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8.

Juni 2008 Parallelesiert

Nix für Weicheier oder Heulsusen: Andreas Banaski kommentiert das EM-Tagesgeschehen auf dem
Platz und in den TV-Studios

Fest der Nationen, 1. Akt, 1. Aufzug, und schon der erste Tragöde. Das tränenumflorte Drama um
Freis Knie nahm alle mit.

Die "(L)eidgenossen" waren wie paralysiert - oder "parallelesiert", wie ihr konsternierter
Ordnungshüter Urs Meier, zur Trauer des Tages ganz ohne modische Extravaganz (wo sind denn
seine metrosexuelle Blondierung und das Geckenbärtchen von 2006 hin?), in der ZDF-Kerner-Kloppo-
Runde fast noch treffender konstatierte. Offenbar noch mehr standen die Tschechen unter Schock.
Für Kommentator Béla Réthy spielten sie einfach "rätselhaft". Punktgenauer konnte man das triste
Gekicke dieser einstmals glamourösen Truppe nicht charakterisieren.

Das anschließende gefühlte 5:0 der Torgestänge-Portugiesen nagelte dann Thomas Wark mit üblicher
Lakonie ans Gebälk: "Ein Spiel, das seinen Reiz aus der Spannung bezieht." Und im Nachschuss: "Da
wär mehr drin gewesen." Danach verwandelte Portugals Trainer Scolari, der "aussieht wie Gene
Hackman" (Wark), mathematisch sattelfest: "Drei Punkte in drei Spielen, das sind nicht 33 Prozent,
das sind 50 Prozent."

Dieser vielversprechende EM-Aufgalopp bescherte uns Deutschen eine willkommene


Verschnaufpause inmitten der Polen-Vorbereitung, die einen seit Tagen in Atem hielt. Zuerst die
Splatter-Polen: In cineastischer Referenz an Sam Peckinpahs 70er-Jahre-Existentialisten-Klassiker
"Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia" hatten blutlechzende Polen die Enthauptung deutscher
Führungsfiguren durch den holländischen Trainer Polens beschworen: "Leo, bring uns ihre Köpfe."
Das folgende hysterische Lamento offenbarte dann vor allem, dass an der Fußballermischpoke der
auch längst nicht mehr frische Kinohype des "Torture Porn" à la "Saw" oder "Hostel" völlig
vorbeigegangen ist.

Wer nun Muße im Durchblättern seines Klebebildchen-Albums suchte, wurde durch eine weitere
Horrornachricht aufgeschreckt, die sich in der Fußballersammelbildchenszene wie ein Lauffeuer
verbreitete. Hier das Eisen, das deutschen TV-Anstalten bisher zu heiss war: Nachdem ein
italienisches Unternehmen kurz vor der Euro bereits mehrere Fantastilliarden mit Spielerporträts
bedruckte Aufkleber in Tüten in Umlauf gebracht hatte, platzte die Bombe: Ein falscher Pole
kursierte. Polenbild Nr. 240 zeigte nicht etwa den echten Pawel Golanski (Steaua Bukarest), sondern
einen gewissen Arkadiusz Glowacki (Wisla Krakau), der, wohl um weiteren Verwechslungen aus dem
Weg zu gehen, dann gar nicht für die EM nominiert wurde. Ein Fan lauerte daraufhin der polnischen
Auswahl auf, um den wahren Golanski mit seinem falschen Abbild zu konfrontieren: "Golanski hat
gesagt. Das Bild ist von einem anderen Spieler nicht von Ihm also Unikat. Hat gut Deutsch
gesprochen." (unredigierter Originaltext aus dem Internet)

Statt nun offensiv mit dieser Panne umzugehen und in einer spektakulären Rückrufaktion das
erschütterte Vertrauen der Kundschaft zurückzugewinnen, wurde der falsche Pole einfach unter den
Teppich gekehrt und in zweiter Auflage durch den richtigen Polen ersetzt. Ein vergleichbarer Fauxpas
war dem sympathischen ehemaligen Familienbetrieb bereits zur WM 2006 unterlaufen, als der erste
Barreto (Team Paraguay) nicht der richtige Barreto war. Aber keine Polen-Panik! Obwohl
Wahnsinnige bereits in einem Online-Auktionshaus über 10 Euro (!) für dieses eine (!) korrigierte
Klebebild abdrücken, kann jeder - hier wird es zum ersten Mal verraten - den richtigen Polen
kostensparend einfach bei der deutschen Dependance des italienischen Wundertütenherstellers
nachordern. (Bis zum Spiel Holland - Italien kriegen wir dann auch noch raus, was es mit dem
doppelten Seedorf auf sich hat.)

Und weils so schön völkerverbindend war, hier zum Eingrooven einfach noch mal die geile Anmache
von Klinsi aus dem "Sommermärchen" im Originalwortlaut: "Das lassen wir uns nicht nehmen. Von
niemand. Und schon gar nicht von Polen." (Die Stimme überschlägt sich:) "Wir knallen sie durch die
Wand hindurch. Das machen wir heute."

9. Juni 2008 Down to Earth

Nix für Weicheier oder Heulsusen: Andreas Banaski kommentiert das EM-Tagesgeschehen auf dem
Platz und in den TV-Studios

"Wo das Glück einmal hingeschissen hat, da macht es immer wieder hin." So orakelte einst der
Österreicher Meistermacher Max Merkel, meinte allerdings das obligatorische deutsche Losglück und
nicht seine aktuell gebeutelten Landsleute.

Die strampelten sich gegen abgewichste Kroaten derart mitleiderregend ab, dass jenen der mickrig
ermauerte 1:0-Sieg gegen einen EM-Gastgeber noch weniger zu gönnen war als den Tschechen. Vom
21-, 26- oder gar 28-Millionen-Mann (je nach Wechselkurs, oder wie?) Modric, von Kloppo als eine
der potentiell drei schillerndsten Figuren des Turniers anmoderiert, war jedenfalls nach den ersten
paar Minuten nicht mehr viel zu sehen. Danach verströmte die kopflose Ösi-Verzweiflung das Flair
von DFB-Pokal auf dem flachen Land: beflissener, aber minderbemittelter Amateurdorfverein gegen
Dienst nach Vorschrift ableistende Söldnerhaudegen. Wie ZDF-Poschmann, sonst die
verschnarchteste Trantüte, unablässig, aber vergebens flehte: "Das muss schneller gehen", war denn
auch noch die größte Überraschung des Spiels - so engagiert hatte man Poschi ja ewig nicht mehr
erlebt.

Tags zuvor, aber mangels aktueller Spieltagspressekonferenz auch Sonntag noch mal eingespielt,
profilierte sich Jogi in seiner Polenvorschau wieder als Mann des verbalen Feinschliffs und ließ in sein
Seelenleben blicken: "Wir sind jetzt... irgendwie... heiss." Das konnte eigentlich nur bedeuten: Die
Vorrunde ist bereits abgehakt.

Denn wie peinlich selbst Löw der EM-Gruppen-Auslosungsdusel vor einigen Monaten war, merkte
man ja schon daran, dass er von da an gebetsmühlenartig bekräftigte, wie viel schwerer doch eine
EM als eine WM wäre. Die ersten vier EM-Spiele, in denen wir schon einen Endspielteilnehmer sahen
(das kann eigentlich nur Portugal oder Deutschland sein), bewiesen nun eindrucksvoll das Gegenteil
(mal ganz davon abgesehen, wie grotesk sich die Europameister Dänemark und Griechenland neben
den Weltmeistern Frankreich oder Argentinien ausnehmen).
Die bereits an der letzten, fußballerisch bescheidenen WM beteiligten Mannschaften spielten bisher,
Ausnahme: Portugal, schwächer als 2006, so die damals kläglich gescheiterten Tschechen (an Ghana),
Kroaten (an Australien!) und Polen (an Ecuador). Und auch Deutschland reichte eine Leistung
schlechter als gegen Costa Rica, um biedere Polen abzufertigen. Oder wie es Kloppo nonchalant
umschrieb: Es wurde "großer Raum für Steigerungen gelassen". Was Sommermärchen-Partytiere
aber nicht davon abhielt, nach Abpfiff diesen halbgaren Pflichtsieg per Autokorso vor meinem
Fenster abzufeiern und noch Stunden später das Deutschlandlied zu lallen statt Jogis Worte zu
beherzigen: "Wir sollten down to earth bleiben."

10. Juni 2008 Gesetzesfalle

Nix für Weicheier oder Heulsusen: Andreas Banaski kommentiert das EM-Tagesgeschehen auf dem
Platz und in den TV-Studios

Überlebenswichtig in der Todesgruppe: Stil- und Gesetzesfragen. Den Franzosen drehe "sich der
Magen um", wenn sie sehen, wie prollig deutsche Fußballfans gekleidet sind, gab der Pariser
Phoenix-Korrespondent Einblick in nationale Befindlichkeiten.

Der Franzose (stellvertretend: sein verschlagener Spielführer Sarkozy) hänge dagegen sein Fähnchen
nur nach dem Wind, bzw. in den Wind, wenn es denn was zu jubeln gäbe. Andernfalls würden die
Neurosen blühen: Ohne Zidane sind wir eben nix wert. Und genauso kam es denn auch. Der Franzose
konnte sein Fähnchen eingerollt lassen, denn was seine Mannschaft auf den Laufsteg brachte, war
nicht einmal die Frühjahrs-Kollektion 2006 (Ensemble 1:1 gegen Südkorea), sondern erinnerte mehr
an die Lumpenpräsentation von 2004 (0:1 gegen Griechenland).

Mehmet Scholl, (fast) jedermanns Lieblings-Filou, führte deshalb als neuer ARD-Spezi die klare
Ansprache ein. "Malouda kann ja nix", maßregelte er Frankreichs Außenläufer und outete sich als
noch "nie der große Henry-Fan", der ja zuletzt bei Barca "unterirdisch" spiele. Ich oute mich hier als
noch nie der große Scholli-Fan, dessen lausbubige Verschmitztheit mir schon immer eher auf den
Keks ging. Doch auch wenn er mit seiner Vorschau - "Wo Makelele spielt, ist Erfolg", denn "Mitspieler
spielen zwanzig Prozent besser, wenn Makelele auf dem Platz steht" - in der Nachschau diesmal
komplett daneben lag, brachte der Scholli seine sachdienlichen Hinweise unverblümter und
treffsicherer in den Zeugenstand als zuletzt die Muppet-mäßigen Grimmepreisgrantler Delling und
Netzer. Die wurden danach doch noch von der Dramatik der Ereignisse mitgerissen.

Welch Ironie: Eine juristischer Präzedenzfall brachte ausgerechnet die notorischen italienischen
Rechtsverbieger ins Straucheln (um nicht zu kalauern: ins Abseits). Was muss sich ZDF-Strafverfolger
Urs Meier geärgert haben, dass das Ende des Weltmeisters ausgerechnet an einem ARD-Tag in einer
Grauzone der Rechtssprechung seinen Anfang nahm. Nun sitzt der Schweizer Streber bis zum
nächsten ZDF-Tag wie auf Kohlen, um dann sicher in seiner neugeschaffenen Paragraphenreiterei,
dem "RegelkUrs", jedem, der glaubte, schon alles über das Abseits zu wissen, diese Gesetzesnische
einzupauken.

Italien verzweifelt in der Gesetzesfalle, der Rest der Welt atmet auf. Denn 2006 zeigte sich nicht nur
Netzer dauertraumatisiert, dass die Holländer nicht mehr seine Holländer waren. Erschütternder
noch: Holländer spielten plötzlich wie Deutsche und Deutsche wie Holländer. Nun wurde, ziemlich
genau zwanzig Jahre nach dem bewußtseinserweiternden Tor vom heutigen Trainer van Basten im
EM-Finale 1988, die Umwertung aller Werte rückumgewertet: Holländer sind wieder Holländer.

11. Juni 2008 Körperlichkeit

Nix für Weicheier oder Heulsusen: Andreas Banaski kommentiert das EM-Tagesgeschehen auf dem
Platz und in den TV-Studios
Verbal-Asket Jogi Löw trat noch mal in der Presse-Rückschau auf den bisherigen Turnierhöhepunkt
"down to earth" auf die Spassbremse.

Und auch Phoenix-Experte Guido "Diego" Buchwald weiß als gefeuerter Zweitligatrainer von
Alemannia Aachen um die Fallstricke der Branche und predigte nach dem holländischen Wunder von
Bern folgerichtig die Hausmannskost deutscher Tugenden: van Basten wüsste schon, warum er die
Stänkerer aussortiert hätte, elf Freunde dürfen nicht von faulen Äpfeln verdorben werden. So waren
die Holländer zwar für Buchwald ebenfalls wieder die Holländer geworden, aber auch irgendwie die
Deutschen geblieben (siehe Kolumne vom 10.6.).

Überhaupt mausert sich Phoenix immer mehr zum Analyse- und Vorschau-Geheimtipp, wie
anschließend der ARD-Spanien-Korrespondent, mit ähnlich nuanciertem Mienenspiel wie Buchwald,
die weit aufgerissenen Kulleraugen rollend wie in einem dieser neueren spanischen Gruselfilme,
belegte. (Allerdings könnte sich der angestammte Politsender die eine oder andere, in kaum
geschäftsfähigem Deutsch die Lage seines jeweiligen Teilnehmerlandes sondierende
Botschaftsschranze sparen.)

Einsäusler Beckmann fokussierte später auf "Körperlichkeit". Meinte er damit die Körpergröße der
Spanier nah an der Gnomengrenze oder nicht doch eher Monica Lierhaus, zu der er
rüberschmeichelte: "Monica, erzähl uns was Schönes. Du siehst jedenfalls hinreißend aus."? Schon
seit Tagen bringt die kesse Hamburger Biene die Männerwelt ins Wallung, da sie neuerdings "ihre
hübschen blauen Augen hinter einer rehbraunen Brille versteckt" (O-Ton der Hamburger
Lokalpresse), allerdings nicht zur Lachfältchenakzentuierung, sondern wegen "fiesen Schmerzen" als
Folge einer "fiesen Entzündung".

"Ach, ist das ein Traum", ließ sich auch Livekommentator Tom Bartels von der Körperlichkeit
hinreißen. "Das liegt in ihrem Naturell", leckte er sich die Finger. Einen Tag nach seinem trocken Brot
bei Frankreich-Rumänien konnte er sich gar nicht mehr einkriegen darüber, was die "fantastischen"
Spanier auftischten: "Ein Genuss!" Mehmet Scholl ging nach diesem Menü ebenso "glücklich nach
Hause", und auch Netzer lief spätabends noch mal das Wasser im Munde zusammen.

"Ganz schwere Kost" (ARD-Küchenchef Steffen Simon, geschmacksgenervt) boten dazwischen


Schweden und Griechenland, die nach dieser Verdauungsstörung ganz schnell von der Speisekarte
gestrichen gehören. Allein Rumpelstilzchen Rehhagel, dessen Gehampel ein wenig an Feinschmecker
Louis de Funès in "Brust oder Keule" erinnerte, lebte seine Körperlichkeit aus. Ibrahimovic,
bestbesoldeter Spieler der Welt, behob dann die Verstopfung, und schließlich setzte keine weitere
Delikatesse, sondern ein Slapstick-"Würgetor" (Netzer) den passenden Deckel auf den Topf.

12. Juni 2008 Irritationen

Nix für Weicheier oder Heulsusen: Andreas Banaski kommentiert das EM-Tagesgeschehen auf dem
Platz und in den TV-Studios

Deutschland nun also im Viertelfinale gegen Tschechien oder Türkei, dann Halbfinale gegen Portugal,
das geht klar. Da macht es schon mal Sinn, mittags auf Phoenix den deutschen Endspielgegner
abzufragen.

Video-Empfehlung

[Anpfiff - die tägliche TV-Kritik zur Euro 2008]


Als Einstieg schockte Guido Buchwalds Phoenix-Stichwortgeber gleich mehrfach mit der
weltexklusiven Einschätzung, am Vorabend ein "munteres Spiel" mit griechischer Beteiligung
gesehen zu haben, und reihte Schweden "in den Dunstkreis der Geheimfavoriten". Der stoische
Buchwald ließ sich davon aber nicht ausdribbeln und ertrug dieses Verbal-Abseits mit Fassung. Mit
der Ruhe war es dann vorbei, als die Zuschauer zur Telefonaktion aufgerufen wurden: Wer denn
Europameister würde, jetzt wo wir alle Teilnehmer einmal gesehen hätten?

Gleich die erste Anruferin begeisterte sich für die Niederlande, da kämen die Unseren nicht mit:
"Frauen sind da ehrlicher als Männer." Ein renitenter Kerl wollte diesen feministischen Affront nicht
stehen lassen: "Ich bin Deutscher. Ob Niederlage oder Sieg, wir stehen zu unserem Deutschland."

Moderator: "Wunderbar!"

Jetzt grätschte Buchwald dazwischen: Er hätte "in das Spiel reingesehen" und Schwächen in der
holländischen "Kompaktheit" erkannt, doch damit fand er keinen Anklang. Anrufer auf Anrufer
votierte für die Holländer, der letzte gar noch, welche Demütigung, als Sieger im Endspiel-
Elfmeterschiessen gegen Deutschland. Moderator: "Auohh! Jetzt bin ich doch irritiert."

Derart im Rechtsempfinden verunsichert, warteten wir dann mit Spannung auf den
höchstrichterlichen Schiedsspruch von Urs Meier. Die Abseitsfalle, in die die Italiener gegen Holland
gestürzt waren, war mittlerweile in die Revision gegangen. Der in Strafsachen unabdingbare Vorsatz
(FIFA-Regel: "Begibt sich ein verteidigender Spieler hinter die eigene Torlinie, um einen Gegner
abseits zu stellen...") sei nicht zu erkennen gewesen, plädierte die italienische Verteidigung auf
Freispruch. Das leuchtete ja ein. Doch statt die Schuldfrage plausibel aufzudröseln, faselte ZDF-
Staatsanwalt Urs völlig am Straftatbestand vorbei: "Man muss das Positive in dem Negativen sehen."
Und wäre das noch nicht spinnert genug, kaute Kerner mit Urs und einem perplexen Kloppo sinnfrei
"vergessene Regeln" durch, die bloß deshalb jeder vergessen hatte, weil sie eh nicht von dieser Welt
waren.

Was sollte das denn? Waren dem ZDF die Vorberichte weggebrochen? Krankheitsfälle in der
Redaktion? Oder bloß auf der faulen Haut gelegen? Nach fast schon qualvollem Vorgeplänkel wurde
endlich auch noch Fußball gezeigt. Leider mit noch einer Labertasche am Mikro. "Die Portugiesen
müssen realisieren, dass sie nicht unverwundbar sind", machte Thomas Wark auf verblüfft (und den
Deutschen schon mal präventiv Mut), hatte dabei aber wohl als Einziger nicht mitgekriegt, dass
bisher bei diesem Turnier sowieso noch jede Hintermannschaft unter Druck ins Schwimmen geraten
war.

Danach gingen die Schweizer den Bach runter. Zum Glück sind nicht alle Schweizer solche
Jammerlappen wie der vor den Kopf geschlagene "(L)eidgenosse" Urs, der wieder in Floskeln vom
Kaliber "Fehler auf diesem Niveau werden bitter bestraft" abdriftete. Vor dem Spiel rüffelte schon
der verletzte Schweizer Spielführer Frei den devoten Töpperwien, als er allergisch auf das
"Modewort" Leader reagierte: So was werde man nicht "durch Gequatsche". Und auch nach der
Tragödie, 2. Akt, finaler Aufzug (siehe auch Kolumne vom 8.6.) kein Gequatsche und Geflenne,
sondern das Eingeständnis, es selbst verbockt zu haben. Respekt für den Abgang. Und Vorhang.

13. Juni 2008 Fußschrift

Nix für Weicheier oder Heulsusen: Andreas Banaski kommentiert das EM-Tagesgeschehen auf dem
Platz und in den TV-Studios

Deutschland im Endspiel! Aber nicht gegen Holland, sondern gegen Österreich: Was die
Turnierauslosung eigentlich ausschließt, findet jetzt doch statt. Endspiel aber nicht im, äh, Endspiel,
sondern schon in der Vorrunde.
Darüber konnten wir mittags noch lachen. "Wir Schweizer sind gerne bei einem Turnier länger
dabei", griente da ein in deutsche Farben gewandeter Schweizer Fan-Deserteur in die Kamera der
ZDF-"Drehscheibe", die zum Ortstermin an den Vierwaldstättersee geladen hatte: Zum Fan-
Opportunisten im Deutschland-Trikot, der sich sein Weltmeister-Autokennzeichen "547490" mal
einen nicht unerheblichen Betrag ("murmel murmel...1000...murmel") hatte kosten lassen, gesellte
sich dann noch eine junge Eingeborene mit Kleinkind im Holland-Partnerlook zum vorgefühlten
Endspielgruppenbild.

"Vom Kollektiv her" hätten auch ihm Deutschland und Holland am besten gefallen, erschmeichelte
sich später Besserwisser Urs Meier, nach dem Schweizer Ausscheiden eigentlich überflüssig
geworden, die Daseinsberechtigung. Dann wurde es erst mal zeitgeschichtlich. Auch Kroatien hatte
ein 12-Jahres-Jubiläum zu feiern. So lange lag, bis zum Polen-Spiel, der letzte deutsche EM-Sieg
zurück. Und genauso lange der Fußtritt des heutigen Kroaten-Trainers Bilic im Viertelfinale der EM
1996 gegen den wehrlos am Boden liegenden Deutschen Ziege. Bilic damals: "Wir sind Soldaten, die
für ihr Land kämpfen." Ankläger Urs, diesmal in der Rolle des Verteidigers: Dass Kroatien fairste
Mannschaft dieser EM-Quali gewesen wäre, sei ja "die Handschrift von Bilic..."

Kerner: "Die Fußschrift haben wir ja gerade gesehen."

Urs, um Fassung ringend: "Vom Saulus zum Paulus..."

Doch hatte Bilic die Zeit wirklich zur Resozialisierung genutzt? Als seine Truppe wenigstens den
Anstand hatte, wegen der schäbigen Leistung gegen Österreich in der Kabine die Köpfe hängen zu
lassen, versuchte Gitarrenmucker Bilic, mit dem EM-Song seiner Schweinerockband Rawbau eh
schon geschmacklich grenzwertig, die Kompanie mit völkischen Gesängen aufzuputschen. Name der
aufgelegten Kapelle: Thompson, nach einer Maschinenpistole mit zweifelhafter kroatischer
Kriegshistorie. Kerner kam das "unvoreingenommen" da nur schwer über die Lippen, als der ZDF-
Redaktionsbeitrag die Kroaten von "Rechtslastigkeit" freisprach (wenn's auch eher wie ein Freispruch
zweiter Klasse, mangels Beweisen, rüberkam). Kerner: "Wenn im deutschen Nationalmannschaftsbus
Bushido laufen würde, würde man ja auch mal nachfragen."

Da dort zum Glück ja immer Betbruder Naidoo lief, konnte sich die Runde beruhigt wieder dem
"großen Theater" zuwenden, das Kloppo im deutschen Platzhirschgehabe ausgemacht haben wollte:
"Die haben richtig Bock." Das Spiel in Klagenfurt (der Ortsname sollte sich noch als prophetisch
erweisen) "wogte" (dümpelte) dann aber so hin und her, dass Livereporter Béla Réthy schon bald den
Klinsmannschen "Abnutzungskampf" bemühen musste. Woge auf Woge schwappte über Réthy
hinweg: "Die individuelle Klasse zeigt sich ... bei den Kroaten."

"Die einfachsten Dinge gehen in die Hose."

"Klose und Gomez sehen kein Land gegen Kovac und Simunic" (die Lachnummern der letzten
Bundesligasaison).

"Heute werden unangenehme Erinnerungen wach."

Als dann noch Schweinis "Selbstjustiz" (Urs) das Fass zum Überlaufen brachte, kam einem
Beckenbauers pädagogische Empfehlung in den Sinn: Alle deutschen Spieler (vom "Pflichtsieg" gegen
"biedere Polen", O-Ton ich vor vier Tagen, wohl noch duselig) in einen Sack, mit dem Knüppel
draufhauen, es erwischt immer den Richtigen.

Doch bevor ich mich noch seitenlang ereifere, lass ich es erst mal, da uns das Thema noch die
nächsten Tage bis zum "Endspiel" beschäftigen wird, mit dem Fazit von Béla Réthy gut sein:
"Deutschland ist von der Realität eingeholt worden."
14. Juni 2008 Hamburg

Trotz Kroatiendebakel kann es jetzt nur heissen: Wir werden Europameister. Hier die logische
Argumentationskette:

Einen Tag nach der Schmach in der Klagenfurt tagten allerorts die Krisenstäbe. Und das Fazit der
Manöverkritik kann nur heissen: Jetzt werden wir Europameister. Hier die logische
Argumentationskette:

Zuerst ging Stratege Diego Buchwald auf Phoenix ins Tackling: "Ein Ballack war mehr mit dem
Schiedrichter beschäftigt als mit der eigenen Leistung." "Behäbig." "Mangelnde Einstellung." "Wille
nicht gehabt." "Gedacht, es geht von alleine." Aber: "Gott sei Dank noch rechtzeitig" ein Schuss vor
den Bug, alles Probleme, die sich beheben lassen, keinem muss das Fußballspielen neu beigebracht
werden. Da konnte man schon mal beruhigt sein.

Danach Jogi in der Pressekonferenz, äußerlich gefasst, innerlich noch immer zerknittert, weil seine
Jungs den Gehorsam verweigert hatten, da müssten sie noch mal zu ihm in den Beichtstuhl. Aber er
wäre "nicht der Trainer, der verlangt, wir müssen jetzt Gras fressen" (wenn's sein muss rohes,
möchte man mit dem ehemaligen Lautern-Präsidenten Atze Friedrich ergänzen).

Von der Journaille wurde, man kann's nicht mehr hören, penetrant auf Cordoba rumgeritten.
Einerseits zwar verständlich, denn bei den Ösis konnte auch "i narrisch wer'n", allerdings nur, weil die
zu deppert zum Toreschiessen sind. Andererseits die völlig falsche historische Analogie zur Lage.
Nicht Cordoba muss es heissen, sondern: Hamburg. Dort versagte nämlich zuletzt eine deutsche
Nationalmannschaft so schändlich: 1974 gegen die DDR. Also Ossis, nicht Ösis (Moment, ist Kroatien
Ostzone? Irgendwie schon. Schließlich ist Bilic Fan der Ostzonenband Rammstein). Wie der Weg 1974
dann weiterging (Nacht von Malente, übrigens vor den Toren von: Hamburg, und so), kann ich hier
wohl als bekannt voraussetzen.

Daraus ergibt sich jetzt folgender Turnierverlauf: Nach dem Vollgas-4:0 gegen Österreich (schließlich
will sich ja das deutsche Team nach der EM wieder nach Hause trauen), geht's gegen die Portugiesen,
die noch von der WM 2006 die Hosen voll haben. Übers Revanchespiel gegen Kroatien dann ins
Finale.

Und da wartet dann: Holland. Ob im Endspiel die Hamburg-Analogie nicht doch noch schiefgeht (drei
Hollandspieler vom Sportverein aus: Hamburg. EM-Tor des jetzigen Trainers van Basten gegen
Deutschland in: Hamburg), besprechen wir dann nächste Woche.

Während das deutsche Vorrunden-Aus also "undenkbar" (Beckenbauer, damals auch dabei in:
Hamburg) ist, beißen in der Todesgruppe Welt- und/oder Vizeweltmeister ins Gras, auch wenn
Mehmet Scholl nach dem "schönen Wechselspiel der Kräfte" (Steffen Simon, blumig) gegen
Rumänien "total traurig" wäre, falls die Italiener "mit dieser Mannschaft nach Hause fahren"
müssten. Was kungelte Scholli bloß mit Italien, das er auch gegen Holland "nicht so schlecht
gesehen" hatte? Da musste erst Hansi Müller (vormals Inter Mailand) abends in "Waldis EM-Club" die
Dinge zurechtrücken: hinten wackelig, vorne planlos.

Dagegen "haben wir Holländer unsere Ehre zurück, die wir verloren haben 2006 in Deutschland,"
atmete Arie Haan, 1974 in Hollands Mittelfeld, erleichtert auf und enthüllte Waldis Runde, wie
Hollands Spieler basisdemokratisch van Basten überzeugt hätten, wieder Holländer sein zu dürfen.
"Meine Holländer" (grinste Netzer bis zu den Ohrläppchen) besannen sich nach zweimal 1:0 gegen
Luxemburg in der EM-Quali gerade noch rechtzeitig darauf, was Johan Cruyff ihnen einst hinter die
Ohren geschrieben hatte: "Ein Spiel zu gewinnen ist leichter, wenn man gut spielt als wenn man
schlecht spielt."
17. Juni 2008 Erleichterte Ekstase

Angesichts der deutschen EM-Leistungen erinnern wir uns an den Fredi Bobic-Satz: "Man darf jetzt
nicht alles so schlecht reden, wie es war."

Es fehlte nur noch der alte Reporterschnack: Das "Endspiel" konnte die hochgesteckten Erwartungen
nicht erfüllen.

Netzer forderte zwar vor Spielbeginn: "Die Mannschaft hat die Verpflichtung, uns einen schönen
Abend zu machen." Nach dem drögen deutschen Arbeitssieg gegen Österreicher mit der Spielstärke
eines Tabellenzehnten aus der zweiten Bundesliga war aber auch ihm die Erleichterung ins Gesicht
geschrieben. Denn selbst so ein Gegner brachte den selbsternannten, im "System Löw" mit
beispiellosem Millionenaufwand rundumversorgten Turnierfavoriten (ZDF-"Morgenmagazin": "Von
den eigenen Ansprüchen war bisher auf dem Feld nicht viel zu sehen") derart ins Schwitzen, dass
ARD-Kommentator Tom Bartels über "einen WM-Dritten" stöhnte, der "ein 1:0 gegen Österreich
über die Zeit lügt".

Auch der sichtlich genervte Paul Breitner war später in "Waldis EM-Club" "froh, keinen richtig starken
Gegner gehabt zu haben". Ballack, nur einmal so richtig präsent, dagegen glorifizierte einen "großen
Fight". Und war damit offensichtlich im Konsens mit Volkes Stimme, die sich im Autokorso noch
lärmender Luft machte als Tags zuvor die Türken. Nur hatten die nach legendären "Fight" auch
wahrlich Grund dazu (und Siegertypen wie Altintop und Nihat die Noblesse, die eigene Leistung
schlecht zu reden).

Am Tag danach hatte das "Morgenmagazin" den Schriftsteller Thomas Brussig geladen, um über den
"globalen Karneval" Fußball zu philosophieren. Der zeigte sich "in erster Linie erleichtert. Der Ausmaß
des Jubels steht in keinem Verhältnis zur Qualität des Spiels". Dazu spielte das ZDF zur "Ekstase in
Berlin" quiekende Babes im Love-Parade-mäßigen Delirium ein. Mein Gott, wie trostlos muss so ein
Leben sein, wenn eine derart karge Darbietung schon zur Gefühlswallung reicht.

Wenn man jetzt mit den Worten des deutschen Co-Trainers Horst Hrubesch bei der EM 2000 "das
alles noch mal Paroli laufen lässt", haben gepamperte Fußballmillionäre eine überwiegend
ansprechende Leistung gegen mal wieder (wie 2006) jämmerliche Polen gezeigt, sich gegen
Österreich ziemlich einen abgekniffen, und das Kroatien-Spiel war voll Scheiße. Stefan Kuntz,
Europameister 1996 und einer der zahllosen TV-Experten, fasste es fürs "Morgenmagazin" in
geschliffenere Worte: "Die Körpersprache ist nicht ganz so optimistisch" und (das hatte er sich wohl
von Netzer abgeschaut) Frings und Ballack "strahlen noch nicht so die Dominanz aus".

Metzelder, Ergänzungsspieler bei Real Madrid, blickte deshalb zurechtgestutzt auf Portugal: "Als
kleiner Außenseiter fühlen wir uns vielleicht wohler." Und Lahm offenbarte schon vor dem
Österreich-Spiel erschütternd schonungslos dem "Kicker": "Vielleicht fehlt die internationale Klasse.
Die Bundesliga hinkt taktisch hinterher." Da erinnert man sich doch gerne an die legendäre
Durchhalteparole des Stürmers Fredi Bobic: "Man darf jetzt nicht alles so schlecht reden, wie es war."

18. Juni 2008 Eine alte Erfahrung

Geschichte wiederholt sich: Deutschland wurstelt sich ins Finale, und die Franzosen lassen Köpfe
rollen...

Am Tag nach der nationalen Mobilmachung, der über 28 Millionen Patrioten vor die Fernseher
folgten, war der eigentliche Anlass, das "Endspiel" gegen Österreich, schnell weg vom Tisch: Schlimm
gewurschtelt, Schwamm drüber.
Bei Phoenix-Experte Guido Buchwald pulsierte zwar noch die Halsschlagader: "Behäbig, verkrampft,
halbherzig." Sonst hatte aber schon der Verdrängungsprozess eingesetzt: "Die Mannschaft hat die
richtige Einstellung gezeigt. Wir sind sehr stolz auf die Mannschaft", sah Flick ein anderes Spiel.

Der Hansi musste nämlich Chef Jogi in der Pressekonferenz vertreten, denn die
Strafverfolgungsbehörden hatten Löw am Wickel. Der brave Badener wies aber entrüstet den diffus
im Raume stehenden Vorwurf der Beamtenbeleidigung von sich und führte ein makelloses
polizeiliches Führungszeugnis an, nie hätte er sich was zuschulden kommen lassen.

Ansonsten wirkte Löw nach dem "Ausnahmezustand" schon wieder aufgeräumt und versprach das
Halbfinale. Und tatsächlich könnten die Aussichten nicht besser sein: Mit Völler-Gegurke 2002
Vizeweltmeister, mit Klinsis Vertikal-Dynamik nur WM-Dritter. Bei der "SZ" in München stellte sich
endlich "wieder das klassische Nationalmannschaftsgefühl ein": "Sind wir mal ehrlich: Diese ganze
Zeit Klinsmann war einem doch irgendwie unheimlich. Sie war irgendwie so undeutsch. Es bestand
teilweise die Gefahr, als würde die Nationalelf bald dazu kommen, so schnell wie Portugiesen oder
Niederländer den Ball kreiseln zu lassen. Was für eine grausame Vorstellung!"

Und da sich München als nördlichste Stadt Italiens versteht, deutet wohl alles auf ein humorloses
Endspiel gegen Italien hin. Denn Italien ist ebenfalls "wieder die typische Turniermanschaft", wie das
ZDF-"Morgenmagazin" eine gemeinsame Domäne beschwörte. Bei den enthaupteten Galliern
dagegen "stimmt's vorne und hinten nicht", setzte der arbeitslose Übungsleiter Jürgen Röber,
vorübergehend in ZDF-Sold, zur Kollegenschelte an. Der angefeindete, schon 2006 meistgehasste
Franzosentrainer Domenech, Madame-Dubarry-mäßig zu Hause am Wackeln, "weil er die
französische Lierhaus liebt" ("Bild"), wirkte milde lächelnd schon mal wie von einer Last befreit. Dazu
der ZDF-Korrespondent: "Das ist Frankreich hier. Es soll ein Kopf rollen."

Aber auch wir Deutschen haben einen Kopflosen. Was ist bloß mit Gomez los? "Ist der krank?",
sorgte sich der Phoenix-Moderator. "Den Mann muß man vor sich selber schützen." Häufigste
Diagnose: Den haben die Bayern verrückt gemacht. Denn nicht nur die Energiemafia, auch Bayern
München heizt die Inflation an. Eigentlich zog es Gomez ja zu seinem Lieblingsverein Barcelona, doch
bei Bayern werden trotz notorischem Gejammer über einen finanziellen Wettbewerbsnachteil
ähnliche internationale Spitzentarife aufgerufen. So erhält Neu-Bayer Borowski mit geschätzten 5
Millionen nun mehr als das Doppelte seiner Werder-Bezüge. Wie es in der Fußballersprache eben
treffend heisst: Ich will mich weiterentwickeln. Und: Ich will eine neue Erfahrung machen.

19. Juni 2008 Womanizer

Schocker im Morgengrauen. "Ronaldo ist hübsch und kann Fußball spielen. Unsere sind häßlich und
können kein Fußball spielen." Vor dem nächsten Endspiel heute gegen Portugal fallen deutsche
Babes dem deutschen Mann in den Rücken (um nicht zu sagen: Unterleib). In einer Erotik-Umfrage
des "Morgenmagazins" bekam Ballack gegen Cristiano Ronaldo keinen Stich, bzw. keine Schnitte.
ZDF-Fazit: "Was die Schönheit angeht, hat uns Ronaldos Team schon geschlagen." Mensch, wenn nur
noch Schnepfen wie Veronica Ferres (neulich in "Waldis EM-Club") der Potenz von Ballack vertrauen,
schürt das doch nur Versagensängste!

Schocker im Morgengrauen. "Ronaldo ist hübsch und kann Fußball spielen. Unsere sind häßlich und
können kein Fußball spielen." Vor dem nächsten Endspiel heute gegen Portugal fallen deutsche
Babes dem deutschen Mann in den Rücken (um nicht zu sagen: Unterleib). In einer Erotik-Umfrage
des "Morgenmagazins" bekam Ballack gegen Cristiano Ronaldo keinen Stich, bzw. keine Schnitte.
ZDF-Fazit: "Was die Schönheit angeht, hat uns Ronaldos Team schon geschlagen." Mensch, wenn nur
noch Schnepfen wie Veronica Ferres (neulich in "Waldis EM-Club") der Potenz von Ballack vertrauen,
schürt das doch nur Versagensängste!
Vor dem nächsten Endspiel heute gegen Portugal fallen deutsche Babes dem deutschen Mann in den
Rücken (um nicht zu sagen: Unterleib). In einer Erotik-Umfrage des "Morgenmagazins" bekam Ballack
gegen Cristiano Ronaldo keinen Stich, bzw. keine Schnitte. ZDF-Fazit: "Was die Schönheit angeht, hat
uns Ronaldos Team schon geschlagen." Mensch, wenn nur noch Schnepfen wie Veronica Ferres
(neulich in "Waldis EM-Club") der Potenz von Ballack vertrauen, schürt das doch nur
Versagensängste!

Schon vor einigen Tagen wurde dem deutschen Mann auf N24 der Saft abgedreht: Zwei Tussis, eine
"Society-Expertin" und eine blonde Moderatorin mit Spielerfrau-Touch, ereiferten sich über "süße
Schnecken": Frauen aus zwölf Ländern Europas hatten über Fußballer-Körperlichkeit abgestimmt. Der
"schöne Schwede" Freddie Ljungberg, auf Platz 3, sei jetzt wieder solo und "im wahren Leben ein
bißchen schüchtern", schmolz die Society-Schnalle dahin. Gleichplaziert mit dem skandinavischen
Unterwäschemodel: der angeschlagene Fabio Cannavaro, der deshalb leider "nicht ganz so seinen
geschmeidigen Körper zeigen" könne (dafür läuft nun der Unterhosenarsch vom Italo Cassano nach
dem Frankreich-Spiel seit Tagen in heavy rotation).

Den Sexappealsieger stieß die blonde Moderatorin (klar, man ist ja was Besseres) dagegen von der
Bettkante: Cristiano Ronaldo (Kloppo: "Ein absolutes Brett", wenn auch vielleicht nicht so gemeint).
Der Prostituiertenkunde und Nacktmodell-Fan (die Herren können ja mal Nereida Gallardo googeln)
Ronaldo erschien auch der Society-Braut im Zwielicht: Ob der nicht doch mehr Freunde als
Freundinnen habe? Und warum wäre denn Luca Toni nicht mal auf dem Siegertreppchen? "Der
kommt noch", schoß es aus der Blonden eindeutig doppeldeutig heraus. Auch hier abgemeldet:
Ballack (Platz 5, wohl eher Schlag bei Muttis).

Immerhin: "Jogi Löw ist sexy", titelte eine Hamburger Boulevardzeitung, die diesbezüglich auf das
Urteil einer "angesehenen Image-Beraterin" (36) vertraute: "Hat eine klasse Figur und ein Super-
Styling. Die Frisur mit längerem Pony ist top." Und auch emotional wäre der Jogi jetzt beim Ösi-Duell
endlich mal aus sich rausgegangen. Worauf die UEFA-Herren aber wohl nicht so abfahren: Wie dem
Jogi in den Mühlen der Justiz der Prozess gemacht wurde, hätte Orson Welles nicht kafkaesker
inszenieren können.

Aber selbst unter den Trainern, überwiegend jenseits der Pensionsgrenze, reichte es nicht zum
ersten Platz. Dem drögen Jogi zog die Betreuerin von "Managern, Politikern und Prominenten" dann
doch den "Womanizer" Roberto Donadoni vor: "Der Typ 'Ich kann sie alle haben' sieht einfach toll
aus."

20. Juni 2008 Reingewaschen

Zwei Wunder (einst Bern, jetzt Basel), ein Fazit: Der Grauschleier ist weg, wir sind wieder wer.

Zwei Wunder (einst Bern, jetzt Basel), ein Fazit: Der Grauschleier ist weg, wir sind wieder wer.

Da mir sonst keiner glaubt, wenn ich sag, ich hab's vorher gewusst, hier der O-Ton meiner Kolumnen
vom:

18.6. "Tatsächlich könnten die Aussichten nicht besser sein: Mit Völler-Gegurke 2002
Vizeweltmeister, mit Klinsis Vertikal-Dynamik nur WM-Dritter."

Wir erinnern uns: Sich das WM-Gerumpel der Völler-Truppe (tiefster Tiefpunkt: das USA-Spiel)
angucken zu müssen, war fast ein Fall für Amnesty International, Abteilung Verbrechen gegen die
Menschlichkeit, doch im Finale gegen die Brasilianer (Trainer übrigens: Scolari), die Portugiesen
Südamerikas, konnten die Deutschen plötzlich sogar spielerisch mithalten. Grund:
17.6. "Metzelder, Ergänzungsspieler bei Real Madrid, blickte deshalb zurechtgestutzt auf Portugal:
'Als kleiner Außenseiter fühlen wir uns vielleicht wohler'."

ZDF-"Morgenmagazin"-Fachsimpler Toni Schumacher, selber schlachtenerprobt (siehe unten: WM


1986), schlug in die gleiche Kerbe: Wenn man toll kämpft und "gegen die vermeintlich stärkste
Mannschaft des Turniers ausscheidet, sagt keiner was", das beruhige. Die Portugiesen, "die noch von
der WM 2006 die Hosen voll haben" (ich am 14.6.), dagegen wußten schon, warum sie sich nicht in
die Favoritenrolle drängen lassen wollten. Die waren so sehr mit den Nerven zu Fuß, dass sie bereits
nach 30 Minuten Verzweiflungsschüsse aus 25 Metern weit am Tor vorbei ballerten. "Wunder von
Bern"-Kriegsheimkehrer Peter Lohmeyer blickte danach im ARD-"Nachtmagazin" in die Landesseele:
"Die Portugiesen haben gegen ihre Melancholie angekämpft."

14.6. "Einen Tag nach der Schmach in der Klagenfurt tagten allerorts die Krisenstäbe. Und das Fazit
der Manöverkritik kann nur heissen: Jetzt werden wir Europameister."

Schon wegen des 1974/2008-Vergleichs: 1974 die nationale Schande gegen die DDR, jetzt die
Kroatien-Schmach. 1974 die Nacht von Malente, jetzt die Aussprache von Ascona. Brandredner
Ballack in der Beckenbauer-Rolle von 1974: "Wenn man verliert, wird die Sprache rauer."

1974 hatte der weltbeste Spieler Cruyff nur eine Top-Aktion gegen Deutschland. Und wo war jetzt
Cristiano Ronaldo?

Weitere historische Analogien: WM 1986 mit Vorrundenpleite gegen Dänemark und dem
Halbfinalsieg gegen vorher zaubernde Franzosen. Oder der letzte Europameistertitel 1996 mit dem
Vorrundendusel gegen Italien (Netzer damals schwer geschockt: "Alles schlecht!") und dem
Halbfinalkrimi gegen England.

Im Vorbericht warnte die ARD zwar noch vor Deco, dieser "Mischung aus Fußball und Kunst: Art
Deco". Doch je länger das Spiel dauerte, desto mehr erinnerte Trainer Scolari, von seiner
Katastrophen-Abwehr entsetzt, nicht mehr an Gene Hackman (wie Thomas Wark vor Tagen meinte),
sondern eher an das notorische Elend Jack Lemmon.

Über den Justizskandal Löw (gilt der jetzt eigentlich als vorbestraft?) lamentierte da schon längst
keiner mehr. Zumal das doch sehr nach humanem Strafvollzug aussah, so genüßlich popelte der "von
der UEFA weggesperrte" (ARD-Simon) Löw in Nase und Zähnen.

P.S. an die ARD: Wo habt ihr eigentlich Experte Mehmet Scholl gelassen? Ist der in der Probezeit
durchgefallen? Oder war der gefühlsechte Nationalmannschaftsversteher, ewige Turnschuhträger
und Schweini von vor 15 Jahren eh nur als "Generation Praktikum" eingeplant?

21. Juni 2008 Familienehre

Dem alten Fußballergrundsatz "Die Deutschen sind erst tot, wenn der Sargdeckel zugenagelt ist"
wurde bei dieser EM von den Türken noch eins draufgesetzt. Die standen ja sogar wieder auf, als sie
schon eingeäschert waren.

Dem alten Fußballergrundsatz "Die Deutschen sind erst tot, wenn der Sargdeckel zugenagelt ist"
wurde bei dieser EM von den Türken noch eins draufgesetzt. Die standen ja sogar wieder auf, als sie
schon eingeäschert waren.

Aus der Sintflut aufgetaucht gegen die Schweiz. Eine milde Gabe aus der Hand des Herrn gegen
Tschechien. Und nun 120 Minuten keine Sonne gesehen (okay, auch die Kroaten tappten nur im
Halbdunkel), und dann ging der Halbmond auf.
"Deshalb ist der Fußball der beste Sport der Welt," stammelte Kroaten-Bilic in seinem zu weiten
mausgrauen Anzug wie eine Kleinkriminellencharge, die kurz vor dem großen Coup dem Tode ins
Auge geblickt hatte: "Das Leben geht weiter. Es wird schwer, in den nächsten zwei, drei Jahren dieses
Spiel zu vergessen. Morgen ist ein neuer Tag," um dann wahrscheinlich hinter den Kulissen weinend
zusammenzubrechen.

Dagegen führte sich Türken-Terim wieder so auf wie ein "Sopranos"-Charakter: "Wenn unser Volk auf
uns stolz ist, dann sind auch wir stolz auf unser Volk." Das musste er dem Clan nicht zweimal sagen:
In den anschließenden Korsos im Gangster-Rapper-Style dominierten Autos aus bayrischen und
schwäbischen Edelschmieden und Geländewagen.

Auch Jogi Löw hatte allen Grund, auf den Putz zu hauen, so sehr schmeichelte ihm die Weltpresse:
"Ein Triumph für Trainer Löw... Ein taktisches Meisterwerk des deutsche Trainers Löw hat Ronaldo &
Co. vorzeitig in die Sommerferien geschickt... Sie haben einen perfekten Fußball gespielt...
Deutschland erteilt Scolari eine Lehrstunde. Ronaldo ist eine Enttäuschung... Deutschland ist wie eine
Maschine, die nicht versagt. Portugal versagt dagegen in den entscheidenden Momenten... Die
deutschen Panzer sind wieder da... Deutschland swingt wieder."

Doch Löw laberte in der Pressekonferenz bloß wieder dröge von seinem ollen "Vertikal"-Spiel. Als er
damit die versammelte Runde schon völllig eingelullt hatte, wurde doch noch aufs Tapet gebracht,
was in einer ehrenwerten Gesellschaft am liebsten unter der Decke gehalten wird.

Die Familienehre war beschmutzt. Ausgerechnet Ex-Hockey-Trainer, DFB-Kompetenzteammitglied


und Klinsi-Intimus Bernhard Peters "hatte seine alten Kumpels in die Pfanne gehauen" (machte der
Phoenix-Moderator wieder scharf) und vor dem Portugal-Spiel, das ihn dann eines Besseren belehrte,
Löw angepinkelt: "In der Offensive habe ich eine klare Struktur und Aufgabenverteilung vermisst. Es
gab häufige Abstimmungsprobleme, es wurde fehlerhaft gespielt. Einige Spieler wirkten geradezu
behäbig. Eklatant ist das bei Mario Gomez aufgefallen. Das kann kein Zufall sein." Bei dieser
"Ferndiagnose" kriegte Löw dann doch den eisigen Killerblick: "Das hat mir gar nicht gefallen. Diese
Aussagen werden Konsequenzen haben."

22. Juni 2008 Das Omen

Kloppo hat's vorher gewusst: "Scheiss Frühform." Schon nach den beiden holländischen Kantersiegen
gegen Italien und Frankreich unkte er: Denkt an Argentinien, das Holland der letzten WM - nicht mal
im Halbfinale!

Kloppo hat's vorher gewusst: "Scheiss Frühform." Schon nach den beiden holländischen Kantersiegen
gegen Italien und Frankreich unkte er: Denkt an Argentinien, das Holland der letzten WM - nicht mal
im Halbfinale!

Es deutete sich zeitig an. Gerade als ich beim ZDF anrufen wollte, Béla Réthy solle doch jetzt endlich
mal die Zuschauer darüber aufklären, dass Holland bereits der dritte Favorit und Gruppensieger
wäre, der im letzten Gruppenspiel das Stammpersonal geschont hatte, mit einer B-Elf antrat und nun
gar nicht wieder in die Puschen käme, fiel es auch Réthy auf: Die Holländer hätten "den Rhythmus
verloren". Seine Rede schon immer, aber auf ihn höre ja keiner, ereiferte sich dann nach der Holland-
Pleite (Réthy: "Russland auf Orangenernte") ZDF-Pythia Urs Meier derart besserwisserisch, dass ihm
sichtbar der Kamm schwoll.

Dabei setzte doch vorher niemand einen roten Rubel auf Russland. Im Phoenix-"EM-Fieber" wurden
die Russen fast als "Kanonenfutter" verfeuert, und auch der für den verhinderten Guido Buchwald
eingewechselte neue Phoenix-Experte Rainer Bonhof, ein ehemaliger Autoschlosser aus Emmerich
("Ich bin auf der Sonnenseite geboren") und 1974 Weltmeister gegen Holland, hatte keine Bedenken:
Die Holländer seien "so kapital gut, dass sie nichts anbrennen lassen".

Die Berichterstatter der unterschiedlichen TV-Sender johlten, juxten und alberten derweil mit dem
holländischen Karnevalsvolk so ausgelassen durch die Basler Strassen, dass es umso "Das Omen"-
mäßig unheilvoller schockte, als ausgerechnet ein holländischer Fanbeauftragter in die
Partystimmung spuckte und einem ARD-"Euro extra"-Reporter, der glaubte, sich verhört zu haben,
eine holländische Niederlage voraussagte.

"Unsere" Holländer (meine und Netzers), die "Europameister der Vorrunde" (Réthy), waren danach
plötzlich wie verhext nicht mehr die Holländer und trabten sogar noch belämmerter über den Platz
als die Deutschen gegen Kroatien. (Na wenigstens können die HSV-Fans jetzt beruhigt sein, dass nach
diesem jämmerlichen Auftritt keiner mehr die drei HSV-Holländer geschenkt haben möchte.)

In Russland steppte dafür der Bär (auf diesen Kalauer der Kerner-Klasse hab ich die ganze Zeit
vergeblich gewartet): Die Schalte zum ausgelassenen ZDF-Korrespondenten, der in einem Moskauer
Restaurant offensichtlich den zahlreichen Wodka-Lokalrunden ausgiebig zugesprochen hatte, sorgte
für einen feucht-fröhlichen Ausklang der "Nacht der Nächte".

23. Juni 2008 Mentalbremsen

Da freut man sich auf's Viertelfinale und dann das: Der ganze Vorrunden-Pep perdu, und das
gefürchtete "Neutralisieren" ging los.

Da freut man sich auf's Viertelfinale und dann das: Der ganze Vorrunden-Pep perdu, und das
gefürchtete "Neutralisieren" ging los.

Was vor Tagen noch keiner ahnte: Das gefällige, aber bis auf das Schweini-Tor keineswegs furiose
(wie die notorische Zicke Jens Lehmann ausnahmsweise richtig erkannte) Deutschland-Spiel war
nicht etwa der Aufgalopp zu größeren Taten, sondern der Appetitanreger erwies sich schon als
Hauptmenü. Die Deutschen, denen man das Gegurke gegen Kroatien und Österreich eigentlich noch
jahrelang hätte nachtragen müssen, verdienten sich früh das Prädikat beste Viertelfinalmannschaft,
was auch Béla Réthy nach 90 trostlosen Minuten Spanien gegen Italien endlich dämmerte.

Die Spanier hatten außer Verzweiflungsfernschüssen vier Meter neben das Tor - muss wohl eine
iberische Eigenart sein, siehe Portugal - nicht viel zu bieten. Die Italiener verzichteten da lieber gleich
auf's Fußballspielen und verlegten sich auf skurrile Charakterstudien in Nebenrollen: Luca Toni mit
Heiratsschwindlerschnurrbart, Vorstopper Chiellini erinnerte an einen Vorstadtautoknacker aus
einem Pasolini-Film und Cassanos Körpersprache sehr an Gustav Gans, während die tutige Tante
Buffon Freund, Feind und Schiri betütelte wie beim Kaffeekränzchen.

Da nach dem Spiel aber doch nicht vor dem Spiel, sondern nach dem Spiel ist, mussten die ganzen
Experten vor diesem letzten Viertelfinale erst mal ihr Geschwätz von gestern fressen. Aber weil nur
der ein echter Experte ist, der vorher weiss, wie's ausgeht, und nachher erklären kann, warum es
genau andersrum ausgehen musste, waren die Auguren nicht um eine Erklärung des Holland-
Versagens verlegen. Lediglich Trainer Marco van Basten wußte "nicht, was los war". Aber der hat ja
auch nicht wirklich Ahnung, wie sein ehemaliger Mentor Johan Cruyff unterstellt. Dem
Genussfußballer Cruyff ist das Tagesgeschäft naturgemäß profan (seine Lapidardiagnose: "Wir liefen
auf dem Zahnfleisch."), lieber glorifizierte er den künstlerischen Gesamteindruck: "Jeder hat Oranje
genossen. Die weltweite Bewunderung für Oranje ist zurück."

Das ist "Spiegel online" nicht tiefenpsychologisch genug, der Holländer gehört auf die Couch gelegt:
"Es handelte sich um die Rückkehr der niederländischen Fußball-Neurose, die immer dann sichtbar
wird, wenn es wirklich etwas zu gewinnen gibt." Und "wo jeder einzelne Holländer nur 50 Prozent
abgeliefert hat" (Phoenix-Experte Bonhof), und sei es wegen Mentalbremse, kommt man natürlich
nicht gegen diese rasenden Russen an, die "nicht 200 Prozent, sondern 300 Prozent gegeben haben"
(Reporter zu Arshavin).

Der Russen-euphorisierte Zaungast Zidane war denn auch "sehr glücklich, diese Art von Fußball auf
dem Platz zu sehen", während der Mann im ZDF-Studio Moskau, am Vorabend noch im Fetenrausch
("hier war unglaublich was los, hab ich noch nie erlebt") schon wieder Wasser in den Wodka goss:
Wenn die Russen das Halbfinale "verlieren, muss man sich hier vorsehen".

P.S. Die ARD hat umgehend auf meine Anfrage vom 20.6. reagiert und Mehmet Scholl wieder
ausgegraben, aber auch dem hat die Verschnaufpause nicht gutgetan: Mit seiner Viertelfinal-
Einschätzung "Die Holländer haben auch gut gespielt" präsentierte er sich "van der Rolle" (Max
Merkel).

25. Juni 2008 Rumgeheule

Jogi! Heute 3:0 gegen die Rumpf- und Duseltürken! Hat auch gerade Kalle Riedle im
"Morgenmagazin" gesagt! Also keine Widerrede!

Jogi! Heute 3:0 gegen die Rumpf- und Duseltürken! Hat auch gerade Kalle Riedle im
"Morgenmagazin" gesagt! Also keine Widerrede!

Vorgestern bei der Pressekonferenz kam sich Löw wohl ähnlich blöd vor wie bei der EM-Gruppen-
Auslosung vor einigen Monaten, als er die schwere Bürde des ganzen Unternehmens
Europameisterschaft an die Wand gemalt hatte, obwohl er sich wegen des vergleichsweise einfachen
Weges ins Endspiel doch nur ins Fäustchen lachen konnnte.

Nun gab er in der PK schon wieder seine Lieblingsrolle des mißmutigen Bedenkenträgers und warnte
unverdrossen vor einem "unglaublich schwierigen Spiel", in dem "die Chancen 50 zu 50 stehen",
gegen die "unheimlich kreative" türkische Resttruppe. Weil nämlich "die Bodenhaftung ein ganz
wichtiges Thema ist", ist man "in einem Halbfinale nicht überheblich", da wäre "Bescheidenheit"
angesagt. Erleichtert flüchtete er sich danach ins Ethnologische, denn schließlich kenne er "die
türkischen Verhältnisse sehr sehr gut", die "Menschlichkeit" habe er gar am eigenen Leibe erfahren,
weil ihn einst "arme Leute zum Essen eingeladen" hatten.

Nachdem man von Löw durch den Kakao gezogen wurde, war man dankbar über den sonnigen
Auftritt der Frohnatur Podolski. Der oft als schlicht diffamierte Poldi-Prinz gehört endlich mal als
Gefühlsakademiker rehabilitiert, und als solcher muss er weg von Bayern, das sah auch der neben
ihm sitzende Mertesacker aus der Herzensoase Werder so, aber mehr als "Betteln" könne er ja auch
nicht.

Danach ging's aber mit dem Lamentieren weiter. Dem DFB-Chefscout Urs Siegenthaler ist die
türkische "Mannschaft unangenehm, weil sie nicht so auszurechnen ist und vielleicht sogar
schwieriger zu spielen als die ganz großen Namen wie Frankreich, Holland oder Portugal". Davon
konnte auch Kroaten-Stürmer Ivica Olic eine traurige Weise anstimmen: "Die wissen selbst nicht, wie
sie spielen." Nur dass sie bisher nicht gut spielen, sagen die Türken ja sogar selbst.

"Jetzt treffen zwei Riesen aufeinander", rettete sich denn auch ihr Kapriolen-Trainer in Galgenhumor
und will mit dem Ersatztorwart als Sturmspitze die Deutschen zusätzlich veralbern. So ist der in allen
Basaren gewaschene Orientale aber nun mal: "Wir haben den Spielern von Anfang an gesagt, dass
das eher eine Show der Türken ist", beruhigte Bierhoff im Nachrichtensender N24 seine Karawane:
"Die heulen jetzt ein bisschen rum."
Und dass sie dazu allen Grund haben, sagte sogar Halbtürke Christoph Daum, der beim Mann-gegen-
Mann-Vergleich ein 8:3 für Deutschland errechnete, und da waren noch einige, wohl scherzhaft
gemeinte Rechenfehler dabei wie das Unentschieden von Lahm, dem besten Deutschen und besten
EM-Verteidiger, gegen einen Türken mit neun Länderspielen.

Zwei Machtworte aus berufener Gladbacher Ecke beendeten dann endgültig den Spuk um die
mehrfach Zombie/Vampir-mäßig aus dem Jenseits zurückgekehrten Türken. ARD-Experte Netzer:
"Den Spielern muss klar sein: Eine Niederlage gegen die Türkei wäre nur schwer zu erklären." Und
Phoenix-Experte Bonhof: "Ich bin unterm Strich einig mit mir, dass wir das Spiel gewinnen werden."

26. Juni 2008 Durch die Unterhose

"Über die Qualität wird später nicht mehr die Rede sein", stöhnte ZDF-Réthy nach dem
kümmerlichen deutschen Halbfinalsieg erleichtert auf. Denkste! Genau darüber wird hier die Rede
sein.

"Über die Qualität wird später nicht mehr die Rede sein", stöhnte ZDF-Réthy nach dem
kümmerlichen deutschen Halbfinalsieg erleichtert auf. Denkste! Genau darüber wird hier die Rede
sein.

Das Unheil deutete sich schon früh an. Kloppo machte im ZDF wieder den Anheizer und versprach,
Jogis Jungs wären "heiss wie Frittenfett - das wird 'n geiles Teil". Moment, stutzte ich, hatte ich das
nicht schon mal so ähnlich gehört? In der Vorrunde hatte Kloppo nämlich den gleichen Knick in der
Pupille: "Die haben richtig Bock", hatte er sich direkt vor dem Spiel gegen die Kroaten schwer
verguckt. Und auch gestern schossen die lernresistenten Deutschen, durch Schaden eben nicht klug
geworden, denselben Bock. Wieder kommentierte Béla Réthy, und wieder konnte Réthy "es nicht
fassen", wie den Deutschen "durch die Unterhose gespielt" wurde. Nur eben nicht vom abgewichsten
Kroatien A, sondern vom naiven Türkei B. Der einzige Grund, warum Deutschland noch mal mit
blauem Auge davongekommen ist.

Das erinnerte an tiefste Völler-Tiefpunkte. Mit heftigem Erich-Ribbeck-Einschlag. Deren Nachfolger


Jogi Löw, auf der Bank fast am Heulen, bot ein Bild des Jammers. Klar, dass er nachher wie im Tran
nur von "Wahnsinnskampf auf Biegen und Brechen" und "Siegermentalität" faseln konnte und die
"vertikalen Pässe" vermisst hatte.

Auch Beckenbauer hatte sich das "ganz anders vorgestellt": "Mehr Dominanz, mehr
Laufbereitschaft", bemühte sich der von ZDF-Tante Müller-Hohenstein merklich ausgebremste
Fußballaristokrat so sehr um Contenance, dass ich mir wünschte, ich hätte während des Spiels neben
dem begnadeten Choleriker gesessen. Da hätten mir die Ohren geklingelt.

Als kleine Entschädigung wurde heute im ARD-"Morgenmagazin" das O-Ton-Protokoll Jörg Berger
verlesen. Den Alttrainer, als Frühstücksexperte sonst die Totalschlafmütze, hatte das Spiel an den
Rand des Herzkaspers gebracht: "Den hätte ich mit Moonboots reingemacht."

Zum Glück für Kreislaufschwache kommentierte Réthy einige dramaturgische Knackpunkte mit
Ansagen ("FAZ": "ein surreales Erlebnis: Das angekündigte Tor") - erst der Ton, danach das passende
Bild. Die deutsche Elf hatte nämlich derart die Vollmattscheibe, dass sich eine höhere Gerechtigkeit
schließlich erbarmte und dem internationalen Übertragungszentrum in Wien während der zweiten
Halbzeit den Saft abdrehte. Bild- und Tonausfall sorgten dadurch vorübergehend für den Thrill, den
das mittlerweile fade Geschehen auf dem Rasen nicht mehr hatte. Als das ZDF ähnlich
notbehelfsmäßig wie die Deutschen wieder ins Spiel gefunden hatte, kam man gerade noch zurecht
zum schönsten Spielzug: Ein in Rugby-Manier gebodycheckter Flitzer war in die Tiefe des Raums
vorgestoßen.
Muss man sich jetzt nach diesem "Event für alle Eventfans", aber dem "Tritt ins Gemächt all
derjenigen, denen was am Fußball liegt" ("11 Freunde"-Liveticker), Sorgen fürs Finale machen? Bisher
liegen die Deutschen noch genau im Plan. Zumindest im Plan der Schweizer. "Das Beste für uns
wäre", vertraute ein vom deutschen Nachbarn genervter Schweizer Autor vor Tagen der "Frankfurter
Rundschau" an, "wenn die Deutschen unverdient ins Finale vordringen und dann hoch verlieren
würden. Das ist das perfekte Szenario."

27. Juni 2008 Ausgebremst

Das attraktivste Endspiel wäre Holland gegen Spanien gewesen. Jetzt hat es wenigstens eine gute
Mannschaft ins Finale geschafft.

Das attraktivste Endspiel wäre Holland gegen Spanien gewesen. Jetzt hat es wenigstens eine gute
Mannschaft ins Finale geschafft.

"Man kann diese Spieler nicht bremsen", sagte Hiddink vorher noch über die "unfassliche
Laufleistung" seiner Russen, die Tempo bolzten wie auf der "schwersten Bergetappe bei der Tour de
France", wie das Nerdfachorgan "11 Freunde" schelmisch anmerkte. Gegen die smarten Spanier war
ihnen dann aber doch der Sprit (welcher auch immer) ausgegangen, und sie spielten fast schon so
Holland-Viertelfinalmäßig "van der Rolle", dass Kalauer vom Schlage "Russischer Bär vom spanischen
Stier auf die Hörner genommen" nur noch eine Frage der Zeit sind.

Auch die von fast allen Kommentatoren geprügelten ARD-Fossile Delling und Netzer wirken immer
saftloser, falls das überhaupt möglich ist. Netzer schwärmte nun mangels Holländern von seinen
Spaniern, sprach dabei aber mittlerweile so auf der Kriechspur, dass man sich fragte, ob er Probleme
hat, seine Texte vom Teleprompter abzulesen. Da musste man fast schon Mitleid haben.

Mitleidig hämte die spanische Presse dagegen über den "ärmlichen Fußball" ("El Pais") ihres
Endspielgegners und beklagte (schon mal präventiv?): "Das Glück ist das Eigentum der Deutschen"
("La Vanguardia"). Deshalb war gestern auch Tag der Glückwunschmails. Klinsi hatte gemailt. Und
Angie Merkel hatte natürlich auch gemailt. Weshalb der englische "Guardian", dem schon ihre
Beziehungskiste mit Schweini "übel aufgestossen" war, rätselte: "Fußballgroupie oder
Politopportunistin?" Und auch ich hatte eine Mail gekriegt: "Mein Gott, selbst für alteingesessene
'egal wie Hauptsache gewinnen'-Fußball-Nationalisten war das doch etwas grenzwertig."

Dass das deutsche Spiel wirklich so schäbig war, wie es war, konnte man, nachdem die erste Wut
verraucht war, noch mal in voller Länge auf Eurosport ("Das glaubst du im Leben nicht. Joachim Löw
ist fassungslos.") überprüfen: "Aggressive-Leader" Ballack war nur beim Verlesen der Antirassismus-
Botschaft zu sehen. Auch der von mir vorher noch so gelobte Lahm torkelte hinten unerklärlich
orientierungslos rum, was aber Phoenix-Experte Bonhof plausibel auflösen konnte: "Das hatte damit
zu tun, dass man versucht hatte, ihn zu penetrieren."

Das ging so an die, ähh, Nieren, dass Löw sich bis zur Pressekonferenz nur mäßig berappelt hatte und
redete wie ein Angeklagter mit Wackelalibi: "Das Spiel noch mal zu analysieren, macht keinen Sinn."
Bleibt mir bloß weg mit dem Scheiss.

30. Juni 2008 Eingetopft

Die Auswertung von über 40 Jahren EM- und WM-Erfahrung hat ergeben: Deutschland gewinnt 2:1
und wird Europameister. Hier die wichtigsten Belege:

Angesichts des großen Fanmeilen-Remmidemmi mit dem Vizeeuropameister, für das Event-Manager
Oli Bierhoff schon vor Tagen sozialpartnerschaftlich um eine "letzte Anstrengung der Arbeitgeber und
Schulen" warb, mal die Frage: Was gibt's eigentlich zu feiern?
Der Schriftstellernationalelfstürmer Moritz Rinke hielt sich, sozusagen als DFB-Offizieller, im
ZDF-"Morgenmagazin" noch vornehm zurück: Ein schmeichelhaftes Ergebnis für Deutsche, die
wirkten, als hätten sie sich versehentlich ins Endspiel verlaufen. Giovane Elber, als Bayern-Stürmer
einst Real-Madrid-Schreck, wurde gestern Abend schon deutlicher: "Die Überlegenheit der Spanier
war so groß, dass die Deutschen wie eine Schulmannschaft ausgesehen haben, die gegen eine
Profimannschaft spielt." Und für Paul Breitner in "Waldis EM-Club" brachte die Mannschaft, allen
voran Ballack und Frings, "nicht die Leistung, die wir erwartet haben".

Stimmte. Fast. Denn die ersten zehn Minuten lang beherzigte die deutsche Mannschaft Udo Latteks
am Vormittag im DSF-"EM Doppelpass" ausgebene Parole: "Wir müssten sie (die Spanier) dazu
bringen, den Fußball nicht mehr zu lieben." Das sah sogar richtig souverän aus und erinnerte an das
einzige gute deutsche Spiel gegen Portugal. Umso demoralisierender die Katastrophe danach (auch
wenn ein typisch deutsches Duseltor zum Ausgleich natürlich immer zu befürchten war). Über drei
bis fünf Gegentore, die eher die fummligen Spanier selbst als die deutsche Abwehr verhindert hatten,
hätte sich keiner beschweren können. ARD-Netzer, der sich ungewohnt exaltiert mit rot-goldenem
Einstecktuch modisch völlig umsonst zum Narren machte, war denn auch bereits zur Halbzeit das
Entsetzen ins Gesicht geschrieben: Es muss ein Ruck durch Deutschland gehen.

Statt dessen erwies sich Deutschland 2008 als einer der schwächsten Teilnehmer eines Welt- oder
Europameisterschaftsfinales der letzten vierzig Jahre (erster Mitbewerber: Argentinien 1990).
Entsprechend Angie Merkels bedröppelte Staatskrisenmiene, während Platini, der zuletzt bei
deutschen Siegen muffelnd neben Merkel saß, sich eins feixte (ARD-Reporter Bartels: "Platini lässt
die Neutralität vermissen").

Der durch Leistungszerrung wieder mal stark gehandicappte Captain Ballack versuchte direkt nach
dem Finale noch zu beschönigen: "Aber die Mannschaft hat insgesamt eine hervorragende EM
gespielt. Heute haben wir ein, zwei Fehler zu viel gemacht. Die Spanier haben nicht unverdient
gewonnen." Und Buchhalterin Monica Lierhaus bilanzierte, in völliger Verdrehung der Wahrheit auf
dem Platz, gar eine "sensationelle Tendenz" - nach WM-Dritter nun EM-Vize.

Hier nur die nötigsten Korrekturen: Die Mannschaft hat, vom Ausrutscher nach oben gegen Portugal
abgesehen (während Teams wie Holland einen unerklärlichen Aussetzer nach unten im Programm
hatten), eine eher lausige EM gespielt und im Endspiel, das die Spanier höchstverdient gewonnen
haben, zehn bis zwanzig Fehler zu viel gemacht. Deshalb stellte auch ZDF-"Morgenmagazin"-
Sportredakteur Thomas Skulski mal wieder eine seiner Fragen, die sich selbst beantworten: "Bin ich
ungerecht, wenn ich sage, dass die Mannschaft sich seit 2006 nicht weiterentwickelt hat?" Sozusagen
die Mirko-Slomka-Gedächtnisfrage.

Löw hat attraktiven Fußball versprochen, herausgekommen ist vorwiegend Gerumpel im Stil
finsterster 80er und 90er. Da hat ja der seinerzeit mit Schimpf und Schande davongejagte Jupp
Derwall fast einen kultivierteren Stil gepflegt. Ansonsten bot diese EM überwiegend prächtigen bis
gehobenen Unterhaltungswert, wenn auch etwas weniger Klasse als die EM 2000 und nicht diesen
Granatenfußball, den Liverpool und Arsenal in der Champions League abbrannten (und dann doch
nichts gewannen). Nicht nur die mehrfach wiederbelebten Türken, sondern zum Beispiel selbst die
früh gescheiterten Schweizer rissen mehr mit als die Deutschen. Deshalb sollten die Fans vielleicht
eine Anregung Otto Rehhagels, dessen sehr eigener Autorenfußball an sehr sehr langsame Robert-
Bresson-Filme erinnerte, aufgreifen und "an den Blumen, die sie zuwerfen, plötzlich die Töpfe
dranlassen".

Die EM-Bestenlisten:

Beste Mannschaft: Spanien


Beste Spieler: Xavi & Iniesta (ESP)

Bester Trainer: Aragones (ESP)

Schlechtester Trainer: Domenech (FRA)

Größte Enttäuschung (gemessen an den Fähigkeiten): Frankreich, Ballack, Gomez, Ronaldo

Sonderpreis für die beste künstlerische Einzelleistung: Holland (gegen Italien und Frankreich)

Sonderpreis für das lustigste Tor: Das 2:0-Stochertor der Schweden gegen Griechenland hätte sich
Eugène Ionesco nicht absurder ausdenken können.

Die beste Elf:

Tor: Casillas (ESP)

Abwehr: Sergio Ramos (ESP), Marchena (ESP), Pepe (POR), Zhirkov (RUS)

Mittelfeld: Altintop (TÜR), Senna (ESP), Xavi (ESP), Iniesta (ESP)

Angriff: Torres (ESP), Villa (ESP)

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