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Hans-Christian Pfohl

Logistiksysteme
Betriebswirtschaftliche Grundlagen
9. Auflage
Logistiksysteme
Hans-Christian Pfohl

Logistiksysteme
Betriebswirtschaftliche Grundlagen
9., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage
Hans-Christian Pfohl
Darmstadt, Deutschland

ISBN 978-3-662-56227-7 ISBN 978-3-662-56228-4  (eBook)


https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4

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Vorwort zur 9. Auflage

Die neue Auflage wurde wieder umfassend überarbeitet und aktualisiert. Sofern es
notwendig war, wurde vor allem bei der Diskussion gesamtwirtschaftlicher As-
pekte der Logistik auf die verfügbaren, neuesten statistischen Untersuchungen zu-
rückgegriffen. Für die Logistik relevante Entwicklungen bei der Informations- und
Kommunikationstechnologie (Digitalisierung), z.B. RFID- oder Cloud- und
Blockchaintechnologie, wurden vor allem im Zusammenhang mit der Auftrags-
abwicklung und der Infrastruktur des Informationsflusses aufgegriffen. Das Lite-
raturverzeichnis wurde auf den neusten Stand gebracht. Die bewährte Gliederung
in fünf Teile – früher Kapitel A bis D – mit der Untergliederung in die Abschnitte
wurde beibehalten. Entsprechend der Vorgaben des Verlages wurde hinter jedem
Kapitel ein Literaturverzeichnis eingefügt. Das früher übliche Gesamtliteraturver-
zeichnis entfällt.
Für die Unterstützung bei der Überarbeitung und Aktualisierung dieser Auflage
danke ich ganz herzlich meinen Mitarbeitern Dr. Burak Yahsi und M.Sc. Tamer
Kurnaz. Mein besonderer Dank gilt B.Sc. Hendrik Bode für seinen unermüdlichen
Einsatz bei der Fertigstellung der Druckvorlage.

Darmstadt, im September 2017 Hans-Christian Pfohl


vi Vorwort zur 9. Auflage

Vorwort zur 8. Auflage


Die neue Auflage wurde umfassend aktualisiert und erweitert. Dies betrifft insbe-
sondere die statistischen Daten, aber auch wesentliche technologische Entwick-
lungen, die in verschiedenen Bereichen für die Logistik relevant sind. Dazu zählen
z. B. RFID- und Scannertechnologie und die daraus erwachsenden Möglichkeiten
für Warenwirtschaftssysteme oder moderne Systeme zur Automatisierung von
Prozessen der Intralogistik. Wichtige Aspekte stellen außerdem aktuelle Trends
der Logistik dar, die an verschiedene Stellen die weitere Entwicklung skizzieren.
Darüber hinaus wurden viele Abbildungen überarbeitet oder neu dargestellt und
Fallbeispiele aktualisiert. Die Literaturquellen wurden ebenfalls aktualisiert.
Für die Unterstützung bei der Überarbeitung dieser Auflage danke ich ganz
herzlich meiner Mitarbeiterin, Frau M. Sc. Xin Shen und meinem Mitarbeiter,
Herrn Dipl.-Wirtsch.-Inform. David Thomas.

Darmstadt, im September 2009 Hans-Christian Pfohl

Vorwort zur 7. Auflage


Bei der vorliegenden Auflage handelt es sich um einen korrigierten Nachdruck der
sechsten Auflage. Inhaltlich wurden lediglich Anpassungen an das reformierte
Handelsgesetzbuch vorgenommen. Ansonsten wurden verschiedene Druckfehler
beseitigt, die sich leider in der vorangehenden Auflage eingeschlichen hatten.
Diesbezüglich danke ich all meinen Lesern, die mich auf diese Aufmerksam ge-
macht haben.
Für die Unterstützung bei der Überarbeitung dieser Auflage danke ich ganz
herzlich meinem Mitarbeiter, Herrn Dipl.-Kfm. Oliver Boldt.

Darmstadt, im August 2003 Hans-Christian Pfohl

Vorwort zur 6. Auflage


Die neue Auflage wurde wieder umfassend überarbeitet und aktualisiert. Dies be-
trifft insbesondere die statistischen Auswertungen, aber auch einige neuere Ent-
wicklungen, die die Logistik betreffen, wie z.B. E-Commerce, Supply Chain Ma-
nagement oder Produktionsnetzwerke.
Für die Unterstützung bei der Überarbeitung dieser Auflage danke ich ganz
herzlich meinem Mitarbeiter, Herrn Dipl.-Wirtsch.-Ing. Alexander Koldau, sowie
für ihr ganz besonderes Engagement bei der Fertigstellung der Druckvorlage Frau
stud.-wirtsch.-ing. Tanja Schlag.

Darmstadt, im April 2000 Hans-Christian Pfohl


Vorwort zur 9. Auflage vii

Vorwort zur 5. Auflage


Die vorliegende Auflage wurde umfassend überarbeitet, aktualisiert und erweitert.
Neuere Entwicklungen in den mikro-, meta- und makrologistischen Systemen
wurden durch Auswertung der seit der letzten Auflage durchgeführten einschlägi-
gen empirischen Untersuchungen berücksichtigt. Zur Charakterisierung der Lo-
gistikkonzeption wurde unter Rückgriff auf die erste Fassung dieses Buches, die
den Titel „Marketing-Logistik“ trug, zusätzlich zum Systemdenken das wert- und
nutzenorientierte Denken herangezogen.
Die Erweiterung der Neuauflage umfasst insbesondere das neue Kapitel C. In
ihm werden die phasenspezifischen Subsysteme der Logistik dargestellt. Hierbei
wird nicht nur auf die klassischen Subsysteme der Versorgungslogistik, nämlich
Beschaffungs-, Produktions- und Distributionslogistik, eingegangen. Wegen der
oftmals sehr spezifischen Probleme des Ersatzteilwesens wird der Ersatzteillogis-
tik ein besonderer Abschnitt gewidmet. Da neben der Versorgung des Marktes
seine Entsorgung einen immer höheren Stellenwert erhält, wird auch die für eine
Kreislaufwirtschaft wichtige Entsorgungslogistik als neues Subsystem analysiert.
Wichtige Unterstützung bei der Bearbeitung der Neuauflage erhielt ich durch
meine ehemaligen und jetzigen Mitarbeiter, Frau Dipl.-Kff. Birgit Ester sowie die
Herren Dipl.-Wirtsch.-Ing. Hans Peter Buse, Dipl.-Wirtsch.-Ing. Markus Engelke,
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Michael Krings, Dr. Rudolf Large und Dr. Dirk Rohweder.
Dafür danke ich ihnen herzlich. Ganz besonderer Dank gebührt aber Herrn Dipl.-
Wirtsch.-Ing. Christian Schäfer, der mit der hilfreichen Unterstützung durch die
Herren Bernd Donabauer und cand.-wirtsch.-ing. Volker Kindermann die müh-
same Aufgabe der Erstellung der redaktionellen Endfassung dieser Neuauflage
übernommen hat.

Darmstadt, im Sommer 1995 Hans-Christian Pfohl

Vorwort zur 4. Auflage


Das steigende Interesse an der Logistikkonzeption erfordert nach relativ kurzer
Zeit eine Neuauflage der „Logistiksysteme“. Das bot mir die Möglichkeit, einige
der wohl niemals vermeidbaren Druckfehler zu korrigieren. Außerdem habe ich
das Kapitel D um internationale Aspekte von Logistiksystemen erweitert. Ich fol-
ge damit der steigenden Bedeutung, die internationalen Logistiksystemen im
Rahmen der zunehmenden Europäisierung oder weltweiten Globalisierung der
Unternehmensaktivitäten zukommt.
Neben den hier vorliegenden „Betriebswirtschaftlichen Grundlagen“ sind die
„Technischen Grundlagen“ von Logistiksystemen unter dem Titel „Materialfluss
und Logistik“ von Herrn Kollegen Jünemann in dieser Reihe veröffentlicht wor-
den. Ich habe darauf verzichtet, bei meinen Ausführungen an den Schnittstellen
zur Technik immer wieder Querverweise zu diesem Grundlagenband anzubringen.
viii Vorwort zur 9. Auflage

Im besten logistischen Sinn bieten beide Bände die integrativen Grundlagen der
Logistik.

Darmstadt, im Frühjahr 1990 Hans-Christian Pfohl

Vorwort zur 3. Auflage


Gerne bin ich der Aufforderung des Verlages zur Vorbereitung einer dritten Auf-
lage gefolgt. Zunächst habe ich selbstverständlich alle Druckfehler der zweiten
Auflage, soweit ich sie entdeckt habe oder darauf aufmerksam gemacht worden
bin, korrigiert; außerdem habe ich verschiedene Unschärfen in der Formulierung
des Textes und der Abbildungen beseitigt. Mein Dank gilt in diesem Zusammen-
hang allen Lesern, insbesondere meinen Mitarbeitern und Studenten, von denen
ich entsprechende Hinweise erhalten habe. Für die intensive Unterstützung bei der
redaktionellen Vorbereitung der dritten Auflagen danke ich meinem Mitarbeiter,
Herrn Dipl.-Wirtsch.-Ing. Stephan Freichel.
Aufgrund der seit dem ersten Erscheinen des Buches eingetretenen Entwick-
lungstrends in Logistiksystemen wurden einige Passagen aktualisiert oder erwei-
tert, wobei auch die neu erschienene Literatur aufgenommen wurde.
Völlig neu ist das Kapitel D, in dem gesamtwirtschaftliche Aspekte von Lo-
gistiksystemen behandelt werden. Damit ist keineswegs der Anspruch verbunden,
die betriebswirtschaftlichen Grundlagen zu erweitern. Auf das System der Makro-
logistik wird nur insoweit eingegangen, als es die Rahmenbedingungen für die
mikro- und metalogistischen Systeme auf betriebswirtschaftlicher Ebene vorgibt.

Darmstadt, im Frühjahr 1988 Hans-Christian Pfohl

Vorwort zur 2. Auflage


Seit dem Erscheinen der ersten Fassung dieses Buches mit dem Titel „Marketing-
Logistik. Gestaltung, Steuerung und Kontrolle des Warenflusses im modernen
Markt“ hat das Interesse an der Logistikkonzeption sowohl in der Theorie als auch
in der Unternehmenspraxis erheblich zugenommen. An einigen Universitäten,
Technischen Hochschulen und Fachhochschulen werden mittlerweile Logistik-
lehrveranstaltungen angeboten. In Stellenanzeigen werden zunehmend Logistiker
gesucht. In der Unternehmenshierarchie wird der Logistikbereich auf höherer Ma-
nagementebene organisatorisch verankert.
Die hier vorliegende Neuauflage versucht, diesem steigenden Interesse an der
Logistikkonzeption gerecht zu werden. Sie ist eine völlig neu bearbeitete und er-
weiterte Fassung der ersten Auflage. Behandelt werden die betriebswirtschaft-
lichen Grundlagen nicht nur des Systems der Marketing-Logistik, sondern aller in-
tra- und interorganisatorischen Logistiksysteme. Technische Aspekte werden
dabei lediglich insoweit gestreift, als sie für das betriebswirtschaftliche Verständ-
Vorwort zur 9. Auflage ix

nis von Logistiksystemen unbedingt erforderlich sind. Die technischen Grundla-


gen von Logistiksystemen werden von Herrn Kollegen Jünemann in einem weite-
ren Grundlagenband dieser Reihe bearbeitet.
Gegenstand des ersten Kapitels dieses Buches sind die Grundlagen der be-
triebswirtschaftlichen Logistik, wobei ausführlich auf den der Logistikkonzeption
zugrundeliegenden Denkansatz eingegangen wird. Im zweiten Kapitel werden die
logistischen Teilsysteme von Industrie- und Handelsunternehmen dargestellt, um
zu zeigen, welche Probleme inhaltlich in die funktionale Analyse von Logistiksys-
temen einzubeziehen sind. Im dritten Kapitel über institutionelle Aspekte von Lo-
gistiksystemen wird zunächst die Organisationsform von Logistiksystemen in In-
dustrie- und Handelsunternehmen behandelt. Danach wird erörtert, welche
Aufgaben von Logistikunternehmen übernommen werden können. Abschließend
werden interorganisatorische Logistiksysteme diskutiert, die durch Kooperation
verschiedener Institutionen im Logistikkanal entstehen.
Dieses Buch will also die Logistiksysteme mit ihren betriebswirtschaftlichen
Grundlagen beschreiben und erklären, die aus der Logistikkonzeption resultieren.
Die Prozesse zur Gestaltung solcher Logistiksysteme sind Gegenstand eines ande-
ren von mir geplanten Buches, das in dieser Reihe mit dem Titel „Logistikma-
nagement“ erscheinen wird.
Allen, die an der Entstehung des vorliegenden Buches mitgewirkt haben, sei an
dieser Stelle herzlichst gedankt. Insbesondere gilt dieser Dank meinem ehemali-
gen Mitarbeiter, Herrn Dr. Klaus Wübbenhorst, für das Korrekturlesen mehrerer
Manuskriptfassungen, den Herren cand.-wirtsch.-ing. Stephan Freichel und Henrik
Lewe für die Bearbeitung des Manuskriptes auf dem Textverarbeitungssystem,
Herrn cand.-wirtsch.-ing. Holger Grotelüschen für die Anfertigung der Abbildun-
gen und Herrn Dipl.-Wirtsch.-Ing. Norbert Linn für die Erstellung des Stichwort-
verzeichnisses. Nicht zuletzt danke ich aber vor allem meiner Frau und meinen
Kindern für ihr Verständnis, das sie mir entgegenbrachten. Denn sie mussten an
vielen Wochenenden auf gemeinsame Freizeit mit dem Autor verzichten, die die-
ser mit Formulierungen zu Logistiksystemen in seinem Arbeitszimmer verbrachte.

Darmstadt, im Frühjahr 1985 Hans-Christian Pfohl


Inhaltsverzeichnis

Teil I Grundlagen der betriebswirtschaftlichen Logistik ................................. 1

1 Logistikbegriff ................................................................................................. 3
1.1 Logistiksysteme im Systemverbund der Gütertransformation .................. 3
1.2 Logistikprozesse und Arten der Gütertransformation ............................... 7
1.3 Begriffliche Abgrenzung der Logistik ..................................................... 11
1.4 Betrachtungsebenen und Umfang von Logistiksystemen ........................ 14
Literatur ........................................................................................................... 20
2 Charakterisierung der Logistikkonzeption ................................................. 23
2.1 Wert- und nutzenorientiertes Denken ...................................................... 23
2.2 Systemdenken .......................................................................................... 28
2.3 Gesamt- oder Totalkostendenken ............................................................ 32
2.4 Servicedenken ......................................................................................... 35
2.5 Logistisches Effizienzdenken .................................................................. 42
2.6 Konsequenzen des Logistikdenkens ........................................................ 45
Literatur ........................................................................................................... 49
3 Bedeutung der Logistik ................................................................................. 51
3.1 Betriebswirtschaftliche Entwicklungstendenzen ..................................... 51
3.2 Kostendruck ............................................................................................ 54
3.3 Marktdruck .............................................................................................. 58
3.4 Stellenwert im Unternehmen ................................................................... 63
Literatur ........................................................................................................... 70

Teil II Verrichtungsspezifische Subsysteme der Logistik ............................... 73

4 Auftragsabwicklung ...................................................................................... 75
4.1 Definition und Funktionen der Auftragsabwicklung ............................... 75
4.2 Auftragsabwicklungsaufgaben ................................................................ 79
4.3 Formen der Auftragsabwicklung ............................................................. 83
4.4 Verknüpfung logistischer Informationssysteme ...................................... 91
Literatur ........................................................................................................... 95
xii Inhaltsverzeichnis

5 Lagerhaltung (Lagerbestände) ..................................................................... 99


5.1 Definition und Funktion der Lagerhaltung .............................................. 99
5.2 Lagerhaltungsaufgaben .......................................................................... 101
5.3 Vorratsergänzung und -sicherung .......................................................... 106
5.4 Selektive Lagerhaltung .......................................................................... 118
Literatur ......................................................................................................... 124
6 Lagerhaus ..................................................................................................... 127
6.1 Definition und Funktion des Lagerhauses ............................................. 127
6.2 Lagerhausaufgaben ................................................................................ 131
6.3 Lagerplatzzuordnung ............................................................................. 135
6.4 Technik im Lagerhaus ........................................................................... 139
Literatur ......................................................................................................... 149
7 Verpackung .................................................................................................. 151
7.1 Definition und Funktion der Verpackung .............................................. 151
7.2 Verpackungsaufgaben ........................................................................... 154
7.3 Logistische Einheiten ............................................................................ 158
7.4 Modulare Verpackung ........................................................................... 164
Literatur ......................................................................................................... 166
8 Transport ..................................................................................................... 169
8.1 Definition und Funktion des Transports ................................................ 169
8.2 Transportaufgaben ................................................................................. 170
8.3 Transportmittel ...................................................................................... 173
8.4 Kombinierter Verkehr ........................................................................... 179
Literatur ......................................................................................................... 184

Teil III Phasenspezifische Subsysteme der Logistik ...................................... 187

9 Beschaffungslogistik .................................................................................... 189


9.1 Definition und Konzeption der Beschaffungslogistik ............................ 189
9.2 Beschaffungslogistik und Instrumente der Beschaffungspolitik ........... 193
Literatur ......................................................................................................... 199
10 Produktionslogistik...................................................................................... 201
10.1 Definition und Konzeption der Produktionslogistik ............................ 201
10.2 Produktionslogistik bei verschiedenen Produktionstypen ................... 204
10.3 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Produktionslogistik ............ 212
Literatur ......................................................................................................... 219
Inhaltsverzeichnis xiii

11 Distributionslogistik .................................................................................... 221


11.1 Definition und Konzeption der Distributionslogistik .......................... 221
11.2 Distributionslogistik und Instrumente der Marketingpolitik ............... 225
Literatur ......................................................................................................... 233

12 Ersatzteillogistik .......................................................................................... 235


12.1 Definition und Konzeption der Ersatzteillogistik ................................ 235
12.2 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Ersatzteillogistik................. 240
12.3 Bedeutung der Ersatzteilversorgung als Wettbewerbsinstrument ....... 242
Literatur ......................................................................................................... 244
13 Entsorgungslogistik ..................................................................................... 247
13.1 Definition und Konzeption der Entsorgungslogistik ........................... 247
13.2 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Entsorgungslogistik ............ 250
13.3 Technische Ausgestaltung entsorgungslogistischer Prozesse .............. 254
Literatur ......................................................................................................... 256

Teil IV Institutionelle Aspekte von Logistiksystemen ................................... 259

14 Intraorganisatorische Logistiksysteme ...................................................... 261


14.1 Aufsplitterung logistischer Aufgaben versus Organisationseinheit Logis-
tik ......................................................................................................... 261
14.2 Eingliederung der Logistikaufgaben in unterschiedliche Organisations-
strukturen ............................................................................................. 266
14.3 Gliederung einer Organisationseinheit Logistik .................................. 279
14.4 Logistik in einer mehrdimensionalen Organisationsstruktur ............... 283
Literatur ......................................................................................................... 287
15 Dienstleistungsfunktionen der Logistikunternehmen .............................. 289
15.1 Absatzhelfer von Industrie- und Handelsunternehmen ....................... 289
15.2 Art der Dienstleistungen ...................................................................... 294
15.3 Besonderheiten der Leistungserstellung .............................................. 297
Literatur ......................................................................................................... 288
16 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft ............................................... 301
16.1 Transportunternehmen ......................................................................... 302
16.2 Lager-, Umschlags- und Verpackungsunternehmen ............................ 306
16.3 Spedition und Vermittler ..................................................................... 308
16.4 Logistikzentren .................................................................................... 310
xiv Inhaltsverzeichnis

16.5 Rechts- und Organisationsformen ....................................................... 314


Literatur ......................................................................................................... 317
17 Interorganisatorische Logistiksysteme ...................................................... 321
17.1 Logistische Schnittstellen und interorganisatorische Beziehungen ..... 321
17.2 Kooperation auf verschiedenen Ebenen .............................................. 327
17.3 Kooperationsbereitschaft und -ausmaß ................................................ 331
17.4 Auswirkungen der Kooperation im Logistikkanal ............................... 341
Literatur ......................................................................................................... 345

Teil V Gesamtwirtschaftliche und internationale Aspekte von


Logistiksystemen ................................................................................... 349

18 Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung ... 351


18.1 Anforderungen aufgrund der Arbeitsteilung ........................................ 351
18.2 Anforderungen aufgrund der Güterart ................................................. 353
18.3 Anforderungen aufgrund gesamtwirtschaftlicher Ziele ....................... 355
Literatur ......................................................................................................... 360
19 Makrologistische Infrastruktur .................................................................. 363
19.1 Infrastruktur des Güterflusses .............................................................. 363
19.2 Infrastruktur des Informationsflusses .................................................. 372
19.3 Verkehrspolitik .................................................................................... 381
Literatur ......................................................................................................... 385
20 Internationale Logistiksysteme .................................................................. 389
20.1 Besonderheiten der internationalen Logistik ....................................... 389
20.2 Gestaltung internationaler Logistiksysteme ......................................... 397
20.3 Finanzwirtschaftliche Aspekte der internationalen Logistik ............... 410
Literatur ......................................................................................................... 415

Abkürzungen im Literaturverzeichnis ............................................................ 418

Sachverzeichnis .................................................................................................. 419


Teil I Grundlagen der
betriebswirtschaftlichen Logistik
2 1 Logistikbegriff

Die Darstellung der Grundlagen der betriebswirtschaftlichen Logistik beginnt mit


einer Diskussion des Logistikbegriffes. Die Definition der Logistik ist hierbei ein-
gebettet in eine inhaltliche Konkretisierung von Logistiksystemen und -prozessen.
Daran schließt sich eine Charakterisierung der Logistikkonzeption, der logisti-
schen Betrachtungsweise von Problemen im Unternehmen, an. Das spezifische
Denken bei der Analyse und Gestaltung von Logistiksystemen und von Logistik-
prozessen wird mit seinen verschiedenen Komponenten beschrieben. Die Konse-
quenzen dieses Logistikdenkens für das Unternehmen werden aufgezeigt. Der Teil
I schließt mit einer ausführlichen Begründung der zunehmenden Bedeutung der
Logistik als Instrument zur Rationalisierung und Erringung von Wettbewerbsvor-
teilen und des daraus resultierenden hohen Stellenwertes der Logistik im Unterneh-
men.
1 Logistikbegriff

1.1 Logistiksysteme im Systemverbund der


Gütertransformation

Systeme der Gütertransformation


In einer Wirtschaft können die in Abb. 1.1 aufgeführten Systeme (Sektoren) der
Veränderung von Gütern – im Sinne von physischen Gütern, Sachgütern, Realgü-
tern – unterschieden werden.1 Die Güterbereitstellung erfolgt durch Produktions-
prozesse (Gewinnungs-, Verarbeitungs- und Bearbeitungsprozesse) in Industrieun-
ternehmen. Die Güter werden hierbei qualitativ verändert. Ebenfalls qualitativ
verändert werden die Güter bei der Güterverwendung. Durch Konsumtionsprozes-
se (Gebrauchs- und Verbrauchsprozesse) i. w. S. werden Güter in Haushalten,
aber auch in Industrie-, Handels- oder Dienstleistungsunternehmen verbraucht o-
der abgenutzt. Die Verknüpfung zwischen der Güterbereitstellung und der Güter-
verwendung bildet die Güterverteilung. Sie vollzieht sich durch Transformations-
prozesse (Bewegungs- und Lagerprozesse), die die Güter nicht qualitativ, sondern
raumzeitlich verändern. Systeme zur raumzeitlichen Gütertransformation sind Lo-
gistiksysteme; die in ihnen ablaufenden Prozesse demnach Logistikprozesse. Sie
laufen in sogenannten Logistikunternehmen ab. Das sind Dienstleistungsunter-
nehmen, deren Unternehmenszweck Raum- und Zeitüberbrückung ist. Sie laufen
aber auch in Industrie-, Handels- oder Dienstleistungsunternehmen ab, bei denen
die Raum- und Zeitüberbrückung lediglich eine Teilaufgabe zur Erfüllung des ei-
gentlichen Unternehmenszweckes darstellt.

1 Zur Herleitung der Transfer- oder Überbrückungsbedarfe und -leistungen aus der Arbeitstei-
ligkeit, der Dislozierung und der Zeitstrukturen der Sektoren der Güterbereitstellung und Gü-
terverwendung vgl. Ihde, 2001, S. 1f. und S. 57.

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H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4_1
4 1 Logistikbegriff

Güterbereitstellung Güterverteilunga Güterverwendung

System zur qualitativen System zur raumzeitlichen System zur qualitativen


Gütertransformation: Gütertransformation Gütertransformation:
Produktionsprozesse (Logistiksystem): Konsumtionsprozesse
Transferprozesse
(Logistikprozesse)

in in in

Industrieunternehmen Logistikunternehmen Haushalten


(Raum-Zeitüberbrückung ist
Unternehmenszweck dieser Art
von Dienstleistungs-
unternehmen)

oder oder

Industrie-, Handels-, Industrie-, Handels-,


Dienstleistungsunternehmen Dienstleistungsunternehmen
(Raum-Zeitüberbrückung ist
Teilaufgabe)

Güterfluss

Produktionswirtschaftliche Logistiktechnologische Bedarfsorientierte


Rahmenbedingungen für und -institutionelle Rahmenbedingungen für
Logistikprozesse: Rahmenbedingungen für Logistikprozesse:
•logistische Logistikprozesse: •Nutzen der Raum-Zeit-
Produkteigenschaften •Verkehrsgeographie Überbrückung für die
technologischer und •Verkehrsinfrastruktur Güterverwendung
ökonomischer Art •Verkehrsmittel- und •Gütermengen
•Gütermengen Verkehrshilfsmitteltechnologie •räumliche Struktur der
•räumliche Struktur der •politisch-rechtliche Bedingungen Güterverwendung
Güterbereitstellung •Entwicklungsstand der •zeitliche Struktur der
•zeitliche Struktur der Logistikkonzeption Güterverwendung
Güterbereitstellung

a
Die rechtliche Transformation der Güter bei der Güterverteilung bleibt in der Darstellung unberücksichtigt.

Abb. 1.1 Systeme der Gütertransformation

Durch Logistikprozesse wird der Güterfluss hervorgerufen, der die Systeme der
Güterbereitstellung und Güterverwendung miteinander verbindet. In allen drei
Systemen gibt es Rahmenbedingungen, die auf den Ablauf der Logistikprozesse
großen Einfluss haben. Beispielsweise werden sich die Logistikprozesse bei der
Produktion von Schütt- oder Stückgütern, bei der Verteilung von Gütern in einem
Land mit einem gut oder schlecht ausgebauten Straßennetz oder bei einer Güter-
verwendung, für die eine schnelle Raumüberbrückung von großer oder von gerin-
ger Bedeutung ist, jeweils sehr unterscheiden.
1.1 Logistiksysteme im Systemverbund der Gütertransformation 5

Grundstrukturen von Logistiksystemen


Charakteristisch für Logistiksysteme ist das Ineinandergreifen von Bewegungs-
und Lagerprozessen. Graphisch lässt sich das Zusammenspiel von Bewegungs-
und Lagerprozessen – letztere lassen sich allgemeiner als Speicherprozesse be-
zeichnen – durch ein Netzwerk darstellen, in dem Knoten durch Kanten miteinan-
der verbunden sind. 2 Durch dieses Netzwerk werden Objekte bewegt. An den
Knoten werden die Objekte vorübergehend festgehalten (gespeichert) oder auf ei-
nen anderen durch das Netzwerk führenden Weg übergeleitet. Die verschiedenen
Knotenverbindungen (Kanten) stellen die unterschiedlichen Möglichkeiten dar,
wie ein Objekt durch das Netzwerk bewegt werden kann. Unabhängig davon, wel-
che Objekte (Sachgüter, Energie, Informationen oder Menschen) durch ein solches
Netzwerk strömen, liegen Logistiksysteme vor.
Das vorliegende Buch befasst sich allerdings lediglich mit Logistiksystemen,
deren Objekte Sachgüter sind. Die in solchen Logistiksystemen auftretenden In-
formationsströme sind nicht Selbstzweck, sondern vom physischen Güterfluss ab-
geleitet.
Geht man vom Netzwerkgedanken aus, so lassen sich die in Abb. 1.2 dargestell-
ten Grundstrukturen von Logistiksystemen unterscheiden. 3 In einem einstufigen
System erfolgt die Raum- und Zeitüberbrückung durch einen direkten Güterfluss
zwischen dem Lieferpunkt, an dem die Güter bereitgestellt werden und der allge-
mein auch als Quelle bezeichnet werden kann und dem Empfangspunkt, an dem
die Güter verwendet werden und den man allgemein auch als Senke bezeichnen
kann. Ganz offensichtlich hat ein solches einstufiges System den Vorteil, dass der
Güterfluss zwischen Liefer- und Empfangspunkt nicht unterbrochen wird, also
keine zusätzlichen Lagerprozesse und/oder Bewegungsprozesse zur Überleitung
des Gutes auf andere Wege stattfinden.

2 Vgl. Ballou, 2004, S. 41ff.


3 Vgl. Bowersox u.a., 1968, S. 120ff.; Brauer/Krieger, 1982, S. 34; Bowersox/Closs, 1996, S.
90ff.
6 1 Logistikbegriff

Auflösungspunkt
(Break-bulk point)
Lieferpunkt Empfangspunkt
(Güter- (Güter-
bereitstellung) verwendung)

direkter Güterfluss
einstufiges System Lieferpunkt Empfangspunkte

Konzentrationspunkt
(Consolidation point)

Lieferpunkt Empfangspunkte Lieferpunkte Empfangspunkt

direkter und indirekter Güterfluss indirekter Güterfluss


kombinierte Systeme mehrstufiges System

Abb. 1.2 Grundstrukturen von Logistiksystemen

In einem mehrstufigen System erfolgt die Raum- und Zeitüberbrückung durch


einen indirekten Güterfluss zwischen Liefer- und Empfangspunkt. Der Güterfluss
wird also wenigstens an einem weiteren Punkt unterbrochen, an dem dann zusätz-
liche Lager- und/oder Bewegungsprozesse stattfinden müssen. Die Aufgabe dieses
Unterbrechungspunktes ist die Auflösung oder Konzentration (Bündelung) des
Güterflusses. In einem Auflösungspunkt treffen die Güter in großen Mengen von
einem Lieferpunkt ein und verlassen ihn in kleinen Mengen (Break Bulk Point) an
verschiedene Empfangspunkte. Das Auflösen besteht entweder in einer reinen
Verkleinerung der Mengeneinheiten eines bestimmten Gutes, um den Güterfluss
im Hinblick auf Empfangspunkte auszurichten, deren Bedarf nicht in großen, son-
dern nur in kleinen Mengen befriedigt werden kann. Das Auflösen kann aber auch
in einem Aussortieren bestehen. In diesem Fall ist der Güterfluss von einem Lie-
ferpunkt zum Auflösungspunkt nicht homogen, besteht nicht aus großen Mengen
eines bestimmten Gutes, sondern er ist heterogen. Die großen Gütermengen setzen
sich beim heterogenen System aus verschiedenen Gütern zusammen. Der hetero-
gene Güterfluss wird am Auflösungspunkt in kleinere homogene Güterflüsse zu
1.2 Logistikprozesse und Arten der Gütertransformation 7

verschiedenen Empfangspunkten aufgelöst. Der Unterbrechungspunkt bei einem


mehrstufigen System kann aber auch ein Konzentrationspunkt (Consolidation
Point) sein, in dem Güter gebündelt (gesammelt oder einer Sortimentierung unter-
zogen) werden. Im Falle des Sammelns trifft ein Gut in kleinen Mengen von ver-
schiedenen Lieferpunkten im Konzentrationspunkt ein und wird zu größeren ho-
mogenen Einheiten zusammengefasst. Eine andere Ausprägungsform des
Konzentrierens bildet die Sortimentierung. Bei der Sortimentierung treffen von
den verschiedenen Lieferpunkten unterschiedliche Güter am Konzentrationspunkt
ein und werden dort zu Sortimenten zusammengefasst. In diesem Fall sind also die
am Konzentrationspunkt eingehenden Güterflüsse jeweils homogen, die an die
Empfangspunkte ausgehenden Güterflüsse dagegen heterogen zusammengesetzt.
Von kombinierten Systemen spricht man dann, wenn direkte und indirekte Gü-
terflüsse nebeneinander möglich sind.
Einstufige Systeme haben den Vorteil, dass die an den Unterbrechungspunkten
notwendigen zusätzlichen Logistikprozesse vermieden werden. Voraussetzung ist
allerdings, dass auch bei großen Entfernungen zwischen Liefer- und Empfangs-
punkt der Güterfluss so schnell ist, dass die Bedürfnisse am Empfangspunkt recht-
zeitig befriedigt werden können. Ist dies nicht möglich, so werden mehrstufige
Systeme erforderlich, in denen beispielsweise der Auflösungspunkt den Charakter
eines Auslieferungslagers annimmt, mit dem man sich möglichst nahe an einen
regionalen Teilmarkt begibt, um von ihm die bei den Kunden dieses Marktes auf-
tretenden Bedürfnisse schnell befriedigen zu können. Für mehrstufige Systeme
kann aber auch die Überlegung sprechen, dass die Wirtschaftlichkeit des Güter-
flusses im Allgemeinen direkt mit dem Volumen dieses Stromes zusammenhängt. 4
Das Auslieferungslager ist dann sinnvoll, weil es einen Güterfluss von einer Pro-
duktionsstätte zu einem regionalen Teilmarkt in großen Mengeneinheiten erlaubt.
Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass in einem mehrstufigen System immer
zusätzliche Logistikprozesse in den Unterbrechungspunkten entstehen, die die
Vorteile eines großvolumigen Güterflusses zwischen Liefer- und Unterbrechungs-
punkt bzw. zwischen Unterbrechungs- und Empfangspunkt wieder zunichte ma-
chen können. Die Logistikprozesse sollen im Folgenden detaillierter behandelt
werden.

1.2 Logistikprozesse und Arten der Gütertransformation

Güterfluss und Informationsfluss


Die Grundfunktion von Logistiksystemen ist die raumzeitliche Veränderung von
Gütern. Wie aus den Ausführungen des ersten Abschnitts hervorgeht, ist mit der
Erfüllung dieser Grundfunktion häufig auch die Funktion der Mengen- und Sor-
tenänderung der Güter verbunden. 5 Letztlich gehört es ebenfalls zur Funktion lo-

4 Vgl. Bowersox u.a., 1968, S. 379.


5 Diese Funktion wird auch als Ordnungsfunktion bezeichnet, vgl. Ihde, 2001, S. 2f.
8 1 Logistikbegriff

gistischer Systeme, die genannten Arten der Gütertransformation zu erleichtern.


Erfüllt werden diese Funktionen durch:
x Transport-, Umschlags- und Lagerprozesse (Kernprozesse des Güterflusses),
x Verpackungs- und Signierungsprozesse (Unterstützungsprozesse im Güter-
fluss).
Der Güterfluss zwischen Liefer- und Empfangspunkt fließt nicht von allein,
sondern setzt den Austausch von Informationen zwischen beiden Punkten voraus.
Die Informationen lösen den Güterstrom vorauseilend aus, begleiten ihn erläu-
ternd und folgen ihm bestätigend oder nicht bestätigend nach. Zu Logistikprozes-
sen gehören deshalb nicht nur solche Prozesse, die den Güterfluss, sondern auch
solche, die den entsprechenden Informationsfluss bewerkstelligen. Erfüllt wird
diese Informationsfunktion von Logistiksystemen durch
x Auftragsübermittlungs- und Auftragsbearbeitungsprozesse (Informationsfluss).
In der Matrix der Abb. 1.3 erfolgt eine Zuordnung von Logistikprozessen und
den durch sie bewirkten Arten der Gütertransformation. Der Begriff des Um-
schlagens zur Kennzeichnung von Logistikprozessen ist hierbei weit gefasst. Er
bezeichnet sowohl das Handhaben der Güter, z. B. bei der Einlagerung von Gütern
in ein Regal, das Zusammenfassen oder Auflösen von Gütern, z. B. im Zusam-
menhang mit Paletten, als auch das Sortieren der Güter im Rahmen der Kommis-
sionierung. Die Zuordnung der Gütertransformationsarten zu Lagern, Transportie-
ren und Umschlagen liegt auf der Hand. Durch das Verpacken wird bei vielen
Gütern das Transportieren, Umschlagen und Lagern erleichtert oder sogar erst er-
möglicht. Durch das Signieren der Verpackung können wichtige Hinweise für die
Art des Transports, des Umschlags und des Lagerns gegeben werden, die diese
Prozesse erleichtern. Durch die Übermittlung und Bearbeitung von Aufträgen
(Auftragsabwicklung) wird ein Gut vom logistisch indeterminierten/unbestimmten
zum logistisch determinierten/bestimmten Gut. Ein Gut ist mehr logistisch deter-
miniert, je umfangreichere und genauere Informationen bezüglich der Art des Gü-
terflusses gemacht werden. Wird z. B. in einem Auftrag lediglich vermerkt, dass
ein Gut in der 22. Woche beim Empfänger anzuliefern ist, so ist es wesentlich
schwächer logistisch determiniert, als wenn der Auftrag die Information enthielte,
dass das Gut in der 22. Woche am Mittwoch um 9.00 Uhr an der Rampe 3 des
Empfängers anzuliefern ist.
Die genannten Logistikprozesse sind Aufgaben, deren Ausführung die Güter-
und Informationsflüsse realisieren. Neben diesen Realisierungsaufgaben gehören
zu den Logistikaufgaben selbstverständlich die mit ihnen verbundenen Planungs-,
Steuerungs- und Kontrollaufgaben.
1.2 Logistikprozesse und Arten der Gütertransformation 9

Logistikprozesse

Um-
Transpor-
Gütertransformation schlagen Aufträge
tieren, Umschla-
(Zusam- Verpacken, übermitteln
Lagern Umschla- gen
menfassen Signieren und
gen (Hand- (Sortieren)
und bearbeiten
haben)
Auflösen)

Zeitänderung

Raumänderung

Mengenänderung

Sortenänderung

Änderung der
Transport-, Umschlags-
und Lagereigen-
schaften

Änderung der
logistischen
Determiniertheit des
Gutes

Güterfluss Informations-
fluss

Abb. 1.3 Logistikprozesse und die durch sie bewirkte Gütertransformation (Quelle: Ent-
nommen mit Änderungen und Ergänzungen aus Jünemann, 1980, S. 2)

Logistische Aufgabenbereiche
Um einen Eindruck von den Logistikaufgaben zu bekommen, die im Zusammen-
hang mit der Planung, Steuerung, Realisierung und Kontrolle von Logistikprozes-
sen wahrzunehmen sind, sind in der Abb. 1.4 wichtige logistische Entschei-
dungstatbestände zusammengestellt. In Anlehnung an die ablaufenden
Logistikprozesse werden hierbei logistische Aufgabenbereiche unterschieden.
Beim Lagern werden die Entscheidungstatbestände, die die Lagerbestände betref-
fen, unter dem Begriff Lagerhaltung zusammengefasst. Der Begriff Lagerhaus be-
inhaltet die Entscheidungstatbestände, die festlegen, wo gelagert und wie ein- oder
10 1 Logistikbegriff

Auftrags- • Form der Auftragsübermittlung


abwicklung • Form der Auftragsbearbeitung
• Analyse des Auftrags als Informationsquelle
• Weiterleitung der Auftragsinformation
Lagerhaltung • Anzahl der zu lagernden Artikel (selektive Lagerhaltung, ABC-
Prinzip)
• Bestellmenge und Bestellpunkt zur Wiederauffüllung der
Lagerbestände
• Sicherheitsbestand
• Lagerbestandskontrolle
• kurzfristige Bedarfsprognose
Lagerhaus • Kauf oder Miete von Lagerhaus und –ausrüstung
• Anzahl, Standorte, Kapazitäten und Liefergebiete der Lagerhäuser
• Eigen- oder Fremdbetrieb der Lagerhäuser
• Technische Einrichtungen für Magazinierung und
Kommissionierung im Lagerhaus
• Lagerorte im Lagerhaus
• Lagermethode (Gestaltung des Stapelplatzes)
• Gestaltung der Laderampe
• Abfertigen der Transportmittel
• Organisation der Kommissionierung
• Effizienz beim Einsatz des Lagerhauspersonals
Transport • Art der Transportmittel
• Eigen- oder Fremdbetrieb der Transportmittel
• Kauf oder Miete der Transportmittel
• Kombination der Transportmittel
• Organisation der Transportabwicklung (optimale Transportwege,
Einsatzpläne und Beladung der Transportmittel usw.)
Verpackung • Erfüllung der logistischen Funktionen der Verpackung (Schutz-,
Lager-, Transport-, Manipulations- und Informationsfunktion)
• Bildung logistischer Einheiten (Lager-, Lade-, Transporteinheiten
usw.) als Voraussetzung für rationelle Transportketten

Abb. 1.4 Kennzeichnung logistischer Aufgabenbereiche

ausgelagert wird. Entscheidungstatbestände bezüglich der Umschlagsprozesse fin-


den sich sowohl im Aufgabenbereich Lagerhaus als auch im Aufgabenbereich
Transport. Denn Umschlagsprozesse verbinden verschiedene Lager-, verschiedene
Transport- sowie Lager- und Transportprozesse. Die hier genannten logistischen
Aufgabenbereiche werden im zweiten Teil inhaltlich weiter konkretisiert.6

6 Zu einer ähnlichen Unterscheidung logistischer Aufgabenbereiche vgl. Stock/Lambert, 2001,


S. 19ff. Zu einem weiteren Überblick über Entscheidungstatbestände in logistischen Syste-
men vgl. auch Kirsch u. a., 1973, S. 294ff.; Krulis-Randa, 1977, S. 200ff.; Bowersox/Closs,
1996, S. 25ff.; Vahrenkamp, 2009, S. 9ff.; Arnold u. a., 2008, S. 6.
1.3 Begriffliche Abgrenzung der Logistik 11

1.3 Begriffliche Abgrenzung der Logistik

Ursprung des Wortes Logistik


Nachdem Logistiksysteme und Logistikprozesse einführend dargestellt worden
sind, wird sich der nächste Abschnitt mit einer Definition der Logistik befassen.
Das Wort Logistik bringt in der deutschen Sprache verschiedene Bedeutungsan-
sätze mit sich. Es erscheint daher notwendig, kurz auf diese unterschiedlichen An-
sätze aufmerksam zu machen.
In der Wissenschaft von der Logik wird Logistik zum Teil synonym mit ma-
thematischer Logik und symbolischer Logik verwendet. In jüngerer Zeit ist aller-
dings die Verwendung des Begriffes Logistik in diesem Sinne zugunsten der Sy-
nonyme zurückgetreten.7
Mathematische Funktionen, die als modifizierte Exponentialfunktionen defi-
niert werden können, bezeichnet man als logistische Funktionen. Solche logisti-
schen Funktionen werden beispielsweise zur Beschreibung des Wachstums der
Bevölkerung oder zur Darstellung des Lebenszyklus eines Produktes von der
Markteinführung bis zur Marktsättigung verwendet.
Im militärischen Bereich wird Logistik als Sammelbegriff für die Aufgaben
benutzt, die der Unterstützung der Streitkräfte dienen. 8 Der Begriff Logistik wird
in diesem Fall vom französischen Wort „loger“ abgeleitet. Die Militärlogistik um-
fasst sowohl den Transport, die Quartierung und die Versorgung der Truppen als
auch den Transport, die Lagerung und die Wartung militärischer Güter.
Aus dem militärischen Bereich hat der Ausdruck Logistik Eingang in die wirt-
schaftswissenschaftliche Literatur gefunden. Im Unterschied zum militärischen
Bereich, in dem sich die Logistik auf Truppen und Güter bezieht, wird der Begriff
der Logistik im wirtschaftlichen Bereich heute in erster Linie auf Güter bezogen.
Im Gegensatz zur militärischen Logistik gehört außerdem die Wartung – z. B. von
Produktionsanlagen – in Unternehmen nicht allgemein zur Logistik. Ein anderer
wesentlicher Unterschied ist, dass sich die logistischen Entscheidungen im militä-
rischen Bereich an Zielsetzungen orientieren, die politisch-militärisch motiviert
sind, während die logistischen Entscheidungen im wirtschaftlichen Bereich auf der
Grundlage technologischer, ökonomischer, ökologischer und sozialer Zielsetzun-
gen getroffen werden.

7 Vgl. Behrendt, 1977, S. 21 und die dort aufgeführte Literatur.


8 Zur Militärlogistik vgl. Krulis-Randa, 1977, S. 39ff.; Ihde, 2001, S. 23f.
12 1 Logistikbegriff

Definition der Logistik


Es gibt eine Vielzahl von Definitionen für den Begriff Logistik oder andere Be-
griffe, die an seiner Stelle verwendet werden.9 An dieser Stelle mag es genügen,
drei Definitionen vorzustellen.
Der erste Definitionsansatz kann als flussorientierte Definition der Logistik be-
zeichnet werden. Sie baut auf der inhaltlichen Konkretisierung des Logistikbegrif-
fes in den beiden ersten Abschnitten auf und lautet wie folgt:
Zur Logistik gehören alle Tätigkeiten, durch die die raumzeitliche Gütertrans-
formation und die damit zusammenhängenden Transformationen hinsichtlich der
Gütermengen und -sorten, der Güterhandhabungseigenschaften sowie der logisti-
schen Determiniertheit der Güter geplant, gesteuert, realisiert oder kontrolliert
werden. Durch das Zusammenwirken dieser Tätigkeiten soll ein Güterfluss in
Gang gesetzt werden, der einen Lieferpunkt mit einem Empfangspunkt möglichst
effizient verbindet.
Schon an dieser Stelle kann darauf hingewiesen werden, was effizient bedeutet.
Hierzu kann auf die vier R zurückgegriffen werden, die zur Charakterisierung der
Anforderungen an die Logistik genannt werden:10
Die Logistik hat dafür zu sorgen, dass ein Empfangspunkt gemäß seines Be-
darfs von einem Lieferpunkt mit dem richtigen Produkt (in Menge und Sorte), im
richtigen Zustand, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort zu den dafür minimalen
Kosten versorgt wird.
Eine flussorientierte Definition stammt auch von der amerikanischen Logistik-
gesellschaft COUNCIL OF SUPPLY CHAIN MANAGEMENT PROFESSIONALS (CSCMP)
– früher COUNCIL OF LOGISTICS MANAGEMENT (CLM) – und ist in den USA weit
verbreitet. Die Definition lautet:
„Logistik ist der Prozess der Planung, Realisierung und Kontrolle des effizien-
ten, kosteneffektiven Fließens und Lagerns von Rohstoffen, Halbfabrikaten und
Fertigfabrikaten und den damit zusammenhängenden Informationen vom Liefer-
zum Empfangspunkt entsprechend den Anforderungen des Kunden.“11
Ebenfalls flussorientiert ist die Definition der europäischen Dachgesellschaft
der nationalen logistischen Gesellschaften in Europa, der EUROPEAN LOGISTICS
ASSOCIATION (ELA). Sie lautet:
Logistik ist „die Organisation, Planung, Kontrolle und Durchführung eines Gü-
terflusses von der Entwicklung und vom Kauf durch die Produktion und die Dis-
tribution bis zum endgültigen Kunden mit dem Ziel der Befriedigung der Anforde-
rungen des Marktes bei minimalen Kosten und minimalem Kapitalaufwand.“12

9 Vgl. Pfohl, 1972, S. 17ff.; Schary, 1984, S. 7ff.; Kummer, 1992, S. 20ff.; Isermann, 1998, S.
21ff. und die dort aufgeführte Literatur.
10 Vgl. Pfohl, 1972, S. 28ff.
11 Council of Supply Chain Management Professionals, o. J., S. 2. Übersetzung durch den Ver-
fasser.
12 European Logistics Association, 1993, S. 1. Übersetzung durch den Verfasser. Diese Defin-
tion wird heute von der ELA zur Definition des Supply Chain Managements genutzt.
1.3 Begriffliche Abgrenzung der Logistik 13

Ein zweiter Definitionsansatz kann als lebenszyklusorientierte Definition der


Logistik bezeichnet werden. Sie baut auf dem Lebenszyklus eines Erzeugnisses im
Sinne seiner Lebensdauer auf.13 Dem Begriff des Lebenszyklus liegt der Gedanke
zugrunde, dass ein Produkt – allgemeiner ein System – durch Maßnahmen der
Planung, des Entwurfs und der Entwicklung entsteht und nach einer Periode des
Betriebs schließlich stillgelegt oder verschrottet wird. Als Lebenszyklusphasen
werden z. B. die Initiierungs-, Planungs-, Realisierungs-, Betriebs- und Stillle-
gungsphase unterschieden. Logistische Aktivitäten beziehen sich dann auf die Un-
terstützung der Transformationsaktivitäten in den verschiedenen Lebenszyklus-
phasen. Die international tätige Logistikgesellschaft THE INTERNATIONAL
SOCIETY OF LOGISTICS (SOLE) – früher SOCIETY OF LOGISTICS ENGINEERS – de-
finiert dementsprechend:
Logistik ist „das unterstützende Management, das während des Lebens eines
Produkts eine effizientere Nutzung von Ressourcen und die adäquate Leistung lo-
gistischer Elemente während aller Phasen des Lebenszyklus sicherstellt, so dass
durch rechtzeitiges Eingreifen in das System eine effektive Steuerung des Res-
sourcenverbrauchs gewährleistet wird.“14
Ein dritter Definitionsansatz kann schließlich als dienstleistungsorientierte De-
finition der Logistik bezeichnet werden. Sie baut auf dem Gedanken auf, dass eine
Dienstleistung einem Kunden nur optimal zur Verfügung gestellt werden kann,
wenn alle Aktivitäten zur Produktion in koordinierter Weise erbracht werden. Die
Definition lautet:
Logistik ist „der Prozess zur Koordination aller immateriellen Aktivitäten, die
zur Erfüllung einer Dienstleistung in einer kosten- und kundeneffektiven Weise
vollzogen werden müssen.“15 Der Schwerpunkt dieser Aktivitäten liegt in den fol-
genden drei Gebieten: Minimierung der Wartezeiten (der Auftragsabwicklungszei-
ten), Management der Dienstleistungskapazität und Bereitstellung der Dienstleis-
tung durch einen Distributionskanal.16
Den folgenden Ausführungen liegt der in Wissenschaft und Praxis am meisten
verbreitete flussorientierte Definitionsansatz zugrunde. Die lebenszyklusorientier-

13 Zu diesem Begriff vgl. Pfohl/Wübbenhorst, 1983, S. 144ff. Siehe dazu ebenso Finkel-
stein/Guertin, 1988.
14 Coyle u.a., 1992, S. 8. Übersetzung durch den Verfasser.
15 Arthur D. Little/The Pennsylvania State University, Center of Logistics Research, 1991, S.
XXII. Übersetzung durch den Verfasser.
16 Vgl. Arthur D. Little/The Pennsylvania State University, Center of Logistics Research, 1991,
S. 34ff. Einen anderen, umfassenderen dienstleistungsorientierten Begriff der Logistik ver-
treten die Banken, die unter logistischer Führung die Schaffung einer zweckmäßigen Infra-
struktur verstehen, mit der das gesamte Versorgungssystem in den Dienst der Führung der
Geschäftsfront gestellt wird. Die Logistik umfasst neben der Erfüllung von Dienstleistungs-
funktionen auch die Hilfegewährung für alle anderen Bereiche. Zur logistischen Führung ei-
ner Bank gehören das finanzielle und betriebliche Rechnungswesen, Informatik und EDV,
Kontrolle und Revision, bankeigene Forschung und Entwicklung, Immobilien und Sicherheit
sowie Personalführung und Ausbildung. Zum Logistikbegriff der Banken vgl. Lohmann,
1998, S. 76ff.
14 1 Logistikbegriff

te Definition kann sich lediglich dann als zweckmäßig erweisen, wenn Logistik im
Zusammenhang mit der Kalkulation, der Analyse und dem Entwurf der Lebens-
zykluskosten diskutiert wird. Lebenszykluskosten sind die totalen Kosten, die ein
System während seiner gesamten Lebensdauer verursacht. Der dienstleistungsori-
entierte Definitionsansatz kann sich in den Fällen als zweckmäßig erweisen, in
denen logistische Leistungen in engem Zusammenhang mit anderen Dienstleis-
tungen erbracht werden. Ein Beispiel für diesen Ansatz ist die Bereitstellung eines
Ersatzteils beim Kunden zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kundendienstmonteur In-
standhaltungsaktivitäten an einer Maschine beim Kunden vornimmt.
Nachdem der Inhalt des Logistikbegriffs geklärt ist, sollen im folgenden Ab-
schnitt wichtige, in der Realität vorkommende Logistiksysteme unterschieden
werden.

1.4 Betrachtungsebenen und Umfang von Logistiksystemen


Eine Unterscheidung verschiedener Logistiksysteme ist notwendig im Hinblick
auf die Unterschiede in den Problemen, die sich bei der Gestaltung eines Logistik-
systems ergeben. Einen großen Einfluss auf diese Probleme werden der Umfang
und die Betrachtungsebene (Aggregationsebene) des definierten logistischen Sys-
tems haben. Im Hinblick auf diese beiden Merkmale lassen sich Logistiksysteme
sowohl unter institutionellen als auch unter funktionellen Gesichtspunkten abgren-
zen. Institutionell unterscheiden sich die Logistiksysteme nach Art und Anzahl der
im System betrachteten Institutionen, funktionell nach Art und Anzahl der im Sys-
tem betrachteten Funktionen.

Institutionelle Abgrenzung von Logistiksystemen


In Abb. 1.5 wird eine institutionelle Abgrenzung von Logistiksystemen versucht.17
In Anlehnung an die in der Volkswirtschaftslehre übliche Unterscheidung von
Aggregationsebenen lassen sich Makro-, Mikro- und Mesologistik unterscheiden.
Systeme der Makrologistik sind gesamtwirtschaftlicher Art. Ein makrologistisches
System ist beispielsweise das Güterverkehrssystem in einer Volkswirtschaft. Sys-
teme der Mikrologistik sind einzelwirtschaftlicher Art. Zur Mikrologistik zählen
die logistischen Systeme einzelner öffentlicher oder privater Organisationen, bei-
spielsweise der Fuhrpark eines Unternehmens. Systeme der Mesologistik liegen
auf einer Betrachtungsebene zwischen Makro- und Mikrologistik. Ein mesologis-
tisches System umfasst beispielsweise nicht den gesamten Güterverkehr in einer
Volkswirtschaft, aber auch nicht nur den Güterverkehr einer einzelnen Organisati-
on, sondern etwa den Güterverkehr der in einem Absatzkanal zusammenarbeiten-
den Organisationen, beispielsweise eines industriellen Lieferanten, eines als Zwi-
schenhändler eingeschalteten Großhändlers, eines Einzelhändlers sowie der
eingeschalteten Spedition. Mikrologistische Systeme sind also immer intraorgani-

17 Vgl. Pfohl, 1974, S. 73ff. und die dort zitierte Literatur sowie Felsner, 1980, S. 18; Endli-
cher, 1981, S. 29.
1.4 Betrachtungsebenen und Umfang von Logistiksystemen 15

Abb. 1.5 Institutionelle Abgrenzung von Logistiksystemen

satorische Systeme, deren größter Umfang durch die rechtlichen Grenzen einer
Organisation festgelegt ist. Mesologistische Systeme sind dagegen interorganisa-
torische Systeme, die über die rechtlichen Grenzen von Einzelorganisationen hin-
ausgehen und eine Kooperation mehrerer Organisationen (Institutionen) im Güter-
fluss beinhalten.
Systeme der Mikrologistik lassen sich zunächst nach der Art von Organisatio-
nen mit unterschiedlichen Zielsetzungen unterscheiden.18 In diesem Buch interes-
sieren nur solche Organisationen, deren Zielsystem wesentlich durch wirtschaftli-
che Ziele geprägt ist. Derartige Organisationen sollen als Unternehmen bezeichnet
werden. Die Unternehmenslogistik lässt sich nach der von einem Unternehmen am
Markt zu erfüllenden Aufgabe (Unternehmenszweck, Betriebszweck) in Indust-
rie-, Handels- und Dienstleistungslogistik untergliedern. Zwischen den Begriffen

18 Wegen ihrer großen Bedeutung in einer global vernetzten Welt ist bei der Logistik sonstiger
Organisationen die „Humanitäre Logistik“ hervorzuheben. Vgl. Baumgarten u.a., 2010.
16 1 Logistikbegriff

Unternehmen und Betrieb wird häufig die Unterscheidung getroffen, dass man mit
Unternehmen die rechtliche, finanzielle Einheit einer Betriebswirtschaft und mit
Betrieb die technische Einheit bezeichnet, in der die Produktions- und Logistik-
prozesse ablaufen. Ein Unternehmen kann demnach durchaus mehrere Betriebe
haben. Bei der Industrie- und Handelslogistik ist es sinnvoll, noch zwischen einer
innerbetrieblichen und einer zwischenbetrieblichen Logistik zu unterscheiden. Die
Dienstleistungslogistik ist in Abhängigkeit davon weiter zu untergliedern, ob die
hauptsächlich von einem Unternehmen am Markt zu erfüllende Aufgabe, seine
Primärleistung, eine logistische Leistung ist (z. B. im Falle von Speditionen oder
Verpackungsunternehmen) oder ob die Logistikleistungen, wie auch im Fall von
Industrie- und Handelsunternehmen, lediglich Sekundärleistungen sind, die im
Zusammenhang mit der Erfüllung der eigentlichen Marktaufgabe erbracht werden
müssen (wie z. B. im Falle von Banken oder Versicherungen). 19 Die Unterneh-
men, bei denen wie im ersten Fall der Hauptzweck in der Erbringung logistischer
Leistungen besteht, somit also logistische Funktionen dominieren, 20 bezeichnet
man als logistische Betriebswirtschaften oder Logistikunternehmen oder auch – da
häufig zwischen Unternehmen und Betrieben nicht unterschieden wird – als Lo-
gistikbetriebe oder aber als logistische Dienstleister.
Systeme der Mesologistik können danach unterschieden werden, welche Un-
ternehmen bei der Erfüllung logistischer Aufgaben kooperieren. Eine Kooperation
ist möglich unter Unternehmen der verladenden Wirtschaft. Beispielsweise kön-
nen Verlader aus verschiedenen Branchen, aber auch derselben Branche ein ge-
meinsames Warenverteilsystem benutzen. Die Kooperation zwischen Logistikun-
ternehmen kann z. B. zwischen regional spezialisierten Speditionen oder zwischen
Straßentransportunternehmen und der Bahn erfolgen. Eine Kooperation zwischen
Logistikunternehmen und der verladenden Wirtschaft liegt z. B. vor, wenn ein
Verlader die Auslieferung seiner Produkte einem Logistikunternehmen überträgt.

Funktionelle Abgrenzung von Logistiksystemen


Eine erste Möglichkeit zur Unterscheidung funktioneller Subsysteme der Logistik
ergibt sich, wenn man den verschiedenen Phasen eines Güterflusses vom Beschaf-
fungsmarkt durch ein Industrieunternehmen zum Absatzmarkt und von dort wie-
der zurück bis zum Beschaffungsmarkt folgt. Man erhält dann die phasenspezifi-
schen Subsysteme der Logistik. Wie aus Abb. 1.6 ersichtlich ist, geht die erste
Phase des Güterflusses, bestehend aus Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, Kaufteilen
sowie möglicherweise Handelsware und gelieferten Ersatzteilen, vom Lieferanten
am Beschaffungsmarkt bis zum Beschaffungs- oder Eingangslager eines Indust-
rieunternehmens. Zwischen dem unmittelbar bei der Produktionsstätte liegenden
Beschaffungslager und dem Beschaffungsmarkt kann noch ein Zulieferungslager
liegen, das z. B. Aufgaben des Sammelns oder des Sortierens wahrzunehmen hat.

19 Vgl. Frodl, 1998, S. 12ff.


20 Vgl. Kirsch u. a., 1973, S. 84.
1.4 Betrachtungsebenen und Umfang von Logistiksystemen 17

Selbstverständlich ist auch ein Güterfluss direkt vom Beschaffungsmarkt in den


Produktionsprozess möglich. Das Logistiksystem, das sich mit der ersten Phase
des Güterflusses befasst, nennt man Beschaffungslogistik, teilweise auch Versor-
gungslogistik oder physisches Versorgungssystem.21
In der zweiten Phase fließen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie gelieferte
Ersatzteile und Kaufteile vom Beschaffungslager in den Produktionsprozess, in
dem Halbfertigfabrikate zwischengelagert werden können. Aus der Produktion
fließen Fertigfabrikate und auch Halbfertigfabrikate sowie für die Kunden be-
stimmte Ersatzteile zum Absatzlager. Dieses logistische Teilsystem heißt Produk-
tionslogistik. Beschaffungslogistik und Produktionslogistik zusammen werden
teilweise auch als Materiallogistik bezeichnet.
In der dritten Phase besteht der Güterfluss aus Fertigfabrikaten, Halbfertigfab-
rikaten – diese haben dann die Funktion von Ersatzteilen – und möglicherweise
auch Handelswaren. Der Güterfluss geht hierbei vom bei der Produktionsstätte
liegenden Absatzlager über regionale Auslieferungslager an die Kunden im Ab-
satzmarkt. Selbstverständlich ist auch in diesem Fall eine direkte Belieferung der
Kunden vom Absatzlager oder sogar auch aus dem Produktionsprozess möglich.
Die Logistik in dieser dritten Phase des Güterflusses bezeichnet man als Distribu-
tionslogistik. Der früher hierfür gebräuchliche Begriff Marketinglogistik 22 wird
heute eher zur Kennzeichnung der beiden marktverbundenen Logistiksysteme Be-
schaffungs- und Distributionslogistik benutzt23, die früher auch unter dem Begriff
physische Distribution zusammengefasst wurden.24
In der vierten Phase schließlich fließt der Güterstrom in einer umgekehrten
Richtung. Er besteht dann aus Rückständen, die in Sekundärrohstoffe (Wertstoffe)
und Abfälle unterschieden werden können. Während die Abfälle zu entsorgen
sind, werden Sekundärrohstoffe einer Wieder- bzw. Weiterverwendung oder -
verwertung zugeführt. Somit können zu den Rückständen auch beschädigte oder
falsch ausgelieferte Güter, die von Kunden an den Lieferanten zurückgehen (Re-
touren), zurückzuführendes Leergut, die bei Investitions- und Gebrauchsgütern zu-
rückzuführenden Austauschaggregate sowie gebrauchte Behälter und Verpackun-
gen gerechnet werden. Dieser Teil der Logistik kann als Entsorgungslogistik
bezeichnet werden. Es findet sich auch der Begriff der Logistik in der Nachkauf-
phase, wozu allerdings neben der Entsorgungslogistik auch ein Teil der Ersatzteil-
logistik gehört.25 Die Ersatzteillogistik kann für ein Unternehmen in Verbindung
mit der Instandhaltung auf der Beschaffungsseite und dem Kundendienst auf der
Distributionsseite von Bedeutung sein.
Die hier aufgeführten Logistiksysteme können unter dem Begriff Unterneh-
menslogistik zusammengefasst werden. Die Unternehmenslogistik ist in Abb. 1.6

21 Zu letzterem vgl. Kirsch u. a., 1973, S. 269.


22 Vgl. Pfohl, 1972.
23 Vgl. Ihde, 1978, S. 1f.
24 Vgl. Pfohl, 1974, S. 77.
25 Vgl. Hallbauer/Knödel, 1980.
18 1 Logistikbegriff

am Beispiel eines Industrieunternehmens untergliedert. Im Falle eines Handelsun-


ternehmens ist die Produktionslogistik nicht vorhanden und der Güterfluss besteht
lediglich aus Handelsware und Betriebsstoffen. In Dienstleistungsunternehmen
schließlich gibt es nur eine Beschaffungslogistik und der Güterfluss besteht nur
aus Betriebsstoffen.
Zu einer weiteren funktionellen Abgrenzung von Logistiksystemen kann auf
die Abb. 1.4 zurückgegriffen werden. Die dort aufgeführten logistischen Teilsys-
teme sind in Abb. 1.7 nochmals zusammengefasst. Sie geben die verrichtungsori-
entierten Inhalte der Aufgaben wieder, die im Logistiksystem zu erfüllen sind.
Man erhält dann die verrichtungsspezifischen Subsysteme der Logistik. Diese sind
betriebswirtschaftliche Teilsysteme wie andere betriebswirtschaftliche Teilsyste-
me (man spricht auch von betriebswirtschaftlichen Funktionen wie etwa Absatz,
Produktion, Forschung und Entwicklung, Einkauf, Finanzierung, Personalwesen,
Informationswesen), in denen Produktionsfaktoren zum Zweck der betrieblichen
Leistungserstellung und -verwertung eingesetzt werden. Der bewertete Einsatz an
Produktionsfaktoren in Logistiksystemen stellt die Logistikkosten dar. Kosten sind
als Systeminput betriebswirtschaftlich immer nur dann gerechtfertigt, wenn ihnen
entsprechende Leistungen als Systemoutput gegenüberstehen. Der Output des Lo-
gistiksystems lässt sich durch die im vorangegangenen Abschnitt erwähnten vier R
der Logistik charakterisieren, nämlich das richtige Gut, im richtigen Zustand, zur
richtigen Zeit, am richtigen Ort zur Verfügung zu stellen. Die von einem Logistik-
system zu erzeugende Leistung wird auch als Service bezeichnet. Sind es Roh-,
Hilfs- und Betriebsstoffe oder Kaufteile, die für den Produktionsprozess zur Ver-
fügung gestellt werden müssen, dann ist die Logistikleistung der Versorgungsser-
vice. Sind es Fertigfabrikate, Ersatzteile oder Handelsware, die beim Kunden zur
Verfügung zu stellen sind, bezeichnet man die Logistikleistung als Lieferservice.
Die Pfeile zwischen den einzelnen logistischen Teilsystemen sollen deutlich
machen, dass bei der Erfüllung der Logistikaufgaben die Interdependenzen zwi-
schen diesen Teilsystemen zu beachten sind. Damit ist schon die Charakterisie-
rung der Logistikkonzeption angesprochen.
1.4 Betrachtungsebenen und Umfang von Logistiksystemen 19

Abb. 1.6 Funktionelle Abgrenzung von Logistiksystemen nach den Phasen des Güter-
flusses am Beispiel eines Industrieunternehmens
20 1 Logistikbegriff

Produktionsfaktoren Versorgungs-/Lieferservice
(Arbeit, Betriebsmittel, (das richtige Gut, im richtigen
Material einschließlich Zustand, zur richtigen Zeit,
Energie, Informationen) am richtigen Ort)
Logistiksystem

Lagerhaltungssystem

Lagerhaussystem
Transportsystem

Auftrags-
Input Output
abwicklungssystem

Verpackungssystem

Logistikkosten Logistikleistungen

Abb. 1.7 Funktionelle Abgrenzung von Logistiksystemen nach den Inhalten von Logis-
tikaufgaben

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2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

2.1 Wert- und nutzenorientiertes Denken

Wert- und Nutzenarten


Der Wirtschaftsprozess dient der Bedürfnisbefriedigung. Wie in Abb. 2.1 darge-
stellt, kann er in drei Teilbereiche aufgegliedert werden und zwar in Bereitstellung
(Produktion), Verteilung und Verwendung von Gütern. Jede wirtschaftliche Tätig-
keit ist zunächst aus der Sicht des Teilbereiches der Verwendung zu betrachten.
Wirtschaftliche Güter werden letzten Endes ver- oder gebraucht. Das setzt voraus,
dass sie Bedürfnisse von Menschen befriedigen. Diese Befriedigung der Bedürf-
nisse geschieht nicht durch die wirtschaftliche Tätigkeit an sich, sondern durch die
mit ihr verbundene Nutzenstiftung.
Wie Abb. 2.1 zeigt, lassen sich fünf Arten von Nutzen unterscheiden, die mit
wirtschaftlicher Tätigkeit entstehen: Gestaltnutzen, Nutzen aus dem Recht am
Gut, Informationsnutzen, Ortnutzen und Zeitnutzen. 1 Der Gestaltnutzen entsteht
im wirtschaftlichen Teilbereich der Bereitstellung und bezieht sich auf Form und
Qualität des wirtschaftlichen Gutes. Der Nutzen aus dem Recht am Gut, Informa-
tionsnutzen, Ortnutzen und Zeitnutzen entstehen im Bereich der Verteilung. Eine
in Stuttgart erzeugte Maschine (Gestaltnutzen) kann in München ein Bedürfnis
erst befriedigen, wenn man in München weiß, dass es diese Maschine in Stuttgart
gibt (Informationsnutzen), wenn sie nach München geschickt wird (Ortnutzen)
und zwar zum Zeitpunkt, zu dem sie benötigt wird (Zeitnutzen). Außerdem muss
dem Verwender in geeigneter Weise das Recht am Gut übertragen werden (Nut-
zen aus dem Recht am Gut durch Eigentum, Leasing oder Miete), aufgrund dessen
er über das Gut disponieren kann. Der Ort- und Zeitnutzen sowie teilweise auch
der Informationsnutzen (durch die dem Güterfluss vorauseilenden Informationen
der Auftragsabwicklung) und der Nutzen aus Recht am Gut (Lieferant ist Eigen-
tümer der Lagerbestände im Lagerhaus des Kunden bis zum Zeitpunkt der Ent-
nahme des Gutes durch den Kunden) werden im Logistiksystem erzeugt.

1 Die vier Nutzenarten „form, possession, place and time“ unterscheiden Converse, 1958, S.
116; Bowersox u.a., 1968, S. 20; Langley/Holcomb, 1992, S. 1; Novack u.a., 1992, S. 236.
Zu einer Gliederung des Nutzens unter anderen Gesichtspunkten vgl. Corsten, 2007, S. 157f.
und die dort aufgeführte Literatur. Zu einem engeren Nutzenbegriff vgl. Large, 1995, S. 34f.
Die Zuordnung von Ort- und Zeitnutzen zur Logistik findet sich auch bei Morgenstern,
1955, S. 130.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018


H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4_2
24 2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

Abb. 2.1 Beitrag der Logistik zur Bedürfnisbefriedigung

Das Erkenntnisinteresse der Wirtschaftswissenschaften ist nicht auf die Gestal-


tung des Gutes selbst mit seinen natürlichen Eigenschaften gerichtet, 2 sondern auf
die Schöpfung der Werteigenschaften von Gütern - jenen Eigenschaften also, die
Nutzen stiften. Der Zweck von Unternehmen besteht demnach in der Wertschöp-
fung, indem Güter mit jenen Werteigenschaften erzeugt werden, die eine Befriedi-
gung der Bedürfnisse (Lösung der Probleme) beim Kunden bewirken. 3 Für die
Wertschöpfung ist der in Abb. 2.2 dargestellte Unterschied von Eignungs- und
Gebrauchswert eines Gutes von Bedeutung. Ein Gut hat erst dann Gebrauchswert
im System der Güterverwendung, wenn es sich nicht nur für die Befriedigung ei-
nes Bedürfnisses eignet, sondern auch dort verfügbar ist. Die Verfügbarkeit eines
Gutes unterscheidet den Eignungswert vom Gebrauchswert. Um Wert im System
der Güterverwendung zu bekommen, muss ein Gut also über zwei Eigenschaften
verfügen: Erstens muss es die im System der Güterbereitstellung erzeugte Eignung
zur Bedürfnisbefriedigung (Problemlösung) beim Kunden haben. Zweitens muss
die Verfügbarkeit beim Kunden gewährleistet sein. Die im System der Verteilung
erzeugte Verfügbarkeit hat zwei Dimensionen, die faktische und die rechtliche
Verfügbarkeit. Die faktische Verfügbarkeit ist gegeben, wenn ein Gut im System
der Güterverwendung zum gewünschten Zeitpunkt am gewünschten Ort genutzt

2 Das ist das Elementarinteresse der Ingenieurwissenschaften.


3 Zu dieser Sichtweise von Unternehmen und zu den im Folgenden diskutierten Werteigen-
schaften vgl. Large, 1995, S. 3ff. und S. 33ff; Large, 2013, S.20ff. Diese Sicht hat in der Be-
triebswirtschaft eine alte Tradition und ist neuerdings unter dem Begriff der Wertkette „wie-
derentdeckt“ worden, vgl. Porter, 2014, S. 65ff.
2.1 Wert- und nutzenorientiertes Denken 25

faktische Verfügbarkeit faktische Verfügbarkeit


gegeben nicht gegeben

Rechtliche
Zugesicherter
Verfügbarkeit Gebrauchswert
Gebrauchswert
gegeben

Rechtliche
Verfügbarkeit Eignungswert Eignungswert
nicht gegeben

Abb. 2.2 Verfügbarkeit als konstituierende Eigenschaft des Gebrauchswertes (Quelle: Mit ge-
ringfügigen Änderungen entnommen aus Large, 1995, S. 27)

werden kann. Die rechtliche Verfügbarkeit ist gegeben, wenn der Kunde das für
den speziellen Gebrauch des Gutes notwendige Verfügungsrecht erhält. Ist die
rechtliche, aber nicht die faktische Verfügbarkeit gegeben, so liegt der zugesicher-
te Gebrauchswert eines Gutes vor. Der Kunde hat dann ein Verfügungsrecht im
Sinne eines Anspruchs auf die Erzeugung und Bereitstellung eines Gutes. Der zu-
gesicherte Gebrauchswert im Sinne eines Leistungsversprechens ist insbesondere
für Dienstleistungen von Bedeutung, auf deren Erzeugung im Folgenden noch nä-
her eingegangen wird.
Die Ausführungen zum Wertschöpfungsdenken zeigen, dass Logistikaktivitäten
zur Erzeugung des Gebrauchswertes eines Gutes notwendig sind. Der Gebrauchs-
wert kann nicht nur durch eine bessere Eignung der Güter, sondern auch durch ei-
ne bessere Verfügbarkeit der Güter erhöht werden. Die faktische Verfügbarkeit
kann verbessert werden, indem die Leistung bei den schon bisher vom Anbieter
eines Gutes wahrgenommenen Logistikaktivitäten verbessert oder durch ihn zu-
sätzliche Logistikaktivitäten vom Kunden übernommen werden. Abb. 2.3 zeigt ein
Beispiel für die Übernahme solcher bisher vom Kunden wahrgenommenen wert-
schöpfenden Aktivitäten.
Die Übernahme solcher wertschöpfenden Aktivitäten durch das anbietende Un-
ternehmen ist dann sinnvoll, wenn die bisher vom Kunden erbrachten Logistikleis-
tungen zu niedrigeren Logistikkosten angeboten werden oder bei gleichen Logis-
tikkosten höhere Leistungen erbracht werden können. 4

4 Siehe dazu Abb. 1.7 in Abschn. 1.4.


26 2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

1 Warenannahme Prozesse des Kunden

2 Wareneingangskontrolle

Materialzusammenstellung/
Lieferant

3
-bereitstellung

4 Freigabe für die Produktion

5 Abruf von Zulieferungen

6 Beschaffungsmanagement

Stufen der Übernahme:

Stufe 1: Transport zum Kunden


Stufe 2: Transport direkt zur Wareneingangskontrolle des Kunden
Stufe 3: Transport über die Anlieferungsrampe bis ins Lager
(Voraussetzung: Qualitätszertifizierung)
Stufe 4: Transport direkt an die Produktionslinie des Kunden
Stufe 5: Übernahme des Bestandsmanagements des Kunden
Stufe 6: Beschaffung anderer Einsatzfaktoren für den Kunden – One-Stop-Shop

Abb. 2.3 Übernahme wertschöpfender Logistikaktivitäten des Kunden durch den Liefe-
ranten (Quelle: In Anlehnung an Gopal/Cypress, 1993, S. 197)

Dienstleistungscharakter der Wertschöpfung


Logistische Wertschöpfungsaktivitäten haben Dienstleistungscharakter, was gro-
ßen Einfluss auf die Gestaltung dieser Aktivitäten hat. 5 Reale Dienstleistungen
lassen sich durch die Merkmale Immaterialität und Integration des externen Fak-
tors charakterisieren. Das kommt in folgenden drei Definitionsvorschlägen zum
Ausdruck.6
Potentialorientiert ist unter Dienstleistung die Fähigkeit und Bereitschaft zu
verstehen, eine Dienstleistung zu erbringen. Dienstleistung ist in dieser Sichtweise
ein Leistungsversprechen und somit immateriell. Dieses Leistungsversprechen
entspricht dem zugesicherten Gebrauchswert in Abb. 2.2. Unter Prozessorientier-
ter Dienstleistung versteht man den Leistungserstellungsprozess, in den vom
Dienstleistungsnachfrager (entweder interner oder externer Kunde) ein Produkti-
onsfaktor eingebracht wird, den der Dienstleistungsanbieter nicht uneingeschränkt
selbst disponieren kann und der deshalb als externer Faktor bezeichnet wird. Ist
der Dienstleistungsanbieter beispielsweise ein Logistikunternehmen, so umfasst
der externe Faktor etwa die Güter, die für einen Kunden zu transportieren und zu
lagern sind. Ergebnisorientiert versteht man unter Dienstleistung das immaterielle

5 Vgl. Meffert, 1994, S. 521f. Zu berücksichtigen ist, dass die folgenden Ausführungen für
den größten Teil der Dienstleistungen zutreffen. Es gibt aber auch Dienstleistungen, die we-
gen ihrer Eigenschaften ähnlich wie Sachgüter produziert werden. Ebenso gibt es Sachgüter,
die sehr den hier charakterisierten Dienstleistungen ähneln.
6 Vgl. Corsten, 1993, Sp. 765f.
2.1 Wert- und nutzenorientiertes Denken 27

Ergebnis dieses Leistungserstellungsprozesses, das sich am externen Faktor kon-


kretisiert. Im Falle der Logistik sind das die in Abb. 1.3 aufgeführten Arten der
Gütertransformation.
Charakteristisch für die Dienstleistungsproduktion ist die Unterscheidung zwi-
schen Vor- und Endkombination der Produktionsfaktoren.7 Ziel der Vorkombinati-
on ist der Aufbau eines Leistungspotentials, das generell als Kapazität, in seiner
situativen Verfügbarkeit aber als Leistungsbereitschaft bezeichnet wird. Ziel der
Endkombination ist es, durch den Einsatz der Leistungsbereitschaft, weiterer in-
terner Produktionsfaktoren sowie des externen Faktors die nachgefragte Dienst-
leistung zu produzieren.
Die Planung der Leistungsbereitschaft hat in Erwartung der Nachfrage nach der
Dienstleistung (der durchzuführenden Endkombination) zu erfolgen und wird
durch die Abhängigkeit vom externen Faktor erschwert. Im Gegensatz zur Sach-
güterproduktion können auftretende Nachfrageschwankungen nicht durch Lager-
haltung ausgeglichen werden, weshalb die Leistungsbereitschaft prinzipiell vor-
handen sein muss, bevor die Dienstleistung am Markt angeboten wird. Das mit der
notwendigen Vorhaltung einer bestimmten Leistungsbereitschaft verbundene
Hauptproblem sind die damit verbundenen fixen Kosten, die in Zeiten geringer
Nachfrage zu Leerkosten werden. Gemildert wird dieses Problem einerseits
dadurch, dass man möglichst Kapazitäten mit solchen Eigenschaften aufbaut, wel-
che die quantitative, zeitliche und intensitätsmäßige Anpassung an die möglichen
Nachfrageschwankungen erleichtern. Andererseits wird der Leistungsbereitschaft
auch zugebilligt, einen Nutzen zu stiften, der sich in die Komponenten Beanspru-
chungsnutzen und Bereitstellungsnutzen untergliedern lässt. „Während der Bean-
spruchungsnutzen über die Inanspruchnahme der abgegebenen Leistung entsteht
und folglich für den Abnehmer greifbar ist, stellt das Empfinden des Bereitstel-
lungsnutzens ein latentes Problem dar, das dem potentiellen Nutzer häufig erst
durch negative Erfahrungen bewusst wird, nämlich dann, wenn die Leistungsbe-
reitschaft zum Zeitpunkt der Nachfrage nicht oder nicht in ausreichender Menge
oder Qualität vorhanden ist.“8
Aufgrund des immateriellen Charakters von Dienstleistungen und der Tatsache,
dass der Produktionsakt im Sinne der Endkombination und der Konsumakt zur
Bedürfnisbefriedigung zusammenfallen, kann der Kunde die Qualität der Leistung
vor dem Kauf nicht beurteilen. Daraus resultiert der Vertrauenscharakter von
Dienstleistung und eine Veränderung der Risikowahrnehmung beim Kunden in
Richtung Erhöhung des wahrgenommenen Risikos. Beide Faktoren erklären die
überragende Bedeutung psychographischer Zielgrößen wie Image und Kompetenz
beim Angebot von Dienstleistungen. 9

7 Vgl. Corsten, 1993, Sp. 767f. Zur Charakterisierung des logistischen Leistungsprozesses als
zweistufigen Kombinationsprozess vgl. Isermann, 1998, S. 26ff.
8 Corsten, 1993, Sp. 768.
9 Vgl. Meffert, 1994, S. 525f.
28 2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

2.2 Systemdenken

Ganzheitliche Betrachtungsweise
Die im ersten Abschnitt unter dem Begriff Logistik zusammengefassten Aufgaben
werden selbstverständlich schon immer in einem Unternehmen wahrgenommen
und nicht erst, seit es den Logistikbegriff gibt. Insofern stellt sich die Frage, ob
Logistik lediglich ein Modewort ist und Logistiker damit beschäftigt sind, alten
Wein in neue Schläuche abzufüllen. Eine Frage übrigens, die immer beim Auftau-
chen neuer Konzeptionen in der Betriebswirtschaftslehre gestellt wird, so z. B. bei
der Marketingkonzeption und der Controllingkonzeption. Bei der Beantwortung
dieser Frage ist davon auszugehen, dass es nicht darauf ankommt, ob Aufgaben im
Unternehmen schon immer wahrgenommen wurden oder nicht, sondern nur da-
rauf, wie diese Aufgabe wahrgenommen werden. Eine neue Konzeption beinhaltet
eine neue Betrachtungsweise der Probleme in Unternehmen und ermöglicht neue
Problemlösungen.
Grundlegend für die Logistikkonzeption ist die systemtheoretische Betrach-
tungsweise oder kürzer das Systemdenken. 10 Das Systemdenken hat seinen Ur-
sprung in der Biologie und wurde von dort in die Wirtschaftswissenschaften über-
nommen. Man versteht allgemein unter einem System eine Menge von
miteinander in Beziehung stehenden Elementen. Kennzeichnend für das System-
denken ist die ganzheitliche Betrachtungsweise sowie die Erkenntnis, dass für die
Erklärung der Ganzheit die Erklärung ihrer Elemente nicht ausreicht, sondern dass
dazu die Erklärung der Beziehungen zwischen den Elementen treten muss. Sys-
temdenken ist ein Denken in komplexen, vernetzten Zusammenhängen. Bei der
Koordination der Elemente bzw. Subsysteme werden als Grundtypen die Interak-
tionsmodelle lose Kopplung, Kooperation und Vereinigung unterschieden.11
Bei der losen Kopplung beeinflussen sich die miteinander agierenden Subsys-
teme gegenseitig nicht oder nur sehr gering. Sie handeln weitgehend autark, ob-
wohl sie voneinander abhängig sind. Die Kommunikation zwischen den Subsys-
temen ist schwach ausgeprägt, was letztlich zu einem suboptimalen Einsatz von
Ressourcen und Unstimmigkeiten im Gesamtsystem führt. Bei der Kooperation
wird diese Schwäche durch eine verbesserte Abstimmung der aus den individuel-
len Zielen der beteiligten Subsysteme resultierenden Ressourcen- und Infrastruk-
turbedarfe ausgeglichen. Dazu wird auch das Informations- und Kommunikati-
onsverhalten verbessert, so dass die einzelnen Interaktionspartner jeweils besser
über die Erfordernisse der übrigen Subsysteme informiert sind. Bei der Vereini-
gung geben die Subsysteme ihre Eigenständigkeit vollständig auf. Es kommt zur
Abstimmung der langfristigen Ziele und Visionen. Ziel ist es, gemeinsame Res-
sourcen und Infrastruktur optimal zu nutzen und auf individuelle Reservekapazitä-
ten zu verzichten.

10 Vgl. Pfohl, 1974, S. 70ff.; Krulis-Randa, 1977, S. 34ff. und S. 130ff.


11 Vgl. Merkel, 1995, S. 75ff. und S. 95ff.
2.2 Systemdenken 29

Die Zusammenhänge zwischen den Elementen eines Systems lassen sich prin-
zipiell als Input-Output-Beziehungen interpretieren, durch die die Beziehungs-
struktur, z. B. des Netzwerkes eines Logistiksystems, hergestellt wird. Betont man
den Prozesscharakter dieser Beziehungen beim Austausch der Objekte zwischen
den Systemelementen, so kommt der Zeit als Systemdimension eine besondere
Bedeutung zu. Die Dimension Zeit unterscheidet die Prozessstruktur von der Be-
ziehungsstruktur der Systeme. KLAUS sieht in dem im Systemansatz der Logistik
allerdings schon enthaltenen Prozessansatz eine Erweiterung des Denkrahmens
der Logistik. Entsprechend des Prozessansatzes betrachtet er Logistiksysteme als
ein „Gewebe von Flüssen und Prozessen.“12 Dieses Fließprinzip wird aber neben
dem Prinzip der ganzheitlichen Betrachtungsweise bereits lange explizit als Inhalt
der Logistikkonzeption genannt.13
Der von WEBER14 der Logistikkonzeption als das eigentliche Neue zugeordnete
Koordinationsansatz ist ebenfalls schon im Systemansatz enthalten. Die abge-
stimmte, koordinierte Gestaltung von Güterflüssen ist die grundlegende Forderung
der theoretischen Logistikkonzeption, unabhängig von ihrer Umsetzung in der
Praxis. Das Management von Interdependenzen wird z. B. neben dem Manage-
ment von Material- und Informationsflüssen explizit zur Charakterisierung des
Logistikmanagements herangezogen.15 Allerdings lässt sich Logistikmanagement
nicht auf das Management von Interdependenzen beschränken, da dieses Ma-
nagement die Kenntnis der spezifischen Eigenschaften logistischer Leistungspro-
zesse voraussetzt.
Die Anwendung des Systemdenkens stellt die Behandlung logistischer Proble-
me auf eine neue Grundlage, was ein wesentlicher Grund dafür sein dürfte, dass
man heute nach einer langen Periode der Vernachlässigung diesen Problemen so-
wohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis wachsende Beachtung schenkt.
Denn es werden dadurch neue Aussagen terminologischer (definitorischer), de-
skriptiver (beschreibender), theoretischer (erklärender) und praxeologischer (ge-
staltender) Art möglich.

Leistungsfähigkeit des Systemdenkens


Definitorische Aussagen: Auf der Grundlage des Systemdenkens lassen sich Be-
griffe bilden und bestimmen, die eine exakte Erfassung logistischer Probleme er-
lauben. Den Kern einer solchen Begriffsbildung und -bestimmung bildet die im
ersten Abschnitt unter Heranziehung des Systembegriffes gegebene Logistikdefi-
nition. Die darauf aufbauende Definition verschiedener logistischer Teilsysteme
ist beispielsweise von Bedeutung für die Durchführung organisatorischer Aufga-
benanalysen. Die systemorientierte Logistikdefinition ist aber auch grundlegend

12 Klaus, 1998, S. 66f.


13 Siehe dazu die Charakterisierung der Philosophie der Logistik bei Fey, 1989, S. 32ff.
14 Weber, 1992.
15 Vgl. Fey, 1989, S. 111ff.
30 2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

für die Durchführung von Kostenanalysen, da durch sie bestimmt wird, welche
Kosten als Logistikkosten zu betrachten sind.
Beschreibende Aussagen: Für die Beschreibung realer Güterflüsse bietet das Sys-
temdenken zwei Vorteile: Der erste Vorteil liegt darin, dass die auf ihm basieren-
de Logistikdefinition es möglich macht, die verschiedenen Logistiksysteme in ei-
ner einheitlichen Terminologie zu beschreiben. Dadurch bietet sich die Chance,
bisher nicht gesehene Gemeinsamkeiten der Probleme und Problemlösung etwa in
der Militärlogistik und Unternehmenslogistik oder der Beschaffungs- und Distri-
butionslogistik zu erkennen. Der zweite Vorteil besteht darin, dass man bei der
Beschreibung von Logistiksystemen gezwungen wird, die komplexen logistischen
Systemzusammenhänge zu erfassen. Man wird beispielsweise nicht mehr Auf-
tragsabwicklung, Lagerung, Transport usw. isoliert beschreiben, sondern ihr Zu-
sammenwirken bei der Realisierung des Güterflusses. Selbst wenn man sich auf
die Beschreibung eines logistischen Subsystems konzentriert, wird die Aufmerk-
samkeit auf die Beschreibung der Schnittstellen mit den anderen Subsystemen ge-
lenkt.
Erklärende Aussagen: Das Systemdenken ermöglicht das Erkennen von Zusam-
menhängen, die man sonst nur sehr schwer oder überhaupt nicht erkannt hätte.
Denn konsequent angewandt sollte dieser Denkansatz zur Folge haben, dass all-
gemein übliche Denkansätze zerstört und einige ganz neue Wege des Denkens ge-
gangen werden. 16 Mangelndes Systemdenken verhinderte lange Zeit logistische
Systeme als eine tatsächlich Ganzheit zu betrachten und die Beziehungen zwi-
schen den einzelnen Systemelementen zu erfassen.
Da das Systemdenken das Erkennen der Beziehungen zwischen den einzelnen
Systemelementen in den Vordergrund rückt, wird die Entscheidung bezüglich ei-
nes Elementes nur noch unter dem Aspekt seines Beitrags zur Leistung des ganzen
Systems erfolgen. Eine Nichtbeachtung dieses Aspekts kann zu Fehlentscheidun-
gen führen. Eine isolierte Entscheidung bezüglich des Wechsels von einem Trans-
portmittel zu einem anderen Transportmittel mit unterschiedlichen technischen
Eigenschaften oder Transportgeschwindigkeiten kann beispielsweise nicht vorher-
gesehene Anforderungen an die Verpackung oder eine beträchtliche Erhöhung der
Lagerbestände zur Folge haben. Das Systemdenken deckt diese Zusammenhänge
auf. Denn es zwingt dazu, die Wirkungen einer Veränderung in einem logistischen
Teilsystem auf die anderen logistischen Teilsysteme zu erfassen. In gleicher Wei-
se wird man beim Auftreten von Problemen in einem logistischen Teilsystem die
Problemursachen nicht nur in diesem Teilsystem, sondern auch in allen anderen
Teilsystemen suchen.
Gestaltende Aussagen: Durch gestaltende Aussagen sollen den Entscheidenden
Anweisungen für ihr Handeln gegeben werden. Logistische Entscheidungen be-
treffen den Aufbau von Logistiksystemen und den Ablauf von Logistikprozessen.

16 Vgl. Churchman, 1970, S. 20.


2.2 Systemdenken 31

Ausgehend von den definitorischen, beschreibenden und erklärenden Aussagen


lassen sich unter Einbeziehung der anzustrebenden Ziele zur Unterstützung dieser
Entscheidung Modelle entwickeln, die auf dem Systemansatz basieren. Bei den
Entscheidungshilfen, die durch diese Modelle gegeben werden, sind die logisti-
schen Interdependenzen in wesentlich größerem Umfang berücksichtigt, als dies
durch andere Modelle möglich wäre. Dadurch ist eine bessere Grundlage zur Be-
wertung der zur Verfügung stehenden Entscheidungsalternativen gegeben, so wird
die rationale Auswahl der optimalen Alternativen erleichtert.

Ressourcen- und Prozessinterdependenzen


Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Systemdenken dazu beiträgt, bei
logistischen Entscheidungen durch Berücksichtigung von Ressourcen- und Pro-
zessinterdependenzen 17 suboptimale Insellösungen zu vermeiden und optimale
Gesamtlösungen anzustreben.
Wenn durch die Analyse der Beziehungsstruktur eines Systems die sachlichen
Zusammenhänge zwischen verschiedenen logistischen Teilsystemen erfasst wer-
den, hat dies zur Folge, dass Logistikentscheidungen unter Berücksichtigung der
Ressourceninterdependenzen, also bestehender Engpässe (knappe Logistikkapazi-
täten quantitativer und qualitativer Art) oder freier Potentiale (freie Logistikkapa-
zitäten quantitativer und qualitativer Art) getroffen werden können. Das System-
denken ermöglicht es also, Engpass- und Synergieeffekte in die Entscheidungen
einzubeziehen.
Wenn durch die Analyse der Prozessstruktur des Systems die zeitlichen Zu-
sammenhänge zwischen den verschiedenen Abschnitten der logistischen Kette des
Güterflusses erfasst werden, hat das zur Folge, dass Logistikentscheidungen unter
Berücksichtigung der Prozessinterdependenzen, also bestehender Autonomiekos-
ten (Abpufferung der Teilabschnitte der logistischen Kette durch Bestände schafft
Dispositionsfreiräume in diesen Abschnitten) und Koordinationskosten (Kopplung
der Teilabschnitte der logistischen Kette durch Informationsaustausch – Kommu-
nikationsbeziehungen – fördert die Berücksichtigung der Abhängigkeiten zwi-
schen den Abschnitten aufgrund von Leistungsverflechtungen), getroffen werden
können. Das Fluss- oder Prozessdenken ermöglicht durch Substitution von Auto-
nomiekosten durch Koordinationskosten kurze Durchlaufzeiten der Güter in der
Logistikkette und damit flexible Reaktionen auf Lieferserviceanforderungen. Das
Flussdenken als Ausprägung des Systemdenkens betont die Dimension der Zeit
gegenüber der Dimension der Kapazität im Logistiksystem.
Eng mit dem Systemdenken verbunden sind das Gesamtkosten- oder Totalkos-
tendenken und das Servicedenken. Denn wie aus Abb. 1.7 hervorgeht, können die
Logistikkosten als Systeminput und der Service als Systemoutput aufgefasst wer-
den. Logistikentscheidungen sind im Hinblick auf die Input- und Outputwirkung
zu treffen.

17 Siehe die Unterscheidung von Ressourcen- und Prozessstrategien bei Fey, 1989, S. 8ff.
32 2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

2.3 Gesamt- oder Totalkostendenken

Gesamt- oder Totalkosten


Die gleiche Interdependenz, die zwischen den Elementen des Logistiksystems be-
steht, ist auch bei den Kosten vorhanden, die durch diese Elemente verursacht
werden. Die Senkung der Kosten in einem logistischen Teilsystem kann zu einem
Ansteigen der Kosten in anderen Teilsystemen und – wenn die Kostensenkung ge-
ringer ist als die Kostensteigerung – zu einem Kostenanstieg für das gesamte Lo-
gistiksystem führen. So mag eine Transportkostensenkung ohne Berücksichtigung
einer damit möglicherweise verbundenen Kostensteigerung bei der Verpackung
oder Lagerhaltung ein Ansteigen der Auslieferungskosten zur Folge haben. Das
Gesamt- oder Totalkostendenken fordert deshalb die Erfassung aller für eine Lo-
gistikentscheidung relevanten Logistikkosten. Der Begriff Gesamtkosten wird
hierbei lediglich zur Kennzeichnung der Forderung nach Erfassung aller relevan-
ten Logistikkosten benutzt und ist nicht zu verwechseln mit seinem ebenfalls in
der Kostenrechnung üblichen Gebrauch im Sinne von Selbst- oder Vollkosten. Als
relevant für eine Entscheidung sind die Kosten zu bezeichnen, die nur dann anfal-
len, wenn eine Entscheidungsalternative realisiert wird und wegfallen, wenn diese
Entscheidungsalternative nicht realisiert wird.
Abb. 2.4 gibt einen Überblick über die aufgrund des logistischen Gesamt- oder
Totalkostendenkens zu berücksichtigenden Kosten. Dies sind zunächst die in den
– wie in Abb. 1.4 und Abb. 1.7 zusammengestellt und gekennzeichnet – funktio-
nellen logistischen Subsystemen entstehenden Logistiksystemkosten.18 Sie werden
verursacht durch den Einsatz von Produktionsfaktoren in den logistischen Subsys-
temen. Die Produktionsfaktoren können als primäre Kostenarten und die logisti-
schen Subsystemkosten als sekundäre Kostenarten bezeichnet werden. Zusätzlich
zu diesen Logistiksystemkosten müssen aber noch Kosten berücksichtigt werden,
die mit den Logistiksystemkosten unmittelbar zusammenhängen. Zum einen gehö-
ren dazu die Serviceniveaukosten, die durch ein niedrigeres Serviceniveau verur-
sacht werden. Im Falle eines zu niedrigen Lieferserviceniveaus gehören dazu z. B.
die in Form von Fehlmengenkosten erfassten verlorengegangenen Aufträge und
Kunden oder die bei der Bearbeitung von Reklamationen entstehenden Kosten. Im
Falle eines zu niedrigen Versorgungsservice sind es die durch Betriebsunterbre-
chungen oder Umrüsten entstehenden Kosten. Zum anderen gehören dazu die
Loskosten, die mit der Anzahl der von der Produktion zu fertigenden oder vom
Lieferanten zu liefernden Lose variieren. Im Falle von Produktionslosen sind es
die in der Produktion entstehenden auflagenfixen Rüstkosten. Im Fall von Bestell-
losen ist es der dem Einkauf – und nicht der logistischen Auftragsabwicklung –
zuzurechnende Anteil der Bestellkosten.

18 Eine andere Klassifikation der Logistiksystemkosten wäre die im vorangegangenen Ab-


schnitt angesprochene Unterscheidung von Autonomie- und Koordinationskosten.
2.3 Gesamt- oder Totalkostendenken 33

Zielkonflikt
Das Gesamt- oder Totalkostendenken ist für Logistikentscheidungen von großer
Bedeutung, weil Logistiksysteme von einer Vielzahl von Kostenkonflikten ge-
kennzeichnet sind. Kostensenkungen in einem Teilsystem bewirken deshalb häu-
fig Kostensteigerungen in einem anderen Teilsystem. So führen beispielsweise
niedrigere Lagerbestandskosten zu höheren Transportkosten, weil häufiger gelie-
fert werden muss. Weiter Beispiele für Zielkonflikte sind: 19
x Verpackungskosten und Kosten durch Transportschäden,
x Auftragsabwicklungskosten und Transportkosten durch ungünstige Routenpla-
nung,
x Lagerbestandskosten und Produktionskosten durch kleine Losauflagen,
x Lagerbestandskosten und Kosten des Einkaufs durch häufigere und kleinere
Bestellungen.

19 Vgl. Poruks/Sitta, 1970.


34 2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

Serviceniveau-
kosten

Auftrags-
Lagerbestands-
abwicklungs-
kosten
kosten
unmittelbar zusammen zu
mit den Logistikkosten

Logistiksystemkosten
betrachtende Kosten

Verpackungs-
kosten

Transport-
Lagerhauskosten
kosten

Loskosten

(Auftragsabwicklungskosten + Lagerbestandskosten + Lagerhauskosten +


Verpackungskosten + Transportkosten ) + (Serviceniveaukosten + Loskosten)
= Gesamt- oder Totalkosten

Abb. 2.4 Zusammensetzung der Gesamtkosten im Logistikprozess (Siehe dazu auch


Stock/Lambert, 2001, S. 29)

Abb. 2.5 stellt beispielhaft einige Kostenverläufe mit Zielkonflikten in Lo-


gistiksystemen dar. Logistisches Denken setzt die Kenntnis der in einem System
herrschenden Kostenkonflikte voraus. Hat man eine grundlegende Vorstellung
von solchen tendenziellen Kostenverläufen, so weiß man, welche Kosten in einer
konkreten Entscheidungssituation in einer detaillierten Kostenanalyse zu erfassen
sind.
Das Gesamt- oder Totalkostendenken ist wohl zum ersten Mal auf logistische
Probleme in Zusammenhang mit der Luftfracht angewendet worden.20 Betrachtet
man z. B. allein die Frachtkosten, so ist die Verwendung von Luftfracht sicher nur

20 Vgl. Lewis u.a., 1956, S. 64ff.; Heskett u.a., 1973, S. 530.


2.4 Servicedenken 35

Entscheidung über einzusetzende Entscheidung über die Anzahl


Transportmittel der Auslieferungslager
Kosten Kosten
Gesamtkosten Gesamtkosten

Transportkosten Lager-, Transportkosten


zur Versorgung der
Lagerkosten (inkl. Lagerhäuser
Kosten für
Unterwegsbestände) Transportkosten der
Auslieferung
Schiene Straße Luft
Anzahl der Lagerhäuser
Transportmitteleigenschaft
(höhere Schnelligkeit und größere Zuverlässigkeit)

Entscheidung über den Entscheidung über die zu


Sicherheitsbestand fertigende Losgröße
Kosten Kosten
Gesamtkosten Gesamtkosten

Lagerhaltungskosten Lagerhaltungskosten

Fehlmengenkosten Rüstkosten

Lagerbestand Fertigungslosgröße

Abb. 2.5 Typische Kostenverläufe im Logistiksystem (Quelle: Siehe auch Ballou, 2004,
S. 46)

für sehr wenige Güter gerechtfertigt. Berücksichtigt man jedoch die Wirkung der
Luftfracht auf die gesamten Logistikkosten, so ergibt sich für ihren Einsatz ein
wesentlich günstigeres Bild.
Wie aus Abb. 1.7 hervorgeht, ist jedoch Logistikdenken niemals nur Kosten-,
sondern auch Leistungsdenken. Das Entstehen von Logistikkosten ist nur dann ge-
rechtfertigt, wenn sie durch entsprechende Logistikleistungen verursacht werden.
Den Forderungen nach niedrigen Logistikkosten stehen Forderungen nach hohen
Logistikleistungen gegenüber.

2.4 Servicedenken

Kundenorientierung
In den 90er Jahren rückte mit der Kundenorientierung ein eigentlich altes Schlag-
wort in den Blickpunkt der betriebswirtschaftlichen Forschung und Lehre. Durch
ständig steigende Kundenanforderungen auf vielen Märkten wurde es für anbie-
tende Unternehmen immer wichtiger, sich beim Angebot von Produkten und
Dienstleistungen zunehmend an den Wünschen und Forderungen der Kunden zu
orientieren. Neben dem Preis, ehemals wichtigstes Entscheidungskriterium für die
36 2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

Käufer, wurde die Erfüllung komplexer Kundenwünsche zu einem wesentlichen


Wettbewerbskriterium.21
Kundenzufriedenheit ist in fast allen Unternehmen zum Unternehmensziel ge-
worden, da durch sie eine dauerhafte Kundenbindung erreicht werden kann. Zu-
friedene Stammkunden bringen den Unternehmen auf lange Sicht mehr Gewinne
ein, als immer wieder zu gewinnende Neukunden. 22 Ein wesentliches Mittel, sol-
che Dauer- oder Stammkunden dem eigenen Kundenstamm zu erhalten, ist die
Kundennähe. Sie wird durch einen engen Kontakt mit dem Kunden erreicht, um
schnell Veränderungen der Kundenwünsche zu erkennen. Bei der Erfüllung der
Kundenanforderungen wird zwischen drei Anforderungsbereichen unterschie-
den:23
Die Grundanforderungen müssen unbedingt erfüllt werden. Ihre Erfüllung wird
vom Kunden als selbstverständlich erachtet. Entsprechend hat die Nichterfüllung
dieser Anforderungen äußerste Kundenunzufriedenheit zur Folge.
Die Leistungsanforderungen sind in der Regel explizit vereinbart. Sie gehen
über die branchenüblichen Anforderungen hinaus und werden in der Regel auch
nicht von allen Anbietern zu erfüllen sein. Im Gegensatz zu den Grundanforde-
rungen wird die Erfüllung der Leistungsanforderungen vom Kunden normaler-
weise wahrgenommen und positiv bewertet.
Die Begeisterungsanforderungen sind keine Anforderungen im eigentlichen
Sinne. Sie werden nie ausdrücklich erwartet, noch vermisst, wenn sie nicht erfüllt
werden. Eine Erfüllung der Begeisterungsanforderungen wird jedoch vom Kunden
äußerst positiv bewertet.
In einer Zeit, in der sich viele Produkte kaum von Konkurrenzprodukten unter-
scheiden, gewinnen logistische Leistungen, die über die Grundanforderungen hin-
ausgehen, zunehmend an Bedeutung. Sie stellen eine Möglichkeit dar, sich von
Konkurrenten zu differenzieren und die Zufriedenheit der Kunden sicherzustellen.

Dienstleistung Versorgungs- und Lieferservice


Logistische Leistungen als der Output von Logistiksystemen sind Dienstleistun-
gen, die im Zusammenhang mit der Versorgung eines Unternehmens mit Material
(Versorgungsservice) bzw. mit der Auslieferung von Waren an Kunden (Liefer-
service) erbracht werden. Unter dem Gesichtspunkt der Lieferanten-Kunden-
Beziehung sind Versorgungs- und Lieferservice zwei Seiten derselben Medaille.
Denn der Lieferservice des Lieferanten hat den Versorgungsserviceanforderungen
des Kunden zu entsprechen. Unter dem Gesichtspunkt des Güterflusses durch ein
Unternehmen bezieht sich der Lieferservice auf den Warenfluss zum Kunden,
während sich der Versorgungsservice auf den Materialfluss vom Lieferanten zum
Beschaffungslager (im Falle eines Handels- oder Dienstleistungsunternehmens)

21 Vgl. Pfohl, 1998, S. 3ff.


22 Vgl. Simon/Homburg, 1995, S. 18; Hinterhuber u.a., 2003, S. 7.
23 Vgl. Pfohl, 1998, S. 14.
2.4 Servicedenken 37

bzw. in den Produktionsprozess (im Falle eines Industrieunternehmens) bezieht. In


beiden Fällen lässt sich die Dienstleistung durch die bei der Definition der Logis-
tik genannten vier R charakterisieren. Es geht jeweils um die Sicherstellung der
Verfügbarkeit des Gutes.
Die Serviceanforderungen hängen zum einen von den Bedürfnissen des Kun-
den ab, zum anderen von den Bedürfnissen der eigenen Produktion. Im Folgenden
genügt es, das Servicedenken am Beispiel des Lieferservice zu diskutieren. Die
Problematik des Versorgungsservice ist im Wesentlichen dieselbe. Man muss sich
lediglich an Stelle des externen Kunden die eigene Produktion als internen Kun-
den vorstellen. Der Service ist letztlich das Ergebnis der logistischen Gütertrans-
formation, über die Abb. 1.3 Auskunft gibt.

Lieferservice als Primär- und Sekundärleistung


Der Lieferservice ist eine der Dienstleistungen, die von Industrie- und Handelsun-
ternehmen mit dem Verkauf von Sachleistungen zusätzlich angeboten werden. 24
Die Sachleistungen lassen sich als Haupt- oder Primärleistungen und die zusätzli-
chen Dienstleistungen als Sekundärleistungen bezeichnen. Letztere sind dadurch
zu charakterisieren, dass der Lieferant zusätzlich zu dem Angebot seiner Produkte
noch Funktionen übernimmt, die auch durch den Kunden im Prozess der Leis-
tungserstellung erfüllt werden können. Grundlegend für die Sekundärleistung ist
also die Übernahme von zusätzlichen Funktionen und damit meistens von Kosten,
die den Prozess zur Produktion der Leistung beim Kunden betreffen. Für die Defi-
nition der Sekundärleistung ist es dabei unerheblich, ob der Anbieter die Sekun-
därleistungskosten über eine gesonderte Preisforderung oder über den Produkt-
preis abzudecken versucht, wobei der zur Kostendeckung notwendige Mehrerlös
im zweiten Fall sowohl über einen höheren Produktpreis als auch über eine gestie-
gene Absatzmenge erzielt werden könnte.
Der Lieferservice umfasst die Sekundärleistung, durch die von der Distributi-
onslogistik des Lieferanten Funktionen übernommen werden, die ansonsten von
der Beschaffungs- bzw. Materiallogistik des Kunden zu erfüllen wären. Zur Erfül-
lung dieser Dienstleistungen kann zwischen Lieferanten und Kunden auch ein Lo-
gistikunternehmen eingeschaltet werden. Aufgabe des Logistikunternehmens ist
es, dem Lieferanten (Versender) den erforderlichen Lieferservice bzw. dem Kun-
den (Empfänger) den erforderlichen Versorgungsservice anzubieten. Diese Dienst-
leistung ist dann die Primärleistung des Logistikunternehmens. Zur Systematisie-
rung der möglichen Erscheinungsformen dieses Service erscheint es zweckmäßig,
vier Servicekomponenten zu unterscheiden.

24 Vgl. Pfohl, 1977, S. 241 und die dort aufgeführte Literatur.


38 2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

Servicekomponenten
Der Lieferservice setzt sich im Wesentlichen aus Lieferzeit, Lieferzuverlässigkeit,
Lieferungsbeschaffenheit und Lieferflexibilität zusammen.25
Unter Lieferzeit (Auftragsperiode) ist die Zeitspanne zwischen der Ausstellung
des Auftrags durch den Kunden bis zum Erhalt der Ware zu verstehen. Sie ist für
den Kunden wichtig, weil kürzere Lieferzeiten bei ihm niedrigere Lagerbestände
und eine kurzfristigere Disposition ermöglichen. In Abb. 2.6 wird ein Beispiel für
die Zusammensetzung der Lieferzeit gegeben.26 Alle dort angegebenen Teilzeiten
– auch die Zeiten für Tätigkeiten, die nicht vom Lieferanten oder einem Dritten,
sondern vom Kunden selbst ausgeführt werden – kann der Lieferant beeinflussen.
Er kann etwa durch geeignete Auftragsformulare auf die Zeit für die Ausfertigung
des Auftrags durch den Kunden Einfluss nehmen. Die Zeit für die Einlagerung der
Ware beim Kunden ist insofern vom Lieferanten beeinflussbar, als durch eine Ab-
stimmung der Transport-, Verpackungs- und Lagererfordernisse zwischen Liefe-
ranten und Kunden die Warenannahme und -prüfung, der Transport ins Kundenla-
ger und die Unterbringung im Kundenlager sehr erleichtert werden können.
Der Begriff Lieferzeit wird hier zur Bezeichnung des Outputs von Logistiksys-
temen, also im Sinne einer allein von der Logistik abhängigen Lieferzeit, ge-
braucht. Davon zu unterscheiden ist die Lieferzeit, für deren Länge nicht die Lo-
gistik allein, sondern auch andere Unternehmensbereiche, wie z. B. die
Produktion, verantwortlich sind.27
Unter Lieferzuverlässigkeit (Liefertreue, Termintreue) versteht man die Zuver-
lässigkeit (Wahrscheinlichkeit), mit der die Lieferzeit eingehalten wird. Sie ist für
den Kunden wichtig, weil sie niedrigere Lagerbestände ermöglicht und Störungen
im Betriebsablauf vermeiden hilft. Die Lieferzuverlässigkeit hängt von folgenden
zwei Einflussfaktoren ab:
x Zuverlässigkeit des Arbeitsablaufs,
x Lieferbereitschaft.
Die Einhaltung der zugesagten Lieferzeit wird zunächst dadurch bestimmt, wie
zuverlässig die Teilzeiten eingehalten werden, aus denen sie sich zusammensetzt.
Die in den einzelnen Phasen der Lieferzeit anfallenden Arbeitsabläufe müssen
planmäßig in der dafür vorgesehenen Zeit realisiert werden. Bei der Auftragsbear-
beitung kann es etwa geschehen, dass eingehende Aufträge unbearbeitet liegen-
bleiben oder beim Transport ist es möglich, dass ein Spediteur die versprochenen
Transportzeiten nicht einhält. Die Zuverlässigkeit der Lieferzeit wird also von ih-
rer unzuverlässigsten Phase bestimmt!

25 Vgl. Pfohl, 1972, S. 177ff. und 1977, S. 241f.; Bender, 1976; LaLonde/Zinszer, 1976,
S. 148; Havighorst 1980, S. 58ff.; Stock/Lambert, 2001, S. 117f.
26 Vgl. Heskett u.a., 1973, S. 246f.
27 Vgl. Wagner, 1978. Auf die Lieferzeit wird außerdem in Teil III, Abschn. 10.3 zu Subsyste-
men der Produktionslogistik in eingegangen.
2.4 Servicedenken 39

Prozesszeit Kumulierte Zeit


(in Tagen)
Kunde
Ausfertigen und
1 1 übermitteln des
Auftrags
regionales
Verkaufsbüro 1 2
des Lieferanten

1 3 Auftrag bearbeiten

zentrale Auftragsbearbeitung ½ 3½
½ 4

2 6
Zusammenstellen
Auslieferungslager und verpacken

beladen ½ 6½

2 8½ Verladen und
Transportmittel transportieren

entladen ½ 9
Einlagern der Ware
Kunde 1 10 beim Kunden

Abb. 2.6 Beispiel für den zeitlichen Verlauf einer 10-tägigen Lieferzeit

Andererseits wird die Lieferzuverlässigkeit bei der Einhaltung der Lieferzeit


ganz wesentlich von der Lieferbereitschaft abhängen. Sie gibt an, inwieweit der
Lieferant in der Lage ist vom Lager zu liefern. Trifft ein Auftrag in einem Auslie-
ferungslager auf Fehlmengen, so kann im Allgemeinen die normale Lieferzeit
nicht eingehalten werden. Es sei denn, man hat die Möglichkeit, den Kunden in
diesem Falle mit Hilfe schnellerer Transportmittel direkt vom Zentral- oder einem
anderen Auslieferungslager aus zu beliefern.
Die Lieferbereitschaft wird normalerweise durch Prozentangaben gemessen,
denen allerdings sehr unterschiedliche Definitionen zugrunde liegen. Abb. 2.7 gibt
einen Überblick über häufig herangezogene Maße der Lieferbereitschaft. Aus den
möglichen Definitionen hat jeder Lieferant die für seine Situation zweckmäßige
auszuwählen. Beispielsweise kann es sinnvoll sein, lediglich die Häufigkeit des
Auftretens von Fehlmengen in die Definition mit einzubeziehen, die Größe der
auftretenden Fehlmengen aber unberücksichtigt zu lassen. In anderen Fällen mag
es dagegen zweckmäßig sein, gerade die Größe der auftretenden Fehlmengen als
Grundlage der Definition der Lieferbereitschaft zu nehmen. Es wird dann nicht als
40 2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

relevant angesehen, wie häufig die Nachfrage nicht vom Lager befriedigt werden
kann, sondern es ist wesentlich, welcher Prozentsatz der Nachfrage nicht vom La-
ger zu erfüllen ist. Die Nachfrage kann hierbei mengen- oder wertmäßig erfasst
werden. Mengenangaben sind im allgemein jedoch nur sinnvoll, wenn der Wert
der verschiedenen Artikel eines Auslieferungslagers ungefähr gleich ist. Jedes Un-
ternehmen wird letztlich die Definition zu wählen haben, in der das Auftreten von
Fehlmengen in der Weise berücksichtigt wird, wie es ihrer Wirkung auf den Ab-
satz auch tatsächlich entspricht.28
Durch die Lieferungsbeschaffenheit wird erfasst, inwieweit die Lieferung selbst
dem Kunden Grund zur Beanstandung gibt. Das hängt wiederum von zwei Fakto-
ren ab:
x Liefergenauigkeit,
x Zustand der Lieferung.
Durch die Liefergenauigkeit wird angegeben, inwieweit die bestellten Produkte
in gewünschter Art und Menge ausgeliefert werden. Kann der Lieferant das be-
stellte Produkt nicht liefern, so sollte er dem Kunden ersatzweise nur dann ein an-
deres Produkt ausliefern, wenn er zuvor dessen Zustimmung eingeholt hat. Ande-
renfalls riskiert der Lieferant, den Kunden zu verärgern und u. U. zu verlieren.
Außerdem können ihm zusätzliche Kosten für die Behandlung der Kundenbe-
schwerde und der Rücknahme der Ware entstehen. Der Kunde hat auch die von
ihm bestellte Menge zu erhalten. Denn wenn größere Mengen als die bestellten
angeliefert werden, erhöhen sich die Lagerkosten des Kunden. Werden kleinere
Mengen angeliefert, so können dadurch Fehlbestände im Kundenlager entstehen.
Der Zustand der Lieferung hängt im Wesentlichen davon ab, in welchem Um-
fang die Verpackung ihrer Schutzfunktion bei der Auslieferung der Güter gerecht
wird. Eine Beschädigung der Güter während der Auslieferung führt zu Kundenbe-
schwerden und/oder zu zusätzlichen Kosten durch Retouren bzw. zu gewährende
Preisnachlässe.
Die Lieferungsbeschaffenheit wird daran gemessen, wie oft die Lieferungen
von Kunden beanstandet werden und kann damit ebenfalls durch Prozentangaben
erfasst werden.
Unter Lieferflexibilität ist zu verstehen, ob das Auslieferungssystem des Liefe-
ranten es gestattet auf besondere Bedürfnisse des Kunden einzugehen oder ob sich
der Kunde mit seiner Beschaffungslogistik nach starr vorgegebenen Regeln der
Distributionslogistik des Lieferanten zu richten hat. Die Lieferflexibilität hängt im
Wesentlichen von folgenden drei Einflussfaktoren ab:
x Auftragsmodalitäten,
x Liefermodalitäten,
x Information des Kunden.

28 Vgl. Pfohl, 1972, S. 181ff.


2.4 Servicedenken 41

1 auf Grund der Anzahl der Bestellungen


erfüllte Bestellungen ˜ 100
1.1 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
eingegangene Bestellungen
ab Lager erfüllte Bestellungen ˜100
1.2 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
erfüllte Bestellungen
ab Lager erfüllte Bestellungen ˜100
1.3 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
eingegangene Bestellungen
verlorene Bestellungen
1.4 Maß für Lieferbereitschaft =
erfüllte Bestellungen
1.5 Maß für Lieferbereitschaft = verlorene Bestellungen pro Zeitperiode
1.6 Maß für Lieferbereitschaft = zurückgestellte Bestellungen pro Zeitperiode
1.7 Maß für Lieferbereitschaft = verlorene + zurückgestellte Bestellungen pro Zeitperiode
2 auf Grund der Nachfrage
gelieferte Menge ˜100
2.1 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
nachgefragte Menge
2.2 bis 2.7 sinngemäß wie 1.2 bis 1.7 (statt Mengen können auch Werte verglichen werden)
3 auf Grund des Zeitmaßes (z.B. Tage)
Teilperioden mit Lagerbestand ˜ 100 330 ˜ 100
3.1 Lieferbereitschaftsgrad (%) = z.B. = 90,5%
gesamte Periode 365
Teilperioden ohne verlorene Bestellungen oder Rückstellungen ˜100
3.2 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
gesamte Periode
4 auf Grund der Beobachtungsintervalle
Intervalle mit Lagerbeständen über Sicherheitsbestand ˜ 100
4.1 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
gesamte Anzahl der Intervalle
Intervalle ohne Lagerbestände über Sicherheitsbestand ˜ 100
4.2 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
gesamte Anzahl der Intervalle
Intervalle ohne verlorene Bestellungen ˜100
4.3 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
gesamte Anzahl der Intervalle
4.4 Maß für Lieferbereitschaft = Häufigkeit, mit welcher der Sicherheitsbestand während einer
Zeitperiode angetastet werden mußte
4.5 Maß für Lieferbereitschaft = Häufigkeit, mit welcher während einer Zeitperiode Fehlmengen auftreten
4.6 Maß für Lieferbereitschaft = Häufigkeit, mit welcher während einer Zeitperiode Bestellungen verloren
gehen
5 auf Grund von Lieferverspätungen
Anzahl der Tage mit Lieferverspätung
5.1 Maß für Lieferbereitschaft =
erfüllte Bestellungen

5.2 Maß für Lieferbereitschaft =


¦ Verspätungstage ˜ bestellte Mengen
gelieferte Mengen

Abb. 2.7 Formeln zur Berechnung der Lieferbereitschaft (Quelle: Steinbrüchel, 1971, S. 27)
42 2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

Durch die Auftragsmodalitäten werden die Auftragsgröße, die Abnahmemenge,


der Zeitpunkt der Auftragserteilung sowie die Art der Auftragserstellung und Auf-
tragsübermittlung festgelegt. Je weniger die Entscheidungsfreiheit des Kunden be-
züglich dieser Auftragsmodalitäten eingeschränkt wird, desto höher ist das Niveau
dieser Lieferservicekomponente. Eine Vielfalt in den Auftragsmodalitäten belastet
jedoch das System der Distributionslogistik beim Lieferanten und verursacht im
Allgemeinen höhere Logistikkosten. Die Festlegung von Mindestauftragsgrößen,
Mindestabnahmemengen und vorgegebenen Zeitpunkten zu denen ein Auftrag er-
teilt sein muss, damit die zugesagte Lieferzeit eingehalten werden kann sowie eine
Standardisierung der Auftragserstellung und -übermittlung sind Möglichkeiten,
die Auftragsmodalitäten zu fixieren.
Beziehen sich die Auftragsmodalitäten auf den Informationsfluss zwischen Lie-
ferant und Kunde, so beziehen sich die Liefermodalitäten auf den Güterfluss.
Durch die Liefermodalitäten werden insbesondere die Art der Verpackung, die zu
benutzende Transportvariante sowie die Möglichkeit der Lieferung auf Abruf
festgelegt. Zur Transportvariante gehört auch die Regelung der Selbstabholung.
Zur Lieferflexibilität zählt schließlich auch eine exakte und rasche Information
des Kunden über die Liefermöglichkeiten, den Stand der Abfertigung des Auftra-
ges, vorauszusehende Lieferverzögerungen sowie die Behandlung von Beschwer-
den über mangelhafte Auslieferung.
Im Gegensatz zu den ersten drei Servicekomponenten ist das Niveau bei der
Lieferflexibilität nur begrenzt zu quantifizieren. Doch hat auch diese Komponente
Auswirkungen auf die Logistikkosten beim Lieferanten und die Zufriedenheit des
Kunden. Wie bei den anderen Servicekomponenten wird es auch hier einen Ziel-
konflikt zwischen dem Streben nach Minimierung der Logistikkosten und dem
Streben nach Maximierung des Lieferservice geben. Dieser Zielkonflikt ist auf der
Grundlage des logistischen Effizienzdenkens zu lösen.

2.5 Logistisches Effizienzdenken

Effizienzdenken
Logistiksysteme sind effizient, wenn bei ihrer Gestaltung die Logistikkosten (In-
put) und die Logistikleistungen (Output) als Gestaltungsziele berücksichtigt wur-
den. Das Effizienzdenken verlangt bei der Lösung logistischer Probleme weder
eine einseitige Ausrichtung an dem Ziel der Kostenminimierung noch eine einsei-
tige Ausrichtung am Ziel der Servicemaximierung, sondern einen Kompromiss
zwischen diesen Zielen.
Das Effizienzziel entspricht zunächst dem bekannten Produktivitätsziel, das
durch das Verhältnis Output/Input (z. B. Anzahl der umgeschlagenen Palet-
ten/Arbeitsstunde) gemessen wird. Das Effizienzdenken ist also auf die technolo-
gische Dimension des Logistiksystems anzuwenden, die ein Denken in Mengen
2.5 Logistisches Effizienzdenken 43

und Qualitäten verlangt. 29 Dieses Denken befasst sich mit Problemen der Leis-
tungsfähigkeit (quantitative und qualitative Kapazität sowie betriebstechnische
Elastizität) und mit Problemen der Leistungsbereitschaft (Störanfälligkeit und Be-
nutzerfreundlichkeit) von Logistiksystemen. Zur Leistungsbereitschaft i. w. S.
zählt auch die Zeit für die Planung und Realisierung des Logistiksystems. Denn es
ist häufig besser, Systeme mit befriedigender Leistungsfähigkeit rechtzeitig im
Einsatz zu haben, als Systeme mit maximaler Leistungsfähigkeit erst nach langer
Zeit im Einsatz zu haben. Häufig wird noch als besonderes Problem die Flexibili-
tät im Sinne der Anpassungsfähigkeit von Systemen herausgestellt. So wird z. B.
unterschieden zwischen der kurzfristigen Effizienz als Produktivität unter konstan-
ten Bedingungen und der Anpassungsfähigkeit als Produktivität unter wechseln-
den Bedingungen.30 Die Anpassungsfähigkeit ist für Logistiksysteme insofern von
großer Bedeutung, als Veränderungen in der Höhe, Zusammensetzung und geo-
graphischen Verteilung der Nachfrage zu Güterflüssen führen, die sehr unter-
schiedlichen Anforderungen an die Logistiksysteme stellen.
Das Effizienzdenken kann sich jedoch auch auf die ökonomische Dimension
des Unternehmens beziehen. Diese verlangt ein Denken in Werten. In ihrem Mit-
telpunkt stehen Probleme der Preise sowie von Umsatz und Kosten. Neben der be-
sonderen Problematik der Zurechnung von Logistikkosten zu Logistikleistungen,
die wegen der einseitigen Ausrichtung der Kosten- und Leistungsrechnung in vie-
len Unternehmen ungelöst ist, stellt sich hier auch das Problem der Erfassung der
Auswirkung des Lieferservice auf den Umsatz. In Abb. 2.8 sind typische Kosten-
und Marktreaktionsfunktionen über dem Serviceniveau aufgetragen. Eine einge-
hende Diskussion dieser Kurven erfolgt in dem Band Logistikmanagement dieser
Reihe. Hier genügt es, darauf zu verweisen, dass der stark progressive Kostenan-
stieg mit steigendem Serviceniveau grundsätzlich charakteristisch für Logistiksys-
teme ist. Die Verbesserung eines schon sehr guten Serviceniveaus um noch einige
wenige Prozent verursacht – wenn man von einer Verschiebung der Kostenkurve
durch Prozessinnovation absieht – einen weit überproportionalen Kostenanstieg.
Für die Umsatzerlöskurve lassen sich keine in gleicher Weise empirisch abgesi-
cherten Aussagen machen. Doch hat sich in einigen Fällen der Kurvenverlauf der
Abb. 2.8 nachweisen lassen. Interessant ist hier vor allem das auch bei anderen
Marktreaktionsfunktionen zu beobachtende Sättigungsphänomen. Die Erhöhung
eines bereits guten Lieferservice um einige Prozent führt nur noch zu einem stark
unterproportionalen Anwachsen des Umsatzes. Daraus ergibt sich, dass der größte
Gewinnbeitrag des Lieferservice keineswegs bei einem maximalen Serviceniveau
liegt. Auf der ökonomischen Ebene entspricht also das Effizienzdenken dem be-
kannten Rentabilitätsziel, das durch die Relation Gewinn/Kapital gemessen wird.
Die Inputgröße ist in diesem Fall das Kapital, das in Logistiksystemen gebunden
ist, die Outputgröße der Gewinnbeitrag, der von Logistiksystemen geleistet wird.

29 Vgl. im Folgenden Pfohl/Stölzle, 1997, S. 84f.


30 Vgl. Ulrich/Fluri, 1995, S. 164.
44 2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

Umsatzerlöse/
Kosten/
Gewinnbeitrag

Umsatzerlöse

Kosten

Gewinnbeitrag

93 95 100
Serviceniveau in %

Abb. 2.8 Auswirkung des Serviceniveaus auf den Gewinn (Quelle: Mit Änderungen entnom-
men aus Buxton, 1975, S. 35)

Technisch-wirtschaftliches Denken
Bei der Erläuterung des Effizienzdenkens wurde deutlich, dass das Effizienzden-
ken sowohl technisch als auch wirtschaftlich orientiert ist. Damit soll jedoch nicht
ausgedrückt werden, dass die soziale und ökologische Dimension des Unterneh-
mens im Logistikbereich keine Rolle spielen würde. Soziale Ziele wie etwa die
Zufriedenheit oder die langfristige Erhaltung der Gesundheit der Mitarbeiter ha-
ben für den Logistikbereich dieselbe Bedeutung wie für die anderen Bereiche des
Unternehmens. Das gilt auch für die ökologischen Ziele zum Schutz der Umwelt.
Insofern unterscheidet sich der Logistikbereich bezüglich des sozialen und ökolo-
gischen Denkens nicht von den übrigen Unternehmensbereichen. Dagegen ist die
besondere Verquickung technischen und wirtschaftlichen Denkens, wie sie für die
Logistik charakteristisch ist, für die anderen Unternehmensbereiche nicht immer
in gleicher Weise typisch.
Die Logistik liefert ein ausgezeichnetes Beispiel für einen Unternehmensbe-
reich, in dem sich technische und wirtschaftliche Probleme überschneiden. Ein
Logistikmanager muss in der Lage sein, die Möglichkeiten, die der technische
Fortschritt im Verpackungs-, Transport- und Lagerwesen für den Güterfluss eröff-
net, zu beurteilen und auszunutzen. Er muss aber auch dazu fähig sein, Kosten und
Service gegeneinander abzuwägen und mit den oft nur entweder in wirtschaftli-
chem oder in technischem Denken geschulten Führungskräften der Bereiche Be-
schaffung, Produktion und Absatz zusammenzuarbeiten. Führungspositionen im
Logistikbereich verlangen also in besonderem Maße eine Kombination von wirt-
schaftlichem und technischem Denken. Damit sind aber auch schon die Konse-
quenzen des Logistikdenkens für das Unternehmen angesprochen.
2.6 Konsequenzen des Logistikdenkens 45

2.6 Konsequenzen des Logistikdenkens


Zur Analyse möglicher Konsequenzen des Logistikdenkens ist es zweckmäßig, ei-
ne funktionelle, eine instrumentelle und eine institutionelle Dimension der Lo-
gistikkonzeption zu unterscheiden. 31 Funktionelle Konsequenzen ergeben sich,
wenn man die Logistik als einen gedanklich abgrenzbaren Aufgabenkomplex im
Unternehmen sieht. Hier wäre zu untersuchen, ob die Logistik als eine neue be-
triebswirtschaftliche Funktion zu betrachten ist. Instrumentelle Konsequenzen be-
ziehen sich auf den Einsatz von Soft- und Hardwaretechnologien. Zu fragen wäre
hier nach möglichen Veränderungen bei den einzusetzenden Techniken zur Unter-
stützung der Informationsverarbeitung und zur Erleichterung des Güterflusses. In-
stitutionelle Konsequenzen betreffen die Organisation eines Unternehmens und
die Organisation der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen. Aufzudecken wä-
ren hier mögliche Veränderungen der Organisationsstruktur eines Unternehmens
(intraorganisatorische Konsequenzen) oder der Zusammenarbeit zwischen Unter-
nehmen (interorganisatorische Konsequenzen) infolge des Logistikdenkens.

Funktionelle Konsequenzen
Das für die Logistikkonzeption charakteristische Systemdenken verlangt, die lo-
gistischen Aufgaben im Gesamtzusammenhang, die Logistik als einen in sich ge-
schlossenen Aufgabenbereich des Unternehmens zu sehen. In der Betriebswirt-
schaftslehre kennzeichnet man häufig einen solchen Aufgabenbereich als eine
betriebswirtschaftliche Funktion, die in jedem Unternehmen wahrgenommen wer-
den muss. Die Logistik tritt damit als Funktion neben die anderen im Unterneh-
men zu verrichtenden Funktionen, wie etwa Beschaffung oder Finanzierung. Nach
herrschender Meinung geht man dabei vom Querschnittscharakter oder übergrei-
fenden Charakter der Logistikfunktion aus.32
Betrachtet man die unmittelbar aus der Marktaufgabe abzuleitenden Funktio-
nen Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Produktion und Absatz als be-
triebswirtschaftliche Grundfunktionen33, so lassen sich aus ihnen eine Reihe be-
triebswirtschaftlicher Querschnittsfunktionen (Servicesleistungen) ableiten, die
notwendigerweise neben diesen Grundfunktionen wahrgenommen werden müs-
sen. Außer der Logistikfunktion zählt man dazu insbesondere die in Abb. 2.9 auf-
geführten Funktionen, die sich mit Personal, Finanzen und Informationen befas-
sen. Bezeichnet man diese Funktionen als Serviceleistungen, so hebt man ihren
dienenden Charakter gegenüber den betriebswirtschaftlichen Grundfunktionen
hervor. Spricht man dagegen von Querschnittsfunktionen, so wird damit betont,
dass sie die betriebswirtschaftlichen Grundfunktionen durchdringen. Schon an
dieser Stelle ist hervorzuheben, dass mit dem Begriff Serviceleistungen keine

31 Vgl. Pfohl, 1980, S. 1201f.


32 Vgl. Pfohl, 1983, S. 726 und die dort zitierte Literatur.
33 Die Entsorgung wird auch als betriebswirtschaftliche Grundfunktion angesehen, vgl. Pfohl,
1993, S. 214ff.
46 2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

Betriebswirtschaftliche Grundfunktionen
Forschung
und Beschaffung Produktion Absatz Entsorgung
Entwicklung
Betriebswirtschaftliche Querschnittsfunktionen

Personal
(Serviceleistungen)

Finanzen

Information

Logistik

Abb. 2.9 Logistik als betriebswirtschaftliche Querschnittsfunktion

Wertung dieser Funktionen gegenüber einer betriebswirtschaftlichen Grundfunkti-


on verbunden ist. Welche Funktionen für den Erfolg eines Unternehmens von grö-
ßerer Bedeutung sind, hängt von der vorhandenen Wettbewerbs- und Kostensitua-
tion ab.
Sieht man die Logistik als eine betriebswirtschaftliche Funktion, so folgt dar-
aus, dass sich bei einer funktionellen Gliederung der Betriebswirtschaftslehre eine
spezielle Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre mit den spezifischen logisti-
schen Entscheidungstatbeständen zu befassen hat. 34 Wie bei den anderen be-
triebswirtschaftlichen Funktionen folgt daraus jedoch keineswegs notwendiger-
weise, dass die Logistik in einer organisatorischen Einheit im Unternehmen
institutionalisiert werden muss.

Instrumentelle Konsequenzen
Verbindet man mit der Logistikkonzeption eine instrumentelle Dimension, so wird
die Logistik zunächst als ein Instrument zur Planung, Steuerung und Kontrolle von
Güterflüssen verstanden. Das Logistikdenken kann Auswirkungen auf viele Berei-
che dieser als Softwaretechnologie zu bezeichnenden Instrumente der Informati-
onsverarbeitung haben, sowohl bei der Unterstützung der logistischen Entschei-
dungsprozesse als auch bei den Auftragsabwicklungsprozessen, der
Materialsteuerung oder dem Bestandsmanagement. Beispielsweise legt es das Lo-
gistikdenken nahe, schwerpunktmäßig nicht Optimierungsmodelle des Operations

34 Vgl. Kirsch/Esser, 1976.


2.6 Konsequenzen des Logistikdenkens 47

Research zu entwickeln, mit denen Insellösungen in logistischen Teilsystemen ge-


funden werden, sondern eher Simulationsmodelle, mit denen sich komplexere Lo-
gistikzusammenhänge abbilden lassen. Solche Modelle erlauben es, die Auswir-
kungen von Veränderungen der unbeeinflussbaren oder beeinflussbaren Variablen
bei der Gestaltung von Logistiksystemen aufzuzeigen. Ein Beispiel hierfür wäre
die interaktive Planung des innerbetrieblichen Materialflusses mit Hilfe einer Si-
mulationssoftware. Bei der Auftragsabwicklung, der Materialflusssteuerung oder
bei dem Bestandsmanagement wirkt sich dann der Einsatz des Instrumentariums
der elektronischen Datenverarbeitung aus. Ohne EDV-Unterstützung lassen kom-
plexe Logistiksysteme sich weder planen, noch steuern, noch kontrollieren.
Konsequenzen bezüglich des Einsatzes von Methoden lassen sich am Beispiel
der Kosten- und Leistungsrechnung aufzeigen. Diese ist methodisch so umzustel-
len, dass sie auf der Basis einer detaillierten Kostenartenerfassung eine Zurech-
nung von Kostenarten auf logistisch relevante Bezugsgrößen erlaubt. Das können
einerseits Kostenstellen sein, die eine aussagekräftige Kontrolle der Logistikver-
antwortlichen ermöglichen. Es können aber auch Aufträge sein, die die Funktio-
nen von Kostenträgern übernehmen oder Lieferservicekomponenten, denen verur-
sachungsgerechte Logistikkosten zugerechnet werden sollen.
Instrumentelle Konsequenzen des Logistikdenkens sind jedoch auch im Be-
reich der Hardwaretechnologie, worunter die Transport-, Umschlags-, Lagerungs-
und Verpackungstechnik verstanden werden soll, möglich. Insbesondere kommt
dies zum Ausdruck, wenn den Schnittstellen (Interfaces) zwischen diesen Tech-
nikbereichen (etwa zwischen Transport- und Umschlagstechnik) erhöhte Auf-
merksamkeit gewidmet wird. Denn diese Schnittstellen sind typischerweise
Schwachstellen in der Technik von Logistiksystemen. Die technische Entwicklung
in den verschiedenen Teilsystemen muss aufeinander abgestimmt sein. Die techni-
schen Systeme haben miteinander kompatibel zu sein. Diese Erkenntnis hat z. B.
auch zur Folge, dass beim Kauf technischer Systeme immer mehr die Forderung
„alles aus einer Hand“ gestellt wird. Die Investitionsgüterhersteller kommen die-
sem Bedürfnis ihrer Kunden zunehmend durch das entsprechende Systems Selling
entgegen.

Institutionelle Konsequenzen
Der Einsatz neuer Instrumente bedingt im Allgemeinen im Unternehmen zunächst
nur ablauforganisatorische Veränderungen. Nicht immer lässt sich jedoch die Lo-
gistikkonzeption ohne institutionelle Veränderung, d. h. ohne intraorganisatori-
sche Änderung der bestehenden Verteilung von Aufgaben, Kompetenzen, Ver-
antwortung und Macht in Systemen der Mikrologistik realisieren. Denn bei einer
Aufsplitterung logistischer Aufgaben in der Organisationsstruktur sind erstens die
logistischen Systemzusammenhänge schwerer zu erkennen. Zweitens wird die
Verfolgung von Logistikzielen durch die Interessengegensätze der verschiedenen
Organisationseinheiten, die Logistikaufgaben wahrnehmen, erschwert. Offensicht-
48 2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

lich kann also eine organisatorische Zusammenfassung logistischer Aufgaben die


Realisierung der Logistikkonzeption erleichtern.
Kennzeichnend für das Systemdenken ist unter anderem die Erkenntnis, dass
das Systemverhalten stark von der Systemumwelt abhängig ist. Das Systemdenken
legt deshalb nahe, Teile dieser Umwelt nicht als unbeeinflussbare Variablen (Da-
ten) hinzunehmen, sondern durch Ausdehnung der Systemgrenzen zu beeinfluss-
baren Variablen zu machen. Damit kann die Logistikkonzeption auch zu veränder-
ten Formen der interorganisatorischen Zusammenarbeit zwischen verschiedenen
Unternehmen in Systemen der Mesologistik führen. Es kommt dann zu einer ver-
änderten Verteilung von Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung und Macht zwi-
schen verschiedenen Unternehmen. Beispielsweise kann es sinnvoll sein, dass
zwei Industrieunternehmen zumindest teilweise ein gemeinsames Logistiksystem
nutzen oder dass ein Industrieunternehmen seine Distributionslogistik einem spe-
zialisierten Logistikunternehmen überträgt.

Hindernisse für die Realisierung der Logistikkonzeption


Für eine Steigerung der Effizienz des Unternehmens als Folge der Realisierung
der Logistikkonzeption in funktioneller, instrumenteller und institutioneller Hin-
sicht gibt es viele Beispiele. 35 Effizienzsteigerungen werden erreicht durch Sen-
kung der Logistikkosten, Beschleunigung des Kapitalumschlags, Erhöhung des
Serviceniveaus, Verbesserung der Entscheidungsprozesse, den Abbau von Kon-
flikten in der Unternehmensorganisation sowie einer verbesserten Zusammenar-
beit zwischen verschiedenen Unternehmen.
Trotz dieser offensichtlich bestehenden Chancen zur Effizienzsteigerung gibt
es eine Vielfalt von Hindernissen für eine Realisierung der Logistikkonzeption.
Insbesondere lassen sich folgende Haupthindernisse für eine Realisierung der Lo-
gistikkonzeption nennen:
x Das Fehlen durchsetzungsfähiger logistikorientierter Manager (z. B. mangelnde
Durchsetzungsfähigkeit gegenüber einem starken Vertrieb),
x das Fehlen entscheidungsrelevanter Informationen (z. B. fehlende Informatio-
nen aus der Kostenrechnung),
x die Existenz intraorganisatorischer Grenzen im Unternehmen (z. B. fehlende
Absprachen bei der Lösung logistischer Probleme auf der Beschaffungsseite
und auf der Absatzseite eines Unternehmens),
x die Existenz interorganisatorischer Grenzen zwischen Unternehmen (z. B.
mangelhafte Kommunikation zwischen Versender, Versandspediteur, Emp-
fangsspediteur und Empfänger).
Im folgenden Abschnitt wird auf die Bedeutung der Logistik für das Unter-
nehmen eingegangen, von der es letztlich abhängt, ob es sich lohnt, die aufgezeig-
ten Hindernisse zu überwinden.

35 Vgl. Pfohl, 1983, S. 721; Pfohl, 2016, S. 50ff. und die dort aufgeführte Literatur.
Literatur 49

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50 2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

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3 Bedeutung der Logistik

3.1 Betriebswirtschaftliche Entwicklungstendenzen


Die betriebswirtschaftlichen Entwicklungstendenzen sollen anhand von drei Ziel-
größen beschrieben werden, die aufgrund der Globalisierung der Unternehmenstä-
tigkeit und der Dynamik in der Technologieentwicklung für betriebswirtschaftli-
che Entscheidungen große Bedeutung haben. Es sind Veränderungen bei den
Kosten, auf dem Markt und des Risikos.1

Zielgrößenentwicklung
Infolge der Globalisierung der Unternehmenstätigkeit und der Dynamik in der
Technologieentwicklung nimmt der Kostendruck zu. Jedes Unternehmen muss
deshalb in der Lage sein, Economies of Arbitrage (Preisvorteile), Economies of
Scale (Größenvorteile), Economies of Scope (Bündelungsvorteile), Economies of
Speed (Zeit- oder Geschwindigkeitsvorteile) und Economies of Structure (Ände-
rungsvorteile) zur Erlangung einer günstigen Kostenposition zu erreichen. Sollte
ein Unternehmen nicht in der Lage sein, diese Kostenanforderungen zu erfüllen,
hat es die „Eintrittskarte“ für das Spiel auf dem Markt verloren. Die mit dem Kos-
tendruck verbundene Ressourcen- oder Produktionsfaktororientierung ist deshalb
von wesentlicher Konsequenz für die Logistik.
Aus der Globalisierung und Technologieentwicklung resultiert aber auch ein
Marktdruck. Die Kunden werden immer anspruchsvoller und lernen schnell, posi-
tive Erfahrungen von Teilmärkten auf andere Teilmärkte zu übertragen. Das ver-
langt eine extreme Ausrichtung des Unternehmens an den Bedürfnissen des Kun-
den. Ein Unternehmen kann sich gegenüber Wettbewerbern vor allem durch
differenzierte, auf Marktsegmente zugeschnittene Problemlösungsangebote abhe-
ben. Diese Problemlösungsangebote verlangen neben Produktinnovationen auch
zunehmend Prozessinnovationen.
Dem Risiko (der Unsicherheit) unternehmerischer Entscheidungen wird künftig
größere Beachtung geschenkt werden müssen. Denn die Schere zwischen den An-
forderungen an die Risikobereitschaft der Unternehmen und deren Fähigkeit, Risi-
ko zu tragen, öffnet sich. Dies ist vor allem eine Folge der steigenden Komplexität
und Dynamik der Märkte, die mit schlechteren Prognosemöglichkeiten für unter-
nehmerische Entscheidungen verbunden ist und der sinkenden Ertragskraft der
Unternehmen. Sie verlangt, dass den finanziellen Auswirkungen unternehmeri-

1 Zu anderen Systematisierungsvorschlägen der Entwicklungstendenzen vgl. Bowersox u.a.,


1999, S. 172 ff.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018


H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4_3
52 3 Bedeutung der Logistik

scher Entscheidungen größte Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Daraus


lassen sich im Wesentlichen zwei neue Schwerpunkte im Management aufzeigen.

Managementkonsequenzen
Der erste Schwerpunkt ergibt sich aus der sinkenden Ertragskraft der Unterneh-
men. Sie macht es erforderlich, dass unter den Unternehmenszielen dem Rentabili-
tätsziel besonderes Gewicht beigemessen wird.2 Das in den 70er Jahren vor allem
in Großunternehmen vorherrschende Umsatzdenken ist dem Rentabilitätsdenken
gewichen. Im Mittelpunkt steht die Qualität und nicht mehr die Quantität der
Märkte.3 Potentielle Umsatzsteigerungen werden daraufhin überprüft, ob die durch
sie verursachten Kostensteigerungen nicht eher Probleme schaffen als Probleme
lösen. Marketingorientiertes Management muss ergänzt werden durch produkti-
onsfaktor- oder ressourcenorientiertes Management. 4 Denn der Gewinn wird je
nach Wachstum eines Marktes mehr von der Umsatzseite oder von der Kostensei-
te positiv beeinflusst werden können.
Die Produktionsfaktororientierung im Management verlangt, bei der Kombina-
tion der Produktionsfaktoren allen Produktionsfaktoren die gleiche Aufmerksam-
keit zu schenken und ihre jeweilige Kostenentwicklung ständig zu verfolgen. Ver-
nachlässigt wurden diesbezüglich in der Vergangenheit die Produktionsfaktoren
Information und Material. Während die Information neben den klassischen Pro-
duktionsfaktoren Arbeit, Betriebsmittel und Material zum größten Teil überhaupt
nicht als solcher gesehen wurde, stand beim Produktionsfaktor Material einseitig
der Kosteneinflussfaktor Preis im Vordergrund. Der in den Lagerbeständen zum
Ausdruck kommende Kosteneinflussfaktor Menge wurde hingegen vernachlässigt.
Die Produktionsfaktororientierung hat deshalb (insbesondere) ein neues Informa-
tionsmanagement und ein neues Bestandsmanagement zur Folge.5 Gegenstand des
Informationsmanagements ist der wirtschaftliche Einsatz des Produktionsfaktors
Information, was bei einer entsprechenden Informationskostenentwicklung auch
die Substitution anderer Produktionsfaktoren durch die Information beinhaltet.
Gegenstand des Bestandsmanagements ist eine integrierte Betrachtung aller im
Unternehmen vorhandenen Lagerbestände mit dem Ziel, die Kapitalbindung zu
senken und so die Rentabilität durch eine größere Kapitalumschlagshäufigkeit zu
erhöhen. Grundlegend für das Bestandsmanagement ist die Überlegung, dass die
Kapitalbindung im Umlaufvermögen ebenso eine Investition darstellt wie die Ka-
pitalbindung im Anlagevermögen.

2 Nach außen erkennbar wird dieser Wandel durch eine zunehmende und von den meisten Un-
ternehmen auch nach außen kommunizierte Konzentration auf den Shareholder Value. Die-
ser soll durch die Steigerung des Cash Flow erhöht werden. Zum Einfluss der Logistik auf
den Return on Investment vgl. Pfohl, 2016, S. 55ff.
3 Vgl. LaLonde, 1979, S. 16ff.
4 Vgl. Bender, 1983, S. 27f.
5 Vgl. LaLonde, 1979, S. 16ff.
3.1 Betriebswirtschaftliche Entwicklungstendenzen 53

Der zweite Managementschwerpunkt ergibt sich aus der Dynamik der Märkte
und den damit verbundenen kürzeren Reaktionszeiten für unternehmerische Ent-
scheidungen. Sie verlangt zunächst einen Ausbau der Planungs- und Kontrollsys-
teme des Unternehmens. Nur damit können die in der Umwelt des Unternehmens
entstehenden Gefahren und Chancen rechtzeitig erkannt werden. Zur langfristigen
Eingrenzung des Risikos bietet sich das Instrumentarium des Controllings an.
Durch hoch entwickelte Planungs- und Kontrollsysteme lässt sich jedoch die
Unsicherheit unternehmerischer Entscheidungen nicht vollständig beseitigen.
Deshalb kommt der Flexibilität des Unternehmens wachsende Bedeutung zu, auf-
grund der es kurzfristig auf Veränderungen der Umwelt reagieren kann. Zur Um-
setzung der Flexibilitätsforderung können in Unternehmen flexible Organisations-
strukturen eingeführt oder Produktions- und Logistiksysteme flexibel ausgerichtet
werden. Flexibilität der Organisationsstruktur wird beispielsweise durch Entbüro-
kratisierung erreicht. Flexible Organisationsstrukturen ermöglichen Entschei-
dungsprozesse, mit denen das Unternehmen auf nicht vorhergesehene Situationen
reagieren kann. Flexibilität in Produktion und Logistik erreicht man dadurch, dass
die Produktions- und Logistikentscheidungen näher an den Zeitpunkt der Kaufent-
scheidungen am Absatzmarkt herangerückt werden. 6 Dies bedeutet einen Auf-
schub der Fertigung, bis Klarheit über die vom Käufer gewünschten Produkte be-
steht und setzt die Konstruktion der Produkte nach dem Baukastenprinzip,
kleinere Fertigungslose, geringere Umrüstkosten sowie universeller einsetzbare
Betriebsmittel und Mitarbeiter voraus. Außerdem bedeutet es einen Aufschub der
Lagerhaltung, bis sich die auftretende Nachfrage in den Absatzmärkten klar ab-
zeichnet und setzt zentrale Lagerhaltung – verbunden mit einer schnellen und zu-
verlässigen Auslieferung – voraus.
Erhöht wird die Flexibilität häufig noch durch eine Spezialisierung der Unter-
nehmen. Dies erfolgt teilweise innerhalb der Unternehmen, indem bestimmte Mo-
dule für die jeweiligen Aufgaben geschaffen werden, 7 teilweise durch eine unter-
nehmensübergreifende Arbeitsteilung. Statt möglichst umfangreiche Teile der
logistischen Kette und der Produktionsprozesse zu übernehmen, werden nur noch
bestimmte Aufgaben wahrgenommen. Andere Aufgaben werden an andere Unter-
nehmen übergeben, die auf die jeweiligen Gebiete spezialisiert sind. Durch diese
Spezialisierung können sich die Unternehmen auf ihre Aufgaben konzentrieren
und flexibler auf die an sie gestellten Aufgaben reagieren. Hierdurch entstehen
flexible Logistikketten (auch als Supply Chains bezeichnet) und Netzwerke, die
gemeinsam Leistungen erbringen.8
Die aus den betriebswirtschaftlichen Entwicklungstendenzen aufgezeigten bei-
den neuen Schwerpunkte im Management zeigen die grundsätzliche Bedeutung
der Logistik für das Unternehmen. Denn die Logistikkonzeption kann sowohl ei-

6 Dieses Konzept wird als Postponement bezeichnet, vgl. dazu Bowersox/Closs, 1996, S.
471f.; Pfohl/Pfohl, 2000, S. 40ff; Pfohl, 2016, S. 110ff.
7 Vgl. Picot u.a., 2003, S. 230ff.
8 Siehe Teil IV Abschn. 17.3.
54 3 Bedeutung der Logistik

nen Beitrag zum produktionsfaktororientierten Management als auch einen Bei-


trag zur Flexibilität des Unternehmens liefern. Dies geht aus einer Untersuchung
neuer Produktions- und Logistikstrategien in deutschen Automobilunternehmen in
den 80er Jahren hervor.9 Dabei zeigte sich, dass innovative Logistikstrategien im
Gegensatz zu neuen Produktionsstrategien schneller im Unternehmen greifen und
auch kurzfristig keine negativen Auswirkungen auf die Rentabilität haben, da sie
offenbar mit geringeren monetären Vorleistungen verbunden sind sowie Kosten
und Risiken mit den Lieferanten geteilt werden. Die Notwendigkeit, die mit der
Logistikkonzeption verbundenen Potentiale für das Unternehmen zu nutzen, folgt
aus dem Kosten- und Marktdruck, dem sich heute viele Unternehmen ausgesetzt
sehen. Auf ihn wird deshalb in den beiden nächsten Abschnitten eingegangen.

3.2 Kostendruck

Ausgangssituation
Die genaue Höhe der Logistikkosten in einem Unternehmen ist nur sehr schwer zu
ermitteln. Dies liegt zum einen daran, dass die Definition von Logistikkosten un-
ternehmens-, branchen- und länderspezifisch variiert und dass zur Bestimmung
der Kosten häufig unterschiedliche Kostenrechnungssysteme zur Anwendung
kommen.10 In einer 2009 veröffentlichten Studie, die Unternehmen aus verschie-
denen Branchen in Europa verglich, wurden Logistikkosten von 3,5-8,7% Anteil
vom Umsatz ermittelt (vgl. Abb. 3.1). Abb. 3.2 zeigt die Bedeutung der Logistik-
kosten durch eine Abschätzung ihres Anteils am Bruttosozialprodukt verschiede-
ner Länder. Hinsichtlich der Vergleichbarkeit müssen allerdings die geographi-
schen Gegebenheiten sowie die vorhandene Infrastruktur berücksichtigt werden.
Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass die anteiligen Logistikkosten
über lange Jahre zurückgegangen sind, in den letzten Jahren jedoch wieder anstei-
gen, wobei sie jedoch unterschiedlich hoch eingeschätzt werden.11
Obwohl mittlerweile neue Kostenrechnungsmethoden entwickelt wurden, 12 mit
denen die Kosten genauer als in der Vergangenheit den Kostenverursachern zu-
gewiesen werden können, stellt sich die Logistikkostenrechnung in vielen Unter-
nehmen als Schwierigkeit dar.13 Die Höhe der Logistikkosten wird deswegen häu-

9 Zu dieser über den Zeitraum von 1981 bis 1990 durchgeführten Untersuchung vgl.
Graumann, 1993.
10 Zu den Problemen bei der Bestimmung der Logistikkosten vgl. Pfohl, 1996 und die dort auf-
geführte Literatur.
11 Vgl. Straube/Pfohl, 2008, S. 47; European Logistics Association/A. T. Kearney, 2009a, S. 13
und 2009b, S. 12. In den USA war der niedrigste Wert für den Anteil der Logistikkosten am
Bruttosozialprodukt 7,37% im Jahr 2009. Danach stiegen sie wieder an auf ca. 7,9% in den
Jahren 2011 bis 2015. Zum ersten Mal fielen sie 2016 auf 7,5%. Vgl. Solomon/Gooley,
2017.
12 Vgl. Weber, 2002; Pfohl, 2016, S. 214ff.
13 Vgl. Straube/Pfohl, 2008, S. 48.
3.2 Kostendruck 55

8,7%
8,4%

0,2%
1,3%
7,1%
2,1%
Summe 6,0% 1,4%
1,3%
Verwaltung 0,5%
1,2%
1,2%
Lagerhaltung 1,0% 2,2%

3,5%
1,1%
Lagerhaus 1,5%
0,4%
0,3%
4,8%
1,2%
3,9%
Transport 3,5%
3,0%
1,6%

Automobil Konsumgüter Maschienbau Handel Prozess-


& Medien & Elektronik industrie

Abb. 3.1 Aufteilung der Logistikkosten verschiedener logistischer Teilfunktionen und Bran-
chen in Prozent vom Umsatz. Ergebnisse einer 2008/2009 in 18 europäischen Län-
dern durchgeführten Studie (Quelle: European Logistics Association /A. T.
Kearney, 2009a, S. 14 und 2009b S. 13)

fig unterschätzt, weil nicht alle durch den Ablauf logistischer Prozesse verursach-
ten Kosten als Logistikkosten erkannt werden. Sie bleiben dann entweder in Ge-
meinkostenzuschlägen, z. B. in Beschaffungs-, Produktions- und Absatzkosten,
verborgen oder es wird nicht das gesamte betriebliche Logistiksystem gesehen,
sondern nur ein logistisches Teilsystem. Dabei stand sehr lange allein die Distribu-
tionslogistik im Vordergrund. Später gewannen auch die Beschaffungslogistik und
die Produktionslogistik die ihnen gebührende Aufmerksamkeit. Die mehr oder
weniger vollständig erfassten Logistikkosten werden den logistischen Leistungen
(dem Service) zudem nicht verursachungsgerecht zugerechnet, so dass der eigent-
liche Preis dieser Leistungen nicht bekannt ist, was zu überzogenen Serviceanfor-
derungen seitens der Produktion und des Marketings im Unternehmen führt.
Doch nicht nur Entscheidungen über logistische Leistungen werden oft ohne
fundierte Kenntnisse der durch sie verursachten Logistikkosten getroffen. Be-
schaffungs-, Produktions- und Absatzentscheidungen haben ebenfalls nicht be-
rücksichtigte Auswirkungen auf die Logistikkosten. Beispielhaft werden solche
Auswirkungen noch im Teil III aufgezeigt.
56 3 Bedeutung der Logistik

Bruttosozial- geschätzte Anteil


Land*
produkt* Logistikkosten* in %
Belgien 331 31,9 9,6

Dänemark 228 14,2 6,2

Deutschland 2.424 205,0 8,5

Finnland 180 22,6 12,6

Frankreich 1.892 113,2 6,0

Griechenland 229 19,2 3,1

Großbritannien 2.019 108,3 8,4

Irland 186 12,9 6,9

Italien 1.536 82,6 5,4

Luxemburg 36 5,2 14,4

Niederlande 560 46,1 8,2

Norwegen 284 22,4 7,9

Österreich 271 16,9 6,2

Portugal 163 9,1 5,6

Schweden 332 28,2 8,5

Schweiz 310 16,0 5,2

Spanien 1.050 82,7 7,9

Gesamt 12.028 836,5 7,0

USA 9.699 914 9,4

* in Mrd. Euro

Abb. 3.2 Vergleich der nationalen Logistikkosten und des Bruttosozialproduktes ausgewähl-
ter Länder. Stand 2007 für Europa und Stand 2008 für die USA. 14 (Quelle:
Klaus/Kille, 2008, S. 153ff; Wilson, 2009, S. 2ff.)

Zukünftiger Trend
Der Anteil der Logistikkosten am Bruttosozialprodukt und die teilweise erhebli-
chen Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern (vgl. Abb. 3.2) zeigen,

14 Die Logistikaufwendungen werden auf Basis der Ermittlungen des Gütertransportaufkom-


mens hochgerechnet. Klaus ging bei seinen Berechnungen von den Transportkosten aus.
Anhand der typischen Verteilung der Logistikkosten in Unternehmen wurden darauf aufbau-
end die Kosten für Lagerwirtschaft, Auftragsabwicklung, Administration und die Kapital-
bindung durch Bestände abgeschätzt, vgl. Klaus/Kille, 2008, S. 153ff. Ein ähnliches Vorge-
hen nutzt Wilson bei ihren jährlichen Studien.
3.2 Kostendruck 57

dass das Gesamtvolumen der Logistikausgaben erheblich ist. Studien aus dem Jahr
2008 zeigen, dass die Logistikkosten primär von steigenden Energie-, Treibstoff-
und Transportpreisen sowie von hohen Personalaufwendungen hoch getrieben
werden.15 Noch zu berücksichtigen ist, dass bestimmte Logistikkosten in Folge der
zunehmenden Tendenzen zu Globalisierung, Umwelt- und Ressourcenschutz, Si-
cherheitsanforderungen weiter steigen werden (vgl. Abb. 3.3).

Summe 12,1%

Verwaltung 1,3%

Lagerhaltung
2,5%
8,5%
7,7%
1,2% 7,3%
2,4% 0,8%
Lagerhaus 6,4% 0,8%
1,7% 6,1%
1,3%
1,0% 0,8% 1,2%

1,8% 1,0% 0,8%


1,8%
1,8%
1,5%
1,6%
5,9%
Transport
3,9% 3,5% 3,8%
2,8% 3,1%

1987 1993 1998 2003 2008 2013

Abb. 3.3 Anteil der Logistikkosten in Prozent vom Jahresumsatz. Ergebnisse einer 2008/2009
in 18 europäischen Ländern durchgeführten Studie (Quelle: European Logistics
Association /A. T. Kearney, 2009a, S. 13 und 2009b S. 13)

Obwohl der Kostendruck in den letzten Jahren von der Informationstechnologie


und dem Supply Chain Management bei den regelmäßigen Befragungen von Lo-
gistikmanagern in den USA nach den hauptsächlichen Einflussfaktoren, die die
Entwicklung der Logistik beeinflussen, in der Rangfolge überholt worden ist, 16
dürfen die Logistikkosten keineswegs vernachlässigt werden. Die Logistikkosten
sind auf vielen Märkten keine hinreichende Voraussetzung für die Erringung von
Wettbewerbsvorteilen. Sie bleiben aber auf allen Märkten eine notwendige Vo-

15 Vgl. Straube/Pfohl, 2008, S. 48ff.


16 Vgl. die Auswertung verschiedener Studien bei Pfohl, 1999, S. 205; LaLonde u.a., 2007, S.
15; LaLonde/Ginter, 2008, S. 15f.
58 3 Bedeutung der Logistik

raussetzung. Sie sind die Eintrittskarte dafür, dass man überhaupt in einem Wett-
bewerb eine Rolle spielen kann.
Die Einsparpotentiale im Bereich der Logistikkosten werden recht unterschied-
lich bewertet. Logistikmanager sehen noch Kostensenkungspotential bei den Be-
standskosten. Einsparpotentiale bei den Transportkosten könnten sich noch durch
eine bessere Auslastung der vorhandenen Transportkapazitäten ergeben, zum Bei-
spiel durch mehr Kooperation sowohl seitens der Anbieter als auch seitens der
Nachfrager auf dem Transportmarkt. Einsparpotentiale liegen weiterhin im ver-
stärkten Einsatz des Produktionsfaktors Information, der höhere Kosten verursa-
chende andere Produktionsfaktoren, z. B. Materialbestände oder Lagerhäuser, sub-
stituiert. Dies gilt vor allem für die bessere Unterstützung logistischer Planungs-
und Steuerungsprozesse. Noch zu erschließende Potentiale liegen aber auch in der
umfassenderen, unternehmensübergreifenden Optimierung der interorganisatori-
schen Logistikketten.17

3.3 Marktdruck

Ausgangssituation
Der Wettbewerb wird auf Käufermärkten mit allen Instrumenten der Marketingpo-
litik ausgetragen. Wie empirische Untersuchungen bereits in den 80er und 90er
Jahren18 übereinstimmend zeigen, kommt hierbei auf vielen Absatzmärkten von
Industrie- und Handelsunternehmen dem Lieferservice eine große Bedeutung zu.
Er ist mit der Produktqualität vielfach der gewichtigste Einflussfaktor der Ein-
kaufsentscheidung (Lieferantenwahl). 19 Bewertungskriterien für Lieferantenaus-
wahl umfassen nicht nur den zu beschaffenden Gegenstand, sonder auch die ge-
samte Leistungsfähigkeit des Lieferanten und auch die Logistikleistungen sind ein
wichtiger Bestandteil der Kriterien (vgl. Abb. 3.4). Einerseits folgt dies aus einem
Kaufverhalten, das sich durch das Bestreben nach einer Verschiebung der Lager-
haltung auf den Lieferanten auszeichnet. Damit verbunden sind kleinere Auftrags-
größen und kürzere Bestellintervalle sowie die Forderung nach speziellen Anlie-
ferbedingungen. Andererseits ist es eine Folge der auf vielen Märkten
anzutreffenden Substituierbarkeit der Sachleistungen. Wettbewerbsvorteile lassen
sich dann nur noch aufgrund einer Heterogenisierung des Angebots durch Dienst-
leistungen, z. B. logistische Dienstleistungen, erringen. Diese Möglichkeit wird
sowohl von Anbietern genutzt, um sich von Wettbewerbern zu differenzieren,
wird aber mittlerweile auch verstärkt von Kunden nachgefragt. Auf solchen Märk-

17 Vgl. Pfohl, 2004, S. 3ff.


18 Vgl. A. T. Kearney, 1993, S. 21f.; Marr, 1984, S. 34.
19 Vgl. Baumgarten/Wolff, 1999, S. 46f. In einzelnen Branchen werden den Herstellern oder
Zulieferern von den Kunden bestimmte Lieferservicekomponenten vorgeschrieben, die zur
Auftragserteilung zwingend erfüllt werden müssen, z. B. bei Just-in-Time-Lieferung (vgl.
Kap. III, Abschn. 9.2 und 10.3) oder beim Crossdocking (vgl. Teil II, Abschn. 6.1).
3.3 Marktdruck 59

• Rechtsform
• Image
• Kapitalbasis
Kriterien zur
Beurteilung der • Stellung auf dem Markt
wirtschaftlichen • Qualität des Management
Lage des • Qualität der Mitarbeiter
Lieferanten
• Kostenstruktur
• Ertragslage
• Organisation
• Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten
• Entfernung zum Abnehmer
• Anlieferungsmöglichkeiten
• Möglichkeiten zur Just-in-Time-Anbindung
Kriterien zur • Flexibilität im Hinblick auf später mögliche Änderungen
Beurteilung der • Service
grundsätzlichen
Eignung als • Garantie/ Kulanz
Zulieferer • Recyclingmöglichkeiten
• Abstimmung bzw. Integration der IT-Systeme
• Möglichkeit von gemeinsamen Investitionen
• Möglichkeit der gemeinsamen Produktionsplanung und -steuerung
• Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten
• Qualität
Kriterien zur
Beurteilung des • Preis
Lieferanten im • Lieferbedingungen
Hinblick auf das • Zahlungsbedingungen
Beschaffungsobjekt
• Liefertermine

Abb. 3.4 Bewertungskriterien der Lieferantenauswahl (Quelle: in Anlehnung an Ehrmann,


2008, S.288)

ten ist die Notwendigkeit jederzeitiger Verfügbarkeit der Ware (z. B. Präsenz der
Ware im Regal des Handels) offensichtlich. Diese Entwicklung wird auch an der
Verschiebung der Auswahlkriterien für die Fremdvergabe logistischer Leistungen
deutlich (vgl. Abb. 3.5). Faktoren wie Kosten und Zuverlässigkeit verlieren relativ
an Bedeutung, weil sie als notwendige Voraussetzung betrachtet werden. Im Ge-
gensatz dazu gewinnen die Faktoren Innovationsfähigkeit und Flexibili-
tät/Kundenorientierung als Differenzierungsmerkmale an Bedeutung.
Aus der Bedeutung des Lieferservices in Industrie und Handel folgt die Bedeu-
tung der Logistikunternehmen als Absatzhelfer von Industrie- und Handelsunter-
nehmen. Auf diese Absatzhelfer sind viele Industrie- und Handelsunternehmen
angewiesen, weil sie selbst die erforderlichen logistischen Dienstleistungen gar
nicht oder nur unter großen Mühen erbringen können. Die Gründe hierfür liegen
60 3 Bedeutung der Logistik

32%
Preis/
Kosten 28%

en
st
Ko
s/
ei
Pr 30%
Zuverlässigkeit/
Liefertreue 29%
ue
tre
er
ef
Li
it/
ke

Innovationsfähigkeit 9%
ig
ss
rl ä

11%
ng
ve

ru
Zu

ie
nt
rie
no
de

Flexibilität/ 16%
un
t/K

Kundenorientierung 18%

t
ei
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gk
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Fl

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2007
va

Entwicklungstendenz
no

2012
In

Abb. 3.5 Vier ausgewählte Kriterien für die Fremdvergabe von Leistungen der Verlader an
Logistikdienstleister (Quelle: European Logistics Association/Arthur D. Little,
2007, S. 12)

im Fehlen qualifizierter Logistikfachkräfte, im Vorherrschen von Widerständen


gegen die mit der Logistikkonzeption verbundenen organisatorischen Verände-
rungen und – vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen – in der mangeln-
den Erfahrung im Einsatz von Logistikinstrumenten (z. B. der EDV-
Unterstützung). Bei der Wahl von Logistikunternehmen spielen, wie die in der
Abb. 3.6 dargestellte empirische Untersuchung zeigt, Transportkosten keineswegs
die allein ausschlaggebende Rolle. Von größerer Bedeutung ist meist die Qualität
der angebotenen logistischen Dienstleistungen.20

Zukünftiger Trend
Die eher noch zunehmende Substituierbarkeit der Produkte und die zunehmende
Verbreitung des Wissens über die aus der Logistikkonzeption resultierenden Vor-
teile sowohl bei den Kunden als auch bei den Konkurrenten werden auf vielen
Märkten die Bedeutung des Lieferservice als Instrument zur Behauptung im Wett-
bewerb noch weiter steigern. Der mit einem Anheben des Lieferserviceniveaus im
Allgemeinen verbundene überproportionale Anstieg der Logistikkosten zwingt al-

20 Vgl. Large u.a., 2000, S. 41ff.; European Logistics Association/Authur D. Little, 2007, S. 12.
3.3 Marktdruck 61

1 2 3 4 5
Beurteilungskriterien
Zuverlässigkeit beim Einhalten der Laufzeit
Preis
Servicequalität (Zustellfehler, Beschädigungen)
Verhalten bei Nachforschungen
Sendungsverfolgungssystem
Sendungslaufzeit 24 Stunden
Zustand der Transportmittel
Beratungskompetenz der Mitarbeiter
EDV-Anbindung
internationale Ausrichtung
Technologische Fortschrittlichkeit der Transportmittel
Einbindung in Netzwerke mit anderen Speditionen
ergänzende logistische Leistungen
fester Kundenbetreuer
mobiler Stauraum
regionale Marktstärke
Image

Abb. 3.6 Bedeutung von Beurteilungskriterien bei der Auswahl von Speditions- bzw. Trans-
portunternehmen für die Transportdurchführung im Beschaffungsbereich (1 = keine
Bedeutung, 5 = sehr große Bedeutung). Ergebnisse einer 1997 bei 533 Unterneh-
men in Deutschland durchgeführten Befragung (Quelle: Pfohl/Schäfer, 1998, S. 86)

lerdings zu einer differenzierten Lieferservicepolitik. Über ein möglichst hohes


Basisserviceniveau hinaus, das allen Kunden gleichermaßen angeboten wird, ist es
nötig, für bestimmte Kunden oder Kundengruppen einen auf die spezifischen An-
forderungen zugeschnittenen Individualservice anzubieten und den Kunden
dadurch dauerhaft an das Unternehmen zu binden. Hierbei ist vor allem die Seg-
mentierung der Kunden entsprechend ihrer Anforderungen und ihrer Bedeutung
für das Unternehmen nötig. Dies wird zu einer differenzierten Marketingstrategie
bezüglich der ergänzenden Logistikleistungen führen, wie sie für den Einsatz an-
derer Marketinginstrumente (z. B. Qualitätsdifferenzierung, Preisdifferenzierung)
schon lange üblich ist.21
Maßgeblich beeinflusst wird dies von dem anhaltenden Trend, sich innerhalb
eines Unternehmens auf Kernkompetenzen zu konzentrieren und andere Leistun-
gen darauf spezialisierten Unternehmen zu übertragen (Outsourcing, vgl. hierzu
Teil IV, Abschn. 17.3). Dies führt dazu, dass die Anzahl der Schnittstellen in lo-

21 Vgl. Pfohl, 1998, S. 31ff. Untersuchungen haben gezeigt, dass Unternehmen, die kundenin-
dividuelle ergänzende Serviceleistungen anbieten, überdurchschnittlich erfolgreich sind, vgl.
ebenda, S. 29f.; Straube u. a., 2005, S. 20f.; Doch, 2009, S. 1f.
62 3 Bedeutung der Logistik

gistischen Ketten zunimmt. Gleichzeitig gibt es Bestrebungen, die Unternehmen


innerhalb der logistischen Ketten besser untereinander zu koordinieren, was letzt-
lich dazu führt, dass die Anforderungen an Unternehmen und logistische Dienst-
leister bzgl. des Lieferservices aber auch der Informations- und Kommunikations-
fähigkeiten ständig zunehmen.
Die Logistikunternehmen werden sich beim Angebot logistischer Dienstleis-
tungen vor allem mit drei Entwicklungen konfrontiert sehen. 22 Erstens wird der
harte Wettbewerb auf den Verkehrsmärkten zunächst kaum dazu beitragen, dass
sich das niedrige Erfolgsniveau nennenswert zu Gunsten der Transportunterneh-
men verändern wird.23 Durch ordnungspolitische Maßnahmen (Erhöhung der Mi-
neralölsteuer, Erhebung einer fahrtstreckenbezogenen Autobahnbenutzungsge-
bühr) wurde die Ertragslage der Güterkraftverkehrsunternehmen insgesamt
negativ beeinflusst. 24 Die Osterweiterung der EU hat dazu beitragen, dass noch
mehr Wettbewerber einen vereinfachten Marktzugang erhalten, die günstigeren
Rahmenbedingungen hinsichtlich der Kosten unterliegen.25 Als wichtiger Wettbe-
werbsvorteil wird sich die Fähigkeit, kundenspezifische Logistikdienstleistungen
zu erbringen, herauskristallisieren. Darüber lassen sich zum einen höhere Preise
durchsetzen, zum anderen spielen bei einer Ausdehnung des logistischen Leis-
tungsangebots über die Transportleistung hinaus die Transporttarife nur noch eine
untergeordnete Rolle für die Preisbildung.
Damit ist eine zweite Entwicklung auf den Verkehrsmärkten angesprochen: Die
qualitative Veränderung der Nachfrage. 26 Entsprechend der Logistikkonzeption
sieht man in der verladenden Wirtschaft den Transport zunehmend nur noch im
logistischen Gesamtzusammenhang, wodurch sich die Nachfrage von der reinen
Transportleistung auf integrierte logistische Leistungen verlagert. Für die Trans-
portunternehmen bedeutet das, dass der Transport nie Selbstzweck, sondern im-
mer nur Mittel zum Zweck der Raum- und Zeitüberwindung ist. Ein Transportun-
ternehmen darf sich deshalb nicht von vornherein auf ein ganz bestimmtes
Transportmittel beschränken, sondern muss zunächst alle Möglichkeiten zur Erfül-
lung der Transportfunktion (z. B. neben Straßenverkehr auch Kombinierten Ver-
kehr) in seine Angebotsstrategien einbeziehen. Denn auch bei der Transportnach-
frage selbst zeichnet sich der Trend nach einem höheren Qualitätsprofil27 mit der
Folge einer Notwendigkeit zur Transportmittelveredelung im Angebot ab.

22 Zur Entwicklung der Transportwirtschaft allgemein vgl. Aberle, 2009, S. 40ff.


23 Zur derzeitigen Wettbewerbs- und Preissituation vgl. regelmäßige Berichte: Marktbeobach-
tung Güterverkehr von Bundesamt für Güterverkehr.
24 Vgl. Bundesamt für Güterverkehr, 2006a, S. 14.
25 Zur Wettbewerbssituation nach der EU-Osterweiterung vgl. Bundesamt für Güterverkehr,
2006b, S. 1ff.
26 Vgl. die Entwicklung des logistischen Bedarfs gegliedert nach Wirtschaftssektoren bei Sta-
benau, 1994, S. 19.
27 Vgl. Aberle, 2009, S. 239ff.
3.4 Stellenwert im Unternehmen 63

Dies steht im Zusammenhang mit dem technischen Fortschritt als dritte Ent-
wicklung auf den Verkehrsmärkten. Der technische Fortschritt innerhalb beste-
hender Transportsysteme bei den Fahrwegen (z. B. Schienenwege für schnellere
Züge), bei den Fahrzeugen (z. B. neue Antriebsformen) und bei den Stationen
(z. B. neue Umschlagstechnologien) oder bei Warenflusssteuerung (z. B. RFID-
Technologie28) bildet die Grundlage einer Industrialisierung der Produktion von
Verkehrsleistungen. Sie äußert sich in einer verstärkten Mechanisierung und Au-
tomatisierung, in der Herstellung der Massenhaftigkeit der Produktion und in einer
größeren Kapitalintensität.

3.4 Stellenwert im Unternehmen


Die Logistik ist nicht für alle Unternehmen von gleicher Bedeutung, sondern ihr
Stellenwert wird insbesondere von der Bedeutung des Lieferservice für das Mar-
keting und des Versorgungsservice für die Produktion sowie von der Bedeutung
der Logistikkosten abhängen. Diese beiden Einflussfaktoren des Stellenwertes der
Logistik im Unternehmen werden im Folgenden dargestellt. Danach werden ab-
schließend zu diesem Grundlagenkapitel zusammenfassend Aussagen zur steigen-
den Bedeutung des Stellenwertes der Logistik im Unternehmen gemacht.

Hypothesen zur Bedeutung des Service


Die Bedeutung des Lieferservice als Instrument der Marketingpolitik kann durch
fünf plausibel erscheinende Hypothesen dargestellt werden:29
Je höher der Grad an Substituierbarkeit für ein Produkt ist, desto größer ist die
Bedeutung des Lieferservice. Diese Hypothese ist plausibel, weil bei leicht substi-
tuierbaren Produkten – sie zeichnen sich im allgemeinen durch gleiche oder ähnli-
che Funktionserfüllung, Qualität und Preise aus – der Kunde den Lieferanten
leicht wechseln kann.
Je höher die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit von Transport, Verpa-
ckung und Lagerhaltung sind, die von den physischen Produkteigenschaften aus-
gehen, desto größer ist die Bedeutung des Lieferservice. Diese Hypothese ist plau-
sibel, weil derartige Anforderungen ein hohes Lieferserviceniveau bedingen, das
zur Voraussetzung für die Absetzbarkeit eines Produktes wird. Ein Beispiel sind
die Anforderungen, die leicht verderbliche Waren an die Auslieferung stellen.
Je höher das Lieferserviceniveau der Konkurrenz ist, desto größer ist die Be-
deutung des Lieferservice. Diese Hypothese ist plausibel, weil die Serviceerwar-
tungen des Kunden auch vom Lieferserviceniveau der Konkurrenz geprägt wer-
den.
Je mehr sich der Standort des Kunden in der Nähe von Ballungszentren befin-
det, desto größer ist die Bedeutung des Lieferservice. Diese Hypothese ist plausi-
bel, weil sich im Allgemeinen in der Nähe von Ballungszentren die Auslieferungs-

28 RFID: Radio Frequency Identification.


29 Folgendes in enger Anlehnung an Pfohl, 1977, S. 248.
64 3 Bedeutung der Logistik

lager befinden und die Verkehrsanbindungen und das Angebot an Transportleis-


tung gut sind. Da der Kunde das weiß, werden auch davon seine Lieferserviceer-
wartungen geprägt.
Je größer die Abhängigkeit des Kunden aufgrund seiner Produktions-, Lager-
haltungs- oder Verkaufsbedingungen von einem Produkt ist, desto größer ist die
Bedeutung des Lieferservice. Diese Hypothese ist plausibel, weil dem Kunden bei
einer solchen Abhängigkeit aufgrund eines schlechten Lieferservice große Kosten
bzw. Absatzverluste entstehen können. Das trifft beispielsweise zu, wenn der
Kunde nur relativ geringe Lagerbestände besitzt und deshalb auf eine schnelle und
zuverlässige Belieferung angewiesen ist.
Die zweite und die fünfte Hypothese lassen sich auch auf den Versorgungsser-
vice übertragen. Der Versorgungsservice ist also von umso größerer Bedeutung
für ein Unternehmen, je größer die Anforderungen sind, die von den physischen
Produkteigenschaften des Materials ausgehen und je größer die Abhängigkeit der
Produktion von einem Einsatzstoff ist.

Hypothesen zur Bedeutung der Logistikkosten


Bezüglich der Bedeutung der Logistikkosten lassen sich in Abhängigkeit von der
Distanz der Beschaffungs- und Absatzmärkte vom Unternehmen und von der Pro-
duktart vier plausibel erscheinende Hypothesen formulieren, aus denen sich wie-
derum Anhaltspunkte für den Stellenwert der Logistik im Unternehmen ableiten
lassen. Die tendenziellen Kostenverläufe sind in Abb. 3.7 und Abb. 3.8 dargestellt.
Je größer die Entfernung der Märkte ist, von denen die Güter beschafft oder auf
denen die Güter abgesetzt werden, desto größer ist der Anteil der Logistikkosten
am Umsatz. Diese Hypothese ist plausibel, weil mit wachsender Entfernung die
Transport- und Kommunikationskosten zur Raumüberbrückung steigen. Aller-
dings steigen diese Kosten aufgrund der Ausnutzung von Größenvorteilen (Bün-
delungseffekten) über lange Distanzen nur degressiv an, wie Abb. 3.7 zeigt. Neue-
re Entwicklungen in der Transport- und Kommunikationstechnologie führen
zudem zu einer wachsenden Entfernungskostendegression, so dass die Marktent-
fernung eine zunehmend geringere Rolle spielt.
Je größer die Dichte bzw. die Packdichte der Güter ist, desto niedriger ist der
Anteil der Logistikkosten am Umsatz. Diese Hypothese ist plausibel, weil sich der
Lagerraum durch Güter mit hoher Dichte, z. B. Stahlblöcke oder Bücher, besser
ausnutzen lässt als durch Güter mit niedriger Dichte, z. B. Kopfkissen oder Bälle.
Dies führt zu tendenziell sinkenden relativen Lagerkosten. Da aus dem gleichen
Grund die Transportkapazitäten besser ausgelastet werden können, sinken in der
Tendenz ebenfalls die relativen Transportkosten.
3.4 Stellenwert im Unternehmen 65

Logistikkosten/
Transport- und Früher
Kommunikations-
kosten

Heute

Marktentfernung

Abb. 3.7 Tendenzieller Verlauf der Logistikkosten – insbesondere der Transport- und Kom-
munikationskosten – je Gütereinheit in Abhängigkeit von der Marktentfernung

Je höher das Wert/Gewicht-Verhältnis bzw. das Wert/Volumen-Verhältnis der


Güter ist, desto niedriger ist zunächst der relative Anteil der Logistikkosten am
Umsatz. Ab einem bestimmten Verhältnis steigt allerdings der Anteil. Dieser ten-
denzielle Gesamtkostenverlauf ergibt sich aus dem unterschiedlichen Verlauf der
Lager- und Transportkosten. Die relativen Lagerhaltungskosten steigen mit stei-
gendem Wert/Gewicht- bzw. Wert/Volumen-Verhältnis. Diese Hypothese ist
plausibel, weil durch Güter mit einem hohen Wert/Gewicht- bzw. Wert/Volumen-
Verhältnis, z. B. elektronische Gegenstände oder Diamanten, mehr Kapital im La-
ger gebunden ist als durch Güter mit einem niedrigen Wert/Gewicht- bzw.
Wert/Volumen-Verhältnis, z. B. Gemüse oder Bauholz. In der Tendenz umgekehrt
ist das Ergebnis, wenn man die relative Höhe der Transportkosten betrachtet.
Je größer die Gefährlichkeit bzw. Empfindlichkeit der Güter ist, desto höher ist
der relative Anteil der Logistikkosten am Umsatz. Diese Hypothese ist plausibel,
weil toxische, explosive, radioaktive, empfindliche oder leicht verderbliche Güter
tendenziell höhere Lager- und Transportkosten verursachen als ungefährliche bzw.
weniger empfindliche Güter. Beispielsweise müssen frisches Obst und gefrorene
Lebensmittel in speziellen Transportmitteln befördert und in speziellen Lagerhäu-
sern aufbewahrt werden. Die Möglichkeit des Verderbs begrenzt überdies die
Zeitspanne, die diese Güter im logistischen System verweilen können.
66 3 Bedeutung der Logistik

Logistik- Logistik-
kosten kosten Gesamtkosten

Gesamtkosten
Transportkosten Lagerkosten
Lagerkosten
Transportkosten

Dichte Wert Wert


oder
Gewicht Volumen
tendenzieller Verlauf der Logistikkosten tendenzieller Verlauf der Logistikkosten
gemessen in % vom Verkaufspreis in gemessen in % vom Verkaufspreis bei
Abhängigkeit von der Dichte bzw. der steigendem Wert/Gewichts- bzw.
Packdichte in t/m3eines Gutes Wert/Volumen-Verhältnis eines Gutes

Logistik-
kosten
Gesamtkosten
Transportkosten
Lagerkosten

Gefährlichkeit

tendenzieller Verlauf der Logistikkosten


gemessen in % vom Verkaufspreis bei
zunehmender Gefährlichkeit eines Gutes

Abb. 3.8 Tendenzieller Verlauf der Logistikkosten in Abhängigkeit von der Produktart (Quel-
le: Vgl. Ballou, 2004, S. 72ff.; Heskett u.a., 1973, S. 45ff.)

Stellenwert der Logistik im Unternehmen in Abhängigkeit von der Branche


Aus den Ausführungen über die Bedeutung von Logistikkosten und Service ergibt
sich, dass die Logistik nicht für alle Branchen von gleicher Bedeutung ist. 30 Die
Bedeutung der Logistik hängt davon ab, welche Güter durch das logistische Sys-
tem fließen. Es ist leicht einzusehen, dass sich die Logistikprobleme bei einer
einmaligen Auslieferung eines für einen bestimmten Abnehmer in Einzelfertigung
hergestellten hochwertigen Investitionsgutes in ihrer Bedeutung völlig von denen
unterscheiden, die sich bei der ständigen Versorgung eines anonymen Marktes mit
relativ billigen Verbrauchsgütern ergeben. 31

30 Vgl. Pfohl, 1972, S. 82f. Zur Diskussion der Branchenabhängigkeit der Logistik vgl. Schu-
macher, 1988, S. 96ff.; Kummer, 1992, S. 40f.
31 Vgl. Hallbauer/Knödel, 1977, S. 16ff.
3.4 Stellenwert im Unternehmen 67

Eine Analyse der Logistikkosten und des Services zeigt beispielsweise, dass die
Logistik für Verbrauchsgüter des täglichen Bedarfs eine große Bedeutung haben
muss. Das sind Güter, die relativ billig sind und die ohne lange Qualitäts- und
Preisvergleiche gekauft werden, da wesentliche Unterschiede bei den konkurrie-
renden Produkten nicht bestehen. Dies trifft etwa auf weite Bereiche der Nah-
rungsmittelindustrie zu. So ist es nicht verwunderlich, dass gerade Unternehmen
der Nahrungsmittelindustrie zu den Pionieren im Bereich der Logistik gezählt
werden müssen.
Bei vielen Erzeugnissen der chemischen Industrie liegt der Anteil der Logistik-
kosten am Umsatz ebenfalls sehr hoch und es bestehen kaum Preis- und Qualitäts-
unterschiede zwischen den konkurrierenden Produkten, so dass die Logistik auch
bei diesen Gütern von großer Bedeutung ist. Natürlich kann die Bedeutung der
Logistik für eine Branche auch dann groß sein, wenn der Anteil der Logistikkos-
ten relativ niedrig, der Service aber sehr wichtig ist. Dies dürfte für Büromaschi-
nen und Haushaltsgeräte einschließlich des damit verbundenen Ersatzteilgeschäf-
tes zutreffen. In Abb. 3.9 wird der Versuch unternommen, verschiedene Branchen
in einer Matrix entsprechend der Bedeutung der Logistik als Instrument der Ratio-
nalisierung und des Lieferservice als Instrument der Marketingpolitik zur Diffe-
renzierung zu positionieren.
Zur Gewährleistung ihres Stellenwertes im Unternehmen ist die Logistik in
zweierlei Weise zu implementieren, zum einen als Querschnittsfunktion und zum
anderen als Unternehmensprinzip.

Logistik als Querschnittsfunktion und als Unternehmensprinzip


Die Implementierung der Logistik als Querschnittsfunktion in Unternehmen32 führt
bei entsprechender instrumenteller und institutioneller Absicherung einerseits zur
Ausnutzung der mit der Funktionsspezialisierung verbundenen Erfahrungskurven-
und Synergieeffekte. Andererseits führt sie zur bereichs- und sogar unternehmens-
übergreifenden Koordination von Logistikentscheidungen. 33 Der durch entspre-
chende Anreizmechanismen und organisatorische Aufgaben-, Kompetenz- und
Verantwortungsabgrenzungen geförderte Bereichsegoismus vertikal gegeneinan-
der abgeschotteter Funktionen wird ersetzt durch horizontal die anderen Funktio-
nen durchdringende Querschnittsfunktionen mit einer einheitlichen Zielsetzung.
Besondere Bedeutung kommt hierbei der intraorganisatorischen Gestaltung der
Schnittstellenaufgaben zwischen Logistik einerseits sowie Beschaffung, Produkti-
on, Absatz und Entsorgung andererseits zu. Das vertikale Gegeneinander in einer

32 Siehe Abb. 2.9.


33 Vgl. Pfohl, 1991, S. 4f. Weber, 1996 unterscheidet mit der Logistik als funktionaler Spezia-
lisierung und der Logistik als unternehmensbereichs-/unternehmensübergreifende Koordina-
tionsfunktion zwei Entwicklungsstufen der Logistik. Nach dem Grad der Flussorientierung
detailliert er diese Unterscheidung weiter in funktionale Spezialisierung, Koordinationsfunk-
tion der Logistik, Fluss- bzw. Prozessorientierung und Supply Chain Management. Vgl. We-
ber/Dehler, 2000; Pfohl, 2016, S. 25.
68 3 Bedeutung der Logistik

hoch
Handel/
Konsumgüter

Chemische
Industrie
Maschinenbau/
Geräte
Differenzierung

Papierindustrie

Anlagenbau Elektro- Automobil-


technik industrie

niedrig hoch
Rationalisierung

Abb. 3.9 Bedeutung der Logistik als Instrument der Rationalisierung und des Lieferservice
als Instrument zur Differenzierung für einzelne Branchen (Quelle: in Anlehnung
an Kowalski, 1992, S. 130)

Misstrauensorganisation wird abgelöst durch ein horizontales Miteinander in einer


Vertrauensorganisation, in der man auch gegenseitige Abhängigkeiten akzeptiert.
Unternehmensübergreifend lässt sich diese Aussage auf die interorganisatorische
Gestaltung der Schnittstellen zwischen dem Unternehmen und seinen Lieferanten
und Kunden übertragen.
Die Implementierung der Logistik als Unternehmensprinzip 34 (Leitungs- oder
Managementkonzept) führt zur Berücksichtigung des der Logistikkonzeption ei-
genen Denkansatzes bei der Problemstellung und -lösung auch in anderen Funkti-
onsbereichen des Unternehmens. Die Koordination der Entscheidungen läuft hier
also schon in den Köpfen der Mitarbeiter bei der Bearbeitung von Problemstellun-
gen ab. Die Unterscheidung zwischen Funktion und Unternehmensprinzip findet
sich auch beim Marketing. Marketing kann zum einen als spezialisierte Funktion
implementiert werden. Zum anderen bedeutet die Implementierung als Unterneh-
mensprinzip, dass auch in den anderen Funktionsbereichen des Unternehmens
kundenorientiert gehandelt werden soll.35

34 Ausführlich behandelt bei Pfohl, 2016, S. 36ff.


35 Zu diesem Unterschied vgl. Meffert u.a., 2012, S. 13f.
3.4 Stellenwert im Unternehmen 69

Teilweise wird sogar die Meinung vertreten, die Logistik mit ihrem traditionel-
len Merkmal der Prozessorientierung biete das Potential zu einer logistikorientier-
ten Organisations- oder Managementtheorie 36 oder lasse sich als eine spezielle
Ausprägung einer (Meta-)Führungslehre37 verstehen, in der alle prozessbezogenen
Ansätze der Unternehmensführung zu integrieren seien. Sicherlich braucht man
nicht so weit zu gehen, um der Bedeutung der Logistik gerecht zu werden! Sie hat
jedoch einen großen Einfluss auf wichtige Teilbereiche der Betriebswirtschaftsleh-
re, auf den abschließend in diesem Grundlagenkapitel eingegangen werden soll:38
In der Verkehrsbetriebslehre als einer speziellen Betriebswirtschaftslehre ge-
mäß der institutionellen Gliederung der Betriebswirtschaftslehre hat die Logistik-
konzeption zu einer Erweiterung des Erfahrungs- und Erkenntnisobjektes geführt.
Erfahrungsobjekte sind heute alle Unternehmen, die logistische Dienstleistungen
auf dem Markt anbieten. Zu ihrer Bezeichnung haben sich die Begriffe Logistik-
unternehmen oder logistische Dienstleister durchgesetzt. Bei der Gewinnung von
neuen Erkenntnissen ist die Verkehrsbetriebslehre dabei verstärkt auf die For-
schungsergebnisse technischer Nachbarwissenschaften und der Informatik ange-
wiesen, wobei der Blick für die komplexen Schnittstellen zu den Logistiksystemen
der Industrie und des Handels geöffnet wird. Diese Entwicklung kommt auch da-
rin zum Ausdruck, dass einer der Träger der Logistikidee die Gesellschaft für
Verkehrsbetriebswirtschaft und Logistik e. V. (GVB) ist.
In der Materialwirtschaft als einer betriebswirtschaftlichen Teildisziplin gemäß
der funktionellen Gliederung der Betriebswirtschaftslehre hat die Logistikkonzep-
tion zu einer deutlichen Profilierung der zwei unterschiedlichen materialwirt-
schaftlichen Teilfunktionen Einkauf und Materiallogistik geführt, die beide zur Er-
füllung des materialwirtschaftlichen Ziels der Versorgung des Unternehmens mit
Material i. w. S. beitragen. Charakteristisch für den Einkauf ist die Marketingori-
entierung zur aktiven Beschaffungsmarktforschung und Beschaffungsmarktbeein-
flussung in Hinblick auf eine Sicherung der Lieferkapazität. Charakteristisch für
die Materiallogistik ist die Logistikorientierung bei der Gestaltung der Lieferkette
(Supply Chain) vom Lieferanten zur Produktion (Verbindung der Lieferkapazitä-
ten mit den Produktionskapazitäten) beim Industrieunternehmen oder zu den Ver-
kaufsstellen (Absatzkapazitäten) beim Handelsunternehmen. Bei der Entwicklung
von Einkaufsstrategien und der Lieferantenauswahl finden zunehmend logistische
Beurteilungskriterien Beachtung. Auch im Bereich der Materialwirtschaft gibt es
als einen Träger der Logistikidee eine Gesellschaft, nämlich den Bundesverband
für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME).
In der Produktionswirtschaft als einer betriebswirtschaftlichen Teildisziplin
gemäß der funktionellen Gliederung der Betriebswirtschaftslehre hat die Logistik-
konzeption zu einer neuen Gewichtung der bei der Produktionssteuerung verfolg-
ten Ziele und damit zu neuen Handhabungen des als Dilemma der Produktions-

36 Vgl. Klaus, 1998, S. 74ff.


37 Vgl. Weber, 1996.
38 Vgl. Pfohl, 1991, S. 5ff. und die dort aufgeführte Literatur.
70 3 Bedeutung der Logistik

steuerung bekannten Zielkonfliktes geführt. Im Vergleich zum Ziel einer mög-


lichst hohen Kapazitätsausnutzung hat das Ziel einer möglichst kurzen Durchlauf-
zeit an Gewicht gewonnen. Außerdem erhalten logistische Fragestellungen rund
um die Montage bei einer tendenziell zurückgehenden Fertigungstiefe zunehmen-
de Bedeutung.
Seit den Ursprüngen der Unternehmensforschung (des Operations Research)
spielen quantitativ formulierte Modelle zur Unterstützung von Entscheidungen in
logistischen Subsystemen (z. B. optimale Bestellmenge, optimale Standorte oder
optimale Touren) eine große Rolle. Unter dem Einfluss der Logistikkonzeption
verlagert sich der Schwerpunkt weg von Optimierungsmodellen zur Lösung logis-
tischer Teilprobleme hin zur Formulierung komplexer Simulationsmodelle, mit
denen logistische Systemzusammenhänge abgebildet und Gestaltungsalternativen
im Computerexperiment ausgetestet werden können.
In der Informatik werden unter dem Einfluss der Logistikkonzeption auf der
Basis relationaler Datenbanksysteme funktions-, bereichs- und unternehmens-
übergreifende Informationssysteme zur Auftragsabwicklung sowie Steuerung und
Kontrolle der Güterströme in und zwischen Unternehmen entwickelt. Außerdem
wird die Logistikidee auf die Gestaltung von Informationssystemen selbst ange-
wendet. Man spricht dann von Informationslogistik, deren Aufgabe es ist, die rich-
tige Information, im richtigen Zustand, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort zu den
dafür minimalen Kosten zur Verfügung zu stellen.

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Teil II Verrichtungsspezifische Subsysteme der
Logistik

Jedes System lässt sich in ein übergeordnetes System einordnen sowie in eine An-
zahl von Subsystemen aufgliedern. Eine Aufgliederung des Gesamtsystems der
Logistik in Subsysteme ermöglicht eine Konkretisierung der für die Logistik cha-
rakteristischen Entscheidungsprobleme. Das Gesamtsystem der Logistik wird
hierzu entsprechend der in Teil I vorgenommenen funktionellen Abgrenzung in
die Folgenden verrichtungsspezifischen Subsysteme zerlegt:
x Auftragsabwicklung,
x Lagerhaltung,
74 3 Bedeutung der Logistik

x Lagerhaus,
x Verpackung,
x Transport.
Im Rahmen dieses Buches ist es nicht möglich, die verrichtungsspezifischen
Subsysteme der Logistik in ihrer gesamten Breite und Tiefe darzustellen, sondern
es ist eine Beschränkung auf grundlegende Aspekte notwendig. Hierzu wird je-
weils jedes verrichtungsspezifische Subsystem definiert und seine Funktionen im
Gesamtsystem der Logistik werden erörtert. Danach folgt eine Charakterisierung
der im verrichtungsspezifischen Subsystem wahrzunehmenden Aufgaben.
Schließlich wird noch auf spezifische Entscheidungstatbestände eingegangen, die
für das jeweils behandelte verrichtungsspezifische Subsystem als besonders ty-
pisch anzusehen sind.
Es erfolgt eine Beschränkung auf die Logistiksysteme in Industrie- und Han-
delsunternehmen.1 In der Handelsliteratur wird das Logistiksystem auch als Teil
der Warenwirtschaft des Handelsunternehmens diskutiert. 2 Unter Warenwirtschaft
ist die physische, administrative und dispositive Behandlung von Handelsware zu
verstehen. Sie lässt sich in die funktionalen Subsysteme Warenwirtschaftssystem
und Warenprozesssystem zerlegen. Das Warenwirtschaftssystem umfasst alle wa-
renbezogenen Informationsprozesse und wird im Abschnitt über die Auftragsab-
wicklung gesondert dargestellt. Das Warenprozesssystem umfasst alle warenbezo-
genen physischen Prozesse. Dazu gehören die im Folgenden zu behandelnden
logistischen Teilprozesse des Warenflusses als auch die Veränderung der Ware
durch handelsübliche Manipulation.
Die Logistikunternehmen werden in Teil IV gesondert behandelt. Die Logistik
in den anderen Dienstleistungsunternehmen wird nicht an besonderer Stelle darge-
stellt, da die Logistikproblematik vergleichsweise gering ist, wenn lediglich Be-
triebsstoffe als logistische Objekte betrachtet und die anstehenden Logistikprob-
leme von ihrer Art denen in Industrie- und Handelsunternehmen ähneln. Die
Übertragung der Logistikkonzeption auf spezifische Dienstleistungen, die etwa
von einer Bank am Markt angeboten werden, kann im Rahmen dieses Buches
nicht geleistet werden.

1 Speziell zu Handelsunternehmen vgl. Prümper, 1979; Toporowski, 1996; Schnedlitz/Teller,


1999; Arnold u. a., 2008, S. 525ff.; Seeck u.a., 2014. Speziell zur Logistik in der Bauwirt-
schaft vgl. Günthner/Zimmermann, 2008; Ebel, 2012.
2 Vgl. Ebert, 1986, S. 49ff. und S. 70ff.
4 Auftragsabwicklung

4.1 Definition und Funktionen der Auftragsabwicklung

Definition
Der Auftrag ist die Grundlage des Informationsflusses im Logistiksystem. Abb.
4.1 zeigt, welche Informationen einem vollständig ausgefüllten Auftragsformular
auf jeden Fall zu entnehmen sein sollten. Die Vollständigkeit und Richtigkeit der
Informationen sind deshalb so wichtig, weil sie der Input für das Logistiksystem
sind. Fehler bei diesen Informationen können durch Kontrollen im System im All-
gemeinen nicht mehr aufgedeckt werden, sondern machen sich erst bemerkbar,
wenn die Güter beim Empfangspunkt eintreffen. Außerdem ist der Auftrag eine
wichtige Informationsquelle für andere Unternehmensbereiche.
Als externer Auftrag (Kundenauftrag) ist er ein wichtiges Bindeglied für die
Distributionslogistik des Lieferanten und die Beschaffungslogistik des Kunden.
Als interner Auftrag ist er das Bindeglied zwischen intraorganisatorischen Lo-
gistiksystemen, wie z. B. zwischen Produktionslogistik und Beschaffungslogistik
oder Zentrallager und Außenlager. Die Auftragsabwicklung wird im Folgenden
am Beispiel des externen Auftrags definiert. Diese Definitionen lassen sich jedoch
analog auf interne Aufträge mit unterschiedlichen Empfangs- und Lieferpunkten
übertragen. Bei der Definition der Auftragsabwicklung können zwei Sichtweisen –
eine aus dem Bereich der Distributionslogistik und eine aus dem Bereich der Pro-
duktionslogistik – unterschieden werden.
Definitionen aus dem Bereich der Distributionslogistik betonen die funktionel-
le Dimension der Auftragsabwicklung. Entsprechend lässt sich die Auftragsab-
wicklung als die Übermittlung und „datenmäßige Bearbeitung und Kontrolle der
Aufträge vom Zeitpunkt der Auftragsaufgabe beim Kunden bis zur Ankunft der
Sendungsdokumente und Rechnungen beim Kunden“1 definieren. Im Mittelpunkt
der Auftragsabwicklung steht somit der Formularfluss zur Erledigung eines Auf-
trages. Sie bildet neben der Kommissionierung, der Verpackung und dem Trans-
port einen Teil des Auftragszyklusses.2 Unterschiede zwischen den verschiedenen
Definitionen dieser Sichtweise beruhen im Wesentlichen auf der Einbeziehung
von Materialflussaufgaben sowie dem Grad der Einbeziehung des finanzwirt-
schaftlichen Stroms (z. B. Debitorenkontokorrent).

1 Klee/Türks, 1970, S. 69. Vgl. auch Türks, 1972, S. 67f.; Specht/Fritz, 2005, S. 159 f.
2 Vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 146ff.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018


H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4_4
76 4 Auftragsabwicklung

Auftragsformular

Auftragsnummer, Auftragsdatum

Kundenadresse und Kundennummer

Branche des Kunden, Stellung im Absatzweg

Verkäufer und Verkaufsgebiet

Artikelbezeichnung und Artikelnummer

Menge des Artikels, Bruttopreis

Verkaufsbedingungen, Rabatte

Transportmittel, zu berechnender
Versandkostenanteil

Versandanschrift, Liefertermin

Abb. 4.1 Der Auftrag als Informationsquelle

In einer im Vergleich zu dieser engen distributionslogistischen Sicht weiter ge-


fassten Definition aus dem Bereich der Produktionslogistik wird die Auftragsab-
wicklung als marktgerechte Steuerung der Material- und Informationsflüsse vom
Rohmateriallieferanten bis zum Endkunden definiert. Sie wird somit zum umfas-
senden Konzept aller am Auftragsdurchlauf beteiligten Funktionsbereiche. 3 Die
Auftragsabwicklung kann definiert werden als zentraler Aufgabenbereich zur Er-
füllung der Leistungsverpflichtung innerhalb der industriellen Produktion. Sie bil-
det „das Bindeglied zwischen den externen Informationen und deren interner Um-
setzung, indem sie die vom Markt induzierten Anfragen und Aufträge in konkrete
innerbetriebliche Vorgaben und Handlungsweisen umwandelt. Folglich berührt
die Auftragsabwicklung nahezu sämtliche Unternehmensbereiche, die entweder
mit der direkten Leistungserstellung befasst sind oder für die, als angrenzende
administrative Bereiche, entsprechende Daten und Kontrollinformationen bereit-
zustellen sind.“4
Diese Sichtweise ist typisch für die kundenspezifische Montage, Produktion
und Konstruktion, wobei Auftragsabwicklung in vielen Fällen mit der Produkti-
onsplanung und -steuerung gleichgesetzt wird. In diesen Definitionen wird zudem
häufig zwischen technischer und kaufmännischer Auftragsabwicklung differen-
ziert. Während die technische Auftragsabwicklung die vertriebliche Angebots-

3 Vgl. zu diesem Konzept Rohweder, 1995; Knolmayer/Mertens/Zeier, 2000, S. 2 und S. 25ff.


Siehe auch Teil III, Abschn. 10.3.
4 Wildemann, o. J., S. 49.
4.1 Definition und Funktionen der Auftragsabwicklung 77

schreibung, Konstruktion, Arbeitsvorbereitung, Beschaffung, Teilefertigung,


Montage und den Versand umfasst, gehören zur kaufmännischen Auftragsabwick-
lung Kalkulation, Einkauf und Finanzbuchhaltung.
Die für die Auftragsabwicklung benötigte Zeit ist ein wesentlicher Bestandteil
der Lieferzeit. Denn diese entsteht nicht nur während der physischen Bewegung
der Güter zwischen Liefer- und Empfangspunkt. Sie umfasst auch die notwendige
Zeit, die für die zuvor stattfindenden Kommunikationsvorgänge und für die not-
wendige Bearbeitung der Auftragsdokumente benötigt wird. Um die Bedeutung
der Auftragsabwicklung für die Lieferzeit deutlich zu machen, wird anstelle des
Begriffs Lieferzeit auch der Begriff Auftragsperiode verwendet. Sehr häufig wird
der Anteil der Zeit für die Auftragsübermittlung an der Länge der Lieferzeit unter-
schätzt. Eine Analyse der Lieferzeit eines Unternehmens ergab beispielsweise,
dass die Zeit für die Auftragsübermittlung 20% der gesamten Lieferzeit betrug,
wenn die Lieferzeit kurz war; sie betrug dagegen 75%, wenn die Lieferzeit lang
war.5 Die Ursache für eine lange Lieferzeit lag in diesem Fall also vor allem bei
der langsamen Auftragsübermittlung und nicht bei den anderen Elementen der
Lieferzeit, denen normalerweise ein wesentlich größerer Einfluss auf die Länge
der Lieferzeit zugebilligt wird als der Auftragsübermittlung. Bei der Analyse der
Lieferzeit werden sich gerade bei der Auftragsübermittlung sowie auch bei der
Auftragsbearbeitung Rationalisierungsmöglichkeiten ergeben, die Kostensenkun-
gen und eine erhebliche Verkürzung der Lieferzeit zur Folge haben können.
Auftragsübermittlung und -bearbeitung stehen in sehr engem Zusammenhang.
Tätigkeiten, die in einem Unternehmen Bestandteil der Auftragsbearbeitung sind,
können in einem anderen schon bei der Auftragsübermittlung mit erledigt werden.
Stehen dem Kunden beispielsweise internetbasierte einheitliche Auftragsformulare
des Lieferanten zur Verfügung, so gehört das Ausfüllen dieser elektronischen Auf-
tragsformulare durch den Kunden zur Auftragsübermittlung. Schickt der Kunde
dagegen den Auftrag in Papierform an den Lieferanten, so ist es in vielen Unter-
nehmen nötig, diesen Auftrag in ihr EDV-System zu übertragen, was dann Teil
der Auftragsbearbeitung ist und oft Fehler verursacht.

Funktionen
Die Auftragsabwicklung hat drei Funktionen: Die Gewährleistung eines dem Gü-
terfluss vorauseilenden Informationsflusses, die Gewährleistung eines den Güter-
fluss begleitenden Informationsflusses und die Gewährleistung eines den Güter-
fluss nacheilenden Informationsflusses. Aufgrund dieser drei Informationsflüsse
ist es möglich, den Güterfluss zu planen, zu steuern und zu kontrollieren. Der Gü-
terfluss bzw. die Güter werden dadurch logistisch determiniert.
Der dem Güterfluss vorauseilende Informationsfluss soll alle in den Güterfluss
eingeschalteten Stellen rechtzeitig über die eintreffenden Güter informieren. Sie
erhalten auf diese Weise den notwendigen Planungs- und Dispositionsspielraum,

5 Vgl. Johnson/Parker, 1961, S. 44.


78 4 Auftragsabwicklung

der für eine unter Kosten- und Servicegesichtspunkten optimale Realisierung des
Güterflusses Voraussetzung ist. Beispielsweise können unnötige Wartezeiten von
anliefernden Lastkraftwagen an der Entladerampe vermieden werden.
Der den Güterfluss begleitende Informationsfluss soll alle in den Güterfluss
eingeschalteten Stellen mit den Informationen versorgen, die für die operative
Ausführung von Transport-, Umschlags- und Lagertätigkeiten vor Ort notwendig
sind. Hierzu gehört etwa die richtige Handhabung gefährlicher Güter. Außerdem
soll durch den den Güterfluss begleitenden Informationsfluss eine Verfolgung des
Güterflusses durch das logistische Netzwerk ermöglicht werden. Der Güterfluss ist
so lange zu kontrollieren, bis die Güter beim Empfangspunkt eingetroffen sind.
Nur wenn man bei jedem Auftrag darüber informiert ist, in welcher Phase der Ab-
fertigung er sich befindet, kann gegebenenfalls die Abfertigung beschleunigt oder
aber auch verzögert werden. Erst aufgrund dieser Information kann sichergestellt
werden, dass die Güter zum gewünschten Zeitpunkt beim Empfangspunkt eintref-
fen.
Der dem Güterfluss nacheilende Informationsfluss besteht aus Informationen,
die erst nach der Realisierung des Güterflusses fließen können. Dies kann bei-
spielsweise bei einer entsprechenden Organisationsform der Fakturierung die
Rechnung sein. Es ist aber auch ein Informationsfluss entgegengesetzt dem Güter-
fluss möglich. Dazu gehören Informationen, die, von den begleitenden Informati-
onen ausgehend, der Rückmeldung über den Stand der Abfertigung eines Auftrags
dienen. Ein Beispiel hierfür ist die Information zurück an den Lieferpunkt, zu wel-
chen Zeitpunkten bestimmte kritische Stationen in der Transportkette, etwa
Grenzübergänge im internationalen Transport, vom Güterfluss passiert worden
sind. Zum nacheilenden Informationsfluss gehören aber auch Informationen vom
Empfänger an den Lieferanten über die Qualität des Lieferservice, z. B. in Form
von Reklamationen. Letztlich beinhaltet der dem Güterfluss nacheilende Informa-
tionsfluss Informationen, die man im Rahmen der Auftragsauswertung dem Auf-
trag entnehmen kann und für die sich andere Unternehmensbereiche (z. B. die
Marktforschung) interessieren.
Neben der begleitend zum Güterfluss stattfindenden Steuerung von Informati-
onsflüssen gewinnt in letzter Zeit in zunehmendem Maße der Begriff der Informa-
tions- bzw. Office-Logistik an Bedeutung. Viele Unternehmen konzentrieren sich
immer stärker auf ihre Kernkompetenzen und überlassen anderen Dienstleistungs-
unternehmen den Bereich des Empfanges, der Versendung, der Verarbeitung, der
Bereitstellung, der Archivierung und Vernichtung großer Datenmengen. 6 Ziel der
Informationslogistik ist insbesondere die Versorgung des Mitarbeiters mit den für
ihn richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort. 7 Das Geschäfts-
feld der Office-Logistik als Teilbereich der Informationslogistik beinhaltet wiede-
rum die Poststellenlogistik, die Archivlogistik sowie die Akten- und Datenträger-
vernichtung. Als typischer Service eines Office-Logistikdienstleisters gilt im

6 Vgl. Peters, 2003.


7 Vgl. Lienemann, 2001, S. 13ff.
4.2 Auftragsabwicklungsaufgaben 79

Rahmen der Poststellenlogistik beispielsweise die medienunabhängige, d. h. so-


wohl physische als auch digitale Sortierung und Verteilung von Eingangs- und in-
terner Hauspost. Aufgabe der Archivlogistik ist dagegen das Handling von Akten-
beständen. Der Dienstleister übernimmt hierbei oftmals die jeweiligen Bestände
von seinen Kunden, erfasst diese informationstechnisch und versieht sie mit einer
Identifikationsnummer. Danach gelangen die Akten auf einen Platz in einem häu-
fig chaotisch organisierten Sicherheitslager. Die Vorteile des Outsourcings dieser
Aufgaben an einen Dienstleister liegen vor allem in der Variabilisierung fixer
Kosten, der Erzielung von Skaleneffekten bei Investitionen sowie in der Erhöhung
der Transparenz im Unternehmen durch eine saubere und genaue Prozessdoku-
mentation.8

4.2 Auftragsabwicklungsaufgaben
Unabhängig von der Art der Auftragsabwicklung lassen sich immer bestimmte
Grundaufgaben unterscheiden, die zu erfüllen sind. Diese Aufgaben sind am ein-
fachsten zu erkennen, wenn man den in Abb. 4.2 dargestellten Weg der Auf-
tragsinformation bei der Auftragsabwicklung verfolgt. 9 Es wird deutlich, dass die
Auftragsabwicklung eng mit den übrigen verrichtungsspezifischen Subsystemen
der Logistik verbunden ist.

Übermittlung
Der Ausgangspunkt für die Auftragsinformation ist die Auftragserstellung beim
Kunden. Die Art der Übermittlung des Auftrags bestimmt weitgehend die Form
der Auftragserstellung. Die Aufträge können vom Kunden per Brief, Fernschrei-
ben, Telefax, Telefon oder elektronischer Datenverarbeitung an einen Außen-
dienstmitarbeiter, an ein dezentrales Verkaufsbüro oder direkt an die Zentrale des
Lieferanten übermittelt werden. Der Außendienstmitarbeiter kann den Auftrag
auch selbst beim Kunden aufnehmen und seinerseits dann weiterleiten. Bei jeder
dieser Möglichkeiten muss das Problem der Kontrolle der Auftragserstellung an-
ders gelöst werden, das vor allem dann vordringlich wird, wenn die Auftragsbear-
beitung nicht mehr manuell, sondern durch den Einsatz von elektronischer Daten-
verarbeitung erfolgt.

8 Vgl. Peters, 2003; Klotz, 2003, S. 25.


9 Vgl. zum Folgenden Pfohl, 1972, S. 89ff.; Türks, 1972, S. 68ff.; Arnold u. a., 2008, S. 191ff.
und S. 406f.
80 4 Auftragsabwicklung

Stationen der Auftragsabwicklung Andere Logistik-Subsysteme

Übermittlung

Aufbereitung Lagerhaltung

Umsetzung

Zusammenstellung Lagerhaus

Versand Transport

Fakturierung

Abb. 4.2 Der Weg der Auftragsinformation bei der Auftragsabwicklung und die Verbindung
zu den übrigen Subsystemen der Logistik (Quelle: In enger Anlehnung an Türks,
1972, S. 69)

Eine klassische Methode zur Kontrolle der Auftragserstellung ist der Einsatz
von Außendienstmitarbeitern, die selbst beim Kunden ein vorgedrucktes Auftrags-
formular ausfüllen. Es besteht auch die Möglichkeit, dem Kunden Auftragsformu-
lare, auf denen alle Artikel schon vorgedruckt sind (Ordersätze) und in die nur
noch die gewünschte Menge eingesetzt werden muss, mit der Bitte um ausschließ-
liche Verwendung zur Verfügung zu stellen. Wird dem Kunden gestattet, seine ei-
genen Auftragsformulare zu gebrauchen, so muss der Lieferant die Auftragsin-
formation nach Erhalt des Auftrags noch aufbereiten. Das verursacht zusätzliche
Kosten und birgt zusätzliche Fehlerquellen in sich. Kostenerwägungen und die
Verringerung der Wahrscheinlichkeit des Entstehens von Fehlern, die der Auf-
tragsbearbeitung angelastet werden können, sprechen dafür, die Verantwortung für
das Ausfüllen des Auftragsformulars, das während der Auftragsbearbeitung be-
nutzt wird, soweit wie möglich dem Kunden zu überlassen. Hierbei ist jedoch
auch zu berücksichtigen, dass dem Kunden das Erteilen eines Auftrages möglichst
erleichtert werden soll und der Lieferant unter Lieferservicegesichtspunkten flexi-
bel auf die diesbezüglichen Kundenwünsche einzugehen hat.
Um den hohen Kundenanforderungen hinsichtlich der Verfügbarkeit der be-
stellten Waren, kurzer Lieferzeiten (die oft von der Auftragsbearbeitungszeit maß-
geblich abhängen) und Informationen über den Stand der Auftragsbearbeitung
4.2 Auftragsabwicklungsaufgaben 81

(sog. Statusinformationen) bis zur automatisierten Avisierung von Lieferterminen


gerecht zu werden, 10 wird bei der Auftragsabwicklung die elektronische Daten-
verarbeitung eingesetzt. So können lange Auftragsübermittlungszeiten und hohe
Kosten verursachende Fehler bei der Auftragserstellung und -übermittlung durch
moderne Systeme der Auftragsdatenerfassung vermieden werden. 11 Es ist möglich,
die Auftragsdaten vom Lieferpunkt direkt in den Computer am Empfangspunkt
einzuspielen.
Die richtige Wahl der Übermittlungsart für den Auftrag kann nur getroffen
werden, wenn die Auswirkungen auf die gesamte Lieferzeit berücksichtigt wer-
den. Höhere Kosten infolge einer schnelleren Auftragsübermittlung können durch
die Vorteile einer kürzeren Lieferzeit mehr als kompensiert werden. Außerdem
muss bei der Wahl der Übermittlungsart darauf geachtet werden, dass sie nicht die
Ursache für stoßweise übermittelte Aufträge werden. Es ist danach zu streben, das
Logistiksystem möglichst gleichmäßig auszulasten und deshalb Faktoren, die eine
Anhäufung von Aufträgen zu bestimmten Zeitpunkten verursachen, soweit wie
möglich auszuschalten.

Aufbereitung und Umsetzung


Die Auftragsübermittlung erfolgt an eine Auftragsempfangsstelle des Unterneh-
mens, die die Aufträge für die Weiterverarbeitung im Unternehmen aufbereitet.
Durch diese Aufbereitung wird der Auftrag den unternehmensinternen Anforde-
rungen angepasst. Hierzu gehört zunächst, dass der Auftrag um möglicherweise
noch fehlende Informationen ergänzt wird. Außerdem muss der Auftrag im Hin-
blick auf Preiskonditionen, Liefermodalitäten und die Bonität des Kunden über-
prüft werden. Schließlich ist der Auftrag in das Logistiksystem einzuplanen. Vo-
raussetzung hierfür ist die Verfügbarkeit des gewünschten Produktes im Lager. Es
zeigt sich also, dass von der Aufbereitung des Auftrags ein Informationsfluss zum
Bestandsmanagement (Lagerhaltung) geht. Die Auftragsabwicklung kann hierbei
Maßnahmen im Bereich der Bestandsdisposition oder der Produktionsplanung in
Gang setzen, falls die gewünschten Güter nicht auf Lager sind.
Im Anschluss an die Aufbereitung der Aufträge erfolgt entweder manuell, me-
chanisch oder elektronisch in der Regel eine Umsetzung (ein Umschreiben) der
Aufträge in Auftragsbestätigungen und in interne Bearbeitungspapiere, wie etwa
die Lieferanzeige für die Abfertigung des Auftrags im Lager einschließlich aller
Versandpapiere.12 Durch die zunehmende EDV-Integration wird die Umsetzung
jedoch automatisiert und der Informationsfluss kann dementsprechend papierlos
erfolgen.

10 Vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 170f.


11 Vgl. Pfohl, 1997, S. 5ff.; Stock/Lambert, 2001, S. 149ff.
12 Vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 149ff.
82 4 Auftragsabwicklung

Zusammenstellung und Versand


Aufgrund der aufbereiteten und umgesetzten Aufträge erfolgen die Zusammenstel-
lung (Kommissionierung) der Güter im Lager und der Versand. Hierbei fallen
weitere Informationsverarbeitungsaufgaben an. So müssen die Lagerpapiere auf-
grund ihres Inhalts (z. B. Auftragsgröße, Eilauftrag, gemeinsam auszuliefernde
Aufträge) und aufgrund der Organisation der Kommissionierung disponiert wer-
den. Nach der Kommissionierung werden die Papiere unter Umständen mit Daten
über Gewicht, Positionsart, Verpackung und Bereitstellungstermin ergänzt. Die
Auftragsabwicklung liefert in dieser Phase Informationen für das Lagerhaus und
die Lagerhaltung, beispielsweise für die Steuerung von Lagerbediengeräten oder
für die Lagerbuchhaltung.
Nach der Zusammenstellung erfolgt die Fertigstellung der Versandpapiere, die
gegebenenfalls mit Fracht-, Transport- und Zeitdaten ergänzt werden müssen. Be-
stehen Wahlmöglichkeiten, so erfolgt in dieser Phase die Festlegung des optima-
len Transportmittels und Transportweges für die Auslieferung der Güter. Enge In-
formationsbeziehungen bestehen also zum Transportwesen, denn die Verladung
und der Transport der Güter werden durch die Informationsverarbeitung in dieser
Phase ausgelöst.

Fakturierung
Die Fakturierung (Rechnungslegung) der Aufträge kann nach der Versanddisposi-
tion oder vor bzw. auch parallel zu den Phasen der Zusammenstellung und des
Versandes erfolgen. Im ersten Fall spricht man von Nachfakturierung, im zweiten
Fall von Vorfakturierung. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen
diesen beiden Arten der Fakturierung ist, dass bei der Vorfakturierung die Rech-
nung schon in der Phase der Aufbereitung und Umsetzung erstellt wird, also bevor
die Güter physisch kommissioniert werden. Bei der Nachfakturierung dagegen
muss der Vorgang der Kommissionierung abgeschlossen sein, bevor die Rechnung
erstellt wird. Das Vorfakturieren basiert auf der Überlegung, dass alle Schreibar-
beiten soweit wie möglich in einer Phase erledigt werden, so dass weitere
Schreibarbeiten möglichst überflüssig sind. Vorausgesetzt wird hierbei, dass ent-
weder stets genügend hohe Lagerbestände vorhanden sind oder dass eine stets ak-
tuelle Bestandsfortschreibung existiert, die über die disponiblen Bestände Aus-
kunft gibt. Außerdem darf der Zeitbedarf für die Erledigung dieser
Schreibarbeiten nicht zu groß sein, da sonst die Kommissionierung zu lange ver-
zögert wird. Dies würde aber der Forderung widersprechen, dass die Aufträge
möglichst kontinuierlich und schnell in das Lager fließen sollen.
Das Nachfakturieren stellt diese Gedanken des schnellen Informationsflusses in
das Lager und den Kommissionierungsakt in den Vordergrund. Soll die Rechnung
zusammen mit den Gütern verschickt werden, so muss allerdings dafür Sorge ge-
tragen werden, dass die Rechnungserstellung schnell vonstatten geht. Denn sonst
geht möglicherweise der mit dem Nachfakturieren erstrebte zeitliche Vorteil wie-
4.3 Formen der Auftragsabwicklung 83

der verloren. Wird die Rechnung extra geschickt, so entstehen zusätzlich Porto-
kosten, die bei einer großen Anzahl von Aufträgen nicht vernachlässigbar sind.
Die grundsätzlichen Überlegungen zur Vor- und Nachfakturierung können
selbstverständlich auch auf die anderen Auftragsbearbeitungsaktivitäten übertra-
gen werden. So besteht grundsätzlich die Möglichkeit, möglichst wenig Vorarbei-
ten vor der Kommissionierung zu machen, um die Aufträge ohne große Verzöge-
rungen in das Lager laufen zu lassen. Die andere Möglichkeit besteht eben darin,
möglichst alle Schreibarbeiten in einem Vorgang vor der Kommissionierung zu
erledigen.

4.3 Formen der Auftragsabwicklung


Verschiedene Formen oder Systeme der Auftragsabwicklung lassen sich danach
unterscheiden, welche Instrumente zur Bewältigung des Formular- oder Beleg-
flusses eingesetzt werden. Angestrebt werden bei allen Auftragsabwicklungsfor-
men die Vermeidung von Handarbeit beim Schreiben, die einmalige Durchfüh-
rung gleicher Informationsverarbeitungsaktivitäten und ein schneller
Informationsfluss zu den Stellen, an denen der Güterfluss ausgelöst wird. Man
spricht in der betrieblichen Praxis bei dieser Zielsetzung von „Operational
Excellence“-Maßnahmen.

Manuelle Formen
Vor der Einführung elektronischer Datenverarbeitung wurden die manuellen For-
men der Auftragsabwicklung optimiert. Hierbei ging es vor allem darum, den
Schreibaufwand und den Aufwand für die Umsetzung des Auftrages so gering wie
möglich zu halten und die im Auftrag vorhandenen Informationen für die weitere
Verwendung in der Produktion, im Lager und beim Transport möglichst in einem
Arbeitsgang vorzubereiten.
Bedingt durch den einfachen Zugang zu elektronischen Datenverarbeitungssyste-
men und der Notwendigkeit, immer kürzere Lieferzeiten zu realisieren, sind aller-
dings mittlerweile fast ausschließlich maschinelle Formen der Auftragsabwick-
lung im Einsatz.

Maschinelle Formen
Die Auftragsabwicklung bietet sich für den Einsatz elektronischer Datenverar-
beitung an, weil sie im Allgemeinen aus einer Vielzahl routinemäßiger, dennoch
zeitraubender Tätigkeiten besteht und die dem Auftragsformular zu entnehmenden
Informationen in vielfältiger Weise ausgewertet werden müssen (z. B. das Anfer-
tigen einer Artikelumsatzstatistik oder Lieferantenumsatzstatistik). Der Umfang
der EDV-Unterstützung ist geringer, wenn der Umsatz einzelner Aufträge niedrig
oder die Anzahl der Aufträge bzw. Artikel gering sind. Die EDV-Unterstützung ist
weniger umfangreich, wenn die Auftragsbearbeitung sehr flexibel sein muss, weil
bei der Bearbeitung der Aufträge viele Ausnahmen gemacht werden müssen.
84 4 Auftragsabwicklung

Grund hierfür ist, dass dann die erreichbare Effizienzsteigerung und damit einher-
gehende, prozessuale Einsparpotenziale die anfallenden IT-Implementierungs-
und Wartungskosten sowie die administrativen Kosten (beispielsweise durch die
regelmäßig notwendige Anlage von Stammdaten des Lieferanten) nicht überstei-
gen werden. Dies hält insbesondere kleine und mittelgroße Unternehmen von ei-
ner Investition in EDV-Systeme ab.
Es bestehen heutzutage jedoch so genannte „Supplier Information Manage-
ment“-Systeme (SIM), die für eine schnellere Transaktionsabwicklung eine zwi-
schenbetriebliche Stammdaten- und Auftragspflege ermöglichen. 13 Das SIM-
System erfolgt in Echtzeit und hilft die Vollständigkeit und Richtigkeit der beste-
henden Daten zu verbessern. Durch ihre Implementierung in den zwischenbetrieb-
lichen Auftragsprozess können auch kleinere Lieferanten die Verarbeitung ihrer
Aufträge mit einem (relativ) geringen Umsatzbeitrag beschleunigen. Sie pflegen
auf der zwischenbetrieblich funktionierenden IT-Plattform (die „Cloud“-
Technologie wird in einem späteren Teil dieser Arbeit erläutert) ihre eigenen Auf-
tragsinformationen und haben in der Regel einen direkten Zugang zu Ansprech-
partnern beim Käuferunternehmen durch sog. „Chat“-Funktionen. Durch die Nut-
zung dieser SIM-Systeme werden Ineffizienzen reduziert und so die Gesamtkosten
der Auftragsabwicklung reduziert.14
Prinzipiell können jedoch alle in Abb. 4.3 aufgeführten Entscheidungs-, Prü-
fungs-, Schreib- und Übermittlungsaufgaben von Systemen der elektronischen Da-
tenverarbeitung übernommen werden. Abhängig von der Phase der Auftragsab-
wicklung, in der elektronische Datenverarbeitung eingesetzt wird, lassen sich
einstufige und mehrstufige Formen unterscheiden. Eine weitere Möglichkeit der
Unterscheidung der maschinellen Formen der Auftragsabwicklung setzt an der Art
der Informationsverarbeitung an. Demzufolge wird zwischen Stapelbetrieb (Batch
Processing) und Echtzeitbetrieb (Real Time Processing) unterschieden.
Verschiedene Ansatzpunkte zum Einsatz elektronischer Datenverarbeitung
existieren in den Phasen Auftragsumsetzung und Fakturierung. Bei einstufigen
Formen der Auftragsabwicklung wird die elektronische Datenverarbeitung ledig-
lich in einer dieser Phasen eingesetzt. Bei mehrstufigen Formen erfolgt der Einsatz
in beiden Phasen und möglicherweise zusätzlich in weiteren Phasen.
Die Beschränkung auf ein einstufiges System mit einer maschinellen Auftrags-
umsetzung bietet sich z. B. für Unternehmen an, die für die Fakturierung die
Dienstleistungen einer Factoring-Bank in Anspruch nehmen oder Kontraktabrech-
nungen durchführen, so dass die Rechnungsstellung selten erfolgt, während Auf-
träge häufig über Abruf abgewickelt werden. Spezifische Technologieunterneh-
men ermöglichen heutzutage jedoch entweder vor oder nach erfolgreicher
Lieferung der in Auftrag gegebenen Produkte beim Käuferunternehmen eine digi-
tale Lösung für das „Factoring“. Durch eine direkte technologische Anbindung in-
terner IT-Systeme und der externen IT-Plattformlösungen werden mehrstufige

13 Vgl. weiter zu Logistikplattformen Hausladen, 2011, S. 94ff, 168-171.


14 Vgl. Yahsi, 2017, S. 239ff.
4.3 Formen der Auftragsabwicklung 85

Formen auch für Unternehmen rentabel, die ein solches „Factoring“-Konzept nut-
zen wollen. Ein einstufiges System mit maschineller Fakturierung ist außerdem in
Unternehmen von Vorteil, die aufgrund des Lagersortiments in der Lage sind, mit
dem manuellen Lagersatzverfahren zu arbeiten.
Mehrstufige Systeme sind vor allem dann von Vorteil, wenn folgende Voraus-
setzungen gegeben sind:15
x Umgehende Ausgabe von Auftragsbestätigungen,
x Vorprüfung des verfügbaren Warenbestandes,
x umfassende Prüfung der Bonität,
x umfassende Ausrechnung von Auftragskonditionen,
x kontinuierliche Kontrolle des Auftragsbestandes,
x sichere Kontrolle unfakturierter Lieferungen,
x gleich hoher Auftrags- und Rechnungsdurchsatz,
x ungeeignet für Factoring, außer es besteht eine IT-Schnittstelle zu Plattformlö-
sungen (sog. „Cloud“-Lösungen) von Technologieunternehmen.
Beim Einsatz mehrstufiger maschineller Formen der Auftragsabwicklung stellt
sich insbesondere die Frage, ob die Daten im Stapel- oder Dialogbetrieb (in Echt-
zeit) verarbeitet werden sollen bzw. müssen.
Wird die elektronische Datenverarbeitung im Stapelbetrieb eingesetzt, so wer-
den die Aufträge für einen bestimmten Zeitraum (z. B. für einen Tag) gespeichert
und das in der Warteschlange angesammelte Auftragsvolumen wird in einem Stoß
(z. B. in der Nacht) verarbeitet. Das Ansammeln der Aufträge kann sowohl beim
Auftragssachbearbeiter als auch im Computer selbst erfolgen.
Beim Echtzeitbetrieb ist der Computer ständig für die Übernahme von Auf-
tragsabwicklungsarbeiten bereit, so dass die Aufträge ohne den Aufbau einer War-
teschlange kontinuierlich abgewickelt werden können.
Die Informationsverarbeitung im Stapelbetrieb ist im Allgemeinen kostengüns-
tiger (aufgrund wegfallender Implementierungs- und Wartungskosten von zwi-
schenbetrieblichen IT-Schnittstellen), aber wesentlich weniger leistungsfähig. Sie
hat den großen Nachteil geringerer Flexibilität, weil Eilaufträge nicht direkt bear-
beitet werden können und geringerer Auskunftsbereitschaft aufgrund einer verzö-
gerten Auftragsbearbeitung. Diese Diskrepanz zwischen dem Stand der Daten und
dem realen Zustand erfordert zusätzliche Hilfsdateien, die neben der eigentlichen
Auftragsabwicklung geführt werden müssen. Dagegen hat die Informationsverar-
beitung im Echtzeitbetrieb den Vorteil extrem kurzer Bearbeitungszeiten und gro-
ßer Flexibilität. Die Auskunftsbereitschaft ist bei dieser Form der maschinellen
Auftragsabwicklung jederzeit gegeben.

15 Vgl. Türks, 1972, S. 78.


86

Abb. 4.3
4

Auftragseingang
Nein

Produkt
Bonität Produkt
Bestimmung des in einem
Auftragskontrolle des Ja auf Nein
Auslieferungslagers anderen
Kunden? Lager?
Lager? Nein

verarbeitung
Auftragsabwicklung

Ja Ja
Erstellen und
Senden der Auftrags- Produkt in
Rechnung auswertung Planung?
an Kunden

Nein
Ja

Erstellen der
Terminplanung für Auftrag
Erstellen der Liefer- Auftragsbestätigung,
Anweisung zur Abfertigung des Auftrags rechtzeitig
anzeige einschließlich Weiterleiten von Ja
Auslieferung im Lager und den aus-
aller Versandpapiere Informationen
Transport führbar?
an die Auftragsabwicklung

Nein

Weiterleiten von Senden der Auftrag kann


Lagerbestands-
Informationen an Auftragsbestätigung nicht erfüllt werden
disposition
Lagerbestandsdisposition an Kunden

Tätigkeiten währen der Auftragsabwicklung Entscheidungen

Flussdiagramm der Auftragsabwicklung für den Einsatz der elektronischen Daten-


4.3 Formen der Auftragsabwicklung 87

Die SIM-Systeme werden heutzutage in der Regel mit so genannten, virtuellen


Marktplätzen ausgestattet. Diese elektronischen Marktplätze ermöglichen eine Zu-
sammenführung von Nachfrage und Angebot im virtuellen Raum. Aufgrund der
möglichen Vielzahl von Anbietern und Nachfragern erreichen beide Parteien (aus
einer mikroökonomischen Sichtweise eher) einen fairen Preis.16 Entweder werden
die virtuellen Märkte, die auf den Plattformen funktionieren von den Anbietern
oder Nachfragern betrieben, oder durch Intermediäre. 17 Grundsätzlich sind sie je-
doch ohne jegliche Unterbrechung nutzbar, somit also zu jeder Tageszeit.
Es wird unterschieden zwischen horizontalen und vertikalen Marktplätzen. Auf
horizontalen Marktplätzen werden branchenübergreifend vorrangig C-Teile ge-
handelt. Auf den vertikalen Marktplätzen hingegen werden branchenspezifische,
für eine Wertschöpfungskette spezifische Produkte gehandelt. Auf diesen Markt-
plätzen können Nachfrager über Produkte diskutieren, es können Online-
Auktionen durchgeführt werden oder es können Fachinformationen durch den In-
termediär bereitgestellt werden. Entweder prozessieren diese vertikalen Markt-
plätze Transaktionen basierend auf langfristigen Rahmenverträgen oder sie ermög-
lichen so genannte Spot-Markt-Käufe.18

Warenwirtschaftssysteme
In Handelsunternehmen kommen geschlossene Warenwirtschaftssysteme zum
Einsatz. Sie basieren auf einer kurzfristigen, artikelgenauen (artikelspezifischen)
Erfassung aller Wareneingangs- und aller Warenausgangsdaten. Sie weisen eine
aus vier Modulen bestehende Grundstruktur auf, die in Abb. 4.4 dargestellt ist. 19
Durch Warenwirtschaftssysteme gelingt es, die warenbegleitenden Informations-
flüsse darzustellen und im gesamten Unternehmen die notwendigen Informationen
bereitzustellen.
Warenwirtschaftssysteme werden als geschlossen bezeichnet, weil die im Sys-
tem befindlichen Artikel durch alle Phasen des Informationsflusses geführt wer-
den, ohne dass im Grenzfall manuell eingegriffen werden muss. Die Vorausset-
zung für den ökonomischen Einsatz geschlossener Warenwirtschaftssysteme wird
durch die Entwicklung moderner Informationsverarbeitungs- und Kommunikati-
onstechnologien geschaffen. Hier können vier Entwicklungsbereiche unterschie-
den werden: die mobile Datenerfassung, das Scanning, die Datenübertragung und
die Mikroelektronik.20
Durch Geräte zur mobilen Datenerfassung (MDE) können Daten mit Hilfe
tragbarer Erfassungsgeräte direkt in EDV-gerechter Form erfasst und per Funk,
über Satellit oder über eine Internet-/“Wireless-Local-Area-Network“-Verbindung

16 Yahsi, 2017, S. 153.


17 Hausladen, 2011, S. 95.
18 Hausladen, 2011, S. 95-96.
19 Vgl. Hertel, 1999, S. 3.
20 Vgl. Pfohl, 1997, S. 27ff.; Diruf, 1998, S. 189ff.
88 4 Auftragsabwicklung

• Artikelspezifische Wareneingangserfassung
- Abgleich der Bestellung
Wareneingang - Bewertung und Lagerbestandsführung
• Rechnungskontrolle
• Auszeichnung der Ware (Druck von Etiketten)
• Artikelspezifische Warenausgangserfassung (durch
Warenausgang Datenkassen)
• Warenbestandsverbuchung

Disposition und • Ermittlung von Dispositionshilfen und Bestellvorschlägen


Bestellwesen • Bestellschreibung und Bestellüberwachung

Marketing- und • Erstellen von Bestandslisten


Managementinformationen • Erstellen von Rennlisten, Aktionslisten u. ä.

Abb. 4.4 Modularer Aufbau von Warenwirtschaftssystemen

(WLAN) an die steuernde EDV-Systeme übertragen werden. Mobile Datenerfas-


sung wird vorrangig in zwei Aufgabenkomplexen eingesetzt. Im Rahmen der In-
ventur werden die Warenbestandsdaten erfasst und direkt vom Erfassungsgerät in
die EDV eingespielt. Im Rahmen der Abwicklung von Bestellungen werden die
Bestelldaten dezentral, z. B. am Regal, in das Erfassungsgerät eingegeben und an-
schließend über eine Datenleitung und eine Schnittstelle in den Systemen des Lie-
feranten an den Lieferanten übermittelt. Dort können die Daten direkt in die lau-
fende Planung einbezogen und ohne Medienbruch weiter verarbeitet werden.21
Eine weitere Reduktion manueller Eingriffe und Vermeidung von Erfassungs-
fehlern ist durch eine besondere Form der Datenerfassung, das so genannte Scan-
ning, möglich. Unter Scanning versteht man die automatische, kontaktfreie Erfas-
sung von Warendaten durch ein Lesegerät mit Hilfe von Laser- oder
Funktechnologie. Voraussetzung dafür ist die eindeutige Identifikation der Ware
mittels spezieller Tags. Diese Tags bestehen entweder aus Zifferncodes, Barcodes
(linear, „stacked“ oder 2D) oder „Quick Response“ Codes (QR-Codes) 22 , die
durch einen Laser erfasst und identifiziert werden oder die Informationen werden
aus einem elektronischen Datenträger und einem Transponder, die über Funk an-
gesprochen und ausgelesen werden, eingeholt. Bei der Lasertechnologie werden
Codes in Klarschrift (OCR-Code) und in Balkenform (z. B. EAN, UPC) unter-
schieden. 23 Im europäischen Einzelhandel werden beispielsweise als de Facto
Standard EAN (für „European Article Number“) und Scannerkassen zur kontinu-
ierlichen Erfassung des Warenausgangs eingesetzt.24 Neben solchen einfachen und
begrenzten eindimensionalen Barcodes wie beispielsweise EAN existieren auch

21 Vgl. Straube, 2004, S. 155ff.


22 Hausladen, 2011, S. 53-54.
23 OCR: Optical Character Recognition, EAN: Europäische Artikelnummer, UPC: Universal
Product Code.
24 Vgl. Hausladen, 2011, S. 54.
4.3 Formen der Auftragsabwicklung 89

neuere zwei- und dreidimensionale Varianten, die eine höhere Speicherkapazität


besitzen und somit z. B. ganze Lieferscheine codieren können. 25
Noch mächtiger ist die so genannte „Radio-Frequenz-Identifikation“-
Technologie (RFID) (in der Form von „Tags“), die eine Lokalisierung und Identi-
fikation über Funk ermöglichen. 26 Es wird grundsätzlich zwischen der aktiven und
der passiven RFID-Technologie unterschieden. Nutzt man die passive RFID-
Technologie, dann verfügen die jeweiligen RFID-Tags über keine eigene Energie-
quelle – sie beziehen die für sie notwendige Energie aus den Funkwellen, die sie
empfangen. Das Lesegerät ist deshalb gezwungen kontinuierlich Funkwellen zu
senden. Aktive RFID-Tags besitzen eine eigene Energiequelle, erhöhen somit die
Flexibilität des Gesamtsystems. Sie sind im Ruhezustand, bis ein entsprechendes
Aktivierungssignal empfangen wird, um Energie zu sparen. 27
Sie werden heutzutage als Teil eines übergeordneten IT-Systems (bzw. das
„Warehouse-Management-System“) genutzt. Diese IT-Systeme sammeln in der
Regel die Standort- und Zustandsinformationen einzelner Güter (kontinuierlich
übermittelt durch die RFID-Module) in einer zentralen Datenbank, um sie mit ei-
ner Planungssoftware in Echtzeit auszuwerten. Auf diesen Daten basierend steuert
das übergeordnete IT-System den Warenfluss. Durch die Reduktion von Wartezei-
ten kann einerseits die operative Effizienz in der Logistik erhöht werden. Anderer-
seits erhöht sich durch die Echtzeit-Koordination auch die Agilität der Logistik-
prozesse, da das IT-System aufgrund der bestehenden Datenlage auf
Veränderungen in der Umwelt jeder der einzelnen, verbundenen Güter reagieren
kann.
RFID ist als Technologie kostenintensiver als der Einsatz von Barcodes. Durch
den technologischen Fortschritt im letzten Jahrzehnt sind diese Kosten zwar ge-
sunken, doch sie haben weiterhin abhängig von der gewählten Speicherkapazität
eine hohe Volatilität. Die RFID-Transponderpreise liegen derzeit zwischen 0,30-
0,35 Euro.28 RFID bietet gerade für hochwertige und komplexe Güter und Ma-
schinen neben lesenden Zugriffen zur reinen Identifikation auch die Möglichkeit
schreibender Zugriffe, um z. B. Gebrauchsanweisungen, Reparaturprotokolle und
anderes direkt im Gut abzulegen. 29 In einigen Fällen entscheiden die einzelnen,
mit der notwendigen intelligenten Technologie ausgestatteten Güter völlig autark
über ihre eigenen Bewegungen, beispielsweise in der Intralogistik. Hierzu sind je-
doch weitreichende und zuverlässige Kontrollsysteme notwendig, um die Sicher-
heit am Arbeitsplatz zu gewährleisten.
Zur schnellen Übermittlung erfasster Daten zwischen verschiedenen Niederlas-
sungen eines Unternehmens oder unternehmensübergreifend von Kunden bzw. zu
Lieferanten spielt auch heute noch das Internet sowie die dadurch möglich wer-

25 Vgl. Gleißner/Femerling, 2008, 209ff.


26 Vgl. Hausladen, 2011, S. 52ff.
27 Vgl. Hausladen, 2011, S. 56; Richter et al., 2015, S. 251ff.
28 Vgl. Hausladen, 2011, S. 58.
29 Vgl. Finkenzeller, 2002, S. 2ff.; Richter et al., 2015, S. 251ff.
90 4 Auftragsabwicklung

dende Verbindung von Maschinen und Datenbanken eine zentrale Rolle. Der
weltweite Zugang und die niedrigen Kosten ermöglichen eine nahezu verzöge-
rungsfreie und schnelle Informationsübertragung zwischen beliebigen Orten sowie
eine bidirektionale Kommunikation zwischen Geschäftspartnern z. B. zur Verein-
barung von Konditionen, Lieferterminen oder Verfügbarkeitsabfragen. Auf diese
Weise können gerade häufig eingesetzte und standardisierte Güter und Rohstoffe
automatisch geordert und zwischen Handelsunternehmen bzw. zwischen Handels-
und Industrieunternehmen vertrieben werden. Beispielsweise funktionieren die be-
stehenden Plattformlösungen nur deshalb, weil eine sichere IT-Verbindung der
Unternehmen über das Internet ermöglicht wird. Über das Internet werden jedoch
nicht nur Organisationen in der Form von verantwortlichen Personen (Einkäufer
und Verkäufer), sondern auch Maschinen und autonome Programme direkt mitei-
nander verbunden.30
Durch den hohen Verbreitungsgrad des Internets im privaten Umfeld spielt die-
se Kommunikationsmöglichkeit heute auch eine größer werdende Rolle in der
Kommunikation mit und im Vertrieb zu den Konsumenten. Für die Auftragsab-
wicklung bedeuten die neuen Kommunikationsmöglichkeiten, dass eine manuelle
Auftragsbearbeitung weitgehend entfallen kann. So ist vorstellbar, dass zukünftige
Warenbereitstellungsprozesse durch Bestellungen von Kunden initiiert und von
(künstlich) intelligenten Algorithmen gesteuert werden.
Neben dem Internet bestehen weitere Technologien für den Datentransfer:
Hierzu gehören z. B. „Universal-Mobile-Telecommunication-Systems“ (UMTS),
„General-Packet-Radio-Service“ (GPRS), „Global-System-for-Mobile-
Communication“ (GSM) und die Satellitenkommunikation. Unternehmen ent-
scheiden sich zwischen diesen Technologien hinsichtlich zweier Aspekte: (1)
Leistungsfähigkeit in Form der transportierbaren Informationen sowie der Daten-
sicherheit und (2) der Kosten für die Nutzung der jeweiligen Technologien. Die
einzelnen Technologien können in der betrieblichen Praxis auch in Kombination
eingesetzt werden.31
Den vierten Entwicklungsbereich stellen computergestützte Kassensysteme dar.
Aufgrund der Entwicklung in der Mikroelektronik sind moderne Kassensysteme
direkt mit den Warenwirtschaftssystemen der Unternehmen vernetzt und erfassen
über Scanner sowie elektronische Waagen die verkauften Artikel automatisch.
Darüber hinaus ermöglichen diese Kassen auch die Zahlung über angeschlossene
Kartenlesegeräte und die anschließende Abwicklung der Zahlung in den Bu-
chungssystemen. Umgekehrt beziehen die Kassensysteme Informationen zu den
erfassten Artikeln direkt aus den zentralen Systemen, so dass alle Kassen stets
über die gleichen Artikeldaten und auch Informationen zu aktuellen Angeboten
verfügen.
Solche vernetzten Warenwirtschaftssysteme ermöglichen Handelsketten einen
umfassenden Überblick über die Warenbewegungen im gesamten Unternehmen.

30 Vgl. Pfohl u.a., 2015, S. 38-39.


31 Vgl. Hausladen, 2011, S. 62.
4.4 Verknüpfung logistischer Informationssysteme 91

Mit Hilfe von EDI32 und des Internets vernetzen sich Handelsunternehmen mit be-
stimmten Benutzergruppen und bilden große Netzwerke mit mehreren tausend
Unternehmen. Die automatische artikelgenaue Erfassung der Abverkäufe am Point
of Sale (POS) und die Kommunikation dieser Verkaufsdaten schafft in diesen
Netzwerken die Grundlage für Bestellsysteme mit hoher Reaktionsfähigkeit, so
genannte Quick-Response-Systeme.
Darüber hinaus ist es durch solche Warenwirtschaftssysteme mit artikelgenauer
Erfassung in allen Bewegungsprozessen und Anbindung aller bei der Distribution
beteiligten Unternehmen möglich, eine umfangreiche Sendungsverfolgung zur
Verfügung zu stellen. Eine solche Sendungsverfolgung wird auch als Tracking &
Tracing bezeichnet. Dabei ist es bspw. einem Kunden möglich, nach einer Bestel-
lung alle Bewegungen der bestellten Güter in einem Webfrontend zu verfolgen
und diese Informationen in seine eigene Planung einzubeziehen.
Neben der Vernetzung der Handelsunternehmen und der Anbindung der Liefe-
ranten und Endverbraucher ist die Integration von Banken, Logistikdienstleistern
und Marktforschungsinstituten in die komplexen warenwirtschaftlichen Informati-
onsflüsse Ziel einer auf die Optimierung des Gesamtsystems ausgerichteten Per-
spektive. 33 Für solche integrierten Warenwirtschaftssysteme spielt die Verknüp-
fung oder Kopplung verschiedener Informationssysteme eine große Rolle.

4.4 Verknüpfung logistischer Informationssysteme


Die bisherige Darstellung der Funktionen, Aufgaben und Formen der Auftragsab-
wicklung zeigt, dass verschiedene logistische Subsysteme informationstechnisch
miteinander verknüpft werden müssen. Das Verknüpfungsproblem stellt sich hier
sowohl auf intraorganisatorischer Ebene, z. B. bei der Verknüpfung der verschie-
denen Phasen der Auftragsabwicklung oder bei der Verknüpfung der Auftragsab-
wicklung mit dem Lagerhaus, als auch auf interorganisatorischer Ebene, z. B. bei
der Verknüpfung des internen Auftragsabwicklungssystems mit dem Auftragsab-
wicklungssystem einer Spedition, des Lieferanten oder des Kunden. Beim Prob-
lem der Verknüpfung logistischer Informationssysteme geht es mit anderen Wor-
ten um die Gestaltung der Schnittstellen (Interfaces) zwischen solchen Systemen.
Dieses Problem ist sehr schwer zu lösen, weil die einzelnen logistischen Sub-
systeme sehr unterschiedlich ausgeprägt sind und verschiedene Formate zur Da-
tenverarbeitung nutzen. Sie sind zudem häufig enger mit anderen Funktionsberei-
chen des Unternehmens wie Kostenrechnung, Buchhaltung oder Produktion
verknüpft als untereinander. In vielen Fällen sind die einzelnen Informationssys-
teme historisch gewachsen und haben sich zu voneinander unabhängigen Insellö-
sungen entwickelt. Ziel sollte es aber sein, alle Informationssysteme in einem Da-
tenverbund bzw. mit einer Datenbank zu betreiben, so dass die beteiligten
logistischen Systeme auf dieselben Daten zurückgreifen.

32 EDI: Electronic Data Interchange.


33 Vgl. den Trend zu integrierten Informationsnetzwerken bei Zentes u.a., 2012, S. 590.
92 4 Auftragsabwicklung

Außerdem sollten das besonders personalintensive und fehleranfällige erneute


Erfassen von Daten an Schnittstellen sowie Datenbrüche im Allgemeinen vermie-
den werden. Dies kann durch den Einsatz integrierter Anwendungen erreicht wer-
den, wie z. B. zwischenbetrieblicher Buchungs- und Reservierungssysteme oder
durch die Verwendung standardisierter Schnittstellen zwischen zwei oder mehr
unterschiedlichen Systemen (ein solches System in Form einer zwischenbetriebli-
chen IT-Plattform, das SIM, wurde weiter oben bereits beschrieben). Ein durch-
gängiger, automatischer und elektronischer Datenaustausch kann dabei direkt z. B.
mittels EDI zwischen den Systemen zweier Geschäftspartner oder indirekt über
die Systeme einer Clearingstelle erfolgen. Clearingstellen übernehmen die Spei-
cherung, Verarbeitung, Konvertierung und Zustellung von Daten sowie zum Teil
auch administrative Aufgaben, wie etwa die Frachtabrechnung. Angeschlossene
Unternehmen stellen ihre Nachrichten z. B. in ihre Mailboxen ein, aus denen sie
gelesen und an den Empfänger in dessen Mailbox übermittelt werden.
Manuelle Formen des Geschäftsdatenaustausches verlieren durch die rasante
Entwicklung des Internets immer mehr an Bedeutung. Die rein analogen Formen
nutzen die Kommunikationsmittel Brief und in sehr seltenen Fällen Telefax. Ana-
loge Technologien werden gerade dann benutzt, wenn Dokumente und Belege
auszutauschen sind, deren Übertragung sicher und vertrauenswürdig sein muss,
damit die geteilten Dokumente in der internen Finanzbuchhaltung genutzt werden
kann. Darüber hinaus gibt es weitere manuelle Formen, wie z. B. den physischen
Versand digitaler Daten auf CD oder USB-Stick sowie den elektronischen Ver-
sand digitaler Daten im Anhang einer E-Mail.
Einige grundsätzliche Kopplungsmöglichkeiten logistischer Informationssyste-
me sind in Abb. 4.5 dargestellt. Beispielhaft werden die Informationssysteme ei-
nes Lieferanten und eines Abnehmers mit den Systemen eines produzierenden Un-
ternehmens in einer Lieferkette schematisch abgebildet. Die dargestellten
Kopplungsmöglichkeiten gelten aber prinzipiell für alle Informationssysteme. Die
Unternehmen nutzen entweder Schnittstellen zwischen aufeinander folgenden
Systemen zum Datenaustausch – oberer Teil der Abbildung – oder eine gemein-
same Datenquelle, die z. B. auch durch einen unabhängigen Anbieter bereit ge-
stellt werden kann – unterer Teil der Abbildung.
4.4 Verknüpfung logistischer Informationssysteme 93

Lieferant Produzent Abnehmer

Lieferant Produzent Abnehmer

IT-System / Datenbank Informationsfluss / Kopplung

Abb. 4.5 Kopplungsmöglichkeiten zwischen den Informationssystemen verschiedener Akteu-


re in einer Lieferkette.

Durch die Entwicklung des Internets haben gleichzeitig neue Kommunikati-


onsmöglichkeiten sowohl im Bereich Business-to-Business als auch im Bereich
Business-to-Consumer an Bedeutung gewonnen. Hierdurch lassen sich viele
Kommunikationsprozesse mit Kunden und Lieferanten kostengünstiger als bisher
automatisieren. Allerdings wird durch das Internet das Problem einheitlicher Da-
tenstandards an den Schnittstellen nicht automatisch beseitigt. Ähnlich wie bei der
EDI-Kommunikation müssen die Daten verschiedener Marktteilnehmer im glei-
chen Standard dargestellt oder übersetzt werden.
Die grundsätzlichen Probleme, die beim Aufbau eines Datenverbundes gelöst
werden müssen, lassen sich in folgender Weise zusammenfassen:
x Durch den Datenverbund sollen Informationen, die dem Güterfluss vorauseilen,
ihn begleiten oder ihm nacheilen, schneller an den entsprechenden Empfänger
übermittelt werden können.
x Im Datenverbund müssen Daten und Dokumente in einheitlichen Standards
vorliegen. Ausgehend von der Erkenntnis, dass viele logistische Subsysteme
dieselben Informationen benötigen, wurde auf verschiedenen Ebenen das Prob-
lem der Standardisierung von Datensätzen und Dokumenten in Angriff ge-
94 4 Auftragsabwicklung

nommen.34 Auf internationaler Ebene hat die International Standardization Or-


ganisation (ISO) mit EDIFACT 35 einen branchenunabhängigen internationalen
Standard für Handelsdaten definiert. Im Juli 1993 wurde in Zusammenarbeit
der Bundesregierung mit der deutschen Wirtschaft innerhalb des deutschen
DIN36 die deutsche EDI-Gesellschaft (DEDIG) zur Förderung und Unterstüt-
zung des EDIFACT-Standards gegründet. Für den Bereich Spedition und
Transport ist die EDIFACT Transport Message Group, eine spezielle Arbeits-
gruppe innerhalb des westeuropäischen EDIFACT-Boards, zuständig. Sie hat
einen Rahmen für die Nachrichtentypen Buchungsanfrage, Buchung, Bu-
chungsbestätigung, Auftrag, Auftragsbestätigung und Avis geschaffen. Davon
ausgehend hat der Bundesverband Spedition und Lagerei zusammen mit dem
Zentralverband der Spediteure einen Leitfaden „Elektronischer Speditionsauf-
trag“ herausgegeben, um die Informationsinhalte entlang der Logistikkette zu
standardisieren, was bisher nur in sehr geringem Ausmaß geschehen ist.
x Das Streben nach Standardisierung hat dort seine Grenzen, wo unterschiedliche
Informationsbedürfnisse in den Logistiksystemen existieren. Beispielsweise
sind Angaben über die Größe der Transportmittel oder über die Bedingungen
des Be- und Entladens beim Empfänger nur im Informationssystem für den
Transport von Bedeutung. Des Weiteren müssen für verschiedene Manage-
mentebenen die Daten in unterschiedlicher Aggregationsform vorliegen. Dieses
Problem adressieren spezifische Business-Intelligence-Systeme, die Informati-
on konsolidieren und den Anforderungen der Managementebene entsprechend
präsentieren.
x Bei der interorganisatorischen Verknüpfung von Logistiksystemen sind Prob-
leme der Datensicherheit (Schutz gegen Verlust, Zerstörung und Verfäl-
schung), des Datenschutzes (Schutz gegen unberechtigten Zugriff) sowie der
Haftung beim Datenaustausch zu lösen. Nicht nur im Rahmen des Datentrans-
ports, sondern auch bei der Datenspeicherung spielt „Cyber-Security“ eine im-
mer wichtigere Rolle. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Notwendig-
keit der Neutralität der Informationsverarbeitung hinzuweisen.
x Die Verknüpfung der Informationssysteme ist umso leichter zu realisieren, je
früher in der Planung, Programmierung und Konfiguration der Hardware und
Software Standards und Schnittstellen für den elektronischen Datenaustausch
berücksichtigt werden.
x Die EDV-Unterstützung besitzt über die Anforderungen zum Datenaustausch
hinaus große Bedeutung für die Koordination aller notwendigen Tätigkeiten,
die zur Erfüllung des Auftrags bzw. der Aufträge notwendig sind. Workflow-

34 Vgl. Seidelmann, 1997, S. 106ff.


35 EDIFACT: Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport.
36 DIN: Deutsches Institut für Normung.
Literatur 95

Management-Systeme oder Business-Performance-Management-Systeme sind


nur zwei Beispiele mit großen Potentialen für Unternehmen.37
x Hinsichtlich der intraorganisatorischen Verknüpfung sind mittlerweile inte-
grierte betriebliche Softwarelösungen weit verbreitet. In Deutschland und Eu-
ropa stellt SAP R/3 bzw. die neuere Architektur mit SAP ERP de facto weiter-
hin den Standard dar. Diese Programme versuchen, alle betrieblichen Vorgänge
abzubilden. Sie beinhalten Lösungen für die einzelnen phasen- und verrich-
tungsspezifischen betrieblichen Subsysteme und verbinden diese miteinander,
so dass in allen Bereichen einheitliche Informationen vorliegen. Auch zwi-
schenbetriebliche Plattformlösungen zur Auftragsabwicklung (wie oben das
SIM-System) wird innerhalb der Unternehmen mit den jeweiligen SAP-
Applikationen verbunden.
Eines der intraorganisatorischen Logistiksysteme, zu denen das System der
Auftragsabwicklung eine enge Verknüpfung haben muss, ist das im folgenden
Abschnitt dargestellte System der Lagerhaltung, das teilweise auch als Bestands-
managementsystem bezeichnet wird.

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96 4 Auftragsabwicklung

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5 Lagerhaltung (Lagerbestände)

5.1 Definition und Funktionen der Lagerhaltung

Definition
Lagerhaltung befasst sich mit allen Entscheidungstatbeständen, die einen Einfluss
auf die Lagerbestände haben, weshalb man auch von Bestandsmanagement
spricht. Lagerbestände sind Puffer zwischen Input- und Output-Flüssen von Gü-
tern. Diese Puffer entstehen, sobald sich die zeitliche und quantitative Struktur der
Input-Flüsse von der der Output-Flüsse unterscheidet. Solche Puffer können infol-
ge der unterschiedlichen Struktur der Input- und Output-Flüsse an den unter-
schiedlichsten Stellen in der Logistikkette entstehen, wie in Abb. 5.1 ersichtlich
ist.
Nur durch die vollständige Synchronisation der Input- und Output-Flüsse kön-
nen Lagerbestände überflüssig gemacht werden. Dies wird aber lediglich in Ein-
zelfällen gelingen. Allerdings darf die Definition der Lagerhaltung als Puffer nicht
Industrieunternehmen

Beschaffungs-
Produktions- Distributions-
lager
lager lager
Handels- oder Industrieunternehmen

(Eingangslager,
(Zwischenlager) (Absatzlager)
Vorratslager)
Logistikunternehmen

Beschaffungs-/
Recyclinglager Distributions-
lager

Beschaffungs-/ Beschaffungs-/
Konsumenten- Distributions- Distributions-
lager lager lager
im Einzelhandel im Großhandel

Haushalte Handelsunternehmen

Abb. 5.1 Lagerbestände beim Güterfluss durch die Logistikkette

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018


H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4_5
100 5 Lagerhaltung (Lagerbestände)

zu einem statischen Denken führen, das die Existenz derartiger Puffer grundsätz-
lich nicht in Frage stellt. Ausgehend vom logistischen Systemdenken lassen sich
Lagerbestände auch als teilweise unerwünschte Unterbrechungen des Güterflusses
definieren. Damit sind aber schon die Funktionen der Lagerhaltung angesprochen.

Funktionen
Die Funktionen der Lagerhaltung zeigen, warum Lagerbestände gehalten werden.
Die im Folgenden zusammengestellten Funktionen der Lagerhaltung1 belegen den
Nutzen, der mit Lagerbeständen verbunden sein kann.
Lagerbestände sind erforderlich, wenn ein Unternehmen Größendegressionsef-
fekte beim Einkauf, beim Transport oder bei der Produktion von Gütern ausnutzen
möchte. Beschaffungslager können dadurch entstehen, dass ein Unternehmen
Mengenrabatte beim Lieferanten oder günstigere Transportkonditionen beim Spe-
diteur erzielen will. In ähnlicher Weise kann der Aufbau von Lagerbeständen in
Distributionslagern dazu dienen, günstigere Transportkonditionen für größere
Transportmengen zu erzielen. Lagerbestände in Distributionslagern können eben-
falls wie Lagerbestände in Produktionslagern den Zweck haben, die Produktions-
stückkosten durch größere Produktionslose zu senken. Höhere Lagerbestandskos-
ten nimmt man in diesem Fall in Kauf, weil in der Produktion geringere
Rüstkosten anfallen.2
Eine weitere Funktion von Lagerbeständen ist der Ausgleich des Auseinander-
klaffens von Angebot und Nachfrage. Ein Beispiel hierfür ist die saisonale Nach-
frage nach bestimmten Konsumgütern zur Weihnachtszeit. Der Aufbau von La-
gerbeständen dient in diesem Fall in Distributions- wie auch in Produktionslagern
dazu, die Produktionskapazitäten trotz saisonaler Nachfragen kontinuierlich aus-
zulasten. Bei landwirtschaftlichen Gütern findet sich andererseits häufig ein saiso-
nales Angebot. Um die Güter kontinuierlich während des Jahres absetzen zu kön-
nen, müssen dann Lagerbestände in Distributions- oder Produktionslagern
aufgebaut werden.
Lagerbestände erleichtern im Allgemeinen auch die Spezialisierung der Pro-
duktion in verschiedenen Werken eines Unternehmens bzw. die Arbeitsteilung in
einer Volkswirtschaft oder in der Weltwirtschaft überhaupt. Die Spezialisierung
der Produktion, beispielsweise in verschiedenen Werken eines Unternehmens, auf
bestimmte Teile senkt die Produktionskosten. Wenn keine einsatzsynchrone An-
lieferung der Teile an das Montagewerk möglich ist, so ist diese Spezialisierung
nur durch Inkaufnahme höherer Lagerbestände möglich.
Lagerbestände dienen auch der Spekulation. So werden sowohl in Beschaf-
fungs- als auch in Distributionslagern Lagerbestände aufgebaut, wenn man einen
Anstieg der Preise für diese Güter erwartet. Das beschaffende Unternehmen
möchte sich in diesem Fall noch mit Gütern zum gegenwärtig niedrigeren Preis

1 Vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 228ff.; Stölzle u.a., 2004, 13ff.


2 Siehe Abb. 2.5 in Teil I.
5.2 Lagerhaltungsaufgaben 101

versorgen. Der Lieferant spekuliert unter Umständen darauf, dass die Verknap-
pung des Angebots die Preise noch höher treiben wird, so dass er die Bestände in
seinem Lager hält. Spekulationen, die zu Lagerbeständen führen, beziehen sich
nicht immer auf den Preis. Ganz allgemein entstehen Lagerbestände infolge von
Spekulationen bezüglich der Knappheit von Gütern. Lagerbestände können so
z. B. auch aus der Erwartung resultieren, dass ein Streik bei den Zulieferunter-
nehmen die Versorgungssituation beeinträchtigen wird.
Letztlich hält man Lagerbestände auch als Schutz vor Unsicherheit. Wenn die
Input- und Output-Flüsse anders verlaufen, als man erwartet hat, so kann die
Nachfrage nach Gütern nur aus Lagerbeständen befriedigt werden. Die Notwen-
digkeit zum Aufbau solcher Lagerbestände gibt es sowohl in Beschaffungs- als
auch in Produktions- und Distributionslagern. Sie sind eine Folge davon, dass man
die Nachfrage der Kunden bzw. der eigenen Produktion nicht immer sicher prog-
nostizieren kann und die Lieferung durch die Lieferanten oder durch die Produkti-
on nicht immer sicher erfolgt.
Die genannten Funktionen gelten zunächst allgemein unabhängig von einer be-
stimmten Lagerart, wobei allerdings manche Funktionen für gewisse Lagerarten
von größerer Bedeutung sind als für andere Lagerarten. Man kann auch versuchen,
für einzelne Lagerarten die spezifisch für sie zutreffenden Funktionen noch kon-
kreter herauszuarbeiten.3

5.2 Lagerhaltungsaufgaben
Bei der Gestaltung des Puffers zwischen den Input- und Output-Flüssen sind vier
eng miteinander zusammenhängende Fragen zu beantworten:
x Welches Gut soll gelagert werden?
x Wie viel soll von einem Gut gelagert werden?
x Wie viel soll zur Wiederauffüllung des Lagerbestandes bestellt werden?
x Wann soll zur Wiederauffüllung des Lagerbestandes bestellt werden?
Offensichtlich wird durch die Beantwortung dieser vier Fragen die Höhe der
Lagerbestände festgelegt. Durch die Beantwortung der ersten Frage soll zunächst
grundsätzlich geklärt werden, ob Lagerbestände für alle Güter zu halten sind oder
ob sie im Sinne einer selektiven Lagerhaltung nur für ganz bestimmte Güter auf-
gebaut werden. Durch die Beantwortung der übrigen drei Fragen wird dann durch
Maßnahmen der Vorratsergänzung und -sicherung die Höhe der Lagerbestände für
diese Güter bestimmt. Hierbei ist es zweckmäßig, verschiedene Bestandteile des
Lagerbestandes zu unterscheiden, aus denen sich dieser zusammensetzt.

Bestandteile des Lagerbestandes


Wie aus Abb. 5.2 ersichtlich ist, ergibt sich der eine Bestandteil des Lagerbestan-
des aus der Bestellmenge, mit der der Lagervorrat wieder ergänzt wird. Je größer

3 Siehe die Funktionen des Produktionslagers in Abb. 10.4 in Teil III.


102 5 Lagerhaltung (Lagerbestände)

die Bestellmenge ist bzw. je weniger häufig bestellt wird, desto größer ist der aus
der Bestellmenge resultierende durchschnittlich im Lager vorhandene Bestand,
den man als mittleren Lagerbestand bezeichnet. Vom mittleren Lagerbestand zu
unterscheiden ist der gesamte Durchschnittsbestand eines Lagers, der noch einen
Lagerbestand zur Vorratssicherung enthält. Wenn man die Nachfrage für die Wie-
derbeschaffung völlig genau vorhersagen könnte, würde der mittlere Lagerbestand
auch immer noch zur Befriedigung der nach Erreichen des Bestellpunktes auftre-
tenden Nachfrage genügen. Die beim Bestellpunkt ausgelöste Bestellmenge würde
am Ende der Wiederbeschaffungszeit gerade dann im Lager eintreffen, wenn der
alte Lagerbestand genau auf Null reduziert ist. Da häufig der prognostizierte
Nachfrageverlauf (Lagerabgang) nicht mit dem tatsächlichen Nachfrageverlauf
und die geplante Anlieferung der Güter (Lagerzugang) nicht mit der tatsächlichen
Anlieferung übereinstimmen, muss man als zusätzlichen Bestand noch den Si-
cherheitsbestand auf Lager halten. Der mittlere Lagerbestand resultiert also aus
der Vorratsergänzung, wenn die geplante und tatsächliche Nachfrage sowie die
geplante und tatsächliche Wiederbeschaffungszeit übereinstimmen. Der Sicher-
heitsbestand resultiert aus Unsicherheiten im Nachfrageverlauf und in der Wie-
derbeschaffung, die zu Lagerentnahme- und Wiederbeschaffungszeitüberziehun-
gen führen.4

4 Vgl. Grochla, 1990, S. 101ff.; Liesegang/Wohlgemuth, 1997, S. 963.


5.2 Lagerhaltungsaufgaben 103

Lagerbestand

Nachfrageverlauf
Bestellmenge=Q

mittlerer
Bestellpunkt Lager-
bestand gesamter
Nw =Q/2 Durchschnitts-
bestand

Sicherheits-
bestand

Zeit
Wiederbeschaffungszeit

Bestellzyklus

NW : Nachfrage (Bedarf) während der Beschaffungszeit. (Um die Übersichtlichkeit der


Skizze nicht zu beeinträchtigen, ist für den Nachfrageverlauf nur der Sonderfall einer
konstanten Nachfrage pro Zeiteinheit dargestellt, in dem der vorhergesagte Wert mit
dem tatsächlichen Wert übereinstimmt.)

Abb. 5.2 Bestandteile des Lagerbestandes aufgrund der Vorratsergänzung und -sicherung

Will man wissen, wie viel Kapital in den Lagerbeständen gebunden ist, so soll-
te man neben dem aus Abb. 5.2 ersichtlichen Durchschnittsbestand auch die La-
gerbestände während der Bewegung (Unterwegsbestände, movement inventories,
pipeline inventories, inprocess inventories) berücksichtigen. Sie entstehen wäh-
rend des Transports und Umschlags der Güter. Braucht man z. B. zwei Wochen
für Transport und Umschlag eines Artikels vom Fabriklager zum Auslieferungsla-
ger und werden vom Auslieferungslager 100 Einheiten des Artikels pro Woche
verkauft, so beträgt die Höhe der Lagerbestände während der Bewegung im
Durchschnitt 200 Einheiten.5
Bevor die Aufgaben der Vorratsergänzung und -sicherung sowie der selektiven
Lagerhaltung noch ausführlicher erörtert werden, wird auf die Bedarfsermittlung –
und damit auf die Ermittlung des aus Abb. 5.2 ersichtlichen Nachfrageverlaufs –
eingegangen. Die Bedarfsermittlung ist die Grundlage für die Ausübung der wei-
teren Lagerhaltungsaufgaben.

5 Vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 233f.; Magee u.a., 1985, S. 86 und S. 280ff.


104 5 Lagerhaltung (Lagerbestände)

Bedarfsermittlung
Wie die Aufgabe der Bedarfsermittlung wahrgenommen werden kann, hängt we-
sentlich von der Art des Bedarfs ab. 6 In Abb. 5.3 sind die prinzipiell zu unter-
scheidenden Materialbedarfsarten zusammengestellt, wobei der Begriff Material
in diesem Fall identisch mit dem Begriff Gut ist.
Unter Primärbedarf ist der Marktbedarf zu verstehen, also der Bedarf an ver-
kaufsfähigen Gütern (Fertigprodukte, Ersatzteile, Handelsware). In Handelsunter-
nehmen ist der Primärbedarf die Grundlage für die weiteren Lagerbestandsdisposi-
tionen. In Industrieunternehmen gilt dies nur für die Lagerbestandsdispositionen in
der Distributionslogistik. Für die Produktions- und Beschaffungslogistik muss der
Primärbedarf in einen Sekundärbedarf an Rohstoffen, Zukaufteilen und Baugrup-
pen zerlegt werden, der für die Produktion gemäß dem Primärbedarf entsteht. Als
Tertiärbedarf bezeichnet man den Bedarf an Hilfs- und Betriebsstoffen sowie
Verschleißwerkzeugen für die Produktion.

Materialbedarfsarten

Ermittlung nach Ursprung Ermittlung unter Berück-


und Erzeugnisebene sichtigung der Lagerbestände

Primärbedarf Sekundärbedarf Tertiärbedarf Bruttobedarf Nettobedarf

Bedarf an Bedarf an Bedarf an Betriebs- Periodenbezogener Bruttobedarf


verkaufsfähigen Rohstoffen, Teilen und Hilfsstoffen Primär-, Sekundär- abzüglich
Erzeugnissen und Gruppen zur oder Tertiärbedarf verfügbarem
(Marktbedarf) Fertigung des Lagerbestand
Primärbedarfs

Abb. 5.3 Zusammenstellung der Materialbedarfsarten (Quelle: Hartmann, 2002, S. 278)

Unter Bruttobedarf versteht man den in einer Periode auftretenden Bedarf an


Material ohne Berücksichtigung der Lagerbestände. Der Nettobedarf wird ermit-
telt, indem man vom Bruttobedarf die verfügbaren Lagerbestände abzieht. Zur
Ermittlung des Bruttobedarfs stehen die in Abb. 5.4 zusammengestellten Metho-
den zur Verfügung.7

6 Vgl. Hartmann, 2002, S. 275ff.


7 Vgl. Grochla, 1990, S. 40ff.; Hartmann, 2002, S. 282ff.
5.2 Lagerhaltungsaufgaben 105

Methoden der Bedarfsermittlung

Deterministische Stochastische Subjektive


Bedarfsermittlung Bedarfsermittlung Schätzung

Analytische Synthetische Analog- Intuitiv-


Verfahren Verfahren schätzung schätzung

Methoden der Methoden der


Regressionsanalyse
Mittelwertbildung exponentiellen Glättung

gleitender gewichteter
Mittelwert gleitender Durchschnitt

exponentielle exponentielle
Glättung 1. Ordnung Glättung 2. Ordnung

Abb. 5.4 Methoden der Bedarfsermittlung (Quelle: Hartmann, 2002, S. 284)

Die Methoden der Bedarfsermittlung unterscheiden sich nach der ihnen zu-
grundeliegenden Datenbasis. Die deterministische oder programmgebundene Be-
darfsermittlung geht von einem Primärbedarf an marktfähigen Produkten für be-
stimmte Perioden (geplantes Produktprogramm) oder für einen Kundenauftrag
aus. Der Sekundärbedarf wird dann anhand von Stücklisten oder Teileverwen-
dungsnachweisen deterministisch errechnet. Verwendet man Stücklisten, so liegt
eine analytische Bedarfsauflösung vor. Die im Produktprogramm enthaltenen Pro-
dukte werden schrittweise aufgrund von Stücklisten über verschiedene Baugrup-
pen bis zu Einzelteilen und Rohstoffen aufgegliedert. Während die Stückliste an-
gibt, welche Materialien in welchen Mengen für die Produktion einer Baugruppe
oder eines verkaufsfähigen Erzeugnisses erforderlich sind, gibt der Teileverwen-
dungsnachweis als umgekehrte Stückliste an, in welchen Baugruppen und ver-
kaufsfähigen Erzeugnissen ein bestimmtes Material vorkommt. Werden Teilever-
wendungsnachweise als Hilfsmittel zur deterministischen Bedarfsermittlung
benutzt, so liegt eine synthetische Bedarfsauflösung vor. In beiden Fällen ist die
deterministische Bedarfsermittlung sehr rechenintensiv und verlangt bei Unter-
nehmen mit breiten und tiefen Produktionsprogrammen den Einsatz der elektroni-
schen Datenverarbeitung. Wegen des großen Aufwandes dieser Methode der Be-
darfsermittlung wird sie nur bei wichtigen Materialien angewendet. Welche
106 5 Lagerhaltung (Lagerbestände)

Materialien als wichtig anzusehen sind, wird im Abschnitt über die selektive La-
gerhaltung behandelt. Grenzen für die Anwendung der deterministischen Bedarfs-
ermittlung liegen aber auch in der Unsicherheit bei der Festlegung des Produkt-
programms einer Periode. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass
der Begriff deterministisch nicht zur Annahme verleiten darf, der Sekundärbedarf
könne immer deterministisch, also sicher, festgelegt werden. Dies ist nur in den
Fällen möglich, in denen das Produktprogramm nach erteilten Kundenaufträgen
vollständig festliegt. Ist die Prognose des Produktprogramms dagegen mit Unsi-
cherheiten behaftet, so kann es durchaus zu Abweichungen zwischen geplantem
und tatsächlich benötigtem Sekundärbedarf kommen.
Basis der stochastischen oder verbrauchsgebundenen Bedarfsermittlung ist der
Materialverbrauch vergleichbarer Perioden der Vergangenheit, der in Verbrauchs-
statistiken festgehalten wurde. Ausgehend von diesen Daten wird mit Hilfe von
Prognosemethoden, die für kurzfristige Prognosen geeignet sind, der Bedarf ermit-
telt. Häufig angewendet werden hierbei Methoden der Mittelwertbildung, Metho-
den der exponentiellen Glättung und der Regressionsanalyse. Während die deter-
ministische Bedarfsermittlung vorwiegend bei hochwertigen Erzeugnishaupt-
stoffen – das sind Materialien, die einen wesentlichen Bestandteil des
Fertigproduktes ausmachen – eingesetzt wird, verwendet man bei geringwertigen
gängigen Erzeugnishauptstoffen sowie bei den Erzeugnishilfsstoffen und Be-
triebsstoffen (Tertiärbedarf) die stochastische Bedarfsermittlung. Sie ist weniger
aufwendig und kann auch in Fällen angewendet werden, in denen die Bedarfsbe-
wegung nur wenig der Produktionsprogrammänderung folgt, wie das bei vielen
Betriebsstoffen der Fall ist. Voraussetzung für ihre Anwendung ist, dass die Ver-
gangenheitswerte ausreichend und zuverlässig sind sowie die Zeitstabilitätshypo-
these Gültigkeit hat. Letztere besagt, dass der Ursachenkomplex, der in Vergan-
genheit die Entwicklung der zu prognostizierenden Größe bewirkt hat, in Zukunft
in derselben Weise weiter wirkt.8
Sind diese Voraussetzungen für den Einsatz der stochastischen Bedarfsermitt-
lung nicht gegeben, so verbleiben noch die Methoden der subjektiven Schätzung.
Deren Grundlage ist die persönliche Meinung einer oder mehrerer Personen. Wer-
den die Meinungen über den mutmaßlichen Bedarf in der Zukunft rein intuitiv ab-
gegeben, so liegt eine Intuitivschätzung vor. Logisch begründbare und damit in-
tersubjektiv überprüfbare Zusammenhänge versucht dagegen die Analogschätzung
heranzuziehen. Zur Prognose des Bedarfs eines bestimmten Materials greift man
beispielsweise auf die Bedarfsentwicklung bei einem vergleichbaren Material zu-
rück.
Im Zusammenhang mit der Bedarfsermittlung wird in der angelsächsischen Li-
teratur auch zwischen unabhängigen und abhängigen (koordinierten) Nachfrage-
systemen unterschieden.9 Bei unabhängigen Nachfragesystemen ist die vom Emp-

8 Vgl. Pfohl/Stölzle, 1997, S. 48f.


9 Vgl. Schary, 1984, S. 117f., S. 175ff. und S. 192ff.
5.3 Vorratsergänzung und -sicherung 107

fangspunkt ausgehende Nachfrage für den Lieferpunkt 10 unsicher und muss von
letzterem prognostiziert werden. Dagegen ist in einem abhängigen (koordinierten)
Nachfragesystem die vom Empfangspunkt ausgehende Nachfrage für den Liefer-
punkt bekannt. In diesem Fall besteht in einem mehrstufigen Logistiksystem das
Problem darin, aus dieser Nachfrage die Nachfrage (den Bedarf) bei den vorgela-
gerten Lieferpunkten abzuleiten. Im logistischen Subsystem Materiallogistik ge-
schieht dies, ausgehend von dem als bekannt vorausgesetzten Produktionspro-
gramm (Master Production Schedule), durch die Methode der deterministischen
Bedarfsermittlung, die in der angelsächsischen Literatur unter dem Begriff Mate-
rial Requirements Planning (MRP) zusammengefasst werden. 11 Im logistischen
Subsystem Distributionslogistik besteht das Problem in der Zusammenfassung der
als bekannt vorausgesetzten Bedarfe an mehreren Empfangspunkten (z. B. lokalen
Auslieferungslagern) über mehrere Stufen bis zum Bedarf in einem zentralen Lie-
ferpunkt (z. B. Zentrallager oder Fabriklager). In der angelsächsischen Literatur
spricht man hierbei vom Distribution Requirements Planning (DRP).12

5.3 Vorratsergänzung und -sicherung

Vorratsergänzung
Das Entscheidungsproblem der Vorratsergänzung besteht darin, für den festge-
stellten Materialbedarf zu bestimmen, wann und wie viel bestellt werden soll, da-
mit die Summe der Lagerhaltungskosten und der Bestellkosten minimiert wird. In
der Literatur werden eine Reihe von Bestellregeln genannt, durch die das Wann
und das Wie viel der Bestellung konkretisiert wird.13
Die Frage nach dem Wann einer Bestellung kann sowohl durch eine bestimmte
Mengenangabe als auch durch eine bestimmte Zeitangabe beantwortet werden. Es
wird also entweder bestellt, wenn ein bestimmter Lagerbestand s (der Bestellpunkt
in Abb. 5.2) unterschritten oder eine bestimmte Periode t (der Bestellzyklus in
Abb. 5.2) abgelaufen ist. Die Frage nach dem Wie viel einer Bestellung kann
ebenfalls unter zwei Gesichtspunkten beantwortet werden. Die bestellte Menge ist
entweder eine vorgegebene Bestellmenge Q oder eine variable Menge, die den La-
gerbestand jeweils bis zu einem bestimmten Bestellniveau S ergänzt. Unter Heran-
ziehung dieser vier Entscheidungsvariablen unterscheidet man üblicherweise die
in Abb. 5.5 dargestellten Bestellregeln.
Bei der (s,Q)-Regel ist die optimale Bestellmenge oder optimale Los- bzw. Auf-
tragsgröße wesentliche Entscheidungsvariable.14 Bei der Bestimmung der optima-

10 Siehe auch Abb. 1.2 in Teil I.


11 Vgl. Pfohl, 2016, S. 138ff.
12 Vgl. Pfohl, 2016, S. 144ff.
13 Vgl. zum Folgenden Hammann/Palupski, 1997, S. 88ff.; siehe dazu auch Thonemann, 2015,
S. 193ff.
14 Vgl. Grochla, 1990, S. 69ff.; Arnolds u.a., 2016, S. 73.
108 5 Lagerhaltung (Lagerbestände)

Bestellmenge

Q S

(s,Q)-Regel (s,S)-Regel
s
Bestellzeit-
punkt

(t,Q)-Regel (t,S)-Regel
t

Abb. 5.5 Bestellregeln

len Bestellmenge ist ein für die Logistik typischer Zielkonflikt zu lösen. Denn die
Höhe der Kapitalbindung und damit der Lagerhaltungskosten hängt von der Größe
der Bestellmenge ab. Im Gegensatz zu diesen Bestellvariablen gibt es bestellfixe
(losfixe) Kosten, die mit jedem Lagerzugang nur einmal anfallen. Das sind die Be-
stellkosten, die bezogen auf die Bestellmenge regressiv verlaufen. Im Extremfall
könnte die Bestellmenge gleich der Jahresbedarfsmenge sein, so dass nur eine Be-
stellung im Jahr erfolgt. Infolge des hohen mittleren Lagerbestandes entstehen in
diesem Fall sehr hohe Lagerhaltungskosten, dagegen nur niedrige Bestellkosten.
Im anderen Extremfall macht die Bestellung nur eine Mengeneinheit des Bedarfs
aus. In diesem Fall stehen minimale Lagerhaltungskosten den maximalen Bestell-
kosten gegenüber. Die klassische Bestellmengenformel zur Minimierung der
Summe der beiden gegenläufigen Kosten lautet:

200 ˜ Jahresbedarf ˜ Bestellkosten


Optimale Bestellmenge =
Einstandspreis ˜ Lagerhaltungskostensatz

Die Bestellkosten umfassen die Kosten für alle Tätigkeiten, die zur Vorberei-
tung und Abwicklung einer Bestellung notwendig sind. Der Lagerhaltungskosten-
satz beinhaltet den kalkulatorischen Zinssatz und den Lagerkostensatz. Mit erste-
rem sollen die kalkulatorischen Zinsen auf das durchschnittlich im Lager
gebundene Kapital berechnet werden. Mit letzterem werden die weiteren mit der
Lagerhaltung verbundenen Kosten erfasst. Die klassische Bestellmengenformel
geht von folgenden Prämissen aus: Konstanter Bedarf, konstanter Nachfragever-
lauf (konstante Lagerabgangsgeschwindigkeit), konstanter Einstandspreis, kon-
stanter Lagerhaltungskostensatz, konstante Bestellmengenfixkosten und keine La-
gerungs- oder Finanzierungsrestriktionen. Ausgehend von diesen teilweise
realitätsfremden Prämissen wurden Modifikationen der Bestellmengenformel ent-
wickelt, die z. B. von variablen Einstandspreisen (Berücksichtigung von Preisstaf-
felungen infolge von Mengenrabatten und Mindermengenaufpreisen, Transport-
5.3 Vorratsergänzung und -sicherung 109

kostenstaffelungen und preisgünstigen Sonderangeboten), variablen Bedarfs-


mengen oder Lagerraum- und Finanzierungsrestriktionen ausgehen.
Die Überlegungen zur optimalen Bestellmenge treffen analog auf die optimale
Losgröße in der Produktion zu. An die Stelle der Bestellkosten treten dann die
Rüstkosten für das einmalige Einrichten der Maschinen für die zu fertigenden Lo-
se. Der Einstandspreis wird durch die Herstellkosten ohne die Rüstkosten ersetzt.
Eine Bestellung bei der (s,Q)-Regel wird dann ausgelöst, wenn der Lagerbe-
stand auf einen Bestellpunkt oder Meldebestand abgesunken ist. Man spricht des-
halb auch vom Bestellpunktverfahren. Der Bestellpunkt wird so festgelegt, dass
mit dem Lagerbestand die Nachfrage während der Wiederbeschaffungszeit abge-
deckt werden kann.
Ein ganz anderer Weg der Vorratsergänzung wird beim Bestellrhythmusverfah-
ren (Bestellzyklusverfahren) eingeschlagen. Dieses Verfahren geht von einem
konstanten Bestellzyklus aus, der z. B. durch den Anlieferungsrhythmus der Liefe-
ranten oder den Produktionsrhythmus vorgegeben ist. Sofern Lagerabgänge statt-
gefunden haben, wird nach Ablauf des Bestellzyklus in jedem Fall nachbestellt.
Bei der (t,S)-Regel wird die Bestellmenge beispielsweise so hoch bemessen, dass
sie der Nachfrage während des Bestellzyklus und der Wiederbeschaffungszeit ab-
züglich des Restlagerbestandes entspricht.

Vorratssicherung
Das Entscheidungsproblem der Vorratssicherung ist ebenfalls durch einen Ziel-
konflikt gekennzeichnet, der bei der Bemessung des Sicherheitsbestandes auftritt.15
Je größer der Sicherheitsbestand ist, desto größer sind die durch ihn verursachten
Lagerhaltungskosten. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Fehlmengen und
damit die Fehlmengenkosten sinken dagegen mit wachsenden Sicherheitsbestän-
den. Zu den Fehlmengenkosten zählen alle Kosten, die entstehen, wenn ein in der
Produktion (Fehlmengen in der Materiallogistik) oder beim Kunden (Fehlmengen
in der Distributionslogistik) auftretender Bedarf mit den vorhandenen Lagerbe-
ständen nicht gedeckt werden kann. Dazu zählen z. B. Kosten für Sondermaßnah-
men zur Befriedigung des auftretenden Bedarfs, der nicht aus dem Vorrat gedeckt
werden kann, Kosten eines Produktionsstillstandes, Kosten einer Umrüstung der
Produktionsanlage, Kosten aus Umsatzverlusten und entgangenen Aufträgen wie
auch Kosten, die längerfristig durch Imageverluste entstanden sind.
Grundsätzlich lassen sich drei Möglichkeiten zur Bestimmung des optimalen
Sicherheitsbestandes unterscheiden:
x Bestimmung des Sicherheitsbestandes mit Hilfe der Fehlmengenkosten,
x Bestimmung des Sicherheitsbestandes durch explizite Berücksichtigung der
Nachfrageveränderung infolge des Auftretens von Fehlmengen,
x Bestimmung des Sicherheitsbestandes durch Vorgabe der Lieferbereitschaft,
die die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen von Fehlmengen begrenzt.

15 Siehe Abb. 2.5 in Teil I.


110 5 Lagerhaltung (Lagerbestände)

Die erste Methode, bei der versucht wird, das gemeinsame Minimum der
Fehlmengenkosten und der Lagerhaltungskosten zu bestimmen, wird in vielen La-
gerhaltungsmodellen 16 angewendet. Sie hat zwar eine große Bedeutung für die
Theorie der Lagerhaltung, jedoch weniger für die Praxis, da es in den meisten Fäl-
len sehr große Schwierigkeiten bereitet, die Fehlmengenkosten quantitativ zu er-
fassen.17 Die zweite Methode hat bisher weniger Eingang in die Lagerhaltungsthe-
orie gefunden. Für die Anwendbarkeit in der Praxis stellt sich jedoch ebenfalls das
Problem der Quantifizierbarkeit.
Die dritte Methode umgeht die mit dem Auftreten der Fehlmengen bestehenden
Quantifizierungsschwierigkeiten. Sie wird deshalb in der Praxis bevorzugt ange-
wendet. Die Anwendung dieser Methode ist jedoch nicht unproblematisch. Es be-
reitet zwar keine großen Schwierigkeiten, den Sicherheitsbestand mit Hilfe einer
vorgegebenen Lieferbereitschaft zu bestimmen. Das eigentliche Problem besteht
dann darin, auf welche Weise diese Lieferbereitschaft festgelegt wird.
Ähnlich wie bei der Vorratsergänzung, wo gezeigt wurde, dass der mittlere La-
gerbestand von den vier Einflussfaktoren abhängt, die im Zusammenhang mit den
Bestellregeln aufgeführt wurden, lassen sich auch bei der Vorratssicherung vier
Einflussfaktoren für die Höhe des Sicherheitsbestandes nennen. Es sind dies:
x Länge der Wiederbeschaffungszeit,
x Wahrscheinlichkeit für die Wiederbeschaffungszeitüberziehung und Entnah-
meüberziehung (Fehler in der Prognose der Zuverlässigkeit der Einhaltung der
Wiederbeschaffungszeit und Fehler in der Bedarfsprognose),
x Lieferbereitschaft,
x Anzahl der Lager.
Die auf mangelnde Liefergenauigkeit zurückzuführenden Fehllieferungen, die
teilweise ebenfalls als Einflussfaktor des Sicherheitsbestandes18 genannt werden,
schlagen sich im zweiten Einflussfaktor nieder.

Länge der Wiederbeschaffungszeit


Es wird davon ausgegangen, dass sich aufgrund der Vergangenheitswerte der
Nachfrageentwicklung die durchschnittliche Nachfrage, die man während der
Wiederbeschaffungszeit erwartet, berechnen sowie die maximal möglich erschei-
nende Nachfrage abschätzen lässt. Der Sicherheitsbestand wird dann so hoch sein
müssen, dass er die Differenz zwischen der durchschnittlichen Nachfrage, die ei-
gentlich erwartet wird und der maximalen Nachfrage, die noch möglich erscheint,
abdecken kann. Somit lässt sich der Sicherheitsbestand als Funktion der Wieder-
beschaffungszeit darstellen:19
16 Zu solchen Modellen vgl. Schneeweiß, 1997, S. 488ff.; Zwehl/Kramer, 1997a, S. 492ff.
17 Vgl. Zwehl/Kramer, 1997b, S. 272f. Theoretische Ansätze zur Quantifizierung von Fehl-
mengenkosten entwickelte Schmid, 1977.
18 Vgl. Grochla, 1990, S. 115f.
19 Vgl. LaLonde/Grashof, 1969, S. 55.
5.3 Vorratsergänzung und -sicherung 111

S = Nmax · tw - NØ · tw = tw · (Nmax - NØ)

wobei
S = Sicherheitsbestand,
Nmax = maximal möglich erscheinende Nachfrage/Zeiteinheit,
NØ = erwartete, durchschnittliche Nachfrage/Zeiteinheit,
tw = Wiederbeschaffungszeit.
Je kürzer also die Wiederbeschaffungszeit für ein Lager ist, desto niedriger
kann der Sicherheitsbestand sein, mit dem die möglich erscheinende Nachfrage
befriedigt werden kann. Da der Sicherheitsbestand eine wesentlich geringere Um-
schlagshäufigkeit bzw. Umlaufgeschwindigkeit hat als der mittlere Lagerbestand –
welcher deswegen auch Umlaufbestand genannt wird –, kann eine Verkleinerung
des Sicherheitsbestandes zu einer merklichen Senkung der Lagerhaltungskosten
führen. Eine Verkürzung der Wiederbeschaffungszeit verursacht jedoch normaler-
weise im logistischen System auch höhere Kosten, beispielsweise durch den Ein-
satz schnellerer Kommunikations- und Transportmittel. Eine Verkürzung der
Wiederbeschaffungszeit ist also immer nur dann von Vorteil, wenn das Ansteigen
dieser Kosten durch die Verringerung der mit dem Sicherheitsbestand verbunde-
nen Lagerhaltungskosten mehr als ausgeglichen wird.
Ist es wegen der damit verbundenen hohen Transportkosten nicht möglich, die
Wiederbeschaffungszeit dadurch zu verkürzen, dass man die gesamte Gütermenge
zum Wiederauffüllen des Lagers mit schnellen Transportmitteln befördert, so kann
man noch auf andere Weise versuchen, den Vorteil einer kurzen Wiederbeschaf-
fungszeit bezüglich des Sicherheitsbestandes auszunutzen. Man verwendet in die-
sem Fall nicht nur einen Bestellpunkt, sondern zwei Bestellpunkte, wie es in Abb.
5.6 im Prinzip dargestellt ist. Hierdurch wird es ermöglicht, den größten Teil der
Gütermenge mit billigen langsameren Transportmitteln zum Lager zu befördern
und die teuren schnellen Transportmittel nur dann einzusetzen, wenn eine außer-
gewöhnlich hohe Nachfrage dies nötig macht.
Die Linie AB in Abb. 5.6 zeigt den erwarteten, durchschnittlichen Nachfrage-
verlauf und die Linie AE den maximal möglich erscheinenden Nachfrageverlauf. 20
BE ist der konventionelle Sicherheitsbestand, der bei der Verwendung nur eines
Bestellpunktes gehalten werden muss. Wird durch die Lagerabgänge der Stan-
dardbestellpunkt (A) erreicht, so wird eine Bestellung ausgelöst und die Bestell-
menge trifft am Ende der – infolge des Einsatzes von billigeren langsameren
Transportmitteln – langen Standard-Wiederbeschaffungszeit (E) im Lager ein. Bei
der Verwendung von zwei Bestellpunkten wird der sekundäre Bestellpunkt so
festgelegt, dass bei seinem Erreichen durch Lagerabgänge infolge des maximal
möglich erscheinenden Nachfrageverlaufs (C) die dann ausgelöste Bestellmenge
( DD' ) – aufgrund der durch den Einsatz schneller Transportmittel verkürzten
Wiederbeschaffungszeit – noch rechtzeitig im Lager eintrifft (D), um die Nachfra-

20 Vgl. Magee u.a., 1985, S. 108f.


112 5 Lagerhaltung (Lagerbestände)

Lagerbestand

Standard- A erwarteter, durchschnittlicher Nachfrageverlauf


Bestellpunkt
maximal möglich erscheinender
Nachfrageverlauf

Sekundärer C B
Bestellpunkt
Sicherheitsbestand
bei zwei Bestellpunkten Konventioneller
D Sicherheitsbestand

mögliche Reduktion des


Sicherheitsbestandes
D' E

verkürzte Wiederbeschaffungszeit Zeit


bei Einsatz schneller Transportmittel
Standard-Wiederbeschaffungszeit

Abb. 5.6 Verkleinerung der Sicherheitsbestandes durch Verwendung von zwei Bestellpunk-
ten (Quelle: Magee u.a., 1985, S. 109)

ge bis zum Ende der Standardwiederbeschaffungszeit (E) befriedigen zu können.


Wie sich aus Abb. 5.6 ersehen lässt, kann der Sicherheitsbestand bei zwei Bestell-
punkten erheblich reduziert werden. Der Sicherheitsbestand wird nur noch für ei-
nen Teil der über den erwarteten Durchschnittswert hinausgehenden Nachfrage
gehalten und nicht mehr für die gesamte über ihn hinausgehende Nachfrage bis
zum maximal möglich erscheinenden Wert.
Die Wahrscheinlichkeit, mit der die Belieferung des Lagers durch schnelle
Transportmittel in Anspruch genommen wird, hängt davon ab, wie man den se-
kundären Bestellpunkt festsetzt. Man wird sich auch hierbei wieder von dem Aus-
gleich zwischen der Reduktion der Lagerhaltungskosten des Sicherheitsbestandes
und der Erhöhung der Transportkosten leiten lassen müssen. Die Verwendung von
zwei Bestellpunkten bietet sich vor allem dazu an, den Sicherheitsbestand um den
Prozentsatz zu verkleinern, der eine besonders geringe Umschlagshäufigkeit hat.
Die Länge der Wiederbeschaffungszeit beeinflusst auch indirekt über Progno-
sefehler den Sicherheitsbestand. Denn von der Länge der Wiederbeschaffungszeit
hängt u. a. die Größe des Prognosefehlers ab.

Prognosefehler
Der Fehler, der bei der Bedarfs- oder Nachfrageprognose für eine Periode gemacht
wird, ist die Differenz zwischen dem vorhergesagten und dem tatsächlich einge-
troffenen Wert. Die zufälligen Schwankungen in der Nachfrage verursachen diese
Prognosefehler, die zu Entnahmeüberziehungen führen. Analog führen Fehler in
der Prognose der Zuverlässigkeit der Einhaltung der Wiederbeschaffungszeit zu
5.3 Vorratsergänzung und -sicherung 113

Wiederbeschaffungszeitüberziehungen. Im Folgenden wird am Beispiel der Fehler


der Bedarfsprognose gezeigt, dass die notwendigen Sicherheitsbestände umso
kleiner sein können, je genauer Prognosen getroffen werden. Die Ausführungen
lassen sich auf die Fehler in der Prognose der Zuverlässigkeit der Einhaltung der
Wiederbeschaffungszeit in gleicher Weise übertragen.
Die Häufigkeitsverteilung der Prognosefehler kann im Allgemeinen gut genug
durch eine Normalverteilung beschrieben werden. 21 Die Normalverteilung wird
durch den Mittelwert μ gekennzeichnet, der die Lage der Verteilung charakteri-
siert und durch die Standardabweichung σ, die die Streuung der Verteilung cha-
rakterisiert (N[μ,σ]-Verteilung).
Bei jeder für die Prognose eines bestimmten Ereignisses geeigneten Prognose-
methode muss der Mittelwert μ des Prognosefehlers gleich Null sein. Somit soll
für die Verteilung des Prognosefehlers eine N[0,σ]-Verteilung vorliegen, was ge-
nau allerdings nur im Idealfall zutrifft. Bei der Anwendung von Prognosemetho-
den ist jedoch ständig darauf zu achten, dass eine Kontrolle der mit ihnen produ-
zierten Prognosefehler zeigt, ob ihr Mittelwert tatsächlich nicht zu sehr von Null
abweicht. Hierzu können sogenannte Warnsignale in die Prognosen eingebaut
werden.22
Die Flächen unterhalb der Verteilungskurve in Abb. 5.7 geben an, mit welcher
Wahrscheinlichkeit der Prognosefehler in eine auf der horizontalen Achse abzule-
senden Bandbreite fällt. Für den Sicherheitsbestand sind nur die Prognosefehler
maßgebend, durch die der vorhergesagte Durchschnittswert der Nachfrage über-
schritten wird. Zur Bestimmung der Höhe des Sicherheitsbestandes interessiert
somit nur die Wahrscheinlichkeit, mit der eine bestimmte Nachfrage nicht über-
schritten wird. Man bezeichnet sie als einseitige statistische Sicherheit. Man sieht,
dass aufgrund der Verteilungskurve in 50% der Fälle der vorhergesagte Durch-
schnittswert der Nachfrage nicht überschritten wird. Gibt man sich damit zufrie-
den, nur in der Hälfte der Fälle die während der Beschaffungszeit auftretende
Nachfrage vom Lager zu befriedigen, so braucht kein Sicherheitsbestand gehalten
zu werden. Hält man einen Sicherheitsbestand in der Höhe von einer Standardab-
weichung, so kann erwartet werden, dass die Nachfrage in 84,13% der Fälle be-
friedigt wird. Will man die statistische Sicherheit haben, dass in 97,72% der Fälle
die während der Wiederbeschaffungszeit auftretende Nachfrage befriedigt werden
kann, so muss ein Sicherheitsbestand in Höhe von zwei Standardabweichungen
gehalten werden. Die Irrtums- oder Überschreitungswahrscheinlichkeit, die angibt,
mit welcher Wahrscheinlichkeit die Nachfrage nicht befriedigt werden kann, also
Fehlmengen im Lager auftreten, liegt im letzten Fall nur noch bei 2,28%. Bei einer
beliebigen Häufigkeitsverteilung liegen die statistischen Sicherheiten allerdings
viel ungünstiger und entsprechend niedrige Irrtumswahrscheinlichkeiten können

21 Zur Begründung vgl. Pfohl, 1972, S. 100 und die dort aufgeführte Literatur.
22 Vgl. Gudehus, 2010, S. 301f.
114 5 Lagerhaltung (Lagerbestände)

P (t) x: Vorhersagefehler
t: Vorhersagefehler
in der Einheit von s
P(t): Dichtefunktion der
Normalverteilung
s: Standardabweichung
des Vorhersage-
Vorhers
2,15 13,59 34,13 34,13 13,59 2,15 fehlers

-3s -2s -1s 0 1s 2s 3s x

-3 -2 -1 0 1 2 3 t = x/s

50%
84,13% einseitige
statistische
97,72% Sicherheit
99,87%

Abb. 5.7 Normalverteilung des Prognosefehlers

nur durch eine viel größere Anzahl von Standardabweichungen als bei der Nor-
malverteilung erreicht werden.23
Die Höhe des Sicherheitsbestandes hängt also von der Größe der Prognosefeh-
ler und der Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens ab. Mit Hilfe der Standardabwei-
chung und aufgrund der Häufigkeitsverteilung der Prognosefehler lässt sich der
Sicherheitsbestand somit wie folgt berechnen:

S = k · σ

wobei
S = Sicherheitsbestand,
k = Sicherheitsfaktor,
σ = Standardabweichung der Verteilung der Prognosefehler.
Je genauer die Nachfrageprognose ist, desto niedriger ist der Wert der Stan-
dardabweichung 24 und desto geringer muss der Sicherheitsbestand sein, um mit

23 Vgl. Inderfurth, 1996, S. 1031ff.; zur Nachfrageverteilung siehe auch Thonemann, 2015, S.
246ff.
24 Zur Abhängigkeit der Standardabweichung von der Länge der Wiederbeschaffungszeit und
der Größe des Absatzgebietes vgl. Pfohl, 1972, S. 102 und die dort aufgeführte Literatur.
5.3 Vorratsergänzung und -sicherung 115

einer bestimmten Wahrscheinlichkeit die Nachfrage befriedigen zu können. Der


Sicherheitsfaktor gibt an, wie viele Standardabweichungen einer bestimmten
Wahrscheinlichkeit entsprechen. Die Wahrscheinlichkeit entspricht dann der Lie-
ferbereitschaft, mit der ausgedrückt wird, in welchem Umfang die tatsächliche
Nachfrage während der Wiederbeschaffungszeit vom Lager befriedigt werden
soll.

Lieferbereitschaft
Die Lieferbereitschaft beeinflusst also über den Sicherheitsfaktor die Höhe des Si-
cherheitsbestandes. Wie bereits bei der Diskussion der Servicekomponenten aus-
geführt wurde, kann die Lieferbereitschaft sehr unterschiedlich gemessen wer-
den. 25 Von der Art der Definition der Lieferbereitschaft hängt es jedoch ab,
welcher rechnerische Zusammenhang zwischen der Lieferbereitschaft und dem
Sicherheitsbestand besteht. Zwei sehr häufig verwendete Definitionen der Liefer-
bereitschaft lauten wie folgt:
x Die Lieferbereitschaft wird gemessen als der prozentuale Anteil der Anzahl
von Wiederbeschaffungszeiträumen, in denen der Lagerbestand zur Befriedi-
gung der Nachfrage ausreicht, an der Anzahl aller Wiederbeschaffungszeiträu-
me. Man misst also den Prozentsatz der Wiederbeschaffungszeiträume, in de-
nen keine Fehlmengen auftreten. Die Größe der Fehlmengen spielt keine Rolle.
x Die Lieferbereitschaft wird gemessen als der Prozentsatz der Nachfrage wäh-
rend der Wiederbeschaffungszeit, der vom Lagerbestand befriedigt werden
kann. Diese Definition zielt also nicht auf die Häufigkeit des Auftretens von
Fehlmengen, sondern auf die Größe der Fehlmengen ab.
Geht man von der ersten Definition der Lieferbereitschaft aus, die der einseiti-
gen statistischen Sicherheit entspricht, so kann der Sicherheitsfaktor direkt aus der
Verteilung der Prognosefehler in Abb. 5.7 abgeleitet werden. Soll die Lieferbereit-
schaft beispielsweise 97,72% betragen, so ist der dazugehörige Sicherheitsfaktor
k = 2. Man kann also erwarten, dass in 97,72% der Wiederbeschaffungszeiträume
keine Fehlmengen auftreten, wenn ein Sicherheitsbestand in Höhe von 2 σ gehal-
ten wird. Wie viel Fehlmengen z. B. in einem Jahr auftreten, hängt von der Häu-
figkeit der Bestellungen für die Wiederbeschaffung eines Artikels ab. Werden von
einem Lager 100 Bestellungen pro Jahr für einen Artikel aufgegeben, so werden
bei einer Lieferbereitschaft von 98% wahrscheinlich zweimal im Jahr Fehlmengen
auftreten, bevor die Lieferung zur Wiederauffüllung der Lagerbestände eintrifft.
Bestellt man dagegen nur einmal jährlich, so ist in 2 von 100 Jahren mit dem Auf-
treten einer Fehlmenge zu rechnen.
Man kann den Sicherheitsfaktor nicht mehr direkt durch einfache Ableitung aus
der Funktion der Normalverteilung ermitteln, wenn nicht die Häufigkeit des Auf-
tretens von Fehlmengen, sondern die Größe der Fehlmengen selbst interessiert. In

25 Siehe Abb. 2.5 in Teil I.


116 5 Lagerhaltung (Lagerbestände)

diesem Fall muss der Sicherheitsfaktor über die sogenannte Brown'sche Service-
funktion – die auch als Lieferfunktion bezeichnet wird – bestimmt werden.26
Untersucht man den Einfluss verschiedener Werte der Lieferbereitschaft auf die
Lagerhaltungskosten, so zeigt sich, dass diese für große Werte der Lieferbereit-
schaft viel stärker anwachsen als die Lieferbereitschaft selbst. Aus Abb. 5.8 ist er-
sichtlich, dass eine geringfügige Verbesserung einer bereits hohen Lieferbereit-
schaft mit einer unverhältnismäßig großen Erhöhung des Sicherheitsbestandes und
damit der Lagerhaltungskosten verbunden ist. Denn bei großen Sicherheitsfakto-
ren nimmt die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen von Fehlmengen bei einer
Erhöhung der Sicherheitsfaktoren nur noch geringfügig ab. Eine 100%ige Liefer-
bereitschaft kann man theoretisch nur mit einem unendlich großen Sicherheitsbe-
stand erreichen.

Sicherheitsfaktor
= rel. notwendiger
Sicherheitsbestand
2

0 //
50% 60% 70% 80% 90% 100% Lieferbereitschaft

84,13% 97,72%

Abb. 5.8 Zusammenhang zwischen Sicherheitsbestand und Lieferbereitschaft (Die Zahlenan-


gaben gelten für den Zusammenhang zwischen Sicherheitsfaktor und Lieferbereit-
schaft nach der ersten Definition. Prinzipiell gilt der Verlauf der Kurve aber auch
für die Lieferbereitschaft gemäß der zweiten und anderer Definitionen.)

Anzahl der Lager


Bisher wurde nur der Sicherheitsbestand in einem Lager betrachtet. Der gesamte
Sicherheitsbestand, der für einen Artikel gehalten werden muss, hängt jedoch auch
davon ab, wie viele Lager benutzt werden, um eine gegebene Nachfrage zu befrie-
digen. Wenn die Anzahl der beispielsweise von einem Absatzlager zu beliefern-
den Kunden abnimmt, dann nimmt die Wirkung des Ausgleichseffektes ab,27 der
immer vorhanden ist, wenn sich die Nachfrage auf mehrere Kunden aufteilt. Wird
von einem Lager nur ein Kunde beliefert, so muss man sich dort darauf einrichten,

26 Vgl. Pfohl, 1972, S. 104f. und die dort aufgeführte Literatur.


27 Vgl. Flaks, 1967, S. 266.
5.3 Vorratsergänzung und -sicherung 117

die Spitzennachfrage dieses Kunden befriedigen zu können. Werden dagegen zwei


Kunden beliefert, so ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Nachfragespitzen bei-
der Kunden zusammenfallen, so dass man im Lager nur darauf eingerichtet sein
muss, eine Spitzennachfrage befriedigen zu können, die niedriger ist als die Sum-
me der Spitzennachfragen der beiden Kunden. Werden also mehrere kleinere Ab-
satzlager statt eines großen Absatzlagers zur Befriedigung der Nachfrage unterhal-
ten, so ist die Summe der Sicherheitsbestände in den kleinen Absatzlagern größer
als der Sicherheitsbestand in dem großen Absatzlager.28
Die Änderung des Sicherheitsbestandes für eine bestimmte Nachfrage bei einer
Änderung der Zahl der Absatzlager lässt sich mit Hilfe der Standardabweichung
des Prognosefehlers berechnen, wie sich im Folgenden Beispiel zeigen lässt. 29
Sind die von zwei Lagern x und y zu befriedigenden Nachfragen statistisch unab-
hängig voneinander, so ist die die Streuung der Prognosefehler kennzeichnende
Varianz für die gesamte Nachfrage gleich der Summe der Varianzen der Progno-
sefehler für die Einzelnachfragen. Für die Standardabweichungen der Vorhersage-
fehler, die den Sicherheitsbestand in jedem Auslieferungslager bestimmen, gilt al-
so beispielsweise:
Wenn

Varx = 9 und Vary = 16

dann

Varges = Varx + Vary = 25

somit

Vx = 9 = 3
Vy = 16 = 4
Vges = 25 = 5

Für den gesamten Sicherheitsbestand eines Artikels gilt bei zwei Lagern (für
den Sicherheitsfaktor soll gelten: k = 1):

S = 1 · σx + 1 · σy = 3 + 4 = 7

Bei einem Lager gilt:

S = 1 · σges = 5

28 Vgl. Bowersox u.a., 1986, S. 286f.


29 Vgl. King, 1967, S. 536.
118 5 Lagerhaltung (Lagerbestände)

Allgemein lässt sich die Wirkung einer Erhöhung der Zahl der Lager auf den
Sicherheitsbestand durch folgende Formel abschätzen:30

Sn = S1 ˜ n

wobei
S1 = Sicherheitsbestand zur Befriedigung einer bestimmten Nachfrage durch
ein Lager,
n = Zahl der Lager, wenn diese Nachfrage von mehreren Lagern befriedigt
werden soll,
Sn = gesamter Sicherheitsbestand bei n Lagern.
Der Zusammenhang zwischen den Lagerhaltungskosten für den Sicherheitsbe-
stand und der Anzahl der Lager ist ein Aspekt, der bei der Entscheidung darüber
berücksichtigt werden muss, ob ein Artikel zentral von einem Lager oder dezentral
von mehreren Lagern ausgeliefert werden soll. Diese Frage führt zu dem Problem
der selektiven Lagerhaltung.

5.4 Selektive Lagerhaltung

Grundgedanke der selektiven Lagerhaltung


Kostenüberlegungen führen zu der Frage, ob es notwendig ist, alle Güter bezüg-
lich der Lagerhaltung gleich zu behandeln oder nicht und damit eine selektive La-
gerhaltung zu betreiben. Wirtschaftlich lagerfähig ist ein Gut, wenn die Fehlmen-
genkosten infolge einer Nichtlagerung größer sind als die mit der Lagerung
verbundenen Kosten.31 Die Höhe der Fehlmengenkosten hängt zunächst von der
Bedeutung der Lieferzeit und -bereitschaft auf einem Markt und die Höhe der La-
gerhaltungskosten von der Produktart ab.32
Die Entscheidung über die Lagerung eines Gutes wird außerdem wesentlich
von seiner Verbrauchsstruktur abhängen. So bieten sich bei einem regelmäßigen
Verbrauch die einsatzsynchrone Anlieferung, bei einem schwankenden Verbrauch
die Lagerung und bei einem unregelmäßigen Verbrauch die Einzelbeschaffung im
Bedarfsfall an.33
Neben der Verbrauchsstruktur sind das Artmengen/Wert-Verhältnis der Mate-
rialien34 in der Materiallogistik bzw. das Artikelmengen/Umsatz-Verhältnis in der
30 Vgl. Bowersox u.a., 1968, S. 221.
31 Vgl. Vahrenkamp, 2007, S. 195ff.; Schieck, 2008, S. 357ff.
32 Siehe die Hypothesen zur Bedeutung des Service und der Logistikkosten in Teil. I, Abschn.
3.4.
33 Zur Verbrauchsstruktur vgl. Grochla, 1990, S. 31f. sowie die Bereitstellungsprinzipien, die
im Teil III, Abschn. 9.1 vorgestellt werden.
34 Vgl. Grochla, 1990, S. 29f.
5.4 Selektive Lagerhaltung 119

Distributionslogistik für die Entscheidung über eine selektive Lagerhaltung von


Bedeutung. Im Folgenden wird das Problem der Klassifizierung der Güter nach
diesem in der Praxis sehr häufig herangezogenen Kriterium am Beispiel der Dis-
tributionslogistik diskutiert. Die Überlegungen treffen analog auch auf die Materi-
allogistik zu.

ABC-Analyse
Untersuchungen in vielen Branchen haben ergeben, dass der größte Teil des ge-
samten Umsatzes nur mit einer relativ kleinen Anzahl der Artikel, aus denen sich
das Produktprogramm eines Unternehmens zusammensetzt, erreicht wird. Eine oft
zitierte Faustregel ist die 80:20-Regel, nach der 80% des Umsatzes von 20% der
Artikel getragen werden.35 Das Anfertigen einer Artikelumsatzstatistik ermöglicht
es, die Artikel zu bestimmen, auf die sich der Umsatz konzentriert. Man kann die
Umsatzkonzentration durch eine Konzentrationskurve, die sogenannte Lorenzkur-
ve, darstellen. Abb. 5.9 zeigt beispielhaft eine solche Lorenzkurve zur Kennzeich-
nung der Umsatzkonzentration in einem Produktprogramm.
Vergleicht man verschiedene Branchen, dann lässt sich feststellen, dass die
Kurve umso weniger gekrümmt verläuft – die Umsatzkonzentration auf wenige
Artikel also umso weniger ausgeprägt ist –, je mehr das Lager auf den Endver-
braucher ausgerichtet ist. Die Lorenzkurve des Einzelhandels weist deshalb i. d. R.
eine geringere Krümmung auf als die des Großhandels oder die der Fertigungsin-
dustrie.
Der Umsatzanteil jedes Artikels hängt von seinem Einzelpreis und von der ab-
gesetzten Menge ab. Somit bestimmen der Wert des Artikels und seine Absatz-
menge, ob er zu den Hauptumsatzträgern des Produktprogrammes gerechnet wer-
den kann oder nur einen geringeren oder sogar gar keinen Anteil am
Gesamtumsatz hat. Den Hauptumsatzträgern ist im Allgemeinen wegen ihrer gro-
ßen Bedeutung für das Unternehmen wesentlich mehr Aufmerksamkeit bei der
Lagerhaltung zu schenken als den Artikeln mit geringerem Anteil am Umsatz.
Sehr aufschlussreich ist auch eine Klassifizierung der Artikel nach ihrem Bei-
trag zum Gewinn. Eine entsprechende Untersuchung wird im Allgemeinen erge-
ben, dass auch der größte Teil des Gewinnes nur mit einer relativ kleinen Anzahl
von Artikeln erwirtschaftet wird und dass der Gewinn oft durch eine beträchtliche
Anzahl mit Verlust verkaufter Artikel reduziert wird. 36
Eine Gewinnanalyse aller Artikel ist jedoch mit sehr großem Aufwand verbun-
den, so dass man sich in den meisten Unternehmen im Allgemeinen mit der we-
sentlich einfacher zu ermittelnden Klassifizierung der Artikel nach dem Umsatz
begnügen wird. Sind die Preisunterschiede der Artikel eines Produktprogramms
nur gering, so kann die Klassifizierung der Artikel auch nach den Absatzmengen
anstatt nach den Umsätzen vorgenommen werden.

35 Vgl. Magee u.a., 1985, S. 61.


36 Vgl. Stölzle u.a., 2004, S. 54ff.; Homburg/Krohmer, 2017, S. 1143ff.
120 5 Lagerhaltung (Lagerbestände)

Umsatzanteil
[%]

100

80

60

40

20

0
20 40 60 80 100 Mengenanteil
[%]

Abb. 5.9 Beispiel für eine Lorenzkurve zur Kennzeichnung der Umsatzkonzentration in ei-
nem Produktprogramm

Ist der Umsatz das Bewertungskriterium, so werden die Artikel gemäß ihrer
Bedeutung für den Gesamtumsatz in verschiedene Klassen aufgeteilt. Meistens
bildet man eine Rangordnung von drei Klassen und bezeichnet sie mit A, B und C.
Man spricht deshalb bei der Umsatzklassifizierung auch vom ABC-Prinzip, von
der ABC-Analyse oder vom ABC-System der Lagerhaltung. In Abb. 5.10 ist in
den Spalten 1 bis 4 ein Beispiel für eine Klassenbildung nach dem ABC-Prinzip
gegeben.
Aufgrund der ABC-Umsatzanalyse wird den A-Artikeln bei der selektiven La-
gerhaltung wegen ihres bedeutenden Umsatzanteils wesentlich größere Aufmerk-
samkeit geschenkt als den C-Artikeln, weil der Lagerwert der A-Artikel sehr hoch
ist und das Auftreten von Fehlmengen mit großen Verlusten verbunden sein kann.
Nun ist es aber möglich, dass auch ein Artikel, der wegen seines geringen Um-
satzanteiles in die C-Kategorie fällt, besonderer Aufmerksamkeit bei der Lagerhal-
tung bedarf, weil er eine besonders kritische Rolle für den Kunden spielt.37 So ist
z. B. ein kleines, unscheinbares Ersatzteil für die Zündung eines Autos für den
Kunden wesentlich wichtiger als ein Kotflügel, da ein Auto mit einem verbeulten
Kotflügel noch fahren kann, ohne funktionierende Zündung jedoch nicht. Der Lie-
ferant muss also bei der selektiven Lagerhaltung neben dem Umsatzanteil des Ar-
tikels als weiteres Bewertungskriterium auch den kritischen Wert berücksichtigen,
den ein Artikel für den Kunden hat. Abb. 5.10 zeigt in Spalte 6 ein Beispiel für ei-
ne Analyse des kritischen Wertes oder Bedeutungsfaktors.

37 Vgl. Bowersox u.a., 1968, S. 197f.; Steinbrüchel, 1971, S. 198f.


5.4 Selektive Lagerhaltung 121

Bewertung der
Umsatzklasse Rangordnung
Artikel nach
Umsatz Umsatz und prozen- der Artikel kritischer
Artikel Umsatz und
(in $) (in %) tualer Anteil nach Umsatz- Wert kritischem Wert
der Artikel anteilen
(7) = (5) x (6)

(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7)

I 20.000 A-Artikel 1 3 3
56
II 18.000 20% 2 1 2

III 8.000 3 2 6
IV 6.000 B-Artikel 4 3 12
34
V 5.000 40% 5 1 5
VI 4.000 6 2 12
VII 3.000 7 3 21
VIII 2.500 C-Artikel 8 1 8
10
IX 1.000 40% 9 2 18
X 500 10 1 10

Abb. 5.10 Klassifizierung der Artikel mit Hilfe der Umsatzanalyse und der Analyse des kriti-
schen Wertes (Quelle: Die Tabelle ist eine Zusammenfassung der beiden Tabellen
bei Bowersox u.a., 1968, S. 201. Kritischer Wert von 1 bis 3 bedeutet von kritisch
bis unkritisch)

Den kritischen Wert eines Artikels kann man durch seine Bewertung quantifi-
zieren. Hat ein Lieferant Ersatzteile für die von ihm gelieferten Maschinen auf
Lager zu halten, so kann er die Artikel, die für die Funktionsfähigkeit der Maschi-
ne sofort verfügbar sein müssen, den kritischen Wert 1 geben. Die Artikel, deren
Ausfall die Funktionsfähigkeit der Maschine für eine bestimmte Zeit nicht beein-
trächtigen, erhalten den kritischen Wert 2; und die Artikel, die für die Funktions-
fähigkeit der Maschine nicht von unmittelbarer Bedeutung sind, erhalten den kriti-
schen Wert 3. Das Bewertungskriterium zur Bestimmung dieser gewichteten
kritischen Werte ist also die Bedeutung des Artikels für die Funktionstüchtigkeit
der Maschine. Es gibt auch andere Bewertungskriterien zur Bestimmung des kriti-
schen Wertes. Bezieht man beispielsweise den kritischen Wert auf die Phase im
Lebenszyklus eines Produktes, so wird man der Lagerhaltung eines Produktes in
der Wachstumsphase wesentlich größere Aufmerksamkeit schenken müssen als
der Lagerhaltung eines Produktes in der Phase der Degeneration. Man wird die
kritischen Werte für die Produkte entsprechend gewichten. Aus den Spalten 5 und
6 in Abb. 5.10 ist zu ersehen, dass die Bedeutung der Artikel aufgrund des Um-
satzanteils und aufgrund des kritischen Wertes unterschiedlich eingeschätzt wird.
Um zu einer Rangordnung der Artikel zu gelangen, muss man die Bewertung auf-
grund der beiden Bewertungskriterien zu einem einzigen Wert zusammenfassen.
Hierzu bietet sich die Multiplikation an, da dann der Wertebereich weit gestreut
und eine deutliche Rangordnung ermöglicht wird. Spalte 7 zeigt die einheitliche
122 5 Lagerhaltung (Lagerbestände)

Bewertung der Artikel mit Hilfe der Umsatzanalyse und der Analyse des kriti-
schen Wertes. Es entsteht eine andere Rangordnung der Artikel als bei einer rei-
nen Umsatzanalyse. Diese Rangordnung kann dazu dienen, eine neue Klassifizie-
rung in A-, B- und C-Artikel vorzunehmen. Das ABC-Prinzip kann auf diese
Weise erweitert werden.

Anwendung der selektiven Lagerhaltung


Die Anwendung des ABC-Prinzips führt dazu, dass die A-, B- und C-Artikel im
gesamten Bereich der Lagerhaltung oder in bestimmten Teilbereichen unterschied-
lich behandelt werden. So kann für jede Artikelklasse der Bestellvorgang anders
ablaufen, die Lieferbereitschaft unterschiedlich hoch sein und die Anzahl der Aus-
lieferungspunkte verschieden sein. Wenn man z. B. in einem Unternehmen vor
Einführung der selektiven Lagerhaltung alle Artikel in einem Bestellzyklus von
acht Wochen bestellt hat, kann man nach Durchführung einer ABC-Analyse mit
verschiedenen Bestellzyklen arbeiten. Die A-Artikel werden alle vier Wochen be-
stellt, um die sehr hohen Kosten der Kapitalbindung zu senken. Für die B-Artikel
wird der achtwöchige Bestellzyklus beibehalten, während für die C-Artikel ein
Bestellzyklus von sechzehn Wochen eingeführt wird, weil die Kapitalbindung bei
diesem Artikel nicht sehr ins Gewicht fällt. 38 Entsprechend kann auch der Auf-
wand für die Kontrolle der Lagerbestände differenziert werden.
Es gibt keine einheitliche Politik der selektiven Lagerhaltung für alle Unter-
nehmen, sondern die Art der selektiven Lagerhaltung kann sich von Unternehmen
zu Unternehmen unterscheiden. Immer geht man jedoch von dem Grundgedanken
aus, die Lagerhaltungskosten durch eine ungleiche Behandlung der Artikel zu
senken, ohne dabei den Lieferservice wesentlich zu beeinträchtigen. Dieser
Grundgedanke soll am Beispiel der Frage, an welchen Auslieferungspunkten die
Artikel zu lagern sind, näher ausgeführt werden, da diese – auch bei der im nächs-
ten Abschnitt zu diskutierenden Funktion von Lagerhäusern aufzugreifenden –
Frage auf das Problem der Zentralisation oder Dezentralisation des Ausliefe-
rungssystems abzielt, das sich auf den gesamten Entscheidungsbereich der Distri-
butionslogistik auswirkt.
MAGEE u. a. formulieren für die Lagerhaltung der Artikel an verschiedenen
Auslieferungspunkten eine ABCD-Politik.39 Sie gehen dabei von der allgemeinen
Regel aus, dass Kostenüberlegungen dazu führen, Artikel mit geringem Umsatz-
anteil nur an wenigen Auslieferungspunkten zu lagern. Es wurde bei der Behand-
lung der Einflussfaktoren des Sicherheitsbestandes gezeigt, dass der Sicherheits-
bestand eines Artikels umso größer ist, je mehr Lager zur Befriedigung einer
bestimmten Nachfrage benutzt werden. Neben den Kosten der Kapitalbindung er-
höhen sich mit der Anzahl der Lager jedoch auch die Personalkosten, die Raum-
kosten sowie Kosten infolge geringerer Rationalisierungsmöglichkeiten. Die ge-

38 Vgl. Constantin, 1966, S. 331ff. und S. 409ff.


39 Magee u.a., 1985, S. 286ff.
5.4 Selektive Lagerhaltung 123

samten Lagerkosten in einem Lager steigen also relativ an, wenn der Umsatz
sinkt. Da der Umsatz je Lager steigt, je weniger Lager vorhanden sind, sprechen
die Lagerkosten für eine Zentralisierung der Lager. Gegen eine Zentralisierung
sprechen im Allgemeinen die Transportkosten, weil wegen des Fehlens von La-
gern in den Einzelmärkten die Möglichkeit verloren geht, die Produkte in großen
Transporteinheiten möglichst nahe an die Einzelmärkte heranzubringen. Die
Transportkosten erhöhen sich aber bei einer Zentralisierung von umsatzstarken
und umsatzschwachen Artikeln relativ gleich stark. Deshalb spricht ein Vergleich
der Lagerhaltungskostensenkung und der Transportkostenerhöhung dafür, umsatz-
starke Artikel in mehreren Auslieferungspunkten dezentral zu lagern, umsatz-
schwache Artikel dagegen möglichst zentral zu lagern. Teilt man die Artikel in
vier Klassen ein, so lässt sich folgende ABCD-Politik formulieren:
x A-Artikel sind so umsatzstark, dass es gerechtfertigt ist, sie in allen lokalen La-
gern zu lagern,
x B-Artikel sind weniger umsatzstark und werden in wenigen, ausgesuchten re-
gionalen Auslieferungslagern gelagert,
x C-Artikel werden wegen des geringen Umsatzes nur in Fabriklagern gelagert,
x D-Artikel haben einen so niedrigen Anteil am Umsatz, dass sie überhaupt nicht
auf Lager gehalten und nur auf Bestellung hergestellt werden.
Geht man davon aus, dass bei einer Zentralisierung der Lager die Ausliefe-
rungszeit der Ware an den Kunden ansteigt, so sinkt der Lieferservice für die zent-
ral gelagerten Artikel. Da jedoch nur die umsatzschwächeren Artikel davon be-
troffen sind, wird der Lieferservice für den gesamten Umsatz nur unwesentlich
beeinträchtigt. Er kann sogar erhöht werden, wenn man in Folge der Kostensen-
kung, welche durch die Zentralisation der umsatzschwachen Artikel ermöglicht
wird, freigesetzte Mittel dazu verwendet, die Sicherheitsbestände und somit die
Lieferbereitschaft der umsatzstarken Artikel zu erhöhen.
Vor der Einführung einer solchen ABCD-Politik ist noch der kritische Wert der
Artikel zu analysieren und die ABCD-Klassen sind gegebenenfalls entsprechend
abzuändern. Ferner muss man untersuchen, inwieweit umsatzstarke und umsatz-
schwache Artikel von denselben Kunden gekauft werden. Dieser Aspekt kann
ebenfalls zu einer Änderung der ABCD-Politik zwingen, wenn die Kunden erwar-
ten, dass ihnen die bestellten Artikel zusammen von einem Lager ausgeliefert
werden. Bei den umsatzstarken Artikeln ist zudem zu prüfen, ob der Umsatz durch
die Nachfrage vieler Kunden entsteht, die den Artikel in kleinen Mengen beziehen
oder ob es wenige Kunden sind, die den Artikel in Waggon- oder Lastzugladun-
gen beziehen. Trifft der zweite Fall zu, so wird auch für umsatzstarke Artikel eine
zentrale Auslieferung von Vorteil sein. Es zeigt sich also, dass zur Beantwortung
der Frage, welche Artikel an welchen Auslieferungspunkten zu lagern sind, je-
weils eine ganze Reihe von Einflussfaktoren zu berücksichtigen sind. Nicht zuletzt
gehört dazu auch das Lagerhaus selbst, mit seinem Standort, der Größe des von
ihm aus versorgten Marktgebietes und den Einrichtungen für die Lagerung und
Handhabung der Güter.
124 5 Lagerhaltung (Lagerbestände)

Literatur
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6 Lagerhaus

6.1 Definition und Funktionen des Lagerhauses

Definition
Ein Lagerhaus ist ein Knoten im logistischen Netzwerk, in dem Güter vorüberge-
hend festgehalten oder auf einen anderen durch das Netzwerk führenden Weg
übergeleitet werden. Aus der Abb. 1.2, in der die Grundstrukturen von Logistik-
systemen zusammengestellt sind, ist ersichtlich, dass Lagerhäuser sowohl Liefer-
und Empfangspunkte als auch Auflösungs- oder Konzentrationspunkte im Lo-
gistiksystem sein können. Im Lagerhaus laufen Lager- und Bewegungsprozesse
ab. Welche Prozesse dominieren, hängt von der Funktion eines Lagers ab. Die
Funktion bestimmt somit stark den Standort und die im Lagerhaus einzusetzende
Technik.

Funktionen
In Abb. 6.1 werden nach den in erster Linie von einem Lagerhaus zu erfüllenden
Funktionen drei Lagerhausarten unterschieden. Die prinzipielle Unterscheidung in
Vorrats-, Umschlags- und Verteilungslager1schließt nicht aus, dass in der Praxis
Mischformen auftreten können.
Die Vorratslager sind meist dem Produktionsbetrieb zugeordnet. Ihre wichtigs-
te Funktion ist, Kapazität für die Aufnahme von in der Produktion einzusetzenden
Gütern, aber auch von Fertigerzeugnissen (z. B. bei der Aufnahme von saisonge-
bundener Produktion) zur Verfügung zu stellen. In Vorratslagern dominieren die
Lagerprozesse gegenüber den Bewegungsprozessen. Sie können sowohl Beschaf-
fungs- als auch Produktions- oder Distributionslager sein.2 Umschlagslager (Tran-
sitterminals) sollen kurzfristig die Güter zwischen dem Umschlag von Transport-
mittel zu Transportmittel aufnehmen. Man findet solche Lagerhäuser vor allem bei
Logistikunternehmen. Mittlerweile spielen sie jedoch zunehmend auch bei Han-
delsunternehmen eine wichtige Rolle. Beim sogenannten Crossdocking liefern die
Hersteller die Ware für die einzelnen Filialen kommissioniert in das Zentrallager
des Handels. Dort werden dann die Sendungen verschiedener Hersteller für die
jeweiligen Filialen zusammengefasst und gemeinsam ausgeliefert. Im Zentrallager
des Handelsunternehmens entfällt damit die filialbezogene Kommissionierung und

1 Zu einer umfassenderen Unterscheidung hinsichtlich Lagerarten und -funktionen siehe


Klaus, 1996, S. 1013ff.; Schulte, 2013, S. 246.
2 Siehe Abb. 5.1.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018


H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4_6
128 6 Lagerhaus

Lagerhausarten wichtigste Funktion Standorte Lagergüter

Material,
hohe produktions- saisongebundene
Vorratslager
Lagerkapazität orientiert Halb- und
Fertigfabrikate

Material,
hohe transport- Halb- und
Umschlagslager
Umschlagsleistung orientiert Fertigfabrikate,
Handelsware

Verteilungslager
hohe
-Zulieferungslager Konzentrations- beschaffungs-
Material,
leistung orientiert
Handelsware

-Auslieferungslager hohe abatz-


Auflöseleistung orientiert

Abb. 6.1 Unterscheidung von Lagerhausarten nach ihrer Funktion

auch die Bestände werden ganz oder zumindest zum großen Teil eliminiert. 3 Ent-
sprechend dominieren im Umschlagslager die Bewegungsprozesse, so dass nicht
die Lagerkapazität, sondern die Erzielung einer großen Umschlagsgeschwindig-
keit bei ihrer Gestaltung zu erreichen ist. In Verteilungslagern wird der Güterfluss
in seiner Zusammensetzung geändert. In solchen Lagerhäusern sind die Lager- als
auch die Bewegungsprozesse von gleicher Bedeutung. Wichtigste Zielsetzung ist
die Leistungsfähigkeit zur Umstrukturierung des Güterflusses. Die Verteilungs-
funktion kann entweder eine Zuliefer- oder Auslieferfunktion sein, so dass Zulie-
ferungs- und Auslieferungslager unterschieden werden können.4 Zulieferungslager
sind Konzentrationspunkte in Logistiksystemen. In ihnen werden Güter von unter-
schiedlichen Lieferanten gesammelt und an einen oder mehrere Produktionsbe-
triebe – im Falle eines Handelsunternehmens an einen oder mehrere Handelsbe-
triebe – verteilt. Auslieferungslager sind Auflösungspunkte in Logistiksystemen.
In ihnen werden Güter aus der Produktion gesammelt und an den Kunden ausge-
liefert.
Nach dem Bereich, der von Verteilungslagern bedient wird, unterscheidet man
zentrale, regionale oder lokale Verteilungslager. Bei den zentralen Verteilungsla-
gern spricht man im Allgemeinen von Zentrallagern, während die dezentralen re-
gionalen oder lokalen Verteilungslager als Zulieferungs- bzw. Auslieferungslager
i. e. S. bezeichnet werden.

3 Zum Crossdocking vgl. Schulte, 2013, S. 502ff.


4 Siehe Abb. 1.6 in Teil I.
6.1 Definition und Funktionen des Lagerhauses 129

Am Beispiel des Auslieferungslagers i. e. S. soll eine Lagerhausfunktion etwas


ausführlicher dargestellt werden. Das Lagerhaus nimmt im logistischen System
eine Schlüsselstellung ein. Denn durch das Auslieferungslager wird der Güterfluss
vom Lieferanten zum Kunden aufgespalten. Es nimmt die Güter in Waggon- oder
Lastwagenladungen auf und leitet sie entsprechend den Aufträgen in wesentlich
kleineren Einheiten an die Kunden weiter. Für die Errichtung eines Auslieferungs-
lagers können sowohl Kosten- als auch Lieferserviceerwägungen sprechen.
Vergleicht man die Transportkosten je Gütereinheit beim Transport der Güter
in ganzen Waggon- oder Lastwagenladungen (Wagenladungsverkehr) und beim
Transport in kleineren Mengen (Stückgutverkehr), so liegen die Transportkosten
im ersten Fall erheblich niedriger. In Abb. 6.2 ist der Verlauf der Transportkosten
je Gütereinheit in Abhängigkeit von der Entfernung eingetragen. In der Praxis
werden die Transportkosten je Gütereinheit keinen so gleichmäßigen Verlauf ha-
ben, da sie nicht nur von der Transportentfernung, sondern auch noch von anderen
Faktoren abhängen. Im Prinzip ist der mit der Entfernung degressiv ansteigende
Transportkostenverlauf jedoch richtig. 5 Bei der Belieferung eines Kunden von ei-
nem Auslieferungslager fallen für eine Gütereinheit neben den Transportkosten
vom Fabrik- zum Auslieferungslager im Wagenladungsverkehr die im Ausliefe-
rungslager zusätzlich entstehenden Kosten sowie die Transportkosten vom Auslie-
ferungslager zum Kunden im Stückgutverkehr an.
Bei einem Vergleich dieser Kosten mit den Transportkosten der direkten Belie-
ferung des Kunden im Stückgutverkehr ergibt sich, dass das Gebiet zwischen
A und B kostengünstiger vom Auslieferungslager beliefert werden kann. Aus der
eindimensionalen Darstellung ist schon ersichtlich, dass das Auslieferungslager
keineswegs im Mittelpunkt eines kreisförmigen Absatzgebietes zu liegen hat, wie
oft angenommen wird. „Der beste mittlere Standort zwischen zwei oder mehreren
Aufkommens- oder Verbrauchszentren liegt meist nicht in deren geografischen
Mittelpunkt, sondern an einem der beiden Haupt-Aufkommenspunkte“. 6 Diesen
bezeichnet der sogenannte Hoover-Effekt. Ursächlich hierfür ist die Tatsache, dass
Transportkosten in Abhängigkeit von der Distanz stets degressiv ansteigen. Be-
stimmt man mit Hilfe des angegebenen Transportkostenverlaufs die Fläche des zu
beliefernden Gebietes, so zeigt sich, dass diese nicht kreis-, sondern eher tropfen-
förmig ist. Der weite, abgeflachte Teil dieser Fläche, in dem sich der Standort des
Auslieferungslagers befindet, ist dem Fabriklager zugewandt. Das schmale, spitze
Ende der Fläche liegt in entgegen gesetzter Richtung am weitesten vom Ausliefe-
rungslager entfernt. Da auch im Fabriklager Kosten entstehen, die bei der direkten
Belieferung des Kunden zu berücksichtigen sind, werden nicht die gesamten im
Auslieferungslager anfallenden Kosten, sondern nur die im Vergleich zur direkten
Belieferung zusätzlich entstandenen Lagerhauskosten gerechnet. Durch diese Kor-

5 Für einen empirisch ermittelten Transportkostenverlauf vgl. Magee u.a., 1985, S. 253. Siehe
auch Abb. 3.7 in Teil I.
6 Klaus, 2005.
130 6 Lagerhaus

Transportkosten von
Auslieferungslager zu Kunde
Kosten je (Stückgutverkehr)
Gütereinheit B
Transportkosten
von Fabrik zu
A
Kunde
A' (Stückgutverkehr)
Zusätzliche Kosten
des Auslieferungslagers
(abhängig vom
Güterumschlag)
Transportkosten
Von Fabrik zu
Auslieferungslager
(Wagenladungs-
verkehr)

Fabriklager Auslieferungslager Entfernung


Absatzgebiet des
Auslieferungslagers

Abb. 6.2 Kostensenkung bei der Belieferung eines Gebietes durch ein Auslieferungslager
(Quelle: Vgl. Frederick, 1957, S. 81; Bowersox/Closs, 1996, S. 503)

rektur um den zusätzlich entstehenden Kostenanteil werden die Transportkosten


vergleichbar gemacht.
Abb. 6.2 zeigt ebenfalls, dass ein Unternehmen durch Errichtung eines Auslie-
ferungslagers in die Lage versetzt wird, im Preiswettbewerb auch auf entfernten
Teilmärkten zu bestehen, die es bisher wegen seiner, infolge der anfallenden
Transportkosten, zu hohen Preise nicht beliefern konnte. Akzeptieren die Kunden
etwa auf keinen Fall einen höheren Preis als den bei Punkt A und ist eine Preis-
senkung nur über eine Transportkostensenkung zu erreichen, so lässt sich das Ab-
satzgebiet durch Verwendung des Auslieferungslagers bis zum Punkt A' vergrö-
ßern.
Die Kostenvorteile durch die Errichtung eines Auslieferungslagers ergeben sich
jedoch nur, wenn die Nachfrage auf dem von ihm zu versorgenden Teilmarkt ge-
nügend groß ist. Die im Auslieferungslager anfallenden Kosten je Gütereinheit
sind umso größer, je geringer die umgeschlagene Gütermenge ist. Die Errichtung
eines Auslieferungslagers lohnt sich also nur, wenn die Nachfrage so hoch ist,
dass die im Auslieferungslager anfallenden Kosten nicht wieder die Transportkos-
tensenkung je Gütereinheit ausgleichen.
6.2 Lagerhausaufgaben 131

Bei der Entscheidung über die Errichtung eines Auslieferungslagers sind nicht
nur seine Auswirkungen auf die Kosten, sondern vor allem auch auf die Nachfrage
zu berücksichtigen. Oft ist die Errichtung eines Auslieferungslagers die einzige
Möglichkeit, um einen entfernten Teilmarkt schneller beliefern zu können und so
die Lieferzeit zu verkürzen. Durch den auf diese Weise steigenden Lieferservice
kann man einen Wettbewerbsvorteil von Konkurrenten, die bisher einen günstige-
ren Standort hatten, ausgleichen. Das Auslieferungslager ist also ein wichtiges In-
strument beim Kampf um die Marktanteile.

6.2 Lagerhausaufgaben

Lagerhausstandort
Ausschlaggebend für die Funktionserfüllung eines Lagerhauses sind sein funkti-
onsgerechter Standort und sein funktionsgerechter Betrieb. Zu den Lagerhausauf-
gaben gehört deshalb zunächst die Standortwahl, die auf zwei Stufen zu treffen ist.
Bei der interlokalen Standortwahl wird darüber entschieden, an welcher Stelle in
einem Wirtschaftsgebiet ein Lagerhaus errichtet werden soll. Hat man sich hier
z. B. für eine Gemeinde entschieden, so muss danach bei der lokalen Standortwahl
festgelegt werden, an welchem Platz sich dort das Lagerhaus befinden soll.
Der interlokale Standort eines Lagerhauses hängt von der primär vom Lager zu
erfüllenden Funktion ab. Abgesehen von den Fällen, in denen Vorratslager einen
produktionsorientierten Standort haben und im Allgemeinen als Fabriklager un-
mittelbar mit dem Produktionsbetrieb verbunden sind, wird die interlokale Stand-
ortwahl eines Lagerhauses in weit größerem Maß von logistischen Überlegungen
beeinflusst als die Standortwahl eines Produktionsbetriebes. 7 Wie schon die Funk-
tion des Lagerhauses am Beispiel des Auslieferungslagers näher konkretisiert
wurde, so sollen auch die Einflussfaktoren der Standortwahl an dieser Lagerhaus-
art beispielhaft erläutert werden. Folgende sechs Einflussfaktoren sind für die
Wahl des Standortes eines Auslieferungslagers von Bedeutung:
x Lieferservice: Das Auslieferungslager soll gewährleisten, dass die Kunden
schnell beliefert werden. Welchen Lieferservice erwarten in dieser Beziehung
die Kunden und welchen Lieferservice bietet die Konkurrenz an? Eine Antwort
darauf gibt schon eine Vorstellung davon, wo überhaupt ein Auslieferungslager
errichtet werden sollte und welches Gebiet von ihm beliefert werden kann, um
den erforderlichen Lieferservice zu erreichen.
x Art des Absatzgebietes: Konzentriert sich die Nachfrage an bestimmten Punk-
ten im Absatzgebiet oder ist sie gleichmäßig über das gesamte Absatzgebiet
verteilt? Ist das Absatzgebiet durch geographische Barrieren (Bergzüge, Seen
oder Staatsgrenzen) geteilt, durch die das von einem Auslieferungslager zu ver-
sorgende Gebiet schon mehr oder weniger vorgegeben ist?

7 Vgl. Heskett u.a., 1973, S. 415.


132 6 Lagerhaus

x Nachfrageentwicklung: Die Standortwahl ist aufgrund einer Vorausschätzung


der zukünftigen Nachfrageentwicklung zu treffen. Es ist zu untersuchen, wie
sich die Höhe der Nachfrage und wie sich ihre Verteilung durch Nachfragever-
schiebungen im Absatzgebiet verändern werden.
x Verkehrsverbindungen: Welche Verkehrsverbindungen (Autobahn, Eisenbahn,
Flugplatz, Wasserstraße) sind für die Versorgung des Auslieferungslagers und
für die Belieferung der Kunden vom Auslieferungslager notwendig und wo
sind solche Verkehrsverbindungen gegeben?
x Transport- und Lagerhauskosten: Welche Transport- und Lagerhauskosten fal-
len bei verschiedenen Standorten des Auslieferungslagers an? Wie hoch sind
die Frachtsätze der einzelnen Verkehrsmittel an verschiedenen Standorten?
Welche Auswirkungen auf die Auslastung des eigenen Fuhrparks ergeben sich?
x Arbeitskräfte: Welche Unterschiede gibt es im Arbeitskräfteangebot an ver-
schiedenen möglichen Standorten?
Beim Vergleich verschiedener Grundstücke, die für den Bau eines Ausliefe-
rungslagers zur Auswahl stehen, sind neben dem Grundstückspreis noch weitere
Kriterien zur Beurteilung heranzuziehen. Das Auslieferungslager braucht nicht in
einer Industriezone zu liegen, sondern es kann völlig alleinstehend außerhalb einer
geschlossenen Ortschaft erbaut werden. Es ist jedoch zu berücksichtigen, welche
Auflagen von der Landesplanung und der örtlichen Bauaufsicht bei den zur Aus-
wahl stehenden Grundstücken zu erwarten sind und wie es um die Beschaffenheit
des Untergrundes, die Geländeerschließung und die Energieversorgung bestellt ist.
Ein reibungsloser An- und Abtransport der Güter muss durch gute Ein- und Aus-
fahrtsmöglichkeiten und gegebenenfalls über einen Gleisanschluss gewährleistet
sein. Es ist darauf zu achten, dass von dem Grundstück die Hauptverkehrsadern
bequem zu erreichen sind. Ungünstige Anfahrtsmöglichkeiten für die Belegschaft
wirken sich nachteilig auf die Beschaffung von Arbeitskräften aus. Man sollte
auch in Betracht ziehen, ob es etwa durch die nahe Lage eines Grundstückes an
einer stark befahrenen Autostraße ermöglicht wird, das Lagerhausgebäude als
Werbefläche zu verwenden. Die Form des Grundstücks muss ein einfaches Ran-
gieren der Lastwagen vor den Laderampen ermöglichen. Es muss außerdem die
Möglichkeit für eine spätere Erweiterung des Auslieferungslagers bieten.

Lagerhausbetrieb
Die zur Funktionserfüllung eines Lagerhauses notwendigen Lager- und Bewe-
gungsprozesse bedingen die Wahrnehmung einer Anzahl von Lagerhausaufgaben,
die sich nach den in Abb. 6.3 angegebenen Lagerhausbereichen untergliedern las-
sen.8
Im Lagerhausbereich Wareneingang werden die Aufgaben der Güterannahme
vom Lieferanten und der Vorbereitung der Güter für die Lagerung erfüllt. Hierzu

8 Vgl. zum Folgenden Bowersox/Closs, 1996, S. 397; Stock/Lambert, 2001, S. 396ff.; Arnold
u. a., 2008, S. 378ff.
6.2 Lagerhausaufgaben 133

außerbetrieblicher
Transport

Lagerhaus

Wareneingang

Einheitenlager innerbetrieblicher
Lagerverwaltung

Transport

Kommissionierlager

Packerei

Warenausgang

außerbetrieblicher
Transport

Abb. 6.3 Lagerhausbereiche (Quelle: In Anlehnung an National Council of Physical Distribu-


tion Management, 1984, S. 190; Bowersox/Closs, 1996, S. 397)

gehören im Einzelnen: das Abladen der ankommenden Waren, die Identifikation


der ankommenden Waren, die Wareneingangskontrolle sowie das Lagerfähigma-
chen der Waren (z. B. Umladen auf das richtige Ladehilfsmittel oder Umpacken).
Im Vordergrund der Aufgabenerfüllung stehen die Bewegungsprozesse. Der Auf-
enthalt der Güter im Wareneingangsbereich sollte so kurz wie möglich sein.
Im Gegensatz zum Wareneingang stehen beim Lagerhausbereich Einheitenla-
ger die Lagerprozesse im Vordergrund. Das Einheitenlager dient ausschließlich
der Zeitüberbrückung von Gütern, die in derselben Einheit eingelagert und ausge-
lagert werden. Wegen der dadurch bedingten großen Uniformität der Tätigkeiten
sind Einheitenlager in hohem Maße automatisierbar. Da zudem die Bewegungs-
prozesse stark im Hintergrund stehen, kann eine extreme Raumausnutzung er-
reicht werden. Gehen die Einheiten nach der Auslagerung nicht direkt zum Wa-
renausgang, sondern in ein Kommissionierlager, so werden die Einheitenlager
auch als Reservelager bezeichnet, in dem die Güter in großen Mengen und Einhei-
ten relativ lange Zeit lagern.
Im Lagerhausbereich Kommissionierlager (Greiflager, Arbeitslager) werden
die Güter nur kurze Zeit in kleinen Mengen und Einheiten gelagert. Vornehmlich
laufen in diesem Lagerhausbereich Bewegungsprozesse ab, die der Konzentration
134 6 Lagerhaus

oder Auflösung des Güterflusses dienen. 9 Zur Bezeichnung dieser Prozesse hat
sich der Begriff Kommissionieren durchgesetzt. Infolge des Kommissionierens
verlassen die Güter diesen Lagerhausbereich nicht in dem Zustand, in dem sie
eingelagert wurden. Das Kommissionieren ist auch heute noch in vielen Fällen ein
manueller Vorgang. Um trotzdem die Kommissionierzeiten möglichst kurz zu hal-
ten, ist bei der Gestaltung dieses Lagerhausbereiches auf zeitsparende Greifvor-
gänge und kurze Transportwege zu achten.
Infolge der unterschiedlichen Dominanz von Lager- und Bewegungsprozessen
im Einheiten- und Kommissionierlager sind beide Lagerhausbereiche also unter-
schiedlich zu gestalten. In den Fällen, in denen eine Trennung zwischen beiden
Lagerhausbereichen nicht sinnvoll erscheint, sind selbstverständlich die Ziele der
Raumausnutzung und der kurzen Kommissionierzeiten gleichgewichtig zu verfol-
gen.
Im Lagerhausbereich Packerei wird der kommissionierte Auftrag zu einer ver-
sandfähigen Einheit zusammengestellt, wobei unter Versand auch der Transport
an andere innerbetriebliche Stellen zu verstehen ist. Die Verpackungsaufgaben
werden im nächsten Abschnitt beim logistischen Subsystem Verpackung behan-
delt.
Der Lagerhausbereich Warenausgang umfasst die Aufgaben der Warenabgabe
an den Empfänger sowie die damit zusammenhängenden vorbereitenden Arbeiten.
Hierzu gehören die Entgegennahme der Waren aus der Packerei, nach Kunden o-
der Versandart geordnetes Zwischenlagern bis zur Abholung und die Disposition
der abholenden Transportmittel sowie das Verladen. Wie im Wareneingang stehen
auch hier die Bewegungsprozesse im Vordergrund. Eine längere Zeitüberbrückung
der Güter im Warenausgang findet nur in Sonderfällen statt.
Der Lagerhausbereich Lagerverwaltung umfasst die Aufgaben der Steuerung
und Koordination der Lager- und Bewegungsprozesse in den übrigen Lagerhaus-
bereichen. Die Lagerverwaltung bildet die Schnittstelle zum logistischen Subsys-
tem Auftragsabwicklung. Überträgt man Begriffe aus der elektronischen Daten-
verarbeitung auf das Lagerhaus, so ist die Lagerverwaltung die Software des
Lagerhauses und die übrigen Lagerhausbereiche stellen die Hardware dar.
In Abb. 6.3 wird zwischen inner- und außerbetrieblichem Transport unterschie-
den. Zum innerbetrieblichen Transport zählen sowohl die Transportprozesse in
einem Lagerhaus als auch die Transportprozesse in der Produktionsstätte. Zum
außerbetrieblichen Transport zählen dagegen sowohl der Transport vom Lieferan-
ten zum Unternehmen und vom Unternehmen zum Kunden als auch der Transport
zwischen verschiedenen Betrieben des Unternehmens. In diesem Abschnitt wird
lediglich der innerbetriebliche Transport behandelt. Der außerbetriebliche Trans-
port ist Gegenstand des fünften Abschnitts. Das bedeutet selbstverständlich nicht,
dass beide Transportarten isoliert voneinander zu sehen wären. Bei der Gestaltung
des innerbetrieblichen Transports ist der außerbetriebliche Transport soweit wie
möglich zu integrieren. Zur Vermeidung von Lager- und Bewegungsprozessen,

9 Siehe Abb. 1.2 in Teil I.


6.3 Lagerplatzzuordnung 135

die zusätzliche Logistikkosten verursachen, ist eine Produktion direkt aus dem
bzw. in das außerbetriebliche Transportmittel anzustreben. Dies wird allerdings
nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich sein. In den übrigen Fällen
ist der innerbetriebliche Transport, der wesentlich kürzere Distanzen zu überbrü-
cken hat als der außerbetriebliche, mit besonderen Transportmitteln vorzuneh-
men.10 Die innerbetrieblichen Transportmittel bezeichnet man auch als Fördermit-
tel, wobei sich unter diesem Begriff auch die Mittel zur Realisierung der
Umschlagsprozesse subsumieren lassen. Wenn im Folgenden von Transport- oder
Fördermitteln bzw. -einrichtungen gesprochen wird, so sind damit alle Mittel zur
Überwindung horizontaler und vertikaler Distanzen gemeint.
Bevor ein Überblick über die Lager- und Transporteinrichtungen gegeben wird,
die zur Rationalisierung der Lager- und Bewegungsprozesse eingesetzt werden
können, soll auf die Lagerplatzzuordnung eingegangen werden. Die Zuordnung
von Lagerplätzen zu Gütern bestimmt wesentlich die Einsatzmöglichkeit von La-
ger- und Transporteinrichtungen.

6.3 Lagerplatzzuordnung
Das Problem der Lagerplatzzuordnung – in der Literatur auch unter den Stichwor-
ten Lagerorganisation oder Lagerordnung behandelt – kann als dritte Stufe der
Lagerhausstandortproblematik aufgefasst werden. Es geht um die Bestimmung der
Lagerorte für die im Lagerhaus zu lagernden Güter.

Einheiten- und Kommissionierlager


Der Lagerort der Güter bestimmt die Länge des Weges, der beim Transport dieser
Güter im Lagerhaus zurückzulegen ist und somit die Transportkosten sowie die
für die Transportvorgänge benötigte Zeit. Für ein Auslieferungslager ist es nun
beispielsweise typisch, dass die Güter in großen Lager- bzw. Transporteinheiten
aufgenommen und in kleineren Einheiten an den Kunden wieder abgegeben wer-
den. Die Lager- und Transporteinheiten werden beim Güterfluss durch das Lager-
haus also kleiner. Je mehr der Güterfluss auf diese Weise aufgespalten wird, desto
größer sind die mit ihm verbundenen Kosten. Deshalb sind die Transportvorgänge
bei der Auslagerung einer großen Anzahl kleiner Einheiten von weitaus stärkerer
Bedeutung als bei der Einlagerung einer relativ geringen Anzahl großer Einheiten.
Je kürzer die bei der Kommissionierung zurückzulegenden Wege sind, desto ge-
ringer sind die dabei anfallenden Transportkosten und desto schneller kann der
Auftrag zusammengestellt und ausgeliefert werden. Daher ist es wünschenswert,
alle Lagergüter auf einem möglichst kleinen Lagerraum unterzubringen, der mög-
lichst nahe am Kommissionierplatz und am Warenausgang im Lagerhaus liegt.
Gegen einen zu großen Lagerraum sprechen auch die damit verbundenen großen
Investitionen für die bei der Kommissionierung einzusetzenden Lager- und Trans-
porteinrichtungen. Dem Bestreben, die Lagergüter auf kleinem Raum zu lagern

10 Vgl. ten Hompel u.a., 2007, 122ff.


136 6 Lagerhaus

und möglichst nahe an den Warenausgang heranzubringen, steht die Notwendig-


keit entgegen, größere Lagerbestände unterhalten zu müssen. Deshalb ist es oft
sinnvoll, im Lagerhaus zwischen dem Kommissionierlager und Einheitenlager im
Sinne eines Reservelagers zu unterscheiden.11
Die ankommenden Güter werden in großen Mengen und Einheiten ins Einhei-
tenlager eingelagert. Zwischen Einheitenlager und Warenausgang liegt das Kom-
missionierlager, wobei auch denkbar ist, dass das Einheitenlager das Kommissio-
nierlager an drei Seiten umschließt. 12 Vom Einheitenlager wird das
Kommissionierlager aufgefüllt, in dem die Güter nur in verhältnismäßig geringen
Mengen gelagert werden, so dass das gesamte Sortiment auf relativ kleinem Raum
untergebracht werden kann. 13 Die Güter werden bei der Kommissionierung aus
diesem Kommissionierlager in kleinen Mengen entnommen.
Die Trennung des Lagerraumes in ein Einheitenlager und ein Kommissionier-
lager hat jedoch auch den großen Nachteil, dass zwischen die Ein- und Auslage-
rungsvorgänge der Güter ein Umlagerungsvorgang geschaltet werden muss. Je
häufiger das Lagergut zu bewegen ist, desto höhere Kosten werden verursacht.
Dieser Nachteil fällt vor allem bei großen Sortimenten ins Gewicht, so dass dort
die Einrichtung eines gesonderten Kommissionierlagers oft nicht mehr zweckmä-
ßig ist.14
Die Entscheidung für oder gegen eine Trennung von Einheiten- und Kommis-
sionierlager betrifft im Allgemeinen den für das gesamte Sortiment vorzusehenden
Lagerbereich im Lagerhaus; der genaue Lagerort des einzelnen Gutes muss dann
noch festgelegt werden. Hierfür lassen sich verschiedene Einflussfaktoren ange-
ben, von denen die wichtigsten im Folgenden aufgeführt sind.

Einflussfaktoren der Lagerplatzzuordnung


Abb. 6.4 zeigt die grundsätzlich bestehenden Möglichkeiten der Lagerplatzzuord-
nung. Zwischen ihnen besteht eine Wahlmöglichkeit allerdings nur insofern, als
die stoffliche Beschaffenheit der zu lagernden Güter (z. B. Geruchs- oder Klima-
empfindlichkeit) die freie Wahl des Lagerortes im Lagerhaus nicht einschränkt.
Hierbei stehen die feste Lagerplatzordnung und die vollständig freie Lagerplatz-
zuordnung (Einzelplatzlagerung, chaotische Lagerung) einander gegenüber. Die
beiden anderen Möglichkeiten sind lediglich Variationen der festen und der freien
Lagerplatzzuordnung.
Für die feste Lagerplatzzuordnung lassen sich verschiedene Einflussfaktoren
wie Weglänge, Umschlagshäufigkeit, Wertigkeit, Gewicht, Zugriffshäufigkeit,
Volumen und Abmessungen des zu lagernden Gutes,15 aber auch das Volumen der
11 Siehe Abb. 6.3.
12 Vgl. Gudehus, 2010, S. 632f. und S. 883ff.
13 Zur im Kommissionierlager einzulagernden Menge eines Gutes vgl. Heskett u.a., 1973, S.
631.
14 Vgl. Gudehus, 2010, S. 724.
15 Vgl. ten Hompel/Schmidt, 2008, S. 31ff.
6.3 Lagerplatzzuordnung 137

Einheit, in der das Gut an den Kunden verkauft wird, nennen. Zwei Einflussfakto-
ren, nämlich die Zugriffshäufigkeit und das Volumen der Verkaufseinheit, die sich
auch miteinander kombinieren lassen, sollen im Folgenden exemplarisch be-
schrieben werden:16
x Zugriffshäufigkeit (Entnahme- oder Bestellhäufigkeit): Bei einer Lagerung der
Güter nach diesem Einflussfaktor geht man davon aus, dass die mit der Be-
stellmenge der Kunden zusammenhängenden Handhabungskosten bei der
Kommissionierung unabhängig vom Lagerplatz sind. Somit verändern sich mit
dem Lagerplatz nur die Transportkosten, die von der zurückzulegenden Entfer-
nung sowie von der Häufigkeit, mit der man diese Entfernung zurücklegen
muss, abhängen. Man wird also bestrebt sein, die Güter umso näher am Kom-
missionierplatz zu lagern je größer die Zugriffshäufigkeit ist.
x Volumen der Verkaufseinheit eines Gutes: Bei der Lagerung der Güter nach
dem Volumen der Einheit, in der das Gut verkauft wird, werden die Artikel mit
einem großen Volumen je Verkaufseinheit entfernt vom Kommissionierplatz
und die Artikel mit einem kleinen Volumen je Verkaufseinheit nahe am Kom-
missionierplatz gelagert. Man verfolgt damit das Ziel, einen möglichst großen
Prozentsatz der zu lagernden Verkaufseinheiten möglichst nahe am Kommissi-
onierplatz zu lagern, um die zum Transport der Verkaufseinheiten zurückzule-
genden Wege zu verkürzen. Bei einer Lagerung nach diesem Einflussfaktor
wird zugleich vermieden, dass Güter mit den verschiedensten Abmessungen
nebeneinander gelagert werden. Das hat den Vorteil, dass nebeneinander la-
gernde Güter im Allgemeinen auch dieselben Anforderungen an die techni-
schen Hilfsmittel für ihre Ein- und Auslagerung und den zur Bedienung der
Lagerplätze notwendigen Raum stellen.
x Volumen-pro-Auftrag-Index: Dieser Index kombiniert das Volumen der Ver-
kaufseinheit eines Gutes mit der Zugriffshäufigkeit. Er kann mit Hilfe folgen-
der Informationen berechnet werden: (1) das Volumen der Verkaufseinheit ei-
nes Gutes, (2) die durchschnittlich pro Auftrag bestellte Anzahl von
Verkaufseinheiten, (3) die Anzahl der Aufträge pro Tag, (4) die Anzahl der Ta-
geslieferungen (Nachfrage pro Tag), die im Kommissionierlager gelagert wer-
den sollen. Aus diesen Informationen lässt sich errechnen, welches Volumen
im Kommissionierlager für die Lagerung eines jeden Gutes erforderlich ist. Di-
vidiert man dieses Volumen durch die Zugriffshäufigkeit pro Tag, so erhält
man den Volumen-pro-Auftrag-Index eines Artikels in der Form: im Kommis-
sionierlager benötigtes Volumen/Zugriffshäufigkeit pro Tag.
Der Index gibt also an, wie viel Raum im Kommissionierlager für ein Gut pro
Auftrag benötigt wird. Je niedriger der Indexwert für ein Gut ist, also je kleiner
das Volumen und je größer die Zugriffshäufigkeit pro Tag ist, desto näher am
Kommissionierplatz im Lagerhaus wird der Artikel gelagert. Dadurch wird er-
reicht, dass unter Berücksichtigung des Einflusses der Zugriffshäufigkeit und des

16 Vgl. Heskett u.a., 1973, S. 626ff.


138 6 Lagerhaus

Bezeichnung Beschreibung Effekt Vorraussetzung


Zugriffssicherheit
jedem Artikel ist bei Verlust der
feste Lagerplatz-
ein fester Lagerort Lagerbestandsdatei; keine
zuordnung
zugewiesen Trennung von
Warengruppen
Warehouse
mehrere Ladeein-
Management System
heiten eines Artikels Zugriffssicherheit bei
oder
Querverteilung werden über Ausfall eines
Zuordnungskartei;
verschiedene Regalförderzeuges
organisatorische
Gänge verteilt
Trennung der Gänge
vollständig freie
Warehouse
Lagerplatzzuordnung Ladeeinheiten
erhöhte Ausnutzung Management System
(Einzelplatzlagerung, werden in beliebige
der Lagerkapazität oder
chaotische Fächer eingeordnet
Zuordnungskartei
Lagerung)
Trennung von
Warengruppen;
Ladeeinheiten Warehouse
freie Lagerplatz- Reduzierung der
werden nur innerhalb Management System
zuordnung innerhalb Kapazitätsnutzung
vorgegebener oder
fester Bereiche gegenüber der
Bereiche eingelagert Zuordnungskartei
vollständig freien
Lagerplatzzuordnung

Abb. 6.4 Möglichkeiten der Lagerplatzzuordnung (Quelle: Eggenstein u.a., 1981, S. 259)

zur Lagerung eines Gutes benötigten Raumes die sich mit dem Lagerplatz verän-
dernden Transportkosten bei der Kommissionierung minimiert werden.
Gibt es eine nach Güterart festgelegte Lagerplatzzuordnung nicht, so spricht
man von freier Lagerplatzzuordnung, Einzelplatzlagerung oder chaotischer Lage-
rung. Hierbei kann jedes Gut an jedem gerade freien Platz gelagert werden. Man
verfolgt dabei das Ziel, den Lagerraum optimal auszunutzen. Dieses Problem stellt
sich vor allem bei einer stark schwankenden Nachfrage. Da die Güter bei der cha-
otischen Lagerung an zufällig freien Lagerplätzen gelagert werden, macht sie bei
einer großen Anzahl von Lagerplätzen den Einsatz der elektronischen Datenverar-
beitung zur Steuerung und Kontrolle der Ein- und Auslagerung erforderlich. Die
elektronische Datenverarbeitungsanlage übernimmt es, einem einzulagernden Gut
einen Lagerplatz von der erforderlichen Größe anzuweisen. Sie registriert, wel-
ches Gut, in welchen Mengen, an welchem Lagerplatz gelagert ist. Bei der Kom-
missionierung wird das Kommissionierpersonal teilweise automatisch zu dem La-
gerplatz geleitet, an dem die gewünschte Menge des Gutes entnommen werden
kann. Damit ist diese Art der Lagerplatzzuordnung häufig mit einer bestimmten
Technik im Lagerhaus kombiniert.
6.4 Technik im Lagerhaus 139

6.4 Technik im Lagerhaus

Technische Lagersysteme
Die im Lagerhaus einsetzbaren technischen Lager- und Transporteinrichtungen
hängen von dem in einem Lagerhaus zu realisierenden technischen Lagersystem
ab. Technische Lagersysteme unterscheiden sich zunächst nach der Art der Lager-
güter, die in Stückgüter, Schüttgüter, Gase und Flüssigkeiten aufgegliedert wer-
den:17
x Stückgüter sind Gegenstände, die sich während des Transportierens, Umschla-
gens und Lagerns als Einheit behandeln lassen und ihre Gestalt und Form wäh-
rend dieser Vorgänge nicht oder nur gering verändern. Zu Stückgütern gehören
feste Körper unterschiedlichster Abmessungen (z. B. Bauteile oder Halbzeuge),
aus einzelnen Stückgütern bestehende Lagereinheiten (z. B. beladene Paletten
oder palettenlos mit einer Folie umschrumpfte Gutstapel), Schüttgüter, Flüssig-
keiten oder Gase, die sich in Behältnissen befinden (z. B. Fässer oder Säcke)
sowie auch die Verpackung als Leergut (z. B. Behälter oder Fässer).
x Schüttgüter verändern während der Bewegungsprozesse ihre Gestalt. Es sind
lose Güter in schüttbarer Form, zu denen die verschiedenartigsten körnigen und
staubförmigen Güter wie Erze, Kohle, Sand, Zement, Getreide, Kaffee usw.
zählen.
x Gase und Flüssigkeiten sind Güter, bei denen während Transport, Umschlag
und Lagerung Stoffeigenschaften berücksichtigt werden müssen, die besondere
Kenntnisse aus der Chemie sowie der Verfahrenstechnik voraussetzen.
Im Rahmen dieses betriebswirtschaftlich orientierten Buches wird auf techni-
sche Lagersysteme für Schüttgüter sowie Flüssigkeiten und Gase nicht eingegan-
gen. Es wird lediglich ein knapper Überblick über technische Lagersysteme für
Stückgüter gegeben, für die in Abb. 6.5 eine Prinzipdarstellung zu finden ist.
Bei den technischen Lagersystemen unterscheidet man zwischen dem stati-
schen System für die Lagerung und dem dynamischen System für die Bewegung
der Güter.18 Die einfachste Form eines statischen Lagers ist eine Bodenlagerung
ohne Lagergestell. Von Bodenlagerung i. e. S. spricht man dann, wenn keine Sta-
pelbildung vorliegt. Dies führt zu einer schlechten Raumausnutzung, so dass trotz
fehlender Investitionen in Lagereinrichtungen hohe Investitionen pro Lagereinheit
entstehen können. Den Nachteil der schlechten Raumausnutzung vermeidet die
Blocklagerung, bei der das Lagergut lückenlos auf-, neben- und hintereinander ge-
stellt wird. Hierbei ist jedoch ein direkter Zugriff zu einem beliebigen Lagergut
nicht mehr gegeben. Dies ist auch nicht mehr bei der Zeilenlagerung der Fall,
wenn die Lagergüter nicht nur nebeneinander, sondern auch aufeinander gestellt

17 Vgl. Appelt, 1997, S. 482.


18 Vgl. Jünemann/Schmidt, 2000, S. 45.
140

Abb. 6.5
Lagermittel für Stückgut
6

Lagerung auf
Bodenlagerung Regallagerung
Fördermittlen
Lagerhaus

statische Lagerung dynamische Lagerung

Block- Zeilen- Blockregal- feststehende Regale bewegte Regale, fest-


Zeilenregallagerung
lagerung lagerung lagerung bewegte Ladeeinheiten stehende Ladeeinheiten

Einfahr- Fachboden- Paletten- Verschiebe- Umlauf-


Durchlaufregal
regal regal regal regal (Zeilen) regal

(Quelle: ten Hompel u.a., 2007, S. 56ff.)


Blocklagerung Einfahrregal Palettenregal Durchlaufregal Verschieberegal Staurollenförderer

Vertikales
Zeilenlagerung Fachbodenregal al
Umlaufregal

Prinzipdarstellung der wesentlichen technischen Lagersysteme für Stückgüter


6.4 Technik im Lagerhaus 141

werden. Für die Stapelbildung üblich sind zwei- bis vierfache Stapelungen mit
Höhen bis normalerweise ca. 5 m, aber in Ausnahmefällen auch bis zu 10 m.
Technisch fortschrittlicher sind statische Regallagerungen, die eine größere
Lagerhöhe zulassen und auch für prinzipiell nicht aufeinander stapelbare La-
gereinheiten eine bessere Raumausnutzung ermöglichen. Zudem ist in der Form
der Regallagerung die Zugriffsmöglichkeit auf jede beliebige Lagereinheit gege-
ben.
Im dynamischen Lagersystem werden die Lagergüter bewegt. Bewegungspro-
zesse finden einerseits statt, um das Lagergut zur Beschickung (Einlagerung) und
Entnahme (Auslagerung) zu bewegen. In diesem Fall sind Lager- und Bewe-
gungsprozesse getrennt. (Vgl. Abb. 6.5, dynamische Regallagerung) Andererseits
ist es möglich, dass Lager- und Bewegungsprozesse nicht klar voneinander zu
trennen sind. So finden Bewegungsprozesse während der eigentlichen Lagerung
statt, wenn das Lagergut im Lagergestell bzw. wenn Lagergut und -gestell ge-
meinsam bewegt werden. Lagerprozesse während der eigentlichen Bewegungs-
prozesse finden statt, wenn das Lagergut auf Transportmitteln ständig umläuft.
Diese Art des dynamischen Lagers kann dann zum Einsatz kommen, wenn die
vor- und nachgelagerten Stellen im Güterfluss taktmäßig nicht übereinstimmen
und es sich um Güter mit hohem Mengenaufkommen und großer Umschlagshäu-
figkeit handelt.19
Um einen Eindruck von der technischen Vielfalt zu vermitteln, mit der die
prinzipiell möglichen technischen Lagersysteme realisiert werden können, werden
im Folgenden die wichtigsten Typen von Lagergebäuden, Lagergestellen und
Transportmitteln einander gegenübergestellt.20

Lagergebäude
Freilager: Die baulichen Maßnahmen bei Freilagern beschränken sich auf eine
Befestigung des Bodens, um den Untergrund für den Einsatz von Transportmitteln
zu schaffen. Geeignet sind solche Lager in erster Linie für witterungsunempfindli-
che Lagergüter; andernfalls müssen die Lagergüter zusätzlich gegen den Einfluss
der Witterung geschützt sein (z. B. durch Schrumpffolien oder durch Abdecken
mit Planen). In den meisten Fällen erfolgt die Lagerung in Form der Bodenlage-
rung.
Flachlager: Von einem Flachlager spricht man bei einem Lagergebäude bis ca.
7 m Höhe, in das mit oder ohne Lagergestelle eingelagert wird.
Etagenlager: Ein Etagenlager besteht aus mehreren Stockwerken. Der Übergang
vom Flachlager zum Etagenlager kann notwendig werden, wenn bei kleinen
Grundstücksflächen die Lagerfläche erhöht werden soll. In der Regel sind die
Stockwerke über Aufzüge miteinander verbunden.
19 Vgl. ten Hompel u.a., 2007, S. 80ff.
20 Vgl. zum Folgenden Jünemann/Schmidt, 2000, S. 41ff.; ten Hompel u.a., 2007, S. 55ff. Dort
finden sich auch zahlreiche Abbildungen zur Veranschaulichung.
142 6 Lagerhaus

Hochregallager: Von Hochregallagern spricht man bei Lagergebäudehöhen über


12 m. Bis zu dieser Höhe spricht man teilweise noch von Hochflachlagern. In der
Praxis gibt es Hochregallager bis zu einer Höhe von ca. 55 m.21 Hochregallager
haben entweder einen festen Baukörper (Betonbauweise), in welche die Lagerge-
stelle freistehend eingebracht werden oder aber die Lagergestelle werden selbst als
Tragkonstruktion für Wände und Dach des Lagers benutzt. Im ersten Fall ist das
Lagerhaus bilanztechnisch ein Gebäude, das im Regelfall über einen Zeitraum von
50 Jahren abgeschrieben werden kann. Im zweiten Fall ist es bilanztechnisch eine
Lagereinrichtung, die in der Regel innerhalb von 15 Jahren abgeschrieben werden
kann. Hochregallager sind aber in beiden Fällen Einzweckanlagen, die nicht für
andere Zwecke benutzt werden können. Dies unterscheidet sie von Flach- oder
Etagenlagern, die bei einer geeigneten Bauweise mit Hilfe geringer Umbaumaß-
nahmen auch als Produktions- oder Büroräume genutzt werden können.
Traglufthallenlager: Ein solches Lager entsteht, wenn eine aus luftundurchlässi-
gem Gewebe bestehende Hallenhaut durch ein Gebläse ballonartig über einer be-
festigten Grundfläche aufgespannt wird. Der Zugang erfolgt dabei über Luft-
schleusen. Da solche Lager schnell auf- und abgebaut werden können, sind sie vor
allem als Ausweichlager geeignet.

Lagergestelle
Fachbodenregale: Sie bestehen aus Seitenstützen, zwischen denen durchgehende
Fachböden befestigt sind, wobei sich die Fachhöhe nach dem Lagergut richtet.
Gelagert werden in diesen Regalen vor allem Kleinteile. Die Bedienung der Rega-
le erfolgt vorwiegend manuell. Typischerweise finden sich solche Regale in
Flach- oder Etagenlagern.
Palettenregale: Diese Regale haben keine Böden, sondern bestehen lediglich aus
Seitenstützen mit Quer- oder Längstraversen zur Auflage für das palettierte La-
gergut. Die Bedienung erfolgt üblicherweise mit Hilfe von Gabelstaplern, was ent-
sprechende Gangbreiten erfordert.
Einfahrregale: Sie sind ein Spezialfall der Palettenregale und dienen der Blockla-
gerung mit Lagergestell. Da diese Regale nur Längstraversen aufweisen, können
die palettierten Güter nicht nur über- und nebeneinander, sondern auch hinterei-
nander gelagert werden.
Durchlaufregale: Dies sind dynamische Lager, in denen das Lagergut von der Be-
schickungs- zur Entnahmeseite kontinuierlich oder diskontinuierlich weiterbewegt
wird. In der Regel wird palettiertes Lagergut entweder auf geneigten Rollenbah-
nen bzw. auf geneigten Laufschienen mit Rollpaletten durch die Schwerkraft oder
mit mechanischem Antrieb auf nichtgeneigten Rollenbahnen bewegt. Bei diesen
Lagergestellen ist das FIFO-Prinzip (first in first out) zwangsläufig gewährleistet

21 Vgl. ten Hompel u.a., 2007, S. 67.


6.4 Technik im Lagerhaus 143

und der Flächen- bzw. Raumausnutzungsgrad ist relativ hoch. Allerdings erfor-
dern die Durchlaufregale verhältnismäßig große Investitionen.
Kompaktregale: Zu den Kompaktregalen zählen Verschiebe- und Umlaufregale.
Verschieberegale sind entweder kompakt nebeneinander angeordnete Fachboden-
oder Palettenregale, die sich in den Bediengang herausziehen oder parallel zu ihm
verfahren lassen. Auf diese Weise stehen stets nur ein bzw. zwei Regale im direk-
ten Zugriff. Bei Umlaufregalen laufen Regaleinheiten horizontal oder vertikal um.
Solche über Kettenantriebe verfahrende Umlaufregale werden typischerweise dort
eingesetzt, wo beim Kommissionieren die „Ware zum Mann“ kommt und nicht
umgekehrt. Bei Kompaktregalen, bei denen also die Lagergüter und -gestelle ge-
meinsam bewegt werden, ist ein sehr hoher Flächen- bzw. Raumnutzungsgrad ge-
währleistet, aber der Zugriff ist durch die technisch bedingten hohen Manipulati-
onszeiten nicht besonders gut. Deshalb sind diese Regale nur für Güter mit
niedrigen Umschlagsfrequenzen geeignet. Außerdem entspricht die Investition
dem vergleichsweise hohen technischen Aufwand.
Hochregale: Dies sind Fachboden- oder Palettenregale mit sehr großen Regalhö-
hen, die über hoch technisierte Regalbediengeräte beschickt werden. Aufgrund der
großen Regalhöhen und der schmalen Bediengänge ergibt sich ein vergleichsweise
guter Flächen- und Raumnutzungsgrad. Die Zugriffszeiten sind wegen des allge-
mein hohen Mechanisierungsgrades sehr gering. Eingesetzt werden Hochregale
vor allem bei großen Gütermengen und breiten Sortimenten, wobei jedoch zu be-
rücksichtigen ist, dass Anpassungen bei Betriebsumstellungen nur in geringem
Ausmaß möglich sind.

Transportmittel
Stetigförderer: Dazu zählen alle Transportmittel, mit denen Güter auf einem fest-
gelegten und in der Regel gleichbleibenden Weg stetig in horizontaler, vertikaler
oder geneigter Richtung bewegt werden. Stetigförderer haben einen geringen
Energiebedarf, einen geringen Bedienungsaufwand und eine große Betriebssicher-
heit. Stetigförderer können sowohl flurfrei (Lastaufnahme erfolgt durch die De-
ckenkonstruktion des Lagerhauses) als auch flurgebunden (Lastaufnahme erfolgt
durch die Bodenkonstruktion des Lagerhauses) konstruiert werden. In der Regel
werden Stetigförderer als Förderbänder, Mitnehmerketten, Rollenbahnen oder
auch Unterflurschleppkettenförderer flurgebunden konstruiert. Umlaufketten
(Kreisförderer) oder Schaukelförderer mit festen Gehängen oder auswechselbaren
Schaukeln (Power and Free) werden dagegen häufig flurfrei konstruiert.
Unstetigförderer: Dazu zählen alle Transportmittel, die im sogenannten Aussetz-
betrieb arbeiten. Unstetigförderer mit vorwiegend vertikalen Transportaufgaben
bezeichnet man als Hubförderer. Solche mit vorwiegend horizontalen Transport-
aufgaben bezeichnet man als Flurförderzeuge, die ihrerseits wieder in gleisgebun-
dene und gleislose Flurförderzeuge untergliedert werden. Zu den gleisgebundenen
Flurförderzeugen gehören z. B. die Grubenbahnen für die Förderung im Unterta-
144 6 Lagerhaus

gebau. Zu den gleislosen Flurförderzeugen zählen die Schlepper und Anhängewa-


gen, die keine Hubeinrichtung haben sowie die Flurfördermittel mit Hubeinrich-
tung, zu denen insbesondere die verschiedensten Arten von Staplern gehören. Im
Gegensatz zu Flurförderzeugen steht bei Hubförderern oder Hebezeugen stets die
vertikale Bewegung im Vordergrund, auch wenn sie selbstverständlich ebenso ho-
rizontale Bewegungen ausführen können. Zu den Hubförderern zählen die Lauf-
katze, Brückenkräne, Portalkräne und Auslegerkräne, die auch als Drehkräne be-
zeichnet werden, wenn sie eine Drehbewegung ausführen können. Außerdem
gehört zu den Hubförderern auch der Aufzug.
Regalbediengeräte: Zur Ein- und Auslagerung insbesondere von Hochregallagern
wurden spezielle Transportmittel zur Arbeit in schmalen Gängen entwickelt. Diese
sind prinzipiell zwangsgeführt, können aber regalunabhängig oder regalabhängig
sein. Regalunabhängig arbeiten beispielsweise Hochregal- und Kommissionier-
stapler, die sowohl innerhalb als auch außerhalb des Regalganges bewegt werden
können. Beide haben zur Arbeit in den schmalen Gängen die Gabel im Allgemei-
nen quer zur Fahrtrichtung, wobei der Kommissionierstapler zusätzlich einen heb-
baren Bedienungsstand als Mitfahrgelegenheit für den Lagerarbeiter besitzt. Re-
galbediengeräte, die regalabhängig sind und somit nicht mehr mehrere Regalgänge
bedienen können, bezeichnet man als Regalförderzeuge. Damit die Regalförder-
zeuge ausreichend ausgelastet sind, sind genügend lange Regalgänge und entspre-
chende Regalhöhen erforderlich. Regalförderzeuge werden im Allgemeinen auto-
matisch betrieben. In der Regel sind sie über Computersysteme mit der
betrieblichen Unternehmenssoftware verbunden, die der Regalsteuerung die ent-
sprechenden Anweisungen übermittelt.

Geräte zur Kommissionierung


Zur Kommissionierung werden je nach Kommissionierungsprinzip sehr unter-
schiedliche Geräte eingesetzt. Nach dem Prinzip „Mann zur Ware“ bewegt sich
der Kommissionierer zu den Bereitstellplätzen im Kommissionierlager und ent-
nimmt die Ware manuell. Hier werden spezielle Transportmittel wie z. B. Hori-
zontal- und Vertikalkommissionierfahrzeuge sowie Kommisionier-
dreiseitenstapler, -regalfahrzeuge und -hängebahnen eingesetzt. Bei der
Regalgestaltung sind eine Reihe von Richtlinien zu beachten, so dass beispiels-
weise auch für kleinere Mitarbeiter gewährleistet ist, dass sie ohne zusätzliche
Hilfsmittel die höher gelegenen Lagerplätze erreichen können. Weiterhin sollten
z. B. Lagerfächer nur so tief ausgeführt sein, dass für den Kommissionierer auch
die Güter noch gut erreichbar sind, die in den Fächern weiter hinten gelagert wer-
den.22 Um dem Kommissionierer die Arbeit zu erleichtern, werden häufig bei den
manuellen Vorgängen Techniken wie Pick-by-Light (Signallampen an den Lager-
fächern), Pick-by-Voice (Sprachkommunikation) oder Pick-by-Vision (Datenbril-
len) eingesetzt.

22 Vgl. Pfohl, 2007, S. 795.


6.4 Technik im Lagerhaus 145

Nach dem Prinzip „Ware zum Mann“ entnehmen die vollautomatisch gesteuer-
ten Paletten- oder Behälterregalbediengeräte die Ladeeinheiten vom Lagerplatz
und stellen sie den Kommissionierern zur Verfügung. 23 Nach dem manuellen Pi-
cking transportieren die Regalbediengeräte die Ladeeinheit wieder zurück zum
Lagerplatz. Beispielsweise gibt es für die Pharmabranche als Geräte zur automati-
schen Entnahme spezielle Schachtautomaten und Kommissionierroboter.24
Abb. 6.6 gibt einen Überblick über die dargestellten Elemente eines Lagerhau-
ses. Die Materialfluss- und Fördertechnik wird im deutschen Sprachraum auch als
Intralogistik bezeichnet.25 „Die Intralogistik umfasst die Organisation, Steuerung,
Durchführung und Optimierung des innerbetrieblichen Materialflusses, der Infor-
mationsströme und des Warenumschlags mit Hilfe technischer Systeme und
Dienstleistungen.“26 Mit Hilfe neuer Technologien in der Sensorik – technische
Systeme zur Identifikation, Ortung und Zustandsüberwachung – lässt sich das La-
gerhaus zu einem intelligenten Logistikraum entwickeln. Hierzu lassen sich zwei
grundlegende Herangehensweisen definieren: „Zum einen die Schaffung intelli-
genter Infrastrukturen durch lokale Ausstattung mit entsprechenden Technologien
und alternativ zum anderen die Definition mobiler, intelligenter Objekte durch die
Ausstattung von Waren und Betriebsmitteln mit Sensorik.“ 27

Automatisierung im Lagerhaus
Die Automatisierung der Prozesse im Lagerhaus kann in zwei Problembereiche
unterteilt werden. Dies sind die Informationsverarbeitung und die Lagergutbe-
handlung. Beide Bereiche sind zwar untrennbar miteinander verbunden und beein-
flussen sich wechselseitig, doch existieren technisch unterschiedliche Probleme.
In der Informationsverarbeitung zur Steuerung und Kontrolle der statischen
und dynamischen Lagersysteme besteht in erster Linie eine Herausforderung der
informationstechnischen Verknüpfung der verschiedenen Systeme und Lager-
hausbereiche. Deshalb müssen hier vordergründig Probleme der physischen Ver-
knüpfung und der Standardisierung der Datenformate gelöst werden, um einen un-
terbrechungsfreien und automatischen Datenfluss realisieren zu können.

23 Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 683.


24 Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 684f. Weitere Informationen zu Kommissioniersystemen vgl.
ten Hompel u.a., 2007, S. 251ff.
25 Seit 2003 etabliert sich der Begriff Intralogistik im deutschen Sprachraum und verdrängt da-
bei den klassischen Begriff Materialfluss- und Fördertechnik.
26 Arnold, 2006, S. 1.
27 Richter u.a., 2015, S. 247. Zum intelligenten Kommissionier-Arbeitsplatz vgl. Elkmann u.a.,
2015, S. 119ff.
146

Abb. 6.6
6

Lagerhaus

Lagerhausstandort Lagerhausbetrieb Lagerplatzzuordnung Lagergebäude und -einrichtungen


Lagerhaus

produktionsorientiert Wareneingang feste Lagerplatzzuordnung Lagergebäude


transportorientiert Einheitenlager Querverteilung über verschiedene Gänge
Freilager
beschaffungsorientiert Sortier- oder freie Lagerplatzzuordnung
Flachlager
absatzorientiert Kommissionierlager innerhalb fester Bereiche
Etagenlager
(Verpackung) vollständig freie Lagerplatzzuordnung
Hochregallager
Warenausgang (chaotische Lagerung)

Elemente eines Lagerhauses


Traglufthallenlager
Lagerverwaltung
Bunker-/Silo/Tanklager

Lagereinrichtungen

Einrichtungen zur Lagerung Einrichtungen (Bediengeräte) zum Einrichtung für Nebenaufgaben


Ein- und Auslagern sowie zum Umschlag wie Wiegen, Zählen, Codieren etc.
Bodenlagerung Blocklagerung
manuelle Bedienung Waagen
Zeilenlagerung
Stetigförderer Deckenkreisförderer Zählautomaten
Regallagerung Blocklagerung
Rollenbahn Etikettiermaschinen
Zeilenlagerung
Palettier- und Depalettiergeräte
feststehende Regale,
Umreifungs- und Folienschrumpfmaschinen
bewegte Ladeeinheiten
Unstetigförderer Fahrerloses Transportsystem (FTS)
bewegte Regale,
Regalbediengerät
feststehende Ladeeinheiten
Gabelstapler
Lagerung auf Fördermitteln
Elektrohängebahn
6.4 Technik im Lagerhaus 147

Die Lagergutbehandlung beinhaltet alle Bewegungsprozesse zur Ein- und Aus-


lagerung der Güter sowie ihren Transport zwischen verschiedenen Lagerhausbe-
reichen. Die Möglichkeiten zur Automatisierung der Ein- und Auslagervorgänge
hängen zum einen von der Homogenität der Lagereinheiten ab, z. B. können Güter
ausschließlich auf Paletten oder sie können in verschiedenen Lagereinheiten wie
Säcken, Fässern, Kisten etc. gelagert werden. Zum zweiten hängen die Möglich-
keiten zur Automatisierung auch von den Kommissionieranforderungen ab. Im
einfachsten Fall werden lediglich homogene Lagereinheiten, z. B. Paletten, zu
Sendungen zusammengestellt, so dass eine Automatisierung der Prozesse ver-
gleichsweise einfach zu realisieren ist. Beispiele hierfür sind moderne Hochregal-
lager, die vollautomatisch alle Bewegungsprozesse abwickeln. In komplizierten
Fällen müssen allerdings heterogene Lagereinheiten zusammengefasst oder gar
große Lagereinheiten zerteilt und neu zusammengestellt werden, z. B. die Vertei-
lung voll beladener Paletten auf Teillieferungen an verschiedene Filialen. In die-
sen Fällen ist eine Automatisierung der Lagergutbehandlung ungleich schwieriger.
Oftmals erfolgt die Lagergutbehandlung dann nur teilautomatisiert, z. B. bei Wa-
re-zu-Mann-Kommissionierung und Pick-by-Light-Unterstützung28 oder gar voll-
ständig manuell (vgl. Abb. 6.7).
Dagegen bestehen beim reinen Transport der Lagergüter zwischen den Lager-
hausbereichen und ihrer Anlieferung am Kommissionierplatz keine wesentlichen
Unterschiede zwischen dem Transport großer Lagereinheiten und kleinerer Men-
geneinheiten. Die kleineren Mengeneinheiten werden in kodierten Sammelbehäl-
tern transportiert, so dass sich beispielsweise beim Transport auf Stetigförderern
die gleichen Automatisierungsanforderungen ergeben wie bei großen Lagereinhei-
ten.29
Bei der Verknüpfung der verschiedenen Automatisierungssubsysteme existie-
ren nicht nur Herausforderungen bei der Standardisierung der Kommunikation
hinsichtlich der Datenformate, sondern auch bei der physischen Verknüpfung die-
ser Systeme über technische Schnittstellen. An solchen Schnittstellen treffen ver-
schiedene technische Zonen, wie z. B. die Computersteuerung und die zu steuern-
den Transportmittel, aufeinander. Häufig treten gerade an diesen Schnittstellen
technische Störungen auf, die sich auf den gesamten automatischen Lagerhausbe-
trieb auswirken können, weil ohne funktionierende Schnittstellen die verschiede-
nen Subsysteme nicht mehr aufeinander abgestimmt werden können.
Die Gefahr von Störungen an diesen Schnittstellen bzw. die Auswirkungen von
Störungen lassen sich dadurch verringern, dass bei der Einführung der Automati-
sierung ein Unternehmen die Verantwortung für die gesamte Anlage übernimmt
und nicht nur jeweils für eine bestimmte technische Zone. Außerdem kann neben
der computerbasierten Steuerung und Kontrolle der Betriebsmittel noch eine zent-
rale, manuell zu bedienende Steuerung und Kontrolle eingerichtet werden. So

28 Siehe Geräte zur Kommissionierung im vorherigen Abschnitt.


29 Zu den grundsätzlichen Möglichkeiten der Automatisierung der Kommissionierung vgl. ten
Hompel u.a., 2007, S. 119ff.
148 6 Lagerhaus

Abb. 6.7 Oben ist ein Beispiel für ein vollautomatisches Lager mit Regalbediengeräten und
Umsetzer abgebildet. Unten wird der Ablauf bei teilautomatisierter Kommissionie-
rung durch Pick-by-Light bzw. Put-to-Light dargestellt. (Quelle: In Anlehnung an
ten Hompel u.a., 2007, S. 194 und S. 294)

kann z. B. bei einem Computerausfall der Betrieb teilweise aufrecht erhalten wer-
den.
Voraussetzung für ein störungsfrei arbeitendes, automatisiertes Lagerhaus ist
nicht zuletzt eine Verpackung der Lagergüter, die die hohen Anforderungen für
einen automatischen Güterumschlag erfüllt.
Literatur 149

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gertechnik. 3., völlig neu bearb. Aufl. Berlin u.a
7 Verpackung

7.1 Definition und Funktionen der Verpackung

Definition
Unter Verpackung versteht man die lösbare, vollständige oder teilweise Umhül-
lung eines Gutes (Packgutes), um dieses zu schützen oder andere Funktionen zu
erfüllen. 1 Der Verpackungsvorgang wird als Verpackungsprozess bezeichnet.
Packgut, Verpackung und Verpackungsprozess bilden zusammen das Verpa-
ckungssystem. Die Verpackung selbst ist nach der Norm DIN 55 405 eine Einheit
gebildet aus dem Packmittel und dem Packhilfsmittel, die aus verschiedenen
Packstoffen bestehen. 2 Der Packstoff ist der Werkstoff, aus dem Verpackungen
hergestellt werden. Das Packmittel ist das Erzeugnis aus dem Packstoff, das dazu
bestimmt ist, das Packgut zu umschließen oder zusammenzuhalten. Packhilfsmit-
tel ist ein Sammelbegriff für Hilfsmittel, die zusammen mit Packmitteln zum Ver-
packen, Verschließen, Versandfertigmachen usw. eines Packgutes dienen. Es ist
oft nützlich, diese einzelnen Verpackungselemente gesondert zu betrachten. Denn
jedes dieser Elemente hat seinen spezifischen Einfluss auf das Verpackungssys-
tem. Die Anwendung eines neuen Klebebandes kann beispielsweise das Ver-
schließen des Packmittels im Verpackungsprozess erleichtern. Die Unfallgefahr
kann bei der Handhabung der Verpackung durch die Umreifung des Packmittels
mit Kunststoffbändern statt mit Stahlbändern herabgesetzt werden.

Funktionen
Welche Eigenschaften eine Verpackung aufzuweisen hat, hängt von den von ihr
zu erfüllenden Funktionen ab.3 Grundsätzlich lassen sich folgende vier Funktions-
bereiche unterscheiden:
Produktionsfunktionen: Die Verpackung ermöglicht die mengenmäßige Bereitstel-
lung des Produktionsinputs und die mengenmäßige Aufnahme des Produkti-
onsoutputs am Produktionsort. Durch die Wahl einer geeigneten Verpackung
(z. B. Container) kann ohne weitere zwischengeschaltete Umschlagsvorgänge di-
rekt aus der Verpackung bzw. direkt in die Verpackung produziert werden.

1 Vgl. Isermann, 1996, Sp. 2162ff.


2 Vgl. Deutsches Institut für Normung, 2006.
3 Vgl. Isermann, 1997a, S. 1230f.; Jünemann/Schmidt, 2000, S. 8f.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018


H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4_7
152 7 Verpackung

Marketingfunktionen: Bei vielen Produkten ist die Verpackung ein wesentlicher


Bestandteil der Produktpolitik, durch die ein Produkt von Konkurrenzprodukten
unterscheidbar gemacht wird. Aber auch im Bereich der Kommunikationspolitik
können der Verpackung als Werbeträger oder bei der Verkaufsförderung wichtige
Funktionen übertragen werden.4
Verwendungsfunktionen: Hierzu zählt die Wiederverwendung der Verpackung
beim Kunden oder die Verwendung für andere Zwecke. Durch die zwingende Be-
rücksichtigung ökologischer Wirkungen wird die umweltgerechte Gestaltung der
Verpackung zu einer wesentlichen Anforderung.5 Dieser entspricht die Möglich-
keit zur umweltgerechten Entsorgung bzw. die Mehrwegfähigkeit einer Verpa-
ckung. Die Wiederverwendung trägt aber auch dem Vermeidungsgedanken Rech-
nung. 6 Bei der Organisation von Mehrwegverpackungssystemen unterscheidet
man bilaterale Mehrwegsysteme (Pendelsysteme) und Mehrwegpoolsysteme. Bei
bilateralen Mehrwegsystemen erfolgt der Verpackungskreislauf zwischen einem
Sender und einem Empfänger. Bei Mehrwegpoolsystemen wird der Teilnehmer-
kreis erweitert und ein darauf spezialisiertes Unternehmen übernimmt als Poolträ-
ger die Verwaltung des Verpackungskreislaufs - das Behältermanagement - (Ei-
gentumsverhältnisse, Tauschmodalitäten, Finanzierung).
Logistikfunktionen: Die Verpackung soll die Wahrnehmung der anderen Logistik-
prozesse erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen. Die Logistikfunktionen der
Verpackung werden im Folgenden erörtert:
x Schutzfunktion: Der Schutz des Gutes durch die Verpackung wird oft als die
wichtigste logistische Funktion der Verpackung angesehen. Es gehört zu einem
guten Service, dass die bestellte Ware beim Empfänger im richtigen Zustand
ankommt. Die Verpackung soll das Gut bei der Auslieferung gegen mechani-
schen (Druck, Stoß) und klimatischen Belastungen (Feuchtigkeit, Temperatur)
schützen. Der Verpackungsschutz des Gutes erstreckt sich jedoch nicht nur auf
qualitative, sondern auch auf quantitative Verluste. Hierbei geht es vor allem
darum, dass die Verpackung den Diebstahl der verpackten Güter möglichst er-
schwert. Neben dem Schutz des Packgutes umfasst die Schutzfunktion der
Verpackung auch den Schutz der Umgebung. Die Verpackung soll die bei der
Auslieferung des Gutes eingesetzten Menschen und technischen Hilfsmittel
sowie die anderen auszuliefernden Güter vor Schäden bewahren, deren Verur-
sacher ein unverpacktes Gut sonst sein könnte.
x Lagerfunktion: Von der Verpackung wird verlangt, dass sie die Lagerung eines
Gutes erleichtert. Das bedeutet zunächst, dass die Verpackung stapelfähig sein
soll. Form und Abmessungen müssen ein direktes Aufeinandersetzen der ein-
zelnen Verpackungen erlauben. Die Haftreibung zwischen den aufeinanderge-

4 Vgl. Meffert et al., 2012, S. 432ff.


5 Zur Ökologieorientierung in der Verpackungsgestaltung vgl. Isermann, 1996, S. 2170ff.
6 Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 702.
7.1 Definition und Funktionen der Verpackung 153

stapelten Verpackungen muss genügend groß sein, um einen stabilen Stapel zu


gewährleisten. Stapelfähigkeit setzt auch voraus, dass die Verpackung stark ge-
nug ist, um die von der Stapelhöhe abhängige Gewichtsbelastung durch die auf
sie gestapelten anderen Verpackungen auszuhalten. Die Verpackung muss fer-
ner den Beanspruchungen in den Lagereinrichtungen, etwa in einem Durchlauf-
regal, gewachsen sein. Durch die Verpackung soll eine gute Lagerraumausnut-
zung ermöglicht werden. Der Erleichterung der Lagerung dient auch die
Abstimmung der Verpackungsabmessungen mit denen der Lagerbehälter. Ein
oft übersehener Aspekt der Lagerfunktion der Verpackung ist die Forderung
nach rationeller Lagermöglichkeit des Packmittelvorrates (z. B. durch zusam-
menlegbare Schachteln).
x Transportfunktion: Die Verpackung hat die Aufgabe, den Transport eines Gu-
tes zu erleichtern bzw. das Gut überhaupt erst transportfähig zu machen. Bei
möglichst geringem Gewicht der Verpackung sollen deren Form und Abmes-
sungen eine optimale Nutzung des Transportraumes gestatten.
x Manipulationsfunktion: Durch die Verpackung sollen die Güter zu solchen
Einheiten zusammengefasst werden, die ihre Handhabung bei der Auslieferung
erleichtern. Form und Abmessungen der Verpackungseinheiten müssen auch
den Einsatz technischer Hilfsmittel wie Gabelstapler oder Regalbedienungsge-
räte ermöglichen, um die Manipulationsvorgänge rationalisieren zu können.
Manipulationsvorgänge sind stets zwischen Lagerungs- und Transportphase ei-
nes Gutes geschaltet, so dass die Bildung von Verpackungseinheiten auch im-
mer unter Berücksichtigung der Lager- und Transportfunktion zu erfolgen hat.
Wird die Ware manuell umgeschlagen, so macht die Manipulationsfunktion der
Verpackung auch eine griffige Verpackung (z. B. raues Papier) bzw. Grifflö-
cher oder eine leicht zu fassende Verschnürung erforderlich, um die Handha-
bung nicht unnötig zu erschweren.
x Informationsfunktion: Die Informationsfunktion der Verpackung ist besonders
für die Auftragszusammenstellung wichtig. Die Verpackungen sind so zu
kennzeichnen (z. B. durch Farbe oder Aufschriften), dass der Auftragszusam-
mensteller im Lagerhaus die gewünschten Produkte leicht identifizieren kann.
Ferner sind Verpackungen für zerbrechliche, verderbliche oder ähnliche Pro-
dukte, die eine besondere Behandlung bei der Auslieferung erfordern, durch
Bilder, Zeichen oder Erläuterungen deutlich zu kennzeichnen. Informationen
auf der Verpackung können zu einer Verminderung der Begleitpapiere führen.
Bei einer Automatisierung von Transport- und Umschlagsprozessen ermögli-
chen geeignete Informationen auf der Verpackung ein automatisches Erkennen
des Produktes. Dies geschieht z. B. durch Barcodes, die von automatischen Le-
sevorrichtungen erkannt werden. Zu beachten sind dabei die Leistungsmerkma-
le der in der Transportkette zum Einsatz kommenden Leseeinheiten, die häufig
nicht in der Lage sind, alle Seiten der Verpackung zu scannen. Entsprechend
müssen die Barcodes auf bestimmten oder auch auf mehreren Seiten der Ver-
packung aufgebracht werden. Durch die Entwicklung der RFID-Technologie ist
es heute möglich, wichtige Informationen in Transpondern zu speichern, die an
154 7 Verpackung

oder in der Verpackung befestigt werden. Das Arbeitsprinzip der RFID-


Technologie in der Logistik wird im Teil II, Abschnitt 4.3 behandelt.
Die verschiedenen logistischen Funktionen der Verpackung sind ein hervorra-
gendes Beispiel für die im Bereich der Logistik bestehenden Interdependenzen.
Die Verpackung darf deshalb immer nur als Bestandteil des gesamten Logistiksys-
tems angesehen werden. Die richtige Einschätzung der Verpackung für die Logis-
tik kann sowohl einen Beitrag zur Senkung der gesamten Logistikkosten als auch
zur Erhöhung des Versorgungs- bzw. Lieferserviceniveaus leisten. Die Verpa-
ckung – als eine sehr wichtige Komponente des Service – hat nicht nur Einfluss
auf den Zustand der ausgelieferten Güter. Sie kann auch eine rationellere, schnel-
lere Auslieferung der Ware ermöglichen, also durch eine Verkürzung der Liefer-
zeit den Service beeinflussen. Nicht zuletzt wird ein Kunde den Service seiner
Lieferanten auch danach beurteilen, inwieweit sich diese bei der Zusammenfas-
sung der Güter durch die Verpackung zu Liefereinheiten nach seinen Bedürfnissen
richten.

7.2 Verpackungsaufgaben

Verpackungsgestaltung
Da die Verpackung Funktionen bei der Produktion, dem Marketing, der Verwen-
dung und der Logistik zu erfüllen hat, kann das gesamte Verpackungsproblem nur
durch ein Verpackungsteam gelöst werden, in dem Fachleute aus den verschiede-
nen Bereichen zusammenarbeiten. Zu einer Analyse des Verpackungssystems ge-
hört zunächst die Erfassung aller Anforderungen, die in den vier Funktionsberei-
chen der Verpackung an diese gestellt werden. 7 Danach muss geprüft werden,
inwieweit diese Anforderungen durch ein Verpackungssystem erfüllt werden und
welche Kosten damit verbunden sind. Die an die Verpackung gestellten Anforde-
rungen aus den verschiedenen Funktionsbereichen können miteinander konkurrie-
ren, wie aus Abb. 7.1 hervorgeht. Deshalb muss bei der Verpackungsgestaltung
ein Kompromiss gefunden werden, der alle Funktionsbereiche berücksichtigt. Soll
ein Funktionsbereich aus einem bestimmten Grund dominieren, so sind ihm die in
den anderen Funktionsbereichen der Verpackung dadurch entstehenden Mehrkos-
ten anzulasten.

7 Vgl. Isermann, 1996, Sp. 2164ff.


7.2 Verpackungsaufgaben 155

Verpackungsfunktionen Anforderungen an die Verpackung

temperaturbeständig
dicht
korrosionsbeständig
staubfrei
chemisch neutral
mengenerhaltend
Schutzfunktion schwer entflammbar

formstabil
stoßfest
stoßdämpfend
druckfest
reißfest

stapelbar
Lager- und rutschfest
Transportfunktion genormt
handhabbar
automatisierungsfreundlich
unterfahrbar
einheitenbildend

raumsparend
flächensparend

ökonomisch

werbend
Verkaufsfunktion Identifikations- und informativ
Informationsfunktion identifizierbar
unterscheidbar

leicht zu öffnen
wiederverschließbar

Verwendungsfunktion wiederverwendbar
ökologisch
entscheidungsfreundlich
hygienisch

Abb. 7.1 Zuordnung der Anforderungen an die Verpackung zu den Verpackungsfunktionen


(Quelle: Jünemann/Schmidt, 2000, S. 9)

Die Anforderungen an die Verpackung sind von unterschiedlichen Einflussgrö-


ßen abhängig, wie Abb. 7.2 darstellt.
Der primäre Einflussfaktor ist immer das Packgut mit seinen Produkteigen-
schaften, von denen man auszugehen hat und denen sich neben der Verpackung
auch der Verpackungsprozess anzupassen hat. Zwischen dem Packgut, der Verpa-
ckung und dem Verpackungsprozess besteht ein sehr enger Zusammenhang.
Schon bei der Gestaltung des Gutes sind deshalb die entstehenden logistischen
Verpackungsprobleme zu bedenken. 8 Gerade weil jedoch das Gewicht, die Sper-

8 Siehe auch Teil III, Abschn. 11.2.


156 7 Verpackung

gesetzliche Vorgaben Ökonomie

Vormaterialverpackung
Einzelverpackung
Ökologie Marketing
Sammelverpackung
Versand-/Transportverpackung

Produkteigenschaften Verbraucher

Logistik

Abb. 7.2 Einflüsse auf die Gestaltung der Verpackungsarten (Quelle: Mit geringfügigen Än-
derungen entnommen aus Frerich-Sagurna, o. J., S. 21)

rigkeit, die Zerbrechlichkeit, die Form oder sonstige verpackungstechnische Ei-


genschaften des Gutes einen großen Einfluss auf das gesamte Verpackungssystem
haben, können sich schon geringfügige Änderungen in der Beschaffenheit eines
Gutes als sehr vorteilhaft für das Verpackungssystem erweisen. Oftmals werden
durch solche Änderungen die für den Käufer wesentlichen Eigenschaften des Gu-
tes in keiner Weise beeinträchtigt. In Abhängigkeit vom vorliegenden Packgut
gibt es eine Fülle von gesetzlichen und quasi-gesetzlichen Rahmenfaktoren, die
bei der Verpackungsgestaltung zu beachten sind. 9 Beispielsweise gibt es Vor-
schriften über die Form, Maße und Verpackung eines Produktes aus dem Eichge-
setz und der Fertigverpackungsverordnung. Die Eisenbahn- und Kraftverkehrs-
ordnung enthält Vorschriften über die Art des Verpackungsmaterials und die
Größe, Farbe und Aufschrift von Etikettierungen gefährlicher Güter. Entsprechend
der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung liegen Bestimmungen zur textlichen
und graphischen Gestaltung der Verpackung mit dem Verbot der textlichen Irre-
führung auf der Verpackung vor. Die Zugabenverordnung enthält Einschränkun-
gen bezüglich des Zweitnutzens einer Verpackung, also im Hinblick auf ihre Ver-
wendungsfunktion.

Verpackungsprozess
Der Verpackungsprozess beinhaltet die Gesamtheit der zum Verpacken des Gutes
notwendigen Arbeitsschritte von der Zuführung der leeren Verpackung und des
Packgutes zum Verpackungsplatz über die verschiedenen Stufen des eigentlichen

9 Vgl. Isermann, 1996, Sp. 2166.


7.2 Verpackungsaufgaben 157

Packvorganges bis zur Bereitstellung der Verpackungseinheiten zum Abtransport


vom Verpackungsplatz.10 Zu den Aufgaben, die im Zusammenhang mit dem ei-
gentlichen Packvorgang wahrgenommen werden müssen, gehören auch das Sig-
nieren bzw. Etikettieren.
Durch eine ablauforganisatorische Analyse lassen sich große Rationalisie-
rungserfolge beim Verpacken erzielen. Die Aufgabe einer solchen Analyse ist es,
einen Überblick über alle beim Verpacken anfallenden Arbeitsteile als kleinste
Einheiten im Verpackungsprozess zu geben und durch eine geeignete Synthese
dieser Arbeitsteile zu Arbeitsgängen, die man Arbeitsträgern (Mensch oder Ma-
schine) zuordnen kann, Rationalisierungspotentiale aufzuzeigen. So ist es z. B.
möglich, durch eine andere Zusammenfassung von Arbeitsteilen im Verpackungs-
prozess eine schnellere Beschickung einer Verpackungsmaschine zu erreichen,
was zu einer besseren Kapazitätsausnutzung dieser Maschine führt und den ge-
samten Verpackungsprozess beschleunigt. Selbstverständlich ist hierbei noch zu
prüfen, ob die Reißfestigkeit des Packstoffs überhaupt ein schnelleres Laufen der
Verpackungsmaschine zulässt.
Schon dieses kleine Beispiel zeigt den engen Zusammenhang, der zwischen
den einzelnen Komponenten des Verpackungssystems besteht. Der Einsatz von
Verpackungsmaschinen zum Aufstellen oder Formen der Verpackungen, zur Aus-
führung des Füll- und Verschließprozesses bis hin zum automatisierten Verpacken
hängt ganz wesentlich von der Beschaffenheit des Packgutes und der zu verpa-
ckenden Gütermenge ab. Andererseits verlangen Verpackungsmaschinen auch ei-
ne genaue Abstimmung auf die Form der Verpackung und stellen ganz andere An-
forderungen an die Maßtoleranzen der Verpackung als das manuelle Verpacken.
Für die Verpackungsmaschine ist die Vermeidung selbst von verhältnismäßig ge-
ringfügigen Abweichungen bei der Form und bei den Abmessungen der Verpa-
ckungen unumgänglich.

Verpackungsverordnung
Die Verpackungsverordnung unterscheidet verschiedene Verpackungsarten. Die
Transportverpackung hat vor allem eine Schutzfunktion und soll die Ware auf
dem Weg vom Hersteller zum Vertreiber vor Schäden bewahren. Die Verkaufs-
verpackung dient dem Transport vom Handel zum Endverbraucher und ggf. auch
zur Lagerung bis zum endgültigen Verbrauch. Bei der Umverpackung handelt es
sich um Folien, Kartonagen oder ähnliche Umhüllungen, die dazu dienen, die Ab-
gabe der Ware im Wege der Selbstbedienung zur ermöglichen, die Diebstahlmög-
lichkeiten zu senken bzw. zu verhindern oder Werbung zu ermöglichen.11

10 Vgl. Isermann, 1997b, S. 1238ff.


11 Die Verpackungsverordnung enthält im Wesentlichen Regelungen über die Rücknahme-
pflichten für die jeweiligen Verpackungsarten und ist die Grundlage für mögliche Pfandrege-
lungen. Sie war Grundlage für die Gründung der DUALES SYSTEM DEUTSCHLAND
GESELLSCHAFT FÜR ABFALLVERMEIDUNG UND SEKUNDÄRROHSTOFFGEWINNUNG MBH
(grüner Punkt). Siehe dazu die Gesetze und Verordnungen bei Large, 2012, S. 245f. Siehe
158 7 Verpackung

Die verschiedenen Verpackungsarten können unterschiedliche Anforderungen


an die Eigenschaften von Packmitteln und Packstoffen stellen. Die Reißfestigkeit
des Packstoffes beeinflusst etwa die Einsatzmöglichkeit von Verpackungsmaschi-
nen im Verpackungsprozess und vom Reibungsverhalten des Packstoffes hängt
zum Teil die Stapelfähigkeit der Verpackung ab. Einheitliche Form und Abmes-
sungen des Packmittels erleichtern sowohl den Verpackungsprozess als auch den
Transport und die Lagerung der Packgüter. Der Vorteil der einheitlichen Form und
Abmessung eines Packmittels wird noch am Beispiel der Palette gezeigt, die eine
der bekanntesten Möglichkeiten zur Bildung logistischer Einheiten ist.

7.3 Logistische Einheiten

Begriff und Aufgabe logistischer Einheiten


Mit „Bildung logistischer Einheiten“ soll der Vorgang bezeichnet werden, der im
angelsächsischen Sprachgebrauch treffend und knapp Unitization genannt wird.
Man spricht daher auch vom Unit-Load-Konzept. Darunter ist die Zusammenfas-
sung der auszuliefernden Güter zu größeren Einheiten zu verstehen. Obwohl nicht
jede Packung eine logistische Einheit ist, gehört eine solche Zusammenfassung zu
den logistischen Funktionen der Verpackung. Der grundlegende Gedanke dabei
ist, dass sich der Güterfluss vom Lieferanten zum Kunden bei einem gegebenen
Volumen um so reibungsloser gestalten lässt, aus je weniger Bestandteilen er sich
zusammensetzt. Denn das hat zur Folge, dass weniger Handhabungs-, Mess- und
Zählvorgänge erforderlich sind.
Bei der Zusammenfassung von Gütern zu bestimmten Einheiten spricht man in
der deutschen Literatur von Lager-, Transport-, Verpackungs-, Lade-, Bestellein-
heiten usw. und fordert für den Idealfall die Identität dieser Einheiten.12 Die ver-
schiedenen Begriffe zeigen, dass die Bildung von Einheiten für alle Phasen des
Güterflusses vom Liefer- zum Empfangspunkt von Bedeutung ist. Fehlendes sys-
temanalytisches Denken bei der Auslieferung der Güter verhindert oft, dass dies
gesehen wird. Hat man die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Bereichen im
Logistiksystem erkannt, ergibt sich als logische Folgerung daraus die Notwendig-
keit einer möglichst weitgehenden Gleichheit der Einheiten für diese Bereiche.
Das wird sich in der Praxis oft nicht konsequent durchhalten lassen, sollte jedoch
als Zielvorstellung immer angestrebt werden. Denn die logistische Einheit ist das
Bindeglied zwischen den einzelnen Phasen des Güterflusses. Die Entscheidungen
in allen Bereichen der Logistik betreffen letzten Endes diese Einheit, die – je
nachdem, welche Phase des Güterflusses man betrachtet – z. B. die Funktionen ei-
ner Lagereinheit, einer Transporteinheit oder einer Ladeeinheit zu erfüllen hat.
Der Begriff logistische Einheit soll die zentrale Bedeutung dieser Einheit für das

auch das verrichtungsspezifische Subsystem der Entsorgungslogistik in Teil III, Abschn.


13.2.
12 Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 702ff.
7.3 Logistische Einheiten 159

gesamte logistische System hervorheben. Die Zusammenfassung von Gütern zu


bestimmten Einheiten, die durch das logistische Netzwerk bewegt werden sollen,
ist ein logistisches Problem und nicht etwa nur ein Transport- oder Handhabungs-
problem.
Das logistische System des Unternehmens ist kein in sich abgeschlossenes Sys-
tem, sondern es bestehen vielfältige Beziehungen zu den Kunden und zu den Lo-
gistikunternehmen, deren Dienste in Anspruch genommen werden. Die Zusam-
menfassung der Güter zu größeren Einheiten setzt deshalb immer eine Absprache
mit den Kunden und Logistikunternehmen voraus. Bei einer Vielzahl von Kunden
und Logistikunternehmen bedeutet dies, dass die zu bildenden Einheiten in Form
und Abmessungen standardisiert sein müssen. Somit lässt sich der Begriff der lo-
gistischen Einheit folgendermaßen präzisieren:
Logistische Einheiten entstehen durch die Zusammenfassung von Gütern zu in
Form und Abmessungen standardisierten Einheiten mit dem Ziel, den Güterfluss
zu vereinfachen und die dabei anfallenden Kosten zu senken.
Der Güterfluss durch das logistische Netzwerk entsteht dadurch, dass Lager-,
Verpackungs-, Handhabungs-, Kontroll- und Transportvorgänge aneinanderge-
reiht werden. Die Aneinanderreihung wird auch oft als Transportkette bezeich-
net.13 Die Bildung von logistischen Einheiten ist Voraussetzung für eine rationelle
Transportkette.14 Das bedeutet, dass die folgenden wichtigen Grundsätze zu be-
achten sind:
x Zusammenfassung der Güter zu größeren Einheiten,
x Standardisierung der Einheiten in Form und Abmessungen,
x Erleichterung des Einsatzes mechanischer Mittel bei den Manipulationsvorgän-
gen,
x Stapelfähigkeit der Einheiten,
x Wahl der Einheit, die eine weitgehend ununterbrochene Transportkette vom
Lieferanten zum Kunden ermöglicht.15

Möglichkeiten zur Bildung logistischer Einheiten


Im Prinzip kann jede Verpackung dazu dienen, eine logistische Einheit zu bilden.
Im Grenzfall stellt ein nur mit einer Kunststofffolie umhülltes Packgut, das ein
genügend großes Gewicht und Volumen hat und dessen Form und Abmessungen
den Einsatz mechanischer Mittel bei den Manipulationsvorgängen und das Bilden
von Stapeln erlauben, selbst eine logistische Einheit dar. Für Sackstapel bietet sich
die Bildung logistischer Einheiten durch ein Umschrumpfen mit Kunststofffolie
an, wodurch Schrumpfpakete entstehen, die sich genauso gut handhaben lassen
wie palettierte Sackstapel. Ferner ist es z. B. bei Baumaterialien möglich, logisti-

13 Siehe Abschn. 8.2.


14 Vgl. Jünemann/Schmidt, 2000, S. 20f.; Large, 2012, S.43ff.
15 Vgl. Jünemann/Schmidt, 2000, S. 21f.; Isermann, 1998, S. 245.
160 7 Verpackung

sche Einheiten dadurch zu bilden, dass sie mit Hilfe von Schnüren oder Bändern
zu in Form und Abmessungen standardisierten Einheiten paketiert werden. Eine
derartige paketierte Einheit kann man mit Untersätzen (Füßen, Pallhölzern) verse-
hen, so dass eine Art Palette entsteht. Die verschiedenen Arten von Paletten, Falt-
kisten, Kleinbehältern und Großbehältern vermitteln einen Eindruck von der Viel-
falt der Möglichkeiten zur Bildung logistischer Einheiten.
In Abb. 7.3 sind die grundsätzlichen Möglichkeiten zur Bildung logistischer
Einheiten zusammengestellt. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, alle Mög-
lichkeiten zur Bildung logistischer Einheiten im Einzelnen darzustellen und mitei-
nander zu vergleichen. Deshalb sollen exemplarisch nur die Palette und der Con-
tainer etwas ausführlicher behandelt werden. Ein wesentlicher Gesichtspunkt bei
der Wahl der logistischen Einheit wird jedoch immer sein, welche Einheit eine
weitgehend ununterbrochene Transportkette erlaubt.

logistische Einheit

Packgut Behälter Paletten paketierte


Einheiten

Großbehälter Kleinbehälter Boxpalette Flachpalette Rungenpalette

Abb. 7.3 Grundsätzliche Möglichkeiten zur Bildung logistischer Einheiten

Palette16
Nach DIN 15 145 und DIN 55 405 wird die Palette definiert als eine „tragbare
Plattform mit oder ohne Aufbau, die dazu dient, Güter zusammenzufassen, um ei-
ne Ladeeinheit zum Befördern, Lagern und Stapeln mit Flurförderzeugen oder an-
deren mechanischen Einrichtungen zu bilden. Sie ist mit Einrichtungen zum Un-
terfahren durch die Einführungsorgane von Flurförderfahrzeugen (Gabelstapler,
Gabelhubwagen usw.) versehen; die Unterfahrhöhe beträgt in der Regel etwa 100
mm.“17 Diese Definition des Deutschen Normenausschusses weist die Palette als
typische logistische Einheit aus. In ihr wird direkt auf die Funktionen der Palette

16 Vgl. Jünemann/Schmidt, 2000, S. 22ff.


17 Deutsches Institut für Normung, 1987.
7.3 Logistische Einheiten 161

als Transport-, Lager-, Lade- oder Manipulationseinheit hingewiesen. Diese


Funktionen der Palette sind weithin bekannt und sie wird unter diesen Gesichts-
punkten bereits in vielen Bereichen von Industrie und Handel zur Rationalisierung
der Auslieferung von Gütern eingesetzt.
Ebenfalls weit verbreitet ist die Palette als Verpackungseinheit. Es ergeben sich
hierbei im Wesentlichen drei Vorteile, die den Packstoff, die Packzeit und die
Verpackungsmaschine betreffen. Die Packstoffkosten können gegenüber den Kos-
ten bei der sonst üblichen Verpackung, bei der die Palette nicht als Verpackungs-
einheit benutzt wird, sinken. Wenn man halbautomatisch palettiert und in gleicher
Weise auflöst, ist es möglich, die Packzeit zu verkürzen. Nimmt man eine Kar-
tonverpackungseinheit und die Palette beispielsweise nur als Transporteinheit, so
ist eine Anlage für Kartonverpackung und Palettierung erforderlich. Benutzt man
die Palette auch als Verpackungseinheit, so machen die durch die notwendigen
Maschinen und Einrichtungen zum Palettieren und zum Entpalettieren entstehen-
den Kosten nur ungefähr die Hälfte der Kosten einer Anlage für Kartonverpa-
ckung und Palettierung aus.
Diskutiert man die Palette als logistische Einheit, so muss vor allem auch ihre
Funktion als Liefereinheit (Versandeinheit, Verkaufseinheit) gesehen werden.
Deshalb kann die Wahl der logistischen Einheit nur in engem Kontakt mit dem
Kunden erfolgen. Der Kunde muss mit der durch die Palette zusammengefassten
Gütermenge einverstanden sein. Die Einrichtungen zur Manipulation der Paletten
und zu ihrer Lagerung (Palettenregale) müssen bei ihm vorhanden sein. Diese Ein-
richtungen machen auch eine Abstimmung über die Abmessungen der Palette er-
forderlich.
Die Paletten lassen sich nach bestimmten Unterscheidungsmerkmalen in ver-
schiedene Palettenarten aufgliedern.18 In Abb. 7.3 wird aufgrund der Konstruktion
der Palette mit oder ohne Aufbau zwischen Flachpalette, Rungenpalette, Rollpa-
lette, Boxpalette und Palette mit faltbarem Aufsetzrahmen unterschieden. Wäh-
rend die Flachpalette nur eine tragbare Plattform darstellt, sind bei der Rungenpa-
lette an den Ecken Pfosten angebracht, auf die zur Stapelbildung eine weitere
Palette aufgesetzt werden kann. Rollpaletten sind Flachpaletten mit Rolluntersät-
zen, die oft in Durchlauf- und Einschubregallagern verwendet werden. Die Boxpa-
lette hat an mindestens drei Seiten senkrechte Wände und kann mit einem Deckel
versehen sein. Eine Palette mit faltbarem Aufsetzrahmen besitzt ähnliche Charak-
teristika wie eine Boxpalette. Vorteilhaft ist der faltbare Aufsetzrahmen, der beim
Leertransport einen wesentlich geringeren Raum einnimmt.19
In der Vielzahl der angebotenen Palettenarten kommt zum Ausdruck, dass man
sich bei der Wahl der Palette als logistische Einheit sehr stark den spezifischen Er-
fordernissen bei der Auslieferung eines Gutes anpassen kann. Gleichzeitig wird
aber auch die Notwendigkeit der Vereinheitlichung der Abmessungen der Paletten
deutlich. Denn nur so kann die Palette die Funktionen einer logistischen Einheit

18 Vgl. Jünemann/Schmidt, 2000, S. 22ff.


19 Vgl. ten Hompel u.a., 2007, S. 25ff.
162 7 Verpackung

während der Auslieferung der Güter beim Lieferanten, beim Kunden und bei den
Logistikunternehmen erfüllen. Durch Normung versucht man, die Abmessungen
der Paletten mit den Abmessungen der für ihre Lagerung und Handhabung sowie
ihren Transport notwendigen technischen Hilfsmittel abzustimmen und die Zahl
der Typen zu verringern. Um die Vorteile der Palettierung durch die Möglichkeit
des zwischenbetrieblichen Austausches von Paletten voll nutzen zu können, wur-
den durch Normen neben den Abmessungen auch schon genaue Einzelheiten in
Bezug auf Werkstoff und Konstruktion festgelegt. Eine derartige Vereinheitli-
chung ist in noch größerem Umfang anzustreben als bisher, um die Freizügigkeit
des Paletteneinsatzes weiter zu steigern. Werden von Lieferanten, Kunden und
Logistikunternehmen einheitliche Paletten eingesetzt, so können zwischen ihnen
die Paletten Zug um Zug, also eine volle Palette gegen eine leere, ausgetauscht
werden. Ein solcher Austausch der Palette kann innerhalb eines Palettenpools
verwirklicht werden, dem Lieferanten, Kunden und Logistikunternehmen angehö-
ren. Es entsteht dadurch ein einheitliches Palettensystem, in dem eine Palette als
logistische Einheit innerhalb des gesamten Absatzkanals so lange wie möglich er-
halten bleibt. Hierbei gelangt die logistische Einheit durch Transportvorgänge von
einer Stufe im Absatzkanal zur nächsten Stufe.
Im Jahre 1961 wurde ein europäischer Palettenpool gegründet. Die Europäische
Tauschpalette oder Pool-Palette (Europalette) hat die Abmessungen 800 mm ×
1.200 mm. In der chemischen Industrie und in der Hohlglasindustrie findet auch
die Palettenabmessung 1.000 mm × 1.200 mm und in der Getränkeindustrie die
Palettenabmessung 800 mm × 1.000 mm Verwendung.

Großbehälter
Zu den Großbehältern zählen folgende Behälterarten (vgl. Abb. 7.4):
x ISO-Container für den internationalen Verkehr,
x Binnencontainer für den europaweiten Transport,
x Wechselbehälter oder Wechselaufbauten,
x ULD (Unit Load Device) für die Luftfahrt.
Den ISO-Container gibt es in den Hauptausführungen mit 20 Fuß (6.055 mm)
und 40 Fuß (12.190 mm) Länge (auch in 10 und 30 Fuß)20, einer Breite von 8 Fuß
(2.435 mm) und einer Höhe von 8 bis 9 Fuß (2.435 bis 2.745 mm). Er ist sechs-
fach stapelfähig und wird meist durch eine zweiflügelige Tür an einer Stirnseite
be- und entladen. Der ISO-Container erlaubt eine optimale Flächenausnutzung nur
durch eine Beladung mit den z. B. in den USA gebräuchlichen ISO-Paletten. Für
die in Europa gebräuchliche Pool-Palette ergeben sich Verluste bei der Flächen-
nutzung im ISO-Container.
Für den deutschen Binnenverkehr und den europäischen Verkehr wurde der
Binnencontainer entwickelt. Er hat eine Breite von 2.500 mm, eine Höhe von

20 Vgl. Deutsches Institut für Normung, 1981.


7.3 Logistische Einheiten 163

ULD
ISO-Container, 40 Fuß Binnencontainer, 20 Fuß Lower-Deck Container

Wechselbehälter

Abb. 7.4 Verschiedene Großbehälter (Quelle: ten Hompel u.a., 2007, S. 30ff.)

2.600 mm, eine Länge von 20 Fuß (6.055 mm) oder 40 Fuß (12.190 mm) und hat
ein zulässiges Gesamtgewicht von 20 t bzw. 30 t. Zur Be- und Entladung hat der
Container neben einer Hecktür auf der linken Seite eine Seitentür. Er weist eine
Innenbreite von 2.440 mm auf, so dass ein Querstau von zwei Paletten von
1.200 mm oder drei Paletten von 800 mm möglich ist. Da man sich bei der Länge
des Containers an den ISO-Containern ausgerichtet hat, ist aber die maximale Flä-
chenausnutzung mit der Europäischen Tauschpalette nicht möglich.
Für den Transport auf der Straße und der Schiene wurden Lkw-
Wechselaufbauten entwickelt, die im deutschen Binnenverkehr – teilweise auch
im europäischen Verkehr – eingesetzt werden. Die Wechselaufbauten haben eine
Breite von 2.500 mm, eine Höhe von 2.600 mm und eine Länge von 6.250 mm
oder 7.150 mm. Da die Wechselaufbauten eine Innenbreite von 2.440 mm und ei-
ne Innenlänge 6.100 bzw. 7.000 mm haben, kann die Ladefläche mit den in Euro-
pa gebräuchlichen Paletten maximal genutzt werden.
Da alle drei Großbehälterarten die gleichen Anschlussmaße haben, können sie
mit dem gleichen Fahrgestell transportiert werden.
Im Bereich der Luftfahrt werden ULD als Paletten und Container zur Lastenuf-
nahme benutzt. Aufgrund der verschiedenen Bauarten von Flugzeugrümpfen wei-
sen sie eine Vielzahl unterschiedlicher Formen auf. Als Hauptklassen unterschei-
det man hierbei Main-Deck- und Lower-Deck-Container, die in Leichtbauweise in
ihrer Konstruktion auf die Paletten abgestimmt und aus Aluminium bzw. Alumi-
nium und Kunststoff gefertigt werden.
164 7 Verpackung

7.4 Modulare Verpackung21


Bei der Definition logistischer Einheiten wurde auf die Notwendigkeit standardi-
sierter Abmessungen hingewiesen. Bei der Unterscheidung von ISO-Container
und Binnencontainer wurde gezeigt, dass die unterschiedlichen Innenabmessungen
der Container zu einer unterschiedlichen Flächenausnutzung durch Paletten füh-
ren. Damit wurde schon das Problem der Abstimmung der Abmessungen verschie-
dener Verpackungen angesprochen. Die Notwendigkeit eines aufeinander abge-
stimmten, modularen Verpackungssystems ergibt sich aus der Tatsache, dass in
einer Transportkette normalerweise verschiedene Unternehmen zusammenarbeiten
und somit interorganisatorische Logistiksysteme vorliegen und dass gemäß den
Inhalten der Verpackung verschiedene Verpackungsstufen vorliegen können. In-
nenabmessungen und Tragfähigkeiten der größeren Verpackungen (z. B. Contai-
ner) müssen mit den Außenabmessungen und Tragfähigkeiten der kleineren darin
unterzubringenden Verpackungen (z. B. Paletten) übereinstimmen.
Im Hinblick auf einen modularen, auf die Palette abgestimmten Aufbau von
Einzel-, Sammel- und Versandpackungen wurde von der Verpackungswirtschaft
ein Verpackungsmodul (Stellflächenmodul) 400 mm × 600 mm entwickelt (vgl.
Abb. 7.5). Dieses Verpackungsmodul ist sowohl auf die Palette mit den Abmes-
sungen 800 mm × 1.200 mm als auch auf die Palette mit den Abmessungen
1.000 mm × 1.200 mm abgestimmt. Durch ein Vervielfachen oder Teilen der Mo-
dulgrundmaße 400 mm und 600 mm ergibt sich ein Gesamtsystem modularer
Verpackungen, für die in Abb. 7.6 ein Beispiel angegeben ist.
Um nicht nur die Fläche, sondern auch den Raum optimal auszunutzen, ist die
Packstückhöhe zu berücksichtigen. Für die Zusammenarbeit zwischen Industrie
und Handel werden auch einheitliche Ladehöhen für Europaletten in der Lebens-
mittelwirtschaft empfohlen. Zwei Standards für die Ladehöhe (Ladungshöhe plus
Palettenhöhe) stehen zur Auswahl: Maß I: 105 cm; Maß II: 160-195 cm. Der Her-
steller soll entscheiden, nach welchem Standard seine Artikel gepackt werden.
Wichtige dabei zu berücksichtigende Kriterien sind:22
x die Türöffnungen bzw. Laderaumhöhen von Fahrzeugen und Behältern inner-
halb der Transportkette,
x Regalhöhen in Lagerbauten,
x Raumhöhen,
x Hubhöhen von Flurförderzeugen,
x Türmaße der Aufzüge.
Ein modulares Verpackungssystem bildet z. B. die LogistikBox. Diese Trans-
portverpackung ist kompatibel zur vorhandenen Technik des Kombinierten Ver-
kehrs mit Wechselbehältern und soll den Übergang zwischen innerbetrieblichen

21 Vgl. Jünemann/Schmidt, 2000, S. 30ff.


22 Vgl. Eggenstein u.a., 1981, S. 174f.
7.4 Modulare Verpackung 165

Einzelpackung Sammelpackung
Grundpackung Versandpackung

Lineare Stapelung Verbundstapelung


(Die Transporteinheit fällt leicht auseinander.)

400 x 600
Modul 600 x 800
2x 800 x 1200
4x 1000 x 1200
5x

Abb. 7.5 Modularer Aufbau von Verpackungen (Quelle: Mit geringfügigen Änderungen ent-
nommen aus Rockstroh, 1978, S. 203)

Transportvorgängen23 sowie Nah- und Ferntransporten durch einfache Bündelung


erleichtern.
Außenmaße und Technik der Behälter dieses Systems orientieren sich sowohl
an der Verpackungseinheit Palette als auch an den gängigen Großbehältern. Es
gibt zwei Module: die 4-Paletten-Box und die 6-Paletten-Box. Die 4-Paletten-Box
(Stellfläche 1.700 mm × 2.500 mm bei einer Höhe von 2.470 mm) erlaubt auf-
grund ihrer kleinen Stellfläche eine einfache Integration in den innerbetrieblichen
Materialfluss. Durch die quadratische Stellfläche der 6-Paletten-Box (Stellfläche
2.500 × 2.500 mm bei einer Höhe von 2.470 mm) hingegen wird vor allem eine
flexible Anordnung der Verpackungseinheiten auf den verschiedenen Transport-
mitteln ermöglicht. Für diese Module, die mit Gabelstaplern be- und entladen

23 Siehe Abschn. 6.2.


166 7 Verpackung

Abb. 7.6 Beispiel einer Palette mit modularen Verpackungen (Quelle: Eggen-
stein/Herbst/Jansen, 1981, S. 172)

werden können, existieren Tragrahmen, mit denen mehrere Einheiten zu größeren


Einheiten zusammengestellt und wie Wechselbehälter bewegt werden können.
Wie schon mehrfach hervorgehoben wurde und durch das Beispiel der Logis-
tikBox deutlich wird, erleichtert die Existenz von modularen Verpackungen den
Aufbau von Transportketten, der den Kern der Transportaufgaben bildet.

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ten Hompel M, Schmidt T, Nagel L (2007) Materialflusssysteme. Forder- und La-
gertechnik. 3., völlig neu bearb. Aufl. Berlin u.a.
8 Transport

8.1 Definition und Funktionen des Transports

Definition
Unter Transport versteht man die Raumüberbrückung oder Ortsveränderung von
Transportgütern mit Hilfe von Transportmitteln. Jedes Transportsystem besteht
aus dem Transportgut, dem Transportmittel und dem Transportprozess. Soll ein
Transportgut vom Lieferpunkt A zum Empfangspunkt B transportiert werden und
ist am Lieferpunkt A nicht das gewünschte Transportmittel vorhanden, so kann ein
Transportprozess notwendig werden, den man als Leertransport bezeichnet. Leer-
transporte sind Transportprozesse ohne Transportgut, die aber notwendige Vo-
raussetzung für den sich anschließenden Transportprozess mit Transportgut sind.
Unter innerbetrieblichem Transport versteht man den Transport in einem Werk
von einem Produktionsort zum anderen oder den Transport in einem Bereich oder
zwischen verschiedenen Bereichen eines Lagerhauses. Unter außerbetrieblichem
Transport versteht man dagegen den Transport vom Lieferanten zum Kunden, den
Transport zwischen verschiedenen Werken bzw. zwischen verschiedenen Lager-
häusern eines Unternehmens sowie zwischen dessen Werken und dessen Lager-
häusern. Da der innerbetriebliche Transport im Abschnitt über das Lagerhaus ab-
gehandelt wurde, beziehen sich die folgenden Ausführungen auf den
außerbetrieblichen Transport.

Funktionen
Man unterscheidet zwischen primären und sekundären Funktionen des Trans-
ports.1 Zu den primären Funktionen zählen die Beförderungsfunktion sowie die
damit untrennbar verbundene Umschlagsfunktion. Zu den sekundären Funktionen
zählt in erster Linie die Wegsicherungsfunktion, d. h. das Herstellen und Vorhal-
ten von Wegen.2 Häufig wird als weitere Sekundärfunktion die Haftungsfunktion
genannt.
Die Haftungsfunktion wird im Rahmen dieses betriebswirtschaftlich orientier-
ten Buches nicht behandelt. Ebenfalls wird auf die Wegsicherungsfunktion im
Folgenden nicht eingegangen, denn dies ist eine volkswirtschaftliche Aufgabe.
Die folgenden Ausführungen beziehen sich somit auf die Möglichkeiten zur Erfül-

1 Zur Diskussion verschiedener Funktionen vgl. Aberle, 2009, S. 1ff.


2 Vgl. Buchholz u.a., 1998, S. 2.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018


H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4_8
170 8 Transport

lung der Beförderungsfunktion und der damit notwendigerweise verbundenen


Umschlagsfunktion.

8.2 Transportaufgaben

Transportproblem
Das Transportproblem in einem logistischen Netzwerk ist gekennzeichnet durch
das Transportgut, die Struktur und Beschaffenheit des Liefergebietes, die Standor-
te der Liefer- und Empfangspunkte sowie durch die Art des Angebots und der
Nachfrage seitens dieser Punkte. Für ein gegebenes Transportproblem müssen
grundsätzlich zwei Fragen beantwortet werden:
x Welches ist das günstigste Transportmittel?
x Welches ist der günstigste Transportprozess?
Die Frage nach dem günstigsten Transportmittel betrifft die Hardware des
Transportes. Es muss entschieden werden, mit welchen Transportmitteln die Güter
befördert werden sollen. Dagegen geht es bei der Frage nach dem günstigsten
Transportprozess um die Software des Transportes. Die Software betrifft die ab-
lauforganisatorischen Regelungen zur Steuerung des Transportprozesses.
Unter dem Transportproblem versteht man in der Literatur des Operations Re-
search meistens ein ganz bestimmtes organisatorisches Problem. Ist ein Gut an
den verschiedenen Lieferpunkten in bestimmten Mengen verfügbar, so besteht das
Transportproblem in der Bestimmung der Lieferpunkte und der von ihnen auszu-
liefernden Gütermengen derart, dass die gesamten Transportkosten bei der Belie-
ferung der Empfangspunkte mit den von ihnen nachgefragten Gütermengen mini-
miert werden. Weitere Transportprobleme im Transportprozess, die ebenfalls in
der Literatur des Operations Research behandelt werden, sind die optimale Bela-
dung eines Transportmittels, die Bestimmung des kürzesten Weges zwischen ei-
nem Lieferpunkt und einem Empfangspunkt oder die Bestimmung der optimalen
Gesamtroute für die Belieferung mehrerer Empfangspunkte von einem Liefer-
punkt. Bei einem großen Fuhrpark stellt sich auch das Problem des optimalen Ein-
satzplanes für die Transportmittel zur Erzielung einer maximalen Transportleis-
tung.

Transportkette
Die Lösung des Transportproblems besteht letztlich im Aufbau einer Transport-
kette. Nach DIN 30781, Teil 1, wird der Begriff der Transportkette definiert als
„Folge von technischen und organisatorisch miteinander verknüpften Vorgängen,
bei denen Personen oder Güter von einer Quelle zu einem Ziel bewegt werden.“3

3 Deutsches Institut für Normung, 1983.


8.2 Transportaufgaben 171

Wie aus Abb. 8.1 hervorgeht, können Transportketten eingliedrig oder mehrglied-
rig aufgebaut sein. In einer eingliedrigen Transportkette sind Liefer- und Emp-
fangspunkt (Quelle und Ziel) im ungebrochenen Verkehr oder Direktverkehr ohne
Wechsel des Transportmittels unmittelbar verbunden. In einer mehrgliedrigen
Transportkette findet dagegen ein Wechsel des Transportmittels bei der Verbin-
dung von Liefer- und Empfangspunkt statt. Man spricht dann von gebrochenem
Verkehr oder Kombiniertem Verkehr i. w. S. Vom Kombinierten Verkehr i. e. S.
spricht man jedoch nur dann, wenn kein Wechsel des Transportgefäßes stattge-
funden hat. In diesem Sinne soll der Begriff im Folgenden gebraucht werden.
Der Aufbau einer Transportkette für den Güterfluss muss begleitet werden
durch den Aufbau einer entsprechenden Dokumentationskette für den Informati-
onsfluss.4 Dies ist insbesondere für einen reibungslosen Güterfluss in mehrgliedri-
gen Transportketten von Bedeutung, bei denen man drei typische Phasen unter-
scheidet.

4 Vgl. Pfohl u.a., 1993.


172 8 Transport

Transportkette

eingliedrige Transportkette mehrgliedrige Transportkette


= ungebrochener Verkehr = gebrochener Verkehr
= Direktverkehr = Kombinierter Verkehr i.w.S.
(ohne Wechsel des (mit Wechsel des
Transportmittels) Transportmittels)

gebrochener Verkehr i.e.S. Kombinierter Verkehr i.e.S.


(mit Wechsel des Transport- (ohne Wechsel des
gefäßes; häufig mit Zwischen- Transportgefäßes)
lagerung; Ein-, Aus-, Umladeerleichterung
durch Paletten usw.)

Huckepackverkehr (i.w.S.) Behälterverkehr (i.w.S.)


(ganzes Verkehrsmittel bzw. (Transportgefäße verladen)
Teil davon verladen)
• Großbehälterverkehr
• Huckepackverkehr i.e.S. horizontale und vertikale
• roll-on-roll-off-Verkehr Verladung
• swim-on-swim-off-Verkehr, z.B. Lash z.B. Container
• bimodaler Sattelanhänger • Kleinbehälterverkehr
z.B. Collico

Abb. 8.1 Möglichkeiten zum Aufbau einer Transportkette (Quelle: Mit leichten Änderungen
entnommen aus Seidenfus, 1972, S. 79)

Die erste Phase ist der Vorlauf von den Lieferpunkten zu einem Sammelpunkt
(Konzentrationspunkt), der beispielsweise ein Speditionslagerhaus sein kann. Die-
se Phase der Transportkette ist als Flächenverkehr zu kennzeichnen. Der Haupt-
lauf als zweite Phase ist dagegen ein Streckenverkehr. Er geht vom Sammelpunkt
zum Verteilpunkt (Auflösungspunkt), z. B. in Form eines anderen Speditionsla-
gerhauses. Vom Verteilpunkt zu den Empfangspunkten findet der Nachlauf statt,
der sich wiederum als Flächenverkehr charakterisieren lässt.

Regulierung der Transportaufgabe


Obwohl zahlreiche nationale Vorschriften, die den Güterverkehrsmarkt regulier-
ten, im Zuge der europäischen Integration und Vereinheitlichung der Rahmenbe-
dingungen aufgehoben wurden, handelt es sich um einen weiterhin teilweise regu-
8.2 Transportaufgaben 173

lierten Markt. Grundlage der staatlichen Regulierung sind öffentlich-rechtliche


und privatrechtliche Normen, die sich in einer großen Zahl von Einzelgesetzen
und Verordnungen finden. Besondere öffentlich-rechtliche Regelungen finden sich
beispielsweise im Eisenbahnenordnungsgesetz, im Güterkraftverkehrsgesetz und
im Luftverkehrsgesetz. Besondere privatrechtliche Regelungen finden sich bei-
spielsweise im Handelsgesetzbuch, in dem das Speditionsgeschäft, das Lagerge-
schäft, das Frachtgeschäft und die Beförderung von Gütern auf Eisenbahnen des
öffentlichen Verkehrs und der Seehandel geregelt werden. Staatliche Regulierun-
gen, die bewirkten, dass auf den Güterverkehrsmärkten der Wettbewerb stärker
eingeschränkt war als in anderen Wirtschaftszweigen, wurden während der 90er
Jahre weitestgehend aufgehoben. Die Sicherheitsvorschriften unterliegen jedoch
weiterhin einer laufenden Anpassung an technische Entwicklungen und wissen-
schaftliche Erkenntnisse. Diese äußern sich vor allem in speziellen Arbeitszeitvor-
schriften und in Vorschriften über den Transport gefährlicher Güter.5
Weiterhin bestehen auch noch Unterschiede in der Regulierung der Maße und
Gewichte in Europa. Auch in diesem Bereich ist eine Harmonisierung geboten,
um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. 6 Bisher hat die europäische Integra-
tion nur teilweise zu einer Harmonisierung im technischen Bereich geführt. So be-
trägt die zulässige Länge von Lastzügen bzw. Sattelkraftfahrzeugen in den Län-
dern der EU mit Ausnahme Dänemarks 18,35 m bzw. 16,5 m. Anders ist dies bei
den zulässigen Gesamtgewichten, die von 38 t (Großbritannien) bis 50 t (Nieder-
lande) reichen (Bundesrepublik Deutschland: 44 t). Bei der zulässigen Länge läuft
ein Pilotversuch mit einem Lang-LKW, dem „Gigaliner“, der eine Länge von
25,25m hat.7
Bezüglich der Regulierungen, die den Wettbewerb beeinflussen, ist zwischen
dem Werkverkehr (Eigenverkehr von Industrie-, Handels- und Dienstleistungsun-
ternehmen) und dem gewerblichen Verkehr (Verkehr von Logistikunternehmen
für Dritte) zu unterscheiden. Der Werkverkehr unterliegt im Wesentlichen nur der
Meldepflicht, während der gewerbliche Verkehr erlaubnis- oder genehmigungs-
pflichtig ist. Die Genehmigung für den gewerblichen Güterverkehr ist vor allem
an die persönliche Zuverlässigkeit, die fachliche Eignung und finanzielle Leis-
tungsfähigkeit gebunden und kann prinzipiell auch von Unternehmen mit Werk-
verkehr nach Ausgründung einer Transportgesellschaft beantragt werden.

5 Sicherheitsvorschriften für die Durchführung von Transportaufgaben ergeben sich vor allem
aus den vielfältigen gesetzlichen Vorschriften über die Arbeitszeiten im Transportgewerbe
und aus dem Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter. Die Regelungen für den
Transport gefährlicher Güter versuchen, die Risiken dadurch einzuschränken, dass Informa-
tionen über die Art des Gutes, über die von ihm ausgehenden Gefahren, über die erforderli-
che Art von Transportmitteln und -gefäßen sowie die notwendigen Maßnahmen bei Unfällen
in der Transportkette weitergegeben werden.
6 Zu Deregulierungsaktivitäten auf den Verkehrsmärkten vgl. Aberle, 2009, S. 173ff.; Kum-
mer, 2006, S. 226ff.
7 Siehe dazu Heidmann, 2013.
174 8 Transport

Die Liberalisierung des Güterverkehrs hatte vor allem im Straßengüterverkehr


durch die Aufhebung der Kontingente in der Kabotagebeförderung 8 und im Bin-
nengüterverkehr, die fortgefallene Abgrenzung zwischen Güternah- und Güter-
fernverkehr sowie die Erleichterung für den Werkverkehr, gewerblich Transport-
dienstleistungen anzubieten, erhebliche Auswirkungen auf den Wettbewerb. 9
Verschärft werden diese Veränderungen, die durchweg zu einer Erhöhung der auf
dem Markt verfügbaren Kapazitäten geführt haben, noch durch die zunehmende
Präsenz osteuropäischer Transportdienstleister am EU-Markt, die in Folge des
Lohn- und Sozialgefälles erhebliche Wettbewerbsvorteile haben.10
Beim See- und Luftverkehr wird der Wettbewerb durch historisch gewachsene
Kartelle reglementiert. Konferenzen der Linienschifffahrt und der Kartellverband
des Linienluftverkehrs, die sogenannte International Air Transport Association
(IATA), legen Marktanteile und/oder Preise fest.

8.3 Transportmittel

Güterverkehrssystem
Abb. 8.2 gibt einen Überblick über das Güterverkehrssystem. Hierbei wird zu-
nächst bei den Medien, auf oder in denen die Beförderungsfunktion erfüllt wird,
zwischen Land-, Luft- und Wasserverkehr unterschieden. Danach erfolgt eine
Aufgliederung nach den eingesetzten Transportmitteln. Die Untergliederung die-
ser Transportmittel wird dann nach unterschiedlichen Kriterien vorgenommen,
beispielsweise nach organisatorischen Kriterien bei der Unterscheidung zwischen
gewerblichem Straßengüterverkehr und Werkverkehr, nach technischen Kriterien
bei der Unterscheidung zwischen Motor- und Schleppschifffahrt oder nach Trans-
portgutkriterien wie bei der Unterscheidung zwischen Rohöl- und Produktenpipe-
lines. Die Einschätzungen der Leistungsfähigkeiten der einzelnen Transportmittel
sind recht unterschiedlich, wie Abb. 8.3 zeigt. Im Folgenden sollen die wichtigs-
ten Transportmittel charakterisiert werden.11

Seeschiff und Binnenschiff


Neben der Seeschifffahrt im Eigenbetrieb kann man bei der Seeschifffahrt im
Fremdbetrieb den regelmäßigen Linienverkehr und den unregelmäßigen Bedarfs-
verkehr unterscheiden. Letzterer wird beim Transport für Massengüter in ge-
schlossenen Schiffsladungen auch als Trampschifffahrt bezeichnet. Der Transport

8 Unter Kabotage wird die Durchführung von Transporten im Hoheitsgebiet eines anderen
Landes verstanden.
9 Vgl. Bundesamt für Güterverkehr, 2017, S. 3ff.
10 Vgl. Bundesamt für Güterverkehr, 2017, S. 1ff.
11 Vgl. Aberle, 2009, S. 18ff.; Buchholz u.a., 1998, S. 105ff.
8.3 Transportmittel 175

im unregelmäßigen Bedarfsverkehr ist im Allgemeinen billiger, aber auch langsa-


mer als der Linienverkehr.
Die Seefrachtraten werden in der Linienschifffahrt innerhalb von Wertklassen,
in die die Fracht entsprechend ihres Wertes eingestuft wird, nach Volumen oder
Gewicht berechnet.12 Sie werden als kombinierte Volumen-Gewichts-Frachtraten
nach Schiffswahl von den Reedereien festgesetzt. Das bedeutet, dass die Reede-
reien Volumen oder Gewicht immer so als Grundlage zur Berechnung der Trans-
portkosten wählen, dass sich für sie die höhere Frachtrate ergibt. Besondere Zu-
schläge werden etwa bei außergewöhnlich schweren oder sperrigen Stücken
berechnet. Im Bedarfsverkehr werden die Transportkosten im Rahmen des Char-
tervertrages ausgehandelt. Die Abfertigungskosten in den Häfen können verschie-
den sein und müssen vor allem bei größeren Sendungen beachtet werden.

12 Zur Bestimmung von Seefrachtraten vgl. Korf, 1990, S. 486ff.


176 8 Transport

Wirtschaftssystem Gesellschaftssystem

Verkehrssystem

Personenverkehrs- Nachrichtenverkehrs-
Güterverkehrssystem
system system

Landverkehr Luftverkehr Wasserverkehr

Straßengüter- Schienengüter- Rohrleitungs- Luftfracht- Binnenschiff-


verkehr verkehr verkehr verkehr fahrt

gewerblicher
Straßengüter- Wagenladungs- Rohöl- Motorschiff-
verkehr verkehr pipelines fahrt
- Nahverkehr Stückgut- Produkten- Schleppschiff-
- Fernverkehr verkehr pipelines fahrt
Werkverkehr Expressgut- Schubschiff-
- Nahverkehr verkehr fahrt
- Fernverkehr
Kombinierter
Verkehr
Seeverkehr
(Dienstgut-
verkehr) Linienfahrt

Trampfahrt
Tankfahrt
Küstenschifffahrt

Abb. 8.2 Güterverkehrssystem (Quelle: Claussen, 1979, S. 15)

Die Seeschiffe stehen beim Angebot ihrer Transportleistungen im Wettbewerb


mit den Flugzeugen. Sie haben gegenüber dem Flugzeug große Nachteile bezüg-
lich der Transportzeit, so dass sie als Transportmittel für Güter, die schnell ausge-
liefert werden müssen, im Allgemeinen nicht in Frage kommen. Die vergleichs-
weise hohen Transportkosten des Luftfrachtverkehrs fallen wegen des meist
schnelleren und auch wesentlich billigeren Vor- und Nachtransportes zugunsten
der Seefracht oft nicht mehr so stark ins Gewicht. Der Nachteil des Vor- und
8.3 Transportmittel 177

Rohr- Binnen-
Straßen- Schienen- See- Luftfracht-
leitungs- schiff-
verkehr verkehr verkehr verkehr
verkehr verkehr

Transportzeit

Termintreue

Transportkosten

Flexibilität

Netzdichte

sehr gut geeignet sehr schlecht geeignet

Abb. 8.3 Güterverkehr im Vergleich (Deutschland) (Quelle: in Anlehnung an Pfohl/Schäfer,


1998, S. 84)

Nachtransportes beim Seefrachtverkehr rührt daher, dass Seehäfen naturgemäß an


der Küste liegen, während Flughäfen über das ganze Land verstreut sein können.
Die Binnenschifffahrt ist durch ihren Preisvorteil beim Transport großer und
gleichförmiger Gütermengen über genügend große Entfernungen gekennzeichnet.
Dieser Vorteil sinkt jedoch infolge steigender Kosten bei der Benutzung künstli-
cher Wasserstraßen. Neben der Abhängigkeit von Wasserstand und Eisbildung be-
steht der große Nachteil der Binnenschiffe darin, dass sie an ein eng begrenztes
Wasserstraßennetz gebunden sind. Die Weitmaschigkeit dieses Wasserstraßennet-
zes führt dazu, dass in der Binnenschifffahrt ungefähr die Hälfte der Transporte im
gebrochenen Verkehr i. e. S. durchgeführt werden, d. h., dass notgedrungen zum
Transport der Güter vom Liefer- zum Empfangspunkt noch andere Transportmittel
eingesetzt werden müssen. Dadurch werden sowohl die Kosten als auch die
Transportdauer, die infolge der geringen Transportgeschwindigkeit der Schiffe
schon relativ lang ist, erhöht.
Die Eisenbahn ist der große Wettbewerber der Binnenschifffahrt im Massen-
gutverkehr. Die niedrigen Transportkosten sind der Hauptvorteil der Binnenschiff-
fahrt gegenüber der Eisenbahnkonkurrenz.
178 8 Transport

Eisenbahn und Lastkraftwagen13


Die Eisenbahn besitzt im Gegensatz zu den anderen Transportmitteln ihren techni-
schen Grundlagen entsprechend keine klar ausgeprägten Eignungsschwerpunkte.
Sie lässt sich aufgrund ihrer Leistungsmerkmale und ihrer Transportpreise in fast
allen Verkehrsarten beteiligen, stößt hierbei jedoch auf den Wettbewerb der ande-
ren spezialisierten Transportmittel mit ihren stark ausgeprägten Qualitätsschwer-
punkten.14 So hat das Binnenschiff den Vorteil der Massenleistungsfähigkeit im
Massengutverkehr. Das Flugzeug hat den Vorteil der größten Schnelligkeit im
Expressverkehr. Der Lastkraftwagen (Lkw) hat beim Stückgutverkehr Zeit- und
Kostenvorteile im Nah- und Flächenverkehr sowie den Vorteil der hohen Anpas-
sungsfähigkeit an individuelle Transportbedürfnisse.
Die relativ hohe Wirtschaftlichkeitsschwelle der Eisenbahn, deren Einsatz sich
eigentlich erst ab Transportumfängen von 30-35 Lkw-Einheiten und einer Haupt-
laufentfernung von 300 km lohnt,15 schränkt ihre Attraktivität für Nachfrager nach
Verkehrsleistungen zusätzlich ein. Wegen seiner Wettbewerbsvorteile hat der Lkw
die Eisenbahn aus dem Nah- und Flächenverkehr verdrängt. Im Nahverkehr haben
die Stillstandszeiten der Eisenbahn einen sehr hohen Anteil an der Transportzeit
und die Zeitüberlegenheit des Lkw ist hier besonders groß. Die größere Dichte des
Straßennetzes im Vergleich zum Schienennetz ermöglicht dem Lkw eine bessere
Netzbildung als der Eisenbahn. Dadurch ist der Lkw im Flächenverkehr im All-
gemeinen schneller als die Eisenbahn. Die größere Netzbildungsfähigkeit des Lkw
bedingt, dass der Transport mit der Eisenbahn oft nur in Verbindung mit dem
Lkw-Transport durchgeführt werden kann. Es entstehen hierbei zusätzliche Um-
ladekosten. Trotzdem kann es von Vorteil sein, den Gütertransport nicht durch den
Lkw allein, sondern durch Eisenbahn und Lkw ausführen zu lassen.
Im Fernverkehr sind die durchschnittlichen Transportgeschwindigkeiten der
Eisenbahn größer. Allerdings kann dieser Transportgeschwindigkeitsvorteil durch
zusätzliche Zeiten für die Übergänge von Zug zu Zug sowie für die Zustellung der
Güter durch den Lkw wieder verlorengehen. Sobald beim Lkw-Transport auf wei-
te Distanzen aber mehrere Transportunternehmen in die Beförderung eingeschaltet
werden müssen, bleibt der Transport mit Hilfe der Eisenbahn oftmals schneller
und zuverlässiger.
Die Verpackung muss beim Bahntransport häufig aufwendiger sein als beim
Lkw-Transport. Das bedeutet höhere Verpackungskosten, höheres Transportge-
wicht und eventuell Rücksendekosten für gebrauchte Verpackungen. Im Gleisan-
schlussverkehr ist beim Bahntransport allgemein eine zusätzliche Sicherung des
Transportgutes gegen Rangierstöße notwendig.

13 Für einen detaillierten Überblick über die Fahrzeuge, die im Straßen- und Güterverkehr zum
Einsatz kommen, vgl. Buchholz u.a., 1998, S. 105ff.
14 Die Qualitätsschwerpunkte einzelner Verkehrsträger werden in dem Konzept der Verkehrs-
wertigkeiten erfasst. Vgl. dazu Kummer, 2006, S. 101ff. Siehe auch Abb. 8.3.
15 Vgl. Buscher/Hayens, 1998, S. 18.
8.3 Transportmittel 179

Die Wettbewerbsbeziehungen zwischen Eisenbahn und Lkw gelten in ähnlicher


Weise wie für den Stückgutverkehr auch für den Wagenladungsverkehr, bei dem
die Transportmenge jeweils eine ganze Waggon- oder Lastwagenladung umfasst.
Sie gilt jedoch nicht mehr für den Massengutverkehr, bei dem es um mehrere
Waggonladungen oder sogar ganze Güterzüge geht.

Flugzeug
Als hervorragende Leistungsmerkmale des Flugzeuges lassen sich Transport-
schnelligkeit, Transportsicherheit und Transporthäufigkeit nennen. Weitere Leis-
tungsmerkmale liegen in der Einfachheit der expeditionellen Abfertigung, der
Überschaubarkeit des Transportweges und in der Möglichkeit einer außeror-
dentlich kurzfristigen Versanddisposition. Der Qualität der Transportleistung des
Flugzeuges stehen jedoch die relativ hohen Kosten der Luftfracht gegenüber. Die
Luftfracht ist aber ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit der Berücksichtigung
des Gesamtkostenprinzips. Denn die relativ hohen Luftfrachtkosten dürfen nicht
isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit der Auswirkung der Transportleistung
des Flugzeugs auf die anderen Logistikkosten gesehen werden. Aus diesem Grund
betonen auch die Luftverkehrsgesellschaften bei der Frachtberatung immer, dass
man nicht die reinen Frachtraten des Flugzeuges mit denen der anderen Trans-
portmittel vergleichen dürfe, sondern die Relation zu den gesamten Kosten, die
bei der Auslieferung eines Gutes anfallen, beachten muss.
Wegen der Transportschnelligkeit, der Transportsicherheit und der Transport-
häufigkeit bei der Benutzung des Flugzeuges als Transportmittel kann das Liefer-
serviceniveau erhöht werden. Allerdings wirkt sich die Transportschnelligkeit des
Flugzeuges erst ab genügend großen Transportentfernungen positiv auf eine Ver-
kürzung der Lieferzeit aus. Denn bei kurzen Strecken, vor allem wenn Liefer- oder
Empfangsort nicht in der Nähe des Flughafens liegen, geht durch den notwendigen
An- und Abtransport zum bzw. vom Flughafen der Zeitvorteil des Flugzeuges
wieder verloren. Dem Flugzeug kommt deshalb nicht so sehr die Bedeutung als
Transportmittel für die Versorgung des deutschen Marktes, sondern viel eher bei
der Belieferung des europäischen Marktes und des Marktes in Übersee zu. Die
Anerkennung des internationalen Airwaybill-Luftfrachtbriefes durch über hundert
Luftverkehrsgesellschaften mit einheitlichen Beförderungsbestimmungen garan-
tiert eine reibungslose Beförderung der Transportgüter auch dort, wo mehrere Ge-
sellschaften am Transport beteiligt sind.
Wird das Flugzeug als Transportmittel benutzt, so sinken wegen der kurzen
Transportzeit die Kosten der Kapitalbindung in den Lagerbeständen während des
Transportes. Die Sicherheitsbestände in den Auslieferungslagern können gesenkt
werden, da Nachfragespitzen mit Hilfe der Luftfracht vom Zentral- oder Fabrikla-
ger befriedigt werden können. Die Zahl der Auslieferungslager kann reduziert
werden, weil die verschiedenen Teilmärkte mit Hilfe des Flugzeuges von weniger
Auslieferungslagern in der notwendigen Zeit beliefert werden können. Das führt
zu einer Zentralisierungstendenz im Auslieferungsnetz. Es ist auch möglich, durch
180 8 Transport

eine kombinierte Anwendung zentraler Auslieferung bestimmter Güter mit Luft-


fracht und dezentraler Auslieferung anderer Güter über Auslieferungslager ein ho-
hes Lieferserviceniveau bei gleichzeitiger Senkung der Logistikkosten zu errei-
chen.16
Die Anwendung des Flugzeuges als Transportmittel kann auch die Verpa-
ckungskosten senken, da die Beschädigungsgefahr weit geringer ist als bei den
anderen Transportmitteln. Wegen der vergleichsweise geringen Feuchtigkeits-,
Korrosions-, Bruch- und Diebstahlschäden bei der Luftverfrachtung können die
Güter weniger geschützt verpackt oder sogar unverpackt zum Versand gelangen.
Dadurch wird auch das Transportgewicht der Sendungen herabgesetzt. Das ist
deshalb von Bedeutung, weil die Frachtberechnung grundsätzlich nach Gewichtra-
ten erfolgt. Erst wenn das Verhältnis von Volumen zu Gewicht größer als sieben
ist, wird das sogenannte Volumengewicht (Volumengewicht = Volumen : 7) als
Grundlage der Frachtberechnung herangezogen. Die Versicherungskosten sinken
ebenfalls. Bei Gütern, die in großem Maße der Gefahr des Veraltens und des Ver-
derbs ausgesetzt sind, lassen sich die damit verbundenen Kosten durch Benutzen
des Flugzeuges als Transportmittel senken.
Eine Reihe von Einflussfaktoren begünstigen in einem Auslieferungsnetz den
Einsatz von Flugzeugen als Transportmittel. Vor der Entscheidung für oder gegen
Luftfracht sind diese Einflussfaktoren zu analysieren. Wichtige die Luftfracht be-
günstigende Faktoren sind eine große räumliche Ausdehnung des zu beliefernden
Marktes, die Schwierigkeit einer genauen Nachfragevorhersage, die geringe Um-
schlagshäufigkeit eines Produktes, der hohe Wert eines Produktes und die große
Dichte eines Produktes.17
Eine zunehmend bedeutendere Rolle spielt der Luftverkehr auch beim Trans-
port besonders sperriger oder schwerer Güter, z. B. Industrieanlagen, die nicht o-
der nur sehr schlecht über Straßen transportiert werden können und deswegen eine
meist recht aufwendige Transportkette von Flugzeug, Binnen- oder Seeschiff und
Lkw erforderlich machen. Hubschrauber sind beispielsweise in der Lage, solche
Güter punktgenau abzusetzen, haben jedoch den Nachteil begrenzter Lastkapazitä-
ten und Reichweiten.

8.4 Kombinierter Verkehr

Formen des Kombinierten Verkehrs


Der Kombinierte Verkehr i. e. S. unterscheidet sich vom gebrochenen Verkehr
i. e. S. dadurch, dass hierbei nicht zwangsläufig Transportmittel verschiedener
Verkehrsträger benutzt werden müssen, sondern dass man versucht, die Vorteile

16 Zum Modell zur Bestimmung der optimalen Kombination vgl. Herron, 1968.
17 Zu einer Diskussion des Einflusses dieser Faktoren vgl. Herron, 1968. Siehe dazu auch die
Ausführungen zur selektiven Lagerhaltung in Abschn. 5.4.
8.4 Kombinierter Verkehr 181

verschiedener Transportmittel miteinander sinnvoll zu kombinieren und die für


den Transport notwendige Verladung der Güter zu vereinfachen. Unter Kombi-
niertem Verkehr ist ein System zu verstehen, in dem die in diesem System inte-
grierten Transportmittel so aufeinander abgestimmt sind, dass der Übergang der
zu transportierenden Güter von einem Transportmittel zum anderen nur noch mög-
lichst geringe Umschlagsoperationen verursacht.
Im Prinzip lassen sich mit dem Huckepackverkehr und dem Behälterverkehr
zwei Formen des Kombinierten Verkehrs unterscheiden (vgl. Abb. 8.4):18
Huckepackverkehr: Der Huckepackverkehr umfasst alle Transportsysteme, bei de-
nen ein Transportmittel ein anderes Transportmittel transportiert. Ein Beispiel da-
für ist der Transport von Straßenfahrzeugen auf der Schiene über lange Strecken.
Behälterverkehr: Der Behälterverkehr umfasst alle Transportsysteme, bei denen
zum Transport der Güter Behälter als rationalisierende Transporthilfsmittel be-
nutzt werden, die unselbständig auf Transportmitteln den Transportweg zurückle-
gen. Der Behälter ist im Zusammenhang mit der Bildung logistischer Einheiten zu
sehen. Zum Behälterverkehr zählt man teilweise neben den Transportsystemen,
bei denen Großbehälter (Container) und Kleinbehälter benutzt werden, auch die
Transportsysteme, bei denen Paletten transportiert werden. Unter Kombiniertem
Verkehr i. e. S. wird aber meist nur der Containerverkehr subsumiert.
Alle Formen des Kombinierten Verkehrs sind durch drei Merkmale zu kenn-
zeichnen:
x Man versucht, durch den Kombinierten Verkehr Arbeitsintensität durch Kapi-
talintensität zu ersetzen,
x Man versucht, den Übergang des Transportgutes von Transportmittel zu Trans-
portmittel zu mechanisieren,
x Man versucht, die Vorteile des Nahverkehrs (im Allgemeinen Lkw) mit den
Vorteilen des Fernverkehrs (im Allgemeinen Bahn, Flugzeug, Schiff) zu kom-
binieren.
Das führt zur Entwicklung von Knotenpunktsystemen, mit denen konkurrenzfä-
hige Transportzeiten gewährleistet werden sollen. Knotenpunkte sind Umschlags-
plätze (Terminals), die über die notwendigen technischen Hilfsmittel (z. B. Portal-
kräne) für einen schnellen Güterumschlag von Transportmittel zu Transportmittel
und über günstige Verkehrsanbindungen für den Vor- und Nachlauf verfügen. Sie
befinden sich in Zentren mit hohem Güteraufkommen und sind für den Hauptlauf
im schnellen Direktverkehr mit anderen Knotenpunkten verbunden. Beispielswei-
se lässt die DEUTSCHE BAHN AG spezielle Schnellgüterzüge für den Kombinierten
Verkehr im InterCargo-System laufen, durch das für eilige Güter schnelle nächtli-

18 Zu den Formen, Rahmenbedingungen und Akteuren des kombinierten Verkehrs vgl. Boldt,
2009, S. 46ff. Zum Behälterverkehr siehe auch Abschn. 7.3.
182 8 Transport

Auflieger

Auflieger

Rollende
Landstraße

RoadRailer
(Trailerzug)
RoadRailer

Container
Container

Abb. 8.4 Verschiedene Möglichkeiten im Kombinierten Verkehr Straße/Schiene

che Direktverbindungen zwischen den deutschen Wirtschaftszentren hergestellt


werden.

Huckepackverkehr
Beim Huckepackverkehr sind die Transportsysteme am weitesten entwickelt, bei
denen Straßenfahrzeuge über lange Strecken auf der Schiene befördert werden.
Man nutzt auf diese Weise die auf großen Entfernungen im Vergleich zum Stra-
8.4 Kombinierter Verkehr 183

ßentransport niedrigen Kosten des Schienentransportes aus. Zur Kombination von


Straßen- und Schienenfahrzeugen im Huckepackverkehr gibt es prinzipiell drei
technische Varianten:
x Nur der von der DEUTSCHEN BAHN AG zugelassene Lkw-Wechselaufbau (Prit-
sche oder geschlossener Aufbau) wird auf dem Eisenbahnwagen befördert.
Hierzu müssen der Lkw und der als Ladegefäß dienende Wechselaufbau so
miteinander verbunden sein, dass sie jederzeit voneinander getrennt und ausge-
tauscht werden können. Eng verwandt mit dieser technischen Variante des Hu-
ckepackverkehrs ist das Containertransportsystem beim Behälterverkehr.
x Der Auflieger eines Sattelzuges wird auf der Schiene befördert. Hierzu werden
entweder die Auflieger von der Sattelzugmaschine auf die Waggons rangiert
oder sie werden per Kran umgeschlagen.
x Komplette Lastzüge werden auf der Schiene befördert (rollende Landstraße).
Zu diesem Zweck wurde ein nur 40 cm hoher Niederflurwaggon entwickelt. In
20 Minuten können auf einen 400 m langen, aus solchen Niederflurwaggons
bestehenden Zug 16 bis 18 Lastzüge auffahren.
Insbesondere für den Umschlag von Sattelaufliegern und Wechselaufbauten
werden eine Anzahl zeit- und kostensparender Verfahren eingesetzt, die sich nach
der Art des Umschlags in Horizontal- und Vertikalumschlag unterscheiden lassen.
Horizontale Umschlagsverfahren bilden z. B. Abrollcontainer-Transportsysteme
(ACTS) oder bimodale Transportsysteme (Road Railer). Das ACTS-System be-
findet sich in der Schweiz, Österreich, Frankreich und den Niederlanden seit An-
fang der 90er Jahre im Einsatz. Spezielle Rollcontainer können dabei ohne zusätz-
liche Umschlagsgeräte und mit Hilfe einer am Lkw angebrachten
Wechselausrüstung auf die Schiene umgeschlagen werden. Bimodale Systeme
verwenden entweder ein Schienenlaufwerk, das ständig am Sattelanhänger mitge-
führt wird und über ein hydraulisches Anziehen des Straßenachsaggregates auf der
Schiene zum Einsatz kommt oder ein separates Schienenlaufwerk, das getrennt
vom Sattelanhänger disponiert werden kann und ständig auf den Schienen ver-
bleibt. Zu dieser Variante gehört auch das System Trailerzug, das eine optimale
Anpassung von Straßenfahrzeugtechnik und Eisenbahntechnik darstellt (vgl. Abb.
8.4). Das System besteht aus drei Komponenten: Drehgestell, Sattelanhänger mit
Kuppeleinrichtung und Adapter als Verbindungselement zwischen Drehgestell
und Sattelanhänger. Der Sattelanhänger des Lkw ist dafür technisch so hergerich-
tet, dass er in Verbindung mit dem Drehgestell selbst die Funktion eines Eisen-
bahntragwagens übernehmen und somit ein spezielles Eisenbahnuntergestell ein-
gespart werden kann.
Bei vertikalen Umschlagsverfahren zwischen Schiene und Straße erfolgt der
Umschlag i. d. R. mit Hilfe eines Kranes. Doch es wird auch die Übertragung der
Hochregallagertechnik auf den Kombinierten Verkehr diskutiert. Dabei sollen
Lkw bzw. Güterzüge direkt in ein automatisches Hochregallager, das für die Auf-
nahme von Containern, Wechselaufbauten und Sattelaufliegern konzipiert ist, ein-
184 8 Transport

fahren können. Die Aufnahme der Behälter sowie das Ein- und Auslagern in das
Hochregallager wird durch eine Teleskopvorrichtung realisiert.
Der Huckepackverkehr auf der Schiene kann nur auf weitere Transportentfer-
nungen wirtschaftlich gestaltet werden. Als Faustregel gilt, dass er unter 200 km
unrentabel ist und im Allgemeinen erst ab 500 km rentabel wird. Im Wettbewerb
mit dem Straßenfernverkehr hat der Huckepackverkehr im Vergleich zur direkten
Haus-Haus-Beförderung des Straßenfernverkehrs zu bestehen.
Die Kombination von Schiene und Straße ist nicht die einzige Möglichkeit des
Huckepackverkehrs. Auch See- und Binnenschiff lassen sich im LASH-System
(Lighter Aboard Ship) miteinander kombinieren. Das LASH-System besteht aus
einem Mutter- oder Trägerschiff, auch Huckepackfrachter genannt, das über eine
bordeigene Umschlagsanlage verfügt, mit der es die Leichter aufnimmt oder ab-
setzt. Diese Leichter werden vor bzw. nach dem Seetransport zu Schubverbänden
zusammengestellt und auf den Binnenwasserstraßen zur Be- und Entladestelle ge-
fahren.
Institutionell wird der Huckepackverkehr auf der Schiene von der
KOMBIVERKEHR DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR KOMBINIERTEN GÜTERVERKEHR
MBH & CO. KG. (nachfolgend kurz KOMBIVERKEHR genannt) durchgeführt. We-
sentliche Kapitalanteile halten Verbände des Güterverkehrsgewerbes sowie
Kraftwagenspediteure und Transportunternehmer. Außer den Gesellschaftern
können auch andere Transportunternehmen und Kraftwagenspeditionen am Hu-
ckepackverkehr teilnehmen, sofern die Gesellschaft zustimmt. Die DEUTSCHE
BAHN AG ist an der Gesellschaft mehrheitlich beteiligt. 19 Die KOMBIVERKEHR ist
seit November 1999 zugelassen als öffentliches Eisenbahnverkehrsunternehmen
und stellt Wagen, IT- und Beratungsdienstleistung zur Verfügung.
Obwohl der Huckepackverkehr aus ökologischen Gründen gefördert wird und
neben den (ehemals) staatlichen Eisenbahngesellschaften weitere Transportdienst-
leister Angebote des Kombinierten Verkehrs aufbauen, 20 ist derzeit nicht damit zu
rechnen, dass dies zu einer nennenswerten Verschiebung von Transportleistungen
von der Straße auf die Schiene führen wird. Auch wenn bei der Überbrückung der
Schnittstelle Straße-Schiene technische Entwicklungen den Wechsel des Trans-
portträgers vereinfachen und beschleunigen, sind die aktuellen Prognosen recht
widersprüchlich.21 Ein weiteres Hindernis für den Kombinierten Verkehr sind un-
terschiedliche nationale Normen im Schienenverkehr innerhalb Europas.22 Einzig
bei der Überwindung geographischer Hindernisse, die für Lkw nicht oder nur
schlecht zu überqueren sind (z. B. Gewässer oder Gebirge) und in Folge von poli-
tischen Maßnahmen, die auf ökologischen Überlegungen basieren, kann der Kom-

19 Zur Struktur der DEUTSCHEN BAHN AG siehe Teil IV, Abschn. 16.5.
20 Vgl. European Commission, 2001, S. 41ff.
21 Vgl. Aberle, 2009, S. 84 und dort zitierte Literatur.
22 In Europa sind derzeit noch unterschiedliche Spurweiten, Bahnstromsysteme und
Lichtraumprofile im Einsatz, die den internationalen Schienen- und damit den Kombinierten
Verkehr behindern.
Literatur 185

binierte Verkehr zukünftig noch Marktanteile gewinnen. Dies ist z. B. beim Tran-
sitverkehr durch Österreich und die Schweiz der Fall.

Containerverkehr
Der Containerverkehr lässt sich durch Kombination aller Transportmittel durch-
führen. Der Hauptlauf kann sowohl auf der Schiene als auch auf dem Wasser oder
in der Luft durchgeführt werden. Der Vorlauf geht im Allgemeinen über die Stra-
ße. Wenn von Containerverkehr gesprochen wird, so wird damit in erster Linie die
Kombination Straße/Schiene sowie die Kombination Schiene oder Straße mit
Überseeschiff gemeint.
Der Containerverkehr, bei dem der Hauptlauf vom Schiff durchgeführt wird,
wird im Allgemeinen von speziellen Containerreedereien betrieben. Wird der
Hauptlauf über die Schiene ausgeführt, so sind zur Durchführung spezielle Gesell-
schaften einzuschalten. Die TFG TRANSFRACHT GMBH, eine 100%-Tochter der
DEUTSCHE BAHN AG, transportiert Container von den Deutschen Seehäfen
zum Endempfänger europaweit in das Hinterland und vom Hinterland zu den
Deutschen Seehäfen. Eine andere wichtige Gesellschaft für Containerverkehr ist
INTERCONTAINER-INTERFRIGO SA, die eine Gesellschaft der europäischen Eisen-
bahnen für internationale Containertransporte auf der Schiene ist. Für Transporte
auf der Schiene sind TFG TRANSFRACHT bzw. INTERCONTAINER Frachtführer. Sie
organisiert auf Wunsch auch den erforderlichen Straßenvor- und -nachlauf. Sie
bietet außerdem noch zusätzliche logistische Dienstleistungen an.
Mit der Skizzierung der Aufgaben der KOMBIVERKEHR und der TFG
TRANSFRACHT bzw. INTERCONTAINER wurden schon institutionelle Teilaspekte
von Logistiksystemen angesprochen, die im Anschluss an die Diskussion der pha-
senspezifischen Subsysteme der Logistik im Teil III im Einzelnen behandelt wer-
den.

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kehrswirtschaft. In: Rationeller Transport 21 2, S. 79-82
Teil III Phasenspezifische Subsysteme der
Logistik

Zu einer weiteren Konkretisierung von für die Logistik charakteristischen Ent-


scheidungsproblemen erfolgt in diesem Kapitel eine Aufgliederung des Gesamt-
systems der Logistik entsprechend der in Kap. I vorgenommenen funktionellen
Abgrenzung in die folgenden phasenspezifischen Subsysteme:
x Beschaffungslogistik,
x Produktionslogistik,
x Distributionslogistik,
x Ersatzteillogistik,
x Entsorgungslogistik.
188 9 Beschaffungslogistik

Ausgehend von der Definition und der Charakterisierung der Konzeption dieser
phasenspezifischen Subsysteme werden insbesondere die Probleme behandelt, die
sich aus den verschiedenen Logistikobjekten und den Schnittstellen der Logistik in
den verschiedenen Phasen zu den betriebswirtschaftlichen Funktionen der Be-
schaffung, der Produktion, des Absatzes, des Kundendienstes bzw. der Instandhal-
tung sowie des Umweltschutzes ergeben. Auf die verrichtungsspezifischen logisti-
schen Subsysteme wird in den Phasen der Beschaffung und Distribution nicht
eingegangen, da die diesbezügliche Problematik weitestgehend durch die allge-
meine Darstellung der verrichtungsspezifischen Subsysteme im vorangegangenen
Kapitel abgedeckt ist.
9 Beschaffungslogistik

9.1 Definition und Konzeption der Beschaffungslogistik

Definition
Die Beschaffungslogistik ist ein marktverbundenes Logistiksystem. Sie stellt die
Verbindung zwischen der Distributionslogistik der Lieferanten und der Produkti-
onslogistik eines Unternehmens dar. Objekte der Beschaffungslogistik sind Güter
(Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Kaufteile und Handelsware), die dem Unterneh-
men bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen (bereitzustellen) sind. Bedarfsträger
ist das Beschaffungslager oder – im Falle einer direkten Anlieferung – die erste
Produktionsstufe im Unternehmen.
Um die Gesamtaufgabe der Versorgung des Unternehmens mit nicht selbster-
stellten Einsatzgütern erfüllen zu können, muss neben der körperlichen auch die
rechtliche Verfügbarkeit, d. h. beispielsweise der Eigentumserwerb an den Gütern,
sichergestellt werden. Die damit verbundenen Aktivitäten fallen in den Aufgaben-
bereich der Beschaffung (des Einkaufs). Die Aufgaben zur Erfüllung der Gesamt-
aufgabe der Versorgung werden auch unter dem Begriff Materialwirtschaft zu-
sammengefasst. 1 Die Abgrenzung zwischen der Beschaffung und der Beschaf-
fungslogistik eines Unternehmens kann durch die folgende Sichtweise verdeutlicht
werden. Danach ist es Aufgabe der Beschaffung, Lieferkapazitäten zur Verfügung
zu stellen, Lieferkapazitäten zu pflegen und zukünftige Lieferkapazitäten zu ent-
wickeln. Bezüglich der Aufgabenerfüllung wird der Marketinggedanke vom Ab-
satz- auf den Beschaffungsbereich übertragen. Dies liegt nahe, da die Gestaltung
von Austauschbeziehungen zwischen Marktpartnern, in diesem Fall auf dem Be-
schaffungsmarkt, als wesentliches Merkmal des Marketinggedankens zu sehen
ist.2
Der Begriff Beschaffungsmarketing setzt sich sowohl in der Theorie als auch in
der Praxis immer weiter durch; analog zum Marketinginstrumentarium im Ab-
satzbereich existiert ein Marketinginstrumentarium im Beschaffungsbereich. 3 Das
Beschaffungsmarketing erfüllt die ihm gestellten Aufgaben, indem mit Hilfe der
Instrumente der Marktforschung auf gegenwärtigen Märkten Lieferkapazitäten er-

1 Zur Definition der Materialwirtschaft vgl. Grochla, 1990, S. 18. Für eine ausführliche Dar-
stellung der Abgrenzung der Begriffe Beschaffung, Materialwirtschaft und Logistik vgl.
Arnold, 1997, S. 1ff.
2 Vgl. Koppelmann, 2004, S. 77ff.
3 Vgl. Koppelmann, 2004, S. 271ff. Zur Beschaffungsmarktforschung vgl. auch Large, 2013,
S. 94ff.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018


H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4_9
190 9 Beschaffungslogistik

kannt und die Lieferanten mit Hilfe der beschaffungspolitischen Instrumente (die
in Anlehnung an die Instrumente der Marketingpolitik im Absatzbereich definiert
werden) so beeinflusst werden, dass sie dem nachfragenden Unternehmen die ge-
wünschten Produkte liefern. Die auf diese Weise beschaffte Lieferkapazität ist
durch den Einsatz der entsprechenden Instrumente der Beschaffungspolitik ständig
zu pflegen, um die einmal gewonnenen Lieferanten als Stammlieferanten zu erhal-
ten. Außerdem hat sich der Beschaffungsbereich des Unternehmens damit zu be-
fassen, welche Produkte auf zukünftigen Beschaffungsmärkten zur Problemlösung
im Unternehmen beitragen können. Er hat also für die Entwicklung zukünftiger
Lieferkapazitäten Sorge zu tragen, wobei hier im Hinblick auf zukünftige Zulie-
ferprodukte und ihre Bedeutung für die Gestaltung der eigenen Produkte eine enge
Beziehung zum Forschungs- und Entwicklungsbereich deutlich wird.
Die Beschaffungslogistik nutzt die vorhandenen Lieferkapazitäten, indem sie
die Güter- und Informationsflüsse zur Bereitstellung der Einsatzgüter erzeugt.
Aufgrund des marktverbundenen, unternehmensübergreifenden Charakters der
Beschaffungslogistik sind typischerweise nicht alle Entscheidungstatbestände, die
einen Einfluss auf die externe Bereitstellung der Einsatzgüter haben, innerhalb der
Unternehmensgrenzen angesiedelt. Folglich sind Konzepte und Regelungen not-
wendig, die eine übergreifende Koordination der Güterflüsse und eine engere
Kopplung zwischen Lieferanten und Abnehmer ermöglichen. Solche Regelungen
beziehen sich insbesondere auf zeitliche und organisatorische Aspekte der Liefe-
rungen und enthalten häufig Festlegungen über den Zeitpunkt des Gefahren- und
Kostenübergangs.
Damit wird auch in erheblichem Maße der Umfang der logistischen Kontroll-
spanne in der Beschaffungslogistik bestimmt. Eine weite Kontrollspanne des Ab-
nehmers bedeutet, dass er weitgehend selbst für die Bereitstellung verantwortlich
ist und auch die Maßnahmen zur Durchführung treffen muss. Dies entspricht einer
Ausprägung des Holprinzips, das neben dem Bringprinzip eine der zwei grund-
sätzlichen Arten der Bereitstellung4 bildet. Ist dagegen die Aufgabe der externen
Materialbereitstellung im Wesentlichen dem Lieferanten übertragen, liegt eine
Ausprägung des Bringprinzips mit entsprechend geringer Kontrollspanne des Ab-
nehmers vor. Ein wichtiges Beispiel für Regelungen, die direkt die logistische
Kontrollspanne beeinflussen, sind die so genannten Incoterms 5, die selbstverständ-
lich auch für die Distributionslogistik von Bedeutung sind.

Konzeption
Das Systemdenken in der marktverbundenen Beschaffungslogistik fordert, bei Ent-
scheidungen nicht nur die Beziehungen zwischen den verrichtungsspezifischen lo-
gistischen Subsystemen innerhalb eines Unternehmens oder die Beziehungen zu
anderen Funktionen im Unternehmen zu betrachten, sondern insbesondere auch
4 Zur Unterscheidung von Bring- und Holprinzip in der internen Materialbereitstellung siehe
Abschn. 10.2.
5 Zur Konditionenpolitik siehe Abschn. 9.2.
9.1 Definition und Konzeption der Beschaffungslogistik 191

die Wirkungszusammenhänge mit den Logistiksystemen der Lieferanten zu beach-


ten. Beispielsweise ist zu berücksichtigen, ob Maßnahmen zur Senkung der Be-
stände im Beschaffungslager des eigenen Unternehmens dazu führen, dass Be-
stände im Absatzlager des Lieferanten erhöht werden müssen. Denn langfristig
betrachtet wird der Lieferant gezwungen sein, entweder die mit einer Bestandser-
höhung entstehenden Kosten in die Preisbildung seiner Produkte einzubeziehen
oder aber sein eigenes Logistiksystem umzustrukturieren, was entsprechende Lo-
gistikkompetenzen voraussetzt. Das Erkennen und Berücksichtigen dieser Zu-
sammenhänge drückt sich insbesondere im Begriff der Logistikkette (vom Liefe-
ranten über logistische Dienstleister bis zum Abnehmer) bzw. der Supply Chain 6
aus. Die damit verbundene Sichtweise fordert, die üblicherweise an mehreren Stel-
len der Logistikkette vorhandenen Lagerbestände möglichst in nur einer Bevorra-
tungsebene zusammenzufassen, für die dann der günstigste Ort in der Kette, bei-
spielsweise auch in einem gemeinsam von Abnehmer und Lieferant betriebenen
Lager, zu bestimmen ist.
Das Gesamtkostendenken lässt sich ebenfalls am Beispiel der Lagerbestandsre-
duzierung nachweisen. Niedrigere Bestände führen, bei einem gegenüber dem
vorherigen Bestand unveränderten Bedarf, zu kleineren Bestelllosen und einer hö-
heren Bestellfrequenz, woraus höhere Transportkosten entstehen können. Diese
Entwicklung hängt sehr stark davon ab, ob häufigere Transportvorgänge mit ge-
ringerer Transportmittelauslastung oder kleineren Transportmitteln notwendig
werden oder ob es – durch geeignete Konzepte der Transportorganisation – ge-
lingt, die Transportmittel auch weiterhin gut auszulasten, etwa durch die Zusam-
menfassung von kleineren Bestelllosen verschiedener Bedarfsträger zu einem grö-
ßeren Transportlos. Die höhere Bestellfrequenz führt zu einer höheren Anzahl von
Bestellvorgängen, so dass die Kosten der Auftragsabwicklung und die entspre-
chenden Kosten im Bereich des Einkaufs, die bei der Anbahnung und dem Ab-
schluss eines Kaufvertrags über das zu liefernde Material anfallen (Kosten der
Koordination zwischen den beteiligten Unternehmen) 7, tendenziell steigen kön-
nen. Inwiefern tatsächlich eine Kostensteigerung auftritt, hängt beispielsweise da-
von ab, ob es gelingt, durch eine informatorische Integration innerhalb des Unter-
nehmens, d. h. zwischen Einkaufsbereich und Beschaffungslogistik und zwischen
den beteiligten Unternehmen die Kosten des Informationsflusses und der Koordi-
nation gering zu halten. Der Einsatz von Informationstechnik bietet hier Kosten-
senkungspotentiale, erwirkt neben den notwendigen Investitionen aber auch Kos-
ten für die Anpassung der Informationssysteme bei Lieferant und Abnehmer.
Damit wird auch deutlich, dass analog zu der oben beschriebenen Notwendigkeit,
das Systemdenken unternehmensübergreifend anzuwenden, das Gesamtkosten-
denken ebenfalls vom Logistiksystem des einzelnen Unternehmens auf die gesam-
te Logistikkette zu übertragen ist. Darüber hinaus sind noch die Versorgungsni-
veaukosten zu berücksichtigen, die entstehen, wenn durch ein zu niedriges Niveau

6 Siehe Teil IV, Abschn. 17.3.


7 Diese Kosten werden häufig auch als Transaktionskosten bezeichnet.
192 9 Beschaffungslogistik

beim Versorgungsservice Störungen in der Produktion oder negative Auswirkun-


gen auf das Lieferserviceniveau in der Distribution des Unternehmens hervorgeru-
fen werden.
Wesentlichen Einfluss auf die in der Beschaffungslogistik entstehenden Kosten
haben die zur Anwendung gelangenden Prinzipien der externen Materialbereit-
stellung. Es lassen sich drei Prinzipien unterscheiden, 8 die jeweils grundsätzlich
andere Anforderungen an die Beschaffungslogistik stellen.
Das einfachste Prinzip der Materialbereitstellung ist die Einzelbeschaffung im
Bedarfsfall, gemäß dem das erforderliche Material erst nach dem Auftreten des
Bedarfs beschafft wird. Der große Vorteil für die Beschaffungslogistik besteht da-
rin, dass kaum oder nur in sehr geringem Umfang gelagert werden muss. Damit
sind die Kapitalbindung und die Lagerkosten sehr gering, allerdings wird die Pro-
duktion eventuell bis zum Eintreffen des Materials verzögert. Dies kann zur Folge
haben, dass Lieferzeiten zu lang werden und Produktionsanlagen nicht optimal
ausgelastet werden können. Die dadurch entstehenden Kosten können jedoch die
Einsparungen aufgrund der geringen Kapitalbindung leicht übersteigen. Die An-
wendung dieses Prinzips wird deshalb im Allgemeinen nur bei am Markt sofort
beschaffbaren Gütern sowie bei nicht vorhersehbarer und nicht zu planender
Nachfrage angewandt. Der zuletzt genannte Fall tritt beispielsweise bei der Ein-
zelfertigung auf, wenn bestimmte Materialien benötigt werden, die nur für einen
einzigen Fertigungsauftrag verwendet werden können.
Das zweite Bereitstellungsprinzip ist die Beschaffung mit Vorratshaltung, ge-
mäß dem die Materialien im eigenen Unternehmen auf Abruf für die interne Mate-
rialbereitstellung9 bereitgehalten werden und bei einem auftretenden Bedarf inner-
halb kurzer Zeit zur Verfügung stehen. Auf diese Weise koppelt sich das
Unternehmen von der externen Bereitstellung ab und wird weniger empfindlich
gegenüber Schwankungen oder Unzuverlässigkeiten bei der Zulieferung durch die
Lieferanten. Hinzu kommt, dass die Vorratshaltung üblicherweise mit dem Bezug
größerer Mengen verbunden ist, so dass Größenvorteile und entsprechende Koste-
neinsparungen, beispielsweise durch die Ausnutzung von Preisstaffelungen (Men-
genrabatte u. ä.), erzielt werden können. Dies wird jedoch durch eine höhere Kapi-
talbindung und höhere Lagerkosten erkauft. Unter reinen Kostenüberlegungen tritt
hier das Problem der Ermittlung der optimalen Bestellmenge auf.
Das dritte Prinzip der Materialbereitstellung ist die produktions- oder einsatz-
synchrone Anlieferung10. Mit ihm wird versucht die Vorteile der beiden anderen
Prinzipien miteinander zu verbinden und deren Nachteile zu vermeiden. Gemäß

8 Vgl. Grochla, 1990, S. 23ff.; Large, 2013, S. 193ff. Der Begriff extern meint, dass die Güter
von außerhalb des Unternehmens bereitgestellt werden. Wegen des möglichen engen Zu-
sammenhangs zur Produktionslogistik siehe auch die Prinzipien der internen Materialbereit-
stellung in Abschn. 10.2.
9 Der Begriff intern meint, dass die Güter von Organisationseinheiten innerhalb des Unter-
nehmens kommend bereitgestellt werden.
10 Üblicherweise spricht man heute von der Just-in-time Beschaffung oder Anlieferung.
9.2 Beschaffungslogistik und Instrumente der Beschaffungspolitik 193

diesem Prinzip muss der Lieferant das Material zu den Terminen anliefern, die
durch den Produktionsablauf des beschaffenden Unternehmens bestimmt werden.
Der laufende Tagesbedarf geht im Allgemeinen direkt von den Transportmitteln
zu den Produktionsstellen, auf diese Weise werden kurze Durchlaufzeiten des Ma-
terials erreicht. Lagerbestände werden lediglich in Form geringer Sicherheitsbe-
stände gehalten, so dass Kapitalbindung und Lagerkosten niedrig sind. Die pro-
duktionssynchrone Anlieferung erfordert sehr zuverlässige Lieferanten. Darüber
hinaus macht sie eine enge Zusammenarbeit zwischen Lieferant und Abnehmer
auf der Basis eines intensiveren Informationsaustausches notwendig, damit etwai-
ge Änderungen im Ablauf des Produktionsprozesses des Abnehmers sofort an den
Lieferanten weitergeleitet werden können und er seine eigene Produktion darauf
abstimmen kann. Nur auf diese Weise ist es möglich, dass die Lagerhaltung nicht
lediglich vom Abnehmer auf den Lieferanten abgewälzt wird, sondern dass bei
beiden die Lagerhaltung weitgehend vermieden wird.
Voraussetzungen für die geforderte enge informatorische Verknüpfung sind das
Vorhandensein eines unternehmensübergreifenden Planungs- und Steuerungssys-
tems (Lieferabrufsystem) und die weitgehende informationstechnische Integration
zwischen Lieferant und Abnehmer, um einen elektronischen Datenaustausch zu
ermöglichen. 11 Ein Lieferabrufsystem umfasst in der Regel drei Ebenen: Die
Rahmenvereinbarung, in der grundsätzliche Lieferbedingungen vereinbart werden,
den Rahmenauftrag, in dem jeweils für einen Zeitraum von einigen Monaten die
Wochen- oder Tagesbedarfe des Abnehmens spezifiziert werden und den Lie-
ferabruf, der als eigentliche Bestellung die Mengen, Termine und Anlieferungs-
punkte des Materials festlegt.

9.2 Beschaffungslogistik und Instrumente der


Beschaffungspolitik
Bei der Erfüllung der Gesamtaufgabe der Versorgung des Unternehmens sind die
Interdependenzen zwischen der Beschaffungslogistik und der Beschaffungspolitik
zu berücksichtigen. Ähnlich wie bei den Instrumenten der Marketingpolitik im
Absatzbereich12 sollen bei den Instrumenten der Beschaffungspolitik vier Gruppen
unterschieden werden: die Produktpolitik, die Konditionenpolitik, die Kommuni-
kationspolitik und die Bezugspolitik.

Produktpolitik
Bestandteile der Produktpolitik sind die Produktgestaltung und das Beschaffungs-
programm, in dem festgelegt wird, welche Güterarten in welchen Mengen und in
welcher zeitlichen Verteilung innerhalb eines Planungszeitraums bezogen werden.
Von Bedeutung für die Beschaffungslogistik sind zunächst Entscheidungen über

11 Zur Bedeutung des elektronischen Datenaustauschs in der Beschaffungslogistik und den


Möglichkeiten der Realisierung vgl. Large, 2013, S. 195ff.
12 Siehe Abschn. 11.2.
194 9 Beschaffungslogistik

eine Ausdehnung des Beschaffungsprogramms, die in der Regel mit Steigerungen


der Logistikkosten, besonders im verrichtungsspezifischen Subsystem Lagerhal-
tung, verbunden sind.13 Eine solche Ausdehnung kann aus Bedürfnissen nach spe-
zifischen Einsatzgütern aus Forschung und Entwicklung bzw. der Produktion, die
sich z. B. wertanalytisch begründen lassen, resultieren. Dem steht das Bestreben
der Beschaffungslogistik gegenüber, den Umfang des Beschaffungsprogramms
möglichst gering zu halten. Unterstützt wird dieses Bestreben der Beschaffungslo-
gistik durch eine Standardisierung der Einsatzgüter mit Hilfe von Normung und
Typung sowie die Verwendung zusammengesetzter Vorprodukte (Baugruppen)
anstelle von Einzelteilen. Im Rahmen der Produktgestaltung ist auch auf die Be-
ziehung zwischen der Beschaffungslogistik und der Verpackungsgestaltung bzw.
den dafür notwendigen Einsatzgütern (Verpackungsmaterialien) zu achten. Aus
Sicht der Logistik sollte möglichst solches Verpackungsmaterial verwendet wer-
den, das sich einfach transportieren und lagern lässt und keinen großen Lagerraum
in Anspruch nimmt. Dies ist z. B. bei faltbarem Verpackungsmaterial der Fall.
In engem Zusammenhang mit der Festlegung des Beschaffungsprogrammes
stehen die Entscheidungen über Eigenerstellung oder Fremdbezug (auch als
Make-or-Buy bezeichnet) der Einsatzgüter der Produktion. In den letzten Jahren
war in vielen Branchen ein Trend zur Verringerung der Fertigungstiefe im Unter-
nehmen zugunsten einer Steigerung des Fremdbezugs zu beobachten. 14 Die Zu-
nahme des Fremdbezugs bedeutet eine Ausweitung des Beschaffungsprogrammes,
aus der die beschriebenen Nachteile aus logistischer Sicht resultieren. Ferner führt
sie tendenziell zu einer Erhöhung der Komplexität der Beschaffungslogistik, da
die Anzahl und die Intensität der Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen zunehmen.
Ein Beschaffungskonzept, das geeignet ist, diese logistische Komplexität aufzulö-
sen, stellt das so genannte Modular Sourcing dar. Dieses Konzept sieht vor, anstel-
le einzelner Teile ganze Module, d. h. Funktionsgruppen (Baugruppen oder Kom-
ponenten) mit komplexer Struktur, von einem Modullieferanten
(Systemlieferanten) zu beziehen.
Ein enger Zusammenhang zwischen Beschaffungsprogramm und Beschaf-
fungslogistik besteht schließlich noch bezüglich der Bestellmengen und Bestell-
zeitpunkte. Aus dem kurzfristigen Primärbedarf an Fertigprodukten muss im Rah-
men der Bedarfsplanung der Sekundärbedarf an Rohstoffen, Einzelteilen und
Baugruppen abgeleitet werden. Daraus kann in weiteren Schritten der perioden-
spezifische Nettobedarf berechnet werden, aus dem dann Beschaffungs- und Pro-
duktionsmengen pro Periode bestimmt werden.15 Als spezielle Probleme der Be-

13 Für eine ausführliche Darstellung der Beziehung zwischen Produktpolitik und Distributions-
logistik vgl. Abschn. 11.2.
14 Siehe dazu Teil I, Abschn. 3.3. Dieser Trend ist übrigens auch eine der Ursachen für die ge-
steigerte Aufmerksamkeit, die der Beschaffung und der Beschaffungslogistik in den letzten
Jahren gewidmet wurde. Zur Gestaltung der Fertigugnstiefe vgl. auch Large, 2013, S. 90ff.
15 Siehe die Ausführungen zur Bedarfsermittlung in Teil II, Abschn. 5.2 und zur Vorratsergän-
zung und -sicherung in Abschn. 5.3.
9.2 Beschaffungslogistik und Instrumente der Beschaffungspolitik 195

schaffungslogistik schließen sich daran die Entscheidungen über die Höhe einzel-
ner Bestellmengen (Bestellmengenproblem) und die Bestellzeitpunkte an, die in
enger Abstimmung mit den entsprechenden Entscheidungen in der Produktion und
in der Produktionslogistik erfolgen müssen.

Konditionenpolitik
Der direkte Bezug der Beschaffungslogistik zur Preispolitik ist bei der Kalkulation
des Einstandspreises der Ware gegeben. Denn im Einstandspreis sind die Kosten
der Beschaffungslogistik enthalten. Dies bedeutet, dass bei Verhandlungen über
den Preis der Ware und den Leistungsumfang untersucht werden muss, ob es
günstiger ist, eine Lieferung ab Werk zu beziehen und den Transport selbst zu
übernehmen (bzw. einen Dienstleister zu beauftragen) oder eine Lieferung frei
Haus zu vereinbaren, wobei in diesem Falle der Lieferant die logistische Leistung
erbringt und in den Preis einkalkuliert. Ein Bezug der Waren ab Werk ist beson-
ders dann sinnvoll, wenn sich durch Abstimmung der Beschaffungs- und Distribu-
tionslogistik positive Verbundwirkungen erzielen lassen. Beispielsweise können
Distributions- und Beschaffungstransporte so koordiniert werden, dass Leerfahrten
weitgehend vermieden und eine hohe Auslastung der Fahrzeuge erreicht werden
kann.
Eine Befragung 560 deutscher Unternehmen im Jahr 1997 hat ergeben, dass
66% der Beschaffungsgüter frei Haus bzw. frei Abladestelle bezogen werden. Für
34% der Güter übernehmen die beschaffenden Unternehmen selbst die Koordina-
tion des Transportes. Allerdings beziehen lediglich 1,6% aller Unternehmen ihre
Beschaffungsgüter ausschließlich frei Haus und nur 2,1% übernehmen für alle Be-
schaffungsgüter den Transport. Es zeigt sich, dass Unternehmen bezüglich der Be-
schaffungslogistik in der Regel für jedes Produkt individuell entscheiden, von
wem der Warentransport übernommen wird.16
Im internationalen Warenverkehr werden solche Festlegungen durch die Ver-
wendung der entsprechenden Incoterms17 getroffen. Das sind die internationalen
Regeln für die Auslegung handelsüblicher Vertragsformeln. Sie werden im zwi-
schenstaatlichen Warenverkehr von den Unternehmen benutzt und legen die Lie-
ferbedingungen bzw. die Pflichten und Rechte (insbesondere die Aufgaben-, Kos-
ten- und Gefahrenteilung) der Verkäufer und Käufer fest. Die Incoterms, die aus
insgesamt 13 Klauseln bestehen, sind in vier Hauptgruppen unterteilt und unter-
scheiden sich nach den Orten des Kosten- und Gefahrenübergangs. 18 Bekannte
Klauseln sind:
x Ex Works (EXW), d. h. Ab-Werk-Verkäufe: Hier bestimmt der Auftraggeber
(der Käufer) alle logistischen Leistungen, wie z. B. die Beauftragung eines
Spediteurs oder eines Frachtführers. Von ihm sind auch alle dafür anfallenden

16 Vgl. Pfohl/Schäfer, 1998, S. 58.


17 Incoterms: International Commercial Terms.
18 Vgl. Becker, 1992.
196 9 Beschaffungslogistik

Logistikkosten zu übernehmen. Die Leistungen des Versenders (Verkäufer,


Hersteller) enden mit der Beladung des Transportmittels. Es liegt somit eine
Ausprägung des Holprinzips vor.
x Free On Board (FOB): Alle logistischen Leistungen bis Übernahme Seeschiff
hat der Versender (Verkäufer) zu erbringen. Gefahren- und Kostenübergang er-
folgen an der Schiffsreling im Ladehafen. Die sich daran anschließenden Lo-
gistikaktivitäten fallen in den Zuständigkeitsbereich des Käufers. Es wird vor-
geschlagen, nur noch bei der Verschiffung von Stück- und Massengütern mit
konventionellen Seeschiffen diese Klausel und bei der Beförderung von Con-
tainern im Seeverkehr stattdessen die Klausel FCA (Free Carrier, frei Fracht-
führer) zu verwenden, wobei der Frachtführer hier die Reederei bzw. der Ter-
minalbetreiber ist, der die Verladung vornimmt. In gleicher Weise sollte auch
im Luftverkehr die Klausel FCA statt FOB verwendet werden, da der Verkäu-
fer nicht tatsächlich an Bord des Flugzeuges liefern kann, sondern bereits zuvor
eine Übergabe an den Luftfrachtführer erfolgt.19
x Cost, Insurance, Freight (CIF): Alle logistischen Leistungen bis zum angegebe-
nen Bestimmungshafen werden vom Versender (Verkäufer) bestimmt und ge-
tragen. Ebenso übernimmt der Verkäufer die Prämienzahlung für die Trans-
portversicherung. Die entsprechenden Kosten sind vom Verkäufer in den
Verkaufspreis einzukalkulieren. Für die nachfolgenden Logistikleistungen ab
Bestimmungshafen ist der Käufer verantwortlich.
x Carriage Paid To (CPT): Der Versender (Verkäufer) bestimmt alle Logistikleis-
tungen bis zur im Kaufvertrag festgelegten Bestimmungsstation des Waren-
empfängers.
x Delivered Duty Paid (DDP): Alle logistischen Leistungen bis zum Warenemp-
fänger werden vom Versender (Verkäufer), der auch die Verzollung vorzu-
nehmen hat, selbst bestimmt. Sowohl bei dieser Klausel als auch bei CPT über-
nimmt der Versender (Verkäufer) die (gesamte) Verkehrsdisposition und die
Erstellung der Versandpapiere.20 Die operativen Aktivitäten werden entweder
im Namen und für Rechnung des Versenders von beauftragten Frachtführern
oder durch eigene Fahrzeuge vorgenommen. Die Kosten für die Erbringung der
Logistikleistungen sind in den Verkaufspreis einzukalkulieren. Die Anwendung
dieser Klauseln bedeutet eine Realisierung des Bringprinzips.
Besondere Berücksichtigung gilt den Überlegungen der Beschaffungslogistik
bei Preisverhandlungen, die die Aushandlung von Mengenrabatten zum Ziel ha-
ben. Allzu häufig kommt es noch vor, dass der Einkäufer durch den Einkauf gro-
ßer Mengen einen niedrigeren Einstandspreis erzielt, ohne zu berücksichtigen,

19 Vgl. Becker, 1992, S. 340f.


20 Die Klauseln CPT und DDP unterscheiden sich (außer durch die Verzollung) vor allem
dadurch, dass bei CPT der Zeitpunkt bzw. Ort des Kostenübergangs im Kaufvertrag beliebig
festgelegt werden kann, während bei DDP der Kostenübergang immer am benannten Be-
stimmungsort im Einfuhrland erfolgt.
9.2 Beschaffungslogistik und Instrumente der Beschaffungspolitik 197

dass diese Mengen dann über lange Zeit Kapital binden und große Lagerkosten
verursachen.
Werden Kaufverträge gemäß Kaufvertragsformen mit speziellen Erfüllungs-
vereinbarungen (Rahmenverträge, Abrufverträge, Sukzessivlieferungsverträge,
Konsignationsbezug usw.) abgeschlossen, so sind gerade logistische Tatbestände
häufig Gegenstand dieser besonderen Vereinbarung. Beispielsweise werden in
Sukzessivlieferungsverträgen die Mengen festgelegt, die zu bestimmten Terminen
abzunehmen sind. Beim Konsignationsbezug hält der Lieferant einen Lagerbe-
stand in der Nähe des Bedarfsträgers, aus dem dieser je nach Bedarf Material ent-
nehmen kann. Ein typisches Beispiel ist auch das bereits beschriebene Lie-
ferabrufsystem in der produktionssynchronen Beschaffung, in dem die
Lieferabrufe oft sehr eng begrenzte Anlieferzeitfenster enthalten.
Beziehungen zwischen Konditionenpolitik und Beschaffungslogistik können
auch bei Gegengeschäften auftreten, bei denen die Gegenleistung des abnehmen-
den Unternehmens nicht in Form von Geld, sondern in Form von Gütern erbracht
wird.

Kommunikationspolitik
Die Kommunikationspolitik soll dem Lieferanten die Ideen und Absichten der Be-
schaffungspolitik verdeutlichen. Ihr Ziel besteht darin, die Leistungsfähigkeit, Lie-
ferwilligkeit und Vertragstreue der Anbieter zu gewinnen, zu erhalten und zu er-
höhen. Beziehungen zwischen Kommunikationspolitik und Beschaffungslogistik
bestehen lediglich in sehr allgemeiner Weise, beispielsweise setzt die enge Zu-
sammenarbeit zwischen Lieferant und Abnehmer bei der produktionssynchronen
Anlieferung gerade leistungsfähige, lieferwillige und vertragstreue Lieferanten vo-
raus. Die Kommunikationspolitik kann so dazu beitragen, dass man Lieferanten
gewinnt, die den beschaffungslogistischen Anforderungen entsprechen. Ein typi-
sches Instrument der Kommunikationspolitik ist die Durchführung so genannter
Lieferantentage, zu denen das beschaffende Unternehmen derzeitige und potenti-
elle Lieferanten einlädt und mit ihnen Problemlösungsgespräche, die auch be-
schaffungslogistische Probleme betreffen können, führt bzw. Möglichkeiten zu-
künftiger Zusammenarbeit diskutiert.

Bezugspolitik
Wie zwischen den Absatzkanälen und der Distributionslogistik, so bestehen auch
zwischen Beschaffungskanälen und der Beschaffungslogistik besonders enge Be-
ziehungen. Eine wesentliche Entscheidung der Bezugspolitik betrifft die Festle-
gung des Beschaffungsweges (Direktbezug, Beschaffung über Beschaffungshelfer
oder den Großhandel), auf dem die Einsatzgüter bezogen werden sollen, wobei
diese Entscheidung stark von der Absatzwegepolitik der Lieferanten bestimmt
wird. Aufgrund der Analogie zwischen den entsprechenden Entscheidungen in der
Distributions- und Bezugspolitik können die Ausführungen zur Distributionspoli-
198 9 Beschaffungslogistik

tik hier übertragen werden. 21 Lediglich zwei Punkte sollen besonders hervorgeho-
ben werden, nämlich das Problem der Anzahl der Lieferanten und das Problem ih-
rer geographischen Anordnung bzw. Streuung.
Eine große Anzahl von Lieferanten vermindert das Risiko der Abhängigkeit
und schützt so beispielsweise vor Lieferausfällen durch Produktionsstörungen bei
einzelnen Lieferanten. Sie belastet aber sehr stark das System der Beschaffungslo-
gistik und führt zu einer hohen Komplexität. Eine Reduzierung der Anzahl der
Lieferanten bietet Möglichkeiten zur Reduzierung der Koordinations- und Logis-
tikkosten. Die Material- und Informationsflüsse vom Lieferanten zum Abnehmer
können – insbesondere durch organisatorische Maßnahmen und eine bessere ge-
genseitige Abstimmung durch unternehmensübergreifende Planung und Steuerung
– effizienter gestaltet werden. Wenn besonders enge Beziehungen zum Lieferan-
ten aufgebaut werden müssen, wie das beispielsweise im Fall der produktionssyn-
chronen Anlieferung der Einsatzgüter erforderlich ist, ist eine Verminderung der
Lieferantenanzahl unumgänglich. Dies zeigt sich in dem Trend zum Single Sour-
cing oder Double Sourcing22, der Beschränkung auf einen oder zwei Lieferanten
für den Gesamtbedarf einer bestimmten Einsatzgüterart, der stark mit den Konzep-
ten der Just-in-Time-Produktion und -Beschaffung verbunden ist.
Ähnliche Überlegungen lassen sich anstellen bei der Frage nach der geographi-
schen Anordnung bzw. Streuung der Lieferanten. So bietet eine internationale Be-
schaffung – ein entsprechendes Beschaffungskonzept wird häufig als Global
Sourcing bezeichnet – Chancen zur Ausnutzung von Preis- und Wechselkursvor-
teilen sowie zur Sicherung von Lieferkapazitäten in Zeiten der Marktverknappung.
Ferner kann das Beschaffungsrisiko, z. B. aufgrund von Streiks, durch den Ein-
kauf bei Lieferanten auf geographisch unterschiedlichen Beschaffungsmärkten
gemindert werden. Dem stehen längere Transportentfernungen und damit verbun-
den auch höhere Transportkosten, längere Lieferzeiten, größere Unterwegsbestän-
de und eine geringere Lieferzuverlässigkeit gegenüber. 23 In der Regel nimmt bei
wachsender Transportentfernung die Notwendigkeit zu, unterschiedliche Ver-
kehrsträger einsetzen zu müssen und eine zunehmende Zahl von Transaktions-
partnern, beispielsweise spezialisierte Logistikunternehmen, einzubeziehen. Ent-
sprechend steigt auch die Komplexität der Informationsflüsse in Form von
Auftrags-, Transport- und Handelsdokumenten, so dass auch die Kosten der Koor-
dination tendenziell ansteigen.
Grundsätzlich gilt deshalb, dass aus Sicht der Beschaffungslogistik eine Kon-
zentration der Beschaffung auf Lieferanten, die in möglichst geringer Entfernung
zum Unternehmen liegen, vorteilhaft ist. Bei weiter entfernt liegenden Lieferanten

21 Siehe Abschn. 11.2.


22 Wobei Double Sourcing gegenüber dem Single Sourcing den Vorteil bietet, einen gewissen
Wettbewerb zwischen den Lieferanten zu erhalten und die Abhängigkeit von diesen etwas zu
verringern, Häufig wird eine Quotierung derart vorgenommen, dass 70% des Einkaufsvolu-
mens der Erstlieferant und 30% der Zweitlieferant erhält. Vgl. Large, 2013, S. 135.
23 Vgl. Pfohl/Large, 1991.
Literatur 199

bietet sich diesbezüglich die Einrichtung eines externen Beschaffungslagers in der


Nähe des Bedarfsträgers an, das häufig von einem Logistikunternehmen betrieben
wird. 24 Das externe Beschaffungslager ist vor allem in den Fällen vorteilhaft,
wenn die jeweils abgerufenen Liefermengen von weit entfernten Lieferanten keine
wirtschaftliche Transportlosgröße ergeben. Die Versorgung des Bedarfsträgers er-
folgt dann aus dem Beschaffungslager, während der Lieferant mehrere Einzelbe-
darfe zu einem Transportlos zusammengefasst von seinem Standort in das Be-
schaffungslager transportiert. Bei einer größeren geographischen Streuung der
Lieferanten (wobei jedoch wenigstens jeweils mehrere Lieferanten in einer gewis-
sen räumlichen Nähe zueinander angeordnet sein sollten) kann auch das Ge-
bietsspediteurkonzept25 eingesetzt werden. Voraussetzung dafür ist, dass eine Lie-
ferung ab Werk vereinbart wird und der Abnehmer so die Transportverantwortung
innehat. Das Konzept sieht vor, das Beschaffungsgebiet in Regionen zu unterteilen
und die in einer Region ansässigen Lieferanten jeweils einem logistischen Dienst-
leister – dem Gebietsspediteur – zuzuordnen. Dieser organisiert Sammeltouren,
konsolidiert die Einzelsendungen verschiedener Lieferanten in einem Konzentra-
tionspunkt und transportiert von dort die Lieferungen im Hauptlauf als zielreine
Komplettladung oder Ganzzug zum Abnehmer. Der Transport kann hierbei auch
in Form des Milkrun organisiert werden.26 Die Lieferungen werden nacheinander
bei definierten Lieferanten abgeholt und gebündelt zum Abnehmer transportiert.
So können Komplettladungen ermöglicht werden, ohne dass zusätzliche Handha-
bung in Umschlagspunkten erzeugt wird.

Literatur
Arnold U (1997) Beschaffungsmanagement. 2., überarb. und erw. Aufl. Stuttgart
Becker K G (1992) Incoterms und Beförderungsfrankaturen. Bedeutung und In-
terdependenzen aus Verladersicht. In: Internationales Verkehrswesen 44 9,
S. 340-344
Grochla E (1990) Grundlagen der Materialwirtschaft. Das materialwirtschaftliche
Optimum im Betrieb. 3., gründl. durchges. Aufl., unveränd. Nachdruck. Wies-
baden
Koppelmann U (2004) Beschaffungsmarketing. 4., neu bearb. Aufl. Berlin u.a.
Large R (2013) Strategisches Beschaffungsmanagement. Eine praxisorientierte
Einführung. Mit Fallstudien. 5., vollst. überarb. Aufl. Wiesbaden
Meißner S (2013) Schlanke Materialversorgungsprozesse am Beispiel eines Nutz-
fahrzeugherstellers. In: Günthner W A, Boppert J (Hrsg) Lean Logistics. Me-

24 Siehe dazu die Einordnung des Beschaffungslagers in den Güterfluss in Teil I, Abb. 1.6.
25 Vgl. Wildemann, 1995, S. 103ff.
26 Vgl. Meißner, 2013, S. 302f.
200 9 Beschaffungslogistik

thodisches Vorgehen und praktische Anwendung in der Automobilindustrie.


Berlin/Heidelberg, S. 293-304
Pfohl H-Chr, Large R (1991) Internationale Beschaffung. Einflußfaktor Logistik.
In: Beschaffung aktuell o. Jg. 6, S. 22-30
Pfohl H-Chr, Schäfer Chr (1998) Analyse des Beschaffungsverhaltens von Indust-
rie- und Handelsunternehmen zur Aufdeckung von Zeitpuffern im Beschaf-
fungsentscheidungsprozeß – Ergebnisse einer Unternehmensbefragung. Ar-
beitspapiere zur Unternehmensführung und Logistik Nr. 24. Fachgebiet
Unternehmensführung, Institut für Betriebswirtschaftslehre, Technische Uni-
versität Darmstadt. Darmstadt
Wildemann H (1995) Das Just-in-Time-Konzept. Produktion und Zulieferung auf
Abruf. 4. Aufl. München
10 Produktionslogistik

10.1 Definition und Konzeption der Produktionslogistik

Definition
Entsprechend der Gliederung der Unternehmenslogistik nach den Phasen des Gü-
terflusses ist die Produktionslogistik zwischen der Beschaffungs- und der Distri-
butionslogistik angeordnet und verbindet diese miteinander. Die Produktionslogis-
tik umfasst alle Aktivitäten, die in einem Zusammenhang mit der Versorgung des
Produktionsprozesses mit Einsatzgütern (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie
Halbfertigerzeugnisse und Kaufteile) und der Abgabe der Halbfertig- und Fertig-
erzeugnisse an das Absatzlager stehen.
Die Objekte der Produktionslogistik sind dadurch gekennzeichnet, dass sie in-
nerhalb der Fertigung durch die Be- und Verarbeitung einem ständigen Wandel
unterliegen und somit im Verlauf des Güterflusses unterschiedliche Anforderun-
gen an die Logistik stellen. Produktionsvorgänge und logistische Aktivitäten sind
eng miteinander verknüpft, teilweise sogar untrennbar miteinander verbunden. 1
Dies ist dann der Fall, wenn während der Lagerung und/oder während des Trans-
portes ein Gut auch qualitativ verändert wird. Solche Überschneidungen sind häu-
fig in der chemischen Industrie anzutreffen. Betont wird diese enge Verknüpfung
auch dann, wenn als Aufgabenbereich der Produktionslogistik der (innerbetriebli-
che) Materialfluss genannt wird. Denn gemäß der Definition des Begriffes Materi-
alfluss werden nicht nur die Vorgänge des Transportierens, Lagerns und Handha-
bens, sondern auch die Bearbeitung der Erzeugnisse als dem Materialfluss
zugehörig betrachtet.2
Eine Abgrenzung von Produktion und Logistik ist möglich, wenn das Bereit-
stellen von Produktionskapazitäten in der erforderlichen Kapazität (quantitativ und
qualitativ) und Flexibilität als Aufgabe der Produktion definiert wird. Teil dieser
Aufgabe ist es ferner, vorhandene Produktionskapazitäten zu pflegen und zukünf-
tige zu entwickeln. Dazu sind die Produktionsprozesse so zu gestalten, dass die
Produktionstechnologie (z. B. verschiedene Stufen der Automatisierung) auf die
Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Mitarbeiter abgestimmt ist. Die Pflege der
vorhandenen Produktionskapazitäten hat durch entsprechende Instandhaltungs-
und Wartungsmaßnahmen zu erfolgen. Schließlich hat sich die Produktion damit

1 Vgl. Günther/Tempelmeier, 2012, S. 9.


2 Vgl. Jünemann/Schmidt, 2000, S. 5f. Neben den genannten Vorgängen zählen auch Prüfen,
Verpacken und Fördern zum Materialfluss.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018


H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4_10
202 10 Produktionslogistik

auseinanderzusetzen, wie zukünftige Produktionskapazitäten sowohl unter Aus-


nutzung des technischen Fortschritts als auch unter Berücksichtigung des gesell-
schaftlichen Wandels entwickelt werden können.
Aufgabe der Logistik entsprechend dieser Sicht ist es, die Produktionskapazitä-
ten zu nutzen. Dazu muss die Produktion zunächst einmal die von der Distributi-
onslogistik benötigten Güter produzieren. Die Beziehungen zwischen Produktion-
und Distributionslogistik werden stark davon abhängen, ob für den anonymen
Markt (Marktproduktion) oder für bestimmte Kunden (Kunden- oder Auftragspro-
duktion) produziert wird. In beiden Fällen stellt die Produktionslogistik der Pro-
duktion im Rahmen der internen Materialbereitstellung das für die Produktions-
prozesse benötigte Material bereit. Die externe Materialbereitstellung betrifft den
Materialfluss vom Lieferanten zum Unternehmen und ist Aufgabe der Beschaf-
fungslogistik. Die Schnittstelle zur Beschaffungslogistik auf der Ebene des Güter-
flusses wird durch die Warenannahme mit oder ohne Eingangslager (Beschaf-
fungslager) bzw. durch die Bereitstellung der Einsatzgüter an der ersten
Produktionsstufe unmittelbar durch den Lieferanten gebildet. 3 Die entsprechende
Schnittstelle zur Distributionslogistik ist durch die Übergabe der Fertigerzeugnisse
an das Absatzlager bzw. den Versand gegeben.
Je nach Größe des Unternehmens kann es zweckmäßig sein, eine Unterteilung
der Produktionslogistik nach räumlichen Merkmalen in eine innerapparative (in-
nerhalb einzelner Produktionsanlagen), eine innerbetriebliche, eine zwischenbe-
triebliche und eine zwischenwerkliche Logistik vorzunehmen.4 Die zwei letztge-
nannten Ausprägungen der Produktionslogistik, die bei Aufteilung der Fertigung
auf mehrere Betriebsstätten am gleichen Standort oder bei Fertigung an mehreren
Standorten auftreten, weisen hinsichtlich der Gestaltung der Güter- und Informati-
onsflüsse Ähnlichkeiten zur Beschaffungs- und Distributionslogistik auf.

Konzeption
Das Systemdenken ist angesichts der genannten engen Verknüpfung logistischer
Prozesse mit Produktionsprozessen eine wesentliche Voraussetzung, um optimale
Gesamtlösungen zu erreichen. In der Vergangenheit wurde dies oft vernachlässigt.
So wurden die nacheinander folgenden Produktionsschritte zwar in sich optimal
gestaltet, eine gegenseitige Abstimmung fehlte jedoch, so dass eine Abschirmung
der einzelnen Produktionsschritte voneinander durch Puffer notwendig wurde. 5
Über die produktionslogistischen Zusammenhänge hinaus sind auch die Schnitt-
stellen zu anderen logistischen Subsystemen zu betrachten. Ein Beispiel ist die
Anlieferung der Einsatzgüter der Produktion durch den Lieferanten direkt an die

3 Vgl. Ihde, 2001, S. 278f.


4 Vgl. Endlicher, 1981, S. 26.
5 Zu einem auf dem Systemdenken beruhenden Betrachtungsraum der Fabrikplanung mit den
Dimensionen Planungsphasen des Fabriklebenszyklus, Planungsobjekte und Planungsin-
strumente vgl. Schenk und Wirth, 2004, S.27.
10.1 Definition und Konzeption der Produktionslogistik 203

erste Produktionsstufe. In diesem Fall haben Entscheidungen im Bereich der Pro-


duktion direkten Einfluss auf die Schnittstelle zur Beschaffungslogistik.
Die Anwendung des Gesamt- oder Totalkostendenkens in der Produktionslogis-
tik, also die Erfassung aller für eine produktionslogistische Entscheidung relevan-
ten Kosten, ist gerade aufgrund der engen Verknüpfung von Produktions- und Lo-
gistikprozessen besonders schwierig. Ein typisches Beispiel sind die Maßnahmen
zur Senkung der Bestände in der Produktion. Sie bedingen in der Regel eine Ver-
kleinerung der Losgrößen in der Produktion, häufigere Wechsel der produzierten
Produkte und entsprechend häufigere Rüstvorgänge. Geringeren Bestandskosten
stehen dann höhere Loskosten, die durch die auflagenfixen Rüstkosten bestimmt
werden, entgegen. Ferner können die kleineren Produktionslose zu einer Zunahme
der Anzahl der innerbetrieblichen Transportvorgänge und somit zu höheren
Transportkosten führen. Zu berücksichtigen sind auch Serviceniveaukosten, die
durch ein zu niedriges Versorgungsserviceniveau und daraus resultierenden Stö-
rungen (Unterbrechungen, Notwendigkeit der Änderung der Auftragsreihenfolge)
des Produktionsablaufs entstehen. Darüber hinaus können diese Störungen bei ei-
ner weitgehenden Reduzierung der Bestände und einer engen Verkettung von Pro-
duktions- und Distributionslogistik auch negative Auswirkungen auf das Liefer-
serviceniveau haben und zu Fehlmengenkosten führen.
Das Servicedenken in der Produktionslogistik bedeutet eine Übertragung des
Denkens in Lieferanten-Kunden-Beziehungen von einer primär nach außen, auf
unternehmensübergreifende Güterflüsse gerichteten Sicht, auf die innerhalb eines
Unternehmens verlaufenden Güterflüsse zur Versorgung der Produktion. Die Be-
darfsträger oder Kunden der Produktionslogistik sind die einzelnen Produktivein-
heiten6 des Produktionssystems. Die Distributionslogistik kann als Kunde am En-
de des Produktionsprozesses gesehen werden. Lieferanten sind entweder die
jeweils vorgelagerten Stufen innerhalb des Produktionsprozesses oder die Be-
schaffungslogistik. Die Anforderungen bezüglich der Höhe des Serviceniveaus der
Produktionslogistik werden durch die Ziele der genannten Kunden bestimmt.
Hierbei reflektieren die Anforderungen der Distributionslogistik die an sie gestell-
ten Lieferserviceanforderungen der externen Kunden des Unternehmens. Ein typi-
sches Beispiel dafür ist die so genannte kundennahe Produktion. Sie fordert hohe
Flexibilität und kurze Durchlaufzeiten in den Produktionsbereichen, wobei pro-
duktionslogistische Maßnahmen zur Verringerung der Durchlaufzeit in erster Li-
nie an einer Verringerung der Übergangszeiten, bestehend aus Liege-, Transport-
und Kontrollzeiten, zwischen den Bearbeitungsstufen ansetzen können.7 Betrach-
tet man nicht die aus den Anforderungen der Distributionslogistik abgeleiteten
Ziele, sondern die Serviceanforderungen der einzelnen Produktiveinheiten, kön-

6 Vgl. Küpper/Helber, 2004, S. 6; Günther/Tempelmeier, 2012, S. 7. Produktiveinheiten (bzw.


Arbeitssysteme) sind die kleinsten selbstständigen organisatorischen Einheiten in einem
Produktionssystem.
7 Zu den Durchlaufzeiten in der Produktion und den Möglichkeiten ihrer Beeinflussung vgl.
Vahrenkamp, 2008, S. 181ff.; Thonemann, 2015, S. 161f.
204 10 Produktionslogistik

nen durchaus andere Versorgungsserviceziele abgeleitet werden. Wird beispiels-


weise für eine bestimmte Produktiveinheit das Ziel der maximalen Kapazitätsaus-
lastung verfolgt, haben aus Sicht dieses Kunden die Versorgungsserviceelemente
Zeit und Flexibilität eine geringere Bedeutung. Welche Ziele verfolgt werden,
wird in erheblichem Maße von der Produktionsplanung und -steuerung, die eine
wichtige Schnittstelle zwischen Logistik und Produktion bildet, beeinflusst.8

10.2 Produktionslogistik bei verschiedenen Produktionstypen

Einfluss der Produktion auf die Produktionslogistik


Unmittelbaren Einfluss auf die Produktionslogistik haben sowohl die Gestaltung
des Produktionssystems als auch die Gestaltung des Produktionsplanungs- und
Produktionssteuerungssystems (PPS-System), wobei zwischen beiden Gestal-
tungsbereichen Interdependenzen bestehen. 9 Zur Beschreibung der unterschiedli-
chen realen Erscheinungsformen von Produktionssystemen ist zweckmäßiger-
weise zwischen programmbezogenen und prozessbezogenen Produktionstypen zu
differenzieren, 10 da mit jedem Produktionstyp unterschiedliche Einflüsse für die
produktionslogistischen Güterflüsse verbunden sind. Die programmbezogenen
Produktionstypen orientieren sich an der Outputseite des Produktionssystems. Als
Merkmale zur Typenbildung dienen die Produkteigenschaften, die Anzahl der Er-
zeugnisse und die Auflagengröße. Die Unterscheidung prozessbezogener Produk-
tionstypen erfolgt anhand der organisatorischen Anordnung der Arbeitssysteme
(Organisationstypen der Fertigung) und der Struktur der Produktionsprozesse
(Form und Kontinuität des Materialflusses sowie Ortsbindung der Produkte).
Ein Ergebnis der Entscheidungen über Produktionsprogramm und -prozess ist
die Stärke und Struktur des Material- und Güterflusses. Daraus können die aus
Sicht der Produktionslogistik wichtigen Transportintensitäten bestimmt werden.
Die Transportintensität mij gibt an, welche auf ein bestimmtes Einheitstransportgut
(beispielsweise Standardpalette) bezogene Gütermenge von einer Produktiveinheit
i zu einer Produktiveinheit j (mit i, j = 1 ... m, wobei m gleich Anzahl der Produk-
tiveinheiten) pro Zeiteinheit zu transportieren ist. Die Darstellung der Stärke und
Struktur des Materialflusses und der entsprechenden Transportintensitäten kann
durch Materialflussmatrizen (im Zusammenhang der Fabrikplanung auch Von-

8 Zur Frage der Zuordnung der Aufgaben der Produktionsplanung und -steuerung zu den Be-
reichen Produktion oder Logistik vgl. Hahn, 1989, S. 41. Für eine Übersicht verschiedener
Systeme der Produktionsplanung und -steuerung vgl. Thonemann, 2015, S. 279ff.; Pfohl,
2016, S. 138ff.
9 Vgl. Ihde, 2001, S. 278f. Zum Zusammenhang zwischen Produktionstypen und Verfahren
der Produktionsplanung und -steuerung vgl. die ausführliche Darstellung bei Vahrenkamp,
2008, S. 110ff.
10 Zur Bildung von Produktionstypen vgl. Günther/Tempelmeier, 2012, S. 10ff.
10.2 Produktionslogistik bei verschiedenen Produktionstypen 205

Nach-Matrizen genannt11) und Materialflussgraphen – mit Produktiveinheiten als


Knoten und die sie verbindenden Materialflüsse als Kanten des Graphen – erfol-
gen. Die Bedeutung der Transportintensitäten ist darin zu sehen, dass sie – in Ver-
bindung mit den entsprechenden Transportentfernungen – die zu erbringende
Transportleistung bestimmen und einen Einfluss auf die Höhe der Materialfluss-
kosten haben. Ferner ist ihre Kenntnis die Grundlage der Layoutplanung (innerbe-
triebliche Standortplanung) des Produktions- und Logistiksystems.
Die Bestimmung der Transportintensitäten ist zu ergänzen durch eine Betrach-
tung des Zusammenhangs zwischen der Struktur des Produktionsprozesses und
der Anzahl sowie der Anordnung von Lagern im Material- und Güterfluss. Von
Bedeutung sind dabei die Stufigkeit und die Vergenztypen – glatt, konvergierend,
divergierend und umgruppierend 12 – der Produktion sowie die Unterscheidung
zwischen kontinuierlicher und diskontinuierlicher Produktion. In vielen Fällen ist
die Einrichtung von Produktionslagern (Zwischenlagern) aufgrund technischer
Bedingungen notwendig (prozessbedingte Liegezeiten) oder wirtschaftlich sinn-
voll.
Nach der Darstellung der grundlegenden Zusammenhänge zwischen den Pro-
duktionstypen und den produktionslogistischen Material- und Güterflüssen wird
nachfolgend auf einzelne Produktionstypen näher eingegangen.

Organisationstypen der Fertigung


Als Organisationstypen der Fertigung lassen sich Werkstatt-, Fließ- und Zentren-
fertigung13 unterscheiden.
Kennzeichen einer Werkstattfertigung ist die Anordnung der Produktiveinhei-
ten nach dem Verrichtungsprinzip. Die Produktiveinheiten, die gleichartige Bear-
beitungsaufgaben erfüllen, werden räumlich und organisatorisch zu einer Einheit,
der Werkstatt, zusammengefasst. Jeder Fertigungsauftrag muss entsprechend der
Reihenfolge der an den Werkstücken zu vollziehenden Bearbeitungsvorgänge zu
den einzelnen Werkstätten transportiert werden. Dabei kann es durchaus vorkom-
men, dass ein Auftrag mehrfach zu derselben Werkstatt transportiert werden muss.
Dies führt zu einer Vielzahl von Transportvorgängen, wie Abb. 10.1 verdeutlicht.
Typisch ist dabei der diskontinuierliche Transport des Materials in Losen unter-
schiedlicher Auflagenhöhe zu der jeweils nächsten Produktiveinheit, woraus die
Notwendigkeit zur Zwischenlagerung resultiert. Ein weiterer Grund für das Ent-
stehen von Zwischenlagerbeständen ist die Schwierigkeit, Arbeits- und Transport-
vorgänge exakt aufeinander abzustimmen, so dass Aufträge entweder vor einer
Produktiveinheit auf die Bearbeitung oder nach erfolgter Bearbeitung auf den
Weitertransport warten. Hinzu kommt bei einer geringen Möglichkeit zur Ablauf-

11 Vgl. Grundig, 2008, S121ff. Dort wird auch eine ausführliche Beschreibung weiterer Dar-
stellungstechniken für Transportbeziehungen gegeben.
12 Vgl. Küpper und Helber, 2004, S.9.
13 Zu den Organisationstypen der Fertigung vgl. Günther/Tempelmeier, 2012, S. 13ff.
206 10 Produktionslogistik

Modellieren
Modellieren Schleifen Dekorieren

M1 M2 S1 S2 D1 D2 D3

Tasse

Teller

Brennen Putzen

B1 B2 P1 P2

Werkstätten Arbeitssysteme

Abb. 10.1 Produktion von Porzellan als ein Beispiel des Materialflusses bei Werkstattferti-
gung

standardisierung – unterschiedliche Produktarten und hohe Individualität der Fer-


tigungsaufträge beanspruchen die Kapazitäten in unterschiedlicher Weise – das
Problem, Kapazitätsbedarf und -angebot unter Beachtung der Liefertermine opti-
mal aufeinander abzustimmen. In der Regel besteht hier eine konkurrierende Ziel-
beziehung zwischen den ablauforganisatorischen Zielsetzungen der Minimierung
der (mittleren) Durchlaufzeit der Aufträge (und damit auch des Materials) und der
Maximierung der Kapazitätsauslastung des Produktionssystems. Dieser Sachver-
halt wird als Dilemma der Ablaufplanung oder -steuerung bezeichnet.
Kennzeichen der Fließfertigung ist, wie Abb. 10.2 verdeutlicht, die Anordnung
der Produktiveinheiten nach dem Objektprinzip, also nach den Arbeitsplänen der
zu bearbeitenden Erzeugnisse. Ist die Reihenfolge der Bearbeitungsvorgänge für
jedes Werkstück gleich und sind die Produktiveinheiten entsprechend dieser Rei-
henfolge angeordnet, so wird das Flussprinzip realisiert. Eine Ausprägung des
Flussprinzips stellt die Reihenfertigung dar, bei welcher der Arbeitsfortschritt oh-
ne unmittelbare zeitliche Bindung der Arbeitsgänge erfolgt. Ist eine zeitliche Bin-
dung (Taktung) gegeben, wird unterschieden zwischen der Fließfertigung i. e. S.,
bei der eine Verkettung der Produktiveinheiten durch selbständige Fördereinrich-
tungen vorliegt und der Transferstraße, bei der eine Verkettung der Bearbeitungs-
10.2 Produktionslogistik bei verschiedenen Produktionstypen 207

M1 M2 M3 M4

M1 M2 M3 M4

M8 M7 M6 M5

Fließband für die Montage

M8 M7 M6 M5

M9 M10 M11 M12

M9 M10 M11 M12

M1 Arbeitssysteme

Abb. 10.2 Montage von Personenkraftwagen als ein Beispiel des Materialflusses bei Fließfer-
tigung

stationen zu einem automatisierten Gesamtsystem gegeben ist. Typisch für diese


beiden Organisationstypen ist der kontinuierliche Transport des Materials. Da
Fehlmengen hier anders als bei der Werkstattfertigung aufgrund der Verkettung
der Produktiveinheiten den gesamten Produktionsprozess berühren, steht die Ma-
terialbereitstellung vor allem unter dem Gebot der permanenten Verfügbarkeit der
Einsatzgüter. Diese wird durch Betriebsmittelstillstand, Werkzeug- und Personal-
ausfall u. ä. ständig bedroht, weshalb auch Pufferlager eingerichtet werden. Da der
Fertigungsprozess aufgrund der Taktung unter Zeitzwang erfolgt, werden zudem
große Anforderungen an den mechanisierten Transport und Umschlag gestellt.
Zwischen Werkstatt- und Fließfertigung steht die Zentrenfertigung (Gruppen-
fertigung). Bei ihr werden Produktiveinheiten unterschiedlicher Funktion räumlich
zusammengefasst, um eine möglichst vollständige Bearbeitung einer bestimmten
Gruppe (Teile- bzw. Erzeugnisfamilie) von einander ähnlichen oder fertigungs-
208 10 Produktionslogistik

technisch miteinander verwandten Erzeugnissen zu ermöglichen. Man bezeichnet


dieses Vorgehen auch als Fertigungssegmentierung.14 Es wird unterschieden zwi-
schen Flexiblen Fertigungssystemen (FFS), in denen numerisch gesteuerte Ma-
schinen durch ein automatisiertes Materialflusssystem verbunden sind und Ferti-
gungsinseln, die sich durch eine geringere Automatisierung auszeichnen. Die
räumliche Zusammenfassung führt dazu, dass die Transportwege erheblich ver-
kürzt werden und die zur Produkterstellung (oder Bearbeitung eines Auftrages) er-
forderliche Transportleistung entsprechend reduziert werden kann, wie Abb. 10.3
zeigt. Die räumliche Nähe ermöglicht Vereinfachungen bei der Durchführung der
Materialtransporte und trägt auch zu einer erhöhten Übersichtlichkeit des Produk-
tionsgeschehens und damit zu einer Vereinfachung der Produktionsplanung und -
steuerung bei. Potentielle Vorteile der Zentrenfertigung sind die Reduzierung der
Wartezeiten der Aufträge und der damit verbundenen Bestände in den Zwischen-
lagern sowie die Verkürzung der Durchlaufzeiten. Ein typisches Merkmal der Fer-
tigungsinseln ist die Funktionsintegration (Komplettbearbeitung). In Bezug auf die
produktionslogistischen Aufgaben bedeutet dies, dass die in einer Fertigungsinsel
arbeitenden Mitarbeiter neben ihren Produktionsaufgaben auch für den Transport
innerhalb der Fertigungsinsel, den Umschlag und die Lagerung des Materials zu-
ständig sind. Der Materialfluss zwischen den Fertigungsinseln erfolgt nach dem
Fließprinzip.15

Produktionsprogrammbezogene Produktionstypen
Nach dem Grad der Übereinstimmung der Produkte bzw. der Auflagengröße wird
zwischen Massen-, Sorten-, Serien- und Einzelfertigung unterschieden. In der
Massenfertigung hat die Produktionslogistik die Aufgabe, die Produktiveinheiten
über lange Zeiträume mit denselben Einsatzgütern zu versorgen. Notwendig sind
hier Logistiksysteme, die unter Ausnutzung eines hohen Mechanisierungsgrades
möglichst störungsfrei kontinuierlich dieselbe Leistung erbringen können. Bei der
Sortenfertigung16, einem Spezialfall der Massenfertigung, muss bei jedem Sorten-
wechsel der Produktionsprozess unterbrochen und die Produktionsanlage auf eine
neue Sorte umgestellt werden. Logistikrelevante Probleme sind hier die Festle-
gung der Sortenreihenfolge und der Fertigungslosgrößen, die einen Einfluss auf
die Höhe der entstehenden Lagerbestände haben. Bei der Serienfertigung17 tritt das

14 Die Trennung nach der Produktähnlichkeit (Produktarten, Produktionsvolumen, Produktions-


verfahren, Absatzstruktur) wird auch als vertikale Segmentierung bezeichnet. Als horizonta-
le Segmentierung bezeichnet man die Harmonisierung der Kapazitäten entlang des Material-
flusses. Vgl. Vahrenkamp, 2008, S. 55ff. und 274ff.
15 Zu einem Beispiel der Materialflüsse vor und nach der Fertigungssegmentierung vgl. Vah-
renkamp, 2008, S. 276.
16 Bei der Sortenfertigung werden verschiedene Ausprägungen einer Produktart zeitlich nach-
einander auf denselben Maschinen hergestellt. Vgl. Bloech u. a., 2007, S. 258.
17 Bei der Serienfertigung werden verschiedene, aber ähnliche Produktarten in festgelegten
Mengen gleichartiger Produkte produziert. Vgl. Bloech u. a., 2007, S. 258.
10.2 Produktionslogistik bei verschiedenen Produktionstypen 209

Fertigungsinsel für P1

AS 42 AS 51 AS 21

AS 12 AS 31 AS 22

Fertigungsinsel für P2
P1

P2 AS 52 AS 41 AS 32

P3

Fertigungsinsel für P3

AS 14 AS 61

AS 23 AS 15 AS 24

P1, P2, P3: Produkte/Produktarten Arbeitssysteme

Abb. 10.3 Materialfluss bei Zentrenfertigung (Quelle: Wäscher, 1993, S. 260)

Problem des Umrüstens der Produktionsanlagen noch häufiger auf. Daher stellt
die Planung der Fertigungslosgrößen eine wichtige Aufgabe dar. Die Logistiksys-
teme müssen bei diesem Produktionstyp flexibler als bei der Massenfertigung
sein. Das Erfordernis der Flexibilität der Produktionslogistik ist schließlich am
größten bei der Einzelfertigung, die fast immer aufgrund eines individuellen Kun-
denauftrags erfolgt. Das produktionslogistische System muss in der Lage sein, die
Produktiveinheiten mit bezüglich Art und Menge ständig wechselnden Einsatzgü-
tern zu versorgen.

Prinzipien der Materialbereitstellung


Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor der Gestaltung des produktionslogistischen
Systems, der mittelbar auch mit den beschriebenen Produktionstypen zusammen-
hängt, sind die der Steuerung des Materialflusses zu Grunde liegenden Prinzipien.
210 10 Produktionslogistik

Zu unterscheiden sind dabei die Prinzipien der physischen Materialbereitstellung


(Bring- und Holprinzip) und die Prinzipien der Steuerung (bedarfs- und ver-
brauchsgesteuerte Materialbereitstellung). Wird die Materialbereitstellung mit Hil-
fe des Bringprinzips realisiert, so werden die Produktiveinheiten durch speziell da-
für eingesetzte Mitarbeiter vom Materiallager aus versorgt. Wird dagegen das
Holprinzip angewendet, so muss der einer Produktiveinheit zugehörige Mitarbei-
ter diese selbst mit Material aus dem Materiallager versorgen.
Die Unterscheidung zwischen bedarfs- und verbrauchsgesteuerter Materialbe-
reitstellung knüpft daran an, wer den Materialfluss zur Materialbereitstellung aus-
löst. 18 Bei der bedarfsgesteuerten Materialbereitstellung wird ausgehend vom
Produktionsplan der Materialbedarf für die Fertigung der eingeplanten Aufträge
ermittelt. Daran anschließend werden Materialentnahmescheine (auch als Lage-
raufträge bezeichnet) erstellt, die im Lager eine Materialauslagerung auslösen. Die
Informationsübermittlung kann manuell (in Belegform) oder mittels EDV erfol-
gen. Das Material wird im Lager entsprechend der Auftragsmenge kommissioniert
und an die Produktiveinheiten weitergeleitet. Im Idealfall befindet sich in der Pro-
duktiveinheit nur das Material, das für die Bearbeitung der aktuellen Fertigungs-
aufträge notwendig ist.
Bei der verbrauchsgesteuerten Materialbereitstellung wird der Materialfluss
stets vom Verbrauch in der Produktiveinheit ausgelöst. Der Materialfluss wird al-
so von der verbrauchenden Stelle „angesaugt“. Dies geschieht im Allgemeinen
auftragsneutral, also nicht auf einen bestimmten Auftrag bezogen. Ziel dieses Sys-
tems ist es, die Versorgungssicherheit in der Produktiveinheit durch ausreichend
große, aber nicht überdimensionierte Materiallager sicherzustellen. Dazu wird für
jede Materialposition ein Wiederbestellpunkt definiert. Werden diese definierten
Materialbestände unterschritten, wird eine Materiallieferung festgelegten Umfangs
ausgelöst und die Bestände in der Produktiveinheit wieder aufgefüllt. Häufig wird
diese Steuersystematik an Behälterfüllmengen gekoppelt, so dass aus den verbrau-
chenden Einheiten leere Behälter an das Materiallager geschickt werden und diese
befüllt zurückkommen. Dieses System wird auch als KANBAN bezeichnet, wobei
KANBAN der japanische Ausdruck für Karte ist. Diese Karte ist häufig mit dem
Behälter verbunden und enthält Informationen über das zu liefernde Material, die
Menge, die Lieferzeit und den Verbrauchsort. Für die Bestimmung der Wiederbe-
stellpunkte sind dabei vor allem die Wiederbeschaffungszeit vom Lager und der
Verbrauch in der Produktiveinheit maßgebend.
Der oben erwähnte mittelbare Zusammenhang zwischen Bereitstellungsprinzi-
pien und Produktionstypen ist darin zu sehen, dass es bestimmte Kombinationen
gibt, die bezüglich ihrer jeweiligen Merkmale besser zueinander passen. Als Bei-
spiel ist die Materialbereitstellung in Fertigungsinseln zu nennen, die typischer-
weise dem Holprinzip folgt, da dies mit dem oben genannten Gedanken der Funk-
tionsintegration harmoniert. Außerdem besteht ein enger Zusammenhang

18 Siehe dazu Pfohl, 2016, S. 138ff. und die Methoden der Bedarfsermittlung in Teil II, Ab-
schn. 5.2.
10.2 Produktionslogistik bei verschiedenen Produktionstypen 211

zwischen den Prinzipien der Materialbereitstellung und der Produktionsplanung


und -steuerung. So stellt das KANBAN-System – als Realisation der verbrauchs-
gesteuerten Materialbereitstellung – ein wichtiges Konzept der dezentralen Pro-
duktionssteuerung dar.

Layout des Produktionssystems


In engem Zusammenhang mit den Produktionstypen steht auch das Layout des
Produktionssystems. Gegenstand der Layoutplanung (innerbetrieblichen Standort-
planung) für Produktionssysteme ist die Festlegung der räumlichen Anordnung
von ortsgebundenen Produktionssubsystemen auf einer in der Regel vorgegebenen
Fläche eines Produktionsstandortes.19 Dabei können verschiedene Ebenen der Pla-
nung unterschieden werden. Auf der oberen Ebene sind die innerbetrieblichen
Standorte für Produktionssegmente (Subsysteme des Produktionsbereichs) 20, d. h.
beispielsweise die Anordnung verschiedener Abteilungen – zum Beispiel Werk-
stätten – innerhalb des Produktionsbereichs, festzulegen. Auf der darunterliegen-
den Ebene geht es um die Bestimmung der Standorte der Produktiveinheiten in-
nerhalb der Produktionssegmente, also z. B. die Anordnung der Maschinen
zusammen mit den entsprechenden Arbeitsplätzen innerhalb einer Produktionsab-
teilung. Neben den Produktiveinheiten sind auch die Lager anzuordnen. Deshalb
bilden Produktiveinheiten und Lager zusammen die Menge der Anordnungsobjek-
te.
Zielsetzung bei der Anordnung ist die Minimierung der Materialflusskosten. Da
jedoch die Erfassung der relevanten Kosten in der Regel schwierig und wegen der
Länge des Bezugszeitraums der Planung mit erheblichen Unsicherheiten behaftet
ist, wird häufig die Transportleistung, ermittelt als Produkt aus Transportintensität
und -entfernung, als Beurteilungskriterium verwendet. Weitere Kriterien zur Beur-
teilung alternativer Layouts sind die Übersichtlichkeit und Einheitlichkeit der
Fließrichtung der Materialflüsse, die Flexibilität in Bezug auf wechselnde Anfor-
derungen der Produktion und der Grad der Raumausnutzung.21
Bei der Werkstattfertigung ist vor allem die obere Ebene der Layoutplanung,
also die Anordnung der Werkstätten innerhalb des Werkes, von Interesse. Denn es
sind besonders die Transportleistungen zwischen den Werkstätten zu erfassen. In-
nerhalb der Werkstätten finden zwischen gleichartigen Produktiveinheiten norma-
lerweise keine Materialflüsse statt, so dass die Frage der Anordnung der Produkti-
veinheiten hier von geringerer Bedeutung ist. 22 Zu bestimmen bleibt aber der
Standort der Zwischenlager (Puffer) in den Werkstätten.

19 Die Layoutplanung wird häufig als wesentlicher Bestandteil der Fabrikplanung gesehen.
Vgl. Schenk und Wirth, 2004, S. 273ff.
20 Vgl. Günther/Tempelmeier, 2012, S. 82f.
21 Vgl. Wäscher, 1998, S. 324.
22 Vgl. Wäscher, 1998, S. 331.
212 10 Produktionslogistik

Bei der Fließfertigung ist die Anordnung der Produktiveinheiten durch die Be-
arbeitungsreihenfolge an den Werkstücken bestimmt. Es existiert in dieser Hin-
sicht kein typisches Layoutproblem, jedoch spielen bei der Fließfertigung Puffer-
lager wegen ihrer Sicherungsfunktion eine wichtige Rolle, so dass im Rahmen der
Layoutplanung die Festlegung der Anzahl, der Standorte und der Kapazität der
Pufferlager von erheblicher Bedeutung ist.23
Bei der Zentrenfertigung kann entsprechend den Ebenen der Layoutplanung
zwischen der Bestimmung der Standorte der Zentren und der Festlegung der An-
ordnung der Produktiveinheiten innerhalb der Zentren (zentreninterne Layoutpla-
nung) unterschieden werden. Im Idealfall treten aufgrund der Komplettbearbei-
tung von Teilefamilien keine Güterflüsse zwischen den Zentren auf, so dass nur
die zentreninterne Planung notwendig ist. Die relative Lage der Produktiveinhei-
ten zueinander orientiert sich dabei typischerweise wieder an den durch die Trans-
portintensitäten beschriebenen Materialflussbeziehungen. Erheblichen Einfluss auf
die Wahl einer bestimmten Layout-Grundstruktur hat die Art des verwendeten
Transportsystems, das beispielsweise im Falle des Flexiblen Fertigungssystems
automatisiert ist. Die Standorte werden dann entlang der Wegführung des Trans-
portsystems angeordnet. 24 Bestehen auch zwischen den Zentren Güterflüsse, ist
eine zentrenexterne Layoutplanung notwendig, die analog zur Bestimmung der
Werkstattstandorte bei der Werkstattfertigung verläuft.

10.3 Verrichtungsspezifische Subsysteme der


Produktionslogistik

Transport
Einflussfaktoren der Gestaltung des innerbetrieblichen Transportsystems eines
Werkes sind das Transportgut, die Transportintensität, die Transportstrecke, ge-
setzliche Bestimmungen und besonders der Organisationstyp der Fertigung. 25 So
kommen bei der Fließfertigung ganz andere Transportmittel und technische
Hilfsmittel zum Einsatz als bei der Werkstattfertigung. Während dort in der Regel
mit Gabelstaplern, Elektrokarren, Handwagen, Aufzügen und Kränen gearbeitet
wird, macht die Fließfertigung den Einsatz von Stetigförderern wie Förderbän-
dern, Wandertischen, Rollenbahnen und Rutschen möglich. Die Entscheidung
zwischen der Verwendung von Stetig- und Unstetigförderern stellt ein grundle-
gendes Problem der Transportmittelwahl dar. 26 Dabei spielen neben den techni-
schen Beurteilungskriterien (Transportleistung, Tragfähigkeit, Maße des Trans-
portmittels usw.) die Kosten eine besondere Rolle, da sie bei automatisierten,

23 Vgl. Thonemann, 2015, S. 337.


24 Vgl. Wäscher, 1998, S. 333.
25 Zum außerbetrieblichen Transport zwischen den Werken siehe Teil II, Abschn. 8.1.
26 Zur Systematik der Transportmittel siehe Teil II, Abschn. 6.4.
10.3 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Produktionslogistik 213

kapitalintensiven Transportsystemen erheblich sein können. Ein hoher Mechani-


sierungs- und Automatisierungsgrad der Transportsysteme ist günstig bei Güter-
flüssen, die eine hohe Transportintensität und zeitliche Stabilität aufweisen. Ist
dagegen eine hohe Flexibilität – sowohl in Hinsicht auf die Kapazitäten als auch
in Bezug auf den Verlauf der Güterflüsse – erforderlich, ist zu untersuchen, inwie-
fern eine flexible Form der Automatisierung, beispielsweise ein fahrerloses Trans-
portsystem, eingesetzt werden kann oder ob eine einfachere, manuelle Lösung ge-
eigneter ist. Die Flexibilität des Transportsystems hat schließlich auch direkten
Einfluss auf die entstehenden Standortwechselkosten bei einer Veränderung des
Layouts des Produktionssystems.
Für die informatorische Einbindung des Transportsystems, d. h. die Sicherstel-
lung des Informationsflusses zur Begleitung des Transportprozesses, gibt es fol-
gende Möglichkeiten: Stationäre Transportmittel können über Datennetze mit ei-
ner Leitstelle verbunden werden, während nicht-stationäre Transportmittel (z. B.
Gabelstapler) mittels Datenübertragung per Funk oder Infrarot die Informationen
erhalten.
Umschlagsprozesse sollten soweit wie möglich reduziert und vereinfacht wer-
den, da sie einen erheblichen Teil der Logistikkosten in der Produktionslogistik
verursachen. Dazu ist es erforderlich, Maßnahmen in den verschiedenen funktio-
nellen logistischen Subsystemen miteinander zu kombinieren. So können Um-
schlagsprozesse zwischen zwei Transportprozessen durch eine geeignete Bildung
logistischer Einheiten wesentlich vereinfacht werden, wenn dadurch beispielswei-
se die Anwendung technischer Hilfsmittel möglich wird.
Die Transportprozesse hängen davon ab, wo sich die Lager zur Versorgung der
Produktiveinheiten (Arbeitssysteme) befinden – darauf wird im Folgenden beim
Subsystem Lagerhaus eingegangen – und wie die Versorgung erfolgt. Die Versor-
gung kann in der Werkerselbstversorgung, im Direkttransport oder als „Milkrun“
erfolgen.27 Die Transportintensität ist bei der Werkerselbstversorgung am größten,
weil der Produktionsmitarbeiter sich mit seinem Transportmittel von der Produk-
tiveinheit zum Lager und wieder zurück bewegen muss. Beim Direkttransport
wird der Bedarf von der Produktiveinheit an die Logistik gemeldet, die dann die
angeforderte Menge direkt anliefert. Beim „Milkrun“ ist die Transportintensität
am niedrigsten. Die Versorgung wird so organisiert, dass eine bestimmte Anzahl
von Produktiveinheiten in einer festen Route zu vorgegebenen Zeiten angefahren
und die Bedarfsmengen angeliefert werden. Gegebenenfalls wird Leergut einge-
sammelt und zum Materiallager zurücktransportiert.

Lagerhaltung
Die Funktionen des Subsystems Lagerhaltung innerhalb der Produktionslogistik
sind in Abb. 10.4 zusammengestellt. 28 Bei Produktionslagern ist es sinnvoll, zu-

27 Vgl. Brungs, 2012, S.15.


28 Zu den von den phasenspezifischen Subsystemen unabhängigen Funktionen der Lagerhal-
tung siehe Teil II, Abschn. 5.1.
214 10 Produktionslogistik

Ausgleichsfunktion Verkettungspuffer

produktions-
Sortierfunktion Dispositionspuffer
orientiert

Sicherungsfunktion Störungspuffer
Produktions-
lager

Flexibilitätsfunktion

absatz- Lieferverkürzungsfunktion
orientiert

Substitutionsfunktion

Abb. 10.4 Funktionen von Produktionslagern (Zwischenlagern)

nächst zwischen produktions- und absatzorientierten Funktionen zu unterscheiden.


Produktionsorientierte Produktionslager haben ihre Ursachen im Produktionsbe-
reich. Absatzorientierte Produktionslager haben ihre Ursachen im Absatzmarkt.29
Die Ausgleichsfunktion von Produktionslagern besteht darin, zwei Bearbei-
tungsstationen mit unterschiedlichem Input und Output miteinander zu verketten,
weshalb man die daraus resultierenden Lagerbestände auch als Verkettungspuffer
bezeichnet. Dispositionspuffer dienen dagegen der Sortierfunktion und Störungs-
puffer der Sicherungsfunktion. Die Sortierfunktion wird erfüllt durch die Mög-
lichkeit der Veränderung der Reihenfolge zu- und abfließender Lagerobjekte und
durch die Zusammenfassung oder die Zerlegung von Losen. Ein typisches Bei-
spiel für Dispositionspuffer sind die Zwischenlager vor und hinter einer Lackier-
anlage: „Um möglichst selten Farbwechsel durchzuführen, laufen die Teile nach
Farben gruppiert durch die Lackiererei. Die Lose werden dazu aufgeteilt, mitei-
nander kombiniert und in eine neue Reihenfolge gebracht. Nach der Lackierung
wird wieder sortiert, um montagegerecht anzuliefern.“ 30 Durch die Sicherungs-
funktion von Störungspuffern werden auftretende Störungen örtlich begrenzt.
In absatzorientierten Produktionslagern befinden sich fertige Teile oder Bau-
gruppen. Im Gegensatz zu produktionsorientierten entstehen absatzorientierte Pro-
duktionslager nicht vornehmlich aufgrund mangelnder Synchronisation zwischen
aufeinanderfolgenden Bearbeitungsprozessen, sondern als Folge der produktions-
strategischen Entscheidung, ob und in welchem Maße für letztlich auftragsbezo-
gen gefertigte Produkte bestimmte Teile bereits vor Auftragseingang aufgrund in-

29 Zur Aufgliederung dieser Funktionen vgl. Salzer, 1981.


30 Salzer, 1981, S. 7.
10.3 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Produktionslogistik 215

terner Aufträge fertig gestellt und zwischengelagert werden sollen. Absatzorien-


tierte Produktionslager markieren also den Übergang von der Lager- zur Auftrags-
fertigung. 31 Die Flexibilitätsfunktion absatzorientierter Produktionslager besteht
darin, aus relativ wenigen Zwischenprodukten oder aus nur einem einzigen
Rumpfprodukt eine Vielzahl von Endprodukten fertigen zu können, um den indi-
viduellen Kundenwünschen zu entsprechen. Die Lagerbestände haben eine Liefer-
zeitverkürzungsfunktion, wenn nicht erst nach Auftragseingängen mit der ersten
Bearbeitungsstufe begonnen und der gesamte Produktionsprozess durchlaufen
werden muss, sondern Zwischenprodukte bereits zur Verfügung stehen und nur
noch zusammengesetzt, komplettiert oder ausstattungsmäßig modifiziert werden
müssen. Die Produktionszeiten für die Zwischenprodukte werden für die Liefer-
zeit eingespart. Eng mit der Flexibilitäts- und Lieferzeitverkürzungsfunktion hängt
die Substitutionsfunktion absatzorientierter Produktionslager zusammen. Die La-
gerung der Fertigfabrikate wird durch die Lagerung von Halbfabrikaten ersetzt.
Durch die geringere Typenvielfalt der zu lagernden Objekte ist weniger Kapital
gebunden. Außerdem wird Lagerraum eingespart, da Halbfabrikate im Allgemei-
nen einfacher und raumsparender gelagert werden können als Fertigfabrikate.
Der Sichtweise, dass Lagerbestände bestimmte, für den Fortgang der Produkti-
on wichtige Funktionen haben, steht eine andere Ansicht entgegen, die in den Be-
ständen die „Wurzel allen Übels“32 sieht, da sie Schwächen in den Produktions-
und Logistikprozessen verdecken. Anzustreben ist gemäß dieser Auffassung eine
Produktion auf Abruf, auch Just-in-Time-Produktion genannt. Der Wegfall bzw.
die weitgehende Reduzierung der Bestände macht es jedoch unter Umständen
notwendig, ihre Lieferzeitverkürzungsfunktion durch eine Erhöhung der Produkti-
onskapazitäten (bewusstes Schaffen von Überkapazitäten) und/oder eine Be-
schleunigung der Logistikprozesse zu ersetzen, um schnell auf Kundenwünsche
reagieren zu können. In gleicher Weise kann es bei (saisonalen) Schwankungen
der Nachfrage notwendig sein, den Wegfall der Bestandsfunktion des Ausgleichs
zwischen Angebot und Nachfrage durch eine Ausrichtung der Produktionskapazi-
täten an den Spitzenbedarfen zu kompensieren. So lassen sich zwar Kostensen-
kungsvorteile durch die Reduzierung der Bestände erzielen, ihnen stehen aber in
gewissem Umfang Nachteile durch die Notwendigkeit einer ausreichend hohen
Kapazitätsausstattung gegenüber. Insgesamt gilt, dass die Senkung der Bestände,
in Verbindung mit der Reduzierung der mittleren Durchlaufzeiten, eine geeignete
Zielsetzung für die Produktionslogistik darstellt. Dabei ist jedoch stets zu untersu-
chen, an welchen Stellen im Güterfluss Bestände für die Erbringung des geforder-
ten Versorgungsservice notwendig sind und an welchen Stellen Bestände nur auf-
grund unzureichender Koordination zwischen verschiedenen Bereichen aufgebaut

31 Vgl. in diesem Zusammenhang das Prinzip des Postponements – hier im Sinne des Auf-
schiebens der Entscheidung über die Fertigung des Endproduktes – bei Pfohl, 1994, S. 145;
Pfohl/Pfohl, 2000, S. 40ff.; Pfohl, 2016, S. 110ff.
32 Zäpfel, 1991, S. 217. Zäpfel erläutert hier sehr ausführlich Merkmale und auch Schwächen
dieser materialflussorientierten Sichtweise.
216 10 Produktionslogistik

werden. Zur Absenkung der Produktionslagerbestände und zur Verbesserung der


Koordination dient speziell die Planung der Losgrößen.33

Lagerhaus
Das Subsystem Lagerhaus hat in der Produktionslogistik sowohl die Funktionen
der Bereitstellung von Lagerkapazität (Vorratslager) als auch des Erbringens von
Umschlagsleistung (Umschlagslager) zu erfüllen. Diese Umschlagsleistung ist
notwendig, wenn das Lagerhaus in der Produktion vorwiegend dazu dient, die Gü-
ter kurzfristig zwischen zwei Transportprozessen aufzunehmen. Die dort liegen-
den Bestände werden typischerweise eine Pufferfunktion erfüllen, so dass nicht
der Lagerprozess, sondern eher die Bewegungsprozesse im Vordergrund stehen.
Die innerbetriebliche Standortentscheidung hat im Rahmen der Layoutplanung
zu erfolgen. Hierfür müssen die Anzahl der notwendigen Lagerstandorte und die
benötigte Lagerfläche je Lager bestimmt werden. Die Lagerflächen im Produkti-
onsbereich sind möglichst gering zu halten, um einerseits die Flächen für die Pro-
duktion nutzen zu können und andererseits zu verhindern, dass dort größere Gü-
termengen gelagert werden. Dadurch soll vermieden werden, dass nicht
notwendige Bestände aufgebaut oder Aufträge „liegengelassen“ werden, was zu
langen Durchlaufzeiten führt. Die Entscheidung über den Grad der Zentralisierung
der Lagerbestände und die Anordnung der Lager in der Produktion wird unter an-
derem vom Organisationstyp der Fertigung und der Produktionssteuerung, speziell
auch den Prinzipien der Materialbereitstellung, abhängen. So entstehen bei der
Werkstattfertigung häufig zentrale Halbfertigerzeugnislager, durch die die abge-
benden Stellen entsorgt und die empfangenden Stellen versorgt werden. Beim Or-
ganisationstyp der Zentrenfertigung weist typischerweise jedes Fertigungszentrum
ein dezentrales Lager auf, zusätzlich kann es ein zentrales Lager geben.
Zur Reduzierung der Transportintensität bei der Versorgung der Produktivein-
heiten dient auch das Supermarkt-Lager. 34 Ein Supermarkt ist ein Lager in der
Nähe zur Produktiveinheit, aus dem deren Materialbedarfe kommissioniert wer-
den. Bei einem einstufigen Supermarkt wird dieses direkt aus dem externen Be-
schaffungslager mit Produktionsmaterial beliefert. Bei einem zweistufigen Kon-
zept wird der Supermarkt aus einem vorgeschalteten internen Reservelager wieder
aufgefüllt. 35 Einstufige Systeme bieten sich an, wenn eine Begrenzung des Be-
standes möglich ist. „Dies betrifft primär Bauteile mit geringer Bedarfsschwan-
kung und ohne räumlich verteilte Mehrfachverwendung sowie mit einer niedrigen
Behälteranzahl je Lieferung vom Lieferanten mit hoher Lieferqualität.“36

33 Zur Losgrößenplanung allgemein siehe Teil II, Abschn. 5.3. Zu Produktionslosgrößen vgl.
Vahrenkamp, 2008, S. 153ff.; Herrmann, 2009, S. 207ff.; Günther/Tempelmeier, 2012, S.
195ff.
34 Vgl. Meißner, 2013, S. 294ff.
35 Siehe dazu auch die Unterscheidung von Einheiten- und Kommissionierlager in Teil II, Ab-
schn. 6.3.
36 Meißner, 2013, S. 298.
10.3 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Produktionslogistik 217

Verpackung
Die Anforderungen an die Verpackung seitens der Produktion richten sich vor-
wiegend an die Lager-, Transport- und Manipulationsfunktion, wobei letzterer be-
sondere Bedeutung zukommt. Zum einen muss eine mechanisierte bzw. automati-
sierte Handhabung der gesamten Verpackungseinheit möglich sein, zum anderen
ist die Zugänglichkeit der einzelnen Güter (Werkstücke) zu gewährleisten. Das
Problem der Zugänglichkeit ist vor allem zu beachten, wenn der Zugriff auf die
Werkstücke durch einen Manipulator, beispielsweise einen entsprechend ausge-
statteten Industrieroboter, erfolgen soll. In diesem Fall ist eine geeignete Anord-
nung und Ausrichtung der Werkstücke vorteilhaft, um die Positionierung des Ma-
nipulators zu erleichtern. Aber auch beim manuellen Zugriff durch Mitarbeiter
kann durch die geeignete Gestaltung der Verpackung die Zugänglichkeit und Ent-
nahme der Güter wesentlich erleichtert werden. So ist der Zugriff auf Werkstücke,
die am Boden eines großen Behälters liegen, vergleichsweise aufwendig, wenn der
Mitarbeiter sich über eine Seitenwand des Behälters beugen muss, um zugreifen
zu können. Eine teilweise klappbare Seitenwand kann hier den Zugriff erleichtern.
Der Aspekt der Zugänglichkeit der Güter steht in enger Verbindung zu der
Forderung, die Verpackung so zu gestalten, dass die Güter direkt aus der Verpa-
ckung den Produktionsprozessen zugeführt werden können. Ein Beispiel für eine
Verpackung, die diese Forderung erfüllt, ist das Kleinladungsträgersystem (VDA-
KLT-System), das aus unterschiedlich großen Kunststoffbehältern (Boxen) be-
steht. Diese Boxen werden in der deutschen Automobilindustrie zum Transport
von Stückgut wie Unterlegscheiben, Federn, Schrauben, Gummi- und Kunststoff-
teilen verwendet.

Auftragsabwicklung
Die Funktion des Subsystems Auftragsabwicklung in der Produktionslogistik ist
die Gewährleistung des mit dem Material- und Güterfluss in Zusammenhang ste-
henden Informationsflusses. 37 Diese Definition impliziert erhebliche Überschnei-
dungen bzw. eine enge Verknüpfung mit der operativen Produktionsplanung so-
wie der Produktionssteuerung und -kontrolle. 38 Gegenstand der Auftrags-
abwicklung sind interne Aufträge, die in Produktionsaufträge und logistik-
bezogene Transport- und Lageraufträge unterteilt werden können.
37 Die hier zugrunde gelegte informationsflussorientierte Definition der Auftragsabwicklung
stellt eine Abgrenzung gegenüber einer aus der Produktionswirtschaft stammenden Definiti-
on dar. Diese bezeichnet als Auftragsabwicklung den vom Kunden induzierten Leistungser-
stellungsprozess, der sämtliche Aktivitäten der Planung, Steuerung, Durchführung und Kon-
trolle, die direkt mit der zu erbringenden Leistung in Zusammenhang stehen, umfasst. Siehe
auch die Definitionsansätze für die Auftragsabwicklung in Teil II, Abschn. 4.1.
38 Aus diesem Grunde bzw. wegen der bereits genannten Schwierigkeit der Zuordnung der
Produktionsplanung und -steuerung zur Produktion oder zur Logistik finden sich in der Pra-
xis durchaus Beispiele für Unternehmen, in der die Aufgaben der Produktionsplanung und -
kontrolle organisatorisch der Logistik zugeordnet sind, während nur die tagesnahe Produkti-
onssteuerung dem Produktionsbereich vorbehalten ist. Vgl. Hahn, 1989, S. 44.
218 10 Produktionslogistik

Produktionsaufträge sind entweder das Ergebnis der Losgrößenplanung oder


sie entstehen im Falle der kundenspezifischen Auftragsproduktion (Kundenpro-
duktion) direkt aus einem Kundenauftrag. Im Rahmen der Terminplanung werden
die Produktionsaufträge mit Terminen für die Bearbeitung versehen, wobei diese
Termine sich speziell bei der Kundenproduktion an den vereinbarten Liefertermi-
nen orientieren müssen. Daran schließt sich die eigentliche Produktionssteuerung
mit der Festlegung der Auftragsreihenfolge, der Bereitstellung der Produktions-
faktoren (darunter die Einsatzgüter) und der Veranlassung der Bearbeitung der
Aufträge an. Die Realisierung des Informationsflusses, der die physische Bereit-
stellung der Einsatzgüter begleitet, ist die eigentliche Aufgabe der Auftragsab-
wicklung. Der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehende Bedarf an Einsatzgü-
tern wird in einem internen (Bereitstellungs-)Auftrag für die Produktionslogistik
spezifiziert. Daraus werden Transport- und Lageraufträge generiert, die eine
Durchführung der entsprechenden Logistikprozesse auslösen.
Transportaufträge steuern das Transportsystem, geben also an, welches Trans-
portmittel an welchem Ort eine bestimmte Menge eines Gutes aufzunehmen hat
und an welchen Zielort diese zu bringen ist. Lageraufträge definieren, welche
Menge eines Gutes ein- oder auszulagern ist. Die Auftragsinformation kann direkt
an das entsprechende technische System (Transport- oder Lagersystem) übermit-
telt werden oder in einem dem Ladehilfsmittel oder dem Werkstück zugeordneten
Informationsträger (maschinell lesbare Aufkleber, Mikrochip, Transponder usw.)
enthalten sein. Transportaufträge können z. B. von einem entsprechenden Steuer-
rechner an ein fahrerloses Transportsystem oder einen Gabelstapler, der mit einem
entsprechenden Empfangsgerät mit Display zur Anzeige der Auftragsinformatio-
nen ausgerüstet ist, übermittelt werden. Die dem Güterfluss nacheilenden Informa-
tionsflüsse bestehen typischerweise aus Rückmeldungen, die nach erfolgter Aus-
führung der internen Aufträge gegeben werden. Sie enthalten Daten über den
Zeitpunkt des Abschlusses von Transport-, Umschlags- oder Lagervorgängen so-
wie Angaben über eventuelle Fehler in der Auftragsausführung und erfüllen eine
wichtige Funktion in der Steuerung des Logistik- und Produktionssystems.
Um eine exakte Abstimmung der verschiedenen logistischen Prozesse unterei-
nander und mit dem Produktionsprozess zu erzielen, ist die Integration der mit
ihnen verbundenen Informationsflüsse wichtig. Die Bestrebungen zur Integration
richten sich einerseits auf die Schaffung einer gemeinsamen Datenbasis (Teile-,
Transportmittel-, Behälter-, Umschlags- und Lagerdaten), auf die die Steuerung
der logistischen Prozesse und der Produktion zugreifen kann. Andererseits richten
sie sich auf die Möglichkeit, dass eine Funktion eines Steuerungssystems eine an-
dere Funktion automatisch anstößt. Ein Beispiel hierfür ist das Auslösen eines
Transportvorgangs dadurch, dass eine Produktiveinheit den Abschluss eines Ferti-
gungsvorganges und die Bereitstellung des Werkstückes für den Weitertransport
meldet.
Das Erfordernis der Integration zeigt sich besonders am Beispiel der Informati-
onsflüsse in den Subsystemen Lagerhaltung – das entsprechende Informationssys-
tem wird als Lagerverwaltungssystem bezeichnet – und Lagerhaus (hier speziell
Literatur 219

das Lagersteuerungssystem). Denn ein interner Auftrag zur Auslagerung einer be-
stimmten Gütermenge bedingt sowohl eine Veränderung des Bestandes im Lager
als auch einen physischen Auslagerungsvorgang, der durch das Lagersteuerungs-
system veranlasst und überwacht wird. Hier ist es also vorteilhaft, wenn ein direk-
ter Informationsfluss zwischen den beiden Systemen besteht. Eine enge Verknüp-
fung sollte jedoch nicht nur innerhalb der Produktionslogistik erfolgen, sondern
auch mit den Informationssystemen der Beschaffungs- und Distributionslogistik
bestehen.
Die Integration durch digitale Vernetzung ist ein wesentliches Merkmal von In-
dustrie 4.0.39 Das Konzept ist bisher nicht abschließend definiert und seine Im-
plementierung basiert auf dem Einsatz verschiedener Technologien, wie bei-
spielsweise Maschine-zu-Maschine Kommunikation, Roboterisierung oder
eingebettete Systeme. Der Grundgedanke ist die Integration der Informations- und
Güterflüsse durch schlanke Technologien. Am ehesten ist eine derartig weitge-
hende Integration innerhalb einer Fabrik möglich. Wesentlich schwieriger lässt
sich die digitale Vernetzung in den externen Logistiksystemen, etwa der Distribu-
tionslogistik, realisieren.

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220 10 Produktionslogistik

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11 Distributionslogistik

11.1 Definition und Konzeption der Distributionslogistik

Definition
Wie die Beschaffungslogistik ist die Distributionslogistik ein marktverbundenes
Logistiksystem. Es verbindet die Produktionslogistik eines Unternehmens mit der
Beschaffungslogistik des Kunden. Die Distributionslogistik umfasst alle Aktivitä-
ten, die in einem Zusammenhang mit der Belieferung des Kunden mit Fertigfabri-
katen und Handelsware stehen. Die Belieferung kann dabei direkt aus dem Pro-
duktionsprozess oder vom bei der Produktionsstätte liegenden Absatzlager und
gegebenenfalls über weitere regionale Auslieferungslager erfolgen. Die Objekte
der Distributionslogistik werden im Normalfall nicht verändert. Ausnahmen kön-
nen dann auftreten, wenn bei der Belieferung des Kunden im Zusammenhang mit
logistischen Dienstleistungen komplementäre Dienstleistungen angeboten werden,
die z. B. ein Produkt an die individuellen Kundenbedürfnisse anpassen (Customi-
zing).1
Die Abgrenzung zwischen dem Absatz- oder Vertriebsbereich eines Unterneh-
mens im Sinne der Wahrnehmung einer spezialisierten Funktion (Ab-
satz-)Marketing2 und der Distributionslogistik lässt sich zweckmäßigerweise ge-
mäß der folgenden Sichtweise vornehmen. Der Absatzbereich des Unternehmens
hat die Aufgabe, Kundenkapazitäten zur Verfügung zu stellen, vorhandene Kun-
denkapazitäten zu pflegen und zukünftige zu entwickeln. Er tut dies, indem mit
Hilfe der Instrumente der Marktforschung auf gegenwärtigen Märkten Bedürfnisse
(Probleme) bei potentiellen Kunden erkannt und mit Hilfe der Instrumente der
Marketingpolitik die verschiedenen Nutzenarten erzeugt werden, die zur Bedürf-
nisbefriedigung (Problemlösung) führen. Die auf diese Weise geschaffene Kun-
denkapazität ist durch den Einsatz der entsprechenden Instrumente der Marketing-
politik ständig zu pflegen, um die einmal gewonnenen Kunden als Stammkunden
zu erhalten. Außerdem hat sich der Absatzbereich des Unternehmens damit zu be-
fassen, welche zukünftigen Produkte auf zukünftigen Märkten Bedürfnisse befrie-
digen bzw. Probleme lösen können. Er hat also für die Entwicklung zukünftiger

1 Für eine ausführlichere Darstellung vgl. Pfohl, 2016, S.110ff. und S. 146ff. Siehe den Hin-
weis auf das Potential, Arbeiten zum „Finish“ des Produktes im Auslieferungsfahrzeug
durchzuführen, bei Crowley, 1994, S. 61.
2 Zur Unterscheidung von Marketing als Unternehmensprinzip und Marketing als spezialisier-
te Funktion siehe Teil I, Abschn. 3.4.

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H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4_11
222 11 Distributionslogistik

Kundenkapazitäten Sorge zu tragen, wobei im Hinblick auf zukünftige Produkte


die enge Beziehung zum Forschungs- und Entwicklungsbereich deutlich wird.
Die Distributionslogistik nutzt die vorhandenen Kundenkapazitäten, indem sie
die notwendigen Güterflüsse erzeugt, um dem Kunden die von ihm gekauften Gü-
ter in gewünschter Weise körperlich verfügbar zu machen. Es geht also um die
Bereitstellung von Gütern in Form von Fertigprodukten für den Kunden. Grund-
sätzlich kann man hierbei mit dem Bring- oder Holprinzip zwei Arten der Bereit-
stellung unterscheiden.3 Beim Bringprinzip erstreckt sich die logistische Kontroll-
spanne des Lieferanten bis zum Kunden. Der Lieferant liefert also über seine
Distributionslogistik die Güter beim Kunden an. Beim Holprinzip erstreckt sich
dagegen die logistische Kontrollspanne des Kunden bis zum Lieferanten. Der
Kunde beschafft sich über seine Beschaffungslogistik die beim Lieferanten für ihn
bereitgestellten Güter selbst (Selbstabholung).
Die Bereitstellungsaufgabe der Distributionslogistik wird durch den am Markt
erforderlichen Lieferservice bestimmt. Wie bei der Charakterisierung der Lo-
gistikkonzeption durch das wert- und nutzenorientierte Denken gezeigt wurde,
kann der Lieferant häufig gerade durch das Anbieten eines entsprechenden Liefer-
service beim Kunden die notwendigen Präferenzen für seine Güter erzeugen. Die
Distributionslogistik wird deshalb auch als ein Instrument der Marketingpolitik
bezeichnet, wobei dann aber eher der Begriff Marketinglogistik gebraucht wird.4
Die Präferenzen werden beim Kunden jedoch nur durch den Lieferservice als
Output des Logistiksystems erzeugt. Den Kunden interessieren deshalb lediglich
dieser Output, nicht der Input des Logistiksystems und die in ihm ablaufenden
Prozesse.
Zwischen Absatz und Logistik besteht eine ähnliche Beziehung wie zwischen
Absatz und Forschung und Entwicklung. Der Absatzbereich legt die Anforderun-
gen an die Produktgestaltung fest, der Forschungs- und Entwicklungsbereich ver-
sucht, Produkte zu schaffen, die diese Anforderungen erfüllen. Allerdings können
Kostenüberlegungen seitens des Forschungs- und Entwicklungsbereichs dazu füh-
ren, diese Anforderungen zu relativieren. Ebenso ist es beim Lieferservice. Der
Absatzbereich legt die Anforderungen an das Lieferserviceniveau fest. Der Lo-
gistikbereich versucht, Logistiksysteme zu schaffen, die diese Anforderungen er-
füllen. Allerdings können auch hier Kostenüberlegungen dazu führen, diese An-
forderungen im Sinne einer differenzierten Lieferservicepolitik zu relativieren.

Konzeption
Die Aussagen zum Aufgabenumfang und zur Konzeption der Beschaffungslogis-
tik sind auch für die Distributionslogistik relevant. Denn je nach Art der vorge-
nommenen Arbeitsteilung im Logistikkanal – je nach Art der Aufteilung der logis-
tischen Kontrollspanne zwischen Lieferant und Kunde – können Aufgaben

3 Siehe die entsprechenden Ausführungen zur Beschaffungslogistik Abschn. 9.1.


4 Vgl. Pfohl, 1972, S. 44ff.
11.1 Definition und Konzeption der Distributionslogistik 223

entweder in den Bereich der Beschaffungslogistik oder der Distributionslogistik


fallen. Im Sinne der Marketingkonzeption muss man in der Distributionslogistik
zudem über die beschaffungslogistischen Probleme des Kunden informiert sein,
um ihn bei der Problemlösung unterstützen zu können. Im Folgenden wird deshalb
auf spiegelbildlich zur Beschaffungslogistik geltende Aussagen für die Distributi-
onslogistik verzichtet, es werden lediglich die spezifischen Distributionsaspekte
erörtert.
Ausgangspunkt für die Charakterisierung der Logistikkonzeption ist das wert-
und nutzenorientierte Denken.5 Die Kundenorientierung ist somit für alle Subsys-
teme der Logistik von Bedeutung. Einen besonderen Stellenwert hat sie aber in
dem Unternehmensbereich, der am Absatzmarkt die unmittelbare Verbindung zum
Kunden herstellt, also auch in der Distributionslogistik. Dies kommt in dem früher
gebräuchlichen Begriff Marketinglogistik deutlich zum Ausdruck. Unterstrichen
wird das zudem dadurch, dass die Mitarbeiter in einem Auslieferungslager häufig
wesentlich mehr Kundenkontakt als die Außendienstmitarbeiter haben.
Aus der Kundenorientierung folgt die große Bedeutung des Servicedenkens für
die Distributionslogistik. Es gilt, ständig nach innovativen Möglichkeiten zu su-
chen, die für den Kunden bessere logistische Problemlösungen darstellen. Beson-
dere Anforderungen stellen sich hierbei infolge von zwei Tendenzen im Marke-
ting. Erstens wird das klassische Marketingprinzip „marktorientiert zu
produzieren“ zunehmend abgelöst durch das zukunftsorientierte Marketingprinzip
„erst zu verkaufen, dann produzieren“. Zweitens wird zunehmend die Leistung
gegenüber dem Kunden in sehr differenzierter Weise nach dem J4U-Prinzip (Just
for You) erbracht.6 Beide Tendenzen fordern eine große Schnelligkeit und Flexibi-
lität beim Service.
Die Kundenorientierung hat neben der Betonung des Servicedenkens für das
logistische Systemdenken zwei Konsequenzen: Erstens ist zu berücksichtigen, dass
die von der Logistik erzeugten Nutzenarten nie allein zur Bedürfnisbefriedigung
beim Kunden führen, sondern nur zusammen mit den in den anderen Unterneh-
mensbereichen erzeugten Nutzenarten. Die Berücksichtigung der im folgenden
Abschnitt im Einzelnen behandelten Zusammenhänge zwischen der Distributions-
logistik und den Instrumenten der Marketingpolitik ist Voraussetzung für die Zu-
friedenheit des Kunden mit der Leistung des Unternehmens. Der Kunde schätzt
den vollkommen ausgeführten Auftrag (Perfect Order), der nicht nur einen perfek-
ten Lieferservice, sondern eben z. B. auch eine perfekte Produktqualität oder eine
perfekte Beratung umfasst. Distributionslogistiker müssen in gleicher Weise wie
Außendienstmitarbeiter Partner des Kunden sein. Die zweite Konsequenz für das
Systemdenken ist die Notwendigkeit zur unternehmensübergreifenden Kooperati-
on in der Wertkette zur Befriedigung des Kunden. Nur wenn Hersteller, Handel
und logistischer Dienstleister nicht unabgestimmt oder sogar gegeneinander, son-
dern aufeinander abgestimmt und miteinander arbeitsteilig entsprechend ihrer

5 Siehe Teil I, Abschn. 2.1.


6 Vgl. Crowley, 1994, S. 60f.
224 11 Distributionslogistik

Kompetenzen tätig werden, kann beim Kunden maximaler Nutzen zu minimalen


Kosten erzeugt werden. Dies ist z. B. die Erkenntnis, die zur Forderung nach mehr
Kooperation im Konsumgütersektor in so genannten ECR-Systemen (Efficient
Consumer Response) geführt hat.7
Für die Zusammenarbeit im Absatzkanal spielen die Funktionen, die von Her-
steller, Handel und logistischem Dienstleister aufgrund ihrer Kompetenzen erfüllt
werden können, eine große Rolle. Am Beispiel des Handels sollen solche Funkti-
onen aufgezeigt werden. Aus einzelwirtschaftlicher Sichtweise lassen sich, wie in
Abb. 11.1 dargestellt, drei Gruppen von Handelsfunktionen mit unterschiedlicher
Logistikrelevanz unterscheiden. 8
Die Überbrückungsfunktionen sind logistische Funktionen, während die Wa-
renfunktionen auch akquisitorischen Charakter besitzen. Der Mengenausgleich ge-
schieht durch Umgruppierung der Warenmengen, indem viele kleine Bedarfsmen-
gen einzelner Kunden zu produktions- und liefergerechten Quantitäten
zusammengefasst werden. Die Sortimentsfunktion erfüllt die Wünsche der Kun-
den nach vielfältigen Möglichkeiten der Auswahl oder dem „One Stop Shopping“
(dem Kauf aus einer Hand), die ein Hersteller alleine nicht bieten könnte. Beide
Teilfunktionen haben große Auswirkungen auf die Logistik der Handelsunterneh-
men, weil die Umgruppierung durch Kommissionierung und Konfektionierung auf
vorgelagerten Stufen (i. d. R. Zentral- oder Regionallager) erzeugt wird. Der di-
rekte Wirkungszusammenhang zwischen der Logistik und der Sortimentsfunktion
lässt sich daran verdeutlichen, dass eine hohe Sortimentsbreite bei heterogenen
Waren auch höhere Logistikkosten verursacht, da beispielsweise die Anforderun-
gen an das Lagerbestandsmanagement steigen, wenn ein gleichbleibender Liefer-
service gesichert werden soll.
Vorwiegend akquisitorischen Charakter haben die Maklerfunktionen des Han-
dels. Sie werden am bedeutendsten für die Leistungserstellung eines Handelsun-
ternehmens eingestuft. Die Markterschließung für den Hersteller ist dabei ganz
wesentlich, da oft beispielsweise nur durch die Listung eines Produkts, d. h. die
Aufnahme in das Sortiment durch den Handel, dieses auf dem Markt in großen
Mengen verkauft werden kann. Die optimale Platzierung in den Regalen kann
ebenfalls entscheidenden Einfluss auf den Erfolg haben. Entsprechend steht gera-
de diese Frage oft im Brennpunkt der Gespräche zwischen Handel und Herstel-
lern. Doch nicht nur gegenüber den Herstellern, auch in Bezug auf die Kunden
übernimmt der Handel die Maklerfunktion, z. B. in Form von Kaufberatung. Der
Handel ist demnach aufgrund der Maklerfunktion Mittler zwischen Herstellern
und Kunden und wird daher auch als „Gatekeeper“ des Absatzkanals bezeichnet.9
Die Nähe zum Kunden und die Möglichkeit der direkten Erfolgskontrolle bezüg-
lich der Waren sind in diesem Zusammenhang ein entscheidender Faktor für die
Machtstellung des Handels im Absatzkanal.

7 Vgl. Siehe auch Abschn. 11.2.


8 Eine Übersicht über ähnliche Aufteilungen bieten Barth u.a., 2007, S. 25ff.
9 Zum Begriff des Gatekeepers siehe auch Meffert u.a., 2012, S. 145.
11.2 Distributionslogistik und Instrumente der Marketingpolitik 225

Handelsfunktion

Überbrückungs- Waren- Makler-


funktionen funktionen funktionen

Raum- Mengen- Markt-


überbrückungs- ausgleichs- erschließungs-
funktion funktion funktion

Zeit-
Sortiments- Beratungs-
überbrückungs-
funktion funktion
funktion

Logistikrelevanz
hoch gering

Abb. 11.1 Funktionen des Handels (Quelle: in Anlehnung an Seyffert, 1972, S. 8f.)

11.2 Distributionslogistik und Instrumente der


Marketingpolitik
Wird der Lieferservice als Instrument der Marketingpolitik10 gesehen, so sind die
Interdependenzen mit den anderen Instrumenten zu berücksichtigen. Denn die In-
strumente der Marketingpolitik wirken nur in ihrer Kombination im Marketingmix
auf den Kunden ein. Ein Eindruck von den bestehenden Interdependenzen wird im
Folgenden vermittelt, wobei die marketingpolitischen Instrumente zu Instrumen-
ten der Produktpolitik, der Konditionenpolitik, der Kommunikationspolitik und
der Distributionspolitik zusammengefasst werden.

Produktpolitik
Bestandteile der Produktpolitik sind das Produktprogramm, die Produktgestaltung,
der Kundendienst und die Garantieleistung. Bei den Entscheidungen bezüglich der
ersten drei Bestandteile sind Auswirkungen auf die Distributionlogistik zu berück-
sichtigen, während der vierte Bestandteil eher die Ersatzteillogistik betrifft.
In vielen Branchen ist der Trend zu beobachten, das Produktprogramm durch
neue Produkte oder durch Produktdifferenzierung zu erweitern. Das ist eine Folge
der Strategie der differenzierten Marktbearbeitung, die für jedes Marktsegment ein
bestimmtes Produkt und/oder andere besondere marketingpolitische Maßnahmen

10 Vgl. Havighorst, 1980, S. 96ff.


226 11 Distributionslogistik

erfordert.11 Hierbei wird jedoch vielfach der Effekt eines erweiterten Produktpro-
gramms auf den Bereich der Distributionslogistik übersehen. Die logistischen
Probleme werden umso komplexer, je größer das Produktprogramm ist.
Eine Erweiterung des Produktprogramms hat neue Probleme der Auftragsab-
wicklung, der Verpackung und des Transportes zur Folge. Eine wesentliche Aus-
wirkung ist das Anwachsen der Lagerbestände. Abb. 11.2 zeigt ein Beispiel für
den erfahrungsgemäß zwischen Produktprogrammerweiterung und Höhe der La-
gerbestände bestehenden Zusammenhang: Beispielsweise soll in einem Unter-
nehmen ein herkömmliches Shampoo (A) durch drei spezielle Shampoos für blon-
de (B), schwarze (C) und braune (D) Haare ersetzt werden. Macht man die
pessimistische Annahme, dass der Umsatz im Vergleich zu Shampoo A nicht an-
steigt und sich auf die Shampoos B, C und D im Verhältnis 60:30:10 aufteilt, so
zeigt Abb. 11.2, dass sich dabei die Lagerbestände um ungefähr 60% erhöhen
können. Macht man die optimistische Annahme, dass der Umsatz im Vergleich zu
Produkt A um 50% steigt, so erhöhen sich die Lagerbestände um 100%. Die durch
die Erweiterung des Produktprogramms erreichte Umsatzsteigerung erhöht die
Stückkosten der Lagerhaltung. Selbstverständlich gelten diese Erfahrungswerte
eines Unternehmensberaters nicht immer. Sie sind jedoch auf jeden Fall in der
Tendenz richtig. Denn für die Zusammensetzung der Lagerbestände gilt allge-
mein, dass die Lagerbestände relativ zum Umsatz eines Produktes umso größer
sein müssen, je niedriger dieser ist.
Wird ein Produkt neu in das Produktprogramm eines Unternehmens aufge-
nommen, so ist bei der Einführung des Produktes am Markt darauf zu achten, dass
beim Lieferanten genügend hohe Bestände vorhanden sind, die schnell ausgelie-
fert werden können. Denn erfahrungsgemäß hat der Handel in der Einführungszeit
eines neuen Produktes stets sehr niedrige Lagerbestände, bis er sich infolge dau-
ernder Nachfrage daran gewöhnt hat, das Produkt bei seinen Bestellungen ausrei-
chend zu berücksichtigen. 12 Während der Einführungszeit eines Produktes muss
also der Handel besonders schnell beliefert werden können, damit er in der Lage
ist, die an ihn gerichtete Nachfrage zu befriedigen.
Ein Produkt, das sich gut verkauft, ist nicht immer ein Produkt, das sich einfach
durch das logistische System bewegen lässt. Eine bezüglich logistischer Gesichts-
punkte schlechte Produktgestaltung macht z. B. übergroße Verpackungen erfor-
derlich, erhöht also das Volumen und senkt die Dichte der zu transportierenden
Einheiten. Das hat steigende Kosten für die Handhabung, die Lagerhaltung, den
Transport und die Verpackung zur Folge. Manchmal machen es die Markterfor-
dernisse unmöglich, logistische Aspekte bei der Produktgestaltung hinreichend zu
berücksichtigen. Oft jedoch ist man sich der Auswirkungen der Produktgestaltung
auf die Distributionslogistik überhaupt nicht bewusst.

11 Zu Strategien der Marktbearbeitung vgl. Meffert u.a., 2012, S. 186ff. und S.233ff.
12 Vgl. Stackelberg, 1969, S. 62
11.2 Distributionslogistik und Instrumente der Marketingpolitik 227

Umsatzerhöhung
durch Erweiterung des
Produktprogramms
200%

Erweiterung des D
Produktprogramms
bei gleich bleibendem
Umsatz

D D
C
Ursprüngliches
Produktprogramm

100% C
D

A
A B
B
B
B

0%
Lager- Lager- Lager-
Umsatz Umsatz Umsatz
bestände bestände bestände
Abb. 11.2 Wirkung eines erweiterten Produktprogramms auf die Lagerbestände

Bei der Gestaltung eines Produktes sollte man sich stets überlegen, welche
Probleme sich daraus für dessen Auslieferung beim Transport und im Lagerhaus
ergeben können. Solche Probleme 13 können durch das Gewicht oder die Sperrig-
keit des Produktes, seine Form, seine Zerbrechlichkeit und durch besondere Ver-
packungserfordernisse entstehen. Bei einem Hersteller von Stühlen wurde bei-
spielsweise nachgewiesen, dass bei der Auslieferung der Stühle eine
Verdoppelung der Transportkosten eintreten kann, wenn sie so konstruiert sind,
dass sie nicht ineinander passen. In einem anderen Fall gelang es einem Hersteller
von Büromaschinen, die Transportkosten für eine Büromaschine durch eine einfa-
che Umgestaltung der Konsole der Maschine um 60% zu senken. Außerdem wur-
den dadurch der vorher hohe Prozentsatz an Beschädigungen während der Auslie-

13 Vgl. Bowersox u.a., 1968, S. 147f.; Magee u.a., 1985, S. 34 und S. 46f.
228 11 Distributionslogistik

ferung auf ein unbedeutsames Maß gesenkt und somit weitere Kosten eingespart
und zugleich die Zufriedenheit der Kunden erhöht.14
Ein großer Vorteil für das logistische System ergibt sich, wenn es bei der Pro-
duktgestaltung gelingt, ein gewisses Maß an Standardisierung in den Abmessun-
gen der Produkte zu erreichen. Denn dadurch werden die Aufgaben der Verpa-
ckung, der Lagerung, des Umschlags und des Transportes erheblich erleichtert.
Sind für die Erbringung von Kundendienstleistungen Ersatzteile erforderlich,
dann hängt die Qualität des Kundendienstes ganz wesentlich von der Unterstüt-
zung durch eine entsprechende Ersatzteillogistik ab.15 Zu denken ist beispielsweise
an den Kundendienst in der Büromaschinenindustrie oder in der Automobilindust-
rie.

Konditionenpolitik
Bestandteile der Konditionenpolitik sind der Preis, die Finanzierungsbedingungen
und das Leasing. Beziehungen zur Distributionslogistik bestehen in erster Linie
beim Preis. Bei internationalen Geschäften bestehen auch Beziehungen zwischen
Distributionslogistik und Finanzierungsbedingungen, auf die aber hier nicht ein-
gegangen werden kann.
Geht man von der Tatsache aus, dass das Unternehmen sich bei der Preisbil-
dung an einem Kostenpreis als Preisuntergrenze orientieren muss, so besteht zwi-
schen Distributionslogistik und Preispolitik über die Logistikkosten immer eine
grundsätzliche Beziehung. In zwei Bereichen der Preispolitik, der räumlichen
Preisdifferenzierung und der Preisdifferenzierung nach Absatzmengen, müssen
zusätzliche logistische Kostenbetrachtungen angestellt werden. Preisdifferenzie-
rungen können zwar allein aufgrund von Kostenüberlegungen nicht durchgeführt
werden, da eine Preisdifferenzierung nur beim Vorliegen unterschiedlicher Nach-
frageelastizitäten auf dem Gesamtmarkt des Unternehmens und bei einer mögli-
chen Abgrenzung der Teilmärkte erfolgreich sein kann, jedoch sind Kostenüberle-
gungen unerlässlich, um zu entscheiden, ob die Preise für das Unternehmen
tragbar sind.
Im Rahmen der Preisdifferenzierung nach Absatzmengen sind Mengenrabatte
festzusetzen. Der Lieferant sollte hierbei versuchen, eine optimale Rabattpolitik zu
betreiben, die von Einflussfaktoren der Distributionslogistik mitbestimmt wird.16
Denn infolge einer nach Auftragsgrößen oder Abnahmemengen abgestuften Ra-
battstruktur ergeben sich Konzentrationspunkte in der Verteilung der Auftragsgrö-
ßen bzw. Abnahmemengen. Es ist darauf zu achten, dass die mit dieser Auftrags-
größen- bzw. Abnahmemengenkonzentration verbundenen Anforderungen an
Transport, Umschlag, Lagerung und Verpackung mit den Möglichkeiten des logis-
tischen Systems übereinstimmen.

14 Zu diesem Beispiel vgl. Smykay/LaLonde, 1967, S. 36f.


15 Siehe Abschn. 12.
16 Vgl. Heskett u.a., 1973, S. 236; Magee u.a., 1985, S. 387ff.; Powers/Closs, 1987.
11.2 Distributionslogistik und Instrumente der Marketingpolitik 229

Zu den Fragen, die im Zusammenhang mit der räumlichen Preisdifferenzierung


beantwortet werden müssen, gehört auch die Frage, inwieweit die Kosten der Aus-
lieferung des Gutes im Preis enthalten sind. Wird frei Haus geliefert, so trägt der
Lieferant die gesamten Kosten und das Risiko. Den größten Vorteil ziehen daraus
die Kunden, deren Standort am weitesten vom Lieferanten entfernt ist. Versteht
sich der Preis ab Werk, so wird der Kunde im Allgemeinen die ihm entstehenden
zusätzlichen Kosten bei der Einkaufskalkulation zum Preis addieren. Denn für den
Kunden zählt letztlich nur der Preis, zu dem er das Gut wirklich in seinem Lager
hat. Es ist an dieser Stelle nicht möglich, das Problem zu erörtern, ob die Ausliefe-
rungskosten voll vom Lieferanten oder vom Kunden übernommen oder in irgend-
einer Weise aufgeteilt werden sollen. 17
Preisnachlässe unter logistischen Gesichtspunkten sind auch dann in Erwägung
zu ziehen, wenn an eine Zentralstelle des Kunden geliefert wird und dieser die Be-
lieferung seiner Niederlassungen oder Werke selbst übernimmt. Der Kunde wird
dann die Kosten seiner Beschaffungslogistik abwägen müssen gegen die gewähr-
ten Preisnachlässe.

Kommunikationspolitik
Bestandteile der Kommunikationspolitik sind Werbung, Public Relations, Ver-
kaufsförderung und persönlicher Verkauf. Beim Einsatz aller Instrumente der
Kommunikationspolitik ist dafür zu sorgen, dass er örtlich und zeitlich mit den
notwendigen Maßnahmen der Distributionslogistik koordiniert wird, um eine
durch ihn hervorgerufene Nachfragesteigerung befriedigen zu können. Interde-
pendenzen bestehen jedoch nicht so sehr zwischen Distributionslogistik und der
nicht auf einzelne Produkte bezogenen Public Relations, sondern vor allem zwi-
schen der Distributionslogistik und der Werbung, bestimmten Maßnahmen der
Verkaufsförderung (z. B. Maßnahmen zur Verbraucherbeeinflussung am Point-of-
Sale oder Unterstützung von Sonderaktionen der Absatzmittler) sowie dem per-
sönlichen Verkauf.
Werbekampagnen müssen sorgfältig durch logistische Maßnahmen abgesichert
werden, wobei die zeitliche Verschiebung zwischen Werbeeinsatz und Absatzver-
änderung zu berücksichtigen ist. Denn die originellste Werbung nützt nichts, wenn
die durch sie angeregte Nachfrage nicht rechtzeitig befriedigt werden kann. Eine
im Prinzip gute Werbung kann durch mangelnde logistische Unterstützung negati-
ve Folgen haben, wenn der durch die Werbung zum Kauf bewogene Kunde nicht
sofort beliefert wird, sich deshalb verärgert vom Unternehmen abwendet und da-
mit als Kunde verloren ist. Jedoch wirkt sich eine mangelnde Koordination von
Werbung und Distributionslogistik nicht nur nach außen in Form entgangener
Verkäufe und verlorengegangener Kunden negativ aus, sondern auch auf die im
Unternehmen ablaufenden Prozesse.18 So müssen im Bereich der Distributionslo-

17 Vgl. Heskett u.a., 1973, S. 216ff.; Magee u.a., 1985, S. 371ff.


18 Vgl. Bowersox u.a., 1968, S. 23f.
230 11 Distributionslogistik

gistik plötzlich hohe Kosten verursachende Maßnahmen ergriffen werden, mit de-
nen man versucht, auf die unvorbereitete Nachfragesteigerung zu reagieren. Das
Betriebsklima für die Zusammenarbeit wird durch solche Ereignisse sicherlich
nicht gefördert.
Eine weitere Beziehung zwischen Werbung und Distributionslogistik ergibt
sich daraus, dass ein guter Lieferservice in der Werbung herausgestellt werden
kann. Durch einen mit Hilfe der Distributionslogistik verbesserten Lieferservice
bekommt man in vielen Branchen eines der stärksten Werbeargumente in die
Hand. Außerdem kann versucht werden, durch die Werbung ein besseres Produk-
timage zu entwickeln, das einen höheren Preis erlaubt und somit höhere Kosten in
der Distributionslogistik wieder ausgleicht.19
Es ist auch möglich, dass durch die Kommunikationspolitik ein psychologi-
scher Effekt zur Nachfragesteigerung ausgenutzt werden kann, der durch den
Standort eines Auslieferungslagers hervorgerufen wird. So besteht Grund zur An-
nahme, dass manche Kunden aufgrund der psychologischen Wirkung des Standor-
tes ihre Ware von dem Unternehmen beziehen, das in ihrer Stadt ein Ausliefe-
rungslager unterhält.20
Die Notwendigkeit zur Berücksichtigung der Beziehung zwischen Distributi-
onslogistik und Verkaufsförderung ergibt sich insbesondere, wenn die Verpackung
als Medium der Verkaufsförderung betrachtet wird. 21 Die Verpackung soll dann
die beratende, aber auch kaufanregende Funktion übernehmen, die in Bezug auf
den Konsumgüterbereich vor allem beim Impulskauf zur Geltung kommt. Ver-
kaufsfördernde Verpackungsprinzipien sind im Wesentlichen werbepsychologi-
sche Prinzipien, die von wahrnehmungspsychologischen Erkenntnissen ausgehen.
Häufig werden verkaufsfördernde und logistische Verpackungsprinzipien mitei-
nander in Konflikt stehen, so dass die Verkaufsförderung und die Distributionslo-
gistik bei der Verpackungsgestaltung einen Kompromiss einzugehen haben.
Zwischen persönlichem Verkauf und Distributionslogistik besteht die grundle-
gende Beziehung darin, dass der Außendienstmitarbeiter über die Leistungsfähig-
keit des Logistiksystems informiert sein muss. Ansonsten besteht die Gefahr, dass
er dem Kunden in den persönlichen Verkaufsgesprächen Lieferserviceverspre-
chungen macht, die die Distributionslogistik nicht halten kann oder zu hohe Kos-
ten verursachen.

Distributionspolitik
Bestandteile der Distributionspolitik sind Absatzweg, Außendienst und Lieferser-
vice. Alle drei Aspekte stehen in Bezug aufeinander.
Absatzwege unterscheiden sich danach, ob sie den Lieferanten direkt oder indi-
rekt mit dem Endkäufer verbinden und welche Institutionen im zweiten Fall als

19 Vgl. Smykay, 1973, S. 36f.


20 Vgl. Constantin, 1966, S. 43.
21 Siehe dazu die Marketingfunktionen der Verpackung in Teil II, Abschn. 7.1.
11.2 Distributionslogistik und Instrumente der Marketingpolitik 231

Absatzmittler (Handelsunternehmen) eingeschaltet sind. Beim Außendienst geht


es um die Frage, ob der Verkauf über betriebseigene Verkaufsorgane (Mitglieder
der Geschäftsleitung oder Reisende) oder über betriebsfremde Verkaufsorgane
(Handelsvertreter, Makler) organisiert ist. Absatzwege und Außendienst werden
auch unter dem Begriff Absatzkanäle.22 Der Absatzkanal nimmt unter den Instru-
menten der Marketingpolitik eine Sonderstellung ein, da er den Einsatz aller ande-
ren Instrumente stark determiniert. Denn ein Unternehmen entscheidet durch die
Auswahl des Absatzkanals, welche Marketingaufgaben von ihm selbst durchge-
führt und welche an selbstständige Marktpartner delegiert werden.
Der enge Zusammenhang zwischen Distributionslogistik und Absatzweg resul-
tiert daraus, dass durch die Absatzwegentscheidung ganz wesentlich die Anzahl
der Empfangspunkte (wenige Großhändler oder viele Einzelhändler) festgelegt
wird, die vom Logistiksystem zu bedienen sind. Zwischen Außendienst und Dis-
tributionslogistik besteht dann ein enger Zusammenhang, wenn die Außendienst-
mitarbeiter Logistikfunktionen der Auftragsabwicklung übernehmen. Ist ihnen
aufgrund der Organisation des Unternehmens die Auftragsentgegennahme
und -übermittlung übertragen, so spielen sie eine wichtige Rolle am Beginn des
Auftragsabwicklungsprozesses und lösen den Informationsfluss aus. Allerdings
gehört die routinemäßige Auftragsabwicklung im Tagesgeschäft nicht zu den ori-
ginären Aufgaben des Außendienstes, der sich vielmehr um die intensive Betreu-
ung der gegenwärtigen Kunden sowie um die Gewinnung neuer Kunden zu küm-
mern hat.
Der enge Zusammenhang zwischen Distributionslogistik und Absatzkanal
ergibt sich daraus, dass die logistischen Systeme der für die Distribution der Güter
eines Herstellers zuständigen Institutionen aufeinander abgestimmt werden müs-
sen. Außerdem gilt es stets zu bedenken, dass durch Fehlbestände verursachte ent-
gangene Verkäufe – etwa auf der Stufe des Einzelhandels – auch entgangene Ver-
käufe für alle vorgelagerten Stufen im Absatzkanal bis hin zum Hersteller sind.
Die Distributionslogistik kann durch einen guten Lieferservice viel zur Vermei-
dung solcher Fehlbestände beitragen. Die durch einen schlechten Lieferservice
verursachten häufigen Fehlbestände eines Produktes können bei einem Einzel-
händler aber auch bewirken, dass er dem Verkauf dieses Produktes weniger Auf-
merksamkeit widmet. Der Marketing-Chef eines amerikanischen Unternehmens
der Kosmetikindustrie drückt deutlich die doppelte Wirkung von Fehlbeständen
aus, wenn er sagt: „We loose sales and shelf space if the goods are not there.“23
Um das zu vermeiden, werden im Rahmen von Efficient Consumer Response
(ECR) Programmen integrierte Informationssysteme aufgebaut. Basierend auf den
Warenwirtschaftssystemen des Handels und ausgehend von der Scannerkasse
werden die Abverkaufsdaten an die Zentrallager des Handels gemeldet und mit
den dortigen Bestandsdaten an die Hersteller gemeldet. Die Hersteller haben
dadurch einen Überblick über den Verkauf sowie die Lagerbestände ihrer Produk-

22 Vgl. Meffert u.a., 2012, S. 544.


23 Arbury u. a., 1967, S. 27f.
232 11 Distributionslogistik

Logistikkanal Absatzkanal
(Güterstrom vom Hersteller zum Endabnehmer) (Strom der Rechte an den Gütern)

Fabriklager Verkaufsabteilung
Hersteller Hersteller
Fuhrpark
Hersteller
regionales regionales
Auslieferungslager Verkaufsbüro
Hersteller Hersteller
Spedition

Auslieferungslager
eines Großhändler
Lagereibetriebes
lokale
Spedition
Einzelhändler

Endabnehmer

Abb. 11.3 Beispiel für eine Aufgliederung des Marketingkanals in Logistikkanal und Absatz-
kanal (Quelle: Pfohl, 1975, S. 289, in Anlehnung an das Beispiel von Bowersox
u.a., 1968, S. 45)

te und können somit ihre Verkaufsprognosen und ihre Produktion laufend anpas-
sen.
Ein weiteres wichtiges Modul von ECR ist das Continous Replenishment Pro-
gram (CRP). Hierbei übernimmt der Hersteller die Verantwortung für die Liefer-
fähigkeit des Handels, indem er die Bestandskontrolle im Zentrallager übernimmt.
ECR setzt eine enge Zusammenarbeit von Hersteller und Handel voraus. Es müs-
sen nicht nur die DV-Systeme koordiniert werden, sondern auch die Belieferung
muss zwischen beiden Partnern abgestimmt sein. Hierzu werden gemeinsame
Teams von Handel und Herstellern gebildet, in denen nicht nur logistische Aspek-
te behandelt, sondern auch gemeinsame Marketingstrategien ausgearbeitet wer-
den, z. B. Produkteinführungs- oder Verkaufsförderungsstrategien. Von dieser
Partnerschaft profitieren beide Parteien. Die Hersteller erhalten verbesserte Infor-
mationen, können bedarfsgerecht fertigen, erhöhen die Kundenbindung und kön-
nen besseren Einfluss auf die Verkaufsförderungsaktivitäten des Handels nehmen.
Der Handel profitiert von den Kostenersparnissen, der besseren Verfügbarkeit der
Waren und wird hinsichtlich der Lagerhaltung entlastet.24
Bei der Diskussion der Beziehungen zwischen Absatzkanal und Distributions-
logistik ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass sich nach den im Marketing-
kanal fließenden Objekten verschiedene Flusstypen feststellen lassen. Häufig wird

24 Zu ECR vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 40ff; Kotzab/Lienbacher, 2010; Pfohl, 2016, S. 154f.
Literatur 233

zwischen dem physischen Güterfluss, dem Eigentumsfluss (Fluss der Rechte an


den Gütern) und dem Absatzförderungsfluss unterschieden. 25 Es ist keineswegs
notwendig, dass alle Flusstypen über dieselben Institutionen laufen müssen, sie
können vielmehr voneinander entkoppelt werden. Abb. 11.3 gibt ein Beispiel für
eine Aufgliederung des Marketingkanals in den Logistikkanal, der den physischen
Güterfluss enthält und den Absatzkanal, der den Eigentumsfluss oder Fluss der
Rechte an Gütern enthält. Allerdings sind die Interdependenzen zwischen den ver-
schiedenen Flusstypen zu berücksichtigen.

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York u.a.

25 Vgl. Kotler u.a., 2007, S. 852f., die außerdem noch den Informationsfluss, den Verhand-
lungsfluss, den Bestellfluss, den Finanzierungsfluss, den Risikofluss und den Zahlungsfluss
unterscheiden. Siehe auch Kap. IV, Abschn. 17.3 sowie Kap. I, Abschn. 2.1.
234 11 Distributionslogistik

Meffert H, Burmann Chr, Kirchgeorg M (2012) Marketing: Grundlagen marktori-


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Stock J R, Lambert D M (2001) Strategic Logistics Management. 4. Aufl. Boston
u.a.
12 Ersatzteillogistik

12.1 Definition und Konzeption der Ersatzteillogistik

Definition
In DIN 24 420 sind Ersatzteile als Objekte der Ersatzteillogistik definiert als Teile
(auch Einzelteile genannt), Gruppen (auch Baugruppen und Teilegruppen ge-
nannt) oder vollständige Erzeugnisse, die dazu dienen, beschädigte, verschlissene
oder fehlende Teile, Gruppen oder Erzeugnisse zu ersetzen. 1 Charakteristisch ist
dabei ihre Eigenschaft nicht selbständige Bestandteile von Systemen zu sein.2
Für die weiteren Betrachtungen ist es zunächst erforderlich, die Aufgabe der
Ersatzteillogistik genauer zu definieren. Zu unterscheiden ist die Ersatzteillogistik
des Anbieters (Herstellers) von der Ersatzteillogistik des Abnehmers (Verwen-
ders). Während sich beim Abnehmer der Aufgabenumfang der Ersatzteillogistik
auf die Beschaffung, die Lagerhaltung und den Einsatz der Ersatzteile im Rahmen
der Instandhaltung erstreckt, ist für den Hersteller von Ersatzteilen die anforde-
rungsgerechte Ersatzteilversorgung der Kunden im Rahmen des Kundendienstes
die Aufgabe der Ersatzteillogistik. Dies erfordert einen Güterfluss von der Güter-
bereitstellung über die Güterverteilung zur Güterverwendung. Abb. 12.1 zeigt den
Zusammenhang der ersatzteillogistischen Systeme des Anbieters und des Abneh-
mers.

1 Vgl. Deutsches Institut für Normung, 1976.


2 Vgl. Wohinz, 1974, S. 200. Zu weiteren Charakteristika vgl. Arnold u. a., 2008, S. B7-10.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018


H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4_12
236

Abb. 12.1

1033)
Hersteller von Ersatzteilen Verwender (Abnehmer) von Ersatzteilen
12 Ersatzteillogistik

Forschung und Entwicklung Forschung und Entwicklung

Beschaffung Produktion Absatz Beschaffung Produktion Absatz

Ersatzteil- Kunden- Instand- Ersatzteil-


logistik dienst haltung logistik

satzteilen (Quelle: Mit geringfügigen Änderungen entnommen aus Pfohl, 1991, S.


Ersatzteillogistik beim Hersteller (Anbieter) und Verwender (Abnehmer) von Er-
12.1 Definition und Konzeption der Ersatzteillogistik 237

Da sich die Aufgaben der Ersatzteillogistik beim Abnehmer weitgehend mit der
allgemeinen Beschaffungslogistik decken, sollen hier nur die abweichenden Be-
sonderheiten der Beschaffungslogistik für Ersatzteile dargestellt werden. Gegen-
stand der weiteren Betrachtungen ist dann die Gestaltung der Ersatzteillogistik
beim Hersteller, da diese einige Besonderheiten gegenüber der Logistik beim Pri-
märprodukt aufweist.

Konzeption der Ersatzteillogistik beim Abnehmer


Für den Verwender von Ersatzteilen ist, aufgrund zunehmender Komplexität und
Vernetzung der Produktionsanlagen und der damit einhergehenden steigenden
Stillstandskosten, eine schnelle und zuverlässige Instandhaltung und Reparatur der
ausgefallenen Produktionsanlagen erforderlich. Für diese unverzügliche Instand-
setzung ist neben einer ausreichenden Instandhaltungskapazität, die i. d. R. im ei-
genen Haus unterhalten wird, aber auch von einem Dienstleister oder dem Anbie-
ter der Primärprodukte/Ersatzteile selbst wahrgenommen werden kann, eine
zuverlässige und schnelle Ersatzteilversorgung durch den Anbieter erforderlich.
Der Aufgabenumfang der Ersatzteillogistik bezieht sich hier vorwiegend auf die
Beschaffung von Ersatzteilen, die Lagerhaltung und die Einsatzplanung für die In-
standhaltung.3
An der Ersatzteilbeschaffung des industriellen Abnehmers sind mehrere be-
triebliche Funktionsbereiche beteiligt, neben der Instandhaltung z. B. die Anlagen-
wirtschaft, die Logistik und das Controlling. Ziel der gemeinsamen Aktivitäten ist
eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Ersatzteilen bei minimalen Kosten der Er-
satzteillogistik. Die Anforderungen an die Effizienz der Ersatzteillogistik beim
Abnehmer werden beeinflusst von der Gestaltung des Beschaffungsmarketings. 4
Im Rahmen der Lagerhaltung ist eine der wichtigsten Fragen die Festlegung der
Art und Anzahl der zu bevorratenden Ersatzteile. Die Bestimmung, welche Ersatz-
teile bevorratet werden, sollte von einer wirtschaftlichen Kosten-Nutzen-
Abschätzung abhängig gemacht werden (Kosten der Bevorratung, Wiederbe-
schaffbarkeit des Ersatzteils auf dem Markt, Stillstandskosten der betreffenden
Anlage usw.).5 Bei der Bestimmung der Anzahl der zu bevorratenden Ersatzteile
ist auf die Bedarfsplanung für Ersatzteile zu verweisen. Während bei den Primär-
produkten für die Bedarfsplanung i. d. R. auf mathematische Prognosemodelle zu-

3 Vgl. Biedermann, 1995, S. 9. Zu unterschiedlichen Instandhaltungsstrategien und deren


möglichen Auswirkungen auf die Anforderungen an die Ersatzteilversorgung vgl. ebenda S.
19ff. Instandhaltung ist nach DIN 31 051 der Oberbegriff für Wartung (Maßnahmen zur Be-
wahrung des Sollzustandes von technischen Mitteln eines Systems), Inspektion (Maßnahmen
zur Feststellung und Beurteilung des Istzustandes von technischen Mitteln eines Systems),
Instandsetzung (Maßnahmen zur Wiederherstellung des Sollzustandes von technischen Mit-
teln eines Systems), vgl. Deutsches Institut für Normung, 1985.
4 Siehe Abschn. 9.2.
5 Zu den anlagebezogenen Nutzenkomponenten und deren Ausprägungen sowie den Kosten-
komponenten vgl. Hug, 1986, S. 100ff., S. 147ff. und S. 172ff.
238 12 Ersatzteillogistik

rückgegriffen werden kann, die aus Analysen der Vergangenheitsbedarfe und un-
ter Berücksichtigung bereits bekannter zu erwartender Veränderungseinflüsse ei-
nen zukünftigen Bedarf ermitteln, stellt sich die Bedarfsplanung für Ersatzteile
schwieriger dar.6 Hier empfiehlt sich die Verwendung kausalanalytischer Verfah-
ren der Bedarfsplanung, bei denen der Ersatzteilbedarf selbst aus der zu erwarten-
den Entwicklung der Einflussgrößen auf den Ersatzteilbedarf abgeleitet wird.7

Konzeption der Ersatzteillogistik beim Anbieter


Grundsätzlich handelt es sich bei Ersatzteilen um Sekundärprodukte, deren Um-
satz und Anforderungen an die Versorgung immer in Verbindung mit dem Pri-
märprodukt betrachtet werden müssen. Daraus resultieren Besonderheiten des Er-
satzteilumsatzes, die einen wesentlichen Einfluss auf die Anforderungen und die
Gestaltung der Ersatzteillogistik haben. An dieser Stelle sind Folgende zu nen-
nen:8
x Dem Ersatzteilkauf geht ein Negativerlebnis des Kunden in Form eines Aus-
falls des Primärproduktes voraus.
x Der Bedarf an Ersatzteilen ist nur begrenzt planbar.
x Der Bedarf an Ersatzteilen ist u. a. abhängig von der Anzahl der verkauften
Primärprodukte, den durchgeführten Instandhaltungsmaßnahmen und der Le-
bensdauer der eingesetzten Teile. Damit ist der Ersatzteilumsatz nur in gerin-
gem Umfang durch Marketingmaßnahmen zu steigern. Hier ergeben sich ledig-
lich die Möglichkeiten, Umsatzanteile von Konkurrenzanbietern für diese
Ersatzteile zu gewinnen oder durch Marketing für z. B. vorbeugende Instand-
haltungspolitiken den Umsatz auszuweiten.
x Ersatzteile sind oft in hohem Maße erklärungsbedürftig und werden häufig im
Zusammenhang mit einer Kundendienstleistung verkauft.
x Ersatzteilsortimente können – z. B. je nach Erforderlichkeit für die Funktions-
fähigkeit des Primärproduktes – nicht immer allein nach wirtschaftlichen Ge-
sichtspunkten gebildet werden.
x Produktinnovationen führen zum Ersatz ausgelaufener Primärprodukte. Ersatz-
teile müssen aber für alte und neue Primärprodukte bereitgestellt werden, was
zu einer ständigen Ausweitung des Sortiments führt.
x Endabnehmer sind häufig nicht Ersatzteilkunden, sondern oftmals auch Werk-
stätten.

6 Zu beachten ist, dass nicht nur der Abnehmer von Maschinen und Anlagen im Rahmen sei-
ner Lagerhaltung eine Bedarfsplanung vornimmt, sondern dass auch der Anbieter von Er-
satzteilen eine Bedarfsplanung benötigt, um bei laufender Serie eine ausreichende Verfüg-
barkeit für die Abnehmer gewährleisten zu können und bei auslaufender Produktion des
Primärprodukts und der dazugehörigen Ersatzeile ausreichende Mengen für die noch kom-
menden Bedarfe auf Lager zu haben.
7 Zu kausalanalytischen Verfahren vgl. Meidlinger, 1994; Loukmidis/Luczak, 2006, S. 258ff.
8 Vgl. Baumbach, 2004, S. 169ff.
12.1 Definition und Konzeption der Ersatzteillogistik 239

Aus diesen Eigenschaften des Ersatzteilumsatzes resultieren Besonderheiten im


Ersatzteillogistiksystem im Gegensatz zum Logistiksystem für Primärprodukte.
Das Systemdenken fordert deshalb nicht nur eine enge Verbindung mit dem Kun-
dendienst, sondern auch die Sicht der Ersatzteillogistik als ein Teil des logisti-
schen Gesamtsystems, das mit den anderen logistischen Subsystemen in engem
Zusammenhang steht. Das Ersatzteillogistiksystem soll zur Zielerreichung des Ge-
samtsystems beitragen. Dabei kann für den Ersatzteilumsatz als Ziel entweder die
Unterstützung des Primärproduktumsatzes definiert werden oder der Ersatzteilum-
satz kann als eigener Umsatzträger (Profitcenter) geführt werden. 9 In jedem Fall
ist auch hier eine Optimierung zwischen Lieferservice und Logistikkosten anzu-
streben, wobei die Verbundwirkungen zum Primärprodukt berücksichtigt werden
müssen.
Für die Anforderungen an den Lieferservice für Ersatzteile sind folgende be-
sondere Einflussgrößen zu nennen:10
x Die erforderliche Lieferzeit ist für Ersatzteile eine wichtige Komponente, da
durch sie unnötige Stillstandszeiten vermieden werden können.
x Die Lieferzuverlässigkeit spielt besonders dann eine Rolle, wenn Instandhal-
tungsmaßnahmen nur zu bestimmten Zeitpunkten durchgeführt werden können
(z. B. am Wochenende) bzw. wenn die Instandhaltung nicht regelmäßig vor-
beugend, sondern nur im Bedarfsfall durchgeführt wird.
x Bezüglich der Lieferungsbeschaffenheit ist zu beachten, dass der Kunde nach
einem Negativerlebnis mit dem Primärprodukt besonders empfindlich reagiert
und deshalb der einwandfreie Zustand der Ersatzteillieferung erforderlich ist.
x Da Ersatzteilaufträge oft äußerst dringende Aufträge sind, muss die Lieferfle-
xibilität im Hinblick auf Auftragsübermittlung, Transportwege und Transport-
mittel gegeben sein.
Dem angebotenen Lieferservice gegenübergestellt werden die Kosten für die
Ersatzteilversorgung, deren wesentliche Bestandteile die Lagerhaltungskosten und
die Transportkosten sind. Die Lagerhaltungskosten sind vergleichsweise hoch, da
die Ersatzteilbestände i. d. R. ein großes Sortiment darstellen, von denen jeweils
nur kleine Mengen benötigt werden. Hinzu kommt eine im Allgemeinen hohe
Umsatzkonzentration auf eine geringe Anzahl von Ersatzteilen in diesem Sorti-
ment. Deshalb ist der Sortimentsbildung und der Lagerhaltungspolitik für einzelne
Produkte besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Bei den Transportkosten ist da-
rauf hinzuweisen, dass die mögliche Einbeziehung zusätzlicher Knoten im logisti-
schen Netzwerk in Form von Reparaturwerkstätten sowie die Bedienung von Eil-
bestellungen die Komplexität des logistischen Netzwerks und der darin
ablaufenden Transportprozesse und damit die Kosten erhöhen. Hier stellt sich

9 Vgl. Ihde u.a., 1999, S. 9ff.


10 Zu diesen Einflussgrößen vgl. Thurow, 1977, S. 116ff. Siehe dazu auch die Kundenanforde-
rungen an den Lieferservice, die Kommunikation, die Qualität der Ersatzteile und die Kosten
der Ersatzteilversorgung bei Ester, 1997, S. 138ff.
240 12 Ersatzteillogistik

dann die Frage, in welchem Maße solche Kosten auf den Abnehmer abgewälzt
werden können.

12.2 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Ersatzteillogistik

Auftragsabwicklung
Für den Bereich der Auftragsabwicklung ist zunächst zu differenzieren zwischen
Eilaufträgen (reaktive Prozesse) und Lagerergänzungsaufträgen (antizipative Pro-
zesse). Erstere entstehen durch Fehlbestände beim Kunden, der Werkstatt oder
dem Auslieferungslager. Letztere dienen der Lagerbestandsergänzung
und -sicherung beim Kunden, in der Werkstatt oder im Auslieferungslager. Bei
der Auftragsannahme und -aufbereitung benötigt der Kunde oftmals eine fachkun-
dige Beratung, um die Ausfallteile an der Produktionsanlage zu identifizieren und
das richtige Ersatzteil zu bestellen. Diese Beratung ist insbesondere bei bereits
ausgelaufenen Primärprodukten erforderlich. Außerdem werden Aufträge für Er-
satzteilbestellungen oftmals nicht vom Endkunden, sondern von einem Kunden-
dienstmitarbeiter oder einer Reparaturwerkstatt abgegeben. Dann empfiehlt es
sich, den Vorgang der Auftragsübermittlung zu standardisieren bzw. eine direkte
EDV-Verbindung zu installieren.

Lagerhaus
Für das Subsystem Lagerhaus liegt der Schwerpunkt auf der Festlegung der An-
zahl der Lagerstufen sowie der Lageranzahl und -standorte. Die Anzahl der Lager-
stufen ist u. a. abhängig von der Gestaltung des Absatzkanals (z. B. stellen beim
Vertrieb über Werkstätten diese i. d. R. auch eine Lagerstufe dar). Lageranzahl
und -standorte sollen eine optimale Ersatzteilversorgung der Kunden gewährleis-
ten. Auslieferungslager oder Werkstätten sind dazu in ausreichender Anzahl in
Kundennähe zu errichten. Der Standort des Zentrallagers ist dagegen meist pro-
duktionsorientiert festzulegen. Wichtig für die Standortentscheidung ist auch die
Nähe zu schnellen Verkehrsverbindungen. So benötigen etwa Ersatzteil-
Eillieferungen in das nicht-europäische Ausland die Anbindung an einen Flugha-
fen.

Lagerhaltung
Im Rahmen des Bestandsmanagements ist zu entscheiden, in welcher Menge und
auf welcher Lagerstufe die zu bevorratenden Teile zu halten sind. Bezüglich der
Menge ist nochmals auf die Fragen der Bedarfsplanung für Ersatzteile hinzuwei-
sen, die schon unter der Ersatzteillogistik des Abnehmers angesprochen wurden.
Im Rahmen einer kausalanalytischen Bedarfsvorhersage für Ersatzteile, die schon
bei der Ersatzteillogistik des Abnehmers angesprochen wurde, sind u. a. die in
Abb. 12.2 dargestellten Einflussgrößen auf den Ersatzteilbedarf zu berücksichti-
gen. Zu verweisen ist hier auch auf den Produktlebenszyklus als Grundlage der
12.2 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Ersatzteillogistik 241

Nutzungsintensität der
Primärprodukte
Anzahl der im (z.B. Betriebsstunden,
Einsatz befindlichen Zukünftiger Planverkauf außergewöhnliche
Primärprodukte von Primärprodukten Belastungen)

Produktausfallkurven Nutzbedingungen
Bedarfsprognose
(ähnliche Produkte, (z.B. Temperatur,
an Ersatzteilen
Vergangenheitserfahrung) Luftfeuchtigkeit)

Frühinformationen zu Vergangenheitsnachfrage Instandhaltungsstrategie


Verschleißerscheinungen nach Ersatzteilen des Verwenders
(z.B. durch Inspektion, (Extrapolation, Berücksichtigung (präventiv/reaktiv)
On-Line-Diagnose) der möglichen Fremddeckung)

Abb. 12.2 Einflussgrößen auf den Ersatzteilbedarf (Quelle: Pfohl, 1991, S. 1038)

Bedarfsprognose mit den Zeitpunkten „Start of Production, End of Production,


End of Delivery Obligation, End of Service und End of Life“. 11
Die Höhe der Lagerhaltungskosten kann durch die Anwendung der selektiven
Lagerhaltung beeinflusst werden. So sind alle Teile, die häufig gebraucht werden
und unabdingbar für die Funktionsfähigkeit des Primärprodukts sind, in Kundenä-
he, d. h. in Auslieferungslagern oder in Werkstätten, auf Vorrat zu halten. Es ist zu
gewährleisten, dass Kundendienstmitarbeiter schnellstmöglich mit diesen Teilen
versorgt werden können, beispielsweise die Lieferung der Ersatzteile in das in der
Nacht abgestellte Kundendienstfahrzeug der Mitarbeiter, bzw. dass sie ein Grund-
sortiment mit sich führen.12 Teile, die seltener gebraucht werden und/oder für die
Funktionsfähigkeit des Primärproduktes nicht unbedingt erforderlich sind, können
in zentralen Auslieferungslagern bevorratet werden, da bei ihnen eine etwas länge-
re Lieferzeit vom Kunden toleriert wird. Möglich wäre auch die Selektion der zu
bevorratenden Teile nach der Instandhaltungspolitik der Abnehmer: alle Teile, die
nur im Rahmen einer vorbeugenden Instandhaltung benötigt werden oder die der
Abnehmer selbst bevorratet, könnten auf Zentrallagerebene liegen, da hier mit
weniger eilbedürftigen Lagerergänzungsaufträgen gearbeitet werden kann. Die
Bedeutung der selektiven Lagerhaltung ergibt sich auch daraus, dass die Konzent-
rationskurven bei Ersatzteilen sehr ausgeprägt sind. Nur wenige Ersatzteile tragen
zum größten Teil des Umsatzes bei.

11 Vgl. Voss, 2006, S.109.


12 Vgl. Patton, 1984, S. 281. Dieser schlägt die Zusammenfassung der für einen Reparaturauf-
trag benötigten Ersatzteile nebst entsprechender Geräte, Werkzeuge und Dokumentationen
zu so genannten Kits vor.
242 12 Ersatzteillogistik

Verpackung
Im Rahmen der Verpackung sind besonders die Schutz- und Lagerfunktion sowie
die Informationsfunktion hervorzuheben. Da Ersatzteile u. U. relativ lange lagern,
muss die Verpackung für diesen Zeitraum ausreichend Schutz gegen mechanische
(Manipulationsvorgänge) und chemisch-physikalische (Hitze, Feuchtigkeit usw.)
Einwirkungen gewähren und Maßnahmen zur Wartung und Kontrolle ermögli-
chen. Aufgrund der hohen Anzahl von Ersatzteilpositionen und der Erklärungsbe-
dürftigkeit von Ersatzteilen muss die Verpackung ausreichend Informationen zur
Identifizierung des Ersatzteils sowie zu erforderlichen technischen Angaben ent-
halten. Darüber hinaus ist die Verpackung für viele Anbieter in ihrer Marketing-
funktion wichtig, die das Ersatzteil als ein Originalersatzteil auszeichnet und da-
mit eine Abgrenzung gegenüber nachgebauten Ersatzteilen darstellt.

Transport
Beim Transport ist zu beachten, dass der Bestellumfang pro Kunde (auch bei
Werkstätten) klein ist. Deshalb müssen bei der Belieferung sehr viele Punkte im
logistischen System angefahren werden, die jeweils nur relativ wenige Teile erhal-
ten. Eine ausreichende Auslastung eines eigenen Fuhrparks beim Anbieter ist da-
mit kaum zu erzielen. Häufig stellt die Fremdvergabe des Transports die wirt-
schaftlichere Alternative dar.
Eine neue Technologie, die nicht nur die Gestaltung des Transports, sondern des
ganzen Systems der Ersatzteillogistik völlig verändert, ist der 3D-Druck. Bei die-
ser additiven Produktionstechnik werden Bauteile in Schichten beim Abnehmer
oder bei einem Logistikdienstleister in seiner Nähe vor Ort gedruckt. Der Trans-
port verlagert sich dann schwerpunktmäßig vom Transport der Ersatzteile zum
Transport der Pulver als Rohstoff. Als besonders geeignet für den 3D-Druck gel-
ten hochwertige Langsamdreher, die wegen ihrer langen Lagerzeiten hohe Logis-
tikkosten verursachen. 13

12.3 Bedeutung der Ersatzteilversorgung als


Wettbewerbsinstrument

Kriterium der Lieferantenauswahl


Für die Wettbewerbssituation des Unternehmens ist maßgeblich, dass Primärpro-
dukt und Ersatzteilversorgung vom Kunden nicht getrennt wahrgenommen wer-
den. Die Marktanforderungen stellen sich als der Kauf der Funktionsfähigkeit ei-
nes Aggregates dar und können neben der Ersatzteilversorgung auch die Aufgaben
der Instandhaltung und technischen Beratung umfassen.14

13 Vgl. Bottler, 2015, S. 27. Zur Technologie vgl. Fastermann, 2012.


14 Vgl. Belz, 1991, S. 53.
243

Die steigende Bedeutung der Ersatzteilversorgung zeigt bereits eine im Jahr


1992 durchgeführte Befragung von 354 Investitionsgüteranbietern für den Absatz
von Investitionsgütern.15 Sie gibt die Einschätzung der Erfolgsfaktoren für den In-
vestitionsgüterabsatz aus Sicht der befragten Unternehmen wieder. Die Befragten
betrachteten als zweitwichtigsten Faktor im Investitionsgüterwettbewerb die zum
Primärprodukt gehörigen Dienstleistungen. Die zweitwichtigste Dienstleistung
nach dem Kauf stellt die Ersatzteilversorgung dar. Auf die Attraktivität des Ange-
botes von den Investitionsgüteranbietern und damit auch die Preisbereitschaft
nimmt die Schnelligkeit der Ersatzteilversorgung großen Einfluss. 16

Branchenabhängigkeit
Die Erkenntnis der Bedeutung der Ersatzteilversorgung führt dazu, dass die Ser-
vicepolitik als eigenständiger Bestandteil des Marketinginstrumentariums 17 be-
trachtet wird. Insbesondere auf dem Investitionsgütermarkt ist die Versorgung des
Kunden in der Nachkaufphase wichtig im Hinblick auf Folgeaufträge. Hier gilt
„nach dem Kauf ist vor dem Kauf“.18 Dabei ist im Hinblick auf die Bedeutung und
die Gestaltung der Ersatzteilversorgung im Rahmen des Investitionsgütermarke-
tings eine differenzierte Betrachtung für unterschiedliche Geschäftstypen von In-
vestitionsgütern, die unterschiedliche Marketingmaßnahmen verlangen, durchzu-
führen. HERMANNS/FLORY 19 beispielsweise definieren – nach der
Betrachtungsebene der Wertschöpfung – die Typen Serienhersteller, Variantenan-
bieter, Einzelauftragsleistung, Prozessherstellung, Systemanbieter und Rahmen-
auftragsleistung. Dabei werden im Rahmen der Serien- (z. B. Kugellager- oder
Messgerätehersteller) und der Variantenherstellung (z. B. Gabelstapler-, Getrie-
bemotorenhersteller) dem Reparaturservice und der Ersatzteilversorgung eine ho-
he Bedeutung zugemessen, während etwa bei der Prozessherstellung (z. B. chemi-
sche Grundstoffe, Metallbleche) keine Ersatzteilversorgung benötigt wird.
In Branchen, wie z. B. der Automobilindustrie, in denen ein Markt für aus alten
oder beschädigten Primärprodukten ausgebaute, gegebenenfalls aufbereitete Teile
besteht, gibt es einen besonderen Zusammenhang zwischen der Ersatzteillogistik
und der im folgenden Abschnitt zu behandelnden Entsorgungslogistik. Damit die-
se Teile nicht unkontrolliert als Konkurrenz zu den Originalersatzteilen auf dem
Markt angeboten werden können, muss der Hersteller der Kontrolle des entsor-
gungslogistischen Kanals besondere Aufmerksamkeit beimessen!

15 Vgl. Burkhardt, 1992, S. 26f.


16 Vgl. Diller, 2004, S. 962.
17 Zur Entwicklung der Ersatzteilversorgung und zu branchenmäßigen Unterschieden vgl. Es-
ter, 1997, S. 128ff.
18 Vgl. Thurow, 1977, S. 41ff.; Pfohl u.a., 1995.
19 Vgl. Hermanns/Flory, 1995.
244 12 Ersatzteillogistik

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13 Entsorgungslogistik

13.1 Definition und Konzeption der Entsorgungslogistik

Definition
Die Entsorgungslogistik kann definiert1 werden als die Anwendung der Logistik-
konzeption auf Rückstände, um mit allen Tätigkeiten der raum-zeitlichen Trans-
formation, einschließlich der Mengen- und Sortenänderung, einen ökonomisch
und ökologisch effizienten Rückstandsfluss zu gestalten. Abgrenzungskriterien der
Entsorgungslogistik gegenüber der Beschaffungs-, Produktions-, Distributions-
und Ersatzteillogistik bilden sowohl die Objekte der Entsorgungslogistik als auch
deren Flussrichtung. Entsprechend des Sachzielbezuges der Objekte lassen sich
Zielprodukte und Rückstände als Output von Unternehmen unterscheiden. Wäh-
rend Zielprodukte Objekte der Versorgungslogistik darstellen, ist die raum-
zeitliche Transformation von Rückständen Aufgabe der Entsorgungslogistik. Nach
Art der Wiedereinsetzbarkeit lassen sich Rückstände in Sekundärrohstoffe und
Abfälle, die zudem nach ihrem Aggregatzustand in feste, pastöse und flüssige
Stoffe differenziert werden können, untergliedern. 2 Diese weite Auslegung des
Rückstandsbegriffs erlaubt es, auch ge- und verbrauchte Produkte, Austauschag-
gregate, Retouren, Lagerhüter sowie Leergut, Behälter und Verpackungen den
Rückständen zuzuordnen. Einen Überblick über die Objekte der Entsorgungslogis-
tik gibt Abb. 13.1.
Die Flussrichtung der Rückstände im Entsorgungsbereich ist der Flussrichtung
im Versorgungsbereich entgegen gesetzt. Hierbei unterscheidet man verschiedene
Typen von Rückstandsflüssen. Je nach Art der eingeschalteten Unternehmen und
der Stufigkeit der Entsorgungslogistikkette ergeben sich einstufige und mehrstufi-
ge Redistributionskanäle, Rückstandszyklen und Beseitigungskanäle.3 Redistribu-
tionskanäle sind identisch mit den Distributionskanälen für Zielprodukte und bin-
den Distributionsmittler und -helfer in die physische Übertragung von
Rückständen ein. Die Quelle des Rückstandsflusses entspricht dabei der Senke des

1 Vgl. Pfohl/Stölzle, 1992, S. 573f.


2 Die Verwendung der Begriffe Rückstand, Sekundärrohstoff und Abfall weicht von früher
gebräuchlichen Definitionen ab und ersetzt die Bezeichnungen Reststoff und Wertstoff. Zu
diesen Begriffen vgl. Stölzle, 1993, S. 163ff. Die neuen Definitionen stützen sich auf §2 des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW/AbfG). Dem Gesetz zufolge sind Rückstände
dann Sekundärrohstoffe, wenn sie nach Maßgabe des Gesetzes zu verwerten sind bzw. sind
dann Abfälle, wenn sie nicht als Sekundärrohstoffe verwertet werden dürfen.
3 Vgl. Pfohl/Stölzle, 1995, Sp. 2234ff. und die dort aufgeführte Literatur.

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H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4_13
248 13 Entsorgungslogistik

Abb. 13.1 Objekte der Entsorgungslogistik (Quelle: in Anlehnung an Stölzle, 1993, S. 167)

Zielproduktflusses, der Rückstandsfluss vollzieht sich also entgegen der Flussrich-


tung der Zielprodukte.4 Rückstandszyklen sollen den Wiedereinsatz von Sekundär-
rohstoffen sicherstellen und verbinden den Ort der Rückstandsentstehung mit den
Herstellunternehmen ge- oder verbrauchter Zielprodukte, wobei der Rückstands-
fluss durch die Einbindung von Recyclingunternehmen unterbrochen werden
kann. Beseitigungskanäle realisieren schließlich den Rückstandsfluss zwischen
Rückstandserzeuger und den Institutionen, die für die ordnungsgemäße Beseiti-
gung von Abfällen (z. B. Verbrennungsanlagen oder Deponien) zuständig sind.
Auswahlkriterien für den Aufbau der entsorgungslogistischen Systeme bilden die
Sortenreinheit der Rückstände, deren Wiedereinsatzmöglichkeiten, die Rück-
standsmengen sowie spezielle rechtliche Regelungen, wie beispielsweise hygieni-
sche Anforderungen des Transports oder Sammelladungsverbote der Gefahrgut-
verordnung Straße (GGVS). Die logistischen Prozesse in den Beseitigungskanälen
umfassen die Sammlung, den Transport und Umschlag, die Lagerung, die Verwer-
tung, die thermische Behandlung und die geordnete Beseitigung (siehe Abb.
13.2).5
Neben diesen mesologistischen Systemen, die die Grundlage der Entwicklung
einer Volkswirtschaft zur Kreislaufwirtschaft bilden, gibt es auch mikrologistische
Systeme der Entsorgung. Sie beziehen sich auf die Rückstandstransformation in-
nerhalb öffentlicher und privater Institutionen. Ausprägungsformen können z. B.
die Rückführung von Schmierstoffen oder Produktionsabfällen zum direkten Wie-
dereinsatz im Unternehmen sein.

4 Zur Gestaltung und Bewertung von Redistributionskanälen vgl. Haasis, 1999. In der engli-
schen Sprache wird deshalb die Entsorgungslogistik als „Reverse Logistics“ bezeichnet.
5 Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 488. Siehe dazu auch Ivisic, 2002.
13.1 Definition und Konzeption der Entsorgungslogistik 249

Beseitigung Sammlung

Demontage

Transport/
Verwertung
Umschlag
Aufbereitung

Lagerung

Abb. 13.2 Logistische Prozesse in den Beseitigungskanälen (Quelle: in Anlehnung an Arnold


u. a., 2008, S. 489)

Konzeption
Aus der Definition ergibt sich, dass die Entsorgungslogistik sowohl ökonomisch
als auch ökologisch orientierte Zielsetzungen verfolgt. Das ökonomische Ziel be-
steht aus einer Senkung der Logistikkosten und einer Verbesserung des Serviceni-
veaus der Entsorgungslogistik (anforderungsgerechte Abnahme der Rückstände an
den Anfallstellen sowie art-, mengen-, raum- und zeitgenaue Zuführung der Se-
kundärrohstoffe zu den Wiedereinsatzquellen). Das ökologisch orientierte Ziel
strebt die Schonung natürlicher Ressourcen und die Reduzierung von Emissionen
entsorgungslogistischer Prozesse an. 6 Teilweise ergänzen sich ökologische und
ökonomische Zielsetzungen, z. B. bei der Schonung natürlicher Ressourcen. De-
ren endliche Verfügbarkeit führt dazu, dass weniger Deponieplatz zur Verfügung
steht und die Kosten für die Entsorgung laufend zunehmen, so dass eine Senkung
des Entsorgungsvolumens auch zu einer verlangsamten Zunahme der Entsor-
gungskosten führt.7 Die Einbeziehung ökologischer Zielgrößen in das Zielsystem
der Entsorgungslogistik verdeutlicht die Wechselwirkungen zwischen der Logistik
und dem natürlichen Umfeld. Während sich die ökologischen Aspekte der Versor-
gungslogistik auf die Reduzierung prozessabhängiger input- und outputseitiger
Umweltbelastungen beschränken, 8 trägt die Entsorgungslogistik durch die Über-
nahme spezifischer Aufgaben der Entsorgung aktiv zur Lösung ökologischer
Probleme bei und zeigt die Rolle der Logistik im Umweltschutz auf.
Entsprechend der Zielsetzung der Entsorgungslogistik finden ökologische An-
satzpunkte auch in der Konzeption der Entsorgungslogistik, die sich in die Ge-
samtkonzeption der Logistik, d. h. in das System-, Gesamtkosten-, Service- und

6 Vgl. Pfohl/Stölzle, 1992, S. 575f; Emmermann, 1996, S. 62f.


7 Vgl. Emmermann, 1996, S. 62ff.
8 Zu den Möglichkeiten der Reduzierung von Umwelteinwirkungen der Logistik („Grüne Lo-
gistik“) vgl. Bretzke und Barkawi, 2010; Rausch u.a., 2010; Gregori und Wimmer. 2011;
McKinnon u.a., 2012.
250 13 Entsorgungslogistik

Effizienzdenken einordnet, Berücksichtigung. Grundlage der Planung, Steuerung,


Realisierung und Kontrolle entsorgungslogistischer Prozesse ist das Systemden-
ken. Diese Denkweise erlaubt einerseits, suboptimale Lösungen im Bereich der
Entsorgungslogistik, wie z. B. eine suboptimale Gestaltung der Lagerung von
Rückständen, zugunsten gesamtoptimaler entsorgungslogistischer Lösungen zu
vermeiden. Andererseits ermöglicht die Betrachtung der gesamten Logistikkette
die Ausnutzung bereichsübergreifender Optimierungspotentiale, wie z. B. die Ein-
bindung von Entsorgungsvorgängen in Aktivitäten der Distributionslogistik, die
charakteristisch für die Gestaltung von Redistributionskanälen ist.
Die Anwendung des Gesamt- oder Totalkostendenkens auf die Entsorgungslo-
gistik verfolgt das Ziel, alle relevanten Kosten entsorgungslogistischer Entschei-
dungen offenzulegen. Dabei sollten auch ökologische Kostengrößen, soweit sie
auf einer gesicherten Grundlage bestimmt werden können, in die Entscheidungen
einbezogen werden. Ansätze hierzu bilden etwa Abschreibungen für spezifische
Umweltschutzeinrichtungen, wie beispielsweise Luftfilteranlagen von Um-
schlagshallen.
Das Servicedenken im Bereich der Entsorgungslogistik unterscheidet eine in-
put- und eine outputorientierte Betrachtungsweise des Service. Während sich der
inputorientierte Servicegrad auf die Anlieferung von Rückständen bei Aufberei-
tungs-, Behandlungs- und Beseitigungsanlagen sowie den Ort des Wiedereinsatzes
bezieht, konzentriert sich der outputorientierte Service auf die Entsorgung der
Rückstände an den Anfallorten. Für beide Teilbereiche gelten die Servicekompo-
nenten Liefer- bzw. Abholzeit, -zuverlässigkeit und -flexibilität. Demgegenüber
bezieht sich die Lieferungsbeschaffenheit allein auf die inputorientierte Betrach-
tung, indem sie beispielsweise die Sortenreinheit recycelbarer Rückstände be-
schreibt.
Gemäß der Zieldefinition der Entsorgungslogistik umfasst das Effizienzdenken
die Aspekte der ökonomischen und ökologischen Effizienz. Die ökonomische Di-
mension orientiert sich an den Gesamtkosten der Entsorgungslogistik und dem
ihnen gegenüberstehenden input- und outputbezogenen Servicegrad. Ein mögli-
cher Ansatzpunkt zur Bestimmung der ökologischen Effizienz ist die Recycling-
quote. 9 Bei einer Gesamteffizienzbetrachtung ist zu berücksichtigen, dass trotz
konfliktärer Beziehungen beider Effizienzausprägungen bei einer kurzfristigen
Betrachtungsweise langfristig i. d. R. kongruente Zielbeziehungen bestehen. So
können beispielsweise durch eine Umstellung auf ökologieorientierte Produkti-
onsverfahren im Bereich der Entsorgungslogistik langfristig Wettbewerbsvorteile
errungen und damit auch ökonomische Ziele verfolgt werden.

9 Zu beachten ist, dass die Erfassung der Recyclingquote die Zielhierarchie Vermeidung vor
Verminderung von Umwelteinwirkungen sowie die logistikbedingten Umweltbelastungen
nicht berücksichtigt vgl. Stölzle, 1993, S. 187.
13.2 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Entsorgungslogistik 251

13.2 Verrichtungsspezifische Subsysteme der


Entsorgungslogistik
Entsprechend der Unterscheidung verrichtungsspezifischer funktioneller Subsys-
teme im Bereich der versorgungsorientierten Logistik können auch in der Entsor-
gungslogistik die Subsysteme Auftragsabwicklung, Lagerhaltung, Lagerhaus,
Verpackung und Transport abgegrenzt werden. Spezifisch für die Entsorgungslo-
gistik ist der Aufgabenbereich der Sammlung und Trennung. Die Besonderheiten
dieser Subsysteme gegenüber der Versorgungslogistik sollen im Folgenden skiz-
ziert werden.

Auftragsabwicklung
Im Vergleich zur Versorgungslogistik ist eine Vielzahl rechtlicher Vorgaben zu
beachten, die auf Rechtsverordnungen zu Kennzeichnungspflichten von Rück-
ständen zurückgehen.10 Ziel dieser Rechtsverordnungen ist es, den Fluss umwelt-
gefährdender Rückstände möglichst umfassend zu dokumentieren. Im Bereich des
vorauseilenden Informationsflusses regeln diese Verordnungen z. B. die Einho-
lung von Genehmigungen für die Sammlung und den Transport gefährlicher
Rückstände. Begleitscheine und Warntafeln am Lkw kennzeichnen die Rückstän-
de begleitend zum Rückstandsfluss. Spezifisch für den nacheilenden Informations-
fluss in der Entsorgungslogistik ist die Weiterreichung von Entsorgungsnachwei-
sen.

Lagerhaltung
Vergleichbar zum Versorgungsbereich erfüllt die Lagerhaltung von Rückständen
verschiedene Funktionen, deren Ausprägungen jedoch in der Entsorgungslogistik
unterschiedlich gewichtet sind. So ist beispielsweise die Zeitüberbrückungsfunkti-
on von Lagerbeständen in der Entsorgungslogistik von geringerer Bedeutung als
im Versorgungsbereich. Denn es sind allein Aspekte der wirtschaftlichen Trans-
portlosgröße zu berücksichtigen, da die Kapitalbindungskosten aufgrund des
i. d. R. niedrigeren Wertes von Rückständen als weniger bedeutend einzuschätzen
sind. Die Sicherungsfunktion der Lagerhaltung ist dagegen in Bezug auf den Wie-
dereinsatz und das Recycling von Sekundärrohstoffen von größerem Interesse.
Zeitliche Unwägbarkeiten in art- und mengenmäßigem Sekundärrohstoffanfall
können dadurch ausgeglichen und eine kontinuierliche Auslastung der Recycling-
anlagen gewährleistet werden.11 Die Bedeutung der Spezialisierungsfunktion von
Sekundärrohstofflagern resultiert aus der Einrichtung sekundärrohstoffspezifischer
Recyclinganlagen und der damit verbundenen Aufgabenteilung in der Entsor-
gungswirtschaft. Die Spekulationsfunktion und die Akquisitionsfunktion von La-

10 Zu einem Überblick über die Gesetze und Verordnungen in der Entsorgungslogistik in Euro-
pa vgl. Nguyen, 2012, S. 72ff.
11 Vgl. Pfohl/Stölzle, 1992, S. 581.
252 13 Entsorgungslogistik

gerbeständen haben schließlich bei der Lagerhaltung von Rückständen vernachläs-


sigbare Bedeutung. Gemäß den Funktionen der Rückstandslagerung konzentrieren
sich die Zielsetzungen der Lagerhaltung in der Entsorgung auf die Bereitstellung
ausreichender Kapazitäten und die richtige zeitliche Bereitstellung der Rückstände
zur Realisierung einer möglichst effizienten Verwertung bzw. Beseitigung.12 Das
Ziel der Aufrechterhaltung eines bestimmten Lieferbereitschaftsgrades beschränkt
sich auf die Eingangslager von Recyclinganlagen.

Lagerhaus
Im Rahmen der Entsorgungslogistik dienen Vorratslager der Bereitstellung von
Rückständen zur richtigen Zeit und in den richtigen Mengen sowie der Aufnahme
aufbereiteter Sekundärrohstoffe. Umschlagslager ermöglichen den Aufbau von
Transportketten durch die Realisierung von Umschlagsvorgängen zwischen ver-
schiedenen Verkehrsträgern. Verteilungslager haben die Aufgabe, Rückstände aus
verschiedenen Sammelregionen zu konzentrieren und an spezifische Recycling-
und Beseitigungsanlagen zu verteilen. Rückstandsspezifische Sammellager kön-
nen Abfälle und Sekundärrohstoffe am Ort ihres Anfalls bis zum Abtransport auf-
nehmen. Aufgrund der hohen Sicherheitsanforderungen im Entsorgungsbereich
beschränken sich die Aufgaben im Subsystem Lagerhaus im Wesentlichen auf die
Gewährleistung der notwendigen Sicherheitsstandards. Dies beinhaltet insbeson-
dere die Einhaltung spezifischer rechtlicher Anforderungen, wie z. B. Zusammen-
lagerungsverbote, Brandschutz- und Immissionsschutzverordnungen sowie eine
darauf abgestimmte technische Gestaltung des Lagerhauses.13

Verpackung
Anforderungen an Verpackungen von Rückständen beziehen sich vorwiegend auf
deren Schutzfunktion gegenüber der Umwelt. Insbesondere bei der Verpackung
gefährlicher Rückstände stehen die Forderungen nach Sicherheit und Beständig-
keit im Mittelpunkt.14 Während in der Versorgungslogistik die Kommunikations-
funktion im Hinblick auf das Marketing von besonderer Bedeutung ist, rückt diese
in der Entsorgungslogistik eher in den Hintergrund und beschränkt sich auf die
Kennzeichnung der Rückstände. Einflussfaktoren auf die Verpackungsgestaltung
bilden neben speziellen rechtlichen Rahmenbedingungen im Wesentlichen rück-
standsspezifische und schnittstellenbezogene Anforderungen. Bei den Rückstän-
den sind umweltschutzrelevante Eigenschaften sowie Gewicht, Menge, Form und
Art der Rückstände in die Verpackungsentscheidung mit einzubeziehen. Zur Ver-
meidung technischer Probleme bei der Schnittstellengestaltung in entsorgungslo-
gistischen Verbundsystemen sollten die Verpackungen zudem standardisiert, au-
tomatisch handhabbar, auf verschiedenen Verkehrsträgern universell

12 Vgl. Stölzle, 1993, S. 225f.


13 Vgl. Becker/Hüning, 1993, S. 74ff.
14 Vgl. Pfohl/Stölzle, 1992, S. 587.
13.2 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Entsorgungslogistik 253

transportierbar und als Zwischenlager nutzbar sein. Diese Eigenschaften erleich-


tern zudem den Aufbau von Verbundsystemen zwischen der Entsorgungs- und
Versorgungslogistik, wie sie z. B. bei Redistributionskanälen realisiert werden.

Transport
Besonderheiten des entsorgungslogistischen Subsystems Transport ergeben sich
vorwiegend aus der Inhomogenität der Transportobjekte, dem hohen Risiko un-
fallbedingter Umweltbelastungen und der Problematik der Vermeidung von Leer-
fahrten. So führen die Inhomogenität anfallender Rückstände und die spezifischen
Anforderungen, die jede Rückstandsart an den Transport stellt, zu einer hohen
Komplexität der Transportleistung, die wiederum hohe Transportkosten verur-
sacht. Sortenreine Rückstände treten demgegenüber i. d. R. nur in geringem Um-
fang auf, so dass eine Transportspezialisierung aus ökonomischen Gründen nur
vereinzelt sinnvoll ist. Ein erhöhtes Umweltrisiko durch Unfälle besteht insbeson-
dere bei Gefahrguttransporten. Die Bedeutung dieses Aspektes resultiert aus der
zunehmenden Verkehrsleistung und der steigenden Unfallhäufigkeit in diesem Be-
reich,15 die auch zu einer Zunahme rechtlicher Anforderungen geführt hat. Das Pr-
oblem der Vermeidung von Leerfahrten stellt sich in der Entsorgungslogistik ins-
besondere aufgrund rückstandsbedingter Verunreinigungen der Transportbehälter.
Einerseits begrenzen diese Verunreinigungen die Auswahl rückstandsspezifischer
Rückfrachten, andererseits verhindern sie i. d. R. aufgrund hygienischer Vor-
schriften den Transport von Versorgungsgütern und Rückständen mit demselben
Fahrzeug, wie er z. B. im Rahmen von Redistributionskanälen möglich wäre.16

Sammlung und Trennung


Eng mit der Forderung möglichst homogener Rückstandsströme verbunden ist der
Aufgabenbereich der Sammlung und Trennung. Ziel dieses spezifisch entsor-
gungslogistischen Subsystems ist es, die Sortenreinheit der Rückstände gemäß den
Anforderungen der Rückstandssenken zu erhöhen. Da die Verfahren der Rück-
standstrennung oftmals mit der Sammlung kombiniert werden, kann man die Teil-
aufgaben in einem Aufgabenbereich zusammenfassen.17
Einen wesentlichen Entscheidungstatbestand stellt die Organisation der Samm-
lung und Trennung dar. So können Rückstände auf verschiedenen Stufen des ent-
sorgungslogistischen Kanals getrennt werden. Zunächst bietet sich eine getrennte
Sammlung am Ort der Entstehung an. Sie führt zu einer vergleichsweise hohen
Sortenreinheit der Rückstände, erfordert jedoch Mehraufwand bei der Bereitstel-
lung der Behälter und bei den Transportvorgängen der Rückstände. Demgegen-
über ist der Wiedereinsatz von Rückständen bei einer gemischten Sammlung von
nachträglichen Umschlagsprozessen abhängig. Ökonomische Vorteile ergeben

15 Vgl. Bilitewski/Härdtle, 2013, S. 107.


16 Vgl. Pfohl/Stölzle, 1992, S. 584.
17 Vgl. Pfohl/Stölzle, 1992, S. 586f.
254 13 Entsorgungslogistik

Abb. 13.3 Kombinationen in mehrstufigen Rückstandskreisläufen (Quelle: Arnold u. a., 2008,


S. 516)

sich hier insbesondere durch den geringeren Flächenbedarf der Sammelbehälter,


denen jedoch zusätzliche Prozesskosten für Lager-, Transport- und Umschlags-
prozesse gegenüberstehen. Entscheidungen über die Organisationsform der
Sammlung und Trennung sind daher unter Einbezug des Gesamtkostendenkens
und der Wiedereinsetzbarkeit der Rückstände im Einzelfall zu treffen.
Ein weiterer Entscheidungstatbestand der Sammlung und Trennung ist das Maß
des Einbezuges des Abfallerzeugers in die Entsorgung. Während bei Holsystemen
die Rückstände am Ort ihres Anfalles lediglich bereitgestellt werden, erfordern
Bringsysteme die Einbindung des Rückstandserzeugers in den Rückstandstrans-
port. Die Sammlung erfolgt dabei an zentralen Sammelstellen, wie z. B. Recyc-
lingzentren. Die Wahl einer Alternative hängt im Wesentlichen von der Bereit-
schaft der Abfallerzeuger ab, sich im Bereich der Entsorgung zu engagieren.18 In
mehrstufigen Rückstandskreisläufen lassen sich die Hol- und Bringsysteme ent-
sprechend der jeweiligen Erfordernisse kombinieren, wie in Abb. 13.3 darge-
stellt.19

13.3 Technische Ausgestaltung entsorgungslogistischer Prozesse


Besonderheiten der technischen Ausgestaltung entsorgungslogistischer Prozesse
finden sich vor allem in der Sammel- und Transporttechnik. Spezifische techni-

18 Vgl. Stölzle, 1993, S. 240.


19 Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 515.
13.3 Technische Ausgestaltung entsorgungslogistischer Prozesse 255

sche Einrichtungen und Ausstattungsmerkmale der Bereiche Lagerhaus und Um-


schlag resultieren aus stoffabhängigen Anforderungen, die in geringerem Umfang
auch im Versorgungsbereich, z. B. bei der Handhabung und Lagerung gefährlicher
Stoffe, bestehen.

Sammeltechnik
Entscheidungen bezüglich der Sammeltechnik sind unter Beachtung der Rück-
standsart und -menge, der Organisation der Sammlung und Trennung (getrennte
bzw. gemischte Sammlung sowie Bring- bzw. Holsystem) und der Umschlagsor-
ganisation (Umleer- bzw. Wechselverfahren) zu treffen. Die Rückstandsart be-
stimmt die Notwendigkeit der Berücksichtigung besonderer Umweltschutzeinrich-
tungen im Bereich der Sammeltechnik. Die Menge anfallender Rückstände hat
Einfluss auf die Behältergröße. Die kleinste Einheit ist der Systemmülleimer
(SME) mit einem Fassungsvolumen von 35 oder 50 Liter. Die nächst größere Ein-
heit ist die Systemmülltone (SMT) mit einem Fassungsvolumen von 70 oder 100
Liter. Häufig verwendete Sammelbehälter sind Müllgroßbehälter (MGB) mit ei-
nem Fassungsvolumen von 120, 240 bzw. 360 Liter, die z. B. in der Hausmüll-
sammlung eingesetzt werden. Seit 2005 gibt es die Multifunktionsbehälter (MFB),
die für den Front-, Heck- und Seitenladereinsatz geeignet sind. 20 Für größere
Rückstandsmengen eignen sich 660, 1100 oder 5000 Liter fassende Einheiten
bzw. größere Wechselbehälter.
Die Wahl einer getrennten bzw. gemischten Sammlung ist maßgeblich bestim-
mend für die Anzahl der Behälter bzw. die Anzahl getrennter Kammern in den
Behältern. Mehrkammersysteme finden sich vorwiegend bei der getrennten Erfas-
sung von Altglas, Papier und Batterien im Hausmüllbereich. 21 Entscheidungen be-
züglich Bring- bzw. Holsystemen als Gestaltungsalternativen der Sammlung und
Trennung beeinflussen die Behälterwahl im Hinblick auf die Handhabbarkeit.
Unter Berücksichtigung der Einbindung von Rückstandserzeugern in den
Transport erfolgt bei Bringsystemen die erstmalige Erfassung am Anfallort in
kleinen, handhabbaren Behältern, die problemlos zu den zentralen Sammelstellen
transportiert werden können. Aufgrund der Auslegung dieser Sammelstellen (z. B.
Bereitstellung ausreichender Rangierflächen für Lkw) und vorhandener Anbin-
dungen an das Verkehrsinfrastrukturnetz kann die zentrale Rückstandserfassung
i. d. R. in großen Rückstandsmulden oder -behältern erfolgen. Holsysteme erfor-
dern demgegenüber Behälter, die einerseits über ein ausreichendes Volumen zur
Erfassung der Rückstände verfügen, andererseits aber auch den Anforderungen
manueller Handhabung und der technischen Umladesysteme genügen. Umleer-
bzw. Wechselverfahren als Gestaltungsmöglichkeiten der Umschlagsorganisati-
on22 erfordern schließlich eine Abstimmung der Behälter mit der jeweiligen tech-

20 Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 501f.


21 Vgl. Becker/Lenz, 1993, S. 35ff.
22 Vgl. Stölzle, 1993, S. 238.
256 13 Entsorgungslogistik

nischen Ausrüstung der Fahrzeuge. Da Entscheidungen bezüglich der Einflussfak-


toren auf die Behälterwahl nicht unabhängig voneinander getroffen werden, son-
dern i. d. R. kombinierte Systeme vorliegen, z. B. Holsystem im Umleerverfahren
bei gemischter Rückstandssammlung, sind bei der Wahl eines Behältertyps jeweils
mehrere Entscheidungsparameter zu berücksichtigen, die zudem einer ökonomi-
schen Betrachtung unterliegen.

Transportmittel
Besonderheiten bei der technischen Ausgestaltung von Transportmitteln entstehen
aus der häufig mit dem Transport verbundenen Rückstandsverdichtung und der
Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung der Trennung verschiedener Rückstands-
fraktionen. Einrichtungen zur Verdichtung von Rückständen finden insbesondere
bei großvolumigen Rückständen, wie z. B. Sperrmüll, Anwendung. Die Verdich-
tungseinrichtungen lassen sich entsprechend ihrer technischen Ausgestaltung in
Pressplatten-, Drehtrommel- und Pressschneckenprinzip unterscheiden. Die Ver-
dichtung ermöglicht dabei eine effizientere Auslastung der Sammelfahrzeuge, der
jedoch eine Verminderung der Recyclingfähigkeit der Rückstände gegenüberste-
hen kann.
In der Entsorgungswirtschaft werden am häufigsten die Lkw verwendet, da es
sich bei den Systemen zur Abfallentsorgung häufig um komplexe Netzwerke han-
delt und der Straßenverkehr in der Netzbildung besonders vorteilhaft ist.23 Aus der
Eigenschaft der Abfälle – Massengüter, geringe Kapitalbindung, niedrige Anfor-
derung bei der Lieferzeit – stellt aber der Schienen- oder Schifffahrtverkehr eine
gute alternative Lösung dar.24 Sammelfahrzeuge mit Wechselbehältern stellen eine
Variante für kombinierte Verkehrsarten zwischen Straßen- und Schienenverkehr
dar.

Literatur
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Entsorgungslogistik II. Entwicklung und Bewertung neuer Konzepte und Tech-
nologien. Berlin, S. 35-48

23 Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 505.


24 Vgl. Meyer/Rauh, 2003, S. 19.
Literatur 257

Bilitewski B, Härdtle G (2013) Abfallwirtschaft. Handbuch für Praxis und Lehre.


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gen mit ersten empirischen Ergebnissen zur innerbetrieblichen Entsor-
gungslogistik. Berlin
Teil IV Institutionelle Aspekte von
Logistiksystemen

Die in den Teil II und III vorgestellten funktionellen Subsysteme der Logistik sind
in der Unternehmenspraxis in sehr unterschiedlicher Weise institutionell veran-
260

kert. Dies gilt sowohl für die Wahrnehmung logistischer Aufgaben in den Unter-
nehmen als auch für die Verteilung von Logistikaufgaben auf die in der Wert-
schöpfungskette zusammenarbeitenden Unternehmen. Die damit zusammenhän-
genden Fragen sollen im Teil IV behandelt werden. Es geht also zum einen um die
intraorganisatorische Problematik der institutionellen Verankerung der Logistik
im Unternehmen und zum anderen um die interorganisatorische Problematik der
institutionellen Verankerung der Logistik in der Wertschöpfungskette bzw. in der
Supply Chain.1
Im ersten Kapitel wird auf die Organisationsform intraorganisatorischer Lo-
gistiksysteme eingegangen. Im Vordergrund stehen hierbei Industrieunternehmen,
in denen die Organisation der Logistik i. d. R. sehr komplex ist. Im zweiten und
dritten Kapitel werden die Logistikunternehmen behandelt, die sich in unter-
schiedlicher Weise darauf spezialisiert haben, logistische Dienstleistungen in der
Wertschöpfungskette zu erbringen. Gegenstand des vierten Kapitels sind interor-
ganisatorische Logistiksysteme, die durch die Zusammenarbeit verschiedener In-
stitutionen in der Wertschöpfungskette entstehen.

1 Zur Unterscheidung verschiedener Betrachtungsebenen von Logistiksystemen siehe Teil I,


Abschn. 1.4.
14 Intraorganisatorische Logistiksysteme

14.1 Aufsplitterung logistischer Aufgaben versus


Organisationseinheit Logistik

Basisthesen zur aufbauorganisatorischen Umsetzung der Logistikkonzeption


Ausgangspunkt für Aussagen über die Eingliederung logistischer Aufgaben in die
Aufbauorganisation von Unternehmen ist die Logistikkonzeption. 1 Aus der Lo-
gistikkonzeption lässt sich ableiten, dass logistische Aufgaben nur dann effizient
erfüllt werden können, wenn alle dafür erforderlichen Prozesse als Ganzheit be-
trachtet und dementsprechend koordiniert vollzogen werden. Mit der Forderung
nach koordinierter Erfüllung der logistischen Einzelaufgaben ist unmittelbar die
Aufbauorganisation der Logistik angesprochen; denn die Organisationsstruktur ei-
nes Unternehmens wird durch die Regeln gebildet, die die Arbeitsteilung und Ko-
ordination betreffen. 2
Aus der Notwendigkeit der Koordination logistischer Aufgabenerfüllung kann
jedoch nicht unmittelbar die Forderung nach einer Organisationseinheit Logistik
abgeleitet werden. Vielmehr lassen sich zwei grundlegend unterschiedliche Sicht-
weisen unterscheiden. Die eine These besagt, dass durch die Integration der logis-
tischen Aufgaben in einer darauf spezialisierten Organisationseinheit die Koordi-
nation erleichtert wird. 3 Denn in diesen Organisationseinheiten, in denen auf
Logistikaufgaben spezialisierte Aufgabenträger zusammenarbeiten, seien das Ko-
ordinationsbedürfnis und auch die Koordinationswiderstände geringer als bei or-
ganisatorischer Aufsplitterung logistischer Aufgaben. Daraus kann die Forderung
der organisatorischen Konzentration logistischer Aufgaben in einer möglichst um-
fassenden Organisationseinheit Logistik abgeleitet werden. Die Gegenthese dazu
lautet, dass die notwendige Koordination logistischer Aufgaben, insbesondere im
Falle kleiner Unternehmen, auch ohne aufbauorganisatorische Integration erreicht
werden könne.4 Voraussetzung dafür sei jedoch der Einsatz eines umfangreichen
Koordinationsinstrumentariums.
Welche der beiden Thesen eher die Wahrheit trifft, kann nur schwer beantwor-
tet werden; denn bisher liegen kaum theoretische Aussagen über die in einer be-
stimmten Situation effiziente Eingliederung der Logistik in die Aufbauorganisati-

1 Vgl. zum Folgenden Pfohl/Large, 1998, S. 91ff.


2 Vgl. Kieser/Walgenbach, 2010, S. 18f.
3 Vgl. Pfohl, 1980, S. 1207; Pfohl, 1992, Sp. 1255ff.
4 Vgl. Ihde, 1985, S. 726.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018


H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4_14
262 14 Intraorganisatorische Logistiksysteme

on von Unternehmen vor. Bereits KIRSCH u. a. weisen darauf hin, dass es auf die
Frage nach der richtigen organisatorischen Verankerung der Logistik keine ein-
deutige Antwort gibt.5

Probleme durch die Aufsplitterung logistischer Aufgaben


Erfolgt die Abstimmung logistischer Aufgabenerfüllung weder durch ein entspre-
chendes Koordinationsinstrumentarium noch entsprechend der ersten These durch
eine aufbauorganisatorische Integration, so ist mit Koordinationsproblemen zu
rechnen, welche die Realisierung der Logistikkonzeption verhindern. Die Proble-
me, die durch die Aufsplitterung logistischer Aufgaben entstehen, lassen sich grob
in drei Gruppen einteilen:
x Zielkonflikte zwischen Organisationseinheiten,
x Zielkonflikte innerhalb von Organisationseinheiten,
x Kommunikationsprobleme.6
Zielkonflikte zwischen den Organisationseinheiten: Bei der Erfüllung von Logis-
tikaufgaben treten starke Zielkonflikte zwischen den Organisationseinheiten auf,
denen Logistikaufgaben zugeordnet sind.7 Organisatorische Konflikte können ihre
Ursachen im sozio-emotionalen Verhalten der Organisationsmitglieder haben und
sich dementsprechend in Statuskämpfen oder Antipathien und Misstrauen äußern.
Sie können ihre Ursache aber auch im aufgabenorientierten Verhalten der Organi-
sationsmitglieder haben und äußern sich dann in unterschiedlichen Wertvorstel-
lungen und Problemsichten. Unterschiedliches, aufgabenorientiertes Verhalten ist
insbesondere auch eine Folge davon, dass in den einzelnen Organisationseinheiten
Spezialisten arbeiten, die Verhaltens- und Denkschemata entwickeln, welche den
Anforderungen ihrer Arbeit und ihrer Ausbildung entsprechen. Deswegen haben
die verschiedenen Spezialisten unterschiedliche Auffassungen darüber, wie eine
bestimmte Aufgabe zu erfüllen ist. Die einzelnen logistischen Entscheidungen
werden dann nicht auf der Grundlage logistischer Zielsetzungen und logistischen
Denkens getroffen, sondern auf der Grundlage der Zielsetzungen der Organisati-
onseinheiten, in denen logistische Aufgaben wahrgenommen werden und entspre-
chend der dort vorherrschenden Denkweise.
Zielkonflikte innerhalb der Organisationseinheiten: Innerhalb der Organisations-
einheiten treten Zielkonflikte zwischen der Erfüllung der Hauptaufgaben und der
anfallenden Logistikaufgaben auf, die als Hilfsdienste betrachtet und als Neben-
aufgaben vernachlässigt werden. In der Organisationseinheit Produktion gilt bei-
spielsweise das Hauptaugenmerk der Produktionstätigkeit und es ist sehr wahr-
scheinlich, dass man daneben den logistischen Aufgaben geringe Beachtung

5 Kirsch u. a., 1973, S. 343.


6 Vgl. Pfohl, 1980, S. 1205f.
7 Für einen Überblick über mögliche Konflikte zwischen Organisationseinheiten vgl. Kotler
u.a., 2007, S. 888ff.
14.1 Aufsplitterung logistischer Aufgaben versus Organisationseinheit Logistik 263

schenkt. Trotzdem belasten die logistischen Aufgaben die Mitarbeiter in den Or-
ganisationseinheiten und halten sie von der Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgaben
ab. Die eigentlichen Aufgaben der Organisationseinheiten Beschaffung, Produkti-
on und Absatz wurden im Teil III in den Abschnitten zur Beschaffungs-, Produk-
tions- und Distributionslogistik herausgearbeitet. Sie sind in der herkömmlichen
Organisationsform die Träger eines wesentlichen Anteils der anfallenden Logis-
tikaufgaben.
Kommunikationsprobleme: Aufgrund der Abgrenzung der Organisationseinheiten
voneinander treten Kommunikationsprobleme auf, die eine konsequente Anwen-
dung des logistischen Systemdenkens verhindern und so zu Fehlentscheidungen
führen, den Ablauf logistischer Prozesse verzögern und die Flexibilität logistischer
Systeme verringern. In einem Unternehmen, in dem beispielsweise außerbetriebli-
che Transportaufgaben sowohl vom Absatzbereich als auch vom Beschaffungsbe-
reich wahrgenommen werden, wurde einem unzuverlässigen Spediteur seitens des
Absatzbereichs gekündigt. Da der Beschaffungsbereich Transportaufgaben ohne
Abstimmung mit dem Absatzbereich wahrnimmt, wurden dem Spediteur neue
Aufträge seitens des Beschaffungsbereichs erteilt.

Möglichkeiten der Koordination aufgesplitterter Logistikaufgaben


Für die Handhabung des Koordinationsproblems stehen eine Reihe von Koordina-
tionsinstrumenten zur Verfügung. 8 Man kann die vorhandenen Koordinationsin-
strumente in strukturelle und nicht strukturelle Koordinationsinstrumente aufglie-
dern. 9 Die strukturellen Koordinationsinstrumente sind durch organisatorische
Regelungen festgelegt. Die nicht strukturellen Koordinationsinstrumente basieren
auf dem Grundgedanken, dass sich die Aktivitäten der Organisationsmitglieder am
leichtesten auf das Organisationsziel ausrichten lassen, wenn sich alle Organisati-
onsmitglieder mit dem Organisationsziel identifizieren. Hierzu steht ein differen-
ziertes Instrumentarium der Indoktrination zur Verfügung, auf das hier im Einzel-
nen nicht eingegangen werden kann. Für die Logistik aber sind vor allem
personalpolitische Maßnahmen von Bedeutung , die darauf ausgerichtet sind, das
Wissen um die logistischen Zusammenhänge bei jenen Organisationsmitgliedern
zu erhöhen, die logistische Teilaufgaben wahrnehmen. Außerdem können Motiva-
tion und Einstellung der Organisationsmitglieder durch Anreize so beeinflusst
werden, dass sie die erkannten Zusammenhänge auch tatsächlich bei ihren Ent-
scheidungen berücksichtigen.
Bei den strukturellen Koordinationsinstrumenten unterscheidet man die Koor-
dination durch persönliche Weisung, die Koordination durch Selbstabstimmung,
die Koordination durch Programme und die Koordination durch Pläne.
Die Koordination durch persönliche Weisung beruht auf dem hierarchischen
Charakter der Koordination. In diesem Fall geschieht die Koordination dadurch,

8 Vgl. zum Folgenden Pfohl, 1980, S. 1206f.


9 Vgl. Kieser/Walgenbach, 2010, S. 100ff.
264 14 Intraorganisatorische Logistiksysteme

dass z. B. die Leiter der Bereiche Beschaffung, Produktion und Absatz ihre Mitar-
beiter, die logistische Teilprobleme behandeln, anweisen, wie sie die bestehenden
Interdependenzen zu berücksichtigen haben.
Bei der Selbstabstimmung erfolgt die Koordination dadurch, dass diejenigen
Organisationsmitglieder, die logistische Teilprobleme zu behandeln haben und die
verschiedenen Bereichen angehören, sich miteinander selbst abstimmen. Diese
Selbstabstimmung muss sich nicht auf informelle Kontakte zwischen den Organi-
sationsmitgliedern beschränken und der eigenen Initiative und dem eigenen Er-
messen der Mitglieder überlassen bleiben. Bei der themenspezifischen Interaktion
z. B. wird festgelegt, bei welchen Logistikproblemen sich eine Stelle mit welchen
anderen Stellen abstimmen muss. Zur Abstimmung ist außerdem die institutionali-
sierte Interaktion möglich, bei der die Kommunikation zwischen den Stellen, die
sich miteinander abstimmen sollen, noch stärker strukturiert wird. Es werden dann
Kollegien (Komitees, Ausschüsse, Arbeitskreise, Besprechungen, Konferenzen
usw.) zur Selbstabstimmung eingerichtet.
Bei der Abstimmung durch Programme werden in der Regel schriftlich Verfah-
rensrichtlinien oder Handbücher formuliert. In ihnen wird festgelegt, wie logisti-
sche Aufgaben wahrzunehmen sind. So können Programme für die Bestellsituati-
on, für die Transportabwicklung usw. festgelegt werden.
Bei der Koordination durch Pläne erfolgt die Abstimmung mittels der Vorgabe
von Zielen, Maßnahmen und Ressourcen. Die Pläne sind im Gegensatz zu den
Programmen keine generellen Vorgaben. Sie gelten lediglich für die Planperiode
und für die darin anfallenden logistischen Planungsprobleme.
Allerdings ist fraglich, ob diese Koordinationsinstrumente zur Realisierung der
Logistikkonzeption, d. h. zur Überwindung der Koordinationsprobleme, ausrei-
chend sind. Im Folgenden sollen deshalb zunächst empirische Untersuchungen
zum Vorhandensein einer Organisationseinheit Logistik betrachtet werden.

Vorhandensein einer Organisationseinheit Logistik


Entsprechend der ersten These können die aufgezeigten Koordinationsprobleme
wirksam durch eine Integration der logistischen Aufgaben in einer darauf speziali-
sierten Organisationseinheit Logistik verringert werden. Dementsprechend müss-
ten sich in der betrieblichen Praxis Organisationseinheiten durchsetzen und empi-
risch nachweisen lassen, die eine große Zahl logistischer Aufgaben in ihrem
Verantwortungsbereich konzentrieren.
Über die organisatorische Verankerung der Logistik liegen eine Vielzahl von
empirischen Untersuchungen in Europa und den USA vor.10 Kern dieser Untersu-
chungen war häufig die Frage nach dem Vorhandensein einer Organisationsein-
heit Logistik.
Das Vorhandensein einer Organisationseinheit, die den Namen Logistik trägt,
ist jedoch noch kein eindeutiger Hinweis auf die erfolgte organisatorische Integra-

10 Vgl. Bowersox u.a., 1994; Bowersox/Closs, 1996, S. 596; Pfohl/Large, 1998, S. 97ff.; Strau-
be u.a. 2005, S.27; Straube und Pfohl, 2008, S. 20ff.; Handfield u.a. 2013 S. 42ff.
14.1 Aufsplitterung logistischer Aufgaben versus Organisationseinheit Logistik 265

tion logistischer Aufgaben. Voraussetzung dafür ist, dass in dieser Einheit die lo-
gistischen Teilaufgaben weitgehend konzentriert sind. In Abb. 14.1 sind auf Basis
von Unternehmensbefragungen die Anteile der Unternehmen aufgetragen, deren
Logistikorganisation sich jeweils einem der drei dort unterschiedenen Zentralisati-
onsgrade zuordnen lässt.
Obwohl derzeit somit offensichtlich ein Großteil der Industrieunternehmen
über eine Organisationseinheit Logistik mit hohem Aufgabenumfang verfügt,
kann nicht eindeutig geklärt werden, ob eine solche auch in Zukunft die effiziente
Möglichkeit zur Realisierung der Logistikkonzeption darstellt. Sicherlich kann
nicht von einer zwingenden Entwicklung hin zu einer umfassenden Organisations-
einheit Logistik ausgegangen werden. Vielmehr hängt die adäquate Organisations-
form von situativen Einflussfaktoren ab.
Geht man jedoch aufgrund der Ausprägung dieser Faktoren von der Notwen-
digkeit einer aufbauorganisatorischen Zusammenfassung aus, so kann diese nicht
auf den Aspekt der Existenz einer Organisationseinheit Logistik reduziert werden.
Wesentliche weitere Fragestellungen sind die Eingliederung in eine bestehende
Aufbauorganisation und die innere Gliederung der Organisationseinheit Logistik.11

11 Vgl. Kirsch u. a., 1973, S. 344; Ihde, 1980, Sp. 1228f.; Pfohl/Large, 1998, S. 92f.
266 14 Intraorganisatorische Logistiksysteme

Sonstiges 6 8
17
Dezentralisierte
Logistikeinheit in 18 12
Sparten 4

Zentralisierte 33
32 37
Logistikeinheit

Kombination von
Zentralisation und
Dezentralisation 44 47
42

2006 2007 2008


(in % der befragten Unternehmen)

Abb. 14.1 Organisatorische Verankerung der Logistik (Quelle: eigene Darstellung in Anleh-
nung an LaLonde/Ginter, 2006, S. 7; LaLonde u.a., 2007, S. 7; LaLonde/Ginter,
2008, S. 7)

14.2 Eingliederung der Logistikaufgaben in unterschiedliche


Organisationsstrukturen12

Funktionale Organisationsstruktur
Die organisatorischen Einheiten zur Erfüllung der logistischen Aufgaben lassen
sich entsprechend der beiden vorgestellten Thesen zentral oder dezentral in eine
funktionale Organisationsstruktur eingliedern. Bei einer dezentralen Eingliederung
bleiben die logistischen Aufgaben organisatorisch auf unterschiedliche Funktions-
bereiche aufgeteilt. Für eine solche Aufsplitterung (Fragmentierung) der Logistik-
aufgaben gibt Abb. 14.2 ein Beispiel.

12 Zur Diskussion der Eingliederung der Logistik in verschiedene Organisationsstrukturen vgl.


Pfohl, 1980, S. 1208ff.; Felsner, 1980, S. 64ff.; Large, 2016, S. 186 ff.
14.2 Eingliederung der Logistikaufgaben in unterschiedliche Organisationsstrukturen 267

Bei einer zentralen Aufgabenzusammenfassung erfolgt die Eingliederung der


Logistikaufgaben in einen einzigen Funktionsbereich. Hierfür gibt es prinzipiell
zwei Möglichkeiten:
x Aufgabenzusammenfassung in einem selbstständigen logistischen Funktionsbe-
reich neben den anderen Funktionen bzw. im Sinne der Querschnittsfunktion
die betriebswirtschaftlichen Grundfunktionen überlagernd,
x Zusammenfassung der logistischen Aufgaben unter einen bestehenden Funkti-
onsbereich.
Man kann also die Logistik mit Bereichen wie Produktion, Marketing/Absatz –
zur Bezeichnung organisatorischer Einheiten werden diese beiden Begriffe im
Folgenden synonym gebraucht –, Beschaffung oder Verwaltung gleichsetzen oder
aber die Logistik diesen Bereichen unterordnen. Es hängt vom Umfang des als in-
stitutionelle Einheit gesehenen, betrieblichen Logistiksystems ab, wie die Einord-
nung der Logistik in die funktionale Organisationsstruktur zu erfolgen hat.
BOWERSOX/CLOSS 13 unterscheiden hierbei die in Abb. 14.3 skizzierten drei
Typen der Eingliederung der Logistik in eine funktionale Organisationsstruktur.
Alle drei Typen können heute in Unternehmen angetroffen werden. Doch spiegeln
die verschiedenen Typen auch die bisherige Entwicklung der organisatorischen
Umsetzung der Logistikkonzeption im Zeitverlauf wider.14 Der Organisationstyp I
ist charakteristisch für logistikorientierte Unternehmen der 50er und 60er Jahre.
Der Typ II ist typisch für die 70er und die 80er Jahre. Der Typ III wird zuneh-
mend gegenwärtig angetroffen.

13 Bowersox/Closs, 1996, S. 599ff.


14 Aussagen zum Life Cycle Approach vgl. Pfohl/Large, 1998, S. 92; Pfohl, 2016, S. 26.
268 14 Intraorganisatorische Logistiksysteme

Abb. 14.2 Beispiel für die Aufsplitterung von Logistikaufgaben (Quelle: Bowersox/Closs,
1996, S. 599)

Kennzeichnend für den Organisationstyp I sind, obwohl noch völlig voneinan-


der getrennt, die Materialwirtschaft und die Physische Distribution als erste Kris-
tallisationspunkte für die Zusammenfassung von Logistikaufgaben. Wird in einem
Unternehmen die Notwendigkeit zur Reorganisation des Logistikbereichs erkannt,
so ist zu erwarten, dass ein oder zwei solcher Kristallisationspunkte entstehen. Im
Marketingbereich geschieht dies normalerweise ausgehend vom Lieferservice und
im Produktionsbereich ausgehend von der Materialbeschaffung. Da die Logistik-
aufgaben aber weiterhin stark in der Organisationsstruktur aufgesplittert sind, gibt
der Organisationstyp I nur eine vergleichsweise geringe Unterstützung für das
Management der logistischen Systemzusammenhänge. Dies wird auch dadurch
unterstrichen, dass die Logistikaufgaben keine bedeutsame hierarchische Aufwer-
tung erfahren.
14.2 Eingliederung der Logistikaufgaben in unterschiedliche Organisationsstrukturen 269
270 14 Intraorganisatorische Logistiksysteme

Abb. 14.3 Zentralisationsgrad der Logistikaufgaben bei funktional gegliederten Unternehmen


(Quelle: Bowersox/Closs, 1996, S. 600, S. 601 und S. 603.)

Im Organisationstyp II wird ein Teil der Logistikaufgaben aus den anderen Be-
reichen ausgegliedert und in einem eigenen Bereich zentralisiert. Zumindest in
den USA ist dies sehr häufig, ausgehend vom Kristallisationspunkt Lieferservice,
der Bereich Physische Distribution. Typisch ist ein solcher Bereich z. B. für die
Nahrungsmittelindustrie, wo die Lieferserviceprobleme und Distributionskosten
eine große Rolle spielen. In Abhängigkeit von der Branche, z. B. in der Automo-
bilindustrie, wo die Versorgungsserviceprobleme und die Materialwirtschaftskos-
ten eine große Bedeutung haben, kann das aber auch der Bereich Materialwirt-
schaft sein. In beiden Fällen werden die zentralisierten Logistikaufgaben
hierarchisch aufgewertet. Die anderen Bereiche beginnen die Physische Distribu-
tion/Materialwirtschaft als selbstständigen Bereich zu akzeptieren, der aufgrund
von Eigeninitiative agiert und nicht nur aufgrund der Anforderungen der übrigen
Bereiche reagiert. Allerdings bietet der Organisationstyp II noch keine Unterstüt-
zung für das Management der Synergieeffekte zwischen Materiallogistik und Dis-
tributionslogistik.
Im Organisationstyp III sind schließlich alle Logistikaufgaben unter einheitli-
cher Leitung zentralisiert. Der Logistikbereich wird von den anderen Bereichen
als völlig gleichberechtigt akzeptiert und erhält ebenfalls Einfluss auf das strategi-
sche Management des Unternehmens. Der Stab Systemplanung unterstützt die Lo-
gistikleitung bei der Wahrnehmung der strategischen Aufgaben, während der Stab
Controlling die Planung und Kontrolle von Kosten und Leistungen im logistischen
14.2 Eingliederung der Logistikaufgaben in unterschiedliche Organisationsstrukturen 271

Gesamtsystem unterstützt. Bei den übrigen Logistikaufgaben wird in Abb. 14.3


beispielhaft in drei organisatorische Aufgabengebiete unterschieden. Die Logisti-
koperationen werden von den Organisationseinheiten Einkauf, Produktionsversor-
gung und Physische Distribution jeweils in eigener Verantwortung wahrgenom-
men. Dabei werden sie durch Organisationseinheiten der Einheit Logistikservice
unterstützt. Die Planung und Koordination erfolgt für alle Logistikoperationen
gemeinsam durch die Logistikressourcenplanung, sodass die Interdependenzen des
logistischen Gesamtsystems berücksichtigt werden.

Divisionale Organisationsstruktur
Liegt eine divisionale Organisationsstruktur (Spartenorganisation) vor, so bieten
sich als Grundformen für die Eingliederung logistischer Aufgaben die zentrale
Eingliederung oder aber die dezentrale Eingliederung in die Sparten an, wie es die
Alternativen a und b in Abb. 14.4 zeigen.
Für die zentrale Eingliederung bietet sich zunächst der Zentralbereich an, in
dem alle Logistikaufgaben zentral über den Sparten zusammengefasst werden.
Diese Form ist dann geeignet, wenn eine oder mehrere der folgenden Gegebenhei-
ten vorliegen:
x eine geringe Anzahl von Sparten mit einem relativ niedrigen Umsatz der Spar-
ten,
x eine geringe Anzahl von Produktionsstätten oder
x ein vergleichsweise geringes Ausmaß der Dezentralisation funktionaler Aufga-
ben in die Sparten.
Eine Alternative zur Bildung eines Zentralbereichs wäre die Bildung einer
Sparte Logistik, bei der sich allerdings die Problematik der Behandlung als Profit-
center stellt.
Noch einen Schritt weiter geht der Vorschlag, die Logistikaufgaben für alle
Sparten von einem eigenen, rechtlich selbstständigen Logistikunternehmen wahr-
nehmen zu lassen.15 Ein solches Unternehmen kann die von ihnen für die konzern-
internen Kunden angebotenen logistischen Dienstleistungen extern vermarkten.
Eine dezentrale Eingliederung der Logistik in die Sparten ist geeignet bei rela-
tiv großen Unternehmen mit weitgehend selbstständigen Sparten oder mit Sparten,
deren logistische Probleme infolge der Eigenschaften ihrer Produkte oder speziel-
len Anforderungen der Märkte sich stark unterscheiden. Bei einer solchen dezent-
ralen Einordnung sind alle Logistikaufgaben, die in einer Sparte anfallen, in dieser
Sparte zusammengefasst.

15 Vgl. Bowersox u.a., 1986, S. 317f.


272 14 Intraorganisatorische Logistiksysteme

a) zentrale Logistikkonzeption

Unternehmensleitung

Finanzen Personal Logistik Recht

Division A Division B Division C

Produktion
Marketing
Verwaltung

b) dezentrale Logistikkonzeption
Unternehmensleitung

Finanzen Personal Recht

Division A Division B Division C


Produktion
Marketing
Logistik
Verwaltung

c) zentrale Logistikkonzeption mit


dezentralen Abteilungen

Unternehmensleitung

Finanzen Personal Logistik Recht

Division A Division B Division C


Produktion
Marketing

Logistik Logistik Logistik


Verwaltung

Linienbeziehung funktionale Beziehung

Abb. 14.4 Zentralisationsgrad der Logistikaufgaben bei divisional gegliederten Unternehmen


(Quelle: Felsner, 1980, S. 72)
14.2 Eingliederung der Logistikaufgaben in unterschiedliche Organisationsstrukturen 273

Eine Dezentralisierung kann für die wirtschaftliche Lösung logistischer Prob-


leme allerdings einen großen Nachteil haben, da tendenziell die Wirtschaftlichkeit
eines Güterflusses von seinem Volumen abhängt. Die Zentralisation bietet den
Vorteil, die verschiedenen Güterflüsse der Sparten zusammenzufassen und ein
einziges logistisches System für alle Produkte zu benutzen. Dadurch entstehen
nicht nur Synergie-, Spezialisierungs- und Standardisierungseffekte, sondern auch
eine größere Einkaufsmacht für den Einkauf logistischer Dienstleistungen. Des-
halb ist auch in Unternehmen, die im Prinzip eine dezentralisierte Organisations-
struktur besitzen, eine Zentralisation von Logistikaufgaben zu beobachten.16 Die
Möglichkeit für eine Zentralisation werden durch die individuellen Anforderungen
eingeschränkt, die an Transport, Umschlag, Lagerung und Verpackung seitens der
Eigenschaften des Produktes oder des Marktes gestellt werden. Außerdem treten
neue Koordinationsprobleme auf, die daraus resultieren, dass die Logistikfunktion
zentralisiert wird, die anderen Funktionen aber in den Sparten dezentralisiert blei-
ben.

Kombinationsmöglichkeiten
Eine Möglichkeit zur Kombination von Zentralisation und Dezentralisation in ei-
ner funktionalen Organisationsstruktur besteht in der zentralen Zusammenfassung
logistischer Stabsaufgaben und der dezentralen Einordnung der logistischen Li-
nienaufgaben. Die Unterscheidung beider Aufgabenarten für die Logistik erfolgt
im nächsten Abschnitt. Soll der zentrale Stab in der Lage sein, Logistikentschei-
dungen tatsächlich zu beeinflussen, so muss es ein starker Stab sein, der mit den
notwendigen Kompetenzen im Entscheidungsprozess ausgestattet ist. 17
Eine Möglichkeit zur Kombination zwischen Zentralisation und Dezentralisati-
on bei einer divisionalen Organisationsstruktur besteht in der in Abb. 14.4 unter
Alternative c dargestellten, zentralen Einordnung von Aufgaben der Planung (Sys-
templanung und Fachplanung), Koordination und Kontrolle sowie einer dezentra-
len Eingliederung der operativen Aufgaben der Steuerung und Durchführung. In
der Praxis lassen sich unterschiedliche Formen realisieren, die sich jeweils danach
unterscheiden, wie die Kompetenzen im Einzelnen zwischen der zentralen Logis-
tik und den dezentralen Logistikorganisationseinheiten der Sparten aufgeteilt sind.
Im Wesentlichen kommt das darin zum Ausdruck, inwieweit die zentrale Logistik
funktionale (fachliche) Weisungsbefugnis gegenüber der dezentralen Spartenlogis-
tik erhält. Man kann hier zwei Extreme unterscheiden:18
x Eine zentrale Logistik mit Sachkompetenz ist zuständig für die Systemplanung
(also Aufbau und Implementierung eines funktionsfähigen Logistiksystems und

16 Vgl. Magee u.a., 1985, S. 407f.


17 Zur Forderung nach einem starken Stab vgl. Heskett u.a., 1973, S. 685f. Zu den Kombinati-
onsmöglichkeiten vgl. Bowersox u.a., 1968, S. 379f.; Magee u.a., 1985, S. 401. Siehe dazu
auch die „hybriden“ Organisationseinheiten bei Pfohl, 2016, S. 285 ff.
18 Vgl. dazu allgemein Pfohl/Stölzle, 1997, S. 192f. und S. 200f.
274 14 Intraorganisatorische Logistiksysteme

die Erarbeitung der einzusetzenden Logistikmethoden und -instrumente) und


die Fachplanung (Planen der Logistikziele, Logistikmaßnahmen und Logistik-
ressourcen) sowie die Koordination und Kontrolle. Den dezentralen Spartenlo-
gistiken werden nur die Aufgaben der Steuerung (z. B. wird der physische Gü-
terfluss für eine Woche von der Zentrale geplant, aber die Steuerung innerhalb
der Woche der dezentralen Logistik überlassen) sowie die Aufgaben der
Durchführung übertragen.
x Eine zentrale Logistik mit Richtlinienkompetenz kann dagegen lediglich durch
eine grobe Planung den Rahmen festlegen, in dem sich die dezentralen System-
logistiken bewegen müssen. Ansonsten hat die Zentrale nur beratende Aufga-
ben. Im Prinzip verbleiben hier also die wesentlichen Linienaufgaben der Lo-
gistik in den Sparten.
Abb. 14.1 zeigte die organisatorische Eingliederung der Logistik in die divisio-
nale Organisationsstruktur in den USA. In den befragten Unternehmen ist die Lo-
gistikfunktion überwiegend als Zentralabteilung oder als Kombination von Zent-
ralabteilung und Eingliederung in die Sparten realisiert. Dabei ist zu beachten,
dass es sich bei diesen Erhebungen nicht um eine Längsschnittuntersuchung han-
delt, da sich die Zusammensetzung der Unternehmen, die einen auswertbaren Fra-
gebogen lieferten, änderte. Trotzdem ist erkennbar, dass sich im betrachteten Zeit-
raum die Art und Weise der organisatorischen Eingliederung nur unwesentlich
gewandelt hat.
Die Ausführungen über die Eingliederung der Logistik in eine divisionale Or-
ganisationsstruktur gelten analog für Unternehmen mit mehreren Werken. In Abb.
14.5 ist ein Beispiel aus der Automobilbranche für eine Kombination von Zentra-
lisierung und Dezentralisierung wiedergegeben. Komplexer wird das Kombinati-
onsproblem, wenn ein Unternehmen mehrere Sparten, mehrere Werke und mehre-
re funktional organisierte Zentralbereiche hat. 19
Eine Möglichkeit zur Kombination von Zentralisation und Dezentralisation
sowohl bei funktionaler als auch bei divisionaler Organisationsstruktur bieten die
schon bei den Koordinationsinstrumenten angesprochenen Kollegien. Mit ihrer
Einrichtung wird die Koordination durch Selbstabstimmung institutionalisiert. In
diesem Fall treten Vertreter der Abteilungen, in denen Logistikaufgaben wahrge-
nommen werden, in regel- oder unregelmäßigen Zeitabständen zusammen, um
Logistikprobleme miteinander zu behandeln. Je nachdem, ob etwa Informations-,
Beratungs- oder Entscheidungskollegien vorliegen, wird die Funktion dieser Kol-
legien in den logistischen Entscheidungsprozessen unterschiedlich sein. Solche
Kollegien können im Gegensatz zu Projektgruppen über lange Zeiträume beste-
hen.
Wenn Kollegien mit der Durchführung von größeren Logistikprojekten über-
fordert sind, bietet sich die Projektorganisation in der Form der Task Force an.20

19 Vgl. Endlicher, 1981, S. 209ff.


20 Zur Projektorganisation vgl. Pfohl/Stölzle, 1997, S. 206ff.
14.2 Eingliederung der Logistikaufgaben in unterschiedliche Organisationsstrukturen 275

Vorstandsvorsitzender

Einkauf,
Finanzen,
IT Logistik, … …
Controlling
(Operations)

funktionale
Zentrale Weisungsbefugnis
Logistik

System-
planung
EDV Produktions- Produktions-
leiter Werk I leiter Werk II

Material- Fertigungs- Lagertechnik,


disposition, steuerung, Pro- Transport,
Beschaffung grammplanung Verkehr Werkslogistik Werkslogistik

Abb. 14.5 Kombination zentraler und dezentraler Wahrnehmung von Logistikaufgaben in ei-
nem Unternehmen mit mehreren Produktionsstätten (Werken) (Quelle: mit gering-
fügigen Änderungen entnommen aus Felsner, 1980, S. 70)

Es wird also eine Projektgruppe gebildet, in der Mitglieder der betroffenen dezent-
ralen Abteilungen sowie Spezialisten der Zentrale zusammenarbeiten. Für die Zeit
der Projektarbeit werden die entsprechenden Stellen sowohl in der Zentrale als
auch in den dezentralen Abteilungen für diese Projektmitarbeiter freigehalten. Die
Task Force wird nach Erledigung der projektbezogenen Aufgaben wieder aufge-
löst.
Neben der Organisation der Projektabwicklung, z. B. in Form der Task Force,
ist bei der Projektorganisation auch die Organisation der Projektträgerschaft zu be-
rücksichtigen. Durch sie wird bestimmt, wer der verantwortliche Auftraggeber für
das Projekt ist und als solcher die oberste Überwachungs- und Entscheidungsfunk-
tion auszuüben hat. Wesentlicher Gesichtspunkt für die Organisation der Projekt-
trägerschaft ist ihre Zusammensetzung aus Personen, die als Fach- und Macht-
promotoren das Projekt in der notwendigen Weise fördern können.

Hierarchieebene
Das Problem der organisatorischen Zusammenfassung von Logistikaufgaben kann
nur im Zusammenhang mit ihrer hierarchischen Einstufung in die Organisations-
struktur gelöst werden. Die hierarchische Einordnung des Ressorts Logistik ist ein
Indiz dafür, welche Bedeutung die Unternehmensleitung der Logistikkonzeption
276 14 Intraorganisatorische Logistiksysteme

beimisst. Je tiefer die Institutionalisierung der Logistik in der Unternehmenshie-


rarchie ist, desto größer ist die Gefahr, dass die logistischen Aufgaben nur als Ne-
benfunktion betrachtet werden und der Zielsetzung der Organisationseinheit, der
die Logistik zugeordnet wurde, untergeordnet sind. Weiterhin beeinflusst die hie-
rarchische Stellung wegen der unternehmensinternen Machtverhältnisse die
Durchsetzbarkeit logistikspezifischer Ziele. Grundsätzlich stehen die folgenden
Hierarchieebenen zur Auswahl:
x Geschäftsführungsebene,
x Bereichsebene,
x Hauptabteilungsebene,
x Abteilungsebene,
x Gruppenebene.
Weil in der Geschäftsführungsebene bei ungeteilter Geschäftsführung nicht
nach Funktionen differenziert wird, entfällt diese Ebene gegebenenfalls für die
hierarchische Einordnung eines Ressorts Logistik. Im Fall der multipersonellen
Geschäftsführung gilt diese Einschränkung allerdings nicht mehr. Durch eine Ein-
ordnung des Ressorts Logistik auf Geschäftsführungsebene wird die Implementie-
rung der Logistikkonzeption im Unternehmen am nachhaltigsten unterstützt.
Die Einstufung auf Gruppenebene ist, wie die folgenden empirischen Untersu-
chungen zeigen, von untergeordneter Bedeutung, da sie lediglich am Anfang eines
Reorganisationsprozesses denkbar ist, an dem eine Logistikgruppe in einer Abtei-
lung Logistikprobleme zu bearbeiten beginnt. Von Bedeutung sind damit noch die
Bereichs-, Hauptabteilungs- und Abteilungsebenen, die zunächst im Zusammen-
hang mit der funktionalen Organisationsstruktur diskutiert werden sollen.
Eine Einordnung der Logistik auf Bereichsebene hat den großen Vorteil, dass
der Logistikfunktion sichtbar dasselbe Gewicht beigemessen wird wie den traditi-
onellen Funktionen Beschaffung, Produktion und Absatz. Die Eingliederung der
Logistikaufgaben in einen speziell dafür geschaffenen Bereich soll zur Folge ha-
ben, dass die Logistikprobleme nicht in einem anderen Bereich nur nebenbei mit-
erledigt werden, sondern dass sie mit der ihnen gebührenden Aufmerksamkeit und
der notwendigen Fachkenntnis gelöst werden.
Gegen eine Eingliederung von Logistikaufgaben in einen anderen Bereich,
z. B. der Distributionslogistik in den Absatzbereich, wurden bereits früh vor allem
drei Einwände erhoben: 21 Im Absatzbereich herrsche Umsatz- und kein Kosten-
denken, so dass unter Missachtung der Kostensituation ein überhöhter Lieferser-
vice angeboten wird. Oft richte man sich auch mit der Standortwahl nach dem
Standort bereits bestehender Verkaufsbüros, obwohl ein solcher Lagerhausstand-
ort unter logistischen Gesichtspunkten sehr ungünstig sein kann. Außerdem be-
traue man im Absatzbereich oft Personen mit logistischen Aufgaben, die nicht da-
für geeignet sind.

21 Vgl. Reese, 1967, S. 58f. Es besteht deshalb der Trend, bei einer Reorganisation die Logistik
als eigenständige Organisationseinheit zu etablieren. Vgl. Handfield u.a., 2013, S. 43.
14.2 Eingliederung der Logistikaufgaben in unterschiedliche Organisationsstrukturen 277

Diese Einwände sind jedoch nicht mehr stichhaltig, wenn man die Eingliede-
rung der Aufgaben der Distributionslogistik in den Absatzbereich so vornimmt,
dass sie in diesem Bereich in einer Hauptabteilung zusammengefasst sind. Auf
diese Weise erhält die Distributionslogistik im Absatzbereich die notwendige Un-
abhängigkeit und das erforderliche Gewicht. Es hängt dann letzten Endes von der
Fähigkeit des Leiters dieser Hauptabteilung ab, ob im Gesamtbereich des Absatzes
die Aspekte der Distributionslogistik gebührend berücksichtigt werden oder nicht.
Es ist dabei auch gewährleistet, dass ein Verkäufer nicht logistische Funktionen
erfüllen muss, denen er aufgrund seiner Ausbildung normalerweise nicht gewach-
sen ist. Der Verkäufer kann auf diese Weise von jeder logistischen Tätigkeit ent-
lastet werden, so dass er sich ausschließlich seiner eigentlichen Aufgabe des Ver-
kaufens und der Verkaufsförderung widmen kann. Dieselben Argumente treffen
auch auf die Eingliederung der Beschaffungslogistik neben dem Einkauf auf
Hauptabteilungsebene im Bereich Beschaffung zu.22
Ergibt sich also aus der Art der betrieblichen Betätigung als typisches Logistik-
system die Beschaffungs- oder Distributionslogistik, so ist es durchaus möglich,
die entsprechenden Logistikaufgaben auf der Hauptabteilungsebene einzugliedern.
Umfassendere Logistiksysteme erfordern dagegen im Allgemeinen ihre selbst-
ständige hierarchische Verankerung auf Bereichsebene.
Die Eingliederung logistischer Aufgaben auf Abteilungsebene unter eine
Hauptabteilung wird im Allgemeinen der Bedeutung der Logistik nicht gerecht.
Wird etwa die Distributionslogistik einer Hauptabteilung Verkauf untergeordnet,
so ist die Gefahr sehr groß, dass die Logistikaufgaben nicht mit der gebührenden
Aufmerksamkeit und Fachkenntnis wahrgenommen werden. Das äußert sich dann
z. B. darin, dass Verkäufern, die ihre Akquisitionsfunktion nicht mehr zur Zufrie-
denheit des Hauptabteilungsleiters ausführen, die als geringerwertig betrachteten
Logistikaufgaben übertragen werden.
Werden bei einer divisionalen Organisationsstruktur alle Logistikaufgaben in
einem Zentralbereich zusammengefasst, so ergeben sich bezüglich der hierarchi-
schen Eingliederung keine Probleme, da dies die höchste hierarchische Ebene für
die Logistik ist. Bei einer dezentralen Eingliederung der Logistik gelten die bei
der funktionalen Organisationsstruktur angestellten Überlegungen, weil die ein-
zelnen Sparten normalerweise funktional organisiert sind. Bei einer Kombination
beider Möglichkeiten hängt es vom Umfang der Aufgaben und Kompetenzen ab,
die der zentralen Logistik übertragen werden. Ist dieser groß, so ist ein Zentralbe-
reich Logistik einzurichten. Andernfalls genügt eine Hauptabteilung Logistik in
einem anderen Zentralbereich. Bei den dezentralen Spartenlogistiken ist bei einer
Ausstattung der zentralen Logistik mit den entsprechenden Kompetenzen auch ei-
ne Einordnung auf Abteilungsebene denkbar.
Zur hierarchischen Einordnung der Logistik in die Aufbauorganisation von In-
dustrie- und Handelsunternehmen liegen eine Vielzahl empirischer Untersuchun-

22 Zur organisatorischen Einordnung von Einkauf und Beschaffungslogistik vgl. Large, 2013,
S. 264ff.
278 14 Intraorganisatorische Logistiksysteme

gen vor. 23 Eine empirische Untersuchung von 2013 ermittelte die höchste Lo-
gistikposition der befragten Unternehmen als Indikator für die hierarchische Ein-
gliederung der Logistik (siehe Abb. 14.6). Es lässt sich feststellen, dass es auf-
grund der situativen Einflussfaktoren in verschiedenen Ländern und verschiedenen
Branchen unterschiedliche Schwerpunkte in der Hierarchieebene gibt.

23 Vgl. LaLonde/Ginter, 2006; LaLonde u.a., 2007; LaLonde/Ginter, 2008; Straube/Pfohl,


2008, S. 23; Handfield u.a., 2013, S. 42.
14.3 Gliederung einer Organisationseinheit Logistik 279

Abb. 14.6 Hierarchische Verankerung der Logistik im Unternehmen. Ergebnisse einer 2013
in Brasilien, Deutschland, China und den USA bei 1757 Personen durchgeführten
Befragung (Quelle: Hanfield u.a., 2013, S. 42)

14.3 Gliederung einer Organisationseinheit Logistik


Deskriptive und explikative Aussagen über den inneren Aufbau einer Organisati-
onseinheit Logistik sind problematisch; denn dieser ist nicht nur abhängig vom
zugeordneten Aufgabenumfang, sondern auch von der Form und hierarchischen
280 14 Intraorganisatorische Logistiksysteme

Ebene der Eingliederung. 24 Hierdurch ergibt sich eine Vielzahl möglicher Struk-
turtypen. Deshalb werden Daten über die innere Struktur einer Organisationsein-
heit Logistik durch empirische Untersuchungen auch nur selten erfasst (siehe dazu
aber Abb. 14.7). Detaillierte Informationen über den genaueren inneren Aufbau
einer Organisationseinheit Logistik lassen sich vor allem durch Fallstudien gewin-
nen.
Innerhalb der Organisationseinheit Logistik sind Stabs- und Linienstellen anzu-
treffen. Wobei die Bedeutung der Linienstellen im Lauf der Zeit zugenommen hat.
Ebenso wurde bereits im Rahmen der Diskussion zur Eingliederung der Logistik
in die divisionale Organisationsstruktur deutlich, dass insbesondere Kombinatio-
nen von Zentralabteilungen und dezentrale Linienabteilungen in den Sparten vor-
zufinden sind, wobei in den Zentralabteilungen häufig Stabsstellen angesiedelt
sind.
Ein weiterer Anhaltspunkt für den inneren Aufbau der Logistik sind die Zeitan-
teile, die Führungskräfte und Mitarbeiter in einer Organisationseinheit Logistik
zur Erfüllung ihrer einzelnen Aufgaben aufwenden, als Indikatoren für das Aufga-
benprofil herangezogen werden. In Abb. 14.8 sind die Ergebnisse jährlicher Be-
fragungen amerikanischer Unternehmen zum Zeitaufwand von Logistikmanagern
zur Wahrnehmung der ihnen zugeordneten Aufgaben angegeben. Wie erwartet,
dominieren hinsichtlich der Zeitanteile die klassischen Logistikaufgaben Trans-
port, Lagerhaltung und Lagerhaus. Dies lässt auf eine hohe Bedeutung innerhalb
der in der Organisationseinheit Logistik wahrgenommenen Aufgaben schließen.
Deutlich wird allerdings auch, dass nicht logistische Tätigkeiten einen spürbaren
Zeitanteil beanspruchen. Dies ist ein Hinweis auf die Wahrnehmung von Schnitt-
stellenaufgaben (z. B. Verkaufsprognose), bei denen Abstimmungen mit anderen
Organisationseinheiten notwendig werden. Die Bedeutung solcher Schnittstellen-
aufgaben ist typisch für eine mehrdimensionale Organisationsstruktur, die im Fol-
genden vorgestellt werden soll.

24 Vgl. Pfohl/Large, 1998, S. 96.


Abb. 14.7
Unternehmen in Deutschland Unternehmen in den USA

Transport / Umschlag / Transport / Umschlag /


Transport / Umschlag / Lager 77 20 3 80 14 6
Lager Lager
Bestands- / Bestands- /
Bestands-/Materialdisposition 48 41 11 32 48 20
Materialdisposition Materialdisposition

Behältermanagement
Behältermanagement 63 Behältermanagement
26 11 50 46 4

Supply Chain Netzw erk Supply Chain Netzw erk


Supply Chain Netzwerk Design 29 50 21 68 32 0
Design Design
Beschaffung / Beschaffung /
Beschaffung / Lieferantenmanagement 27 50 23 28 40 32
Lieferung Lieferung

Innovationsgenerierung
Innovationsgenerierung 8 66 26
Innovationsgenerierung 28 56 16

Auftragsmanagement
Auftragsmanagement 37 32 31
Auftragsmanagement 32 32 36

Anlaufmanagement
Anlaufmanagement 14 45 41
Anlaufmanagement 25 21 54

Produktionssteuerung
Produktionssteuerung 29 28 43
Produktionssteuerung 20 28 52

führten Befragung (Quelle: Straube/Pfohl, 2008, S. 25ff.)


Sales and Operatins Sales
Sales and Operations Planning 10 40 50 and Operatins 24 32 44
Planing Planing

volle Verantwortung der Logistik


teilweise Verantwortung der Logistik (in % der befragten Unternehmen)
keine Verantwortung der Logistik
14.3 Gliederung einer Organisationseinheit Logistik

einer 2008 in Deutschland, China und den USA bei 1189 Unternehmen durchge-
281

Zuordnung betrieblicher Aufgaben zur Organisationseinheit Logistik. Ergebnisse


282 14 Intraorganisatorische Logistiksysteme

Prognose 5,5 5,8 7,3


Beschaffung 7,0
9,2
10,0
Produktions-Logistik 8,7
7,4
7,8
Kundenservice 8,2 6,9
8,8

Transport 21,3
27,1 20,1

Lagerhaus 11,8
13,7
16,2
Internationale Logistik 10,8
8,8
6,6
Lagerhaltung 10,5
9,8
8,2

Allg. Management 16,2 13,7


12,6

2006 2007 2008


(in % der befragten Unternehmen)
Abb. 14.8 In einer Organisationseinheit Logistik aufgewendete Zeitanteile für verschiedene
Aufgaben (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an LaLonde/Ginter, 2006, S.
12; LaLonde u.a., 2007, S. 13; LaLonde/Ginter, 2008, S. 13)
14.4 Logistik in einer mehrdimensionalen Organisationsstruktur 283

14.4 Logistik in einer mehrdimensionalen


Organisationsstruktur

Ein- oder mehrdimensionale Organisationsstruktur


Die in einem Unternehmen zu lösenden Probleme weisen im Allgemeinen mehre-
re Dimensionen auf, d. h. es sind beispielsweise technologische, ökonomische und
soziale Problemdimensionen zu berücksichtigen. Eindimensionale Organisati-
onsmodelle entsprechen dieser Mehrdimensionalität der Probleme dadurch, dass
sie auf verschiedenen Hierarchieebenen des Unternehmens jeweils unterschiedli-
che Kriterien für die Zentralisierung von Aufgaben in Organisationseinheiten her-
anziehen. In großen Unternehmen sind die Kriterien Region, Produkt und Verrich-
tung häufig auf diese Weise miteinander kombiniert. Die Mehrdimensionalität der
Probleme wird in einer eindimensionalen Organisationsstruktur damit sukzessiv
aufgelöst.25
Eine Gleichgewichtigkeit der Kriterien bei eindimensionalen Organisations-
strukturen ist aufgrund ihrer ranghierarchischen Anordnung nicht gegeben. Bei
mehrdimensionalen Organisationsstrukturen werden dagegen verschiedene Di-
mensionen eines Problems simultan auf einer Hierarchieebene gleichgewichtig be-
rücksichtigt. Werden zwei Zentralisationskriterien berücksichtigt, so spricht man
von Matrixorganisation. Werden drei oder mehr Zentralisationskriterien berück-
sichtigt, so liegt eine Tensororganisation vor. Eindimensionale Organisations-
strukturen sind geeignet für einfache und stabile Umwelten. Mehrdimensionale
Organisationsstrukturen eignen sich dagegen für komplexe und dynamische Um-
welten. Sie sollen der Gefahr einer suboptimalen Problemlösung entgegenwirken.
Dies geschieht dadurch, dass unterschiedlich spezialisierte Organisationseinheiten
gezwungen werden, gemeinsam an einem Problem zu arbeiten.

Querschnittsfunktion Logistik in einer mehrdimensionalen


Organisationsstruktur
Die Querschnittsfunktion der Logistik26 legt es nahe, die Logistikkonzeption in ei-
ner mehrdimensionalen Organisationsstruktur zu verwirklichen. Ein Schritt in die-
se Richtung ist die Kombination von Zentralbereichen mit Sparten bzw. Werken.
Wenn ein Zentralbereich Logistik ausreichende Kompetenzen besitzt, ist mit die-
ser Kombination schon eine mehrdimensionale Organisationsstruktur erreicht.

25 Vgl. Bleicher, 2004, S. 338f.; Schulte-Zurhausen, 2014, S. 277ff.


26 Siehe Teil I, Abschn. 2.6: In Abb. 2.9 wird der Begriff Service statt Produktionsfaktor ver-
wendet.
284 14 Intraorganisatorische Logistiksysteme

In Abb. 14.9 ist eine Matrixorganisation abgebildet, in der die Logistik als Teil
eines produktionsfaktororientierten Managements neben dem traditionellen funk-
tionsorientierten Management verankert ist. Die horizontale Spezialisierung in den
produktionsfaktororientierten Organisationseinheiten steht hier gleichberechtigt
neben der vertikalen Spezialisierung in den traditionellen funktionsorientierten
Organisationseinheiten. Diese Art der Aufgabenerfüllung hat zur Folge, dass, wie
auch aus Abb. 14.9 ersichtlich ist, Schnittstellen entstehen, an denen eine über-
schneidungsfreie Kompetenzabgrenzung praktisch nicht mehr möglich ist. Mehr-
dimensionale Organisationsstrukturen sind im Allgemeinen mit Kompetenzüber-
schneidungen oder überlappenden Zuständigkeiten verbunden.

Kompetenzüberschneidung und Konfliktinstitutionalisierung


Die aus Kompetenzüberschneidungen resultierenden Kompetenzkonflikte werden
bei der mehrdimensionalen Organisationsstruktur nicht nur hingenommen, son-
dern auch bewusst institutionalisiert. Durch diese Konfliktinstitutionalisierung soll
nicht nur erreicht werden, dass die betroffenen Organisationseinheiten mehrdi-
mensional denken, sondern dass Konflikte offen und nicht im Verborgenen ausge-
Unternehmensleitung
funktionsorientiertes Management
produktionsfaktororientiertes Management

Forschung
und Beschaffung Produktion Absatz Entsorgung
Entwicklung

Personal

Finanzen

IT

Logistik

Abb. 14.9 Einordnung der Logistik in eine funktions- und produktionsfaktororientierte Mat-
rixorganisation

tragen oder unterdrückt werden. Dann bietet sich auch die Möglichkeit, darauf
Einfluss zu nehmen, dass Konflikte möglichst wenig schädliche, personenbezoge-
ne Formen entwickeln. Konfliktinstitutionalisierung bedeutet nicht, Konflikte wild
wuchern zu lassen. Es stehen Möglichkeiten der Kompetenzregelung und Techni-
ken des Konfliktmanagements zur Verfügung, die den mit einer mehrdimensiona-
len Organisationsstruktur verbundenen Gefahren der Verzögerung in Entschei-
14.4 Logistik in einer mehrdimensionalen Organisationsstruktur 285

dungsprozessen oder von Machtkämpfen und des Abschiebens von Verantwortung


entgegenwirken können.
Durch differenzierte Kompetenzregelungen (Vortrittsregeln) kann wenigstens
formal festgelegt werden, welche Teilkompetenzen – z. B. Entscheidungs-, Bera-
tungs- oder Informationskompetenz – eine Organisationseinheit bei der gemein-
samen Aufgabenerfüllung hat. Dabei brauchen die Kompetenzen keineswegs wäh-
rend des gesamten Aufgabenerfüllungsprozesses den gleichen Stellen zugeordnet
zu bleiben. Es ist durchaus möglich, z. B. die Entscheidungskompetenz in der Pla-
nungsphase anders zuzuordnen als in der Realisationsphase (Strukturwechsel). Ein
bekanntes Beispiel für unterschiedliche Kompetenzzuordnung in einer nach Ob-
jekten (z. B. Projekte oder Produkte) und nach Funktionen ausgerichteten, mehr-
dimensionalen Organisationsstruktur ist auch die Zuordnung der Entscheidungs-
kompetenz über das Was und Wann zum Objektmanager und über das Wie zum
Funktionsmanager. Im realen Aufgabenerfüllungsprozess wird es allerdings insbe-
sondere auch von der nicht nur an formale Positionen gebundenen Macht – z. B.
Expertenmacht – abhängen, wer ihn am meisten beeinflusst.
Die Techniken des Konfliktmanagements lassen sich drei Bereichen zuordnen,
nämlich der Unternehmensphilosophie, der Personalentwicklung und der Organi-
sation.27 Die Unternehmensphilosophie, in der das grundlegende Wertsystem des
Unternehmens zum Ausdruck kommt, an dem sich jeder einzelne Manager bei
seinen Entscheidungen orientieren kann, erleichtert das Konfliktmanagement.
Dies geschieht zum einen dadurch, dass der Wertepluralismus im Unternehmen
reduziert wird und zum anderen, dass in die Unternehmensphilosophie Verhal-
tensgrundsätze für die Regelung von Konflikten aufgenommen werden. Im Be-
reich der Personalentwicklung können Techniken eingesetzt werden, die die Ein-
stellung von Personen gegenüber Konflikten ändern können. Zu nennen sind hier
insbesondere das Sensitivity Training und die Konfrontationstechnik. Sie haben
das Ziel, den beteiligten Personen latente Konflikte bewusst zu machen, sie einer
konstruktiven Handhabung zuzuführen und auch die Fähigkeiten zum Ertragen
von Konflikten zu steigern. Zum Organisationsbereich zählen schließlich Maß-
nahmen wie die Auswahl der Mitglieder für eine Gruppe, die Regelung von Ab-
stimmungsprozessen mit dem Ziel, diese möglichst regelmäßig und frühzeitig
durchzuführen oder auch die Festlegung in Form eines subsidiären Entschei-
dungsweges, welche andere Instanz bei Uneinigkeit die Entscheidung fällt.

Schnittstellenaufgaben
Die bisherigen Ausführungen zur mehrdimensionalen Organisationsstruktur ma-
chen deutlich, dass die Aufgaben an den Schnittstellen eine enge Zusammenarbeit
der Organisationseinheit Logistik mit anderen Organisationseinheiten erfordern.28
Die Bedeutung dieser Zusammenarbeit lässt sich wiederum an der Zeit messen,

27 Vgl. Krüger, 1973.


28 Vgl. zum Folgenden Pfohl, 1980, S. 1216f.
286 14 Intraorganisatorische Logistiksysteme

die für Nicht-Logistikaufgaben von den Führungskräften einer Organisationsein-


heit Logistik aufgewendet werden. Wie bereits Abb. 14.8 verdeutlicht, verwenden
die befragten Logistikmanager einen erheblichen Anteil ihrer Arbeitszeit für all-
gemeine Managementaufgaben oder für Schnittstellenaufgaben. Dies deutet darauf
hin, dass die Führungskräfte der Logistik die logistischen Interessen maßgeblich
gegenüber den Führungskräften aus anderen Funktionsbereichen vertreten.
Als die typischen Schnittstellen mit unterschiedlicher organisatorischer Veran-
kerung werden neben den Aufgaben der Produktionsplanung und der Absatzprog-
nose die Festsetzung des Lieferserviceniveaus sowie die Lieferantenauswahl ange-
sehen.29 Es ist wichtig, die Zusammenarbeit der von diesen Schnittstellenaufgaben
betroffenen Organisationseinheiten sicherzustellen. Weniger bedeutsam erscheint,
in welche Organisationseinheit die Schnittstelle zunächst eingegliedert ist. Das
kann von Fall zu Fall anders entschieden werden.
So mag es organisatorisch sinnvoll sein, die Produktionsplanung – es geht
hierbei in erster Linie um die Ablauf- und Bedarfsplanung – primär bei der Pro-
duktion oder aber primär bei der Logistik anzusiedeln. In Unternehmen, in denen
die Produktion aufgrund der verfolgten Produktionsstrategie und der daraus resul-
tierenden Produktionstechnik nicht losgrößen-, sondern materialflussorientiert ge-
steuert wird oder Losgrößenänderungen die Herstellkosten nur unwesentlich be-
einflussen, ist die Produktionsplanung organisatorisch eher mit den übrigen
Logistikaufgaben zusammenzufassen. Sind niedrige Herstellkosten dagegen ent-
scheidend von großen Losgrößen abhängig, ist die Produktionsplanung organisa-
torisch eher im Produktionsbereich zu verankern. In beiden Fällen ist selbstver-
ständlich für eine Interaktion beider Bereiche Sorge zu tragen, um insbesondere
die Interdependenz von Losgrößen- und Materialbedarfsplanung zu berücksichti-
gen.
Ähnlich lässt sich z. B. auch bei der organisatorischen Eingliederung der Auf-
gaben Festsetzung des Lieferserviceniveaus und Absatzprognose vorgehen. Das
Festsetzen des Lieferserviceniveaus ist ein Bestandteil der Marketingpolitik und
hat erhebliche Auswirkungen auf die Logistikkosten. Deshalb ist auf jeden Fall ei-
ne Zusammenarbeit von Logistik und Marketing erforderlich. Um den Zusam-
menhang des Lieferservices mit den anderen Instrumenten der Marketingpolitik
sicherzustellen, wird es im Allgemeinen sinnvoll sein, die Festsetzung der Höhe
des Lieferservices primär im Bereich des Marketings zu verankern. Bezüglich der
primären Verankerung der Absatzprognose wird es dagegen davon abhängen, wer
die Informationsquelle für die Prognose ist. Sind z. B. die Verkäufer die Hauptin-
formationsquellen für die Absatzprognose, so ist es sinnvoll, die Absatzprognose
primär im Marketingbereich zu verankern und zugleich eine enge Zusammenar-
beit mit dem Logistikbereich zu gewährleisten.
Die Lieferantenauswahl gehört zum Aufgabenbereich des Einkaufs. Da die ge-
ografische Streuung, die Anzahl und die Größenstruktur sowie der Lieferservice

29 Vgl. Pfohl/Large, 1998, S. 95 und die dort aufgeführte Literatur. Siehe dazu auch die pha-
senspezifischen Subsysteme der Logistik in Teil III, Kap. 9, 10, 11
Literatur 287

der Lieferanten die Logistikkosten wesentlich beeinflussen, ist auch an dieser


Schnittstelle die Zusammenarbeit von Einkauf und Logistik sicherzustellen. Dies
gilt insbesondere deswegen, weil Möglichkeiten zur interorganisatorischen Zu-
sammenarbeit zwischen Lieferant und Abnehmer im Logistikbereich in Zukunft
eine größere Rolle spielen werden. Wenn unter Lieferantenauswahl auch die
Auswahl von Lieferanten logistischer Dienstleistungen – also von Logistikunter-
nehmen – verstanden wird, so gehört diese selbstverständlich zum Aufgabenbe-
reich der Logistik. Über das Angebot logistischer Dienstleistungen gibt der fol-
gende Abschnitt Auskunft.

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2010. Hamburg
15 Dienstleistungsfunktionen der
Logistikunternehmen

15.1 Absatzhelfer von Industrie- und Handelsunternehmen

Institutionen im Marketingkanal
Jeder Marketingkanal lässt sich als ein System beschreiben, in dem unterschiedli-
che Gruppen aktiver Elemente (Institutionen) absatzwirtschaftliche Funktionen
übernehmen.1 Als primäre Elemente werden das die Absatzleistung liefernde Pro-
duktions- oder Gewinnungsunternehmen, das als Absatzmittler auftretende Han-
delsunternehmen und der die Absatzleistung beziehende Endabnehmer des Ab-
satzkanals bezeichnet. Sekundäre Elemente treten nicht als Käufer oder Verkäufer
der Absatzleistung auf, werden jedoch in den Absatzprozess als Absatzhelfer ein-
geschaltet. Neben Logistikunternehmen zählen zu ihnen z. B. Kommissionäre,
Werbeagenturen oder Kreditinstitute. Sie bieten Dienstleistungen an – und werden
deshalb auch als Serviceanbieter bezeichnet –, die der Anbahnung oder Durchfüh-
rung des Absatzes im Kanal dienen.
Logistikunternehmen spielen also die Rolle von Absatzhelfern im Marketingka-
nal. Ihre Primärleistung stellen logistische Dienstleistungen dar, damit diese von
anderen Institutionen im Marketingkanal nicht als Sekundärdienstleistung erbracht
werden müssen.2 Ihr Serviceangebot hat vor allem unter vier Bedingungen zu er-
folgen, durch die ihre Marketingaktivitäten entscheidend beeinflusst werden:3
Erstens ist die Nachfrage nach den Dienstleistungen von Logistikunternehmen
keine ursprüngliche, sondern eine abgeleitete Nachfrage. Sie tritt also nicht allein
auf, sondern nur in Verbindung mit der Nachfrage nach der Absatzleistung des
Marketingkanals. Das schließt nicht aus, dass erst durch die Erbringung einer spe-
zifischen, logistischen Dienstleistung die Nachfrage nach einem Produkt geschaf-
fen werden kann. Beispielsweise ist das Angebot von Blumen und Früchten aus
Afrika oder dem Nahen Osten erst durch das Angebot entsprechender logistischer
Dienstleistungen durch Luftfrachtunternehmen möglich geworden.

1 Vgl. Meffert u.a., 2012, S. 544f. Weitere Ausführungen zur Distributionspolitik siehe Teil
III, Abschn. 11.2. Die folgenden Ausführungen gelten spiegelbildlich auch für die Beschaf-
fung. Ausführungen zur Bezugspolitik siehe Teil III, Abschn. 9.2.
2 Zur Definition und Bedeutung dieser Dienstleistung siehe Teil I, Abschn. 2.1 und Abschn.
3.3. Zur Logistikkonzeption als Grundlage für das Marketing von Logistikunternehmen vgl.
Pfohl, 1980.
3 Vgl. Pfohl, 1980, S. 423f.; Zöllner, 1990, S. 7f.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018


H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4_15
290 15 Dienstleistungsfunktionen der Logistikunternehmen

Zweitens haben es die Logistikunternehmen beim Absatz ihrer Dienstleistung


immer mit zwei Marktpartnern zu tun, nämlich mit dem Versender und dem Emp-
fänger des im Marketingkanal fließenden Gutes. Die Hersteller des Gutes und die
in seinen Absatz eingeschalteten Mittler haben sich dagegen im Allgemeinen nur
mit einem Marktpartner, dem jeweiligen Käufer des Gutes, zu befassen.
Drittens ist es für Logistikunternehmen häufig typisch, dass sie nur einen Teil
des vom Verlader nachgefragten Services selbst anbieten und deshalb ihr Service-
angebot mit dem anderer Serviceanbieter abstimmen müssen.4 Z. B. könnte zum
Angebot des Verladers nur der Transport im Nahverkehr, nicht aber die Durchfüh-
rung des Fernverkehrs gehören.
Viertens ist der Prozess der Erstellung von Logistikleistungen gekennzeichnet
durch eine Kombination von internen Produktionsfaktoren, d. h. Faktoren, die vom
Beschaffungsmarkt bezogen werden bzw. bei denen ein Nutzungsrecht besteht
(Verkehrswege, Stationen) und externen Faktoren, d. h. insbesondere materiellen
Gütern, an denen Logistikprozesse vollzogen werden.

Systemdenken
Alle vier Bedingungen machen deutlich, dass für das Angebot logistischer Dienst-
leistungen eine ganzheitliche Betrachtungsweise des Marketingkanals notwendig
ist. Im Mittelpunkt haben Konzepte des Güterflusses durch das gesamte System
des Marketingkanals zu stehen. Unter Ausnutzung der Vorteile der Arbeitsteilung
müssen diese Konzepte die mit der Überbrückung räumlicher und zeitlicher Dis-
tanzen anfallenden Probleme optimal für den gesamten Marketingkanal lösen,
wobei der Güterfluss durchaus über andere Institutionen laufen kann als z. B. den
Eigentumsfluss.5 Das unterstreicht die Bedeutung der Kooperation für Logistikun-
ternehmen. Denn die ganzheitliche Betrachtungsweise erfordert ein Überdenken
der traditionellen Rollen der Institutionen im Marketingkanal. Die beim Güterfluss
wahrzunehmenden Funktionen sind an die Stellen des Marketingkanals zu verla-
gern, an denen sie optimal wahrgenommen werden können.
Das Systemdenken ist aber für das Angebot logistischer Dienstleistungen noch
unter einem weiteren Gesichtspunkt wichtig, der bereits bei der Diskussion der
Bedeutung der Logistik angesprochen wurde. 6 Aufgrund der zunehmenden Ver-
breitung der Logistikkonzeption in der verladenden Wirtschaft werden vermehrt
integrierte logistische Leistungen nachgefragt. Um diese Nachfrage befriedigen zu
können, muss beispielsweise ein Transport- und Speditionsunternehmen nicht nur
Transportleistungen, sondern bedarfsgerechte, logistische Dienstleistungspakete
anbieten, durch die alle oder doch ein Großteil der Servicebedürfnisse befriedigt
werden können. Sie bieten dann nicht mehr Teillösungen für Logistikprobleme,
sondern vollständige Problemlösungen an.

4 Zur arbeitsteiligen Erstellung vgl. Pfohl, 1993, S. 123f.


5 Siehe Abb. 11.3 in Teil III, Abschn. 11.2.
6 Siehe Teil I, Abschn. 3.3.
15.1 Absatzhelfer von Industrie- und Handelsunternehmen 291

Einkauf logistischer Dienstleistungen


Logistische Dienstleistungen werden zu einem erheblichen Teil eingekauft. Dies
gilt insbesondere für Transportleistungen, zunehmend aber auch für Dienstleistun-
gen anderer Art.
Bei der Diskussion des Nachfragedrucks als Einflussfaktor auf die Bedeutung
der Logistik wurden in Abb. 3.5 und 3.6 empirische Untersuchungen über die Be-
deutung verschiedener Kriterien für die Auswahl von Logistikunternehmen vorge-
stellt. Sieht man einmal von unternehmensindividuellen Faktoren ab, so lässt sich
zusammenfassend sagen, dass die Art der Güter eine große Rolle spielt, wenn es
sich um die Bedeutung der Entscheidungskriterien für die Auswahl von Logistik-
unternehmen beim Einkauf logistischer Dienstleistungen handelt.
Grundsätzlich lässt sich die Tendenz erkennen, dass in Branchen mit massen-
haftem Transportaufkommen (z. B. Bergbau und Grundstoffindustrie) der Preis
das wichtigste Entscheidungskriterium darstellt, während mit zunehmender Kon-
sumreife der Güter die Qualität der Lieferservicekomponenten vorrangig wird. Die
Bedeutung der Qualität der angebotenen logistischen Dienstleistungen zeigt sich
auch darin, dass eine schlechte Qualität nicht einfach mit einem niedrigeren Preis
kompensiert werden kann. Außerdem sind einzelne Lieferservicekomponenten
nicht ohne weiteres substituierbar. Denn die insgesamt hohen Anforderungen, die
letztlich an alle Lieferservicekomponenten gestellt werden, haben zur Folge, dass
die gute Erfüllung eines in der Rangordnung der Entscheidungsfaktoren hochran-
gigen Kriteriums nicht ohne weiteres die schlechte Erfüllung eines niederrangigen
Kriteriums zulässt.
Ob und gegebenenfalls welche Entscheidungskriterien für die Lieferantenana-
lyse beim Einkauf logistischer Dienstleistungen herangezogen werden, kann von
Entscheidungsprozess zu Entscheidungsprozess unterschiedlich sein. Zur Analyse
des Kaufverhaltens der Verladerinstitutionen beim Einkauf logistischer Dienstleis-
tungen kann auf theoretische Ansätze aus dem Business-to-Business-Marketing
zurückgegriffen werden.7 Hiermit werden alle Absatzprozesse bezeichnet, die an
Unternehmen oder sonstige Organisationen gerichtet sind, also auch der Absatz
logistischer Dienstleistungen. Grundlegend für diese Ansätze ist einerseits die Er-
kenntnis, dass die Einkaufsentscheidung nicht einen isolierten Akt darstellt, son-
dern dass ein mehrphasiger Entscheidungsprozess – etwa mit den Phasen Anre-
gung, Suche, Bewertung und Auswahl – abläuft. Andererseits wird von
verschiedenen Kaufsituationen ausgegangen, die den Ablauf dieses Entschei-
dungsprozesses beeinflussen.
Die Situation beim Kauf logistischer Dienstleistungen ist durch eine asymmet-
rische Informationsverteilung zwischen den beteiligten Marktpartnern gekenn-
zeichnet. Deshalb streben sowohl der Nachfrager als auch der Anbieter nach Aus-
gleich der vorhandenen Informationsdefizite. Da der Nachfrager aufgrund seiner

7 Vgl. Homburg, 2017, S. 1053ff. Zu Fragen des organisationalen Kauf- und Interaktionsver-
haltens und zu Problemen der Produkt- und Distributionspolitik sowie der Preis- und Ver-
tragsgestaltung im Investitionsgütermarketing vgl. Backhaus/Voeth, 2014.
292 15 Dienstleistungsfunktionen der Logistikunternehmen

subjektiven Wahrnehmung und wegen seines eingeschränkten Beurteilungsver-


mögens – das z. B. durch fehlendes Know-how oder mangelnde Bereitschaft zur
Erlangung dieses Know-hows verursacht wird – nicht alle Leistungen gleicherma-
ßen beurteilen kann, können aus informationsökonomischer Sicht verschiedene
Eigenschaften von Leistungen unterschieden werden. 8 Diese Leistungseigenschaf-
ten lassen sich nach ihrer Beurteilbarkeit und nach dem Zeitpunkt ihrer möglichen
Beurteilung klassifizieren:
x Eine Leistung hat Sucheigenschaften (Search Qualities), wenn sie durch In-
spektion des Leistungsangebotes oder durch Informationssuche bereits vor dem
Kauf vollständig beurteilt werden kann,
x Eine Leistung hat Erfahrungseigenschaften (Experience Qualities), wenn sie
erst nach dem Kauf beurteilt werden kann,
x Eine Leistung hat Vertrauenseigenschaften (Credence Qualities), wenn eine
Beurteilung weder vor noch nach dem Kauf möglich ist.9
Da der Kauf logistischer Dienstleistungen in der Regel nicht auf der Grundlage
eines fertigen, inspizierbaren Produktes erfolgt, sondern der Anbieter zunächst nur
ein Leistungsversprechen abgeben kann, spielen Erfahrungs- und Vertrauensei-
genschaften des Leistungsangebots eine wichtige Rolle. Sie sind vor allem dann
von Bedeutung, wenn Einkaufssituationen anhand des Merkmals Neuheit der
Problemstellung für den Nachfrager klassifiziert werden. 10 Nach diesem Merkmal
lassen sich drei Einkaufsentscheidungstypen unterscheiden, bei denen der Ein-
kaufsentscheidungsprozess völlig unterschiedlich ablaufen wird.
Reiner Wiederholungskauf: Die Einkaufsentscheidungssituation ist durch eine
Problemstellung gekennzeichnet, die sich in der gleichen Art immer wieder stellt.
Zur Lösung eines solchen Problems werden die Phasen der Alternativensuche und
-bewertung im Entscheidungsprozess gar nicht ablaufen. Neue Alternativen wer-
den bei der Entscheidung nicht ernsthaft in Betracht gezogen, sondern es wird rou-
tinemäßig die bekannte Lösungsalternative ergriffen. Ein reiner Wiederholungs-
kauf liegt z. B. vor, wenn ein geplanter Transport mit dem gleichen Transport-
oder Speditionsunternehmen durchgeführt wird, dem der Auftrag auch bisher er-
teilt wurde.
Modifizierter Wiederholungskauf: Die Problemstellung dieser Entscheidungssitua-
tion ist nicht neu, weicht aber in Teilaspekten von der bisherigen Problemstellung
ab. Das erfordert die Suche nach bisher nicht verwendeten Lösungsalternativen

8 Vgl. Weiber/Adler, 1995, S. 58ff.


9 Ein Beispiel dafür sind Taxifahrten in einer dem Taxinutzer unbekannten Stadt, in der der
Taxifahrer die genaue Route zum Fahrtziel kennt, der Taxinutzer aber nicht. Vgl. Balafoutas
u.a., 2013, S. 3ff.
10 Vgl. Meffert u.a., 2012, S. 144. Weitere Merkmale können z. B. der mit der Inanspruchnah-
me der Leistung einhergehende organisatorische Wandel sowie der Investitionswert der
Leistung für den Nachfrager sein, vgl. Wagner, 1978, S. 272ff.
15.1 Absatzhelfer von Industrie- und Handelsunternehmen 293

und deren Bewertung. Ein modifizierter Wiederholungskauf liegt z. B. vor, wenn


der Verlader mit seinem bisherigen Transport- oder Speditionsunternehmen unzu-
frieden ist und den Auftrag einem anderen Unternehmen erteilen möchte.
Erstkauf: Die Problemstellung dieser Entscheidungssituation ist völlig neu. Bishe-
rige Erfahrungen spielen nur eine sehr untergeordnete Rolle. Zur Lösung solcher
Probleme müssen in allen Phasen des Entscheidungsprozesses neue Informationen
beschafft werden. Ein Beispiel für einen Erstkauf ist die Entscheidung zwischen
verschiedenen bisher nicht genutzten Transportarten.
Während für den reinen Wiederholungskauf die Erfahrungseigenschaften der
Leistung von herausragender Bedeutung sind, können beim modifizierten Wieder-
holungskauf sowohl die Sucheigenschaften (z. B. wenn die Leistungen zweier
Transportunternehmen sehr ähnlich sind) als auch die Erfahrungseigenschaften
(z. B. wenn ein Transport- oder Speditionsunternehmen bereits ähnliche Leistun-
gen für den Nachfrager erbringt) im Vordergrund stehen. 11 Für den Erstkauf sind
hingegen die Vertrauenseigenschaften einer Leistung relevant. Das gilt insbeson-
dere für solche Leistungen, die in starkem Maße individuell erstellt werden.12
Welche Entscheidungskriterien im modifizierten Wiederholungskauf oder im
Erstkauf herangezogen werden, wird von der unternehmensindividuellen Ausprä-
gung verschiedener Variablen abhängen, die sich in vier Klassen unterteilen las-
sen. Es sind die „Umweltvariablen“ (z. B. die Transportmitteltechnologie, die
Verkehrsinfrastruktur oder die Konkurrenzsituation auf den Märkten von Logistik-
oder Speditionsunternehmen), die „organisatorischen Variablen“ (z. B. die von der
Verladerorganisation verfolgten Ziele, die daraus abgeleiteten Logistikaufgaben,
deren formale Eingliederung in die Organisationsstruktur sowie die zur Verfügung
stehenden technologischen und menschlichen Ressourcen), die „interpersonellen
Variablen“ (z. B. die Wahrnehmung spezifischer Rollen wie die des Verwenders,
des Einkäufers, des Beeinflussers, des Pförtners oder Gatekeepers und des Ent-
scheidungsträgers im Einkaufsprozess logistischer Dienstleistungen) sowie die
„intrapersonellen Variablen“ (z. B. Ausbildung, Information, Motive, Einstellun-
gen und Erwartungen der am Einkauf beteiligten Personen).13 Den Wünschen der
Verlader beim Einkauf logistischer Dienstleistungen hat das Logistikunternehmen
ein entsprechendes Leistungsangebot gegenüberzustellen. Der nächste Abschnitt
vermittelt einen Eindruck von der Art solcher Dienstleistungen.

11 Zur Bedeutung von Beurteilungskriterien bei der Lieferantenauswahl vgl. Abb. 3.4 in Teil I,
Abschn. 3.3.
12 Siehe den Hinweis auf die Bedeutung psychographischer Zielgrößen beim Angebot von
Dienstleistungen in Teil I, Abschn. 2.1.
13 Eine 2016 in Deutschland bei 132 Verkäufern von logistischen Dienstleistungen durchge-
führte Befragung über die Beteiligung von Organisationseinheiten bei ihren Kunden ergab,
dass bei 82,6% die Logistikabteilung und bei 71,8% die Einkaufsabteilung an der Definition
der Anforderungen beteiligt sind. Bei der Gestaltung der Beziehung nach dem Vertragsab-
schluss dominiert dagegen mit 92,9% die Logistikabteilung gegenüber 28,3% der Einkaufs-
abteilung. Vgl. Large, 2016.
294 15 Dienstleistungsfunktionen der Logistikunternehmen

15.2 Art der Dienstleistungen

Leistungsprogramm
Das Leistungsprogramm von Logistikunternehmen umfasst zunächst einmal das
Angebot von Dienstleistungen, die unmittelbar die Realisierung der Gütervertei-
lung betreffen. Sie beziehen sich auf die Gewährleistung aller Servicekomponen-
ten und die damit verbundene Wahrnehmung von Logistikaufgaben. Eine weitere
Leistung, die von Logistikunternehmen erbracht wird, ist die Logistikberatung.
Logistikunternehmen übernehmen in diesem Fall die Funktion eines Unterneh-
mensberaters, der sich auf die Logistik spezialisiert hat. Schließlich gehören zum
Leistungsprogramm von Logistikunternehmen auch nicht logistische Dienstleis-
tungen, die im Zusammenhang mit der Güterverteilung erbracht werden. Hierzu
zählen beispielsweise der Regaldienst oder die Übernahme des Inkassos. Abb.
15.1 gibt einen Überblick über die Arten von Dienstleistungen, die von Logistik-
unternehmen erbracht werden. 14 Die Bedeutung der Ergänzungs- und Komple-
mentärfunktionen und ebenfalls der Sonderfunktionen – heute häufig als Value
Added Services bezeichnet – als Wettbewerbsinstrument wird in Zukunft steigen.
Allerding ist davon auszugehen, dass vor allem kleine Unternehmen nicht die Res-
sourcen haben, um dieser Entwicklung zu folgen.

14 Zu den Veränderungen hinsichtlich der Aufgaben logistischer Dienstleister und dem Einfluss
ökologischer Aspekte auf Logistikdienstleistungen vgl. Göpfert/Wehberg, 1995; Stabenau,
1999, S. 92f. Zur steigenden Bedeutung der Value Added Services vgl. European Logistics
Association/A.T. Kearney, 2009a, S. 15 und 2009b, S. 14.
15.2 Art der Dienstleistungen 295

Funktionen Funktionsträger
Hauptfunktionen
• Dispositionsfunktion
- Wahl der Transportmittel, der Wege, des Tarifs Spediteure
- Abschluss von Frachtverträgen Frachtführer
- Ausstellung von Frachtdokumenten Vermittler
- Frachtkontrolle
• Beförderungsfunktion
- Nahverkehr: Sammel- und Verteilerverkehr, Vortransport zum Hauptlauf mit anderen
Frachtführer
Verkehrsträgern
- Fernverkehr: national und international
• Logistikberatung
Spediteure
- Beratung, Analyse, Planung und Organisation
Ergänzungs- bzw. Komplementärfunktionen
• Umschlagfunktion Frachtführer
- Organisation und Durchführung des Umschlags Umschlags-
- Bewirtschaftung von Stationen/ Terminals unternehmen
• Lagerfunktion
- Einlagern, Auslagern, Lagerung, Spediteure
- Kommissionierung Lagerei
- Bewirtschaftung von Lagern (z.B. Bestandsführung)
• Sammelverkehrsfunktion (bei Kleingut)
Spediteure
- Sammeln und Verteilen von Stückgut
Frachtführer
- Zusammenstellung von Ladungseinheiten
• Verpackungsfunktion
Spediteure
- Beratung und Auswahl der Transportverpackung
Verpackungs-
- Transporthilfsmittel
unternehmen
- Einpacken, Auspacken
Frachtführer
• Manipulationsfunktion
- sendungsbezogene Manipulation (z.B. Etikettierung)
Verpackungs- und
Umschlags-
- warenbezogene Manipulation (z.B. spezielle Sicherheitsmaßnahmen)
unternehmen
• Informationsfunktion Spediteure
- Aufbau von Informationsketten zur Planung, Koordinierung, Steuerung und Kontrolle
des Transportablaufs, der Lagerung und Statusverfolgung
Frachtführer
• Innerbetriebliche Transport, Umschlag- und Lageraufgaben beim Kunden Spediteure
Sonderfunktionen
• Verkaufsförderungsfunktion (Merchandising) Spediteur
- Übernahme von Verkaufsförderungsmaßnahmen im Auftrag des Versenders
zugunsten des Empfängers (z.B. Regalservice)
Frachtführer

• Kundendienstfunktion Spediteur
- Übernahme von Kundendienstfunktionen im Auftrag des Versenders zugunsten des Frachtführer
Empfängers (z.B. Ersatzteilvorhaltung, Wartung) Lagerei
• Montagearbeiten Spediteur
• Transportversicherungsfunktion
- Risk-Management im Transportversicherungsbereich Spediteur
- Abschluss von Versicherungsverträgen Vermittler
- Abwicklung von Schadensfällen
• Zollbehandlungsfunktion Spediteur
- Zolldeklaration, -anmeldung und -abfertigung Zollagenten
• Kreditfunktion
Spediteur
- Fracht- und Zollvorlagen

Abb. 15.1 Leistungen von Logistikunternehmen (Quelle: in Anlehnung an Stabenau, 1994, S.


15f. und Aberle, 2009, S. 532ff.)
296 15 Dienstleistungsfunktionen der Logistikunternehmen

Nicht in Abb. 15.1 aufgelistet sind die von spezialisierten Logistikunternehmen


angebotene Dienstleistung für die Eventlogistik. Die Bedeutung der Eventlogistik
nimmt im Zusammenhang mit dem Management von Events in jüngerer Zeit zu.15
Eine Marktuntersuchung zeigt den Trend für die Logistikunternehmen, einen neu-
en Markt des professionellen Managements von Events zu entwickeln, dem durch
ein koordiniertes Logistikmanagement von größeren Veranstaltungen, Events und
Ereignissen ein rapides Umsatzwachstum vorhergesagt wird.16

Abgrenzungskriterien
Zur Beurteilung der Ähnlichkeit von Güterverteilvorgängen und damit zur Spezia-
lisierung im Leistungsprogramm von Logistikunternehmen können vier Kriterien
herangezogen werden: Leistungsumfang, räumliche Dimension, Güterdimension
und qualitative Dimension.17
Nach dem Leistungsumfang unterscheiden sich die Leistungsprogramme von
Logistikunternehmen durch das Ausmaß, in dem Logistikaufgaben des Verladers
übernommen werden, also durch den Anteil des Verladers am Logistiksystem.
Beispielsweise ist der Leistungsumfang eines Logistikunternehmens, das die Ver-
teilung von Gütern, die vom Verlader bereits kundenbezogen kommissioniert sind,
kleiner als das Leistungsprogramm eines Logistikunternehmens, das die Kommis-
sionierung für den Verlader übernimmt.
Unter der räumlichen Dimension sind die geografische Lage und die Größe von
Quellgebiet (Lieferpunkte) und Zielgebiet (Empfangspunkte) zu verstehen, für die
ein Logistikunternehmen Güterverteilungsaufgaben übernimmt. Eine Abgrenzung
des Leistungsprogramms kann unter diesem Gesichtspunkt z. B. nach Wirtschafts-
räumen oder Ländergrenzen erfolgen.
Die Güterdimension bezieht sich auf die Art und Menge der zu verteilenden
Güter. Hierbei ist von Bedeutung, inwieweit unterschiedliche Güter auch unter-
schiedliche Anforderungen an die Logistiksysteme stellen. Als Einteilungskrite-
rien kommen z. B. Volumen, Gewicht, Aggregatzustand oder Empfindlichkeit
hinsichtlich Temperatur, Geruch oder Stoß etc. in Frage.
Die qualitative Dimension bezieht sich auf das Serviceniveau, das bei verschie-
denen Servicekomponenten garantiert wird. Ein Beispiel hierfür ist das Anbieten
von Expressgutdiensten durch Transport- und Speditionsunternehmen. Zu welchen
Bedingungen logistische Dienstleistungen von Logistikunternehmen angeboten
werden können, hängt von ihren Möglichkeiten zur Erstellung (Produktion) sol-
cher Dienstleistungen ab. Hierbei lassen sich einige Besonderheiten anführen, die
Logistikunternehmen im Vergleich zu anderen Unternehmen auszeichnen.

15 Vgl. Bobel, 2009, S. 8.


16 Vgl. Klaus/Kille, 2008, S. 133.
17 Vgl. zum Folgenden Krass, 1984, S. 220ff. Eine andere Strukturierungsmöglichkeit des Leis-
tungsprogramms logistischer Dienstleistungsunternehmen findet sich bei Zöllner, 1990, S.
60ff., der die drei Dimensionen geografische Räume, Kundengruppen und Kundenfunktio-
nen unterscheidet.
15.3 Besonderheiten der Leistungserstellung 297

15.3 Besonderheiten der Leistungserstellung


In der betriebswirtschaftlichen Literatur ist eine umfassende Diskussion darüber
zu finden, inwieweit die Produktion von Verkehrsleistungen typische Besonder-
heiten aufweist, die eine spezielle Betriebswirtschaftslehre, nämlich die Verkehrs-
betriebslehre, rechtfertigen. 18 Auf diese Diskussion braucht hier im Einzelnen
nicht eingegangen zu werden. Es genügt eine kurze Darstellung von Besonderhei-
ten der Leistungserstellung, mit denen sich Logistikunternehmen konfrontiert se-
hen und die zumindest in diesem Ausmaß oder in dieser Kombination in anderen
Branchen nicht auftreten. Dazu gehören der immaterielle Charakter der Dienstleis-
tungen sowie der externe Faktor, der in den Leistungsprozess einzubringen ist.
Darauf wurde bereits in Teil I, Abschn. 2.1 eingegangen. Spezifisch für logistische
Dienstleistungen sind die Kuppelproduktion beim Transport und die differenzier-
ten Produktionsverfahren der Logistikunternehmen.19

Kuppelproduktion beim Transport


Unter den logistischen Dienstleistungen weist die Transportleistung bei ihrer Er-
stellung eine weitere Besonderheit auf. Denn bei der Erstellung von Transportleis-
tungen hat man keinen festen Standort. Sie läuft in der Regel wie in Abb. 15.2
dargestellt ab.
Von B nach C wird eine Transportleistung nachgefragt, ein Fahrzeug hierfür
steht am Lieferpunkt (Ladeort) B nicht zur Verfügung, sondern muss von seinem
Standort A im Bereitstellungsverkehr an den Ladeort B herangeführt werden.
Nach der Beladung erfolgt der Gütertransport entsprechend der nachgefragten
Transportleistung zum Empfangspunkt (Empfangsplatz) C. Vor allem für den
Straßengüterverkehr muss in der Regel das Fahrzeug aus organisatorischen Grün-
den an den Standort zurückgeführt werden, so dass ein Rücklaufverkehr von C
nach A entsteht. Zusätzlich zur nachgefragten Transportleistung entstehen also die
Bereitstellungs- und Rücklaufverkehre als Kuppelprodukt.
Man spricht hier auch von einem organisatorischen Kuppelprodukt. Denn die
Bereitstellungs- und Rücklaufverkehre entstehen im Allgemeinen nicht aus techni-
schen, sondern aus organisatorischen Gründen gemeinsam mit der Produktion der
nachgefragten Transportleistung. Selbstverständlich können diese Kuppelprodukte
vermarktet werden, indem Bereitstellungs- und Rücklaufverkehre nicht als Leer-
fahrten durchgeführt werden, sondern versucht wird, zumindest Teilladungen für
diese Verkehre an den Punkten A und C zu finden. Die Grenzen der Vermarktung
des Kuppelproduktes sind in der Unpaarigkeit der Verkehrsströme begründet. Da-
runter ist zu verstehen, dass einem Verkehrsstrom von A nach B nicht der entspre-
chende Verkehrsstrom von B nach A gegenüber steht, so dass im Rücklaufverkehr
die Fahrzeuge keine entsprechende Rückladung finden. Die Ursachen dafür, dass

18 Zu den Besonderheiten des Verkehrs vgl. Ihde, 2001, S. 101ff.


19 Vgl. zum Folgenden Stabenau, 1994, S. 51ff.; Isermann, 1998, S. 33ff.; Aberle, 2009,
S. 230ff.
298 15 Dienstleistungsfunktionen der Logistikunternehmen

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A: Standort des Fahrzeugs
A B: Ladeort
C: Empfangsplatz

Abb. 15.2 Organisatorisches Kuppelprodukt bei der Erstellung von Transportleistungen (Quel-
le: Stabenau, 1994, S. 53)

die Nachfrage nach Transportleistungen in der Region A nicht der der Region B
entsprechen sind die Transportaufkommen, die sich aus der unterschiedlichen
Wirtschaftsstruktur der Regionen ergeben sowie administrative Ursachen, die in
staatlichen Interventionen in den nationalen und internationalen Verkehrsmärkten
begründet sind.

Differenzierte Produktionsverfahren
In erster Linie wiederum auf die Transportleistung bezogen, ergibt sich in kaum
einer anderen Branche ein solch großer Unterschied in den Produktionsverfahren
wie bei Logistikunternehmen. So wird die Transportleistung bei Eisenbahn, Stra-
ßengüterverkehr, Schifffahrt, Luftverkehr oder Leitungsverkehr mit völlig unter-
schiedlichen Produktionsverfahren erstellt, die zwangsläufig zu sehr unterschiedli-
chen Kostenstrukturen führen. Beispielsweise ist der Fixkostenanteil der
Eisenbahn oder Binnenschifffahrt wesentlich größer als der beim Staßengüterfern-
verkehr. Der Personalkostenanteil ist z. B. bei der Eisenbahn höher und bei der
Binnenschifffahrt niedriger als beim Straßengüterfernverkehr. Die Abschrei-
bungsdauer der Transportmittel bei Eisenbahn und Binnenschifffahrt sind wesent-
lich länger als beim Lkw. Diese aus der unterschiedlichen Art der betrieblichen
Leistungserstellung resultierenden Unterschiede in den Kostenstrukturen sind we-
sentlich für die Kalkulation der Transportleistungen, die von unterschiedlichen In-
stitutionen der Verkehrswirtschaft zu erbringen sind.

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16 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft
Im Folgenden soll ein Überblick über unterschiedlich spezialisierte Institutionen
gegeben werden, die im Logistikkanal Dienstleistungen für die verladende Wirt-
schaft erbringen. Verlader sind alle Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunter-
nehmen, die als Nachfrager und damit als Auftraggeber von bzw. für logistische
Dienstleistungen auftreten. Dies können sowohl der Lieferant als auch der Kunde
eines bestimmten Gutes sein. Bezüglich der Transportleistung ist es z. B. bei Lie-
ferung frei Haus der Lieferant, bei Lieferung ab Werk der Empfänger. In diesem
Fall gilt der Empfänger auch dann als Auftraggeber hinsichtlich des Gefahren-
übergangs und der Übernahme der Transportkosten, wenn das Transportunter-
nehmen vom Lieferanten beauftragt wird. Der Begriff Güterverkehrswirtschaft 1
zur Bezeichnung der Institutionen, die logistische Dienstleistungen als Primärleis-
tungen erbringen, wird gewählt, weil sich ein Begriff Logistikwirtschaft bisher
nicht durchgesetzt hat und man heute den Begriff Verkehrswirtschaft im Sinne ei-
ner Logistikwirtschaft gebraucht. Innerhalb der Güterverkehrswirtschaft, deren
primäre Funktion die räumliche Verbringung von Gütern von einem Versandort zu
einem Empfangsort darstellt, können drei Leistungsbereiche unterschieden wer-
den:2
x Leistungen, die auf dem Standortwechsel des Transportmittels beruhen, d. h.
Transportleistungen im engeren Sinne,
x Leistungen, die an einem festen Standort erbracht werden, z. B. Umschlag, La-
gerung, Verpackung und Kommissionierung, d. h. Verkehrsleistungen im wei-
teren Sinne,
x Leistungen, die in Beratung, Vermittlung, Organisation und Verkauf von Ver-
kehrsleistungen bestehen.
Entsprechend dieser Leistungsbereiche lassen sich verschiedene Institutionen
der Güterverkehrswirtschaft beschreiben. Eine eindeutige Abgrenzung speziali-
sierter Logistikunternehmen ist jedoch nicht möglich, da sich die Unternehmen
auf veränderte Kundenanforderungen einstellen und Industrie und Handel vom lo-
gistischen Dienstleister die Übernahme immer umfassenderer Funktionen bis hin
zum Management gesamter Logistiksysteme erwarten. 3 Dadurch treten neben
standardisierten Transport-, Umschlags- und Lagerleistungen, die den Charakter
von Commodities annehmen, zunehmend individuelle, nur schwer substituierbare

1 Zur Abgrenzung des hier betrachteten Güterverkehrs vom Personenverkehr wird anstelle des
Begriffs Verkehrswirtschaft der Begriff Güterverkehrswirtschaft verwendet.
2 Vgl. Stabenau, 1994, S. 13f.
3 Somit lässt sich keine einheitliche Typologie von Verkehrsunternehmen angeben, vgl. Sta-
benau, 1994, S. 35.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018


H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4_16
302 16 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft

Special Goods in Form von Systemangeboten und komplexen logistischen Dienst-


leistungspaketen auf. Sie werden von logistischen Systemanbietern offeriert, die
von logistischen Komponentenanbietern zu unterscheiden sind. Schließlich sind
als Institutionen der Güterverkehrswirtschaft noch Logistikzentren zu nennen, in
denen verschiedene Logistikunternehmen örtlich zusammengefasst werden.

16.1 Transportunternehmen
Ein Überblick über die verschiedenen Transportmittel wurde bei der Darstellung
des logistischen Subsystems Transport4 gegeben. In diesem Abschnitt sollen die
Institutionen betrachtet werden, die diese Transportmittel betreiben. Die Betreiber
von Transportmitteln treten in der Regel als Frachtführer auf. Im Gegensatz zum
Begriff des Verladers ist dies ein gesetzlich definierter Begriff: Frachtführer ist,
wer durch einen Frachtvertrag verpflichtet wird, ein Gut an einen Bestimmungsort
zu befördern und dort an den Empfänger zu übergeben. Voraussetzung ist dabei,
dass der Frachtführer dieses Geschäft gewerblich ausübt. 5 Dazu gehören z. B.
Lkw-Transportunternehmer, Binnenschifffahrtsreedereien, Eisenbahngesellschaf-
ten oder Fluggesellschaften.

Straßengüterverkehr
In allen Industrieländern hat der Straßengüterverkehr einen sehr hohen Anteil am
Modal-Split, d. h. an der Aufteilung des Güterverkehrsaufkommens auf die ein-
zelnen Verkehrsarten. In Abb. 16.1 wird diese dominierende Stellung mit Zahlen
über das Güterverkehrsaufkommen in Deutschland belegt. Benutzt man als Maß-
zahl das Gewicht der transportierten Güter, so gehen ca. 83% der Gütertransporte
über die Straße. Nimmt man hingegen als Maßzahl das mit der Transportstrecke
multiplizierte Gewicht der Güter – die bezüglich des Güterverkehrsaufkommens
aussagekräftigeren Tonnenkilometer, die so genannte Güterverkehrsleistung –, so
ist der Straßenanteil ca. 12% niedriger. Dies rührt daher, dass beim Straßengüter-
verkehr der Nahverkehr den Fernverkehr um ein Vielfaches übertrifft, obwohl der
Straßengüterfernverkehr in den letzten Jahren sehr hohe Zuwachsraten zu ver-
zeichnen hatte.6
Etwa die Hälfte des Straßengüterverkehrs wird als Werkverkehr betrieben und
zwar in erster Linie als Nahverkehr. In Deutschland haben die Konsolidierungs-
prozesse der vergangenen Jahre die Struktur der Transport- und Logistikbranche

4 Siehe Teil II, Abschn. 8.3.


5 Vgl. §407 HGB. Seereedereien sind keine Frachtführer im Sinne des HGB, sondern Ver-
frachter. Für sie gelten besondere Bestimmungen, die im fünften Buch des HGB über den
Seehandel geregelt sind.
6 Der Anteil des Straßengüterfernverkehrs (einschließlich ausländischer Lkw) an der gesamten
Güterverkehrsleistung stieg, gemessen in Tonnenkilometern (tkm), von 31,6% (1980) auf
52,3% (1997) und auf 70.3% (2007), vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt-
entwicklung, 2008, S. 236f.
16.1 Transportunternehmen 303

zwar verändert, die Transportbranche besteht aber insgesamt weiterhin überwie-


gend aus Klein- und Mittelbetrieben.7 Von den kleinen Unternehmen wird häufig
eine vertragliche Bindung mit bestimmten Auftraggebern eingegangen. Sie si-
chern sich auf diese Weise ein bestimmtes Transportaufkommen, geraten jedoch
in starke Abhängigkeit von einem oder wenigen Auftraggebern. Außerdem ist im
Straßengüterverkehr eine erhebliche Verflechtung von Transportunternehmen mit
anderen Unternehmen festzustellen und zwar sowohl mit Speditionen als auch mit
Industrie- und Handelsunternehmen.

Verkehrsart Güterverkehrsaufkommen Güterverkehrsleistung


in Mio. t Anteil in % in Mrd. tkm Anteil in %
a
Eisenbahnen 361,3 7,9 116,0 17,6
Binnenschifffahrt 219,0 4,8 53,2 8,1
Seeschifffahrt 292,6 6,5 x x
b
Straßengüterverkehr 3593,3 78,7 471,8 71,5
Rohrfernleitungen c 92,4 2,0 18,8 2,8
Luftverkehr d 4,5 0,1 X x
gesamt 4563,9 100,0 659,9 100,0
a
ohne Güterkraftverkehr. einschl. interner Verrechnung der DB.
b
deutsche und ausländische Lastkraftwagen
c
Rohöl- und Mineralölproduktleitungen
d
Fracht und Luftpost; einschl. Doppelzählungen im Umladeverkehr

Abb. 16.1 Güterverkehrsaufkommen und -leistung im Jahr 2016 in der Bundesrepublik


Deutschland (Quelle: Daten entnommen aus: Statistisches Bundesamt, 2017, S.
1.)

Schienengüterverkehr
Der Schienengüterverkehr wird in der Bundesrepublik Deutschland (wie auch in
den meisten übrigen Staaten Europas) zum weitaus überwiegenden Teil von einem
öffentlichen Unternehmen wahrgenommen, der DEUTSCHEN BAHN AG. Diese öf-
fentlichen Unternehmen sind in der Regel aus Umwandlungen ehemaliger staatli-
cher Unternehmen in privatrechtliche Aktiengesellschaften entstanden, deren ein-
ziger bzw. Hauptaktionär in den meisten Fällen jedoch weiterhin der jeweilige
Staat ist. Bislang existiert neben der DEUTSCHEN BAHN AG noch eine größere
Zahl kleinerer, nicht staatlicher Bahnunternehmen, die die Erfüllung von Spezial-
aufgaben vor allem im Verteil- und Zubringerverkehr sowie Teile des Regional-
verkehrs übernehmen. Durch die völlige Trennung von Fahrweg und Eisenbahn-
transportbetrieb soll jedoch neben ausländischen Bahngesellschaften vermehrt

7 Vgl. Deutscher Speditions- und Logistikverband e. V., 2005, S.28; IKB Deutsche Industrie-
bank AG, 2007, S. 8f.
304 16 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft

auch neuen Transportanbietern der diskriminierungsfreie Zutritt zum Eisenbahn-


netz ermöglicht werden, so dass eine Änderung der Struktur des Schienenver-
kehrsmarktes zu erwarten ist. 8 Der Werkverkehr ist beim Schienengüterverkehr
von wesentlich geringerer Bedeutung als beim Straßengüterverkehr, obwohl
Großunternehmen in der Montanindustrie und der chemischen Industrie große
Werkseisenbahnen unterhalten.
Der bislang feststellbare Rückgang des Schienenverkehrsanteils am Güterver-
kehrsaufkommen in Deutschland wird teilweise auf die Tatsache zurückgeführt,
dass die Bundesbahn bis zum 31.12.1993 ein staatliches Unternehmen war. Als
solches habe sie nicht genügend Flexibilität aufweisen können, um sich den Ände-
rungen auf dem Verkehrsmarkt anzupassen. Außerdem seien ihr durch das Bun-
desbahngesetz gemeinwirtschaftliche Aufgaben übertragen worden, die sie daran
gehindert hätten, sich besser im Wettbewerb zu behaupten. Durch die Bahnstruk-
turreform in Deutschland bieten sich der Eisenbahn verbesserte Marktchancen.
Aus umweltpolitischen Zielsetzungen und aus Grund der hoch belasteten Straßen-
verkehrskapazität ist die Verkehrsverlagerung auf Schienen sehr bedeutsam. 9

Schiffsverkehr
Die Institutionen, die Binnenschifffahrt betreiben, können nach der Art der Leis-
tungserstellung in den gewerblichen Verkehr durch Reedereien und Partikuliere
sowie Werkschifffahrtsbetriebe und Befrachter unterschieden werden.10 Die Ree-
dereien sind Großunternehmen, die die gewerbsmäßige Ausführung von Transpor-
ten mit einer zentral gelenkten Binnenschiffflotte oder mit fremdem Schiffsraum
übernehmen und Ladung meist über mehrere Landkontore akquirieren. Die Reede-
reien üben sowohl die Aufgaben des Spediteurs als auch die eines Frachtführers
aus und nehmen im Allgemeinen außerdem Lager- und Umschlagsaufgaben wahr.
Zum Teil bieten sie den Verladern auch All-Inclusive-Angebote, die zusätzlich
noch Depothaltung, Trucking, Containerreparaturen usw. umfassen. 11 Partikuliere
(Klein-, Privat- oder Einzelschiffer) sind in der Regel Schiffsführer ihres eigenen
Schiffes. Sie setzen bis zu drei Schiffe ein und besitzen keine Kontore zur La-
dungsakquisition. Partikuliere sind als Frachtführer sowohl für Verlader als auch
für Reedereien tätig, an die sie sich zum Teil auch vertraglich langfristig gebunden
haben. Ein Großteil von ihnen hat sich zudem in Gesellschaften zusammenge-
schlossen, die in der Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft oder einer
Gesellschaft mit beschränkter Haftung geführt werden. Diese Gesellschaften die-
nen einerseits der Akquisition von Ladung, andererseits übernehmen sie noch wei-
tere Funktionen, wie z. B. die betriebswirtschaftliche Betreuung der Partikuliere.
Von den beschriebenen Formen des gewerblichen Verkehrs lässt sich der Werk-

8 Vgl. Aberle/Hedderich, 1993, S. 15.


9 Vgl. Aberle, 2009, S. 148.
10 Vgl. Brandenburg u.a., 2006, S. 207ff.
11 Vgl. Bartsch, 1994, S. 36.
16.1 Transportunternehmen 305

verkehr in der Binnenschifffahrt nur schwer abgrenzen. Zum Werkverkehr zählt


lediglich derjenige Verkehr, der mit eigenem Personal und mit eigenen Fahrzeu-
gen für eigene Zwecke eines Industrie- und Handelsunternehmens durchgeführt
wird und bei dem die Güter sich im Eigentum des übergeordneten Unternehmens
befinden. Führen Unternehmen neben dem Werkverkehr auch gewerblichen Ver-
kehr durch, wie es für einen Großteil der Werksreedereien der Fall ist, so werden
sie dem gewerblichen Verkehr zugerechnet. Demzufolge gibt es in Deutschland
nur wenige Unternehmen, die der engen Werkverkehrdefinition entsprechen. Eine
weitere Institution in der Binnenschifffahrt stellt der Befrachter dar, der Frachtver-
träge abschließt, ohne eigenen Schiffsraum zu besitzen. Zur Erstellung der ver-
sprochenen Transportleistung muss er die übernommene Ladung durch Schiffs-
eigner transportieren lassen. Aufgrund des Frachtvertrags steht der Befrachter dem
Auftraggeber mit den Rechten und Pflichten eines Frachtführers gegenüber.
Bei der Seeschifffahrt unterscheidet man zwischen Küsten- und Hochseeschiff-
fahrt. Die Küstenschifffahrt wird vorwiegend von kleinen Transportunternehmen
betrieben, bei denen der Küstenschiffer zugleich Eigner, Schiffsführer und Fracht-
führer ist, der sein Schiff im Einzel- und Zeitcharter vermietet. In der Hochsee-
schifffahrt ist hingegen zwischen dem Schiffseigentümer, der den Bau bzw. den
Kauf eines Schiffes finanziert und der Reederei als Ausrüster und Betreiber zu un-
terscheiden. Die Branche erlebt seit Jahren einen deutlichen Konzentrationspro-
zess, der vor allem aus dem hohen Kapitalbedarf für die Anpassung der Ausrüs-
tung an neue schifffahrtstechnische Entwicklungen folgt. 12 Es hat dazu geführt,
dass in Deutschland mehr als die Hälfte der Gesamttonnage auf die zehn größten
Reedereien entfällt.

Luftfrachtverkehr
Der Luftfrachtverkehr hat in den vergangenen Jahren ständig an Bedeutung zuge-
nommen und die Luftfracht betreibenden Transportunternehmen weisen hohe Zu-
wachsraten im Umsatz auf. Das wird auch anhand der durchschnittlichen, jährli-
chen Steigerung des Luftfrachtaufkommens zwischen 2004 und 2007 von rund
10% deutlich.13 Begründet wird dies zum einen dadurch, dass vor allem transport-
kostenunempfindliche Güter, die häufig einen hohen Wert bei geringem Volumen
oder Gewicht aufweisen, transportiert werden. Zu den typischen Luftfrachtgütern
gehören aber auch verderbliche und kurzlebige Güter, wie z. B. Lebensmittel so-
wie Last-Minute-Sendungen. Grundsätzlich ist festzustellen, dass aufgrund der
Preisentwicklung auf dem Gütertransportmarkt und der geforderten Transportqua-
lität in der internationalen Wirtschaft immer mehr Güterarten per Luftfracht ver-
sandt werden.14 Der Transport der Güter wird auf dreierlei Weise mit Flugzeugen

12 Vgl. Schieck, 2008, S. 210.


13 Zwischen 1990 und 2007 ist die Transportleistung von 439,5 Mio. tkm auf 1249,4 Mio. tkm
gestiegen, vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 236f.
14 Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 757f.; Pompl, 2008, S. 6.
306 16 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft

bewältigt. Entweder nehmen Passagierflugzeuge die Fracht in Unterflur-


Frachträumen mit oder es werden Flugzeuge mit Oberdeckbeladungen eingesetzt
(Kombinationsflugzeuge). Außerdem finden noch reine Frachtflugzeuge Verwen-
dung.
Den größten Anteil am Luftfrachtaufkommen haben mit weltweit über 75% auf
Basis verkaufter Tonnenkilometer die international tätigen Linienfluggesellschaf-
ten, an denen in Westeuropa in der Regel der Staat beteiligt ist. Setzen solche Ge-
sellschaften sowohl Passagier- als auch Frachtflugzeuge zum Frachttransport ein,
dann nennt man sie auch Kombinationscarrier. Zum Teil haben die Linienflugge-
sellschaften Tochtergesellschaften gegründet, die ausschließlich Luftfracht betrei-
ben. Beispielsweise besitzt die LUFTHANSA AG mit der LUFTHANSA CARGO AG
eine solche Tochtergesellschaft. Auf den Frachttransport spezialisiert sind hinge-
gen die Frachtcarrier (Marktanteil ca. 10%), die Frachtraumkapazitäten für Char-
terflüge zur Verfügung stellen und Saisonspitzen der Luftleistungsnachfrage abde-
cken. Schließlich gibt es noch so genannte Integrators. Diese Gesellschaften
erbringen alle Leistungsprozesse der Luftfrachttransportkette zwischen Versender
und Empfänger durch das eigene Unternehmen.15
Zum Luftfrachtverkehr ist außerdem noch das Trucking zu rechnen, der Luft-
frachtersatzverkehr zwischen einzelnen Flughäfen auf der Straße. Solche Trans-
porte dürfen nur stattfinden, wenn keine geeigneten Flugverbindungen existieren.
Sie werden von den Luftverkehrsgesellschaften zu einer höheren Ausnutzung der
angebotenen Frachtkapazität auf Langstrecken genutzt, indem die Güter per Stra-
ßentransport auf einzelnen Flughäfen gebündelt werden.16

16.2 Lager-, Umschlags- und Verpackungsunternehmen

Lagerei
Die gewerbliche Lagerei, die entweder von selbstständigen Lagereiunternehmen
oder von Speditionen betrieben wird, ist gesetzlich geregelt: „Lagerhalter ist, wer
gewerbsmäßig die Lagerung und Aufbewahrung von Gütern übernimmt.“ 17 Diese
Gewerbsmäßigkeit ist nur dann nicht gegeben, wenn die Lagerung eine Neben-
pflicht eines anderen Gewerbes darstellt, wie z. B. verkehrsbedingte Zwischenla-
gerungen oder wenn Lagerung und Aufbewahrung nicht nachhaltig betrieben wer-
den. Die selbstständigen Lagereiunternehmen sind nicht selten staatlich oder es
liegt zumindest eine staatliche Beteiligung vor. Man findet häufig Spezialisierun-
gen von Lagereiunternehmen auf bestimmte Güterarten, da diese die anzuwenden-
de Technik und den Lagerraum sehr stark bestimmen. So gibt es Lagereiunter-
nehmen, die sich auf Massengut, Stückgut oder auf die Lagerung von

15 Vgl. Beder, 1998, S. 129.


16 Vgl. Mosler, 1993, S. 507ff.
17 §416, HGB.
16.2 Lager-, Umschlags- und Verpackungsunternehmen 307

Spezialgütern, z. B. Kühl- und Gefriergüter, spezialisiert haben.18 Ebenso können


in Abhängigkeit der Empfindlichkeit von Lagergütern Anpassungen der Lagerein-
richtungen erforderlich werden, z. B. in Gefahrgut- oder in Wertlagern. Im Rah-
men der gewerblichen Lagerung werden außerdem teilweise noch zusätzliche
Leistungen erbracht, z. B. Etikettierung, Veredelung oder Kommissionierung der
eingelagerten Güter.19

Umschlagsunternehmen
Umschlagsunternehmen bieten ihre Dienstleistungen anderen Logistikunterneh-
men oder aber der verladenden Wirtschaft an. Unter ihnen befinden sich sowohl
spezialisierte Umschlagsunternehmen als auch Speditionen, die Umschlagsleis-
tungen anbieten. Die auf den Umschlag spezialisierten Unternehmen werden ent-
weder privat oder durch die öffentliche Hand betrieben. Zu den Umschlagsunter-
nehmen zählen vor allem Containerterminals, die von der Bahn und von
Hafenbehörden betrieben werden, Luftfrachtterminals von Flug- oder Flughafen-
gesellschaften, Sammelgutumschlagsstellen von Sammelladegemeinschaften der
Speditionen, Erzumschlagsbetriebe als gemeinsame Einrichtung mehrerer Hüt-
tenwerke, Paketumschlagsstellen der Post oder anderer Paketdienstunternehmen.20

Verpackungsunternehmen
Unternehmen, die sich auf die Dienstleistung des Verpackens spezialisiert haben,
nennt man Lohn- oder Kontraktverpacker.21 Die Abgrenzung zwischen diesen bei-
den Arten ist fließend. Schwerpunktmäßig lässt sich jedoch feststellen, dass
Lohnverpacker ihren Auftraggebern nur Personal-, Maschinen- und Raumkapazi-
tät anbieten, nicht aber die Packmittel. Stellen die Verpackungsunternehmen den
Auftraggebern dagegen die Packmittel ganz oder zumindest wesentliche Teile da-
von sowie sonstige Leistungen zur Verfügung, so bezeichnet man sie als Kon-
traktverpacker. Die sonstigen Leistungen können z. B. in der Beratung bei der
Wahl der Verpackung liegen, aber auch das Mischen, Granulieren, Suspendieren
usw. von Gütern zählen dazu. Nur wenige Kontraktverpacker bieten ein Pro-
gramm von Verpackungen in allen Bereichen an. Die meisten Verpackungsunter-
nehmen haben sich spezialisiert, z. B. auf Exportverpackungen oder spezielle
Verpackungen für sperrige Güter. Sie bieten die Verpackungen in den Werken der
Verlader an, entweder durch eigene Spezialisten oder unter eigener Regie und
Überwachung von Vertragsunternehmen. Auch Verlader, die die routinemäßig ab-
laufenden Verpackungsaufgaben selbst ausführen, nehmen für Spezialaufgaben
(z. B. bei der Einführung eines neuen Produkts oder bei Verkaufsfördermaßnah-
men) die Dienstleistungen von Verpackungsunternehmen in Anspruch.

18 Vgl. Jünemann/Schmidt, 1999, S. 335.


19 Vgl. Bjelicic, 1990, S. 12.
20 Vgl. Gudehus, 2010, S. 979.
21 Vgl. Jünemann/Schmidt, 1999, S. 335.
308 16 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft

16.3 Speditionen und Vermittler

Speditionen
Der Begriff des Spediteurs ist gesetzlich geregelt:22 Ein Spediteur ist mit der Or-
ganisation der Beförderung von Gütern für Dritte betraut. Aufgabe des Spediteurs
ist die Auswahl des Beförderungsmittels und der ausführenden Unternehmen so-
wie die Sicherstellung der Schadensersatzansprüche des Versenders. Hierzu
schließt er die notwendigen Verträge mit anderen Dienstleistern, z. B. Frachtfüh-
rern, Verpackern oder Lagereien im eigenen Namen oder, sofern er hierzu be-
vollmächtigt ist, im Namen des Versenders ab.
Außerdem zählt zu den Pflichten des Spediteurs, wenn dies entsprechend ver-
einbart ist, die Ausführung sonstiger auf die Beförderung bezogener Leistungen.
Im HGB werden beispielsweise die Versicherung und die Verpackung des Gutes,
die Kennzeichnung sowie die Zollabwicklung angeführt. Tatsächlich gehen die
Angebote jedoch darüber hinaus und umfassen oft die Lagerung und Kommissio-
nierung von Gütern und schließen mittlerweile sogar die Konfiguration von End-
produkten oder Montagetätigkeiten beim Empfänger der Ware ein.
In der Praxis umfasst das Arbeitsgebiet von Spediteuren die gesamten logisti-
schen Dienstleistungen sowie weitere sonstige Nebenleistungen, auf die auch in
Abb. 15.1 hingewiesen wurde. Spediteure kaufen national und international logis-
tische Dienstleistungen und damit zusammenhängende Nebenleistungen ein, er-
gänzen sie im erforderlichen Umfang durch selbst erstellte Leistungen und verkau-
fen sie zusammen als Gesamtleistung gewinnbringend an den Auftraggeber.23 Die
Spedition ist als Keimzelle für Logistikunternehmen anzusehen, die komplette lo-
gistische Dienstleistungspakete anzubieten in der Lage sind. In angelsächsischen
Sprachgebrauch ist für solche Spediteure der Begriff Third Party Logistics Service
Provider (3PL) üblich. Die von denen angebotenen Dienstleistungspakete be-
zeichnet man mit dem Begriff Kontraktlogistik. Wichtige Charakteristika der Kon-
traktlogistik sind die individuell den Bedürfnissen des Verladers angepassten und
ausgestalteten Dienstleistungen.24
Für die Realisierung des Angebots hat die Spedition zwei grundsätzliche Mög-
lichkeiten. Sie kann sich entweder auf die eigentliche Speditionstätigkeit be-
schränken, die in der Planung, Organisation und Steuerung des Güter- und Infor-
mationsflusses, der mit der Güterversendung verbunden ist, besteht und mit der
Durchführung andere Speditionen oder spezialisierte Logistikunternehmen wie
Transport-, Umschlags-, Lager- oder Verpackungsunternehmen beauftragen. Sie
werden auch als Fourth Party Logistics Service Provider (4PL) in einem Bezie-

22 §§453ff., HGB.
23 Vgl. Eßig, 2007, S. 425ff.
24 Vgl. Klaus/Kille, 2008, S. 115f.
16.3 Speditionen und Vermittler 309

hungsgeflecht zwischen Verlader, dessen Kunden sowie ausführenden Logistikun-


ternehmen bezeichnet.25 Oder die Spedition kann diese Tätigkeiten selbst ausfüh-
ren. Man spricht dann vom Selbsteintritt der Spedition.26 Da jedoch der Einsatz ei-
gener Fahrzeuge vor allem bei einfachen Transporten unrentabel ist, ist mit einer
kostensparenden Reduzierung des Selbsteintritts durch Outsourcing der Frachtfüh-
rerschaft an Subunternehmer zu rechnen. Daraus resultierend zeichnet sich unter
den Speditionen eine Polarisierung ab, bei der sich Zulieferer qualitativ hochwer-
tiger Systemdienste und Logistikkomponenten gegenüber reinen Frachtführern
abheben.27 Somit bilden sich Speditionspyramiden für logistische Dienstleistungen
heraus, an deren Spitze jeweils einzelne Speditionen mit integrierenden Systemlo-
gistikdiensten stehen, gefolgt von Zulieferern logistischer Teilsysteme in der Mitte
und vielen Komponentenspeditionen am Boden der Pyramide.28
Unabhängig von der Art und Weise der Ausführung der Logistikaufgaben fin-
den sich bei Speditionen häufig Spezialisierungen auf bestimmte Transportmittel
als Kraftwagen-, Bahn-, Seeschifffahrts- und Luftfrachtspeditionen, auf bestimmte
Gütergruppen als Möbel-, Kleider- oder Schwergutspeditionen, auf bestimmte
Transportrelationen oder auf Inlands-, Grenz- oder internationale Transporte so-
wie auch auf einzelne Funktionsbereiche, wie etwa Versand-, Empfangs-, Platz-,
Abfertigungs- oder Umschlagsspeditionen.29

Vermittler
Neben den Speditionen, die auch im eigenen Namen Verträge über Güterbeförde-
rungen abschließen, gibt es eine Vielzahl von Anbietern, die als Frachtvermittler
tätig sind. Sie vermitteln Vertragsabschlüsse zwischen Verladern und Transport-
unternehmen insbesondere im See- und Luftverkehr und betreiben Befrachtungs-,
Klarierungs-, Agentur- und/oder An- und Verkaufsgeschäfte z. B. für Seeschiffe.30
Im Internet haben sich in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Vermittlern
etabliert, die in Form so genannter elektronischer Frachtbörsen die Vermittlung
von Aufträgen übernehmen, wobei hier häufig die Vermittlung von freien Kapazi-
täten und damit die Vermeidung von Leerfahrten im Vordergrund steht.
Bei der Vermittlung wird unterschieden zwischen Maklern und Agenten. Mak-
ler vermitteln von Fall zu Fall Fracht für Gelegenheitsverkehre in Form von
Raum- und Zeitfrachtverträgen, ohne von ihren Auftraggebern ständig mit dieser
Aufgabe betraut zu sein. Agenten sind ähnlich wie Handelsvertreter auf Dauer von

25 Vgl. Klaus/Kille, 2008, S. 115. Der reine 4PL-Dienstleister ist „Asset free“. Er verfügt über
keine eigenen Transport- und Lagerkapazitäten. „Das Leistungsspektrum des 4PL umfasst
klassische Mehrwertdienstleistungen, die Netzwerkplanung und die Koordination von Lo-
gistikdienstleistern.“ Pfohl/ Wagner, 2015, S. 43.
26 §458, HGB.
27 Vgl. Florian, 1995, S. 55.
28 Vgl. Haubold/Stahl, 1994, S. 321f.
29 Vgl. Aberle, 2009, S. 270ff.
30 Vgl. Biebig/Althof/Wagener, 2008, S. 13.
310 16 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft

einzelnen Reedereien oder Luftverkehrsgesellschaften mit deren Vertretung be-


traut, um Ladung zu akquirieren.31

16.4 Logistikzentren
Im Zusammenhang mit der Diskussion von Knotenpunktsystemen in Transportket-
ten32 gehören Logistikzentren zu den am häufigsten diskutierten Planungsvorha-
ben im Verkehrsbereich. Unter einem Logistikzentrum ist ein Wirtschaftszentrum
zu verstehen, in dem von einem oder mehreren Unternehmen neben Transportleis-
tungen ein weites Spektrum logistischer Dienstleistungen angeboten wird, das
häufig noch durch zusätzliche Leistungen ergänzt wird. Es lassen sich eine ganze
Reihe verschiedener Ausprägungsformen von Logistikzentren unterscheiden, von
denen die wichtigsten im Folgenden beschrieben werden:33
Frachtzentrum: Unter einem Frachtzentrum ist eine Anlage der DEUTSCHEN BAHN
AG oder der Post zu verstehen, die der zentralen Gütersammlung und -verteilung
dient.
Transportgewerbegebiet: Die Bildung eines Transportgewerbegebietes beruht auf
der gezielten Ansiedlung von Logistikunternehmen mit dem Schwerpunkt, eine
Schnittstelle zwischen Nah- und Fernverkehr zu bilden. Obwohl in einem Trans-
portgewerbegebiet kein zentrales Organ existiert, das die Ansiedlung und die Ak-
tivitäten der Unternehmen koordiniert, lässt sich ein solches Gebiet durch koope-
rative Leistungsangebote und die kooperative Nutzung der Infrastruktur
kennzeichnen.
Güterverteilzentrum (GVtZ): Ein Güterverteilzentrum, in einigen Fällen auch als
Warenverteilzentrum bezeichnet, dient in erster Linie der Verteilung von Gütern,
d. h. die Erbringung von Distributionsleistungen steht im Vordergrund. Unter ei-
nem GVtZ „wird im Allgemeinen die Anlage eines größeren Spediteurs verstan-
den, welche als Hauptfunktion Transport-, Lager- und Umschlagsaufgaben und als
Nebenfunktion verschiedene Dienstleistungsaufgaben wahrnimmt. Auch koopera-
tive Zusammenschlüsse können als Güterverteilzentrum bezeichnet werden. Ein
GVtZ lässt sich aber nicht durch die Integration mehrerer Verkehrsträger definie-
ren.“34 Stattdessen ist ein GVtZ wie ein Transportgewerbegebiet auf die Bildung
von Transportketten eines Verkehrsträgers ausgerichtet.
Logistikpark: Als Logistikpark kann eine Ansammlung von Warenverteilzentren
logistischer Dienstleistungsunternehmen bezeichnet werden, die sich oftmals in

31 Vgl. Kummer, 2006, S. 283f.


32 Siehe Teil II, Abschn 8.4.
33 Zu einer Auflistung der verschiedenen Ausprägungsformen von Logistikzentren vgl. Gareis,
2002, S. 16ff.; Vahrenkamp, 2007, S. 400ff.; Gudehus, 2010, S. 25ff. Siehe auch Teil V, Ab-
schn. 19.1.
34 Glaser, 1993, S. 215.
16.4 Logistikzentren 311

der Nähe eines Systemknotens eines Kurier-, Express- und Paketdienstleisters


(KEP-Dienstleister) befindet. Dadurch entstehen kurze Laufzeiten zwischen den
Warenverteilzentren und dem Systemknoten des KEP-Dienstleisters, was wiede-
rum zu kürzeren Ladeschlusszeiten im Warenverteilzentrum führt und ein Verlän-
gern des Annahmeschlusses für Bestellungen ermöglicht. Somit können die ansäs-
sigen Logistikdienstleister ihren Lieferservice verbessern und gleichzeitig ihre
Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Außerdem können logistische Dienstleister auch
kooperieren, indem sie sich gegenseitig bei bestehenden Kapazitätsengpässen aus-
helfen.
Industriepark: Ein Industriepark ist eine abnehmernahe, gemeinschaftliche An-
siedlung von mehreren Zulieferern eines Abnehmers und/oder der eingeschalteten
Dienstleister. Die Festlegung des Standorts eines Industrieparks erfolgt durch eine
gesamtheitliche Erschließungs- und Ansiedlungsplanung. Im Verlauf des Betrie-
bes des Standorts werden zum einen die gemeinschaftlichen Gebäude, Flächen
und Infrastruktureinrichtungen bereitgestellt, zum anderen führen die im Indust-
riepark angesiedelten Unternehmen abnehmerspezifische Logistik- und Ferti-
gungsprozesse durch. Mit der Errichtung eines Industrieparks können im Rahmen
der Beschaffungslogistik sowohl die Kosten reduziert als auch der Service verbes-
sert werden. Des Weiteren lassen sich enge Geschäftsbeziehungen aufbauen und
absichern.
Güterverkehrszentrum (GVZ): Ein Güterverkehrszentrum ist in erster Linie durch
seine Schnittstellenfunktion gekennzeichnet. Es dient als Systemwechselpunkt
zwischen dem systemkonformen Einsatz verschiedener Verkehrsträger (Schiene,
Straße, Binnenschiff) sowie als Wechselpunkt zwischen Nah- und Fernverkehr. In
einem Güterverkehrszentrum – in der Regel bei vorgegebener Infrastruktur in ei-
ner verkehrsgünstigen Region angesiedelt – werden Verkehrs- und Dienstleis-
tungsunternehmen zusammengeführt, die in lokalen und regionalen Kooperationen
ein möglichst großes Leistungsspektrum anbieten.35 Die Leistungen Umschlagen
und Umladen gelten als unverzichtbare Bestandteile; die Kernfunktion eines GVZ
bildet im Allgemeinen der Kombinierte Verkehr.
Citylogistik: Güterverteilzentren werden heute auch im Zusammenhang mit dem
Schlagwort Citylogistik diskutiert. Obwohl durch die Einrichtung zentraler Läger
der Filialunternehmen des Einzelhandels bereits Warensendungen einer Vielzahl
verschiedener Lieferanten gebündelt werden konnten, sind die Innenstädte nach
wie vor durch den Lieferverkehr in erheblichem Maße belastet. Als Hauptproble-
me bei der Belieferung innerstädtischer Geschäfte sind zu nennen:36

35 Vgl. Arnold u. a., 2008, S. 778. Weitere Ausführungen zum kombinierten Verkehr siehe Teil
II, Abschn. 8.4 und zur Kombination der Verkehrsnetze siehe Teil V, Abschn. 19.1.
36 Vgl. Vahrenkamp, 2007, S. 408f.; zum städtischen Logistikdilemma vgl. auch Browne,
2010, S. 241f.
312 16 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft

x Negative Folgen wie Staugefahr, Lärm und Abgas infolge zunehmendem Lie-
ferverkehr
x Überschneidungen von Kundenverkehr und Lieferverkehr
x Die Logistikdienstleister beliefern die einzelnen Geschäfte unabhängig vonei-
nander, sodass die Geschäfte zu unregelmäßigen Zeiten von vielen, gering
ausgelasteten Fahrzeugen angefahren werden
x Die Lieferfahrzeuge können oft nicht an die Entladestelle bei den Geschäften
vorfahren
x Lieferbeschränkungen ergeben sich durch Zeitfenster für die Anlieferung in
den Innenstädten
Eine Lösungsmöglichkeit bietet das Citylogistik-Konzept, das auf einer ganzheit-
lichen Sichtweise des Wirtschaftsverkehrs in Städten beruht. Es umfasst Überle-
gungen sowohl zur Ver- und Entsorgung als auch zu den Problemen, die durch
Luftbelastungen, Lärm, Unfälle und Staus entstehen. 37 Ziel ist es, mittels einer
raum- statt warenbezogenen Bündelung eine Reduktion der Verkehrsleistung in
den Innenstädten bei gleichbleibendem Transportaufkommen zu erreichen. 38 Be-
teiligte an solchen Konzepten sind einerseits Einzelhandels- und logistische
Dienstleistungsunternehmen und andererseits die Kommunen, von denen die
Rahmenbedingungen vorgeben werden. 39 Realisiert werden können solche Citylo-
gistik-Konzepte durch den Aufbau von GVtZ in verkehrsgünstiger Stadtrandlage,
die von verschiedenen Herstellern und Transportdienstleistern beliefert werden
und deren Waren für verschiedene Kunden bestimmt sind. Die GVtZ können da-
bei von mehreren Dienstleistern in Kooperation betrieben werden. 40 Die in den In-
nenstädten liegenden Handelsunternehmen werden dank des Bündelungseffektes
mit weniger Fahrzeugen effizienter beliefert, wodurch gleichzeitig auch eine Ent-
lastung der Umwelt erreicht wird.

37 Vgl. Wittenbrink, 1995, S. 5; Berg, 1999, S. 135ff. Dort wird aufgezeigt, dass durch die Um-
setzung eines Citylogistik-Konzeptes in München die Verkehrsbelastung (bezogen auf ge-
fahrene Kilometer) um 27% zurückgehen kann, was auch zu einer deutlichen Senkung der
Lärm- und Schadstoffbelastung sowie des Kraftstoffverbrauches führt.
38 Vgl. Hatzfeld/Hesse, 1994, S. 647f.; Kaupp, 1998, S. 24.
39 Zu Kooperationen von Speditionen in der Citylogistik vgl. Eberhart, 1995, S. 116ff.; Kaupp,
1998. Siehe auch den Hinweis auf die überbetriebliche Kooperation in Abschn. 17.2. Zu den
unterschiedlichen Interessen der Akteure der Citylogistik vgl. Hatzfeld/Hesse, 1994, S. 648f.
40 Vgl. Pfohl, 1993, S. 117f.; Kaupp, 1998, S. 23ff.
16.4 Logistikzentren 313

Stadtzentrum

GVtZ

Ohne City-Logistik Konzept City-Logistik Konzept


Abb. 16.2 Positive Effekte des Citylogistik-Konzeptes am Beispiel der Stadt Regensburg

Ein Beispiel für die positiven Effekte eines kooperativen Citylogistik-Konzepts


findet sich in Regensburg (vgl. Abb. 16.2).41 Über 100 Handelsunternehmen wur-
den in dem Projekte involviert und täglich werden mindestens 25 Geschäfte belie-
fert. Befuhren früher 7-8 schlecht ausgelastete Fahrzeuge die Innenstadt, liefern
heute, je nach Bedarf, nur eines oder in seltenen Fällen zwei gut ausgelastete
Fahrzeuge die Tonnage aller Partner aus. Durch die Kooperation der Speditionen
werden in der Altstadt von Regensburg Lkw-Einsätze eingespart. Verglichen mit
dem Zustand vor der Einführung des Konzeptes spart das kooperative Citylogis-
tik-Konzept durchschnittlich 4300 Lkw-Kilometer im Jahr in der etwa einen
Quadratkilometer großen Innenstadt.
Doch nicht nur ein GVtZ bietet sich für einen effizienten innerstädtischen Wirt-
schaftsverkehr an. Darüber hinaus werden folgende Lösungsmöglichkeiten vorge-
schlagen:42
x Förderung der Konsolidierung von Transporten ohne ein GVtZ
x Kooperation der Geschäfte und/oder der Logistikdienstleister
x Einsatz von Fahrzeugen mit geeigneter Abmessung
x Einsatz von Fahrzeugen auf der Basis alternativer Energien und mit geringer
Lärmbelastung
x Informations- und Kommunikationssysteme zur Steuerung des Verkehrs
x Effiziente urbane Infrastruktur

41 Vgl. Bottler, 2008, S. 6. Andere Beispiele für die positiven Effekte eines Citylogistik-
Konzepts finden sich in Freiburg und München, vgl. Berg, 1999.
42 Vgl. Browne, 2010, S.143ff.
314 16 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft

x Restriktionen in der Zeit der Anlieferung und der Fahrzeuggröße


x Nächtliche Ver- und Entsorgung der Geschäfte

16.5 Rechts- und Organisationsformen

Rechtsformen
Als Rechtsformen kommen für Logistikunternehmen grundsätzlich die gleichen in
Frage, wie für andere Unternehmen. Jedoch haben sich einige Besonderheiten her-
ausgebildet, die in der Beteiligung der öffentlichen Hand, der Verflechtung mit
anderen Unternehmen sowie in den besonders großen Kapitalbedürfnissen der
Seeschifffahrt begründet liegen. Auf diese Besonderheiten wird im Folgenden
eingegangen, wobei zunächst nach den Eigentumsverhältnissen gegliedert wird:43
x Öffentliche Unternehmen als Regiebetriebe oder als Sondervermögen: Solche
Unternehmen stehen in vollem Eigentum von Gebietskörperschaften, Bund,
Ländern oder Gemeinden. Sie haben zumeist auch gemeinwirtschaftliche Ziele
zu verfolgen. Beispiele hierfür sind das Bundeseisenbahnvermögen oder Nah-
verkehrsbetriebe.
x Öffentliche Unternehmen als AG oder GmbH: Sie sind ebenfalls in vollem oder
aber überwiegendem Eigentum der öffentlichen Hand. Sie haben Auflagen ih-
rer öffentlichen Eigentümer bezüglich Leistungsangebot und -erstellung zu er-
füllen, die ebenfalls auf gemeinwirtschaftlichen Zielsetzungen basieren. Dafür
erhalten sie durch den öffentlichen Eigentümer gegebenenfalls einen gewissen
Marktschutz. Diese Rechtsform weisen z. B. die DEUTSCHE BAHN AG, die
DEUTSCHE LUFTHANSA AG, Flughafengesellschaften, Seehafenumschlagsbe-
triebe und einige öffentliche Nahverkehrsbetriebe auf.
x Konzernunternehmen: Solche Unternehmen haben die Rechtsform einer Kapi-
talgesellschaft, wobei das Kapital ausschließlich oder überwiegend von einem
Konzern der verladenden Wirtschaft gehalten wird. Daraus resultiert eine Ein-
ordnung der Ziele des Logistikunternehmens in die Ziele des Gesamtkonzerns.
Bei solchen Verflechtungen der verladenden Wirtschaft mit Logistikunterneh-
men spricht man bezüglich der von ihnen erbrachten Transportleistungen auch
von unechtem Werkverkehr, wodurch der Einfluss der verladenden Wirtschaft
zum Ausdruck gebracht wird. 44
x Logistikunternehmen als Kapitalgesellschaft: Dies sind größere oder mittlere
Unternehmen, deren Kapital sich in Familien- und/oder Streubesitz befindet.
x Logistikunternehmen als Personengesellschaft: Hierzu zählen die vielen, meist
kleinen Unternehmen, die einer einzigen Person oder einem kleinen Personen-
kreis gehören.

43 Vgl. Stabenau, 1994, S. 31.


44 Umgekehrt ist auch zu beobachten, dass sich konzerninterne Dienstleister zu offen am Markt
agierenden Dienstleistern wandeln, vgl. Kowalski, 1999, S. 42f.
16.5 Rechts- und Organisationsformen 315

Unter den öffentlichen Unternehmen haben die DEUTSCHE BAHN AG und die
DEUTSCHE LUFTHANSA AG besondere Bedeutung. Die durch die Bahnreform ein-
geleitete Privatisierung der ersteren ist organisatorisch weitestgehend abgeschlos-
sen. Das einstige Staatsunternehmen, dessen rechtliche Sonderstellung im Artikel
87 des Grundgesetzes geregelt war, wurde in eine Holding mit der DEUTSCHEN
BAHN AG als Konzernobergesellschaft überführt.
Wie in Abb. 16.3 dargestellt, gliedert der Konzern sich in 8 Geschäftsfelder:45
x Im Geschäftsfeld DB Netze Fahrweg ist die DB NETZ AG Dienstleister für die
Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU). DB Netz ist verantwortlich für den Be-
trieb der leistungsfähigen Eisenbahninfrastruktur (Fern-/Ballungsnetz, Regio-
nalnetz, Zugbildungs- und -behandlungsanlagen).
x Im Geschäftsfeld DB Netze Personenbahnhöfe ist die DB STATION & SERVICE
AG für den Betrieb der Personenbahnhöfe als Verkehrsstation sowie für die
Entwicklung und Vermarktung der damit in Verbindung stehenden Bahnhofs-
flächen zuständig.
x DB Energie liefert Bahnstrom und Treibstoffe an die Bahn und alle Eisenbahn-
verkehrsunternehmen in Deutschland.
x Das Geschäftsfeld Fernverkehr hat den gesamten Personenfernverkehr über-
nommen und ist für dessen Abwicklung verantwortlich. Es ist ihr Ziel, durch
umfassende Verkehrs- und Serviceangebote und die Abstimmung mit anderen
Verkehrsträgern ein attraktives Angebot zu schaffen und Kunden an die Bahn
zu binden.
x Im Geschäftsfeld Bahn Regio hat die DB REGIO AG den regionalen Personen-
verkehr der Bahn übernommen. Seit 1996 sind die Länder für den gesamten
ÖPNV zuständig, auch für den Schienenverkehr. Die Länder bzw. eigens ge-
gründete Verkehrsverbände, entscheiden über die einzurichtenden Verbindun-
gen und schreiben diese i. d. R. öffentlich aus. Die DB REGIO AG steht bei die-
sen Ausschreibungen normalerweise in Konkurrenz zu anderen
Wettbewerbern, z. B. landeseigenen (Hessische Landesbahn), privaten (Deut-
sche Eisenbahngesellschaft) oder ausländischen (Mittel-Thurgau-Bahn) Bahn-
gesellschaften.
x Das Geschäftsfeld DB Bahn Arriva verantwortet die S-Bahnen in Berlin und
Hamburg sowie Busgesellschaften in Deutschland.
x Im Geschäftsfeld DB Schenker werden die europaweiten Aktivitäten im Schie-
nengüterverkehr geführt. Sie hat ein vielfältiges Angebot, das über den reinen
Transport per Bahn hinausgeht. Beispielsweise werden im Rahmen des kombi-
nierten Verkehrs auch Haus-zu-Haus-Transporte und individuelle Transportlö-
sungen angeboten.
x Mit dem Geschäftsfeld DB CARGO werden weltweit Speditions- und Lo-
gistikdienstleistungen angeboten.

45 Vgl. Deutsche Bahn AG, 2016.


316 16 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft

Abb. 16.3 Geschäftsfelder der DEUTSCHE BAHN AG (Quelle: in Anlehnung an Deutsche


Bahn AG, 2017, S. 1f.)

Das zweite große Staatsunternehmen  die DEUTSCHE LUFTHANSA AG  wurde


seit 1965 nach und nach privatisiert. 1997 gab der Bund die letzten Aktienanteile
ab. Heute ist die Lufthansa eine Holding mit einer komplexen Struktur von Toch-
terunternehmen, die bei der Leistungserbringung teilweise eng miteinander koope-
rieren. Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, hat die Lufthansa
mit anderen Fluggesellschaften als strategische Allianz die Star Alliance aufge-
baut. Dadurch wurde es für die Lufthansa möglich, das internationale Angebot
auszuweiten, ohne das eigene Netz zu vergrößern.
Eine speziell für die Seeschifffahrt geschaffene Rechtsform ist die Partenree-
derei. In einer solchen Ein-Schiff-Gesellschaft schließen sich mehrere Personen
als Mit- oder Partenreeder zusammen, von denen jede ein Bruchteilseigentum an
einem Schiff (Schiffspart) besitzt, das für gemeinsame Rechnung zum Erwerb
durch Seefahrt verwendet wird.46 Die Rechte und Pflichten der Partenreeder rich-
ten sich nach den Eigentumsanteilen, die als Parten bezeichnet werden. Die Ge-
schäftsführung wird üblicherweise einem so genannten Korrespondentenreeder
übertragen, der nicht zu den Partenreedern gehören muss, sondern häufig ein
Schiffsmakler ist. Nach außen tritt die Partenreederei aufgrund von Mehrheitsbe-
schlüssen der Partenreeder unter dem Namen des Schiffes auf.

46 Vgl. Schneck, 2006, S. 146f.


Literatur 317

Organisationsformen
Die Überlegungen bezüglich der Organisation von Logistikunternehmen sind bei
der Wahl der Rechtsform grundsätzlich die gleichen wie bei anderen Unterneh-
men, so dass beispielsweise die gleichen Zentralisierungskriterien für die Bildung
der Organisationseinheiten in Frage kommen.47 Bei der Anwendung des Zentrali-
sierungskriteriums Objekt ergeben sich lediglich zwei Besonderheiten. Die erste
Besonderheit ist, dass bei einer produktorientierten Organisation die Organisati-
onseinheiten nicht nach Sachgütern, sondern nach den verschiedenen logistischen
Dienstleistungsarten gebildet werden können. Die zweite Besonderheit ergibt sich
aus der Tatsache, dass Logistikunternehmen häufig über mehrere regionale Nie-
derlassungen verfügen. Demzufolge spielt das Zentralisierungskriterium Region
bei Logistikunternehmen generell eine größere Rolle als bei Unternehmen der ver-
ladenden Wirtschaft, bei denen es erst in sehr großen Unternehmen Bedeutung er-
langt.

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47 Zu einem Beispiel für die Aufbauorganisation eines Speditions- und Lagereiunternehmens


vgl. Schumacher, 1988, S. 144.
318 16 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft

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17 Interorganisatorische Logistiksysteme

17.1 Logistische Schnittstellen und interorganisatorische


Beziehungen

Logistische Schnittstellen
Schnittstellen lassen sich generell als Systemgrenzen definieren. Logistische
Schnittstellen sind demnach Grenzen zwischen einem bestimmten Logistiksystem
und anderen Logistiksystemen bzw. mit anderen Arten von Systemen (z. B. Be-
schaffungs-, Produktions- oder Absatzsysteme). Da der Güter- und Informations-
fluss durch ein Unternehmen bzw. zwischen Unternehmen immer mehrere techni-
sche, organisatorische oder rechtliche Systeme durchquert, spielen Schnittstellen
in der Logistikkonzeption eine große Rolle. Ist es doch gerade der Kern der Lo-
gistikkonzeption, die Schnittstellen zwischen den logistischen Teilsystemen so zu
gestalten, dass Logistikprobleme auf der Grundlage des Systemdenkens gelöst
werden können. Abb. 17.1 gibt einen Überblick über logistische Schnittstellen, die

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018


H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4_17
322

Abb. 17.1
Übertragungsobjekt
Logistische

S. 59)
Schnittstelle
Planungsinformation Dispositive Information Vollzugsinformation Serviceinformation Physische Objekte

Integrierte z.B. zwischen: z.B. zwischen: z.B. zwischen: Abstimmung von:


Planung der Auftragsbearbeitung Lagerwesen und Logistikplanung Produkt, Verpackung,
1. Ordnung logistischen und Bestands- Bestandsführung, und ausführenden Ladeeinheiten, Förder-,
Subsysteme führung, Programm- Transport und Stellen Lager- und
und Elemente planung und Auftragsbearbeitung Transportsystem
Lagerwesen usw. usw.

Abstimmung der z.B. zwischen: z.B. zwischen: Abstimmung der z.B. zwischen:
Logistikplanung mit Verkauf und Auftragsbearbeitung Einkaufs-, den logistischen
17 Interorganisatorische Logistiksysteme

2. Ordnung den übrigen Programmplanung, und Verkauf, Verkaufs- und Elementen


Unternehmensplänen Einkauf und Produktion und Produktions- und dem
(Finanz-, Investitions-, Beschaffung usw. Transportwesen usw. kapazitäten durch Produktionssystem
Personalplan usw.) die Logistik

Unternehmensüber- z.B. zwischen: z.B. zwischen: z.B. zwischen: z.B. zwischen:


greifende Auftragsbearbeitung Versand Marktforschung Versand Zulieferer und
Abstimmung der Zulieferunternehmen Zulieferunternehmen Abnehmer Wareneingang
3. Ordnung logistischen und Disposition und Beschaffung und Abnehmer, aus-
Systeme zwischen Abnehmer- Abnehmer- Programmplanung getauschte Lade-
zusammen- unternehmen unternehmen Zulieferer (Mitteilung einheiten mit den
arbeitenden von registrierten jeweiligen Produktions-
Unternehmen Marktverschiebungen) systemen usw.

Klassifikation und Beispiele logistischer Schnittstellen (Quelle: Feierabend, 1980,


17.1 Logistische Schnittstellen und interorganisatorische Beziehungen 323

nach der Art des Übertragungsobjektes (Güter oder Informationen) sowie nach der
Art der Schnittstelle (Art der Systemgrenze) klassifiziert werden.
Logistische Schnittstellen erster und zweiter Ordnung sind unternehmensinter-
ne Schnittstellen. Auf die Schnittstellen erster Ordnung wurde explizit bei der Be-
handlung der verrichtungsorientierten Subsysteme der Logistik hingewiesen. 1 Die
Schnittstellen zweiter Ordnung standen im Mittelpunkt der Ausführungen zu den
phasenspezifischen Subsystemen der Logistik sowie bei der Diskussion der Ein-
gliederung der Logistik in eine mehrdimensionale Organisationsstruktur.2 Im Mit-
telpunkt der folgenden Ausführungen stehen nicht mehr diese intraorganisatori-
schen Schnittstellen, sondern die unternehmensübergreifenden oder
interorganisatorischen Schnittstellen, die als Schnittstellen dritter Ordnung be-
zeichnet werden. Diese Schnittstellen wurden schon bei der Diskussion der Ver-
knüpfung logistischer Informationssysteme im Rahmen der Auftragsabwicklung 3
sowie bei der Behandlung der logistischen Einheiten und des Transports 4 ange-
Warenverkehr

Versender Frachtführer Empfänger

Versand- Empfangs-
spediteur spediteur

Abb. 17.2 Interorganisatorische Schnittstellen in einer Transportkette (Quelle: in Anlehnung


an Bundesministerium für Forschung und Technologie, 1980, S. 2)

sprochen. Die Vielfalt interorganisatorischer Schnittstellen ist in Abb. 17.2 am


Beispiel der Transportkette dargestellt.

Interorganisatorische Beziehungen
Die Durchführung und Koordination der Aufgaben im interorganisatorischen Gü-
ter- und Informationsfluss kann mit einer Vielzahl von Problemen an den vorste-
hend beschriebenen Schnittstellen dritter Ordnung verbunden sein. Wie diese
Probleme an den Schnittstellen gehandhabt werden, hängt von der Art der jeweili-
gen interorganisatorischen Beziehungen ab, die in Abb. 17.3 im Zusammenhang
des gesamten Beziehungsgefüges eines Unternehmens dargestellt sind.

1 Siehe Teil II.


2 Siehe Teil III und IV, Abschn. 14.4.
3 Siehe Teil II, Abschn. 4.4.
4 Siehe Teil II, Abschn. 7.3, Abschn. 8.2 und 8.4.
324 17 Interorganisatorische Logistiksysteme

Danach kann zwischen interorganisatorischen Beziehungen mit vorwiegend


gleichgerichteten und vorwiegend gegeneinander gerichteten Interessen unter-
schieden werden. Bei letzteren differenziert man zwischen Wettbewerb und Kon-
flikt: beim Wettbewerb besteht eine allgemeine wechselseitige Rivalität zwischen
zwei Organisationen, die nicht an einzelne konkrete Entscheidungssituationen ge-
bunden ist, während der Konflikt sich stets auf eine konkrete Entscheidungssitua-
tion bezieht. Bei den interorganisatorischen Beziehungen mit vorwiegend gleich-
gerichteten Interessen unterscheidet man mit zunehmendem Grad der
Verflechtung die normale Geschäftsbeziehung, die Kooperation, den Konzern und
die Fusion, wobei die beiden letztgenannten Arten als unterschiedliche Ausprä-
gungen der Konzentration eingeordnet werden können.5 Die normale Geschäftsbe-
ziehung kennzeichnet sich dadurch, dass im Gegensatz zur Kooperation jederzeit
einer der Beteiligten kurzfristig ersetzt werden kann. Noch stärker als bei der Ko-
operation ist die Verflechtung bei dem Konzern. Denn die Konzernunternehmen
behalten zwar ihre rechtliche, verlieren aber ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit.
Der stärkste Grad wird bei der Fusion erreicht, da in diesem Fall auch die rechtli-
che Selbstständigkeit verloren geht und die interorganisatorischen Beziehungen
zwischen den fusionierenden Unternehmen zu intraorganisatorischen Beziehungen
werden.
Im Folgenden wird auf die Kooperation als interorganisatorische Beziehung
eingegangen, durch die Systeme der Mesologistik entstehen.6 Konstitutive Merk-
male einer Kooperation sind das gemeinsame, zielgerichtete Wirken und die wirt-
schaftliche sowie rechtliche Selbstständigkeit der beteiligten Unternehmen. 7 Mit
gemeinsamem Wirken ist gemeint, dass bewusste Absprachen zwischen zwei Ko-
operationspartnern erfolgen. Diese Absprachen können sich auf gemeinsame Ziel-
setzungen, auf die Entscheidungen über die Art der Aufgabenerfüllung oder aber
auf die tatsächliche Ausübung von Tätigkeiten erstrecken. Entscheidend ist, dass
die Intensität der Absprache ein kurzfristiges Austauschen der Kooperations-
partner und damit ein Übergehen in die normale Geschäftsbeziehung unmöglich
macht (z. B. wegen vorgenommener Investitionen, Anpassung technischer Syste-
me, Anpassung organisatorischer Strukturen). Daraus folgt, dass Langfristigkeit
der Zusammenarbeit ein weiteres Merkmal einer Kooperation ist. Zwar kann die
Entscheidungsfreiheit durch die gegenseitige Absprache eingeschränkt werden,
doch bleibt in Kooperationen die wirtschaftliche Selbstständigkeit der Kooperati-
onsmitglieder insoweit erhalten, als jedes der Unternehmen autonom über seinen
Austritt aus der Kooperation entscheiden kann. Die rechtliche Selbstständigkeit
der beteiligten Unternehmen erlaubt eine Abgrenzung der Kooperation gegenüber
der Fusion.

5 Vgl. Krass, 1984, S. 66ff.; Freichel, 1992, S. 54ff.


6 Siehe Abb. 1.5 in Teil I, Abschn. 1.4.
7 Vgl. Krass, 1984, S. 70ff.; Kleer, 1991, S. 60ff.
Beziehungsgefüge

Abb. 17.3
eines Unternehmens

Interorganisatorische Intraorganisatorische
Beziehungen Beziehungen

mit vorwiegend gegeneinander mit vorwiegend gleichgerichteten


gerichteten Interessen der Beteiligten Interessen der Beteiligten

Normale
Wettbewerb Konflikt Kooperation Konzentration

Freichel, 1992, S. 54)


Geschäftsbeziehungen
• Allgemeine • Rivalität bezogen • eher kurzfristige, • Weitgehende • Aufgabe bzw.
wechselseitige auf einzelne unbeständige Beibehaltung der erhebliche
Rivalität konkrete Interaktion zwischen wirtschaftlichen und Einschränkung der
Entscheidungs- den Beteiligten rechtlichen Selbst- wirtschaftlichen
situationen • Beteiligte sind ständigkeit der Selbstständigkeit der
leichter austauschbar Beteiligten Beteiligten
• eher langfristige,
beständige
Interaktion zwischen
den Beteiligten
• Beteiligte sind
schwieriger
austauschbar

Konzern Fusion

• rechtliche • Aufgabe der


Selbstständigkeit der rechtlichen
Teilgesellschaften Selbstständigkeit
17.1 Logistische Schnittstellen und interorganisatorische Beziehungen

Von links nach rechts: wachsende Intensität der Beziehungen, steigender Konzentrationsgrad und sinkende wirtschaftliche Dispositionsfreiheit

Beziehungsgefüge eines Unternehmens (Quelle: mit Änderungen entnommen aus


325
326 17 Interorganisatorische Logistiksysteme

Konflikte in Kooperationen
Interorganisatorische Beziehungen mit vorwiegend gleichgerichteten und vorwie-
gend gegeneinander gerichteten Interessen schließen sich nicht aus. Wie die intra-
organisatorischen Beziehungen in Institutionen, so sind auch die interorganisatori-
schen Beziehungen zwischen Institutionen durch die Existenz von Konflikten
gekennzeichnet. Konflikte müssen jedoch nicht notwendigerweise eine Kooperati-
on zwischen den Institutionen im Logistikkanal verhindern. Zwischen zwei im
Logistikkanal zusammenarbeitenden Institutionen wird es immer sowohl gleichge-
richtete als auch gegeneinander gerichtete Beziehungen geben. Es ist zwar offen-
sichtlich, dass die Existenz gleichgerichteter Beziehungen das Entstehen einer
Kooperation erleichtert und bei der bestehenden Kooperation gegenüber den ge-
geneinander gerichteten Beziehungen vorherrschen müssen. Doch geht es nicht
um die Frage, die aus den gegeneinander gerichteten Beziehungen resultierenden
Konflikte zu beseitigen. Es geht, wie auch bei den intraorganisatorischen Konflik-
ten, in einer Kooperation darum, die Konflikte durch ein geeignetes Konfliktma-
nagement zu regeln bzw. zu handhaben.
Ihre Ursache haben Konflikte in Ziel-, Rollen-, Macht- und Kommunikations-
beziehungen.8 Zielkonflikte entstehen dann, wenn durch das Erreichen des Zieles
eines Kooperationspartners das Erreichen des Zieles eines anderen Kooperations-
partners beeinträchtigt wird. Rollenkonflikte treten auf, wenn die Vorstellungen
über die Rolle, die von einer Institution im Logistikkanal wahrzunehmen ist –
z. B. Ausübung logistischer Funktionen durch eine Spedition in der Rolle als klas-
sischer Spediteur entsprechend den gesetzlichen Minimalanforderungen oder in
der Rolle als Logistikunternehmen mit einem Angebot von logistischen Dienst-
leistungspaketen bis hin zur Logistikberatung – nicht übereinstimmen. Solche
Konflikte treten besonders deshalb auf, weil sich infolge des logistischen Denkens
die traditionellen Vorstellungen darüber, welche Rolle ein Mitglied des Logistik-
kanals bei der Wahrnehmung von Logistikaufgaben zu spielen hat, ändern.
Machtkonflikte resultieren daraus, dass ein Mitglied des Logistikkanals aufgrund
seiner Machtfülle andere Logistikkanalmitglieder zu Entscheidungen zwingen
kann, die sie sonst nicht getroffen hätten. Die Fähigkeit zur Machtausübung sowie
die Fähigkeit zur Mobilisierung von Machtressourcen und Unterstützung bei ande-
ren Mitgliedern des Logistikkanals sind wichtige Merkmale von Unternehmen, die
als Führer in Logistikkanälen auftreten und ihre logistische Kontrollspanne aus-
dehnen.9 Informationskonflikte resultieren daraus, dass Mitglieder des Logistikka-
nals bei ihren Entscheidungen von unterschiedlichen Informationen ausgehen. Die
Differenzen in der Informiertheit können auf mangelnde Kommunikation im Lo-
gistikkanal, aber auch auf ein bewusstes Zurückhalten von Informationen durch
ein Unternehmen zurückzuführen sein.

8 Vgl. Pfohl, 1987, S. 18ff.; Specht/Fritz, 2005, S. 439ff.


9 Zur Kanalführerschaft in Distributionskanälen vgl. Kirsch u. a., 1973, S. 367ff.; Ihde, 2001,
S. 50; Specht/Fritz, 2005, S. 457f.
17.2 Kooperation auf verschiedenen Ebenen 327

17.2 Kooperation auf verschiedenen Ebenen


Kooperationen im Logistikkanal sind kein Novum. Rationalisierungs- und Leis-
tungsgesichtspunkte haben bereits in der Vergangenheit zu vielfältigen Formen
der Zusammenarbeit geführt. Während sich einige Formen dauerhaft bewährt ha-
ben und damit beinahe selbstverständlich geworden sind, haben andere Formen
sehr unterschiedliche Erfolge zu verzeichnen, was auf eine höhere Instabilität bzw.
Abhängigkeit von den jeweiligen unternehmensinternen und -externen Einflüssen
schließen lässt. Früher teilweise vorhandene Bedenken gegenüber Kooperationen,
etwa wegen eines befürchteten Verlustes an Flexibilität, 10 sind mittlerweile der
Einsicht in die Notwendigkeit von Kooperationen gewichen. Die wachsende Be-
deutung der interorganisatorischen Beziehungen resultiert aus der zunehmenden
Tendenz in Unternehmen, sich auf Kernkompetenzen zu konzentrieren und einen
ansteigenden Anteil der Aufgaben an externe Dienstleister und Lieferanten zu
vergeben.11 Hierdurch nimmt die Zahl der Schnittstellen zwischen Unternehmen
zu. Dies erfordert eine verbesserte Koordination zwischen den Unternehmen in
der Supply Chain,12 die ein entsprechend kooperatives Verhalten voraussetzt, da-
mit die Vorteile dieser Gestaltungsform der Logistik zur Geltung kommen. 13 Die
Geschäftsbeziehungen werden enger und langfristiger.
Kooperationen im Logistikkanal können auf überbetrieblicher und zwischenbe-
trieblicher Ebene durchgeführt werden.14 Bei überbetrieblicher Kooperation wer-
den Logistikaufgaben in einer gemeinsam getragenen Institution abgestimmt oder
in diese ausgegliedert. Entweder wird die Institution dazu neu gegründet oder es
erfolgt eine Beteiligung an einer bereits bestehenden überbetrieblichen Institution.
Die Ebene zwischenbetrieblicher Kooperation ist charakterisiert durch direkte Be-
ziehungen zwischen zwei oder mehreren beteiligten Institutionen. Eine Ausgliede-
rung von Logistikaufgaben führt in diesem Fall zu direkten Leistungsaustauschbe-
ziehungen zwischen den Kooperationspartnern. Die Einteilung in über- und
zwischenbetriebliche Kooperationen wird jedoch auch mit dem Hinweis kritisiert,
dass eine gemeinsame Institution, z. B. in Form eines Gemeinschaftsunterneh-

10 Zu erwarteten und empfundenen Nachteilen einer Kooperation aus Sicht der Verlader und
deren Auswirkungen auf die Bereitschaft der Unternehmen, eine Kooperation einzugehen,
vgl. Kleer, 1991, S. 172f.
11 Vgl. Baumgarten/Wolff, 1999, S. 48ff; Frunzke, 2004, S. 28f. Siehe dazu auch den Trend zur
Verringerung der Fertigungstiefe in Teil III, Abschn. 9.2.
12 Zum Supply Chain Management siehe Abschn. 17.3.
13 Vgl. Pfohl, 1994, S. 216.
14 Im Zusammenhang der Ebenen interorganisatorischer Beziehungsgefüge wird üblicherweise
der Begriff Betrieb (hier als über- bzw. zwischenbetrieblich) verwendet, auch wenn in der
Beschreibung der konstitutiven Merkmale der Kooperation von wirtschaftlich selbstständi-
gen Unternehmen gesprochen wird. Die Verwendung des Begriffes Betrieb erscheint hier in-
sofern als geeignet, da beispielsweise im Falle der Betrachtung eines Logistikservice-
netzwerkes, einer möglichen Ausprägung der Kooperation, der lokale Logistikbetrieb als
Knoten eines logistischen Netzwerkes von besonderem Interesse ist, vgl. Freichel, 1992,
S. 63.
328 17 Interorganisatorische Logistiksysteme

mens, sowohl zwischen- als auch überbetrieblichen Charakter haben kann. Es wird
daher vorgeschlagen, zur Charakterisierung verschiedener Beziehungsebenen von
interorganisatorischen Beziehungsgefügen mit oder ohne Zentralorgan zu spre-
chen.15

Überbetriebliche Kooperation
Überbetriebliche Kooperation im Logistikkanal findet in Form von gewerbewirt-
schaftlicher und gewerbepolitischer Zusammenarbeit statt. Zur gewerbewirtschaft-
lichen Zusammenarbeit gehören die Straßenverkehrsgenossenschaften, die gleich-
sam die klassische Form der überbetrieblichen wirtschaftlichen Institutionen
bilden sowie die Förderungseinrichtungen der Verkehrswirtschaft. Die 18 Stra-
ßenverkehrsgenossenschaften16 verfügen über ca. 30 Autohöfe, welche mit ihren
Versorgungseinrichtungen für das Personal und die Fahrzeuge Sammelpunkte des
nationalen und internationalen Straßengüterverkehrs geworden sind. Ferner unter-
halten sie Laderaumverteilungsstellen, die den angeschlossenen Mitgliedsunter-
nehmen Ladegut und Laderaum, insbesondere für Rückfahrten, vermitteln. Weite-
re Aktivitäten sind die Frachtenabrechnung bzw. -prüfung. 17 Zu
Förderungseinrichtungen zählen zentralisierte Buchhaltungsbüros, welche mit
EDV die Buchhaltung von Logistikunternehmen übernehmen, spezielle Versiche-
rungen und Betriebsberatungsdienste.
Weitaus größere Bedeutung hat inzwischen die überbetriebliche Zusammenar-
beit in Gestalt bestimmter Typen von Logistikservicenetzwerken18 erlangt. Hierbei
kooperieren mehrere Speditionsunternehmen durch Bildung eines Gemeinschafts-
unternehmens (häufig auf Basis von Franchiseverträgen), u. a. um ein flächende-
ckendes, deutschland- oder europaweites Angebot von Logistikdienstleistungen
realisieren zu können. Solche Kooperationen finden sich in der Möbeltransport-
branche, bei Paketdiensten oder im Stückgutverkehr, um nur einige Beispiele zu
nennen. Mit dem weiteren Zusammenwachsen der europäischen Märkte und der
damit zusammenhängenden Nachfrage nach grenzüberschreitenden Transport-
dienstleistungen wird der Kooperationsbedarf wohl auch in Zukunft noch wach-
sen. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen werden nur mit interna-
tionalen Partnern im Wettbewerb gegen europaweit agierende Dienstleister
bestehen können, zumal sich die größeren Anbieter in diesem Marktsegment zur
Zeit aktiv, meist durch Kauf schon bestehender Unternehmen, um die internatio-

15 Vgl. Freichel, 1992, S. 65.


16 Mitglieder (Genossen) sind Unternehmen des Güterkraftverkehrs- und Kraftwagenspediti-
onsgewerbes. Ein Großteil der Straßenverkehrsgenossenschaften ist in der Bundes-
Zentralgenossenschaft Straßenverkehr, Frankfurt a. M., zusammengeschlossen.
17 Vgl. Brandenburg/Gutermuth/Oelfke, 2016, S. 133.
18 Zu einer ausführlichen Auseinandersetzung mit der Organisation von Logistikser-
vicenetzwerken vgl. Freichel, 1992, S. 65ff.
17.2 Kooperation auf verschiedenen Ebenen 329

nale Ausweitung ihrer Geschäfte bemühen. 19 Ein weiteres Beispiel für überbe-
triebliche Kooperation sind bestimmte Ausprägungen des Citylogistik-Konzepts,
bei denen von den beteiligten Partnern ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet
wird, welches dann den innerstädtischen Güterverkehr durchführt und koordi-
niert.20
Die gewerbepolitische Zusammenarbeit umfasst die Fachvereinigungen und
Verbände der Verkehrswirtschaft, aber auch anderer Wirtschaftszweige sowie de-
ren Fachausschüsse. Insbesondere die Fachausschüsse sind es, über die die Zu-
sammenarbeit bei der Standardisierung etwa von Dokumenten, Verpackungen und
Transportmitteln läuft, die bei der Diskussion der Verknüpfung logistischer In-
formationssysteme, der logistischen Einheiten, der modularen Verpackung und
des Kombinierten Verkehrs angesprochen wurden.21 Ein typisches Beispiel dieser
Kooperationsart ist aber auch die Entwicklung einheitlicher Artikelnummersyste-
me, die den Informationsaustausch im gesamten Absatzkanal sehr erleichtern.
Hierzu wurden bereits vor über 30 Jahren in Deutschland das bundeseinheitliche
Artikelnummersystem für den Lebensmittelhandel (ban-L), dann Mitte der 70er
Jahre das European Article Number System (EAN) entwickelt. Inzwischen findet
dieses Artikelnummersystem in weltweit über 100 Ländern Anwendung. 22

Zwischenbetriebliche Kooperationen
Zwischenbetriebliche Kooperationen im Logistikkanal finden in unterschiedlichen
Richtungen statt: horizontal, vertikal und diagonal. Abb. 17.4 zeigt diese drei Be-
ziehungsrichtungen und die entsprechenden interorganisatorischen Beziehungen
zwischen den jeweils an einer Kooperation beteiligten Unternehmen. Die horizon-
tale Kooperation im Logistikkanal betrifft zunächst die Zusammenarbeit zwischen
Logistikunternehmen, die Dienstleistungen auf derselben Logistikkanalstufe er-
bringen (z. B. Speditionsunternehmen).23 Bekannte Beispiele hierfür sind Sammel-
ladegemeinschaften, Korrespondenzbeziehungen im Sammelgutverkehr (Versand-
und Empfangsspediteur), Abfertigungsgemeinschaften und Begegnungsverkehre.
Andere Formen horizontaler Kooperation sind z. B. der gemeinsame Einkauf von
Ersatzteilen oder Betriebsmitteln, die Zusammenarbeit bei der Logistikberatung
oder die gemeinsame, abwechselnde Disposition und Tourenplanung im Rahmen
bestimmter Citylogistik-Projekte. Horizontale Kooperation findet aber auch zwi-

19 Zu einem Überblick über die internationalen Kooperationsaktivitäten in der Speditionsbran-


che vgl. Arnold u. a., 2008, S. 16ff. und S. 981ff.
20 Vgl. Wittenbrink, 1995, S. 10. Zum Citylogistik-Konzept siehe auch Abschn. 16.4.
21 Siehe Teil II, Abschn. 4.4, 7.3, 7.4 und 8.4.
22 Die Aktivitäten in Verbindung mit der Entwicklung dieser Nummernsysteme werden in
Deutschland durch GS1 GERMANY GMBH (früher Centrale für Coorganisation) wahrge-
nommen.
23 Gemäß dieser Definition ist auch die zuvor beschriebene überbetriebliche Zusammenarbeit
in Form eines Logistikservicenetzwerkes in gewisser Weise eine horizontale Kooperation.
330 17 Interorganisatorische Logistiksysteme

Richtungen
interorganisatorischer
Beziehungen

vertikal horizontal diagonal

Versender Versender Versender

Speditions- Speditions- Speditions-


unternehmen unternehmen unternehmen

Transportunter-
nehmen/Straße
Transport- Transport-
unternehmen unternehmen
Transportunter-
nehmen/Schiene

Speditions- Speditions- Speditions-


unternehmen unternehmen unternehmen

Empfänger Empfänger Empfänger

Güterfluss Beispiele für Beziehungen zwischen Institutionen

Abb. 17.4 Richtungen interorganisatorischer Beziehungen (Quelle: Freichel, 1992, S. 61)

schen Verladern derselben Absatzkanalstufe statt.24 Ein Beispiel dafür ist die Zu-
sammenarbeit konkurrierender Großhändler für Wein und Spirituosen im Bereich
der Distributionslogistik.
Vertikale Kooperationen im Logistikkanal treten zwischen Logistikunterneh-
men und Verladern auf, die Dienstleistungen auf unterschiedlichen Logistikka-
nalstufen anbieten, z. B. Speditionen und Transportunternehmen sowie unter Ver-
ladern verschiedener Absatzkanalstufen, z. B. Hersteller und Handel. Es handelt
sich hierbei in der Regel um eine Festlegung von Beziehungen, die in Form nor-
maler Geschäftsbeziehungen zwischen den Beteiligten bereits bestanden hatten.
Die Festigung besteht gewöhnlich in einer längerfristigen vertraglichen Bindung
einerseits und einem umfassenderen Leistungsangebot andererseits. Beispiel für

24 Zu verschiedenen kooperativen Distributionslogistikkonzepten vgl. Arnold u. a., 2008,


S. 999.
17.3 Kooperationsbereitschaft und -ausmaß 331

die vertikale Kooperation von Logistikunternehmen ist die Zusammenarbeit von


mittleren oder großen Speditionen mit vertraglich gebundenen Transportunter-
nehmen.
Beispiele für die vertikale Kooperation von Verladern finden sich im gemein-
samen Betrieb von Distributionszentren durch Hersteller und Handel in den ver-
schiedensten Branchen. Vielfältige Formen der vertikalen Kooperation gibt es ins-
besondere im Bereich der Beschaffungslogistik der Automobilindustrie, sowohl
zwischen Zulieferern und Logistikunternehmen als auch zwischen Zulieferern und
Abnehmern oder gar zwischen allen drei Mitgliedern des Logistikkanals.25
Die diagonale Kooperation im Logistikkanal – auch teilweise komplementäre
Kooperation genannt – umfasst die Zusammenarbeit verschiedener Verkehrstech-
niken sowie diejenige zwischen verschiedenen Verkehrsgebieten. Ersterer liegt
der Gedanke der Transportkette zugrunde, der im Kombinierten Verkehr realisiert
wird. Zusammenarbeit zwischen Verkehrsgebieten besteht z. B. zwischen Hafen-
gesellschaften und dem Straßen- oder dem Eisenbahnverkehr.
Nach diesem Überblick über verschiedene Ansätze zur Kooperation im Lo-
gistikkanal wird im folgenden Abschnitt zunächst dargestellt, von welchen Fakto-
ren die Kooperationsbereitschaft der Institutionen im Logistikkanal abhängt. Da-
nach wird aufgezeigt, in welchem Kooperationsausmaß sich interorganisatorische
Beziehungen niederschlagen können.

17.3 Kooperationsbereitschaft und -ausmaß

Kooperationsbereitschaft
Zwei wesentliche Bedingungen für eine erfolgreiche Realisierung interorganisato-
rischer Zusammenarbeit ergeben sich aus der Anwendung der Anreiz-Beitrags-
Theorie auf den Logistikkanal.26 Nach der Anreiz-Beitrags-Theorie hat jede Insti-
tution des Logistikkanals Beiträge zu leisten und empfängt dafür gewisse Anreize.
Das Logistikkanalsystem befindet sich in einem Anreiz-Beitrags-Gleichgewicht,
wenn die folgenden beiden Bedingungen erfüllt sind:
x Die Logistikkanalmitglieder schätzen die empfangenen Anreize entsprechend
ihrer individuellen Wertvorstellungen höher als die zu leistenden Beiträge.

25 In der Automobilindustrie gehören vertikale, kooperative Logistikkonzepte wie die Just-in-


Time-Anlieferung oder Vendor Managed Inventory heute zum Standard. Zur Kooperation
zwischen Verladern und Logistikunternehmen in der Automobilwirtschaft vgl. Schob u.a.,
2007, S. 619ff. Auch in anderen Branchen ist eine Tendenz zur Auslagerung logistischer
Aufgabepakete zu beobachten, z. B. in der Chemieindustrie vgl. Hardt/Karsch, 2007, S.
639ff.; oder in der Textilindustrie, vgl. Nothardt u.a., 2007, S. 679ff ; Pfohl/Shen, 2008, S.
20f.
26 Vgl. zum Folgenden Pfohl, 1987, S. 19f.; Koppelmann, 2004, S. 59ff. und die dort aufge-
führte Literatur. Zur Kooperationsbereitschaft im Logistikkanal vgl. Krass, 1984, S. 126ff.;
Kleer, 1991, S. 100ff.
332 17 Interorganisatorische Logistiksysteme

x Die Beiträge der einzelnen Logistikkanalmitglieder versetzen das logistische


Metasystem in die Lage, ihnen die notwendigen Anreize zu gewähren.
Die Gleichgewichtsfähigkeit wird also von der Effizienz des logistischen Meta-
systems und von der Aufteilung des dadurch gewährleisteten Erfolges beeinflusst.
Wie die einzelne Institution den auf sie entfallenden Anteil als Anreiz empfindet,
wird durch ihre subjektive Einschätzung der Verteilung des Kooperationserfolges
bestimmt. Ob ein solcher Kooperationserfolg überhaupt entsteht, hängt von dem
Gelingen ab, Kooperationspartner zu finden, deren Stärken und Schwächen sich
gegenseitig ergänzen. Es geht letztlich bei der Kooperation darum, die bei den
Partnern jeweils vorhandenen Stärken gemeinsam besser zu nutzen und die jeweils
vorhandenen Schwächen gemeinsam zu kompensieren.
Die Kooperationsbereitschaft wird jedoch nicht nur von den in der Anreiz-
Beitrags-Theorie erfassten utilitaristischen Bedingungen bestimmt, sondern letzt-
lich vom Ausmaß der durch die Kooperationsmitgliedschaft erfüllten Ziele der
einzelnen Institutionen; von Einfluss sind auch strukturelle Bedingungen. So wird
die Kooperationsbereitschaft ceteris paribus umso größer sein, je häufiger und
stärker die Interaktionen zwischen den Institutionen im Logistikkanal sind. Eine in
mehrere Logistikkanäle involvierte Institution hat im Allgemeinen weniger Inte-
resse an einer Kooperation als eine Institution, die nur Mitglied eines Kanals ist.
Je größer das Risiko ist, das eine Institution trägt, desto größer wird normaler-
weise auch ihr Interesse an einer Kooperation zum Risikoabbau sein. Die Koope-
rationsbereitschaft wird ebenfalls von den Konkurrenzbeziehungen innerhalb ei-
nes Logistikkanals und von den Konkurrenzbeziehungen zu anderen
Logistikkanälen abhängen. Da eine Entwicklung von Kooperationen ohne Macht-
ausübung allein auf der Grundlage eines Konsenses mit anderen Beteiligten in der
Realität oft illusorisch ist, wird die Kooperationsbereitschaft auch von der Exis-
tenz eines Führers im Logistikkanal (Channel Leader) beeinflusst, der die interor-
ganisatorische Zusammenarbeit als Machtpromotor initiiert und deren Realisie-
rung vorantreibt. Nicht zuletzt haben normative Faktoren, die in Überzeugungen
und Werthaltungen zum Ausdruck kommen, einen großen Einfluss. Als entschei-
dende Voraussetzung für das Zustandekommen einer Kooperation wird teilweise
das Vorhandensein des entsprechenden Kooperationsgeistes bei den Beteiligten
angesehen. Dieser Kooperationsgeist sollte umso ausgeprägter sein, je größer das
Kooperationsausmaß ist.

Kooperationsausmaß
Das Kooperationsausmaß hängt von der Kooperationsintensität und vom Koopera-
tionsumfang ab. Die Kooperationsintensität ist bei den grundsätzlichen Möglich-
keiten der Kooperation, nämlich der Abstimmung und der Aufgabenübertragung
(Aufgabenausgliederung), unterschiedlich. Die Kooperationsintensität bei der Ab-
stimmung logistischer Aufgaben, für die die Standardisierungsbemühungen im
Logistikbereich zahlreiche Beispiele liefern, ist geringer als bei der Aufgabenüber-
tragung. Für den Fall der Übertragung von Logistikaufgaben von einem Verlader
17.3 Kooperationsbereitschaft und -ausmaß 333

zunehmende
Kooperations-
Kooperationsbreite intensität
Phasen der Ausübung

Planung

Kooperationstiefe
Kontrolle

Durchführung

Auftragsabwicklung
Lagerhaltung
Verpackung

Lagerhaus
Transport

logistische Aufgabenbereiche

Abb. 17.5 Abhängigkeit der Kooperationsintensität bei der Übertragung von Logistikaufga-
ben von einem Verlader auf ein Logistikunternehmen (Quelle: mit geringfügigen
Änderungen entnommen aus Krass, 1984, S. 133.)

auf ein Logistikunternehmen ist in Abb. 17.5 die Abhängigkeit der Kooperations-
intensität dargestellt.
Die Kooperationsintensität wird demnach bestimmt durch die Kooperations-
breite, gemessen an der Anzahl und der Art der übertragenen (ausgegliederten)
Logistikaufgaben und die Kooperationstiefe, gemessen an der Art und Anzahl der
Phasen der Aufgabenerfüllung. Bei der Kooperationsbreite wird von der plausib-
len Überlegung ausgegangen, dass aufgrund der bestehenden Logistikinterdepen-
denzen die Stärke des Eingriffs in den Logistikbereich eines Unternehmens und
damit die erforderliche Kooperationsintensität in der Reihenfolge Transport, Ver-
packung, Lagerhaus, Lagerhaltung (Bestandsmanagement) und Auftragsabwick-
lung zunimmt. Bei der Kooperationstiefe wird von der plausiblen Überlegung
ausgegangen, dass aufgrund des bestehenden Einflusses auf logistische Entschei-
dungsprämissen die Kooperationsintensität in der Reihenfolge Durchführung,
Kontrolle und Planung zunimmt.27

27 Zur ausführlichen Begründung vgl. Krass, 1984, S. 109ff.


334 17 Interorganisatorische Logistiksysteme

Ergebnisse empirischer Untersuchungen bei Verladern, die vertikale Koopera-


tionen mit Logistikunternehmen eingegangen waren, bestätigen diese Überlegun-
gen. So wird die Funktion des Lagermanagements deutlich seltener ausgegliedert
als die Durchführung des Transports. Abb. 17.6 und 17.7 stellen dies am Beispiel
der ausgegliederten Aufgaben dar. Die dort aufgezeigten Ergebnisse bestätigen
ebenfalls die Überlegungen zur Zunahme der Kooperationstiefe in der beschriebe-
nen Reihenfolge. In nahezu allen Kooperationen bilden die Aktivitäten der logisti-
schen Kernprozesse Transportieren, Umschlagen und Lagern den Schwerpunkt
der Zusammenarbeit. Aufgaben der Planung und Kontrolle, wie z. B. Supply
Chain Netzwerkdesign, werden weniger häufig an den Kooperationspartner über-
tragen. Aufgaben wie Materialdisposition, Auftragsmanagement werden nur in ge-
ringerem Maße an Dienstleister übertragen.28
Die Betrachtung der Kooperationsintensität anhand der Dimensionen Koopera-
tionsbreite und -tiefe kann um die Dimension Logistikkanalstufe ergänzt werden,
da es durchaus plausibel erscheint, dass die Ausgliederung eines Zentrallagers an
ein Logistikunternehmen eine höhere Intensität der Kooperation bedingt, als wenn
beispielsweise Umschlags- oder Auslieferungslager ausgegliedert werden. Neben
der Art des Lagerhauses wird auch der Anzahl der übertragenen Lagerstufen Be-
deutung zugemessen.29
Der Kooperationsumfang wird gemessen am Anteil des gesamten Güterflusses
eines Verladers, den dieser dem Logistikunternehmen überträgt. 30 Überträgt der
Verlader sämtliche ein- und ausgehenden Güterflüsse einem Logistikunternehmen,
so liegt ein maximaler Kooperationsumfang vor. Werden nur Teile des Güterflus-
ses einem Logistikunternehmen übertragen, so bieten sich hierfür mehrere plausib-
le Einteilungskriterien an, nach denen der Kooperationsumfang bestimmt werden
kann. Beispiele hierfür sind regionale Abgrenzungen, in denen einem Logistikun-
ternehmen Aufgaben übertragen werden, die Einschränkung auf bestimmte Güter-
arten, auf bestimmte Transportarten, auf bestimmte Sendungsgrößen, auf den zeit-
lichen Anfall des Güteraufkommens oder auf den in ein Unternehmen
eingehenden bzw. aus einem Unternehmen herausgehenden Güterfluss (Beschaf-
fungs- und Distributionslogistik).

28 Eine in den USA durchgeführte Studie zeigt, dass dort zunehmend auch Planungs-, Kontroll-
und Steuerungsaufgaben ausgegliedert werden. Vgl. Capgemini/ Langley, 2017.
29 Vgl. Kleer, 1991, S. 127.
30 Vgl. Krass, 1984, S. 112ff.
Abb. 17.6
Unternehmen in Deutschland Unternehmen in den USA

Transport
Transport / Umschlag
/ Umschlag / Lager / Transport / Umschlag /
22 66 36 41
Lager Lager
Behältermanagement
Behältermanagement 7 32 Behältermanagement 44 32
Supply Chain
SupplyNetzwerk Design
Chain Netzw erk Supply Chain Netzw erk
3 28 8 24
Design Design
Bestands-/Materialdisposition
Bestands- / Bestands- /
5 14 8

be/Pfohl, 2008, S. 25ff.)


Materialdisposition Materialdisposition
Beschaffung / Lieferantenmanagement
Beschaffung / Beschaffung /
3 8 16
Lieferantenmanagement
Innovationsgenerierung Lieferantenmanagement

Anlaufmanagement 3 7 Anlaufmanagement 13
Auftragsmanagement
Sales and Operatins Sales and Operatins
3 7 0
Anlaufmanagement
Planing Planing

Auftragsmanagement
Produktionssteuerung 5 3 Auftragsmanagement 4

Operations Planning
Sales andProduktionssteuerung 5 3 Produktionssteuerung 12

vo llstädig fremdvergeben teilweise fremdvergeben


17.3 Kooperationsbereitschaft und -ausmaß
335

Outsourcing logistischer Funktionen. Ergebnisse einer Befragung unter 1189 Un-


ternehmen im Jahr 2008 in Deutschland, China und den USA (Quelle: Strau-
336 17 Interorganisatorische Logistiksysteme

Abb. 17.7 Outsourcing logistischer Funktionen. Ergebnisse einer Befragung bei 1.757 Logis-
tikexperten im Jahr 2013 in Asien, Brasilien, Europa und den USA (Quelle: Han-
field u.a., 2013, S. 57)

Eine 1987 bei 25 Verladern in Deutschland durchgeführte Befragung ergab,


dass eine Beschränkung des Umfangs nach dem Kriterium „geographisches Ge-
biet“ am häufigsten anzutreffen war, gefolgt von Beschränkungen des Kooperati-
17.3 Kooperationsbereitschaft und -ausmaß 337

onsumfanges nach der Güterart oder der Sendungsgröße.31 Wobei heutzutage viele
große Logistikdienstleister (3PL) durch die neue Strukturierung des Logistik-
markts (Verflechtung und Akquisition) europa- bzw. weltweit Services bieten.
Welches Kooperationsausmaß im konkreten Fall von einem Unternehmen an-
gestrebt wird, hängt von den vorliegenden utilitaristischen und strukturellen Be-
dingungen ab, die einer Analyse zu unterziehen sind. Allgemein lassen sich jedoch
einige Auswirkungen nennen, die durch plausible Überlegungen hergeleitet wer-
den können. Bevor diese im nächsten Abschnitt erläutert werden, soll noch auf
zwei Formen der interorganisatorischen Zusammenarbeit eingegangen werden, in
denen das Kooperationsausmaß große Bedeutung hat, nämlich das Supply Chain
Management und die Unternehmensnetzwerke.

Supply Chain Management32


Unter Supply Chain versteht man die Verbindungskette zwischen den Herstellern
und ihren Zulieferern, den als Absatzmittlern fungierenden Groß- und Einzelhänd-
lern, den zu den Absatzhelfern zählenden Logistikunternehmen und den Endab-
nehmern. Das Supply Chain Management basiert auf der für die Logistikkonzepti-
on charakteristischen Fluss- oder Prozessorientierung. Der Fokus der Betrachtung
von Objektflüssen liegt auf der Integration der in Abb. 17.1 charakterisierten lo-
gistischen Schnittstellen 2. und 3. Ordnung. Über die Güter und logistischen In-
formationen als Objekte hinaus wird die integrierte Betrachtung auf akquisitori-
sche Informationen, Finanzmittel und Rechte ausgedehnt. Man berücksichtigt
also, dass der Logistikkanal nur ein Teil des Marketingkanals ist, der den Weg der
Transaktionen eines Unternehmens mit seinen Beschaffungs- und Absatzmärkten
beschreibt.33 Der andere Teil des Marketingkanals ist der Akquisitionskanal, der
den Kontrahierungsfluss (Fluss der Rechte), den Absatz- oder Beschaffungsförde-
rungsfluss (Fluss von akquisitorischen Informationen) und den Finanzmittelfluss
(Zahlungsfluss) enthält. Das Supply Chain Managementkonzept fordert eine in-
tensive Berücksichtigung der Beziehungen zwischen Logistikkanal und Akquisiti-
onskanal, was ein hohes Kooperationsausmaß über Bereichs- und Unternehmens-
grenzen voraussetzt. Es soll die Umwandlung von Schnittstellen in Nahtstellen in
allen drei Schnittstellenordnungen erfolgen. Die Objektflüsse sind dann nicht nur
jeweils für sich integriert, sondern gegenseitig aufeinander abgestimmt.
Auf der Ebene der Schnittstellen 3. Ordnung steht der interorganisationale (in-
terorganisatorische) Aufbau der Supply Chain im Mittelpunkt. Auf dieser Ebene
gilt es, verbindende Nahtstellen zwischen den Institutionen zu schaffen sowie
ganzheitliche Entscheidungen über die Mitglieder und deren Anordnung in der
Supply Chain zu treffen. Dabei sind die Rollen der Mitglieder der Supply Chain

31 Vgl. Kleer, 1991, S. 196f.


32 Vgl. Pfohl, 2000, S. 4ff.
33 Zu anderen Definitionen des Supply Chain Management, die wesentlich mehr Objekte dem
Supply Chain Management zuordnen, vgl. Gomm, 2008, S. 31ff. Oft lässt sich dann die ge-
samte Wertschöpfungskette nicht mehr von der Supply Chain unterscheiden.
338 17 Interorganisatorische Logistiksysteme

und deren Beziehungen zueinander zu identifizieren, die Aufbaustruktur der Supp-


ly Chain zu analysieren sowie die unterschiedlichen Beziehungen in der Supply
Chain zu managen.34
Auf der Ebene der Schnittstellen 2. Ordnung ist die Existenz von Nahtstellen
zwischen den logistischen Funktionen und den angrenzenden Funktionsbereichen
wie Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Produktion und Marketing von be-
sonderer Bedeutung.
Die Ebene der Schnittstellen 2. Ordnung erfasst nicht nur die horizontale In-
tegration verschiedener Funktionsbereiche, sondern auch die vertikale Integration
verschiedener Planungsebenen. Hier liegt der Schwerpunkt des Supply Chain Ma-
nagementkonzepts auf Entscheidungen im Rahmen der strategischen und takti-
schen Planung und der Schaffung von Nahtstellen zu den anderen Informations-
verarbeitungsebenen der operativen Planung und Steuerung. Dabei sind die auf
den verschiedenen Ebenen eingesetzten Planungs- und Steuerungsinstrumente
aufeinander abzustimmen.
Die skizzierten Zusammenhänge lassen bei der Umsetzung des Supply Chain
Managementkonzepts auf eine steigende Bedeutung der interorganisationalen, in-
terfunktionalen und interinstrumentalen Integrationsaufgaben schließen.35 Im Mit-
telpunkt stehen Kosten-, Zeit- und Qualitätsziele der gesamten Supply Chain ge-
messen am Nutzen für den Endkunden. Der Wettbewerb findet demnach nicht
mehr zwischen einzelnen Unternehmen, sondern zwischen Supply Chains statt.
Abschließend sei noch auf die beiden Objektflüsse kurz eingegangen, die in der
Supply Chain im Zusammenhang mit der Logistik eine besondere Rolle spielen,
nämlich die Flüsse der Finanzmittel und Rechte. Teile des Finanz- und Cash-
Managements werden in Form von Finanzmittelflüssen in das Supply Chain Ma-
nagementkonzept aufgenommen.36 Die mit dem Finanzmittelfluss in unmittelba-
rem Zusammenhang stehende Fakturierung ist ein Bestandteil der Auftragsab-
wicklung. Neben den Beständen bilden die Forderungen einen wesentlichen
Bestandteil des Umlaufvermögens, in dem Kapital entlang der gesamten Supply
Chain gebunden ist. Störungen im Finanzmittelfluss haben negative Auswirkun-
gen auf die gesamte Supply Chain. Damit ist die Reduktion des Nettoumlaufver-
mögens, bestehend aus den Forderungen, Beständen und Verbindlichkeiten, eine
Voraussetzung für erfolgreiches Supply Chain Management. Vom Fluss der Rech-
te durch die Supply Chain hängt es ab, welche Institution wie über die Güter und
Informationen verfügen kann. Dieser Fluss wird durch Verträge bzw. Verfügungs-
rechte gestaltet.

34 Vgl. Cooper/Lambert/Pagh, 1998, S. 7ff. Zum Management von Netzwerkbeziehungen vgl.


Weber/Kummer, 1998, S. 350ff.; Pfohl, 2004, S. 12ff. Trumpfheller/Hofmann, 2004, S.
72ff.; Pfohl, 2016, S. 330ff.
35 Siehe dazu die Konsequenzen des Logistikdenkens in Teil I, Abschn. 2.6.
36 Zu finanzwirtschaftlichen Aspekten Logistik (Supply Chain Finanzierung) siehe Pfohl,
2016, S. 228ff.
17.3 Kooperationsbereitschaft und -ausmaß 339

Unternehmensnetzwerke37
Vier Typen von Unternehmensnetzwerken können unterschieden werden (vgl.
Abb. 17.8), nämlich das strategische Netzwerk, das virtuelle Unternehmen, das
regionale und das operative Netzwerk. Das Kooperationsausmaß ist bei diesen
Netzwerktypen sehr unterschiedlich.
Strategische Netzwerke werden durch ein fokales Unternehmen, das häufig ein
Endprodukthersteller oder Handelsunternehmen mit entsprechender Nähe zum
Endkunden ist, strategisch geführt, sind relativ stabil, weisen häufig Investitionen
in netzwerkspezifischen Ressourcen auf und zielen auf das gemeinsame Erreichen
von Wettbewerbsvorteilen ab. Das fokale Unternehmen bestimmt in erheblichem
Umfang die Organisation des Netzwerkes. Die übrigen Netzwerkunternehmen
sind oft  auch vertraglich  eng an das fokale Unternehmen gebunden und bieten
ihre Leistungen aber auch anderen Abnehmern außerhalb des Netzwerkes an, um
ihre Unabhängigkeit und eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Zweck des
Netzwerkes ist typischerweise die Bedienung eines relativ gut prognostizierbaren,
vergleichsweise stabilen Marktes. Bekannte Beispiele sind Zuliefernetze in der
Automobilindustrie.
Virtuelle Unternehmen entstehen durch die Zusammenarbeit unabhängiger Unter-
nehmen auf der Basis eines gemeinsamen Geschäftsverständnisses, um eine sich
bietende Geschäftsgelegenheit zu nutzen. Der Grundgedanke dieses Netzwerktyps
ist es, Partner zusammenzuführen, die jeweils individuelle Kernkompetenzen auf-
weisen, die synergetisch kombinierbar sind. Projektähnliche Zusammenarbeit, ge-
genseitiges Vertrauen, die beliebige räumliche Verteilung der Unternehmen, die
intensive Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnik, der Verzicht
auf detaillierte Verträge und spezifische Investitionen sowie das einheitliche Auf-
treten gegenüber den Kunden gelten als charakteristische Merkmale dieses Typs.
Als Anwendungsfelder für diese Form der Netzwerke zeichnen sich vor allem jene
Wertschöpfungsprozesse ab, die wie Softwareherstellung, Medienindustrie und In-
formationsdienstleistungen in erheblichem Maße auf informationstechnischer Inf-
rastruktur aufbauen. Andere Anwendungsfelder sind Low-Tech-
Wertschöpfungsprozesse mit sehr kurzen Produktlebenszyklen (Bekleidung,
Spielwaren) oder auch sich schnell entwickelnde High-Tech-Industrien (Mikro-
elektronik, Biotechnologie).

37 Vgl. Pfohl/Buse, 1998, S. 50ff. und die dort aufgeführte Literatur.


340 17 Interorganisatorische Logistiksysteme

strategisches Netz virtuelles Unternehmen (VC)


Großhändler Erfinder
Spediteur Entwickler Produzent
Vermittler
Produzent

Spediteur
VC
Lieferant

Lieferant Lieferant
, Einzelhändler
,
Spediteur Großhändler

regionales Netz operatives Netz


Vermittler
Lieferant Dienstleister

Dienstleister Produzent

Lieferant Produzent

Abb. 17.8 Unterschiedliche Typen von Unternehmensnetzwerken (Quelle: Pfohl/Buse, 1998,


S. 51)

Regionale Netzwerke zeichnen sich durch eine fallweise wiederholte Zusammen-


arbeit vieler  meist kleiner  Unternehmen aus, die in unmittelbarer räumlicher
Nähe zueinander angesiedelt sind. Die Unternehmen verfügen zumeist über latente
Beziehungen zu einer großen Zahl potentieller Partner, die mitunter je nach Auf-
tragslage aktiviert werden. Persönliche Kontakte, ähnliche Unternehmenskulturen
und hohe Spezialisierung der Unternehmen sind kennzeichnend für diesen Netz-
werktyp. In Norditalien sind Textilindustrie und Brillenherstellung bekannte Bei-
spiele. Regionale Netzwerke mit intensiven Beziehungen werden auch als Cluster
bezeichnet.
Operative Netzwerke sind dadurch zu charakterisieren, dass die beteiligten Unter-
nehmen, gestützt auf ein interorganisationales Informationssystem, kurzfristig auf
Leistungen, besonders aber auf freie Produktions- und Logistikkapazitäten (bzgl.
Lager, Transport und Verpackung) der Partner zugreifen können, beispielsweise
für einen Spitzenlastenausgleich in der Produktion. Charakteristisch ist die Ab-
wicklung weitgehend standardisierter Transaktionen, die einzelne Wertschöp-
fungsaktivitäten betreffen und das Handeln von Kapazitäten anstelle physischer
Güter. Eine gemeinsame Nutzung gepoolter Ressourcen, beispielsweise der ge-
meinschaftliche Betrieb eines Lagerhauses, ist ebenso denkbar. Ein interorganisa-
tionales Informationssystem bildet die Basis für die Nutzung marktanaloger Me-
chanismen zur Koordination des Austauschprozesses. Insofern besitzt dieser Typ
wesentliche Merkmale eines elektronischen Marktes, zeichnet sich aber durch ein
höheres Maß an sozialer Organisiertheit aus.
17.4 Auswirkungen der Kooperation im Logistikkanal 341

17.4 Auswirkungen der Kooperation im Logistikkanal

Kooperationsvorteile
Zu den Auswirkungen der Kooperation zählen zunächst folgende grundsätzliche
Vorteile, die einer Kooperation im Logistikkanal beigemessen werden:38
x Eine unnötige Duplizierung logistischer Aktivitäten (Redundanz logistischer
Aktivitäten) – z. B. umfangreiche Lagerhaltung für ein Produkt auf mehreren
Stufen im Logistikkanal – kann vermieden werden.
x Eine Koordination der logistischen Entscheidungen der im Logistikkanal zu-
sammenarbeitenden Unternehmen wird ermöglicht.
x Ein Gegengewicht zu Konzentrationstendenzen wird gebildet und somit dem
Anwachsen wirtschaftlicher Macht einzelner Unternehmen entgegengewirkt.
Dies gilt allerdings nur, wenn die Kooperation nicht als Vorstufe für eine späte-
re Konzentration gedacht ist.
x Bereits bekannte technologische Möglichkeiten der Rationalisierung des Güter-
flusses lassen sich häufiger nur im Rahmen großer Logistiksysteme realisieren.
Solche können gerade durch Kooperation geschaffen werden. Oft wird deshalb
die Meinung vertreten, dass die eigentlichen, weitreichenden Neuerungen im
Logistikbereich heute nicht mehr so sehr im technologischen, sondern im inter-
organisatorischen Wandel bestehen.
Diese grundsätzlichen Vorteile der Bildung von Kooperationen im Logistikka-
nal und somit der Entstehung interorganisatorischer Logistiksysteme können als
ein Ansatz zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen gesehen werden. Im Mittel-
punkt der Betrachtung steht gemäß dieser Sichtweise nicht mehr das einzelne Un-
ternehmen, sondern die gesamte Wertschöpfungskette bzw. – bezogen auf die Lo-
gistik – die Zusammenarbeit der Unternehmen im Logistikkanal vom Hersteller
der Rohstoffe bis zum Endkunden. Ziel ist es, durch die beschriebenen Vorteile
der Kooperation Kostensenkungen oder Serviceverbesserungen zu bewirken, die
es ermöglichen, einen Wettbewerbsvorteil für die gesamte Wertschöpfungskette
zu erreichen. Wichtig dabei ist, dass alle Kooperationspartner an den Erfolgen der
gesamten Wertschöpfungskette partizipieren und Vorteile nicht zu Lasten einzel-
ner Unternehmen innerhalb der Kooperation erzielt werden.39

38 Vgl. Pfohl, 1975, S. 286 und die dort aufgeführte Literatur.


39 In diesem Zusammenhang wird auch von einer Win-Win-Situation gesprochen, vgl. Arnold
u. a., 2008, S. 274 und S. 1069. Für eine ausführliche Darstellung des Zusammenhangs zwi-
schen der Bildung interorganisatorischer Logistiksysteme und der Erzielung von Wettbe-
werbsvorteilen vgl. Pfohl, 1994, S. 216ff.
342 17 Interorganisatorische Logistiksysteme

Auswirkungen auf Ziele


Neben diesen grundsätzlichen Kooperationsvorteilen lassen sich die Auswirkun-
gen der Kooperation auf den Logistikkanal anhand wichtiger Ziele diskutieren.40
Arbeitsteilung: Geht man davon aus, dass sowohl national als auch international in
vielen Branchen tendenziell mit einer weiteren Zunahme der Arbeitsteilung zu
rechnen ist, so wird der Warenaustausch weiter ansteigen. Dies stellt hohe Anfor-
derungen an die makrologistischen und metalogistischen Systeme. Schwachstellen
an den Schnittstellen zwischen den mikrologistischen Systemen der Unternehmen
wird man sich in Zukunft nicht mehr leisten können. Die Kooperation ist eine gute
Möglichkeit zur Beseitigung solcher Schwachstellen. Das Ziel der Arbeitsteilung
kann also durch Logistikkooperationen unterstützt werden. Die Arbeitsteilung ist
dabei insbesondere auch auf die Logistik selbst anzuwenden. Das hat dann eine
zunehmende Bedeutung der Logistikunternehmen im Güterfluss zur Folge. Es
führt aber auch zu neuen Formen der Zusammenarbeit zwischen Lieferanten und
Abnehmern auf dem Zuliefermarkt, die nicht mehr über den Preis allein, sondern
über den Austausch von Planungsinformationen geregelt werden. Die Vorteile, die
durch eine Ausdehnung der Logistikanalyse über die interorganisatorischen
Schnittstellen hinaus auf das gesamte interorganisatorische Logistiksystem er-
reicht werden können, kommen in den Kostenverläufen der Abb. 17.9 zum Aus-
druck. Dort ist dargestellt, welche verschiedenen Stufen der Analyse durchlaufen
werden können und inwiefern erst durch die interorganisatorische Logistikkosten-
und Gewinnanalyse eine Gestaltungsalternative des Logistiksystems gefunden
werden kann, die für alle Kooperationspartner Vorteile bietet.
Rationalisierung durch Einsatz der Technik: Viele Hardware- und Softwaretech-
nologien, wie z. B. der Einsatz von Paletten und Containern oder von computerge-
stützter Auftragsabwicklung, erfordern eine Abstimmung der mikrologistischen
Systeme der Unternehmen. Ein wesentlicher Teil der durch den Güterfluss verur-
sachten Kosten lässt sich nur in gegenseitiger Absprache der in den Logistikkanal
eingeschalteten Unternehmen beeinflussen. Die reduzierte autonome Beeinfluss-
barkeit dieser Kosten kann man als „Dilemma der interorganisatorischen Lo-
gistikplanung“ bezeichnen. Dieses Dilemma sowie die Tatsache, dass Mechanisie-
rung und Automatisierung häufig sowieso bestimmte Anforderungen an die Größe
logistischer Systeme stellen, machen die positive Wirkung der Kooperation auf
den Einsatz der Technik deutlich.
Sicherheit: Kooperation kann ganz offensichtlich wesentlich zur Erreichung des
Sicherheitsziels beitragen. So vermindert ein verbesserter Informationsaustausch
an den unternehmensübergreifenden Schnittstellen im Güterfluss die Unsicherheit
vieler Logistikentscheidungen. Außerdem festigen Kooperationsbeziehungen
langfristig die allgemeinen Geschäftsbeziehungen, wodurch die Unsicherheit in
der Umwelt eines Unternehmens generell reduziert wird.

40 Vgl. Feierabend, 1980, S. 112ff.


17.4 Auswirkungen der Kooperation im Logistikkanal 343

Stufe I: Analyse der Gesamtkosten Stufe II: Analyse der logistikabhängigen


der Logistik Erfolgsspanne

EUR EUR
Umsatz
Gesamtkosten Gesamtkosten
der Logistik der Logistik
Bestandskosten Bestandskosten

Transportkosten Transportkosten

schneller, Alternative mit den langsamer, schneller, Alternative mit max. langsamer,
zuverlässiger geringsten Kosten weniger zuverlässiger Erfolgsspanne weniger
Transport; zuverlässiger Transport; zuverlässiger
niedrige Transport; niedrige Transport;
Bestände hohe Bestände Bestände hohe Bestände

Logistische Gestaltungsalternative, Logistische Gestaltungsalternative,


Lieferant A Lieferant A

Stufe III: Interorganisatorische Logistik- und Gewinnanalyse

EUR EUR
Umsatz
Kosten der
Kosten der
Logistik
Logistik Umsatz

schneller, Alternative mit max. langsamer, schneller, Alternative mit max. langsamer,
zuverlässiger Erfolgsspanne, weniger zuverlässiger Erfolgsspanne, weniger
Transport; Lieferant A zuverlässiger Transport; Kunde B zuverlässiger
niedrige Transport; niedrige Transport;
Bestände hohe Bestände Bestände hohe Bestände

Logistische Gestaltungsalternative, Logistische Gestaltungsalternative,


Lieferant A Kunde B

EUR
Umsatz

Kosten der
Logistik

schneller, Alternative mit max. langsamer,


zuverlässiger Erfolgsspanne, weniger
Transport; Lieferant A + Kunde B zuverlässiger
niedrige Transport;
Bestände hohe Bestände

Logistische Gestaltungsalternativen interorganisatorischer


Logistiksysteme, Lieferant A und Kunde B

Abb. 17.9 Entwicklungsstufen der Logistikanalyse als Grundlage von Logistikentscheidun-


gen bei der Gestaltung interorganisatorischer Logistiksysteme (Quelle: Glas-
kowsky u.a., 1992, S. 648. Übersetzung durch den Verfasser)
344 17 Interorganisatorische Logistiksysteme

Kapitalbindung: Die Höhe der Kapitalbindung in einem Unternehmen wird in ent-


scheidendem Maße durch die Höhe der Lagerbestände beeinflusst. Zu berücksich-
tigen sind hierbei neben den Lagerbeständen an den Stellen, an denen der Fluss
der Güter unterbrochen wird, auch die Lagerbestände während der Bewegung, die
so genannten Pipeline Inventories oder Transit Inventories.41 Die Kapitalbindung
in beiden Arten von Lagerbeständen kann durch Kooperation abgebaut werden,
indem man z. B. die Anzahl der Stellen, an denen im Logistikkanal gelagert wird,
verringert oder indem durch eine schnellere Auftragsabwicklung, durch schnelle-
ren Umschlag und Transport der Güterfluss beschleunigt wird.
Liefer- oder Versorgungsservice: Kooperationen können nicht nur aus Kosten-
gründen, sondern auch aus Leistungsgründen betrieben werden. So bewirkt bei-
spielsweise eine Beschleunigung des Güterflusses nicht nur eine Reduktion der
Kapitalbindungskosten, sondern auch eine Verkürzung der Lieferzeit (Beschaf-
fungszeit) und damit eine Verbesserung bei einem wichtigen Element des Liefer-
und Versorgungsservice. Außerdem wird durch eine im Rahmen der Kooperation
verbesserte Kommunikation das Wissen um die häufig voneinander abweichenden
Servicevorstellungen bei den am Güterfluss Beteiligten erhöht.
Unabhängigkeit/Wettbewerb: Auf Unabhängigkeit und Wettbewerb hat die Ko-
operation jeweils zwei verschiedene Auswirkungen. Einerseits werden durch Ko-
operationen die Unabhängigkeit in wirtschaftlichen Teilbereichen und der Wett-
bewerb – zumindest bei marktorientierten Kooperationen – verringert.
Andererseits wird ein Unternehmen gerade durch Kooperation in die Lage ver-
setzt, seine Kosten zu senken und seine Leistung zu steigern. Durch Verringerung
der Unabhängigkeit in wirtschaftlichen Teilbereichen infolge von Kooperationen
kann also ein Unternehmen seine rechtliche und im Übrigen auch wirtschaftliche
Selbstständigkeit sichern. Dies wirkt der Konzentration entgegen und erhält den
Wettbewerb.
Flexibilität: Das Ziel der Flexibilität beinhaltet die Fähigkeit eines Unternehmens,
sich geänderten Umweltbedingungen anzupassen. Bezüglich dieses Ziels lassen
sich wiederum zwei unterschiedliche Zusammenhänge aufzeigen. Die technisch-
physische Abstimmung der Logistiksysteme der Kooperationspartner im Güter-
fluss muss zwar nicht, kann aber zu einer geringeren Flexibilität des einzelnen Un-
ternehmens führen. Die Abstimmung im Informationsfluss wird dagegen die Fle-
xibilität erhöhen.
Machtstreben/Prestige: Der Zusammenhang zwischen Kooperation und dem
Machtstreben eines Unternehmens und dem Streben nach Prestige (Ansehen) lässt
sich nicht allgemein – auch nicht tendenziell – charakterisieren. Er wird davon ab-
hängen, auf welche Objekte sich das Machtstreben erstreckt und an welchen Maß-
stäben Prestige gemessen wird.

41 Siehe Teil II, Abschn. 5.2.


Literatur 345

Zusammenfassend kann zu dieser Zieldiskussion gesagt werden, dass eine Lo-


gistikkooperation sich auf viele Unternehmensziele positiv auswirken kann. Diese
positive Wirkung lässt sich allerdings nur erzielen, wenn – wie schon bei der Dis-
kussion von Konflikten betont wurde – für die nie zu beseitigenden Konflikte zwi-
schen den Kooperationspartnern ein geeignetes Konfliktmanagement installiert
wird. Nicht zuletzt wird das Erzielen der positiven Wirkungen auch davon beein-
flusst, wie die makrologistische Infrastruktur entwickelt ist. Auf sie wird im fol-
genden Kapitel eingegangen.

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Teil V Gesamtwirtschaftliche und
internationale Aspekte von
Logistiksystemen

Die Systeme der Mikro- und Mesologistik bilden die institutionellen Elemente des
Systems der Makrologistik. Eine vollständige Erklärung und Gestaltung von Ab-
läufen im makrologistischen System erfordert jedoch zusätzlich eine Betrachtung
der Beziehungen zwischen den Elementen. Dies können temporäre oder dauerhaf-
te, vertragliche bzw. materielle oder immaterielle Beziehungen zwischen den
Elementen sein. Eine sinnvolle Abstraktionsebene für eine solche Betrachtung er-
reicht man bei der Untersuchung der strukturbildenden Komponenten des makro-
logistischen Systems. Dazu gehören die Komponenten der materiellen Infrastruk-
tur, die vor allem die Verkehrs- und Kommunikationsnetze umfasst, deren
Bestandteile den vergleichsweise umfassendsten und nachhaltigsten Einfluss auf
logistische Prozesse haben.
350 18 Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung

Grundlegend sind zunächst die gesamtwirtschaftlichen Daten und Zusammen-


hänge zu betrachten, die den Rahmen bilden, innerhalb dessen sich Logistikaufga-
ben wahrnehmen lassen. Aufgrund der engen Wechselbeziehungen, die zwischen
der Entwicklung der Wirtschaft und des makrologistischen Systems der Güterver-
teilung bestehen und die sich durch eine charakteristische Abfolge von Phasen mit
bestimmten Gesetzmäßigkeiten der Produktions- und Marktentwicklung beschrei-
ben lassen, gehört das makrologistische System der Güterverteilung zu den wich-
tigsten Merkmalen, die den Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft kennzeich-
nen. Denn die Güter- und Informationsflüsse stellen in weniger weit entwickelten
Volkswirtschaften ganz andere Anforderungen an das makrologistische System
der Güterverteilung als in hochentwickelten Volkswirtschaften. Das makrologisti-
sche System der Güterverteilung der Bundesrepublik Deutschland ist vergleichs-
weise hochentwickelt und wird durch die bestehende Infrastruktur für Güter- und
Informationsflüsse und die diese Flüsse zum Teil noch regulierende Marktordnung
des Binnengüterverkehrsmarktes charakterisiert. Bei der Diskussion der gesamt-
wirtschaftlichen Ziele zeigt sich, dass das makrologistische System der Güterver-
teilung auch nicht-verkehrliche Ziele zu erfüllen hat. Außerdem wird deutlich,
dass gesamtwirtschaftliche Ziele bei der Gestaltung makrologistischer Systeme
durchaus mit einzelwirtschaftlichen Logistikzielen konkurrieren können.
Im Zusammenhang mit dem System der Makrologistik wird als spezifisches
Logistiksystem auch das internationale Logistiksystem behandelt. Denn viele Be-
sonderheiten, die internationale Logistiksysteme von nationalen Logistiksystemen
unterscheiden, sind makrologistischen Ursprungs.1 Überdies sind bei Problemen
des internationalen Managements allgemein gesamtwirtschaftliche Aspekte ten-
denziell von größerer Bedeutung als bei Problemen des nationalen Managements.

1 Zur Rangordnung verschiedener Länder bzgl. der Qualität ihrer Makrologistik (logistiktech-
nologische und -institutionelle Rahmenbedingungen für Logistikprozesse), die bedeutsam
für den Wettbewerb verschiedener Länder bzw. Regionen ist, vgl. World Bank, 2016.
18 Anforderungen an das makrologistische
System der Güterverteilung
Logistikprobleme lassen sich auf den in der Volkswirtschaft üblicherweise unter-
schiedenen drei Aggregationsebenen wirtschaftlicher Tatbestände betrachten. In
den vorangegangenen Kapiteln wurden Logistikprobleme auf der mikro- und me-
sologistischen Betrachtungsebene diskutiert. Es ging um betriebswirtschaftliche
Fragestellungen eines Unternehmens bzw. mehrerer Unternehmen, die im Lo-
gistikkanal zusammenarbeiten. Auf der makrologistischen Betrachtungsebene geht
es um volkswirtschaftliche Fragestellungen. Sie werden im Folgenden insoweit
aufgegriffen, als sie auch für die Beantwortung betriebswirtschaftlicher Fragen
von Bedeutung sind.

18.1 Anforderungen aufgrund der Arbeitsteilung


Mit der Bereitstellung und der Inanspruchnahme von Leistungen der Gütervertei-
lung wird ein notwendiges Glied zwischen den Systemen der Güterbereitstellung
und der Güterverwendung gebildet. Die Anforderungen an dieses makrologisti-
sche System der Güterverteilung wachsen mit zunehmender überbetrieblicher Ar-
beitsteilung, vor allem aufgrund der damit verbundenen räumlichen Trennung der
daraus resultierenden Institutionen (Unternehmen oder Haushalte). Der Entwick-
lungsstand einer Volkswirtschaft kommt u. a. im Ausmaß und der Art der überbe-
trieblichen Arbeitsteilung zum Ausdruck. Hierbei kann zwischen Mengen- und
Artteilung unterschieden werden, die für die Logistik unterschiedliche Bedeutung
haben.1
Die Artteilung führt zu einer Spezialisierung der Betriebe bzw. Unternehmen.
Infolge der Spezialisierung fallen größere Produktionsmengen in den einzelnen
Betrieben bzw. Unternehmen an. Es lassen sich Rationalisierungsvorteile vor al-
lem in Form von Auflagendegressions- und Lerneffekten im System der Güterbe-
reitstellung erzielen. Allerdings stehen den im Vergleich zu einer Nichtspezialisie-
rung niedrigeren Produktionskosten höhere Logistikkosten im System der
Güterverteilung gegenüber.
Bei der Mengenteilung ergeben sich keine Spezialisierungsvorteile, die sich in
niedrigeren Produktionskosten niederschlagen können. Die Mengenteilung ver-
sucht dagegen, Produktionsvorteile aus einer optimalen Betriebsgröße zu ziehen.
Danach kann es vorteilhaft sein, einen Markt statt von einem zentralen von mehre-
ren dezentralen Fertigungsorten zu versorgen. Aber selbst wenn die Produktions-
kosten noch für einen zentralen Fertigungsort sprechen, können unter Einbezie-

1 Vgl. Ihde, 2001, S. 66ff.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018


H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4_18
352 18 Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung

hung der Logistikkosten schon dezentrale Fertigungsorte vorteilhafter sein. Bei ei-
ner zentralen Produktion kann das Ansteigen der Logistikkosten, das aus den zu-
nehmenden durchschnittlichen Bezugs- und Versandweiten sowie der zunehmen-
den Verweildauer der Güter im Güterverteilungssystem resultiert, größer sein als
das Absinken der Produktionskosten.
Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass in einem Gleichgewichtssystem mit
wiederkehrenden Produktions-, Transfer- und Konsumtionsprozessen, die sich in
einer arbeitsteiligen Volkswirtschaft vollziehen, die Güter- und Informationsströ-
me sowie die Logistikkosten durch die gegenseitige Abhängigkeit der Marktbe-
ziehungen und Marktgrößen determiniert werden. Dieses raumwirtschaftliche
Gleichgewicht zeigt sich in einer Balance zwischen der Wahrnehmung von Vor-
teilen der räumlichen Arbeitsteilung einerseits und der Inkaufnahme von Logistik-
kosten, insbesondere Transportkosten, andererseits. 2 Zeichnet sich das System der
Güterverteilung in einer Volkswirtschaft durch eine gute makrologistische Infra-
struktur aus, wie das in hochentwickelten Volkswirtschaften im Allgemeinen der
Fall ist, so wird tendenziell eine zentrale Produktion begünstigt. Denn bei einer
gut ausgebauten makrologistischen Infrastruktur steigen die zusätzlichen Logis-
tikkosten einer zentralen Produktion nicht so stark an wie bei einer schlecht aus-
gebauten makrologistischen Infrastruktur. Auch unter Marketinggesichtspunkten
ist eine solche Zentralisation nur beim Vorhandensein einer gut ausgebauten mak-
rologistischen Infrastruktur sinnvoll. Erst sie ermöglicht die aus Wettbewerbs-
gründen erforderlichen kurzen Lieferzeiten bei der Versorgung der Märkte.

18.2 Anforderungen aufgrund der Güterart

Anteilsverschiebungen einzelner Güterarten


Der Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft spiegelt sich jedoch nicht nur in
dem Ausmaß und der Art der Arbeitsteilung wider, sondern auch in der Art der
Güter, die durch das makrologistische System der Güterverteilung fließen. 3 Im
Laufe der Entwicklung einer Volkswirtschaft kommt es zu starken Anteilsver-
schiebungen der einzelnen Güterarten. Die in hochentwickelten Volkswirtschaften
zu beobachtende Sättigung der Märkte für Grundbedarfe führt dazu, dass die Mas-
sengüter (z. B. landwirtschaftliche Erzeugnisse, Kohle oder Stahl) Anteile am Ge-
samtaufkommen der Güterverteilung verlieren. Demgegenüber gewinnen die
Stückgüter Anteile, weil die Nachfrage nach hochwertigen Gütern, die speziali-
sierte Problemlösungen darstellen, steigt. Da zugleich aus wirtschaftlichen Grün-
den die Produktionsprozesse zur Verarbeitung der Rohstoffe an die Aufkommens-
orte verlagert werden, ist eine Entmaterialisierung in der Güterstruktur zu
beobachten. Daraus ergibt sich, dass aufgrund der fortschreitenden Entwicklung

2 Vgl. Willeke, 1992, S. 140f.


3 Vgl. Ihde, 2001, S. 58ff. Zu qualitativen Veränderungen der Nachfrage auf dem Güterver-
kehrsmarkt siehe Teil I, Abschn. 3.3.
18.2 Anforderungen aufgrund der Güterart 353

einer Volkswirtschaft durch das Wirtschaftswachstum immer weniger Gütermen-


gen für das makrologistische System erzeugt werden. Dies konnte bisher in Unter-
suchungen über den Zusammenhang zwischen dem mengenmäßigen Transport-
aufkommen (Güterverkehrsaufkommen) und dem Bruttosozialprodukt in
verschiedenen Ländern festgestellt werden. Die Transportelastizität, definiert als
Quotient aus relativer Änderung des Transportaufkommens und relativer Ände-
rung des realen Bruttosozialprodukts (BSP), wird im Laufe der Entwicklung einer
Volkswirtschaft geringer und ist in hochentwickelten Volkswirtschaften generell
kleiner als 1. 4
Wenn die vom makrologistischen System zu bewältigenden Gütermengen ins-
gesamt weniger stark ansteigen als das reale Bruttosozialprodukt, so stehen doch
aufgrund der Verschiebungen in der Güterstruktur die in der Güterverteilung täti-
gen Institutionen hohen Anforderungen gegenüber. Bezüglich der Anforderungen,
die die zu transportierenden Güter an den Transport stellen, spricht man auch von
Verkehrsaffinitäten. Diesen Verkehrsaffinitäten stellt man die Verkehrswertigkei-
ten (z. B. Massenleistungsfähigkeit, Schnelligkeit, Sicherheit)5 der Transportmittel
gegenüber, mit denen die Leistungsfähigkeit der Transportmittel erfasst wird. Die-
se Gegenüberstellung ergibt, dass Massengüter zumeist eine hohe Affinität zum
Schienen- oder Binnenschifftransport aufweisen, während für Halb- und Fertig-
fabrikate der Straßentransport bevorzugt wird.
Die angesprochene Entmaterialisierung der Güter macht deutlich, dass sich die
Verkehrsaffinitäten der Güter im Verlauf der Entwicklung einer Volkswirtschaft
ändern und deshalb andere Verkehrsträger bevorzugt werden. So muss die makro-
logistische Infrastruktur in einer hochentwickelten Volkswirtschaft insbesondere
die Verteilung von hochwertigen Gütern mit hohen Lieferserviceanforderungen
gewährleisten, was zu einer Verschiebung des Transportaufkommens zugunsten
des Straßengüterverkehrs führt. Diese Verschiebung bezeichnet man als den Gü-
terstruktureffekt. Er bildet neben dem Logistikeffekt, dem Integrationseffekt und
dem Schnittstelleneffekt eine der Ursachen für die disproportionale Verkehrsträ-
gerentwicklung, die sich in einer Bevorzugung des Straßengüterverkehrs gegen-
über den übrigen Verkehrsträgern äußert und die in deren jeweiligen Systemeigen-
schaften begründet liegt. 6 Der Logistikeffekt ist das Ergebnis der logistischen
Neuorientierung der Industrie- und Handelsunternehmen, die z. B. durch Ferti-
gungstiefenreduzierung oder wegen unternehmensübergreifender Flussorientie-

4 Hier liegt der Definition der Tranportelastizität der Quotient aus der Veränderung des Trans-
portaufkommens [t] und der Veränderung des BSP zugrunde. Neben dieser Definition exis-
tiert in der Literatur auch die Definition der Transportelastizität als Quotient aus Verände-
rung der Transportleistung [tkm] und Veränderung des BSP, vgl. Aberle, 2009, S. 27f. Die
Transportleistung als Produkt aus transportierter Masse [t] (Transportaufkommen) und Stre-
cke [km] nimmt im Gegensatz zum Transportaufkommen in hochentwickelten Volkswirt-
schaften zu. Dementsprechend ist bei dieser Definition der Transportelastizität der Quotient
auch größer als 1.
5 Siehe Teil II, Abschn. 8.3.
6 Vgl. Aberle, 1994, S. 6ff.; Ihde, 2001, S. 59ff.
354 18 Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung

rung veränderte Anforderungen an den Gütertransport stellen, die der Straßengü-


terverkehr, nicht aber andere Verkehrsträger erfüllen können. Durch den Integra-
tionseffekt wird die Zunahme des grenzüberschreitenden Transportvolumens be-
schrieben, die aus dem gemeinsamen Europäischen Markt sowie der Öffnung der
osteuropäischen Staaten resultiert. Für die Bewältigung dieser Transportströme
sind durchgehende Transportketten erforderlich, deren Realisierung z. B. im
Schienenverkehr vergleichsweise problematisch ist, da mehrere nationale Eisen-
bahngesellschaften zu beteiligen sind. Schließlich gehört auch der Schnittstellenef-
fekt zu den Ursachen der Verschiebung der Anteile der Verkehrsträger. Er betrifft
alle Transportvorgänge, die einen Wechsel des Verkehrsmittels erforderlich ma-
chen. Hier besitzt der Straßengüterverkehr, etwa durch das Angebot von Haus-zu-
Haus-Verkehren, gegenüber den übrigen Verkehrsträgern günstigere Systemei-
genschaften.
Der wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister für Verkehr 7 zeigt zusätzlich
zu den mit der Entwicklung der Volkswirtschaft einhergehenden Tendenzen zu
schnelleren und häufigeren Transporten, durch die Lager- und Produktionskosten
durch Transportkosten substituiert werden, noch zwei weitere Tendenzen auf. Die
eine ist die Tendenz zu schwereren und größer dimensionierten unteilbaren Trans-
portobjekten, deren Bedeutung daraus resultiert, dass Deutschland einer der be-
deutendsten Hersteller und Exporteure von Industrie- und Verkehrsanlagen ist. Da
Anlageneinheiten (z. B. Kessel, Transformatoren) oder Anlagenteile (z. B. Wal-
zenständer, Brückenträger) immer größere Abmessungen und Gewichte anneh-
men, steigt der Bedarf an dafür geeigneten Transportmitteln, deren Einsatz aber
ein infrastrukturelles Grundnetz mit entsprechend breiten Fahrbahnen, weiten
Kurvenradien und großen Durchlasshöhen voraussetzt. Die andere Tendenz ist die
zu großvolumigen Transportgefäßen für Güter mit hohem Staukoeffizient (gerin-
gem Raumeinheitsgewicht). Sie ergibt sich aus dem zunehmenden Aufkommen an
voluminösen und sperrigen Gütern sowie dem Übergang zu immer leichteren Ver-
packungen und macht den Einsatz von Großraumfahrzeugen oder Großraum-
Wechselaufbauten erforderlich.

Lebenszyklus logistischer Leistungen


Die im Laufe der Entwicklung einer Volkswirtschaft im System der Güterverwen-
dung zu beobachtende Veränderung der zu befriedigenden Bedarfe bzw. zu lösen-
den Probleme führt zur beschriebenen Veränderung des Güteraufkommens, das
vom System der Güterverteilung zu bewältigen ist. Die im System der Güterver-
teilung zu erbringenden Leistungen ändern sich also mit dem Entwicklungsstand
einer Volkswirtschaft. Veranschaulichen lässt sich dies auch mit der Vorstellung
vom Lebenszyklus eines Produktes oder einer Leistung, nach der diese dem „Ge-
setz des Werdens und Vergehens“ unterliegen. Sie werden geboren, wachsen,

7 Zum Folgenden vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Verkehr –


Gruppe Verkehrswirtschaft, 1987.
18.3 Anforderungen aufgrund gesamtwirtschaftlicher Ziele 355

Absatz

Linienverkehre

Expreß- und Terminverkehre

Gelegenheits-
verkehre

Full-Service-Pakete

Ökologieorientierte
Logistikleistungen

Markteinführung Marktwachstum Marktsättigung Marktdegeneration Zeit

Abb. 18.1 Lebenszyklusphasen ausgewählter logistischer Leistungen in einer hochentwickel-


ten Volkswirtschaft (Quelle: in Anlehnung an Göpfert/Wehberg, 1995, S. 107;
Ihde, 2001, S. 47)

werden alt und sterben.8 Abb. 18.1 gibt den idealtypischen Lebenszyklusverlauf
für ausgewählte logistische Leistungen wieder. Die Positionierung der logistischen
Leistungen entsprechend ihrer Lebenszyklusphase dürfte gesamtwirtschaftlich ge-
sehen die gegenwärtige Situation Deutschlands in etwa treffen.

18.3 Anforderungen aufgrund gesamtwirtschaftlicher Ziele

Verkehrspolitische Maßnahmen und gesamtwirtschaftliche Ziele


Zu den verkehrspolitischen Maßnahmen gehören alle Maßnahmen, die vom Staat
zur Regulierung der Verkehrswirtschaft in einer Volkswirtschaft bzw. zwischen
den Volkswirtschaften ergriffen werden. 9 Zu ihnen gehören zunächst Preisregulie-
rungen, welche Tarifbildungsprozesse und Tarifformen sowie die Kontrolle der
staatlich reglementierten Preise umfassen. Die Marktzugangs- und Kapazitätsre-
gulierungen, zu denen auch die Vorschriften über die höchstzulässigen Maße und
Gewichte im Güterverkehr zählen, sind ebenfalls Bestandteil der verkehrspoliti-

8 Vgl. Meffert u.a., 2012, S. 68ff.


9 Vgl. Aberle, 2009, S. 99ff. Siehe dazu auch die Maßnahmen zum Fracht-
Transportmanagement, das alle Maßnahmen umfasst, die nicht die Änderung oder Erweite-
rung der Infrastruktur betreffen, bei Rühl/ Boltze, 2017, S. 171ff.
356 18 Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung

schen Maßnahmen. Zu den für manche Verkehrsträger bestehenden Auflagen für


die Angebotsgestaltung gehören insbesondere die Betriebs- und Beförderungs-
pflichten (Kontrahierungszwang) und der Tarifzwang, durch die die Handlungs-
freiheit der Verkehrswirtschaft eingeschränkt wird. Bei der Investitionslenkung
handelt es sich um die Investitionen zur Erweiterung und Erhaltung der im öffent-
lichen Besitz befindlichen Verkehrswege und Verkehrsknoten für die Schifffahrt,
den Luftverkehr, den Schienenverkehr und den Straßenverkehr, durch die der in-
termodale Wettbewerb beeinflusst wird. Steuern und Subventionen wirken dann
regulierend in der Verkehrswirtschaft, wenn sie selektiv diskriminierend einge-
setzt werden.
Die mit diesen verkehrspolitischen Maßnahmen angestrebten Ziele sind sehr
heterogen und stehen teilweise miteinander in Konkurrenz. Besonders zu beachten
ist hierbei, dass verkehrspolitische Maßnahmen nicht nur zur Erreichung verkehr-
licher, sondern auch zur Erreichung nichtverkehrlicher Ziele ergriffen werden. Bei
der Untersuchung der Wirkung verkehrspolitischer Maßnahmen auf einzelwirt-
schaftliche Ziele ist zu berücksichtigen, dass es zu Abweichungen zwischen ein-
zel- und gesamtwirtschaftlichen Zielen kommen kann.

Nichtverkehrliche Ziele
Aufgrund seiner Funktion der Verbindung der volkswirtschaftlichen Systeme Gü-
terbereitstellung (Produktion) und Güterverwendung (Konsumtion) bestehen zwi-
schen dem System der Güterverteilung und diesen beiden Systemen vielfältige
Beziehungen. Entwicklungen im System der Güterverteilung haben deswegen
häufig Auswirkungen auf die Entwicklungen in den beiden anderen volkswirt-
schaftlichen Teilsystemen und umgekehrt. Verkehrspolitischen Maßnahmen wird
deshalb die Möglichkeit zugesprochen, in diesen Teilsystemen Gestaltungsprozes-
se auszulösen und damit bestehende wirtschaftliche, räumliche, ökologische und
soziale Strukturen umzuformen. Sie können wirtschaftliche Entwicklungsperspek-
tiven ganzer Regionen oder einzelner Standorte beeinflussen, durch Verkehrsinf-
rastrukturprojekte Umweltbelastungen räumlich verschieben und Beschäftigungs-
und Wachstumspotentiale eröffnen. 10 Mit verkehrspolitischen Maßnahmen lassen
sich deshalb auch wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ziele verfolgen, z. B.
sozialpolitische Ziele durch Sozialtarife im Personenverkehr oder umweltpoliti-
sche Ziele im Rahmen der Verkehrslärmschutzgesetzgebung.
Existieren zwischen nichtverkehrlichen und verkehrlichen Zielen Zielkonflikte,
so besteht beim Ergreifen verkehrspolitischer Maßnahmen zur Erreichung nicht-
verkehrlicher Ziele die Gefahr, dass die Verkehrswirtschaft so stark negativ beein-
trächtigt wird, dass die positiven Zielbeiträge in den Nichtverkehrsbereichen die
Nachteile in der Verkehrswirtschaft nicht auszugleichen vermögen. 11 Hier wäre
dann die Frage zu stellen, ob es nicht sinnvoller ist, beim Einsatz verkehrspoliti-

10 Vgl. Baum, 1991, S. 13.


11 Vgl. Ihde, 2001, S. 110.
18.3 Anforderungen aufgrund gesamtwirtschaftlicher Ziele 357

scher Maßnahmen allein die verkehrlichen Ziele im Auge zu haben, um auf diese
Weise die Verkehrswirtschaft optimal zu organisieren. Negative Zielbeiträge in al-
len anderen wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Sektoren könnten dann durch
direkte Maßnahmen, z. B. Fahrgelderstattungen im sozialpolitischen Bereich, aus-
geglichen werden.
Überwiegen demgegenüber bei einem Eingriff in die Volkswirtschaft die posi-
tiven Effekte anderer gesellschaftlicher Bereiche, erscheint es sinnvoll, durch ver-
kehrspolitische Maßnahmen in die Volkswirtschaft einzugreifen. Diese Vorge-
hensweise wird insbesondere bei der Berücksichtigung ökologischer Ziele
verfolgt. Dabei gilt es Umweltbelastungen, die durch Infrastrukturprojekte und
Transportprozesse verursacht werden, zu vermindern. Umwelteinwirkungen des
Verkehrs entstehen sowohl inputseitig, z. B. durch Bodenversiegelung oder den
Verbrauch von Energieträgern, als auch outputseitig in Form von Lärm, stoffli-
chen bzw. gasförmigen Emissionen oder Belastungen durch Unfälle. Verkehrspo-
litische Ansätze zur Verminderung dieser Umwelteinwirkungen bilden z. B. Ab-
gasvorschriften für Lkw oder die Einführung einer Autobahngebühr, mit der u. a.
das Ziel verfolgt wird, den Verkehr stärker auf als umweltverträglicher angesehe-
ne Verkehrsträger, wie z. B. den Schienengüterverkehr, zu verlagern.

Verkehrliche Ziele
Unter den verkehrlichen Zielen12 steht die Versorgung der Bevölkerung mit Ver-
kehrsleistungen an erster Stelle. Die Erreichung dieses Zieles in einer Marktwirt-
schaft ist unproblematisch, wenn über den Marktmechanismus ein ausreichendes
und akzeptables Verkehrsangebot erreicht werden kann. In diesem Fall können
sich die verkehrspolitischen Maßnahmen darauf beschränken, die Rahmenbedin-
gungen für die Verkehrswirtschaft so zu gestalten, dass der intramodale (verkehrs-
trägerinterne) Wettbewerb einerseits und der intermodale Wettbewerb (zwischen
verschiedenen Verkehrsträgern) andererseits nicht beeinträchtigt werden. 13 Die
Verkehrspolitik hat für das Angebot öffentlicher Verkehrsleistungen zu sorgen,
sofern die in der Gesellschaft als dringlich anerkannten Verkehrsbedürfnisse (z. B.
Bedienung von Randgebieten und kleinen Orten bzw. Regionen) durch privatwirt-
schaftliche Unternehmen über den Marktmechanismus nicht befriedigt werden.
Als weiteres verkehrliches Ziel lassen sich die Gleichstellung der Verkehrsträ-
ger und Handlungsfreiheit der Verkehrsanbieter und -nachfrager nennen. Dieses
Ziel ist ein wesentliches Fundament der gemeinsamen Verkehrspolitik der Euro-
päischen Union. Die Gleichstellung der Verkehrsträger besagt, dass diese in der
Verkehrswirtschaft ihre arteigenen Vorzüge geltend machen und frei zur Entfal-
tung bringen können. Diesem Gedanken liegt die Vorstellung einer die spezifi-
schen Vorteile der Verkehrsträger ausnutzenden Arbeitsteilung zugrunde. Das Ziel

12 Vgl. Kirsch u.a., 1973, S. 127ff.; Fichert/Grandjot, 2007, S. 147ff. Zu Zielen und Aktionsbe-
reichen der Gemeinsamen Verkehrspolitik der Europäischen Gemeinschaften vgl. Kommis-
sion der Europäischen Gemeinschaften, 2006.
13 Zu den Wettbewerbsarten vgl. Claussen, 1979, S. 76ff.
358 18 Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung

der Handlungsfreiheit in der Verkehrswirtschaft besagt, dass die Entscheidungen


zum Angebot und zur Nachfrage nach Verkehrsleistungen grundsätzlich der freien
Willensbildung unterliegen.
Aus den beiden an erster Stelle genannten verkehrlichen Zielen folgt ein drittes
verkehrliches Ziel, nämlich die Vornahme der notwendigen Erweiterungs- und
Ersatzinvestitionen in die öffentlich zu unterhaltenden Verkehrswege
und -knotenpunkte.
Schließlich ist, wie in anderen Bereichen der Wirtschaft auch, in der Verkehrs-
wirtschaft beim Einsatz volkswirtschaftlich knapper Ressourcen das Wirtschaft-
lichkeitsprinzip zu beachten. Da dieses Prinzip auch den einzelwirtschaftlichen
Entscheidungen zugrunde liegt, ließe sich eine Übereinstimmung (Zielkomple-
mentarität) zwischen einzel- und gesamtwirtschaftlichen Zielen in diesem Fall
vermuten. Dies ist jedoch aufgrund des Bestehens externer Effekte nur zum Teil
der Fall.

Externe Effekte
Maßnahmen zur Erreichung einzelwirtschaftlicher Ziele können auch der gesamt-
wirtschaftlichen Zielerreichung dienen, wenn beispielsweise „durch organisatori-
sche und investive Maßnahmen
x die Leerfahrtenzahl der Transportgefäße vermindert,
x die zeitliche, gewichts- und/oder volumenmäßige Auslastung der Transportge-
fäße erhöht,
x arbeits- und kapitalsparende durchgehende Transportketten gebildet,
x eine Harmonisierung der Verpackungsmodalitäten und Ladehilfsmittel (Palet-
ten, Container) durchgesetzt,
x die Lagerhaltung durch Standardisierung und Anpassung der Lagerhilfsmittel
an die Transporthilfsmittel erleichtert und
x die Organisation und Disposition der mehrstufigen Gütermanipulation (be-
triebsexterne und betriebsinterne Transporte, Vor-, Zwischen- und Ausliefe-
rungslagerung, betriebliche Produktionsprozesse) durch Einsatz technologisch
hochwertiger Informations- und Kommunikationssysteme verbessert wer-
den.“14
Es kann aber auch zu Konflikten zwischen den einzel- und gesamtwirtschaftli-
chen Zielen kommen.15 So genannte externe Effekte sind Auswirkungen von ein-
zelwirtschaftlichen Maßnahmen auf Dritte, die bei den einzelwirtschaftlichen Ent-
scheidungen unberücksichtigt bleiben. Sie können sowohl als externe Vorteile
(External Economies) als auch als externe Nachteile (External Diseconomies) auf-
treten. Von externen Vorteilen oder sozialem Nutzen spricht man, wenn Dritte
(Haushalte, Unternehmen, Staat) aus den Maßnahmen eines Verursachers Nutzen

14 Aberle, 1983, S. 4.
15 Vgl. Claussen, 1979, S. 90ff.; Ihde, 2001, S. 71ff.; Aberle, 2009, S. 574ff.
18.3 Anforderungen aufgrund gesamtwirtschaftlicher Ziele 359

ziehen, ohne dass der Verursacher dafür einen entsprechenden Gegenwert erhält.
Externe Nachteile oder soziale Kosten treten dann auf, wenn Dritte durch die
Maßnahmen eines Verursachers beeinträchtigt werden, ohne dass der Verursacher
mit einem entsprechenden Gegenwert belastet wird. Externe Effekte haben in der
Verkehrswirtschaft eine große Bedeutung, wie folgende Beispiele zeigen:
x „Verkehrsvorgänge nehmen stets Infrastrukturleistungen (Straßen, Wasserwe-
ge, Häfen, Flughäfen, Schienenverkehrsleistungen, Umschlagsplätze für
Stück-, Massen- und containerisierte Güter) in Anspruch. In dem Maße, wie die
Benutzer dieser Infrastrukturkapazitäten nicht zur Finanzierung der Ressour-
cenbindung herangezogen werden, erhalten sie Inputfaktoren ohne oder mit
verzerrter Kostenanlastung mit der Folge, dass ihre Entscheidung über Ver-
kehrsträgerwahl (Modal-Split), Transportwege und Transportentfernung sowie
unter Umständen auch hinsichtlich der Investitionen in Fahrzeuge fehlerhaft in
gesamtwirtschaftlicher Betrachtung sind. Hiermit ist das so genannte Wegekos-
ten- oder besser Wegerechnungsproblem angeschnitten.
x Die Abwicklung von Transportleistungen belastet durch Schadstoff- und
Lärmemissionen der Fahrzeuge die Umwelt; durch den Bau von Verkehrswe-
gen erfolgen häufig umweltproblematische Zerschneidungs- und Flächennut-
zungsveränderungsprozesse. Die zahlreichen Internalisierungsbemühungen die-
ser negativen Umweltwirkungen sollen sowohl die Entscheidung bei den
Verkehrswegeinvestitionen wie auch bei den einzelnen Transportvorgängen
und damit die der Güterflusslogistik beeinflussen.“ 16
Darf ein Verkehrsträger im Verhältnis zu seinen Konkurrenten soziale Kosten
verursachen oder bekommt er einen von ihm verursachten sozialen Nutzen nicht
abgegolten, so kommt es zur Wettbewerbsverzerrung. Externe Effekte führen also
nicht nur zu Konflikten zwischen einzel- und gesamtwirtschaftlichen Zielen, son-
dern auch zu Konflikten zwischen den einzelwirtschaftlichen Zielen verschiedener
Verkehrsträger.
Es wird generell die Internalisierung externer Kosten als Voraussetzung für ei-
ne kostenwahre Kalkulation und damit auch für eine effiziente Steuerung des Ver-
kehrs nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen angesehen. 17 Zur Quantifizierung
externer Effekte gibt es grundsätzlich zwei Phasen:
x „die Ermittlung der Mengengerüste und
x die Transformation der Mengewerte in die ökonomische Kategorie Geldeinhei-
ten, also die Bewertung der Mengengerüste (Monetarisierung).“ 18
Allerdings bestehen Unklarheiten über die Bewertung und Zurechnung externer
Effekte. Deshalb existieren verschiedene Rechnungen zu den Nutzen und Kosten
einzelner Verkehrsträger mit stark voneinander abweichenden Ergebnissen, vor al-

16 Aberle, 1983, S. 6.
17 Vgl. Willeke, 1993, S. 219ff.
18 Aberle, 2009, S. 612.
360 18 Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung

lem bezüglich des Straßenverkehrs. 19 Für diese Abweichungen lassen sich vier
wesentliche Ursachen angeben. Erstens bestehen häufig Kenntnislücken und Un-
sicherheiten über verursachte Emissionen oder Belastungswirkungen, die dann mit
ungesicherten bzw. willkürlichen Annahmen überbrückt werden (z. B. Zusam-
menhänge zwischen bestimmten Lärmpegeln und daraus folgenden gesundheitli-
chen Schäden). Zweitens existieren erhebliche Unsicherheiten bei der monetären
Bewertung der Folgewirkungen (z. B. bei der Bewertung von Geruchsbelästigun-
gen). Drittens führt die Feststellung der Kausalität bei der Anwendung des Verur-
sacherprinzips zu erheblichen Problemen (z. B. staatliche und kommunale Ver-
kehrswegeplanung als mögliche Ursache von Verkehrsstauungen). Viertens
unterliegt die Bewertung externer Effekte politischen Entscheidungen.
Carbon Footprint (CF) wird oft diskutiert zur Erfassung der externen Effekte.
Carbon Footprint ist die Gesamtmenge von Kohlendioxid (CO 2) und anderen
Treibhausgasemissionen entlang der Supply Chain bzw. des Lebenszyklus eines
Produktes. Der Carbon Footprint wird durch Indikatoren, wie z. B. das globale
Erwärmungspotenzial (GWP), quantifiziert. ISO 14040-14044 bieten Anforderun-
gen zur Kalkulation des Carbon Footprints.20

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Baumgarten H u.a. (Hrsg) RKW-Handbuch Logistik. Berlin, 5. Lfg. I/83,
Kennziffer 0850, S. 1-26
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Canzler W, Knie A (Hrsg) Handbuch Verkehrspolitik. S. 138-160
Ihde G B (2001) Transport, Verkehr, Logistik. Gesamtwirtschaftliche Aspekte und
einzelwirtschaftliche Handhabung. 3., völlig überarb. u. erw. Aufl. München

19 Vgl. Aberle, 1994, S. 20; Aberle, 2009, S. 612ff.


20 Vgl. European Commission, 2007, S. 1f.
Literatur 361

Kirsch W u.a.m(1973) Betriebswirtschaftliche Logistik. Systeme, Entscheidungen,


Methoden. Wiesbaden
Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2006) Für ein mobiles Europa –
Nachhaltige Mobilität für unseren Kontinent. Halbzeitbilanz zum Verkehrs-
weißbuch der Europäischen Kommission von 2001. Mitteilung der Kommissi-
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Meffert H, Burmann Chr, Kirchgeorg M (2012) Marketing: Grundlagen marktori-
entierter Unternehmensführung: Grundlagen – Instrumente – Praxisbeispiele.
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Freight Transport Demand Within Traffic Management. In: Abele E, Boltze M,
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liche und wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland. In:
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World Bank (2016) Connecting to Complete 2016. Trade Logistics in the Global
Economy. The Logistics Performance Index and Its Indicators. Washington
19 Makrologistische Infrastruktur

19.1 Infrastruktur des Güterflusses

Grundlagen
Ob die im vorangegangenen Abschnitt behandelten Anforderungen vom makrolo-
gistischen System eines Wirtschaftsraums erfüllt werden können, hängt wesentlich
von der vorhandenen logistischen Infrastruktur ab. Mit dem Begriff der logisti-
schen Infrastruktur soll im materiellen Sinne 1 das Netz eines Wirtschaftsraums,
z. B. einer Volkswirtschaft, verstanden werden, in dem Güter und Informationen
zwischen den Unternehmen und Haushalten fließen können. Im Folgenden wird
zunächst die Infrastruktur des Güterflusses behandelt.
Genauer betrachtet besteht die Infrastruktur eines Wirtschaftsraums nicht aus
einem Netz, sondern setzt sich aus einer Vielzahl von Teilnetzen zusammen, die
beispielsweise entsprechend der verschiedenen Verkehrsträger unterschieden wer-
den können. In diesem Sinne kann ein Seeschifffahrtsnetz, ein Binnenschifffahrts-
netz, ein Straßenverkehrsnetz, ein Schienenverkehrsnetz, ein Luftverkehrsnetz und
ein Rohrleitungsverkehrsnetz abgegrenzt werden.
Jedes dieser Teilnetze besteht aus Verkehrswegen und Verkehrsknoten. Beispie-
le für Verkehrswege sind Straßen oder die schiffbaren Flüsse und Kanäle. Ver-
kehrswege werden auch für den Personenverkehr genutzt, woraus eine Konkur-
renz zwischen Güter- und Personenverkehr um Nutzungsmöglichkeiten entstehen
kann. Verkehrsknoten stellen die Bindeglieder in Verkehrsnetzen dar. Ihre Wich-
tigkeit wächst mit der Bedeutung, den Umschlagsprozesse für den einzelnen Ver-
kehrsträger haben. So können Knoten im Straßenverkehrsnetz, z. B. Umschlags-
einrichtungen der Straßentransportunternehmen, vergleichsweise einfach
ausgestaltet sein. Knoten im Seeverkehr (Seehäfen) sind dagegen äußerst komple-
xe Gebilde.
Verkehrsknoten erfüllen eine Doppelfunktion. Zum einen dienen sie als Ver-
bindungselemente im Netz eines Verkehrsträgers und können so auch die Netze
verschiedener Wirtschaftsräume verknüpfen. Zum anderen stellen sie aber auch
Schnittstellen zwischen den Netzen verschiedener Verkehrsträger dar. Beispiele
dafür sind die Seehäfen, die das Seeverkehrsnetz mit den Binnenverkehrsnetzen
des Hinterlandes verbinden. Weitere Beispiele sind die Terminals des Kombinier-
ten Verkehrs, welche die Verkehrsnetze der beteiligten Verkehrsträger durch ent-
sprechende Umschlagseinrichtungen verknüpfen.

1 Zur Unterscheidung von materieller und immaterieller Infrastruktur vgl. Ihde, 2001, S. 135.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018


H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4_19
364 19 Makrologistische Infrastruktur

In der Regel werden Aussagen über die logistische Infrastruktur auf eine
Volkswirtschaft als relevanten Wirtschaftsraum bezogen. Die Definition des rele-
vanten Wirtschaftsraums hängt jedoch auch von dem betrachteten Verkehrsträger
ab. So macht z. B. im Falle des Seeverkehrs eine nationale Abgrenzung wenig
Sinn. Relevanter Wirtschaftsraum ist die Weltwirtschaft oder zumindest ein Fahrt-
gebiet zwischen zwei geographischen Regionen. Aus deutscher Sicht ist dagegen
für den Binnenschiffverkehr oder den Schienenverkehr sicherlich Europa der rele-
vante Wirtschaftsraum. Häufig wird aber auch die Infrastruktur einer Region oder
sogar eines Stadtgebietes von Interesse sein.
Eine wesentliche Kenngröße der logistischen Infrastruktur des Güterflusses
hinsichtlich der Verkehrswege ist die Netzdichte.2 Die Netzdichte wird als Quoti-
ent der Verkehrswegelänge und der Fläche eines Wirtschaftsraumes bestimmt. Die
Netzdichte kann als Vergleichsgröße der Infrastrukturausstattung verschiedener
Wirtschaftsräume oder auch zum Vergleich innerhalb eines Wirtschaftsraumes
herangezogen werden. Eine weitere wichtige Kenngröße ist die Verkehrswegelän-
ge pro Einwohner. Diese Größen erlauben jedoch keine Aussage über die Qualität
von Verkehrswegen. Dazu sind verkehrsträgerspezifische Qualitätskriterien not-
wendig, wie z. B. der Elektrifizierungsgrad von Eisenbahnstrecken oder der Anteil
befestigter Straßen am Gesamtnetz.
Bedeutsam für die Höhe des potentiellen Nutzens aus einer vorhandenen logis-
tischen Infrastruktur ist deren Belastung. So kommt es z. B. in der Bundesrepublik
trotz der im internationalen Vergleich guten Infrastrukturausstattung aufgrund des
hohen Verkehrsaufkommens zu teilweise erheblichen Engpässen.3 Wesentlich für
die Güte der logistischen Infrastruktur sind aber auch Anzahl, Verteilung und
Leistungsfähigkeit der Verkehrsknoten. So wird die Infrastrukturausstattung im
See- oder Luftverkehr primär durch die Verfügbarkeit ausreichend dimensionierter
See- bzw. Flughäfen bestimmt.
Im Folgenden sollen zunächst die Verkehrswege und Verkehrsknoten geglie-
dert nach den einzelnen Verkehrsträgern betrachtet werden. Im Anschluss daran
wird im Zusammenhang mit der Kombination von Verkehrsnetzen die Schnittstel-
lenfunktion der Verkehrsknoten diskutiert.

Seeschifffahrt
Die Seeschifffahrt nutzt einen wesentlichen Bestandteil der Infrastruktur der in-
ternationalen Logistik: die Meere und die Seehäfen. Im Jahre 2016 wurden von
den deutschen Seehäfen 296,5 Mio. t Güter versandt, wovon 116,8 Mio. t an Hä-
fen außerhalb Deutschlands gingen. 171,1 Mio. t wurden aus dem Ausland emp-
fangen.4

2 Zu weiteren Kenngrößen vgl. Ihde, 2001, S. 111ff.


3 Vgl. Aberle, 1998, S. 110f. Siehe Abschn. 19.4.
4 Vgl. Statistisches Bundesamt, 2017a, S. 1.
19.1 Infrastruktur des Güterflusses 365

Während die Frachtraten für die Charterschifffahrt frei ausgehandelt werden


können, werden die Frachtraten des Linienverkehrs in Kartellen, den so genannten
Schifffahrtskonferenzen, festgelegt. Die meisten dieser Konferenzen, von denen es
heute ca. 350 gibt, beziehen sich auf die Seeschifffahrt zwischen zwei geographi-
schen Regionen. Allerdings haben diese Konferenzen durch das Aufkommen neu-
er, andersartiger Leistungsangebote nicht mehr die starke Stellung wie in der Ver-
gangenheit. Diese neuen Wettbewerber verzichten auf eigene Schiffe (Non Vessel
Operators) und verfolgen mit ihrem Leistungsangebot die Idee der Durchfracht.
Sie greifen entweder auf gecharterten Schiffsraum zurück oder bedienen sich der
so genannten Landbrückenverkehre. Bekannt ist hier z. B. die Landbrücke zwi-
schen Europa und Fernost in Form der Transsibirischen Eisenbahn.
Das in der Schifffahrtsentwicklung zu beobachtende Größenwachstum der
Schiffe, verbunden mit dem Trend zur Containerisierung, führt zu hohen Fixkos-
tenbelastungen in der Seeschifffahrt. Daraus resultiert die Notwendigkeit, die La-
dekapazität bei einer Fahrt möglichst hoch auszulasten und die Umlaufgeschwin-
digkeit der Schiffe zu erhöhen. Dies wiederum führt zum Angebot mancher
Anbieter von so bezeichneten One-Port-Verkehren. Man versucht hierbei, die An-
zahl der anzulaufenden Häfen zu reduzieren und in einem Round-the-World-
Service (Verbindung der wichtigsten Verkehrsströme durch weltumspannende Li-
niendienste) nur noch einen Hafen pro Land bzw. pro Wirtschaftsregion anzulau-
fen.5
Damit steigt weiterhin die schon bisher große Bedeutung einzelner Häfen.
Denn die logistische Infrastruktur der Seeschifffahrt wird primär durch die Anord-
nung der Seehäfen als Knotenpunkte bestimmt, da prinzipiell die gesamten Meere
als Verkehrsflächen zur Verfügung stehen. So entfielen 2007 von den 253,7 Mio. t
Güterumschlag der deutschen Nordseehäfen alleine 120,3 Mio. t auf Hamburg. 6
Auch an den 15,2 Mio. TEU7 Containern, die 2007 in deutschen Seehäfen umge-
schlagen wurden, hat Hamburg einen Anteil von 46% und Bremen-Bremerhaven
einen von 20%.8 Im gleichen Jahr wurden in Rotterdam 461,2 Mio. t umgeschla-
gen, wovon jedoch 40% auf Erdöl und Mineralölprodukte entfielen. 9 Wenn nur
noch sehr wenige Häfen angelaufen werden, werden an diese größere Anforde-
rungen bezüglich des Umschlags der Güter und der Versorgung des Hinterlandes
durch entsprechende Zubringerdienste gestellt. Das erhöht die Bedeutung der Hin-
terlandlage der Seehäfen gegenüber der Meeres- oder Küstenlage. Der Seehafen

5 Vgl. Schieck, 2008, S. 192ff.


6 Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 71.
7 TEU: Twenty foot equivalent unit. Übliche Umrechnung von Transporten im Containerver-
kehr, die mit verschiedenen Containereinheiten ausgeführt werden, auf einen Container mit
20 Fuß Länge.
8 Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 75.
9 Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 317. Allerdings
sind hierin im Gegensatz zu der für Hamburg genannten Größe die Eigengewichte der
Transportfahrzeuge, Container, Trailer usw. enthalten.
366 19 Makrologistische Infrastruktur

muss mit einer geeigneten Infrastruktur durch Feederdienste (Küstenschifffahrt),


Binnenschifffahrt, Eisenbahn und Straßenverkehr mit dem Hinterland verbunden
sein. Diese Infrastruktur spielt beim Wettbewerb der Seehäfen untereinander eine
wichtige Rolle.
Die Auswahl aus dem vorhandenen Leistungsangebot in der Seeschifffahrt ist
durch protektionistische Maßnahmen eingeschränkt. Viele Länder wollen sich vor
allem in Form so genannter Local-Content-Vorschriften einen bestimmten Anteil
am Transportaufkommen der Seeschifffahrt sichern. Im Mittelpunkt dieser Über-
legungen zur Einräumung von Vorrechten bei der Befrachtung nationaler Flotten
für die konferenzgebundene Linienschifffahrt steht die Quotierung nach dem
Unctad-Kodex. Danach soll das bilaterale Gütertransportaufkommen zwischen
zwei Handelspartnern zu je 40% den beteiligten nationalen Flotten zugeteilt wer-
den, während 20% dem freien Markt vorbehalten bleiben sollen. Jedoch verzich-
ten die OECD-Staaten untereinander auf diese Regelung, weshalb der Kodex
überwiegend im Handel mit Entwicklungsländern Anwendung findet. 10 Bezüglich
der nationalen Flotten zeigt sich zudem in vielen Industrieländern, darunter auch
in der Bundesrepublik Deutschland, das Phänomen der Ausflaggung von Seeschif-
fen. So wurden 1998 fast 52% der Bruttotonnage unter Flaggen so genannter
Flaggenstaaten betrieben, wodurch sich für moderne Schiffe aus steuerlichen so-
wie arbeits- und sozialrechtlichen Vorteilen Einsparungen von bis zu einer halben
Mio. EUR pro Schiff und Jahr realisieren lassen. 11 Allerdings scheint die fort-
schreitende Ausflaggung durch die Einrichtung eines Zweitregisters in Deutsch-
land aufgehalten. Durch die Aufnahme in das Zweitregister finden bestimmte ar-
beits- und sozialrechtliche Regelungen Deutschlands auf die ausländischen
Besatzungen dieser Schiffe keine Anwendung mehr.

Binnenschifffahrt
Im Jahre 2017 betrug die Länge der deutschen Wasserstraßen 7.290 km.12 Somit
beträgt die Netzdichte lediglich 0,02 km/km2. Die durchschnittliche Transportwei-
te der Binnenschifffahrt im Bundesgebiet beläuft sich auf 260 km, d. h. Binnen-
schiffe werden überwiegend für Langstreckentransporte eingesetzt. 13 Eine Auf-
gliederung nach Wasserstraßenklassen für Gesamtdeutschland liegt für 1991 vor.
Danach sind lediglich 1.682 km für große Schiffe ab 1.500 t befahrbar.14 Diese
Wasserstraßen liegen beinahe ausschließlich in den alten Bundesländern, während
in den neuen Bundesländern solche der niedrigeren Klassen dominieren. Die An-
zahl der deutschen Binnenschiffe hat sich weiterhin verringert. In den alten Bun-
desländern gab es im Jahr 2000 nur noch 2569 Frachtschiffe, wobei es 1980 noch

10 Vgl. Ihde, 2001, S. 149f.


11 Vgl. Ihde, 2001, S. 148; Vahrenkamp, 2007, S. 320.
12 Vgl. WSV, 2017.
13 Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 243.
14 Vgl. Bundesministerium für Verkehr, 1994, S. 114.
19.1 Infrastruktur des Güterflusses 367

3812 (nur damalige Bundesrepublik Deutschland) und 1992 noch 3453 waren.
2015 sind es lediglich 2029. 15 Allerdings hat sich die gesamte Tragfähigkeit der
Schiffe aufgrund größerer Bauarten weniger dramatisch verringert. Der Verkehr
der Binnenschifffahrt hat sich vergleichsweise positiv entwickelt. Die Transport-
menge ging mit 221,3 Mio. t (2016) gegenüber 221,4 Mio. t (2015) nur leicht zu-
rück.16
Binnenschifffahrt bedeutet in Westeuropa primär Rheinschifffahrt. So wurden
2015 rund 80% der Verkehrsleistung auf deutschen Binnenwasserstraßen im
Rheingebiet erbracht.17 Gefördert wird dies durch die Mannheimer Akte von 1868,
gemäß der die Rheinschifffahrt für alle Rheinanliegerstaaten frei ist. Die Domi-
nanz des Rheingebietes wird auch deutlich, wenn der Güterumschlag der Binnen-
häfen aufgeschlüsselt nach Wasserstraßengebieten betrachtet wird. 18 Gemessen am
Güterumschlag sind die größten deutschen Binnenhäfen Duisburg, Köln, Ham-
burg, Mannheim und Ludwigshafen. Zusätzliche Bedeutung erhielt die Rhein-
schifffahrt mit der Eröffnung des 171 km langen Main-Donau-Kanals im Jahre
1992, durch den eine durchgehende europäische Verbindung von der Nordsee bis
zum Schwarzen Meer geschaffen wurde.
Die Binnenwasserstraßen verfügen noch über erhebliche Kapazitätsreserven.19
Gegenwärtig wird die Binnenschifffahrt primär im Massenguttransport genutzt.
Zum Transport der Gütergruppen Kohle, Erdöl und Mineralölerzeugnisse, Erze
und Metallabfälle, Eisen, Stahl und NE-Metalle sowie Steine und Erden und
Landwirtschaft werden 47,9% der Verkehrsleistung der Binnenschifffahrt in
Deutschland erbracht.20 Bei einer nahezu gleich bleibenden Gesamttransportmen-
ge hat sich der Containerverkehr auf deutschen Wasserstraßen in den letzten Jah-
ren von 748.600 TEU im Jahr 1995 auf über 2,4 Millionen TEU im Jahr 2015 er-
höht. 21 Die Binnenschifffahrt könnte deshalb vor allem durch den weiteren
Ausbau von Containertransportketten zur Entlastung der Infrastruktur der anderen
Verkehrsträger, insbesondere des Schienen- und Straßenverkehrs, beitragen.

Luftverkehr
Ähnlich wie im Falle der Seeschifffahrt schafft die Infrastruktur des Luftverkehrs
eine bedeutende Basis für die internationale Logistik. Zur Erleichterung des
grenzüberschreitenden Luftverkehrs wurde auf staatlicher Ebene das ICAO-
Abkommen 22 geschlossen, das die „fünf Freiheiten der Luft“ garantieren soll. 23

15 Vgl. WSV, 2016, S. 1.


16 Vgl. Statistisches Bundesamt, 2017b, S. 2.
17 Vgl. Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt e.V., 2017.
18 Vgl. Statistisches Bundesamt, 1999, S. 314.
19 Vgl. Aberle, 1998, S. 110.
20 Vgl. Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt e.V. , 2017.
21 Vgl. Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt e.V., 2017.
22 ICAO: INTERNATIONAL CIVIL AVIATION ORGANIZATION.
368 19 Makrologistische Infrastruktur

Dabei handelt es sich um Transit-, Lande- und Transportrechte der beteiligten


Länder in einem anderen Vertragsstaat. Während im Gelegenheitsverkehr eine
multilaterale Regelung aller fünf Freiheiten erreicht werden konnte, gibt es für den
Linienverkehr nur Transitvereinbarungen, welche das Überfliegen eines anderen
Staates und das Landen zu nicht-gewerblichen Zwecken erlauben (technische
Freiheiten). Gewerbliche Lande- und Transportrechte (kommerzielle Freiheiten)
wurden entgegen der ursprünglichen Absicht bilateral geregelt.
Im Luftverkehr spielt weiterhin die INTERNATIONAL AIR TRANSPORT ASSOCIATION
(IATA) als Ordnungsfaktor eine gewichtige Rolle, wenngleich ihr Einfluss im
Rahmen der Deregulierung des Luftverkehrs zurückgegangen ist. Im Gegensatz
zur ICAO sind die Mitglieder der IATA nicht die Staaten, sondern die Fluggesell-
schaften. Die IATA ist ein Preis- und Konditionenkartell des gewerblichen Luft-
verkehrs, in dem Gebietsabsprachen, Quotierung, Poolbildung, währungstechni-
sche Abrechnungsprobleme, organisatorische Zusammenarbeit sowie
Vereinheitlichung der Dokumente behandelt werden.
Obwohl dem Luftverkehr im Prinzip – analog zur Seeschifffahrt – ein unbe-
grenzter Raum zur Abwicklung von Transporten zur Verfügung steht, sind die
Flugbewegungen der Verkehrsfliegerei auf die überwachten Routen beschränkt.
Die logistische Infrastruktur des Luftverkehrs wird wesentlich durch die Lage der
Flughäfen und deren Leistungsfähigkeit bestimmt. Zwar ist der Anteil der Luft-
fracht am gesamten Transportaufkommen gering, doch durch sie hat die Belastung
der deutschen Verkehrsflughäfen deutlich zugenommen. Die Steigerung des Post-
und Frachtaufkommens der deutschen Verkehrsflughäfen von 25% zeigt Abb.
19.1. Darüber hinaus stieg im gleichen Zeitraum die Zahl der Fluggäste ebenfalls
um 17%.24 Dementsprechend kommt es zu Engpässen bei der Vergabe von Start-
und Landemöglichkeiten (Slots).

23 Vgl. Ihde, 2001, S. 181ff.


24 Vgl. Statista, 2017, S. 14f.
19.1 Infrastruktur des Güterflusses 369

Abb. 19.1 Entwicklung des Fracht- und Postaufkommens deutscher Verkehrsflughäfen (Quel-
le: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung, 2016, S. 91)

Die Bedeutung eines Flughafens als logistischer Knotenpunkt hängt u. a. vom


unmittelbaren Flughafenumland ab, in dem die notwendige Infrastruktur für die
Organisation der Vor- und Nachläufe existieren muss. Neben diesem unmittelba-
ren Flughafenumland ist das Einzugsgebiet eines Flughafens für das Verkehrsauf-
kommen von Bedeutung. Dieses ist vergleichbar mit dem Hinterland von Seehä-
fen. Die Flughäfen der einzelnen Länder oder Wirtschaftsregionen stehen insofern
in einem hierarchischen Verhältnis, als kleinere für größere Flughäfen Zubringer-
und Verteilerdienste übernehmen. Beispielsweise ist der Flughafen Frank-
furt/Main in der Hierarchie europäischer Flughäfen für die Güterverteilung ganz
oben angesiedelt und hat als Transitstation eine wichtige Drehscheiben- oder
Drehkreuzfunktion im internationalen Luftfrachtverkehr. Transitflughäfen müssen
aufgrund ihrer technischen Anlagen und ihrer Organisation in der Lage sein, die
Fracht in kürzester Zeit umzuschlagen. Wenn infolge der Zunahme des Flugver-
kehrs die traditionellen Großdrehkreuze überlastet werden, kann dies zum Aufbau
von Sekundär- oder Umgehungsdrehkreuzen führen.25

Schienenverkehr
Dem Eisenbahnverkehr der Bundesrepublik Deutschland stand 2014 ein Schie-
nennetz von 33.500 km der DEUTSCHEN BAHN AG und 5.300 anderer Betreiber
zur Verfügung. Allerdings werden in nur 25% dieses Schienennetzes, dem so ge-
nannten betriebswirtschaftlich optimalen Netz, über 75% des Verkehrs abgewi-

25 Vgl. Trumpfheller, 2006, S. 33ff.


370 19 Makrologistische Infrastruktur

ckelt.26 Während ein Großteil des Schienennetzes zur Güterbeförderung also kaum
genutzt wird, sind andere Teile voll ausgelastet.
Ein wichtiges Qualitätsmerkmal des Schienenweges ist der Anteil elektrifizier-
ter und mehrgleisiger Strecken. Die Längen, Netzdichten und Qualitätsmerkmale
der Eisenbahnstrecken ausgewählter europäischer Länder sind in Abb. 19.2 darge-
stellt. Im europäischen Vergleich verfügt die Bundesrepublik Deutschland über
ein gut ausgebautes Schienennetz. Die Netzdichte ist bedeutend höher als in ande-
ren Ländern. Allerdings belegt Deutschland beim Anteil elektrifizierter Strecken
eher einen mittleren Platz.
Unterschiedliche Probleme bei der Nutzung des Schienennetzes stellen sich im
Wagenladungsverkehr und im Kleingutverkehr (Stückgut- und Expressgutver-
kehr). Während die Nutzung des Wagenladungsverkehrs stark von der Anbindung
der Versender und Empfänger durch Gleisanschlüsse an das Schienennetz ab-
hängt, stellt der Kleingutverkehr besondere Anforderungen an die als Auflösungs-
und Konzentrationspunkte dienenden Bahnhöfe. Aufgrund wirtschaftlicher Über-
legungen hat die Deutsche Bahn AG die Anzahl der Stückgutbahnhöfe in der
Bundesrepublik Deutschland auf weniger als 250 reduziert. 27 Dieser Trend zur
Konzentration des Stückgutumschlages auf eine geringere Anzahl von Knoten-
punkten im Schienennetz bedingt eine erhöhte Kooperation der Bahn mit dem
Straßengüterverkehrsgewerbe, um die Flächenbedienung für den Stückgut-
Hausverkehr gewährleisten zu können.
Der Stückgutverkehr soll über ca. 40 Frachtzentren abgewickelt werden, die
durch Direktverbindungen bedient werden können. Dazu wird der Einzug aus der
bzw. die Verteilung in die Fläche durch verstärkten Lkw-Anschluss realisiert. Wie
die folgenden Ausführungen zur Verknüpfung der logistischen Infrastruktur ver-
schiedener Verkehrsträger noch zeigen werden, ist geplant, diese Frachtzentren,
ebenso wie die Umschlagterminals des Kombinierten Verkehrs, verstärkt in Gü-
terverkehrszentren zu integrieren.

D GR E F I NL GB H RO
Streckenlänge in 1.000 km 41,3 1,8 12,8 29,1 16,6 2,8 20,0 7,5 10,8
davon elektrifiziert in % 55,7 4,6 58,9 50,4 69,4 73,4 25,1 35,2 36,9
Netzdichte in
115,7 13,6 25,4 43,1 55,1 67,4 81,7 80,6 45,3
km/1.000 km2

Abb. 19.2 Streckenlängen, Netzdichten und Qualitätsmerkmale der Schienenwege ausgewähl-


ter europäischer Länder im Jahr 2000 (Quelle: Bundesministerium für Verkehr,
Bau- und Stadtentwicklung, 2008, S. 53; Bundesverband Güterkraftverkehr Logis-
tik und Entsorgung, 2001, S.78)

26 Vgl. Ihde, 2001, S. 159.


27 Vgl. Ihde, 2001, S. 169f .; Vahrenkamp, 2007, S. 304ff.
19.1 Infrastruktur des Güterflusses 371

Straßenverkehr
Die Infrastruktur des Straßengüterverkehrs wird primär durch die Verkehrswege
gebildet, wenngleich Knotenpunkte, wie noch gezeigt wird, von großer Bedeutung
für die Verknüpfung mit den Netzen anderer Verkehrsträger sind. Der Lastkraft-
wagen kann auf ein wesentlich engmaschigeres Wegenetz als das Binnenschiff
und die Eisenbahn zurückgreifen. Damit kommt der Straßenverkehrsinfrastruktur
eine führende Rolle bei der Erschließung der Fläche zu.
1999 standen dem Lkw in der Bundesrepublik 230.700 km überörtliche Stra-
ßen zur Verfügung. Hinzu kommen ca. 413.000 km (Stand 1992) Gemeindestra-
ßen. Die durchschnittliche Netzdichte der überörtlichen Straßen betrug 1999 0,646
km/km². 28 Abb 19.3 zeigt die Streckenlängen und Netzdichten der Straßenver-
kehrswege ausgewählter europäischer Länder.

D GR E F I NL GB H RO
Autobahn
12,4 0,9 12,0 10,8 6,6 2,5 3,5 0,5 0,2
in 1.000 km
Netzdichte
34,7 6,8 23,8 16,0 21,9 60,2 14,3 5,4 0,8
in km/1.000 km2
Nationalstraßen
50,0 10,2 24,9 25,2 46,0 6,7 46,7 30,5 14,8
in 1.000 km
Netzdichte
140,0 77,3 49,3 37,3 152,7 161,3 190,8 327,8 62,1
in km/1.000 km2
Regionalstraßen
178,1 30,9 139,7 365,0 119,9 57,5 114,7 53,3 36,0
in 1.000 km
Netzdichte
498,7 234,2 276,8 540,9 397,9 1.384,6 468,5 572,9 151,0
in km/1.000 km2
Anteil befestigter
Straßen am ge-
100 k. A. 99,0 100 100 k. A. 100 43,9 30,2
samten Straßennetz
in %

Abb. 19.3 Streckenlängen, Netzdichten und Qualitätsmerkmale der Straßenverkehrswege aus-


gewählter europäischer Länder 2005; GB, RO Stand 2004; I, NL, E, H Stand 2003
(Quelle: Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung, 2001, S. 78)

28 Abweichungen zwischen der angegebenen Gesamtlänge des überörtlichen Straßennetzes und


der sich aus Abb. 19.3 ergebenden Netzlänge sind darauf zurückzuführen, dass hier auch die
so genannten Kreisstraßen mit einer Länge von 91.100 km berücksichtigt worden sind, vgl.
Bundesministerium für Verkehr, 2001, S. 111.
372 19 Makrologistische Infrastruktur

Im Vergleich mit den europäischen Nachbarn verfügt Deutschland über ein


sehr gut ausgebautes Autobahnnetz. Lediglich kleinere Staaten mit einer hohen
Bevölkerungsdichte (Niederlande, Belgien) können eine wesentlich bessere Netz-
dichte vorweisen. In weniger gut entwickelten Ländern ist dagegen die Infrastruk-
turausstattung hinsichtlich Autobahnen durchgehend schlecht (z. B. Griechenland,
Irland, Rumänien). Ein wichtiger Qualitätsindikator ist auch der Anteil gedeckter
Straßen, der in Abb. 19.3 auf das gesamte Straßennetz, also auch auf die Gemein-
destraßen, bezogen ist.
Die Infrastrukturausstattung muss jedoch in Relation zum Verkehrsaufkommen
– Güterverkehr und Personenverkehr – gesehen werden. So betrug im Jahre 2007
die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (DTV) auf den Autobahnen der al-
ten Bundesländer 49.200 Kraftfahrzeuge. 29 Dieser Durchschnittswert unterzeich-
net jedoch noch die tatsächliche Situation. Dies zeigen die folgenden Beispiele für
die DTV an Autobahnkreuzen: auf Dreieck A3 Köln-Heumar 236.900 Kraftfahr-
zeuge, davon 29.035 Lkw; auf A5 Nordwestkreuz Frankfurt 251.800 Kraftfahr-
zeuge, davon 42.335 Lkw; auf A831 Stuttgart-Vaihingen 127.400 Kraftfahrzeuge,
davon 4.713 Lkw.30

Kombination der Verkehrsnetze


Traditionell erfüllen die Seehäfen, Flughäfen, Binnenhäfen und Terminals des
Kombinierten Verkehrs die Funktion der Verknüpfung der Teilnetze der verschie-
denen Verkehrsträger. Musterbeispiel dafür ist der Seehafen, welcher die Infra-
struktur der Seeschifffahrt mit der seines Hinterlandes, also den Binnenwasser-
straßen, den Schienenwegen und dem Straßennetz verknüpft. Eine
Schlüsselstellung in der gesamten Infrastruktur nimmt das Straßennetz ein, denn
aufgrund seiner hohen Netzdichte kann es die Erreichbarkeit aller Unternehmen
und Haushalte eines Wirtschaftsraums gewährleisten.
In der Infrastrukturdiskussion nehmen die Güterverkehrszentren (GVZ) als
Hauptknoten der makrologistischen Infrastruktur einen zentralen Platz ein. 31 We-
sentliche Elemente von GVZ sind Umschlagseinrichtungen, z. B. Contai-
nerterminals, welche den Systemübergang zwischen den Verkehrsträgern realisie-
ren. Idealerweise sollen möglichst alle Verkehrsträger zusammengeführt werden,
wobei die Kombination von Straße und Schiene als konstitutiv und die Anbindung
der Binnenschifffahrt als wünschenswert betrachtet werden. Darüber hinaus stellt
die Schnittstelle von Nah- und Fernverkehr ein wesentliches Merkmal der GVZ
dar. Als „Keimzellen“ von GVZ bieten sich deshalb bestehende Terminals des
Kombinierten Verkehrs Straße/Schiene, Containerterminals, Frachtgutzentren der
Bahn, Binnenhäfen und Seehäfen an. Voraussetzung für ein GVZ ist jedoch das

29 Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2008, S. 107. Die Mess-
größe DTV gibt die Anzahl der Durchfahrten in beide Richtungen an einer Zählstelle an.
30 Vgl. Bundesanstalt für Straßenwesen, 2007, S. 7ff.
31 Vgl. Nobel, 2004. Siehe Teil IV, Abschn. 16.4.
19.2 Infrastruktur des Informationsflusses 373

Vorhandensein eines ausreichend großen Hinterlandes, welches ein entsprechend


großes Ladungsaufkommen garantiert.

Leitungsverkehr
Für die Verteilung von Massengütern hat auch der Leitungsverkehr eine gewisse
Bedeutung. In erster Linie geht es hierbei um den Transport von Flüssigkeiten und
Gasen (Wasser, Erdöl und Erdölprodukten sowie Erdgas). Erst in den Anfängen
steckt die Entwicklung so genannter Feststoffpipelines, wobei zwei Entwicklungs-
richtungen zu unterscheiden sind. Diese Pipelines sind entweder als hydraulische
Systeme ausgebildet, in denen feste Transportgüter schwimmend transportiert
werden oder aber es handelt sich um pneumatische Systeme, in denen feste Trans-
portgüter in geschlossenen Kapseln bewegt werden. Größere Zuwachsraten im
Leitungsverkehr lassen sich voraussichtlich nicht mehr im Flüssigkeits- oder Gas-
transport, sondern nur noch im Feststofftransport realisieren.

19.2 Infrastruktur des Informationsflusses

Trends in der Logistik-IT und Ansatzpunkte zur Verbesserung


Die Anforderungen an den Informationsfluss werden in der Logistik immer höher
infolge der Anteilsverschiebung im Güteraufkommen hin zu eilbedürftigen Gü-
tern, die in kleineren Mengen transportiert werden und auch infolge der weltwei-
ten Verteilung der Wertschöpfungsaktivitäten. Trotz des nahezu überall verfügba-
ren Zugangs zum Internet und der enormen Steigerung der Übertragungs- und
Verarbeitungsleistung von IT-Systemen existieren weiterhin einige Ansatzpunkte
für Verbesserungen. Ein zentraler Trend der Logistik-IT wird deshalb die Verbes-
serung der Integrationsfähigkeit für vertikalen und horizontalen Datenaustausch
zwischen Unternehmen sein. 32 Hier liegen prinzipiell in drei Bereichen Ansatz-
punkte zum Ausbau einer leistungsfähigen, unternehmensübergreifenden Informa-
tionsinfrastruktur:33
x Standardisierung der Daten, die in der Wertschöpfungskette ausgetauscht wer-
den.
x Verbesserung der technisch-organisatorischen Möglichkeiten des Informations-
austausches zwischen den in der Wertschöpfungskette zusammenarbeitenden
Institutionen.
x Sicherheit und rechtliche Verbindlichkeit der ausgetauschten Daten.
Eine zentrale Voraussetzung für den Aufbau eines unternehmensübergreifen-
den Datenverbundes ist die Standardisierung der Daten. Verschiedene länder- und
branchenspezifische Standards führen zu ähnlichen, nebeneinander existierenden

32 Vgl. Albrecht, 2009, S. 44.


33 Ihde, 2001, S. 193ff.
374 19 Makrologistische Infrastruktur

Systemen zur Informationsverarbeitung, die aber keine Verknüpfung über die


Landes- und Branchengrenzen zulassen. Mit der Definition des internationalen,
branchenunabhängigen EDIFACT-Standards wurde der Versuch unternommen,
für alle im Informationsfluss benötigten Daten eine einheitliche Struktur und ein
einheitliches Format zu schaffen. Wegen der Komplexität eines branchenübergrei-
fenden Standards wurden verschiedene, miteinander kompatible EDIFACT-
Subsets definiert, wie z. B. EDIFOR für Speditionen oder EDITRANS für die
Transportbranche. Darüber hinausgehende Anforderungen zum Austausch von
Konstruktionsdaten und Multimediadokumenten führten zur Entwicklung weiterer
Standards im Rahmen von EDIFACT, wie z. B. STEP für Produktdaten und
ODA/ODIF für Dokumente.
Die Standardisierung von Daten und Dokumenten erleichtert den Informations-
austausch zwischen den Informationssystemen der in der Wertschöpfungskette zu-
sammenarbeitenden Institutionen. Für den Aufbau unternehmensübergreifender
Informations- und Kommunikationssysteme müssen aber darüber hinaus gehende
technisch-organisatorische Voraussetzungen geschaffen werden, die einerseits ei-
ne dezentrale Datenerfassung, -wiedergabe und -verarbeitung erlauben (Informati-
onsverfügbarkeit) sowie andererseits einen geschützten Zugriff auf sensible Daten
ermöglichen (Informationsvertraulichkeit).34 Geschützt bedeutet hier, dass nur die
Akteure auf die jeweiligen Daten Zugriff haben, die Kenntnis darüber haben sol-
len und anderen der Zugriff verwehrt ist. Das ist insbesondere eine wesentliche
Voraussetzung für eine stärkere Einbindung digitaler Lösungen (beispielsweise
durch die Kommunikation zwischen Maschinen, die Anwendung von künstlicher
Intelligenz oder völlig autonomer Logistikeinheiten) zur Verbesserung der zwi-
schenbetrieblichen Kommunikation und Transparenz über die Materialflüsse. 35
Solche technisch-organisatorischen Voraussetzungen beziehen sich sowohl auf die
vertikale Kommunikation in einer Transportkette vom Versender über Ver-
sandspediteur, Frachtführer, Empfangsspediteur zum Empfänger und zurück als
auch auf die horizontale Kommunikation zwischen mehreren Frachtführern bzw.
Spediteuren, die auf derselben Produktionsstufe logistische Leistungen erbrin-
gen.36
Weiteres erhebliches Verbesserungspotential in IT-Systemen zum elektroni-
schen Datenaustausch existiert im Bereich Sicherheit und rechtliche Verbindlich-
keit der ausgetauschten Daten. Neben den oben genannten Schutzzielen Verfüg-
barkeit und Vertraulichkeit beim elektronischen Datenaustausch spielen aber
gerade zur Abwicklung unternehmensübergreifender, elektronischer Geschäfts-
prozesse die Aspekte Informationsauthentizität, -integrität und -verbindlichkeit ei-

34 Vgl. Ihde, 2001, S. 193ff. Zu Informationsverfügbarkeit und -vertraulichkeit vgl. Eckert


2007, 8ff.
35 Vgl. Pfohl u.a., 2015, S. 40ff.
36 Zu einem Überblick über horizontale und vertikale Kommunikationssysteme vgl. Straube,
2004, S. 144ff.; Mertens 2007, S. 5ff.
19.2 Infrastruktur des Informationsflusses 375

ne entscheidende Rolle.37 Hier müssen Unternehmen technische Verfahren einset-


zen, um Missbrauchsmöglichkeiten beim elektronischen Datenaustausch auszu-
schließen. Einen ersten Ansatz bilden Hash- und Verschlüsselungsverfahren, die
die Urheberschaft im juristischen Sinn aber nicht zweifelsfrei absichern können.
Diese häufig fälschlicherweise als elektronische Unterschrift bezeichneten Verfah-
ren besitzen in Rechtsstreiten deshalb keine gesetzliche Beweiskraft. Aus diesem
Grund wurde das Modell elektronischer Signaturen entwickelt, das die für die Pa-
pierform gültigen formalrechtlichen Erfordernisse – dazu gehören Dokumenten-
echtheit, Abschlussfunktion, Visualisierbarkeit, Identitätsfunktion, Echtheitsfunk-
tion, Disputabilität, Signifikanz, Unmittelbarkeit und Transparenz – erfüllt.
Hierbei kommen komplexe kryptografische Verfahren zum Einsatz, die alle oben
genannten Eigenschaften besitzen und deren Sicherheit nur von einem geheimen
Schlüssel (z. B. ein 2048 Bit langer Zahlencode mit bestimmten Eigenschaften)
abhängt. Mit diesem Schlüssel kann der Eigentümer genau die geforderten Ziele
Informationsauthentizität, -integrität und -verbindlichkeit sicherstellen. Eine wich-
tige Funktion in diesem Modell kommt elektronischen Notaren zu, den so genann-
ten Trust Centern oder Trusted Third Parties. Sie gelten allen Teilnehmern als ver-
trauenswürdig und garantieren die Identität der Schlüsseleigentümer. In
Deutschland wird diese Funktion bspw. durch die Bundesnetzagentur wahrge-
nommen. Das Modell elektronischer Signaturen ist auch im EDIFACT-Standard
vorgesehen.38
Die Ansätze zur Verbesserung vertikaler Kommunikation sind einerseits auf die
Initiative einzelner Logistikunternehmen (z. B. Deutsche Bahn AG, Seehäfen,
Fluggesellschaften) und Verbände (z. B. Bundesverband für Spedition und Lage-
rei, Verband der Automobilindustrie, Verband Deutscher Maschinen- und Anla-
genbau) zurückzuführen. Andererseits gibt es von der Bundesregierung und der
Europäischen Union geförderte Pilotprojekte. Gleichzeitig entstehen neue Infor-
mationsdienstleister unter Beteiligung führender Telekommunikations- und In-
formationstechnologieanbieter, die offene, branchenübergreifende Logistikinfor-
mationssysteme anbieten. Insbesondere die zuletzt rasante und hoch-frequentive
Entwicklung innovativer Lösungen für den zwischenbetrieblichen Informations-
austausch bietet einen großen Markt und eine Vielzahl von Alternativen, für die
sich Unternehmen entscheiden können.
Ein Beispiel ist die Anwendung EURO-LOG, die ein EDI-
Kommunikationssystem für den Dokumentenaustausch zwischen dem Versender,
den logistischen Dienstleistern und dem Empfänger der Ware bereitstellt.39 Dazu
kommt ein Sendungsverfolgungssystem für intermodale Verkehre 40 sowie ein

37 Vgl. Eckert 2007, S. 6ff.


38 EDIFACT ist im Standard ISO 9735 definiert. In Teil ISO 9735-9 ist dort die Verwendung
elektronischer Signaturen beschrieben.
39 Vgl. Gromball, 1992.
40 An dieser Stelle sind auch die Ergebnisse der Forschungskooperation „CairGolution“ zu nen-
nen, die ein Modul für das „Tracking“ von Luftfrachtladungen entwickelte. Diese sind prin-
376 19 Makrologistische Infrastruktur

Fahrzeugverfolgungssystem unter Nutzung digitaler Mobilfunknetze und Satelli-


tensysteme. Durch diese Funktionen wird die Möglichkeit geschaffen, die ver-
schiedenen Systeme der logistischen Dienstleister über eine allgemeine, verkehrs-
trägerübergreifende Schnittstelle zu erreichen.
Bei den Überlegungen zur Verbesserung horizontaler Kommunikation steht ei-
ne Erhöhung der Kapazitätsauslastung der vorhandenen makrologistischen Infra-
struktur im Mittelpunkt. Beispielsweise liegt die gewichtsmäßige Kapazitätsaus-
lastung im gewerblichen Straßengüterverkehr durchschnittlich lediglich bei
66,6%, was auf eine große Anzahl von Leerfahrten schließen lässt. 41 Durch eine
verbesserte Information über verfügbare Ladekapazitäten und Rückladungen ließe
sich die Auslastung der vorhandenen Kapazitäten steigern. Hilfreich ist hierbei die
Nutzung innovativer IT-Plattformen, die den speditionsübergreifenden Direktver-
kehr von LKW-Teilladungen steuern.42 Elektronische Märkte können die dazu er-
forderlichen Markttransaktionen wesentlich vereinfachen. Ein Beispiel hierfür ist
Transpotel, eine europäische Ladungs- und Laderaumbörse für den Straßengüter-
verkehr. Die europäischen Bahnen haben mit dem Informationssystem Docitel
ebenfalls eine Plattform, ihren Laderaum über elektronische Systeme verfügbar zu
machen.43
Insgesamt lässt sich im Bereich der Informationsverarbeitung eine Entwicklung
von zentralisierten Organisationen zum dezentralen Einsatz von IT-Systemen be-
obachten. Daraus resultieren jedoch höhere Anforderungen an die zugrunde lie-
gende Kommunikationsinfrastruktur und -technik, über die der Austausch bzw.
Abruf von Informationen durchgeführt wird. Zwei dezentrale Arten von IT-
Infrastruktursystemen sollen deshalb im Folgenden näher erläutert werden: Die
Cloud-Technologie und die Blockchain-Technologie. Nach der jeweiligen Erläute-
rung wird auch deren Nutzungsmöglichkeiten in der Logistikpraxis diskutiert.
Die Cloud-Technologie ist ein sternförmiges IT-Infrastruktursystem. Es erlaubt
den jederzeitigen, dezentralen Zugriff von Mitgliederorganisationen auf Rechner-
ressourcen über das Internet, die physisch auf einer zentralen Datenbank abge-
speichert sind. Auf diese Daten greift die jeweilige Organisationseinheit im
Cloud-Netzwerk entweder über eine Browserfunktion zu oder es besteht eine di-
rekte Verbindung zwischen der „Cloud“-Datenbank und den unternehmensinter-
nen IT-Applikationen. 44 Es wird außerdem unterschieden zwischen dem „Infra-
structure-as-a-Service“ (IaaS)-, dem „Platform-as-a-Service“ (PaaS)- und dem
„Software-as-a-Service“ (SaaS)-Modell. Während beim IaaS-Modell ein virtueller
Zugriff auf Hardware-Leistungen ermöglicht wird, geht es beim PaaS-Modell um
den Zugriff auf Entwicklungs- und Testplattformen, beispielsweise von Software.

zipiell anwendbar für alle multimodalen Transportsysteme. Entwickelt wurde hier ein Tele-
matikmodul: vgl. Pfohl u.a., 2016, S. 94ff.; Seidler u.a., 2015, S. 113ff.
41 Vgl. Deutscher Speditions- und Logistikverband, 2005, S. 12.
42 Vgl. Tummel, 2015, S. 83ff.
43 Vgl. Schmid, 1993, S. 473.
44 Vgl. Bedner, 2013, S. 22.
19.2 Infrastruktur des Informationsflusses 377

Das zuletzt genannte SaaS-Modell ermöglicht die Nutzung von Anwendungssoft-


ware. Wesentliche Vorteile aller Modelle ist, dass die Leistung erstens ver-
brauchsorientiert genutzt werden kann und zweitens die Hard- und Software nicht
gewartet werden muss. 45 Bei sternförmigen IT-Infrastruktursystemen übernimmt
also ein zentraler Akteur bzw. ein Intermediär das Management und die Pflege der
Datenflüsse. Ein Beispiel aus der Auftragsabwicklung wurde bereits beschrieben:
die so genannten „Supplier-Information-Management“-Systeme (SIM). 46 Hierbei
handelt es sich um ein SaaS-Modell, bei dem ein Technologieunternehmen für die
Gestaltung der Cloud-Prozesse und der Software, für die Datensicherheit und für
die Pflege und Vollständigkeit der Daten zuständig ist. Ein Zulieferer kann (z. B.
nach Ansprache durch das Technologieunternehmen) zentral seine eigenen
Stammdaten pflegen (hierauf basierend wird nach Auftragserfüllung auch die
Rechnung gezahlt), auf die dann das Käuferunternehmen direkten Zugriff hat. So
werden Informationspathologien aufgehoben und die Effizienz der Auftragsab-
wicklungsprozesse wird gesteigert. 47 Neben der Auftragsabwicklung werden
Cloud-Lösungen in zwischenbetrieblichen Beziehungen auch für andere Zwecke
eingesetzt. Beispielsweise für die Zusammenführung von Transportdaten in einer
zentralen Supply-Chain-Einheit im Netzwerk.48
Die Blockchain-Technologie ist ein zu Anfang des 21. Jahrhunderts von einer
anonymen Person entwickeltes IT-Infrastruktursystem49 und wird häufig als dis-
ruptive Technologieinnovation eingeschätzt, da die Rolle der zentralen Akteure im
Netzwerk nicht mehr benötigt wird. 50 Grundsätzlich ermöglicht es ein sicheres und
völlig dezentrales Management von Verfügungsrechten. Es ist ein distributives
Netzwerk, das im Gegensatz zur Cloud-Technologie keinen Datenschwerpunkt
besitzt. Denn die Aufgabe der Datenspeicherung und -aktualisierung übernehmen
alle Netzwerkakteure gemeinsam – kein Netzwerkakteur kann zu einer bestimm-
ten Zeit eine unterschiedliche Buchhaltung vorweisen. Im Rahmen eines Kon-
sensmechanismus dokumentieren alle Akteure Transaktionen in einem vorher be-
stimmten zeitlichen Zyklus. Weil der bestehende, gespeicherte Status an
Informationen in diesem Netzwerk aus einer technologischen Sichtweise nicht
veränderbar ist, bringt die Blockchain zwei zuvor nicht vereinbare Vorteile zu-
sammen. Es wird kein zentraler Akteur benötigt, der die Daten zusammenführt

45 Vgl. Wang, 2016, S. 2833ff.


46 Siehe Teil II, Abschn. 4.3.
47 Vgl. Yahsi, 2017, S. 171ff.
48 Eine Marktanalyse über die bestehende Supply-Chain-Software führt zu der folgenden Liste
von Anbietern: PTC, Kinaxis, Tableau, Adexa, Intellicus, Llamasoft, River Logic, OM Part-
ners, Synchron, Blue Ridge, Arena, Qlik usw. Diese Anbieter entwickeln Lösungen für die
Verbindung des Material- mit dem Informationsfluss, für „Sales and Operations“-Projekte
(S&OP) und für kurz- sowie langfristige Planungs- und Entscheidungsprozesse.
49 Vgl. Nakamoto, 2008.
50 Vgl. Yahsi, 2017, S. 164. Zur Blockchain-Technologie und dessen möglichen Beitrag zur
vierten industriellen Revolution vgl. Tapscott/Tapscott, 2016, S. 8ff; Sundararajan, 2016, S.
58ff.
378 19 Makrologistische Infrastruktur

und für deren Richtigkeit bürgt. Trotzdem ermöglicht der Konsensmechanismus


eine sehr hohe Vertrauenswürdigkeit der bestehenden Datenbasis, welches aber
durch das Netzwerk als Ganzes und nicht durch einen zentralen Akteur gewähr-
leistet wird.51
Die folgenden vier Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain-Technologie in
der Logistik werden in der relevanten Literatur diskutiert und sind zum Teil in der
betrieblichen Praxis umgesetzt:52
x Ersatz der EDI-Technologie: Statt einer rein bilateralen Informationsbeziehung
könnten Daten auch innerhalb eines gesamten Netzwerks ausgetauscht werden.
Der Datentransfer ist mit der Blockchain-Technologie wesentlich sicherer und
kostengünstiger. Doch werden insbesondere die Fragen nach der Datensicherheit
(bei sensiblen Informationen) die Entwicklung der Blockchain als Substitut für
die EDI-Technologie zunächst zurückhalten.
x Tracking & Tracing von Gütern: Wird beispielsweise durch die Nutzung der
RFID-Technologie eine direkte technologische Verbindung zwischen dem Gü-
ter- und Informationsfluss aufgebaut und mit der Blockchain-Technologie ver-
bunden, dann kann einerseits die Lokation und der Zustand jedes einzelnen Gu-
tes in der Blockchain gespeichert werden. Andererseits können sogenannte
smarte Kontrakte (Algorithmen, die auf Basis von Ereignissen in der Block-
chain-Infrastruktur nach vordefinierten Regeln entscheiden und so Verträge ent-
stehen) auf der Basis von Lokationsdaten völlig autark über die nächsten Schritte
entscheiden.
x Transparenz über Warenflüsse: Werden die Daten über die Warenein- und Wa-
renausgänge kontinuierlich in der Blockchain von allen Netzwerkakteuren do-
kumentiert, dann besteht einerseits eine größere Transparenz über die Warenflüs-
se selbst, aber auch über die beteiligten Akteure in der Wertschöpfungskette. Ein
großer Automobilkonzern am Ende einer Transportkette würde auf diese Weise
einen Überblick über seine Lieferanten auf der zweiten bis zur letzten Zulieferer-
stufe erlangen können.
x Kooperative Finanzierung der Supply Chain (Deep-Tier-Financing): Die Block-
chain-Technologie, deren eigentliche Intention das Ermöglichen eines Finanz-
systems ohne zentrale Intermediäre war, könnte für das Management der finanzi-
ellen Flüsse in einer Wertschöpfungskette genutzt werden. Einerseits könnten
innerhalb einer Supply-Chain finanzielle Werte in Sekundenschnelle und fast
ohne jegliche Transaktionskosten ausgetauscht werden. Dies wäre in dem Falle
sogar ohne den Einbezug einer dritten Partei – beispielsweise einer Bank – mög-
lich. Andererseits ist es möglich den Prozess der Akkreditivfinanzierung 53 als
Option der „Trade-Financing“-Lösung zu revolutionieren. Dadurch würde man

51 Für eine sehr detaillierte Diskussion der Blockchain-Technologie und der Entstehung einer
Transaktion durch den Konsensmechanismus vgl. Yahsi, 2017, S. 161-171.
52 Zu den im Folgenden genannten Anwendungsmöglichkeiten in der betrieblichen Praxis vgl.
Cecere, 2017, S. 60-61.
53 Siehe dazu bei der internationalen Logistik. Abb. 20.9.
19.2 Infrastruktur des Informationsflusses 379

erstens den administrativen Aufwand extrem reduzieren und zweitens die Finan-
zierung von Lieferanten über mehrere Wertschöpfungsstufen (mit regelmäßig
hohem Refinanzierungszins) mit dem in der Supply-Chain bestmöglichen Zins-
satz ermöglichen.54

Externe Kommunikationsinfrastruktur und -technologie


Im makrologistischen System interessiert an erster Stelle die Entwicklung der ex-
ternen Kommunikationsinfrastruktur bzw. -technologie, die im B2B-Bereich der
Kommunikation zwischen Betrieben bzw. Unternehmen und im B2C-Bereich
zwischen Unternehmen und Endverbrauchern dient. Während früher in der Bun-
desrepublik Deutschland die Deutsche Telekom den Markt für Kommunikati-
onsinfrastruktur dominiert hat, gibt es heute diverse Unternehmen, die verschiede-
ne Lösungen für Unternehmen und auch Endverbraucher anbieten. Die
Entwicklungsrichtung der Kommunikationstechnik lässt sich durch vier miteinan-
der verbundene Trends beschreiben:
x Die wachsende Verfügbarkeit breitbandiger Mobilfunkdienste ermöglicht un-
abhängig von stationären Anschlüssen Kommunikation von und zu jedem Ort.
x Netze mit sehr hohen Übertragungsgeschwindigkeiten erlauben die Übertra-
gung großer Datenmengen und den Betrieb von Multimediaanwendungen über
das Internet.
x Internationale Standards und die Verknüpfung nationaler Netze verringern die
Bedeutung von Ländergrenzen. Deutlich wird das vor allem am Internet, das
heute ein leistungsfähiges und kostengünstiges Netzwerk zum Datentransfer
darstellt, das keine Ländergrenzen kennt.
x Mehrwertdienste und elektronische Dienstleistungen setzen auf öffentlichen
oder privaten Netzen auf und erweitern diese um zusätzliche Leistungsangebo-
te. Beispiele sind die Übernahme der Zahlungsabwicklung durch Clearingstel-
len oder Informationsangebote durch Onlinedienste.
Einige wichtige Netze und Dienste zur Datenkommunikation werden nachfol-
gend erläutert:55
Netze:
x Öffentliche Netze: Form des Datenaustausches auf der Grundlage öffentlich an-
erkannter, meist internationaler Standards, i. d. R. das Internet.

54 Vgl. für ein Beispiel der Nutzung der Blockchain im Rahmen eines Supply-Chain-Finance-
Konzepts: Yahsi, 2017, S. 297ff. Vgl. zum Deep-Tier-Financing Pfohl/Yahsi (2017).
55 Netz-(werk) bezeichnet hier den Zusammenschluss elektronischer Systeme, die damit die
Infrastruktur für das Angebot von (Netzwerk-)Diensten bilden. Dienste ermöglichen es, In-
formationen einer bestimmten Art über solche Netzwerke zu transportieren. Zu Datennetzen
vgl. Schneider/Werner 2007, S. 308ff.
380 19 Makrologistische Infrastruktur

x Private Netze: Private Netze beschränken sich auf eine oder wenige beteiligte
Organisationen. Es handelt sich im Allgemeinen um lokale Netze, die sich in
einem Gebäude oder abgeschlossenen Gebiet (z. B. Firmengelände) befinden.
Zur Verbindung mehrerer Standorte dienen virtuelle private Netze (VPN), die
die Infrastruktur öffentlicher Netze nutzen und durch Verschlüsselung den Zu-
griff auf die übertragenen Daten verhindern.
x Funknetze: Bei den Funknetzen müssen auf der einen Seite die nationalen
GSM- (Global System for Mobile Communications) und UMTS-Netze (Uni-
versal Mobile Telecommunications System) der Mobilfunkanbieter sowie auf
der anderen Seite die lokalen Funknetze von Unternehmen und Privatleuten auf
Basis der WLAN-Standards (Wireless Local Area Network) unterschieden
werden. GSM und UMTS sind Mobilfunknetze der zweiten bzw. dritten Gene-
ration, die weltweit einheitlichen Standards entsprechen. UMTS ermöglicht
bspw. mit dem HSDPA-Verfahren (High Speed Downlink Packet Access)
Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 7,2 Mbit/s. Funknetze nach dem
WLAN-Standard IEEE 802.11 können hingegen an beliebigen Orten mit der
gewünschten Ausdehnung aufgebaut werden stellen mit Übertragungsraten von
über 100 Mbit/s eine sehr gute Infrastruktur für private Netze dar. Darüber hin-
aus gibt es noch einige spezielle Funknetze, die bspw. zur Überbrückung langer
Distanzen (z. B. WIMAX, GNSS) oder zur dezentralen Kommunikation tech-
nischer Geräte untereinander (z. B. Bluetooth) verwendet werden.56
x Kabelgebundene Netzwerke: Der am meisten verbreitete Standard für kabelge-
bundene Netze zum Anschluss an das Internet ist DSL (Digital Subscriber
Line). DSL bezeichnet eine Reihe von Standards, die nicht benutzte Frequen-
zen in Telefonleitungen zur schnellen Datenübertragung verwerten und somit
eine einfache Möglichkeit der breitbandigen Internetanbindung darstellen. Je
nach Standard können auf Basis von DSL Übertragungsraten von bis zu 210
Mbit/s erreicht werden (VDSL). Neben DSL gibt es auch die Möglichkeit über
TV-Kabel oder das Stromnetz an das Internet angebunden zu werden. Unter-
nehmen haben darüber hinaus die Möglichkeit, bspw. eigene Glasfaserleitun-
gen für sehr hohe Übertragungsraten zu mieten.
Kommunikationsdienste:
x Telefondienste: Durch die Trennung von Systemlogik und Dienst im intelligen-
ten Netz werden flexible Tarifierung, orts- und zeitabhängige Verkehrsführung
auf die Zielanschlüsse und automatische Anrufverteilung und Rerouting mög-
lich. Beispiele sind der Service 130, der Service 190 für private Informations-
anbieter, Telebox, Telefonkonferenz, Televotum und Teledialog.
x Telefax (Fernkopierer): Kopien entstehen nicht am Ort des Originals, sondern
bei räumlich entfernten Empfängern. Endgeräte sind spezielle Faxgeräte oder
mit Faxkarten ausgerüstete Computer. Telefax ist ein rein analoges Verfahren,

56 Vgl. Schenk, 2015, S. 264-266.


19.3 Verkehrspolitik 381

welches aufgrund der rasanten, technologischen Entwicklung weiterhin an Be-


deutung in der betrieblichen Praxis verliert.
x Satellitenmobilfunksysteme: Satellitenmobilfunknetze sind weltweit (je nach
Netz mit Ausnahme bestimmter Regionen) empfangbare Mobilfunknetze zur
Sprach- und Datenkommunikation. Mobile Satellitenfunkanlagen werden meist
auf Schiffen, Flugzeugen und Lkw installiert. Es gibt auch mobile Geräte, die
sich aber in Größe und Gewicht erheblich von üblichen Mobiltelefonen unter-
scheiden. Diese Geräte benötigen zur Kommunikation keine Basisstationen,
sondern kommunizieren direkt über Satelliten in den Erdumlaufbahnen unter-
einander oder mit Anschlüssen in normalen Telefonnetzen.
x Satellitennavigationssysteme: Neben Satellitenkommunikation hat die Satelli-
tennavigation (z. B. GPS – Gobal Positioning System und GLONASS – Globa-
les Navigations Satelliten System) die größere Bedeutung. Mit geeigneten Na-
vigationsempfängern ist die Standortbestimmung mobiler Einheiten mit einer
Genauigkeit von ca. 10 m möglich. Werden Satelliten außerdem durch Diffe-
renzial-GPS-Korrekturdaten (DGPS) oder einer Wegstreckungsmessung (O-
dometrie) unterstützt, kann die Genauigkeit der Ortung auf bis zu 0,5 m gestei-
gert werden. 57 In Verbindung mit auf Datenträgern gespeichertem
Kartenmaterial sind Navigationssysteme zur Unterstützung im Straßenverkehr
weit verbreitet. Auf Schiffen und in Flugzeugen sind diese Systeme bereits län-
ger Standard. Die Kombination verschiedener hier genannter Systeme, z. B.
Mobilfunk und Satellitenmobilfunk zur kontinuierlichen Kommunikation sowie
Satellitennavigation zur Ortsbestimmung, ermöglicht ein globales Tracking &
Tracing der damit ausgestatteten Transporteinheiten, z. B. auf Basis von Trans-
portbehältern oder Verkehrsmitteln.
x Terrestrische Ortungssysteme: Die terrestrischen Ortungssysteme nutzen stati-
onäre Lesestationen, die Merkmale zur Identifikation an logistischen Objekten
lesen und an (in der Regel) zentrale IT-Systeme weiterleiten. Je höher die Dich-
te der Aufbau von Lesestationen erfolgt, umso höher ist auch die Ortungs-
genauigkeit. Eine zentimetergenaue Ortung kann deshalb nur dann erfolgen,
wenn bis zu tausend Messungen pro Sekunde erfolgen.

19.3 Verkehrspolitik
Die Verkehrsinfrastruktur ist von herausragender Bedeutung für eine Volkswirt-
schaft. Zwar kann nicht unbedingt davon ausgegangen werden, dass die Infra-
struktur im gleichen Maße wachsen muss wie die Wirtschaft, 58 doch würde ein
unzureichendes Verkehrsnetz die wirtschaftliche Entwicklung behindern. Gerade
im Hinblick auf eine zunehmende Arbeitsteilung im Wirtschaftsleben, die in der

57 Vgl. Schenk, 2015, S. 266.


58 Vgl. Rommerskirchen, 1999, S. 231f.; Baum, 1995, S. 14ff.
382 19 Makrologistische Infrastruktur

Regel den Transport von Gütern zwischen den beteiligten Unternehmen zur Folge
hat, gewinnen die Verkehrsinfrastruktur und die Bedingungen und Kosten, zu de-
nen diese genutzt werden können, an Bedeutung. 59 Gleichzeitig wird durch den
Verkehr die Umwelt belastet, so dass sowohl der Umfang als auch die Art der
Nutzung der Verkehrsnetze im Hinblick auf die Umweltbelastung zu steuern sind.

Entwicklung der Infrastrukturbelastung


Die makrologistische Infrastruktur der Bundesrepublik Deutschland weist Engpäs-
se auf. Es wird schon lange von einer Infrastrukturkrise des Verkehrs gespro-
chen.60 Es wird sogar vor dem „Verkehrsinfarkt“ und noch schlimmer vor dem
„Verkehrskollaps“ gewarnt.61 Betrachtet man die bisherige Verkehrsentwicklung
und vorliegende Prognosen, so sind diese Befürchtungen verständlich. Am deut-
lichsten wird dies im Falle des Straßenverkehrs.
Beim Straßengüterverkehr nimmt die Verkehrsleistung im Straßengüterfern-
verkehr seit 1945 laufend zu. So stieg sie z. B. von 80 Mrd. tkm (1980) auf 140,0
Mrd. tkm (1992, nur alte Bundesländer). 62 2014 lag sie bei 172,5 Mrd. tkm. 63
Auch der Straßengüternahverkehr hat stark zugenommen. Er wuchs allein zwi-
schen 1980 und 1992 um etwa 20%. Zusätzlich wird die Straßeninfrastruktur
durch den Pkw-Verkehr belastet. Der Bestand an Personenkraftwagen stieg von
42,3 Mio. (1999) auf 43,8 Mio. (2014) an. 64 Hierdurch ergab sich für den Zeitraum
von 1999-2014 eine Steigerung der gesamten Fahrleistung um etwa 13 %, wobei
sich die durchschnittliche Fahrleistung [km] pro Pkw und Jahr in diesem Zeitraum
kaum veränderte.65 Zwischen 1999 und 2014 hat die durchschnittliche Fahrleis-
tung [km] pro PKW aller in Deutschland zugelassenen Pkw um 0,6 % zugenom-
men.66 Dies deutet darauf hin, dass die Zunahme der Fahrleistung pro Pkw in den
letzten Jahren zurückgegangen ist. Ursächlich für die Probleme im Straßenverkehr
sind vor allem die bereits in Abschnitt 2.1 dieses Kapitels angesprochenen lokalen
und zeitlichen (Berufsverkehr) Spitzenbelastungen.
Beim Schienengüterverkehr ist die Verkehrsleistung von 1999 bis 2014 um et-
wa 18% gestiegen. Die Verkehrsleistung im Personenverkehr hat im Zeitraum von
1998 bis 2014 stetig zugenommen – etwa 40%. Die Anzahl der Fahrgäste ist in
den vergangenen Jahren ebenfalls gestiegen.

59 Vgl. Merath, 1995, S. 284.


60 Vgl. Hamm, 1987, S. 423ff.; Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Ver-
kehr, 1987, S. 136ff.; Willeke, 1989.
61 Vgl. Arnold u.a., 2008, S. 1017.
62 Vgl. Bundesministerium für Verkehr, 1994, S. 228f.
63 Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2016, S. 244f.
64 Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2016, S. 132f.
65 Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2016, S. 132f.
66 Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2016, S. 152f.
19.3 Verkehrspolitik 383

Beim Luftverkehr hat sich sowohl die Verkehrsleistung im Personenverkehr als


auch die Anzahl der Fluggäste von 1998 bis 2014 beinahe verdoppelt. Im Gegen-
satz zum Schienenverkehr war das absolute Wachstum pro Jahr in dieser Zeit na-
hezu konstant. 67 Gleichzeitig hat auch das Aufkommen an Luftfracht im gleichen
Zeitraum um etwa 123 % zugenommen.68
Die realen Bruttoanlageninvestitionen in Verkehrswege sind nur leicht gestie-
gen. Beispielsweise gingen die Bruttoanlageninvestitionen in Straßen und Brücken
zu Preisen von 1998 von 10,8 Mrd. EUR auf 11,7 Mrd. EUR (2014) zurück. Die
Bruttoanlageninvestitionen in Eisenbahnen zu Preisen von 1998 ist von 5,1 Mrd.
EUR auf 6,6 Mrd. EUR (2014) gestiegen. 69
Die aufgezeigte Entwicklung spiegelt sich auch in den Prognosen des zukünfti-
gen Verkehrsaufkommens wider. 70 Für den Bundesverkehrswegeplan 2030
(BVWP) wurde die Verkehrsentwicklung bis zum Jahre 2030 geschätzt. Diese
Schätzungen wurden regelmäßig überarbeitet und die Planungen den neuen Prog-
nosen aber auch veränderten verkehrpolitischen Zielsetzungen angepasst. Der
BVWP 2030 verfolgt das Ziel, die Aufgabe der Verkehrspolitik darin zu sehen,
das Verkehrssystem als Ganzes zu stärken. Seine Schwerpunkte sind:
x „Mobilität im Personenverkehr ermöglichen,
x Sicherstellung der Güterversorgung, Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit von
Unternehmen,
x Erhöhung der Verkehrssicherheit,
x Reduktion der Emissionen von Schadstoffen und Treibhausgasen,
x Begrenzung der Inanspruchnahme von Natur und Landschaft,
x Verbesserung der Lebensqualität einschließlich der Lärmsituation in Regionen
und Städten.“71
Die Ursachen für die skizzierte Entwicklung und damit für die infrastrukturelle
Engpasssituation sind vielfältig. Zum einen ist die Nachfrage nach Verkehrsleis-
tungen mit dem allgemeinen Wachstum der Wirtschaft gestiegen, wenngleich die
Transportelastizität in Deutschland seit Mitte der siebziger Jahre kleiner als 1 ge-
worden ist. Weiterhin hat die Veränderung der Güterstruktur und das Anwachsen
der qualitativen Anforderungen an die Verkehrsleistung zur Verschiebung des
Modal-Split zugunsten des Straßentransports geführt. Schließlich spielen sicher-
lich auch ordnungspolitische Fehlentwicklungen eine Rolle, die z. B. zu einem
hohen Leerfahrtenanteil im Werkverkehr führten. Ein weiterer wesentlicher Ursa-

67 Eine Ausnahme bilden die Jahre 2001 und 2002, in denen aufgrund der geplatzten Dotcom-
Blase und der SARS-Epidemie das Flugaufkommen zurück ging. Anschließend setzte sich
der nahezu lineare Trend weiter fort. Vgl. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.
(DLR), 2008, S. 5ff.
68 Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2016, S. 90f.
69 Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2016, S. 22.
70 Vgl. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2016.
71 Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2016, S. 5ff.
384 19 Makrologistische Infrastruktur

chenkomplex ist die zunehmende Internationalisierung, die mit der Verwirkli-


chung des europäischen Binnenmarktes und der Öffnung Mittel- und Osteuropas
einhergegangen ist. Gerade beim grenzüberschreitenden Güterverkehr kam es in
der Vergangenheit zu sehr deutlichen Anteilsverschiebungen zugunsten der Stra-
ße.

Infrastrukturpolitik
Das Feld der Infrastrukturpolitik kann in angebotsorientierte und nachfrageorien-
tierte Politiken differenziert werden. Die Angebotspolitik zielt auf die ausreichen-
de Versorgung mit logistischer Infrastruktur ab. Dies soll insbesondere durch die
Schaffung neuer Verkehrswege und Umschlagseinrichtungen erreicht werden.
Gegenstand einer verkehrlichen Nachfragepolitik ist das Einwirken auf die Ver-
kehrsnachfrage, um eine Entlastung der bestehenden Infrastruktur zu erreichen.
Aufgrund der aufgezeigten Prognosen und mit Hilfe einer Bewertungsmetho-
dik, die ökonomische, ökologische und städtebauliche Kriterien berücksichtigt,
wurde im Masterplan Güterverkehr und Logistik ein vordringlicher Infrastruktur-
und Vernetzungsbedarf identifiziert. Dieser umfasst neben neuen Vorhaben, die
als besonders vorteilhaft bewertet wurden, auch solche, die bereits im BVWP
2030 vordringlich waren und noch nicht oder nur teilweise realisiert sind. 72 Im
Bundesverkehrswegeplan ist bis Ende 2030 ein Investitionsvolumen für die Berei-
che Schiene, Bundesfernstraßen und Bundeswasserstraßen von 264,5 Mrd. EUR
veranschlagt. Davon entfallen etwa 40,3% auf das Schienennetz und 55,4% auf
die Bundesfernstraßen. Davon sind lediglich 25,2 Mrd. EUR für neue Vorhaben
vorgesehen. Der größte Teil ist für die laufenden und fest disponierten Vorhaben
vorgesehen.73
Ein Hauptziel ist die Vernetzung der Verkehrsträger zu einem integrierten Ver-
kehrssystem, deshalb wird der Kombinierte Verkehr weiterhin stark gefördert. Die
See-, Binnen- und Flughäfen spielen in einem integrierten Verkehrssystem eine
tragende Rolle als ideale Schnittstellen für die Verknüpfung der Verkehrsträger.
Ein Beispiel dafür sind die Hinterlandanbindungen der deutschen Seehäfen.
In Zukunft ist allerdings damit zu rechnen, dass die zumeist national ausgerich-
teten Infrastrukturmaßnahmen zunehmend internationalen Projekten weichen.
Dies wird vor allem durch den fortschreitenden Prozess der europäischen Integra-
tion vorangetrieben. Der grenzüberschreitende Personen- und Güterverkehr zwi-
schen den beteiligten EU-Staaten wächst. Außerdem erfordert die Integration mit-
tel- und osteuropäischer Staaten in die europäische Union und die zunehmende
wirtschaftliche und politische Öffnung gegenüber diesen Ländern eine Verbesse-
rung der Verkehrsinfrastruktur in den Grenzgebieten, an den Grenzübergängen
und auch in diesen Ländern.74

72 Vgl. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2016, S. 6.


73 Vgl. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2016, S. 1ff.
74 Vgl. Aurbach, 1999, S. 21ff.
Literatur 385

Heute bilden Straße und Schiene schon ein gut funktionierendes Rückgrat für
die Entwicklung der ostdeutschen Wirtschaft. Im BVWP 2030 steht der Bau von
Ortsumgehungen für den Aufbau Ost stärker im Mittelpunkt.
Neben dem Ausbau der Infrastruktur sind die fiskalpolitischen Maßnahmen zur
Reduktion und Verlagerung von Verkehren – als wesentliche Bestandteile der ver-
kehrlichen Nachfragepolitik – von besonderer Bedeutung. Eine Möglichkeit hier-
bei ist die Verteuerung bestimmter Verkehre durch entsprechende Steuern und
Abgaben, z. B. die sog. Ökosteuer auf Benzin und Diesel. Voraussetzung dafür ist
jedoch, dass die Verkehrsnachfrage eine ausreichend hohe Preiselastizität auf-
weist.75 Neben den bisherigen Steuern – Mineralölsteuer und Kfz-Steuer – müssen
z. B. in Deutschland deutsche und ausländische Betreiber von Lkw mit mindestens
7,5 t zulässigem Gesamtgewicht, die die Bundesautobahnen und einen Teil der
Bundesstraßen, seit dem 31.08.2003 und ab 01.07.2018 für alle Bundesstraßen ei-
ne gewisse Benutzungsgebühr entrichten (die Spannbreite der Mautsätze liegt
zwischen 8,1 und 21,8 Eurocent).76 Die Lkw werden in sechs Mautkategorien ein-
geteilt, wobei die Höhe der Mautgebühr von der Anzahl der Achsen der Fahrzeuge
und der Schadstoffklasse abhängig ist. Lkw-Maut wird ebenfalls als eine Maß-
nahme zur Verkehrsinfrastrukturfinanzierung angesehen.77

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75 Vgl. Strese, 1994, S. 200.


76 Vgl. Toll Collect, 2017.
77 Vgl. Haase, 2005, S. 163f.
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20 Internationale Logistiksysteme

20.1 Besonderheiten der internationalen Logistik

Grundlagen
Mit der heute immer mehr zunehmenden weltwirtschaftlichen Verflechtung steigt
die Bedeutung der internationalen Logistik, deren Besonderheiten daraus resultie-
ren, dass Liefer- und Empfangspunkte von Gütern in verschiedenen Ländern lie-
gen. Es geht also um die Planung, Realisation und Kontrolle von grenzüberschrei-
tenden Informations- und Güterflüssen. Die Besonderheiten gegenüber nationalen
Logistiksystemen können dabei im Einzelfall sehr unterschiedlich in den logisti-
schen Teilsystemen Auftragsabwicklung, Lagerhaltung, Lagerhaus, Verpackung
und Transport auftreten. Die theoretischen Grundlagen zur Behandlung der Be-
sonderheiten einer internationalen Logistik sind notwendigerweise einerseits den
Grundlagen der Logistikkonzeption, andererseits den Grundlagen des internationa-
len Managements zu entnehmen.
Das für die Logistikkonzeption charakteristische Systemdenken sowie das dar-
aus resultierende Gesamt- oder Totalkostendenken und das Servicedenken gelten
grundsätzlich sowohl für die Lösung nationaler als auch internationaler Logistik-
probleme. Internationale Logistiksysteme sind lediglich in dem Sinne komplexer,
als sich die Rahmenbedingungen (die Umwelt) für Logistikprozesse (z. B. Trans-
portieren, Lagern) von Land zu Land unterscheiden können. 1 Bei der Analyse der
Kosteninterdependenzen sind nicht nur die in den logistischen Teilsystemen ver-
ursachten funktionalen Logistikkosten, sondern zusätzlich die durch politische und
ökonomische Handelshemmnisse verursachten Kosten zu berücksichtigen. Auch
die vom Logistiksystem zu erbringenden Lieferserviceanforderungen variieren
häufig von Land zu Land.
Für das internationale Management, das sich mit den auf Dauer angelegten
grenzüberschreitenden Aktivitäten von Unternehmen befasst, lassen sich drei kon-
zeptionelle Forschungsschwerpunkte nennen. 2 Auslandsmanagement (die Unter-
nehmung hat eine Auslandsabteilung) behandelt die ökonomischen, politisch-
rechtlichen und sozialen Besonderheiten, die für die Geschäftstätigkeit auf auslän-
dischen Märkten von Bedeutung sind. Viele dieser Besonderheiten betreffen die
Informations- und Güterströme in Logistiksystemen. Verbundkonzeptionen zur

1 Vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 551ff.


2 Vgl. Macharzina/Engelhardt, 1987, S. 322ff. Zu Internationalisierungsstrategien vgl. Holt-
brügge/Welge, 2010, S. 93ff.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018


H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4_20
390 20 Internationale Logistiksysteme

Nutzung von Synergieeffekten beziehen sich allerdings allenfalls auf Maßnahmen


und Programme im Bereich absatzpolitischer Instrumente. Im Mittelpunkt des in-
ternationalen Managements - im Sinne von multinationalem Management - (die
Unternehmung ist multinational) steht die Gestaltung von in mehreren Ländern
mit Direktinvestitionen präsenten Unternehmen. Trotz der geographischen Streu-
ung der Unternehmensaktivitäten sollen sie zur Nutzung von Synergieeffekten
weitgehend einheitlich ausgerichtet werden. Standardisierungs- und Zentralisie-
rungspostulate betreffen einerseits, z. B. über einen Produktionsverbund, indirekt
die Logistiksysteme, da nur sie einen solchen Verbund ermöglichen. Andererseits
betreffen diese Postulate die Logistiksysteme direkt, z. B. in Form der Forderung
nach einem Zentrallager für die Distribution in allen westeuropäischen Ländern.
Für das internationale Management im Sinne von globalem Management
(Cosmocorporation) schließlich ist die Nationalität kein Entscheidungskriterium
mehr. Zur größtmöglichen Ausnutzung von Synergieeffekten und komparativen
Vorteilen wird die Bearbeitung länderübergreifender gemeinsamer Marktsegmente
des Weltmarktes angestrebt. Für sie wird ein einheitlicher Marketingmix – das
auch den Lieferservice als Marketinginstrument enthält – konzipiert sowie im
Verbund beschafft und produziert. Alle Logistiksysteme sind also von globalen
Managemententscheidungen betroffen.

Rahmenbedingungen (Umwelt) für Logistikprozesse


Die Rahmenbedingungen für die Gestaltung internationaler Logistiksysteme im
Unterschied zur Gestaltung nationaler Logistiksysteme lassen sich in allgemeine
und länderspezifische Rahmenbedingungen aufgliedern. Zu den allgemeinen
Rahmenbedingungen, die die grenzüberschreitenden Logistikprozesse charakteri-
sieren, zählen in erster Linie Transportentfernungen, Transportmittel, Institutio-
nen, Dokumente und Informationen:3
Transportentfernungen: Die von Logistiksystemen zu überbrückenden Entfernun-
gen sind größer, was ceteris paribus längere Liefer- bzw. Wiederbeschaffungszei-
ten, größere Unzuverlässigkeit sowohl bei der Nachfrageprognose als auch bei der
Einhaltung der Wiederbeschaffungszeit und größere Lagerbestände zur Folge hat.
Logistische Fehlentscheidungen können damit sowohl den Service als auch die
Kosten zu einem höheren Grad beeinflussen als in nationalen Logistiksystemen.
Transportmittel: In internationalen Logistiksystemen ist der Transport zwangsläu-
fig häufig als gebrochener intermodaler Verkehr, also mit Hilfe des Einsatzes ver-
schiedener Transportmittel, zu organisieren. Sieht man einmal von möglichen
Landbrücken ab, so stehen für interkontinentale Verbindungen der Seeverkehr und
der Luftverkehr, für kontinentale Verbindungen zusätzlich die Binnenschifffahrt,
der Straßen- und der Eisenbahnverkehr zur Verfügung. Zum Aufbau internationa-

3 Vgl. Nelson/Toledano, 1978, S. 2ff.; Bowersox/Sterling, 1982, S. 20ff.; S. 390ff.; Bender,


1985b, S. 782ff.; Wood, 1989, S. 101ff. Speziell zur internationalen Beschaffungslogistik
vgl. Pfohl/Large, 1991, S. 23ff.; Piontek, 1994, S. 123ff.
20.1 Besonderheiten der internationalen Logistik 391

ler Transportketten müssen demnach Transportmittel mit sehr unterschiedlichen


technischen Eigenschaften miteinander kombiniert werden. Aufgrund ihrer unter-
schiedlichen technischen Eigenschaften weisen die Transportmittel zudem ver-
schiedene Kostenstrukturen (Anteil fixer und variabler Kosten; Anteil Kapitalkos-
ten und Personalkosten) und Leistungsfähigkeiten (Schnelligkeit,
Netzbildungsfähigkeit usw.) auf. Deren Kenntnis ist unabdingbare Voraussetzung
für eine rationale Entscheidung beim Einkauf der Transportleistungen, insbeson-
dere auch für die Beurteilung der jeweiligen Preise.
Institutionen: Im Allgemeinen sind an der Planung, Realisation und Kontrolle in-
ternationaler Logistikprozesse mehrere Institutionen beteiligt. Dies gilt sowohl für
den physischen Güterfluss als auch für den ihn überlagernden Informationsfluss.
Hinzu kommt, dass bei internationaler Beschaffung oder Distribution der monetä-
re Fluss häufig eng mit dem logistischen Informations- und Güterfluss zusammen-
hängt, da die Zahlung z. B. von der Vorlage warenbegleitender Dokumente ab-
hängt. Abb. 20.1 gibt einen Eindruck von der Vielfalt der Institutionen. 4 Die in die
Beschaffungs- bzw. Absatzkanäle eingeschalteten Institutionen können sich von
Land zu Land unterscheiden. Ganz offensichtlich erfordern internationale Lo-
gistiksysteme mehr Koordination, mehr Kommunikation und mehr Kontrolle.
Dokumente: Die Vielfalt der in internationale Logistikprozesse involvierten Insti-
tutionen hat eine noch größere Vielfalt von Dokumenten zur Folge, die zwischen
den Institutionen ausgetauscht werden. 5 In einer kanadischen Untersuchung wur-
den für eine typische Sendung 46 verschiedene Dokumente mit insgesamt 360
Ausfertigungen ermittelt. Die einzelnen Dokumente sind auf die jeweiligen Infor-
mationsbedürfnisse der betreffenden Institution zugeschnitten. Sie sind vielfach
historisch entstanden und unterscheiden sich in ihrer Form, auch wenn sie die
gleichen Informationen enthalten. Auf jeden Fall werden durch die Dokumenten-
vielfalt die Kommunikation erschwert und höhere Kosten der Auftragsabwicklung
verursacht.6
Informationen: Eng mit den Dokumenten hängt auch das Sammeln, Übermitteln
und Transformieren der benötigten Informationen zusammen. Diese sind nicht in
allen beteiligten Institutionen in gleicher Weise vorhanden. Fehlende, fehlerhafte
oder verspätete Informationen beeinträchtigen den Service oder erhöhen die Lo-
gistikkosten. Barrieren im Informationsfluss hängen stark von unterschiedlichen
länderspezifischen Rahmenbedingungen ab.

4 Vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 521.


5 Vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 538f.
6 Zu Kostenunterschieden in der internationalen Logistik vgl. Schieck, 2008, S. 71f.
392 20 Internationale Logistiksysteme

internationale ausländische ausländische


Eisenbahnen Zollunionen
Rechtsprechung Zollbehörden Clearingstellen

International Air
Transport
Association (IATA) ausländische
Kunden Beteiligungs- Versicherungen Lagerhäuser
gesellschaften

Fluglinien
Verpackungs- inländische ausländische
lieferanten Unternehmen Transporteure Transporteure
Reedereien

inländische Handels- Hafen- und


Schifffahrts- Speditionen
Zollbehörden banken Terminalbehörden
konferenzen

inländische lokale lokale Handels- ausländische


Verwaltungen Steuerbehörden Verwaltungen rechtsprechung Verwaltungen

Abb. 20.1 Institutionen in internationalen Logistikprozessen (Quelle: in Anlehnung an Slater,


1980, S. 162)

Unter länderspezifischen Rahmenbedingungen sind die von Land zu Land un-


terschiedlichen Bedingungen für den Ablauf logistischer Prozesse zu verstehen.
Sie lassen sich entsprechend der Abb. 20.2 aufgliedern. 7
Rechtliche Rahmenbedingungen: Unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen
in verschiedenen Ländern haben ihre Ursache in den unterschiedlichen Auffas-
sungen über die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs auf den Märkten, auf denen
logistische Dienstleistungen angeboten und nachgefragt werden (zu solchen recht-
lichen Rahmenbedingungen gehören z. B. auch die die Nutzungszeit der Be-
triebsmittel beeinflussenden gesetzlichen Regelungen der Arbeitszeit einschließ-
lich der Urlaubs- und Feiertagsregelung). Dementsprechend reichen die
ordnungspolitischen Auffassungen von liberalen Vorstellungen bis zu dirigisti-
schen Reglementierungen. Zur Erleichterung des Güteraustauschs treten deshalb
neben die nationalen Gesetze bilaterale und multilaterale Abkommen mit dem Ziel
der Harmonisierung der einzelstaatlichen Regelungen.

7 Vgl. Pfohl/Large, 1991, S. 24ff.; Dülfer/Jöstingmeier, 2008, S. 213ff.


Abb. 20.2
internationaler Straßengüterverkehr Internationaler Eisenbahngüterverkehr internationaler
Randbedingungen Binnenschiffsgüterverkehr
z. B. z. B.
z. B.

• Kabotagekontingente nach EG- • Zugangsregelungen nach EG-


Verordnung Richtlinie
Rechtliche
• Gemeinschaftslizenzen für den • vereinfachtes gemeinschaftliches • Mannheimer Akte
Randbedingungen
grenzüberschreitenden Verkehr nach Versandverfahren nach EG-
EG-Verordnung Verordnung

• Kontrolle des mitgeführten Kraftstoffs, • Austausch der Güterwagen,


der Verkehrsgenehmigung, der Triebfahrzeuge und des • Kontrolle der Antriebskraftstoffmenge
nationalen Güterverkehrsgenehmigung Begleitpersonals an den Grenzen • Zulassungsprüfung der Schiffe für
Administrative
und der nationalen Sozialvorschriften • Dokumenten- und Warenkontrolle den Transport gefährlicher Güter
Randbedingungen
• Warenkontrollen • wagentechnische Untersuchungen • Material- und Bordvorrätekontrolle
• Arbeitszeitregelungen an Zollstellen • Vorrangstellung bestimmter • Arbeitszeiteinteilungen
• personelle Besetzung der Zollstellen Transporte
• zulässige Maße • Lichtraumprofile
Technische • zulässige Maße
• zulässige Achs- und Radlasten und • Spurweite der Gleise
Randbedingungen • zulässige Gesamtgewichte
Gesamtgewichte • zulässige Zugänge

Anlehnung an Zettelmeyer/Zöllner, 1986, S. 56)


• Kapazitäten auf den LKW Zu- und • Kapazitäten im Schienennetz
infrastrukturelle
Abfahrtsstrecken der Grenzübergänge – Alpentransversalen
und – Insellagen
• Breite und Tiefe der Wasserstraßen
• internationale Hauptverkehrsstraßen
geographische • Rangierkapazitäten an den • Schleusenkapazitäten
• Durchgangszollstellen im
Randbedingungen Grenzbahnhöfen
internationalen Güterverkehr

kulturelle • unterschiedliche Sprachen • unterschiedliche Sprachen • unterschiedliche Sprachen


Randbedingungen • Wertsysteme • Feiertagsregelungen • Wertsysteme
20.1 Besonderheiten der internationalen Logistik
393

Länderspezifische Rahmenbedingungen für internationale Logistikprozesse mit


Beispielen des Straßen-, Eisenbahn- und Binnenschiffgüterverkehrs (Quelle: in
394 20 Internationale Logistiksysteme

Administrative Rahmenbedingungen: Sie kennzeichnen die Handhabung der recht-


lichen Regelungen und die Organisation der Abläufe bei grenzüberschreitenden
Informations- und Güterflüssen und sind das Ergebnis eingespielter Verwaltungs-
strukturen und -verfahren in den verschiedenen Ländern. Deshalb können auch
gleiche rechtliche Regelungen aufgrund ihrer unterschiedlichen Handhabung in
verschiedenen Ländern die Informations- und Güterflüsse sehr unterschiedlich be-
einflussen.
Technische Rahmenbedingungen: Sie sind teilweise ebenfalls das Ergebnis unter-
schiedlicher rechtlicher Regelungen, insbesondere über zulässige Abmessungen
und Gewichte der einsetzbaren Betriebsmittel. Sie können aber ebenso auf Unter-
schieden in der Investitionspolitik der Institutionen beruhen, die an den Logistik-
prozessen beteiligt sind. Beispiele hierfür sind die unterschiedliche Qualität der
Fuhrparks von Transportunternehmen und die unterschiedliche EDV-Ausstattung
von Speditionen in verschiedenen Ländern. Bei der Bahn sind unterschiedliche
Stromsysteme, Spurweiten und Lichtraumprofile im Laufe der Zeit gewachsen.
Infrastrukturelle und geographische Rahmenbedingungen: Sie resultieren zu-
nächst aus den topographischen Gegebenheiten der verschiedenen Länder. Des
Weiteren sind sie das Ergebnis nationaler Verkehrswege- und Kommunikations-
netzpolitiken. Erst in neuerer Zeit wird im Rahmen von größeren Wirtschaftsräu-
men wie der EU die Infrastruktur stärker multinational orientiert. Besondere Be-
deutung kommt den infrastrukturellen Rahmenbedingungen an den
Grenzübergängen zu, wo beschränkte Abfertigungskapazitäten internationale Lo-
gistikprozesse behindern.
Kulturelle Rahmenbedingungen: Die unterschiedlichen Lebensgewohnheiten,
Mentalitäten, Ausbildungssysteme und Sprachen in verschiedenen Ländern sind
eine wesentliche Barriere für die Organisation internationaler Logistiksysteme.
Nicht nur die Kommunikation wird dadurch erschwert, sondern die unterschiedli-
che Leistungsfähigkeit und -bereitschaft des Logistikpersonals, bedingt durch un-
terschiedliche Ausbildungs-, Lebens- und Wertestandards in verschiedenen Län-
dern führen dazu, dass reibungslos funktionierende Logistiksysteme eines Landes
nicht ohne weiteres in anderen Länder übernommen werden können.

Kosten
Die unterschiedlichen länderspezifischen Rahmenbedingungen sind der Grund für
die Unterschiede im Anteil der Logistikkosten am Umsatz eines Produktes und in
ihrer Zusammensetzung in verschiedenen Ländern. Den umfassendsten aktuellen
Vergleich von Logistikkosten in Europa liefert wohl derzeit die Top-100-Studie
von KLAUS und KILLE.8 Für verschiedene europäische Länder zeigt sie die unter-
schiedliche Verteilung der Logistikkosten auf die verrichtungsspezifischen Sub-
systeme der Logistik auf.

8 Vgl. Klaus/Kille, 2008, S. 159.


20.1 Besonderheiten der internationalen Logistik 395

In einschlägigen Veröffentlichungen werden auch häufig die Daten der Erhe-


bungen von DAVIS angeführt. Diese zeigen, dass 2007 der Logistikkostenanteil
vom Umsatz in den USA mit 9,74% höher war als in EU-Ländern mit 8,39%.9
Diese Ergebnisse sollten jedoch nicht derart interpretiert werden, dass Unterneh-
men bestimmter Länder besonders effizient logistische Prozesse durchführen. Die
unterschiedlichen Werte spiegeln vor allem auch unterschiedliche geographische,
demographische und kulturelle Rahmenbedingungen wider, wobei zu den letzteren
sicherlich auch der Grad der Implementierung der Logistikkonzeption zählt.
Die Kosten, die den grenzüberschreitenden Informations- und Güterflüssen zu-
zurechnen sind, lassen sich in funktionale Kosten und Handelsbarrierekosten auf-
gliedern.10 Die funktionalen Kosten werden durch die Aktivitäten in den logisti-
schen Teilsystemen verursacht. Diese Logistikkosten werden für ein bestimmtes
Produkt aufgrund der geschilderten Rahmenbedingungen in internationalen Lo-
gistiksystemen im Allgemeinen höher ausfallen als in nationalen Logistiksyste-
men. Hinzu kommen dann noch die Handelshemmniskosten.11 Sie werden nicht
durch logistische Leistungsgrößen, wie z. B. Entfernungen, Gewichte und Zeiten
verursacht, sondern durch Barrieren um nationale und multinationale Märkte.
Handelshemmnisse sind staatlich sanktionierte – also staatlich angeordnete oder
mit staatlicher Duldung angewendete – Eingriffe in den grenzüberschreitenden
Güter- und Leistungsaustausch, durch die alle Ausländer (Verletzung der Inlän-
derparität) oder bestimmte Ausländer (Verletzung der Meistbegünstigung) diskri-
miniert werden.
Tarifäre Handelshemmnisse sind alle Arten von Zöllen. Zu den nicht-tarifären
Handelshemmnissen zählen zunächst die direkt oder indirekt protektionistischen
Gesetze. Direkter Gesetzesprotektionismus beeinflusst offen den Außenhandel
(z. B. Einfuhrkontingente). Indirekt protektionistische Gesetze sind ursprünglich
oder angeblich zu anderen Zwecken erlassen worden, können aber durch das Er-
messen der Verwaltungsbehörden diskriminierend missbraucht werden (z. B.
Kennzeichnungszwang zum Verbraucherschutz). Der administrative Protektio-
nismus umfasst neben den Ermessensentscheidungen auch Willkürakte oder schi-
kanöses Verhalten der Verwaltung (z. B. diskriminierende Praktiken im öffentli-
chen Vergabewesen). Von Gefühlsprotektionismus spricht man schließlich bei
Appellen an das Nationalgefühl und Aufrufen zum Boykott (z. B. Appelle zum
Kauf einheimischer Produkte). Bei der Kostenanalyse internationaler Logistiksys-
teme sind zusätzlich zu den bekannten Zielkonflikten innerhalb der funktionalen
Kosten die möglichen Zielkonflikte zwischen funktionalen Kosten und Handels-
hemmniskosten und auch die möglichen Zielkonflikte innerhalb der Handels-
hemmniskosten zu berücksichtigen.

9 Vgl. Establish, Inc./Herbert W. Davis and Company, 2007, S. 16.


10 Vgl. Cook/Burley, 1985, S. 27ff.
11 Vgl. Quambusch, 1989.
396 20 Internationale Logistiksysteme

4,2
Zuverlässigkeit 4,5
3,7

3,2
Kosten 3,2
3,1

3,0
Reaktionsfähigkeit 3,4
3,3

2,8
Flexibilität 2,6
2,9

2,1 Deutschland
Ressourcenauslastung 1,7 USA
2,6 China

Abb. 20.3 Logistikziele in internationalen Vergleich. 1 = „geringe Bedeutung“ bis 5 = „hohe


Bedeutung“; Mittelwerte aus allen Antworten (Quelle: Straube/Pfohl, 2008, S. 19)

Service
Ebenso wie die Höhe der Logistikkosten kann aufgrund der länderspezifischen
Rahmenbedingungen die Höhe des Serviceniveaus bei den Lieferserviceelementen
in verschiedenen Ländern variieren. Beispielsweise sind aufgrund der wesentlich
geringeren geographischen Ausdehnung die Lieferzeiten in Japan in der Tendenz
kürzer als in den USA.12 Die Bedeutung einzelner Lieferserviceelemente als Ein-
flussfaktoren für die Einkaufsentscheidung kann ebenfalls in verschiedenen Län-
dern unterschiedlich eingeschätzt werden.
Eine 2008 in Deutschland, den USA und China durchgeführte Befragung stellt
die unterschiedlichen Logistikziele der befragten Industrieunternehmen in den drei
Ländern dar (vgl. Abb. 20.3). Obwohl sich die grundsätzliche Zielbewertung in
dem internationalen Vergleich nur gering unterscheidet, ergeben sich bei einer de-
taillierten Betrachtung einzelner Ziele dennoch Unterschiede.

12 Vgl. Stock/Lambert, 1982, S. 6.


20.2 Gestaltung internationaler Logistiksysteme 397

Typisch für die internationale Distributionslogistik ist, dass auch dem Standort
des Ersatzteillagers bzw. der Ersatzteilverfügbarkeit hohe Bedeutung beigemessen
wird.

20.2 Gestaltung internationaler Logistiksysteme

Wertkette als Grundlage der Gestaltung internationaler Logistiksysteme


PORTER klassifiziert Internationalisierungsstrategien, für die bei den Grundlagen
der internationalen Logistik drei konzeptionelle Forschungsschwerpunkte genannt
wurden, nach den drei Dimensionen Wertkette, Systemkonfiguration und System-
koordination.13
In Abb. 20.4 ist das Modell der Wertkette dargestellt. Die Wertkette zeigt, wie
sich der Gesamtwert eines Produktes – der Betrag, den die Kunden zu zahlen be-
reit sind – aus den Wertschöpfungsaktivitäten und der Gewinnspanne zusammen-
setzt. Im unteren Teil der Kette sind die primären Aktivitäten aufgeführt, die sich
mit der physischen Herstellung des Produktes und seiner Zurverfügungstellung
zur Nutzenstiftung beim Kunden befassen, wobei zwischen vorgelagerten und
nachgelagerten Aktivitäten unterschieden wird. Der obere Teil enthält die unter-
stützenden Aktivitäten (flankierenden Maßnahmen) zur Aufrechterhaltung der
primären Aktivitäten. PORTER sieht in den Wertaktivitäten die Bausteine von
Wettbewerbsvorteilen.
Die nachgelagerten Aktivitäten sind eng mit den Kunden verbunden und wer-
den tendenziell in den Ländern lokalisiert, in denen sich die Kunden befinden.
Denn in vielen Fällen werden durch diese Aktivitäten Wettbewerbsvorteile ge-
schaffen, die länderspezifisch sind. Vorgelagerte und unterstützende Aktivitäten
sind dagegen tendenziell nicht an ein bestimmtes Kundenland gebunden. Denn die
Wettbewerbsvorteile durch diese Aktivitäten ergeben sich eher aus der Gesamtheit
der Märkte, in denen das Unternehmen tätig ist, als durch seine Präsenz in jedem
einzelnen Land.
Die Aktivitäten in der Wertkette lassen sich nach den Dimensionen Konfigura-
tion (Zentralisation – Dezentralisation der Aktivitäten) und Koordination (hoher –
niedriger Koordinationsbedarf) charakterisieren. Für eine Zentralisation von Wer-
taktivitäten sprechen folgende Faktoren:
x „zunehmende Skalenerträge bei den Aktivitäten,
x das Voranschreiten auf der Lernkurve,
x die komparativen Kostenvorteile durch Konzentration der Aktivität auf einen
oder einige wenige Standorte,
x Koordinationsvorteile, die sich aus der geographischen Verknüpfung verwand-
ter Funktionen (z. B. F & E und Produktion) ergeben.“14

13 Porter, 1989, S. 25ff.


14 Porter, 1989, S. 32.
398 20 Internationale Logistiksysteme

Abb. 20.4 Modell der Wertkette (Quelle: Porter, 2014, S. 64)

Die ersten beiden Faktoren beeinflussen die Entscheidung über die Anzahl der
Standorte, an denen eine Aktivität durchgeführt wird. Die beiden letzten Faktoren
beeinflussen die Entscheidungen über die geographische Lage dieser Standorte.
Ebenso wie Logistikaktivitäten Bestandteil der gesamten Wertkette sind und
von den anderen Wertaktivitäten abhängen, ist die internationale Logistikstrategie
Bestandteil der Internationalisierungsstrategie. 15 Welche Logistikstrategie zu
wählen ist, kann also nur im Zusammenhang mit der gesamten Internationalisie-
rungsstrategie entschieden werden.16 Das gilt es zu beachten, wenn im Folgenden
die drei konzeptionellen Forschungsschwerpunkte des internationalen Manage-
ments im Hinblick auf logistische Fragestellungen diskutiert werden. Ausgegan-
gen wird hierbei von dem Schema in Abb. 20.5, das die Möglichkeiten des inter-
nationalen Markteintritts zeigt. 17 Für das Aktivitätsniveau in der internationalen
Logistik (gemessen z. B. durch den Personaleinsatz in diesem Bereich) postuliert
SLATER einen dem Produktlebenszyklus ähnlichen Verlauf.18 Grundlage dafür ist
die These eines evolutorischen Verlaufs des Internationalisierungsprozesses.
Dementsprechend nehmen die Logistikaktivitäten vom indirekten Export ausge-
hend über den direkten Export zu, erreichen bei der eigenen Auslandsmontage und
bestimmten Formen der eigenen Auslandsproduktion ihr Maximum und nehmen
danach bei anderen Formen der Auslandsproduktion und beim globalen Manage-
ment wieder ab. Die Aussagen bezüglich des Absatzkanals gelten analog für den

15 Zu Internationalisierungsstrategien und logistischen Anforderungen vgl. Baumgarten/Herter,


1999, S. 828ff.
16 Vgl. Porter, 1989, S. 50ff.
17 Vgl. Stock/Lambert, 2001, S. 519ff.; Dülfer/Jöstingmeier, 2008, S. 173ff.
18 Slater, 1980, S. 174. Siehe zur Produktlebenszyklustheorie als Internationalisierungstheorie
auch Holtbrügge/Welge, 2010, S. 55ff.
20.2 Gestaltung internationaler Logistiksysteme 399

Auslandsmanagement Multinationales Management Globales Management

• indirekter Export • direkter Export • weltweite Zentralisierung


– Inländisches – mit Direktinvestitionen in
Exportunternehmen Logistiksysteme im Ausland
– ausländisches
Importunternehmen

• direkter Export • Auslandsmontage • weltweite


– ohne Direktinvestitionen in – Beteiligung/ Dezentralisierung
Logistiksysteme im Ausland Gemeinschaftsunternehmen
– Lizenzproduktion im Ausland – eigene Montage

• Auslandsproduktion • Triade
– Beteiligung/
Gemeinschaftsunternehmen
– eigene Produktion

Abb. 20.5 Möglichkeiten des internationalen Markteintritts

Beschaffungskanal. Hier können die Formen quasinationale Beschaffung, indirek-


te Beschaffung, kurzfristige direkte Beschaffung, langfristige direkte Beschaffung,
multinationale Beschaffung und weltweit koordinierte Beschaffung unterschieden
werden.19

Das internationale Logistiksystem beim Auslandsmanagement


Beim Auslandsmanagement baut ein Unternehmen kein spezielles Logistiksystem
im Ausland auf, sondern bewältigt die Güter- und Informationsflüsse mit seinem
nationalen Logistiksystem bzw. mit fremden Logistiksystemen. Kein internationa-
les logistisches Know-how verlangt die Form des indirekten Exports, bei dem ein
inländischer Exporteur eingeschaltet wird, der alle grenzüberschreitenden Logis-
tikaktivitäten abwickelt. Wird dagegen ein ausländischer Importeur eingeschaltet,
so sind Kenntnisse über die grenzüberschreitenden Logistikaktivitäten notwendig,
deren Umfang allerdings vergleichsweise gering bleiben kann, wenn man das lo-
gistische Know-how des Importeurs nutzt oder Logistikaufgaben an international
tätige Logistikunternehmen ausgliedert.20
Beim direkten Export an den (nicht als Importeur spezialisierten) Handel oder
an die Verwender steigen die Anforderungen an das internationale logistische

19 Für eine ausführlichere Darstellung vgl. Pfohl/Large, 1991, S. 26ff.


20 Vgl. Stock/Lambert, 1982, S. 23ff.; Stock/Lambert, 2001, S. 535ff.
400 20 Internationale Logistiksysteme

Know-how, auch wenn noch keine Direktinvestitionen im Ausland vorgenommen


werden. Denn zusätzlich zu den grenzüberschreitenden Logistikaktivitäten des
Exports an Importeure müssen die Logistikaktivitäten in den ausländischen
Marktsegmenten wahrgenommen werden. Die Anforderungen können aber eben-
falls durch die Ausgliederung logistischer Aufgaben an Logistikunternehmen ver-
ringert werden.21
Durch Lizenzproduktion im Ausland kann der Aufbau eines internationalen Lo-
gistiksystems vermieden werden. Allerdings ist im Gegensatz zum indirekten Ex-
port mehr Einfluss auf den im Ausland anzubietenden Lieferservice möglich.
Denn die zu erfüllenden Lieferserviceanforderungen können auch Bestandteil des
Lizenzvertrages sein.22

Das internationale Logistiksystem beim multinationalen Management


Beim direkten Export mit Direktinvestitionen in Logistiksysteme im Ausland las-
sen sich vier Grundmodelle unterscheiden. 23 Prinzipiell sind diese Modelle auch
ohne Direktinvestitionen im Ausland zu realisieren, wenn die mit den Modellen
verbundenen Logistikaufgaben an Logistikunternehmen ausgegliedert werden.
Beim klassischen System betreibt die ausländische Niederlassung des exportie-
renden Unternehmens ein oder mehrere Lagerhäuser, in dem bzw. in denen um-
fangreiche Lagerbestände unterhalten werden. Dadurch kann die Lieferhäufigkeit
von der Produktionsstätte zu den Lagerhäusern reduziert werden. Da die Trans-
portzeit keine wesentliche Rolle spielt, können große Warenmengen – auch auf-
grund der Zusammenfassung (des Sammelns und Konsolidierens) verschiedener
Sendungen – mit kostengünstigen Transportmitteln bewegt werden. Durch die
großen Transporteinheiten kann die Dokumentenvielfalt reduziert werden. Ein
weiterer Kostenvorteil ergibt sich daraus, dass Zölle nicht auf die Kundenpreise,
sondern auf die unternehmensinternen Verrechnungspreise berechnet werden.
Diesen Kostenvorteilen stehen jedoch hohe Lagerhaltungskosten gegenüber. Sie
resultieren aus hohen Lagerbeständen während des langsamen Transports, Kapi-
talbindung in einer höheren Wertschöpfungsstufe und hohen Sicherheitsbeständen,
durch die der Lieferservice garantiert werden muss. Mit den im Land der Nieder-
lassung unterhaltenen Lagerbeständen ist allerdings eine positive psychologische
Wirkung auf den Kunden verbunden, bei dem dann weniger Widerstand gegen
den Kauf ausländischer Waren allgemein und gegen den Kauf von Waren aus ent-
fernt liegenden Ländern im Besonderen vorliegt.
Das Transitsystem unterscheidet sich vom klassischen System dadurch, dass im
ausländischen Lagerhaus keine Lagerbestände gehalten werden. Es dient lediglich
als Umschlagslager. Damit entfallen zwar die Vorteile des klassischen Systems,

21 Zur Ausgliederung logistischer Aufgaben an internationale Logistikdienstleister vgl. Piontek,


1994, S. 108ff.
22 Vgl. Stock/Lambert, 1982, S. 20; Stock/Lambert, 2001, S. 522.
23 Vgl. Picard, 1982, S. 28f.; Sletmo/Picard, 1985, S. 42f. Zu Grundstrukturen von Logistiksys-
temen siehe Abb. 1.2 in Teil I.
20.2 Gestaltung internationaler Logistiksysteme 401

aufgrund der für dieses System charakteristischen schnellen Transportmittel und


der zentralen Lagerhaltung beim exportierenden Unternehmen werden aber die
Lagerhaltungskosten gesenkt.
Das Regionalsystem ist zwischen dem klassischen System und dem Transitsys-
tem einzuordnen. Die Lagerhaltung wird von den Niederlassungen nicht zurück in
das Land des exportierenden Unternehmens, sondern in ein Lagerhaus (Distributi-
onszentrum) verlagert, das für eine aus mehreren Ländern bestehende Region zu-
ständig ist. Von dort werden die als Umschlagslager fungierenden Lagerhäuser der
Niederlassungen oder bei besonders eiligen bzw. großen Aufträgen die Kunden di-
rekt beliefert. Ein Beispiel hierfür ist z. B. die Zentralisierung der Distribution von
Gütern eines amerikanischen Exporteurs in einem Land für ganz Westeuropa. Das
Distributionszentrum wird entweder von der Niederlassung des Landes, in dem es
sich befindet, geleitet oder es untersteht direkt dem exportierenden Unternehmen.
Im ersten Fall besteht die Möglichkeit des Interessenkonfliktes, z. B. bei Lie-
ferengpässen, zwischen den Anforderungen der übergeordneten Niederlassung
und den übrigen Niederlassungen der Region. Ein besonderer Vorteil kann sich
ergeben, wenn das Distributionszentrum in einer Freihandelszone (z. B. auf dem
Gelände von Seehäfen) errichtet wird. Freihandelszonen sind Gebiete, von denen
aus freier Handel mit allen Ländern erlaubt ist. 24 Ein Lager in der Freihandelszone
erfüllt die gleichen Aufgaben wie ein Zollaufschublager oder Zollgutlager. Bei der
Lagerung von Gütern in einem Zollaufschublager im importierenden Land sind
die Abgaben erst nach Weiterverwendung der Güter zu entrichten. Dagegen dient
das Zollgutlager im exportierenden Land zur Lagerung von bereits zur Ausfuhr
abgefertigten Gütern, deren spätere Weiterverwendung aber noch nicht feststeht.
Die Abgaben werden auch hier erst bei Entnahme der Güter aus dem Zollgutlager
fällig. In Freihandelszonen können Güter jedoch nicht nur gelagert und umge-
schlagen, sondern auch industriell weiterverarbeitet werden.
Beim Direktsystem hat die Auslandsniederlassung mit dem physischen Güter-
fluss nichts mehr zu tun. Die ausländischen Kunden werden direkt vom Ur-
sprungsland mit Hilfe schneller Transportmittel beliefert. Dadurch entfallen jegli-
che Kosten für Lagerung und Umschlag im Ausland. Während das klassische
System von den Grundmodellen die höchsten Fixkostenanteile der Logistikkosten
aufweist, ist das direkte System durch die höchsten variablen Kostenanteile ge-
kennzeichnet. Wenn der Kunde die Kosten für den Zoll trägt, entfällt der Vorteil
der Berechnung auf die im Vergleich zum Kundenpreis niedrigen unternehmens-
internen Verrechnungspreise. Außerdem wird der Kunde mit administrativen
Problemen der Zollabwicklung belastet. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich
auch, wenn aufgrund des geltenden Rechts für bestimmte Produkte (z. B. pharma-
zeutische Produkte) die Qualitätskontrolle im Kundenland durchgeführt werden
muss.
Bei Auslandsmontage und -produktion ist jeweils zu unterscheiden, ob dies in
eigener Regie oder in Form einer Beteiligung bzw. eines Gemeinschaftsunterneh-

24 Zur Bedeutung von Freihandelszonen für Logistiksysteme vgl. Schieck, 2008, S.354.
402 20 Internationale Logistiksysteme

mens (Joint Venture) geschieht (Eigentumsstrategie). Im Falle der Beteiligung o-


der des Gemeinschaftsunternehmens kann das investierende Unternehmen in den
Genuss des eventuell vorhandenen logistischen Know-hows oder des vorhandenen
logistischen Netzwerkes des Auslandsunternehmens gelangen. Im Übrigen bleiben
aber die logistischen Probleme die gleichen wie im Falle des Betriebes in eigener
Regie. Deshalb wird im Folgenden nicht zwischen den verschiedenen Formen der
Auslandsmontage und -produktion differenziert.
Eine Auslandsmontage kann sich als vorteilhaft erweisen, wenn sich für die
Montagetätigkeiten im Ausland z. B. ein niedriges Lohnniveau ausnutzen lässt o-
der wenn man sich mit der Montage im Ausland besser bzw. schneller auf die dor-
tigen spezifischen Kundenwünsche einstellen kann als mit der Montage im
Stammland. Auslandsmontage bietet sich außerdem an, wenn – vor allem in Ent-
wicklungs- und Schwellenländern – der Import von Endprodukten über hohe Ein-
fuhrzölle restriktiv oder sogar bis zum völligen Einfuhrstopp gehandhabt wird. Ein
Beispiel für eine solche Auslandsmontage ist die CKD-Fertigung25 in der Auto-
mobilindustrie.26 Fahrzeugkomponenten definierter Montagestufen werden zu Tei-
lesätzen zusammengestellt und in bestimmte Länder zur Montage exportiert. Dif-
ferenziert nach den Vorschriften der Montageländer, werden diese Teilesätze dort
ergänzt durch ein Spektrum an LC-Teilen27. Besondere Anforderungen werden bei
der Versorgung der CKD-Montagewerke an die Verpackung gestellt (maximaler
Warenschutz, minimaler Packmitteleinsatz, betriebswirtschaftlich zu vertretender
Verpackungsaufwand (Lohn), optimales Frachtvolumen bzw. optimale Frachtkos-
ten). Deshalb wird die Packungsstruktur mit CAD-Unterstützung entwickelt, um
die optimale Kombination von verschiedenen Teilen in einem Packmodul zu fin-
den. Hohe Anforderungen bei der Versorgung der CKD-Montagewerke ergeben
sich auch aus der Notwendigkeit der terminlichen Abstimmung der Anlieferung
der CKD-Teilesätze aus dem Stammland mit der Anlieferung der LC-Teile aus
dem Montageland.
Besteht die Auslandsproduktion darin, dass in einem Kundenland für dieses
Land produziert wird – z. B. um Importrestriktionen zu umgehen – dann resultie-
ren daraus keine neuen Logistikprobleme für das investierende Unternehmen. Die-
se entstehen erst dann, wenn im Rahmen eines Produktionsverbundes zwischen
den verschiedenen Produktionsstätten eines Unternehmens die Vorteile der Ar-
beitsteilung derart ausgenutzt werden, dass Teile eines Produktes lediglich in einer
Produktionsstätte hergestellt und andere Produktionsstätten damit versorgt wer-

25 CKD: Completely Knocked Down (komplett zerlegt).


26 Neben CKD-Fertigung existieren in der Automobilindustrie noch SKD-Fertigung (Semi
Knocked Down) und MKD-Fertigung (Multi Knocked Down). Als Ziel aller drei Formen
sollen Einfuhrzölle auf FBU-Fahrzeuge (Fully Built Up) vermieden werden. Bei der SKD-
Fertigung wird das Fahrzeug in einem Werk des exportierenden Landes so weit aufgebaut,
wie es die Importvorschriften zulassen. Bei der MKD-Fertigung werden nur Rohkarossen
importiert. Bei der höchsten Form, der CKD-Fertigung wird das Fahrzeug komplett zerlegt,
vgl. Schulz/Hesse, 2009, S. 224f.
27 LC: Local Content (lokaler Anteil).
20.2 Gestaltung internationaler Logistiksysteme 403

den. Zur Bewältigung der damit verbundenen Material- und Informationsflüsse


müssen die Produktionsstätten durch Logistiksysteme verbunden werden, die ent-
sprechende Logistikkosten verursachen.
Es hängt von der Produktions- und Logistikkostenstruktur eines Produktes ab,
ob eine zentrale gegenüber einer dezentralen Teileproduktion vorteilhaft ist. Für
eine Zentralisierung spricht eine kapitalintensive – also durch hohe Fixkostenan-
teile gekennzeichnete – Produktion, bei der die Produktionsstückkosten mit stei-
gender Produktionsmenge stark fallen. Im Gegensatz dazu sinken bei einer ar-
beitsintensiven – also bei einer durch hohe variable Kostenanteile
gekennzeichneten – Produktion die Produktionsstückkosten mit steigender Pro-
duktionsmenge nur schwach ab. Die Produktionszentralisierung lohnt sich aller-
dings nur dann, wenn die dadurch realisierbaren Produktionskostenvorteile nicht
durch höhere Logistikkosten ausgeglichen werden. Diese Gefahr besteht vor allem
bei Teilen, bei denen die Transportkostenanteile hoch sind, was z. B. bei einem
niedrigen Wert/Gewichts- oder Wert/Volumen-Verhältnis der Teile zutrifft. Gegen
eine Zentralisierung sprechen auch hohe Handelshemmniskosten.

Das internationale Logistiksystem beim globalen Management


Die Notwendigkeit zu einem globalen Management ist auf Märkten gegeben,
die sich durch weltweite homogene Kundenbedürfnisse (Kundenprobleme) aus-
zeichnen. LEVITT sieht einen Trend zu solchen globalen Märkten, da die Men-
schen aufgrund des immer intensiver werdenden Informationsaustausches über
weltumspannende Kommunikationsnetzwerke lernen, die gleichen Bedürfnisse zu
artikulieren.28 Globale Märkte mit homogenen Produkten können zu niedrigeren
Logistikstückkosten führen, wenn aufgrund der Standardisierungseffekte Auf-
tragsabwicklungs-, Verpackungs-, Bestands- und Lagerhauskosten absinken. Sie
können aber auch zu höheren Logistikstückkosten führen, wenn bei der Versor-
gung der Weltmärkte Kommunikations- und Transportkosten ansteigen.
BENDER sieht fünf strategische Vorteile eines auf globalen Märkten tätigen Un-
ternehmens:29
x Produktionsfaktorvorteile: Globale Unternehmen können die weltweit unter-
schiedliche Verfügbarkeit und Kostensituation bei den Produktionsfaktoren
nutzen. So lassen sich die arbeitsintensive Produktion in Niedriglohnländern,
die anlagenintensive Produktion in Ländern mit günstigen Finanzierungsbedin-
gungen (niedrige Kreditkosten und Steuern, Investitionszuschüsse, Abschrei-
bungen) und/oder günstigen Betriebsbedingungen (keine Einschränkung der
Kapazitätsnutzung, keine ökologischen Auflagen) und die informationsintensi-
ve Produktion in Ländern mit guten Informationsbedingungen (gute Informa-
tions- und Kommunikationsinfrastruktur, leicht zugängliches technologisches,

28 Vgl. Levitt, 1983, S. 20f.


29 Vgl. Bender, 1985a, S. 22. Vgl. außerdem die zu Beginn dieses Abschnittes anhand der
Wertkette angestellten Überlegungen.
404 20 Internationale Logistiksysteme

ökonomisches und soziales Wissen) konzentrieren. Bei materialintensiven Pro-


dukten hängt es von deren Kostenstruktur und vom Gewichtsverlust während
der Produktion ab, ob die Produktion in der Nähe von den Materiallieferpunk-
ten oder von den Nachfragepunkten angesiedelt wird.
x Größenvorteile: Globale Unternehmen können aufgrund ihrer Größe Mengen-
und Erfahrungskostenpotentiale nutzen (Economies of Scale).
x Programmvorteile: Globale Unternehmen können mit einem breiteren und/oder
tieferen Produktionsprogramm Synergieeffekte durch bessere Nutzung von
quantitativen und qualitativen Kapazitäten erzielen (Economies of Scope).
x Handelshemmnisvorteile: Globale Unternehmen können durch ihre Präsenz in
den betreffenden Ländern Handelshemmniskosten vermeiden.
x Marktpräsenzvorteile: Globale Unternehmen können sich aufgrund ihrer welt-
weiten Marktpräsenz und Marktkenntnis Veränderungen in der qualitativen und
geographischen Nachfragestruktur rechtzeitig anpassen.
An solchen Präsenzvorteilen knüpft OHMAE mit seiner Triade-Strategie für
globale Unternehmen an. 30 Demnach sollte jedes Unternehmen mit allen Wert-
schöpfungsaktivitäten in den USA, Japan und Europa vertreten sein. Nur dann ist
man ein Insider auf diesen wichtigen Märkten, die auf die Existenz von globalen
Unternehmen entscheidenden Einfluss haben. Die Entscheidung für ein globales
Management mit Zentralisierungs-, Dezentralisierungs- oder Triade-Strategie hat
unterschiedliche Logistiksysteme zur Folge.
Auf der Triade-Strategie aufbauend charakterisiert BOWERSOX globale Unter-
nehmen als „Stateless Enterprises“31. Diese Unternehmen sind nicht nur in den
drei am weitesten entwickelten Wirtschaftsregionen 32 Europa, Nordamerika und
der Pazifikregion, sondern auch in Märkten sich wirtschaftlich stark entwickelnder
Regionen vertreten, die damit ebenfalls dem in Abb. 20.6 dargestellten Rahmen
globaler Logistikanforderungen zuzurechnen sind. Im Management dieser Unter-
nehmen wird der gesamten Unternehmensentwicklung mehr Wert beigemessen als
individuellen Maßnahmen in einzelnen Ländern oder Regionen. Möglich wird die-
ses äquidistante Management nur in solchen Unternehmen, in denen Manager
nicht ausschließlich lokale Interessen vertreten, sondern deren Loyalität in erster
Linie dem Gesamtunternehmen gilt. Diese globalen Unternehmen sind dadurch
gekennzeichnet, dass sie i. d. R. weniger als 40% ihres Umsatzes im Ursprungs-
land erzielen.

30 Ohmae, 1985, S. 143ff.


31 Bowersox, 1994, S. 21f.
32 Innerhalb dieser Regionen sind dies vor allem die Zoll- bzw. Wirtschaftsunionen Europas
(EU), Nord Amerikas (NAFTA: North American Free Trade Agreement) und der westlichen
Pazifikregion (AFTA: Asian Free Trade Agreement).
20.2 Gestaltung internationaler Logistiksysteme 405

Globale Unternehmen

Europa (EU) Pazifik-Region


(AFTA)
Verbundene
Regionen

Nordamerika (NAFTA)

Osteuropa und Mittlerer Osten

China und Afrikanische


Südostasien Entwicklungsregionen Länder

Mittel- und Südamerika


sowie Karibikstaaten

Abb. 20.6 Rahmen globaler Logistikanforderungen (Quelle: Bowersox, 1994, S. 21. Überset-
zung durch den Verfasser)

Europäische Logistiksysteme im Wandel


Die beiden umfassendsten Veränderungen im Europa der 80er und 90er Jahre wa-
ren die Vollendung des Binnenmarktes innerhalb der Europäischen Union und die
Öffnung Mittel- und Osteuropas. Beide Entwicklungen haben zu neuen Heraus-
forderungen und zu neuen Gestaltungsansätzen für europäische Logistiksysteme
geführt.
Die weitgehende Realisierung der rechtlichen und administrativen Rahmenbe-
dingungen für einen gemeinsamen Europäischen Markt bis zum 01.01.1993 und
die Erwartung dieser Veränderung bereits im Vorfeld hatten eine umfassende Ver-
änderung der Logistikstrategien westeuropäischer Unternehmen zur Folge. 33 Auf-
grund des weitgehenden Entfallens von Handelsschranken und der fortschreiten-
den Angleichung nationaler Rahmenbedingungen ergeben sich für den Gestalter
von europäischen Logistiksystemen eine Vielzahl neuer – in vielen Fällen vorteil-
hafter – Gestaltungsalternativen, welche jedoch die Komplexität der Gestaltungs-
aufgabe erhöhen.
Die wichtigsten Veränderungen und Herausforderungen, mit denen Logistik-
manager beim Entwurf und der Umsetzung europäischer Logistiksysteme kon-
frontiert sind sowie die bereits realisierten europäischen Logistiksysteme waren
Gegenstand einer Studie der EUROPEAN LOGISTICS CONSULTANTS (ELC), die

33 Vgl. Pfohl, 1993, S. 64ff.


406 20 Internationale Logistiksysteme

1996 erstellt wurde.34 Es wurden über 300 Unternehmen verschiedener Branchen


in Europa, den USA und Asien befragt. Eine umfassende Veränderung der Lo-
gistikstrukturen zeigte sich dabei in der deutlichen Reduktion der Anzahl von Dis-
tributionslagern und Produktionsstätten. Es gibt einen Trend zur grenzüberschrei-
tenden Versorgung ganzer Regionen von wenigen Standpunkten aus, obwohl die
Qualitäten der logistischen Dienstleister im grenzüberschreitenden Verkehr oft
kritisiert werden. 35 Hier haben sich verschiedene Regionen herausgebildet, die
Ländercluster darstellen, in denen Länder mit weitgehend einheitlichen logisti-
schen Merkmalen zusammengefasst werden. Diese sind in Abb. 20.7 exemplarisch
dargestellt. Entscheidend für die Bildung dieser Regionen ist nicht nur die geogra-
phische Nähe, sondern auch die vergleichbaren Rahmenbedingungen hinsichtlich
des Transportumfeldes, eng miteinander verzahnte Handelsstrukturen, einheitliche
Kundenwünsche, die Bedeutung von Transportzeiten und der Wert der Produkte
sowie die Branche in der sie vertrieben werden.36 Als besonders relevant für die
Entwicklung des Logistikmanagements wurden die Kundenanforderungen und die
Anpassung an die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnolo-
gie bewertet.37
Mit der Konzentration von Distributions- und Produktionsstandorten und deren
Integration zu Distributions- bzw. Produktionsnetzwerken wächst im Sinne eines
multinationalen Managements der Bedarf an umfassenden Planungs- und Steue-
rungssystemen sowie einer adäquaten Organisationsstruktur. 38 Erfolgsmeldungen
einer zunehmenden Konzentration und Integration können deshalb nicht generali-
siert werden. Jedes europäische Logistiksystem erfordert seine individuelle Lö-
sung, die nicht immer in einer extremen Zentralisierung liegt.
Als weiterer Trend wurde die fortschreitende Konzentration auf wenige Lo-
gistikdienstleister erkannt.39 Damit sind weitreichende Veränderungen für solche
Dienstleister verbunden, die nicht nur das Spektrum angebotener Dienstleistungen
betreffen, sondern vor allem ihre Bemühungen, sich durch den Aufbau europawei-
ter Servicenetzwerke zu Mega Carriern zu entwickeln.40 Mögliche Vorgehenswei-
sen dazu waren und sind die Übernahme von ausländischen Logistikunternehmen
mit existierenden nationalen Netzwerken, Kooperationen mit ausländischen Part-
nerspeditionen oder der Aufbau eigener Tochterunternehmen durch Direktinvesti-
tionen.

34 European Logistics Consultants, 1996.


35 Vgl. European Logistics Consultants, 1996, S. 7.
36 Vgl. A. T. Kearney, 1993, S. 24. In der Konsumgüterindustrie, in der kulturelle Differenzen
wichtiger sind als in der Investitionsgüterindustrie, werden die Mittelmeerländer Portugal,
Spanien, Italien und Griechenland häufig in einer Region zusammengefasst.
37 Vgl. European Logistics Consultants, 1996, S. 4.
38 Vgl. O'Laughlin/Cooper/Cabocel, 1993, S. 13.
39 Vgl. O'Laughlin/Cooper/Cabocel, 1993, S. 10.
40 Vgl. O'Laughlin/Cooper/Cabocel, 1993, S. 77ff.
Abb. 20.7
Ländercluster Vorschlag 1: Ländercluster Vorschlag 2:

Ländercluster in Europa aus Sicht der Logistik


Quelle: European Commission DG Transport/
Quelle: ELA/A. T. Kearney (1999)
PricewaterhouseCoopers (1999)
20.2 Gestaltung internationaler Logistiksysteme
407
408 20 Internationale Logistiksysteme

Während viele Unternehmen gerade dabei waren, ihre Struktur den neuen Mög-
lichkeiten des europäischen Binnenmarktes anzupassen, wurde mit den politischen
Reformen bzw. Revolutionen die wirtschaftliche Öffnung Mittel- und Osteuropas
eingeleitet. Mit der Zunahme des Handels und dem Aufbau von Produktions- und
Distributionskapazitäten durch Direktinvestitionen und Kooperationen wuchs die
Notwendigkeit der Gestaltung von Logistiksystemen, die auch Liefer-, Empfangs-
und Transferpunkte in Mittel- und Osteuropa umfassen und ihre Leistungen auf
Basis der mittel- und osteuropäischen Infrastruktur erbringen.
Die Gestaltung von Logistiksystemen in Mittel- und Osteuropa unterscheidet
sich prinzipiell nicht von der in anderen Regionen der Erde. Dies gilt sowohl für
Distributions- als auch für Beschaffungssysteme. Von großer Bedeutung sind je-
doch die länderspezifischen Rahmenbedingungen und die dem Engagement zu-
grunde liegenden unternehmenspolitischen Grundkonzeptionen der westlichen
Unternehmen.41 Ein Hemmnis für den Güterfluss von, nach und in den Ländern
Mittel- und Osteuropas ist der vergleichsweise schlechte Zustand der Infrastruktur,
insbesondere außerhalb der jeweiligen Landeshauptstädte, wobei jedoch beachtli-
che Unterschiede zwischen den Ländern vorliegen. 42 Bei Standortentscheidungen
für Distributionszentren ist von einer langen Transportzeit zwischen den Ländern
in Mittel- und Osteuropa auszugehen. Bei Stückgut muss mit einer nationalen
Laufzeit von 24 bis 48 Stunden und grenzübergreifend mit drei bis sechs Tagen
gerechnet werden. 43 Dagegen sind gerade in den ost-mitteleuropäischen Staaten
zumindest die rechtlichen Rahmenbedingungen weitgehend gesetzt und mit denen
in Westeuropa vergleichbar. Allerdings liegen trotz bilateraler Abkommen der
EU, insbesondere mit den frühen Reformstaaten, weiterhin zahlreiche Handels-
hemmnisse vor.
In der Anfangsphase der Öffnung Mittel- und Osteuropas und des Anschlusses
der fünf neuen Bundesländer stand im Mittelpunkt des Interesses die Gestaltung
der Distributionslogistik, um eine schnelle und zuverlässige Versorgung der neuen
Märkte zu gewährleisten. Durch die EU-Erweiterung um acht Länder im Jahr
2004 eröffneten sich neue Perspektiven. Aufgrund der deutlichen Kostenvorteile,
die mit der Produktion in bzw. mit dem Bezug aus Mittel- und Osteuropa verbun-
den sind, beschaffen gegenwärtig europäische Unternehmen zunehmend auch bei
mittel- und osteuropäischen Lieferanten. 44 Damit tritt in jüngster Zeit auch das
Problem der ostwestlichen Beschaffungslogistik in den Vordergrund. Neben dem
Problem, den Aufbau des interorganisatorischen Logistiksystems – häufig durch
die Einbeziehung von östlichen oder westlichen Logistikdienstleistern – zu reali-
sieren, stehen westliche Unternehmen vor der Aufgabe, die Leistungsfähigkeit der
innerbetrieblichen Logistik eines potentiellen Lieferanten zu beurteilen und gege-
benenfalls zu sichern. Aufgrund der historischen Entwicklung dieser Länder und

41 Vgl. Large, 1992.


42 Vgl. Pfohl/Large, 1993, S. 6ff.
43 Vgl. Vahrenkamp, 2007, S. 134.
44 Vgl. Baumgarten/Krokowski, 2003, S. 14.
20.2 Gestaltung internationaler Logistiksysteme 409

der tiefen Transformationskrise der vergangenen fünf Jahre ist der Aufbau einer
funktionierenden Beschaffungslogistik häufig mit einer umfassenden Lieferanten-
entwicklung und -förderung verbunden.45

Fallbeispiel46
Am Beispiel des Spielzeugherstellers LEGO GRUPPE kann die Veränderung der eu-
ropäischen Logistiksysteme erläutert werden. Im Jahr 2004 war die LEGO GRUPPE
zwar viertgrößter Spielzeughersteller der Welt, schrieb aber Millionenverluste.
Neben den verfehlten Produktstrategien, starker Konkurrenz von Videospielen
und Billigprodukten sind die hohen Logistikkosten und unausreichender Liefer-
service die wesentlichen Ursachen. Von 2004 bis 2008 führte der Spielzeugher-
steller ein Projekt durch, um seine Supply Chain zu optimieren.
Vor dem Projekt gab es ein mit den Produktionswerken verbundenes zentrales
Distributionszentrum. Der Einzelhandel wurde aber noch von rund einem Dutzend
regionaler Distributionszentren beliefert. Die Waren wurden zwischen verschiede-
nen Lagern mehrmals umgelagert. Jeder Standort hatte eine eigene Bestandsfüh-
rung, unterschiedliche Abläufe und Arbeitsweisen. Fast alle Logistikaktivitäten
wurden von der LEGO GRUPPE selbst durchgeführt.
Nach dem Projekt wurden die 12 regionalen Distributionszentren in einem ein-
zigen zentralen Logistikzentrum in Tschechien konsolidiert (vgl. Abb. 20.8). Über
das Lager werden sämtliche Aufträge aus weltweit mehr als 120 von insgesamt
135 Kundenländern mit 14.000 Handelskunden direkt abgewickelt. Die LEGO
GRUPPE beauftragte die DEUTSCHE POST DHL im Rahmen eines Fünfjahresvertra-
ges als Kontraktlogistiker des Zentrallagers und auch für Value Added Services.
In der Folge des Optimierungsprojekts konnten rund 25% bei den globalen Lo-
gistikkosten eingespart werden. Dies entspricht ca. 150 Mio. Euro. Der Anteil der
Logistikkosten am Umsatz wurde von über 12% im Jahr 2005 auf 9,2% im Jahr
2009 reduziert. Gleichzeitig konnte das Lieferserviceniveau von etwa 90% am
Tag im Jahr 2004 auf sogar 99% pro Stunde im Jahr 2009 erhöht werden. Außer-
dem wurde mit der Konsolidierung der Carbon Footprint reduziert. Im Jahr 2009
sank die Transportleistung Volumenkilometer um 25%, was insgesamt fünf Milli-
onen Volumenkilometer weniger pro Jahr entspricht.
Das Fallbeispiel zeigt die zwei im letzten Abschnitt beschriebenen wesentli-
chen Änderungen internationaler Logistiksysteme: die Reduktion der Anzahl der
Distributionslager, Oursourcing der Logistikaktivitäten und Konzentration auf
wenige Logistikdienstleister.

45 Zur Lieferantenförderung vgl. Large, 2013, S.256ff.


46 Vgl. Pfeiffer, 2009, S. 10ff.
410 20 Internationale Logistiksysteme

Zentrales
LEGO-
Logistikzentrum
in Tschechien

Abb. 20.8 Zentralisierung der LEGO-Distributionszentren

20.3 Finanzwirtschaftliche Aspekte der internationalen Logistik

Lieferungs- und Zahlungsbedingungen


Aufgrund der geringeren Kenntnis der Vertragstreue und Kreditwürdigkeit der
Geschäftspartner im Ausland im Vergleich zum Inland, der längeren Zeit für den
Austausch von Informationen und Gütern zwischen Lieferant und Kunde sowie
der unterschiedlichen Währungen ist das Risiko in der internationalen Beschaf-
fung, Produktion und Distribution größer als in der nationalen. Dieses Risiko ver-
sucht man zunächst durch eine entsprechende Vertragsgestaltung im Hinblick auf
die Lieferungs- und Zahlungsbedingungen einzugrenzen.47 Diese regeln im We-
sentlichen Preisstellung, Währung, Eigentumsvorbehalte, Lieferbedingungen, Lie-
fertermin, Zahlungsbedingungen, Garantien, Gewährleistungen, Vertragszinsen,
Vertragsstrafen, Rechtswahl, Gerichtsstand u. a.48
Bei den Lieferungsbedingungen kann in den Verträgen insbesondere auf die In-
coterms zurückgegriffen werden, die im Überblick bereits in Teil III, Kapitel 9 als
Bestandteil der Konditionspolitik und als Regeln zur Festlegung der logistischen
Kontrollspanne aufgeführt wurden. Neben dem Übergang der Kostenlast und dem
Übergang der Gefahren regeln die Lieferungsbedingungen auch die im Zusam-
menhang mit der Auftragsabwicklung wichtige Beschaffung verschiedener Do-

47 Siehe den Zusammenhang von Kontrahierungsmix und Logistik in Teil III, Abschn. 11.2.
48 Vgl. Schieck, 2008, S. 151.
20.3 Finanzwirtschaftliche Aspekte der internationalen Logistik 411

kumente (Ausfuhrlizenz, Ursprungszeugnis, Konsularfaktura usw.) und Entrich-


tung von Nebenspesen (Zölle, Gebühren, Steuern und sonstigen Abgaben).
Die Zahlungsbedingungen regeln den Zusammenhang zwischen dem Güter-
bzw. Informationsfluss im Logistiksystem und dem Zahlungsfluss, indem Zeit-
punkt und Bedingungen der Gegenleistung für gelieferte Produkte und/oder
Dienstleistungen festgelegt werden. Im Gegensatz zu den Zahlungsbedingungen
ohne Dokumente, bei denen die Zahlung vor Lieferung, bei Lieferung und nach
Lieferung mit jeweils unterschiedlichem finanziellen Risiko für Lieferant und
Kunde zu unterscheiden sind, stellen die Zahlungsbedingungen mit Dokumenten
besondere Anforderungen an die Auftragsabwicklung. 49 In diesem Fall erfolgt die
Zahlung gegen Dokumente, wie z. B. Frachtbriefe, Versicherungsdokumente oder
Handelsrechnungen, mit denen die Verfügungsgewalt über die Ware vom Verkäu-
fer an den Käufer abgetreten wird.
Beim Dokumenteninkasso wird bei der üblichen Einschaltung einer Bank im
Falle der „Zahlung gegen Dokumente“ die Zahlung vom Käufer/Importeur an die
Inkassobank (eventuell Hausbank des Importeurs) gegen Übergabe der vereinbar-
ten Dokumente geleistet. Die Dokumente werden vorher der Inkassobank vom
Verkäufer (Exporteur) über dessen Hausbank zugeleitet. Die Zahlung erhält der
Exporteur auf dem umgekehrten Weg. Im Fall der „Dokumente gegen Akzept“
stellt der Exporteur einen Wechsel auf den ausländischen Kunden aus. Die Inkas-
sobank übergibt die Dokumente dem Importeur, wenn dieser den Wechsel akzep-
tiert. Das Risiko der Akzepteinlösung trägt der Exporteur, sofern er vom Impor-
teur nicht die Stellung eines Bankavals verlangt.
Beim Dokumentenakkreditiv (Letter of Credit) beauftragt der Importeur (Ak-
kreditivsteller) seine Bank (Akkreditivbank), zugunsten des Exporteurs (Begüns-
tigter) bei dessen Bank (avisierende Bank) ein Akkreditiv zu eröffnen. Das Ak-
kreditiv ist allgemein ein Zahlungsversprechen, bei Vorliegen bestimmter
Bedingungen dem Begünstigen einen Geldbetrag zur Verfügung zu stellen. Beim
Dokumentenakkreditiv wird das Zahlungsversprechen der Bank durch die Vorlage
der Dokumente über die exportierte Ware eingelöst. Beim widerruflichen Akkre-
ditiv kann die Akkreditivbank, im Allgemeinen auf Veranlassung des Importeurs,
das Akkreditiv ändern oder zurückziehen, ohne den Exporteur davon in Kenntnis
zu setzen. Beim unwiderruflichen Akkreditiv ist die beauftragte Bank dagegen
ausnahmslos zur Zahlung verpflichtet, sofern die vorgeschriebenen Dokumente
vorliegen (vgl. Abb. 20.9).

49 Vgl. Kummer u.a., 2010, S. 155f.


412

Exporteur Avisierende Bank Akkreditivbank Importeur

Abb. 20.9
(Verkäufer) (Bank des Verkäufers) (Bank des Käufers) (Käufer)
1. Verkäufer und Käufer schließen
einen Kaufvertrag ab.
2. Käufer beauftragt die
Akkreditivbank einen
Dokumentenakkreditiv zugunsten
3. Akkreditivbank bittet Bank im des Verkäufers bereitzustellen.
Land des Verkäufers, den
Dokumentenakkreditiv zu avisieren
4. Avisierende Bank prüft den und/oder zu bestätigen.
Dokumentenakkreditiv und sendet
ihn an den Verkäufer.
5. Verkäufer versendet Güter an
den Käufer und erhält
Lieferpapiere.
20 Internationale Logistiksysteme

6. Verkäufer legt der avisierenden


Bank die Lieferpapiere zur
Auszahlung vor.
7. Avisierende Bank prüft die
Dokumente und zahlt an den
Verkäufer.

8. Avisierende Bank bestätigt der


Akkreditivbank die Auszahlung an
den Verkäufer.

9. Akkreditivbank entschädigt die


avisierende Bank.
10. Akkreditivbank belastet den
Käufer.

Ablauf beim Dokumentenakkreditiv (Quelle: Branch, 2001, S. 136)


11. Akkreditivbank gibt die
Dokumente und Güter nach
Belastung des Käufers frei.
12. Käufer nehmen die Ware mit
den Dokumenten ab.
20.3 Finanzwirtschaftliche Aspekte der internationalen Logistik 413

Financial Engineering
Ausgehend von den Lieferungs- und Zahlungsbedingungen wurden von Banken
unter dem Stichwort „Financial Engineering“ neue Finanzdienstleistungen entwi-
ckelt, durch welche die Kapitalbindung im Umlaufvermögen von Industrie- und
Handelsunternehmen reduziert werden kann. Solche Finanzdienstleistungen, die
auf den Finanzierungsinstrumenten Akkreditiv (Auftragsabsicherung), Lagerfi-
nanzierung (Warenlager) und Zessionskredit (Warenforderung) aufbauen, sind
grundsätzlich auch im Zusammenhang mit nationalen Logistiksystemen zu disku-
tieren; wegen des erhöhten Risikos und der längeren Auftragsabwicklungszeiten
sind sie aber vor allem für die internationale Logistik von Bedeutung.50
In Abb. 20.10 ist ein solches, von einem Dienstleister aus einer Hand anzubie-
tendes Finanzdienstleistungspaket mit den entsprechenden Zahlungs-, Informa-
tions- und Güterströmen skizziert. Der Dienstleister fungiert dabei als Confirming-
und Factoring-Gesellschaft. Confirming-Gesellschaften gab es in großer Zahl En-
de des vorigen Jahrhunderts in England. Dies waren große Handelshäuser, die ne-
ben der Finanzierung das Auffinden von Lieferanten, die Verladung/Verschiffung,
Versicherung, Lagerung usw. übernahmen. Heute versteht man unter Confirming
die Dienstleistung der Risikoabsicherung und Finanzierung. Mit Factoring wird
der regresslose Forderungsverkauf an eine Factoring-Gesellschaft bezeichnet. Sie
hat für die Verwaltung und den Einzug der Forderung Sorge zu tragen und trägt
das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Käufers der Ware.

Währungseinfluss
Die Währungen verschiedener Länder können die internationale Logistik in zwei-
erlei Hinsicht betreffen. Einerseits ist das Wechselkursrisiko zu berücksichtigen,
sowohl bei der Lagerhaltung als auch bei der Auftragsabwicklung. Zur Handha-
bung des Wechselkursrisikos stehen zunächst die finanzwirtschaftlichen Instru-
mente der Kurssicherung zur Verfügung.51 Das Wechselkursrisiko hinsichtlich der
Bestandsbewertung kann aber auch dadurch reduziert werden, dass es in die Ent-
scheidung über den Standort von Produktionsstätten und Lagerhäusern einbezogen
wird. Man kann die Standorte bevorzugt in die Länder legen, deren Währungen
stabil sind oder man kann die Investition in Standorte auch als eine Investition in
ein Währungsportfolio verstehen. Außerdem trägt zu einer Verringerung des
Wechselkursrisikos auch die Verkürzung der Auftragsabwicklungszeit bei.
Neben dem Wechselkursrisiko kann andererseits die Devisenbewirtschaftung
die internationale Logistik beeinflussen. Wenn beispielsweise in Entwicklungs-
ländern den Unternehmen für den Warenimport nur in begrenztem Umfang Devi-
50 Vgl. Pfohl u.a., 2004, S. 15ff.; Gomm, 2008, S. 171f. sowie allgemein zu Finanzdienstleis-
tungen, die von logistischen Dienstleistern übernommen werden, ebenda, S. 169ff.
51 Vgl. Schieck, 2008, S. 144ff.
414 20 Internationale Logistiksysteme

Dienstleister
6 12
Financial Engineering
(Confirming und Factoring)

7 4 8 10 11 2

Lieferant 3 1
Weiterverkäufer Käufer
(Produktions-/ 5 9
(Absatzmittler) (Endabnehmer)
Gewinnungsunternehmen)

1 Käufer bestellt Ware bei Weiterverkäufer


2 Dienstleister übernimmt Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Käufers (Haftungszusage)
3 Weiterverkäufer bestellt Ware bei Lieferant
4 Dienstleister übernimmt Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Weiterverkäufers
(Haftungszusage) und finanziert evtl. die Produktionskosten des Lieferanten
5 Lieferant liefert Ware an Weiterverkäufer
6 Lieferant überstellt Dokumente an Dienstleister
7 Dienstleister zahlt Lieferant
8 Dienstleister überstellt Dokumente an Weiterverkäufer gegen Finanzierung
9 Weiterverkäufer liefert Ware an Käufer
10 Weiterverkäufer verkauft Forderung gegenüber Käufer regresslos an Dienstleister
11 Dienstleister zahlt Kaufpreis nach Abdeckung der Forderung aus Confirming
12 Käufer zahlt Kaufpreis bei Fälligkeit an Dienstleister

Abb. 20.10 Confirming und Factoring im Zusammenhang mit Beschaffungs- und Distributi-
onslogistik (Quelle: in Anlehnung an Hardt, o. J., S. 303)

sen zur Verfügung gestellt werden, sind die Möglichkeiten zum Aufbau von La-
gerbeständen in diesen Ländern eingeschränkt.

Steuer- und Zolleinfluss


Sobald ein Unternehmen entsprechend der Konzeptionen des multinationalen oder
globalen Managements mit Direktinvestitionen in mehreren Ländern präsent ist,
stellt sich das Problem, dass die unternehmensinterne grenzüberschreitende Wei-
tergabe von Gütern ohne Steuereinfluss wegen der nationalen Steuerhoheiten nicht
möglich ist.52 Unter dem Gesichtspunkt der Gewinnausschüttung an die Aktionäre
der deutschen Mutter eines multinationalen Unternehmens können sich deshalb
deutsche im Vergleich zu ausländischen Betriebsstandorten aufgrund bestehender
Doppelbesteuerung der Gewinne im Aus- und Inland als durchaus vorteilhaft er-
weisen. Dem Ziel der Gewinnverlagerung durch Bewertung der grenzüberschrei-
tenden Güterflüsse zwischen den Gesellschaften eines Unternehmens mit entspre-
chenden Transfer- bzw. Verrechnungspreisen sind dadurch Grenzen gesetzt, dass
die nationalen Steuergesetze Preise verlangen, die einem Fremdvergleich stand-

52 Vgl. Holtbrügge/Welge, 2010, S. 393f.


Literatur 415

halten. Oft ist es sinnvoll, die Produkte in ihre Einzelteile zerlegt an die ausländi-
schen Betriebsstandorte zu liefern, um so durch niedrigere Zölle auf den Einzeltei-
len den höheren Zoll auf das Gesamtprodukt zu vermeiden. In der Gesamtkosten-
kalkulation muss aber bedacht werden, dass der Transport der Einzelteile zu
höheren Transportkosten führt, die aber in Summe in der Regel unter den einge-
sparten Zollkosten liegen.

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GVB Gesellschaft für Betriebswirtschaft und Logistik e.V.
IJoPD International Journal of Physical Distribution
MIR Management International Review
NCPDM National Council of Physical Distribution Management
TDM Transportation and Distribution Management
VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V.
WSV Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes
ZfB Zeitschrift für Betriebswirtschaft
ZfbF Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung
ZfL Zeitschrift für Logistik

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H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4
Sachverzeichnis
(s,Q)-Regel 107, 109 A
(s,S)-Regel 108 Arbeitsablauf
(t,Q)-Regel 108  Zuverlässigkeit des 38
(t,S)-Regel 109 Arbeitsgang 83
3 Arbeitslager 133
3D-Druck 242, 244 Arbeitsteil 157
3PL 308, 337 Arbeitsteilung 351, 352, 357, 381, 402
4  überbetriebliche 351
4 R 12 Arbeitsträger 157
4PL 308 Artikelmengen/Umsatz-Verhältnis 118
8 Artikelnummersystem 329
80:20-Regel 119 Artmengen/Wert-Verhältnis 118
Artteilung 351
A Aufbauorganisation 261, 265, 277, 319
ABC-Analyse 119, 120, 122
Aufgabenbereich
ABCD-Politik 122, 123
 logistischer 9
Abfall 247
Aufgabenzusammenfassung 267
Abgeleitete Nachfrage 289
 dezentrale 271
Ablaufplanung
 zentrale 267
 Dilemma der 206
Auflösung des Güterflusses 134
Abnahmemengenkonzentration 228
Auflösungspunkt 6, 7, 172
Abrollcontainer-Transportsystem 183
Auftrag 75
Absatzbereich 189, 193, 221, 222, 263,
276, 277  als Informationsquelle 75
Absatzförderungsfluss 233  externer 75
Absatzhelfer 59, 289  interner 75
Absatzkanal 14, 162, 224, 231, 232, 260, Auftragsabwicklung 8, 23, 30, 32, 47, 56,
330 70, 74, 75, 76, 77, 79, 80, 81,
Absatzlager 17, 116, 117, 191, 201, 202, 82, 83, 86, 134, 217, 240, 251
221  Aufgabe 79
Absatzmarkt 16, 17, 53, 214, 223  Definition 75
Absatzmittler 229, 231, 291  Fakturierung 82
Absatzprognose 286  Funktion 77
Absatzweg 230, 231  manuelle Formen 83
Abteilungsebene 276, 277  maschinelle Formen 83
ACTS-System 183  Übermittlung 79
administrativer Protektionismus 395  Versand 82
Agenten 309  Zusammenstellung 82
Airwaybill 179 Auftragsbearbeitungsprozess 8
All-Inclusive-Angebot 304 Auftragsbestätigung 81
Anforderung 353 Auftragserstellung 79
 aufgrund der Arbeitsteilung 352 Auftragsformular 75, 80
 aufgrund der Güterart 353 Auftragsgröße
 aufgrund gesamtwirtschaftlicher Ziele  optimale 107
356 Auftragsmodalität 40, 42
Anpassungsfähigkeit 43, 178 Auftragsperiode 38, 77
Anreiz-Beitrags-Theorie 331, 332 Auftragsproduktion 202, 218
Ä Auftragsübermittlungszeit 81
Äquidistantes Management 406 Ausflaggung von Seeschiffen 366
Ausgleichseffekt 116
Ausgleichsfunktion 214

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H.-C. Pfohl, Logistiksysteme,
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56228-4
420 Sachverzeichnis

Ausgliederung 327, 334, 400 Beschaffungsmarketing 189


Auslandsmanagement 389, 399 Beschaffungsmarkt 16, 189, 290
Auslandsmontage 398, 401, 402 Beschaffungspolitik 193
Auslandsproduktion 398, 402  Instrument 193
Auslieferungslager 7, 17, 39, 64, 103, 117, Beschaffungsprogramm 193, 194
128, 129, 130, 131, 132, 135, Beschaffungsrisiko 198
179, 221, 223, 230, 240, 336 Beschaffungsweg 197
Auslieferungspunkt 122, 123 Besonderheiten der Leistungserstellung
Auslieferungssystem 297
 Zentralisation oder Dezentralisation Bestandsmanagement 46, 52, 81, 99, 333
122 Bestellfrequenz 191
Außendienst 230, 231 Bestellkosten 32, 107, 108, 109
 mitarbeiter 79, 223, 230, 231 Bestellmenge
Autobahnnetz 372  optimale 107
Autonomiekost 31 Bestellmengenformel 108
B Bestellniveau 107
Bahnreform 315 Bestellpunkt 102, 107, 109, 111, 112
Beanspruchungsnutzen 27  zwei Bestellpunkte 111
Bedarfsauflösung 105 Bestellpunktverfahren 109
Bedarfsermittlung 104 Bestellregeln 107, 108, 110
 deterministische 105 Bestellrhythmusverfahren 109
 Prognosemethode 113 Bestellzeitpunkt 194, 195
 programmgebundene 105 Bestellzyklusverfahren 109
 stochastische 106 Betriebswirtschaft
 subjektive Schätzung 106  logistische 16
 verbrauchsgebundene 106 Betriebswirtschaftliche Funktion 18, 45
Bedarfsprognose 110, 113  Grundfunktion 45
Bedarfsverkehr 174, 175  Serviceleistung 45
Bedürfnisbefriedigung 23, 24, 27, 221, Bewegungsprozess 5, 6, 127, 128, 133,
223 134, 141, 216
Beförderungsfunktion 169, 170, 174 Beziehungsgefüge eines Unternehmens
Befrachter 306 325
Behälter 139, 145, 165, 181, 184 Bezugspolitik 193, 197, 291
Behälterart 162 Bimodales Transportsystem 183
Behältermanagement 152 Binnencontainer 162, 164
Behälterverkehr 181, 183 Binnengüterverkehr 174
Behälterwahl 255 Binnenschiff 174, 178, 184, 313, 373
Bereichsebene 276, 277 Binnenschifffahrt 177, 298, 303, 305, 366,
Bereitstellungsnutzen 27 367, 372, 390
Bereitstellungsverkehr 297 Block Chain-Technologie 378, 379, 380,
Beschaffung 189 381, 389
 Aufgabe 189 Blocklagerung 139, 142
 internationale 198, 393 Bodenlagerung 139, 141
Beschaffung mit Vorratshaltung 192 Boxpalette 161
Beschaffungslager 16, 17, 36, 100, 189, Break Bulk Point 6
191, 199, 202 Bringprinzip 190, 222
Beschaffungslogistik 17, 189 Bruttoanlageninvestitionen 385
 Definition 189 Bruttobedarf 104
Bündelung 6, 165, 314
 Gesamtkostendenken 191
Bundesbahngesetz 304
 Konzeption 190
Bundeseisenbahnvermögen 314
 Objekt 189
Bundesverkehrswegeplan 383, 384
 Systemdenken 190
Business-to-Business-Marketing 291
Sachverzeichnis 421

C Dienstleistungspaket
Carbon footprint 360  logistisches 308
Carriage Paid To 196 Dienstleistungsproduktion 27
CF 360 Dilemma
Channel leader 332  der Ablaufplanung 206
Chaotische Lagerung 136, 138  der interorganisatorischen
Charterschifffahrt 365 Logistikplanung 342
CIF 196 Dimension
Citylogistik 311  ökologische 44
CKD 402  ökonomische 43, 250
CKD-Fertigung 402  qualitative 298
Clearingstelle 379  räumliche 298
Cloud-Technologien 84, 199, 378  soziale 44
Completely Knocked Down 402  technologische 42
Confirming- und Factoring-Gesellschaft Direktsystem 403
413 Direktverkehr 171, 181
Consolidation Point 7 Distribution Requirements Planning 107
Container 151, 160, 162, 163, 164, 181, Distributionslogistik 17, 30, 37, 40, 42,
185, 309, 358, 365, 372 48, 55, 189, 190, 194, 195, 197,
Containerisierung 365 201, 202, 203, 221, 222, 223,
Containerverkehr 181, 185, 365, 367 225, 226, 228, 229, 230, 231,
Continous Replenishment Program 232 250
Cost, Insurance, Freight 196  Definition 221
CPT 196  Konzeption 222
Credence qualities 292  Objekt 221
Crossdocking 58, 127, 128  Servicedenken 223
CRP 232  Systemdenken 223
Customizing 221 Distributionspolitik 198, 225, 230, 289,
Cyber-Security 94 291
D Distributionszentrum 401, 409
Datenverbund 373 Dokumentationskette 171
DDP 196 Dokumentenakkreditiv 411, 412
Delivered Duty Paid 196 Dokumenteninkasso 411
Deterministische oder Doppelbesteuerung 414
programmgebundene Double Sourcing 198
Bedarfsermittlung 105 DRP 107
DEUTSCHE BAHN AG 181, 314, 315, 316, DTV 372
370 Durchlaufregal 142
Deutsche Lufthansa AG 314, 315, 316 Durchlaufzeit 70, 203, 206
Devisenbewirtschaftung 413 Durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke
Dezentralisierung 273, 274 372
Diagonale Kooperation 331 Durchschnittsbestand 102, 103
Dienstleister 301, 311, 314, 316, 327, E
329, 334 EAN 329
 logistischer 16, 62, 69, 301 Echtzeitbetrieb 84
Dienstleistung Economies of
 ergebnisorientierte 26  arbitrage 51
 potentialorientierte 26  scale 51, 406
 prozessorientierte 26  scope 51, 406
 Versorgungs- und Lieferservice 36  speed 51
 Vertrauenscharakter 27  structure 51
Dienstleistungslogistik 15 ECR 224
422 Sachverzeichnis

EDI 91  verrichtungsspezifisches Subsystem


EDIFACT 94 250
Efficient Consumer Response 224, 231 Entwicklungstendenzen
Effizienzdenken 42, 43, 44, 250  betriebswirtschaftliche 51
Effizienzsteigerung 48  Managementkonsequenz 52
Effizienzziel 42  Zielgrößenentwicklung 51
Eichgesetz 156 Erfahrungseigenschaften 294, 295
Eigentumsfluss 233, 292 Ersatzteil 238
Eignungswert 24  Beschaffung 237
Ein- und Auslagerungsvorgang 136  Bevorratung 237
Einfahrregal 142  Lieferservice 239
Eingangslager 16, 202, 252  Original- 242
Eingliederung der Logistik 266  Umsatz 238
 dezentral 271 Ersatzteilbedarf
 Hierarchieebene 275  Einflussgröße 240
 zentral 267 Ersatzteillogistik 17, 235
Einheitenlager 133, 136  Aufgabe 235
Einkauf 18, 32, 69, 77, 100, 196, 198,  Definition 235
271, 273, 277, 287, 293, 295,  Konzeption beim Abnehmer 237
331, 393  Konzeption beim Anbieter 238
 logistischer Dienstleistungen 273, 293,  verrichtungsspezifisches Subsystem
295 240
Einkaufsentscheidungstyp 294 Ersatzteilumsatz
Einstufiges System 5, 84
 Besonderheit 239
Einzelbeschaffung 118, 192
Ersatzteilversorgung 242
Einzelfertigung 66, 192, 208
 als Wettbewerbsinstrument 242
Einzelplatzlagerung 136, 138
 Bedeutung 243
Eisenbahn 132, 156, 177, 178, 179, 300,
 Branchenabhängigkeit 243
306, 367, 368, 373, 395
Eisenbahnverkehrsunternehmen 184, 317  Kriterium der Lieferantenauswahl 242
Electronic Data Interchange 91 Erstkauf 295
Elektronische Unterschrift 377 Erweiterungs- und Ersatzinvestitionen 360
Elektronischer Notar 377 Etagenlager 141
Empfangspunkt 5, 6, 7, 8, 12, 75, 77, 78, Etikettieren 157
81, 107, 158, 169, 170, 171, EURO-LOG 375
177, 299 Europäische Tauschpalette 162
Empfangsspediteur 48, 331 Europäisches Logistiksystem 405
Endkombination 27 Europalette 162, 164
Engpass 31 Eventlogistik 298
Entmaterialisierung 355 EVU 317
Entmaterialisierung der Güterstruktur Ex Works 195
354 Export
Entnahmeüberziehung 110  direkter 401
Entsorgungslogistik 17, 247  indirekter 401
 Definition 247 Expressverkehr 178
 Effizienzdenken 250 Externe Effekte 358, 359
Externer Faktor 26
 Gesamt- oder Totalkostendenken 250
Externer Nachteil 359
 Konzeption 249
Externer Vorteil 358
 Objekte der 247
EXW 195
 Prozess der 254
 Servicedenken 250 F
 Systemdenken 250 Fachbodenregal 142
Factoring 84, 413
Sachverzeichnis 423

Fahrzeugverfolgungssystem 378 Freihandelszone 401


FCA 196 Freilager 141
Feederdienst 368 Füll- und Verschließprozess 157
Fehlmenge 39, 109, 110, 113, 115, 116, Funknetz 380
120, 207, 231 Funktionsintegration 208, 210
Fehlmengenkosten 32, 109, 110, 118, 203 Funktionsmanager 285
Fernverkehr 178, 304, 312, 313, 317, 374 Fusion 324
Fertigung G
 Organisationstyp 204 Gas 139
Fertigungsinsel 208 Gatekeeper 224
Fertigungstiefe 194 Gebietsspediteurkonzept 199
Fertigverpackungsverordnung 156 Gebrauchswert 24, 25, 26
Feststoffpipeline 373 Gebrochener Verkehr 171, 177
Feststofftransport 373 Gefahrgutverordnung Straße 248
FFS 208 Gefühlsprotektionismus 395
Financial Engineering 413 Gegengeschäft 197
Finanzdienstleistungen 413 Gesamt- oder Totalkostendenken 32, 33,
Finanzmittelfluss 337, 338 34, 203, 250, 387
Fiskalpolitische Maßnahme 385 Gesamtkostendenken 191
Flächenverkehr 172, 178 Gesamtkostenprinzip 179
Flachlager 141 Gesamtwirtschaftliches Ziel 352, 357,
Flachpalette 161 358, 358, 359
Flexibilität 43, 53, 54, 85, 201, 203, 209, Geschäftsführungsebene 276
211, 213, 223, 263, 304, 327, Gesetzesprotektionismus 395
344 Gewerbepolitische Zusammenarbeit 329
Flexibilitätsfunktion 215 Gewerbewirtschaftliche Zusammenarbeit
Flexibles Fertigungssystem 208, 212 328
Fließfertigung 206, 207, 212 Gewerblicher Verkehr 173
Fließprinzip 29 Gewichtraten 180
Flughafen 179, 240, 369 GGVS 248
Flugzeug 176, 178, 179, 180, 181, 306 Gigaliner 173, 186
Flurförderzeug 143 Global Sourcing 198
Fluss der Rechte an den Gütern 233 Globales Management 390, 403, 405, 414
Flussdenken 31 Greiflager 133
Flüssigkeit 139, 373 Großbehälter 162, 163, 181
Flussprinzip 206 Größendegressionseffekt 100
Flusstyp 232 Großraumfahrzeug 354
FOB 196 Großraum-Wechselaufbauten 354
Fördermittel 135 Grundanforderung 36
Förderungseinrichtungen der Grundfunktion 7, 46
Verkehrswirtschaft 328 Grundstruktur 5
Formularfluss 75  einstufiges System 5
Fourth Party Logistics Service Provider  kombiniertes System 7
308  mehrstufiges System 6
Frachtbörse 309 Gruppenebene 276
Frachtcarrier 306 Gruppenfertigung 207
Frachtführer 185, 196, 302, 304, 305 Güterart 352
Frachtvermittler 309  Anteilsverschiebung 352
Frachtzentrum 310 Güterbereitstellung 3, 4, 24, 235, 351, 356
Free Carrier 196 Güterdimension 296
Free On Board 196 Güterfluss 7, 99
Frei Abladestelle 195  direkter 5
Frei Haus 195, 229, 303
424 Sachverzeichnis

 heterogener 6 Humanitäre Logistik 15


 homogener 6 I
 indirekter 6 IATA 174, 368
 Infrastruktur des 363 ICAO-Abkommen 367
 Institution im 15 Immaterialität 26
 Kernprozess des 8 Incoterms 190, 195, 410
 Phase des 16 Industrie 4.0 219
 Unterstützungsprozess des 8 Industrielogistik 15
Güterstruktureffekt 353 Industriepark 311
Gütertransformation 9 Informatik 13, 69, 70
 Arten der 27 Information
 System der 3  als Produktionsfaktor 58
Güterverkehrsaufkommen 302, 303, 304 Information des Kunden 40, 42
Güterverkehrsleistung 302 Informations- bzw. Office-Logistik 78
Güterverkehrssystem 14, 174, 176 Informationsfluss
Güterverkehrswirtschaft 301  nacheilend 251
 Institution der 301 Informationsfluss 7
 Leistungsbereich der 301  begleitender 77
Güterverkehrszentrum 311  nacheilend 218
Güterverteilung 3, 235, 294, 350, 351,  nacheilender 77
352, 353, 354, 356, 369  vorauseilender 77
Güterverteilzentrum 310 Informationsfluss
Güterverwendung 3, 4, 24, 235, 351, 354,  Infrastruktur des 373
356 Informationsfunktion 8, 153, 242
GVtZ 310, 312 Informationskonflikt 326
GVZ 311, 372 Informationslogistik 70
H Informationsmanagement 52
Haftungsfunktion 169 Informationsnetzwerk 91
Handelsfunktion 224 Informationssystem 218, 340
Handelshemmnis 389, 395, 408 Informationsverarbeitung 45, 46, 82, 84,
 nicht-tarifäres 395 85
 tarifäres 395 Infrastruktur
Handelshemmniskosten 395, 403, 404  Bedarf 384
Handelshemmnisvorteil 404  Belastung 382
Handelslogistik 16  des Güterflusses 363, 364
Hauptabteilungsebene 276, 277  des Informationsflusses 373
Hauptlauf 172, 181, 185, 199  Krise der Verkehrsinfrastruktur 382
Herstellkosten 109, 286  logistische 363, 364, 365, 368, 370
Hindernis 48, 184  makrologistische 363
 für eine Realisierung der  politik 384
Logistikkonzeption 48  Politik 384
Hochflachlager 142 Innerbetriebliche Logistik 16, 202, 408
Hochregal 143 Innerbetrieblicher Transport 134
Hochregallager 142, 183 Inprocess inventory 103
Hochseeschifffahrt 305 Input-Output-Beziehung 29
Holprinzip 190, 210, 222 Instandhaltung 17, 188, 235, 237, 239,
Hoover-Effekt 129 241, 242
Horizontale Kommunikation 376 Institutionen im Güterfluss 15
Horizontale Kooperation 329 Integration logistischer Aufgaben 265
Horizontales Umschlagsverfahren 183 Integrationsaufgabe 338
Hubförderer 143 Integrationseffekt 353
Huckepackverkehr 181, 182, 184 Integrator 306
Sachverzeichnis 425

Integrierte logistische Leistung 62, 290 Klassifizierung von Artikeln


Intelligenter Logistikraum 145  nach dem Gewinnbeitrag 119
InterCargo-System 181  nach dem Umsatz 120
Intercontainer 185  nach der Absatzmenge 119
Interface 47 Klassische Bestellmengenformel 108
Interlokale Standortwahl 131 Klassisches System 400
Intermodaler Wettbewerb 356, 357 Kleingutverkehr 370
International Air Transport Association Kleinladungsträger 217
174, 368 Knotenpunkt 181, 365, 371
Internationale Kollegien 264, 274
 Beschaffung 198, 390, 391 Kombinationscarrier 306
 Logistik (finanzwirtschaftlicher Kombinierter Verkehr 180
Aspekt) 410 Kombiniertes System 256
Internationale Logistik Kombiverkehr 184, 185
 klassisches System 400 Kommissionieren 134, 143
Internationaler Markteintritt 398, 399 Kommissionierlager 133, 134, 135, 136,
Internationales Logistiksystem 389 137, 144
 Gestaltung 397 Kommunikation
Internationales Management 350, 389,  horizontale 376
398  vertikale 375
Internationalisierungsstrategie 398 Kommunikationspolitik 152, 193, 197,
Internet 309 225, 229, 230
Interorganisatorische Beziehung 323 Kommunikationsproblem 262, 263
 Richtung 330 Kommunikationstechnik 379
Interorganisatorisches Logistiksystem 321 Kompaktregal 143
Interorganisatorisches System 15 Kompetenzregelung 284
Interpersonellen Variablen 293 Kompetenzüberschneidung 284
Intralogistik 145 Kompetenzzuordnung 285
Intramodaler Wettbewerb 357 Komplementäre Kooperation 331
Intraorganisatorisches System 15 Komponentenanbieter
Investitionslenkung 356  logistischer 302
ISO-Container 162, 163, 164 Komponentenspeditionen 309
ISO-Paletten 162 Konditionenpolitik 190, 193, 195, 197,
J 225, 228
Just for You 223 Konfliktinstitutionalisierung 284
Just-in-Time Konfliktmanagement 285, 328, 347
 Lieferung 58 Konfrontationstechnik 285
 Produktion 198, 215 Konsignationsbezug 197
K Kontrahierungszwang 356
Kontraktlogistik 308
Kabotagebeförderung 174
Kontraktverpacker 307
Kanban-System 211
Kontrollaufgabe 8
Kapitalbindung 52, 56, 108, 122, 179,
Konzentration
192, 193, 256, 344, 400, 413
Kapitalgesellschaft 314  auf wenige Logistikdienstleister 406
Kartell 174  Ausprägung 324
Kauf der Funktionsfähigkeit 242  des Güterflusses 6
Kaufsituation 291  des Stückgutumschlages 370
Kaufverhalten  von Distributions- und
 Analyse 291 Produktionsstandorten 406
Kaufvertragsform 197 Konzentrationspunkt 7, 172, 199
KEP-Dienstleister 311 Konzernunternehmen 314, 324
Kernkompetenz 61, 78, 327, 339 Kooperation 15, 326
426 Sachverzeichnis

 diagonale 331 Kunden


 horizontale 329  anforderung 35, 36, 80, 301, 406
 im Logistikkanal 341  auftrag 75, 105, 218
 im Logistikkanal 342  bindung 36, 232
 Interesse an 332  dienst 17, 225, 228
 komplementäre 331  dienstleistung 238
 Konflikt 326  nähe 36, 240
 überbetriebliche 327  orientierung 35, 223
 vertikale 330  produktion 218
 Ziel 342  zufriedenheit 36
 zwischenbetriebliche 327, 329 Kuppelproduktion beim Transport 299
Kooperations Küstenschifffahrt 305, 366
 ausmaß 331, 332, 337, 339 L
 bereitschaft 331, 332 Ladehöhe 164
 breite 333, 334 Laderaumhöhe 164
 geist 332 Lager 8, 9, 117, 118, 123, 160, 205, 334,
 intensität 332, 333, 334 389, 409
 tiefe 333, 334  Anzahl 110
 umfang 332, 334  Beschaffungs- 16
 vorteil 341  Dezentralisation 122
Koordination  Zentralisation 122
 durch persönliche Weisung 263  Zulieferungs- 16
 durch Plan 264 Lagerabgang 102
 durch Programm 263, 264 Lagerbestand
 durch Selbstabstimmung 263, 264  Bestandteile des 101, 103
Koordination  mittlerer 102, 108, 110, 111
 aufgesplitterte Logistikaufgabe 263  während der Bewegung 103
Koordination Lagereiunternehmen 306
 durch Plan 263 Lagerergänzungsauftrag 240, 241
Koordinationsansatz 29 Lagerfähigkeit
Koordinationsinstrument 263  wirtschaftliche 118
Koordinationskosten 31, 32 Lagerfunktion 152, 242
Korrespondentenreeder 318 Lagergebäude 141
Kosten Lagergestelle 141, 142
 art 32, 47 Lagerhaltung 81, 82, 99, 100, 108, 110,
 bestellfixe 108 118, 119, 120, 121, 122, 193,
 druck 51, 54, 57 194, 213, 218, 226, 232, 235,
 Fehlmengen- 32 237, 240, 251, 280, 333, 341,
 funktion 43 358, 389, 401, 413
 für die Ersatzteilversorgung 239  Aufgabe 101, 103
 konflikt 34  Definition 99
 Los- 32  Funktion 99, 100
 losfixe 108  selektive 101, 103, 106, 118, 119, 120,
 Luftfracht- 179 122
 Rüst- 32  Verschiebung auf Lieferanten 58
 Sekundärleistungs- 37 Lagerhaltungskosten 65, 107, 108, 109,
 Serviceniveau- 32 110, 111, 112, 116, 118, 122,
 verlauf 34, 35 239, 241, 400, 401
Kostenverlauf 64  Satz 108
Kritischer Wert 121 Lagerhaus 9, 127, 216, 218, 227, 240,
Kulturelle Rahmenbedingung 394 251, 252, 254, 280, 333, 389,
401, 402
Sachverzeichnis 427

 Art 127, 128, 131 Lieferant


 Aufgabe 131, 252  Anzahl 198
 Definition 127  geographische Anordnung 198
 Elemente 145, 146  Streuung 198, 199
 Funktion 127 Lieferantenauswahl 58, 69, 242, 286, 293
 Standort 131, 276 Lieferantentag 197
 Technik 127, 138, 139 Lieferbereitschaft 39, 41, 109, 110, 115,
Lagerhausbereich 133, 134 116, 122, 123
Lagerhausbetrieb 132  Definition 39, 115
Lagerkostensatz 108  Grad 252
Lagerordnung 135  Maß 39
Lagerorganisation 135 Lieferflexibilität 38, 40, 42, 239
Lagerplatzzuordnung 135, 136, 138 Lieferfunktion (Brown'sche) 116
 Einflussfaktor 136 Liefergenauigkeit 40, 110
 feste 136 Liefermodalität 40, 42, 81
 freie 136, 138 Lieferpunkt 5, 6, 12, 78, 81, 107, 169,
Lagerprozess 3, 5, 8, 127, 133, 141 170, 297
Lagersatzverfahren 85 Lieferservice 18, 36, 37, 38, 42, 43, 58,
Lagersteuerungssystem 219 59, 60, 63, 64, 68, 78, 122, 123,
Lagersystem 139, 140, 141 131, 222, 223, 224, 225, 230,
 dynamisches 141 231, 239, 268, 270, 276, 286,
 statisches 139 311, 344, 390, 400, 409
Lagerunternehmen 308  als Instrument der Marketingpolitik 60,
Lagerverwaltung 134 63, 67, 225
Lagerverwaltungssystem 218  als Instrument zur Differenzierung 68
Lagerzugang 102, 108  Komponente 42, 47
Landbrückenverkehr 365 Lieferserviceniveau 60, 63
Länderspezifische Rahmenbedingung 390,  Festsetzung 286
391, 392, 394, 396, 408 Lieferservicepolitik 61, 222
LASH-System 184 Liefertreue 38
Lastkraftwagen 78, 178, 303, 371 Lieferungsbedingung 410
Layoutplanung 205, 211, 212, 216 Lieferungsbeschaffenheit 38, 40, 239, 250
LC-Teile 402 Lieferzeit 38, 39, 42, 77, 80, 81, 83, 118,
Lebenszyklus 11, 13, 121, 356, 360 131, 154, 179
 Kosten 14  zeitliche Aufgliederung 39
 logistischer Leistungen 354 Lieferzeitverkürzung 215
Leerkosten 27 Lieferzuverlässigkeit 38, 39, 198, 239
Leertransport 161, 169 Lighter Aboard Ship 184
Leichter 184 Linienaufgabe 273, 274
Leistungsanforderung 36 Linienfluggesellschaft 306
Leistungsbereitschaft 27, 43 Linienschifffahrt 174, 175, 366
Leistungsdenken 35 Linienverkehr 174, 368
Leistungseigenschaft 294 Lizenzproduktion 400
Leistungsfähigkeit 29, 43, 58, 63, 128, Lkw 163, 178, 179, 180, 181, 183, 184,
173, 174, 197, 201, 230, 353, 251, 255, 256, 300, 304, 357,
364, 368, 391, 394, 408 371, 372, 385
Leistungsprogramm 296, 298 Lkw-Wechselaufbau 163, 183
Leistungsumfang 195, 298 Local Content 402
Leistungsversprechen 26, 294 Local-Content-Vorschriften 366
Leitungsverkehr 298, 373 Logistik
Letter of Credit 411  4 R 12
Lieferabrufsystem 193, 197  als betriebswirtschaftliche Funktion 18
428 Sachverzeichnis

 als Instrument der Rationalisierung 67 Logistikfunktion


 als Querschnittsfunktion 67  Querschnittscharakter 45
 als Unternehmensprinzip 68 Logistikkanal 222, 232, 233, 301, 326,
 Aufgabe 9 327, 328, 329, 330, 331, 332,
 Bedeutung 51 337, 341, 342, 344, 351
 Beschaffungs- 189 Logistikkette 31, 191, 250
 branchenabhängige Bedeutung 66 Logistikkonzeption
 dezentrale Eingliederung 266  aufbauorganisatorische Umsetzung
 dienstleistungsorientierte Definition 13 261
 Distributions- 221  Charakterisierung 2, 18, 23
 Einordnung auf Abteilungsebene 277  Dimension 45, 46
 Einordnung auf Bereichsebene 276 Logistikkosten 18, 25, 30, 31, 32, 35, 42,
 Entsorgungs- 247 43, 47, 48, 54, 55, 56, 57, 60,
 Ersatzteil- 235 63, 64, 65, 66, 67
 flussorientierte Definition 12  Hypothesen zur Bedeutung 64
 Führungskraft 280, 286  nationale 56
 Gliederung der Organisationseinheit  Verlauf 65
279  zukünftiger Trend 56
 in der Nachkaufphase 17 Logistikleistung 16, 18, 25, 35, 42, 43, 58,
 innerbetriebliche 16 61
Logistikprozess 2, 3, 4, 7, 8, 11, 16, 30
 lebenszyklusorientierte Definition 13
 Rahmenbedingung 389, 390
 Makro- 14
Logistikressourcenplanung 271
 Marketing- 17, 222
Logistikservice 327, 328, 329
 Material- 17, 37, 69
Logistikservicenetzwerk 328
 Meta- 14
Logistiksystem
 Mikro- 14
 Betrachtungsebene 14
 Produktions- 201
 einstufiges 5
 Querschnittsfunktion 67
 europäisches 405
 Stellenwert im Unternehmen 63
 funktionelle Abgrenzung 16
 Unternehmensprinzip 67
 gesamtwirtschaftlicher Aspekt 349
 Ursprung des Wortes 11
 Grundfunktion 7
 Versorgungs- 17
 Grundstruktur 5
 zwischenbetriebliche 16, 202
 Input 29
 zwischenwerkliche 202
 institutionelle Abgrenzung 14
Logistikaktivitäten
 institutioneller Aspekt 259
 Übernahme durch Lieferanten 26
 internationaler Aspekt 349
Logistikanalyse 342, 343
 interorganisatorisches 15, 321, 408
Logistikaufgabe 8, 9, 18, 20, 47, 260, 261,
 intraorganisatorisches 15, 261
262, 263, 266, 267, 268, 270,
271, 272, 273, 274, 275, 276,  kombiniertes 7
277, 280, 286, 293, 294, 296,  marktverbundenes 189
309, 326, 327, 332, 333, 350,  mehrstufiges 6
399, 400  ökonomische Dimension 43
Logistikberatung 296, 326, 329  Output 29
Logistikbetrieb 16  technologische Dimension 42
LogistikBox 164, 166  Umfang 14
Logistikdenken Logistiksystemkosten 32
 funktionelle Konsequenz 45 Logistikunternehmen 3, 16, 26, 37, 48, 59,
 institutionelle Konsequenz 45, 47 62, 69, 74, 127, 159, 162, 173,
 instrumentelle Konsequenz 45, 46 198, 199, 260, 271, 287, 291,
Logistikeffekt 353 292, 293, 295, 296, 298, 301,
307, 308, 310, 314, 317, 326,
Sachverzeichnis 429

328, 329, 330, 333, 334, 337, Make or Buy 194


342 Makler 231, 311
 Entscheidungskriterium für die Maklerfunktion 224
Auswahl 291 Makrologistik 14, 349, 350
 Leistung 295 Makrologistische Infrastruktur 363
 Organisationsform 314 Makrologistisches System 14, 342, 349,
 Rechtsform 314 351, 352, 363
Logistikwirtschaft 301  Anforderung 363
Logistikzentrum 310, 409 Management
Logistische Aufgabe  internationales 350, 389, 398
 Aufsplitterung 261  multinationales 390, 400, 406, 414
 Zeitaufwand 280 Manipulationsfunktion 153, 217
Logistische Determiniertheit 12 Manipulationsvorgang 153, 242
Logistische Dienstleistung Mannheimer Akte 367
 Abgrenzungskriterium 296 Marketingfunktion 152
 Art 294 Marketingkanal 232, 289, 290
 Besonderheit der Leistungserstellung Marketinglogistik 17, 222, 223
297 Marketingmix 225, 390
 Einkauf 291 Marketingpolitik
 Leistungsprogramm 294  Instrument 225
 Qualität 60 Marketingprinzip 223
Logistische Einheit 158, 159 Marktdruck 51, 54, 58
Logistische Infrastruktur 363, 364, 365, Marktpräsenzvorteil 404
368, 370 Marktproduktion 202
Logistische Leistung Marktreaktionsfunktion 43
 integrierte 290 Marktverbundenes Logistiksystem 189,
 Lebenszyklus 354 221
Logistische Wertschöpfungsaktivität 26 Massenfertigung 208
Logistischer Dienstleister 16, 62
Massengutverkehr 177, 178, 179
Logistischer Systemanbieter 302 Master Production Schedule 107
Logistisches Informationssystem Material Requirements Planning 107
 Kopplungsmöglichkeit 92 Materialbedarfsart 104
Materialbereitstellung
 Verknüpfung 91
Logistisches Teilsystem
 bedarfsgesteuerte 210
 Interdependenz bei den Kosten 32  externe 192
Lohnverpacker 307  interne 192
Lokale Standortwahl 131  Prinzip 209
Lorenzkurve 119, 120  verbrauchsgesteuerte 210
Lose Kopplung 28 Materialfluss 36, 75, 145, 165, 201, 202,
Losgröße 209, 210
 optimale 107, 109  Graph 205
Loskosten 32, 203  Matrix 204
Luftfracht 34, 179, 180, 305, 306, 368 Materiallogistik 17, 37, 69, 270
Luftfrachtaufkommen 306 Materialwirtschaft 69, 189, 268, 270
Luftfrachtbrief 179 Mega Carrier 408
Luftfrachtverkehr 305, 306, 369 Mehrdimensionale Organisationsstruktur
Luftverkehr 174, 180, 196, 298, 303, 309, 280, 283, 323
356, 364, 367, 368, 383, 390 Mehrstufiges System 6, 7, 85
Mehrwegsysteme 152
M
Mengenrabatt 100, 108, 192, 196, 228
Machtkonflikt 326
Mengenteilung 353
Machtstreben 344
Mesologistik 14, 16, 48, 324, 349
Main-Donau-Kanal 367
430 Sachverzeichnis

Mesologistisches System 14, 342 O


MFB 255 Objektmanager 285
MGB 255 Objektprinzip 206
Mikrologistik 14, 15, 47, 349 OCR 88
Mikrologistisches System 14, 248, 342 ODA/ODIF 374
Militärlogistik 11, 30 Öffentliches Unternehmen 314
Milkrun 199, 213, 219 Öffentlich-rechtliche Regelung 173
Mittler 224, 290 Office-Logistik 78
Mobilfunknetz 376, 380 Ökonomische Dimension 43, 250
Modal-Split 302, 359, 383 One Stop Shopping 224
Modular Sourcing 194 One-Port-Verkehr 367
Modulare Verpackung 164 Operations Research 47, 70, 170
Movement inventory 103 Operatives Netzwerk 339, 340
MRP 107 Ordersatz 80
Müllgroßbehälter 255 Organisation
Multifunktionsbehälter 255  Projektabwicklung 275
Multinationales Management 390, 400,  Projektträgerschaft 275
406, 414 Organisationseinheit
N  spezialisierte 283
Nacheilend 78 Organisationseinheit Logistik 264, 279
Nachfakturierung 82, 83  empirische Untersuchung 281
Nachfrage  Gliederung 279
 abgeleitete 289 Organisationsstruktur
 qualitative Veränderung 62  divisionale 271
Nachfragesystem 107  Eingliederung der Logistikaufgaben
Nachfrageverlauf 102, 108, 111 266
Nachlauf 172, 181  funktionale 266
Nahrungsmittelindustrie 67, 270  Kombinationsmöglichkeit 273
Nahtstelle 339  mehrdimensionale 283
Nahverkehr 178, 290, 302 Organisationstyp 204, 205, 207
Nettobedarf 104, 194 Organisatorische Variable 293
Netz 315, 363 Outsourcing 61, 309, 335, 336
Netzbildungsfähigkeit 178, 391
P
Netzdichte 364, 366, 370, 371, 372
Packdichte der Güter 64
Netzwerk 5, 78, 127, 159, 170, 239, 339
Packerei 134
 operatives 339
Packgut 151, 155, 159
 regionales 340
Packhilfsmittel 151
 stategisches 339 Packmittel 151
Netzwerkgedanke 5 Packstoff 151, 161
Non Vessel Operator 365 Paketierte Einheit 160
Normalverteilung 113, 114, 115 Palette 158, 160, 161, 162, 163, 164, 165,
Normung 151, 160, 162, 170, 194, 235, 166
237 Palettenart 161
Nutzen Palettenpool 162
 aus dem Recht am Gut 23 Palettenregal 142, 143, 161
 Gestalt- 23 Palettensystem 162
 Informations- 23 Partenreederei 316
 Ort- 23 Partikuliere 304
 Zeit- 23 Perfect Order 223
Nutzenart 23, 221, 223 Personalpolitische Maßnahme 263
Nutzenorientiertes Denken 23, 223 Personengesellschaft 314
Nutzenstiftung 23, 397 Persönlicher Verkauf 229, 230
Sachverzeichnis 431

Physische Distribution 17  programmbezogener 204


Pick-by-Light 144  prozessbezogener 204
Pick-by-Voice 144 Produktionsverbund 390
Pipeline inventory 103 Produktionsverfahren 250
Planungs- und Kontrollsysteme 53 Produktionswirtschaft 69, 217
Pool-Palette 162 Produktivität 43
Potential 69, 221 Produktivitätsziel 42
PPS-System 204 Produktlebenszyklus 398
Präsenzvorteil 404 Produktpolitik 152, 193, 194, 225
Preisbildung 62, 191, 228 Produktprogramm 105, 119, 120, 225, 226
Preisdifferenzierung 61, 228, 229 Produktqualität 58, 223
Preispolitik 195, 228 Prognose 106, 110, 112, 113, 286
Preisregulierung 355 Prognosefehler 112
Primärbedarf 104, 105, 194  Normalverteilung 113
Primärleistung 16, 37, 291 Programm 390
privatrechtliche Regelung 173 Programmbezogener Produktionstyp 204
Produktgestaltung 193, 222, 225, 226, 228 Projektorganisation 274, 275
Produktion Protektionistische Maßnahme 366
 Aufgabe 201 Prozessansatz 29
 Auftrags- 202 Prozessbezogener Produktionstyp 204
 Kunden- 218 Prozessdenken 31
 Markt- 202 Puffer 99, 202, 211, 214
 zentrale 352 Pufferfunktion 216
Produktions- oder einsatzsynchrone Q
Anlieferung 192 Qualitative Dimension 296
Produktionsauftrag 217, 218 Qualitative Veränderung der Nachfrage
Produktionsfaktororientierung 51, 52 62
Produktionsfaktorvorteil 403 Quelle 5, 170, 247
Produktionsfunktion 151 Querschnittsfunktion 67, 267, 283
Produktionskapazität 69, 100, 201, 215 Querverteilung 138
Produktionslager 205, 214 R
 absatzorientiertes 214 Rabattpolitik 228
 produktionsorientiertes 214 Rahmenbedingung
Produktionslogistik 17, 18, 38, 55, 201  internationaler Logistikprozesse 390
 Definition 201 Rahmenbedingung
 Gesamt- oder Totalkostendenken 203  länderspezifische 390
 Konzeption 202 Rahmenbedingung
 Objekt 201  länderspezifische 391
 Servicedenken 203 Rahmenbedingung
 Systemdenken 202  länderspezifische 392
 verrichtungsspezifisches Subsystem Rahmenbedingung
212  rechtliche 392
Produktionsplanungs- und - Rahmenbedingung
steuerungssystem 204  kuturelle 394
Produktionsprozess 17, 18, 37, 207, 208, Rahmenbedingung
215, 218, 221  länderspezifische 394
Produktionsstätte 7, 16, 17, 134, 221, 400, Rahmenbedingung
402  länderspezifische 396
Produktionssystem 203 Rahmenbedingung
 Layout 211  länderspezifische 408
Produktionstyp 204 Rahmenbedingung internationaler
 programmbezogener 208 Logistikprozesse 390
432 Sachverzeichnis

 länderspezifische 392 Sammeln 391


Rationalisierung 2, 67, 68, 135, 161, 341, Sammeltechnik 255
342 Sammlung 248, 251, 253, 254, 255
Räumliche Dimension 296 Satellitenmobilfunksystem 381
Raumwirtschaftliches Gleichgewicht 352 Satellitensystem 376
Realisierungsaufgabe 8 Sättigungsphänomen 43
Rechnungslegung 82 Schienengüterverkehr 303, 315, 357, 382
Rechtliche Rahmenbedingung 392 Schienennetz 178, 369, 370, 384
Recyclingquote 250 Schienenverkehr 184, 256, 315, 354, 356,
Redistributionskanal 247, 250, 252 364, 369
Reederei 196, 305 Schifffahrt
Regal 142, 143  Küsten- 305, 366
Regalbediengerät 144  Linien- 174, 175, 366
Regalförderzeug 144  Rhein- 367
Regallagerung 141  See- 174, 305, 314, 316, 364, 365, 366,
Regionales Netzwerk 340 367, 368, 372
Regionalsystem 401  Tramp- 174
Regionalverkehr 303 Schifffahrtskonferenz 365
Regulierung Schiffsmakler 314
 Transportaufgabe 172 Schiffsverkehr 304
Reklamation 32, 78 Schiffswahl 175
Rentabilität 52, 54 Schnittstelle 30, 47, 61, 68, 69
Rentabilitätsziel 43, 52  1. Ordnung 323
Reservelager 133  2. Ordnung 323
RFID 63, 153  3. Ordnung 323
Rheinschifffahrt 367  Gestaltung 68
Richtlinienkompetenz 274  in logistischen Ketten 61
Risiko 51, 198, 229, 253, 332, 410, 411,  interorganisatorische 323
413  logistische 321
Risikowahrnehmung 27  manuelle 92
Road Railer 183
 technische 147
Rohrleitungsverkehrsnetz 363
 unternehmensinterne 323
Rollende Landstraße 183
 unternehmensübergreifende 323
Rollenkonflikt 326
Schnittstellenaufgabe 67, 280, 285, 286
Rollpalette 142, 161
Schnittstelleneffekt 353
Round-the-World-Service 365
Schüttgut 139
Rücklaufverkehr 297
Schutzfunktion 40, 152, 157, 252
Rückmeldung 78
Seefrachtrate 175
Rückstand 247
Seehafen 365, 372
Rückstands
Seeschiff 174, 180, 196
 Fluss 247, 248, 251
Seeschifffahrt 174, 305, 314, 316, 364,
 Kreislauf 254
365, 366, 367, 368, 372
 Mulde 255 Seeverkehr 196, 363, 390
 Trennung 253 Sekundärbedarf 104, 105, 194
 Zyklus 247 Sekundäres Element 291
Rungenpalette 161 Sekundärleistung 37
Rüstkosten 32, 100, 109, 203 Sekundärrohstoff 247
S Selbstabholung 42, 222
Sachkompetenz 273 Selbstabstimmung 274
Sachleistung Selbsteintritt der Spedition 309
 Substituierbarkeit 58 Selektive Lagerhaltung 118
Sammelfahrzeug 256 Sendungsverfolgungssystem 375
Sachverzeichnis 433

Senke 5, 247 Standortplanung


Sensitivity Training 285  innerbetriebliche 205, 211
Serienfertigung 208 Standortwahl
Service 18  Einflussfaktor 131
 Hypothese zur Bedeutung 63  interlokale 131
 Liefer- 37  lokale 131
 Versorgungs- 36 Stapelbetrieb 84
Serviceangebot Stateless enterprise 404
 Bedingung 289 Stellflächenmodul 164
Servicedenken 31, 35, 37, 203, 250, 389 STEP 374
Servicefunktion (Brown'sche) 116 Stetigförderer 143
Servicekomponente 37, 38, 42, 115, 250, Steuereinfluss 414
294, 296 Steuergesetz 414
Serviceniveau Stillstandskosten 237
 Auswirkung auf den Gewinn 44 Stillstandszeit 178, 239
 in verschiedenen Ländern 396 Stochastische oder verbrauchsgebundene
Serviceniveaukosten 32, 203 Bedarfsermittlung 106
Sicherheit 13, 113, 115, 252, 342, 353 Störungspuffer 214
Sicherheitsbestand 102, 109, 110, 111, Straße 178, 180, 256, 331, 359, 363, 364,
112, 113, 114, 115, 116, 117, 371, 372, 383, 390, 393
118, 122 Straßengüterverkehr 174, 297, 298, 302,
 als Funktion der 303, 304, 354
Wiederbeschaffungszeit 110 Straßenverkehr 62, 256, 328, 356, 366,
 Einflussfaktor 110 371, 382
 Möglichkeit zur Bestimmung 109 Straßenverkehrsgenossenschaft 328
Sicherheitsfaktor 114, 115, 116, 117 Strategische Allianz 316
Sicherheitsvorschrift 173 Strategisches Netzwerk 339
Sicherungsfunktion 212, 214, 251 Streckenverkehr 172
Signieren 8, 157 Strukturelle Bedingung 332
Signierungsprozess 8 Strukturtyp 280
Single Sourcing 198 Stückgut 139, 140, 352
SME 255 Stückgutbahnhof 370
SMT 255 Stückliste 105
Softwaretechnologie 46 Subjektive Schätzung 106
Sortenfertigung 208 Substituierbarkeit 58, 60, 63
Sortierfunktion 214 Substituierbarkeit der Sachleistungen 58
Sortimentierung 7 Substitutionsfunktion 215
Soziale und ökologische Dimension 44 Subsystem
Sozialpolitisches Ziel 356  phasenspezifisches 16, 185, 187, 188,
Spartenorganisation 271 325
Spediteur 38, 100, 263, 308, 326  verrichtungsspezifisches 18, 73, 74,
Spedition 308 79, 188, 190, 194, 212, 240, 250, 394
Speditionspyramide 309 Subsystemkosten 32
Speicherprozess 5 Sucheigenschaft 292, 293
Spekulation 100 Sukzessivlieferungsvertrag 197
Stab 270, 273 Supermarkt-Lager 216
Stabsaufgabe 273 Supplier Information Management (SIM)
Standardisierung 358 84, 377
 Datensatz und Dokument 93 Supply Chain 12, 53, 57, 67, 191, 260,
 Grenze 94 327, 334, 337, 338, 360, 409
Standortentscheidung Supply Chain Management 12, 57, 67,
 innerbetriebliche 216 327, 337, 338
434 Sachverzeichnis

System 5, 6, 7, 13, 14, 24, 28, 34, 42, 65, Transitsystem 400
66, 73, 75, 77, 111, 120, 129, Transport 169, 212, 242, 253
139, 159, 181, 183, 198, 209,  Aufgabe 170
210, 211, 218, 226, 228, 242,  außerbetrieblicher 134
249, 273, 291, 292, 349, 350,  Definition 169
351, 352, 353, 354, 356, 363,  Funktion 169
400, 401  innerbetrieblicher 134
 internationales 15 Transportauftrag 218
 intraorganisatorisches 15 Transportelastizität 353, 383
 kombiniertes 256 Transportfunktion 62, 153
 makrologistisches 14, 342, 349, 351, Transportgeschwindigkeit 177
352, 353, 363 Transportgewerbegebiet 310
 mehrstufiges 6, 7 Transportgut 169, 170, 212
 metalogistisches 14 Transportieren 8, 334, 389
Systemanbieter 243, 302 Transportintensität 204, 211, 212
 logistischer 302 Transportkette 78, 153, 159, 160, 164,
Systemansatz 29, 31 170, 180
Systemdenken 28, 29, 30, 31, 45, 48, 100,  Aufbau 166, 170, 171, 172
190, 191, 202, 223, 250, 263,  eingliedrig 171
290, 321, 389  interorganisatorische Schnittstelle 323
 Leistungsfähigkeit 29  mehrgliedrig 171
 Prozessinterdependenz 31  Phase 171, 172
 Ressourceninterdependenz 31 Transportkostenvergleich 129
Systeminput 18, 31 Transportmittel 30, 39, 62, 111, 112, 127,
Systemmülleimer 255 134, 135, 143, 144, 169, 170,
Systemoutput 18, 31 174, 176, 177, 178, 179, 180,
Systemwechselpunkt 311 181, 185, 191, 212, 213, 218,
T 239, 256, 298, 302, 309, 353,
Tarifäres Handelshemmnis 395 390, 401
Tarifzwang 356 Transportmittelveredelung 62
Task Force 274, 275 Transportproblem 170
Technischer Fortschritt 44, 63, 202 Transportprozess 169, 170
Technisch-wirtschaftliches Denken 44 Transportsystem 63, 169, 181, 182, 183,
Technologische Dimension 42 212, 213, 218
Teileverwendungsnachweis 105  bimodales 183
Teilsystem 17, 30, 32, 33, 55  Gestaltung des innerbetrieblichen 212
Tensororganisation 283 Transportunternehmen 61, 62, 178, 184,
Terminal 181, 363, 372 293, 301, 302, 303, 305, 309,
Termintreue 38 330, 394
Tertiärbedarf 104, 106 Transportverpackung 157, 164
Third Party Logistics Service Provider Transportversicherung 196
308 Transportzeit 176, 178, 179, 400, 408
Tracking & Tracing 91 Transpotel 376
Traglufthallenlager 142 Trennung 134, 136, 251, 253, 254, 255,
Trailerzug 183 256, 277, 303, 351
Trampschifffahrt 174 Triade-Strategie 404
Transferpreis 414 Trucking 304, 306
Transferprozess 352 Trust Centern 375
Transferstraße 206 Trusted Third Party 375
Transformationsprozess 3 U
Transfracht 185 Überbetriebliche Kooperation 327, 328,
Transit inventory 344 329
Sachverzeichnis 435

Überbrückungsfunktion 224 Vereinheitlichung 161, 172, 368


ULD 162, 163 Vereinigung 28
Umlagerungsvorgang 136 Verflechtung 303, 314, 324, 337, 389
Umlaufbestand 111 Verfügbarkeit 24, 25
Umlaufregal 143  eines Gutes 24
Umleerverfahren 256 Verfügungsrecht 25
Umsatzkonzentration 119, 120 Verkaufsförderung 152, 229, 230, 277
Umschlagen 8, 311, 334 Verkaufsverpackung 157
Umschlagsfunktion 169, 170 Verkehr
Umschlagslager 127, 216, 252, 400, 401  gewerblicher 304
Umschlagsplatz 181, 359  kombinierter 180
Umschlagsprozess 10, 135, 213, 253, 363  ungebrochener 171
Umschlagsunternehmen 307 Verkehrliches Ziel 357
Umschlagsverfahren 183 Verkehrsaffinität 353
 horizontales 183 Verkehrsaufkommen
 vertikales 183  Prognose 383
Umschlagsvorgang 151, 213, 252 Verkehrsbetriebslehre 69, 299
Umverpackung 157 Verkehrsinfarkt 382
Umweltpolitisches Ziel 356 Verkehrsknoten 356, 363, 364
Umweltschutz 249 Verkehrskollaps 382
Umweltvariable 295 Verkehrsleistung 253, 312, 367, 382, 383
Unabhängigkeit 277, 339, 344 Verkehrsmarkt
Unctad-Kodex 366  Entwicklung 62, 63
Ungebrochener Verkehr 171 Verkehrsnetz
Unit Load Device 162  Kombination 364, 372
Unitization 158 Verkehrspolitik 357, 381, 383
Unit-Load-Konzept 158 Verkehrspolitische Maßnahme 355
Unpaarigkeit der Verkehrsströme 299 Verkehrsträgerentwicklung 353
Unsicherheit 51, 53, 101, 106, 342 Verkehrsweg 292, 356, 358, 359, 363,
Unstetigförderer 143 364, 371, 383, 384
Unterbrechungspunkt 7 Verkehrswertigkeit 353
Unternehmen Verkehrswirtschaft 298, 301, 329, 354,
 Beziehungsgefüge 323, 325 355, 356, 357, 358, 359
 fokales 339 Verlader 16, 290, 293, 296, 301, 305, 307,
 öffentliches 314 309, 327, 332, 333, 334
 virtuelles 339 Vermittler 308, 309
Unternehmensforschung 70 Verpacken 8, 151, 156, 157
Unternehmenslogistik 15, 17, 30, 201 Verpackung 151, 217, 242, 252
Unternehmensnetzwerk 337, 339  Anforderung 154
 operatives 340  Aufgabe 154
 regionales 340  Definition 151
 strategisches 339  Einflussfaktor 156
Untersuchung  Funktion 151
 empirische 58, 60  Gestaltung 154
Unterwegsbestand 103, 198  Logistikfunktion 152
utilitaristische Bedingung 332  modularer Aufbau 164
V Verpackungsart 156, 157, 158
Value Added Service 409 Verpackungsaufgabe 134, 154, 307
VDA-KLT-System 217 Verpackungsmodul 164
Verbrauchsgüter des täglichen Bedarfs 67 Verpackungsprozess 151, 155, 156, 157,
Verbrauchsstruktur 118 158
Verdichtungseinrichtung 256 Verpackungssystem 151, 154, 156, 164
436 Sachverzeichnis

Verpackungsteam 154 Warenverteilzentrum 310, 311


Verpackungsunternehmen 16, 306, 307, Warenwirtschaftssystem 74
308 Wechselaufbauten 162, 163, 183
Verpackungsverordnung 157 Wechselbehälter 162, 166, 255
Verrechnungspreis 400, 401, 414 Wechselkursrisiko 413
Verrichtungsprinzip 205 Wechselpunkt 311
Verrichtungsspezifisches Subsystem 212, Wechselverfahren 255
240, 250 Wegerechnungsproblem 359
Verrichtungsspezifisches Subsystem Wegsicherungsfunktion 169
Lagerhaltung 194 Werbekampagne 229
Versand 77, 82, 134, 180, 202, 309, 329 Werkschifffahrtsbetrieb 304
Versanddisposition 82, 179 Werksreederei 305
Versandpapier 81, 82, 196 Werkstattfertigung 205, 206, 207, 211,
Verschieberegal 143 212, 216
Versender 37, 48, 196, 292, 306, 370 Werkverkehr 173, 174, 302, 304, 305,
Versorgung 314, 383
 Gesamtaufgabe 189, 193 Wertart 23
Versorgungslogistik 17, 249, 251, 252 Wertkette 24, 223, 397, 398, 403
Versorgungsniveaukosten 191 Wertorientiertes Denken 23
Versorgungsservice 18, 32, 36, 37, 63, 64, Wertschöpfung 24
192, 215, 344  Dienstleistungscharakter 26
Versorgungssystem Wertschöpfungsaktivität 397, 404
 physisches 17  logistische 26
Verteilungslager 127, 128, 252 Wertschöpfungsdenken 25
Vertikale Kommunikation 375 Wettbewerb 58, 344
Vertikale Kooperation 331, 334  intermodaler 356
Vertikales Umschlagsverfahren 183  intramodaler 357
Vertrauenseigenschaft 294, 295 Wettbewerbsverzerrung 359
Verwendungsfunktion 152 Wettbewerbsvorteil 58, 174, 178, 250, 397
Vier R 12 Wiederbeschaffungszeit 102, 109, 110,
Virtuelle Marktplätze 87 111, 112, 113, 114, 115, 210,
Virtuelles Unternehmen 339 390
Volumengewicht 180 Wiederbeschaffungszeitüberziehung 110
Volumen-Gewichts-Frachtraten 175 Wiederholungskauf
Volumen-pro-Auftrag-Index 137  modifizierter 292
Von-Nach-Matrix 205  reiner 294
Vorauseilender Informationsfluss 77, 251 Z
Vorfakturierung 82 Zahlungsbedingung 410, 411, 411
Vorkombination 27 Zahlungsfluss 233, 337, 411
Vorlauf 172, 185 Zeilenlagerung 139
Vorratsergänzung 101, 102, 103, 107, Zeit
109, 110, 194  Dimension 29
Vorratslager 127, 131, 216, 252 Zeitstabilitätshypothese 106
Vorratssicherung 102, 109, 110 Zentralbereich 277, 283
W Zentrale Produktion 352
Wagenladungsverkehr 129, 179, 370 Zentralisation 123, 273, 274, 352, 397
Währungseinfluss 413 Zentrallager 75, 107, 127, 231, 232, 390,
Warenausgang 133, 134, 135, 136 409
Wareneingang 132, 133, 134 Zentrenfertigung 205, 207, 209, 212, 216
Warenfluss 36 Ziel 326
Warenflusssteuerung 63  gesamtwirtschaftliches 350, 355
Warenfunktion 224  nichtverkehrliches 350, 356
Warenprozesssystem 74
Sachverzeichnis 437

 sozialpolitisches 356 Zulieferungslager 16, 128


 umweltpolitisches 356 Zusammenarbeit
 verkehrliches 357  gewerbepolitische 329
Zielgrößenentwicklung 51  gewerbewirtschaftliche 328
Zielkonflikt 33, 42, 262, 326, 356, 395 Zweitregister 366
 innerhalb der Organisationseinheit 262 Zwischenbetrieblich 202, 327
 zwischen Organisationseinheiten 262 Zwischenbetriebliche Kooperation 327,
Zollaufschublager 401 329
Zollgutlager 401 zwischenbetriebliche Logistik 16, 202
Zugabenverordnung 156 Zwischenlager 211, 214, 252
Zugriffshäufigkeit 136, 137 Zwischenwerkliche Logistik 202
Zuliefernetzwerk 339

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