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Logistiksysteme
Betriebswirtschaftliche Grundlagen
9. Auflage
Logistiksysteme
Hans-Christian Pfohl
Logistiksysteme
Betriebswirtschaftliche Grundlagen
9., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage
Hans-Christian Pfohl
Darmstadt, Deutschland
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Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und
Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral.
Die neue Auflage wurde wieder umfassend überarbeitet und aktualisiert. Sofern es
notwendig war, wurde vor allem bei der Diskussion gesamtwirtschaftlicher As-
pekte der Logistik auf die verfügbaren, neuesten statistischen Untersuchungen zu-
rückgegriffen. Für die Logistik relevante Entwicklungen bei der Informations- und
Kommunikationstechnologie (Digitalisierung), z.B. RFID- oder Cloud- und
Blockchaintechnologie, wurden vor allem im Zusammenhang mit der Auftrags-
abwicklung und der Infrastruktur des Informationsflusses aufgegriffen. Das Lite-
raturverzeichnis wurde auf den neusten Stand gebracht. Die bewährte Gliederung
in fünf Teile – früher Kapitel A bis D – mit der Untergliederung in die Abschnitte
wurde beibehalten. Entsprechend der Vorgaben des Verlages wurde hinter jedem
Kapitel ein Literaturverzeichnis eingefügt. Das früher übliche Gesamtliteraturver-
zeichnis entfällt.
Für die Unterstützung bei der Überarbeitung und Aktualisierung dieser Auflage
danke ich ganz herzlich meinen Mitarbeitern Dr. Burak Yahsi und M.Sc. Tamer
Kurnaz. Mein besonderer Dank gilt B.Sc. Hendrik Bode für seinen unermüdlichen
Einsatz bei der Fertigstellung der Druckvorlage.
Im besten logistischen Sinn bieten beide Bände die integrativen Grundlagen der
Logistik.
1 Logistikbegriff ................................................................................................. 3
1.1 Logistiksysteme im Systemverbund der Gütertransformation .................. 3
1.2 Logistikprozesse und Arten der Gütertransformation ............................... 7
1.3 Begriffliche Abgrenzung der Logistik ..................................................... 11
1.4 Betrachtungsebenen und Umfang von Logistiksystemen ........................ 14
Literatur ........................................................................................................... 20
2 Charakterisierung der Logistikkonzeption ................................................. 23
2.1 Wert- und nutzenorientiertes Denken ...................................................... 23
2.2 Systemdenken .......................................................................................... 28
2.3 Gesamt- oder Totalkostendenken ............................................................ 32
2.4 Servicedenken ......................................................................................... 35
2.5 Logistisches Effizienzdenken .................................................................. 42
2.6 Konsequenzen des Logistikdenkens ........................................................ 45
Literatur ........................................................................................................... 49
3 Bedeutung der Logistik ................................................................................. 51
3.1 Betriebswirtschaftliche Entwicklungstendenzen ..................................... 51
3.2 Kostendruck ............................................................................................ 54
3.3 Marktdruck .............................................................................................. 58
3.4 Stellenwert im Unternehmen ................................................................... 63
Literatur ........................................................................................................... 70
4 Auftragsabwicklung ...................................................................................... 75
4.1 Definition und Funktionen der Auftragsabwicklung ............................... 75
4.2 Auftragsabwicklungsaufgaben ................................................................ 79
4.3 Formen der Auftragsabwicklung ............................................................. 83
4.4 Verknüpfung logistischer Informationssysteme ...................................... 91
Literatur ........................................................................................................... 95
xii Inhaltsverzeichnis
1 Zur Herleitung der Transfer- oder Überbrückungsbedarfe und -leistungen aus der Arbeitstei-
ligkeit, der Dislozierung und der Zeitstrukturen der Sektoren der Güterbereitstellung und Gü-
terverwendung vgl. Ihde, 2001, S. 1f. und S. 57.
in in in
oder oder
Güterfluss
a
Die rechtliche Transformation der Güter bei der Güterverteilung bleibt in der Darstellung unberücksichtigt.
Durch Logistikprozesse wird der Güterfluss hervorgerufen, der die Systeme der
Güterbereitstellung und Güterverwendung miteinander verbindet. In allen drei
Systemen gibt es Rahmenbedingungen, die auf den Ablauf der Logistikprozesse
großen Einfluss haben. Beispielsweise werden sich die Logistikprozesse bei der
Produktion von Schütt- oder Stückgütern, bei der Verteilung von Gütern in einem
Land mit einem gut oder schlecht ausgebauten Straßennetz oder bei einer Güter-
verwendung, für die eine schnelle Raumüberbrückung von großer oder von gerin-
ger Bedeutung ist, jeweils sehr unterscheiden.
1.1 Logistiksysteme im Systemverbund der Gütertransformation 5
Auflösungspunkt
(Break-bulk point)
Lieferpunkt Empfangspunkt
(Güter- (Güter-
bereitstellung) verwendung)
direkter Güterfluss
einstufiges System Lieferpunkt Empfangspunkte
Konzentrationspunkt
(Consolidation point)
Logistikprozesse
Um-
Transpor-
Gütertransformation schlagen Aufträge
tieren, Umschla-
(Zusam- Verpacken, übermitteln
Lagern Umschla- gen
menfassen Signieren und
gen (Hand- (Sortieren)
und bearbeiten
haben)
Auflösen)
Zeitänderung
Raumänderung
Mengenänderung
Sortenänderung
Änderung der
Transport-, Umschlags-
und Lagereigen-
schaften
Änderung der
logistischen
Determiniertheit des
Gutes
Güterfluss Informations-
fluss
Abb. 1.3 Logistikprozesse und die durch sie bewirkte Gütertransformation (Quelle: Ent-
nommen mit Änderungen und Ergänzungen aus Jünemann, 1980, S. 2)
Logistische Aufgabenbereiche
Um einen Eindruck von den Logistikaufgaben zu bekommen, die im Zusammen-
hang mit der Planung, Steuerung, Realisierung und Kontrolle von Logistikprozes-
sen wahrzunehmen sind, sind in der Abb. 1.4 wichtige logistische Entschei-
dungstatbestände zusammengestellt. In Anlehnung an die ablaufenden
Logistikprozesse werden hierbei logistische Aufgabenbereiche unterschieden.
Beim Lagern werden die Entscheidungstatbestände, die die Lagerbestände betref-
fen, unter dem Begriff Lagerhaltung zusammengefasst. Der Begriff Lagerhaus be-
inhaltet die Entscheidungstatbestände, die festlegen, wo gelagert und wie ein- oder
10 1 Logistikbegriff
9 Vgl. Pfohl, 1972, S. 17ff.; Schary, 1984, S. 7ff.; Kummer, 1992, S. 20ff.; Isermann, 1998, S.
21ff. und die dort aufgeführte Literatur.
10 Vgl. Pfohl, 1972, S. 28ff.
11 Council of Supply Chain Management Professionals, o. J., S. 2. Übersetzung durch den Ver-
fasser.
12 European Logistics Association, 1993, S. 1. Übersetzung durch den Verfasser. Diese Defin-
tion wird heute von der ELA zur Definition des Supply Chain Managements genutzt.
1.3 Begriffliche Abgrenzung der Logistik 13
13 Zu diesem Begriff vgl. Pfohl/Wübbenhorst, 1983, S. 144ff. Siehe dazu ebenso Finkel-
stein/Guertin, 1988.
14 Coyle u.a., 1992, S. 8. Übersetzung durch den Verfasser.
15 Arthur D. Little/The Pennsylvania State University, Center of Logistics Research, 1991, S.
XXII. Übersetzung durch den Verfasser.
16 Vgl. Arthur D. Little/The Pennsylvania State University, Center of Logistics Research, 1991,
S. 34ff. Einen anderen, umfassenderen dienstleistungsorientierten Begriff der Logistik ver-
treten die Banken, die unter logistischer Führung die Schaffung einer zweckmäßigen Infra-
struktur verstehen, mit der das gesamte Versorgungssystem in den Dienst der Führung der
Geschäftsfront gestellt wird. Die Logistik umfasst neben der Erfüllung von Dienstleistungs-
funktionen auch die Hilfegewährung für alle anderen Bereiche. Zur logistischen Führung ei-
ner Bank gehören das finanzielle und betriebliche Rechnungswesen, Informatik und EDV,
Kontrolle und Revision, bankeigene Forschung und Entwicklung, Immobilien und Sicherheit
sowie Personalführung und Ausbildung. Zum Logistikbegriff der Banken vgl. Lohmann,
1998, S. 76ff.
14 1 Logistikbegriff
te Definition kann sich lediglich dann als zweckmäßig erweisen, wenn Logistik im
Zusammenhang mit der Kalkulation, der Analyse und dem Entwurf der Lebens-
zykluskosten diskutiert wird. Lebenszykluskosten sind die totalen Kosten, die ein
System während seiner gesamten Lebensdauer verursacht. Der dienstleistungsori-
entierte Definitionsansatz kann sich in den Fällen als zweckmäßig erweisen, in
denen logistische Leistungen in engem Zusammenhang mit anderen Dienstleis-
tungen erbracht werden. Ein Beispiel für diesen Ansatz ist die Bereitstellung eines
Ersatzteils beim Kunden zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kundendienstmonteur In-
standhaltungsaktivitäten an einer Maschine beim Kunden vornimmt.
Nachdem der Inhalt des Logistikbegriffs geklärt ist, sollen im folgenden Ab-
schnitt wichtige, in der Realität vorkommende Logistiksysteme unterschieden
werden.
17 Vgl. Pfohl, 1974, S. 73ff. und die dort zitierte Literatur sowie Felsner, 1980, S. 18; Endli-
cher, 1981, S. 29.
1.4 Betrachtungsebenen und Umfang von Logistiksystemen 15
satorische Systeme, deren größter Umfang durch die rechtlichen Grenzen einer
Organisation festgelegt ist. Mesologistische Systeme sind dagegen interorganisa-
torische Systeme, die über die rechtlichen Grenzen von Einzelorganisationen hin-
ausgehen und eine Kooperation mehrerer Organisationen (Institutionen) im Güter-
fluss beinhalten.
Systeme der Mikrologistik lassen sich zunächst nach der Art von Organisatio-
nen mit unterschiedlichen Zielsetzungen unterscheiden.18 In diesem Buch interes-
sieren nur solche Organisationen, deren Zielsystem wesentlich durch wirtschaftli-
che Ziele geprägt ist. Derartige Organisationen sollen als Unternehmen bezeichnet
werden. Die Unternehmenslogistik lässt sich nach der von einem Unternehmen am
Markt zu erfüllenden Aufgabe (Unternehmenszweck, Betriebszweck) in Indust-
rie-, Handels- und Dienstleistungslogistik untergliedern. Zwischen den Begriffen
18 Wegen ihrer großen Bedeutung in einer global vernetzten Welt ist bei der Logistik sonstiger
Organisationen die „Humanitäre Logistik“ hervorzuheben. Vgl. Baumgarten u.a., 2010.
16 1 Logistikbegriff
Unternehmen und Betrieb wird häufig die Unterscheidung getroffen, dass man mit
Unternehmen die rechtliche, finanzielle Einheit einer Betriebswirtschaft und mit
Betrieb die technische Einheit bezeichnet, in der die Produktions- und Logistik-
prozesse ablaufen. Ein Unternehmen kann demnach durchaus mehrere Betriebe
haben. Bei der Industrie- und Handelslogistik ist es sinnvoll, noch zwischen einer
innerbetrieblichen und einer zwischenbetrieblichen Logistik zu unterscheiden. Die
Dienstleistungslogistik ist in Abhängigkeit davon weiter zu untergliedern, ob die
hauptsächlich von einem Unternehmen am Markt zu erfüllende Aufgabe, seine
Primärleistung, eine logistische Leistung ist (z. B. im Falle von Speditionen oder
Verpackungsunternehmen) oder ob die Logistikleistungen, wie auch im Fall von
Industrie- und Handelsunternehmen, lediglich Sekundärleistungen sind, die im
Zusammenhang mit der Erfüllung der eigentlichen Marktaufgabe erbracht werden
müssen (wie z. B. im Falle von Banken oder Versicherungen). 19 Die Unterneh-
men, bei denen wie im ersten Fall der Hauptzweck in der Erbringung logistischer
Leistungen besteht, somit also logistische Funktionen dominieren, 20 bezeichnet
man als logistische Betriebswirtschaften oder Logistikunternehmen oder auch – da
häufig zwischen Unternehmen und Betrieben nicht unterschieden wird – als Lo-
gistikbetriebe oder aber als logistische Dienstleister.
Systeme der Mesologistik können danach unterschieden werden, welche Un-
ternehmen bei der Erfüllung logistischer Aufgaben kooperieren. Eine Kooperation
ist möglich unter Unternehmen der verladenden Wirtschaft. Beispielsweise kön-
nen Verlader aus verschiedenen Branchen, aber auch derselben Branche ein ge-
meinsames Warenverteilsystem benutzen. Die Kooperation zwischen Logistikun-
ternehmen kann z. B. zwischen regional spezialisierten Speditionen oder zwischen
Straßentransportunternehmen und der Bahn erfolgen. Eine Kooperation zwischen
Logistikunternehmen und der verladenden Wirtschaft liegt z. B. vor, wenn ein
Verlader die Auslieferung seiner Produkte einem Logistikunternehmen überträgt.
Abb. 1.6 Funktionelle Abgrenzung von Logistiksystemen nach den Phasen des Güter-
flusses am Beispiel eines Industrieunternehmens
20 1 Logistikbegriff
Produktionsfaktoren Versorgungs-/Lieferservice
(Arbeit, Betriebsmittel, (das richtige Gut, im richtigen
Material einschließlich Zustand, zur richtigen Zeit,
Energie, Informationen) am richtigen Ort)
Logistiksystem
Lagerhaltungssystem
Lagerhaussystem
Transportsystem
Auftrags-
Input Output
abwicklungssystem
Verpackungssystem
Logistikkosten Logistikleistungen
Abb. 1.7 Funktionelle Abgrenzung von Logistiksystemen nach den Inhalten von Logis-
tikaufgaben
Literatur
Arnold D u.a. (Hrsg) (2008) Handbuch Logistik. 3., neu bearb. Aufl. Berlin Heidelberg
Arthur D Little, The Pennsylvania State University, Centre of Logistics Research (1991) Logis-
tics in Service Industries. Prepared for Council of Supply Chain Management Professionals
(CSCMP). Oak Brook, IL
Ballou R H (2004) Business Logistics / Supply Chain Management. Planning, Organizing, and
Controlling the Supply Chain. 5. Aufl. Upper Saddle River N.J.
Baumgarten H, Keßler M, Schwarz J (2010) Jenseits der kommerziellen Logistik. Die humanitä-
re Hilfe logistisch unterstützen. In: Schönberge R, Elbert R (Hrsg) Dimensionen der Logistik.
Funktionen, Institutionen und Handlungsebenen. Wiesbaden, S.453-475
Behrendt W (1977) Die Logistik der multinationalen Unternehmung. Eine systemorientierte und
verhaltenswissenschaftliche Analyse. Diss. Berlin
Bowersox D J, Closs D J (1996) Logistical Management. Überarb. Ausg. der 3. Aufl. New York
u.a.
Bowersox D J, Smykay E W, LaLonde B J (1968) Physical Distribution Management. Logistics
Problems in the Firm. Rev. ed. New York
Literatur 21
1 Die vier Nutzenarten „form, possession, place and time“ unterscheiden Converse, 1958, S.
116; Bowersox u.a., 1968, S. 20; Langley/Holcomb, 1992, S. 1; Novack u.a., 1992, S. 236.
Zu einer Gliederung des Nutzens unter anderen Gesichtspunkten vgl. Corsten, 2007, S. 157f.
und die dort aufgeführte Literatur. Zu einem engeren Nutzenbegriff vgl. Large, 1995, S. 34f.
Die Zuordnung von Ort- und Zeitnutzen zur Logistik findet sich auch bei Morgenstern,
1955, S. 130.
Rechtliche
Zugesicherter
Verfügbarkeit Gebrauchswert
Gebrauchswert
gegeben
Rechtliche
Verfügbarkeit Eignungswert Eignungswert
nicht gegeben
Abb. 2.2 Verfügbarkeit als konstituierende Eigenschaft des Gebrauchswertes (Quelle: Mit ge-
ringfügigen Änderungen entnommen aus Large, 1995, S. 27)
werden kann. Die rechtliche Verfügbarkeit ist gegeben, wenn der Kunde das für
den speziellen Gebrauch des Gutes notwendige Verfügungsrecht erhält. Ist die
rechtliche, aber nicht die faktische Verfügbarkeit gegeben, so liegt der zugesicher-
te Gebrauchswert eines Gutes vor. Der Kunde hat dann ein Verfügungsrecht im
Sinne eines Anspruchs auf die Erzeugung und Bereitstellung eines Gutes. Der zu-
gesicherte Gebrauchswert im Sinne eines Leistungsversprechens ist insbesondere
für Dienstleistungen von Bedeutung, auf deren Erzeugung im Folgenden noch nä-
her eingegangen wird.
Die Ausführungen zum Wertschöpfungsdenken zeigen, dass Logistikaktivitäten
zur Erzeugung des Gebrauchswertes eines Gutes notwendig sind. Der Gebrauchs-
wert kann nicht nur durch eine bessere Eignung der Güter, sondern auch durch ei-
ne bessere Verfügbarkeit der Güter erhöht werden. Die faktische Verfügbarkeit
kann verbessert werden, indem die Leistung bei den schon bisher vom Anbieter
eines Gutes wahrgenommenen Logistikaktivitäten verbessert oder durch ihn zu-
sätzliche Logistikaktivitäten vom Kunden übernommen werden. Abb. 2.3 zeigt ein
Beispiel für die Übernahme solcher bisher vom Kunden wahrgenommenen wert-
schöpfenden Aktivitäten.
Die Übernahme solcher wertschöpfenden Aktivitäten durch das anbietende Un-
ternehmen ist dann sinnvoll, wenn die bisher vom Kunden erbrachten Logistikleis-
tungen zu niedrigeren Logistikkosten angeboten werden oder bei gleichen Logis-
tikkosten höhere Leistungen erbracht werden können. 4
2 Wareneingangskontrolle
Materialzusammenstellung/
Lieferant
3
-bereitstellung
6 Beschaffungsmanagement
Abb. 2.3 Übernahme wertschöpfender Logistikaktivitäten des Kunden durch den Liefe-
ranten (Quelle: In Anlehnung an Gopal/Cypress, 1993, S. 197)
5 Vgl. Meffert, 1994, S. 521f. Zu berücksichtigen ist, dass die folgenden Ausführungen für
den größten Teil der Dienstleistungen zutreffen. Es gibt aber auch Dienstleistungen, die we-
gen ihrer Eigenschaften ähnlich wie Sachgüter produziert werden. Ebenso gibt es Sachgüter,
die sehr den hier charakterisierten Dienstleistungen ähneln.
6 Vgl. Corsten, 1993, Sp. 765f.
2.1 Wert- und nutzenorientiertes Denken 27
7 Vgl. Corsten, 1993, Sp. 767f. Zur Charakterisierung des logistischen Leistungsprozesses als
zweistufigen Kombinationsprozess vgl. Isermann, 1998, S. 26ff.
8 Corsten, 1993, Sp. 768.
9 Vgl. Meffert, 1994, S. 525f.
28 2 Charakterisierung der Logistikkonzeption
2.2 Systemdenken
Ganzheitliche Betrachtungsweise
Die im ersten Abschnitt unter dem Begriff Logistik zusammengefassten Aufgaben
werden selbstverständlich schon immer in einem Unternehmen wahrgenommen
und nicht erst, seit es den Logistikbegriff gibt. Insofern stellt sich die Frage, ob
Logistik lediglich ein Modewort ist und Logistiker damit beschäftigt sind, alten
Wein in neue Schläuche abzufüllen. Eine Frage übrigens, die immer beim Auftau-
chen neuer Konzeptionen in der Betriebswirtschaftslehre gestellt wird, so z. B. bei
der Marketingkonzeption und der Controllingkonzeption. Bei der Beantwortung
dieser Frage ist davon auszugehen, dass es nicht darauf ankommt, ob Aufgaben im
Unternehmen schon immer wahrgenommen wurden oder nicht, sondern nur da-
rauf, wie diese Aufgabe wahrgenommen werden. Eine neue Konzeption beinhaltet
eine neue Betrachtungsweise der Probleme in Unternehmen und ermöglicht neue
Problemlösungen.
Grundlegend für die Logistikkonzeption ist die systemtheoretische Betrach-
tungsweise oder kürzer das Systemdenken. 10 Das Systemdenken hat seinen Ur-
sprung in der Biologie und wurde von dort in die Wirtschaftswissenschaften über-
nommen. Man versteht allgemein unter einem System eine Menge von
miteinander in Beziehung stehenden Elementen. Kennzeichnend für das System-
denken ist die ganzheitliche Betrachtungsweise sowie die Erkenntnis, dass für die
Erklärung der Ganzheit die Erklärung ihrer Elemente nicht ausreicht, sondern dass
dazu die Erklärung der Beziehungen zwischen den Elementen treten muss. Sys-
temdenken ist ein Denken in komplexen, vernetzten Zusammenhängen. Bei der
Koordination der Elemente bzw. Subsysteme werden als Grundtypen die Interak-
tionsmodelle lose Kopplung, Kooperation und Vereinigung unterschieden.11
Bei der losen Kopplung beeinflussen sich die miteinander agierenden Subsys-
teme gegenseitig nicht oder nur sehr gering. Sie handeln weitgehend autark, ob-
wohl sie voneinander abhängig sind. Die Kommunikation zwischen den Subsys-
temen ist schwach ausgeprägt, was letztlich zu einem suboptimalen Einsatz von
Ressourcen und Unstimmigkeiten im Gesamtsystem führt. Bei der Kooperation
wird diese Schwäche durch eine verbesserte Abstimmung der aus den individuel-
len Zielen der beteiligten Subsysteme resultierenden Ressourcen- und Infrastruk-
turbedarfe ausgeglichen. Dazu wird auch das Informations- und Kommunikati-
onsverhalten verbessert, so dass die einzelnen Interaktionspartner jeweils besser
über die Erfordernisse der übrigen Subsysteme informiert sind. Bei der Vereini-
gung geben die Subsysteme ihre Eigenständigkeit vollständig auf. Es kommt zur
Abstimmung der langfristigen Ziele und Visionen. Ziel ist es, gemeinsame Res-
sourcen und Infrastruktur optimal zu nutzen und auf individuelle Reservekapazitä-
ten zu verzichten.
Die Zusammenhänge zwischen den Elementen eines Systems lassen sich prin-
zipiell als Input-Output-Beziehungen interpretieren, durch die die Beziehungs-
struktur, z. B. des Netzwerkes eines Logistiksystems, hergestellt wird. Betont man
den Prozesscharakter dieser Beziehungen beim Austausch der Objekte zwischen
den Systemelementen, so kommt der Zeit als Systemdimension eine besondere
Bedeutung zu. Die Dimension Zeit unterscheidet die Prozessstruktur von der Be-
ziehungsstruktur der Systeme. KLAUS sieht in dem im Systemansatz der Logistik
allerdings schon enthaltenen Prozessansatz eine Erweiterung des Denkrahmens
der Logistik. Entsprechend des Prozessansatzes betrachtet er Logistiksysteme als
ein „Gewebe von Flüssen und Prozessen.“12 Dieses Fließprinzip wird aber neben
dem Prinzip der ganzheitlichen Betrachtungsweise bereits lange explizit als Inhalt
der Logistikkonzeption genannt.13
Der von WEBER14 der Logistikkonzeption als das eigentliche Neue zugeordnete
Koordinationsansatz ist ebenfalls schon im Systemansatz enthalten. Die abge-
stimmte, koordinierte Gestaltung von Güterflüssen ist die grundlegende Forderung
der theoretischen Logistikkonzeption, unabhängig von ihrer Umsetzung in der
Praxis. Das Management von Interdependenzen wird z. B. neben dem Manage-
ment von Material- und Informationsflüssen explizit zur Charakterisierung des
Logistikmanagements herangezogen.15 Allerdings lässt sich Logistikmanagement
nicht auf das Management von Interdependenzen beschränken, da dieses Ma-
nagement die Kenntnis der spezifischen Eigenschaften logistischer Leistungspro-
zesse voraussetzt.
Die Anwendung des Systemdenkens stellt die Behandlung logistischer Proble-
me auf eine neue Grundlage, was ein wesentlicher Grund dafür sein dürfte, dass
man heute nach einer langen Periode der Vernachlässigung diesen Problemen so-
wohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis wachsende Beachtung schenkt.
Denn es werden dadurch neue Aussagen terminologischer (definitorischer), de-
skriptiver (beschreibender), theoretischer (erklärender) und praxeologischer (ge-
staltender) Art möglich.
für die Durchführung von Kostenanalysen, da durch sie bestimmt wird, welche
Kosten als Logistikkosten zu betrachten sind.
Beschreibende Aussagen: Für die Beschreibung realer Güterflüsse bietet das Sys-
temdenken zwei Vorteile: Der erste Vorteil liegt darin, dass die auf ihm basieren-
de Logistikdefinition es möglich macht, die verschiedenen Logistiksysteme in ei-
ner einheitlichen Terminologie zu beschreiben. Dadurch bietet sich die Chance,
bisher nicht gesehene Gemeinsamkeiten der Probleme und Problemlösung etwa in
der Militärlogistik und Unternehmenslogistik oder der Beschaffungs- und Distri-
butionslogistik zu erkennen. Der zweite Vorteil besteht darin, dass man bei der
Beschreibung von Logistiksystemen gezwungen wird, die komplexen logistischen
Systemzusammenhänge zu erfassen. Man wird beispielsweise nicht mehr Auf-
tragsabwicklung, Lagerung, Transport usw. isoliert beschreiben, sondern ihr Zu-
sammenwirken bei der Realisierung des Güterflusses. Selbst wenn man sich auf
die Beschreibung eines logistischen Subsystems konzentriert, wird die Aufmerk-
samkeit auf die Beschreibung der Schnittstellen mit den anderen Subsystemen ge-
lenkt.
Erklärende Aussagen: Das Systemdenken ermöglicht das Erkennen von Zusam-
menhängen, die man sonst nur sehr schwer oder überhaupt nicht erkannt hätte.
Denn konsequent angewandt sollte dieser Denkansatz zur Folge haben, dass all-
gemein übliche Denkansätze zerstört und einige ganz neue Wege des Denkens ge-
gangen werden. 16 Mangelndes Systemdenken verhinderte lange Zeit logistische
Systeme als eine tatsächlich Ganzheit zu betrachten und die Beziehungen zwi-
schen den einzelnen Systemelementen zu erfassen.
Da das Systemdenken das Erkennen der Beziehungen zwischen den einzelnen
Systemelementen in den Vordergrund rückt, wird die Entscheidung bezüglich ei-
nes Elementes nur noch unter dem Aspekt seines Beitrags zur Leistung des ganzen
Systems erfolgen. Eine Nichtbeachtung dieses Aspekts kann zu Fehlentscheidun-
gen führen. Eine isolierte Entscheidung bezüglich des Wechsels von einem Trans-
portmittel zu einem anderen Transportmittel mit unterschiedlichen technischen
Eigenschaften oder Transportgeschwindigkeiten kann beispielsweise nicht vorher-
gesehene Anforderungen an die Verpackung oder eine beträchtliche Erhöhung der
Lagerbestände zur Folge haben. Das Systemdenken deckt diese Zusammenhänge
auf. Denn es zwingt dazu, die Wirkungen einer Veränderung in einem logistischen
Teilsystem auf die anderen logistischen Teilsysteme zu erfassen. In gleicher Wei-
se wird man beim Auftreten von Problemen in einem logistischen Teilsystem die
Problemursachen nicht nur in diesem Teilsystem, sondern auch in allen anderen
Teilsystemen suchen.
Gestaltende Aussagen: Durch gestaltende Aussagen sollen den Entscheidenden
Anweisungen für ihr Handeln gegeben werden. Logistische Entscheidungen be-
treffen den Aufbau von Logistiksystemen und den Ablauf von Logistikprozessen.
17 Siehe die Unterscheidung von Ressourcen- und Prozessstrategien bei Fey, 1989, S. 8ff.
32 2 Charakterisierung der Logistikkonzeption
Zielkonflikt
Das Gesamt- oder Totalkostendenken ist für Logistikentscheidungen von großer
Bedeutung, weil Logistiksysteme von einer Vielzahl von Kostenkonflikten ge-
kennzeichnet sind. Kostensenkungen in einem Teilsystem bewirken deshalb häu-
fig Kostensteigerungen in einem anderen Teilsystem. So führen beispielsweise
niedrigere Lagerbestandskosten zu höheren Transportkosten, weil häufiger gelie-
fert werden muss. Weiter Beispiele für Zielkonflikte sind: 19
x Verpackungskosten und Kosten durch Transportschäden,
x Auftragsabwicklungskosten und Transportkosten durch ungünstige Routenpla-
nung,
x Lagerbestandskosten und Produktionskosten durch kleine Losauflagen,
x Lagerbestandskosten und Kosten des Einkaufs durch häufigere und kleinere
Bestellungen.
Serviceniveau-
kosten
Auftrags-
Lagerbestands-
abwicklungs-
kosten
kosten
unmittelbar zusammen zu
mit den Logistikkosten
Logistiksystemkosten
betrachtende Kosten
Verpackungs-
kosten
Transport-
Lagerhauskosten
kosten
Loskosten
Lagerhaltungskosten Lagerhaltungskosten
Fehlmengenkosten Rüstkosten
Lagerbestand Fertigungslosgröße
Abb. 2.5 Typische Kostenverläufe im Logistiksystem (Quelle: Siehe auch Ballou, 2004,
S. 46)
für sehr wenige Güter gerechtfertigt. Berücksichtigt man jedoch die Wirkung der
Luftfracht auf die gesamten Logistikkosten, so ergibt sich für ihren Einsatz ein
wesentlich günstigeres Bild.
Wie aus Abb. 1.7 hervorgeht, ist jedoch Logistikdenken niemals nur Kosten-,
sondern auch Leistungsdenken. Das Entstehen von Logistikkosten ist nur dann ge-
rechtfertigt, wenn sie durch entsprechende Logistikleistungen verursacht werden.
Den Forderungen nach niedrigen Logistikkosten stehen Forderungen nach hohen
Logistikleistungen gegenüber.
2.4 Servicedenken
Kundenorientierung
In den 90er Jahren rückte mit der Kundenorientierung ein eigentlich altes Schlag-
wort in den Blickpunkt der betriebswirtschaftlichen Forschung und Lehre. Durch
ständig steigende Kundenanforderungen auf vielen Märkten wurde es für anbie-
tende Unternehmen immer wichtiger, sich beim Angebot von Produkten und
Dienstleistungen zunehmend an den Wünschen und Forderungen der Kunden zu
orientieren. Neben dem Preis, ehemals wichtigstes Entscheidungskriterium für die
36 2 Charakterisierung der Logistikkonzeption
Servicekomponenten
Der Lieferservice setzt sich im Wesentlichen aus Lieferzeit, Lieferzuverlässigkeit,
Lieferungsbeschaffenheit und Lieferflexibilität zusammen.25
Unter Lieferzeit (Auftragsperiode) ist die Zeitspanne zwischen der Ausstellung
des Auftrags durch den Kunden bis zum Erhalt der Ware zu verstehen. Sie ist für
den Kunden wichtig, weil kürzere Lieferzeiten bei ihm niedrigere Lagerbestände
und eine kurzfristigere Disposition ermöglichen. In Abb. 2.6 wird ein Beispiel für
die Zusammensetzung der Lieferzeit gegeben.26 Alle dort angegebenen Teilzeiten
– auch die Zeiten für Tätigkeiten, die nicht vom Lieferanten oder einem Dritten,
sondern vom Kunden selbst ausgeführt werden – kann der Lieferant beeinflussen.
Er kann etwa durch geeignete Auftragsformulare auf die Zeit für die Ausfertigung
des Auftrags durch den Kunden Einfluss nehmen. Die Zeit für die Einlagerung der
Ware beim Kunden ist insofern vom Lieferanten beeinflussbar, als durch eine Ab-
stimmung der Transport-, Verpackungs- und Lagererfordernisse zwischen Liefe-
ranten und Kunden die Warenannahme und -prüfung, der Transport ins Kundenla-
ger und die Unterbringung im Kundenlager sehr erleichtert werden können.
Der Begriff Lieferzeit wird hier zur Bezeichnung des Outputs von Logistiksys-
temen, also im Sinne einer allein von der Logistik abhängigen Lieferzeit, ge-
braucht. Davon zu unterscheiden ist die Lieferzeit, für deren Länge nicht die Lo-
gistik allein, sondern auch andere Unternehmensbereiche, wie z. B. die
Produktion, verantwortlich sind.27
Unter Lieferzuverlässigkeit (Liefertreue, Termintreue) versteht man die Zuver-
lässigkeit (Wahrscheinlichkeit), mit der die Lieferzeit eingehalten wird. Sie ist für
den Kunden wichtig, weil sie niedrigere Lagerbestände ermöglicht und Störungen
im Betriebsablauf vermeiden hilft. Die Lieferzuverlässigkeit hängt von folgenden
zwei Einflussfaktoren ab:
x Zuverlässigkeit des Arbeitsablaufs,
x Lieferbereitschaft.
Die Einhaltung der zugesagten Lieferzeit wird zunächst dadurch bestimmt, wie
zuverlässig die Teilzeiten eingehalten werden, aus denen sie sich zusammensetzt.
Die in den einzelnen Phasen der Lieferzeit anfallenden Arbeitsabläufe müssen
planmäßig in der dafür vorgesehenen Zeit realisiert werden. Bei der Auftragsbear-
beitung kann es etwa geschehen, dass eingehende Aufträge unbearbeitet liegen-
bleiben oder beim Transport ist es möglich, dass ein Spediteur die versprochenen
Transportzeiten nicht einhält. Die Zuverlässigkeit der Lieferzeit wird also von ih-
rer unzuverlässigsten Phase bestimmt!
25 Vgl. Pfohl, 1972, S. 177ff. und 1977, S. 241f.; Bender, 1976; LaLonde/Zinszer, 1976,
S. 148; Havighorst 1980, S. 58ff.; Stock/Lambert, 2001, S. 117f.
26 Vgl. Heskett u.a., 1973, S. 246f.
27 Vgl. Wagner, 1978. Auf die Lieferzeit wird außerdem in Teil III, Abschn. 10.3 zu Subsyste-
men der Produktionslogistik in eingegangen.
2.4 Servicedenken 39
1 3 Auftrag bearbeiten
zentrale Auftragsbearbeitung ½ 3½
½ 4
2 6
Zusammenstellen
Auslieferungslager und verpacken
beladen ½ 6½
2 8½ Verladen und
Transportmittel transportieren
entladen ½ 9
Einlagern der Ware
Kunde 1 10 beim Kunden
Abb. 2.6 Beispiel für den zeitlichen Verlauf einer 10-tägigen Lieferzeit
relevant angesehen, wie häufig die Nachfrage nicht vom Lager befriedigt werden
kann, sondern es ist wesentlich, welcher Prozentsatz der Nachfrage nicht vom La-
ger zu erfüllen ist. Die Nachfrage kann hierbei mengen- oder wertmäßig erfasst
werden. Mengenangaben sind im allgemein jedoch nur sinnvoll, wenn der Wert
der verschiedenen Artikel eines Auslieferungslagers ungefähr gleich ist. Jedes Un-
ternehmen wird letztlich die Definition zu wählen haben, in der das Auftreten von
Fehlmengen in der Weise berücksichtigt wird, wie es ihrer Wirkung auf den Ab-
satz auch tatsächlich entspricht.28
Durch die Lieferungsbeschaffenheit wird erfasst, inwieweit die Lieferung selbst
dem Kunden Grund zur Beanstandung gibt. Das hängt wiederum von zwei Fakto-
ren ab:
x Liefergenauigkeit,
x Zustand der Lieferung.
Durch die Liefergenauigkeit wird angegeben, inwieweit die bestellten Produkte
in gewünschter Art und Menge ausgeliefert werden. Kann der Lieferant das be-
stellte Produkt nicht liefern, so sollte er dem Kunden ersatzweise nur dann ein an-
deres Produkt ausliefern, wenn er zuvor dessen Zustimmung eingeholt hat. Ande-
renfalls riskiert der Lieferant, den Kunden zu verärgern und u. U. zu verlieren.
Außerdem können ihm zusätzliche Kosten für die Behandlung der Kundenbe-
schwerde und der Rücknahme der Ware entstehen. Der Kunde hat auch die von
ihm bestellte Menge zu erhalten. Denn wenn größere Mengen als die bestellten
angeliefert werden, erhöhen sich die Lagerkosten des Kunden. Werden kleinere
Mengen angeliefert, so können dadurch Fehlbestände im Kundenlager entstehen.
Der Zustand der Lieferung hängt im Wesentlichen davon ab, in welchem Um-
fang die Verpackung ihrer Schutzfunktion bei der Auslieferung der Güter gerecht
wird. Eine Beschädigung der Güter während der Auslieferung führt zu Kundenbe-
schwerden und/oder zu zusätzlichen Kosten durch Retouren bzw. zu gewährende
Preisnachlässe.
Die Lieferungsbeschaffenheit wird daran gemessen, wie oft die Lieferungen
von Kunden beanstandet werden und kann damit ebenfalls durch Prozentangaben
erfasst werden.
Unter Lieferflexibilität ist zu verstehen, ob das Auslieferungssystem des Liefe-
ranten es gestattet auf besondere Bedürfnisse des Kunden einzugehen oder ob sich
der Kunde mit seiner Beschaffungslogistik nach starr vorgegebenen Regeln der
Distributionslogistik des Lieferanten zu richten hat. Die Lieferflexibilität hängt im
Wesentlichen von folgenden drei Einflussfaktoren ab:
x Auftragsmodalitäten,
x Liefermodalitäten,
x Information des Kunden.
Abb. 2.7 Formeln zur Berechnung der Lieferbereitschaft (Quelle: Steinbrüchel, 1971, S. 27)
42 2 Charakterisierung der Logistikkonzeption
Effizienzdenken
Logistiksysteme sind effizient, wenn bei ihrer Gestaltung die Logistikkosten (In-
put) und die Logistikleistungen (Output) als Gestaltungsziele berücksichtigt wur-
den. Das Effizienzdenken verlangt bei der Lösung logistischer Probleme weder
eine einseitige Ausrichtung an dem Ziel der Kostenminimierung noch eine einsei-
tige Ausrichtung am Ziel der Servicemaximierung, sondern einen Kompromiss
zwischen diesen Zielen.
Das Effizienzziel entspricht zunächst dem bekannten Produktivitätsziel, das
durch das Verhältnis Output/Input (z. B. Anzahl der umgeschlagenen Palet-
ten/Arbeitsstunde) gemessen wird. Das Effizienzdenken ist also auf die technolo-
gische Dimension des Logistiksystems anzuwenden, die ein Denken in Mengen
2.5 Logistisches Effizienzdenken 43
und Qualitäten verlangt. 29 Dieses Denken befasst sich mit Problemen der Leis-
tungsfähigkeit (quantitative und qualitative Kapazität sowie betriebstechnische
Elastizität) und mit Problemen der Leistungsbereitschaft (Störanfälligkeit und Be-
nutzerfreundlichkeit) von Logistiksystemen. Zur Leistungsbereitschaft i. w. S.
zählt auch die Zeit für die Planung und Realisierung des Logistiksystems. Denn es
ist häufig besser, Systeme mit befriedigender Leistungsfähigkeit rechtzeitig im
Einsatz zu haben, als Systeme mit maximaler Leistungsfähigkeit erst nach langer
Zeit im Einsatz zu haben. Häufig wird noch als besonderes Problem die Flexibili-
tät im Sinne der Anpassungsfähigkeit von Systemen herausgestellt. So wird z. B.
unterschieden zwischen der kurzfristigen Effizienz als Produktivität unter konstan-
ten Bedingungen und der Anpassungsfähigkeit als Produktivität unter wechseln-
den Bedingungen.30 Die Anpassungsfähigkeit ist für Logistiksysteme insofern von
großer Bedeutung, als Veränderungen in der Höhe, Zusammensetzung und geo-
graphischen Verteilung der Nachfrage zu Güterflüssen führen, die sehr unter-
schiedlichen Anforderungen an die Logistiksysteme stellen.
Das Effizienzdenken kann sich jedoch auch auf die ökonomische Dimension
des Unternehmens beziehen. Diese verlangt ein Denken in Werten. In ihrem Mit-
telpunkt stehen Probleme der Preise sowie von Umsatz und Kosten. Neben der be-
sonderen Problematik der Zurechnung von Logistikkosten zu Logistikleistungen,
die wegen der einseitigen Ausrichtung der Kosten- und Leistungsrechnung in vie-
len Unternehmen ungelöst ist, stellt sich hier auch das Problem der Erfassung der
Auswirkung des Lieferservice auf den Umsatz. In Abb. 2.8 sind typische Kosten-
und Marktreaktionsfunktionen über dem Serviceniveau aufgetragen. Eine einge-
hende Diskussion dieser Kurven erfolgt in dem Band Logistikmanagement dieser
Reihe. Hier genügt es, darauf zu verweisen, dass der stark progressive Kostenan-
stieg mit steigendem Serviceniveau grundsätzlich charakteristisch für Logistiksys-
teme ist. Die Verbesserung eines schon sehr guten Serviceniveaus um noch einige
wenige Prozent verursacht – wenn man von einer Verschiebung der Kostenkurve
durch Prozessinnovation absieht – einen weit überproportionalen Kostenanstieg.
Für die Umsatzerlöskurve lassen sich keine in gleicher Weise empirisch abgesi-
cherten Aussagen machen. Doch hat sich in einigen Fällen der Kurvenverlauf der
Abb. 2.8 nachweisen lassen. Interessant ist hier vor allem das auch bei anderen
Marktreaktionsfunktionen zu beobachtende Sättigungsphänomen. Die Erhöhung
eines bereits guten Lieferservice um einige Prozent führt nur noch zu einem stark
unterproportionalen Anwachsen des Umsatzes. Daraus ergibt sich, dass der größte
Gewinnbeitrag des Lieferservice keineswegs bei einem maximalen Serviceniveau
liegt. Auf der ökonomischen Ebene entspricht also das Effizienzdenken dem be-
kannten Rentabilitätsziel, das durch die Relation Gewinn/Kapital gemessen wird.
Die Inputgröße ist in diesem Fall das Kapital, das in Logistiksystemen gebunden
ist, die Outputgröße der Gewinnbeitrag, der von Logistiksystemen geleistet wird.
Umsatzerlöse/
Kosten/
Gewinnbeitrag
Umsatzerlöse
Kosten
Gewinnbeitrag
93 95 100
Serviceniveau in %
Abb. 2.8 Auswirkung des Serviceniveaus auf den Gewinn (Quelle: Mit Änderungen entnom-
men aus Buxton, 1975, S. 35)
Technisch-wirtschaftliches Denken
Bei der Erläuterung des Effizienzdenkens wurde deutlich, dass das Effizienzden-
ken sowohl technisch als auch wirtschaftlich orientiert ist. Damit soll jedoch nicht
ausgedrückt werden, dass die soziale und ökologische Dimension des Unterneh-
mens im Logistikbereich keine Rolle spielen würde. Soziale Ziele wie etwa die
Zufriedenheit oder die langfristige Erhaltung der Gesundheit der Mitarbeiter ha-
ben für den Logistikbereich dieselbe Bedeutung wie für die anderen Bereiche des
Unternehmens. Das gilt auch für die ökologischen Ziele zum Schutz der Umwelt.
Insofern unterscheidet sich der Logistikbereich bezüglich des sozialen und ökolo-
gischen Denkens nicht von den übrigen Unternehmensbereichen. Dagegen ist die
besondere Verquickung technischen und wirtschaftlichen Denkens, wie sie für die
Logistik charakteristisch ist, für die anderen Unternehmensbereiche nicht immer
in gleicher Weise typisch.
Die Logistik liefert ein ausgezeichnetes Beispiel für einen Unternehmensbe-
reich, in dem sich technische und wirtschaftliche Probleme überschneiden. Ein
Logistikmanager muss in der Lage sein, die Möglichkeiten, die der technische
Fortschritt im Verpackungs-, Transport- und Lagerwesen für den Güterfluss eröff-
net, zu beurteilen und auszunutzen. Er muss aber auch dazu fähig sein, Kosten und
Service gegeneinander abzuwägen und mit den oft nur entweder in wirtschaftli-
chem oder in technischem Denken geschulten Führungskräften der Bereiche Be-
schaffung, Produktion und Absatz zusammenzuarbeiten. Führungspositionen im
Logistikbereich verlangen also in besonderem Maße eine Kombination von wirt-
schaftlichem und technischem Denken. Damit sind aber auch schon die Konse-
quenzen des Logistikdenkens für das Unternehmen angesprochen.
2.6 Konsequenzen des Logistikdenkens 45
Funktionelle Konsequenzen
Das für die Logistikkonzeption charakteristische Systemdenken verlangt, die lo-
gistischen Aufgaben im Gesamtzusammenhang, die Logistik als einen in sich ge-
schlossenen Aufgabenbereich des Unternehmens zu sehen. In der Betriebswirt-
schaftslehre kennzeichnet man häufig einen solchen Aufgabenbereich als eine
betriebswirtschaftliche Funktion, die in jedem Unternehmen wahrgenommen wer-
den muss. Die Logistik tritt damit als Funktion neben die anderen im Unterneh-
men zu verrichtenden Funktionen, wie etwa Beschaffung oder Finanzierung. Nach
herrschender Meinung geht man dabei vom Querschnittscharakter oder übergrei-
fenden Charakter der Logistikfunktion aus.32
Betrachtet man die unmittelbar aus der Marktaufgabe abzuleitenden Funktio-
nen Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Produktion und Absatz als be-
triebswirtschaftliche Grundfunktionen33, so lassen sich aus ihnen eine Reihe be-
triebswirtschaftlicher Querschnittsfunktionen (Servicesleistungen) ableiten, die
notwendigerweise neben diesen Grundfunktionen wahrgenommen werden müs-
sen. Außer der Logistikfunktion zählt man dazu insbesondere die in Abb. 2.9 auf-
geführten Funktionen, die sich mit Personal, Finanzen und Informationen befas-
sen. Bezeichnet man diese Funktionen als Serviceleistungen, so hebt man ihren
dienenden Charakter gegenüber den betriebswirtschaftlichen Grundfunktionen
hervor. Spricht man dagegen von Querschnittsfunktionen, so wird damit betont,
dass sie die betriebswirtschaftlichen Grundfunktionen durchdringen. Schon an
dieser Stelle ist hervorzuheben, dass mit dem Begriff Serviceleistungen keine
Betriebswirtschaftliche Grundfunktionen
Forschung
und Beschaffung Produktion Absatz Entsorgung
Entwicklung
Betriebswirtschaftliche Querschnittsfunktionen
Personal
(Serviceleistungen)
Finanzen
Information
Logistik
Instrumentelle Konsequenzen
Verbindet man mit der Logistikkonzeption eine instrumentelle Dimension, so wird
die Logistik zunächst als ein Instrument zur Planung, Steuerung und Kontrolle von
Güterflüssen verstanden. Das Logistikdenken kann Auswirkungen auf viele Berei-
che dieser als Softwaretechnologie zu bezeichnenden Instrumente der Informati-
onsverarbeitung haben, sowohl bei der Unterstützung der logistischen Entschei-
dungsprozesse als auch bei den Auftragsabwicklungsprozessen, der
Materialsteuerung oder dem Bestandsmanagement. Beispielsweise legt es das Lo-
gistikdenken nahe, schwerpunktmäßig nicht Optimierungsmodelle des Operations
Institutionelle Konsequenzen
Der Einsatz neuer Instrumente bedingt im Allgemeinen im Unternehmen zunächst
nur ablauforganisatorische Veränderungen. Nicht immer lässt sich jedoch die Lo-
gistikkonzeption ohne institutionelle Veränderung, d. h. ohne intraorganisatori-
sche Änderung der bestehenden Verteilung von Aufgaben, Kompetenzen, Ver-
antwortung und Macht in Systemen der Mikrologistik realisieren. Denn bei einer
Aufsplitterung logistischer Aufgaben in der Organisationsstruktur sind erstens die
logistischen Systemzusammenhänge schwerer zu erkennen. Zweitens wird die
Verfolgung von Logistikzielen durch die Interessengegensätze der verschiedenen
Organisationseinheiten, die Logistikaufgaben wahrnehmen, erschwert. Offensicht-
48 2 Charakterisierung der Logistikkonzeption
35 Vgl. Pfohl, 1983, S. 721; Pfohl, 2016, S. 50ff. und die dort aufgeführte Literatur.
Literatur 49
Literatur
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50 2 Charakterisierung der Logistikkonzeption
Zielgrößenentwicklung
Infolge der Globalisierung der Unternehmenstätigkeit und der Dynamik in der
Technologieentwicklung nimmt der Kostendruck zu. Jedes Unternehmen muss
deshalb in der Lage sein, Economies of Arbitrage (Preisvorteile), Economies of
Scale (Größenvorteile), Economies of Scope (Bündelungsvorteile), Economies of
Speed (Zeit- oder Geschwindigkeitsvorteile) und Economies of Structure (Ände-
rungsvorteile) zur Erlangung einer günstigen Kostenposition zu erreichen. Sollte
ein Unternehmen nicht in der Lage sein, diese Kostenanforderungen zu erfüllen,
hat es die „Eintrittskarte“ für das Spiel auf dem Markt verloren. Die mit dem Kos-
tendruck verbundene Ressourcen- oder Produktionsfaktororientierung ist deshalb
von wesentlicher Konsequenz für die Logistik.
Aus der Globalisierung und Technologieentwicklung resultiert aber auch ein
Marktdruck. Die Kunden werden immer anspruchsvoller und lernen schnell, posi-
tive Erfahrungen von Teilmärkten auf andere Teilmärkte zu übertragen. Das ver-
langt eine extreme Ausrichtung des Unternehmens an den Bedürfnissen des Kun-
den. Ein Unternehmen kann sich gegenüber Wettbewerbern vor allem durch
differenzierte, auf Marktsegmente zugeschnittene Problemlösungsangebote abhe-
ben. Diese Problemlösungsangebote verlangen neben Produktinnovationen auch
zunehmend Prozessinnovationen.
Dem Risiko (der Unsicherheit) unternehmerischer Entscheidungen wird künftig
größere Beachtung geschenkt werden müssen. Denn die Schere zwischen den An-
forderungen an die Risikobereitschaft der Unternehmen und deren Fähigkeit, Risi-
ko zu tragen, öffnet sich. Dies ist vor allem eine Folge der steigenden Komplexität
und Dynamik der Märkte, die mit schlechteren Prognosemöglichkeiten für unter-
nehmerische Entscheidungen verbunden ist und der sinkenden Ertragskraft der
Unternehmen. Sie verlangt, dass den finanziellen Auswirkungen unternehmeri-
Managementkonsequenzen
Der erste Schwerpunkt ergibt sich aus der sinkenden Ertragskraft der Unterneh-
men. Sie macht es erforderlich, dass unter den Unternehmenszielen dem Rentabili-
tätsziel besonderes Gewicht beigemessen wird.2 Das in den 70er Jahren vor allem
in Großunternehmen vorherrschende Umsatzdenken ist dem Rentabilitätsdenken
gewichen. Im Mittelpunkt steht die Qualität und nicht mehr die Quantität der
Märkte.3 Potentielle Umsatzsteigerungen werden daraufhin überprüft, ob die durch
sie verursachten Kostensteigerungen nicht eher Probleme schaffen als Probleme
lösen. Marketingorientiertes Management muss ergänzt werden durch produkti-
onsfaktor- oder ressourcenorientiertes Management. 4 Denn der Gewinn wird je
nach Wachstum eines Marktes mehr von der Umsatzseite oder von der Kostensei-
te positiv beeinflusst werden können.
Die Produktionsfaktororientierung im Management verlangt, bei der Kombina-
tion der Produktionsfaktoren allen Produktionsfaktoren die gleiche Aufmerksam-
keit zu schenken und ihre jeweilige Kostenentwicklung ständig zu verfolgen. Ver-
nachlässigt wurden diesbezüglich in der Vergangenheit die Produktionsfaktoren
Information und Material. Während die Information neben den klassischen Pro-
duktionsfaktoren Arbeit, Betriebsmittel und Material zum größten Teil überhaupt
nicht als solcher gesehen wurde, stand beim Produktionsfaktor Material einseitig
der Kosteneinflussfaktor Preis im Vordergrund. Der in den Lagerbeständen zum
Ausdruck kommende Kosteneinflussfaktor Menge wurde hingegen vernachlässigt.
Die Produktionsfaktororientierung hat deshalb (insbesondere) ein neues Informa-
tionsmanagement und ein neues Bestandsmanagement zur Folge.5 Gegenstand des
Informationsmanagements ist der wirtschaftliche Einsatz des Produktionsfaktors
Information, was bei einer entsprechenden Informationskostenentwicklung auch
die Substitution anderer Produktionsfaktoren durch die Information beinhaltet.
Gegenstand des Bestandsmanagements ist eine integrierte Betrachtung aller im
Unternehmen vorhandenen Lagerbestände mit dem Ziel, die Kapitalbindung zu
senken und so die Rentabilität durch eine größere Kapitalumschlagshäufigkeit zu
erhöhen. Grundlegend für das Bestandsmanagement ist die Überlegung, dass die
Kapitalbindung im Umlaufvermögen ebenso eine Investition darstellt wie die Ka-
pitalbindung im Anlagevermögen.
2 Nach außen erkennbar wird dieser Wandel durch eine zunehmende und von den meisten Un-
ternehmen auch nach außen kommunizierte Konzentration auf den Shareholder Value. Die-
ser soll durch die Steigerung des Cash Flow erhöht werden. Zum Einfluss der Logistik auf
den Return on Investment vgl. Pfohl, 2016, S. 55ff.
3 Vgl. LaLonde, 1979, S. 16ff.
4 Vgl. Bender, 1983, S. 27f.
5 Vgl. LaLonde, 1979, S. 16ff.
3.1 Betriebswirtschaftliche Entwicklungstendenzen 53
Der zweite Managementschwerpunkt ergibt sich aus der Dynamik der Märkte
und den damit verbundenen kürzeren Reaktionszeiten für unternehmerische Ent-
scheidungen. Sie verlangt zunächst einen Ausbau der Planungs- und Kontrollsys-
teme des Unternehmens. Nur damit können die in der Umwelt des Unternehmens
entstehenden Gefahren und Chancen rechtzeitig erkannt werden. Zur langfristigen
Eingrenzung des Risikos bietet sich das Instrumentarium des Controllings an.
Durch hoch entwickelte Planungs- und Kontrollsysteme lässt sich jedoch die
Unsicherheit unternehmerischer Entscheidungen nicht vollständig beseitigen.
Deshalb kommt der Flexibilität des Unternehmens wachsende Bedeutung zu, auf-
grund der es kurzfristig auf Veränderungen der Umwelt reagieren kann. Zur Um-
setzung der Flexibilitätsforderung können in Unternehmen flexible Organisations-
strukturen eingeführt oder Produktions- und Logistiksysteme flexibel ausgerichtet
werden. Flexibilität der Organisationsstruktur wird beispielsweise durch Entbüro-
kratisierung erreicht. Flexible Organisationsstrukturen ermöglichen Entschei-
dungsprozesse, mit denen das Unternehmen auf nicht vorhergesehene Situationen
reagieren kann. Flexibilität in Produktion und Logistik erreicht man dadurch, dass
die Produktions- und Logistikentscheidungen näher an den Zeitpunkt der Kaufent-
scheidungen am Absatzmarkt herangerückt werden. 6 Dies bedeutet einen Auf-
schub der Fertigung, bis Klarheit über die vom Käufer gewünschten Produkte be-
steht und setzt die Konstruktion der Produkte nach dem Baukastenprinzip,
kleinere Fertigungslose, geringere Umrüstkosten sowie universeller einsetzbare
Betriebsmittel und Mitarbeiter voraus. Außerdem bedeutet es einen Aufschub der
Lagerhaltung, bis sich die auftretende Nachfrage in den Absatzmärkten klar ab-
zeichnet und setzt zentrale Lagerhaltung – verbunden mit einer schnellen und zu-
verlässigen Auslieferung – voraus.
Erhöht wird die Flexibilität häufig noch durch eine Spezialisierung der Unter-
nehmen. Dies erfolgt teilweise innerhalb der Unternehmen, indem bestimmte Mo-
dule für die jeweiligen Aufgaben geschaffen werden, 7 teilweise durch eine unter-
nehmensübergreifende Arbeitsteilung. Statt möglichst umfangreiche Teile der
logistischen Kette und der Produktionsprozesse zu übernehmen, werden nur noch
bestimmte Aufgaben wahrgenommen. Andere Aufgaben werden an andere Unter-
nehmen übergeben, die auf die jeweiligen Gebiete spezialisiert sind. Durch diese
Spezialisierung können sich die Unternehmen auf ihre Aufgaben konzentrieren
und flexibler auf die an sie gestellten Aufgaben reagieren. Hierdurch entstehen
flexible Logistikketten (auch als Supply Chains bezeichnet) und Netzwerke, die
gemeinsam Leistungen erbringen.8
Die aus den betriebswirtschaftlichen Entwicklungstendenzen aufgezeigten bei-
den neuen Schwerpunkte im Management zeigen die grundsätzliche Bedeutung
der Logistik für das Unternehmen. Denn die Logistikkonzeption kann sowohl ei-
6 Dieses Konzept wird als Postponement bezeichnet, vgl. dazu Bowersox/Closs, 1996, S.
471f.; Pfohl/Pfohl, 2000, S. 40ff; Pfohl, 2016, S. 110ff.
7 Vgl. Picot u.a., 2003, S. 230ff.
8 Siehe Teil IV Abschn. 17.3.
54 3 Bedeutung der Logistik
3.2 Kostendruck
Ausgangssituation
Die genaue Höhe der Logistikkosten in einem Unternehmen ist nur sehr schwer zu
ermitteln. Dies liegt zum einen daran, dass die Definition von Logistikkosten un-
ternehmens-, branchen- und länderspezifisch variiert und dass zur Bestimmung
der Kosten häufig unterschiedliche Kostenrechnungssysteme zur Anwendung
kommen.10 In einer 2009 veröffentlichten Studie, die Unternehmen aus verschie-
denen Branchen in Europa verglich, wurden Logistikkosten von 3,5-8,7% Anteil
vom Umsatz ermittelt (vgl. Abb. 3.1). Abb. 3.2 zeigt die Bedeutung der Logistik-
kosten durch eine Abschätzung ihres Anteils am Bruttosozialprodukt verschiede-
ner Länder. Hinsichtlich der Vergleichbarkeit müssen allerdings die geographi-
schen Gegebenheiten sowie die vorhandene Infrastruktur berücksichtigt werden.
Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass die anteiligen Logistikkosten
über lange Jahre zurückgegangen sind, in den letzten Jahren jedoch wieder anstei-
gen, wobei sie jedoch unterschiedlich hoch eingeschätzt werden.11
Obwohl mittlerweile neue Kostenrechnungsmethoden entwickelt wurden, 12 mit
denen die Kosten genauer als in der Vergangenheit den Kostenverursachern zu-
gewiesen werden können, stellt sich die Logistikkostenrechnung in vielen Unter-
nehmen als Schwierigkeit dar.13 Die Höhe der Logistikkosten wird deswegen häu-
9 Zu dieser über den Zeitraum von 1981 bis 1990 durchgeführten Untersuchung vgl.
Graumann, 1993.
10 Zu den Problemen bei der Bestimmung der Logistikkosten vgl. Pfohl, 1996 und die dort auf-
geführte Literatur.
11 Vgl. Straube/Pfohl, 2008, S. 47; European Logistics Association/A. T. Kearney, 2009a, S. 13
und 2009b, S. 12. In den USA war der niedrigste Wert für den Anteil der Logistikkosten am
Bruttosozialprodukt 7,37% im Jahr 2009. Danach stiegen sie wieder an auf ca. 7,9% in den
Jahren 2011 bis 2015. Zum ersten Mal fielen sie 2016 auf 7,5%. Vgl. Solomon/Gooley,
2017.
12 Vgl. Weber, 2002; Pfohl, 2016, S. 214ff.
13 Vgl. Straube/Pfohl, 2008, S. 48.
3.2 Kostendruck 55
8,7%
8,4%
0,2%
1,3%
7,1%
2,1%
Summe 6,0% 1,4%
1,3%
Verwaltung 0,5%
1,2%
1,2%
Lagerhaltung 1,0% 2,2%
3,5%
1,1%
Lagerhaus 1,5%
0,4%
0,3%
4,8%
1,2%
3,9%
Transport 3,5%
3,0%
1,6%
Abb. 3.1 Aufteilung der Logistikkosten verschiedener logistischer Teilfunktionen und Bran-
chen in Prozent vom Umsatz. Ergebnisse einer 2008/2009 in 18 europäischen Län-
dern durchgeführten Studie (Quelle: European Logistics Association /A. T.
Kearney, 2009a, S. 14 und 2009b S. 13)
fig unterschätzt, weil nicht alle durch den Ablauf logistischer Prozesse verursach-
ten Kosten als Logistikkosten erkannt werden. Sie bleiben dann entweder in Ge-
meinkostenzuschlägen, z. B. in Beschaffungs-, Produktions- und Absatzkosten,
verborgen oder es wird nicht das gesamte betriebliche Logistiksystem gesehen,
sondern nur ein logistisches Teilsystem. Dabei stand sehr lange allein die Distribu-
tionslogistik im Vordergrund. Später gewannen auch die Beschaffungslogistik und
die Produktionslogistik die ihnen gebührende Aufmerksamkeit. Die mehr oder
weniger vollständig erfassten Logistikkosten werden den logistischen Leistungen
(dem Service) zudem nicht verursachungsgerecht zugerechnet, so dass der eigent-
liche Preis dieser Leistungen nicht bekannt ist, was zu überzogenen Serviceanfor-
derungen seitens der Produktion und des Marketings im Unternehmen führt.
Doch nicht nur Entscheidungen über logistische Leistungen werden oft ohne
fundierte Kenntnisse der durch sie verursachten Logistikkosten getroffen. Be-
schaffungs-, Produktions- und Absatzentscheidungen haben ebenfalls nicht be-
rücksichtigte Auswirkungen auf die Logistikkosten. Beispielhaft werden solche
Auswirkungen noch im Teil III aufgezeigt.
56 3 Bedeutung der Logistik
* in Mrd. Euro
Abb. 3.2 Vergleich der nationalen Logistikkosten und des Bruttosozialproduktes ausgewähl-
ter Länder. Stand 2007 für Europa und Stand 2008 für die USA. 14 (Quelle:
Klaus/Kille, 2008, S. 153ff; Wilson, 2009, S. 2ff.)
Zukünftiger Trend
Der Anteil der Logistikkosten am Bruttosozialprodukt und die teilweise erhebli-
chen Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern (vgl. Abb. 3.2) zeigen,
dass das Gesamtvolumen der Logistikausgaben erheblich ist. Studien aus dem Jahr
2008 zeigen, dass die Logistikkosten primär von steigenden Energie-, Treibstoff-
und Transportpreisen sowie von hohen Personalaufwendungen hoch getrieben
werden.15 Noch zu berücksichtigen ist, dass bestimmte Logistikkosten in Folge der
zunehmenden Tendenzen zu Globalisierung, Umwelt- und Ressourcenschutz, Si-
cherheitsanforderungen weiter steigen werden (vgl. Abb. 3.3).
Summe 12,1%
Verwaltung 1,3%
Lagerhaltung
2,5%
8,5%
7,7%
1,2% 7,3%
2,4% 0,8%
Lagerhaus 6,4% 0,8%
1,7% 6,1%
1,3%
1,0% 0,8% 1,2%
Abb. 3.3 Anteil der Logistikkosten in Prozent vom Jahresumsatz. Ergebnisse einer 2008/2009
in 18 europäischen Ländern durchgeführten Studie (Quelle: European Logistics
Association /A. T. Kearney, 2009a, S. 13 und 2009b S. 13)
raussetzung. Sie sind die Eintrittskarte dafür, dass man überhaupt in einem Wett-
bewerb eine Rolle spielen kann.
Die Einsparpotentiale im Bereich der Logistikkosten werden recht unterschied-
lich bewertet. Logistikmanager sehen noch Kostensenkungspotential bei den Be-
standskosten. Einsparpotentiale bei den Transportkosten könnten sich noch durch
eine bessere Auslastung der vorhandenen Transportkapazitäten ergeben, zum Bei-
spiel durch mehr Kooperation sowohl seitens der Anbieter als auch seitens der
Nachfrager auf dem Transportmarkt. Einsparpotentiale liegen weiterhin im ver-
stärkten Einsatz des Produktionsfaktors Information, der höhere Kosten verursa-
chende andere Produktionsfaktoren, z. B. Materialbestände oder Lagerhäuser, sub-
stituiert. Dies gilt vor allem für die bessere Unterstützung logistischer Planungs-
und Steuerungsprozesse. Noch zu erschließende Potentiale liegen aber auch in der
umfassenderen, unternehmensübergreifenden Optimierung der interorganisatori-
schen Logistikketten.17
3.3 Marktdruck
Ausgangssituation
Der Wettbewerb wird auf Käufermärkten mit allen Instrumenten der Marketingpo-
litik ausgetragen. Wie empirische Untersuchungen bereits in den 80er und 90er
Jahren18 übereinstimmend zeigen, kommt hierbei auf vielen Absatzmärkten von
Industrie- und Handelsunternehmen dem Lieferservice eine große Bedeutung zu.
Er ist mit der Produktqualität vielfach der gewichtigste Einflussfaktor der Ein-
kaufsentscheidung (Lieferantenwahl). 19 Bewertungskriterien für Lieferantenaus-
wahl umfassen nicht nur den zu beschaffenden Gegenstand, sonder auch die ge-
samte Leistungsfähigkeit des Lieferanten und auch die Logistikleistungen sind ein
wichtiger Bestandteil der Kriterien (vgl. Abb. 3.4). Einerseits folgt dies aus einem
Kaufverhalten, das sich durch das Bestreben nach einer Verschiebung der Lager-
haltung auf den Lieferanten auszeichnet. Damit verbunden sind kleinere Auftrags-
größen und kürzere Bestellintervalle sowie die Forderung nach speziellen Anlie-
ferbedingungen. Andererseits ist es eine Folge der auf vielen Märkten
anzutreffenden Substituierbarkeit der Sachleistungen. Wettbewerbsvorteile lassen
sich dann nur noch aufgrund einer Heterogenisierung des Angebots durch Dienst-
leistungen, z. B. logistische Dienstleistungen, erringen. Diese Möglichkeit wird
sowohl von Anbietern genutzt, um sich von Wettbewerbern zu differenzieren,
wird aber mittlerweile auch verstärkt von Kunden nachgefragt. Auf solchen Märk-
• Rechtsform
• Image
• Kapitalbasis
Kriterien zur
Beurteilung der • Stellung auf dem Markt
wirtschaftlichen • Qualität des Management
Lage des • Qualität der Mitarbeiter
Lieferanten
• Kostenstruktur
• Ertragslage
• Organisation
• Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten
• Entfernung zum Abnehmer
• Anlieferungsmöglichkeiten
• Möglichkeiten zur Just-in-Time-Anbindung
Kriterien zur • Flexibilität im Hinblick auf später mögliche Änderungen
Beurteilung der • Service
grundsätzlichen
Eignung als • Garantie/ Kulanz
Zulieferer • Recyclingmöglichkeiten
• Abstimmung bzw. Integration der IT-Systeme
• Möglichkeit von gemeinsamen Investitionen
• Möglichkeit der gemeinsamen Produktionsplanung und -steuerung
• Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten
• Qualität
Kriterien zur
Beurteilung des • Preis
Lieferanten im • Lieferbedingungen
Hinblick auf das • Zahlungsbedingungen
Beschaffungsobjekt
• Liefertermine
ten ist die Notwendigkeit jederzeitiger Verfügbarkeit der Ware (z. B. Präsenz der
Ware im Regal des Handels) offensichtlich. Diese Entwicklung wird auch an der
Verschiebung der Auswahlkriterien für die Fremdvergabe logistischer Leistungen
deutlich (vgl. Abb. 3.5). Faktoren wie Kosten und Zuverlässigkeit verlieren relativ
an Bedeutung, weil sie als notwendige Voraussetzung betrachtet werden. Im Ge-
gensatz dazu gewinnen die Faktoren Innovationsfähigkeit und Flexibili-
tät/Kundenorientierung als Differenzierungsmerkmale an Bedeutung.
Aus der Bedeutung des Lieferservices in Industrie und Handel folgt die Bedeu-
tung der Logistikunternehmen als Absatzhelfer von Industrie- und Handelsunter-
nehmen. Auf diese Absatzhelfer sind viele Industrie- und Handelsunternehmen
angewiesen, weil sie selbst die erforderlichen logistischen Dienstleistungen gar
nicht oder nur unter großen Mühen erbringen können. Die Gründe hierfür liegen
60 3 Bedeutung der Logistik
32%
Preis/
Kosten 28%
en
st
Ko
s/
ei
Pr 30%
Zuverlässigkeit/
Liefertreue 29%
ue
tre
er
ef
Li
it/
ke
Innovationsfähigkeit 9%
ig
ss
rl ä
11%
ng
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ru
Zu
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de
Flexibilität/ 16%
un
t/K
Kundenorientierung 18%
tä
t
ei
i li
gk
ib
hi
ex
fä
Fl
ns
ti o
2007
va
Entwicklungstendenz
no
2012
In
Abb. 3.5 Vier ausgewählte Kriterien für die Fremdvergabe von Leistungen der Verlader an
Logistikdienstleister (Quelle: European Logistics Association/Arthur D. Little,
2007, S. 12)
Zukünftiger Trend
Die eher noch zunehmende Substituierbarkeit der Produkte und die zunehmende
Verbreitung des Wissens über die aus der Logistikkonzeption resultierenden Vor-
teile sowohl bei den Kunden als auch bei den Konkurrenten werden auf vielen
Märkten die Bedeutung des Lieferservice als Instrument zur Behauptung im Wett-
bewerb noch weiter steigern. Der mit einem Anheben des Lieferserviceniveaus im
Allgemeinen verbundene überproportionale Anstieg der Logistikkosten zwingt al-
20 Vgl. Large u.a., 2000, S. 41ff.; European Logistics Association/Authur D. Little, 2007, S. 12.
3.3 Marktdruck 61
1 2 3 4 5
Beurteilungskriterien
Zuverlässigkeit beim Einhalten der Laufzeit
Preis
Servicequalität (Zustellfehler, Beschädigungen)
Verhalten bei Nachforschungen
Sendungsverfolgungssystem
Sendungslaufzeit 24 Stunden
Zustand der Transportmittel
Beratungskompetenz der Mitarbeiter
EDV-Anbindung
internationale Ausrichtung
Technologische Fortschrittlichkeit der Transportmittel
Einbindung in Netzwerke mit anderen Speditionen
ergänzende logistische Leistungen
fester Kundenbetreuer
mobiler Stauraum
regionale Marktstärke
Image
Abb. 3.6 Bedeutung von Beurteilungskriterien bei der Auswahl von Speditions- bzw. Trans-
portunternehmen für die Transportdurchführung im Beschaffungsbereich (1 = keine
Bedeutung, 5 = sehr große Bedeutung). Ergebnisse einer 1997 bei 533 Unterneh-
men in Deutschland durchgeführten Befragung (Quelle: Pfohl/Schäfer, 1998, S. 86)
21 Vgl. Pfohl, 1998, S. 31ff. Untersuchungen haben gezeigt, dass Unternehmen, die kundenin-
dividuelle ergänzende Serviceleistungen anbieten, überdurchschnittlich erfolgreich sind, vgl.
ebenda, S. 29f.; Straube u. a., 2005, S. 20f.; Doch, 2009, S. 1f.
62 3 Bedeutung der Logistik
Dies steht im Zusammenhang mit dem technischen Fortschritt als dritte Ent-
wicklung auf den Verkehrsmärkten. Der technische Fortschritt innerhalb beste-
hender Transportsysteme bei den Fahrwegen (z. B. Schienenwege für schnellere
Züge), bei den Fahrzeugen (z. B. neue Antriebsformen) und bei den Stationen
(z. B. neue Umschlagstechnologien) oder bei Warenflusssteuerung (z. B. RFID-
Technologie28) bildet die Grundlage einer Industrialisierung der Produktion von
Verkehrsleistungen. Sie äußert sich in einer verstärkten Mechanisierung und Au-
tomatisierung, in der Herstellung der Massenhaftigkeit der Produktion und in einer
größeren Kapitalintensität.
Logistikkosten/
Transport- und Früher
Kommunikations-
kosten
Heute
Marktentfernung
Abb. 3.7 Tendenzieller Verlauf der Logistikkosten – insbesondere der Transport- und Kom-
munikationskosten – je Gütereinheit in Abhängigkeit von der Marktentfernung
Logistik- Logistik-
kosten kosten Gesamtkosten
Gesamtkosten
Transportkosten Lagerkosten
Lagerkosten
Transportkosten
Logistik-
kosten
Gesamtkosten
Transportkosten
Lagerkosten
Gefährlichkeit
Abb. 3.8 Tendenzieller Verlauf der Logistikkosten in Abhängigkeit von der Produktart (Quel-
le: Vgl. Ballou, 2004, S. 72ff.; Heskett u.a., 1973, S. 45ff.)
30 Vgl. Pfohl, 1972, S. 82f. Zur Diskussion der Branchenabhängigkeit der Logistik vgl. Schu-
macher, 1988, S. 96ff.; Kummer, 1992, S. 40f.
31 Vgl. Hallbauer/Knödel, 1977, S. 16ff.
3.4 Stellenwert im Unternehmen 67
Eine Analyse der Logistikkosten und des Services zeigt beispielsweise, dass die
Logistik für Verbrauchsgüter des täglichen Bedarfs eine große Bedeutung haben
muss. Das sind Güter, die relativ billig sind und die ohne lange Qualitäts- und
Preisvergleiche gekauft werden, da wesentliche Unterschiede bei den konkurrie-
renden Produkten nicht bestehen. Dies trifft etwa auf weite Bereiche der Nah-
rungsmittelindustrie zu. So ist es nicht verwunderlich, dass gerade Unternehmen
der Nahrungsmittelindustrie zu den Pionieren im Bereich der Logistik gezählt
werden müssen.
Bei vielen Erzeugnissen der chemischen Industrie liegt der Anteil der Logistik-
kosten am Umsatz ebenfalls sehr hoch und es bestehen kaum Preis- und Qualitäts-
unterschiede zwischen den konkurrierenden Produkten, so dass die Logistik auch
bei diesen Gütern von großer Bedeutung ist. Natürlich kann die Bedeutung der
Logistik für eine Branche auch dann groß sein, wenn der Anteil der Logistikkos-
ten relativ niedrig, der Service aber sehr wichtig ist. Dies dürfte für Büromaschi-
nen und Haushaltsgeräte einschließlich des damit verbundenen Ersatzteilgeschäf-
tes zutreffen. In Abb. 3.9 wird der Versuch unternommen, verschiedene Branchen
in einer Matrix entsprechend der Bedeutung der Logistik als Instrument der Ratio-
nalisierung und des Lieferservice als Instrument der Marketingpolitik zur Diffe-
renzierung zu positionieren.
Zur Gewährleistung ihres Stellenwertes im Unternehmen ist die Logistik in
zweierlei Weise zu implementieren, zum einen als Querschnittsfunktion und zum
anderen als Unternehmensprinzip.
hoch
Handel/
Konsumgüter
Chemische
Industrie
Maschinenbau/
Geräte
Differenzierung
Papierindustrie
niedrig hoch
Rationalisierung
Abb. 3.9 Bedeutung der Logistik als Instrument der Rationalisierung und des Lieferservice
als Instrument zur Differenzierung für einzelne Branchen (Quelle: in Anlehnung
an Kowalski, 1992, S. 130)
Teilweise wird sogar die Meinung vertreten, die Logistik mit ihrem traditionel-
len Merkmal der Prozessorientierung biete das Potential zu einer logistikorientier-
ten Organisations- oder Managementtheorie 36 oder lasse sich als eine spezielle
Ausprägung einer (Meta-)Führungslehre37 verstehen, in der alle prozessbezogenen
Ansätze der Unternehmensführung zu integrieren seien. Sicherlich braucht man
nicht so weit zu gehen, um der Bedeutung der Logistik gerecht zu werden! Sie hat
jedoch einen großen Einfluss auf wichtige Teilbereiche der Betriebswirtschaftsleh-
re, auf den abschließend in diesem Grundlagenkapitel eingegangen werden soll:38
In der Verkehrsbetriebslehre als einer speziellen Betriebswirtschaftslehre ge-
mäß der institutionellen Gliederung der Betriebswirtschaftslehre hat die Logistik-
konzeption zu einer Erweiterung des Erfahrungs- und Erkenntnisobjektes geführt.
Erfahrungsobjekte sind heute alle Unternehmen, die logistische Dienstleistungen
auf dem Markt anbieten. Zu ihrer Bezeichnung haben sich die Begriffe Logistik-
unternehmen oder logistische Dienstleister durchgesetzt. Bei der Gewinnung von
neuen Erkenntnissen ist die Verkehrsbetriebslehre dabei verstärkt auf die For-
schungsergebnisse technischer Nachbarwissenschaften und der Informatik ange-
wiesen, wobei der Blick für die komplexen Schnittstellen zu den Logistiksystemen
der Industrie und des Handels geöffnet wird. Diese Entwicklung kommt auch da-
rin zum Ausdruck, dass einer der Träger der Logistikidee die Gesellschaft für
Verkehrsbetriebswirtschaft und Logistik e. V. (GVB) ist.
In der Materialwirtschaft als einer betriebswirtschaftlichen Teildisziplin gemäß
der funktionellen Gliederung der Betriebswirtschaftslehre hat die Logistikkonzep-
tion zu einer deutlichen Profilierung der zwei unterschiedlichen materialwirt-
schaftlichen Teilfunktionen Einkauf und Materiallogistik geführt, die beide zur Er-
füllung des materialwirtschaftlichen Ziels der Versorgung des Unternehmens mit
Material i. w. S. beitragen. Charakteristisch für den Einkauf ist die Marketingori-
entierung zur aktiven Beschaffungsmarktforschung und Beschaffungsmarktbeein-
flussung in Hinblick auf eine Sicherung der Lieferkapazität. Charakteristisch für
die Materiallogistik ist die Logistikorientierung bei der Gestaltung der Lieferkette
(Supply Chain) vom Lieferanten zur Produktion (Verbindung der Lieferkapazitä-
ten mit den Produktionskapazitäten) beim Industrieunternehmen oder zu den Ver-
kaufsstellen (Absatzkapazitäten) beim Handelsunternehmen. Bei der Entwicklung
von Einkaufsstrategien und der Lieferantenauswahl finden zunehmend logistische
Beurteilungskriterien Beachtung. Auch im Bereich der Materialwirtschaft gibt es
als einen Träger der Logistikidee eine Gesellschaft, nämlich den Bundesverband
für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME).
In der Produktionswirtschaft als einer betriebswirtschaftlichen Teildisziplin
gemäß der funktionellen Gliederung der Betriebswirtschaftslehre hat die Logistik-
konzeption zu einer neuen Gewichtung der bei der Produktionssteuerung verfolg-
ten Ziele und damit zu neuen Handhabungen des als Dilemma der Produktions-
Literatur
A T Kearney (1993) Logistics Excellence in Europe. A Study Report Prepared by A T Kearney
on Behalf of the European Logistics Association (ELA). o. O. 1993
Aberle G (2009) Transportwirtschaft. Einzelwirtschaftliche und gesamtwirtschaftliche Grundla-
gen. 5., überarb. und ergänzte Aufl. München
Ballou R H (2004) Business Logistics / Supply Chain Management. Planning, Organizing, and
Controlling the Supply Chain. 5. Aufl. Upper Saddle River N J
Baumgarten H, Wolff S (1999) The Next Wave of Logistics - Global Supply Chain efficiency.
Berlin/Boston
Bender P S (1983) Resource Management. An Alternative View of the Management Process.
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Bowersox D J, Closs D J (1996) Logistical Management. Überarb. Ausg. der 3. Aufl. New York
u.a. 1996
Bowersox D J, Closs D J, Stank Th (1999) 21st Century Logistics: Making Supply Chain Inte-
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Bundesamt für Güterverkehr (2006a) Marktbeobachtung Güterverkehr: Sonderbericht: Einein-
halb Jahre streckenbezogene Lkw-Maut – Auswirkungen auf das deutsche Güterverkehrsge-
werbe. Köln
Bundesamt für Güterverkehr (2006b) Marktbeobachtung Güterverkehr: Sonderbericht: Zwei Jah-
re EU-Osterweiterung – Auswirkungen auf das deutsche Güterverkehrsgewerbe. Köln
Literatur 71
Jedes System lässt sich in ein übergeordnetes System einordnen sowie in eine An-
zahl von Subsystemen aufgliedern. Eine Aufgliederung des Gesamtsystems der
Logistik in Subsysteme ermöglicht eine Konkretisierung der für die Logistik cha-
rakteristischen Entscheidungsprobleme. Das Gesamtsystem der Logistik wird
hierzu entsprechend der in Teil I vorgenommenen funktionellen Abgrenzung in
die Folgenden verrichtungsspezifischen Subsysteme zerlegt:
x Auftragsabwicklung,
x Lagerhaltung,
74 3 Bedeutung der Logistik
x Lagerhaus,
x Verpackung,
x Transport.
Im Rahmen dieses Buches ist es nicht möglich, die verrichtungsspezifischen
Subsysteme der Logistik in ihrer gesamten Breite und Tiefe darzustellen, sondern
es ist eine Beschränkung auf grundlegende Aspekte notwendig. Hierzu wird je-
weils jedes verrichtungsspezifische Subsystem definiert und seine Funktionen im
Gesamtsystem der Logistik werden erörtert. Danach folgt eine Charakterisierung
der im verrichtungsspezifischen Subsystem wahrzunehmenden Aufgaben.
Schließlich wird noch auf spezifische Entscheidungstatbestände eingegangen, die
für das jeweils behandelte verrichtungsspezifische Subsystem als besonders ty-
pisch anzusehen sind.
Es erfolgt eine Beschränkung auf die Logistiksysteme in Industrie- und Han-
delsunternehmen.1 In der Handelsliteratur wird das Logistiksystem auch als Teil
der Warenwirtschaft des Handelsunternehmens diskutiert. 2 Unter Warenwirtschaft
ist die physische, administrative und dispositive Behandlung von Handelsware zu
verstehen. Sie lässt sich in die funktionalen Subsysteme Warenwirtschaftssystem
und Warenprozesssystem zerlegen. Das Warenwirtschaftssystem umfasst alle wa-
renbezogenen Informationsprozesse und wird im Abschnitt über die Auftragsab-
wicklung gesondert dargestellt. Das Warenprozesssystem umfasst alle warenbezo-
genen physischen Prozesse. Dazu gehören die im Folgenden zu behandelnden
logistischen Teilprozesse des Warenflusses als auch die Veränderung der Ware
durch handelsübliche Manipulation.
Die Logistikunternehmen werden in Teil IV gesondert behandelt. Die Logistik
in den anderen Dienstleistungsunternehmen wird nicht an besonderer Stelle darge-
stellt, da die Logistikproblematik vergleichsweise gering ist, wenn lediglich Be-
triebsstoffe als logistische Objekte betrachtet und die anstehenden Logistikprob-
leme von ihrer Art denen in Industrie- und Handelsunternehmen ähneln. Die
Übertragung der Logistikkonzeption auf spezifische Dienstleistungen, die etwa
von einer Bank am Markt angeboten werden, kann im Rahmen dieses Buches
nicht geleistet werden.
Definition
Der Auftrag ist die Grundlage des Informationsflusses im Logistiksystem. Abb.
4.1 zeigt, welche Informationen einem vollständig ausgefüllten Auftragsformular
auf jeden Fall zu entnehmen sein sollten. Die Vollständigkeit und Richtigkeit der
Informationen sind deshalb so wichtig, weil sie der Input für das Logistiksystem
sind. Fehler bei diesen Informationen können durch Kontrollen im System im All-
gemeinen nicht mehr aufgedeckt werden, sondern machen sich erst bemerkbar,
wenn die Güter beim Empfangspunkt eintreffen. Außerdem ist der Auftrag eine
wichtige Informationsquelle für andere Unternehmensbereiche.
Als externer Auftrag (Kundenauftrag) ist er ein wichtiges Bindeglied für die
Distributionslogistik des Lieferanten und die Beschaffungslogistik des Kunden.
Als interner Auftrag ist er das Bindeglied zwischen intraorganisatorischen Lo-
gistiksystemen, wie z. B. zwischen Produktionslogistik und Beschaffungslogistik
oder Zentrallager und Außenlager. Die Auftragsabwicklung wird im Folgenden
am Beispiel des externen Auftrags definiert. Diese Definitionen lassen sich jedoch
analog auf interne Aufträge mit unterschiedlichen Empfangs- und Lieferpunkten
übertragen. Bei der Definition der Auftragsabwicklung können zwei Sichtweisen –
eine aus dem Bereich der Distributionslogistik und eine aus dem Bereich der Pro-
duktionslogistik – unterschieden werden.
Definitionen aus dem Bereich der Distributionslogistik betonen die funktionel-
le Dimension der Auftragsabwicklung. Entsprechend lässt sich die Auftragsab-
wicklung als die Übermittlung und „datenmäßige Bearbeitung und Kontrolle der
Aufträge vom Zeitpunkt der Auftragsaufgabe beim Kunden bis zur Ankunft der
Sendungsdokumente und Rechnungen beim Kunden“1 definieren. Im Mittelpunkt
der Auftragsabwicklung steht somit der Formularfluss zur Erledigung eines Auf-
trages. Sie bildet neben der Kommissionierung, der Verpackung und dem Trans-
port einen Teil des Auftragszyklusses.2 Unterschiede zwischen den verschiedenen
Definitionen dieser Sichtweise beruhen im Wesentlichen auf der Einbeziehung
von Materialflussaufgaben sowie dem Grad der Einbeziehung des finanzwirt-
schaftlichen Stroms (z. B. Debitorenkontokorrent).
1 Klee/Türks, 1970, S. 69. Vgl. auch Türks, 1972, S. 67f.; Specht/Fritz, 2005, S. 159 f.
2 Vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 146ff.
Auftragsformular
Auftragsnummer, Auftragsdatum
Verkaufsbedingungen, Rabatte
Transportmittel, zu berechnender
Versandkostenanteil
Versandanschrift, Liefertermin
Funktionen
Die Auftragsabwicklung hat drei Funktionen: Die Gewährleistung eines dem Gü-
terfluss vorauseilenden Informationsflusses, die Gewährleistung eines den Güter-
fluss begleitenden Informationsflusses und die Gewährleistung eines den Güter-
fluss nacheilenden Informationsflusses. Aufgrund dieser drei Informationsflüsse
ist es möglich, den Güterfluss zu planen, zu steuern und zu kontrollieren. Der Gü-
terfluss bzw. die Güter werden dadurch logistisch determiniert.
Der dem Güterfluss vorauseilende Informationsfluss soll alle in den Güterfluss
eingeschalteten Stellen rechtzeitig über die eintreffenden Güter informieren. Sie
erhalten auf diese Weise den notwendigen Planungs- und Dispositionsspielraum,
der für eine unter Kosten- und Servicegesichtspunkten optimale Realisierung des
Güterflusses Voraussetzung ist. Beispielsweise können unnötige Wartezeiten von
anliefernden Lastkraftwagen an der Entladerampe vermieden werden.
Der den Güterfluss begleitende Informationsfluss soll alle in den Güterfluss
eingeschalteten Stellen mit den Informationen versorgen, die für die operative
Ausführung von Transport-, Umschlags- und Lagertätigkeiten vor Ort notwendig
sind. Hierzu gehört etwa die richtige Handhabung gefährlicher Güter. Außerdem
soll durch den den Güterfluss begleitenden Informationsfluss eine Verfolgung des
Güterflusses durch das logistische Netzwerk ermöglicht werden. Der Güterfluss ist
so lange zu kontrollieren, bis die Güter beim Empfangspunkt eingetroffen sind.
Nur wenn man bei jedem Auftrag darüber informiert ist, in welcher Phase der Ab-
fertigung er sich befindet, kann gegebenenfalls die Abfertigung beschleunigt oder
aber auch verzögert werden. Erst aufgrund dieser Information kann sichergestellt
werden, dass die Güter zum gewünschten Zeitpunkt beim Empfangspunkt eintref-
fen.
Der dem Güterfluss nacheilende Informationsfluss besteht aus Informationen,
die erst nach der Realisierung des Güterflusses fließen können. Dies kann bei-
spielsweise bei einer entsprechenden Organisationsform der Fakturierung die
Rechnung sein. Es ist aber auch ein Informationsfluss entgegengesetzt dem Güter-
fluss möglich. Dazu gehören Informationen, die, von den begleitenden Informati-
onen ausgehend, der Rückmeldung über den Stand der Abfertigung eines Auftrags
dienen. Ein Beispiel hierfür ist die Information zurück an den Lieferpunkt, zu wel-
chen Zeitpunkten bestimmte kritische Stationen in der Transportkette, etwa
Grenzübergänge im internationalen Transport, vom Güterfluss passiert worden
sind. Zum nacheilenden Informationsfluss gehören aber auch Informationen vom
Empfänger an den Lieferanten über die Qualität des Lieferservice, z. B. in Form
von Reklamationen. Letztlich beinhaltet der dem Güterfluss nacheilende Informa-
tionsfluss Informationen, die man im Rahmen der Auftragsauswertung dem Auf-
trag entnehmen kann und für die sich andere Unternehmensbereiche (z. B. die
Marktforschung) interessieren.
Neben der begleitend zum Güterfluss stattfindenden Steuerung von Informati-
onsflüssen gewinnt in letzter Zeit in zunehmendem Maße der Begriff der Informa-
tions- bzw. Office-Logistik an Bedeutung. Viele Unternehmen konzentrieren sich
immer stärker auf ihre Kernkompetenzen und überlassen anderen Dienstleistungs-
unternehmen den Bereich des Empfanges, der Versendung, der Verarbeitung, der
Bereitstellung, der Archivierung und Vernichtung großer Datenmengen. 6 Ziel der
Informationslogistik ist insbesondere die Versorgung des Mitarbeiters mit den für
ihn richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort. 7 Das Geschäfts-
feld der Office-Logistik als Teilbereich der Informationslogistik beinhaltet wiede-
rum die Poststellenlogistik, die Archivlogistik sowie die Akten- und Datenträger-
vernichtung. Als typischer Service eines Office-Logistikdienstleisters gilt im
4.2 Auftragsabwicklungsaufgaben
Unabhängig von der Art der Auftragsabwicklung lassen sich immer bestimmte
Grundaufgaben unterscheiden, die zu erfüllen sind. Diese Aufgaben sind am ein-
fachsten zu erkennen, wenn man den in Abb. 4.2 dargestellten Weg der Auf-
tragsinformation bei der Auftragsabwicklung verfolgt. 9 Es wird deutlich, dass die
Auftragsabwicklung eng mit den übrigen verrichtungsspezifischen Subsystemen
der Logistik verbunden ist.
Übermittlung
Der Ausgangspunkt für die Auftragsinformation ist die Auftragserstellung beim
Kunden. Die Art der Übermittlung des Auftrags bestimmt weitgehend die Form
der Auftragserstellung. Die Aufträge können vom Kunden per Brief, Fernschrei-
ben, Telefax, Telefon oder elektronischer Datenverarbeitung an einen Außen-
dienstmitarbeiter, an ein dezentrales Verkaufsbüro oder direkt an die Zentrale des
Lieferanten übermittelt werden. Der Außendienstmitarbeiter kann den Auftrag
auch selbst beim Kunden aufnehmen und seinerseits dann weiterleiten. Bei jeder
dieser Möglichkeiten muss das Problem der Kontrolle der Auftragserstellung an-
ders gelöst werden, das vor allem dann vordringlich wird, wenn die Auftragsbear-
beitung nicht mehr manuell, sondern durch den Einsatz von elektronischer Daten-
verarbeitung erfolgt.
Übermittlung
Aufbereitung Lagerhaltung
Umsetzung
Zusammenstellung Lagerhaus
Versand Transport
Fakturierung
Abb. 4.2 Der Weg der Auftragsinformation bei der Auftragsabwicklung und die Verbindung
zu den übrigen Subsystemen der Logistik (Quelle: In enger Anlehnung an Türks,
1972, S. 69)
Eine klassische Methode zur Kontrolle der Auftragserstellung ist der Einsatz
von Außendienstmitarbeitern, die selbst beim Kunden ein vorgedrucktes Auftrags-
formular ausfüllen. Es besteht auch die Möglichkeit, dem Kunden Auftragsformu-
lare, auf denen alle Artikel schon vorgedruckt sind (Ordersätze) und in die nur
noch die gewünschte Menge eingesetzt werden muss, mit der Bitte um ausschließ-
liche Verwendung zur Verfügung zu stellen. Wird dem Kunden gestattet, seine ei-
genen Auftragsformulare zu gebrauchen, so muss der Lieferant die Auftragsin-
formation nach Erhalt des Auftrags noch aufbereiten. Das verursacht zusätzliche
Kosten und birgt zusätzliche Fehlerquellen in sich. Kostenerwägungen und die
Verringerung der Wahrscheinlichkeit des Entstehens von Fehlern, die der Auf-
tragsbearbeitung angelastet werden können, sprechen dafür, die Verantwortung für
das Ausfüllen des Auftragsformulars, das während der Auftragsbearbeitung be-
nutzt wird, soweit wie möglich dem Kunden zu überlassen. Hierbei ist jedoch
auch zu berücksichtigen, dass dem Kunden das Erteilen eines Auftrages möglichst
erleichtert werden soll und der Lieferant unter Lieferservicegesichtspunkten flexi-
bel auf die diesbezüglichen Kundenwünsche einzugehen hat.
Um den hohen Kundenanforderungen hinsichtlich der Verfügbarkeit der be-
stellten Waren, kurzer Lieferzeiten (die oft von der Auftragsbearbeitungszeit maß-
geblich abhängen) und Informationen über den Stand der Auftragsbearbeitung
4.2 Auftragsabwicklungsaufgaben 81
Fakturierung
Die Fakturierung (Rechnungslegung) der Aufträge kann nach der Versanddisposi-
tion oder vor bzw. auch parallel zu den Phasen der Zusammenstellung und des
Versandes erfolgen. Im ersten Fall spricht man von Nachfakturierung, im zweiten
Fall von Vorfakturierung. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen
diesen beiden Arten der Fakturierung ist, dass bei der Vorfakturierung die Rech-
nung schon in der Phase der Aufbereitung und Umsetzung erstellt wird, also bevor
die Güter physisch kommissioniert werden. Bei der Nachfakturierung dagegen
muss der Vorgang der Kommissionierung abgeschlossen sein, bevor die Rechnung
erstellt wird. Das Vorfakturieren basiert auf der Überlegung, dass alle Schreibar-
beiten soweit wie möglich in einer Phase erledigt werden, so dass weitere
Schreibarbeiten möglichst überflüssig sind. Vorausgesetzt wird hierbei, dass ent-
weder stets genügend hohe Lagerbestände vorhanden sind oder dass eine stets ak-
tuelle Bestandsfortschreibung existiert, die über die disponiblen Bestände Aus-
kunft gibt. Außerdem darf der Zeitbedarf für die Erledigung dieser
Schreibarbeiten nicht zu groß sein, da sonst die Kommissionierung zu lange ver-
zögert wird. Dies würde aber der Forderung widersprechen, dass die Aufträge
möglichst kontinuierlich und schnell in das Lager fließen sollen.
Das Nachfakturieren stellt diese Gedanken des schnellen Informationsflusses in
das Lager und den Kommissionierungsakt in den Vordergrund. Soll die Rechnung
zusammen mit den Gütern verschickt werden, so muss allerdings dafür Sorge ge-
tragen werden, dass die Rechnungserstellung schnell vonstatten geht. Denn sonst
geht möglicherweise der mit dem Nachfakturieren erstrebte zeitliche Vorteil wie-
4.3 Formen der Auftragsabwicklung 83
der verloren. Wird die Rechnung extra geschickt, so entstehen zusätzlich Porto-
kosten, die bei einer großen Anzahl von Aufträgen nicht vernachlässigbar sind.
Die grundsätzlichen Überlegungen zur Vor- und Nachfakturierung können
selbstverständlich auch auf die anderen Auftragsbearbeitungsaktivitäten übertra-
gen werden. So besteht grundsätzlich die Möglichkeit, möglichst wenig Vorarbei-
ten vor der Kommissionierung zu machen, um die Aufträge ohne große Verzöge-
rungen in das Lager laufen zu lassen. Die andere Möglichkeit besteht eben darin,
möglichst alle Schreibarbeiten in einem Vorgang vor der Kommissionierung zu
erledigen.
Manuelle Formen
Vor der Einführung elektronischer Datenverarbeitung wurden die manuellen For-
men der Auftragsabwicklung optimiert. Hierbei ging es vor allem darum, den
Schreibaufwand und den Aufwand für die Umsetzung des Auftrages so gering wie
möglich zu halten und die im Auftrag vorhandenen Informationen für die weitere
Verwendung in der Produktion, im Lager und beim Transport möglichst in einem
Arbeitsgang vorzubereiten.
Bedingt durch den einfachen Zugang zu elektronischen Datenverarbeitungssyste-
men und der Notwendigkeit, immer kürzere Lieferzeiten zu realisieren, sind aller-
dings mittlerweile fast ausschließlich maschinelle Formen der Auftragsabwick-
lung im Einsatz.
Maschinelle Formen
Die Auftragsabwicklung bietet sich für den Einsatz elektronischer Datenverar-
beitung an, weil sie im Allgemeinen aus einer Vielzahl routinemäßiger, dennoch
zeitraubender Tätigkeiten besteht und die dem Auftragsformular zu entnehmenden
Informationen in vielfältiger Weise ausgewertet werden müssen (z. B. das Anfer-
tigen einer Artikelumsatzstatistik oder Lieferantenumsatzstatistik). Der Umfang
der EDV-Unterstützung ist geringer, wenn der Umsatz einzelner Aufträge niedrig
oder die Anzahl der Aufträge bzw. Artikel gering sind. Die EDV-Unterstützung ist
weniger umfangreich, wenn die Auftragsbearbeitung sehr flexibel sein muss, weil
bei der Bearbeitung der Aufträge viele Ausnahmen gemacht werden müssen.
84 4 Auftragsabwicklung
Grund hierfür ist, dass dann die erreichbare Effizienzsteigerung und damit einher-
gehende, prozessuale Einsparpotenziale die anfallenden IT-Implementierungs-
und Wartungskosten sowie die administrativen Kosten (beispielsweise durch die
regelmäßig notwendige Anlage von Stammdaten des Lieferanten) nicht überstei-
gen werden. Dies hält insbesondere kleine und mittelgroße Unternehmen von ei-
ner Investition in EDV-Systeme ab.
Es bestehen heutzutage jedoch so genannte „Supplier Information Manage-
ment“-Systeme (SIM), die für eine schnellere Transaktionsabwicklung eine zwi-
schenbetriebliche Stammdaten- und Auftragspflege ermöglichen. 13 Das SIM-
System erfolgt in Echtzeit und hilft die Vollständigkeit und Richtigkeit der beste-
henden Daten zu verbessern. Durch ihre Implementierung in den zwischenbetrieb-
lichen Auftragsprozess können auch kleinere Lieferanten die Verarbeitung ihrer
Aufträge mit einem (relativ) geringen Umsatzbeitrag beschleunigen. Sie pflegen
auf der zwischenbetrieblich funktionierenden IT-Plattform (die „Cloud“-
Technologie wird in einem späteren Teil dieser Arbeit erläutert) ihre eigenen Auf-
tragsinformationen und haben in der Regel einen direkten Zugang zu Ansprech-
partnern beim Käuferunternehmen durch sog. „Chat“-Funktionen. Durch die Nut-
zung dieser SIM-Systeme werden Ineffizienzen reduziert und so die Gesamtkosten
der Auftragsabwicklung reduziert.14
Prinzipiell können jedoch alle in Abb. 4.3 aufgeführten Entscheidungs-, Prü-
fungs-, Schreib- und Übermittlungsaufgaben von Systemen der elektronischen Da-
tenverarbeitung übernommen werden. Abhängig von der Phase der Auftragsab-
wicklung, in der elektronische Datenverarbeitung eingesetzt wird, lassen sich
einstufige und mehrstufige Formen unterscheiden. Eine weitere Möglichkeit der
Unterscheidung der maschinellen Formen der Auftragsabwicklung setzt an der Art
der Informationsverarbeitung an. Demzufolge wird zwischen Stapelbetrieb (Batch
Processing) und Echtzeitbetrieb (Real Time Processing) unterschieden.
Verschiedene Ansatzpunkte zum Einsatz elektronischer Datenverarbeitung
existieren in den Phasen Auftragsumsetzung und Fakturierung. Bei einstufigen
Formen der Auftragsabwicklung wird die elektronische Datenverarbeitung ledig-
lich in einer dieser Phasen eingesetzt. Bei mehrstufigen Formen erfolgt der Einsatz
in beiden Phasen und möglicherweise zusätzlich in weiteren Phasen.
Die Beschränkung auf ein einstufiges System mit einer maschinellen Auftrags-
umsetzung bietet sich z. B. für Unternehmen an, die für die Fakturierung die
Dienstleistungen einer Factoring-Bank in Anspruch nehmen oder Kontraktabrech-
nungen durchführen, so dass die Rechnungsstellung selten erfolgt, während Auf-
träge häufig über Abruf abgewickelt werden. Spezifische Technologieunterneh-
men ermöglichen heutzutage jedoch entweder vor oder nach erfolgreicher
Lieferung der in Auftrag gegebenen Produkte beim Käuferunternehmen eine digi-
tale Lösung für das „Factoring“. Durch eine direkte technologische Anbindung in-
terner IT-Systeme und der externen IT-Plattformlösungen werden mehrstufige
Formen auch für Unternehmen rentabel, die ein solches „Factoring“-Konzept nut-
zen wollen. Ein einstufiges System mit maschineller Fakturierung ist außerdem in
Unternehmen von Vorteil, die aufgrund des Lagersortiments in der Lage sind, mit
dem manuellen Lagersatzverfahren zu arbeiten.
Mehrstufige Systeme sind vor allem dann von Vorteil, wenn folgende Voraus-
setzungen gegeben sind:15
x Umgehende Ausgabe von Auftragsbestätigungen,
x Vorprüfung des verfügbaren Warenbestandes,
x umfassende Prüfung der Bonität,
x umfassende Ausrechnung von Auftragskonditionen,
x kontinuierliche Kontrolle des Auftragsbestandes,
x sichere Kontrolle unfakturierter Lieferungen,
x gleich hoher Auftrags- und Rechnungsdurchsatz,
x ungeeignet für Factoring, außer es besteht eine IT-Schnittstelle zu Plattformlö-
sungen (sog. „Cloud“-Lösungen) von Technologieunternehmen.
Beim Einsatz mehrstufiger maschineller Formen der Auftragsabwicklung stellt
sich insbesondere die Frage, ob die Daten im Stapel- oder Dialogbetrieb (in Echt-
zeit) verarbeitet werden sollen bzw. müssen.
Wird die elektronische Datenverarbeitung im Stapelbetrieb eingesetzt, so wer-
den die Aufträge für einen bestimmten Zeitraum (z. B. für einen Tag) gespeichert
und das in der Warteschlange angesammelte Auftragsvolumen wird in einem Stoß
(z. B. in der Nacht) verarbeitet. Das Ansammeln der Aufträge kann sowohl beim
Auftragssachbearbeiter als auch im Computer selbst erfolgen.
Beim Echtzeitbetrieb ist der Computer ständig für die Übernahme von Auf-
tragsabwicklungsarbeiten bereit, so dass die Aufträge ohne den Aufbau einer War-
teschlange kontinuierlich abgewickelt werden können.
Die Informationsverarbeitung im Stapelbetrieb ist im Allgemeinen kostengüns-
tiger (aufgrund wegfallender Implementierungs- und Wartungskosten von zwi-
schenbetrieblichen IT-Schnittstellen), aber wesentlich weniger leistungsfähig. Sie
hat den großen Nachteil geringerer Flexibilität, weil Eilaufträge nicht direkt bear-
beitet werden können und geringerer Auskunftsbereitschaft aufgrund einer verzö-
gerten Auftragsbearbeitung. Diese Diskrepanz zwischen dem Stand der Daten und
dem realen Zustand erfordert zusätzliche Hilfsdateien, die neben der eigentlichen
Auftragsabwicklung geführt werden müssen. Dagegen hat die Informationsverar-
beitung im Echtzeitbetrieb den Vorteil extrem kurzer Bearbeitungszeiten und gro-
ßer Flexibilität. Die Auskunftsbereitschaft ist bei dieser Form der maschinellen
Auftragsabwicklung jederzeit gegeben.
Abb. 4.3
4
Auftragseingang
Nein
Produkt
Bonität Produkt
Bestimmung des in einem
Auftragskontrolle des Ja auf Nein
Auslieferungslagers anderen
Kunden? Lager?
Lager? Nein
verarbeitung
Auftragsabwicklung
Ja Ja
Erstellen und
Senden der Auftrags- Produkt in
Rechnung auswertung Planung?
an Kunden
Nein
Ja
Erstellen der
Terminplanung für Auftrag
Erstellen der Liefer- Auftragsbestätigung,
Anweisung zur Abfertigung des Auftrags rechtzeitig
anzeige einschließlich Weiterleiten von Ja
Auslieferung im Lager und den aus-
aller Versandpapiere Informationen
Transport führbar?
an die Auftragsabwicklung
Nein
Warenwirtschaftssysteme
In Handelsunternehmen kommen geschlossene Warenwirtschaftssysteme zum
Einsatz. Sie basieren auf einer kurzfristigen, artikelgenauen (artikelspezifischen)
Erfassung aller Wareneingangs- und aller Warenausgangsdaten. Sie weisen eine
aus vier Modulen bestehende Grundstruktur auf, die in Abb. 4.4 dargestellt ist. 19
Durch Warenwirtschaftssysteme gelingt es, die warenbegleitenden Informations-
flüsse darzustellen und im gesamten Unternehmen die notwendigen Informationen
bereitzustellen.
Warenwirtschaftssysteme werden als geschlossen bezeichnet, weil die im Sys-
tem befindlichen Artikel durch alle Phasen des Informationsflusses geführt wer-
den, ohne dass im Grenzfall manuell eingegriffen werden muss. Die Vorausset-
zung für den ökonomischen Einsatz geschlossener Warenwirtschaftssysteme wird
durch die Entwicklung moderner Informationsverarbeitungs- und Kommunikati-
onstechnologien geschaffen. Hier können vier Entwicklungsbereiche unterschie-
den werden: die mobile Datenerfassung, das Scanning, die Datenübertragung und
die Mikroelektronik.20
Durch Geräte zur mobilen Datenerfassung (MDE) können Daten mit Hilfe
tragbarer Erfassungsgeräte direkt in EDV-gerechter Form erfasst und per Funk,
über Satellit oder über eine Internet-/“Wireless-Local-Area-Network“-Verbindung
• Artikelspezifische Wareneingangserfassung
- Abgleich der Bestellung
Wareneingang - Bewertung und Lagerbestandsführung
• Rechnungskontrolle
• Auszeichnung der Ware (Druck von Etiketten)
• Artikelspezifische Warenausgangserfassung (durch
Warenausgang Datenkassen)
• Warenbestandsverbuchung
dende Verbindung von Maschinen und Datenbanken eine zentrale Rolle. Der
weltweite Zugang und die niedrigen Kosten ermöglichen eine nahezu verzöge-
rungsfreie und schnelle Informationsübertragung zwischen beliebigen Orten sowie
eine bidirektionale Kommunikation zwischen Geschäftspartnern z. B. zur Verein-
barung von Konditionen, Lieferterminen oder Verfügbarkeitsabfragen. Auf diese
Weise können gerade häufig eingesetzte und standardisierte Güter und Rohstoffe
automatisch geordert und zwischen Handelsunternehmen bzw. zwischen Handels-
und Industrieunternehmen vertrieben werden. Beispielsweise funktionieren die be-
stehenden Plattformlösungen nur deshalb, weil eine sichere IT-Verbindung der
Unternehmen über das Internet ermöglicht wird. Über das Internet werden jedoch
nicht nur Organisationen in der Form von verantwortlichen Personen (Einkäufer
und Verkäufer), sondern auch Maschinen und autonome Programme direkt mitei-
nander verbunden.30
Durch den hohen Verbreitungsgrad des Internets im privaten Umfeld spielt die-
se Kommunikationsmöglichkeit heute auch eine größer werdende Rolle in der
Kommunikation mit und im Vertrieb zu den Konsumenten. Für die Auftragsab-
wicklung bedeuten die neuen Kommunikationsmöglichkeiten, dass eine manuelle
Auftragsbearbeitung weitgehend entfallen kann. So ist vorstellbar, dass zukünftige
Warenbereitstellungsprozesse durch Bestellungen von Kunden initiiert und von
(künstlich) intelligenten Algorithmen gesteuert werden.
Neben dem Internet bestehen weitere Technologien für den Datentransfer:
Hierzu gehören z. B. „Universal-Mobile-Telecommunication-Systems“ (UMTS),
„General-Packet-Radio-Service“ (GPRS), „Global-System-for-Mobile-
Communication“ (GSM) und die Satellitenkommunikation. Unternehmen ent-
scheiden sich zwischen diesen Technologien hinsichtlich zweier Aspekte: (1)
Leistungsfähigkeit in Form der transportierbaren Informationen sowie der Daten-
sicherheit und (2) der Kosten für die Nutzung der jeweiligen Technologien. Die
einzelnen Technologien können in der betrieblichen Praxis auch in Kombination
eingesetzt werden.31
Den vierten Entwicklungsbereich stellen computergestützte Kassensysteme dar.
Aufgrund der Entwicklung in der Mikroelektronik sind moderne Kassensysteme
direkt mit den Warenwirtschaftssystemen der Unternehmen vernetzt und erfassen
über Scanner sowie elektronische Waagen die verkauften Artikel automatisch.
Darüber hinaus ermöglichen diese Kassen auch die Zahlung über angeschlossene
Kartenlesegeräte und die anschließende Abwicklung der Zahlung in den Bu-
chungssystemen. Umgekehrt beziehen die Kassensysteme Informationen zu den
erfassten Artikeln direkt aus den zentralen Systemen, so dass alle Kassen stets
über die gleichen Artikeldaten und auch Informationen zu aktuellen Angeboten
verfügen.
Solche vernetzten Warenwirtschaftssysteme ermöglichen Handelsketten einen
umfassenden Überblick über die Warenbewegungen im gesamten Unternehmen.
Mit Hilfe von EDI32 und des Internets vernetzen sich Handelsunternehmen mit be-
stimmten Benutzergruppen und bilden große Netzwerke mit mehreren tausend
Unternehmen. Die automatische artikelgenaue Erfassung der Abverkäufe am Point
of Sale (POS) und die Kommunikation dieser Verkaufsdaten schafft in diesen
Netzwerken die Grundlage für Bestellsysteme mit hoher Reaktionsfähigkeit, so
genannte Quick-Response-Systeme.
Darüber hinaus ist es durch solche Warenwirtschaftssysteme mit artikelgenauer
Erfassung in allen Bewegungsprozessen und Anbindung aller bei der Distribution
beteiligten Unternehmen möglich, eine umfangreiche Sendungsverfolgung zur
Verfügung zu stellen. Eine solche Sendungsverfolgung wird auch als Tracking &
Tracing bezeichnet. Dabei ist es bspw. einem Kunden möglich, nach einer Bestel-
lung alle Bewegungen der bestellten Güter in einem Webfrontend zu verfolgen
und diese Informationen in seine eigene Planung einzubeziehen.
Neben der Vernetzung der Handelsunternehmen und der Anbindung der Liefe-
ranten und Endverbraucher ist die Integration von Banken, Logistikdienstleistern
und Marktforschungsinstituten in die komplexen warenwirtschaftlichen Informati-
onsflüsse Ziel einer auf die Optimierung des Gesamtsystems ausgerichteten Per-
spektive. 33 Für solche integrierten Warenwirtschaftssysteme spielt die Verknüp-
fung oder Kopplung verschiedener Informationssysteme eine große Rolle.
Literatur
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erw. Aufl. Landsberg a. L., S. 181-196
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Finkenzeller K (2002) RFID-Handbuch. Grundlagen und praktische Anwendun-
gen induktiver Funkanlagen, Transponder und kontaktloser Chipkarten. 3., ak-
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Gleißner H, Femerling C (2008) Logistik. Grundlagen – Übungen – Fallbeispiele.
Wiesbaden
Günthner W A, Zimmermann J (2008) Logistik in der Bauwirtschaft. Status quo,
Handlungsfelder, Trends und Strategien. Nürnberg
Definition
Lagerhaltung befasst sich mit allen Entscheidungstatbeständen, die einen Einfluss
auf die Lagerbestände haben, weshalb man auch von Bestandsmanagement
spricht. Lagerbestände sind Puffer zwischen Input- und Output-Flüssen von Gü-
tern. Diese Puffer entstehen, sobald sich die zeitliche und quantitative Struktur der
Input-Flüsse von der der Output-Flüsse unterscheidet. Solche Puffer können infol-
ge der unterschiedlichen Struktur der Input- und Output-Flüsse an den unter-
schiedlichsten Stellen in der Logistikkette entstehen, wie in Abb. 5.1 ersichtlich
ist.
Nur durch die vollständige Synchronisation der Input- und Output-Flüsse kön-
nen Lagerbestände überflüssig gemacht werden. Dies wird aber lediglich in Ein-
zelfällen gelingen. Allerdings darf die Definition der Lagerhaltung als Puffer nicht
Industrieunternehmen
Beschaffungs-
Produktions- Distributions-
lager
lager lager
Handels- oder Industrieunternehmen
(Eingangslager,
(Zwischenlager) (Absatzlager)
Vorratslager)
Logistikunternehmen
Beschaffungs-/
Recyclinglager Distributions-
lager
Beschaffungs-/ Beschaffungs-/
Konsumenten- Distributions- Distributions-
lager lager lager
im Einzelhandel im Großhandel
Haushalte Handelsunternehmen
zu einem statischen Denken führen, das die Existenz derartiger Puffer grundsätz-
lich nicht in Frage stellt. Ausgehend vom logistischen Systemdenken lassen sich
Lagerbestände auch als teilweise unerwünschte Unterbrechungen des Güterflusses
definieren. Damit sind aber schon die Funktionen der Lagerhaltung angesprochen.
Funktionen
Die Funktionen der Lagerhaltung zeigen, warum Lagerbestände gehalten werden.
Die im Folgenden zusammengestellten Funktionen der Lagerhaltung1 belegen den
Nutzen, der mit Lagerbeständen verbunden sein kann.
Lagerbestände sind erforderlich, wenn ein Unternehmen Größendegressionsef-
fekte beim Einkauf, beim Transport oder bei der Produktion von Gütern ausnutzen
möchte. Beschaffungslager können dadurch entstehen, dass ein Unternehmen
Mengenrabatte beim Lieferanten oder günstigere Transportkonditionen beim Spe-
diteur erzielen will. In ähnlicher Weise kann der Aufbau von Lagerbeständen in
Distributionslagern dazu dienen, günstigere Transportkonditionen für größere
Transportmengen zu erzielen. Lagerbestände in Distributionslagern können eben-
falls wie Lagerbestände in Produktionslagern den Zweck haben, die Produktions-
stückkosten durch größere Produktionslose zu senken. Höhere Lagerbestandskos-
ten nimmt man in diesem Fall in Kauf, weil in der Produktion geringere
Rüstkosten anfallen.2
Eine weitere Funktion von Lagerbeständen ist der Ausgleich des Auseinander-
klaffens von Angebot und Nachfrage. Ein Beispiel hierfür ist die saisonale Nach-
frage nach bestimmten Konsumgütern zur Weihnachtszeit. Der Aufbau von La-
gerbeständen dient in diesem Fall in Distributions- wie auch in Produktionslagern
dazu, die Produktionskapazitäten trotz saisonaler Nachfragen kontinuierlich aus-
zulasten. Bei landwirtschaftlichen Gütern findet sich andererseits häufig ein saiso-
nales Angebot. Um die Güter kontinuierlich während des Jahres absetzen zu kön-
nen, müssen dann Lagerbestände in Distributions- oder Produktionslagern
aufgebaut werden.
Lagerbestände erleichtern im Allgemeinen auch die Spezialisierung der Pro-
duktion in verschiedenen Werken eines Unternehmens bzw. die Arbeitsteilung in
einer Volkswirtschaft oder in der Weltwirtschaft überhaupt. Die Spezialisierung
der Produktion, beispielsweise in verschiedenen Werken eines Unternehmens, auf
bestimmte Teile senkt die Produktionskosten. Wenn keine einsatzsynchrone An-
lieferung der Teile an das Montagewerk möglich ist, so ist diese Spezialisierung
nur durch Inkaufnahme höherer Lagerbestände möglich.
Lagerbestände dienen auch der Spekulation. So werden sowohl in Beschaf-
fungs- als auch in Distributionslagern Lagerbestände aufgebaut, wenn man einen
Anstieg der Preise für diese Güter erwartet. Das beschaffende Unternehmen
möchte sich in diesem Fall noch mit Gütern zum gegenwärtig niedrigeren Preis
versorgen. Der Lieferant spekuliert unter Umständen darauf, dass die Verknap-
pung des Angebots die Preise noch höher treiben wird, so dass er die Bestände in
seinem Lager hält. Spekulationen, die zu Lagerbeständen führen, beziehen sich
nicht immer auf den Preis. Ganz allgemein entstehen Lagerbestände infolge von
Spekulationen bezüglich der Knappheit von Gütern. Lagerbestände können so
z. B. auch aus der Erwartung resultieren, dass ein Streik bei den Zulieferunter-
nehmen die Versorgungssituation beeinträchtigen wird.
Letztlich hält man Lagerbestände auch als Schutz vor Unsicherheit. Wenn die
Input- und Output-Flüsse anders verlaufen, als man erwartet hat, so kann die
Nachfrage nach Gütern nur aus Lagerbeständen befriedigt werden. Die Notwen-
digkeit zum Aufbau solcher Lagerbestände gibt es sowohl in Beschaffungs- als
auch in Produktions- und Distributionslagern. Sie sind eine Folge davon, dass man
die Nachfrage der Kunden bzw. der eigenen Produktion nicht immer sicher prog-
nostizieren kann und die Lieferung durch die Lieferanten oder durch die Produkti-
on nicht immer sicher erfolgt.
Die genannten Funktionen gelten zunächst allgemein unabhängig von einer be-
stimmten Lagerart, wobei allerdings manche Funktionen für gewisse Lagerarten
von größerer Bedeutung sind als für andere Lagerarten. Man kann auch versuchen,
für einzelne Lagerarten die spezifisch für sie zutreffenden Funktionen noch kon-
kreter herauszuarbeiten.3
5.2 Lagerhaltungsaufgaben
Bei der Gestaltung des Puffers zwischen den Input- und Output-Flüssen sind vier
eng miteinander zusammenhängende Fragen zu beantworten:
x Welches Gut soll gelagert werden?
x Wie viel soll von einem Gut gelagert werden?
x Wie viel soll zur Wiederauffüllung des Lagerbestandes bestellt werden?
x Wann soll zur Wiederauffüllung des Lagerbestandes bestellt werden?
Offensichtlich wird durch die Beantwortung dieser vier Fragen die Höhe der
Lagerbestände festgelegt. Durch die Beantwortung der ersten Frage soll zunächst
grundsätzlich geklärt werden, ob Lagerbestände für alle Güter zu halten sind oder
ob sie im Sinne einer selektiven Lagerhaltung nur für ganz bestimmte Güter auf-
gebaut werden. Durch die Beantwortung der übrigen drei Fragen wird dann durch
Maßnahmen der Vorratsergänzung und -sicherung die Höhe der Lagerbestände für
diese Güter bestimmt. Hierbei ist es zweckmäßig, verschiedene Bestandteile des
Lagerbestandes zu unterscheiden, aus denen sich dieser zusammensetzt.
die Bestellmenge ist bzw. je weniger häufig bestellt wird, desto größer ist der aus
der Bestellmenge resultierende durchschnittlich im Lager vorhandene Bestand,
den man als mittleren Lagerbestand bezeichnet. Vom mittleren Lagerbestand zu
unterscheiden ist der gesamte Durchschnittsbestand eines Lagers, der noch einen
Lagerbestand zur Vorratssicherung enthält. Wenn man die Nachfrage für die Wie-
derbeschaffung völlig genau vorhersagen könnte, würde der mittlere Lagerbestand
auch immer noch zur Befriedigung der nach Erreichen des Bestellpunktes auftre-
tenden Nachfrage genügen. Die beim Bestellpunkt ausgelöste Bestellmenge würde
am Ende der Wiederbeschaffungszeit gerade dann im Lager eintreffen, wenn der
alte Lagerbestand genau auf Null reduziert ist. Da häufig der prognostizierte
Nachfrageverlauf (Lagerabgang) nicht mit dem tatsächlichen Nachfrageverlauf
und die geplante Anlieferung der Güter (Lagerzugang) nicht mit der tatsächlichen
Anlieferung übereinstimmen, muss man als zusätzlichen Bestand noch den Si-
cherheitsbestand auf Lager halten. Der mittlere Lagerbestand resultiert also aus
der Vorratsergänzung, wenn die geplante und tatsächliche Nachfrage sowie die
geplante und tatsächliche Wiederbeschaffungszeit übereinstimmen. Der Sicher-
heitsbestand resultiert aus Unsicherheiten im Nachfrageverlauf und in der Wie-
derbeschaffung, die zu Lagerentnahme- und Wiederbeschaffungszeitüberziehun-
gen führen.4
Lagerbestand
Nachfrageverlauf
Bestellmenge=Q
mittlerer
Bestellpunkt Lager-
bestand gesamter
Nw =Q/2 Durchschnitts-
bestand
Sicherheits-
bestand
Zeit
Wiederbeschaffungszeit
Bestellzyklus
Abb. 5.2 Bestandteile des Lagerbestandes aufgrund der Vorratsergänzung und -sicherung
Will man wissen, wie viel Kapital in den Lagerbeständen gebunden ist, so soll-
te man neben dem aus Abb. 5.2 ersichtlichen Durchschnittsbestand auch die La-
gerbestände während der Bewegung (Unterwegsbestände, movement inventories,
pipeline inventories, inprocess inventories) berücksichtigen. Sie entstehen wäh-
rend des Transports und Umschlags der Güter. Braucht man z. B. zwei Wochen
für Transport und Umschlag eines Artikels vom Fabriklager zum Auslieferungsla-
ger und werden vom Auslieferungslager 100 Einheiten des Artikels pro Woche
verkauft, so beträgt die Höhe der Lagerbestände während der Bewegung im
Durchschnitt 200 Einheiten.5
Bevor die Aufgaben der Vorratsergänzung und -sicherung sowie der selektiven
Lagerhaltung noch ausführlicher erörtert werden, wird auf die Bedarfsermittlung –
und damit auf die Ermittlung des aus Abb. 5.2 ersichtlichen Nachfrageverlaufs –
eingegangen. Die Bedarfsermittlung ist die Grundlage für die Ausübung der wei-
teren Lagerhaltungsaufgaben.
Bedarfsermittlung
Wie die Aufgabe der Bedarfsermittlung wahrgenommen werden kann, hängt we-
sentlich von der Art des Bedarfs ab. 6 In Abb. 5.3 sind die prinzipiell zu unter-
scheidenden Materialbedarfsarten zusammengestellt, wobei der Begriff Material
in diesem Fall identisch mit dem Begriff Gut ist.
Unter Primärbedarf ist der Marktbedarf zu verstehen, also der Bedarf an ver-
kaufsfähigen Gütern (Fertigprodukte, Ersatzteile, Handelsware). In Handelsunter-
nehmen ist der Primärbedarf die Grundlage für die weiteren Lagerbestandsdisposi-
tionen. In Industrieunternehmen gilt dies nur für die Lagerbestandsdispositionen in
der Distributionslogistik. Für die Produktions- und Beschaffungslogistik muss der
Primärbedarf in einen Sekundärbedarf an Rohstoffen, Zukaufteilen und Baugrup-
pen zerlegt werden, der für die Produktion gemäß dem Primärbedarf entsteht. Als
Tertiärbedarf bezeichnet man den Bedarf an Hilfs- und Betriebsstoffen sowie
Verschleißwerkzeugen für die Produktion.
Materialbedarfsarten
gleitender gewichteter
Mittelwert gleitender Durchschnitt
exponentielle exponentielle
Glättung 1. Ordnung Glättung 2. Ordnung
Die Methoden der Bedarfsermittlung unterscheiden sich nach der ihnen zu-
grundeliegenden Datenbasis. Die deterministische oder programmgebundene Be-
darfsermittlung geht von einem Primärbedarf an marktfähigen Produkten für be-
stimmte Perioden (geplantes Produktprogramm) oder für einen Kundenauftrag
aus. Der Sekundärbedarf wird dann anhand von Stücklisten oder Teileverwen-
dungsnachweisen deterministisch errechnet. Verwendet man Stücklisten, so liegt
eine analytische Bedarfsauflösung vor. Die im Produktprogramm enthaltenen Pro-
dukte werden schrittweise aufgrund von Stücklisten über verschiedene Baugrup-
pen bis zu Einzelteilen und Rohstoffen aufgegliedert. Während die Stückliste an-
gibt, welche Materialien in welchen Mengen für die Produktion einer Baugruppe
oder eines verkaufsfähigen Erzeugnisses erforderlich sind, gibt der Teileverwen-
dungsnachweis als umgekehrte Stückliste an, in welchen Baugruppen und ver-
kaufsfähigen Erzeugnissen ein bestimmtes Material vorkommt. Werden Teilever-
wendungsnachweise als Hilfsmittel zur deterministischen Bedarfsermittlung
benutzt, so liegt eine synthetische Bedarfsauflösung vor. In beiden Fällen ist die
deterministische Bedarfsermittlung sehr rechenintensiv und verlangt bei Unter-
nehmen mit breiten und tiefen Produktionsprogrammen den Einsatz der elektroni-
schen Datenverarbeitung. Wegen des großen Aufwandes dieser Methode der Be-
darfsermittlung wird sie nur bei wichtigen Materialien angewendet. Welche
106 5 Lagerhaltung (Lagerbestände)
Materialien als wichtig anzusehen sind, wird im Abschnitt über die selektive La-
gerhaltung behandelt. Grenzen für die Anwendung der deterministischen Bedarfs-
ermittlung liegen aber auch in der Unsicherheit bei der Festlegung des Produkt-
programms einer Periode. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass
der Begriff deterministisch nicht zur Annahme verleiten darf, der Sekundärbedarf
könne immer deterministisch, also sicher, festgelegt werden. Dies ist nur in den
Fällen möglich, in denen das Produktprogramm nach erteilten Kundenaufträgen
vollständig festliegt. Ist die Prognose des Produktprogramms dagegen mit Unsi-
cherheiten behaftet, so kann es durchaus zu Abweichungen zwischen geplantem
und tatsächlich benötigtem Sekundärbedarf kommen.
Basis der stochastischen oder verbrauchsgebundenen Bedarfsermittlung ist der
Materialverbrauch vergleichbarer Perioden der Vergangenheit, der in Verbrauchs-
statistiken festgehalten wurde. Ausgehend von diesen Daten wird mit Hilfe von
Prognosemethoden, die für kurzfristige Prognosen geeignet sind, der Bedarf ermit-
telt. Häufig angewendet werden hierbei Methoden der Mittelwertbildung, Metho-
den der exponentiellen Glättung und der Regressionsanalyse. Während die deter-
ministische Bedarfsermittlung vorwiegend bei hochwertigen Erzeugnishaupt-
stoffen – das sind Materialien, die einen wesentlichen Bestandteil des
Fertigproduktes ausmachen – eingesetzt wird, verwendet man bei geringwertigen
gängigen Erzeugnishauptstoffen sowie bei den Erzeugnishilfsstoffen und Be-
triebsstoffen (Tertiärbedarf) die stochastische Bedarfsermittlung. Sie ist weniger
aufwendig und kann auch in Fällen angewendet werden, in denen die Bedarfsbe-
wegung nur wenig der Produktionsprogrammänderung folgt, wie das bei vielen
Betriebsstoffen der Fall ist. Voraussetzung für ihre Anwendung ist, dass die Ver-
gangenheitswerte ausreichend und zuverlässig sind sowie die Zeitstabilitätshypo-
these Gültigkeit hat. Letztere besagt, dass der Ursachenkomplex, der in Vergan-
genheit die Entwicklung der zu prognostizierenden Größe bewirkt hat, in Zukunft
in derselben Weise weiter wirkt.8
Sind diese Voraussetzungen für den Einsatz der stochastischen Bedarfsermitt-
lung nicht gegeben, so verbleiben noch die Methoden der subjektiven Schätzung.
Deren Grundlage ist die persönliche Meinung einer oder mehrerer Personen. Wer-
den die Meinungen über den mutmaßlichen Bedarf in der Zukunft rein intuitiv ab-
gegeben, so liegt eine Intuitivschätzung vor. Logisch begründbare und damit in-
tersubjektiv überprüfbare Zusammenhänge versucht dagegen die Analogschätzung
heranzuziehen. Zur Prognose des Bedarfs eines bestimmten Materials greift man
beispielsweise auf die Bedarfsentwicklung bei einem vergleichbaren Material zu-
rück.
Im Zusammenhang mit der Bedarfsermittlung wird in der angelsächsischen Li-
teratur auch zwischen unabhängigen und abhängigen (koordinierten) Nachfrage-
systemen unterschieden.9 Bei unabhängigen Nachfragesystemen ist die vom Emp-
fangspunkt ausgehende Nachfrage für den Lieferpunkt 10 unsicher und muss von
letzterem prognostiziert werden. Dagegen ist in einem abhängigen (koordinierten)
Nachfragesystem die vom Empfangspunkt ausgehende Nachfrage für den Liefer-
punkt bekannt. In diesem Fall besteht in einem mehrstufigen Logistiksystem das
Problem darin, aus dieser Nachfrage die Nachfrage (den Bedarf) bei den vorgela-
gerten Lieferpunkten abzuleiten. Im logistischen Subsystem Materiallogistik ge-
schieht dies, ausgehend von dem als bekannt vorausgesetzten Produktionspro-
gramm (Master Production Schedule), durch die Methode der deterministischen
Bedarfsermittlung, die in der angelsächsischen Literatur unter dem Begriff Mate-
rial Requirements Planning (MRP) zusammengefasst werden. 11 Im logistischen
Subsystem Distributionslogistik besteht das Problem in der Zusammenfassung der
als bekannt vorausgesetzten Bedarfe an mehreren Empfangspunkten (z. B. lokalen
Auslieferungslagern) über mehrere Stufen bis zum Bedarf in einem zentralen Lie-
ferpunkt (z. B. Zentrallager oder Fabriklager). In der angelsächsischen Literatur
spricht man hierbei vom Distribution Requirements Planning (DRP).12
Vorratsergänzung
Das Entscheidungsproblem der Vorratsergänzung besteht darin, für den festge-
stellten Materialbedarf zu bestimmen, wann und wie viel bestellt werden soll, da-
mit die Summe der Lagerhaltungskosten und der Bestellkosten minimiert wird. In
der Literatur werden eine Reihe von Bestellregeln genannt, durch die das Wann
und das Wie viel der Bestellung konkretisiert wird.13
Die Frage nach dem Wann einer Bestellung kann sowohl durch eine bestimmte
Mengenangabe als auch durch eine bestimmte Zeitangabe beantwortet werden. Es
wird also entweder bestellt, wenn ein bestimmter Lagerbestand s (der Bestellpunkt
in Abb. 5.2) unterschritten oder eine bestimmte Periode t (der Bestellzyklus in
Abb. 5.2) abgelaufen ist. Die Frage nach dem Wie viel einer Bestellung kann
ebenfalls unter zwei Gesichtspunkten beantwortet werden. Die bestellte Menge ist
entweder eine vorgegebene Bestellmenge Q oder eine variable Menge, die den La-
gerbestand jeweils bis zu einem bestimmten Bestellniveau S ergänzt. Unter Heran-
ziehung dieser vier Entscheidungsvariablen unterscheidet man üblicherweise die
in Abb. 5.5 dargestellten Bestellregeln.
Bei der (s,Q)-Regel ist die optimale Bestellmenge oder optimale Los- bzw. Auf-
tragsgröße wesentliche Entscheidungsvariable.14 Bei der Bestimmung der optima-
Bestellmenge
Q S
(s,Q)-Regel (s,S)-Regel
s
Bestellzeit-
punkt
(t,Q)-Regel (t,S)-Regel
t
len Bestellmenge ist ein für die Logistik typischer Zielkonflikt zu lösen. Denn die
Höhe der Kapitalbindung und damit der Lagerhaltungskosten hängt von der Größe
der Bestellmenge ab. Im Gegensatz zu diesen Bestellvariablen gibt es bestellfixe
(losfixe) Kosten, die mit jedem Lagerzugang nur einmal anfallen. Das sind die Be-
stellkosten, die bezogen auf die Bestellmenge regressiv verlaufen. Im Extremfall
könnte die Bestellmenge gleich der Jahresbedarfsmenge sein, so dass nur eine Be-
stellung im Jahr erfolgt. Infolge des hohen mittleren Lagerbestandes entstehen in
diesem Fall sehr hohe Lagerhaltungskosten, dagegen nur niedrige Bestellkosten.
Im anderen Extremfall macht die Bestellung nur eine Mengeneinheit des Bedarfs
aus. In diesem Fall stehen minimale Lagerhaltungskosten den maximalen Bestell-
kosten gegenüber. Die klassische Bestellmengenformel zur Minimierung der
Summe der beiden gegenläufigen Kosten lautet:
Die Bestellkosten umfassen die Kosten für alle Tätigkeiten, die zur Vorberei-
tung und Abwicklung einer Bestellung notwendig sind. Der Lagerhaltungskosten-
satz beinhaltet den kalkulatorischen Zinssatz und den Lagerkostensatz. Mit erste-
rem sollen die kalkulatorischen Zinsen auf das durchschnittlich im Lager
gebundene Kapital berechnet werden. Mit letzterem werden die weiteren mit der
Lagerhaltung verbundenen Kosten erfasst. Die klassische Bestellmengenformel
geht von folgenden Prämissen aus: Konstanter Bedarf, konstanter Nachfragever-
lauf (konstante Lagerabgangsgeschwindigkeit), konstanter Einstandspreis, kon-
stanter Lagerhaltungskostensatz, konstante Bestellmengenfixkosten und keine La-
gerungs- oder Finanzierungsrestriktionen. Ausgehend von diesen teilweise
realitätsfremden Prämissen wurden Modifikationen der Bestellmengenformel ent-
wickelt, die z. B. von variablen Einstandspreisen (Berücksichtigung von Preisstaf-
felungen infolge von Mengenrabatten und Mindermengenaufpreisen, Transport-
5.3 Vorratsergänzung und -sicherung 109
Vorratssicherung
Das Entscheidungsproblem der Vorratssicherung ist ebenfalls durch einen Ziel-
konflikt gekennzeichnet, der bei der Bemessung des Sicherheitsbestandes auftritt.15
Je größer der Sicherheitsbestand ist, desto größer sind die durch ihn verursachten
Lagerhaltungskosten. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Fehlmengen und
damit die Fehlmengenkosten sinken dagegen mit wachsenden Sicherheitsbestän-
den. Zu den Fehlmengenkosten zählen alle Kosten, die entstehen, wenn ein in der
Produktion (Fehlmengen in der Materiallogistik) oder beim Kunden (Fehlmengen
in der Distributionslogistik) auftretender Bedarf mit den vorhandenen Lagerbe-
ständen nicht gedeckt werden kann. Dazu zählen z. B. Kosten für Sondermaßnah-
men zur Befriedigung des auftretenden Bedarfs, der nicht aus dem Vorrat gedeckt
werden kann, Kosten eines Produktionsstillstandes, Kosten einer Umrüstung der
Produktionsanlage, Kosten aus Umsatzverlusten und entgangenen Aufträgen wie
auch Kosten, die längerfristig durch Imageverluste entstanden sind.
Grundsätzlich lassen sich drei Möglichkeiten zur Bestimmung des optimalen
Sicherheitsbestandes unterscheiden:
x Bestimmung des Sicherheitsbestandes mit Hilfe der Fehlmengenkosten,
x Bestimmung des Sicherheitsbestandes durch explizite Berücksichtigung der
Nachfrageveränderung infolge des Auftretens von Fehlmengen,
x Bestimmung des Sicherheitsbestandes durch Vorgabe der Lieferbereitschaft,
die die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen von Fehlmengen begrenzt.
Die erste Methode, bei der versucht wird, das gemeinsame Minimum der
Fehlmengenkosten und der Lagerhaltungskosten zu bestimmen, wird in vielen La-
gerhaltungsmodellen 16 angewendet. Sie hat zwar eine große Bedeutung für die
Theorie der Lagerhaltung, jedoch weniger für die Praxis, da es in den meisten Fäl-
len sehr große Schwierigkeiten bereitet, die Fehlmengenkosten quantitativ zu er-
fassen.17 Die zweite Methode hat bisher weniger Eingang in die Lagerhaltungsthe-
orie gefunden. Für die Anwendbarkeit in der Praxis stellt sich jedoch ebenfalls das
Problem der Quantifizierbarkeit.
Die dritte Methode umgeht die mit dem Auftreten der Fehlmengen bestehenden
Quantifizierungsschwierigkeiten. Sie wird deshalb in der Praxis bevorzugt ange-
wendet. Die Anwendung dieser Methode ist jedoch nicht unproblematisch. Es be-
reitet zwar keine großen Schwierigkeiten, den Sicherheitsbestand mit Hilfe einer
vorgegebenen Lieferbereitschaft zu bestimmen. Das eigentliche Problem besteht
dann darin, auf welche Weise diese Lieferbereitschaft festgelegt wird.
Ähnlich wie bei der Vorratsergänzung, wo gezeigt wurde, dass der mittlere La-
gerbestand von den vier Einflussfaktoren abhängt, die im Zusammenhang mit den
Bestellregeln aufgeführt wurden, lassen sich auch bei der Vorratssicherung vier
Einflussfaktoren für die Höhe des Sicherheitsbestandes nennen. Es sind dies:
x Länge der Wiederbeschaffungszeit,
x Wahrscheinlichkeit für die Wiederbeschaffungszeitüberziehung und Entnah-
meüberziehung (Fehler in der Prognose der Zuverlässigkeit der Einhaltung der
Wiederbeschaffungszeit und Fehler in der Bedarfsprognose),
x Lieferbereitschaft,
x Anzahl der Lager.
Die auf mangelnde Liefergenauigkeit zurückzuführenden Fehllieferungen, die
teilweise ebenfalls als Einflussfaktor des Sicherheitsbestandes18 genannt werden,
schlagen sich im zweiten Einflussfaktor nieder.
wobei
S = Sicherheitsbestand,
Nmax = maximal möglich erscheinende Nachfrage/Zeiteinheit,
NØ = erwartete, durchschnittliche Nachfrage/Zeiteinheit,
tw = Wiederbeschaffungszeit.
Je kürzer also die Wiederbeschaffungszeit für ein Lager ist, desto niedriger
kann der Sicherheitsbestand sein, mit dem die möglich erscheinende Nachfrage
befriedigt werden kann. Da der Sicherheitsbestand eine wesentlich geringere Um-
schlagshäufigkeit bzw. Umlaufgeschwindigkeit hat als der mittlere Lagerbestand –
welcher deswegen auch Umlaufbestand genannt wird –, kann eine Verkleinerung
des Sicherheitsbestandes zu einer merklichen Senkung der Lagerhaltungskosten
führen. Eine Verkürzung der Wiederbeschaffungszeit verursacht jedoch normaler-
weise im logistischen System auch höhere Kosten, beispielsweise durch den Ein-
satz schnellerer Kommunikations- und Transportmittel. Eine Verkürzung der
Wiederbeschaffungszeit ist also immer nur dann von Vorteil, wenn das Ansteigen
dieser Kosten durch die Verringerung der mit dem Sicherheitsbestand verbunde-
nen Lagerhaltungskosten mehr als ausgeglichen wird.
Ist es wegen der damit verbundenen hohen Transportkosten nicht möglich, die
Wiederbeschaffungszeit dadurch zu verkürzen, dass man die gesamte Gütermenge
zum Wiederauffüllen des Lagers mit schnellen Transportmitteln befördert, so kann
man noch auf andere Weise versuchen, den Vorteil einer kurzen Wiederbeschaf-
fungszeit bezüglich des Sicherheitsbestandes auszunutzen. Man verwendet in die-
sem Fall nicht nur einen Bestellpunkt, sondern zwei Bestellpunkte, wie es in Abb.
5.6 im Prinzip dargestellt ist. Hierdurch wird es ermöglicht, den größten Teil der
Gütermenge mit billigen langsameren Transportmitteln zum Lager zu befördern
und die teuren schnellen Transportmittel nur dann einzusetzen, wenn eine außer-
gewöhnlich hohe Nachfrage dies nötig macht.
Die Linie AB in Abb. 5.6 zeigt den erwarteten, durchschnittlichen Nachfrage-
verlauf und die Linie AE den maximal möglich erscheinenden Nachfrageverlauf. 20
BE ist der konventionelle Sicherheitsbestand, der bei der Verwendung nur eines
Bestellpunktes gehalten werden muss. Wird durch die Lagerabgänge der Stan-
dardbestellpunkt (A) erreicht, so wird eine Bestellung ausgelöst und die Bestell-
menge trifft am Ende der – infolge des Einsatzes von billigeren langsameren
Transportmitteln – langen Standard-Wiederbeschaffungszeit (E) im Lager ein. Bei
der Verwendung von zwei Bestellpunkten wird der sekundäre Bestellpunkt so
festgelegt, dass bei seinem Erreichen durch Lagerabgänge infolge des maximal
möglich erscheinenden Nachfrageverlaufs (C) die dann ausgelöste Bestellmenge
( DD' ) – aufgrund der durch den Einsatz schneller Transportmittel verkürzten
Wiederbeschaffungszeit – noch rechtzeitig im Lager eintrifft (D), um die Nachfra-
Lagerbestand
Sekundärer C B
Bestellpunkt
Sicherheitsbestand
bei zwei Bestellpunkten Konventioneller
D Sicherheitsbestand
Abb. 5.6 Verkleinerung der Sicherheitsbestandes durch Verwendung von zwei Bestellpunk-
ten (Quelle: Magee u.a., 1985, S. 109)
Prognosefehler
Der Fehler, der bei der Bedarfs- oder Nachfrageprognose für eine Periode gemacht
wird, ist die Differenz zwischen dem vorhergesagten und dem tatsächlich einge-
troffenen Wert. Die zufälligen Schwankungen in der Nachfrage verursachen diese
Prognosefehler, die zu Entnahmeüberziehungen führen. Analog führen Fehler in
der Prognose der Zuverlässigkeit der Einhaltung der Wiederbeschaffungszeit zu
5.3 Vorratsergänzung und -sicherung 113
21 Zur Begründung vgl. Pfohl, 1972, S. 100 und die dort aufgeführte Literatur.
22 Vgl. Gudehus, 2010, S. 301f.
114 5 Lagerhaltung (Lagerbestände)
P (t) x: Vorhersagefehler
t: Vorhersagefehler
in der Einheit von s
P(t): Dichtefunktion der
Normalverteilung
s: Standardabweichung
des Vorhersage-
Vorhers
2,15 13,59 34,13 34,13 13,59 2,15 fehlers
-3 -2 -1 0 1 2 3 t = x/s
50%
84,13% einseitige
statistische
97,72% Sicherheit
99,87%
nur durch eine viel größere Anzahl von Standardabweichungen als bei der Nor-
malverteilung erreicht werden.23
Die Höhe des Sicherheitsbestandes hängt also von der Größe der Prognosefeh-
ler und der Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens ab. Mit Hilfe der Standardabwei-
chung und aufgrund der Häufigkeitsverteilung der Prognosefehler lässt sich der
Sicherheitsbestand somit wie folgt berechnen:
S = k · σ
wobei
S = Sicherheitsbestand,
k = Sicherheitsfaktor,
σ = Standardabweichung der Verteilung der Prognosefehler.
Je genauer die Nachfrageprognose ist, desto niedriger ist der Wert der Stan-
dardabweichung 24 und desto geringer muss der Sicherheitsbestand sein, um mit
23 Vgl. Inderfurth, 1996, S. 1031ff.; zur Nachfrageverteilung siehe auch Thonemann, 2015, S.
246ff.
24 Zur Abhängigkeit der Standardabweichung von der Länge der Wiederbeschaffungszeit und
der Größe des Absatzgebietes vgl. Pfohl, 1972, S. 102 und die dort aufgeführte Literatur.
5.3 Vorratsergänzung und -sicherung 115
Lieferbereitschaft
Die Lieferbereitschaft beeinflusst also über den Sicherheitsfaktor die Höhe des Si-
cherheitsbestandes. Wie bereits bei der Diskussion der Servicekomponenten aus-
geführt wurde, kann die Lieferbereitschaft sehr unterschiedlich gemessen wer-
den. 25 Von der Art der Definition der Lieferbereitschaft hängt es jedoch ab,
welcher rechnerische Zusammenhang zwischen der Lieferbereitschaft und dem
Sicherheitsbestand besteht. Zwei sehr häufig verwendete Definitionen der Liefer-
bereitschaft lauten wie folgt:
x Die Lieferbereitschaft wird gemessen als der prozentuale Anteil der Anzahl
von Wiederbeschaffungszeiträumen, in denen der Lagerbestand zur Befriedi-
gung der Nachfrage ausreicht, an der Anzahl aller Wiederbeschaffungszeiträu-
me. Man misst also den Prozentsatz der Wiederbeschaffungszeiträume, in de-
nen keine Fehlmengen auftreten. Die Größe der Fehlmengen spielt keine Rolle.
x Die Lieferbereitschaft wird gemessen als der Prozentsatz der Nachfrage wäh-
rend der Wiederbeschaffungszeit, der vom Lagerbestand befriedigt werden
kann. Diese Definition zielt also nicht auf die Häufigkeit des Auftretens von
Fehlmengen, sondern auf die Größe der Fehlmengen ab.
Geht man von der ersten Definition der Lieferbereitschaft aus, die der einseiti-
gen statistischen Sicherheit entspricht, so kann der Sicherheitsfaktor direkt aus der
Verteilung der Prognosefehler in Abb. 5.7 abgeleitet werden. Soll die Lieferbereit-
schaft beispielsweise 97,72% betragen, so ist der dazugehörige Sicherheitsfaktor
k = 2. Man kann also erwarten, dass in 97,72% der Wiederbeschaffungszeiträume
keine Fehlmengen auftreten, wenn ein Sicherheitsbestand in Höhe von 2 σ gehal-
ten wird. Wie viel Fehlmengen z. B. in einem Jahr auftreten, hängt von der Häu-
figkeit der Bestellungen für die Wiederbeschaffung eines Artikels ab. Werden von
einem Lager 100 Bestellungen pro Jahr für einen Artikel aufgegeben, so werden
bei einer Lieferbereitschaft von 98% wahrscheinlich zweimal im Jahr Fehlmengen
auftreten, bevor die Lieferung zur Wiederauffüllung der Lagerbestände eintrifft.
Bestellt man dagegen nur einmal jährlich, so ist in 2 von 100 Jahren mit dem Auf-
treten einer Fehlmenge zu rechnen.
Man kann den Sicherheitsfaktor nicht mehr direkt durch einfache Ableitung aus
der Funktion der Normalverteilung ermitteln, wenn nicht die Häufigkeit des Auf-
tretens von Fehlmengen, sondern die Größe der Fehlmengen selbst interessiert. In
diesem Fall muss der Sicherheitsfaktor über die sogenannte Brown'sche Service-
funktion – die auch als Lieferfunktion bezeichnet wird – bestimmt werden.26
Untersucht man den Einfluss verschiedener Werte der Lieferbereitschaft auf die
Lagerhaltungskosten, so zeigt sich, dass diese für große Werte der Lieferbereit-
schaft viel stärker anwachsen als die Lieferbereitschaft selbst. Aus Abb. 5.8 ist er-
sichtlich, dass eine geringfügige Verbesserung einer bereits hohen Lieferbereit-
schaft mit einer unverhältnismäßig großen Erhöhung des Sicherheitsbestandes und
damit der Lagerhaltungskosten verbunden ist. Denn bei großen Sicherheitsfakto-
ren nimmt die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen von Fehlmengen bei einer
Erhöhung der Sicherheitsfaktoren nur noch geringfügig ab. Eine 100%ige Liefer-
bereitschaft kann man theoretisch nur mit einem unendlich großen Sicherheitsbe-
stand erreichen.
Sicherheitsfaktor
= rel. notwendiger
Sicherheitsbestand
2
0 //
50% 60% 70% 80% 90% 100% Lieferbereitschaft
84,13% 97,72%
dann
somit
Vx = 9 = 3
Vy = 16 = 4
Vges = 25 = 5
Für den gesamten Sicherheitsbestand eines Artikels gilt bei zwei Lagern (für
den Sicherheitsfaktor soll gelten: k = 1):
S = 1 · σx + 1 · σy = 3 + 4 = 7
S = 1 · σges = 5
Allgemein lässt sich die Wirkung einer Erhöhung der Zahl der Lager auf den
Sicherheitsbestand durch folgende Formel abschätzen:30
Sn = S1 n
wobei
S1 = Sicherheitsbestand zur Befriedigung einer bestimmten Nachfrage durch
ein Lager,
n = Zahl der Lager, wenn diese Nachfrage von mehreren Lagern befriedigt
werden soll,
Sn = gesamter Sicherheitsbestand bei n Lagern.
Der Zusammenhang zwischen den Lagerhaltungskosten für den Sicherheitsbe-
stand und der Anzahl der Lager ist ein Aspekt, der bei der Entscheidung darüber
berücksichtigt werden muss, ob ein Artikel zentral von einem Lager oder dezentral
von mehreren Lagern ausgeliefert werden soll. Diese Frage führt zu dem Problem
der selektiven Lagerhaltung.
ABC-Analyse
Untersuchungen in vielen Branchen haben ergeben, dass der größte Teil des ge-
samten Umsatzes nur mit einer relativ kleinen Anzahl der Artikel, aus denen sich
das Produktprogramm eines Unternehmens zusammensetzt, erreicht wird. Eine oft
zitierte Faustregel ist die 80:20-Regel, nach der 80% des Umsatzes von 20% der
Artikel getragen werden.35 Das Anfertigen einer Artikelumsatzstatistik ermöglicht
es, die Artikel zu bestimmen, auf die sich der Umsatz konzentriert. Man kann die
Umsatzkonzentration durch eine Konzentrationskurve, die sogenannte Lorenzkur-
ve, darstellen. Abb. 5.9 zeigt beispielhaft eine solche Lorenzkurve zur Kennzeich-
nung der Umsatzkonzentration in einem Produktprogramm.
Vergleicht man verschiedene Branchen, dann lässt sich feststellen, dass die
Kurve umso weniger gekrümmt verläuft – die Umsatzkonzentration auf wenige
Artikel also umso weniger ausgeprägt ist –, je mehr das Lager auf den Endver-
braucher ausgerichtet ist. Die Lorenzkurve des Einzelhandels weist deshalb i. d. R.
eine geringere Krümmung auf als die des Großhandels oder die der Fertigungsin-
dustrie.
Der Umsatzanteil jedes Artikels hängt von seinem Einzelpreis und von der ab-
gesetzten Menge ab. Somit bestimmen der Wert des Artikels und seine Absatz-
menge, ob er zu den Hauptumsatzträgern des Produktprogrammes gerechnet wer-
den kann oder nur einen geringeren oder sogar gar keinen Anteil am
Gesamtumsatz hat. Den Hauptumsatzträgern ist im Allgemeinen wegen ihrer gro-
ßen Bedeutung für das Unternehmen wesentlich mehr Aufmerksamkeit bei der
Lagerhaltung zu schenken als den Artikeln mit geringerem Anteil am Umsatz.
Sehr aufschlussreich ist auch eine Klassifizierung der Artikel nach ihrem Bei-
trag zum Gewinn. Eine entsprechende Untersuchung wird im Allgemeinen erge-
ben, dass auch der größte Teil des Gewinnes nur mit einer relativ kleinen Anzahl
von Artikeln erwirtschaftet wird und dass der Gewinn oft durch eine beträchtliche
Anzahl mit Verlust verkaufter Artikel reduziert wird. 36
Eine Gewinnanalyse aller Artikel ist jedoch mit sehr großem Aufwand verbun-
den, so dass man sich in den meisten Unternehmen im Allgemeinen mit der we-
sentlich einfacher zu ermittelnden Klassifizierung der Artikel nach dem Umsatz
begnügen wird. Sind die Preisunterschiede der Artikel eines Produktprogramms
nur gering, so kann die Klassifizierung der Artikel auch nach den Absatzmengen
anstatt nach den Umsätzen vorgenommen werden.
Umsatzanteil
[%]
100
80
60
40
20
0
20 40 60 80 100 Mengenanteil
[%]
Abb. 5.9 Beispiel für eine Lorenzkurve zur Kennzeichnung der Umsatzkonzentration in ei-
nem Produktprogramm
Ist der Umsatz das Bewertungskriterium, so werden die Artikel gemäß ihrer
Bedeutung für den Gesamtumsatz in verschiedene Klassen aufgeteilt. Meistens
bildet man eine Rangordnung von drei Klassen und bezeichnet sie mit A, B und C.
Man spricht deshalb bei der Umsatzklassifizierung auch vom ABC-Prinzip, von
der ABC-Analyse oder vom ABC-System der Lagerhaltung. In Abb. 5.10 ist in
den Spalten 1 bis 4 ein Beispiel für eine Klassenbildung nach dem ABC-Prinzip
gegeben.
Aufgrund der ABC-Umsatzanalyse wird den A-Artikeln bei der selektiven La-
gerhaltung wegen ihres bedeutenden Umsatzanteils wesentlich größere Aufmerk-
samkeit geschenkt als den C-Artikeln, weil der Lagerwert der A-Artikel sehr hoch
ist und das Auftreten von Fehlmengen mit großen Verlusten verbunden sein kann.
Nun ist es aber möglich, dass auch ein Artikel, der wegen seines geringen Um-
satzanteiles in die C-Kategorie fällt, besonderer Aufmerksamkeit bei der Lagerhal-
tung bedarf, weil er eine besonders kritische Rolle für den Kunden spielt.37 So ist
z. B. ein kleines, unscheinbares Ersatzteil für die Zündung eines Autos für den
Kunden wesentlich wichtiger als ein Kotflügel, da ein Auto mit einem verbeulten
Kotflügel noch fahren kann, ohne funktionierende Zündung jedoch nicht. Der Lie-
ferant muss also bei der selektiven Lagerhaltung neben dem Umsatzanteil des Ar-
tikels als weiteres Bewertungskriterium auch den kritischen Wert berücksichtigen,
den ein Artikel für den Kunden hat. Abb. 5.10 zeigt in Spalte 6 ein Beispiel für ei-
ne Analyse des kritischen Wertes oder Bedeutungsfaktors.
Bewertung der
Umsatzklasse Rangordnung
Artikel nach
Umsatz Umsatz und prozen- der Artikel kritischer
Artikel Umsatz und
(in $) (in %) tualer Anteil nach Umsatz- Wert kritischem Wert
der Artikel anteilen
(7) = (5) x (6)
I 20.000 A-Artikel 1 3 3
56
II 18.000 20% 2 1 2
III 8.000 3 2 6
IV 6.000 B-Artikel 4 3 12
34
V 5.000 40% 5 1 5
VI 4.000 6 2 12
VII 3.000 7 3 21
VIII 2.500 C-Artikel 8 1 8
10
IX 1.000 40% 9 2 18
X 500 10 1 10
Abb. 5.10 Klassifizierung der Artikel mit Hilfe der Umsatzanalyse und der Analyse des kriti-
schen Wertes (Quelle: Die Tabelle ist eine Zusammenfassung der beiden Tabellen
bei Bowersox u.a., 1968, S. 201. Kritischer Wert von 1 bis 3 bedeutet von kritisch
bis unkritisch)
Den kritischen Wert eines Artikels kann man durch seine Bewertung quantifi-
zieren. Hat ein Lieferant Ersatzteile für die von ihm gelieferten Maschinen auf
Lager zu halten, so kann er die Artikel, die für die Funktionsfähigkeit der Maschi-
ne sofort verfügbar sein müssen, den kritischen Wert 1 geben. Die Artikel, deren
Ausfall die Funktionsfähigkeit der Maschine für eine bestimmte Zeit nicht beein-
trächtigen, erhalten den kritischen Wert 2; und die Artikel, die für die Funktions-
fähigkeit der Maschine nicht von unmittelbarer Bedeutung sind, erhalten den kriti-
schen Wert 3. Das Bewertungskriterium zur Bestimmung dieser gewichteten
kritischen Werte ist also die Bedeutung des Artikels für die Funktionstüchtigkeit
der Maschine. Es gibt auch andere Bewertungskriterien zur Bestimmung des kriti-
schen Wertes. Bezieht man beispielsweise den kritischen Wert auf die Phase im
Lebenszyklus eines Produktes, so wird man der Lagerhaltung eines Produktes in
der Wachstumsphase wesentlich größere Aufmerksamkeit schenken müssen als
der Lagerhaltung eines Produktes in der Phase der Degeneration. Man wird die
kritischen Werte für die Produkte entsprechend gewichten. Aus den Spalten 5 und
6 in Abb. 5.10 ist zu ersehen, dass die Bedeutung der Artikel aufgrund des Um-
satzanteils und aufgrund des kritischen Wertes unterschiedlich eingeschätzt wird.
Um zu einer Rangordnung der Artikel zu gelangen, muss man die Bewertung auf-
grund der beiden Bewertungskriterien zu einem einzigen Wert zusammenfassen.
Hierzu bietet sich die Multiplikation an, da dann der Wertebereich weit gestreut
und eine deutliche Rangordnung ermöglicht wird. Spalte 7 zeigt die einheitliche
122 5 Lagerhaltung (Lagerbestände)
Bewertung der Artikel mit Hilfe der Umsatzanalyse und der Analyse des kriti-
schen Wertes. Es entsteht eine andere Rangordnung der Artikel als bei einer rei-
nen Umsatzanalyse. Diese Rangordnung kann dazu dienen, eine neue Klassifizie-
rung in A-, B- und C-Artikel vorzunehmen. Das ABC-Prinzip kann auf diese
Weise erweitert werden.
samten Lagerkosten in einem Lager steigen also relativ an, wenn der Umsatz
sinkt. Da der Umsatz je Lager steigt, je weniger Lager vorhanden sind, sprechen
die Lagerkosten für eine Zentralisierung der Lager. Gegen eine Zentralisierung
sprechen im Allgemeinen die Transportkosten, weil wegen des Fehlens von La-
gern in den Einzelmärkten die Möglichkeit verloren geht, die Produkte in großen
Transporteinheiten möglichst nahe an die Einzelmärkte heranzubringen. Die
Transportkosten erhöhen sich aber bei einer Zentralisierung von umsatzstarken
und umsatzschwachen Artikeln relativ gleich stark. Deshalb spricht ein Vergleich
der Lagerhaltungskostensenkung und der Transportkostenerhöhung dafür, umsatz-
starke Artikel in mehreren Auslieferungspunkten dezentral zu lagern, umsatz-
schwache Artikel dagegen möglichst zentral zu lagern. Teilt man die Artikel in
vier Klassen ein, so lässt sich folgende ABCD-Politik formulieren:
x A-Artikel sind so umsatzstark, dass es gerechtfertigt ist, sie in allen lokalen La-
gern zu lagern,
x B-Artikel sind weniger umsatzstark und werden in wenigen, ausgesuchten re-
gionalen Auslieferungslagern gelagert,
x C-Artikel werden wegen des geringen Umsatzes nur in Fabriklagern gelagert,
x D-Artikel haben einen so niedrigen Anteil am Umsatz, dass sie überhaupt nicht
auf Lager gehalten und nur auf Bestellung hergestellt werden.
Geht man davon aus, dass bei einer Zentralisierung der Lager die Ausliefe-
rungszeit der Ware an den Kunden ansteigt, so sinkt der Lieferservice für die zent-
ral gelagerten Artikel. Da jedoch nur die umsatzschwächeren Artikel davon be-
troffen sind, wird der Lieferservice für den gesamten Umsatz nur unwesentlich
beeinträchtigt. Er kann sogar erhöht werden, wenn man in Folge der Kostensen-
kung, welche durch die Zentralisation der umsatzschwachen Artikel ermöglicht
wird, freigesetzte Mittel dazu verwendet, die Sicherheitsbestände und somit die
Lieferbereitschaft der umsatzstarken Artikel zu erhöhen.
Vor der Einführung einer solchen ABCD-Politik ist noch der kritische Wert der
Artikel zu analysieren und die ABCD-Klassen sind gegebenenfalls entsprechend
abzuändern. Ferner muss man untersuchen, inwieweit umsatzstarke und umsatz-
schwache Artikel von denselben Kunden gekauft werden. Dieser Aspekt kann
ebenfalls zu einer Änderung der ABCD-Politik zwingen, wenn die Kunden erwar-
ten, dass ihnen die bestellten Artikel zusammen von einem Lager ausgeliefert
werden. Bei den umsatzstarken Artikeln ist zudem zu prüfen, ob der Umsatz durch
die Nachfrage vieler Kunden entsteht, die den Artikel in kleinen Mengen beziehen
oder ob es wenige Kunden sind, die den Artikel in Waggon- oder Lastzugladun-
gen beziehen. Trifft der zweite Fall zu, so wird auch für umsatzstarke Artikel eine
zentrale Auslieferung von Vorteil sein. Es zeigt sich also, dass zur Beantwortung
der Frage, welche Artikel an welchen Auslieferungspunkten zu lagern sind, je-
weils eine ganze Reihe von Einflussfaktoren zu berücksichtigen sind. Nicht zuletzt
gehört dazu auch das Lagerhaus selbst, mit seinem Standort, der Größe des von
ihm aus versorgten Marktgebietes und den Einrichtungen für die Lagerung und
Handhabung der Güter.
124 5 Lagerhaltung (Lagerbestände)
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Literatur 125
Definition
Ein Lagerhaus ist ein Knoten im logistischen Netzwerk, in dem Güter vorüberge-
hend festgehalten oder auf einen anderen durch das Netzwerk führenden Weg
übergeleitet werden. Aus der Abb. 1.2, in der die Grundstrukturen von Logistik-
systemen zusammengestellt sind, ist ersichtlich, dass Lagerhäuser sowohl Liefer-
und Empfangspunkte als auch Auflösungs- oder Konzentrationspunkte im Lo-
gistiksystem sein können. Im Lagerhaus laufen Lager- und Bewegungsprozesse
ab. Welche Prozesse dominieren, hängt von der Funktion eines Lagers ab. Die
Funktion bestimmt somit stark den Standort und die im Lagerhaus einzusetzende
Technik.
Funktionen
In Abb. 6.1 werden nach den in erster Linie von einem Lagerhaus zu erfüllenden
Funktionen drei Lagerhausarten unterschieden. Die prinzipielle Unterscheidung in
Vorrats-, Umschlags- und Verteilungslager1schließt nicht aus, dass in der Praxis
Mischformen auftreten können.
Die Vorratslager sind meist dem Produktionsbetrieb zugeordnet. Ihre wichtigs-
te Funktion ist, Kapazität für die Aufnahme von in der Produktion einzusetzenden
Gütern, aber auch von Fertigerzeugnissen (z. B. bei der Aufnahme von saisonge-
bundener Produktion) zur Verfügung zu stellen. In Vorratslagern dominieren die
Lagerprozesse gegenüber den Bewegungsprozessen. Sie können sowohl Beschaf-
fungs- als auch Produktions- oder Distributionslager sein.2 Umschlagslager (Tran-
sitterminals) sollen kurzfristig die Güter zwischen dem Umschlag von Transport-
mittel zu Transportmittel aufnehmen. Man findet solche Lagerhäuser vor allem bei
Logistikunternehmen. Mittlerweile spielen sie jedoch zunehmend auch bei Han-
delsunternehmen eine wichtige Rolle. Beim sogenannten Crossdocking liefern die
Hersteller die Ware für die einzelnen Filialen kommissioniert in das Zentrallager
des Handels. Dort werden dann die Sendungen verschiedener Hersteller für die
jeweiligen Filialen zusammengefasst und gemeinsam ausgeliefert. Im Zentrallager
des Handelsunternehmens entfällt damit die filialbezogene Kommissionierung und
Material,
hohe produktions- saisongebundene
Vorratslager
Lagerkapazität orientiert Halb- und
Fertigfabrikate
Material,
hohe transport- Halb- und
Umschlagslager
Umschlagsleistung orientiert Fertigfabrikate,
Handelsware
Verteilungslager
hohe
-Zulieferungslager Konzentrations- beschaffungs-
Material,
leistung orientiert
Handelsware
auch die Bestände werden ganz oder zumindest zum großen Teil eliminiert. 3 Ent-
sprechend dominieren im Umschlagslager die Bewegungsprozesse, so dass nicht
die Lagerkapazität, sondern die Erzielung einer großen Umschlagsgeschwindig-
keit bei ihrer Gestaltung zu erreichen ist. In Verteilungslagern wird der Güterfluss
in seiner Zusammensetzung geändert. In solchen Lagerhäusern sind die Lager- als
auch die Bewegungsprozesse von gleicher Bedeutung. Wichtigste Zielsetzung ist
die Leistungsfähigkeit zur Umstrukturierung des Güterflusses. Die Verteilungs-
funktion kann entweder eine Zuliefer- oder Auslieferfunktion sein, so dass Zulie-
ferungs- und Auslieferungslager unterschieden werden können.4 Zulieferungslager
sind Konzentrationspunkte in Logistiksystemen. In ihnen werden Güter von unter-
schiedlichen Lieferanten gesammelt und an einen oder mehrere Produktionsbe-
triebe – im Falle eines Handelsunternehmens an einen oder mehrere Handelsbe-
triebe – verteilt. Auslieferungslager sind Auflösungspunkte in Logistiksystemen.
In ihnen werden Güter aus der Produktion gesammelt und an den Kunden ausge-
liefert.
Nach dem Bereich, der von Verteilungslagern bedient wird, unterscheidet man
zentrale, regionale oder lokale Verteilungslager. Bei den zentralen Verteilungsla-
gern spricht man im Allgemeinen von Zentrallagern, während die dezentralen re-
gionalen oder lokalen Verteilungslager als Zulieferungs- bzw. Auslieferungslager
i. e. S. bezeichnet werden.
5 Für einen empirisch ermittelten Transportkostenverlauf vgl. Magee u.a., 1985, S. 253. Siehe
auch Abb. 3.7 in Teil I.
6 Klaus, 2005.
130 6 Lagerhaus
Transportkosten von
Auslieferungslager zu Kunde
Kosten je (Stückgutverkehr)
Gütereinheit B
Transportkosten
von Fabrik zu
A
Kunde
A' (Stückgutverkehr)
Zusätzliche Kosten
des Auslieferungslagers
(abhängig vom
Güterumschlag)
Transportkosten
Von Fabrik zu
Auslieferungslager
(Wagenladungs-
verkehr)
Abb. 6.2 Kostensenkung bei der Belieferung eines Gebietes durch ein Auslieferungslager
(Quelle: Vgl. Frederick, 1957, S. 81; Bowersox/Closs, 1996, S. 503)
Bei der Entscheidung über die Errichtung eines Auslieferungslagers sind nicht
nur seine Auswirkungen auf die Kosten, sondern vor allem auch auf die Nachfrage
zu berücksichtigen. Oft ist die Errichtung eines Auslieferungslagers die einzige
Möglichkeit, um einen entfernten Teilmarkt schneller beliefern zu können und so
die Lieferzeit zu verkürzen. Durch den auf diese Weise steigenden Lieferservice
kann man einen Wettbewerbsvorteil von Konkurrenten, die bisher einen günstige-
ren Standort hatten, ausgleichen. Das Auslieferungslager ist also ein wichtiges In-
strument beim Kampf um die Marktanteile.
6.2 Lagerhausaufgaben
Lagerhausstandort
Ausschlaggebend für die Funktionserfüllung eines Lagerhauses sind sein funkti-
onsgerechter Standort und sein funktionsgerechter Betrieb. Zu den Lagerhausauf-
gaben gehört deshalb zunächst die Standortwahl, die auf zwei Stufen zu treffen ist.
Bei der interlokalen Standortwahl wird darüber entschieden, an welcher Stelle in
einem Wirtschaftsgebiet ein Lagerhaus errichtet werden soll. Hat man sich hier
z. B. für eine Gemeinde entschieden, so muss danach bei der lokalen Standortwahl
festgelegt werden, an welchem Platz sich dort das Lagerhaus befinden soll.
Der interlokale Standort eines Lagerhauses hängt von der primär vom Lager zu
erfüllenden Funktion ab. Abgesehen von den Fällen, in denen Vorratslager einen
produktionsorientierten Standort haben und im Allgemeinen als Fabriklager un-
mittelbar mit dem Produktionsbetrieb verbunden sind, wird die interlokale Stand-
ortwahl eines Lagerhauses in weit größerem Maß von logistischen Überlegungen
beeinflusst als die Standortwahl eines Produktionsbetriebes. 7 Wie schon die Funk-
tion des Lagerhauses am Beispiel des Auslieferungslagers näher konkretisiert
wurde, so sollen auch die Einflussfaktoren der Standortwahl an dieser Lagerhaus-
art beispielhaft erläutert werden. Folgende sechs Einflussfaktoren sind für die
Wahl des Standortes eines Auslieferungslagers von Bedeutung:
x Lieferservice: Das Auslieferungslager soll gewährleisten, dass die Kunden
schnell beliefert werden. Welchen Lieferservice erwarten in dieser Beziehung
die Kunden und welchen Lieferservice bietet die Konkurrenz an? Eine Antwort
darauf gibt schon eine Vorstellung davon, wo überhaupt ein Auslieferungslager
errichtet werden sollte und welches Gebiet von ihm beliefert werden kann, um
den erforderlichen Lieferservice zu erreichen.
x Art des Absatzgebietes: Konzentriert sich die Nachfrage an bestimmten Punk-
ten im Absatzgebiet oder ist sie gleichmäßig über das gesamte Absatzgebiet
verteilt? Ist das Absatzgebiet durch geographische Barrieren (Bergzüge, Seen
oder Staatsgrenzen) geteilt, durch die das von einem Auslieferungslager zu ver-
sorgende Gebiet schon mehr oder weniger vorgegeben ist?
Lagerhausbetrieb
Die zur Funktionserfüllung eines Lagerhauses notwendigen Lager- und Bewe-
gungsprozesse bedingen die Wahrnehmung einer Anzahl von Lagerhausaufgaben,
die sich nach den in Abb. 6.3 angegebenen Lagerhausbereichen untergliedern las-
sen.8
Im Lagerhausbereich Wareneingang werden die Aufgaben der Güterannahme
vom Lieferanten und der Vorbereitung der Güter für die Lagerung erfüllt. Hierzu
8 Vgl. zum Folgenden Bowersox/Closs, 1996, S. 397; Stock/Lambert, 2001, S. 396ff.; Arnold
u. a., 2008, S. 378ff.
6.2 Lagerhausaufgaben 133
außerbetrieblicher
Transport
Lagerhaus
Wareneingang
Einheitenlager innerbetrieblicher
Lagerverwaltung
Transport
Kommissionierlager
Packerei
Warenausgang
außerbetrieblicher
Transport
oder Auflösung des Güterflusses dienen. 9 Zur Bezeichnung dieser Prozesse hat
sich der Begriff Kommissionieren durchgesetzt. Infolge des Kommissionierens
verlassen die Güter diesen Lagerhausbereich nicht in dem Zustand, in dem sie
eingelagert wurden. Das Kommissionieren ist auch heute noch in vielen Fällen ein
manueller Vorgang. Um trotzdem die Kommissionierzeiten möglichst kurz zu hal-
ten, ist bei der Gestaltung dieses Lagerhausbereiches auf zeitsparende Greifvor-
gänge und kurze Transportwege zu achten.
Infolge der unterschiedlichen Dominanz von Lager- und Bewegungsprozessen
im Einheiten- und Kommissionierlager sind beide Lagerhausbereiche also unter-
schiedlich zu gestalten. In den Fällen, in denen eine Trennung zwischen beiden
Lagerhausbereichen nicht sinnvoll erscheint, sind selbstverständlich die Ziele der
Raumausnutzung und der kurzen Kommissionierzeiten gleichgewichtig zu verfol-
gen.
Im Lagerhausbereich Packerei wird der kommissionierte Auftrag zu einer ver-
sandfähigen Einheit zusammengestellt, wobei unter Versand auch der Transport
an andere innerbetriebliche Stellen zu verstehen ist. Die Verpackungsaufgaben
werden im nächsten Abschnitt beim logistischen Subsystem Verpackung behan-
delt.
Der Lagerhausbereich Warenausgang umfasst die Aufgaben der Warenabgabe
an den Empfänger sowie die damit zusammenhängenden vorbereitenden Arbeiten.
Hierzu gehören die Entgegennahme der Waren aus der Packerei, nach Kunden o-
der Versandart geordnetes Zwischenlagern bis zur Abholung und die Disposition
der abholenden Transportmittel sowie das Verladen. Wie im Wareneingang stehen
auch hier die Bewegungsprozesse im Vordergrund. Eine längere Zeitüberbrückung
der Güter im Warenausgang findet nur in Sonderfällen statt.
Der Lagerhausbereich Lagerverwaltung umfasst die Aufgaben der Steuerung
und Koordination der Lager- und Bewegungsprozesse in den übrigen Lagerhaus-
bereichen. Die Lagerverwaltung bildet die Schnittstelle zum logistischen Subsys-
tem Auftragsabwicklung. Überträgt man Begriffe aus der elektronischen Daten-
verarbeitung auf das Lagerhaus, so ist die Lagerverwaltung die Software des
Lagerhauses und die übrigen Lagerhausbereiche stellen die Hardware dar.
In Abb. 6.3 wird zwischen inner- und außerbetrieblichem Transport unterschie-
den. Zum innerbetrieblichen Transport zählen sowohl die Transportprozesse in
einem Lagerhaus als auch die Transportprozesse in der Produktionsstätte. Zum
außerbetrieblichen Transport zählen dagegen sowohl der Transport vom Lieferan-
ten zum Unternehmen und vom Unternehmen zum Kunden als auch der Transport
zwischen verschiedenen Betrieben des Unternehmens. In diesem Abschnitt wird
lediglich der innerbetriebliche Transport behandelt. Der außerbetriebliche Trans-
port ist Gegenstand des fünften Abschnitts. Das bedeutet selbstverständlich nicht,
dass beide Transportarten isoliert voneinander zu sehen wären. Bei der Gestaltung
des innerbetrieblichen Transports ist der außerbetriebliche Transport soweit wie
möglich zu integrieren. Zur Vermeidung von Lager- und Bewegungsprozessen,
die zusätzliche Logistikkosten verursachen, ist eine Produktion direkt aus dem
bzw. in das außerbetriebliche Transportmittel anzustreben. Dies wird allerdings
nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich sein. In den übrigen Fällen
ist der innerbetriebliche Transport, der wesentlich kürzere Distanzen zu überbrü-
cken hat als der außerbetriebliche, mit besonderen Transportmitteln vorzuneh-
men.10 Die innerbetrieblichen Transportmittel bezeichnet man auch als Fördermit-
tel, wobei sich unter diesem Begriff auch die Mittel zur Realisierung der
Umschlagsprozesse subsumieren lassen. Wenn im Folgenden von Transport- oder
Fördermitteln bzw. -einrichtungen gesprochen wird, so sind damit alle Mittel zur
Überwindung horizontaler und vertikaler Distanzen gemeint.
Bevor ein Überblick über die Lager- und Transporteinrichtungen gegeben wird,
die zur Rationalisierung der Lager- und Bewegungsprozesse eingesetzt werden
können, soll auf die Lagerplatzzuordnung eingegangen werden. Die Zuordnung
von Lagerplätzen zu Gütern bestimmt wesentlich die Einsatzmöglichkeit von La-
ger- und Transporteinrichtungen.
6.3 Lagerplatzzuordnung
Das Problem der Lagerplatzzuordnung – in der Literatur auch unter den Stichwor-
ten Lagerorganisation oder Lagerordnung behandelt – kann als dritte Stufe der
Lagerhausstandortproblematik aufgefasst werden. Es geht um die Bestimmung der
Lagerorte für die im Lagerhaus zu lagernden Güter.
Einheit, in der das Gut an den Kunden verkauft wird, nennen. Zwei Einflussfakto-
ren, nämlich die Zugriffshäufigkeit und das Volumen der Verkaufseinheit, die sich
auch miteinander kombinieren lassen, sollen im Folgenden exemplarisch be-
schrieben werden:16
x Zugriffshäufigkeit (Entnahme- oder Bestellhäufigkeit): Bei einer Lagerung der
Güter nach diesem Einflussfaktor geht man davon aus, dass die mit der Be-
stellmenge der Kunden zusammenhängenden Handhabungskosten bei der
Kommissionierung unabhängig vom Lagerplatz sind. Somit verändern sich mit
dem Lagerplatz nur die Transportkosten, die von der zurückzulegenden Entfer-
nung sowie von der Häufigkeit, mit der man diese Entfernung zurücklegen
muss, abhängen. Man wird also bestrebt sein, die Güter umso näher am Kom-
missionierplatz zu lagern je größer die Zugriffshäufigkeit ist.
x Volumen der Verkaufseinheit eines Gutes: Bei der Lagerung der Güter nach
dem Volumen der Einheit, in der das Gut verkauft wird, werden die Artikel mit
einem großen Volumen je Verkaufseinheit entfernt vom Kommissionierplatz
und die Artikel mit einem kleinen Volumen je Verkaufseinheit nahe am Kom-
missionierplatz gelagert. Man verfolgt damit das Ziel, einen möglichst großen
Prozentsatz der zu lagernden Verkaufseinheiten möglichst nahe am Kommissi-
onierplatz zu lagern, um die zum Transport der Verkaufseinheiten zurückzule-
genden Wege zu verkürzen. Bei einer Lagerung nach diesem Einflussfaktor
wird zugleich vermieden, dass Güter mit den verschiedensten Abmessungen
nebeneinander gelagert werden. Das hat den Vorteil, dass nebeneinander la-
gernde Güter im Allgemeinen auch dieselben Anforderungen an die techni-
schen Hilfsmittel für ihre Ein- und Auslagerung und den zur Bedienung der
Lagerplätze notwendigen Raum stellen.
x Volumen-pro-Auftrag-Index: Dieser Index kombiniert das Volumen der Ver-
kaufseinheit eines Gutes mit der Zugriffshäufigkeit. Er kann mit Hilfe folgen-
der Informationen berechnet werden: (1) das Volumen der Verkaufseinheit ei-
nes Gutes, (2) die durchschnittlich pro Auftrag bestellte Anzahl von
Verkaufseinheiten, (3) die Anzahl der Aufträge pro Tag, (4) die Anzahl der Ta-
geslieferungen (Nachfrage pro Tag), die im Kommissionierlager gelagert wer-
den sollen. Aus diesen Informationen lässt sich errechnen, welches Volumen
im Kommissionierlager für die Lagerung eines jeden Gutes erforderlich ist. Di-
vidiert man dieses Volumen durch die Zugriffshäufigkeit pro Tag, so erhält
man den Volumen-pro-Auftrag-Index eines Artikels in der Form: im Kommis-
sionierlager benötigtes Volumen/Zugriffshäufigkeit pro Tag.
Der Index gibt also an, wie viel Raum im Kommissionierlager für ein Gut pro
Auftrag benötigt wird. Je niedriger der Indexwert für ein Gut ist, also je kleiner
das Volumen und je größer die Zugriffshäufigkeit pro Tag ist, desto näher am
Kommissionierplatz im Lagerhaus wird der Artikel gelagert. Dadurch wird er-
reicht, dass unter Berücksichtigung des Einflusses der Zugriffshäufigkeit und des
Abb. 6.4 Möglichkeiten der Lagerplatzzuordnung (Quelle: Eggenstein u.a., 1981, S. 259)
zur Lagerung eines Gutes benötigten Raumes die sich mit dem Lagerplatz verän-
dernden Transportkosten bei der Kommissionierung minimiert werden.
Gibt es eine nach Güterart festgelegte Lagerplatzzuordnung nicht, so spricht
man von freier Lagerplatzzuordnung, Einzelplatzlagerung oder chaotischer Lage-
rung. Hierbei kann jedes Gut an jedem gerade freien Platz gelagert werden. Man
verfolgt dabei das Ziel, den Lagerraum optimal auszunutzen. Dieses Problem stellt
sich vor allem bei einer stark schwankenden Nachfrage. Da die Güter bei der cha-
otischen Lagerung an zufällig freien Lagerplätzen gelagert werden, macht sie bei
einer großen Anzahl von Lagerplätzen den Einsatz der elektronischen Datenverar-
beitung zur Steuerung und Kontrolle der Ein- und Auslagerung erforderlich. Die
elektronische Datenverarbeitungsanlage übernimmt es, einem einzulagernden Gut
einen Lagerplatz von der erforderlichen Größe anzuweisen. Sie registriert, wel-
ches Gut, in welchen Mengen, an welchem Lagerplatz gelagert ist. Bei der Kom-
missionierung wird das Kommissionierpersonal teilweise automatisch zu dem La-
gerplatz geleitet, an dem die gewünschte Menge des Gutes entnommen werden
kann. Damit ist diese Art der Lagerplatzzuordnung häufig mit einer bestimmten
Technik im Lagerhaus kombiniert.
6.4 Technik im Lagerhaus 139
Technische Lagersysteme
Die im Lagerhaus einsetzbaren technischen Lager- und Transporteinrichtungen
hängen von dem in einem Lagerhaus zu realisierenden technischen Lagersystem
ab. Technische Lagersysteme unterscheiden sich zunächst nach der Art der Lager-
güter, die in Stückgüter, Schüttgüter, Gase und Flüssigkeiten aufgegliedert wer-
den:17
x Stückgüter sind Gegenstände, die sich während des Transportierens, Umschla-
gens und Lagerns als Einheit behandeln lassen und ihre Gestalt und Form wäh-
rend dieser Vorgänge nicht oder nur gering verändern. Zu Stückgütern gehören
feste Körper unterschiedlichster Abmessungen (z. B. Bauteile oder Halbzeuge),
aus einzelnen Stückgütern bestehende Lagereinheiten (z. B. beladene Paletten
oder palettenlos mit einer Folie umschrumpfte Gutstapel), Schüttgüter, Flüssig-
keiten oder Gase, die sich in Behältnissen befinden (z. B. Fässer oder Säcke)
sowie auch die Verpackung als Leergut (z. B. Behälter oder Fässer).
x Schüttgüter verändern während der Bewegungsprozesse ihre Gestalt. Es sind
lose Güter in schüttbarer Form, zu denen die verschiedenartigsten körnigen und
staubförmigen Güter wie Erze, Kohle, Sand, Zement, Getreide, Kaffee usw.
zählen.
x Gase und Flüssigkeiten sind Güter, bei denen während Transport, Umschlag
und Lagerung Stoffeigenschaften berücksichtigt werden müssen, die besondere
Kenntnisse aus der Chemie sowie der Verfahrenstechnik voraussetzen.
Im Rahmen dieses betriebswirtschaftlich orientierten Buches wird auf techni-
sche Lagersysteme für Schüttgüter sowie Flüssigkeiten und Gase nicht eingegan-
gen. Es wird lediglich ein knapper Überblick über technische Lagersysteme für
Stückgüter gegeben, für die in Abb. 6.5 eine Prinzipdarstellung zu finden ist.
Bei den technischen Lagersystemen unterscheidet man zwischen dem stati-
schen System für die Lagerung und dem dynamischen System für die Bewegung
der Güter.18 Die einfachste Form eines statischen Lagers ist eine Bodenlagerung
ohne Lagergestell. Von Bodenlagerung i. e. S. spricht man dann, wenn keine Sta-
pelbildung vorliegt. Dies führt zu einer schlechten Raumausnutzung, so dass trotz
fehlender Investitionen in Lagereinrichtungen hohe Investitionen pro Lagereinheit
entstehen können. Den Nachteil der schlechten Raumausnutzung vermeidet die
Blocklagerung, bei der das Lagergut lückenlos auf-, neben- und hintereinander ge-
stellt wird. Hierbei ist jedoch ein direkter Zugriff zu einem beliebigen Lagergut
nicht mehr gegeben. Dies ist auch nicht mehr bei der Zeilenlagerung der Fall,
wenn die Lagergüter nicht nur nebeneinander, sondern auch aufeinander gestellt
Abb. 6.5
Lagermittel für Stückgut
6
Lagerung auf
Bodenlagerung Regallagerung
Fördermittlen
Lagerhaus
Vertikales
Zeilenlagerung Fachbodenregal al
Umlaufregal
werden. Für die Stapelbildung üblich sind zwei- bis vierfache Stapelungen mit
Höhen bis normalerweise ca. 5 m, aber in Ausnahmefällen auch bis zu 10 m.
Technisch fortschrittlicher sind statische Regallagerungen, die eine größere
Lagerhöhe zulassen und auch für prinzipiell nicht aufeinander stapelbare La-
gereinheiten eine bessere Raumausnutzung ermöglichen. Zudem ist in der Form
der Regallagerung die Zugriffsmöglichkeit auf jede beliebige Lagereinheit gege-
ben.
Im dynamischen Lagersystem werden die Lagergüter bewegt. Bewegungspro-
zesse finden einerseits statt, um das Lagergut zur Beschickung (Einlagerung) und
Entnahme (Auslagerung) zu bewegen. In diesem Fall sind Lager- und Bewe-
gungsprozesse getrennt. (Vgl. Abb. 6.5, dynamische Regallagerung) Andererseits
ist es möglich, dass Lager- und Bewegungsprozesse nicht klar voneinander zu
trennen sind. So finden Bewegungsprozesse während der eigentlichen Lagerung
statt, wenn das Lagergut im Lagergestell bzw. wenn Lagergut und -gestell ge-
meinsam bewegt werden. Lagerprozesse während der eigentlichen Bewegungs-
prozesse finden statt, wenn das Lagergut auf Transportmitteln ständig umläuft.
Diese Art des dynamischen Lagers kann dann zum Einsatz kommen, wenn die
vor- und nachgelagerten Stellen im Güterfluss taktmäßig nicht übereinstimmen
und es sich um Güter mit hohem Mengenaufkommen und großer Umschlagshäu-
figkeit handelt.19
Um einen Eindruck von der technischen Vielfalt zu vermitteln, mit der die
prinzipiell möglichen technischen Lagersysteme realisiert werden können, werden
im Folgenden die wichtigsten Typen von Lagergebäuden, Lagergestellen und
Transportmitteln einander gegenübergestellt.20
Lagergebäude
Freilager: Die baulichen Maßnahmen bei Freilagern beschränken sich auf eine
Befestigung des Bodens, um den Untergrund für den Einsatz von Transportmitteln
zu schaffen. Geeignet sind solche Lager in erster Linie für witterungsunempfindli-
che Lagergüter; andernfalls müssen die Lagergüter zusätzlich gegen den Einfluss
der Witterung geschützt sein (z. B. durch Schrumpffolien oder durch Abdecken
mit Planen). In den meisten Fällen erfolgt die Lagerung in Form der Bodenlage-
rung.
Flachlager: Von einem Flachlager spricht man bei einem Lagergebäude bis ca.
7 m Höhe, in das mit oder ohne Lagergestelle eingelagert wird.
Etagenlager: Ein Etagenlager besteht aus mehreren Stockwerken. Der Übergang
vom Flachlager zum Etagenlager kann notwendig werden, wenn bei kleinen
Grundstücksflächen die Lagerfläche erhöht werden soll. In der Regel sind die
Stockwerke über Aufzüge miteinander verbunden.
19 Vgl. ten Hompel u.a., 2007, S. 80ff.
20 Vgl. zum Folgenden Jünemann/Schmidt, 2000, S. 41ff.; ten Hompel u.a., 2007, S. 55ff. Dort
finden sich auch zahlreiche Abbildungen zur Veranschaulichung.
142 6 Lagerhaus
Lagergestelle
Fachbodenregale: Sie bestehen aus Seitenstützen, zwischen denen durchgehende
Fachböden befestigt sind, wobei sich die Fachhöhe nach dem Lagergut richtet.
Gelagert werden in diesen Regalen vor allem Kleinteile. Die Bedienung der Rega-
le erfolgt vorwiegend manuell. Typischerweise finden sich solche Regale in
Flach- oder Etagenlagern.
Palettenregale: Diese Regale haben keine Böden, sondern bestehen lediglich aus
Seitenstützen mit Quer- oder Längstraversen zur Auflage für das palettierte La-
gergut. Die Bedienung erfolgt üblicherweise mit Hilfe von Gabelstaplern, was ent-
sprechende Gangbreiten erfordert.
Einfahrregale: Sie sind ein Spezialfall der Palettenregale und dienen der Blockla-
gerung mit Lagergestell. Da diese Regale nur Längstraversen aufweisen, können
die palettierten Güter nicht nur über- und nebeneinander, sondern auch hinterei-
nander gelagert werden.
Durchlaufregale: Dies sind dynamische Lager, in denen das Lagergut von der Be-
schickungs- zur Entnahmeseite kontinuierlich oder diskontinuierlich weiterbewegt
wird. In der Regel wird palettiertes Lagergut entweder auf geneigten Rollenbah-
nen bzw. auf geneigten Laufschienen mit Rollpaletten durch die Schwerkraft oder
mit mechanischem Antrieb auf nichtgeneigten Rollenbahnen bewegt. Bei diesen
Lagergestellen ist das FIFO-Prinzip (first in first out) zwangsläufig gewährleistet
und der Flächen- bzw. Raumausnutzungsgrad ist relativ hoch. Allerdings erfor-
dern die Durchlaufregale verhältnismäßig große Investitionen.
Kompaktregale: Zu den Kompaktregalen zählen Verschiebe- und Umlaufregale.
Verschieberegale sind entweder kompakt nebeneinander angeordnete Fachboden-
oder Palettenregale, die sich in den Bediengang herausziehen oder parallel zu ihm
verfahren lassen. Auf diese Weise stehen stets nur ein bzw. zwei Regale im direk-
ten Zugriff. Bei Umlaufregalen laufen Regaleinheiten horizontal oder vertikal um.
Solche über Kettenantriebe verfahrende Umlaufregale werden typischerweise dort
eingesetzt, wo beim Kommissionieren die „Ware zum Mann“ kommt und nicht
umgekehrt. Bei Kompaktregalen, bei denen also die Lagergüter und -gestelle ge-
meinsam bewegt werden, ist ein sehr hoher Flächen- bzw. Raumnutzungsgrad ge-
währleistet, aber der Zugriff ist durch die technisch bedingten hohen Manipulati-
onszeiten nicht besonders gut. Deshalb sind diese Regale nur für Güter mit
niedrigen Umschlagsfrequenzen geeignet. Außerdem entspricht die Investition
dem vergleichsweise hohen technischen Aufwand.
Hochregale: Dies sind Fachboden- oder Palettenregale mit sehr großen Regalhö-
hen, die über hoch technisierte Regalbediengeräte beschickt werden. Aufgrund der
großen Regalhöhen und der schmalen Bediengänge ergibt sich ein vergleichsweise
guter Flächen- und Raumnutzungsgrad. Die Zugriffszeiten sind wegen des allge-
mein hohen Mechanisierungsgrades sehr gering. Eingesetzt werden Hochregale
vor allem bei großen Gütermengen und breiten Sortimenten, wobei jedoch zu be-
rücksichtigen ist, dass Anpassungen bei Betriebsumstellungen nur in geringem
Ausmaß möglich sind.
Transportmittel
Stetigförderer: Dazu zählen alle Transportmittel, mit denen Güter auf einem fest-
gelegten und in der Regel gleichbleibenden Weg stetig in horizontaler, vertikaler
oder geneigter Richtung bewegt werden. Stetigförderer haben einen geringen
Energiebedarf, einen geringen Bedienungsaufwand und eine große Betriebssicher-
heit. Stetigförderer können sowohl flurfrei (Lastaufnahme erfolgt durch die De-
ckenkonstruktion des Lagerhauses) als auch flurgebunden (Lastaufnahme erfolgt
durch die Bodenkonstruktion des Lagerhauses) konstruiert werden. In der Regel
werden Stetigförderer als Förderbänder, Mitnehmerketten, Rollenbahnen oder
auch Unterflurschleppkettenförderer flurgebunden konstruiert. Umlaufketten
(Kreisförderer) oder Schaukelförderer mit festen Gehängen oder auswechselbaren
Schaukeln (Power and Free) werden dagegen häufig flurfrei konstruiert.
Unstetigförderer: Dazu zählen alle Transportmittel, die im sogenannten Aussetz-
betrieb arbeiten. Unstetigförderer mit vorwiegend vertikalen Transportaufgaben
bezeichnet man als Hubförderer. Solche mit vorwiegend horizontalen Transport-
aufgaben bezeichnet man als Flurförderzeuge, die ihrerseits wieder in gleisgebun-
dene und gleislose Flurförderzeuge untergliedert werden. Zu den gleisgebundenen
Flurförderzeugen gehören z. B. die Grubenbahnen für die Förderung im Unterta-
144 6 Lagerhaus
Nach dem Prinzip „Ware zum Mann“ entnehmen die vollautomatisch gesteuer-
ten Paletten- oder Behälterregalbediengeräte die Ladeeinheiten vom Lagerplatz
und stellen sie den Kommissionierern zur Verfügung. 23 Nach dem manuellen Pi-
cking transportieren die Regalbediengeräte die Ladeeinheit wieder zurück zum
Lagerplatz. Beispielsweise gibt es für die Pharmabranche als Geräte zur automati-
schen Entnahme spezielle Schachtautomaten und Kommissionierroboter.24
Abb. 6.6 gibt einen Überblick über die dargestellten Elemente eines Lagerhau-
ses. Die Materialfluss- und Fördertechnik wird im deutschen Sprachraum auch als
Intralogistik bezeichnet.25 „Die Intralogistik umfasst die Organisation, Steuerung,
Durchführung und Optimierung des innerbetrieblichen Materialflusses, der Infor-
mationsströme und des Warenumschlags mit Hilfe technischer Systeme und
Dienstleistungen.“26 Mit Hilfe neuer Technologien in der Sensorik – technische
Systeme zur Identifikation, Ortung und Zustandsüberwachung – lässt sich das La-
gerhaus zu einem intelligenten Logistikraum entwickeln. Hierzu lassen sich zwei
grundlegende Herangehensweisen definieren: „Zum einen die Schaffung intelli-
genter Infrastrukturen durch lokale Ausstattung mit entsprechenden Technologien
und alternativ zum anderen die Definition mobiler, intelligenter Objekte durch die
Ausstattung von Waren und Betriebsmitteln mit Sensorik.“ 27
Automatisierung im Lagerhaus
Die Automatisierung der Prozesse im Lagerhaus kann in zwei Problembereiche
unterteilt werden. Dies sind die Informationsverarbeitung und die Lagergutbe-
handlung. Beide Bereiche sind zwar untrennbar miteinander verbunden und beein-
flussen sich wechselseitig, doch existieren technisch unterschiedliche Probleme.
In der Informationsverarbeitung zur Steuerung und Kontrolle der statischen
und dynamischen Lagersysteme besteht in erster Linie eine Herausforderung der
informationstechnischen Verknüpfung der verschiedenen Systeme und Lager-
hausbereiche. Deshalb müssen hier vordergründig Probleme der physischen Ver-
knüpfung und der Standardisierung der Datenformate gelöst werden, um einen un-
terbrechungsfreien und automatischen Datenfluss realisieren zu können.
Abb. 6.6
6
Lagerhaus
Lagereinrichtungen
Abb. 6.7 Oben ist ein Beispiel für ein vollautomatisches Lager mit Regalbediengeräten und
Umsetzer abgebildet. Unten wird der Ablauf bei teilautomatisierter Kommissionie-
rung durch Pick-by-Light bzw. Put-to-Light dargestellt. (Quelle: In Anlehnung an
ten Hompel u.a., 2007, S. 194 und S. 294)
kann z. B. bei einem Computerausfall der Betrieb teilweise aufrecht erhalten wer-
den.
Voraussetzung für ein störungsfrei arbeitendes, automatisiertes Lagerhaus ist
nicht zuletzt eine Verpackung der Lagergüter, die die hohen Anforderungen für
einen automatischen Güterumschlag erfüllt.
Literatur 149
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150 6 Lagerhaus
Definition
Unter Verpackung versteht man die lösbare, vollständige oder teilweise Umhül-
lung eines Gutes (Packgutes), um dieses zu schützen oder andere Funktionen zu
erfüllen. 1 Der Verpackungsvorgang wird als Verpackungsprozess bezeichnet.
Packgut, Verpackung und Verpackungsprozess bilden zusammen das Verpa-
ckungssystem. Die Verpackung selbst ist nach der Norm DIN 55 405 eine Einheit
gebildet aus dem Packmittel und dem Packhilfsmittel, die aus verschiedenen
Packstoffen bestehen. 2 Der Packstoff ist der Werkstoff, aus dem Verpackungen
hergestellt werden. Das Packmittel ist das Erzeugnis aus dem Packstoff, das dazu
bestimmt ist, das Packgut zu umschließen oder zusammenzuhalten. Packhilfsmit-
tel ist ein Sammelbegriff für Hilfsmittel, die zusammen mit Packmitteln zum Ver-
packen, Verschließen, Versandfertigmachen usw. eines Packgutes dienen. Es ist
oft nützlich, diese einzelnen Verpackungselemente gesondert zu betrachten. Denn
jedes dieser Elemente hat seinen spezifischen Einfluss auf das Verpackungssys-
tem. Die Anwendung eines neuen Klebebandes kann beispielsweise das Ver-
schließen des Packmittels im Verpackungsprozess erleichtern. Die Unfallgefahr
kann bei der Handhabung der Verpackung durch die Umreifung des Packmittels
mit Kunststoffbändern statt mit Stahlbändern herabgesetzt werden.
Funktionen
Welche Eigenschaften eine Verpackung aufzuweisen hat, hängt von den von ihr
zu erfüllenden Funktionen ab.3 Grundsätzlich lassen sich folgende vier Funktions-
bereiche unterscheiden:
Produktionsfunktionen: Die Verpackung ermöglicht die mengenmäßige Bereitstel-
lung des Produktionsinputs und die mengenmäßige Aufnahme des Produkti-
onsoutputs am Produktionsort. Durch die Wahl einer geeigneten Verpackung
(z. B. Container) kann ohne weitere zwischengeschaltete Umschlagsvorgänge di-
rekt aus der Verpackung bzw. direkt in die Verpackung produziert werden.
7.2 Verpackungsaufgaben
Verpackungsgestaltung
Da die Verpackung Funktionen bei der Produktion, dem Marketing, der Verwen-
dung und der Logistik zu erfüllen hat, kann das gesamte Verpackungsproblem nur
durch ein Verpackungsteam gelöst werden, in dem Fachleute aus den verschiede-
nen Bereichen zusammenarbeiten. Zu einer Analyse des Verpackungssystems ge-
hört zunächst die Erfassung aller Anforderungen, die in den vier Funktionsberei-
chen der Verpackung an diese gestellt werden. 7 Danach muss geprüft werden,
inwieweit diese Anforderungen durch ein Verpackungssystem erfüllt werden und
welche Kosten damit verbunden sind. Die an die Verpackung gestellten Anforde-
rungen aus den verschiedenen Funktionsbereichen können miteinander konkurrie-
ren, wie aus Abb. 7.1 hervorgeht. Deshalb muss bei der Verpackungsgestaltung
ein Kompromiss gefunden werden, der alle Funktionsbereiche berücksichtigt. Soll
ein Funktionsbereich aus einem bestimmten Grund dominieren, so sind ihm die in
den anderen Funktionsbereichen der Verpackung dadurch entstehenden Mehrkos-
ten anzulasten.
temperaturbeständig
dicht
korrosionsbeständig
staubfrei
chemisch neutral
mengenerhaltend
Schutzfunktion schwer entflammbar
formstabil
stoßfest
stoßdämpfend
druckfest
reißfest
stapelbar
Lager- und rutschfest
Transportfunktion genormt
handhabbar
automatisierungsfreundlich
unterfahrbar
einheitenbildend
raumsparend
flächensparend
ökonomisch
werbend
Verkaufsfunktion Identifikations- und informativ
Informationsfunktion identifizierbar
unterscheidbar
leicht zu öffnen
wiederverschließbar
Verwendungsfunktion wiederverwendbar
ökologisch
entscheidungsfreundlich
hygienisch
Vormaterialverpackung
Einzelverpackung
Ökologie Marketing
Sammelverpackung
Versand-/Transportverpackung
Produkteigenschaften Verbraucher
Logistik
Abb. 7.2 Einflüsse auf die Gestaltung der Verpackungsarten (Quelle: Mit geringfügigen Än-
derungen entnommen aus Frerich-Sagurna, o. J., S. 21)
Verpackungsprozess
Der Verpackungsprozess beinhaltet die Gesamtheit der zum Verpacken des Gutes
notwendigen Arbeitsschritte von der Zuführung der leeren Verpackung und des
Packgutes zum Verpackungsplatz über die verschiedenen Stufen des eigentlichen
Verpackungsverordnung
Die Verpackungsverordnung unterscheidet verschiedene Verpackungsarten. Die
Transportverpackung hat vor allem eine Schutzfunktion und soll die Ware auf
dem Weg vom Hersteller zum Vertreiber vor Schäden bewahren. Die Verkaufs-
verpackung dient dem Transport vom Handel zum Endverbraucher und ggf. auch
zur Lagerung bis zum endgültigen Verbrauch. Bei der Umverpackung handelt es
sich um Folien, Kartonagen oder ähnliche Umhüllungen, die dazu dienen, die Ab-
gabe der Ware im Wege der Selbstbedienung zur ermöglichen, die Diebstahlmög-
lichkeiten zu senken bzw. zu verhindern oder Werbung zu ermöglichen.11
sche Einheiten dadurch zu bilden, dass sie mit Hilfe von Schnüren oder Bändern
zu in Form und Abmessungen standardisierten Einheiten paketiert werden. Eine
derartige paketierte Einheit kann man mit Untersätzen (Füßen, Pallhölzern) verse-
hen, so dass eine Art Palette entsteht. Die verschiedenen Arten von Paletten, Falt-
kisten, Kleinbehältern und Großbehältern vermitteln einen Eindruck von der Viel-
falt der Möglichkeiten zur Bildung logistischer Einheiten.
In Abb. 7.3 sind die grundsätzlichen Möglichkeiten zur Bildung logistischer
Einheiten zusammengestellt. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, alle Mög-
lichkeiten zur Bildung logistischer Einheiten im Einzelnen darzustellen und mitei-
nander zu vergleichen. Deshalb sollen exemplarisch nur die Palette und der Con-
tainer etwas ausführlicher behandelt werden. Ein wesentlicher Gesichtspunkt bei
der Wahl der logistischen Einheit wird jedoch immer sein, welche Einheit eine
weitgehend ununterbrochene Transportkette erlaubt.
logistische Einheit
Palette16
Nach DIN 15 145 und DIN 55 405 wird die Palette definiert als eine „tragbare
Plattform mit oder ohne Aufbau, die dazu dient, Güter zusammenzufassen, um ei-
ne Ladeeinheit zum Befördern, Lagern und Stapeln mit Flurförderzeugen oder an-
deren mechanischen Einrichtungen zu bilden. Sie ist mit Einrichtungen zum Un-
terfahren durch die Einführungsorgane von Flurförderfahrzeugen (Gabelstapler,
Gabelhubwagen usw.) versehen; die Unterfahrhöhe beträgt in der Regel etwa 100
mm.“17 Diese Definition des Deutschen Normenausschusses weist die Palette als
typische logistische Einheit aus. In ihr wird direkt auf die Funktionen der Palette
während der Auslieferung der Güter beim Lieferanten, beim Kunden und bei den
Logistikunternehmen erfüllen. Durch Normung versucht man, die Abmessungen
der Paletten mit den Abmessungen der für ihre Lagerung und Handhabung sowie
ihren Transport notwendigen technischen Hilfsmittel abzustimmen und die Zahl
der Typen zu verringern. Um die Vorteile der Palettierung durch die Möglichkeit
des zwischenbetrieblichen Austausches von Paletten voll nutzen zu können, wur-
den durch Normen neben den Abmessungen auch schon genaue Einzelheiten in
Bezug auf Werkstoff und Konstruktion festgelegt. Eine derartige Vereinheitli-
chung ist in noch größerem Umfang anzustreben als bisher, um die Freizügigkeit
des Paletteneinsatzes weiter zu steigern. Werden von Lieferanten, Kunden und
Logistikunternehmen einheitliche Paletten eingesetzt, so können zwischen ihnen
die Paletten Zug um Zug, also eine volle Palette gegen eine leere, ausgetauscht
werden. Ein solcher Austausch der Palette kann innerhalb eines Palettenpools
verwirklicht werden, dem Lieferanten, Kunden und Logistikunternehmen angehö-
ren. Es entsteht dadurch ein einheitliches Palettensystem, in dem eine Palette als
logistische Einheit innerhalb des gesamten Absatzkanals so lange wie möglich er-
halten bleibt. Hierbei gelangt die logistische Einheit durch Transportvorgänge von
einer Stufe im Absatzkanal zur nächsten Stufe.
Im Jahre 1961 wurde ein europäischer Palettenpool gegründet. Die Europäische
Tauschpalette oder Pool-Palette (Europalette) hat die Abmessungen 800 mm ×
1.200 mm. In der chemischen Industrie und in der Hohlglasindustrie findet auch
die Palettenabmessung 1.000 mm × 1.200 mm und in der Getränkeindustrie die
Palettenabmessung 800 mm × 1.000 mm Verwendung.
Großbehälter
Zu den Großbehältern zählen folgende Behälterarten (vgl. Abb. 7.4):
x ISO-Container für den internationalen Verkehr,
x Binnencontainer für den europaweiten Transport,
x Wechselbehälter oder Wechselaufbauten,
x ULD (Unit Load Device) für die Luftfahrt.
Den ISO-Container gibt es in den Hauptausführungen mit 20 Fuß (6.055 mm)
und 40 Fuß (12.190 mm) Länge (auch in 10 und 30 Fuß)20, einer Breite von 8 Fuß
(2.435 mm) und einer Höhe von 8 bis 9 Fuß (2.435 bis 2.745 mm). Er ist sechs-
fach stapelfähig und wird meist durch eine zweiflügelige Tür an einer Stirnseite
be- und entladen. Der ISO-Container erlaubt eine optimale Flächenausnutzung nur
durch eine Beladung mit den z. B. in den USA gebräuchlichen ISO-Paletten. Für
die in Europa gebräuchliche Pool-Palette ergeben sich Verluste bei der Flächen-
nutzung im ISO-Container.
Für den deutschen Binnenverkehr und den europäischen Verkehr wurde der
Binnencontainer entwickelt. Er hat eine Breite von 2.500 mm, eine Höhe von
ULD
ISO-Container, 40 Fuß Binnencontainer, 20 Fuß Lower-Deck Container
Wechselbehälter
Abb. 7.4 Verschiedene Großbehälter (Quelle: ten Hompel u.a., 2007, S. 30ff.)
2.600 mm, eine Länge von 20 Fuß (6.055 mm) oder 40 Fuß (12.190 mm) und hat
ein zulässiges Gesamtgewicht von 20 t bzw. 30 t. Zur Be- und Entladung hat der
Container neben einer Hecktür auf der linken Seite eine Seitentür. Er weist eine
Innenbreite von 2.440 mm auf, so dass ein Querstau von zwei Paletten von
1.200 mm oder drei Paletten von 800 mm möglich ist. Da man sich bei der Länge
des Containers an den ISO-Containern ausgerichtet hat, ist aber die maximale Flä-
chenausnutzung mit der Europäischen Tauschpalette nicht möglich.
Für den Transport auf der Straße und der Schiene wurden Lkw-
Wechselaufbauten entwickelt, die im deutschen Binnenverkehr – teilweise auch
im europäischen Verkehr – eingesetzt werden. Die Wechselaufbauten haben eine
Breite von 2.500 mm, eine Höhe von 2.600 mm und eine Länge von 6.250 mm
oder 7.150 mm. Da die Wechselaufbauten eine Innenbreite von 2.440 mm und ei-
ne Innenlänge 6.100 bzw. 7.000 mm haben, kann die Ladefläche mit den in Euro-
pa gebräuchlichen Paletten maximal genutzt werden.
Da alle drei Großbehälterarten die gleichen Anschlussmaße haben, können sie
mit dem gleichen Fahrgestell transportiert werden.
Im Bereich der Luftfahrt werden ULD als Paletten und Container zur Lastenuf-
nahme benutzt. Aufgrund der verschiedenen Bauarten von Flugzeugrümpfen wei-
sen sie eine Vielzahl unterschiedlicher Formen auf. Als Hauptklassen unterschei-
det man hierbei Main-Deck- und Lower-Deck-Container, die in Leichtbauweise in
ihrer Konstruktion auf die Paletten abgestimmt und aus Aluminium bzw. Alumi-
nium und Kunststoff gefertigt werden.
164 7 Verpackung
Einzelpackung Sammelpackung
Grundpackung Versandpackung
400 x 600
Modul 600 x 800
2x 800 x 1200
4x 1000 x 1200
5x
Abb. 7.5 Modularer Aufbau von Verpackungen (Quelle: Mit geringfügigen Änderungen ent-
nommen aus Rockstroh, 1978, S. 203)
Abb. 7.6 Beispiel einer Palette mit modularen Verpackungen (Quelle: Eggen-
stein/Herbst/Jansen, 1981, S. 172)
Literatur
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ten Hompel M, Schmidt T, Nagel L (2007) Materialflusssysteme. Forder- und La-
gertechnik. 3., völlig neu bearb. Aufl. Berlin u.a.
8 Transport
Definition
Unter Transport versteht man die Raumüberbrückung oder Ortsveränderung von
Transportgütern mit Hilfe von Transportmitteln. Jedes Transportsystem besteht
aus dem Transportgut, dem Transportmittel und dem Transportprozess. Soll ein
Transportgut vom Lieferpunkt A zum Empfangspunkt B transportiert werden und
ist am Lieferpunkt A nicht das gewünschte Transportmittel vorhanden, so kann ein
Transportprozess notwendig werden, den man als Leertransport bezeichnet. Leer-
transporte sind Transportprozesse ohne Transportgut, die aber notwendige Vo-
raussetzung für den sich anschließenden Transportprozess mit Transportgut sind.
Unter innerbetrieblichem Transport versteht man den Transport in einem Werk
von einem Produktionsort zum anderen oder den Transport in einem Bereich oder
zwischen verschiedenen Bereichen eines Lagerhauses. Unter außerbetrieblichem
Transport versteht man dagegen den Transport vom Lieferanten zum Kunden, den
Transport zwischen verschiedenen Werken bzw. zwischen verschiedenen Lager-
häusern eines Unternehmens sowie zwischen dessen Werken und dessen Lager-
häusern. Da der innerbetriebliche Transport im Abschnitt über das Lagerhaus ab-
gehandelt wurde, beziehen sich die folgenden Ausführungen auf den
außerbetrieblichen Transport.
Funktionen
Man unterscheidet zwischen primären und sekundären Funktionen des Trans-
ports.1 Zu den primären Funktionen zählen die Beförderungsfunktion sowie die
damit untrennbar verbundene Umschlagsfunktion. Zu den sekundären Funktionen
zählt in erster Linie die Wegsicherungsfunktion, d. h. das Herstellen und Vorhal-
ten von Wegen.2 Häufig wird als weitere Sekundärfunktion die Haftungsfunktion
genannt.
Die Haftungsfunktion wird im Rahmen dieses betriebswirtschaftlich orientier-
ten Buches nicht behandelt. Ebenfalls wird auf die Wegsicherungsfunktion im
Folgenden nicht eingegangen, denn dies ist eine volkswirtschaftliche Aufgabe.
Die folgenden Ausführungen beziehen sich somit auf die Möglichkeiten zur Erfül-
8.2 Transportaufgaben
Transportproblem
Das Transportproblem in einem logistischen Netzwerk ist gekennzeichnet durch
das Transportgut, die Struktur und Beschaffenheit des Liefergebietes, die Standor-
te der Liefer- und Empfangspunkte sowie durch die Art des Angebots und der
Nachfrage seitens dieser Punkte. Für ein gegebenes Transportproblem müssen
grundsätzlich zwei Fragen beantwortet werden:
x Welches ist das günstigste Transportmittel?
x Welches ist der günstigste Transportprozess?
Die Frage nach dem günstigsten Transportmittel betrifft die Hardware des
Transportes. Es muss entschieden werden, mit welchen Transportmitteln die Güter
befördert werden sollen. Dagegen geht es bei der Frage nach dem günstigsten
Transportprozess um die Software des Transportes. Die Software betrifft die ab-
lauforganisatorischen Regelungen zur Steuerung des Transportprozesses.
Unter dem Transportproblem versteht man in der Literatur des Operations Re-
search meistens ein ganz bestimmtes organisatorisches Problem. Ist ein Gut an
den verschiedenen Lieferpunkten in bestimmten Mengen verfügbar, so besteht das
Transportproblem in der Bestimmung der Lieferpunkte und der von ihnen auszu-
liefernden Gütermengen derart, dass die gesamten Transportkosten bei der Belie-
ferung der Empfangspunkte mit den von ihnen nachgefragten Gütermengen mini-
miert werden. Weitere Transportprobleme im Transportprozess, die ebenfalls in
der Literatur des Operations Research behandelt werden, sind die optimale Bela-
dung eines Transportmittels, die Bestimmung des kürzesten Weges zwischen ei-
nem Lieferpunkt und einem Empfangspunkt oder die Bestimmung der optimalen
Gesamtroute für die Belieferung mehrerer Empfangspunkte von einem Liefer-
punkt. Bei einem großen Fuhrpark stellt sich auch das Problem des optimalen Ein-
satzplanes für die Transportmittel zur Erzielung einer maximalen Transportleis-
tung.
Transportkette
Die Lösung des Transportproblems besteht letztlich im Aufbau einer Transport-
kette. Nach DIN 30781, Teil 1, wird der Begriff der Transportkette definiert als
„Folge von technischen und organisatorisch miteinander verknüpften Vorgängen,
bei denen Personen oder Güter von einer Quelle zu einem Ziel bewegt werden.“3
Wie aus Abb. 8.1 hervorgeht, können Transportketten eingliedrig oder mehrglied-
rig aufgebaut sein. In einer eingliedrigen Transportkette sind Liefer- und Emp-
fangspunkt (Quelle und Ziel) im ungebrochenen Verkehr oder Direktverkehr ohne
Wechsel des Transportmittels unmittelbar verbunden. In einer mehrgliedrigen
Transportkette findet dagegen ein Wechsel des Transportmittels bei der Verbin-
dung von Liefer- und Empfangspunkt statt. Man spricht dann von gebrochenem
Verkehr oder Kombiniertem Verkehr i. w. S. Vom Kombinierten Verkehr i. e. S.
spricht man jedoch nur dann, wenn kein Wechsel des Transportgefäßes stattge-
funden hat. In diesem Sinne soll der Begriff im Folgenden gebraucht werden.
Der Aufbau einer Transportkette für den Güterfluss muss begleitet werden
durch den Aufbau einer entsprechenden Dokumentationskette für den Informati-
onsfluss.4 Dies ist insbesondere für einen reibungslosen Güterfluss in mehrgliedri-
gen Transportketten von Bedeutung, bei denen man drei typische Phasen unter-
scheidet.
Transportkette
Abb. 8.1 Möglichkeiten zum Aufbau einer Transportkette (Quelle: Mit leichten Änderungen
entnommen aus Seidenfus, 1972, S. 79)
Die erste Phase ist der Vorlauf von den Lieferpunkten zu einem Sammelpunkt
(Konzentrationspunkt), der beispielsweise ein Speditionslagerhaus sein kann. Die-
se Phase der Transportkette ist als Flächenverkehr zu kennzeichnen. Der Haupt-
lauf als zweite Phase ist dagegen ein Streckenverkehr. Er geht vom Sammelpunkt
zum Verteilpunkt (Auflösungspunkt), z. B. in Form eines anderen Speditionsla-
gerhauses. Vom Verteilpunkt zu den Empfangspunkten findet der Nachlauf statt,
der sich wiederum als Flächenverkehr charakterisieren lässt.
5 Sicherheitsvorschriften für die Durchführung von Transportaufgaben ergeben sich vor allem
aus den vielfältigen gesetzlichen Vorschriften über die Arbeitszeiten im Transportgewerbe
und aus dem Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter. Die Regelungen für den
Transport gefährlicher Güter versuchen, die Risiken dadurch einzuschränken, dass Informa-
tionen über die Art des Gutes, über die von ihm ausgehenden Gefahren, über die erforderli-
che Art von Transportmitteln und -gefäßen sowie die notwendigen Maßnahmen bei Unfällen
in der Transportkette weitergegeben werden.
6 Zu Deregulierungsaktivitäten auf den Verkehrsmärkten vgl. Aberle, 2009, S. 173ff.; Kum-
mer, 2006, S. 226ff.
7 Siehe dazu Heidmann, 2013.
174 8 Transport
8.3 Transportmittel
Güterverkehrssystem
Abb. 8.2 gibt einen Überblick über das Güterverkehrssystem. Hierbei wird zu-
nächst bei den Medien, auf oder in denen die Beförderungsfunktion erfüllt wird,
zwischen Land-, Luft- und Wasserverkehr unterschieden. Danach erfolgt eine
Aufgliederung nach den eingesetzten Transportmitteln. Die Untergliederung die-
ser Transportmittel wird dann nach unterschiedlichen Kriterien vorgenommen,
beispielsweise nach organisatorischen Kriterien bei der Unterscheidung zwischen
gewerblichem Straßengüterverkehr und Werkverkehr, nach technischen Kriterien
bei der Unterscheidung zwischen Motor- und Schleppschifffahrt oder nach Trans-
portgutkriterien wie bei der Unterscheidung zwischen Rohöl- und Produktenpipe-
lines. Die Einschätzungen der Leistungsfähigkeiten der einzelnen Transportmittel
sind recht unterschiedlich, wie Abb. 8.3 zeigt. Im Folgenden sollen die wichtigs-
ten Transportmittel charakterisiert werden.11
8 Unter Kabotage wird die Durchführung von Transporten im Hoheitsgebiet eines anderen
Landes verstanden.
9 Vgl. Bundesamt für Güterverkehr, 2017, S. 3ff.
10 Vgl. Bundesamt für Güterverkehr, 2017, S. 1ff.
11 Vgl. Aberle, 2009, S. 18ff.; Buchholz u.a., 1998, S. 105ff.
8.3 Transportmittel 175
Wirtschaftssystem Gesellschaftssystem
Verkehrssystem
Personenverkehrs- Nachrichtenverkehrs-
Güterverkehrssystem
system system
gewerblicher
Straßengüter- Wagenladungs- Rohöl- Motorschiff-
verkehr verkehr pipelines fahrt
- Nahverkehr Stückgut- Produkten- Schleppschiff-
- Fernverkehr verkehr pipelines fahrt
Werkverkehr Expressgut- Schubschiff-
- Nahverkehr verkehr fahrt
- Fernverkehr
Kombinierter
Verkehr
Seeverkehr
(Dienstgut-
verkehr) Linienfahrt
Trampfahrt
Tankfahrt
Küstenschifffahrt
Rohr- Binnen-
Straßen- Schienen- See- Luftfracht-
leitungs- schiff-
verkehr verkehr verkehr verkehr
verkehr verkehr
Transportzeit
Termintreue
Transportkosten
Flexibilität
Netzdichte
13 Für einen detaillierten Überblick über die Fahrzeuge, die im Straßen- und Güterverkehr zum
Einsatz kommen, vgl. Buchholz u.a., 1998, S. 105ff.
14 Die Qualitätsschwerpunkte einzelner Verkehrsträger werden in dem Konzept der Verkehrs-
wertigkeiten erfasst. Vgl. dazu Kummer, 2006, S. 101ff. Siehe auch Abb. 8.3.
15 Vgl. Buscher/Hayens, 1998, S. 18.
8.3 Transportmittel 179
Flugzeug
Als hervorragende Leistungsmerkmale des Flugzeuges lassen sich Transport-
schnelligkeit, Transportsicherheit und Transporthäufigkeit nennen. Weitere Leis-
tungsmerkmale liegen in der Einfachheit der expeditionellen Abfertigung, der
Überschaubarkeit des Transportweges und in der Möglichkeit einer außeror-
dentlich kurzfristigen Versanddisposition. Der Qualität der Transportleistung des
Flugzeuges stehen jedoch die relativ hohen Kosten der Luftfracht gegenüber. Die
Luftfracht ist aber ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit der Berücksichtigung
des Gesamtkostenprinzips. Denn die relativ hohen Luftfrachtkosten dürfen nicht
isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit der Auswirkung der Transportleistung
des Flugzeugs auf die anderen Logistikkosten gesehen werden. Aus diesem Grund
betonen auch die Luftverkehrsgesellschaften bei der Frachtberatung immer, dass
man nicht die reinen Frachtraten des Flugzeuges mit denen der anderen Trans-
portmittel vergleichen dürfe, sondern die Relation zu den gesamten Kosten, die
bei der Auslieferung eines Gutes anfallen, beachten muss.
Wegen der Transportschnelligkeit, der Transportsicherheit und der Transport-
häufigkeit bei der Benutzung des Flugzeuges als Transportmittel kann das Liefer-
serviceniveau erhöht werden. Allerdings wirkt sich die Transportschnelligkeit des
Flugzeuges erst ab genügend großen Transportentfernungen positiv auf eine Ver-
kürzung der Lieferzeit aus. Denn bei kurzen Strecken, vor allem wenn Liefer- oder
Empfangsort nicht in der Nähe des Flughafens liegen, geht durch den notwendigen
An- und Abtransport zum bzw. vom Flughafen der Zeitvorteil des Flugzeuges
wieder verloren. Dem Flugzeug kommt deshalb nicht so sehr die Bedeutung als
Transportmittel für die Versorgung des deutschen Marktes, sondern viel eher bei
der Belieferung des europäischen Marktes und des Marktes in Übersee zu. Die
Anerkennung des internationalen Airwaybill-Luftfrachtbriefes durch über hundert
Luftverkehrsgesellschaften mit einheitlichen Beförderungsbestimmungen garan-
tiert eine reibungslose Beförderung der Transportgüter auch dort, wo mehrere Ge-
sellschaften am Transport beteiligt sind.
Wird das Flugzeug als Transportmittel benutzt, so sinken wegen der kurzen
Transportzeit die Kosten der Kapitalbindung in den Lagerbeständen während des
Transportes. Die Sicherheitsbestände in den Auslieferungslagern können gesenkt
werden, da Nachfragespitzen mit Hilfe der Luftfracht vom Zentral- oder Fabrikla-
ger befriedigt werden können. Die Zahl der Auslieferungslager kann reduziert
werden, weil die verschiedenen Teilmärkte mit Hilfe des Flugzeuges von weniger
Auslieferungslagern in der notwendigen Zeit beliefert werden können. Das führt
zu einer Zentralisierungstendenz im Auslieferungsnetz. Es ist auch möglich, durch
180 8 Transport
16 Zum Modell zur Bestimmung der optimalen Kombination vgl. Herron, 1968.
17 Zu einer Diskussion des Einflusses dieser Faktoren vgl. Herron, 1968. Siehe dazu auch die
Ausführungen zur selektiven Lagerhaltung in Abschn. 5.4.
8.4 Kombinierter Verkehr 181
18 Zu den Formen, Rahmenbedingungen und Akteuren des kombinierten Verkehrs vgl. Boldt,
2009, S. 46ff. Zum Behälterverkehr siehe auch Abschn. 7.3.
182 8 Transport
Auflieger
Auflieger
Rollende
Landstraße
RoadRailer
(Trailerzug)
RoadRailer
Container
Container
Huckepackverkehr
Beim Huckepackverkehr sind die Transportsysteme am weitesten entwickelt, bei
denen Straßenfahrzeuge über lange Strecken auf der Schiene befördert werden.
Man nutzt auf diese Weise die auf großen Entfernungen im Vergleich zum Stra-
8.4 Kombinierter Verkehr 183
fahren können. Die Aufnahme der Behälter sowie das Ein- und Auslagern in das
Hochregallager wird durch eine Teleskopvorrichtung realisiert.
Der Huckepackverkehr auf der Schiene kann nur auf weitere Transportentfer-
nungen wirtschaftlich gestaltet werden. Als Faustregel gilt, dass er unter 200 km
unrentabel ist und im Allgemeinen erst ab 500 km rentabel wird. Im Wettbewerb
mit dem Straßenfernverkehr hat der Huckepackverkehr im Vergleich zur direkten
Haus-Haus-Beförderung des Straßenfernverkehrs zu bestehen.
Die Kombination von Schiene und Straße ist nicht die einzige Möglichkeit des
Huckepackverkehrs. Auch See- und Binnenschiff lassen sich im LASH-System
(Lighter Aboard Ship) miteinander kombinieren. Das LASH-System besteht aus
einem Mutter- oder Trägerschiff, auch Huckepackfrachter genannt, das über eine
bordeigene Umschlagsanlage verfügt, mit der es die Leichter aufnimmt oder ab-
setzt. Diese Leichter werden vor bzw. nach dem Seetransport zu Schubverbänden
zusammengestellt und auf den Binnenwasserstraßen zur Be- und Entladestelle ge-
fahren.
Institutionell wird der Huckepackverkehr auf der Schiene von der
KOMBIVERKEHR DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR KOMBINIERTEN GÜTERVERKEHR
MBH & CO. KG. (nachfolgend kurz KOMBIVERKEHR genannt) durchgeführt. We-
sentliche Kapitalanteile halten Verbände des Güterverkehrsgewerbes sowie
Kraftwagenspediteure und Transportunternehmer. Außer den Gesellschaftern
können auch andere Transportunternehmen und Kraftwagenspeditionen am Hu-
ckepackverkehr teilnehmen, sofern die Gesellschaft zustimmt. Die DEUTSCHE
BAHN AG ist an der Gesellschaft mehrheitlich beteiligt. 19 Die KOMBIVERKEHR ist
seit November 1999 zugelassen als öffentliches Eisenbahnverkehrsunternehmen
und stellt Wagen, IT- und Beratungsdienstleistung zur Verfügung.
Obwohl der Huckepackverkehr aus ökologischen Gründen gefördert wird und
neben den (ehemals) staatlichen Eisenbahngesellschaften weitere Transportdienst-
leister Angebote des Kombinierten Verkehrs aufbauen, 20 ist derzeit nicht damit zu
rechnen, dass dies zu einer nennenswerten Verschiebung von Transportleistungen
von der Straße auf die Schiene führen wird. Auch wenn bei der Überbrückung der
Schnittstelle Straße-Schiene technische Entwicklungen den Wechsel des Trans-
portträgers vereinfachen und beschleunigen, sind die aktuellen Prognosen recht
widersprüchlich.21 Ein weiteres Hindernis für den Kombinierten Verkehr sind un-
terschiedliche nationale Normen im Schienenverkehr innerhalb Europas.22 Einzig
bei der Überwindung geographischer Hindernisse, die für Lkw nicht oder nur
schlecht zu überqueren sind (z. B. Gewässer oder Gebirge) und in Folge von poli-
tischen Maßnahmen, die auf ökologischen Überlegungen basieren, kann der Kom-
19 Zur Struktur der DEUTSCHEN BAHN AG siehe Teil IV, Abschn. 16.5.
20 Vgl. European Commission, 2001, S. 41ff.
21 Vgl. Aberle, 2009, S. 84 und dort zitierte Literatur.
22 In Europa sind derzeit noch unterschiedliche Spurweiten, Bahnstromsysteme und
Lichtraumprofile im Einsatz, die den internationalen Schienen- und damit den Kombinierten
Verkehr behindern.
Literatur 185
binierte Verkehr zukünftig noch Marktanteile gewinnen. Dies ist z. B. beim Tran-
sitverkehr durch Österreich und die Schweiz der Fall.
Containerverkehr
Der Containerverkehr lässt sich durch Kombination aller Transportmittel durch-
führen. Der Hauptlauf kann sowohl auf der Schiene als auch auf dem Wasser oder
in der Luft durchgeführt werden. Der Vorlauf geht im Allgemeinen über die Stra-
ße. Wenn von Containerverkehr gesprochen wird, so wird damit in erster Linie die
Kombination Straße/Schiene sowie die Kombination Schiene oder Straße mit
Überseeschiff gemeint.
Der Containerverkehr, bei dem der Hauptlauf vom Schiff durchgeführt wird,
wird im Allgemeinen von speziellen Containerreedereien betrieben. Wird der
Hauptlauf über die Schiene ausgeführt, so sind zur Durchführung spezielle Gesell-
schaften einzuschalten. Die TFG TRANSFRACHT GMBH, eine 100%-Tochter der
DEUTSCHE BAHN AG, transportiert Container von den Deutschen Seehäfen
zum Endempfänger europaweit in das Hinterland und vom Hinterland zu den
Deutschen Seehäfen. Eine andere wichtige Gesellschaft für Containerverkehr ist
INTERCONTAINER-INTERFRIGO SA, die eine Gesellschaft der europäischen Eisen-
bahnen für internationale Containertransporte auf der Schiene ist. Für Transporte
auf der Schiene sind TFG TRANSFRACHT bzw. INTERCONTAINER Frachtführer. Sie
organisiert auf Wunsch auch den erforderlichen Straßenvor- und -nachlauf. Sie
bietet außerdem noch zusätzliche logistische Dienstleistungen an.
Mit der Skizzierung der Aufgaben der KOMBIVERKEHR und der TFG
TRANSFRACHT bzw. INTERCONTAINER wurden schon institutionelle Teilaspekte
von Logistiksystemen angesprochen, die im Anschluss an die Diskussion der pha-
senspezifischen Subsysteme der Logistik im Teil III im Einzelnen behandelt wer-
den.
Literatur
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liche Grundlagen. 5., überarb. und ergänzte Aufl. München
Boldt O (2009) Unternehmensübergreifendes Qualitätsmanagement für korridor-
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richt 2016. Köln
Buscher R, Hayens O (1998) KV-Verkehr wirtschaftlich? In: Logistik Heute 20
7/8, S. 18-21
186 8 Transport
Ausgehend von der Definition und der Charakterisierung der Konzeption dieser
phasenspezifischen Subsysteme werden insbesondere die Probleme behandelt, die
sich aus den verschiedenen Logistikobjekten und den Schnittstellen der Logistik in
den verschiedenen Phasen zu den betriebswirtschaftlichen Funktionen der Be-
schaffung, der Produktion, des Absatzes, des Kundendienstes bzw. der Instandhal-
tung sowie des Umweltschutzes ergeben. Auf die verrichtungsspezifischen logisti-
schen Subsysteme wird in den Phasen der Beschaffung und Distribution nicht
eingegangen, da die diesbezügliche Problematik weitestgehend durch die allge-
meine Darstellung der verrichtungsspezifischen Subsysteme im vorangegangenen
Kapitel abgedeckt ist.
9 Beschaffungslogistik
Definition
Die Beschaffungslogistik ist ein marktverbundenes Logistiksystem. Sie stellt die
Verbindung zwischen der Distributionslogistik der Lieferanten und der Produkti-
onslogistik eines Unternehmens dar. Objekte der Beschaffungslogistik sind Güter
(Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Kaufteile und Handelsware), die dem Unterneh-
men bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen (bereitzustellen) sind. Bedarfsträger
ist das Beschaffungslager oder – im Falle einer direkten Anlieferung – die erste
Produktionsstufe im Unternehmen.
Um die Gesamtaufgabe der Versorgung des Unternehmens mit nicht selbster-
stellten Einsatzgütern erfüllen zu können, muss neben der körperlichen auch die
rechtliche Verfügbarkeit, d. h. beispielsweise der Eigentumserwerb an den Gütern,
sichergestellt werden. Die damit verbundenen Aktivitäten fallen in den Aufgaben-
bereich der Beschaffung (des Einkaufs). Die Aufgaben zur Erfüllung der Gesamt-
aufgabe der Versorgung werden auch unter dem Begriff Materialwirtschaft zu-
sammengefasst. 1 Die Abgrenzung zwischen der Beschaffung und der Beschaf-
fungslogistik eines Unternehmens kann durch die folgende Sichtweise verdeutlicht
werden. Danach ist es Aufgabe der Beschaffung, Lieferkapazitäten zur Verfügung
zu stellen, Lieferkapazitäten zu pflegen und zukünftige Lieferkapazitäten zu ent-
wickeln. Bezüglich der Aufgabenerfüllung wird der Marketinggedanke vom Ab-
satz- auf den Beschaffungsbereich übertragen. Dies liegt nahe, da die Gestaltung
von Austauschbeziehungen zwischen Marktpartnern, in diesem Fall auf dem Be-
schaffungsmarkt, als wesentliches Merkmal des Marketinggedankens zu sehen
ist.2
Der Begriff Beschaffungsmarketing setzt sich sowohl in der Theorie als auch in
der Praxis immer weiter durch; analog zum Marketinginstrumentarium im Ab-
satzbereich existiert ein Marketinginstrumentarium im Beschaffungsbereich. 3 Das
Beschaffungsmarketing erfüllt die ihm gestellten Aufgaben, indem mit Hilfe der
Instrumente der Marktforschung auf gegenwärtigen Märkten Lieferkapazitäten er-
1 Zur Definition der Materialwirtschaft vgl. Grochla, 1990, S. 18. Für eine ausführliche Dar-
stellung der Abgrenzung der Begriffe Beschaffung, Materialwirtschaft und Logistik vgl.
Arnold, 1997, S. 1ff.
2 Vgl. Koppelmann, 2004, S. 77ff.
3 Vgl. Koppelmann, 2004, S. 271ff. Zur Beschaffungsmarktforschung vgl. auch Large, 2013,
S. 94ff.
kannt und die Lieferanten mit Hilfe der beschaffungspolitischen Instrumente (die
in Anlehnung an die Instrumente der Marketingpolitik im Absatzbereich definiert
werden) so beeinflusst werden, dass sie dem nachfragenden Unternehmen die ge-
wünschten Produkte liefern. Die auf diese Weise beschaffte Lieferkapazität ist
durch den Einsatz der entsprechenden Instrumente der Beschaffungspolitik ständig
zu pflegen, um die einmal gewonnenen Lieferanten als Stammlieferanten zu erhal-
ten. Außerdem hat sich der Beschaffungsbereich des Unternehmens damit zu be-
fassen, welche Produkte auf zukünftigen Beschaffungsmärkten zur Problemlösung
im Unternehmen beitragen können. Er hat also für die Entwicklung zukünftiger
Lieferkapazitäten Sorge zu tragen, wobei hier im Hinblick auf zukünftige Zulie-
ferprodukte und ihre Bedeutung für die Gestaltung der eigenen Produkte eine enge
Beziehung zum Forschungs- und Entwicklungsbereich deutlich wird.
Die Beschaffungslogistik nutzt die vorhandenen Lieferkapazitäten, indem sie
die Güter- und Informationsflüsse zur Bereitstellung der Einsatzgüter erzeugt.
Aufgrund des marktverbundenen, unternehmensübergreifenden Charakters der
Beschaffungslogistik sind typischerweise nicht alle Entscheidungstatbestände, die
einen Einfluss auf die externe Bereitstellung der Einsatzgüter haben, innerhalb der
Unternehmensgrenzen angesiedelt. Folglich sind Konzepte und Regelungen not-
wendig, die eine übergreifende Koordination der Güterflüsse und eine engere
Kopplung zwischen Lieferanten und Abnehmer ermöglichen. Solche Regelungen
beziehen sich insbesondere auf zeitliche und organisatorische Aspekte der Liefe-
rungen und enthalten häufig Festlegungen über den Zeitpunkt des Gefahren- und
Kostenübergangs.
Damit wird auch in erheblichem Maße der Umfang der logistischen Kontroll-
spanne in der Beschaffungslogistik bestimmt. Eine weite Kontrollspanne des Ab-
nehmers bedeutet, dass er weitgehend selbst für die Bereitstellung verantwortlich
ist und auch die Maßnahmen zur Durchführung treffen muss. Dies entspricht einer
Ausprägung des Holprinzips, das neben dem Bringprinzip eine der zwei grund-
sätzlichen Arten der Bereitstellung4 bildet. Ist dagegen die Aufgabe der externen
Materialbereitstellung im Wesentlichen dem Lieferanten übertragen, liegt eine
Ausprägung des Bringprinzips mit entsprechend geringer Kontrollspanne des Ab-
nehmers vor. Ein wichtiges Beispiel für Regelungen, die direkt die logistische
Kontrollspanne beeinflussen, sind die so genannten Incoterms 5, die selbstverständ-
lich auch für die Distributionslogistik von Bedeutung sind.
Konzeption
Das Systemdenken in der marktverbundenen Beschaffungslogistik fordert, bei Ent-
scheidungen nicht nur die Beziehungen zwischen den verrichtungsspezifischen lo-
gistischen Subsystemen innerhalb eines Unternehmens oder die Beziehungen zu
anderen Funktionen im Unternehmen zu betrachten, sondern insbesondere auch
4 Zur Unterscheidung von Bring- und Holprinzip in der internen Materialbereitstellung siehe
Abschn. 10.2.
5 Zur Konditionenpolitik siehe Abschn. 9.2.
9.1 Definition und Konzeption der Beschaffungslogistik 191
8 Vgl. Grochla, 1990, S. 23ff.; Large, 2013, S. 193ff. Der Begriff extern meint, dass die Güter
von außerhalb des Unternehmens bereitgestellt werden. Wegen des möglichen engen Zu-
sammenhangs zur Produktionslogistik siehe auch die Prinzipien der internen Materialbereit-
stellung in Abschn. 10.2.
9 Der Begriff intern meint, dass die Güter von Organisationseinheiten innerhalb des Unter-
nehmens kommend bereitgestellt werden.
10 Üblicherweise spricht man heute von der Just-in-time Beschaffung oder Anlieferung.
9.2 Beschaffungslogistik und Instrumente der Beschaffungspolitik 193
diesem Prinzip muss der Lieferant das Material zu den Terminen anliefern, die
durch den Produktionsablauf des beschaffenden Unternehmens bestimmt werden.
Der laufende Tagesbedarf geht im Allgemeinen direkt von den Transportmitteln
zu den Produktionsstellen, auf diese Weise werden kurze Durchlaufzeiten des Ma-
terials erreicht. Lagerbestände werden lediglich in Form geringer Sicherheitsbe-
stände gehalten, so dass Kapitalbindung und Lagerkosten niedrig sind. Die pro-
duktionssynchrone Anlieferung erfordert sehr zuverlässige Lieferanten. Darüber
hinaus macht sie eine enge Zusammenarbeit zwischen Lieferant und Abnehmer
auf der Basis eines intensiveren Informationsaustausches notwendig, damit etwai-
ge Änderungen im Ablauf des Produktionsprozesses des Abnehmers sofort an den
Lieferanten weitergeleitet werden können und er seine eigene Produktion darauf
abstimmen kann. Nur auf diese Weise ist es möglich, dass die Lagerhaltung nicht
lediglich vom Abnehmer auf den Lieferanten abgewälzt wird, sondern dass bei
beiden die Lagerhaltung weitgehend vermieden wird.
Voraussetzungen für die geforderte enge informatorische Verknüpfung sind das
Vorhandensein eines unternehmensübergreifenden Planungs- und Steuerungssys-
tems (Lieferabrufsystem) und die weitgehende informationstechnische Integration
zwischen Lieferant und Abnehmer, um einen elektronischen Datenaustausch zu
ermöglichen. 11 Ein Lieferabrufsystem umfasst in der Regel drei Ebenen: Die
Rahmenvereinbarung, in der grundsätzliche Lieferbedingungen vereinbart werden,
den Rahmenauftrag, in dem jeweils für einen Zeitraum von einigen Monaten die
Wochen- oder Tagesbedarfe des Abnehmens spezifiziert werden und den Lie-
ferabruf, der als eigentliche Bestellung die Mengen, Termine und Anlieferungs-
punkte des Materials festlegt.
Produktpolitik
Bestandteile der Produktpolitik sind die Produktgestaltung und das Beschaffungs-
programm, in dem festgelegt wird, welche Güterarten in welchen Mengen und in
welcher zeitlichen Verteilung innerhalb eines Planungszeitraums bezogen werden.
Von Bedeutung für die Beschaffungslogistik sind zunächst Entscheidungen über
13 Für eine ausführliche Darstellung der Beziehung zwischen Produktpolitik und Distributions-
logistik vgl. Abschn. 11.2.
14 Siehe dazu Teil I, Abschn. 3.3. Dieser Trend ist übrigens auch eine der Ursachen für die ge-
steigerte Aufmerksamkeit, die der Beschaffung und der Beschaffungslogistik in den letzten
Jahren gewidmet wurde. Zur Gestaltung der Fertigugnstiefe vgl. auch Large, 2013, S. 90ff.
15 Siehe die Ausführungen zur Bedarfsermittlung in Teil II, Abschn. 5.2 und zur Vorratsergän-
zung und -sicherung in Abschn. 5.3.
9.2 Beschaffungslogistik und Instrumente der Beschaffungspolitik 195
schaffungslogistik schließen sich daran die Entscheidungen über die Höhe einzel-
ner Bestellmengen (Bestellmengenproblem) und die Bestellzeitpunkte an, die in
enger Abstimmung mit den entsprechenden Entscheidungen in der Produktion und
in der Produktionslogistik erfolgen müssen.
Konditionenpolitik
Der direkte Bezug der Beschaffungslogistik zur Preispolitik ist bei der Kalkulation
des Einstandspreises der Ware gegeben. Denn im Einstandspreis sind die Kosten
der Beschaffungslogistik enthalten. Dies bedeutet, dass bei Verhandlungen über
den Preis der Ware und den Leistungsumfang untersucht werden muss, ob es
günstiger ist, eine Lieferung ab Werk zu beziehen und den Transport selbst zu
übernehmen (bzw. einen Dienstleister zu beauftragen) oder eine Lieferung frei
Haus zu vereinbaren, wobei in diesem Falle der Lieferant die logistische Leistung
erbringt und in den Preis einkalkuliert. Ein Bezug der Waren ab Werk ist beson-
ders dann sinnvoll, wenn sich durch Abstimmung der Beschaffungs- und Distribu-
tionslogistik positive Verbundwirkungen erzielen lassen. Beispielsweise können
Distributions- und Beschaffungstransporte so koordiniert werden, dass Leerfahrten
weitgehend vermieden und eine hohe Auslastung der Fahrzeuge erreicht werden
kann.
Eine Befragung 560 deutscher Unternehmen im Jahr 1997 hat ergeben, dass
66% der Beschaffungsgüter frei Haus bzw. frei Abladestelle bezogen werden. Für
34% der Güter übernehmen die beschaffenden Unternehmen selbst die Koordina-
tion des Transportes. Allerdings beziehen lediglich 1,6% aller Unternehmen ihre
Beschaffungsgüter ausschließlich frei Haus und nur 2,1% übernehmen für alle Be-
schaffungsgüter den Transport. Es zeigt sich, dass Unternehmen bezüglich der Be-
schaffungslogistik in der Regel für jedes Produkt individuell entscheiden, von
wem der Warentransport übernommen wird.16
Im internationalen Warenverkehr werden solche Festlegungen durch die Ver-
wendung der entsprechenden Incoterms17 getroffen. Das sind die internationalen
Regeln für die Auslegung handelsüblicher Vertragsformeln. Sie werden im zwi-
schenstaatlichen Warenverkehr von den Unternehmen benutzt und legen die Lie-
ferbedingungen bzw. die Pflichten und Rechte (insbesondere die Aufgaben-, Kos-
ten- und Gefahrenteilung) der Verkäufer und Käufer fest. Die Incoterms, die aus
insgesamt 13 Klauseln bestehen, sind in vier Hauptgruppen unterteilt und unter-
scheiden sich nach den Orten des Kosten- und Gefahrenübergangs. 18 Bekannte
Klauseln sind:
x Ex Works (EXW), d. h. Ab-Werk-Verkäufe: Hier bestimmt der Auftraggeber
(der Käufer) alle logistischen Leistungen, wie z. B. die Beauftragung eines
Spediteurs oder eines Frachtführers. Von ihm sind auch alle dafür anfallenden
dass diese Mengen dann über lange Zeit Kapital binden und große Lagerkosten
verursachen.
Werden Kaufverträge gemäß Kaufvertragsformen mit speziellen Erfüllungs-
vereinbarungen (Rahmenverträge, Abrufverträge, Sukzessivlieferungsverträge,
Konsignationsbezug usw.) abgeschlossen, so sind gerade logistische Tatbestände
häufig Gegenstand dieser besonderen Vereinbarung. Beispielsweise werden in
Sukzessivlieferungsverträgen die Mengen festgelegt, die zu bestimmten Terminen
abzunehmen sind. Beim Konsignationsbezug hält der Lieferant einen Lagerbe-
stand in der Nähe des Bedarfsträgers, aus dem dieser je nach Bedarf Material ent-
nehmen kann. Ein typisches Beispiel ist auch das bereits beschriebene Lie-
ferabrufsystem in der produktionssynchronen Beschaffung, in dem die
Lieferabrufe oft sehr eng begrenzte Anlieferzeitfenster enthalten.
Beziehungen zwischen Konditionenpolitik und Beschaffungslogistik können
auch bei Gegengeschäften auftreten, bei denen die Gegenleistung des abnehmen-
den Unternehmens nicht in Form von Geld, sondern in Form von Gütern erbracht
wird.
Kommunikationspolitik
Die Kommunikationspolitik soll dem Lieferanten die Ideen und Absichten der Be-
schaffungspolitik verdeutlichen. Ihr Ziel besteht darin, die Leistungsfähigkeit, Lie-
ferwilligkeit und Vertragstreue der Anbieter zu gewinnen, zu erhalten und zu er-
höhen. Beziehungen zwischen Kommunikationspolitik und Beschaffungslogistik
bestehen lediglich in sehr allgemeiner Weise, beispielsweise setzt die enge Zu-
sammenarbeit zwischen Lieferant und Abnehmer bei der produktionssynchronen
Anlieferung gerade leistungsfähige, lieferwillige und vertragstreue Lieferanten vo-
raus. Die Kommunikationspolitik kann so dazu beitragen, dass man Lieferanten
gewinnt, die den beschaffungslogistischen Anforderungen entsprechen. Ein typi-
sches Instrument der Kommunikationspolitik ist die Durchführung so genannter
Lieferantentage, zu denen das beschaffende Unternehmen derzeitige und potenti-
elle Lieferanten einlädt und mit ihnen Problemlösungsgespräche, die auch be-
schaffungslogistische Probleme betreffen können, führt bzw. Möglichkeiten zu-
künftiger Zusammenarbeit diskutiert.
Bezugspolitik
Wie zwischen den Absatzkanälen und der Distributionslogistik, so bestehen auch
zwischen Beschaffungskanälen und der Beschaffungslogistik besonders enge Be-
ziehungen. Eine wesentliche Entscheidung der Bezugspolitik betrifft die Festle-
gung des Beschaffungsweges (Direktbezug, Beschaffung über Beschaffungshelfer
oder den Großhandel), auf dem die Einsatzgüter bezogen werden sollen, wobei
diese Entscheidung stark von der Absatzwegepolitik der Lieferanten bestimmt
wird. Aufgrund der Analogie zwischen den entsprechenden Entscheidungen in der
Distributions- und Bezugspolitik können die Ausführungen zur Distributionspoli-
198 9 Beschaffungslogistik
tik hier übertragen werden. 21 Lediglich zwei Punkte sollen besonders hervorgeho-
ben werden, nämlich das Problem der Anzahl der Lieferanten und das Problem ih-
rer geographischen Anordnung bzw. Streuung.
Eine große Anzahl von Lieferanten vermindert das Risiko der Abhängigkeit
und schützt so beispielsweise vor Lieferausfällen durch Produktionsstörungen bei
einzelnen Lieferanten. Sie belastet aber sehr stark das System der Beschaffungslo-
gistik und führt zu einer hohen Komplexität. Eine Reduzierung der Anzahl der
Lieferanten bietet Möglichkeiten zur Reduzierung der Koordinations- und Logis-
tikkosten. Die Material- und Informationsflüsse vom Lieferanten zum Abnehmer
können – insbesondere durch organisatorische Maßnahmen und eine bessere ge-
genseitige Abstimmung durch unternehmensübergreifende Planung und Steuerung
– effizienter gestaltet werden. Wenn besonders enge Beziehungen zum Lieferan-
ten aufgebaut werden müssen, wie das beispielsweise im Fall der produktionssyn-
chronen Anlieferung der Einsatzgüter erforderlich ist, ist eine Verminderung der
Lieferantenanzahl unumgänglich. Dies zeigt sich in dem Trend zum Single Sour-
cing oder Double Sourcing22, der Beschränkung auf einen oder zwei Lieferanten
für den Gesamtbedarf einer bestimmten Einsatzgüterart, der stark mit den Konzep-
ten der Just-in-Time-Produktion und -Beschaffung verbunden ist.
Ähnliche Überlegungen lassen sich anstellen bei der Frage nach der geographi-
schen Anordnung bzw. Streuung der Lieferanten. So bietet eine internationale Be-
schaffung – ein entsprechendes Beschaffungskonzept wird häufig als Global
Sourcing bezeichnet – Chancen zur Ausnutzung von Preis- und Wechselkursvor-
teilen sowie zur Sicherung von Lieferkapazitäten in Zeiten der Marktverknappung.
Ferner kann das Beschaffungsrisiko, z. B. aufgrund von Streiks, durch den Ein-
kauf bei Lieferanten auf geographisch unterschiedlichen Beschaffungsmärkten
gemindert werden. Dem stehen längere Transportentfernungen und damit verbun-
den auch höhere Transportkosten, längere Lieferzeiten, größere Unterwegsbestän-
de und eine geringere Lieferzuverlässigkeit gegenüber. 23 In der Regel nimmt bei
wachsender Transportentfernung die Notwendigkeit zu, unterschiedliche Ver-
kehrsträger einsetzen zu müssen und eine zunehmende Zahl von Transaktions-
partnern, beispielsweise spezialisierte Logistikunternehmen, einzubeziehen. Ent-
sprechend steigt auch die Komplexität der Informationsflüsse in Form von
Auftrags-, Transport- und Handelsdokumenten, so dass auch die Kosten der Koor-
dination tendenziell ansteigen.
Grundsätzlich gilt deshalb, dass aus Sicht der Beschaffungslogistik eine Kon-
zentration der Beschaffung auf Lieferanten, die in möglichst geringer Entfernung
zum Unternehmen liegen, vorteilhaft ist. Bei weiter entfernt liegenden Lieferanten
Literatur
Arnold U (1997) Beschaffungsmanagement. 2., überarb. und erw. Aufl. Stuttgart
Becker K G (1992) Incoterms und Beförderungsfrankaturen. Bedeutung und In-
terdependenzen aus Verladersicht. In: Internationales Verkehrswesen 44 9,
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baden
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Large R (2013) Strategisches Beschaffungsmanagement. Eine praxisorientierte
Einführung. Mit Fallstudien. 5., vollst. überarb. Aufl. Wiesbaden
Meißner S (2013) Schlanke Materialversorgungsprozesse am Beispiel eines Nutz-
fahrzeugherstellers. In: Günthner W A, Boppert J (Hrsg) Lean Logistics. Me-
24 Siehe dazu die Einordnung des Beschaffungslagers in den Güterfluss in Teil I, Abb. 1.6.
25 Vgl. Wildemann, 1995, S. 103ff.
26 Vgl. Meißner, 2013, S. 302f.
200 9 Beschaffungslogistik
Definition
Entsprechend der Gliederung der Unternehmenslogistik nach den Phasen des Gü-
terflusses ist die Produktionslogistik zwischen der Beschaffungs- und der Distri-
butionslogistik angeordnet und verbindet diese miteinander. Die Produktionslogis-
tik umfasst alle Aktivitäten, die in einem Zusammenhang mit der Versorgung des
Produktionsprozesses mit Einsatzgütern (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie
Halbfertigerzeugnisse und Kaufteile) und der Abgabe der Halbfertig- und Fertig-
erzeugnisse an das Absatzlager stehen.
Die Objekte der Produktionslogistik sind dadurch gekennzeichnet, dass sie in-
nerhalb der Fertigung durch die Be- und Verarbeitung einem ständigen Wandel
unterliegen und somit im Verlauf des Güterflusses unterschiedliche Anforderun-
gen an die Logistik stellen. Produktionsvorgänge und logistische Aktivitäten sind
eng miteinander verknüpft, teilweise sogar untrennbar miteinander verbunden. 1
Dies ist dann der Fall, wenn während der Lagerung und/oder während des Trans-
portes ein Gut auch qualitativ verändert wird. Solche Überschneidungen sind häu-
fig in der chemischen Industrie anzutreffen. Betont wird diese enge Verknüpfung
auch dann, wenn als Aufgabenbereich der Produktionslogistik der (innerbetriebli-
che) Materialfluss genannt wird. Denn gemäß der Definition des Begriffes Materi-
alfluss werden nicht nur die Vorgänge des Transportierens, Lagerns und Handha-
bens, sondern auch die Bearbeitung der Erzeugnisse als dem Materialfluss
zugehörig betrachtet.2
Eine Abgrenzung von Produktion und Logistik ist möglich, wenn das Bereit-
stellen von Produktionskapazitäten in der erforderlichen Kapazität (quantitativ und
qualitativ) und Flexibilität als Aufgabe der Produktion definiert wird. Teil dieser
Aufgabe ist es ferner, vorhandene Produktionskapazitäten zu pflegen und zukünf-
tige zu entwickeln. Dazu sind die Produktionsprozesse so zu gestalten, dass die
Produktionstechnologie (z. B. verschiedene Stufen der Automatisierung) auf die
Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Mitarbeiter abgestimmt ist. Die Pflege der
vorhandenen Produktionskapazitäten hat durch entsprechende Instandhaltungs-
und Wartungsmaßnahmen zu erfolgen. Schließlich hat sich die Produktion damit
Konzeption
Das Systemdenken ist angesichts der genannten engen Verknüpfung logistischer
Prozesse mit Produktionsprozessen eine wesentliche Voraussetzung, um optimale
Gesamtlösungen zu erreichen. In der Vergangenheit wurde dies oft vernachlässigt.
So wurden die nacheinander folgenden Produktionsschritte zwar in sich optimal
gestaltet, eine gegenseitige Abstimmung fehlte jedoch, so dass eine Abschirmung
der einzelnen Produktionsschritte voneinander durch Puffer notwendig wurde. 5
Über die produktionslogistischen Zusammenhänge hinaus sind auch die Schnitt-
stellen zu anderen logistischen Subsystemen zu betrachten. Ein Beispiel ist die
Anlieferung der Einsatzgüter der Produktion durch den Lieferanten direkt an die
8 Zur Frage der Zuordnung der Aufgaben der Produktionsplanung und -steuerung zu den Be-
reichen Produktion oder Logistik vgl. Hahn, 1989, S. 41. Für eine Übersicht verschiedener
Systeme der Produktionsplanung und -steuerung vgl. Thonemann, 2015, S. 279ff.; Pfohl,
2016, S. 138ff.
9 Vgl. Ihde, 2001, S. 278f. Zum Zusammenhang zwischen Produktionstypen und Verfahren
der Produktionsplanung und -steuerung vgl. die ausführliche Darstellung bei Vahrenkamp,
2008, S. 110ff.
10 Zur Bildung von Produktionstypen vgl. Günther/Tempelmeier, 2012, S. 10ff.
10.2 Produktionslogistik bei verschiedenen Produktionstypen 205
11 Vgl. Grundig, 2008, S121ff. Dort wird auch eine ausführliche Beschreibung weiterer Dar-
stellungstechniken für Transportbeziehungen gegeben.
12 Vgl. Küpper und Helber, 2004, S.9.
13 Zu den Organisationstypen der Fertigung vgl. Günther/Tempelmeier, 2012, S. 13ff.
206 10 Produktionslogistik
Modellieren
Modellieren Schleifen Dekorieren
M1 M2 S1 S2 D1 D2 D3
Tasse
Teller
Brennen Putzen
B1 B2 P1 P2
Werkstätten Arbeitssysteme
Abb. 10.1 Produktion von Porzellan als ein Beispiel des Materialflusses bei Werkstattferti-
gung
M1 M2 M3 M4
M1 M2 M3 M4
M8 M7 M6 M5
M8 M7 M6 M5
M1 Arbeitssysteme
Abb. 10.2 Montage von Personenkraftwagen als ein Beispiel des Materialflusses bei Fließfer-
tigung
Produktionsprogrammbezogene Produktionstypen
Nach dem Grad der Übereinstimmung der Produkte bzw. der Auflagengröße wird
zwischen Massen-, Sorten-, Serien- und Einzelfertigung unterschieden. In der
Massenfertigung hat die Produktionslogistik die Aufgabe, die Produktiveinheiten
über lange Zeiträume mit denselben Einsatzgütern zu versorgen. Notwendig sind
hier Logistiksysteme, die unter Ausnutzung eines hohen Mechanisierungsgrades
möglichst störungsfrei kontinuierlich dieselbe Leistung erbringen können. Bei der
Sortenfertigung16, einem Spezialfall der Massenfertigung, muss bei jedem Sorten-
wechsel der Produktionsprozess unterbrochen und die Produktionsanlage auf eine
neue Sorte umgestellt werden. Logistikrelevante Probleme sind hier die Festle-
gung der Sortenreihenfolge und der Fertigungslosgrößen, die einen Einfluss auf
die Höhe der entstehenden Lagerbestände haben. Bei der Serienfertigung17 tritt das
Fertigungsinsel für P1
AS 42 AS 51 AS 21
AS 12 AS 31 AS 22
Fertigungsinsel für P2
P1
P2 AS 52 AS 41 AS 32
P3
Fertigungsinsel für P3
AS 14 AS 61
AS 23 AS 15 AS 24
Problem des Umrüstens der Produktionsanlagen noch häufiger auf. Daher stellt
die Planung der Fertigungslosgrößen eine wichtige Aufgabe dar. Die Logistiksys-
teme müssen bei diesem Produktionstyp flexibler als bei der Massenfertigung
sein. Das Erfordernis der Flexibilität der Produktionslogistik ist schließlich am
größten bei der Einzelfertigung, die fast immer aufgrund eines individuellen Kun-
denauftrags erfolgt. Das produktionslogistische System muss in der Lage sein, die
Produktiveinheiten mit bezüglich Art und Menge ständig wechselnden Einsatzgü-
tern zu versorgen.
18 Siehe dazu Pfohl, 2016, S. 138ff. und die Methoden der Bedarfsermittlung in Teil II, Ab-
schn. 5.2.
10.2 Produktionslogistik bei verschiedenen Produktionstypen 211
19 Die Layoutplanung wird häufig als wesentlicher Bestandteil der Fabrikplanung gesehen.
Vgl. Schenk und Wirth, 2004, S. 273ff.
20 Vgl. Günther/Tempelmeier, 2012, S. 82f.
21 Vgl. Wäscher, 1998, S. 324.
22 Vgl. Wäscher, 1998, S. 331.
212 10 Produktionslogistik
Bei der Fließfertigung ist die Anordnung der Produktiveinheiten durch die Be-
arbeitungsreihenfolge an den Werkstücken bestimmt. Es existiert in dieser Hin-
sicht kein typisches Layoutproblem, jedoch spielen bei der Fließfertigung Puffer-
lager wegen ihrer Sicherungsfunktion eine wichtige Rolle, so dass im Rahmen der
Layoutplanung die Festlegung der Anzahl, der Standorte und der Kapazität der
Pufferlager von erheblicher Bedeutung ist.23
Bei der Zentrenfertigung kann entsprechend den Ebenen der Layoutplanung
zwischen der Bestimmung der Standorte der Zentren und der Festlegung der An-
ordnung der Produktiveinheiten innerhalb der Zentren (zentreninterne Layoutpla-
nung) unterschieden werden. Im Idealfall treten aufgrund der Komplettbearbei-
tung von Teilefamilien keine Güterflüsse zwischen den Zentren auf, so dass nur
die zentreninterne Planung notwendig ist. Die relative Lage der Produktiveinhei-
ten zueinander orientiert sich dabei typischerweise wieder an den durch die Trans-
portintensitäten beschriebenen Materialflussbeziehungen. Erheblichen Einfluss auf
die Wahl einer bestimmten Layout-Grundstruktur hat die Art des verwendeten
Transportsystems, das beispielsweise im Falle des Flexiblen Fertigungssystems
automatisiert ist. Die Standorte werden dann entlang der Wegführung des Trans-
portsystems angeordnet. 24 Bestehen auch zwischen den Zentren Güterflüsse, ist
eine zentrenexterne Layoutplanung notwendig, die analog zur Bestimmung der
Werkstattstandorte bei der Werkstattfertigung verläuft.
Transport
Einflussfaktoren der Gestaltung des innerbetrieblichen Transportsystems eines
Werkes sind das Transportgut, die Transportintensität, die Transportstrecke, ge-
setzliche Bestimmungen und besonders der Organisationstyp der Fertigung. 25 So
kommen bei der Fließfertigung ganz andere Transportmittel und technische
Hilfsmittel zum Einsatz als bei der Werkstattfertigung. Während dort in der Regel
mit Gabelstaplern, Elektrokarren, Handwagen, Aufzügen und Kränen gearbeitet
wird, macht die Fließfertigung den Einsatz von Stetigförderern wie Förderbän-
dern, Wandertischen, Rollenbahnen und Rutschen möglich. Die Entscheidung
zwischen der Verwendung von Stetig- und Unstetigförderern stellt ein grundle-
gendes Problem der Transportmittelwahl dar. 26 Dabei spielen neben den techni-
schen Beurteilungskriterien (Transportleistung, Tragfähigkeit, Maße des Trans-
portmittels usw.) die Kosten eine besondere Rolle, da sie bei automatisierten,
Lagerhaltung
Die Funktionen des Subsystems Lagerhaltung innerhalb der Produktionslogistik
sind in Abb. 10.4 zusammengestellt. 28 Bei Produktionslagern ist es sinnvoll, zu-
Ausgleichsfunktion Verkettungspuffer
produktions-
Sortierfunktion Dispositionspuffer
orientiert
Sicherungsfunktion Störungspuffer
Produktions-
lager
Flexibilitätsfunktion
absatz- Lieferverkürzungsfunktion
orientiert
Substitutionsfunktion
31 Vgl. in diesem Zusammenhang das Prinzip des Postponements – hier im Sinne des Auf-
schiebens der Entscheidung über die Fertigung des Endproduktes – bei Pfohl, 1994, S. 145;
Pfohl/Pfohl, 2000, S. 40ff.; Pfohl, 2016, S. 110ff.
32 Zäpfel, 1991, S. 217. Zäpfel erläutert hier sehr ausführlich Merkmale und auch Schwächen
dieser materialflussorientierten Sichtweise.
216 10 Produktionslogistik
Lagerhaus
Das Subsystem Lagerhaus hat in der Produktionslogistik sowohl die Funktionen
der Bereitstellung von Lagerkapazität (Vorratslager) als auch des Erbringens von
Umschlagsleistung (Umschlagslager) zu erfüllen. Diese Umschlagsleistung ist
notwendig, wenn das Lagerhaus in der Produktion vorwiegend dazu dient, die Gü-
ter kurzfristig zwischen zwei Transportprozessen aufzunehmen. Die dort liegen-
den Bestände werden typischerweise eine Pufferfunktion erfüllen, so dass nicht
der Lagerprozess, sondern eher die Bewegungsprozesse im Vordergrund stehen.
Die innerbetriebliche Standortentscheidung hat im Rahmen der Layoutplanung
zu erfolgen. Hierfür müssen die Anzahl der notwendigen Lagerstandorte und die
benötigte Lagerfläche je Lager bestimmt werden. Die Lagerflächen im Produkti-
onsbereich sind möglichst gering zu halten, um einerseits die Flächen für die Pro-
duktion nutzen zu können und andererseits zu verhindern, dass dort größere Gü-
termengen gelagert werden. Dadurch soll vermieden werden, dass nicht
notwendige Bestände aufgebaut oder Aufträge „liegengelassen“ werden, was zu
langen Durchlaufzeiten führt. Die Entscheidung über den Grad der Zentralisierung
der Lagerbestände und die Anordnung der Lager in der Produktion wird unter an-
derem vom Organisationstyp der Fertigung und der Produktionssteuerung, speziell
auch den Prinzipien der Materialbereitstellung, abhängen. So entstehen bei der
Werkstattfertigung häufig zentrale Halbfertigerzeugnislager, durch die die abge-
benden Stellen entsorgt und die empfangenden Stellen versorgt werden. Beim Or-
ganisationstyp der Zentrenfertigung weist typischerweise jedes Fertigungszentrum
ein dezentrales Lager auf, zusätzlich kann es ein zentrales Lager geben.
Zur Reduzierung der Transportintensität bei der Versorgung der Produktivein-
heiten dient auch das Supermarkt-Lager. 34 Ein Supermarkt ist ein Lager in der
Nähe zur Produktiveinheit, aus dem deren Materialbedarfe kommissioniert wer-
den. Bei einem einstufigen Supermarkt wird dieses direkt aus dem externen Be-
schaffungslager mit Produktionsmaterial beliefert. Bei einem zweistufigen Kon-
zept wird der Supermarkt aus einem vorgeschalteten internen Reservelager wieder
aufgefüllt. 35 Einstufige Systeme bieten sich an, wenn eine Begrenzung des Be-
standes möglich ist. „Dies betrifft primär Bauteile mit geringer Bedarfsschwan-
kung und ohne räumlich verteilte Mehrfachverwendung sowie mit einer niedrigen
Behälteranzahl je Lieferung vom Lieferanten mit hoher Lieferqualität.“36
33 Zur Losgrößenplanung allgemein siehe Teil II, Abschn. 5.3. Zu Produktionslosgrößen vgl.
Vahrenkamp, 2008, S. 153ff.; Herrmann, 2009, S. 207ff.; Günther/Tempelmeier, 2012, S.
195ff.
34 Vgl. Meißner, 2013, S. 294ff.
35 Siehe dazu auch die Unterscheidung von Einheiten- und Kommissionierlager in Teil II, Ab-
schn. 6.3.
36 Meißner, 2013, S. 298.
10.3 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Produktionslogistik 217
Verpackung
Die Anforderungen an die Verpackung seitens der Produktion richten sich vor-
wiegend an die Lager-, Transport- und Manipulationsfunktion, wobei letzterer be-
sondere Bedeutung zukommt. Zum einen muss eine mechanisierte bzw. automati-
sierte Handhabung der gesamten Verpackungseinheit möglich sein, zum anderen
ist die Zugänglichkeit der einzelnen Güter (Werkstücke) zu gewährleisten. Das
Problem der Zugänglichkeit ist vor allem zu beachten, wenn der Zugriff auf die
Werkstücke durch einen Manipulator, beispielsweise einen entsprechend ausge-
statteten Industrieroboter, erfolgen soll. In diesem Fall ist eine geeignete Anord-
nung und Ausrichtung der Werkstücke vorteilhaft, um die Positionierung des Ma-
nipulators zu erleichtern. Aber auch beim manuellen Zugriff durch Mitarbeiter
kann durch die geeignete Gestaltung der Verpackung die Zugänglichkeit und Ent-
nahme der Güter wesentlich erleichtert werden. So ist der Zugriff auf Werkstücke,
die am Boden eines großen Behälters liegen, vergleichsweise aufwendig, wenn der
Mitarbeiter sich über eine Seitenwand des Behälters beugen muss, um zugreifen
zu können. Eine teilweise klappbare Seitenwand kann hier den Zugriff erleichtern.
Der Aspekt der Zugänglichkeit der Güter steht in enger Verbindung zu der
Forderung, die Verpackung so zu gestalten, dass die Güter direkt aus der Verpa-
ckung den Produktionsprozessen zugeführt werden können. Ein Beispiel für eine
Verpackung, die diese Forderung erfüllt, ist das Kleinladungsträgersystem (VDA-
KLT-System), das aus unterschiedlich großen Kunststoffbehältern (Boxen) be-
steht. Diese Boxen werden in der deutschen Automobilindustrie zum Transport
von Stückgut wie Unterlegscheiben, Federn, Schrauben, Gummi- und Kunststoff-
teilen verwendet.
Auftragsabwicklung
Die Funktion des Subsystems Auftragsabwicklung in der Produktionslogistik ist
die Gewährleistung des mit dem Material- und Güterfluss in Zusammenhang ste-
henden Informationsflusses. 37 Diese Definition impliziert erhebliche Überschnei-
dungen bzw. eine enge Verknüpfung mit der operativen Produktionsplanung so-
wie der Produktionssteuerung und -kontrolle. 38 Gegenstand der Auftrags-
abwicklung sind interne Aufträge, die in Produktionsaufträge und logistik-
bezogene Transport- und Lageraufträge unterteilt werden können.
37 Die hier zugrunde gelegte informationsflussorientierte Definition der Auftragsabwicklung
stellt eine Abgrenzung gegenüber einer aus der Produktionswirtschaft stammenden Definiti-
on dar. Diese bezeichnet als Auftragsabwicklung den vom Kunden induzierten Leistungser-
stellungsprozess, der sämtliche Aktivitäten der Planung, Steuerung, Durchführung und Kon-
trolle, die direkt mit der zu erbringenden Leistung in Zusammenhang stehen, umfasst. Siehe
auch die Definitionsansätze für die Auftragsabwicklung in Teil II, Abschn. 4.1.
38 Aus diesem Grunde bzw. wegen der bereits genannten Schwierigkeit der Zuordnung der
Produktionsplanung und -steuerung zur Produktion oder zur Logistik finden sich in der Pra-
xis durchaus Beispiele für Unternehmen, in der die Aufgaben der Produktionsplanung und -
kontrolle organisatorisch der Logistik zugeordnet sind, während nur die tagesnahe Produkti-
onssteuerung dem Produktionsbereich vorbehalten ist. Vgl. Hahn, 1989, S. 44.
218 10 Produktionslogistik
das Lagersteuerungssystem). Denn ein interner Auftrag zur Auslagerung einer be-
stimmten Gütermenge bedingt sowohl eine Veränderung des Bestandes im Lager
als auch einen physischen Auslagerungsvorgang, der durch das Lagersteuerungs-
system veranlasst und überwacht wird. Hier ist es also vorteilhaft, wenn ein direk-
ter Informationsfluss zwischen den beiden Systemen besteht. Eine enge Verknüp-
fung sollte jedoch nicht nur innerhalb der Produktionslogistik erfolgen, sondern
auch mit den Informationssystemen der Beschaffungs- und Distributionslogistik
bestehen.
Die Integration durch digitale Vernetzung ist ein wesentliches Merkmal von In-
dustrie 4.0.39 Das Konzept ist bisher nicht abschließend definiert und seine Im-
plementierung basiert auf dem Einsatz verschiedener Technologien, wie bei-
spielsweise Maschine-zu-Maschine Kommunikation, Roboterisierung oder
eingebettete Systeme. Der Grundgedanke ist die Integration der Informations- und
Güterflüsse durch schlanke Technologien. Am ehesten ist eine derartig weitge-
hende Integration innerhalb einer Fabrik möglich. Wesentlich schwieriger lässt
sich die digitale Vernetzung in den externen Logistiksystemen, etwa der Distribu-
tionslogistik, realisieren.
Literatur
Bloech J u.a. (2007) Einführung in die Produktion. 6., überarb. Aufl. Berlin u.a.
Brungs F (2012) Der Milkrun in der Produktionslogistik. Aachen
Endlicher A (1981) Organisation der Logistik. Untersucht und dargestellt am Bei-
spiel eines Unternehmens der chemischen Industrie mit Divisionalstruktur. For-
schungsberichte zur Industriellen Logistik 18. Dortmund
Grundig C-G (2008) Fabrikplanung. Planungssystematik – Methoden - Anwen-
dungen. 3., neu bearb. Aufl. München
Günther H-O, Tempelmeier H (2012) Produktion und Logistik. 9. aktual. und erw.
Aufl. Berlin u.a.
Hahn D (1989) Prozeßwirtschaft – Grundlegung. Produktionsprozeßplanung, -
steuerung und -kontrolle – Grundkonzept und Besonderheiten bei spezifischen
Produktionstypen. In: Hahn D, Laßmann G (Hrsg) Produktionswirtschaft –
Controlling industrieller Produktion. Band 2: Produktionsprozesse – Grundle-
gung zur Produktionsprozeßplanung, -steuerung und -kontrolle und Beispiele
aus der Wirtschaftspraxis. Heidelberg, S. 5-237
Herrmann F (2009) Logik der Produktionslogistik. München
Ihde G B (2001) Transport, Verkehr, Logistik. Gesamtwirtschaftliche Aspekte und
einzelwirtschaftliche Handhabung. 3., völlig überarb. u. erw. Aufl. München
39 Vgl. dazu ausführlich Pfohl u.a., 2015; zur Digitalisierung als Logistiktreiber siehe Pfohl,
2016, S. 15ff.
220 10 Produktionslogistik
Definition
Wie die Beschaffungslogistik ist die Distributionslogistik ein marktverbundenes
Logistiksystem. Es verbindet die Produktionslogistik eines Unternehmens mit der
Beschaffungslogistik des Kunden. Die Distributionslogistik umfasst alle Aktivitä-
ten, die in einem Zusammenhang mit der Belieferung des Kunden mit Fertigfabri-
katen und Handelsware stehen. Die Belieferung kann dabei direkt aus dem Pro-
duktionsprozess oder vom bei der Produktionsstätte liegenden Absatzlager und
gegebenenfalls über weitere regionale Auslieferungslager erfolgen. Die Objekte
der Distributionslogistik werden im Normalfall nicht verändert. Ausnahmen kön-
nen dann auftreten, wenn bei der Belieferung des Kunden im Zusammenhang mit
logistischen Dienstleistungen komplementäre Dienstleistungen angeboten werden,
die z. B. ein Produkt an die individuellen Kundenbedürfnisse anpassen (Customi-
zing).1
Die Abgrenzung zwischen dem Absatz- oder Vertriebsbereich eines Unterneh-
mens im Sinne der Wahrnehmung einer spezialisierten Funktion (Ab-
satz-)Marketing2 und der Distributionslogistik lässt sich zweckmäßigerweise ge-
mäß der folgenden Sichtweise vornehmen. Der Absatzbereich des Unternehmens
hat die Aufgabe, Kundenkapazitäten zur Verfügung zu stellen, vorhandene Kun-
denkapazitäten zu pflegen und zukünftige zu entwickeln. Er tut dies, indem mit
Hilfe der Instrumente der Marktforschung auf gegenwärtigen Märkten Bedürfnisse
(Probleme) bei potentiellen Kunden erkannt und mit Hilfe der Instrumente der
Marketingpolitik die verschiedenen Nutzenarten erzeugt werden, die zur Bedürf-
nisbefriedigung (Problemlösung) führen. Die auf diese Weise geschaffene Kun-
denkapazität ist durch den Einsatz der entsprechenden Instrumente der Marketing-
politik ständig zu pflegen, um die einmal gewonnenen Kunden als Stammkunden
zu erhalten. Außerdem hat sich der Absatzbereich des Unternehmens damit zu be-
fassen, welche zukünftigen Produkte auf zukünftigen Märkten Bedürfnisse befrie-
digen bzw. Probleme lösen können. Er hat also für die Entwicklung zukünftiger
1 Für eine ausführlichere Darstellung vgl. Pfohl, 2016, S.110ff. und S. 146ff. Siehe den Hin-
weis auf das Potential, Arbeiten zum „Finish“ des Produktes im Auslieferungsfahrzeug
durchzuführen, bei Crowley, 1994, S. 61.
2 Zur Unterscheidung von Marketing als Unternehmensprinzip und Marketing als spezialisier-
te Funktion siehe Teil I, Abschn. 3.4.
Konzeption
Die Aussagen zum Aufgabenumfang und zur Konzeption der Beschaffungslogis-
tik sind auch für die Distributionslogistik relevant. Denn je nach Art der vorge-
nommenen Arbeitsteilung im Logistikkanal – je nach Art der Aufteilung der logis-
tischen Kontrollspanne zwischen Lieferant und Kunde – können Aufgaben
Handelsfunktion
Zeit-
Sortiments- Beratungs-
überbrückungs-
funktion funktion
funktion
Logistikrelevanz
hoch gering
Abb. 11.1 Funktionen des Handels (Quelle: in Anlehnung an Seyffert, 1972, S. 8f.)
Produktpolitik
Bestandteile der Produktpolitik sind das Produktprogramm, die Produktgestaltung,
der Kundendienst und die Garantieleistung. Bei den Entscheidungen bezüglich der
ersten drei Bestandteile sind Auswirkungen auf die Distributionlogistik zu berück-
sichtigen, während der vierte Bestandteil eher die Ersatzteillogistik betrifft.
In vielen Branchen ist der Trend zu beobachten, das Produktprogramm durch
neue Produkte oder durch Produktdifferenzierung zu erweitern. Das ist eine Folge
der Strategie der differenzierten Marktbearbeitung, die für jedes Marktsegment ein
bestimmtes Produkt und/oder andere besondere marketingpolitische Maßnahmen
erfordert.11 Hierbei wird jedoch vielfach der Effekt eines erweiterten Produktpro-
gramms auf den Bereich der Distributionslogistik übersehen. Die logistischen
Probleme werden umso komplexer, je größer das Produktprogramm ist.
Eine Erweiterung des Produktprogramms hat neue Probleme der Auftragsab-
wicklung, der Verpackung und des Transportes zur Folge. Eine wesentliche Aus-
wirkung ist das Anwachsen der Lagerbestände. Abb. 11.2 zeigt ein Beispiel für
den erfahrungsgemäß zwischen Produktprogrammerweiterung und Höhe der La-
gerbestände bestehenden Zusammenhang: Beispielsweise soll in einem Unter-
nehmen ein herkömmliches Shampoo (A) durch drei spezielle Shampoos für blon-
de (B), schwarze (C) und braune (D) Haare ersetzt werden. Macht man die
pessimistische Annahme, dass der Umsatz im Vergleich zu Shampoo A nicht an-
steigt und sich auf die Shampoos B, C und D im Verhältnis 60:30:10 aufteilt, so
zeigt Abb. 11.2, dass sich dabei die Lagerbestände um ungefähr 60% erhöhen
können. Macht man die optimistische Annahme, dass der Umsatz im Vergleich zu
Produkt A um 50% steigt, so erhöhen sich die Lagerbestände um 100%. Die durch
die Erweiterung des Produktprogramms erreichte Umsatzsteigerung erhöht die
Stückkosten der Lagerhaltung. Selbstverständlich gelten diese Erfahrungswerte
eines Unternehmensberaters nicht immer. Sie sind jedoch auf jeden Fall in der
Tendenz richtig. Denn für die Zusammensetzung der Lagerbestände gilt allge-
mein, dass die Lagerbestände relativ zum Umsatz eines Produktes umso größer
sein müssen, je niedriger dieser ist.
Wird ein Produkt neu in das Produktprogramm eines Unternehmens aufge-
nommen, so ist bei der Einführung des Produktes am Markt darauf zu achten, dass
beim Lieferanten genügend hohe Bestände vorhanden sind, die schnell ausgelie-
fert werden können. Denn erfahrungsgemäß hat der Handel in der Einführungszeit
eines neuen Produktes stets sehr niedrige Lagerbestände, bis er sich infolge dau-
ernder Nachfrage daran gewöhnt hat, das Produkt bei seinen Bestellungen ausrei-
chend zu berücksichtigen. 12 Während der Einführungszeit eines Produktes muss
also der Handel besonders schnell beliefert werden können, damit er in der Lage
ist, die an ihn gerichtete Nachfrage zu befriedigen.
Ein Produkt, das sich gut verkauft, ist nicht immer ein Produkt, das sich einfach
durch das logistische System bewegen lässt. Eine bezüglich logistischer Gesichts-
punkte schlechte Produktgestaltung macht z. B. übergroße Verpackungen erfor-
derlich, erhöht also das Volumen und senkt die Dichte der zu transportierenden
Einheiten. Das hat steigende Kosten für die Handhabung, die Lagerhaltung, den
Transport und die Verpackung zur Folge. Manchmal machen es die Markterfor-
dernisse unmöglich, logistische Aspekte bei der Produktgestaltung hinreichend zu
berücksichtigen. Oft jedoch ist man sich der Auswirkungen der Produktgestaltung
auf die Distributionslogistik überhaupt nicht bewusst.
11 Zu Strategien der Marktbearbeitung vgl. Meffert u.a., 2012, S. 186ff. und S.233ff.
12 Vgl. Stackelberg, 1969, S. 62
11.2 Distributionslogistik und Instrumente der Marketingpolitik 227
Umsatzerhöhung
durch Erweiterung des
Produktprogramms
200%
Erweiterung des D
Produktprogramms
bei gleich bleibendem
Umsatz
D D
C
Ursprüngliches
Produktprogramm
100% C
D
A
A B
B
B
B
0%
Lager- Lager- Lager-
Umsatz Umsatz Umsatz
bestände bestände bestände
Abb. 11.2 Wirkung eines erweiterten Produktprogramms auf die Lagerbestände
Bei der Gestaltung eines Produktes sollte man sich stets überlegen, welche
Probleme sich daraus für dessen Auslieferung beim Transport und im Lagerhaus
ergeben können. Solche Probleme 13 können durch das Gewicht oder die Sperrig-
keit des Produktes, seine Form, seine Zerbrechlichkeit und durch besondere Ver-
packungserfordernisse entstehen. Bei einem Hersteller von Stühlen wurde bei-
spielsweise nachgewiesen, dass bei der Auslieferung der Stühle eine
Verdoppelung der Transportkosten eintreten kann, wenn sie so konstruiert sind,
dass sie nicht ineinander passen. In einem anderen Fall gelang es einem Hersteller
von Büromaschinen, die Transportkosten für eine Büromaschine durch eine einfa-
che Umgestaltung der Konsole der Maschine um 60% zu senken. Außerdem wur-
den dadurch der vorher hohe Prozentsatz an Beschädigungen während der Auslie-
13 Vgl. Bowersox u.a., 1968, S. 147f.; Magee u.a., 1985, S. 34 und S. 46f.
228 11 Distributionslogistik
ferung auf ein unbedeutsames Maß gesenkt und somit weitere Kosten eingespart
und zugleich die Zufriedenheit der Kunden erhöht.14
Ein großer Vorteil für das logistische System ergibt sich, wenn es bei der Pro-
duktgestaltung gelingt, ein gewisses Maß an Standardisierung in den Abmessun-
gen der Produkte zu erreichen. Denn dadurch werden die Aufgaben der Verpa-
ckung, der Lagerung, des Umschlags und des Transportes erheblich erleichtert.
Sind für die Erbringung von Kundendienstleistungen Ersatzteile erforderlich,
dann hängt die Qualität des Kundendienstes ganz wesentlich von der Unterstüt-
zung durch eine entsprechende Ersatzteillogistik ab.15 Zu denken ist beispielsweise
an den Kundendienst in der Büromaschinenindustrie oder in der Automobilindust-
rie.
Konditionenpolitik
Bestandteile der Konditionenpolitik sind der Preis, die Finanzierungsbedingungen
und das Leasing. Beziehungen zur Distributionslogistik bestehen in erster Linie
beim Preis. Bei internationalen Geschäften bestehen auch Beziehungen zwischen
Distributionslogistik und Finanzierungsbedingungen, auf die aber hier nicht ein-
gegangen werden kann.
Geht man von der Tatsache aus, dass das Unternehmen sich bei der Preisbil-
dung an einem Kostenpreis als Preisuntergrenze orientieren muss, so besteht zwi-
schen Distributionslogistik und Preispolitik über die Logistikkosten immer eine
grundsätzliche Beziehung. In zwei Bereichen der Preispolitik, der räumlichen
Preisdifferenzierung und der Preisdifferenzierung nach Absatzmengen, müssen
zusätzliche logistische Kostenbetrachtungen angestellt werden. Preisdifferenzie-
rungen können zwar allein aufgrund von Kostenüberlegungen nicht durchgeführt
werden, da eine Preisdifferenzierung nur beim Vorliegen unterschiedlicher Nach-
frageelastizitäten auf dem Gesamtmarkt des Unternehmens und bei einer mögli-
chen Abgrenzung der Teilmärkte erfolgreich sein kann, jedoch sind Kostenüberle-
gungen unerlässlich, um zu entscheiden, ob die Preise für das Unternehmen
tragbar sind.
Im Rahmen der Preisdifferenzierung nach Absatzmengen sind Mengenrabatte
festzusetzen. Der Lieferant sollte hierbei versuchen, eine optimale Rabattpolitik zu
betreiben, die von Einflussfaktoren der Distributionslogistik mitbestimmt wird.16
Denn infolge einer nach Auftragsgrößen oder Abnahmemengen abgestuften Ra-
battstruktur ergeben sich Konzentrationspunkte in der Verteilung der Auftragsgrö-
ßen bzw. Abnahmemengen. Es ist darauf zu achten, dass die mit dieser Auftrags-
größen- bzw. Abnahmemengenkonzentration verbundenen Anforderungen an
Transport, Umschlag, Lagerung und Verpackung mit den Möglichkeiten des logis-
tischen Systems übereinstimmen.
Kommunikationspolitik
Bestandteile der Kommunikationspolitik sind Werbung, Public Relations, Ver-
kaufsförderung und persönlicher Verkauf. Beim Einsatz aller Instrumente der
Kommunikationspolitik ist dafür zu sorgen, dass er örtlich und zeitlich mit den
notwendigen Maßnahmen der Distributionslogistik koordiniert wird, um eine
durch ihn hervorgerufene Nachfragesteigerung befriedigen zu können. Interde-
pendenzen bestehen jedoch nicht so sehr zwischen Distributionslogistik und der
nicht auf einzelne Produkte bezogenen Public Relations, sondern vor allem zwi-
schen der Distributionslogistik und der Werbung, bestimmten Maßnahmen der
Verkaufsförderung (z. B. Maßnahmen zur Verbraucherbeeinflussung am Point-of-
Sale oder Unterstützung von Sonderaktionen der Absatzmittler) sowie dem per-
sönlichen Verkauf.
Werbekampagnen müssen sorgfältig durch logistische Maßnahmen abgesichert
werden, wobei die zeitliche Verschiebung zwischen Werbeeinsatz und Absatzver-
änderung zu berücksichtigen ist. Denn die originellste Werbung nützt nichts, wenn
die durch sie angeregte Nachfrage nicht rechtzeitig befriedigt werden kann. Eine
im Prinzip gute Werbung kann durch mangelnde logistische Unterstützung negati-
ve Folgen haben, wenn der durch die Werbung zum Kauf bewogene Kunde nicht
sofort beliefert wird, sich deshalb verärgert vom Unternehmen abwendet und da-
mit als Kunde verloren ist. Jedoch wirkt sich eine mangelnde Koordination von
Werbung und Distributionslogistik nicht nur nach außen in Form entgangener
Verkäufe und verlorengegangener Kunden negativ aus, sondern auch auf die im
Unternehmen ablaufenden Prozesse.18 So müssen im Bereich der Distributionslo-
gistik plötzlich hohe Kosten verursachende Maßnahmen ergriffen werden, mit de-
nen man versucht, auf die unvorbereitete Nachfragesteigerung zu reagieren. Das
Betriebsklima für die Zusammenarbeit wird durch solche Ereignisse sicherlich
nicht gefördert.
Eine weitere Beziehung zwischen Werbung und Distributionslogistik ergibt
sich daraus, dass ein guter Lieferservice in der Werbung herausgestellt werden
kann. Durch einen mit Hilfe der Distributionslogistik verbesserten Lieferservice
bekommt man in vielen Branchen eines der stärksten Werbeargumente in die
Hand. Außerdem kann versucht werden, durch die Werbung ein besseres Produk-
timage zu entwickeln, das einen höheren Preis erlaubt und somit höhere Kosten in
der Distributionslogistik wieder ausgleicht.19
Es ist auch möglich, dass durch die Kommunikationspolitik ein psychologi-
scher Effekt zur Nachfragesteigerung ausgenutzt werden kann, der durch den
Standort eines Auslieferungslagers hervorgerufen wird. So besteht Grund zur An-
nahme, dass manche Kunden aufgrund der psychologischen Wirkung des Standor-
tes ihre Ware von dem Unternehmen beziehen, das in ihrer Stadt ein Ausliefe-
rungslager unterhält.20
Die Notwendigkeit zur Berücksichtigung der Beziehung zwischen Distributi-
onslogistik und Verkaufsförderung ergibt sich insbesondere, wenn die Verpackung
als Medium der Verkaufsförderung betrachtet wird. 21 Die Verpackung soll dann
die beratende, aber auch kaufanregende Funktion übernehmen, die in Bezug auf
den Konsumgüterbereich vor allem beim Impulskauf zur Geltung kommt. Ver-
kaufsfördernde Verpackungsprinzipien sind im Wesentlichen werbepsychologi-
sche Prinzipien, die von wahrnehmungspsychologischen Erkenntnissen ausgehen.
Häufig werden verkaufsfördernde und logistische Verpackungsprinzipien mitei-
nander in Konflikt stehen, so dass die Verkaufsförderung und die Distributionslo-
gistik bei der Verpackungsgestaltung einen Kompromiss einzugehen haben.
Zwischen persönlichem Verkauf und Distributionslogistik besteht die grundle-
gende Beziehung darin, dass der Außendienstmitarbeiter über die Leistungsfähig-
keit des Logistiksystems informiert sein muss. Ansonsten besteht die Gefahr, dass
er dem Kunden in den persönlichen Verkaufsgesprächen Lieferserviceverspre-
chungen macht, die die Distributionslogistik nicht halten kann oder zu hohe Kos-
ten verursachen.
Distributionspolitik
Bestandteile der Distributionspolitik sind Absatzweg, Außendienst und Lieferser-
vice. Alle drei Aspekte stehen in Bezug aufeinander.
Absatzwege unterscheiden sich danach, ob sie den Lieferanten direkt oder indi-
rekt mit dem Endkäufer verbinden und welche Institutionen im zweiten Fall als
Logistikkanal Absatzkanal
(Güterstrom vom Hersteller zum Endabnehmer) (Strom der Rechte an den Gütern)
Fabriklager Verkaufsabteilung
Hersteller Hersteller
Fuhrpark
Hersteller
regionales regionales
Auslieferungslager Verkaufsbüro
Hersteller Hersteller
Spedition
Auslieferungslager
eines Großhändler
Lagereibetriebes
lokale
Spedition
Einzelhändler
Endabnehmer
Abb. 11.3 Beispiel für eine Aufgliederung des Marketingkanals in Logistikkanal und Absatz-
kanal (Quelle: Pfohl, 1975, S. 289, in Anlehnung an das Beispiel von Bowersox
u.a., 1968, S. 45)
te und können somit ihre Verkaufsprognosen und ihre Produktion laufend anpas-
sen.
Ein weiteres wichtiges Modul von ECR ist das Continous Replenishment Pro-
gram (CRP). Hierbei übernimmt der Hersteller die Verantwortung für die Liefer-
fähigkeit des Handels, indem er die Bestandskontrolle im Zentrallager übernimmt.
ECR setzt eine enge Zusammenarbeit von Hersteller und Handel voraus. Es müs-
sen nicht nur die DV-Systeme koordiniert werden, sondern auch die Belieferung
muss zwischen beiden Partnern abgestimmt sein. Hierzu werden gemeinsame
Teams von Handel und Herstellern gebildet, in denen nicht nur logistische Aspek-
te behandelt, sondern auch gemeinsame Marketingstrategien ausgearbeitet wer-
den, z. B. Produkteinführungs- oder Verkaufsförderungsstrategien. Von dieser
Partnerschaft profitieren beide Parteien. Die Hersteller erhalten verbesserte Infor-
mationen, können bedarfsgerecht fertigen, erhöhen die Kundenbindung und kön-
nen besseren Einfluss auf die Verkaufsförderungsaktivitäten des Handels nehmen.
Der Handel profitiert von den Kostenersparnissen, der besseren Verfügbarkeit der
Waren und wird hinsichtlich der Lagerhaltung entlastet.24
Bei der Diskussion der Beziehungen zwischen Absatzkanal und Distributions-
logistik ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass sich nach den im Marketing-
kanal fließenden Objekten verschiedene Flusstypen feststellen lassen. Häufig wird
24 Zu ECR vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 40ff; Kotzab/Lienbacher, 2010; Pfohl, 2016, S. 154f.
Literatur 233
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25 Vgl. Kotler u.a., 2007, S. 852f., die außerdem noch den Informationsfluss, den Verhand-
lungsfluss, den Bestellfluss, den Finanzierungsfluss, den Risikofluss und den Zahlungsfluss
unterscheiden. Siehe auch Kap. IV, Abschn. 17.3 sowie Kap. I, Abschn. 2.1.
234 11 Distributionslogistik
Definition
In DIN 24 420 sind Ersatzteile als Objekte der Ersatzteillogistik definiert als Teile
(auch Einzelteile genannt), Gruppen (auch Baugruppen und Teilegruppen ge-
nannt) oder vollständige Erzeugnisse, die dazu dienen, beschädigte, verschlissene
oder fehlende Teile, Gruppen oder Erzeugnisse zu ersetzen. 1 Charakteristisch ist
dabei ihre Eigenschaft nicht selbständige Bestandteile von Systemen zu sein.2
Für die weiteren Betrachtungen ist es zunächst erforderlich, die Aufgabe der
Ersatzteillogistik genauer zu definieren. Zu unterscheiden ist die Ersatzteillogistik
des Anbieters (Herstellers) von der Ersatzteillogistik des Abnehmers (Verwen-
ders). Während sich beim Abnehmer der Aufgabenumfang der Ersatzteillogistik
auf die Beschaffung, die Lagerhaltung und den Einsatz der Ersatzteile im Rahmen
der Instandhaltung erstreckt, ist für den Hersteller von Ersatzteilen die anforde-
rungsgerechte Ersatzteilversorgung der Kunden im Rahmen des Kundendienstes
die Aufgabe der Ersatzteillogistik. Dies erfordert einen Güterfluss von der Güter-
bereitstellung über die Güterverteilung zur Güterverwendung. Abb. 12.1 zeigt den
Zusammenhang der ersatzteillogistischen Systeme des Anbieters und des Abneh-
mers.
Abb. 12.1
1033)
Hersteller von Ersatzteilen Verwender (Abnehmer) von Ersatzteilen
12 Ersatzteillogistik
Da sich die Aufgaben der Ersatzteillogistik beim Abnehmer weitgehend mit der
allgemeinen Beschaffungslogistik decken, sollen hier nur die abweichenden Be-
sonderheiten der Beschaffungslogistik für Ersatzteile dargestellt werden. Gegen-
stand der weiteren Betrachtungen ist dann die Gestaltung der Ersatzteillogistik
beim Hersteller, da diese einige Besonderheiten gegenüber der Logistik beim Pri-
märprodukt aufweist.
rückgegriffen werden kann, die aus Analysen der Vergangenheitsbedarfe und un-
ter Berücksichtigung bereits bekannter zu erwartender Veränderungseinflüsse ei-
nen zukünftigen Bedarf ermitteln, stellt sich die Bedarfsplanung für Ersatzteile
schwieriger dar.6 Hier empfiehlt sich die Verwendung kausalanalytischer Verfah-
ren der Bedarfsplanung, bei denen der Ersatzteilbedarf selbst aus der zu erwarten-
den Entwicklung der Einflussgrößen auf den Ersatzteilbedarf abgeleitet wird.7
6 Zu beachten ist, dass nicht nur der Abnehmer von Maschinen und Anlagen im Rahmen sei-
ner Lagerhaltung eine Bedarfsplanung vornimmt, sondern dass auch der Anbieter von Er-
satzteilen eine Bedarfsplanung benötigt, um bei laufender Serie eine ausreichende Verfüg-
barkeit für die Abnehmer gewährleisten zu können und bei auslaufender Produktion des
Primärprodukts und der dazugehörigen Ersatzeile ausreichende Mengen für die noch kom-
menden Bedarfe auf Lager zu haben.
7 Zu kausalanalytischen Verfahren vgl. Meidlinger, 1994; Loukmidis/Luczak, 2006, S. 258ff.
8 Vgl. Baumbach, 2004, S. 169ff.
12.1 Definition und Konzeption der Ersatzteillogistik 239
dann die Frage, in welchem Maße solche Kosten auf den Abnehmer abgewälzt
werden können.
Auftragsabwicklung
Für den Bereich der Auftragsabwicklung ist zunächst zu differenzieren zwischen
Eilaufträgen (reaktive Prozesse) und Lagerergänzungsaufträgen (antizipative Pro-
zesse). Erstere entstehen durch Fehlbestände beim Kunden, der Werkstatt oder
dem Auslieferungslager. Letztere dienen der Lagerbestandsergänzung
und -sicherung beim Kunden, in der Werkstatt oder im Auslieferungslager. Bei
der Auftragsannahme und -aufbereitung benötigt der Kunde oftmals eine fachkun-
dige Beratung, um die Ausfallteile an der Produktionsanlage zu identifizieren und
das richtige Ersatzteil zu bestellen. Diese Beratung ist insbesondere bei bereits
ausgelaufenen Primärprodukten erforderlich. Außerdem werden Aufträge für Er-
satzteilbestellungen oftmals nicht vom Endkunden, sondern von einem Kunden-
dienstmitarbeiter oder einer Reparaturwerkstatt abgegeben. Dann empfiehlt es
sich, den Vorgang der Auftragsübermittlung zu standardisieren bzw. eine direkte
EDV-Verbindung zu installieren.
Lagerhaus
Für das Subsystem Lagerhaus liegt der Schwerpunkt auf der Festlegung der An-
zahl der Lagerstufen sowie der Lageranzahl und -standorte. Die Anzahl der Lager-
stufen ist u. a. abhängig von der Gestaltung des Absatzkanals (z. B. stellen beim
Vertrieb über Werkstätten diese i. d. R. auch eine Lagerstufe dar). Lageranzahl
und -standorte sollen eine optimale Ersatzteilversorgung der Kunden gewährleis-
ten. Auslieferungslager oder Werkstätten sind dazu in ausreichender Anzahl in
Kundennähe zu errichten. Der Standort des Zentrallagers ist dagegen meist pro-
duktionsorientiert festzulegen. Wichtig für die Standortentscheidung ist auch die
Nähe zu schnellen Verkehrsverbindungen. So benötigen etwa Ersatzteil-
Eillieferungen in das nicht-europäische Ausland die Anbindung an einen Flugha-
fen.
Lagerhaltung
Im Rahmen des Bestandsmanagements ist zu entscheiden, in welcher Menge und
auf welcher Lagerstufe die zu bevorratenden Teile zu halten sind. Bezüglich der
Menge ist nochmals auf die Fragen der Bedarfsplanung für Ersatzteile hinzuwei-
sen, die schon unter der Ersatzteillogistik des Abnehmers angesprochen wurden.
Im Rahmen einer kausalanalytischen Bedarfsvorhersage für Ersatzteile, die schon
bei der Ersatzteillogistik des Abnehmers angesprochen wurde, sind u. a. die in
Abb. 12.2 dargestellten Einflussgrößen auf den Ersatzteilbedarf zu berücksichti-
gen. Zu verweisen ist hier auch auf den Produktlebenszyklus als Grundlage der
12.2 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Ersatzteillogistik 241
Nutzungsintensität der
Primärprodukte
Anzahl der im (z.B. Betriebsstunden,
Einsatz befindlichen Zukünftiger Planverkauf außergewöhnliche
Primärprodukte von Primärprodukten Belastungen)
Produktausfallkurven Nutzbedingungen
Bedarfsprognose
(ähnliche Produkte, (z.B. Temperatur,
an Ersatzteilen
Vergangenheitserfahrung) Luftfeuchtigkeit)
Abb. 12.2 Einflussgrößen auf den Ersatzteilbedarf (Quelle: Pfohl, 1991, S. 1038)
Verpackung
Im Rahmen der Verpackung sind besonders die Schutz- und Lagerfunktion sowie
die Informationsfunktion hervorzuheben. Da Ersatzteile u. U. relativ lange lagern,
muss die Verpackung für diesen Zeitraum ausreichend Schutz gegen mechanische
(Manipulationsvorgänge) und chemisch-physikalische (Hitze, Feuchtigkeit usw.)
Einwirkungen gewähren und Maßnahmen zur Wartung und Kontrolle ermögli-
chen. Aufgrund der hohen Anzahl von Ersatzteilpositionen und der Erklärungsbe-
dürftigkeit von Ersatzteilen muss die Verpackung ausreichend Informationen zur
Identifizierung des Ersatzteils sowie zu erforderlichen technischen Angaben ent-
halten. Darüber hinaus ist die Verpackung für viele Anbieter in ihrer Marketing-
funktion wichtig, die das Ersatzteil als ein Originalersatzteil auszeichnet und da-
mit eine Abgrenzung gegenüber nachgebauten Ersatzteilen darstellt.
Transport
Beim Transport ist zu beachten, dass der Bestellumfang pro Kunde (auch bei
Werkstätten) klein ist. Deshalb müssen bei der Belieferung sehr viele Punkte im
logistischen System angefahren werden, die jeweils nur relativ wenige Teile erhal-
ten. Eine ausreichende Auslastung eines eigenen Fuhrparks beim Anbieter ist da-
mit kaum zu erzielen. Häufig stellt die Fremdvergabe des Transports die wirt-
schaftlichere Alternative dar.
Eine neue Technologie, die nicht nur die Gestaltung des Transports, sondern des
ganzen Systems der Ersatzteillogistik völlig verändert, ist der 3D-Druck. Bei die-
ser additiven Produktionstechnik werden Bauteile in Schichten beim Abnehmer
oder bei einem Logistikdienstleister in seiner Nähe vor Ort gedruckt. Der Trans-
port verlagert sich dann schwerpunktmäßig vom Transport der Ersatzteile zum
Transport der Pulver als Rohstoff. Als besonders geeignet für den 3D-Druck gel-
ten hochwertige Langsamdreher, die wegen ihrer langen Lagerzeiten hohe Logis-
tikkosten verursachen. 13
Branchenabhängigkeit
Die Erkenntnis der Bedeutung der Ersatzteilversorgung führt dazu, dass die Ser-
vicepolitik als eigenständiger Bestandteil des Marketinginstrumentariums 17 be-
trachtet wird. Insbesondere auf dem Investitionsgütermarkt ist die Versorgung des
Kunden in der Nachkaufphase wichtig im Hinblick auf Folgeaufträge. Hier gilt
„nach dem Kauf ist vor dem Kauf“.18 Dabei ist im Hinblick auf die Bedeutung und
die Gestaltung der Ersatzteilversorgung im Rahmen des Investitionsgütermarke-
tings eine differenzierte Betrachtung für unterschiedliche Geschäftstypen von In-
vestitionsgütern, die unterschiedliche Marketingmaßnahmen verlangen, durchzu-
führen. HERMANNS/FLORY 19 beispielsweise definieren – nach der
Betrachtungsebene der Wertschöpfung – die Typen Serienhersteller, Variantenan-
bieter, Einzelauftragsleistung, Prozessherstellung, Systemanbieter und Rahmen-
auftragsleistung. Dabei werden im Rahmen der Serien- (z. B. Kugellager- oder
Messgerätehersteller) und der Variantenherstellung (z. B. Gabelstapler-, Getrie-
bemotorenhersteller) dem Reparaturservice und der Ersatzteilversorgung eine ho-
he Bedeutung zugemessen, während etwa bei der Prozessherstellung (z. B. chemi-
sche Grundstoffe, Metallbleche) keine Ersatzteilversorgung benötigt wird.
In Branchen, wie z. B. der Automobilindustrie, in denen ein Markt für aus alten
oder beschädigten Primärprodukten ausgebaute, gegebenenfalls aufbereitete Teile
besteht, gibt es einen besonderen Zusammenhang zwischen der Ersatzteillogistik
und der im folgenden Abschnitt zu behandelnden Entsorgungslogistik. Damit die-
se Teile nicht unkontrolliert als Konkurrenz zu den Originalersatzteilen auf dem
Markt angeboten werden können, muss der Hersteller der Kontrolle des entsor-
gungslogistischen Kanals besondere Aufmerksamkeit beimessen!
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Literatur 245
Definition
Die Entsorgungslogistik kann definiert1 werden als die Anwendung der Logistik-
konzeption auf Rückstände, um mit allen Tätigkeiten der raum-zeitlichen Trans-
formation, einschließlich der Mengen- und Sortenänderung, einen ökonomisch
und ökologisch effizienten Rückstandsfluss zu gestalten. Abgrenzungskriterien der
Entsorgungslogistik gegenüber der Beschaffungs-, Produktions-, Distributions-
und Ersatzteillogistik bilden sowohl die Objekte der Entsorgungslogistik als auch
deren Flussrichtung. Entsprechend des Sachzielbezuges der Objekte lassen sich
Zielprodukte und Rückstände als Output von Unternehmen unterscheiden. Wäh-
rend Zielprodukte Objekte der Versorgungslogistik darstellen, ist die raum-
zeitliche Transformation von Rückständen Aufgabe der Entsorgungslogistik. Nach
Art der Wiedereinsetzbarkeit lassen sich Rückstände in Sekundärrohstoffe und
Abfälle, die zudem nach ihrem Aggregatzustand in feste, pastöse und flüssige
Stoffe differenziert werden können, untergliedern. 2 Diese weite Auslegung des
Rückstandsbegriffs erlaubt es, auch ge- und verbrauchte Produkte, Austauschag-
gregate, Retouren, Lagerhüter sowie Leergut, Behälter und Verpackungen den
Rückständen zuzuordnen. Einen Überblick über die Objekte der Entsorgungslogis-
tik gibt Abb. 13.1.
Die Flussrichtung der Rückstände im Entsorgungsbereich ist der Flussrichtung
im Versorgungsbereich entgegen gesetzt. Hierbei unterscheidet man verschiedene
Typen von Rückstandsflüssen. Je nach Art der eingeschalteten Unternehmen und
der Stufigkeit der Entsorgungslogistikkette ergeben sich einstufige und mehrstufi-
ge Redistributionskanäle, Rückstandszyklen und Beseitigungskanäle.3 Redistribu-
tionskanäle sind identisch mit den Distributionskanälen für Zielprodukte und bin-
den Distributionsmittler und -helfer in die physische Übertragung von
Rückständen ein. Die Quelle des Rückstandsflusses entspricht dabei der Senke des
Abb. 13.1 Objekte der Entsorgungslogistik (Quelle: in Anlehnung an Stölzle, 1993, S. 167)
4 Zur Gestaltung und Bewertung von Redistributionskanälen vgl. Haasis, 1999. In der engli-
schen Sprache wird deshalb die Entsorgungslogistik als „Reverse Logistics“ bezeichnet.
5 Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 488. Siehe dazu auch Ivisic, 2002.
13.1 Definition und Konzeption der Entsorgungslogistik 249
Beseitigung Sammlung
Demontage
Transport/
Verwertung
Umschlag
Aufbereitung
Lagerung
Konzeption
Aus der Definition ergibt sich, dass die Entsorgungslogistik sowohl ökonomisch
als auch ökologisch orientierte Zielsetzungen verfolgt. Das ökonomische Ziel be-
steht aus einer Senkung der Logistikkosten und einer Verbesserung des Serviceni-
veaus der Entsorgungslogistik (anforderungsgerechte Abnahme der Rückstände an
den Anfallstellen sowie art-, mengen-, raum- und zeitgenaue Zuführung der Se-
kundärrohstoffe zu den Wiedereinsatzquellen). Das ökologisch orientierte Ziel
strebt die Schonung natürlicher Ressourcen und die Reduzierung von Emissionen
entsorgungslogistischer Prozesse an. 6 Teilweise ergänzen sich ökologische und
ökonomische Zielsetzungen, z. B. bei der Schonung natürlicher Ressourcen. De-
ren endliche Verfügbarkeit führt dazu, dass weniger Deponieplatz zur Verfügung
steht und die Kosten für die Entsorgung laufend zunehmen, so dass eine Senkung
des Entsorgungsvolumens auch zu einer verlangsamten Zunahme der Entsor-
gungskosten führt.7 Die Einbeziehung ökologischer Zielgrößen in das Zielsystem
der Entsorgungslogistik verdeutlicht die Wechselwirkungen zwischen der Logistik
und dem natürlichen Umfeld. Während sich die ökologischen Aspekte der Versor-
gungslogistik auf die Reduzierung prozessabhängiger input- und outputseitiger
Umweltbelastungen beschränken, 8 trägt die Entsorgungslogistik durch die Über-
nahme spezifischer Aufgaben der Entsorgung aktiv zur Lösung ökologischer
Probleme bei und zeigt die Rolle der Logistik im Umweltschutz auf.
Entsprechend der Zielsetzung der Entsorgungslogistik finden ökologische An-
satzpunkte auch in der Konzeption der Entsorgungslogistik, die sich in die Ge-
samtkonzeption der Logistik, d. h. in das System-, Gesamtkosten-, Service- und
9 Zu beachten ist, dass die Erfassung der Recyclingquote die Zielhierarchie Vermeidung vor
Verminderung von Umwelteinwirkungen sowie die logistikbedingten Umweltbelastungen
nicht berücksichtigt vgl. Stölzle, 1993, S. 187.
13.2 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Entsorgungslogistik 251
Auftragsabwicklung
Im Vergleich zur Versorgungslogistik ist eine Vielzahl rechtlicher Vorgaben zu
beachten, die auf Rechtsverordnungen zu Kennzeichnungspflichten von Rück-
ständen zurückgehen.10 Ziel dieser Rechtsverordnungen ist es, den Fluss umwelt-
gefährdender Rückstände möglichst umfassend zu dokumentieren. Im Bereich des
vorauseilenden Informationsflusses regeln diese Verordnungen z. B. die Einho-
lung von Genehmigungen für die Sammlung und den Transport gefährlicher
Rückstände. Begleitscheine und Warntafeln am Lkw kennzeichnen die Rückstän-
de begleitend zum Rückstandsfluss. Spezifisch für den nacheilenden Informations-
fluss in der Entsorgungslogistik ist die Weiterreichung von Entsorgungsnachwei-
sen.
Lagerhaltung
Vergleichbar zum Versorgungsbereich erfüllt die Lagerhaltung von Rückständen
verschiedene Funktionen, deren Ausprägungen jedoch in der Entsorgungslogistik
unterschiedlich gewichtet sind. So ist beispielsweise die Zeitüberbrückungsfunkti-
on von Lagerbeständen in der Entsorgungslogistik von geringerer Bedeutung als
im Versorgungsbereich. Denn es sind allein Aspekte der wirtschaftlichen Trans-
portlosgröße zu berücksichtigen, da die Kapitalbindungskosten aufgrund des
i. d. R. niedrigeren Wertes von Rückständen als weniger bedeutend einzuschätzen
sind. Die Sicherungsfunktion der Lagerhaltung ist dagegen in Bezug auf den Wie-
dereinsatz und das Recycling von Sekundärrohstoffen von größerem Interesse.
Zeitliche Unwägbarkeiten in art- und mengenmäßigem Sekundärrohstoffanfall
können dadurch ausgeglichen und eine kontinuierliche Auslastung der Recycling-
anlagen gewährleistet werden.11 Die Bedeutung der Spezialisierungsfunktion von
Sekundärrohstofflagern resultiert aus der Einrichtung sekundärrohstoffspezifischer
Recyclinganlagen und der damit verbundenen Aufgabenteilung in der Entsor-
gungswirtschaft. Die Spekulationsfunktion und die Akquisitionsfunktion von La-
10 Zu einem Überblick über die Gesetze und Verordnungen in der Entsorgungslogistik in Euro-
pa vgl. Nguyen, 2012, S. 72ff.
11 Vgl. Pfohl/Stölzle, 1992, S. 581.
252 13 Entsorgungslogistik
Lagerhaus
Im Rahmen der Entsorgungslogistik dienen Vorratslager der Bereitstellung von
Rückständen zur richtigen Zeit und in den richtigen Mengen sowie der Aufnahme
aufbereiteter Sekundärrohstoffe. Umschlagslager ermöglichen den Aufbau von
Transportketten durch die Realisierung von Umschlagsvorgängen zwischen ver-
schiedenen Verkehrsträgern. Verteilungslager haben die Aufgabe, Rückstände aus
verschiedenen Sammelregionen zu konzentrieren und an spezifische Recycling-
und Beseitigungsanlagen zu verteilen. Rückstandsspezifische Sammellager kön-
nen Abfälle und Sekundärrohstoffe am Ort ihres Anfalls bis zum Abtransport auf-
nehmen. Aufgrund der hohen Sicherheitsanforderungen im Entsorgungsbereich
beschränken sich die Aufgaben im Subsystem Lagerhaus im Wesentlichen auf die
Gewährleistung der notwendigen Sicherheitsstandards. Dies beinhaltet insbeson-
dere die Einhaltung spezifischer rechtlicher Anforderungen, wie z. B. Zusammen-
lagerungsverbote, Brandschutz- und Immissionsschutzverordnungen sowie eine
darauf abgestimmte technische Gestaltung des Lagerhauses.13
Verpackung
Anforderungen an Verpackungen von Rückständen beziehen sich vorwiegend auf
deren Schutzfunktion gegenüber der Umwelt. Insbesondere bei der Verpackung
gefährlicher Rückstände stehen die Forderungen nach Sicherheit und Beständig-
keit im Mittelpunkt.14 Während in der Versorgungslogistik die Kommunikations-
funktion im Hinblick auf das Marketing von besonderer Bedeutung ist, rückt diese
in der Entsorgungslogistik eher in den Hintergrund und beschränkt sich auf die
Kennzeichnung der Rückstände. Einflussfaktoren auf die Verpackungsgestaltung
bilden neben speziellen rechtlichen Rahmenbedingungen im Wesentlichen rück-
standsspezifische und schnittstellenbezogene Anforderungen. Bei den Rückstän-
den sind umweltschutzrelevante Eigenschaften sowie Gewicht, Menge, Form und
Art der Rückstände in die Verpackungsentscheidung mit einzubeziehen. Zur Ver-
meidung technischer Probleme bei der Schnittstellengestaltung in entsorgungslo-
gistischen Verbundsystemen sollten die Verpackungen zudem standardisiert, au-
tomatisch handhabbar, auf verschiedenen Verkehrsträgern universell
Transport
Besonderheiten des entsorgungslogistischen Subsystems Transport ergeben sich
vorwiegend aus der Inhomogenität der Transportobjekte, dem hohen Risiko un-
fallbedingter Umweltbelastungen und der Problematik der Vermeidung von Leer-
fahrten. So führen die Inhomogenität anfallender Rückstände und die spezifischen
Anforderungen, die jede Rückstandsart an den Transport stellt, zu einer hohen
Komplexität der Transportleistung, die wiederum hohe Transportkosten verur-
sacht. Sortenreine Rückstände treten demgegenüber i. d. R. nur in geringem Um-
fang auf, so dass eine Transportspezialisierung aus ökonomischen Gründen nur
vereinzelt sinnvoll ist. Ein erhöhtes Umweltrisiko durch Unfälle besteht insbeson-
dere bei Gefahrguttransporten. Die Bedeutung dieses Aspektes resultiert aus der
zunehmenden Verkehrsleistung und der steigenden Unfallhäufigkeit in diesem Be-
reich,15 die auch zu einer Zunahme rechtlicher Anforderungen geführt hat. Das Pr-
oblem der Vermeidung von Leerfahrten stellt sich in der Entsorgungslogistik ins-
besondere aufgrund rückstandsbedingter Verunreinigungen der Transportbehälter.
Einerseits begrenzen diese Verunreinigungen die Auswahl rückstandsspezifischer
Rückfrachten, andererseits verhindern sie i. d. R. aufgrund hygienischer Vor-
schriften den Transport von Versorgungsgütern und Rückständen mit demselben
Fahrzeug, wie er z. B. im Rahmen von Redistributionskanälen möglich wäre.16
Sammeltechnik
Entscheidungen bezüglich der Sammeltechnik sind unter Beachtung der Rück-
standsart und -menge, der Organisation der Sammlung und Trennung (getrennte
bzw. gemischte Sammlung sowie Bring- bzw. Holsystem) und der Umschlagsor-
ganisation (Umleer- bzw. Wechselverfahren) zu treffen. Die Rückstandsart be-
stimmt die Notwendigkeit der Berücksichtigung besonderer Umweltschutzeinrich-
tungen im Bereich der Sammeltechnik. Die Menge anfallender Rückstände hat
Einfluss auf die Behältergröße. Die kleinste Einheit ist der Systemmülleimer
(SME) mit einem Fassungsvolumen von 35 oder 50 Liter. Die nächst größere Ein-
heit ist die Systemmülltone (SMT) mit einem Fassungsvolumen von 70 oder 100
Liter. Häufig verwendete Sammelbehälter sind Müllgroßbehälter (MGB) mit ei-
nem Fassungsvolumen von 120, 240 bzw. 360 Liter, die z. B. in der Hausmüll-
sammlung eingesetzt werden. Seit 2005 gibt es die Multifunktionsbehälter (MFB),
die für den Front-, Heck- und Seitenladereinsatz geeignet sind. 20 Für größere
Rückstandsmengen eignen sich 660, 1100 oder 5000 Liter fassende Einheiten
bzw. größere Wechselbehälter.
Die Wahl einer getrennten bzw. gemischten Sammlung ist maßgeblich bestim-
mend für die Anzahl der Behälter bzw. die Anzahl getrennter Kammern in den
Behältern. Mehrkammersysteme finden sich vorwiegend bei der getrennten Erfas-
sung von Altglas, Papier und Batterien im Hausmüllbereich. 21 Entscheidungen be-
züglich Bring- bzw. Holsystemen als Gestaltungsalternativen der Sammlung und
Trennung beeinflussen die Behälterwahl im Hinblick auf die Handhabbarkeit.
Unter Berücksichtigung der Einbindung von Rückstandserzeugern in den
Transport erfolgt bei Bringsystemen die erstmalige Erfassung am Anfallort in
kleinen, handhabbaren Behältern, die problemlos zu den zentralen Sammelstellen
transportiert werden können. Aufgrund der Auslegung dieser Sammelstellen (z. B.
Bereitstellung ausreichender Rangierflächen für Lkw) und vorhandener Anbin-
dungen an das Verkehrsinfrastrukturnetz kann die zentrale Rückstandserfassung
i. d. R. in großen Rückstandsmulden oder -behältern erfolgen. Holsysteme erfor-
dern demgegenüber Behälter, die einerseits über ein ausreichendes Volumen zur
Erfassung der Rückstände verfügen, andererseits aber auch den Anforderungen
manueller Handhabung und der technischen Umladesysteme genügen. Umleer-
bzw. Wechselverfahren als Gestaltungsmöglichkeiten der Umschlagsorganisati-
on22 erfordern schließlich eine Abstimmung der Behälter mit der jeweiligen tech-
Transportmittel
Besonderheiten bei der technischen Ausgestaltung von Transportmitteln entstehen
aus der häufig mit dem Transport verbundenen Rückstandsverdichtung und der
Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung der Trennung verschiedener Rückstands-
fraktionen. Einrichtungen zur Verdichtung von Rückständen finden insbesondere
bei großvolumigen Rückständen, wie z. B. Sperrmüll, Anwendung. Die Verdich-
tungseinrichtungen lassen sich entsprechend ihrer technischen Ausgestaltung in
Pressplatten-, Drehtrommel- und Pressschneckenprinzip unterscheiden. Die Ver-
dichtung ermöglicht dabei eine effizientere Auslastung der Sammelfahrzeuge, der
jedoch eine Verminderung der Recyclingfähigkeit der Rückstände gegenüberste-
hen kann.
In der Entsorgungswirtschaft werden am häufigsten die Lkw verwendet, da es
sich bei den Systemen zur Abfallentsorgung häufig um komplexe Netzwerke han-
delt und der Straßenverkehr in der Netzbildung besonders vorteilhaft ist.23 Aus der
Eigenschaft der Abfälle – Massengüter, geringe Kapitalbindung, niedrige Anfor-
derung bei der Lieferzeit – stellt aber der Schienen- oder Schifffahrtverkehr eine
gute alternative Lösung dar.24 Sammelfahrzeuge mit Wechselbehältern stellen eine
Variante für kombinierte Verkehrsarten zwischen Straßen- und Schienenverkehr
dar.
Literatur
Arnold D u.a. (Hrsg) (2008) Handbuch Logistik. 3., neu bearb. Aufl. Ber-
lin/Heidelberg
Becker T, Hüning R (1993) Lagertechnik. In: Wehking K-H, Rinschede A (Hrsg)
Entsorgungslogistik II. Entwicklung und Bewertung neuer Konzepte und Tech-
nologien. Berlin, S. 67-85
Becker T, Lenz G (1993) Sammeltechnik. In: Wehking K-H, Rinschede A (Hrsg)
Entsorgungslogistik II. Entwicklung und Bewertung neuer Konzepte und Tech-
nologien. Berlin, S. 35-48
Die in den Teil II und III vorgestellten funktionellen Subsysteme der Logistik sind
in der Unternehmenspraxis in sehr unterschiedlicher Weise institutionell veran-
260
kert. Dies gilt sowohl für die Wahrnehmung logistischer Aufgaben in den Unter-
nehmen als auch für die Verteilung von Logistikaufgaben auf die in der Wert-
schöpfungskette zusammenarbeitenden Unternehmen. Die damit zusammenhän-
genden Fragen sollen im Teil IV behandelt werden. Es geht also zum einen um die
intraorganisatorische Problematik der institutionellen Verankerung der Logistik
im Unternehmen und zum anderen um die interorganisatorische Problematik der
institutionellen Verankerung der Logistik in der Wertschöpfungskette bzw. in der
Supply Chain.1
Im ersten Kapitel wird auf die Organisationsform intraorganisatorischer Lo-
gistiksysteme eingegangen. Im Vordergrund stehen hierbei Industrieunternehmen,
in denen die Organisation der Logistik i. d. R. sehr komplex ist. Im zweiten und
dritten Kapitel werden die Logistikunternehmen behandelt, die sich in unter-
schiedlicher Weise darauf spezialisiert haben, logistische Dienstleistungen in der
Wertschöpfungskette zu erbringen. Gegenstand des vierten Kapitels sind interor-
ganisatorische Logistiksysteme, die durch die Zusammenarbeit verschiedener In-
stitutionen in der Wertschöpfungskette entstehen.
on von Unternehmen vor. Bereits KIRSCH u. a. weisen darauf hin, dass es auf die
Frage nach der richtigen organisatorischen Verankerung der Logistik keine ein-
deutige Antwort gibt.5
schenkt. Trotzdem belasten die logistischen Aufgaben die Mitarbeiter in den Or-
ganisationseinheiten und halten sie von der Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgaben
ab. Die eigentlichen Aufgaben der Organisationseinheiten Beschaffung, Produkti-
on und Absatz wurden im Teil III in den Abschnitten zur Beschaffungs-, Produk-
tions- und Distributionslogistik herausgearbeitet. Sie sind in der herkömmlichen
Organisationsform die Träger eines wesentlichen Anteils der anfallenden Logis-
tikaufgaben.
Kommunikationsprobleme: Aufgrund der Abgrenzung der Organisationseinheiten
voneinander treten Kommunikationsprobleme auf, die eine konsequente Anwen-
dung des logistischen Systemdenkens verhindern und so zu Fehlentscheidungen
führen, den Ablauf logistischer Prozesse verzögern und die Flexibilität logistischer
Systeme verringern. In einem Unternehmen, in dem beispielsweise außerbetriebli-
che Transportaufgaben sowohl vom Absatzbereich als auch vom Beschaffungsbe-
reich wahrgenommen werden, wurde einem unzuverlässigen Spediteur seitens des
Absatzbereichs gekündigt. Da der Beschaffungsbereich Transportaufgaben ohne
Abstimmung mit dem Absatzbereich wahrnimmt, wurden dem Spediteur neue
Aufträge seitens des Beschaffungsbereichs erteilt.
dass z. B. die Leiter der Bereiche Beschaffung, Produktion und Absatz ihre Mitar-
beiter, die logistische Teilprobleme behandeln, anweisen, wie sie die bestehenden
Interdependenzen zu berücksichtigen haben.
Bei der Selbstabstimmung erfolgt die Koordination dadurch, dass diejenigen
Organisationsmitglieder, die logistische Teilprobleme zu behandeln haben und die
verschiedenen Bereichen angehören, sich miteinander selbst abstimmen. Diese
Selbstabstimmung muss sich nicht auf informelle Kontakte zwischen den Organi-
sationsmitgliedern beschränken und der eigenen Initiative und dem eigenen Er-
messen der Mitglieder überlassen bleiben. Bei der themenspezifischen Interaktion
z. B. wird festgelegt, bei welchen Logistikproblemen sich eine Stelle mit welchen
anderen Stellen abstimmen muss. Zur Abstimmung ist außerdem die institutionali-
sierte Interaktion möglich, bei der die Kommunikation zwischen den Stellen, die
sich miteinander abstimmen sollen, noch stärker strukturiert wird. Es werden dann
Kollegien (Komitees, Ausschüsse, Arbeitskreise, Besprechungen, Konferenzen
usw.) zur Selbstabstimmung eingerichtet.
Bei der Abstimmung durch Programme werden in der Regel schriftlich Verfah-
rensrichtlinien oder Handbücher formuliert. In ihnen wird festgelegt, wie logisti-
sche Aufgaben wahrzunehmen sind. So können Programme für die Bestellsituati-
on, für die Transportabwicklung usw. festgelegt werden.
Bei der Koordination durch Pläne erfolgt die Abstimmung mittels der Vorgabe
von Zielen, Maßnahmen und Ressourcen. Die Pläne sind im Gegensatz zu den
Programmen keine generellen Vorgaben. Sie gelten lediglich für die Planperiode
und für die darin anfallenden logistischen Planungsprobleme.
Allerdings ist fraglich, ob diese Koordinationsinstrumente zur Realisierung der
Logistikkonzeption, d. h. zur Überwindung der Koordinationsprobleme, ausrei-
chend sind. Im Folgenden sollen deshalb zunächst empirische Untersuchungen
zum Vorhandensein einer Organisationseinheit Logistik betrachtet werden.
10 Vgl. Bowersox u.a., 1994; Bowersox/Closs, 1996, S. 596; Pfohl/Large, 1998, S. 97ff.; Strau-
be u.a. 2005, S.27; Straube und Pfohl, 2008, S. 20ff.; Handfield u.a. 2013 S. 42ff.
14.1 Aufsplitterung logistischer Aufgaben versus Organisationseinheit Logistik 265
tion logistischer Aufgaben. Voraussetzung dafür ist, dass in dieser Einheit die lo-
gistischen Teilaufgaben weitgehend konzentriert sind. In Abb. 14.1 sind auf Basis
von Unternehmensbefragungen die Anteile der Unternehmen aufgetragen, deren
Logistikorganisation sich jeweils einem der drei dort unterschiedenen Zentralisati-
onsgrade zuordnen lässt.
Obwohl derzeit somit offensichtlich ein Großteil der Industrieunternehmen
über eine Organisationseinheit Logistik mit hohem Aufgabenumfang verfügt,
kann nicht eindeutig geklärt werden, ob eine solche auch in Zukunft die effiziente
Möglichkeit zur Realisierung der Logistikkonzeption darstellt. Sicherlich kann
nicht von einer zwingenden Entwicklung hin zu einer umfassenden Organisations-
einheit Logistik ausgegangen werden. Vielmehr hängt die adäquate Organisations-
form von situativen Einflussfaktoren ab.
Geht man jedoch aufgrund der Ausprägung dieser Faktoren von der Notwen-
digkeit einer aufbauorganisatorischen Zusammenfassung aus, so kann diese nicht
auf den Aspekt der Existenz einer Organisationseinheit Logistik reduziert werden.
Wesentliche weitere Fragestellungen sind die Eingliederung in eine bestehende
Aufbauorganisation und die innere Gliederung der Organisationseinheit Logistik.11
11 Vgl. Kirsch u. a., 1973, S. 344; Ihde, 1980, Sp. 1228f.; Pfohl/Large, 1998, S. 92f.
266 14 Intraorganisatorische Logistiksysteme
Sonstiges 6 8
17
Dezentralisierte
Logistikeinheit in 18 12
Sparten 4
Zentralisierte 33
32 37
Logistikeinheit
Kombination von
Zentralisation und
Dezentralisation 44 47
42
Abb. 14.1 Organisatorische Verankerung der Logistik (Quelle: eigene Darstellung in Anleh-
nung an LaLonde/Ginter, 2006, S. 7; LaLonde u.a., 2007, S. 7; LaLonde/Ginter,
2008, S. 7)
Funktionale Organisationsstruktur
Die organisatorischen Einheiten zur Erfüllung der logistischen Aufgaben lassen
sich entsprechend der beiden vorgestellten Thesen zentral oder dezentral in eine
funktionale Organisationsstruktur eingliedern. Bei einer dezentralen Eingliederung
bleiben die logistischen Aufgaben organisatorisch auf unterschiedliche Funktions-
bereiche aufgeteilt. Für eine solche Aufsplitterung (Fragmentierung) der Logistik-
aufgaben gibt Abb. 14.2 ein Beispiel.
Abb. 14.2 Beispiel für die Aufsplitterung von Logistikaufgaben (Quelle: Bowersox/Closs,
1996, S. 599)
Im Organisationstyp II wird ein Teil der Logistikaufgaben aus den anderen Be-
reichen ausgegliedert und in einem eigenen Bereich zentralisiert. Zumindest in
den USA ist dies sehr häufig, ausgehend vom Kristallisationspunkt Lieferservice,
der Bereich Physische Distribution. Typisch ist ein solcher Bereich z. B. für die
Nahrungsmittelindustrie, wo die Lieferserviceprobleme und Distributionskosten
eine große Rolle spielen. In Abhängigkeit von der Branche, z. B. in der Automo-
bilindustrie, wo die Versorgungsserviceprobleme und die Materialwirtschaftskos-
ten eine große Bedeutung haben, kann das aber auch der Bereich Materialwirt-
schaft sein. In beiden Fällen werden die zentralisierten Logistikaufgaben
hierarchisch aufgewertet. Die anderen Bereiche beginnen die Physische Distribu-
tion/Materialwirtschaft als selbstständigen Bereich zu akzeptieren, der aufgrund
von Eigeninitiative agiert und nicht nur aufgrund der Anforderungen der übrigen
Bereiche reagiert. Allerdings bietet der Organisationstyp II noch keine Unterstüt-
zung für das Management der Synergieeffekte zwischen Materiallogistik und Dis-
tributionslogistik.
Im Organisationstyp III sind schließlich alle Logistikaufgaben unter einheitli-
cher Leitung zentralisiert. Der Logistikbereich wird von den anderen Bereichen
als völlig gleichberechtigt akzeptiert und erhält ebenfalls Einfluss auf das strategi-
sche Management des Unternehmens. Der Stab Systemplanung unterstützt die Lo-
gistikleitung bei der Wahrnehmung der strategischen Aufgaben, während der Stab
Controlling die Planung und Kontrolle von Kosten und Leistungen im logistischen
14.2 Eingliederung der Logistikaufgaben in unterschiedliche Organisationsstrukturen 271
Divisionale Organisationsstruktur
Liegt eine divisionale Organisationsstruktur (Spartenorganisation) vor, so bieten
sich als Grundformen für die Eingliederung logistischer Aufgaben die zentrale
Eingliederung oder aber die dezentrale Eingliederung in die Sparten an, wie es die
Alternativen a und b in Abb. 14.4 zeigen.
Für die zentrale Eingliederung bietet sich zunächst der Zentralbereich an, in
dem alle Logistikaufgaben zentral über den Sparten zusammengefasst werden.
Diese Form ist dann geeignet, wenn eine oder mehrere der folgenden Gegebenhei-
ten vorliegen:
x eine geringe Anzahl von Sparten mit einem relativ niedrigen Umsatz der Spar-
ten,
x eine geringe Anzahl von Produktionsstätten oder
x ein vergleichsweise geringes Ausmaß der Dezentralisation funktionaler Aufga-
ben in die Sparten.
Eine Alternative zur Bildung eines Zentralbereichs wäre die Bildung einer
Sparte Logistik, bei der sich allerdings die Problematik der Behandlung als Profit-
center stellt.
Noch einen Schritt weiter geht der Vorschlag, die Logistikaufgaben für alle
Sparten von einem eigenen, rechtlich selbstständigen Logistikunternehmen wahr-
nehmen zu lassen.15 Ein solches Unternehmen kann die von ihnen für die konzern-
internen Kunden angebotenen logistischen Dienstleistungen extern vermarkten.
Eine dezentrale Eingliederung der Logistik in die Sparten ist geeignet bei rela-
tiv großen Unternehmen mit weitgehend selbstständigen Sparten oder mit Sparten,
deren logistische Probleme infolge der Eigenschaften ihrer Produkte oder speziel-
len Anforderungen der Märkte sich stark unterscheiden. Bei einer solchen dezent-
ralen Einordnung sind alle Logistikaufgaben, die in einer Sparte anfallen, in dieser
Sparte zusammengefasst.
a) zentrale Logistikkonzeption
Unternehmensleitung
Produktion
Marketing
Verwaltung
b) dezentrale Logistikkonzeption
Unternehmensleitung
Unternehmensleitung
Kombinationsmöglichkeiten
Eine Möglichkeit zur Kombination von Zentralisation und Dezentralisation in ei-
ner funktionalen Organisationsstruktur besteht in der zentralen Zusammenfassung
logistischer Stabsaufgaben und der dezentralen Einordnung der logistischen Li-
nienaufgaben. Die Unterscheidung beider Aufgabenarten für die Logistik erfolgt
im nächsten Abschnitt. Soll der zentrale Stab in der Lage sein, Logistikentschei-
dungen tatsächlich zu beeinflussen, so muss es ein starker Stab sein, der mit den
notwendigen Kompetenzen im Entscheidungsprozess ausgestattet ist. 17
Eine Möglichkeit zur Kombination zwischen Zentralisation und Dezentralisati-
on bei einer divisionalen Organisationsstruktur besteht in der in Abb. 14.4 unter
Alternative c dargestellten, zentralen Einordnung von Aufgaben der Planung (Sys-
templanung und Fachplanung), Koordination und Kontrolle sowie einer dezentra-
len Eingliederung der operativen Aufgaben der Steuerung und Durchführung. In
der Praxis lassen sich unterschiedliche Formen realisieren, die sich jeweils danach
unterscheiden, wie die Kompetenzen im Einzelnen zwischen der zentralen Logis-
tik und den dezentralen Logistikorganisationseinheiten der Sparten aufgeteilt sind.
Im Wesentlichen kommt das darin zum Ausdruck, inwieweit die zentrale Logistik
funktionale (fachliche) Weisungsbefugnis gegenüber der dezentralen Spartenlogis-
tik erhält. Man kann hier zwei Extreme unterscheiden:18
x Eine zentrale Logistik mit Sachkompetenz ist zuständig für die Systemplanung
(also Aufbau und Implementierung eines funktionsfähigen Logistiksystems und
Vorstandsvorsitzender
Einkauf,
Finanzen,
IT Logistik, … …
Controlling
(Operations)
funktionale
Zentrale Weisungsbefugnis
Logistik
System-
planung
EDV Produktions- Produktions-
leiter Werk I leiter Werk II
Abb. 14.5 Kombination zentraler und dezentraler Wahrnehmung von Logistikaufgaben in ei-
nem Unternehmen mit mehreren Produktionsstätten (Werken) (Quelle: mit gering-
fügigen Änderungen entnommen aus Felsner, 1980, S. 70)
Es wird also eine Projektgruppe gebildet, in der Mitglieder der betroffenen dezent-
ralen Abteilungen sowie Spezialisten der Zentrale zusammenarbeiten. Für die Zeit
der Projektarbeit werden die entsprechenden Stellen sowohl in der Zentrale als
auch in den dezentralen Abteilungen für diese Projektmitarbeiter freigehalten. Die
Task Force wird nach Erledigung der projektbezogenen Aufgaben wieder aufge-
löst.
Neben der Organisation der Projektabwicklung, z. B. in Form der Task Force,
ist bei der Projektorganisation auch die Organisation der Projektträgerschaft zu be-
rücksichtigen. Durch sie wird bestimmt, wer der verantwortliche Auftraggeber für
das Projekt ist und als solcher die oberste Überwachungs- und Entscheidungsfunk-
tion auszuüben hat. Wesentlicher Gesichtspunkt für die Organisation der Projekt-
trägerschaft ist ihre Zusammensetzung aus Personen, die als Fach- und Macht-
promotoren das Projekt in der notwendigen Weise fördern können.
Hierarchieebene
Das Problem der organisatorischen Zusammenfassung von Logistikaufgaben kann
nur im Zusammenhang mit ihrer hierarchischen Einstufung in die Organisations-
struktur gelöst werden. Die hierarchische Einordnung des Ressorts Logistik ist ein
Indiz dafür, welche Bedeutung die Unternehmensleitung der Logistikkonzeption
276 14 Intraorganisatorische Logistiksysteme
21 Vgl. Reese, 1967, S. 58f. Es besteht deshalb der Trend, bei einer Reorganisation die Logistik
als eigenständige Organisationseinheit zu etablieren. Vgl. Handfield u.a., 2013, S. 43.
14.2 Eingliederung der Logistikaufgaben in unterschiedliche Organisationsstrukturen 277
Diese Einwände sind jedoch nicht mehr stichhaltig, wenn man die Eingliede-
rung der Aufgaben der Distributionslogistik in den Absatzbereich so vornimmt,
dass sie in diesem Bereich in einer Hauptabteilung zusammengefasst sind. Auf
diese Weise erhält die Distributionslogistik im Absatzbereich die notwendige Un-
abhängigkeit und das erforderliche Gewicht. Es hängt dann letzten Endes von der
Fähigkeit des Leiters dieser Hauptabteilung ab, ob im Gesamtbereich des Absatzes
die Aspekte der Distributionslogistik gebührend berücksichtigt werden oder nicht.
Es ist dabei auch gewährleistet, dass ein Verkäufer nicht logistische Funktionen
erfüllen muss, denen er aufgrund seiner Ausbildung normalerweise nicht gewach-
sen ist. Der Verkäufer kann auf diese Weise von jeder logistischen Tätigkeit ent-
lastet werden, so dass er sich ausschließlich seiner eigentlichen Aufgabe des Ver-
kaufens und der Verkaufsförderung widmen kann. Dieselben Argumente treffen
auch auf die Eingliederung der Beschaffungslogistik neben dem Einkauf auf
Hauptabteilungsebene im Bereich Beschaffung zu.22
Ergibt sich also aus der Art der betrieblichen Betätigung als typisches Logistik-
system die Beschaffungs- oder Distributionslogistik, so ist es durchaus möglich,
die entsprechenden Logistikaufgaben auf der Hauptabteilungsebene einzugliedern.
Umfassendere Logistiksysteme erfordern dagegen im Allgemeinen ihre selbst-
ständige hierarchische Verankerung auf Bereichsebene.
Die Eingliederung logistischer Aufgaben auf Abteilungsebene unter eine
Hauptabteilung wird im Allgemeinen der Bedeutung der Logistik nicht gerecht.
Wird etwa die Distributionslogistik einer Hauptabteilung Verkauf untergeordnet,
so ist die Gefahr sehr groß, dass die Logistikaufgaben nicht mit der gebührenden
Aufmerksamkeit und Fachkenntnis wahrgenommen werden. Das äußert sich dann
z. B. darin, dass Verkäufern, die ihre Akquisitionsfunktion nicht mehr zur Zufrie-
denheit des Hauptabteilungsleiters ausführen, die als geringerwertig betrachteten
Logistikaufgaben übertragen werden.
Werden bei einer divisionalen Organisationsstruktur alle Logistikaufgaben in
einem Zentralbereich zusammengefasst, so ergeben sich bezüglich der hierarchi-
schen Eingliederung keine Probleme, da dies die höchste hierarchische Ebene für
die Logistik ist. Bei einer dezentralen Eingliederung der Logistik gelten die bei
der funktionalen Organisationsstruktur angestellten Überlegungen, weil die ein-
zelnen Sparten normalerweise funktional organisiert sind. Bei einer Kombination
beider Möglichkeiten hängt es vom Umfang der Aufgaben und Kompetenzen ab,
die der zentralen Logistik übertragen werden. Ist dieser groß, so ist ein Zentralbe-
reich Logistik einzurichten. Andernfalls genügt eine Hauptabteilung Logistik in
einem anderen Zentralbereich. Bei den dezentralen Spartenlogistiken ist bei einer
Ausstattung der zentralen Logistik mit den entsprechenden Kompetenzen auch ei-
ne Einordnung auf Abteilungsebene denkbar.
Zur hierarchischen Einordnung der Logistik in die Aufbauorganisation von In-
dustrie- und Handelsunternehmen liegen eine Vielzahl empirischer Untersuchun-
22 Zur organisatorischen Einordnung von Einkauf und Beschaffungslogistik vgl. Large, 2013,
S. 264ff.
278 14 Intraorganisatorische Logistiksysteme
gen vor. 23 Eine empirische Untersuchung von 2013 ermittelte die höchste Lo-
gistikposition der befragten Unternehmen als Indikator für die hierarchische Ein-
gliederung der Logistik (siehe Abb. 14.6). Es lässt sich feststellen, dass es auf-
grund der situativen Einflussfaktoren in verschiedenen Ländern und verschiedenen
Branchen unterschiedliche Schwerpunkte in der Hierarchieebene gibt.
Abb. 14.6 Hierarchische Verankerung der Logistik im Unternehmen. Ergebnisse einer 2013
in Brasilien, Deutschland, China und den USA bei 1757 Personen durchgeführten
Befragung (Quelle: Hanfield u.a., 2013, S. 42)
Ebene der Eingliederung. 24 Hierdurch ergibt sich eine Vielzahl möglicher Struk-
turtypen. Deshalb werden Daten über die innere Struktur einer Organisationsein-
heit Logistik durch empirische Untersuchungen auch nur selten erfasst (siehe dazu
aber Abb. 14.7). Detaillierte Informationen über den genaueren inneren Aufbau
einer Organisationseinheit Logistik lassen sich vor allem durch Fallstudien gewin-
nen.
Innerhalb der Organisationseinheit Logistik sind Stabs- und Linienstellen anzu-
treffen. Wobei die Bedeutung der Linienstellen im Lauf der Zeit zugenommen hat.
Ebenso wurde bereits im Rahmen der Diskussion zur Eingliederung der Logistik
in die divisionale Organisationsstruktur deutlich, dass insbesondere Kombinatio-
nen von Zentralabteilungen und dezentrale Linienabteilungen in den Sparten vor-
zufinden sind, wobei in den Zentralabteilungen häufig Stabsstellen angesiedelt
sind.
Ein weiterer Anhaltspunkt für den inneren Aufbau der Logistik sind die Zeitan-
teile, die Führungskräfte und Mitarbeiter in einer Organisationseinheit Logistik
zur Erfüllung ihrer einzelnen Aufgaben aufwenden, als Indikatoren für das Aufga-
benprofil herangezogen werden. In Abb. 14.8 sind die Ergebnisse jährlicher Be-
fragungen amerikanischer Unternehmen zum Zeitaufwand von Logistikmanagern
zur Wahrnehmung der ihnen zugeordneten Aufgaben angegeben. Wie erwartet,
dominieren hinsichtlich der Zeitanteile die klassischen Logistikaufgaben Trans-
port, Lagerhaltung und Lagerhaus. Dies lässt auf eine hohe Bedeutung innerhalb
der in der Organisationseinheit Logistik wahrgenommenen Aufgaben schließen.
Deutlich wird allerdings auch, dass nicht logistische Tätigkeiten einen spürbaren
Zeitanteil beanspruchen. Dies ist ein Hinweis auf die Wahrnehmung von Schnitt-
stellenaufgaben (z. B. Verkaufsprognose), bei denen Abstimmungen mit anderen
Organisationseinheiten notwendig werden. Die Bedeutung solcher Schnittstellen-
aufgaben ist typisch für eine mehrdimensionale Organisationsstruktur, die im Fol-
genden vorgestellt werden soll.
Behältermanagement
Behältermanagement 63 Behältermanagement
26 11 50 46 4
Innovationsgenerierung
Innovationsgenerierung 8 66 26
Innovationsgenerierung 28 56 16
Auftragsmanagement
Auftragsmanagement 37 32 31
Auftragsmanagement 32 32 36
Anlaufmanagement
Anlaufmanagement 14 45 41
Anlaufmanagement 25 21 54
Produktionssteuerung
Produktionssteuerung 29 28 43
Produktionssteuerung 20 28 52
einer 2008 in Deutschland, China und den USA bei 1189 Unternehmen durchge-
281
Transport 21,3
27,1 20,1
Lagerhaus 11,8
13,7
16,2
Internationale Logistik 10,8
8,8
6,6
Lagerhaltung 10,5
9,8
8,2
In Abb. 14.9 ist eine Matrixorganisation abgebildet, in der die Logistik als Teil
eines produktionsfaktororientierten Managements neben dem traditionellen funk-
tionsorientierten Management verankert ist. Die horizontale Spezialisierung in den
produktionsfaktororientierten Organisationseinheiten steht hier gleichberechtigt
neben der vertikalen Spezialisierung in den traditionellen funktionsorientierten
Organisationseinheiten. Diese Art der Aufgabenerfüllung hat zur Folge, dass, wie
auch aus Abb. 14.9 ersichtlich ist, Schnittstellen entstehen, an denen eine über-
schneidungsfreie Kompetenzabgrenzung praktisch nicht mehr möglich ist. Mehr-
dimensionale Organisationsstrukturen sind im Allgemeinen mit Kompetenzüber-
schneidungen oder überlappenden Zuständigkeiten verbunden.
Forschung
und Beschaffung Produktion Absatz Entsorgung
Entwicklung
Personal
Finanzen
IT
Logistik
Abb. 14.9 Einordnung der Logistik in eine funktions- und produktionsfaktororientierte Mat-
rixorganisation
tragen oder unterdrückt werden. Dann bietet sich auch die Möglichkeit, darauf
Einfluss zu nehmen, dass Konflikte möglichst wenig schädliche, personenbezoge-
ne Formen entwickeln. Konfliktinstitutionalisierung bedeutet nicht, Konflikte wild
wuchern zu lassen. Es stehen Möglichkeiten der Kompetenzregelung und Techni-
ken des Konfliktmanagements zur Verfügung, die den mit einer mehrdimensiona-
len Organisationsstruktur verbundenen Gefahren der Verzögerung in Entschei-
14.4 Logistik in einer mehrdimensionalen Organisationsstruktur 285
Schnittstellenaufgaben
Die bisherigen Ausführungen zur mehrdimensionalen Organisationsstruktur ma-
chen deutlich, dass die Aufgaben an den Schnittstellen eine enge Zusammenarbeit
der Organisationseinheit Logistik mit anderen Organisationseinheiten erfordern.28
Die Bedeutung dieser Zusammenarbeit lässt sich wiederum an der Zeit messen,
29 Vgl. Pfohl/Large, 1998, S. 95 und die dort aufgeführte Literatur. Siehe dazu auch die pha-
senspezifischen Subsysteme der Logistik in Teil III, Kap. 9, 10, 11
Literatur 287
Literatur
Bleicher K (2004) Das Konzept Integriertes Management: Visionen - Missionen –
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Kieser A, Walgenbach P (2010) Organisation. 6., überarb. Aufl. Stuttgart
288 14 Intraorganisatorische Logistiksysteme
Institutionen im Marketingkanal
Jeder Marketingkanal lässt sich als ein System beschreiben, in dem unterschiedli-
che Gruppen aktiver Elemente (Institutionen) absatzwirtschaftliche Funktionen
übernehmen.1 Als primäre Elemente werden das die Absatzleistung liefernde Pro-
duktions- oder Gewinnungsunternehmen, das als Absatzmittler auftretende Han-
delsunternehmen und der die Absatzleistung beziehende Endabnehmer des Ab-
satzkanals bezeichnet. Sekundäre Elemente treten nicht als Käufer oder Verkäufer
der Absatzleistung auf, werden jedoch in den Absatzprozess als Absatzhelfer ein-
geschaltet. Neben Logistikunternehmen zählen zu ihnen z. B. Kommissionäre,
Werbeagenturen oder Kreditinstitute. Sie bieten Dienstleistungen an – und werden
deshalb auch als Serviceanbieter bezeichnet –, die der Anbahnung oder Durchfüh-
rung des Absatzes im Kanal dienen.
Logistikunternehmen spielen also die Rolle von Absatzhelfern im Marketingka-
nal. Ihre Primärleistung stellen logistische Dienstleistungen dar, damit diese von
anderen Institutionen im Marketingkanal nicht als Sekundärdienstleistung erbracht
werden müssen.2 Ihr Serviceangebot hat vor allem unter vier Bedingungen zu er-
folgen, durch die ihre Marketingaktivitäten entscheidend beeinflusst werden:3
Erstens ist die Nachfrage nach den Dienstleistungen von Logistikunternehmen
keine ursprüngliche, sondern eine abgeleitete Nachfrage. Sie tritt also nicht allein
auf, sondern nur in Verbindung mit der Nachfrage nach der Absatzleistung des
Marketingkanals. Das schließt nicht aus, dass erst durch die Erbringung einer spe-
zifischen, logistischen Dienstleistung die Nachfrage nach einem Produkt geschaf-
fen werden kann. Beispielsweise ist das Angebot von Blumen und Früchten aus
Afrika oder dem Nahen Osten erst durch das Angebot entsprechender logistischer
Dienstleistungen durch Luftfrachtunternehmen möglich geworden.
1 Vgl. Meffert u.a., 2012, S. 544f. Weitere Ausführungen zur Distributionspolitik siehe Teil
III, Abschn. 11.2. Die folgenden Ausführungen gelten spiegelbildlich auch für die Beschaf-
fung. Ausführungen zur Bezugspolitik siehe Teil III, Abschn. 9.2.
2 Zur Definition und Bedeutung dieser Dienstleistung siehe Teil I, Abschn. 2.1 und Abschn.
3.3. Zur Logistikkonzeption als Grundlage für das Marketing von Logistikunternehmen vgl.
Pfohl, 1980.
3 Vgl. Pfohl, 1980, S. 423f.; Zöllner, 1990, S. 7f.
Systemdenken
Alle vier Bedingungen machen deutlich, dass für das Angebot logistischer Dienst-
leistungen eine ganzheitliche Betrachtungsweise des Marketingkanals notwendig
ist. Im Mittelpunkt haben Konzepte des Güterflusses durch das gesamte System
des Marketingkanals zu stehen. Unter Ausnutzung der Vorteile der Arbeitsteilung
müssen diese Konzepte die mit der Überbrückung räumlicher und zeitlicher Dis-
tanzen anfallenden Probleme optimal für den gesamten Marketingkanal lösen,
wobei der Güterfluss durchaus über andere Institutionen laufen kann als z. B. den
Eigentumsfluss.5 Das unterstreicht die Bedeutung der Kooperation für Logistikun-
ternehmen. Denn die ganzheitliche Betrachtungsweise erfordert ein Überdenken
der traditionellen Rollen der Institutionen im Marketingkanal. Die beim Güterfluss
wahrzunehmenden Funktionen sind an die Stellen des Marketingkanals zu verla-
gern, an denen sie optimal wahrgenommen werden können.
Das Systemdenken ist aber für das Angebot logistischer Dienstleistungen noch
unter einem weiteren Gesichtspunkt wichtig, der bereits bei der Diskussion der
Bedeutung der Logistik angesprochen wurde. 6 Aufgrund der zunehmenden Ver-
breitung der Logistikkonzeption in der verladenden Wirtschaft werden vermehrt
integrierte logistische Leistungen nachgefragt. Um diese Nachfrage befriedigen zu
können, muss beispielsweise ein Transport- und Speditionsunternehmen nicht nur
Transportleistungen, sondern bedarfsgerechte, logistische Dienstleistungspakete
anbieten, durch die alle oder doch ein Großteil der Servicebedürfnisse befriedigt
werden können. Sie bieten dann nicht mehr Teillösungen für Logistikprobleme,
sondern vollständige Problemlösungen an.
7 Vgl. Homburg, 2017, S. 1053ff. Zu Fragen des organisationalen Kauf- und Interaktionsver-
haltens und zu Problemen der Produkt- und Distributionspolitik sowie der Preis- und Ver-
tragsgestaltung im Investitionsgütermarketing vgl. Backhaus/Voeth, 2014.
292 15 Dienstleistungsfunktionen der Logistikunternehmen
11 Zur Bedeutung von Beurteilungskriterien bei der Lieferantenauswahl vgl. Abb. 3.4 in Teil I,
Abschn. 3.3.
12 Siehe den Hinweis auf die Bedeutung psychographischer Zielgrößen beim Angebot von
Dienstleistungen in Teil I, Abschn. 2.1.
13 Eine 2016 in Deutschland bei 132 Verkäufern von logistischen Dienstleistungen durchge-
führte Befragung über die Beteiligung von Organisationseinheiten bei ihren Kunden ergab,
dass bei 82,6% die Logistikabteilung und bei 71,8% die Einkaufsabteilung an der Definition
der Anforderungen beteiligt sind. Bei der Gestaltung der Beziehung nach dem Vertragsab-
schluss dominiert dagegen mit 92,9% die Logistikabteilung gegenüber 28,3% der Einkaufs-
abteilung. Vgl. Large, 2016.
294 15 Dienstleistungsfunktionen der Logistikunternehmen
Leistungsprogramm
Das Leistungsprogramm von Logistikunternehmen umfasst zunächst einmal das
Angebot von Dienstleistungen, die unmittelbar die Realisierung der Gütervertei-
lung betreffen. Sie beziehen sich auf die Gewährleistung aller Servicekomponen-
ten und die damit verbundene Wahrnehmung von Logistikaufgaben. Eine weitere
Leistung, die von Logistikunternehmen erbracht wird, ist die Logistikberatung.
Logistikunternehmen übernehmen in diesem Fall die Funktion eines Unterneh-
mensberaters, der sich auf die Logistik spezialisiert hat. Schließlich gehören zum
Leistungsprogramm von Logistikunternehmen auch nicht logistische Dienstleis-
tungen, die im Zusammenhang mit der Güterverteilung erbracht werden. Hierzu
zählen beispielsweise der Regaldienst oder die Übernahme des Inkassos. Abb.
15.1 gibt einen Überblick über die Arten von Dienstleistungen, die von Logistik-
unternehmen erbracht werden. 14 Die Bedeutung der Ergänzungs- und Komple-
mentärfunktionen und ebenfalls der Sonderfunktionen – heute häufig als Value
Added Services bezeichnet – als Wettbewerbsinstrument wird in Zukunft steigen.
Allerding ist davon auszugehen, dass vor allem kleine Unternehmen nicht die Res-
sourcen haben, um dieser Entwicklung zu folgen.
14 Zu den Veränderungen hinsichtlich der Aufgaben logistischer Dienstleister und dem Einfluss
ökologischer Aspekte auf Logistikdienstleistungen vgl. Göpfert/Wehberg, 1995; Stabenau,
1999, S. 92f. Zur steigenden Bedeutung der Value Added Services vgl. European Logistics
Association/A.T. Kearney, 2009a, S. 15 und 2009b, S. 14.
15.2 Art der Dienstleistungen 295
Funktionen Funktionsträger
Hauptfunktionen
• Dispositionsfunktion
- Wahl der Transportmittel, der Wege, des Tarifs Spediteure
- Abschluss von Frachtverträgen Frachtführer
- Ausstellung von Frachtdokumenten Vermittler
- Frachtkontrolle
• Beförderungsfunktion
- Nahverkehr: Sammel- und Verteilerverkehr, Vortransport zum Hauptlauf mit anderen
Frachtführer
Verkehrsträgern
- Fernverkehr: national und international
• Logistikberatung
Spediteure
- Beratung, Analyse, Planung und Organisation
Ergänzungs- bzw. Komplementärfunktionen
• Umschlagfunktion Frachtführer
- Organisation und Durchführung des Umschlags Umschlags-
- Bewirtschaftung von Stationen/ Terminals unternehmen
• Lagerfunktion
- Einlagern, Auslagern, Lagerung, Spediteure
- Kommissionierung Lagerei
- Bewirtschaftung von Lagern (z.B. Bestandsführung)
• Sammelverkehrsfunktion (bei Kleingut)
Spediteure
- Sammeln und Verteilen von Stückgut
Frachtführer
- Zusammenstellung von Ladungseinheiten
• Verpackungsfunktion
Spediteure
- Beratung und Auswahl der Transportverpackung
Verpackungs-
- Transporthilfsmittel
unternehmen
- Einpacken, Auspacken
Frachtführer
• Manipulationsfunktion
- sendungsbezogene Manipulation (z.B. Etikettierung)
Verpackungs- und
Umschlags-
- warenbezogene Manipulation (z.B. spezielle Sicherheitsmaßnahmen)
unternehmen
• Informationsfunktion Spediteure
- Aufbau von Informationsketten zur Planung, Koordinierung, Steuerung und Kontrolle
des Transportablaufs, der Lagerung und Statusverfolgung
Frachtführer
• Innerbetriebliche Transport, Umschlag- und Lageraufgaben beim Kunden Spediteure
Sonderfunktionen
• Verkaufsförderungsfunktion (Merchandising) Spediteur
- Übernahme von Verkaufsförderungsmaßnahmen im Auftrag des Versenders
zugunsten des Empfängers (z.B. Regalservice)
Frachtführer
• Kundendienstfunktion Spediteur
- Übernahme von Kundendienstfunktionen im Auftrag des Versenders zugunsten des Frachtführer
Empfängers (z.B. Ersatzteilvorhaltung, Wartung) Lagerei
• Montagearbeiten Spediteur
• Transportversicherungsfunktion
- Risk-Management im Transportversicherungsbereich Spediteur
- Abschluss von Versicherungsverträgen Vermittler
- Abwicklung von Schadensfällen
• Zollbehandlungsfunktion Spediteur
- Zolldeklaration, -anmeldung und -abfertigung Zollagenten
• Kreditfunktion
Spediteur
- Fracht- und Zollvorlagen
Abgrenzungskriterien
Zur Beurteilung der Ähnlichkeit von Güterverteilvorgängen und damit zur Spezia-
lisierung im Leistungsprogramm von Logistikunternehmen können vier Kriterien
herangezogen werden: Leistungsumfang, räumliche Dimension, Güterdimension
und qualitative Dimension.17
Nach dem Leistungsumfang unterscheiden sich die Leistungsprogramme von
Logistikunternehmen durch das Ausmaß, in dem Logistikaufgaben des Verladers
übernommen werden, also durch den Anteil des Verladers am Logistiksystem.
Beispielsweise ist der Leistungsumfang eines Logistikunternehmens, das die Ver-
teilung von Gütern, die vom Verlader bereits kundenbezogen kommissioniert sind,
kleiner als das Leistungsprogramm eines Logistikunternehmens, das die Kommis-
sionierung für den Verlader übernimmt.
Unter der räumlichen Dimension sind die geografische Lage und die Größe von
Quellgebiet (Lieferpunkte) und Zielgebiet (Empfangspunkte) zu verstehen, für die
ein Logistikunternehmen Güterverteilungsaufgaben übernimmt. Eine Abgrenzung
des Leistungsprogramms kann unter diesem Gesichtspunkt z. B. nach Wirtschafts-
räumen oder Ländergrenzen erfolgen.
Die Güterdimension bezieht sich auf die Art und Menge der zu verteilenden
Güter. Hierbei ist von Bedeutung, inwieweit unterschiedliche Güter auch unter-
schiedliche Anforderungen an die Logistiksysteme stellen. Als Einteilungskrite-
rien kommen z. B. Volumen, Gewicht, Aggregatzustand oder Empfindlichkeit
hinsichtlich Temperatur, Geruch oder Stoß etc. in Frage.
Die qualitative Dimension bezieht sich auf das Serviceniveau, das bei verschie-
denen Servicekomponenten garantiert wird. Ein Beispiel hierfür ist das Anbieten
von Expressgutdiensten durch Transport- und Speditionsunternehmen. Zu welchen
Bedingungen logistische Dienstleistungen von Logistikunternehmen angeboten
werden können, hängt von ihren Möglichkeiten zur Erstellung (Produktion) sol-
cher Dienstleistungen ab. Hierbei lassen sich einige Besonderheiten anführen, die
Logistikunternehmen im Vergleich zu anderen Unternehmen auszeichnen.
B Nac
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A: Standort des Fahrzeugs
A B: Ladeort
C: Empfangsplatz
Abb. 15.2 Organisatorisches Kuppelprodukt bei der Erstellung von Transportleistungen (Quel-
le: Stabenau, 1994, S. 53)
die Nachfrage nach Transportleistungen in der Region A nicht der der Region B
entsprechen sind die Transportaufkommen, die sich aus der unterschiedlichen
Wirtschaftsstruktur der Regionen ergeben sowie administrative Ursachen, die in
staatlichen Interventionen in den nationalen und internationalen Verkehrsmärkten
begründet sind.
Differenzierte Produktionsverfahren
In erster Linie wiederum auf die Transportleistung bezogen, ergibt sich in kaum
einer anderen Branche ein solch großer Unterschied in den Produktionsverfahren
wie bei Logistikunternehmen. So wird die Transportleistung bei Eisenbahn, Stra-
ßengüterverkehr, Schifffahrt, Luftverkehr oder Leitungsverkehr mit völlig unter-
schiedlichen Produktionsverfahren erstellt, die zwangsläufig zu sehr unterschiedli-
chen Kostenstrukturen führen. Beispielsweise ist der Fixkostenanteil der
Eisenbahn oder Binnenschifffahrt wesentlich größer als der beim Staßengüterfern-
verkehr. Der Personalkostenanteil ist z. B. bei der Eisenbahn höher und bei der
Binnenschifffahrt niedriger als beim Straßengüterfernverkehr. Die Abschrei-
bungsdauer der Transportmittel bei Eisenbahn und Binnenschifffahrt sind wesent-
lich länger als beim Lkw. Diese aus der unterschiedlichen Art der betrieblichen
Leistungserstellung resultierenden Unterschiede in den Kostenstrukturen sind we-
sentlich für die Kalkulation der Transportleistungen, die von unterschiedlichen In-
stitutionen der Verkehrswirtschaft zu erbringen sind.
Literatur
Aberle G (2009) Transportwirtschaft. Einzelwirtschaftliche und gesamtwirtschaft-
liche Grundlagen. 5., überarb. und ergänzte Aufl. München
Backhaus K, Voeth M (2014) Industriegütermarketing. 10., überarb. Aufl. Mün-
chen
Literatur 299
1 Zur Abgrenzung des hier betrachteten Güterverkehrs vom Personenverkehr wird anstelle des
Begriffs Verkehrswirtschaft der Begriff Güterverkehrswirtschaft verwendet.
2 Vgl. Stabenau, 1994, S. 13f.
3 Somit lässt sich keine einheitliche Typologie von Verkehrsunternehmen angeben, vgl. Sta-
benau, 1994, S. 35.
16.1 Transportunternehmen
Ein Überblick über die verschiedenen Transportmittel wurde bei der Darstellung
des logistischen Subsystems Transport4 gegeben. In diesem Abschnitt sollen die
Institutionen betrachtet werden, die diese Transportmittel betreiben. Die Betreiber
von Transportmitteln treten in der Regel als Frachtführer auf. Im Gegensatz zum
Begriff des Verladers ist dies ein gesetzlich definierter Begriff: Frachtführer ist,
wer durch einen Frachtvertrag verpflichtet wird, ein Gut an einen Bestimmungsort
zu befördern und dort an den Empfänger zu übergeben. Voraussetzung ist dabei,
dass der Frachtführer dieses Geschäft gewerblich ausübt. 5 Dazu gehören z. B.
Lkw-Transportunternehmer, Binnenschifffahrtsreedereien, Eisenbahngesellschaf-
ten oder Fluggesellschaften.
Straßengüterverkehr
In allen Industrieländern hat der Straßengüterverkehr einen sehr hohen Anteil am
Modal-Split, d. h. an der Aufteilung des Güterverkehrsaufkommens auf die ein-
zelnen Verkehrsarten. In Abb. 16.1 wird diese dominierende Stellung mit Zahlen
über das Güterverkehrsaufkommen in Deutschland belegt. Benutzt man als Maß-
zahl das Gewicht der transportierten Güter, so gehen ca. 83% der Gütertransporte
über die Straße. Nimmt man hingegen als Maßzahl das mit der Transportstrecke
multiplizierte Gewicht der Güter – die bezüglich des Güterverkehrsaufkommens
aussagekräftigeren Tonnenkilometer, die so genannte Güterverkehrsleistung –, so
ist der Straßenanteil ca. 12% niedriger. Dies rührt daher, dass beim Straßengüter-
verkehr der Nahverkehr den Fernverkehr um ein Vielfaches übertrifft, obwohl der
Straßengüterfernverkehr in den letzten Jahren sehr hohe Zuwachsraten zu ver-
zeichnen hatte.6
Etwa die Hälfte des Straßengüterverkehrs wird als Werkverkehr betrieben und
zwar in erster Linie als Nahverkehr. In Deutschland haben die Konsolidierungs-
prozesse der vergangenen Jahre die Struktur der Transport- und Logistikbranche
Schienengüterverkehr
Der Schienengüterverkehr wird in der Bundesrepublik Deutschland (wie auch in
den meisten übrigen Staaten Europas) zum weitaus überwiegenden Teil von einem
öffentlichen Unternehmen wahrgenommen, der DEUTSCHEN BAHN AG. Diese öf-
fentlichen Unternehmen sind in der Regel aus Umwandlungen ehemaliger staatli-
cher Unternehmen in privatrechtliche Aktiengesellschaften entstanden, deren ein-
ziger bzw. Hauptaktionär in den meisten Fällen jedoch weiterhin der jeweilige
Staat ist. Bislang existiert neben der DEUTSCHEN BAHN AG noch eine größere
Zahl kleinerer, nicht staatlicher Bahnunternehmen, die die Erfüllung von Spezial-
aufgaben vor allem im Verteil- und Zubringerverkehr sowie Teile des Regional-
verkehrs übernehmen. Durch die völlige Trennung von Fahrweg und Eisenbahn-
transportbetrieb soll jedoch neben ausländischen Bahngesellschaften vermehrt
7 Vgl. Deutscher Speditions- und Logistikverband e. V., 2005, S.28; IKB Deutsche Industrie-
bank AG, 2007, S. 8f.
304 16 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft
Schiffsverkehr
Die Institutionen, die Binnenschifffahrt betreiben, können nach der Art der Leis-
tungserstellung in den gewerblichen Verkehr durch Reedereien und Partikuliere
sowie Werkschifffahrtsbetriebe und Befrachter unterschieden werden.10 Die Ree-
dereien sind Großunternehmen, die die gewerbsmäßige Ausführung von Transpor-
ten mit einer zentral gelenkten Binnenschiffflotte oder mit fremdem Schiffsraum
übernehmen und Ladung meist über mehrere Landkontore akquirieren. Die Reede-
reien üben sowohl die Aufgaben des Spediteurs als auch die eines Frachtführers
aus und nehmen im Allgemeinen außerdem Lager- und Umschlagsaufgaben wahr.
Zum Teil bieten sie den Verladern auch All-Inclusive-Angebote, die zusätzlich
noch Depothaltung, Trucking, Containerreparaturen usw. umfassen. 11 Partikuliere
(Klein-, Privat- oder Einzelschiffer) sind in der Regel Schiffsführer ihres eigenen
Schiffes. Sie setzen bis zu drei Schiffe ein und besitzen keine Kontore zur La-
dungsakquisition. Partikuliere sind als Frachtführer sowohl für Verlader als auch
für Reedereien tätig, an die sie sich zum Teil auch vertraglich langfristig gebunden
haben. Ein Großteil von ihnen hat sich zudem in Gesellschaften zusammenge-
schlossen, die in der Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft oder einer
Gesellschaft mit beschränkter Haftung geführt werden. Diese Gesellschaften die-
nen einerseits der Akquisition von Ladung, andererseits übernehmen sie noch wei-
tere Funktionen, wie z. B. die betriebswirtschaftliche Betreuung der Partikuliere.
Von den beschriebenen Formen des gewerblichen Verkehrs lässt sich der Werk-
Luftfrachtverkehr
Der Luftfrachtverkehr hat in den vergangenen Jahren ständig an Bedeutung zuge-
nommen und die Luftfracht betreibenden Transportunternehmen weisen hohe Zu-
wachsraten im Umsatz auf. Das wird auch anhand der durchschnittlichen, jährli-
chen Steigerung des Luftfrachtaufkommens zwischen 2004 und 2007 von rund
10% deutlich.13 Begründet wird dies zum einen dadurch, dass vor allem transport-
kostenunempfindliche Güter, die häufig einen hohen Wert bei geringem Volumen
oder Gewicht aufweisen, transportiert werden. Zu den typischen Luftfrachtgütern
gehören aber auch verderbliche und kurzlebige Güter, wie z. B. Lebensmittel so-
wie Last-Minute-Sendungen. Grundsätzlich ist festzustellen, dass aufgrund der
Preisentwicklung auf dem Gütertransportmarkt und der geforderten Transportqua-
lität in der internationalen Wirtschaft immer mehr Güterarten per Luftfracht ver-
sandt werden.14 Der Transport der Güter wird auf dreierlei Weise mit Flugzeugen
Lagerei
Die gewerbliche Lagerei, die entweder von selbstständigen Lagereiunternehmen
oder von Speditionen betrieben wird, ist gesetzlich geregelt: „Lagerhalter ist, wer
gewerbsmäßig die Lagerung und Aufbewahrung von Gütern übernimmt.“ 17 Diese
Gewerbsmäßigkeit ist nur dann nicht gegeben, wenn die Lagerung eine Neben-
pflicht eines anderen Gewerbes darstellt, wie z. B. verkehrsbedingte Zwischenla-
gerungen oder wenn Lagerung und Aufbewahrung nicht nachhaltig betrieben wer-
den. Die selbstständigen Lagereiunternehmen sind nicht selten staatlich oder es
liegt zumindest eine staatliche Beteiligung vor. Man findet häufig Spezialisierun-
gen von Lagereiunternehmen auf bestimmte Güterarten, da diese die anzuwenden-
de Technik und den Lagerraum sehr stark bestimmen. So gibt es Lagereiunter-
nehmen, die sich auf Massengut, Stückgut oder auf die Lagerung von
Umschlagsunternehmen
Umschlagsunternehmen bieten ihre Dienstleistungen anderen Logistikunterneh-
men oder aber der verladenden Wirtschaft an. Unter ihnen befinden sich sowohl
spezialisierte Umschlagsunternehmen als auch Speditionen, die Umschlagsleis-
tungen anbieten. Die auf den Umschlag spezialisierten Unternehmen werden ent-
weder privat oder durch die öffentliche Hand betrieben. Zu den Umschlagsunter-
nehmen zählen vor allem Containerterminals, die von der Bahn und von
Hafenbehörden betrieben werden, Luftfrachtterminals von Flug- oder Flughafen-
gesellschaften, Sammelgutumschlagsstellen von Sammelladegemeinschaften der
Speditionen, Erzumschlagsbetriebe als gemeinsame Einrichtung mehrerer Hüt-
tenwerke, Paketumschlagsstellen der Post oder anderer Paketdienstunternehmen.20
Verpackungsunternehmen
Unternehmen, die sich auf die Dienstleistung des Verpackens spezialisiert haben,
nennt man Lohn- oder Kontraktverpacker.21 Die Abgrenzung zwischen diesen bei-
den Arten ist fließend. Schwerpunktmäßig lässt sich jedoch feststellen, dass
Lohnverpacker ihren Auftraggebern nur Personal-, Maschinen- und Raumkapazi-
tät anbieten, nicht aber die Packmittel. Stellen die Verpackungsunternehmen den
Auftraggebern dagegen die Packmittel ganz oder zumindest wesentliche Teile da-
von sowie sonstige Leistungen zur Verfügung, so bezeichnet man sie als Kon-
traktverpacker. Die sonstigen Leistungen können z. B. in der Beratung bei der
Wahl der Verpackung liegen, aber auch das Mischen, Granulieren, Suspendieren
usw. von Gütern zählen dazu. Nur wenige Kontraktverpacker bieten ein Pro-
gramm von Verpackungen in allen Bereichen an. Die meisten Verpackungsunter-
nehmen haben sich spezialisiert, z. B. auf Exportverpackungen oder spezielle
Verpackungen für sperrige Güter. Sie bieten die Verpackungen in den Werken der
Verlader an, entweder durch eigene Spezialisten oder unter eigener Regie und
Überwachung von Vertragsunternehmen. Auch Verlader, die die routinemäßig ab-
laufenden Verpackungsaufgaben selbst ausführen, nehmen für Spezialaufgaben
(z. B. bei der Einführung eines neuen Produkts oder bei Verkaufsfördermaßnah-
men) die Dienstleistungen von Verpackungsunternehmen in Anspruch.
Speditionen
Der Begriff des Spediteurs ist gesetzlich geregelt:22 Ein Spediteur ist mit der Or-
ganisation der Beförderung von Gütern für Dritte betraut. Aufgabe des Spediteurs
ist die Auswahl des Beförderungsmittels und der ausführenden Unternehmen so-
wie die Sicherstellung der Schadensersatzansprüche des Versenders. Hierzu
schließt er die notwendigen Verträge mit anderen Dienstleistern, z. B. Frachtfüh-
rern, Verpackern oder Lagereien im eigenen Namen oder, sofern er hierzu be-
vollmächtigt ist, im Namen des Versenders ab.
Außerdem zählt zu den Pflichten des Spediteurs, wenn dies entsprechend ver-
einbart ist, die Ausführung sonstiger auf die Beförderung bezogener Leistungen.
Im HGB werden beispielsweise die Versicherung und die Verpackung des Gutes,
die Kennzeichnung sowie die Zollabwicklung angeführt. Tatsächlich gehen die
Angebote jedoch darüber hinaus und umfassen oft die Lagerung und Kommissio-
nierung von Gütern und schließen mittlerweile sogar die Konfiguration von End-
produkten oder Montagetätigkeiten beim Empfänger der Ware ein.
In der Praxis umfasst das Arbeitsgebiet von Spediteuren die gesamten logisti-
schen Dienstleistungen sowie weitere sonstige Nebenleistungen, auf die auch in
Abb. 15.1 hingewiesen wurde. Spediteure kaufen national und international logis-
tische Dienstleistungen und damit zusammenhängende Nebenleistungen ein, er-
gänzen sie im erforderlichen Umfang durch selbst erstellte Leistungen und verkau-
fen sie zusammen als Gesamtleistung gewinnbringend an den Auftraggeber.23 Die
Spedition ist als Keimzelle für Logistikunternehmen anzusehen, die komplette lo-
gistische Dienstleistungspakete anzubieten in der Lage sind. In angelsächsischen
Sprachgebrauch ist für solche Spediteure der Begriff Third Party Logistics Service
Provider (3PL) üblich. Die von denen angebotenen Dienstleistungspakete be-
zeichnet man mit dem Begriff Kontraktlogistik. Wichtige Charakteristika der Kon-
traktlogistik sind die individuell den Bedürfnissen des Verladers angepassten und
ausgestalteten Dienstleistungen.24
Für die Realisierung des Angebots hat die Spedition zwei grundsätzliche Mög-
lichkeiten. Sie kann sich entweder auf die eigentliche Speditionstätigkeit be-
schränken, die in der Planung, Organisation und Steuerung des Güter- und Infor-
mationsflusses, der mit der Güterversendung verbunden ist, besteht und mit der
Durchführung andere Speditionen oder spezialisierte Logistikunternehmen wie
Transport-, Umschlags-, Lager- oder Verpackungsunternehmen beauftragen. Sie
werden auch als Fourth Party Logistics Service Provider (4PL) in einem Bezie-
22 §§453ff., HGB.
23 Vgl. Eßig, 2007, S. 425ff.
24 Vgl. Klaus/Kille, 2008, S. 115f.
16.3 Speditionen und Vermittler 309
Vermittler
Neben den Speditionen, die auch im eigenen Namen Verträge über Güterbeförde-
rungen abschließen, gibt es eine Vielzahl von Anbietern, die als Frachtvermittler
tätig sind. Sie vermitteln Vertragsabschlüsse zwischen Verladern und Transport-
unternehmen insbesondere im See- und Luftverkehr und betreiben Befrachtungs-,
Klarierungs-, Agentur- und/oder An- und Verkaufsgeschäfte z. B. für Seeschiffe.30
Im Internet haben sich in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Vermittlern
etabliert, die in Form so genannter elektronischer Frachtbörsen die Vermittlung
von Aufträgen übernehmen, wobei hier häufig die Vermittlung von freien Kapazi-
täten und damit die Vermeidung von Leerfahrten im Vordergrund steht.
Bei der Vermittlung wird unterschieden zwischen Maklern und Agenten. Mak-
ler vermitteln von Fall zu Fall Fracht für Gelegenheitsverkehre in Form von
Raum- und Zeitfrachtverträgen, ohne von ihren Auftraggebern ständig mit dieser
Aufgabe betraut zu sein. Agenten sind ähnlich wie Handelsvertreter auf Dauer von
25 Vgl. Klaus/Kille, 2008, S. 115. Der reine 4PL-Dienstleister ist „Asset free“. Er verfügt über
keine eigenen Transport- und Lagerkapazitäten. „Das Leistungsspektrum des 4PL umfasst
klassische Mehrwertdienstleistungen, die Netzwerkplanung und die Koordination von Lo-
gistikdienstleistern.“ Pfohl/ Wagner, 2015, S. 43.
26 §458, HGB.
27 Vgl. Florian, 1995, S. 55.
28 Vgl. Haubold/Stahl, 1994, S. 321f.
29 Vgl. Aberle, 2009, S. 270ff.
30 Vgl. Biebig/Althof/Wagener, 2008, S. 13.
310 16 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft
16.4 Logistikzentren
Im Zusammenhang mit der Diskussion von Knotenpunktsystemen in Transportket-
ten32 gehören Logistikzentren zu den am häufigsten diskutierten Planungsvorha-
ben im Verkehrsbereich. Unter einem Logistikzentrum ist ein Wirtschaftszentrum
zu verstehen, in dem von einem oder mehreren Unternehmen neben Transportleis-
tungen ein weites Spektrum logistischer Dienstleistungen angeboten wird, das
häufig noch durch zusätzliche Leistungen ergänzt wird. Es lassen sich eine ganze
Reihe verschiedener Ausprägungsformen von Logistikzentren unterscheiden, von
denen die wichtigsten im Folgenden beschrieben werden:33
Frachtzentrum: Unter einem Frachtzentrum ist eine Anlage der DEUTSCHEN BAHN
AG oder der Post zu verstehen, die der zentralen Gütersammlung und -verteilung
dient.
Transportgewerbegebiet: Die Bildung eines Transportgewerbegebietes beruht auf
der gezielten Ansiedlung von Logistikunternehmen mit dem Schwerpunkt, eine
Schnittstelle zwischen Nah- und Fernverkehr zu bilden. Obwohl in einem Trans-
portgewerbegebiet kein zentrales Organ existiert, das die Ansiedlung und die Ak-
tivitäten der Unternehmen koordiniert, lässt sich ein solches Gebiet durch koope-
rative Leistungsangebote und die kooperative Nutzung der Infrastruktur
kennzeichnen.
Güterverteilzentrum (GVtZ): Ein Güterverteilzentrum, in einigen Fällen auch als
Warenverteilzentrum bezeichnet, dient in erster Linie der Verteilung von Gütern,
d. h. die Erbringung von Distributionsleistungen steht im Vordergrund. Unter ei-
nem GVtZ „wird im Allgemeinen die Anlage eines größeren Spediteurs verstan-
den, welche als Hauptfunktion Transport-, Lager- und Umschlagsaufgaben und als
Nebenfunktion verschiedene Dienstleistungsaufgaben wahrnimmt. Auch koopera-
tive Zusammenschlüsse können als Güterverteilzentrum bezeichnet werden. Ein
GVtZ lässt sich aber nicht durch die Integration mehrerer Verkehrsträger definie-
ren.“34 Stattdessen ist ein GVtZ wie ein Transportgewerbegebiet auf die Bildung
von Transportketten eines Verkehrsträgers ausgerichtet.
Logistikpark: Als Logistikpark kann eine Ansammlung von Warenverteilzentren
logistischer Dienstleistungsunternehmen bezeichnet werden, die sich oftmals in
35 Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 778. Weitere Ausführungen zum kombinierten Verkehr siehe Teil
II, Abschn. 8.4 und zur Kombination der Verkehrsnetze siehe Teil V, Abschn. 19.1.
36 Vgl. Vahrenkamp, 2007, S. 408f.; zum städtischen Logistikdilemma vgl. auch Browne,
2010, S. 241f.
312 16 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft
x Negative Folgen wie Staugefahr, Lärm und Abgas infolge zunehmendem Lie-
ferverkehr
x Überschneidungen von Kundenverkehr und Lieferverkehr
x Die Logistikdienstleister beliefern die einzelnen Geschäfte unabhängig vonei-
nander, sodass die Geschäfte zu unregelmäßigen Zeiten von vielen, gering
ausgelasteten Fahrzeugen angefahren werden
x Die Lieferfahrzeuge können oft nicht an die Entladestelle bei den Geschäften
vorfahren
x Lieferbeschränkungen ergeben sich durch Zeitfenster für die Anlieferung in
den Innenstädten
Eine Lösungsmöglichkeit bietet das Citylogistik-Konzept, das auf einer ganzheit-
lichen Sichtweise des Wirtschaftsverkehrs in Städten beruht. Es umfasst Überle-
gungen sowohl zur Ver- und Entsorgung als auch zu den Problemen, die durch
Luftbelastungen, Lärm, Unfälle und Staus entstehen. 37 Ziel ist es, mittels einer
raum- statt warenbezogenen Bündelung eine Reduktion der Verkehrsleistung in
den Innenstädten bei gleichbleibendem Transportaufkommen zu erreichen. 38 Be-
teiligte an solchen Konzepten sind einerseits Einzelhandels- und logistische
Dienstleistungsunternehmen und andererseits die Kommunen, von denen die
Rahmenbedingungen vorgeben werden. 39 Realisiert werden können solche Citylo-
gistik-Konzepte durch den Aufbau von GVtZ in verkehrsgünstiger Stadtrandlage,
die von verschiedenen Herstellern und Transportdienstleistern beliefert werden
und deren Waren für verschiedene Kunden bestimmt sind. Die GVtZ können da-
bei von mehreren Dienstleistern in Kooperation betrieben werden. 40 Die in den In-
nenstädten liegenden Handelsunternehmen werden dank des Bündelungseffektes
mit weniger Fahrzeugen effizienter beliefert, wodurch gleichzeitig auch eine Ent-
lastung der Umwelt erreicht wird.
37 Vgl. Wittenbrink, 1995, S. 5; Berg, 1999, S. 135ff. Dort wird aufgezeigt, dass durch die Um-
setzung eines Citylogistik-Konzeptes in München die Verkehrsbelastung (bezogen auf ge-
fahrene Kilometer) um 27% zurückgehen kann, was auch zu einer deutlichen Senkung der
Lärm- und Schadstoffbelastung sowie des Kraftstoffverbrauches führt.
38 Vgl. Hatzfeld/Hesse, 1994, S. 647f.; Kaupp, 1998, S. 24.
39 Zu Kooperationen von Speditionen in der Citylogistik vgl. Eberhart, 1995, S. 116ff.; Kaupp,
1998. Siehe auch den Hinweis auf die überbetriebliche Kooperation in Abschn. 17.2. Zu den
unterschiedlichen Interessen der Akteure der Citylogistik vgl. Hatzfeld/Hesse, 1994, S. 648f.
40 Vgl. Pfohl, 1993, S. 117f.; Kaupp, 1998, S. 23ff.
16.4 Logistikzentren 313
Stadtzentrum
GVtZ
41 Vgl. Bottler, 2008, S. 6. Andere Beispiele für die positiven Effekte eines Citylogistik-
Konzepts finden sich in Freiburg und München, vgl. Berg, 1999.
42 Vgl. Browne, 2010, S.143ff.
314 16 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft
Rechtsformen
Als Rechtsformen kommen für Logistikunternehmen grundsätzlich die gleichen in
Frage, wie für andere Unternehmen. Jedoch haben sich einige Besonderheiten her-
ausgebildet, die in der Beteiligung der öffentlichen Hand, der Verflechtung mit
anderen Unternehmen sowie in den besonders großen Kapitalbedürfnissen der
Seeschifffahrt begründet liegen. Auf diese Besonderheiten wird im Folgenden
eingegangen, wobei zunächst nach den Eigentumsverhältnissen gegliedert wird:43
x Öffentliche Unternehmen als Regiebetriebe oder als Sondervermögen: Solche
Unternehmen stehen in vollem Eigentum von Gebietskörperschaften, Bund,
Ländern oder Gemeinden. Sie haben zumeist auch gemeinwirtschaftliche Ziele
zu verfolgen. Beispiele hierfür sind das Bundeseisenbahnvermögen oder Nah-
verkehrsbetriebe.
x Öffentliche Unternehmen als AG oder GmbH: Sie sind ebenfalls in vollem oder
aber überwiegendem Eigentum der öffentlichen Hand. Sie haben Auflagen ih-
rer öffentlichen Eigentümer bezüglich Leistungsangebot und -erstellung zu er-
füllen, die ebenfalls auf gemeinwirtschaftlichen Zielsetzungen basieren. Dafür
erhalten sie durch den öffentlichen Eigentümer gegebenenfalls einen gewissen
Marktschutz. Diese Rechtsform weisen z. B. die DEUTSCHE BAHN AG, die
DEUTSCHE LUFTHANSA AG, Flughafengesellschaften, Seehafenumschlagsbe-
triebe und einige öffentliche Nahverkehrsbetriebe auf.
x Konzernunternehmen: Solche Unternehmen haben die Rechtsform einer Kapi-
talgesellschaft, wobei das Kapital ausschließlich oder überwiegend von einem
Konzern der verladenden Wirtschaft gehalten wird. Daraus resultiert eine Ein-
ordnung der Ziele des Logistikunternehmens in die Ziele des Gesamtkonzerns.
Bei solchen Verflechtungen der verladenden Wirtschaft mit Logistikunterneh-
men spricht man bezüglich der von ihnen erbrachten Transportleistungen auch
von unechtem Werkverkehr, wodurch der Einfluss der verladenden Wirtschaft
zum Ausdruck gebracht wird. 44
x Logistikunternehmen als Kapitalgesellschaft: Dies sind größere oder mittlere
Unternehmen, deren Kapital sich in Familien- und/oder Streubesitz befindet.
x Logistikunternehmen als Personengesellschaft: Hierzu zählen die vielen, meist
kleinen Unternehmen, die einer einzigen Person oder einem kleinen Personen-
kreis gehören.
Unter den öffentlichen Unternehmen haben die DEUTSCHE BAHN AG und die
DEUTSCHE LUFTHANSA AG besondere Bedeutung. Die durch die Bahnreform ein-
geleitete Privatisierung der ersteren ist organisatorisch weitestgehend abgeschlos-
sen. Das einstige Staatsunternehmen, dessen rechtliche Sonderstellung im Artikel
87 des Grundgesetzes geregelt war, wurde in eine Holding mit der DEUTSCHEN
BAHN AG als Konzernobergesellschaft überführt.
Wie in Abb. 16.3 dargestellt, gliedert der Konzern sich in 8 Geschäftsfelder:45
x Im Geschäftsfeld DB Netze Fahrweg ist die DB NETZ AG Dienstleister für die
Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU). DB Netz ist verantwortlich für den Be-
trieb der leistungsfähigen Eisenbahninfrastruktur (Fern-/Ballungsnetz, Regio-
nalnetz, Zugbildungs- und -behandlungsanlagen).
x Im Geschäftsfeld DB Netze Personenbahnhöfe ist die DB STATION & SERVICE
AG für den Betrieb der Personenbahnhöfe als Verkehrsstation sowie für die
Entwicklung und Vermarktung der damit in Verbindung stehenden Bahnhofs-
flächen zuständig.
x DB Energie liefert Bahnstrom und Treibstoffe an die Bahn und alle Eisenbahn-
verkehrsunternehmen in Deutschland.
x Das Geschäftsfeld Fernverkehr hat den gesamten Personenfernverkehr über-
nommen und ist für dessen Abwicklung verantwortlich. Es ist ihr Ziel, durch
umfassende Verkehrs- und Serviceangebote und die Abstimmung mit anderen
Verkehrsträgern ein attraktives Angebot zu schaffen und Kunden an die Bahn
zu binden.
x Im Geschäftsfeld Bahn Regio hat die DB REGIO AG den regionalen Personen-
verkehr der Bahn übernommen. Seit 1996 sind die Länder für den gesamten
ÖPNV zuständig, auch für den Schienenverkehr. Die Länder bzw. eigens ge-
gründete Verkehrsverbände, entscheiden über die einzurichtenden Verbindun-
gen und schreiben diese i. d. R. öffentlich aus. Die DB REGIO AG steht bei die-
sen Ausschreibungen normalerweise in Konkurrenz zu anderen
Wettbewerbern, z. B. landeseigenen (Hessische Landesbahn), privaten (Deut-
sche Eisenbahngesellschaft) oder ausländischen (Mittel-Thurgau-Bahn) Bahn-
gesellschaften.
x Das Geschäftsfeld DB Bahn Arriva verantwortet die S-Bahnen in Berlin und
Hamburg sowie Busgesellschaften in Deutschland.
x Im Geschäftsfeld DB Schenker werden die europaweiten Aktivitäten im Schie-
nengüterverkehr geführt. Sie hat ein vielfältiges Angebot, das über den reinen
Transport per Bahn hinausgeht. Beispielsweise werden im Rahmen des kombi-
nierten Verkehrs auch Haus-zu-Haus-Transporte und individuelle Transportlö-
sungen angeboten.
x Mit dem Geschäftsfeld DB CARGO werden weltweit Speditions- und Lo-
gistikdienstleistungen angeboten.
Organisationsformen
Die Überlegungen bezüglich der Organisation von Logistikunternehmen sind bei
der Wahl der Rechtsform grundsätzlich die gleichen wie bei anderen Unterneh-
men, so dass beispielsweise die gleichen Zentralisierungskriterien für die Bildung
der Organisationseinheiten in Frage kommen.47 Bei der Anwendung des Zentrali-
sierungskriteriums Objekt ergeben sich lediglich zwei Besonderheiten. Die erste
Besonderheit ist, dass bei einer produktorientierten Organisation die Organisati-
onseinheiten nicht nach Sachgütern, sondern nach den verschiedenen logistischen
Dienstleistungsarten gebildet werden können. Die zweite Besonderheit ergibt sich
aus der Tatsache, dass Logistikunternehmen häufig über mehrere regionale Nie-
derlassungen verfügen. Demzufolge spielt das Zentralisierungskriterium Region
bei Logistikunternehmen generell eine größere Rolle als bei Unternehmen der ver-
ladenden Wirtschaft, bei denen es erst in sehr großen Unternehmen Bedeutung er-
langt.
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Literatur 319
Logistische Schnittstellen
Schnittstellen lassen sich generell als Systemgrenzen definieren. Logistische
Schnittstellen sind demnach Grenzen zwischen einem bestimmten Logistiksystem
und anderen Logistiksystemen bzw. mit anderen Arten von Systemen (z. B. Be-
schaffungs-, Produktions- oder Absatzsysteme). Da der Güter- und Informations-
fluss durch ein Unternehmen bzw. zwischen Unternehmen immer mehrere techni-
sche, organisatorische oder rechtliche Systeme durchquert, spielen Schnittstellen
in der Logistikkonzeption eine große Rolle. Ist es doch gerade der Kern der Lo-
gistikkonzeption, die Schnittstellen zwischen den logistischen Teilsystemen so zu
gestalten, dass Logistikprobleme auf der Grundlage des Systemdenkens gelöst
werden können. Abb. 17.1 gibt einen Überblick über logistische Schnittstellen, die
Abb. 17.1
Übertragungsobjekt
Logistische
S. 59)
Schnittstelle
Planungsinformation Dispositive Information Vollzugsinformation Serviceinformation Physische Objekte
Abstimmung der z.B. zwischen: z.B. zwischen: Abstimmung der z.B. zwischen:
Logistikplanung mit Verkauf und Auftragsbearbeitung Einkaufs-, den logistischen
17 Interorganisatorische Logistiksysteme
nach der Art des Übertragungsobjektes (Güter oder Informationen) sowie nach der
Art der Schnittstelle (Art der Systemgrenze) klassifiziert werden.
Logistische Schnittstellen erster und zweiter Ordnung sind unternehmensinter-
ne Schnittstellen. Auf die Schnittstellen erster Ordnung wurde explizit bei der Be-
handlung der verrichtungsorientierten Subsysteme der Logistik hingewiesen. 1 Die
Schnittstellen zweiter Ordnung standen im Mittelpunkt der Ausführungen zu den
phasenspezifischen Subsystemen der Logistik sowie bei der Diskussion der Ein-
gliederung der Logistik in eine mehrdimensionale Organisationsstruktur.2 Im Mit-
telpunkt der folgenden Ausführungen stehen nicht mehr diese intraorganisatori-
schen Schnittstellen, sondern die unternehmensübergreifenden oder
interorganisatorischen Schnittstellen, die als Schnittstellen dritter Ordnung be-
zeichnet werden. Diese Schnittstellen wurden schon bei der Diskussion der Ver-
knüpfung logistischer Informationssysteme im Rahmen der Auftragsabwicklung 3
sowie bei der Behandlung der logistischen Einheiten und des Transports 4 ange-
Warenverkehr
Versand- Empfangs-
spediteur spediteur
Interorganisatorische Beziehungen
Die Durchführung und Koordination der Aufgaben im interorganisatorischen Gü-
ter- und Informationsfluss kann mit einer Vielzahl von Problemen an den vorste-
hend beschriebenen Schnittstellen dritter Ordnung verbunden sein. Wie diese
Probleme an den Schnittstellen gehandhabt werden, hängt von der Art der jeweili-
gen interorganisatorischen Beziehungen ab, die in Abb. 17.3 im Zusammenhang
des gesamten Beziehungsgefüges eines Unternehmens dargestellt sind.
Abb. 17.3
eines Unternehmens
Interorganisatorische Intraorganisatorische
Beziehungen Beziehungen
Normale
Wettbewerb Konflikt Kooperation Konzentration
Konzern Fusion
Von links nach rechts: wachsende Intensität der Beziehungen, steigender Konzentrationsgrad und sinkende wirtschaftliche Dispositionsfreiheit
Konflikte in Kooperationen
Interorganisatorische Beziehungen mit vorwiegend gleichgerichteten und vorwie-
gend gegeneinander gerichteten Interessen schließen sich nicht aus. Wie die intra-
organisatorischen Beziehungen in Institutionen, so sind auch die interorganisatori-
schen Beziehungen zwischen Institutionen durch die Existenz von Konflikten
gekennzeichnet. Konflikte müssen jedoch nicht notwendigerweise eine Kooperati-
on zwischen den Institutionen im Logistikkanal verhindern. Zwischen zwei im
Logistikkanal zusammenarbeitenden Institutionen wird es immer sowohl gleichge-
richtete als auch gegeneinander gerichtete Beziehungen geben. Es ist zwar offen-
sichtlich, dass die Existenz gleichgerichteter Beziehungen das Entstehen einer
Kooperation erleichtert und bei der bestehenden Kooperation gegenüber den ge-
geneinander gerichteten Beziehungen vorherrschen müssen. Doch geht es nicht
um die Frage, die aus den gegeneinander gerichteten Beziehungen resultierenden
Konflikte zu beseitigen. Es geht, wie auch bei den intraorganisatorischen Konflik-
ten, in einer Kooperation darum, die Konflikte durch ein geeignetes Konfliktma-
nagement zu regeln bzw. zu handhaben.
Ihre Ursache haben Konflikte in Ziel-, Rollen-, Macht- und Kommunikations-
beziehungen.8 Zielkonflikte entstehen dann, wenn durch das Erreichen des Zieles
eines Kooperationspartners das Erreichen des Zieles eines anderen Kooperations-
partners beeinträchtigt wird. Rollenkonflikte treten auf, wenn die Vorstellungen
über die Rolle, die von einer Institution im Logistikkanal wahrzunehmen ist –
z. B. Ausübung logistischer Funktionen durch eine Spedition in der Rolle als klas-
sischer Spediteur entsprechend den gesetzlichen Minimalanforderungen oder in
der Rolle als Logistikunternehmen mit einem Angebot von logistischen Dienst-
leistungspaketen bis hin zur Logistikberatung – nicht übereinstimmen. Solche
Konflikte treten besonders deshalb auf, weil sich infolge des logistischen Denkens
die traditionellen Vorstellungen darüber, welche Rolle ein Mitglied des Logistik-
kanals bei der Wahrnehmung von Logistikaufgaben zu spielen hat, ändern.
Machtkonflikte resultieren daraus, dass ein Mitglied des Logistikkanals aufgrund
seiner Machtfülle andere Logistikkanalmitglieder zu Entscheidungen zwingen
kann, die sie sonst nicht getroffen hätten. Die Fähigkeit zur Machtausübung sowie
die Fähigkeit zur Mobilisierung von Machtressourcen und Unterstützung bei ande-
ren Mitgliedern des Logistikkanals sind wichtige Merkmale von Unternehmen, die
als Führer in Logistikkanälen auftreten und ihre logistische Kontrollspanne aus-
dehnen.9 Informationskonflikte resultieren daraus, dass Mitglieder des Logistikka-
nals bei ihren Entscheidungen von unterschiedlichen Informationen ausgehen. Die
Differenzen in der Informiertheit können auf mangelnde Kommunikation im Lo-
gistikkanal, aber auch auf ein bewusstes Zurückhalten von Informationen durch
ein Unternehmen zurückzuführen sein.
10 Zu erwarteten und empfundenen Nachteilen einer Kooperation aus Sicht der Verlader und
deren Auswirkungen auf die Bereitschaft der Unternehmen, eine Kooperation einzugehen,
vgl. Kleer, 1991, S. 172f.
11 Vgl. Baumgarten/Wolff, 1999, S. 48ff; Frunzke, 2004, S. 28f. Siehe dazu auch den Trend zur
Verringerung der Fertigungstiefe in Teil III, Abschn. 9.2.
12 Zum Supply Chain Management siehe Abschn. 17.3.
13 Vgl. Pfohl, 1994, S. 216.
14 Im Zusammenhang der Ebenen interorganisatorischer Beziehungsgefüge wird üblicherweise
der Begriff Betrieb (hier als über- bzw. zwischenbetrieblich) verwendet, auch wenn in der
Beschreibung der konstitutiven Merkmale der Kooperation von wirtschaftlich selbstständi-
gen Unternehmen gesprochen wird. Die Verwendung des Begriffes Betrieb erscheint hier in-
sofern als geeignet, da beispielsweise im Falle der Betrachtung eines Logistikservice-
netzwerkes, einer möglichen Ausprägung der Kooperation, der lokale Logistikbetrieb als
Knoten eines logistischen Netzwerkes von besonderem Interesse ist, vgl. Freichel, 1992,
S. 63.
328 17 Interorganisatorische Logistiksysteme
mens, sowohl zwischen- als auch überbetrieblichen Charakter haben kann. Es wird
daher vorgeschlagen, zur Charakterisierung verschiedener Beziehungsebenen von
interorganisatorischen Beziehungsgefügen mit oder ohne Zentralorgan zu spre-
chen.15
Überbetriebliche Kooperation
Überbetriebliche Kooperation im Logistikkanal findet in Form von gewerbewirt-
schaftlicher und gewerbepolitischer Zusammenarbeit statt. Zur gewerbewirtschaft-
lichen Zusammenarbeit gehören die Straßenverkehrsgenossenschaften, die gleich-
sam die klassische Form der überbetrieblichen wirtschaftlichen Institutionen
bilden sowie die Förderungseinrichtungen der Verkehrswirtschaft. Die 18 Stra-
ßenverkehrsgenossenschaften16 verfügen über ca. 30 Autohöfe, welche mit ihren
Versorgungseinrichtungen für das Personal und die Fahrzeuge Sammelpunkte des
nationalen und internationalen Straßengüterverkehrs geworden sind. Ferner unter-
halten sie Laderaumverteilungsstellen, die den angeschlossenen Mitgliedsunter-
nehmen Ladegut und Laderaum, insbesondere für Rückfahrten, vermitteln. Weite-
re Aktivitäten sind die Frachtenabrechnung bzw. -prüfung. 17 Zu
Förderungseinrichtungen zählen zentralisierte Buchhaltungsbüros, welche mit
EDV die Buchhaltung von Logistikunternehmen übernehmen, spezielle Versiche-
rungen und Betriebsberatungsdienste.
Weitaus größere Bedeutung hat inzwischen die überbetriebliche Zusammenar-
beit in Gestalt bestimmter Typen von Logistikservicenetzwerken18 erlangt. Hierbei
kooperieren mehrere Speditionsunternehmen durch Bildung eines Gemeinschafts-
unternehmens (häufig auf Basis von Franchiseverträgen), u. a. um ein flächende-
ckendes, deutschland- oder europaweites Angebot von Logistikdienstleistungen
realisieren zu können. Solche Kooperationen finden sich in der Möbeltransport-
branche, bei Paketdiensten oder im Stückgutverkehr, um nur einige Beispiele zu
nennen. Mit dem weiteren Zusammenwachsen der europäischen Märkte und der
damit zusammenhängenden Nachfrage nach grenzüberschreitenden Transport-
dienstleistungen wird der Kooperationsbedarf wohl auch in Zukunft noch wach-
sen. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen werden nur mit interna-
tionalen Partnern im Wettbewerb gegen europaweit agierende Dienstleister
bestehen können, zumal sich die größeren Anbieter in diesem Marktsegment zur
Zeit aktiv, meist durch Kauf schon bestehender Unternehmen, um die internatio-
nale Ausweitung ihrer Geschäfte bemühen. 19 Ein weiteres Beispiel für überbe-
triebliche Kooperation sind bestimmte Ausprägungen des Citylogistik-Konzepts,
bei denen von den beteiligten Partnern ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet
wird, welches dann den innerstädtischen Güterverkehr durchführt und koordi-
niert.20
Die gewerbepolitische Zusammenarbeit umfasst die Fachvereinigungen und
Verbände der Verkehrswirtschaft, aber auch anderer Wirtschaftszweige sowie de-
ren Fachausschüsse. Insbesondere die Fachausschüsse sind es, über die die Zu-
sammenarbeit bei der Standardisierung etwa von Dokumenten, Verpackungen und
Transportmitteln läuft, die bei der Diskussion der Verknüpfung logistischer In-
formationssysteme, der logistischen Einheiten, der modularen Verpackung und
des Kombinierten Verkehrs angesprochen wurden.21 Ein typisches Beispiel dieser
Kooperationsart ist aber auch die Entwicklung einheitlicher Artikelnummersyste-
me, die den Informationsaustausch im gesamten Absatzkanal sehr erleichtern.
Hierzu wurden bereits vor über 30 Jahren in Deutschland das bundeseinheitliche
Artikelnummersystem für den Lebensmittelhandel (ban-L), dann Mitte der 70er
Jahre das European Article Number System (EAN) entwickelt. Inzwischen findet
dieses Artikelnummersystem in weltweit über 100 Ländern Anwendung. 22
Zwischenbetriebliche Kooperationen
Zwischenbetriebliche Kooperationen im Logistikkanal finden in unterschiedlichen
Richtungen statt: horizontal, vertikal und diagonal. Abb. 17.4 zeigt diese drei Be-
ziehungsrichtungen und die entsprechenden interorganisatorischen Beziehungen
zwischen den jeweils an einer Kooperation beteiligten Unternehmen. Die horizon-
tale Kooperation im Logistikkanal betrifft zunächst die Zusammenarbeit zwischen
Logistikunternehmen, die Dienstleistungen auf derselben Logistikkanalstufe er-
bringen (z. B. Speditionsunternehmen).23 Bekannte Beispiele hierfür sind Sammel-
ladegemeinschaften, Korrespondenzbeziehungen im Sammelgutverkehr (Versand-
und Empfangsspediteur), Abfertigungsgemeinschaften und Begegnungsverkehre.
Andere Formen horizontaler Kooperation sind z. B. der gemeinsame Einkauf von
Ersatzteilen oder Betriebsmitteln, die Zusammenarbeit bei der Logistikberatung
oder die gemeinsame, abwechselnde Disposition und Tourenplanung im Rahmen
bestimmter Citylogistik-Projekte. Horizontale Kooperation findet aber auch zwi-
Richtungen
interorganisatorischer
Beziehungen
Transportunter-
nehmen/Straße
Transport- Transport-
unternehmen unternehmen
Transportunter-
nehmen/Schiene
schen Verladern derselben Absatzkanalstufe statt.24 Ein Beispiel dafür ist die Zu-
sammenarbeit konkurrierender Großhändler für Wein und Spirituosen im Bereich
der Distributionslogistik.
Vertikale Kooperationen im Logistikkanal treten zwischen Logistikunterneh-
men und Verladern auf, die Dienstleistungen auf unterschiedlichen Logistikka-
nalstufen anbieten, z. B. Speditionen und Transportunternehmen sowie unter Ver-
ladern verschiedener Absatzkanalstufen, z. B. Hersteller und Handel. Es handelt
sich hierbei in der Regel um eine Festlegung von Beziehungen, die in Form nor-
maler Geschäftsbeziehungen zwischen den Beteiligten bereits bestanden hatten.
Die Festigung besteht gewöhnlich in einer längerfristigen vertraglichen Bindung
einerseits und einem umfassenderen Leistungsangebot andererseits. Beispiel für
Kooperationsbereitschaft
Zwei wesentliche Bedingungen für eine erfolgreiche Realisierung interorganisato-
rischer Zusammenarbeit ergeben sich aus der Anwendung der Anreiz-Beitrags-
Theorie auf den Logistikkanal.26 Nach der Anreiz-Beitrags-Theorie hat jede Insti-
tution des Logistikkanals Beiträge zu leisten und empfängt dafür gewisse Anreize.
Das Logistikkanalsystem befindet sich in einem Anreiz-Beitrags-Gleichgewicht,
wenn die folgenden beiden Bedingungen erfüllt sind:
x Die Logistikkanalmitglieder schätzen die empfangenen Anreize entsprechend
ihrer individuellen Wertvorstellungen höher als die zu leistenden Beiträge.
Kooperationsausmaß
Das Kooperationsausmaß hängt von der Kooperationsintensität und vom Koopera-
tionsumfang ab. Die Kooperationsintensität ist bei den grundsätzlichen Möglich-
keiten der Kooperation, nämlich der Abstimmung und der Aufgabenübertragung
(Aufgabenausgliederung), unterschiedlich. Die Kooperationsintensität bei der Ab-
stimmung logistischer Aufgaben, für die die Standardisierungsbemühungen im
Logistikbereich zahlreiche Beispiele liefern, ist geringer als bei der Aufgabenüber-
tragung. Für den Fall der Übertragung von Logistikaufgaben von einem Verlader
17.3 Kooperationsbereitschaft und -ausmaß 333
zunehmende
Kooperations-
Kooperationsbreite intensität
Phasen der Ausübung
Planung
Kooperationstiefe
Kontrolle
Durchführung
Auftragsabwicklung
Lagerhaltung
Verpackung
Lagerhaus
Transport
logistische Aufgabenbereiche
Abb. 17.5 Abhängigkeit der Kooperationsintensität bei der Übertragung von Logistikaufga-
ben von einem Verlader auf ein Logistikunternehmen (Quelle: mit geringfügigen
Änderungen entnommen aus Krass, 1984, S. 133.)
auf ein Logistikunternehmen ist in Abb. 17.5 die Abhängigkeit der Kooperations-
intensität dargestellt.
Die Kooperationsintensität wird demnach bestimmt durch die Kooperations-
breite, gemessen an der Anzahl und der Art der übertragenen (ausgegliederten)
Logistikaufgaben und die Kooperationstiefe, gemessen an der Art und Anzahl der
Phasen der Aufgabenerfüllung. Bei der Kooperationsbreite wird von der plausib-
len Überlegung ausgegangen, dass aufgrund der bestehenden Logistikinterdepen-
denzen die Stärke des Eingriffs in den Logistikbereich eines Unternehmens und
damit die erforderliche Kooperationsintensität in der Reihenfolge Transport, Ver-
packung, Lagerhaus, Lagerhaltung (Bestandsmanagement) und Auftragsabwick-
lung zunimmt. Bei der Kooperationstiefe wird von der plausiblen Überlegung
ausgegangen, dass aufgrund des bestehenden Einflusses auf logistische Entschei-
dungsprämissen die Kooperationsintensität in der Reihenfolge Durchführung,
Kontrolle und Planung zunimmt.27
28 Eine in den USA durchgeführte Studie zeigt, dass dort zunehmend auch Planungs-, Kontroll-
und Steuerungsaufgaben ausgegliedert werden. Vgl. Capgemini/ Langley, 2017.
29 Vgl. Kleer, 1991, S. 127.
30 Vgl. Krass, 1984, S. 112ff.
Abb. 17.6
Unternehmen in Deutschland Unternehmen in den USA
Transport
Transport / Umschlag
/ Umschlag / Lager / Transport / Umschlag /
22 66 36 41
Lager Lager
Behältermanagement
Behältermanagement 7 32 Behältermanagement 44 32
Supply Chain
SupplyNetzwerk Design
Chain Netzw erk Supply Chain Netzw erk
3 28 8 24
Design Design
Bestands-/Materialdisposition
Bestands- / Bestands- /
5 14 8
Anlaufmanagement 3 7 Anlaufmanagement 13
Auftragsmanagement
Sales and Operatins Sales and Operatins
3 7 0
Anlaufmanagement
Planing Planing
Auftragsmanagement
Produktionssteuerung 5 3 Auftragsmanagement 4
Operations Planning
Sales andProduktionssteuerung 5 3 Produktionssteuerung 12
Abb. 17.7 Outsourcing logistischer Funktionen. Ergebnisse einer Befragung bei 1.757 Logis-
tikexperten im Jahr 2013 in Asien, Brasilien, Europa und den USA (Quelle: Han-
field u.a., 2013, S. 57)
onsumfanges nach der Güterart oder der Sendungsgröße.31 Wobei heutzutage viele
große Logistikdienstleister (3PL) durch die neue Strukturierung des Logistik-
markts (Verflechtung und Akquisition) europa- bzw. weltweit Services bieten.
Welches Kooperationsausmaß im konkreten Fall von einem Unternehmen an-
gestrebt wird, hängt von den vorliegenden utilitaristischen und strukturellen Be-
dingungen ab, die einer Analyse zu unterziehen sind. Allgemein lassen sich jedoch
einige Auswirkungen nennen, die durch plausible Überlegungen hergeleitet wer-
den können. Bevor diese im nächsten Abschnitt erläutert werden, soll noch auf
zwei Formen der interorganisatorischen Zusammenarbeit eingegangen werden, in
denen das Kooperationsausmaß große Bedeutung hat, nämlich das Supply Chain
Management und die Unternehmensnetzwerke.
Unternehmensnetzwerke37
Vier Typen von Unternehmensnetzwerken können unterschieden werden (vgl.
Abb. 17.8), nämlich das strategische Netzwerk, das virtuelle Unternehmen, das
regionale und das operative Netzwerk. Das Kooperationsausmaß ist bei diesen
Netzwerktypen sehr unterschiedlich.
Strategische Netzwerke werden durch ein fokales Unternehmen, das häufig ein
Endprodukthersteller oder Handelsunternehmen mit entsprechender Nähe zum
Endkunden ist, strategisch geführt, sind relativ stabil, weisen häufig Investitionen
in netzwerkspezifischen Ressourcen auf und zielen auf das gemeinsame Erreichen
von Wettbewerbsvorteilen ab. Das fokale Unternehmen bestimmt in erheblichem
Umfang die Organisation des Netzwerkes. Die übrigen Netzwerkunternehmen
sind oft auch vertraglich eng an das fokale Unternehmen gebunden und bieten
ihre Leistungen aber auch anderen Abnehmern außerhalb des Netzwerkes an, um
ihre Unabhängigkeit und eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Zweck des
Netzwerkes ist typischerweise die Bedienung eines relativ gut prognostizierbaren,
vergleichsweise stabilen Marktes. Bekannte Beispiele sind Zuliefernetze in der
Automobilindustrie.
Virtuelle Unternehmen entstehen durch die Zusammenarbeit unabhängiger Unter-
nehmen auf der Basis eines gemeinsamen Geschäftsverständnisses, um eine sich
bietende Geschäftsgelegenheit zu nutzen. Der Grundgedanke dieses Netzwerktyps
ist es, Partner zusammenzuführen, die jeweils individuelle Kernkompetenzen auf-
weisen, die synergetisch kombinierbar sind. Projektähnliche Zusammenarbeit, ge-
genseitiges Vertrauen, die beliebige räumliche Verteilung der Unternehmen, die
intensive Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnik, der Verzicht
auf detaillierte Verträge und spezifische Investitionen sowie das einheitliche Auf-
treten gegenüber den Kunden gelten als charakteristische Merkmale dieses Typs.
Als Anwendungsfelder für diese Form der Netzwerke zeichnen sich vor allem jene
Wertschöpfungsprozesse ab, die wie Softwareherstellung, Medienindustrie und In-
formationsdienstleistungen in erheblichem Maße auf informationstechnischer Inf-
rastruktur aufbauen. Andere Anwendungsfelder sind Low-Tech-
Wertschöpfungsprozesse mit sehr kurzen Produktlebenszyklen (Bekleidung,
Spielwaren) oder auch sich schnell entwickelnde High-Tech-Industrien (Mikro-
elektronik, Biotechnologie).
Spediteur
VC
Lieferant
Lieferant Lieferant
, Einzelhändler
,
Spediteur Großhändler
Dienstleister Produzent
Lieferant Produzent
Kooperationsvorteile
Zu den Auswirkungen der Kooperation zählen zunächst folgende grundsätzliche
Vorteile, die einer Kooperation im Logistikkanal beigemessen werden:38
x Eine unnötige Duplizierung logistischer Aktivitäten (Redundanz logistischer
Aktivitäten) – z. B. umfangreiche Lagerhaltung für ein Produkt auf mehreren
Stufen im Logistikkanal – kann vermieden werden.
x Eine Koordination der logistischen Entscheidungen der im Logistikkanal zu-
sammenarbeitenden Unternehmen wird ermöglicht.
x Ein Gegengewicht zu Konzentrationstendenzen wird gebildet und somit dem
Anwachsen wirtschaftlicher Macht einzelner Unternehmen entgegengewirkt.
Dies gilt allerdings nur, wenn die Kooperation nicht als Vorstufe für eine späte-
re Konzentration gedacht ist.
x Bereits bekannte technologische Möglichkeiten der Rationalisierung des Güter-
flusses lassen sich häufiger nur im Rahmen großer Logistiksysteme realisieren.
Solche können gerade durch Kooperation geschaffen werden. Oft wird deshalb
die Meinung vertreten, dass die eigentlichen, weitreichenden Neuerungen im
Logistikbereich heute nicht mehr so sehr im technologischen, sondern im inter-
organisatorischen Wandel bestehen.
Diese grundsätzlichen Vorteile der Bildung von Kooperationen im Logistikka-
nal und somit der Entstehung interorganisatorischer Logistiksysteme können als
ein Ansatz zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen gesehen werden. Im Mittel-
punkt der Betrachtung steht gemäß dieser Sichtweise nicht mehr das einzelne Un-
ternehmen, sondern die gesamte Wertschöpfungskette bzw. – bezogen auf die Lo-
gistik – die Zusammenarbeit der Unternehmen im Logistikkanal vom Hersteller
der Rohstoffe bis zum Endkunden. Ziel ist es, durch die beschriebenen Vorteile
der Kooperation Kostensenkungen oder Serviceverbesserungen zu bewirken, die
es ermöglichen, einen Wettbewerbsvorteil für die gesamte Wertschöpfungskette
zu erreichen. Wichtig dabei ist, dass alle Kooperationspartner an den Erfolgen der
gesamten Wertschöpfungskette partizipieren und Vorteile nicht zu Lasten einzel-
ner Unternehmen innerhalb der Kooperation erzielt werden.39
EUR EUR
Umsatz
Gesamtkosten Gesamtkosten
der Logistik der Logistik
Bestandskosten Bestandskosten
Transportkosten Transportkosten
schneller, Alternative mit den langsamer, schneller, Alternative mit max. langsamer,
zuverlässiger geringsten Kosten weniger zuverlässiger Erfolgsspanne weniger
Transport; zuverlässiger Transport; zuverlässiger
niedrige Transport; niedrige Transport;
Bestände hohe Bestände Bestände hohe Bestände
EUR EUR
Umsatz
Kosten der
Kosten der
Logistik
Logistik Umsatz
schneller, Alternative mit max. langsamer, schneller, Alternative mit max. langsamer,
zuverlässiger Erfolgsspanne, weniger zuverlässiger Erfolgsspanne, weniger
Transport; Lieferant A zuverlässiger Transport; Kunde B zuverlässiger
niedrige Transport; niedrige Transport;
Bestände hohe Bestände Bestände hohe Bestände
EUR
Umsatz
Kosten der
Logistik
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346 17 Interorganisatorische Logistiksysteme
Die Systeme der Mikro- und Mesologistik bilden die institutionellen Elemente des
Systems der Makrologistik. Eine vollständige Erklärung und Gestaltung von Ab-
läufen im makrologistischen System erfordert jedoch zusätzlich eine Betrachtung
der Beziehungen zwischen den Elementen. Dies können temporäre oder dauerhaf-
te, vertragliche bzw. materielle oder immaterielle Beziehungen zwischen den
Elementen sein. Eine sinnvolle Abstraktionsebene für eine solche Betrachtung er-
reicht man bei der Untersuchung der strukturbildenden Komponenten des makro-
logistischen Systems. Dazu gehören die Komponenten der materiellen Infrastruk-
tur, die vor allem die Verkehrs- und Kommunikationsnetze umfasst, deren
Bestandteile den vergleichsweise umfassendsten und nachhaltigsten Einfluss auf
logistische Prozesse haben.
350 18 Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung
1 Zur Rangordnung verschiedener Länder bzgl. der Qualität ihrer Makrologistik (logistiktech-
nologische und -institutionelle Rahmenbedingungen für Logistikprozesse), die bedeutsam
für den Wettbewerb verschiedener Länder bzw. Regionen ist, vgl. World Bank, 2016.
18 Anforderungen an das makrologistische
System der Güterverteilung
Logistikprobleme lassen sich auf den in der Volkswirtschaft üblicherweise unter-
schiedenen drei Aggregationsebenen wirtschaftlicher Tatbestände betrachten. In
den vorangegangenen Kapiteln wurden Logistikprobleme auf der mikro- und me-
sologistischen Betrachtungsebene diskutiert. Es ging um betriebswirtschaftliche
Fragestellungen eines Unternehmens bzw. mehrerer Unternehmen, die im Lo-
gistikkanal zusammenarbeiten. Auf der makrologistischen Betrachtungsebene geht
es um volkswirtschaftliche Fragestellungen. Sie werden im Folgenden insoweit
aufgegriffen, als sie auch für die Beantwortung betriebswirtschaftlicher Fragen
von Bedeutung sind.
hung der Logistikkosten schon dezentrale Fertigungsorte vorteilhafter sein. Bei ei-
ner zentralen Produktion kann das Ansteigen der Logistikkosten, das aus den zu-
nehmenden durchschnittlichen Bezugs- und Versandweiten sowie der zunehmen-
den Verweildauer der Güter im Güterverteilungssystem resultiert, größer sein als
das Absinken der Produktionskosten.
Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass in einem Gleichgewichtssystem mit
wiederkehrenden Produktions-, Transfer- und Konsumtionsprozessen, die sich in
einer arbeitsteiligen Volkswirtschaft vollziehen, die Güter- und Informationsströ-
me sowie die Logistikkosten durch die gegenseitige Abhängigkeit der Marktbe-
ziehungen und Marktgrößen determiniert werden. Dieses raumwirtschaftliche
Gleichgewicht zeigt sich in einer Balance zwischen der Wahrnehmung von Vor-
teilen der räumlichen Arbeitsteilung einerseits und der Inkaufnahme von Logistik-
kosten, insbesondere Transportkosten, andererseits. 2 Zeichnet sich das System der
Güterverteilung in einer Volkswirtschaft durch eine gute makrologistische Infra-
struktur aus, wie das in hochentwickelten Volkswirtschaften im Allgemeinen der
Fall ist, so wird tendenziell eine zentrale Produktion begünstigt. Denn bei einer
gut ausgebauten makrologistischen Infrastruktur steigen die zusätzlichen Logis-
tikkosten einer zentralen Produktion nicht so stark an wie bei einer schlecht aus-
gebauten makrologistischen Infrastruktur. Auch unter Marketinggesichtspunkten
ist eine solche Zentralisation nur beim Vorhandensein einer gut ausgebauten mak-
rologistischen Infrastruktur sinnvoll. Erst sie ermöglicht die aus Wettbewerbs-
gründen erforderlichen kurzen Lieferzeiten bei der Versorgung der Märkte.
4 Hier liegt der Definition der Tranportelastizität der Quotient aus der Veränderung des Trans-
portaufkommens [t] und der Veränderung des BSP zugrunde. Neben dieser Definition exis-
tiert in der Literatur auch die Definition der Transportelastizität als Quotient aus Verände-
rung der Transportleistung [tkm] und Veränderung des BSP, vgl. Aberle, 2009, S. 27f. Die
Transportleistung als Produkt aus transportierter Masse [t] (Transportaufkommen) und Stre-
cke [km] nimmt im Gegensatz zum Transportaufkommen in hochentwickelten Volkswirt-
schaften zu. Dementsprechend ist bei dieser Definition der Transportelastizität der Quotient
auch größer als 1.
5 Siehe Teil II, Abschn. 8.3.
6 Vgl. Aberle, 1994, S. 6ff.; Ihde, 2001, S. 59ff.
354 18 Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung
Absatz
Linienverkehre
Gelegenheits-
verkehre
Full-Service-Pakete
Ökologieorientierte
Logistikleistungen
werden alt und sterben.8 Abb. 18.1 gibt den idealtypischen Lebenszyklusverlauf
für ausgewählte logistische Leistungen wieder. Die Positionierung der logistischen
Leistungen entsprechend ihrer Lebenszyklusphase dürfte gesamtwirtschaftlich ge-
sehen die gegenwärtige Situation Deutschlands in etwa treffen.
Nichtverkehrliche Ziele
Aufgrund seiner Funktion der Verbindung der volkswirtschaftlichen Systeme Gü-
terbereitstellung (Produktion) und Güterverwendung (Konsumtion) bestehen zwi-
schen dem System der Güterverteilung und diesen beiden Systemen vielfältige
Beziehungen. Entwicklungen im System der Güterverteilung haben deswegen
häufig Auswirkungen auf die Entwicklungen in den beiden anderen volkswirt-
schaftlichen Teilsystemen und umgekehrt. Verkehrspolitischen Maßnahmen wird
deshalb die Möglichkeit zugesprochen, in diesen Teilsystemen Gestaltungsprozes-
se auszulösen und damit bestehende wirtschaftliche, räumliche, ökologische und
soziale Strukturen umzuformen. Sie können wirtschaftliche Entwicklungsperspek-
tiven ganzer Regionen oder einzelner Standorte beeinflussen, durch Verkehrsinf-
rastrukturprojekte Umweltbelastungen räumlich verschieben und Beschäftigungs-
und Wachstumspotentiale eröffnen. 10 Mit verkehrspolitischen Maßnahmen lassen
sich deshalb auch wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ziele verfolgen, z. B.
sozialpolitische Ziele durch Sozialtarife im Personenverkehr oder umweltpoliti-
sche Ziele im Rahmen der Verkehrslärmschutzgesetzgebung.
Existieren zwischen nichtverkehrlichen und verkehrlichen Zielen Zielkonflikte,
so besteht beim Ergreifen verkehrspolitischer Maßnahmen zur Erreichung nicht-
verkehrlicher Ziele die Gefahr, dass die Verkehrswirtschaft so stark negativ beein-
trächtigt wird, dass die positiven Zielbeiträge in den Nichtverkehrsbereichen die
Nachteile in der Verkehrswirtschaft nicht auszugleichen vermögen. 11 Hier wäre
dann die Frage zu stellen, ob es nicht sinnvoller ist, beim Einsatz verkehrspoliti-
scher Maßnahmen allein die verkehrlichen Ziele im Auge zu haben, um auf diese
Weise die Verkehrswirtschaft optimal zu organisieren. Negative Zielbeiträge in al-
len anderen wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Sektoren könnten dann durch
direkte Maßnahmen, z. B. Fahrgelderstattungen im sozialpolitischen Bereich, aus-
geglichen werden.
Überwiegen demgegenüber bei einem Eingriff in die Volkswirtschaft die posi-
tiven Effekte anderer gesellschaftlicher Bereiche, erscheint es sinnvoll, durch ver-
kehrspolitische Maßnahmen in die Volkswirtschaft einzugreifen. Diese Vorge-
hensweise wird insbesondere bei der Berücksichtigung ökologischer Ziele
verfolgt. Dabei gilt es Umweltbelastungen, die durch Infrastrukturprojekte und
Transportprozesse verursacht werden, zu vermindern. Umwelteinwirkungen des
Verkehrs entstehen sowohl inputseitig, z. B. durch Bodenversiegelung oder den
Verbrauch von Energieträgern, als auch outputseitig in Form von Lärm, stoffli-
chen bzw. gasförmigen Emissionen oder Belastungen durch Unfälle. Verkehrspo-
litische Ansätze zur Verminderung dieser Umwelteinwirkungen bilden z. B. Ab-
gasvorschriften für Lkw oder die Einführung einer Autobahngebühr, mit der u. a.
das Ziel verfolgt wird, den Verkehr stärker auf als umweltverträglicher angesehe-
ne Verkehrsträger, wie z. B. den Schienengüterverkehr, zu verlagern.
Verkehrliche Ziele
Unter den verkehrlichen Zielen12 steht die Versorgung der Bevölkerung mit Ver-
kehrsleistungen an erster Stelle. Die Erreichung dieses Zieles in einer Marktwirt-
schaft ist unproblematisch, wenn über den Marktmechanismus ein ausreichendes
und akzeptables Verkehrsangebot erreicht werden kann. In diesem Fall können
sich die verkehrspolitischen Maßnahmen darauf beschränken, die Rahmenbedin-
gungen für die Verkehrswirtschaft so zu gestalten, dass der intramodale (verkehrs-
trägerinterne) Wettbewerb einerseits und der intermodale Wettbewerb (zwischen
verschiedenen Verkehrsträgern) andererseits nicht beeinträchtigt werden. 13 Die
Verkehrspolitik hat für das Angebot öffentlicher Verkehrsleistungen zu sorgen,
sofern die in der Gesellschaft als dringlich anerkannten Verkehrsbedürfnisse (z. B.
Bedienung von Randgebieten und kleinen Orten bzw. Regionen) durch privatwirt-
schaftliche Unternehmen über den Marktmechanismus nicht befriedigt werden.
Als weiteres verkehrliches Ziel lassen sich die Gleichstellung der Verkehrsträ-
ger und Handlungsfreiheit der Verkehrsanbieter und -nachfrager nennen. Dieses
Ziel ist ein wesentliches Fundament der gemeinsamen Verkehrspolitik der Euro-
päischen Union. Die Gleichstellung der Verkehrsträger besagt, dass diese in der
Verkehrswirtschaft ihre arteigenen Vorzüge geltend machen und frei zur Entfal-
tung bringen können. Diesem Gedanken liegt die Vorstellung einer die spezifi-
schen Vorteile der Verkehrsträger ausnutzenden Arbeitsteilung zugrunde. Das Ziel
12 Vgl. Kirsch u.a., 1973, S. 127ff.; Fichert/Grandjot, 2007, S. 147ff. Zu Zielen und Aktionsbe-
reichen der Gemeinsamen Verkehrspolitik der Europäischen Gemeinschaften vgl. Kommis-
sion der Europäischen Gemeinschaften, 2006.
13 Zu den Wettbewerbsarten vgl. Claussen, 1979, S. 76ff.
358 18 Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung
Externe Effekte
Maßnahmen zur Erreichung einzelwirtschaftlicher Ziele können auch der gesamt-
wirtschaftlichen Zielerreichung dienen, wenn beispielsweise „durch organisatori-
sche und investive Maßnahmen
x die Leerfahrtenzahl der Transportgefäße vermindert,
x die zeitliche, gewichts- und/oder volumenmäßige Auslastung der Transportge-
fäße erhöht,
x arbeits- und kapitalsparende durchgehende Transportketten gebildet,
x eine Harmonisierung der Verpackungsmodalitäten und Ladehilfsmittel (Palet-
ten, Container) durchgesetzt,
x die Lagerhaltung durch Standardisierung und Anpassung der Lagerhilfsmittel
an die Transporthilfsmittel erleichtert und
x die Organisation und Disposition der mehrstufigen Gütermanipulation (be-
triebsexterne und betriebsinterne Transporte, Vor-, Zwischen- und Ausliefe-
rungslagerung, betriebliche Produktionsprozesse) durch Einsatz technologisch
hochwertiger Informations- und Kommunikationssysteme verbessert wer-
den.“14
Es kann aber auch zu Konflikten zwischen den einzel- und gesamtwirtschaftli-
chen Zielen kommen.15 So genannte externe Effekte sind Auswirkungen von ein-
zelwirtschaftlichen Maßnahmen auf Dritte, die bei den einzelwirtschaftlichen Ent-
scheidungen unberücksichtigt bleiben. Sie können sowohl als externe Vorteile
(External Economies) als auch als externe Nachteile (External Diseconomies) auf-
treten. Von externen Vorteilen oder sozialem Nutzen spricht man, wenn Dritte
(Haushalte, Unternehmen, Staat) aus den Maßnahmen eines Verursachers Nutzen
14 Aberle, 1983, S. 4.
15 Vgl. Claussen, 1979, S. 90ff.; Ihde, 2001, S. 71ff.; Aberle, 2009, S. 574ff.
18.3 Anforderungen aufgrund gesamtwirtschaftlicher Ziele 359
ziehen, ohne dass der Verursacher dafür einen entsprechenden Gegenwert erhält.
Externe Nachteile oder soziale Kosten treten dann auf, wenn Dritte durch die
Maßnahmen eines Verursachers beeinträchtigt werden, ohne dass der Verursacher
mit einem entsprechenden Gegenwert belastet wird. Externe Effekte haben in der
Verkehrswirtschaft eine große Bedeutung, wie folgende Beispiele zeigen:
x „Verkehrsvorgänge nehmen stets Infrastrukturleistungen (Straßen, Wasserwe-
ge, Häfen, Flughäfen, Schienenverkehrsleistungen, Umschlagsplätze für
Stück-, Massen- und containerisierte Güter) in Anspruch. In dem Maße, wie die
Benutzer dieser Infrastrukturkapazitäten nicht zur Finanzierung der Ressour-
cenbindung herangezogen werden, erhalten sie Inputfaktoren ohne oder mit
verzerrter Kostenanlastung mit der Folge, dass ihre Entscheidung über Ver-
kehrsträgerwahl (Modal-Split), Transportwege und Transportentfernung sowie
unter Umständen auch hinsichtlich der Investitionen in Fahrzeuge fehlerhaft in
gesamtwirtschaftlicher Betrachtung sind. Hiermit ist das so genannte Wegekos-
ten- oder besser Wegerechnungsproblem angeschnitten.
x Die Abwicklung von Transportleistungen belastet durch Schadstoff- und
Lärmemissionen der Fahrzeuge die Umwelt; durch den Bau von Verkehrswe-
gen erfolgen häufig umweltproblematische Zerschneidungs- und Flächennut-
zungsveränderungsprozesse. Die zahlreichen Internalisierungsbemühungen die-
ser negativen Umweltwirkungen sollen sowohl die Entscheidung bei den
Verkehrswegeinvestitionen wie auch bei den einzelnen Transportvorgängen
und damit die der Güterflusslogistik beeinflussen.“ 16
Darf ein Verkehrsträger im Verhältnis zu seinen Konkurrenten soziale Kosten
verursachen oder bekommt er einen von ihm verursachten sozialen Nutzen nicht
abgegolten, so kommt es zur Wettbewerbsverzerrung. Externe Effekte führen also
nicht nur zu Konflikten zwischen einzel- und gesamtwirtschaftlichen Zielen, son-
dern auch zu Konflikten zwischen den einzelwirtschaftlichen Zielen verschiedener
Verkehrsträger.
Es wird generell die Internalisierung externer Kosten als Voraussetzung für ei-
ne kostenwahre Kalkulation und damit auch für eine effiziente Steuerung des Ver-
kehrs nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen angesehen. 17 Zur Quantifizierung
externer Effekte gibt es grundsätzlich zwei Phasen:
x „die Ermittlung der Mengengerüste und
x die Transformation der Mengewerte in die ökonomische Kategorie Geldeinhei-
ten, also die Bewertung der Mengengerüste (Monetarisierung).“ 18
Allerdings bestehen Unklarheiten über die Bewertung und Zurechnung externer
Effekte. Deshalb existieren verschiedene Rechnungen zu den Nutzen und Kosten
einzelner Verkehrsträger mit stark voneinander abweichenden Ergebnissen, vor al-
16 Aberle, 1983, S. 6.
17 Vgl. Willeke, 1993, S. 219ff.
18 Aberle, 2009, S. 612.
360 18 Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung
lem bezüglich des Straßenverkehrs. 19 Für diese Abweichungen lassen sich vier
wesentliche Ursachen angeben. Erstens bestehen häufig Kenntnislücken und Un-
sicherheiten über verursachte Emissionen oder Belastungswirkungen, die dann mit
ungesicherten bzw. willkürlichen Annahmen überbrückt werden (z. B. Zusam-
menhänge zwischen bestimmten Lärmpegeln und daraus folgenden gesundheitli-
chen Schäden). Zweitens existieren erhebliche Unsicherheiten bei der monetären
Bewertung der Folgewirkungen (z. B. bei der Bewertung von Geruchsbelästigun-
gen). Drittens führt die Feststellung der Kausalität bei der Anwendung des Verur-
sacherprinzips zu erheblichen Problemen (z. B. staatliche und kommunale Ver-
kehrswegeplanung als mögliche Ursache von Verkehrsstauungen). Viertens
unterliegt die Bewertung externer Effekte politischen Entscheidungen.
Carbon Footprint (CF) wird oft diskutiert zur Erfassung der externen Effekte.
Carbon Footprint ist die Gesamtmenge von Kohlendioxid (CO 2) und anderen
Treibhausgasemissionen entlang der Supply Chain bzw. des Lebenszyklus eines
Produktes. Der Carbon Footprint wird durch Indikatoren, wie z. B. das globale
Erwärmungspotenzial (GWP), quantifiziert. ISO 14040-14044 bieten Anforderun-
gen zur Kalkulation des Carbon Footprints.20
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Grundlagen
Ob die im vorangegangenen Abschnitt behandelten Anforderungen vom makrolo-
gistischen System eines Wirtschaftsraums erfüllt werden können, hängt wesentlich
von der vorhandenen logistischen Infrastruktur ab. Mit dem Begriff der logisti-
schen Infrastruktur soll im materiellen Sinne 1 das Netz eines Wirtschaftsraums,
z. B. einer Volkswirtschaft, verstanden werden, in dem Güter und Informationen
zwischen den Unternehmen und Haushalten fließen können. Im Folgenden wird
zunächst die Infrastruktur des Güterflusses behandelt.
Genauer betrachtet besteht die Infrastruktur eines Wirtschaftsraums nicht aus
einem Netz, sondern setzt sich aus einer Vielzahl von Teilnetzen zusammen, die
beispielsweise entsprechend der verschiedenen Verkehrsträger unterschieden wer-
den können. In diesem Sinne kann ein Seeschifffahrtsnetz, ein Binnenschifffahrts-
netz, ein Straßenverkehrsnetz, ein Schienenverkehrsnetz, ein Luftverkehrsnetz und
ein Rohrleitungsverkehrsnetz abgegrenzt werden.
Jedes dieser Teilnetze besteht aus Verkehrswegen und Verkehrsknoten. Beispie-
le für Verkehrswege sind Straßen oder die schiffbaren Flüsse und Kanäle. Ver-
kehrswege werden auch für den Personenverkehr genutzt, woraus eine Konkur-
renz zwischen Güter- und Personenverkehr um Nutzungsmöglichkeiten entstehen
kann. Verkehrsknoten stellen die Bindeglieder in Verkehrsnetzen dar. Ihre Wich-
tigkeit wächst mit der Bedeutung, den Umschlagsprozesse für den einzelnen Ver-
kehrsträger haben. So können Knoten im Straßenverkehrsnetz, z. B. Umschlags-
einrichtungen der Straßentransportunternehmen, vergleichsweise einfach
ausgestaltet sein. Knoten im Seeverkehr (Seehäfen) sind dagegen äußerst komple-
xe Gebilde.
Verkehrsknoten erfüllen eine Doppelfunktion. Zum einen dienen sie als Ver-
bindungselemente im Netz eines Verkehrsträgers und können so auch die Netze
verschiedener Wirtschaftsräume verknüpfen. Zum anderen stellen sie aber auch
Schnittstellen zwischen den Netzen verschiedener Verkehrsträger dar. Beispiele
dafür sind die Seehäfen, die das Seeverkehrsnetz mit den Binnenverkehrsnetzen
des Hinterlandes verbinden. Weitere Beispiele sind die Terminals des Kombinier-
ten Verkehrs, welche die Verkehrsnetze der beteiligten Verkehrsträger durch ent-
sprechende Umschlagseinrichtungen verknüpfen.
1 Zur Unterscheidung von materieller und immaterieller Infrastruktur vgl. Ihde, 2001, S. 135.
In der Regel werden Aussagen über die logistische Infrastruktur auf eine
Volkswirtschaft als relevanten Wirtschaftsraum bezogen. Die Definition des rele-
vanten Wirtschaftsraums hängt jedoch auch von dem betrachteten Verkehrsträger
ab. So macht z. B. im Falle des Seeverkehrs eine nationale Abgrenzung wenig
Sinn. Relevanter Wirtschaftsraum ist die Weltwirtschaft oder zumindest ein Fahrt-
gebiet zwischen zwei geographischen Regionen. Aus deutscher Sicht ist dagegen
für den Binnenschiffverkehr oder den Schienenverkehr sicherlich Europa der rele-
vante Wirtschaftsraum. Häufig wird aber auch die Infrastruktur einer Region oder
sogar eines Stadtgebietes von Interesse sein.
Eine wesentliche Kenngröße der logistischen Infrastruktur des Güterflusses
hinsichtlich der Verkehrswege ist die Netzdichte.2 Die Netzdichte wird als Quoti-
ent der Verkehrswegelänge und der Fläche eines Wirtschaftsraumes bestimmt. Die
Netzdichte kann als Vergleichsgröße der Infrastrukturausstattung verschiedener
Wirtschaftsräume oder auch zum Vergleich innerhalb eines Wirtschaftsraumes
herangezogen werden. Eine weitere wichtige Kenngröße ist die Verkehrswegelän-
ge pro Einwohner. Diese Größen erlauben jedoch keine Aussage über die Qualität
von Verkehrswegen. Dazu sind verkehrsträgerspezifische Qualitätskriterien not-
wendig, wie z. B. der Elektrifizierungsgrad von Eisenbahnstrecken oder der Anteil
befestigter Straßen am Gesamtnetz.
Bedeutsam für die Höhe des potentiellen Nutzens aus einer vorhandenen logis-
tischen Infrastruktur ist deren Belastung. So kommt es z. B. in der Bundesrepublik
trotz der im internationalen Vergleich guten Infrastrukturausstattung aufgrund des
hohen Verkehrsaufkommens zu teilweise erheblichen Engpässen.3 Wesentlich für
die Güte der logistischen Infrastruktur sind aber auch Anzahl, Verteilung und
Leistungsfähigkeit der Verkehrsknoten. So wird die Infrastrukturausstattung im
See- oder Luftverkehr primär durch die Verfügbarkeit ausreichend dimensionierter
See- bzw. Flughäfen bestimmt.
Im Folgenden sollen zunächst die Verkehrswege und Verkehrsknoten geglie-
dert nach den einzelnen Verkehrsträgern betrachtet werden. Im Anschluss daran
wird im Zusammenhang mit der Kombination von Verkehrsnetzen die Schnittstel-
lenfunktion der Verkehrsknoten diskutiert.
Seeschifffahrt
Die Seeschifffahrt nutzt einen wesentlichen Bestandteil der Infrastruktur der in-
ternationalen Logistik: die Meere und die Seehäfen. Im Jahre 2016 wurden von
den deutschen Seehäfen 296,5 Mio. t Güter versandt, wovon 116,8 Mio. t an Hä-
fen außerhalb Deutschlands gingen. 171,1 Mio. t wurden aus dem Ausland emp-
fangen.4
Binnenschifffahrt
Im Jahre 2017 betrug die Länge der deutschen Wasserstraßen 7.290 km.12 Somit
beträgt die Netzdichte lediglich 0,02 km/km2. Die durchschnittliche Transportwei-
te der Binnenschifffahrt im Bundesgebiet beläuft sich auf 260 km, d. h. Binnen-
schiffe werden überwiegend für Langstreckentransporte eingesetzt. 13 Eine Auf-
gliederung nach Wasserstraßenklassen für Gesamtdeutschland liegt für 1991 vor.
Danach sind lediglich 1.682 km für große Schiffe ab 1.500 t befahrbar.14 Diese
Wasserstraßen liegen beinahe ausschließlich in den alten Bundesländern, während
in den neuen Bundesländern solche der niedrigeren Klassen dominieren. Die An-
zahl der deutschen Binnenschiffe hat sich weiterhin verringert. In den alten Bun-
desländern gab es im Jahr 2000 nur noch 2569 Frachtschiffe, wobei es 1980 noch
3812 (nur damalige Bundesrepublik Deutschland) und 1992 noch 3453 waren.
2015 sind es lediglich 2029. 15 Allerdings hat sich die gesamte Tragfähigkeit der
Schiffe aufgrund größerer Bauarten weniger dramatisch verringert. Der Verkehr
der Binnenschifffahrt hat sich vergleichsweise positiv entwickelt. Die Transport-
menge ging mit 221,3 Mio. t (2016) gegenüber 221,4 Mio. t (2015) nur leicht zu-
rück.16
Binnenschifffahrt bedeutet in Westeuropa primär Rheinschifffahrt. So wurden
2015 rund 80% der Verkehrsleistung auf deutschen Binnenwasserstraßen im
Rheingebiet erbracht.17 Gefördert wird dies durch die Mannheimer Akte von 1868,
gemäß der die Rheinschifffahrt für alle Rheinanliegerstaaten frei ist. Die Domi-
nanz des Rheingebietes wird auch deutlich, wenn der Güterumschlag der Binnen-
häfen aufgeschlüsselt nach Wasserstraßengebieten betrachtet wird. 18 Gemessen am
Güterumschlag sind die größten deutschen Binnenhäfen Duisburg, Köln, Ham-
burg, Mannheim und Ludwigshafen. Zusätzliche Bedeutung erhielt die Rhein-
schifffahrt mit der Eröffnung des 171 km langen Main-Donau-Kanals im Jahre
1992, durch den eine durchgehende europäische Verbindung von der Nordsee bis
zum Schwarzen Meer geschaffen wurde.
Die Binnenwasserstraßen verfügen noch über erhebliche Kapazitätsreserven.19
Gegenwärtig wird die Binnenschifffahrt primär im Massenguttransport genutzt.
Zum Transport der Gütergruppen Kohle, Erdöl und Mineralölerzeugnisse, Erze
und Metallabfälle, Eisen, Stahl und NE-Metalle sowie Steine und Erden und
Landwirtschaft werden 47,9% der Verkehrsleistung der Binnenschifffahrt in
Deutschland erbracht.20 Bei einer nahezu gleich bleibenden Gesamttransportmen-
ge hat sich der Containerverkehr auf deutschen Wasserstraßen in den letzten Jah-
ren von 748.600 TEU im Jahr 1995 auf über 2,4 Millionen TEU im Jahr 2015 er-
höht. 21 Die Binnenschifffahrt könnte deshalb vor allem durch den weiteren
Ausbau von Containertransportketten zur Entlastung der Infrastruktur der anderen
Verkehrsträger, insbesondere des Schienen- und Straßenverkehrs, beitragen.
Luftverkehr
Ähnlich wie im Falle der Seeschifffahrt schafft die Infrastruktur des Luftverkehrs
eine bedeutende Basis für die internationale Logistik. Zur Erleichterung des
grenzüberschreitenden Luftverkehrs wurde auf staatlicher Ebene das ICAO-
Abkommen 22 geschlossen, das die „fünf Freiheiten der Luft“ garantieren soll. 23
Abb. 19.1 Entwicklung des Fracht- und Postaufkommens deutscher Verkehrsflughäfen (Quel-
le: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung, 2016, S. 91)
Schienenverkehr
Dem Eisenbahnverkehr der Bundesrepublik Deutschland stand 2014 ein Schie-
nennetz von 33.500 km der DEUTSCHEN BAHN AG und 5.300 anderer Betreiber
zur Verfügung. Allerdings werden in nur 25% dieses Schienennetzes, dem so ge-
nannten betriebswirtschaftlich optimalen Netz, über 75% des Verkehrs abgewi-
ckelt.26 Während ein Großteil des Schienennetzes zur Güterbeförderung also kaum
genutzt wird, sind andere Teile voll ausgelastet.
Ein wichtiges Qualitätsmerkmal des Schienenweges ist der Anteil elektrifizier-
ter und mehrgleisiger Strecken. Die Längen, Netzdichten und Qualitätsmerkmale
der Eisenbahnstrecken ausgewählter europäischer Länder sind in Abb. 19.2 darge-
stellt. Im europäischen Vergleich verfügt die Bundesrepublik Deutschland über
ein gut ausgebautes Schienennetz. Die Netzdichte ist bedeutend höher als in ande-
ren Ländern. Allerdings belegt Deutschland beim Anteil elektrifizierter Strecken
eher einen mittleren Platz.
Unterschiedliche Probleme bei der Nutzung des Schienennetzes stellen sich im
Wagenladungsverkehr und im Kleingutverkehr (Stückgut- und Expressgutver-
kehr). Während die Nutzung des Wagenladungsverkehrs stark von der Anbindung
der Versender und Empfänger durch Gleisanschlüsse an das Schienennetz ab-
hängt, stellt der Kleingutverkehr besondere Anforderungen an die als Auflösungs-
und Konzentrationspunkte dienenden Bahnhöfe. Aufgrund wirtschaftlicher Über-
legungen hat die Deutsche Bahn AG die Anzahl der Stückgutbahnhöfe in der
Bundesrepublik Deutschland auf weniger als 250 reduziert. 27 Dieser Trend zur
Konzentration des Stückgutumschlages auf eine geringere Anzahl von Knoten-
punkten im Schienennetz bedingt eine erhöhte Kooperation der Bahn mit dem
Straßengüterverkehrsgewerbe, um die Flächenbedienung für den Stückgut-
Hausverkehr gewährleisten zu können.
Der Stückgutverkehr soll über ca. 40 Frachtzentren abgewickelt werden, die
durch Direktverbindungen bedient werden können. Dazu wird der Einzug aus der
bzw. die Verteilung in die Fläche durch verstärkten Lkw-Anschluss realisiert. Wie
die folgenden Ausführungen zur Verknüpfung der logistischen Infrastruktur ver-
schiedener Verkehrsträger noch zeigen werden, ist geplant, diese Frachtzentren,
ebenso wie die Umschlagterminals des Kombinierten Verkehrs, verstärkt in Gü-
terverkehrszentren zu integrieren.
D GR E F I NL GB H RO
Streckenlänge in 1.000 km 41,3 1,8 12,8 29,1 16,6 2,8 20,0 7,5 10,8
davon elektrifiziert in % 55,7 4,6 58,9 50,4 69,4 73,4 25,1 35,2 36,9
Netzdichte in
115,7 13,6 25,4 43,1 55,1 67,4 81,7 80,6 45,3
km/1.000 km2
Straßenverkehr
Die Infrastruktur des Straßengüterverkehrs wird primär durch die Verkehrswege
gebildet, wenngleich Knotenpunkte, wie noch gezeigt wird, von großer Bedeutung
für die Verknüpfung mit den Netzen anderer Verkehrsträger sind. Der Lastkraft-
wagen kann auf ein wesentlich engmaschigeres Wegenetz als das Binnenschiff
und die Eisenbahn zurückgreifen. Damit kommt der Straßenverkehrsinfrastruktur
eine führende Rolle bei der Erschließung der Fläche zu.
1999 standen dem Lkw in der Bundesrepublik 230.700 km überörtliche Stra-
ßen zur Verfügung. Hinzu kommen ca. 413.000 km (Stand 1992) Gemeindestra-
ßen. Die durchschnittliche Netzdichte der überörtlichen Straßen betrug 1999 0,646
km/km². 28 Abb 19.3 zeigt die Streckenlängen und Netzdichten der Straßenver-
kehrswege ausgewählter europäischer Länder.
D GR E F I NL GB H RO
Autobahn
12,4 0,9 12,0 10,8 6,6 2,5 3,5 0,5 0,2
in 1.000 km
Netzdichte
34,7 6,8 23,8 16,0 21,9 60,2 14,3 5,4 0,8
in km/1.000 km2
Nationalstraßen
50,0 10,2 24,9 25,2 46,0 6,7 46,7 30,5 14,8
in 1.000 km
Netzdichte
140,0 77,3 49,3 37,3 152,7 161,3 190,8 327,8 62,1
in km/1.000 km2
Regionalstraßen
178,1 30,9 139,7 365,0 119,9 57,5 114,7 53,3 36,0
in 1.000 km
Netzdichte
498,7 234,2 276,8 540,9 397,9 1.384,6 468,5 572,9 151,0
in km/1.000 km2
Anteil befestigter
Straßen am ge-
100 k. A. 99,0 100 100 k. A. 100 43,9 30,2
samten Straßennetz
in %
29 Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 107. Die Mess-
größe DTV gibt die Anzahl der Durchfahrten in beide Richtungen an einer Zählstelle an.
30 Vgl. Bundesanstalt für Straßenwesen, 2007, S. 7ff.
31 Vgl. Nobel, 2004. Siehe Teil IV, Abschn. 16.4.
19.2 Infrastruktur des Informationsflusses 373
Leitungsverkehr
Für die Verteilung von Massengütern hat auch der Leitungsverkehr eine gewisse
Bedeutung. In erster Linie geht es hierbei um den Transport von Flüssigkeiten und
Gasen (Wasser, Erdöl und Erdölprodukten sowie Erdgas). Erst in den Anfängen
steckt die Entwicklung so genannter Feststoffpipelines, wobei zwei Entwicklungs-
richtungen zu unterscheiden sind. Diese Pipelines sind entweder als hydraulische
Systeme ausgebildet, in denen feste Transportgüter schwimmend transportiert
werden oder aber es handelt sich um pneumatische Systeme, in denen feste Trans-
portgüter in geschlossenen Kapseln bewegt werden. Größere Zuwachsraten im
Leitungsverkehr lassen sich voraussichtlich nicht mehr im Flüssigkeits- oder Gas-
transport, sondern nur noch im Feststofftransport realisieren.
zipiell anwendbar für alle multimodalen Transportsysteme. Entwickelt wurde hier ein Tele-
matikmodul: vgl. Pfohl u.a., 2016, S. 94ff.; Seidler u.a., 2015, S. 113ff.
41 Vgl. Deutscher Speditions- und Logistikverband, 2005, S. 12.
42 Vgl. Tummel, 2015, S. 83ff.
43 Vgl. Schmid, 1993, S. 473.
44 Vgl. Bedner, 2013, S. 22.
19.2 Infrastruktur des Informationsflusses 377
51 Für eine sehr detaillierte Diskussion der Blockchain-Technologie und der Entstehung einer
Transaktion durch den Konsensmechanismus vgl. Yahsi, 2017, S. 161-171.
52 Zu den im Folgenden genannten Anwendungsmöglichkeiten in der betrieblichen Praxis vgl.
Cecere, 2017, S. 60-61.
53 Siehe dazu bei der internationalen Logistik. Abb. 20.9.
19.2 Infrastruktur des Informationsflusses 379
erstens den administrativen Aufwand extrem reduzieren und zweitens die Finan-
zierung von Lieferanten über mehrere Wertschöpfungsstufen (mit regelmäßig
hohem Refinanzierungszins) mit dem in der Supply-Chain bestmöglichen Zins-
satz ermöglichen.54
54 Vgl. für ein Beispiel der Nutzung der Blockchain im Rahmen eines Supply-Chain-Finance-
Konzepts: Yahsi, 2017, S. 297ff. Vgl. zum Deep-Tier-Financing Pfohl/Yahsi (2017).
55 Netz-(werk) bezeichnet hier den Zusammenschluss elektronischer Systeme, die damit die
Infrastruktur für das Angebot von (Netzwerk-)Diensten bilden. Dienste ermöglichen es, In-
formationen einer bestimmten Art über solche Netzwerke zu transportieren. Zu Datennetzen
vgl. Schneider/Werner 2007, S. 308ff.
380 19 Makrologistische Infrastruktur
x Private Netze: Private Netze beschränken sich auf eine oder wenige beteiligte
Organisationen. Es handelt sich im Allgemeinen um lokale Netze, die sich in
einem Gebäude oder abgeschlossenen Gebiet (z. B. Firmengelände) befinden.
Zur Verbindung mehrerer Standorte dienen virtuelle private Netze (VPN), die
die Infrastruktur öffentlicher Netze nutzen und durch Verschlüsselung den Zu-
griff auf die übertragenen Daten verhindern.
x Funknetze: Bei den Funknetzen müssen auf der einen Seite die nationalen
GSM- (Global System for Mobile Communications) und UMTS-Netze (Uni-
versal Mobile Telecommunications System) der Mobilfunkanbieter sowie auf
der anderen Seite die lokalen Funknetze von Unternehmen und Privatleuten auf
Basis der WLAN-Standards (Wireless Local Area Network) unterschieden
werden. GSM und UMTS sind Mobilfunknetze der zweiten bzw. dritten Gene-
ration, die weltweit einheitlichen Standards entsprechen. UMTS ermöglicht
bspw. mit dem HSDPA-Verfahren (High Speed Downlink Packet Access)
Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 7,2 Mbit/s. Funknetze nach dem
WLAN-Standard IEEE 802.11 können hingegen an beliebigen Orten mit der
gewünschten Ausdehnung aufgebaut werden stellen mit Übertragungsraten von
über 100 Mbit/s eine sehr gute Infrastruktur für private Netze dar. Darüber hin-
aus gibt es noch einige spezielle Funknetze, die bspw. zur Überbrückung langer
Distanzen (z. B. WIMAX, GNSS) oder zur dezentralen Kommunikation tech-
nischer Geräte untereinander (z. B. Bluetooth) verwendet werden.56
x Kabelgebundene Netzwerke: Der am meisten verbreitete Standard für kabelge-
bundene Netze zum Anschluss an das Internet ist DSL (Digital Subscriber
Line). DSL bezeichnet eine Reihe von Standards, die nicht benutzte Frequen-
zen in Telefonleitungen zur schnellen Datenübertragung verwerten und somit
eine einfache Möglichkeit der breitbandigen Internetanbindung darstellen. Je
nach Standard können auf Basis von DSL Übertragungsraten von bis zu 210
Mbit/s erreicht werden (VDSL). Neben DSL gibt es auch die Möglichkeit über
TV-Kabel oder das Stromnetz an das Internet angebunden zu werden. Unter-
nehmen haben darüber hinaus die Möglichkeit, bspw. eigene Glasfaserleitun-
gen für sehr hohe Übertragungsraten zu mieten.
Kommunikationsdienste:
x Telefondienste: Durch die Trennung von Systemlogik und Dienst im intelligen-
ten Netz werden flexible Tarifierung, orts- und zeitabhängige Verkehrsführung
auf die Zielanschlüsse und automatische Anrufverteilung und Rerouting mög-
lich. Beispiele sind der Service 130, der Service 190 für private Informations-
anbieter, Telebox, Telefonkonferenz, Televotum und Teledialog.
x Telefax (Fernkopierer): Kopien entstehen nicht am Ort des Originals, sondern
bei räumlich entfernten Empfängern. Endgeräte sind spezielle Faxgeräte oder
mit Faxkarten ausgerüstete Computer. Telefax ist ein rein analoges Verfahren,
19.3 Verkehrspolitik
Die Verkehrsinfrastruktur ist von herausragender Bedeutung für eine Volkswirt-
schaft. Zwar kann nicht unbedingt davon ausgegangen werden, dass die Infra-
struktur im gleichen Maße wachsen muss wie die Wirtschaft, 58 doch würde ein
unzureichendes Verkehrsnetz die wirtschaftliche Entwicklung behindern. Gerade
im Hinblick auf eine zunehmende Arbeitsteilung im Wirtschaftsleben, die in der
Regel den Transport von Gütern zwischen den beteiligten Unternehmen zur Folge
hat, gewinnen die Verkehrsinfrastruktur und die Bedingungen und Kosten, zu de-
nen diese genutzt werden können, an Bedeutung. 59 Gleichzeitig wird durch den
Verkehr die Umwelt belastet, so dass sowohl der Umfang als auch die Art der
Nutzung der Verkehrsnetze im Hinblick auf die Umweltbelastung zu steuern sind.
67 Eine Ausnahme bilden die Jahre 2001 und 2002, in denen aufgrund der geplatzten Dotcom-
Blase und der SARS-Epidemie das Flugaufkommen zurück ging. Anschließend setzte sich
der nahezu lineare Trend weiter fort. Vgl. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.
(DLR), 2008, S. 5ff.
68 Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2016, S. 90f.
69 Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2016, S. 22.
70 Vgl. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2016.
71 Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2016, S. 5ff.
384 19 Makrologistische Infrastruktur
Infrastrukturpolitik
Das Feld der Infrastrukturpolitik kann in angebotsorientierte und nachfrageorien-
tierte Politiken differenziert werden. Die Angebotspolitik zielt auf die ausreichen-
de Versorgung mit logistischer Infrastruktur ab. Dies soll insbesondere durch die
Schaffung neuer Verkehrswege und Umschlagseinrichtungen erreicht werden.
Gegenstand einer verkehrlichen Nachfragepolitik ist das Einwirken auf die Ver-
kehrsnachfrage, um eine Entlastung der bestehenden Infrastruktur zu erreichen.
Aufgrund der aufgezeigten Prognosen und mit Hilfe einer Bewertungsmetho-
dik, die ökonomische, ökologische und städtebauliche Kriterien berücksichtigt,
wurde im Masterplan Güterverkehr und Logistik ein vordringlicher Infrastruktur-
und Vernetzungsbedarf identifiziert. Dieser umfasst neben neuen Vorhaben, die
als besonders vorteilhaft bewertet wurden, auch solche, die bereits im BVWP
2030 vordringlich waren und noch nicht oder nur teilweise realisiert sind. 72 Im
Bundesverkehrswegeplan ist bis Ende 2030 ein Investitionsvolumen für die Berei-
che Schiene, Bundesfernstraßen und Bundeswasserstraßen von 264,5 Mrd. EUR
veranschlagt. Davon entfallen etwa 40,3% auf das Schienennetz und 55,4% auf
die Bundesfernstraßen. Davon sind lediglich 25,2 Mrd. EUR für neue Vorhaben
vorgesehen. Der größte Teil ist für die laufenden und fest disponierten Vorhaben
vorgesehen.73
Ein Hauptziel ist die Vernetzung der Verkehrsträger zu einem integrierten Ver-
kehrssystem, deshalb wird der Kombinierte Verkehr weiterhin stark gefördert. Die
See-, Binnen- und Flughäfen spielen in einem integrierten Verkehrssystem eine
tragende Rolle als ideale Schnittstellen für die Verknüpfung der Verkehrsträger.
Ein Beispiel dafür sind die Hinterlandanbindungen der deutschen Seehäfen.
In Zukunft ist allerdings damit zu rechnen, dass die zumeist national ausgerich-
teten Infrastrukturmaßnahmen zunehmend internationalen Projekten weichen.
Dies wird vor allem durch den fortschreitenden Prozess der europäischen Integra-
tion vorangetrieben. Der grenzüberschreitende Personen- und Güterverkehr zwi-
schen den beteiligten EU-Staaten wächst. Außerdem erfordert die Integration mit-
tel- und osteuropäischer Staaten in die europäische Union und die zunehmende
wirtschaftliche und politische Öffnung gegenüber diesen Ländern eine Verbesse-
rung der Verkehrsinfrastruktur in den Grenzgebieten, an den Grenzübergängen
und auch in diesen Ländern.74
Heute bilden Straße und Schiene schon ein gut funktionierendes Rückgrat für
die Entwicklung der ostdeutschen Wirtschaft. Im BVWP 2030 steht der Bau von
Ortsumgehungen für den Aufbau Ost stärker im Mittelpunkt.
Neben dem Ausbau der Infrastruktur sind die fiskalpolitischen Maßnahmen zur
Reduktion und Verlagerung von Verkehren – als wesentliche Bestandteile der ver-
kehrlichen Nachfragepolitik – von besonderer Bedeutung. Eine Möglichkeit hier-
bei ist die Verteuerung bestimmter Verkehre durch entsprechende Steuern und
Abgaben, z. B. die sog. Ökosteuer auf Benzin und Diesel. Voraussetzung dafür ist
jedoch, dass die Verkehrsnachfrage eine ausreichend hohe Preiselastizität auf-
weist.75 Neben den bisherigen Steuern – Mineralölsteuer und Kfz-Steuer – müssen
z. B. in Deutschland deutsche und ausländische Betreiber von Lkw mit mindestens
7,5 t zulässigem Gesamtgewicht, die die Bundesautobahnen und einen Teil der
Bundesstraßen, seit dem 31.08.2003 und ab 01.07.2018 für alle Bundesstraßen ei-
ne gewisse Benutzungsgebühr entrichten (die Spannbreite der Mautsätze liegt
zwischen 8,1 und 21,8 Eurocent).76 Die Lkw werden in sechs Mautkategorien ein-
geteilt, wobei die Höhe der Mautgebühr von der Anzahl der Achsen der Fahrzeuge
und der Schadstoffklasse abhängig ist. Lkw-Maut wird ebenfalls als eine Maß-
nahme zur Verkehrsinfrastrukturfinanzierung angesehen.77
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Literatur 387
Grundlagen
Mit der heute immer mehr zunehmenden weltwirtschaftlichen Verflechtung steigt
die Bedeutung der internationalen Logistik, deren Besonderheiten daraus resultie-
ren, dass Liefer- und Empfangspunkte von Gütern in verschiedenen Ländern lie-
gen. Es geht also um die Planung, Realisation und Kontrolle von grenzüberschrei-
tenden Informations- und Güterflüssen. Die Besonderheiten gegenüber nationalen
Logistiksystemen können dabei im Einzelfall sehr unterschiedlich in den logisti-
schen Teilsystemen Auftragsabwicklung, Lagerhaltung, Lagerhaus, Verpackung
und Transport auftreten. Die theoretischen Grundlagen zur Behandlung der Be-
sonderheiten einer internationalen Logistik sind notwendigerweise einerseits den
Grundlagen der Logistikkonzeption, andererseits den Grundlagen des internationa-
len Managements zu entnehmen.
Das für die Logistikkonzeption charakteristische Systemdenken sowie das dar-
aus resultierende Gesamt- oder Totalkostendenken und das Servicedenken gelten
grundsätzlich sowohl für die Lösung nationaler als auch internationaler Logistik-
probleme. Internationale Logistiksysteme sind lediglich in dem Sinne komplexer,
als sich die Rahmenbedingungen (die Umwelt) für Logistikprozesse (z. B. Trans-
portieren, Lagern) von Land zu Land unterscheiden können. 1 Bei der Analyse der
Kosteninterdependenzen sind nicht nur die in den logistischen Teilsystemen ver-
ursachten funktionalen Logistikkosten, sondern zusätzlich die durch politische und
ökonomische Handelshemmnisse verursachten Kosten zu berücksichtigen. Auch
die vom Logistiksystem zu erbringenden Lieferserviceanforderungen variieren
häufig von Land zu Land.
Für das internationale Management, das sich mit den auf Dauer angelegten
grenzüberschreitenden Aktivitäten von Unternehmen befasst, lassen sich drei kon-
zeptionelle Forschungsschwerpunkte nennen. 2 Auslandsmanagement (die Unter-
nehmung hat eine Auslandsabteilung) behandelt die ökonomischen, politisch-
rechtlichen und sozialen Besonderheiten, die für die Geschäftstätigkeit auf auslän-
dischen Märkten von Bedeutung sind. Viele dieser Besonderheiten betreffen die
Informations- und Güterströme in Logistiksystemen. Verbundkonzeptionen zur
International Air
Transport
Association (IATA) ausländische
Kunden Beteiligungs- Versicherungen Lagerhäuser
gesellschaften
Fluglinien
Verpackungs- inländische ausländische
lieferanten Unternehmen Transporteure Transporteure
Reedereien
Kosten
Die unterschiedlichen länderspezifischen Rahmenbedingungen sind der Grund für
die Unterschiede im Anteil der Logistikkosten am Umsatz eines Produktes und in
ihrer Zusammensetzung in verschiedenen Ländern. Den umfassendsten aktuellen
Vergleich von Logistikkosten in Europa liefert wohl derzeit die Top-100-Studie
von KLAUS und KILLE.8 Für verschiedene europäische Länder zeigt sie die unter-
schiedliche Verteilung der Logistikkosten auf die verrichtungsspezifischen Sub-
systeme der Logistik auf.
4,2
Zuverlässigkeit 4,5
3,7
3,2
Kosten 3,2
3,1
3,0
Reaktionsfähigkeit 3,4
3,3
2,8
Flexibilität 2,6
2,9
2,1 Deutschland
Ressourcenauslastung 1,7 USA
2,6 China
Service
Ebenso wie die Höhe der Logistikkosten kann aufgrund der länderspezifischen
Rahmenbedingungen die Höhe des Serviceniveaus bei den Lieferserviceelementen
in verschiedenen Ländern variieren. Beispielsweise sind aufgrund der wesentlich
geringeren geographischen Ausdehnung die Lieferzeiten in Japan in der Tendenz
kürzer als in den USA.12 Die Bedeutung einzelner Lieferserviceelemente als Ein-
flussfaktoren für die Einkaufsentscheidung kann ebenfalls in verschiedenen Län-
dern unterschiedlich eingeschätzt werden.
Eine 2008 in Deutschland, den USA und China durchgeführte Befragung stellt
die unterschiedlichen Logistikziele der befragten Industrieunternehmen in den drei
Ländern dar (vgl. Abb. 20.3). Obwohl sich die grundsätzliche Zielbewertung in
dem internationalen Vergleich nur gering unterscheidet, ergeben sich bei einer de-
taillierten Betrachtung einzelner Ziele dennoch Unterschiede.
Typisch für die internationale Distributionslogistik ist, dass auch dem Standort
des Ersatzteillagers bzw. der Ersatzteilverfügbarkeit hohe Bedeutung beigemessen
wird.
Die ersten beiden Faktoren beeinflussen die Entscheidung über die Anzahl der
Standorte, an denen eine Aktivität durchgeführt wird. Die beiden letzten Faktoren
beeinflussen die Entscheidungen über die geographische Lage dieser Standorte.
Ebenso wie Logistikaktivitäten Bestandteil der gesamten Wertkette sind und
von den anderen Wertaktivitäten abhängen, ist die internationale Logistikstrategie
Bestandteil der Internationalisierungsstrategie. 15 Welche Logistikstrategie zu
wählen ist, kann also nur im Zusammenhang mit der gesamten Internationalisie-
rungsstrategie entschieden werden.16 Das gilt es zu beachten, wenn im Folgenden
die drei konzeptionellen Forschungsschwerpunkte des internationalen Manage-
ments im Hinblick auf logistische Fragestellungen diskutiert werden. Ausgegan-
gen wird hierbei von dem Schema in Abb. 20.5, das die Möglichkeiten des inter-
nationalen Markteintritts zeigt. 17 Für das Aktivitätsniveau in der internationalen
Logistik (gemessen z. B. durch den Personaleinsatz in diesem Bereich) postuliert
SLATER einen dem Produktlebenszyklus ähnlichen Verlauf.18 Grundlage dafür ist
die These eines evolutorischen Verlaufs des Internationalisierungsprozesses.
Dementsprechend nehmen die Logistikaktivitäten vom indirekten Export ausge-
hend über den direkten Export zu, erreichen bei der eigenen Auslandsmontage und
bestimmten Formen der eigenen Auslandsproduktion ihr Maximum und nehmen
danach bei anderen Formen der Auslandsproduktion und beim globalen Manage-
ment wieder ab. Die Aussagen bezüglich des Absatzkanals gelten analog für den
• Auslandsproduktion • Triade
– Beteiligung/
Gemeinschaftsunternehmen
– eigene Produktion
24 Zur Bedeutung von Freihandelszonen für Logistiksysteme vgl. Schieck, 2008, S.354.
402 20 Internationale Logistiksysteme
Globale Unternehmen
Nordamerika (NAFTA)
Abb. 20.6 Rahmen globaler Logistikanforderungen (Quelle: Bowersox, 1994, S. 21. Überset-
zung durch den Verfasser)
Während viele Unternehmen gerade dabei waren, ihre Struktur den neuen Mög-
lichkeiten des europäischen Binnenmarktes anzupassen, wurde mit den politischen
Reformen bzw. Revolutionen die wirtschaftliche Öffnung Mittel- und Osteuropas
eingeleitet. Mit der Zunahme des Handels und dem Aufbau von Produktions- und
Distributionskapazitäten durch Direktinvestitionen und Kooperationen wuchs die
Notwendigkeit der Gestaltung von Logistiksystemen, die auch Liefer-, Empfangs-
und Transferpunkte in Mittel- und Osteuropa umfassen und ihre Leistungen auf
Basis der mittel- und osteuropäischen Infrastruktur erbringen.
Die Gestaltung von Logistiksystemen in Mittel- und Osteuropa unterscheidet
sich prinzipiell nicht von der in anderen Regionen der Erde. Dies gilt sowohl für
Distributions- als auch für Beschaffungssysteme. Von großer Bedeutung sind je-
doch die länderspezifischen Rahmenbedingungen und die dem Engagement zu-
grunde liegenden unternehmenspolitischen Grundkonzeptionen der westlichen
Unternehmen.41 Ein Hemmnis für den Güterfluss von, nach und in den Ländern
Mittel- und Osteuropas ist der vergleichsweise schlechte Zustand der Infrastruktur,
insbesondere außerhalb der jeweiligen Landeshauptstädte, wobei jedoch beachtli-
che Unterschiede zwischen den Ländern vorliegen. 42 Bei Standortentscheidungen
für Distributionszentren ist von einer langen Transportzeit zwischen den Ländern
in Mittel- und Osteuropa auszugehen. Bei Stückgut muss mit einer nationalen
Laufzeit von 24 bis 48 Stunden und grenzübergreifend mit drei bis sechs Tagen
gerechnet werden. 43 Dagegen sind gerade in den ost-mitteleuropäischen Staaten
zumindest die rechtlichen Rahmenbedingungen weitgehend gesetzt und mit denen
in Westeuropa vergleichbar. Allerdings liegen trotz bilateraler Abkommen der
EU, insbesondere mit den frühen Reformstaaten, weiterhin zahlreiche Handels-
hemmnisse vor.
In der Anfangsphase der Öffnung Mittel- und Osteuropas und des Anschlusses
der fünf neuen Bundesländer stand im Mittelpunkt des Interesses die Gestaltung
der Distributionslogistik, um eine schnelle und zuverlässige Versorgung der neuen
Märkte zu gewährleisten. Durch die EU-Erweiterung um acht Länder im Jahr
2004 eröffneten sich neue Perspektiven. Aufgrund der deutlichen Kostenvorteile,
die mit der Produktion in bzw. mit dem Bezug aus Mittel- und Osteuropa verbun-
den sind, beschaffen gegenwärtig europäische Unternehmen zunehmend auch bei
mittel- und osteuropäischen Lieferanten. 44 Damit tritt in jüngster Zeit auch das
Problem der ostwestlichen Beschaffungslogistik in den Vordergrund. Neben dem
Problem, den Aufbau des interorganisatorischen Logistiksystems – häufig durch
die Einbeziehung von östlichen oder westlichen Logistikdienstleistern – zu reali-
sieren, stehen westliche Unternehmen vor der Aufgabe, die Leistungsfähigkeit der
innerbetrieblichen Logistik eines potentiellen Lieferanten zu beurteilen und gege-
benenfalls zu sichern. Aufgrund der historischen Entwicklung dieser Länder und
der tiefen Transformationskrise der vergangenen fünf Jahre ist der Aufbau einer
funktionierenden Beschaffungslogistik häufig mit einer umfassenden Lieferanten-
entwicklung und -förderung verbunden.45
Fallbeispiel46
Am Beispiel des Spielzeugherstellers LEGO GRUPPE kann die Veränderung der eu-
ropäischen Logistiksysteme erläutert werden. Im Jahr 2004 war die LEGO GRUPPE
zwar viertgrößter Spielzeughersteller der Welt, schrieb aber Millionenverluste.
Neben den verfehlten Produktstrategien, starker Konkurrenz von Videospielen
und Billigprodukten sind die hohen Logistikkosten und unausreichender Liefer-
service die wesentlichen Ursachen. Von 2004 bis 2008 führte der Spielzeugher-
steller ein Projekt durch, um seine Supply Chain zu optimieren.
Vor dem Projekt gab es ein mit den Produktionswerken verbundenes zentrales
Distributionszentrum. Der Einzelhandel wurde aber noch von rund einem Dutzend
regionaler Distributionszentren beliefert. Die Waren wurden zwischen verschiede-
nen Lagern mehrmals umgelagert. Jeder Standort hatte eine eigene Bestandsfüh-
rung, unterschiedliche Abläufe und Arbeitsweisen. Fast alle Logistikaktivitäten
wurden von der LEGO GRUPPE selbst durchgeführt.
Nach dem Projekt wurden die 12 regionalen Distributionszentren in einem ein-
zigen zentralen Logistikzentrum in Tschechien konsolidiert (vgl. Abb. 20.8). Über
das Lager werden sämtliche Aufträge aus weltweit mehr als 120 von insgesamt
135 Kundenländern mit 14.000 Handelskunden direkt abgewickelt. Die LEGO
GRUPPE beauftragte die DEUTSCHE POST DHL im Rahmen eines Fünfjahresvertra-
ges als Kontraktlogistiker des Zentrallagers und auch für Value Added Services.
In der Folge des Optimierungsprojekts konnten rund 25% bei den globalen Lo-
gistikkosten eingespart werden. Dies entspricht ca. 150 Mio. Euro. Der Anteil der
Logistikkosten am Umsatz wurde von über 12% im Jahr 2005 auf 9,2% im Jahr
2009 reduziert. Gleichzeitig konnte das Lieferserviceniveau von etwa 90% am
Tag im Jahr 2004 auf sogar 99% pro Stunde im Jahr 2009 erhöht werden. Außer-
dem wurde mit der Konsolidierung der Carbon Footprint reduziert. Im Jahr 2009
sank die Transportleistung Volumenkilometer um 25%, was insgesamt fünf Milli-
onen Volumenkilometer weniger pro Jahr entspricht.
Das Fallbeispiel zeigt die zwei im letzten Abschnitt beschriebenen wesentli-
chen Änderungen internationaler Logistiksysteme: die Reduktion der Anzahl der
Distributionslager, Oursourcing der Logistikaktivitäten und Konzentration auf
wenige Logistikdienstleister.
Zentrales
LEGO-
Logistikzentrum
in Tschechien
47 Siehe den Zusammenhang von Kontrahierungsmix und Logistik in Teil III, Abschn. 11.2.
48 Vgl. Schieck, 2008, S. 151.
20.3 Finanzwirtschaftliche Aspekte der internationalen Logistik 411
Abb. 20.9
(Verkäufer) (Bank des Verkäufers) (Bank des Käufers) (Käufer)
1. Verkäufer und Käufer schließen
einen Kaufvertrag ab.
2. Käufer beauftragt die
Akkreditivbank einen
Dokumentenakkreditiv zugunsten
3. Akkreditivbank bittet Bank im des Verkäufers bereitzustellen.
Land des Verkäufers, den
Dokumentenakkreditiv zu avisieren
4. Avisierende Bank prüft den und/oder zu bestätigen.
Dokumentenakkreditiv und sendet
ihn an den Verkäufer.
5. Verkäufer versendet Güter an
den Käufer und erhält
Lieferpapiere.
20 Internationale Logistiksysteme
Financial Engineering
Ausgehend von den Lieferungs- und Zahlungsbedingungen wurden von Banken
unter dem Stichwort „Financial Engineering“ neue Finanzdienstleistungen entwi-
ckelt, durch welche die Kapitalbindung im Umlaufvermögen von Industrie- und
Handelsunternehmen reduziert werden kann. Solche Finanzdienstleistungen, die
auf den Finanzierungsinstrumenten Akkreditiv (Auftragsabsicherung), Lagerfi-
nanzierung (Warenlager) und Zessionskredit (Warenforderung) aufbauen, sind
grundsätzlich auch im Zusammenhang mit nationalen Logistiksystemen zu disku-
tieren; wegen des erhöhten Risikos und der längeren Auftragsabwicklungszeiten
sind sie aber vor allem für die internationale Logistik von Bedeutung.50
In Abb. 20.10 ist ein solches, von einem Dienstleister aus einer Hand anzubie-
tendes Finanzdienstleistungspaket mit den entsprechenden Zahlungs-, Informa-
tions- und Güterströmen skizziert. Der Dienstleister fungiert dabei als Confirming-
und Factoring-Gesellschaft. Confirming-Gesellschaften gab es in großer Zahl En-
de des vorigen Jahrhunderts in England. Dies waren große Handelshäuser, die ne-
ben der Finanzierung das Auffinden von Lieferanten, die Verladung/Verschiffung,
Versicherung, Lagerung usw. übernahmen. Heute versteht man unter Confirming
die Dienstleistung der Risikoabsicherung und Finanzierung. Mit Factoring wird
der regresslose Forderungsverkauf an eine Factoring-Gesellschaft bezeichnet. Sie
hat für die Verwaltung und den Einzug der Forderung Sorge zu tragen und trägt
das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Käufers der Ware.
Währungseinfluss
Die Währungen verschiedener Länder können die internationale Logistik in zwei-
erlei Hinsicht betreffen. Einerseits ist das Wechselkursrisiko zu berücksichtigen,
sowohl bei der Lagerhaltung als auch bei der Auftragsabwicklung. Zur Handha-
bung des Wechselkursrisikos stehen zunächst die finanzwirtschaftlichen Instru-
mente der Kurssicherung zur Verfügung.51 Das Wechselkursrisiko hinsichtlich der
Bestandsbewertung kann aber auch dadurch reduziert werden, dass es in die Ent-
scheidung über den Standort von Produktionsstätten und Lagerhäusern einbezogen
wird. Man kann die Standorte bevorzugt in die Länder legen, deren Währungen
stabil sind oder man kann die Investition in Standorte auch als eine Investition in
ein Währungsportfolio verstehen. Außerdem trägt zu einer Verringerung des
Wechselkursrisikos auch die Verkürzung der Auftragsabwicklungszeit bei.
Neben dem Wechselkursrisiko kann andererseits die Devisenbewirtschaftung
die internationale Logistik beeinflussen. Wenn beispielsweise in Entwicklungs-
ländern den Unternehmen für den Warenimport nur in begrenztem Umfang Devi-
50 Vgl. Pfohl u.a., 2004, S. 15ff.; Gomm, 2008, S. 171f. sowie allgemein zu Finanzdienstleis-
tungen, die von logistischen Dienstleistern übernommen werden, ebenda, S. 169ff.
51 Vgl. Schieck, 2008, S. 144ff.
414 20 Internationale Logistiksysteme
Dienstleister
6 12
Financial Engineering
(Confirming und Factoring)
7 4 8 10 11 2
Lieferant 3 1
Weiterverkäufer Käufer
(Produktions-/ 5 9
(Absatzmittler) (Endabnehmer)
Gewinnungsunternehmen)
Abb. 20.10 Confirming und Factoring im Zusammenhang mit Beschaffungs- und Distributi-
onslogistik (Quelle: in Anlehnung an Hardt, o. J., S. 303)
sen zur Verfügung gestellt werden, sind die Möglichkeiten zum Aufbau von La-
gerbeständen in diesen Ländern eingeschränkt.
halten. Oft ist es sinnvoll, die Produkte in ihre Einzelteile zerlegt an die ausländi-
schen Betriebsstandorte zu liefern, um so durch niedrigere Zölle auf den Einzeltei-
len den höheren Zoll auf das Gesamtprodukt zu vermeiden. In der Gesamtkosten-
kalkulation muss aber bedacht werden, dass der Transport der Einzelteile zu
höheren Transportkosten führt, die aber in Summe in der Regel unter den einge-
sparten Zollkosten liegen.
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Literatur 417
C Dienstleistungspaket
Carbon footprint 360 logistisches 308
Carriage Paid To 196 Dienstleistungsproduktion 27
CF 360 Dilemma
Channel leader 332 der Ablaufplanung 206
Chaotische Lagerung 136, 138 der interorganisatorischen
Charterschifffahrt 365 Logistikplanung 342
CIF 196 Dimension
Citylogistik 311 ökologische 44
CKD 402 ökonomische 43, 250
CKD-Fertigung 402 qualitative 298
Clearingstelle 379 räumliche 298
Cloud-Technologien 84, 199, 378 soziale 44
Completely Knocked Down 402 technologische 42
Confirming- und Factoring-Gesellschaft Direktsystem 403
413 Direktverkehr 171, 181
Consolidation Point 7 Distribution Requirements Planning 107
Container 151, 160, 162, 163, 164, 181, Distributionslogistik 17, 30, 37, 40, 42,
185, 309, 358, 365, 372 48, 55, 189, 190, 194, 195, 197,
Containerisierung 365 201, 202, 203, 221, 222, 223,
Containerverkehr 181, 185, 365, 367 225, 226, 228, 229, 230, 231,
Continous Replenishment Program 232 250
Cost, Insurance, Freight 196 Definition 221
CPT 196 Konzeption 222
Credence qualities 292 Objekt 221
Crossdocking 58, 127, 128 Servicedenken 223
CRP 232 Systemdenken 223
Customizing 221 Distributionspolitik 198, 225, 230, 289,
Cyber-Security 94 291
D Distributionszentrum 401, 409
Datenverbund 373 Dokumentationskette 171
DDP 196 Dokumentenakkreditiv 411, 412
Delivered Duty Paid 196 Dokumenteninkasso 411
Deterministische oder Doppelbesteuerung 414
programmgebundene Double Sourcing 198
Bedarfsermittlung 105 DRP 107
DEUTSCHE BAHN AG 181, 314, 315, 316, DTV 372
370 Durchlaufregal 142
Deutsche Lufthansa AG 314, 315, 316 Durchlaufzeit 70, 203, 206
Devisenbewirtschaftung 413 Durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke
Dezentralisierung 273, 274 372
Diagonale Kooperation 331 Durchschnittsbestand 102, 103
Dienstleister 301, 311, 314, 316, 327, E
329, 334 EAN 329
logistischer 16, 62, 69, 301 Echtzeitbetrieb 84
Dienstleistung Economies of
ergebnisorientierte 26 arbitrage 51
potentialorientierte 26 scale 51, 406
prozessorientierte 26 scope 51, 406
Versorgungs- und Lieferservice 36 speed 51
Vertrauenscharakter 27 structure 51
Dienstleistungslogistik 15 ECR 224
422 Sachverzeichnis
System 5, 6, 7, 13, 14, 24, 28, 34, 42, 65, Transitsystem 400
66, 73, 75, 77, 111, 120, 129, Transport 169, 212, 242, 253
139, 159, 181, 183, 198, 209, Aufgabe 170
210, 211, 218, 226, 228, 242, außerbetrieblicher 134
249, 273, 291, 292, 349, 350, Definition 169
351, 352, 353, 354, 356, 363, Funktion 169
400, 401 innerbetrieblicher 134
internationales 15 Transportauftrag 218
intraorganisatorisches 15 Transportelastizität 353, 383
kombiniertes 256 Transportfunktion 62, 153
makrologistisches 14, 342, 349, 351, Transportgeschwindigkeit 177
352, 353, 363 Transportgewerbegebiet 310
mehrstufiges 6, 7 Transportgut 169, 170, 212
metalogistisches 14 Transportieren 8, 334, 389
Systemanbieter 243, 302 Transportintensität 204, 211, 212
logistischer 302 Transportkette 78, 153, 159, 160, 164,
Systemansatz 29, 31 170, 180
Systemdenken 28, 29, 30, 31, 45, 48, 100, Aufbau 166, 170, 171, 172
190, 191, 202, 223, 250, 263, eingliedrig 171
290, 321, 389 interorganisatorische Schnittstelle 323
Leistungsfähigkeit 29 mehrgliedrig 171
Prozessinterdependenz 31 Phase 171, 172
Ressourceninterdependenz 31 Transportkostenvergleich 129
Systeminput 18, 31 Transportmittel 30, 39, 62, 111, 112, 127,
Systemmülleimer 255 134, 135, 143, 144, 169, 170,
Systemoutput 18, 31 174, 176, 177, 178, 179, 180,
Systemwechselpunkt 311 181, 185, 191, 212, 213, 218,
T 239, 256, 298, 302, 309, 353,
Tarifäres Handelshemmnis 395 390, 401
Tarifzwang 356 Transportmittelveredelung 62
Task Force 274, 275 Transportproblem 170
Technischer Fortschritt 44, 63, 202 Transportprozess 169, 170
Technisch-wirtschaftliches Denken 44 Transportsystem 63, 169, 181, 182, 183,
Technologische Dimension 42 212, 213, 218
Teileverwendungsnachweis 105 bimodales 183
Teilsystem 17, 30, 32, 33, 55 Gestaltung des innerbetrieblichen 212
Tensororganisation 283 Transportunternehmen 61, 62, 178, 184,
Terminal 181, 363, 372 293, 301, 302, 303, 305, 309,
Termintreue 38 330, 394
Tertiärbedarf 104, 106 Transportverpackung 157, 164
Third Party Logistics Service Provider Transportversicherung 196
308 Transportzeit 176, 178, 179, 400, 408
Tracking & Tracing 91 Transpotel 376
Traglufthallenlager 142 Trennung 134, 136, 251, 253, 254, 255,
Trailerzug 183 256, 277, 303, 351
Trampschifffahrt 174 Triade-Strategie 404
Transferpreis 414 Trucking 304, 306
Transferprozess 352 Trust Centern 375
Transferstraße 206 Trusted Third Party 375
Transformationsprozess 3 U
Transfracht 185 Überbetriebliche Kooperation 327, 328,
Transit inventory 344 329
Sachverzeichnis 435