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03.02.23 15:29
WO C H E N Z E I T U N G F Ü R P O L I T I K W I RTS C H A F T W I S S E N U N D KU LT U R
Titelcomposing: Beate Pietrek für DIE ZEIT (verw. Fotos: Fotofinder; dpa)
TÜRKISCH-SYRISCHE KATASTROPHE
Trümmerpolitik
Das Beben trifft Menschen, die von Krieg und Flucht gezeichnet sind.
Sie dürfen nicht Objekt der Machtpolitik bleiben  VON MICHAEL THUMANN
D Z
ie Hilflosigkeit ist vielleicht
das Schlimmste. Die der
Fami­ lien, deren Welt über­
ihnen zusammenbricht. Die
des Staates, der in dieser ­Re­
gion zwar stets Kräfte für die
Unterdrückung der Menschen einsatzbereit hält,
aber die Not und das Sterben nicht verhindern
kann. Vielerorts ist der Staat schlicht abwesend.
Die Menschen retten sich selbst. In Syrien war
das zu erwarten, in der Türkei überrascht es.
Dort gibt es einen funktionierenden Roten
Halbmond, gut aufgestellte Flüchtlingsorgani­
sationen und keinen Arbeitskräftemangel. Aber
die türkische Regierung ignorierte alle Warnun­
gen der Geologen vor dieser Katastrophe.
Das große Erdbeben im syrisch-türkischen
Grenzgebiet traf sehr dicht besiedelte Gegenden
beider Staaten. Seit mehreren Jahrtausenden­
leben die Menschen in großen Städten wie
Aleppo,­Antakya, Adana und Gaziantep. Dieses
Epizentrum der Weltgeschichte ist heute eine
politisch hoch aufgeladene und von Kriegen
zerrüttete Gegend, eine Weltregion im politi­
schen Dauer­stress. Deshalb sind die Folgen der
Katastrophe so schwer abzusehen.
Für die Unterdrückung reicht die Kraft des
Staates, für Hilfe in der Not aber weniger
Es beginnt in der Türkei. Das Erdbeben erschüt­
terte die Kurdengebiete, einen Landstrich voller
Spannungen und Elend. Die türkische Regierung,
eine Koalition aus Nationalisten und islamischen
Konservativen, lässt kurdische Politiker und Ver­
treterinnen der Zivilgesellschaft verfolgen. Vor
Jahren zerstörte die türkische Armee ganze Dörfer.
Menschen flüchteten in andere Städte. Das hat
Auswirkungen darauf, wie sie leben. Viele Häuser
sind schnell und von eigener Hand g­ebaut, oft
nicht nach erdbebensicheren Standards.
In den türkischen Städten Gaziantep, Anta­
kya und Kilis leben Hunderttausende Flüchtlin­
ge aus Syrien. Manche in rasch errichteten Neu­
bauvierteln, viele in Notunterkünften. Jenseits
der Grenze, in Nordwestsyrien, liegt das Opera­
tionsgebiet all jener Kräfte, die im vergangenen
Jahrzehnt Unglück über die Gegend gebracht
haben: syrische Regierungstruppen, die russische
Armee und iranisch-schiitische Kämpfer, die
türkische Armee, islamistische Fundamentalis­
ten, kurdische Milizen. Russische und syrische
Die Panzerlieferungen an die
Ukraine haben Annalena Baerbock
und Olaf Scholz entzweit.
Sie sprechen kaum noch
miteinander. Es geht
um Loyalität – und
um das Verhältnis
zwischen Politik
und Moral  schwer getroffen hat
POLITIK, S. 4
DER RISS
Flugzeuge zerstörten im Krieg Krankenhäuser
und Schulen, die heute als Zuflucht dienen könn­
ten. Ärzte flohen. Die von islamistischen Grup­
pen geprägte Region Idlib ist für Helfer seit Jahren
ein Schre­ckens­ort. Beschossen von Syrern und
Russen, isoliert durch eine Mauer in der Türkei.
Hier wird nicht für Erdbeben und die Ewigkeit
gebaut, sondern bis zum nächsten Angriff.
Die enormen Schäden haben mit der Stärke
der Erdbeben zu tun, aber auch mit der Schwä­
che der Infrastruktur. Bis zum Diens­tag­abend
rechneten die Hilfsorganisationen mit weit über
7000 Todesopfern. Die große Kälte könnte diese
Zahl weiter erhöhen. Der Wohnungsbau nach
dem Krieg ist um Jahre zurückgeworfen. Das
Erdbeben trifft eine Region in Nordsyrien, wo
der türkische Präsident Neubauten errichten will,
um geflüchtete Syrer aus Istanbul und a­nderen
Städten anzusiedeln. Denn in der Türkei wach­
sen die Ressentiments gegen die Flüchtlinge.
Nun aber werden die Bautrupps zunächst einmal
in der Türkei selbst gebraucht. Recep Tayyip­
Erdoğan wird im Wahlkampf zeigen wollen, dass
er nicht endlos weitere Geflüchtete aufnehmen
wird. Ohne zügige Hilfe könnten sich viele
Flüchtlinge auf den Weg nach Europa ­machen.
Es wird auch politische Nachbeben geben.
Schon liest man in Ankara im Kaffeesatz: Scha­
det das C
­ haos in den Erdbebengebieten Erdoğan,
weil er und seine Gouverneure schlecht vorbereitet
waren? Oder nutzt ihm die humanitäre Katastro­
phe, weil er sich als Helfer in der Not inszenieren
kann? Wird Erdoğan die Feldzüge gegen kurdische
Milizen in Nordsyrien fortsetzen? Wird der syrische
Diktator Baschar al-Assad die Stunde nutzen, um
die Opposition und die Islamisten in Idlib weiter
unter Druck zu setzen? Werden Russland und der
Iran ihm dabei helfen?
Diese Fragen zeigen, was die Region nebst
Erdbebenhilfe und Bautrupps ganz dringend
braucht: eine Auszeit von der Machtpolitik, eine
Zusammenarbeit von Syrien, der Türkei und
den Kurden. Darf man mal träumen? Vielleicht
begräbt Erdoğan seine Kriegspläne für Nord­
syrien? Vielleicht verständigen sich Ankara und
Damaskus über Hilfe? Nur ein Beispiel, wie es
gehen könnte: Der griechische Premier, den­
Erdoğan nie wieder sprechen wollte, hat in­
einem langen Telefonat seine Hilfe angeboten.
Putin hat auch angerufen, leider. Dabei müsste
Russland eigentlich gar nichts tun – außer sich
mal rauszuhalten. Das würde wirklich helfen.
BROKSTEDT
Rundum blind
Vor dem Attentat in der Regionalbahn wusste jeder etwas und keiner
alles über den Täter. So darf es nicht weitergehen  VON FLORIAN ZINNECKER
u den bitteren Wahrheiten über
das Attentat von Brokstedt gehört,
dass es zu verhindern gewesen
wäre. Und dass heute, zwei
Wochen danach, auch sehr klar
ist, von wem: 1. Von der Hambur­
ger Justiz. 2. Von den Behörden in Kiel. 3. Vom
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Und von einer ganzen Reihe weiterer Stellen,
die mit Ibrahim A. befasst waren, mit dem
Mann, der sich selbst, wie jetzt bekannt wurde,
im Gefängnis mit Anis Amri, dem Attentäter
vom Berliner Breitscheidplatz, verglichen hat.
Um A. zu stoppen, hätte es nicht schärfere
Gesetze gebraucht, kein anderes Ausländer- oder
Asylrecht. Nach allem, was man heute weiß,
hätte es genügt, wenn sich die beteiligten­
Behörden gründlicher mit dem Fall Ibrahim A.
befasst hätten. Wenn sie besser – oder überhaupt
– mit­ein­an­der kooperiert hätten und auf Basis
der dann vorliegenden Informationen zu ande­
ren Entscheidungen gekommen wären.
Dann wäre Ibrahim A. am 25. Januar nicht in
den Regionalzug von Kiel nach Hamburg gestie­
gen, weil er nicht auf freiem Fuß gewesen wäre,
und die beiden Jugendlichen, die bei der Tat zu
Tode kamen, wären noch am Leben.
Aus heutiger Sicht scheint klar, was hätte­
geschehen müssen. Mit Ausnahme der Tat selbst
war alles, was man heute über Ibrahim A. weiß,
damals schon bekannt. Nur eben nicht jedem, der
es hätte wissen müssen. Jeder schaute nur auf seine
unmittelbare Zuständigkeit, aber niemand sah sich
zuständig für das Gesamtbild, also für die Frage:
Wer ist dieser Mann, wozu ist er fähig, und wäre es
nicht ratsam, die Bevölkerung vor ihm zu schützen?
Bei seinem Verhalten im Gefängnis hätte
man wissen können, wie gefährlich er ist
Dass Ibrahim A. ein staatenloser Flüchtling ist,
der schon deshalb nicht in Abschiebehaft saß,
weil allen Beteiligten klar sein dürfte, dass aus
seiner Abschiebung sowieso nichts würde: Das ist
leider nichts Besonderes. Er ist auch nicht der
erste geduldete Asylbewerber, der in Ermange­
lung einer Perspektive straffällig wird. Doch kam
in diesem Fall einiges dazu, einiges, was man
hätte wissen können. Und müssen.
Dass der mutmaßliche Täter auf freiem Fuß
war, liegt in der Verantwortung der Hamburger
Justiz. Die Entlassung selbst war nur eine Formalie,
N o 7 13:59
9. FEBRUAR 202302.02.23
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Katastrophe
mit Ansage
Warum das Beben die
Türkei und Syrien so
Wissen, S. 29
Der Staat,
mein Dealer
Legales Kiffen –
Gras-Liebhaber über
Genuss und Gefahr
Politik, S. 3
Er war einmal
ein netter Junge
Unsere Autorin erlebte
Elon Musk als genialen
Tüftler, jetzt erkennt
sie ihn kaum wieder
Dossier, S. 13
PROMINENT IGNORIERT
man kann einen Häftling nach Verbüßen seiner
Strafe ja nicht einfach nicht entlassen. Aber die Ent­
scheidungen – und ebenso: die Nicht-Entschei­
dungen – auf dem Weg dorthin wirken im Rück­
blick geradezu haarsträubend.
Hätte es Möglichkeiten gegeben, anders abzu­
biegen? Ja, hätte es. Mehr als nur einmal.
Man hätte Ibrahim A. zum Beispiel schärfer
verurteilen und sich intensiver damit befassen
können, ob er gefährlich ist. Man hätte auch
sein Verhalten im Gefängnis in den Blick neh­
men müssen. Wenn ein Häftling, der vom ers­
Wurstlos
ten Tag an Ärger macht, Mithäftlinge bedroht »Gemüse ist ja alles gesund«, sagt
und sich mit einem Terroristen vergleicht,­ Gerhard Schröder und zeigt sich
einfach so entlassen wird, dann ist das schwer auf dem Instagram-Account seiner
­zu begreifen. Frau als ein Altbundeskanzler mit
Kaum zu verstehen ist auch, dass nicht einmal Artischockenherz. Seit der von
klar ist, ob die Instanz, die A.s Entlassung verfügte, Soyeon Schröder-Kim angeregten
überhaupt die Gerichtsakte, geschweige denn die »freiwilligen Ernährungsumstel­
Einschätzung des Gefängnis-Psychiaters kannte. lung« gibt’s in Hannover zuvörderst
Konnten die Behörden nicht kooperieren, oder Hafer­flocken, Grünes und Fisch.
wollten sie gar nicht? »Wie, keine Currywurst mehr?«,
Leider ist auch das Krisenmanagement der fragen ungläubige Fans. »Ist das
Hamburger Justizbehörde so schlecht, dass sich noch artgerechte Haltung?« USTO
die Diskussion derzeit beinahe nur noch um­
einen möglichen Rücktritt der zuständigen­ Kleine Fotos (v. o.): Mustafa Karali/dpa
(Ausschnitt); Archivio GBB/laif; Getty Images
Senatorin dreht. Dringlicher wären Veränderun­
gen an anderer Stelle: in den Behörden, Unter­
Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG,
künften, Gefängnissen. Es braucht so etwas wie 20079 Hamburg
ein Frühwarnsystem: Irgendeine Institution Telefon 040 / 32 80 ‑ 0; E-Mail:
muss sich zuständig fühlen für die Frage, ab DieZeit@zeit.de, Leserbriefe@zeit.de
wann ein Mensch zu gefährlich ist, um allein in ZEIT ONLINE GmbH: www.zeit.de;
einen Regionalzug steigen zu dürfen. Solange ZEIT-Stellenmarkt: www.jobs.zeit.de
jeder Beamte in seinem Tunnel bleibt, bringen
auch schärfere Gesetze nichts. Alle sind für etwas ABONNENTENSERVICE:
Tel. 040 / 42 23 70 70,
zuständig – aber wer für alles? E-Mail: abo@zeit.de
Immerhin, der Bundesjustizminister hat
jetzt den fehlenden Informationsfluss als ent­
scheidendes Problem identifiziert. Die Strafver­ PREISE IM AUSLAND:
folgungsbehörden der Länder sollen künftig DK 69,00/FIN 9,10/E 7,80/
enger zusammenarbeiten – und beispielsweise CAN 7,90/F 7,80/NL 7,20/
A 6,50/CH 8.50/I 7,80/GR 7,80/
dem zuständigen Ausländeramt standardmäßig B 7,20/P 7,80/L 7,20/H 3690,00
mitteilen, wenn ein Asylbewerber ins Gefängnis
o
N7
kommt oder entlassen wird.
Das ist ein guter Anfang, natürlich. Viel wich­
tiger noch wäre, dass der Schock von Brokstedt die
beteiligten Behörden aus ihrer lethargischen Rou­
7 8. J A H RG A N G C 7451 C
tine reißt. Sonst ist das nächste Staatsversagen nur
eine Frage der Zeit.
07
Beide Leitartikel finden Sie zum Hören
unter www.zeit.de/vorgelesen 4 190745 106207
 2 POLITIK
M »Alle lästern, aber
itten im Gespräch eilt Franziska
Giffey in drei, vier schnellen
Schritten von ihrer Sitzgruppe im
Roten Rathaus zu ihrem Schreib-
tisch. »Wollnse mal kucken?« Die
Regierende Bürgermeisterin von
alle wollen hierher«
Berlin zeigt auf ein abschließbares
Geheimfach. Ihr Amtsvorgänger und Parteifreund Michael
Müller hat es ihr seinerzeit präsentiert, bei einer Dienst-
übergabe, die man sich wohl sehr knapp vorstellen muss.
Man hatte sich nicht viel zu ­sagen. Berlin macht weiter, die
SPD macht weiter, was soll sein. Das Fach war leer.
21 Jahre lang hat Giffeys Partei, die SPD, die deutsche
Bundeshauptstadt (mit)regiert, die in München und an-
derswo derzeit nur noch ­failed ­state genannt wird. Ver-
schlampte Wahlen, brennende Rettungsfahrzeuge, eine
überforderte Verwaltung – ist Berlin unregierbar? Oder
ist all das, wie Franziska Giffey meint, nichts als ein ver-
logenes Klischee: »Alle lästern über die Stadt. Aber alle
wollen hierher. Und wehe, es gibt keine Karten mehr zur
Fashion Week.«
Am kommenden Sonntag, wenn die Berliner nach nur
16 Monaten wieder an die Urnen müssen, weil die reguläre
Wahl von Gerichten für ungültig erklärt worden ist, könn-
te es mit der SPD-Dauerregentschaft vorbei sein. Vielleicht
war einmal zu oft niemand für einen Berliner Schlamassel
verantwortlich. Vielleicht hat sich einmal zu oft niemand
entschuldigt. »Was würde denn
besser, wenn ich zurückträte?«,
hatte der damals für die Wahl zu-
ständige SPD-Senator Andreas
Geisel gefragt.
Zum ersten Mal seit Menschengedenken
liegt nun ausgerechnet die Berliner CDU in
Umfragen mit Abstand vorn. Die CDU gilt
in der Hauptstadt als Partei jener, die außer-
halb des S-Bahn-Rings wohnen, der die In-
nenstadt umschließt: der Schrebergärtner,
Autofahrerinnen, Liebhaber der Currywurst
und des robusten Polizeieinsatzes. Die Partei
derer, die ganz, ganz gewiss gegen Enteignun-
gen sind, wie sie auf der Linken als Heilmittel
gegen die Wohnungsnot gefordert werden. Der
CDU-Spitzenkandidat, Kai Wegner, 50, ge­
lernter Versicherungskaufmann aus Spandau,
stemmte sich im Herbst erfolgreich gegen den
Versuch von Parteichef Friedrich Merz, ihn ge-
gen den eloquenteren Jens Spahn auszuwechseln.
Beim Gespräch im Preußischen Landtag versi-
chert er, den »sehr konservativen Kai Wegner von
früher mag ich heute gar nicht mehr so«. Inzwi-
schen habe er auch einen guten Draht zur queeren
Community. Da sei eine Lernkurve gewesen. In
einer Umfrage liegt Wegner sogar im direkten Ver-
gleich der Spitzenkandidaten vorn; sonst ist das
meist Giffey, die man sich aber ohne SPD wünscht.
Deshalb gibt es keinen politischen Satz, den man in
Berlin derzeit häufiger hört als diesen: »Wen um alles
in der Welt soll ich denn jetzt wählen?«
Diese Ratlosigkeit hat womöglich einen tieferen
Grund. Politisch ist Berlin nämlich das, was Wahl-
forscher »strukturell links« nennen. Das drückt sich
zum einen in der Arithmetik aus. So könnte es gut
sein, dass zwar Wechselstimmung herrscht und die
CDU stärkste Partei wird – es aber mangels Koalitions­
optionen am Ende doch bei einer Regierung aus Sozial­
demokraten, Grünen und Linken bleibt, wenn auch
womöglich in veränderten Kräfteverhältnissen. Giffey
hat zwar Offenheit für eine Deutschland-Koalition aus
CDU, SPD und FDP erkennen lassen. Aber ob ihr
sehr linker Landesverband ihr dorthin folgen würde,
ist fraglich.
Zum andern ist das »strukturell Linke« schon lange
Teil des Berliner Mindsets, der Gemütslage einer Stadt, in
die man während der deutschen Teilung aus dem Westen
zog, um dem Wehrdienst zu entgehen. Die Stadt verlangt
nicht viel, hier kann man sich auch im Scheitern wohl-
fühlen. Die Regierende Bürgermeisterin fand sich nach
einer Plagiatsaffäre nicht mehr geeignet für das Bundes­
familienministerium – für Berlin hat es immer noch ge-
reicht. Wo sonst in der Bundesrepublik würden 59 Prozent
für die Enteignung von Wohneigentum stimmen? Die
Linke in Berlin hält in dieser Woche sogar ein »Tribunal«
gegen das Immobilien-Unternehmen Signa der Familie
Benko ab und findet, es dürfe grundsätzlich »kein Bau-
recht für Gentrifizierungsprojekte« mehr geben. In keiner
anderen deutschen Großstadt würde ein ­Areal wie das­
riesige Tempelhofer Feld, früher ein Exerzierplatz, nach
einem Volksentscheid komplett unbebaut bleiben. Auf
300 Hektar, also etwa 450 Fußballfeldern, Drachen fliegen
lassen, skaten, chillen – aber nix mit Neubau, trotz etwa
300.000 fehlender Wohnungen.
Ist Berlin also instinktiv links, antiautoritär und des-
halb unregierbar? Auf dem Weg zu Klaus Lederer, 48,
Spitzenkandidat der Linken, Kultursenator und hoch­
populär, ins Karl-Liebknecht-Haus nahe dem Alexander-
platz passiert man vor der Volksbühne goldglänzende­
Messingstreifen, auf denen quer über den Bürgersteig
Rosa-­Luxemburg-Zitate eingraviert sind. Eine vergleich-
bare Unbefangenheit kann man sich, nebenbei bemerkt,
mit Ernst-Jünger-Worten kaum vorstellen.
Fragt man jedenfalls Klaus Lederer, derzeit sehr erkältet
und dennoch freundlich-tiefenentspannt, ob es einen Zu-
sammenhang gebe zwischen dem »strukturell Linken« und
der Ineffizienz der Berliner Verwaltung, schaut er ungläu-
Illustration: Jochen Schievink für DIE ZEIT (Umfrage vom 4. 2. 2023; Quelle: Forsa)
big. Aber könnte es nicht sein, dass in einer Stadt, in der
womöglich demnächst der Name »Stiftung Preußischer
Kulturbesitz« aus schierer Abneigung gegen alles Preußi-
sche verschwindet, Worte wie »Effizienz« oder »Hierar-
chie« einen solchen Schrecken auslösen, dass man eben
lieber mit dem Scheitern lebt?
Lederer ist nicht überzeugt. Von Scheitern könne keine
Rede sein: Die reale Berliner Wachstumsrate lag zuletzt
mit 3,3 Prozent über der von Bayern (stimmt); 300.000
Ukraine-Flüchtlinge und die Corona-Hilfen hat die Stadt
eindrucksvoll bewältigt (stimmt auch). Berlin kann also
Krise – aber kann es auch normal?
Lederer meint, der öffentliche Dienst sei halt kaputt-
gespart worden. »Wir hatten in den Nullerjahren die Parole
›Sparen, bis es quietscht‹«, erinnert er sich. »Als nach der
Wiedervereinigung die Berlin-Förderung abgeschafft wur-
de, fehlten plötzlich Mil­liar­den. Industrie wanderte ab –
zugleich hatte man einen völlig über­dimen­sio­nier­ten öf-
fentlichen Dienst. Darauf folgte eine Pri­va­ti­sie­rungs­arie.«
9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
Davon habe sich die Stadt bis heute nicht erholt. Mit der
anstehenden Pensionierung einer ganzen Generation von
Beamten werde Berlin demnächst vor einem gigantischen
Personalmangel stehen, der auch mit der schicksten Ver-
waltungsreform nicht zu bewältigen sei. Mehr Personal,
mehr Geld – das ist oft die Berliner Antwort gewesen.
Aber es ist eben kein Zufall, dass ein so sprödes Thema
wie die Verwaltungsreform in diesem Frühjahr zu einem
regelrechten Wahlkampfschlager geworden ist. »1948, als
die Stadt in Trümmern lag, hat man schneller eine Ge-
burtsurkunde bekommen als heute«, sagt Wolfgang Wie-
land, grüner Veteran der Berlin-Politik. »Hätte die Verwal-
tung damals in dem Tempo von heute gearbeitet, würden
wir immer noch in Ruinen leben.«
Tatsächlich hat auch das berüchtigte Berliner »Behörden-­
Am Sonntag muss Berlin seine verpatzte Wahl wiederholen. Pingpong« – dass die Verantwortung stets zwischen Bezirks­
Ist Deutschlands Hauptstadt überhaupt regierbar? ämtern, Stadträten und Senat hin und her gespielt wird
oder dass man vier Behörden konsultieren muss, um eine
Oder erzwingen die Bürgerinnen und Bürger jetzt einen Wandel?  Schultoilette zu sanieren – seinen Ursprung in einem anti-
preußischen, antiautoritären Affekt, der älter ist als die
VON MARIAM LAU linken Milieus der Stadt und weit über sie hinausreicht. Es
gibt ihn bei CDU-Bezirksfürsten heute genauso wie im
grünen Kreuzberg.
Unter dem Motto »Vor Groß-Berlin und Zweckverband
bewahre uns des Kaisers Hand« wehrten sich die um 1900
noch autonomen Städte Neukölln, Wilmersdorf und andere
heutige Stadtteile gegen die Bildung einer Stadtgemeinde.
Zwar ohne Erfolg – aber als 1920 das Groß-Berlin-Gesetz
kam, sicherte es den Bezirken eine weitgehende Selbstver-
waltung zu, um ihre Widerstände zu befrieden.
Wo genau wessen Zuständigkeiten liegen, ist aber bis
heute nicht geklärt. Über hundert Jahre alt ist Berlins Kern-
problem also. Obendrein führt ein Proporzsystem dazu,
dass auch die Opposition in den Bezirken oft an der Macht
beteiligt ist – und naturgemäß wenig Neigung dazu hat,
der Regierung zu Erfolgen zu verhelfen.
Alle Parteien haben jedoch ein Interesse daran, ihre
Leute­in den Bezirksämtern unterzubringen. Höchste
Stellen­der Berliner Verwaltung sind deshalb oft mit Leuten
besetzt, die außer einem Parteibuch nicht überragend viele
Qualifikationen vorzuweisen haben.
Deshalb ist der letzte große Reformschritt – die Zusam-
menlegung von 23 Bezirken zu zwölf – nur mit der soliden
Mehrheit eines damals, im Jahr 2000, von der CDU ge-
führten Senats möglich gewesen. Die mächtigen Bezirks-
fürsten der Partei waren trotzdem außer sich vor Wut. »Auf
der Landesversammlung, die das beschlossen hat, mussten
die Befürworter aufstehen und sich fotografieren lassen«,
erzählt die CDU-Kulturpolitikerin Monika Grütters, die
damals dabei war. »Es grenzte ja an Verrat, für die Reform
zu sein.« Je mehr Parteien an der Regierung beteiligt sind,
desto unwahrscheinlicher wird eine Lösung – und umge-
kehrt fördert die Unzufriedenheit mit der Verwaltung das
Protestwählen. Ein Berliner Teufelskreis.
Franziska Giffey will dem Problem energisch zu Leibe
rücken und hat einen »Chief Digital Officer«, Ralf Kleindiek,
mit dieser Menschheitsaufgabe betraut. Zentrum der Reform
ist das »politische Bezirksamt«, in dem wieder Mehrheiten
darüber entscheiden sollen, wer das Sagen hat. Obendrein
will Giffey eine verstärkte Kontrolle durch den Senat durch-
setzen. Am Dienstag geschah dann, trotz herannahender
Wahlen, das Wunder: »R2G«, wie die rot-rot-grüne Regie-
rungskoalition sich manchmal nennt, hat sich auf die Eck-
punkte von Giffeys Berliner Umsturzplan geeinigt. Es wäre
eine Zeitenwende für die Hauptstadt, wenn das gelänge.
Eine Forsa-Umfrage vom Montag ließ erstmals sogar die
Möglichkeit einer schwarz-grünen Koalition aufblitzen. Der
grüne Landesverband mit seiner Spitzenkandidatin Bettina
Jarasch, 54, hat allerdings viel dafür getan, den Weg dorthin
für die CDU sehr weit zu machen, und umgekehrt. Jaraschs
Forderung nach Tempo 30 als Richtwert für die Stadt oder
nach einer Halbierung der Parkplätze führte dazu, dass der
CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner eine Koalition praktisch
ausschloss. Berlin soll »grüner und gerechter« werden, Men-
schen sollen ȟberall einen Platz im Schatten zum Aus-
ruhen finden«. Über den Dächern der Stadt soll es nach
Jaraschs Willen künftig brummen, weil dort »Bienen
ihre Nahrung finden«. Der Kontaktbereichsbeamte
von der Polizei soll in Zukunft gern auf dem Fahr-
rad unterwegs sein, soll aber auch »seine Homies
kennen und wissen, wer der Babo ist«, also wer
auf der Straße das Sagen hat. Dass Jarasch grü-
ne Industriepolitik vorantreiben will, drang da
kaum noch durch.
Bundesweite Berühmtheit hatte Jarasch
erlangt, als sie auf einer Landesversamm-
lung leichtsinnig erzählt hatte, ihr Kind-
heitstraum sei gewesen, »Indianerhäupt-
ling« zu werden. Dafür musste sie sich
nicht nur entschuldigen. Die entspre-
chende Stelle wurde aus der Aufzeich-
nung getilgt. »Ich lerne gern dazu und
möchte niemanden verletzen«, sagt sie
beim Gespräch in der Grünen-Geschäfts-
stelle. »Die Löschung fand ich unnötig.
Die hat es erst groß gemacht.«
Jaraschs Vorzeigeprojekt – die erneute
Teilsperrung der Friedrichstraße, auf der das
Leben inzwischen fast komplett zum Erliegen
gekommen ist und 19 Einzelhändler aufgeben
mussten – wird inzwischen bundesweit als Aus-
weis grün-ideologischer Halsstarrigkeit betrach-
tet. Umgekehrt hat die CDU mit ihrer gegen
Migranten gerichteten Vornamen-Abfrage bei den
Tatverdächtigen der Neuköllner Silvesternacht allen
Gegnern von Schwarz-Grün die perfekte Vorlage
geliefert: mit denen nicht.
Es wird mit einer sehr geringen Wahlbeteiligung
Wahlabsicht für gerechnet – weil nicht wieder, wie beim letzten Mal,
das Abgeordnetenhaus gleichzeitig eine Bundestagswahl stattfindet und weil die
Leute es einfach leid sein könnten. Ob das Ergebnis dann
Angaben in Prozent vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird, ist
12 auch nicht ganz sicher. Trotzdem liegt, zum ersten Mal seit
10 5 langer Zeit, eine Art Kulturwende in der Luft. Die Zeit
26 18 17 12 Sonstige der wohlwollenden Gleichgültigkeit der Berlinerinnen
FDP
AfD und Berliner gegenüber ihrer Stadt könnte sich dem Ende
SPD Die zuneigen.
CDU Grüne Linke
Mitarbeit: Carlotta Wald
Hören Sie den Podcast
Am Ende der Woche sprechen wir über Politik. An diesem
Freitag geht es in »Das Politikteil« um die Wahl in Berlin.
Zu hören unter www.zeit.de/das-politikteil
DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023
G
eht es nach dem Willen der
Bundesregierung, wird aus
Deutschland ein Kifferpara-
dies. Konsum, Anbau und
Handel wären legal, Gras
wäre, vom Staat auf Qualität
geprüft, in Fachgeschäften
erhältlich. Welche Erfahrungen haben andere Län-
der mit der Entkriminalisierung gemacht? Wir
haben darüber mit Kiffern aus vier Staaten gespro-
chen, in denen Cannabis unterschiedlich gehand-
habt wird. Und darüber, was ihnen am Kiffen so
viel Spaß macht.
Der deutsche Beamte Paul Schmidt, 51, raucht
Gras seit 36 Jahren. Da er ein Disziplinarverfah-
ren fürchtet, soll hier nicht sein richtiger Name
stehen. Aus dem US-Bundesstaat Washington,
einem Vorreiter der Legalisierung, schaltet sich
Yoko Miya­shita, 48, zum Videocall dazu. Die in
Japan geborene Juristin arbeitet seit 2019 bei Lea-
fly, einem Online-Shop für Cannabis-Produkte.
Ines Meijers, 48, betreibt mit ihrem Mann eine
8000 Quadratmeter große Cannabis-Plantage in
der Nähe des niederländischen Groningen. Hanif
Abadi, 36, nimmt von seinem Restaurant für nah-
östliche Bowls in Stockholm aus teil. Auch seinen
Namen haben wir geändert – in Schweden ist
Kiffen strikt verboten.
DIE ZEIT: Herr Schmidt, Ihre Kinder sind 15 und
18. Wissen die, dass Sie kiffen?
Paul Schmidt: Meine Kinder wissen es wahrschein-
lich, aber ich mache es nie vor ihren Augen und
habe auch noch nie mit ihnen darüber geredet.
ZEIT: Glauben Sie, dass die beiden kiffen?
Schmidt: Ich glaube, es spielt für meine Kinder
noch keine Rolle. Ich selbst habe mit 15 damit an-
gefangen, das war sicherlich zu früh. Inzwischen
kenne ich auch die Studien, nach denen das Ge-
hirn erst mit 25 Jahren ausgereift ist. Falls meine
Kinder diese Erfahrung eines Tages machen wol-
len, will ich nicht dabei sein. Aber vielleicht fahren
wir dann später einmal zusammen nach Holland
und rauchen einen. Jetzt hoffe ich, dass sie sich
damit noch Zeit lassen.
ZEIT: Frau Miyashita, Ihre beiden Kinder sind im
gleichen Alter wie die von Herrn Schmidt. Wie
würden Sie sich fühlen, wenn sie mit dem Kiffen
anfangen würden?
Yoko Miyashita: Als ich vor vier Jahren in die Canna-
bis-Branche gewechselt bin und bei Leafly angefangen
habe, habe ich mich mit ihnen zusammengesetzt und
ihnen gesagt, dass Cannabis in jungen Jahren schadet,
weil sich das Gehirn noch entwickelt. Und dass es
sehr wichtig ist, die Quellen zu kennen, wenn man
es konsumieren will. Sie dürfen nicht vergessen, dass
meine Kinder im Bundesstaat Washington aufge-
wachsen sind, wo Cannabis legal ist, seit sie denken
können. Für sie ist es so ähnlich wie Alkohol. Mein
Sohn ist 18, ich weiß, dass viele in dem Alter zu-
sammen trinken und zusammen kiffen. Ich möchte
nur, dass er uns gegenüber ehrlich ist.
ZEIT: Washington gehörte 2012 zu den ersten US-
Bundesstaaten, die Cannabis für den Konsum er-
laubt haben. Trifft man sich dort zum Kiffen, so
wie man sich in Deutschland auf einen Wein trifft?
Miyashita: Wenn man über 21 ist, kann man in ein
Cannabis-Geschäft gehen und dort tatsächlich
einkaufen wie beim Weinhändler: Es gibt Vitrinen
mit Blüten, Cookies, Hanfextrakten, der Verkäu-
fer kann einen beraten. Aber es gibt bei uns keine
Coffeeshops wie in Amsterdam, in die man zum
Kiffen gehen kann, denn Washington hat sie – an-
ders als zum Beispiel Kalifornien – noch nicht er-
laubt. Kiffen ist immer noch ein bisschen verpönt.
Ich glaube, deswegen sind Vaporizer so beliebt, die
E-Zigaretten ähneln und nicht riechen, so merkt
niemand, dass man Gras raucht.
Schmidt: Ich bin vor einem Jahr auch auf einen
Vaporizer umgestiegen und finde ihn richtig gut.
Er riecht nicht wirklich nach Gras, man kann
damit in der Stadt rauchen oder beim Spaziergang
mit der Schwiegermutter.
ZEIT: In Deutschland ist Cannabis ja noch verbo-
ten. Wo bekommen Sie Ihr Gras her?
Schmidt: Früher habe ich in der Nähe der nieder-
ländischen Grenze gewohnt, da bin ich öfter mal
rübergefahren. Als wir weggezogen sind, wurde es
für mich schwierig. Inzwischen habe ich aber auch
hier im Ort eine gute Connection. Ich kann dem
vorher sagen, dass ich komme und was ich brau-
che, und muss mir keine Sorgen machen, dass es
die Polizei mitkriegt.
ZEIT: Was mögen Sie so am Kiffen?
Schmidt: Für mich ist es eine Entspannungssache.
Wenn die Arbeit erledigt ist, kiffe ich gern und höre
Musik, gehe in den Wald oder mache Sport. Wenn
ich mit dem Fahrrad weite Strecken fahre, rauche
ich gern einen Kleinen, das pusht mich ein bisschen.
Miyashita: Ich habe es eine Weile geraucht, weil
ich viel Langstrecke gelaufen bin und davon
Schmerzen bekommen habe. Jetzt mache ich es,
um besser zu schlafen.
ZEIT: Viele Deutsche lehnen die Legalisierung
auch deshalb ab, weil heutige Cannabis-Sorten viel
stärker sind als vor zehn oder zwanzig Jahren. Auf
Ihrer Seite Leafly werden 6000 Sorten aufgezählt,
die man bei verschiedenen Händlern bestellen
kann. Wie werden die kontrolliert?
USA
21 der 50 Bundesstaaten haben Genuss-
Cannabis seit 2012 legalisiert. Die Her­
stellung ist staatlich lizenziert. Der Schwarz-
markt floriert dennoch. Laut dem Pew
Research Center unterstützen 59 Prozent
der Amerikaner die Legalisierung.
POLITIK
Bald so normal wie Rotwein? Womöglich können Kiffer in Deutschland ihr Gras demnächst in Fachgeschäften kaufen
High nun
Die Bundesregierung will Cannabis legalisieren. Welche Erfahrungen
haben andere Länder gemacht? Ein Gespräch unter Gras-Liebhabern über
Dealer, Polizisten und darüber, was sie so gut am Kiffen finden
Miyashita: Wir haben Spezialisten, die mit Cannabis- vielen Dingen sehr modern. Aber bei uns gibt es
Züchtern in Kontakt sind und ständig neue Sorten kaum einen Politiker, der sich für Cannabis ein-
entdecken. Manchmal entdecken auch die Züchter setzen würde. Ich habe einen Freund, der einmal
oder unsere Kunden welche. Diese werden dann von mit Gras erwischt wurde und dafür einen Eintrag
lizenzierten Laboren untersucht, die analysieren, wie in sein Strafregister bekommen hat. Viele Leute
hoch der THC-Gehalt ist, welche anderen Cannabi- schreckt das ab, weil man sich mit so einem Ein-
noide enthalten sind, welche Terpene. Und wir haben trag nicht für jeden Job bewerben kann.
natürlich Millionen von Kunden, die uns so etwas Miyashita: In Washington haben wir immer noch
sagen wie: »Ich habe die Sorte Jealousy probiert, die das Problem, dass die Vorstrafen nicht automatisch
macht mir Heißhunger, gibt mir Energie oder führt gestrichen werden, obwohl Cannabis inzwischen
dazu, dass meine Augen kribbeln.« Diese Rezensionen legal ist. In den USA kann das dazu führen, dass
werden neben den Produkten angezeigt, sodass der man keine Wohnung bekommt oder seine Kinder
Kunde wie auf Amazon verschiedene Sorten verglei- seltener sehen kann. Wie man mit dem Strafregister
chen und sich die beste heraussuchen kann. umgeht, ist eine so wichtige Frage der Legalisierung.
ZEIT: Herr Abadi, Schweden hat sich für eine ZEIT: Die Bundesregierung plant, frühere Verur-
Null-Toleranz-Politik entschieden; selbst medizi- teilungen aus dem Bundeszentralregister zu tilgen.
nisches Cannabis darf fast niemand konsumieren, Herr Abadi, der World Drug Report der UN zeigt,
auch Alkohol wird nur in staatlichen Geschäften dass der Anteil der Kiffer in der schwedischen Be-
verkauft. Was denken Sie, wenn Sie Frau Miyashi- völkerung nur etwa halb so hoch ist wie in
tas Erzählungen aus den USA hören? Deutschland. Ist das nicht auch ein Erfolg?
Hanif Abadi: Für mich klingt es wie ein Traum, der Abadi: Klar könnte man das als erfolgreich be-
in weiter Ferne liegt. Natürlich ist Schweden in zeichnen. Aber wieso ist dann Alkohol als Rausch-
Wie die anderen mit Cannabis umgehen
Niederlande Schweden
An diesem Modell will die Ampelregierung Selbst der Besitz geringer Mengen wird
sich nicht orientieren: Seit 1976 wird der verfolgt, medizinisches Cannabis ist nur in
Verkauf geringer Mengen von Cannabis Ausnahmefällen erlaubt. Die schwedische
toleriert, Anbau und Handel sind aber Drogenpolitik gehört damit zu den
weiterhin strafbar. Drogenbanden haben restriktivsten in Europa. Bandenkriminalität
seither enorm an Einfluss gewonnen. bleibt dennoch ein großes Problem.
Foto: Erli Grünzweil für DIE ZEIT
mittel erlaubt? Wir wissen doch alle, dass er Un-
fälle, Gewalt und Sucht verursacht.
ZEIT: Haben Sie sich schon mal gefragt, ob Sie
vom Kiffen süchtig sein könnten?
Abadi: Ich kiffe vielleicht fünf-, sechsmal die Wo-
che und habe mir die Frage schon gestellt, ja. Ab
und zu rauche ich ein paar Tage nichts, um mich
daran zu erinnern, dass die Realität auch schön ist.
Ich versuche auch sonst, einen bewussten Umgang
damit zu haben, und rauche zum Beispiel nicht
nach 20 Uhr, weil ich gelesen habe, dass Cannabis
den REM-Schlaf beeinträchtigen kann.
Miyashita: Ich habe diese Phasen, in denen ich
mich frage, ob ich noch ohne Cannabis schlafen
kann. Und dann mache ich Cannabis-Ferien.
Manchmal sind es tatsächliche, erzwungene Ferien,
etwa wenn ich mit meiner Familie verreise und im
Flugzeug nichts mitnehmen will. Und dann stelle
ich immer fest, dass so eine Pause ja auch schön ist
und ich auch gut zehn Tage ohne auskomme.
ZEIT: Frau Meijers, Sie betreiben in den Nieder-
landen eine Cannabis-Plantage – was in Ihrem
Deutschland
Nach Vorstellung der Bundesregierung sollen in Fachgeschäften und eventuell in Apotheken.
Erwachsene bis zu 30 Gramm Cannabis So soll der Schwarzmarkt ausgetrocknet,
kaufen und bis zu drei Pflanzen für den gepanschtes Gras aus dem Verkehr gezogen
Eigenbedarf besitzen dürfen. Staatlich und der THC-Wert kontrolliert werden.
lizenzierte Unternehmen sollen Genuss-­
Cannabis herstellen, verkauft werden soll es Vorschlag mit EU-Recht vereinbar ist.
3
Land eigentlich verboten ist. Dort ist nur der Kon-
sum erlaubt, der Anbau aber ist illegal. Sie haben
eine Stiftung gegründet, die für die vollständige
Legalisierung von Cannabis wirbt. Haben Sie
manchmal die Sorge, eine gefährliche Droge zu
verharmlosen? Viele Kinderärzte und Psychiater
warnen, dass häufiger Konsum das Risiko für Psy-
chosen verstärken kann.
Ines Meijers: Es stimmt, dass Cannabis Psychosen
auslösen kann bei Menschen, die dafür empfäng-
lich sind. Aber sie können auch durch Alkohol
oder Stress ausgelöst werden. Ich glaube, dass Lega-
lisierung die Gefahr verkleinert, weil man sich
dann besser informieren kann. In einem Geschäft
funktioniert das, auf der Straße natürlich nicht.
ZEIT: Wie kamen Sie dazu, trotz des Anbau­verbots
eine Plantage hochzuziehen?
Meijers: Als ich aus meiner Heimat Tirol in Öster-
reich zu meinem Mann in die Niederlande zog,
habe ich nicht verstanden, warum man hier Canna-
bis verkaufen, aber nicht anbauen darf. Das ist doch
total unlogisch! Vor 15 Jahren ging mein Mann des-
halb zur Polizei und sagte: Wir bauen Cannabis an,
wir werden Steuern zahlen, Buch führen und nur
lokale Coffeeshops beliefern, keine Drogendealer.
Es war auch ein Protest, um auf die unlogische Ge-
setzeslage hinzuweisen. Siebenmal in sechs Jahren
wurde daraufhin unser Hof durchsucht.
ZEIT: Aber Sie haben weitergemacht?
Meijers: Erst mal. Wir wollten uns vor Gericht ver-
antworten, und der Richter sagte am Ende: Das,
was Sie machen, ist illegal. Aber Sie sollen dafür
nicht bestraft werden. Die höhere Instanz hat das
Urteil dann aber kassiert, also haben wir doch auf-
gehört. Viele Leute, darunter Polizisten, Richter
und Bürgermeister, haben zugegeben, dass sie die
Situation auch dämlich finden: Wie kann man et-
was verkaufen, das man nicht herstellen darf? Als
die Regierung dann vor ein paar Jahren ein Mo-
dellprojekt für einen legalisierten Anbau ins Leben
rief, haben wir uns für eine der zehn Lizenzen be-
worben und den Zuschlag bekommen.
ZEIT: Weil es in den Niederlanden verboten ist,
Cannabis anzubauen, übernehmen das die Krimi-
nellen, oft Gangs, die sehr gewalttätig sind. Haben
Sie mit diesen Gangs zu tun?
Meijers: Nein, wir halten uns von ihnen fern. Aber
wir hören immer wieder von Coffeeshop-Besit-
zern, die von Kriminellen ausgeraubt werden. Sie
schweigen darüber. Denn auch der Verkauf in den
Coffeeshops ist offiziell ja nicht legal, er wird nur
toleriert und bleibt straffrei. Zugleich gibt es klare
Regeln für den Verkauf, die streng kontrolliert
werden, die Shops selbst sind also nicht in den
Händen von Kriminellen. Aber durch die man-
gelnde Regulierung der Produktion wurde in den
Niederlanden ein Monster geschaffen.
ZEIT: Um den Fehler nicht zu wiederholen, will
die deutsche Regierung auch Anbau und Vertrieb
legalisieren. Die Frage ist allerdings, ob das den
Schwarzmarkt wirklich austrocknen würde. In
Kalifornien geht diese Rechnung nicht auf.
Miyashita: Das stimmt, in Kalifornien, wo Genuss-
Cannabis seit 2018 legal ist, finden 75 Prozent al-
ler Käufe immer noch illegal statt. Und das hat­
einen Grund – die Steuern sind wahnsinnig hoch.
Und wenn das legale Gras 40, 50, 60 Prozent teu-
rer ist als beim Dealer, macht das alles kaputt. Die
andere Sache ist, dass bei uns die Legalisierung in
den Händen der Bundesstaaten liegt. Manche er-
lauben nur medizinisches Cannabis, wieder andere
verbieten es ganz. Dieser Flickenteppich trägt auch
dazu bei, dass der Schwarzmarkt am Leben bleibt.
ZEIT: Herr Schmidt, noch ist unklar, ob so ein weit-
reichendes deutsches Cannabis-Gesetz mit dem
EU- und Völkerrecht wirklich vereinbar ist. Was
würde sich für Sie ändern, wenn es tatsächlich käme?
Schmidt: Es wäre für mich eine Befreiung. Ich finde
es irre, dass Markus Söder auf dem Oktoberfest ein
Riesenfass Bier aufhaut, und alle finden es super.
Während ich kriminell bin, weil ich kiffe, obwohl
ich damit verantwortungsvoll umgehe und zum
Beispiel kein Auto fahre, wenn ich konsumiert habe.
ZEIT: Warum ist Kiffen besser als Trinken?
Miyashita: Ich – und viele meiner asiatischen
Freunde – vertrage Alkohol nicht gut. Wenn ich
ein halbes Glas Wein trinke, werde ich rot und be-
komme Kopfschmerzen, mir wird übel.
Meijers: Ich mag beides.
Abadi: Für mich war Alkohol ganz lange etwas
richtig Hartes, was ich erst mit 18 probiert habe.
Jetzt trinke ich nur ein paarmal im Jahr, und auch
dann nur wenig.
Schmidt: Ich wohne in einer Weinregion, und
wenn da irgendwelche Feste sind, dann trinken die
Leute halt Alkohol. Aber wenn ich eine Flasche
Wein trinke, dann bin ich am nächsten Tag ganz
anders drauf, als wenn ich zwei, drei Pfeifen rau-
che. Wenn ich jetzt die Wahl hätte, würde ich
mich auf jeden Fall fürs Kiffen entscheiden, das
zerstört mich nicht so wie Alkohol.
ZEIT: Wissen Ihre Bekannten, dass Sie kiffen?
Schmidt: Von meinen Kollegen weiß es niemand,
denen würde ich es auch nicht erzählen. Aber un-
ter meinen alten Freunden, von denen viele Aka-
demiker sind, da quarzen praktisch alle.
Die Fragen stellten Simon Langemann
und Khuê Pham
Noch ist unklar, ob der deutsche
 4 POLITIK
DIE VERTRAUENSFRAGE
Foto: David Hecker/Getty Images; kl. Fotos (u., v. l.): Sean Gallup/ddp; dpa; Kira Hofmann/imago
Allein zwischen Panzern: Olaf Scholz beim Besuch des Bundeswehr-Trainingszentrums Ostenholz im Oktober 2022. Links ein Puma-Schützenpanzer, rechts einer der Leopard-2-Kampfpanzer, die Scholz lange nicht liefern wollte
O
laf Scholz, das weiß man
mittlerweile, ist ein Mann
der sparsamen Emotionen.
Wenn er wütend ist, brüllt
er nicht. Und wenn er ge-
winnt, triumphiert er nicht.
Jedenfalls nicht laut, mit
Siegerlächeln. Wenn der Bundeskanzler richtig zu-
frieden mit sich ist, klingt er so:
»Es ist richtig, dass wir uns Stück für Stück­
vorangearbeitet haben.«
»Es ist richtig, dass wir uns nicht haben treiben
lassen.«
»Meine Damen und Herren, das ist das richtige
Prinzip.«
Es ist der Mittwoch vor zwei Wochen, als Olaf
Scholz im Plenarsaal des Deutschen Bundestags
diese Sätze sagt. Wenige Stunden zuvor ist bekannt
geworden, dass die US-Regierung bereit ist,
Kampfpanzer in die Ukraine zu schicken. Kurz
darauf hat die Bundesregierung erklärt, sie werde
ebenfalls Panzer liefern. Scholz hat die Amerikaner
dazu gebracht, Joe ­Biden lobt ihn für seine »Füh-
rungsstärke«, und der Mann, der eben noch als
Zauderer galt, wirkt plötzlich wie ein entschlosse-
ner Anführer. Nun, im Plenarsaal des Bundestags,
spricht selbst Scholz’ schärfste Kritikerin Marie-
Agnes Strack-Zimmermann (FDP) milde von­
einer »guten Nachricht für die Menschen in der
Ukraine«. Sogar CDU-Abgeordneten bleibt nichts
anderes übrig, als eine »richtige Entscheidung« zu
loben. Manchmal, ganz sparsam, huscht dem
Kanzler beim Zuhören ein Schmunzeln über das
Gesicht. Als er seine Entscheidung erläutert, sagt
Scholz einen Satz, den man nach 15 Monaten des
Regierens als ein Versprechen seiner Kanzlerschaft
betrachten kann: »Vertrauen Sie mir.«
Vertrauen ist eine kostbare Ressource. Eine Re-
gierung, die Panzer in einen Krieg schickt, braucht
das Vertrauen der Bevölkerung. Aber sie braucht auch
das Vertrauen der Kabinettsmitglieder un­ter­ein­an­der,
die unausgesprochene Gewissheit, dass man sich auf­
ein­an­der verlassen kann. Dass es bei allen Meinungs-
verschiedenheiten, bei allen persönlichen Unterschie-
den eine Linie gibt, an die sich alle halten.
»Vertrauen Sie mir« – zu wem spricht der Kanz-
ler in diesem Moment? Zu den Deutschen? Zu
Deutschlands internationalen Partnern, vor allem
den Amerikanern? Oder zu seinen Ministern?
Wenn man die Monate bis zur Panzerentschei-
dung des Bundeskanzlers rekonstruiert, wenn man
mit Beteiligten in Berlin und Washington spricht,
lernt man viel darüber, wie es um das Vertrauen be-
stellt ist – innerhalb des westlichen Bündnisses, aber
auch innerhalb der Regierung. Man erfährt von einem
Kanzler, der in einer höchst wichtigen Frage der­
internationalen Politik kaum mit seiner Außenminis-
Unterschiedliche Temperamente, strategische Differenzen und Sprachlosigkeit zwischen
Außenministerin Baer­bock und Kanzler Scholz – in der Panzerwende kommt alles zusammen.
Eine Rekonstruktion  VON ROBERT PAUSCH UND HOLGER STARK
terin spricht. Von einer Außenministerin, die sich
eigene Wege sucht, um ihre Ziele durchzusetzen, und
dabei bis an die Grenze der Loyalität geht. Man er-
fährt von Zerwürfnissen und einer Kraftprobe, die
nicht nur die deutsche Regierung, sondern auch das
Verhältnis zu den Amerikanern unter enorme Span-
nung gesetzt hat. Und vielleicht noch setzen wird.
Die Panzerwende ist nach der Zeitenwende, die
Scholz vor fast einem Jahr als Reaktion auf den
Kriegsbeginn verkündete, seine wahrscheinlich fol-
genschwerste Entscheidung. Sie wiegt auch deshalb
so schwer, weil sie die deutsche Bevölkerung in zwei
nahezu gleich große Lager von Befürwortern und
Gegnern teilt. Sie rührt an die Vertrauensfrage. Olaf
Scholz wusste schon seit dem Sommer des vergange-
nen Jahres, dass sie sich eines Tages stellen würde.
Es ist ja nicht so, dass Joe ­Biden und Olaf Scholz
nicht gesehen hätten, dass die Ukraine irgendwann
Kampfpanzer brauchen würde. Anders wären die
Stellungen der Armee kaum zu halten. Ganz zu
schweigen davon, Städte wie Mariupol zurückzuer-
obern. Andererseits teilen die beiden Regierungs-
chefs eine gewisse Skepsis gegenüber Wolodymyr
Selenskyj. Wer weiß, wofür der ukrainische Präsi-
dent schwere Panzer alles einsetzen würde? Diese
Frage stellt sich, die Szenarios reichen bis hin zu
Angriffen auf russisches Staatsgebiet. Das wollen
weder ­Biden noch Scholz.
Über Pfingsten sickert durch, das spanische
Verteidigungsministerium erwäge, 40 der spani-
schen Leopard-Panzer in die Ukraine zu senden –
Panzer aus deutscher Produktion. Darüber sei es
zu einem Austausch zwischen dem Kanzleramt
und den Spaniern gekommen, so berichten es
mehrere Quellen der ZEIT. Das Si­gnal aus Ber-
lin: Die Regierung in Madrid solle bloß nicht auf
Präsident, Kanzler, Ministerin: Eine schwierige Dreierbeziehung
26. 6. 2022
Einig: Präsident Joe Biden und Scholz
beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau
Titelthema
die Idee kommen, einen Antrag auf Ausfuhr­
genehmigung zu stellen, wie es beim Export von
in Deutschland produzierten Waffen notwendig
ist. Berlin werde einen solchen Antrag nicht ge-
nehmigen.
Spätestens da musste jedem und jeder in der
Bundesregierung klar sein, wie der Kanzler die
Leopard-Frage sieht.
Im Sommer sind Jake Sullivan, Joe Bidens Na-
tionaler Sicherheitsberater, und sein deutsches Gegen-
über Jens Plötner zu einem grundsätzlichen Aus-
tausch über die Zukunft der Ukraine verabredet. Sie
wollen die endlose Schleife von blutigen Front­
meldun­gen und neuen Forderungen nach Waffen
beenden. Die beiden Berater diskutieren, wie eine
moderne ukrainische Armee aussehen müsste, die in
der Lage ist, das Land dauerhaft zu verteidigen. Es
geht um Artilleriesysteme wie die Panzerhaubitze
2000 – aber auch da schon um Kampfpanzer.
Sullivans Leute haben die Leoparden gezählt
und sind auf mehr als 2000 in Europa stationierte
Kampfpanzer ­made in Germany gekommen. Aber
diese sind in diversen Ländern verstreut, die Pro-
duktionskapazitäten für Nachschub sind gering,
Wartungsarbeiten wären nötig. Die Frage kommt
auf, was denn mit den amerikanischen Kampf-
panzern vom Typ M1 Abrams sei.
Da ist sie, die Idee, neben dem Leopard auch
den Abrams in die Ukraine zu liefern.
Joe Biden ist kein Fan des Gedankens. Zum
einen wegen des Misstrauens gegenüber Selenskyj.
Zum anderen aus pragmatischen Gründen: Der
Abrams wird, anders als andere Kampfpanzer, nor-
malerweise nicht mit Diesel, sondern mit Kerosin
angetrieben. Er braucht also eine eigene Infra-
struktur zur Versorgung. Und er braucht unge-
17. 1. 2023
Skeptisch: Scholz mit Baer­bock im
Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten
wöhnlich viele Mechaniker und Ingenieure. Eine
Faustregel des Pentagon besagt, dass pro Panzer
und dessen fünfköpfiger Besatzung vier zusätzliche
Soldaten zur Wartung bereitstehen müssen.
Innerhalb der US-Administration sieht die
Stimmungslage in Sachen Kampfpanzer zu dieser
Zeit so aus: ­Biden – dagegen. Verteidigungsminister
Lloyd Austin – dagegen. Außenminister Antony
Blinken – tendenziell aufgeschlossen. Aber die drei
eint, dass sie die amerikanischen Abrams-Panzer
für ungeeignet halten. Wenn schwere Panzer gelie-
fert werden, dann sollen die Europäer mit ihren
Leoparden ran.
Das weiß auch Anna­lena Baer­bock. Und sie
selbst sieht es genauso: Die deutsche Außen­
ministerin ist der Überzeugung, dass dringend ge-
handelt werden müsse. Jedes Zögern der Bundes­
regierung, heißt es im Auswärtigen Amt, koste
Menschen­leben in der Ukraine. Die Frage ist nur:
Wie erreicht man dafür die nötige Unterstützung?
Baer­bock hat ein gutes Verhältnis zu Antony
Blinken, ihrem US-amerikanischen Amtskollegen.
Sie nennt ihn einen Freund, und er lobt öffentlich
ihre Führungsstärke. Im Sommer sprechen die beiden
mit­ein­an­der über weitere Waffen für die Ukraine.
Nach Informationen der ZEIT aus mehreren Quellen
wirbt Baer­bock in dem Gespräch offensiv dafür, die
Bewaffnung der Ukraine deutlich auszuweiten. Sie
ist überzeugt, dass insbesondere westliche Kampf-
panzer nötig sind. Im ­State Department ist klar, was
damit gemeint ist: der Leopard.
Blinkens Leute sind überrascht ob des forschen
Agierens der deutschen Außenministerin: Will Baer­
bock etwa über Bande spielen und die Amerikaner
einspannen, um den Kanzler diskret in ihre, Baer­
bocks, Richtung zu schubsen? Die USA sind zwar
24. 1. 2023
Forsch: Baer­bock spricht beim Europarat
in Straßburg über den Ukraine-Krieg
9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
froh, wenn sich europäische Staaten stärker engagie-
ren wollen. In diesen Spätsommer- und Herbsttagen
in Washington hört man oft, dass alles helfe, egal ob
Haubitzen, Flugabwehrraketen oder Kampfpanzer;
bei der Waffengattung sei man »agnostisch«, man
hänge in der Frage keinem Glauben an. Aber die
Amerikaner sind vorsichtig, wenn es darum geht, den
Bundeskanzler öffentlich unter Druck zu setzen.
Ist der Vorstoß bei Blinken noch das kluge Tak-
tieren einer Ministerin? Oder schon Diplomatie
hinter dem Rücken des Chefs?
Nach dem Gespräch von Baer­bock und Blinken
gibt die US-Botschafterin in Deutschland, Amy
Gutmann, dem ZDF ein Interview. Sie erklärt, dass
Deutschland bei der Unterstützung der Ukraine eine
»noch größere Führungsrolle« einnehmen müsse.
Entgegen dem dutzendfach wiederholten Credo des
Kanzlers, »nur in enger Abstimmung mit den Part-
nern« zu entscheiden, erklärt Gutmann: »Die Ent-
scheidung über die Art der Hilfen liegt letztlich bei
jedem Land selbst.«
Das Interview entsteht in enger Abstimmung mit
Blinkens Leuten in Washington, die Botschafterin
hat vorher sorgfältig geübt, was sie sagen will. Die
Kunst liegt darin, den Impuls von Baer­bock aufzu-
nehmen und nach Berlin zurückzuspielen, ohne
dabei einen diplomatischen Affront zu provozieren.
Das Interview ist weniger, als Baer­bock sich ver-
mutlich erhofft hatte, aber mehr, als die US-Regie-
rung bisher hatte verlauten lassen.
Drei Tage später spricht auch Baer­bock, sie nutzt
den Augenblick. In der FAZ fordert die Außenminis-
terin von ihrer eigenen Regierung, die Entscheidung
über Kampfpanzer nicht hinauszuzögern – »unsere
Waffen helfen, Menschenleben zu retten«.
Mitte September findet ein Gespräch zwischen
Kanzler und Außenministerin statt. Es ist dem Ver-
nehmen nach eines der letzten offenen, ausführlichen
für sehr lange Zeit. Scholz, heißt es, soll Baer­bock
aufgefordert haben, sich in der Öffentlichkeit zurück-
zuhalten. Er werde zu gegebener Zeit eine Entschei-
dung treffen. Querschüsse seien nicht hilfreich.
Weder das Kanzleramt noch das Auswärtige Amt
wollen sich zu dem Gespräch auf Anfrage äußern.
Nach dieser unmissverständlichen Ansprache tut
Baer­bock etwas, das eigentlich nicht ihrem Naturell
entspricht: Sie schweigt. Sie achtet die Kabinetts­
disziplin. Sie hat bis hierhin viel dafür getan, dass
Deutschland endlich Leopard-Panzer liefert. Viel-
leicht sogar zu viel.
Außenminister sind fast immer beliebt, aber sie
sind nur selten mächtig. Sie können zwar reden, ver-
mitteln, werben. Aber die großen Entscheidungen
fallen im Kanzleramt. So war es unter Angela Merkel,
und so ist es auch unter Olaf Scholz. Diese Erfahrung
macht Anna­lena Baer­bock in den Sommer- und
Herbstmonaten 2022.
DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023
Denn in den Wochen darauf geschieht: nichts.
Scholz lässt sich in der Panzerfrage nicht treiben.
Im Gegenteil, je stärker der öffentliche Druck, des-
to sturer wirkt der Kanzler. Manchmal scheint er fast
trotzig: Wenn alle wollen, dass er sich zu Nord
Stream 2 erklärt, nimmt er nicht mal das Wort in
den Mund. So war es vor einem Jahr, kurz vor
Kriegsausbruch. Und so ähnlich ist es jetzt in der
Panzerfrage. Stets wiederholen er und seine Ver-
trauten intern ihre Bedenken: Was, wenn die Ukrai-
ne mit deutschen Panzern russisches Territorium
angreift? Was, wenn Putin die Lieferung von Kampf-
panzern als Vorwand für eine Eskalation nutzt? Wie
ist es um die Einigkeit des Westens bestellt?
Im Auswärtigen Amt dagegen betont man,
Putin führe einen Krieg gegen die gesamte euro-
päische Friedensordnung. In einer solchen Lage
dürfe man »keine halben Sachen machen«. Immer
wieder kommen im Auswärtigen Amt zudem Kla-
gen aus anderen Ländern über Scholz’ Zaudern an.
Immer wieder muss sich Baer­bock im Nato-Außen-
ministerrat für die Zögerlichkeit ihrer Regierung
rechtfertigen. Immer wieder drängt ihr ukrainischer
Amtskollege Dmytro Kuleba auf die Lieferung von
Kampfpanzern. Die Außenministerin lässt das nicht
kalt, im Gegenteil.
Baer­bock und Scholz – das sind zwei Politiker-
typen, die kaum zusammenpassen. Zu Baer­bocks
Verständnis von Politik gehört es, sich berühren zu
lassen. Wenn sie in die Ukraine reist, besucht sie die
zerstörten Städte. Sie will das Leid sehen, das der
Krieg hinterlässt. Oft spricht sie anschließend da-
von, was so ein Angriff für die Kinder bedeutet, wie
sehr ihr »das Herz blutet«. Manchmal ringt sie mit
den Tränen.
Zu Olaf Scholz’ Selbstverständnis gehört die
äußerliche Unberührtheit. Er ist der Überzeugung,
dass es für Entscheidungen eine gewisse Kälte
braucht. Dass man sich nicht ergreifen lassen darf
und dass man Risiken nur erkennt, wenn man die
eigenen Gefühle ausblendet.
Sie spricht von Werten, er von Interessen. Sie
will ein neues Selbstbewusstsein für die deutsche
Außenpolitik. Er hält das für Großsprecherei.
Sie treibt ihn in den Wahnsinn. Und er sie auch.
Im November erreicht das Verhältnis der beiden
einen neuen Tiefpunkt. Scholz plant eine Reise
nach China, Baer­bock hält den Besuch für einen
Fehler. Kurz vor seiner Abreise erklärt sie öffentlich,
sie erwarte vom Kanzler, dass er sich an den Koali-
tionsvertrag halte, in dem von der »systemischen
Rivalität« zwischen China und der Bundesrepublik
die Rede ist. Sie fordert Scholz auf, bei dem Besuch
auch Fragen wie faire Wettbewerbsbedingungen,
Menschenrechte und Anerkennung des interna-
tionalen Rechts anzusprechen. Eine Außenminis-
terin, die ihrem Chef öffentlich Verhaltensregeln
auf die Reise mitgibt – im Kanzleramt, aber auch
in anderen Ministerien empfindet man das als
Anmaßung.
Inmitten der größten außenpolitischen Krise der
Nachkriegszeit herrscht zwischen Kanzler und
Außenministerin ein Austausch, den Eingeweihte
als »Nullkommunikation« empfinden. Mit jedem
Schritt, den Baer­bock sich vorwagt, scheint sie sich
weiter zu isolieren. Auch in der Panzerfrage gibt es
seit Wochen keine Bewegung.
Mit elf Worten stellt sich die
Außenministerin gegen den Kanzler
Zum Jahreswechsel ändert sich die Lage. Die
russischen Truppen rücken bei Bachmut vor,
Putin verkündet eine neue Welle der Mobilisie-
rung, die Geheimdienste befürchten einen
Durchbruch an der ukrainischen Ostfront.
Am 5. Januar fliegt Baer­bock nach London. Das
Treffen ist als »strategischer Dialog« der Bundes-
republik mit dem Vereinigten Königreich angekün-
digt. Es scheint allerdings, als verfolge Baer­bock ihre
ganz eigene Strategie. Im Gespräch mit dem briti-
schen Außenminister J­ ames Cleverly wirbt sie nach
ZEIT-Informationen dafür, dass Großbritannien
Challenger-Panzer in die Ukraine liefern könne,
man werde dann sehen, wie sich die Bundesregie-
rung verhalte. Sie hofft offenbar auf einen Domino­
effekt. Ein riskanter Vorstoß, zumal bei dieser Vor-
geschichte: Die Bundesaußenministerin lobbyiert
bei einem Verbündeten für Panzerlieferungen – und
hinterlässt den Eindruck, sie wolle den Bundes-
kanzler so abermals unter Druck setzen.
Denn Scholz hat seine Sicht noch immer
nicht geändert. Am selben Tag, an dem Baer­
bock in London über britische Kampfpanzer
und den möglichen Einfluss auf die deutsche
Entscheidung redet, telefoniert der Bundeskanz-
ler mit Biden, und auch in diesem Gespräch geht
es um Panzer – nur nicht um Kampfpanzer. Das
Kanzleramt teilt später mit, Biden und Scholz
hätten ihre gemeinsame Entschlossenheit bekun-
det, die Ukraine so lange wie nötig zu unterstüt-
zen. »Zu diesem Zweck beabsichtigen die Verei-
nigten Staaten, der Ukraine Schützenpanzer vom
Typ Bradley zur Verfügung zu stellen, und
Deutschland beabsichtigt, Schützenpanzer vom
Typ Marder zu liefern« – über den Leopard: kein
Wort. Während die deutsche Außenministerin
in London für Kampfpanzer wirbt, schweigt sich
der Kanzler dazu aus. Größer kann die Disso-
nanz zwischen den beiden kaum werden.
Vier Tage nach dem Baer­ bock-­Be­
such, am
9. Januar, gibt Großbritannien bekannt, Chal-
lenger-Panzer in die Ukraine verschiffen zu wollen.
Zwei Tage später stellt Polens Präsident Andrzej
Duda die Lieferung von Leopard-Panzern aus pol-
nischen Beständen in Aussicht, deren Export die
Bundesregierung genehmigen müsste. Binnen
weniger Tage ist der Druck auf Olaf Scholz enorm
gewachsen.
Die Auswirkungen des London-Besuchs errei-
chen das Kanzleramt nicht über Baer­bock, sondern
Der Riss
auf anderem Weg: Die Briten melden sich. Sie
hätten die Entscheidung auch getroffen, um die
Deutschen dazu zu bringen, ihrerseits Leopard-
Panzer zu exportieren. Ob sich denn nun etwas
bewege? Scholz’ Leute trauen ihren Ohren nicht.
Es gibt jetzt ein Momentum, die ganze Welt
spricht über Kampfpanzer aus Deutschland, auch
Scholz wird sich irgendwann rühren müssen. Aber
zu welchen Bedingungen?
Am 17. Januar, einem Dienstag, um 16.15 Uhr
deutscher Zeit sind Scholz und Biden erneut zum
Telefonieren verabredet. An Bidens Seite sind sein
Nationaler Sicherheitsberater ­Jake Sullivan und
Außenminister Blinken. Scholz ist von seinen engs-
ten Vertrauten umgeben, darunter sein außenpoli-
tischer Berater Jens Plötner und Kanzleramtschef
Wolfgang Schmidt.
Diesmal geht es vor allem um die Kampfpanzer.
Über dem Gespräch liegt der Mantel der Vertrau-
lichkeit, weder das Kanzleramt noch das Weiße
Haus wollen sich zum Inhalt äußern. Aber in der
Washington Post sind einige Details durchgesickert.
Scholz habe erneut darauf verwiesen, dass es grünes
Licht für die Leoparden nur dann gebe, wenn die
Amerikaner ihrerseits M1-Abrams-Kampfpanzer
lieferten. Man müsse »im Gleichschritt« voran-
schreiten. »Ich melde mich«, beendet Biden die
Unterhaltung.
Nach dem Telefonat, heißt es in der Washington
Post, hätten ­Biden, Blinken und Sullivan zusam-
mengesessen und das Gespräch bewertet: »Enttäu-
schend« sei es verlaufen.
Das gilt auch deshalb, weil die Amerikaner
Scholz so verstanden haben, dass er ohne die US-
Panzer nicht nur keine deutschen Leoparden liefern
wolle, sondern sogar die Ausfuhrgenehmigung für
die polnischen Leoparden blockieren werde. Drei
Quellen, die mit dem Verlauf des Gesprächs ver-
traut sind, bestätigen der ZEIT, dass dies die Bot-
schaft gewesen sei, die im Weißen Haus angekom-
men sei.
Die folgenden fünf Tage werden zu einer Phase
des gegenseitigen Abtastens und Austestens. Am
Donnerstag, zwei Tage nach dem Telefonat der
beiden Regierungschefs, landet der amerikanische
Verteidigungsminister Lloyd Austin in Berlin. Er
ist gekommen, um in Ramstein an einer interna-
tionalen Konferenz zur Unterstützung der Ukraine
teilzunehmen. Aber vorher will Austin ausloten, ob
sich die deutsche Position inzwischen geändert hat.
Er trifft sich mit Wolfgang Schmidt und Jens
Plötner. Das Gespräch findet im Besprechungsraum
im sechsten Stock des Kanzleramts statt, intern
»Kleine Lage« genannt. Austin hat seine Beraterin
für internationale Fragen, die US-Botschafterin in
Berlin und zwei Mitarbeiter dabei.
Aber Scholz’ Leute bewegen sich nicht. Sie
bleiben hart: ohne Abrams keine Leos.
Im Weißen Haus reagieren Bidens Berater mit
einer Mischung aus Entgeisterung und Frustration,
so berichten es jedenfalls mehrere Beteiligte. Der
Begriff ­annoyed fällt, der irgendetwas zwischen »ge-
nervt« und »verärgert« bedeutet.
Bevor Austin zurück nach Washington fliegt,
bauen ihm die Deutschen noch eine Brücke: Die
Abrams-Panzer müssten ja nicht morgen oder über-
morgen geliefert werden. Es gehe um die Geste. Der
Ukraine würden die Abrams in einem solchen
Szenario zwar erst in vielen Monaten helfen. Aber
manchmal ist in der Politik ein Symbol wichtiger
als die konkrete Auswirkung einer Entscheidung.
Während Austin mit dieser Botschaft aus Berlin
zurück nach Washington fliegt, reist eine deutsche
Delegation für den Festakt zum 70. Jubiläum des
Élysée-Vertrags nach Paris. Dort gibt Anna­lena
Baer­bock dem französischen Fernsehsender LCI am
Abend ein Interview. Als es um mögliche Export-
anträge für Leopard-Panzer geht, sagt sie einen Satz,
der so kurz wie brisant ist: »Wenn man uns fragt,
würden wir dem nicht im Weg stehen.«
Elf Worte, mit denen sich die Außenministerin
gegen den Kanzler stellt. Denn während Scholz im
Gespräch mit Biden den Eindruck vermittelt hat,
jeden Exportantrag ablehnen zu wollen, solange die
Amerikaner nicht eigene Panzer entsenden, erklärt
Baer­bock nun en passant, dass man Exportanträge
durchwinken werde. Es ist das Gegenteil der Posi-
tion, mit der Scholz gerade versucht, die Amerika-
ner auf seine Seite zu bringen. Baer­bock untergräbt
Scholz’ Verhandlungsposition, und die ganze Welt
sieht zu.
Es habe auf Arbeitsebene aus dem Kanzleramt
vorsichtige Signale gegeben, dass sich die Haltung
zu Ausfuhranträgen etwa aus Polen ändern könnte,
heißt es später. Von dem Inhalt des Gesprächs des
Bundeskanzlers mit Joe Biden hat Baer­bock dem
Vernehmen nach nichts gewusst. Und während
andere Regierungsvertreter in vertraulichen Ge-
sprächen an diesem Sonntag in Paris am Rande des
Festakts die Gewissheit durchschimmern lassen,
dass eine deutsche Leopard-Lieferung bevorsteht,
weiß Baer­bock davon anscheinend nichts.
Dass Scholz kein überschwänglicher Kommuni-
kator ist, ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Dass
er jedoch selbst wichtige Kabinettsmitglieder im
Unklaren lässt, bringt ihn nun selbst in Bedrängnis.
Die unterschiedlichen Temperamente, die stra-
tegischen Differenzen, das Schweigen zwischen
Kanzler und Außenministerin – in der Panzerfrage
kommt all das zusammen. Die Regierung des mäch-
tigsten Landes in Europa schafft es in dieser so
existenziellen Situation nicht, abgestimmt zu han-
deln, das ist der Eindruck, auch wenn eine Regie-
rungssprecherin sagt, der Bundeskanzler arbeite
»mit allen seinen Ministerinnen und Ministern eng
und vertrauensvoll zusammen«. Und das Auswär-
tige Amt legt Wert darauf, dass es im Vorfeld der
Leopard-Entscheidung »einen intensiven Austausch
innerhalb der Bundesregierung, auch zwischen der
Bundesaußenministerin und dem Bundeskanzler«,
gegeben habe.
POLITIK 5
Am Montagnachmittag deutscher Zeit, dem Tag
nach dem Festakt in Paris, treffen die entscheiden- Torten der Wahrheit
den Signale aus dem Weißen Haus ein: Der US-
VON KATJA BERLIN
Präsident wird mitziehen. Abrams und Leos. Sulli-
van und Plötner, die beiden Sicherheitsberater,
haben das ganze Wochenende über telefoniert und
gemailt, Austin hat Biden von der sturköpfigen
Position im Kanzleramt berichtet. Der US-Vertei- Wer Arbeitnehmer entlastet Gründe fürs Do-it- yourself
digungsminister, berichtet die Washington Post, habe
­Biden daraufhin den long-term proposal empfohlen,
den ihm die Deutschen mit auf den Rückweg ge-
geben hatten: Es sollen Abrams geliefert werden,
aber keine aus aktiven Beständen der US-Armee,
sondern Reservepanzer, die erst generalüberholt
werden müssen. Schließlich steht der Deal. »Wir
wollten sicherstellen, dass wir alle zusammenste-
hen«, sagt Biden bei einer Pressekonferenz im Künstliche Intelligenz Kreativität
Weißen Haus. »Wir sind uns vollumfänglich und Die Ehefrau mit Teilzeitjob Sparsamkeit
total einig.« Handwerkermangel
Scholz setzt sich durch, aber wer die USA Deutsche Reaktionen
kennt, weiß, dass alles seinen Preis hat
Auf immer mehr SUVs im Auf immer mehr vegane
Biden hat der Bundesregierung schon einmal Straßenverkehr Lebensmittel im Supermarkt
gegen seine eigene fachliche Überzeugung aus
der Patsche geholfen, im Frühjahr 2021. Damals
hob er kurzerhand die Sanktionen wegen der
Gas-­Pipe­line Nord Stream 2 auf. Die transatlan-
tische Solidarität war ihm wichtiger als eine Be-
strafung der widerborstigen Deutschen.
Bei den Abrams wiederholt sich dieses Muster.
Der US-Präsident entscheidet gegen den Rat seiner Das ist halt Angebot und Das ist halt Angebot und
Minister, um eine größere Botschaft zu senden: die Nachfrage. Nachfrage.
der Einigkeit des Westens. Er kommt den Deut- Sie wollen uns umerziehen! Sie wollen uns umerziehen!
schen entgegen. Er schenkt Scholz Vertrauen.
Dass es zu diesem ungewöhnlichen Geschenk
kommen konnte, hat auch mit der besonderen Kon-
stellation der beiden Regierungschefs zu tun: Im ANZEIGE
Kanzleramt regiert ein Politiker, der womöglich
starrsinniger auftritt als die meisten seiner Vor-
gänger. Auf der anderen Seite des Atlantiks sitzt im
Weißen Haus ein mitunter altersmilder Präsident,
der ein Freund der guten alten transatlantischen
Partnerschaft ist und der nach den Trump-Jahren
„Für vermögende Anleger
zu reparieren versucht, was in die Brüche gegangen
ist. Der eine ist ungewöhnlich bockig, der andere
ungewöhnlich kompromissbereit.
kenne ich kein besseres
Allzu oft kommt es im Verhältnis der beiden
Länder nicht vor, dass der Präsident der USA etwas
gegen seine Überzeugung und die seiner Berater
Modell am Markt.”
tut, nur um einen deutschen Kanzler hinter der
Barrikade hervorzuholen. Scholz hat sich durch-
gesetzt, aber wer die Amerikaner kennt, weiß, dass
Join the smart money.
alles seinen Preis hat.
Wie schon bei der »Zeitenwende« zeigt sich auch
bei den Kampfpanzern, wie überkontrolliert Scholz
Politik betreibt. Nachdem der Kanzler erfahren hat,
dass die Amerikaner dem Deal zugestimmt haben,
ruft er Robert Habeck an, den Vizekanzler, und
Chris­tian Lindner, den Vize-Vizekanzler. Den an-
deren Ministern berichtet Scholz von der Panzer- Mit LIQID investieren
wende erst am Mittwochmorgen im Kabinett – Unternehmer, Entscheider
auch Baer­bock. Ganz am Ende der Sitzung verliest und Macher in exklusive
der Kanzler unter dem Tagesordnungspunkt »Ver-
schiedenes« mit monotoner Stimme eine Mittei- Anlagelösungen, die bisher
lung, die nur Minuten später über die Nachrichten- nur großen Vermögen
agenturen laufen wird. Im Saal wird es ganz leise. offen standen.
Knapp zwei Wochen später, am vergangenen
Samstag, steht die Bundesaußenministerin auf einer
Bühne in einem Festsaal vor einer Schar von Narren.
Florian Heinemann,
Auf dem Kopf trägt sie einen Karnevalshut, an
diesem Tag erhält Anna­lena Baer­bock den »Orden LIQID-Kunde und Founding
wider den tierischen Ernst« des Aache­ner Karnevals- Partner von Project A
vereins. Sie habe lange über ihre Verkleidung nach-
gedacht, beginnt Baer­bock ihre Rede. »Eigentlich
wollte ich als Leopard kommen. Aber dann hatte
ich etwas Sorge, dass mir das Kanzleramt wochen-
lang keine Reisegenehmigung erteilt«, frotzelt sie.
»Hier bin ich also, so wie ich bin. Eine weibliche
Außenministerin – ohne Visier.« Und das sei in
diesem Land immer noch etwas Exotisches.
Dann wird die Außenministerin ernst. »Ich höre
ja manchmal: Jetzt redet die schon wieder über
Kinder. Jetzt wird sie schon wieder emotional.« Baer­
bock macht eine Pause. »Wissen Sie, was? Ich bin
froh, dass ich – auch als Außenministerin der Bun-
desrepublik Deutschland – sagen kann, wie nahe
mir das geht. Ich bin dankbar, dass wir in einem
Land leben, in dem das möglich ist: in dem wir­
Politikerinnen und Politiker zeigen können, dass uns
das Leid, das wir sehen, nicht kaltlässt.«
Dies ist die eine Variante, wie sich die Geschichte­
der letzten Monate erzählen lässt. Da ist eine Frau
mit Überzeugungen, bewegt vom Schicksal der
Menschen in der Ukraine, die sich nicht unter-
ordnen will – und schließlich von den Männern im
Kanzleramt an den Rand gedrängt wird.
Da ist, andererseits, eine Außenministerin, die
die Autorität des Kanzlers nicht anzuerkennen
scheint, die ihre eigene Politik betreibt und damit
ihren Chef bloßstellt.
Und auch über Olaf Scholz gibt es mindestens
zwei Geschichten. Für die einen ist er ein Mann,
der so rechthaberisch auftritt, dass er halb Europa
gegen Deutschland aufbringt, bis ihm am Ende der
US-Präsident beistehen muss.
Für die anderen ist er ein besonnener Politiker,
der versucht, die Unterstützung für die Ukraine mit
den Gefahren einer militärischen Eskalation aus-
zubalancieren – und der damit am Ende mehr für
die Ukraine erreicht als seine Kritiker.
Ganz gleich, welcher Lesart man glaubt, unbe-
streitbar bleibt der Schaden, den die vergangenen
Monate angerichtet haben. Die Außenministerin
erweckt den Eindruck, die Politik des Bundeskanz-
lers zu hintertreiben. Der Bundeskanzler schneidet Jetzt informieren:
die Außenministerin vom Informationsfluss ab. Die 030 3080 7083 Wealth Management
beiden sprechen kaum noch mit­ein­an­der, wenn es
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nicht sein muss.
»Vertrauen Sie mir.« Dieser Satz hat in diesen
Tagen einen ganz besonderen Klang.
6 POLITIK
Könnte ihr mächtiger Anführer dem Präsidenten gefährlich werden?  VON ANDREA BÖHM UND MICHAEL THUMANN
I
m Jahr 2021 verurteilte ein Gericht in
St. Petersburg einen Immobilienhänd-
ler wegen vierfachen Auftragsmordes
zu 23 Jahren Haft. Alexander Tjutin
heißt der Mann; der Fall war beson-
ders grausam, weil sich unter den Op-
fern auch zwei Kinder befanden.
Keine­zwei Jahre später ist Tjutin ein russischer
Held. Vor wenigen Monaten aus der Zelle ent-
lassen, zog er als Söldner im Dienst der Wagner-
Gruppe an die Front in der Ukraine. Sieben
ukrainische Soldaten soll er getötet haben – für
das russische Vaterland. »Was wollt ihr?«,
blaffte­Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldner-
truppe, als er von Journalisten nach Tjutins
Vorstrafen gefragt wurde. »Dass eure Söhne und
Ehemänner sterben, bei denen die Milch auf
den Lippen noch nicht getrocknet
ist? Oder lieber einen Fachmann
an der Front?«
Es ist vielleicht der bislang
größte Coup des Mannes, der einst
als Caterer für den Kreml den
Spitznamen »Putins Chefkoch«
bekam: Im September 2022 tauch-
te ein Video auf, das Jewgeni Pri-
goschin vor den Häftlingen eines
russischen Straflagers zeigte. Er bot
den Männern einen Deal an: Frei-
heit gegen sechs Monate Kriegs-
einsatz in der Ukraine. Mehrere
Zehntausend Häftlinge sollen das
Angebot angenommen haben,
Tausende von ihnen sind inzwi-
schen tot. Verheizt in Angriffswel-
len rund um die Städte Bachmut
und Soledar, wo sie ohne Ausbil-
dung und Kampferfahrung direkt
in die ukrainischen Gewehrläufe
marschieren mussten. Nach Schät-
zung von US-Beobachtern sollen
bei diesen Kämpfen allein bis­
Januar mehr als 4100 Söldner ge-
tötet und über 10.000 verletzt
worden sein. Besser ausgebildete
Wagner-Kämpfer sollen in siche-
rem Abstand abgewartet haben,
um gegen den ermüdeten Feind
nachzurücken – und um Vorder-
leute zu erschießen, die fliehen
oder desertieren wollten. Mit sei-
ner Rekrutierungsoffensive hat
Prigoschin der russischen Seite­
einen Etappensieg und sich selbst
noch mehr Einfluss verschafft.
Manche glauben, er könnte sogar
Wladimir Putin gefährlich werden.
Selbst für russische Verhältnisse
ist das ein erstaunlicher Aufstieg
für einen Mann, der zu Zeiten der
Sowjetunion noch wegen Raub-
überfalls im Gefängnis saß und
sich nach deren Ende mit einem
Hotdog-Stand über Wasser hielt.
Heute, mit Anfang 60, kontrolliert
Prigoschin ein schwer durchschau-
bares Netz von Unternehmen,­
darunter Nachrichtenkanäle, Roh-
stofffirmen und eine Troll-Fabrik,
die laut US-Behörden in den ame-
rikanischen Wahlkampf 2016 eingegriffen hat.
»Wagner« steht also längst nicht mehr nur für
eine Söldnertruppe, sondern für ein Polit- und
Business-Imperium. Das soll inzwischen auch
jeder sehen. In St. Petersburg hat Prigoschin,
lange um Geheimhaltung bemüht, ein »Wag-
ner-Zentrum« errichten lassen, ein riesiges­
Gebäude aus Glas und Stahl, das kürzlich in
»Meereshauptstadt« umbenannt wurde. Die
Arme des Wagner-Imperiums reichen weit über
Russland und die Ukraine hinaus.
Der Name Wagner geht auf den ersten
Kommandanten der Söldnertruppe zurück, ei-
nen ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter,
Elite­sol­da­ten und Rechtsextremisten namens
Dmitrij Utkin, der eine Vorliebe für den deut-
schen Komponisten Richard Wagner und das
»Dritte Reich« hatte. Prigoschins und Utkins
Kämpfer machten erstmals 2014 in der Ukrai-
ne von sich reden, wo sie an der Seite prorussi-
scher Milizen im Donbass kämpften – und­
Separatistenführer, die für Moskaus Geschmack
zu eigensinnig agierten, aus dem Verkehr zogen.
Privatarmeen sind nach russischem Gesetz
verboten, eigentlich. 2018 erklärte Wladimir
Putin in Bezug auf die Wagner-Gruppe, es sei
nichts gegen Unternehmen einzuwenden, die
»ihre Geschäftsinteressen überall in der Welt«
verfolgten. Wobei die »Geschäftsinteressen« der
»Privaten Militärfirma Wagner« fast immer
identisch sind mit politischen Zielen Moskaus.
In Syrien kämpften Wagner-Söldner an der
Seite des Assad-Regimes, wofür Prigoschin und
der russische Staat offenbar an Einnahmen aus
Ölfeldern beteiligt wurden. In Libyen unter-
stützten sie den Rebellenführer Chalifa Haftar
bei seinem Versuch, die international aner-
kannte Regierung in Tripolis zu stürzen – den
Ölreichtum des Landes im Blick. In Venezuela
bewachten sie den Moskau-treuen Präsidenten
Putins bester Schurke
Mithilfe der Wagner-Söldnergruppe hat Russland seinen Einfluss in der Welt ausgedehnt.
Nicolas Maduro, als dieser 2019 durch Massen-
proteste unter Druck geraten war. Am weites-
ten haben sich die Wagnerianer jedoch in Sub-
sahara-Afrika ausgebreitet.
Dass Prigoschin und seine Söldnertruppe
dabei eng mit Teilen des russischen Staates
zusammenarbeiten, war von Beginn an offen-
sichtlich – auch wenn der Kreml und Putins
»Chefkoch« dies lange vehement leugneten.
2019 hat das Document Center, eine Ent-
hüllungsplattform des oppositionellen russi-
schen Unternehmers Michail Chodorkowski,
interne Papiere über die Afrika-Pläne Mos-
kaus offen­gelegt.
Mindestens 13 afrikanische Staaten sollen
demnach durch Militärhilfe, Wirtschaftsdeals,
Ausbildungsprogramme und Propaganda in
Wagner-Chef Prigoschin bei der Beerdigung eines in der Ukraine gefallenen Söldners in St. Petersburg
den russischen Einflussbereich gezogen werden.
Wie einst während des Kalten Krieges. Wichti-
ges, wenn nicht wichtigstes Instrument zur
Durchsetzung der russischen Strategie: Jewgeni
Prigoschin und sein Firmennetz.
In mehreren Staaten sind Wagner-Söldner
inzwischen ständig präsent. In Mali unterstütz-
ten sie die Militärjunta gegen Dschihadisten,
im Sudan haben sie Milizen und Generale beim
Vorgehen gegen die demokratische Protest­
bewegung beraten. In Madagaskar stehen sie
im Verdacht, Wahlen zugunsten von Moskaus
Wunschkandidat beeinflusst zu haben.
Am besten lässt sich das System Prigoschin
in der Zentralafrikanischen Republik beobach-
ten. Das Land mit rund fünf Millionen Ein-
wohnern und einem von Rebellen bedrängten
Präsidenten ist eines der Armenhäuser auf dem
Kontinent, zerrüttet durch lange Bürgerkriege,
zermürbt durch ineffektive UN-Einsätze und
Militärinterventionen der ehemaligen Kolo-
nialmacht Frankreich, von der die Bevölkerung
vor allem den sexuellen Missbrauch minderjäh-
riger Mädchen durch ausländische Soldaten in
Erinnerung hat.
Für Putin und für die Wagner-Gruppe ein
perfektes Einsatzgebiet.
Es begann 2018 mit Waffenlieferungen und
Ausbildern, was im Falle Russlands ein Syno-
nym für Wagner ist. Es folgten Medienexperten
aus Prigoschins Umfeld, die lokale Radiostatio-
nen auf prorussischen Kurs brachten, via Face-
book Fake-News-Kampagnen starteten und die
angestauten antifranzösischen Ressentiments
schürten. Heute dominieren Wagner-Söldner
in der Hauptstadt Bangui die Leibwache von
Präsident Faustin-Archange Touadéra, kon-
trollieren den Zugang zum Staatsoberhaupt
und zu dessen Beratern, mobilisieren militante
Jugendgruppen gegen seine Kritiker und lassen
9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
sich in professionell gemachten Actionfilmen Söldnertum ist so alt wie der Krieg selbst,
als Befreier feiern. und Russland ist nicht das einzige Land, das
Vergangene und aktuelle Einsatzgebiete Menschenrechtsorganisationen wie Human auf Privatarmeen setzt. Die Vereinigten Staa-
der Wagner-Gruppe Rights Watch zeichnen ein anderes Bild: Massen- ten, Israel, Saudi-Arabien, Aserbaidschan – sie
hinrichtungen, Folter, Schläge sind nur einige der alle haben in den vergangenen Jahren Söldner
Verbrechen, die russischen Söldnern vorgeworfen für sich kämpfen lassen.
Ukraine werden. Viele Einheimische ficht das nicht an. Aber nur in Russland wird eine solche Pri-
Gerade die brutale Gewalt der Söldner imponiert vatarmee mitsamt ihrem wirtschaftlichen
ihnen, denn zumindest in der lange umkämpften Netzwerk vom Staatschef gegen die eigene Bü-
Syrien rokratie in Stellung gebracht. Leonid Gosman
Libyen Hauptstadt herrscht jetzt relative Ruhe. »Je suis
Mali Sudan Wagner«, so berichten NGO-Mitarbeiter, war zu- ist einer der letzten russischen Oppositions­
Zentralafrikanische letzt ein populärer Slogan in den Straßen von politiker und hat sich viel mit der »Gruppa
Republik
Venezuela Bangui. »Wir stehen mit Russland« stand auf Wagnera« beschäftigt. Ihn erinnert Prigoschins
Mosambik Transparenten bei Demonstrationen nach dem Rolle an die Opritschniki unter Zar Iwan IV.
Angriff auf die Ukraine. im 16. Jahrhundert. So wie Iwan der Schreck-
Außerhalb von Bangui begreifen immer liche diese vom Staat unabhängigen Militär-
mehr Menschen, dass es den »Befreiern« vor einheiten mit eigenen Gesetzen und eigenen
Ländereien gegen die adligen
Boja­ren aufbaute, fördere Putin
die Wagner-Milizen gegen Armee,
Geheimdienst und Bürokratie.
Die Botschaft: »Wenn ihr unzu-
frieden seid mit dem Krieg und
mit mir, dann habe ich jemanden,
um euch zu ersetzen.«
Prigoschin hat seinen Konkur-
renten im Verteidigungsministeri-
um und in der Generalität dabei
drei Dinge voraus. Dank seiner
Medien und seiner nunmehr­
offensiven Selbstinszenierung ist er
eine bekannte, eigenständige Per-
sönlichkeit geworden. Erst vor
wenigen Tagen ließ er ein neues
Video veröffentlichen, in dem er,
angeblich im Cockpit eines russi-
schen Kampfbombers, den ukrai-
nischen Präsidenten Wolodymyr
Selenskyj zum Flugzeug-Duell
über Bachmut herausforderte.
Außerdem verfügt Prigoschin
über Einkommensquellen, die­
unabhängig vom Staat sind. Und
er unterhält seine Privatarmee, um
notfalls seine Interessen durchzu-
setzen. Niemand außer Ramsan
Fotos (v. o.): Aleksey Smagin/Kommersant/ddp; NBC News (Screenshot); imago
Kadyrow, Oberhaupt der Teilrepu-
blik Tschetschenien und der zweite
Opritschnik unter Putin, hat Ähn-
liches zu bieten. Auch Kadyrow
hat seine Milizen in der Ukraine
eingesetzt und russische Generale
wegen fehlgeschlagener Offensiven
beleidigt. Im nationalistischen Teil
der Öffentlichkeit kommt das gut
an. Gegenüber Kadyrow hat Prigo-
schin wiederum den Vorteil, dass
er ein ethnischer Russe ist.
Wie lange Putins Teile-und-
herrsche-Taktik im eigenen Land
funktioniert, bleibt abzuwarten.
Putin braucht Prigoschins Söldner
und Geschäfte für seinen multi-
plen Großangriff auf den Westen
– ob nun in Syrien oder in der
Zentralafrikanischen Republik.
Aber das Wagner-Netzwerk kann
die Armee nicht ersetzen. Und in
dieser ist Prigoschin inzwischen
fast so verhasst wie der eigentliche
allem um die Rohstoffe des Landes geht. Zeit- Kriegsgegner, die Ukraine. Auf dem Schlacht-
gleich mit der Ankunft der ersten Wagner- feld wollten reguläre Einheiten zuletzt nicht
Söldner ergatterte eine russische Firma, die einmal getötete Söldner bergen. Das Militär
ebenfalls Prigoschin zugeordnet wird, Schürf- verweigert Prigoschin Transportkapazitäten,
rechte für die Diamanten- und Goldminen im Generale zeigen ihre Verärgerung, wenn er­
Land. Ähnliche Geschäfte haben Firmen aus öffentlich Etappensiege für sich reklamiert. So
Prigoschins Umfeld im Sudan abgeschlossen, geschehen zuletzt nach der Einnahme der
der ebenfalls reiche Goldvorkommen aufweist. Kleinstadt Soledar in der Ostukraine. Prigo-
Der Internationale Währungsfonds verzeich­ schin sagte, gegen diese Schlacht »verblasst so-
nete­Anfang vergangenen Jahres ein rapides gar« die Rückeroberung von Stalingrad durch
Wachstum der Goldvorräte in der russischen die Rote Armee im Zweiten Weltkrieg.
Zentralbank – eine Anlage, die vor westlichen Bislang deutet nichts darauf hin, dass Prigo-
Sanktionen relativ sicher ist. schin seinen Präsidenten bedrohen oder gar
Putins Afrika-Strategie erscheint im Rück- verdrängen wollte. Aber es gibt Anzeichen, dass
Prigoschin bei der Rekrutierung
blick wie eine geschickte Reaktion auf westliche Putin die wachsende Prominenz seines ehema-
russischer Häftlinge
Sanktionen nach der Annexion der Krim 2014 ligen »Chefkochs« missfällt. Zuletzt übertrug er
und wie eine schlaue Vorbereitung auf die Iso- den Oberbefehl über den Krieg in der Ukraine
lation durch den Westen vor dem Angriffskrieg dem Generalstabschef, den Prigoschin und­
im Februar 2022 – auch wenn er die Reaktion Kadyrow scharf kritisiert hatten.
des Westens in dieser Härte und Geschlossen- Noch versteht Putin es, Banditen gegen
heit offenbar nicht erwartet hatte. Bürokraten und Söldner gegen Militärs aus-
So erfolgreich die Strategie aus russischer zuspielen und die Balance zwischen den kon-
Sicht bislang auch war, kann sie Putin teuer zu kurrierenden Einheiten im Ukraine-Krieg
stehen kommen. Indem er sich auf einen priva- aufrechtzuerhalten. Solange ihm dies gelingt,
ten, mafiotischen Akteur verlässt, unterminiert bleibt Prigoschin ein Spieler von mehreren.
er jenen Staat, den er früher über alles gestellt Wie die internen Kämpfe weitergehen, hängt
hat. Prigoschin lässt in einer Freibeuterzone vom Verlauf der nächsten russischen Groß-
nach eigenen Gesetzen und eigener Gerichts- offensive in der Ukraine ab. Scheitert sie,
barkeit kämpfen und töten. Wie brutal auch könnten einige versuchen, die Machtfrage in
reguläre Einheiten der russischen Armee vor- Armee und Politik zu stellen. Auch Jewgeni
gehen, weiß man spätestens seit Butscha, Isjum Prigoschin.
und Mariupol. Aber Prigoschin verübt diese Alexander Tjutin, den mehrfachen Mörder
Verbrechen zur Eigenwerbung in einem Kon- und Kriegshelden, dürfte das alles nicht mehr
kurrenzkampf mit der Armee, deren Generale interessieren. Er hat seinen Kriegsdienst für das
er zuletzt immer heftiger wegen Rückschlägen Vaterland unverletzt überstanden und erholt
und fehlender Härte attackierte. Im November sich nach Angaben mehrerer russischer Nach-
vergangenen Jahres ging ein Video viral, in dem richtenportale jetzt am Strand von Antalya. Im
Wagner-Söldner einen Überläufer mit einem Nato-Mitgliedsstaat Türkei.
Das »Wagner-Zentrum« Vorschlaghammer töten. »Ein Hund stirbt den
in St. Petersburg Tod eines Hundes«, kommentierte Prigoschin. www.zeit.de/vorgelesen
DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023 POLITIK 7

Ende einer Luftfahrt

Ein chinesischer Spionage-Ballon hat die USA in Aufregung versetzt.
Besuch an der Abschussstelle  VON PAUL MIDDELHOFF

Foto (Ausschnitt): Randall Hill/Reuters

Ein Spaziergänger in Myrtle Beach sucht den Himmel nach chinesischen Flugobjekten ab

L
Myrtle Beach
eider sieht man die Delfine heute
nicht. Rick sitzt in einem Cam-
pingstuhl am Strand, es ist kurz
vor neun Uhr morgens, er ist ei-
ner der Ersten hier. Rick, um die
siebzig, kommt jeden Tag her,
klappt den Stuhl auf, setzt sich,
schaut raus auf den Atlantik. Neben ihm lehnt
eine Greifzange, ab und zu steht er auf, geht ein
paar Meter den Strand auf und ab, stochert zwi-
schen den Muscheln. »Wenn man Glück hat,
findet man Haifischzähne, die sind hunderttau-
send Jahre alt.«
Und was ist mit Teilen des chinesischen Spio-
nage-Ballons? »Bislang nichts«, sagt Rick. »Die
Behörden haben gesagt, man soll nichts anfassen
und gleich Bescheid geben, wenn man etwas fin-
det, aber ich weiß nicht ... Wär schon ein schönes
Souvenir.« Seine sonnengebräunte ­Gesichts­haut
spannt sich zu einem Lächeln.
Myrtle Beach, South Carolina. Minigolf,
Riesenrad, Hoteltürme, Piercingstudios, Strip-
club, All-you-can-eat-Meeresfrüchtebuffet. Und
an diesem Wochenende: Austragungsort der
Weltpolitik. Mit einer wärmesuchenden Rakete­
haben zwei F-22-Raptor-Kampfjets der U. S.
Air Force hier am Samstag einen chinesischen
über dem Bundestaat Montana schwebt, wo das
US-Militär auf der Malmstrom Air F ­ orce Base
Interkontinentalraketen stationiert hat, war das
schon weniger lustig. Heute ist bekannt, dass Joe
Biden bereits am vergangenen Mittwoch den
Befehl zum Abschuss gab. Nur sollte das Militär
so lange warten, bis der herabfallende Spionage-
Apparat niemanden mehr verletzen konnte.
Und, wohl auch das eine Überlegung der Sicher-
heitsbehörden: Wenn die Gerätschaft aus knapp
18.000 Meter Flughöhe auf Land aufschlüge,
wäre kaum mehr etwas von ihr übrig. Nach einer
Landung im Wasser aber könnten Forensiker die
enthaltenen Informationen vielleicht sichern
und so ihrerseits erfahren, welche Informationen
die Chinesen gesammelt haben und welche
Technik sie dabei einsetzten. Die Küste vor
Myrtle Beach ist der ideale Absturzort: Das Was-
ser dort ist bloß 14 Meter tief, der Meeresboden
für die Taucher der Navy einfach zu erreichen.
In Myrtle Beach zeigen die Menschen Handy­
videos, die sie von Freunden zugeschickt bekom-
men haben, zu hören ist der Knall, zu sehen sind
Teile der zerfetzten Ballonhülle, die langsam
herab­schweben. Rick, der 30 Jahre lang im
Waren­lager eines Supermarktes in der Nähe von
Buffalo im Bundesstaat New York gearbeitet hat,
ist skeptisch. »Wenn sie wirklich solche Angst
über Myrtle Beach als Paradebeispiel für »das Geld
amerikanischer Steuerzahler bei der Arbeit«.
Russlands Angriff auf die Ukraine, die anhalten-
den Spannungen im Südchinesischen Meer, der­
Besuch der mittlerweile pensionierten Demokraten­
führerin Nancy Pelosi in Taiwan, der auf chinesischer
Seite zu empörten Reaktionen geführt hatte – der
Ballon hat ein Land im »High Alert« überflogen.­
Tagelang behauptete das chinesische Außen­minis­te­
rium, es handle sich bloß um einen Wetterballon,
während die US-Regierung dagegenhielt. Schließlich
sagte Außenminister Antony Blinken am Freitag
seine geplante Reise nach Peking mit der Begründung
ab, man könne nicht über eine diplomatische Wie-
derannäherung sprechen, wenn zur gleichen Zeit
chinesische Spionage-Technik über amerikanisches
Festland schwebt. Da war die Entscheidung zum
Abschuss des Ballons schon getroffen.
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Spätestens dieser hat nun eine ernst zu nehmende
politische Krise ausgelöst. Ein Sprecher des chinesi-
schen Außenministeriums sprach von einer »Über-
reaktion und einem Verstoß gegen internationales
Recht«, ein paar Stunden später drohte ein Beamter
des Verteidigungsministeriums, China behalte sich
vor, mit »den notwendigen Mitteln« zu antworten.
US-Experten deuten den Abschuss auch als Ergebnis
verunglückter Kommunikation: So gestört seien mitt-
lerweile die Gesprächskanäle zwischen Washington
und Peking, dass sich ein solches Problem nicht mehr
diplomatisch lösen lässt. Am Montag bestätigte die
chinesische Regierung, dass auch ein zweiter, über
Südamerika gesichteter Spionage-Ballon zum Arsenal
der Volksrepublik gehört. Seit diesem Wochenende
lacht niemand mehr.
Längst nicht alle Fragen sind geklärt: Steckt­
hinter der Ballon-Operation nun bloß technisches
Beide. Denn beide haben eine Firma im Handwerk.
Versagen oder eine gezielte Provokation? Wusste
Chinas Präsident Xi Jinping im Vorfeld von der­
Aktion am Himmel über den USA, oder wurde er
von den Entwicklungen der vergangenen Tage
überrascht? Und was wird, wenn die Forensiker des
FBI tatsächlich herausfinden, dass der Ballon auf
seiner Fahrt geheime Informationen aufgenommen
und zurück nach China gesendet hat?
Am Sonntagabend hängt noch Dunst über der
Atlantikküste. Bislang kämen die Bergungsarbeiten
nur schleppend voran, erklärt ein Sprecher des­
Nationalen Sicherheitsrates. Am Montag aber: glei-
ßendes Licht, mäßiger Wind. Rick hat zwei Angeln
ausgeworfen, ein paar Meter vor ihm stecken sie im
Sand. Die Flügel der Pelikane, die über die Wellen
gleiten, berühren beinahe das Wasser. Tauchwetter.
 www.zeit.de/vorgelesen

Ballon vom Himmel geholt. Das Pentagon geht
davon aus, dass der Ballon, bestückt mit
Spionage-­ Kameras und -Sensoren, auf seiner
Fahrt über Nordamerika allerlei Geheimnisse
ausgekundschaftet haben könnte: Raketensilos
und Luftwaffenbasen, Kraftwerke und Kaser-
nen. Die ­Ladung des Ballons habe die Größe
Wer von
vor dem Ding hatten, warum haben sie es dann
nicht schon über Alaska heruntergeholt?« Als Augenoptikermeisterin und Betriebswirtin im
Mit dem gleichen Argument versuchen die Handwerk leitet Sabrina Oberlander ihren eigenen
Republikaner in Washington derzeit, aus dem Betrieb und ist vereidigte Sachverständige ihres
Ballon eine Ballon-Affäre zu machen: Biden habe
zu lange gezögert, der Abschuss hätte viel früher
erfolgen müssen, Amerika habe vor den Augen der
beiden Gewerks. Dirk Reker ist Gebäudereinigungsmeister,
Geschäftsführer seines mittelständischen Traditions-
betriebes mit mehr als 150 Beschäftigten und Vorstands-

eines kleinen Passagierflugzeugs und wiege
einige­Tausend Tonnen.
Jetzt suchen Schiffe der Navy einige Meilen
vor Ricks Strand nach den Wrackteilen. Man
kann sie nicht sehen. Aber das Pentagon sagt,
dass sie dort draußen sind. »Wir haben die
Chemtrails der Jets gesehen und dann ein paar
Minuten später den Knall gehört«, sagt Rick.
Alle hier am Strand hätten hoch zum Himmel
geschaut, »ist ja schon historisch, so etwas mit-
zubekommen«. Mittlerweile ist es wieder ruhig,
grauhaarige Rentner stapfen durch den Sand,
manche von ihnen haben kleine Teleskop-Kellen
dabei, damit sie sich beim Haifischzähne-­
Sammeln nicht bücken müssen. Das Hotelper-
sonal von Myrtle Beach nennt die Rentner »snow
birds«, wohlhabende Nordstaatler, die während
der kalten Monate an den Stränden im Süden
des Landes überwintern.
Auch der chinesische Ballon kam aus dem
Norden, flog zuerst über Alaska, dann durch
Kanada und überquerte schließlich am 31. Janu-
ar die Grenze zum US-amerikanischen Festland.
Am Anfang war das noch lustig – ein Ballon im
Zeitalter der Drohnen und der Cyberspionage,
wie peinlich für China! Das Ganze wirkte wie
Klamauk aus dem Kalten Krieg, der republika-
nische Senator, Bestsellerautor und Trump-­
Anhänger J. D. Vance postete ein Foto von sich,
wie er mit einem Sturmgewehr in den Himmel
zielt. Als dann bekannt wurde, dass der Ballon
ist CEO?
Weltöffentlichkeit schwach und unentschieden
ausgesehen. Nüchtern teilte das Pentagon daraufhin mitglied seiner Innung.
mit, dass während der Amtszeit Donald Trumps
gleich drei Mal fremde Spionage-Ballons auf US- Im Handwerk kann jeder Erfolg haben. Ob mit der
amerikanischem Territorium gesichtet worden Gründung eines eigenen Betriebes oder einer Über-
seien, über Texas, Florida und Hawaii. Zwar seien nahme. Jetzt entdecken, wie viel Unternehmertum im
die nicht so tief ins Landesinnere eingedrungen. Handwerk steckt: www.handwerk.de/neudenken
Allerdings wurde die Bevölkerung auch gar nicht
erst über ihr Auftauchen informiert, und schon gar
nicht wurde etwas gegen sie unternommen.
Und so setzen sich in der aktuellen Debatte
mittlerweile die Stimmen derjenigen durch, die
etwas von der Sache verstehen: Grauhaarige Ex-
Generale erklären aufgekratzten Fernsehmode-
ratoren, dass Spionage zwischen konkurrieren-
den Staaten nun einmal dazugehöre, Ballons
seien kein Relikt aus vergangenen Zeiten, son-
dern ein Standardwerkzeug der militärischen
Aufklärung. Auch umkreisten zu jeder Zeit Dut-
zende Spionage-­ Satelliten einer ganzen Reihe
von Staaten die Erde. Peinlich – und wirklich
politisch – werde es nur, wenn man sich beim
Auskundschaften erwischen lasse. Als Deutscher
denkt man da unweigerlich an das Jahr 2013, als
Medien im Zuge der NSA-Affäre enthüllten,
dass die US-Geheimdienste zwischenzeitlich
auch das Handy der damaligen Bundeskanzlerin
Angela Merkel abgehört hatten. Aber das sagt
heute keiner der US-Generale live im Fernsehen.
Stattdessen loben sie mit Stolz in der Stimme
den präzise ausgeführten Abschuss des Ballons

CHINA
RUSSLAND

K ANADA
Myrtle
Wahrscheinliche Beach
Flugroute
des Ballons
P a z i fi k
USA
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Technisches Equipment

ZEIT- GRAFIK: Kim-Melina Bertram/Quelle: BBC

8 POLITIK 9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7

Die Zeitlupenwende
Ein Jahr nach Kriegsbeginn: Deutschland muss wehrhafter werden. Doch es agiert wie im tiefsten Frieden  VON CARLO MASALA

F
ast ein Jahr ist vergangen, seit
Bundeskanzler Olaf Scholz am
27. Februar 2022 während einer
Sondersitzung des Deutschen
Bundestages die mittlerweile
berühmte Zeitenwende für die
deutsche Außen-, Sicherheits-
und Verteidigungspolitik ausgerufen hat.
Halt! Stopp! Hat er es wirklich getan? Liest
man die Rede noch einmal genau, die Scholz
nur drei Tage nach Beginn des russischen Über-
falls auf die Ukraine gehalten hat, dann zeigt
sich, dass der Kanzler zwar mehrmals von einer
Zeitenwende gesprochen hat – allerdings nie
von einer Zeitenwende der deutschen Außen-
und Sicherheitspolitik. »Zeitenwende« war in
dieser Rede nur das Wort, mit dem Scholz die
Bedeutung der russischen Aggression für die
internationale Politik markiert hat. Für die
deutsche Außen- und Sicherheitspolitik stellte
der Beginn der Invasion laut Scholz lediglich
eine »Zäsur« dar. Die Begriffe sind wichtig,
denn sie prägen die Politik.
Obwohl Scholz selbst das Wort gar nicht ver-
wendet hat, wird immer wieder von einer Zeiten-
wende für die deutsche Außenpolitik gesprochen.
Oder genauer: Deutschland spricht nicht nur von
einer Zeitenwende, Deutschland wartet auf diese,
wie Estragon und Wladimir im Theaterstück von
Samuel Beckett auf Godot warten.
Zu den Fakten: Im Zentrum der Rede von
Olaf Scholz standen die Ankündigung eines
Sondervermögens für die Bundeswehr in Höhe
von 100 Mil­liar­den Euro, aus dem die seit Jahr-
zehnten vernachlässigten Investitionen in das­
Militär finanziert werden sollen, sowie die Zusage,
»ab jetzt« mehr als zwei Prozent des Bruttoinlands-
produkts für die Verteidigung auszugeben, wie es
die Nato-Partner schon seit Jahren verabredet
haben. Viel mehr war zur deutschen Außenpolitik
nicht zu vernehmen.
Und seither ist in der deutschen Außenpoli-
tik nichts passiert, was einer Zeitenwende auch
nur ähnlich wäre. Eher im Gegenteil. Man
kommt um den Eindruck nicht herum, dass
das gesamte außen-, sicherheits- und verteidi-
gungspolitische System der Bundesrepublik
sich so verhält, als hätte es den 24. Februar
2022 nie gegeben. Das System agiert, als ob wir
uns immer noch in Friedenszeiten befänden.
Während in den ersten zwei Wochen des Krie-
ges in rasender Geschwindigkeit historische
Glaubenssätze deutscher Außen- und Sicher-
heitspolitik abgeräumt wurden (mit der Liefe-
rung von Waffen, dem Sondervermögen, um-
fassenden Sanktionen gegen Russland, der Ein-
stellung von Nord Stream 2), ist das System
seither wieder in seine alte bürokratische­
Lethargie zurückgefallen.
Dabei herrscht Krieg im Osten Europas. Ein
Krieg, der auch für Deutschland massive Konse-
quenzen hat. Ein Krieg, von dessen Ausgang­
Sicherheit und Stabilität des europäischen Kon-
tinents für die nächsten Jahrzehnte abhängen
werden. Und dennoch geschieht fast nichts. Dafür
allein die frühere Verteidigungsministerin Chris-
tine Lambrecht verantwortlich zu machen wäre
zu einfach. Nicht eine einzelne Person ist Kern des
Problems. Um Bill Clinton zu paraphrasieren: It’s
the system, stupid.
Eine Zeitenwende in der deutschen Außen-
und Sicherheitspolitik würde nämlich weit mehr
bedeuten, als nur die Bundeswehr auszurüsten
und damit die Fehler der letzten Jahrzehnte zu
beseitigen. Eine Zeitenwende, die diesen Namen
verdient, müsste zuvorderst der Versuch sein,
Strukturen und Prozesse daraufhin zu überprüfen,
ob sie den Anforderungen, die auf Deutschland
zukommen werden, noch angemessen sind. Und
sie müsste zweitens, und nicht weniger dringlich,
auf ein neues, anderes Verständnis von militäri-
scher Macht und Verteidigung in der deutschen
Politik und Gesellschaft abzielen. Deutschland
muss wehrhafter werden. Wenn das nicht gelingt,
bleibt am Ende von der Zeitenwende bestenfalls
eines übrig: eine voll ausgerüstete Bundeswehr.
Wer wissen will, wie es geht, muss in
die baltischen Staaten schauen
Was aber würde es bedeuten, ein solches neues
Verständnis in Politik und Gesellschaft herbei-
zuführen? Wie müssten Strukturen und Prozes-
se verändert werden, um die Bundesrepublik
für das zu wappnen, was außen- und sicher-
heitspolitisch vor ihr liegt?
Zunächst müsste Verteidigung breiter und
umfassender gedacht werden. Sie ist heute
mehr als lediglich der Einsatz militärischer
Macht. Ein direkter Angriff auf Deutschland
oder einen der Verbündeten ist nur ein Szena-
rio unter vielen der Kriegsführung im
21. Jahrhundert. Desinformation, Anschläge
auf kritische Infrastruktur und Cyberattacken
gehören ebenso zum Arsenal potenzieller
Gegner wie Panzer oder Mittelstreckenrake-
ten. Sie zusammen zu denken und mit allen
Instrumenten nationaler Macht darauf zu
reagieren – das ist die große Herausforderung
für Staat und Gesellschaft.
Ein solches neues Denken über Bedrohung
würde bedeuten, sich nicht länger an ministeriel-
len Zuständigkeiten abzuarbeiten, an Bund-­
Länder-Kompetenzen festzuhalten und an den
Aufgaben von staatlichen und privaten Akteuren.
Es würde bedeuten, all diese Akteure mit­ein­an­der
zu vernetzen und sie als Elemente einer umfassen-
den Wehrhaftigkeit des Staates zu begreifen. Wie
das geht, machen die baltischen Staaten sowie
unsere nordischen Nachbarn vor. Dort wird Ver-
teidigung seit einigen Jahren als vernetzte, inte-
grierte Verteidigung verstanden, bei der nicht nur
verschiedene Akteure mit­ein­an­der verzahnt
werden, sondern auch mit­ ein­an­
der üben. In
Deutschland hingegen gibt es solches Denken
bislang allenfalls in der Theorie.
Ein Wandel würde aber auch bedeuten,
dass das Denken über den Einsatz militärischer
Macht und deren Androhung verändert wer-
den muss. Dass der Einsatz militärischer Macht
Ultima Ratio der Politik ist, wird niemand­
bestreiten. Aber was das genau bedeutet, ob
»Ultima Ratio« das letzte oder das extremste
Mittel bedeutet, macht einen gewaltigen­
Unterschied. Wenn man den Einsatz oder die
Androhung des Einsatzes militärischer Macht
als letztes Mittel versteht, wie es in Deutsch-
land traditionell der Fall ist, als ein Mittel also,
das erst eingesetzt werden kann, wenn alle­
anderen Mittel restlos erschöpft sind, dann­
beraubt man die Diplomatie eines ihrer wich-
tigsten und wirksamsten Instrumente: nämlich
mit diesem Einsatz zu drohen, um diplomati-
schen Lösungen den Weg zu ebnen.
Etwas völlig anderes ist es, wenn der Einsatz
militärischer Macht nicht als das letzte, son-
dern als das extremste Mittel der Diplomatie
verstanden wird, das gleichberechtigt neben
den anderen Instrumenten wie Sanktionen,
Verhandlungen und ökonomischen Anreizen
steht. Um es konkret zu machen: Wenn ein
US-Präsident mit feindlichen Staaten verhan-
delt (wie etwa mit dem Iran, als es um das
Atomabkommen ging), wird er seinem Gegen-
über immer sagen: »Alle Optionen liegen auf
dem Tisch.« Damit signalisiert er: Wenn ihr
euch nicht auf eine diplomatische Lösung ein-
lasst, stehen mir noch andere Möglichkeiten
zur Verfügung, meine Interessen durchzuset-
zen. Diese Drohung mit dem extremsten Mit-
tel ermöglicht oft überhaupt erst eine diploma-
tische Lösung. Ein deutscher Außenminister
würde einen solchen Satz nie äußern. Er oder
sie würde sagen: Es ist noch viel zu früh, um
über militärische Optionen zu reden.

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112486_ANZ_371x264_X4_ONP26 1 02.02.23 11:12

DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023
Eine voll ausgerüstete Bundeswehr, wie sie
am Ende des Sondervermögens stehen soll,
hilft deutscher Außen- und Sicherheitspolitik
nur dann weiter, wenn sich auch das Verständ-
nis von Natur und Charakter militärischer
Macht fundamental wandelt.
Dazu gehört, dass es als politische Aufgabe ver-
standen wird, über Verteidigung zu reden, sie zu
kommunizieren. Der durchschnittliche Bundes-
bürger, die durchschnittliche Bundesbürgerin
interessiert sich – richtigerweise – nicht sonderlich
für außen- und sicherheitspolitische Themen.
Vermutlich wissen nur die wenigsten Menschen
in Deutschland, mit wie vielen Soldatinnen und
Soldaten die Bundeswehr zurzeit in Mali steht
oder welche Interessen die Bundesrepublik
Deutschland mit dieser Mission verfolgt (Zyniker
würden sagen, dass auch die Bundesregierung
selbst das nicht genau weiß). Daran ist auch nichts
Verwerfliches, denn die Regierungen und die Par-
lamentarier, die diese Mission gebilligt haben,
schweigen zumeist darüber. Wenn man aber will,
dass sich Menschen für Außen- und Sicherheits-
politik interessieren, dann muss man darüber
Composing: Martin Burgdorff für DIE ZEIT
reden, muss erklären und für solche Einsätze
werben. Nichts von alledem passiert.
Die Auslandseinsätze der Bundeswehr werden
mehr oder weniger verschwiegen. Man redet über
sie meist nur dann, wenn eine Mandatsverlänge-
rung durch den Bundestag ansteht. Dann debat-
tiert das Parlament ein paar Stunden lang über
Sinn oder Unsinn des Einsatzes, und wenn der
Einsatz routiniert erneut mandatiert wurde, brei-
ANZEIGE
© ggettyimages/YayaErnst
tet sich wieder Schweigen aus, und die Verant-
wortlichen in Berlin hoffen, dass den Männern
und Frauen nichts passiert, die der Bundestag in
Marsch setzt. Wenn dann wiederum Umfragen
zeigen, dass eine Mehrheit der Bundesbürgerin-
nen und Bundesbürger manche Einsätze ablehnt,
ist schnell davon die Rede, Deutschland sei eben
»strukturell pazifistisch«.
Nein! Wenn Regierung und Parlament
nicht beständig für die Einsätze werben und die
politischen Ziele erläutern, dann darf es nie-
manden wundern, dass Menschen von der
Notwendigkeit der Präsenz der Bundeswehr in
fernen Ländern nicht überzeugt sind. Regie-
rung und Parteien werben ja auch beständig für
die nächste Steuer- oder Gesundheitsreform.
Nur in der Außen- und Sicherheitspolitik:­
betretenes Schweigen.
Selbstredend erschöpft sich eine Zeiten-
wende nicht in der Neudefinition traditionel-
ler Begriffe. Sie sollte auch alle Strukturen und
Prozesse überprüfen, mit denen Außen- und
Sicherheitspolitik betrieben wird. Und auch da
drängt sich der Eindruck auf, dass es mit der
Zeitenwende nicht so ernst gemeint gewesen
ist. Während es der Bundesregierung gelungen
ist, in einer für deutsche Verhältnisse sagenhaf-
ten Geschwindigkeit einen LNG-Terminal zu
bauen und dafür viele der üblichen Verfahrens-
bestimmungen außer Kraft zu setzen, dauerte
es unglaubliche neun (sic!) Monate, bis aus
dem am 27. Februar angekündigten Sonder-
vermögen monetäre Realität werden konnte.
POLITIK 9
Warum? Weil Muss man nicht eine grundlegende Bestands-
man den üblichen Prozess der Verfas- tem der Bundesrepublik agiert wie in tiefs- aufnahme des Verteidigungsministeriums ma-
sungsänderung, der ausführlichen parlamen- ten Friedenszeiten. Alles muss seinen gere- chen, das der Journalist Thomas Wiegold ein-
tarischen Beratung und Entscheidung einge- gelten Gang gehen, und jeder hat Angst vor mal als »Verwaltungsbehörde mit angeschlosse-
halten hat. Schnell aber geht anders. Die dem Bundesrechnungshof. Dabei tobt im Os- nem Streitkräftebetrieb« bezeichnet hat? Sollte
Folge:­Im Jahr 2022 wurde aus dem Sonder- ten Europas ein Krieg, kämpft die Ukraine um das Ministerium nicht, wie es in vielen anderen
vermögen von 100 Mil­ liar­
den Euro fast ihr Überleben, und niemand weiß, welches die Ländern der Fall ist, auf die politische Steue-
nichts ausgegeben. nächsten Opfer des russischen Neo-Imperialis- rung von Streitkräften reduziert werden, und
mus sein werden. Deutschland hat keine Kri- den Rest erledigt die Truppe selbst? Neben­
Selbst in Krisenzeiten bestimmt senstruktur, keine Überholspur, auf der schnell effekt einer solchen Fokussierung wäre es, dass
der Amtsschimmel das Tempo (und wenn nötig auch dreckig) gehandelt wer- man nicht mehr über 2500 Mitarbeiter und
den kann. Als Olaf Scholz am 27. Februar Mitarbeiterinnen im Ministerium in Berlin
Auch anderswo geht es nur im gemächlichen 2022 das Sondervermögen ankündigte, hätte bräuchte und viele Dienstposten wieder in die
Friedenstempo voran: Im Mai kündigte Olaf man seitens der Bundeswehr und des Verteidi- Truppe zurückgehen könnten, wo sie dringend
Scholz auf der Sitzung der Staats- und Regie- gungsministeriums kurzerhand schon bestellen gebraucht werden. Dies sind nur einige Fragen,
rungschefs der Nato ein vorgeschobenes Brigade­ und kaufen sollen, konnte es aber nicht, weil die gestellt und beantwortet werden müssen,
element für Litauen an. Theoretisch hätte es­ das Geld ja noch nicht abgesegnet war. Das die bislang aber niemand zu stellen wagt.
bereits im Juli verlegt werden können, tatsächlich Budgetrecht des Parlaments ist unantastbar. Blickt man fast ein Jahr nach der Rede von
aber geschah das erst Mitte September. Warum? Zwar wurde für die persönliche Ausrüstung Scholz zurück, so muss man feststellen, dass
Weil man im Verteidigungsministerium auf eine von Soldatinnen und Soldaten eine Ausnahme die deutsche Zeitenwende bislang kaum mehr
formale Einladung Litauens gewartet hatte. In gemacht, nicht jedoch für Waffen. Wenn aber als eine Ankündigung ist. Faktisch ist sie,
Friedenszeiten kann man sich derlei Abwarten selbst in Krisenzeiten der deutsche Amtsschim- ähnlich wie die russischen Truppen in der
vielleicht leisten, in Krisenzeiten nicht. Und von mel das Tempo bestimmt, dann kommen wir Ukraine, schon nach wenigen Wochen im
den fehlenden Ersatzteilen für jene Geparden, die halt fast immer zu spät. Schlamm des Berliner Politikgefechtsfeldes
man in die Ukraine geschickt hat, wollen wir an Ist die Bundeswehr mit ihren vier Dimen- stecken geblieben.
dieser Stelle erst gar nicht reden: Bereits im Som- sionen (Luft, Wasser, Land und Cyber) und
mer 2020 hatte das Beschaffungsamt in Koblenz den unzähligen Organisationsbereichen struk- Carlo Masala ist Politikwissenschaftler
darauf hingewiesen, dass man doch Ersatzteile turell überhaupt so aufgestellt, dass sie im und Professor für Internationale Politik
bestellen möge. Doch der Hinweis verschwand Ernstfall schnell verlegt werden kann? Oder an der Fakultät für Staats- und
in den labyrinthischen Prüfschleifen und Ent- muss sie nicht viel agiler und schlanker werden? Sozialwissenschaften der Universität der
scheidungswegen des Ministeriums. Ist das Kompetenzgerangel zwischen Auswärti- Bundeswehr München. 2022 erschien
Es gibt viele solcher Beispiele. Sie alle zei- gem Amt und Bundeskanzleramt bei vielen sein Buch »Weltunordnung. Die globalen
gen: Das außen- und sicherheitspolitische Sys- außenpolitischen Fragen noch zeitgemäß? Krisen und die Illusion des Westens«
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Ben Hodges ist ehemaliger Oberbefehlshaber
der US Army in Europa. Als Experte für Sicher-
heitspolitik teilt er sein Wissen mit der Redaktion
des neuen Tagesspiegels.
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 9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7

10 STREIT
Lieb oder liberal?
Die FDP wird immer unpopulärer. Was macht die Partei falsch? Der Altvordere Gerhart Baum sagt: Es braucht mehr Wärme und mehr
Zutrauen in den Staat. Die Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg findet, die Partei dürfe sich nicht an Rot-Grün anbiedern

sind unzufrieden damit, dass sie keine partei-
Gerhart Baum, 90, politische Heimat haben. Die Grünen sind
ist seit 1954 Mitglied keine konsequent liberale Partei. Innerhalb der
der FDP. Er war Grünen konkurrieren unterschiedliche Ziele.
Bundesinnenminister Warum erreichen wir also die Leute nicht, die
während der wir erreichen könnten?
sozialliberalen ZEIT: Wollen Sie selbst die Antwort geben?
Koalition unter Baum: Weil diese Menschen mitgenommen
Helmut Schmidt werden wollen, und zwar nicht nur durch küh-
le Rationalität. Sie brauchen auch einen, ich
nenne es mal, Wärmestrom! Es ist doch auch
eine Chance für die FDP, Soziales, Ökologie
und Liberales in einer Koalition zusammenzu-
bringen. Den Leuten, die motzend am Rande
stehen, müssen wir sagen: Stellt euch mal vor,
wie es ohne die FDP aussähe! Die FDP sollte
nicht den Leuten hinterherlaufen, die Friedrich
Merz oder sogar die AfD wollen. Was bitte ha-
ben wir denn mit Merz zu tun!? Und warum
überlassen wir ganze Themenfelder den Grü-
nen? Die haben doch keinen Alleinvertretungs-
anspruch auf Ökologie oder Außenpolitik. Wir
Liberalen stehen vor einer Zäsur. Entweder wir
verstehen, was die Wähler uns sagen wollten.
Oder der Niedergang geht weiter.
ZEIT: Frau Teuteberg, mal ehrlich, schauen
Sie auf SPD und Grüne als Partner oder als
Gegner?
Teuteberg: Als Koalitionspartner, aber natür-
lich sind wir auch Wettbewerber. Jede Partei
tritt bei jeder Wahl für sich an, mit ihrem poli­
tischen Angebot sind die Freien Demokraten
Vollsortimenter. Zur Zeitenwende gehört eine
durchdachte Migrationspolitik, auch weil Be-
larus und Russland Migration missbrauchen,
um westliche Demokratien zu destabilisieren.
Europa muss Flüchtlinge und Grenzen schüt-
zen können. Dieses Thema war nicht oppor-
tun vor der letzten Bundestagswahl. Lieber hat
man darüber geredet, wie man den Wohlstand
verteilt, dessen Erwirtschaftung man zugleich
verächtlich macht und untergräbt.
ZEIT: Herr Baum, kann man als liberale Partei
so eine Position, wie Frau Teuteberg sie schil-
dert, in der Migrationspolitik einnehmen –
und gleichzeitig im Wettbewerb um den, wie
»Dass man den Konservativen nachläuft, Sie sagen, »Wärmestrom« bestehen?
Baum: Das kann man, und das muss man. Un-
der Gesellschaft maximiert wird, wenn der
Einzelne maximal frei ist?
Baum: Ja, das ist so. Wir müssen uns deshalb
bewusster werden, dass wir uns in genau die-
sem geschilderten Konfliktfeld befinden. Diese­
Konflikte muss die FDP annehmen und aus-
halten. Da bleibt genug Raum für eine liberale
Handschrift.
Teuteberg: Das Urteil befreit indes nicht von
der Pflicht zur konkreten Abwägung, ob ein
Freiheitseingriff wirklich gerechtfertigt ist. Die
Hybris und Unbedingtheit der »Letzten Gene-
ration«, die Abgeordnete am Eingang des Par-
laments bedrängt und behauptet, wer nicht ihre
Forderungen umsetzt, handele verfassungswid-
rig, zeigen eine gefährliche Verachtung rechts-
staatlicher Verhältnismäßigkeit und demokrati-
scher Prozesse und Institutionen.
Baum: Ja, diese Behauptungen der »Letzten
Generation« sind Unsinn.
Teuteberg: Klimaschutz muss gut gemacht und
nicht nur gut gemeint sein. Er gelingt nur, wenn
wir andere Staaten dazu bringen, Ähnliches zu
tun – in der Regulierung, aber auch in der Nut-
zung von Technologien. Dazu gehört ein unvor-
eingenommener Blick auf Kernenergie ebenso
wie auf die Förderung heimischen Schiefer­
gases. Es kann nicht unser Ziel sein, dass künftig
asiatische Touristen in riesigen Freilandmuseen
in Stuttgart, Ingolstadt oder Wolfsburg bestau-
nen, wie einmal die industrielle Produktion in
Deutschland ausgesehen hat.
Baum: Dieses Katastrophenszenario sehe ich
nicht. Allerdings werden wir diese Aufgaben
nur bewältigen mit der Kraft unserer Wirt-
schaft. Ob man Energieformen wie die Kern-
energie zeitweise weiternutzt, darüber sollte
man reden. Diese Kernkraftwerke habe ich üb-
rigens damals als Umweltminister genehmigt.
ZEIT: Ist Ihnen der Technologie-Optimismus
Ihrer Partei trotzdem manchmal suspekt?
Baum: Ja. Schon früher wurde mir entgegen-
gehalten, es genüge, an die Selbstverantwor-
tung der Menschen zu appellieren. Das reicht
nicht. Der Aussage »Innovation statt Regeln«
widerspreche ich. Was glauben Sie, wie Autos
heute aussähen, wenn wir damals keinen Kata-
lysator eingeführt hätten? Und die Hoffnung
Teuteberg: Das ist doch ein Popanz. Ich kenne
niemanden, der pauschal gegen Regeln ist –
aber dafür viele Menschen, die in der Lage
sind, zwischen dem Verbot einer ganzen An-
triebstechnologie und einer umweltschonenden
Regulierung derselben zu unterscheiden. Wenn
Europa pauschal den Verbrenner abschafft
und nicht die Option wahrt, ihn künftig auch
klimaneutral zu nutzen, werden die entspre-
chenden Märkte in Asien und Afrika durch
andere bedient. Dabei brauchen wir wirt-
schaftliche Stärke, gerade auch im Systemwett-
bewerb mit autoritären, imperialistischen Re-
gimen. Mit der Deindustrialisierung ist es
ähnlich wie mit dem Abbau von Bürgerrech-
ten: Sie erfolgt allmählich und von vielen zu-
nächst unbemerkt.
Baum: Spätere Generationen werden einmal
sagen: Was haben die für einen Blödsinn ge-
macht! Die haben Millionen von Verbren-
nungsmotoren durch die Städte fahren lassen,
die Feinstaub generiert haben und giftige
Atemgase, die mit schuld an der Klimakata-
strophe waren. Welcher Wahnsinn! Millionen
jeden Tag im Stau.
ZEIT: Herr Baum, die FDP verliert weniger
Wähler an die Grünen als an die CDU und die
AfD. Ist da ein öko-liberales Update, so wie Sie
es formulieren, der richtige Weg?
Baum: Ich meine schon. Ich kenne viele Leute,
die aus Verlegenheit Grün wählen oder gar
nicht mehr und die mir sagen: »Eigentlich
sind wir Liberale.« Dass man Konservativen
nachläuft, halte ich für falsch. Die sozialliberale
Wählerschaft muss mit den Themen ge­
wonnen werden, die wir hier erörtern. Und sie
muss bewegt werden, die Demokratie zu ver-
teidigen und zu festigen. Die Gefahr der­
Systemverächter kommt heute auch aus der
»Mitte der Gesellschaft«, aus dem sogenannten
Bürgertum, wie in Weimar.
Teuteberg: Ich definiere liberale Positionen
nicht über Nähe oder Distanz zu anderen Par-
teien, sondern eigenständig. Wir sind jetzt
herausgefordert, zu zeigen, dass liberale De-
mokratien sensibel und robust, wertegebunden
und wehrhaft zugleich sind.

halte ich für falsch«
DIE ZEIT: Herr Baum, die FDP taumelt in
Umfragen den kritischen fünf Prozent entge-
gen, aktuell etwa vor der Wiederholungswahl
in Berlin. Woran liegt das?
Gerhart Baum: Die Liberalen erreichen zu we-
nige Menschen, und es fehlt an Empathie. Es
braucht eine Zeitenwende auch bei der FDP.
Eine liberale Partei muss gerade jetzt in diesem
Epochenbruch ihre Existenznotwendigkeit un-
ter Beweis stellen. Eine Grundsatzrede des Vor-
sitzenden zur Freiheit wäre wichtig. Und: Die
FDP muss die Ampel endlich zu ihrem Projekt
machen. Klar, notwendige Konflikte muss sie
austragen. Aber sie darf nicht als Störenfried
wahrgenommen werden, sondern als Kraft, die
gestalten und modernisieren will. Die FDP
muss erkennbar sein durch ihre Erfolge und
gute Politiker – denn beides hat sie doch.
Linda Teuteberg: Natürlich stellt die Zeiten-
wende auch den Liberalismus vor neue­
Herausforderungen. Gerade deshalb braucht
es Konfliktbereitschaft und Konfliktfähigkeit,
auch in der Ampel. Die FDP muss ihren eige-
nen Standpunkt definieren, und zwar ohne
ständig zu überlegen, was wohl SPD oder­
Grüne dazu sagen. Von diesem liberalen
Standpunkt aus sind dann Kompromisse mög-
lich, die als solche auch nachvollziehbar sind.
Wir sollten zum Beispiel nicht so tun, als seien
Verbote die neue Freiheit. Die Rede von einer
wahren, neuen Freiheit ist ein gefährlicher Eti-
Staat darf nicht als Verbot diskreditiert werden.
Diese Balance, Frau Teuteberg, ist uns in der
Covid-Krise zeitweise nicht gut gelungen. Wir
haben Wahlen verloren, auch deshalb. Wir
müssen wieder mehr Zugang zu einem
liberalen-­urbanen Bürgertum finden! Ich lebe
in Köln. In dieser Stadt entschieden sich bei
den ­Landtagswahlen sechs Prozent für die FDP
und 30 Prozent für die Grünen. Das ist absurd!
Wir haben diesen Leuten doch etwas zu bieten.
Teuteberg: Ein eigenständiger Liberalismus de-
finiert sich nicht in Abhängigkeit von Umfra-
gen oder bestimmten Milieus. Unsere Wähler-
schaft besteht aus Menschen, die ein bestimm-
tes Lebensgefühl teilen. Dazu gehört Respekt
vor individuellen Lebensentwürfen, Bürger-
rechten und Privatsphäre ebenso wie vor Leis-
tung, Verantwortung und Eigentum. Nehmen
wir die liberale Verantwortung während der
Pandemie: Die FDP hat im Frühjahr 2020 ei-
nige Gesetze mitgetragen, die sehr breitflächige
Freiheitsbeschränkungen erlaubt haben – das
war damals richtig, weil wir noch wenig über
das Virus wussten. Doch musste der Blindflug
bei der Erhebung epidemiologischer Daten be-
endet und zunehmend zielgenauer gehandelt
werden. Genau das haben wir eingefordert.
ZEIT: Aber Herr Baum glaubt ja, dass sich die
Liberalen in Zeiten von Pandemie, Energiekrise
und Klimawandel prinzipiell mit einer schüt-
zenden Rolle des Staates anfreunden sollten.
sere Gesellschaft ist im Ganzen empathisch und
aufnahmefähig. Den Zustrom von 2015 etwa
jetzt auf Kernfusion in absehbarer Zukunft zu
richten, das ist eine Fata Morgana.
Moderation:
Jochen Bittner und Paul Middelhoff
hat sie verkraftet, und jetzt auch den Zustrom
aus der Ukraine. Ich habe immer den Eindruck,
Frau Teuteberg, dass Sie da sehr viel restriktiver
handeln würden als ich. Aber unser Land
braucht dringend Zuwanderung, mindestens Linda Teuteberg, 42,
400.000 Menschen pro Jahr, machen wir also ist Bundestags­
aus Flüchtlingen Einwanderer! Auch das Ein- abgeordnete und
bürgerungsrecht ist endlich zu reformieren. Mitglied des
Teuteberg: Differenzierung tut not in der De- Bundesvorstands
batte über Migration. Klassische Einwande- der FDP
rungsländer unterscheiden klar zwischen Asyl
und Arbeitsmigration. Bei uns hingegen werden
– durch die Verwendung des Wortes »Geflüch-
tete« statt des Rechtsbegriffes »Flüchtling« –
die rechtlich anerkannten Fluchtgründe ersetzt
durch den reinen Vorgang der Flucht. Letztlich
soll so jede Form von Migration eine Aufnahme­
pflicht nach sich ziehen. Liberale sollten hier
auf Präzision bestehen, gerade damit die Ak-
zeptanz des Asylrechts erhalten bleibt.
Baum: Wie wäre es, wenn wir um Verständnis
werben und nicht nur Ängsten nachgeben?
Wir befinden uns doch in Wahrheit mitten in
einer Wertediskussion.
Teuteberg: Verständnis wird durch Ehrlichkeit
erreicht. Illegale Migration ist ein reales Pro-
blem, das durch Beschweigen nicht verschwin-
det. Migration rechtsstaatlich zu ordnen ist ein
liberales Anliegen.
ZEIT: Wenn man Ihnen beiden zuhört, be-
kommt man den Eindruck, Sie hätten doch
sehr unterschiedliche Vorstellungen davon,
wer die FDP eigentlich wählt. Wie sieht der
FDP-Wähler, den Sie im Kopf haben, aus?
Fotos: Urban Zintel für DIE ZEIT; Gene Glover für DIE ZEIT (u.)

kettenschwindel. Nicht nur der offene, son-
dern gerade der subtile und verführerisch ver-
brämte Angriff auf die Freiheit muss ihre Ver-
teidiger auf den Plan rufen.
ZEIT: Herr Baum, unter Regierungsbeteili-
gung der FDP wurde der Verbrennungsmotor
verboten, eine Gaspreisbremse beschlossen,
ein höherer Mindestlohn eingeführt – und
Ferda Ataman, von der FDP lange abgelehnt,
schließlich doch Antidiskriminierungsbeauf-
tragte. Ist das ein zeitgemäßer Liberalismus,
der Sie glücklich macht?
Baum: Politik heißt Kompromiss. Ich würde
der FDP deshalb jetzt raten, einmal zu definie-
ren, was heute »Freiheit in Verantwortung«
wirklich bedeutet. Menschenwürde durch
Selbstbestimmung – ja, unbedingt. Aber auch
soziale Gerechtigkeit ist für Liberale eine Frei-
heitsfrage. Notwendiger Schutz durch den
Was sagen Sie dazu?
Teuteberg: Statt dem Staat pauschal eine stär-
kere Rolle einzuräumen, sollten wir fragen, was
Aufgabe des Staates ist und was nicht. Es ist
absurd, die Demokratie durch ein sogenanntes
Demokratiefördergesetz retten zu wollen, wäh-
rend die Bundeshauptstadt an der korrekten
Durchführung einer Wahl scheitert. Von exis-
tenzieller Bedeutung ist, dass Kinder am Ende
der Grundschulzeit Kulturtechniken wie Lesen
und Schreiben beherrschen. Und dass wir eine
einsatzfähige Bundeswehr haben. Es geht also
nicht um ein Mehr an Staat, sondern um die
Konzentration auf die Kernaufgaben.
Baum: Das eine schließt das andere doch nicht
aus! Nur müssen Sie auch sehen, dass es uns als
FDP leider nicht gelingt, die liberal gesinnten
Bürger mitzunehmen. Davon gibt es viel mehr,
als uns wählen. Und nicht wenige von ihnen
Was hält ihn nachts wach?
Baum: Der Soziologe Andreas Reckwitz unter-
scheidet zwischen einem alten und einem
neuen­Mittelstand. Der alte, das ist unser tra-
ditionelles Milieu – Handwerker, mittelstän-
dische Unternehmer, die möchte ich nicht
missen. Die Neuen haben einen anderen Ge-
staltungsanspruch, sie haben einen freiheit­
lichen Lebensentwurf, wollen die Welt ver­
ändern. Sie wollen Modernisierung und auch
Schutz vor den Umweltkatastrophen. Warum
nehmen wir das Bundesverfassungsgericht nicht
beim Wort? Es hat in dieser Sache vor zwei
Jahren ein Epochenurteil gefällt.
ZEIT: Das Urteil besagt, dass die heute Leben-
den jetzt schon Rücksicht nehmen müssen auf
die Freiheit derjenigen, die noch gar nicht ge- »Wir sollten nicht so tun,
boren sind. Kollidiert das nicht mit der
Grundidee der FDP, der zufolge die Freiheit als seien Verbote die neue Freiheit«
 »Eine Demokratie, in der
nicht gestritten wird, ist keine.«
DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023 HELMUT SCHMIDT 11

Grauenpower
Ich bin 17 – und bereit, ein soziales
Pflichtjahr zu leisten. Aber nur, wenn auch
Rentner dienen müssen!
Eine Erwiderung auf Bernhard Schlink 
VON BEN JAGASIA

Neuerdings wird in Deutschland verstärkt
über ein soziales Pflichtjahr für junge Men-
schen diskutiert. Als 17-Jähriger verfolge ich
diese Debatte gebannt, schon weil eine sol-
che Dienstpflicht, wenn sie denn käme, er-
heblich in mein Leben eingreifen würde.
Nun hat vorige Woche auch der Schrift-
steller Bernhard Schlink in der ZEIT für ein
»Gesellschaftsjahr« plädiert – zu dem der
Staat vor allem uns Jüngere allerdings nicht
zwingen, sondern durch ordentliche Bezah-
lung und Ausstattung verlocken solle. Ich
verstehe das als eine Art Kompromissange-
bot, nachdem zuvor die CDU auf einem
Parteitag im vergangenen Herbst beschlossen
hatte, ein Dienstjahr für junge Menschen
verpflichtend einführen zu wollen.
Mich überzeugt keiner der beiden
Vorschläge. Ich lehne ein ver­ bind­liches
»Gesellschaftsjahr« für uns Jüngere zwar
gar nicht ab. Im Gegenteil: Ich denke,
Illustration: Karsten Petrat für DIE ZEIT, kl. Fotos: privat; Urban Zintel für DIE ZEIT (u.)
uns dringend kümmern in einer Zeit, in der
Krisen und Konflikte zur neuen Normalität
geworden sind. Krieg in Europa, Klima-
wandel und Pflegenotstand – das sind ja nur
ein paar der Herausforderungen, die das
Wohlergehen von uns allen bedrohen. Dabei
könnte eine soziale Dienstpflicht helfen: Sie
könnte den Bezug zur Demokratie und zur
Bundeswehr stärken, überhaupt mehr gesell-
schaftliches En­gage­ment stiften.
So gesehen hat mich der CDU-Beschluss
für eine Dienstpflicht schon damals, vor ein
paar Monaten, geärgert. Insbesondere das,
was Parteichef Friedrich Merz zu dem The-
ma in einem Interview sagte: »Ich bin über-
rascht, wie hoch die Zustimmung gerade in
der jungen Generation zu einem solchen
verpflichtenden Jahr in Deutschland ist.«
Aha. Woher er das weiß? Durch das Feed-
back der Schülerklassen, die ihn besuchen,
sagte Merz. Zwar räumte er ein, dass die
Der Idee einer gerechten Dienstpflicht
hat Friedrich Merz enorm geschadet, als er
die Lage der Kinder und Jugendlichen nach
drei Jahren Pandemie leichtfertig abtat. Die
häusliche Isolation und besonders die Schul-
schließungen – eine Ungeheuerlichkeit aus
heutiger Sicht! – haben beträchtlichen
Schaden angerichtet. Meiner Generation
fehlen drei Jugendjahre. Jahre ohne Partys
und Gemeinschaft. Vom Unterrichtsausfall
und von den Lernrückständen sprechen wir
da noch gar nicht. Trotz dieser Startnach-
teile wird vor allem diese Generation ge-
waltige Schuldenberge abtragen, den Klima-
wandel bekämpfen und die riesigen Renten-
ansprüche einer alternden Gesellschaft­
finanzieren müssen.
Und hier wären wir bei den Ruheständ-
lern. Mal ehrlich: Die meisten von ihnen
führen ein alles andere als schlechtes Leben.
Renteneintritt im Schnitt mit 64 Jahren und
hat dabei die ökologischen Kosten ihres
Handelns häufig missachtet. Darum wäre
es angebracht, wenn möglichst viele Rent-
ner, die bisher meist privilegiert gelebt
haben, der jungen Generation etwas­
zurückgäben.
Ist es unverschämt von mir, einem
17-Jährigen, so etwas zu fordern? Das habe
ich kürzlich mal meine vier Großeltern ge-
fragt. Ich wollte wissen, welche Argumente
sie gegen meinen Vorschlag vorbringen
würden. Der erste Einwand war: Ihre Gene-
ration habe doch bereits »gedient«, sei es bei
der Bundeswehr oder im Zivildienst. Aber
ich finde: Das zieht nicht. Die jungen Men-
schen von heute würden ja ebenfalls zweimal
einen Pflichtdienst absolvieren – nach der
Schule und nach dem Arbeitsleben.
Ein Argument, warum speziell den
jungen Menschen eine Dienstpflicht gut-
täte, lautete: Die s­eien nach der Schule
nern zuzumuten ist, sich stärker für die Ge-
meinschaft einzubringen. Warum zum
Beispiel sollten sie nicht das Pflegepersonal
in Krankenhäusern bei leichten Aufgaben
wie dem Essen-Austeilen unterstützen?
Mit ihrem Dienst würden angehende
Rentnerinnen und Rentner nicht nur
helfen, ein Sozial- und Pflegesystem zu
stützen, auf das viele von ihnen mit fort-
schreitendem Alter zunehmend selbst an-
gewiesen sein werden. Soziales En­gage­
ment stiftet auch Lebenssinn. Anderen zu
helfen erfüllt einen Menschen ungemein.
Nebenbei wirkt es dem wachsenden Pro-
blem der Vereinsamung entgegen. Der
Kontakt zu einem anderen Rentnerpaar,
das man während eines sozialen Pflicht-
jahres kennenlernt, könnte in düsteren
Zeiten Gold wert sein.
Letztlich hätte ein soziales Pflichtjahr,
wie ich es vorschlage, das Potenzial, Alt Ben Jagasia, 17,
ist Schüler in der

eine Dienstzeit in sozialen Einrichtungen,
in der Flüchtlingshilfe, für den Umwelt-,
Klima- oder Katastrophenschutz oder bei
der Bundeswehr könnte sehr sinnvoll
sein. Das gilt aber nur, wenn wir eine Lö-
sung finden, die nicht junge Menschen
einseitig in die Pflicht nimmt. Es muss
schon gerecht zugehen – und das heißt
auch: generationengerecht.
Deshalb möchte ich einen Gegenvor-
schlag in die Debatte werfen. Ich bin dafür,
dass man für jeden Bürger jedes Geschlechts
zwei soziale Pflichtjahre festschreibt – eines
vor Beginn des Berufslebens und eines nach
dessen Ende. Junge und Alte müssten ge-
meinsam ran. Gäbe es einen besseren Beweis
dafür, dass der Staat wirklich am sozialen
Zusammenhalt interessiert ist?
Genau um diesen Zusammenhalt, da hat
Bernhard Schlink völlig recht, müssen wir
Corona-Lockdown-Phase »eine Zeit von
Entbehrung und Einsamkeit« für viele junge
Menschen gewesen sei. Dies könne »aber
nicht der Maßstab für eine solche Grund-
satzentscheidung sein«.
Ich frage mich, wie Merz darauf
kommt, die Zustimmung seiner Besucher-
gruppen als Stimmung in der jungen Ge-
neration zu werten. Aber vor allem wun-
dere ich mich, dass die Entbehrungen
junger Menschen in der Corona-Pande-
mie anscheinend nicht relevant genug
sind, um sie in dieser »Grundsatzentschei-
dung« berücksichtigen zu wollen. Das
zeigt mir, dass wichtige Vertreter der Poli-
tik die junge Generation immer noch be-
vormunden. Sie halten deren Interessen
für weniger relevant. Vielleicht schielen sie
ja mehr auf den großen und somit mäch-
tigen Wählerpool der älteren Generation.
ständig steigende Lebenserwartung – da
bleibt viel Zeit, die viele nach dem Ende des
Arbeitslebens mit schier endlosem Urlaub
ausfüllen. Laut der Deutschen Rentenver-
sicherung beziehen knapp 250.000 Deutsche
ihre Rente im Ausland. Zum Vergleich: Im
Jahr 2000 waren es noch 100.000 weniger.
Und ich war überrascht, wie viele Such­
ergebnisse ich beim Googeln nach »Rentner-
Kreuzfahrten« fand. Offenbar haben sich
zahlreiche Touristik-Unternehmen auf Se-
nioren spezialisiert. Alles schön und gut, aber
das Leben ist nun mal keine ständige Kreuz-
fahrt, auch nicht das Leben nach der Arbeit.
Besonders die »Babyboomer«, die jetzt
oder bald in Rente gehen, können sich
wirklich nicht beklagen. Diese Generation
hat vom Wirtschaftswunder profitiert,
vom jahrzehntelangen Frieden in Europa,
vom Ausbau des Bildungssystems – und
doch erst einmal frei. Doch ist der Mensch
beim Renteneintritt nicht in vielerlei
Hinsicht sogar freier als nach dem Schul-
abschluss? Etliche sind nach dem Er-
werbsleben finanziell gut abgesichert.
Und wieso soll nicht auch jemand mit
Mitte 60 bereit sein, aus seinen Routinen
auszubrechen? Indem er oder sie zum Bei-
spiel in der Schulmensa aushilft, den ört-
lichen Wald renaturiert, Menschen mit
Migrationshintergrund bei der Abwick-
lung der Steuer­erklä­rung unterstützt oder
in der Tafel die Lebensmittel ausgibt.
Jens Spahn war jüngst in den Schlagzeilen
mit seiner pragmatischen Forderung, pro
Jahr höherer Lebenserwartung einen Monat
mehr Arbeitszeit anzuhängen. So einfach
wird es nicht werden, aber die glück­licher­
weise steigende Lebenserwartung ist natür-
lich ein weiteres Argument, warum es Rent-
und Jung in der Gesellschaft wieder zu-
sammenzubringen. Nötig wäre das! Denn elften Klasse an
in den Jahren von Corona hat sich eine der Schule
Kluft aufgetan zwischen den in ihre Woh- Schloss Salem am
nungen zurückgezogenen »Risikopatien- Bodensee
ten« über 60 und der »Jugend, die nur
Party machen wollte«. Da hat eine Ent-
fremdung stattgefunden. Wäre es nicht
großartig, wenn zum Beispiel er, 19, und
sie, 64, eine Zeit lang zusammen Essen
für pflege­be­dürf­ti­ge Senioren ausfahren
oder gemeinsam mit Kindern in der
Grundschule das Lesen üben?
Ich wäre bereit, mein soziales Dienstjahr
abzuleisten. Aber bitte nur unter fairen
Voraussetzungen, sprich: Wenn die Politik
bei der Einführung eines »Gesellschafts-
jahres« wirklich an der Stärkung des sozialen
Zusammenhaltes interessiert ist, dann geht
das nur mit Jung und Alt zusammen.

Dausend Prozent

45 %
der Deutschen sind laut einer ZEIT-Umfrage dafür, dass der Parteiausschluss
missliebiger Mitglieder erleichtert wird. Unser Kolumnist meint:
Wer Skiurlaub in Verschwöristan macht, hat in der CDU nichts zu suchen
Repräsentative Civey-Umfrage für die ZEIT in dieser Woche, 2500 Teilnehmer

Zu den 33 Dingen, die man sofort raus-
schmeißen sollte, gehören neben abgelaufe-
nen Lebensmitteln, toten Pflanzen, durch-
gescheuerten Küchenschwämmen, unfähi-
gen Ministern, unvollständigen Brettspielen,
einzelnen Socken, Mitbringseln aus dem
Urlaub, Kaffeetassen mit Bayern-Logo, al-
tem Nagellack, Ehemännern, die Küche und
Kindererziehung für Frauensache halten,
ranzigen Handtüchern, verrosteten Fahrrad-
leichen, brennenden Adventskränzen und
Gästen, die länger als drei Tage bleiben
wollen, auch missliebige Parteimitglieder.
Jedenfalls denken das jene 45 Prozent der
Deutschen, die sich wünschen, die Parteien
sollten es leichter haben, loszuwerden, wen
sie nicht mehr haben wollen.
41 Prozent ihrer Landsleute machen hin-
gegen noch einen Unterschied zwischen
einer verrosteten Fahrradleiche und einem
missliebigen Parteimitglied – und sind mit
den aktuell hohen Hürden für einen Raus-
wurf einverstanden. Die restlichen 14 Pro-
zent haben dazu keine eigene Meinung – die
ideale Voraussetzung, ein Parteimitglied zu
werden, wie die Spitze es sich wünscht.
Anlass der Umfrage sind die Vorgänge
um den ehemaligen Verfassungsschutz-­
Präsidenten Hans-Georg Maaßen, den die
CDU nun aktiv loswerden will, nachdem er
eine Frist für seinen freiwilligen Austritt ver-
streichen ließ. Nach diversen impfkritischen
Postings im Querdenker-Sound und einer
Debatte über seine angeblich anti­semi­ti­sche
und rassistische Haltung hat Maaßen un-
längst seine Partei und den Rest der Welt mit
dem Tweet beglückt, »die treibenden Kräfte
im politischen-medialen Raum« hätten als
»Stoßrichtung« einen »eliminatorischen
Rassismus gegen Weiße« und den »brennen-
den Wunsch, dass Deutschland verrecken
möge«. Eine Äußerung, die sich so anhört,
als ­seien die Brettspiele in Maaßens Kopf
nicht mehr ganz vollständig. Als sei der Satz
ein Mitbringsel aus dem jüngsten Skiurlaub
in Verschwöristan. Jedenfalls darf sich die
CDU nun schon seit Monaten an ihrem
Mitglied Hans-Georg Maaßen so hinge-
Peter Dausend
bungsvoll abarbeiten, dass sie nicht nur aus- ist politischer
sieht wie ein durchgescheuerter Küchen- Korrespondent im
schwamm. Sondern sich auch so anfühlt. Hauptstadtbüro
Aber sollte man Maaßen tatsächlich aus der ZEIT
der CDU rausschmeißen wie ein ranziges
Handtuch aus dem Bad? Programmatisch
hat die Union gerade nicht viel Neues zu
bieten, alles riecht nach altem Nagellack.
Und wenn sie jetzt auch noch behält, was
rausgeschmissen gehört, dürfen sich die
Christdemokraten nicht wundern, wenn
ihre Partei am Ende als tote Pflanze dasteht.

Online mitdiskutieren: Mehr Streit finden Sie unter zeit.de/streit

 12
Foto: Emilien Urbano für DIE ZEIT
ZEITNAH
Im Keller
Einen Monat war Andrea Jeska (r.) für die ZEIT in der Ukraine unterwegs.
An der Front im Donbass führte die Reporterin ihre Gespräche meist in Schutzräumen.
Und weil vielerorts die Schulen zerstört sind, findet selbst der Online-Unterricht
häufig im Bunker statt. Vier Kinder und Jugendliche erzählten Jeska, wie sie dennoch
versuchen, etwas zu lernen und an eine bessere Zukunft zu glauben  WISSEN, S. 31
Abb.: Johannes Vermeer: »Ansicht von Delft«, Mauritshuis, Den Haag
Der größte aller Rätselmaler
Nach seinem Tod 1675 wurde Johannes Vermeer fast
vergessen, heute ist er ein Superstar. Eine Ausstellung in
Amsterdam zeigt nun einen Großteil seiner erhaltenen
Bilder und feiert ihn als Künstler, der das Unscheinbare
in Sensationen verwandelt  FEUILLETON, SEITE 47
IN DEN REGIONALAUSGABEN
ZEIT im Osten  Wie ostdeutsch
ist Berlin? Bis heute ist die
Hauptstadt in mancher Hinsicht
geteilt – und vielleicht deshalb
ein Labor der Toleranz  die FPÖ erstarkt, schaltet Öster-
16
VON AUGUST MODERSOHN 
Berlins Bürgermeisterin
Foto: Jason Nocito
Franziska Giffey ist in der DDR
aufgewachsen. Vor der
Abgeordnetenhauswahl spricht
sie im Interview darüber, wie ihre
Herkunft sie prägt   17
Der Schauspieler
Paul Rudd wurde zum
ZEIT Schweiz  Aufruhr bei
»Sexiest Man Alive«
Tamedia: Nach Mobbing-­
gekürt. Im Interview
Vorwürfen will der Konzern seine
spricht er über Schmerz,
Humor und das Geheimnis Firmenkultur ändern. Kann man
dem trauen?  VON MAT THIAS DAUM
einer glücklichen Ehe
UND SALOME MÜLLER  16
Der Musiker Sam Himself zog
nach New York, um berühmt zu
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112492_ANZ_D_5f5_V1_371x70_X4_ONP26 1
Foto: Jann Höfer für DIE ZEIT
werden. Dann überwältigte ihn
die Stadt  VON TIMO POS SELT  18
ZEIT Österreich  Immer, wenn
reichs Politik in den Panikmodus  Ausblick aus einem ehemaligen
VON CHRISTINA PAUSACKL  16
Welchen Einfluss Wiener und
Wienerinnen mit Wurzeln am
Balkan auf die Stadt und beson-
ders auf ihren Sound haben, zeigt
ein Blick in den Sammelband
»Das südslawische Wien«  VON IJOMA MANGOLD 
VON SIMONE BRUNNER  17
Barbara Karlich ist eine Institution:
Seit 1999 führt die ORF-­
Moderatorin jeden Wochentag
durch ihre Talkshow. Ein Ge-
spräch über Tabus, Weltrekorde
und Schönheitsideale
INHALT
Titelthema: Der Riss
POLITIK
Berlin  Ist die Hauptstadt noch regierbar?  DWS früher bekannt als gedacht?  VON DANIEL BARENBOIM ,
VON MARIAM L AU 
Drogen  Die Bundesregierung plant die
Legalisierung von Cannabis.
Ein Gespräch mit Kiffern über Dealer,
Polizisten und die Lust am Rauchen 3
Titelthema: Der Riss  Die Debatte um
Panzerlieferungen an die Ukraine hat zu
einer gefährlichen Machtprobe zwischen
Olaf Scholz und Annalena Baerbock
geführt  Schlamperei des Wirtschaftsministeriums
VON ROBERT PAUSCH UND
HOLGER STARK 
Russland  Wie Jewgeni Prigoschin und
seine Söldnertruppe für Putin auf der
ganzen Welt hybride Kriegsführung ­
betreiben  VON ANDREA BÖHM UND
•6
MICHAEL THUMANN 
Spionage  Ein chinesischer Ballon ­
versetzt die USA in Aufregung. Besuch
an der Abschussstelle 
•7
VON PAUL MIDDELHOFF 
Bundeswehr  Wie die Zeitenwende
im Schlamm des Berliner
Politikgefechts­feldes stecken blieb 
VON CARLO MASAL A 
STREIT
Liberalismus  Die FDP befindet sich im
Umfrage-Tief. Strahlt die Partei zu
wenig Wärme aus? Gerhart Baum und
Linda Teuteberg im Streitgespräch 10
Gegenrede  Ein soziales Pflichtjahr
für junge Menschen ist nur gerecht,
wenn auch Senioren dienen müssen
Der Schüler BEN JAGASIA antwortet auf
Bernhard Schlink  11
Dausend Prozent
VON PETER DAUSEND 
DOSSIER
Elon Musk  Mit seinen Elektroautos
und Raketen wurde der Unternehmer
aus dem Silicon Valley zum Star.
Doch nun ist er in einer schweren Krise.
Wie konnte das passieren?  Rabbat und der Pinguin Juri für die
VON KERSTIN KOHLENBERG  13
GESCHICHTE
Aussteiger Inflation 1923  Der Mann, der die ­
Bis 2030 muss Markus Krebber Notenpresse heiß laufen ließ: Wie
Reichsbankchef Rudolf Havenstein den
mit seinem Konzern RWE raus Deutschen ein Trauma bescherte, das ihr
aus der Kohle, bis 2040 will Verhältnis zum Geld bis heute prägt 
VON JUT TA HOFFRITZ  17
er klimaneutral sein. Wie will er
das schaffen?  WIRTSCHAFT, S. 26
VERBRECHEN
Schöffen  In diesem Jahr werden
deutschlandweit die ehrenamtlichen
ZUM HÖREN
Richter neu gewählt. Über einen, der ein
Vorbild sein könnte  VON ANTONIA BAUM 
Die so gekennzeichneten
Artikel finden Sie als VON THOMAS MELZER 18
Audiodatei im »Premium-
bereich« unter
www.zeit.de/vorgelesen WIRTSCHAFT
ANZEIGEN IN Frankreich  Im Rentenstreit droht das
DIESER AUSGABE
Land unreformierbar zu werden 
• 19
Bildungsangebote und VON MAT THIAS KRUPA 
Stellenmarkt
(ab Seite 35); Gruner + Jahr  Der neue Eigentümer
Agenda Kultur: Museen, RTL streicht die Magazine zusammen  Medien  Salman Rushdie hat sein erstes
Kunstmarkt, Bühnen VON HANNAH KNUTH  20
(Seite 53)
Womit keiner rechnet  Trotz Russland-
FRÜHER Sanktionen verkauft ein Moskauer
INFORMIERT! Rolls-Royce-Händler neue Luxusautos  RUBRIKEN
Die aktuellen Themen VON INGO MALCHER  21
der ZEIT schon am
Mittwoch im ZEIT-Brief, Subventionen  Europas Antwort auf
dem kostenlosen den Inflation Reduction Act in den USA 
Newsletter
VON PETR A PINZLER  21
28 www.zeit.de/brief
Flughafen Hahn  Ein russischer
Oligarch will sich ein Drehkreuz kaufen  schau im Amsterdamer Rijksmuseum
VON INGO MALCHER  • 22
Deutsche Bank  War der Verdacht des
Greenwashings durch die Fondstochter
2 VON INGO MALCHER UND
JENS TÖNNESMANN  24
Saarland  Hoffnung durch Mikrochips 
VON PETER DAUSEND  25
RWE  Im Interview spricht Konzernchef
Markus Krebber über die Lehren aus
dem Protest in Lützerath 26
Klimaschutz  Eine folgenschwere
beim Emissionshandel 
4 VON MA XIM BILLER 
VON CHRISTIAN ENDT UND
PETR A PINZLER  27
WISSEN
Erdbeben  Was die Katastrophe für die
Menschen in der Türkei und Syrien
bedeutet – und warum sie auch
politische Folgen haben kann  Kammerspielen
• 29
VON IS SIO EHRICH 
Die Politikerin Berivan Aymaz sorgt sich
um Angehörige in der Türkei  29
8
Was macht die Vorhersage von Erdbeben
so kompliziert? Ein Gespräch mit dem
Seismologen Marco Bohnhoff 30
Bildung  Ein Schuljahr im Krieg – vier
ukrainische Jugendliche erzählen,
warum ihnen das Lernen oft egal ist 31
Klima  Auf der Straße die Emissionen
senken – die Wissenschaftlerin Brigitte
Knopf weiß, was die Politik jetzt tun
müsste 33
Wildtiere  Wie viele Bären verträgt ein
Land? In Rumänien ringen Ökologen
mit Menschen, die sich bedroht fühlen 
• 34
VON FABIAN FR ANKE 
11
Infografik Röntgenstrahlen 44
LEO – DIE SEITE
FÜR KINDER
Animationsfilm  Wie werden der Fuchs
»Schule der magischen Tiere«-
Verfilmungen lebendig? Zu Besuch im
Berliner Studio  VON FR ANCESCO GIAMMARCO 
VON K ATHARINA KUNERT  43
Abenteuer Antarktis (11)  Drei Wochen
im Eis: Das Forscherteam baut ein
Camp hundert Kilometer von der Station
entfernt auf 43
FEUILLETON
Rassistische Gewalt  Drei Jahre nach
dem Attentat von Hanau kommen die
Angehörigen der Opfer immer noch
nicht zur Ruhe 
45
Pop  Beyoncé gewinnt ihren
32. Grammy 
VON JENS BALZER  46
Gesellschaft  Am Amtsgericht in Berlin
wird ein bizarrer Fall verhandelt:
AfD-Mann beißt schwarze Frau 
VON TOBIAS TIMM  46
Interview nach dem Attentat gegeben 
46
Literatur  Das African Book Festival
in Berlin hat ein Problem mit seinem
Kurator  Leserbriefe 
VON ALEX ANDER CAMMANN  46
Kunst  Noch nie waren so viele
Gemälde von Johannes Vermeer an
einem Ort zu sehen – die große Werk-
VON HANNO R AUTERBERG  • 47
Jetzt
bestellen:
040/42 23 70 70*
www.zeit.de/5-euro
9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
Nachrufe  Zum Tod des Regisseurs und
Schauspielers Jürgen Flimm 
CL AUS PEYMANN ,
SVEN-ERIC BECHTHOLF
UND GERHARD SCHRÖDER  48
Sinn & Verstand  Gibt es Weisheit
im Krieg? 
VON ALEIDA AS SMANN  49
Kino  Albert Serras Thriller
»Pacifiction« 
VON GEORG SEES SLEN  50
Kolumne  Über den Linden 
50
Fußball  Wie Manuel Neuer in
einem unbewachten Moment aus der
Deckung schlüpfte 
VON VOLKER WEIDERMANN  51
Theater  »A scheene Leich« von
Gerhard Polt an den Münchner
 
VON PETER KÜMMEL  51
Roman  Raphaela Edelbauer
»Die Inkommensurablen«
VON FLORIAN EICHEL  52
Michael Köhlmeier »Frankie«
VON ELKE SCHMIT TER  52
Literatur  Zu Besuch bei der ­
französischen Autorin Virginie ­
Despentes, deren neuer Roman »Liebes
Arschloch« jetzt erscheint
• 53
VON IRIS R ADISCH 
GLAUBEN & ZWEIFELN
Katholische Kirche  Afrika oder
Europa: Wo liegt die Zukunft
der Kirche? Nach dem Papstbesuch
im Kongo und im Sudan streiten
die Katholiken in Prag über ihren Weg 
VON EVELYN FINGER  56
ENTDECKEN
Pflegenotstand  Wie ein überlastetes
Gesundheitssystem alten Menschen die
Würde raubt. Notruf einer Angehörigen 
VON TANJA STELZER  57
Entdeckt Fantasieweh 
59
Getrennt befragt  Ellen und
Stephan haben einander im Büro
kennengelernt, sie war Auszubildende,
er Chef. Ein Gespräch über Liebe am
Arbeitsplatz 
VON SAR AH LEV Y  60
Künstliche Intelligenz  Bald könnten
Programme wie ChatGPT unseren
Alltag managen. Ein Selbstversuch 
• 61
VON Y VES BELLINGHAUSEN 
Bansko  Europas bester Ort für
digitale Nomaden soll ein Städtchen in
Bulgarien sein. Warum eigentlich? 
VON MAT THIAS K ALLE  62
Über Nacht in ...  Kappeln. Bei diesem
Getreidespeicher möchte man nichts
mehr tun außer: schauen und schauen 
VON B JØRN ERIK SAS S  63
Wie es wirklich ist ... 
Präsident eines Glatzenclubs zu sein 
VON K ARL-HEINZ ERK  66
16
• 32
Stimmt’s?
Die Position 35
Impressum 46
Was mein Leben reicher macht 66
2107148 Digital · 2107149 Digital Stud. | Anbieter: Zeitverlag
Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Hamburg
* Bitte Bestellnummer angeben: 2107146 · 2107147 Stud.
03.02.23 09:42

Was ist nur aus ihm geworden?
Ihm schien immer alles zu gelingen. Er baute die coolsten Autos, schoss Raketen ins All, traf sich mit den
amerikanischen Präsidenten. Jetzt könnte Elon Musk alles wieder verlieren  VON KERSTIN KOHLENBERG
S
eit Kurzem geht mir ein Mann
nicht mehr aus dem Kopf, den
ich vor 16 Jahren in Los Angeles
kennengelernt habe. Damals wirk-
te er schüchtern, auf sympathische
Weise ungelenk. Heute hält ihn die
halbe Welt für verrückt.
»Chaos-Affe« (New York Times)
»Das gerupfte Genie« (FAZ)
»Der erste Mensch, der 200 Mil­liar­den Dollar
verloren hat« (Bloomberg)
»Selbstzerstörung eines Superstars« (Der Spiegel)
Vor allem seine Stimme ist mir in Erinnerung
geblieben. Ruhig, monoton, mit diesem leicht ver-
nuschelten südafrikanischen Akzent. »Es gibt nur
wenige Menschen auf der Welt, die so viel über
Raketen wissen, wie ich es mittlerweile tue«, sagte
der Mann damals. Oder: »Ich bin vielleicht ein
Playboy, aber kein Angeber.« Wenn er einen Witz
machte, dann lachte er laut. Hahaha.
Zwei Jahrzehnte lang war Elon Musk der Held
des liberalen Amerika, das Genie, das die Mensch-
heit retten wollte. Er war der brillante Unterneh-
mer, der mit Tesla so erfolgreich Elektro­autos
baute, dass er rund um die Erde eine ganze Indus-
trie dazu brachte, ihm zu folgen – und dabei ein
Versprechen populär machte: Es gibt für die
wohlhabenden Bürger des Westens einen Weg
aus der Klimakrise, ohne dass sie dafür ihr Leben
ändern müssen. Sie können Auto fahren wie bis-
her. Nur dass die Autos jetzt mit Strom angetrie-
ben werden.
Elon Musk war der Mann, der eine neue Fabrik
in Brandenburg schneller errichtete als die Berliner
einen Fahrstuhl an der U-Bahn-Station Schlesisches
DOSSIER
Elon Musk als Achtjähriger. Heute ist er 51 und Chef der Unternehmen Tesla und SpaceX
Tor. Der Mann, der mit ­SpaceX, seiner anderen gro-
ßen Firma, die amerikanische Raumfahrt belebte.
Nun besitzt er auch Twitter. Und dort klingt er
seit einiger Zeit so:
@elonmusk: »Ich habe Barack Obama unter-
stützt, aber die heutige Demokratische Partei ist
von Extremisten unterwandert.«
@elonmusk: »Das woke Gehirn-Virus macht
Netflix unguckbar.«
@elonmusk: »Soll Donald Trump wieder auf
Twitter erlaubt sein?«
Ist er seit November. Musk hat ihn reingelassen.
Als Elon Musk vor zwei Wochen einen Gerichts-
saal an der Golden G ­ ate Avenue von San Francisco
betritt, mit dunklem Anzug und schmaler schwarzer
Krawatte, schwingen die neun Geschworenen auf
ihren gepolsterten Sesseln wie synchronisiert in seine
Richtung. Kleinanleger haben Musk verklagt: Er habe
mit einem Tweet den Aktienkurs von Tesla so sehr
beeinflusst, dass sie viel Geld verloren. Im Fall eines
Schuldspruchs müsste er womöglich mehrere Mil­
liar­den Dollar Schadensersatz zahlen.
Die 44 Mil­liar­den, die Musk im vergangenen
Oktober für den Kauf von Twitter bezahlt hat, könn-
ten auch verloren sein. Dem Netzwerk laufen die
Werbekunden weg, es steht kurz vor der Pleite. Eini-
gen Tesla-Fahrern ist ihr Auto plötzlich peinlich, und
die Nasa macht sich Sorgen, ob ihre Astronauten in
den SpaceX-­Rake­ten noch sicher sind, wenn der Chef
mit seinen Gedanken vor a­ llem bei Twitter ist. Bei
der Verhandlung in San Francisco nennt der Anwalt
der Kleinanleger Musk einmal sogar »Mister Tweet«.
Nach seiner Aussage verlässt Musk das Gerichts-
gebäude. Draußen auf der Straße stehen ein paar
Schaulustige, sie filmen ihn mit ihren Handys, die
9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
Videos kann man auf Twitter sehen. Musk fragt sie:
»Was denkt ihr?« Stille. Er hakt nach, will wissen, wie
die Leute die Verhandlung fanden. Wieder Stille.
Dann fragt jemand: »Haben Sie einen Kommentar
zum Prozess?« Musks Body­guards wollen ihn zu
seinem Tesla führen. Aber er bleibt stehen: »Nee, geht
nicht, das ist juristischer Kram. Aber mich würde
interessieren, was ihr denkt.« Er wirkt wie jemand,
der nach einer langen Party einfach nicht zur Ruhe
findet, der immer noch eine neue Platte auflegen
muss, sich immer noch einen Drink einschüttet.
Einer antwortet, sie hätten nicht zugehört.
»Ah – okay«, sagt Musk.
»Werden Sie gewinnen?«
Elon Musk: »Ja. Ja – ich denke schon.«
Sein Anwalt hat noch vergeblich versucht, den
Prozess aus San Francisco zu verlegen. Eine Befragung
hatte ergeben, dass 82 Prozent der verfügbaren 200
Geschworenen eine negative Sicht auf Elon Musk
haben. In den Gerichtsunterlagen ist nachzulesen,
wie sie ihn beschrieben. Als »talentiert, aber verrückt«,
»arrogant«, »narzisstisch«, »irrational«, »unberechen-
bar«. Der Anwalt argumentierte, unter diesen Um-
ständen sei kein fairer Prozess möglich.
Wie, frage ich mich, konnte es nur so weit
kommen?
Ein Mythos entsteht
Los Angeles, Sommer 2007. Auf einer Konferenz
der Mars Society treffe ich Musk zum ersten Mal.
Weltraumbegeisterte Wissenschaftler, Unterneh-
mer und Nerds aller Art haben sich versammelt,
um über die Besiedelung des Mars zu diskutieren.
Auf der Bühne steht Elon Musk, 36 Jahre alt,
knapp 1,90 Meter groß. Musk ist verschwitzt, er ist
im letzten Augenblick gekommen, Musk ist aber
auch seelenruhig, er wartet darauf, dass ihm die
Technik für seinen Vortrag eingerichtet wird, und
scheint nichts mitzukriegen von dem, was um ihn
herum geschieht. Mit seinem jungen Unterneh-
men ­SpaceX versucht er gerade, die billigste Rakete
der Welt zu bauen. Zehnmal billiger als der Space­
shuttle der Nasa.
Nach dem Vortrag begleite ich Musk zu seinem
Porsche 911 Turbo, so richtig beeindruckt von ihm
bin ich da noch nicht. Was wohl daran liegt, dass sich
mir die Faszination für die Besiedelung des Mars
nicht erschließen mag. Nein, mich kriegt Musk da-
mals mit dem Tesla. Mit dem Versprechen, dass Um-
weltschutz sexy sein kann und Autofahren gut.
Ein Jahr später, im Sommer 2008, sitze ich im
Hauptquartier von ­SpaceX in Los Angeles. In der
Zwischenzeit habe ich eine Probefahrt mit einem
Tesla gemacht, ein Prototyp noch, verkauft und aus-
geliefert sind erst ein oder zwei Fahrzeuge. Mein Text
darüber in der ZEIT fing mit dem bescheuerten Fan-
Satz an: »Vor mir ist Matt ­Damon damit gefahren.«
Als ich jetzt mit Musk über seine Ideen für S­ paceX
spreche, lässt er keinen Zweifel daran, dass er sich als
Nachfolger berühmter Weltraumpioniere sieht, von
Leuten wie dem Raketeningenieur Wernher von
Braun, der erst für die Nazis und später für die Nasa
arbeitete. Musk sagt: »Um herauszufinden, was wirk-
lich wichtig ist, muss man sich die gesamte Geschichte­
der Menschheit anschauen. Dann verschwindet das
Unwichtige, und das Wichtige bleibt übrig. Wir
haben den Übergang vom Wasser ans Land geschafft.
Jetzt haben wir nach vier Mil­liar­den Jahren zum
ersten Mal die C ­ hance, das Leben auf einen anderen
13
Foto: Archivio GBB/laif
Planeten auszudehnen.« Genau das sollen seine Ra-
keten ermöglichen.
Ich weiß das heute alles so genau, weil ich kürz-
lich meine alten Aufzeichnungen und Interview-
aufnahmen herausgesucht habe. Damals merke
ich: Er meint es wirklich ernst mit dem Mars. Das
wirft mich etwas aus der Kurve. Musk aber sagt:
»Ich arbeite gerne an Dingen, die Bedeutung ha-
ben. Und dies hier ist eines der zehn wichtigsten
Dinge in der Geschichte der Menschheit.«
Liest man die Biografien von historischen Per-
sönlichkeiten, dann begegnet einem dieser Mix aus
Narzissmus und Idealismus gar nicht so selten. Der
Narzissmus gibt dem Idealismus eine C ­ hance auf
Erfüllung, und der Idealismus macht den Narzissmus
erträglich. Wichtig ist nur, dass die beiden im Gleich-
gewicht bleiben.
Zehn Minuten später an jenem Tag im Som-
mer 2008 sprechen wir über Musks Besuch in der
Villa des Playboy-Gründers Hugh Hefner und da-
rüber, dass er kürzlich Robert Downey Jr. durch
die SpaceX-­Hal­len geführt hat. Der Schauspieler
wollte sich auf seine Rolle eines genialen Erfinders
und Industriellen in der Verfilmung des Superhel-
den-Comics Iron Man vorbereiten. Und nun
kommt Leben in Musk, der bislang in seinem Bü-
rostuhl fast gelegen hat. Manchmal sind es halt die
zehn unwichtigsten Dinge in der Geschichte der
Menschheit, die das Leben lebenswert machen.
Auf meine Frage, ob diese Playboy-Sache, über die
ein Journalist in einem Zeitungsartikel geschrieben
hat, nicht an seinem In­ge­nieurs­image kratzt, ant-
wortet Musk: »Ein Esel schimpft den anderen Lang-
Fortsetzung auf Seite 14
 14
Was ist nur ...  Fortsetzung von Seite 13
ohr.« Der Journalist habe ihn doch nur deshalb ge­
sehen, »WEIL ER SELBST DORT WAR!«. Und
dann lachen wir gemeinsam wie blöde.
Einer, der Elon Musk aus der Anfangszeit gut
kennt, ist Ian Wright, Mitbegründer von Tesla und
ebenfalls Ingenieur. Will man ihn heute treffen, muss
man nach Alameda fahren, einer Insel in der Bucht
von San Francisco. Dort restauriert Wright ein his­
torisches Gebäude, das er gekauft hat, ein Hobby von
ihm, und tüftelt mit einem Landwirt an batteriebe­
triebenen Erntemaschinen. Er ist auf einer Schaffarm
in Neuseeland aufgewachsen, das Silicon Valley hat
ihn zu einem reichen Mann gemacht.
»Dass Musk mir ein bisschen ähnlich ist, hat mir
immer gefallen«, sagt Wright. Im Mai 2021 erzählte
Musk im Fernsehen, er leide unter dem Asperger-
Syndrom. Typisch dafür: mangelndes Einfühlungs­
vermögen, intensive Spezialinteressen, ein etwas ge­
hemmtes Kommunikationsverhalten. Viele Tech-
Leute aus dem Silicon Valley fühlen sich in der Öf­
fentlichkeit unwohl. Wright sagt, er selbst habe sich
mit Trainern das flüssige öffentliche Reden, das
Modulieren der Stimme beigebracht, so gut es ging.
Elon Musk dagegen hat trotz seines ungelenken
Sprechens den großen Auftritt immer gesucht. Er hat
seine Art zu seinem Markenzeichen gemacht.
Ganz am Anfang von Tesla stand nicht Musk.
Sondern Ian Wrights damaliger Nachbar, ein
Mann namens Martin Eberhard, der die Firma im
Jahr 2003 mit einem Partner ins Leben rief. Wright
kam dazu, zusammen mit Eberhard und dessen
Partner schrieb er einen Geschäftsplan und stellte
den Risikogeldgebern im Silicon Valley die Idee
eines bezahlbaren elektrischen Autos vor. »Aber
niemand war interessiert. Die hielten das alle für
eine verrückte Idee«, sagt Wright. »Und natürlich
hatten sie da einen Punkt.«
Dann stießen Wright und Eberhard auf Elon
Musk. Er lud sie ein, zu ihm nach Los Angeles zu
fliegen. Und er verstand sofort. Musk sagte den bei­
den 6,5 Millionen Dollar Startkapital zu – unter einer
Bedingung: Der Vertrag müsse in zehn Tagen unter­
schrieben sein, denn seine Frau Jus­tine bekomme
Zwillinge, und in zwei Wochen sei der Kaiserschnitt
geplant. »Irre war das alles schon«, sagt Wright.
»Er ist ein großartiger Ingenieur«, findet Ian
Wright. »Elon ist für mich super­human«, über­
menschlich. Das könnte man als kalkuliertes Lob
eines Freundes oder Geschäftspartners abtun. Aber
Musk und Wright sind keine Freunde mehr. Ein Jahr
nach dem Start von Tesla hat Musk ihn entlassen.
Denn Wright hat etwas getan, was Musk nicht leiden
kann. Er hat die Hierarchie nicht akzeptiert und die
Fähigkeiten des Firmenchefs – damals noch Martin
Eberhard – angezweifelt, in einem Gespräch mit
Musk. Der überlegte kurz, dann verkündete er
Wright: Du musst gehen. »Das war schon hart«, sagt
Wright. Später entließ Musk auch Eberhard. Heute
wird auf der Web­site von Tesla auch Elon Musk als
Mitgründer der Firma genannt.
All das hat an Ian Wrights Bewunderung für
Musk als Ingenieur und Unternehmer nichts ge­
ändert. Als ich mich von ihm verabschiede, denke
ich: Wenn einer wie er so über ihn redet, muss
wohl etwas dran sein.
Spätsommer 2008, einige Wochen nach unserem
Treffen bei ­SpaceX in Los Angeles. Musks dritte Ra­
kete explodiert beim Start, genau wie die beiden da­
vor. ­SpaceX geht das Geld aus, es reicht gerade noch,
um eine einzige weitere Rakete zu konstruieren. Die
Zukunft des Unternehmens steht auf dem Spiel.
Rund um die Uhr wird jetzt gearbeitet, Musk als
Antreiber mittendrin. Für seine Ingenieure ist es das
Abenteuer ihres Lebens, so werden sie es später be­
richten. Die Firma ist für sie in dieser Zeit alles,
wichtiger als Familie, Hobbys und die eigene Gesund­
heit. Sieben Wochen nach der Explosion haben sie
die Rakete fertig. Am 28. September 2008 startet sie
von einem Pazifikatoll erfolgreich ins All. Als erste
von mittlerweile über 200 SpaceX-­Raketen.
Als ich Musk danach am Telefon erreiche, steht
er gerade bei Starbucks in der Schlange. Während
er von seiner Rakete und dem Wettrennen gegen
die Zeit erzählt, ruft die Frau an der Kasse im Hin­
Fotos (v. l.): Getty Images (4); imago; Art Streiber/August; ddp
tergrund: »DER NÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄCHSTE!«
Musk: »Yes – ich hätte gerne einen großen Latte
macchiato mit fettarmer Milch und ein Toffee-
Mandel-Teilchen.«
Ein Satz, den er zuvor schon anderen Journalis­
ten gesagt hat, gefällt ihm offenbar so gut, dass er
ihn auch mir noch einmal in den Hörer diktiert:
»Optimismus, Pessimismus, fuck that, wir müssen
das schaffen.« Heute gehört dieser Satz zum My­
thos Musk. Man kann ihn in einem Notizbuch
mit den besten Musk-Zitaten kaufen.
Wie er den Morgen vor dem entscheidenden Start
verbracht habe, will ich wissen. Auf meinem T ­ ape
spule ich seine Antwort heute noch einmal zurück,
2004
Eindeutig ein Nerd: Elon Musk als
32-Jähriger an seinem Schreibtisch
um herauszuhören, ob er das, was nun folgt, routiniert
aufsagt – oder ob er erst mal überlegt. Er überlegt.
»Ich war mit meinen Kindern in Disneyland.
Unsere letzte Fahrt war der ­Space Moun­tain ­Ride!«
Was für eine Geschichte, denke ich.
Ich schreibe damals eine der üblichen Storys über
das Wunderkind aus Südafrika, das mit zwölf Jahren
sein erstes Videospiel programmierte, über Kanada
nach Amerika kam, Physik und Wirtschaft studierte,
um dann, statt wie geplant einen Doktor zu machen,
im Silicon Valley mit seinem Bruder sein erstes Start-
up zu gründen und dieses mit Ende zwanzig für 307
Millionen Dollar zu verkaufen. Eine Story, die in
meiner Version nur ein Opfer kennt: seine Ehe.
Noch mal bei Starbucks am Telefon.
»Kann ich noch eine persönliche Frage stellen?«
»Klar.«
»Stimmt es, dass Sie und Justine sich scheiden
lassen?«
Stille. Dann: »Oh, oh, ja, ja, ähm, ja, das ist
unglücklicherweise wahr.«
»Liegt das an Ihrem Arbeitspensum?«
Ȁh, ja, vielleicht, ich glaube, das kann eine
Rolle gespielt haben.«
Als ich meinen Artikel schreibe, überblicke ich
gar nicht, was in diesem Herbst 2008 noch alles auf
der Kippe steht. Tesla hat erst weniger als hundert
Wagen ausgeliefert, die Kosten sind völlig aus dem
Ruder gelaufen. In der Musk-Biografie von Ashlee­
Vance kann man heute nach­lesen, dass Elon Musk
nicht nur einen großen Teil seines eigenen Vermögens
in die Rettung von Tesla steckte. Er benutzte auch
die Anzahlungen seiner Kunden, um die laufenden
Kosten zu decken. Wäre nicht alles gut ausgegangen,
hätte er dafür ins Gefängnis kommen können.
»Fuck that, wir müssen das schaffen.« Aus dem
Beinahe-Scheitern und Wiederauferstehen erwächst
in jener Zeit der Mythos Musk. Online bilden sich
die ersten Fan-Foren. Die Tesla-Verkaufsräume sehen
bald nicht mehr aus wie Autohäuser, sondern wie
Apple-­Stores. Elon Musk wird in Talkshows eingela­
den. Im ersten Iron Man-Film von 2008 steht ein
Tesla in der Garage des genialen Erfinders, im zweiten
Iron Man-Film von 2010 hat Musk sogar selbst einen
kleinen Auftritt. Ich schicke ihm aus dem Kino eine
Glückwunsch-SMS. »Danke, ich hoffe, es hat Dir
gefallen«, schreibt er zurück.
Es sind die Jahre der Weltfinanzkrise, in denen
Musk für die Amerikaner zum Mythos wird. Und
wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen: Ein bisschen
ging es mir damals mit ihm auch so. Ein echter Unter­
nehmer, der echte Dinge baut, anders als die Papier­
helden von der Wall Street. Während überall im Land
Brücken und Straßen verfallen, die Politiker in Wa­
shington mit Hunderten Mil­liar­den die Banken
retten und sich ansonsten gegenseitig blockieren,
erscheint Elon Musk wie eine Lichtgestalt, die Ame­
rika an seine Geschichte erinnert. An die Industrie-
Tycoons des späten 19. Jahrhunderts, an Männer wie
John D. Rockefeller, Andrew Carnegie oder Corne­
lius Vanderbilt. Sie kämpften sich gegen dominante
Eliten an die Spitze – und brachten der Nation Öl
und Stahl, gewaltige Dampfboote und ein riesiges
Eisenbahnnetz. Mehr als hundert Jahre später greift
Elon Musk die etablierte Auto­indus­trie an und will
den Weltraum erobern.
Ich glaube, letztlich ist er berühmt geworden, weil
er die Sehnsucht nach gleich zwei amerikanischen
Urfiguren verkörpert. Dem Unternehmer, der das
Alte zerstört und das Neue schafft. Und dem Siedler,
der in unwirtlicher Umgebung Land in Besitz nimmt.
Im Dezember 2010 hat Tesla 1400 Autos ausgelie­
fert und ist an die Börse gegangen. Ausgabekurs der
Aktie: 17 Dollar. Wert des Unternehmens: 2,5 Mil­
liarden Dollar. Die Firma hat im zu Ende gehenden
Jahr 154 Millionen Dollar Verlust gemacht. Auf
Twitter schreibt @elonmusk seinen ersten Tweet. Er
hat ein paar Hundert Follower.
Der Held der Linken
Im Mai 2015 steigt Ed Niedermeyer, ein junger
Automobil-Blogger, in Portland im Bundesstaat
Oregon in den Honda seiner Eltern und fährt
zwölf Stunden lang nach Kalifornien. Er will sich
eine Neuerung ansehen, die Elon Musk in einer
großen Bühnenshow angekündigt hat, mit Tech­
nomusik und Applaus aus dem Publikum. Nieder­
meyer berichtet seit Jahren über die Autoindustrie.
Er weiß, wie brutal die Branche ist, wie viel Geld
man in technische Entwicklungen stecken muss,
wie lange es dauert, bis man profitabel ist.
In einem Video-Call von zu Hause in Portland
erzählt er mir, er sei in einer Familie aus »drei Ge­
nerationen Hippies« aufgewachsen. In Tesla, sagt
er, sah er damals einen aufregenden Versuch, das
Autofahren neu zu erfinden. Daher habe er aufge­
horcht, als Musk in seiner Bühnenshow verkünde­
te, eines der größten Probleme der Elektromobili­
tät gelöst zu haben.
DOSSIER 9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
2006 2 010
Im Hauptquartier von Im Gespräch mit Präsident
Tesla bei San Francisco Barack Obama
Es geht um die lange Ladezeit der Batterien. Musk zurück, und nur eine große TV-Station, so Nieder­ Später lässt er die Produktion einfach eigenmäch­
hat den Tesla-Fahrern versprochen: Ihr müsst eure meyer heute, interessiert sich für die Sache mit den tig wieder anlaufen. Die Behörden geben nach. Musk
Batterien künftig nicht mehr aufladen. Ihr könnt sie Batterien – der konservative Sender Fox News. hat gewonnen. Bedient ist er trotzdem.
bei uns einfach austauschen lassen. Leere Batterie Dezember 2016. Ausgelieferte Autos im zu Bei den Amerikanern, mit denen ich damals
raus, volle Batterie rein, wei­ter­fahren. Ende gehenden Jahr: 76.000. Kurs der Tesla-­Aktie: spreche, kommt es zu heftigen Debatten über Elon
Niedermeyer erzählt, er habe auf der Website von 14,20 Dollar. Unternehmensverlust: 675 Millio­ Musk. Die einen sehen in ihm immer noch den
Tesla, klein und versteckt, die Ankündigung gefun­ nen Dollar. Börsenwert: 34 Mil­liar­den Dollar. Auf technologischen Visionär und grünen Kapitalisten,
den, dass es im Niemandsland zwischen Los Angeles Twitter hat @elonmusk 6 Millionen Follower. und es ist ihnen egal, ob er Regeln bricht, an die an­
und San Francisco eine erste Station für den Batte­ dere sich halten müssen. Natürlich bricht er die Re­
riewechsel geben werde, an einer Raststätte neben Der Held der Rechten geln, sagen sie, muss er doch, er ist ja ein Genie. Die
einer Rinderranch. Die will er sich damals anschauen. anderen fragen: Warum soll sich ein Multimilliardär
Er mietet sich in dem Hotel ein, das zur Ranch ge­ Anfang 2017 fliegt Elon Musk nach New York und mehr herausnehmen dürfen als der normale Bürger?
hört, und beobachtet, was passiert. Die meiste Zeit steigt in den goldenen Aufzug des Trump ­Tower. Gibt es noch Grenzen für Elon Musk?
hört er Audiobücher, denn es passiert so gut wie gar Seit wenigen Wochen ist D ­ onald Trump amerika­ Zum Beispiel die Sache mit dem Höhlentau­
nichts. So erzählt Niedermeyer es heute. Wenn Tesla- nischer Präsident, Musk hat nach eigener Aussage cher. In Thailand waren Kinder in einer Höhle ge­
Fahrer kommen, reihen sie sich in die Warteschlange nicht für ihn gestimmt, aber jetzt stellt er ihm eine fangen, Musk kündigte an, mit einem eigens kon­
für die Batterieladestationen ein. Das Aufladen Idee vor. Er will bemannte Raumflüge zum Mars struierten U-Boot zu Hilfe zu eilen, was der Tau­
dauert eine Stunde. Niedermeyer spricht ein paar durchführen. Und das findet Trump toll. cher als PR-Nummer bezeichnete. Daraufhin be­
Fahrer an: Sie wüssten nichts davon, dass man hier Der Journalist Michael Wolff hat das Treffen in gann eine gigantische Hasskampagne – nicht ge­
seine Batterie tauschen könne, sagen sie ihm. Sie seinem Bestseller Feuer und Zorn geschildert. Jetzt gen Musk, sondern gegen den Taucher. Musk
würden diesen Service aber gern in Anspruch neh­ sitzt er in einem Restaurant in New York und warnt nannte ihn ohne jede Grundlage »Pädo-Typ« und
men, sogar wenn sie dafür viel bezahlen müssten. mich als Erstes, ich solle aus der Begegnung zwischen stürzte sich mit seinem Follower-Heer auf ihn.
Niedermeyer sagt, er habe in vier Tagen keinen Trump und Musk keinerlei Verbundenheit ableiten. Der Taucher klagte gegen Musk. Das Urteil des
einzigen Batterietausch gesehen. »Das war alles eine »Trump interessiert sich einen Scheißdreck für Gerichts: Freispruch. Musk sei eben etwas exzen­
Lüge.« Er vermutet, dass es Tesla mit der ganzen Show Technologie. Ihn interessiert lediglich, was ihm Auf­ trisch. Er habe es nicht so gemeint.
nur um eines ging: Die Firma wollte die Kriterien für merksamkeit bringt.« Wolff hat zu Beginn von Oder die Bitcoins. Tesla hat 1,5 Mil­ liar­
den
lukrative Umweltzertifikate des Staates Kalifornien Trumps Präsidentschaft sehr viel Zeit im Weißen Dollar in der Kryptowährung angelegt. Anfang
erfüllen. Diese Zertifikate konnte Tesla dann nämlich Haus verbracht. »Ich kann mich nicht daran er­ 2021 beginnt Musk plötzlich, den Kurs hochzu­
an Autofirmen verkaufen, die nicht genügend emis­ innern, dass Trump jemals über Musk gesprochen twittern. Zuerst steht da »#bitcoin« auf seinem
sionsfreie Autos produzierten. Wer E-Autos angeblich hat. Trump hat kein Ziel, keine Strategie. Das unter­ Profil bei Twitter. Der Preis für einen Bitcoin steigt
besonders schnell mit ­neuem Strom versorgte, der scheidet ihn von Elon Musk.« Doch das Versprechen, um 20 Prozent auf 37.299 Dollar. Später schreibt
bekam zusätzliche Zertifikate. dass Amerika mal wieder einen Wettlauf im All ge­ @elonmusk: »Ihr könnt Teslas jetzt mit Bitcoin
Was Niedermeyer am meisten erstaunte: Wirklich winnt, wie damals im Kalten Krieg gegen die Russen, bezahlen.« Der Preis für einen Bitcoin steigt wei­
keiner dieser Tesla-Fahrer sei sauer auf Tesla gewesen. das garantiert Aufmerksamkeit. ter, auf über 55.000 Dollar. Am Ende verkauft
Niemand habe sich beschwert. Selbst dann nicht, als Nach dem Treffen mit Musk stellt Trump in Tesla unbemerkt 75 Prozent seiner Bitcoins, mit
ein Mitarbeiter von Tesla eine mobile Ladestation einer großen Zeremonie seine »America first-Welt­ einem satten Gewinn. @elonmusk: »#Bitcoin «.
heranschaffte, um des Andrangs Herr zu werden, und raum-Strategie« vor. ­SpaceX erhält fast drei Mil­ Eigentlich stehen auf solche Kursmanipulatio­
diese Station an einen dreckigen Dieselgenerator an­ liar­den Dollar aus dem Staatshaushalt. Es sieht so nen zum eigenen Vorteil hohe Strafen. Doch die
schloss. »Ein Tesla war ein derartiges Statussymbol, aus, als hätte Elon Musk den Regierungswechsel Börsenaufsicht lässt Musk in Ruhe. Für Krypto­
es war so cool, einen Tesla zu fahren, dass dies dem ganz gut überstanden. währungen gibt es, wie für so viele technologische
Unternehmen nichts anhaben konnte.« Vielleicht kann man es so sagen: Musk hat für Neuerungen, noch keine klar formulierten Vor­
alle etwas im Angebot. Was die Elektroautos für schriften. Elon Musk ist wahrscheinlich zu schlau,
die Linken sind, sind die Raketen für die Rechten. um das nicht mitbedacht zu haben. Er hat sich
Nach den militärischen Debakeln im Irak und in offenbar geschickt in einer Grauzone bewegt, und
ER BRICHT Afghanistan sehen viele konservative Republikaner er ist davongekommen. Wieder mal.
den Weltraum als Ort, an dem Amerika seinen Dezember 2021. Ausgelieferte Autos im zu Ende
DIE REGELN – UND technologischen Vorsprung demonstrieren und gehenden Jahr: 936.000. Kurs der Tesla-Aktie: 352
Neuland erobern kann. So kommt es, dass Elon Dollar. Unternehmensgewinn: 5,5 Mil­liar­den Dollar.
Musk auch cool wird für Leute, die den Klima­ Börsenwert: eine Billion Dollar – so viel wie Toyota,
KO M M T D AV O N . wandel für eine Erfindung halten. Volkswagen, Daimler, General Motors und Ford zu­
Am 30. Mai 2020 steht ­Donald Trump auf einer sammen. @elonmusk hat 66 Millionen Follower.
IMMER WIEDER Bühne in ­Cape Canaveral, aus den Lautsprechern
hallt eine Frauenstimme: Zehn – neun – acht ... Die Wende
Trump blickt auf die Rakete, die in der Ferne aufragt,
darin sitzen zwei Nasa-Astronauten. Es soll der erste Donald Trump ist nicht mehr Präsident. Im Wei­
Es gibt damals zwei Modelle von Tesla: den bemannte Flug einer SpaceX-­Rake­te werden. Musk ßen Haus wohnt jetzt ein Mann, der in seinem
Roadster, einen schnittigen Sportwagen, und das­ ist zur gleichen Zeit im Kontrollraum, zwischen früheren Amt als Senator jahrzehntelang mit dem
Model S, eine geräumige Limousine der Ober­ seinen Fingern hält er ein Stück des heiligen Holzes Zug zur Arbeit nach Washington pendelte: Joe­
klasse. Sie sind beide weit weg von jeglicher An­ Palo Santo, ein Glücksbringer. Man kann das in einer Biden. Als er zu einem Gipfel zur Zukunft der
mutung von Verzicht, sie sehen aus wie große, Dokumentation über ihn sehen. Elektromobilität einlädt, sitzen die Chefs mehrerer
teure Verbrenner. Parallel zu Elon Musks Aufstieg Fünf Tage zuvor ist der Schwarze ­George Floyd großer Autokonzerne um den Tisch. Nur einer ist
macht in jenen Jahren ein Begriff Karriere: green von einem weißen Polizisten in Minneapolis ge­tötet nicht eingeladen, Elon Musk. Was nicht daran
growth, grünes Wachstum. Es ist die Idee, dass worden. Das Land wird seitdem von Rassenunruhen liegt, dass er plötzlich unwichtig geworden wäre –
sich Klimaschutz und steigender Wohlstand ver­ erschüttert. ­Donald Trump fährt nicht nach Minnea­ drei Viertel aller in den USA verkauften Elektro­
einbaren lassen. Ein Tesla wirkt wie der fahrende polis, er spricht nicht zu den Amerikanern. Er steht fahrzeuge stammen mittlerweile von Tesla. Es liegt
Wunsch, dass diese Idee wahr werden möge. hier in ­Cape Canaveral. Der erste Startversuch drei daran, dass Musk den Arbeitern in seinen Fabriken
2014 bin ich in Elon Musks Nähe gezogen, als Tage zuvor wurde wegen schlechter Wetterbedingun­ verweigert, sich gewerkschaftlich zu organisieren.
Amerika-Korrespondentin, aber er ist jetzt weit weg. gen abgesagt. Auch da war Trump schon dabei. Im Weißen Haus haben sich die Werte verscho­
Musk redet nun häufig mit Präsident Barack Obama, Diesmal läuft alles perfekt, die Rakete hebt ab, ent­ ben. Arbeiterrechte kommen jetzt vor Innovati­
einem Mann, der das Silicon Valley liebt und hofft, schwindet in den Himmel. Trump dreht sich um, onsbegeisterung. David vor Goliath. Die Steuer­
dass es Amerikas Probleme lösen kann. Seine Re­ wendet sich den Journalisten zu: »Unglaublich. vergünstigungen für amerikanische Elektroautos,
gierung hat Tesla einen staatlichen Kredit über knapp Diese Technologie. Diese ­Power.« die die Regierung später ankündigt, gehen nur an
500 Millionen Dollar gegeben. In meinem Bekann­ »Haben Sie mit Elon Musk geredet?«, ruft je­ Unternehmen, die Gewerkschaften zulassen.
tenkreis tauchen die ersten Teslas auf, und ich frage mand. Barack Obama hatte noch auf das Silicon Valley
mich, warum sie so wuchtig sein müssen. Die Tesla- »Ich rede ständig mit ihm. Toller Typ. Eins von und dessen Helden gesetzt, aber nun ist das Ver­
Käufer unter meinen Bekannten sind eher linkslibe­ unseren großen Genies. Wir mögen große Genies.« trauen der Demokraten verflogen. Unter ­ Biden
ral, aber sie stellen sich diese Frage nicht. Sie haben Elon Musk ist jetzt kurz davor, der reichste Mensch schaut die Regierung genauer hin, sie beginnt auch
auch kein Problem damit, Musk seinen zunehmen­ aller Zeiten zu werden. Er ist ein Popstar, der mit die rätselhaften Unfälle zu untersuchen, die mög­
den Ruhm und Reichtum zu gönnen. anderen Popstars schläft und insgesamt zehn Kinder licher­weis­e mit Teslas Autopilotsystem zu tun haben.
Mir aber beginnt er jetzt auf die Nerven zu g­ ehen. zeugt. Er gibt einem seiner Söhne den Namen X Æ 19 Menschen sind bis heute gestorben, offenbar er­
Am Rande einer Konferenz sagt er, dem es doch an­ A-12 und seinen Automodellen Bezeichnungen, aus kennt das System rote Ampeln und Hindernisse nicht
geblich um den Umweltschutz geht, dass er den öf­ denen an­ein­an­der­ge­reiht S-3-X-Y wird. Beim Jung­ richtig. Musk will das autonome Fahren als Erster
fentlichen Nahverkehr nicht mag. »Warum soll man fernflug einer anderen Rakete lässt er einen Käse ins etablieren, um die wachsende Konkurrenz auf dem
in etwas einsteigen, in dem viele andere Menschen Weltall transportieren, als Hommage an einen Mon­ Markt für Elektroautos abzuschütteln. Unter Obama
sitzen und das nicht genau dort abfährt, wo du bist? ty-Python-Sketch. Und er schimpft auf die Corona- durfte Tesla die Soft­ware nach den ersten Unfällen
(...) Dort sitzt du dann mit lauter Fremden, von de­ Politik der Demokraten, die seinen Heimatstaat Ka­ weiter benutzen. Demnächst wird sich klären, ob die
nen einer ein Serienmörder sein kann.« lifornien regieren. aktuelle Regierung das ähnlich sieht.
Und Ed Niedermeyer? Veröffentlicht damals @elonmusk: »Die Corona-Panik ist dumm.« Die linken Polit-Zwerge wollen den Techno-
tapfer viele Beiträge über die Batteriewechsel-Lüge @elonmusk: »FREE AMERICA NOW« Giganten an die Leine nehmen. So scheint Musk
und andere Tricksereien von Tesla. In seinen Arti­ @elonmusk: »anklagen/Fauci.« das mehr und mehr zu sehen. Zum Stressabbau
keln beschreibt er ein Unternehmen, das so tut, als Er meint Anthony Fauci, den obersten Seu­ taucht er tief in den amerikanischen Kulturkampf
sei es technologisch ganz vorn, das in Wahrheit chen-Experten der USA, der im Frühjahr 2020 vor ab. In seinen Beiträgen auf Twitter geht es immer
aber ein bislang unprofitables Geschäft künstlich dem neuen Virus warnt. Wegen der Pandemie ha­ öfter um den angeblichen Wahnsinn des Gen­
am Leben erhalten will. »Es ging vor allem darum, ben die kalifornischen Behörden Musk gezwun­ derns, die schlimme Cancel-Culture, die bedrohte
die Anleger zu begeistern, damit die Aktie steigt«, gen, die Produktion im Tesla-Stammwerk einzu­ freie Rede, die gleichgeschalteten Me­dien. All das,
sagt Niedermeyer. Und: »Ich dachte, ich bin der stellen. Dabei macht Tesla gerade zum ersten Mal womit Politiker der Republikaner in den USA
Scout – und die Kavallerie aus New York ­Times in seiner Geschichte stabilen Gewinn. In einer Stimmung machen gegen die andere Seite. Vor
oder CNN kommt hinterher.« Telefonkonferenz mit Anlegern lässt Musk seiner den Parlamentswahlen im November 2022 ruft
Doch die Kavallerie lässt ihn im Stich. Die links­ Wut freien Lauf. Er wettert gegen die Ausgangs­ Musk dann direkt dazu auf, die Republikaner zu
liberalen Me­dien halten sich mit Kritik an Musk sperren, es fällt auch das Wort »faschistisch«. wählen. Seine Beiträge kommen mir mittlerweile
DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023 DOSSIER 15

2 012 2 0 18 2020 2022

Fotoshooting für das Der Unternehmer als Popstar: Mit seiner Die erste bemannte Rakete von SpaceX startet. Die Show geht weiter: Musk
Tech-Magazin »Wired« damaligen Partnerin, der Sängerin Grimes Präsident Trump und sein Vize gratulieren bei einer Party für Tesla-Fans

wie eine Art EKG des Mannes vor. Je stärker er
sich eingeschränkt oder angegriffen fühlt, desto
höher die Ausschläge.
Ich kontaktiere Freunde und ehemalige Kollegen
von Musk, denn ich will wissen, wie sie ihn und
seine Lage einschätzen. Aber entweder beschränken
sie sich auf höfliche Allgemeinplätze, oder sie dürfen
nicht sprechen, weil sie eine Schweigeverpflichtung
unterschrieben haben. Einer bietet an, eine Mail
weiterzuleiten, direkt an Elon Musk. Es ist fast Mit-
ternacht, als wir die Interviewanfrage rausschicken.
Am nächsten Morgen wache ich auf und sehe in
meinem Posteingang eine Nachricht von Musk. Er
schreibt: »Das ist gerade eine extrem heftige Zeit,
wann ist Ihre Dead­line?«
Heftig ist gut, denke ich. Im Oktober hat er
für den völlig überhöhten Preis von 44 Mil­liar­den
Dollar Twitter gekauft. Findet er es einfach toll,
den Lautsprecher zu besitzen, den er für seinen
Kulturkampf braucht? Oder glaubt er wirklich, er
müsse ein Medium der freien Rede gegen den
möglichen Zugriff der Polit-Zwerge verteidigen?
Denkt er strategisch kühl und sieht in Twitter ein
Mittel, um Werbung für Tesla zu machen und
den Börsenkurs der Firma in die Höhe zu treiben?
Vielleicht von allem ein bisschen. Ich nenne ihm
meine Dead­line und warte auf seine Antwort.
Showdown, mal wieder
Auf meinem Bildschirm erscheint ein Mann mit
dunklen Locken in seinen Dreißigern aus Kalifor-
nien, nennen wir ihn Ricardo. Er hat bis vor Kur-
zem bei Twitter ge­arbei­tet, in einer Abteilung, die
sich um problematische Inhalte kümmerte. Schon
vor Musk sei vieles auf der Plattform nicht gut ge-
laufen, erzählt er mir. Die Inhalte und die Nutzer
hätten sich verändert. »Politik und Nachrichten
nahmen ab, Porno-Zeug, Krypto, A ­ nime nahmen
zu.« Noch während Musk über den Kauf verhan-
delte, begann Ricardos Team daher, an Lösungen
zu arbeiten, die für den neuen Besitzer interessant
sein könnten. Wie man Betrügereien mit Krypto-
währungen unterbinden oder Nutzer verwarnen
könnte, die seltsames Zeug posten. Project ­Saturn
nannten sie es. Musk mag ja Planeten.
Als Musk dann tatsächlich Twitter kaufte, sei es
gar nicht schlecht losgegangen. Musk habe täglich
mit dem Chef von Ricardos Abteilung gesprochen.
Als plötzlich rechtsextreme Inhalte zunahmen, habe
Musk angeordnet: »Macht den Scheiß platt, entfernt
ihn von Twitter!« Ricardo sagt: »Der war gar nicht so,
wie man ihn auf Twitter kannte. Wir hatten das
Gefühl, das könnte gut werden mit Musk.«
Doch dann kündigte Ricardos Abteilungschef.
Musk hatte begonnen, ihn zu ignorieren. Musk er-
klärte ihn daraufhin zum Feind und Pädophilen-
freund. Er löste fast die gesamte Abteilung auf. Ins-
gesamt hat er über 5000 Leute entlassen, um Kosten
zu sparen, einer von ihnen ist Ricardo. Im Twitter-
Hauptquartier in San Francisco haben sie Mitte Ja-
nuar die überflüssige Ausstattung versteigert. Eine
Statue des blauen Twitter-Logos ging für 100.000
Dollar weg, eine Espressomaschine für 13.500 Dol-
lar. Laut Musk verliert Twitter gerade vier Millionen
Dollar pro Tag. Er selbst hat den Bankrott nicht aus-
geschlossen. Wenn er Pech hat, könnten auch ­SpaceX
und Tesla ins Straucheln geraten. Alles oder nichts,
mal wieder. Maximale Spannung. Der Held schwä-
chelt. Klassischer Romanstoff.
Ich glaube mittlerweile, er genießt diese Lage. Mit
dem Kauf von Twitter hat er sich dahin manövriert,
wo er 2008 schon mal war, als der Mythos vom­
Unternehmergenie Elon Musk in die Welt kam. Ich
sehe da einen Mann, der immer wieder große Risiken
eingegangen ist, und mit jeder Mil­liar­de, die ihn die
Tesla-Aktie reicher machte, war er bereit, noch grö-
ßere Risiken einzugehen. Zuerst war es nur sein Geld
und das seiner Investoren, das er aufs Spiel setzte.
Irgendwann war es das Geld der Aktionäre und
Steuerzahler, und seit den Unfällen bei Tesla geht es
sogar um Menschenleben. Im Grunde macht Musk
seit dem Anfang das Gleiche. Und weil er damit so
oft davongekommen ist, macht er eben weiter. Er war
schon immer so. Die Macht hat ihn nicht verändert,
sie lässt nur deutlicher hervortreten, wer er ist.
Ich würde Elon Musk gerne fragen, ob es mal ir-
gendetwas gab, das ihm zu riskant war. Ob sein
Traum, derjenige zu sein, der der Menschheit das
Elektroauto und die Besiedelung des Mars schenkt,
jedes Risiko wert ist. Ob er das Drama bei Twitter
aufregend findet. Sind ihm seine Kulturkämpfe
wichtiger als das Überleben von Tesla und S­ paceX?
Ist die durchaus problematische Cancel-Culture wirk-
lich so schlimm wie der Klimawandel? Warum hat
eines seiner Kinder, das transgender ist, seinen Nach-
namen abgelegt und sich von ihm losgesagt?
Elon Musk meldet sich nicht mehr bei mir.
Ich lese die ganzen Verrisse, die gerade über ihn
erscheinen. Und ein bisschen nervt mich meine ei-
gene Zunft da schon. Wir Journalisten haben ihn
begeistert hochgejubelt, in den USA genauso wie hier
in Deutschland, um ihn nun wieder runterzuschrei-
ben. Musk mag kein Genie sein. Aber dass er immer
wieder tolle Dinge auf die Beine gestellt hat? Wird
jetzt nur noch am Rand erwähnt.
Wie nebenher haben Musk und ­SpaceX das Sa-
tellitennetzwerk Starlink entwickelt, das ent­lege­ne
Regionen mit dem Internet verbindet. Ohne Starlink
hätte die Ukraine den Krieg längst verloren. Russland
hat nämlich gleich nach seinem Angriff den amerika-
nischen Anbieter, den das ukrainische Militär be-
nutzte, per Cyberattacke ausgeschaltet. Der ukrai-
nische Digitalminister twitterte daraufhin Musk an:
»Während Sie den Mars kolonisieren, fällt Russland
in die Ukraine ein. Wir bitten Sie, die Ukraine mit
Starlink-Stationen auszustatten.« Musk reagierte in-
nerhalb weniger Stunden: Starlink sei nun über der
Ukraine aktiv. Das ist seine idealistische Seite.
Die narzisstische zeigte sich wenig später. Nach-
dem es Ärger gab über einen Friedensplan für die
Ukraine, den Musk mal eben getwittert hatte, droh-
te er damit, das Netzwerk abzuschalten. So ist es nicht
gekommen, Starlink arbeitet weiter für die Ukraine.
Aber bezahlt wird es jetzt vom amerikanischen Staat.
Ähnlich bei Twitter. Da sah am Anfang, als
Leute wie Ricardo das Unternehmen verließen,
alles nach einer Implosion der Plattform in Hass
und ­Chaos aus. Musk scheint allein zu entschei-
den, wer von Twitter verbannt wird und wer nicht.
Großes Hin und Her, doch am Ende schmeißt er
die Verschwörungsideologen und Anti­ semi­ten
wieder raus. Journalisten, die sich über Musk auf-
geregt hatten, dürfen nach Protesten bleiben. Ja, er
hat ­Trump wieder hereingelassen, aber das haben
nach ihm Face­book und Instagram auch getan. Ja,
er hat Tausende Mitarbeiter entlassen, aber das
Gleiche passiert gerade bei vielen Tech-Firmen im
Silicon Valley. Laut einer unabhängigen Analyse-
firma ist die Zahl der Nutzer auf Twitter seit
Musks Übernahme sogar gewachsen.
In einer Telefonkonferenz mit Tesla-Investoren
sagte Elon Musk kürzlich: »Ich habe 127 Millionen
Follower auf Twitter. Und die Zahl steigt jeden Tag.
Ich bin also beliebt.« Im Januar schoss der Aktienkurs
von Tesla, der zwischendurch stark gesunken war,
wieder nach oben, er liegt jetzt bei etwa 190 Dollar,
das Unternehmen ist 601 Mil­liar­den Dollar wert.
Vorletzte Woche wurde Elon Musk im Weißen Haus
empfangen, mit zwei Beratern des Präsidenten rede-
te er darüber, wie Tesla und Joe B ­ iden doch noch
zusammenfinden könnten. Und Ende vergangener
Woche hat Musk den Fall vor dem Gericht in San
Francisco gewonnen: Er wurde vom Vorwurf frei-
gesprochen, per Twitter den Kurs von Tesla manipu-
liert zu haben. Es sieht so aus, als habe Musk es mal
wieder geschafft, die Leute – in diesem Fall die neun
Geschworenen – von seiner Größe und Bedeutung
zu überzeugen. Einer der Geschworenen sagte nach
dem Freispruch: »Elon Musk ist ein Mann, der könn-
te auch niesen, und das würde die Aktienmärkte
beeinflussen.«
Allzu schnell, denke ich, darf man ihn nicht ab-
schreiben. Der Mythos Musk, noch lebt er. Solange
der Aktienkurs steigt, wird es genügend Leute geben,
die weiter an ihn glauben. Und nichts dagegen haben,
dass so viel Macht in den Händen eines einzigen
Menschen liegt.
Mitarbeit: Helene Lange

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16
Zur Ausgabe Nr. 5
Vom Virus für die
Zukunft lernen
Titelthema: »Unsere
Corona-Fehler«  ZEIT NR. 5
Wir haben das getan, was wir in so einer
Situation immer machen: gegrübelt, disku-
tiert und uns in Talkshows die Köpfe heiß­
geredet. Wenn man nun etwas Abstand nimmt
und »unseren Weg« im Rückblick betrachtet,
dann könnte man statt von »Schwächen« wie
in Ihrem Titel durchaus von Stärken reden.
Natürlich hat es dabei Missverständnisse ge-
geben. Und doch war unser typisch deutscher
Weg doch nicht wirklich schlecht. Alle haben
mitdiskutiert, auch der berühmte »Mann auf
der Straße«. Man konnte allemal den Ein-
druck gewinnen, dass um jede Entscheidung
bewusst gerungen wurde, auch wenn sie aus
jetziger Sicht nicht immer richtig war.
Solange wir unsere gesellschaftlichen Pro­
bleme so angehen und bereit sind, daraus zu
lernen, bin ich mit »uns« zufrieden.
ELISABETH ELLENDORFF, BIELEFELD
Spätestens nachdem klar war, dass die Imp-
fung nicht vor der Weitergabe des Virus
schützt, hätte die mediale Hetzjagd auf Impf-
verweigerer enden müssen. Stattdessen wur-
den sie weiterhin als Querulanten behandelt,
in einem Atemzug mit Verschwörungs­
theoretikern, Nazis, Reichsbürgern und soge-
nannten Querdenkern. 
WOLFGANG FELBINGER , STUT TGART
Hilft eine Aufarbeitung im Nachhinein, um
für die Zukunft ähnliche Fehler zu vermeiden?
Es gibt keine »Blaupause«, um für eine neue
und andere Art der Pandemie vorbereitet zu
sein. THOMAS BARTSCH HAUSCHILD, HAMBURG
Putins Agent in Not
Stefan Willeke:
»Ich bin toxisch«  ZEIT NR. 5
Über Wladimir Putins Agenten in Deutsch-
land eine freundliche Homestory zu schrei-
ben erscheint mir nicht angemessen. 
EDO LÜBBING -VON GAERTNER , BREMEN
Herr Warnig kann seinem Sohn das Eis nicht
mehr bezahlen. Mir kommen die Tränen! Ein
Mann, der »mit einer gewissen Leidenschaft«
als Stasi-Spitzel tätig war und in jedem poli­
tischen System oben schwamm, wird über
drei Seiten zum Opfer verklärt. 
JÜRGEN KUHR , BERLIN
Für Menschen dieses Schlages ist es völlig
egal, wie viele Zigtausend Menschen getötet,
verstümmelt oder wohnungslos werden, so-
lange sie selbst ihre Rückzugsorte in der
Schweiz oder sonst wo auf der Welt haben
und ihre Finanzen gesichert sind. Ihnen ist
jedes politische System opportun, solange sie
davon profitieren. 
JOSEPH ZENZ, MÜNCHEN
BEILAGENHINWEIS
Die heutige Ausgabe enthält folgende Publikationen
in einer Teilauflage: Möbel Höffner, 12529 Schöne­
feld; Linvosges Société Anonyme Simplifiée (S.A.S.),
FR- 88400 Gérardmer; Möbel Hübner Einrich-
tungshaus GmbH, 10785 Berlin; In der Auflage
Christ & Welt: Walbusch Walter Busch GmbH &
Co. KG, 42646 Solingen Deutsche Kinderkrebs-
stiftung, 53113 Bonn.
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EMANZE WIEDER DEINEN KRIEGS-
HETZSENF DAZU GIBST.«
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23. FEBRUAR 2023 · 20.00 UHR · HAMBURG & LIVESTREAM
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LESERBRIEFE
Mit Öl das Feuer löschen
Martin Spiewak über den Lehrermangel: »Die Schule brennt«  ZEIT NR. 5
Man fragt sich, warum so wenige Menschen in den
Schuldienst gehen. Es müsste doch für j­eden eine
Bereicherung sein, mit Kindern zu arbeiten, außer-
dem hat man ein sicheres Einkommen und später
das Glück, mit seinen eigenen Kindern Ferien zu­
haben. HEIKE R AMPP, MEMMINGEN
Wissen Sie, wie es sich anfühlt, nicht mehr zu kön-
nen? Wenn man jahrelang versucht hat, zu retten,
was nicht zu retten ist? Wissen Sie, wie es ist, wenn
von außen immer große Dinge gefordert werden
und dann selbst scheinbar selbstverständliche Din-
ge wie ein Telefon oder ein PC nicht funktionieren?
Wissen Sie, wie es ist, wenn alle von Inklusion reden
und Sie allein vor einer Gruppe junger Menschen
stehen, die nicht nur höchst unterschiedlich sind,
sondern sich gegenseitig zum Teufel wünschen?
Ich bin froh, nach meinem Burn-out wenigstens
wieder Teilzeit hinzukriegen. 
MARIO MANN , BERUFS SCHULLEHRER , PER E-MAIL
Einen gewichtigen Grund für die hohe Teilzeit-
quote bei Lehrkräften hat der Leitartikler über­
sehen: Lehrkräfte sind in Deutschland in der
großen Mehrzahl Frauen. Gleichzeitig leben wir
in einem Land stabiler konservativer Geschlech-
terrollen, in dem es nach wie vor üblich ist, dass
in den Familien Frauen mehr Care-­Arbeit über-
nehmen und deshalb häufiger Teilzeit ar­beiten.
Der Vergleich der Teilzeitquote bei Lehrkräften (47
Prozent) mit der durchschnittlichen Quote (29
Prozent) hinkt aber nicht nur, er stinkt auch, da er
geeignet ist, Lehrkräfte – die, wie wir nun wissen,
überwiegend weiblich sind – in ein schlechtes Licht
zu rücken. Er lässt beim Lesen den Eindruck ent-
stehen, Lehrer seien einfach weniger leistungsbereit
als andere Arbeitnehmer.
Was dabei jedoch unterschlagen wird, ist, dass sehr
viele dieser »Teilzeit«-Kräfte durchaus Vollzeit ar-
beiten, nur eben nicht ausschließlich in der Schule.
Da sieht ein Arbeitstag nämlich so aus, dass nach
dem Unterricht und der Unterrichtsvorbereitung
ab dem späteren Nachmittag und häufig bis zum
Was kommt nach den Leoparden?
Alice Bota: »Die Vertrauensfrage«  ZEIT NR. 5
Alice Bota möchte von Kanzler Olaf Scholz den
Satz hören: »Die Ukraine muss siegen.« Er wird
ihn nicht sagen. Weil er zu Recht nicht daran
glaubt! Das militärische Geschehen zeigt, dass
Russland die Eskalationsdominanz hat und auch
jenseits der nuklearen Option über viele Mög-
lichkeiten verfügt, diesen Krieg weiter anzuheizen
(Mobilmachungen, Ausweitung auf Belarus, hy-
bride Kriegführung gegen westliche Infrastruktur
et cetera).
Scholz wird den Satz auch deswegen nicht sagen,
weil er sich politisch erpressbar machen würde.
Denn dann müsste Deutschland ungeachtet
möglicher Folgen alles liefern, um dieses Ziel zu
erreichen.
Zu einem Sieg der Ukraine führt kein Weg. Wer
es versucht, landet unweigerlich in einem Krieg
mit Russland. DR . MATHIAS SIEKMEIER , KÖLN
Zunächst wollte Deutschland nur 5000 Helme
liefern, jetzt sind es Leopard-2-Panzer, und schon
fordert die ukrainische Regierung mehr. Kommt
es schließlich zum Einsatz von Atomwaffen, der
auch Ziele in Deutschland betreffen könnte?
Während der Kuba-Krise bestand für die beiden
deutschen Staaten die Gefahr, zum atomaren
Schlachtfeld zu werden. Manche erinnern sich
sicher auch noch an die Anleitungen, wie man
Schlafengehen noch Care-­Arbeit (Kinderbetreuung,
Haushalt, Familienmanagement) erbracht wird, die
niemand zählt, der Autor offenbar auch nicht.
Wo genau hier »Luft nach oben« ist, sodass diese
»Teilzeit-Lehrerinnen« ihre Stundendeputate er-
höhen können, ist nicht ersichtlich.
DR . MONIK A PL ATZ, MÜNCHEN
Für mich klingt der Vorschlag, den Martin Spiewak
zur Lösung des Lehrermangels macht, wie der ver-
zweifelte Versuch, mit Öl das Feuer zu löschen.
Wenn Sie denen, die trotz zu großer Klassen, hoher
Arbeitsbelastung und wenig Anerkennung den
Lehrerberuf ergreifen, sagen, dass sich alles noch
weiter verschlechtern wird, dann stehen die Kinder
und Jugendlichen bald vor verschlossenen Räumen.
LENA BR ACK , LEHR AMTS STUDENTIN , PER E-MAIL
Auch wenn viel gejammert wird, kann von einem
generellen Lehrermangel keine Rede sein. Wenn es
einen solchen vor allem im Grund- und Mittelschul-
bereich gibt, so liegt das primär an den ungerechten
Besoldungsstrukturen. Offensichtlich hat die mäch-
tige Gymnasiallobby ihren Bereich politisch so im
Griff, dass es hier überzählige Lehrkräfte gibt. Mit
weniger Pflichtstunden und mehr Aufstiegschancen
wird man bei ähnlichen Ausbildungszeiten viel
besser bezahlt als im Grund- und Mittelschul­
bereich. Junge Leute wählen daher bevorzugt den
lukrativeren Weg. Statt das politisch zu verändern,
nimmt man lieber Zusatzkosten für Umschulungen
in Kauf. ­S IMON KIRSCHNER , GAIMERSHEIM
Endlich mal ein Beitrag, der die Privilegien des
Lehrerberufs betont und Pflichten daraus ableitet.
Gutes Gehalt, Jobgarantie, sichere (und hohe) Ren-
te – was will man eigentlich mehr? Viel unterrichts-
freie Zeit (Ferien), in der weder E-Mails auflaufen
noch Fortbildungen stattfinden, sowie weitreichende,
unüberwachte Gestaltungsspielräume.
All diese Annehmlichkeiten sind auch angehenden
Lehrkräften bekannt und nicht selten ein Grund
dafür, dass die »Falschen« den Beruf ergreifen.
sich dann zu verhalten hätte: Alle Schüler sollten
unter die Schulbank kriechen und die Leute auf
der Straße sich eine Tasche über den Kopf stül-
pen. Heute gäbe es zudem für die Zivilbevöl­
kerung noch weniger Atombunker als damals.­
Eigentlich müssten die Befürworter von Waffen-
lieferungen gleichzeitig Schutzräume fordern,
aber das könnte bei den nächsten Wahlen Stim-
men kosten. B RIGIT TE SCHELLNHUBER , INGOLSTADT
Und schon kommt aus Kiew die nächste Forde-
rung: Kampfjets! Wo bleibt da noch der Spiel-
raum für eine diplomatische Lösung des Kon-
flikts? Bei aller Unberechenbarkeit von Putin:
Wenn er sein Kriegsziel nicht erreicht und die
Ukraine – auch dank der Leoparden – die russi-
sche Armee weiter zurückdrängt, sollte man die
Möglichkeit von Gesprächen zwischen Kiew und
Moskau nicht völlig verbauen. Wenn der Kanzler
Wolodymyr Selenskyj davon überzeugen kann,
darf er ihn gerne nach Berlin einladen. Die vom
Kanzler gezogenen roten Linien dürfen aber kein
Gesprächsthema sein. Da kann es von Scholz nur
eine Antwort geben: Nö!
DIETRICH BRIESE, BOBENHEIM AM BERG
In der Ukraine blüht die Korruption, alles ist
käuflich – die Meldungen dieser Tage sind nur
Seit dem 24. Februar 2022 dominiert Russlands An-
griffskrieg auf die Ukraine den Diskurs. Expert*innen
versuchen den Krieg zu erklären und werden zum
Ziel von – oft sexistischen – Hassbotschaften. Wie
verändert sich unser Sprechen über den Krieg? Wie
ist die Lage in der Ukraine, und welche Folgen hat der
Krieg speziell für Frauen?
Darüber diskutieren Sabine Fischer, Stiftung Wissen-
schaft und Politik, Carlo Masala, Universität der
Bundeswehr München, Ljudmilla Melnyk, Institut für
Europäische Politik, und Jana Puglierin, European
Council on Foreign Relations, mit Jörg Lau, DIE ZEIT.
Ensemblemitglieder des SchauSpielHauses lesen
eine Auswahl von Hassnachrichten.
Eine gemeinsame Veranstaltung von:
Am Schluss braucht’s dann die Gewerkschaften, die
mit abstrusen Belastungsszenarios um sich werfen,
damit sich die Fehlanreiz-Spirale ungehindert weiter
drehen kann. ERICH M . MÖSLE, PER E-MAIL
Das sagen Sie mal meiner Schwägerin, die sich von
einem befristeten Arbeitsvertrag zum nächsten
hangelt. Dass dabei Zweimonatsverträge überhaupt
möglich sind, macht mich sprachlos.
 DR . JULIA SCHENDZIELOR Z, K AS SEL
Wir brauchen nicht nur IT-Experten und Psy-
chologen (dafür gibt es eh kein Budget), sondern
unkomplizierte Unterstützung bei einfachen
Dingen: Schuhe binden, zum Bus begleiten,
beim Umziehen helfen, Streit schlichten. All dies
könnten auch FSJ-Kräfte, pädagogische Assisten-
ten und Rückenwindmitarbeiter leisten. Aber
dafür ist kein Geld vorhanden. Kinder haben
keine Lobby, die Politik holt sich das Geld nicht
von den Übergewinnlern und wendet sich dann
unverschämterweise an die Lehrer, die ja sowieso
nicht genug arbeiten.
Ich selbst bin übrigens keine Beamtin, also keine
»Schmarotzerin«, die als Rentnerin »im Geld
schwimmen« wird. Sie haben die angestellten Leh-
rer in Ihren Ausführungen leider unterschlagen. 
BETTINA BIEBER, GRUNDSCHUL­L EITERIN, ORTENAUKREIS
Meine Tochter ist Grundschullehrerin in NRW. Sie
hat ihre Stundenzahl im Sommer erhöht – und ein
halbes Jahr auf die Besoldungserhöhung gewartet.
Ich erwarte nach »Doppelwumms« und »Deutsch-
landgeschwindigkeit«, dass sich sehr schnell ein
Bildungsgipfel von Bund und Ländern trifft, um
Lösungen für Probleme zu finden, die für die Zu-
kunftsfähigkeit unseres Landes so wichtig sind wie
die Aufrüstung der Bundeswehr. Auch sollten ma-
rode Schulgebäude den gleichen Stellenwert haben
wie marode Verkehrsinfrastruktur.
Ohnehin schon völlig überlasteten Lehrern die
Hauptlast der Probleme aufzubürden ist nicht
zielführend. KL AUS PHILIPP, MARL
die Spitze des Eisbergs. Und das gilt auch für mi-
litärische Geheimnisse. Die Lieferung von Leo-
pard-Panzern an die Ukraine, gefahren und ge-
wartet von ukrainischen Besatzungen und Tech-
nikern, wird dazu führen, dass Russland inner-
halb von Wochen sämtliche Funktionen, Fähig-
keiten und Schwachstellen des Panzers erfahren
wird, da muss man sich keine Illusionen machen.
Der Verteidigungsfähigkeit und der Rüstungs­
industrie in Deutschland und Westeuropa wird
dies schweren Schaden zufügen – der Leopard 2
wird strategisch nutzlos und zudem unverkäuf-
lich. Die Amerikaner wissen sehr gut, warum sie
ihre besten Panzer nicht in die Ukraine liefern
wollen.  DR . R ALPH BÜRK , ENGEN
Die Ukraine hat jedes Recht, sich zu verteidigen.
Wenn Russland gewinnt, dringt Putin auch in die
Nachbarstaaten ein und damit auch nach
Deutschland.
Haben die Deutschen vergessen, wie die russische
Herrschaft in der DDR funktionierte?
Unser eigenes, persönliches Wohlbefinden sollte
nicht im Vordergrund stehen.
Es spielt Putin in die Hände, wenn die EU zer-
stritten ist. Wir sollten alles tun, damit die Ukrai-
ne siegt. Nur dann wird es Frieden geben.
HANNE JUSTIN , BERGISCH GL ADBACH
Sabine Fischer Carlo Masala Ljudmilla Melnyk
Beginn: 20.00 Uhr | Ort: Deutsches SchauSpielHaus & Livestream
Tickets und Infos: www.zeit.de/veranstaltungen
Folgen Sie uns: @ZEITvst |  @zeit_veranstaltungen
9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
Weitere Leserbriefe finden Sie unter
blog.zeit.de/leserbriefe
Vorgekostete
Literatur
Timo Posselt: »Wie sensibel muss
ein Buch sein?«  ZEIT NR. 5
Ich bin 60, habe als Kleinkind Max und­
Moritz und den Struwwelpeter vorgelesen be-
kommen, in meiner Jugend sämtliche Werke
von Karl May gelesen, C ­ harles Bukowski,
auch Nabokovs Lolita und vieles mehr. Eigen­
tümlicherweise bin ich dadurch weder zu­
einem Macho noch zu einem Rassisten oder
homophob geworden, im Gegenteil! Für
mein Empfinden (und auch für das meiner
Frau) wird mit der »Korrektur« durch einen
sogenannten Sensitivity-Reader ein Text dazu
benutzt, Weltanschauungen zu vermitteln,
die sehr wohl in der Gesellschaft diskutiert
werden müssen, die aber beispielsweise in ei-
nem wissenschaftlichen oder journalistischen
Text gerade eben aufgrund ihrer Intention
nichts verloren haben. Die Autoren, deren
Texte so behandelt werden, tun mir jetzt
schon leid.  DR . ROBERT MERL, DEGGENDORF
Die Verlage sollten lieber mehr (und vor­
allem: bessere!) Lektoren einstellen anstelle
von »Sensitivity-­Readern«. 
THOMAS MANTHEY, PER E-MAIL
Da liest eine Sensitivity-Readerin einen Arti-
kel über einen Sensitivity-Reader und mar-
kiert dabei die dubiosesten Sachen als »pro-
blematisch«. Doch eine Begrifflichkeit findet
sie völlig in Ordnung: den alten weißen
Mann. Keine Markierung, kein Aufschrei
über diese offensichtlich diskriminierende,
polemische Begrifflichkeit. 
RICHARD KOAL, PER E-MAIL
Wie irre muss das woke Bessermenschentum
in seiner Echokammer an sich selbst gewor-
den sein, um ein dermaßen borniertes Sprach-
Dogma zu praktizieren? KURT EIMERS , NEUS S
Wenn Anglizismen wie Queerness, People of
Color, Coming-out, genderfluid, Shit­storm
vom Sensitivity-Reader unbeanstandet durch-
gewinkt werden, dann ist es höchste Zeit, die
Sprache unserer Dichter und Denker auf der
riesigen Müllhalde der Geschichte zu entsor-
gen und uns selbst am besten gleich hinterher.
Heimat, mir graut vor dir!
DR . ULRICH PIETSCH , NIDDA- ULFA
Liebe Leute, hütet eure »alten«, unzensierten
Bücher! Ihr Wert ist unermesslich.
SIMONE HOLZHÄUSER-SUT TER , DANNSTADT-
SCHAUERNHEIM
Nachtgebet einer Leserin: Lieber Gott, bitte
mach, dass endlich dieses entsetzliche Gender­
geschwurbel aufhört! Bitte verschone uns vor
jenen Mitbürgern, die glauben, korrigieren
und zensieren zu müssen, und bitte kümmere
dich darum, dass sich die Menschheit der
Lösung wirklich wichtiger Probleme zu­
wendet.  HANNELORE BOLLWIN , PER E-MAIL
IHRE POST
erreicht uns am schnellsten unter der
E-Mail-­Adresse leserbriefe@zeit.de. Mit der
Einsendung geben Sie Ihr Einverständnis,
Ihren Brief in der ZEIT, deren digitalen Aus-
gaben und im Leser-Blog auf www.zeit.de
unter Nennung Ihres Namens und des
Wohnortes zu veröffentlichen. Für den
Inhalt sind Sie als Einsender verantwortlich;
die Redaktion behält sich Auswahl, Kürzung
und redaktionelle Bearbeitung vor. Zudem
können Sie die Texte der ZEIT auf Twitter
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Jens Oellermann, Michael Heck | Anbieter: Zeitverlag Gerd Bucerius
Fotos v. l. n. r.: © Andreas Henn, Bundeswehr, Pavlo Slobodnychenko,
GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Hamburg
Jana Puglierin Jörg Lau
07.02.23 11:03
DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023
Ein Schwarzbrot für 201 Milliarden Mark: Vor hundert Jahren explodierte unter Reichsbankpräsident Rudolf Havenstein die Inflation.
Wer war der Mann, der den Deutschen ein Trauma bescherte, das ihr Verhältnis zum Geld bis heute prägt?  VON JUTTA HOFFRITZ
V
om Wirken des Zentralbankchefs
in der großen Inflation ist der
Nachwelt ein knapper Meter Ak­
ten erhalten und eine Anekdote, in
der man Reichsbankpräsident Ru­
dolf Havenstein mit den Worten
zitiert: »Ich wollte mir eigentlich
einen neuen Anzug machen lassen, aber jetzt werde
ich doch warten, bis die Teuerung vorbei ist.«
Die Geschichte zeugt von der Naivität eines­
Notenbankchefs, der das Ende der Inflation »ab­
wartete«, statt sie abzustellen, wie es seine Aufgabe
gewesen wäre. Stattdessen ließ er mehr und mehr
Geld drucken, bis die Hausfrauen mit Schubkarren
voller Scheine zum Einkauf eilten und nicht mal
mehr das Nötigste dafür bekamen.
Wer war der Mann hinter der Papierflut? Me­
moiren hat er nicht hinterlassen. Für seine Beurtei­
lung müssen die Dokumente herhalten, welche die
Bombardierung der Reichsbank im Zweiten Welt­
krieg überstanden – und den Umbau des Gebäudes
zum Sitz des Zentralkomitees der SED. Die Ordner,
die das Bundesarchiv nach dem Mauerfall über­
nahm, passten auf wenige Aktenwagen. Einige
Briefe von Rudolf Havenstein haben sich noch in
anderen Behörden erhalten. Nicht viel für einen
Mann, der eine der schlimmsten Inflationen der Welt­
geschichte zu verantworten hatte – ein Trauma, das
das Verhältnis der Deutschen zu ihrem Geld prägen
und sie bis heute, 100 Jahre später, zu Verfechtern
monetärer Vorsicht machen sollte.
Die Misere beginnt mit dem Ersten Weltkrieg.
Neun Anleihen gibt die Reichsbank heraus, um den
Waffengang zu finanzieren. Havenstein fährt per­
sönlich übers Land, um auch die Kleinsparer dafür zu
gewinnen. »Kriegsanleihe zeichnen ist die allgemeine
Wehrpflicht der Daheimgebliebenen«, wirbt er 1917
in Frankfurt – kurz nachdem sein Sohn im Krieg
gefallen ist. Doch der Tod seines Kindes tut Haven­
steins Eifer keinen Abbruch. Im Gegenteil, mit den
vier Anleihen, die nun folgen, nimmt er mehr Geld
ein als mit den fünf zuvor.
Seinem Kaiser ist er treu ergeben, mit seiner hohen
Stirn und den sorgfältig gezwirbelten Schnurrbart­
spitzen ähnelt er dem fast gleichaltrigen Wilhelm II.
sogar äußerlich. Die Sympathie ist gegenseitig: Der
Kaiser verleiht ihm zum Dank für seine Dienste­
Eiserne Kreuze verschiedener Klassen. Er nennt ihn
»Generalfeldmarschall«, wissend, dass all die Schlach­
ten ohne Havensteins Anleihen nicht möglich gewe­
sen wären. Das Volk macht daraus »Geldmarschall«.
Es ist ein Krieg auf Pump, in dem Deutschland
unterliegt. Der Kaiser geht ins Exil, während Haven­
stein sein Amt getreulich weiter versieht. Ein schweres
Amt. Denn nach dem Krieg wird noch mehr Geld
gebraucht – für die Reparationen.
Bald schon ist Deutschland im Rückstand, und
die Alliierten verlieren die Geduld. Im Januar 1923
marschieren französische und belgische Truppen ins
Ruhrgebiet ein, um sich ersatzweise Kohle und Stahl
zu holen (ZEIT Nr. 2/23). Die Ruhrindustrie ruft
zum Boykott. Die Kumpel halten die Förderbänder
an. Die Regierung verspricht, das patriotische
Nichtstun zu subventionieren. Und die Reichsbank
macht mit: Schon seit 1914 lässt Rudolf Havenstein
GESCHICHTE
Ein Polizist bewacht Geldscheine, die verbrannt werden sollen (Aufnahme von 1923)
Der Geldmarschall
die Notenpresse schneller laufen, nun läuft sie auf
Hochtouren.
Die Folgen treffen das einfache Volk hart: Bei
Kriegsbeginn im August 1914 kostete ein Laib
Schwarzbrot 32 Pfennig; bei Kriegsende im Novem­
ber 1918 zahlte man 53 Pfennig dafür. Im Januar
1923 kostet ein Brot 250 Mark.
Am 23. Februar 1923 verabschiedet der Reichstag
ein »Notgesetz«. In wirtschaftlichen Fragen kann die
Regierung nun ohne die Zustimmung des Parlaments
agieren. Sie erlässt als Erstes eine »Wucherverord­
nung«: Schwarzhändler, Schmuggler und Spekulanten
sollen hart bestraft werden. Aber lässt sich die Teue­
rung wirklich per Verordnung abstellen? Daran
scheint man in Berlin selbst nicht zu glauben, denn
man belässt es nicht dabei.
Havenstein tut, was Notenbankchefs in der In­
flation zu tun pflegen, er drosselt die Kreditvergabe.
»Wünschen bis auf weiteres äußerste Zurückhaltung
bei Kreditgewähr«, heißt es in einem Telegramm an
die Reichsbankfilialen vom 10. Februar 1923. Doch
nur wenige Tage später lässt er seine Leute anweisen,
dabei nicht zu streng zu verfahren, schon gar nicht
in den besetzten Gebieten, »wo die Sicherstellung
der Lebensmittelversorgung einerseits und die Fort­
zahlung der Lohnbezüge andererseits vielfach nur
bei entsprechender Kreditgewährung sich ermög­
lichen läßt«.
Das zeigt, dass der Jurist Havenstein zwar die
Gesetze der Geldpolitik kennt, sich aber, wenn er
Ökonomie und Politik im Zielkonflikt wähnt, für
Letztere entscheidet. Es bleibt nicht bei dieser einen
Fehlentscheidung.
Seit Februar lässt Havenstein Dollar aus den­
Beständen der Reichsbank verkaufen, um den Wech­
selkurs der Mark positiv zu beeinflussen. Deutschland
ist von Importen abhängig: Erz, Erdöl und seit
Neues­tem sogar Kohle. Der fallende Kurs der Mark
verteuert diese Rohstoffe. Seit dem Krieg hat sich
Havenstein gewehrt, seine knappen Reserven für
Interventionen einzusetzen, die bestenfalls kurzfristig
Wirkung zeigen. Jetzt tut er es doch – für die Wirt­
schaft, die auf Einfuhren angewiesen ist und von der
er sich umgekehrt Hilfe erwartet. Anfang März hat
er eine Dollaranleihe aufgelegt, 50 Millionen Dollar
will er haben. Alle, die Waren ins Ausland exportie­
ren, sollen ihre Einnahmen bei ihm anlegen. Mit
diesen Devisen will er die Mark stützen. Aber die
Exporteure unterstützen ihn nicht. Sie profitieren
vom Kursverlust. Je schwächer die Mark, desto besser
können sie ihre Waren im Ausland verkaufen.
Am 18. April 1923 gibt Havenstein auf. Die Re­
serven sind erschöpft. Auch der Präsident der Reichs­
bank ist erschöpft: Fotos aus dieser Zeit zeigen einen
hageren, 66 Jahre alten Mann, der trotz penibler Haar-
und Bartpflege die Adern nicht verbergen kann, die
bedrohlich an Hals und Schläfen hervortreten.
Als der Zentralbankchef dem Kabinett seine
Nieder­lage eingesteht, empfiehlt er, die Einfuhren zu
beschränken, um die Mark nicht weiter zu schwächen:
»Die Drosselung muß sich besonders auf Getreide
und Kohle beziehen«, rät er. Im April 1923 zahlt man
474 Mark für ein Schwarzbrot, im Juni 1428 Mark,
im August 69.000 Mark. Dafür macht man nun
Havenstein verantwortlich.
17
Fotos: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo; Sammlung Rauch/Interfoto (u.)
Boden als Sicherheit dienen. Die Grundbesitzer wür­ preisen. Doch wenn er das auf Initiative der Briten
den Anteilseigner einer neuen Bank. Und die dürfte entstandene Autonomiegesetz nun »Magna Charta«
für jede Tonne Roggen, die der Boden abwerfen kann, nennt, dann nur um zu untermauern, dass er nicht
200 Roggenmark ausgeben. kündbar ist. Kurz danach bricht er zusammen, am
Es werden auch noch andere Pläne diskutiert, doch 20. November 1923 nachts um halb vier. In seiner
am Ende entscheidet man sich – auch auf Empfeh­ Dienstwohnung in der Reichsbank. Ein Infarkt.
lung von Rudolf Havenstein – für das Roggengeld. Seine Untergebenen werden sagen, er starb an ge­
Weil es sich schnell einführen lässt, schneller als alle brochenem Herzen.
Alternativen. Im September kostet das Schwarzbrot Derweil sitzt Hjalmar Schacht im nahe gelegenen
1,5 Millionen Mark. Finanzministerium in einem Büro und arbeitet. Der
Weil Stresemann weiß, dass jede Währung schei­ neue Währungskommissar (später der Nachfolger
tern muss, solange das Reich den Boykott aufrecht­ Havensteins als Chef der Zentralbank und von 1934
erhält, tut er, was längst hätte getan werden müssen: bis 1937 Wirtschaftsminister unter Hitler) ist seit acht
Am 26. September 1923 be­endet er den Widerstand Tagen im Amt. Die Reichsdruckerei streikt mal wie­
an der Ruhr. Das heizt im Volk die Stimmung auf. Im der. Das neue Geld ist knapp – was ja beabsichtigt ist.
Westen wollen Separatisten das Rheinland abspalten, Aber weil es so knapp ist, tauschen die Deutschen auch
im Osten plant die kommunistische Arbeiterschaft weiter Dollar. Dessen Kurs steigt also erst mal weiter.
die Revolution, und im Süden greift Adolf Hitler ein Da greift Schacht zu einem psychologischen Trick:
erstes Mal nach der Macht. Der Münchner Putsch am Als der Dollar am 20. November 1923 bei 4,2 Billio­
9. November misslingt, wie auch die anderen Um­ nen Papiermark steht, beschließt er, den Umtausch­
sturzversuche. Der Preis fürs Schwarzbrot steigt im kurs zwischen Renten- und Papiermark zu fixieren.
November auf 201 Mil­liar­den Mark. 1 : 1 Billion – das rechnet sich leicht. Einfach zwölf
Warum auch hat er den politisch motivierten Dann, vom 15. November an, wird endlich das Nullen streichen. Und siehe da: Der Dollar steht jetzt
Streik finanziert? Wo doch die Alliierten just im neue Geld ausgegeben: die Rentenmark. Die neue bei 4,2 Mark – wie vor dem Krieg. Hinterher wird
Jahr zuvor dafür gesorgt haben, dass die deutsche Währung orien­tiert sich am Roggengeld. Sie heißt man sagen, dass der Kurs willkürlich gewählt war und
Zentralbank unabhängig von der Politik wird: nur anders, weil Roggen gerade so knapp ist. auch die »Deckung« der Rentenmark durch Grund
»Machen Sie es sich zur Regel, jede inflationäre Der Reichsbankpräsident liegt in diesen Wochen ANZEIGE
Maßnahme abzulehnen, um die Sie Ihre Regierung mit einer Lungenentzündung darnieder. Auch nach
bittet«, hatte ihm sein britischer Kollege Montagu einer Auszeit auf dem Lande ist Havenstein nicht
Norman mit auf den Weg gegeben, als das Auto­ gesund. Er kehrt trotzdem nach Berlin zurück, als er
nomiegesetz 1922 den Reichstag passierte. Die hört, die Währungsreform sei bereits im Gange. Die
Jetzt am Kiosk!
Reichsbank habe ihre Politik »immer nach eigenen Regie führt nicht etwa jemand aus der Reichsbank
Überzeugungen gestaltet«, schrieb Havenstein oder der Finanzverwaltung, sondern ein »Reichs­
wenig dankbar nach London zurück. Eigentlich währungskommissar«. Ein völlig neues Amt, besetzt
hätte man schon damals wissen können, dass er die mit einem Mann namens Hjalmar Schacht, der bisher
neue Freiheit nicht nutzen würde. nur eine Geschäftsbank geleitet hat.
Insgesamt dreimal wird er in diesem Jahr 1923 Havenstein ist außer sich. Er eilt in die Bank, um
intervenieren und alles Gold der Reichsbank in kurz­ sich mit seinem Direktorium zu beraten. Danach
lebige Kurskorrekturen investieren. So verbaut er den bleibt er allein an seinem Schreibtisch sitzen. Was
Weg zurück zur Golddeckung, die der deutschen schreibt er dort bis spät in die Nacht?
Währung von der Reichsgründung 1871 bis zum Ein­ Eine Entschuldigung ans deutsche Volk? Dafür,
tritt in den Ersten Weltkrieg Stabilität verlieh. dass er die Kriegsschulden des Deutschen Reiches
Am 10. August 1923 rumort es vor der Reichs­ zulasten der Sparer getilgt hat? Wird er versuchen zu
bank. Hunderte von Menschen sind in die Berliner erklären, wie es dazu kam? Wird er zurückgehen bis
Jägerstraße gekommen. Sie schieben und schubsen, zur Reichseinigung 1871 und dem Versäumnis, dem
und sie schreien – nach Geld. Die Reichsdruckerei frisch geeinten Reich auch eigene Steuern zu geben,
beschäftigt dreimal so viele Arbeiter wie vor dem dem Geburtsfehler, der dafür sorgte, dass Deutschland
Krieg. Darüber hinaus produzieren noch 133 private (anders als etwa England) den Krieg über Kredite­
Druckereien Geldscheine im Auftrag der Reichsbank. finanzieren musste? Oder schreibt er einen Appell an Oder gratis lesen:
Trotzdem ist an diesem Tag das Geld knapp, denn die nachfolgende Notenbankchefs? Dass sie vehementer www.zeit.de/zg-heft
Drucker sind in den Ausstand getreten. sein sollen als er, gegen inflationäre Politik Einspruch
Der Sturm auf die Reichsbank endet, als die Dru­ einlegen sollen, die Zinsen erhöhen – und, falls alles
cker an die Maschinen zurückkehren. Doch inzwi­ nicht nützt, hinschmeißen?
schen wird überall gestreikt. Die Arbeiter wollen nicht Der Rücktritt ist die Ultima Ratio eines Zentral­ und Boden nur eine Illusion, denn im Ernst hätte
112421_ANZ_71x100_X4_ONP26 1
ja
19.01.23 13:05
nur mehr Lohn: Sie wollen eine neue Regierung. bankers. Zwei seiner Nachfolger werden später zu keiner die Herausgabe von Äckern erzwingen können.
Mitte August tritt Reichskanzler Wilhelm Cuno­ diesem Mittel greifen: Bundesbankchef Karl Otto Aber die Illusion funktioniert. So wird der 20. No­
zurück. Gustav Stresemann wird als Nachfolger ver­ Pöhl geht 1991 wegen Helmut Kohls großzügiger vember 1923 als Tag der Wende in Erinnerung blei­
eidigt. Sein Auftrag: die Inflation zu be­enden. Er legt Währungsumstellung bei der deutschen Einheit. Jens ben: der Tag, an dem man Havensteins Leichnam im
dem Reichsbankchef den Rücktritt nahe. Vergeblich. Weidmann verlässt die Bundesbank Ende 2021 als Lichthof der Reichsbank aufbahrt und Schacht die
In der Reichskanzlei gehen nun Berater mit Kon­ Reaktion auf den expansiven Kurs der Europäischen Währung zurück auf Vorkriegskurs bringt.
zepten für eine Währungsreform ein und aus. Der Zentralbank, den er vergeblich kritisiert hat. Im Dezember 1923 kostet das Brot 40 Pfennig.
erste heißt Karl Helfferich. Ein erzkonservativer Doch Havenstein hängt an seinem Amt. Und so
Mann, der einst mit Havenstein die Kriegsanleihen holt er zwar weit aus in dem Brief, den er an Reichs­ Von Jutta Hoffritz ist kürzlich das Buch
plante. Aber er versteht was von Ökonomie und hat präsident Friedrich Ebert schreibt. Er macht viele »Totentanz – 1923 und seine Folgen«
Fantasie: Solange Gold knapp ist, sollen Grund und Sätze, um die Unabhängigkeit der Zentralbank zu bei HarperCollins erschienen (336 S., 23,– €)
18
K
urz vor Schluss hätte ich bei-
nahe meinen aktivsten
Schöffen verloren. Die Wahl-
periode geht zu Ende, 2023
werden in ganz Deutschland
neue Schöffen gewählt. Die
Lokalzeitung ruft an. Man
habe Post von einem Mann
erhalten, der schreibt, er sei kürzlich in einer Straf-
verhandlung bei mir Schöffe gewesen. Mit dem
Urteil, an dem er mitwirkte, sei er offenbar nicht
einverstanden. In dem Brief lege er dar, warum
härtere Strafen nötig seien. O Gott, sage ich: Wenn
das stimmt, und ich zweifle kein bisschen, hat
dieser Schöffe das gesetzliche Beratungsgeheimnis
gebrochen – und damit eine Straftat begangen.
Ich wusste sofort, dass der Briefschreiber Jörg
Thieme war. Wir hatten – gemeinsam mit einer
Schöffin – gegen einen Mann verhandelt, der un-
sere Stadt mit Drogen belieferte. Beschafft hatte er
sie sich im weltweiten Darknet, nicht ahnend, dass
dort auch das US-amerikanische Heimatschutz-
ministerium unterwegs ist. Das teilte seine Er-
kenntnisse mit der hiesigen Staatsanwaltschaft. Bei
der Postüberwachung konnten zwei Pakete mit je
einem Kilogramm Amphetamin beschlagnahmt
werden. Als die Polizei morgens um sechs zur
Hausdurchsuchung klingelte, öffneten drei schul-
pflichtige Kinder. Den Beschuldigten und seine
Lebensgefährtin trafen die Beamten nicht an. Im
verschlossenen Wohnzimmer fanden sie eine kleine­
Cannabiszuchtanlage, eine Menge Bargeld und
Abnehmerlisten. Aus denen ergab sich, dass der
Beschuldigte für zehn Gramm Amphetamin, Ein-
kaufspreis 20 Euro, im ambulanten Einzelhandel
50 Euro erhielt. Die beschlagnahmten Computer
offenbarten allabendliche Geschäftigkeit im dunk-
len Netz.
In der Gerichtsverhandlung ist der Angeklagte
geständig; was hätte er angesichts der Beweise auch
leugnen sollen. Der Staatsanwalt beantragt eine
Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren.
Wir sitzen einer Frau gegenüber, die einen
tödlichen Verkehrsunfall verursacht hat
Das kann doch nicht sein, sagt Thieme in der­
folgenden Verhandlungspause. Er krempelt ein
Hosen­bein hoch. Hier, sehen Sie mal, alles voller
entzündeter Mückenstiche. Ich arbeite als Kranken­
pfleger für eine Leiharbeitsfirma. Die hat mich in
eine Klinik nach Niedersachsen geschickt. Logis
erhielt ich in einem Bauernhof. Mein Fenster hatte
keinen Insektenschutz, die Mücken haben mich
aufgefressen. Am Ende des Monats, nach Abzug
aller Aufwendungen, hatte ich keine 2000 Euro
übrig. Und der da, er deutet Richtung Anklage-
bank, bezieht Arbeitslosengeld, tippt jeden Abend
ein bisschen im Internet herum, setzt keinen Fuß
vor die Tür, vergeudet keinen Tropfen Schweiß,
macht sich die Hände nicht schmutzig – und ver-
dient Tausende? Mir geht es nicht um den Schutz
der erwachsenen Käufer, soll doch jeder sein Recht
auf Rausch haben. Mir geht es um die moralische
Ungerechtigkeit, die dazu führt, dass meinen Job
und andere Jobs, auf denen das Funktionieren
unserer Gesellschaft beruht, bald keiner mehr ma-
chen wird, wenn sich das Geld anders und ohne
Ausbildung und ohne Risiko viel leichter ver­
dienen lässt.
Na ja, hatte ich ihn zu beruhigen versucht,
zweieinhalb Jahre Freiheitsentzug sind ja nicht
nichts. Das Dilemma des Schöffen: Zwar darf er
in der Urteilsberatung seine Meinung noch vor
dem Berufsrichter äußern und damit von diesem
unbeeinflusst, aber natürlich hat er bei nur zwölf
Einsätzen im Jahr kein Gefüge im Kopf, welches
Strafmaß üblich und angemessen ist. Am Ende­
einigen wir uns auf die zweieinhalb Jahre: Ver-
kündung so im Namen des Volkes. In der folgen-
den Urteilsbegründung greife ich zunächst die
rechtlichen Argumente des Staatsanwalts auf. Dem
Verurteilten entlocke ich damit keine Reaktion.
Als ich jedoch – von Thieme dazu ermächtigt –
dessen Mückenstiche anführe und seine Argumente
zu denen des Gerichts mache, blickt der Angeklagte
überrascht auf. Vom Staat verurteilt zu werden,
hatte er erwartet. Dies mit den Argumenten eines
Bürgers begründet zu bekommen ist ihm sichtlich
unangenehm.
Als Richter und Berufsjurist muss ich mich vor
moralischen Bewertungen hüten. Ein ehrenamt­
licher Richter, der keine juristischen Argumente
hat, muss das nicht. Eine Strafe, die nur dem Ge-
setzbuch entnommen wirkt, ohne auf eine mora-
lische Legitimation zurückgeführt werden zu kön-
nen, erscheint oft blutleer. Der Berufsrichter und
die beiden Laien, das ist bestenfalls die Fusion von
Recht und Moral. Es ist die Verankerung des Ge-
richts in der Gesellschaft.
Wir sitzen einer Frau gegenüber, die einen töd-
lichen Verkehrsunfall verursacht hat. Beim Abbie-
gen mit ihrem Pkw übersah sie eine Radfahrerin,
die mit ihrem E-Bike auf dem Fußgängerweg un-
terwegs war. Der hinter ihr fahrende Ehemann
musste mit ansehen, wie die 66-Jährige vom Auto
erfasst wurde, auf die Straße geschleudert wurde
und starb. Im Zeugenstand geben wir ihm Gele-
VERBRECHEN
Mein Schöffe
In diesem Jahr werden deutschlandweit die ehrenamtlichen Richter neu gewählt.
Über einen, der als Vorbild taugen könnte  VON THOMAS MELZER
Jörg Thieme erfüllt das Ideal des Schöffen: Er bringt Lebenserfahrung in den Gerichtssaal
genheit, zu erzählen, was aus seinem Lebensabend
geworden ist. Er bemühe sich, den Enkelkindern
irgendwie die geliebte Oma zu ersetzen, berichtet
er gefasst. Unfallablauf und Todesursache sind
längst geklärt, ich gebe das Fragerecht an die
Schöffen weiter. Herr Thieme hat noch eine Frage:
Wir wissen, dass Ihre Frau keinen Fahrradhelm
trug. Trugen Sie einen? Der Witwer verneint. Und
jetzt, will Thieme wissen, wenn Sie jetzt Fahrrad
fahren, tragen Sie dann einen? Der Witwer ver-
neint erneut. Thieme schweigt. Plötzlich steht er
auf: »Wenn der sinnlose Tod Ihrer Frau irgend­
einen Sinn haben kann, dann den, dass Sie jetzt
einen Fahrradhelm tragen. Wenigstens Ihren vier
Kindern und sieben Enkelkindern zuliebe. Ich ar-
beite in der Rettungsstelle eines Krankenhauses
und kann Ihnen aus beruflicher Erfahrung sagen –
ob ein Fahrradfahrer einen Unfall überlebt oder
nicht, hängt oft allein vom Helm ab.« Er setzt sich
wieder und fügt halblaut hinzu: »Jetzt habe ich
eine Gänsehaut.« – »Wir alle haben eine Gänse-
haut«, sage ich.
Was Thieme nie macht, ist politisieren. Man
kann weder sagen, er sei liberal noch ein Law-and-
Order Mann. Einst verhandelte ich mit einem
Schöffen, der gern und oft den damaligen bran-
denburgischen CDU-Innenminister Schönbohm
zitierte. Solche Fußnoten sind für einen Laien-
richter heikel, nicht nur wegen des Risikos von Be-
fangenheitsanträgen, vor allem für die eigene Ent-
scheidungsfreiheit. Eine erkannte Gefahr ist auch
hier nur noch eine halbe: Vor der Hauptverhand-
lung um die Vergewaltigung einer Frau bekannte
die Schöffin, sie arbeite ehrenamtlich im Weißen
Ring. Dort be­ruhe die Opferarbeit auf der Hypo-
these, die Aussagen einer vergewaltigten Frau oder
112397_ANZ_71x100_X4_ONP26 1
eines verprügelten Mannes für wahr zu halten.
Großartig, dass Sie diesen Konflikt offenlegen,
sagte ich, die ehrenamtliche Arbeit eines Schöffen
wiederum funktioniert auf der Arbeitshypothese,
alles für möglich zu halten. Zu Beginn einer
Schöffenverhandlung, wir hatten uns kaum ge-
setzt, beugte sich einmal ein Schöffe zu mir und
bat um Unterbrechung. Ich kenne den Angeklag-
ten sehr gut, sagte er im Beratungszimmer, ich war
jahrelang sein Basketballtrainer. Raus in den Saal
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FASZINATION
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www.zeit.de/zv-heft
13.01.23 15:04
Foto: Steffen Roth für DIE ZEIT
und die Karten auf den Tisch gelegt. Weder Ver-
teidigung noch Staatsanwaltschaft sahen Anlass
für Befangenheit und, nach einer Bedenkzeit, auch
der Schöffe nicht. Wir verhandelten.
Die Schöffen unseres Gerichts sind von Beruf
Friseurin oder Zimmerer, Studentin oder Rentner,
Lehrerin oder Hausmeister. Eine solche Vielfalt
gab es in den 1990er-Jahren nicht, da erschien das
ostdeutsche Schöffengericht wie die verlängerte
Werkbank der Kommunalverwaltung. Nach der
Wende waren die meisten Menschen mit sich
selbst beschäftigt, mit der Erhaltung ihres Arbeits-
platzes oder dem Aufbau beruflicher Selbststän-
digkeit. Wo gesellschaftliches Engagement in wei-
ter Ferne lag, musste der öffentliche Dienst aus-
helfen. Jede Kommune ist verpflichtet, eine An-
zahl von Kandidaten für das Schöffenamt zu mel-
den. Gibt es nicht genügend Bewerber, werden die
Kandidaten aus der Meldeliste gelost. Das ist für
alle Beteiligten ein Albtraum: für den Bürger, der
plötzlich an zwölf Tagen im Jahr unfreiwillig zum
Laienrichter wird, und für den Berufsrichter, der
mit solchen Schöffen arbeiten muss. Um das zu
verhindern, fuhr ich in den Wahlkampagnen der
Neunzigerjahre durch die Uckermark und bekniete
die Bürgermeister, honorige Mitbürger für das
Amt zu motivieren. Zehn Jahre später gewann ich
den Fachbereich Kommunikationsdesign an der
Fachhochschule Potsdam dafür, eine mediale
Kampagne zu gestalten. Tausendfach wurde da-
nach die märkische Öffentlichkeit in Pastellfarben
tapeziert: »Scharfsinnige gesucht ... / Rechtschaffe-
ne gesucht ... / Lebenserfahrene gesucht ... / Wahr-
heitsapostel gesucht ... et cetera, die Schöffen wer-
den wollen.« Gelost werden musste nun nicht
mehr. Stattdessen gab es Enttäuschung bei vielen,
9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
die nicht gewählt worden waren. Denn die
Schöffen­wahl ist keine, die sich in einem Wett­
bewerb um persönliche Eignung entscheidet. Sie
hat lediglich das Ziel, im Schöffenkorps eines­
Gerichts den Gerichtsbezirk nach Alter, örtlicher
Herkunft und sozialem Status zu repräsentieren.
Lebenserfahrene gesucht ... Einst war Thieme
für eine Ladung nicht erreichbar. Als er wieder da
war, zeigte er mir Fotos auf dem Handy: er allein,
im Spätherbst durch den Schnee der Hohen Tatra
stapfend. Es war mal wieder so weit, Jahrestag,
brennende Erinnerungen: »Vor zehn Jahren, genau
an meinem Geburtstag, hat sich mein Lebens­
gefährte in unserer Wohnung aufgehängt. Ich
habe ihn abgenommen und wiederzubeleben ver-
sucht. Seitdem weiß ich, was ein Trauma ist.«
Rechtschaffene gesucht ... In der Urteils­
verkündung war ein Angeklagter ausgerastet, hatte
uns als Büttel einer Diktatur beschimpft; wir seien
»das Letzte auf deutschem Boden«. Ich hatte ihn
ausreden lassen. Danach fragende Blicke der
Schöffen. Wir haben sehr viel Macht, sage ich,
dass ihre Anwendung zu Emotionen führt, sollten
wir hinnehmen. Spät am Abend, Mail von Thieme:
»Und dennoch. Ich mache das als Bürger und
muss mir so etwas nicht bieten lassen. Ich werde
Anzeige erstatten.«
Und da ist noch die Geschichte, wie zwei
Schöffen den Berufsrichter überstimmten
Nach dem Anruf aus der Lokalredaktion schrieb
ich Thieme: »Ich habe Grund zur Annahme, dass
Sie nach Ihrem letzten Schöffeneinsatz gegen
§§ 43, 45 Deutsches Richtergesetz verstoßen ha-
ben, und bitte deshalb um eine Aussprache.« Zu-
gleich grübelte ich, ob ich nicht eigentlich sofort
die Staatsanwaltschaft informieren müsse. Thieme
kommt, mit Kuchen im Gepäck: »Na, Sie haben
mir ja einen Schreck eingejagt. Ich musste erst ein-
mal googeln, was in diesen Paragrafen steht.« In
ihnen steht, dass der Richter über den Hergang bei
der Beratung und Abstimmung zu schweigen hat
und dass das auch für Schöffen gilt.
Das Beratungsgeheimnis dient dem Schutz der
beteiligten ehren- und hauptamtlichen Richter.
Sie sollen in der Beratung offen argumentieren
können, ohne Sorge haben zu müssen, ihre Argu-
mente an einem Stammtisch oder in der Zeitung
wiederzufinden. Und es soll sich keiner der Betei-
ligten auf Kosten der anderen von der Mehrheits-
entscheidung distanzieren dürfen. Die Professio-
nalität des Berufsrichters kann das auf eine harte
Probe stellen: Wurde er in der Beratung von den
Schöffen überstimmt, muss er in der anschließen-
den öffentlichen Urteilsbegründung die Entschei-
dung auch zu seiner eigenen machen. Nun sagt
Thieme: Davon wusste ich nichts. Zwar kann ich
mich erinnern, vor vier Jahren auf die Verfassung
geschworen zu haben, aber von Beratungsgeheim-
nis war da nicht die Rede. – Ich hatte vor dem
Gespräch im Archiv gesucht, ob eine entsprechende
Belehrung der Schöffen aktenkundig ist. Fehl­
anzeige. Geschult werden Schöffinnen und Schöf-
fen nur in den Seminaren der Deutschen Vereini-
gung der Schöffinnen und Schöffen (DVS). Die
Teilnahme daran ist freiwillig.
Abgesehen vom Gesetzesbruch, sage ich, war
Ihr Brief an die Zeitung total illoyal. Aber ich habe
doch da gar nicht behauptet, überstimmt worden
zu sein, sagt er. Ich wollte eine öffentliche Diskus-
sion anstoßen. Es ist doch paradox, eine harte
Strafe auch mit Generalprävention zu begründen,
und dann sitzt kein einziger Zuschauer im Ge-
richtssaal. Niemand da draußen erfährt von den
zweieinhalb Jahren, die abschreckend wirken sol-
len. – Es stimmt ja: Die Funktion von Laienrich-
tern ist auch, ihren Familien, Freunden und Kolle-
gen aus erster Hand vom Funktionieren und
Nichtfunktionieren der Justiz zu berichten.
Der strafrechtliche Anfangsverdacht hat sich
wegen der möglicherweise ungenügenden Beleh-
rung des Schöffen in Luft aufgelöst, nun hätte
Thieme gern noch einen Kaffee. Warum sind Sie
eigentlich Schöffe geworden, frage ich. Ich habe
viele Jahre in ­Wales gelebt, antwortet er. Direkt
gegenüber vom Knast in Cardiff gibt es ein Res-
taurant, das von Strafgefangenen betrieben wird.
Dort habe ich angefangen, über Strafe und Re­
sozialisierung nachzudenken.
Ich räume die Kaffeetassen zusammen. Okay,
sagt Thieme, ich sehe schon, Sie wollen mich raus-
werfen. Nur schnell noch die Geschichte, wie wir
Schöffen einmal den Berufsrichter überstimmten.
Der bestand auf Gefängnis, aber die Kollegin und
ich wollten dem Angeklagten noch eine ­Chance
geben. Also Bewährung, mit zwei zu eins, da ist
der Richter wortlos aus dem Beratungszimmer ge-
rauscht. Thieme, sage ich, Sie lernen nicht dazu:
Sie haben eben schon wieder gegen das Beratungs-
geheimnis verstoßen. Na, nee, sagt Thieme, ich
habe ja nicht gesagt, welcher Richter und welches
Verfahren das waren.
Wo er recht hat, hat er recht.
Thomas Melzer ist Amtsrichter in Brandenburg
und dort unter anderem Vorsitzender eines
Schöffen­g erichts. Zudem ist er Autor der ZEIT

WIRTSCHAFT
Der Protest geht in seinen dritten
Tag, und fast alles ist wie am ersten.
Dieselben Parolen, derselbe Zorn,
dieselben Plakate, »Nein zur Ren-
tenreform« steht darauf, »Macron
der Reichen«, »Widerstand«. Auch
Jacques Borensztejn trägt wieder
denselben Parka, dieselbe Jeans und
dieselben Schuhe. Nur die Wegstrecke
des Protestzugs hat sich verändert: Die
Demonstranten in Paris versammeln
sich an diesem Dienstag vor der alten
Oper, von dort ziehen sie zum Platz
der Bastille.
»Die Geschäftsleute beschweren
sich, wenn wir immer dieselbe Route
nehmen«, sagt Borensztejn und schaut
vergnügt. Der 66-Jährige ist stellver-
tretender Sekretär der Force Ouvrière
(FO) in Paris, und er hat in seinem
Leben schon viele Demonstrationen
organisiert. Die FO ist die drittgrößte
Gewerkschaft des Landes.
Streiks und Aufruhr, Wut und Blo-
ckaden: Das gehört zur politischen
Kultur des Landes. Aber so heftige Pro-
teste wie jetzt hat es lange nicht gegeben.
Manche sagen sogar: noch nie in dieser
Republik.
Zum dritten Mal innerhalb von drei
Wochen haben Hunderttausende Fran-
zosen demonstriert. Mehr als 750.000
waren nach Angaben des In­nen­mi­nis­te­
riums auf der Straße; die CGT, eine der
großen Gewerkschaften, will fast zwei
Millionen gezählt haben. Ungewöhnlich
ist, dass auch in vielen kleinen Städten, in
Béziers, Morlaix oder Boulogne-sur-mer,
Tausende auf die Straße gehen. Dominique
Andolfatto spricht von einer »historischen
Mobilisation«, der Politikwissenschaftler
forscht an der Université de Bourgogne zu
Gewerkschaften und sozialen Bewegungen.
Auch Jacques Borensztejn kann sich
nicht erinnern, dass je so viele Menschen in
so kurzer Zeit in Frankreich demonstriert
hätten. Und seine Erinnerungen reichen weit
zurück. Im legendären Mai 1968, als Studen-
tinnen und Studenten, Arbeiterinnen und
Arbeiter in Paris gemeinsam revoltierten, saß
er auf den Schultern seines Vaters. »Ich war
damals elf, aber ich bin bis heute stolz darauf,
dass ich dabei war.«
Ist das mal wieder typisch französisch, ein
folkloristisches Theater mit einem Hauch von
Klassenkampf? Oder baut sich etwas Größeres
auf, eine Proteststimmung, die Fragen der Ver-
teilungsgerechtigkeit neu stellt?
Angefangen hat der Aufruhr in Frankreich
vor einem Monat, als Élisabeth Borne, die
Premierministerin, Pläne für eine umfassende
Reform des Rentensystems vorstellte. In deren
Mittelpunkt steht die schrittweise Anhebung
des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre.
Präsident Emmanuel Macron hatte eine solche
Reform schon im Wahlkampf angekündigt,
Borne soll sie jetzt umsetzen. Doch die Gewerk-
schaften warnten bereits vorab: Zwei Jahre länger
zu arbeiten, das sei mit ihnen nicht zu machen.
Regierung gegen Gewerkschaften – bei diesem
Duell kann nur eine Seite gewinnen.
Jacques Borensztejn bereitet eine Woche nach
der Ankündigung durch die Premierministerin
die erste Demonstration vor. Er ist früh aufgestan-
den, um Flugblätter zu verteilen, nun steht er in
der Druckerei der Gewerkschaftszentrale. Auf dem
Boden liegt ein Plakat: »Ne touche pas à nos retraites«
Illustration: Lydia Sperber für DIE ZEIT; Fotos: Lorraine Hellwig für DIE ZEIT (r.); ddp
steht darauf, »rühr unsere Renten nicht an!«. In
einem Regal lagern Fahnen, Anstecker, Banderolen,
teilweise noch von früher, zur Wiederverwendung.
Natürlich werde Macron nicht gleich nach
den ersten Demonstrationen nachgeben, sagt­
Bo­ren­sztejn, so etwas erfordere einen längeren
Kampf. Der Drucker spuckt die nächsten Flugblätter aus. Die FO
hat beschlossen, dass Streikende künftig für jeden Tag im Ausstand
30 Euro Entschädigung erhalten statt zwölf, wie bislang. Die
Streikkassen sind offensichtlich gut gefüllt.
Macron und seiner Regierung hat es nicht geholfen, dass sie für
ihre Pläne zuletzt laufend wechselnde Begründungen vorlegten.
Mal hieß es, das umlagefinanzierte Rentensystem stehe kurz vor
dem Kollaps. Andere Male wurde auf den hohen Schuldenstand
des Landes verwiesen. Aber tatsächlich stimmt beides und spielt
zusammen: die Demografie und das Budget.
Das gesetzliche Renteneintrittsalter liegt in Frankreich bei 62
Jahren, während in Deutschland mittlerweile über die Rente mit
70 diskutiert wird. Das Rentenniveau in Frankreich ist vergleichs-
Straßenproteste vergangene Woche in Paris
9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
te ste h at d ie R epub lik selten gesehen:
So heftige Pro
n de ge ge n ei ne R en
ra n k reic h dem on st rieren Hunderttause
In F eh r d ah in
lore, oder steckt m
la n d es ty pische F o lk
Ist das
weise hoch, weshalb die Altersarmut deutlich ge-
ringer ausfällt als etwa in Deutschland. Dafür muss das Land
schon jetzt 13,6 Prozent seines Bruttosozialprodukts für Ren-
tenzahlungen aufwenden. In Deutschland sind es 10,2 Prozent,
der Durchschnitt aller OECD-Länder liegt bei 7,7 Prozent. Mehr
als ein Viertel aller öffentlichen Ausgaben in Frankreich fließt
laut Berechnungen von Experten in die Renten. Geschieht nichts,
wird dieser Anteil weiter wachsen. Denn die Gesellschaft altert,
auch wenn die Geburtenrate in Frankreich nach wie vor höher ist
als in den meisten anderen westeuropäischen Ländern.
Premierministerin Borne wird deshalb nicht müde, auf die
Berechnungen des unabhängigen Rentenrats hinzuweisen: Noch
vor 20 Jahren zahlten zwei Arbeitnehmer für eine Rentnerin in die
Rentenkasse ein, heute sind es nur noch 1,7 Beitragszahler. Und
tenreform.
ter?   VO N M AT TH IA S KR
UPA
Frankreich ist schon jetzt
hoch verschuldet. Die Schuldenquote liegt bei 113 Prozent
des Bruttosozialprodukts.
Aber Zahlen sind abstrakt – und die Frage, wie lange
sie arbeiten müssen, ist für die Menschen sehr konkret.
Wenn protestiert wird, kommt Borensztejn stets als
einer der Ersten. Am zweiten Aktionstag soll es um 14 Uhr
an der Place d’Italie losgehen, und er ist schon um kurz
nach elf da. Die Reihenfolge, in der sich die einzelnen
Gewerkschaften aufstellen, ist genau festgelegt und wird
jedes Mal durchgetauscht. »Sonst müssten wir drei Stun-
den länger diskutieren«, sagt Borensztejn. Jede Gewerk-
schaft hat Fahnen und Ballons in ihren eigenen Farben,
aus den Boxen scheppert Bella Ciao, das Partisanenlied.
Die Metaller der FO sind für den Grill verantwortlich,
die Eisenbahner haben Sandwiches belegt. Bier kostet
* Nein zu
64 Jahren!
19
zwei Euro, Wein gibt es für 1,50 Euro. Viele Bankfilialen, die
an der Wegstrecke liegen, haben ihre Schaufenster vorsorglich
mit Holzlatten verrammelt.
Borensztejn hat die Hände in seiner Jacke vergraben und
tigert über die Straße, die sich langsam füllt. Immer wieder
begrüßt er alte Weggefährten. Er war mal Direktor an einer
Pariser Grundschule, insgesamt hat er 46 Jahre lang gearbeitet.
Vor zwei Jahren ist er in den Ruhestand gegangen, mit 64. So
lange zu arbeiten sei eine persönliche Entscheidung gewesen.
Anders als in Deutschland markiert das gesetzliche Renten-
alter in Frankreich eine Untergrenze. Wer eine vollständige
Rente beziehen will, muss für die Dauer von 41,5 bis 43
Jahren Beiträge gezahlt haben. Sonst werden Abzüge fällig.
Auch diese Schwellen sollen heraufgesetzt werden, viele
müssen künftig eine längere Lebensarbeitszeit aufweisen,
und das trifft Menschen mit Lücken in ihrer Erwerbs-
biografie. Oft sind das Frauen oder Geringqualifizierte.
Jacques Borensztejn findet die geplante Reform
deshalb »besonders ungerecht für diejenigen, die am
meisten ausgebeutet und unterdrückt werden«. Die
durchschnittliche Lebenserwartung etwa von Kanal-
arbeitern betrage nur 61 Jahre. »Viele sind tot, bevor
sie in Rente gehen.«
Frankreichs Gewerkschafter gelten seit je als beson-
ders kämpferisch. So wie Borensztejn, er ist zum Bei-
spiel einmal 54 Tage lang im Ausstand gewesen. Das
war 2010, schon damals ging es um die Rente. Das
Streikrecht hat eine lange Tradition und ist in der Ver-
fassung verankert. Es gibt keine Friedenspflicht, auch
Beamte dürfen streiken.
Das heroische Bild von den Gewerkschaften sei den-
noch verzerrt, sagt Dominique Andolfatto, der Politik-
wissenschaftler. »Einige von ihnen setzen den Klassen-
kampf immer wieder neu in Szene«, sagt er, aber auch in
Frankreich hätten sie viele Mitglieder verloren. Nur noch
zehn Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
sind überhaupt gewerkschaftlich organisiert. Der Orga-
nisationsgrad ist einer der niedrigsten in Europa. Vor
allem viele Industriearbeiter wählen nun Marine Le Pen
und hoffen, dass die rechte Nationalistin ihre Interessen
besser vertritt als die meist linken Gewerkschaften.
Auch Macron habe die Verbände so betrachtet, sagt
Andolfatto: »Als archaische, altmodische Institutio-
nen, historische Relikte, die nicht mehr in die Zeit
passen.« Umso größer ist nun die Überraschung. Zum
ersten Mal seit mehr als zehn Jahren haben die wich-
tigsten Gewerkschaften gemeinsam zum Widerstand
aufgerufen. Vom Grad der Mobilisierung seien sie
»selbst überrascht«.
Doch in dieser Sache sind sich mehr als zwei Drit-
tel der Franzosen mit den Gewerkschaftern einig: Laut
Umfragen lehnen sie die Anhebung des Rentenalters
ab. Die Regierung habe den Kampf um die öffent-
liche Meinung »quasi verloren«, sagt der Meinungs-
forscher Frédéric Dabi. Nur bei den Rentnerinnen
und Rentnern, die von der Reform nicht mehr be-
troffen sind, treffen Macrons Pläne überwiegend auf
Zustimmung.
»Ja, unser Rentensystem ist teuer«, sagt Jacques
Borensztejn. Aber er sieht trotzdem kein Finanzie-
rungsproblem. Wenn das Geld fehle, wie könne es
dann sein, dass Macron gerade erst angekündigt
habe, den Wehretat um viele Milliarden zu erhöhen?
Warum nehme die Regierung dann nicht die Un-
ternehmen stärker in die Pflicht? Macron hatte
Steuer- und Beitragserhöhungen für Arbeitgeber
bei dieser Rentenreform ausgeschlossen.
»Superrenten statt Superprofite« steht auf
einem der Protestplakate, das bei den Demons-
trationen hochgehalten wird. Da wird klar:
Dieser Aufruhr um die Rente spiegelt einen
größeren Konflikt. Die Verteilungskämpfe ha-
ben sich in Frankreich wie in vielen anderen
europäischen Ländern durch den Krieg in der
Ukraine und die Pandemie verschärft. »Ich
erinnere daran«, sagt Borensztejn, »dass in
Frankreich ein Milliardär mit mehr als 200
Milliarden Dollar lebt, der sein Vermögen
seit Beginn der Pandemie verdoppelt hat.«
Bernard Arnault, der Vorstandsvorsitzende
und Großaktionär des Luxusgüterkonzerns LVMH, gilt seit
Kurzem als der reichste Mann der Welt.
Die Gewerkschaften wollen ihre Proteste schon an diesem
Samstag fortsetzen und die Streiks verschärfen. Seit Beginn dieser
Woche wird die Rentenreform in der Nationalversammlung dis-
kutiert, was die Aufregung weiter schürt. Macrons Partei hat
keine eigene Mehrheit mehr und muss die konservativen Repu-
blikaner für das Vorhaben gewinnen.
Und Borensztejn ist bei den nächsten Demonstrationszügen
natürlich wieder dabei. »Nur weil ich in Rente bin, höre ich ja nicht
auf, für Gerechtigkeit zu kämpfen«, sagt er. Er träumt davon, dass
Frankreich wieder zur Rente mit 60 zurückkehren kann. Die ­hatte
der frühere Präsident François Mitterrand, ein Sozialist, mal ein-
geführt. 1981 war das.
www.zeit.de/vorgelesen
Jacques Borensztejn organisiert die Demonstrationen mit
20
700 Stellen werden abgebaut, 23 Magazine eingestellt: Was hinter dem Kahlschlag beim früheren Verlag Gruner + Jahr steckt  VON HANNAH KNUTH
D
a steht er nun also, der Mann,
auf den sie seit Monaten­
warten, im Foyer des einst
stolzen Verlagshauses, und
ver­kündet den Niedergang.
Drahtig, sportlich, scheinbar
ganz ruhig. Hunderte Mitar-
beiter sind am vergangenen Dienstagmorgen ins
Gebäude am Hamburger Baumwall gekommen
und hören ihm zu. Seine Botschaft ist brutal.
Da steht er also, nach Monaten des Schwei-
gens, und schickt erst mal eine Entschuldigung
vorweg: für die »mediale Kakofonie« der vergan-
genen Wochen, für die »wilden Spekulationen«
um die Zukunft von Gruner + Jahr, einst Europas
größter Zeitschriftenverlag.
Thomas Rabe heißt der Mann, er ist Chef von
Bertelsmann und von RTL Deutschland, er hat der
Belegschaft eine 16-seitige PowerPoint-Präsentation
mitgebracht, einen kühlen Vortrag von knapp 25
Minuten. Der besagt im Kern: 500 der insgesamt
1900 Mitarbeiter werden ihre Jobs verlieren, 200
weitere sollen einen neuen Arbeitgeber bekommen.
Dazu habe, so Rabe, ein massiver Umsatzeinbruch
bei den Magazinen geführt, während gleichzeitig die
Kosten für Herstellung und Papier enorm gestiegen
seien. 23 Magazine von Gruner + Jahr werden deshalb
eingestellt, rund 30 Prozent des Umsatzes, darunter
die gedruckte Zeitschrift Eltern, die Titel Barbara und
Guido, die View sowie zahlreiche Ableger von Geo und
Brigitte. Die Kernmarken von Gruner + Jahr, darunter
die Magazine stern, Brigitte, Gala, Geo und Capital,
bleiben erhalten, einige von ihnen erscheinen künftig
unter dem Dach von RTL News. Zeitschriften wie
das Kunstmagazin Art oder 11 Freunde, Business Punk
und Beef werden zum Verkauf angeboten.
Die Folgen dieser Einschnitte treffen nicht nur
die Redaktionen. Auch auf Verlagsebene wird ge-
schrumpft: Personal-, Finanz- und Rechtsabteilungen
werden künftig nur noch am RTL-Hauptsitz in Köln
angesiedelt sein. Und beim TV-Sender RTL sollen bis
2025 jedes Jahr rund 100 Stellen abgebaut werden.
Thomas Rabe, Liz Mohn, Witwe
Bertelsmann-Chef des früheren
und CEO von RTL Konzernchefs
Am Dienstag protestierten Hunderte Mitarbeiter des einstigen Gruner + J ahr-Verlages vor dem Hamburger Rathaus
Altpapier
Als Thomas Rabe diesen Kahlschlag Dienstag-
früh im Foyer verkündet – er ist inzwischen bei
Folie acht angekommen –, werden Trillerpfeifen
laut. Auch Buhrufe. »Beruhigt euch«, entfährt es
ihm wenig später, er duzt an diesem Morgen alle.
Umgekehrt nicht.
»Sie reißen uns das Herz raus«, sagt ihm eine
Mitarbeiterin mit zitternder Stimme bei der Aus-
sprache mit der Belegschaft.
»Sie müssen das noch mal erklären«, fordert
eine andere Mitarbeiterin.
Der Verlag Gruner + Jahr hat die Digitalisie-
rung seiner Zeitschriftenmarken verschlafen, dem
Verlag fehlte die Strategie, ihm fehlte die Ausdauer,
oft fehlte auch schlicht das Geld.
Das hat mit seinem Mutterkonzern Bertels-
mann zu tun, der mit vielen Geschäften seiner
Tochterfirma Gruner  + 
Jahr schon lange nichts
mehr anfangen kann. Der auch deshalb einen pro-
fitablen Verlag zerteilt.
Das hat auch mit einer gescheiterten Fusion zu
tun, ein Management-Versagen auf allen Ebenen.
Bei Bertelsmann glaubte man, mal eben zwei Welten
vereinen zu können: die Welt von RTL, Heimat von
Dschungelcamp-Prolls, von Dieter Bohlen, von
Deutschland sucht den Superstar, und die Welt von
Gruner + Jahr – mit dem politischen stern, der klugen
Geo, der unverwüstlichen Brigitte.
Als Bertelsmann im Sommer 2021 verkündete,
RTL werde die Gruner-Hefte übernehmen, war das
Versprechen groß: Es entstehe ein »journalistisches
Powerhouse«, sagte Thomas Rabe, der Bertelsmann-
CEO, man wolle »nationaler Champion« werden.
Die Vision des Champions basierte auf einer App:
ein Angebot für Streaming, Audio und Magazine,
alles gebündelt auf einer Plattform. Doch fast nichts
klappte. Die App kam nicht wie angekündigt. Paral-
lel versuchte man, Gruner-Marken ins Fernsehen zu
bringen. Innerhalb kurzer Zeit machte man aus der
Gala eine TV-Sendung auf RTL, aus Chefkoch auch.
Viel zu schnell sei man dabei vorgegangen, sagen
heute Mitarbeiter beider Häuser. Nachdem im Som-
Ein Medienhaus im Wandel
700
Arbeitsplätze
sollen insgesamt abgebaut
werden
WIRTSCHAFT
mer 2022 der von Gruner + Jahr gekommene RTL-
Chef gefeuert wurde, übernahm Thomas Rabe selbst
den Posten – und führte fortan als Chef gleichzeitig
den Bertelsmann-Konzern, die internationale RTL
Group und RTL Deutschland.
Im September vergangenen Jahres verkündete
Rabe, er werde das Titelportfolio aller Zeitschrif-
ten prüfen und nur jene Hefte mit RTL zusam-
menführen, die »wirklich synergetisch« seien. Für
viele Mitarbeiter am Baumwall kam diese Bot-
schaft überraschend.
Kurz vor Weihnachten berichtete die Süddeutsche
Zeitung dann, zahlreiche Magazine von Gruner
stünden bereits zum Verkauf, ein Bieterverfahren
im Hintergrund laufe, allein der stern sei noch nie-
mandem angeboten worden. Weil RTL nicht hart
dementierte, überschlugen sich die Gerüchte.
Selbst führende Chefs von Gruner-Marken gingen
bis zuletzt davon aus, höchstens der stern und Geo
würden bewahrt. Dabei gab es offenbar nie den
Plan, nahezu alle Marken einzustellen oder zu ver-
kaufen – auch gab es keine Bieterverfahren.
Nach Recherchen der ZEIT sind zudem zahlreiche
Gruner-Magazine noch immer profitabel, darunter
auch solche, die nun eingestellt oder verkauft werden,
etwa Art, Business Punk, 11 Freunde oder Geo Epoche.
Schon Dienstagmorgen, als Thomas Rabe im
Foyer des Verlags die Einstellung von Geo Epoche
erklären muss, wird deshalb Widerspruch laut. Es
möge »kalt und analytisch« klingen, antwortet
Rabe, aber es gebe auch profitable Magazine, die
nicht in die künftige Strategie des Hauses passten.
Die Magazin-Geschäfte hätten im Jahr 2022 ge-
rade einmal eine Million Euro eingebracht. Für
das laufende Jahr erwarte er sogar ein Minus von
mehr als 20 Millionen Euro.
Wie konnte das passieren? Im Bertelsmann-
Geschäftsbericht von 2021, aus dem Jahr vor der
Übernahme durch RTL also, wird Gruner + Jahr
als profitabel ausgewiesen – mit einem Gewinn
vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen und sonsti-
gen Aufwendungen von 134 Millionen Euro.
Auswahl an Magazintiteln,
die eingestellt werden
Barbara, Brigitte Wir, Brigitte ­
Woman, Chefkoch (Print),
Eltern (Print), Geo Epoche,
Geo Walden, Geo Wissen, Guido,
stern Gesund Leben, stern View
Auswahl an Magazintiteln,
die verkauft werden
11 Freunde, Art, Beef,
P.M., Salon
Und jetzt: nur noch eine Million Euro Gewinn?
Mit der Entscheidung von Bertelsmann, den
profitablen Verlag aufzuspalten und das Zeitschrif-
ten-Geschäft an RTL zu verkaufen, wanderten alle
übrigen G + J-Geschäfte zu Bertelsmann Invest-
ments: die Kommunikationsagentur Territory, die
Software-Entwickler Applike sowie Anteile an der
DDV-Mediengruppe und der Spiegel-Gruppe. Er-
folgreiche Geschäfte, die jahrelang auf das Ergebnis
des Verlags eingezahlt haben. Fallen diese nun aus
der Bilanz, bleibe für das Jahr 2021 laut Bertelsmann
ein Gewinn von 40 Millionen Euro. Wie können
39 Millionen Euro in einem Jahr verloren gehen?
Das hängt davon ab, wie man rechnet.
Mehrere Chefredakteure sagen, nach ihren Zahlen
seien die Magazine zuletzt profitabel gewesen. »Wir
haben 2022 als Rekordjahr abgeschlossen«, sagt Julia
Krempin, Chefredakteurin von Business Punk. Bei
Gruner kursiert deshalb seit Wochen die Frage, wie
Rabe zum Ergebnis komme, etliche Magazine seien
mit einem Mal defizitär. »Wir wissen nicht, wie der
Mann rechnet«, sagt das Mitglied einer Chefredaktion.
Bislang, so erzählen es mehrere Chefs, war bei
Gruner entscheidend, ob die Magazine die Kosten
für die Herstellung, die Pro­duk­tion und die Redak-
tion deckten. Rabe, so das Gerücht, würde nun all-
gemeine Verwaltungskosten aus IT, Personal- und
Rechtsabteilung neu gegenrechnen. Wie hoch diese
Kosten seien, würden selbst sie nicht wissen. »Das ist
eine riesige Blackbox«, sagt ein Chefredakteur.
Kann das sein? Deutet Rabe die Zahlen, die er
selbst als Bertelsmann-Chef seit Jahren vorgelegt
bekommt, plötzlich anders?
Er hat 20 Minuten, mehr nicht, teilen seine Spre-
cher mit, dann ertönt Thomas Rabes Stimme am
Telefon. Nur drei Stunden ist es her, da wurde er am
Baumwall ausgepfiffen, jetzt will er ein paar Sachen
einordnen. Heute sei einer dieser Tage, »die man
nicht braucht, aber als CEO ab und an hat«, sagt er.
Und dass er hoffe, die Belegschaft könne »bei allem
Schmerz, der heute besteht, den Tag auch als Neu-
anfang« verstehen.
Magazintitel, die bleiben
Brigitte, Capital, Gala, Geo, Häuser, Schöner Wohnen, stern
9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
Fotos: Norman Hoppenheit für DIE ZEIT; kleine Fotos: RTL; Getty Images; G + J (v. l.)
Seit er der Chef der Magazin-Geschäfte sei, messe
er den Erfolg am Gesamtergebnis – dazu gehörten
nun mal alle Kosten. »Den Magazinen steht ein Ver-
waltungsapparat gegenüber, der viel zu groß ist, der
einfach nicht passt«, sagt Rabe, er spricht von 40 Mil-
lionen Euro Kosten. Das Problem bestehe seit vielen
Jahren. Diese Schräglage sei besonders deutlich ge-
worden, seit die früheren G + J-Geschäfte wie die
Agentur Territory aus der Rechnung herausfielen.
Wer sich zuletzt bei Bertelsmann umhörte, ver-
stand das dort herrschende Selbstverständnis: Gruner
könne froh sein, so einen starken Konzern im Rücken
zu haben. Stern Plus, die stärkste digitale Marke, habe
kein Profil und zähle nur 30.000 Abonnenten, dabei
lägen Konkurrenten bei mehr als 250.000 Abos.
All das stimmt. Nur: Wer hat daran Schuld?
Folgt man der Argumentation Rabes, dann tragen
die früheren Leitungen des Verlags die Verantwor-
tung. Sie hätten es nicht geschafft, ein digitales
Wachstumsgeschäft rund um die Print-Marken zu
entwickeln. Die Mittel hätten sie gehabt.
Wer mit einstigen Managern und Chefs von
Gruner spricht, bekommt ein anderes Bild: Ber-
telsmann habe über Jahre nicht in Gruner + Jahr
investiert, es sei kaum Geld für die Digitalisierung
geflossen. Immerzu, heißt es, musste das Haus
sparen und dabei weiterhin zweistellige Renditen
abwerfen. Der Verlag habe nie in neue Geschäfts-
felder investieren dürfen, dabei habe es dafür Pläne
gegeben: 2012 wollte man das britische Markt­
forschungsunternehmen YouGov kaufen, das heute­
eine Milliarde wert sein soll. Doch die Bertelsmann-
Philosophie lautete: Keine Tochterfirma sollte in
eigene Geschäftsfelder investieren.
So schieben sie einander die Verantwortung zu.
Für die Mitarbeiter, die ihre Jobs verlieren,
macht all das keinen Unterschied: Sie baden nun
aus, was über Jahre von der Führung versäumt
wurde. Am Dienstagabend trat die Chefredaktion
des Geo-Magazins geschlossen ab. Der Betriebsrat
kündigte an, man werde »um jeden einzelnen
Arbeitsplatz kämpfen«.
DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023 WIRTSCHAFT 21

Womit keiner rechnet

In Moskau sehr begehrt: Der Rolls-Royce Cullinan

In Moskau stehen neue Rolls-Royce zum Verkauf,

obwohl der zum BMW-Konzern gehörende Autobauer
angeblich keine Fahrzeuge mehr nach Russland liefert.
Wie kann das sein?
Am Moskauer Kutusowski-Prospekt, einer Sorry, wir haben nichts. Jetzt auf einmal sind die gungen des deutschen Mutterkonzerns passen. Preis: 61 Millionen Rubel, umgerechnet knapp

Prachtstraße, liegt ein Luxushotel, das von 1953
bis 1957 auf Geheiß von Josef Stalin im Stil des
sozialistischen Klassizismus gebaut wurde. Es
heißt Ukraine, und der Name ist in Zeiten des
Krieges nicht die einzige Überraschung: Im Erd-
geschoss des 34 Stockwerke hohen Baus befindet
sich die Moskauer Niederlassung von Rolls-­
Royce. Der britische Autohersteller verkauft dort
Neuwagen, was wegen der Sanktionen gegen
Russland eigentlich nicht möglich sein dürfte.
Denn nach britischem Recht gelten Fahrzeuge
von Rolls-­Royce als Luxusware und unterliegen
als solche einem Exportverbot.
Gleich drei neue Rolls-Royce Cullinan stehen
im Moskauer Showroom. Der ZEIT liegen Fotos
der Fahrzeuge und Beschreibungen der technischen
Details vor. Zwei weitere Fahrzeuge seien noch zu-
sätzlich zu haben, teilt der Händler potenziellen
Käufern mit. Das Bemerkenswerte daran: Bei allen
Modellen handelt es sich um Fahrzeuge, die im Jahr
2022 in Good­wood in Südengland gebaut wurden.
Noch im Juli vergangenen Jahres wurde potenziel-
le Autokäufern, die in die Vertretung kamen, gesagt:
neuen Fahrzeuge da.
Wie kann das sein, trotz Sanktionen? Hat es
vielleicht damit zu tun, dass es mehr als 80 Mil­liar­
dä­re und ungezählte Millionäre in Russland gibt
und ein Unternehmen auf sie nur ungern verzich-
tet – Krieg und Sanktionen hin oder her?
Die britische Automarke, die zum deutschen
BMW-Konzern gehört, scheint sich an der Mos­kauer
Adresse im Hotel Ukraine jedenfalls gut eingefunden
zu haben. »Die einzigartigen architektonischen
Features des Gebäudes verbinden sich auf perfekte
Weise mit dem exklusiven Interieur, wo jedes Detail
des Raumes die Raffinesse und die Grandeur von
Rolls-­Royce-­Fahr­zeu­gen betont«, schwärmte der
Autohersteller bis vor Kurzem auf seiner Web­site.
Dazu der Hinweis: »Rolls-­Royce ­Motor Cars Mos-
cow ist der größte Rolls-­Royce-­Ver­käu­fer in Konti-
nentaleuropa mit höchsten Verkäufen und bestem
Service.« Diese Sätze wurden gestrichen, nachdem
die britische Daily Mail kürzlich als erste Zeitung
über die angebotenen Fahrzeuge berichtete.
Dass nun ausgerechnet Neuwagen in Moskau
auftauchen, will nicht so recht zu den Ankündi-
BMW hat infolge des russischen Angriffskriegs
gegen die Ukraine im März vergangenen Jahres
verkündet, keine Fahrzeuge mehr nach Russland
zu liefern. »Aufgrund der aktuellen geopolitischen
Situation stellen wir bis auf Weiteres unsere lo-
kale Produktion und den Export für den russi-
schen Markt ein«, hieß es in einer Mitteilung des
Unternehmens.
Auch die Tochterfirma Rolls-Royce zeigte sich
damals standhaft. Ebenfalls im vergangenen März
teilte sie mit: »Als weltweit tätiges Unternehmen der
BMW Group stehen wir für das friedliche Zusam-
menleben verschiedener Kulturen auf der ganzen
Welt, zu jeder Zeit und an jedem Ort.« Man werde
daher keine Fahrzeuge mehr nach Russland liefern.
Im Showroom in Moskau wird potenziellen
Käufern nun auf Anfrage mitgeteilt, die exzentrisch
ausgestatteten Fahrzeuge s­eien im Herbst 2022
vom Band gelaufen. Angeboten wird ein Rolls-­
Royce Cullinan in einer Lackierung in »arktischem
Weiß«, wie es im Verkaufsprospekt heißt. Die
Sitze und die Innenverkleidung sind türkis und
schwarz, das verwendete Holz ist »pianoschwarz«.
Foto: Rolls-Royce
800.000 Euro. Ein zweiter Cullinan ist lackiert in
»Schwarz-Diamant«. Der dritte hat creme­far­be­ne
Sitze, ein braunes Lenkrad, und im Fußraum ist
auf den Boden groß das Herstellersymbol »RR«
aufgemalt. Dazu bietet er einen Massagesitz, ein
Panorama-Sonnendach, einen Kühlschrank und
eine Bar für die Passagiere im Fond.
Die Frage ist nur, wie die Fahrzeuge nach Mos-
kau kamen. Rolls-­Royce teilt auf Anfrage mit, man
habe seit März 2022 keine Autos mehr nach Russ-
land geliefert. Entweder s­eien die Modelle vor
März 2022 ins Land gekommen, oder sie seien
ohne das Wissen von Rolls-­ Royce importiert
worden. »Unser weltweites Händlernetzwerk ist
vertraglich dazu verpflichtet, alle nationalen und
internationalen Regeln zu befolgen«, schreibt das
Unternehmen.
Und zu diesem Netzwerk gehört eben auch
Rolls-­Royce Motor Cars Moscow. Adresse, Te-
lefonnummer und Ansprechpartner des Ver-
tragshändlers werden auch heute noch ange-
zeigt, wenn man auf der Web­site von Rolls-­
Royce danach sucht.  INGO MALCHER

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KOMMENTAR

Reden ist billiger

Die Europäer wollen verhindern, dass
die USA mit ihrem Inflation Reduction Act einen
Subventionswettlauf auslösen. Gut so!
Expeditions-Highlights
Erlebnispakete inklusive Flug zum Entdecker-Preis
©Montage Shutterstock/iStock, ©Andrea Klaussner

Es klingt schon verrückt. Jahrelang haben sich
viele Europäer gewünscht, dass die Vereinigten
Staaten den Klimaschutz endlich ernst nehmen.
Nun aber, da US-Präsident Joe Biden genau das
tut, passt es der Europäischen U­ nion doch wie-
der nicht. Und das sogar aus gutem Grund: Zwar
hat ­Biden im vergangenen Sommer mit dem In-
flation Reduction Act ein ambitioniertes Pro-
gramm für den Klimaschutz durch den Kongress
gebracht. Inzwischen aber werden dessen Ma-
cken immer offensichtlicher.
Europäische Unternehmen werden massiv
diskriminiert, weil die Amerikaner ihre Wirt-
schaft durch milliardenschwere Finanzhilfen zur
Klimaneutralität bewegen wollen. Die Subven-
tionen und Steuervergünstigungen für den grü-
nen Umbau bekommen allerdings nur Unter-
nehmen, die auch in den USA produzieren. Für
Europa könnte das im schlimmsten Fall bedeu-
ten, dass Unternehmen in die USA umsiedeln.
Mit entsprechenden Folgen für die Arbeitsplätze.
Zum Glück reagiert die EU klug auf diese Be-
drohung. In früheren Zeiten hätte sie vielleicht
vor der Welthandelsorganisation gegen die ame-
rikanischen Subventionen geklagt. Oder sie hätte
ihrerseits die Zollgrenzen hochgezogen, um ame-
rikanische Unternehmen zur Strafe aus dem
euro­päi­schen Markt zu drängen. Diesmal ver-
zichtet sie darauf. Wohl auch, weil sie gegen­
Bidens Ziel – mehr Klimaschutz – nicht ernst-
haft etwas haben kann.
Stattdessen reisen europäische Minister nach
Washington. Anfang der Woche war der deutsche
Wirtschaftsminister Robert Habeck gemeinsam mit
seinem französischen Kollegen Bruno Le ­Maire in
den USA, um persönliche Gespräche zu führen.
Dialog statt Konfrontation.
Und tatsächlich dürfte da wohl noch was ge-
hen. Grundsätzlich zeigt sich die US-Regierung
zu Zugeständnissen in Detailfragen bereit, denn
viele der Ausführungsbestimmungen des In­fla­
tion Reduction Act sind noch nicht formuliert.
So könnte Washington beispielsweise den Im-
port von Batterien aus der EU ermöglichen,
ohne dass die damit ausgestatteten Elektrofahr-
zeuge dann später aus der Förderung fielen.
Beide Seiten könnten zudem versuchen, das
unfaire Abwerben von Unternehmen zu verhin-
dern, indem sie für mehr Transparenz bei den
Subventionen sorgen. Im Idealfall würden sie
sich sogar auf gemeinsame Standards für grüne
Produkte und Produktionsverfahren einigen.
Noch aber ist das alles Zukunftsmusik. Eine
Option. Eine verbindliche Lösung konnten auch Nur bis
28.02.
Habeck und Le M ­ aire mit ihrer Reise nach
Washing­ton nicht präsentieren. Dabei muss es
diese bald geben, wenn Europa und die USA
weiter partnerschaftlich und im gegenseitigen In-
teresse mit­ein­an­der reden wollen.
Mittlerweile nämlich wächst auch in der EU die
Zahl derjenigen, die es mit ähnlichen Mitteln wie Erlebnispakete inklusive Flug!
die USA versuchen wollen. Zwar ist offener Protek-
tionismus zum Glück immer noch ein Tabu. Doch Antarktis: ab 8.988 € p. P. / 7.490 € p. P.* Alaska: ab 6.688 € p. P. / 5.490 € p. P.*
auch die EU-Kommission hat in der vergangenen z. B. 15 Tage, Außenkabine z. B. 15 Tage, Außenkabine
Woche vorgeschlagen, die grüne Transformation Grönland: ab 7.748 € p. P. / 5.990 € p. P.* Island: ab 5.548 € p. P. / 3.990 € p. P.*
vor allem mithilfe massiver Subventionen und z. B. 17 Tage, Innenkabine z. B. 11 Tage, Innenkabine
Spitzbergen: ab 7.540 € p. P. / 6.990 € Galapagos: ab 8.990 € p. P. / 7.990 €
Steuerabschreibungen zu beschleunigen.
p. P.* p. P.*
Am Ende könnte das jedoch zu viel Geld kos-
z. B. 10 Tage, Innenkabine z. B. 11 Tage, Außenkabine
ten. Denn es ist nicht auszuschließen, dass es damit
zu einem Subventionswettlauf zwischen Europa
und den Vereinigten Staaten kommt. Den keiner JETZT BUCHEN im Reisebüro, Tel. (040) 874 087 11 oder unter hurtigruten.de/flugpaket
will und der nur den Preis hochtreibt für das große *Spezial-Preis, limitiertes Kontingent, gültig für Neubuchungen bis 28.02.2023
Ziel, das beide gleichermaßen verfolgen: mehr Hurtigruten GmbH • Große Bleichen 23 • 20354 Hamburg | Veranstalter der Reisen ist die Hurtigruten Global Sales AS • Langkaia 1 • 0150 Oslo • Norwegen
Klimaschutz. PETR A PINZLER
22 WIRTSCHAFT 9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7

Oligarch im Anflug Am insolventen Flughafen Hahn sind sie Kummer gewöhnt. Jetzt könnte ein
zweifelhafter Retter erscheinen – wenn das Bundeswirtschaftsministerium ihn nicht stoppt
  VON INGO MALCHER

Bild: United Archives/ullstein

Nicht alle sind glücklich darüber, dass ein Geschäftsmann aus Russland einen
deutschen Flughafen kaufen will. Filmszene aus »Der unsichtbare Dritte«

A
m vergangenen Sonntag um
13.53 Uhr startet eine Boeing
763 mit 23 Minuten Verspätung
vom Flughafen Hahn im Huns-
rück. Ziel von Flug Nummer
5Y350 ist die Al Udaid Air Base
in Katar – eine der größten Luft-
waffenstützpunkte der US-Armee im Nahen Osten.
Von dort aus führten die Vereinigten Staaten ihre
Kriege in Afghanistan und gegen den »Islamischen
Staat« in Syrien und im Irak.
Die Boeing gehört der amerikanischen Atlas Air.
Das Unternehmen ist der größte private Dienstleister
des US-Militärs im Flugbetrieb. Jets von Atlas Air ver-
sorgen die US-Truppen im Nahen Osten, sie trans-
portieren Munition und Ausrüstung zur Unterstüt-
zung der Ukraine nach Polen. Der Flughafen Hahn
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C H R I S TO P H P Ö G G E L E R S »S ÄU L E N H E I L I G E«
AL S LIMITIERTE BRONZESKULPTUREN
Die Skulpturen des Künstlers Christoph Pöggeler kennt in Düsseldorf jedes Kind.
An bislang zehn prominenten Standorten in der Stadt ragen die »Säulenheiligen«
lebensgroß auf Litfaßsäulen empor. In der Antike waren die Säulenheiligen Asketen,
die auf Tempelsäulen lebten, um den Göttern näher zu sein. Bei Pöggeler sind es
Menschen wie du und ich, die er auf das Podest hebt – in Form und Farbe so realis-
tisch gestaltet, dass man sie für lebendig halten könnte.
© Oliver Look
ist nämlich nicht nur der erste deutsche Flughafen, an Charitonin bietet zwar mit am meisten Geld, ist aber
dem die Billiglinie Ryanair Tickets für 18 Euro nach nicht der einzige Interessent. Noch kann Bundeswirt-
Mallorca verschleuderte. Er ist auch eine wichtige schaftsminister Robert Habeck (Grüne) den Deal
Drehscheibe für die Streitkräfte der USA, gerade jetzt, stoppen – wenn er denn will.
während des russischen Überfalls auf die Ukraine. Der Bieter Viktor Charitonin kontrolliert den
Daher sorgte es in Ministerien und Botschaften für russischen Konzern Pharmastandard, der unter an-
einigen Wirbel, als am vergangenen Freitag durch­ derem den Covid-Impfstoff Sputnik V herstellt.
sickerte, der Eigentümer der Rennstrecke am Nür- 2016 nahm Charitonin Pharmastandard von der
burgring wolle den insolventen Flughafen Hahn Londoner Börse, wo der Konzern bis dahin gelistet
kaufen. Denn der Haupteigentümer des Nürburgrings war. Seither erfährt man nur noch wenig über die
ist ein russischer Oligarch: Viktor Charitonin. Geschäftsentwicklung. Als sicher kann gelten, dass
Ein russischer Geschäftsmann, dem die USA eine Pharmastandard der größte private Medikamenten-
Nähe zu Präsident Wladimir Putin unterstellen, will hersteller in Russland ist. Das US-Magazin Forbes
also einen deutschen Flughafen kaufen, der für die schätzt Charitonins Vermögen auf 6,2 Milliarden
Versorgung von US-Streitkräften und den Nachschub Dollar. Er stünde damit auf Platz 408 der reichsten
für die Ukraine von Bedeutung ist. Naheliegend, dass Menschen der Welt. Sein Geschäftspartner bei Pharma­
nicht alle darüber glücklich sind. Aber so viel vorab: standard war einst ein weiterer Oligarch, Roman
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Abramowitsch. Doch anders als Abramowitsch, Wer beim Hahn einsteigt, der braucht trotz-
der von der EU wegen des Ukraine-Kriegs auf die dem einige Ideen, um aus der Investitionsruine
Sanktionsliste gesetzt wurde, kann Charitonin ein florierendes Unternehmen zu machen.
ungehindert Geschäfte im Westen machen – so- Am Dienstag dieser Woche trafen sich die
fern er Partner findet. Gläubiger mit dem Insolvenzverwalter Plathner
Allerdings hat die Ukraine Charitonin mit in Bad Kreuznach. Es ging darum, wer den
Sanktionen belegt. Sein Unternehmen Pharma­ Flughafen jetzt übernehmen soll. Etwa Viktor
standard sei »von strategischer Bedeutung« für denCharitonins NR Holding?
russischen Gesundheitssektor, schreibt die ukrai- Wer bei der im Handelsregister hinterlegten
nische Regierung. Außerdem sei Charitonin durch Adresse der NR Holding anruft, landet bei­
einem Händler für Neu- und Gebrauchtwagen,
seine Geschäftsaktivitäten mitverantwortlich dafür,
dass der russische Krieg in der Ukraine finanziertIndustrieanlagen und Baumaschinen. Der Ver-
werde. Und auch wenn die USA Charitonin nicht antwortliche sei gerade leider nicht da, heißt es,
er meldet sich aber auch nicht zurück. Von
auf die Sanktionsliste gesetzt haben, so führen sie
ihn doch auf der sogenannten Putin-Liste von Pharmastandard in Russland kommt bis Redak-
2018. Darin aufgenommen wurde, wer in den tionsschluss keine Antwort auf die Frage, was
Augen der US-Regierung dem »russischen Regime Viktor Charitonin mit dem Flughafen will.
nahesteht« oder besonders reich ist. Aber es gibt noch einen weiteren Bieter, die
Firmengruppe Richter aus Mainz. Die Ge-
Politisch mag diese Liste für die darauf Genann-
ten unangenehm sein. Eine Rennstrecke in schäftsführerin Julia Richter will den Flughafen
Deutschland, auf der auch in diesem Jahr das Rock-weiterbetreiben und dort Gewerbe ansiedeln.
am-Ring-Festival steigen wird, bei dem unter an-
derem Die Toten Hosen auftreten werden, dürfen
»Wir haben schon öfter Unternehmensareale
weiterentwickelt«, sagt sie am Telefon. Richter
sie trotzdem besitzen. Ob das auch für einen Flug-
hafen gilt, ist hingegen nicht sicher.
hat weniger Geld als Charitonin geboten. Dafür
ist sie politisch weniger problematisch.
Gut 20 Millionen Euro sollen Richter und die
Was will der Russe mit dem Flughafen? NR Holding jeweils bereits auf ein Notar-Ander-
Darauf kommt keine Antwort konto überwiesen und Verträge geschlossen­
haben – nun warten sie auf die Entscheidung.
Dabei braucht »der Hahn«, wie ihn die dortigen Das aber kann dauern. Zum einen gibt es noch
Mitarbeiter nennen, nichts dringender als einen zwei weitere Interessenten. Und zum anderen hat
Geldgeber. Der Flughafen gehört zur Gemeinde Plathner die Unterlagen von Charitonins NR Hol-
Lautzenhausen in Rheinland-Pfalz und liegt rund ding mit der Bitte um ein Investitionsprüfverfahren
120 Kilometer westlich von Frankfurt am Main. an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ge-
Man fährt lange über Land, ehe man dort an- schickt. Im Ministerium bestätigt man, dass ein
kommt. Gebaut wurde er nach dem Zweiten »Prüfprozess« eingeleitet worden sei. Mehr könne
Weltkrieg von den US-Streitkräften. 1952 landete man nicht sagen. Auch nicht, ob schon ein forma-
dort die erste Maschine der Air Force. 1993 zogen les Investitionsprüfverfahren begonnen hat.
die Amerikaner ab. Sie haben in Hahn heute­ So viel Zurückhaltung gefällt nicht jedem.
keine Militärbasis mehr, auch wenn noch Ver­ Hessens Finanzminister Michael Boddenberg
sorgungsflüge über diesen Standort gehen. Die (CDU) will verhindern, dass Charitonin den Hahn
Landesregierung erbte das Gelände: 560 Hektar übernimmt. In einem Brief an Habeck und den
Fläche mit Tower, Landebahn und Lagerhallen. Chef des Bundeskanzleramts, Wolfgang Schmidt
Es gab dort außerdem Bunker, geschützte Abstell- (SPD), der der ZEIT vorliegt, schreibt er: »In An-
plätze für Kampfjets und Plattenbauten für die betracht der aktuellen weltpolitischen Lage bitte
Soldaten. ich Sie darum, alle Möglichkei­ten zu prüfen, damit
Damals beschloss die Landesregierung, den der russische Investor bei dem Kauf der Vermögens-
Flughafen für zivile Zwecke zu nutzen. Die­ bestandteile des Flughafens Frankfurt Hahn nicht
Bundesstraße 50 nach Lautzenhausen wurde zum Zuge kommt und somit ein außen- und wirt­
vierspurig ausgebaut, damit man den Airport schaftspolitischer Schaden von Deutschland abge-
bequem erreichen kann. Allerdings, finanziell wendet werden kann.«
rechnet sich der Hahn nicht wirklich.
Geld verdient wurde an dem Flughafen – der Ein US-Beamter sagt, man habe das Thema
zunächst im Landesbesitz von Rheinland-Pfalz mit zwei Landesregierungen besprochen
stand und an dem Hessen einen Minderheitsan-
teil hatte – vor allem von Ryanair. Subventionen Wenn Habeck zu dem Schluss kommt, dass der
für Landepiste und Terminal machten das mög- Flughafen zur kritischen Infrastruktur gehört, kann
lich. Im Jahr 2017 wurde der defizitäre Flug­ er laut Außenwirtschaftsgesetz den Kauf stoppen.
hafen von Rheinland-Pfalz an die HNA Group Insbesondere, wenn eine Gefährdung der öffent-
verkauft. Als deren chinesischer Mutterkonzern lichen Sicherheit bestünde.
später pleiteging, meldete im Oktober 2021 Es ist einiges in Bewegung geraten durch den
auch der Flughafen Insolvenz an. Flughafen. So beobachtet man auch in den USA,
Der Insolvenzverwalter Jan Markus Plathner ob in Deutschland nach den Gasspeichern wieder
räumt seitdem auf – und sucht für den Hahn einmal Infrastruktur in russische Hände gerät. Man
derzeit mal wieder einen Käufer. Im Bieterver- habe den Betrieb und möglichen Verkauf des Flug-
fahren hatte sich im vergangenen Jahr eigentlich hafens mit den Landesregierungen von Rheinland-

eine Gesellschaft mit dem Namen Swift Conjoy Pfalz und Hessen »erörtert«, sagt ein US-Beamter.
durchgesetzt. Eigentümlich an dieser Firma ist Und dass man die »Besitzverhältnisse und das Be-
www.shop.zeit.de/poeggeler  zeitshop@zeit.de aber nicht nur ihr Name, auch ihr Geschäfts­ triebsmanagement interessiert verfolgen« werde.
*Zzgl. Versandkosten | Anbieter: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Hamburg gebaren. Denn am Ende zahlte Swift Conjoy den Am Dienstag kam die Boeing 763 der Atlas Air
Kaufpreis nicht. So steht man gut acht Monate wieder zurück auf den Hahn. Sie landete um 8.31
später wieder am Anfang. Immerhin: Nach der Uhr. Durchgeführt wurde der Flug vom US Trans-
Corona-Pandemie stiegen die Passagierzahlen portation Command.
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wieder. Ryanair und Wizz Air fliegen den Hahn
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24 WIRTSCHAFT 9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7

Aussage gegen Aussage

Wann erfuhr die Deutsche Bank zum ersten Mal vom möglichen Greenwashing bei ihrer Fondsgesellschaft DWS?
Die ehemalige Managerin Desiree Fixler erhebt einen neuen Vorwurf  VON INGO MALCHER UND JENS TÖNNESMANN

D
esiree Fixler hat dieser Tage wieder viel Fixler ihre Sorge ausgedrückt haben, entlassen zu Desiree Fixler hat in der deutschen Finanzwelt
zu tun. Im März 2021 ist die Bankerin werden – weil sie intern auf das Greenwashing bei der einen Skandal losgetreten – und wird nun von­
bei der größten deutschen Fondsgesell- DWS hingewiesen habe. So schildert sie das Gespräch. einigen dafür bewundert. In der neuen Folge des
schaft DWS rausgeflogen. Sie war für Das ist insofern relevant, als der Börsenwert der DWS Podcasts Planetary Business, die diese Woche er-
Nachhaltigkeitsthemen zuständig und um eine Mil­liar­de Euro sank, als Fixlers Kritik später scheinen soll, begrüßt die Moderatorin (eine frü-
warf ihrem Arbeitgeber vor, sich grüner zu geben, als öffentlich wurde. here Mitarbeiterin des Zeitverlags) Fixler als »ein
er wirklich sei. Jetzt hat sie einen neuen Posten. Die Das Institut räumt auf Nachfrage nur eines ein:
Amerikanerin ist im Beirat für Nachhaltigkeitsfragen dass es das besagte Telefonat mit dem Manager Ende ANZEIGE

bei der britischen Finanzaufsicht FCA. Darüber hinaus Februar 2021 gab. Fixler habe um das Gespräch ge-
ist sie Vorsitzende einer Initiative, die Nachhaltigkeits- beten, ohne Gründe dafür zu nennen. Im Telefonat
kriterien bei Risikokapitalgebern einführen soll – ähn- habe sie dann ihre Sorge geäußert, entlassen zu wer-
lich wie sie es bei der DWS versucht haben will. den. Es sei dabei aber eben nicht um die Vorwürfe Die neue WiWo-App
Zwar bestreitet die DWS Fixlers Anschuldigungen gegangen, die sie dann nach ihrer Kündigung »in
des sogenannten Greenwashings. Allerdings hat die Bezug auf die DWS beim Thema Nachhaltigkeit
Fondsgesellschaft inzwischen eingestanden, dass sie erhob«, so die Bank. Diese Vorwürfe habe Fixler erst-
damals »überschwängliches Marketing beim Thema mals in einer E-Mail vom 17. März geäußert – also
Nachhaltigkeit« betrieben habe. Sie weist im Kontext nach ihrer Entlassung.
von ESG, der gängigen Abkürzung für umweltbewusste Es steht also Aussage gegen Aussage, Vorwurf
und verantwortungsvolle Geldanlage, heute auch deut- gegen Dementi.
lich weniger verwaltetes Vermögen aus als vor Fixlers Die Bank bleibt damit bei der Darstellung, erst
Kritik. Und Fixlers damaliger Gegenspieler Asoka Wöhr- nach Fixlers Kündigung von deren Vorwürfen gegen
mann hat seinen Posten als DWS-Chef Mitte 2022 die DWS erfahren zu haben. Nach ihrer Kündigung
geräumt. Zuvor hatte es eine Razzia gegeben: Beamte schrieb Fixler am 17. März 2021 besagte E-Mail
der Staatsanwaltschaft, der Finanzaufsicht und des­ an Karl von Rohr. Der Bankvorstand und DWS-
Bundeskriminalamts durchsuchten Gebäude von­ Aufseher riet Fixler lediglich, sie möge sich an die
Deutscher Bank und DWS. Die Ermittlungen stehen Personalabteilung wenden. Auf die Frage, ob er im
in Zusammenhang mit Fixlers Vorwürfen. Rückblick anders mit Fixler hätte umgehen sollen,
Damit könnte Desiree Fixler es gut sein lassen. sagte er später im Handelsblatt: »Ich hätte mir ge-
Aber sie legt noch mal nach. wünscht, Frau Fixler hätte sich mit ihren Vorwürfen
Und zwar gegen die Deutsche Bank, der die DWS bei mir gemeldet, ehe wir das Arbeitsverhältnis be­
maßgeblich gehört, und gegen Karl von Rohr. Der ist seit endet haben – und nicht erst danach.«
2018 stellvertretender Vorstandschef der Deutschen Bank Dabei hat die Deutsche Bank auch nach Fixlers
und zugleich Aufsichtsratschef der DWS. Im Gespräch Mail zögerlich reagiert. Aus Sicht des US-­Jus­tiz­
mit der ZEIT sagt Fixler nun, dass sie die Deutsche Bank minis­te­riums hat das Unternehmen seine Berichts-
Foto: Jan Erting für DIE ZEIT

in einem Telefonat schon über die Missstände bei der pflichten verletzt, weil es Fixlers Vorwürfe zu spät wahres Vorbild, ein leuchtendes Beispiel für Mut,
DWS informiert haben will, bevor sie entlassen wurde. den Aufsehern meldete – das geht aus den Geschäfts- Integrität und Wirkung«. Warum Fixler dann in
So habe sie bereits am 28. Februar 2021 mit jenem Ma- berichten der Bank und der DWS hervor. Eine dem Gespräch nicht nur über die Versäumnisse
nager bei der Bank gesprochen, der dort für das Thema Strafzahlung war deswegen zwar nicht fällig, aber der DWS spricht, sondern sich auch noch über das
Nachhaltigkeit verantwortlich war und direkt an den das US-Justizministerium überwacht die Bank nun schlechte Englisch ihres Ex-Chefs lustig macht,
Vorstand berichtete. Bereits in diesem Telefonat will noch genauer. das ist eine andere Frage.
Desiree Fixler war bis März 2021 bei der
DWS für Nachhaltigkeit zuständig

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DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023
Das Produkt
Moderne Halbleiter
sind nötig, damit
die Energie- und die
Foto: dpa
Verkehrswende gelingen
In dem kleinen Bundesland wird für 2,7 Milliarden Euro eine hochmoderne Chipfabrik gebaut  VON PETER DAUSEND
D
er beliebteste Amerikaner im Saarland
war bis vergangene Woche ein in­
Kalifornien geborener Fußballspieler na-
mens Eric Wynalda, der zwischen 1992
und 1994 für den 1. FC Saarbrücken
auflief und in der Ersten und Zweiten Bundesliga
22 Tore schoss. Nach Stationen in Miami, Chicago
und Los Angeles sagte Wynalda einen Satz, der im
Saarland bis heute die Herzen erwärmt: »Saarbrücken
wird für mich immer die zweite Heimat sein.«
Wynalda den Rang ablaufen könnte nun ein­
Stanford-Absolvent namens Gregg A. ­Lowe, der sich
bei dem Technologie-Riesen Texas Instruments einen
Namen gemacht hat und vergangene Woche als Vor-
standsvorsitzender des Halbleiterherstellers Wolf­speed
auf das Werksgelände des stillgelegten Bergwerks Ens-
dorf bei Saarlouis kam. Eingerahmt von Bundeskanzler
Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck
sagte ­Lowe einen Satz, der ebenfalls die Herzen der
Saarländer erwärmte: »Wir bauen hier die größte und
innovativste Siliziumkarbid-Chipfabrik der Welt.«
Die überraschende Botschaft dahinter: Die Zu-
kunft ist jetzt ein Saarländer.
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Alles dreht
sich um
WIRTSCHAFT
rland
Saa
Ensdorf
(bei Saarlouis)
Saar-
brücken
Die Zukunft ist
ein Saarländer
Sie ist es deshalb, weil am Ort der industriellen Ver-
gangenheit von 2027 an die Halbleiter der neuesten
Generation – Siliziumkarbid-Chips – hergestellt wer-
den sollen. Dank dieser Chips kann Strom effizienter
gewandelt werden. E-Autos können länger fahren und
schneller laden, Wind- und Solarenergie können nütz-
licher werden. Etwa 2,7 Mil­liar­den Euro wird die Fa-
brik kosten, rund 20 Prozent davon sollen als Subven-
tionen fließen. Der Autozulieferer ZF beteiligt sich mit
175 Millionen Euro und plant gemeinsam mit Wolf­
speed, ein Forschungszentrum zu errichten.
Die Zahnradfabrik Friedrichshafen – wofür die Buch-
staben ZF einmal standen – ist heute nicht nur der dritt-
größte Autozulieferer der Welt, sondern mit rund 9500
Mitarbeitern auch der größte private Arbeitgeber im
Saarland. In Saarbrücken bündelt ZF die Antriebstech-
nik. Da aber Getriebe für Verbrennermotoren ein Aus-
laufmodell sind, soll der Standort zum Leitwerk für die
E-Mobilität werden. Dazu passt der Einstieg bei Wolf­
speed: Von den etwa 1000 neuen Arbeitsplätzen in der
Chipfabrik sollen etliche mit Fachkräften von ZF besetzt
werden. Das weite Einsatzfeld der Chips eröffnet ZF
zudem neue Geschäftsfelder.
Der Standort
Im Saarland gibt es
viele Arbeitskräfte,
deren Jobs in der Auto-
industrie bedroht sind
Das Saarland steckt mitten in seinem zweiten Struk-
turwandel. Nach dem Umbau vom Kohle-und-Stahl-
zum Autoland steht nun, im beginnenden Zeitalter der
E-Mobilität, erneut eine Transformation an. Das Ford-
Werk in Saarlouis ist nach ZF der zweitgrößte private
Arbeitgeber im Land. In einem firmeninternen Wett-
bewerb entschied der US-Autokonzern, sein neues
Elektrofahr­zeug nicht in Saarlouis, sondern im spani-
schen Valencia fertigen zu lassen. Für den Focus, der
derzeit in Saarlouis gebaut wird, soll es nach 2025
keinen Nachfolger mehr geben. Inklusive der Zuliefer-
betriebe sind rund 5500 Arbeitsplätze gefährdet.
Mitten in der wirtschaftlichen Düsternis, die das
Ende des Verbrennungsmotors für das Saarland bedeu-
tet, erstrahlt mit der Chipfabrik plötzlich die Zu-
kunftschance der Hochtechnologie.
Ein von der SPD-Landesregierung frisch aufgeleg-
ter, drei Mil­liar­den Euro schwerer Transformations-
fonds kann dabei helfen, dass auch andere das Saarland
so »highly qualified« finden, wie der Wolfspeed-Chef
Gregg A. ­Lowe es tut. Ohne den (von der Opposition
kritisierten) Fonds hätte das Saarland den obligato­
rischen Co-Finanzierungsanteil nicht stemmen kön-
Jetzt.
der Energie.
die Zukunft
25
Die Aussichten
››
Mehr Hightech aus
eigener Produktion soll
die Abhängigkeit von
China verringern
nen. Die Zukunft hätte dann anderswo stattgefunden.
Nun könnte es so kommen, wie es Ministerpräsidentin
Anke Rehlinger bereits herbeiredet: »Eine solche
Hochtechnologie-Ansiedlung macht das Saarland zu
einem der begehrtesten Standorte für E-Mobilität.«
Dass Kanzler und Vizekanzler zur feierlichen Ver-
kündung der chipbefeuerten Zukunft kamen, belegt
die politische Bedeutung des Vorhabens. Die Abhän-
gigkeit von China soll sinken. Falls Peking tatsächlich
das von ihm als abtrünnige Provinz angesehene Tai-
wan, den größten Chipproduzenten der Welt, gewalt-
sam erobert, droht nämlich ein Zusammenbruch der
globalen Lieferkette. Der wirtschaftliche Schaden für
Europa wäre immens. Die Ansiedlung in Ensdorf soll
dem vorbeugen.
Auf seinem Weg zum beliebtesten Ami im Saar-
land hat Gregg A. ­Lowe übrigens einen Trick von Eric
Wynalda kopiert, der direkt in die Herzen der Einhei-
mischen führt. Wo der Fußballer Saarbrücken seine
zweite Heimat nannte, sagte der Manager, er habe­
viele potenzielle Standorte in Europa besichtigt – »und
mich dabei in das Saarland verliebt«. Ein echter
Wynalda-­Schmeichler.
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26
Fotos: Jann Höfer für DIE ZEIT (r.); Max Brugger
Markus Krebber, 49, ist seit bald zwei Jahren Vorstandschef von RWE. Der größte deutsche Stromerzeuger fördert auch Braunkohle bei Lützerath (links)
»Die Gewalt in der Auseinandersetzung
ist absolut unakzeptabel«
DIE ZEIT: Herr Krebber, der Kohleabbau von
RWE in Lützerath ist zum Symbol der ver-
korksten deutschen Energiepolitik geworden.
Haben Sie das schon verdaut?
Markus Krebber: Mich hat das natürlich be-
schäftigt. Die Ziele der Klimabewegung sind
auch unsere Ziele. Wir wollen bis 2040 klima-
neutral werden und investieren bis 2030 mehr
als 50 Milliarden Euro brutto in den Ausbau
der erneuerbaren Energien. Und wir steigen
bis 2030 aus der Kohle aus, als einziges Unter-
nehmen in Deutschland! Ich verstehe die Un-
geduld, habe aber doch mit den Argumenten
und mit den Methoden Probleme. Die Gewalt
in der Auseinandersetzung ist absolut unak-
zeptabel. Die friedlichen Demonstranten hät-
ten sich deutlicher von der gewaltbereiten
Szene distanzieren sollen.
ZEIT: Und welche Argumente teilen Sie nicht?
Krebber: Es geht keine 1,5-Grad-Linie durch
Lützerath. Das ist absurd. Unsere Emissionen
unterliegen wie die des gesamten Energiesektors
dem europäischen CO₂-Handelssystem. Es
gibt also eine politisch festgelegte Menge an
europaweit erlaubten Emissionen. Wer sich für
effektiven Klimaschutz einsetzen will, muss­
eigentlich in Brüssel dafür kämpfen, dass diese
Menge reduziert wird, wie wir das tun. Aber ich
habe bisher noch niemanden von der Klima-
schutzbewegung gesehen, der bei der Europäi-
schen Kommission, beim Rat oder Parlament
dafür aktiv wurde.
ZEIT: Weil das System kaum bekannt ist und
die Diskussionen weit weg in Brüssel stattfinden?
Krebber: Schon möglich. Aber ist das Ziel nur,
schöne Bilder und Symbole zu haben – oder die
CO₂-Emissionen zu reduzieren?
ZEIT: Berührt es Sie, wenn Personen wie Luisa
Neubauer oder Greta Thunberg Sie so harsch
kritisieren?
Krebber: Ich höre mir natürlich alle Argumente
an. Aber die Frage ist doch, wie der Weg nach
vorne aussieht. Da sind wir als Unternehmen
das falsche Ziel.
Die Demos in Lützerath hätten bloß Bilder produziert, sagt RWE-Chef Markus Krebber.
Wer das Klima wirklich schützen wolle, sollte besser in Brüssel protestieren
ZEIT: Die Klimaschützerinnen verlangen: kei-
ne weiteren Investitionen in fossile Energien.
Krebber: Wir können uns zwar wünschen, dass
über Nacht keine CO₂-Emissionen mehr da
sind. Aber wenn wir heute Öl, Gas und Kohle
einstellen, wären die Konsequenzen unverant-
wortlich. Die Zivilisation würde zusammen­
brechen. Es braucht einen Transformationspfad.
ZEIT: Es geht doch darum, nicht mehr nach
Erdöl zu bohren und keine neuen fossilen
Kraftwerke mehr zu bauen.
Krebber: Dann müssten wir sofort diskutieren,
wie man das globale Energieangebot rationiert.
Denn es steht nicht genug zur Verfügung für
eine wachsende Weltbevölkerung. Der Energie-
sektor ist seit zehn Jahren unterinvestiert.
ZEIT: Und wo bleibt der Planet?
Krebber: Dem helfen wir am besten mit einem
extrem beschleunigten Ausbau erneuerbarer
Energien.
ZEIT: Um das zu erreichen, hat die Ampelregie-
rung viele Gesetze geändert. Stellt Sie das zu-
frieden?
Krebber: Ich finde es positiv, dass die Regierung
an allen Schrauben dreht: Ausbauziele, Flä-
chenbereitstellung, schnellere Planungs- und
Genehmigungsverfahren. Ob uns das auf den
vorgesehenen Zielpfad bringt, können wir frü-
hestens in 18 Monaten beurteilen. Im Moment
ist mein Gefühl, dass wir noch zu langsam sind.
Und wir brauchen in Europa dringend mehr
Produktionskapazitäten für Windturbinen und
Transformatoren.
ZEIT: Zuletzt wurden Sie Ihr Geld in Deutsch-
land kaum los, weil Sie zu wenig Flächen und
Genehmigungen für Ihre Projekte bekamen.
Bis 2030 wollen Sie jetzt 15 der weltweit ge-
planten 50 Milliarden Euro hier investieren.
Klappt das diesmal?
Krebber: Ja, ich kann mir sogar vorstellen, dass
wir deutlich mehr als 15 Milliarden investieren
werden, wenn die Rahmenbedingungen so
kommen, wie die Bundesregierung sich das
vorstellt. Am Geld wird’s nicht mangeln. Wenn
WIRTSCHAFT
Kohleausstieg
Sie zu Investoren gehen und sagen: »Ich habe
attraktive Investitionen in die Energiewende«,
bekommen Sie das Geld.
ZEIT: Was wollen Sie bauen?
Krebber: Das meiste werden wir für Windener-
gieparks in der deutschen Nordsee ausgeben.
Dann kommen große wasserstofffähige Gas-
kraftwerke und Elektrolyseure. Und auch deut-
lich mehr Windräder an Land und Solarparks.
ZEIT: Sie wollen jetzt noch in Gaskraftwerke
investieren, die viele Jahre lang CO₂ ausstoßen
werden?
Krebber: Das geht nicht anders. Es werden
sogar noch neue Gasfelder erkundet werden
müssen, aber nicht von RWE.
ZEIT: Warum?
Krebber: Uns Europäern fehlen wegen des
fürchterlichen Kriegs gerade 150 Milliarden
Kubikmeter Gas, das bisher per Pipe­line aus
Russland kam. Der gesamte Weltmarkt für
Flüssiggas umfasst nur 500 Milliarden Kubik-
meter, das ist zu wenig. Wenn wir jetzt mehr
Flüssiggas kaufen, drücken wir Länder wie In-
dien oder Pakistan zurück in die Kohle, weil die
das Gas nicht mehr bezahlen können. Um zu
verhindern, dass diese Länder wieder Kohle ver-
brennen, brauchen wir neue Gasfelder außer-
halb von Russland.
ZEIT: Aber warum müssen wir in Deutschland
dann noch Gaskraftwerke bauen?
Krebber: Die sind alternativlos. Sie werden von
Anfang an bereit sein für grünen Wasserstoff.
Und sie sollen künftig als Ersatz einspringen,
wenn Wind und Sonne ausfallen. Falls wir­
keine Gaskraftwerke bauen, gibt es in solchen
Situationen in Zukunft zu wenig Strom. Oder
wir müssen die Kohlekraftwerke in Reserve
halten. Beides wollen wir nicht.
ZEIT: Oder wir vertrauen darauf, dass wir ge-
nug Stromspeicher haben.
Krebber: Bis 2030? Da ist die technologische
Entwicklung zwar schon recht gut, aber es wird
keine Wunder geben. Wir dürfen uns nicht auf
das Prinzip Hoffnung verlassen.
ZEIT: Bauen wollen Sie die neuen Gaskraft-
werke nur mit staatlicher Unterstützung. Was
fordern Sie?
Krebber: Wir brauchen schnell Klarheit über
den Ausbau des Wasserstoffnetzes – ich muss
wissen, wann eine Wasserstoffleitung wo gebaut
wird, bevor ich über einen Kraftwerksbau ent-
scheiden kann. Und zweitens muss es einen
Preis für die Bereitstellung geben, weil diese
Kraftwerke ja nur laufen, wenn Sonne und
Wind nicht reichen. Sonst lassen sich die In-
vestitionen nicht zurückverdienen. Wir brau-
chen diese Entscheidungen bis Ende des Jahres,
dann können wir die Anlagen bis 2029 bauen.
ZEIT: Sie durften gerade mehrere Braunkohle-
Kraftwerksblöcke zurück ans Netz holen, die
gewaltige Mengen CO₂ ausstoßen. Dafür wer-
den bald die letzten deutschen Atomkraftwerke
stillgelegt, die kaum Emissionen haben. Hätte
man nicht zuerst aus der Braunkohle aussteigen
sollen?
Krebber: Aus der Klimaperspektive sicherlich.
Aber das wurde politisch so festgelegt. Fragen
Sie das besser all diejenigen, die sich damals für
den Kernenergie-Ausstieg starkgemacht haben.
ZEIT: Können Sie Ihr Kernkraftwerk Emsland
in zwei Monaten wirklich abschalten, ohne dass
dann Stromausfälle drohen?
Krebber: Ja. In der gesamten europäischen
Energieversorgung machen die gut vier Giga-
watt Leistung der drei letzten deutschen Kern-
kraftwerke keinen Unterschied. Die Politik hat
entschieden – wir setzen das nun um. Hoffent-
lich geht es ab jetzt um die wirklich relevanten
Fragen der Energiewende. Wir müssen aus die-
sem kurzfristigen Krisenmanagement raus.
ZEIT: Mit Klimaminister Robert Habeck ha-
ben Sie den Kohledeal gemacht und früh auf
eine mögliche Gasumlage verzichtet. Wollten
Sie Partner und Ratgeber der Politik sein?
Krebber: Ich lebe ja in Deutschland, deshalb
beteilige ich mich natürlich an der Debatte.
Und weil uns als Unternehmen diese Themen
wichtig sind.
9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
ZEIT: Raten Sie der Politik dann auch zu einem
riesigen grünen Förderprogramm wie dem 370
Milliarden Dollar schweren Inflation Reduction
Act in den USA?
Krebber: Davon kann man sich drei gute­
Sachen abgucken. Erstens die für zehn Jahre
festgelegten Rahmenbedingungen: Wenn Sie
Milliarden investieren, brauchen Sie Verläss-
lichkeit. Sie wollen nicht morgens aufwachen
und hören, dass es schon wieder neue Regeln
oder Steuern gibt. Zweitens geht es in den
USA sehr pragmatisch zu: Wenn Sie eine Kilo-
wattstunde grünen Strom oder ein Kilogramm
grünen Wasserstoff produzieren, wird das ge-
fördert – und Sie müssen nicht für jedes einzel-
ne Projekt jahrelang auf die Genehmigung­
eines För­der­antrags warten wie in der EU.
ZEIT: Und drittens?
Krebber: Drittens halte ich zumindest im Ener-
giebereich die Vorgabe für richtig, dass wichtige
Produkte wie Windturbinen im eigenen Land
hergestellt werden müssen. Damit geben Sie
den örtlichen Herstellern Sicherheit, dass ihre
Produkte abgenommen werden. Und in den
Regionen entstehen gute Arbeitsplätze, das ist
wichtig für die Akzeptanz der Energiewende
vor Ort.
ZEIT: Im Moment erhebt Europa CO₂-Steu-
ern, während die USA Hunderte Milliarden
ausschütten.
Krebber: Amerika fördert, Europa bestraft. Das
führt dazu, dass in Europa die alten Anlagen
abgeschaltet werden, bevor die neuen gebaut
sind. Die Amerikaner sagen dagegen: Lasst uns
das Neue hierherholen, dann fällt das Alte auto-
matisch hinten runter.
ZEIT: Die CO₂-Steuer gilt in Europa als per-
fekte Idee, um die Emissionen zu senken. Ist
das ein Irrtum?
Krebber: Nein. Bei uns im Energiesektor und
innerhalb einzelner Länder ist die CO₂-Beprei-
sung der richtige Weg. Denn sie sorgt dafür,
dass wir das CO₂ zuerst da einsparen, wo es am
effizientesten ist. Aber sie stößt an Grenzen,
DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023 WIRTSCHAFT 27

Kohleausstieg

wenn Unternehmen ihre Produktion ins Ausland
verlagern. Deshalb brauchen wir beides, die CO₂-
Bepreisung und Förderungen.
ZEIT: Was sagen Sie zum neuen Plan der EU, dass
die Mitgliedsländer Hunderte Milliarden aus dem
Corona-Programm zur Förderung von grünen In-
vestitionen verwenden sollen?
Krebber: Es ist richtig, die europäische Industrie
bei der grünen Transformation zu unterstützen.
Aber wichtiger als mehr Geld sind verlässliche
Rahmenbedingungen, Pragmatismus und der
Aufbau von eigenen Pro­duk­tions­ka­pa­zi­tä­ten bei
Zulieferern. Der EU selbst
würde ein »Bureaucracy Re-
duction Act« gut tun. Bisher
Gründlich verpennt
liar­den Euro verdoppelt hat und Ihr Übergewinn
durch die Krise bei stolzen 100 Prozent liegt.
Krebber: Diese Rechnung ist schief. Wir haben als
bedeutender Energieversorger der weltweit viert-
größten Volkswirtschaft gut eine Milliarde Euro
mehr verdient. Aber jedes Öl- und Gasunterneh-
men auf der Welt verdient gerade zweistellige
Milliardenbeträge mehr. Außerdem investieren Robert Habeck behauptet, der Kompromiss mit RWE nütze dem Klima –
wir wie verrückt, allein letztes Jahr 4,4 Milliarden
Euro. Dass Investitionen zu höheren Ergebnissen
doch das stimmt womöglich gar nicht  VON CHRISTIAN ENDT UND PETRA PINZLER
führen, kann keinen verwundern. Eigentlich soll-
te man froh sein, dass ein deutscher Energie­
versorger mehr verdient – Von einem »Meilenstein für den Klimaschutz« benötigten Zertifikate kein anderer verwendet. Um Doch aus Berlin kam kein Brief. Ein Sprecher des
und das Geld nicht direkt schwärmte Klimaschutzminister Robert Habeck, 280 Millionen Tonnen CO₂ einzusparen, müssten Ministeriums entschuldigt das Versäumnis damit,
in Aktienrückkäufe steckt, als er Anfang Oktober seinen historischen Kohle- 280 Millionen Zertifikate für immer verschwinden. dass man sich mit der EU-Kommission nicht über

»Wir investieren
wird das meiste Fördergeld
überhaupt nicht abgerufen,
weil das viel zu kompliziert
ist.
ZEIT: Der Chef von EnBW,
wie verrückt,
Andreas Schell, warnt vor
zu viel staatlichem Dirigis- allein letztes Jahr
mus in der Energiepolitik.
Sie auch?
Krebber: Es gibt zu viel
4,4 Milliarden«
Detail-Dirigismus, die Aus­
wüchse sind überall spür-
bar. Wenn ich als Staat zum
Beispiel die CO₂-Emissionen des Energiesektors
vorgebe, muss ich nicht noch rumfummeln und
bestimmen, wann welches Kohlekraftwerk still-
gelegt wird.
ZEIT: Ist die Bundesregierung nicht gerade be-
seelt davon, die Transformation zu gestalten?
Krebber: Ich habe mir abgewöhnt, mich über die
Bundesregierung zu beschweren.
ZEIT: Ihr Konkurrent E.on ärgert sich zum Bei-
spiel massiv darüber, dass er wegen EU-Vorgaben
keine Gas- und Wasserstoffpipelines gleichzeitig
bauen darf. Stattdessen will die Bundesregierung
die Wasserstoffröhren selbst bauen.
Krebber: Das könnte ja System haben: Man macht
es als Staat erst so kompliziert, dass es nicht voran-
kommt. Und dann ist die Lösung, dass man es als
Staat lieber selbst übernimmt. Hoffentlich ist das
nicht so. Sondern es läuft wie bei den Importtermi-
nals für Flüssiggas: Da hat der Staat gute Rahmen-
bedingungen geschaffen, und wir Unternehmen
haben schnell gehandelt. Jetzt wollen Sie mich be-
stimmt noch nach unseren hohen Gewinnen fra-
gen, oder? Darauf habe ich aber keine Lust. (lacht)
ZEIT: Dann stellen wir nur fest, dass sich der Ge-
winn von RWE im vergangenen Jahr auf 3,2 Mil­
sondern in erneuerbare
Energien investiert.
ZEIT: Dafür hat RWE über
die Jahrzehnte mit riesigen
CO₂-Emissionen eine gro-
ße historische Schuld auf
sich geladen. Oder sehen Sie
das nicht so?
Krebber: Wir haben uns
immer in dem Rahmen be-
wegt, der in unserer Demo-
kratie durch politische Pro-
zesse festgelegt wurde. Wir
unterliegen seit vielen Jahren der politischen Vor-
gabe, wie viel CO₂ noch ausgestoßen werden darf.
Hätte man die verschärft, wären die Emissionen
in Europa geringer gewesen.
ZEIT: Es gibt aber auch Unternehmen, die nicht
nur ihre aktuellen Emissionen neutralisieren wol-
len, sondern auch ihre früheren.
Krebber: Das sind Firmen wie Amazon. Wenn wir
nur deren Emissionen gehabt hätten, bräuchten
wir für die Neutralisierung höchstens drei Mona-
te. Und was kaum jemand weiß: Wir wollten An-
fang der 2000er-Jahre die CO₂-Emissionen von
all unseren Braunkohle-Kraftwerken mit der
CCS-Technologie abfangen und in alten Gasfel-
dern speichern. Das war politisch nicht gewollt.
Stellen Sie sich mal vor, man hätte uns das damals
ermöglicht – wie viel Emissionen hätte das erspart!
ZEIT: Trotzdem hätte RWE von sich aus die­
grüne Transformation früher einleiten können.
Krebber: Wir tun hier und jetzt alles dafür, dass
das mit maximaler Geschwindigkeit geht. Den
Rest sollen andere beurteilen.
Das Gespräch führten Uwe Jean Heuser
und Marc Widmann
kompromiss mit RWE verkündete. Um in der ak-
tuellen Krise die Stromversorgung zu sichern, darf
RWE nun vorübergehend mehr Braunkohle ver-
brennen als ursprünglich geplant. Im Gegenzug
wird der Konzern dafür schon 2030 aus der Kohle-
verbrennung aussteigen, acht Jahre früher als vor-
gesehen. Fünf rheinische Dörfer, unter denen
Braunkohle im Boden liegt, bleiben erhalten, aber
Lützerath muss den Baggern weichen.
»Wir sparen damit 280 Millionen Tonnen Braun-
kohle«, lobte Habeck den Deal, »also rund 280
Millionen Tonnen CO₂.«
Wirklich? Daran gibt es Zweifel. Denn für das
Klima ist es keinesfalls nur entscheidend, ob die
Braunkohle in der Erde bleibt. Sondern vor allem,
was mit den zugehörigen CO₂-Zertifikaten passiert.
Die sind – jedenfalls theoretisch – eine ebenso ein-
fache wie geniale Angelegenheit.
Das System funktioniert so: Die EU einigt sich
darauf, wie viel CO₂ die Industrie jedes Jahr in die
Atmosphäre pusten darf. Dann legt die Europäische
Kommission eine entsprechende Menge an Zertifi-
katen (also Verschmutzungsgutscheinen) auf und
verteilt sie an die Mitgliedsstaaten. Diese versteigern
sie wiederum an Unternehmen, die CO₂ ausstoßen
wollen, teilweise werden sie auch verschenkt. Die
Gesamtmenge wird jedes Jahr kleiner, also kann die
Wirtschaft immer weniger Treibhausgase emittieren.
Nur wer ein Zertifikat besitzt, darf klimaschäd-
liche Emissionen ausstoßen. Allerdings können
diese Zertifikate weiterverkauft werden – wenn eine
Firma weniger davon braucht, kann eine andere ent-
sprechend mehr CO₂ in die Luft pusten. Unterm
Strich sinken trotzdem die Emissionen, weil die
Gesamtmenge der Zertifikate nach dem EU-Plan
kleiner wird. Doch wenn Habecks Kohlekompro-
miss darüber hinaus dem Klima nützen soll, müsste­
sichergestellt sein, dass die von RWE nicht mehr
In der Vergangenheit hat das aber nicht funk-
tioniert. Die dauerhafte Stillegung von Kohlekraft-
werke im Jahr 2021 hat die Emissionen nicht gemin-
dert – weil Habecks Ministerium eine Meldung nach
Brüssel versäumt hat.
2021 wurden hierzulande erstmals im großen
Stil Kohlekraftwerke stillgelegt, 14 Kraftwerks-
blöcke insgesamt. In einer Kohlekommission ver-
einbarten Vertreter von Firmen, Gewerkschaften,
Umweltverbänden und Politik einen Ausstiegs-
plan. Der Bundestag machte viele Milliarden als
Entschädigungen für die Unternehmen und die
betroffenen Regionen locker.
Nun kommt der Emissionshandel ins Spiel:
Weil die Konzerne weniger Kohle verbrannten,
benötigten sie auch weniger CO₂-Zertifikate. Die
konnten andere nutzen. CO₂ wird so nicht ver-
mieden, sondern nur verschoben, der Schaden
fürs Klima reduziert sich trotz Abschalten der
Meiler also erst einmal nicht.
Das ginge auch anders. Damit sich einzelne
Maßnahmen wie der Kohleausstieg wirklich fürs
Klima auszahlen, gibt es im EU-Recht einen spe-
ziellen Passus. Der erlaubt den Mitgliedsstaaten in
solchen Fällen, die überflüssig gewordenen CO₂-
Zertifikate zu löschen und dem Handelssystem zu
entziehen. »Die Löschung ist der einzige Weg, um
sicherzustellen, dass der Kohleausstieg auch wirklich
CO₂-Emissionen einspart«, sagt Michael Pahle vom
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Alles, was man dazu braucht, ist eine Löschmel-
dung aus Berlin nach Brüssel. Oder konkreter: ein
Schreiben des zuständigen Bundeswirtschaftsminis-
teriums an die EU-Kommission. Die Meldung muss
allerdings bis Ende des Jahres nach der Stilllegung
in Brüssel eingehen. Da in Deutschland die ersten
Kohlekraftwerke 2021 vom Netz gingen, ist die Frist
also im Dezember 2022 abgelaufen.
das genaue Prozedere habe einigen können. Mehrere­
Fachleute, die sich mit der Materie auskennen, sagen
allerdings: Die EU-Richtlinie ist sehr klar.
Kompliziert ist die Sache nur, weil Deutschland
sie kompliziert gemacht hat. Das Gesetz, das die
schwarz-rote Bundesregierung unter Angela Merkel
zur Umsetzung der EU-Richtlinie erlassen hat, er-
laubt der Regierung, weniger CO₂-Zertifikate zu
löschen, als es nach EU-Recht möglich wäre. Außer-
dem wurde die Berechnung der richtigen Menge so
kompliziert geregelt, dass die Regierung dafür erst
Gutachten in Auftrag geben muss, bevor sie Mel-
dung nach Brüssel machen kann. Aus dem einfachen
Formbrief hat Deutschland einen komplizierten
Prozess gemacht. Im konkreten Fall sind die Gut-
achten laut Ministerium bis heute nicht fertig.
Welcher Klimaschaden so entstanden ist, hängt
von der Rechenmethode ab. Nach EU-Recht hätte
Deutschland Zertifikate löschen können, die etwa
100 Millionen Tonnen CO₂ entsprechen. Das wäre
die Menge, die die 2021 stillgelegten deutschen
Kohlekraftwerke in fünf Jahren verursacht hätten.
Sie entspricht ungefähr den Emissionen, die Tsche-
chien in einem Jahr verursacht.
Dazu kommen 15,8 Millionen Tonnen CO₂, die
im vergangenen Jahr zusätzlich emittiert wurden,
weil Habeck einige Kohlekraftwerke in der Krise
länger laufen ließ. Das zeigt eine Studie der Berliner
Beratungsfirma Energy Brainpool.
Wenn das Wirtschaftsministerium nicht sicher-
stellt, dass die Meldungen künftig fristgerecht in
Brüssel ankommen, wiederholt sich das gleiche
Schauspiel auch bei dem RWE-Kompromiss. Ener-
gy Brainpool empfiehlt daher, die Regierung solle
ihr Gesetz so ändern, dass sie in vergleichbaren Fällen
das Maximum der von der EU erlaubten Zertifikate-
Menge löschen muss. Das würde Berlin auch die
aufwendige Rechnerei mit Gutachten ersparen.

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Fensterflächen teils ebenso. Heizkörper stehen vielfach direkt an
der Außenwand oder in Fensternischen und heizen den Garten qua-
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112485_ANZ_371x528_X4_ONP26 1 07.02.23 13:46

 9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7

WISSEN
Erdbeben ․ Bildung ․ Klima ․ Wildtiere ․ Infografik: Röntgenstrahlen
29
Fotos: Ercin Erturk/Anadolu Agency/Getty Images; Guido von Wiecken (u.)

SMS aus den

Trümmern
Die Politikerin Berivan Aymaz
über die Sorge um Angehörige in
der Türkei und sinnvolle Hilfe
Es war ungefähr halb acht am Montagmorgen,
als mich meine Mutter anrief und mir von dem
Erdbeben erzählte. Einer meiner Cousins
wohnt mit seiner Ehefrau direkt im Epi­
zentrum des Bebens, in der Stadt Gaziantep.
Den beiden geht es zum Glück gut, das wissen
wir mittlerweile, aber die Ehefrau hat fast ihre
komplette Familie verloren. Die Angehörigen
eines weiteren Cousins wohnen in der Provinz
Hatay. Ihr Haus ist eingestürzt. Es ist fünf­
stöckig, sie haben auf der ersten Etage ge-
wohnt. Vier Stockwerke lagen zwischenzeitlich
auf ihnen drauf. Sie haben eine SMS aus den
Trümmern gesendet und konnten geborgen
werden – zumindest zwei der Kinder und ihre
Eltern, die jüngste Tochter hat nicht überlebt.
Es ist furchtbar.
Aber natürlich geht es nicht nur um die
eigenen Angehörigen. Man rechnet bereits jetzt
mit bis zu 23 Millionen Betroffenen in der
Türkei und in Syrien. Und auch in Deutsch-
land sind viele indirekt von dem Erdbeben
betroffen. Manche von ihnen sprechen, wie
ich, neben Deutsch auch Türkisch und Kur-
disch und sehen nicht nur die Bilder, sondern
verstehen auch die Hilferufe, die Verzweiflung
und das Klagen der Menschen.
Viele melden sich bei mir in meiner Rolle
als Politikerin. Sie schreiben mir bei Whats­
App, Twitter oder per Mail, weil sie hoffen,
33 Stunden war dieses türkische Mädchen verschüttet, bevor es gerettet wurde dass ich ihnen etwas Kraft geben oder einen
Weg zeigen kann, wie sie etwas unternehmen
können. Es ist mir wichtig, für die Menschen
da zu sein. Aus Deutschland kann man an
Hilfsorganisationen spenden, denen man ver-

Das Beben vor

traut. Zum Beispiel an Medico International,
das sich seit Jahren mit humanitären Projekten
in Syrien und der Türkei engagiert. Ich sage
den Menschen aber: Bleibt geduldig, und
behaltet die Region im Blick! Es geht nicht nur
darum, in diesen schweren Stunden da zu sein

der Wahl
für die Menschen. Wir müssen damit rechnen,
dass sie über Monate oder Jahre von den Schä-
den betroffen sein werden.
Heute Morgen hat mich jemand gefragt:
Wir wollen Matratzen und Zelte hinbringen
– wie ist das mit den Zollbedingungen? Das
kann ich natürlich nicht beantworten. Aber
wer unterstützen will, könnte entsprechende
Informationen aufbereiten und den Menschen
In Syrien trifft die Katastrophe die ohnehin schon traumatisierten Menschen besonders hart – und in der anbieten. Lehrer in deutschen Schulen müssen
Türkei fragt man sich, wie Präsident Erdoğan die Krise für sich nutzen wird  VON ISSIO EHRICH sensibilisiert werden, weil Kinder vielleicht
Verwandte im Erdbebengebiet haben und

I
traurig sind. Und die Arbeitgeber sollten be-
rücksichtigen, dass manche ihrer Mitarbeiter
n der Nacht nach dem großen Beben vestierte sein gesamtes Ver­mögen, um Waisenhäuser nun womöglich nach hinten? Am Dienstag hat rausforderungen für die Nation hinter sich zu­ gerade vielleicht nicht das leisten können, was
liegt Mahmoud Dahi mit einigen seiner und Spielplätze auf­zu­bauen. Zwischenzeitlich ver- Erdoğan für die betroffenen Gebiete den Notstand versammeln. Bei den Gezi-Protesten 2013 und sie sonst leisten.
67 Waisenkinder auf dem Boden einer sorgte er in mehreren Unterkünften mehr als 200 ausgerufen. Das eröffnet dem Staatschef und­ dem Putschversuch ein paar Jahre später setzte er Wenn man an die betroffenen Communi-
Turnhalle in Kilis und verschickt Fotos. Kinder. Es sei hart gewesen, den Kindern wieder das seinem Kabinett die Möglichkeit, am türkischen darauf, die Reihen seiner Anhänger zu schließen, tys in Nordrhein-Westfalen und in Deutsch-
Auf einem Bild sind die Umrisse von Lachen beizubringen, schreibt er. »Jetzt müssen wir Parlament vorbei Gesetze zu ändern und diverse indem er bewusst eine Spaltung der Gesellschaft land generell denkt, müssen wir auch über
kleinen Händen zu sehen, die sich in wieder daran arbeiten.« Nur wie? Und unter welchen Rechte seiner Bürger einzuschränken. provozierte. Ähnlich reagierte er auf Terror­ Visaerleichterungen sprechen – sodass diese
Richtung Decke strecken. Auf einem an- Bedingungen? Unklar ist auch, was aus dem Norden Syriens anschläge durch die PKK. Bei der Flüchtlingskrise Menschen ihre Großmütter oder Mütter, die
deren ein brauner Lockenkopf, der auf einem Die Infrastruktur im Süden der Türkei ist nach wird. Teile davon stehen de facto unter der Kon- 2015 wiederum appellierte er an das religiöse überlebt haben, nach Deutschland holen
Stapel Jacken ruht. Und immer wieder unendlich den aktuellen Beben in einem Gebiet von mehre- trolle der Türkei und verbündeter Milizen. Andere Selbstverständnis seiner Anhänger, die ihre »Brü- können. Auch darüber haben wir heute in
müde Kinderaugen. »Wir haben überlebt«, ren Hundert Kilometern in Nord-Süd- und Ost- Gebiete hält die kurdische YPG, ein Feind Er- der« aus dem Nachbarland daraufhin mit erstaun- der Grünen-Landtagsfraktion gesprochen. Ich
schreibt Dahi per Whats­App. »Wahnsinn!« West-Richtung teils massiv geschädigt. Straßen doğans. Er sieht sie als direkten Verbündeten der lich offenen Armen willkommen hießen. habe zudem mit den Maltesern telefoniert. Sie
Es ist ein kleines Wunder. Dahi und seine Kin- sind aufgebrochen, Häuser eingestürzt, vielerorts verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK). Es kann aber auch genauso gut sein, dass Er- wollen die Hilfe so schnell wie möglich auf
der, die nun verteilt auf mehrere Schulen und gibt es keinen Strom. Das ganze Ausmaß der Ver- Schon seit Monaten droht er mit einer Boden­ doğan nicht allein auf die Karte des großen Krisen­ Nordsyrien ausweiten, eine Region, die wir
Turnhallen auf dem Boden kauern, sind unver- wüstung lässt sich noch gar nicht abschätzen. offensive in diesen Gegenden. Die Lage für die managers setzt, sondern auf andere Methoden zu- ganz besonders im Blick behalten müssen. Die
letzt. Zumindest körperlich. Jetzt allerdings liegt Vor allem im Grenzgebiet zu Syrien gilt die Menschen im Norden Syriens ist besonders hart. rückgreift. Die Notstandsregeln gelten nun auch ist von dem langjährigen Krieg gebeutelt, es
eine ungewisse Zeit vor ihnen. Bausubstanz mitunter als fragil. Ein entscheiden- Hilfslieferungen kommen schwer durch, und die in mehreren Provinzen, in denen die Opposition gibt keine staatlichen Strukturen.
Das Erdbeben, das den Süden der Türkei und der Faktor, nicht nur für das Ausmaß der Zerstö- Infrastruktur ist nach Jahren des Krieges extrem besonders stark und der Rückhalt insbesondere für Über die Lage meiner Familie hält mich
den Norden Syriens Anfang der Woche getroffen rung, sondern vor allem für die Zahl der Toten labil. Obendrein hat die Bereitschaft vieler Tür- linke Kurden groß ist. Schon jetzt haben in eini- mein Cousin auf dem Laufenden. Er hat ver-
hat, ist das heftigste seit dem Beginn der Aufzeich- und Verletzten. Zwar gab es nach früheren Beben ken, den Nachbarn zu helfen, angesichts der gen Städten in der Erdbebenregion Statthalter der sucht, nicht allzu viele Videos und Bilder von
nungen in dem Land vor rund 200 Jahren. Die neue Vorschriften für den Bau von Häusern. Doch schweren Wirtschaftskrise im eigenen Land stark Regierung ohne echtes Wahlmandat die Kontrolle. den Trümmern zu schicken, unter denen seine
Zahl der Toten lag bei Redaktionsschluss am ob sie wirklich durchgesetzt wurden und sich alle nachgelassen. Mahmoud Dahi hat in der ersten Nacht nach dem Familie lag. Wir wollen die Familie schonen,
Diens­tag­abend bereits bei mehr als 7000. Man Bauunternehmer daran gehalten haben, ist eine Dass Erdoğan diese Krise für sich nutzen wird, Beben ganz andere Sorgen. Er muss sich um seine meine Eltern, die seit über 40 Jahren in
nimmt an, dass diese Zahl auf mehr als 20.000 der Fragen, die in den kommenden Tagen immer darf man aber annehmen. Er gilt unter Experten Kinder kümmern. Zumindest gibt es genug zu essen, Deutschland leben, sind nicht mehr die Jüngs-
steigen könnte. »Es ist wie im Krieg«, schreibt wieder aufgeworfen werden dürften. Vor allem die nicht als Ideologe, sondern als Pragmatiker der sagt er. »Da versorgt uns der Staat gerade gut.« ten. Sie haben im Jahr vor meiner Geburt,
Dahi. Und wenn der 62-Jährige diesen Vergleich Baubranche in der Türkei gilt als anfällig für­ Macht. Vor dem Beben war die politische Lage für Am nächsten Morgen schickt er eine Sprach- 1971, selbst ein großes Erdbeben in der kur-
wagt, ist das nicht einfach so dahergesagt. Korruption. ihn schwierig. Die Opposition liegt in Umfragen nachricht. Ein Vogel zwitschert im Hintergrund. dischen Provinz Bingöl erlebt.
2015, als Russland in den syrischen Bürger- In dieser ersten Nacht nach dem Beben kann vorn. Dies ist vor allem der schwächelnden türki- Er und seine Kinder wollen zurück in ihre Unter-
krieg einstieg, der Terror mit den Fassbomben be- Dahi noch nicht abschätzen, wie schlimm es um schen Wirtschaft geschuldet. Die Inflation lag im künfte, schreibt er. Dahi hat stabil gebaut. Es gebe Aufgezeichnet von Yannick Ramsel
gann, ganze Städte dem Erdboden gleichgemacht sein Waisenhaus steht. »Man hätte die Gebäude vergangenen Jahr in den meisten Monaten bei zwar ein paar dicke Risse in den Wänden der Ge-
wurden, lag Dahi auch mit seinen Kindern auf doch vor dem Erdbeben räumen können«, schreibt über 80 Prozent. Viele Türken wissen am Monats- bäude, doch seine Kinder seien nicht obdachlos.
dem Boden, damals im Busbahnhof von Kilis. Die er. Es habe überhaupt keine Warnung gegeben. ende nicht, wie sie ihren Kühlschrank füllen sol- Vor Dahi liegt eine gewaltige Aufgabe: den
Stadt im Süden der Türkei nahe der syrischen Erdbeben gelten als kaum vorhersagbar, in den len. Der Unmut im Land ist groß, schließlich war Kindern, die im Bombenhagel in Syrien aufge-
Grenze war einer der wichtigsten Anlaufpunkte sozialen Medien wird der Regierung dennoch vor- wachsender Wohlstand lange Erdoğans großes wachsen sind, das Gefühl zu geben, dass sie sich in
für Geflüchtete, die es über die Grenze geschafft geworfen, Warnungen ignoriert zu haben. Es gibt Versprechen. Ein Versprechen, das für viele die ihrer neuen Heimat sicher fühlen können – selbst
hatten. Dahi nahm damals Kriegswaisen auf, aber wenig Zweifel daran, dass sich der Umgang der dunklen Seiten seiner Regentschaft überdeckte. wenn die Erde bebt.
auch Mütter mit ihren Kindern. Darunter einige, Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan Die massiven Erdbeben haben nun eine der Nach ein paar Stunden gehen Dahi und die
die mit angesehen hatten, wie ihre Ehemänner mit der Katastrophe zu einem Politikum entwi- strukturschwächsten Gegenden der Türkei getrof- syrischen Waisenkinder doch wieder zurück in die
und Väter ums Leben kamen. ckeln wird. In der Türkei wird bald gewählt. fen. Und die Naturkatastrophe stellt Erdoğans Turnhalle. Die von den Rissen gezeichneten­
Dahi selbst stammt aus Aleppo in Syrien. In den Ursprünglich sollten die Türken am 18. Juni Wahlkampfstrategie infrage, die vor allem aus fet- Wände des Waisenhauses fühlen sich für sie nicht
Achtzigerjahren floh er nach Deutschland. Er machte einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament ten Geschenken für seine Klientel bestehen sollte. sicher an. Berivan Aymaz, 50, Grünen-­
in München Karriere mit einem VIP-Service für bestimmen. Nicht lange vor dem verheerenden Dazu gehören große Investitionen in den sozialen Politikerin und Vizepräsidentin des
Reisende aus arabischen Ländern, verdiente viel Geld. Erd­beben hatte Erdoğan angekündigt, die Wahl Wohnungsbau und ein früheres Ren­ten­ein­tritts­  www.zeit.de/vorgelesen Landtags von Nordrhein-Westfalen
Als 2011 der Bürgerkrieg in seiner alten Heimat­ vorzuverlegen. Ist das jetzt überhaupt noch mög- alter. Ist das jetzt überhaupt noch möglich?
ausbrach, organisierte er Konvois mit Hilfslieferun- lich? Oder ist die Infrastruktur dafür im Süden zu Es wäre nicht das erste Mal, dass es Erdoğan Siehe auch das Interview auf der folgenden Seite:
gen. Schließlich ließ er sich in Kilis nieder und in- heftig getroffen? Verschiebt der Präsident die Wahl gelingt, seine Wählerschaft angesichts großer He- Warum Erdbeben so schwer vorhersagbar sind
30
Auf der Suche nach der Fieberkurve
DIE ZEIT: Herr Bohnhoff, das Beben an der tür-
kisch-syrischen Grenze kam nicht völlig unerwar-
tet, die Gegend ist bekannt für Erdbebengefahr.
Warum kann man solche Ereignisse immer noch
nicht genauer vorhersagen? An Frühwarnsystemen
wird doch seit Jahrzehnten geforscht!
Marco Bohnhoff: Die kurze Antwort lautet: Auf
den Punkt genau vorhersagen können wir keine
einzelnen Erdbeben. Stand heute ist: Wir können
sagen, wo Beben zu erwarten sind, wie groß sie
werden – aber nicht, wann sie auftreten.
ZEIT: Und die lange Antwort?
Bohnhoff: Kurzfristige Prognosen sind schwerer
als langfristige. Für letztere berechnet man die
Wahrscheinlichkeit für ein Beben in einer be-
stimmten Region in einem bestimmten Zeitraum,
sagen wir für die nächsten 20 oder 30 Jahre. Das
kann man auf Basis historischer Daten relativ gut
abschätzen. An der Verbesserung der kurzfristigen
Vorhersage arbeiten wir sehr intensiv. Das Geo­
forschungszentrum in Potsdam kooperiert dazu
seit vielen Jahren mit türkischen Kollegen in­
Istanbul. In der Marmara-Region betreiben wir
das bohrlochgestützte Gonaf-Observatorium, mit
dem wir hochgenau auch sehr kleine Erdbeben
erfassen können.
ZEIT: Wie blicken Seismologen auf das aktuelle
Beben? Lernt man daraus wissenschaftlich etwas?
Bohnhoff: Ein großes Beben liefert sehr viele Da-
ten. Und da die Physik eines Erdbebens überall
dieselbe ist, kann man solche Daten dann mit­
denen anderer Regionen vergleichen, die ebenfalls
erdbebengefährdet sind, sei es die Gegend um Is-
tanbul oder die San-Andreas-Verwerfung in Kali-
fornien. Das jetzige Beben, das Stärke 7,8 erreich-
te, erzeugt in der Regel viele Nachbeben. In einem
unserer Forschungsschwerpunkte fragen wir zum
Beispiel, ob man dabei Signale findet, die man zur
Vorhersage oder Frühwarnung nutzen könnte.
ZEIT: Sie rechnen mit weiteren Beben in den
nächsten Tagen oder Wochen?
Bohnhoff: Wir können sicher davon ausgehen,
dass weitere Beben auftreten, auch relativ starke.
Das ist deshalb gefährlich, weil durch das erste
große Beben bereits Gebäude und Infrastruktur
vorgeschädigt sind, sodass sie bei Nachbeben ein-
stürzen und die Opferzahlen erhöhen könnten.
ZEIT: Viele Experten haben das nächste große
Beben in der Türkei eher in der Gegend um Istan-
bul erwartet. Waren Sie überrascht, dass die Erde
nun in der Grenzregion zu Syrien bebte?
Bohnhoff: Nein, überrascht waren wir nicht. Die
Türkei liegt ja zwischen der eurasischen und der ara-
bischen Erdplatte wie ein Keil. Und da gibt es gleich
mehrere Verwerfungszonen. Im Norden ist das die
sogenannte Nordanatolische Verwerfungszone, die
im letzten Jahrhundert in einer einmaligen Beben-
Serie von Ost nach West gerissen ist. Da ist es nur
eine Frage der Zeit, bis es auch in Istanbul bebt.
ZEIT: Könnte es sogar sein, dass das jetzige Beben
so ein Ereignis in Istanbul »triggert«?
Bohnhoff: Das ist eine sehr berechtigte Frage. Tek-
tonisch sind das unterschiedliche Einheiten, es
gibt keinen direkten Zusammenhang. Aber wir
können nicht hundertprozentig ausschließen, dass
durch das jetzige Beben Umlagerungsprozesse in
Gang kommen, die dann vielleicht den letzten An-
stoß für ein Beben Richtung Istanbul geben.
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WISSEN
Erdbeben
Was macht die Vorhersage von Erdbeben
so kompliziert – und wird künstliche Intelligenz
den Durchbruch bringen? Ein Gespräch
mit dem Seismologen Marco Bohnhoff
Schwarzes Meer
Eurasische Platte
Istanbul
Izmit
Ankara
TÜRK EI
Anatolische Platte
Kahramanmaraş
Afrikanische Platte
Mittelmeer
Kontinentalplattengrenzen Nordanatolische Verwerfung
Bewegungsrichtung
Beben am 6.2.2023 1 Stärke des Bebens: 7.8
Gefährlicher Untergrund
Zweifaches Unheil kam aus der Tiefe.
Am frühen Morgen des 6. Februar
ereilte die Menschen beiderseits der
türkisch-syrischen Grenze ein Beben
mit einer Stärke von 7,8 auf der Rich-
terskala, sein Epizentrum lag westlich
der Millionenstadt Gaziantep (1). Drei
Dutzend Nachbeben folgten. Neun
Stunden später erschütterte ein weiteres
Beben die Region, es war mit 7,5 ähn-
lich stark, sein Epizentrum lag nördlich
von Kahramanmaraş (2). Besonders
zerstörerisch, weil oberflächennah,
waren beide, das zweite traf auf bereits
beschädigte Gebäude und Helfer, die
nach Verschütteten suchten.
Die Geologie vor Ort ist kompliziert.
Die Anatolische Platte, auf der die
ZEIT-Grafik: Simone Karl/Quelle: EarthScope Consortium, USGS
Besondere Begriffe
werden erklärt
Reportagen und Einblicke in
die spanischsprachige Kultur
Erschütterungen an
2 der Oberfläche
1 Gaziantep
Aleppo
SYR IEN
Arabische Platte
ZEIT- GRAFIK
200 km
Ostanatolische Verwerfung
Flächenvergleich Deutschland
2 Stärke des Bebens: 7.5
Türkei liegt, erfährt von Süden Druck
durch die Arabische Platte und weicht
nach Westen aus. »Ostanatolische Ver-
werfung« heißt der Bereich, in dem sie
an­ein­an­der vorbeischeren und sich ver-
keilen. Auch ein Teil der Afrikanischen
Platte ragt in die Verwerfungszone­
hinein. Geologen vermuten: Das erste
Beben gab den Ausschlag für das zwei-
te, dessen Energie sich schon lange­
aufgestaut hatte.
Von einem »Tochterbeben« des »Mut-
terbebens« spricht S­ usan Hough, Seis-
mologin beim Geologischen Dienst der
USA. Meist ­seien die Töchter schwä-
cher, manchmal bildeten sie aber eben
auch ein »doublet« – ein gefährliches
Doppel. ST X
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ZEIT: Vor rund zehn Jahren kam eine Studie im
Auftrag der Vereinten Nationen zu dem Ergebnis,
ein großes Erdbeben unterhalb des Marmara­
meeres könnte bis zu 90.000 Opfer fordern und
ein Zehnfaches dieser Zahl an Menschen obdach-
los machen. Gilt diese Prognose unverändert, und
wie ist Istanbul auf diese Gefahr heute vorbereitet?
Bohnhoff: Zum einen ist die Stadt seither weiter
gewachsen, was die Anfälligkeit erhöht. Zum an-
deren aber sind die Bauvorschriften in Istanbul
verschärft worden und heute ähnlich streng wie in
Japan oder Kalifornien. Das Problem ist nur, dass
70 bis 90 Prozent der Gebäude die Baunormen
nicht erfüllen, weil sie alt sind. Seit Jahren werden
riesige Anstrengungen unternommen, um nach-
zubessern – aber das Ganze ist unglaublich an-
spruchsvoll, logistisch wie finanziell. So eine Stadt
kann man im Prinzip gar nicht vollständig gegen
Erdbeben sichern. Die Zahlen der UN-Studie, die
Sie zitieren, haben vermutlich weiter Bestand.
ZEIT: Wie hoch ist das Risiko für Istanbul?
Bohnhoff: Die Modelle sagen voraus, dass ein gro-
ßes Beben – mit einer Magnitude über sieben –
mit einer Wahrscheinlichkeit von 35 bis 70 Pro-
zent in den nächsten 30 Jahren auftritt. Das klingt
vielleicht vage, ist aber eine wichtige Information
für Baunormen, um die Sicherheit von Gebäuden
zu definieren. Unser Ziel ist natürlich die kurz-
fristige Vorhersage, und da suchen wir intensiv
nach aussagekräftigen Vorläuferphänomenen.
ZEIT: Wie sucht man nach solchen Phänomenen?
Bohnhoff: In unserem geomechanischen Labor in
Potsdam stellen wir Erdbeben-Prozesse nach. Dort
sehen wir zum Beispiel systematische Signaturen,
bevor unsere Gesteinsblöcke zerbrechen. Mit dem
Observatorium in Istanbul haben wir diese Art der
Vorläuferphänomene jetzt auch für drei mittelgroße
Beben beobachtet. Das gibt Anlass zur Hoffnung.
Das heißt noch nicht, dass wir die nächsten Beben
vorhersagen können. Aber mit den türkischen Kol-
leginnen und Kollegen versuchen wir eine Art Fie-
berkurve zu erstellen, die in Echtzeit zeigt: Gerade
steigt oder sinkt die Gefährdung. Das ist das mittel-
fristige Ziel, dafür laufen jetzt erste Tests.
ZEIT: Das wäre dann ein echtes Frühwarnsystem?
Bohnhoff: Ja, aber das ist natürlich auch heikel:
Gäben die türkischen Behörden aufgrund unserer
Berechnungen eine Warnung heraus und es würde
nichts passieren, wäre die Glaubwürdigkeit dahin.
Spätestens nach dem dritten fehlgeschlagenen Ver-
such würde niemand mehr aus den Gebäuden
rennen. Zugleich hätten wir starke volkswirt-
schaftliche Schäden, wenn durch so eine Warnung
etwa Fabriken heruntergefahren würden.
ZEIT: So oder so scheinen Seismologen auf dem
heißen Stuhl zu sitzen: Nach dem Beben 2009 im
italienischen L’Aquila wurden Forscher verklagt,
weil sie angeblich nicht rechtzeitig gewarnt hatten.
Bohnhoff: Das war tatsächlich das erste Mal, dass
Seismologen vor Gericht standen und auch verur-
teilt wurden. Das war zum einen dem italienischen
Rechtssystem geschuldet, zum anderen gab es dort
Vorbeben, die man aber nicht als solche erkannte.
Als sie aufhörten, hat die zuständige Erdbeben-
Kommission entwarnt, und einer der Forscher
sagte sinngemäß: Geht mal wieder nach Hause und
trinkt noch ein Glas Wein, da passiert schon nichts.
Und dann kam das Beben, kamen die Toten.
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9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
ZEIT: Könnte Ihnen so etwas auch passieren?
Bohnhoff: Wir als Wissenschaftler geben in der
Regel keine einfache Ja-oder-nein-Antwort, son-
dern rechnen Wahrscheinlichkeiten aus. Deshalb
sagte ich auch vorher, dass wir es »nicht hundert-
prozentig« ausschließen können, dass das aktuelle
Beben Auswirkungen auf Istanbul haben könnte.
ZEIT: Ihre Arbeitsgruppe hat gerade eine Studie
veröffentlicht, die von einer Vorhersage mithilfe
von künstlicher Intelligenz (KI) berichtet. Kann
die KI eine Frühwarnung möglich machen?
Bohnhoff: In dieser Studie haben wir mithilfe der
KI sehr kleine Erdbeben detektiert, die man sonst
nicht messen kann. Und dabei zeigte sich eine
Korrelation mit den Wasserständen im Marmara-
meer. Daraus könnte ein weiterer Informations-
punkt für so eine Fieberkurve werden: Wenn der
Wasserstand so und so ist, ist die Beben-Wahr-
scheinlichkeit ein bisschen höher oder niedriger.
ZEIT: Von welchen Zeiten für die Vorwarnung
reden wir da? Minuten, Stunden, Tage?
Bohnhoff: Da reden wir von Minuten bis Stun-
den. Das sind die Zeiträume, die man braucht,
damit Menschen aus einem Haus laufen können,
dass man Gasleitungen schließt oder kritische Pro-
zesse herunterfährt.
ZEIT: Sie haben auch die San-Andreas-Spalte in
Kalifornien erwähnt. Dort dräut seit Jahren »The
Big One«. Wann rechnen Sie damit?
Bohnhoff: Die Wahrscheinlichkeit für ein Erdbe-
ben der Magnitude sieben oder größer in Kalifor-
nien in den nächsten 30 Jahren beträgt 99 Prozent.
ZEIT: 99 Prozent!
Bohnhoff: Das ist ein klarer Wert, damit wissen
Sie Bescheid. Damit wissen Sie aber nicht, wo und
wann das Beben genau auftritt.
ZEIT: Würden Sie noch ein Haus in Kalifornien
kaufen – wenn Ihnen eines angeboten würde?
Bohnhoff: Das kommt darauf an. Es gibt ja Be-
reiche, wo erst kürzlich Erdbeben auftraten, dort
ist die Wahrscheinlichkeit eher niedriger. Und es
gibt in Kalifornien eine Erdbeben-Versicherung,
wobei allerdings nur jedes vierte Haus wirklich
versichert ist. Ich habe selbst mal in Kalifornien
gelebt, auch wenn ich kein Haus da gekauft habe.
Letztlich muss das Risiko jeder mit sich selbst aus-
machen. Das gilt ja auch für andere Naturgefah-
ren, etwa für Vulkane. Menschen wollen ihre Hei-
mat nicht verlassen, Vulkane haben fruchtbaren
Untergrund, in Städten gibt es Arbeit – das alles
zählt bei der Risikoerwägung mit.
ZEIT: Manche verdrängen das Risiko einfach.
Bohnhoff: Genau. Das Beben kann ja morgen auf-
treten oder in 30 Jahren. Zudem ist die Wahr-
scheinlichkeit, dass ich etwa bei einem Aufenthalt
in Istanbul durch ein Erdbeben ums Leben kom-
me, kleiner als das Risiko, dass ich bei der Reise
dorthin mit dem Flugzeug abstürze. Aber all das
sind statistische Werte. Was am Ende zählt, ist das
subjektive Sicherheitsgefühl. Und das lässt sich
nicht berechnen.
Das Gespräch führte Ulrich Schnabel
Marco Bohnhoff arbeitet am Deutschen GeoFor-
schungsZentrum GFZ in Potsdam und ist Leiter des
Observatoriums Gonaf (Geophysical Observatory at
the North Anatolian Fault) im Raum Istanbul
DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023
»Ich wusste ja nicht, was Krieg ist«
Weil ihre Schulen zerstört
sind, lernen zwei Millionen
Kinder und Jugendliche
in der Ukraine nur
noch online, oft in
Kellern oder Bunkern.
Vier von ihnen erzählen,
wie schwer ihnen das fällt
Wie kann man weiterlernen, zur Schule ge-
hen, wenn Krieg herrscht? Das haben wir
ukrainische Schülerinnen und Schüler gefragt,
die dort leben, wo es Raketenangriffe gibt,
russische Panzer durch die Straßen fahren.
Kinder und Jugendliche, die flohen und zu-
rückkamen, die Tote sahen. Ihre Schulen sind
schon lange geschlossen, unterrichtet wird on-
line. Aber welche Rolle spielen Noten, Klau-
suren und Abschlüsse überhaupt noch, wenn
es vor allem darum geht, genug Holz und Le-
bensmittel für das tägliche Überleben aufzu-
treiben? Es war nicht einfach, Schüler zu­
finden, die bereit waren, von all dem zu er-
zählen, was sie in den letzten zwölf Monaten
erlebt haben. Sie wissen, dass ihnen der Krieg
ihre Kindheit nimmt, ihre Jugend und alle
Träume,­die sie im Frieden noch hatten.
»Die Lehrer geben uns sowieso nur gute Noten, weil sie wissen,
wie schwer alles für uns ist«
Ich gebe zu, als mein Vater am 24. Februar 2022 zu mir sagte, ich dürfe in den folgenden
Tagen nicht in die Schule gehen, fand ich das aufregend. Wie immer bin ich um sechs Uhr
aufgestanden und war im Badezimmer, als er rief, beeil dich, wir fahren zu deiner Tante.
Die wohnt ein paar Dörfer weiter. Erst im Auto erzählten mir meine Eltern, dass wir Krieg
haben. Mein Vater ist Feuerwehrmann und meine Mutter Krankenschwester. Als sie mei-
ne Schwester und mich zu meiner Tante gebracht hatten, fuhren sie selbst wieder los, weil
sie in unserem Dorf gebraucht wurden. Das Schlimmste war die Angst um sie. Dass die
Russen sie töten könnten, war in den drei Wochen, die unser Dorf besetzt war, alles, woran
ich denken konnte. Ich hab nicht über mich nachgedacht und auch nicht über die Schule.
Meine Lehrerin hat eine Chatgruppe eingerichtet, in der wir uns austauschen
konnten. Wir haben einander erzählt, wo wir gerade sind. Als unser Dorf befreit war,
kamen viele Kinder und Lehrer nicht wieder, sie waren nach Polen oder nach Deutsch-
land gegangen. Am Anfang fand ich den Online-Unterricht gut, aber bald nicht mehr.
Ich muss mich zusammenreißen, um nicht faul zu sein. Die Versuchung ist groß, den
Computer einfach nur einzuschalten, damit es aussieht, als sei ich dabei. Noten sind
mir nicht mehr wichtig, die Lehrer geben uns sowieso gute Noten, weil sie wissen, wie
schwer alles für uns ist. In all der Zeit ohne Schule wurde mir erst bewusst, wie schön
sie ist. Unser Direktor nimmt an vielen Ausschreibungen für Geld oder Schulmateria-
lien teil. Wir haben einen botanischen Garten, Computer, eine Bibliothek, Tischtennis­
platten in der Halle, alles ist zum Glück noch heil.
Unsere Schule hat ein Hilfsprojekt für die Soldaten: Wir Kinder stellen Kerzen für die
Schützengräben her, gießen Paraffin und Wachs in leere Konservendosen und verschenken
sie an die Soldaten, die unser Dorf schützen.
Viktoria, 14, besucht die achte Klasse in Ripkiy, Oblast Tschernihiw
WISSEN
Bildung
»Es hat lange gedauert, bis ich verstanden habe,
dass der Krieg nicht am nächsten Tag vorbei ist«
Wir leben in der Nähe der Grenze zu Belarus. Unser Dorf
wurde gleich am ersten Kriegstag von russischem Militär
besetzt, und die Schulen wurden geschlossen. An diesem
Morgen packten meine Mutter und meine Schwester in
Panik unsere Sachen. Einige Tage und Nächte verbrachten
wir in einem Bunker, dann sind wir nach Polen geflohen.
Dort wohnten wir vier Monate bei Verwandten, und ich
bin zur Schule gegangen, aber nicht die ganze Zeit, weil es
mir nicht gut ging. Ich wollte nach Hause. Es hat lange
gedauert, bis ich verstanden habe, dass der Krieg nicht am
nächsten Tag vorbei sein wird. Ich wusste ja nicht, was
Krieg ist.
Als die Besatzer wieder abgezogen sind, sind wir nach
Ripkiy zurück. Ich dachte, ich könne nun wieder zur
Schule gehen. Ein paar Tage war sie zwischendrin geöffnet.
Aber es ist weiterhin zu gefährlich, auf der Straße zu sein.
Deshalb haben wir immer noch Online-Unterricht, zu-
mindest wenn wir Strom haben. Oft haben wir keinen.
Ich fand es besser, zur Schule zu gehen. Wenn ich etwas
nicht verstanden habe, konnte ich direkt fragen. Jetzt aber
kann ich nur zuhören – und, wenn ich frage, noch etwas
Einzelzeit mit dem Lehrer bekommen. Am schlimmsten
ist, dass ich meine Freunde nicht jeden Tag sehe, auch
unser Fußballclub wurde geschlossen. Wir treffen uns
selten, nur dann, wenn unsere Eltern erlauben, dass einer
zum Haus des anderen geht. Meine Eltern reden mit mir
über alles, sie behandeln mich nicht mehr wie ein Kind.
Seit wir Krieg haben, fühle ich mich mehr verantwortlich
für meine Familie und verbringe viel Zeit mit ihr. Ich sage
allen, dass sie mir wichtig sind und ich sie liebe.
Artem, 12, besucht die siebte Klasse in Ripkiy,
Oblast Tschernihiw
31
»Ich bin durch die Straßen gegangen und
habe nur geweint«
Als der Krieg ausbrach, war ich Schülerin am
Musical College in Charkiw. Ich studiere Trom-
pete. Mit meinem Bruder bin ich sofort nach
Lwiw geflohen und von dort aus weiter bis nach
Prag. Dort hatte mich eine Freundin eingeladen,
mit ihr ein Zimmer zu teilen. Aber in Prag­
wurde ich sehr depressiv. In der Stadt leben
viele Russen, und man begegnet ihnen überall.
Die, die jung sind, waren alle gegen Putin – aber
sie haben nicht wirklich verstanden, was es be­
deutet, wenn man bombardiert wird, wenn man
sein Zuhause hinter sich lassen muss, sein ganzes
Leben. Die Gespräche mit ihnen konnte ich
kaum ertragen.
Ich dachte, wenn ich wieder nach Lwiw gehe,
fühle ich mich besser, aber das war nicht so. Ich
habe kaum noch Trompete gespielt, nicht geübt.
Dann lernte ich einen Jungen kennen, der­
studierte auch Trompete und stand kurz vor
dem Abschluss. Er hat geübt und geübt. Das war
für mich Inspiration. Ich hab erkannt, dass es
meine Entscheidung ist, wie viel Disziplin ich
aufbringe. Trotzdem bin ich viel schlechter ge-
worden. Mir ist manchmal einfach alles egal.
Jetzt wohne ich in einem Studentenwohn-
heim in Kiew und bin an der Oberschule hier
eingeschrieben. Zurzeit gibt es nur Online-­
Unterricht. Wir arbeiten mit Google Classroom
für den theoretischen Teil – und Google Meet
für den praktischen. Dann habe ich Einzelunter-
richt und spiele mit meinem Lehrer zusammen
Trompete. Das ist, wie wenn ein Chirurg online
operiert. Oft haben wir kein Netz, und alle­
sagen, das sei das Problem. Aber viele benutzen
es nur als Ausrede, um nichts zu lernen. Das
Problem ist nicht das Netz, sondern der Krieg.
Ich habe keine Ahnung, ob ich je einen Ab-
schluss machen werde.
Im November bin ich nach Charkiw ge-
reist und hab zum ersten Mal gesehen, wie­
zerstört die Stadt ist. Ich bin durch die Straßen
gegangen und habe nur geweint. Fast alle
meine Freunde leben nun im Ausland. Wir
telefonieren viele Stunden lang. Über den
Krieg reden wir nie, wir lesen ja alle die Nach-
richten und wissen, was abgeht. Wir reden
über Bullshit, darüber, wer sich peinlich be-
nommen hat oder welchen Typen man datet,
so Lästereien eben.
Sonya, 17, besucht die elfte Klasse einer auf
Musik spezialisierten Oberschule in Kiew
Fotos: Sasha Maslov für DIE ZEIT (3); Emilien Urbano für DIE ZEIT (r.)
»Ich habe Diabetes, aber es ist nicht leicht, das Insulin zu bekommen.
Wir haben kaum noch Geld«
An vielen Tagen leben wir in einem Keller unter unserem Kulturzentrum. Mein Bruder,
meine Mutter, unsere Nachbarinnen und ich. Das Zentrum gibt es nicht mehr, es wurde
von einer russischen Rakete zerstört, aber der Keller blieb intakt. Von hier ist die Front-
linie sieben Kilometer entfernt. Seit Jahresbeginn wird sehr heftig gekämpft, deshalb
verbringen wir nun noch mehr Tage und Nächte hier unten. Auch Weihnachten haben
wir hier gefeiert, wir stellten einen Weihnachtsbaum aus Plastik auf und haben Schweine-
braten gegessen. Es gibt einen WLAN-Router, und ich habe jeden Tag Online-Unterricht.
Seit einem Jahr jetzt schon. Meine Schule wurde gleich zu Kriegsbeginn geschlossen, wie
auch alle anderen Schulen bei uns im Donbass. Für den Fall, dass wir keinen Strom haben,
bekommen wir von unseren Lehrern Material, das wir vorher herunterladen und an den
Tagen ohne Internet allein durcharbeiten sollen.
Mein Lieblingsfach ist Informatik. Ich habe den Code für ein Computerspiel ge-
schrieben; gerade kümmere ich mich um die visuelle Ebene. Es ist ein Spiel, in dem
man ein Haus einrichten kann. Nach der Schule will ich Programmiererin werden.
Ich habe Diabetes und muss jeden Tag Insulin spritzen. Wir haben kaum noch Geld,
es ist nicht leicht, das Insulin in dieser Situation zu bekommen. Meine Mutter hat vor
dem Krieg in einem Fleischkombinat gearbeitet, das jetzt geschlossen ist. Zu Hause haben
wir einen Garten und Hühner und Schweine. Meine Mutter geht jeden Morgen die
Straße hinunter, füttert die Tiere und holt Lebensmittel. Manchmal kommt mein Freund
und besucht uns hier im Keller. Er hilft mir dann mit dem Programmieren. Er heißt
Alexander, und ich kenne ihn aus der Schule.
Anastasia, 15, besucht die neunte Klasse in Romaniwka, Oblast Donezk
Aufgezeichnet von Andrea Jeska
32
Zufallsbefund (5/6)
der Leben rettet
Abb.: Klinik für Radiologie, Universitätsklinikum Freiburg
Große kreisförmige Struktur, die so eigentlich nicht in den Bauch gehört
»Glück im Unglück«, dachte die Radiologin
Katharina Müller-Peltzer, als sie die Bilder
des Bauches dieses Patienten betrachtete. Die
waren mit einem Computertomografen ge­
macht worden, auf der Suche nach mög­
lichen Folgen eines Verkehrsunfalls. Schwere
Verletzungen entdeckte sie nicht, aber eine
große Aussackung der Hauptschlagader, ein
sogenanntes Bauchaortenaneurysma (im Bild
die große kreisrunde Struktur in der Mitte).
In dieser Serie zeigen wir überraschende Befunde, von denen uns Ärzte der Uni­-Klinik für Radiologie in Freiburg berichtet haben
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MIT ANNE KUNZE UND DANIEL MÜLLER
2. APRIL | 20.00 UHR | UNIVERSITÄT WIEN
Alle zwei Wochen erscheint eine neue Folge des Podcasts »ZEIT Verbrechen«. Seien Sie live dabei, wenn
Daniel Müller, Chefredakteur des Magazins »ZEIT Verbrechen«, und Anne Kunze, Kriminalreporterin der ZEIT,
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16. Februar informiert zu werden.
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Folgen Sie uns: @ZEITvst | @zeit_veranstaltungen
Eine Veranstaltung von:
112489_ANZ_220x220_X4_ONP26 1
Ein Unfall,
Das macht in der Regel keine Beschwerden
und bleibt daher meist unerkannt. Mit zu­
nehmendem Durchmesser steigt aber das
Risiko, dass die Gefäßwand reißt und in sehr
kurzer Zeit mehrere Liter Blut in den Bauch­
raum fließen – bis zu 80 Prozent der Betrof­
fenen überleben diesen Notfall nicht. Der
Verkehrsunfall hat den Patienten wohl vor
diesem Schicksal bewahrt: Sein Bauchaorten­
aneurysma wurde erkannt, er konnte operiert
WISSEN
werden. Ein plötzlicher Riss mit lebens­
gefährlicher Blutung wurde so verhindert.
Etwa drei Prozent der Menschen in Industrie­
ländern haben ein Bauchaortenaneurysma –
oft ohne davon zu wissen. Ein wichtiges­
Risiko für die Entstehung der Aus­sackung
kann jeder selbst beeinflussen: das Rauchen.
Darüber hinaus sind männliches Geschlecht,
Alter und genetische Veranlagung Risiko­
faktoren.  R AGNHILD SCHWEITZER
Anne Kunze
Daniel Müller
Freunde der
Das Programm für AbonnentInnen
Frisch erforscht
Bote des
Verlangens
In der Antike sollten duftende Pflanzen
oder ein guter Schluck Wein den Zauber
der körperlichen Liebe entfachen. Im Mit­
telalter wurden Grünkohl und Petersilie
eine luststeigernde Wirkung zugesprochen.
Später galten Austern, Avocado und natür­
lich der Spargel als Aphrodisiaka. Die­
Belege der Wirksamkeit dieser Mittel zur
Belebung der Libido blieben jedoch anek­
dotisch. Nun könnte die evidenzbasierte
Antwort auf die Unlust gefunden worden
sein: Sie heißt Kisspeptin.
Hochwissenschaftlich suchten Forscher
und Forscherinnen des Imperial College in
London nach Strategien gegen die sexuelle
Appetitlosigkeit und veröffentlichten in
JAMA Network open ihre Ergebnisse; im
Oktober vergangenen Jahres für Frauen –
und jetzt für Männer.
Der untersuchte Botenstoff im Körper
ist das Hormon Kisspeptin. Die Vorsilbe
Kiss ist kein zotiger Einfall eines Wissen­
schaftlers, sondern leitet sich ab aus dem
Entdeckungsort des Hormongens KiSS1
am Penn State College of Medicine in
Hershey (Pennsylvania) – wo auch die
Milchschokolade »Hershey’s Kisses« her­
kommt.
Lange Zeit untersuchten die Wissen­
schaftler das Hormon als möglichen Hem­
mer von Krebsmetastasen. Nach und nach
aber mehrten sich Hinweise, dass Kisspep­
tin ein Mitauslöser der Pubertät ist, des
Zeitpunkts also, da die sexuelle Lust er­
wacht. 2018 entdeckten Forscherinnen und
Forscher aus Lüttich und dem Saarland,
dass das Peptidhormon bei jungen Frauen
eine Rolle spielt im Zusammenspiel von
sexuellem Verlangen und Eisprung. Kon­
kret sind es offenbar männliche Duftstoffe,
welche die verstärkte Produktion von ­Kiss­
pep­tin aktivieren. Die ersten Untersu­
chungsobjekte waren allerdings Mäuse. Das
Imperial College holte die Versuche deshalb
später am Menschen nach – im eher freud­
losen Ambiente eines Kernspintomografen.
32 Frauen (vor der Menopause) und 32
Männer wurden dafür ausgewählt. Sie alle
litten unter einer starken Störung der­
Libido, einer Hypoactive Sexual Desire
Dis­order (HSDD).
Stimmt’s?
Der olympische Fackellauf ist
eine Erfindung der Nazis
Weil die Olympischen Spiele der Neu­
zeit an die antiken griechischen Wett­
kämpfe angelehnt sind, haben sich die
Veranstalter auch immer wieder deren
Gepflogenheiten abgeschaut (leider ha­
ben sie sich nicht immer an das Gebot
gehalten, dass während der Spiele alle
Kriegshandlungen zu ruhen haben).
Während der antiken Spiele brannte ein
statisches olympisches Feuer im Stadion,
entzündet zur Ehre der Göttin Hestia.
Diese Tradition wurde in der Neuzeit erst­
mals 1928 in Amsterdam aufgegriffen.
Als die Spiele in Berlin 1936 anstanden,
beauftragte die nationalsozialistische Re­
gierung, die durchaus ein Faible für zere­
monielles Brimborium hatte, das Organi­
Anbieter: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Hamburg
sationskomitee, sich entsprechende PR-­
Aktionen zu überlegen. Der Generalsekre­
tär dieses Komitees war Carl Diem, er
hatte das Amt schon vor der Machtüber­
Fotos: Andreas Henn; Chantal Seitz | Illustration: Lea Dolde
nahme der Nazis bekommen. Diem beauf­
tragte seinen langjährigen Freund, den­
jüdischen Archäologen Alfred Schiff, in
historischen Quellen nach Bräuchen zu
suchen, die man für die modernen Spiele
nutzen könnte. Schiff fand auf einer anti­
ken Vase Darstellungen von Fackelläufern
und kam auf die Idee, das Feuer im griechi­
schen Olympia zu entzünden und dann von
www.zeit.de/vorgelesen
Diese Woche fragt Monika Springer-Geldmacher aus Ratingen.
Und worauf suchen Sie eine Antwort? Schreiben Sie an: DIE ZEIT, Wissen-Ressort,
20079 Hamburg, oder stimmts@zeit.de. Das Archiv: www.zeit.de/stimmts
ZEIT
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»Woher weißt Du das?« Unser Wissens-Podcast über Wissenschaft,
Alltag und Gesellschaft. Jetzt anhören unter www.zeit.de/zw-podcast
03.02.23 14:10
9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
Die Probanden erhielten entweder eine
Spritze mit Kochsalzlösung oder mit Kiss­
peptin. Danach sahen sie sich in der­
beengten Röhre erotische Filme sowie
Gesichter des jeweils anderen Geschlechts
an. Zum Vergleich zeigte man den Proban­
den zu einem anderen Zeitpunkt Videos
von trainierenden Menschen. Das Gerät
registrierte jede Gehirnaktivität, zusätzlich
protokollierten die Forscher bei den Män­
nern die Steife des Penis. Vor und nach
dem Prozedere mussten die Probanden
Fragebögen ausfüllen.
Das Ergebnis: Ein Teil der Hirn­
zentren,­in denen die Libido verortet
wird, wurde verstärkt aktiviert, lust­
bremsende Gehirnareale dagegen wurden
gehemmt. Offenbar reagierten Frauen,
die sich durch ihre Lustlosigkeit gestresst
fühlten, besonders stark auf das Hor­
mon. Eine Probandin, die Kiss­pep­tin be­
kommen hatte, berichtete hinterher, sie
habe sich sehr sexy gefühlt.
Eindeutiger war der Nachweis, dass
Kiss­peptin auch bei Männern etwas bewe­
gen kann. Ihre Penissteifigkeit nahm um
56 Prozent zu. Besondere Nebenwirkungen
hatte das Kisspeptin nicht.
Bei der Untersuchung handelte es sich
um ein proof of concept, also eine grund­
lagenwissenschaftliche Studie. Für den end­
gültigen Beweis, dass Kisspeptin das Sex­
leben von HSDD-Betroffenen wirklich
verbessert, waren zu wenige Probanden
beteiligt. Zweifelhaft bleibt auch, ob sich
Lustlosigkeit wirklich mit Medikamenten
beseitigen lässt und nicht andere Dinge viel
wichtiger sind, wie etwa der Umgang der
Partner mit­ein­an­der.
Schon einmal scheiterte der Versuch, das
bei Männern hochwirksame Viagra bei
Frauen einzusetzen. »Wirkung gering,
Nebenwirkungen groß«, titelte die Ärzte-
zeitung damals. Ebenso stellt sich die Frage,
wie wichtig die Libido im Leben eines
Menschen überhaupt ist. Zehn Prozent der
Frauen und acht Prozent der Männer leiden
jedoch so stark unter HSDD, dass sie­
psychische und soziale Probleme haben.
Vielleicht könnte Kiss­pep­tin manchen von
ihnen helfen. HARRO ALBRECHT
3331 Läufern in einer Stafette ins Berliner
Stadion tragen zu lassen. Schiff organisier­
te auch eine Ausstellung »Sport der Helle­
nen« im Pergamonmuseum. Allerdings
wurde sein Name weder in dieser Ausstel­
lung genannt, noch wurde er für seine­
Fackellauf-Idee gewürdigt – die National­
sozialisten hätten wohl kaum die Pläne eines
Juden umgesetzt.
Der Fackellauf war ein voller Erfolg.
Unterwegs wurden in vielen Städten Volks­
feste organisiert, bei denen auch publi­
kumswirksam Hakenkreuzfahnen gehisst
wurden. Nur vereinzelt gab es Widerstän­
de – so protestierte etwa die Kommunis­
tische Partei Griechenlands gegen das
Spektakel. Aber nur einmal, in Prag, gelang
es Aktivisten tatsächlich, das Feuer kurz­
zeitig zum Erlöschen zu bringen.
Die internationalen olympischen Funk­
tionäre waren aber begeistert. Der Vater der
modernen Spiele, Pierre de Coubertin, be­
dankte sich bei Hitler mit einem handge­
schriebenen Brief und stellte einen Besuch
in Nazi-Deutschland in Aussicht, zu dem
es nicht mehr kam. Coubertin starb 1937.
Die Spiele fielen kriegsbedingt zweimal aus.
Der Fackellauf wurde erst 1948 in London
wieder aufgenommen – und dann zur
Tradition. CHRISTOPH DRÖS SER
den Podcast
 DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023 WISSEN 33

Klima

Hier läuft was

VERKEHR 217 Mio. Tonnen

CO₂ mehr als nach den Klimazielen
erlaubt wird der Verkehr bis 2030
ausstoßen. Wissings Sofortpaket
spart nur 13 Mio. Tonnen davon
31,4 %
betrug der kombinierte Anteil
von Elektroautos (17,7 %) und
Plug-in-Hybriden (13,7 %) an den
Neuzulassungen des Jahres 2022
97 %
der CO₂-Emissionen
des gesamten Sektors
Verkehr stammen aus dem
Straßenverkehr
60 % davon
entfallen
auf Pkw

Ob Tempolimit, Maut oder Verbrenner-Aus – sobald es um den Klimaschutz auf der Straße geht, gibt es Streit.
Die Wissenschaftlerin Brigitte Knopf sagt, was die Politik jetzt dringend tun sollte

DIE ZEIT: Frau Knopf, der Verkehr ist Schluss-
licht beim Klimaschutz. Nun warten alle auf einen
Plan aus dem Bundesverkehrsministerium. Müsste
dort nicht längst ein Poster hängen, mit den drei,
vier wirkungsvollsten Sofortmaßnahmen? Oder ist
diese Vorstellung naiv?
Brigitte Knopf: Es ist mit den Maßnahmen und
ihrer Wirkung leider nicht so einfach.
ZEIT: Warum nicht? Es gibt doch Ideen für mehr
Klimaschutz im Verkehr. Könnte man da nicht
ziemlich genau ausrechnen, wie viel Kohlendioxid-
Emissionen jede einzelne verhindern würde?
Knopf: Das würde bedeuten, die Ideen isoliert zu
betrachten. Nach dem Motto: x Cent mehr pro
Liter Sprit führen zu jährlich y Tonnen weniger
Emissionen. Aber so funktioniert das nicht. Um
bei dem Beispiel zu bleiben: Ein Aufpreis an den
Tankstellen wirkt für sich genommen weniger
Foto: Matti Hillig/MCC; Quellen: Agora Verkehrswende, ADAC/KBA, Expertenrat für Klimafragen
tieren würden. Aber ob das dann wirklich so läuft,
weiß ja keiner so genau – und ob es angesichts der
Folgen für die Anwohner wünschenswert wäre, ist
sicherlich mindestens zweifelhaft. Trotzdem wäre
ein Tempolimit von 130 auf Autobahnen aus­
meiner Sicht sinnvoll.
ZEIT: Unabhängig von der konkreten Ausgestal-
tung – gibt es denn Maßnahmen, die auf jeden
Fall in einem neuen Verkehrs-Klimaschutzplan
stehen müssten?
Knopf: Ja, und deswegen ist Ihre Ausgangsfrage
nach den drei, vier wirkungsvollsten Maßnahmen
durchaus berechtigt. Wir müssen in der Tat vor
allem drei Dinge schnell angehen: Erstens müs-
sen die wirklich starken Fehlanreize weg, die zu
klimaschädlichem Verhalten verleiten. Da ist
etwa das Dienstwagenprivileg mit seiner pau-
schalen Besteuerung, wobei der Arbeitgeber oft
Knopf: Positiv, weil so ein Anreiz Menschen zu
klimafreundlichem Verhalten bewegt. Wir den-
ken ja meist kurzfristig, wenn wir ein neues Auto
kaufen, schauen vielleicht auf die nächsten zwei,
drei Jahre. Deshalb wäre es klug, wenn durch die
Besteuerung gleich zu Beginn eingepreist wird,
was ein Verbrenner in den nächsten zehn, fünf-
zehn oder zwanzig Jahren anrichtet. Das wäre
ein wirklich starker Anreiz für den Kauf eines
E-Autos.
ZEIT: Und außerdem?
Knopf: Zu den positiven Anreizen gehören auch
Mautsysteme: nicht so eine Andreas-Scheuer-
Maut nur für Ausländer, sondern eine Maut für
alle. In der erwähnten Studie des Umweltbundes-
amts bewirkt eine Maut von sechs Cent pro Kilo-
meter sogar eine stärkere Emissionsreduktion als
das Tempolimit von 120. Zudem kann man die
Raum, digitale Tools für das persönliche Mobili-
tätsmanagement – die Liste ist lang.
ZEIT: Wir sprechen über die Emissionen im Ver-
kehr. Warum bezieht sich alles, was Sie aufgezählt
haben, speziell auf den Straßenverkehr?
Knopf: Auf den Straßenverkehr, das haben wir in
unserer jüngsten Analyse im Expertenrat für
Klima­fragen festgehalten, entfielen im Jahr 2019
nicht weniger als 97 Prozent der Treibhausgas-
Emissionen aller Verkehrsmittel in Deutschland.
Und davon wiederum rund 60 Prozent auf die
Pkw-Nutzung. Wichtig ist: In den nationalen
Emissionen ist zwar der innerdeutsche Flug­
verkehr enthalten, der mit rund einem Prozent
eher gering ist, aber nicht die Flüge von und
nach ­Europa und Übersee, die muss man separat
betrachten.
ZEIT: Wenn vor allem Autos das Problem sind,
und nach Emissionseinbrüchen gesucht – also
plötzlichen Rückgängen, die nicht Folge der Wirt-
schaftslage sind. Nur zehn solcher Ereignisse
konnte man finden. Und dann hat man geschaut,
welche politischen Instrumente dazu geführt­
haben. Rausgekommen ist: Es war immer eine
Preiskomponente im Spiel, sei es nun eine auf den
CO₂-Ausstoß ausgerichtete Steuer, eine Maut oder
was auch immer. Am größten war die relative Min-
derung in Luxemburg, wo der Staat mit einer
Kombination von höheren Spritpreisen und­
Bonus-Malus-Regelungen beim Fahrzeugkauf die
Emissionen ab dem Jahr 2015 um ein Viertel sen-
ken konnte.
ZEIT: Das klingt, als lasse sich für die deutsche
Debatte etwas daraus lernen ...
Knopf: Natürlich. Sie haben ja gefragt, was auf der
Liste des Verkehrsministeriums stehen müsste. Die

stark, als wenn es gleichzeitig finanzielle Förderung
für Elektroautos gibt. Die einen fahren dann weni-
ger Auto, andere steigen auf Elektro um – und
beides senkt die Emissionen. Im Ergebnis wirkt
eine Maßnahme nie allein, immer in Paketen.
ZEIT: Aber dann lässt sich doch sicher ausrechnen,
was so ein Paket in Kombination bringt.
Knopf: Schon. Aber was entsprechende Rechen-
modelle als Ergebnis liefern, hängt natürlich von
den Annahmen ab.
ZEIT: Ende Januar hat das Umweltbundesamt er-
mittelt, dass durch eine Geschwindigkeitsbegren-
zung auf 120 km/h pro Jahr 6,7 Millionen Tonnen
CO₂ vermieden werden könnten. Studien von
2021 hatten weniger als die Hälfte angegeben. Da
fragt man sich ja schon: Kann beides stimmen?
Knopf: Bei der neuen Studie aus dem Umwelt-
bundesamt beruht die stärkere Minderung vor­
allem auf der Annahme, dass bei Tempo 120 viele
Leute statt der Autobahn den kürzeren Weg über
die Landstraße nehmen, dort automatisch noch
langsamer fahren und entsprechend weniger emit-
auch noch pauschal das Benzin bezahlt. Da
macht man dann den privaten Wochenend­
ausflug wohl kaum mit der Bahn. Auch das­
Dieselprivileg gehört abgeschafft. Auf den Liter
Diesel entfallen ja nach dem Ende des Tank­
rabatts wieder rund 20 Cent weniger Steuern als
auf den Liter Benzin, obwohl beim Verbrennen
des Liters Diesel mehr CO₂ entsteht.
ZEIT: Was sind neben den Fehlanreizen die beiden
anderen Punkte?
Knopf: Der zweite Block sind positive steuerliche
Anreize für den Umstieg auf E-Mobilität. Dazu
gehört ein Bonus für den Kauf eines Elektro­
autos. Zugleich sollte man die Kfz-Steuer stärker
auf den CO₂-Ausstoß ausrichten – oder sie am
besten gleich umwandeln in eine entsprechend
gestaffelte Zulassungssteuer, die man einmalig
beim Kauf eines neuen Verbrenner-Autos zahlt.
In Kombination ist das dann ein Bonus-Malus-
System.
ZEIT: Warum sollte man das denn tun? Und was
bedeutet in diesem Zusammenhang positiv?
Maut, anders als den Spritpreis, auf Region und
Uhrzeit ausrichten. Das ist auch wichtig mit Blick
auf lokale Effekte wie Staus oder Luftverschmut-
zung. Zu dem Thema gehört auch die Frage, wie
mit Parkraum in Städten umgegangen wird: Wo er
angemessen bepreist wird, entscheiden sich die
Leute eher für Bus und Bahn. Und natürlich sollte
man bei Maut- und Parkgebühren nach Antriebs-
art differenzieren.
ZEIT: Das klingt, als solle vor allem der fossile Ver-
kehr verteuert werden, richtig?
Knopf: Ja, aber hinzukommen muss noch eine
dritte Komponente, nämlich die Mobilitätswende.
Da geht es um den Aufbau einer alternativen In-
frastruktur. Es gibt viele Möglichkeiten, wie die
Politik den Umstieg auf andere Möglichkeiten,
von A nach B zu kommen, erleichtern kann.­
Natürlich muss sie den öffentlichen Personennah­
verkehr ausbauen, auch die Infrastruktur fürs Rad-
und Elektroradfahren, inklusive Radschnellwege
zwischen kleineren Städten. Zudem kann sie Ruf-
und Sammeltaxis fördern, vor allem im ländlichen
genauer: solche mit Verbrennungsmotoren, müsste­
man dann nicht viel schneller viel mehr von ihnen
durch Elektroautos ersetzen?
Knopf: Das ist sicher hilfreich, adressiert aber nur
die eine Seite der Medaille. Denn angenommen,
ab sofort wären alle neuen Pkw Elektroautos:
Selbst dann blieben ja erst mal noch rund 46 Mil-
lionen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren auf
der Straße.
ZEIT: Also sollte man die Zahl der Verbrenner­
reduzieren?
Knopf: Es geht um den Fahrzeugbestand, ja, vor
allem aber müssen die Verbrenner, die wir vorerst
noch behalten, weniger Kilometer fahren. Des­
wegen ist die Mobilitätswende so wichtig.
ZEIT: Was weiß man denn aus anderen Ländern
darüber, wie CO₂-Emissionen sich rasch senken
lassen?
Knopf: Eine bei uns am Institut federführend er-
stellte Studie hat systematisch beleuchtet, welche
Verkehrspolitik was bringt. Dafür hat man für
15 europäische Länder eine Datenanalyse gemacht
Antwort lautet: Preisinstrumente! Aber deswegen
ist das Ganze eben auch politisch so heikel. Letzt-
lich ist dann nicht mehr das Verkehrs-, sondern
das Finanzministerium am Zug. Und dann heißt
es, im Koalitionsvertrag stehe doch »keine Steuer-
erhöhungen«. Das macht die Debatte sehr zäh und
manchmal frustrierend, denn ohne Veränderun-
gen im Steuersystem werden wir die Emissionen
im Verkehr nicht substanziell senken können.
Die Fragen stellte Stefan Schmitt
Brigitte Knopf leitet das
Mercator Research Institute on
Global Commons and Climate
Change (MCC). Sie forscht zu
Klima­ökonomie und Energie-
politik. Die Regierung berät
sie im Klima-Expertenrat als
stellvertretende Vorsitzende

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34 WISSEN 9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7

Wildtiere

Problem: Bär
In Rumäniens Wäldern gibt es Tausende Braunbären. Sie dringen in Dörfer ein, verletzen Bewohner.
Wie können Mensch und Tier zusammenleben?  VON FABIAN FRANKE

men und Zeigefinger ein hellbraunes
Haar aus der Rinde. Er streicht über
die Haarwurzel, einen kleinen Knub-
bel. »In diesem Teil sitzt die DNA.« Er
zieht das Haar aus­ein­an­der. Es reißt.
Iosif schüttelt den Kopf. »Nicht mehr
elastisch. Zu alt.«
Es ist aufwendig, genügend frisches
DNA-Material zu finden. Das Erbgut in
der Haarwurzel wird nach spätestens
einer Woche unbrauchbar. Und schon
nach zwei, drei Tagen zersetzen Würmer
den Kot, Sonne trocknet ihn aus. Die
Forscher müssen dem Bären deshalb stets
dicht auf den Fersen sein. »Um gute
Proben zu finden«, sagt Iosif, »muss man
verstehen, wie sich der Bär verhält.«
Nach vier Stunden hat Iosif Glück:
Am Rand einer Forststraße liegt ein
Haufen, Bucheckern sind darin zu sehen.
Der Kot glänzt in der Sonne. »Das wird
eine gute Probe«, sagt er. Iosif zieht sich
Gummihandschuhe an, schaufelt mit
einem Holzspatel ein paar Stücke in ein
Röhrchen mit Alkohol und kartiert den
Fund in einer Handy-App. Einmal im
Monat schickt sein Team die Proben zur
Universität Ljubljana in Slowenien, dort
werden sie untersucht.
Wie viele Bären aber verträgt das
Land? Sind 7000 zu viel? Oder 10.000?
Da die Erhebung des Jahres 2016 ohne
Erbgutanalysen unzuverlässig war, wird
sich beim aktuellen staatlichen Zensus
nicht einmal eindeutig sagen lassen,
wie stark das Jagdverbot die Population
beeinflusst hat. Am Ende bleibt es also
der Politik überlassen, wie sie die Er-
gebnisse interpretiert.
Ruben Iosif hat noch andere Zweifel
an der Zählung. Er kennt den Auf-
wand, den er und sein kleines Team aus
Freiwilligen auf einer Fläche von nur
900 Quadratkilometern betreiben. Wie
soll das bei den etwa 69.000 Quadratki-
Hungrige Bären lometern funktionieren, auf denen der
begnügen sich Braunbär in Rumänien verbreitet ist?
nicht mit Blättern Rund 600 Mitarbeiterinnen
und Bucheckern, und Mitarbeiter der staatli-
sie reißen auch chen und regionalen Forst-
Schafe und Ziegen BĂILE verwaltungen sammeln
TUȘNAD laut Angabe des Umwelt-
ministeriums DNA-Pro-
ben ein. Dabei würden auch Hunde scheucht oder umgesiedelt. »Das ist
eingesetzt, die frischen Bärenkot­aufwendig und teuer«, sagt Butyka.
erschnüffeln können. Elf Millionen Immerhin kehre dann meist Ruhe ein.
Euro steuert die EU bei, doch Anfragen Überhaupt sei nicht der Bär an sich das
der ZEIT, die Arbeit der Forstverwal- Problem, sondern einzelne Tiere – und
tung zu begleiten oder mit den zustän- das Verhalten der Menschen.
digen Forschern und Forscherinnen am Das Dorf arbeitet nun eng mit einer
staatlichen Institut zu sprechen, werden lokalen NGO zusammen, die Öko­
abgelehnt. Niemand, so scheint es, tourismus fördert. Es gibt auch ein Fes-
möchte etwas Falsches sagen. So poli- tival mit Workshops, Infoveranstaltun-
tisch aufgeladen ist das Thema. gen und wissenschaftlichen Vorträgen.
Derweil lernen Dorfbewohner und Meist handeln sie davon, was die­
Bauern der Umgebung zwangsläufig Bewohner vermeiden sollten, wenn es
den Umgang mit den Bären. Auch in um den Umgang mit Bären geht: Müll
Băile Tușnad. »Wir müssen dem Rat nicht auf der Straße liegen lassen!­
der Experten folgen, um hier sicherer Lebensmittel geruchsdicht verstauen!
zu sein«, sagt Zsolt Butyka. Er ist Bür- Bären nicht anfüttern! Zudem hat Zsolt
germeister des Dorfes. Früher kamen Butyka an fast jedem Haus Elektro­
viele Touristen hier in die Gegend, zäune anbringen lassen. Auch die
heute kämpft Butyka um jede Über- öffent­ lichen Müllcontainer sind ein­
nachtung, viele Kurhotels verfallen, gezäunt. Am Ortsrand lässt der Bürger-
weil Investitionen ausbleiben. Gefragt, meister Obstbäume fällen und Büsche
wieso sich ein Besuch seines Dorfes zurückschneiden, die als Bärenversteck
lohnt, zählt der Bürgermeister auf: dienen könnten. Sogar Nachtsicht­
»Die Landschaft, der Wald, die Luft, geräte hat er bestellt, um Bären in der
das Thermalwasser ...« Er stockt. Dunkelheit besser identifizieren zu kön-
»... und die Bären.« nen. Die friedliche Koexistenz von
Die bewaldete Hügelkette in den Mensch und Bär bedeutet Arbeit. Nicht
nordöstlichen Ausläufern der Karpaten, alle machen da mit. Davon zeugen die
auf der Băile Tușnad liegt, ist ein­ meisten bären­sicheren Müllcontainer in
Wanderungskorridor der Bären. Jeden Băile Tușnad, bei denen die schweren
Sommer tauchen sie im Ort auf. Eine Zeit Klappen von leeren Plastikflaschen­
lang wurden sie als Touristenattraktion offen ­gehalten werden, um die Müll-
angefüttert. »Aber was gut für die Touris- beutel leichter hineinwerfen zu können.
ten war, hat sich als schlecht für die Ein- Es ist die perfekte Falle für kleine Bären.
wohner erwiesen«, sagt Butyka. Im ver- So wie jene beiden Jungtiere, die vor
gangenen Jahr seien mehr als 200 Not- fünf Jahren bei der Nahrungssuche in
rufe eingegangen. Ein Tier tauchte sogar einen Müllcontainer fielen. Auf dem
neben dem Schulhof auf, als die Kinder Bahnhofsvorplatz von Băile Tușnad,
gerade in der Pause spielten. kurz bevor der Tankwart Mate Radu
Zsolt Butyka ist froh, dass ein Ge- zum Zug hastete. Und von der Mutter
setz seit 2021 erlaubt, sich gegen »Pro- der beiden Bären angegriffen und
blembären« zur Wehr zu setzen. Bei schwer verletzt wurde.
jedem Notruf rückt nun ein Komitee Im August 2021 entscheidet ein­
aus: der Bürgermeister, die Polizei und Gericht, dass das Umweltministerium
ein Veterinär mit Betäubungsgewehr. Mate Radu für den Bärenangriff eine
Kommt ein Tier mehrmals in die Stadt, Entschädigung zahlen muss. Rund
darf es betäubt oder gefangen werden – 15.000 Euro werden ihm zugespro-
allerdings darf man es nicht töten. Ein chen. Immerhin ein Streit ist gelöst.
Abschuss muss beim Umwelt­
ministerium beantragt werden. Getötet * Name von der Redaktion geändert
wurde in Băile Tușnad deshalb noch
kein Bär. Stattdessen werden sie ver-  www.zeit.de/vorgelesen

I
n seiner Jackentasche stecken
Silvesterböller. Ohne sie geht
er in der Dämmerung nicht
mehr raus. Mate Radu* hat
Angst. Sogar hier, am Bahn-
hof von Băile Tușnad. Mitten
in seiner Kleinstadt. Er hat
diesen Treffpunkt selbst vorgeschlagen.
Weil es der beste Ort ist, um seine
Angst zu erklären. Weil er an diesem
Ort fast getötet worden wäre.
Fünf Jahre ist es her, dass Mate
Radu im Morgengrauen zum Bahn-
steig hastet. Radu ist von Beruf Tank-
stellenwärter, zur Arbeit pendelt er in
die nächstgelegene Stadt. Als er an­
diesem Tag den Bahnhofsvorplatz er-
reicht, sieht er etwas Braunes neben
dem Müllcontainer. Einen Bären. Radu
dreht um, rennt weg, doch der Bär ver-
folgt ihn, holt ihn ein, springt mit den
Krallen voran in seinen Rücken, beim
Sturz zertrümmert Radus Knie. Der
Bär steht über ihm, schnappt und
kratzt, nach einigen Sekunden lässt er
von ihm ab und verschwindet in den
transsilvanischen Wäldern, die Băile
Tușnad umgeben. Anderthalb Monate
verbringt Radu im Krankenhaus. Als er
entlassen wird, verklagt er das rumäni-
sche Umweltministerium. Radu sagt:
»Es gibt zu viele Bären. Man muss­
wieder mehr von ihnen schießen.«
Das sehen viele der 1600 Einwoh-
ner im Dorf ähnlich. Und auch viele
im Rest des Landes. Rumänien streitet
über den Braunbären. Dabei geht es
um sehr viel mehr als um das Verhalten
des größten Raubtieres Europas. Es
Menschen. Das regt jene Rumänen auf,
die in den Bären-Regionen leben. Für
sie stellen Bürokraten und Umwelt­
organisationen den Schutz der Tiere
über die Sicherheit der Menschen. Eine
Agenda, sagen sie, die aus Westeuropa
und der EU importiert werde. Umwelt-
schützer hingegen sprechen von Einzel-
fällen, die von Jagdverbänden und­
Medien aufgebauscht würden. Sie ver-
weisen dabei auch auf eine Studie der
Universität Bukarest. Die wertet die
Berichterstattung seit 2007 aus und
findet eine »zunehmend negative Posi-
tion gegenüber den Braunbären«.
Dorfbewohner gegen Umweltschüt-
zer, Jäger gegen Bürokraten, Land gegen
Stadt, Osteuropa gegen Westeuropa –
der Streit um den Braunbären ist auch
ein Kulturkampf. Einer von vielen.
Vielleicht etwas heftiger, weil hier ein
nationaler Mythos verhandelt wird. Der
Bär ist für die Rumänen das, was der
Wolf für die Deutschen ist. Eine Art
Wappentier, das für Stärke und Un-
beugsamkeit steht und zugleich ur­alte
Ängste weckt. Mit einem entscheiden-
den Unterschied: Von den Wölfen gibt
es wohl erheblich weniger.
Ruben Iosif schnauft. Er marschiert
auf einem erdigen Weg, der aus dem
Bârsa-Tal hinausführt. Das Tal liegt
knapp einhundert Kilometer vom
Bahnhof in Băile Tușnad entfernt. ­Iosif,
drahtige Trailrunner-Figur, am Gürtel
ein Pfefferspray, hat den Blick fest auf
den Boden gerichtet.
Der Wildtier-Ökologe arbeitet für die
Stiftung Conservation Carpathia, die sich
RU M Ä N I E N
Maßnahmen, um Bukarest
den Bären zu schüt-
zen. Eine Reaktion Ruben Iosif sucht
darauf, dass die Tiere An- nach Haaren und
fang der 1950er-Jahre in den Kotspuren von
rumänischen Karpaten nahezu ausge- Bären – die DNA
rottet waren. darin verrät ihm
Als die Regierung ihr Verbot erließ, auch, ob es mehr
sollen laut Umweltschutzbehörde wie- geworden sind
der bis zu 6640 Tiere in den Wäldern
gelebt haben. Doch die »Zählungen«
waren oft ungenaue Schätzungen, an-
hand von Spuren im winterlichen
Schnee, von zufälligen Sichtungen, von
gelegentlichen Abschüssen. In einem
staatlich angelegten Forschungsprojekt
soll deshalb nun erstmals die Gesamt-
zahl der rumänischen Bären mit DNA-
Proben ermittelt werden. Denn über
die DNA lassen sich Individuen unter-
scheiden. Ende 2023 schon soll das
Projekt abgeschlossen sein. Ruben Iosif
macht an diesem Tag im Kleinen, was
das Umweltministerium für die gesam-
ten rumänischen Karpaten vorhat.
Iosif biegt von einer Wiese in einen
Buchenwald ein. Der Boden ist übersät
mit rotbraunen Blättern und Buch-
eckern. »Wäre ich ein Bär, würde ich
mich hier satt essen«, sagt Iosif. Bären
sind nicht wählerisch. Wenn es Buch-
eckern gibt, fressen sie Bucheckern.
Sonst gerne Eicheln, Kastanien, Pilze.
Im Herbst und Frühling finden sie im
Wald genug Nahrung. Im Sommer,
wenn der Wald weniger zu bieten hat,
zieht es sie in Richtung der mensch­
lichen Siedlungen, dort suchen sie Fall-
obst, Beeren, Essensreste.
Fotos: Fabian Franke; Ervin-Edward/Shutterstock (o.); ZEIT-Grafik

geht darum, ob Artenschutz wichtiger
ist als der Schutz von Menschen. Oder
ob sich beides in Zukunft vereinbaren
lässt, so wie es die Staaten der Welt
wollen. Die beschlossen auf der inter-
nationalen Biodiversitätskonferenz in
Montreal, 30 Prozent der Erde unter
Naturschutz zu stellen. Das funktio-
niert nur, wenn Zivilisation und Wild-
nis, Mensch und Natur, Rumänen und
Bären mit­ein­an­der auskommen.
Die Chancen dafür stehen derzeit
nicht gut. Denn der Bär reißt Schafe
und Ziegen, bricht auf Nahrungssuche
in Häuser ein und verletzt auch mal
für einen Nationalpark in den Karpaten
einsetzt und die Region wissenschaftlich
erkundet. »Wir haben hier in Rumänien
zwar die größte Braunbärenpopulation
Europas«, sagt er, »aber erforscht ist sie
kaum.« Vor fünf Jahren ist er deshalb
erstmals losgezogen und hat Kot und
Haare für DNA-Proben gesammelt, auf
einer Fläche von 900 Quadratkilometern.
Nun wiederholt Iosif die Untersuchung.
Er will herausfinden, ob die Bä­ren­po­pu­
la­tion seit 2016 gewachsen ist.
Damals verbot die Regierung die
Jagd auf den Bären endgültig. Es war
die letzte in einer langen Reihe von
Iosif bleibt abrupt stehen. »Da, eine
Bärenspur!« In der ausgetrockneten
Pfütze vor ihm ist der Abdruck einer
Tatze zu sehen, groß wie ein Früh-
stücksteller. Deutlich sind die Zehen-
ballen erkennbar, an deren vorderen
Enden sich die Klauen in den Schlamm
gegraben haben. Iosif geht schnur-
stracks zu einer Buche am Wegesrand.
An ihrer Rinde könnte der Bär sich
gerieben haben, um Parasiten loszu-
werden. Der Wissenschaftler stellt sich
vor den Stamm, kneift die Augen zu-
sammen und sucht jeden Zentimeter
ab. »Hier«, sagt er und zupft mit Dau-

STELLENMARKT
Die Position:
Nicht im Elfenbeinturm verstecken!
Gerade in Zeiten des Umbruchs sollte die Wissenschaft ermutigt werden, sich einzumischen  VON ANDREA RÖMMELE
Wir leben in einem Jahrzehnt des Umbruchs.
Noch ist unklar, ob dies, wie es die Ampel­
koalition formuliert, zu einem »Mehr an Fort­
schritt« führt oder in eine »Gesellschaft der­
Stagnation«, wie Andreas Reckwitz in der ZEIT
(Nr. 8/21) schrieb.
In jedem Fall bedeutet Umbruch Konflikt,
Unsicherheit und Diskussion um die richtigen
Lösungen. Umbruch funktioniert nicht ohne
gesellschaftliche Aushandlungsprozesse. Und
diese erfordern eine Wissenschaft, die nicht nur
sachlich und überparteilich Erkenntnisse zur Ver­
fügung stellt, sondern sich in Debatten einmischt.
Besonders deutlich zeigt sich diese Notwen­
digkeit im Wechselverhältnis von Wissenschaft
und Politik. Politik bezieht sich zunehmend
direkt auf wissenschaftliche Erkenntnisse – evi­
dence-­based policy –, und Wissenschaft wird­
expliziter in ihren politischen Konsequenzen
gedacht. Gleichzeitig steht dieses Verhältnis in
einem Spannungsfeld. Politik handelt ideologi­
sche Gegensätze und widerstreitende Interessen
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wir Sie um jeweils 2-seitige Konzepte zu Forschung, Lehre und
Krankenversorgung, in denen gender- und diversityspezifische
Inhalte integriert sind, sowie um ein Gleichstellungskonzept.
Für Fragen und weitere Informationen stehen Ihnen die Dekanin
(dekanin.medizin@uni- bielefeld.de) gerne zur Verfügung.
9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
aus. Ihre Entscheidungen dürfen deshalb weder
auf wissenschaftliche Expertise abgewälzt wer­
den noch auf sie verzichten.
Dieses Spannungsfeld tangiert auch das­
Verhältnis der Wissenschaft zur Öffentlichkeit.
In Zeiten von Pandemien, Kriegen und Fake-­
News darf sich kein Forscher im Elfenbeinturm
verstecken. Wissenschaft hat, wie es der Sozio­
loge Ralf Dahrendorf einst beschrieb, eine be­
Foto: Hertie School
sondere Rolle, »die Pflicht, alles Unbezweifelte
anzuzweifeln, über alles Selbstverständliche zu
erstaunen«. Doch ihr Ansehen als Ort des ­freien
Denkens, unabhängig von gesellschaftlichen
und ökonomischen Restriktionen, ist genauso
angeknackst wie ihre Wahrnehmung als kriti­ Andrea Römmele
sche Stimme im gesellschaftlichen Diskurs. ist Kommunikations- und
Ersteres zeigte zuletzt eine Studie in der Politikwissenschaftlerin
Zeitschrift ­Nature, der zufolge wis­ sen­
schaft­ an der Hertie School
liche Neuerungen seit den 1970er-Jahren deut­ in Berlin
lich zurückgegangen sind. Die Autorinnen und
Autoren machen hierfür nicht zuletzt das­
antrags- und projektgetriebene System verant­
Medizinische Fakultät OWL
Die Medizinische Fakultät OWL der Universität Bielefeld und
das Klinikum Bielefeld besetzen eine
Universitätsprofessur für
Dermatologie und Venerologie (W3)
zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Wir suchen Persönlichkeiten mit einem bereits etablierten natio-
nalen und internationalen Profil, die das Fachgebiet in Forschung,
Lehre und Krankenversorgung in ganzer Breite vertreten können
und bieten Ihnen die Möglichkeit, in einem spannenden Umfeld
den Aufbau der humanmedizinischen Fakultät aktiv mitzugestal-
ten. Zu Ihren Aufgaben gehören u. a. die Leitung der Klinik für
Dermatologie und Venerologie am Klinikum Bielefeld, Standort
Rosenhöhe, sowie der Aufbau eines nach DKG-Kriterien zertifi-
zierten Hauttumorzentrums und die Etablierung eines unter Ihrer
Leitung stehenden interdisziplinären Allergiezentrums. Der wissen-
schaftliche Schwerpunkt der Professur liegt im Bereich der klinischen
Immunologie / Allergologie.
Eine ausführliche Stellenbeschreibung finden Sie online unter:
https://www.uni-bielefeld.de/uni/karriere/professuren/
wiss3000.xml
Bewerbungen schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter behin-
derter Menschen sind ausdrücklich erwünscht. Die Universität Bie-
lefeld verfolgt eine engagierte Gleichstellungspolitik und möchte
Frauen ausdrücklich zu einer Bewerbung auffordern. Familienzeiten
werden im Rahmen der Auswahlentscheidung berücksichtigt.
Bitte reichen Sie Ihre Bewerbung bis zum 09.03.2023 online
über das Berufungsportal der Universität Bielefeld
https://berufungen.uni-bielefeld.de/ ein. Darüber hinaus bitten
wir Sie um jeweils 2-seitige Konzepte zu Forschung, Lehre und
Krankenversorgung, in denen gender- und diversityspezifische
Inhalte integriert sind, sowie um ein Gleichstellungskonzept.
Für Fragen und weitere Informationen stehen Ihnen die Dekanin
(dekanin.medizin@uni-bielefeld.de) und die Direktorin für Uni-
versitäre Medizin am Campus Klinikum Bielefeld
(dorothea.stahl@klinikumbielefeld.de) gerne zur Verfügung.
TALENTE TECHNIK ZUKUNFT
Die Technische Hochschule Mittelhessen gehört zu den größten
Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Deutschland.
Zur Verstärkung unseres Kollegiums ist am Campus Gießen im
Fachbereich Life Science Engineering (LSE) zum nächstmöglichen
Zeitpunkt folgende Stelle zu besetzen:
W2-PROFESSUR
mit dem Fachgebiet
Interaktive Mechatronik
in der Biomedizinischen Technik
Bewerbungsende: 31. März 2023
Ref. Nr. B 22-013
Detaillierte Informationen zu der zu besetzenden Professur – ins-
besondere die sich aus den §§ 67 und 68 HHG ergebenden Ein-
stellungsvoraussetzungen des Landes Hessen – entnehmen Sie bitte
unserer Homepage unter: karriere.thm.de
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist uns ein
Anliegen. Im Rahmen des audits „familiengerechte
Hochschule“ arbeiten wir an der Weiterentwicklung
entsprechender Strukturen.
wortlich, durch das wissenschaftliches Arbeiten
selbstreferenzieller wird und sich weniger traut.
Der zweite Punkt ist durch die Corona-­
Pandemie gut dokumentiert. Hier sah man, dass
es trotz einer Vielzahl wissenschaftlicher Erkennt­
nisse eine breite gesellschaftliche Impfskepsis gab,
die in einer niedrigen Impfquote ihren Ausdruck
fand. Ein deutliches Zeichen für Misstrauen­
gegenüber wissenschaftlicher Expertise, die als
Autoritätsinstrument der Eliten verstanden und
deswegen von Populisten angegriffen wird.
Gerade deshalb muss sich Wissenschaft mehr
als bisher mit ihrer Expertise öffentlich äußern.
Nicht nur zum Völkerrecht, wie im Fall des Ukrai­
ne-Krieges, nicht nur zu infektiologischen Aspek­
ten über den Verlauf der Corona-Pandemie, nicht
nur zum Zusammenhang von Klima-Emissionen
und Erderwärmung. Sondern auch zu Themen,
die me­dial gerade nicht im direkten Fokus stehen.
Welche Erkenntnisse hat sie über die Aus­
wirkungen der Digitalisierung und der zuneh­
menden Selbstvermessung in der Gesellschaft?
TALENTE TECHNIK ZUKUNFT
Die Technische Hochschule Mittelhessen gehört zu den größten
Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Deutschland.
Zur Verstärkung unseres Kollegiums ist am Campus Gießen im
Fachbereich Gesundheit zum nächstmöglichen Zeitpunkt folgende
Stelle zu besetzen:
W2-PROFESSUR
mit dem Fachgebiet
MEDIZINISCHES MANAGEMENT MIT DEN
SCHWERPUNKTEN MEDIZINISCHE SOZIOLOGIE,
EPIDEMIOLOGIE UND VERSORGUNGSFORSCHUNG
Bewerbungsende: 12. März 2023
Ref. Nr. B 21-010
Detaillierte Informationen zu der zu besetzenden Professur – ins-
besondere die sich aus den §§ 67 und 68 HHG ergebenden Ein-
stellungsvoraussetzungen des Landes Hessen – entnehmen Sie bitte
unserer Homepage unter: karriere.thm.de
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist uns ein
Anliegen. Im Rahmen des audits „familiengerechte
Hochschule“ arbeiten wir an der Weiterentwicklung
entsprechender Strukturen.
Wir suchen
INSPIRIERENDE
ZUKUNFTSGESTALTER
R Im Rahmen dieser Professur sind Lehrveranstaltungen in Grund-
Professur (W2) für Wirtschaftspsychologie
mit Schwerpunkt Mensch-Maschine-Interaktion
Start ab dem 01.10.2023 möglich Kennziffer:
2022-48-AWM2
Professur (W2) für Wirtschaftspsychologie
mit Schwerpunkt Personal und Organisation
Start ab dem 01.10.2023 möglich Kennziffer:
2022-49-AWM4
Professur (W2) für Medienpsychologie
mit Schwerpunkt Social Media
Start ab dem 01.10.2023 möglich Kennziffer:
2022-50-AWM6
Professur für Einkauf, Produktionsmanagement
und Logistik (50 %)
Start ab dem 01.10.2023 möglich Kennziffer:
2022-57-BW1
Nachhaltigkeit, Künstliche Intelligenz, Virtual-Reality-Technologie und mehr –
an der jungen, bestens etablierten Hochschule Ansbach beschäftigen wir uns in
Forschung und Lehre mit zukunftsweisenden Themen in den Bereichen Wirt-
schaft, Medien und Technik. Dabei stehen Studierende, Lehrende und Beschäf-
tigte der Hochschule stets im Mittelpunkt. Mit 3.800 Studierenden in 36 Studien-
gängen bieten wir ein exzellentes Angebot als moderner Arbeitgeber.
Bitte bewerben Sie sich bis spätestens 13.03.2023 über unser Online-Portal.
Weitere Informationen unter
www.hs-ansbach.de/service/
hochschule-als-arbeitgeber
35
Welche psychologische Forschung zu kindlichen
Lernprozessen sollte unser Schulsystem verändern?
Inwiefern beeinflusst die Diskussion über wirt­
schaftswissenschaftliche Paradigmen unser Ver­
ständnis von staatlichen Gestaltungspotenzialen?
Dabei geht es eben nicht darum, Expertise und
Politik stärker zu verknüpfen, sondern darum,
wissenschaftliche Erkenntnisse und ihre mög­
lichen Gestaltungsforderungen für Politik und
Öffentlichkeit transparent zu machen und den
Diskurs zu gestalten. Hier ist explizit auch die
Universität als Institution angesprochen, die
Wissenschaftskommunikation mitdenken muss.
Wir Forscherinnen und Forscher brauchen pro­
fessionelle Unterstützung bei der Übersetzung,
beim »Verstehen« der (sozialen) Medienlogik.
Zudem muss diese Leistung wertgeschätzt werden
im wissenschaftlichen Bewertungssystem. Nur so
kann Fortschritt sichergestellt werden.
Wissenschaft wird gesellschaftlich finanziert
und getragen. Daraus erwächst die Verantwor­
tung, für eine bessere Welt zu arbeiten.
Die Technische Hochschule Lübeck ist eine zukunftsorientierte
Hochschule, gute Lehre und Forschung sind unser Fundament.
Hier studieren, lehren und forschen über 5.000 Studierende und
130 Professor*innen in vier Fachbereichen, unterstützt von
rund 400 Mitarbeiter*innen. Das Profil der TH Lübeck – Technik,
Ressourcen, Lebenswelten – beruht auf den fachlichen Schwer-
punkten in den Bereichen Technik, Naturwissenschaften, Architektur
und Wirtschaft. Mit unserer Expertise und unseren Erfahrungen
sind wir in digitaler Lehre, mit internationalen Studienangeboten
sowie in Forschung und Transfer außerordentlich erfolgreich und
überregional anerkannt. Hochwertige, praxisorientierte Lehre und
anwendungsorientierte Forschung bereiten unsere Studierenden
bestmöglich auf den Arbeitsmarkt vor. Wenn Sie die Technische
Hochschule Lübeck gemeinsam mit uns weiterentwickeln möchten,
kommen Sie an den Campus Lübeck, in eine Stadt mit ausge-
sprochen hoher Lebensqualität!
An der Technischen Hochschule Lübeck ist die nachfolgende
Professur zu besetzen:
n Fachbereich Elektrotechnik und Informatik
Professur W 2
für Angewandte Informatik
Kennziffer 342.6
Gesucht wird eine Persönlichkeit mit breitem Grundlagenwissen
in der Informatik, das auf theoretischen Kenntnissen und prakti-
schen Erfahrungen beruht. Eine darüber hinausgehende Fokus-
sierung auf ein spezielles Themengebiet der Informatik ist wün-
schenswert und kann in die Ausgestaltung der Stelle eingebracht
werden.
Es wird erwartet, dass die Bewerberin/der Bewerber ihre/seine in
der beruflichen Praxis erworbene Kompetenz unseren Studieren-
den vermittelt und das o. a. Fachgebiet in Forschung und Lehre
anwendungsorientiert vertritt, zum Teil auch in den Online-Studi-
engängen des Fachbereichs.
lagenfächern für Studierende in Studiengängen dieses und ande-
rer Fachbereiche abzuhalten, insbesondere in den Bereichen
Rechnernetze und Softwareentwicklung. Vorlesungen sind teil-
weise in englischer Sprache durchzuführen.
Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung. Das Bewerbungsende ent-
nehmen Sie bitte der vollständigen Ausschreibung.
www.th-luebeck.de
Die vollständige Ausschreibung finden Sie hier:
https://www.th-luebeck.de/hochschule/aktuelles/jobs-und-
karriere/professur/
Die Philosophische Fakultät der Universität Freiburg (Schweiz) schreibt zur Neubesetzung aus:
Professur „open rank“ für Geschichte der Frühen Neuzeit (100-80%)
Der/die Kandidat/in besitzt einen Doktortitel in Geschichte der Frühen Neuzeit; eine Habilitation
oder äquivalente Leistungen sind erwünscht. Er/sie verfügt über die wissenschaftliche
Erfahrung zur Lehre und Betreuung von Arbeiten auf Bachelor- und Masterniveau.
Einer seiner/ihrer Forschungsschwerpunkte ist aussereuropäisch ausgerichtet. Er/sie
verpflichtet sich zur Mitarbeit im Freiburger Institut für die Erforschung der Renaissance und
der Frühmoderne und in der universitären Selbstverwaltung in der Philosophischen Fakultät.
Unterrichtssprache ist Deutsch; dazu werden gute Französischkenntnisse erwartet.
Stellenantritt zum 1. Februar 2024.
Die Universität Freiburg strebt eine ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern an.
Bewerbungen von Frauen sind daher ausdrücklich erwünscht.
Als Unterzeichnerin der DORA-Deklaration legt die Universität Freiburg Wert auf eine
qualitative Bewertung der akademischen Leistungen.
Bewerbungsunterlagen sind in elektronischer Form bis zum 31. März 2023 beim Dekanat der
Philosophischen Fakultät, jobs-lettres@unifr.ch, einzureichen.
Weitere Informationen sind erhältlich unter
https://www.unifr.ch/lettres/de/fakultaet/offene-stellen.html
36 STELLENMARKT 9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7

DAS DUALE HOCHSCHULSTUDIUM DAS DUALE HOCHSCHULSTUDIUM

MIT ZUKUNFT.
Die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) ist mit
rund 33.000 Studierenden an 9 Studienakademien und 3 Campus
sowie dem Center for Advanced Studies die größte Hochschule
Baden-Württembergs und bietet Bachelor- und Masterstudien-
gänge in den Studienbereichen Wirtschaft, Technik, Gesundheit
und Sozialwesen an. Gemeinsam mit 9.000 ausgewählten Unter-
nehmen sowie sozialen und gesundheitsnahen Einrichtungen
sorgt die DHBW für einen in Theorie und Praxis exzellent quali-
fizierten Fach- und Führungskräftenachwuchs.
Im Bereich der Wissenschaftlichen Weiterbildung sieht die
DHBW ein großes Entwicklungs- und Marktpotenzial. Bereits
Am DHBW CENTER FOR ADVANCED STUDIES ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Stelle einer*eines Professor*in als
seit 2014 bündelt sie deshalb ihre Master-Programme am inno-
vativen Bildungscampus in Heilbronn im Center for Advanced
Studies (DHBW CAS), das in enger Zusammenarbeit mit den
DHBW Standorten als zentrale Einheit der Hochschule agiert.
Inzwischen studieren rund 1.600 Fach- und Führungskräfte in
über 25 dualen Master-Studiengängen in den Bereichen Wirt-
schaft, Technik, Sozialwesen und Gesundheit. Das Profil des
DHBW CAS wird ergänzt durch über 57 Zertifikatsprogramme,
die Intersectoral School of Governance sowie weitere (Inhouse-)
Schulungsangebote.
Die Hochschule Pforzheim zählt mit rund 6.200 Studierenden und 500
Personen in Lehre, Forschung und Administration zu den größten
Hochschulen für Angewandte Wissenschaften Baden-Württembergs. In ihren
drei Fakultäten – Gestaltung, Wirtschaft und Recht sowie Technik – verbindet
die Hochschule Pforzheim Kreativität mit betriebswirtschaftlicher Ausbildung
und technischer Präzision. Interdisziplinarität, Internationalität, Technologie
und Know-how-Transfer sind wesentliche Elemente unseres Erfolges.
Unseren Mitarbeiter*innen und Studierenden wird nicht nur eine
Fachausbildung geboten, sondern eine ganzheitliche Personalentwicklung.
An der Fakultät für Wirtschaft und Recht sind insgesamt drei Professorenstellen
zum Wintersemester 2023/2024 oder später zu besetzen.
Professur (m/w/d) (W2) Wirtschaftsrecht
Kennziffer: 231010 Vergütung: W2
Arbeitszeit: Vollzeit Bewerbungsfrist: 23.03.2023
MIT ZUKUNFT.
Die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) zählt mit ihren derzeit rund 34.500 Studierenden (an 9 Standorten und
3 Campus) und 9.000 kooperierenden Unternehmen und sozialen Einrichtungen zu den größten Hochschulen des Landes.
Der Standort Mosbach bietet gemeinsam mit seiner Außenstelle Bad Mergentheim 37 Studienangebote in den Fakultäten
Wirtschaft und Technik an. Zum Studienjahr 2022/2023 studieren 3.000 Studierende an der DHBW Mosbach.
ZUM NÄCHSTMÖGLICHEN ZEITPUNKT SIND AN DER DHBW MOSBACH DIE FOLGENDEN STELLEN ZU BESETZEN:
Professur für Bauingenieurwesen, insb. nachhaltiges Bauen (w/m/d)
in Vollzeit, Verfahren 2022-MOS-T-12
Campus Mosbach, Besoldungsgruppe W2
Zur Ergänzung unseres Teams ist eine Professur für Bauingenieurwesen mit dem Schwerpunkt nachhaltiges Bauen zu besetzen.
Sie haben ein Studium des Bauingenieurwesens oder eines eng verwandten Faches absolviert, idealerweise mit dem Schwer-
punkt nachhaltiges Bauen, und in diesem Fachbereich auch promoviert? Sie verfügen wünschenswerterweise über einschlägige

Dekan*in und Ihr zukünftiges Aufgabengebiet:

• Sie halten Lehrveranstaltungen
vor allem in den zivilrechtlichen
Was Sie auszeichnet:
• Sie haben hervorragende aktuelle
juristische Kenntnisse und Praxis-
Berufserfahrung und Fachkenntnis in einem der Bereiche lebenszyklusorientierte und integrale Planung, Bilanzierung, Ressour-
censchonung und Umweltschutz oder Materialökologie? Sie begeistern sich dafür, Themen des nachhaltigen Bauens und/oder
Grundlagenfächer des Bauingenieurwesens in lebendiger Form jungen Studierenden nahezubringen? Sie wollen den Studiengang
Fachbereichsleitung Wirtschaft (m/w/d) Grundlagenfächern sowohl im
Studiengang Wirtschaftsrecht als
erfahrung, die Sie vorzugsweise
im Unternehmensbereich erworben
Bauingenieurwesen weiterentwickeln?
Dann bewerben Sie sich bei uns, denn wir suchen eine fachlich geeignete, sozial kompetente und engagierte Persönlichkeit mit
Besoldungsgruppe W3 auch in den Studiengängen der
Betriebswirtschaft und Technik
haben.
• Idealerweise sind Sie mit den der Bereitschaft, sich in den Studiengang fachlich und organisatorisch einzubringen und Verantwortung zu übernehmen.
unter besonderer Berücksichtigung Anforderungen des Rechts in Bei Fragen zum Berufungsverfahren können Sie sich an
zu besetzen. Wir suchen eine kooperative Führungspersönlichkeit, die stra- digitaler Geschäftsmodelle in digitalen Geschäftsprozessen den Dekan, Herrn Prof. Dr. Mühlhäuser (max.muehlhaeuser@mosbach.dhbw.de),
tegisch, ganzheitlich sowie nachhaltig denkt und handelt, mit Deutsch und Englisch ab. Zu- sowie mit digitalen Technologien
Ihre Aufgaben den Studiengangsleiter, Herrn Prof. Dr. Bender (jens.bender@mosbach.dhbw.de), oder
sammen mit dem Team des bei der Unterstützung inhaltlicher
der Fähigkeit, unterschiedliche Perspektiven zu integrieren. Sie an die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Prof. Dr. Boder, (EvaMaria.Boder@mosbach.dhbw.de), wenden.
Als Dekan*in des Fachbereichs Wirtschaft tragen Sie die Ver- Studiengangs entwickeln Sie Arbeit im Recht vertraut.
nehmen die Herausforderungen, die eine Einrichtung wie das diese Lehrangebote in Bezug auf • Sie haben große Freude an der Haben wir Ihr Interesse geweckt?
antwortung für
DHBW CAS mit sich bringt, gerne an und freuen sich, akade- die Anforderungen einer digitalen Lehre und dem Umgang mit Dann richten Sie Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte bis zum 09.03.2023 ausschließlich über folgenden Link an:
• die Güte und den Markterfolg des Angebots sowie dessen
mischen Anspruch mit wirtschaftlichem Erfolg verbinden zu Wirtschaft kontinuierlich weiter. jungen Menschen sowie Ihre https://schnelle-bewerbung.de/bjzbo
wirtschaftliche Tragfähigkeit,
können. Mit hoher sozialer Kompetenz und einer starken Orien- • Sie bringen sich in die Selbst- didaktischen Fähigkeiten bereits
• die Positionierung, das Portfolio, die Sichtbarkeit und damit
tierung an den Bedürfnissen unserer Interessengruppen stoßen verwaltung der Hochschule ein. nachgewiesen und möchten
die strategische, bedarfsorientierte Ausrichtung Ihres Fach-
Sie Veränderungen an und gestalten und stärken so Ihren • Sie forschen und publizieren. zusammen mit dem Team Wirt- Professur für Bauingenieurwesen und Holztechnik (w/m/d)
bereichs als Partner für lebenslanges Lernen in Lehre, For- schaftsrecht unsere Studierenden in Vollzeit, Verfahren 2022-MOS-T-2
Fachbereich am DHBW CAS sowie die DHBW. Sie mögen Men-
schung, Weiterbildung und Transfer, in die Lage versetzen, in einer
schen und leben einen offenen, empathischen, kooperativen, Campus Mosbach, Besoldungsgruppe W2
• die ordnungsgemäße Durchführung des Studienbetriebs und digitalisierten und internationalen
verbindlichen Führungs- und Kommunikationsstil. Gender- und Wirtschafts- und Rechtswelt er-
die Erfüllung der Qualitätsziele,
diversity-sensibles Vorgehen ist Ihnen ein wichtiges Anliegen. folgreich zu sein. Zur Ergänzung unseres Teams ist eine Professur für Bauingenieurwesen und Holztechnik zu besetzen. Sie haben ein Studium des
• die Führung und Entwicklung der Mitarbeiter*innen in Ihrem
Die Einstellung erfolgt bei Vorliegen der entsprechenden Vorausset- Bauingenieurwesens oder einem eng verwandten Fach absolviert und in diesem Fachgebiet auch promoviert?
Fachbereich auf Basis des Wertekanons des DHBW CAS
zungen im Beamtenverhältnis auf Zeit, andernfalls im befristeten Im Studiengang BW / Media Management und Werbepsychologie zukünftig Wir suchen eine teamfähige und kommunikationsstarke Persönlichkeit mit einschlägiger Berufserfahrung und Fachkenntnis im
• die Weiterentwicklung des Fachbereichs entlang der im Struk-
BWL / Media Management und Digital Media Konstruktiven Ingenieurbau, insbesondere im Holzbau.
tur- und Entwicklungsplan sowie im Gleichstellungsplan ver- Dienstverhältnis. Bisherige Beamtenverhältnisse zum Land Baden-
Württemberg bleiben bestehen. Die Amtszeit beträgt sechs Jahre. Begeistern Sie sich dafür, diese Fächer, wie auch einschlägige Grundlagenfächer, in lebendiger Form jungen Menschen nahe zu bringen?
einbarten Ziele und in enger Abstimmung mit der Direktion,
den Ansprechpartner*innen an den einzelnen Standorten sowie Das Bekenntnis der DHBW zu Vielfalt und Inklusion ist für unseren Professur (m/w/d) (W2) Wollen Sie den Studiengang Bauingenieurwesen in angewandter Forschung, Lehre und seinen Laboreinrichtungen weiterentwickeln?
dem Präsidium der DHBW, Dann bewerben Sie sich bei uns, denn wir suchen eine fachlich geeignete, sozial kompetente und engagierte Person mit der
• die regelmäßige Überprüfung und die laufende Weiterent-
Erfolg von zentraler Bedeutung. Als Hochschule mit weltweiten Digital Media and Platforms Bereitschaft, sich in den Studiengang fachlich und organisatorisch einzubringen und Verantwortung zu übernehmen.
Hochschulpartnerschaften und international tätigen Dualen
wicklung der Organisation des Fachbereichs, Partnern wissen wir, dass unsere Studierenden und Mitarbei- Bei Fragen zum Berufungsverfahren können Sie sich an
Kennziffer: 231020 Vergütung: W2 den Dekan, Herrn Prof. Dr. Mühlhäuser (max.muehlhaeuser@mosbach.dhbw.de),
• die Pflege und den Aufbau der Beziehungen sowie Koopera- tenden ihr Potenzial nur dann voll ausschöpfen können, wenn Arbeitszeit: Vollzeit Bewerbungsfrist: 23.03.2023
tion mit den Stakeholdern in Wirtschaft, Wissenschaft und sie die Freiheit haben, sie selbst zu sein. den Studiengangsleiter, Herrn Prof. Dr. Reinke (thomas.reinke@mosbach.dhbw.de), oder
Gesellschaft, regional, national und international. Die Hochschule strebt in Bereichen, in denen Frauen unter- f iges Aufgabengebiet:
Ihr zukünft Das erwarten wir: an die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Prof. Dr. Kaufholz, (marthe.kaufholz@mosbach.dhbw.de), wenden.
Als Teil der Leitung des CAS übernehmen Sie in Abstimmung mit repräsentiert sind, die Erhöhung des Frauenanteils an und for- • Sie halten Lehrveranstaltungen • Sie verfügen über ein abge- Haben wir Ihr Interesse geweckt?
dert daher Frauen nachdrücklich zur Bewerbung auf. vor allem im Studiengang BW / schlossenes Hochschulstudium Dann richten Sie Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte bis zum 24.03.2023 ausschließlich über folgenden Link an:
den Teammitgliedern Geschäftsbereiche der Direktion. Daraus
Menschen mit Schwerbehinderung und diesen gleichgestellten Media Management und Werbe- im Bereich Medien-/Kommuni- https://schnelle-bewerbung.de/ulm42
ergeben sich weitere fachlich-inhaltliche und personelle Verant- psychologie zukünftig BWL / kationsmanagement, Wirtschafts-
wortungen. Darüber hinaus engagieren Sie sich in den standort- Personen werden bei gleicher fachlicher Eignung vorrangig be- Einstellungsvoraussetzungen:
Media Management und Digital wissenschaften oder ein vergleich-
übergreifenden Gremien der DHBW. Zudem ist mit der Aufgabe rücksichtigt. Die Grundsätze des AGG werden beachtet. Media sowie im Masterstudien- bares Studium. Vorausgesetzt werden gemäß § 47 LHG ein abgeschlossenes Hochschulstudium, besondere wissenschaftliche Befähigung (in der
eine reduzierte Lehrverpflichtung verbunden. Bei Rückfragen stehen Ihnen die Vorsitzende der Findungs- gang Digital Business Manage- • Sie können fundierte Praxis- Regel Promotion), pädagogische Eignung sowie mindestens fünf Jahre berufspraktische Erfahrung, davon mindestens drei Jahre
kommission Vizepräsidentin Prof. D. Nitsche-Ruhland (0711/ ment. erfahrung im Management der außerhalb des Hochschulbereichs. Sie sollten zudem bereit sein, an der wissenschaftlichen Entwicklung, insbesondere durch
Ihr Profil • Fachliche Schwerpunkte bilden Bereiche digitale Medien, digitales
320660-36) und der Direktor des DHBW CAS Prof. Kühnle Forschung und wissenschaftliche Weiterbildung, teilzuhaben. Erwartet wird ein besonderes Maß an Engagement, Kooperations-
Zur Fachbereichsleiterin oder zum Fachbereichsleiter kann be- dabei die Bereiche Digital Media Marketing, digitale Geschäfts-
(07131/3898-250) gerne zur Verfügung. Fragen zum Verfahren bereitschaft mit den beteiligten Unternehmen und sozialen Einrichtungen sowie die Bereitschaft zur Gremienarbeit.
stellt werden, wer der Hochschule hauptberuflich als Profes- und Marketing, Digital Media modelle und Plattformen vor-
sorin oder Professor angehört oder wer eine abgeschlossene beantwortet Ihnen gerne das Personalreferat. Bitte wenden Sie Management, Social Media weisen – idealerweise konnten Die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit als Professor*in ist in der Regel nach dreijähriger Bewährung im Beamten-
Hochschulausbildung besitzt und auf Grund einer mehrjährigen sich an Frau Claudia Sauer (0711/320660-9702). Marketing, E-Commerce, Business Sie dabei schon erste Führungs- verhältnis auf Probe möglich, falls das Lebensalter bei der Einstellung 47 Jahre, bei Erfüllung besonderer Voraussetzungen
leitenden beruflichen Tätigkeit, insbesondere in Wissenschaft, Bitte bewerben Sie sich bis zum 08.03.2023 online über unser Projects, Digital Platforms, digitale erfahrungen sammeln. 52 Jahre, nicht übersteigt.
Wirtschaft, Verwaltung, Kunst oder Rechtspflege erwarten lässt, Bewerbungsportal auf der Homepage der DHBW unter der Trainings (z. B. Google Analytics, • Sie können aktuelle Publikationen Zur Lehre gehört auch die Betreuung von wissenschaftlichen Arbeiten (Projekt-/Studien- und Bachelorarbeiten). Die allgemeinen
Podcast). und idealerweise auch Forschungs-
dass sie*er den Aufgaben des Amtes gewachsen ist. Kennziffer 1722 www.dhbw.de/die-dhbw/stellenangebote.html. Dienstaufgaben einer Professur ergeben sich aus § 46 LHG.
• Sie wirken bei der methodisch- aktivitäten im relevanten Themen-
Duale Hochschule Baden-Württemberg, Präsidium, Friedrich- didaktischen Weiterentwicklung bereich nachweisen. Weiterentwicklungsmöglichkeiten:
Idealerweise bringen Sie für diese Aufgaben außerdem folgende
straße 14, 70174 Stuttgart. des Studienangebots sowie bei • Sie haben Freude an der Lehre, An der DHBW besteht die Möglichkeit, sich neben dem Schwerpunkt Lehre bei der strategischen Ausrichtung, Betreuung und
Erfahrungen bzw. Kenntnisse mit:
• in der Konzeption, Organisation und Durchführung von dualen Informationen zur Erhebung von personenbezogenen Daten sind der organisatorischen und inhalt- Ihre didaktischen Fähigkeiten Organisation des Studienganges und/oder in der Kooperativen Forschung zu engagieren.
unter https://www.dhbw.de/datenschutz abrufbar. lichen Gestaltung mit und unter- bereits als emphatische und ver-
Studiengängen und wissenschaftlichen Weiterbildungsange- Der Standort Mosbach mit Campus Bad Mergentheim wurde bereits 2008 als erster DHBW-Standort als familiengerechte Hoch-
stützen die Betreuung unserer trauenswürdige Persönlichkeit
boten insbesondere im Bereich Wirtschaftswissenschaften, Studierenden. nachgewiesen und möchten zu-
schule zertifiziert. Dies ist Ausdruck des DHBW-Interesses, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern.
• Führungs- und Managementerfahrung innerhalb und außer- • Sie forschen innerhalb Ihres sammen mit dem Studien- Die landschaftlich sehr schön gelegene Stadt Mosbach bietet umfangreiche Infrastruktur für Familien (zahlreiche Schulen, Neckar-
halb des Hochschulbereichs, Fachbereichs und pflegen Kontakte gangteam unsere Studierenden Odenwald-Kliniken, S-Bahn-Anschluss nach HD/MA bzw. HN/S).
• in der Koordination und Zusammenarbeit mit Einrichtungen zur Unternehmenspraxis und zu in die Lage versetzen, in einer
des tertiären Bildungsbereichs, die Sie insbesondere am Kooperationspartnern im In- und digitalisierten Wirtschaftswelt er- Das Bekenntnis der DHBW zu Vielfalt und Inklusion ist für unseren Erfolg von zentraler Bedeutung. Als Hochschule mit weltweiten
Bildungscampus Heilbronn einbringen wollen. Ausland. folgreich zu sein.
Hochschulpartnerschaften und international tätigen Dualen Partnern wissen wir, dass unsere Studierenden und Mitarbeitenden
• Die sichere Beherrschung der
englischen Sprache rundet Ihr ihr Potential nur dann voll ausschöpfen können, wenn sie die Freiheit haben, sie selbst zu sein. Die Hochschule strebt in Bereichen,
Profil ab. Sie sind in der Lage, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, die Erhöhung des Frauenanteils an und fordert daher Frauen nachdrücklich zur Bewerbung
Ihre Vorlesungen in englischer auf. Menschen mit Schwerbehinderung und diesen gleichgestellte Personen werden bei gleicher fachlicher Eignung vorrangig
Sprache abzuhalten. berücksichtigt. Die Grundsätze des AGG werden beachtet.
Duale Hochschule Baden-Württemberg Mosbach
In den Studiengängen BW / Marktforschung und Konsumentenpsychologie Verwaltung
und im Master Marketing Intelligence Lohrtalweg 10
74821 Mosbach
Homepage: www.mosbach.dhbw.de
Professur (m/w/d) (W2)
Customer Insights & Data Analytics DARÜBER HINAUS SIND WIR AUF DER SUCHE NACH QUALIFIZIERTEN

Kennziffer:
Arbeitszeit:
231030
Vollzeit
Vergütung: W2
Bewerbungsfrist: 23.03.2023
nebenberuflichen Lehrbeauftragten (m/w/d)
Ihr zukünftiges Aufgabengebiet: Das erwarten wir: Aufgrund unseres Wachstums sind wir ständig auf der Suche
• Sie halten Lehrveranstaltungen • Sie verfügen über ein abgeschlos- nach qualifizierten Lehrbeauftragten in weiteren Fächern des
in den obengenannten Studien- senes Hochschulstudium der Wirt-
gesamten Studienangebotes der DHBW Mosbach und Bad
gängen auf Deutsch und Englisch schaftswissenschaften, Kommuni-
ab. kationswissenschaften, Psycho-
Mergentheim. Informationen erhalten Sie auf unserer Home-
• Fachliche Schwerpunkte bilden logie oder in einer angrenzenden page unter:
die Bereiche Data Analytics, Big Fachrichtung. https://www.mosbach.dhbw.de/informationen-fuer/lehrende/
Data Research, Datenvisuali- • Sie können sehr gute Kenntnisse
sierung, Grundlagen der Markt- in Data Analytics im Marketing
Campus Bocholt forschung sowie Praxisprojekte zu sowie quantitativ ausgerichteter
Themen rund um Customer Marktforschung nachweisen, zu-
Insights und Analytics; neben dem beherrschen Sie gängige KONTAKT FÜR ANZEIGENKUNDEN
Grundlagen vermitteln Sie ins- Analysetools (z. B. R oder Python,
Professur Sustainability Management and Life Wissen. besondere, wie aus Daten Insights Dashboards).
Sie möchten Ihre Anzeige
Was praktisch zählt. elektronisch übermitteln und
Cycle Engineering (W2) für Unternehmen generiert werden. • Fundierte Praxiserfahrung in den
haben noch Fragen?
• Sie wirken bei der methodisch- genannten Gebieten und gute
Zum 01.09.2024 · Vollzeit · Campus Bocholt Mit diesem Grundsatz setzen didaktischen Weiterentwicklung Vernetzung in der Marktforschungs- Dann rufen Sie uns gerne an
wir an der Westfälischen Hoch- des Studienangebots mit sowie und Insights-Branche setzen wir oder schreiben uns:
Als engagierte Persönlichkeit auf dem Gebiet des industriellen Nachhaltigkeits-
schule seit über 25 Jahren bei der organisatorischen und voraus. In der Fachhochschule Westküste ist zum 01.09.2023 die unbefristete
0931 / 6001758
managements verfügen Sie über umfangreiche Praxiserfahrung in der Gestal-
regional und international inhaltlichen Gestaltung der Stu- • Sie können idealerweise aktuelle Stelle der
tung nachhaltiger Unternehmensprozesse. Sie vertreten Inhalte und Methoden
Zeichen: von gezielterTalent- diengänge. und einschlägige Publikationen
zur Bewertung der ökologischen Transformation in Unternehmen in Bachelor-
und Masterstudiengängen des Fachbereichs Maschinenbau. Ihre Expertise
förderung hinein in die praxis-
nahe Ausbildung von Fach- und
• Sie forschen innerhalb Ihres und Forschungsaktivitäten vor- Professur (W2) Betriebswirtschaftslehre, 1 zeit@anzeigeneingang.de
Fachbereichs und pflegen Kontakte weisen.
bringen Sie überdies in der angewandten Forschung ein.
Führungskräften. An unseren zur Unternehmenspraxis und zu • Sie haben Freude an der Lehre insbesondere Human Resource Informationen zum Daten-
Sie verfügen über eine in der Regel durch Promotion nachgewiesene Befähi- drei Standorten machen sich
rund 9.000 Studierende in
Kooperationspartnern im In- und und bereits nachgewiesene didak- Management und Entrepreneurship (m/w/d) versand per Upload finden
gung zu wissenschaftlicher Arbeit. Aus Ihrer fünfjährigen Berufspraxis, davon Ausland. tische Fähigkeiten. Sie unter:
mindestens drei außerhalb einer Hochschule, bringen Sie fachbezogene Erfah- knapp 60, vor allem technisch- • Die sichere Beherrschung der im Fachbereich Wirtschaft in Vollzeit zu besetzen. Bei der Feststellung
rungen mit, zur Anwendung oder Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse ökonomisch ausgerichteten englischen Sprache und Ihre der pädagogischen Eignung erfolgt nach zwei Jahren die Verbeamtung 5 www.anzeigeneingang.de
und Methoden. Studiengängen fit für den Fort- Bereitschaft, Lehrveranstaltungen auf Lebenszeit.
schritt. Gemeinsam mit über auf Englisch zu halten, runden Ihr
Sie begleiten Studierende mit Freude auf dem Weg in ihre berufliche Zukunft 700 Beschäftigten werden mit Wir suchen eine engagierte Persönlichkeit mit umfassenden Kenntnis-
Profil ab.
und bringen Ihre Expertise anwendungsbezogen in unseren Studiengängen ein. anwendungsorientierter For- sen der Betriebswirtschaftslehre, sowie vertieften praktischen Erfah-
Sie verfügen idealerweise über Erfahrungen in der Lehre. Ihr Engagement zur schung Impulse für Verfahren, rungen in jeweils mindestens einem der folgenden Bereiche:
Berufungsvoraussetzungen sind u. a. ein abgeschlossenes Hoch-
didaktischen Weiterqualifizierung rundet Ihr Profil ab. Produkte und Dienstleistungen Human Resource Management
schulstudium, wissenschaftliche Qualifikation, die i. d. R. durch Promotion
Was wir erwarten von morgen gesetzt. nachgewiesen wird, und mindestens fünf Jahre Berufserfahrung, davon • Personalcontrolling
• Sie leiten Lehrveranstaltungen auf Deutsch und Englisch und bringen Ihre mindestens drei Jahre außerhalb des Hochschulbereichs. Weitere • Personalvergütung
Kompetenzen sowohl in Grundlagenfächern, als auch in weiterführenden Einzelheiten (vgl. § 47 Landeshochschulgesetz Baden-Württemberg) sind • Digitalisierung von Personalmanagement-Prozessen
Veranstaltungen ein einem Merkblatt zu entnehmen, das über die Homepage der Hochschule Entrepreneurship
• Sie forschen auf dem Gebiet der nachhaltigen industriellen Wertschöpfung heruntergeladen werden kann. Die Hochschule Pforzheim strebt die • (Social/Green) Entrepreneurship
• Sie unterstützen den Fachbereich organisatorisch und helfen dabei den neu Erhöhung ihres Frauenanteils an und fordert qualifizierte Interessentinnen • Entwicklung (digitaler) Geschäftsmodelle
geschaffenen Studiengang „Sustainable Engineering and Management“ deshalb nachdrücklich auf, sich zu bewerben. Bei gleicher Qualifikation • Innovationsmanagement
inhaltlich und methodisch weiterzuentwicklen haben behinderte Bewerber*innen Vorrang.
Nähere Informationen zur Stellenausschreibung, zum Aufgabengebiet so-
Worauf Sie sich freuen können Bitte richten Sie Ihre Bewerbung an den Rektor Herrn Prof. Dr. Ulrich Jautz wie zum Anforderungsprofil finden Sie auf http://www.fh-westkueste.de.
• Eine dynamisch wachsende Hochschule mit hohem Innovationspotential und und bewerben sich unter Angabe der Kennziffer über unser Online- Bei fachlichen Fragen zum Anforderungsprofil und den damit verbun-
exzellenter Vernetzung in die Industrie bewerberportal www.hs-pforzheim.de/stellen-professuren. denen Aufgaben wenden Sie sich bitte an die Vorsitzende der Beru-
• Ein spannendes and abwechslungsreiches Aufgabengebiet im Fachbereich
fungskommission, Frau Prof. Dr. Susanne Liebermann (liebermann@
Maschinenbau in Bocholt
• Die Gelegenheit, eigene Ideen aktiv einzubringen und das Aufgabengebiet
Ihre Ansprechpartnerin
Frau Felicia Mongioj
fh-westkueste.de). Die Jobchancen
in Forschung und Lehre weiterzuentwickeln
• Fachliche und didaktische Entwicklungsmöglichkeiten dank regelmäßiger
felicia.mongioj@
hs-pforzheim.de
Ihre aussagekräftige Bewerbung mit den üblichen Unterlagen (mindes-
tens Lebenslauf, Schul-, Ausbildungs-, Arbeitszeugnisse, Nachweise gehen Ihnen
nicht aus
Fort- und Weiterbildungsangebote + 49 7231 28 6024 für Studium und Promotion), ggf. einer Einverständniserklärung zur
Haben wir Sie neugierig gemacht?
Einsichtnahme in die Personalakte, richten Sie bitte bis zum 23.02.2023
Dann freuen wir uns auf Ihre Bewerbung samt der üblichen Unterlagen bis zum
(Eingangsdatum) an die
08.03.2023 an den Dekan des Fachbereiches Maschinenbau Bocholt, ONLINE-STELLENMARKT Personalverwaltung der Fachhochschule Westküste
Prof. Dr. Martin Maß,Westfälische Hochschule Gelsenkirchen Bocholt Reckling-
hausen, Münsterstr. 265, 46397 Bocholt Noch Fragen? Wöchentlich aktuelle Stellenangebote Fritz-Thiedemann-Ring 20, 25746 Heide
(E-Mail: bewerbung@fh-westkueste.de)
Bitte beachten Sie auch die Einstellungsvoraussetzungen des Hochschulgesetzes Melden Sie sich dazu einfach per E-Mail erhalten. Im Fall der schriftlichen Bewerbung bitten wir Sie, uns ledig- Weitere Jobs
NRW, § 36. Wir wünschen uns mehr Frauen in Lehre und Forschung und freuen bei Prof. Dr. Martin Maß Mit dem Jobnewsletter lich Kopien einzureichen, da wir die Unterlagen nach Ab- finden Sie auf
uns deshalb auf qualifizierte Bewerberinnen. Bewerbungen von Menschen mit martin.mass@w-hs.de 5 jobs.zeit.de schluss des Verfahrens leider nicht zurücksenden können.
einer Schwerbehinderung berücksichtigen wir bei gleicher Eignung bevorzugt. Tel.: 02871/2155-901 seit 2016 Bewerbungen per E-Mail erbitten wir im PDF-Format als
eine Datei.
DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023 STELLENMARKT 37

Wir halten Ausschau nach:

Hauptamtliches Rektoratsmitglied für Lehre
und Weiterbildung (w/m/d)
REKTORAT | ZUM NÄCHSTMÖGLICHEN ZEITPUNKT
Die Universität Stuttgart ist mit mehr als 22.000 Studierenden, rund
5.500 Beschäftigten und ihrem sehr hohen Drittmittelaufkommen
eine führende technisch orientierte Universität in Deutschland in einer
der bedeutendsten Hightech- und Industrieregionen Europas. Sie ist
verlässliche Arbeitgeberin, Partnerin fürTechnologietransfer und steht
für die interdisziplinäre Integration von Ingenieur-, Natur-, Geistes-,
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften auf der Grundlage disziplinärer
Spitzenforschung.
Die Universität Stuttgart sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine
wissenschaftlich ausgewiesene, engagierte Persönlichkeit mit mehr-
jähriger Führungserfahrung im Wissenschafts- oder Hochschulbereich.
Darüber hinaus sind für die erfolgreiche Wahrnehmung der Aufgaben
vertiefte inhaltliche Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich Studium
und Lehre an einer Universität erforderlich.
Als hauptamtliches Rektoratsmitglied für Lehre und Weiterbildung
sind Sie Ansprechperson für alle grundsätzlichen Fragen zu Studium,
Lehre und Weiterbildung sowie zur Einrichtung, Weiterentwicklung und
Einstellung von Studiengängen. Zu Ihrem Aufgabenbereich gehören
• die strategische Weiterentwicklung des Studienangebots,
• die stetige Verbesserung der Lehrqualität sowie die Stärkung der
interdisziplinären Arbeit im Studium,
• die Internationalisierung der Lehre sowie die Anwerbung und Förde-
rung herausragender Studierender,
• die Gestaltung einer zukunftsorientierten Lehrerbildung und die
Verbesserung der Weiterbildungsangebote.
Als Rektoratsmitglied für Lehre und Weiterbildung leiten Sie zudem
die relevanten Senatsausschüsse, koordinieren Großprojekte in der
Lehre und haben die Fachaufsicht über das Studiendezernat sowie die
Bereiche Qualitätsentwicklung, Zentrum für Lehre und Weiterbildung,
Professional School of Education, Sprachenzentrum, School
forTalents und MINT-Kolleg BW.
Voraussetzungen für die Position sind ausgeprägte Erfahrungen und
nachgewiesene Erfolge im Bereich des Lehrens und des Lehrmanage-
ments sowie innovative Konzepte und Ideen zur Weiterentwicklung
des Bereichs Lehre und Weiterbildung. Erwartet werden zudem eine
hohe Kommunikations- und Motivationsfähigkeit sowie sehr gute
Deutsch- und Englischkenntnisse in Wort und Schrift. Es gelten ferner
die Voraussetzungen des Landeshochschulgesetzes.
Das hauptamtliche Rektoratsmitglied wird in einer gemeinsamen
Sitzung von Universitätsrat und Senat gewählt. Bei Vorliegen der
Voraussetzungen kann gemäß § 17 Abs. 2 LHG die Ernennung zur
Beamtin/zum Beamten auf Zeit für die Dauer von sechs bis acht
Jahren erfolgen; eine erneute Bestellung ist möglich. Die Vergütung
erfolgt nach den Vorgaben des Landesbesoldungsgesetzes Baden-
Württemberg (Besoldungsgruppe W3 zuzüglich Leistungsbezüge).
Bitte richten Sie Ihre Bewerbung mit aussagekräftigen Unterlagen
(inklusive Lehrevaluationen) bis zum 19.03.2023 in einer PDF-Datei per
E-Mail an bewerbung@rektorat.uni-stuttgart.de an den Vorsitzenden
des Universitätsrats, Herrn Prof. Dr. Bernhard Keimer. Bitte seien Sie
sich bei der Übersendung Ihrer Bewerbung per unverschlüsselter
E-Mail der Risiken der Vertraulichkeit und Integrität Ihrer Bewerbungs-
inhalte bewusst. Alternativ ist auch die Bewerbung in Papierform an
die Geschäftsstelle des Universitätsrats, Keplerstr. 7, 70174 Stuttgart
möglich. Für Rückfragen steht Ihnen in der Geschäftsstelle des Univer-
sitätsrats Frau Kölpin unter o.g. E-Mail oderTel.: 0711/685-82100 gerne
zur Verfügung.
Informationen zum Umgang mit Bewerbungsdaten nach Art. 13
DS-GVO finden Sie unter uni-stuttgart.de/datenschutz/bewerbung.
Die Universität Stuttgart möchte den Anteil der Frauen im wissenschaftlichen
Bereich erhöhen und ist deshalb an Bewerbungen von Frauen besonders interes-
siert. Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung vorrangig eingestellt.
W2 Klimagerechte
Baukonstruktion/
Bauen im Bestand
Die Professur ist zum 1.9.2024 an
Die Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) ist eine der größten praxisorientierten Hochschulen in Bayern und deckt
der Fakultät für Ingenieurwissen- mit den Bereichen Technik, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Gestaltung und Sprachen ein breites Fächerspektrum ab. Wir
schaften der Hochschule Wismar begleiten rund 9.200 Studierende in mehr als 50 Studiengängen auf ihrem Bildungsweg. Gesamtgesellschaftlichen Herausfor-
derungen wie der Energiewende oder der Klimakrise begegnen wir mit einem innovativen und internationalen Studienangebot.
unbefristet in Vollzeit zu besetzen. Vorreiter waren wir beispielsweise bei der Konzeption zweisprachiger Studiengänge (TWIN-Studiengänge), beim Aufbau des
ersten grundständigen Studiengangs für Wasserstofftechnik sowie beim softwarezentrierten Studiengang Robotik.
Daneben bildet die Digitalisierung einen wichtigen Schwerpunkt für unsere Hochschule. Im Rahmen der Hightech Agenda Bayern
Berufungskommissionsvorsitzender: investiert der Freistaat Bayern aktuell erheblich in den weiteren Ausbau unserer Hochschule als Teil des bayerischen KI-Netz-
werks. So entstehen am Hochschulstandort Würzburg ein Zentrum für Starke Künstliche Intelligenz und am Hochschulstandort
pascal.brinks@hs-wismar.de Schweinfurt ein Center für Robotik.
Unsere mehr als 240 Professorinnen und Professoren begeistern sich nicht nur für die Lehre, sondern betreiben auch ange-
Bewerbungen bitte bis zum wandte Forschung in Zusammenarbeit mit Unternehmen, Institutionen und sozialen Einrichtungen aus der Region. Der erfolg-
31.3.2023 als PDF-Dokument an reiche Wissenstransfer in Industrie und Gesellschaft zeichnet unsere Professorinnen und Professoren genauso aus wie die
interdisziplinäre Zusammenarbeit in zehn Fakultäten und acht Forschungsinstituten. Unterstützt werden sie dabei von rund
personalabteilung@hs-wismar.de 640 Mitarbeitenden in Wissenschaft, Technik und Verwaltung.
unter dem Stichwort 7800004 Stetiges Wachstum, innovative Lehre und zukunftsweisende Forschung prägen die Atmosphäre an unserer Hochschule.
Aktuell sind folgende Stellen zu besetzen:
Die komplette
Ausschreibung auf
www.hs-wismar.de/ Professorin/Professor (m/w/d)
stellen (Besoldungsgruppe W 2)
Hochschule Wismar
Professur für Mathematik und Angewandte Informatik
University of Applied Sciences: Bewerbungskennziffer: 01.2.512
Technology, Business and Design Die Stelle ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt an der Fakultät Angewandte Natur- und Geisteswissenschaften zu besetzen. Der Dienstort
befindet sich in Schweinfurt.
Professur für Service Robotik
Bewerbungskennziffer: 04.2.513
Die Stelle ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt an der Fakultät Elektrotechnik zu besetzen. Der Dienstort befindet sich in Schweinfurt.
Professur für Leistungselektronik für Energiesysteme
Bewerbungskennziffer: 04.2.406
Die Stelle ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt an der Fakultät Elektrotechnik zu besetzen. Der Dienstort befindet sich in Schweinfurt.
Die Universität Graz besetzt am Zentrum für Entrepreneur- Professur für Hochfrequenz-Schaltungstechnik
ship und angewandter Betriebswirtschaftslehre der Sozial- Bewerbungskennziffer: 04.2.487
und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät eine
Die Stelle ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt an der Fakultät Elektrotechnik zu besetzen. Der Dienstort befindet sich in Schweinfurt.
Professur für entscheidungs-
orientiertes Entrepreneurship und Professur für Social Software Engineering
Management im Kunst- und Kultur- Bewerbungskennziffer: 61.1.425
bereich mit spezieller Orientierung Die Stelle ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt an der Fakultät Informatik und Wirtschaftsinformatik zu besetzen. Der Dienstort befindet
sich in Würzburg.
auf Finanz- und Rechnungswesen
(5 Stunden/Woche; Verfahren gem. § 99 Abs. 1 Universitätsge-
setz; auf 5 Jahre befristetes Arbeitsverhältnis nach dem Ange- Professur für Mathematical Foundations of Trustful Learning
stelltengesetz; voraussichtlich zu besetzen ab 01. März 2023) Bewerbungskennziffer: 61.1.454
Die Professur soll die Bereiche Entrepreneurship und Manage- Die Stelle ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt an der Fakultät Informatik und Wirtschaftsinformatik zu besetzen. Der Dienstort befindet
ment im Kunst- und Kulturbereich mit besonderem Fokus auf sich in Würzburg.
Finanzen, Rechnungswesen und relevanten Steuerthemen
auf diesem Gebiet vertreten. Auch weitere verwandte Teil-
bereiche wie Entrepreneurship in Kreativberufen und freien
Professur für Recyclingverfahren und Kreislaufwirtschaft
Berufen sowie unternehmerisches Denken in freischaffenden Bewerbungskennziffer: 60.1.464
Tätigkeiten sollen abgedeckt werden. Anforderungen sind un- Die Stelle ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt an der Fakultät Kunststofftechnik und Vermessung zu besetzen. Der Dienstort befindet
ter anderem praktische Erfahrung in der Beratung von Kre- sich in Würzburg.
ativberufen und freien Berufen im Bereich Entrepreneurship
und Unternehmensführung sowie praktische Kenntnisse der
Schnittstelle zwischen Kreativberufen und Wirtschaftswis- Professur für Anlagenbetrieb
senschaften mit besonderem Fokus auf Finanzen, Steuern Bewerbungskennziffer: 71.2.367
und Rechnungswesen. Zudem erwarten wir Kompetenz im Die Stelle ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt an der Fakultät Maschinenbau zu besetzen. Der Dienstort befindet sich in Schweinfurt.
Bereich des Gender Mainstreaming.
Bewerbungen sind unter Angabe der Kennzahl VV/2/99 ex
2022/23 bis 01. März 2023 einzureichen. Informationen zu
Professur für International Business und marktorientierte
den Bewerbungsmodalitäten und weitere Voraussetzungen fin-
den Sie unter https://jobsprof.uni-graz.at/de/job/7493.
Unternehmensführung
Bewerbungskennziffer: 03.1.514
Die Stelle ist zum Sommersemester 2024 an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften zu besetzen. Der Dienstort befindet sich in
Würzburg.

Für alle Professuren gilt gleichermaßen:

ZEIT STELLENMARKT
In das Beamtenverhältnis kann berufen werden, wer das 52. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ansonsten erfolgt eine
Crossmedial gespielt: Einstellung mit privatrechtlichen Dienstvertrag im Angestelltenverhältnis.
Die Professuren sind dem Grunde nach in Vollzeit zu besetzen. Zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bietet die
Ihre Ausschreibung THWS die Möglichkeit an, die Stellen zunächst befristet (für einen Zeitraum von ein bis zu zwei Jahren) in Teilzeit zu besetzen.
Nach diesem Zeitraum ist eine weitere Beschäftigung in Teilzeit nach den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich möglich.
Jede Stellenanzeige im
ZEIT STELLENMARKT finden Sie
auch digital auf jobs.zeit.de und
bei academics. Fachlehrerin/Fachlehrer als Lehrkraft für besondere
Aufgaben (m/w/d)
in Teilzeit (50%)
(Entgeltgruppe 11)

Fachgebiet: „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit internationaler Ausrichtung“

Bewerbungskennziffer: 03.1.515
Willkommen an der Hochschule Osnabrück, der größten Fachhochschule Niedersachsens! An
drei Standorten bieten wir rund 100 Studiengänge mit Praxisbezug, eine beeindruckende Die Stelle ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften zu besetzen.
Der Dienstort befindet sich in Würzburg. Die Einstellung erfolgt befristet auf drei Jahre und in 50% Teilzeit.
Lehr- und Forschungsstärke sowie individuelle Entfaltungsmöglichkeiten. Unsere Studierenden
profitieren von der wissenschaftlichen und beruflichen Expertise der Lehrenden, unserer
Für alle Stellen gilt gleichermaßen:
internationalen Vernetzung und einem modernen Hochschulmanagement. Zur Unterstützung
suchen wir Menschen, die innovativ handeln und ein Leben lang neugierig bleiben wollen. Die ausführlichen Stellenausschreibungen sowie die allgemeinen Einstellungsvoraussetzungen finden Sie auf unserem Online-
Portal.
In der Fakultät Ingenieurwissenschaften und Informatik der Hochschule Osnabrück sind zum
Der Freistaat Bayern bietet nicht nur optimale Arbeitsbedingungen und eine hervorragende Lebensqualität, sondern auch
nächstmöglichen Zeitpunkt folgende Professuren der BesGr. W2 zu besetzen: besondere, landesspezifische Besoldungsregelungen.
Eine erfüllende Aufgabe mit zeitlicher Flexibilität und Selbstbestimmung erlaubt die Balance von Arbeit, Familie und Freizeit.
PROFESSUR FÜR KUNSTSTOFFTECHNIK Engagierte Kolleginnen und Kollegen bilden ein hochmotiviertes Team und unterstützen Sie von Anfang an. Unsere Hochschule
fördert die berufliche Gleichstellung von Frauen und strebt insbesondere im wissenschaftlichen Bereich eine signifikante
UND -VERARBEITUNG Erhöhung des Frauenanteils an. Frauen werden daher ausdrücklich zur Bewerbung aufgefordert.
Kennziffer IuI 173 P0223 Schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber werden bei ansonsten im Wesentlichen gleicher Eignung,
Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt eingestellt.
Die Professur ist thematisch in den Themenfeldern Kunststofftechnik, Kunststoffverarbeitung, Wenn Sie sich für eine Stelle an der THWS berufen fühlen, freuen wir uns auf Ihre aussagekräftige
Spritzgießen und Qualitätsmanagement ausgerichtet und soll zukünftig in den Bereichen Bewerbung mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, Zeugnisse, Nachweis zu den beruflichen Stationen
Nachhaltigkeit/Recycling sowie Additive Fertigung ausgebaut werden. Sie ist schwerpunkt- sowie den wissenschaftlichen Arbeiten) über unser Online-Portal (www.thws.de/online-portal).
mäßig in folgenden Studiengängen verortet: Die Bewerbungsfrist kann den einzelnen Anzeigen entnommen werden.
• Kunststofftechnik/Kunststofftechnik im Praxisverbund (B. Sc.)
• Angewandte Werkstoffwissenschaften (M. Sc.)

PROFESSUR FÜR LEISTUNGSELEKTRONIK BITTE BEACHTEN

Kennziffer IuI 175 P0223 Anzeigen- / Druckunterlagen- Zukunftsorientiert, praxisnah, forschungsstark:

Die Professur vertritt das Fachgebiet Leistungselektronik und lehrt schwerpunktmäßig in den
schluss Print-Online-Stellen- Im Herzen der Hauptstadt bietet die Berliner Hoch-
schule für Technik (BHT) das größte ingenieurwissen-
Bachelor- und Masterstudiengängen der Elektrotechnik und Mechatronik. Zu den Inhalten und
anzeigen: schaftliche Studienangebot in der Region. Unter
Folgende Professuren/Stelle sind zu besetzen: dem Motto „Studiere Zukunft” bilden wir in 72 tech-
Aufgaben der Professur gehören neben der Lehre und Forschung in der Leistungselektronik Montag der Philosophische Fakultät, Institut für Geschichte, zum 01.04.2024 nischen, natur-, lebens- und wirtschaftswissenschaft-
auch Lehrinhalte in der Grundlagenausbildung der Elektrotechnik sowie die Entwicklung
projektorientierter Lehrangebote. Die Professur „Leistungselektronik“ soll daneben durch
Erscheinungswoche, Professur (W3) für die Geschichte der Frühen Neuzeit
lichen Studiengängen mehr als 13.000 Studierende
stets am Puls der Zeit aus. Mit 300 Professor*innen,
Zusammenarbeit mit den Themenfeldern „Elektrische Energietechnik“, „Regelungstechnik“, 14 Uhr Sie (m/w/d) werden das genannte Fachgebiet mit seinen nationalen und internationalen Bezügen in Forschung 400 Beschäftigten in Verwaltung und Wissenschaft
und Lehre in möglichst großer systematischer Breite vertreten. In der Lehre werden Sie Lehrveranstaltungen in und unseren Lehrbeauftragten sind wir ein starker
„Antriebstechnik“ oder „Elektronik“ Forschungsaktivitäten entwickeln und in der Lehre durch Andrea.Brandhoff@zeit.de deutscher und englischer Sprache in den Studiengängen mit dem Fach Geschichte einschließlich des Lehramts über- Wissenschaftspartner – auch in internationalen
aktuelle einschlägige Lehrveranstaltungen den Theorie-Praxis-Transfer z. B. bei den aktuellen 040/32 80396 nehmen. Darüber hinaus erwarten wir Ihre Bereitschaft zur Mitarbeit in den interdisziplinären Forschungsverbünden Netzwerken.
Themen Elektromobilität (Pkw, Lkw, Schiffe, Flugzeuge), regenerative Energieversorgung oder der TU Dresden und zur Zusammenarbeit mit DRESDEN-concept-Partnern sowie mit weiteren Kooperationspartnern.
Wir erwarten von Ihnen ein ausgewiesenes Forschungsprofil mit einem Schwerpunkt in der deutschen und Wir suchen Sie für eine unbefristete Stelle an unserer
Energienetze leisten. einem zweiten in der europäischen, außereuropäischen oder globalen Geschichte oder in einem weiteren traditionsreichen Hochschule:
innovativen Themenfeld. Dieses kann durch international sichtbare Publikationen und ein belastbares wis-
senschaftliches Netzwerk nachgewiesen werden. Darüber hinaus wünschen wir uns ein aktives Interesse an
PROFESSUR FÜR AUTONOME, KOLLABORATIVE aktuellen historischen, kultur- und/oder sozialwissenschaftlichen Theorien und Fragestellungen sowie die
Aufgeschlossenheit gegenüber den Digital Humanities. Erfahrungen in der Einwerbung von Drittmitteln setzen
Professur
AGRAR- UND SENSORSYSTEME
wir ebenso voraus wie Ihre Bereitschaft zur Beteiligung an der akademischen Selbstverwaltung. Die Berufungs-
Massivbau/Statik
Studiere Zukunft

Kennziffer IuI 176 P0223
Gesucht wird eine Persönlichkeit, die in der beruflichen Praxis in der Industrie vertiefte Kenntnisse
und Erfahrungen auf dem Gebiet der Agrar- und Sensortechnik, insbesondere im Bereich
Multisensorsysteme oder Sensordaten-Fusion gesammelt hat. Zudem sollen Erfahrungen in
der Entwicklung von Agrarsystemen sowie Kenntnisse auf dem Gebiet autonomer oder
kollaborativer Systeme vorliegen. Erfahrungen im Bereich des Projektmanagements und der
Personalführung runden das Profil ab.
Die ausführlichen Stellenbeschreibungen und die Qualifikationsanforderungen entnehmen Sie
bitte unserer Homepage www.hs-osnabrueck.de/stellenangebote
voraussetzungen richten sich nach § 58 SächsHSFG. Den vollständigen Ausschreibungstext finden Sie unter:
https://tu-dresden.de/stellenausschreibung/10160. Besoldungsgruppe W2, Kennnummer 1129
Fakultät Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften, Institut für Germanistik und Medien-
kulturen, zum 01.07.2024
Professur (W2) für Deutsch als Zweit- und Fremdsprache (DaZ/DaF) Die Stellenbeschreibung und Bewerbungsfrist
finden Sie auf unserer Webseite:
Die Professur soll die Forschung im Fachgebiet Deutsch als Zweit-/Fremdsprache im Kontext von Mehrsprachigkeit
und Integration an der TUD weiter profilieren und mit dem Fokus auf Erwerbs- und Vermittlungskontexte in em- www.bht-berlin.de/berufungsportal
pirischer, methodischer und auch theoretischer Hinsicht Impulse für die linguistische wie kulturwissenschaftliche
Forschung setzen sowie interdisziplinäre Bezüge etwa zur Bildungsforschung und Soziologie stärken. Sie (m/w/d)
werden das Fachgebiet Deutsch als Zweit-/Fremdsprache mit einem sprachwissenschaftlichen Schwerpunkt in
den germanistischen BA- und MA-Studiengängen sowie in allen Lehramtsstudiengängen vertreten. Zudem zählt
die Weiterentwicklung des Erweiterungsfaches Deutsch als Zweitsprache (Staatsexamen) zu Ihren Aufgaben. Wir
erwarten Ihre aktive Mitarbeit am Institut für Germanistik und Medienkulturen insbesondere im Hinblick auf die Die DIPLOMA Hochschule sucht
weitere Ausgestaltung der Studiengänge der Fakultät Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften und selbstver- ab sofort auf Honorarbasis
ständlich in der akademischen Selbstverwaltung. Weiterhin soll Ihre Bereitschaft zu interdisziplinären Kooperati-

Ihre Bewerbungsunterlagen senden Sie bitte in elektronischer Form – möglichst als ein PDF –
onen – beispielsweise im Rahmen des Zentrums für Integrationsstudien, im Kontext der Forschungsvorhaben im
Gebiet „Disruption and Societal Change“ (TUDiSC) oder im Gebiet der Inklusion – vorhanden sein. Lehrbeauftragte Private staatlich anerkannte Hochschule
University of Applied Sciences

unter Angabe der jeweiligen Kennziffer bis zum 08.03.2023 an folgende Adresse:
Sie sollen neben einer breiten Profilierung im Fachgebiet DaZ/DaF in einem oder mehreren der folgenden Ge-
biete ausgewiesen sein: Mehrsprachigkeit, sprachliche Bildung in schulischen Kontexten, Sprachdiagnostik, und Autoren (m/w/d)
Lehrkräfteprofessionalisierung. Zudem werden umfassende Erfahrungen mit empirischen Forschungsme-
thoden vorausgesetzt. Wir erwarten Ihre Bereitschaft zur Einwerbung von Drittmitteln. Die Berufungsvor- bevorzugt mit Promotion für die Erstellung von Studienmaterialien
aussetzungen richten sich nach § 58 SächsHSFG. Den vollständigen Ausschreibungstext finden Sie unter: und für die akademische Online-Lehre sowie an ihren bundesweiten
https://tu-dresden.de/stellenausschreibung/10163. Studienzentren vorwiegend samstags in den Fachrichtungen:
Fakultät Maschinenwesen, Institut für Strömungsmechanik, Professur für Turbomaschinen und
Präsident der Hochschule Osnabrück l Postfach 19 40 l 49009 Osnabrück Flugantriebe, zum nächstmöglichen Zeitpunkt, zunächst bis 31.12.2025 (Beschäftigungsdauer gem. Wiss- • Wirtschaft und Recht • Gesundheit und Soziales
berufungen@hs-osnabrueck.de l www.hs-osnabrueck.de ZeitVG) • Gestaltung und Medien • Technik • Psychosoziale Beratung
wiss. Mitarbeiter:in (m/w/d) im Gebiet Flugantriebe Nähere Informationen zu den Studiengängen finden Sie unter:
Sie möchten als Professor*in einen Beitrag zur Hochschule leisten, erfüllen aber nicht alle (bei Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen E 13 TV-L)
www.diploma.de
Einstellungsvoraussetzungen oder vertreten eine andere Fachrichtung? Zur experimentellen Untersuchung neuartiger Wärmeübertrager-Konzepte werden im Rahmen eines europäischen
Forschungsprojekts Bewerber:innen mit überdurchschn. wiss. Hochschulabschluss im Maschinenbau, möglichst Bewerbungen richten Sie bitte per E-Mail an: DIPLOMA Hochschule,
Wir unterstützen Sie auf Ihrem Weg zur Professur: www.hs-osnabrueck.de/haw-professur mit Schwerpunkt Flugantriebe o. Energietechnik gesucht. Den vollständigen Ausschreibungstext finden Sie unter:
https://tu-dresden.de/stellenausschreibung/10156.
z.Hd. Frau Prof. Dr. Michaela Zilling, planung@diploma.de
38
Im Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik an
der FH Aachen am Standort Aachen ist folgende Professur
zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu besetzen
Professur „Betriebswirt-
schaftslehre mit Schwerpunkt
Marketing“
(Kennziffer: P-05-674)
Ihre Aufgaben
• selbstständige Vertretung des Lehr- und Forschungsgebietes
„Marketing“
• Übernahme und Weiterentwicklung von anwendungs-
bezogenen Lehrveranstaltungen in deutscher und engli-
scher Sprache in den Bachelor- und Masterstudiengängen
des Fachbereichs in den Bereichen:
○ Marketing digitaler Produkte / Services und Digitales
Marketing
○ Datengetriebenes Marketing
○ Customer Discovery & Innovation
○ Digital Business Models
○ Grundlagenfächer der Betriebswirtschaftslehre
• engagierte Lehre und Mitarbeit bei der Weiterentwick-
lung der Studiengänge (z. B. durch die Konzeption neuer
Wahlmodule) und des Weiterbildungsangebots des Fach-
bereichs
• Transfer von neuen Forschungs- und Praxisergebnissen
in die Lehre
• besonderes Engagement in der Forschung und bei der
Einwerbung von Drittmitteln
• teamorientierte Mitarbeit in der akademischen Selbst-
verwaltung des Fachbereichs und der Hochschule
Ihr Profil
• erfolgreich abgeschlossenes Hochschulstudium der
Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftswissenschaften,
Wirtschaftsinformatik oder eines vergleichbaren
Studiengangs
• qualifizierte, fachbezogene und abgeschlossene Promotion
• fundierte, umfassende Kenntnisse und einschlägige,
mehrjährige praktische Berufserfahrung im Bereich
Marketing sowie im Marketing digitaler Produkte/Services
und / oder im digitalen Marketing
• Berufserfahrung im Ausland oder internationalen
Arbeitsumfeld wünschenswert
• idealerweise Management- und Führungserfahrung,
gerne im Start-up-Umfeld
• qualifizierte wissenschaftliche Publikationen oder Ver-
öffentlichungen in anerkannten Fachmedien wünschens-
wert
• hohe pädagogische und didaktische Kompetenz und
idealerweise Lehrerfahrung im Hochschulbereich oder in
der betrieblichen Weiterbildung
• hohe soziale Kompetenz im Umgang mit Studierenden
und Mitarbeitenden
• sehr gute Beherrschung der deutschen und englischen
Sprache
• Erfüllung der Voraussetzungen des § 36 Hochschulgesetz
NRW
Wir bieten Ihnen
• die Möglichkeit, an einer forschungsstarken Fachhoch-
schule Ihr Lehrgebiet weiter zu entwickeln
• europäisches Lebensgefühl im Leben und in der Arbeit
durch die Lage im Dreiländereck zu Belgien und den
Niederlanden
• hochschuldidaktische Unterstützung beim Einstieg in
die Lehre von Anfang an vielfältige Angebote, um die
Herausforderungen bei der Vereinbarkeit von Beruf und
Ihrer persönlichen Lebenssituation zu meistern
• eine unbefristete W2-Professur mit der Möglichkeit der
Einstellung in ein Beamtenverhältnis beim Vorliegen der
rechtlichen Voraussetzungen
Ansprechpartner: Prof. Dr.-Ing. Thorsten Ringbeck,
Tel. 0241 6009-52216
Wir haben Ihr Interesse geweckt?
Dann freuen wir uns auf Ihre Bewerbung bis zum
12. März 2023 über unser Online-Bewerbungsportal auf
der Internetseite der FH Aachen unter folgendem Link:
fhac.de/stellen.
Die Bewerbung geeigneter Schwerbehinderter ist er-
wünscht. Die FH Aachen beabsichtigt, den Anteil von
Frauen in Lehre und Forschung zu erhöhen, Bewerbungen
Zertifikat seit 2009
von Frauen sind daher besonders willkommen.
Medizinische Fakultät OWL
Die Medizinische Fakultät OWL der Universität Bielefeld besetzt
am Standort Campus Klinikum Bielefeld eine
Universitätsprofessur für Otologie/
Neurootologie (W2)
zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Wir suchen Persönlichkeiten mit einem vielversprechenden
nationalen und internationalen Profil, die das Fachgebiet in For-
schung, Lehre und Krankenversorgung in ganzer Breite vertreten
können und bieten Ihnen die Möglichkeit, in einem spannenden
Umfeld den Aufbau der humanmedizinischen Fakultät aktiv
mitzugestalten. Zu Ihren Aufgaben gehören die klinische und
wissenschaftliche Entwicklung des Bereichs Otologie und Neuro-
otologie des Kopf- und Neurozentrums der Klinik und Poliklinik
für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, die Etablierung eines
umfassenden Implantations- und Rehabilitationsprogramm
für Cochlea-Implantate und aktive Mittelohrimplantate sowie
der Aufbau eines neuen Forschungsbereich zur Optimierung der
biomechanischen und bioelektrischen Schnittstellen von im-
plantierbaren Systemen.
Eine ausführliche Stellenbeschreibung finden Sie online unter:
https://www.uni-bielefeld.de/uni/karriere/professuren/
wiss2998.xml
Bewerbungen geeigneter schwerbehinderter und ihnen gleich-
gestellter behinderter Menschen sind ausdrücklich erwünscht.
Die Universität Bielefeld verfolgt eine engagierte Gleichstellungs-
politik und möchte Frauen ausdrücklich zu einer Bewerbung
auffordern. Familienzeiten werden im Rahmen der Auswahl-
entscheidung berücksichtigt.
Bitte reichen Sie Ihre Bewerbung bis zum 23.03.2023 online über
das Berufungsportal der Universität Bielefeld https://berufungen.
uni-bielefeld.de/ ein. Darüber hinaus bitten wir Sie um jeweils
2-seitige Konzepte zu Forschung, Lehre und Krankenversorgung,
in denen gender- und diversityspezifische Inhalte integriert sind,
sowie um ein Gleichstellungskonzept.
Für Fragen und weitere Informationen stehen Ihnen die Dekanin
(dekanin.medizin@uni- bielefeld.de), der Direktor der Univer-
sitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und
Halschirurgie (holger.sudhoff@klinikumbielefeld.de) und die
Direktorin für Universitäre Medizin am Campus Klinikum Bielefeld
(dorothea.stahl@klinikumbielefeld.de) gerne zur Verfügung.
STELLENMARKT
Mannheim University of Applied Sciences
Zum Wintersemester 2023/2024 oder später ist in der Fakultät für
Informatik folgende Stelle zu besetzen:
Professur „Cloud Computing und
verteilte Systeme“ (m/w/d)
Bes. Gr. W2 (Stellen-Nr. 725)
Ihre Aufgaben
Sie unterstützen die Fakultät für Informatik dabei, die Lehre
und Forschung im Bereich „Cloud Computing und ver-
teilte Systeme“ zu stärken, und bauen entsprechende
Kooperationen innerhalb und außerhalb der Hochschule auf.
Ihr Aufgabenspektrum erstreckt sich auf die Lehre, die
Betreuung der Studierenden sowie die anwendungsorientierte
Forschung. Sie bringen die Bereitschaft mit, Grundlagen-
themen der praktischen Informatik in der Lehre zu vertreten,
und sind in der Lage, Lehrveranstaltungen in deutscher und
englischer Sprache anzubieten. Weiterhin unterstützen Sie
uns durch Ihre aktive Mitwirkung in der akademischen Selbst-
verwaltung.
Was wir bieten
Sie erwarten spannende, anspruchsvolle Aufgaben mit
vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten und kreativem Freiraum.
Wir sind eine teamorientierte, interdisziplinär und international
arbeitende Fakultät mit 25 Professorinnen und Professoren.
Unsere Arbeitsatmosphäre ist kollegial, wobei wir auf moderne
und ganzheitliche Lehrmethoden und ein attraktives Angebot
für unsere Studierenden mit intensiver Betreuung und
Förderung setzen.
Das bringen Sie mit
Sie haben einen Hochschulabschluss, idealerweise in
Informatik oder einer ähnlichen Fachrichtung. In den Fach-
gebieten Cloud Computing und verteilte Systeme haben
Sie mehrere Jahre in der Praxis gearbeitet, cloudbasierte
Anwendungssysteme entwickelt und betrieben und
beherrschen die einschlägigen Frameworks, Methoden
und Werkzeuge dieser Domäne. Ein internationales
Umfeld ist Ihnen vertraut und Sie können sicher auf Englisch
kommunizieren.
Spezielle Expertise haben Sie in einem oder mehreren der
folgenden Bereiche:
• Cloud-Architekturen (z. B. SOA, Microservices)
• verteilte Architekturen
• Infrastructure-as-a-Service
• PaaS-Frameworks
Von Vorteil sind zudem Erfahrungen in:
• containerbasierter Entwicklung von Anwendungen
• DevOps (z. B. Infrastructure as Code, Container-
Orchestration)
• Software-defined Networking
• Fog-Computing
• Cloud-Security/Cloud-Forensik
Fachliche Rückfragen zu der ausgeschriebenen Position
beantwortet Ihnen gerne der Vorsitzende der Berufungs-
kommission Prof. Thomas Smits, t.smits@hs-mannheim.de.
Den vollständigen Ausschreibungstext finden Sie auf unserer
Homepage unter https://karriere.hs-mannheim.de/kvmsf.
Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung bis 17.03.2023 über unser
Online-Bewerbungsportal.
Staatliche
Akademie der
Bildenden
Künste
Karlsruhe
Die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe ist eine
kleine, exzellente Kunstakademie, die sich exklusiv auf die Studien-
gänge Freie Kunst (Diplom) und künstlerisches Lehramt mit Bil-
dender Kunst (B.F.A/M.Ed.) konzentriert. Unter der Leitung inter-
national renommierter Professor*innen studieren hier knapp über
300 angehende Künstler*innen und Kunstlehrer*innen in insge-
samt 16 Klassen die klassischen Gattungen Malerei, Bildhauerei,
Grafik, aber ebenso Film, Fotografie, Performance, Installation
und Medienkunst.
An der Akademie ist zum Wintersemester 2023/24 befristet auf
5 Jahre folgende Stelle zu besetzen:
Professur (m/w/d)
für Kunst und Theorie, Bes.Gr. W 3
Aufgabengebiete: Gemäß § 46 Landeshochschulgesetz, u. a.
Lehre und Betreuung von Studierenden der Freien Kunst und des
Künstlerischen Lehramts mit Bildender Kunst; Betreuung wissen-
schaftlicher Qualifikationsarbeiten (B.F.A, M.Ed., Promotion); Mit-
wirkung in den Selbstverwaltungsgremien.
Die Hochschule erwartet Bewerbungen von hervorragenden wissen-
schaftlichen Persönlichkeiten mit umfassender philosophischer,
kunsttheoretischer bzw. kulturwissenschaftlicher Kompetenz und
pädagogischem Engagement.
Einstellungsvoraussetzungen: Abschluss eines wissenschaft-
lichen oder künstlerischen Hochschulstudiums; pädagogische Eig-
nung, die in der Regel durch Lehrerfahrung an einer Hochschule
nachgewiesen wird; besondere Befähigung zu wissenschaftlicher
Arbeit, die in der Regel durch eine Promotion nachgewiesen wird;
zusätzliche wissenschaftliche Leistungen, die in der Regel durch
eine Habilitation bzw. äquivalente Leistungen, oder im Rahmen
einer Juniorprofessur, einer Dozentur an einer Hochschule oder
einer außeruniversitären Forschungseinrichtung oder im Rahmen
einer wissenschaftlichen Tätigkeit in der Wirtschaft oder in einem
anderen gesellschaftlichen Bereich im In- oder Ausland erbracht
wurde.
Abweichend davon ist eine Bewerbung möglich, wenn hervor-
ragende fachbezogene Leistungen im Bereich Kunsttheorie und
Philosophie, sowie eine besondere pädagogische Eignung vor-
liegen.
Insbesondere werden herausragende Kenntnisse in Philosophie,
Kunsttheorie, Ästhetik, Ethik und Kulturwissenschaften erwartet,
exzellente Eignung in Grundlegung und Darstellung methodischer
Reflexion, umfassende Vertrautheit mit den theoretischen Dis-
kursen der Gegenwart und publizistische Präsenz. Eine Vernet-
zung mit Institutionen und Persönlichkeiten des zeitgenössischen
Kunstdiskurses, sowie ein vertiefter Austausch mit der künstleri-
schen Praxis sind wünschenswert.
Die Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Zeit oder der Abschluss
eines befristeten Dienstvertrages für die Dauer von 5 Jahren richtet
sich nach § 49 Abs. 1 und 2 LHG in Verbindung mit § 50 Abs. 2
Landeshochschulgesetz.
Die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe strebt
die Erhöhung des Anteils an Professorinnen an und begrüßt des-
halb die Bewerbung entsprechend qualifizierter Frauen. Schwer-
behinderte werden bei entsprechender Eignung bevorzugt einge-
stellt. Der Nachweis über die Schwerbehinderung ist den Bewer-
bungsunterlagen beizufügen.
Bewerbungen mit Lebenslauf und Unterlagen, die den wissen-
schaftlichen Werdegang verdeutlichen, senden Sie bitte bis 24.
März 2023 über das Bewerbermanagementsystem auf der Home-
page der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe:
www.kunstakademie-karlsruhe.de/stellenausschreibungen
Der Schutz Ihrer personenbezogenen Daten ist uns
ein wichtiges Anliegen. Informationen gem. Art. 13
DS-GVO für Bewerbungen auf Stellenausschrei-
bungen finden Sie unter www.kunstakademie-
karlsruhe.de/stellenausschreibungen
Internet: www.kunstakademie-karlsruhe.de
9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
45.000 Studierende, 8.000 Beschäftigte in Lehre, Forschung und
Verwaltung, die gemeinsam Zukunftsperspektiven gestalten – das ist
die Westfälische Wilhelms-Universität (WWU). Eingebettet in die
Atmosphäre der Stadt Münster mit ihrer hohen Lebensqualität zieht sie
Professur für Automatisierung
mit ihrem vielfältigen Forschungsprofil und attraktiven Lehrangeboten
Studierende und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem
In- und Ausland an.
und Vernetzung mobiler
An der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster ist im Fachbereich Maschinensysteme
Erziehungswissenschaft und Sozialwissenschaften – FB 06 – am Institut W 2 | unbefristet | Vollzeit | Fakultät für Anlagen, Energie- und
für Erziehungswissenschaft/Arbeitsbereich Sozialpädagogik zum
nächstmöglichen Zeitpunkt eine Maschinensysteme | Campus Deutz
W3-Professur für Erziehungswissenschaft Professur für Assistenz-
mit dem Schwerpunkt Sozialpädagogik/
Kinder- und Jugendhilfe
und Diagnosesysteme
zu besetzen. für Landmaschinen
Gesucht wird eine Persönlichkeit, die die Sozialpädagogik in ihrer W 2 | unbefristet | Vollzeit | Fakultät für Anlagen, Energie- und
ganzen Breite vertritt und eine in der Erziehungswissenschaft begründete
Maschinensysteme | Campus Deutz
empirische Forschungsorientierung mit einem Schwerpunkt im Bereich
der Kinder- und Jugendhilfe aufweist. Der*die künftige Stelleninhaber*in
soll sich an der Profilbildung von Forschungsschwerpunkten des Arbeits-
Professur für Energieeffiziente
bereichs und des Instituts beteiligen sowie den Ausbau der Internatio-
nalisierung von Forschung und Lehre vorantreiben. Erfahrungen in
Maschinensysteme
der Durchführung interdisziplinärer Forschungsvorhaben sowie in der
Gestaltung von Transferformaten werden begrüßt.
für Baumaschinen
W 2 | unbefristet | Vollzeit | Fakultät für Anlagen, Energie- und
Zu den Aufgaben gehören die Durchführung von Lehrveranstaltungen
in den Modulen des Studienprofils Sozialpädagogik und den dazu Maschinensysteme | Campus Deutz
gehörenden Wahlpflichtfächern in den BA- und MA-Studiengängen
Erziehungswissenschaft, die Betreuung von Studierenden in Praktika, Professur für Schienenverkehr und
die Abnahme von Prüfungen sowie die Mitwirkung in der akademischen
Selbstverwaltung. Öffentliche Verkehrssysteme
Erwartet werden: W 2 | unbefristet | Vollzeit | Fakultät für Bauingenieurwesen
• ein erziehungswissenschaftliches Profil in Forschung und Lehre, und Umwelttechnik | Campus Deutz
• einschlägige empirische Forschungstätigkeit,
• einschlägige nationale und internationale (englischsprachige)
Publikationen,
Die vollständigen Ausschreibungen und weitere
• nationale und internationale Kooperationen sowie die Bereitschaft, Informationen finden Sie unter: www.th-koeln.de/stellen
englischsprachige Lehre anzubieten, Bitte beachten Sie die jeweilige Bewerbungsfrist.
• Erfahrungen bei der Durchführung selbst eingeworbener kompetitiver
Drittmittelprojekte, vorzugsweise DFG-geförderte Projekte und
• Mitwirkung in den erziehungswissenschaftlichen und interdisziplinären
Forschungszusammenhängen innerhalb und außerhalb des Instituts
für Erziehungswissenschaft und des Fachbereichs 06.
Voraussetzungen für die Bewerbung sind nach § 36 Hochschulgesetz NRW:
• ein einschlägiger überdurchschnittlicher Studienabschluss,
• eine einschlägige, mindestens mit magna cum laude abgeschlossene
Promotion, vorzugsweise in der Erziehungswissenschaft,
• darüber hinaus sehr gute wissenschaftliche Leistungen im oben
beschriebenen Arbeitsfeld, die im Rahmen einer Habilitation,
einer Juniorprofessur oder einer Tätigkeit als wissenschaftliche*r
Mitarbeiter*in an einer Hochschule oder außeruniversitären Einrichtung
oder im Rahmen einer wissenschaftlichen Tätigkeit in Wirtschaft,
Verwaltung oder in einem anderen gesellschaftlichen Bereich im
In- und/oder Ausland erbracht worden sind sowie
Die JKU besetzt zum ehestmöglichen Zeitpunkt folgende Professur:
• Erfahrungen in der Lehre und hochschuldidaktische Eignung.
Die WWU setzt sich für Chancengerechtigkeit und Vielfalt ein. Wir Computing Technologies gemäß § 98 UG
begrüßen alle Bewerbungen unabhängig von Geschlecht, Nationalität,
ethnischer oder sozialer Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, Bewerbungsfristende: 22.03.2023.
Beeinträchtigung, Alter sowie sexueller Orientierung oder Identität.
Eine familiengerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen ist uns ein
Nähere Informationen finden Sie unter www.jku.at/professuren
selbstverständliches Anliegen. JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ
Bewerbungen von Frauen sind ausdrücklich erwünscht; Frauen werden Altenberger Straße 69, 4040 Linz, Österreich
bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt
berücksichtigt, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende
Gründe überwiegen.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, Zeugnisse, Im Fachbereich Maschinenbau und Mechatronik an der
Schriftenverzeichnis, Verzeichnis der eingeworbenen Drittmittel, FH Aachen am Standort Aachen ist zum nächstmöglichen
Verzeichnis der Lehrveranstaltungen, Lehrevaluationen, Verzeichnis
der Gremienarbeit) richten Sie bitte in elektronischer Form (als ein
Zeitpunkt folgende Professur zu besetzen
PDF-Dokument) bis zum 31.03.2023 an: Professur „Angewandte
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Dekanat des Fachbereichs 06 Mathematik und Data Science“
Herrn Prof. Dr. Thorsten Quandt
(Kennziffer: P-08-672)
E-Mail: dek.fb06@uni-muenster.de
Ihre Aufgaben
• selbstständige, engagierte Vertretung und Weiterent-
wicklung des Lehr- und Forschungsgebiets Angewandte
Mathematik und Data Science in den Studiengängen des
Fachbereichs
• Entwicklung und Durchführung von Lehrveranstaltungen
im Grundlagenbereich und in den anwendungsspezifischen
Vertiefungen der Bachelor- und Masterstudiengänge des
Fachbereichs in deutscher und englischer Sprache, insbe-
sondere in den Disziplinen
○ Mathematik
○ Data Science und Künstliche Intelligenz
○ Informationstechnik
• Weiterentwicklung der Studiengänge und innovativer
An der Fakultät für Angewandte Informatik der Universität Augsburg ist
am Institut für Informatik zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Stelle für
Lehrformate, insbesondere unter Einbezug moderner
eine/einen
Plattformen wie beispielsweise JupyterHub
• besonderes Engagement bei der Entwicklung und Durch-
Universitätsprofessorin/Universitätsprofessor (m/w/d) führung von Lehrangeboten für die Übergangsphase
der BesGr.W 3 für Cyber Security Schule – Hochschule und die Studieneingangsphase
• Leitung und Weiterentwicklung des Labors Informations-
im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu besetzen.
technik
Gesucht wird eine Persönlichkeit, die durch hervorragende Leistungen
im Bereich Cyber Security international exzellent ausgewiesen ist, ins- • Mitarbeit in der akademischen Selbstverwaltung
besondere ermuntern wir auch jüngere Persönlichkeiten sich zu bewerben.
Ihr Profil
Zu den Aufgaben der Professur gehört die aktive Vertretung des Fachs
Cyber Security in Forschung und Lehre am Institut für Informatik.
• abgeschlossenes Hochschulstudium der Mathematik oder
einer mathematiknahen Disziplin
Mögliche Forschungsschwerpunkte umfassen beispielsweise Cyber • Promotion in Mathematik oder mit starkem Bezug zur
Security und KI, Forensik, PentrationTesting, Intrusion Detection, Mathematik
Malware Analyse, Seitenkanalattacken, Sicherheit mobiler Anwendungen /
• nachgewiesene didaktische Kompetenz zur Durchführung
Endpoint Sicherheit und Netzwerksicherheit.
von Grundlagenveranstaltungen, vorzugsweise in Mathe-
Die Bereitschaft zur Mitarbeit in der akademischen Selbstverwaltung
matik
wird erwartet. Zentrale Auswahlkriterien sind umfangreiche Erfolge bei
der Einwerbung von Drittmitteln und hochrangige Publikationen. Die • Berufserfahrungen aus einer mehrjährigen, industrie-
Bereitschaft zur Beteiligung an gemeinsamen Anträgen des Instituts für nahen Tätigkeit mit technischem Hintergrund und Bezug
Informatik in Kooperation mit den anderen Fakultäten und Instituten
wird vorausgesetzt. Zu den Aufgaben zählt auch die angemessene
zum Lehrgebiet
Beteiligung an der Ausbildung aller Studierenden am Institut für
• fundierte Fachkenntnisse in den Bereichen Data Analy-
Informatik sowie an Veranstaltungen für andere Fachrichtungen. Dabei tics, Data Science und / oder der Anwendung Künstlicher
sollen insbesondere auch moderne Lernmethoden in der Online-Lehre Intelligenz
zum Einsatz kommen. • sehr gute Beherrschung der deutschen und englischen
Einstellungsvoraussetzungen sind ein abgeschlossenes Hochschulstudium, Sprache
pädagogische Eignung, besondere Befähigung zu wissenschaftlicher • Erfüllung der Voraussetzungen des § 36 Hochschulgesetz
Arbeit, die in der Regel durch die Qualität einer Promotion nachgewiesen
NRW
wird, sowie zusätzliche wissenschaftliche Leistungen, die durch eine
Habilitation oder gleichwertige wissenschaftliche Leistungen (ggf. auch
Wir bieten Ihnen
außerhalb des Hochschulbereichs) nachgewiesen oder im Rahmen einer
• die Möglichkeit, an einer forschungsstarken Fachhoch-
Juniorprofessur erbracht werden.
schule Ihr Lehrgebiet weiter zu entwickeln
In das Beamtenverhältnis kann berufen werden, wer das 52. Lebensjahr
• europäisches Lebensgefühl im Leben und in der Arbeit
noch nicht vollendet hat, ansonsten ist eine Einstellung im Rahmen
eines privatrechtlichen Dienstverhältnisses möglich. durch die Lage im Dreiländereck zu Belgien und den
Niederlanden
Die Universität Augsburg strebt die Erhöhung des Anteils von Frauen in
• hochschuldidaktische Unterstützung beim Einstieg in die
Forschung und Lehre an und bittet deshalb Wissenschaftlerinnen nach-
drücklich, sich zu bewerben. Für alle Fragen zur Gleichstellung finden Lehre von Anfang an
Sie die Kontaktdaten der Frauenbeauftragten der Fakultät für Angewandte • vielfältige Angebote, um die Herausforderungen bei der
Informatik unter: https://www.uni-augsburg.de/de/fakultaet/fai/faifrau/. Vereinbarkeit von Beruf und Ihrer persönlichen Lebens-
Die Stelle ist für schwerbehinderte Menschen geeignet. Schwerbehinderte situation zu meistern
Bewerberinnen und Bewerber (m/w/d) werden bei ansonsten im • eine unbefristete W2-Professur mit der Möglichkeit der
Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung
Einstellung in ein Beamtenverhältnis beim Vorliegen der
bevorzugt eingestellt.
rechtlichen Voraussetzungen
Ihr Ansprechpartner für Rückfragen zu dieser Ausschreibung ist
Prof. Dr. Bernhard Bauer, bernhard.bauer@informatik.uni-augsburg.de. Ansprechpartner:
Prof. Dr. rer. nat. Karin Melcher, Tel. 0241 6009-52401,
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, Zeugnisse,
Promotionsurkunde, Habilitationsurkunde, Ernennungsurkunden, oder Prof. Dr.-Ing. Manfred Enning, Tel. 0241 6009-52461
wissenschaftlicher Werdegang, Schriftenverzeichnis mit Kennzeichnung
Wir haben Ihr Interesse geweckt?
der 5 wichtigsten Publikationen, Auflistung von Drittmitteleinwerbungen,
Liste der durchgeführten Lehrveranstaltungen sowie eine kurze Darstellung
Dann freuen wir uns auf Ihre Bewerbung bis zum
der laufenden bzw. geplanten Forschungsvorhaben) sind bis zum
12. März 2023 über unser Online-Bewerbungsportal auf
16. März 2023 der Internetseite der FH Aachen unter folgendem Link:
an den Dekan der Fakultät für Angewandte Informatik, Universität fhac.de/stellen.
Augsburg, 86135 Augsburg elektronisch in genau einer PDF-Datei an
bewerbung-cybersecurity@informatik.uni-augsburg.de zu richten. Die Bewerbung geeigneter Schwerbehinderter ist er-
wünscht. Die FH Aachen beabsichtigt, den Anteil von
Diese Ausschreibung und weitere aktuelle Informationen über die Fakultät
können über das Internet (http://www.uni-augsburg.de/de/jobs-und-
Zertifikat seit 2009 Frauen in Lehre und Forschung zu erhöhen, Bewerbungen
karriere/stellenangebote) abgerufen werden. von Frauen sind daher besonders willkommen.
DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023
Medizinische Fakultät OWL
Die Medizinische Fakultät OWL der Universität Bielefeld besetzt
am Klinikum Lippe an der Universitätsklinik für Kardiologie,
Angiologie und Internistische Intensivmedizin eine
Universitätsprofessur (W2) für Inter-
nistische Intensiv- und Notfallmedizin
mit den Schwerpunkten Sepsis/Infektionsmedizin
und Herzinsuffizienz
zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Wir suchen Persönlichkeiten mit einem vielversprechenden
nationalen und internationalen Profil, die das Fachgebiet in For-
schung, Lehre und Krankenversorgung in ganzer Breite vertreten
können und bieten Ihnen die Möglichkeit, in einem spannenden
Umfeld den Aufbau der humanmedizinischen Fakultät aktiv
mitzugestalten. Zu Ihren Aufgaben gehört die Leitung des Be-
reichs Internistische Intensivmedizin.
Eine ausführliche Stellenbeschreibung finden Sie online unter:
https://www.uni-bielefeld.de/uni/karriere/professuren/
wiss2997.xml
Bewerbungen schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter be-
hinderter Menschen sind ausdrücklich erwünscht. Die Universi-
tät Bielefeld verfolgt eine engagierte Gleichstellungspolitik und
möchte Frauen ausdrücklich zu einer Bewerbung auffordern.
Familienzeiten werden im Rahmen der Auswahlentscheidung
berücksichtigt.
Bitte reichen Sie Ihre Bewerbung bis zum 23.03.2023 online über
das Berufungsportal der Universität Bielefeld
https://berufungen.uni-bielefeld.de/ ein. Darüber hinaus bitten
wir Sie um jeweils 2-seitige Konzepte zu Forschung, Lehre und
Krankenversorgung, in denen gender- und diversityspezifische
Inhalte integriert sind, sowie um ein Gleichstellungskonzept.
Für Fragen und weitere Informationen stehen Ihnen die Dekanin
(dekanin.medizin@uni- bielefeld.de) und der Geschäftsführer
des Klinikum Lippe (johannes.huette@klinikum-lippe.de) gerne
zur Verfügung.
musik
hochschule
lübeck
An der Musikhochschule Lübeck ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt
folgende Stelle in Vollzeit zu besetzen:
Präsident*in (m/w/d)
Die Musikhochschule Lübeck (MHL) ist eine universitäre Einrichtung
des Landes Schleswig-Holstein. Sie gilt als international renommierte
musikalische Bildungsinstitution, an der gegenwärtig rund 450 junge
Musiker*innen aus den Bereichen Instrumentalmusik, Gesang, Kir-
chenmusik, Musiktheorie und Komposition in künstlerischen, pädago-
gischen und wissenschaftlichen Fächern studieren.
Für diese Position sucht die MHL idealerweise eine Persönlichkeit mit
eigenem künstlerischem, musikwissenschaftlichem oder musikpäda-
gogischem Hintergrund, die mit Visionen, Kreativität, strategischer
Weitsicht, Gestaltungskraft und Kommunikationskompetenz die nach-
haltige Profilbildung, Sichtbarkeit, Vernetzung und internationale Wett-
bewerbsfähigkeit der Hochschule weiter stärkt. Nachweislich hohe
Organisationskompetenz, Verhandlungsgeschick, Überzeugungs- und
Durchsetzungsfähigkeit sind ausdrücklich erwünscht. Dabei soll sich
die / der Kandidat*in durch einen integrativen und kollegialen Füh-
rungsstil auszeichnen, den verschiedenen Mitgliedergruppen der
Hochschule mit Wertschätzung und Sensibilität begegnen und ihre
Potenziale fördern. Entsprechendes wird im Hinblick auf die verschie-
denen und vielfältigen Kulturen innerhalb und außerhalb der Hoch-
schule erwartet. Um die Hochschule in den öffentlichen Diskurs einzu-
bringen und andere für die Hochschule und ihre Belange zu begeistern,
bringt sie / er möglichst Erfahrungen im Umgang mit Politik, Verbänden,
Stiftungen sowie regionalen, überregionalen und internationalen Netz-
werken mit. Von Vorteil sind Expertise und Kontakte für eine erfolgreiche
Akquise von Drittmitteln.
Die / der Präsident*in führt den Vorsitz im derzeit vierköpfigen Präsi-
dium, das die Musikhochschule leitet. Sie / er übt das Amt hauptberuf-
lich aus. Die weiteren Aufgaben und Befugnisse sowie die Rechts-
stellung sind im Gesetz über die Hochschulen und das Universitäts-
klinikum Schleswig-Holstein (Hochschulgesetz) geregelt.
Zur / zum Präsident*in kann bestellt werden, wer eine abgeschlossene
Hochschulausbildung besitzt und aufgrund einer mehrjährigen verant-
wortlichen beruflichen Tätigkeit, insbesondere in Wissenschaft, Wirt-
schaft, Verwaltung, Rechtspflege oder Kultur, erwarten lässt, dass sie
oder er den Aufgaben des Amtes gewachsen ist.
Für eine ausführliche Stellenbeschreibung mit Hinweisen auf den Aus-
wahl- und Berufungsprozess besuchen Sie bitte unsere Homepage
www.mh-luebeck.de/service/stellenangebote.
Erste Fragen beantwortet Ihnen gerne der Vizepräsident Martin Hundelt,
Tel: +49 (0)451 – 1505-161
Die Bewerbungsfrist endet am 22. Mai 2023.
An der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg sind folgende Stellen zu
besetzen:
W3-Professur für Sachunterricht mit dem
Schwerpunkt Naturwissenschaftliches Lernen
Kennziffer: 23-51
Aufgaben: Lehre (9 SWS) und Forschung im Bereich Naturwissenschaftliches
Lernen; Betreuung von Schulpraktika; Mitwirkung bei Prüfungen und in der
Selbstverwaltung der Hochschule.
Voraussetzungen: Promotion in einer Naturwissenschaft (vorzugsweise
Chemie) oder deren Didaktik, Habilitation oder gleichwertige wissenschaftliche
Leistungen; Forschungsschwerpunkt im Bereich des naturwissenschaftlichen
Lernens; weitere Einstellungsvoraussetzungen bezüglich der Schulpraxis
nach § 47 Abs. 3 LHG BW.
W3-Professur
für Mathematik und Mathematikdidaktik
Kennziffer: 23-52
Aufgaben: Lehre (9 SWS) im Fach Mathematik und der Mathematikdidaktik;
Forschung im Bereich Mathematikdidaktik mit dem Schwerpunkt Sekundar-
stufe; Betreuung von Schulpraktika; Mitwirkung bei Prüfungen und in der
Selbstverwaltung der Hochschule.
Voraussetzungen: Promotion in Mathematikdidaktik oder vergleichbar, Habi-
litation oder gleichwertige wissenschaftliche Leistungen; Forschungsschwer-
punkt im Bereich Mathematikdidaktik der Sekundarstufe I; weitere Einstel-
lungsvoraussetzungen bezüglich der Schulpraxis nach § 47 Abs. 3 LHG BW.
Akademischer Rat (m/w/d)
für Mathematik und Mathematikdidaktik
(100 %; A13; unbefristet)
Kennziffer: 23-53
Detaillierte Stellenausschreibungen im Internet unter:
https://www.ph-ludwigsburg.de/hochschule/verwaltung/
personalangelegenheiten/stellenangebote
Bewerbungen unter der angegebenen Kennziffer werden bis 09.03.2023 mit den
üblichen Unterlagen per E-Mail als eine PDF-Datei an den Rektor der Päda-
gogischen Hochschule Ludwigsburg, rektorvorzimmer@ph-ludwigsburg.de,
erbeten.
Bei Rückfragen: 07141 140-1450 oder rektorvorzimmer@ph-ludwigsburg.de.
Informationen zur Hochschule unter: www.ph-ludwigsburg.de
STELLENMARKT
MEDIZINISCHE FAKULTÄT
An der Medizinischen Fakultät ist am Lehrstuhl für Public
Health und Versorgungsforschung, Institut für Medizinische
Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie (IBE),
zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine
Professur (W2) auf Zeit
(6 Jahre/tenure track) für
Public Health
Implementierungswissenschaften
zu besetzen.
Sie soll Implementierungswissenschaften in Public Health konzep-
tionell, methodisch und praktisch weiterentwickeln. So soll sie
methodische Herangehensweisen der Implementierungswissen-
schaften und/oder der Wissenstranslation und -dissemination in
Politik und Praxis weiterentwickeln, national und international sicht-
bare interdisziplinäre Forschung zu unterschiedlichen Aspekten
der Implementierung von Public Health-Maßnahmen durchführen
und die Umsetzung von lokalen, regionalen, und nationalen Public
Health-Maßnahmen wissenschaftlich begleiten. Sie soll, soweit
sinnvoll, auch neue inhaltliche Impulse am Lehrstuhl für Public
Health und Versorgungsforschung setzen und Chancen und Risiken
der Digitalisierung für Public Health aufgreifen.
In der Lehre soll sie Public Health-Inhalte in den Masterstudien-
gängen Public Health und Epidemiologie sowie im Medizinischen
Curriculum MeCuM vertreten und weiterentwickeln.
Die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) bietet am
Standort München ein hervorragendes interdisziplinäres For-
schungsumfeld. Die W2-Professur für Public Health Implemen-
tierungswissenschaften soll sich mit Aktivitäten in Forschung
und Lehre sowie Bezügen zu Politik und Praxis in die weitere
Ausgestaltung der Pettenkofer School of Public Health einbringen.
Die LMU wendet sich mit dieser Ausschreibung insbesondere an
hochqualifizierte Nachwuchswissenschaftler und Nachwuchswissen-
schaftlerinnen (m/w/d), die im Anschluss an ein abgeschlossenes
Hochschulstudium sowie eine überdurchschnittliche Promotion oder
eine vergleichbare besondere Befähigung durch ihre Leistungen in
Forschung und Lehre ein außerordentliches Potenzial für eine wei-
tere Karriere in der Wissenschaft nachgewiesen haben.
Die Berufung erfolgt bei Vorliegen der beamtenrechtlichen Voraus-
setzungen in einem Beamtenverhältnis auf Zeit für die Dauer von
sechs Jahren. Bei positiver Evaluation der fachlichen, pädago-
gischen und persönlichen Eignung kann das Beamtenverhältnis
auf Zeit frühestens nach drei Jahren in ein Beamtenverhältnis auf
Lebenszeit umgewandelt werden.
Die LMU strebt eine Erhöhung des Anteils der Frauen in Forschung
und Lehre an und bittet deshalb Wissenschaftlerinnen nachdrück-
lich, sich zu bewerben.
Schwerbehinderte werden bei ansonsten im Wesentlichen gleicher
Eignung bevorzugt.
Die LMU bietet Unterstützung für Doppelkarriere-Paare an.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, wissen-
schaftlicher Werdegang, Zeugnisse, Urkunden, Schriftenverzeich-
nis, Lehrverzeichnis, Drittmittelaufkommen) sowie einem Kurz-
bewerbungsbogen (siehe http://www.med.uni-muenchen.de) sind
bis zum 9. März 2023 beim Dekan der Medizinischen Fakultät,
Ludwig-Maximilians-Universität München, Bavariaring 19,
80336 München, einzureichen.
Am Institut für Sportwissenschaft in der Fakultät für Sozial- und Verhaltens-
wissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena ist zum Sommersemester
2024 eine
W2 mit Tenure Track auf W3-Professur für
Sportpädagogik und -didaktik
zu besetzen.
Der/Die Bewerber/‐in (m/w/d) soll das Fach Sportpädagogik und -didaktik in ganzer
Breite in Forschung und Lehre vertreten. Ein Schwerpunkt soll in der empirischen
Schulsportforschung und/oder empirischen Bildungsforschung im Sport liegen.
Der/Die Bewerber/‐in (m/w/d) soll sich aktiv in Kooperationsmöglichkeiten inner-
halb des Instituts und der Fakultät einbringen. Darüber hinaus wird die Zusam-
menarbeit in fakultätsübergreifenden Zentren wie dem Jenaer Zentrum für Lehrer-
bildung und Bildungsforschung (ZLB) erwartet. In der Lehre ist das Fachgebiet
Sportpädagogik und -didaktik mit Lehrveranstaltungen in den Lehramts-Studien-
gängen im Fach Sport an Regelschulen und Gymnasien (Sekundarstufe I und II)
sowie den sportwissenschaftlichen Bachelor- und Master-Studiengängen zu
vertreten.
Der/Die Bewerber/‐in (m/w/d) soll in Forschung und Lehre exzellent ausgewiesen
sein. Dies ist nachzuweisen durch eine überdurchschnittliche, thematisch einschlä-
gige Promotion, fundierte Kenntnisse im Bereich quantitativer und/oder qualitativer
Forschungsmethoden sowie eine erfolgreiche nationale und internationale Publi-
kationstätigkeit. Führungskompetenz sowie die Fähigkeit zur qualitativ hochwer-
tigen Lehre und Betreuung von Studierenden und Promovierenden sollen bereits
erkennbar sein. Erfahrungen im Rahmen der Einwerbung von Drittmitteln sind von
Vorteil. Die Fähigkeit und der Wille, einen Beitrag zur Internationalisierung der
Sportpädagogik und -didaktik durch internationale Kooperationen in Forschung
und Lehre zu leisten sowie die Auseinandersetzung mit dem Themengebiet Inklusion,
sind erwünscht.
Einstellungsvoraussetzungen sind pädagogische Eignung (über entsprechende
Evaluationsnachweise), Promotion und Habilitation bzw. habilitationsäquivalente
Leistungen. Kompetenzen in der Zusammenarbeit mit Schulen und der Lehrerfort-
bildung sind von Vorteil. Es soll nur berufen werden, wer eine dreijährige Schul-
praxis oder vergleichbare Leistungen nachweist. Die Professur wird zunächst
befristet auf sechs Jahre besetzt. Auf Grundlage einer positiven Tenure-Evaluation
findet nach sechs Jahren die Überleitung auf eine W3-Professur ohne erneute
Ausschreibung statt.
Die Friedrich-Schiller-Universität strebt eine Erhöhung des Anteils von Frauen in
Forschung und Lehre an und bittet deshalb entsprechend qualifizierte Wissen-
schaftlerinnen nachdrücklich um ihre Bewerbung. Schwerbehinderte Menschen
werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Als weltoffene Universitätsstadt bietet Jena eine hervorragende Lebensqua-
lität und über die Universität hinaus vielfältige Interaktionsmöglichkeiten mit
Forschungsinstituten sowie mit Schulen und Spezialgymnasien in Thüringen.
Bewerbungen mit aussagekräftigen Unterlagen (Lebenslauf, Schriftenverzeichnis,
Vortrags- und Drittmittelaktivitäten, Dokumentation der Lehrtätigkeit und ggf.
Evaluationen, Zeugnis- und Urkundenkopien) werden elektronisch über das
Berufungsportal der Universität Jena unter
www.berufungsportal.uni-jena.de
bis 31.03.2023 erbeten an:
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Dekan der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften
Fürstengraben 1, 07743 Jena
E-Mail: dekanat.fsvw@uni-jena.de
Bitte beachten Sie unsere Bewerberhinweise und Informationen zur Erhebung
personenbezogener Daten unter: https://www.uni-jena.de/stellenmarkt?info=
An der Chemisch-Geowissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität
Jena ist ab 1.10.23 eine
Stiftungsprofessur der Carl-Zeiss-Stiftung
tt-Juniorprofessur (W1ttW3) für „Nachhaltige
molekulare Katalyse für Energiewandlung mit
Schwerpunkt Licht-getriebene Prozesse“
zu besetzen.
Gesucht wird eine motivierte Persönlichkeit (m/w/d) die durch exzellente wissen-
schaftliche Leistungen in der molekularen Katalyse für Energiewandlung mit dem
Schwerpunkt Licht-getriebene Prozesse ausgewiesen ist. Die Bewerbung sollte
Forschungserfahrung in einem Gebiet der anorganischen Licht-getriebenen mole-
kularen Katalyse nachweisen, idealerweise auch international. Mögliche Arbeits-
gebiete der sehr attraktiv ausgestatten Professur liegen im Bereich der moleku-
laren Photokatalyse für Energiewandlung, z. B. der Aufklärung von Funktionsbe-
ziehungen oder der Entwicklung von optimierten Katalysatoren (vorrangig edel-
metallfrei). Besonders von Interesse sind Prozesse, die unter Nutzung von Sonnen-
licht Wasser oder Kohlenstoffdioxid in chemische Energieträger wandeln, etwa in
Wasserstoff oder andere chemische Verbindungen („Solar Fuels“). Weiter sind kata-
lytische Umwandlungen von Kohlenstoffmonoxid von großem Interesse (Fischer-
Tropsch-artig). Die Bereitschaft zur interdisziplinären Zusammenarbeit in der
Fakultät und am Campus Jena wird erwartet (Profillinien der FSU: https://www.
uni-jena.de/profillinien). Eine Vernetzung mit aktiven Verbundforschungspro-
jekten, wie bspw. dem SFB TRR 234 CATALIGHT, und Kooperationen mit dem
Helmholtz Zentrum Berlin (HZB) über ein Joint Lab sind angestrebt. Exzellente
Publikationen werden erwartet, ebenso Potenzial für exzellente Lehre. Nachge-
wiesene Erfahrungen bei der Einwerbung von Drittmitteln sind von Vorteil.
Bewerberinnen und Bewerber sollen das Fach Anorganische Chemie im Haupt-
und Nebenfachstudium vertreten können. Erforderlich sind ein abgeschlossenes
Hochschulstudium, eine hervorragende Promotion in Chemie oder einem ver-
wandten Fach, sowie idealerweise Postdoc-Erfahrung.
Promotions- und Beschäftigungszeit sollen zusammen nicht mehr als sechs
Jahre betragen haben. Die W1-Professur wird zunächst befristet auf vier Jahre
besetzt. Nach positiver Zwischenevaluation ist eine Verlängerung um zwei Jahre
vorgesehen. Auf Grundlage einer weiteren positiven Evaluation findet nach sechs
Jahren die Überleitung auf eine unbefristete W3-Professur ohne erneute Aus-
schreibung statt.
Die Friedrich-Schiller-Universität strebt eine Erhöhung des Anteils von Frauen in
Forschung und Lehre an und bittet deshalb entsprechend qualifizierte Wissen-
schaftlerinnen nachdrücklich um ihre Bewerbung. Schwerbehinderte werden bei
gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Bewerbungen (in deutscher oder englischer Sprache) mit Motivationsschreiben,
Lebenslauf, Zeugnis- und Urkundenkopien, Schriftenverzeichnis, eventuell Lehr-
tätigkeiten und -evaluationen, Vortrags- und Drittmittel-aktivitäten, Lehrkonzept
und einer 1-2 seitigen Skizze der beabsichtigten Forschungsaktivitäten werden
elektronisch über das Berufungsportal der Universität Jena unter
www.berufungsportal.uni-jena.de
bis zum 20.03.2023 erbeten. Für Fragen und weitere Informationen steht Ihnen
das Dekanat unter folgender Adresse zur Verfügung:
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Dekan der Chemisch-Geowissenschaftlichen Fakultät
Humboldtstr. 11, 07743 Jena
E-Mail: dekanatchemgeo@uni-jena.de
Bitte beachten Sie unsere Bewerberhinweise und Informationen zur Erhebung
personenbezogener Daten unter: https://www.uni-jena.de/stellenmarkt?info=1
Am Germanistischen Institut des Fachbereichs 09 – Philologie der
Westfälischen Wilhelms-Universität Münster ist zum 01.04.2024 eine
W3-Professur für Germanistische Sprachwissenschaft
zu besetzen.
Der*die Stelleninhaber*in soll in der germanistischen Sprachwissen-
schaft in Forschung und Lehre breit ausgewiesen sein. Erwartet werden
ein Forschungsschwerpunkt im Bereich Gesprochene Sprache, z. B.
im Rahmen interaktional-linguistischer Ansätze, und in mindestens
einem der folgenden Bereiche: Grammatik, Soziolinguistik, Pragmatik.
Ausdrücklich erwünscht sind ein empirischer Zugang und eine Beteiligung
an der Weiterentwicklung des Centrums Sprache und Interaktion (CeSI)
am Germanistischen Institut.
Erwartet wird die Befähigung zu anspruchsvoller universitärer Lehre im
Bereich der Sprachwissenschaft des Deutschen. Darin ist die Mitarbeit
in allen Bachelor- und Masterstudiengängen des Faches sowie im
Promotionskolleg „Empirische und Angewandte Sprachwissenschaft“
eingeschlossen. Die Mitwirkung bei allen anfallenden Prüfungen und
in der universitären Selbstverwaltung gehört ebenfalls zu den mit der
Stelle verbundenen Aufgaben.
Einstellungsvoraussetzungen sind ein abgeschlossenes Hochschulstudium
im Fach Germanistik/Sprachwissenschaft, die besondere pädagogische
Eignung und Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit, die in der Regel
durch die Qualität einer Promotion nachgewiesen wird. Darüber hinaus
sind zusätzliche wissenschaftliche Leistungen erforderlich, die im
Rahmen einer Juniorprofessur, einer Habilitation oder einer Tätigkeit als
wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in an einer Hochschule oder außer-
universitären Einrichtung oder im Rahmen einer wissenschaftlichen
Tätigkeit in Wirtschaft, Verwaltung oder in einem anderen gesellschaft-
lichen Bereich im In- und Ausland erbracht worden sind.
Die WWU setzt sich für Chancengerechtigkeit und Vielfalt ein. Wir
begrüßen alle Bewerbungen unabhängig von Geschlecht, Nationalität,
ethnischer oder sozialer Herkunft, der Religion oder Weltanschauung,
Beeinträchtigung, Alter sowie sexueller Orientierung oder Identität.
Eine familiengerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen ist uns ein
selbstverständliches Anliegen.
Bewerbungen von Frauen sind ausdrücklich erwünscht; Frauen werden
bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt
berücksichtigt, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende
Grü
ündde überwiiegen.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, Schriftenver-
zeichnis, Unterlagen zum wissenschaftlichen und beruflichen Werdegang,
Zeugniskopien, Darstellung des eigenen Forschungsprofils und der sich
daraus ergebenden Perspektiven an der WWU Münster, Angaben über
die bisherige Lehrtätigkeit (inkl. der entsprechenden Lehrevaluations-
ergebnisse) und Mitwirkung in der akademischen Selbstverwaltung sowie
über eingeworbene Drittmittel sind bitte ausschließlich elektronisch
(PDF-Format) bis zum 26.03.2023 zu richten an:
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Dekanat des Fachbereichs 09
Herrn Prof. Dr. Eric Achermann
E-Mail: dekanat.fb.philologie@uni-muenster.de
An der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, Lehr-
stuhl für Personal, Führung und Entscheidung im öffentlichen Sektor unter der
Leitung von Frau Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner, ist ab 01. April 2023 eine
halbe Stelle für
Wissenschaftliche Mitarbeiter (m/w/d)
in Entgeltgruppe 13 TV-L (50 %) für zunächst ein Jahr (bis 30.04.2024) mit der
Aussicht auf Verlängerung zu besetzen.
Weitere Informationen zur Stellenausschreibung finden Sie unter:
https://www.uni-speyer.de/universitaet/personal/stellenangebote
Die Bewerbungsfrist (Kennz. 0523) läuft bis zum 06. März 2023.
Wir freuen uns auf Ihre aussagekräftige Bewerbung.
Die Universität Speyer im Internet: www.uni-speyer.de
39
Modern // regional // wirtschaftsnah: Die Technische Hochschule Brandenburg
(THB) ist eine junge und dynamische Hochschule mit ca. 2.500 Studierenden
in 24 Studiengängen in den Fachbereichen Informatik und Medien, Technik
sowie Wirtschaft in der Stadt Brandenburg an der Havel. Als familienfreundliche
Hochschule auf einem grünen Campus bieten wir attraktive Arbeitsbedingungen.
Im Fachbereich Informatik und Medien ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt
folgende Stelle zu besetzen:
Professur (m/w/d)
„Digitale Medien, insb. Mediengestaltung“
Bes. Gr. W2 BbgBesO
Kennziffer: IP10
Die mit dieser Professur verbundenen Aufgabenbereiche sind insbesondere
in dem Profilbereich Digitale Medien des Fachbereichs Informatik und Medien
angesiedelt. Gesucht wird eine Persönlichkeit, die das Thema Mediengestaltung
in den angewandten und experimentellen Ausdrucksformen von Grafik, Kom-
position, Farbenlehre, Typografie, Bewegtbild und Ton in Theorie und Praxis
selbstständig vertreten kann. Dies umfasst die Konzeption, den Entwurf und die
technische Umsetzung digitaler Medienerzeugnisse.
Bewerberinnen und Bewerber sollen vertiefte Kenntnisse und praktische
Erfahrungen auf möglichst vielen der folgenden Gebiete vorweisen können:
n Mediendesign
n Audio und Video
n Creative Coding
n Motion Graphics
Darüber hinaus erwarten wir
n sehr gute didaktische Fähigkeiten,
n die verantwortliche Übernahme von Lehre auch in Grundlagenfächern des
Fachbereichs in Präsenz- und Online-Studiengängen,
n Kenntnisse in für das Fachgebiet relevanten Programmiersprachen und
Entwicklungsumgebungen,
n Bereitschaft zur Einarbeitung in neue Themenbereiche, um Synergien
zwischen den Profilen des Fachbereichs zu nutzen,
n die Mitwirkung an der Internationalisierung des Fachbereiches, u. a. durch
Lehrveranstaltungen in englischer Sprache,
n die Betreuung fachspezifischer Labore sowie von Projekt- und
Abschlussarbeiten.
Ebenso wird die Beteiligung an der Hochschulselbstverwaltung, der Studien-
beratung sowie an weiteren Aufgaben nach §§ 3 und 42 Brandenburgisches
Hochschulgesetz (BbgHG) erwartet.
Erwünscht sind Erfahrungen in der Einwerbung und Durchführung von For-
schungs- und Drittmittelprojekten.
Als Ansprechpartner für weiterführende Informationen steht Ihnen der Dekan,
Prof. Dr. Martin Schafföner (dekan-i@th-brandenburg.de), gern zur Verfügung.
Bewerberinnen und Bewerber müssen die Einstellungsvoraussetzungen nach § 41
Abs. 1 Nr. 1 – 3 sowie Nr. 4 b des Brandenburgischen Hochschulgesetzes (BbgHG)
erfüllen. Auf die dienstrechtliche Stellung der Professorinnen und Professoren
nach § 43 BbgHG wird hingewiesen. Die Hochschule strebt eine Erhöhung des
Anteils von Professorinnen an und fordert qualifizierte Wissenschaftlerinnen
ausdrücklich zur Bewerbung auf. Schwerbehinderte werden bei sonst gleicher
Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt berücksichtigt. Für
weitere Informationen siehe auch http://www.th-brandenburg.de/.
Mit Ihrer Bewerbung erheben und verarbeiten wir Ihre personenbezogenen Daten
gemäß Art. 5 und 6 Abs. 1 lit. b) der DSGVO, § 26 Abs. 1 und Abs. 8 Satz 2 BbgDSG
nur zur Bearbeitung Ihrer Bewerbung und für Zwecke, die sich durch eine mögliche
zukünftige Beschäftigung an der Technischen Hochschule Brandenburg ergeben.
Nach Abschluss des Verfahrens werden Ihre Daten gelöscht.
Bitte bewerben Sie sich über unser Online-Bewerbungsportal unter
Angabe der oben genannten Kennziffer bis zum 23.03.2023 mit folgenden
Bewerbungsunterlagen:
n Darstellung des akademischen und beruflichen Werdegangs,
n Lebenslauf,
n Zeugnisse,
n Tätigkeitsnachweise,
n Digitales Portfolio,
n Publikationsverzeichnis.
Auf Ihre Bewerbung freuen wir uns!
Die Hochschule Pforzheim mit ihren drei Fakultäten – Gestaltung, Technik
sowie Wirtschaft und Recht – genießt einen erstklassigen Ruf. Die
Fakultäten verbinden Kreativität mit betriebswirtschaftlicher Ausbildung und
technischer Präzision. Diese Kombination macht die Hochschule auch zu
einem attraktiven Wissenschafts- und Forschungspartner für die regionale
und überregionale Wirtschaft. Mit rund 6.000 Studierenden ist die
Hochschule Pforzheim eine der größten Hochschulen für Angewandte
Wissenschaften des Landes Baden-Württemberg. Die Hochschule koope-
riert weltweit mit mehr als 100 Partnerhochschulen.
An der Hochschule ist zum 16.12.2023 die Stelle der/des
hauptamtlichen Prorektorin/Prorektors
(w/m/d) für Studium und Lehre
zu besetzen.
Neben der Aufsicht über die Einhaltung der rechtlichen Regelungen des
Studienablaufs und den in diesem Amt zu erarbeitenden Planungen und zu
treffenden Entscheidungen im Hinblick auf das Studien- und Lehrangebot
der Hochschule sind im derzeitigen Geschäftsverteilungsplan des Rekto-
rates für diese Stelle insbesondere die Umsetzung der Hochschulstrategie
und die Profilierung des Lehrangebots vorgesehen.
Das Amt beinhaltet die Bearbeitung aller einschlägigen Geschäftsvorgänge
in Zusammenarbeit mit den Gremien, den Fakultäten und den zentralen Ein-
richtungen und Instituten. Des Weiteren ist die Prorektorin/der Prorektor für
die Bibliothek und das Sprachenzentrum verantwortlich. In strategischer
Hinsicht werden Kenntnisse hinsichtlich der Akkreditierung, der Qualitäts-
sicherung von Studium, Lehre und Weiterbildung sowie der Weiterentwicklung
des Lehrangebots erwartet. Ebenso werden die notwendigen Erfahrungen
im Bereich der Digitalisierung der Lehre vorausgesetzt, um die Digitalisierung
an der HS PF weiter voranzubringen und auszubauen.
Für diese Aufgabe sucht die Hochschule eine teamfähige Persönlichkeit mit
einschlägigen Kenntnissen und Erfahrungen sowie ausgewiesener Führungs-
qualität, innovativem Denken, Unternehmergeist und der Fähigkeit zur Weiter-
entwicklung einer Wissenschaftsorganisation. Erwartet wird insbesondere
eine hohe Kommunikationsfähigkeit und Vertrautheit mit Hochschulstruk-
turen, idealerweise verbunden mit der entsprechenden Vernetzung. Die
Aufgaben erfordern eine hohe Belastbarkeit, Engagement, Kreativität,
soziale Kompetenz und internationale Orientierung.
Zur Prorektorin bzw. zum Prorektor kann bestellt werden, wer der Hochschule
hauptberuflich als Professorin oder Professor angehört oder wer eine abge-
schlossene Hochschulausbildung besitzt und aufgrund einer mehrjährigen
leitenden beruflichen Tätigkeit insbesondere in Wissenschaft, Kunst, Wirt-
schaft, Verwaltung oder Rechtspflege erwarten lässt, dass sie/er den Auf-
gaben des Amtes gewachsen ist.
Die Prorektorin oder der Prorektor wird in einer gemeinsamen Sitzung von
Hochschulrat und Senat gewählt und durch den Ministerpräsidenten des
Landes Baden-Württemberg ernannt. Die Amtszeit beträgt nach dem Landes-
hochschulgesetz 6 bis 8 Jahre. Wiederwahl ist möglich. Die Besoldung
erfolgt nach dem Landesbesoldungsgesetz Baden-Württemberg (W3) zzgl.
eines Funktionsleistungsbezugs.
Die Hochschule begrüßt die Bewerbung von Frauen. Menschen mit Behin-
derung und diesen gleichgestellten Personen werden bei gleicher Eignung
vorrangig berücksichtigt.
Die Bewerbungsfrist endet am 02.03.2023.
Ihre Bewerbung mit den üblichen Unterlagen senden
Sie bitte an die Hochschule Pforzheim, Geschäftsstelle
des Hochschulrates, Tiefenbronner Str. 65, 75175
Pforzheim oder an GS_HSRat@hs-pforzheim.de.
Weitere Informationen erteilt Ihnen gerne die
Geschäftsstelle des Hochschulrats. Ansprechperson
ist Frau Kamper, Tel.: 07231/28-6008.
40 STELLENMARKT 9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7

An der DIPLOMA Hochschule ist

Die Fachhochschule Erfurt ist eine moderne und praxisorientierte Campus-
Hochschule und zählt zu den leistungsstarken Lehr- und Forschungseinrich-
tungen in Thüringen.
In der Fakultät Wirtschaft-Logistik-Verkehr ist ab sofort folgende Professur zu
besetzen:
Professur für Wirtschaftsinformatik
1 Stelle, Besoldungsgruppe W2, Kennziffer W37
Die Stelle steht unbefristet zur Verfügung. Bei der ersten Berufung zur Profes-
sorin oder zum Professor erfolgt die Beschäftigung in der Regel zunächst be-
fristet für drei Jahre. Ausnahmen hiervon und das Verfahren zur Umwandlung des
Beamt:innenverhältnisses auf Zeit in ein Beamt:innenverhältnis auf Lebenszeit
entnehmen Sie bitte § 86 Abs. 2 Thüringer Hochschulgesetz (ThürHG).
Ihre Bewerbung mit aussagefähigen Unterlagen (Lebenslauf, akademische
Urkunden, Nachweise der bisherigen beruflichen Tätigkeit, Veröffentlichungs-
liste, Lehrevaluationsergebnisse) richten Sie bitte unter Angabe der Kennziffer
W37 bis zum 16.03.2023 schriftlich oder per E-Mail an:
Fachhochschule Erfurt
Dezernat Personal und Recht
Postfach 45 01 55
99051 Erfurt
E-Mail: bewerbung@fh-erfurt.de
Schriftliche Bewerbungsunterlagen reichen Sie bitte in Kopie ein, da nach
Abschluss des Verfahrens die Unterlagen nicht berücksichtigter Bewerber:innen
vernichtet werden. Bei gewünschter Rücksendung bitten wir um Beilage eines
ausreichend frankierten Rückumschlages.
Bitte beachten Sie die Hinweise zum Datenschutz:
https://www.fh-erfurt.de/ausschreibungen/datenschutzhinweise-
stellenausschreibungen
Weitere Details zu den Stelleninhalten und -anforderungen entnehmen Sie bitte
unserer Webseite unter: https://www.fh-erfurt.de/ausschreibungen
ab sofort im FB Gesundheit & Soziales
folgende Stelle zu besetzen: Private staatlich anerkannte Hochschule
University of Applied Sciences
Professur für Heilpädagogik
und Inklusive Pädagogik (m/w/d) © K. Fritze
Schwerpunkte der Tätigkeit: Fernlehre mit Online- und realen Präsenz-
seminaren (samstags) und Einsatz im Vollzeit-Präsenzstudium in Leipzig,
Prüfungsabnahme, Lehrenden- und Studierendenbetreuung, fachliche Öffentliche Stellenausschreibungen
Leitung und Weiterentwicklung des Studienganges sowie akademische
Verwaltungstätigkeiten. An der Universität Potsdam sind insgesamt 28 Stellen im Rahmen der
Einstellungsvoraussetzungen: Einrichtung der wissenschaftsgeleiteten
Promotion im Bereich der Heilpädagogik bzw. Sonderpädagogik
Bewerbungen richten Sie bitte per E-Mail an: Vernetzungs- und Transferstelle für das
DIPLOMA Hochschule, z.Hd. Frau Prof. Dr. Michaela Zilling,
bewerbung@diploma.de Lernen und Lehren in der digitalen Welt
mit jeweils 40 Wochenstunden (100%) befristet bis 30.06.2026 zu besetzen. Das
Vorhaben wird im Rahmen des Forschungs-, Innovations- und Transferprojekts
„Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Unterrichten in Schule
und Weiterbildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
(BMBF) gefördert. Die Stellen sind in den Bereichen Geschäftsführung (Leitung,
Projekt- und Veranstaltungsmanagement, Sachbearbeitung, Medienentwicklung
und -kommunikation) sowie unterschiedlichen akademischen Tätigkeitsfeldern
angesiedelt.
Die Hochschule RheinMain als Hochschule für angewandte Wissen-
schaften mit ihren Standorten Wiesbaden und Rüsselsheim versteht Die Stellen sind Teil eines standortübergreifenden Verbundvorhabens zum
Aufbau einer Vernetzungs- und Transferstelle, welche eng mit den BMBF-
sich als weltoffene, vielfältige Hochschule. Sie ist anerkannt für ihre geförderten Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Unterrich-
wissenschaftlich fundierte und berufsqualifizierende Lehre sowie ten in Schule und Weiterbildung zusammenarbeitet. Die Kompetenzzentren
für ihre anwendungsbezogene Forschung, die eng mit der Lehre ver-
befinden sich aktuell bundesweit im Aufbau und haben das Ziel, das digitale
zahnt ist. Insgesamt studieren an der Hochschule RheinMain rund Lernen von Schülerinnen und Schülern in den Fächern zu fördern und
13.000 Studierende. Sie beschäftigt rund 1.000 Mitarbeiter:innen, entsprechende Professionalisierungsangebote für Lehrkräfte sowie Schul-
davon ca. 250 Professor:innen. entwicklungsmaßnahmen zu entwickeln. Die Vernetzungs- und Transferstelle
soll die Kompetenzzentren in ihrer Arbeit unterstützen, sie in den Austausch
Im Fachbereich Wiesbaden Business School ist zum 01.10.2023 bringen und ihre Arbeitsergebnisse für den Transfer in die Bildungspraxis
folgende Stelle zu besetzen: bündeln. Dabei ist eine enge Zusammenarbeit mit der Bildungspraxis, -verwaltung
und -politik vorgesehen. Darüber hinaus sind eigene Forschungsprojekte
Professur „Internationale geplant, die sich insbesondere mit der Gestaltung von Transfer- und
Implementationsprozessen, der Evaluation von Professionalisierungsangeboten
Wirtschaftsbeziehungen“ und der Qualifizierung von Multiplikator/-innen 1 beschäftigen. Bei der
Vernetzungs- und Transferstelle handelt es sich um ein
Konsortium von Universitäten, Forschungsinstituten
(Bes. Gr. W2 HBesG) und dem Forum Bildung Digitalisierung, welches an der
Kennziffer: WBS-P-215/22 Universität Potsdam koordiniert und geleitet wird.
Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung über unser
Online-Bewerbungsportal bis zum 06.03.2023.
Detaillierte Informationen erhalten Sie unter:
Eine genaue Beschreibung der einzelnen Stellen
https://stellenangebote.hs-rm.de/4uwzt
und der dazugehörigen Tätigkeiten findet sich unter
https://www.uni-potsdam.de/de/verwaltung/dezernat3/
stellenausschreibungen/diver
An der Technischen Hochschule Bingen sind folgende Positionen An der Hochschule München ist an der Fakultät für
unbefristet zu besetzen: Technische Systeme, Prozesse und Kommunikation
ab dem Wintersemester 2023/24 oder später
W2-Professur (m/w/d) folgende Stelle zu besetzen:
Die Philosophische Fakultät der Universität Freiburg (Schweiz) schreibt zur Neubesetzung im
Departement für Erziehungs- und Bildungswissenschaften aus:
Ordentliche Professur für Empirische Unterrichtsforschung und Allgemeine
Didaktik (auf pädagogisch-psychologischer Grundlage) (100-80%)
Der/die Kandidat/in besitzt einen Doktortitel und eine Habilitation oder eine gleichwertige
Qualifikation in Erziehungswissenschaften, Didaktik oder in einem Bereich, der mit dem
Stellenprofil in Zusammenhang steht und verfügt über die wissenschaftliche Kompetenz zur
Lehre und Betreuung von Arbeiten auf Bachelor- und Masterniveau sowie von Dissertationen.
Der/die Kandidat/in ist für die inhaltliche und wissenschaftliche Leitung der deutschsprachigen
Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern auf Sekundarstufe I (LDS I/KLD) verantwortlich. Sie/
er wird Lehre für Studierende am ZELF anbieten und Forschung im Bereich der empirischen
Unterrichtsforschung durchführen.
Stelleneintritt zum 1. August 2023 oder nach Vereinbarung
Die Universität Freiburg (Schweiz) fördert eine ausgewogene Vertretung von Frauen und
Männern. Bewerbungen von Frauen sind daher ausdrücklich erwünscht. Als Unterzeichnerin
der DORA-Deklaration legt die Universität Freiburg Wert auf eine qualitative Bewertung der
akademischen Leistungen.
Bewerbungsunterlagen mit Lebenslauf, Motivationsschreiben, Publikationsverzeichnis, einer
Liste der Forschungsprojekte und Lehrveranstaltungen sowie 5 für die ausgeschriebene Stelle
aussagekräftige Publikationen im PDF-Format sind in elektronischer Form bis zum 15. März
2023 beim Dekanat der Philosophischen Fakultät, jobs-lettres@unifr.ch, einzureichen, mit
Download-Links für die grösseren Publikationen.
Weitere Informationen sind erhältlich unter
https://www.unifr.ch/lettres/de/fakultaet/offene-stellen.html
An der Universitätsmedizin Greifswald, rechtsfähige Teilkörperschaft der Universität Greifswald,
ist eine
W3-Professur für Ethik und
Geschichte der Medizin (m/w/d)
vorbehaltlich haushaltsrechtlicher Regelungen zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu besetzen. Die
Professur ist mit der Leitung des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin verbunden.
Die zu berufende Persönlichkeit soll auf dem Gebiet der Ethik der Medizin wissenschaftlich ausge-
wiesen und in den internationalen Diskurs aktueller Fragen der Medizinethik sichtbar eingebunden
sein. Eine Mitarbeit in den Forschungsschwerpunkten „Community Medicine“ und „Individuali-
sierte Medizin“ sowie die Kooperation mit der Ethikkommission und dem Klinischen Ethikkomi-
tee werden erwartet. Das Interesse an den medizinhistorischen Schwerpunkten des Instituts und
seiner medizinhistorischen Sammlung sowie eine Beteiligung an den Aktivitäten des Depart-
ments für Ethik, Theorie und Geschichte der Lebenswissenschaften (DETGELWI) sind erwünscht.
Von der*dem Stelleninhaber*in wird ferner erwartet, dass sie*er die Lehraufgaben im Fachgebiet
EthikundGeschichtederMedizinfürStudierendederHumanmedizin,Zahnmedizin,KlinischenPfle-
gewissenschaft und Humanbiologie übernimmt; einschlägige Erfahrungen werden vorausgesetzt.
Das ausführliche Stellenangebot finden Sie unter https://berufung-umg.med.
uni-greifswald.de/(Offene Professuren). Wir möchten darauf hinweisen, dass
die Bewerbung webbasiert erbeten wird. Für Fragen und weitere Informatio-
nen stehen wir Ihnen unter dekanat@med.uni-greifswald.de gern zur Verfügung.
Die Ausschreibung endet am 09.03.2023
Universitätsmedizin Greifswald – KdöR –
Wissenschaftlicher Vorstand/Dekan

für Web Science und Data

Fleischmannstraße 8, 17475 Greifswald
Die Technische Hochschule Deggendorf bietet zum Professur für integrale Anlagenplanung
Wintersemester 2023/24 oder später die folgende Stelle
und Automatisierungstechnik in der
der Bes.Gr. W2
Visualization Gebäudetechnik (W2)
Professur (d/m/w) Die MSB Medical School Berlin ist eine private, staatlich anerkannte Hoch-
für das Lehrgebiet „Cyberphysical Production Systems“
am Technologie Campus Cham
W2-Professur (m/w/d) für Kennziffer: BV 0566 schule für Gesundheit und Medizin mit Sitz in Berlin-Wilmersdorf. Folgende
Professur (W2) ist an der Fakultät Gesundheitswissenschaften zum Winter-
Erfahren Sie mehr in der detaillierten Stellenausschreibung

Mehr Infos unter

Software Engineering unter: https://stellen.hm.edu/1t9rv semester 2023/24 zu besetzen:

Bewerben Sie sich über unser Online-Portal Professur für Digital Health Management, Schwerpunkt eHealth
www.th-deg.de/stellenangebote Die vollständigen Ausschreibungstexte finden Sie
bis zum 19.03.2023. Die ausführlichen Ausschreibungen finden Sie auf der Internetseite
auf unserer Homepage unter:
www.th-bingen.de/karriere/stellenangebote Wir freuen uns darauf, Sie kennenzulernen! www.medicalschool-berlin.de

Bitte reichen Sie Ihre aussagekräftige Bewerbung bis

spätestens 12.03.2023 über unser Bewerbungsportal MSB Medical School Berlin
ein. Hochschule für Gesundheit und Medizin
M SB
Medical School Berlin
Hochschule für
Gesundheit und Medizin Rüdesheimer Str. 50, 14197 Berlin

An der Paris Lodron Universität Salzburg

Über 1.000 anspruchsvolle

ist folgende Stelle zu besetzen:

GZ B 0003/1-2023

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Im Studiengang Konservierung und Restaurierung (B.A./M.A.) des Fachbereichs
Fachbereich Soziologie und Sozial-
STADT | BAU | KULTUR ist zum Sommersemester 2024 die geographie, ab dem ehestmöglichen
Im Fachbereich I der Universität Trier ist im Fach Psychologie frühestens zum April 2024 Zeitpunkt, unbefristet
im Beamtenverhältnis auf Zeit folgende Stelle zu besetzen:
Professur (W2) für Fachplanung Universitätsprofessur für Empirische
in der Konservierung und Restaurierung W1-Juniorprofessur für Schulpsychologie Sozialstrukturenanalyse Jetzt auf
und Kompetenzentwicklung mit Tenure Track nach W2
Kennziffer B03.23 Die Aufnahme erfolgt unbefristet in Vollzeitbeschäftigung nach § 98 UG 2002 jobs.zeit.de
(LBesG) (m/w/d) und dem Angestelltengesetz sowie dem Kollektivvertrag für die Arbeitneh-
im Umfang von 0,5 Vollzeitäquivalent (VZÄ) zu besetzen. merinnen und Arbeitnehmer der Universitäten/Verwendungsgruppe A1. Die
Den vollständigen Ausschreibungstext finden Sie unter: Überzahlung des kollektivvertraglichen Mindestentgelts von € 5.826,50 brutto
www.stellen.uni-trier.de (14 Monatsgehälter) ist vorgesehen.
Den ausführlichen Ausschreibungstext finden Sie auf unserer Homepage unter:
https://www.fh-potsdam.de/hochschule-karriere/karriere/stellenangebote-fh- Bewerbungen sind in einer einzigen PDF-Datei bis zum 31.03.2023 Den Volltext der Ausschreibung mit den Bewerbungsvoraussetzungen ent-
potsdam erwünscht an dekanfb1@uni-trier.de nehmen Sie bitte unter www.plus.ac.at unter der Rubrik Jobs. jobs.zeit.de

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DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023 STELLENMARKT
In der Fachhochschule Westküste ist zum 01.09.2023 die unbefristete
Stelle der
Professur (W2) Immobilienmanagement und
Immobilienrecht (m/w/d)
im Fachbereich Wirtschaft in Vollzeit zu besetzen. Bei der Feststellung
der pädagogischen Eignung erfolgt nach zwei Jahren die Verbeamtung
auf Lebenszeit.
Wir suchen eine engagierte Persönlichkeit, die aufbauend auf dem
eigenen Werdegang die Themenbereiche Immobilienmanagement
und Immobilienrecht in Forschung und Lehre vertritt. Neben vertief-
ten Kenntnissen und praktischen Erfahrungen auf dem Gebiet des
Immobilienrechts sind im Feld des Immobilienmanagements ebenfalls
vertiefte Kenntnisse und einschlägige praktische Erfahrungen aus min-
destens 3 der folgenden Bereiche erforderlich:
Professur für „Data Driven Design“ (50 %) • Immobilienmanagement/Immobilienwirtschaft
• Corporate Real Estate
• Property Management
Professur für „Gestalten“ • Asset- und Portfolio-Management
• Immobilienfinanzierung und -investition
an der Münster School of Architecture Nähere Informationen zur Stellenausschreibung, zum Aufgabengebiet so-
wie zum Anforderungsprofil finden Sie auf http://www.fh-westkueste.de.
Bei fachlichen Fragen zum Anforderungsprofil und den damit ver-
Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der FH Münster:
bundenen Aufgaben wenden Sie sich bitte an den Vorsitzen-
www.fh-muenster.de/professur den der Berufungskommission, Herrn Prof. Dr. Hanno Kirsch
(kirsch@fh-westkueste.de).
Ihre aussagekräftige Bewerbung mit den üblichen Unterlagen (mindes-
tens Lebenslauf, Schul-, Ausbildungs-, Arbeitszeugnisse, Nachweise
für Studium und Promotion), ggf. einer Einverständniserklärung zur
Einsichtnahme in die Personalakte, richten Sie bitte bis zum 02.03.2023
(Eingangsdatum) an die
Personalverwaltung der Fachhochschule Westküste
Fritz-Thiedemann-Ring 20, 25746 Heide
(E-Mail: bewerbung@fh-westkueste.de)
Im Referat Transfer, Innovation und Nachhaltigkeit der Rheinland-Pfälzischen Technischen
Universität Kaiserslautern-Landau sind zum nächstmöglichen Zeitpunkt in der Bund-Länder- Im Fall der schriftlichen Bewerbung bitten wir Sie, uns ledig-
Initiative „Innovative Hochschule“ folgende Vollzeitstellen zu besetzen:
lich Kopien einzureichen, da wir die Unterlagen nach Ab-
Zwei Transfermanagerinnen / schluss des Verfahrens leider nicht zurücksenden können.
Bewerbungen per E-Mail erbitten wir im PDF-Format als
Transfermanager (m/w/d) seit 2016
eine Datei.
befristet bis 31.12.2027
Projektassistenz (m/w/d) im Transfer
zunächst befristet für ein Jahr
Nähere Informationen über die zu besetzenden Stellen
sowie weitere Stellenangebote finden Sie im Internet unter
http://www.uni-kl.de/stellenangebote oder hier
Bewerbungsende: 05.03.2023
An der Hochschule Merseburg ist im Fachbereich Soziale Arbeit.Medien.Kultur
zum 01.04.2024 folgende Professur zu besetzen:
An der Hochschule Neubrandenburg – University of Applied Sciences – ist
Kultur- und Sozialphilosophie (W2) im Fachbereich Landschaftswissenschaften und Geomatik in den Studien-
gängen Naturschutz und Landnutzungsplanung (Bachelor of Arts) sowie
Der*die zukünftige Stelleninhaber*in vertritt die Professur in Forschung und Lehre. Der*die
Bewerber*in soll umfassende Kenntnisse und Erfahrungen in Kultur- und Sozialphilosophie Landnutzungsplanung (Master of Arts) schnellstmöglich eine Stelle zur
sowie nachgewiesene Praxis- oder Lehrerfahrungen in mindestens zwei der folgenden Be-
reiche aufweisen:
• Ethik und Berufsethik (für Soziale Arbeit und Kultur- und Medienpädagogik)
• Medien- und Technikphilosophie
Wissenschaftlichen Mitarbeit
• Kritische Gesellschaftstheorie im Bereich Stadtplanung / Landnutzungsplanung
• Logik, Argumentationslehre, Wissenschaftstheorie (all genders welcome)
Die Lehre umfasst die philosophischen Grundlagen der Kultur- und Medienpädagogik, der
Kennziffer: 116003/2023
Angewandten Medien- und Kulturwissenschaft, der Angewandten Sexualwissenschaft und
der Sozialen Arbeit, die Lehre der Propädeutik sowie themenübergreifende Lehrangebote. in Teilzeit (20 Wochenstunden), befristet für die Dauer von drei Jahren, mit
Für die Professur sind ein philosophischer bzw. geistes- oder gesellschaftswissenschaftlicher der Verlängerungsoption um zwei weitere Jahre, zu besetzen.
Hochschulabschluss und eine einschlägige, qualifizierte Promotion vorzuweisen. Die Vergütung erfolgt bei Vorliegen der persönlichen und tariflichen Voraus-
setzungen bis zur Entgeltgruppe 13 TV-L.
Ausführliche Informationen zu dieser Ausschreibung finden Sie auf der Homepage der
Hochschule Merseburg unter: Informationen über die Hochschule Neubrandenburg sowie diese Stellen-
www.hs-merseburg.de/hochschule/information/stellenausschreibungen ausschreibung finden Sie im Internet unter:
Ihre Bewerbung, einschließlich der erforderlichen Nachweise nach § 35 (2) des Landes- https://www.hs-nb.de/hochschule/aktuelles/karriere/
hochschulgesetzes Sachsen-Anhalt, senden Sie bitte bis zum 12.03.2023 bevorzugt in
digitaler Form an dekanat.smk@hs-merseburg.de oder postalisch an: Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!
Hochschule Merseburg
Dekan des Fachbereiches Soziale Arbeit.Medien.Kultur
Herrn Prof. Dr. Erich Menting
Eberhard-Leibnitz-Str. 2, 06217 Merseburg
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Bewerbungsschluss ist der 01.03.2023.
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finden Sie auf der Webseite www.interamt.de unter der
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Stellen-ID: 914967
einer Gastro - und Event - Firma /
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Schleswig-Holstein, Brunswiker Straße 16–22, 24105 Kiel
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41
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fb16-0068-akrat-2022
Am Fachbereich Pharmazie, Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmazie,
Arbeitsgruppe Prof. Culmsee, ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine unbefris-
tete Vollzeitstelle als Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena besetzt
zum 01.10.2024 eine
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W3-Professur für Bürgerliches Recht und
zu besetzen. Vorausgesetzt werden ein abgeschlossenes naturwissenschaftliches Gesellschaftsrecht
Hochschulstudium (Staatsexamen, Master oder vergleichbar) im Fach Pharmazie
sowie eine sehr gute Promotion zu einem Thema der Pharmakologie, der
Die künftige Stelleninhaberin/Der künftige Stelleninhaber (m/w/d) soll über
Klinischen Pharmazie oder zu einem neurowissenschaftlichen Forschungsthema;
ein herausragendes Forschungsprofil im Bereich des Bürgerlichen Rechts und
Besoldung nach Besoldungsgruppe A13 HBesG bzw. Eingruppierung nach
des Gesellschaftsrechts verfügen und akademische Exzellenz durch heraus-
Entgeltgruppe 13 TV-H. ragende Promotion und Habilitation oder vergleichbare Leistungen sowie durch
weitere hervorragende Publikationen im Bereich der Ausschreibung unter Beweis
Die vollständige Stellenausschreibung finden Sie über gestellt haben. Erwünscht ist ein Ausweis im Steuerrecht oder im Recht der Finanz-
https://uni-marburg.de/stellen-at oder über den neben- märkte. Eine Beschäftigung mit Fragen der Digitalisierung und Internationali-
stehenden QR-Code unter der angegebenen Ausschreibungs-ID. sierung im Gesellschaftsrecht ist von Vorteil. Eine erfolgreiche Einwerbung kom-
petitiv vergebener Drittmittel sowie Führungskompetenz und Erfahrungen in der
(Ko-)Betreuung des wissenschaftlichen Nachwuchses werden erwartet. Sie/Er
soll dazu beitragen, dass die Jenaer Fakultät ihre hervorragende Rolle im Wett-
bewerb der deutschen juristischen Fakultäten behält und festigt. Die Fakultät
Die MSB Medical School Berlin ist eine private, staatlich anerkannte Hoch- zeichnet sich durch ihre starke Grundlagenorientierung, Internationalität und die
schule für Gesundheit und Medizin mit Sitz in Berlin-Wilmersdorf. Folgende Auseinandersetzung mit zentralen juristischen Herausforderungen der Gegenwart
Professuren sind an der Fakultät Naturwissenschaften zum Wintersemester aus. Die erfolgreiche Bewerberin/Der erfolgreiche Bewerber soll in den Pflicht-
2023/24 zu besetzen: fächern des Bürgerlichen Rechts sowie im Schwerpunkt „Deutsches und euro-
päisches Wirtschaftsrecht“ lehren.
Professur für Systemische Psychotherapie
Einstellungsvoraussetzungen sind ein abgeschlossenes rechtswissenschaft-
Professur für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie liches Studium, pädagogische Eignung, eine Promotion und der Nachweis
Die ausführlichen Ausschreibungen finden Sie auf der Internetseite zusätzlicher wissenschaftlicher Leistungen (Habilitation oder vergleichbare
www.medicalschool-berlin.de/hochschule/stellenausschreibungen- wissenschaftliche Qualifikation). Die Ernennung als Professorin oder Professor
karriere/professuren/ erfolgt im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit, sofern die gesetzlichen Voraus-
setzungen dafür gegeben sind.
MSB Medical School Berlin Die Friedrich-Schiller-Universität Jena strebt eine Erhöhung des Anteils von Frauen
Hochschule für Gesundheit und Medizin in Forschung und Lehre an und bittet deshalb qualifizierte Wissenschaftlerinnen
M SB
Medical School Berlin
Hochschule für
Gesundheit und Medizin Rüdesheimer Str. 50, 14197 Berlin nachdrücklich um ihre Bewerbung. Schwerbehinderte Menschen werden bei
gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Weitere Anfragen können an den Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät,
Prof. Dr. Jan Dirk Harke (dekan@recht.uni-jena.de), gerichtet werden.
Bewerbungen mit vollständigen Bewerbungsunterlagen (Zeugnisse, Lebenslauf
mit Angabe der Forschungskooperationen, Publikationsliste und Angabe der
fünf wichtigsten Veröffentlichungen, Liste der gehaltenen Lehrveranstaltungen,
Evaluierung von Lehrveranstaltungen sowie Nachweise von Drittmitteln) sind bis
zum 31.03.2023 über das Berufungsportal der Universität Jena unter
In der Fachhochschule Westküste ist zum 01.09.2023 die unbefristete
https://www.berufungsportal.uni-jena.de
Stelle der neu geschaffenen Bitte beachten Sie zudem die Informationen zur Erhebung personenbezogener Daten
unter: https://www.uni-jena.de/stellenmarkt?info=1
Professur (W2) Data Science (m/w/d)
im Fachbereich Technik in Vollzeit zu besetzen. Bei der Feststellung
der pädagogischen Eignung erfolgt nach zwei Jahren die Verbeamtung
auf Lebenszeit.
Ihre Aufgaben sind die akademische Lehre und innovative Forschung:
• Anwendungsorientierte Lehre im Bereich Data Science in Bachelor-
und Master-Studiengängen,
• Durchführung von weiteren Veranstaltungen im Bereich Informatik,
• Mitarbeit in interdisziplinären Forschungsschwerpunkten, durch die
verschiedene zukunftsrelevante Forschungsfelder abgedeckt
werden, z.B. im Bereich der Energiewende,
• Einwerbung von Drittmitteln zur Unterstützung eigener Forschungs-
aktivitäten, Eine qualitativ hochwertige Lehre, intensive Forschungstätigkeit,
• aktive Beteiligung in der Selbstverwaltung der Hochschule. eine starke internationale Ausrichtung und das eigenständige
Promotionsrecht zeichnen uns aus. Auf unserem für seine Architektur
Nähere Informationen zur Stellenausschreibung, zum Aufgabengebiet so-
wie zum Anforderungsprofil finden Sie auf http://www.fh-westkueste.de. preisgekrönten Campus finden ca. 9.000 Studierende, mehr als
160 Professor*innen sowie ca. 850 Beschäftigte attraktive Lern-, Lehr-
Bei fachlichen Fragen zum Anforderungsprofil und den damit ver- und Arbeitsbedingungen vor.
bundenen Aufgaben wenden Sie sich bitte an die Vorsitzende der
Berufungskommission, Frau Prof. Dr. Kristina Schädler (schaedler@ An der Hochschule Fulda besetzen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt im
fh-westkueste.de). Fachbereich Sozialwesen eine
Ihre aussagekräftige Bewerbung mit den üblichen Unterlagen (mindes-
Professur (BesGr. W2)
tens Lebenslauf, Schul-, Ausbildungs-, Arbeitszeugnisse, Nachweise
für Studium und Promotion), ggf. einer Einverständniserklärung zur für das Lehrgebiet
Einsichtnahme in die Personalakte, richten Sie bitte bis zum 02.03.2023
(Eingangsdatum) an die
Recht der Sozialen Arbeit
Personalverwaltung der Fachhochschule Westküste
Fritz-Thiedemann-Ring 20, 25746 Heide
(E-Mail: bewerbung@fh-westkueste.de) Vollzeit, Beamtenverhältnis
Bewerbungsende: 09.03.2023
Im Fall der schriftlichen Bewerbung bitten wir Sie, uns ledig-
lich Kopien einzureichen, da wir die Unterlagen nach Ab- Detaillierte Informationen zu Aufgabengebiet, Anforderungs-
schluss des Verfahrens leider nicht zurücksenden können. profil sowie Bewerbungsmodalitäten finden Sie unter:
seit 2016 Bewerbungen per E-Mail erbitten wir im PDF-Format als hs-fulda.de/stellenangebote.
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H I E R AU S R E I S S E N!
D Mein Freund aus
er Eingang zur Welt, in der
Tiere sprechen und tanzen
lernen, liegt etwas versteckt
in einem Berliner Hinter-
hof. Die Vögel singen hier
so laut, dass man nach­
Pinkie Ausschau halten
möchte, der sprechenden Elster des Zoohändlers
Mr. Morrison aus Die Schule der magischen Tiere.
Denn genau hier werden diese magischen Tiere
für die Filme erschaffen – an den Computern des
Animationsstudios Lumatic.
Der Fuchs Rabbat, die Schildkröte Henrietta,
der Pinguin Juri und all die anderen Tiere, die Mr.
Morrison aus seinem Mantel zaubert, können spre-
chen und sind die engsten Vertrauten der Kinder an
der Wintersteinschule. Ausgedacht hat sich die Ge-
schichten die Autorin Margit Auer für ihre Bücher,
inzwischen wurden daraus zwei Filme. Während
man den zweiten gerade noch im Kino sehen kann,
arbeitet Lars Krüger hier in dem Ber­liner Hinterhof-
Studio schon am nächsten Film.
Lars ist Animator, man könnte sagen, er lässt
Computerbilder lebendig werden. In seinem Studio
ist von magischen Tieren aber nichts zu sehen, an
den Wänden hängen nur ein paar gekritzelte Skiz-
zen, im Raum verteilt stehen allerlei starre Plastik-
viecher herum. Als Lars die Tür zum Studio schließt,
ist auch von dem lauten Vogelgezwitscher im Hof
nichts mehr zu hören, hier drinnen summen nur die
Computer. »Das ist noch leise«, sagt Lars. »Wenn
wir richtig loslegen, dann klingt das so: SSSSSSS!«
Denn damit die Tiere aus dem Computer für die
Zuschauer lebendig wirken, müssen die Maschinen
ordentlich arbeiten. Jede Sekunde im Film besteht
aus 24 einzelnen Bildern. Wenn der Fuchs Rabbat
eine Sekunde reglos dasitzt, würde man 24-mal
dasselbe Bild verwenden. Bewegt er aber zum Bei-
spiel den Kopf von rechts nach links, würde diese
Bewegung in 24 einzelne Bilder zerlegt, auf jedem
wäre der Kopf ein winziges Stück weiter nach links
gewandert. Wenn man die Bilder dann schnell hin­
ter­ein­an­der abspielt, sieht die Bewegung fließend
aus. »Wir müssen aber zum Glück nicht mehr jedes
Bild neu zeichnen, wie früher beim Zeichentrick«,
sagt Lars. Gibt es eine Figur erst mal, kann er sie
einfach mit der Computermaus steuern und be­
wegen: »Wir sind wie Puppenspieler«, sagt Lars.
Doch um mit den »Puppen« spielen zu können,
müssen Lars und seine Kollegen die erst einmal er-
schaffen. Zwei Tiere sollen im neuen Schule der
magischen Tiere-Film dazukommen. Vielleicht der
Kater Karajan oder die Fledermaus Eugenia? Das
darf Lars nicht verraten, der Film wird erst im
Herbst 2024 ins Kino kommen. Schon seit Dezem-
ber machen er und seine Kollegen sich Gedanken
darüber, wie die beiden neuen Tiere aus­sehen.
Ein paar Vorgaben bekommt das Team von den
Filmemachern – zum Beispiel zur Größe der Tiere:
Wenn eins später im Film in einem Fahrradkorb
sitzen oder in eine Schultasche passen soll, darf es
nicht zu groß und nicht zu klein sein. Bei vielen
Details aber dürfen Lars und sein Team entscheiden:
Wie groß sollen die Augen sein? Bekommt eines der
Tiere eine besondere Frisur, so wie der Pinguin Juri,
der die gleiche Haartolle trägt wie sein Freund Jo?
Zuerst fertigen Lars und sein Team Zeichnungen
an und bauen Modelle, dann beginnen sie, die T ­ iere
Schritt für Schritt am Computer zusammenzusetzen:
Sie legen ein Skelett an, formen dann den Körper
drum herum, ein bisschen wie mit Knetmasse. Sie
ergänzen Fell, Panzer, Schuppen, und schließlich
bringen sie die Tiere in Bewegung und mit den
Schauspielern zusammen.
Endlich ist das Warten vorbei! Am 1. Februar
habe ich zusammen mit meinem Kollegen
Martin und sieben anderen Forscherinnen
und Forschern die Neumayer-Station ver-
lassen und mich auf den Weg Richtung Süd-
pol gemacht. Als ich im November hier in der
Antarktis angekommen bin, war ich darauf
eingestellt, sechs Wochen im Eis zu verbrin-
gen. Doch das Wetter war zu schlecht, wir
mussten unsere Pläne immer wieder ändern.
Nun sind wir endlich unterwegs.
Als wir an der Forschungsstation aufgebro-
chen sind, hätte man auch denken können:
Da fährt ein Zirkus zum Südpol. Weil wir etwa
100 Kilometer von Neumayer entfernt ein
Camp im Eis aufbauen, haben wir Wohn- und
DAS ZEIT LEO-WITZETELEFON
Was ist schlimmer als ein Wurm im angebissenen Apfel? –
Ein halber Wurm im angebissenen Apfel!
Auf unsere Mailbox gesprochen von Felix, 7 Jahre, aus Düsseldorf.
Kennst du auch einen Witz? Dann ruf uns an: 0151-41 89 30 41.
Mehr zum Witzetelefon unter www.zeitleo.de/witze
9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
A B E N T E U E R
dem Computer
In den Sommerferien wird der dritte »Die Schule der magischen Tiere«-Film
gedreht, doch schon jetzt arbeiten Animatoren an breakdancenden
Pinguinen und sprechenden Füchsen. KATHARINA KUNERT hat zugeschaut
Beim Dreh sitzt die Ida-Darstellerin Emilia Maier allein vor der Kamera. Der Fuchs Rabbat
kommt erst später am Computer dazu – zunächst grob gezeichnet, dann vollständig animiert
A BE N T EU E R A N TAR K T I S
Schlafcontainer dabei, eine riesige Kühlbox
mit Vorräten, Forschungsgeräte, Schneemobi-
le, Generatoren für Strom, sogar eine Art
Mini-Tankstelle für die Fahrzeuge. Alles steht
auf Kufen oder wurde auf Schlitten geschnallt
und zu drei Zügen verbunden. Jeder wird von
einem Pistenbulli gezogen. So sind wir mit
sagenhaften 13 Stundenkilometern losgezo-
ckelt. Man braucht Geduld als Forscherin!
Knapp drei Wochen bleiben uns nun noch
für unsere Arbeiten im Eis. Wir wollen mehr
darüber herausfinden, wie sich die Eismassen
am Südpol bewegen. Bisher weiß man darüber
noch nicht so viel. Wie schnell fließt das
Landeis Richtung Meer? Welche Kräfte wir-
ken darin? Das Camp schlagen wir dafür an
F Ü R K I N D E R
FOLGE 11
Der Südpol-Zirkus
Der rote Pistenbulli zieht Container und Schlitten
DER GANZE KOSMOS
ZEIT LEO – DAS MAGAZIN
... erscheint alle sechs Wochen.
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43
Das Besondere an den Filmen ist nämlich, dass
Mr. Morrison, die Lehrerin Miss Cornfield, Ida,
Benni, Jo und all die anderen Kinder von echten
Menschen gespielt werden. Die magischen Tiere aus
dem Computer werden erst später in den Film ein-
gefügt. Doch schon bei den Dreharbeiten müssen
die Schauspieler vor der Kamera so tun, als könnten
sie die Tiere sehen und mit ihnen sprechen.
Wenn die Schauspieler fertig sind, geht die Arbeit
im Studio erst so richtig los. Lars führt das an einer
Szene vor, in der Ida auf dem Bett liegt. Traurig
schaut sie in die Luft, während sich der Fuchs Rabbat
auf ihren Bauch kuschelt und sie mitfühlend an-
blinzelt. Ida fährt ihm mit der Hand durchs Fell;
wenn sie ein- und ausatmet, bewegt sich das Tier mit.
»Beim Drehen lag da eine Plastikpuppe statt des
Fuchses«, erklärt Lars. Damit aus dem echten Men-
schen und dem Tier aus dem Computer eine Einheit
wird, sind viele Schritte nötig. Am Studio-Computer
malten die Animatoren zuerst einen Fuchs über die
Puppe – schwarz-weiß und ganz grob. Im nächsten
Schritt bekam der Fuchs Skelett und Haut. Schließ-
Abb.: Filmstills aus »Die Schule der magischen Tiere 2«; Bernhard Jasper/Kordes & Kordes Film GmbH/Leonine Distribution GmbH/Lumatic Animation & VFX GmbH (Ausschnitt); Foto: Stefanie Arndt (u.)
lich setzte das Team Strähne für Strähne das Fell auf
den Körper. Eine richtige Fummelarbeit! »In keine
Figur zuvor haben wir so viel Arbeit gesteckt wie in
den Fuchs Rabbat«, sagt Lars.
Um Rabbat zu erschaffen, hat Lars sich im Inter-
net durch Hunderte Fuchs-Videos geklickt. Und für
den Pinguin Juri sind er und sein Team in den Zoo
gegangen, um sich anzuschauen, wie die Tiere wat-
scheln. »Wir wollten ein Gefühl dafür kriegen, wel-
che Bewegungen für Pinguine natürlich sind und
welche nicht«, sagt Lars. In dem Film sollen die
Tiere nämlich möglichst echt wirken – auch wenn
sie reden und break­dancen.
Lars kann sich eine Figur am Computer von allen
Seiten anschauen, er kann einzelne Körperteile aus-
wählen und bestimmen, wie sie sich bewegen sollen.
Er ist Fachmann für die Gesichtsausdrücke. »Wenn
ich hier nach oben ziehe«, sagt er und klickt mit der
Maus auf Rabbats Mundwinkel, »sieht er fröhlich
aus, die Stimmung ist gleich ganz anders.« Doch
wenn Lars etwas verändert, hat er dabei immer die
Bildschirme seiner Kollegen im Blick. In seinem
Team kann einer besonders gut Federn gestalten, ein
anderer die Schuppen eines Chamäleons. Sie alle
stimmen sich eng mit­ein­an­der ab. Ihre Schreibtische
stehen nah bei­ein­an­der, keiner entscheidet allein.
Lars und sein Team haben für ihre magischen
Tiere eine wichtige Auszeichnung bekommen, den
Deutschen Filmpreis. Die Schule der magischen Tiere 2
war im Jahr 2022 sogar der erfolgreichste deutsche
Film, mehr als zweieinhalb Millionen Menschen
haben ihn im Kino gesehen. Lars erzählt, dass Filme-
macher immer öfter Tiere animieren lassen, statt
echte vor die Kamera zu holen. Allerdings ist das auch
ziemlich aufwendig. Wenn ein Animator eine ganze
Woche lang arbeitet, schafft er sechs bis acht Sekun-
den bewegtes Tier. An einem Schule der magischen
Tiere-Film arbeiten bei Lumatic deshalb 25 bis 30
Leute mit. Und trotzdem sind im zweiten Teil nur
in 18 Minuten der Fuchs Rabbat, die Schildkröte
Henrietta, der Pinguin Juri und das Chamäleon
Caspar zu sehen – insgesamt ist der Film 103 Minu-
ten lang. Manchmal schummeln die Filmemacher
auch ein bisschen: Wer ganz genau hinguckt, er-
kennt, dass hin und wieder nur ein steifes Ohr von
Rabbat ins Bild ragt – das gehört zu einem Plüschtier.
Deshalb werden in Teil 3 eben wieder nur zwei
weitere Tiere hinzukommen. Könnte sich Lars selbst
ein magisches Tier aussuchen, wäre das ein Panda.
»Der könnte mir im Sommer, wenn wir hier richtig
loslegen, etwas Geduld schenken«, sagt er. Und wenn
ein Animator eines braucht – dann ja wohl Geduld.
der sogenannten grounding ­line auf – das ist Schlechtes Wetter kann uns natürlich auch
der Punkt, an dem Land unter dem Eis liegt. jetzt erwischen, aber im Camp können wir
Wir werden unterschiedliche Messungen das gut aussitzen – oder abwettern, wie wir
machen. Vor uns haben andere Forscher zum sagen. In den Wohncontainern sind wir ge-
Beispiel Seismometer verbuddelt. Mit denen schützt, wir haben sogar eine Küche und eine
misst man sonst Erdbeben, hier wurden damit kleine Dusche. Zwei meiner Kollegen wollen
Eisbeben aufgezeichnet. zwar die ganze Zeit draußen im Zelt schlafen,
Martin und ich wollen außerdem unsere aber ich wette, wenn der Wind zu doll pustet,
Schneemessungen abschließen. Auf einer ziehen die schnell bei uns ein. Oder was wür-
Strecke von rund 400 Kilometern Richtung det ihr tun?
Südpol lesen wir an Stangen die Schneehöhen  EURE POL ARFORSCHERIN STEFFI
ab. Die ersten 100 Kilometer haben wir im
Januar bereits abgefahren, dann mussten wir Wie sich Landeis, Meereis und Schelfeis
umdrehen, weil ein Sturm aufzog. Wenn man unterscheiden und welche Farbe das Eis hat?
bei solchem Wetter in einem Zelt festsitzt, Das wollten einige von euch wissen. Steffis
kann das echt ungemütlich werden. Antworten liest du auf www.zeitleo.de
DER LEO-KINDERRAT
Drei Mädchen und zwei Jungen helfen uns
regelmäßig bei der Arbeit. Mehr über die fünf
und wie du dich für den Kinderrat im nächsten
Jahr bewerben kannst, liest du hier:
www.zeitleo.de/kinderrat
44 WISSEN 9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7

Infografik: Röntgenstrahlen

o
N
Durchblick 711
Vor 100 Jahren starb Wilhelm Conrad Röntgen. Das von ihm
entwickelte bildgebende Verfahren hilft der Wissenschaft bis heute 
VON URS WILLMANN (RECHERCHE) UND CYPRIAN LOTHRINGER (INFOGRAFIK)

Die Röntgenröhre
Durch elektrische Spannung beschleunigte
Elektronen fliegen zur Anode. Beim
Aufprall entstehen Wärme und Röntgenstrahlung.
1845
Trifft Letztere ungehindert auf einen Film,
Geburt Wilhelm Conrad Röntgens
schwärzt sie diesen komplett. Muss sie Gewebe
am 27. März in Lennep (Remscheid)
durch­queren, wird sie unterschiedlich stark
absorbiert – am meisten von Knochen. So lässt
sich das Innere des Körpers abbilden. um 1880
Der Brite William Crookes erzeugt in
Experimenten radioaktive Strahlung

Kathode 1895
Am 8. November entdeckt Röntgen
im Physikalischen Institut der
Universität Würzburg die später nach
ihm benannte Strahlung. Kurz darauf
gelingen ihm damit erste Aufnahmen

Röntgenröhre
1901
Röntgen erhält den Physik-Nobelpreis

Elektronen 1923
Er stirbt am 10. Februar in München

1949
1% Der Nachweis gelingt, dass die
Sonne einen Bruchteil ihrer
99% Brennfleck Röntgen-
strahlung
Energie als Röntgenlicht abstrahlt
Wärme
1969
Computertomografen ermöglichen
Vakuum 3-D-Aufnahmen von Körperstrukturen

1990
Der Satellit Rosat sucht nach
Röntgen­quellen, um Informationen
über das Universum zu erhalten

Anode 2019
130 Millionen Mal wird aktuell
pro Jahr in deutschen Praxen geröntgt.
39 Prozent der Anwendungen
entfallen auf die Zahnmedizin

Zwei Sorten Strahlen

(A) Beim Abbremsen des Elektrons am Brennfleck
entsteht Bremsstrahlung (Röntgenstrahlung). Werkzeug zum Reinschauen Quellen
(B) Wird ein Elektron herausgeschlagen, füllt ein Materialforscher oder Geologen nutzen die Technik, um Dinge zu Deutsche
anderes das Loch auf – charakteristische Strahlung durchleuchten. Astronomen schauen mit Röntgensatelliten in Röntgen­
entsteht, die aber selten zum Röntgen genutzt wird. die Vergangenheit, Archäologen nehmen Mumien unter die Lupe, gesellschaft,
Deutsche
ohne Sarkophage zu öffnen. In der Kunst kommt Übermaltes
Physikalische
zerstörungsfrei zum Vorschein. In Zukunft werden sich sogar Gesellschaft,
Elektron chemische Reaktionen filmen lassen – Röntgenlaserblitze Deutsches
Berthas Ehering ermöglichen Belichtungszeiten im Bereich von Billiardstelsekunden. Zentrum für
A
Bremsstrahlung
Am 22. Dezember
Geologie
Luft- und
Raumfahrt,
1895 bestrahlte Astronomie
Röntgen die Hand Bundesamt für
Atomkern + seiner Frau – hier Strahlenschutz,
ein Remake seiner Landwirtschaft Wikipedia
frühen Aufnahmen
Links zu diesen
Sicherheit und weiteren
Charakteristische Quellen finden
Strahlung Sie unter

Elektronen-
B www.zeit.de/
wq/2023-07
loch

Elektromagnetisches Spektrum
Der Bereich der Röntgenstrahlung beginnt unterhalb der UV-Strahlung.
Ihre Wellenlänge liegt zwischen 10 Nanometern und 0,01 Nanometern. Archäologie

Sichtbares
Licht
Ultra-
Gammastrahlung Röntgenstrahlung violett Infrarot Radiowellen Medizin

Die Kinderseite
0,0001 nm 0,01 nm 10 nm 1000 nm 0,1 mm 1 cm 1m Kunst der ZEIT
finden Sie auf
Materialprüfung der vorigen Seite

FEUILLETON
W
ährend unseres Treffens
Ende Januar stellt Jaweid
Gholam (vor 29 Jahren in
Fulda geboren, Techniker
bei der Deutschen Bahn)
besonders häufig fest,
dass etwas traurig sei, und
zwar auf eine ganz bestimmte Weise. Er sagt: »Es ist
schon traurig«, wobei seine Stimme bis zu dem­
Adverb »schon« nach oben geht, dann folgt eine
kurze Pause, dann kommt das Adjektiv »traurig« in
leicht verwaschen-hessischer Aussprache und etwas
weniger stark betont, so als ginge ihm die Kraft aus.
Denn Jaweid, der bei dem rassistischen Anschlag in
Hanau am 19. Februar 2020 zwei Freunde verlor,
ist irgendwann mal eigentlich »schon« von etwas
ganz anderem ausgegangen, hat mehr von diesem
Land erwartet, für sein Leben, das seiner Freunde.
Und doch klingt er so resigniert und ruhig, dass für
ihn überhaupt kein Zweifel daran zu bestehen
scheint, dass die Dinge schon immer waren, wie sie
waren, und auch so bleiben werden.
Der Attentäter hatte Jaweids beide Freunde und
sieben weitere Menschen nach dem Kriterium aus-
gesucht und erschossen, dass sie nicht aussahen, wie
er sich Deutsche vorstellte, und Jaweid hatte etwa eine
halbe Stunde vor der Tatzeit gegen 22 Uhr spontan
entschieden, doch nicht in die Arena-Bar (einer der
drei Tatorte in Hanau-Kesselstadt, weitere befinden
sich im Stadtzentrum), sondern nach H ­ ause zu gehen.
Er hatte sich auf einem asphaltierten Parkplatz, der
neben dem Jugendzentrum und vor dem Hochhaus
liegt, in dem er wohnt, von seinem Freund Ferhat
Unvar verabschiedet, welcher wenig später getötet
wurde, und davon hatte er mir schon bei unserer ersten
Begegnung für diese Zeitung im Mai 2020 erzählt,
misstrauisch und höflich. Er erwähnt diesen Moment
wieder, als wir fast drei Jahre später auf ebenjenem
Parkplatz stehen, und er sagt: »Es ist schon traurig.«
Er sagt diesen Satz auch, als wir in seiner C-Klasse
sitzen, auf deren Beifahrerseite über dem Airbag ein
großer, weißer Aufkleber mit dem Namen seines er-
mordeten Freundes Hamza Kurtović klebt. Wir fahren
vom Hanauer Bahnhof Richtung Kesselstadt, wo er
einmal die Woche Kinder im Fußball trainiert: Immer
wenn der Jahrestag sich nähere, kämen die Journa­
listen, bedienten sich, und dann sei es wieder still, aber
nichts ändere sich. Er will wissen, warum ich nicht
länger in Hanau bliebe (keine Zeit, Entschuldigung),
ob ich denn zum Jahrestag am 19. Februar käme
(vielleicht), ich frage, warum er manchmal doch mit
Journalisten rede (Hoffnung auf Aufklärung).
Hier eine weitere, unvollständige Sammlung von
Fragen, die Jaweid mit seinem »Schon traurig«-Satz
beantwortet: Wie konnte es sein, dass 13 von 19 der
SEK-Beamten, die in der Tatnacht im Einsatz waren,
Mitglieder einer rechtsextremen Chatgruppe waren?
(»Da willst du auch nicht, dass die dich beschützen.
Es ist schon traurig.«) Warum war die Hanauer
Notruf­zentrale nicht durchgängig besetzt gewesen,
warum war erst jemand ans Telefon gegangen, als
schon alle tot waren? Warum war Deutschland ein-
verstanden, wenn Leute wie er (»Schwarzköpfe«)
schlechte Jobs erledigten, aber nicht da, wenn sie
Schutz brauchten oder Antworten auf ihre Fragen?
Warum kennt Ajla, die Schwester des ermordeten
Hamza Kurtović, inzwischen den Inhalt eines von
dessen Familie angelegten dicken, sorgfältigst gepfleg-
ten Ordners auswendig, der sich mit der Frage befasst,
warum der Notausgang, durch den sich Hamza Kur-
tović vor dem Täter hätte retten können, verschlossen
war, auch wenn die Polizei anderes behauptet? Warum
interessieren sich nicht viel mehr Menschen für den
Inhalt dieses Ordners? Warum, fragt Jaweid, als das
Fußballtraining vorbei ist und wir auf dem Weg in
ein chinesisches Restaurant sind, waren es vor allem
die Angehörigen der Getöteten, die Aufklärungsarbeit
leisteten, und nicht etwa die hessischen Behörden, der
deutsche Staat?
Dieser hatte sich direkt nach dem rassistischen
Anschlag sehr entschieden positioniert, beziehungs-
weise um das eigene Selbstbild gekümmert: Bundes-
präsident Frank-Walter Steinmeier hatte an der »­ Seite
aller Menschen« stehen wollen, die durch rassis­
tischen Hass bedroht würden, der damalige hessische
Ministerpräsident Volker Bouffier wiederum hatte
erklärt, dass »wir« an »ihrer« Seite stünden, und für
Horst Seehofer wurde der Kampf gegen Rechts­
extremismus zur »Staatsräson«. Die neun Hanauer
Opfer (acht junge Männer, eine junge Frau) wurden
damit für jenes Land, das für den Holocaust verant-
wortlich ist und danach nur unter der Nie-wieder-
Bedingung weitermachen durfte, für eine kurze Zeit
sozusagen systemrelevant. Aber nur vorübergehend.
9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
45
Jaweid Gholam, 29, hat beim Anschlag von Hanau zwei Freunde verloren
im Gegenzug habe man gegenüber dem Besitzer der
Bar bestimmte Dinge nicht so eng gesehen, etwa dass
er angeblich mehr Spielautomaten als erlaubt auf-
gestellt habe. Jaweid: »Immer wenn der dritte Auto-
mat aus war, wusste ich, heute kommt eine Razzia.«
Das zuständige Polizeipräsidium Südosthessen
weist den Vorwurf, das Abschließen des Notausgangs
angeordnet zu haben, auf Anfrage »entschieden«
zurück, sinngemäß mit der Begründung, dass die
Polizei so etwas »niemals« tun würde, und bezieht sich
außerdem auf das Ermittlungsergebnis der Staats-
anwaltschaft Hanau. Diese hatte nach einer Straf­
anzeige der Familie Kurtović und von Überlebenden
des Anschlags ermittelt, das Verfahren aber im August
21 wieder eingestellt. Begründung: Weder gebe es
Belege für Absprachen zwischen Behörden und Bar-
betreiber, noch könne mit »letzter Gewissheit« gesagt
werden, ob der Notausgang in der Tatnacht tatsächlich
versperrt gewesen sei. Insgesamt habe man es mit
»unterschiedlichen Zeugenaussagen« zu tun, unklar
sei auch, ob die Opfer in der Tatnacht möglicher­weise
allein deswegen nicht zum Notausgang gerannt seien,
weil sie ihrem »natürlichen Fluchtinstinkt« vom Täter
weg folgten und nicht etwa, weil sie wussten, dass er
zu war. Weiter könne nicht mit »hinreichender Sicher-
heit« gesagt werden, dass eine Flucht durch einen
unverschlossenen Notausgang zeitlich hätte glücken
können – was, bedenkt man den eigentlichen Vorwurf
(der Notausgang sei auf polizeiliche Anordnung hin
verschlossen gewesen, um Razzien zu erleichtern), ein
wirklich bemerkenswerter Zugang ist. Dass eine
Flucht durch den Notausgang möglich gewesen wäre,
wurde inzwischen durch ein Gutachten des
Recherche­kollektivs Forensic Architecture bewiesen,
Über­lebende aus der Arena Bar gaben unter anderem
in Polizeivernehmungen an, sie seien nicht zum Not-
ausgang gerannt, weil ihnen und ihren Freunden ja
Fotos: Fabian Ritter für DIE ZEIT
klar gewesen sei, dass er zu war.
In der Zwischenzeit hat Dijana Kurtović den
bereits erwähnten akribisch geführten Ordner ge-
holt. Immer wieder vollendet, ergänzt sie die Sätze
ihres Mannes. Ich kann ihm irgendwann nicht
mehr folgen, und er bemerkt es. Er zündet sich
noch eine Z ­ igarette an, und seine Frau geht zum
Hochhaus in Hanau-Kesselstadt, wo sich drei Tatorte befinden Fenster, um zu lüften.
Am nächsten Tag stehen wir in der Küche der
Dann ist es wieder still
Schwester von Jaweid, die im gleichen Hochhaus
wohnt wie er. Von hier aus kann man den Lidl sehen,
auf dessen Parkplatz Vili Viorel Păun von dem Atten-
täter erschossen wurde, daneben die Arena-Bar. »Ich
war nie in Afghanistan, ich würde gerne dahin, wo
mein Großvater mal jemand war und mein Vater«,
sagt Jaweid, und darum war es an diesen beiden Tagen
in Hanau immer wieder gegangen: Wie viel Respekt
Drei Jahre liegen die Morde von Hanau zurück. Für einen winzigen Moment wurde Jaweid und seinen Freunden von der sogenannten
Mehrheitsgesellschaft entgegengebracht wird, wie
danach der Kampf gegen den Rechtsextremismus zur Staatsräson erklärt. seine Freunde gesehen werden. »Wie hat es Friedrich
Merz formuliert? ›Die kleinen Paschas‹. Er redet so,
Doch es hat sich nichts geändert. Ein Besuch bei den Hinterbliebenen  VON ANTONIA BAUM als wären unsere Söhne alle Paschas. Was denkt er,
wer er ist? Der Kurfürst? Der Kaiser?«, hatte Armin
Kurtović am Vorabend gefragt und wenig später das
Grundgesetz zitiert: Die Würde des Menschen ist un-
Kürzlich, nämlich nachdem es in der Silvester- lebt noch, in dem Reihenhaus. Keine 120 Meter Luft- Zigaretten geraucht, die Gesichter sind fahl, das Licht antastbar. »Aber nach dem rassistischen Anschlag hat
nacht Übergriffe auf Polizei und Feuerwehr gegeben linie entfernt ist das Haus von Serpil Unvar, der­ in diesem aufgeräumten Wohnzimmer ist weiß und man mir den Ausländerbeirat vorbeigeschickt, einen
hatte, als deren Verursacher junge, von anderen als Mutter des getöteten Ferhat. Der Polizeiwagen, der hell. In einer Vitrine stehen Fotos von Hamza, und Migrationsbeauftragten und einen Dolmetscher. Ich
migrantisch identifizierte Männer ausgemacht wor- vor ihrem Haus zu sehen ist, steht dort, weil der Vater daneben hängt noch ein großes an der Wand, das, das bin 1974 hier geboren, ich bin deutscher Staatsbürger.
den waren, hatte Friedrich Merz bei Markus Lanz die des Attentäters dessen rassistisch-paranoide Ansichten nach dem Anschlag immer wieder von ihm gezeigt Was denken die sich?« Darum, nämlich um die Frage,
Söhne von »Migranten« als »kleine Paschas« bezeich- teilt: Er ist in den vergangenen Monaten immer­ worden war. Es sieht aus wie das perfekte Bewerbungs- wie sie, ihre Familie, ihr Leben von Deutschland
net. Etwas mehr als zwei Wochen später, am Holo- wieder vor ihrem Haus aufgetaucht, auch nachdem foto, Hamza lächelt freundlich und offen, wie der beurteilt wird, geht es auch, als wir uns an den ge-
caust-Gedenktag, sprach Merz auf einer CDU-­ ein Annäherungsverbot verhängt wurde, und soll sie, Gegenbeweis für Friedrich Merz, schießt es mir durch deckten Tisch bei Jaweids Schwester setzen. Sie füllt
Veranstaltung in Neukölln und erklärte im Zusam- die Mutter des von seinem Sohn getöteten Sohns, den Kopf. Kurtović wirkt wie jemand, der müde ist die Teller ihrer Kinder, und sie sagt: »Nach dem­
menhang mit deutscher Geschichtsaufarbeitung unter anderem gefragt haben, wie sie sich als Kurdin und noch mal alle Kraft zusammennimmt. Er spricht Anschlag haben die über Kesselstadt geschrieben, als
seinen Stolz. Damit sind die Eckpunkte des Span- dieses Haus leisten könne. »Der ist auch vor der S­ chule durchdringend, so als sei ihm klar, wie kurz die Auf- wäre es ein Ghetto, wo die meisten Drogen verkaufen
nungsfelds umrissen, innerhalb dessen sich die Opfer aufgetaucht, mit seinem Schäferhund, und hat die merksamkeitsspanne der Journalisten ist, die ihm da und nicht ganz dicht sind. Ich bin hier aufgewachsen,
von H­ anau – und mit ihnen ganz bestimmte migran­ Kinder angesprochen, die haben ihn erkannt und regelmäßig auf seiner Couch gegenübersitzen (googelt meine Kinder werden hier aufwachsen.« Während
tisierte Menschen – bewegten und bewegen, inner- beleidigt, und dann hat er ihnen gedroht, von wegen man seinen Namen, findet man verschiedene Inter- wir essen, läuft einem der Kinder die Nase, und ich
halb dessen sie neurotisch umkreist wurden: Anhand wir sehen uns nach der Schule, und dann stand der views und Zeitungstexte zu ihm), und wie schnell es weiß auch nicht, warum, es passiert schnell, vielleicht,
ihrer Geschichte wird deutsche Identität verhandelt da auch wirklich am Eingang«, sagt Jaweid. Eines der passieren kann, dass sie ihn für einen Besessenen weil ich es zu Hause dauernd mache – jedenfalls
(und vielleicht, ich weiß es nicht, hat all das ja auch Kinder, die er im Fußball trainiert, habe panisch zu halten, der mit seinem Schmerz nicht fertig wird. putze ich dem Kind unwillkürlich die Nase. »Du
zu tun mit dem seit etwa zehn Jahren virulenten pop- Hause angerufen. »Ist schon traurig.« Es geht dann sehr schnell um den Notausgang in kommst mir vor wie die Super-­Nanny«, sagt Jaweid
kulturellen Fetisch des jungen migrantischen Mannes Dazu Günther Kugler, Sozialarbeiter im Kessel- der Arena-Bar, der seinem Sohn das Leben hätte und lacht. Es ist ein Witz, eine lustige Bemerkung,
in Form von Serien, Filmen, Rap-Begeisterung). städter Jugendzentrum, mit dem ich für diesen Text retten können. aber was dadurch offenbar wird, ist auch irgendwie:
Es ist dunkel, als wir in der Hanauer Chinakrone gesprochen habe: »Als Sozialarbeiter sage ich, der Dieser war in der Tatnacht versperrt, das legen schon traurig. Denn die Super-Nanny ist dafür be-
etwas gegessen haben und am Philippsruher Schloss Vater muss da weg. Juristisch ist das natürlich nicht Zeugenaussagen sowie die Aussage eines für die­ kannt geworden, im Fernsehen Menschen zu erklären,
vorbei die gleichnamige repräsentative Allee hinunter- so einfach, aber es gibt schon Spielräume, die von den Tatortsicherung zuständigen Beamten und Video­ wie man in Deutschland Kinder richtig erzieht. Ganz
fahren. Jaweid sagt mit dieser Stimme, die immer Behörden nicht ausgeschöpft werden. Der macht den material vom Tatabend nahe. Fragt man Armin egal wie das Naseputzen gemeint ist: Die Super-­
etwas Mattes hat, selbst wenn er Witze macht, dass ganzen Stadtteil verrückt. Das liegt nicht nur, aber Kurtović, Jaweid und andere Menschen aus dem Nanny, könnte man sagen, ist die Perspektive der
das hier in Hanau seine Lieblingsstraße sei. Wir sind auch an der geografischen Nähe der Tatorte, des Täter- Umfeld der Getöteten, dann war der Notausgang sogenannten Mehrheits­gesellschaft, sie ist die Defini-
auf dem Weg nach Kesselstadt, zu den Eltern von Hauses und der Wohnorte der Hinterbliebenen.« dauerhaft verschlossen, und zwar auf Anordnung der tion eines Blicks, der bewertet, es besser weiß, den
Hamza Kurtović, Jaweid hat das Treffen organisiert. Als wir auf dem Sofa der Eltern des getöteten Polizei. Jaweid: »Ich wusste deswegen ganz genau, Anspruch hat, der Maßstab zu sein, wofür Jaweid mit
Drei Minuten später erreichen wir den Stadtteil, Hamza Kurtović sitzen, zeigt der Vater irgendwann dass er zu war, weil ich den Notausgang früher als der Zeit vielleicht ein sehr genaues Gespür entwickelt
fahren an dem Reihenhaus des Attentäters vorbei, das zur Glastür gegenüber und sagt, dass er von seinem Abkürzung nach Hause genommen habe.« Die Poli­ hat. Für das Leben mit einer permanent präsenten
er mit seinen Eltern bewohnt hatte, bevor er erst seine Balkon aus das Haus des Täters sehen könne. Es zei, so der Vorwurf, habe den Notausgang zusperren Super-Nanny, mit Friedrich Merz, mit Zeitungen und
Mutter und dann sich selbst umbrachte. Der Vater werden in den nächsten dreieinhalb Stunden viele lassen, um besser Razzien durchführen zu können, Fernsehsendern, mit Deutschland.
46 FEUILLETON 9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7

UNSERE WOCHE
BERLIN-TIERGARTEN Jetzt hat Rushdie erstmals mit der
Presse gesprochen – und zwar mit­
David Remnick vom New Yorker. Das
Gefährten Magazin, seit je berühmt für seine
Porträt­fotografie, hat den Fotografen
des Zorns Richard Bur­bridge mitgeschickt, und
das Bild, das dabei entstand, hat alle
Eigenschaften, um ikonisch werden zu
Vor Gericht: Die Soziologin
Fotos: Christopher Polk/Variety/Getty Images; Salman Rushdie/Twitter (r.)

können – bigger than ­life: Rushdies Ge-

und ihr AfD-Mann
Das ist passiert: AfD-Politiker beißt­
junge Schwarze, mitten in Berlin, an
einem Sommerabend im Jahr 2021. Wie
es dazu kam, wird derzeit am Amts­
gericht Tiergarten ermittelt. Fürs Feuille­
ton interessant: Auch die Soziologie-
Professorin Cornelia Koppetsch war am
Montag als Zeugin geladen. Sie ist
Rechtspopulismus-Expertin, ihr Buch
Gesellschaft des Zorns wurde 2019 auch
in diesem Feuilleton gefeiert, es stand auf
dem ersten Platz der Sachbuch-Besten-
liste (später zog es der Verlag wegen zahl-
reicher Plagiate zurück). Koppetsch war
Eigentlich macht sie R ’n’ B: Beyoncé am vergangenen Sonntag in Los Angeles jedoch nicht als Gutachterin geladen, sie
ist die Lebensgefährtin des angeklagten
AfD-Mannes Kai Borrmann, Bezirks­
sichtszüge erscheinen wie modelliert,
gleichzeitig von energetischer Leben-
digkeit, die Augen­ brauen verlaufen
nach oben außen wie bei einer Eule,
und sein Blick ist durchdringend –­
allerdings ist es nur ein Auge, das den
Betrachter anblickt, das zweite Auge ist
durch das dunkle rechte Glas seiner
Brille verdeckt.
Die ikonische Kraft des Bildes ist
überwältigend, denn es erzählt das­
ganze Schicksal dieses Märtyrers der
Meinungsfreiheit, der zum Opfer eines
religiösen Wahns geworden ist. Zu-
gleich erzählt es in seinem weltlichen
Lebenshunger, dass dieser Mensch
nicht bereit ist, die Rolle des Opfers
anzunehmen. Als ihn Remnick fragt,
wie viele Stichwunden ihm zugefügt

Queen of
verordneter in Berlin-Mitte.
Am Abend des 15. August 2021­
saßen die Soziologin und Borrmann, so
viel ist unstrittig, in einem Café in­
worden ­ seien, antwortet Rushdie
(nachzuhören bei der New Yorker ­Radio
Hour): »Ich habe nicht mitgezählt.«
Die Frivolität seiner Antwort ist das

House Berlin-Mitte, man trank Wein. Unge-

Ist das jetzt kulturelle Aneignung oder was?
Beyoncé gewinnt ihren 32. Grammy  VON JENS BALZER
Viele Menschen waren zuletzt zu der Über- in die Gegenwart reichenden Tradition queerer
zeugung gelangt, dass wir in einer Epoche der Clubkultur. Keiner von den Pionieren des
übersteigerten Empfindlichkeit leben und in House hat dafür jemals einen Grammy erhal-
einer Zeit, in der Kunst nur noch nach Maß- ten, da musste erst eine heterosexuelle Cis-Frau
gabe der Moral erschaffen und bewertet wird. kommen – mithin ein exemplarischer Fall von
Nicht wenige fürchteten darum schon, dass die »kultureller Aneignung«. In der gegenwärtigen
Kunst ihre Freiheit verliert. Aber alles halb so Debatte, so dachte man, steht auf so etwas die
wild! Das war jedenfalls das Signal, das am Maximalstrafe. Aber nein! Im Fall von ­Beyoncé
Sonntag von der Verleihung der 65. Grammy passierte: nichts. Und damit nicht genug. Kurz
Awards in Los Angeles ausgesandt wurde. Die vor der Grammy-Verleihung gab sie ihr erstes
meisten Trophäen bekam die US-amerika­ Konzert seit vier Jahren – bei der Eröffnung
nische R-’n’-B-Sängerin Beyoncé für ihr Album
Renaissance. Für dieses hat sie sich ausgiebig bei
eines Luxushotels im Emirat Dubai, die Gage
soll 24 Millionen Dollar betragen haben. In
der House-Musik bedient, die in den Achtziger-
jahren in Chicago von schwulen Männern­
Dubai gelten »homosexuelle Handlungen« als
»Sodomie« und werden mit Gefängnis bis zu
erfunden wurde – der Beginn einer langen, bis zehn Jahren bestraft. Keiner von den Männern,
ANZEIGE
fragt mischte sich Borrmann in das­
Gespräch der zwei Frauen am Nach-
bartisch ein, die sich über die Black-
beste Gegengift, um über den Fanatis-
mus seiner Feinde zu triumphieren.
Und mit ein wenig Grollen, aber nicht
minder souverän sagt er: »Ich habe
Lives-Matter-Bewegung unter­hielten. immer gedacht, dass meine Bücher­
Der drahtige AfD-Mann sprach mehr- interessanter sind als mein ­Leben.«
fach das N-Wort aus. Er habe es aber Und als ob ihm sogar Burbridges
nicht rassistisch gemeint, sagt nun sein Porträt mit seinem Pathos Unbehagen
bei deren Musik sich Beyoncé gerade so groß- Anwalt. Die jungen Frauen waren in bereitete, postete Rushdie ein Selfie
zügig bedient hat, würde es wagen, einen Fuß jedem Fall verstört, doch Borrmann von sich auf Twitter: selbes Motiv,­
dorthin zu setzen, wo sie ihre Millionen ver- schien das nicht abzuhalten. Er habe­ selbe Perspektive, selbe Brille, aber
dient. Nach dem Konzert gab es zwar ein biss- einen allgemeinen Vortrag über das ohne den bronzehaften Heroismus. In
chen Kritik, aber keinen Shitstorm. Wir lernen Schwarzsein gehalten, so erklärt Kop- Wahrheit, fügte er hinzu, sehe er viel
daraus: Cancel-Culture ist ein Phantom. Und: petsch auf dem Zeugenstuhl, »aka­ prosaischer aus. IJOMA MANGOLD
Der Glaube, dass die aktuelle Popkultur irgend- demisch«. Sie habe den Vortrag ihres
was mit Empowerment und Emanzipation zu Partners für überflüssig gehalten und
tun hat, ist ein Irrglaube. Wenn jemand wie sich dann schon mal nach Hause ver- LITERATUR
Beyoncé nach einer Aktion wie in Dubai­ abschiedet, der Mann sollte ihr folgen.
unwidersprochen so viele Grammys bekommt, Später meldete der per Telefon: Es habe
dann zeigt das in irgendwie auch wieder ganz
beruhigender Weise, dass in der Musikindustrie
Chaos gegeben, die Polizei sei da. Borr-
mann hatte die Frauen noch einmal auf
Kämpfer und
alles beim Alten ist. Es herrschen dort nicht
Politik und Moral, sondern Opportunismus
der Straße angesprochen. Wieder sei das
N-Wort benutzt worden, so ein Zeuge. Romancier
und Gier. Es kam zum Handgemenge.
In ihrem Plädoyer fordert die Staats- Ex-Dschihadist kuratiert
anwältin sieben Monate auf Bewährung, Buch-Festival in Berlin
plus Geldstrafe. Borrmann habe die
beiden Frauen rassistisch motiviert belei-
14 Jahre saß Mohamedou Ould Slahi in
digt und den Kampf mit einer Ohrfeige Guantánamo, wurde schwer gefoltert,
begonnen. Borrmanns Anwalt räumt doch eine Beteiligung an den An­
Beleidigungen ein, allerdings habe sich schlägen vom 11. September 2001
konnte man ihm nicht nachweisen, die
sein Mandant später nur selbst verteidigt
T
E R S C H E I NL I und aus Notwehr gebissen. Außerdem: Amerikaner ließen ihn 2016 frei. Schon

Der neue AM 25. J U Eine Frau wie Cornelia Koppetsch würde in der Haft hatte er sein Guantánamo-
doch nicht zehn Jahre lang mit einem Tagebuch b­ egonnen, das zum Weltbest-
Rassisten zusammen sein. Vielleicht, so seller wurde; es gibt TV-Dokumen­
denkt man am Ende des Prozesstages, ist tationen über ihn; der Hollywoodfilm

Arno
dieser promovierte AfD-Mann im ­grauen Der Mauretanier basiert auf seinem
Wollanzug aber auch ein interessantes Schicksal. Ist es eine gute Entscheidung,
Studienobjekt für eine Soziologin des ihn in Berlin das diesjährige African
bürgerlichen Zorns. Am Dienstag soll dasBook Festival kuratieren zu lassen – oder
Urteil verkündet werden. TOBIAS TIMM ein Skandal? »Wie könnte man den

Geiger
Opfern des Islamismus eigentlich noch
offener ins Gesicht spucken?«, fragte die
ATTENTAT Schriftstellerin Ronya Othmann in der
Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Denn der 1970 in Mauretanien gebore-
ne Ould Slahi, der 1988 nach Duisburg
kam und Elektrotechnik studierte, ging
Anfang der 1990er-Jahre mehrfach nach
Afghanistan, wurde von Al-Kaida für
den Heiligen Krieg ausgebildet, brach
die Kontakte aber offenbar ab. Immer-
hin übernachteten die späteren Ham-
burger 9/11-Terroristen 1999 bei ihm,
240 Seiten. Gebunden und als E-Book. hanser-literaturverlage.de / Foto: © Heribert Corn

Selfie von unterwegs in den Dschihad – Geheim-

Salman Rushdie dienste hatten den Islamisten bald im
Visier. Das deutsche Einreiseverbot ist
bis heute nicht aufgehoben. All das ist
Größer seit Langem bekannt – und das vom
Hauptstadtkulturfonds geförderte, enga­
als das Leben gierte, verdienstvolle African Book Festi­
val fährt das übliche schwere ­Geschütz
auf gegen die Kritik an seinem diesjäh-
Salman Rushdie wird rigen Kurator: Sie sei »Ausdruck deut-
zur Foto-Ikone der Freiheit scher Islamfeindlichkeit«. Im Sommer
erscheint Ould Slahis erster Roman, Die
Mehr als 30 Jahre nach der Fatwa hat wahre Geschichte von Ahmed und Zarga,
im August 2022 ein junger Islamist aus über eine Beduinenfamilie. Tatsächlich
»Es gibt nur wenige Bücher, New Jersey während eines Vortrags­ belässt der charismatische E ­ x-Häftling
versucht, den Schriftsteller Salman bis heute vieles im Nebel, was seine Zeit
an deren Ende man denkt, Rushdie zu töten. Rushdie hat die­ als Islamist betrifft – im Gegensatz zu
blutrünstige Messerattacke nur mit viel seiner Guantánamo-­Leidenszeit. Mehr
es wäre schön, mit dem Glück und dank hervorragender Chi- Aufklärung wäre da gut und nötig –
rurgen überlebt, allerdings ist er auf durch einen Aussteiger, der zum Opfer
Autor befreundet zu sein. dem rechten Auge blind geworden. wurde.  ALEX ANDER CAMMANN
Dies ist so eins.«
Eberhard Rathgeb, Die Zeit
Hören Sie den Podcast
Wir sprechen über Phänomene, die unsere Zeit ausmachen:
Im Feuilleton-Podcast Die sogenannte Gegenwart.
Jetzt anhören unter www.zeit.de/die-sogenannte-gegenwart
 DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023
Gigant des Jetzt
Abb.: Johannes Vermeer »Frau mit Waage«, ca. 1662–64, National Gallery of Art Washington, Widener Coll.
Nach wie vor gilt er als der größte aller großen
Kein Rätselmaler, Johannes Vermeer, die Sphinx
Superlativ ist von Delft. Und weiterhin wühlen sich For­
scher durch die Archive, befragen jedes Detail,
für Johannes bemühen schweres Röntgengerät, um das­
Geheimnis dieses Malers endlich zu lüften.
Vermeer Um endlich zu verstehen, was seine Kunst aus­
macht, was sie bedeutet.
super genug. Doch nichts: Die Bilder schweigen beharrlich,
Eine und was sollen sie auch anderes tun. Es sind nun
mal, um es deutlich zu sagen, nichtssagende
Ausstellung Bilder. Nichtssagend auf eine öffnende, befrei­
ende, ganz und gar ungewöhnliche Weise.
in Amsterdam Johannes Vermeer (1632–1675) war kein
entdeckt den Maler der Höfe, auch kein missionarischer
Künstler, niemand, der von Päpsten oder Kar­
holländischen dinälen umworben wurde. Überhaupt schien
er sich rauszuhalten, zufrieden mit sich und
Maler nun seinen unaufgeregten Bildern, keiner Herr­
schaft zu Diensten, keinem Zeigezweck ver­
als Erfinder pflichtet. Man kannte, man schätzte ihn im
des Privaten  kleinen Delft – und vergaß ihn prompt, kaum
war er mit gerade mal 43 ­Jahren gestorben.
Über Jahrhunderte blieb er ein Niemand.
VON Heute kann kein Superlativ super genug
HANNO sein, um ihn zu feiern. Gerade eröffnen sie in
RAUTERBERG Amsterdam eine Vermeer-Ausstellung, schon
von Weitem sieht man Riesenplakate, das­
halbe Rijksmuseum ist damit verhängt. Sie zei­
gen: briefmarkenkleine Gemäldedetails, eine
glitzernde Frauenlippe, den Glanz einer Perlen­
kette, das alles ins Unermessliche vergrößert.
Vermeer, Gigant der Winzigkeiten.
Fast 200.000 Tickets, heißt es, sind verkauft.
Nie wieder, heißt es, wird es mehr von diesem
Künstler zu sehen geben als hier. Stolze 28 ­Werke
hat man versammelt, zusammengeliehen aus
aller Welt. 28 von den gerade mal 35, die von
Vermeer erhalten sind. Obwohl die Ausstellung
wunderbar luftig gehängt ist, klug nach Motiven
gegliedert – es wird nicht ganz leicht sein, hier
mehr zu sehen als Hinterköpfe. Vermeers Kunst
ist nicht gemacht für den Massenauftrieb. Ihre
Ereignisarmut passt nicht zum Erlebnishunger.
Sie braucht eine Nähe ohne Abstandsgitter. Erst
dann entfaltet das Nichtssagende seine Kraft.
FEUILLETON
So ist es gleich im ersten Saal der Ausstellung,
wo Vermeers berühmtes Delftpanorama zu sehen
ist, wobei es da eigentlich nur Himmel gibt, einen
hohen Himmel, üppig bewölkt, außerdem Wasser,
viel Wasser, und irgendwo dazwischen die Stadt,
nein, nicht ihre Schau- und Prachtseite, sondern
das, was man eine lose Ansammlung von Häusern
nennen würde, von ein paar Türmchen überragt.
Vermeer zeigt, dass es nicht viel zu zeigen gibt.
Und ähnlich hält er es auf dem Gemälde, das
gleich daneben hängt und einen lapidaren Blick
auf ein einzelnes Haus wirft, kein wichtiges Haus,
nur ein Haus, wie es damals viele gab. Zwei Kinder
spielen auf dem Bürgersteig, man sieht ihre­
Rücken, sonst sieht man nichts.
Oder sieht doch im Gegenteil sehr viel. Denn
Vermeers Kunst ist die Kunst der langen Weile:
Dort spielt sich nichts ab, und gerade deshalb
bemerkt man das Unscheinbare, die weiß ver­
putzten Fugen des Backsteinbaus, den Efeu, der
am Nachbarhaus emporrankt, die Straße, die so
seltsam wellig gepflastert ist, als wäre sie ein Strand
bei Ebbe. Vermeer stellt nichts aus, winkt nicht
mit Botschaften, lockt nicht mit Anekdoten.
Seine Kunst zieht sich auf sich selbst zurück.
Klar, es gibt von ihm auch andere Bilder, bib­
lische und mythologische Motive. Doch mit den
Jahren schrumpfen die Formate, und ebenso
schrumpft jede Idee von Sinn und Moral. Vermeer
malt eine Frau, die Milch in eine Schüssel gießt.
Er malt eine Frau, die sich ein Halsband um­
bindet. Eine Frau, die ihre Laute stimmt, eine
Frau, die eine Waage in ihrer Hand balanciert, eine
Frau, die nach einer Kanne greift. Keine von ihnen
will etwas vorführen, etwas repräsentieren. Es sind
keine Porträts. Nur Bilder, die ganz bei sich sind,
sich selbst genug.
Vermeer, der Erfinder des Privaten, so wirkt es.
Immer weiter zieht er sich in das Streichellicht
seiner Innenwelten zurück, nie fällt bei ihm der
Blick durch die Fenster ins Freie. Und doch,­
privatistisch eng wird es nicht. Vermeer weiß seine
Kunst zu entgrenzen, trotz des Rückzugs. Denn
er öffnet die unsichtbare Wand: die zu uns, dem
Publikum. Mal stellt er einen Holzstuhl in seine
Bilder, wie eine Aufforderung, doch bitte Platz zu
nehmen. Mal legt er ein Cello quer ins Bild, als
sollte hier jede und jeder mitspielen. Heute würde
man es partizipative Kunst nennen. Sie ist sich
selbst genug und wird doch zur Einladung an alle:
das Bild zu betreten und sich etwas auszumalen.
Hier zeigt sich, was es mit dem Nichtssagenden
eigentlich auf sich hat. Nichts zu sagen heißt, dem
Unausgesprochenen einen Raum zu geben. Und
also jene Imagination zu befeuern, die nicht in der
Kunst, sondern in unseren Köpfen steckt. Immer
wieder hat Vermeer seine Bilder als Resonanz­
körper entworfen, vibrierend, klingend. Er malt
eine Flöte, eine Laute, ein kleines Cembalo, und
natürlich ist nichts davon zu hören. Oder doch,
nur im inneren Ohr. So wie vieles nur mit dem
inneren Auge zu sehen ist.
Manche glauben, Vermeers Kunst sei wirk­
lichkeitstreuer Realismus, weil er ungeheuer
präzise sein kann, wenn er denn will. Hier der
hauchdünne Klöppelfaden, dort die Nägel in
der Wand, noch das winzigste Detail lässt er
anschaulich werden. Das meiste allerdings ver­
dankt sich seiner Erfindung. Er hat sie sich aus­
gedacht, Möbel, Kostüme, die übergroßen
Perlen­ohrringe. Und selbst dort, wo es so wirkt,
als gehe es exakt zu, streng der Wissenschaft
verpflichtet, auf den Landkarten zum Beispiel,
die im Hintergrund vieler Werke hängen, ist
Vermeer vor allem ein Kartograf der eigenen
Projektionen.
Dass es einem Künstler darum gehen­
könnte, nicht nur Abbilder des wahren Lebens
zu erstellen, mal mehr, mal weniger illustrativ,
war im 17. Jahrhundert zunächst ein recht un­
gewohnter Gedanke. Doch bald sprach es sich
herum, dass die Ordnung der Welt nicht auf
ewig eingerichtet ist, dass sie vielmehr neu ge­
dacht und geprägt werden kann. Und dass die
Kunst dafür gemacht ist, sich im Denken und
Prägen zu üben. Auch davon erzählen viele
Bilder Vermeers: dass Menschen nicht länger
das Objekt ihres Schicksals sind, sondern über
sich hinausweisen, als handelnde Subjekte.
Seine Frauengestalten sitzen zu Hause, aber sie
sitzen nicht fest. Manche lesen Briefe, andere
schreiben Briefe, in einem der Ausstellungssäle in
47
Vom Licht
gestreichelt:
»Frau mit Waage«,
um 1664 von
Johannes Vermeer
Als habe er ein
Sinnbild der inneren
Balance malen
wollen –
Detail der Hand, die
eine Waage hält
Ein Lächeln der
Zufriedenheit?
Wie kaum ein
anderer Maler
interessierte sich
Vermeer für
das Innenleben
seiner Figuren
Auch Geld kann
blitzend schön sein
– und offen bleibt,
was für Vermeer
hier schwerer wiegt:
Schönheit
oder Wohlstand?
Amsterdam wirkt es so, als schrieben sie sich­
gegenseitig, Schwestern im Geiste. Das erscheint
heute nicht weiter erwähnenswert, wurde aber
damals als Zeichen der Eman­zi­pa­tion verstanden,
von manchen begrüßt, von vielen beargwöhnt:
Frauen, die sich mitteilen, die sich ihrer Gefühle
schreibend bewusst werden, die sich lesend in
andere hineinversetzen.
Vermeer ist ein Meister dieser Binnenschau.
Alles Äußere hingegen, auch die Kunst, scheint
ihm zweitrangig und relativ. Auch das führt er
uns vor, bis hinein in die malerischen Details.
Irritierend, wie er manche Gesichter ver­
schwimmen lässt, wie die Farben zerlaufen.
Dann wieder mikroskopiert er, hebt Details
hervor, ohne dass man recht wüsste, warum.
Manche vermuten, er habe eine Camera­
obscura benutzt, daher rührten die optischen
Effekte. Doch erklärt das, warum Vermeer sich
nicht korrigierte, die Unschärfe nicht nach­
schärfte? Er hätte es tun können, doch er tat es
nicht. Ihm gefiel die Irritation, dieser Moment,
in dem wir spüren, dass unsere Sinne nicht alles
gleich gut, gleich genau erkennen. Und also
unser Bild von der Welt relativ bleibt.
So gut wie nichts hat sich über Vermeers Leben
erhalten, es gibt von ihm keine Briefe, keine­
Radierungen, Zeichnungen, Notate. Gut möglich,
dass er keine Vorstudien brauchte, einfach drauf­
losmalte, rasch, mit dem Pinsel suchend. Das­
jedenfalls ergeben die Mikroanalysen seiner Bilder:
dass hier ein Maler am Werk war, der sich selbst
revidierte, Figuren entwarf, sie wieder löschte,
seine Leinwand ein freies Feld. Kein Wunder, dass
Vermeer selten mehr als zwei, drei Bilder im Jahr
malen konnte.
Seine Kunst legt sich nicht fest, ihre Figuren
nicht und uns noch weniger. Sie wagt u­ ngewohnte
Nähe, den intimen Blick. Und doch, bei aller
Nahbarkeit, bleibt sie unfasslich. Auch das macht
Vermeers Kunst aus: dieses Wechselspiel, vertraut
und unvertraut zugleich. Es setzt seine Bilder
unter Spannung und hält sie gegenwärtig.­
Vermeer, ein Gigant des Jetzt.
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48 FEUILLETON 9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7

NACHRUF

Jähzornig, autoritär,
ungerecht, unverschämt
und fantastisch!
Vier Weggefährten
verabschieden sich
von dem großen Theatermann
Jürgen Flimm 

Foto: Carlos de Mello/Anzenberger (Ausschnitt)

Jürgen Flimm (* 17.4.1941, † 4.2.2023), geboren in Gießen, Kölner im Geiste, leitete das
Kölner Schauspiel, das Hamburger Thalia Theater, die Ruhrtriennale und die Salzburger Festspiele

DANIEL BARENBOIM Zwischenlösung, ein Zentrum des europäischen »Ich kann schon wieder allein aufstehen!« – Feudalherr von legendärer Launenhaftigkeit. Jäh- Bühne landete und wildes Zeugs trieb und sich nach
Musiktheaters gemacht hat. In denen er nie aufgege- »Ich brauche nur noch eine Krücke!« zornig, autoritär, ungerecht, unverschämt und fan- vier Stunden bei den Keksen wiederfand.
Jürgen Flimm war einer der ganz Großen des deut- ben hat. In dieser Zeit hat Jürgen neben allem Künst- Es gibt eine eiserne Regel, mit der ich Dich vor tastisch! Der beste ­Intendant, der sich denken lässt! Irgendwann – spät! – wurde geordnet, gestrichen,
schen Theaters, er war ein außergewöhnlicher­ lerischen und Organisatorischen eine menschliche Kurzem trösten wollte: Assistenten sterben nicht Denn du warst z­ugleich hilfsbereit, großzügig,­ behalten, ausgesiebt, zusammengefügt, und auf v­ öllig
Intendant und mein Freund. Über die langen Jahre Größe bewiesen, die ihresgleichen sucht und vor der vor ihren Chefs. Jetzt bist Du mein Chef. angefasst, beteiligt, kraftvoll, neugierig, fähig,­ unerklärliche Weise spielten dann zwanzig Leute,
unserer Freundschaft haben wir viel miteinander ich größte Hochachtung habe. Es war eine wunder- Bis bald, alter Freund! Im Himmel? Oder in konstruktiv, anerkennend, erfinderisch, ruhelos, nach sechs Wochen Proben, eine so meisterliche Auf-
erlebt. Wir haben zusammen die Berliner Staats- bare, eine wilde Zeit, die wir hatten und die mir stets der Hölle? Oder im Schnürboden? umtriebig, humorvoll und bei alledem künstlerisch führung von zum Beispiel Platonow, als hätten sie sich
oper geleitet, und gemeinsam haben wir die wohl in lieber Erinnerung bleiben wird. Jürgen war immer eine echte Instanz. Du warst eben nicht nur ein­ das ganze Stück in diesem Moment selbst ausgedacht.
langwierigste Renovierung eines Opernhauses aller voller Intensität und Freude am Schaffen. Und das Dein Claus Intendant, sondern zuallererst und eigentlich ein »Zwischen die Schauspieler und das Publikum
Zeiten überstanden. Immer hat sich Jürgen als alles mit tollem Humor. Wir haben so viel zusammen Regisseur. Und zwar ein sehr, sehr guter! Dein­ darf sich nichts dazwischenschieben«, hast Du mal
kompetenter, konstruktiver und vor allem zutiefst gelacht! Er wird mir fehlen. Claus Peymann ist Regisseur und Intendant Interesse galt, es klingt selbstverständlich, ist es aber gesagt, »vor allem nicht der Regisseur. Der Schau-
loyaler Mensch und Künstler erwiesen. Er hatte ein und leitete zuletzt das Berliner Ensemble schon lange nicht mehr: den darzustellenden Figu- spieler ist das Medium des Theaters.«
wunderbares Gespür dafür, wie große Häuser und Daniel Barenboim ist Dirigent und Pianist und ren, den Menschen auf der Bühne. Konzeptionelle Du warst ein moderner Regisseur, und trotzdem
Festivals zu leiten sind, in Hamburg, Köln, ­Bochum war Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper Erwägungen kamen später. Du warst von allen­ hattest Du eine lebendige Vorstellung des barocken
oder Salzburg – er motivierte sein Team, scheute SVEN-ERIC BECHTOLF Regisseur*innen, mit denen ich arbeiten durfte, der Theaters: Himmel, Erde und Hölle. Und tief in Dir
keine Auseinandersetzung, die für die Kunst not- mit dem unbestechlichsten Sinn für die pro­saische lärmte, mit Tschingderassabum, Tusch und Trom-
wendig war, und identifizierte sich immer hundert- CLAUS PEYMANN Mein lieber Jürgen, Wahrheit einer Figur. Wenn man als Schauspieler melwirbel, noch eine Pawlatschenbude, ein Varieté,
prozentig mit der Institution und den Menschen, was vorhatte und sich mit Verve in die Ausdrucks- eine Kirmes, ein Wanderzirkus. Und Geigen! Und
die darin arbeiteten. Lieber Jürgen, 1988 kam ich zu Dir ans Thalia Theater. In Dein kurve lehnen wollte, bekam man etwa den Rat- ein silbernes Glockenspiel!
Ich kannte und schätzte Jürgen natürlich besonders Reich! Die Pforten öffneten sich und verschlangen schlag: »Sei jetzt mal janz, janz müde. Da haste jar Du hast einmal gesagt, die Eignung fürs Theater
als Opernregisseur. Er hat in diesem Bereich viel be- neulich ist mir eine verrückte Geschichte passiert, mich für zehn Jahre. Zehn Jahre, in denen es von nich mehr die Kraft dazu!« verdanke sich einer Mischbegabung. Das stimmt.
wegt, von Luigi Nonos Al gran sole carico d’amore, die Dir schmeicheln wird. Mich hat sie eher eifer- morgens bis abends ausschließlich ums Theater Du konntest unerhört gut zuschauen und eine Du konntest zeichnen, schreiben, spielen, bezir-
seiner ersten Musiktheater-Inszenierung 1978, bis süchtig gemacht. Das wird Dir noch mehr gefal- ging. Streitend, feiernd, liebend und viel arbei- Rolle aus der Falle der scheinbaren Folgerichtigkeit zen, verkaufen, singen, denken, spinnen, organisie-
zum Ring in Bayreuth. 2000 inszenierte er erstmals len. Die ging ungefähr so: tend, wurden wir zu einem echten Ensemble. Zu befreien. ren, träumen, rechnen, dichten und lieben.
an der Staatsoper Unter den Linden: Verdis Otello mit einer Familie. Der Vater und die Mutter dieser Du warst, mit heiterer Nachsicht, lebenserfahren Eine Wahnsinnsmischbegabung, wenn du mich
mir am Pult. Wir haben die Leidenschaft für die Oper FRAU: »Ach, guten Tag, Herr Flimm! Das freut Familie warst Du. Zugegeben: Die Familie soff und sehr diesseitig, aber zugleich auch in den Ge­ fragst. Eine, wie sie so bald nicht wiederkehrt. Ich
bis in Details hinein gleich empfunden und gemein- mich ja, dass ich Sie hier treffe!« und rauchte, machte die Nächte durch, betrieb filden, wo die Musik wohnt, die Schönheit, die danke Dir, Jürgen, und verneige mich vor Dir.
sam gegen Mittelmaß und Feigheit angekämpft. ICH: »Guten Tag! Leider muss ich Sie enttäu- Raubbau bis zum Morgengrauen und verkürzte Leichtigkeit und die Anmut, zu Hause.
Jürgen war ein unglaublich offener und neugieriger schen, ich bin nicht der Herr Flimm – auch wenn ihre statistische Lebenserwartung dramatisch. Aufs Und da Du Dich selbst nicht allzu ernst nahmst, Sven-Eric Bechtolf ist Schauspieler,
Künstler mit einem Repertoire, das von Mozart bis wir uns gut kennen, der war nämlich mal mein Ensemble hochgerechnet, haben wir mindestens hattest Du überdies noch viel Witz und Humor. Theater- und Opernregisseur
Sciarrino reichte. Den Musiktheaterabend zur­ Regieassistent!« 568 Lebensjahre verballert. Aber es hat sich ge- Überhaupt: Komiker hatten es gut bei Dir. Wenn
Wiedereröffnung der Berliner Staatsoper mit Schu- FRAU: »Aber Herr Flimm ...! Natürlich sind Sie lohnt. Und wir, die wir uns erinnern, wissen es man sehr großen Blödsinn veranstaltete, der Dich
manns Faust-Szenen konzipierten wir gemeinsam und das!« vielleicht erst jetzt. zum Lachen brachte, bereitete es Dir fast körperliche GERHARD SCHRÖDER
nannten ihn Zum Augenblicke sagen: Verweile doch!. ICH: »Nein, wirklich, das bin ich nicht!« Du vorher schon. Dein Lieblingssatz aus Brechts Schmerzen, die Kapriolen zu unterbinden.
Als Jürgen 2010 die Intendanz der Lindenoper FRAU: »Aber wer sind Sie denn dann?« Im Dickicht der Städte war nicht von ungefähr: »Das Als Jani zu uns kam, hast Du mich nach seinen Jürgen Flimm war für mich nicht nur ein großer
übernahm, tat er dies in der Annahme, dass die Reno- ICH: »Claus Peymann heiß ich.« Chaos ist aufgebraucht, es war die beste Zeit!« ersten Proben gefragt: »Und, wie is er?« Ich sagte: Mann des Theaters, sondern auch ein Freund und
vierung des Hauses drei Jahre dauern und er 2013 die FRAU: »Peymann?! – Nie gehört.« Ich höre, dass heute viele Theaterschaffende die »Schmierant.« Darauf Du: »Sehr jut!« wichtiger Ratgeber in Fragen der Kulturpolitik.
»neue alte« Staatsoper wiedereröffnen würde. Es steilen Hierarchien des Betriebes ablehnen,­ Die Proben mit Dir begannen immer mit Gequat- Er war zusammen mit Günter Grass und ande-
wurden sieben lange Jahre daraus. Jahre, in denen Vor über 50 Jahren haben wir uns kennengelernt. Regisseure entbehrlich finden und die Intendanz in sche. Das wurde geradezu verlangt. Da standen Keks- ren der Schöpfer des Staatsministeriums für Kultur
Jürgen gemeinsam mit mir für die Wiedereröffnung Als es uns beiden (inzwischen um die 80 ...) nicht die Hände eines Kollektivs legen wollen. Die wür- schalen herum und Kaffee, und dann wurde ge- in Deutschland.
gekämpft hat. In denen er aus dem kleinen so gut ging, haben wir uns gegenseitig heraus­ den in Schockstarre verfallen, wenn sie Dich in tratscht und geratscht, und irgendwann, unmerklich,
Charlotten­ burger Schillertheater, der ungeliebten gefordert: Deiner besten Zeit erleben könnten. Du warst ein ergab es sich, dass man Text machte und auf der Gerhard Schröder ist Bundeskanzler a.D.

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rasch, Friederike Oertel, ­Michael Schock, Lars Spannagel Börsenpflichtblatt: An allen acht deutschen Wertpapierbörsen ISSN: 0044-2070
DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023
A
ls Putin vor nun einem Jahr
seine »Spezialoperation« in der
Ukraine begann, hat er nicht
gerade weise gehandelt. Er hat
sich auf etwas eingelassen, des-
sen Abenteuerlichkeit er nicht
einkalkuliert hat. Jetzt sitzt er
in der Klemme und bekommt die negativen Fol-
gen seines Einsatzes zu spüren. Erfolg ist nicht in
Sicht, der Radius seiner Handlungsmöglichkeiten
hat sich enorm eingeschränkt.
Wie es weitergehen wird, ist völlig ungewiss.
Putin hatte nur die eigene Inszenierung im Blick.
Gekränkter Stolz und imperiale Machtgier führten
die Regie. In seiner Verblendung hat er seinen Gegner
unterschätzt und die Realität aus den ­Augen verloren.
Er hat weder enge Freunde noch engagierte Ver-
bündete; sein Markenzeichen ist die Einsamkeit.
Eigentlich ein Tragödienstoff, wie wir ihn lieber von
Shakespeare erdichtet auf einer Bühne sehen würden.
Putin lässt sich leicht als Gegenbild zur Weisheit
stilisieren. Was aber macht Weisheit aus? Wer die
Grundhaltung des Weisen einnimmt, kann einem
Krieg nichts abgewinnen. Im Gegenteil sind alle­
Anstrengungen der Weisheit darauf gerichtet, Krieg
zu vermeiden. Ich beziehe mich hier auf einen anti-
ken Traditionsstrang von Spruchsammlungen, zu
denen etwa die bib­lischen Sprüche Salomos gehören:
eine Tradition, die als ein wertvolles Kulturerbe in
die Gründungstexte verschiedener Religionen auf-
genommen wurde.
Das zentrale Thema dieser Weisheitstexte, die
ich hier einmal rigoros verallgemeinere, ist die
Kunst des guten Zusammenlebens. Von Patriotis-
mus, Kampfesmut und heroischem Sterben ist da
nicht die Rede. Anders als in Re­li­gion und Politik
wird der Tod im Kontext der Weisheitslehren
nicht mythisch überhöht. Es geht dort auch nicht
primär um die Überwindung der Todesfurcht wie
in bestimmten Philosophenkreisen oder in den
Tugendlehren von Kriegerkasten. Der Tod jedoch
wird keineswegs verdrängt, ganz im Gegenteil.
Im Zentrum der Weisheit steht die enge Bezie-
hung zwischen Weisheit und Tod. Der Satz »Herr,
lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf
dass wir weise werden« (Psalm 90,12) ist auf man-
chem Grabstein zu lesen. Aus Schaden kann man
vielleicht »klug« werden, aber zum Kern der Weisheit
gehören die existenzielle Anerkennung der Endlich-
keit des Lebens und eine bescheidene Selbstzurück-
nahme. Größenwahn, Gier, Lüge oder Gewalt sind
die ewigen Gegenspieler in Weisheitslehren. Sie
werden als Teil der menschlichen Natur angenom-
men und eingehegt. So gesehen enthalten die Lehren
der Weisheit das älteste Programm zur Bändigung
und Zivilisierung destruktiver menschlicher Leiden-
schaften. Denn die Erfahrung lehrt: Je stärker ein
Ego sich aufbläht und solche Triebe nährt, desto
größer die Gefahr für die Gesellschaft.
Die Gefahr geht aber nicht nur von denen aus,
die ihr Ego auf Kosten anderer ausleben, sondern
auch von denen, die solches Verhalten schätzen.
Durch Bewunderung und Bestätigung produziert
jede Gesellschaft die Helden, die sie verdient.
Dennoch gilt der Satz: Es gibt keine größere
Unterschiedlichkeit als die zwischen Krieg und Weis-
heit. Diese beiden sind so radikal verschieden, dass
sie nicht einmal als zwei Seiten einer Medaille gedacht
werden. Das Gegenteil von Krieg ist Frieden, aber
dieser gehört aufs Engste zum Krieg.
Die von der Weisheit geprägte Lebenswelt exis-
tiert in einem anderen Universum und baut auf einer
ganz anderen Logik auf. Kriege brauchen eine Logik
der Polarisierung durch Gegensätze. Am Anfang
steht jeweils die rigide Trennung von Freund und
Feind. Man muss den Feind de-humanisieren, sonst
funktioniert der Krieg nicht. Alles, was mit Krieg zu
tun hat, folgt dieser »polemischen« (das Wort kommt
ja von dem griechischen Wort für »Krieg«) Logik der
Gegensätze. Er macht aus Freunden oder Nachbarn
Feinde, er stellt den Alltag auf den Kopf und lässt
ihn zum Ausnahmezustand werden, und er endet
un­erbitt­lich mit Sieg oder Niederlage.
In der Weisheit dagegen ist die binäre Logik der
Gegensätze ausgehebelt. Das gilt nicht nur für pole-
mische Gegensatzpaare, sondern auch für kulturell
produktive Unterscheidungen wie »wahr oder
falsch« in der Wissenschaft und »gut oder böse« in
Moral und Religion. Das liegt daran, dass Weisheits-
texte keinem Systemdenken folgen, sondern auf
Erfahrung gegründet sind und ko­gni­ti­ves, affektives
und reflexives Wissen mit­ein­an­der verbinden. Wie
in den Spruchsammlungen bleiben die Einsichten
ne­ben­ein­an­der stehen.
Auch wenn sie sich gelegentlich des biederen
Schemas von gut versus böse bedient, zielt die Weis-
heitsliteratur (wie das Buch Hiob zeigt) auf die Über-
windung von Gegensätzen und auf eine grund­sätz­
lichere Aus­ein­an­der­set­zung mit der Komplexität der
Welt. Ansichten und Urteile gelten als weise, wenn
sie über starre binäre Muster sozialer oder moralischer
Normen hinausgehen und ein umfassenderes Ver-
ständnis für Ordnung, Komplexität und Balance
ermöglichen. Weisheit in diesem Sinne ermöglicht
eine tiefere Sicht des menschlichen D ­ aseins, oft in
einem größeren kosmischen Kontext.
Ihre Energie ist darauf ausgerichtet, soziale K
­ räfte
im Menschen zu stärken, um Schaden und Gewalt
zu vermeiden. Deshalb macht sie immer neue prak-
tische Vorschläge, wie ein gutes Zusammenleben
gelingen kann. Alle ihre Regeln zielen kultur­
übergreifend darauf ab, das überhebliche Ego zu
redu­zieren und den konnektiven sozialen Sinn für
Gegenseitigkeit und Gerechtigkeit zu stärken. Es wird
dabei sehr genau auf problematische Handlungs-
folgen geachtet, um nachhaltigere Lösungen zu­
finden. Weises Denken steht deshalb im Zeichen
einer Gewaltprävention, die über Jahrtausende­
erprobt und weitergegeben wird.
SINN & VERSTAND
Die philosophische Seite
Foto: Natalie Keyssar
Blick ins Freie, aus den Trümmern im ukrainischen Bilosirka, Juli 2022
Gibt es Weisheit
im Krieg?
Seit Jahrtausenden gilt es als weise, Gewalt zu vermeiden.
Denn der Krieg vernichtet Zukunft, auch in der Ukraine. Und doch lässt sich
mit der Weisheit keine gerechte Gesellschaft begründen  VON ALEIDA ASSMANN
Der zentrale Grundsatz der Weisheit ist die­
»goldene Regel«, die überall auf der Welt erfunden
wurde und anerkannt ist. Jedes Kind hat sie schon
mal gehört: »Was du nicht willst, das man dir tu’, das
füg auch keinem anderen zu«. Eine weltweite Geltung
dieser Regel würde jeden Terroranschlag und jeden
Angriffskrieg verhindern. Sie hat nichts mit Religion,
sondern nur mit gutem Zusammenleben zu tun, und
dennoch ist sie in den kanonisierten Texten aller
monotheistischen Religionen über­liefert.
Im Buch Tobit der Hebräischen Bibel gibt der
alte Tobit seinem Sohn Tobias folgende väterliche
Weisheit mit auf den Weg: »Was dir selbst verhasst
ist, das mute auch einem anderen nicht zu«. (Tobit
4,15) Im Neuen Testament erscheint die goldene
Regel in der positiven Form: »Alles nun, was ihr
wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen
auch!« (Matthäus 7,12)
Während die goldene Regel allgemein bekannt ist
(ohne dass man weiß, woher sie kommt und dass sie
so heißt), war der Philosoph Immanuel Kant mit
dieser Formel keineswegs einverstanden. Er ersetzte
den populären Spruch durch seinen »kategorischen
Imperativ« mit stärkerer normativer Kraft auf einer
höheren Abstraktionsstufe: »Handle nur nach der­
Friedenspreis
Aleida Assmann, 75, ist Anglistin
und Ägyptologin und hat bis zu ihrer
Emeritierung an der Universität
Konstanz gelehrt. Ihre Forschungen
umfassen ein weites Spektrum
kulturwissenschaftlicher Themen:
Sie hat über den Zusammenhang
von Zeit, Dauer und Tradition
gearbeitet wie auch über Erinnerung,
Vergessen und Geschichtspolitik. Im
Jahr 2018 wurden sie und ihr Mann,
der Ägyptologe Jan Assmann, mit
dem Friedenspreis des Deutschen
Buchhandels ausgezeichnet.
Die beiden haben
fünf gemeinsame Kinder.
Die nächste Seite Sinn & Verstand
erscheint am 9. März
49
als die »sieben Werke der Barmherzigkeit« gepflegt
wurde und heute als »humanitäre Hilfe« praktiziert
wird: Essen und Trinken an den dafür eingerichteten
Tafeln oder ein Dach über dem Kopf für G ­ eflüchtete.
Für diese spontanen Akte der Hilfsbereitschaft
brauchte es keinen kategorischen Imperativ.
Weisheit ist aber kein Allheilmittel, nicht in allen
Situationen ist sie hilfreich. Sie wurde in streng­
patriarchalischen und hierarchischen Gesellschaften
der Antike entwickelt, um die Sache der Entrechteten
zu stützen und die Schwachen zu stärken. Das Ethos
der Weisheit wurde als eine Art Schadensbegrenzung
eingeführt. Es hat die Ungleichheit gemindert, aber
die ungerechten Strukturen nicht verändert. Der­selbe
Vorwurf wird heute dem Mitleid gemacht: Es­
stabilisiert ungleiche Machtverhältnisse.
Der Impuls zur Mitmenschlichkeit mahnt die
Herrschenden zum Ausgleich, aber er autorisiert die
Schwachen nicht, sich selbst ihr Recht zu verschaffen.
Sie bleiben angewiesen auf die Gunst der Macht­
haber. Ebenso wenig unterstützt die Weisheit die
Kraft einer Stimme, die sich kritisch gegen die Obrig-
keit zur Wehr setzt. Aus Weisheitstexten lässt sich
kein Protest- oder Widerstandspotenzial destillieren.
Das gilt auch für das Leben in Diktaturen und ande-
ren Unrechtsregimen. Da Weisheitslehren keine
politischen Normen und Grundsätze beinhalten,
kann man sich mit ihnen auch nicht radikal zur Wehr
setzen, um die jeweilige Ordnung der Gesellschaft
aus den Angeln zu heben. Mit ihren Lehren lässt sich
jede Gesellschaft verbessern, aber keine gerechte
Gesellschaft begründen.
Der tiefere Grund für diesen offensichtlichen
Mangel liegt darin, dass die Ermächtigung des­
Individuums, wie wir sie zu Recht als eine zentrale
Errungenschaft der westlichen Geschichte und ­Kultur
­feiern, in der Tradition der Weisheit nicht statt­
gefunden hat. Deshalb könnten wir sie »quietistisch«
oder »zahnlos« nennen und als ein kurioses, aber
unbrauchbares kulturelles Relikt aus dem Haushalt
unserer Wertbegriffe gleich wieder ausmustern.
Das wäre allerdings etwas voreilig, denn für die
Rückkehr der Weisheit gibt es derzeit gute Gründe.
Zwar darf man stolz sein auf westliche Errungen-
schaften wie Bürger- und Menschenrechte, die in
vielen Ländern zurzeit hochbegehrt sind und weiter-
hin verweigert werden. Wir erleben aber auch gleich-
zeitig ein wachsendes Misstrauen gegenüber den
negativen Folgen der westlichen Expansion, die­
andere Kulturen ausgebeutet hat und die das öko-
logische System zerstört.
Es ist nicht mehr zu leugnen, dass der »Prozess
der Zivilisation« von kolonisierten Kulturen als­
historisches Trauma erlebt worden ist. Die Weisheit,
die diesem modernen »Prozess der Zivilisation« zum
Opfer gefallen ist, ist aber selbst eine wichtige­
Ressource der Zivilisierung: Sie steht für eine­
Erziehungsarbeit am Menschen selbst mit seinen
gefährlichen antisozialen und gewalttätigen Anlagen.
Mit diesem kulturübergreifenden Menschenbild
verbindet sich die Aufgabe, den Menschen, wie es in
Lessings Ringparabel heißt, »vor Gott und Menschen
angenehm zu machen«.
Zurück zum Krieg. Sein Gegenteil ist der Frieden.
Dieses Gegensatzpaar strukturiert die Geschichte.
Man hat sich daran gewöhnt, dass die Menschheit
ihre Probleme mit Kriegen oder Revolutionen­
gewaltsam löst. Zusammenbrüche und Neuanfänge,
Katastrophen und Zeitenwenden formen die­
Geschichte, in der immer wieder das Alte zusammen-
brechen und verschwinden muss, damit auf einer
Tabula rasa etwas Neues entstehen kann. Trotz­
Gewalt und Zerstörung gilt der Krieg in der west­
lichen Tradition im Grunde als schöpferisch. Er ist
»der Vater aller Dinge« in der Logik der Politiker und
Historiker. Mit Blick auf den Ukraine-Krieg schreibt
Karl Schlögel: »Es ist vorläufig die Zeit der Einzel-
kämpfer, aus der vielleicht etwas neues Größeres wird:
ein Europa von unten, die Solidaritätsbewegung mit
der Ukraine im Zentrum.« Das ist die alte Hoffnung:
der Krieg als Hervorbringer, Erneuerer – nach einem
entsprechenden Frieden, versteht sich.
Die Weisheitslehren haben ein anderes Verhältnis
zur Zeit. Sie kennen keine großen Umwälzungen,
vermutlich weil sie oft im Schatten von Zusammen-
brüchen entstehen und daher darauf ausgerichtet
sind, Gewaltausbrüche und katastrophische Groß-
ereignisse von vornherein zu verhindern. Gibt es also
keine Weisheit im Krieg? Doch. Ihr Augenmerk ist
auf eine Form von Zeit gerichtet, die so dauerhaft
und zuverlässig ist wie die menschlichen Bezie­
hungen, die in die Zukunft reichen und sie stabili­
sieren. Es geht bei dieser Zeit um Nachhaltigkeit,
womit nicht nur ein ökologisches Prinzip gemeint
jenigen Maxime, durch die du zugleich wollen ist. In der Weisheitstradition geht es stets um diese
kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.« Sicherung von Zukunft, sowohl für die Mitwelt als
Dieser Imperativ verwandelt die ubiquitäre (und
somit überall anerkannte) goldene Regel in ein uni-
auch für die Umwelt, denn als »wahr« gilt in der Weis-
heitstradition, was sich auf lange Sicht bewährt.
versalistisches Prinzip und einen europäischen Der Krieg dagegen ist ein radikaler Vernichter von
Export­artikel, der auf der ganzen Welt Geltung be- Zukunft. Während man sich an vielen Orten auf der
ansprucht. Indem Kant die goldene Regel moralisch Welt zu Beginn des neuen Kalenders gegenseitig »ein
aufgerüstet hat, hat er sie zugleich als einen wichtigen gutes neues Jahr« wünscht, hängt in der Ukraine­
Grundkonsens der Menschheit, der viele Kulturen bereits dieser Basiswunsch in der Luft. Wird es für sie
auf der ganzen Welt verbinden kann, entwertet. überhaupt noch ein Jahr geben? Ohne diese Hoff-
Die altägyptischen Beamten wussten noch nichts nung kann man nicht leben. Andrej Kurkow schreibt
von Kants Imperativ, aber sie beherzigten die g­ oldene in seinem Tagebuch einer Invasion: »Ich brauche
Regel, besonders in der affirmativen Variante. In Nachrichten, die mir Kraft und Hoffnung geben.
ihren Grabinschriften stellten sie sich gerne als Wohl- Meine größte Angst ist es, meinen Optimismus zu
täter dar, die den Schwachen geholfen haben, nie auf verlieren.« Seine Hoffnung richtet sich auf eine­
ihren eigenen Vorteil bedacht waren und sich um Zukunft »›nach dem Krieg‹ – oder ›nach dem Sieg‹,
Ausgleich in der Gesellschaft verdient gemacht haben. wie wir lieber sagen«. Und er fährt fort: »Es ist schon
Sie be­tonen, dass sie das Anliegen ihrer Bittsteller seltsam, in eine Nachkriegszukunft zu blicken, wäh-
angehört und deren Bedürfnisse stets erfüllt haben. rend man noch mitten in den Kriegs­wehen steckt.«
Die Wahrheit dieser Bezeugungen kann heute Auf diese Zukunft wird aber nicht einfach gewar-
niemand mehr überprüfen; wichtiger ist aber, dass tet, an ihr wird schon jetzt, mitten im Krieg, ständig
die »Menschenpflichten«, derer sie sich rühmen, in gearbeitet – mit Plänen und Projekten zum Wieder-
der ägyptischen Gesellschaft offenbar zum guten Ton aufbau des Landes. Über Krieg und Zerstörung­
gehörten. Und nicht nur dort. Sie umfassen auch das, hinauszudenken und an einer friedlichen Z ­ ukunft
was in der christlichen Tra­di­tion jahrhundertelang zu arbeiten – das könnte man weise nennen.
50
Abb.: Filmgalerie 451; Illustration: Rachel Levit für DIE ZEIT (r.)
Was führt das französische Militär auf der Pazifikinsel Tahiti im Schilde?
Szene aus Albert Serras Film
Sie nennen es
Paradies, aber sie sind
Idioten
Ein obskurer Fiebertraum aus postkolonialem Chaos und Atomversuchen:
Albert Serras tropischer Thriller »Pacifiction«  VON GEORG SEESSLEN
Etwas stimmt nicht im postkolonialen Insel­ De Roller versucht herauszubekommen, was
paradies von Tahiti. Nicht nur dass sich in den sich da abspielt. Aber auf eine schleichende Weise
Gauguin-Traum die grellen Neonlichter und schwindet sein Einfluss. Was er sieht, in dieser
das Stroboskop-Feuer des Nachtclubs Paradise einzig­artigen Mischung aus Schönheit und Er­
Night mischen und Containerreihen die Sicht schöpfung, wird immer rätselhafter, und wenn er
auf den Pazifik nehmen. Es sind auch eher­ spricht, driften seine Aussagen ins Monologische;
seltsame Besucher auf der Insel unterwegs: ein er schweift ab, das bemerkt er selbst. Benoît Mar­
Portu­giese, der über einen gestohlenen Pass gimel stellt mit atemberaubender Präzision dieses
lamen­tiert, ein schweigsamer Amerikaner, eine langsame, aber offenbar unaufhaltsame Entgleiten
Autorin mehr oder weniger skandalöser Roma­ dar, diese Mischung aus Selbstüberschätzung,­
ne, die in ihren Büchern die Verderbtheit und Inszenierung und Verzweiflung. Wie den Mäch­
den Obskurantismus der Pariser Bourgeoisie tigen die Macht abhandenkommt und wie auf
zum Thema macht. Außerdem ein Admiral der den Tag die Nacht folgt, das sind Leitmotive in
französischen Marine, der halb trunken Senten­ der Theater- und Filmarbeit von Albert Serra. Ein
zen zwischen Herman Melvilles Captain Ahab weiteres ist das Scheitern der europäischen Auf­
und Stanley Kubricks Dr. Strange­love von sich klärung an der chaotisch-sinnlichen Welt.
gibt. Wie ernst kann man so etwas nehmen: Was sich De Roller zugutehält und was er an
»Wenn sie sehen, was wir gewillt sind, unseren der Romanautorin schätzt: eine Haltung, die­
eigenen Leuten anzutun, ja, unserem eigenen einerseits den Obskurantismus der Mächtigen
Volk, werden sie dann noch daran zweifeln, wie anprangert und dabei andererseits »mehr neue
es unseren Feinden ergehen mag?« Verwirrung stiftet als vereinfachte Erklärung«
Der Erste, der die Zeichen der Gefahr er­ und »eine fremde Sprache« erzeugt. Da spricht
kennt, ist der Hochkommissar mit dem spre­ der Film natürlich auch über sich selbst. Es spukt
chenden Namen De Roller. Das ist keiner, der ein Politthriller in Pacifiction. Außerdem ist der
»regiert«, vielmehr einer, der überall ist, alles Film postkoloniale ­Farce, ein Spiel mit sexuellen
sieht und alles hört, überall gesehen wird und und politischen Rollen. Mittendrin gibt es Vor­
überall gehört. Hier gibt es Verführung, dort bereitungen eines »ethnischen« Tanzprojektes,
eine Drohung, i­mmer aber nachgiebige Mani­ das einen Hahnenkampf darstellen soll und De
pulation im ­ Dienste »seiner« Insel und ihrer Roller zu Beginn nicht wild, nicht aggressiv ­genug
Menschen gegen den Einfluss der Kirche, gegen scheint. Auch eine böse Sprach- und Denk­
die Borniertheit der (Ex-)Kolonialmacht. Es gibt komödie steckt in Pacifiction. Die Dialoge erin­
Gerüchte. Ein Unterseeboot könnte an der ­Küste nern oft mehr an ausgefeilte rhetorische Bühnen­
verborgene Operationen vornehmen. Mög­ duelle als an einen Handlungsfilm. Manchmal
licherweise hat man im fernen Frankreich be­ überlässt sich der Film aber auch einfach der­
schlossen, die Atomversuche wieder aufzu­ gefährdeten Schönheit oder der Schönheit der
nehmen, die hier einst so verheerend wirkten. Gefährdung, wie man es nimmt, wenn es in die
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FEUILLETON 9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
ÜBER DEN LINDEN
Kleines Abenteuer
mit Maispoularde
Ein gespenstischer Abend im Wissenschaftskolleg
zu Berlin  VON MAXIM BILLER
Wir – Claudius, Dr. Schlak und eine freundliche die Pressesprecherin des Wissenschaftskollegs,
Unbekannte um die vierzig, die uns als Katharina wie ich inzwischen wusste, schaute verlegen zur
vorgestellt wurde – saßen im Restaurant des Wissen­ Seite, und Claudius guckte wieder zum Nach­
schaftskollegs in Grunewald und redeten über­ bartisch. »Interessant, dass Sie das sagen«, sagte
Erinnerungskultur. An den anderen weiß gedeckten Dr. Schlak gut gelaunt, »Christian Meier, der
Tischen saßen die »Fellows«, wie die Stipendiaten Historiker, Sie wissen schon, schrieb einmal da­
des weltberühmten Forschungsinstituts genannt rüber, wie er in den Achtzigern mit Fest, Siedler
werden, und aßen wie wir zuerst Meerrettichcreme­ und Gross zusammensaß und sie sich im Spaß
suppe, dann Maispoularde, dann Pannacotta mit gegenseitig Titel und Posten im ›Dritten Reich‹
Himbeersoße. Ich sollte mich hier auch mal be­ zuspielten. Innenminister, Reichssicherheits­
werben, ­dachte ich und fragte den Kellner, ob ich hauptamt und so.« Im Spaß, dachte ich und
noch mehr Nachtisch haben könnte. »Nein«, sagte schwieg. »Und wenn es doch Dirk Moses ist?«,
er streng, »es ist alles genau abgezählt.« sagte Claudius, mein Freund, der nicht nur per­
»Das Böse wurde nach dem Krieg in eine bad fekte Artikel über Film, Sprache und seltsame
bank geschoben«, sagte Dr. Schlak plötzlich hektisch Kulturfragen schreibt, sondern auch knallharte
und unsicher, als würde er seinen eigenen Worten Essays über die dunkle, anti­semi­ti­sche Seite der
nicht glauben. »Wollen Sie wissen, warum?«, sagte postkolonialen Kinder von Edward Said. Genau
ich. »Warum?«, sagte Katharina, und Claudius
fragte gleichzeitig: »Ist das da am anderen Tisch nicht
Dirk Moses?« Dr. Schlak drehte sich nach dem
dünnen Mann mit glatt rasiertem Kopf und dicker,
darum hat ihn der australische Historiker deut­
scher Herkunft A. Dirk Moses, der Kolonial­
massaker gegen industriellen Mord ausspielt und
deutsches Erinnern für eine verlogene Ersatz­
schwarzer Hornbrille um, dann drehte er sich achsel­ religion hält, einmal irgendwo beschimpft, wo­
zuckend wieder zu uns. »Nein«, sagte ich, »das ist er rauf ich Moses irgendwo beschimpft habe. »Ja, er
nicht. So lieb sieht kein linker Schoah-Neurotiker ist es doch«, sagte ich.
aus.« »Also«, fragte Katharina mich noch mal, »wa­ Inzwischen war das Restaurant im Keller
rum verschwand das Böse?« »Weil die Alliierten auf des Wissenschaftskollegs halb leer. Dr. Schlak
hohen Wellen geht oder im Propellerflugzeug die Deutschen bis 1990 aufgepasst haben.« »Steile schwärmte­jetzt vom Jahr 1929, als Leute wie En­
über die Insel. Wir erleben einen tropischen These«, sagte Dr. Schlak. »Wieso?«, sagte Claudius. zensberger, Habermas und Heiner Müller geboren
Fieber­traum, einen Zustand der schönen Agonie. Dr. Schlak hatte Claudius und mich vor einer wurden. So jung, wie sie waren, sagte er traurig,
Immer rätselhafter werden die Beobach­ Weile eingeladen, einmal zum Abendessen zu ihm habe ihnen nach dem Krieg die ganze Welt gehört.
tungen, Geschehnisse, Dialoge. Jemand setzt, so in die riesige alte Villa in der Wallotstraße rauszu­ Dann der Ernst-Jünger-Satz: »Weil alles freige­
heißt es, willkürlich Lichter auf der Insel. Junge kommen, keine Ahnung, warum. Er ist der Chef­ schossen war!« Und dann stand am Nachbartisch
Frauen werden nächtens aufs Meer hinaus­ redakteur der Zeitschrift für Ideengeschichte, von der ein hübscher orien­ta­li­scher Mann auf, kam zu mir
gefahren. De Rollers Kunst der Provokation sei­ ich vorher nie etwas gehört hatte, und so interessant und sagte in diesem süßen israelischen Englisch:
ner Gesprächspartner läuft ins Leere. Man k­ önnte und kompliziert, wie die meisten Texte darin sind, »Ich bin Oren aus J­erusalem. Ich bin hier Fellow.
aber auch behaupten, dass er die Dinge immer ist auch das Impressum. Herausgegeben wird sie Jemand hat mir ­gerade erzählt, du habest gesagt,
klarer sieht: »Politik ist wie ein Nachtclub. Sie von allen möglichen deutschen Kulturinstitutionen, dass alle Israelis ...« Er stockte. »Was?«, sagte ich
nennen es Paradies, aber sie sind Idioten. Es ist vom Marbacher Literaturarchiv über Hermann lächelnd. »Das weiß ich leider nicht mehr.« »Dann
ein Fest mit dem Teufel. Sie sind dort alle bei­ Parzingers Preußenverein bis zum Wissenschafts­ war es ja nicht so schlimm«, sagte ich und stellte
sammen mit Lichtstrahlen in ihren Gesichtern. kolleg. Der arme Dr. Schlak – alterslos, sympa­ mich ihm vor. Bevor Oren ging, fragte ich ihn, ob
Mit Lichtblitzen in der Dunkelheit. Sie haben die thisch und ständig nach dem richtigen Gedanken das an seinem Tisch Dirk Moses sei. »Ja«, sagte er,
Orientierung verloren. Sie verlieren ihr Gleich­ suchend – muss aber praktisch allein die ganze »ich habe ihn gerade erst kennengelernt.« »Pass
gewicht, ihre Erinnerung. Sie verlieren alles, auch Arbeit ­machen, oben, in einer winzigen Kafka-­ auf«, sagte ich, aber er verstand mich nicht.
ihren Verstand.« Dies spricht De Roller nur noch Straf- und Dachkammer des Wissenschaftskollegs. Ich denke gern an den Abend im Wissenschafts­
zu sich selbst, während er im strömenden Regen Anders konnte ich mir seinen strengen, zweifleri­ kolleg zurück. Ich hatte danach kaum Migräne, Dr.
in seinem Auto auf Beobachtungsposten ist und schen, ­intellektuellen Alltag gar nicht vorstellen. Schlak und Katharina waren tolle, neugierige Gast­
so gut wie nichts mehr sieht. Wir wiederum ­sehen »Rotwein?«, fragte mich Dr. Schlak, und ob­ geber, und ich habe mit Claudius nach langer Zeit
zu, wie den Postkolonialisten die Vernunft ab­ wohl ich vom Rotwein Migräne kriege, nickte ein kleines Abenteuer erlebt. Dass der opake Dirk
handenkommt. Nicht auf eine so dramatische ich – vielleicht, weil wir noch immer bei der Er­ Moses da war, trübt aber die Erinnerung. Neulich
Weise wie bei Joseph Conrad oder in Francis Ford innerungskultur waren. »Es ging ja früher unter hat er mal wieder auf Twitter zugeschlagen. »When
Coppolas Film Apocalypse Now, sondern auf eine Akademikern ein gewisser Rumor über Reich- I see bio-Germans punch down on others, dann­
fließende, farbsatte, halb trunkene Weise. Was Ranicki«, sagte Dr. Schlak wie aus dem Nichts. entsichere ich meine Browning«, variierte er, ver­
De Roller beobachtet und in sein Notizbuch Ich trank einen Schluck zur Beruhigung. Dann dreht völkisch, ein Nazi-Zitat von Hanns Johst,
schreibt, bildet kein konsistentes Modell seiner sagte ich: »Ich kann mir schon denken, was das dem großen ­Himmler-Freund, und was das mit
Insel oder seiner Welt mehr ab. Und auch wir für ein Gerücht war: Der vorlaute Jude, der uns postkolonialen Fragen zu tun haben soll, weiß ich
driften hinweg im unheimlich-schönen Sog der ständig kritisiert, war selbst beim Judenrat und nicht. Zum Glück war A. Dirk Moses an diesem
Bilder, im poetischen Widersinn der Dialoge. hängt jetzt mit dem FAZ-­Aufseher Fest bei­ Abend aber nur Gast im Kolleg. Fellow, finde ich,
Noch mehr als das Ende des Kolonialismus Albert Speers Buchpremieren herum.« Katharina,­ wäre absolut zu viel.
(und den Beginn neuen geopolitisch-militä­rischen
Wahns) erkennt man das Ende der europäischen An dieser Stelle erscheinen
Aufklärung. Im letzten Bild ist der ­Pazifik blutrot im Wechsel vier Kolumnen. Lesen Sie nächstes Mal
und die Nacht über der Insel endlos. »Mein Leben als Frau« von Antonia Baum
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DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023 FEUILLETON 51

Sein Herz
Wie Manuel Neuer in einem unbeobachteten Moment
aus der Deckung schlüpfte  VON VOLKER WEIDERMANN

Foto: Star-images/ddp
Einsam auf weiter Flur: Weltklasse-Torhüter Manuel Neuer

I
n ihrer Story Liebe beschreibt die ameri­
kanische Autorin Joy Williams einen
Prediger namens J­ones, der unter einer
sonderbaren und etwas peinlichen Le­
benskrankheit leidet: Er liebt allzu of­
fensichtlich. Williams schreibt: »Er äh­
nelt einem Tier in einem Wanderzirkus,
das aufgrund ­einer Missbildung ein lebenswichti­
ges Organ ­außen auf der Haut trägt, peinlich und
bedauernswert, etwas, das verborgen bleiben und
schon gar nicht beim Arbeiten gesehen werden
sollte.«
Der Kapitän der deutschen Fußballnational­
mannschaft und des FC Bayern München hat am
Wochenende eine sonderbare Peinlichkeit be­
gangen. Manuel Neuer hat im Interview mit der
­Süddeutschen Zeitung und dem Online-Sport­
magazinThe Athletic über seine Gefühle und, na
ja, so etwas wie Liebe gesprochen. Die Verant­
wortlichen bei Bayern München hatten während
­Neuers Verletzungszeit seinen Freund, Trauzeu­
gen und Trainer Toni Tapalović entlassen. Und
Neuer sagt dazu: »Ich hatte das Gefühl, mir wird
das Herz rausgerissen.«
Im selben Interview hatte er vorher schon
von seinen Tränen gesprochen, dann von den
Tränen der ganzen Torwart-Gruppe. Sodass der
Interviewer Philipp Selldorf sich gezwungen
sah nachzufragen: »Tränen, wörtlich?« Und
Neuer daraufhin: »Ich denke, das spricht für
sich.« Die Tränen sollen sprechen.
Nun war das Verstörende und beim Lesen­
irgendwie Peinliche an diesem Interview, dass
hier natürlich eine der Gegenfiguren jenes Pre­
digers ­Jones sprach. Ein Vertreter jener öffentli­
chen Menschen, die ihr Leben damit zubringen,
nichts zu sagen, in Formeln zu sprechen und sich
selbst zu verbergen. Wenn sie ihre Liebe öffentlich
zeigen, verkaufen sie sie, wie Bas­tian Schweinstei­
ger, an die Gala. Wenn sie ihr Innerstes in einem
Buch offenbaren, wie einst Stefan Effenberg, zei­
gen sie ihr kaltes, mitleidloses Herz. Und wenn sie,
wie einmal Mesut Özil, einem Fotografen ihr Haus
von innen zeigen, sieht man nur ihre reiche Ein­
samkeit.
Manuel Neuer, so scheint es, stürmt in diesem
Interview von Beginn an auf diesen einen Satz zu.
Als der Interviewer ihn gleich am Anfang nach sei­
nem Beinbruch fragt, will der Torwart sofort auf
die wesentlichen Dinge zu sprechen kommen, Din­
ge, die »schlimmer sind als das, was einem ­körperlich
widerfahren ist«.
Es ist, als wäre da dieser Mann, der seit so vielen
Jahren unter unser aller Augen das deutsche Tor be­
wacht, seinerseits in einem unbeobachteten Moment
aus der Überwachung geschlüpft. Um sich selbst zu
zeigen. Kein Pressesprecher segnet das Gespräch ab.
Kein Verantwortlicher des Vereins wird informiert.
Die Reaktionen waren schnell, wenig über­
raschend und ziemlich eindeutig: Der Mann sei un­
professionell. Ein Einzelner stelle sich über die
Mannschaft. Verrat an den Werten des FC Bayern.
Verrat an der Familie. Egoistisch. Zerschnittenes
Tischtuch. Und so weiter.
Übrigens hat Manuel Neuer ja all das gewusst.
Schließlich liegt ein ganzes verschwiegenes Sportler­
leben hinter ihm. Und nach dem aktuellen Bein­
bruch und der Verpflichtung von Yann Sommer als
Torwart ist sowieso mehr als ungewiss, ob er noch
einmal als Kapitän und unumstrittene Nummer 1
zum FC Bayern zurückkehren kann. Durch sein In­
terview hat er die Chancen auf eine Rückkehr in
Ehren enorm geschmälert. Das hat er anscheinend
in Kauf genommen.
Denn natürlich geht es hier zunächst um ­einen
normalen Machtkampf. Ein junger Trainer, der um
seine Autorität ringt, sortiert im Moment der Schwä­
che eines innerbetrieblichen Gegners dessen engsten
Vertrauten aus. Weil er es kann. Und die Mächtigen
im Verein ihn stützen. Und vielleicht ist auch das Inter­
view des verletzten Torwarts nur ein Trick. Sich
schwach, verletzlich, angreifbar und verzweifelt zeigen,
um den Trainer als kalten Killer zu entlarven, der
seinem einsamen Kapitän das Herz herausgerissen hat.
Ein sehr ungewöhnlicher Trick wäre das. ­Einer
mit ungewissem Ausgang. Irgendwie spricht aus
diesem Moment des unbewachten Sprechens vor
allem Offenheit. Und Ehrlichkeit. Und eine tiefe
Verletzung. Dieser Toni Tapalović hat Manuel
Neuers Herz mitgenommen.

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Das Rennen ist offen

Gerhard Polt spielt »A scheene Leich« an den Kammerspielen München
VON PETER KÜMMEL

Über den Zusammenhang zwischen dem Lachen
und der Angst steht alles bei Sigmund Freud.
Der humoristische Lustgewinn, so heißt es in
dessen kurzem Text Der Humor, gehe aus­
»erspartem Gefühlsaufwand« hervor.
Was nun Gerhard Polt sich und uns an Schmerz
und Mitleid erspart, kommt der Lust am Leben
zugute. Deshalb ist, wenn Polts Theaterfiguren
vom Tod sprechen, eine Maß Bier stets in der
Nähe, und man kann sicher sein, dass Stichworte
wie »Schweinsbraten« oder »saure Lüngerl« fallen.
Das Sterben wird er uns nicht ersparen, aber er
kann uns wenigstens auf dem Weg zur letzten
Stunde, gemeinhin Leben und von manchen Philo­
sophen Aufschub genannt, für zwei Stunden be­
gleiten – wenn man Glück hat und eine Karte
kriegt für das Stück A scheene Leich, das er nun mit
den musizierenden Gebrüdern Well an den
Münchner Kammerspielen zeigt. Leicht ist das
Kartenkriegen allerdings nicht, denn die Abende,
die Polt seit Jahrzehnten in großen Abständen als
Mitautor und zentraler Darsteller auf die Bühne
dieses Hauses bringt (München leuchtet, Diridari,
Tschurangrati), sind meistens ausverkauft.
Die Scheene Leich beginnt mit dem Tod eines
Mannes, der seinen Reichtum dem Sterben der
anderen verdankte – als Besitzer eines ­Seniorenstiftes
und des angeschlossenen Bestattungsunternehmens
(Motto: »Wer seine Lieben bei uns abliefert, kann
sein Gewissen auch gleich bei uns abliefern«). Um
diesen Reichtum entflammt komischer Streit, an
welchem unter anderem eine verbitterte Witwe, ein
alles erbendes Jungweib, ein in die Fußstapfen des
Unternehmers tretender Geschäftsführer und ein
das Begräbnis des Alten zur Selbstdarstellung­
nutzender Pfaffe beteiligt sind.
Jeder stirbt für sich allein, um keinen wird­
getrauert, aber in der hier beschworenen Einheit
aus Überlebendenhäme und Vorfreude auf den
Leichenschmaus ersteht doch ein universell-­
dörfliches Ganzes, ein Aufgehobensein. Was würde
uns an Festen, Räuschen, zünftigen Prügeleien ent­
gehen, wenn es den Tod nicht gäbe.
Neu ist an diesem Stück mit Musik so gut wie
nichts, und die Fleischfliege, von der Gerhard
Polt, inzwischen 80 Jahre alt, in der allerersten
Szene spricht, durchschwirrt sein Werk schon
seit Jahrzehnten: Es ist die Fliege, die er als­
kleiner Bub in den Mund eines aufgebahrten
Toten fliegen sah. So wie in jedem anständigen
Still­leben der Kunstgeschichte auf den Früchten
eine Fliege hockt, als Zeichen der obsiegenden
Vergänglichkeit, ist das Insekt aus Polts Humor
nicht wegzudenken.
Aber es ist gerade tröstlich, dass Polt sich nicht
ändert und, wie stets, über die Figuren, die er
verkörpert, geruhsam und behütend hinaus­
quillt. Seine Paradefigur ist der Spießer, der das
Fremde nicht versteht und sich gerade deshalb
drüber lustig macht, der Gemütsprovinzler, der
unfähig ist, gedanklich an einen Ort zu reisen, an
dem nicht schon er selber sitzt. Hier spielt Polt
nun den Existenzpinsel, der in uns allen steckt:
den Tod aller anderen kann er sich vorstellen,
den eigenen aber nicht.
Die »humoristische Einstellung«, sagt Sigmund
Freud, könne Lustgewinn bringen. Welchen wohl?
Den Lustgewinn dessen, der »es« sich nicht gefallen
lässt. Was genau? Das Leben, wie es ist. Das Sterben.
Wenn man in Gerhard Polts Erinnerungs­
buch mit dem schönen Titel Hundskrüppel
nachliest, welchen Lustgewinn er als Kind aus
unheimlichen, teilweise ekligen Streichen gegen
die Erwachsenen gezogen hat, liegt die Idee
nahe, dass auch dieses Programm, A scheene
Leich, ein Streich sein könnte: gegen eine Auto­
rität, die sogar die Welt der Erwachsenen über­
wölbt und die man schon deshalb keinesfalls­
anerkennen sollte.
Allerdings: Während Polt und seine Bande es
als Kinder offenbar schafften, die Machthaben­
den zur Weißglut zu bringen und deren Herr­
schaft für ein paar kostbare Sekunden aus dem
Takt zu bringen, ist dieser Bühnenabend ein
Werk gesetzter Herren, die in jedem Moment die
Machtverhältnisse anerkennen. Aber stimmt das
wirklich? Die Ruhe, mit der Polt am Ende seine
halbe Maß Bier auf der Bühne trinkt, lässt sich
als Zeichen der Hoffnung deuten: Das Rennen
ist noch nicht gelaufen.
 52 FEUILLETON 9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7

Literatur

Die gefeierte Autorin

Raphaela Edelbauer
wurde 1990 in
Wien geboren, wo sie

Entzücken,
auch heute lebt

Verwirrung,
Erschrecken
Leuchtend und rasant: Michael Köhlmeier erzählt in »Frankie«
aus der Sicht eines 14-Jährigen vom Heranwachsen
  VON ELKE SCHMITTER

Ich kann mich nicht erinnern, als Schülerin die ersten Schritte ins ­Unbekannte macht. Bei
im Buchladen gestanden und einen Klappen- diesen tastenden Schritten in die Welt führt, zu
text studiert zu haben. Hingegen gab es die diesen Schritten verführt ihn oft ein Master, ein
sehr köstliche Erfahrung des Hineinfallens in Älterer, der diabolischen Charakter hat; die Ver-
eine Geschichte, was ich vermutlich der Tat- heißung und die Gefahr, das Zaudern und das
sache verdanke, dass viele Bücher in meinem Springen, das innere Vor und Zurück ­gehören
Elternhaus gar keinen Schutzumschlag hat- dazu, weil kein Reifeschritt, egal wie alt man ist,
ten. (Wie die Bibel.) Es standen einfach ein ohne Angst und Widersprüche vor sich geht.
Foto: Apollonia T. Bitzan

Name und ein Titel auf dem Rücken und der Erwachsene wissen das und können die Ambi-
Front, und dann schlug man’s auf und legte valenz zu einem Erkenntnishobby machen, aber
los, voller Neugier, Spannung und Vertrauen. ein gewissermaßen Vierzehn­jähriger, der kann
Und sehr oft ging es gut. die Widersprüche nicht genießen, sondern nur
Ich würde diese fast vergessene Form des erleiden, und manchmal sprengt er das System,
Lesens ganz unbedingt für diesen Roman emp- das sein Zuhause war, aus lauter Not an diesen
fehlen. Es ist eine kurze Geschichte, in der ra- Spannungen auch in die unschuldige Luft.

So wild ist Wiener Blut

Raphaela Edelbauers Roman »Die Inkommensurablen« zaubert aus einer einzigen Nacht ein Panorama der
habsburgischen Welt vor dem Ersten Weltkrieg  VON FLORIAN EICHEL
Harald Schmidt erklärte einmal, man müsse sich das
Wien des frühen 20. Jahrhunderts als eine Stadt vor-
stellen, in der sämtliche Kinder in Matrosenanzügen
herumliefen, um jederzeit in einem Stück von Ar-
thur Schnitzler mitspielen zu können. In ihrem
neuen Buch lässt R ­ aphaela Edelbauer Schmidts
Pointe auf Romanlänge anwachsen: Die Inkommen-
surablen schildert, wie sich die Hauptstadt der Habs-
burgermonarchie am Vorabend des Ersten Welt-
kriegs in die Bühne einer recht mitteilsam verenden-
den Welt v­erwandelt. Kein kleines Vorhaben, das
die 33-jährige Wienerin, deren vorheriger Roman
DAVE den Österrei­chischen Buchpreis erhalten hat,
ihrem dritten Werk aufbürdet. Doch es gelingt –
größtenteils.
Am Morgen des 31. Juli 1914 kommt der Tiro-
ler Bauernknecht Hans in Wien an. Praktisch mit-
tellos hat er sich von seinem Hof davongestohlen,
um bei der großstädtischen Psychologin Helene
Cheresch in Therapie zu gehen. Durch eine glück-
liche Fügung darf Hans bei ihr vorsprechen und in
die Riege ihrer Patien­ten aufsteigen. Dann geht es
schnell: Auf der Treppe vor der Praxis lernt er die
hochbegabte junge Mathematikerin Klara kennen,
die Hans mit dem ebenso jungen und adligen Of-
fizier Adam bekannt macht. Nach kaum fünfzig
Seiten hat sich so ein freundschaftliches Triumvirat
zusammengefunden, das binnen eines Tages und
einer Nacht so ziemlich alle Stationen abklappert,
welche Wien zu bieten hat.
Von den Proben zu Arnold Schönbergs revolutio-
närem zweiten Streichquartett über ein Dinner bei
Adams Eltern, bei dem die Spitze des Generalstabs
Österreich-Ungarns versammelt ist, bis hin ins Nacht-
leben voller Jazz, Prostitution, unterirdischer Clubs
und anderer Anrüchigkeiten: Vor dem bedrohlich­
anschwellenden Hintergrundrauschen des bevor­
stehenden Weltkriegs entwirft Die Inkommensurablen
sant viel passiert, in kaum vor­ her­
seh­baren Michael Köhlmeier schildert so eine­
Wendungen. Noch wichtiger: in Wendungen, Geschichte, von der hier nichts weiter vor-
die man gar nicht vorhersehen will. Denn man weggenommen werden soll (weil es schade
lässt sich sehr gern vom Ich-­Erzähler führen, wäre um jede Wendung, die Sie nicht über-
auch wenn der beinahe noch ein Kind ist. Ein rascht), ganz einfach virtuos. Und zwar auf
scharfsinniges, aber kein altkluges Kind. Ein jeder ­Ebene. Nicht nur im erst schlenkernden,
Junge von vierzehn Jahren. (»Wegen dem knap- dann schleudernden Plot. Sondern auch in
pen Monat, der noch fehlt, glaube ich, kann ich der Mikro-Organisation der Pointen. »Am
doch sagen: Ich bin vierzehn.«) Der sich seine Dienstag haben sie Opa entlassen«, so heißt es
ein wimmelndes Epos, das in der überbordenden den Umbruch vom langen 19. ins kurze 20. Jahr- Gedanken macht, aber nicht grundsätzlich, zu Beginn. Und nach fünf Zeilen (ich b­ erichte
Fülle seiner Schauplätze und Beobachtungen fast selbst hundert möglichst authentisch zu schildern, um den nicht als Grübler, sondern dann, wenn es eben hier nur den allerersten Absatz, den Sie in der
inkommensurabel ist. Stellenweise liest sich der­ Sog der damals entstehenden Massengesellschaft­ sein muss. Wenn es gut geht, muss es nicht sein. Buchhandlung vielleicht sowieso lesen wür-
Roman, als würde man eilig durch ein Simultan­theater erfahrbar zu machen. Die drei Helden des Romans Dann kann er neben seiner Mutter sitzen und den) kommt der erste kleine Schock: Nein, es
geführt werden, wie es etwa Karl Kraus mit seinen stemmen sich nach Kräften gegen die Kollektivie- mit ihr Tierfilme gucken, was sie beide sehr ist nicht das Krankenhaus.
Letzten Tagen der Menschheit über diese Epoche als­ rungsdynamik des martialischen neuen Zeitalters. gerne tun. Oder er kann ihr etwas kochen, was Köhlmeier erzählt – das ist keine Über­
Zeitgenosse verfasst hat. Doch im Gegensatz zu Kraus Doch je erbitterter sich das Trio in seine durchzechte er auch sehr gerne tut. Oder er kann auf sie raschung, denn er kann es einfach; er ist ein
zwängt Edelbauer ihr Wiener Gesellschafts- Nacht flüchtet, desto tiefer verstrickt es warten, bis sie aus dem Theater im besten Sinne versierter Autor –
panorama in schlanke, beinahe berstende sich in den schwelenden Zeitgeist. kommt, wo sie als Garderobiere wirkt. so souverän wie ökonomisch. Kein
350 Seiten. Über ihrer Neugier auf das kollektive Was ihm gefällt, auch weil er so ein Detail zu viel, kein selbstgefälliger
Nun ist Wien in seiner selbstbezogenen Bewusstsein einer Epoche kommt E ­ delbauer schönes Gespür dafür entwickelt hat, Aufenthalt im Schön-beschreiben-
Edelfäule mittlerweile die vielleicht am we- indes gelegentlich das Gefühl für die Indivi- wie Leute Kleider und Kleider Leute Können, kein Effekt nur so; alles
nigsten literarisch deutungsbedürftige Stadt dualpsychologie abhanden; die vermeint­ machen, und weil es ihm grundsätz- aufs Beste organisiert und doch im
Europas. Dennoch lässt man sich gerne auf liche Subjektivität ihrer Helden gehorcht lich so gut gefällt, dass sie anmutig höchsten Maße lebendig. Die­
Edelbauers Schnellstrundgang durch das letztlich doch Konventionen. Denn der und hübsch und tüchtig ist. größte Verführung allerdings liegt
kaiserlich-königliche Metro­polenleben ein: bildungsreisende Hans, der traditionsver- Wer die Kinderromane von Erich wohl in der Sprache, die dem
Sinnlicher wurde es noch nie nachgebaut. haftete Adam, die moderne Klara: Das sind Kästner kennt (oder auch seinen­ 73-jährigen österreichischen Autor
Die Autorin tuscht das Zeit­kolorit mit fei- Raphaela recht erwartbare, wenig überraschende Roman für Erwachsene, Fabian), dem Michael für seinen Ich-Erzähler eingefallen
nem Pinsel, aber breiter Geste. An keinem Edelbauer: Ideenkostümierungen. Gerade wenn sich die ist diese ­Konstellation vertraut: Der Köhlmeier: ist. Ohne Jargon, aber in jeder Wen-
Gebäude kann sie vorbeigehen, ohne sich in Die Inkommen- drei Figuren in ausufernden Gesprächen Vater ist weg, kann also nicht stören. Frankie. dung hell und wach; eine Art jun-
einem architekturhistorischen Detail zu ver- surablen. über Metaphysik, Ästhetik und Traum­ Mutter und Sohn bilden einen Kokon; Roman; genhafte Lakonie. Dabei, in all
lieren, keine Straße vermag sie zu überque- Roman; deutung verlieren, droht dieser atmosphä- da gibt es K­ ameradschaft, Liebe, Witz Hanser Verlag, diesen kurzen, parataktischen Sät-
ren, ohne die Physiognomien der Passanten Klett-Cotta, risch dichte Roman zu thomasmännelnder und natürlich ein kleines soziales München 2023; zen, mit einer Melodie, die, bei­
abzuspeichern. Über einer solchen Manie Stuttgart 2023; Rollenprosa abzufallen. So unterscheidet ein Abgehängtsein, mit dem man fertig­ 208 S., 24,– €, allen Pausenzeichen und Punktie-
wird sogar Hans schwindelig, dem ist, »als 352 S., 25,– €, angeblich betrunkener Hans selbst noch in werden muss und fertiggeworden ist. als E-Book rungen, niemals ins Stocken gerät,
hätte er sich an der Ringstraße abgerieben als E-Book spätnächtlichen Streitgesprächen fein säu- Doch dann – anders als in den Kinder- 17,99 € die alles trägt und schwingen lässt,
wie an einer harten Käsereibe; Stücke von 19,99 € berlich zwischen Verhältnissen »de jure« und romanen von Kästner, aber eben hier was ein unfreiwilliger Aufbruch ins
ihm waren graupelig an den Fassaden liegen Tatsachen »de facto«. Edelbauer mag eine – tritt das ganz Andere auf den Plan, Draußen vor der Tür so mit sich
geblieben«. Verwoben werden diese Ein- berauschte Nacht beschreiben – nach ent- in die Idylle. Und ist Gefahr, Irritation, Bedro- führt an Schrecken und Entzücken und exis-
drücke in Sätzen mit Jugendstilarchitektur: wogende fesseltem Exzess fühlt sich das Geschehen nicht an. Es hung. Weckt aber auch Wünsche. Und bringt tenzieller Verwirrung.
Syntax, viel ­Ornament. Zuweilen erfreut sich die herrscht Bierernst statt Weinseligkeit, alle Figuren sind alles in erst schlenkernde, dann weit ausholende, Noch ein paar kleine Anhaltspunkte?
Autorin vielleicht zu sehr an der eigenen Kulisse und ein wenig zu informiert und ein wenig zu elaboriert, schleudernde Bewegung. Wien, Gegenwart, Kleinbürgertum mit Aus-
verfällt in eine zu gestelzte Sprache, in der man Brot um als Nachtschwärmer durchzugehen. Ein Coming-of-Age-Roman, so heißt dieses reißern in den strizzi- wie verbrecherhaften
nicht isst, sondern sich an selbigem »schadlos hält«, Die punktuelle Schablonenhaftigkeit trübt den Genre derzeit. Eine Schwellengeschichte. An der Untergrund, Erzählrahmen: kaum mehr als
und ein Herz nicht schlägt, sondern »synkopiert«. Genuss an dieser bewundernswerten Nachzeichnung sich sammelt, aber auch staut, was der j­unge eine Jahreszeit? Ach was! Das alles lesen Sie ja
Diese stilistische Mimikry wie auch die raum- des Wiener Scheitelpunkts der Moderne allerdings nur Mensch bisher erfahren und begriffen hat von selbst, das findet sich, und das fängt ja ohne-
greifende Perspektive erfüllen jedoch einen über­ wenig. Wer so virtuos wie Edelbauer erzählen kann, der Welt, und in der er, meist unfreiwillig und hin nur an zu leuchten, wenn Michael Köhl-
geordneten Zweck: Raphaela Edelbauer versucht, darf sich so manche Ab- und Ausschweifung erlauben. getrieben von Begehren oder äuße­rem Druck, meier es erzählt.

Der Deutsche Bühnenverein trauert um

seinen ehemaligen Präsidenten
In stiller Trauer nehmen wir Abschied von

Prof. Dr. h.c. Jürgen Flimm „Wenn die Musik

der Liebe Nahrung ist,
Prof. Dr. Wilhelm Gräb
* 17. Juli 1941 † 4. Februar 2023
spielt weiter!“
Mit Jürgen Flimm verlieren wir einen großen Theatermacher, William Shakespeare „Was ihr wollt“
der nicht nur als Regisseur und Intendant bedeutende
* 21. August 1948 † 23. Januar 2023
künstlerische Spuren hinterlässt, sondern sich als Präsident
des Deutschen Bühnenvereins mit Leidenschaft für
Ordinarius für Praktische Theologie an der Humboldt-Universität zu Berlin die Kunst und Kultur eingesetzt hat.
Extraordinary Professor an der Universität Stellenbosch, SA Seinen Mitmenschen begegnete er mit großer Empathie
und Herzlichkeit. Das Thalia Theater trauert um
Jürgen Flimm war an zahlreichen Mitgliedsbühnen unseres
Wilhelm Gräb hat unermüdlich nicht nur als Gründungsmitglied und langjähriges
Vorstandsmitglied des Arbeitskreises Empirische Religionsforschung e.V. die Konturierung
Verbands tätig.
So war er von 1979 bis 1985 Intendant des Schauspiel Köln und von
1985 bis 2000 Intendant des Thalia Theaters; zuletzt leitete er von
Jürgen Flimm
der Praktischen Theologie als empirisch arbeitende Wahrnehmungswissenschaft 2010 bis 2018 die Staatsoper Unter den Linden in Berlin.
Von 1999 bis 2003 war Jürgen Flimm Präsident des Deutschen
* 17. Juli 1941 – † 4. Februar 2023
vorangetrieben. Sein Programm der Religionskulturhermeneutik hat im Bereich empirischer Bühnenvereins. 1985 – 2000 Intendant des Thalia Theater
Religionsforschung bleibend Maßstäbe gesetzt. Wir verdanken ihm viel. Er wird uns fehlen. Er inszenierte an zahlreichen Theater- und Opernbühnen,
leitete die Salzburger Festspiele, die Ruhrtriennale und Joachim Lux, Tom Till und Heinz-Werner Köster
war als Hochschullehrer tätig.
Für seine herausragenden Leistungen wurde er unter anderem
für die Geschäftsleitung, das Ensemble
Für den Arbeitskreis Empirische Religionsforschung e.V.: mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet. und alle Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter des Thalia Theater
Er wird fehlen!
Prof. Dr. Kristin Merle Assoc. Prof. Dr. Kirstine Helboe Johansen
Köln, im Februar 2023
Prof. Dr. David Plüss Prof. Dr. Sonja Keller Prof. Dr. Birgit Weyel
Dr. Carsten Brosda Claudia Schmitz
Präsident Geschäftsführende Direktorin
DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023 FEUILLETON 53

Literatur

D
ie Autorin empfängt nicht als Ausdruck körperfreundlicher Selbstbestimmung und es lohnt sich, das zu leben. Man darf keine Angst
gern bei sich zu Hause. Aber begrüßt, im Gegensatz zur Fraktion der angeblich haben, sein Umfeld zu enttäuschen, man ist nicht dazu
der Hund lässt sich im Januar körperfeindlichen »Abolitionistinnen«, die Porno­ da, die Galerie zu amüsieren. Ich spreche zu Leuten,
kaum hinausbewegen. Des­ grafie und Prostitution ablehnen. Zu Letzteren gehört die mir ähneln. Rettet eure Haut. Die Drogen, die

»Was mir in Paris

halb ausnahmsweise ein Be­ in Deutschland vor allem A ­ lice Schwarzer. Schwarzer? heute auf dem Markt sind, machen euch kaputt.«
such im bescheidenen Neu­ Virginie Despentes hat den Namen der deutschen Zur Ehrenrettung des Buches muss jetzt dringend
bauappartement im Pariser Feministin noch nie gehört. Schwarzer wie »plus erwähnt werden, dass es nicht durchgängig wie die
Nordosten. Die Gastgeberin nimmt im sportlichen noir«? Despentes zückt ihr Telefon und tippt­ Drogenberatungsstelle klingt. Die drei Pariser Figuren
Hausanzug auf dem Fußboden Platz, der Besucher­ Schwarzer ein. Zustimmendes Gegrummel auf dem aus der Kultur- und Netz-Schickeria, die Virginie
in wird der Sessel angeboten, sodass auf Hund und Fußboden: »Ah, ­elle est les­bienne.« Despentes alle in derselben Weise mit ihrem charman­

fehlt, ist
Herrin herabgeschaut werden muss. Was ist denn Mehr Gemeinsamkeiten lassen sich zwischen den ten, ruppigen Mundwerk ausstattet, haben noch mehr
das für ein Hund? Ach so, ein Boston Terrier. beiden berühmten Feministinnen aber kaum finden. Themen auf der Platte. Auch wenn sie, das muss man
In Frankreich ist Virginie Despentes eine ­nationale ­Alice Schwarzer ist die Initiatorin der PorNO-Kam­ einräumen, den gut ausgeschilderten Kreisverkehr
Instanz in Sachen Feminismus und Gesellschafts­ pagne und wird bis heute nicht müde, auf den vielfach aktueller medialer Debatten in ihren ausführlichen
roman. Mit ihrer Romantrilogie Vernon Subutex, in belegten Zusammenhang von Missbrauchserfahrun­ Schriftwechseln selten verlassen. Darin gleicht­

eine Revolution«
der es in einer rasanten, trashigen Kunst-Prollprosa gen und Pros­ti­tu­tion hinzuweisen. Der feministischen Despentes’ E-Mail-Roman seinem deutschsprachigen
um die Helden der Subkultur der Achtziger ging, Agenda der Pariser Kollegin wird sie kaum zustimmen, Pendant, dem E-Mail-Roman Zwischen Welten von
landete sie auf der Titelseite von Le ­Monde. Man ver­ wenn diese die Zuvorkommenheit der französischen Juli Zeh und Simon Urban. Beide Bücher sind ver­
glich den Roman, der verfilmt und an der Berliner Freier lobt und das weibliche Em­power­ment rühmt, derbliche Ware, zum schnellen Verzehr bestimmt:
Schaubühne aufgeführt wurde, mit Balzacs Mensch- das sich einstelle, wenn Prostituierte hohe Geld­beträge Literatur-Talkshow mit hoher Einschaltquote.
licher Komödie. Was eine große Ehre war für diesen im Tausch für den eigenen Körper erzielten. Die minimale Handlung des Romans beschränkt
dreibändigen Stoßseufzer über das Vergehen des Heute lebt Virginie Despentes mit einer Frau­ sich darauf, dass der alkoholkranke Schriftsteller ­Oscar
harten, aber großartigen Jahrzehnts, in dem Virginie zusammen, hier im 19. Arrondissement. Aber auch von der dreißigjährigen Netz-Feministin Zoé (»Die
Despentes zwanzig Jahre alt war und sich alles für sie In Virginie Despentes’ Romanen gibt es Sex, viele Wochen im Jahr in Barcelona: »Was mir in Paris Weiblichkeit ist ein Gefängnis, und wir kriegen­
um Sex, Drogen und Rock ’n’ Roll drehte. fehlt, was ich suche und weshalb ich lesbisch gewor­ lebenslänglich«) an den MeToo-Pranger gestellt wird.
Virginie Despentes, heute 53 Jahre alt, sieht auf Gewalt, Porno, Prostitution und Drogen. den bin, ist eine Re­vo­lu­tion«. Es sei hyperkompliziert, Er habe ihr, postet sie in ihrem Blog, auf unzumut­
diese Epoche zurück, als wäre sie eine Art Antike. Jede in Paris eine Gruppe zu finden. Es gebe keine Orte, bare Weise nachgestellt, als sie vor zehn Jahren seine
Generation, sagt sie, die das Glück habe, 50 Jahre alt Wie passt das zu einer Feministin? es gebe einfach keinen Raum, um anders zu leben. Presseagentin war. Die Schauspielerin Rebecca, die
zu werden, erlebe es, dass die Welt, aus der sie kommt,
zusammenbricht. Ihre Generation sei eine Zwischen­
Zu Besuch bei der Autorin in Paris  VON IRIS RADISCH Alles in Paris sei zu teuer. Es sei eine Stadt der Super­ 15 Jahre Heroin und 20 Jahre Crack auf dem Buckel
reichen geworden. Ohne den Erfolg ihrer Romane hat (»Lieber krepieren als Yoga machen«), verteidigt
generation: »Wir haben noch eine Welt ohne Internet wäre sie schon lange nicht mehr hier. ihren Jugendfreund. Aber nicht ohne Sympathien für
gekannt, ein Europa vor dem Ultra-Liberalismus, ein Die französische Starautorin beschreibt in ihren den Netz-Feminismus, dessen »Null-Toleranz mit den
Europa vor dem Euro. Und dann haben wir gesehen, Romanen ein düsteres Frankreich in dem die Mittel­ Arschlöchern« auch Virginie Despentes imponiert.
wie die Welt ungefähr um das Jahr 2000 herum in schicht unaufhaltsam an die Abbruchkanten gedrängt So geht das in allerlei geistreichen Sottisen hin und
einen komplett anderen Modus geschaltet hat.« wird. Doch gibt es bei ihr im Unterschied zum­ her, mal für, mal gegen MeToo, mal für, meist gegen
Meistens bleibe man im tiefsten Inneren in dem Literaturterminator Michel Houellebecq, mit dem Drogen. Am Ende des konstruktiven Schriftverkehrs
Jahrzehnt, in dem man 20 Jahre alt war. Dem­ sie oft verglichen wird, immer am Ende des Tunnels wird aus dem alten Saufkopf und Missbrauchstäter
Romanpersonal von Virginie Despentes geht es zu­ ein Licht. Meistens ist es eine Gruppe, die Geborgen­ ein besserer Vater und ein weniger toxischer Mann.
mindest so. Der Erfolg der Vernon Subutex-Trilogie heit herstellt, ein Kollektiv, wie Despentes es im syn­ Virginie Despentes sagt: »Er ist ein bisschen weniger
verdankte sich vor allem der rührenden Verlorenheit dikalistischen Umfeld ihrer Eltern kennengelernt hat. Arschloch. Er lernt zuzuhören, er versteht, was er ver­
einer Gene­ration, die in den ruppigen Achtzigern zu Sie habe dieses solidarische Gruppengefühl wieder­ brochen hat. Das ist nicht viel, aber für ein Leben ist
Hause war und im neuen Jahrhundert auf der Straße entdeckt, als sie im Alter von 35 Jahren lesbisch ­wurde, es nicht schlecht.« Auch die alternde Filmdiva R ­ ebecca
landete. Jedem Band war ein umfangreiches Personen­ »es war für mich wirklich ein alternatives Leben, eine ist geläutert. Als junge Schauspielerin stand sie im
verzeichnis vorangestellt, das vor allem davon han­ Gruppenerfahrung, die anders war, als ich dachte«. Schussfeld der Feministinnen, weil sie sich ständig für
delte, was die Helden von gestern alles nicht mehr Ihre Ob­ses­sion vom Gruppenthema sei jedoch un­ den Film auszog. Doch nachdem die Filmindustrie
machen: Platten verkaufen, Pornos drehen, an der bedingt politisch zu verstehen: »Ich wüsste nicht, wie sie aussortiert hat, bekehrt sie sich zum Feminismus.
Börse ­zocken, Drehbücher schreiben, Filme drehen, man es anders machen sollte, wenn man die Dinge »Willst du wirklich wissen, was es heißt, gecancelt zu
in einer Band spielen und so weiter. politisch ändern will. Um poli­tisch zu sein, braucht werden? Dann sprich mit einer Schauspielerin in
Auch Virginie Despentes ist eine Überlebende des man Lebensweisen, die alternativ sind. Um etwas zu meinem Alter«, schreibt sie an ihren Alkoholiker-
Rockzeitalters. Ihre Eltern waren Postangestellte in ändern, brauchen wir Gruppen, die uns schützen.« Freund. Steckt in dieser kaltschnäuzigen 50-Jährigen
der Provinz, hochpolitisiert und gewerkschaftlich Auch in ihrem neuen Buch Liebes Arschloch gibt es ein Selbstporträt? Sie liebe »diese weiblichen Clint
aktiv. Scham wegen ihrer kleinbürgerlichen Herkunft eine rettende Gruppe. Despentes hat sich Zeit gelassen Eastwoods«, sagt Despentes, aber sie habe die Schau­
– das Lebensthema der französischen Literatur-Nobel­ für diesen Roman, der die Handschrift des Lockdowns spielerin nach einer Catherine Deneuve oder Béa­trice
preisträgerin Annie Ernaux – habe sie nie empfunden. trägt, in dem sich das Leben auf den Bildschirm­ ­Dalle entworfen. Sie selbst sei eher »ängstlich und sehr
In ihren Zwanzigern hat sie sich als Plattenverkäuferin, verlagerte. Die Idee für das Buch war das­ unsicher«, manchmal auch »sehr depressiv«.
als Mitarbeiterin einer Rockzeitschrift, als Prosti­tuierte Thema Drogen. Drogen waren Teil der Noch immer am Boden, möchte Virgi­
und Pornodarstellerin durchgeschlagen. Die Kinder Rock-’n’-Roll-Identität ihrer Generation. nie Despentes etwas Grundsätzliches über
der Reichen fand sie damals »komplett bescheuert« Und ein Teil ihres Lebens: »Wenn man sein die alternde Frau im Kulturbetrieb sagen –
und »null überlegen«. Im Gegenteil, »ich fand mein Leben mit Drogen verbracht hat, ist es nicht das dritte große Thema ihres Debatten­
Leben besser, wegen Rock, wir hatten mehr Klasse«. einfach, aufzuhören. Für mich ist das­ romans. Gerade eine ehemals sehr schöne
Sie sei stolz gewesen, zur französischen Mittelschicht Drogenthema das Herz des Buches.« Frau wie diese Rebecca treffe es hart, aus der
zu gehören. Es habe damals ja alles noch funktioniert, Das kann der Gast nur bestätigen. Es Öffentlichkeit zu verschwinden. Die reife
was heute nicht mehr funktioniere, die Schule, die geht in dem neuen Despentes-Roman, in Frau habe im französischen Kino erst als
Krankenhäuser, die Universitäten. Man habe sich dem drei Pariser Edel-Prolls ausschließlich Großmutter wieder eine ­Chance: »Wenn
sogar noch eine Zahnbehandlung leisten können. über E-Mails und Postings miteinander ver­ Virginie
ich einen Film über 50-Jährige machen
In ihrem ersten Skandalroman Baise-­moi (Fick kehren, sehr, sehr ausführlich um Drogen. Despentes: wollte, würde ich kein Geld dafür bekom­
mich, 1994) und in ihrem autobiografischen Essay Darum, wann und warum man sie nimmt, Liebes ­ men.« Man wolle zwar überall und immer
King Kong Theorie (2006) hat Virginie Despentes mal von wem man sie bekommt, was sie­ Arschloch. ­ Frauen, aber nur in Form von Frischfleisch.
mehr, mal weniger direkt von der Vergewaltigung bewirken und vor allem: wie man sie wieder Roman; a. d. Selbst ältere Sängerinnen oder Filmemache­
erzählt, die sie als 17-jährige Tramperin erlitten hat. loswird. Und ganz unter uns: Für jemanden, Franz. v. Ina rinnen würden aussortiert. Man möchte
Es sei »hart und schrecklich« gewesen, das aufzu­ dem das Drogenproblem nicht ganz so stark Kronenberger ergänzen: Auch auf deutschen Bildschirmen
schreiben, sie habe »Angst gehabt«, sie habe »ein Tabu unter den Nägeln brennt, sind die endlosen u. Tatjana hat noch keine Talk-Diva im Haupt­
gebrochen«, erzählt sie. Aber es musste sein, denn es Therapiegruppensitzungen in diesem R ­ o­ Michaelis; programm ihren sechzigsten Geburtstag
ging ihr in allem um »Aufrichtigkeit«. Die sei in den man eine ziemliche Geduldsprobe. Kiepenheuer & überlebt. Und die Schriftstellerinnen? Es
Foto: Stephanie Füssenich für DIE ZEIT

Witsch, Köln
Neunzigern noch wenig verbreitet gewesen. Die Woher kommt die Begeisterung der gebe, sagt Despentes, momentan keine, die
2023; 336 S.,
Frauen flüchteten sich in »Selbstironisierung«, arran­ Underground-Autorin für Enthaltsamkeit 24,– €, als wie Annie Ernaux bis 82 durchgehalten
gierten sich mit den Verhältnissen, die von Männern und Mindfulness? Was ist aus der Rocker- E-Book 19,99 € habe. Sie kralle sich noch fest: »Wir sind
definiert wurden. »Si­mone de Beauvoir hätte sich nie Maxime »Live fast, die young« geworden, für wenige in meinem Alter, im Grunde nur
über eine Hand auf ihrem Hintern beschwert, nein, die Virginie Despentes bekannt wurde? Und Christine Angot und ich.«
Si­mone war die B ­ elle É
­ poque – damals schwiegen die warum jetzt dieses wohltuend konstruktive Anti- Vielleicht ist dieses erstaunlich positive, gut­
vergewaltigten Frauen«, lässt Virginie Despentes eine Drogen-Buch, in dem sich extrem erfolgreiche gemeinte Buch der Rock-Veteranin auch ein Ergeb­
junge Netz-Feministin in ihrem neuen Roman sagen. Pariser Kreativindustrielinge beim Entzug in un­ nis weiblicher Altersmilde. In Frankreich stand es
Sie selbst war schon mit ihrem ersten Buch die Pionie­ glaublich sympa­thischen Zoom-Selbsthilfegruppen wochen­lang auf den obersten Rängen der Bestseller­
rin einer neuen weiblichen Scham- und Schonungs­ Virginie Despentes, 53, lebt im Pariser Nordosten. Ihre Trilogie »Das Leben des unterstützen? Es mache ihr eben einfach keinen Spaß, listen. Alle wollen auch mal Frieden und gute Nach­
losigkeit. Ihren Roman Fick mich hat sie auf brutalste Vernon Subutex« (2015–2017) wurde international gefeiert ständig auf die Beerdigungen ihrer Freunde zu gehen. richten. Das genau habe sie liefern wollen: ein Buch,
Weise mit bekannten Pornodarstellerinnen verfilmt. Sie sehe da keine Romantik mehr. Auch dem Tod von in dem man sich nicht ankotzt. Mal kurz die Luft
Seither bekennt sich Virginie Despentes zum »sex­ Amy Winehouse kann sie daher nichts Genialisches rauslassen. Mal für zwei Minuten einfach aufhören.
positiven Feminismus« – so nennt sich jene Abteilung abgewinnen. Ihre Haltung sei klar: »Was ich in dem
des Feminismus, die Pornografie und Prostitution Buch sagen will: Es gibt ein Leben nach den Drogen, www.zeit.de/vorgelesen

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BACKNANG BERLIN Humboldt Forum PalaisPopulaire

C/O Berlin
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Philharmonie Berlin: So 20:00 Werke von Saint-Saëns, Poulenc und Debussy
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nologischen Museums Neupräsentation der Sammlungen, Eintritt frei
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Max Ernst Museum, www.maxernstmuseum.lvr.de
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Das Damaskuszimmer in Dresden lädt ein!
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Tel. 0351-49142000, Besuchen Sie uns auch online: www.skd.museum
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04.11.2022 bis 05.03.2023: „MARTIN ASSIG – WEIL ICH MENSCH BIN“ und
„NORBERT KRICKE – BEWEGUNG IM RAUM“ 18.11.2022 bis 31.03.2023
www.museum-kueppersmuehle.de, Tel. +49 (0)203 301948 -11,
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18, Do-So, Feiertag 11-18, Jeden Sonntag um 15 Uhr öffentliche Führung
DÜSSELDORF
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen
Präsentation der ständigen Sammlung
bis 12.02.2023: K20: Mondrian. Evolution
bis 07.05.2023: K20: Reinhard Mucha. Ein Anfangsverdacht
Tel. 0211.8381-204, K20, Grabbeplatz 5 – K21, Ständehausstr. 1, Düsseldorf, Di-Fr
10-18, Sa, So, Feiertag 11-18 Uhr, 24./25./31.12. geschlossen
EMDEN
Kunsthalle Emden
bis 21.02.2023: NOLDE/ROHLFS Zwei Künstlerleben
www.kunsthalle-emden.de, Tel. 04921 975050, Di-Fr 10-17, Sa, So, Feiertag 11-17,
jeder 1. Di/Monat 10-21 Uhr, 20.2. (Rosenmontag) und 21.2. geöffnet
ERLANGEN
Kunstpalais, Kulturamt der Stadt Erlangen
10.12.2022 bis 05.03.2023: Pattern Recognition. Wiedersehen mit der Städti-
schen Sammlung Erlangen
www.kunstpalais.de, Tel. 09131 862735, Marktplatz 1, Erlangen
Stadtmuseum Erlangen
bis 12.03.2023: Intervention und Spurensuche. Regine von Chossy
www.stadtmuseum-erlangen.de, Martin-Luther-Platz 9
ESSEN
Ruhr Museum, UNESCO-Welterbe Zollverein
Dauerausstellung: Natur, Kultur und Geschichte des Ruhrgebiets
bis 16.04.2023: Die Emscher. Bildgeschichte eines Flusses
bis 27.08.2023: Hände weg vom Ruhrgebiet! Die Ruhrbesetzung 1923-25
Führungen mit Anmeld.: Schaudepot des Ruhr Museums, Kokerei Zollverei
www.ruhrmuseum.de, Tel. 0201-24681 444, Gelsenkirchener Str. 181, tgl. 10-18
Villa Hügel - “Der Hügel wird Licht“
ab 11.02.2023: TRANSMEDIA ECHTZEIT INSTALLATION von joeressen+kessner
Di-So ab 18.30 Uhr, Eintritt: 5 €, www.krupp-stiftung.de/150jahrehuegel
FLENSBURG
Museumsberg Flensburg
20.11.2022 bis 23.04.2023: PARIS! Schleswig-holsteinische Künstlerinnen und
Künstler in der Welthauptstadt der Kunst
www.museumsberg.de, tägl. 10-17, Mo geschl.
FRANKFURT
MUSEUM MMK FÜR MODERNE KUNST
bis 18.06.2023: MUSEUM MMK: Rosemarie Trockel
ab 11.02.2023: TOWER MMK: Cameron Rowland. Amt 45 i
mmk.art
FRANKFURT AM MAIN
Bernhard Knaus Fine Art, bernhardknaus.com
bis 22.04.2023: Unter dem Pflaster Flo Maak & Sara-Lena Maierhofer
Tel. 24450768, Niddastrasse 84, Di-Fr 13-18, Sa 11-15 Uhr, Eröffnung 10.2., 19 Uhr
DEUTSCHES ARCHITEKTURMUSEUM
LÜNEBURG
DAM PREIS 2023 – Die 26 besten Bauten in/aus Deutschland
27.01. – 01.05.2023 >> im DAM Ostend
SCHÖN HIER. Architektur auf dem Land
verlängert bis 2. April 2023 >> zu Gast im Freilichtmuseum Hessenpark
SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT MANNHEIM
bis 19.02.2023: CHAGALL. WELT IN AUFRUHR
03.02. bis 21.05.2023: Niki de Saint-Phalle
www.schirn.de, Tel. 069/2998820, Römerberg, Di-So 10-19, Mi, Do-22
Städel Museum
bis 05.03.2023: GUIDO RENI. Der Göttliche
bis 23.04.2023: Michael Müller: Der geschenkte Tag. Kastor & Polydeukes
www.staedelmuseum.de, Tel. 069-605098-200, Schaumainkai 63, Di, Mi, Fr-So
10-18, Do 10-21 Uhr
FRIEDRICHSHAFEN
METTINGEN
Zeppelin Museum Friedrichshafen
bis 16.04.2023: Fetisch Zukunft. Utopien der dritten Dimension
Tel. 07541-38010, Seestr. 22, Öffnungszeiten unter www.zeppelinmuseum.de
GELSENKIRCHEN MÖNCHENGLADBACH
Musiktheater im Revier
Großes Haus: Sa, Fr 19:30 Don Pasquale (Sa Premiere, Sa, Fr 19.00 Einfüh-
rung) / So 11:00 2. Foyerkonzert : Formvollendet / So 18:00 Die verkaufte
Braut (17.30 Einführung) / Mo 19:30 6. Sinfoniekonzert: In die neue Welt (19.00
Einführung) / Kleines Haus: Di-Do 09:30 u. 11:00 Vom kleinen Maulwurf, der wis-
sen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat, Tel. 0209/4097200
MÜNCHEN
HAGEN
Kunstquartier Hagen
bis 12.03.2023: Hanns Friedrichs - Ich mache keine Mode, ich ziehe Frauen an
bis 05.03.2023: Henning Kürschner. Natura Morte. Sieben Gemälde.
www.kunstquartier-hagen.de, Museumsplatz 1, 59095 Hagen
HALBERSTADT
Gleimhaus - Museum der deutschen Aufklärung
bis 30.04.2023: Plötzlich Poetin!? Anna Louisa Karsch – Leben und Werk der
ersten deutschen Berufsschriftstellerin – Ausstellung zum 300. Geburtstag
38820 Halberstadt, Domplatz 31 – Tel: 03941-68710 – www.gleimhaus.de
HAMBURG
Bucerius Kunst Forum
11.02. bis 21.05.2023: GABRIELE MÜNTER. MENSCHENBILDER
www.buceriuskunstforum.de, Alter Wall 12, tägl. 11-19, Do 11-21 Uhr
Deichtorhallen Hamburg
bis 12.03.2023: In the Heart of Another Country. Sharjah Art Collection
bis 26.02.2023: Paul Mpagi Sepuya/Alix Marie. Fotografie.
bis 19.03.2023: In der Sammlung Falckenberg (Harburg): Dieter Roth. Material-
und Druckgraphik.
www.deichtorhallen.de, Deichtorstr. 1-2, 20095 Hamburg, Di-So, 11-18 Uhr, jeden 1. NEUMARKT IN DER OBERPFALZ
Do im Monat 11-21 Uhr
Ernst Barlach Haus
bis 19.02.2023: GEORGES ADÉAGBO. Hommage zum 80. Geburtstag
»À l’école de Ernest Barlach, le sculpteur« NEUWIED
www.barlach-haus.de, Jenischpark, Hamburg
Museum am Rothenbaum - Kulturen und Künste der Welt
Benin. Geraubte Geschichte bis auf Weiteres
UnBinding Bodies. Lotosschuhe und Korsett bis 26.2.23
Hamburg und Tirol – eine Alpenfreundschaft? ab 10.12.22 bis 31.12.23 NÜRNBERG
www.markk-hamburg.de, Rothenbaumchaussee 64, Di-So 10-18, Do-21 Eintr. frei
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
bis 26.02.2023: audio-grafisch. 16 Entwürfe und ihre Enstehung
bis 05.03.2023: Sorge um den Bestand. Zehn Strategien für die Architektur
bis 12.03.2023: Who‘s next? Obdachlosigkeit, Architektur und die Stadt
bis 23.04.2023: Contemporary Craft: Young-Jae Lee
bis 20.08.2023: Made in China! Porzellan OBERHAUSEN
17.02. bis 17.09.2023: The F* Word. Guerrilla Girls und feministisches Grafikde-
sign
www.mkg-hamburg.de, Steintorplatz, 20099 Hamburg, Di-So 10-18, Do 10-21 Uhr
Stiftung Historische Museen Hamburg - www.shmh.de
bis 31.07.2023: Museum f. Hamburg. Gesch.: Eine Stadt wird bunt OLDENBURG
bis 10.04.2023: Museum der Arbeit: Wie alles begann
bis 15.07.2023: Altonaer Museum: Von hier nach dort
KARLSRUHE
ZKM Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe
bis 16.04.2023: Walter Giers. Eletronic Art
bis 23.04.2023: Matter, Non-Matter, Anti-Matter.
bis 04.06.2023: ole scheeren : spaces of life
bis 12.02.2023: On the Boundary of Two Worlds
bis 23.04.2023: Analívia Cordeiro. From Body to Code
bis 10.04.2023: Lutz Mommartz. Der durchsichtige Mensch (ab 11.02.2023)
Dauerausstellung: zkm_gameplay. the next level Ausstellungen Online:
fortlaufend Critical Zones – Virtuelle Ausstellung
fortlaufend Beyond Matter
bis 30.08.2023: Spatial Affairs Worlding – A tér világlása
bis 30.09.2023: Jazmina Figueroa. Call Signs
www.zkm.de, Tel. 0721/81000, Lorenzstr. 19, Mi-Fr 10-18, Do, Sa/So 11-18 Uhr
KASSEL
Fridericianum, Kassel
09.12.2022 bis 19.02.2023: nolde/kritik/documenta: ein Projekt des documenta
archivs, der Draiflessen Collection, der Nolde Stiftung Seebüll und Mischa Ku-
ball
https://www.documenta-archiv.de, Friedrichsplatz 18, Kassel, Di-So 11-18 Uhr
Museumslandschaft Hessen Kassel - Parks, Schlösser, Museen
Dauerausstellung: Schloss Wilhelmshöhe: Gemäldegalerie Alte Meister und
Antikensammlung, Hessisches Landesmuseum, Neue Galerie: about: docu-
menta
25.11.2022 bis 26.02.2023: Reise zum Vesuv - Anfänge der Archäologie am Golf
von Neapel, Hessisches Landesmuseum
www.museum-kassel.de, Di-So, Feiertag 10-17 Uhr
KIEL
Kunsthalle zu Kiel
bis 05.03.2023: 1+1=3 Die Kunstwelten der Mary Bauermeister
bis 23.04.2023: Lovis Corinth – Die Grafik
Dauerausstellung: Wildes, Wüstes, Wunderschönes. Natur im Fokus der
Sammlung
www.kunsthalle-kiel.de, Tel. 0431/8805756, info@kunsthalle-kiel.de, Düstern-
brooker Weg 1, 24105 Kiel, Di, Do-So 10-18, Mi 10-20 Uhr
KÖLN
Kölnisches Stadtmuseum
Ausstellungsort: Maritim Hotel Köln, Heumarkt 20, 50667 Köln
bis 12.02.2023: 50 JAHRE HÖHNER
Museen der Stadt Köln:
Infos zu Ausstellungen und Veranstaltungen unter:
www.museen.koeln
Museum Ludwig Köln ROSTOCK
bis 12.02.2023: Wolfgang-Hahn-Preis 2022. Frank Bowling
bis 12.03.2023: Kiss kiss. In memoriam Lady Renate Gruber
bis 30.11.2024: Schultze Projects #3 - Minerva Cuevas
Heinrich-Böll-Platz, 50667 Köln, Di-So 10-18 Uhr, 1. Do im Monat 10-22 Uhr
Museum Schnütgen
bis 19.03.2023: Magie Bergkristall
SAARBRÜCKEN
Cäcilienstr. 29-33, 50667 Köln, Di-So 10-18, Do 10-20, 1. Do im Monat 10-22 Uhr
Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK)
bis 26.03.2023: Susanna Taras. Blumen, Flowers, Fleurs
bis 12.03.2023: Ausgewählt 1. Aspekte der Historischen Sammlungen
bis 16.04.2023: Between the Trees. Urbanes Grüne – Kunst – Design
An der Rechtschule, 50667 Köln, Di-So 10-18 Uhr, 1. Do im Monat 10-22 Uhr
SCHWÄBISCH HALL
Museum für Ostasiatische Kunst
bis 31.03.2023: Handelsgut Global. Exportporzellan aus China und Japan
bis 10.04.2023: HORIZONTE. Qiu Shihua | Leiko Ikemura | Kimsooja | Evelyn
Taocheng Wang | Yu Duan
Universitätsstr. 100, 50674 Köln, Di-So 11-17 Uhr, 1. Do im Monat 11-22 Uhr
NS-Dokumentationszentrum
Präsentation der ständigen Sammlung
Appellhofplatz 23-25, 50667 Köln, Di-Fr 10-18, Sa, So 11-18, 1. Do im Monat 10-22 SIEGEN
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Rautenstrauch-Joest-Museum
bis 10.04.2023: LOVE?
10.02. bis 11.06.2023: Counter Images | Gegenbilder
Cäcilienstr. 29-33, 50667 Köln, Di-So 10-18, Do 10-20, 1. Do im Monat 10-22 Uhr
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
bis 16.04.2023: Die Karlsruher Passion. Ganz • Schön • Heftig
SINDELFINGEN
bis 23.04.2023: Sensation des Sehens. Die Sammlung Nekes: Vol. 1 Barock
bis 26.02.2023: Susanna. Bilder einer Frau vom Mittelalter bis MeToo
Obenmarspforten, 50667 Köln, Di-So 10-18, 1. + 3. Do im Monat 10-22 Uhr
KÜNZELSAU
SOEST
MUSEUM WÜRTH 2
bis 19.03.2023: Weitblick – Reinhold Würth und seine Kunst
bis 16.07.2023: Georg Baselitz zum 85.Geburtstag (Atrium)
täglich 11-18, Eintritt frei, www.kunst.wuerth.com
LEIPZIG STUTTGART
GRASSI Museum für Angewandte Kunst, Sonderausstellungen:
tri-bühne
bis 26.03.2023: BESESSEN. Die geheime Kunst des Polsterns
bis 08.10.2023: DIE GUTE MODERNE. Von der Passion, Design zu sammeln Sa 19:00 Frida – Viva la Vida! / Mi-Fr 19:00 Romeo und Julia, Tel. 0711/2364610
www.grassimak.de, Tel. 0341/2229100, Johannisplatz 5-11
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Kunstsammlung Henning J. Claassen Museum Ulm
50 Jahre Zeitgenössische Kunst aus 5 Kontinenten
www.kunstsammlung-henningjclaassen.de, Do-So 11-18 Uhr bis 16.04.2023: Protest! gestalten - Von Otl Aicher bis heute
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Kunsthalle Mannheim www.kuma.art
bis 05.03.2023: Becoming CoBrA. Anfänge einer europäischen Kunstbewegung www.museumulm.de, Tel. +49(0)731-161 4330, info.museum@ulm.de, Marktplatz
bis 23.04.2023: Von der Fläche zum Raum. Bildhauerzeichnungen ab 1945
Tel. 0621/2936423, Friedrichsplatz 4, Di, Do-So/Fei 10-18, Mi-20, 1. Mi/Monat-22h 9, 89071 Ulm, Di-So, Feiertag 11-17 Uhr
TECHNOSEUM, Landesmuseum für Technik und Arbeit
Stadthaus Ulm
17.11.2022 bis 12.11.2023: Auf Empfang!
Die Geschichte von Radio und Fernsehen bis 01.05.2023: 40 Jahre laif Dokumentarische Fotografie, Eintritt frei
www.technoseum.de, Tel. +49 (0) 621 / 42 98 - 9, info@technoseum.de, Muse-
stadthaus.ulm.de, Mo-Mi, Fr, Sa 10-18, Do 10-20, So, Feiertag 11-18 Uhr
umsstraße 1, Mannheim, tägl. 09-17 Uhr
kunsthalle weishaupt
Draiflessen Collection bis 18.06.2023: Reine Formsache. Konstruktiv-konkrete Kunst aus der Sammlung
bis 26.02.2023: THE FINAL BID. Michael Pinsky www.kunsthalle-weishaupt.de, Tel. 0731 161 4360, Di-So 11-17 Uhr
www.draiflessen.com, Tel. 05452/9168-0, Georgstr. 18, Mi-So 11-17, jeder 1. Do-21
VÖLKLINGEN
Museum Abteiberg WELTKULTURERBE VÖLKLINGER HÜTTE
bis 06.08.2023: SAMMLUNG/ARCHIV ANDERSCH
CHRISTIAN BOLTANSKI – Die Zwangsarbeiter | Erinnerungen - Zwei Dauerin-
Feldversuch #2: Brecht – Filliou
bis 07.01.2024: 100 JAHRE STIFTUNG WALTER KAESBACH stallationen; bis 3. 9.: JULIAN ROSEFELDT. WHEN WE ARE GONE
EXPRESSIONISMUS AM MUSEUM ABTEIBERG
www.museum-abteiberg.de, Abteistraße 27 / Johannes-Cladders-Platz www.voelklinger-huette.org, Besucherservice/Buchungen: T. 06898/9100100
WEIMAR
Jüdisches Museum München
Dauerausstellung: Stimmen_Orte_Zeiten – Juden in München
bis 05.03.2023: Radio Free Europe. Stimmen aus München im Kalten Krieg,
Eintritt frei
bis 21.05.2023: Die letzten Europäer. Jüdische Perspektiven auf die Krisen ei-
ner Idee
www.juedisches-museum-muenchen.de, Tel. 089-233-96096,
juedisches.museum@muenchen.de, St.-Jakobs-Platz 16, 80331 München, Di-So
10-18 Uhr
Literaturhaus München
bis 30.04.2023: SIMONE DE BEAUVOIR & DAS ANDERE GESCHLECHT
literaturhaus-muenchen.de, Tel. 089-291934-0, info@literaturhaus-muenchen.de,
Salvatorplatz 1, tägl. 11-18
Museum Villa Stuck, Sonderausstellungen:
bis 19.03.2023: Dayanita Singh. Dancing with my Camera
16.02. bis 14.05.2023: Alice Rekab - Mehrfamilienhaus. Ricochet #14
Dauerausstellung: Künstlervilla und Historische Räume von Franz von Stuck
www.villastuck.de, Di-So 11-18 Uhr, 1. Freitag im Monat 11-22 Uhr
Münchner Stadtmuseum
bis 07.01.2024: Nachts Clubkultur in München
bis 12.03.2023: München 72. Mode, Menschen und Musik
bis 05.03.2023: Radio Free Europe. Stimmen aus München im Kalten Krieg
www.muenchner-stadtmuseum.de, St.-Jakobs-Pl., T. 089/23322370, Di-So 10-18
Museum Lothar Fischer, www.museum-lothar-fischer.de
12.02. bis 11.06.2023: Caroline Achaintre - Doppelgänger
Tel. 09181/510348, Weiherstr. 7 a, Mi-Fr 14-17, Sa/So 11-17 Uhr
Landesbühne Rheinland-Pfalz
Do, Fr 19:30 Das lachende Schlosstheater Karneval mit der freien Bühne Neu-
wied, Tel. 02631/22288
Kunstvilla im KunstKulturQuartier
bis 11.06.2023: Naturstoff / Kunststoff. Materialität in der Nürnberger Kunst
kunstvilla.org, Blumenstr. 17, Di, Do-So 11-18, Mi 11-20 Uhr
NEUES MUSEUM NÜRNBERG WÜRZBURG
Drei Hubwagen und ein Blatt Papier. Die Edition Block 1966–2022 Klarissen-
platz, 90402 Nürnberg, Tel. 0911/2402069, www.nmn.de, Di-So 10-18, Do-20 Uhr
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LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen Eine Ausstellung von Michael Müller
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www.ludwiggalerie.de, Tel. 0208 41249 28, Konrad-Adenauer-Allee 46, 46049 11.02. bis 21.05.2023: Valentin Schwab. Eine Retrospektive
Oberhausen, Di-So, Feiertag 11-18 dauerhaft: Sammlung Peter C. Ruppert - Konkrete Kunst in Europa nach 1945,
Oskar-Laredo-Platz 1, 97080 Würzburg, Tel. 0931/32225-80, Fax-18,
Di 13-18, Mi 11-18, Do 11-19, Fr-So 11-18 Uhr, www.kulturspeicher.de
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 WEINGUT AUGUST KESSELER

Riesling vom Feinsten

DIE ZEIT Weinedition

»Rheingau« August Kesseler zählt zu den wichtigen Winzerpersön-
lichkeiten im Rheingau, denn er ist ohne Frage einer der
bedeutendsten Erneuerer der klassischen Rebsorten
Riesling und Spätburgunder. Sein Riesling »Five o´Clock«
ist leicht und fruchtig. Der perfekte Aperitif.

Das Anbaugebiet Rheingau gehört zu den traditionsreichsten der Welt, insbesondere der WEIN- UND SEKTGUT BARTH
Riesling findet hier fantastische Bedingungen. Diese Edition lädt ein, sich dem Riesling mit all
seinen Facetten zu widmen: fruchtig, trocken, alte und junge Reben, steile und flachere Lagen,
Ortswein, Lagenwein, einen sensationellen Sekt und ein Großes Gewächs vom Siegelsberg
haben wir in diesem Paket zusammengestellt. In unserem Magazin nehmen wir sie mit auf
eine Reise in den Rheingau. Sie lernen sechs herausragende Weingüter und Persönlichkeiten
kennen, die den Rheingau bis heute prägen und erfahren, was die Region so besonders macht.
Es gibt viel zu erzählen von den Menschen, ihrer Arbeitsweise, ihrer Philosophie, ihrem Stil Bereits seit 30 Jahren produziert Familie Barth Sekt im
und ihren Visionen, vom Klima und der Kulinarik. eigenen Keller, damals eine Innovation, heute bereits ge-
lebte Tradition – und zwar auf höchstem Niveau. Die feine
ZEIT Cuvée wurde nach fast 7 Jahren Hefelager exklusiv
Viel Vergnügen beim Lesen und Genießen. für Sie degorgiert. Ein Genuss für besondere Momente.

WEINGUT CORVERS-KAUTER

6 herausragende
Weine – ausgewählt von
den ZEIT-Weinexperten

79,95 €* »Für uns sind diese Schiefer-Steillagen ein Traum, eine

faszinierende Herausforderung, die unterschiedlichen
Anforderungen jedes Jahrgangs zu meistern und im Wein
zum Ausdruck zu bringen«, sagt Matthias Corvers. Das ist
mit dem Berg Roseneck 2021 hervorragend gelungen.
Bestell-Nr.: 43899
(17,77 €/Liter) WEIN- UND SEKTGUT F. B. SCHÖNLEBER
Limitierte
Edition

Es ist viel los bei den Brüdern Schönleber, neben der

eigenen Versektung und einem Hotel mit Blick auf den
Rhein entstehen hier sehr feinsinnige Rieslinge wie der
im Paket enthaltene Oestricher Klosterberg, ein rundum
exemplarischer Riesling.

WEINGUT J. B. BECKER

Hajo Beckers Devise lautet: »Kontrolliertes Nichtstun«, er

lässt der Natur gern ihren Lauf, im Weinberg wie im Keller.
Er ist kompromisslos und seine Rieslinge aus dem Walken-
berg sind ihm dabei ebenbürtig. Sie entfalten ihre ganze
Ausdruckskraft oft erst nach jahrelanger Flaschenreife.

SCHLOSS REINHARTSHAUSEN

Der Pfälzer Stefan Lergenmüller, er hat sein Herz an den

www.shop.zeit.de/rheingau Rheingau verloren und das Traditionsweingut Schloss

Reinhartshausen erworben. »Keine leichte Entscheidung,
aber eine einmalige Gelegenheit«, sagt er im Rückblick.
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Brut Nature, 12,5 Vol.-% | Rüdesheimer Berg Roseneck, Riesling trocken, 2021, 12,5 Vol.-% | Riesling »Alte Reben« Erste Lage Oestricher Klosterberg, 2021,
13 Vol.-% | Wallufer Walkenberg Riesling Kabinett trocken, 2018, 12 Vol.-% | Erbacher Siegelsberg, Riesling, trocken, »Großes Gewächs«, 2016, 12 Vol.-%
Anbieter: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Hamburg; Geschäftsführer: Dr. Rainer Esser

112484_ANZ_371x528_X4_ONP26 1 02.02.23 12:22

 56
I
n Deutschland glauben neunzig
Prozent aller Kirchenmitglieder,
dass man auch ohne Kirche aus­
kommen kann. In der Demokrati­
schen Republik Kongo dagegen,
einem der ärmsten Länder der
Welt, sind an die 90 Prozent der
Bevölkerung Christen, aber kaum einer
käme auf die Idee, seine Kirche verzichtbar
zu finden. Wie dringend sie den Trost der
Religion brauchen, konnte man am vergan­
genen Mittwoch in der Hauptstadt
Kinshasa­erleben, beim Treffen des Papstes
mit jungen Überlebenden von Massakern.
Zuerst tritt ein Bauer von 16 Jahren,­
eigentlich noch ein Junge, vor Franziskus, der
im Rollstuhl sitzt, und spricht laut aus, was
sonst tabu ist, weil die Opfer sich ihres Leides
schämen. Ladislas Kambale Kombi sagt: »Ich
musste mitansehen, wie mein Vater in Stücke
gehackt und meine Mutter entführt wurde.«
Seither könne er nachts nicht schlafen, er be­
komme es nicht aus dem Kopf. »Heiliger Vater,
es ist schwer, diese Grausamkeit zu verstehen.«
Da gibt es auch nichts zu verstehen, des­
halb nickt der greise Papst nur ernst. Fünf Tage
lang hat Franziskus den Kongo und den Sudan
bereist, ermahnte heimische und ausländische
Konflikttreiber, geißelte den Kolonialismus
und predigte Frieden. Man kann fragen, was
Predigen bringt. Doch die Frage erübrigte sich
angesichts jubelnder Millionen und vor allem
angesichts jener Überlebenden, die zum ersten
Mal öffentlich ihr Leid bezeugten.
Bijoux Mukumbi ist 17 Jahre alt und hat,
als sie vor das Kirchenoberhaupt tritt, ihre
kleinen Zwillingstöchter bei sich, gezeugt von
einem Vergewaltiger. Der Rebellenführer, so
berichtet Mukumbi, habe sie anderthalb Jahre­
lang gefangen gehalten und jeden Tag stun­
denlang gepeinigt, bis ihr, schwanger, die
Flucht gelungen sei. Die Rebellen hätten, sagt
Afrika oder Europa?
sie, »Folter jeglicher Art« an Frauen verübt.
Emelda M’Karhungulu kann das bestäti­
gen. Sie wurde mit 16 versklavt und sei an
manchen Tagen von zehn Männern vergewal­
tigt worden. Außerdem habe man sie gezwun­
gen, das Fleisch ermordeter Menschen zu­
essen. Sie gehorchte, denn andernfalls hätten
die Täter auch sie in Stücke gerissen. Nur dank
der Kirche, sagt Emelda M’Karhungulu, habe
sie ihr Schicksal annehmen können, ja sogar
ihren Vergewaltigern verziehen.
Verzeihung, Vergebung, Versöhnung: Die
Bibelworte mögen anderswo veraltet klingen,
aber in dem von gewaltsamen Konflikten
heimgesuchten Kongo sind sie tröstlicher und
lebensnäher als Worte wie Menschenrechts­
verletzung oder Internationaler Gerichtshof.
»Eure Tränen sind meine Tränen, euer
Schmerz ist mein Schmerz«, sagt Franziskus
an jenem Tag zu den Überlebenden. Besonders
verwerflich sei Gewalt im Namen Gottes, sie
dürfe nicht ungestraft bleiben. Wichtiger aber
sei, sich aus dem Gefängnis des Grolls zu­
befreien: »Ich bitte euch alle im Namen Jesu,
der denen vergeben hat, die seine Hand­
gelenke­und Füße mit Nägeln durchbohrt und
ihn an ein Kreuz geschlagen haben: Ich bitte
euch, euer Herz zu entwaffnen!«
Die Erlösungsgeschichte, hier können sie
sie nachfühlen. Zustimmend heben die An­
wesenden ihre Hände, ihre verstümmelten
Arme. Dann legen sie Macheten und Messer
als Symbole ihres Schmerzes vor ein Kruzifix.
Muss man gelitten haben, um zu glauben?
Wächst deshalb die Zahl der Christen in Afrika­
so rasant, weil Leiden den Glauben stärkt?
Pater Jean Luc Enyegue, 43, Direktor des His­
torischen Instituts der Jesuiten in Nairobi,
Kenia, verneint das. »Wir glauben nicht, weil
wir leiden, sondern unser Glaube trägt uns
durch das Leid hindurch und gibt uns innere
Fotos: Simon Mania/AFP/Getty Images; Björn Steinz/KNA (u.)
Stärke«, sagt er nach dem Papstbesuch gegen­
über der ZEIT. Von einer Million auf weit über
400 Millionen sei die Zahl der Christen in
Afrika innerhalb nur eines Jahrhunderts ge­
stiegen. Noch hat Europa über 500 Millionen
Christen. »Doch Afrika ist der Kontinent, wo
das Christentum boomt.« Er spreche bewusst
von Christen, nicht nur von Katholiken, weil
Verbundenheit wichtiger sei als die Konfession.
Immer mehr Familien seien gemischt konfes­
sionell, auch gemischt religiös mit christlichen
wie muslimischen Mitgliedern. Hinzu kom­
men die alten afrikanischen Glaubensrichtun­
gen. »In Europa halten viele uns für traditiona­
treffen sich in Prag katholische Bischöfe und Laien aus allen Ländern Europas. Sie bereiten Reformforderungen für eine Weltsynode in Rom vor.
GLAUBEN & ZWEIFELN 9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
Vergangene Woche
reiste der Papst in zwei afrikanische Länder, die besonders unter Konflikten leiden. Unser Foto zeigt Chorsängerinnen in Juba im Südsudan
bei der Abschlussmesse mit Franziskus am Sonntagvormittag. Sie tragen die päpstlichen Farben Gelb und Weiß
listisch, aber wir sind offen, schon weil unsere
Religiosität fluide ist.«
Pater Enyegue, Jesuit wie Franziskus, sagt,
er wolle die Lage nicht beschönigen, Afrika
leide, unter Armut, Gewalt und Neokolonia­
lismus. Zugleich, und darauf komme es an,
sei Afrika ein Kontinent der Jugend und der
Zuversicht. Oft wundere er sich, wie pessi­
mistisch europäische Christen über ihre Kirche
sprechen. »Wenn wir selbst nicht optimistisch
sind, wie wollen wir anderen dann Hoffnung
machen und den Glauben verbreiten?«
Der Streit über die künftige Gestalt der
Kirche, der Länder wie Deutschland momen­
tan aufregt, ist für Enyegue kein Thema. Seine
Formel zur Befriedung innerkirchlicher Strei­
tereien lautet schlicht: »Afrika soll Europa
nicht afrikanisieren, und Europa soll Afrika
nicht europäisieren.« Oder noch schlichter:
»Findet Jesus Christus auf eure eigene Weise!«
In Prag versuchen die Katholiken das diese
Woche auf einem großen Reformtreffen, einer
sogenannten Kontinentalsynode, der Vor­
stufe zur Weltsynode im Vatikan. Bischöfe und
Laien aus allen europäischen Ländern beraten,
wie ihre Kirche in Zukunft aussehen soll. Dazu
gibt es naturgemäß die verschiedensten­
Ansichten, von radikalliberal bis erzkonser­
vativ. Schon vorher stritt man sich heftig. Die
Frage in Prag lautet: Wie einigt man sich?
Auf den ersten Blick ist kaum ein größerer
Kontrast denkbar als der zwischen dem päpst­
lichen Afrika-Besuch und dem Europatreffen
der Katholiken. In Prag, der alten Kaiserresi­
denz des Heiligen Römischen Reiches, wo
einst der Dreißigjährige Krieg seinen Anfang
nahm, versammeln sich nicht enthusiastische
junge Papstfans, sondern ernsthafte, meist
ältere Kirchenexperten. Ihre theologischen
Argumente haben ein so festes Fundament wie
der Veitsdom, die Kathedrale der Prager Burg.
Selbst die Reformer sitzen diszipliniert im
Konferenzsaal des Hotel Pyramida und fügen
sich in die gestrenge Tagungsordnung mit vier
Minuten Redezeit für jedes Land.
Wenn man diesen Katholiken eine Weile
zuhört, dann fragt man sich: Wozu der ganze
Zwist der letzten Monate? Schon Kardinal
Jean-Claude Hollerich, ein Jesuit aus Luxem­
burg und der Vertrauensmann des Papstes für
die Weltsynode, erklärt in Prag in der Morgen­
Wo liegt die Zukunft der Kirche? Nach dem umjubelten Besuch des Papstes messe am Montag, es komme darauf an, dass
die Kirche niemanden ausschließe. Damit ist
im Kongo und im Südsudan diskutieren die Katholiken in Prag über Reformen schon fast alles gesagt, jedenfalls das Wesent­
liche, was Franziskus seit seinem Amtsantritt
  VON EVELYN FINGER vor zehn Jahren gebetsmühlenartig predigt:
Die Kirche soll das Kirchenvolk nicht länger
belehren, sondern begleiten. Sie soll nieman­
den niedermoralisieren oder gar diskriminie­
ren. Die Bischöfe sollen nicht Herrscher,
sondern Hirten sein. Der Papst aber müsse
nicht alles entscheiden, sondern die Ortskir­
chen sollten eigene Wege gehen.
Die deutschen Bischöfe haben das erst spät
verstanden, dafür starteten sie 2019 einen­
eigenständigen Synodalen Weg und fordern
von Rom nun die Absegnung ihrer Reform­
wünsche. In den letzten Monaten spitzte sich
der Konflikt zu, man bezichtigte sich gegen­
seitig der Reformunfähigkeit und der Spaltung.
Wer nach Prag schaut, der versteht den
Frust zwischen den verfeindeten kirchenpoli­
tischen Lagern in Europa nicht mehr. Denn
liberaler und friedlicher als auf diesem­
Reformgipfel könnte es kaum zugehen. Es
sprechen Frauen und Männer, Alte und Junge.
Sie sagen: Unsere Kirche ist in der Krise. Sie
ist unglaubwürdig. Wir müssen uns wandeln
und den Klerikalismus überwinden. Wir
müssen eins sein in Verschiedenheit.
Auch scharfer Kirchenkritik widerspricht
in Prag niemand. Als Georg Bätzing, der
Chef der Deutschen Bischofskonferenz,­
beklagt, dass die Missbrauchsopfer der Kir­
che beim Treffen in Prag hätten vertreten
sein müssen, wird genickt. Falls irgendwer
anderer Meinung ist, bleibt er stumm.­
Warum also legen die deutschen Bischöfe
nicht los und machen vor, wie Europas Kir­
che der Zukunft aussehen kann? Fürchten
sie sich wirklich vor ein paar Konservativen?
Oder vor ungemütlichen Briefen aus Rom?
Vielleicht haben sie einfach Angst, dass
eine erneuerte und moderne Kirche in­
Europa nicht automatisch groß und macht­
voll sein wird. Vielleicht sollten sie sich
vom Mut der Afrikaner etwas abschauen.
Diese Woche
Unser Foto zeigt die Eröffnungsmesse mit Erzbischof Jan Graubner in der Basilika Mariä Himmelfahrt am Sonntagabend
9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7

ENTDECKEN
Rettet unsere Alten!

Illustration: Isabel Seliger/Sepia für DIE ZEIT

Ihre demenzkranke Mutter muss ins Krankenhaus – und geht verloren. Seitdem fragt sich TANJA STELZER: Was tun wir eigentlich alten Menschen an?
58
»Ihre Mutter ist hier nicht mehr. Im Computer steht:
Patientin nicht auffindbar«
I
Illustration (Ausschnitt): Isabel Seliger/Sepia für DIE ZEIT
Ich saß im ICE vor Kassel, 300 Kilometer
von meinem Zuhause in Hamburg entfernt,
als ich auf dem Handydisplay jene Num-
mer aufleuchten sah, die mir immer einen
kleinen Stromstoß versetzt. Eine der Pfle-
gerinnen war dran. Normalerweise begin-
nen die Pflegerinnen ihre Telefonate mit
dem Satz: »Machen Sie sich keine Sorgen,
Ihrer Mutter geht es gut.« Diesmal war et-
was anders, das hörte ich schon daran, wie
die Pflegerin Luft holte.
Sie sagte, sie habe einen Rettungswagen
gerufen, weil meine Mutter am Morgen
kaum wach zu kriegen gewesen sei. »Ich
musste sie in die Wange kneifen, das tut mir
total leid, bitte wundern Sie sich nicht über
den blauen Fleck.«
Apathisch sei meine Mutter gewesen, ein
Mundwinkel habe heruntergehangen, die
Augen habe sie verdreht. Verdacht auf
Schlaganfall. Sie könne mir nicht sagen, in
welches Krankenhaus der Rettungswagen­
gefahren sei, sagte die Pflegerin noch. Sie
nannte mir zwei Kliniken, bei denen ich in
ein, zwei Stunden anrufen sollte, eine der
beiden müsse es sein, die dritte infrage kom-
mende habe ihre Notaufnahme abgemeldet.
Es sei der Teufel los in den Hamburger
Krankenhäusern. Sie drücke mir und meiner
Mutter die Daumen. Ob ich mich melden
könne, wenn ich wisse, was mit ihr sei?
Ich war auf dem Weg in den Urlaub, in
Avignon warteten mein Mann und mein
Sohn auf mich. Sollte ich zurückfahren?
Als Angehörige hatte ich schon ein bisschen
Erfahrung mit Krankenhäusern und Notauf-
nahmen. Es war der vergangene Oktober, die
Corona-Situation war nicht dramatisch, aber
die Regeln waren noch immer streng, ich
würde nicht zu ihr dürfen, nicht, solange sie in
der Notaufnahme war. Ich blieb erst mal sitzen
und warf es mir von der ersten Sekunde an vor.
Ich rief, Mutter-Notfall-Routine, meinen
Schwager an. Er ist Neurologe, mit Kranken-
häusern, Pflegeheimen und dem Fall meiner
Mutter ist er vertraut. Er ließ sich die Symp-
tome schildern und sagte: »Sie werden jetzt ein
paar Untersuchungen mit ihr machen, vor
allem ein CT.« Das Wahrscheinlichste sei, dass
sie danach schnell wieder nach Hause komme.
»Reg dich nicht auf«, sagte mein Schwager,
»aber find heraus, wo sie ist. Versuch, einen
Arzt ans Telefon zu bekommen, damit die im
Krankenhaus wissen, dass du ein Auge auf
deine Mutter hast.« Ein Ratschlag, dessen
Bedeutung mir erst später klar werden würde.
Es ist jetzt zwei Jahre her, dass meine
Mutter gestürzt ist. Sie trug eine schwere
Hirnblutung davon. Als mich im ICE der
Anruf aus dem Pflegeheim erreichte, konnte
sie schon lange nicht mehr sagen, wie sie
heißt, sie reagierte nicht, wenn man sie an-
sprach, sie konnte nicht laufen, nicht allein
zur Toilette gehen oder auch nur äußern, dass
sie zur Toilette muss.
Ihre Tage verbrachte sie im Aufenthalts-
raum mit den anderen Bewohnern der­
Demenzstation. Meist saß sie regungslos im
Rollstuhl am Tisch und wartete, bis die ­nächste
Mahlzeit serviert wurde. An guten Tagen­
führte sie dann selbst einen Löffel zum Mund.
An schlechten musste das eine Pflegerin für sie
tun. An ganz schlechten nahm sie nur etwas,
wenn ich es ihr anbot (was mich ein bisschen
stolz machte), oft aber verschloss sie ihren
Mund, und kein Wort kam heraus, kein Stück
Kuchen ging hinein.
Meine Mutter befand sich in einem Zu-
stand, der es undenkbar machte, dass eine
einzelne Pflegerin sie zu Hause betreuen­
könnte, dass ein einzelner Angehöriger, selbst
wenn er alles aufgäbe, sich um sie kümmern
könnte. Meine Mutter, die immer unabhängig
sein wollte – von anderen Menschen wie von
Konventionen –, sie hatte sich in eine Frau
verwandelt, die ständig ein ganzes Team von
Leuten um sich herum braucht.
Ines. Eliona. Clara. Gjulten. Silvio. Gaby.
Nadine. Gina. Svetlana. Jenny. Andreas. Pauna.
Olli (die Erste, mit der ich nach dem Einzug
meiner Mutter ins Heim sprach, und diejenige,
die mich jetzt anrief mit der Nachricht vom
Rettungswagen, den sie alarmiert habe). Sie alle
kümmern sich um meine Mutter, und bei­
ihnen allen ist meine Mutter beliebt, vielleicht
weil sie in ihrer ersten Zeit im Heim noch so
viel lächelte. Einmal, als sie noch sprach, hörte
ich, wie sie zu einem Pfleger sagte: »Du bist ein
super Typ, wie ein großer Bruder.«
Zwei Drittel der schätzungsweise 1,6 Mil-
lionen Demenzkranken, die es in Deutschland
gibt, werden daheim versorgt, viele von ihren
Angehörigen. Die anderen leben in Pflege­
heimen. Wissenschaftlichen Berechnungen
zufolge bräuchte es dort 120.000 Vollzeit-
kräfte mehr. Auch im Heim meiner Mutter,
das keine Luxusresidenz ist, eher Mittelklasse,
müsste es eigentlich mehr Personal geben.
Die Tage der Pflegerinnen und Pfleger sind
durchgetaktet. Ich sehe ihren hektischen Blick,
wenn nach dem Mittagessen eine ganze Station
von Demenzkranken zur Toilette gebracht
werden muss, wenn sich einer der Bewohner
zum fünften Mal hintereinander in das Zim-
mer einer Sterbenskranken verirrt. Die Pfle-
gerinnen nehmen sich Zeit, die sie eigentlich
nicht haben. Wie ich erst zufällig mitbekom-
men habe, kauft eine von ihnen manchmal von
ihrem privaten Geld Bratapfeljoghurt, weil sie
festgestellt hat, dass meine Mutter gern Brat-
apfeljoghurt isst. Manchmal haben die Pfleger
einen Kratzer am Arm oder den Abdruck von
Zähnen auf einem Finger. Mit einem Lächeln
erzählen sie dann, dass eine Bewohnerin einen
etwas schwierigen Tag g­ ehabt habe, Vollmond.
Morgen sei wieder ein anderer Tag. Sie haben
diese Demut, das Leben zu nehmen, wie es ist.
Demut lerne ich gerade, aber es gibt­
Dinge, die will ich nicht demütig ertragen. Ich
glaube auch nicht, dass eine Gesellschaft sie
ertragen sollte. Dazu gehört, was ich an je-
nem Tag vor drei Monaten erlebte, als ich im
ICE saß, und was mir nicht mehr aus dem
Kopf geht.
ENTDECKEN
Wenn ein Mensch wie meine Mutter
einen Schlaganfall erleidet, bedeutet das oft,
dass man nicht viel tun kann – und dass
man mit dem, was man tut, nicht viel er-
reicht. Das erklärte mein ­Schwager mir am
Telefon, obwohl ich es schon wusste. Sie
konnte keine Anweisungen mehr befolgen,
keine Übungen mitmachen. ­Medikamentös
war auch alles ausgereizt. Meine Mutter ist
75 Jahre alt, ich wusste, dass sie nicht mit
der gleichen Dringlichkeit behandelt wer-
den würde wie ein junger Mensch, bei dem
ein Verdacht auf einen Schlaganfall besteht.
Sosehr ich meine Mutter liebe – ich­
finde das vollkommen in Ordnung. Ich
weiß, dass man nicht immer allen gleich
schnell helfen kann und dass es manchmal
auch einfach keine Hilfe gibt.
Eine Stunde nach dem Anruf aus dem­
Pflegeheim fand ich heraus, in welchem Kran-
kenhaus sie war. Am Telefon der Notaufnahme
sagte eine freundliche Frau zu mir: »Ja, Ihre
Mutter ist bei uns.« Ich erwähnte, dass meine
Mutter dement ist, was ­bekannt war, und
fragte, wie es ihr geht. ­Offenbar schätzte man
ihre Lage nicht als dramatisch ein, jedenfalls
sagte die Frau, meine Mutter sitze im Warte-
bereich. »Rufen Sie mal in zwei Stunden
wieder an, dann können wir mehr sagen.«
Als ich zwei Stunden später anrief, sagte
eine Frau (ich bin nicht sicher, ob es die­
selbe war): »Können Sie mir noch mal das
Geburtsdatum sagen?« Sie murmelte: »Pa-
tientin nicht auffindbar.« Sie schien weiter
etwas im Computer zu suchen, ich schloss
daraus, dass sie sich wohl in der Zeile geirrt
hatte. Dann sagte sie mit fester Stimme:
»Rufen Sie in zwei Stunden wieder an.«
Inzwischen saß ich im TGV und näherte
mich der französischen Grenze. Immer
noch fragte ich mich, ob es wohl richtig war,
weiterzufahren. Ich beruhigte mich damit,
dass meine 17-jährige Tochter in Hamburg
geblieben war. Sie könnte nach der Oma
schauen, und wenn wir mehr wüssten,
könnte ich immer noch zurückfahren.
Die zwei Stunden waren vorbei, noch
einmal wählte ich die Nummer der Notauf-
nahme. Es ging keiner ran.
Weitere Anrufversuche, nichts.
Endlich meldete sich wieder die Frau, die
ich schon kannte. Ich hörte sie etwas in ihren
Computer tippen, dann sagte sie: »Ihre
Mutter ist gegangen.«
Ich antwortete: »Das kann nicht sein,
meine Mutter kann nicht gehen.«
»Doch, doch. Ihre Mutter ist hier nicht
mehr. Im Computer steht: Patientin nicht
auffindbar. Schon zum zweiten Mal.«
»Was heißt das, Patientin nicht auffindbar?«
»Na, der Arzt hat sie aufgerufen, und sie
ist nicht gekommen.«
Ich wurde jetzt etwas laut, die Leute im Zug
guckten schon. »Meine Mutter ist dement! Sie
ist ohne Begleitung bei Ihnen. Und sie kann
nicht reagieren, wenn jemand ihren Namen
sagt. Sie wissen doch, dass sie dement ist!«
Die Frau bat mich, meine Mutter zu­
beschreiben. Welche Kleidung sie trage. Ich
sagte, dass ich das nicht wisse, weil sie direkt aus
dem Pflegeheim eingeliefert wurde. »Aber
wahrscheinlich trägt sie eine altrosa­farbene
Brille.« Ich bat die Frau, nach meiner Mutter
zu suchen. Ich sagte ihr, dass meine Mutter seit
dem Morgen, wahrscheinlich sogar seit dem
Abend zuvor weder gegessen noch getrunken
hatte. Dass sie nicht allein zur Toilette gehen
kann. Inzwischen war es 18.15 Uhr. Den Anruf
aus dem Heim hatte ich um elf bekommen. Ich
fragte: »Was machen Sie mit meiner Mutter?«
Die Frau war immer noch sehr freund-
lich. Sie entschuldigte sich, sie wisse, so etwas
dürfe nicht passieren, und sie versprach,
meine Mutter zu suchen. Sie werde mich
gleich zurückrufen.
»Ich kann Ihre Mutter nicht finden. Wir
haben hier 70 Patienten in der Notauf­
nahme, und da sind ganz viele grauhaarige
Leute im Rollstuhl dabei, die nicht auf An-
sprache reagieren. Viele von denen haben
kein Bändchen um den Arm.« Die waren
also noch gar nicht registriert.
Die Frau klang jetzt fast so verzweifelt,
wie ich es war.
Ich fragte sie, ob meine Tochter ins
Kranken­haus kommen könne, um ihre Oma
zu identifizieren. Die Frau sagte, nein, sie
dürfe meine Tochter nicht reinlassen. Ich
sagte, dass ich das jetzt nicht glauben könne.
Die Frau versprach, meine Mutter noch ein-
mal zu suchen. Sie werde sich wieder melden.
Ich rief meinen Schwager an. »Meine Mut-
ter ist verschwunden.« Er sagte, dass so etwas
häufig passiere, wenn die Schichtübergabe im
Krankenhaus nicht ordentlich gemacht werde.
(Später würde ich noch mehrmals von Bekann-
ten, die im Krankenhaus arbeiten, zu hören
bekommen: So was kommt doch ständig vor.
Sie scheinen sich daran gewöhnt zu haben.)
Unaufhörlich raste der TGV, inzwischen
war ich irgendwo hinter Besançon, Franche-
Comté. Der Gedanke, mit dem ich mich
halbwegs beruhigen konnte, war der: Meine
Mutter kann nicht weggelaufen sein. Sie
kann ja nicht mehr laufen. Aber wie ging es
ihr? Sie verstand doch nichts von dem, was
um sie herum geschah.
Die Notaufnahme rief wieder an, aber ich
konnte nichts verstehen. Das Netz war
schlecht, bei 320 km/h rauschte die Land-
schaft vorbei. Neuer Versuch. Die Frau ­sagte,
der Oberarzt habe eine Sonderge­nehmigung
erteilt, meine Tochter dürfe kommen. Sollte
meine Tochter ihre Oma auch nicht finden,
werde man sehr schnell andere Schritte­
einleiten. Es fiel das Wort Polizei. Also, am
besten wäre es schon, wenn sie wirklich,
wirklich sofort kommen könne. Als ich noch
überschlug, wie lange meine Tochter wohl
bis zum Krankenhaus ­brauchte, unterbrach
die Frau mich.
»Hat Ihre Mutter so einen Strassstein auf
einem Schneidezahn?«
Mein Bruder und ich hatten diesen
Strassstein immer für eine Geschmacks­
verirrung meiner in modischen Fragen
manchmal etwas eigenwilligen Mutter gehal-
ten. Aber jetzt war ich beseelt von einer tiefen
Dankbarkeit, dass es diesen Strassstein gab.
»Ich hab sie, ich hab sie!«, rief die Frau.
Sie versprach mir, meiner Mutter sofort­
etwas zu trinken zu geben, sie zur Toilette zu
bringen und dafür zu sorgen, dass ein Arzt
sie untersucht. Zu essen gebe es leider nichts,
aber es werde jetzt alles ganz schnell gehen.
Sie sagte, »nur zur Erklärung, nicht zur
Entschuldigung«, sie hätten nur sechs Leute
da für all die Kranken – Pfleger und Ärztin-
nen zusammengerechnet.
»Was machen Sie nur mit den alten
Menschen?«, fragte ich, und sie schwieg.
Ich führte an dem Abend noch einige
Telefonate mit Ärzten, die ihr Bedauern
über die Situation ausdrückten, die mich
über die Krankengeschichte meiner Mutter
befragten und mir erklärten, welche Unter-
suchungen geplant seien. Die Symptome
hätten sich verbessert, wahrscheinlich habe
sie keinen Schlaganfall gehabt.
Wie ich später bei einem Telefonat mit
einer Stationsschwester erfuhr, war meine
Mutter erst um fünf Uhr am Morgen auf
ihr Zimmer gekommen. Das Zimmer ge-
hörte zur Gynäkologie, nur da war noch ein
Bett frei gewesen. Als ich der Stations-
schwester von der Odyssee meiner Mutter
erzählte, konnte sie es nicht fassen. »Und das
bei einer Privatversicherten?! Ich sag dazu
gar nix mehr.«
Die Bemerkung zum Versicherungsstatus
meiner Mutter ließ mich ahnen, dass alles noch
schlimmer war, noch ungerechter. Es klang ja
so, als wäre das alles besonders einer Privat­
versicherten nicht zuzumuten, was im Um-
kehrschluss bedeutete, dass es einem Kassen­
ver­sicherten eben doch zuzumuten sei. Wie
war es wohl den anderen Alten ergangen, die
in ihren Rollstühlen im Wartebereich saßen
und von denen die Frau am Telefon nicht
wusste, wer sie waren? Wie waren die ver­
sichert? Und was passierte mit Menschen,
deren Angehörige nicht nachfragten, vielleicht
weil es gar keine Angehörigen gab?
Bei meiner Mutter wurden dann doch zwei
– schon länger zurückliegende – Schlaganfälle
diagnostiziert, aber da eine Therapie unmög-
lich war, wurde sie nach einer zweiten Nacht
im Krankenhaus ohne weitere Behandlungen
entlassen. Vollkommen erschöpft kam sie im
Pflegeheim an. Seitdem ist sie noch teilnahms-
loser als zuvor.
Ich beklage nicht, dass man meiner Mut-
ter nicht helfen konnte. Ich beklage, dass
man ihr die Würde geraubt hat.
Ich habe übrigens auch mit vielen Ärzten
sehr gute Erfahrungen gemacht. Mit dem
Hausarzt, der meine Mutter regelmäßig im
Heim besucht und nach seinen Visiten, schon
unterwegs zum nächsten Heim, bei mir anruft,
um seine Eindrücke von ihr mit meinen ab-
zugleichen. Mit Krankenhaus­ärzten, die sich
in dramatischen Situ­a­tionen mit mir in langen
Gesprächen dar­über ausgetauscht haben, was
medizinisch möglich und was ethisch geboten
ist. Oft, wenn ich solche guten Erfahrungen
machte, hatte ich das Gefühl, dass diese­
Menschen ihren Job auf diese Weise nicht
wegen, sondern trotz des Systems machten, zu
dem sie gehörten (und sicher nicht, weil sie
diesen Fall privat abrechnen konnten). Dass
sie entschieden hatten, dann eben weniger zu
schlafen, ihre Familie weniger zu sehen,­
weniger an ihre eigene Gesundheit zu denken,
um genau jetzt mit mir die Lage meiner Mutter
durchzusprechen.
Und dann gab es eben die anderen Er-
fahrungen, die, bei denen das System voll
durchschlug.
9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
Als meiner Mutter im vergangenen Som-
mer einige Zähne gezogen werden mussten,
was wegen ihres Zustandes nur in Vollnarkose
möglich war, als sie wegen ihrer Zahnschmer-
zen vorübergehend das Essen eingestellt hatte
und ich fragte, warum wir nun schon zwei
Wochen auf die OP warteten, da sagte ein Arzt
am Telefon zu mir: »Wissen Sie, Ihre Mutter
ist ja kein winning case für uns.« Das war,­
immerhin, entwaffnend ehrlich.
Mit der Behandlung einer Patientin wie
meiner Mutter lässt sich keine Furore auf
einem medizinischen Kongress machen.
Geld verdienen lässt sich auch nicht wirk-
lich, denn meine Mutter braucht, siehe
oben, intensive Betreuung. Sie zu versorgen
dauert länger als bei anderen, sie zu unter-
suchen und zu behandeln auch.
Wer mit Leuten spricht, die alte, schwer
kranke Angehörige haben, bekommt Ge-
schichten zu hören, die man kaum glauben
kann. Man erzählt sie sich wie Gruselstorys,
die blöderweise in der Realität spielen. Man
vergewissert sich gegenseitig, dass man »immer
hinterher sein« müsse, um durchzusetzen, dass
sich jemand um die alten Patienten kümmert.
Eine Nachbarin erzählte mir, ihrer Mutter
habe man im Krankenhaus ein Gitter ums
Bett herumgebaut, damit sie nicht weglaufen
konnte.­Das Essen stellte man ihr auf einen
Tisch außerhalb des Gitters.
Als meine Tochter ein Praktikum auf einer
geriatrischen Station machte, erzählten Kolle-
gen ihr eines Morgens, dass in der Nacht ein
alter Patient aus dem Fenster gesprungen und
gestorben war. Es war unklar, ob der Patient
bloß verwirrt war oder sich das Leben nehmen
wollte. Jedenfalls hatte niemand daran gedacht,
auf der Station, auf der zahlreiche Demente
untergebracht waren, die Fenster zu sichern.
Niemand hat es böse mit meiner Mutter
gemeint, nicht mit der Mutter der Nach­
barin, nicht mit dem Mann, der aus dem
Fenster sprang. Es ist bloß so, dass keiner an
sie gedacht hat. Dass sie nicht zählten. Oder
zu viel kosteten, zu wenig einbrachten.
Ich weiß, dass die Situation in vielen­
Notaufnahmen prekär ist und dass die Alten
nicht die einzigen Opfer dieser Situation sind.
Sie sind aber die Hilflosesten, und dort, wo das
Recht des Stärkeren gilt, haben sie keine­
Chance. Selbst wohlwollende Ärzte und Pfle-
gerinnen geraten bei 70 Patienten in der­
Notaufnahme an ihre Grenzen und müssen
entscheiden, wem sie helfen. Die Leisen, die
sich nicht mehr äußern können, sind es nicht.
Es sind diejenigen, die sich in akuter Lebens-
gefahr befinden, und diejenigen, die sich noch
­beschweren können oder jemanden haben, der
sich für sie beschwert.
2004 hat Frank Schirrmacher, damals
Feuilleton-Chef der FAZ, sein Buch Das­
Methusalem-Komplott geschrieben. Darin geht
es um die bevorstehende Vergreisung der­
Gesellschaft. Schirrmacher sagte einen Krieg
der Generationen voraus, Verteilungskämpfe,
revolutionäre Umstürze. In schillernden Farben
malte er Szenarios aus, wie brutal sich die
Gesellschaft den immer zahlreicher werdenden
Alten gegenüber verhalten werde, wenn diese
Alten, solange sie noch jung seien, nicht­
anfingen, sich zu wehren und die gesellschaft­
lichen Strukturen zu ändern.
An das Buch muss ich in letzter Zeit oft
denken. Wir sind, 19 Jahre nach Schirrmachers
Buch und neun Jahre nach dem Tod des­
Autors, mittendrin in den Verteilungskämpfen.
Wer bezahlt in 30 Jahren die Rente der­
jenigen, die dann alt sind?
Wer umsorgt die Alten und holt sie aus
der Einsamkeit, die zunehmen wird, weil es
immer mehr Menschen gibt, die keine Kin-
der haben und keine Enkel?
Wer baut Mehrgenerationenhäuser, die
nötig sind, weil die Leben von Eltern und
Kindern sich heute oft in unterschiedlichen
Städten abspielen, weit voneinander weg?
Der demografische Wandel stellt uns vor
so viele Fragen, für die man Ideen bräuchte –
junge Ideen. (Das Konzept des demenz­
sensiblen Krankenhauses existiert übrigens
schon – in der Notaufnahme soll es dort In-
seln für Demente geben, die ihren Bedürf-
nissen entsprechend gestaltet sind, besonders
geschulte Pfleger ­ begleiten die Dementen
von der Anmeldung über die Notaufnahme
bis zur Station.)
2050 wird in Deutschland mehr als ein
Drittel der Bevölkerung 65 Jahre und älter
sein. Es wird dann nicht mehr 1,8 Millionen,
sondern knapp drei Millionen Demente geben.
Ines. Eliona. Clara. Gjulten. Silvio. Gaby.
Nadine. Gina. Svetlana. Jenny. Andreas. Pauna.
Olli. Die Frau am Telefon der Notaufnahme.
Der zugewandte Hausarzt. Der Arzt, der keinen
Termin für meine Mutter hatte. Ich oder auch
Sie. Wir alle könnten einmal zu denen­
werden, die wie meine Mutter keine winning
cases sind.

Francesco Giammarco
entdeckt: Fantasieweh
Immer einsamer steht unser Kolumnist mit seiner Liebe zu
München da. Sogar in München
I
n München am Gärtnerplatz gibt es
einen Hundefriseur, der mich faszi-
niert. Denn auf Fotos im Internet
erkennt man sofort, dass die Hunde
dort Münchner sind. Sie s­ehen­
gesund und ordentlich aus und haben so
einen satten Glanz. Einer von ihnen sitzt
sogar auf einem Bobby­car. Kein normales
Bobby­car, sondern ein Porsche 911.
Ich bin in München aufgewachsen und
verließ die Stadt bei erster Gelegenheit. Zu
glatt, sauber und protzig war es mir dort.
Inzwischen hat sich meine Haltung ins
Gegenteil verkehrt. Immer, wenn ich heut-
zutage zu Besuch in München bin, kann ich
gar nicht glauben, dass es diesen Ort wirk-
lich gibt: Die Menschen sind hübscher, das
Essen ist besser, und sogar das Licht scheint
mir anders, irgendwie heller zu sein.
Meine Freunde, die ich dort besuche,
nerve ich damit schrecklich. Es mache
einen großen Unterschied, ob man hier
lebe oder die Stadt nur aus der Ferne­
beobachte, erklärten mir K., M. und N.,
als wir neulich in einer Schwabinger
Kneipe standen. »Ich finde es ein biss-
chen anstrengend, wenn Hunde besser
aus­sehen als ich«, sagte meine Freundin
M. Und die Menschen – klar, schön seien
sie. Aber sonst? Kürzlich sei sie in einem
dieser zahlreichen Nagelstudios gewesen,
in denen vor allem Viet­na­me­sin­nen­
arbeiten würden. Sie habe neben einer
blonden Münchnerin in Yogahosen ge-
sessen, die laut telefonierte, während eine
Frau ihr mit gesenktem Kopf die Nägel
machte.
Ins Telefon: »Wirklich, er hat seinen
Freunden abgesagt, um Zeit mit mir zu
verbringen!«
Zur Frau: »Du, schau, die sind noch
ungleich. Pass auf.«
Ins Telefon: »Ja, ich weiß. Das ist ­Liebe!
Als Nächstes fahren wir in die Berge.«
Zur Frau: »Guck, die sind immer noch
ungleich. Also tut mir leid, aber die Linh
hat es das letzte Mal besser gemacht.«
Sie könne dann auch immer nicht
glauben, sagte M., dass es so was wirklich
gebe. Vor allem jedoch habe sie Angst, es
könnte irgendwie ansteckend sein.
»Aber das Essen ist hier wirklich besser«,
sagte ich kleinlaut. Da schnalzte K. verächt-
lich mit der Zunge: »Aber nie so gut, dass
es wert wäre, was man dafür zahlt.« Ich
musste sofort an G. denken, der tags zuvor
für mich gekocht hatte. Es gab ­Pulled Pork
Hier entdecken von nun an jede Woche im Wechsel:
Yasmine M’Barek, Francesco Giammarco, ­D avid Hugendick und Anna Mayr
Met a B ene
Unser Zeichner Robin Thiesmeyer, 44, lebt in Berlin
und denkt in seiner Reihe Meta Bene über das Leben nach
ENTDECKEN 59
RICHTIG GUTE LEUTE
aus dem Sous-­vide-­Garer. G. hatte einen
Schweinerücken in einer Plastiktüte vakuu-
miert und dann 24 Stunden bei geringer
Temperatur in einer Wanne gekocht, die
aussah, als könne man Babys darin baden.
Dazu hatte er sehr teure Semmeln gekauft.
Von einem Bäcker, sagte G. – und hatte
dabei gleichzeitig belustigt und genervt­
geklungen –, der sich selbst »Brothand-
werk« nenne und vor dem die Münchner
täglich in sehr langen Schlangen warteten.
Das Brot werde angeblich nur mit frischem
Quellwasser aus der Mangfall gemacht.
Dann hatte G. genüsslich in seine
Foto: Lorraine Hellwig für DIE ZEIT
Semmel gebissen und gekichert: »Im
Grunde heißt das, dass er Leitungswasser
nimmt. Das kommt in München näm-
lich auch aus dem Mangfalltal.«
Ich sah zu meinem Freund N., der sich
noch nicht zum Thema geäußert hatte,
dabei war er doch von allen ­ meinen
Münchner Freunden der gescheiteste. So
hatte er mir das jedenfalls erklärt. Er sprach,
ohne den Blick von dem Bar­keeper abzu-
wenden, der nach seinem Dafürhalten viel
zu langsam und zu schlampig arbeitete. »Du In dieser Woche freuen wir uns über: Mala Emde
kennst doch den Film Rossini von Helmut
Dietl? D­ arin geht es um ein Restaurant, in
dem Filmleute und Schriftsteller rumhän- Das erste Mal ausgehen in Paris war anders: Plötzlich wurden im Café die Tische manchmal habe ich den Verdacht, das könnte an der Luftverschmutzung liegen.
gen.« Gleich am Anfang gebe es eine Ein- weggeschoben, die Musik wurde lauter, und es wurde einfach getanzt. Ich kann Auf dem Smart­phone lasse ich mir entsprechende Warnungen anzeigen – die
stellung, in der München aussehe, als hätte mich erinnern, wie die anderen sich bewegten, heimlich Blicke in den Spiegel Grenzwerte werden ständig überschritten.
es eine Skyline. »Das ist das Problem: Die warfen, um sich selbst zu beobachten. Ich fühle mich wacher, wenn ich an Orten Eine Freundin und ich hatten uns schon vor der Pandemie versprochen, dass
Leute hier denken, sie wären in New York bin, wo nicht Deutsch gesprochen wird. Ich muss mich mehr konzentrieren, bin wir einmal zusammen in Paris wohnen würden, dass wir uns dort an einer
oder L.A. Die leben eine Fantasie.« bewusster im Moment und sehe deutlicher, was um mich herum geschieht. Straßenecke träfen, an jeder Hand einen Koffer. Genau so war es, im November
Das reale Vorbild für das Film-Restau- Ich liebe die französische Eleganz, die Verspieltheit und das Renaissance- 2021. Seitdem höre ich jeden Morgen die Möwen, die sich aus irgendeinem
rant, sagte N., habe übrigens irgendwann Licht, diesen besonderen Schein, den die Laternen in Paris vervielfachen. Nur Grund auch nach Paris verirrt haben, obwohl das Meer ja weit weg ist.
geschlossen und dann an anderer Stelle neu
aufgemacht – als »Rossini«. Da sei die­ Mala Emde, 26, ist Schauspielerin und gerade in dem Science-Fiction-Liebesfilm »Aus meiner Haut« in der Hauptrolle zu sehen. Protokoll: Stefanie Witterauf
Fiktion direkt in die Realität geschwappt.
Nur hingen da heute keine Filmleute mehr
rum, »sondern Angeber-Typen, die mit ihrer
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Mercedes-G-Klasse die Straße zuparken und
Spiegeleier mit Trüffeln essen wollen«.
Ich nahm einen Schluck vom Bier.
Wenn er das alles so schrecklich finde,
sagte ich, dann könne er ja zu mir nach
Hamburg ziehen. Dort seien die Hunde
zottelig und trügen St.-Pauli-Tücher um
den Hals und sähen mit Sicherheit nicht
besser aus als die Menschen. Und auch
sonst gebe es, außer dem Umstand, dass alle
zwei Wochen ein ­Marathon sei, eigentlich
nichts, worüber man sich ärgern müsse. N.
dachte einen Augenblick nach, dann winkte
er ab: »Passt schon.« Ich fühlte mich be-
stätigt: Eine u
­ nangenehme Fantasie ist am
Ende immer noch besser als die Realität.
50 €* Bordguthaben
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Es gelten die aktuellen AIDA Reisebedingungen und Informationen auf aida.de/agb. AIDA Cruises • German Branch of Costa Crociere S. p. A. • Am Strande 3 d • 18055 Rostock
60
Stephan und Ellen lernten einander
vor neun Jahren bei der Arbeit ­
kennen. Sie wohnen mit zwei ­
Kindern, vier und zwei Jahre alt, in ­
einer Doppelhaushälfte in Gütersloh.
Stephan ist Geschäftsführer eines ­
Metallwarenherstellers, vor der ­
Elternzeit hat Ellen als Marketing­
leiterin g­ earbeitet. Stephan wird per
Zoom im Schlafzimmer interviewt,
Ellen macht derweil Sport mit den
hauseigenen F ­ itnessgeräten, spielt mit
der Tochter und duscht. Dann spielt
Stephan mit den Kindern, und Ellen
erzählt.
Erinnern Sie sich an Ihr erstes Treffen?
Er: In unserer alten Firma saß sie an
einem Platz unter der Treppe, damals
noch mit Brille. Ich dachte: Die ist ja
süß. Ich fragte in der Personalabteilung
nach: »Wer ist die unter der Treppe?«
Azubine, war die Antwort. Ich dachte:
Och, dann hak ich das mal ab. Ich war
Geschäftsführer, sie zehn Jahre jünger,
damals wirkte der Altersunterschied
noch viel gravierender. Ich bin dann für
die Arbeit nach China gegangen. Als
ich zurückkam, lief sie immer an­
meinem Büro vorbei zum Kopierer.
Ich dachte: Die ist ja immer noch gut.
Ich habe immer wieder versucht, sie in
unverfängliche Gespräche zu verwi­
ckeln. Hat nicht geklappt.
Sie: Stephan wurde mir offiziell vor­
gestellt als Geschäftsführer aus China.
Er strahlte eine maskuline Dominanz
aus, viel Energie – und sehr viel Arro­
ganz. Er saß breitbeinig bei mir im
Büro, so nach dem Motto: »Hier
möchte ich mal meine Duftmarke­
hinterlassen.«
Wie war das erste Date?
Er: Ich hatte immer das Gefühl: Viel­
leicht hat sie ja doch Interesse. Wenn
jemand dich komplett blöd findet,
merkst du das ja. Ich sagte der Eigen­
tüme­rin des Unternehmens: »Ich finde
die gut, aber sie sagt immer, sie habe
keine Zeit.« Sie sagte: »Sie muss nächste
Woche in Italien die neuen Marketing­
konzepte präsentieren – den Termin
sage ich einfach vorher ab.« Da hatte sie
plötzlich doch Zeit. Während unseres­
Dates war ich erst verunsichert, es war
ja schon erzwungen. Ich hatte mich
vorsichtshalber danach noch mit einem
Kumpel verabredet. Anfangs war es
schleppend, doch dann fingen wir an,
uns gemeinsam über den katastropha­
len Service im Restaurant aufzuregen,
und tranken eine Flasche Wein. Die
Verabredung endete bei mir auf der
Dachterrasse bei einem finalen Glas.
Sonst ist an dem Abend aber nichts
passiert.
Sie: Ich hatte gar keinen Bock, er auch
nicht. Es ging für uns beide nur darum,
herauszufinden, ob das Gegenüber wirk­
lich so blöd ist, wie man annahm. Es
war wie ein Business-Dinner, das beide
so kurz wie möglich halten wollten.
Wir waren auch beide noch danach
verab­redet. Das Essen war nicht gut,
der Kellner wurde unser gemeinsamer
Feind. Das entspannte die Stimmung.
Am Ende saßen wir mit Champagner
bei ihm auf der Dachterrasse.
Wer hat entschieden, die Beziehung
im Büro geheim zu halten?
Er: Das haben wir gemeinsam entschie­
den. Wir wollten nicht, dass es Gerede
gibt. Vielleicht dachte Ellen anfangs
auch, ich verarsche sie nur. Ich finde es
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bis heute schwierig, wenn Pärchen im
Beruf zusammenarbeiten. Wenn einer
die Kontrollfunktion innehat und der
andere einen Fehler macht, wird es
schwierig, wenn dir der Partner näher
steht als das Unternehmen.
Sie: Ich. Ich habe mir von Kollegen so­
wieso viele Macho-Sprüche anhören
müssen, zu Kleidung und Figur. Ich
wusste, dass mein Vorgesetzter Stephan
nicht leiden kann. Ich habe befürchtet,
wenn das die Runde macht, bin ich
unten durch. Als Kerl hast du da weni­
ger zu verlieren. Ich war deutlich jünger
als die meisten anderen Abteilungslei­
ter, ich musste mich ständig beweisen.
Ich habe das für mich als zu großes Ri­
siko betrachtet.
Wie ist es, ein Jahr lang so zu tun, als
sei man kein Paar?
Er: Ich habe das nicht als Herausforde­
rung wahrgenommen, ehrlich gesagt.
Sie: Wir sind getrennt ins Büro gefah­
ren. Wenn wir zusammen essen waren,
dann so, dass es möglichst wenige
mitbekommen haben. Keine Zärtlich­
keiten. Wenn im Büro über ihn ge­
sprochen wurde, habe ich mich an
Läs­te­
reien nicht mehr beteiligt. Ich
hatte ihn ja anfangs auch für arrogant
gehalten. Wir sind erst offiziell zusam­
mengezogen, als wir verheiratet waren.
Da hatten wir aber schon beide die
Firma verlassen.
Würden Sie das heute anders machen?
Er: Wenn ich daran denke, was daraus
geworden ist: natürlich.
Sie: Ich bereue nichts. Jetzt bin ich ein
paar Jahre älter und kann selbst­
bewusster sagen: Wenn jemand ver­
sucht, mir daraus einen Strick zu dre­
hen, ist das das falsche Umfeld für
mich. Ich würde heute aber auch
nicht mehr in Stephans Firma anfan­
gen, dafür sind wir beide zu starke
Charaktere. Ich möchte mich ihm im
Job nicht unterordnen müssen.
Was ist Ihre größte Gemeinsamkeit?
Er: In schwierigen Situationen rücken
wir zusammen und stärken uns gegen­
seitig.
Sie: Unsere Kinder. Und die Art, wie
wir gelernt haben, mit­ein­an­der zu le­
ben. Der geht mir manchmal so krass
auf den Sack, aber ich möchte nie ­einen
anderen an meiner Seite haben.
Was ist Ihr größter Unterschied?
Er: Wenn ich jemanden nicht leiden
kann, merkt der das deutlich. Da ist sie
diplomatischer.
Sie: Temperament. Stephan ist gedul­
diger und ausgeglichener. Ich habe eine
kurze Zündschnur, werde schnell laut.
Wenn wir streiten, macht er das mit
einer Ruhe und Sachlichkeit, ich bin
sehr emotionsgeladen.
Was ist die größte Herausforderung
in Ihrem Alltag?
Er: Wir haben zwei Kinder. Wir bauen
gerade eine denkmalgeschützte Scheune
zu einem Haus um. Wenn Ellen eine
ganze Nacht kaum schläft, dann ist
auch noch ein Kind krank, sie hat
morgens einen Termin auf der Bau­
stelle, und ich bin auf der Arbeit – das
geht an die Substanz.
Sie: Dass wir uns »uns« bewahren, als
Paar. Stephan ist wesentlich öfter drau­
ßen als ich – ich bin gefühlt nur noch
Mutter und habe gar nicht mehr so­
einen Weitblick.
ENTDECKEN 9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
GETRENNT BEFRAGT (51)
Gab es die Überlegung, die Elternzeit nung in Stuttgart aufgelöst und sind­
anders aufzuteilen? zusammen nach Spanien gezogen, dann
Er sagt
Er: Nein. Aus wirtschaftlichen Grün­ nach Frankfurt. Wir hatten keinen­
den. festen Wohnsitz und haben uns ganz
Sie: Nein. Bevor wir unser zweites Kind bewusst die Zeit genommen, zu ent­
bekommen haben, haben wir uns eine scheiden, wo wir unseren nächsten
Zeit lang 50/50 um unsere Tochter ge­ Schritt sehen.
kümmert. Ich weiß also, dass Stephan Sie: Es gab einen Moment, als unsere
Sie sagt
das genauso gut hinkriegt. Es ist eine Tochter erst ein paar Monate alt war
finanzielle Entscheidung. und ich in Elternzeit. Wir haben uns
damals entschieden, alles hinter uns zu
Worüber streiten Sie? lassen: Wohnung gekündigt, Fixkosten
Er: Meistens über Schrott: Zahnpasta­ runtergefahren, eine Zeit in Spanien­
flecken im Waschbecken. Oder weil ich gelebt. Ich habe angefangen, Teilzeit zu
ein Glas irgendwo stehen gelassen habe. arbeiten. Stephan hat sich um unsere
Als wir geheiratet haben, hat die Pas­ Tochter und seine weitere Karriere­
torin gefragt, was ich an meiner Frau­ gekümmert. Es war ein Schritt ins­
besonders gut finden würde. Ich sagte: Ungewisse, mit vielen Ängsten, die auch
»Die geht mir nicht auf den Sack.« von außen kamen. Wir haben an uns
Sie: Letztens bin ich ausgeflippt: »Alter, geglaubt und sind daran gewachsen.
ich schaffe das nicht, ich kann nicht
mit zwei Kindern in den Supermarkt. Haben Sie sich durch die Beziehung
Das eine Kind reißt den Laden aus­ein­ verändert?
an­der, das andere sagt nur: ›Ich will Er: Ich glaube, dass du dich als Mann
dies! Und das!‹ Ich gehe jetzt in Ein­ erst dann richtig veränderst, wenn du
kaufsstreik. Wenn du etwas essen willst, Kinder hast. Ich war früher viel unter­
kauf es ein.« Jetzt geht er einkaufen. wegs, beruflich in China, in Russland,
in Italien. Es fiel mir schnell die Decke
Welcher Satz Ihres Partners treibt Sie auf den Kopf. Das hat sich völlig­
zur Weißglut? geändert. Wenn ich mal zwei Tage
Er: Sie sagte eine Zeit lang immer »Das nicht zu Hause bin, fehlt mir die Bande.
ist der Punkt«. Ich konnte es nicht Sie: Ja. Das liegt zum Teil an unserem
mehr hören: »Hör mir auf mit deinem Altersunterschied. Es gibt Dinge, mit
Scheiß-Punkt!« denen andere in meinem Alter noch
Sie: Er formuliert gern Dinge, als sei nicht konfrontiert waren: Mein Schwie­
ich seine Angestellte: »Wo haben wir gervater ist vergangenes Jahr gestorben.
denn ...?«, »Hast du irgendwo mein In meinem Umfeld haben Leute hin­
Handy gesehen?«. Den Satz höre ich gegen noch ihre Großeltern. In unserem
15-mal am Tag. Gefolgt von »Hast du Freundeskreis gibt es Menschen von
meinen Ehering gesehen?«. Wie bei Ende 20 bis Ende 50, manche sind fast
Loriot. Du hast manchmal einfach ein so alt wie meine Eltern. Auch ganz­
drittes Kind. verrückte Menschen, die ich ohne ihn
niemals kennengelernt hätte. Das­
Wer übernimmt wie viel Prozent der bereichert mein Leben total.
Aufgaben im Haushalt?
Er: 70/30. Wir haben eine Putzfrau, Wofür sind Sie Ihrem Partner dank-
aber das meiste macht Ellen. Ich koche bar?
am Wochenende gern, ich mache das Er: Dass sie so einen alten Zausel wie
Laub im Garten weg. Beim Einkaufen mich überhaupt genommen hat.
folge ich ihren Anweisungen. Sie: Er versucht immer alles zu tun,­
Sie: Ich habe kurz über 70/30 nach­ damit ich glücklich bin.
Foto: Frederike Finster für DIE ZEIT
gedacht, aber das ist viel zu viel. 80/20,
er geht samstags mit den Kindern ein­ Mit welchem Gefühl blicken Sie auf
kaufen, er kocht auch sehr gut. Als wir Ihre gemeinsame Zukunft?
nur zu zweit waren, war es 50/50. Jetzt Er: Ich freue mich drauf. Klar sitzen wir
hat sich »Sie macht es ja eh« eingeschli­ abends oft vorm Fernseher und ­schauen
chen. Bei manchen Sachen bin ich irgendeinen Schrott an. Aber wir waren
auch selbst schuld. Beim Wäschezu­ im Sommerurlaub auch auf Kreta, El­
sammenlegen habe ich gesagt, er könne len und ich saßen im Restaurant an der
das nicht richtig. Seitdem mache ich es. Bar, haben zu zweit den Sonnenunter­
Ellen, 37, war Auszubildende und Stephan, 47,
Geschäftsführer derselben Firma, als sie sich trafen gang genossen. Die Kinder lagen im
Ist das fair? Bett, wir hatten sie über das Babyfon
Er: Wenn ich alle Kleinigkeiten zusam­ im Blick. Wenn du zwei Kinder hin­ter­
menzähle – von der Sache her ist das ein­an­der kriegst, kannst du vier Jahre
sicherlich okay. nicht feiern gehen. Unser Sohn ist bald
Sie: Auf keinen Fall. zwei, er rennt jetzt nicht mehr überall
dagegen oder versucht ständig, sich
Sorgt das Thema Geld für Konflikte? umzubringen. Da freue ich mich wahn­
Wie gleichberechtigt ist ihre Beziehung? Er: Nein. sinnig drauf.
Hier erzählen Paare, wie sie versuchen, das Leben Sie: Nicht ernsthaft. Ich bin ein Sorgen- Sie: Ich freue mich, wenn der Kleine
Häschen, ich spare gern an. Stephan ist ein bisschen älter wird und Stephan
gemeinsam auf die Reihe zu kriegen eher so: »Was man hat, kann man aus­ und ich wieder mehr unser Ding­
geben.« Ich verdiene in meiner aktu­ machen können, wenn wir nicht im­
ellen Situation ja nichts, das fühlt sich mer so vernünftig sein müssen, weil
blöd an. Ich würde mich beruflich auch zwei Kinder dabei sind. Ich blicke
gern wieder mehr verwirklichen. auch mit Wehmut in die Zukunft. Er
ist zehn Jahre älter, daran bemisst sich
Was war Ihre größte Krise? der Lebensabend. Ich sage ihm immer:
Er: Als unsere Tochter nachts geboren »Du musst so lange wie möglich bei
wurde, war ich am Nachmittag ihres mir bleiben.«
ersten Tages wieder im Büro. Ich habe
damals eine Firma saniert, die kurz vor Die Gespräche führte Sarah Levy
der Pleite stand. Wenn du viel arbeitest,
kann eine Beziehung daran scheitern. Unsere Gesprächspartner waren bereit,
Aber der Job muss gemacht werden, er offen und ehrlich über ihre Beziehung zu
sichert unsere Existenz. Als die Firma sprechen – allerdings nur, wenn wir ihre
verkauft war, haben wir unsere Woh­ Nachnamen nicht nennen
24 . 0 1 . 2 02 3 | D a n i e l a L o r e n z
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02.02.23 15:23
DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023 ENTDECKEN 61

Hilf mir mit dem Finanzamt, bitte!

Künstliche Intelligenz revolutioniert die Arbeitswelt – unseren Autor YVES BELLINGHAUSEN freut das. Er lässt sämtliche Mails von ChatGPT schreiben. Und nicht nur die

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Ich sitze am Küchentisch meiner Mut­ GPT GPT G G schuldigung. Dann fügt sie hinzu:
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ter und schaue ChatGPT dabei zu, wie sie über­ PT GP GPT GPT GPT GPT GPT GPT G GPT G GPT T GP T G T G T G Es ist wichtig, zu beachten, dass es mit einer
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legt. Der Cursor blinkt auf der Stelle. In das Die GPT
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Texteingabefeld der künstlichen Intelligenz habe Oma einer T G PT GPT G G PT G P T G PT G PT G P T T G G P wichtig, deine Worte mit Taten zu unterstützen.
ich getippt: »Bitte formuliere einen netten Weih­ Bekannten schenkt
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nachtsgruß an einen guten Freund.« Der blin­ mir selbst gestrickte Socken. GPT GPT GPT GPT GPT GPT GPT GPT GPT G G PT mit Ich kann nicht kochen.
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kende Cursor setzt sich in Bewegung. ChatGPT, schreib ihr doch bitte einen net­ GPT GPT GPT G P T G PT GP menschlicher Bitte zögere nicht, mich um Rezepte zu bitten.
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ten Dankesbrief, und lass dir was Besonderes ne eigent­ Intuition könne man Sie sagt mir, welches Gericht ich kochen
Lieber [Name des Freundes], dafür einfallen. ChatGPT schreibt: lich nicht mehr als Schach beherrschen. Alle guten soll (Lachsfilet mit Kartoffelpüree und Salat),
frohe Weihnachten! Ich hoffe, du und deine ­ eine Vorlage liefern. Wenn wir einfach nur Spieler lassen sich mittlerweile von Schach­ schreibt mir Einkaufszettel und Kochanlei­
Familie verbringt eine wundervolle Zeit und Liebe [Name der Oma], übernähmen, was sie uns in den Mund lege, computern unterstützen. tung (bitte wie für einen Zwölfjährigen). Sie
könnt ein wenig abschalten. Du bist ein toller ich möchte mich von ganzem Herzen bei Ihnen dann gerate etwas Falsches in die Beziehungen Und, keine allzu steile These, genauso sucht Wein (Pinot Grigio) und Musik (Bossa
Freund, und ich liebe deinen Humor. Mit dir für die wunderschönen, warmen Wintersocken zu unseren Gesprächspartnern hinein. wird es nicht mehr lange dauern, bis ChatGPT nova) aus.
kann man stundenlang quatschen, und die Zeit bedanken, die Sie für mich gestrickt haben. Sie Aber da habe ich längst aufgehört zu einen Teil unser aller Kommunikation über­ Ich habe es mir in meinem eigenen Leben
verfliegt immer viel zu schnell. sind nicht nur wunderschön anzusehen, son­ hinter­fragen, was ChatGPT für mich formu­ nimmt und uns im Alltag unterstützt: Gerade auf dem Beifahrersitz bequem gemacht und
Ich hoffe, dass wir uns öfter sehen werden und dern auch unglaublich bequem und warm. Ich liert. Ich schicke nur noch ab. erst hat Microsoft die KI in eine Premium- schaue ChatGPT dabei zu, wie sie sanft und
dass wir wieder gemeinsam etwas unternehmen habe sie bereits bei mehreren Gelegenheiten ­ Ein paar Tage später schreibt mir das Fi­ Version seines Videodiensts Teams integriert, fehlerlos durch meinen Alltag navigiert.
können. Du bist immer so dynamisch, und ich getragen, und sie haben mich jedes Mal durch nanzamt, und wie immer verstehe ich nicht, um zum Beispiel automatisch Zusammen­ Schon seit Jahren fragen wir Google, wie
hoffe, dass du das auch in Zukunft bleibst. Ich den kalten Wintertag gebracht. wovon die Rede ist. ChatGPT, könntest du fassungen von Meetings zu verfassen. Künftig wir Mails formulieren sollen oder welcher
wünsche dir ein frohes Weihnachtsfest und ­ Ich bin Ihnen sehr dankbar für die Zeit und dir das bitte mal ansehen? könnte eine weiterentwickelte Version von Wein zu Lachsfilet passt. Aber was mir jetzt
einen guten Rutsch ins neue Jahr. Bleib gesund, die Mühe, die Sie in das Stricken dieser Socken Es sieht so aus, als hätten Sie Ihre Umsatz­ ChatGPT auch Mails von Microsoft-Nutzern klar wird: Eigentlich hat Google uns nie Ant­
und ich hoffe, dass wir uns bald wiedersehen. gesteckt haben. Ich weiß, dass das Stricken keine steuervoranmeldungen nicht rechtzeitig abge­ beantworten. worten gegeben. Google hat uns zu jeder Frage
Liebe Grüße, leichte Aufgabe ist und dass es viel Geduld und geben. Sie sollten sich unverzüglich bei Ihrem »Ich würde mir wünschen, dass meine Stu­ immer nur ein kleines Rechercheprojekt aus
[Dein Name] Fähigkeiten erfordert. Ich schätze es sehr, dass Finanzamt melden. denten öfter mal ChatGPT benutzen, wenn Tausenden Links zusammengestellt: Such dir
Sie diese Fähigkeiten und Ihre Zeit für mich Kannst du mir einen Text formulieren, sie mir Mails schreiben«, sagt die Informatik- deine Antwort doch bitte selbst.
Was ich vor mir sehe, ist so etwas wie der eingesetzt haben. den ich am Telefon vorlesen kann? Ich habe Professorin Katharina Zweig der TU Kaisers­ ChatGPT dagegen hört zu, denkt nach
statistisch wahrscheinlichste Weihnachtsgruß Ich bin auch dankbar für die persönliche Note, Angst, dass die mir wieder eine Strafe auf­ lautern am Telefon. Sie hat auch keinen Zwei­ und gibt eine Antwort auf genau die Frage,
der Welt – oder zumindest der westlichen Welt, die Sie in die Socken eingebracht haben. I­ch brummen. fel, dass das so kommen wird. Chatbots seien die wir gestellt haben. Noch liegt ChatGPT
an der sich ChatGPT hauptsächlich orien­tiert. fühle mich sehr geehrt, dass Sie sich die Zeit ­ Gerne! eine Art erweiterte Autokorrektur. immer wieder kolossal daneben. Sie besteht
ChatGPT hat sich mit Millionen Seiten genommen haben, um etwas so Persönliches Normalerweise verdränge ich meine Anrufe Ich lese auch ihr einige Nachrichten vor, zum Beispiel darauf, dass ein Kilogramm
Text vollgesogen und aus ihnen ein großes und Nützliches für mich zu machen. beim Finanzamt, weil ich in der Regel irgendwas die ChatGPT für mich geschrieben hat. »Das Stahl mehr wiegt als ein Kilogramm Nudeln.
Modell der menschlichen Sprache gebaut: ein Als Dankeschön ein kleines Gedicht zur ­ vermasselt habe, außerdem schüchtert mich der ist aber schön«, sagt Zweig, als ich meine Aber es ist nicht schwierig zu erahnen, dass ihr
­large lan­guage ­model. Irgendwo auf einem Huldigung der warmen Socken: strenge Ton meiner Sachbearbeiterin ein. Weihnachtsgrüße präsentiere, »so was sagen die Zukunft gehört – und das ahnt sie natür­
Server hat der Algorithmus für mich über­ Warme Socken an den Füßen, Aber heute rufe ich nicht wie sonst als trot­ Männer ja in der Regel nicht zu­ ein­
an­
der, lich auch selbst. ChatGPT pro­gnos­ti­ziert­
prüft, welche anderen Wörter besonders oft in ein Segen in kalten Winternächten. teliger Steuerzahler an, heute spricht durch oder?« diplomatisch-kokett: In bestimmten Fällen
Zusammenhang mit »netter Weihnachts­ Sie wärmen uns von innen heraus, mich eine höhere Intelligenz. Meine Sach­ »Nee, nicht so oft«, ich merke, wie ich et­ wird man auch in Zukunft noch klassische
gruß« und »guter Freund« vorkommen. Die­ schützen uns vor Frost und Schauer. bearbeiterin geht ans Telefon. was verlegen werde. Such­maschinen benötigen.
ser Weihnachtsgruß ist also eine Art errech­ Dank der Fähigkeiten der Strickerin Guten Tag, ich bin Yves Bellinghausen, und ChatGPT formuliere dermaßen höflich Microsoft will ChatGPT in seine Such­
neter Kompromiss aus Twitter, Shakespeare sind sie nicht nur praktisch, sondern auch ich bitte aufrichtig um Verzeihung, weil ich die bis euphorisch, weil die meisten Trainings­ maschine Bing einbauen. Google arbeitet an
und Kochrezept. schön. quartalsmäßige Umsatzsteuervoranmeldung texte amerikanisch gewesen seien, sagt Zweig. konkurrierenden ­ large lan­guage ­models für
»Habe mich sehr über die tolle Nachricht Ein wahrer Luxus in der Winterzeit, nicht rechtzeitig abgegeben habe. Ich weiß ... »Da ist ja alles ein bisschen mehr amazing als seine eigene Internetsuche. Nur fünf Tage hat
gefreut, die mich im Herzen gerührt hat«, ant­ danke für dieses wunderbare Geschenk. »Momentchen mal«, fällt mir die Frau ins bei uns«, sagt sie, »aber wenn Ihnen das ge­ ChatGPT gebraucht, um eine Million Nutzer
wortet mein Freund auf den Weihnachtsgruß. Wort, »jetzt kriege ich erst mal Ihre Steuer­ fällt, übernehmen Sie das doch einfach.« zu verzeichnen. Bisher ist das noch keinem
Ich lasse ChatGPT noch ein paar Nach­ Großartige Arbeit, ChatGPT, genau so! Omas nummer.« Ach so, ja, genau. Ich suche meine Schließlich schaue man sich ja sein ganzes Online-Dienst gelungen.
richten formulieren, diesmal mit mehr Stich­ weinen vor Freude, wenn sie meine Nach­ Steuernummer raus. Leben lang etwas von anderen ab. »Ich glaube, das Verlockende an Chatbots
wörtern, damit sie persönlicher werden. Die KI richten lesen, und auf WhatsApp bekomme »Also, genau, ich will mich entschuldigen«, Und von wem kann man mehr lernen als ist, dass sie auf angenehme Weise die Un­sicher­
fängt an, die »inspirierenden Bücher« zu loben, ich mehr Herzchen zugeschickt als je zuvor. stammele ich, dann lese ich wieder ab. von einem Computerprogramm, das den ­heit aus dem Leben zu nehmen scheinen«,
die ein Freund geschrieben hat, und bittet einen Durch ChatGPT wirke ich freundlich und Ich weiß, dass ich damit gegen die gelten­ Großteil des Internets gelesen hat? sagt Thomas Metzinger. »Sie scheinen verläss­
anderen, mir öfter »Bilder von deinem süßen respektvoll. Alles in allem wie ein viel besserer den Fristen verstoßen habe, und ich bitte auf­ Ich frage ChatGPT, wie lange ich aus liche Wahrheiten zu verkünden.«
kleinen Kind« zu schicken. Sie erkundigt sich Mensch, kann das sein? richtig um Verzeihung. Ich versichere Ihnen, Höflichkeit mindestens auf einer schlechten Metzinger ist Philosoph und beschäftigt
bei einem Surferfreund, wie die Wellen in Por­ Ich rufe den deutschen Kommunikations­ dass ich alles in meiner Macht Stehende tun Party bleiben muss (Eine Stunde ist das abso­ sich mit künstlicher Intelligenz. In seinem
tugal gerade s­ eien, und dankt meinen Schwieger­ papst Friedemann Schulz von Thun an und werde, um sicherzustellen, dass so etwas in lute Minimum) und was ich tun sollte, wenn kürzlich erschienenen Buch Bewusstseins­
eltern überschwänglich für alles, was sie für mich lese ihm die Nachrichten vor, die ChatGPT Zukunft nicht wieder passiert. Ich wäre Ihnen ich mich nicht konzentrieren kann (Ein kur­ kultur fragt er sich unter anderem, ob und
und meine Freundin tun. für mich geschrieben hat. »Das ist ja gruselig«, sehr dankbar, wenn Sie mir eine Strafe er­ zer Spaziergang kann Wunder wirken). Ich wann künstliche Intelligenz ein Bewusstsein
»Wow, das ist so süß von dir!« sagt Schulz von Thun. Die Maschine tue so, sparen könnten, und bitte Sie inständig, mir lasse ChatGPT einen Vertrag gegenchecken haben sollte. ChatGPT hat mir daher geraten,
»Du Lieber, so kenne ich dich ja gar nicht.« als könne sie in unsere Herzen schauen. »Ich die Gelegenheit zu geben, dies mit Ihnen zu (Branchenübliche Konditionen, aber die Zah­ mit ihm zu telefonieren.
»Herzerwärmend.« finde es bedenklich, wenn Menschen ein­ besprechen. Ich danke Ihnen im Voraus für lungsmodalitäten sind vage formuliert), und Ich erzähle Metzinger von meinem Leben
»Bist du besoffen?« algorithmisch optimiertes Alter Ego von sich Ihr Verständnis und Ihre Zeit. ich frage sie, wie lange ich heute noch fern­ mit ChatGPT. Von den Mails, die sie für
Mir gefällt diese achtsame Version von mir selbst in die Welt setzen.« »Ja, in Ordnung, wir müssen da auch nicht sehen darf, wenn ich morgen um halb acht mich schreibt, und wie sie meine privaten
selbst, die so klingt, als hätte ich mich mit drei »Aber ich gefalle mir so besser«, antworte ich. viel besprechen«, sagt meine Sachbearbeiterin zu einen Zug bekommen muss (Bis um 22 Uhr, Streitigkeiten beilegt. Aber Metzinger wirkt
Gläsern Rotwein rührselig getrunken. Und überhaupt: Setzen wir nicht immer ein mir, »geben Sie bitte einfach die Unterlagen ab.« dann haben Sie jetzt noch zwei Stunden). Im gar nicht begeistert. Meine Mails klängen
»ChatGPT, du wirst befördert«, tippe ich optimiertes Alter Ego von uns in die Welt, wenn Vielleicht ist es mit dieser Alltagsschreibe ICE will ich einem Schaffner einmal nach strom­linien­för­mi­ger Scheißfreundlich­
ins Eingabefeld: »In Zukunft übernimmst du wir etwas lernen oder uns Unterstützung suchen? ein wenig wie mit dem Schachspielen. Jahr­ ChatGPTs Entschuldigung dafür vorlesen, keit, und die Tipps, die sie mir gibt, nach aal­
meine Kommunikation!« »ChatGPT zu benutzen ist doch eigentlich nur hundertelang haben wir geglaubt, es brauche dass ich meine Bahncard noch nicht bezahlt glatter Kalifornisierung. »Merken Sie über­
Ich bin sehr geehrt, dass Sie mich für diese die effizientere Version davon, Ihre Kommuni­ Fantasie und Intuition, um sich auf dem habe. Aber ich kann es nicht bis zum Ende haupt noch, dass Sie Teilfunktionen Ihres
Rolle ausgewählt haben. Ich werde mein Bestes kationsmodelle zu lernen, oder?« Schachbrett zurechtzufinden. Diesen kleinen durchziehen, weil ich merke, dass ich dabei Gehirns abgeschaltet und auf einen amerika­
tun, um Ihre Kommunikation effektiv und­ Das könne man nicht vergleichen, findet Funken Magie, den scheinbar nur das mensch­ völlig irre aussehen muss. nischen Server ausgelagert haben?«
Illustration: Julika Altmann für DIE ZEIT

professionell zu handhaben. Schulz von Thun. »Mit dem Vier-Seiten-­ liche Bewusstsein versprühen kann. Einen Monat nachdem ChatGPT ein paar Habe ich mich etwa in einen Chatbot ver­
Wollen wir doch mal sehen, ob meine Modell etwa mache ich mir klar, was ich 1997 behauptete IBM, einen Supercom­ Weihnachtsgrüße für mich geschrieben hat, wandelt? Ich versuche ChatGPT zu fragen,
neue digitale Assistentin die Probezeit über­ rüber­bringen möchte, wie ich zu dem stehe, puter gebaut zu haben, der die menschliche gehe ich noch einen Schritt weiter: ChatGPT, was sie dazu denkt. Aber die Server sind mal
steht. was ich ausdrücken möchte, wie ich zu dem Magie übertrumpfen könne. Der damalige ich habe mich mit meiner Freundin gestritten. wieder überlastet.
Immer wenn ich jetzt eine Nachricht be­ Empfänger stehe und was ich mir vom Emp­ Schachweltmeister Garri Kasparow sagte, das Kann ich dir mal den Chatverlauf zeigen?
komme, erkläre ich ChatGPT, wie sie antworten fänger wünsche«, erklärt der Kommunikations­ könne nicht stimmen. Er trat gegen IBMs Ja, das kannst du gerne tun. Ich bin hier, um Die kursiven Texte wurden von ChatGPT ­
soll. Ein Freund fragt mich, ob wir was trinken psychologe. Die Modelle würden uns dabei Maschine an und tönte, er wolle die Ehre der dir zu helfen und zuzuhören. erstellt und ­t eilweise von uns g­ ekürzt.
gehen. ChatGPT dankt für den entzückenden helfen, wirklich zu verstehen, was wir selbst Menschheit verteidigen. Kasparow verlor. Aus Der Cursor blinkt wieder auf der Stelle,
Vorschlag, der mir meinen Tag versüßt. ausdrücken wollten. ChatGPT dagegen kön­ heutiger Sicht wirkt es lächerlich, zu glauben, ChatGPT denkt nach. www.zeit.de/vorgelesen

Mir gefällt die achtsame Version von mir selbst, die so klingt, als hätte ich mich mit drei Gläsern Rotwein rührselig getrunken
 62 REISE
E
s gibt hier diesen Witz,
und der geht so: Als
Gott die irdischen G ­ üter
unter den Völkern auf-
teilte, verspätete sich der
Vertreter der Bulgaren.
Dummerweise hatte
Gott bereits die Boden-
schätze, den Wald, das Wasser, die­
Gebirge, die Tiere und auch die Pflanzen
vergeben. Der Vertreter der Bulgaren
schaute Gott mit traurigen Augen an. Das
rührte Gott so sehr, dass er von allem, was
es in seinem Paradies gab, ein klein wenig
nahm und es auf Bulgarien abwarf.­
Deshalb haben sie in Bulgarien von allem
etwas, aber nur sehr wenig.
Als ich Mitte Januar durch die Nacht
von Sofia nach Bansko fahre, sehe ich nicht
nur wenig, sondern nichts, nicht einmal
Schnee, dabei wollte ich in Bansko ein paar
Tage Ski fahren. Bansko ist ein kleiner
Wintersportort im Südwesten Bulgariens
am Fuße des Piringebirges, 9000 Einwoh-
ner, gut 70 Kilometer Skipiste, eine Gon-
del, 14 Lifte – und hundert digitale­
Nomaden. So nennen sich junge Leute, die
Jobs haben, bei denen sie mit ihren Lap-
tops überall auf der Welt sitzen können,
um zu arbeiten: am Strand von Thailand,
in einer Rooftop-Bar in Barcelona. Oder in
einem der drei Co-Working-Spaces in
Bansko, Halt einer Schmalspurbahn.
Ich bin der einzige Gast in dem Hotel,
das ich nach zweistündiger Fahrt um kurz
vor elf erreiche. Über Silvester sei mehr los
gewesen, sagt Dejan, der Betreiber des­
Hotels Famil, der meinetwegen wach­
geblieben ist und mir ein Bier und einen
Burger serviert. Wir setzen uns an einen
Tisch in der Lobby, und Dejan fragt mich,
was ich in Bansko zu tun hätte, als wäre er
verblüfft, einen Gast zu haben. Ich würde
gern ein wenig Ski fahren, sage ich, und
dann sei da ja noch die Sache mit den digi-
talen Nomaden, da würde mich interessie-
ren, warum die ausgerechnet in Bansko
seien. Heute Nacht, sagt Dejan, werde es
schneien, da hätte ich Glück. Und die digi-
talen Nomaden täten Bansko gut. »Sie geben
hier Geld aus. Gehen in die Restaurants,
manche kaufen sich Wohnungen. Für Bans-
ko sind sie fast so wichtig wie die Touristen.«
Und dann sagt Dejan, der aus einer anderen
Ecke Bulgariens stammt, dass er mal so ähn-
lich gelebt habe wie diese jungen Leute, denn
er habe überall auf der Welt in der Gastro-
Fotos: Mihaela Aroyo für DIE ZEIT
nomie ­gearbeitet, in Portugal, in Katar. Als
ich ihn frage, warum er dann hier gelandet
sei, sagt er, Bansko sei so gut wie jeder ande-
re Ort, das würde ich schon noch sehen.
Am Morgen trete ich vor die Tür, über-
quere eine Brücke, unter der ein Bergbach
fließt, biege ab in die Altstadt, durch enge
Gassen, vorbei an geschlossenen Restau-
Heiße Thermen gibt es in Bansko, günstige Bars – und manche Besucher gehen
rants und kleinen Geschäften. Die schma-
in dem Städtchen am Fuße des Piringebirges auch zum Après-Ski (siehe unten) len, niedrigen Häuser sind teilweise aus
großen runden Steinen gemauert, die es
nur hier im Piringebirge gibt, sie wirken
wie Kulissen in einem Mittelalterfilm.
B A N S KO
Ich bleibe vor der Dreifaltigkeitskirche
stehen, von der es heißt, man müsse sie­
gesehen haben. Danach gehe ich über den
Marktplatz, hier und da gibt es kleine
Springbrunnen. Ich halte Ausschau nach den
digitalen Nomaden, aber woran würde ich
sie erkennen? An Laptoptaschen unterm
Arm, Kopfhörern über den Ohren und
frisch gepressten Smoothies in der Hand?
Gibt es hier überhaupt Smoothies?
Doch die digitalen Nomaden müssen
hier sein, denn in der Altstadt hat Matthias
Zeitler vor sieben Jahren Coworking Bansko
eröffnet. Vor meiner Reise sagte er zu mir,
ich könne jederzeit vorbeischauen. So stehe
ich schließlich vor einem aus groben Steinen
gemauerten Haus mit Holztür, über ihr der
Schriftzug »Coworking Bansko«. Zeitler,
Jeans, kurzes blondes Haar, weißes Hemd
mit folkloristischen Ornamenten, sitzt mit
zwei jungen Menschen, die digitale Noma-
den sein müssen (Laptop, Kopfhörer, kein
Smoothie), an einem Tisch. Er führt mich
herum. Drei Gebäude hat er angemietet, in
denen die digitalen Nomaden arbeiten,
junge­Menschen, meist zwischen 25 und 35,
die kurz hochblicken und uns zunicken. In­
einem Regal stehen Brettspiele, es müssen
Hunderte sein. Montags, sagt Zeitler, sei
immer Brettspielabend.
Am Ende der Führung setzen wir uns in
die sogenannte ­Lounge, hier kann man mit­
ein­an­der reden, Kaffee trinken, telefonieren.
Es gibt zwei Sofas und einen großen Flach-
bildfernseher. Das WLAN-Passwort lautet
»work­and­fun«.
In einer Ecke hat jemand sein Smart­
phone auf eine Halterung geschraubt, davor
Der beste Ort für digitale Nomaden in Europa? Liegt vielleicht in Bulgarien. eine recht große Tastatur, ein eher unge-
wöhnlicher Aufbau. Zeitler macht Kaffee,
MATTHIAS KALLE wollte dort Ski fahren – und entdeckte viel mehr
erklärt mir, wie ich in den kommenden
Tagen jederzeit in die Co-Working-Räume
gelange (über eine App, dann das Smart­
phone ans Türschloss halten) und wie ich
mich bei der privaten Facebook-Gruppe der
RU M Ä N I E N digitalen Nomaden von Bansko anmelde.
Nach drei Minuten bin ich einer von ihnen,
SE R BI E N wenn auch nur für ein paar Tage. Ich frage
Sofia BU L G A R I E N Zeitler, wie das alles zusammenpasst –
Schwarzes Bansko­und Co-Working und digitale­
BANSKO Meer Noma­den. Er erzählt, dass er auch ein­mal
einer von ihnen war, nachdem er im Silicon
Valley gearbeitet hatte, dann nach Salzburg
TÜRK EI zog, aber eigentlich durch die Weltge­schichte
9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7
flog, mal hier arbeitete, mal dort. Doch selbstüber den Beinen, Laptop auf dem Schoß,
Hinweis der Redaktion: Bei unseren Recherchen nutzen wir gelegentlich die Unterstützung von Fremdenverkehrsämtern, Tourismusagenturen, Veranstaltern, Fluglinien oder Hotelunternehmen. Dies hat keinen Einfluss auf den Inhalt der Berichterstattung.
digitale Nomaden brauchen Orte, an denen einer trägt eine Pudelmütze. Heute, sagt
sie Gleichgesinnte treffen. So einen Ort Zeitler, der seine Badehose und sein Hand-
wollte­Zeitler schaffen. Ein Freund schlug tuch vor sich auf den Tisch gelegt hat,
ihm Bulgarien vor. Geringe Lebenshaltungs- hätten sich 25 Leute für den Ausflug ange-
kosten, nur zehn Prozent Einkommen­steuer. meldet. Einige fahren selbst, andere nut-
Berge, dachte Zeitler, wären auch gut, um zen ein Shuttle, ich steige mit Zeitler und
im Winter Ski und im Sommer mit dem drei anderen in einen alten russischen­
Moun­tain­bike fahren zu können, digitale Militärjeep, der o­ range gestrichen wurde,
Nomaden haben einen gewissen Bewegungs- denn ­Orange ist die Farbe von Coworking
drang. Seine Wahl fiel auf Bansko. Bansko. Der Jeep, sagt Zeitler und schaltet
Im ersten Jahr kamen nur Zeitlers mit Kraft in den zweiten Gang, komme
Freunde. Irgendwann kamen auch Influ­ auf Instagram sehr gut an.
encer, sie posteten Fotos vom Skifahren In der Therme, unter freiem Himmel,
am Vormittag, vom Co-Working-Space gibt es ein heißes kleines Becken und ein
am Nachmittag und am Abend vom Bow- größeres nicht so heißes. Ein paar digitale
ling oder von Shots im Queen’s Pub, die Nomaden trinken Dosenbier und unter-
billiger waren als in Athen oder Barcelona. halten sich über die Vor- und Nachteile
Mittlerweile gibt es Glasfaser und 5G-­ von Chicago und über andere Co-Wor-
Inter­net im ganzen Ort, die Lieferdienste king-Spaces in Mexiko und Thailand.
benutzen Kartons und kein Plastik mehr, Ich unterhalte mich mit Jure, geboren in
und im Supermarkt hat der Inhaber­ Kroatien, aufgewachsen in Kanada, tätig im
Hafermilch und vegane Produkte in die Bereich ­»Sales«. Jure ist das erste Mal in
Regale gestellt, weil Zeitler ihm dazu riet. Bansko, er wirkt ein wenig schüchtern, seine
Ich verlasse die Lounge und laufe auf der Augen suchen nach Anschluss. Sie finden
Pirin-Straße, der Flaniermeile, Richtung Robert, er ist aus Hessen, hat in Darmstadt
Süden. Die Straße wirkt zunächst ruhig, fast studiert und dann für den Autozulieferer
wie ausgestorben. Aber je näher man der Continental gearbeitet. Aber irgendwann
Gondelstation kommt, desto wuseliger wird ertrug er das alles nicht mehr: jeden Tag
es. Vor Restaurants, die sich in weiß-grün- dasselbe Büro, dieselben Menschen, die
roter Leuchtschrift als »Mehana« vorstellen, gleiche Tätigkeit. Also wurde er ein digitaler
also als traditionelle bulgarische Lokale, Nomade und schreibt jetzt Software, damit
stehen bullige Männer, die mich hinein­ Autos selbstständig fahren lernen. Kunden,
locken wollen. Es gibt eine beachtliche An- sagt er, habe er genug.
Nach dem Essen im Lokal der Therme
wird es ein wenig hektisch, Zeitler muss
In einem alten dafür sorgen, dass alle fertig werden, Geld
auf den Tisch legen und dass niemand
Jeep fahren wir zurückbleibt. Ein bisschen wie auf Klas-
senfahrt, und Zeitler ist Vertrauenslehrer
durch Dörfer, und Herbergsvater in einem. Der Mann,
der dafür sorgt, dass keiner verloren geht
in denen Pferde und es den digitalen Nomaden gut geht.
Anhänger ziehen Patricia geht es auch gut. Sie gießt sich
ein Glas Wasser ein und strahlt, wenn sie
über ihre Zeit als Digitalnomadin in
Bansko­erzählt. Es ist Freitagabend, da ist
für die Mitglieder von Coworking Bansko
zahl von »Erotik Shows«. Rund um die Thai-Curry-Night in der Tipsy-Bar, die
Gondel der übliche Après-Ski-Irrsinn: von einem Waliser und seiner thailändi-
Bumsmusik und Saufi-Saufi. schen Frau betrieben wird. Patricia arbeitet
Die Gondel, der Berg, das gesamte Ski- in Hamburg als Teamleiterin in der Mar-
gebiet gehört der Ulen AD. Die Firma ketingabteilung einer Firma, die medizini-
kämpft seit Jahren für eine Baugenehmi- sche Geräte herstellt, ihr Arbeitgeber habe
gung für eine zweite Gondel, um mehr ihr erlaubt, für vier Wochen von woanders
Menschen zum Skifahren auf den Berg zu arbeiten. Zu Hause googelte sie »bester
bringen zu können. In diesem Kampf ­ Ort für digitale Nomaden in Europa«. Der
bedient sich Ulen mitunter seltsamer­ erste Treffer sei Bansko gewesen.
Methoden: Angeblich, so erzählt man in Jeder redet mit jedem an diesem
Bansko, bezahle man schon mal 200 Leute Abend, alles auf Englisch, auf dem Tisch
dafür, dass sie sich an der Gondel anstellen stehen Krüge voll Bier. Irgendwann bre-
– und reguliere währenddessen die­ chen einige auf, ins Queen’s Pub oder ins
Maschinen auf halbe Geschwindigkeit. Pirin 75, eigentlich egal, die Getränke
Um zu zeigen, wie dringlich es eine zweite sind überall gleich günstig. Ein paar wol-
Gondel brauche. len morgen Ski fahren, andere werden mit
Als ich mich am nächsten Morgen an Zeitler nach Semkovo fahren, denn dort
der Gondelstation anstelle, ist von dieser entstehe etwas Neues, eine Heimat, die
Dringlichkeit nichts zu spüren. Ich warte aus digitalen Nomaden digitale Siedler­
fünf Minuten, die kurze Schlange, beste- machen soll: Co-Living statt Co-Working.
hend aus bulgarischen Familien und eini- Am nächsten Morgen trägt einer der
gen Skitouristen, rückt rasch vor, grim­ digitalen Nomaden einen Topf mit Suppe
mige­Männer regeln wie Türsteher den in den Minibus, der vor der ­Lounge auf
Einlass. Die Gondel fährt zügig, trotzdem uns wartet, um uns nach Semkovo zu
dauert es eine halbe Stunde bis zur Berg- bringen, ein kleines Skigebiet im Norden
station. Oben angekommen, spricht mich von Bansko. Im Bus sitzen ein Israeli, ein
ein Skilehrer der Firma Ulen im Stile eines Australier, zwei Russen, ein Däne, eine
Drogendealers an. Ob ich lessons brauche, Irin, eine Bulgarin und ich. Die Stimmung
raunt er mir im Vorbeigehen zu. ist verschlafen bis verkatert. Wir fahren
Lessons brauche ich nicht, allerdings eine Stunde in das Rilagebirge, durch Dör-
Geduld. Da, wo die Gondel endet, beginnen fer, in denen Pferde Anhänger ziehen.­
die Sessellifte, zwei gibt es, einer ist außer Irgendwann wird aus der Straße ein Weg,
Betrieb, weil die Piste gerade für den Snow- Schlaglöcher haben Badewannengröße,
board World Cup präpariert wird, der in der vielleicht sind zehn Prozent Einkommen-
Woche darauf stattfindet. Deshalb bildet steuer doch keine so gute Idee.
sich vor dem anderen Sessellift eine Traube Dann taucht vor uns ein alter Hotel-
von Menschen, eigentlich eher eine Birne. komplex auf, aus dem Zeitler sein ­»Co­
Ich schaue mich um, die typische Gaudi- living Semkovo« machen will. Das Hotel
Gastronomie mit Kirmestechno-Beschal- steht leer, Zeitler will es kaufen und in eine
lung. Nach 20 Minuten in der Menschen- »nomadische Utopie« verwandeln. Woh-
birne sitze ich im Lift, fahre nach oben, nungen, in denen man leben kann, Räume
steige aus, und drei Minuten später stehe ich zum Arbeiten, zum Essen, zum Dasein –
wieder am Ende der Menschenbirne. Wenn alles unter einem riesigen Dach. Dafür
ich das gewusst hätte, hätte ich während der braucht er Geld. An diesem Samstag wirbt
Abfahrt zwei Pausen gemacht. Ich schnalle er für den Kauf von Apartments.
die Skier ab und steige in die Gondel zurück Um das Gebäude auf eigene Faust zu
ins Tal, in vollem Bewusstsein der ganzen erkunden, brauchen wir Taschenlampen,
Absurdität des Skifahrens. einen Lageplan und Bauhelme. Nach­
Auf meinem Rückweg ins Hotel einer Stunde treffe ich Matan aus Israel
(natür­lich zu Fuß, denn wenn man einmal und Phil aus Australien vor der Tür, sie
in Bansko angekommen ist, dann kann kommen gerade aus dem Wald, die Toi-
man dort alles zu Fuß erledigen) komme letten in dem Gebäude funktionieren
ich an riesigen Bauruinen vorbei. Mehr- nicht, es gibt auch keinen Strom, und
stöckige Häuser, die nie fertiggestellt wur- drinnen ist es kälter als draußen. Die bei-
den und jetzt in der Landschaft herumste- den sind einerseits b­ egeistert, andererseits
hen. Im Hotel frage ich Dejan, was es­ fehlt ihnen die ­Fantasie, wie das alles ein-
damit auf sich hat, und er erklärt mir, dass mal fertig werden soll. Das Ganze sei c­ razy,
vor einigen Jahren ein gigantischer Bau- sagen sie. Und sie wissen noch nicht, ob
boom Bansko erfasste, weil man auf noch auf eine gute oder eine schlechte Art.
mehr Touristen hoffte, denen ein Ski­ Um 17 Uhr fährt uns der Minibus­
urlaub in den Alpen zu teuer wurde. Aber zurück nach Bansko, es ist mein letzter
dann gab es im Land eine Wirtschaftskrise, Abend, und ich setze mich ins Mehana
die Arbeiten wurden eingestellt, seitdem Chevermeto am Marktplatz, unweit der
verrotten die Gebäude. Das habe auch sein Kirche, in der Nähe von Coworking
Gutes, sagt er, so ein Berg sei schließlich Bansko.­Ein Spanferkel hängt über dem
irgendwann auch mal voll. Grill, die Kellner tragen rote Westen und
In meinem Zimmer öffne ich Face­ servieren irgendwas mit Fleisch. Die Tou-
book und sehe, dass ich mehrere Einla- risten, denke ich, drehen jetzt wohl im
dungen von »Coworking Bansko« bekom- Umkreis der Gondelstation ihren Après-
men habe. Heute zum gemeinsamen­ Ski-Pegel hoch, die digitalen Nomaden
Besuch einer Therme im Nachbarort,­ treffen sich in der ­Lounge. Ich befinde
Abfahrt 19 Uhr, vor der ­Lounge. Als ich mich im Kreise bulgarischer Familien, die
um halb sieben die ­Lounge betrete, sieht es meisten scheinen aus Bansko zu sein. So ist
hier nicht mehr nach Arbeit aus: Zwei das hier. Es gibt von allem etwas, wenn
junge­Männer liegen auf dem Sofa, Decke auch nicht am gleichen Fleck.
DIE ZEIT N o 7 9. Februar 2023 REISE 63

A
us dem Südspeicher schaue ich wir uns sicher von irgendwoher was kommen
lange auf die Schlei, so lange, bis sie ÜBER NACHT IN ... KAPPELN lassen und weiterschauen. Aber die Disziplin
in die entgegengesetzte Richtung sorgt doch dafür, noch einmal aufzubrechen.

strömt. Später kommt es zu einer
weiteren Strömungsänderung. Viel
mehr geschieht nicht. Muss bitte auch gar nicht.
Mein Zimmer liegt auf dem zweiten Boden
des Hotels. Das heißt wirklich so, Boden, nicht
Etage. Vier davon gibt es, denn dieser trutzige,
spitzdachige Backsteinbau wurde ursprünglich,
vor bald hundert Jahren, in den Kappelner Süd-
hafen gebaut, um Weizen zu lagern. Ende 2022
ist aus dem ehemaligen Speicher ein Hotel­
geworden. Man sieht noch deutlich, wozu die
Mauern einst dienten, aus blankem Beton ragen
Stahlträger. Dazu nun Holz und warme Farbtöne,
­unaufdringlich und sofort behaglich.
Die Zimmer sind matt hellbraun oder beige
gestrichen, der Boden ist mit Parkett belegt. Ein
Sessel, davor ein Tisch, darauf ein Magazin­
namens Mohltied für Leute, die gern lesen, was
man wo lecker essen und trinken kann in Schles-
wig-Holstein. Über dem Waschbecken hängt eine
Trocken­seife­raspel, seit den 1980ern nicht mehr
gesehen, so etwas, wirkt hier aber nicht nostal-
gisch, sondern schnickschnackfrei praktisch und
sparsam. Alles in allem kann man das wohl eine
nordische Einrichtung nennen. Gemütlich, aber
nicht betulich, schick, nicht überkandidelt.
Entscheidend ist ohnehin dies: Vom Bett aus
schaut man auf die Schlei. Die ist hier ziemlich
schmal, man könnte sie für einen Fluss halten,
obwohl sie ein Arm der Ostsee ist, 42 Kilometer
lang bis hinunter nach Schleswig mit flachen
Ufern mäandernd ins Land geschnitten. Das
zweiflügelige Fenster unseres Zimmers reicht bis
knapp über den Boden. Auf dem Sims liegt ein
Kissen. Dort sitzt meine Begleiterin sehr bequem
und schaut hinaus. Ich liege auf dem Bett und
schaue hinaus. Zu sehen sind die Kaimauer,
rechts der grün getünchte Dreimastgaffelschoner
Schlei am Bett
Am Hafen drei, vier Restaurants, am Kai der
Schaufelraddampfer Schlei Princess und die Stadt
Kappeln, beide winterstillgelegt. Weiter am W ­ asser
entlang landen wir, locker einen halben Kilo-
meter vom Hotel entfernt, bei Fisch Stark.­
Zwischen dem Fischtresen und der Grill- und
Bratstation steht Norbert Stark. Er erklärt, was er
Man schaut auf das Wasser und den Hafen und tut endlich mal: Nichts. Im Hotel Südspeicher liegen hat, fragt, wie er es zubereiten soll, und das
wird dann eine Erfahrung zum Niederknien.
in Kappeln liegt die größte Sehenswürdigkeit direkt vor den Zimmerfenstern  VON BJØRN ERIK SASS Am nächsten Morgen fällt uns auf, dass es
keine Kaffeemaschine im Zimmer gibt. Wie
plietsch. Niemand ginge ja sonst zum Frühstück,
alle würden im Bett Kaffee trinken und auf die
Schlei blicken. Der Bistro-Bereich ist groß, viel
größer, als man ihn für die Gäste der 32 Zimmer
brauchte. Die meisten Frühstücker scheinen von
außerhalb zu kommen. Brötchen, Croissants,
Käse, Wurst, Müsli, Obst, vor allem aber Fisch
und mal nicht nur Lachs, auch Räuchermakrele
und Heringshappen, denn der Hering, der ist ja
ein Wahrzeichen dieser Stadt. Wir setzen uns
nicht an einen Tisch, sondern auf ein Sofa mit,
genau, Blick auf die Schlei.
Kurze Runde durch die Innenstadt: die Kirche
leider geschlossen, für die Landarztkneipe,­
bekannt aus der gleichnamigen ZDF-Serie, noch
zu früh. Fühlt sich hier schon ein bisschen dänisch
an und sieht auch so aus. Mit dem Auto hinaus
nach Maasholm, an den Strand, erheblich frieren
und damit wieder bereit für den Südspeicher.
Dort gibt es im Keller eine Sauna, vorweg zu
buchen und dann exklusiv. Im Grunde sensatio-
nell bequeme Ruhesessel. Das Dilemma: hier
herumliegen oder oben mit Blick auf die Schlei?
Die gewinnt. Der Wind hat gedreht und schiebt
das Wasser nun Richtung Schleswig. Ist halt doch
immer mal was los hier. Gutes Omen für den
Samstagabend. Im Zentrum finden wir in die

Fotos: Anika Raube

Pippilotta, noch älter als dieses Haus, in der ­Mitte
der Mast des Segelbootes Lütten, noch ein Kutter,
diesmal in Blau, die Klappbrücke und eben
die Schlei.
Gerade treibt der Wind die Wellen Richtung
Norden dem Meer entgegen. Keine Segler, keine
Rundfahrt-Boote sind im Winter unterwegs. Nur
grandiose Wolkenformationen. So sitzen wir und
schauen, es ist kein bisschen langweilig.
Der Südspeicher hat noch kein Restaurant,
erst im Frühjahr soll das Bistro wenigstens tags-
über Essen anbieten. Jetzt zum Dinner können
Palette. Alle sitzen hier zusammen, Junge, Alte,
mit Baby, ohne, jemand spielt Ukulele und wir
mittenmang, ein rundum warmes Dorfgefühl.
Am Morgen noch einmal lange nur schauen.
Toller Ausblick für Gäste: 32 Zimmer hat der einstige Weizenspeicher am Kappelner Südhafen Glatt liegt die Schlei. Nur ab und zu pustet der
Wind zart und schiebt kräuselnde Flächen ins
Schilf vor Kopperby. Warum macht dieser Ort so
SÜ DSPEICHE R ruhig? Lege mir eine pompöse Antwort zurecht.
Ungefähr: Ein Gebäude, in dem mit dem Weizen
Bahnhofsweg 7, 24376 Kappeln, Tel. 04642/999 94 10, suedspeicher.de, DZ ab 84 Euro. so lange die Kraft des Landes lagerte, muss doch
Ein paar Minuten Fußweg vom Hotel entfernt hat die Aal- und Fischräucherei Föh ihren Laden – voll ruhiger Energie stecken. Ist natürlich
und von Mitte März an soll es auch eine Terrasse mit Hafenblick geben. Quatsch. Hier sein reicht.

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FERNREISEN
Eine grüne Insel HIGHLIGHT
im Sand
Wer an Ägypten denkt, denkt
sofort an Pyramiden und das
G’day New South Wales
Land der Pharaonen. Doch die-
ses arabisch geprägte Land im
Norden Afrikas hat so viel mehr
zu bieten als seine antike Ge-
schichte. Ägypten ist ein Land
von atemberaubender natürli-
Sydney in New South Wales, Australien ; Foto: © Destination New South Wales

cher Schönheit, vom Mittel-

meer bis Abu Simbel an der
Grenze zum Sudan und vom
Roten Meer bis Libyen. Eine
der berühmtesten Städte am
Roten Meer ist Hurghada. Mit
ihren rund 40 Kilometern Küs-
tenlinie begeistert sie alle Urlau-
ber und punktet darüber hinaus
mit klarem Wasser und idealen
Schnorchelbedingungen an
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NAME SONDERTHEMA
| Ein Spezial
| Ein Spezial
des Zeitverlags
des Zeitverlags 21

KREUZFAHRTEN

Slow Cruising liegt im Trend Die längsten Seereisen

PEGGY GÜNTHER
»Größer, schneller, weiter«
– das historische Motto der
Kreuzfahrtindustrie gilt längst
nicht mehr für alle Schiffe.
Immer öfter lautet das Mantra
»kleiner, langsamer, näher
dran«, und passionierte Kreuz-
fahrtgäste schätzen die intensi-
ven Erlebnisse solcher Reisen.
Slow Cruising ist seit jeher die
oberste Maxime von Expeditions-
reisen. Je nach Schiff und Region
werden die Routen nur grob ab-
gesteckt, die Details entscheidet
der Kapitän aktuell nach Wetter-
lage, Eisverhältnissen und Tier-
sichtungen. Denn was nützt der
ausgefeilteste Fahrplan, wenn er
keinen Raum für die Beobachtung
von Walen oder Eisbären lässt?
Inzwischen verbreitet sich der
entspannte Reisestil zunehmend
auch in der klassischen Kreuz-
fahrt. Der jüngste Anbieter von
Slow Cruising heißt nicko crui-
ses. Die Hochseesparte des alt-
eingesessenen Stuttgarter Fluss-
kreuzfahrtveranstalters startete
im Sommer 2019 mit der »World
Explorer« – einem Neubau für 200
Passagiere. Das Schiff fährt so-
wohl in eisige Regionen als auch
auf klassischen Kreuzfahrtrouten
und punktet unter anderem mit
langen Liegezeiten. Inzwischen
gehört auch noch der Klassiker
»Vasco da Gama« zur Flotte.
Wie macht sich Slow Cruising
im konkreten Reiseablauf be-
merkbar? Wer mit nicko cruises
nach London reist, legt beispiels-
weise direkt an der Tower Bridge
an und nicht im weit entfern-
ten Southampton. Die Reederei
nimmt sich die Zeit für die Fahrt
auf der Themse. In Santorini
können die Passagiere den Son- Land für die Gäste, das die Kul- Letzteres gehört auch zum Kon- an Bord legt die Reederei Wert Donaukreuzfahrten beispielswei-
der Welt
nenuntergang vom malerischen
Küstendorf Oia aus betrachten,
tur der Zielregion näherbringt,
lädt Gastkünstler ein und ser-
zept von AIDAselection, selbst
wenn die kleineren Oldtimer hier
auf ungewöhnliche Routings. Bei
Oceania Cruises gehören lange
se mit Übernachtaufenthalten in
Budapest und Wien oder einem
Wie wäre es mit lang statt
denn die »Vasco da Gama« liegt
von morgens 8 bis abends 23 Uhr
viert ausgewählte Gerichte der
Landesküche auch im Bordres-
nach und nach aussortiert wur-
den. Die »AIDAaura« verlässt als
Reisen, die »Grand Voyages«, zum
Katalog. 72 bis 82 Tage Reise-
Halt im beschaulichen Ybbs – ein
erfrischender neuer Kreuzfahrt-
langsam? Weltreisen auf
in der Caldera. Solche verlänger-
ten Liegezeiten sind ein wichtiges
taurant. letzte ältere Lady im September dauer sind keine Seltenheit, für
Auf Expeditions-
hafen neben den gewohnten
Klassikern wie Krems und Melk.
Kreuzfahrtschiffen dauern
Unterscheidungskriterium. Wäh- reisen gilt seit jeher
das Prinzip des
In Ybbs reisen die Passagiere ge- oft drei Monate. Die aktuelle
rend sich zur Mittagszeit an man- Slow Cruisings: danklich zurück in die Geschich-
chen Tagen Tausende Kreuzfah- Oft gibt es nur
grob festgelegte
te der Donaukreuzfahrt. Die Re- Weltreise der »Europa« von
rer durch die kleinen Gassen mit gion zwischen Passau und Ybbs
den weiß getünchten Häusern
Fahrpläne, die
Details werden heißt Strudengau und machte Hapag-Lloyd Cruises kommt
schieben, bekommen die Dörfer von der Natur einst ihrem Namen alle Ehre: Die
am Abend ihren ursprünglichen bestimmt. Der
Kapitän passt die
Donau war hier ein wilder Fluss, sogar auf 279 Tage. Ihre Pas-
Charme zurück. Die meisten gro- die Schiffe mussten flussaufwärts
ßen Schiffe sind dann längst ab-
Route an Wetter-
lage und Tiersich- von Tieren am Ufer gezogen wer- sagiere sind Mitte September
tungen an.
gefahren und die Passagiere der
kleinen Slow Cruising-Anbieter
den. In der Persenbeug, der »bö-
sen Beuge«, kenterte so mancher in Hamburg gestartet und
haben die Insel für sich.
Eine Reederei, die schon lange
Kahn. War diese schwierige Pas-
sage geschaff t, gingen die Schif-
kehren Ende Juni zurück.
für das Konzept des Slow Crui-
sings bekannt ist, ist Azamara.
fer erleichtert in Ybbs zwischen
Salzamt und Weinmaut durchs
Ebenfalls rekordverdächtig:
Die Boutiquekreuzer der US-ame-
rikanischen Linie lassen es gern
Sandtörl in die Altstadt, um in
einem der 14 Wirtshäuser zu fei-
die 274-tägige Weltreise
mal etwas langsamer angehen.
Das schont nicht nur die Umwelt 2023 die Kussmundflotte. Doch die Routenplaner jedoch eine He-
ern. Doch auch die jüngere Ge-
schichte des Ortes ist interessant:
2023 von Royal Caribbean
durch weniger Spritverbrauch, es die Selection-Reisen werden mit rausforderung: Wo kommen die 1959 wurde mit Ybbs-Persenbeug International. Dass solche
bietet der Seele auch genügend den jüngeren Schiffen weiterge- Lebensmittel an Bord? Welche das erste österreichische Wasser-
Zeit, um hinterherzukommen. führt, beispielsweise der »AIDA- Ziele locken erfahrene Reisen- kraftwerk in Betrieb genommen, langen Kreuzfahrten beliebt
Beispiel Japan: Während große sol«. Diese nimmt sich für eine de, die abseits des Mainstreams ein Besuch ist auf den Kreuzfahr-
Kreuzfahrtlinien das Land der Norwegenreise mit sechs Stopps liegen? Auf einer 14-tägigen Reise ten mit nicko cruises selbstver- sind, zeigt die Weltreise
aufgehenden Sonne meist mit Slow Cruising steht neun Tage Zeit und bleibt über von Bilbao nach Rom entdecken ständlich im Programm.
zwei oder drei Anläufen innerhalb für ungewöhnliche Nacht in Oslo liegen. So können die Kreuzfahrer – neben den Klas- Slow Cruising im ganz klassi- 2025 von Regent Seven Seas
einer Asienreise abhandeln, bietet die Passagiere eine Vorstellung im sikern – beispielsweise vom spa- schen Sinn betreiben die Anbieter
Azamara eine 15-tägige Japanum-
Routen kleiner
spektakulären Opernhaus besu- nischen Vigo aus die Pilgermetro- von Segelkreuzfahrten. In höchs- Cruises. Die mit 150 Nächten
Schiffe mit langen
rundung mit zwölf Stopps an. Auf
einer solchen Reise kommen die Liegezeiten.
chen oder ein Abendessen mit fri-
schem Fisch im norwegischen Stil
Unter Segeln bestimmt
ter Ausprägung geschieht dies auf
den Transatlantikpassagen von längste Kreuzfahrt in der
Passagiere auch in den Genuss des
touristisch wenig erschlossenen
Solche Reisen lassen genießen. Besondere Selection-
Ausflüge versprechen intensivere der Wind das Tempo
Sea Cloud Cruises. Ein Flugzeug
braucht sechs Stunden über den
Geschichte der Reederei war
genügend Raum für
Nordens und erleben das Land
mit deutlich mehr Facetten als der intensive kulturelle
Erlebnisse, außerdem fahren auf
diesen Reisen mit außergewöhn- pole Santiago de Compostela und
Atlantik, klassische Kreuzfahrt-
schiffe sechs Tage, der Fahrplan
bereits vor dem
Standardkreuzfahrer.
»Destination Immersion« nennt
und kulinarische lichen Routen grundsätzlich Lek-
toren mit, die Hintergrundinfor-
lernen neben der portugiesischen
Hauptstadt Lissabon auch Porto
der »Sea Cloud« sieht satte 14 Tage
für die Strecke von Gran Cana-
offiziellen Bu-
Erlebnisse.
sich das im Marketingsprech: Die
Ziele sollen so intensiv wie nur
mationen zu den Regionen liefern.
Die US-amerikanische Linie
kennen. Hier legen sonst meist
nur Flusskreuzfahrtschiffe an.
ria nach St. Maarten vor. Zwei
Wochen ohne Handyempfang,
chungsstart kom-
möglich erfahren werden. Dafür
organisiert die Reederei unter
Oceania Cruises hat sich eben-
falls dem Slow Cruising ver-
Apropos Flusskreuzfahrt: Auch
hier hat sich der Trend des Slow
mit guten Büchern unter weißen
Segeln liegend, angetrieben vom
plett reserviert.
anderem mindestens einmal pro schrieben. Neben langen Liege- Cruisings bereits durchgesetzt. Passatwind – das ist Slow Cruising
Reise ein besonderes Event an zeiten und lokalen Angeboten nicko cruises lebt das Konzept auf im Reinformat. 

Flusskreuzfahrt Island anders erleben Ein Schiff wie eine Hafenstadt

durch Südschweden EIN BEITRAG VON
ICELAND PROCRUISES
PEGGY GÜNTHER Reederei Royal Caribbean kann
diese neue Schiffsklasse noch
wir es wagen und mit dem Lift
hinauf zum Start fahren?
EIN BEITRAG DER Mit der »MSC World Europa« übertrumpfen. 40.000 Quadrat- Vielleicht gehen wir doch lie-
NORDIC HOLIDAYS GMBH
Die SEAVENTURE bietet abseits hat die genuesische Reederei meter öffentliche Bereiche vertei- ber über einen hübsch blau-weiß
herkömmlicher Kreuzfahrtrou­ MSC Cruises im November das len sich auf 22 Decks, bis zu 6.762 gemusterten Boden in das nächs-
Die idyllischen Landschaften ten nahezu unendliche Mög­ größte Schiff der Flotte in Be- Passagiere können mitfahren. te Restaurant. Kaum haben wir La
Südschwedens an Bord histo- lichkeiten, Island mit seinen trieb genommen. Ein Spazier- Wie gut, dass es an Bord 33 Pescaderia betreten, fühlt es sich
rischer Schiffe auf dem Göta kochenden Geysiren, rauchen­ gang über Deck acht. Restaurants, Bars und Lounges an, als seien wir in einem Fisch-
Foto: © Göta Kanal Rederi AB

Kanal zu entdecken, hat ein
ganz besonderes Flair. Die aus
den Jahren um 1900 stammen-
den Kanalschiffe sind mit nur
25 Kabinen ausgestattet und bie-
ten ein Kreuzfahrt-Erlebnis mit
nostalgischem Charme. Auf dem
190 Kilometer langen Göta Kanal
erlebt man nicht nur spannende
Schleusengänge, verwunschene
Seen und weite Wiesenland-
schaften. Auch die verschiede-
nen kulinarischen Facetten des
Landes verleihen der Reise einen
einzigartigen Charme. Wer dies
erleben will, hat die Wahl zwi-
schen zwei- bis sechstägigen
Reisen und kann ganz bequem
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Wasserfällen zu entdecken.
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phäre trägt maßgeblich das
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Die klassische 4-Tage-Reise bei. Es freut sich, Gästen die
von Stockholm nach Göteborg schönsten Ecken ihres Heimat­
oder in die entgegengesetzte
landes zu zeigen und Ihnen die
Richtung gibt es im Komplett-
paket ab 2.302 Euro. isländische Kultur näher zu brin­
gen. Der isländische Charme
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Wer durch die World Galleria fla-
niert, weiß gar nicht, wo er zuerst
hinsehen soll. Mehr als 2.200
Quadratmeter umfasst die Mall
über drei Ebenen – mit Geschäf-
ten, Restaurants, Bars und einem
organisch wirkenden Atrium mit
geschwungener Treppe. Über al-
lem verbreitet der LED-Himmel
ein eigenes Ambiente – manch-
mal wirkt es, als wären wir unter
Wasser, denn am Himmel ziehen
Wale ihre Bahnen.
In Wirklichkeit befi nden wir
uns jedoch auf Deck 8 der »MSC
World Europa« – des größten eu-
ropäischen Schiffs. Nur die Oasis-
Klasse der US-amerikanischen
gibt. Wir gehen in Richtung Heck
und werfen einen Blick in Chef’s
Garden Kitchen. Das Restaurant
des schwedischen Sternekochs
Niklas Ekstedt empfängt seine
Gäste mit einer offenen Küche,
in Glasvitrinen wachsen Kräuter,
die die größtenteils vegetarischen
Gerichte auf der Karte verfeinern.
Nur wenige Meter weiter geht
Kaum haben die World Galleria in die World
wir La Pescaderia Promenade über. Wenn wir nun
betreten, fühlt es sich nach oben schauen, sehen wir
an, als seien wir in Balkonkabinen, die die Pro-
menade überblicken, und ganz
einem Fischmarkt oben ein Stückchen echten Him-
gelandet.
mels. Vor uns endet eine riesige
spiralförmige Rutsche, die sich
über elf Decks erstreckt. Sollen
markt gelandet. In einer großen
Vitrine liegen Delikatessen aus
dem Meer auf Eis. Die Crew be-
grüßt uns in blau-weiß-geringel-
ten Shirts, kombiniert mit Hosen-
trägern und Schiebermütze, und
die Platzteller bestehen aus auf-
gerollten Tauen.
Nach dem Essen zieht es uns
weiter. Am Wegesrand spielen
ein paar Musiker, und wir fol-
gen der Promenade bis zu ihrem
Ende. The Lanai wirkt wie eine
Waterfront, die sich über fast 50
Meter Breite erstreckt. Plötzlich
verschiebt sich die Szenerie am
Horizont. Unsere Hände ruhen
auf einer Reling. Das Schiff hat
abgelegt. 
 3
2 Ein Spezial
Ein Spezial
des Zeitverlags | NAME
des Zeitverlags | KREUZFAHRTEN
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Magisch schön: per Schiff durch die Highlands

JUTTA LEMCKE
Eine Schiffsreise durch Schott-
lands Highlands führt durch
eine magisch schöne Wunder-
welt mit mystischen Burgen,
spektakulären Landschaften
und geheimnisvollen Seen –
wie etwa Loch Ness. Auf gehts
zur Fahrt durch die Fjorde der
Westküste und den Kaledoni-
schen Kanal mit der »Lord of
the Glens«.
Es regnet. Kleine Tropfen kli-
ckern emsig auf die Steine, große
platschen in Pfützen. Nebelwol-
ken ziehen über weite, saftig grü-
ne Hügel oder stürzen wie Mons-
terwellen die Felsen herunter.
Schottland ist getränkt – nicht in
Whiskey, sondern in Wasser. Ein
Fluch – und gleichzeitig ein Se-
gen. Alles ist satt grün. Ein Land
wie gemalt mit wilden Land-
schaften, zerklüfteten Bergen,
dunkel schimmernden Seen und
geheimnisvollen Hochmooren.
Wir bereisen die Highlands
mit der »Lord of the Glens«.
Wer bei dieser Bootstour durch
Schottland vor allem die Durch-
querung des Kaledonischen Ka-
nals im Kopf hatte und stets ru-
hige Fahrt erwartete, wird bald
eines Besseren belehrt. Das tapfe-
re kleine Schiff ächzt und schlin-
gert bei aufkommenden Wellen,
sobald es sich Richtung offene
See bewegt. Doch Kapitän und
Crew basteln flugs an einer neuen
Route, die nicht minder schön ist
und hauptsächlich durch ruhige
Fjorde und Lochs führt.
Zunächst gilt es aber, den Passa-
gieren ein wenig festen Boden un-
ter den Füßen zu verschaffen, und
zwar auf Eilean Donan Castle.
Diese trutzige Burg durfte schon
in Filmklassikern wie Highlan-
der, Rob Roy und auch in »James
Bond 007: Die Welt ist nicht ge-
nug« auftreten. Gäbe es dieses
Gemäuer nicht schon, müsste
man es erfi nden. Mit seinen Tür-
men, Wendeltreppen, Wehrgän-
Der abgelegenste Pub
des Landes
gen und der steinernen Brücke,
die auf die Burginsel führt, bietet
es die ideale Filmkulisse.
Die wetterbedingte Kursände-
rung beschert den Passagieren
am nächsten Tag einen Geheim-
tipp. Es geht auf den Loch Nevis
und dort zum Dörfchen Inverie
auf der Halbinsel Knoydart. In-
verie ist nur per Schiff oder per
29 Kilometer langem Fußmarsch
über die Berge erreichbar. Das
verschaff t dem einzigen Pub im
Dorf namens The Old Forge – Die
alte Schmiede – die Ehre, der ab-
gelegenste Pub Großbritanniens
zu sein. Offi ziell bescheinigt vom
Guinness Buch der Rekorde. Nur
500 Meter vom Pub entfernt pro-
duzieren die Aussteiger Saman-
tha und Matthew Humphrey in
einer entwidmeten kleinen Kir-
che das Bier für den Pub, der üb-
rigens Gemeinschaftseigentum
der Dorfbewohner ist.
Weiter geht es tags darauf zur
Insel Mull mit ihren malerischen
Örtchen, den weißen Stränden
und schroffen Bergen, um von
dort zur Isle of Iona zu gelangen.
Diese Mini-Insel mit ihrem 563
gegründeten Kloster gilt als spi-
rituelles Zentrum Schottlands
Die »Lord of
the Glens« ist
das einzige
Passagierschiff in
Schottland, das
sowohl in offenen
Gewässern als
auch durch den
Kaledonischen
Kanal fahren kann.
An Bord gibt es
Platz für maximal
54 Passagiere.
und als Ausgangspunkt für die
Christianisierung der schotti-
schen Highlands. Am höchsten
Punkt auf 101 Metern sprudelt
die »Quelle der Ewigen Jugend«.
Hier nehmen Pilger gerne ein
paar Schlückchen und hoffen auf
einen geistigen Neuanfang.
Schottlands Hauptstadt des Fischs – Oban –
präsentiert sich unter blauem Himmel
Nachts liegt die »Lord of the
Glens« dann in Oban vor Anker.
Das Hafenstädtchen gilt als Tor zu
den vorgelagerten Hebridenin-
seln und rühmt sich, Schottlands
Hauptstadt des Fischs zu sein.
Plötzlich zeigt sich der Himmel
blau mit ein paar wenigen Wol-
kenbändern und färbt sich zum
Sonnenuntergang in schönstes
Apricot. Das lädt sofort zu einem
Bummel am Hafen ein. Ganz wie
man es aus mediterranen Gefi l-
den kennt, entdeckt man kleine
Galerien, originelle Shops und
jede Menge Restaurants, die auf
ihren Tafeln die leckersten Fisch-
gerichte anbieten. Für die Gäste
der »Lord of the Glens« bleibt es
allerdings höchstens bei einem
Lachssandwich, denn die Küche
an Bord ist exzellent und lässt
einfach keinen Platz für Extra-
schleckereien an Land.
Am nächsten Tag wird dann
der Kaledonische Kanal mit Fahrt
durch die schottischen High-
lands ins Visier genommen. Die
»Lord of the Glens« ist das ein-
zige Passagierschiff Schottlands,
das in offenen Gewässern fahren
darf und gleichzeitig durch die
engsten Stellen des Kanals passt.
Auf der circa 100 Kilometer lan-
gen Strecke, die zu einem Drittel
künstlich geschaffen wurde und
zu zwei Dritteln aus natürlichen
Seen besteht, werden 29 Schleu-
sen überwunden.
Gebaut wurde der Kanal, der als
einer der ältesten weltweit gilt, be-
reits vor 200 Jahren, nämlich von
1803 bis 1822. Industriegüter soll-
ten unter Vermeidung des gefähr-
lichen Seewegs von der Westküste
Schottlands zur Ostküste trans-
portiert werden. Die wirtschaftli-
che Rechnung ging jedoch nie auf.
Die Schiffe wurden größer und
stabiler, sodass sie einerseits nicht
durch den Kanal passten und an-
dererseits gefahrlos Schottlands
Nordspitze umrunden konnten.
Auf hoher See
nach Schottland
Heutzutage wird der Kaledoni-
sche Kanal vor allem zum Freizeit-
vergnügen von kleinen Yachten,
Kanus und Hausbooten befahren.
Auch AIDA Cruises,
Das wundert nicht, denn zwi-
schen Fort William und Inverness
Norwegian Cruise Line
liegt eine malerische Fahrt mit oder Hapag-Lloyd Cruises
Highlights, die jedes Touristen-
herz höherschlagen lassen. Ganz fahren zu schottischen
vorne dabei ist der Besuch von
Glenfinnan mit der »Harry-Potter- Zielen. Hoch im Kurs bei
Brücke«. Selbstverständlich zeit-
lich so abgepasst, dass man den den Passagieren liegen
dampfenden Jacobite Steam Train
vorbeirattern sieht, der im Film die Inselgruppen: Shet-
als Hogwarts Express die Zauber-
schüler transportiert. lands und Orkneys im
Und dann natürlich Loch
Ness. Wer über diesen längsten Norden sowie Innere
See Großbritanniens schippert,
wird zwangsläufig Opfer der Le- und Äußere Hebriden
gende. Denn, ganz ehrlich, kein
einziger Besucher schaff t es, vor der Westküste. Hier
dort NICHT nach dem sagenum-
wobenen Ungeheuer Ausschau ist das gälische Erbe
zu halten. In Inverness heißt es
dann für die Passagiere der »Lord
Schottlands noch am
of the Glens«, Goodbye zu sagen.
Den Abschluss und ein Sahne-
lebendigsten. Der am
häubchen der Reise setzt dann
ein zweitägiger Besuch in Edin-
häufigsten angesteuer-
burgh. Edinburgh Castle, der
Holyrood Palace, Pubs, Kultur
te Kreuzfahrthafen von
und Dudelsackklänge: Die Stadt
am Firth of Forth betört mit ihrer
Schottland ist Kirkwall
Atmosphäre. Kein Wunder, dass
hier viele schottische Schriftstel-
auf den Orkney Inseln,
ler Inspirationen fanden, etwa
Robert Louis Stevenson für seine
gefolgt von der Whiskey-
»Schatzinsel« oder J. K. Rowling Metropole Invergordon
für die weltweit berühmten Harry-
Potter-Bände.  in den Highlands.

Kreuz & quer #SLOWCRUISING

Neue Themenreisen bei

Disney kauft Kreuzfahrt-
TUI Cruises
Rohbau
Cruise TUI Cruises veransta ltet 2023 neue
Die US-amerikanische Disney Themenreisen. Der Quatsch Comedy
troh bau

DOPPELT
Line hat einen Kre uzf ahr
rften Club von Thomas Hermann legt
von den insolventen MV We sechsma l mit je vier Comedians an
Sch iff war von
übernommen. Das Bord ab. Im Mai gibt es mit dem
lays isch en Gen ting -Gr upp e,
der ma Jeck liner eine Karnevalskreuz-

GENIESSEN –
reib er der MV
dem ehema ligen Bet fahr t und anlässlich der Krönung
Markt
Werften, für den asiatischen von König Charles III. eine Reise
. Unter
in Auf trag gegeben worden zu den Lieblingsorten der Roya ls
« hät te
dem Namen »Globa l Dream

NUR EINFACH
Gästen an Bord der »Mein Schiff 3«.
der Neubau mit bis zu 9.500 Wer gern spor tlich unterwegs
Das wär e ein neuer
star ten sollen. ist, kommt mit dem »Zeit für
ord auf den We ltm eer en gewe-
Rek mich«-Pa ket auf seine Kosten.
Cru ise Lin e pla nt nur
sen. Die Disney

6.00 0 Pas sag ierb etten.
noch mit run d
202 5 von der
Das Schiff wird bis
Papenburger Meyer Werft in
sam
fert iggestellt. Gemein
ise Lin e pla nt Me yer, den
Disney Cru
Neubau nun mit einem Me
ant rieb auszur üsten. Sobald
tha nol ver füg bar ist, kan n das
Me
Schiff dann klimaneutra l fah
Ein Segler für den
Orient Express
Die Hotelgruppe Accor hat für die Marke
Orient Express zwei 220 Meter lange
Segelschiffe bei der französischen Werft
Chantiers de l’Atlantique in Auftrag ge-
geben. Die Dreimaster werden von
1.500 Quadrat metern Segelfläche in
Kombination mit einem LNG-Motor
angetrieben. Sobald grüner Wasser-
stoff verfügbar und als Treibstoff
zugelassen ist, kann der Motor
umgestellt werden. »Orient Ex-
press Silenseas« wird zwei Pools,
zwei Restaurants und ein Cabaret
im Stil eines Amphitheaters an
Bord haben. Die 54 Suiten messen
durchschnittlich 70 Quadrat meter.
Die Präsidentensuite soll sich auf
1.415 Quadrat meter erstrecken,
inklusive einer 530 Quadrat meter
großen Terrasse. Das wäre die
größte Suite auf hoher See. Das
erste Schiff soll 2026 starten, das
Schwesterschiff 2027 folgen.
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An ausgewä hlten Terminen
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mit Meditationen, Yoga, Ernä h-
Wismar
rungs-Coaching und Fitness-
mit der
angeboten. Und im September
fi ndet auf der Ostsee eine
thanol-
Musikkreuzfahrt mit Peter
grünes
Maffay und Band statt.
ren.
Saudi-Arabien baut
Luxusschiff
Neptune Co. – ein Joint Vent ure
aus der Hotelgruppe Aman und
Cruise Saudi – hat den Bau einer
Kreuzfahrtyacht für max ima l
100 Passagiere angekündigt. Der
Prototyp entsteht auf der italieni-
schen Schiffswerft T. Mariotti und
träg t den Projektnamen Sama,
was auf Sanskrit Ruhe bedeutet.
Der richtige Name wird später
bekannt gegeben. Auf 183 Metern
Länge sind 50 Balkonsuiten ge-
plant, ein informelles Ganztages-
restaurant, eine Lounge, ein Spa
mit japanischem Garten sow ie
zwei Hubschrauberlandeplätze.
Am Heck des Schiffs wird ein
Beach Club eingerichtet, der di-
rekten Zugang zum Wasser bietet.
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IMPRESSUM Verlag: ZEIT Verlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Helmut-Schmidt-Haus, 20095 Hamburg; Geschäftsführung: Dr. Rainer
Esser; Art Direction: Kay Lübke, Dietke Steck; Realisierung: Studio ZX GmbH – Ein Unternehmen der ZEIT Verlagsgruppe, Projektmanagement: Fritz Lüders;
Redaktion: Peggy Günther; Grafik: Sonja Feldkamp; Lektorat: Egbert Scheunemann; Fotos: iStockphoto.com – StudioBarcelona / Maridav / GlobalP / zoom- Angebot gilt nur für Neubuchungen. Begrenztes Kontingent. Für diese Aktionsreise gelten besondere Storno- und Umbuchungsbedingungen gemäß unseren Reisebedingungen.
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Head of Travel & Tourism: Sandra Lindemeier, Tel.: 040 / 3280 359, Sandra.Lindemeier@zeit.de; Anzeigenpreise: Preisliste Nr. 68 vom 1. Januar 2023
66 ENTDECKEN 9. Februar 2023 DIE ZEIT N o 7

Was mein
Du siehst aus, Leben reicher
WIE ES WIRKLICH IST wie ich mich fühle macht

Kaninchen im Schafspelz: Zwergwidder verdanken ihren Namen der Ähnlichkeit mit Schafen. Besonders im Profil ähnelt ihr Kopf dem Schädel eines Schafbocks, auch Widder genannt. Foto: Sophie Zimmermann
... der Präsident Markttag am Mainzer Dom. Ich kaufe meinen­
alljährlichen Sack Grünkohl zum Einfrieren. Gerade
eines Glatzenclubs will ich mich damit aufs Fahrrad schwingen, da­
entdecke ich unsere aktuelle Stadtschreiberin im

zu sein Getümmel, auch sie ein Nordlicht.

Der Anblick meines Großeinkaufs lässt ein Lächeln
über ihr Gesicht huschen: Wir grüßen uns in stillem

I
Einvernehmen. Ja, Norddeutschland!
ch finde ja, man muss schon den Kopf dafür Annelen Ottermann, Mainz
haben. Nicht jedem steht eine Glatze. Aber
wenn, dann ist es die beste Frisur der Welt! Mit meiner Tochter auf dem Weg zur Grundschule.
Pflegeleicht, schnittig, glänzend, die Jahre Vor uns läuft ein vielleicht achtjähriger Junge – sehr
überdauernd. Und ich muss es wissen, schließlich langsam, den Kopf gebeugt, einen Arm angewinkelt.
bin ich der Präsident des Neuseser Glatzenclubs in Aha, denke ich, wieder nur Augen fürs Smart­phone!
Unterfranken. Als wir ihn überholen, sehe ich, was er wirklich­
Bei uns im Ort gibt es eine Weinsorte, die heißt betrachtet: Eine kleine Schnecke sitzt auf seiner
»Neuseser Glatzenwein«, benannt nach der Wein- Handfläche.
lage, wo die Reben wachsen, der Neuseser Glatze. Kai Rößner, Erfurt
Vor 30 Jahren bekam das ein Glatzenclub aus Hes-
sen mit – Kahlkopfvereine gibt es nämlich viele in Am Tag vor dem Valentinstag beim Bäcker. Die
Europa. Die allerersten Glatzenclubs wurden in Kundin vor mir verlangt ein »Flammendes Herz«.
Belgien gegründet, als Selbsthilfegruppen für Krebs- Der Verkäufer blickt sich suchend in seiner Theke
kranke nach der Chemotherapie. Jedenfalls, der um und schüttelt dann bedauernd den Kopf: »Tut
Präsident des Glatzenclubs aus Hessen erfuhr, dass mir leid, heute hab ich nur noch Schweins­ohren.«
wir den Glatzenwein anbauen. Das fand er so toll, Renate Fluhrer, Zeitlofs, Bayern
dass er seine Glatzköpfe alle in einen Bus gepackt
hat und zu uns auf das Weinfest gefahren ist. Auf ­ Nach überstandener Lungentransplantation wieder
unserem Marktplatz hat er dann gerufen: »Neuses Freunde in der zweiten Etage besuchen zu können.
am Berg soll das Mekka der Glatzen werden!« Das Ute Hagemann, Münster
war die Geburtsstunde unseres Glatzenclubs.
Jedes Jahr beim Weinfest bin ich dafür verant- Nach sieben Tagen in einem buddhistischen Retreat
wortlich, neue Mitglieder im Glatzenclub will- ist eine bunte Truppe mit dem Taxi auf dem Weg
kommen zu heißen. Mitmachen kann jeder, der zum Bahnhof. Im Allgäu haben wir uns im »edlen
eine Glatze hat, aber da gibt es schon Regeln, wir Schweigen« geübt, jetzt geht es nach Hause. Alle
sind ja nicht irgendein Wald-und-Wiesen-Club. Es reden aufgeregt mit­ein­an­der – ist ja wieder erlaubt.
ist so: Wir haben jedes Jahr eine Weinprinzessin. Mit dabei ist auch Timothy. Er hat während des
Wenn die Glatze eines Mannes so groß ist, dass die Retreats toll Gitarre gespielt. Erst jetzt erfahren wir,
Hand der Weinprinzessin draufpasst, darf er­ dass er in der Schweiz lebt, in einem autarken Dorf,
Mitglied in unserem Club werden. das nur zu Fuß zu erreichen ist. Er wohnt in einem
Da haben schon viele Leute versucht zu­­be­ Baumhaus – wir sind beeindruckt!
trügen, wir sind schließlich ein populärer Club. Der Taxifahrer hält am Bahnhof: »18,50 Euro macht
Gemessen wird von der Nackenwulst bis zur das.« Wir kramen das Geld zusammen. Und Timo-
ersten Stirnfalte. Und von Ohr zu Ohr. Wich- thy sagt: »Ach ja, Geld! Das gibt’s ja auch noch.«
tigste Regel: Die Glatze muss echt sein. Aller- Jonny Thumb, Hamburg
hand Tricks gab es da schon. Aber gute Wein-
prinzessinnen erkennen selbst die beste Rasur, Ich komme mit einem dicken Stapel Bücher aus der
mit denen ist da nicht zu spaßen. Bücherei. Schon im Auto kribbelt die Vorfreude.
Wenn die Hand der Weinprinzessin passt, gießt Zu Hause koche ich mir einen Kaffee, arrangiere die
sie dem Glatzkopf einen Schluck Wein über die Folge 348 Kissen in meinem Lesesessel und wähle das Buch
Stirn. Dann kommt mein Job: Ich nehme den aus, mit dem ich mich dort gleich niederlassen will.
Kopf, der noch nass vom Wein ist, und gebe der In Rente zu sein ist ein Geschenk!
Glatze einen dicken Kuss. Ich habe bestimmt schon Marion Roth, Rosbach vor der Höhe, Hessen
200 Männerköpfe mit meinen Lippen ­berührt.
Bier trinke ich so gut wie nie, vielleicht zwei ZEITSPRUNG WORTSCHATZ Zu Besuch in einer fremden Stadt. Ich habe mich
Flaschen im Jahr. Wein ist bei uns in der Region verlaufen! Der Handyakku ist leer, es regnet in
alles. Er hat uns bekannt gemacht. Er bringt j­ edes Strömen und ringsum nur leere Büro­ gebäude
Jahr Hunderte Leute in unser Dorf. Die Glatzen-
taufe ist ein Brauch, der Identität stiftet. Letztes
Am Drachenfels Kollhocken und Parkplätze. Ich kämpfe mit Schirm, Tasche,
Rollkoffer – und zunehmender Verunsicherung,
Jahr mussten wir wegen Corona unser Weinfest da es allmählich dunkel wird.
leider zum dritten Mal in Folge a­b­sagen. Aber In meiner Kindheit war es verpönt, Die Panik ist komplett, als mir eine abgerissene
dieses Jahr werde ich 80, da feiern wir die Glatzen- sich die Scheibe Brot mit mehr als Männergestalt entgegenkommt. Mit Herzklopfen
taufe dann einfach umso ausgiebiger. einer Schicht Wurst oder Käse zu versuche ich vorbeizueilen. Als ich mit dem Mann
belegen, ­kollhocken nannte man auf gleicher Höhe bin, höre ich ihn sagen: »Schlech-
tes Wetter vergeht auch wieder!«
das bei uns auf dem Land (im Kurz darauf: das erste bekannte Straßenschild.
Süd­westen von Hannover). Nun Lucia Buser, Ulm
Illustration: Eva Revolver für DIE ZEIT; kl. Fotos: privat

kehrte ich zurück aus dem Urlaub

und erzählte meinem Sohn von dem
Hotel, in dem es kein Buffet gab, Machen Sie mit!
Karl-Heinz Erk, 79,
ist gelernter Automechaniker sondern für jeden Gast einen Teller Schreiben Sie uns, was Ihr Leben reicher macht,
teilen Sie Ihre »Wortschätze« und »Zeitsprünge« mit uns.
Der Drachenfels, der bei Königswinter weit ins Rheintal ragt, gilt als mit zwei Brötchen und reichlich
Beiträge bitte an leser@zeit.de oder an
Aufgezeichnet von Niko Kappel der Ort, an dem der Sagenheld Siegfried einst den Drachen niederrang. frischem Aufschnitt und Marmelade. Redaktion DIE ZEIT, »Z-Leserseite«, 20079 Hamburg
Es gibt dort auch Reste einer mittelalterlichen Burg, die ich 1956 mit »Da musstest du ja richtig
Wenn Sie in unserer Rubrik »Wie es wirklich ist«
meinem Vater besuchte. Inzwischen war ich mit meinen Enkeln kollhocken«, meinte der daraufhin.
Die Redaktion behält sich Auswahl, Kürzung und redaktionelle Bearbeitung
berichten möchten, mal wieder da. Viele Erinnerungen wurden wach. Was ich fast verschämt bestätigte. Ihrer Beiträge vor. Mit der Einsendung geben Sie Ihr Einverständnis,
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