidt316 konsequenterweise von einer Teilhaftung der Gesellschafter nach § 128 HGB
analog mit Ausfallgarantie (§ 426 Abs. 1 Satz 2 BGB) ausgehen. Ist der in Anspruch
genommene Gesellschafter, der zugleich Regressberechtigter ist, aufgrund seiner Ge-
sellschafterstellung selbst Gesamtschuldner317, so ist er als solcher verpflichtet, sich so
314
So Hadding/Häuser WM 1988, 1585, 1590 f.; Preuß ZHR 160 (1996), 163, 172 unter fälschlicher
Berufung auf K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 49 II 3. a), S. 1416: Die bei K. Schmidt a.a.O. zitierte
BGH-Entscheidung betraf den Erlass der Hauptforderung gegen die Gesellschaft unter gleichzeitigem
Vorbehalt der Geltendmachung der akzessorischen Haftungsforderung gegen die Gesellschafter. Diese
Konstellation ist aber mit einer cessio legis gerade nicht vergleichbar.
315
Preuß ZHR 160 (1996), 153, 172 f. Diese Ansicht ist abzulehnen. Einer Forderungsfiktion nach Hypo-
thekenrecht bedarf es nicht, da die Befriedigung des Gläubigers durch den Regressberechtigten nicht
zum Erlöschen der Hauptforderung gegen die Gesellschaft führt: Dies wird durch die cessio legis der
Forderung gegen die Gesellschaft auf den Regressberechtigten nach § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB analog
verhindert. Es ist gerade das Charakteristikum der cessio legis, das Fortbestehen einer Forderung, die
an sich durch Erfüllung gegenüber dem Gläubiger erloschen wäre, zu Gunsten eines neuen Gläubigers
anzuordnen und zwar nicht lediglich in Form einer Forderungsfiktion, sondern real mitsamt allen mit
ihr zusammenhängenden Sicherungsrechten (§§ 412, 401 BGB; zu Problemen im Zusammenhang mit
dem Übergang von Sicherungsrechten, die von dritten Sicherungsgebern bestellt wurden, sowie Be-
schränkungen bei der Ausnutzung von Sicherungsrechten durch den Ausgeschiedenen zum Nachteil
von Altgläubigern ausführlich Preuß ZHR 160 (1996), 163, 176 ff.). Wenn aber die Hauptforderung
zugunsten des Regressberechtigten fortbesteht, gibt es keinen Grund, warum die Haftung der Gesell-
schafter hierfür nicht auch fortbestehen sollte: Wenn schon ein Gesamtschuldverhältnis nach § 426
Abs. 1 Satz 1 BGB der Gesellschafter untereinander angenommen wird (K. Schmidt, Gesellschafts-
recht, § 51 III 2. b), S. 1507), so muss es auch konsequenterweise auch eine cessio legis nach § 426
Abs. 2 Satz 1 BGB geben (so im Ergebnis wohl auch Büscher/Klusmann ZIP 1992, 11, 18).
316
Gesellschaftsrecht, § 49 I 2. b), S. 1413.
317
Dagegen Altmeppen NJW 2009, 2241 ff.
102
zu verhalten, dass es zu einem Ausgleich der Gesamtschuldner untereinander gar nicht
kommt318. Die gesellschaftliche Treupflicht, die auch im Liquidationsstadium fortgilt,
verbietet den Rückgriff des Regressberechtigten auf weitere Mitgesellschafter als Ge-
samtschuldner, da der Regressberechtigte so das Risiko der Insolvenz der übrigen Mit-
gesellschafter auf den von ihm in Anspruch Genommenen abwälzen könnte, obwohl
auch er sich seine Mitgesellschafter als Vertragspartner des Gesellschaftsvertrags selbst
ausgesucht hat. Es entstünde eine Kette von prozessökonomisch unsinnigen Regress-
klagen, da der vom Regressberechtigten in Anspruch Genommene selbst wiederum ge-
gen alle übrigen Mitgesellschafter klagen müsste319. Außerdem würde von mehreren
Ausgleichsberechtigten derjenige ungerechtfertigt begünstigt, der zuerst seine Mitge-
sellschafter auf Regress in Anspruch nimmt: Es käme zu einem „Wettlauf der Aus-
gleichsberechtigten“.
Die Haftung pro rata vermeidet hingegen eine solche Häufung von Regressklagen und
nimmt die von § 426 BGB geforderte Verlustbeteiligung von vorneherein vor320: Die auf
jeden Gesellschafter entfallenden Beträge können in einer Klage gegen alle verlustbetei-
ligten Mitgesellschafter gleichzeitig berechnet und geltend gemacht werden. Stellt sich
im Laufe dieses Prozesses heraus, dass wegen Nichterreichbarkeit eines Gesellschafters
die anderen für seinen Anteil mit aufzukommen haben (§ 426 Abs. 1 Satz 2 BGB), so
können die einzelnen Klagebeträge mit Wirkung für alle Beklagten im Wege der Klage-
änderung entsprechend angepasst werden.
Ungeachtet dessen, wie sich Haftung und Regress der vom Drittgläubigergesellschafter
in Anspruch genommenen Gesellschafter gestalten, kann der Ansicht, nach der Forde-
rungen eines Gesellschafters aus Drittrechtsgeschäften mit der Gesellschaft vorab ohne
Rücksicht auf den Fortgang der Auseinandersetzung und ohne Rücksicht auf die übri-
gen Verbindlichkeiten des Berechtigten gegenüber der Gesellschaft geltend gemacht
werden können, aus folgenden Gründen nicht zugestimmt werden:
318
Ganz herrschende Meinung, vgl. Erman/Ehmann BGB § 426 Rn. 3; Prediger BB 1971, 245, 248;
Walter JZ 1983, 260, 261.
319
Walter JZ 1983, 260, 261.
320
Walter JZ 1983, 260, 260.
103
Die Auffassung, die dem Gesellschafter die Durchsetzung seiner Drittgläubigerforde-
rung unabhängig von Stand und Fortgang der Auseinandersetzung gestattet, berücksich-
tigt nicht die Sonderstellung, die der persönlich mithaftende Gesellschafter als Haf-
tungsgarant auch gegenüber seiner eigenen Forderung hat. Der Gesellschafter, der einen
Anspruch aus einem Drittverhältnis gegen die Gesellschaft geltend macht, steht sich
selbst als nach § 128 HGB analog als Gesamtschuldner für die Verbindlichkeiten der
Gesellschaft Mithaftender gegenüber. Er haftet also aus seiner Gesellschafterstellung
auch für die Forderungen, die er selbst gegenüber der Gesellschaft erhebt, und zwar
persönlich, gesamtschuldnerisch und direkt. Nur durch Verrechnung auch der Drittgläu-
bigeransprüche mit den übrigen vom Gesellschafter zu beanspruchenden bzw. geschul-
deten Beträgen stellt sich heraus, ob der Gesellschafter diese Drittgläubigeransprüche
überhaupt noch beanspruchen kann oder ob ihm die Geltendmachung aufgrund seiner
Nachschussverpflichtung (§ 735 BGB) nach § 242 BGB versagt ist. Drittgläubigeran-
sprüche des Gesellschafters sind daher nicht nur dann als unselbständige Rechnungspo-
sten in die Auseinandersetzung einzubeziehen, wenn eine Nachschusspflicht des Gesell-
schafters bereits feststeht321, sondern gerade auch, um das Bestehen einer Nachschuss-
verpflichtung des Gesellschafters durch Verrechnung seiner Drittgläubigeransprüche
mit all seinen übrigen Ansprüchen und Verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschaft
überhaupt feststellen zu können. Nur so können umständliche Hin- und Herzahlungen
vermieden werden, wenn der Saldo des Gesellschafterprivatkontos positiv, der Ge-
samtsaldo der festen und beweglichen Gesellschafterkonten jedoch negativ sein sollte
und diese beiden Salden getrennt voneinander befriedigt würden.
321
So MünchHdb GesR I/Gummert § 21 Rn. 111.
104
Berücksichtigung der Interessen der Gesellschaft auszuüben322. Ob und inwieweit ein
Gesellschafter berechtigt sein kann, die Auszahlung einer einzelnen Forderung oder
eines positiven Saldos seines Gesellschafterkontos gegen die Gesellschaft geltend zu
machen, unterliegt einem speziellen Aspekt der mitgliedschaftlichen Treuepflicht in
Gestalt der sog. Finanzierungsverantwortung. Nach diesem ursprünglich für das Kapita-
lersatzrecht der GmbH eingeführten Grundsatz übernimmt der Gesellschafter allein
durch seine Beteiligung an der Gesellschaft die Verantwortung dafür, dass er die GmbH
durch Finanzierungsleistungen in Zeiten am Leben erhält, in denen ihr die Gesellschaf-
ter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten323. Entsprechend umschrieb
das Gesetz den Begriff der Krise in § 32a Abs. 1 GmbHG a.F. An der Verantwortung
des GmbH-Gesellschafters für die Finanzierung seiner Gesellschaft in der Krise hat sich
durch die Umformulierung zur Finanzierungsfolgenverantwortung324 und der Neurege-
lung des Kapitalersatzrechts in der InsO durch das MoMiG325 mit Wirkung zum
01.11.2008 im Grundsatz nichts geändert326.
Diese Grundsätze sind nicht nur dann auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts über-
tragbar, wenn diese keine natürliche Person als Mitglied hat327. Vielmehr lässt sich gene-
rell feststellen, dass der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die nach-
haltig nach außen am Rechtsverkehr teilnimmt, in gleichem, vielleicht sogar noch stär-
kerem Maße als der Gesellschafter einer GmbH in der Krise für eine ausreichende Fi-
nanzierung der Gesellschaft zu sorgen hat. So ist für das Stadium vor Auflösung - ins-
besondere mit Blick auf die Sanierung von notleidenden geschlossenen Immobilien-
fonds328 - bereits in Rechtsprechung und Literatur vertreten worden, dass die Gesell-
schafter unter bestimmten Umständen aufgrund ihrer mitgliedschaftlichen Treuepflicht
verpflichtet sein können, durch Mitwirkung an einer Sanierung zur Krisenbewältigung
322
Palandt/Sprau BGB § 705 Rn. 27.
323
BGHZ 105, 168, 175 f. = NJW 1988, 3143; BGHZ 133, 298, 298 ff. = NJW 1996, 3203.
324
Seit BGHZ 127, 336 ff. = NJW 1995, 326 ff.
325
Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom
23.10.2008, BGBl. I S. 2026.
326
Eingehend zum Problemkreis Roth/Altmeppen/Altmeppen GmbHG Vorbem. zu §§ 32a, 32b a.F., Rn
1 ff.
327
BGH NJW 2009, 997 f.: Anwendung des § 129a HGB a.F. iVm §§ 32a, b GmbHG auf eine BGB-
Gesellschaft möglich, die weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft als Gesellschafter hat,
bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (Rn. 10).
328
Dazu allgemein statt vieler Wagner NZG 2009, 1378 ff.; zum aktuellen Stand der Rechtsprechung
Schneider NZG 2011, 575 ff.
105
beizutragen329 oder aus Rücksicht auf die Lage der Gesellschaft Einschränkungen bei
der Geltendmachung von Gewinnansprüchen330 oder Drittgläubigeransprüchen gegen
die Gesellschaft331 hinzunehmen. Zwar verlangt die herrschende Meinung nicht, dass der
einzelne Gesellschafter im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern auf schutzwürdige
eigene Interessen verzichtet, auch trifft ihn keine (aktive) Fürsorgepflicht für die Belan-
ge seiner Partner332. Jedoch darf sich ein einzelner Gesellschafter nicht willkürlich über
die Interessen seiner Partner hinwegsetzen, sondern muss auf sie Rücksicht nehmen,
soweit ihm dies bei der Durchsetzung seiner berechtigten Bedürfnisse zumutbar ist333.
So sind insbesondere Rechte, deren Ausübung einen anderen Gesellschafter belastet,
schonend auszuüben334.
329
BGHZ 183, 1 ff. = NJW 2010, 65 ff. („Sanieren oder Ausscheiden“); zuvor bereits Wagner WM 2006,
1273, 1275 ff. Diese Ansicht ist im Schrifttum nicht unbestritten geblieben, siehe ausführlich zum
Streitstand Weber DStR 2010, 702, 703 ff.; kritisch auch Westermann NZG 2010, 321 ff. Zum Gan-
zen Erman/Westermann BGB § 709 Rn. 31 ff.
330
BGH NJW 1985, 972, 974.
331
RG JW 1937, 1986; Soergel/Hadding/Kießling BGB § 705 Rn. 60.
332
Erman/Westermann BGB § 705 Rn. 52; Soergel/Hadding/Kießling BGB § 705 Rn. 60.
333
Erman/Westermann BGB § 705 Rn. 52.
334
Erman/Westermann BGB § 705 Rn. 52.
335
Seit BGHZ 146, 341, 358 = NJW 2001, 1056 ff.
336
Michalski NZG 2000, 355, 357.
106
Aufgrund ihrer persönlichen Haftung aus § 128 HGB analog sind die Gesellschafter
verpflichtet, für Verbindlichkeiten der Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufzukommen,
die durch das Eigenvermögen der Gesellschaft nicht abgedeckt sind. Zwar kann sich der
in Anspruch genommene Gesellschafter im Wege des Regresses aus dem Gesellschafts-
vermögen schadlos halten337, so dass das Gesellschaftsvermögen grundsätzlich primäres
Zugriffsobjekt im Innenverhältnis bleibt. Der Regress gegen die Gesellschaft geht je-
doch ins Leere, wenn das gesamte zur Verfügung stehende Gesellschaftsvermögen zu-
vor an Mitgesellschafter ausgeschüttet worden ist, die daraus ihre Ansprüche aus Dritt-
rechtsgeschäften mit der Gesellschaft befriedigt haben. Besonders drastische Folgen hat
die uneingeschränkte Möglichkeit, Forderungen aus Drittrechtsgeschäften geltend zu
machen, wenn der Drittgläubigergesellschafter, der seine Forderung vorab geltend ge-
macht hat, nach Maßgabe des Standes seines Gesellschafterkontos eigentlich nach § 735
BGB nachschussverpflichtet wäre - beispielsweise weil er während der Lebenszeit der
Gesellschaft unberechtigte Überentnahmen getätigt hat - die den Betrag seiner Dritt-
gläubigerforderung übersteigen. Wollte man daher einem Gesellschafter ungeachtet
bestehender und noch nicht im Rahmen der Abwicklung befriedigten Gesellschafts-
schulden gestatten, seine Privatforderungen ohne Rücksicht auf den Stand der Abwick-
lung und etwaiger eigener Verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschaft vorrangig
durchzusetzen, so bestünde die Gefahr, dass ein Gesellschafter zur Befriedigung seiner
Forderungen die Konten der Gesellschaft leeren und seine Mitgesellschafter damit in
die Nachschusspflicht nach § 735 BGB gegenüber den leer ausgehenden Gesellschafts-
gläubigern treiben könnte. Die Solidarität zu den ebenfalls uneingeschränkt persönlich
haftenden Mitgesellschaftern verbietet es daher, Vermögenswerte der Gesellschaft der
Kontrolle und Verfügungsmacht der Mitgesellschafter gegen deren Willen zu entzie-
hen338 oder deren persönliche Inanspruchnahme durch Aushöhlung des originären Ge-
sellschaftsvermögens gar zu provozieren. Generell darf die befugte Entnahme von Geld
aus der Gesellschaftskasse die Erfüllung fälliger Verbindlichkeiten der Gesellschaft
nicht verzögern oder unmöglich machen339.
Im Ergebnis muss sich daher jeder Gesellschafter bei der Durchsetzung seiner Dritt-
gläubigerforderungen die fortlaufende Saldierung seiner Verbindlichkeiten und Ansprü-
337
Zu Regressfragen ausführlich unter § 15, I. 1. b), S. 99 ff.
338
Soergel/Hadding/Kießling BGB § 705 Rn. 60.
339
RGZ 162, 388, 394; Soergel/Hadding/Kießling BGB § 705 Rn. 60.
107
che im Verhältnis zur Gesellschaft entgegenhalten lassen. Solange das Gesellschafts-
vermögen zum Ausgleich der Gesellschaftsschulden und seiner eigenen Forderungen
aus Drittrechtsgeschäften nicht ausreicht, muss der Gesellschafter mit der Durchsetzung
seiner Privatforderung insoweit zurückstehen, als er dafür selbst einzustehen hätte. Jeder
Gesellschafter kann grundsätzlich nur dann und nur insoweit zur Einforderung eigener
Ansprüche gegen die Gesellschaft berechtigt sein, als dadurch eine Unterkapitalisierung
der Gesellschaft ausgeschlossen ist. Einzelansprüche von Gesellschaftern gegen die
Gesellschaft können damit jedenfalls mit Eintritt der Auflösung nicht wie Ansprüche
außenstehender Dritter gegen die Gesellschaft geltend gemacht werden. Vielmehr kann
der Gesellschafter nur das einfordern, was aus freiem, nicht für den Schuldendienst der
Gesellschaft benötigtem Vermögen geleistet werden kann340.
340
Ich konnte trotz intensiver Recherche keinen Nachweis dafür ausfindig machen, dass diese These in
dieser Form bereits in Rechtsprechung oder Literatur vertreten worden ist. Daher gehe ich davon aus,
dass hierfür, soweit ersichtlich, keine zitierfähige Fundstelle existiert.
341
Begreift man die Ermittlung und Saldierung der Drittgläubigerforderungen als „Verhandeln über den
Anspruch“ im Sinne von § 203 Satz 1 BGB, so wird auch das Verjährungsproblem entschärft. Die be-
reits vor Saldierung zugunsten des Gesellschafters bzw. der Gesellschaft angefallenen Fälligkeitszin-
sen können ihrerseits als eigene Forderung in die Saldoberechnung eingestellt werden.
108
nach § 735 BGB geltend macht. Auch insoweit gibt es keinen Grund, Ansprüche aus
einem Drittschuldnerverhältnis anders zu behandeln als Ansprüche, die der Gesellschaf-
ter aufgrund des Gesellschaftsvertrags oder aus Regress aufgrund einer eigenen Inan-
spruchnahme erhebt. Dass der Gesellschafter durch die Verrechnung seiner Drittgläubi-
gerforderung in seinem Gesellschafterkonto wirtschaftlich nicht schlechter gestellt wird,
soll an einem Beispielsfall demonstriert werden:
Fall 6: A hat aus Mietvertrag eine Forderung von 2.000 gegen die vermögenslose
Gesellschaft, B einen Einlagenrückerstattungsanspruch von 300. Beide sind
zu je 50% an der Gesellschaft beteiligt.
Würde man hier dem A zubilligen, seine Mietzinsforderung außerhalb der Auseinander-
setzungsabrechnung durchzusetzen, so hätte dies sofort einen Verlustausgleichsan-
spruch der Gesellschaft gegen A nach § 735 BGB in Höhe von 50%, also von 1.000 zur
Folge, mit dem die Gesellschaft aufrechnen könnte. Der Geltendmachung der Mietzins-
forderung stünde daher das Saldierungsprinzip bzw. der dolo agit-Grundsatz (§ 242
BGB) als von Amts wegen zu berücksichtigender Einwand entgegen. A hat also von
vornherein nur einen Anspruch auf 1.000. Da die Gesellschaft vermögenslos ist, muss er
sich hierfür an B halten. B wiederum hat selbst einen Anspruch aus § 733 Abs. 2 BGB
von 300 gegen die Gesellschaft, den A nach § 735 BGB zur Hälfte trägt, so dass B wie-
derum aufrechnen kann. Per Saldo kann A damit nur 850 von B verlangen. Dasselbe
Ergebnis entsteht, wenn die Forderung des A in sein Gesellschafterkonto eingestellt und
saldiert wird. In diesem Fall sind die Forderungen beider Gesellschafter gleichrangig zu
befriedigen: A kann Zahlung von 1.000 von B, B 150 von A verlangen. Nach Aufrech-
nung beträgt der Saldo des A damit 850.
Nichts Anderes ergibt sich, wenn die Gesellschaft noch über ausschüttungsfähiges
Vermögen verfügt, denn eine Forderung aus einer Drittverbindlichkeit eines Gesell-
schafters mindert das ausschüttungsfähige Vermögen in gleicher Weise wie die Forde-
rung eines Nichtgesellschafters:
Fall 7: Abwandlung zu Fall 6: Die Gesellschaft hat noch 800 auf ihrem Bankkonto.
Bei einer Vorabdurchsetzung seiner Mietforderung bekäme A zunächst die 800 ausbe-
zahlt, da seine Drittgläubigerforderung vorrangig vor dem Anspruch des B aus dem
Gesellschaftsvermögen zu befriedigen ist, § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der ausstehende
Restbetrag von 1.200 ist nicht durch das Gesellschaftsvermögen abgedeckt und damit
ein Verlust im Sinne des § 735 BGB. Davon hätte A 50 %, also 600 zu tragen und müs-
109
ste sich für die verbleibenden 600 an B halten. Da aber der Einlagenrückerstattungsan-
spruch des B in Höhe von 300 ebenfalls nicht mehr aus dem Gesellschaftsvermögen
befriedigt werden kann, stellt sie in voller Höhe einen Verlust der Gesellschaft dar, den
auch A zu 50% zu tragen hat. B kann gegen die Forderung des A also mit seiner eige-
nen Forderung aufrechnen, so dass A per Saldo von B nur 450 beanspruchen kann. Im
Ergebnis erhält A somit 1.250 (800 aus dem Gesellschaftsvermögen, 450 von B). Stellt
man die Forderung des A in sein Gesellschafterkonto ein, so ergibt sich wirtschaftlich
gesehen kein Unterschied. Beide Gesellschafterforderungen des A (2.000) und des B
(300) sind aus dem Gesellschaftsvermögen von 800 zu befriedigen; es entsteht ein
Fehlbetrag von 1.500, den A und B je zur Hälfte, also in Höhe von 750 zu tragen haben.
Die Gesellschaft kann damit aufrechnen, so dass A per Saldo nur 1.250 erhält, während
B 450 in das Gesellschaftsvermögen nachschießen bzw. direkt an A zahlen muss.
110
Für Sozialansprüche und -verbindlichkeiten, die nicht Regressansprüche des Gesell-
schafters sind, ist sich auch die allgemeine Ansicht einig, dass diese Bestandteil der
Auseinandersetzungsabrechnung werden342. Sie sind als Guthabens- bzw. Abzugsposten
in das Gesellschafterkonto einzubuchen und unterliegen der Verrechnung mit den übri-
gen Ansprüchen und Verbindlichkeiten des Gesellschafters. Die innerhalb der herr-
schenden Meinung kontrovers diskutierte Frage, wie Regressansprüche des Gesellschaf-
ters gegen die Gesellschafter und seine Mitgesellschafter zu behandeln sind, kann ein-
fach beantwortet werden, wenn man die Leistung des Gesellschafters an den Gläubiger,
die für Rechnung der Gesellschaft erfolgt ist, als Einlage im Sinne des § 733 Abs. 2
BGB in das Gesellschaftsvermögen begreift. Durch die Zahlung des Gesellschafters
erlangt die Gesellschaft die vermögenswerte Befreiung von einer Verbindlichkeit. Diese
Zahlung erfolgt aus dem Privatvermögen des Gesellschafters und mehrt die Haftungs-
masse des Gesellschaftsvermögens. Sie ist nach der hier zu Grunde gelegten weiten
Auslegung343 eine Einlage und unterliegt als solche dem Erstattungsanspruch aus § 733
Abs. 2 BGB. Als Einlage ist die Zahlung dem Regressberechtigten auf seinem Gesell-
schafterkonto gutzuschreiben und mit seinen übrigen Forderungen und Verbindlichkei-
ten im Verhältnis zur Gesellschaft zu saldieren.
342
Palandt/Sprau BGB § 733 Rn. 4.
343
Siehe hierzu oben § 7, III. 3., S. 51 ff.
344
Schopp BB 1987, 581, 584.
111
b) Folgerung: Keine Unterscheidung von Sozial- und Drittgläubigeransprü-
chen im Abwicklungsstadium
Nach dem oben Gesagten erweist sich die Reihenfolge der Abwicklungsschritte und der
Position, unter der Forderungen und Verbindlichkeiten aus Drittrechtsgeschäften im
Saldo der Auseinandersetzungsabrechnung erfasst werden, im Ergebnis als irrelevant.
Alle Leistungen eines Gesellschafters an und für Rechnung der Gesellschaft führen zu
einer Habenbuchung im Gesellschafterkonto, alle Leistungen der Gesellschaft an den
Gesellschafter zu einer Belastung des Gesellschafterkontos. Im Innenverhältnis beste-
hen damit nur noch Ansprüche aus den Salden der Gesellschafterkonten. Die darin
rechnerisch erfassten Einzelansprüche sind zwar nicht notwendig durch Novation unter-
gegangen, sie verlieren jedoch ihre eigenständige Durchsetzbarkeit. Damit sind auch
Sicherungsrechte oder Titel auf abgelöste Forderungen Dritter (§§ 401, 412 BGB) hin-
fällig, sie haben im Rahmen des Ausgleichs der Gesellschafterkonten keine Funktion
mehr. Damit sind auch Drittgläubigerforderungen eines Gesellschafters mit Gleichrang
zu allen anderen im Zuge der Abfindung zu berücksichtigenden Forderungen und Ver-
bindlichkeiten in das Gesellschafterkonto des jeweiligen Gesellschafters einzustellen
und bei der Bildung des Gesamtsaldos heranzuziehen. Auch der Inhalt des sog. Gesell-
schafterprivatkontos muss daher zu einem Bestandteil des nunmehr zu bildenden ein-
heitlichen Gesellschafterkontos und dessen Saldo mit den Salden der festen und va-
riablen Konten verrechnet werden. Damit wird zugleich deutlich, dass eine Unterschei-
dung der Ansprüche des Gesellschafters in solche aus Sozialverbindlichkeiten und sol-
che aus Drittgläubigerrechtsgeschäften zumindest nach Auflösung der Gesellschaft kei-
ne praktische Bedeutung mehr hat345. Ebenso wenig spielt es eine Rolle, auf welchem
Rechtsgrund eine Drittverbindlichkeit beruht und ob hierfür Sonderrechte, Sicherheiten
oder Titel in Frage kommen: Mit Auflösung der Gesellschaft gehen alle einzelnen Zah-
lungsansprüche des Gesellschafters ungeachtet ihrer Rechtsgrundlage in den Gesamts-
aldo des einheitlichen Gesellschafterkontos ein. Es gibt nur noch den Anspruch auf
Ausgleich des Saldos der Gesellschafterkonten.
Im Ergebnis bestehen damit nach Auflösung der Gesellschaft keine Unterschiede mehr
zwischen Ansprüchen aus Drittverhältnissen und solchen aus Sozialverbindlichkeiten.
Sie unterliegen alle denselben Haftungsmodalitäten, da § 735 BGB im Umfang der Ver-
345
Zum gleichen Ergebnis kommt wohl auch Messer, FS Stimpel 1985, S. 214.
112
lustquote des Gesellschafters eine uneingeschränkte Nachschusspflicht mit der Folge
einer daraus ableitbaren sekundären Haftung der BGB-Gesellschafter mit ihrem sonsti-
gen Privatvermögen346, vergleichbar der Haftung im Außenverhältnis nach § 128 HGB
analog, auch für das Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander begründet. § 733
BGB ist damit so zu interpretieren, dass § 733 Abs. 1 BGB die Abwicklung im Außen-
verhältnis der Gesellschaft, d.h. gegenüber Nichtgesellschaftern anspricht, § 733 Abs. 2
BGB hingegen die Abwicklung im Innenverhältnis gegenüber den Gesellschaftern.
346
Michalski NZG 2000, 355, 357.
347
Zur Buchung von Einlagen in das Kapitalkonto Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 120 Rn. 3 sowie Rn. 14.
348
Siehe dazu schon oben § 7, III. 3., S. 51 ff.
349
MünchKomm BGB/Schäfer § 733 Rn. 13.
350
Für Einlagen quoad sortem ist streitig, ob diese - wie nach einer früher verbreiteten Ansicht - den
Einlagen quoad dominum gleichzustellen sind und das Eigentum auf die Gesellschaft zu übertragen ist
oder ob mit der wohl heute herrschender Meinung in Analogie zu § 732 S. 1 BGB der Gesellschafter
zwar die Sache zurückerhält, der Wert im Rückgabezeitpunkt jedoch auf das Auseinandersetzungs-
guthaben des Eigentümers anzurechnen ist. Siehe zum Meinungsstand oben § 5, S. 33 ff.
113
In das Gesellschafterkonto jedes Gesellschafters sind alle von ihm geleisteten Bar-,
Sach- und sonstigen Einlagen als Guthabensposten zu buchen; diese sind ihm in Höhe
des Barwerts bzw. des im Gesellschaftsvertrag festgelegten bzw. zu schätzenden Werts
im Zeitpunkt der Einbringung gutzuschreiben (§ 733 Abs. 2 Satz 2 BGB). Sie bleiben
also auch dann noch als Guthabensposten des Gesellschafterkontos des Einbringenden
bestehen, wenn der eingebrachte Wert längst untergegangen ist oder während der Le-
benszeit der Gesellschaft bereits unter anderer Bezeichnung als Gewinn an die Gesell-
schafter ausgeschüttet wurde. Dies gilt auch für Forderungen, die der Gesellschafter als
Vermögenswert in die Gesellschaft einbringt. Hier gilt § 733 Abs. 2 Satz 2 BGB, so
dass eingebrachte Forderungen im Zeitpunkt ihrer Einbringung mit dem Forderungs-
nennwert im Gesellschafterkonto anzusetzen. Einlagen quoad sortem sind als Ausnah-
me hierzu mit ihrem Wert bei Auflösung anzusetzen351.
Es wurde bereits festgestellt, dass noch nicht geleistete Geldeinlagen des Gesellschaf-
ters im Auflösungsstadium nicht mehr eingefordert werden können, da ihnen wegen
§ 733 Abs. 2 BGB die dauerhafte Einwendung des § 242 BGB entgegensteht352. Sie
werden daher auch nicht Bestandteil des verteilbaren Gesellschaftsvermögens. Sie dür-
fen daher im Gesellschafterkonto überhaupt nicht, auch nicht als Abzugsposten für den
Gesellschafter, angesetzt werden. Sie tauchen allenfalls mit dem Erinnerungswert
„Null“ im Gesellschafterkonto auf. Statt dessen entsteht durch die nicht geleistete Ein-
lage ein Fehlbetrag im Gesellschaftsvermögen, der durch die quotale Verteilung nach
§ 735 BGB alle Gesellschafter in Höhe ihrer Verlustbeteiligung trifft. Was für ausste-
hende Einlagen gilt, gilt erst recht auch für sonstige Forderungen der Gesellschaft gegen
den Gesellschafter, die nicht als Beitrag im Sinne des § 706 BGB geschuldet sind, wie
Ansprüche auf Rückzahlung unberechtigter Entnahmen oder Schadensersatzansprüche.
Wie dargelegt, besteht keine Notwendigkeit zur Unterscheidung zwischen Einlagen im
engeren Sinne, also den vertraglich geschuldeten Beiträgen, und sonstigen Leistungen
des Gesellschafters an, in oder für die Gesellschaft.
351
Erman/Westermann BGB § 732 Rn. 1; MünchKomm BGB/Schäfer § 732 Rn. 9.
352
Siehe hierzu oben § 7, III., S. 48 ff.
114
III. Anrechnung getätigter Entnahmen
Das Gegenstück zur Einlage des Gesellschafters ist die Entnahme. Aus dem § 121 HGB
zugrundeliegenden Gedanken ergibt sich, dass der Gesellschafter verpflichtet ist, sich
auf seinen Auszahlungsanspruch bereits vorab getätigte (berechtigte und unberechtigte)
Entnahmen anrechnen zu lassen. Entnahmen der Gesellschafter sind letztlich nichts An-
deres als Vorabausschüttungen auf den zu erwartenden Gewinn und daher als Abzugs-
posten auf dem Gesellschafterkonto zu berücksichtigen353.
Dass nicht nur bei der OHG, sondern auch bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts
jedenfalls nach Auflösung jeder Auszahlungsanspruch des Gesellschafters nur unter
dem Vorbehalt eines entsprechenden Gegenanspruchs der Gesellschaft steht, zeigt das
Zusammenspiel zwischen § 734 BGB und § 735 BGB. Danach kann ein Gesellschafter
nur dann seine Einlagen zurückerstattet verlangen, als er das Gesellschaftsvermögen
nicht durch Entnahmen aufgezehrt hat.
Der Begriff der Entnahme unterliegt als Gegenstück zur Einlage ebenfalls der hier vor-
genommenen weiten Auslegung354. Danach ist Entnahme jede Vermögensverschiebung
aus dem Gesellschaftsvermögen in das Privatvermögen des Gesellschafters, und zwar
unabhängig von Anlass, Rechtsgrund und Natur des entnommenen Gegenstands. Die
Entnahmen sind als Gegenstück zur Einlage als Abzugsposten auf dem Gesellschafter-
konto des Entnehmenden zu buchen. Die Grundsätze des § 733 Abs. 2 BGB zur Bewer-
tung von Einlagen gelten entsprechend, Entnahmen sind daher mit ihrem Nennwert im
Zeitpunkt ihrer Vornahme zu Lasten des Gesellschafters anzusetzen.
353
Huber ZGR 1988, 1, 4.
354
Siehe hierzu oben § 7, III., S. 48 ff.
115
ggf. vorhandenen Gesellschaftsvermögen - aus dem Saldo des für den jeweiligen Ge-
sellschafter geführten Gesellschafterkontos. In diesem Gesellschafterkonto sind alle
vom Gesellschafter tatsächlich geleisteten Einlagen, vermindert um seine Entnahmen,
zu erfassen. Der dem Gesellschafter zukommende Gewinn aus der Geschäftstätigkeit
der werbenden Gesellschaft wird dem Konto zu-, der auf ihn entfallende Verlust davon
abgeschrieben (§ 120 Abs. 2 HGB analog). Alle Buchungen erfolgen dabei ungeachtet
ihrer Qualifizierung als Einlage, Gewinnanteil, Anspruch aus Drittverbindlichkeit, Re-
gress- oder sonstige Sozialforderung auf einem einheitlichen Gesellschafterkonto.
Als Folgerung aus dem oben Gesagten kann festgehalten werden, dass der nach den hier
dargestellten Grundsätzen gebildete Saldo des Gesellschafterkontos letztlich nichts An-
deres ist als die in § 733 Abs. 2 Satz 1 BGB angesprochene und mit allen sonstigen An-
sprüchen und Verbindlichkeiten des Gesellschafters verrechnete Einlage, die ihm infol-
ge der Auflösung der Gesellschaft auszuzahlen ist. Der Begriff der Einlage in § 733
Abs. 2 Satz 1 BGB ist damit so auszulegen, dass dem Gesellschafter seine ursprünglich
geleistete Einlage nur vermindert um seine Entnahmen und sonstigen Verbindlichkeiten
gegenüber der Gesellschaft zusteht (Grundsatz der Saldierung).
I. Das Restvermögen
Der Saldo des Gesellschafterkontos ist nicht gleichbedeutend mit dem Auseinanderset-
zungsguthaben des Gesellschafters insgesamt, weil die Anteile an Vermögenspositionen
der Gesellschaft, also an Anlage- und Umlaufvermögen, Forderungen und Verbindlich-
keiten darin nicht ausgewiesen werden. Vielmehr beschränkt sich die Funktion der Ge-
sellschafterkonten darin, den Stand der Verrechnung von Einlagen und Entnahmen,
Gewinnen und Verlusten darzustellen. Die Beteiligung des Gesellschafters am Anlage-
und Umlaufvermögen der Gesellschaft ist jedoch genauso Bestandteil seines Auseinan-
dersetzungsguthabens wie der Saldo seines Gesellschafterkontos und wird ihm nach den
§ 734 BGB bzw. § 735 BGB zugewiesen. Das Auseinandersetzungsguthaben ist somit
116
wesensmäßig in zwei Komponenten aufgeteilt, nämlich einerseits den Saldo seines Ge-
sellschafterkontos, andererseits die Beteiligung des Gesellschafters an dem nach Abzug
aller Verbindlichkeiten und zurückzuerstattenden Einlagen verbleibenden Gesell-
schaftsvermögen. Ist der Gesamtbetrag des an die Gesellschafter auszuschüttenden Ge-
sellschaftsvermögens (nach der hier vorgenommenen Berechnungsmethode gleichbe-
deutend mit dem Saldo des Liquiditätskontos) sowie der für jeden Gesellschafter anfal-
lende Saldo seines Gesellschafterkontos ermittelt worden, so kann aus diesen beiden
Posten der auf jeden Gesellschafter nach Maßgabe seiner Gewinn- bzw. Verlustquote
entfallende Überschuss (§ 734 BGB) bzw. Fehlbetrag (§ 735 BGB) berechnet werden.
Der auf jeden Gesellschafter anteilig entfallende Überschuss bzw. Fehlbetrag bildet
neben dem Saldo des Gesellschafterkontos die zweite Komponente des Auseinanderset-
zungsguthabens.
Aus dem Liquiditätssaldo und den Salden der Gesellschafterkonten aller Gesellschafter
kann sodann der auf jeden Gesellschafter entfallende Überschuss bzw. Fehlbetrag er-
rechnet werden. Der hierzu anzuwendende Rechenschritt ergibt sich dabei direkt aus
dem Gesetzeswortlaut: Nach § 733 Abs. 1 BGB sind aus dem nach Schuldenbefriedi-
gung verbleibenden Gesellschaftsvermögen die Einlagen zurückzuerstatten (§ 733
Abs. 2 BGB). Der Gesetzeswortlaut der § 733 Abs. und 2 BGB gibt damit vor, dass
vom Liquiditätssaldo die Salden aller Gesellschafterkonten zu subtrahieren sind. Auf
diese Weise wird der vom Gesetzeswortlaut geforderte Vorrang der Gläubigerbefriedi-
gung vor der Befriedigung der Gesellschafterforderungen gewahrt. In den Gesellschaf-
terkonten bildet sich das Gesellschaftsvermögen ab, das den Gesellschaftern quasi vor-
ab, also ungeachtet der endgültigen Versilberung als Anteil am Gesamtvermögen zuge-
wiesen worden ist. Daher muss der Gesamtbetrag der Gesellschafterkonten wie eine
Vorabzuweisung vom Liquidationsvermögen nach dem Stand des Liquiditätskontos
abgezogen werden. Das Ergebnis dieses Rechenschrittes ist der Betrag des nach Befrie-
digung aller Verbindlichkeiten gegenüber Gläubigern und Gesellschaftern (§§ 733
Abs. 1 und 2 BGB) verbleibenden Restvermögens. Dieses Restvermögen stellt, sofern
117
es positiv ist, den Überschuss im Sinne des § 734 BGB dar, der nach Maßgabe der Ge-
winnquoten auf die Gesellschafter zu verteilen ist. Ist das Restvermögen negativ, so
bezeichnet es den Fehlbetrag in der Gesellschaftskasse, der gemäß § 735 BGB nach
Maßgabe der Verlustquoten von den verlustbeteiligten Gesellschaftern auszugleichen
ist355.
Beispiel:
Fall 8: Laut Gesellschaftsvertrag betragen die Gewinnanteile 50% (A), 30% (B)
und 20% (C). Der Saldo des Liquiditätskontos beträgt 26.000, die Gesell-
schafterkontensalden belaufen sich auf 15.000 für A, 5.000 für B und 2.000
für C.
Die Auseinandersetzungsguthaben setzen sich zusammen aus dem Stand des jeweiligen
Gesellschafterkontos zuzüglich des quotalen Anteils jedes Gesellschafters am Über-
schuss gemäß § 734 BGB (Liquidationsgewinn). Dieser Überschuss errechnet sich wie
folgt: Die Summe aller Gesellschafterkonten beträgt 22.000 (15.000 + 5.000 + 2.000).
Der Stand des Liquiditätskontos beträgt 26.000. Die Differenz aus diesen beiden Posten
von 4.000 ist der Überschuss im Sinne des § 734 BGB. An diesem sind zu beteiligen: A
mit 50% = 2.000; B mit 30% = 1.200 und C mit 20% = 800.
355
Ähnlich Huber ZGR 1988, 1, 6.
118
Die Auseinandersetzungsguthaben ermitteln sich danach wie folgt:
Auseinandersetzungsguthaben A:
Gesellschafterkontensaldo 15.000
Anteil Restvermögen 50% 2.000
Summe 17.000
Auseinandersetzungsguthaben B:
Gesellschafterkontensaldo 5.000
Anteil Restvermögen 30% 1.200
Summe 6.200
Auseinandersetzungsguthaben C:
Gesellschafterkontensaldo 2.000
Anteil Restvermögen 20% 800
Summe 2.800
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob dem Gesellschafter die in das Gesell-
schaftsvermögen eingebrachten Einlagen tatsächlich zusätzlich zu seinem Anteil am
Gesellschaftsvermögen (zu dem ja gerade auch die Einlagegegenstände gehören) zuge-
sprochen werden dürfen. Die Problematik verdeutlicht sich besonders plastisch im Fall
der Einlage von Forderungen gegen Dritte (z.B. ausstehende Honorarforderungen aus
einer Einzelkanzlei, die der Gesellschafter vor Eintritt in die Sozietätsgesellschaft be-
trieben hat) in das Gesellschaftsvermögen. Diese sind gemäß § 733 Abs. 2 Satz 2 BGB
mit ihrem Nennwert zum Einbringungszeitpunkt als Guthabensposten in das Gesell-
schafterkonto des Einbringenden zu buchen. Fraglich ist, ob und inwieweit zusätzlich
dazu die Erlöse, die nach Auflösung aus der Einziehung dieser Forderungen gemäß
§ 733 Abs. 3 BGB erzielt werden können, in das dem Einbringenden anteilig zu Gute
kommende Gesellschaftsvermögen eingerechnet werden dürfen. Es stellt sich die Frage,
ob sie ihm damit nicht unzulässiger Weise zweifach, nämlich einmal in Form eines Ein-
119
lagenrückerstattungsanspruchs, ein andermal in Form einer Beteiligung am Forderungs-
erlös gutgeschrieben werden.
Diese Konstellation war Gegenstand des Beschlusses des BGH vom 11.05.2009356. In
dem zugrundeliegenden Fall stritten die Parteien über die Auseinandersetzungsansprü-
che aus einer aufgelösten Anwaltssozietät. Ein Streitpunkt war dabei die Behandlung
von Altforderungen, die der Beklagte als Einlage in die Gesellschaft eingebracht hatte
und die nach ihrer Einziehung den ausgeschütteten Gewinn der Gesellschaft bürgerli-
chen Rechts erhöht hatten. Das Kammergericht war in seinem Ausgangsurteil357 der
Ansicht, es spreche nichts dagegen, dem beklagten Altgesellschafter denselben Vermö-
gensgegenstand (eingebrachte Forderung) als Einlage und sodann die aus dem Forde-
rungseinzug erzielte Einnahme als Gewinnanteil gutzuschreiben. Das Kammergericht
hat dabei darauf abgestellt, das „Kapitalkonto“ würde nicht den Anteil der Gesellschaf-
ter am Vermögen der Gesellschaft widerspiegeln, sondern lediglich den Saldo der vom
jeweiligen Gesellschafter geleisteten Einlagen, der ihm zugeteilten Gewinne und seiner
Entnahmen. Es hat zur Verdeutlichung seiner Rechtsauffassung den Beispielsfall heran-
gezogen, dass das einem Gesellschafter als Einlage gutgeschriebene Auto im Folgejahr
von der Gesellschaft verkauft worden wäre und die Gesellschaft damit eine gewinner-
höhende Einnahme erzielt hätte – diese wäre auch dem einbringenden Gesellschafter in
Gestalt eines erhöhten Gewinnanteils zugute gekommen, ohne dass Veranlassung be-
standen hätte, das Kapitalkonto um den Wert der gegenständlich nicht mehr vorhande-
nen Einlage zu kürzen358. Demgegenüber hat der BGH die Ansicht vertreten, dem Be-
klagten würde derselbe Vermögensgegenstand unzulässiger Weise doppelt zugespro-
chen, nämlich einmal durch (bilanzielle) Behandlung der eingebrachten Altforderung
als Teil des Gesellschaftsvermögens und zusätzlich durch den in Folge des Übergangs
auf Einnahmen-Überschussrechnung auf ihn entfallenden Gewinnanteil an den in den
Folgejahren tatsächlich erzielten Forderungserlösen359.
356
NJW 2009, 2205 ff.
357
14.08.2008 - 23 U 58/06 = BeckRS 2009, 15528.
358
Selbstverständlich gilt diese Aussage nur bei einer Gewinnermittlung nach Einnahmen-
Überschussrechnung, bei der das Auto nicht im Anlagevermögen aktiviert worden ist. Bei einer bilan-
zierenden Gesellschaft hätte lediglich ein gewinnneutraler Aktiventausch stattgefunden, sofern das
Auto zu Buchwerten verkauft worden wäre, andernfalls hätte sich nur die Differenz zwischen Buch-
wert und Verkaufserlös auf den Gewinn ausgewirkt.
359
BGH NJW 2009, 2205, 2206 (Rn. 9).
120
Die Bedenken des BGH erweisen sich bei näherer Betrachtung als unbegründet. Zwar
umfasst das zu versilbernde Gesellschaftsvermögen auch und insbesondere die von den
Gesellschaftern eingebrachten Einlagen, an deren Verwertungserlös der Gesellschafter
grundsätzlich anteilig zu beteiligen ist. Das nach § 734 BGB quotal aufzuteilende Rest-
vermögen kann sich jedoch nur aus dem nach Befriedigung aller Einlagenrückzahlungs-
ansprüche verbleibenden Vermögen ergeben. Vom Betrag des verteilbaren Gesell-
schaftsvermögens, zu dem auch die aus eingebrachten Gegenständen erzielten Erlöse
gehören, sind also zunächst alle Schulden gegenüber Dritten und Gesellschaftern abzu-
ziehen, bevor über eine Verteilung des Restvermögens nachgedacht werden kann. Die
quotale Beteiligung am Forderungseinzug oder aus Verkaufserlösen von Anlagevermö-
gen wird durch die Subtraktion des eigenen Gesellschafterkontensaldos, in dem der
Wert der Einlageleistung rechnerisch enthalten ist, wieder neutralisiert. Ein vermeintli-
cher Sondervorteil für den einbringenden Gesellschafter entfällt daher, dem Gesell-
schafter wird seine Einlage insgesamt nur einmal in Form seines Einlagenrückzahlungs-
anspruchs, nicht aber nochmals in Form seiner anteiligen Vermögensbeteiligung gutge-
schrieben. Die Erfassung der eingebrachten Altforderungen als Einlage führt auch dann
nicht zu einer Besserstellung des einbringenden Gesellschafters, wenn die aus den ein-
gebrachten Altforderungen erzielten Erlöse zuvor an die Gesellschafter ausgekehrt wor-
den sind, da solche Ausschüttungen stets als Entnahmen auf das Gesellschafterkonto zu
buchen und zu saldieren sind. Darin zeigt sich, dass Entnahmen und Einlagen grund-
sätzlich gewinnneutral sind (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG). Die vom BGH gesehene Gefahr,
der einbringende Gesellschafter würde zweifach profitieren, wenn die Forderungen nach
ihrem Eingang zu einem auf ihn entfallenden Gewinnanteil führen, existiert also nicht.
121
§ Subtraktion der Summe aller Gesellschafterkontensalden (§ 733 Abs. 2 BGB)
vom Saldo des Liquiditätskontos; dies ergibt das Restvermögen,
§ Verteilung des positiven Restvermögens nach Gewinn- und des negativen Rest-
vermögens nach Verlustquoten (§§ 734, 735 BGB),
Die so gewonnenen Erkenntnisse können wie folgt in einer Formel zur Berechnung des
Auseinandersetzungsguthabens zusammengefasst werden:
Das Restvermögen ist das nach Abzug aller tatsächlich oder potentiell ge-
genüber Gläubigern und Gesellschaftern bestehenden Verbindlichkeiten
verbleibende verteilbare, d.h. ohne weitere Versilberung ausschüttungsfähi-
ge Gesellschaftsvermögen.
360
Das Deltazeichen (Δ) steht für „Saldo“.
122
§ 17 Die Nachschusspflicht
Nach § 735 Satz 1 BGB haben die Gesellschafter, soweit das Gesellschaftsvermögen für
die Berichtigung der gemeinsamen Schulden und zur Rückerstattung der Einlagen nicht
ausreicht, den Fehlbetrag nach ihrem Verlustanteil zu tragen. Fällt ein Gesellschafter
mit seinem Anteil aus, so haben die übrigen Gesellschafter auch seinen Haftungsbetrag
anteilig zu tragen, § 735 Satz 2 BGB. § 735 BGB ist das Gegenstück zum Anspruch auf
den Überschuss nach § 734 BGB, beide Ansprüche schließen sich gegenseitig aus361.
§ 735 BGB gilt nur für das Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander362, ein au-
ßenstehender Gläubiger kann seine Forderungen gegen die Gesellschaft jederzeit - un-
geachtet des Eintritts der Gesellschaft in das Abwicklungsstadium - gegenüber den Ge-
sellschaftern persönlich und unmittelbar nach § 128 HGB analog geltend machen363.
Die Regelung des § 735 BGB wirft verschiedene Fragestellungen auf, die nachfolgend
diskutiert werden sollen. Dabei geht es zunächst darum, unter welchen Voraussetzungen
§ 735 BGB überhaupt zur Anwendung kommt, an welchen Gläubiger der nachschuss-
verpflichtete Gesellschafter seine Zahlung nach § 735 BGB mit schuldbefreiender Wir-
kung leisten kann und wie die Zahlung buchungstechnisch in der Auseinandersetzungs-
abrechnung sichtbar gemacht werden kann. Außerdem wird zu untersuchen sein, wie
sich die Quoten nach § 735 Satz 2 BGB berechnen und welche schadensersatzrechtli-
chen Konsequenzen es hat, wenn ein zunächst als zahlungsunfähig eingestufter Gesell-
schafter wieder liquide wird, nachdem seine Mitgesellschafter seine Schuld gemäß
§ 735 Satz 2 BGB anteilig übernommen haben.
Mit Auflösung tritt § 735 BGB an die Stelle des § 707 BGB, der nur während der Ge-
sellschaftsdauer gilt364. Damit entfällt die faktische Haftungsbegrenzung auf das Gesell-
schaftsvermögen als Tilgungsfonds für Gesellschaftsverbindlichkeiten zugunsten einer
361
MünchKomm BGB/Schäfer § 735 Rn. 3.
362
Allgemeine Ansicht, vgl. statt vieler Soergel/Hadding/Kießling BGB § 735 Rn. 2.
363
MünchHdb GesR I/Gummert § 21 Rn. 117.
364
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 707 Rn. 3.
123
grds. unbegrenzten Nachschusspflicht in das Vermögen der Abwicklungsgesellschaft365
und einer daraus ableitbaren Haftung der Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen366.
Nach herrschender Meinung soll eine Nachschusspflicht der Gesellschafter jedoch nur
subsidiär nach Erschöpfung des Gesellschaftsvermögens367 und pro rata in Höhe des
jeweiligen Verlustanteils368 in Betracht kommen: Soweit noch Einlagen eingefordert
werden könnten und diese Ansprüche durchsetzbar seien, sei für § 735 BGB kein
Raum369.
Dem ist zumindest im Hinblick auf Geldeinlagen nicht zu folgen. Es wurde bereits dar-
gestellt, dass rückständige Einlageleistungen, die in einer Geldzahlung bestehen, im
Abwicklungsstadium nach § 242 BGB nicht mehr eingefordert werden können, da sie
im Zeitpunkt ihrer Einforderung sofort wieder nach § 733 Abs. 2 BGB an den Leisten-
den zurückgezahlt werden müssten370. Ihre Einforderung kann daher nach der hier ver-
tretenen Ansicht auch nicht ausschlaggebend für die Anwendung des § 735 BGB sein.
Richtigerweise können Nachschussverpflichtungen nach § 735 BGB jederzeit und nicht
erst nach vollständiger Versilberung des Gesellschaftsvermögens eingefordert wer-
den371. Wann und in welcher Höhe die Ausgleichsforderung nach § 735 BGB gegen
einen Mitgesellschafter geltend gemacht werden kann, hängt insbesondere nicht davon
ab, ob im Zuge der weiteren Versilberung des Gesellschaftsvermögens damit zu rechnen
ist, dass ein derzeit negatives Auseinandersetzungsguthaben sich durch Zuweisung an-
teiliger Überschüsse nach § 734 BGB in ein positives Auseinandersetzungsguthaben
verwandelt. Die endgültige Höhe des Auseinandersetzungsguthabens bzw. der Nach-
schusspflicht eines Gesellschafters steht zwar erst nach vollständiger Versilberung aller
Vermögenswerte fest. Dennoch muss es einem bereits vor Abschluss der Vermögens-
365
Ulmer ZIP 2003, 1113, 1120.
366
Michalski NZG 2000, 355, 357.
367
BGHZ 37, 299, 303 = NJW 1962, 1863; BGH NJW 1981, 1095, 1096; Hadding/Häuser WM 1988,
1585, 1588; Büscher/Klusmann ZIP 1992, 11, 16.
368
BGH WM 1981, 571, 572; Prediger BB 1970, 868, 868; Hadding/Häuser WM 1988, 1585, 1588;
Ulmer ZIP 2003, 1113, 1120 (herrschende Meinung).
369
MünchKomm HGB/K. Schmidt § 149 Rn. 26.
370
Siehe hierzu ausführlich oben § 7, II., S. 43 ff.
371
Ich konnte trotz intensiver Recherche keinen Nachweis dafür ausfindig machen, dass die Frage, ob
eine Nachschussverpflichtung nach § 735 BGB schon vor Abschluss der Versilberung des Gesell-
schaftsvermögens in Betracht kommen kann, in dieser Form bereits in Rechtsprechung oder Literatur
vertreten worden ist. Daher gehe ich davon aus, dass hierfür, soweit ersichtlich, keine zitierfähige
Fundstelle existiert.
124
versilberung ausgleichsverpflichteten Gesellschafter verwehrt sein, seine Nachschuss-
leistung unter Berufung auf den Grundsatz der Durchsetzungssperre oder auf den dolo
agit-Grundsatz des § 242 BGB zu verweigern.
372
MünchKomm BGB/Schäfer § 735 Rn. 5; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 IV 5., S. 638 f.
373
MünchKomm HGB/K. Schmidt § 149 Rn. 30; K. Schmidt ZHR 153 (1989), 270, 275.
374
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 735 Rn. 5; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 IV 5. b), S. 639.
125
ter kann und muss seine etwaige Ausgleichsforderung in diesem Fall persönlich gegen
seine Mitgesellschafter geltend machen.
Richtigerweise ist eine Zahlung an die Gesellschaft nach § 735 BGB nicht nur dann
entbehrlich, wenn es nach erfolgreicher Abwicklung aller Verbindlichkeiten im Außen-
verhältnis nur noch um den Innenausgleich unter den Gesellschaftern geht. Vielmehr ist
dies auch dann der Fall, wenn Gesellschaftsschulden im Sinne des § 733 Abs. 1 BGB,
die gegenüber außenstehenden Dritten bestehen, noch nicht vollständig aus dem Gesell-
schaftsvermögen beglichen worden sind. Zwar ist der herrschenden Meinung zuzuge-
ben, dass die Anspruch auf Nachschussleistung einen Sozialanspruch der Gesellschaft
darstellt, der nach Sinn und Zweck dazu dient, das Gesellschaftsvermögen zum Zwecke
der Fortführung der Abwicklung aufzufüllen. Die Anwendbarkeit des § 735 BGB setzt
jedoch denknotwendig voraus, dass es zum gegebenen Zeitpunkt noch einen von der
Gesellschaft zu unterscheidenden Gläubiger gibt, dessen Ansprüche aus dem Gesell-
schaftsvermögen nicht befriedigt werden konnten. Ob dieser Gläubiger ein außenste-
hender Dritter ist, der mit seiner Forderung nach § 733 Abs. 1 BGB gegen die Gesell-
schaft ausgefallen ist oder ein Gesellschafter, der seine Einlagen nicht vollständig nach
§ 733 Abs. 2 BGB zurückerhalten hat, ist irrelevant, da § 735 BGB sowohl für den Fall
des § 733 Abs. 1 BGB als auch für den Fall des § 733 Abs. 2 BGB Anwendung findet.
Die Gesellschaft ist daher in keinem Anwendungsfall des § 735 BGB berechtigt, die
Nachschussleistungen als Gesellschaftsvermögen zu behalten, sondern muss diese im
Rahmen des ordnungsgemäßen Abwicklungsverfahrens sofort und vollumfänglich an
die noch unbefriedigten Gläubiger (Drittgläubiger nach § 733 Abs. 1 BGB oder Gesell-
schafter nach § 733 Abs. 2 BGB) auskehren. Daher stellt es in jedem denkbaren An-
wendungsfall des § 735 BGB eine überflüssige Verlängerung der Zahlungswege dar,
wenn jeder nachschussverpflichtete Gesellschafter zunächst in das Gesellschaftsvermö-
gen leisten und dieses dann in einem zweiten Schritt an die betreffenden Gläubiger aus-
geschüttet werden würde. Ein Direktausgleich ist daher nicht erst dann möglich, wenn
alle Ansprüche gegenüber Dritten im Außenverhältnis befriedigt worden sind, sondern
bereits dann, wenn die Nachschüsse für die Schuldenbefriedigung nach § 733 Abs. 1
BGB erforderlich sind. In diesem Fall ist eine direkte Zahlung an den jeweiligen Gläu-
biger möglich375.
375
MünchHdb GesR I/Butzer/Knof § 84 Rn. 58.
126
Daher kann jeder Gesellschafter mit dem Eintritt der Auflösung, auch schon vor Been-
digung der Abwicklung im Außenverhältnis, nach § 735 BGB im Wege der actio pro
socio unmittelbar gegen seine nachschussverpflichteten Mitgesellschafter vorgehen, um
Zahlung direkt an den jeweiligen Gläubiger der Gesellschaft (außenstehender Dritter
nach § 733 Abs. 1 BGB, Gesellschafter nach § 733 Abs. 2 BGB) zu verlangen. Spiegel-
bildlich dazu ist der nach § 735 BGB nachschussverpflichtete Gesellschafter berechtigt,
nach seiner Wahl schuldbefreiend sowohl an die Gesellschaft als auch direkt an den
jeweiligen Gläubiger zu leisten. Die Zahlung des nachschussverpflichteten Gesellschaf-
ters an den Gläubiger erfolgt dabei jeweils namens und für Rechnung der Gesellschaft
und hat eine umfassend schuldbefreiende Wirkung: Zum einen befriedigt sie die Forde-
rung des Gläubigers sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen alle - bei Forderun-
gen nach § 733 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner nach § 128 HGB analog, bei Forde-
rungen nach § 733 Abs. 2 BGB als Teilschuldner pro rata376 - haftenden Gesellschafter
einschließlich des Leistenden selbst. Zum anderen befriedigt sie den Sozialanspruch der
Gesellschaft auf Zahlung in das Gesellschaftsvermögen nach § 735 BGB.
Die dogmatische Grundlage für diese Zahlungsbefugnis an den Gläubiger sowie für
deren umfassend schuldbefreiende Wirkung bildet der umfassende Haftungsverbund
zwischen Gesellschaft und nachschussverpflichtetem Gesellschafter einerseits sowie
nachschussverpflichetetem Gesellschafter und den übrigen Gesellschaftern andererseits,
der durch die analoge Anwendung des § 128 HGB analog auf die BGB-Gesellschaft
entstanden ist. Der Nachschussverpflichtete hätte ohnehin - ungeachtet seiner Nach-
schusspflicht - direkt an den Gläubiger zu leisten, sobald dieser ihn nach § 128 HGB
analog in Anspruch genommen hätte. Es muss ihm daher unbenommen bleiben, im Um-
fang seiner Nachschussverpflichtung der Inanspruchnahme nach § 128 HGB analog
zuvorzukommen. Jeder Gesellschafter, der von einem Gläubiger nach § 128 HGB ana-
log wegen einer Gesellschaftsverbindlichkeit in Anspruch genommen worden ist, die
nach Auflösung der Gesellschaft nicht vollständig aus dem vorhandenen verteilbaren
Gesellschaftsvermögen beglichen werden kann, darf seine verlustbeteiligten Mitgesell-
schafter auf Freistellung von den ihnen gemäß ihrer Verlustbeteiligung rechnerisch zu-
kommenden Anteilen (§ 735 Satz 2 BGB) an dieser Forderung in Anspruch nehmen.
Dies wurde von der herrschenden Meinung bereits für den gleichgelagerten § 426 BGB
376
Siehe zur Haftung der Gesellschafter untereinander im Innenverhältnis bereits oben unter § 15 I. 2. a),
S. 102 f.
127
entschieden377. Für den nahezu wortgleichen § 735 BGB kann insoweit nichts Anderes
gelten: Sinn und Zweck des § 735 BGB ist die gesamtschuldartige Aufteilung der
Schuld auf alle Gesellschafter. Dieser Anspruch besteht bereits vor der eigenen Lei-
stung378, setzt lediglich die Fälligkeit der Gesellschaftsschuld voraus379 und geht auf Be-
freiung von dem Teil der Schuld, den der Mitschuldner im Innenverhältnis zu tragen
hat380. Hat der Gesellschafter den Gläubiger befriedigt, so wandelt sich sein Freistel-
lungsanspruch in einen Zahlungsanspruch aus Regress.
Auch unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Treuepflicht kann nichts anderes
gelten: Es ist dem Nachschussverpflichteten nicht zumutbar, von seinen Mitgesellschaf-
tern stets zunächst Zahlung an die Gesellschaft verlangen zu müssen, sobald sein eige-
ner Nachschussbeitrag zur Befriedigung des Gläubigers alleine nicht ausreicht, um dann
in einem zweiten Schritt den Gläubiger auf das neugeschaffene Gesellschaftsvermögen
zu verweisen oder - falls er selbst in der Zwischenzeit an den Gläubiger geleistet haben
sollte - sich selbst aus diesem Vermögen schadlos zu halten. Auf eine besondere Ver-
einbarung unter den Gesellschaftern kann es hierfür - entgegen der Ansicht der herr-
schenden Meinung - schon deshalb nicht ankommen, weil der leistungsbereite Gesell-
schafter sonst der Willkür seiner Mitgesellschafter ausgesetzt wäre.
Die Nachschussleistung umfasst den gesamten Fehlbetrag, d.h. den Betrag, um den die
aufgelöste Gesellschaft überschuldet ist381. Zum Umfang der Haftung jedes einzelnen
Ausgleichsverpflichteten werden für den gleichgelagerten § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB
verschiedene Ansichten vertreten. Die wohl herrschende Meinung lässt die übrigen Mit-
schuldner auf den Regressanspruch des Ausgleichsberechtigten lediglich als Teil-
377
Vgl. statt vieler Bamberger/Roth/Gehrlein BGB § 426 Rn. 3.
378
BGH NJW 1957, 747, 747 zu § 426 Abs. 1 BGB.
379
BGH NJW 1981, 1667, 1667 f.; BGH NJW 1986, 978, 979 zu § 426 Abs. 1 BGB.
380
BGH NJW 1986, 3131, 3132 zu § 426 Abs. 1 BGB.
381
MünchKomm HGB/K. Schmidt § 149 Rn. 27.
128
schuldner haften382, während eine Mindermeinung sich für ein Gesamtschuldverhältnis
ausspricht383.
Richtigerweise ist sowohl bei § 735 Satz 1 BGB als auch bei § 735 Satz 2 BGB jeweils
von einer Teilschuld der Ausgleichspflichtigen auszugehen. Nur so kann eine Hinter-
einanderschaltung mehrerer überflüssiger Regressprozesse bzw. Klagen auf Anpassung
der Quoten nach § 735 Satz 2 BGB vermieden und ein unerwünschter Wettlauf der
Ausgleichsberechtigten vermieden werden.
Erfüllt der Gesellschafter seine Nachschusspflicht nach § 735 BGB durch Leistung ent-
weder in das Gesellschaftsvermögen oder direkt an einen Gläubiger oder Gesellschafter
der Gesellschaft, so ist diese Zahlung in der Auseinandersetzungsabrechnung doppelt
abzubilden, Einerseits zugunsten des Gesellschaftsvermögens, andererseits als Gut-
schrift zugunsten des leistenden Gesellschafters. Die Buchung zugunsten des Gesell-
schaftsvermögens erfolgt auf der Guthabenseite des Liquiditätskontos, die Buchung
zugunsten des Gesellschafters auf der Guthabenseite seines Gesellschafterkontos.
Beispiel:
Fall 9: Die Verbindlichkeiten der Gesellschaft belaufen sich auf 5.000. Das Gesell-
schaftsvermögen reicht nicht aus, um die Verbindlichkeiten der Gesellschaft
gegenüber Dritten und Gesellschaftern zu befriedigen, das Bankguthaben
der Gesellschaft beträgt Null. Gesellschafter A zahlt nunmehr den von ihm
nach § 735 BGB geschuldeten Fehlbetrag von 1.000. Welche Buchungs-
schritte sind vorzunehmen, wenn A schuldbefreiend in das Gesellschafts-
vermögen (Variante 1), direkt an einen Gläubiger (Variante 2) oder direkt
382
Vgl. nur BGHZ 6, 3, 25 = NJW 1952, 1087 ff.; Bamberger/Roth/Gehrlein § 426 Rn. 4; Er-
man/Ehmann BGB § 426 Rn. 22.
383
MünchKomm BGB/Bydlinski § 426 Rn. 30.
129
an den Mitgesellschafter B auf dessen Anspruch in Höhe von 3.000 (Varian-
te 3) leistet?
Liquiditätskonto:
Vor Zahlung A Nach Zahlung A
Bankguthaben 0 1.000
Verbindlichkeiten -5.000 -5.000
unstreitig/fällig
Liquiditätssaldo: -5.000 -4.000
Gesellschafterkonto A:
Vor Zahlung A Nach Zahlung A
Nachschussleistung 0 1.000
Entnahmen -1.000 -1.000
Saldo -1.000 0
Erfolgt die Zahlung nach § 735 BGB direkt an den Gläubiger auf eine Verbindlichkeit
der Gesellschaft gegenüber dem Gläubiger, so erhöht sich nicht der Kassenbestand der
Gesellschaft (Guthabensposten des Liquiditätskontos), sondern der Bestand der Gesell-
schaftsverbindlichkeiten (Abzugsposten) auf dem Liquiditätskonto verringert sich um
die entsprechende Summe: Die Zahlung nach § 735 BGB tilgt letztlich eine Verbind-
lichkeit der Gesellschaft.
130
rektzahlung von Gesellschafter A an Gesellschafter B ist buchungstechnisch letztlich
genauso zu behandeln wie eine Leistung des A in das Gesellschaftsvermögen und eine
anschließende Entnahme des B hieraus:
Gesellschafterkonto B:
Vor Zahlung A Nach Zahlung A
Anspruch § 733 Abs. 1 BGB 3.000 3.000
Entnahmen 0 -1.000
Saldo 3.000 2.000
Kann von einem Gesellschafter der auf ihn nach § 735 Satz 1 BGB entfallende Beitrag
nicht erlangt werden, so haben die übrigen Gesellschafter den Ausfall nach dem glei-
chen Verhältnis zu tragen, nach welchem sie den Verlust zu tragen haben (§ 735 Satz 2
BGB). Der Wortlaut des § 735 Satz 2 BGB legt nahe, dass der Ausfall eines Gesell-
schafters eine echte aufschiebende Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) für die Erhöhung der
von jedem anderen Gesellschafter geschuldeten Quote ist. Unklar ist jedoch, wann diese
Voraussetzung vorliegt. Genügt hierfür, dass der Aufenthaltsort des eigentlich solventen
Gesellschafters nicht oder nur mit zumutbarem Aufwand ermittelt werden kann oder
bedarf es des Nachweises der andauernden Zahlungsunfähigkeit durch Einleitung des
Privatinsolvenzverfahrens384? Die Lösung hierzu besteht darin, auf die zu § 839 Abs. 1
Satz 2 BGB entwickelten Grundsätze zurückzugreifen. Danach braucht sich der Verletz-
te nicht auf Ersatzansprüche verweisen zu lassen, die er nicht oder jedenfalls nicht in
absehbarer und angemessener Zeit durchsetzen kann385, d.h. die Ausnutzung der ander-
384
Ich konnte trotz intensiver Recherche keinen Nachweis dafür ausfindig machen, dass diese These in
dieser Form bereits in Rechtsprechung oder Literatur vertreten worden ist. Daher gehe ich davon aus,
dass hierfür, soweit ersichtlich, keine zitierfähige Fundstelle existiert.
385
Bamberger/Roth/Reinert BGB § 839 Rn. 94. Siehe hierzu auch ausführlich Palandt/Sprau BGB § 839
Rn. 58 ff.
131
weitigen Ersatzmöglichkeit muss erfolgversprechend und zumutbar sein386; weitläufige,
unsichere oder im Ergebnis zweifelhafte Wege des Vorgehens gegen Dritte braucht der
Geschädigte nicht einzuschlagen387. Maßgebend für die Beurteilung der Zumutbarkeit ist
der Zeitpunkt der Erhebung der Amtshaftungsklage388.
Übertragen auf die Regelung des § 735 BGB bedeutet dies, dass es für die Anwendbar-
keit des § 735 Satz 2 BGB genügt, wenn aus Sicht einer verständigen Person im Zeit-
punkt der Klageerhebung der Anspruch gegen den ausfallenden Gesellschafter rechtlich
oder tatsächlich nicht, nicht in absehbarer und angemessener Zeit oder nur mit zweifel-
haftem Ergebnis durchsetzbar oder dessen Inanspruchnahme aus anderen Gründen nicht
zumutbar ist. Können von keinem Gesellschafter mehr die ihm obliegenden Nach-
schussleistungen beigebracht werden, so ist Insolvenzantrag zu stellen389. Da die ver-
bleibenden Gesellschafter den gesamten Betrag des Ausfalls zu übernehmen haben und
nicht lediglich einen dem eigenen Verlustanteil entsprechenden Anteil daran, sind die
Verlustquoten der verbleibenden zahlungsfähigen Gesellschafter zueinander ins Ver-
hältnis zu setzen und den gesamten Ausfallsbetrag diesem Verhältnis entsprechend auf
die verbleibenden Gesellschafter zu verteilen.
Fall 10: An einer Gesellschaft sind drei Gesellschafter A, B und C zu 50%, 30% und
20% beteiligt. C ist zahlungsunfähig im Sinne des § 735 Satz 2 BGB, so
dass ein Fehlbetrag von 10.000 von ihm nicht erlangt werden kann.
Der Ausfall des C ist von A und B nicht zu 50% bzw. zu 30% zu tragen, da sonst insge-
samt nur 80% der Fehlbetragssumme abgedeckt würden. Statt dessen ist die gesamte
Summe von 10.000 nach dem Verhältnis 50:30 auf A und B zu verteilen. A hat also 5/8,
B 3/8 von 10.000 zu tragen, § 735 Satz 2 BGB.
386
BGH NJW-RR 1995, 248, 251.
387
BGHZ 120, 124, 126 = NJW 1993, 1647; BGH NJW-RR 1995, 248, 251.
388
Bamberger/Roth/Reinert BGB § 839 Rn. 94.
389
Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 149 Rn. 5.
132
2. Das nachträgliche Entfallen der Einstandspflicht nach § 735 Satz 2 BGB
Im Laufe der Abwicklung kann es passieren, dass ein zum Auflösungszeitpunkt nach-
schussverpflichteter Gesellschafter, von dem ein auf ihn entfallender Betrag nicht er-
langt werden konnte (§ 735 Satz 2 BGB), nach vollständiger Versilberung des Gesell-
schaftsvermögens ein positives Auseinandersetzungsguthaben aufweist, weil so hohe
Veräußerungserlöse erzielt werden konnten, dass auch nach Befriedigung aller Verbind-
lichkeiten im Innen- und Außenverhältnis ein ihm anteilig zufallender Überschuss nach
§ 734 BGB verbleibt. Haben die Mitgesellschafter jedoch bereits zu Beginn der Vermö-
gensversilberung, als der zahlungsunfähige Gesellschafter noch nachschussverpflichtet
war, Verbindlichkeiten der Gesellschaft gemäß § 735 BGB gegenüber den Gläubigern
befriedigt und dabei den Ausfall anteilig mit übernommen (§ 735 Satz 2 BGB), so stellt
sich die Frage, ob der ausfallende Gesellschafter ein ihm zuletzt zustehendes Auseinan-
dersetzungsguthaben behalten darf oder ob er es im Wege des Schadensersatzes für
übernommene Ausgleichszahlungen nach § 735 Satz 2 BGB an seine Mitgesellschafter
anteilig auszukehren hat390.
Beispiel:
Fall 11: An der Gesellschaft sind A, B und C mit Verlustquoten zu 60%, 30% und
10% beteiligt, C ist zahlungsunfähig. Im Auflösungszeitpunkt reicht das
Barvermögen in der Gesellschaftskasse nicht zur vollständigen Schuldenbe-
friedigung aus, so dass die Gesellschafter nach § 735 BGB nachschussver-
pflichtet sind. Auf C entfällt dabei ein Fehlbetrag von 9.000, für den A und
B anteilig zu 6.000 (A) bzw. 3.000 (B) aufkommen (§ 735 Satz 2 BGB).
Aufgrund der späteren Umsetzung des Gesellschaftsvermögens in Geld
kann C am Ende des Abwicklungsverfahrens jedoch ein positives Ausein-
andersetzungsguthaben von 3.000 geltend machen. A und B verlangen Aus-
zahlung dieser Summe als Schadensersatz für die nach § 735 Satz 2 BGB
getätigten Vermögensaufwendungen. Zu Recht?
390
Ich konnte trotz intensiver Recherche keinen Nachweis dafür ausfindig machen, dass diese These in
dieser Form bereits in Rechtsprechung oder Literatur vertreten worden ist. Daher gehe ich davon aus,
dass hierfür, soweit ersichtlich, keine zitierfähige Fundstelle existiert.
133
Behandelt man nach der hier vertretenen Ansicht jede Zahlung, die ein Gesellschafter
zur Befriedigung von Schulden der Gesellschaft geleistet hat, ungeachtet ihrer Veran-
lassung als Einlageleistung, so entsteht auch bei zusätzlicher Schuldübernahme nach
§ 735 Satz 2 BGB durch A und B kein Schaden, für den C Ersatz zu leisten hätte. Über-
nehmen die zahlungsfähigen Gesellschafter anteilig den Ausfall eines zahlungsunfähi-
gen Mitgesellschafters gegenüber dem Gläubiger, so leisten sie in gleicher Höhe eine
Einlage in das Gesellschaftsvermögen. Diese können sie wiederum im Rahmen des Ein-
lagenrückerstattungsanspruches nach § 733 Abs. 2 BGB als entsprechenden Anspruch
gegen die Gesellschaft geltend machen; die Auseinandersetzungsguthaben von A und B
erhöhen sich also qua Saldo um den jeweils geleisteten anteiligen Ausfallbetrag. Im
Ergebnis erleiden A und B aus dem Ausfall keinen wirtschaftlichen Nachteil, so dass
ihnen kein Vermögensnachteil entstanden ist. Daher kann C sein zuletzt positives Aus-
einandersetzungsguthaben in jedem Fall behalten.
VI. Zusammenfassung
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Nachschusspflicht nach § 735 BGB zum
Tragen kommt, wenn das nach Abschluss der Versilberung zur Verfügung stehende
Gesellschaftsvermögen nicht ausreicht, um die Schulden der Gesellschaft gegenüber
Dritten und Gesellschaftern zu befriedigen. In diesem Fall sind die Gesellschafter ver-
pflichtet, aus ihrem Privatvermögen in das Gesellschaftsvermögen zu leisten, wobei die
Zahlung schuldbefreiend direkt an den jeweiligen Gläubiger (Gesellschafter oder Drit-
ten) erfolgen kann. § 735 BGB begründet eine Teilschuld des einzelnen Gesellschafters
in Höhe seines Verlustanteils und wandelt sich vor erfolgter Befriedigung des Gläubi-
gers in einen Freistellungsanspruch gegen die Mitgesellschafter. Sämtliche Nachschuss-
leistungen sind als Guthabensposten im Gesellschafterkonto des jeweils leistenden Ge-
sellschafters zu erfassen und einheitlich mit seinen jeweiligen übrigen Ansprüchen und
Verbindlichkeiten im Rahmen der Abwicklung zu verrechnen.
134
§ 18 Vorabausschüttung des verteilbaren Gesellschaftsvermögens
I. Analoge Anwendbarkeit des § 155 Abs. 2 Satz 1 BGB auf die BGB-
Gesellschaft
Die Interessenslage des Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist auch
im Hinblick auf die Berechtigung, entbehrliche Gelder im Sinne des § 155 Abs. 2 Satz 1
HGB vorab entnehmen zu dürfen, mit der des OHG-Gesellschafters vergleichbar. Nach
Abwicklung aller Ansprüche und Verbindlichkeiten gegenüber außenstehenden Dritten
steht das gesamte verbleibende Gesellschaftsvermögen nur noch den Gesellschaftern zu,
da es für andere Zwecke im Rahmen der Auseinandersetzung nicht mehr benötigt wird.
Es gibt daher keinen Grund, den Gesellschaftern den Zugriff darauf zu verweigern. Ins-
besondere ist es den Gesellschaftern nicht zumutbar, erst die vollständige Umsetzung
des gesamten Gesellschaftsvermögens in Geld abzuwarten, wenn bereits jetzt absehbar
ist, dass die daraus erzielten Erlöse ohnehin nur noch unter den Gesellschaftern zu ver-
teilen sind. § 155 Abs. 2 Satz 1 HGB ist daher analog auf die Gesellschaft bürgerlichen
Rechts anzuwenden391 mit der Folge, dass auch dem Gesellschafter einer Gesellschaft
bürgerlichen Rechts ein Anspruch auf Vorabausschüttung des für die Auseinanderset-
zung entbehrlichen verteilbaren Gesellschaftsvermögens gegen die Gesellschaft bzw.
seine Mitgesellschafter zusteht, ohne dass er die vollständige Umsetzung des Gesell-
391
MünchKomm HGB/K. Schmidt § 155 Rn. 3; Erman/Westermann BGB § 734 Rn. 2.
135
schaftsvermögens in Geld oder die Einzahlung sämtlicher Nachschüsse und Kontenun-
terdeckungen abwarten oder gar umsetzen müsste392.
Das während der Liquidation entbehrliche Geld im Sinne des § 155 Abs. 2 Satz 1 HGB
ermittelt sich auf Grundlage des hier vorgeschlagenen Vermögensverteilungsverfahrens
wie folgt: Maßgeblich für die Ermittlung des vorhandenen und nach Abzug aller Schul-
den verbleibenden, d.h. verteilbaren, Gesellschaftsvermögens ist nach der hier vertrete-
nen Auffassung das Liquiditätskonto, in dem die aus der Verwertung des Gesellschafts-
vermögens erzielten Erlöse (§ 733 Abs. 3 BGB) mit den tatsächlich oder potentiell be-
stehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber außenstehenden Dritten ver-
rechnet werden393.
Ist der Saldo dieses Liquiditätskontos zu einem gegebenen Zeitpunkt bereits vor Ab-
schluss der Vermögensversilberung positiv, so wird das darin verkörperte verteilbare
Gesellschaftsvermögen zu keinem anderen Zweck im Rahmen der Auseinandersetzung
mehr als zur Ausschüttung an die Gesellschafter benötigt. Der Saldo des Liquiditätskon-
tos ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass er bereits alle - durch die Einbeziehung der
Zurückbehalte auch potentiell - zu befriedigenden Verbindlichkeiten gegenüber Nicht-
gesellschaftern bereits rechnerisch in Form von Abzugsposten berücksichtigt. Er ist
daher für die Schuldenbefriedigung gegenüber Dritten im Sinne des § 155 Abs. 2 Satz 1
HGB analog entbehrlich und kann daher gemäß § 155 Abs. 2 Satz 1 HGB analog bis auf
den Betrag „Null“ von denjenigen Gesellschaftern entnommen werden, die zu diesem
Zeitpunkt ein positives Auseinandersetzungsguthaben aufweisen.
392
Zu einem der analogen Anwendung des § 155 HGB wirtschaftlich gleichkommenden Ergebnis, je-
doch mit anderer Begründung kommt die ganz herrschende Meinung (vgl. nur Staudinger/Habermeier
BGB (2003) § 730 Rn. 21; MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 49), die dem Gesellschafter zwar
unter Berufung auf die sog. Durchsetzungssperre die isolierte Geltendmachung von Zahlungsansprü-
chen gegen die Gesellschaft vor Beendigung der Auseinandersetzung versagt, ihm aber ausnahmswei-
se eine Forderung zugesteht, wenn feststeht, dass der Gesellschafter die eingeforderte Summe in je-
dem Fall behalten darf (ebenso ständige Rechtsprechung, siehe nur BGHZ 37, 299, 305 = NJW 1962,
1863; BGH NJW 1980, 1628, 1628). Wie jedoch dieser Mindestbetrag genau ermittelt werden soll,
bleibt offen.
393
Siehe hierzu ausführlich oben § 12, S. 75 ff.
136
Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Vermögensverwertung nach § 733 Abs. 3 BGB
bereits vollständig abgeschlossen ist, da sich nach der hier beschriebenen Vorgehens-
weise der Saldo des Liquiditätskontos mit fortlaufender Vermögensverwertung nur er-
höhen kann. Jede Auszahlung gemäß § 155 Abs. 2 Satz 1 HGB analog ist nur vorläufig,
steht also unter dem Vorbehalt der endgültigen Saldoberechnung. Da sie jedoch als Teil
des endgültigen Auseinandersetzungsguthabens anzusehen ist, muss sie auf den endgül-
tigen Guthabensanspruch des Entnehmenden angerechnet werden394. Die Anrechnung
erfolgt, indem jedem Gesellschafter der Betrag seiner Vorabentnahme als Entnahme in
sein Gesellschafterkonto einzubuchen ist. Nach Verrechnung mit den von ihm im Übri-
gen zu beanspruchenden bzw. geschuldeten Beträgen vermindert sich sein Auseinander-
setzungsguthaben im Ergebnis um den Betrag der Vorabentnahme.
394
E/B/J/S/Hillmann HGB § 155 Rn. 10.
137
Verhältnis der jeweiligen Auseinandersetzungsguthaben zueinander, also der Beträge,
die dem Gesellschafter unter Berücksichtigung aller seiner Entnahmen sowie aller noch
zu befriedigender Verbindlichkeiten der Gesellschaft zustehen395. Die Vorabausschüt-
tungen dürfen nicht die Befriedigung von Gläubigern der Gesellschaft vereiteln; zudem
sollen die Gesellschafter bei der vorläufigen Verteilung nicht mehr erhalten, als sie bei
der Schlussverteilung voraussichtlich zu beanspruchen haben396. Nur so können alle mit
der noch ausstehenden Vermögensversilberung zusammenhängenden Risiken sowie das
Risiko der Zahlungsunfähigkeit ggf. nachschussverpflichteter Mitgesellschafter gerecht
auf alle Gesellschafter verteilt werden. Der Kapitalanteil, der nach ganz herrschender
Meinung bei der OHG für die vorläufige Verteilung nach § 155 Abs. 2 Satz 1 HGB
maßgeblich ist397, ist also nichts Anderes als das nach der hier vorgestellten Vorgehens-
weise ermittelte Auseinandersetzungsguthaben des Gesellschafters. Es besteht aus dem
Saldo des einheitlichen Gesellschafterkontos des Berechtigten, der mit dem Anteil des
Gesellschafters am nach Schuldenbefriedigung verbleibenden Restvermögen verrechnet
wird.
Beispiel:
Die vorhandene verteilbare Liquidität von 20.000 reicht nicht aus, um die Ansprüche
aller drei Gesellschafter in Höhe von insgesamt 45.000 zu befriedigen. Sie darf jedoch
nicht im Verhältnis 50 : 30 : 20 ausgeschüttet werden, sondern die Gesellschafter A, B
und C müssen sich statt dessen den vorab ausschüttungsfähigen Betrag des Liquiditäts-
395
Unter Verwendung einer anderen Terminologie, im Ergebnis aber wohl ebenso Kol-
ler/Roth/Morck/Koller § 155 Rn. 2: „Das gesamte nach Bezahlung der Gesellschaftsschulden verblei-
bende Vermögen ist [...] nach Verrechnung der gegen Gesellschafter gerichteten Ansprüche [...] nach
dem Verhältnis der so fortgeschriebenen positiven Kapitalanteile an die Gesellschafter mit positivem
Kapitalanteil auszuschütten.“
396
E/B/J/S/Hillmann HGB § 155 Rn. 7.
397
Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 155 Rn. 2; E/B/J/S/Hillmann HGB § 155 Rn. 14.
138
saldos im Verhältnis 30 : 10 : 5 untereinander aufteilen. Auf sie entfallen damit 30/45
(A), 10/45 (B) bzw. 5/45 (C) von 20.000.
1. Problemstellung
Weist mindestens ein Gesellschafter zu einem gegebenen Zeitpunkt vor Abschluss der
Abwicklung ein negatives Auseinandersetzungsguthaben auf, so fragt sich, inwieweit
bei der Vorabausschüttung durch entsprechende Zurückbehalte für den Fall vorzusorgen
ist, dass der nachschussverpflichtete Gesellschafter sich im weiteren Verlauf als zah-
lungsunfähig herausstellt und die verbleibenden Gesellschafter nach § 735 Satz 2 BGB
für den Fehlbetrag aufzukommen haben. Zu diesem Zweck könnte der Betrag bereits
bestehender Nachschussverpflichtungen nach dem Vorsichtsprinzip von dem vorab aus-
schüttungsfähigen Vermögen abzuziehen bzw. sonst bei der Verteilung an die berech-
tigten Gesellschafter zu berücksichtigen sein398. Diese Problematik soll an folgendem
Beispielsfall verdeutlicht werden:
Fall 13: Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts besteht aus drei Gesellschaftern A, B
und C. Die Verlustbeteiligung wurde im Gesellschaftsvertrag auf 50% für
A, 30% für B und 20% für C festgelegt. Der Liquidationssaldo beträgt zu
einem gegebenen Zeitpunkt 4.000, die Auseinandersetzungsguthaben der
Gesellschafter betragen 5.000 für A und 6.000 für B. C ist in Höhe von
1.000 nachschussverpflichtet. C steckt in finanziellen Schwierigkeiten, es ist
unklar, ob er seine Nachschussverpflichtungen erfüllen kann.
398
Ich konnte trotz intensiver Recherche keinen Nachweis dafür ausfindig machen, dass diese These in
dieser Form bereits in Rechtsprechung oder Literatur vertreten worden ist. Daher gehe ich davon aus,
dass hierfür, soweit ersichtlich, keine zitierfähige Fundstelle existiert.
139
2. Verteilung unter der Prämisse des Ausfalls aller nachschussverpflichteten
Gesellschafter
Da die Vorabausschüttung nach § 155 Abs. 2 Satz 1 HGB analog zu jedem Zeitpunkt
nur auf Grundlage des tatsächlich vorhandenen Vermögens erfolgen kann, nehmen die
von C geschuldeten 1.000 ebenso wie noch nicht geleistete Einlagen nicht an der Ver-
mögensverteilung teil und sind daher auch nicht zu Lasten der Gesellschafter A und B
zu berücksichtigen. Daher kann der gesamte Liquidationssaldo entnommen werden,
ohne dass Zurückbehalte für potentielle Ausfallrisiken gebildet werden müssen.
Damit ergibt sich für den soeben dargestellten Beispielsfall folgende Verteilung:
399
Die Literatur hat zwar die Problematik der späteren Rückforderung bei überhöhten Vorabentnahmen
als solche zur Kenntnis genommen, siehe etwa E/B/J/S/Hillmann HGB § 155 Rn. 11, hierfür jedoch
bislang, soweit ersichtlich, noch keinen Lösungsvorschlag gemacht.
140
Ohne Ausfall C Mit Ausfall C
Gesamtsaldo A
Auseinandersetzungsguthaben 5.000
Anteil Ausfall C 5/8 400
-625
Summe 4.375
Gesamtsaldo B
Auseinandersetzungsguthaben 6.000
Anteil Ausfall C 3/8 -375
Summes 5.625
Gesamtsaldo C
Nachschusspflicht -1.000
Diese Vorgehensweise hat zur Folge, dass nie zu viel Geld vorab an die anspruchsbe-
rechtigten Gesellschafter ausgeschüttet wird. Der so berechnete Ausschüttungsbetrag
beinhaltet einerseits das Risiko, dass wider Erwarten keine weiteren Erlöse aus der Ver-
silberung des Gesellschaftsvermögens nach § 733 Abs. 3 BGB erzielt werden, anderer-
seits das Risiko eines Totalausfalls aller nachschussverpflichteten Gesellschafter. Auf
diese Weise werden spätere Rückforderungen von zu viel gezahlten Vorabbeträgen und
damit verbundene Hin- und Herzahlungen bestmöglich ausgeschlossen. Begleicht C die
400
Der Ausfall des C in Höhe von 1.000 ist im Verhältnis der Verlustquoten des A und B zu überneh-
men, mithin im Verhältnis 50 : 30. Auf A entfallen damit 5/8, auf B 3/8 des potentiellen Fehlbetrags
von 1.000.
141
von ihm geschuldeten Nachschussbeträge, so kann er nach seiner Wahl nach dem schon
oben dargestellten Prinzip direkt an die Gesellschafter A und B zahlen. Die Zahlung ist
in diesem Fall zwischen A und B nach dem Verhältnis ihrer in diesem Zeitpunkt beste-
henden Auseinandersetzungsguthaben zueinander aufzuteilen.
Die §§ 731 ff. BGB geben ein mehrstufiges Vermögensverteilungsverfahren vor, das
laut Gesetzeswortlaut Schritt für Schritt abzuarbeiten ist, wobei mit der jeweils nächsten
Stufe nach dem Gesetzeswortlaut erst begonnen werden darf, wenn die vorherige Stufe
abgeschlossen ist. Unter Berufung auf das Gesetz folgert daher die herrschende Mei-
nung, dass die Rangfolge in §§ 733 f. BGB auch nach Erstellung der von ihr geforderten
Auseinandersetzungsbilanz insofern Bedeutung hat, als die Auszahlung des Gesell-
schaftsvermögens an die Gesellschafter einer entsprechenden Tilgungsreihenfolge un-
terliegt401, die bei der Geltendmachung des Anspruchs auf das Auseinandersetzungsgut-
haben zu beachten sein solle, falls das liquide Gesellschaftsvermögen nicht zur Befrie-
digung aller Ansprüche ausreicht402. Zuerst seien die Sozialverbindlichkeiten der Gesell-
schaft gegenüber den Gesellschaftern zu befriedigen, anschließend die Ansprüche auf
Einlagenrückerstattung (§ 733 Abs. 2 BGB) und zuletzt der Anspruch auf den Über-
schuss403. Dies soll aber wiederum nur dann gelten, soweit die vorrangige Sozialver-
bindlichkeit nicht dem Grundsatz der Durchsetzungssperre unterliegt404; innerhalb der
jeweiligen Kategorien gelte bei unzureichenden Gesellschaftsmitteln anteilige Befriedi-
gung nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz405.
401
So auch MünchKomm BGB/Schäfer § 734 Rn. 10; Bamberger/Roth/Schöne BGB § 734 Rn. 2; Er-
man/Westermann BGB § 733 Rn. 2: Danach soll zwischen Sozialansprüchen, Einlagenrückerstat-
tungsansprüchen und dem Anspruch auf den Überschuss ein Rangverhältnis dergestalt bestehen, wo-
nach die Sozialansprüche zunächst vor der Einlagenrückerstattung zu begleichen und der Überschuss
zuletzt auszuzahlen ist.
402
MünchKomm BGB/Schäfer § 734 Rn. 10.
403
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 734 Rn. 2; MünchKomm BGB/Schäfer § 734 Rn. 10; Grziwotz DStR
1992, 1365, 1366.
404
Erman/Westermann BGB § 733 Rn. 2; Staudinger/Habermeier BGB (2003) § 733 Rn. 6. Allerdings
bleibt unklar, wann eine Sozialverbindlichkeit nicht der Durchsetzungssperre unterliegt.
405
MünchKomm BGB/Schäfer § 734 Rn. 10; Erman/Westermann BGB § 734 Rn. 3.
142
Auf eine solche Zahlungsreihenfolge kommt es nach dem hier vertretenen Vermögens-
verteilungsverfahren nicht an. Wenn lediglich der Saldo einer fortlaufenden Abrech-
nung Gegenstand der Ausgleichsforderungen- und Verbindlichkeiten sein kann, so
spielt es keine Rolle, an welcher Position oder in welcher zeitlichen oder systematischen
Abfolge die einzelnen Abwicklungsschritte vollzogen werden und die korrespondieren-
den Posten in das Konto eingestellt werden. Subtrahiert man gemäß der gesetzlich vor-
gegebenen Reihenfolge die Salden aller Gesellschafterkonten vom Saldo des Liquidi-
tätskontos, so ergibt sich der Vorrang der Gläubigerbefriedigung vor der Verteilung des
Gesellschaftsvermögens an die Gesellschafter unproblematisch aus dem Berechnungs-
ergebnis: Das Auseinandersetzungsguthaben jedes Gesellschafters steht erst nach Ab-
zug aller Schulden und Zurückbehalte gegenüber Dritten sowie der an seine Mitgesell-
schafter intern zu leistenden Ausgleichsbeträge fest. Das auf jeden Gesellschafter entfal-
lende Auseinandersetzungsguthaben bzw. der Fehlbetrag ist stets im Ganzen von ihm
bzw. von der Gesellschaft geschuldet. Eine Aufspaltung in Teilbeträge, von denen eini-
ge vorrangig vor anderen auszuschütten sein sollen406, ist weder möglich noch nötig. Ist
die Abwicklung gegenüber Dritten gemäß § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB abgeschlossen und
ist danach noch Gesellschaftsvermögen vorhanden, so ist dieses nach Maßgabe der
Auseinandersetzungsguthaben an die Gesellschafter auszuschütten. Welche Tilgungsbe-
stimmung eine solche Auszahlung hat, d.h. ob und zu welchem Anteil sie zur wertmä-
ßigen Rückgabe von Gegenständen (§ 732 BGB), zur Befriedigung von Einlagenrücker-
stattungsansprüchen (§ 733 Abs. 2 BGB), Sozialansprüchen, Drittgläubigeransprüchen
oder des Anspruchs auf den Überschuss (§ 734 BGB) erfolgt, ist unerheblich. Es besteht
auch kein Bedürfnis für eine Rangfolge der Gesellschafterforderungen, solange zumin-
dest ein Gesellschafter im Sinne des § 735 Satz 2 BGB zahlungsfähig ist: Die Gesell-
schafter haften einander nach § 735 BGB auf eventuelle Fehlbeträge. Außerhalb des
Insolvenzverfahrens kommt es daher auf eine Reihen- oder Rangfolge der Anspruchsbe-
friedigung nicht an.
Wenn hinter der Forderung nach Einhaltung einer bestimmten Reihenfolge der Abwick-
lungsschritte die Befürchtung steckt, es könne zur Verteilung von Geldern kommen,
bevor geklärt sei, ob diese überhaupt hierfür zur Verfügung stünden, so ist dieser Gefahr
durch eine analoge Anwendung von § 155 Abs. 2 HGB sowie dadurch zu begegnen,
dass im Saldo des Liquiditätskontos nur das verteilbare Gesellschaftsvermögen erfasst
406
Vgl. nur MünchKomm BGB/Schäfer § 734 Rn. 10.
143
wird und das den Gesellschaftern zustehende Auseinandersetzungsguthaben stets unter
Abzug aller tatsächlich oder potentiell bestehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft
sowie auf der Grundlage der für den Anspruchsinhaber ungünstigsten Sachverhaltsvari-
ante ermittelt wird.
In der juristischen Praxis besteht Einigkeit darüber, dass die Gesellschaft erst nach voll-
ständigem Abschluss der Auseinandersetzung erlischt407. In der Literatur hat sich hierzu
der Begriff der Vollbeendigung etabliert, der das Ende der Abwicklung markieren
soll408. Erst mit Vollbeendigung fällt die Gesellschaft als Trägerin von Rechten und
Pflichten endgültig weg. Fraglich ist jedoch, wann der Zeitpunkt der Vollbeendigung
genau eintritt. Das Gesetz fingiert zwar in § 730 Abs. 2 Satz 2 BGB den Fortbestand der
Gesellschaft, regelt jedoch nicht eindeutig, wann diese gesetzliche Fiktion ihr Ende fin-
den soll.
Nach der wohl herrschenden Meinung tritt die Vollbeendigung der Gesellschaft schon
dann ein, wenn das gesamte verwertbare Aktivvermögen der Gesellschaft restlos verteilt
ist409. Sei kein Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden, entfalle die Berechtigung zur
Annahme einer fortbestehenden Abwicklungsgesellschaft; die Gesellschaft sei vollbe-
endet und für eine Auseinandersetzung kein Raum mehr410. Mit vollständiger Verteilung
des Aktivvermögens sollen neben der Gesellschaft selbst auch alle gegen die Gesell-
407
K. Schmidt ZHR 153 (1989), 270, 274; MünchHdb GesR I/Gummert § 21 Rn. 7.
408
Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 131 Rn. 2.
409
BGHZ 24, 91, 93 f. = NJW 1957, 989 ff.; BGHZ 26, 126, 130 = NJW 1958, 299 ff.; MünchKomm
BGB/Schäfer § 730 Rn. 2; Heidner DStR 1992, 201, 203 f.
410
MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 2.
144
schaft gerichteten Forderungen erlöschen und durch die persönliche Haftung der Gesell-
schafter ersetzt werden411. Das Bestehen von Gesellschaftsverbindlichkeiten oder von
Sozialansprüchen der ansonsten vermögenslosen Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter
erfordere weder ein Abwicklungsverfahren noch hindere es das Erlöschen der Gesell-
schaft, weil die Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern persönlich für die Schulden
haften und der interne Ausgleich zwischen den Gesellschaftern nach Gesamtschuldre-
geln stattfinde412. Ebenso wenig schade es, wenn noch Erklärungen gegenüber Behörden
(z.B. dem Finanzamt) abzugeben oder Rechtsbeziehungen zu Dritten zu klären seien413;
hierfür genüge es nach dem Rechtsgedanken des § 157 Abs. 2 HGB, wenn statt dessen
Personen bestimmt werden, die diese nachwirkenden Aufgaben wahrnehmen414. In Fort-
entwicklung dieser Ansicht gesteht der BFH einer vollbeendeten Gesellschaft sogar die
Klagebefugnis zu, um die Aufhebung eines nach Auflösung ergangenen Steuerverwal-
tungsakts gerichtlich geltend zu machen415.
Nach dieser herrschenden Meinung sollen der Kontenausgleich und die Überschussver-
teilung unter den Gesellschaftern nicht mehr Bestandteil des Abwicklungsverfahrens416
bzw. nur dann Aufgabe der Abwickler sein, wenn ihnen dies im Gesellschaftsvertrag
ausdrücklich oder stillschweigend übertragen worden sei417. Statt dessen sei eine klare
Unterscheidung der Auseinandersetzung in Ansehung des Gesellschaftsvermögens
(§ 730 Abs. 1 BGB) und der auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden internen An-
sprüche zwischen den (ehemaligen) Gesellschaftern vorzunehmen418. Etwas Anderes
soll aber wiederum dann gelten, wenn noch Nachschusspflichten der Gesellschafter im
Raum stehen: In diesem Fall komme es zu einer aus der Natur der Sache folgenden Er-
weiterung der Abwicklerfunktionen419.
411
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 V 3. b), S. 311.
412
E/B/J/S/Hillmann HGB § 145 Rn. 8.
413
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 V 6. b), S. 317.
414
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 V 6. b), S. 317.
415
BFH GmbHR 2005, 124 ff.
416
BGHZ 24, 91, 93 f. = NJW 1957, 989; Soergel/Hadding/Kießling BGB Vorbem. zu § 730 Rn. 3.
417
MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 3.
418
MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 4.
419
MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 4.
145
2. Stellungnahme: Vollbeendigung erst mit Ausgleich aller Gesellschafterkon-
ten
Dass auch Ansprüche der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter Bestandteile des - auch
nach Ansicht der herrschenden Meinung abzuwickelnden - aktiven Gesellschaftsvermö-
gens sind, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Sozialansprüche oder Ansprüche
aus Drittrechtsgeschäften handelt, wurde bereits ausführlich dargelegt420. Dem Ansatz
des BFH, der vollbeendeten Gesellschaft eine eigene Klagebefugnis einzuräumen, ist
entgegenzuhalten, dass die Gesellschaft mit Eintritt der Vollbeendigung nach allgemei-
nen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen rechtlich und tatsächlich erlischt und damit als
solche nicht mehr existiert, mithin ein rechtliches und tatsächliches nullum darstellt.
Weshalb ein zivilrechtlich nicht existentes Rechtssubjekt steuerrechtlich gesehen nicht
nur vorhanden, sondern sogar selbst klagebefugt sein soll, mag im Hinblick auf den
Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung nicht so recht einleuchten. Auch im
Übrigen kann der Ansicht der herrschenden Meinung nicht gefolgt werden. Weder das
Abwicklungsverfahren noch die Gesellschaft selbst können beendet sein, solange noch
Forderungen oder Verbindlichkeiten außenstehender Dritter oder der Gesellschafter
gegen die Gesellschaft bestehen. Dies ergibt sich daraus, dass § 733 Abs. 1 und Abs. 2
BGB die Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft im Innen- und Außen-
verhältnis als Bestandteil der Auseinandersetzung fordern. Die Gesellschaft bürgerli-
chen Rechts ist nach heutigem Rechtsverständnis ein eigenständiges Rechtssubjekt mit
eigenen Rechten und Pflichten, wenn und soweit sie am Rechtsverkehr teilnimmt421.
Damit muss sie aber auch konsequenterweise so lange Rechtssubjekt bleiben, wie sie
aus dieser Teilnahme am Rechtsverkehr Rechte und Pflichten innehat, z.B. aus gegen
sie gerichteten Forderungen oder aus ihr zustehenden Ansprüchen.
420
Siehe hierzu oben § 7, I., S. 42 ff.
421
Seit BGHZ 146, 341 ff. = NJW 2001, 1056 ff.
146
er im Wege des Aufwendungsersatzes von der Gesellschaft Regress nehmen. Kann die-
ser Anspruch wegen Vermögenslosigkeit der Gesellschaft nicht aus dem Gesellschafts-
vermögen befriedigt werden, so richtet sich der Anspruch auf Ausgleich gemäß § 735
BGB gegen die Mitgesellschafter; dieser Regressanspruch nach § 735 BGB fällt aber
seinerseits wiederum in das Gesellschaftsvermögen und bildet aktive Liquidationsmas-
se422. Die persönliche Haftung für die Gesellschaftsschuld im Außenverhältnis und die
daraus resultierende Regressforderung gegen die Gesellschaft im Innenverhältnis macht
damit sofort eine Nachtragsliquidation nach §§ 733 Abs. 2, 735 BGB erforderlich423.
Ließe man mit der herrschenden Meinung eine Vollbeendigung der Gesellschaft zu,
wenn das gesamte aktive Gesellschaftsvermögen verteilt ist, jedoch bevor alle sich aus
§ 735 BGB ergebenden Ansprüche und Verbindlichkeiten im Verhältnis des Gesell-
schafters zur Gesellschaft befriedigt worden sind, so stellt sich die Frage, wie und vor
allem von wem der ausschließlich der Gesellschaft424, nicht aber den Gesellschaftern
zustehende Anspruch aus § 735 BGB geltend gemacht werden kann425. Die Gesellschaft
selbst könnte, wenn man die Auffassung der herrschenden Meinung beim Wort nähme,
niemals Ansprüche aus § 735 BGB geltend machen, da sie in dem Augenblick, in dem
das gesamte aktive, jedoch nicht zur Tilgung aller Verbindlichkeiten ausreichende Ge-
sellschaftsvermögen verteilt worden wäre, als solche gar nicht mehr existierte426. Damit
verbliebe für § 735 BGB kein Anwendungsbereich mehr.
422
Soergel/Hadding/Kießling BGB Vorbem. zu § 730 Rn. 2, die das Problem zwar erkennen, aber den-
noch von einer Vollbeendigung schon bei vollständiger Verteilung des Aktivvermögens ohne Rück-
sicht auf die Existenz von Verbindlichkeiten der Gesellschaft ausgehen.
423
Zur Nachtragsliquidation sogleich § 19, II., S. 151 ff.
424
MünchKomm BGB/Schäfer § 735 Rn. 5.
425
MünchHdb GesR I/Gummert § 21 Rn. 118.
426
MünchHdb GesR I/Gummert § 21 Rn. 118, der allerdings daraus nicht die notwendige Konsequenz
zieht, dass die Gesellschaft erst mit vollständiger Befriedigung auch der Ansprüche und Verbindlich-
keiten aus § 735 BGB vollbeendet sein kann. Statt dessen fordert er eine Differenzierung dahinge-
hend, dass für den Fall der Abbedingung des § 735 BGB im Gesellschaftsvertrag die Gesellschaft be-
endet sein solle, sobald kein positives Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden sei, aber für den Fall,
dass die Gesellschafter zwar § 735 BGB nicht ausdrücklich abbedungen haben, jedoch nicht unver-
züglich nach der Feststellung, dass kein aktives Vermögen mehr vorhanden sei, die Nachschüsse nach
§ 735 BGB einfordern, die Gesellschaft ebenfalls beendet sei (MünchHdb GesR I/Gummert § 21
Rn. 118). Die erste Variante (Beendigung mit Vermögensverteilung bei Abbedingung von § 735
BGB) weicht vom Gesetzeswortlaut ab und ist daher nicht Gegenstand dieser Untersuchung, die sich
ausschließlich mit dem gesetzlich vorgesehenen Regime befasst. Wieso es bei der zweiten Variante
für die Beendigung der Gesellschaft darauf ankommen soll, wie schnell die Gesellschafter die Nach-
schüsse nach § 735 BGB einfordern, erschließt sich nicht. Auch für die Einforderung von Nach-
schussleistungen gelten die allgemeinen Verjährungsfristen.
147
3. Folgerung: Der Innenausgleich unter den Gesellschaftern als notwendiger
Bestandteil der Abwicklung
Aus dem soeben Gesagten folgt zugleich, dass die Gesellschaft nicht vollbeendet sein
kann, solange noch Ansprüche der Gesellschafter untereinander bestehen, die auf dem
Gesellschaftsverhältnis basieren. Die Nachschusspflicht der Gesellschafter ist nach der
gesetzlichen Konzeption untrennbar mit der Befriedigung der Verbindlichkeiten im
Außen- und Innenverhältnis sowie mit der Rückzahlung von Einlagen im Innenverhält-
nis verbunden. Zur Schuldenbefriedigung und Einlagenrückerstattung aufzuwendende
Beträge, die nicht aus der Liquidationsmasse geleistet werden können, sind von den
Gesellschaftern nach § 735 BGB aufzubringen, wobei die Leistung zur Abkürzung der
Zahlungswege direkt vom nachschussverpflichteten Gesellschafter an den anspruchsbe-
rechtigten Mitgesellschafter für Rechnung der Gesellschaft erfolgen kann. In diesem
Fall führt § 735 BGB lediglich zu einem Austausch des Forderungsschuldners: Die An-
sprüche gegen die vermögenslos gewordene Gesellschaft sind nunmehr von den (übri-
gen) Gesellschaftern zu befriedigen.
Es ist nicht einsichtig, warum dieser Ausgleich nur deshalb nicht mehr zum gesetzlich
vorgeschriebenen und geschützten Auseinandersetzungsverfahren gehören sollte, weil
der ursprüngliche Schuldner, die Gesellschaft, vermögenslos geworden und gesetzlich
durch einen anderen Schuldner, nämlich den nachschussverpflichteten Gesellschafter
ersetzt worden ist. Gerade im Fall der Vermögenslosigkeit der Gesellschaft bedarf der
Gesellschafter des besonderen Schutzes der §§ 733 Abs. 2 iVm 735 BGB, um seine
Mitgesellschafter auf Nachschusszahlung in Anspruch nehmen zu können. Die Aner-
kennung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als eigenständiges Rechtssubjekt hat
nichts daran geändert, dass die Gesellschaft daneben nach wie vor ein zwischen den
Gesellschaftern bestehendes und somit auch zwischen diesen abzuwickelndes Schuld-
verhältnis darstellt: Die Gesellschafter sind durch den Gesellschaftsvertrag nach § 705
BGB eine gemeinsame Vertrags- und Rechtsbeziehung zueinander eingegangen, die als
Gesellschaftsverhältnis bezeichnet wird und sowohl zwischen den einzelnen Gesell-
schaftern untereinander als auch zwischen jedem Gesellschafter und der Gesellschaft
besteht427. Die sich aus diesem Schuld- und Vertragsverhältnis ergebenden wechselseiti-
gen Rechte und Pflichten der Gesellschafter untereinander müssen nach Auflösung
427
Soergel/Hadding/Kießling BGB Vorbem. zu § 705 Rn. 23.
148
ebenso abgewickelt werden wie die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter zu außenste-
henden Gläubigern der Gesellschafter oder zur Gesellschaft. Daher sind alle Ansichten
abzulehnen428, die den Innenausgleich der Gesellschafter untereinander nicht mehr als
Bestandteil des Abwicklungsverfahrens ansehen und diesen damit nicht mehr dem
Schutz der §§ 732 ff. BGB unterwerfen wollen.
Für diese Lösung sprechen auch prozessuale Erwägungen. Folgt man der herrschenden
Meinung, so könnte der Gesellschafter, der vom Gesellschaftsgläubiger nach vollstän-
diger Verteilung des Aktivvermögens und damit Vollbeendigung der Gesellschaft nach
§ 128 HGB analog in Anspruch genommene Gesellschafter wegen Wegfalls der Gesell-
schaft als Rechtssubjekt nicht mehr bei dieser Regress nehmen, sondern müsste zwin-
gend gegen seine (ehemaligen) Mitgesellschafter vorgehen. Diese Regressforderung des
leistenden Gesellschafters gegen seine Mitgesellschafter wiederum könnte bereits in
dem Augenblick entstehen, in dem der Gesellschafter von dem Gläubiger erstmals (be-
rechtigt) in Anspruch genommen, d.h. zur Zahlung aufgefordert wird. Versäumt es der
in Anspruch Genommene, seinen Mitgesellschaftern rechtzeitig (vorsorglich) den Streit
zu verkünden und somit die durch Klageerhebung bewirkte Hemmung der Verjährung
auch auf seine Mitgesellschafter auszudehnen, so verliert er seine Regressforderung
durch Verjährung u.U. noch bevor er endgültig erfährt, ob sie nun rechtmäßig geltend
gemacht wurde oder nicht. Er müsste daher stets innerhalb der Verjährungsfrist allen
seinen Mitgesellschaftern vorbeugend den Streit verkünden, um sich für den Fall einer
Leistungspflicht an den Gläubiger seinen Regressanspruch zu sichern. Er hätte damit
das Risiko der Verjährung seines Regressanspruchs alleine zu tragen.
Die Abwicklung der Gesellschaft darf daher nicht nur die bloße Verteilung des Aktiv-
vermögens der Gesellschaft zur Befriedigung von Verbindlichkeiten im Außen- oder
Innenverhältnis umfassen, sondern muss auch und gerade die Befriedigung der wechsel-
seitigen Ansprüche und Verbindlichkeiten der Gesellschafter untereinander einschlie-
ßen, soweit diese aus dem Gesellschaftsverhältnis entstanden sind. Solange nicht alle
Ausgleichsansprüche der Gesellschafter untereinander befriedigt worden sind, kann
428
K. Schmidt ZHR 153 (1989), 270, 297 f.; ebenso wohl auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 52 IV 1
b), S. 1520 f.
149
daher auch keine Vollbeendigung der Gesellschaft angenommen werden429. Die Ab-
wicklung kann daher erst dann abgeschlossen und die Gesellschaft vollbeendet sein,
wenn im Innenverhältnis als auch im Außenverhältnis sämtliche Ansprüche und Ver-
bindlichkeiten sowohl der Gesellschaft, als auch aller Gesellschafter aus dem Gesell-
schaftsverhältnis befriedigt worden sind430. Dies ist der Fall, wenn die Gesellschafter-
konten aller Gesellschafter in der Auseinandersetzungsabrechnung den Stand Null auf-
weisen431. Dazu müssen alle Vermögensgegenstände nach § 732 BGB zurückgegeben
bzw. versilbert, alle Zurückbehalte für noch nicht fällige oder streitige Verbindlichkei-
ten entweder als endgültig bestehend oder nichtbestehend qualifiziert, alle im Innen-
wie im Außenverhältnis bestehenden Verbindlichkeiten befriedigt, alle Nachschusslei-
stungen eingezogen und die Auseinandersetzungsguthaben ausgeschüttet worden sein.
Sind alle diese Abwicklungshandlungen in den Gesellschafterkonten und im Liquidati-
onskonto nachvollzogen, so erhält bei korrekter Buchung das zuvor positive bzw. nega-
tive Auseinandersetzungsguthaben jedes Gesellschafters den Stand Null. Erst in diesem
Augenblick sind alle durchzuführenden Abwicklungshandlungen erfolgreich ausgeführt
und alle Rechte und Pflichten der Gesellschaft als Rechtsträgerin abgearbeitet, so dass
die Gesellschaft erlöschen kann.
429
K. Schmidt ZHR 153 (1989), 270, 297 f. Die Ansicht von Erman/Westermann BGB § 730 Rn. 1,
wonach das Rechtsverhältnis unter den Gesellschaftern vor vollständiger Durchführung des internen
Ausgleichs nicht beendet sei, greift insoweit zu kurz. Ebenso wenig reicht es aus, mit MünchKomm
BGB/Schäfer § 730 Rn. 4 den internen Ausgleich unter den Gesellschaftern lediglich als eine Erweite-
rung der Abwicklerfunktionen zu begreifen. Es kommt nicht (nur) auf das Rechtsverhältnis der Ge-
sellschafter untereinander an, sondern auch auf die Existenz der Gesellschaft, d.h. deren Rechtsver-
hältnis als eigenständiges Rechtssubjekt gegenüber außenstehenden Dritten.
430
So offenbar auch im Ergebnis der BFH, BStBl. II 1971, 540. Hierzu Heidner DStR 1992, 201, 206 ff.
431
Der Ansicht von MünchHdb GesR I/Butzer/Knof § 84 Rn. 54, wonach die Rechtsbeziehungen der
Gesellschafter untereinander durch die Schlussverteilung nur erloschen sein sollen, wenn alle Kapital-
konten positiv sind, kann nach dem oben Gesagten nicht zugestimmt werden: Weist ein Gesellschaf-
terkonto einen positiven Saldo aus, so bedeutet das, dass der betreffende Gesellschafter noch eine un-
befriedigte Forderung entweder gegen die Gesellschaft oder einen Mitgesellschafter aus dem Gesell-
schaftsverhältnis hat, die nach der hier vertretenen Ansicht als integraler Bestandteil der Auseinander-
setzung abzuwickeln sind. Damit die Gesellschaft vollbeendet sein kann, d.h. alle Rechte und Pflich-
ten gegenüber Dritten sowie aus dem Gesellschaftsverhältnis abgearbeitet sind, darf kein Gesellschaf-
terkonto einen positiven oder negativen Saldo aufweisen. Die Gesellschaft kann vielmehr erst beendet
sein, wenn der Saldo aller Gesellschafterkonten sowie des Liquiditätskontos den Saldo „Null“ aufwei-
sen.
150
II. Nachtragsliquidation
Dem ist aus den soeben dargestellten Gründen nicht zu folgen. Das Abwicklungsverfah-
ren muss weder bei neu auftretendem Aktivvermögen noch bei bislang nicht berück-
sichtigten Schulden wieder aufgenommen werden, denn es war in beiden Fällen nie
beendet. Die Gesellschaft kann nicht erlöschen, bevor nicht alle Schulden im Innen- und
Außenverhältnis getilgt, alle Vermögensposten verteilt und die Auseinandersetzungs-
guthaben ausgeglichen worden sind. Tauchen bislang noch nicht bekannte neue Vermö-
gensposten oder Verbindlichkeiten der Gesellschaft auf, so sind Liquiditäts- und Gesell-
schafterkonten entsprechend zu berichtigen436, neu zu saldieren und anschließend auszu-
gleichen. Erst wenn nach Erledigung aller neu bekanntgewordenen Ansprüche und Ver-
bindlichkeiten die Auseinandersetzungsguthaben wiederum Null betragen, ist die Ge-
sellschaft endgültig beendet437. Diese Vorgehensweise gewinnt besondere Bedeutung für
den Fall, dass die Gesellschaft nur deshalb kein Aktivvermögen mehr hat, weil dieses
durch Überentnahmen der Gesellschafter aufgezehrt worden ist. Würde man der herr-
schenden Meinung folgen, so wäre die Gesellschaft bereits vollbeendet und erloschen,
bevor sie ihre Schulden getilgt hat, und zwar ironischerweise deshalb, weil ihr Vermö-
gen von den Gesellschaftern ohne Rücksicht auf noch zu begleichende Verbindlichkei-
432
BGHZ 48, 303, 307 = NJW 1968, 297; BGHZ 53, 264, 266 = NJW 1970, 1044; K. Schmidt, Gesell-
schaftsrecht, § 11 V 6. b), S. 317.
433
MünchHdb GesR I/Butzer/Knof § 84 Rn. 60.
434
Grziwotz DStR 1992, 1813, 1815.
435
Grziwotz DStR 1992, 1813, 1815.
436
So wohl auch Koller/Roth/Morck/Koller § 155 Rn. 4.
437
Ich konnte trotz intensiver Recherche keinen Nachweis dafür ausfindig machen, dass diese These in
dieser Form bereits in Rechtsprechung oder Literatur vertreten worden ist. Daher gehe ich davon aus,
dass hierfür, soweit ersichtlich, keine zitierfähige Fundstelle existiert.
151
ten restlos entnommen worden ist. Der Gläubiger könnte die Gesellschaft selbst nun gar
nicht mehr verklagen, weil sie gar nicht mehr existiert; ihm wäre durch das Verhalten
der Gesellschafter gleichsam sein Prozessgegner abhanden gekommen. Dies kann nicht
richtig sein.
6. Kapitel Beispielsfall
152
Zahlung eines Geldbetrags von 10.000 sowie durch Einbringung von Biblio-
thek und Kanzleinamen (Wert im Einbringungszeitpunkt zusammen
190.000) vor Auflösung vollständig erbracht. B hat seine Einlageleistung
durch Einbringung der IT-Infrastruktur (Wert bei Einbringung 50.000) er-
füllt; eine Teilforderung von 10.000 ist im Zeitpunkt der Auflösung nach
wie vor offen. Die Einlage des C bestand aus besonderen Dienstleistungen
(Wartung der IT- und der Kommunikationsinfrastruktur, Büroverwaltung),
die C vertragsgemäß erbracht hat.
153
I. Zeitpunkt der Auflösung (Monat 1)
1. Das Liquiditätskonto
[Unternehmenswert438 0]
[Sachwerte 0]
[Honorarforderungen 0]
Bankguthaben 2.000
Verbindlichkeiten fällig/unstreitig -90.000
Verbindlichkeiten nicht fällig/streitig -30.000
Liquiditätssaldo -118.000
2. Die Gesellschafterkonten
438
Da bislang noch keine Vermögensgegenstände der Gesellschaft versilbert wurden, sind Unterneh-
menswert, Sachwerte und Honorarforderungen nicht mit den geschätzten Verkehrswerten oder dem
Forderungsnennwert, sondern gar nicht bzw. lediglich mit dem Erinnerungswert Null anzusetzen.
154
Gesellschafterkonto A:
Mietanspruch 4.000
Bareinlage 10.000
Sacheinlage 190.000
Entnahmen -40.000
Saldo 164.000
Gesellschafterkonto B:
Nicht entnommener Gewinn 2.000
Sacheinlage 50.000
[Offene Einlageforderung439 0]
Entnahmen -70.000
Saldo -18.000
Gesellschafterkonto C:
Zahlung Gesellschaftsverbindlichkeit 1.000
[Einlagen440 0]
Entnahmen -5.000
Saldo -4.000
3. Das Restvermögen
439
Posten in eckigen Klammern kennzeichnen Merkposten. Noch nicht geleistete Einlagen sind ab Auf-
lösung nicht mehr geschuldet, da sie ohnehin nach § 733 Abs. 2 BGB sofort wieder zurückgefordert
werden könnten. Sie sind daher im Gesellschafterkonto gar nicht bzw. mit dem Erinnerungswert Null
anzusetzen.
440
Einlagen, die in Dienstleistungen oder Gebrauchsüberlassungen erbracht wurden, sind gemäß § 733
Abs. 2 Satz 3 BGB nicht ersatzfähig. Sie tauchen damit im Gesellschafterkonto des leistenden Gesell-
schafters nicht auf, weder als Guthabens- noch als Abzugsposten.
155
do). Die Summe der Gesellschafterkontensalden ist daher vom Liquiditätssaldo zu sub-
trahieren. Der so erhaltene Betrag von -118.000 ./. 142.000 = -260.000 bezeichnet das
Restvermögen, das nach Befriedigung aller Verbindlichkeiten im Innen- und Außenver-
hältnis verbleibt. Da das verteilbare Gesellschaftsvermögen derzeit noch nicht für eine
Befriedigung aller Verbindlichkeiten ausreicht, ist das Restvermögen negativ.
Das negative Restvermögen von -260.000 ist von allen Gesellschaftern nach § 735 BGB
anteilig gemäß ihrer Verlustbeteiligung zu tragen:
Diese Verlustanteile sind nun wiederum mit den Salden der einzelnen Gesellschafter-
konten zu verrechnen, da jeder Gesellschafter zusätzlich zu seinem Gesellschaftersaldo
den ihm zustehenden Anteil am Restvermögen beanspruchen kann bzw. zu tragen hat.
Da die Vermögensversilberung noch nicht abgeschlossen ist und daher nicht sicher ist,
ob die für das Gesellschaftsvermögen angesetzten Nullwerte sich noch nachträglich
positiv verändern, ist der so ermittelte Gesamtsaldo lediglich vorläufig.
156
Gesamtsaldo A:
Saldo Gesellschafterkonto 164.000
Anteil Restvermögen -143.000
Summe (Auseinandersetzungsguthaben) 21.000
Gesamtsaldo B:
Saldo Gesellschafterkonto -18.000
Anteil Restvermögen -104.000
Summe (Nachschusspflicht) -122.000
Gesamtsaldo C:
Saldo Gesellschafterkonto -4.000
Anteil Restvermögen -13.000
Summe (Nachschusspflicht) -17.000
Bereits zum Zeitpunkt der Auflösung (Monat 1), d.h. unter Ausklammerung möglicher
zukünftiger Verwertungserlöse nach § 733 Abs. 3 BGB, aber unter Berücksichtigung
aller bislang bekannten (potentiellen) Verbindlichkeiten und Ausfälle nach § 733 Abs. 1
BGB, weist der vorläufige Gesamtsaldo des Gesellschafters A einen Positivbetrag von
21.000 aus. Dies bedeutet, dass A diesen Betrag in jedem Fall als Mindestbetrag seines
Auseinandersetzungsguthabens ungeachtet dessen fordern kann, wie sich die weitere
Abwicklung der Gesellschaft gestaltet.
157
II. Versilberung der Sachwerte und Befriedigung der Verbindlichkeiten (Mo-
nat 2)
Nach Versilberung der Sachwerte hat sich der Posten „Bankguthaben“ des Liquiditäts-
kontos um den Betrag des im Monat 2 eingehenden Verwertungserlöses von 70.000 auf
72.000 erhöht (der vertraglich vereinbarte Kaufpreis von 80.000 konnte nicht erzielt
werden und bleibt daher ebenso wie der geschätzte Verkehrswert von 85.000 außer Be-
tracht), der korrespondierende Merkposten „Sachwerte“ war ersatzlos aus dem Liquidi-
tätskonto zu streichen.
[Unternehmenswert 0]
[Honorarforderungen 0]
Bankguthaben 72.000
Verbindlichkeiten fällig/unstreitig -90.000
Verbindlichkeiten nicht fällig/streitig -30.000
Liquiditätssaldo -48.000
Die Gesellschafterkonten und deren Salden werden durch die Versilberung der Sach-
werte nicht berührt; Erfolg oder Misserfolg der Vermögensverwertung wirken sich nur
auf den Liquiditätssaldo sowie auf das Restvermögen aus.
158
b) Nach Schuldenbefriedigung
Die fälligen und unstreitigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft (90.000) wurden aus
dem bereits jetzt in der Kasse vorhandenen verteilbaren Gesellschaftsvermögen (Bank-
guthaben) von 72.000 befriedigt, Gesellschafter B hat den fehlenden Restbetrag von
90.000 ./. 72.000 = 18.000 laut Sachverhalt aus seinem Privatvermögen beigesteuert.
Das Liquiditätskonto der Gesellschaft sieht also nach Befriedigung der fälligen und un-
streitigen Verbindlichkeiten wie folgt aus441:
[Unternehmenswert 0]
[Honorarforderungen 0]
Bankguthaben 0
Verbindlichkeiten fällig/unstreitig 0
Verbindlichkeiten nicht fällig/streitig -30.000
Liquiditätssaldo -30.000
441
Änderungen gegenüber dem vorherigen Stand sind kursiv markiert.
442
Ausführlich geschrieben sähe das Liquiditätskonto wie folgt aus:
[Unternehmenswert 0]
[Honorarforderung 0]
Bankguthaben 72.000
Beitrag B zur Schuldenbefriedigung 18.000
Verbindlichkeiten fällig/unstreitig -90.000
Verbindlichkeiten nicht fällig/streitig -30.000
Liquiditätssaldo -30.000
159
Infolge der Ausschüttung des Bankguthabens von 72.000 an die Gläubiger fiel der Po-
sten „Bankguthaben“ auf den Stand Null, die unstreitigen bzw. fälligen Verbindlichkei-
ten waren wegen vollständiger Befriedigung auszubuchen bzw. erscheinen nur noch mit
dem Erinnerungswert Null im Liquiditätskonto.
B hat laut Sachverhalt den eigentlich quotal auf alle Gesellschafter aufzuteilenden
(§ 735 BGB) Fehlbetrag, also 90.000 ./. 72.000 = 18.000, in voller Höhe alleine aus
seinem Privatvermögen geleistet, um sein negatives Auseinandersetzungsguthaben ab-
zubauen. Da er aus seinem Privatvermögen eine Forderung der Gesellschaft begleicht,
ist ihm diese Einlage daher wie eine Einlage zum Nennwert auf sein Gesellschafterkon-
to zu buchen und geht in dessen Saldo auf.
Infolge der Zahlung des B verändert sich sein Gesellschafterkonto also wie folgt (die
Kontensalden der übrigen Gesellschafter betragen unverändert 164.000 für A, -4.000 für
C):
Gesellschafterkonto B:
Dieser Saldo ist aber nicht ausschlaggebend für das Auseinandersetzungsguthaben bzw.
die Nachschusspflicht des B, da ihm zusätzlich sein quotaler Anteil am Restvermögen
zugeschlagen wird. Das Restvermögen ermittelt sich durch Subtraktion der Summe aller
Gesellschafterkontensalden (164.000 (A) + 0 (B) + (-4.000) (C) = 160.000) nach § 733
Abs. 2 BGB vom Liquiditätssaldo (-30.000): -30.000 ./. 160.000 = -190.000. Das Rest-
vermögen von -190.000 verteilt sich anhand der Verlustquoten wie folgt auf die Gesell-
schafter:
160
Quotale Verteilung nach § 735 BGB:
Verrechnet man die quotalen Anteile am Restvermögen mit den jeweiligen Gesellschaf-
terkontensalden, so ergeben sich folgende vorläufige Auseinandersetzungsguthaben
bzw. Nachschusspflichten (Gesamtsalden):
Gesamtsaldo A:
Saldo Gesellschafterkonto 164.000
Anteil Restvermögen -104.500
Summe (Auseinandersetzungsguthaben) 59.500
Gesamtsaldo B:
Saldo Gesellschafterkonto 0
Anteil Restvermögen -76.000
Summe (Nachschusspflicht) -76.000
Gesamtsaldo C:
Saldo Gesellschafterkonto -4.000
Anteil Restvermögen -9.500
Summe (Nachschusspflicht) -13.500
161
III. Versilberung des restlichen Gesellschaftsvermögens und Auflösung der Zu-
rückbehalte (Monat 3)
1. Das Liquiditätskonto
Zugleich stellt sich heraus, dass von den noch nicht fälligen bzw. streitigen Verbind-
lichkeiten nur Ansprüche in Höhe von insgesamt 10.000 berechtigt sind; die restlichen
Verbindlichkeiten erweisen sich als nichtbestehend. Dies ist entsprechend auf dem Li-
quiditätskonto abzubilden, indem der Buchungsposten „Verbindlichkeiten streitig/nicht
fällig“, d.h. die Zurückbehalte, in Höhe von vormals 30.000 auf Null gestellt wird und
die sich als tatsächlich bestehend erwiesenen Verbindlichkeiten in Höhe von 10.000
dem Posten „Verbindlichkeiten unstreitig/fällig“ zugeschrieben werden. Das verteilbare
Gesellschaftsvermögen erhöht sich dadurch per Saldo um 20.000, da diese zuvor für
den Zurückbehalt aufgewendeten Geldbeträge wieder für das Verteilungsverfahren zur
Verfügung stehen. Damit ergibt sich im Monat 3 also folgender Stand des Liquiditäts-
kontos:
443
Wie bereits erläutert, kommt es nicht darauf an, welche geschätzten Verkehrswerte diese Gegenstände
eigentlich hätten erzielen können oder welcher Kaufpreis mit dem Erwerber vertraglich vereinbart
worden ist. Verteilt werden kann nur das, was auch tatsächlich eingenommen worden ist, egal, ob die
tatsächliche Einnahme nun über oder unter dem geschätzten Marktwert oder dem Vertragspreis liegt.
162
Liquiditätskonto nach vollständiger Versilberung und Auflösung der Zurückbe-
halte444:
Bankguthaben 190.000
Verbindlichkeiten fällig/unstreitig -10.000
Liquiditätssaldo 180.000
2. Die Auseinandersetzungsguthaben
Die Versilberung der Gegenstände und Auflösung der Zurückbehalte wirkt sich auf die
Gesellschafterkonten nicht aus. Die Summe aller Gesellschafterkontensalden beträgt
daher unverändert 160.000 (164.000 + 0 + (-4.000) = 160.000). Infolge der vorteilhaften
Versilberung übersteigt der Saldo des Liquiditätskonto von 180.000 die Summe aller
Gesellschafterkontensalden von 160.000 jedoch erstmals um 20.000. Damit liegt erst-
mals ein positives Restvermögen, d.h. ein Überschuss nach § 734 BGB in Höhe von
20.000 vor; es kommt somit erstmals die Gewinnquote der Gesellschafter als Vertei-
lungsmaßstab für das Restvermögen zur Anwendung:
444
Ausführlich geschrieben ergibt sich folgende Veränderung:
Bankguthaben 190.000
Verbindlichkeiten fällig/unstreitig -10.000
Verbindlichkeiten nicht fällig/streitig -30.000
Liquiditätssaldo 180.000
163
Quotale Verteilung nach § 734 BGB:
Gesamtsaldo A:
Saldo Gesellschafterkonto 164.000
Anteil Restvermögen 12.000
Summe (Auseinandersetzungsguthaben) 176.000
Gesamtsaldo B:
Saldo Gesellschafterkonto 0
Anteil Restvermögen 6.000
Summe (Auseinandersetzungsguthaben) 6.000
Gesamtsaldo C:
Saldo Gesellschafterkonto -4.000
Anteil Restvermögen 2.000
Summe (Nachschusspflicht) -2.000
164
IV. Zeitpunkt der Vorabentnahme (Monat 4)
Der Liquiditätssaldo von 180.000 wird, da alle auch nur potentiell bestehenden Ver-
bindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber Dritten tatsächlich befriedigt oder jedenfalls
rechnerisch vom verteilbaren Gesellschaftsvermögen abgezogen worden sind, für die
Zwecke der Abwicklung nicht mehr benötigt im Sinne des § 155 Abs. 2 Satz 1 HGB
analog445. Er kann daher von den Gesellschaftern, die zu diesem Zeitpunkt über ein posi-
tives Auseinandersetzungsguthaben verfügen (d.h. hier: A und B), in voller Höhe vorab
bis zum Maximalbetrag ihres jeweiligen Auseinandersetzungsguthabens unter Anrech-
nung auf ihren Gesamtanspruch entnommen werden.
Die Verteilung des Liquiditätssaldos auf mehrere Gesellschafter richtet sich dabei nach
dem Verhältnis ihrer positiven Auseinandersetzungsguthaben zueinander. Für A und B
gilt vorliegend also das Verhältnis 176:6. Im vorliegenden Fall entfallen also auf A
176/182 des Liquiditätssaldos von 180.000, also 174.066. B könnte nach seiner Quote
die restlichen 6/182, also 5.934 entnehmen.
Haben A und B das Restvermögen also nach diesem Verhältnis entnommen, so ist dies
in der Kontenführung dergestalt abzubilden, dass 180.000 aus dem Bankguthaben der
Gesellschaft ausgebucht und jedem entnehmenden Gesellschafter in Höhe des an ihn
ausgeschütteten Betrags eine Entnahme auf sein Gesellschafterkonto gebucht wird:
445
Zwar sind aus dem Liquiditätssaldo an sich noch die (positiven) Gesellschafterkontensalden aller
Gesellschafter zu befriedigen, so dass auf den ersten Blick nicht der Liquiditätssaldo, sondern das po-
sitive Restvermögen (Überschuss nach § 734 BGB) „nicht mehr benötigt wird“ im Sinne des § 155
Abs. 2 Satz 1 HGB analog. Es können aber ohnehin nur diejenigen Gesellschafter einen Anspruch auf
Vorabentnahme geltend machen, die ein positives Auseinandersetzungsguthaben aufweisen. § 155
Abs. 2 Satz 1 HGB analog ist also so zu lesen, dass das „während der Liquidation entbehrliche Geld“
das während der Liquidation für die Ausschüttung an Nichtgesellschafter entbehrliche Geld“ meint.
165
Liquiditätskonto nach Vorabentnahme (§ 155 Abs. 2 Satz 1 HGB analog)446:
Bankguthaben 10.000
Verbindlichkeiten fällig/unstreitig -10.000
Liquiditätssaldo 0
446
Ausführlich dargestellt:
447
Merkposten von Null werden außer Acht gelassen.
166
Gesellschafterkonto A:
Mietanspruch 4.000
Bareinlage 10.000
Sacheinlage 190.000
Entnahmen -40.000
Vorabentnahme -174.066
Saldo -10.066
Gesellschafterkonto B:
Nicht entnommener Gewinn 2.000
Sacheinlage 50.000
Beitrag Schuldenbefriedigung 18.000
Entnahmen -70.000
Vorabentnahme -5.934
Saldo -5.934
Gesellschafterkonto C:
Zahlung auf Gesellschaftsverbindlichkeit 1.000
Entnahmen -5.000
Saldo -4.000
Der Restvermögen hat sich der Höhe nach durch die Vorabentnahme nicht verändert,
sondern beträgt immer noch Liquiditätssaldo ./. Summe der Gesellschafterkonten, also 0
./. -20.000 = 20.000; auch die quotale Verteilung des Restvermögens auf die Gesell-
schafter bleibt gleich: Auch nach der Vorabentnahme entfallen auf A 12.000, auf B
6.000 und auf C 2.000. Damit berechnen sich die Auseinandersetzungsguthaben infolge
der Vorabentnahme wie folgt:
167
Gesamtsaldo A:
Saldo Gesellschafterkonto -10.066
Anteil Restvermögen 12.000
Summe (Auseinandersetzungsguthaben) 1.934
Gesamtsaldo B:
Saldo Gesellschafterkonto -5.934
Anteil Restvermögen 6.000
Summe (Auseinandersetzungsguthaben) 66
Gesamtsaldo C:
Saldo Gesellschafterkonto -4.000
Anteil Restvermögen 2.000
Summe (Nachschusspflicht) -2.000
Die Gesamtsalden von A und B haben sich also rechnerisch jeweils um den Betrag ihrer
Vorabentnahme vermindert. A hat einen verbleibenden Guthabensanspruch von 1.934,
B von 66, C ist in Höhe von 2.000 nachschussverpflichtet. A und B können ihren Gut-
habensanspruch zur Abkürzung der Zahlungswege jeweils direkt gegen C geltend ma-
chen. Eine Entnahme von weiteren 2.000 aus dem Bankguthaben der Gesellschaft, das
noch 10.000 beträgt, ist dagegen nicht möglich, da dieses Geld nach § 733 Abs. 1 BGB
vorrangig zur Schuldenbefriedigung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern zu verwen-
den ist.
Im Monat 5 werden die verbleibenden Verbindlichkeiten in Höhe von 10.000 aus dem
Bankguthaben der Gesellschaft befriedigt, die Posten „Bankguthaben“ und „Verbind-
lichkeiten unstreitig/fällig“ reduzieren sich dadurch beide auf Null. Das Liquiditätskon-
to ist damit insgesamt ausgeglichen (Saldo Null). Die Gesellschafterkonten und damit
die Gesamtsalden der Gesellschafter verändern sich hierdurch nicht.
168
der Gesellschaft gegenüber A und B auf Auszahlung der jeweiligen Auseinanderset-
zungsguthaben aus eigener Tasche, jedoch für Rechnung der Gesellschaft. Diese Be-
freiung der Gesellschaft von einer Verbindlichkeit ist ihm als Einlage auf sein Gesell-
schafterkonto zu buchen und mit seinen übrigen Ansprüchen und Verbindlichkeiten zu
verrechnen. Sein Gesellschafterkonto sieht damit wie folgt aus:
Gesellschafterkonto C:
Gesamtsaldo C:
Für A und B wiederum ist die Zahlung des C auf deren Gesamtsaldo anzurechnen (Bu-
chung als Entnahme im Gesellschafterkonto). Damit betragen auch die Gesamtsalden
von A und B jeweils Null. (Erst) in diesem Zeitpunkt ist die Gesellschaft vollbeendet.
169
A B C
Monat 1 (Auflösung) 21.000 -122.000 -17.000
Monat 2 59.500 -76.000 -13.500
Monat 3 (vor Vorabentnahme) 176.000 6.000 -2.000
Monat 4 (nach Vorabentnahme) 1.934 66 -2.000
Es zeigt sich, dass alle Gesamtsalden stets angestiegen sind, solange noch zu versil-
berndes Gesellschaftsvermögen und noch nicht aufgelöste Zurückbehalte vorhanden
waren. Der Gesamtsaldo des B ist sogar von negativ (Nachschusspflicht) auf positiv
(Auseinandersetzungsguthaben) umgeschlagen. Erst nachdem alle Vermögensgegen-
stände versilbert und alle Zurückbehalte aufgelöst worden sind, haben sich die Ge-
samtsalden danach nur noch durch die Vorabentnahmen verändert.
Die unter allen Beteiligten friedlich und im Konsens stattfindende Abwicklung ist in der
Praxis eher selten. Stattdessen führt die Auflösung der Gesellschaft und die Ermittlung
und Einforderung der gegenseitigen Ansprüche oftmals dazu, dass sich die Gesellschaf-
ter binnen kurzer Zeit hoffnungslos zerstreiten und durch gegenseitige Blockade ein
einvernehmliches Handeln unmöglich geworden ist. Da aber mangels anderweitiger
Regelung im Gesellschaftsvertrag nach § 730 Abs. 2 Satz 2 BGB die Gesellschafter mit
Auflösung nur noch gemeinsam vertretungsbefugt sind, kann ein Gesellschafter nicht
ohne Mitwirkung der Übrigen die Auseinandersetzung betreiben. Ein dem Notverwal-
tungsrecht bei der Erbengemeinschaft (§ 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB) vergleichbares Al-
leinhandlungsrecht gibt es bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht. Können sich
die Gesellschafter also nicht auf eine gemeinsame Vorgehensweise einigen oder ist ei-
170
ner der Gesellschafter, dessen Mitwirkung wegen § 730 Abs. 2 Satz 2 BGB erforderlich
ist, z.B. unbekannt verzogen oder sonst nicht erreichbar, so kann die Auseinanderset-
zung nicht weiter betrieben werden. Es fragt sich daher, welche Mittel und Wege es für
einen handlungswilligen Gesellschafter gibt, die Auseinandersetzung der Gesellschaft
notfalls gegen den Willen der übrigen Gesellschafter im Klagewege durchzusetzen.
448
Palandt/Sprau BGB § 730 Rn. 4.
449
Palandt/Sprau BGB § 730 Rn. 4.
450
Palandt/Sprau BGB § 730 Rn. 4. Ausführlich hierzu Musielak/Weth ZPO § 62 Rn. 11.
451
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 730 Rn. 18.
171
II. Stellungnahme
Für die gerichtliche Durchsetzung seiner Ansprüche geben Rechtsprechung und Litera-
tur dem Abwicklungsgesellschafter keine in der Praxis ohne weiteres verwertbaren
Handlungsanweisungen. Soweit die Thematik in den gängigen Kommentierungen über-
haupt angesprochen wird, tragen die Ausführungen eher zur Verunsicherung bei. Wel-
chen prozessualen oder materiellen Nutzen eine Klage auf Zustimmung zu einem be-
stimmten Auseinandersetzungsplan für den Gesellschafter haben soll, erschließt sich
nicht.
Zunächst wird, soweit ersichtlich, von keinem Befürworter dieses Vorschlages erläutert,
wie ein solcher Auseinandersetzungsplan überhaupt aussehen soll. Eine typische Ge-
sellschaft hat bei Auflösung Außenstände (Forderungen) gegen diverse Gläubiger,
Bankschulden, muss Miete, Löhne und Gehälter zahlen, Steuern erklären und abführen,
sie hat Anlagevermögen (z.B. Fahrzeuge, Büroeinrichtung, EDV), außerdem weisen die
Gesellschafterkonten Einlagen, Entnahmen, ggf. Überentnahmen oder stehen gelassene
Gewinne aus. Einzelne Gesellschafter haben Einlagen geleistet, deren Wert ungeklärt
oder aufklärungsbedürftig ist (z.B. der Name des Unternehmens) etc. Hier fragt sich,
wie der Auseinandersetzungsplan einer solchen Gesellschaft aussehen und wie der Kla-
geantrag lauten soll: Muss der Klageantrag alle Einzelschritte des Auseinanderset-
zungsplanes enthalten, also eine Auflistung aller Maßnahmen wie z.B. Forderungsein-
zug, Ausgleich der Bankschulden, Kündigung der Miet- und Arbeitsverträge, Verkauf
der Büroeinrichtung, der Fahrzeuge etc. enthalten? Was passiert, wenn sich während des
Prozesses oder nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils herausstellt, dass einer der im
Plan beschriebenen Einzelschritte rechtlich oder tatsächlich nicht umsetzbar ist, muss in
diesem Fall ein erneuter Prozess angestrengt werden?
Ist der klagende Gesellschafter wie nach dem gesetzlichen Regelfall des § 730 Abs. 2
Satz 2 BGB nicht allein geschäftsführungs- und vertretungsbefugt452, so hilft ihm eine
452
Der Gesamtgeschäftsführungsbefugnis nach § 730 Abs. 2 Satz 2 BGB im Innenverhältnis folgt mit
Eintritt der Auflösung die Gesamtvertretungsbefugnis im Außenverhältnis, Palandt/Sprau BGB § 730
Rn. 3.
172
erfolgreiche Klage auf Zustimmung zu einem Auseinandersetzungsplan ebenfalls nicht
weiter: Durch das stattgebende Gerichtsurteil wird lediglich die Zustimmung der übri-
gen Gesellschafter zum streitgegenständlichen Auseinandersetzungsplan ersetzt, § 894
ZPO, d.h. ein Gesellschafterbeschluss über eine dem Plan entsprechende Art und Weise
der Auseinandersetzung fingiert. Mit Vorliegen eines solchen Beschlusses ist die Aus-
einandersetzung selbst aber noch lange nicht tatsächlich durchgeführt, der Kläger muss
nun in einem zweiten Schritt seine Mitgesellschafter auf Durchführung bzw. Mitwir-
kung an den im soeben erstrittenen Auseinandersetzungsplan bestimmten Abwick-
lungshandlungen verklagen. Die Umständlichkeit dieses Vorgehens liegt auf der Hand.
Eine solche Festlegung birgt stets das Risiko, dass sich nach Rechtskraft des obsiegen-
den Urteils herausstellt, dass die geplante Auseinandersetzungsmaßnahme nicht so wie
im Tenor festgelegt durchführbar ist, weil z.B. der betreffende Vermögensgegenstand
mittlerweile an Wert verloren hat, untergegangen ist oder der vorgesehene Käufer sich
anderweitig entschieden hat. Zwar kann mit der herrschenden Meinung453 eine Lei-
stungsklage auf (gemeinsame) Aufstellung einer Auseinandersetzungsbilanz auch dann
für zulässig befunden werden, wenn der Klageantrag nicht festlegt, welche einzelnen
Handlungen der Beklagte nach den Umständen zur Erstellung der Bilanz vorzunehmen
haben wird. Die reine Bilanzerstellung kann grundsätzlich als vertretbare Handlung
453
OLG Koblenz NZG 2002, 371, 371; MünchHdb GesR I/Gummert § 21 Rn. 91.
173
auch einem Sachverständigen anvertraut werden, der sie anhand der Geschäftszahlen
der Gesellschaft auf der Grundlage objektiv nachprüfbarer Bilanzansätze und Bilanzie-
rungsgrundsätze zu erstellen hat. Die Vorgehensweise, dem Vollstreckungsverfahren
die Konkretisierung des Urteilstenors zu überlassen, dürfte jedoch nicht mehr mit den
Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags entsprechen, wenn über die Bi-
lanzerstellung hinaus noch weitere, insbesondere unvertretbare Abwicklungshandlungen
seitens der Gesellschafter im Vorfeld vorzunehmen sind.
Fall 14: Die Gesellschafter A und B sind zu je 50% an der Gesellschaft beteiligt und
verfügen beide über Einzelkontenvollmacht. Bei Auflösung befinden sich
100.000 auf dem Gesellschaftskonto. B erklärt gegenüber der Bank den Wi-
derspruch gegen die Alleinverfügungsbefugnis des A und setzt sich an-
schließend mit unbekanntem Aufenthaltsort ins Ausland ab. Die Bank lässt
daraufhin keine Verfügungen des A über das Gesellschaftskonto mehr zu.
Wie kann A sein Auseinandersetzungsguthaben von 70.000 geltend ma-
chen?
Wegen § 730 Abs. 2 Satz 2 BGB haben alle Gesellschafter nach Auflösung nur gemein-
sam Handlungsvollmacht für die Konten der Gesellschaft. Um der Kontensperre durch
den sich verweigernden Gesellschafter B zu begegnen und sein Auseinandersetzungs-
guthaben zu entnehmen, müsste A nach den Vorgaben der herrschenden Meinung zu-
nächst B auf Mitwirkung an der Erstellung einer Auseinandersetzungsabrechnung ver-
klagen oder, da ein solches Urteil wegen Nichterreichbarkeit des B nicht vollstreckt
werden könnte, selbständig eine Auseinandersetzungsabrechnung erstellen, den unbe-
kannt verzogenen B auf Zustimmung zu dieser Auseinandersetzungsabrechnung verkla-
gen und die Rechtskraft eines entsprechenden Versäumnisurteils abwarten: Die Erklä-
rung gilt erst mit Eintritt der formellen Rechtskraft des Urteils als abgegeben (§ 894
ZPO)454. Allein die notwendige Auslandszustellung oder eine öffentliche Zustellung der
Klage kann in der Praxis Monate dauern. Nach Rechtskraft des Versäumnisurteils auf
Zustimmung muss A sodann seinen sich aus der Auseinandersetzungsabrechnung erge-
benden Guthabensanspruch in einem weiteren Prozess gegen die Gesellschaft als
454
Vorwerk/Wolf/Stürner ZPO § 894 Rn. 7, 9.
174
Rechtssubjekt und Kontoinhaberin einklagen, wiederum die Rechtskraft des Urteils455
abwarten und anschließend über eine Pfändung in das Gesellschaftskontos die Auszah-
lung des Bankguthabens an sich betreiben.
Fall 15: Abwandlung: Eine Woche nach Verschwinden des B macht ein Gesell-
schaftsgläubiger eine Forderung in Höhe von 70.000 gegen die Gesellschaft
geltend.
455
Dabei handelt es sich mangels unzureichender Prozessvertretung der Gesellschaft durch alle Gesell-
schafter gemeinsam (§ 730 Abs. 2 Satz 2 BGB) ebenfalls um ein Versäumnisurteil.
456
In der Entscheidung vom 24.11.1980 (NJW 1981, 749) hat der BGH eine Verurteilung des Beklagten
durch die Vorinstanzen, „an der Durchführung der Auseinandersetzung und Erstellung der Auseinan-
dersetzungsbilanz für die BGB-Gesellschaft [...] mitzuwirken“ (LG Hamburg, zitiert in BGH a.a.O.)
als zu unbestimmt aufgehoben und dafür ein Feststellungsurteil, dass „die Beklagten verpflichtet sei-
en, an der Auseinandersetzung mitzuwirken“, befürwortet (BGH NJW 1981, 749, 749). Weshalb dem
Kläger damit besser geholfen sein sollte, hat der BGH nicht erläutert.
175
3. Klage auf Zustimmung zur Auseinandersetzungsbilanz entbehrlich
Die Ansicht, die dem einzelnen Gesellschafter einen Anspruch auf Auszahlung seines
Auseinandersetzungsguthabens erst mit Feststellung einer Auseinandersetzungsbilanz
zugesteht457, gibt keine Antwort auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen
der Kläger einen Anspruch auf Zustimmung zu seinem Bilanzentwurf gegen die übrigen
Gesellschafter hat: Können die beklagten Gesellschafter die Zustimmung zum Bilan-
zentwurf des Klägers wegen jeder Unstimmigkeit verweigern? Welchen Grad an Voll-
ständigkeit und Richtigkeit muss die Bilanz haben, damit die übrigen Gesellschafter zur
Zustimmung verurteilt werden können? Gegen wen und wie muss ein Urteil auf Vorla-
ge einer Auseinandersetzungsabrechnung lauten, um vollstreckbar zu sein, kann aus
einem Titel auf Aufstellung einer Auseinandersetzungsabrechnung gegen die Gesell-
schaft vollstreckt werden oder muss der Vollstreckungstitel auf den oder die Gesell-
schafter lauten, die die Abrechnung erstellen sollen?
Da nach der hier vertretenen Auffassung für die Entstehung bzw. Fälligkeit des An-
spruchs auf das Auseinandersetzungsguthaben keine Zustimmung zu einer diesen An-
spruch darstellenden Abrechnung erforderlich ist458, ist auch eine Klage auf Zustim-
mung entbehrlich. Statt dessen schließt die Klage auf eine von der Zustimmungserklä-
rung des Verpflichteten abhängige Leistung regelmäßig die Klage auf Abgabe der ge-
schuldeten Erklärung als minus ein. Selbst wenn also Entstehung oder Fälligkeit des
Anspruchs auf das Auseinandersetzungsguthaben von der Feststellung einer Schlussab-
rechnung abhängen sollte, so würde die Klage auf Auszahlung des Guthabens den An-
spruch auf Zustimmung zur Schlussabrechnung regelmäßig einschließen. Wenn aber
mit der Klage auf Auszahlung des Guthabens zugleich die Klage auf Zustimmung zu
dieser Abrechnung verbunden ist, verliert die vorherige Feststellung der Schlussabrech-
nung jegliche Existenzberechtigung.
457
Schwung BB 1985, 1374, 1375.
458
Hierzu ausführlich unter § 21, I., S. 179 ff.
176
III. Stattdessen: Klage auf Erteilung einer umfassenden Alleinvertretungs- und
Alleingeschäftsführungsbefugnis
Die Lösung liegt für den handlungswilligen Gesellschafter statt dessen darin, auf Zu-
stimmung zur Erteilung einer umfassenden Alleinvertretungs- bzw. Alleingeschäftsfüh-
rungsbefugnis einschließlich aller für die Auseinandersetzung erforderlichen Hand-
lungsvollmachten an sich oder an einen gesellschaftsfremden Dritten zu klagen459. § 730
Abs. 2 Satz 2 BGB lässt die Gesamtgeschäftsführung lediglich für den Fall eintreten,
dass sich „nicht aus dem Vertrag ein Anderes ergibt“. Es steht den Gesellschaftern also
frei, einen einzelnen Gesellschafter zum Alleinliquidator zu bestellen. Tun sie dies nicht
freiwillig, so kann ein Gesellschafter diese Ernennung im Klagewege durchsetzen, in-
dem er seine Mitgesellschafter auf Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung ver-
klagt; diese wird bei Obsiegen nach § 894 ZPO fingiert. Anspruchsgrundlage für die
Klage des Gesellschafters ist der allgemeine Anspruch jedes Gesellschafters auf Durch-
führung bzw. Mitwirkung an der Auseinandersetzung in Verbindung mit einer analogen
Anwendung des § 146 Abs. 2 HGB460. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht auf An-
trag eines Beteiligten aus wichtigen Gründen eine Person zum (Allein)Liquidator er-
nennen, die auch nicht selbst Gesellschafter sein muss461.
Die analoge Anwendung des § 146 Abs. 2 HGB rechtfertigt sich daraus, dass im BGB
kein gleich wirksames Instrument zur Verfügung steht, um die Auseinandersetzung und
Abwicklung einer wirtschaftlich tätigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts auch bei
nachhaltiger Blockade der Mitgesellschafter effektiv voranzutreiben. Das gemein-
schaftsrechtliche Notgeschäftsführungsrecht nach § 744 Abs. 2 BGB, das in bestimmten
Ausnahmefällen subsidiär auch auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts Anwendung
459
Für die Zwecke der Auseinandersetzung nicht weit genug geht die von Bengel ZEV 2002, 484, 486
ausgeführte Möglichkeit des Gesellschafters, sich die Einwilligung der anderen Gesellschafter für eine
einzelne, genau geplante Maßnahme im Voraus analog § 744 Abs. 2 Hs. 2 BGB zu erstreiten und so
die Vertretungsbefugnis im Voraus zu beschaffen: Diese Vorgehensweise soll sich nur auf eine ein-
zelne, genau bestimmte Maßnahme beschränken, was jedoch für eine zügige Abwicklung nicht die
nötige Flexibilität bietet.
460
Bergmann, Verbandsrecht, S. 89 ff. In Betracht kommt alternativ auch eine analoge Anwendung des
§ 29 BGB mit demselben Ergebnis, vgl. Bamberger/Roth/Schöpflin § 29 Rn. 2. Hierzu ausführlich
MünchKomm BGB/Reuter § 29 Rn. 5.
461
BGH NJW 1960, 1997, 1998.
177
findet462, gibt dem einzelnen Gesellschafter nur ein Geschäftsführungsrecht entgegen der
geltenden Geschäftsführungsregeln, nicht aber ein Vertretungsrecht463, und kommt dar-
über hinaus nur zur Durchführung von Maßnahmen in Betracht, die zur Erhaltung der
Substanz oder des wirtschaftlichen Wertes464 oder zur Abwendung akuter Gefahren für
Gesellschaftsgegenstände oder für die Gesellschaft selbst465 objektiv notwendig466 sind.
Lediglich nützliche, wie z.B. wertsteigernde, Maßnahmen genügen nicht467. Verfügun-
gen können auf dieser Grundlage nur ausnahmsweise vorgenommen werden, z.B. zur
Veräußerung des Gegenstands zur Vermeidung des Verderbs468.
Der Umfang des Notgeschäftsführungsrechtes dürfte daher in der Regel nicht weit ge-
nug gehen, um die Abwicklung einer nachhaltig und über Jahre hinweg wirtschaftlich
tätigen Gesellschaft betreiben zu können, da hierzu flexibel und gemäß den Vorgaben
des jeweiligen Einzelfalls Forderungen eingezogen und Vermögensgegenstände unab-
hängig von einer ggf. gegebenen Gefahrenlage veräußert werden müssen. Dasselbe gilt
für eine Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag oder des Not-
verwaltungsrechts der Erbengemeinschaft (§ 2038 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 BGB)469. Vor
dem Hintergrund der ursprünglichen gesetzlichen Konzeption der BGB-Gesellschaft als
nicht unternehmenstragendem Rechtsgebilde ist damit mit fortschreitender Weiterent-
wicklung ihrer praktischen Anwendungsformen im Wirtschaftsleben eine planwidrige
Regelungslücke entstanden. Die Interessenslage des Gesellschafters einer wirtschaftlich
tätigen BGB-Gesellschaft ist auch im Hinblick auf den effektiven und schnellen Ab-
schluss der Auseinandersetzung, mithin auf Rückgewinnung der eigenen Anteile und
der geleisteten Einlagen, mit der des OHG-Gesellschafters vergleichbar.
462
Palandt/Sprau BGB Vorbem. vor § 709 Rn. 6; Bengel ZEV 2002, 484, 485, zugleich unter Widerle-
gung der anderen Ansicht von Staudinger/Langhein BGB (2008) § 744 Rn. 31.
463
Palandt/Sprau BGB Vorbem. vor § 709 Rn. 6; Bengel ZEV 2002, 484, 486.
464
Palandt/Sprau BGB § 744 Rn. 3.
465
Bengel ZEV 2002, 484, 486; Palandt/Sprau BGB Vorbem. vor § 709 Rn. 6
466
Zur Frage, inwieweit auch ein gemäßigt verobjektivierter Maßstab genügt, Bengel ZEV 2002, 484,
485. Einigkeit dürfte jedoch dahingehend bestehen, dass ein rein subjektives Empfinden der Notwen-
digkeit nicht ausreichend ist, Staudinger/Langhein BGB (2008) § 744 Rn. 21; Bengel ZEV 2002, 484,
485.
467
Bengel ZEV 2002, 484, 485; Staudinger/Langhein BGB (2008) § 744 Rn. 21.
468
Palandt/Sprau BGB § 744 Rn. 3.
469
Zu beidem jeweils Bengel ZEV 2002, 484, 486.
178
Die Ernennung kann mittels einstweiliger Verfügung nach § 940 ZPO470 bzw. bei Nicht-
erreichbarkeit der übrigen Gesellschafter durch stattgebendes Versäumnisurteil durch-
gesetzt werden. Ist eine solche Klage erfolgreich, so ist der ernannte (Allein)liquidator
umfassend handlungsbevollmächtigt, um alle für die Durchführung der Auseinanderset-
zung erforderlichen Abwicklungsmaßnahmen durchführen zu können. Er unterliegt da-
bei den einstimmig beschlossenen Weisungen der Gesellschafter nach § 152 HGB ana-
log. Ein solch wichtiger Grund könnte dabei z.B. die Nichterreichbarkeit bzw. beharrli-
che Weigerung eines Gesellschafters sein, an der Auseinandersetzung mitzuwirken.
Dieses Vorgehen hätte den Vorteil, dass bei Erfolg einer einzigen Klage auf Zustim-
mung zur Erteilung der Alleingeschäftsführungsbefugnis die Auseinandersetzung durch
den Treuhänder ohne weitere Verzögerung durchgeführt werden kann.
470
MünchKomm BGB/Reuter § 29 Rn. 5.
471
Schwung BB 1985, 1374, 1375.
472
MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 61.
179
mit Urteil vom 23.10.2006473 aufgehobenen Entscheidung als Berufungsgericht noch
entschieden, die Beklagte dürfe mit einem Anspruch auf das Auseinandersetzungsgut-
haben einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht aufrechnen, weil dieser erst fällig
werde, wenn die Schlussabrechnung von den Gesellschaftern festgestellt und über ihren
Inhalt Einigkeit erzielt worden sei474.
Auch die Kommentarliteratur ist zu dieser Frage nicht eindeutig. So meint ein Autor,
der Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben werde erst fällig und einklagbar
mit Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz475, an anderer Stelle fordert derselbe
Autor lediglich die Aufstellung einer solchen durch die Gesellschafter als Abwickler476.
Wenn der BGH in ständiger Rechtsprechung vertritt, dass es zur Geltendmachung des
Auseinandersetzungsguthabens einer von den Gesellschaftern festgestellten Auseinan-
dersetzungsbilanz nicht bedarf, wenn kein zu liquidierendes Gesellschaftsvermögen
mehr vorhanden ist477, könnte dies den Umkehrschluss nahe legen, dass im umgekehrten
Fall - also wenn noch zu liquidierendes Gesellschaftsvermögen vorhanden ist - die Zu-
stimmung zu einer Bilanz erforderlich sei. Danach wäre der Anspruch auf das Ausein-
andersetzungsguthaben ohne eine festgestellte Auseinandersetzungsbilanz also nur ge-
geben, wenn die Gesellschaft über kein eigenes Gesellschaftsvermögen mehr verfügt.
473
BGH NJW-RR 2007, 245 ff.
474
Urteil vom 8. Juni 2005, 27 U 68/05, BeckRS 2006, 02554 (über Beck Online).
475
Palandt/Sprau BGB § 730 Rn. 5.
476
Palandt/Sprau BGB § 734 Rn. 1.
477
BGH NJW-RR 2007, 245, 246 (Rn. 10); BGH ZIP 1993, 1307, 1309; BGH NZG 2006, 185, 185 (Rn.
11).
478
BGH NJW-RR 2000, 1295, 1296 f.; Palandt/Sprau BGB § 730 Rn. 5.
479
BGH NJW 1997, 3370, 3370 f.
480
Palandt/Sprau BGB § 730 Rn. 5.
180
2. Kritik: Unerheblichkeit der Anspruchsberechnung durch die Gesellschafter
Die Erstellung oder Feststellung einer Schlussrechnung kann schon deshalb nicht kon-
stitutiv für die Anspruchsentstehung sein, weil sie das Guthaben des Gesellschafters
lediglich rechnerisch darstellt. Dies gilt insbesondere für eine Auseinandersetzungsbi-
lanz, die nach der hier vertretenen Ansicht für die Auseinandersetzung gänzlich über-
flüssig ist. Für die Forderung nach einer einvernehmlichen Feststellung der Auseinan-
dersetzungsbilanz oder Schlussabrechnung als Voraussetzung für die Entstehung des
Auseinandersetzungsanspruches existiert weder eine gesetzliche Grundlage noch eine
sonstige, aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen abzuleitende Rechtfertigung. Dabei kann
es keinen Unterschied ausmachen, ob die Gesellschaft noch über eigenes Vermögen
verfügt oder nicht.
Würde man den Beginn der Fälligkeit an die Erstellung oder Feststellung eines Re-
chenwerks knüpfen, so käme es zum bereits beschriebenen Wettlauf der Liquidatoren:
Derjenige Gesellschafter, der zuerst das Rechenwerk fertig stellt und die daraus ersicht-
liche Summe einklagt und vollstreckt, könnte sich letztlich auf Kosten der anderen Ge-
sellschafter schadlos halten und ihnen das Risiko zuschieben, ihre eigenen Ansprüche
nicht mehr aus dem Gesellschaftsvermögen befriedigen zu können. Zudem wäre der
Gesellschafter, der nicht selbst an der Erstellung der Auseinandersetzungsrechnung
mitwirken kann oder darf, der Willkür der damit befassten Gesellschafter ausgesetzt.
Diese hätten es in der Hand, den Anspruch durch treuwidrige Untätigkeit über Jahre
hinweg zu vereiteln, während dem Anspruchsinhaber weder Fälligkeits- noch Verzugs-
zinsen als Ausgleich hierfür zustünden. Auf die korrekte Berechnung der jeweiligen
Salden durch die Gesellschafter in der Buchführung der Gesellschaft oder auf die Mit-
wirkung der Gesellschafter darf es daher für Entstehung und Fälligkeit nicht ankom-
men.
181
3. Statt dessen: Entstehung und Fälligkeit nach Vorbild des Kontokorrents
a) Entstehung und Fälligkeit im Augenblick, in dem sich alle Posten als ver-
rechenbar gegenüberstehen
Die Lösung ist statt dessen in den Grundsätzen des Kontokorrents zu suchen. Beim
Kontokorrent werden mit Ablauf der Kontokorrentperiode die gegenseitigen Forderun-
gen ipso iure gegeneinander verrechnet481; der Gesamtsaldo tritt als Surrogat an die Stel-
le der Einzelforderungen482. Die Saldoforderung entsteht in dem Zeitpunkt, in dem sich
alle in den Gesamtsaldo einzubeziehenden Posten als verrechenbar gegenüberstehen483.
Bei der Auseinandersetzung einer Gesellschaft besteht die Besonderheit, dass die im
Gesamtsaldo jedes Gesellschafters enthaltenen Einzelposten in der Regel nicht von An-
fang an feststehen, sondern sich erst nach und nach im Laufe des Auseinandersetzungs-
verfahrens herausstellen: Die Salden von Liquiditäts- und Gesellschafterkonten verän-
dern sich mit jeder Versilberung, Auflösung von Zurückbehalten, Ausschüttung an
Gläubiger und Gesellschafter und mit jeder Einlage oder Entnahme eines Gesellschaf-
ters vor oder nach dem Eintritt in das Liquidationsstadium. Damit kann der Anspruch
auf das Auseinandersetzungsguthaben erst dann entstehen und fällig werden, wenn alle
darin aufgehenden Posten ihrer Existenz und Höhe nach endgültig und rechtskräftig
feststehen.
481
Canaris DB 1972, 421 ff., 469 ff. mit umfangreichen Nachweisen zur Gegenmeinung.
482
Blaurock NJW 1971, 2206, 2207.
483
E/B/J/S/Grundmann HGB § 355 Rn. 17.
182
stenz und Höhe einzelner Posten oder auf die korrekte Saldoberechnung in einer Aus-
einandersetzungsabrechnung an484. Andernfalls würde man dem einzelnen Gesellschaf-
ter, der sein Auseinandersetzungsguthaben einklagen will, unzumutbare Beweisschwie-
rigkeiten aufbürden und ihn letztlich wieder dem Wohlwollen seiner Mitgesellschafter
aussetzen: Er könnte seinen Anspruch nur einfordern und Fälligkeitszinsen geltend ma-
chen, wenn es ihm gelänge, seinen Mitgesellschaftern die Kenntnis dieser neu in die
Auseinandersetzungsabrechnung einzubeziehenden Posten nachzuweisen.
Je nachdem, wann die später bekannt gewordenen Posten erstmals objektiv vorhanden
waren, ergeben sich unterschiedliche Zeitpunkte für die Entstehung und Fälligkeit des
Guthabensanspruchs. Ist den Gesellschaftern z.B. der letzte für die endgültige Berech-
nung der Gesamtsalden erforderliche Posten, ein am 1. Januar erfolgter Zahlungsein-
gang aus der Verwertung eines Vermögensgegenstandes, aus Unachtsamkeit unbekannt
geblieben, führen sie demzufolge das Auseinandersetzungsverfahren unter Außeracht-
lassung dieses Postens durch und gleichen die Gesellschafterkonten aus, bevor ihnen am
1. Dezember der vergessene Guthabensposten bewusst wird, so sind die jeweiligen An-
sprüche auf Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens bzw. auf entsprechende
Nachschussleistung bereits am 1. Januar entstanden und fällig geworden, und zwar in
der Höhe, in der sie sich unter Einschluss der bislang unberücksichtigten Zahlung er-
rechnen: Bereits im Zeitpunkt des Zahlungseingangs wurde die Zahlung zu einem Gut-
habensposten, der Eingang in das Vermögen der Gesellschaft sowie die Auszahlungsan-
sprüche der Gesellschafter gefunden hat. Dass die Gesellschafter von der Zahlung keine
subjektive Kenntnis hatten oder diese aus Nachlässigkeit außer Acht gelassen haben und
484
So wohl auch E/B/J/S/Grundmann HGB § 355 Rn. 19: „Die (antizipiert erklärte) Verrechnung erfolgt
allein für die tatsächlich bestehenden und ins Kontokorrent einbezogenen Ansprüche.“.
183
infolgedessen ihre Ansprüche falsch berechnet haben, ändert daran nichts. Entsteht nach
(vermeintlicher) Vollbeendigung der Gesellschaft ein neuer Posten, so entsteht der An-
spruch erst mit Hinzutreten dieses neuen Postens.
Schütten die Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen an sich aus, bevor die endgülti-
gen Gesamtsalden entweder objektiv feststehen oder mangels Kenntnis aller zu berück-
sichtigenden Posten korrekt berechnet worden sind, so kann eine solche Auszahlung
stets nur vorläufig im Sinne des § 155 Abs. 2 Satz 1 HGB analog sein und wird auf die
nach endgültigem Abschluss der Nachtragsliquidation geltenden Gesamtsalden der Ge-
sellschafter angerechnet. Die Gesellschafter sind je nach Einzelfall entweder zur Rück-
zahlung zu viel erhaltener Beträge verpflichtet oder zu Nachforderungen noch ausste-
hender Guthabensbeträge berechtigt.
Die Frage nach der Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs auf das Auseinanderset-
zungsguthaben wirkt sich insbesondere auf die Problematik des Verjährungsbeginns im
Sinne des § 199 Abs. 1 BGB aus. Ließe man mit der herrschenden Meinung485 den Aus-
einandersetzungsanspruch erst mit Aufstellung oder gar Feststellung einer Auseinander-
setzungsabrechnung entstehen oder fällig werden, so würde auch die Verjährungsfrist
ab dem Zeitpunkt bzw. mit dem Schluss des betreffenden Jahres zu laufen beginnen, in
dem die Abrechnung aufgestellt oder festgestellt wurde. Damit verlagert sich die Pro-
blematik auf die Frage, ob und ab welchem Zeitpunkt dem Berechtigten ein Anspruch
gegen die übrigen Beteiligten auf Aufstellung oder Feststellung der Abrechnung zu-
steht. Andererseits soll nach herrschender Meinung486 die Verjährung bereits in dem
Zeitpunkt beginnen, in dem der Berechtigte in der Lage ist, Stufen- oder Feststellungs-
klage zu erheben. Nicht erforderlich soll dagegen sein, dass der Berechtigte den An-
spruch beziffern kann487.
485
Siehe nur MünchKomm BGB/Schäfer § 734 Rn. 10; Bamberger/Roth/Schöne BGB § 734 Rn. 2.
486
BGHZ 73, 94, 96 = NJW 1979, 415; BGHZ 79, 176, 178 = NJW 1981, 814; Palandt/Ellenberger BGB
§ 199 Rn. 3.
487
Statt vieler Palandt/Ellenberger BGB § 199 Rn. 3.
184
Richtigerweise kommt es - im Gegensatz zur Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs
auf das Auseinandersetzungsguthaben - für die Verjährung des Anspruchs auf das Aus-
einandersetzungsguthaben darauf an, wann der Anspruchsinhaber von allen in seinen
Gesamtsaldo einzubeziehenden Posten Kenntnis hat. Die Verjährungsfrist beginnt erst
mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und der An-
spruchsberechtigte Kenntnis von der Anspruchsentstehung erlangt hat oder erlangt ha-
ben müsste, § 199 Abs. 1 BGB. Das bedeutet, dass der betreffende Gesellschafter nicht
nur Kenntnis von der grundsätzlichen Existenz eines Anspruchs auf Auszahlung, d.h.
eines positiven Auseinandersetzungsguthabens, sondern auch vom genauen Betrag aller
Einzelposten haben muss, die in seinem endgültigen Gesamtsaldo aufgehen488. Hierzu
gehören neben den Posten seines Gesellschafterkontos auch sämtliche Posten des Li-
quidationskontos der Gesellschaft einschließlich der zunächst objektiv unbekannten
Posten, die im Rahmen einer Nachtragsliquidation abzuwickeln sind. Die Verjährungs-
frist beginnt also nicht zu laufen, bevor nicht der unter Berücksichtigung aller, auch der
zunächst unbekannten Posten, errechnete konsolidierte Gesamtsaldo des Gesellschafters
endgültig feststeht und der Gesellschafter davon Kenntnis erhält.
Ist die Auseinandersetzung erst durchgeführt und die einzelnen Ansprüche der Gesell-
schafter auf Auszahlung ihrer Auseinandersetzungsguthaben berechnet, so fragt sicbh
sodann, wie der einzelne Gesellschafter die Auszahlung seines Guthabensbetrags gegen
die Gesellschaft gerichtlich durchsetzen kann.
488
Ähnlich Soergel/Hadding/Kießling BGB § 735 Rn. 6 für die Verjährung des Anspruchs der Gesell-
schaft gegen den Gesellschafter auf Nachschussleistung nach § 735 BGB.
185
III. Durchsetzbarkeit des Anspruchs auf Auszahlung des Auseinandersetzungs-
guthabens
489
BGHZ 37, 299, 304 = NJW 1962, 2148; BGH NJW 1985, 1898, 1898 f.
490
Erman/Westermann BGB § 730 Rn. 11; Soergel/Hadding/Kießling BGB § 730 Rn. 9; Staudin-
ger/Habermeier BGB (2003) § 730 Rn. 21; Messer, FS Stimpel 1985, S. 205 ff.
491
Der Grundsatz der Durchsetzungssperre muss, um seinen Zweck der Vermeidung von Hin- und Her-
zahlungen während der Auseinandersetzungsphase erfüllen zu können, ebenso für die Ansprüche der
Gesellschaft gegen einzelne Gesellschafter gelten: Auch sie sollen nur noch eingefordert werden kön-
nen, soweit dies zur Auseinandersetzung erforderlich ist, vgl. Bamberger/Roth/Schöne BGB § 730
Rn. 20 und Rn. 30; Palandt/Sprau BGB § 730 Rn. 8.
492
MünchKomm BGB/Schäfer, § 730 Rn. 59.
493
Ständige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 37, 299, 304 ff; NJW 1999, 3557; BGH DStR 2002, 228, 228
m. Anm. Goette; ebenso die Literatur, statt vieler MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 49.
494
BGH WM 1998, 1020, 1025; MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 51; Staudinger/Habermeier BGB
(2003) § 730 Rn. 21.
495
Erman/Westermann BGB § 730 Rn. 13.
496
BGH NJW 1984, 1455, 1456; BGH NJW 1992, 2757, 2758; BGH WM 1998, 1020, 1025.
497
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 730 Rn. 20.
186
Der Grundsatz der Durchsetzungssperre gilt nach herrschender Meinung für alle aus
dem Gesellschaftsverhältnis gegen die Gesellschaft gerichteten Ansprüche des Gesell-
schafters498, die in die Auseinandersetzung einzubeziehen sind, weil sie die vorherige
Liquidation des Gesellschaftsvermögens voraussetzen499. Hierzu gehören Ansprüche auf
Rückzahlung der Einlagen (§ 733 Abs. 2 BGB), Ausschüttung des Überschusses sowie
sonstige gesellschaftsvertragliche Ansprüche gegen Gesellschaft oder Mitgesellschafter
wie Gewinn- und Aufwendungsersatzansprüche500, der nach § 426 Abs. 2 BGB zu Re-
gresszwecken auf den Gesellschafter übergegangene Anspruch des Gesellschaftsgläubi-
gers501 sowie gesellschaftsvertragliche Schadensansprüche502. Feststellungsklagen über
das Bestehen von Ansprüchen oder Verbindlichkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis
sollen von der Durchsetzungssperre nicht berührt werden, da sie die Auseinanderset-
zung fördern503.
Der Grundsatz der Durchsetzungssperre wird von der herrschenden Meinung durch eine
Vielzahl von Ausnahmen wieder außer Geltung gesetzt504. So sollen beispielsweise
Drittgläubigeransprüche eines Gesellschafters, bei denen sich Gesellschaft und Gesell-
schafter wie Dritte gegenüberstehen, in der Auseinandersetzung isoliert geltend gemacht
werden können505. Hierzu hat der BGH506 unter Aufgabe seiner früheren Rechtspre-
chung507 entschieden, dass es nicht einzusehen sei, weshalb der Gesellschafter, welcher
der Gesellschaft wie jeder dritte Gläubiger gegenübersteht, anders als jeder außenste-
hende Gläubiger auf die Erfüllung seiner Forderung warten müsse, bis die Schlussab-
rechnung feststeht. Das Gleiche soll bei entsprechender Liquidität der Gesellschaft gel-
ten, wenn und soweit aufgrund besonderer Umstände schon vor der Beendigung der
498
Staudinger/Habermeier BGB (2003) § 730 Rn. 21.
499
BGH WM 1965, 740, 741; BGH WM 1969, 591, 592; MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 52.
500
BGHZ 37, 299, 304 = NJW 1962, 1863; BGH WM 1968, 697, 698; Bamberger/Roth/Schöne BGB
§ 730 Rn. 32; MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 52.
501
BGHZ 103, 72, 77 f. = NJW 1988, 1375; kritisch dazu Erman/Westermann BGB § 730 Rn. 11 sowie
Hadding/Häuser WM 1988, 1585, 1591 für den Fall, dass der Gesellschafter, der wegen einer vor
Auflösung geleisteten Zahlung Rückgriff leistet, nicht mehr der Abwicklungsgesellschaft angehört.
502
Str., vgl. MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 52 sowie Messer, FS Stimpel 1985, S. 207.
503
Soergel/Hadding/Kießling BGB § 730 Rn. 16; MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 51.
504
Ausführlich zu den Ausnahmen der Durchsetzungssperre Erman/Westermann BGB § 730 Rn. 11 ff.
505
BGH NJW-RR 2006, 1268, 1270 (Rn. 18); Staudinger/Habermeier BGB (2003) § 730 Rn. 22; anderer
Ansicht OLG Karlsruhe NZG 2001, 748, 749.
506
NJW-RR 2006, 1268, 1270 (Rn. 20).
507
BGH WM 1971, 931, 932; BGH WM 1978, 89, 90.
187
Auseinandersetzung mit Sicherheit feststeht, dass der Gesellschafter den isoliert geltend
gemachten Betrag nicht zurückerstatten muss, weil ihm jedenfalls Ansprüche in Höhe
dieses Mindestbetrags zustehen508, oder weil der Anspruch nach Sinn und Zweck der
gesellschaftsvertraglichen Regelungen auch im Fall der Auflösung der Gesellschaft sei-
ne Selbständigkeit behalten soll509. Dabei braucht der isoliert geltend gemachte Betrag
der Höhe nach keinesfalls festzustehen; das Gericht hat nach herrschender Meinung,
falls erforderlich, die angetretenen Beweise zu erheben510. Der BGH hat die Durchset-
zungssperre weiter für den Fall durchbrochen, dass ein Gesellschafter aufgrund einer
vorläufigen Auseinandersetzungsrechnung auf Zahlung eines Fehlbetrags in Anspruch
genommen wird511 oder ein Gesellschafter sich den wesentlichen Teil des Gesellschafts-
vermögens eigenmächtig und ohne Gegenleistung zunutze macht512.
508
BGHZ 37, 299, 305 = NJW 1962, 1863; BGH NJW-RR 1988, 1249, 1249; MünchKomm
BGB/Schäfer § 730 Rn. 49. Hiergegen wendet sich Messer, FS Stimpel 1985, S. 210, der sich darauf
beruft, dass der dolo agit-Einwand nur greifen könne, wo ein fälliger, zumindest nach Grund und Hö-
he feststehender Gegenanspruch vorhanden sei. Ein lediglich möglicherweise bestehender, derzeit
aber noch nicht errechenbarer und vom Abschluss eines Auseinandersetzungsverfahrens abhängiger
Gegenanspruch reiche hingegen nicht aus.
509
BGH NJW 1998, 376, 376.
510
BGH NJW-RR 1988, 1249, 1249.
511
BGH NJW-RR 1991, 549, 549; MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 55.
512
BGH NJW 1980, 1628, 1628 f.; BGH NJW-RR 1995, 1182, 1182.
513
BGH NJW 1998, 376, 376.
188
liert geltend machen kann, weil ihm dieser Betrag auf jeden Fall zustehen muss514. Auch
äußert sich die herrschende Meinung nicht dazu, wie das, was dem Gesellschafter auf
jeden Fall zustehen soll, zu ermitteln ist, welche Anforderungen hierbei an den Sachvor-
trag sowie die Darlegungs- und Beweislast des Anspruchstellers zu stellen sind und
welche Beweise hierzu erforderlich und vom Gericht zu erheben sein sollen.
Die der Durchsetzungssperre unterlegte Intention, die Abrechnung durch das Vermeiden
von Hin- und Herzahlungen zu erleichtern, unterstellt die Annahme, es könne überhaupt
zu Hin- und Herzahlungen im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses kommen, die im
Zuge der Abwicklung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu vermeiden seien. Geht
man nach der hier vorgeschlagenen Auseinandersetzungsmethode vor, so besteht die
von der herrschenden Meinung befürchtete Gefahr der Hin- und Herzahlung nicht bzw.
nur noch in einem so eingeschränkten Umfang, dass demgegenüber die Beschränkung
der Klagbarkeit der einzelnen Ansprüche zu Lasten der Gesellschafter nicht gerechtfer-
tigt erscheint. Durch die Saldierung der Gesellschafterkonten werden alle Abwicklungs-
schritte, die die einzelnen Gesellschafter betreffen, rechnerisch zusammengefasst und in
eine einzige Zahlungsrichtung kanalisiert.
514
BGHZ 37, 299, 305 = NJW 1962, 1863; BGH NJW-RR 1988, 1249, 1249.
515
So auch K. Schmidt ZHR 153 (1989), 270, 293 - hierzu ausführlich oben S. 135 ff.
516
Ähnlich MünchKomm HGB/K. Schmidt § 131 Rn. 131 für die insoweit vergleichbare Konstellation
des Ausscheidens aus der fortbestehenden Gesellschaft.
189
hinaus gehenden besonderen Begründung als Ausnahme zum Grundsatz der Durchset-
zungssperre bedarf es daher nicht mehr. Eine solche Vorwegausschüttung an die Gesell-
schafter ist dabei Teil der planmäßigen Vermögensabwicklung517: Der Gesellschafter
kann stets die Saldierung seiner Gesellschafter(kapital)konten und ggf. die Auszahlung
des sich daraus ergebenden positiven Saldobetrags nach § 155 Abs. 2 Satz 1 HGB ana-
log verlangen, wenn und soweit sich verteilbares Gesellschaftsvermögen in der Kasse
befindet, das nicht mehr anderweitig für die Auseinandersetzung benötigt wird.
Für den umgekehrten Fall, dass der Gesellschafter Nachschussleistung nach § 735 BGB
schuldet, bedarf es schon deswegen keiner Durchsetzungssperre oder Ausnahmen von
ihr, da Nachschüsse nach § 735 BGB schon aus Gründen der mitgliedschaftlichen
Treuepflicht stets ohne Rücksicht auf den Fortgang der Auseinandersetzung geltend
gemacht werden dürfen. Damit zusammenhängende Hin- und Herzahlungen zwischen
Gesellschafter und Gesellschaft sind hinzunehmen und dürfen daher nicht durch ent-
sprechende Klagebeschränkungen verhindert werden. Letztendlich ist der Grundsatz der
Durchsetzungssperre nichts Anderes als die Frage der Berechenbarkeit bzw. Beweisbar-
keit eines vom Anspruchsteller geltend gemachten positiven Guthabensaldos518. Eine
darüber hinausgehende Klageerschwerung durch Verweis auf den Abschluss der Aus-
einandersetzung oder die Feststellung einer Auseinandersetzungsbilanz ist weder ge-
rechtfertigt noch notwendig.
517
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 52 IV 1. c), S. 1521.
518
In diese Richtung auch Hadding/Häuser WM 1988, 1585, 1592.
190
schaft oder seinen Mitgesellschaftern einzuklagen519. Eine solche Zahlungsklage ist oh-
ne weiteres zulässig und kann bereits im Zeitpunkt der Auflösung erhoben werden.
Eine davon zu trennende Frage ist, ob eine solche Klage auch in vollem Umfang be-
gründet ist: Wie jeder andere Kläger auch muss der anspruchsstellende Gesellschafter
substantiiert darlegen und beweisen, dass ihm die eingeklagten Beträge im geltend ge-
machten Umfang tatsächlich zustehen. Dazu muss er nachweisen, dass der jeweilige
Einzelanspruch auch unter Berücksichtigung sämtlicher Verbindlichkeiten der Gesell-
schaft nicht durch Verrechnung im Rahmen der Saldierung seines Gesellschafterkontos
erloschen ist, sondern nach wie vor jedenfalls in Höhe des eingeklagten Betrags nach
§ 155 HGB analog besteht. Er ist nicht gehindert, das ihm zustehende Auseinanderset-
zungsguthaben zu diesem Zweck selbst zu berechnen. Aufgrund seiner Stellung als Ge-
sellschafter der Liquidationsgesellschaft kann er sich jederzeit ungehindert Einblick in
die Geschäftsbücher und die Vermögenslage der Gesellschaft verschaffen (§ 716 Abs. 1
BGB). Er kann sich hierzu auch eines Sachverständigen bedienen, der für ihn das Ein-
sichts- und Prüfungsrecht ausübt520. Ist der Kläger nicht in der Lage, den eingeklagten
Betrag als ihm zustehendes Auseinandersetzungsguthaben zweifelsfrei nachzuweisen,
so ist die Zahlungsklage als (derzeit) unbegründet abzuweisen.
Ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf das Auseinandersetzungs-
guthaben im Allgemeinen durchsetzbar ist, so ist anschließend zu fragen, welche An-
forderungen im Besonderen an die Prozessführung, an die Erhebung der Klage, die
Schlüssigkeit des Vorbringens und an die Beweisführung zu stellen sind und welche
prozessualen Probleme sich stellen, wenn die Gesellschaft während des Prozesses erlö-
schen sollte.
519
So wohl auch BGH NJW-RR 1987, 1386, 1387; MünchKomm HGB/K. Schmidt § 131 Rn. 136 für
die insoweit vergleichbare Konstellation des Ausscheidens aus der fortbestehenden Gesellschaft.
520
Die hierfür anfallenden Kosten fallen der Gesellschaft unabhängig davon zur Last, ob die Heranzie-
hung des Sachverständigen z.B. wegen mangelnder Buchführung objektiv gerechtfertigt war, sondern
stets unabhängig davon, ob der Gesellschaftsvertrag ein Verbot der persönlichen Ausübung des Ein-
sichts- und Prüfungsrechts enthält: Die mit der Hinzuziehung eines Sachverständigen verbundene Ko-
stenlast würde sonst immer die dem Gesellschafter gesetzlich garantierten Informationsrechte faktisch
beschränken. Hierzu Hirte BB 1985, 2208 ff.
191
§ 22 Die Klage auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens
I. Passivlegitimation
Richtige Beklagte für die Klage auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens ist
nach der heute geltenden Auffassung die Gesellschaft bürgerlichen Rechts selbst521,
wobei der Anspruch nach der Umsetzung des Gesellschaftsvermögens in Geld und Be-
richtigung der Schulden aus dem verbleibenden Vermögen zu befriedigen ist522. Da aber
andererseits § 736 ZPO für die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ei-
nen Titel gegen alle Gesellschafter verlangt, soll sowohl aus einem Titel gegen die Ge-
sellschaft523 als auch aus einem Titel gegen alle Gesellschafter vollstreckt werden kön-
nen524. Wenn kein Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist, so kann der Berechtigte
seinen Anspruch nach herrschender Meinung auch unmittelbar gegen einen ausgleichs-
pflichtigen Mitgesellschafter geltend machen525.
521
Erman/Westermann BGB § 730 Rn. 15.
522
MünchKomm BGB/Schäfer § 730 Rn. 62.
523
BGH NJW 2001, 1056, 1059: Ein gegen die Gesamtheit der gesamthänderisch verbundenen Gesell-
schafter als Partei ergangenes Urteil ist ein Urteil „gegen alle Gesellschafter” im Sinne des § 736
ZPO. Die Vorschrift verlangt weder nach Wortlaut noch Zweck ein Urteil gegen jeden einzelnen Ge-
sellschafter.
524
BGH NJW 2004, 3632, 3634.
525
BGH NJW-RR 2007, 245, 246 (Rn. 10).
192
doch noch Vermögen? Wäre dies auch möglich, wenn das liquide Restvermögen der
Gesellschaft zwar zur Befriedigung des Auseinandersetzungsguthabens des Klägers,
aber nicht mehr zu Befriedigung der Auseinandersetzungsansprüche weiterer, nicht kla-
gender Gesellschafter ausreicht?
Die aufgeworfenen Fragen belegen, dass die Auswahl des richtigen Beklagten danach,
ob die Gesellschaft noch über Vermögen verfügt oder nicht, nicht zielführend ist. Statt
dessen empfiehlt sich folgende Vorgehensweise: Nach der hier dargestellten Lösung ist
es dem klagenden Gesellschafter verwehrt, seinen Auseinandersetzungsanspruch vor-
rangig aus vorhandener Liquidität zu bedienen, ohne auf die Ausgleichsansprüche sei-
ner Mitgesellschafter Rücksicht zu nehmen526. Daraus ist zu folgern, dass die Klage auf
Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens grundsätzlich unabhängig von der
Vermögenslage gegen die Gesellschaft und die Mitgesellschafter gemeinsam zu richten
ist und letztere wegen der notwendig einheitlichen Sachentscheidung mit der Gesell-
schaft eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 62 ZPO bilden.
526
Siehe hierzu bereits oben unter § 15, I., 2 c), S. 104 ff.
527
BGHZ 146, 341 ff. = NJW 2001, 1056 ff.
528
BGH NJW 2001, 1056, 1058.
193
den kann und damit die Einzelansprüche der Gesellschafter insoweit in einem gegensei-
tigen Abhängigkeitsverhältnis stehen, als das, was dem einen zufließt, den anderen
fehlt. Eine Entscheidung, die nur im Verhältnis des klagenden Gesellschafters zur Ge-
sellschaft selbst erginge, hätte daher notwendigerweise Auswirkungen auf die übrigen
Gesellschafter, auch wenn diese nicht am Prozess beteiligt sind.
Selbst bei einer vermögenslosen Gesellschaft haben die Abstimmung der Gesellschaf-
terkonten und die gemeinsame Ermittlung des Restvermögens auf der Basis des Ge-
samtbetrages aller Gesellschafterkontensalden zu erfolgen. Erst recht gilt dies bei nega-
tiven Gesellschafterkontenständen und bei Fehlbeträgen im Gesellschaftsvermögen.
Eine isolierte Betrachtung der Rechtsbeziehungen des klagenden Gesellschafters zur
Gesellschaft, ohne Berücksichtigung des für die Gesellschaft typischen Gewebes von
rechtlichen Verflechtungen im Innen- wie Außenverhältnis, bleibt bruchstückhaft und
unzureichend.
Erlischt die Gesellschaft während eines schwebenden Prozesses, so richten sich die pro-
zessualen Folgen danach, ob es sich um einen Aktivprozess oder einen Passivprozess
der Gesellschaft handelt. Aktivprozesse der Gesellschaft gegen Dritte müssen grund-
sätzlich zu Ende geführt werden529, und zwar unabhängig davon, ob damit Vermögens-
rechte oder sonstige Rechte der Gesellschaft geltend gemacht werden. Nicht nur die
Existenz von liquidationspflichtigem Gesellschaftsvermögen, sondern generell die Exi-
stenz von Rechten und Pflichten der Gesellschaft gegenüber Dritten oder gegenüber
ihren Gesellschaftern verhindert nach der hier vertretenen Auffassung530 die Vollbeen-
digung der Gesellschaft, da die Gesellschaft so lange als Träger von Rechten und
Pflichten fortbesteht, wie sie tatsächlich noch Rechte und Pflichten innehat.
Handelt es sich um einen Passivprozess, d.h. fällt die Gesellschaft als Beklagte während
des Prozesses weg, so ist umstritten, ob damit die Klage unzulässig geworden ist531 oder
529
E/B/J/S/Hillmann HGB § 124 Rn. 27.
530
Siehe dazu ausführlich oben S. 144 ff.
531
So BGHZ 74, 212 ff. = NJW 1979, 1592.
194
sich in der Hauptsache erledigt hat532 oder ob die Gesellschaft bis zur Prozessbeendi-
gung als fortbestehend zu behandeln ist533. Im Ergebnis ist der letztgenannten Ansicht zu
folgen: Der Beklagte kann sich nicht durch „Nichtexistent werden“ aus dem Prozess
davonstehlen, da erst nach Abschluss des Prozesses die Existenz einer potentiellen Ge-
sellschaftsverbindlichkeit geklärt ist534 und außerdem noch Aktiva in Form von Kosten-
erstattungsansprüchen im Raum stehen. Die Gesellschaft bleibt damit auch während
eines laufenden Passivrechtsstreits parteifähig535, eine Vollbeendigung tritt nicht vor
Abschluss aller Prozesse ein.
Die Frage nach der Vertretung der Gesellschaft im Prozess mit dem Gesellschafter er-
scheint nur auf den ersten Blick unproblematisch. Dass die aufgelöste Gesellschaft bei
einer Klage des Gesellschafters trotz § 730 Abs. 2 Satz 2 BGB nur von den übrigen Ge-
sellschaftern vertreten werden kann, dürfte unbestritten sein. Allerdings lassen sich bei
Prozessen im Innenverhältnis der Gesellschaft, die nach deren Eintritt in das Auflö-
sungsstadium durchgeführt werden, Überschneidungen zwischen den Interessen der
Gesellschaft und den Eigeninteressen der zur Prozessvertretung berufenen Mitgesell-
schafter nicht vermeiden.
532
BGH NJW 1982, 238, 238.
533
BAG NJW 1982, 1831, 1831.
534
Waclawik, Prozessführung, S. 145.
535
Theil JZ 1979, 567, 567 f.; Saenger GmbHR 1994, 300, 304 f.
195
im Sinne des § 181 BGB herauf. Selbst wenn § 181 BGB auf die Prozessvollmacht
nicht unmittelbar anzuwenden ist, gilt der Grundsatz, dass niemand in einem Prozess
auf beiden Seiten Partei oder Parteivertreter sein darf536. Es empfiehlt sich daher, im
Prozess um gesellschaftsinterne Ansprüche grundsätzlich einen Prozesspfleger gemäß
§ 57 ZPO zu bestellen.
Bei der Klage auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens stellt sich insbeson-
dere die Frage, welche Anforderungen an Schlüssigkeit und Beweisführung zu stellen
sind. Die Ansicht, die eine Auseinandersetzungsbilanz für erforderlich hält, gewährt
dem Berechtigten zusätzlich einen einklagbaren Anspruch auf Zustimmung seiner Mit-
gesellschafter zur Auseinandersetzungsbilanz537: Der Berechtigte, der nicht selbst Zu-
gang zu den dafür erforderlichen Informationen habe, könne zunächst von den die Ge-
schäfte führenden Gesellschaftern die Erstellung einer Bilanz verlangen, soweit diese
dazu ohne weiteres in der Lage sind538. Sei er mit der erstellten Bilanz nicht einverstan-
den, könne er jedoch nicht auf gerichtliche Feststellung einer zutreffenden Bilanz kla-
gen, sondern müsse entweder seinen Auseinandersetzungsanspruch in zahlenmäßig be-
stimmter Höhe einklagen oder vom Prozessgericht die Feststellung begehren, dass ein-
zelne Posten in der Bilanz mit berücksichtigt werden oder außer Ansatz bleiben müs-
sen539.
Da der Berechtigte danach de facto eine eigene Bilanz aufstellen und auf dieser rechne-
rischen Grundlage seinen Anspruch ermitteln und einklagen muss, d.h. zugleich das
Kostenrisiko einer auf der mangelhaften Information beruhenden Fehleinschätzung
536
Statt vieler Palandt/Ellenberger BGB § 181 Rn. 5.
537
Palandt/Sprau BGB § 730 Rn. 4.
538
Eckardt NZG 1999, 938, 938.
539
BGHZ 26, 25, 28 ff. = NJW 1958, 57 für den aus einer Gesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafter,
dessen Interessenslage hier vergleichbar ist.
196
trägt, soll hier die sogenannte sekundäre Behauptungslast540 Abhilfe schaffen. Danach
kann vom Prozessgegner ausnahmsweise ein substantiiertes Bestreiten gefordert wer-
den, wenn der beweisbelasteten Partei eine nähere Darlegung des Sachverhalts nicht
möglich oder nicht zumutbar ist, weil nur dem Gegner die Einzelheiten bekannt sind
und diesem deren Vortrag zumutbar ist541. In diesem Fall braucht die beweisbelastete
Partei ihr Vorbringen erst unter Beweis zu stellen, wenn der Gegner eine substantiierte
Sachdarstellung gegeben hat; äußert er sich nicht, so tritt die Wirkung des § 138 Abs. 3
ZPO ein, das Klägervorbringen gilt dann als zugestanden542. Dafür wird allerdings ein
besonderer Anknüpfungspunkt in Gestalt eines vorhergegangenen Tuns der nicht be-
weisbelasteten Partei oder besonderer persönlicher Beziehungen der Parteien zueinander
gefordert543. Die sekundäre Behauptungslast hat ihren Ursprung in einer bei § 138
Abs. 2 ZPO angesiedelten und mit der Sanktion des § 138 Abs. 3 ZPO behafteten Last
zum substantiierten Bestreiten544, verlangt aber allein eine substantiierte Gegendarstel-
lung des Gegners und lässt die objektive Beweislast unberührt545.
2. Stellungnahme
Die Ansicht, die dem Berechtigten seinen Anspruch auf Auszahlung seines Auseinan-
dersetzungsguthabens erst mit Feststellung einer Auseinandersetzungsbilanz zuge-
steht546, stellt dem Kläger in der Praxis nahezu unüberwindliche Hindernisse in den
Weg. Insbesondere gibt sie keine Antwort auf die Frage, ob und unter welchen Voraus-
setzungen der Kläger einen Anspruch auf Zustimmung zu seinem Bilanzentwurf gegen
seine Mitgesellschafter hat bzw. welchen Grad an Vollständigkeit und Richtigkeit die
Bilanz haben muss, damit die übrigen Gesellschafter zur Zustimmung verurteilt werden
können.
540
Eckardt NZG 1999, 938, 938.
541
Ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH NZG 1999, 937, 937 mit Anmerkung Eckardt NZG 1999,
938 ff.
542
BGH NJW 1990, 3151, 3152; BGHZ 121, 357, 365 = NJW 1993, 2168; BGH NZG 1999, 937, 937.
543
Eckardt NZG 1999, 938, 938.
544
Eckardt NZG 1999, 938, 939.
545
Eckardt NZG 1999, 938, 939.
546
Schwung BB 1985, 1374, 1375.
197
Das Gesetz enthält keine Anhaltspunkte, dass der Gesellschafter zu einer vollständigen
Auflistung auch der zu seinen Lasten wirkenden Abzugsposten verpflichtet ist. Zwar
stellt ihm § 716 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Einsicht in die Geschäftsunterlagen
zur Seite, den er im Weigerungsfalle gegen die übrigen Liquidatoren geltend machen
kann. Daraus lässt sich aber noch lange keine Verpflichtung ableiten, diesen Anspruch
auch tatsächlich geltend zu machen. § 716 Abs. 1 BGB stellt es dem Gesellschafter frei,
ob er diese Möglichkeit wahrnimmt („kann“); er zwingt den Gesellschafter gerade nicht
dazu, sich zunächst mittels Herausgabeklage die Geschäftsbücher der Gesellschaft zu
verschaffen, um anschließend mit Hilfe der daraus gewonnenen Informationen eine
vollständige Abrechnung über das Gesellschaftsvermögen zu erstellen. Auch der Wort-
laut des § 259 Abs. 1 BGB („oder“) lässt vermuten, dass die Angabe der Einnahmen
oder der Ausgaben alleine ausreichend ist, der Anspruchsteller also nicht verpflichtet
ist, eine vollständige Einnahmen-Ausgaben-Kalkulation zu erstellen.
Die Vorschriften des HGB zur Vorlage von Geschäftsbüchern vor Gericht (§§ 258 ff.
HGB) führen hier zu keinem anderen Ergebnis, da sie nur ein Recht des Gerichts, nicht
aber eine Pflicht der Partei statuieren. Auch die §§ 358 ff. HGB verpflichten das Gericht
nicht, aufgrund der herangezogenen Geschäftsbücher selbst die Auseinandersetzungsab-
rechnung zu erstellen; sie dienen lediglich der gerichtlichen Kontrolle des von den Par-
teien in den Prozess eingeführten Vortrags.
Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Zivilrechts hat grundsätzlich jede Partei die
Voraussetzungen des Rechtssatzes zu beweisen, dessen Rechtsfolge sie geltend macht:
Den Anspruchsteller trifft die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen, der
Gegner muss Beweis für rechtshemmende, rechtshindernde oder rechtsvernichtende
Tatsachen erbringen547. Es ist nicht ersichtlich, warum dies bei der Gesellschaftsauflö-
sung anders sein sollte. Das Postulat, der Gesellschafter habe auch die zu seinen Lasten
wirkenden Passivposten seiner Auseinandersetzungsabrechnung darzulegen und zu be-
weisen, ist weder interessengerecht noch berücksichtigt es in angemessener Weise die
wechselseitigen Prozesspflichten. Würde man ihm folgen, müsste der Anspruchsberech-
tigte erst in mühsamer Kleinarbeit auf eigene Kosten jeden einzelnen zu seinen Lasten
547
BGH NJW 1991, 1052, 1053.
198
existierenden Abzugsposten in genauer Höhe (gerichtlich) ermitteln, diesen anschlie-
ßend in seine Saldoberechnung einstellen und anschließend ggf. gerichtlich feststellen
lassen. Er wäre so der Willkür jener Mitgesellschafter ausgeliefert, die mit der Vermö-
gensverwaltung der Gesellschaft betraut waren. Diese hätten es aufgrund ihrer Nähe zur
Information allein in der Hand, die betreffenden Zahlen entweder zeitig und korrekt
herauszugeben oder den klagenden Gesellschafter durch gezielte Informationsverweige-
rung und Verzögerungstaktiken so lange in einem gerichtlichen Informationsbeschaf-
fungs- und Informationsverwertungsprozess festzuhalten, bis das noch vorhandene Ge-
sellschaftsvermögen entweder durch anderweitige Maßnahmen vollständig aufgebraucht
oder unter den beklagten Mitgesellschaftern verteilt worden ist. Demgegenüber liegt die
Verwertung der Informationen zu den Abzugsposten allein im Interesse der beklagten
Gesellschaft bzw. Mitgesellschafter.
Es erscheint insbesondere verfehlt, den Kläger auf das prozessuale Instrument der Stu-
fenklage zu verweisen, um seine Forderung geltend zu machen und zu vollstrecken. Die
Verpflichtung zur Auskunftserteilung und Rechenschaftslegung nach §§ 259, 260 BGB
gilt nach herrschender Meinung als grundsätzlich unvertretbare Handlung548 und müsste
daher an sich gemäß § 888 ZPO durch Androhung bzw. Vollziehung von Zwangsgeld
oder Zwangshaft vollstreckt werden. Etwas Anderes soll aber gelten, wenn die Auskunft
und Rechenschaftslegung gemäß §§ 259, 260 BGB durch Erstellung und Vorlage einer
Auseinandersetzungsabrechnung erfolgen kann549: Soweit es um die Auswertung von
Buchhaltungsdaten und Belegen geht, kann die Leistung auch von sachkundigen Dritten
(Buchhaltern, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern) erbracht werden. Wollte man deshalb
die Aufstellung einer Auseinandersetzungsabrechnung als vertretbare Handlung gemäß
§ 887 ZPO durch Ermächtigung zur Ersatzvornahme auf Kosten des Schuldners voll-
strecken550, so würde sich das Problem auf die Frage verlagern, wie der zur Ersatzvor-
nahme vorgesehene Wirtschaftsprüfer sich den Zugang zu den erforderlichen Buchhal-
548
BGH NJW 2006, 2706, 2707 (Rn. 13) für die Betriebskostenabrechnung einer Mietwohnung; BGH
NJW 2008, 917, 917 (Rn. 13); BayObLG NJW-RR 2002, 1381, 1382 für die Rechnungslegung im In-
nenverhältnis zwischen dem Verwalter einer Wohnungsanlage und den Wohnungseigentümern; Pa-
landt/Grüneberg BGB § 259 Rn. 15; Musielak/Lackmann ZPO § 887 Rn. 9 und 15.
549
Musielak/Lackmann ZPO § 887 Rn. 9 und 15 unter Verweis auf OLG Köln NJW-RR 1992, 633, 634;
KG NJW 1972, 2093 ff.
550
Musielak/Lackmann ZPO § 887 Rn. 9 und 15.
199
tungsunterlagen und Belegen verschaffen soll, wenn die übrigen Gesellschafter nicht
kooperieren. In diesem Fall müsste entweder im Rahmen eines Zwischenstreites auf
Herausgabe der Belege geklagt werden, bevor der Gerichtsvollzieher die Unterlagen
nach § 883 ZPO wegnehmen könnte, oder die Wegnahme müsste vom Prozessgericht
als Zwangsvollstreckungsmaßnahme gemäß § 888 ZPO angeordnet werden, was wie-
derum in der Schleife der Zwangsgeld- oder Zwangshaftandrohungen enden würde.
Statt dessen erweist sich auch für die Frage nach Schlüssigkeit und Beweisumfang der
Klage auf das Auseinandersetzungsguthaben ein Blick auf die für das Kontokorrent
(§ 355 HGB) geltenden Grundsätze als hilfreich. Kommt es beim Kontokorrent nicht zu
einem Anerkenntnis des Saldos oder wird ein solches nicht bewiesen, so muss derjeni-
ge, der für sich einen Aktivsaldo behauptet, die aus seiner Sicht angefallenen gegensei-
tigen Ansprüche und Leistungen substantiiert darlegen und seine Aktivposten bewei-
sen555. Dazu genügt es mangels Bestreitens, wenn ein anerkannter, kausaler oder rechne-
rischer Saldo zu einem bestimmten Zeitpunkt in bestimmter Höhe sowie die danach
551
RGZ 100, 150, 152; MünchKomm BGB/Krüger § 259 Rn. 24.
552
MünchKomm BGB/Krüger § 259 Rn. 24: „Auch mit einer falschen Rechnungslegung erfüllt der
Schuldner den Anspruch“.
553
Bamberger/Roth/Unberath BGB § 259 Rn. 12; Palandt/Grüneberg BGB § 260 Rn. 16.
554
MünchKomm BGB/Krüger § 259 Rn. 24.
555
BGH NJW-RR 2002, 986, 986 f.; Koller/Roth/Morck/Koller HGB § 355 Rn. 9.
200
eingetretenen Aktiv- und Passivänderungen behauptet werden556. Belastende Passivpo-
sten muss der Kläger danach nur darlegen, soweit sie unstreitig sind557, während es Auf-
gabe des Beklagten ist, die ihm zugute kommenden Posten darzulegen und zu beweisen,
soweit sie nicht zugestanden sind558.
Diese Grundsätze können auch für den prozessualen Nachweis des positiven Auseinan-
dersetzungsguthabens des Gesellschafters herangezogen werden559: Ob der Gesellschaf-
ter verpflichtet ist, eine Saldoberechnung aufzustellen, in der auch die zu seinen Lasten
zu berücksichtigenden Abzugsposten aufgelistet sind oder ob es ausreicht, wenn er ei-
nen bestimmten Betrag einklagt und es der beklagten Gesellschaft überlässt, die ent-
sprechenden Abzugsposten einredeweise geltend zu machen und zu beweisen, richtet
sich danach, ob der Kläger von den betreffenden Abzugsposten Kenntnis hat oder haben
müsste oder nicht.
Etwas Anderes muss jedoch gelten, wenn der Gesellschafter von den sein Auseinander-
setzungsguthaben schmälernden Posten keine Kenntnis hat und auch keine Möglichkeit
hat, sich die entsprechenden Informationen ohne fremde Mithilfe selbst zu beschaffen,
beispielsweise weil er mit der Vermögensverwaltung der Gesellschaft nicht betraut war.
Die Klage eines Gesellschafters auf Auszahlung seines Guthabens darf nicht deswegen
als unbegründet abgewiesen werden, weil ihm die Informationen für die Erstellung ei-
556
BGH NJW 2001, 2908, 2908; Koller/Roth/Morck/Koller HGB § 355 Rn. 9.
557
BGHZ 105, 263, 265 = NJW 1989, 300; BGH NJW 2001, 1486, 1487.
558
BGH NJW 2001, 1486, 1487; Koller/Roth/Morck/Koller HGB § 355 Rn. 9.
559
Ich konnte trotz intensiver Recherche keinen Nachweis dafür ausfindig machen, dass diese These in
dieser Form bereits in Rechtsprechung oder Literatur vertreten worden ist. Daher gehe ich davon aus,
dass hierfür, soweit ersichtlich, keine zitierfähige Fundstelle existiert.
201
ner abschließenden, vollständigen und umfassenden Auseinandersetzungsabrechnung
nicht zur Verfügung gestellt werden oder die beklagte Gesellschaft die Unrichtigkeit des
Klägervortrages zur Höhe des Auseinandersetzungsguthabens bestreitet, ohne selbst
umfassend Rechnung zu legen.
Die Pflicht aus § 259 BGB geht sogar noch weiter, die Gesellschaft ist sogar verpflich-
tet, dieses Material aufzubereiten, also nicht nur Zahlen und Daten zu liefern, sondern
diese auch noch geordnet zusammenzustellen561, also letztendlich, ihrem Gesellschafter
umfassend, vollständig und wahrheitsgemäß sämtliche Informationen, Unterlage und
Belege zur Verfügung zu stellen, die dieser benötigt, um seinen Anspruch durchzuset-
560
Ich konnte trotz intensiver Recherche keinen Nachweis dafür ausfindig machen, dass die Rechen-
schaftsverpflichtung der Gesellschaft nach § 259 ff. BGB zugunsten des berechtigten Gesellschafters
in dieser Form bereits in Rechtsprechung oder Literatur vertreten worden ist. Daher gehe ich davon
aus, dass hierfür, soweit ersichtlich, keine zitierfähige Fundstelle existiert.
561
MünchKomm BGB/Krüger § 259 Rn. 23.
202
zen bzw. die Abrechnung zu liefern, die der Kläger braucht. Die Pflichten der beklagten
Gesellschaft bürgerlichen Rechts erschöpfen sich hierbei keineswegs mit der prozes-
sualen Wahrheitspflicht; sie ist nach materiellem Recht gemäß § 259 BGB umfassend
zu vollständigen, wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet.
Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts selbst ist damit nach materiellem Recht verpflich-
tet, in Person ihrer geschäftsführenden Gesellschafter562 die Auseinandersetzungsab-
rechnung aufzustellen und deren Richtigkeit unter den Voraussetzungen des § 259
Abs. 2 BGB an Eides statt zu versichern. Bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts
selbst liegt nach materiellem Recht daher nicht nur die Darlegungs-, sondern auch die
Beweislast für Bestand und Höhe des Auseinandersetzungsanspruches, sie kann sich
daher im Prozess nicht umkehren. An diese materiellrechtliche Handlungspflicht knüp-
fen sich somit auch sämtliche Sanktionen, die das materielle Recht bei Pflichtverletzun-
gen vorsieht, insbesondere Schadensersatzpflichten bei Verzug oder Pflichtverstößen
gemäß § 280 BGB. Es ist daher verfehlt, in diesem Zusammenhang zu argumentieren,
niemand sei verpflichtet, dem Gegner das Material für dessen Prozesssieg zu verschaf-
fen563. Diese Auffassung verkennt, dass das Gesetz die Liquidatoren der aufgelösten
Gesellschaft bürgerlichen Rechts materiellrechtlich hierzu explizit verpflichtet.
Die Rechtsstellung des anspruchsberechtigten Gesellschafters ist damit nach dem BGB
viel stärker als es die Diskussion über die prozessuale Wahrheitspflicht, die sekundäre
Darlegungslast und über die Pflicht zur Vorlage einer Auseinandersetzungsabrech-
nung564 suggeriert: Das Risiko unzureichender Aufklärung, fehlender oder unvollständi-
ger Belege, widersprüchlicher oder unplausibler Zahlen565 liegt ausschließlich bei der
Gesellschaft. Je weiter der klagende Gesellschafter vom Informationsfluss entfernt war,
umso stärker fällt die Aufklärungspflicht der Gesellschaft ins Gewicht und umso weni-
ger kann dem Kläger eine unzureichende Darlegung ihm unbekannter Informationen
zum Nachteil gereichen.
562
Bamberger/Roth/Unberath BGB § 259 Rn. 23.
563
BGH NJW 1958, 1491, 1492; BGH NJW 1990, 3151 ff.
564
Siehe hierzu im Einzelnen Eckardt NZG 1999, 938 f.
565
Schon fehlende Plausibilität hat dem BGH in NZG 1999, 937 ff. ausgereicht, um das Berufungsurteil
aufzuheben. Allerdings argumentierte der BGH dort mit der „sekundären Darlegungslast“, anstatt mit
einer Verletzung der Rechenschaftspflicht aus § 259 BGB.
203
c) Anforderungen an die Schlüssigkeit der Klage
Die Klage des Gesellschafters ist also immer schon dann schlüssig, wenn er vorträgt,
dass ihm ein bestimmter Betrag, ggf. als Vorabentnahme (§ 155 Abs. 2 Satz 1 HGB
analog), seines Auseinandersetzungsguthabens zusteht und verteilbares Gesellschafts-
vermögen in der notwendigen Höhe vorhanden ist, das nicht zur Ausschüttung an
Nichtgesellschafter oder andere Gesellschafter zu verwenden ist. Bestreitet die beklagte
Gesellschaft Grund und Höhe des Anspruchs, so ist entgegen der herrschenden Mei-
nung nicht der klagende Gesellschafter darlegungs- und beweispflichtig, sondern die
gemäß § 259 BGB zur umfassenden Rechnungslegung verpflichtete Gesellschaft. Daher
muss es genügen, wenn der klagende Gesellschafter mit den ihm zur Verfügung stehen-
den Informationen einen bezifferten Anspruch einklagt und für die Darlegung und den
Nachweis seines Auseinandersetzungsguthabens auf die Verpflichtung der Gesellschaft
bürgerlichen Rechts zur Abrechnung und Belegvorlage verweist. Die Gesellschaft bür-
gerlichen Rechts als Beklagte kann sich, da bereits nach materiellem Recht aufklärungs-
und beweispflichtig, nie auf schlichtes Bestreiten beschränken, sondern muss immer
substantiiert, detailliert und unter Vorlage von Urkunden vortragen.
Im Ergebnis ist also der Gesellschafter, der keine Kenntnis von zu seinen Lasten wir-
kenden Abzugsposten im Rahmen der Auseinandersetzungsabrechnung hat und auch
nicht haben muss, nicht verpflichtet, solche Passivposten zu ermitteln, in seiner An-
spruchsbegründung darzulegen und zu beweisen. Vielmehr reicht es aus, wenn er die
ihm bekannten Tatsachen darlegt und beweist. Es ist dann Sache der Gesellschaft, die
entsprechenden Abzugsposten in den Prozess einzuführen566. Gelingt ihr das nicht oder
versuchen die maßgeblichen Mitgesellschafter, den Klageanspruch mit unzureichenden
Informationen zu vereiteln, so muss das Risiko des „non liquet“ ausschließlich zu La-
sten der Beklagten gehen.
566
Ähnlich Esskandari GmbHR 2007, 137, 141.
204
§ 23 Der Anspruch auf Vorabausschüttung
Der Anspruch auf Vorabausschüttung von Teilbeträgen nach § 155 Abs. 2 Satz 1 HGB
analog stellt gleichsam das Minus zum Anspruch auf den Gesamtsaldo des Auseinan-
dersetzungsguthabens dar. Er entsteht unabhängig von der Kenntnis oder korrekten
Nachvollziehung in einer Anspruchsberechnung durch die Gesellschafter in dem Au-
genblick, in dem das vorhandene verteilbare Gesellschaftsvermögen sämtliche Verbind-
lichkeiten und Rückstellungen der Gesellschaft gegenüber Nichtgesellschaftern über-
steigt, d.h. in dem Augenblick, in dem der Saldo des Liquiditätskontos positiv wird.
Nach den gleichen Grundsätzen richtet sich auch die Fälligkeit des Anspruchs.
Damit können die im Rahmen dieser Untersuchung gefundenen Ergebnisse wie folgt
zusammengefasst werden:
205
8. Kapitel Zusammenfassung des Zweiten Teils
Nach Auflösung der Gesellschaft kann jeder Gesellschafter neben den Ansprüchen auf
Rückgabe von Gegenständen (§ 732 BGB), Umsetzung des Gesellschaftsvermögens in
Geld (§ 733 Abs. 2 BGB) bzw. Aussonderung des für die Schuldenbefriedigung benö-
tigten Gesellschaftsvermögens nach § 733 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB einen Anspruch auf
sein Auseinandersetzungsguthaben geltend machen.
Mit dem Zeitpunkt der Auflösung kann die Gesellschaft weder rückständige Einlagelei-
stungen der Gesellschafter noch sonstige Forderungen gegen ihre Gesellschafter einzie-
hen; die prozessuale Durchsetzung dieser Forderungseinziehung mit Hilfe der actio pro
socio wird hinfällig. Statt dessen findet nur noch eine Verteilung des bereits vorhande-
nen Gesellschaftsvermögens einschließlich der aus der Vermögensversilberung sowie
aus der Einziehung von Forderungen gegen Nichtgesellschafter generierten Erträge
statt. Dabei werden einem Gesellschafter alle Leistungen, die er aus seinem Privatver-
mögen an die Gesellschaft getätigt hat unabhängig von Anlass und Rechtsgrundlage als
Einlage im Sinne des § 733 Abs. 2 BGB zugeschrieben und verwandeln sich in einen
entsprechenden Erstattungsanspruch. Dies gilt auch für Leistungen eines Gesellschafters
an Gläubiger zur Befriedigung von Schulden der Gesellschaft.
206
BGB, andererseits aus dem rechnerisch auf ihn entfallenden Anteil am (verteilbaren)
Gesellschaftsvermögen (§§ 734, 735 BGB). Der Gesamtsaldo des Gesellschafterkontos
ergibt, verrechnet mit dem quotalen Anteil des Gesellschafters am Gesellschaftsvermö-
gen, das aufgrund der Vermögensversilberung tatsächlich erwirtschaftet werden konnte,
das jeweilige Auseinandersetzungsguthaben bzw. die jeweilige Nachschusspflicht.
Zur Berechnung der nach § 733 Abs. 2 BGB zurückzuerstattenden Einlagen erweisen
sich insbesondere in einer über mehrere Jahre geschäftlich tätigen Gesellschaft die ein-
heitlichen Gesellschafter(kapital)konten, die spätestens im Zeitpunkt der Auflösung
erstmals zu erstellen sind, als die praktisch einfachste Möglichkeit, um die vielfältigen
und zahlreichen wechselseitigen Ansprüche und Verbindlichkeiten zwischen der Gesell-
schaft und den Gesellschaftern zu erfassen und auszugleichen. Im Saldo des einheitli-
chen Gesellschafterkontos (§ 733 Abs. 2 BGB) sind alle auf den jeweiligen Gesellschaf-
ter entfallenden tatsächlich geleisteten Einlagen und Entnahmen während des gesamten
Zeitraums seiner Mitgliedschaft in der Gesellschaft einschließlich der Abwicklungspha-
se zu verbuchen und nach dem Vorbild des handelsrechtlichen Kontokorrents gegenein-
ander zu verrechnen. Bestandteil des Gesellschafterkontos und des daraus gewonnenen
Saldos sind auch Ansprüche und Verbindlichkeiten des Gesellschafters aus Rechtsge-
schäften mit der Gesellschaft, bei denen sich die Parteien wie Dritte gegenüberstehen
(§ 733 Abs. 1 BGB): Auch diese sind nach dem Prinzip der Gesamtabrechnung mit den
übrigen Ansprüchen und Verbindlichkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis zu verrech-
nen.
Daneben steht jedem Gesellschafter der je nach seiner Gewinn- bzw. Verlustquote auf
ihn entfallende Anteil am verteilbaren Gesellschaftsvermögen zu, das nach Befriedi-
gung aller Verbindlichkeiten im Außenverhältnis gegenüber Dritten sowie im Innenver-
hältnis gegenüber den Mitgesellschaftern verbleibt. Wesentlich für das Abwicklungs-
verfahren ist, dass an Gläubiger und Gesellschafter zu jeder Zeit nur tatsächlich verteil-
bares, d.h. in Form von Bargeld auf den Gesellschafterkonten vorhandenes Gesell-
schaftsvermögen ausgeschüttet werden kann. Nach Auflösung kommt es zu einer tat-
sächlichen Versilberung und Verteilung des gesamten Gesellschaftsvermögens. Daher
kann Grundlage einer Auseinandersetzung der Gesellschafter untereinander auch nur
das sein, was infolge des tatsächlichen Versilberungsvorgangs faktisch in der Gesell-
schaftskasse vorhanden ist; der Anspruchsbestandteil „Anteil am Gesellschaftsvermö-
gen“ des Auseinandersetzungsguthabens ist durch eine günstige Vermögenslage der
Gesellschaft bedingt.
207
Die von der herrschenden Meinung geforderte Auseinandersetzungsbilanz, die das ge-
samte Gesellschaftsvermögen auf der Basis von geschätzten Verkehrs- oder Veräuße-
rungswerten der Vermögensgegenstände bezogen auf einen bestimmten Stichtag abbil-
det, wird dem Charakter des Abwicklungsverfahrens nicht gerecht, sondern verfälscht
das Ergebnis der Abwicklung. Das verteilbare Gesellschaftsvermögen wird dabei nicht
mit Hilfe einer Auseinandersetzungs- oder Liquidationsbilanz ermittelt, sondern mit
Hilfe eines Vermögenskontos (Liquiditätskonto), das nach Vorbild eines Gesellschaf-
terkontos erstellt und saldiert wird. Darin tauchen zu jedem Zeitpunkt nur solche Ver-
mögenswerte der Gesellschaft als Guthabensposten auf, die tatsächlich liquide in Form
von Bargeld vorhanden sind. Der Kassenbestand des Liquiditätskontos bezeichnet dabei
das zu einem gegebenen Zeitpunkt insgesamt im Zuge der Auseinandersetzung verteil-
bare Gesellschaftsvermögen, sein nach Abzug der Gesellschaftsverbindlichkeiten ge-
genüber Dritten verbleibender Saldo die Teilmenge des verteilbaren Gesellschaftsver-
mögens, das zu keinem anderen Zweck als zur Ausschüttung an die Gesellschafter mehr
zu verwenden ist.
Ist der Saldo des Liquiditätskontos bereits vor Abschluss der Vermögensversilberung
positiv, so können die Gesellschafter, die ein positives Auseinandersetzungsguthaben
aufweisen, die anteilige Auszahlung des Überschusses nach § 155 Abs. 2 Satz 1 HGB
analog verlangen. Die Höhe der jeweils vorab entnehmbaren Beträge bemisst sich nach
dem Verhältnis der positiven Auseinandersetzungsguthaben zueinander. Eine
Vorabausschüttung ist als Entnahme im Gesellschafterkonto zu buchen und wird damit
durch Verrechnung auf das Endguthaben des Zahlungsempfängers angerechnet. Sie
unterliegt dem Vorbehalt der Rückführung, sofern sich sein Endguthaben aufgrund bis-
lang noch nicht bekannter Verbindlichkeiten als geringer herausstellt als im Zeitpunkt
der Vorabausschüttung.
208
gensversilberung positiv und somit aus der Nachschusspflicht ein Anspruch auf Aus-
zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens wird. Die Abwicklung ist beendet, wenn
alle Konten, d.h. sowohl das Liquiditätskonto als auch alle Gesellschafterkonten ausge-
glichen sind, d.h. den Saldo Null aufweisen. Tauchen nach Beendigung der Abwicklung
weitere Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten auf, so ist eine Nachtragsliquidation
durchzuführen, indem die betreffenden Beträge an der für sie vorgesehenen Stelle in die
Konten eingebucht und nach dem dargestellten Schema verteilt werden.
209
Letztlich ist die Frage, ob der Gesellschafter den ihm zustehenden Saldo vollumfänglich
von der Gesellschaft verlangen kann, eine Frage der prozessualen Beweisbarkeit. Hier-
bei kommt dem auch und insbesondere im Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts
geltenden Grundsatz der Finanzierungsverantwortung des Gesellschafters eine besonde-
re Bedeutung zu. Dieser führt bei der Auseinandersetzung nach Auflösung dazu, dass
der einzelne Gesellschafter seine Ansprüche gegen die Gesellschaft, insbesondere An-
sprüche, die nicht auf dem Gesellschaftsverhältnis, sondern auf davon zu unterschei-
denden Drittrechtsgeschäften mit der Gesellschaft beruhen, nicht einfach wie ein Nicht-
gesellschafter ohne Rücksicht auf den Gang der Auseinandersetzung im Übrigen gel-
tend machen kann. Statt dessen muss er auch diese Ansprüche in sein Gesellschafter-
konto einstellen und mit seinen übrigen Ansprüchen und Verbindlichkeiten gegenüber
der Gesellschaft zu einem einheitlichen Saldo verrechnen lassen.
210
Dritter Teil
Das Ausscheiden des Gesellschafters aus der fortbestehenden
Gesellschaft, §§ 736 ff. BGB
Demgemäß wird zunächst allgemein auf Voraussetzungen des Ausscheidens eines Ge-
sellschafters aus der fortbestehenden Gesellschaft und dessen Rechtsfolgen im Außen-
sowie im Innenverhältnis einzugehen sein. Anschließend widmet sich die Untersuchung
den einzelnen Ansprüchen des Ausgeschiedenen gegenüber der Gesellschaft bzw. sei-
nen Mitgesellschaftern. Schwerpunkt dieser Abhandlung bildet die Diskussion des Ab-
findungsanspruchs des Ausgeschiedenen. Einige methodische Vorüberlegungen zeigen,
dass der Abfindungsanspruch in weitgehend gleicher Weise zu berechnen ist wie der
bereits behandelte Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben. Daher kann für die
Zwecke der nachfolgenden Untersuchung teilweise auf die Ergebnisse verwiesen wer-
den, die im Zweiten Teil für die Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens gewon-
nen wurden. Die genaue Berechnungsmethode sowie der Fortgang der Auseinanderset-
zung nach dem Ausscheidensstichtag werden sodann anhand eines Beispielsfalls ver-
deutlicht.
Zuletzt geht die Untersuchung auf Entstehung und Fälligkeit der Ansprüche des Ausge-
schiedenen ein und beleuchtet die prozessualen Probleme, die sich bei deren gerichtli-
cher Durchsetzung stellen können.
211
9. Kapitel Grundlagen
§ 24 Die Fortsetzungsklausel
Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist personell geprägt: Die Mitgliedschaft der ein-
zelnen Gesellschafter ist eine wesentliche Grundlage für den Bestand der Gesellschaft,
ihr Fortbestand hängt daher von einer unveränderten personellen Zusammensetzung
ab567. Nach der gesetzlichen Regel führt der Eintritt eines Auflösungsgrundes, der den
ersatzlosen Wegfall eines Gesellschafters und damit eine Änderung des Mitgliederbe-
stands der Gesellschaft zur Folge hat, grundsätzlich zur Auflösung und Abwicklung der
Gesellschaft.
Die gesetzgeberische Entscheidung für die Auflösung der Gesellschaft wird jedoch den
berechtigten Interessen der Gesellschafter am Erhalt der Gesellschaft vielfach nicht ge-
recht; § 736 BGB weist sie daher auf die Möglichkeit hin, auf Grund ihrer gesell-
schaftsvertraglichen Regelungskompetenz den von § 131 Abs. 3 HGB als Regelfall
vorgesehenen Fortbestand der Gesellschaft auch bei einem Mitgliederwechsel durch
entsprechende Vereinbarung sicherzustellen568. Praktisch wichtigster Fall569 einer sol-
chen Vereinbarung ist die sog. Fortsetzungsklausel im Gesellschaftsvertrag, wonach die
Gesellschaft bei Eintritt eines Auflösungsgrundes ohne den Gesellschafter, der einen
Auflösungsgrund in seiner Person verwirklicht hat, als werbende Gesellschaft fortge-
setzt werden soll (§ 736 BGB)570. Tritt ein vom Wortlaut der Fortsetzungsklausel umfas-
ster Auflösungsgrund ein, so scheidet der betroffene Gesellschafter ohne weiteres und
mit sofortiger Wirkung aus der Gesellschaft aus, die unter den übrigen Gesellschaftern
567
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 736 Rn. 1.
568
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 736 Rn. 1.
569
Alternativ kann der Gesellschaftsvertrag ein sog. Fortsetzungsrecht der verbleibenden Gesellschafter
unter Ausschluss des betroffenen Gesellschafters vorsehen. Enthält der Gesellschaftsvertrag weder ei-
ne Fortsetzungsklausel noch ein Fortsetzungsrecht, so kann die aufgelöste Gesellschaft durch einen ad
hoc-Beschluss der Gesellschafter in eine werbende Gesellschaft zurückverwandelt werden, an der der
betroffene Gesellschafter nicht mehr beteiligt ist (Bamberger/Roth/Schöne BGB § 736 Rn. 4).
570
Bei unternehmenstragenden BGB-Gesellschaften sollen nach Staudinger/Habermeier BGB (2003)
§ 736 Rn. 1 die handelsrechtlichen Vorschriften dahingehend angewendet werden, dass die Gesell-
schaft bürgerlichen Rechts auch ohne Fortsetzungsklausel bei Eintritt eines Auflösungsgrunds weiter-
besteht (Prinzip der Unternehmenskontinuität), hierzu im Einzelnen MünchHdb
GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 35.
212
fortgesetzt wird571. Die Gesellschafter sind in den Grenzen des § 138 BGB frei, neben
den in § 736 BGB Genannten auch andere Auflösungsgründe in den Anwendungsbe-
reich der Fortsetzungsklausel aufzunehmen572; § 736 BGB hat bloße Hinweisfunktion573.
Scheidet ein Gesellschafter aus der fortbestehenden Gesellschaft aus, so ist das Gesell-
schaftsverhältnis im Gegensatz zur Auseinandersetzung nach Auflösung nicht insge-
samt, sondern nur in Bezug auf den Ausgeschiedenen - gleichsam in Form einer Teilli-
quidation574 - nach §§ 738 bis 740 BGB abzuwickeln.
Davon ausgenommen ist jedoch das Anwachsungsprinzip des § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB
als solches: Der Ausgeschiedene kann seinen Anteil an der Gesellschaft nicht mitneh-
571
MünchKomm BGB/Schäfer, § 736 Rn. 8.
572
MünchKomm BGB/Schäfer, § 736 Rn. 15.
573
MünchKomm BGB/Schäfer, § 736 Rn. 6.
574
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 738 Rn. 3.
575
MünchKomm BGB/Schäfer § 736 Rn. 1 f.
213
men, dieser muss zwingend bei den übrigen Gesellschaftern verbleiben576. Die gesell-
schaftsvertragliche Gestaltung findet ihre Grenze daher in der vollkommenen Aus-
schließung der Anwachsung577. Die Anteilshöhe der Anwachsung auf jeden einzelnen
Gesellschafter kann jedoch durch Gesellschaftsvertrag geregelt, z.B. die Anwachsung
nur auf bestimmte Gesellschafter begrenzt werden578, ohne dass der Ausgeschiedene
oder die leer ausgehenden Gesellschafter hieraus schuld- oder gesellschaftsrechtliche
Sekundäransprüche herleiten könnten579. Sofern nichts Anderes vereinbart worden ist,
erfolgt die Anwachsung auf alle verbleibenden Gesellschafter entsprechend ihrer bishe-
rigen Anteile an der Gesellschaft580.
576
Früchtl NZG 2007, 368, 370; Bamberger/Roth/Schöne BGB § 738 Rn. 5.
577
Früchtl NZG 2007, 368, 371.
578
Herrschende Meinung: MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 75; Früchtl NZG 2007, 368, 371.
Anderer Ansicht OLG Hamm RPfleger 1985, 289, 289. Die herrschende Meinung geht dabei nicht
darauf ein, ob die Begrenzung der Anwachsung auf einige Gesellschafter ein gemäß § 518 Abs. 1
Satz 1 BGB formbedürftiges Schenkungsversprechen seitens der leer ausgehenden übrigen Gesell-
schafter darstellen könnte: Diese verzichten im Gesellschaftsvertrag auf den ihnen nach der gesetzli-
chen Regelung („wächst [...] den übrigen Gesellschaftern zu“, § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB ist im Sinne
von allen übrigen Gesellschaftern zu verstehen) an sich zustehenden Anteil an dem angewachsenen
Gesellschaftsanteil. In diesem Falle könnte der Gesellschaftsvertrag notariell zu beurkunden sein,
§ 518 Abs. 1 BGB. Jedoch dürfte ein etwaiger Formmangel regelmäßig gemäß § 518 Abs. 2 BGB ge-
heilt werden.
579
Früchtl NZG 2007, 368, 370 ff.
580
Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 131 Rn. 40.
581
Zur Rechtsentwicklung überblickshaft K. Schmidt NJW 2001, 993, 994 f.
582
BGH NJW 1997, 860. Zur Anwachsung kommt es nicht nur bei der reinen Fortsetzungsklausel, d.h.
wenn die Gesellschaft ohne den Ausgeschiedenen bzw. dessen Erben unter den verbliebenen Gesell-
schaftern. fortgesetzt wird, sondern auch bei Vorliegen einer rechtsgeschäftlichen Nachfolgeklausel
zugunsten eines Mitgesellschafters oder einer Eintrittsklausel, qua derer ein Mitgesellschafter oder
Dritter das Recht erhält, durch Erklärung in die Gesellschafterstellung des Ausgeschiedenen einzurük-
ken. Hierzu näher Schiefer DStR 1996, 788 f.
214
Mit Anerkennung der BGB-Außengesellschaft als eigenständiges Rechtssubjekt583 hat
sich auch die Zuordnung des Gesellschaftsvermögens verändert. Das Gesellschaftsver-
mögen steht nunmehr ungeteilt und ausschließlich im Eigentum der Gesellschaft als
eigenständiges Rechtssubjekt584, der einzelne Gesellschafter hat weder einen Anteil am
Gesellschaftsvermögen insgesamt noch an einzelnen dazu gehörenden Gegenständen im
Sinne der §§ 719 Abs. 1 BGB, 859 Abs. 1 Satz 1 ZPO585. Der Gesellschaftsanteil hat
keine dingliche Berechtigung, sondern nur einen Wertanteil zum Inhalt586 und verkör-
pert letztlich nichts Anderes als die Mitgliedschaft in dem mit Rechtsfähigkeit ausge-
statteten Verband Personengesellschaft587. Das Ausscheiden eines Gesellschafters ver-
ändert daher nicht die dingliche Zuordnung der Vermögensgegenstände zur Gesell-
schaft, sondern erhöht lediglich den Wertanteil jedes verbleibenden Gesellschafters am
Gesellschaftsvermögen588. Es findet kein Rechtsübergang statt589, die Anwachsung voll-
zieht sich ipso iure ohne gesonderte Übertragungsakte590, gleichsam als virtueller Vor-
gang außerhalb des Grundbuchs und sonstiger Publizitätsmedien. Damit ist § 738
Abs. 1 Satz 1 BGB, der von der Anwachsung eines Anteils am Gesellschaftsvermögen
spricht, nicht deklaratorischer Natur591, sondern nur so zu verstehen, dass durch das
Ausscheiden eines Gesellschafters die Vermögenszuordnung der Gegenstände zur Ge-
sellschaft nicht verändert wird, sondern sich lediglich der Wert der Beteiligungen der in
der Gesellschaft verbleibenden Gesellschafter erhöht592.
583
BGHZ 146, 341 ff. = NJW 2001, 1056 ff.
584
K. Schmidt NJW 2003, 1897 ff.
585
K. Schmidt NJW 2001, 993, 998.
586
Huber, Vermögensanteil, S. 61 ff., S. 145.
587
Huber, FS Lutter 2000, S. 126.
588
Früchtl NZG 2007, 368, 369; Bamberger/Roth/Schöne BGB § 738 Rn. 6.
589
Vor Anerkennung der Grundbuchfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch die Neueinfü-
gung des § 899a BGB war ein Grundbucheintrag über Liegenschaftsrechte der Gesellschaft im Falle
des Ausscheidens nicht zu berichtigen (OLG Stuttgart NJW 1990, 2757, 2757). Das hat der Gesetzge-
ber durch die Neuregelung der §§ 899a BGB, 47 Abs. 2 GBO wieder eingeschränkt, ein Gesellschaf-
terwechsel ist nunmehr gemäß § 82 GBO durch Berichtigung nachzuvollziehen.
590
BGH NJW-RR 1993, 1443, 1444.
591
Früchtl NZG 2007, 368, 369.
592
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 738 Rn. 6.
215
2. Der Verlust der Gesellschafterrechte
Mit dem Wirksamwerden des Ausscheidens verliert der Ausgeschiedene seine Gesell-
schafterstellung mit allen Rechten und Pflichten, soweit sie sich nicht bereits zu selb-
ständigen, vom Gesellschaftsanteil losgelösten vermögensrechtlichen Ansprüchen und
Verbindlichkeiten entwickelt haben593. Insbesondere erlöschen seine Mitsprache-, Ge-
schäftsführungs- und Kontrollrechte mit dem Tag des Ausscheidens594. Er bleibt jedoch
weiterhin zur Auskunft über die für die Gesellschaft getätigten Geschäfte verpflichtet
und unterliegt der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht nach Maßgabe der allgemein für
nachvertragliche Pflichten im Dauerschuldverhältnis geltenden Grundsätze595.
II. Das Außenverhältnis: Nachhaftung nach §§ 736 Abs. 2 BGB, 159 f. HGB
593
Zur dennoch fortbestehenden Geschäftsführungsbefugnis bei Ausscheiden des Geschäftsführers (ana-
loge Anwendung des § 729 BGB auf das Ausscheiden) Staudinger/Habermeier BGB (2003) § 736
Rn. 11 sowie § 729 Rn. 6.
594
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 738 Rn. 4 (allgemeine Ansicht).
595
Palandt/Sprau BGB § 738 Rn. 2.
596
Palandt/Sprau BGB § 736 Rn. 10.
597
Hofmeister NZG 2002, 851, 853.
598
Erman/Westermann BGB § 736 Rn. 6; hierzu ausführlich K. Schmidt DB 1990, 2357 ff.
599
Erman/Westermann BGB § 736 Rn. 6.
216
fünfjährige Enthaftungsfrist des § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB mit dem Ende des Tages, an
dem das Ausscheiden des Gesellschafters in das Handelsregister eingetragen worden ist,
§ 160 Abs. 1 Satz 2 HGB600.
Es fragt sich, welche Grundsätze insoweit für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts gel-
ten. Da bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Gesellschaftsregister nicht existiert,
geht die Verweisung des § 736 Abs. 2 BGB auf § 160 HGB insoweit ins Leere. Sie
kann nur so verstanden werden, dass die Frist für die Enthaftung eines ausgeschiedenen
BGB-Gesellschafters mit der Kenntnis des Gläubigers vom Ausscheiden beginnt601. Da
das Gesetz jedoch keine entsprechende Publizitätspflicht vorsieht, ist der Ausgeschie-
dene darauf angewiesen, dass die Gesellschaft durch entsprechende Information der
Gläubiger, z.B. durch ein Rundschreiben an alle Geschäftspartner602, für den Beginn der
Enthaftungsfrist Sorge trägt603, Verzögerungen gehen hierbei zu seinen Lasten. Er muss
daher einen entsprechenden Mitwirkungsanspruch gegen die Gesellschaft auf unverzüg-
liche Information der Gesellschaftsgläubiger604 aus § 143 Abs. 2 iVm Abs. 1 Satz 1
HGB analog haben, der im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden
kann605. Eine Vorwegnahme der Hauptsache liegt nicht vor, da der eigentliche Anspruch
auf Vermeidung einer persönlichen Inanspruchnahme des Ausgeschiedenen durch einen
Gesellschaftsgläubiger und damit letztlich auf Freistellung von den gemeinschaftlichen
Schulden gerichtet ist606: Die Information der Gläubiger dient auch der Sicherung des
Freistellungsanspruchs.
600
Dabei ist im Einzelnen umstritten, ob die Eintragung des Ausscheidens ins Handelsregister konstitutiv
ist (so Hofmeister NJW 2003, 93 ff.) oder lediglich deklaratorisch, so dass die Kenntnis des Gläubi-
gers vom Ausscheiden genügt (so Altmeppen NJW 2000, 2529 ff. unter Berufung auf historische
Quellen). Diese Streitfrage stellt sich bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts mangels Eintragung in
ein Register nicht, so dass eine Entscheidung unterbleiben kann.
601
BGHZ 117, 168, 178 f. = NJW 1992, 1615; BGHZ 174, 7 = NJW 2007, 3784 ff. (Rn. 17 ff.); herr-
schende Meinung in der Literatur, vgl. statt vieler MünchKomm BGB/Schäfer § 736 Rn. 27.
602
MünchKomm BGB/Schäfer § 736 Rn. 27.
603
Wertenbruch NZG 2008, 216, 216.
604
Wertenbruch NZG 2008, 216, 218.
605
MünchKomm HGB/K. Schmidt § 143 Rn. 14.
606
Staudinger/Habermeier BGB (2003) § 738 Rn. 1.
217
2. Das Verhältnis der Nachhaftungsfrist zur Regelverjährungsfrist nach der
Schuldrechtsreform
Nach Herabsetzung der Regelverjährungsfrist von 30 auf drei Jahre durch das Schuld-
rechtsmodernisierungsgesetz607 zum 01.01.2002 stellt sich die Frage nach einer eigen-
ständigen Bedeutung der Fünfjahresfrist der §§ 159 f. HGB: Da wegen § 195 BGB n.F.
eine Vielzahl von Ansprüchen gegen die Gesellschaft bereits nach drei Jahren verjähren,
kommt eine Inanspruchnahme der Gesellschafter nach § 129 HGB analog nicht mehr in
Frage608, ohne dass daneben609 die persönliche Einwendung des Fristablaufs (§§ 159 f.
HGB) erhoben werden müsste. Da aber die Gesellschaftsschuld und die Gesellschafter-
schuld jeweils einer eigenständigen Verjährung unterliegen610, kommt die Berufung auf
den Ablauf der Nachhaftungsfrist dann zum Tragen, wenn die Gesellschaftsschuld auf-
grund eines Neubeginns der Verjährung nicht verjährt ist bzw. wenn die Verjährung der
Gesellschaftsschuld den in § 199 Abs. 2 bis 4 BGB normierten Maximalfristen unter-
liegt611. Der praktische Anwendungsbereich der Sonderverjährung der §§ 159 f. HGB ist
damit auf wenige Ausnahmefälle begrenzt. So entfaltet sie eine eigenständige Wirkung
bei kündbaren Dauerschuldverhältnissen, z.B. Miet-, Pacht- und Arbeitsverhältnissen612,
die noch zu Zeiten der Mitgliedschaft des Ausgeschiedenen in der Gesellschaft ge-
schlossen wurden613.
607
Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001, BGBl. I, 3138.
608
Die neue dreijährige Frist gilt wegen der Übergangsvorschriften des Art. 229 § 6 IV EGBGB auch für
Altverbindlichkeiten, also Verbindlichkeiten, die vor dem 01.01.2002 begründet wurden. Hierzu Lee-
nen DStR 2002, 34, 42.
609
Daher kommt es im Ergebnis auch nicht auf eine Entscheidung der Streitfrage an, ob ein Gleichlauf
zwischen Verjährung der Gesellschafts- und der Gesellschafterschuld dergestalt besteht, dass sich die
fünfjährige Ausschlussfrist des § 159 HGB im Fall einer kürzeren Verjährung der Gesellschaftsschuld
entsprechend verkürzt (so die herrschende Meinung, vgl. statt vieler Baumbach/Hopt/Hopt HGB
§ 159 Rn. 5; zur Gegenansicht ausführlich Hofmeister NZG 2002, 851 ff. Fn. 18): Der Ausgeschiede-
ne kann sich entweder auf § 129 HGB oder auf § 159 HGB berufen, wenn die Gesellschaftsschuld vor
dem Ablauf der Nachhaftungsfrist verjährt ist.
610
Hofmeister NZG 2002, 851, 854.
611
Hofmeister NZG 2002, 851, 853 f.
612
BGHZ 142, 324, 331 = NJW 2000, 208 ff.; BGH NJW 2002, 2170, 2171.
613
Siehe hierzu ausführlich Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht, § 18 Rn. 39 ff.
218
zung der Gesellschaft nach Auflösung - zunächst einige methodische Überlegungen
veranlasst.
Der Ausgeschiedene kann nach dem Gesetzeswortlaut folgende Ansprüche nach seinem
Ausscheiden geltend machen:
§ Anspruch auf Zahlung desjenigen, was der Ausgeschiedene bei der Auseinan-
dersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens
aufgelöst worden wäre, § 733 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 BGB (sog. Abfindungsan-
spruch);
Die Formulierung des Abfindungsanspruchs in § 733 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 BGB, dass
dem Ausgeschiedenen dasjenige zu zahlen sei, was er erhalten hätte, wenn die Gesell-
schaft im Zeitpunkt seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre, enthält eine umfassen-
de Verweisung auf die Vorschriften der §§ 733 ff. BGB. Welche Konsequenzen sich
aus dieser Erkenntnis im Einzelnen ergeben, wird noch ausführlich zu untersuchen sein.
Bereits an dieser Stelle kann jedoch festgehalten werden, dass sich der Abfindungsan-
spruch in gleicher Weise zusammensetzt wie das Auseinandersetzungsguthaben eines
219
Gesellschafters bei der Abwicklung nach Auflösung614. Im Abfindungsanspruch gehen
daher
§ der Anspruch des Ausgeschiedenen auf Berichtigung der ihm gegenüber beste-
henden Verbindlichkeiten aus Drittrechtsgeschäften, § 738 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3
iVm § 733 Abs. 1 BGB;
§ der Anspruch auf Rückerstattung seiner Einlagen, § 738 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3
BGB iVm § 733 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB sowie
auf615: Dies zeigt sich schon daran, dass § 739 BGB auch für die Ausscheidenskonstella-
tion davon ausgeht, dass gemeinschaftliche Schulden zu befriedigen und Einlagen zu-
rückzuerstatten sind. Wie auch bei der Auseinandersetzung nach Auflösung festgestellt,
können den oben genannten Ansprüchen als ungeschriebene Gegenstücke jeweils Ver-
bindlichkeiten des Ausgeschiedenen gegenüber der Gesellschaft und seinen Mitgesell-
schaftern gegenüberstehen. Ausdrücklich gesetzlich geregelt ist nur die
die für die Konstellation des Ausscheidens das Äquivalent zur Nachschusspflicht nach
§ 735 BGB bei Auflösung der Gesellschaft darstellt.
614
Erman/Westermann BGB § 738 Rn. 6.
615
Ähnlich Bamberger/Roth/Schöne BGB § 738 Rn. 13, der jedoch den Anspruch des Gesellschafters auf
Schuldenberichtigung nach § 738 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 BGB iVm § 733 Abs. 1 BGB außer Acht lässt.
220
II. Der Anspruch auf Zahlung einer Abfindung – Methodische Überlegungen
Zur Ermittlung des Abfindungsanspruchs ist zunächst in einem ersten Schritt der Wert
des Gesellschaftsvermögens insgesamt, ggf. durch Schätzung nach § 738 Abs. 2 BGB
unter Hinzuziehung von Sachverständigen618, festzustellen und daraus in einem zweiten
Schritt der Anteil des Ausgeschiedenen abzuleiten (sog. indirekte Methode)619. Die iso-
lierte Bewertung des Gesellschaftsanteils des Ausgeschiedenen ohne Bewertung des
Gesamtunternehmens scheidet hingegen aus, weil der Wortlaut des § 738 Abs. 1
Satz 2 BGB den Ausgeschiedenen wie bei Auflösung der Gesellschaft stellen will: Im
Abwicklungsstadium hätte der einzelne Gesellschafter wegen der fortgeltenden Zuwei-
sung des Gesellschaftsvermögens zur Gesellschaft seinen Beteiligungsanteil daran nicht
isoliert veräußern können620. Zudem spricht § 738 Abs. 2 BGB von einer Schätzung des
Werts des Gesellschaftsvermögens, nicht des Werts des einzelnen Anteils daran621. Es
616
MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 16.
617
Früchtl NZG 2007, 368, 369.
618
Staudinger/Kessler BGB (1991) § 738 Rn. 8.
619
Ganz herrschende Meinung, siehe nur Bamberger/Roth/Schöne BGB § 738 Rn. 22; Baum-
bach/Hopt/Hopt HGB § 131 Rn. 49.
620
Großfeld ZGR 1982, 141, 141 ff.
621
Schulze-Osterloh ZGR 1986, 545, 556; anderer Ansicht Wagner/Nonnenmacher ZGR 1981, 674, 677.
221
muss daher immer der Anteil des Ausgeschiedenen am Unternehmen insgesamt berech-
net werden622.
Bei der Auseinandersetzung nach Ausscheiden ist die Gesellschaft insgesamt und voll-
ständig abzuwickeln. Dabei wird der Wert des Gesellschaftsvermögens und dement-
sprechend auch die Höhe der wirtschaftlichen Beteiligung des einzelnen Gesellschafters
als Bestandteil seines Auseinandersetzungsguthabens (gleichsam empirisch) durch tat-
sächliche Verwertung der Vermögensgegenstände nach § 733 Abs. 3 BGB bestimmt.
Dabei können stets nur solche Vermögensgegenstände in Form ihres Erlöses an der Be-
rechnung des Auseinandersetzungsguthabens teilnehmen, für die im Zuge der Versilbe-
rung auch tatsächlich ein Erlös erzielt werden konnte: Der Umfang des an den einzelnen
Liquidationsgesellschafter auszahlbaren Betrags hängt damit maßgeblich vom Erfolg
des Versilberungsvorgangs im Einzelfall ab.
Im Gegensatz dazu ist bei Ausscheiden nach § 736 ff. BGB die Gesellschaft nur in Be-
zug auf die zwischen dem Ausgeschiedenen und der Gesellschaft bestehenden Rechts-
verhältnisse abzuwickeln. Das Ausscheiden wird vom Gesetz wie eine Teilabwicklung
der Gesellschaft behandelt623, lässt jedoch den Bestand und die Zusammensetzung ihres
Vermögens im Übrigen unberührt. Da die Gesellschaft nicht tatsächlich liquidiert wird,
ermittelt sich der Wert der wirtschaftlichen Beteiligung des Ausgeschiedenen am Ge-
sellschaftsvermögen nicht aufgrund der tatsächlich durch die Versilberung erzielten
Einnahmen, sondern fiktiv auf der Grundlage von geschätzten Vermögenswerten (§ 738
Abs. 2 BGB) durch entsprechende Berechnung auf dem Papier. Der entscheidende Un-
terschied zwischen der Auseinandersetzung nach Auflösung und dem Ausscheiden des
Gesellschafters aus der fortbestehenden Gesellschaft besteht damit im Umfang der Ab-
wicklung der Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und - als Konsequenz daraus - in der
622
Ständige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 17, 130, 136 = NJW 1955, 1025; BGHZ 116, 359, 370 f. =
NJW 1992, 892 für die GmbH, sowie wohl herrschende Meinung in der Literatur, vgl. statt vieler
MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 33. Für Bewertungsabschlag gegenüber anteiligem Unterneh-
menswert wegen geringerer Fungibilität der Anteile Sigle ZGR 1999, 669. Hierzu auch BVerfG DB
1962, 1073 ff. Anderer Ansicht Wagner/Nonnenmacher ZGR 1981, 674, 677.
623
MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 1; Bamberger/Roth/Schöne BGB § 738 Rn. 3.
222
Art und Weise, wie der Wert des dem einzelnen Gesellschafter zustehenden Anteils am
Gesellschaftsvermögen zu ermitteln ist.
3. Das Stichtagsprinzip
Stichtag für die Bewertung des Gesellschaftsvermögens ist der Tag des Ausscheidens
(§ 738 Abs. 1 Satz 2 BGB)624; maßgebend ist also stets die Vermögenslage der Gesell-
schaft im Zeitpunkt des Ausscheidens625. Dies gilt unabhängig davon, auf welche Weise
der Unternehmenswert im Einzelnen ermittelt wird. Bis zu diesem Zeitpunkt nimmt der
Ausgeschiedene an den konkreten Erträgen aus der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft
teil; an künftigen Erträgen ist er nur noch im Rahmen des immateriellen Unterneh-
menswertes626 bzw. nach Maßgabe des § 740 BGB beteiligt.
Entwicklungen, die erst nach dem Stichtag eintreten, aber schon in den am Stichtag be-
stehenden Verhältnissen in der Wurzel angelegt sind, sind bei der Anspruchsermittlung
zu berücksichtigen (sog. Wurzeltheorie)627. Auch für die Kenntnis wertbildender Fakto-
ren ist grundsätzlich auf den Stichtag abzustellen: Erkenntnisse nach dem Stichtag dür-
fen nur verwertet werden, wenn sie den Sachstand am Stichtag aufhellen (sog. Prinzip
der Wertaufhellung), nicht dagegen, wenn sie sich auf Ereignisse beziehen, die nach
dem Stichtag eingetreten sind628.
624
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 75 Rn. 27; K. Schmidt DB 1983, 2401, 2401.
625
Vgl. § 658 I BGB-E I zur Änderung des § 738 BGB, K. Schmidt DB 1983, 2401, 2403. Der Sonder-
fall des § 140 Abs. 2 HGB ist auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht anwendbar, K. Schmidt,
Gesellschaftsrecht, § 50 IV 1. d), S. 1477 f.
626
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV 1. d) S. 1477.
627
BGH NZG 1998, 379, 380; MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 75 Rn. 27.
628
E/B/J/S/Lorz HGB § 131 Rn. 74; MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 75 Rn. 27.
223
seines Ausscheidens liquidiert worden wäre, § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB. Daraus kann ein
Rechtsgedanke hergeleitet werden, der für die Berechnung des Abfindungsguthabens
des Ausgeschiedenen Geltung entfaltet629: Das Vermögensverteilungsverfahren nach
Ausscheiden ist die auf die Rechtsverhältnisse des Ausgeschiedenen bezogene Teilab-
wicklung der Gesellschaft. Das bedeutet, dass der Ausgeschiedene nicht besser und
nicht schlechter gestellt werden darf als er es als Liquidationsgesellschafter gewesen
wäre. Es ist daher möglich und zulässig, den Ausgeschiedenen insbesondere im Hin-
blick auf seinen Abfindungsanspruch und dessen prozessuale Geltendmachung Ein-
schränkungen zu unterwerfen, die auch den Liquidationsgesellschafter treffen. Welche
dies im Einzelnen sind, wird noch genauer zu analysieren sein630.
Andererseits ist die Abfindung als Gegenleistung für die Beteiligungsrechte an der Ge-
sellschaft zu sehen, die den in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschaftern infolge
des Ausscheidens anwachsen631. Der Abfindungsanspruch soll daher dem wahren Wert
der Gesellschaftsbeteiligung des ausgeschiedenen Gesellschafters entsprechen; der
Ausgeschiedene soll durch sein Ausscheiden vermögensmäßig nicht schlechter und die
übrigen Gesellschafter hierdurch nicht besser gestellt werden632.
Trotz des gesetzlichen Verweises in § 738 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 BGB auf das Abwick-
lungsverfahren ist der Abfindungsanspruch nach allgemeiner Ansichtnicht auf Grundla-
ge des Liquidationswerts des Gesellschaftsvermögens633, sondern auf der Basis des Fort-
führungswerts des lebenden, d.h. fortgesetzten Unternehmens (going concern) zu be-
rechnen634: Infolge des Ausscheidens geht die Beteiligung an einer lebenden Gesell-
schaft auf die übrigen Gesellschafter über. Daher können auch nur die Fortführungswer-
629
Ich konnte trotz intensiver Recherche keinen Nachweis dafür ausfindig machen, dass diese These in
dieser Form bereits in Rechtsprechung oder Literatur vertreten worden ist. Daher gehe ich davon aus,
dass hierfür, soweit ersichtlich, keine zitierfähige Fundstelle existiert.
630
Siehe dazu unten § 30, S. 258 ff.
631
Staudinger/Kessler BGB (1991) § 738 Rn. 7.
632
Staudinger/Habermeier BGB (2003) Rn. 1.
633
Für einen Ansatz lediglich der Liquidationswerte in der Abschichtungsbilanz Schönle DB 1959, 1427,
1428.
634
Ganz herrschende Meinung, vgl. nur BGHZ 17, 130, 136 = NJW 1955, 1025; BGHZ 116, 359, 370 f.
= NJW 1992, 892; Erman/Westermann BGB § 738 Rn. 5; Schulze-Osterloh ZGR 1986, 545, 547 f.
224
te des Gesellschaftsvermögens für die Berechnung des Abfindungsanspruchs aus-
schlaggebend sein, die sämtliche stillen Reserven und immateriellen Geschäftswerte
einschließen635. Der Liquidationswert des Anteils des Ausgeschiedenen hat damit ledig-
lich die Bedeutung eines Mindestwerts im Sinne einer Risikountergrenze636.
Bei einem von der Gesellschaft betriebenen Unternehmen ist daher nach diesen Grund-
sätzen der sog. wahre Wert des Gesellschaftsvermögens637 maßgeblich, d.h. der Wert,
der sich bei einem Verkauf des weitergeführten Unternehmens als Einheit einschließlich
aller stillen Reserven und des immateriellen Geschäftswertes (good will) ergeben wür-
de638. Es kommt also nicht darauf an, was das Unternehmen dem Ausgeschiedenen oder
den verbleibenden Gesellschaftern subjektiv wert gewesen ist, sondern es ist der objek-
tive marktübliche Verkehrswert für das Unternehmen einschließlich aller stiller Reser-
ven und des good will zu ermitteln639.
Bei der Erstellung dieses Rechenwerks gilt, wie schon bei der Auseinandersetzung, das
sog. Prinzip der Gesamtabrechnung640: Die einzelnen Forderungen und Verbindlichkei-
635
Vgl. nur MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte, § 75 Rn. 26.
636
Göllert/Ringling DB 1999, 516, 516; Hüttemann ZHR 162 (1998), 563, 584f.
637
Hüttemann ZHR 162 (1998), 563, 563.
638
Ständige Rechtsprechung seit BGHZ 17, 130, 136 = NJW 1955, 1025; BGH NJW 1974, 312, 312;
BGH NJW 1985, 192, 193; vgl. auch Hüttemann ZHR 162 (1998), 563, 577; kritisch hierzu Sigle
ZGR 1999, 659, 669.
639
BGHZ 75, 195, 199 = NJW 1980, 229; Hüttemann ZHR 162 (1998), 563, 575; Hülsmann NZG 2001,
625, 626.
640
E/B/J/S/Lorz HGB § 131 Rn. 99.
225
ten des Gesellschafters im Verhältnis zur Gesellschaft sind in einer einheitlichen Ab-
rechnung zu ermitteln und einander gegenüberzustellen. Nur bei Gesamtabrechnung
aller Ansprüche zeigt sich, ob und in ggf. welcher Höhe der Ausgeschiedene Anspruch
auf Abfindung hat oder seinerseits Ausgleich schuldet641. In der Praxis erfolgt diese Ge-
samtbewertung des Gesellschaftsvermögens üblicherweise mit Hilfe einer Bilanz (Ab-
findungs- oder Abschichtungsbilanz) oder unter Anwendung von betriebswirtschaftli-
chen Bewertungsmethoden. Prozessual wird das Prinzip der Gesamtabrechnung - wie
schon bei Auflösung der Gesellschaft - mit Hilfe der sog. Durchsetzungssperre umge-
setzt: Danach sollen die bis zum Abrechnungsstichtag entstandenen, dem Abfindungs-
guthaben zugrunde liegenden Einzelansprüche mit Ausscheiden nicht mehr selbständig
im Wege der Leistungsklage geltend gemacht werden können, sondern als unselbstän-
dige Rechnungsposten in die Gesamtabrechnung eingehen642.
Der Umfang der Ansprüche, die dem Ausgeschiedenen neben seinem Anteil am Gesell-
schaftsvermögen im Übrigen zustehen, beispielsweise sein Anspruch auf Einlagenrück-
erstattung gemäß § 738 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 iVm § 733 Abs. 2 BGB, ergibt sich jedoch
nicht bzw. nur mittelbar aus der Abfindungsbilanz, sondern aus einem für den Ausge-
641
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 83.
642
Ständige Rechtsprechung und ganz herrschende Meinung, vgl. zuletzt BGH NZG 2000, 832, 833; für
die Literatur statt vieler E/B/J/S/Lorz HGB § 131 Rn. 99.
226
schiedenen geführten Gesellschafterkonto643. In dem zum Stichtag des Ausscheidens
errechneten Saldo dieses Gesellschafterkontos gehen alle „persönlichen“ Forderungen
und Verbindlichkeiten des Ausgeschiedenen im Verhältnis zur Gesellschaft auf644.
Nach diesen methodische Grundüberlegungen zur Systematik des § 738 BGB kann da-
mit nun detaillierter auf die einzelnen Ansprüche des Ausgeschiedenen eingegangen
643
So auch Freund ZIP 2009, 941, 942.
644
Stötter BB 1974, 676, 677.
645
So wohl auch MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 25, der von der Aufteilung des (fiktiven) Aus-
einandersetzungsgewinns auf die jeweiligen Gesellschafterkonten spricht.
646
Vgl. statt vieler MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 37.
227
werden. Gemäß § 738 Abs. 1 Satz 2, 1. Hs. BGB steht dem ausgeschiedenen Gesell-
schafter derselbe Rückgabeanspruch zu, den er bei Auseinandersetzung der gesamten
Gesellschaft gehabt hätte (§ 732 BGB). Insofern kann auf die Ausführungen im Rahmen
der Auseinandersetzung verwiesen werden647. Auch hier bezieht sich der Rückgabean-
spruch nur auf die zur Benutzung überlassenen Gegenstände, nicht auf solche, die im
Wege der Sacheinlage in die Gesellschaft eingebracht wurden und bei dieser verblei-
ben648. Der Ausgeschiedene hat ferner gemäß § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB Anspruch auf
Befreiung von den gemeinschaftlichen Schulden.
§ 27 Der Anspruch auf Schuldbefreiung (§§ 738 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 2 BGB)
Der Anspruch auf Freistellung von den Gesellschaftsverbindlichkeiten entsteht und wird
fällig mit Ausscheiden. Er besteht auch dann, wenn der Ausgeschiedene keine Abfin-
dung verlangen kann, sondern seinerseits nach § 739 BGB den Fehlbetrag schuldet649. In
diesem Fall kann die Gesellschaft ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB geltend
machen und die Schuldbefreiung bis zur Zahlung des Fehlbetrags verweigern650.
Der Anspruch richtet sich entgegen dem Wortlaut des § 738 BGB gegen die Gesell-
schaft, nicht gegen die Gesellschafter651; den Gesellschaftsgläubigern kann er nicht ent-
gegengesetzt werden652. Für seine Erfüllung haften aber auch die Gesellschafter653. Auf
welche Weise die Gesellschaft die Schuldbefreiung bewirkt, bleibt grundsätzlich ihrem
647
Siehe hierzu ausführlich oben § 5, S. 33 ff.
648
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV 1. a), S. 1475.
649
MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 77.
650
BGH NJW 1974, 899, 900; Bamberger/Roth/Schöne BGB § 738 Rn. 8.
651
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 51 III 2. a), S. 1505; Erman/Westermann BGB § 738 Rn. 9.
652
MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 77.
653
MünchHdb GesR I/ Piehler/Schulte § 10 Rn. 78.
228
Ermessen überlassen654. So kann die Gesellschaft z.B. die bestehende Verbindlichkeit
gegenüber dem Gläubiger erfüllen (§ 267 BGB), gegenüber dem Gläubiger aufrechnen
oder mit ihm die Entlassung des früheren Gesellschafters aus der Verbindlichkeit ver-
einbaren655. Zahlung an den Ausgeschiedenen als Berechtigten ist nur dann geschuldet,
wenn die Inanspruchnahme des Gesellschafters feststeht656 oder er bereits selbst an den
Gläubiger gezahlt hat, also ersatzfähige Aufwendungen gemacht hat657.
654
E/B/J/S/Lorz HGB § 131 Rn. 62.
655
Erman/Westermann BGB § 738 Rn. 9; MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 78.
656
RGZ 78, 26, 34.
657
RGZ 78, 26, 34; zur dogmatischen Begründung eines solchen Zahlungsanspruchs vgl. MünchKomm
BGB/Krüger § 257 Rn. 5.
658
Erman/Westermann BGB § 738 Rn. 10.
659
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 738 Rn. 12; Staudinger/Kessler BGB (1991) § 738 Rn. 5.
660
RGZ 59, 10, 12 f.; MünchKomm BGB/Krüger § 257 Rn. 14.
661
MünchKomm BGB/Oetker § 250 Rn. 1.
662
BGH NJW-RR 1987, 43, 44; zur Angemessenheit bzw. Entbehrlichkeit der Frist sowie Formerforder-
nissen der Fristsetzung Erman/Ebert BGB § 250 Rn. 2 ff.
229
keit erforderlichen Geldbetrags um663, §§ 738, 250 BGB: Entgegen dem Wortlaut des
§ 250 Satz 2, 1. Hs. BGB („kann“) geht mit Fristablauf der Anspruch auf Freistellung
(Naturalrestitution) unter664 und das bis zum Fristablauf bestehende Wahlrecht des Frei-
stellungsverpflichteten, auf welche Weise er seine Freistellungsverbindlichkeit erfüllen
will, entfällt. Die der Gesellschaft nach Fristablauf einzig mögliche Erfüllungsvariante
ist die Zahlung des zur Begleichung der Verbindlichkeit erforderlichen Geldbetrags665.
Die Zahlung der Gesellschaft an den Ausgeschiedenen wirkt jedoch gegenüber dem
Drittgläubiger nicht schuldbefreiend: Die Gesellschaft haftet gegenüber dem Gläubiger
unverändert weiter und kann sich nicht diesem gegenüber exkulpieren, indem sie dem
Ausgeschiedenen den zur Befriedigung des Gläubigers erforderlichen Geldbetrag aus-
zahlt666. Scheitert die Erfüllung der Gläubigerverbindlichkeit durch den Ausgeschiede-
nen z.B. aufgrund dessen Zahlungsunfähigkeit, so besteht die Gefahr der Doppelzah-
lung. Umgekehrt soll der Ausgeschiedene nicht das Risiko tragen, dass es infolge des
Zugriffs eines Gläubigers oder wegen Schwierigkeiten bei der Erfüllung nicht zur voll-
ständigen Befreiung von der Verbindlichkeit kommt667. § 250 BGB ist daher für die
Konstellation des § 738 BGB dergestalt korrigierend auszulegen, dass der ausgeschie-
dene Gesellschafter nach Fristablauf nicht mehr Zahlung an sich selbst verlangen kann,
sondern nur noch Zahlung an den Drittgläubiger668. Nur so werden die Interessen der
Gesellschaft gewahrt, nicht doppelt in Anspruch genommen zu werden. Der Ausge-
schiedene wird dadurch nicht benachteiligt, da er von vornherein nur Freistellung von
einer bestehenden Verbindlichkeit verlangen durfte; nichts Anderes wird aber durch
Zahlung direkt an den Drittgläubiger bewirkt.
663
BGH NJW 1992, 2221, 2222; BGH NJW 1993, 2232, 2233.
664
MünchKomm BGB/Oetker § 250 Rn. 10.
665
BGH NJW 1993, 2232, 2233.
666
MünchKomm BGB/Krüger § 257 Rn. 4.
667
MünchKomm BGB/Krüger § 257 Rn. 4.
668
Etwas anderes gilt selbstverständlich, wenn der Ausgeschiedene die Verbindlichkeit des Gläubigers
bereits aus eigener Tasche erfüllt hat; in diesem Fall kann er Ersatz von der Gesellschaft im Wege des
Regresses verlangen. Dies ist aber gerade kein Fall des Freistellungsanspruchs nach § 738 BGB, son-
dern der allgemeine Aufwendungsersatzanspruch jedes Gesellschafters (vgl. MünchKomm
BGB/Krüger § 257 Rn. 5). Der in § 738 BGB angesprochene Befreiungsanspruch zeichnet sich gerade
dadurch aus, dass der Ausgeschiedene selbst noch nicht an den Gläubiger gezahlt hat, sondern nur
seine Inanspruchnahme droht bzw. bevorsteht.
230
III. Der Umfang des Schuldbefreiungsanspruchs
Der Begriff der gemeinschaftlichen Schulden ist nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit
der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht mehr treffend. Gemeint sind die Gesell-
schaftsschulden, für die der Ausgeschiedene im Rahmen seiner Haftung für Altverbind-
lichkeiten im Außenverhältnis persönlich weiterhaftet669: Gesetzliche Grundlage und
Voraussetzung für den Anspruch auf Schuldbefreiung ist die persönliche, gesamt-
schuldnerische, zeitlich begrenzte Haftung des Ausgeschiedenen gemäß § 736 Abs. 2
BGB iVm §§ 159 f. HGB670. Er ist seiner Rechtsnatur nach ein Freistellungsanspruch im
Sinne des § 257 BGB671.
Der Wortlaut des § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach die verbleibenden Gesellschafter
dem Ausgeschiedenen für noch nicht fällige Forderungen anstelle einer Schuldbefreiung
Sicherheit leisten können, besagt, dass auch für nicht fällige Forderungen eine Schuld-
befreiung grundsätzlich in Betracht kommt. Fraglich ist, ob diese Vorschrift korrigie-
rend auszulegen ist, um die Interessen aller Beteiligten ausreichend zu wahren. Zudem
fragt sich, ob auch streitige Forderungen Gegenstand des Freistellungsanspruchs sein
dürfen bzw. müssen. Nach wohl herrschender Meinung umfasst der Anspruch auf Frei-
stellung von den Gesellschaftsverbindlichkeiten sämtliche Verbindlichkeiten, d.h. auch
solche, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens noch nicht fällig sind672 und für die derzeit
keine Inanspruchnahme des Ausgeschiedenen droht673. Hat der Ausgeschiedene bei-
spielsweise einem Gläubiger der Gesellschaft für eine Gesellschaftsschuld aus seinem
Privatvermögen Sicherheit geleistet, z.B. durch Stellung einer Bürgschaft, so kann er
von der Gesellschaft deren sofortige Rückgabe bzw. Ablösung analog § 738 Abs. 1
Satz 2 BGB verlangen, ohne die Fälligkeit der Schuld abwarten zu müssen674. Damit soll
669
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV 1. b), S. 1475.
670
MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 77.
671
Palandt/Sprau BGB § 738 Rn. 3; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 51 III 2. a), S. 1505.
672
Palandt/Grüneberg BGB § 257 Rn. 1.
673
Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 131 Rn. 42.
674
BGH NJW 1974, 899, 900; MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 78.
231
der Ausgeschiedene im Zeitpunkt des Ausscheidens sofortige Befreiung auch von be-
tagten Gesellschaftsverbindlichkeiten verlangen können675, wobei jedoch die Belastung
mit dem Haftungsrisiko bei der Abfindung außer Ansatz bleibt676. Für streitige Forde-
rungen soll hingegen eine Schuldbefreiung nicht in Betracht kommen677. Statt dessen
liegt die Beweislast für das Bestehen und die Fälligkeit einer Schuld, von der zu be-
freien ist, beim Ausgeschiedenen als Gläubiger des Befreiungsanspruchs678.
Gewährt man dem Ausgeschiedenen Freistellung auch von nicht fälligen Forderungen,
für die keine Inanspruchnahme droht, so privilegiert man den Ausgeschiedenen in nicht
gerechtfertigter Weise im Vergleich zu seiner Stellung als Gesellschafter. Konnte er zur
Zeit seiner Mitgliedschaft Freistellung bzw. Zahlung im Rahmen des Aufwendungser-
satzes nach erfolgter Befriedigung eines Gläubigers stets nur für solche Verbindlichkei-
ten verlangen, deren Befriedigung er für erforderlich halten durfte (§§ 713 iVm 670
BGB), so tragen nach Ausscheiden und Freistellung des Ausgeschiedenen die Gesell-
schaft bzw. die in der Gesellschaft verbliebenen Gesellschafter alleine das Risiko der
Inanspruchnahme aus der Forderung. Dies widerspricht dem Grundsatz, dass der Aus-
geschiedene durch sein Ausscheiden vermögensmäßig nicht schlechter gestellt werden
soll679, im Gegenzug aber auch nicht besser gestellt werden darf als die übrigen Gesell-
schafter.
Nach dem hier vorgeschlagenen Verfahren für die Abwicklung einer aufgelösten Ge-
sellschaft findet eine Verteilung und Ausschüttung nur derjenigen Geldmittel statt, die
zum jeweiligen Zeitpunkt liquide in der Gesellschaftskasse vorhanden sind: Danach
dürfen noch nicht eingezogene Forderungen der Gesellschaft gegen Dritte selbst dann
nicht in die Vermögensverteilung unter den Gesellschaftern einfließen, wenn sie bereits
675
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 51 III, 2. a), S. 1505.
676
So schon K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 51 III, 2. a), S. 1505, der aber keine Lösung für dieses
Problem anbietet.
677
RGZ 60, 155, 158.
678
RGZ 60, 155, 159; Erman/Westermann BGB § 738 Rn. 9; Bamberger/Roth/Schöne BGB § 738 Rn. 8.
679
Staudinger/Habermeier BGB (2003) § 738 Rn. 1.
232
fällig und durchsetzbar sind. Es nehmen vielmehr nur erfolgreich eingetriebene Forde-
rungen am Verteilungsprozess teil.
Dieser Gedanke ist auch auf den Schuldbefreiungsanspruch des Ausgeschiedenen über-
tragbar. Gewährt man dem Ausgeschiedenen nur Befreiung von den im Ausscheidens-
zeitpunkt unstreitig bestehenden und fälligen Verbindlichkeiten, für die eine Inan-
spruchnahme droht und verweist man den Ausgeschiedenen für alle noch nicht fälligen
Forderung ausschließlich auf die Sicherheitsleistung nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB, so
wird ein gerechter Interessensausgleich zwischen dem Ausgeschiedenen und den ver-
bleibenden Gesellschaftern erzielt: Der Ausgeschiedene kann sich sicher sein, zumin-
dest von den fälligen und unstreitigen Schulden freigestellt zu werden, für die eine In-
anspruchnahme droht, und wird in Bezug auf alle anderen Verbindlichkeiten nicht
schlechter gestellt als noch zu Zeiten seiner Mitgliedschaft in der Gesellschaft. Die ver-
bliebenen Gesellschafter müssen ihrerseits nicht befürchten, dem Ausgeschiedenen nach
Fristsetzung (§ 250 BGB) einen möglicherweise überhöhten Betrag auch für solche
Verbindlichkeiten bezahlen zu müssen, die im Nachhinein erfolgreich abgewehrt wer-
den konnten, um anschließend mit der Rückforderungen gegen den Ausgeschiedenen
wegen dessen Zahlungsunfähigkeit auszufallen. Der Schuldbefreiungsanspruch darf
also nicht den Soll-Bestand aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft umfassen, für die
der Ausgeschiedene aufgrund seiner Nachhaftung potentiell einzustehen haben könnte,
sondern nur den Ist-Bestand der zum Ausscheidensstichtag bzw. zum jeweils nachfol-
genden Zeitpunkt bestehenden und fälligen Verbindlichkeiten, für die eine Inanspruch-
nahme droht680.
680
Ebenso beschränkend auf Ansprüche, aus denen eine Inanspruchnahme droht, MünchKomm HGB/K.
Schmidt § 131 Rn. 111, jedoch ohne Begründung.
233
§ 28 Der Anspruch auf Auszahlung des Abfindungsguthabens (§ 738 Abs. 1
Satz 2 Alt. 3 BGB)
Der Anspruch auf Auszahlung des Abfindungsguthabens ist der wirtschaftlich wichtig-
ste Anspruch des Ausgeschiedenen681. Nach § 738 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 BGB erhält der
Ausgeschiedene als Abfindungsanspruch das, was er im Rahmen der Auseinanderset-
zung erhalten hätte, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst wor-
den wäre. Dieser umfassende Verweis auf das bei der Auseinandersetzung anzuwen-
dende Vermögensverteilungsverfahren hat zur Folge, dass der Abfindungsanspruch des
Ausgeschiedenen grundsätzlich nach den gleichen Grundsätzen zu ermitteln ist wie der
Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens. Wie im Rahmen der
Auseinandersetzung bereits ausführlich erörtert wurde, besteht das Auseinanderset-
zungsguthaben des Liquidationsgesellschafters aus zwei miteinander zu verrechnenden
Komponenten: Er kann zum Einen den Saldo seines einheitlichen Gesellschafterkontos
geltend machen, in dem sämtliche Zahlungsansprüche und Verbindlichkeiten aus den
§§ 732, 733 Abs. 1 und 2 BGB aufgehen, zum Anderen den seiner Gewinn- bzw. Ver-
lustquote entsprechenden Anteil an dem nach Befriedigung aller tatsächlich (§ 733
Abs. 1 Satz 1 BGB) oder potentiell (§ 733 Abs. 1 Satz 2 BGB) bestehenden Verbind-
lichkeiten verbleibenden verteilbaren Gesellschaftsvermögen.
Nichts Anderes kann aufgrund der Verweisung des § 738 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 BGB in
das Abwicklungsverfahren für das Ausscheiden gelten: Der Abfindungsanspruch be-
steht einerseits aus allen Zahlungsansprüchen aus den §§ 738 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 iVm
732, 733 Abs. 1 und 2 BGB, die der Gesellschafter auch im Rahmen der Abwicklung
hätte geltend machen können, andererseits aus dem wirtschaftlichen Gegenwert seines
durch Anwachsung auf die verbleibenden Gesellschafter übergegangenen Gesell-
schaftsanteils682. Der von § 738 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 BGB implizierte wirtschaftliche
Gleichlauf von Auseinandersetzungsguthaben und Abfindungsguthaben hat zur Folge,
681
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 80.
682
So wohl auch Palandt/Sprau BGB § 738 Rn. 4.
234
dass auch die jeweilige Anspruchsberechnung nach denselben Grundsätzen erfolgen
kann, soweit das Gesetz nichts Anderes vorsieht. Das BGB bestimmt lediglich in § 738
Abs. 2 BGB, dass der Wert des Gesellschaftsvermögens, soweit erforderlich, im Wege
der Schätzung zu ermitteln sei. Damit werden nur Vorgaben für die Komponente des
Abfindungsanspruchs gemacht, die vom wirtschaftlichen Gegenwert des Gesellschafts-
anteils des Ausgeschiedenen gebildet wird, im Übrigen können die bereits für das Aus-
einandersetzungsguthaben gewonnenen Erkenntnisse über die Berechnung der Ansprü-
che des Gesellschafters herangezogen werden. Damit ist der Saldo des einheitlichen
Gesellschafterkontos auch im Rahmen der Ermittlung des Abfindungsanspruchs des
Ausgeschiedenen von Bedeutung. Daher ist im Folgenden zu untersuchen, wie das Ge-
sellschafterkonto des Ausgeschiedenen zu erstellen und zu saldieren ist.
Aufgrund des von § 738 Abs. 1 BGB geforderten wirtschaftlichen Gleichlaufs von Aus-
einandersetzung und Ausscheiden muss das Gesellschafterkonto des Ausgeschiedenen
die gleichen Elemente wie bei Auseinandersetzung nach Auflösung der Gesellschaft
enthalten. Es ist daher nach den gleichen Grundsätzen wie im Rahmen der Auseinander-
setzung nach Auflösung dargestellt auf den Ausscheidensstichtag bezogen zu erstellen
und nach Vorbild des Kontokorrents zu verrechnen. Hierzu kann umfassend auf das
bereits Dargestellte verwiesen werden683. Fraglich erscheint lediglich, ob Drittgläubiger-
ansprüche und -verbindlichkeiten des Ausgeschiedenen nach Ausscheiden ohne Rück-
sicht auf den Stand der Abschichtung eingefordert werden können oder ob sich auch
hier Beschränkungen aus der mitgliedschaftlichen Treuepflicht ergeben.
683
Siehe ausführlich oben § 14, III., S. 87 ff.
235
setzung zuwarten muss, bis die Auseinandersetzungsabrechnung erstellt ist684, ist sich
die herrschende Meinung685 bei Ausscheiden des Gesellschafters - soweit ersichtlich -
einig, dass der Ausgeschiedene seine Drittgläubigerforderungen mit Ausscheiden ein-
klagen kann, ohne eine Abrechnung über seine Forderungen abwarten zu müssen oder
durch eine mitgliedschaftliche Treuepflicht daran gehindert zu sein. Grund hierfür soll
sein, dass er nach seinem Ausscheiden seinen Gesellschafterstatus mit allen dazugehö-
rigen Rechten und Pflichten verliert und der Gesellschaft wie ein Dritter gegenüber-
steht686.
Dagegen ist einzuwenden, dass auch im Rahmen der Abschichtung nach Ausscheiden
das sog. Prinzip der Gesamtabrechnung Anwendung findet687. Dieses besagt, dass der
Ausgeschiedene einzelne Rechte und Forderungen mit Ausscheiden nicht mehr selb-
ständig geltend machen kann, sondern mit der Durchsetzung seiner Ansprüche zuwarten
muss, bis eine Gesamtabrechnung über seine Ansprüche erstellt worden ist688. Erst wenn
diese Gesamtabrechnung vorliegt, steht fest, ob der Ausgeschiedene seine Drittgläubi-
gerforderung im Ergebnis überhaupt geltend machen kann oder ob sie aufgrund Ver-
rechnung und daraus folgender Novation deswegen untergegangen ist, weil der Ausge-
schiedene nach Berücksichtigung aller seiner Guthabens- und Abzugsposten selbst nach
§ 739 BGB für Fehlbeträge im Gesellschaftsvermögen aufkommen muss. Der Ausge-
schiedene muss es sich daher ebenso wie der Liquidationsgesellschafter gefallen lassen,
dass seine Drittgläubigeransprüche und -verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschaft
in sein Gesellschafterkonto eingestellt und mit seinen übrigen Ansprüchen und Verbind-
lichkeiten verrechnet werden. Auch im Gesellschafterkonto des Ausgeschiedenen sind
daher dessen Drittgläubigeransprüche und -verbindlichkeiten nach der bereits für die
Auflösungskonstellation beschriebenen Vorgehensweise689 zu saldieren.
684
Siehe hierzu ausführlich oben § 15, I., S. 97 ff.
685
Büscher/Klusmann ZIP 1992, 11, 17; MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 18 iVm § 730 Rn. 53.
686
Büscher/Klusmann ZIP 1992, 11, 17.
687
Früchtl NZG 2007, 368, 370; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV 1 S. 1475.
688
Herrschende Meinung, vgl. nur BGH NJW 1999, 3557, 3557; MünchHdb GesR I/Piehler/ Schulte
§ 10 Rn. 83; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV 1 S. 1475.
689
Siehe hierzu ausführlich oben § 15 I. 3., S. 110 ff.
236
2. Die Behandlung von Regressansprüchen wegen Befriedigung eines Gläubi-
gers
Wie bereits für die Auflösungskonstellation gilt auch bei Ausscheiden, dass Zahlungen
des Gesellschafters auf eine Verbindlichkeit der Gesellschaft Einlageleistungen darstel-
len, die ihm nach § 738 Abs. 1 iVm § 733 Abs. 2 BGB zu erstatten sind. Die an den
Gläubiger geleistete Zahlung entspricht einer Einlage des Ausgeschiedenen in das Ge-
sellschaftsvermögen, da sie für Rechnung der Gesellschaft aus dem Privatvermögen des
Ausgeschiedenen erfolgte. Sie ist ihm also ebenso wie eine geleistete Einlage in voller
690
BGHZ 27, 51, 57 = NJW 1958, 787; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 51 III 2. b), S. 1507; Had-
ding/Häuser WM 1988, 1585, 1589.
691
Hadding/Häuser WM 1988, 1585, 1589; Kühne ZHR 133 (1969), 149, 182. Die Anspruchsgrundlage
für diesen Regressanspruch wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. Zum Teil
beruft man sich auf eine entsprechende Auslegung des § 738 BGB (Hadding, FS Fleck 1988, S. 81),
die Anwendung der Surrogationsgrundsätze (Habersack AcP 198 (1998), 152, 164) oder § 638 BGB
(Büscher/Klusmann ZIP 1992, 16 f.; Preuß ZHR 160 (1996), 163, 164 f.). Andere (Hadding, FS Stim-
pel 1985, S. 154 f.; Hadding, FS Fleck 1988, S. 81; davor bereits Schumann JZ 1958, 427, 427) be-
mühen einen Schadensersatzanspruch wegen zu vertretender Nichterfüllung der Schuldbefreiungs-
pflicht nach § 280 Abs. 1 BGB, wahlweise §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB wegen Be-
freiung der Gesellschaft von einer Verbindlichkeit bzw. eine analoge Anwendung der §§ 738 Abs. 1
Satz 2 Alt 2 iVm 670, 683, 677 BGB (BGHZ 39, 319, 323 f. = NJW 1963, 1873; Büscher/Klusmann
ZIP 1992, 11, 17; Kubis, Regress, S. 35; Preuß ZHR 160 (1996), 163, 165). Der BGH wiederum stützt
den Regressanspruch auf § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB (BGHZ 39, 319, 324 f. = NJW 1963, 1873; Bü-
scher/Klusmann ZIP 1992, 16 f.). Dem BGH ist entgegenzuhalten, dass zwischen Gesellschaft und
Ausgeschiedenem weder vor noch nach Ausscheiden ein Gesamtschuldverhältnis besteht (BGHZ 39,
319, 323 f. = NJW 1963, 1873; Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 128 Rn. 25). Vielmehr haftet der zah-
lende Ausgeschiedene gegenüber dem Gläubiger lediglich akzessorisch nach § 128 HGB analog und
ist daher der Gesellschaft nicht gleichgestellt (BGHZ 73, 217, 224 = NJW 1979, 1361; BGHZ 74,
240, 242 f. = NJW 1979, 1821; Beuthien DB 1975, 725, 727; Büscher/Klusmann ZIP 1992, 11, 15).
692
Erman/Westermann BGB § 714 Rn. 25. Anderes gilt jedoch im Verhältnis zu anderen, ebenfalls be-
reits ausgeschiedenen Gesellschaftern (Hadding, FS Stimpel 1985, S. 162).
237
Höhe zurückzuerstatten, §§ 738 Abs. 1 Satz 2 Hs. 3, 733 Abs. 2 BGB693, und wird zum
Bestandteil seines Gesellschafterkontos und des daraus gewonnenen Saldos. Der Abzug
der Verlustbeteiligung des Ausgeschiedenen vollzieht sich dabei qua Saldo von selbst,
da die Auszahlung des Abfindungsguthabens das an den Ausgeschiedenen ausschüt-
tungsfähige Gesellschaftsvermögen vermindert. Es ergibt sich insoweit keine Änderung
gegenüber der Auseinandersetzung nach Ausscheiden. Der Ausgeschiedene, der den
Gläubiger befriedigt, kann aus übergegangenem Recht gemäß § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB
analog den Anspruch des Gläubigers gegen die Gesellschaft geltend machen694. Auf-
grund der bürgenähnlichen Haftung des Gesellschafters für die Schulden der Gesell-
schaft tritt ein gesetzlicher Forderungsübergang ein695. Die cessio legis der Haftungsan-
sprüche gegen seine ehemaligen Mitgesellschafter ergibt sich bis zum Ablauf der Nach-
haftungsfrist aus § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB. Diese Ansprüche werden ebenfalls zu einem
Bestandteil seines Gesellschafterkontos.
693
Zur Haftung der verbleibenden Gesellschafter für den Regressanspruch wird vertreten, das Ausschei-
den ändere nichts daran, dass der Ausgeschiedene im Verhältnis zu den anderen Gesellschaftern als
Gesamtschuldner nach § 128 HGB analog vom Gläubiger in Anspruch genommen worden sei (Had-
ding/Häuser WM 1988, 1585, 1588.). Demnach hafte jeder der in der Gesellschaft verbleibenden Ge-
sellschafter dem Ausgeschiedenen lediglich anteilig pro rata in Höhe seines jeweiligen Verlustanteils
(Wiedemann, WM-Beilage 7/1992, S. 37). Anderer Ansicht Haftung als Gesamtschuldner (Kornblum,
Haftung der Gesellschafter, S. 193; Hadding/Häuser WM 1988, 1585, 1590) nach § 426 Abs. 1 Satz 1
BGB, nicht nach § 128 HGB analog: Ungeachtet des Ausscheidens sei nicht das Außenverhältnis,
sondern das Innenverhältnis unter den Gesellschaftern betroffen, da während der Nachhaftungsfrist
zwischen dem Ausgeschiedenen und den verbliebenen Gesellschaftern nach wie vor ein Gesamt-
schuldverhältnis bestehe, das durch das Ausscheiden keine inhaltliche Änderung erfahre (Kubis, Re-
gress‚ S. 35; Preuß ZHR 160 (1996), 163, 165). Erst nach Ablauf der Nachhaftungsfrist, d.h. nach Er-
löschen des Gesamtschuldverhältnisses zwischen Gesellschaftern und Ausgeschiedenem, soll gegen-
über einem Ausgeschiedenen der Haftungsmaßstab des § 128 HGB analog gelten: Ab diesem Zeit-
punkt müsse sich auch die endgültige Verteilung der gesamtschuldnerischen Haftung für Gesell-
schaftsschulden auf die verbliebenen Gesellschafter verlagern, dies sei dann nicht mehr Sache des
Ausgeschiedenen (Hadding/Häuser WM 1988, 1585, 1590).
694
Str., vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 51 III 2. b), S. 1507; ebenso Preuß ZHR 160 (1996), 163,
173 f. für den Ausgeschiedenen, die jedoch die analoge Anwendung des § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB
während der Mitgliedschaft des Gesellschafters mit der Begründung ablehnt, im Gegensatz zum Ge-
sellschafter hafte der Bürge für eine fremde Schuld. Dies ist insbesondere nach Anerkennung der
Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht mehr haltbar: Auch der Gesellschafter ei-
ner BGB-Gesellschaft haftet nach § 128 HGB analog für fremde Schulden, nämlich für solche der Ge-
sellschaft, eines eigenständigen Rechtssubjekts. Anderer Ansicht Hadding/Häuser WM 1988, 1585,
1589.
695
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 51 III 2. b), S. 1507. Dieser Forderungsübergang kann mangels
Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses nicht auf § 426 Abs. 2 BGB gestützt werden, es liegt so-
mit eine planwidrige Regelungslücke vor.
238
III. Saldierung der Gesellschafterkonten auch der verbleibenden Gesellschafter
Ist auf die soeben beschriebene Weise das Gesellschafterkonto sowohl des Ausgeschie-
denen als auch der in der Gesellschaft verbliebenen Gesellschafter erstellt und saldiert
worden, so kann der Betrag des Abfindungsanspruchs des Ausgeschiedenen berechnet
werden: Vom Gesamtwert des Gesellschaftsvermögens (§ 738 Abs. 2 BGB) sind alle
tatsächlich oder potentiell bestehenden (§ 728 Abs. 1 Satz 2 iVm § 733 Abs. 1 BGB)
Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber Nichtgesellschaftern abzuziehen696. Be-
reits § 739 BGB besagt, dass der Abfindungsanspruch nur unter Berücksichtigung der
gemeinschaftlichen Schulden ausgezahlt werden kann. Wie bei der Auseinandersetzung
nach Auflösung ist bei der Feststellung, welche tatsächlich oder potentiell bestehenden
Verbindlichkeiten vom Schätzwert des Gesellschaftsvermögens in Abzug zu bringen
sind, nach dem Vorsichtsprinzip vorzugehen. Die so entstehende Differenz ergibt den
Betrag des Gesellschaftsvermögens, das ausschließlich zur Verteilung an den Ausge-
schiedenen verwendet werden kann697. Von diesem Betrag sind nun - analog der Vorge-
hensweise bei Auseinandersetzung nach Auflösung - die Salden der Gesellschafterkon-
696
Soergel/Hadding/Kießling BGB § 738 Rn. 13. Dies erfolgt üblicherweise in Form einer Bilanz.
697
Das Gegenstück hierzu im Rahmen der Auseinandersetzung nach Auflösung ist der Saldo des bei
Liquidation zu erstellenden Vermögenskontos der Gesellschaft (Liquiditätskonto). Siehe zum Liquidi-
tätskonto ausführlich unter § 12, S. 75 ff.
239
ten sämtlicher in der Gesellschaft verbleibender Gesellschafter einschließlich des Aus-
geschiedenen in Abzug zu bringen698. Der so verbleibende Differenzbetrag bezeichnet
den Stand des Gesellschaftsvermögens nach Abzug aller im Innen- und Außenverhältnis
möglicherweise bestehenden Verbindlichkeiten (Restvermögen) und ist dem Ausge-
schiedenen anteilig nach Maßgabe seiner Beteiligungsquote zuzuschreiben699. Dabei
kommt - je nachdem, ob das Restvermögen positiv oder negativ ist - die gesellschafts-
vertraglich festgelegte Gewinn- bzw. Verlustquote zur Anwendung (§ 738 Abs. 1 Satz 2
Alt. 3 iVm § 734 BGB bzw. § 739 BGB). Das auf den Ausgeschiedenen entfallende
anteilige Restvermögen verrechnet sich sodann mit dem Saldo seines Gesellschafter-
kontos zu seinem Abfindungsguthaben700. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie
bei der Auseinandersetzung nach Auflösung.
698
Soergel/Hadding/Kießling BGB § 738 Rn. 13.
699
Soergel/Hadding/Kießling BGB § 738 Rn. 13. Ähnlich Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilan-
zen, S. 604; Sudhoff DB 1964, 1324, 1326. Unklar Koller/Roth/Morck/Koller HGB § 131 Rn. 12.
700
Ähnlich Sudhoff DB 1964, 1324, 1326.
701
MünchKomm BGB/Schäfer § 739 Rn. 1.
702
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV 1. b), S. 1475.
240
11. Kapitel Die Bewertung des Gesellschaftsvermögens (§ 738 Abs. 2 BGB)
I. Die Abfindungsbilanz
Nach einer Ansicht bedarf es zur Ermittlung des Wertes des Gesellschaftsvermögens
der Erstellung einer Abschichtungs- oder Abfindungsbilanz, in der die einzelnen Ge-
genstände des Gesellschaftsvermögens sowie die Verbindlichkeiten der Gesellschaft
einander gegenübergestellt werden705. Dabei soll die Erstellung einer Bilanz nicht zwin-
gend, sondern bei einfach gelagerten Sachverhalten entbehrlich sein, z.B. bei Vorhan-
703
Beispielhaft MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 23 f., wo einerseits die Erstellung einer Abfin-
dungsbilanz angesichts der heutigen Maßgeblichkeit des sog. Ertragswertverfahrens zur Unterneh-
mensbewertung als „überholt“ bezeichnet, anschließend aber wiederum eine Bilanz für erforderlich
gehalten wird, „um aus dem (Ertrags-)Wert des Unternehmens die Höhe des Abfindungsanspruchs
abzuleiten“ (MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 25).
704
So offenbar Bamberger/Roth/Schöne BGB § 738 Rn. 24, wonach die Abfindungsbilanz anhand der
betriebswirtschaftlich ermittelten Wertansätze aufzustellen sei.
705
MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 26.
241
densein einer Buchwertabfindungsklausel706 oder bei Anwendung der Ertragswertbe-
rechnung707.
Die Abfindungsbilanz ist eine reine Vermögensermittlung708 und dient nach allgemeiner
Ansichtder Feststellung der wahren Vermögenslage der Gesellschaft zum Stichtag des
Ausscheidens709, der Abbildung des Abfindungsanspruchs sowie der Darstellung der
Vermögensverteilung zwischen der Gesellschaft und dem Ausgeschiedenen710. Sie ist
Vermögens-, nicht Erfolgsbilanz und wird somit nach wesentlich anderen Grundsätzen
aufgestellt als eine Jahresbilanz der Gesellschaft711. Für die Abfindungsbilanz gelten
insbesondere nicht die vom HGB für die Handelsbilanz des Kaufmanns aufgestellten
Bilanzierungsgrundsätze der §§ 252 ff. HGB712. Lediglich die allgemeinen Grundsätze
der Bilanzwahrheit, Bilanzklarheit sowie der Einzelbewertung sind zu beachten713. In
der Abfindungsbilanz sind nach allgemeiner Ansichtalle Wirtschaftsgüter (Aktiva und
Passiva), die zum Stichtag des Ausscheidens zum Gesellschaftsvermögen gehören, voll-
ständig und mit ihren Verkehrswerten, d.h. den für die Wiederbeschaffung für das le-
bende Unternehmen geltenden Teilwerten anzusetzen714. Offene und stille Reserven sind
aufzulösen, überbewertete Aktiva auf ihren wahren Wert zurückzuführen715. Der Wie-
derbeschaffungswert von Geldmitteln und Forderungen ist gleich dem Nominalwert, bei
Forderungen ist ein Delkredereabschlag in Ansatz zu bringen716. Verbindlichkeiten sind
ebenfalls mit ihrem wahren Wert anzusetzen, für ungewisse Verbindlichkeiten sind
Rückstellungen zu bilden717. Dauerschulden sind mit einzubeziehen718, uneinbringliche
706
BGH NJW-RR 1987, 1386 ff.
707
Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 131 Rn. 50.
708
K. Schmidt DB 1983, 2401, 2401.
709
Vgl. statt vieler K. Schmidt DB 1983, 2401, 2401.
710
Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, S. 604.
711
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 84.
712
Baumbach/Hopt/Merkt HGB § 252 Rn. 4.
713
Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, S. 605.
714
BGHZ 17, 130, 136 = NJW 1955, 1025; Sudhoff DB 1964, 1324, 1324; Bud-
de/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, S. 605.
715
Schwung BB 1985, 1374, 1374.
716
Sudhoff DB 1964, 1324, 1324.
717
K. Schmidt DB 1983, 2401, 2404.
718
Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, S. 605.
242
oder zweifelhafte Forderungen sind ganz oder teilweise abzuschreiben719. Auch immate-
rielle Werte wie z.B. ein Geschäftswert sind in der Abfindungsbilanz aufzuführen720.
Die Parteien können die aufgestellte Bilanz stillschweigend anerkennen oder sich durch
ausdrückliche Feststellung auf alle oder einzelne Bilanzwerte ausdrücklich einigen. Ein
solches Einvernehmen stellt nach herrschender Meinung ein deklaratorisches Schuldan-
erkenntnis dar, dessen Wirkungen sich wegen seiner vergleichsähnlichen Natur nach
§ 779 BGB richten721. Es legt den von der Bewertung des Gesellschaftsvermögens ab-
hängigen Teil des Abfindungsanspruchs vertraglich fest und beziffert eine bereits beste-
hende Verbindlichkeit722. Die Annahme eines abstrakten Schuldanerkenntnisses wird
überwiegend abgelehnt, da die Bilanz oder deren Feststellung nie konstitutiv für den
Abfindungsanspruch sein kann, sondern ihn lediglich der Höhe nach darstellt723. Können
sich die Beteiligten nicht einigen, so ist der Streit im Prozess auszutragen; angreifbar
soll aber immer nur der jeweils unrichtige Wertansatz sein, während die übrigen Bi-
lanzansätze keiner Überprüfung mehr unterliegen724. Lässt sich aus den Vereinbarungen
der Parteien ableiten, dass eine endgültige Abwicklung der Ansprüche des Ausgeschie-
denen beabsichtigt ist, so liegt in der Bilanzfeststellung zugleich ein Verzicht auf etwai-
ge spätere Ansprüche im Zusammenhang mit den durchgeführten Schätzungen725.
Das Gleiche soll gelten, wenn der Ausgeschiedene der Abschichtungsbilanz als solcher
zwar nicht zustimmt, sich jedoch mit dem ihm mitgeteilten Abfindungsguthaben zufrie-
den gibt oder eine Nachschussforderung vorbehaltlos erfüllt726. In diesem Fall bleiben
die anerkannten Bilanzwerte maßgeblich, selbst wenn sich im Nachhinein die Bewer-
719
Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, S. 605.
720
Schwung BB 1985, 1374, 1374; MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 23.
721
Zunft NJW 1959, 1945, 1945 f.; MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 29; Schwung BB 1985, 1374,
1374; Graf von Westphalen BB 1982, 1894, 1896.
722
Stötter BB 1977, 1219, 1220.
723
Zunft NJW 1959, 1945, 1946.
724
BGH NJW 1957, 1834, 1834.
725
Schwung BB 1985, 1374, 1375.
726
Schwung BB 1985, 1374, 1375.
243
tung als nicht (mehr) zutreffend erweisen sollte727: Alle Einwendungen und Einreden
tatsächlicher oder rechtlicher Natur, die der Schuldner bei der Abgabe kannte oder mit
denen er mindestens rechnete, sind für die Zukunft ausgeschlossen728, der Abfindungs-
anspruch wäre in einem Prozess ohne Weiteres begründet729. Möglich ist nur die Bi-
lanzanfechtung wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung, wenn z.B. wesentliche Ver-
mögenswerte oder bestehende Schulden nicht berücksichtigt worden sind730. Mittels
Bilanzanfechtung können jedoch nur Bilanzfehler korrigiert werden, nicht aber Bewer-
tungsfehler, die sich im Ermessensrahmen bewegen731.
Eine neuere Ansicht hält die Erstellung einer Abfindungsbilanz für entbehrlich, wenn
der Wert des Unternehmens auf andere Weise festgestellt werden kann732, z.B. durch
eine der in der Betriebswirtschaftslehre entwickelten zahlreichen Bewertungsmethoden.
Diese unterscheiden sich insbesondere danach, ob sie mehr auf den Substanzwert oder
727
Sudhoff DB 1964, 1324, 1326.
728
Palandt/Sprau BGB § 781 Rn. 4.
729
Schwung BB 1985, 1374, 1375.
730
Sudhoff DB 1964, 1324, 1326. So ist die Bilanzfeststellung nicht bindend, wenn sich nachträglich
herausstellt, dass beide Seiten von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen sind und dass die
zum Vergleich führende Ungewissheit bei Kenntnis des wahren Sachverhalts nicht bestanden hätte
oder soweit bilanzrelevante Faktoren überhaupt keine Berücksichtigung gefunden haben, da sie zum
Zeitpunkt der Bilanzerstellung nicht bekannt waren und daher nicht in die Vergleichsregelung mitein-
bezogen werden konnten (Schwung BB 1985, 1374, 1374 f.). Ein ungewisser Sachverhalt soll jedoch
nicht vorliegen, soweit es darum geht, ob Rückstellungen ausreichend und angemessen dotiert wur-
den: Es ist gerade Sinn und Zweck einer Rückstellung, den ungewissen Sachverhalt des Ausmaßes ei-
ner drohenden Verbindlichkeit zu regeln (Graf von Westphalen BB 1982, 1894, 1897).
731
Sudhoff DB 1964, 1324, 1326.
732
Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 131 Rn. 50; Schulze-Osterloh ZGR 1986, 545, 552; E/B/J/S/Lorz HGB
§ 131 Rn. 102.
244
auf den Ertragswert der Unternehmung abstellen733. Das Ertragswertverfahren, bei dem
sich der Wert des Unternehmens nach den zukünftigen Erträgen734 anhand der Summe
der auf den Ausscheidensstichtag abgezinsten voraussichtlichen Einnahmeüberschüsse
bestimmt, ist in der Praxis wohl die vorherrschende Methode735: Die herrschende Mei-
nung736 will den Unternehmenswert auch dann ausschließlich nach dem Ertragswert
bestimmen, wenn der Ertragswert der Gesellschaft unter dem Substanzwert, aber über
dem Liquidationswert des Gesellschaftsvermögens liegt. Erst wenn der Ertragswert den
Substanzwert übersteige, sei der Substanzwert in die Berechnung mit einzubeziehen737.
Zur Begründung wird überwiegend pauschal auf die gängige betriebswirtschaftliche
Praxis verwiesen.
Die herrschende Meinung betont dabei, dass das Gesetz keine allgemeingültige Bewer-
tungsmethode vorschreibe738, sondern dem Tatrichter die Entscheidung über die Aus-
733
Hülsmann ZIP 2001, 450, 450. Zu den einzelnen Bewertungsmethoden ausführlich MünchHdb GesR
I/Piehler/Schulte § 75 Rn. 32 ff. sowie Bamberger/Roth/Schöne BGB § 738 Rn. 23; Schulze-Osterloh
ZGR 1986, 545, 550 ff.; Großfeld ZGR 1982, 141 ff.; Wagner/Nonnenmacher ZGR 1981, 674 ff.;
Behringer DStR 2001, 719 ff.; Csik DB 1985, 1901 ff.; Hosterbach DB 1987, 897 ff.; Maul DB 1992,
1253 ff.; Peemöller DStR 1993, 409 ff.; Wollny, BB-Beilage 1991, S. 1 ff.; Zehner DB 1981, 2109 ff.
sowie die betriebswirtschaftliche Spezialliteratur (siehe hierzu Nachweise bei MünchHdb GesR
I/Piehler/Schulte § 75 Rn. 32). Das sog. Stuttgarter Verfahren, das den Substanzwert des Unterneh-
mens im Wege einer „Übergewinnmethode” um einen die Ertragsaussichten des Unternehmens aus-
drückenden Ertragshundertsatz korrigiert, wird nach §§ 12 Abs. 2 ErbStG, 11 Abs. 2 Satz 2 BewG
angewendet, wenn Anteile einer nicht börsennotierten Kapitalgesellschaft durch Schenkung oder Erb-
schaft übergehen und sich deren Wert nicht aus Anteilsverkäufen ergibt, die weniger als ein Jahr zu-
rückliegen. Es ist in R 96 ff. der Erbschaftssteuer-Richtlinien (ErbStR 2003) geregelt, wird aber nicht
nur bei der Erbschaftsteuer angewendet, sondern vielfach in Gesellschaftsverträgen als Bewertungs-
methode gewählt. Da es von der Finanzverwaltung für deren Bedürfnisse entwickelt wurde, führt es in
der Regel zu krassen Fehlbewertungen: Es soll durch typisierende Berechnung eine Gleichmäßigkeit
in der Besteuerung und damit den Rechtsfrieden sicherstellen, nicht eine möglichst adäquate Werter-
mittlung im Einzelfall. Es kann abhängig vom Einzelfall sowohl den Ausscheidenden als auch die
verbleibenden Gesellschafter in zum Teil eklatanter Weise benachteiligen (hierzu ausführlich Göl-
lert/Ringling DB 1999, 516 ff.). Nach der Entscheidung des BVerfG vom 07.11.2006 (BVerfG NJW
2007, 573 ff.) ist die Anwendung des Stuttgarter Verfahrens im Kontext der Erbschaftsteuer mit dem
Grundgesetz nicht vereinbar. Daher wurde das Stuttgarter Verfahren durch das Erbschaftsteuerre-
formgesetz zum 01.01.2009 abgeschafft und durch ein neues Bewertungsverfahren ersetzt. Es dürfte
daher auch für den Bereich der Unternehmensbewertung generell an Bedeutung verlieren.
734
Statt vieler Hülsmann ZIP 2001, 450, 451 f.; Schulze-Osterloh ZGR 1986, 545, 550.
735
Erman/Westermann BGB § 738 Rn. 5a; MünchHdb GesR I/Piehler/ Schulte § 10 Rn. 81. Das Er-
tragswertverfahren ist auch verfassungsrechtlich gebilligt worden, BVerfG NZG 1999, 931 ff.
736
BGHZ 71, 41, 52 = NJW 1978, 1316; Zehner DB 1981, 2109, 2110.
737
BGHZ 71, 41, 52 = NJW 1978, 1316.
738
Palandt/Sprau BGB § 738 Rn. 5; MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 82.
245
wahl des anzuwendenden Verfahrens zustehe739. Dabei sei der Tatrichter nicht an eine
bestimmte Wertermittlungsmethode gebunden740, vielmehr sei diejenige Methode aus-
zuwählen, die den spezifischen Besonderheiten der von der Gesellschaft betriebenen
Unternehmung im Einzelfall am besten gerecht werde741. Die Unternehmensbewertung
erfolgt in der Praxis zumeist mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens742. Unklar
bleibt dabei, inwieweit der nach dem Ertragswertverfahren geschätzte Unternehmens-
wert den Sachwert des nicht betriebsnotwendigen Gesellschaftsvermögens mit ein-
schließen soll743 oder ob der Ertragswert ausschließlich der Bewertung des immateriel-
len Geschäftswertes (good will) dient und daher die übrigen materiellen und immateriel-
len Vermögensgegenstände mit Hilfe anderer Verfahren bewertet werden müssen744.
Vorherrschend dürfte die Ansicht sein, die von der Ertragswertermittlung nur diejenigen
Vermögensgegenstände umfasst sieht, die auch der Erwerbserzeugung dienen (betriebs-
notwendiges Gesellschaftsvermögen), während die nicht betriebsnotwendigen Vermö-
gensgegenstände gesondert mit ihrem Liquidations- oder Zerschlagungswert angesetzt
und dem festgestellten Ertragswert hinzuaddiert werden745.
739
BGH NJW 1992, 892, 893.
740
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 81.
741
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 82.
742
BGHZ 116, 359, 371 = NJW 1992, 892 für die GmbH; BGH NJW 1985, 192, 193; K. Schmidt, Ge-
sellschaftsrecht, § 50 IV 1. d), S. 1477.
743
Wangler/Dierkes DS 2007, 94, 96.
744
So wohl Hüttemann ZHR 162 (1998), 563, 567; ähnlich MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10
Rn. 85.
745
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 75 Rn. 35.
246
III. Stellungnahme
Ermittelt man den Wert des Gesellschaftsvermögens mit Hilfe einer Bilanz, so fragt
sich, ob nicht zur Wahrung der gegenseitigen Interessen des Ausgeschiedenen und der
verbleibenden Gesellschafter Modifikationen der gängigen Bilanzierungspraxis erfor-
derlich sind. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Aktivierung von Forderungen
der Gesellschaft als Vermögensbestandteile in der Abfindungsbilanz.
746
Schmidt/Heinicke EStG § 4 Rn. 4.
747
Schmidt/Heinicke EStG § 4 Rn. 4.
748
Schmidt/Heinicke EStG § 4 Rn. 400 für Forderungen, Rn. 404 für Verbindlichkeiten; Blümich/Wied
EStG § 4 Rn. 154, 157 f.
247
Im Gegensatz dazu erfordert die Erstellung einer Abfindungsbilanz eine Gewinnermitt-
lung nach § 4 Abs. 1 EStG. Die Bilanz wird in Form einer Bestandsrechnung nach Soll-
zahlen erstellt749: Das Gesellschaftsvermögen wird mit dem Zeitpunkt des Ausscheidens
zumindest für die Zwecke der Berechnung des Abfindungsanspruchs nicht mehr auf der
Grundlage des Ist-Standes, sondern auf der Grundlage des Soll-Zustandes ermittelt.
Dies hat zur Folge, dass auch Forderungen in die Bewertung miteinbezogen werden, die
zum Bilanzstichtag noch gar nicht tatsächlich im Gesellschaftsvermögen vorhanden
sind. Konsequenz der Erstellung einer Abfindungsbilanz ist für eine Gesellschaft, die
ihren Gewinn bislang mittels einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt hat, der
Wechsel der Gewinnermittlungsart von der Einnahmen-Überschuss-Rechnung hin zur
Bilanzierung750 und die dadurch notwendig werdende Aktivierung auch noch nicht ein-
gezogener Forderungen in Höhe des Buchwertes751 in der Abfindungsbilanz.
749
Schmidt/Heinicke EStG § 4 Rn. 3.
750
Sterzinger NJW 2011, 3057, 3058.
751
Schmidt/Heinicke EStG § 4 Rn. 659.
752
Schmidt/Heinicke EStG § 4 Rn. 663; Sterzinger NJW 2011, 3057, 3058 f. Siehe auch Otto NJW 2010,
3601, 3603 f.
753
Otto NJW 2010, 3601, 3604.
754
Sterzinger NJW 2011, 3057, 3061.
755
Sterzinger NJW 2011, 3057, 3061.
248
b) Vorfinanzierung des Abfindungsanspruchs: Die Gesellschafterhaftung nach
§ 128 HGB analog
756
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 76.
757
BGHZ 146, 341 ff. = NJW 2001, 1056 ff.
758
Vgl. nur MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 16; MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 76;
anderer Ansicht Clemm BB 1992, 1959, 1961.
759
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 76.
760
Soergel/Hadding/Kießling BGB § 738 Rn. 14 und Rn. 40; hierzu auch MünchKomm BGB/Schäfer
§ 738 Rn. 17.
761
Grundlegend BGHZ 148, 201, 207 = NJW 2001, 2718 ff.
249
§ 128 HGB analog762, der Abfindungsanspruch gehört insoweit zu den Verbindlichkei-
ten der Gesellschaft im Sinne des § 128 HGB763. Der Ausgeschiedene hat damit die
Wahl zwischen der Gesamtschuld- und der Gesamthandschuldklage764.
Zwar gilt § 128 HGB grds. nicht für Ansprüche gegen die Gesellschaft aus dem Gesell-
schaftsverhältnis765, weil die übrigen Gesellschafter sonst entgegen § 707 BGB zu Nach-
schüssen in die Gesellschaft genötigt würden766. Das kann jedoch gegenüber einem aus-
geschiedenen Gesellschafter nicht mehr eingewendet werden. § 707 BGB gilt nach all-
gemeiner Ansicht767 nur für das Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander wäh-
rend der Mitgliedschaft in der Gesellschaft, während die Gesellschafter im Außenver-
hältnis gegenüber außenstehenden Gesellschaftsgläubigern gemäß § 128 HGB analog
auch über ihren Beitrag hinaus zur persönlichen Haftung verpflichtet sind768. Der Aus-
geschiedene ist ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens nicht mehr Gesellschafter, so dass
die Einforderung des Abfindungsanspruchs nicht mehr das Innen-, sondern das Außen-
verhältnis der Gesellschafterhaftung berührt. Der Innenausgleich der Gesellschafter
untereinander ist nicht mehr Sache des Ausgeschiedenen769, ihn trifft daher auch keine
Verpflichtung, ein Regresskarussell der Gesellschafter untereinander zu vermeiden. Die
Rechtsstellung des Ausgeschiedenen gegenüber der Gesellschaft und seinen ehemaligen
Mitgesellschaftern ist grundsätzlich nicht anders als die jedes anderen Gläubigers zu
beurteilen, der wegen einer Forderung gegen die Gesellschaft gemäß § 128 HGB auch
die Gesellschafter unmittelbar in Anspruch nehmen darf770. Allenfalls ergeben sich Ein-
schränkungen insoweit, als dem Ausgeschiedenen aufgrund einer nachwirkenden mit-
gliedschaftlichen Treuepflicht die Inanspruchnahme seiner ehemaligen Mitgesellschaf-
ter nur insoweit gestattet ist, solange seine Ansprüche nicht aus dem vorhandenen Ge-
762
BGHZ 146, 341, 358 = NJW 2001, 1056 ff.; BGH NJW 1980, 339, 340; BGH NZG 2001, 936, 937;
Ulmer ZIP 2003, 1113, 1120; Büscher/Klusmann ZIP 1992, 11, 18; Freund ZIP 2009, 941, 946; ande-
rer Ansicht Michalski NZG 2000, 355.
763
Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 131 Rn. 48; Stötter BB 1974, 676, 677.
764
BGH WM 1979, 1064, 1065.
765
BGHZ 37, 299, 301 f. = NJW 1962, 1863, 1864; Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 128 Rn. 22;
E/B/J/S/Hillmann HGB § 128 Rn. 11.
766
BGH NJW-RR 1989, 866, 866; MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 76.
767
Vgl. nur Bamberger/Roth/Schöne BGB § 707 Rn. 2.
768
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 707 Rn. 2.
769
Hadding/Häuser WM 1988, 1585, 1590.
770
Stötter BB 1974, 676, 766; Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht, § 10 Rn. 21.
250
sellschaftsvermögen befriedigt werden können771. Die persönliche Inanspruchnahme der
verbliebenen Gesellschafter beginnt aber jedenfalls dann zu greifen, wenn die Gesell-
schaft zahlungsunfähig ist772. Auch wird sich der Ausgeschiedene als ehemaliger Mitge-
sellschafter interne Haftungsbeschränkungen aus dem Gesellschaftsvertrag entgegenhal-
ten lassen müssen773.
Wird der Abfindungsanspruch des Ausgeschiedenen auf der Grundlage von Werten
berechnet, die zum Ausscheidensstichtag noch nicht realisiert, in der Abfindungsbilanz
aber dennoch als Aktivposten des Gesellschaftsvermögens angesetzt worden sind, so
wird der Ausgeschiedene faktisch an Vermögenswerten beteiligt, die zum Zeitpunkt
seines Ausscheidens nicht tatsächlich, sondern allenfalls potentiell bzw. rechnerisch im
Gesellschaftsvermögen vorhanden sind. Dies hat zur Folge, dass die Gesellschaft bzw.
der vom Ausgeschiedenen nach § 128 HGB analog persönlich in Anspruch genommene
Gesellschafter den gesamten Abfindungsbetrag des Ausgeschiedenen aus seinem Pri-
vatvermögen vorfinanzieren muss, soweit das zum Ausscheidensstichtag vorhandene
Gesellschaftsvermögen nicht ausreicht, um den Abfindungsanspruch zu befriedigen.
Verschärft wird die Problematik dadurch, dass nach wohl herrschender Meinung der
Abfindungsanspruch des Ausgeschiedenen sofort mit Ausscheiden in voller Höhe fällig
wird774: Die der Höhe nach sowie zeitlich uneingeschränkte Geltendmachung des Ab-
findungsanspruchs mit dem Ausscheiden dürfte in der Praxis oftmals die eigentlich vom
Gesetzgeber mit § 736 BGB beabsichtigte Sicherung der Unternehmenskontinuität ge-
fährden775, da die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gesellschaft in diesem Zusam-
771
Str., dafür MünchKomm HGB/K. Schmidt § 131 Rn. 128; MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 17;
dagegen Büscher/Klusmann ZIP 1992, 11, 18; Hadding/Häuser WM 1988, 1585, 1590; MünchHdb
Ges I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 76.
772
MünchKomm HGB/K. Schmidt § 131 Rn. 128.
773
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 76; Ulmer ZIP 2003, 1113, 1120.
774
Sudhoff/Jäger, GmbH & Co. KG, § 31 Rn. 2. Zur Fälligkeit des Abfindungsanspruchs ausführlich
unter § 35, S. 297 ff.
775
Sudhoff/Jäger, GmbH & Co. KG, § 31 Rn. 4; Ammon DStR 1998, 1474, 1477; Gustavus GmbHR
1998, 17, 20; jeweils zu den Regelungen des § 131 HGB.
251
menhang nicht berücksichtigt wird776. Durch sofort und in voller Höhe fällig werdende
Abfindungszahlungen wird das Überleben der betroffenen Gesellschaft entgegen der
Zielsetzung des § 736 BGB in Frage gestellt, wenn die zur Erfüllung des ausscheiden-
den Gesellschafters notwendigen Mittel nicht aus dem Gesellschaftsvermögen aufge-
bracht werden können777.
Zugleich kommt es zu einer Verlagerung des Inkassorisikos auf die verbleibenden Ge-
sellschafter. Diese müssen dem Ausgeschiedenen im Zeitpunkt des Ausscheidens sein
auf Basis der noch nicht realisierten Forderungen der Gesellschaft berechnetes Abfin-
dungsguthaben notfalls aus ihrem Privatvermögen (§ 128 HGB analog) auszahlen und
anschließend darauf hoffen, diese Forderungen im weiteren Verlauf tatsächlich realisie-
ren zu können. Sie tragen damit alleine das Risiko, dass die der Anspruchsberechnung
zugrunde gelegten, aber noch nicht eingezogenen Forderungen sich später als werthaltig
erweisen bzw. dass der an den Ausgeschiedenen gezahlte Abfindungsbetrag im Rahmen
der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft später wieder erwirtschaftet werden kann. Der
Ausgeschiedene hingegen kann sich aus der Verantwortung ziehen, indem er im Au-
genblick seines Ausscheidens seinen Abfindungsanspruch in vollem Umfang einklagt
und vollstreckt. Dabei kommt ihm zusätzlich zugute, dass nach wohl herrschender Mei-
nung der Abfindungsanspruch im Zeitpunkt des Ausscheidens in voller Höhe fällig und
verzinslich wird778.
Dies ist mit dem in § 738 BGB gesetzlich geforderten wirtschaftlichen Gleichlauf von
Abwicklung und Auseinandersetzung nicht zu vereinbaren und privilegiert den Ausge-
schiedenen auf nicht gerechtfertigte Weise. Der Ausgeschiedene wird durch sein Aus-
scheiden wirtschaftlich besser gestellt als er es jemals während seiner Mitgliedschaft in
einer werbenden oder in einer Gesellschaft in Liquidation gewesen wäre. Daran ändert
sich im Grundsatz auch dann nichts, wenn Forderungen, die aller Wahrscheinlichkeit
nach nicht oder nicht vollständig realisiert werden können, mit einem Abschlag in Höhe
des geschätzten Verwertungsrisikos auf den Forderungsnennwert in der Bilanz ange-
776
Sudhoff/Jäger, GmbH & Co. KG, § 31 Rn. 4; Gustavus GmbHR 1998, 17, 20; Hüffer/Koch, Gesell-
schaftsrecht, § 10 Rn. 23.
777
Sudhoff/Jäger, GmbH & Co. KG, § 31 Rn. 4.
778
Zur Fälligkeit des Abfindungsanspruchs ausführlich unter § 35, S. 297 ff.
252
setzt werden779, da hier stets das Risiko der Fehlbewertung besteht. Sowohl in einer
werbenden als auch in einer Abwicklungsgesellschaft hätte der Ausgeschiedene die tat-
sächlich, nicht nur potentiell, anfallenden Forderungsausfälle in Höhe seiner Ver-
lustquote anteilig tragen müssen780.
Die Folge der Anspruchsberechnung auf Buchwertbasis ist ein „Wettlauf der Kündi-
genden“: Der Gesellschafter, der zuerst durch Kündigung aus der Gesellschaft aus-
scheidet, kann seinen gesamten Abfindungsanspruch gegen die Gesellschafter bzw. sei-
ne Mitgesellschafter in voller Höhe geltend machen und den verbleibenden Gesellschaf-
tern das Risiko zuweisen, ob die darin rechnerisch enthaltenen, noch nicht realisierten
Forderungen vollumfänglich von den Schuldnern der Gesellschaft eingetrieben werden
können.
779
Graf von Westphalen BB 1982, 1894, 1896.
780
Ich konnte trotz intensiver Recherche keinen Nachweis dafür ausfindig machen, dass diese These in
dieser Form bereits in Rechtsprechung oder Literatur vertreten worden ist. Daher gehe ich davon aus,
dass hierfür, soweit ersichtlich, keine zitierfähige Fundstelle existiert.
253
2. Anwendung betriebswirtschaftlicher Bewertungsmethoden
781
So z.B. MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 85; E/B/J/S/Lorz HGB § 131 Rn. 99.
782
So auch MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 25.
783
Dazu ausführlich unten § 36, S. 300 ff.
784
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 75 Rn. 40.
785
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 85.
786
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 85.
254
Sinne gelten kann787, bleibt offen, da Inhalt und Form der vereinfachten Abfindungsab-
rechnung im Vergleich zu einer herkömmlichen Abfindungsbilanz - soweit ersichtlich -
nirgendwo dargestellt werden.
Die Bewertung des Gesellschaftsvermögens ist im Übrigen nicht lediglich eine wirt-
schaftliche, sondern eine rechtliche Aufgabe, für deren Lösung im Streitfall die Gerichte
zuständig sind788. Die Bewertung darf nicht vollständig auf den Sachverständigen verla-
gert werden; das Gericht darf sich nicht von vornherein der Entscheidung über die mit
der Bewertung verbundenen Fragen mit der Begründung entziehen, es handele sich um
Tatsachenfragen789. Soweit sich aus dem Gesetz Bewertungsmaßstäbe ergeben, sind
diese als Rechtsgrundsätze zu beachten790. Nicht jedes Verfahren, das zur Bewertung
von Unternehmen entwickelt wurde, ist allein deswegen, weil es in der Betriebswirt-
schaftslehre als herrschend gilt, auch vor Gericht als Bewertungsverfahren geeignet,
vielmehr ist zu fragen, ob ein bestimmtes Verfahren rechtlichen Mindestanforderungen
genügt, um vor Gericht überhaupt akzeptabel zu sein791. Das angewendete Bewertungs-
verfahren muss zum einen auf einer ausreichenden Tatsachenbasis beruhen, um dem
Gericht nötigenfalls als Grundlage zur Schätzung des Unternehmenswerts im Sinne der
§§ 738 Abs. 2 BGB, 287 ZPO dienen zu können, zum anderen muss es in der Lage sein,
den wahren Wert, d.h. den objektiven Verkehrswert eines Unternehmens so exakt wie
möglich zu bestimmen792.
Eine Bewertung allein zum Ertragswert wird den Anforderungen der §§ 738 Abs. 2
BGB, 287 ZPO an eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage für die Schätzung
bzw. Bewertung nicht gerecht, da die Ermittlung der zukünftig erzielbaren Einnahme-
überschüsse mit vielfältigen Unsicherheiten belastet ist, die sich u.a. aus der Prognose
künftiger Entwicklungen des Unternehmens und seiner wirtschaftlichen Rahmenbedin-
787
E/B/J/Lorz § 131 Rn. 99; Neuhaus, Unternehmensbewertung, S. 147; MünchHdb GesR I/ Pieh-
ler/Schulte § 10 Rn. 85.
788
Hüttemann ZHR 162 (1998), 563 ff.; Zehner DB 1981, 2109, 2111 ff.
789
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 75 Rn. 23.
790
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 75 Rn. 23.
791
Zehner DB 1981, 2019, 2111.
792
Zehner DB 1981, 2109, 2112.
255
gungen ergeben793. Zudem müssen die Substanzwerte des Gesellschaftsvermögens in die
Unternehmensbewertung einbezogen werden794. Es ist kein Grund ersichtlich, warum es
bei der Vermögensermittlung nicht auch darauf ankommen soll, was vor dem Bewer-
tungsstichtag des Ausscheidens an Substanz von den Gesellschaftern aufgebaut worden
ist795. Bis zu seinem Ausscheiden hat der Ausgeschiedene ebenso an der Substanz der
Gesellschaft partizipiert wie die verbleibenden Gesellschafter. Es ist nicht nachvollzieh-
bar, warum sich dies mit seinem Ausscheiden ändern sollte. Der Substanzwert, d.h. die
Summe der tatsächlichen Zeit- oder Teilwerte (Wiederbeschaffungswerte) aller Vermö-
gensgegenstände, muss daher der Mindestwert für die Bewertung des Gesellschaftsver-
mögens sein796.
Im Ergebnis muss jede Methode zur Ermittlung des Wertes des Gesellschaftsvermögens
zum gleichen Ergebnis führen, ungeachtet dessen, ob nun die Substanzwerte aller mate-
riellen und immateriellen Vermögensgegenstände einschließlich des good will addiert
werden oder ob die geschätzten Ertragswerte durch die Substanzwerte des nicht be-
triebsnotwendigen Gesellschaftsvermögens erhöht werden798: Endergebnis aller Bewer-
tungsmethoden muss stets der Fortführungswert des gesamten Gesellschaftsvermögens
sein, d.h. der wirkliche Wert des lebenden Unternehmens einschließlich aller stiller Re-
793
Hülsmann ZIP 2001, 450, 452; Hosterbach DB 1987, 897, 897; Barthel DB 1990, 1145, 1145.
794
So wohl im Ergebnis auch Erman/Westermann BGB § 738 Rn. 5a.
795
Hosterbach DB 1987, 897, 902; anderer Ansicht Zehner DB 1981, 2109, 2113 ohne Begründung.
796
BGHZ 17, 130, 136 = NJW 1956, 907.
797
Reinicke/Tiedtke DB 1984, 703, 703; Erman/Westermann BGB § 738 Rn. 5a.
798
So wohl auch Schulze-Osterloh ZGR 1986, 545, 553; Erman/Westermann BGB § 738 Rn. 5a a.E.
256
serven sowie des good will, der sich im Allgemeinen aus dem Preis ergibt, der bei ei-
nem Verkauf des Unternehmens als Einheit erzielt werden könnte799.
Bedenklich erscheint zudem, dass der BGH die Frage nach der anzuwendenden Wer-
termittlungsmethode in die Entscheidungskompetenz des Tatrichters stellt800: Im Rah-
men der zivilprozessualen Dispositionsmaxime muss es grundsätzlich dem Kläger über-
lassen bleiben, wie er seinen Anspruch berechnet. Wenn es um die Ermittlung des Ab-
findungsguthabens geht, muss der Anspruchsteller die Möglichkeit haben, ein Wahl-
recht801 für die günstigste Berechnungsmethode ausüben zu können, ähnlich der Position
des Geschädigten bei der Wahl zwischen der abstrakten oder der konkreten Schadensbe-
rechnung bei Verletzung von Immaterialgüterrechten802. Dabei muss ihm sogar ein
Wechsel der Bewertungsmethode im Laufe der Auseinandersetzung möglich sein, z.B.
dann, wenn ihm nachträglich Informationen zugehen, die eine andere Bewertung erfor-
dern. Inwieweit die jeweilige Berechnungsmethode den Anteilswert tatsächlich wider-
spiegelt, mag dann einem Sachverständigenbeweis zugänglich sein.
799
BGHZ 17, 130, 136 = NJW 1955, 1025; BGH NJW 1985, 192, 193; Sudhoff/Jäger, GmbH & Co. KG,
§ 31 Rn. 3. Kritisch hierzu Sigle ZGR 1999, 659, 669.
800
BGH NJW 1993, 2101, 2103.
801
Es erscheint insgesamt praktikabler und interessengerechter, dem Ausgeschiedenen das Wahlrecht
anstelle der verbleibenden Gesellschafter einzuräumen: Der Ausgeschiedene wird mit Ausscheiden
sämtlicher Gesellschafterrechte verlustig und hat damit außer im Klagewege keine Möglichkeit mehr,
auf seine ehemaligen Mitgesellschafter einzuwirken und sie zur ordnungsgemäßen Ermittlung seiner
Ansprüche anzuhalten. Räumt man ihm das Wahlrecht ein, wie der Wert des Gesellschaftsvermögen
zu ermitteln sei, so kann er dies selbst ggf. unter Hinzuziehung eines Sachverständigen tun und ge-
richtlich einklagen, ohne auf die Mitwirkung und das Wohlwollen der verbleibenden Gesellschafter
angewiesen zu sein.
802
Hierzu ausführlich MünchKomm BGB/Oetker § 252 Rn. 53 ff.
257
§ 30 Eigene Lösung: Bewertung auf Grundlage des Ist-Standes des Gesell-
schaftsvermögens
I. Bewertungsmodalitäten
Wie bereits dargestellt, ist entgegen dem Wortlaut des § 738 BGB nicht der Liquidati-
onswert, sondern der Fortführungswert, d.h. der objektive Verkehrswert des Gesell-
schaftsvermögens maßgebend. Der zu schätzende Gesamtwert des Unternehmens muss
seinem objektiven Marktwert bei Verkauf entsprechen803. Wie dieses Ergebnis im Ein-
zelnen erzielt wird, d.h. ob eine Gesamtbewertung des Unternehmens804 oder - sofern
dies im Einzelfall praktikabler ist - eine Einzelbewertung und Addition aller Teilvermö-
genswerte805 erfolgt, ist zweitrangig. Entscheidend ist lediglich, dass bei der Ermittlung
des Werts des Gesellschaftsvermögens bestimmte Kriterien beachtet werden, die sich
aus der gesetzlichen Regelung, ihrer Zielsetzung sowie der wechselseitigen Interessens-
lage des Ausgeschiedenen und der Gesellschaft bzw. den verbleibenden Gesellschaftern
ergeben. Auf diese soll im Folgenden genauer eingegangen werden.
Bei der Bemessung des Werts des Gesellschaftsvermögens ist zu berücksichtigen, dass
der Gesetzeswortlaut des § 738 Abs. 2 BGB eine Schätzung des Wertes des Gesell-
schaftsvermögens generell nur erlaubt, soweit dies erforderlich ist. Da beim Ausschei-
den der Wert des Gesellschaftsvermögens mangels tatsächlicher Versilberung stets im
Rahmen einer Abrechnung auf dem Papier auf der Grundlage von rechnerisch oder
schätzungsweise ermittelten Werten bemessen werden muss806, hat die Einschränkung
„soweit erforderlich“ in § 738 Abs. 2 BGB nur dann einen eigenständigen Anwen-
dungsbereich, wenn man ihr das Postulat entnimmt, den Wert des Gesellschaftsvermö-
gens so weit wie möglich auf der Grundlage von objektiv nachprüfbaren, ggf. nachträg-
803
Statt vieler MünchKomm HGB/K. Schmidt § 131 Rn. 142.
804
So die herrschende Meinung, statt vieler MünchKomm HGB/K. Schmidt § 131 Rn. 141.
805
MünchKomm HGB/K. Schmidt § 131 Rn. 134 bezeichnet dies als „traditionelle Methode“.
806
Davon zeugt bereits der im Konditional gehaltene Wortlaut des § 738 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 BGB („was
er [...] erhalten würde, wenn [...] aufgelöst worden wäre“).
258
lich eingetretenen Tatsachen zu ermitteln und nur insoweit eine Schätzung vorzuneh-
men, als eine tatsächliche Wertbemessung nicht möglich ist. Das bedeutet, dass aus dem
zu bewertenden Gesellschaftsvermögen alle Gegenstände, die einen festgelegten oder
eindeutig feststellbaren Wert haben oder aufgrund gesetzlicher Vorschriften einer sepa-
raten Berechnung zuzuführen sind, aus dem Bestand des einer Schätzung nach § 738
Abs. 2 BGB zugrunde zu legenden Gesellschaftsvermögens ausgeklammert werden
müssen. Dies wird insbesondere relevant für die Ergebnisse aus schwebenden Geschäf-
ten im Sinne des § 740 BGB807.
807
Hierauf wird noch ausführlich einzugehen sein, siehe unten § 32, S. 284 ff.
808
Dies gilt zumindest dann, wenn man der hier vertretenen Ansicht folgt, dass das verteilbare Gesell-
schaftsvermögen nur das sein kann, was tatsächlich im Rahmen der Versilberung als Erlös erzielt
werden konnte und geschätzte Veräußerungs- oder Buchwerte insoweit außer Betracht bleiben müs-
sen. Siehe dazu ausführlich oben unter § 11, S. 71 ff.
809
Göllert/Ringling DB 1999, 516, 516.
810
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 738 Rn. 13.
259
Die Lösung für die bereits angesprochenen Probleme bei der Einbeziehung noch nicht
realisierter Forderungen in den Abfindungsanspruch liegt daher darin, die Berechnung
des Abfindungsguthabens des Ausgeschiedenen ausschließlich auf Grundlage des zum
Ausscheidensstichtag vorhandenen Ist-Stands des Gesellschaftsvermögens vorzuneh-
men811. Der Ist-Stand des Gesellschaftsvermögens umfasst nach dem Vorbild der Ein-
nahmen-Überschuss-Rechnung nur solche Gegenstände, die zum jeweiligen Zeitpunkt
tatsächlich als Sach- oder immaterielle Werte tatsächlich im Gesellschaftsvermögen
vorhanden sind. Diese sind mit ihrem objektiven Verkehrswert in der Anspruchsberech-
nung anzusetzen. Die geschätzten Erlöse aus noch nicht eingezogenen Forderungen812
dürfen hingegen als Soll-Vermögen nicht in das Aktivvermögen der Gesellschaft einbe-
zogen werden, sondern werden, sofern ihr Rechtsgrund zu einem Zeitpunkt vor dem
Ausscheiden gelegt worden ist, erst berücksichtigt, wenn und soweit sie tatsächlich rea-
lisiert worden sind. Der Wert des Gesellschaftsvermögens, der dem Abfindungsan-
spruch des Ausgeschiedenen zugrunde gelegt werden kann, ergibt sich damit aus einer
Zusammenschau der objektiven Verkehrswerte sämtlicher materiellen und immateriel-
len Vermögensgegenstände einschließlich des good will, die im Augenblick des Aus-
scheidens tatsächlich vorhanden sind, abzüglich der Schulden der Gesellschaft. Im
Rahmen der Bemessung des good will sind die zukünftigen Ertragsaussichten der Ge-
sellschaft zu berücksichtigen, die sich zum Ausscheidensstichtag bereits abzeichnen.
Auf diese Weise können alle mit der Aktivierung und Bewertung von Forderungen ver-
bundenen Streitfragen umgangen werden. Nachträgliche Korrekturen einer einmal getä-
tigten Bewertung entfallen ebenso wie Hin- und Herzahlungen zwischen dem Ausge-
schiedenen und der Gesellschaft zur Rückerstattung zu viel erhaltener Beträge. Das Ri-
siko der Uneinbringlichkeit der Forderung wird gleichmäßig auf alle Gesellschafter ein-
811
Ich konnte trotz intensiver Recherche keinen Nachweis dafür ausfindig machen, dass diese Möglich-
keit und die daraus folgenden Vorteile und Konsequenzen, die sogleich dargestellt werden, in dieser
Form bereits in Rechtsprechung oder Literatur vertreten worden sind. Daher gehe ich davon aus, dass
hierfür, soweit ersichtlich, keine zitierfähige Fundstelle existiert.
812
Mit dem Begriff „noch nicht realisierte Forderungen“ sind nicht die zukünftigen Erlöse aus schwe-
benden Geschäften gemeint; letztere sind bereits nach § 740 BGB gesondert abzurechnen. Der maß-
gebliche Unterschied zwischen den Erlösen aus schwebenden Geschäften und solchen aus noch nicht
eingezogenen Forderungen liegt in der Vollständigkeit der Leistungserbringung durch die Gesell-
schaft. Ein schwebendes Geschäft ist dadurch gekennzeichnet, dass die Gesellschaft ihre Leistung
noch nicht oder noch nicht vollständig erbracht hat (siehe dazu ausführlich unten § 32 II., S. 285 ff.).
Eine noch nicht realisierte Forderung im hier angesprochenen Sinne liegt hingegen vor, wenn die Ge-
sellschaft ihre Leistung vollständig erbracht hat und ein entsprechender Anspruch auf Gegenleistung
entstanden ist, der in einer Bilanz zu aktivieren wäre.
260
schließlich des Ausgeschiedenen verteilt. Zwar hat die Ausklammerung der noch nicht
realisierten Forderungen aus dem verteilungsfähigen Gesellschaftsvermögen den Nach-
teil, dass sich die Einziehung der Forderungen und die Auszahlung der anteiligen Erlöse
an den Ausgeschiedenen über Jahre nach dem Ausscheidensstichtag hinziehen kann.
Dies ist aber vom Gesetzgeber so gewollt, wie schon die Regelung über die schweben-
den Geschäfte (§ 740 BGB) zeigt. Es bleibt den Gesellschaftern im Übrigen jederzeit
unbenommen, sich einvernehmlich auf eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Abgel-
tung der noch nicht eingezogenen Forderungen zu einigen, wenn ihnen das gesetzlich
vorgesehene Verfahren zu lange dauert. Kommt es aber nicht zu einer Einigung oder ist
diese unwirksam, so gilt die gesetzliche Regelung.
Fraglich ist die Behandlung von Gegenständen, die der Gesellschaft von anderen Ge-
sellschaftern als dem Ausgeschiedenen zur Benutzung (Einlage quoad usum) oder dem
Wert nach (Einlage quoad sortem) überlassen wurden. Bei der Einlage quoad usum
stellt sich die Frage, ob die eingebrachten Gegenstände Bestandteil des zu Gunsten des
Ausgeschiedenen bewertbaren Gesellschaftsvermögens sein können. Der Ausgeschie-
dene - aber auch nur dieser - kann nach § 738 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB Rückgabe der
von ihm überlassenen Gegenstände verlangen. Einlagen, die von einem in der Gesell-
schaft verbleibenden Gesellschafter zur Benutzung (quoad usum) eingebracht wurden,
verbleiben hingegen bei der Gesellschaft und mit ihnen bleibt daher auch das an ihnen
bestehende Nutzungsrecht grds. Teil des Gesellschaftsvermögens. Da der Ausgeschie-
261
dene aufgrund der Verweisung in § 738 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 BGB auf das Verfahren bei
Auflösung der Gesellschaft wirtschaftlich genauso zu stellen ist, wie wenn die Gesell-
schaft im Zeitpunkt seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre, darf er wirtschaftlich
an diesen Gegenständen nicht beteiligt werden: Im Fall der Auflösung wären alle Ge-
genstände, die der Gesellschaft von den Gesellschaftern lediglich zur Benutzung über-
lassenen worden sind, nach § 732 BGB an die jeweiligen Eigentümer zurückzugeben
gewesen und daher nicht Bestandteil der Liquidationsmasse geworden. Diese Vorgabe
des Gesetzes ist beim Ausscheiden fiktiv, d.h. rechnerisch zu verwirklichen, indem die
Einlagen quoad usum, die von den in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschaftern
eingebracht worden sind, weder mit ihrem Sach- noch mit ihrem Nutzungswert in das
Gesellschaftsvermögen einbezogen werden, auf dessen Grundlage der Abfindungsan-
spruch des Ausgeschiedenen berechnet wird. Der Ausgeschiedene darf am Wert dieser
Gegenstände wirtschaftlich nicht beteiligt werden813.
Handelt es sich hingegen um eine Einlage quoad sortem, so ist für die Einbeziehung in
den Abfindungsanspruch des Ausgeschiedenen zu differenzieren: Ist die Einlage quoad
sortem von dem Ausgeschiedenen selbst eingebracht worden, so kann er sie nach § 732
BGB heraus verlangen, ihr Wert ist ihm jedoch auf seinen Abfindungsanspruch anzu-
rechnen814. Wurde sie hingegen von einem in der Gesellschaft verbleibenden Gesell-
schafter eingebracht, so bleibt ihr Wert auch noch nach dem Ausscheidensstichtag Be-
standteil des Gesellschaftsvermögens und ist daher auch dem Ausgeschiedenen anteilig
zuzuschreiben. Sie ist dabei nicht in Form einer Forderung, d.h. als Anspruch auf Be-
reitstellung des Gegenstands und Wertausgleich bei Ausscheiden in der Bilanz auszu-
weisen815, sondern der Wert des quoad sortem eingebrachten Gegenstands selbst ist zu
aktivieren816.
813
Ich konnte trotz intensiver Recherche keinen Nachweis dafür ausfindig machen, dass diese These in
dieser Form bereits in Rechtsprechung oder Literatur vertreten worden ist. Daher gehe ich davon aus,
dass hierfür, soweit ersichtlich, keine zitierfähige Fundstelle existiert.
814
Ulrich NJW 1974, 1486, 1489; Reinhardt DStR 1991, 588, 589.
815
Huber, Vermögensanteil, S. 196, 197; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 71.
816
Ganz herrschende Meinung in der Literatur (bislang offengelassen von der Rechtsprechung): Sudhoff
NJW 1978, 1401, 1402; Ulrich NJW 1974, 1486, 1489; Reinhardt DStR 1991, 588, 589.
262
2. Berücksichtigung auch nicht betriebsnotwendiger Vermögensgegenstände
Die gewählte Bewertungsmethode muss den wahren Wert des gesamten Gesellschafts-
vermögens so genau wie möglich treffen und dabei sowohl die Substanzwerte als auch
die zukünftigen Ertragswerte der Gesellschaft gleichermaßen berücksichtigen817. Daher
sind in die Berechnung des Abfindungsanspruchs alle Vermögensgegenstände der Ge-
sellschaft einzubeziehen, und zwar nicht nur das betriebsnotwendige Gesellschaftsver-
mögen, mit dem der Ertrag erwirtschaftet wird und das als rechnerische Grundlage für
die künftige Ertragswertberechnung dient818, sondern auch das betriebsneutrale Vermö-
gen819.
Dasselbe muss wegen des Verweises des § 738 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 BGB auch für die
Berechnung des Abfindungsanspruchs gelten. Es ist nicht einzusehen, warum der Aus-
geschiedene z.B. an dem Wert eines für die Büroräume der Gesellschaft angeschafften
Kunstwerks wirtschaftlich nicht partizipieren sollte, obwohl auch er dessen Anschaf-
fung mit Gesellschaftsmitteln wirtschaftlich mitgetragen hat. Der Kaufpreis für das
817
Barthel DB 1990, 1145, 1148.
818
Csik DB 1985, 1901 ff., Hosterbach DB 1987, 897 ff.
819
Ebenso wohl Erman/Westermann BGB § 738 Rn. 5a.
820
Dazu Hüttemann ZHR 162 (1998), 563, 568; Hülsmann ZIP 2001, 450, 451.
263
Kunstwerk hat, sofern er aus Gesellschaftsmitteln bezahlt wurde, letztlich zu einer Min-
derung des an alle Gesellschafter und damit auch an den Ausgeschiedenen ausschüt-
tungsfähigen Gewinnes der Gesellschaft geführt. Es ist auch nicht einsichtig, warum
nicht betriebsnotwendige Gegenstände lediglich mit ihrem Liquidationswert angesetzt
werden sollten. Statt dessen sind auch sie mit ihrem objektiven Verkehrswert anzuset-
zen. Die verbleibenden Gesellschafter hätten es andernfalls in der Hand, durch rechtzei-
tige Umwidmung von betriebsnotwendigem zu nicht betriebsnotwendigem Gesell-
schaftsvermögen den Abfindungsanspruch des Ausgeschiedenen zu manipulieren.
Zum Gesellschaftsvermögen gehört auch der immaterielle Geschäftswert, der durch den
Ansatz eines zusätzlichen Geschäftswertpostens berücksichtigt werden kann. Ob ein
solcher Geschäftswert vorhanden ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzel-
falls821. Da z.B. bei freiberuflichen Praxen der Geschäftserfolg in höherem Maß als bei
gewerblichen Unternehmen von der Person des Inhabers abhängt, kann im Einzelfall ein
transferierbarer Geschäftswert überhaupt fehlen822.
Für die Bewertung des good will existieren zahlreiche Verfahren, die im Folgenden
nicht weiter erörtert werden können823. Welches dieser Verfahren im Einzelfall zur An-
wendung kommt und welche Besonderheiten dabei zu beachten sind, z.B. der Abzug
eines Unternehmerlohns, richtet sich u.a. nach der jeweiligen Branche des Unterneh-
mens824. Entscheidend ist jedoch, dass bei der Bewertung des good will auch die zukünf-
tigen Ertragsaussichten des Unternehmens zu berücksichtigen sind. Nur so kann ein
angemessener Ausgleich dafür geschaffen werden, dass der Ausgeschiedene ein leben-
des Unternehmen verlässt. Die Prognose der Zukunftsaussichten erfolgt dabei so weit
821
Nach BGH MDR 1960, 387 f. soll ein good will z.B. nicht vorhanden sein, wenn der Inhaber einer
Rechtsanwaltskanzlei aus ihr nur Einnahmen in Höhe des üblichen Unternehmerlohns erzielt.
822
MünchKomm BGB/Koch § 1376 Rn. 23 - so z.B. im Fall einer erst seit kurzem bestehenden Anwalts-
kanzlei mit geringem Jahresumsatz und weithin personengebundener Klientel (OLG Celle AnwBl
1977, 216 ff.) oder im Fall eines Architekturbüros, bei dem der unternehmerische Erfolg allein vom
individuellen Können des Inhabers abhängt (OLG München FamRZ 1984, 1096 ff.).
823
Beispielhaft genannt sei das sog. Umsatzwertverfahren. Dabei wird der good will mithilfe eines bran-
chentypischen Multiplikators als ein Vielfaches vom nachhaltigen Bruttojahresumsatz des Unterneh-
mens ermittelt. Hierzu Englert BB 1997, 142 ff.
824
Hierzu ausführlich Barthel DB 1990, 1145 ff.
264
wie möglich aufgrund einer objektiv nachprüfbaren Tatsachengrundlage (§§ 738 Abs. 2
BGB, 287 ZPO). Das bedeutet zum Einen, dass bei der Ertragsprognose von bereinigten
Vergangenheitsergebnissen auszugehen ist825, die aus Sicht des Bewertungsstichtags,
d.h. des Ausscheidenstags, zu prognostizieren und in die Zukunft bewertend fortzu-
schreiben sind826. Nach dem Stichtag eintretende Entwicklungen dürfen nur berücksich-
tigt werden, sofern sie in ihren Ursprüngen bereits am Stichtag angelegt und wirtschaft-
lich fassbar waren (sog. Wurzeltheorie)827. Andererseits muss bei einem Ansatz des Un-
ternehmenswertes wie auch anderer nicht bilanzierungsfähiger immaterieller Werte stets
berücksichtigt werden, inwieweit der betreffende Wert dem Ausgeschiedenen zuzu-
rechnen ist828. Der Ansatz eines Ertragswertes kann nicht losgelöst von der Frage erfol-
gen, wer für den Ertrag verantwortlich war.
Selbstverständlich kommt eine Berücksichtigung des good will nur in Betracht, wenn
und soweit der Gesellschaft nach dem Ausscheiden des Abfindungsberechtigten tatsäch-
lich ein Unternehmenswert verbleibt, der auch ohne die Mitwirkung des Ausgeschiede-
nen umgesetzt werden kann829 und der nicht durch anderweitige Maßnahmen wie z.B.
durch die Mitnahme von Mandaten830 durch einen ausgeschiedenen Freiberufler abge-
golten wird831. Ist ein good will gegenwärtig vorhanden und selbständig veräußerbar, so
ist er originär zu bewerten832.
825
Hülsmann ZIP 2001, 450, 452; für die Vergangenheitsbezogenheit im Ergebnis auch Zehner DB
1981, 2109, 2109.
826
Zu den hiermit verbundenen Schwierigkeiten Hülsmann ZIP 2001, 450, 452.
827
BGH NJW 1973, 509, 511; OLG Celle AG 1999, 128, 129.
828
So wohl auch OLG Celle NJOZ 2007, 3455, 3455: „ [...] angemessene Kompensation der Ausschei-
denden für den von ihnen mit erarbeiteten und den Wert ihrer Beteiligungen prägenden immateriellen
Wert der Partnerschaft“.
829
Saarländisches OLG DStRE 2010, 1282, 1283 f.
830
Zu Problemen der Mandatsmitnahme ausführlich Wolff NJW 2009, 1302, 1303 ff.; Westermann An-
wBl 2007, 103, 106 ff.
831
Römermann NJW 2007, 2209, 2209. Hierzu BGH NJW 2000, 2584 f. (Abfindung für good will einer
Kanzlei bei Mandantenschutzklausel - wegen der eingeschränkten Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit
solcher Klauseln höchst problematisch); ebenso BGH NJW 1994, 796 f. für die Aufteilung einer ärzt-
lichen Gemeinschaftspraxis.
832
Barthel DB 1990, 1145, 1149. Zur Bewertung des good will von Freiberuflersozietäten eingehend
Bunk, Vermögenszuordnung, S. 30 ff.; Freund ZIP 2009, 941, 944.
265
III. Rechnerische Umsetzung
Abschließend bleibt die Frage zu beantworten, wie die soeben gefundenen Ergebnisse
rechnerisch umgesetzt werden können. Wie auch bei Auflösung der Gesellschaft besteht
der Abfindungsanspruch nur unter Berücksichtigung der Verbindlichkeiten der Gesell-
schaft (§ 739 BGB). Daher sind die Vermögenswerte der Gesellschaft rechnerisch mit
den Verbindlichkeiten der Gesellschaft ins Verhältnis zu setzen, um daraus das letztlich
für die Verteilung an den Ausgeschiedenen zur Verfügung stehende Gesellschaftsver-
mögen ermitteln zu können.
833
Vgl. nur Schulze-Osterloh ZGR 1986, 545, 550 ff.; E/B/J/S/Lorz HGB § 131 Rn. 102.
834
MünchKomm HGB/K. Schmidt § 131 Rn. 135.
266
will, ungeachtet dessen, ob es sich um betriebsnotwendiges oder nicht betriebsnotwen-
diges Gesellschaftsvermögen handelt. Alle Vermögensgegenstände sind jeweils mit
ihrem objektiven Verkehrswert in der Bilanz anzusetzen, Bilanzierungsverbote gelten
nicht. Die hier vertretene Vermögensverteilung auf Basis des Ist-Vermögens der Gesell-
schaft erfordert allerdings eine Herausrechnung der noch nicht realisierten Forderungen
aus dem Gesellschaftsvermögen bis zum Zeitpunkt ihrer Realisierung. Fraglich ist, wie
dies rechnerisch umgesetzt werden kann.
Denkbar wäre es, diese Forderungen vollständig aus der Abrechnung herauszuhalten
und die realisierten Erlöse erst dann in die Abrechnung einzubuchen, wenn und soweit
sie in die Gesellschaftskasse eingegangen sind. Da der Ausgeschiedene jedoch mit dem
Zeitpunkt seines Ausscheidens alle Rechte und Pflichten eines Gesellschafters, insbe-
sondere seine gesellschaftlichen Kontrollrechte nach § 716 BGB verliert835, kann er sich
nach seinem Ausscheiden nicht mehr wie ein Gesellschafter einer werbenden Gesell-
schaft oder einer Liquidationsgesellschaft über die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft,
insbesondere über den Stand der Forderungseinziehung, unterrichten. Statt dessen ist er
auf eine korrekte Information durch seine ehemaligen Mitgesellschafter angewiesen, die
er mit Hilfe eines entsprechenden Auskunftsanspruchs nach § 810 BGB836 bzw. abgelei-
tet aus §§ 242, 259, 260 BGB bzw. §§ 716, 721, 740 Abs. 2 BGB837 einfordern muss.
835
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 738 Rn. 4; MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 6.
836
MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 6.
837
BGH NJW 1959, 1963, 1963 f.; Stötter BB 1974, 676, 677; Stötter BB 1977, 1219, 1220.
838
Der Ansatz eines Merkpostens in Höhe von Null wäre hingegen für die Ausscheidenskonstellation
nicht zielführend. Wie bereits ausgeführt, hat der Liquidationsgesellschafter anders als der Ausge-
schiedene zu jeder Zeit die Möglichkeit, sich über den Stand der Vermögensversilberung zu informie-
ren. Der Ausgeschiedene hingegen muss wissen, welcher Maximalbetrag an noch ausstehenden For-
derungen im Zeitpunkt des Ausscheidens zum Gesellschaftsvermögen gehört, um seinen zukünftigen
Anteil daran abschätzen zu können.
267
rechnerisch wieder neutralisiert werden. Es ist daher eine Ausgleichsbuchung auf der
Passivseite der Abfindungsbilanz in gleicher Höhe erforderlich: Jede Forderung enthält
neben der Aussicht auf einen Zahlungseingang in Höhe ihres Nennwerts zugleich das
Risiko, bis zur Höhe ihres Nennwerts nicht verwirklicht werden zu können. Ein solches
Einbringungsrisiko kann in der Abfindungsrechnung in Form einer rückstellungsähnli-
chen Ausgleichsbuchung passiviert werden, d.h. es wird sowohl die Forderung selbst als
auch das ihr innewohnende Realisierungsrisiko angesetzt839. Auf diese Weise heben sich
Aktiv- und Passivseite rechnerisch auf, so dass die noch nicht realisierte Forderung im
Ergebnis nicht an der Verteilung des Aktivvermögens teilnimmt. Der numerus clausus
der Rückstellungen für die Handelsbilanz in § 249 HGB840 steht dem nicht entgegen, da
die handelsrechtlichen Bilanzierungsverbote für die Abfindungsbilanz als Vermögensbi-
lanz keine Anwendung finden841.
Auf der Passivseite der Abfindungsbilanz erscheinen nach dem Vorbild der Auseinan-
dersetzung nach Auflösung der Gesellschaft zum Einen die tatsächlich bestehenden
Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber Nichtgesellschaftern, zum Anderen die
nach dem Rechtsgedanken des § 738 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3, 733 Abs. 1 Satz 2 BGB zu
bildenden Rückstellungen für noch nicht fällige oder streitige Verbindlichkeiten gegen-
über Nichtgesellschaftern.
Sie sind - analog zur Auflösungskonstellation - jeweils mit ihrem Nennwert ohne Abzü-
ge nach dem bilanziellen Vorsichtsprinzip anzusetzen. Drittgläubigerverbindlichkeiten
gegenüber Gesellschaftern sind hingegen - wie schon für die Auseinandersetzung nach
Auflösung ausführlich dargelegt - ausschließlich auf den Gesellschafterkonten des An-
spruchsinhabers zu buchen und mit seinen übrigen Forderungen und Verbindlichkeiten
zu verrechnen. Vom Saldo der so erstellten Abfindungsrechnung (Differenz zwischen
den Vermögenswerten der Gesellschaft und deren Verbindlichkeiten) bzw. vom Betrag
des aus der Abfindungsrechnung ersichtlichen Bilanzkapitals sind nun die Salden der
839
Ich konnte trotz intensiver Recherche keinen Nachweis dafür ausfindig machen, dass diese These in
dieser Form bereits in Rechtsprechung oder Literatur vertreten worden ist. Daher gehe ich davon aus,
dass hierfür, soweit ersichtlich, keine zitierfähige Fundstelle existiert.
840
Hierzu ausführlich Baumbach/Hopt/Merkt HGB § 249 Rn. 1 ff.
841
Baumbach/Hopt/Merkt HGB § 252 Rn. 4.
268
einheitlichen Gesellschafterkonten aller in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschaf-
ter sowie des Ausgeschiedenen in Abzug zu bringen. Das verbleibende Restvermögen
ist dem Ausgeschiedenen gemäß seiner Gewinn- bzw. Verlustquote anteilig zuzuschla-
gen und mit dem Saldo seines Gesellschafterkontos zu verrechnen. Insoweit ergeben
sich keine Unterschiede zur Vorgehensweise bei Auflösung.
4. Beispiel
Fall 16: Im Zeitpunkt des Ausscheidens von Gesellschafter A (Gewinn- und Ver-
lustquote 50%) aus der vormals aus A, B und C bestehenden Gesellschaft
bürgerlichen Rechts verfügt die Gesellschaft über ein Anlagevermögen von
40.000 (materielles und immaterielles Vermögen) sowie über einen ausste-
henden Forderungsbestand in Höhe von 80.000 (Nennwert der noch nicht
eingezogenen Forderungen). Die Verbindlichkeiten betragen im Zeitpunkt
des Ausscheidens 30.000, Rückstellungen sind nicht zu bilden. Der Gesell-
schafterkontensaldo des Ausgeschiedenen A weist im Ausscheidenszeit-
punkt einen Saldo von 50.000 auf, verrechnet mit den Gesellschafterkon-
tensalden der übrigen Gesellschafter B und C ergibt sich eine Gesamtsum-
me aller Gesellschafterkontensalden von 60.000. Wie hoch ist der Abfin-
dungsanspruch des A, wenn die noch nicht eingezogenen Forderungen in
der Abfindungsberechnung ohne Ausgleichsbuchung aktiviert werden (Va-
rianten a) bzw. wenn eine Ausgleichsbuchung nach der hier vertretenen
Vorgehensweise erfolgt (Variante b)?
Aktiviert man die noch nicht eingezogenen Forderungen, so stellt sich die Abfindungs-
bilanz wie folgt dar842:
842
Der Übersichtlichkeit halber wird das in § 266 HGB vorgegebene Schema für die Gliederung der
Bilanz stark verkürzt dargestellt.
269
AKTIVA PASSIVA
Anlagevermögen 40.000 Kapital 90.000
Verbindlichkeiten 30.000
Forderungen 80.000
Summe 120.000 Summe 120.000
Bei einer vollständigen Aktivierung der ausstehenden Forderungen ergibt sich ein bi-
lanzielles Kapital von 90.000. Das bilanzielle Kapital entspricht dem Gesellschaftsver-
mögen, das nach Abzug aller Verbindlichkeiten gegenüber Dritten ausschließlich zur
Verteilung an die Gesellschafter zu verwenden ist und der Anspruchsberechnung des
Ausgeschiedenen zu Grunde gelegt wird. Darin enthalten sind Unsicherheiten in Höhe
von 80.000, da unklar ist, ob die ausstehenden Forderungen tatsächlich in Höhe ihres
Nennwertes eingezogen werden können.
Von diesem Kapital sind nun nach der beschriebenen Vorgehensweise die Gesellschaf-
terkontensalden aller Gesellschafter einschließlich des A in Abzug zu bringen:
Die entstehende Differenz von 30.000 entspricht dem Restvermögen, das nach Abzug
aller Verbindlichkeiten im Innen- und Außenverhältnis verbleibt. Daran kann A einen
seiner Gewinnquote entsprechenden Anteil geltend machen (§ 738 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3
BGB iVm § 734 BGB), der sich mit seinem Gesellschafterkontensaldo zu seinem Ab-
findungsguthaben verrechnet:
270
Abfindungsanspruch A:
Bucht man hingegen in die Bilanz nach der hier vertretenen Vorgehensweise einen
Ausgleichsposten in Höhe des Nennwerts der aktivierten Forderungen ein, so ergibt sich
folgendes Abrechnungsbild:
271
AKTIVA PASSIVA
Anlagevermögen 40.000 Kapital 10.000
Forderungen 80.000 Forderungsausfall843 80.000
Verbindlichkeiten 30.000
Summe 120.000 Summe 120.000
Neutralisiert man die noch nicht eingezogenen Forderungen durch eine Ausgleichsbu-
chung in Höhe des Forderungsnennwerts auf der Passivseite der Bilanz, so hebt sich die
Aktivierung der Forderungen rechnerisch wieder auf. Das bilanzielle Kapital, d.h. der
Wert des Gesellschaftsvermögens, das der Berechnung des Abfindungsanspruchs des
Ausgeschiedenen zugrunde gelegt wird, vermindert sich um den Nennwert der ausste-
henden Forderungen. Damit nimmt der Betrag der noch nicht eingezogenen Forderun-
gen nicht an der Anspruchsberechnung zugunsten des Ausgeschiedenen teil, das Inkas-
sorisiko in Bezug auf diese Forderungen wird gleichmäßig auf alle Gesellschafter ein-
schließlich den Ausgeschiedenen verteilt.
Auf der Grundlage dieses verminderten Kapitals von 10.000 berechnet sich der Abfin-
dungsanspruch des A wie folgt:
843
Im Grundsatz ist die Ausgleichsbuchung „Forderungsausfall“ nichts anderes als eine bilanzielle Rück-
stellung für den Fall, dass aus den aktivierten Forderungen keinerlei Erlöse mehr erzielt werden kön-
nen, d.h. ein Forderungsausfall von 100% eintritt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit soll aber diese
Ausgleichsbuchung im Folgenden nicht als „Rückstellung“ bezeichnet oder mit dem Bilanzposten
„Rückstellungen“ zusammengefasst werden, sondern wird als gesonderter Bilanzposten „Forderungs-
ausfall“ erfasst, um eine Abgrenzung zum Zurückbehalt für noch nicht fällige oder streitige Verbind-
lichkeiten im Sinne von § 738 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 BGB iVm § 733 Abs. 1 Satz 2 BGB zu ermögli-
chen.
272
Kapital laut Abfindungsbilanz 10.000
./. Saldo Gesellschafterforderungen A, B, C 60.000
Differenz -50.000
Das negative Restvermögen (d.h. der Fehlbetrag im Sinne des § 739 BGB) von -50.000
ist von A nach Maßgabe seiner Verlustquote von 50% zu tragen. Verrechnet mit dem
Gesellschafterkontensaldo des A ergibt sich daraus folgender Abfindungsbetrag:
Abfindungsanspruch A:
B und C können den (vorläufigen) Abfindungsbetrag des A von 25.000 aus dem beste-
henden Anlagevermögen der Gesellschaft von 40.000 finanzieren und sind nicht ge-
zwungen, diesen aus ihrem Privatvermögen vorzufinanzieren844.
Dem A ist die vorläufige Minderung seines Abfindungsanspruchs aufgrund der vorge-
nommenen Ausgleichsbuchung auch zuzumuten, da er in Bezug auf das Inkassorisiko
dieser Forderungen nicht anders behandelt wird als zu Zeiten seiner Mitgliedschaft in
der Gesellschaft oder im Falle einer Liquidation der Gesellschaft (§ 738 Abs. 1 Satz 2
Alt. 3 BGB): In diesem Falle hätte er an dem Ergebnis noch nicht eingezogener Forde-
844
Zwar kann es auch nach der hier vertretenen Vorgehensweise im Einzelfall je nach Sachverhaltskon-
stellation dazu kommen, dass der berechnete Abfindungsanspruch das zum Ausscheidensstichtag vor-
handene Gesellschaftsvermögen übersteigt bzw. der zur Befriedigung erforderliche Betrag nur durch
Veräußerung von Teilen des Gesellschaftsvermögens liquide gemacht werden kann. Jedoch hat die
Ausklammerung derjenigen Vermögensgegenstände, die zum Ausscheidenszeitpunkt noch nicht tat-
sächlich im Gesellschaftsvermögen vorhanden sind, für die in der Gesellschaft verbleibenden Gesell-
schafter in jedem Fall eine z.T. gewaltige Reduktion der Zahlungslast zum Ausscheidenszeitpunkt zur
Folge. Die Problematik der Vorfinanzierung wird dadurch zumindest entschärft.
273
rungen ebenfalls nicht wirtschaftlich partizipieren dürfen. Sobald diese Forderungen
jedoch eingezogen worden sind, ist A selbstverständlich an den daraus generierten Erlö-
sen wirtschaftlich zu beteiligen. Wie dies bilanziell umzusetzen sein wird, wird noch zu
erläutern sein845.
Im Unterschied zu den noch nicht eingezogenen Forderungen ist der Ist-Bestand des
Gesellschaftsvermögens bereits im Ausscheidenszeitpunkt tatsächlich vorhanden und
kann notfalls versilbert werden, um den Abfindungsanspruch des Ausgeschiedenen zu
befriedigen. Die verbliebenen Gesellschafter können daher die Vorfinanzierung bzw.
die persönliche Haftung für den Abfindungsanspruch des Ausgeschiedenen aus ihrem
Privatvermögen nach § 128 HGB analog dadurch umgehen, dass sie den Ist-Bestand des
Gesellschaftsvermögens verwerten. Jedenfalls können sie sich nicht darauf berufen,
dass der zur Befriedigung des Ausgeschiedenen erforderliche Betrag zum Ausschei-
densstichtag nicht tatsächlich im Gesellschaftsvermögen vorhanden sei.
845
Siehe dazu sogleich unter § 31 I., S. 279 ff.
274
dungsanspruch auszuzahlen, ist es den verbleibenden Gesellschaftern zuzumuten, das
Gesellschaftsvermögen zum Zweck der Befriedigung des Abfindungsanspruchs in Geld
umzusetzen.
Der hier vertretenen Ansicht, den Abfindungsanspruch des Ausgeschiedenen stets nur
auf Grundlage des zum Ausscheidenszeitpunkt tatsächlich vorhandenen Gesellschafts-
vermögens zu berechnen, kann auf den ersten Blick entgegen gehalten werden, dass sie
die ohnehin schwache Rechtsposition des Ausgeschiedenen im Hinblick auf die Siche-
rung seines Abfindungsanspruchs noch weiter verschlechtert, da sie ihn auch in Bezug
auf die Anteile an Forderungserlösen, die ihm aus nach seinem Ausscheiden eingezoge-
nen Forderungen rechnerisch zustehen, auf die Nachtragsabrechnung und schlimmsten-
falls auf die gerichtliche Geltendmachung seiner Auskunfts- und Einsichtsrechte ver-
weist.
Tatsächlich zeigt sich hier eine gewisse systemisch bedingte Ungleichbehandlung des
Ausgeschiedenen im Vergleich zum Liquidationsgesellschafter. Die Auflösung einer
Gesellschaft hat auf die Mitwirkungs- und Einwirkungsrechte des einzelnen Gesell-
schafters keinen Einfluss. Da gemäß § 730 Abs. 2 Satz 2, 2. Hs. BGB mit Auflösung
etwaige Einzelvertretungsbefugnisse erlöschen und die Geschäftsführung wieder allen
Geschäftsführern gemeinschaftlich zusteht, kann der einzelne Liquidator auf die Ver-
wendung der Gesellschaftsmittel Einfluss nehmen und dafür sorgen, dass die ihm zuste-
henden Ansprüche ordnungsgemäß erfüllt werden (§ 733 BGB). Im Gegensatz dazu
verliert der Ausgeschiedene im Augenblick seines Ausscheidens seine Gesellschafter-
stellung mit allen damit verbundenen Mitwirkungs- und Kontrollrechten. Er kann damit
auf die Verwendung der Gesellschaftsmittel nach seinem Ausscheiden keinen aktiven
Einfluss mehr nehmen. Im Gegenzug erhält er einen lediglich schuldrechtlichen Abfin-
dungsanspruch, den er ggf. erst nach langwierigem Prozessieren gegen die verbleiben-
den Gesellschafter durchsetzen kann. Er wäre damit eigentlich noch mehr als ein Liqui-
dationsgesellschafter auf eine Möglichkeit angewiesen, um auch nach seinem Aus-
scheiden seine ehemaligen Mitgesellschafter zur ordnungsgemäßen Einziehung der For-
derungen der Gesellschaft und zur Auszahlung der ihm daran rechnerisch zustehenden
Beträge anhalten zu können.
275
Um eine Sicherung des Abfindungsanspruchs zu gewährleisten, wurde z.T. vertreten,
die Vermögensgemeinschaft zwischen dem Ausgeschiedenen und den verbleibenden
Gesellschaftern erst mit Befriedigung des Abfindungsanspruchs enden zu lassen846. Bei
der Abwicklung dauere die Vermögensgemeinschaft bis zur Teilung des Vermögens
fort, weshalb auch beim Ausscheiden als hierzu analogem Vorgang eine Mitherrschaft
des Ausgeschiedenen bis zur vollständigen Befriedigung des Abfindungsanspruchs an-
zunehmen sei847. Diese Ansicht widerspricht dem Gesetzeswortlaut der § 736 BGB, wo-
nach die Mitgliedschaft des Ausgeschiedenen in der Gesellschaft mit seinem Ausschei-
den endet, und kann jedenfalls nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft
bürgerlichen Rechts848 nicht mehr aufrechterhalten werden, da das gesamte Gesell-
schaftsvermögen Eigentum der Gesellschaft selbst ist und daher keine Vermögensge-
meinschaft der Gesellschafter mehr besteht.
Da die Anwachsung des Gesellschaftsanteils kraft Gesetzes unabhängig vom Willen des
Ausgeschiedenen erfolgt, kann er insoweit grundsätzlich auch keine Zurückbehaltungs-
rechte nach § 273 BGB ins Feld führen. Zwar hat der BGH849 ein Zurückbehaltungsrecht
des Ausgeschiedenen, der noch gemäß § 47 Abs. 2 GBO in Bezug auf ein im Gesell-
schaftsvermögen befindliches Grundstück im Grundbuch eingetragen ist, gegenüber
dem Grundbuchberichtigungsanspruch (§ 894 BGB) der verbleibenden Gesellschafter
zugelassen. Dieses Zurückbehaltungsrecht geht jedoch ins Leere, wenn sich keine
Grundstücke im Gesellschaftsvermögen befinden und kann im Übrigen auch nicht dar-
über hinwegtäuschen, dass das Grundstück von Anfang an im Eigentum der Gesell-
schaft stand und der Ausgeschiedene daher zu keiner Zeit materielle Rechte kraft seiner
Gesellschafterstellung daran innehatte. Weder gibt es bei der Gesellschaft bürgerlichen
Rechts eine den §§ 107, 125 Abs. 4 HGB vergleichbare Anmeldungspflicht, noch greift
bei Ausscheiden eines Gesellschafters die Pflicht, einen Berichtigungsantrag nach § 82
GBO wegen Rechtsübergangs außerhalb des Grundbuchs zu stellen, da die Anwachsung
(§ 738 BGB) die Eigentümerstellung der Gesellschaft unberührt lässt850.
846
Schönle DB 1959, 1427, 1427.
847
Schönle DB 1959, 1427, 1427.
848
BGHZ 146, 341 ff. = NJW 2001, 1056 ff.
849
BGH NJW 1990, 1171, 1172.
850
Ulmer/Steffek NJW 2002, 330, 336.
276
Ungeachtet dessen, dass eine (dingliche) Sicherung des Abfindungsanspruchs nach dem
oben Gesagten de lege lata nicht zu begründen ist, erscheint es dennoch gerechtfertigt,
den Ausgeschiedenen nach der hier vertretenen Auffassung auf ein Abfindungsguthaben
zu verweisen, das sich zum Ausscheidensstichtag allein auf Grundlage des Ist-
Bestandes des Gesellschaftsvermögens errechnet. Abgesehen davon, dass durch die
Zugrundelegung des Ist-Vermögens für den Abfindungsanspruch der gesetzlich gefor-
derte wirtschaftliche Gleichlauf von Auseinandersetzung nach Auflösung und Aus-
scheiden bestmöglich umgesetzt werden kann, zeigt § 740 Abs. 2 BGB, dass der Ge-
setzgeber bereits für die Abwicklung der schwebenden Geschäfte die Notwendigkeit
einer auch nach dem Ausscheiden fortzuführenden Vermögensauseinandersetzung ge-
sehen und zu Lasten des Ausgeschiedenen in Kauf genommen hat. Lässt man § 740
BGB zur Anwendung kommen, so dürfte es für den Ausgeschiedenen eine vertretbare
Erschwerung bedeuten, zusammen mit den ihm zustehenden Erträgen aus schwebenden
Geschäften auch die ihm zustehenden Erträge aus eingezogenen Forderungen nach
§ 740 Abs. 2 BGB einzufordern.
277
§ Ermittlung des objektiven Verkehrswertes des Gesellschaftsvermögens (§ 738
Abs. 2 BGB) zum Stichtag des Ausscheidens, Abzug aller Schulden und Rück-
stellungen für Schulden gegenüber Nichtgesellschaftern (§ 738 Abs. 1 Satz 2
Alt. 3 BGB iVm § 733 Abs. 1 BGB); dies ergibt das verteilbare Gesellschafts-
vermögen;
§ Verteilung des positiven Restvermögens nach Gewinn- und des negativen Rest-
vermögens nach Verlustquoten auf alle Gesellschafter einschließlich des Ausge-
schiedenen;
Der Abfindungsanspruch des Ausgeschiedenen ist die Summe aus dem Sal-
do seines einheitlichen Gesellschafterkontos und dem ihm gemäß seiner
Gewinn- bzw. Verlustbeteiligungsquote zustehenden Anteil an dem nach
Abzug der Gesellschafterkontensalden aller Gesellschafter verbleibenden
Ist-Bestand des Gesellschaftsvermögens (Restvermögen).
278
In Zahlenform ausgedrückt berechnet sich der Abfindungsanspruch eines Gesellschaf-
ters A wie folgt:
Zwar ist die Berechnung des Abfindungsguthabens grundsätzlich bezogen auf den
Stichtag des Ausscheidens vorzunehmen. Da nach der hier vertretenen Auffassung je-
doch das Gesellschaftsvermögen, das dem Ausgeschiedenen rechnerisch zugeteilt wird,
stets auf der Basis des Ist-Wertes, d.h. ohne Berücksichtigung der noch nicht eingezo-
genen Forderungswerte, zu berechnen ist, muss nach dem Ausscheidensstichtag die Ab-
schichtung insoweit fortgeführt werden, als der Ausgeschiedene an den nach seinem
Ausscheiden eingezogenen Forderungen wirtschaftlich partizipieren muss. Daneben
sind auch Veränderungen im Stand der Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu berück-
sichtigen: Wurden im Zeitpunkt des Ausscheidens noch Rückstellungen für einzelne
Verbindlichkeiten gebildet, weil das Bestehen dieser Verbindlichkeiten unklar erschien,
so muss der entsprechende Posten umgebucht werden, sobald sich die zuvor bestehende
Unklarheit in Sicherheit verwandelt. Wie dies erfolgen kann, soll nachfolgend darge-
stellt werden.
Berechnet man den Abfindungsanspruch des Ausgeschiedenen nach der hier vertretenen
Vorgehensweise auf Grundlage des zum Zeitpunkt seines Ausscheidens bestehenden
Ist-Stand des Gesellschaftsvermögens unter Ausklammerung der noch nicht eingezoge-
nen Forderungen, so ist der Ausgeschiedene nach seinem Ausscheiden am wirtschaftli-
chen Ergebnis der Einziehung dieser Forderungen zu beteiligen: Zusätzlich zu dem Be-
trag, der ihm bereits zum Stichtag seines Ausscheidens auf Grundlage des Ist-
Vermögens der Gesellschaft rechnerisch zusteht, hat der Ausgeschiedene Anspruch auf
279
Auszahlung eines seiner Gewinnquote entsprechenden Anteils an den nach seinem Aus-
scheiden realisierten Erlösen aus Forderungen der Gesellschaft, die zum Gesellschafts-
vermögen gehören und deren Rechtsgrund noch vor dem Stichtag seines Ausscheidens
gelegt worden ist.
280
führt, da ein bilanzieller Abzugsposten auf der Passivseite ersatzlos wegfällt, zu einem
bilanziellen Gewinn im entsprechenden Umfang, d.h. einer Erhöhung des bilanziellen
Kapitals, an der der Ausgeschiedene rechnerisch nach Maßgabe seines Gewinnanteils
zu beteiligen ist.
Beispiel:
Fall 17: Im Zeitpunkt des Ausscheidens von Gesellschafter A verfügt die Gesell-
schaft über ein Anlagevermögen von 70.000 (materielles und immaterielles
Vermögen) sowie über Forderungen im Nennwert von 60.000. Die Verbind-
lichkeiten der Gesellschaft betragen im Zeitpunkt des Ausscheidens 50.000,
die Rückstellungen für streitige Verbindlichkeiten 40.000. Nach dem Aus-
scheiden des A können die ausstehenden Forderungen in Höhe von 30.000
eingezogen werden, in Höhe des Restbetrags erleidet die Gesellschaft we-
gen Insolvenz des Schuldners einen Zahlungsausfall. Später stellt sich durch
rechtskräftiges Urteil heraus, dass von den insgesamt gebildeten Rückstel-
lungen für streitige Verbindlichkeiten nur Verbindlichkeiten in Höhe von
20.000 tatsächlich bestehen, während die Ansprüche der Gläubiger im Übri-
gen erfolgreich abgewehrt werden konnten.
Nach der hier vorgeschlagenen Vorgehensweise, nach der der Abfindungsanspruch zum
Ausscheidensstichtag lediglich auf Grundlage des Ist-Bestands des Gesellschaftsvermö-
gens zu berechnen ist, stellt sich die Abfindungsbilanz im Ausscheidenszeitpunkt wie
folgt dar:
281
AKTIVA PASSIVA
Anlagevermögen 70.000 Kapital -20.000
Rückstellungen 40.000
Verbindlichkeiten 50.000
Forderungen 60.000 Forderungsausfall 60.000
Summe 130.000 Summe 130.000
851
Ausführlich geschrieben:
AKTIVA PASSIVA
Anlagevermögen 70.000 Kapital 30.000
Rückstellungen 40.000
Forderungen 60.000 Verbindlichkeiten 70.000
Kasse (Erlöse aus Forderungen) 30.000 Forderungsausfall 60.000
Summe 100.000 Summe 100.000
Die Forderungen im Nennwert von 60.000 konnten laut Sachverhalt nur im Umfang von 30.000 eingezo-
gen werden, im Übrigen war von einem Zahlungsausfall auszugehen. Wäre mit einer späteren Realisie-
rung der verbleibenden Forderungen von 30.000 zu rechnen gewesen, mit denen die Gesellschaft laut
Sachverhalt ausfällt, so hätten sowohl der Posten „Forderungen“ als auch die korrespondierende Aus-
gleichsbuchung „Forderungsausfall“ in dieser Höhe weiter bestehen bleiben müssen. Die Bilanz hätte in
diesem Fall wie folgt ausgesehen:
AKTIVA PASSIVA
Anlagevermögen 70.000 Kapital 30.000
Rückstellungen 40.000
Forderungen 30.000 Verbindlichkeiten 70.000
Kasse (Erlöse aus Forderungen) 30.000 Forderungsausfall 30.000
Summe 130.000 Summe 130.000
282
AKTIVA PASSIVA
Anlagevermögen 70.000 Kapital 30.000
Bankguthaben 30.000 Verbindlichkeiten 70.000
Summe 100.000 Summe 100.000
Der Ausgeschiedene kann am Schluss jedes Geschäftsjahres nach § 740 Abs. 2 BGB
Rechenschaft über die inzwischen beendeten Geschäfte und den Stand der noch schwe-
benden Geschäfte verlangen. Dasselbe Recht muss ihm auch für sonstige Forderungen
zustehen, die nicht aus schwebenden Geschäften herrühren: Der Ausgeschiedene kann
von den verbleibenden Gesellschaftern stets Auskunft über den Stand der Forderungs-
einziehung und Rückstellungsauflösung verlangen und in periodischen Abständen sei-
nen rechnerischen Anteil daran einklagen.
Die Einbuchung eines hundertprozentigen Forderungsausfalls hat zur Folge, dass sich
das Abfindungsguthaben des Ausgeschiedenen ungeachtet der nach Ausscheiden eintre-
tenden Ereignisse nur erhöhen, schlimmstenfalls gleich bleiben, aber nicht verringern
kann: Vielmehr ist der Abfindungsanspruch bereits zum Ausscheidensstichtag auf der
Basis des geringstmöglichen Stands des Ist-Vermögens unter Ausklammerung aller Un-
sicherheiten berechnet worden. Der Ausgeschiedene kann daher den bei Ausscheiden
errechneten Betrag auch dann in jedem Fall als sein Abfindungsguthaben behalten,
283
wenn aus den zum Ausscheidenszeitpunkt noch nicht eingezogenen Forderungen kei-
nerlei weitere Einnahmen mehr erzielt werden sollten.
Nach der Systematik der §§ 738 Abs. 1 Satz 2, 740 BGB kann der Ausgeschiedene zu-
sätzlich zu seinem Abfindungsanspruch einen Anspruch auf rechnerische Beteiligung an
den Erlösen aus schwebenden Geschäften geltend machen (§ 740 BGB). Gemäß § 740
BGB nimmt der ausgeschiedene Gesellschafter am Gewinn bzw. Verlust teil, der sich
aus den zum Zeitpunkt seines Ausscheidens schwebenden Geschäften ergibt. Die übri-
gen Gesellschafter sind berechtigt, diese Geschäfte so zu beenden, wie es ihnen am vor-
teilhaftesten erscheint (§ 740 Abs. 1 Satz 2 BGB), d.h. sie sind berechtigt und verpflich-
tet, über die Geschäftsabwicklung mit eigenüblicher Sorgfalt (§ 708 BGB) gemäß ihren
eigenen Interessen, aber unter Wahrung der nachwirkenden Treuepflicht gegenüber dem
Ausgeschiedenen zu entscheiden852. Der Ausgeschiedene hat auf die Art der Abwick-
lung der schwebenden Geschäfte keinen Einfluss und wird auch aus der Abwicklung
dieser Geschäfte gegenüber Dritten weder berechtigt noch verpflichtet853.
Sinn und Zweck des § 740 BGB ist es, die Ergebnisverteilung auch auf solche Gewinne
und Verluste aus der Verfolgung des gemeinsamen Gesellschaftszwecks zu erstrecken,
die sich erst nach dem Ausscheidensstichtag realisieren854, aber dennoch gemeinsame
Angelegenheiten aller Gesellschafter einschließlich des Ausgeschiedenen sind855. Das
Gesetz betrachtet die Erträge aus schwebenden Geschäften nicht als Teil des Unterneh-
menswertes im Sinne des § 738 Abs. 2 BGB und will sie daher sowohl aus dem für die
Berechnung des Abfindungsanspruchs geltenden Stichtagsprinzip als auch aus dem
Prinzip der Gesamtabrechnung über alle Ansprüche des Ausgeschiedenen herausneh-
852
MünchKomm HGB/K. Schmidt § 131 Rn. 122.
853
Schönle DB 1959, 1427, 1431.
854
K. Schmidt DB 1983, 2401, 2404.
855
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV 2. e), S. 1478.
284
men856. Der Anspruch auf Beteiligung an den schwebenden Geschäften ist damit in Be-
stand und Geltendmachung unabhängig von den sonstigen, im Zuge des Ausscheidens
begründeten Ansprüchen des Ausgeschiedenen857. Die gesonderte Abrechnung der
schwebenden Geschäfte kommt damit einer partiellen Fortsetzung der Gesellschaft mit
dem Ausgeschiedenen in vermögensrechtlicher Hinsicht gleich858.
Ein schwebendes Geschäft ist nach herrschender Meinung ein die Gesellschaft binden-
des, aber von beiden Vertragspartnern bis zum Ausscheidensstichtag noch nicht voll
erfülltes Geschäft859, das dem Gesellschaftsverhältnis entspringt, aber nach der Systema-
tik der §§ 738, 740 BGB nicht in die Berechnung des Abfindungsanspruchs miteinbe-
zogen werden soll860. Hierzu gehören nur rechtsgeschäftliche Handlungen, die Teil un-
ternehmensbezogener Umsatzgeschäfte sind, d.h. unmittelbar auf Erwerb gerichtet
sind861; Hilfsgeschäfte wie der Erwerb oder die Veräußerung von Gegenständen des
Anlagevermögens sind daher keine schwebenden Geschäfte im Sinne des § 740 BGB862.
Die Gesellschaft muss zur Ausführung des Geschäfts bereits berechtigt bzw. verpflich-
tet sein863, z.B. aufgrund eines bindenden Vorvertrags. Es sind also nur solche Geschäfte
als schwebend anzusehen, die ihrer Art nach bereits zum Abfindungsstichtag Zug um
Zug hätten abgewickelt werden können, tatsächlich aber noch von keiner Partei erfüllt
worden sind864.
856
Vgl. nur BGH NJW 1993, 1194, 1194 f.
857
Roolf/Vahl DB 1983, 1964, 1965.
858
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 73.
859
Statt vieler vgl. nur BGH NJW-RR 1986, 454, 455; Staudinger/Habermeier BGB (2003) § 740 Rn. 1.
860
K. Schmidt DB 1983, 2401, 2404.
861
K. Schmidt DB 1983, 2401, 2404.
862
MünchKomm BGB/Schäfer § 740 Rn. 4.
863
Bamberger/Roth/Schöne BGB § 740 Rn. 4.
864
OLG Naumburg OLGE 28, 367, 368; Roolf/Vahl DB 1983, 1964 ff. Zur Umsetzung bei Rechtsan-
waltssozietäten Freund ZIP 2009, 941, 942 f.
865
K. Schmidt DB 1983, 2401, 2405.
285
nicht weiterhin am allgemeinen Erfolg oder Misserfolg der Gesellschaft beteiligt blei-
ben und als Außenstehender ohne Mitwirkungsrechte der Willkür der verbleibenden
Gesellschafter ausgeliefert sein866. Statt dessen finden solche Geschäfte mit dem Wert,
den sie zum Stichtag des Ausscheidens haben, Eingang in den Abfindungsanspruch des
Gesellschafters867. Von den schwebenden Geschäften zu unterscheiden sind solche Er-
werbsgeschäfte, die im Zeitpunkt des Ausscheidens bereits von einer Vertragspartei
einseitig erfüllt worden sind: Die hieraus generierten Erträge können als Teil des Ge-
sellschaftsvermögens in der Abfindungsbilanz berücksichtigt werden, so dass eine Son-
derabrechnung nach § 740 BGB nicht mehr erforderlich ist868. Ebenfalls nicht nach
§ 740 BGB zu berücksichtigen sind ungewisse oder aus zum Ausscheidensstichtag le-
diglich geplanten Geschäften herrührende Erträge869, also Gewinnerwartungen aus un-
ternehmerischen Aktivitäten, die noch nicht in konkrete Vertragsverhältnisse gemündet
sind.
Fraglich erscheint, ob § 740 BGB angesichts der heute üblichen Praxis der Unterneh-
mensbewertung mit Hilfe betriebswirtschaftlicher Methoden überhaupt noch anwendbar
ist. Die vollständige wirtschaftliche Kompensation des Ausgeschiedenen für den Ver-
lust seines Gesellschaftsanteils beinhaltet, dass ihm der Wert seiner wirtschaftlichen
Beteiligung am Gesellschaftsvermögen in Geld vergütet wird. Ermittelt man den Wert
des Gesellschaftsvermögens auf Basis der Ertragswertmethode, so sollen die schweben-
den Geschäfte nach herrschender Meinung als Teil des Unternehmenswertes mitberück-
sichtigt und abgegolten werden870: Da die Erträge aus schwebenden Geschäften in die
Ermittlung des künftigen Ertrags als Grundlage der Abfindung eingehen, soll für ihre
866
So schon die Motive zum Entwurf eines Handelsgesetzbuches für die Preußischen Staaten von 1857,
S. 69 f.
867
Im Urteil BGH NJW-RR 1986, 454 ff. ging es um Verträge, die die Gesellschaft berechtigten, über
viele Jahre ihren Bedarf an Sand aus bestimmten Sandvorkommen zu decken. Der BGH entschied,
Geschäfte dieser Art seien keine schwebenden Geschäfte im Sinne des § 740 BGB und deshalb mit
dem Wert, den sie am Bilanzstichtag hatten, im Rahmen des Abfindungsanspruchs zu berücksichtigen
(NJW-RR 1986, 454, 455).
868
MünchKomm BGB/Schäfer § 740 Rn. 4.
869
K. Schmidt DB 1983, 2401, 2404.
870
Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, S. 604; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV 2. e),
S. 1478.
286
erneute Berücksichtigung nach jeweiliger Beendigung kein Raum mehr bleiben871. Im
Ergebnis sieht die herrschende Meinung § 740 BGB bei Anwendung der Ertragswert-
methode als obsolet an872 und zwar ungeachtet dessen, ob die Vorschrift ausdrücklich
oder konkludent im Gesellschaftsvertrag abbedungen worden ist873.
Gegen die Abgeltung der tatsächlich erzielbaren Erträge aus schwebenden Geschäften
durch den Ansatz eines Unternehmenswertes oder immateriellen Geschäftswertes bei
Berechnung des Abfindungsanspruchs kann des Weiteren eingewendet werden, dass die
Erträge aus schwebenden Geschäften und die Ermittlung des immateriellen Geschäfts-
werts eines Unternehmens zwei verschiedene Dinge sind, die eine unterschiedliche Ziel-
richtung haben. Die Abrechnung über schwebende Geschäfte nach § 740 BGB ist ein
871
MünchKomm BGB/Schäfer § 740 Rn. 3.
872
Vgl. statt vieler MünchKomm BGB/Schäfer § 740 Rn. 3.
873
Erman/Westermann BGB § 740 Rn. 1. Für Nichtanwendung kraft teleologischer Reduktion OLG
Hamm NZG 2005, 175, 176; MünchKomm BGB/Schäfer § 740 Rn. 3; Schulze-Osterloh ZGR 1986,
545, 559 f. Speziell aus Sicht der Freiberuflersozietäten Westermann AnwBl 2007, 103, 106.
874
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 75 Rn. 54; MünchKomm HGB/K. Schmidt § 131 Rn. 115.
875
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV 1. e), S. 1479; Zunft NJW 1959, 1945, 1948; Graf von West-
phalen BB 1982, 1894, 1896.
287
auf die Vergangenheit, d.h. auf die Zeit vor dem Ausscheiden bezogener, gleichsam
retrospektiver Vorgang, der der ordnungsgemäßen Verteilung von im Ausscheidens-
zeitpunkt schuldrechtlich bereits geschaffenen Vermögenswerten der Gesellschaft dient,
die lediglich bislang noch nicht dinglich erfüllt worden sind.
Bei der Anwendbarkeit des § 740 BGB hat es jedenfalls dann zu bewenden, wenn die
Gesellschafter keine vom Gesetzeswortlaut abweichende Regelung zur Abgeltung
schwebender Geschäfte getroffen haben und daher das gesetzliche Verfahren Anwen-
dung findet. Es bleibt den Gesellschaftern jederzeit unbenommen, eine andere Verein-
barung über die Behandlung schwebender Geschäfte zu treffen, die Beteiligung an ihren
Erträgen ganz auszuschließen876 oder sie pauschal abzugelten877. Kommt jedoch keine
abweichende Vereinbarung zustande, so muss es bei der Anwendbarkeit des § 740 BGB
bleiben: Bloße Praktikabilitätserwägungen alleine rechtfertigen nicht die Nichtachtung
des Gesetzeswortlauts878, § 740 BGB ist trotz aller Schwierigkeiten bei der Abrechnung
über schwebende Geschäfte nach wie vor geltendes Recht879.
876
Hierzu aber kritisch K. Schmidt DB 1983, 2401, 2404.
877
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV 1. e), S. 1480.
878
So aber MünchKomm BGB/Schäfer § 740 Rn. 3 a.E.
879
So wohl auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 50 IV. 1. e), S. 1480; MünchKomm HGB/K. Schmidt
§ 131 Rn. 115.
288
IV. Die Behandlung schwebender Geschäfte im Rahmen der Abschichtung
880
Roolf/Vahl DB 1983, 1964, 1966.
881
Döllerer BB 1974, 1541, 1548; Roolf/Vahl DB 1983, 1964, 1966.
882
Roolf/Vahl DB 1983, 1964, 1966.
883
So Döllerer BB 1974, 1541, 1543 ff.
884
Roolf/Vahl DB 1983, 1964, 1966.
885
K. Schmidt DB 1983, 2401, 2401.
886
K. Schmidt DB 1983, 2401, 2401; Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, S. 606.
887
Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, S. 605; Zunft NJW 1959, 1945, 1948.
888
BGH NJW 1959, 1963, 1963; Graf von Westphalen BB 1962, 1894, 1896; Zunft NJW 1959, 1945,
1948.
289
sowie für Zahlungen nach dem Ausscheidensstichtag, die im Zusammenhang mit
schwebenden Geschäften stehen889. Für die Abgrenzung der Schätzung nach § 738
Abs. 2 BGB mit Hilfe der Ertragswertmethode zur tatsächlichen Abrechnung nach
§ 740 BGB bedeutet dies, dass die Bewertung des Gesellschaftsvermögens mit Hilfe der
Ertragswertmethode die tatsächlich erzielten oder potentiell erzielbaren Erträge aus im
Ausscheidenszeitpunkt schwebenden Geschäften nicht mit einschließen darf.
Dabei reicht es nicht aus, den als Ertragswert ermittelten Unternehmenswert um das
abgezinste, geschätzte Ergebnis der schwebenden Geschäfte zu kürzen890. Das konkret
erwirtschaftete Ergebnis aus schwebenden Geschäften muss vielmehr im Rahmen einer
Sonderabrechnung getrennt von der Berechnung des Abfindungsanspruchs festgestellt
und verteilt werden891, und zwar auch dann, wenn die Bewertung des Gesellschaftsver-
mögens mit Hilfe der Ertragswertmethode erfolgt: Im Ausscheidenszeitpunkt schwe-
bende Geschäfte sind daher sowohl bei der Ermittlung des Abfindungsguthabens als
auch bei der Bewertung des Gesellschaftsvermögens gänzlich außer Acht zu lassen und
dürfen auch nicht als Merkmal der Ertragsfähigkeit des Unternehmens in die Ertrags-
wertberechnung einfließen892. Die Gewinne und Verluste aus schwebenden Geschäften
sind statt dessen im Zeitpunkt ihrer Realisierung in einer gesonderten Abrechnung unter
Abzug der auf die Verwirklichung des betreffenden Geschäftes bezogenen Aufwendun-
gen zu erfassen, da § 740 BGB eine Bestimmung und Aufgliederung der auf die einzel-
nen Geschäfte entfallenden Kosten der Gesellschaft, einschließlich der anteiligen Ge-
meinkosten, erforderlich macht893. Die gesonderte Abrechnung über die schwebenden
Geschäfte muss dabei den Anforderungen der §§ 259, 260 BGB genügen894 und ist je-
weils am Schluss jedes Geschäftsjahres durchzuführen (§ 740 Abs. 2 BGB). Der Ausge-
schiedene kann seinen Anteil am Gewinn aus einem schwebenden Geschäft erst dann
geltend machen, wenn ein solcher tatsächlich erzielt worden ist895.
889
BGH NJW 1993, 1194, 1195; Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, S. 605.
890
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 75 Rn. 55.
891
Riegger, Ausscheiden, S. 140; ihm folgend K. Schmidt DB 1983, 2401, 2403.
892
Ebenso wohl MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 75 Rn. 55.
893
MünchKomm BGB/Schäfer § 740 Rn. 3.
894
Herrschende Meinung: BGH NJW 1959, 1963, 1964; E/B/J/S/Lorz HGB § 131 Rn. 107; Schönle DB
1959, 1427, 1431.
895
BGH NJW 1993, 1194, 1195.
290
§ 33 Beendigung der Abschichtung
Die Erstellung einer Bilanz zur Darstellung des Gesellschaftsvermögens (§ 738 Abs. 2
BGB) suggeriert, dass die Berechnung des Abfindungsanspruchs sowie die Vermögens-
verteilung nach Ausscheiden auf der Grundlage einer einmaligen, im Zeitpunkt des
Ausscheidens erstellten Momentaufnahme der Vermögensverhältnisse zu erfolgen hat,
die eine endgültige und für alle Beteiligten bindende Festschreibung das Gesellschafts-
vermögens herbeiführen und damit spätere Veränderungen oder Entwicklungen aus-
schließen soll.
Die Vermögensabschichtung nach dem Ausscheiden aus einer Gesellschaft ist jedoch
ein dynamischer Prozess, für den das Gesetz auch keinen bestimmten Schlusspunkt
setzt. Zwar ist der Abfindungsanspruch - und damit auch der Wert des Gesellschafts-
vermögens - bezogen auf den Stichtag des Ausscheidens zu ermitteln896. Diese Stich-
tagsbezogenheit schließt jedoch nicht aus, dass die Bewertung von Vermögenswerten
der Gesellschaft bezogen auf diesen Stichtag im Einzelfall nachträglich angepasst wer-
den kann oder nach dem Aufhellungsprinzip sogar muss, wenn sich die nachträglich
gewonnenen Erkenntnisse auf Ereignisse beziehen, die vor dem Ausscheidensstichtag
liegen897. Eine solche nachträgliche Korrektur der Werthaltigkeit des Gesellschaftsver-
mögens zum Ausscheidensstichtag ist grundsätzlich zeitlich unbegrenzt möglich.
Dies entspricht der gesetzlichen Vorgehensweise bei § 740 BGB: Für die Abrechnung
über die Ergebnisse aus schwebenden Geschäften geht § 740 Abs. 2 BGB davon aus,
dass sich diese über Jahre nach dem Ausscheiden des Gesellschafters hinziehen kann.
Der Verifikationsprozess des im Ausscheidenszeitpunkt vorhandenen Gesellschafts-
vermögens dauert damit grundsätzlich solange an, bis die letzte Unsicherheit durch ei-
nen Tatsachenbefund abgelöst und die Anspruchsberechnung des Ausgeschiedenen ent-
sprechend korrigiert worden ist. Den finanziellen Interessen des Ausgeschiedenen wird
dadurch Rechnung getragen, dass der Ausgeschiedene ungeachtet des Fortgangs der
Werterhellung immer zumindest das fordern kann, was er auf keinen Fall zurückzahlen
muss898. Dieser für die Auseinandersetzung nach Auflösung in § 155 Abs. 2 Satz 1 HGB
896
Erman/Westermann BGB § 738 Rn. 4.
897
BGH DB 1973, 563, 565; E/B/J/S/Lorz HGB § 131 Rn. 74; MünchKomm HGB/K. Schmidt § 131
Rn. 146.
898
Vgl. nur BGHZ 37, 299, 305 = NJW 1962, 1863; BGH NJW 1998, 376, 376.
291
kodifizierte Grundsatz899 stellt den Berechtigten von Nachteilen frei, die ihm daraus er-
wachsen könnten, dass die abschließende und endgültige Berechnung seines Abfin-
dungsanspruches erst möglich ist, wenn alle Unklarheiten im Bestand der Forderungen
und Verbindlichkeiten der Gesellschaft beseitigt worden sind. Da die Bewertung des zu
verteilenden Gesellschaftsvermögens damit grundsätzlich kein festgelegtes Ende hat, ist
es auch nicht erforderlich, diesen Verifikationsvorgang, d.h. das Ausschalten aller Unsi-
cherheitsfaktoren bei der Vermögensverwertung, zu einem bestimmten Zeitpunkt förm-
lich abzuschließen. Entgegen der Ansicht der herrschenden Meinung900 ist daher weder
zum Ausscheidensstichtag noch zu einem späteren Zeitpunkt eine förmliche Anerken-
nung oder Feststellung der Abfindungsbilanz durch die Gesellschafter erforderlich901.
I. Entstehung
Nach herrschender Meinung stellt der Abfindungsanspruch als Gegenstück zur An-
wachsung im Innenverhältnis die wirtschaftliche Kompensation für den Verlust der
Mitgliedsposition samt zugehöriger Rechte und Pflichten dar902. Da das Mitgliedschafts-
verhältnis im Zeitpunkt des Ausscheidens endet und sich im gleichen Augenblick auch
899
Zur Vorabausschüttung nach § 155 Abs. 2 Satz 1 HGB ausführlich oben § 18, S. 135 ff.
900
Vgl. nur Erman/Westermann § 738 Rn. 4; Soergel/Hadding/Kießling § 738 Rn. 37.
901
So wohl MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 20.
902
Statt vieler Früchtl NZG 2007, 368, 369.
292
die Anwachsung vollzieht, entsteht auch der Abfindungsanspruch konsequenterweise
mit Ausscheiden des Gesellschafters903. Vor dem Ausscheidensstichtag soll er aber be-
reits in seinem Kern vorhanden sein904: Sein Rechtsgrund wird bereits mit Abschluss des
Gesellschaftsvertrags gelegt und verschafft dem Gesellschafter eine gesicherte Position
in Form einer bestimmten Erwerbsaussicht sowie einen gegenwärtigen abtretbaren
Vermögenswert905. Nach einer Mindermeinung entsteht der Anspruch mit Abschluss des
Gesellschaftsvertrages bzw. mit dem Beitritt zur Gesellschaft nicht lediglich als künfti-
ger, sondern als vollwertiger Anspruch. Danach soll es sich um einen aus dem Gesell-
schaftsverhältnis folgenden gesetzlichen Anspruch handeln, der durch das Ausscheiden
des Gesellschafters aufschiebend bedingt und der Höhe nach zunächst unbestimmt ist,
aber bereits mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags voll existent wird906.
Zu folgen ist der herrschenden Meinung. Der Abfindungsanspruch ist das wirtschaftli-
che Surrogat für den durch Anwachsung auf die verbleibenden Gesellschafter überge-
gangenen Gesellschaftsanteil. Er verkörpert die Entschädigung, die dem Ausgeschiede-
nen als Gegenleistung für die Aufgabe seiner Gesellschaftsrechte gewährt wird907. Der
Anspruchsberechtigte wird erst mit dem Stichtag des Austritts aus der Gesellschaft zum
„Ausscheidenden“ im Sinne des § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB, so dass auch erst im Zeit-
punkt des Ausscheidens alle gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des Abfindungs-
anspruchs erfüllt sind. Jedenfalls kommt es für die Entstehung des Abfindungsan-
spruchs nicht auf die Feststellung einer Abschichtungsabrechnung an908. Eine solche
macht den Anspruch lediglich berechenbar, begründet ihn aber nicht konstitutiv909. An-
dernfalls hätten es die verbleibenden Gesellschafter in der Hand, jeweils durch Verwei-
gerung ihrer Zustimmung zur erstellten Abfindungsbilanz die Entstehung des Abfin-
dungsanspruchs in der berechneten Höhe zu verhindern und das Abschichtungsverfah-
ren willkürlich zu blockieren.
903
BGHZ 88, 205, 206 f. = NJW 1984, 492; BGH NJW 1989, 453; Staudinger/Habermeier BGB (2003)
§ 738 Rn. 9; Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 131 Rn. 48.
904
Erman/Westermann BGB § 738 Rn. 4.
905
BGH NJW 1989, 453, 453; Wiedemann, Übertragung und Vererbung, S. 268.
906
RGZ 60, 126 ff.; Heckelmann, Abfindungsklauseln, S. 25 f.
907
Schönle DB 1959, 1427, 1427.
908
Ebenso MünchKomm HGB/K. Schmidt § 131 Rn. 137.
909
Schwung BB 1985, 1374, 1375.
293
II. Fälligkeit
In Rechtsprechung und Literatur sehr umstritten ist die Frage, wann der Abfindungsan-
spruch des Ausgeschiedenen fällig wird. Das Meinungsspektrum reicht von Fälligkeit
im Zeitpunkt des Ausscheidens (§ 271 BGB)910 über Fälligkeit mit Aufstellung der Ab-
schichtungsbilanz911 oder deren Feststellung912 bis hin zu Fälligkeit im Zeitpunkt der
Zustimmung zur Abschichtungsbilanz durch förmlichen Gesellschafterbeschluss913. Eine
weitere Ansicht in der Literatur spricht sich für eine Verschiebung des Fälligkeitszeit-
punkts um die für die Erstellung der Abfindungsbilanz voraussichtlich benötigte Zeit-
dauer914 aus, während eine andere den Anspruch nicht fällig werden lässt, solange die
Auseinandersetzung noch nicht durchgeführt ist915.
Die Meinung, die darauf abstellt, wann die Auseinandersetzung durchgeführt ist, lässt
offen, in welchem genauen Zeitpunkt diese als beendet gelten kann. Auch die Verschie-
bung des Fälligkeitszeitpunktes um die voraussichtlich zur Erstellung der Abfindungsbi-
lanz benötigte Zeitdauer führt in der Praxis zu Schwierigkeiten. Ist diese Zeitdauer nach
objektiven Erfahrungswerten oder bezogen auf den konkreten Einzelfall zu berechnen?
Wie wirkt es sich auf die Fälligkeit des Abfindungsanspruchs aus, wenn sich die Erstel-
lung der Abfindungsbilanz im Nachhinein als schwieriger und langwieriger erweist als
aus der ex ante-Perspektive absehbar war?
Für den Eintritt der Fälligkeit kommt es auch nicht darauf an, ob der Abfindungsan-
spruch bereits genau beziffert worden ist. Der BGH916 hat in einer neueren Entscheidung
judiziert, dass das Fehlen einer Abfindungsbilanz den Eintritt der Fälligkeit des Verlust-
ausgleichsanspruchs aus § 739 BGB nicht verhindere. Um eine Forderung mit Klage
910
Stötter BB 1977, 1219, 1220; Hülsmann NZG 2001, 625, 628.
911
So offenbar Hörstel NJW 1994, 2268, 2271, der aber nicht genau zwischen Aufstellung und Feststel-
lung der Bilanz differenziert.
912
Sudhoff DB 1964, 1324, 1326.
913
Hörstel NJW 1994, 2268, 2271 für den Beginn der Verzinsung.
914
MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 20.
915
MünchKomm BGB/Schlüter § 387 Rn. 37.
916
BGH NZG 2010, 1020, 1020 (Rn. 8).
294
geltend machen zu können, soll es ausreichen, dass eine Feststellungsklage erhoben
werden kann, der Eintritt der Fälligkeit hänge nicht davon ab, dass eine Forderung auch
beziffert werden könne917. Dieselben Grundsätze dürften danach für den Abfindungsan-
spruch als Gegenstück des Verlustausgleichsanspruchs gelten. Auch die Existenz der
Stufenklage stützt diese Argumentation, denn die Stufenklage ist trotz des Vorbehalts
der bestimmten Angabe des Leistungsbegehrens eine Klage auf fällige Leistung918. So
wird eine Stufenklage des ausgeschiedenen Gesellschafters auf Rechnungslegung und
Zahlung des Abfindungsanspruchs allgemein für zulässig erachtet919.
Sämtlichen Ansichten, die für den Fälligkeitszeitpunkt auf die verschiedenen Stadien
der Genesis einer Abschichtungsbilanz abstellen, ist entgegenzuhalten, dass diese das
Abfindungsguthaben lediglich rechnerisch darstellt, ihre Aufstellung oder Feststellung
aber keine Auswirkungen auf die Entstehung des korrespondierenden Auszahlungsan-
spruchs haben. Die Berechnung und Abbildung, die je nach Schwierigkeit der zugrun-
deliegenden Sachverhaltskonstellation im Einzelfall besonders lange dauern kann, darf
auf die Fälligkeit des Abfindungsanspruchs schon deswegen keinen Einfluss haben,
weil sonst der Gesellschafter benachteiligt würde, der aus einer Gesellschaft mit beson-
ders komplexen Vermögensverhältnissen und besonders schwierig zu bewertendem
Gesellschaftsvermögen ausscheidet. Auch muss die Fälligkeit des Anspruchs unabhän-
gig von einer Feststellung (auch) durch die in der Gesellschaft verbliebenen Gesell-
schafter bleiben, da diese es sonst in der Hand hätten, durch treuwidrige Verweigerung
der Feststellung Fälligkeit und Zinslauf zu Lasten des Ausgeschiedenen zu beeinflussen.
Vielmehr muss es dem Ausgeschiedenen möglich sein, seinen Abfindungsanspruch
selbst zu berechnen und auf Zahlung zu klagen, ohne dass eine (förmlich festgestellte)
Abfindungsbilanz vorliegt920.
917
BGHZ 181, 310 (Rn. 19) = NJW 2010, 60 ff.
918
Stötter BB 1977, 1219, 1219.
919
MünchKomm BGB (5. Auflage, München 2009)/Ulmer/Schäfer § 738 Rn. 30.
920
MünchKomm HGB/K. Schmidt § 131 Rn. 129.
295
2. Eigene Lösung: Sofortige Fälligkeit auf Grundlage des jeweiligen Ist-Stands
des Gesellschaftsvermögens
Zum Ausscheidensstichtag wird also nur der Anspruch auf Auszahlung desjenigen
(Teil-)Betrags des Abfindungsguthabens fällig und verzinslich, der sich auf Grundlage
des Ist-Standes des Gesellschaftsvermögens im Ausscheidenszeitpunkt, d.h. unter Au-
ßerachtlassung der im Ausscheidenszeitpunkt noch nicht realisierten Forderungen der
Gesellschaft errechnet. Können diese Forderungen nachträglich eingezogen werden, so
wird der anteilige Mehrbetrag, der dem Ausgeschiedenen an den Forderungserlösen
nach Maßgabe seiner Gewinnquote zusteht, in dem Augenblick fällig, in dem diese
Forderungserlöse in das Gesellschaftsvermögen eingehen. Für die Fälligkeit dieses neu-
en Teilbetrags ist wiederum unerheblich, in welchen Zeitpunkt der Ausgeschiedene oder
die in der Gesellschaft verbliebenen Gesellschafter diesen neuen Teilbetrag korrekt in
einer aktualisierten Abfindungs- oder Nachtragsbilanz abbilden. Entscheidend für die
921
E/B/J/S/Lorz HGB § 131 Rn. 67; MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 75 Rn. 46.
922
So wohl auch Baumbach/Hopt/Hopt HGB § 131 Rn. 54.
923
Siehe hierzu ausführlich oben § 21, I., S. 179 ff.
296
Fälligkeit des (Teil)Anspruchs ist damit sowohl mit Ausscheiden als auch zu einem
nachfolgenden Zeitpunkt die Berechenbarkeit des Anspruchs924, nicht jedoch die Be-
rechnung selbst. Diese Berechenbarkeit ist stets in dem Augenblick gegeben, in dem der
jeweilige Anspruch auf Auszahlung auch entstanden ist.
I. Verzinsung
Grundsätzlich ist für den Eintritt des Schuldnerverzugs nach § 286 Abs. 1 BGB eine
Mahnung erforderlich925. Bei Ausscheiden eines Gesellschafters bedarf es aber entgegen
der wohl herrschenden Meinung926 keiner Mahnung, um den Schuldnerverzug herbeizu-
führen: Dem Tag des Ausscheidens geht denknotwendig das in der Fortsetzungsklausel
nach § 736 BGB bestimmte Ereignis, das nach der Klausel zum Ausscheiden des Ge-
sellschafters führen soll (z.B. Kündigung) voraus. Zudem dürfte sich im Gesellschafts-
vertrag zumeist eine entsprechende Regelung zur Kündigungsfrist (z.B. drei Monate ab
Zugang der Kündigung) finden, aufgrund der der Zeitpunkt des Ausscheidens aus der
Gesellschaft und damit auch die Leistungszeit für die Auszahlung des Abfindungsgut-
habens nach dem Kalender bestimmt werden kann (§ 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB): § 286
Abs. 2 Nr. 2 BGB erfasst auch den Fall, dass der Leistung eine Kündigung vorauszuge-
hen hat und die Leistungszeit sich von der Kündigung ab nach dem Kalender berechnen
lässt927. Mit dem Stichtag des Ausscheidens als Endpunkt der vertraglich bestimmten
Kündigungsfrist ist damit grundsätzlich sowohl der Abfindungsanspruch entstanden und
fällig geworden als auch Schuldnerverzug eingetreten, § 286 Abs. 1 BGB. Etwas Ande-
res gilt allenfalls dann, wenn die Kündigung des Gesellschafters fristlos erfolgt oder aus
einem sonstigen Grund der Zeitpunkt der Kündigung mit dem des Ausscheidens zu-
sammenfällt: Da die Frist nach § 286 Abs. 2 Satz 2 BGB angemessen sein muss, kommt
924
Ebenso im Ergebnis wohl auch MünchKomm HGB/K. Schmidt § 131 Rn. 129.
925
Zur Mahnung bei Schuldnerverzug ausführlich MünchKomm BGB/Ernst § 286 Rn. 46 ff.
926
Vgl. nur Erman/Westermann BGB § 738 Rn. 6; Hörstel NJW 1994, 2268, 2268.
927
Bamberger/Roth/Unberath BGB § 286 Rn. 34; MünchKomm BGB/Ernst § 286 Rn. 63.
297
eine Verkürzung auf Null nicht in Betracht928. In diesem Fall träte Verzug erst mit Mah-
nung ein.
Im Übrigen erscheint der sofortige Eintritt des Verzugs mit dem Ausscheiden schon aus
besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gemäß § 286 Abs. 2
Nr. 4 BGB gerechtfertigt. Die in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschafter arbeiten
ab Ausscheiden wirtschaftlich gesehen mit dem Kapital des ausgeschiedenen Gesell-
schafters, das ihnen in Form seines Gesellschaftsanteils angewachsen ist (§ 738 Abs. 1
Satz 1 BGB) und erzielen damit bei normalem Geschäftsgang einen Gewinn929. An die-
sem Gewinn nimmt aber der Ausgeschiedene jedoch nur noch insoweit teil, als es sich
um schwebende Geschäfte (§ 740 BGB) bzw. - sofern man mit der hier vertretenen An-
sicht Forderungen erst mit ihrer Realisierung zum Gesellschaftsvermögen rechnet - um
Forderungen handelt, deren Rechtsgrund noch vor dem Zeitpunkt seines Ausscheidens
gelegt wurde930. Würde man dem Ausgeschiedenen eine Verzinsung seines Anspruchs
erst in dem Augenblick zugestehen, in dem sein Anspruch berechnet worden wäre, so
hätten es die verbleibenden Gesellschafter in der Hand, die Verzinsung des Abfin-
dungsanspruchs durch bewusstes Hinauszögern der Abrechnung oder durch Vorenthal-
ten von zur Abrechnung benötigten Informationen zu Lasten des Ausgeschiedenen zu
verzögern und so möglichst lange unentgeltlich fremdes Geld für sich zu nutzen931. Der
Ausgeschiedene, der nicht mehr am Gewinn der Gesellschaft beteiligt ist, ist jedoch
nicht verpflichtet, der Gesellschaft sein Kapital nach seinem Ausscheiden auf längere
Zeit unentgeltlich zur Nutzung zu überlassen932. Es entspricht vielmehr der Billigkeit,
dass die verbliebenen Gesellschafter dem Ausgeschiedenen Zinsen bereits für den zur
Errechnung des Abfindungsanspruchs benötigten Zeitraum bezahlen, während dessen
sie die ihm geschuldete Abfindungssumme zur eigenen Gewinnmaximierung nutzen
können933. Der Ausgeschiedene kann jedenfalls den Schuldnerverzug durch eine unbe-
zifferte Mahnung herbeiführen, mit der er zugleich wie bei einer Stufenklage Auskunft
über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners und Zahlung des sich daraus er-
928
MünchKomm BGB/Ernst § 286 Rn. 62 f.
929
Stötter BB 1977, 1219, 1220.
930
Stötter BB 1977, 1219, 1220.
931
Stötter BB 1977, 1219, 1220.
932
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 87; E/B/J/S/Lorz HGB § 131 Rn. 67; Neuhaus, Unter-
nehmensbewertung, S. 149 f.
933
Stötter BB 1977, 1219, 1220.
298
gebenen Betrags verlangt934. Es wäre unsinnig, den Ausgeschiedenen zur Erhebung ei-
ner Stufenklage gemäß § 253 ZPO zu zwingen, die den Schuldner auch ohne bezifferten
Leistungsantrag in Verzug setzen würde, wenn er dieses Ergebnis auch durch eine au-
ßerprozessuale Mahnung gleichen Inhalts erreichen kann935. Dem sofortigen Eintritt des
Verzuges kann damit allenfalls entgegenstehen, dass Verzögerungen um den Zeitraum,
der zur Wertermittlung und zur Bezifferung des Abfindungsbetrages erforderlich ist,
vom Schuldner nicht zu vertreten sind936.
Die Abfindungsforderung ist mit dem in § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelten Satz zu
verzinsen937. Da die Abfindung keine Gegenleistung der Gesellschaft an den ehemaligen
Gesellschafter für die Lieferung von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen
darstellt, sondern an die Stelle seines Kapitalanteils tritt, handelt es sich auch nicht um
eine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB938.
II. Verjährung
Während es für die Entstehung oder Fälligkeit des Abfindungsanspruchs nicht darauf
ankommt, wann der Ausgeschiedene Kenntnis von der Höhe seines Abfindungsan-
spruchs erhält, ist diese Kenntnis für den Beginn der Verjährung des Abfindungsan-
spruchs relevant.
Analog zu den bereits für die Verjährung des Anspruchs auf Auszahlung des Auseinan-
dersetzungsguthabens gewonnenen Erkenntnissen kann auch für die Ausscheidenskon-
stellation festgehalten werden, dass die Verjährungsfrist für den Abfindungsanspruch
erst mit dem Schluss des Jahres zu laufen beginnt, in dem der Ausgeschiedene Kenntnis
nicht nur von der Existenz, sondern auch vom genauen Betrag aller Einzelposten erhal-
ten hat, die zur Berechnung seines Abfindungsguthabens erforderlich sind, § 199 Abs. 1
934
MünchKomm BGB (5. Auflage, München 2007)/Ernst § 286 Rn. 51 unter Verweis auf BGH NJW-
RR 1990, 323, 325 für die sachlich ähnlich gelagerte Konstellation der familienrechtlichen Unter-
haltsschuld.
935
BGH NJW 1981, 1729, 1731.
936
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 75 Rn. 47.
937
E/B/J/S/Lorz HGB § 131 Rn. 68.
938
OLG Karlsruhe NZG 2005, 627, 628.
299
BGB. Dies ist dann der Fall, wenn alle Rückstellungen und Forderungen in der Abfin-
dungsbilanz, an denen der Ausgeschiedene wirtschaftlich partizipiert, weil ihre Rechts-
gründe bereits vor seinem Ausscheiden gelegt worden sind, endgültig aufgelöst bzw.
eingezogen worden sind.
Abschließend ist der Blick auf die prozessuale Durchsetzung des Abfindungsanspruchs
zu richten. Die Vermögensabschichtung nach dem Ausscheiden wird vom Gesetz wie
eine partielle Auseinandersetzung nach Auflösung in Bezug auf den Ausgeschiedenen
behandelt939. Dementsprechend wendet die ganz herrschende Meinung wie auch bei der
Auflösung der Gesellschaft auf den Abfindungsanspruch das Prinzip der Gesamtab-
rechnung an, wonach die einzelnen wechselseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten
zu unselbständigen Rechnungsposten der Abfindungsrechnung werden und nicht mehr
selbständig geltend gemacht werden können940. Dieser von zahlreichen Ausnahmen
durchbrochene941 Grundsatz der Durchsetzungssperre gilt nach Rechtsprechung und
Literatur auch für Ansprüche und Verbindlichkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis
gegenüber den Mitgesellschaftern942, nicht jedoch für Drittgläubigerforderungen des
Ausgeschiedenen943. Grund für das Verbot der isolierten Durchsetzung von Einzelan-
sprüchen ist auch hier, Hin- und Herzahlungen zwischen Gesellschaft und Ausgeschie-
denem zu vermeiden, da nur bei Gesamtabrechnung aller Ansprüche zu ermitteln ist, ob
939
MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 18.
940
Herrschende Meinung: BGHZ 37, 299, 305 = NJW 1962, 1863; BGH NJW 1999, 3557, 3557;
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 83.
941
Beispielsweise wenn im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände feststeht, dass der Ausgeschiede-
ne den geforderten Betrag keinesfalls zurückzahlen muss (BGHZ 37, 299, 305 = NJW 1962, 1863).
942
BGHZ 37, 299, 305 = NJW 1962, 1863; BGH WM 1984, 1605, 1606.
943
Str., für isolierte Klagbarkeit die Literatur, vgl. MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 18 iVm § 730
Rn. 52 f. sowie mittlerweile auch die Rechtsprechung, vgl. BGH NJW-RR 2006, 1268, 1270 (Rn. 18)
unter ausdrücklicher Aufgabe von BGH WM 1978, 89, 90 und BGH WM 1971, 931, 932; anderer
Ansicht noch OLG Karlsruhe NZG 2001, 748, 749 im Anschluss an die ältere Rechtsprechung des
BGH; Messer, FS Stimpel 1985, S. 205.
300
und ggf. in welcher Höhe der Ausgeschiedene Anspruch auf Abfindung hat oder seiner-
seits Ausgleich schuldet944. Ausnahmen sollen nur dann gelten, wenn im Einzelfall auf-
grund besonderer Umstände feststehe, dass der Ausgeschiedene den geforderten Betrag
keinesfalls zurückzahlen müsse945. Eine weitere Ausnahme stelle die Abrechnung
schwebender Geschäfte nach § 740 BGB dar, da über diese gesondert abzurechnen
sei946.
944
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 83.
945
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 83.
946
MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 83.
947
MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 27.
948
Stötter DB 1972, 271, 271; MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 88.
949
Str., zum Streitstand ausführlich MünchHdb GesR I/Piehler/Schulte § 10 Rn. 88.
950
BGH NJW 1959, 1491, 1491.
951
Stötter DB 1972, 271, 271.
952
BGH NJW 1959, 1491, 1491.
953
Sudhoff DB 1964, 1324, 1326.
954
Schönle DB 1959, 1427, 1427.
301
ner Gewinn- oder Verlustposten955 oder auf Feststellung einzelner Bilanzposten nach
§ 256 ZPO klagen956 und dabei substantiiert darlegen, in welchen Punkten und aus wel-
chen Gründen die von den verbliebenen Gesellschaftern erstellte Bilanz bzw. Abfin-
dungsberechnung falsch ist957. Dabei sollen jedoch nur Erkenntnisse berücksichtigt wer-
den können, die bezogen auf den Stichtag der Bilanzerrichtung maßgeblich sind958.
Alternativ kann der Ausgeschiedene, wenn er selbst zur Aufstellung einer Abschich-
tungsabrechnung in der Lage ist, selbst eine solche Abrechnung erstellen und die Zu-
stimmung der übrigen Gesellschafter zu seiner Abschichtungsabrechnung gerichtlich
durchsetzen959. Zu diesem Zweck kann er sich klageweise Einsicht in die Geschäftsbü-
cher der Gesellschaft verschaffen, um aus diesen Unterlagen sein Abfindungsguthaben
selbst berechnen und dieses anschließend einklagen zu können: Er ist nicht verpflichtet,
eine von den übrigen Gesellschaftern errichtete Abfindungsbilanz ohne Weiteres hinzu-
nehmen, sondern kann einen Anspruch auf Vorlage der Geschäftsbücher aus §§ 242,
810 BGB geltend machen960. Die Vollstreckung eines obsiegenden Urteils erfolgt nach
§ 883 ZPO961 bzw. §§ 422 ff. ZPO, sofern die herauszugebenden Unterlagen sich im
Besitz der Gesellschaft als Prozessgegner befinden962. Die Hilfsansprüche auf Rechen-
schaftslegung, Auskunft und Erstellung einer Abfindungsrechnung können nach herr-
schender Meinung in einer Stufenklage miteinander verbunden werden963.
955
Zunft NJW 1959, 1945, 1949.
956
Graf von Westphalen BB 1982, 1894, 1897; Stötter DB 1972, 271, 272.
957
BGHZ 26, 25, 28 = NJW 1958, 57 ff.
958
BGH WM 1981, 452, 453.
959
Zunft NJW 1959, 1945, 1948.
960
Graf von Westphalen BB 1982, 1894, 1896; Sudhoff DB 1964, 1324, 1326.
961
Herrschende Meinung: OLG Hamm NJW 1974, 653, 653; OLG Köln NJW-RR 1996, 382, 382; Pa-
landt/Sprau BGB § 809 Rn. 13; Bamberger/Roth/Gehrlein § 809 Rn. 7; anderer Ansicht MünchKomm
BGB/Habersack § 809 Rn. 17.
962
OLG Frankfurt WM 1980, 1246; Palandt/Sprau BGB § 809 Rn. 13.
963
BGH BB 1977, 1219, 1221 unter ausdrücklicher Aufgabe seiner gegenteiligen Ansicht in BGH DB
1972, 272 ff.
302
II. Stellungnahme: Die Entbehrlichkeit der Durchsetzungssperre
Ebenso wie schon bei Abwicklung der Gesellschaft nach Auflösung bedarf es auch für
die Vermögensverteilung nach Ausscheiden keiner Durchsetzungssperre. Dass der Aus-
geschiedene gehindert ist, Einzelansprüche ungeachtet des Fortgangs der Abschichtung
isoliert geltend zu machen, ergibt sich auch für die Ausscheidenskonstellation bereits
aus der Einstellung und Saldierung aller wechselseitigen Ansprüche und Verbindlich-
keiten in das Gesellschafterkonto des Ausgeschiedenen. Jedoch muss der Ausgeschie-
dene seinen Abfindungsanspruch bereits im Augenblick des Ausscheidens ungehindert
in zahlenmäßig bestimmter Höhe geltend machen können964. Ob eine solche Klage be-
gründet ist, ist allein eine Frage der Schlüssigkeit und der Beweisbarkeit des klägeri-
schen Vorbringens und darf keiner zusätzlichen Klageerschwerung unterworfen wer-
den965. Letztendlich konzentriert sich die prozessuale Problematik damit auf die Frage,
wie der Ausgeschiedene das Bestehen und die Höhe seines Abfindungsguthabens be-
weisen kann.
Hierzu helfen ihm die von der herrschenden Meinung ins Feld geführten Hilfsansprüche
zur Berechnung des Abfindungsanspruchs jedoch nicht weiter. Die Klage auf Einwilli-
gung in die Berichtigung der Bilanz ist prozessökonomisch problematisch, da ein statt-
gebendes Urteil lediglich die Einwilligung fingiert, nicht aber die Berichtigung selbst.
Die klageweise Feststellung einzelner Bilanzposten nach § 256 ZPO ist ebenfalls nicht
zielführend. Der obsiegende Kläger kann mit dem auf Grund der Feststellungsklage
erwirkten Titel selbst dann nicht die nach herrschender Meinung erforderliche Zustim-
mung des Gegners zu einer Abschichtungsabrechnung erzwingen, wenn die Abrech-
nung im Übrigen unstreitig richtig sein sollte, noch weniger kann er damit die Zahlung
des mit Hilfe dieser Bilanz errechneten Abfindungsguthabens durchsetzen966. Die
Feststellung der Richtigkeit einzelner Bilanzposten führt daher nur zu einer Verzöge-
rung des Abschichtungsverfahrens967. Die Klage auf Zustimmung zur vorgelegten Ab-
schichtungsabrechnung ist letztlich überflüssig, wenn man mit der hier vertretenen An-
sicht der Zustimmung für die Entstehung oder Fälligkeit des Abfindungsanspruchs kei-
964
BGH NJW-RR 1987, 1386, 1387.
965
BGH NJW-RR 1987, 1386, 1387.
966
Stötter DB 1972, 271, 272.
967
Stötter DB 1972, 271, 272.
303
ne konstitutive Wirkung beimisst968, auch die Durchsetzbarkeit der Abfindungsforde-
rung hängt nicht von der vorherigen Feststellung der Abfindungsbilanz durch die Ge-
sellschafter ab969.
Die Stufenklage auf Auskunftserteilung und anschließende Auszahlung eines mit Hilfe
der erteilten Auskunft errechneten Auseinandersetzungsguthabens hilft dem Ausge-
schiedenen ebenfalls nur eingeschränkt weiter. Zum einen kranken materielle Aus-
kunftsansprüche daran, dass sie nach ganz herrschender Meinung schon dann erfüllt
sind, wenn eine den formalen Anforderungen des § 259 BGB genügende Auskunft ge-
geben wird, und zwar unabhängig davon, ob diese inhaltlich falsch oder richtig ist970.
Die Lösung kann in diesem Fall auch nicht darin liegen, den Auskunftsverpflichteten
zur Erteilung einer richtigen Auskunft durch eidesstattliche Versicherung anzuhalten
(§ 259 BGB), da der Ausgeschiedene die Richtigkeit der eidesstattlich versicherten
Auskunft mangels entsprechender Nachforschungsmöglichkeiten bzw. -befugnisse nicht
verifizieren kann. Zum anderen ist es dem Ausgeschiedenen kaum zumutbar, sich zu-
nächst in jahrelangen Prozessen die ihm unbekannten, zur Ermittlung seines Abfin-
dungsguthabens erforderlichen Informationen klageweise zu beschaffen, um anschlie-
ßend aus diesen möglicherweise unvollständigen und unrichtigen Daten auf eigene Ko-
sten eine vollständige Abschichtungsbilanz der Gesellschaft zu erstellen und daraus
seinen Abfindungsanspruch zu berechnen.
III. Stattdessen: Klage auf sofortige Auszahlung und auf künftige Leistung
968
BGHZ 26, 126, 133 = NJW 1958, 299; MünchKomm BGB/Schäfer § 738 Rn. 28; Staudin-
ger/Habermeier BGB (2003) § 730 Rn. 26.
969
BGH NJW-RR 2006, 468, 469 (Rn. 11).
970
MünchKomm BGB/Krüger § 259 Rn. 24.
304
den Urteilsgründen Stellung zu nehmen971. Dabei muss es wie schon für die Auseinan-
dersetzung nach Auflösung für die Schlüssigkeit der Klage genügen, wenn der Ausge-
schiedene alle zu seinen Gunsten in die Berechnung einzustellenden Aktivposten sowie
die ihm bekannten Abzugsposten darlegt. War der Ausgeschiedene nicht mit der Ge-
schäftsführung der Gesellschaft betraut, so ist es ihm in der Regel nicht zumutbar, erst
umständliche Ermittlungen über die ihm nicht bekannten Passivposten der Abschich-
tungsbilanz anzustellen. Er darf daher nicht verpflichtet sein, Abzugsposten zu seinen
Lasten in den Prozess einzuführen, soweit ihm diese nicht bekannt sind. Diese Informa-
tionen sind vielmehr nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen von der Gesellschaft
bzw. den verbleibenden Gesellschaftern vorzubringen, soweit die vom Ausgeschiedenen
vorgebrachten Zahlen bestritten werden. Eine solche Aufteilung der Beweislast belastet
die Gesellschaft auch nicht über Gebühr, da sie zum Nachweis der von ihr zu beglei-
chenden Verbindlichkeiten durch Vorlage ihrer Buchhaltungsunterlagen und Geschäfts-
bücher ohne Weiteres in der Lage ist. Es gelten insoweit die gleichen Grundsätze wie
im Rahmen der Abwicklung.
Zugleich kann der Ausgeschiedene im Augenblick des Ausscheidens durch Klage auf
zukünftige Leistung nach § 257 ZPO Zahlung der Beträge verlangen, die ihm aufgrund
der nach seinem Ausscheiden eingezogenen Forderungen sowie aufgrund der erfolgrei-
chen Beendigung schwebender Geschäfte zustehen. In Bezug auf diese Beträge ist die
Klage auf Auszahlung nach der hier vertretenen Ansicht, die für die Berechnung des
Abfindungsguthabens auf den jeweiligen Ist-Stand des Gesellschaftsvermögens abzielt,
vor deren Einziehung derzeit unbegründet. Den verbleibenden Gesellschaftern obliegt
insoweit die Beweislast, dass die Forderung noch nicht eingezogen oder sonst erfüllt
worden ist.
Nach seinem Ausscheiden kann der Ausgeschiedene einen Anspruch auf Rückgabe von
Gegenständen (§ 732 BGB), einen Anspruch auf Schuldbefreiung sowie einen An-
spruch auf Auszahlung seines Abfindungsguthabens geltend machen. Der Abfindungs-
971
BGHZ 26, 25, 29 = NJW 1958, 57.
305
anspruch ist aufgrund der umfassenden Verweisung des § 738 BGB in das bei Auflö-
sung der Gesellschaft anzuwendende Verfahren in gleicher Weise zu berechnen wie der
Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben. Wie das Auseinandersetzungsgutha-
ben vereinigt auch der Abfindungsanspruch alle Zahlungsansprüche des Ausgeschiede-
nen gegen die Gesellschaft aus den §§ 738 iVm 733 f. BGB einschließlich der Dritt-
gläubigeransprüche des Ausgeschiedenen gegen die Gesellschaft in sich. Er unterteilt
sich ebenso wie das Auseinandersetzungsguthaben bei Abwicklung in den Saldo des
einheitlichen Gesellschafterkontos des Ausgeschiedenen sowie den ihm nach Maßgabe
seiner Gewinn- bzw. Verlustquote zustehenden Anteil am Abschichtungserlös. Unge-
achtet der Verweisung in die §§ 732 ff. BGB ist der mit Hilfe der Abfindungsbilanz
oder einer betriebswirtschaftlichen Bewertungsmethode ermittelte Wert des Gesell-
schaftsvermögen für den Abfindungsanspruch jedoch nicht auf Basis der Liquidations-
werte, sondern auf Grundlage der Fortführungswerte des Unternehmens zu berechnen.
Der Wert des Gesellschaftsvermögens muss dabei stets dem objektiven Marktpreis ent-
sprechen, der bei einem Verkauf des Unternehmens (going concern) erzielt werden
würde.
Bei der Bewertung des Gesellschaftsvermögens nach § 738 Abs. 2 BGB ist stets nur
sein jeweiliger Ist-Bestand unter Herausrechnung noch nicht eingezogener Forderungen
zu berücksichtigen. Nur so können Schwierigkeiten bei der Forderungsbewertung ver-
mieden und das Inkassorisiko für den Forderungseinzug gerecht zwischen dem Ausge-
schiedenen und den verbleibenden Gesellschaftern verteilt werden. Der Ausschüttung
an den Ausgeschiedenen unterliegt also zu jedem Zeitpunkt nur Gesellschaftsvermögen,
das aus Sachwerten und sonstigen immateriellen Vermögenswerten besteht und tatsäch-
lich im Gesellschaftsvermögen vorhanden ist. Über die noch nicht eingezogenen Forde-
rungen wird ebenso wie über die Erträge aus schwebenden Geschäften nach § 740 BGB
gesondert mit dem jeweiligen Zahlungseingang abgerechnet.
306
Vierter Teil
Ergebnis
I. Fazit
Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass sich sowohl bei der Auflösung einer
Gesellschaft als auch beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer fortbestehenden
Gesellschaft vielfältige Probleme stellen, zu deren Lösung in Rechtsprechung und Lite-
ratur z.T. nicht ohne weiteres umsetzbare Vorschläge gemacht werden. Eine Rückbe-
sinnung auf den Wortlaut und die dahinter stehende Intention des Gesetzes, auf Zweck
und Rechtsnatur der Auseinandersetzung nach Auflösung bzw. der Abschichtung nach
Ausscheiden sowie ein ergänzender Rückgriff auf das handelsrechtliche Kontokorrent
(§ 355 HGB) sowie das gesetzlich vorgesehene Verfahren bei der OHG helfen jedoch
dabei, sowohl für die Auflösungs- als auch die Ausscheidenskonstellation ein einfaches
und einheitlich auf alle Sachverhaltskonstellationen gleichermaßen gut anwendbares
Modell zu entwickeln, wie die Ansprüche des einzelnen Gesellschafters dem Grunde
nach ermittelt, der Höhe nach berechnet und prozessual durchgesetzt werden können.
307
Gesellschaft verrechnet wird. Der Stand der jeweiligen Auseinandersetzungsguthaben
ist mit fortschreitender Vermögensverwertung zu aktualisieren, eine abschließende Be-
rechnung erfolgt erst nach Verwertung des gesamten Gesellschaftsvermögens.
Sowohl für die Auseinandersetzung nach Auflösung als auch für die Abschichtung nach
Ausscheiden erweisen sich die für jeden einzelnen Gesellschafter zu erstellenden, ein-
heitlichen Gesellschafterkonten als unverzichtbares Mittel, um die Ansprüche und Ver-
bindlichkeiten des einzelnen Liquidationsgesellschafters bzw. des Ausgeschiedenen im
Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern sowie zur Gesellschaft darzustellen und mittels
einer kontokorrentartigen Verrechnung in einen Gesamtsaldo zu überführen. Dieser
Gesamtsaldo des Gesellschafterkontos ergibt, verrechnet mit dem quotalen Anteil des
Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen, das nach Abzug aller Verbindlichkeiten der
Gesellschaft für die Verteilung zur Verfügung steht, den jeweiligen Anspruch des Ge-
sellschafters auf Auszahlung seines Auseinandersetzungs- bzw. Abfindungsguthabens.
Für die Konstellation der Auflösung der Gesellschaft - und damit aufgrund der Verwei-
sung des § 738 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 BGB auch für das Ausscheiden - kommt dem
Grundsatz der Finanzierungsverantwortung des Gesellschafters eine besondere Bedeu-
tung zu. Dieser führt dazu, dass der einzelne Gesellschafter seine Ansprüche gegen die
Gesellschaft, insbesondere aus nicht auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Dritt-
308
rechtsgeschäften mit der Gesellschaft, nicht einfach wie ein außenstehender Dritter ohne
Rücksicht auf den Gang der Auseinandersetzung geltend machen kann. Statt dessen
sind diese Beträge wie andere Ansprüche des Gesellschafters gegenüber der Gesell-
schaft zu behandeln und mit den übrigen Ansprüchen und Verbindlichkeiten des Gesell-
schafters gegenüber der Gesellschaft zu einem einheitlichen Saldo zu verrechnen.
Aufgrund der fortlaufenden Einstellung aller Ansprüche des Gesellschafters in das Ge-
sellschafterkonto und deren laufender Saldierung gehen alle Einzelposten durch Novati-
on unter, der Anspruch bzw. die Verbindlichkeit des Gesellschafters reduziert sich stets
nur noch auf den Saldo. Daher besteht kein Bedürfnis mehr für die Anwendung darüber
hinausgehender Beschränkungen der Klagbarkeit dieser Einzelansprüche, wie insbeson-
dere den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der Durchsetzungssperre.
Letztlich ist die Frage, ob der Gesellschafter den ihm zustehenden Saldo vollumfänglich
von der Gesellschaft verlangen kann, eine Frage der prozessualen Beweisbarkeit. Damit
können die wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchungen in folgenden Thesen zusam-
mengefasst werden:
II. Thesen
309
so gewonnenen Saldo richtet und alle Einzelansprüche, die in das Gesellschaf-
terkonto eingestellt und verrechnet worden sind, durch Novation untergegangen
sind.
§ Der Begriff der Einlage des § 733 Abs. 2 BGB ist weit auszulegen und umfasst
alle Vermögensverschiebungen aus dem Privatvermögen des Gesellschafters in
das Gesellschaftsvermögen.
§ Die actio pro socio ist mit Auflösung der Gesellschaft obsolet, soweit sie der
Einziehung von auf Geldzahlung gerichteten Forderungen gegenüber Mitgesell-
schaftern dient, die nicht Nachschussleistungen im Sinne des § 735 BGB sind.
310
Drittrechtsgeschäft haben, gleichermaßen in sein Gesellschafterkonto einzubu-
chen.
§ Auch in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gilt der Grundsatz der Finanzie-
rungsverantwortung des Gesellschafters. Jeder Gesellschafter ist grundsätzlich
nur insoweit zur Einforderung eigener Ansprüche gegen die Gesellschaft berech-
tigt, als dadurch eine Unterkapitalisierung der Gesellschaft ausgeschlossen ist
und muss sich bei der Durchsetzung seiner Privatforderungen gegen die Gesell-
schaft den Grundsatz der fortlaufenden Saldierung seines Gesellschafterkontos
entgegenhalten lassen. Er kann auch für seine Drittgläubigerforderungen gegen-
über der Gesellschaft nur Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen verlan-
gen, das nicht für die vorrangige Befriedigung von Schulden gegenüber gesell-
schaftsfremden Dritten zu verwenden ist.
§ Mit Eintritt der Auflösung ist eine Klage auf Zahlung von Nachschussleistungen
nach § 735 BGB in das Gesellschaftsvermögen nicht nur dann entbehrlich, wenn
es nur noch um den Innenausgleich unter den Gesellschaftern geht, sondern
schon dann, wenn die Gesellschaftsschulden gegenüber außenstehenden Dritten
noch nicht vollständig befriedigt worden sind. Jeder Gesellschafter kann viel-
mehr gegen einen nachschussverpflichteten Mitgesellschafter im Wege der actio
pro socio auf Leistung direkt an den Gläubiger für Rechnung der Gesellschaft
klagen.
§ Ist der Saldo des Liquiditätskontos zu einem gegebenen Zeitpunkt vor Abschluss
der Vermögensversilberung positiv, so kann der Überschussbetrag gemäß § 155
Abs. 2 Satz 1 HGB analog bis auf den Betrag „Null“ von denjenigen Gesell-
schaftern entnommen werden, die zum selben Zeitpunkt ein positives Auseinan-
dersetzungsguthaben aufweisen. Maßgeblich für die Verteilung ist dabei das
Verhältnis ihrer positiven Auseinandersetzungsguthabensbeträge zueinander.
311
§ Die Gesellschaft ist einerseits ein eigenständiges Rechtssubjekt, andererseits
aber nach wie vor ein zwischen den Gesellschaftern bestehendes (Dau-
er)Schuldverhältnis. Die Abwicklung kann daher erst dann abgeschlossen und
die Gesellschaft vollbeendet sein, wenn einerseits alle Rechte und Pflichten des
Rechtssubjekts „Gesellschaft“, andererseits aber auch alle Rechte und Pflichten
sämtlicher Gesellschafter aus diesem Schuldverhältnis abgewickelt worden sind.
Dies ist der Fall, wenn alle Gesellschafterkonten „auf Null gestellt“ worden sind,
d.h. sowohl im Innenverhältnis als auch im Außenverhältnis sämtliche Ansprü-
che und Verbindlichkeiten sowohl im Verhältnis des Gesellschafters zur Gesell-
schaft als auch im Verhältnis der Gesellschafter untereinander, soweit sie sich
aus dem Gesellschaftsverhältnis entstanden sind, befriedigt worden sind.
§ Der Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben entsteht erst dann und wird
auch erst dann fällig, wenn alle darin aufgehenden Posten ihrer Existenz und
Höhe nach endgültig und rechtskräftig feststehen. Die Erstellung oder einver-
nehmliche Feststellung der Auseinandersetzungsabrechnung ist hierfür ohne Be-
lang.
312
seinen Lasten zu berücksichtigenden Abzugsposten wie die Verbindlichkeiten
und Rückstellungen der Gesellschaft und die Auseinandersetzungsguthaben sei-
ner Mitgesellschafter aufgelistet sind, sofern ihm diese nicht bekannt sind. Statt
dessen reicht es aus, wenn er einen bestimmten Betrag einklagt und es der be-
klagten Gesellschaft überlässt, die entsprechenden Abzugsposten einredeweise
geltend zu machen und zu beweisen.
§ Die Klage des Gesellschafters ist schlüssig, wenn er vorträgt, dass ihm ein be-
stimmter Betrag seines Auseinandersetzungsguthabens zusteht und verteilbares
Gesellschaftsvermögen in der notwendigen Höhe vorhanden ist, das nicht zur
Ausschüttung an Nichtgesellschafter zu verwenden ist. Bestreitet die beklagte
Gesellschaft Grund und Höhe des Anspruchs, so ist sie gemäß § 259 BGB zur
umfassenden Rechnungslegung verpflichtet.
§ § 250 BGB ist im Rahmen des Schuldbefreiungsanspruchs des § 738 BGB der-
gestalt korrigierend auszulegen, dass der ausgeschiedene Gesellschafter nach
Fristablauf nicht mehr Zahlung an sich selbst verlangen kann, sondern nur noch
Zahlung an den Drittgläubiger.
§ § 738 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 BGB stellt den Grundsatz auf, dass der Ausgeschie-
dene grundsätzlich nicht besser oder schlechter gestellt werden darf, als er es im
Fall der Auflösung der Gesellschaft gewesen wäre. Dieser Grundsatz der wirt-
schaftlichen Gleichbehandlung hat zur Folge, dass der Abfindungsanspruch des
313
Ausgeschiedenen in gleicher Weise berechnet wird wie der Anspruch auf Aus-
zahlung des Auseinandersetzungsguthabens.
§ Bei der Bewertung des Gesellschaftsvermögens nach § 738 Abs. 2 BGB ist auf-
grund des Gebots der wirtschaftlichen Gleichbehandlung von Auflösung und
Ausscheiden stets nur der jeweilige Ist-Stand des Gesellschaftsvermögens her-
anzuziehen. Zum Ausscheidensstichtag noch nicht eingezogene Forderungen der
Gesellschaft nehmen an der Bewertung daher zunächst nicht teil. Über sie wird -
ebenso wie über die Erträge aus schwebenden Geschäften nach § 740 BGB - ge-
sondert mit dem jeweiligen Zahlungseingang abgerechnet.
314
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Bandredakteur: Mathias Habersack
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§ Band 7: Familienrecht I, §§ 1297 - 1588, Ver-
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