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Logistiksysteme

Hans-Christian Pfohl

Logistiksysteme
Betriebswirtschaftliche Grundlagen

8., neu bearb. u. aktual. Aufl.

1C
Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Christian Pfohl
Technische Universität Darmstadt
Rechts und Wirtschaftswissenschaften
Fachgebiet Unternehmensführung und Logistik
Hochschulstraße 1
64289 Darmstadt
Deutschland
pfohl@bwl.tu-darmstadt.de

ISBN 978-3-642-04161-7 e-ISBN 978-3-642-04162-4


DOI 10.1007/978-3-642-04162-4
Springer Heidelberg Dordrecht London New York

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Vorwort zur 8. Auflage

Die neue Auflage wurde umfassend aktualisiert und erweitert. Dies betrifft insbe-
sondere die statistischen Daten, aber auch wesentliche technologische Entwick-
lungen, die in verschiedenen Bereichen für die Logistik relevant sind. Dazu zählen
z. B. RFID- und Scannertechnologie und die daraus erwachsenden Möglichkeiten
für Warenwirtschaftssysteme oder moderne Systeme zur Automatisierung von
Prozessen der Intralogistik. Wichtige Aspekte stellen außerdem aktuelle Trends
der Logistik dar, die an verschiedene Stellen die weitere Entwicklung skizzieren.
Darüber hinaus wurden viele Abbildungen überarbeitet oder neu dargestellt und
Fallbeispiele aktualisiert. Die Literaturquellen wurden ebenfalls aktualisiert.
Für die Unterstützung bei der Überarbeitung dieser Auflage danke ich ganz
herzlich meiner Mitarbeiterin, Frau M. Sc. Xin Shen und meinem Mitarbeiter,
Herrn Dipl.-Wirtsch.-Inform. David Thomas.

Darmstadt, im September 2009 Hans-Christian Pfohl

Vorwort zur 7. Auflage


Bei der vorliegenden Auflage handelt es sich um einen korrigierten Nachdruck der
sechsten Auflage. Inhaltlich wurden lediglich Anpassungen an das reformierte
Handelsgesetzbuch vorgenommen. Ansonsten wurden verschiedene Druckfehler
beseitigt, die sich leider in der vorangehenden Auflage eingeschlichen hatten.
Diesbezüglich danke ich all meinen Lesern, die mich auf diese Aufmerksam ge-
macht haben.
Für die Unterstützung bei der Überarbeitung dieser Auflage danke ich ganz
herzlich meinem Mitarbeiter, Herrn Dipl.-Kfm. Oliver Boldt.

Darmstadt, im August 2003 Hans-Christian Pfohl

Vorwort zur 6. Auflage


Die neue Auflage wurde wieder umfassend überarbeitet und aktualisiert. Dies be-
trifft insbesondere die statistischen Auswertungen, aber auch einige neuere Ent-
wicklungen, die die Logistik betreffen, wie z.B. E-Commerce, Supply Chain Ma-
nagement oder Produktionsnetzwerke.
VI Vorwort

Für die Unterstützung bei der Überarbeitung dieser Auflage danke ich ganz
herzlich meinem Mitarbeiter, Herrn Dipl.-Wirtsch.-Ing. Alexander Koldau, sowie
für ihr ganz besonderes Engagement bei der Fertigstellung der Druckvorlage Frau
stud.-wirtsch.-ing. Tanja Schlag.

Darmstadt, im April 2000 Hans-Christian Pfohl

Vorwort zur 5. Auflage


Die vorliegende Auflage wurde umfassend überarbeitet, aktualisiert und erweitert.
Neuere Entwicklungen in den mikro-, meta- und makrologistischen Systemen
wurden durch Auswertung der seit der letzten Auflage durchgeführten einschlägi-
gen empirischen Untersuchungen berücksichtigt. Zur Charakterisierung der Logis-
tikkonzeption wurde unter Rückgriff auf die erste Fassung dieses Buches, die den
Titel „Marketing-Logistik“ trug, zusätzlich zum Systemdenken das wert- und nut-
zenorientierte Denken herangezogen.
Die Erweiterung der Neuauflage umfasst insbesondere das neue Kapitel C. In
ihm werden die phasenspezifischen Subsysteme der Logistik dargestellt. Hierbei
wird nicht nur auf die klassischen Subsysteme der Versorgungslogistik, nämlich
Beschaffungs-, Produktions- und Distributionslogistik, eingegangen. Wegen der
oftmals sehr spezifischen Probleme des Ersatzteilwesens wird der Ersatzteillogis-
tik ein besonderer Abschnitt gewidmet. Da neben der Versorgung des Marktes
seine Entsorgung einen immer höheren Stellenwert erhält, wird auch die für eine
Kreislaufwirtschaft wichtige Entsorgungslogistik als neues Subsystem analysiert.
Wichtige Unterstützung bei der Bearbeitung der Neuauflage erhielt ich durch
meine ehemaligen und jetzigen Mitarbeiter, Frau Dipl.-Kff. Birgit Ester sowie die
Herren Dipl.-Wirtsch.-Ing. Hans Peter Buse, Dipl.-Wirtsch.-Ing. Markus Engelke,
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Michael Krings, Dr. Rudolf Large und Dr. Dirk Rohweder.
Dafür danke ich ihnen herzlich. Ganz besonderer Dank gebührt aber Herrn Dipl.-
Wirtsch.-Ing. Christian Schäfer, der mit der hilfreichen Unterstützung durch die
Herren Bernd Donabauer und cand.-wirtsch.-ing. Volker Kindermann die müh-
same Aufgabe der Erstellung der redaktionellen Endfassung dieser Neuauflage
übernommen hat.

Darmstadt, im Sommer 1995 Hans-Christian Pfohl

Vorwort zur 4. Auflage


Das steigende Interesse an der Logistikkonzeption erfordert nach relativ kurzer
Zeit eine Neuauflage der „Logistiksysteme“. Das bot mir die Möglichkeit, einige
der wohl niemals vermeidbaren Druckfehler zu korrigieren. Außerdem habe ich
das Kapitel D um internationale Aspekte von Logistiksystemen erweitert. Ich fol-
ge damit der steigenden Bedeutung, die internationalen Logistiksystemen im
Vorwort VII

Rahmen der zunehmenden Europäisierung oder weltweiten Globalisierung der


Unternehmensaktivitäten zukommt.
Neben den hier vorliegenden „Betriebswirtschaftlichen Grundlagen“ sind die
„Technischen Grundlagen“ von Logistiksystemen unter dem Titel „Materialfluss
und Logistik“ von Herrn Kollegen Jünemann in dieser Reihe veröffentlicht wor-
den. Ich habe darauf verzichtet, bei meinen Ausführungen an den Schnittstellen
zur Technik immer wieder Querverweise zu diesem Grundlagenband anzubringen.
Im besten logistischen Sinn bieten beide Bände die integrativen Grundlagen der
Logistik.

Darmstadt, im Frühjahr 1990 Hans-Christian Pfohl

Vorwort zur 3. Auflage


Gerne bin ich der Aufforderung des Verlages zur Vorbereitung einer dritten Auf-
lage gefolgt. Zunächst habe ich selbstverständlich alle Druckfehler der zweiten
Auflage, soweit ich sie entdeckt habe oder darauf aufmerksam gemacht worden
bin, korrigiert; außerdem habe ich verschiedene Unschärfen in der Formulierung
des Textes und der Abbildungen beseitigt. Mein Dank gilt in diesem Zusammen-
hang allen Lesern, insbesondere meinen Mitarbeitern und Studenten, von denen
ich entsprechende Hinweise erhalten habe. Für die intensive Unterstützung bei der
redaktionellen Vorbereitung der dritten Auflagen danke ich meinem Mitarbeiter,
Herrn Dipl.-Wirtsch.-Ing. Stephan Freichel.
Aufgrund der seit dem ersten Erscheinen des Buches eingetretenen Entwick-
lungstrends in Logistiksystemen wurden einige Passagen aktualisiert oder erwei-
tert, wobei auch die neu erschienene Literatur aufgenommen wurde.
Völlig neu ist das Kapitel D, in dem gesamtwirtschaftliche Aspekte von Logis-
tiksystemen behandelt werden. Damit ist keineswegs der Anspruch verbunden, die
betriebswirtschaftlichen Grundlagen zu erweitern. Auf das System der Makrolo-
gistik wird nur insoweit eingegangen, als es die Rahmenbedingungen für die mik-
ro- und metalogistischen Systeme auf betriebswirtschaftlicher Ebene vorgibt.

Darmstadt, im Frühjahr 1988 Hans-Christian Pfohl

Vorwort zur 2. Auflage


Seit dem Erscheinen der ersten Fassung dieses Buches mit dem Titel „Marketing-
Logistik. Gestaltung, Steuerung und Kontrolle des Warenflusses im modernen
Markt“ hat das Interesse an der Logistikkonzeption sowohl in der Theorie als auch
in der Unternehmenspraxis erheblich zugenommen. An einigen Universitäten,
Technischen Hochschulen und Fachhochschulen werden mittlerweile Logistik-
lehrveranstaltungen angeboten. In Stellenanzeigen werden zunehmend Logistiker
gesucht. In der Unternehmenshierarchie wird der Logistikbereich auf höherer Ma-
nagementebene organisatorisch verankert.
VIII Vorwort

Die hier vorliegende Neuauflage versucht, diesem steigenden Interesse an der


Logistikkonzeption gerecht zu werden. Sie ist eine völlig neu bearbeitete und er-
weiterte Fassung der ersten Auflage. Behandelt werden die betriebswirtschaft-
lichen Grundlagen nicht nur des Systems der Marketing-Logistik, sondern aller
intra- und interorganisatorischen Logistiksysteme. Technische Aspekte werden
dabei lediglich insoweit gestreift, als sie für das betriebswirtschaftliche Verständ-
nis von Logistiksystemen unbedingt erforderlich sind. Die technischen Grundla-
gen von Logistiksystemen werden von Herrn Kollegen Jünemann in einem weite-
ren Grundlagenband dieser Reihe bearbeitet.
Gegenstand des ersten Kapitels dieses Buches sind die Grundlagen der be-
triebswirtschaftlichen Logistik, wobei ausführlich auf den der Logistikkonzeption
zugrundeliegenden Denkansatz eingegangen wird. Im zweiten Kapitel werden die
logistischen Teilsysteme von Industrie- und Handelsunternehmen dargestellt, um
zu zeigen, welche Probleme inhaltlich in die funktionale Analyse von Logistiksys-
temen einzubeziehen sind. Im dritten Kapitel über institutionelle Aspekte von Lo-
gistiksystemen wird zunächst die Organisationsform von Logistiksystemen in In-
dustrie- und Handelsunternehmen behandelt. Danach wird erörtert, welche
Aufgaben von Logistikunternehmen übernommen werden können. Abschließend
werden interorganisatorische Logistiksysteme diskutiert, die durch Kooperation
verschiedener Institutionen im Logistikkanal entstehen.
Dieses Buch will also die Logistiksysteme mit ihren betriebswirtschaftlichen
Grundlagen beschreiben und erklären, die aus der Logistikkonzeption resultieren.
Die Prozesse zur Gestaltung solcher Logistiksysteme sind Gegenstand eines ande-
ren von mir geplanten Buches, das in dieser Reihe mit dem Titel „Logistikmana-
gement“ erscheinen wird.
Allen, die an der Entstehung des vorliegenden Buches mitgewirkt haben, sei an
dieser Stelle herzlichst gedankt. Insbesondere gilt dieser Dank meinem ehemali-
gen Mitarbeiter, Herrn Dr. Klaus Wübbenhorst, für das Korrekturlesen mehrerer
Manuskriptfassungen, den Herren cand.-wirtsch.-ing. Stephan Freichel und Henrik
Lewe für die Bearbeitung des Manuskriptes auf dem Textverarbeitungssystem,
Herrn cand.-wirtsch.-ing. Holger Grotelüschen für die Anfertigung der Abbildun-
gen und Herrn Dipl.-Wirtsch.-Ing. Norbert Linn für die Erstellung des Stichwort-
verzeichnisses. Nicht zuletzt danke ich aber vor allem meiner Frau und meinen
Kindern für ihr Verständnis, das sie mir entgegenbrachten. Denn sie mussten an
vielen Wochenenden auf gemeinsame Freizeit mit dem Autor verzichten, die die-
ser mit Formulierungen zu Logistiksystemen in seinem Arbeitszimmer verbrachte.

Darmstadt, im Frühjahr 1985 Hans-Christian Pfohl


Inhaltsverzeichnis

A Grundlagen der betriebswirtschaftlichen Logistik................. 1


1 Logistikbegriff ........................................................................................... 3
1.1 Logistiksysteme im Systemverbund der Gütertransformation ........... 3
1.2 Logistikprozesse und Arten der Gütertransformation ........................ 7
1.3 Begriffliche Abgrenzung der Logistik ............................................. 11
1.4 Betrachtungsebenen und Umfang von Logistiksystemen ................ 14
2 Charakterisierung der Logistikkonzeption............................................... 20

2.1 Wert- und nutzenorientiertes Denken .............................................. 20


2.2 Systemdenken .................................................................................. 25
2.3 Gesamt- oder Totalkostendenken..................................................... 29
2.4 Servicedenken.................................................................................. 32
2.5 Logistisches Effizienzdenken .......................................................... 39
2.6 Konsequenzen des Logistikdenkens ................................................ 42
3 Bedeutung der Logistik............................................................................ 46

3.1 Betriebswirtschaftliche Entwicklungstendenzen.............................. 46


3.2 Kostendruck ..................................................................................... 49
3.3 Marktdruck....................................................................................... 53
3.4 Stellenwert im Unternehmen ........................................................... 58

B Verrichtungsspezifische Subsysteme der Logistik................ 67


1 Auftragsabwicklung................................................................................. 70
1.1 Definition und Funktionen der Auftragsabwicklung ....................... 70
1.2 Auftragsabwicklungsaufgaben......................................................... 74
1.3 Formen der Auftragsabwicklung ..................................................... 78
1.4 Verknüpfung logistischer Informationssysteme............................... 84
X Inhaltsverzeichnis

2 Lagerhaltung (Lagerbestände) .................................................................87

2.1 Definition und Funktionen der Lagerhaltung...................................87


2.2 Lagerhaltungsaufgaben ....................................................................90
2.3 Vorratsergänzung und -sicherung ....................................................95
2.4 Selektive Lagerhaltung ..................................................................106
3 Lagerhaus...............................................................................................112
3.1 Definition und Funktionen des Lagerhauses ..................................112
3.2 Lagerhausaufgaben ........................................................................116
3.3 Lagerplatzzuordnung .....................................................................120
3.4 Technik im Lagerhaus....................................................................124
4 Verpackung............................................................................................134
4.1 Definition und Funktionen der Verpackung...................................134
4.2 Verpackungsaufgaben....................................................................137
4.3 Logistische Einheiten.....................................................................141
4.4 Modulare Verpackung....................................................................147
5 Transport................................................................................................149

5.1 Definition und Funktionen des Transports.....................................149


5.2 Transportaufgaben .........................................................................150
5.3 Transportmittel...............................................................................154
5.4 Kombinierter Verkehr ....................................................................160

C Phasenspezifische Subsysteme der Logistik .........................167


1 Beschaffungslogistik..............................................................................169
1.1 Definition und Konzeption der Beschaffungslogistik ....................169
1.2 Beschaffungslogistik und Instrumente der Beschaffungspolitik ....174
2 Produktionslogistik ................................................................................180

2.1 Definition und Konzeption der Produktionslogistik ......................180


2.2 Produktionslogistik bei verschiedenen Produktionstypen..............183
2.3 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Produktionslogistik .......191
3 Distributionslogistik...............................................................................198
3.1 Definition und Konzeption der Distributionslogistik .....................198
3.2 Distributionslogistik und Instrumente der Marketingpolitik ..........202
Inhaltsverzeichnis XI

4 Ersatzteillogistik .................................................................................... 210

4.1 Definition und Konzeption der Ersatzteillogistik........................... 210


4.2 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Ersatzteillogistik ........... 215
4.3 Bedeutung der Ersatzteilversorgung als Wettbewerbsinstrument.. 217
5 Entsorgungslogistik ............................................................................... 219
5.1 Definition und Konzeption der Entsorgungslogistik...................... 219
5.2 Verrichtungsspezifische Subsysteme der Entsorgungslogistik ...... 222
5.3 Technische Ausgestaltung entsorgungslogistischer Prozesse ........ 226

D Institutionelle Aspekte von Logistiksystemen ..................... 229


1 Intraorganisatorische Logistiksysteme................................................... 231
1.1 Aufsplitterung logistischer Aufgaben versus Organisationseinheit
Logistik .......................................................................................... 231
1.2 Eingliederung der Logistikaufgaben in unterschiedliche
Organisationsstrukturen ................................................................. 238
1.3 Gliederung einer Organisationseinheit Logistik ............................ 249
1.4 Logistik in einer mehrdimensionalen Organisationsstruktur ......... 251
2 Dienstleistungsfunktionen der Logistikunternehmen ............................ 255

2.1 Absatzhelfer von Industrie- und Handelsunternehmen .................. 255


2.2 Art der Dienstleistungen ................................................................ 260
2.3 Besonderheiten der Leistungserstellung ........................................ 263
3 Institutionen der Güterverkehrswirtschaft ............................................. 264
3.1 Transportunternehmen ................................................................... 266
3.2 Lager-, Umschlags- und Verpackungsunternehmen ...................... 270
3.3 Speditionen und Vermittler............................................................ 271
3.4 Logistikzentren .............................................................................. 273
3.5 Rechts- und Organisationsformen.................................................. 277
4 Interorganisatorische Logistiksysteme................................................... 280

4.1 Logistische Schnittstellen und interorganisatorische Beziehungen 280


4.2 Kooperation auf verschiedenen Ebenen......................................... 286
4.3 Kooperationsbereitschaft und -ausmaß .......................................... 290
4.4 Auswirkungen der Kooperation im Logistikkanal ......................... 299
XII Inhaltsverzeichnis

E Gesamtwirtschaftliche und internationale Aspekte von


Logistiksystemen.....................................................................305
1 Anforderungen an das makrologistische System der Güterverteilung ...308
1.1 Anforderungen aufgrund der Arbeitsteilung ..................................308
1.2 Anforderungen aufgrund der Güterart............................................309
1.3 Anforderungen aufgrund gesamtwirtschaftlicher Ziele..................312
2 Makrologistische Infrastruktur...............................................................317
2.1 Infrastruktur des Güterflusses ........................................................317
2.2 Infrastruktur des Informationsflusses.............................................327
2.3 Verkehrspolitik ..............................................................................332
3 Internationale Logistiksysteme ..............................................................337

3.1 Besonderheiten der internationalen Logistik..................................337


3.2 Gestaltung internationaler Logistiksysteme ...................................345
3.3 Finanzwirtschaftliche Aspekte der internationalen Logistik ..........358

Literatur ........................................................................................365

Sachverzeichnis.............................................................................389
Abbbildungsverzeichnis

Abb. A.1 Systeme der Gütertransformation .........................................................4


Abb. A.2 Grundstrukturen von Logistiksystemen ................................................6
Abb. A.3 Logistikprozesse und die durch sie bewirkte Gütertransformation.......9
Abb. A.4 Kennzeichnung logistischer Aufgabenbereiche ..................................10
Abb. A.5 Institutionelle Abgrenzung von Logistiksystemen..............................15
Abb. A.6 Funktionelle Abgrenzung von Logistiksystemen nach den Phasen
des Güterflusses ..................................................................................19
Abb. A.7 Funktionelle Abgrenzung von Logistiksystemen nach den
Inhalten von Logistikaufgaben............................................................20
Abb. A.8 Beitrag der Logistik zur Bedürfnisbefriedigung .................................21
Abb. A.9 Verfügbarkeit als konstituierende Eigenschaft des Gebrauchswertes ...23
Abb. A.10 Übernahme wertschöpfender Logistikaktivitäten des Kunden
durch den Lieferanten .........................................................................23
Abb. A.11 Zusammensetzung der Gesamtkosten im Logistikprozess..................31
Abb. A.12 Typische Kostenverläufe im Logistiksystem ......................................32
Abb. A.13 Beispiel für den zeitlichen Verlauf einer 10-tägigen Lieferzeit ..........36
Abb. A.14 Formeln zur Berechnung der Lieferbereitschaft .................................38
Abb. A.15 Auswirkung des Serviceniveaus auf den Gewinn ...............................41
Abb. A.16 Logistik als betriebswirtschaftliche Querschnittsfunktion ..................43
Abb. A.17 Aufteilung der Logistikkosten verschiedener logistischer
Teilfunktionen und Branchen in Prozent vom Umsatz .......................50
Abb. A.18 Vergleich der nationalen Logistikkosten und des Bruttosozial-
produktes ausgewählter Länder ..........................................................51
Abb. A.19 Anteil der Logistikkosten in Prozent vom Jahresumsatz ....................52
Abb. A.20 Bewertungskriterien der Lieferantenauswahl .....................................54
Abb. A.21 Vier ausgewählte Kriterien für die Fremdvergabe von Leistungen
der Verlader an Logistikdienstleister ..................................................55
Abb. A.22 Bedeutung von Beurteilungskriterien bei der Auswahl von
Speditions- bzw. Transportunternehmen ............................................56
Abb. A.23 Tendenzieller Verlauf der Logistikkosten in Abhängigkeit von
der Marktentfernung ...........................................................................60
XIV Abbildungsverzeichnis

Abb. A.24 Tendenzieller Verlauf der Logistikkosten in Abhängigkeit von


der Produktart .....................................................................................61
Abb. A.25 Bedeutung der Logistik als Instrument der Rationalisierung und
des Lieferservice als Instrument zur Differenzierung.........................63

Abb. B.1 Der Auftrag als Informationsquelle ....................................................71


Abb. B.2 Der Weg der Auftragsinformation bei der Auftragsabwicklung
und die Verbindung zu den übrigen Subsystemen der Logistik..........75
Abb. B.3 Flussdiagramm der Auftragsabwicklung für den Einsatz der
elektronischen Datenverarbeitung ......................................................80
Abb. B.4 Modularer Aufbau von Warenwirtschaftssystemen............................82
Abb. B.5 Kopplungsmöglichkeiten zwischen den Informationssystemen
verschiedener Akteure in einer Lieferkette.........................................85
Abb. B.6 Lagerbestände beim Güterfluss durch den Absatzkanal .....................88
Abb. B.7 Bestandteile des Lagerbestandes aufgrund der Vorratsergänzung
und -sicherung ....................................................................................91
Abb. B.8 Zusammenstellung der Materialbedarfsarten......................................92
Abb. B.9 Methoden der Bedarfsermittlung ........................................................93
Abb. B.10 Bestellregeln .......................................................................................96
Abb. B.11 Verkleinerung der Sicherheitsbestandes durch Verwendung von
zwei Bestellpunkten..........................................................................100
Abb. B.12 Normalverteilung des Prognosefehlers .............................................102
Abb. B.13 Zusammenhang zwischen Sicherheitsbestand und Lieferbereitschaft...104
Abb. B.14 Beispiel für eine Lorenzkurve zur Kennzeichnung der
Umsatzkonzentration in einem Produktprogramm ...........................108
Abb. B.15 Klassifizierung der Artikel mit Hilfe der Umsatzanalyse und der
Analyse des kritischen Wertes ..........................................................109
Abb. B.16 Unterscheidung von Lagerhausarten nach ihrer Funktion ................113
Abb. B.17 Kostensenkung bei der Belieferung eines Gebietes durch ein
Auslieferungslager............................................................................115
Abb. B.18 Lagerhausbereiche ............................................................................118
Abb. B.19 Möglichkeiten der Lagerplatzzuordnung..........................................123
Abb. B.20 Prinzipdarstellung der wesentlichen technischen Lagersysteme
für Stückgüter ...................................................................................125
Abb. B.21 Elemente eines Lagerhauses .............................................................131
Abb. B.22 Automatisierung im Lagerhaus.........................................................133
Abb. B.23 Zuordnung der Anforderungen an die Verpackung zu den
Verpackungsfunktionen ....................................................................138
Abb. B.24 Einflüsse auf die Gestaltung der Verpackungsarten .........................139
Abb. B.25 Grundsätzliche Möglichkeiten zur Bildung logistischer Einheiten...143
Abb. B.26 Verschiedene Großbehälter...............................................................146
Abbildungsverzeichnis XV

Abb. B.27 Modularer Aufbau von Verpackungen .............................................148


Abb. B.28 Beispiel einer Palette mit modularen Verpackungen ........................149
Abb. B.29 Möglichkeiten zum Aufbau einer Transportkette .............................152
Abb. B.30 Güterverkehrssystem ........................................................................155
Abb. B.31 Güterverkehr im Vergleich (Deutschland)........................................156
Abb. B.32 Möglichkeiten im Kombinierten Verkehr Straße/Schiene ................161

Abb. C.1 Beispiel des Materialflusses bei Werkstattfertigung.........................185


Abb. C.2 Beispiel des Materialflusses bei Fließfertigung ................................186
Abb. C.3 Materialfluss bei Zentrenfertigung....................................................188
Abb. C.4 Funktionen von Produktionslagern (Zwischenlagern) ......................193
Abb. C.5 Funktionen des Handels....................................................................202
Abb. C.6 Wirkung eines erweiterten Produktprogramms auf die Lagerbestände..204
Abb. C.7 Beispiel für eine Aufgliederung des Marketingkanals in
Logistikkanal und Absatzkanal.........................................................209
Abb. C.8 Ersatzteillogistik beim Hersteller und Verwender von Ersatzteilen..211
Abb. C.9 Einflussgrößen auf den Ersatzteilbedarf ...........................................216
Abb. C.10 Objekte der Entsorgungslogistik.......................................................220
Abb. C.11 Logistische Prozesse in den Beseitigungskanälen ............................221
Abb. C.12 Kombinationen in mehrstufigen Rückstandskreisläufen...................226

Abb. D.1 Organisatorische Verankerung der Logistik .....................................236


Abb. D.2 Zuordnung betrieblicher Aufgaben zur Organisationseinheit Logistik ..237
Abb. D.3 Beispiel für die Aufsplitterung von Logistikaufgaben......................239
Abb. D.4 Zentralisationsgrad der Logistikaufgaben bei funktional
gegliederten Unternehmen ................................................................241
Abb. D.5 Zentralisationsgrad der Logistikaufgaben bei divisional
gegliederten Unternehmen ................................................................243
Abb. D.6 Kombination zentraler und dezentraler Wahrnehmung von
Logistikaufgaben ..............................................................................246
Abb. D.7 Hierarchische Verankerung der Logistik im Unternehmen ..............249
Abb. D.8 In einer Organisationseinheit Logistik aufgewendete Zeitanteile
für verschiedene Aufgaben ...............................................................250
Abb. D.9 Einordnung der Logistik in eine funktions- und
produktionsfaktor-orientierte Matrixorganisation.............................252
Abb. D.10 Leistungen von Logistikunternehmen...............................................261
Abb. D.11 Organisatorisches Kuppelprodukt bei der Erstellung von
Transportleistungen ..........................................................................264
Abb. D.12 Güterverkehrsaufkommen und -leistung (Deutschland 2007) ..........267
XVI Abbildungsverzeichnis

Abb. D.13 Positive Effekte des Citylogistik-Konzeptes am Beispiel der Stadt


Regensburg .......................................................................................276
Abb. D.14 Geschäftsfelder der DEUTSCHE BAHN AG ........................................279
Abb. D.15 Klassifikation und Beispiele logistischer Schnittstellen ...................281
Abb. D.16 Interorganisatorische Schnittstellen in einer Transportkette.............282
Abb. D.17 Beziehungsgefüge eines Unternehmens ...........................................284
Abb. D.18 Richtungen interorganisatorischer Beziehungen ..............................289
Abb. D.19 Abhängigkeit der Kooperationsintensität bei der Übertragung von
Logistikaufgaben ..............................................................................292
Abb. D.20 Outsourcing logistischer Funktionen ................................................294
Abb. D.21 Unterschiedliche Typen von Unternehmensnetzwerken...................298
Abb. D.22 Entwicklungsstufen der Logistikanalyse als Grundlage von
Logistikentscheidungen bei der Gestaltung interorganisatorischer
Logistiksysteme ................................................................................301

Abb. E.1 Lebenszyklusphasen ausgewählter logistischer Leistungen in


einer hochentwickelten Volkswirtschaft...........................................312
Abb. E.2 Entwicklung des Fracht- und Postaufkommens deutscher
Verkehrsflughäfen ............................................................................323
Abb. E.3 Streckenlängen, Netzdichten und Qualitätsmerkmale der
Schienenwege ausgewählter europäischer Länder im Jahr 2000 ......325
Abb. E.4 Streckenlängen, Netzdichten und Qualitätsmerkmale der
Straßenverkehrswege ausgewählter europäischer Länder ................326
Abb. E.5 Institutionen in internationalen Logistikprozessen ...........................340
Abb. E.6 Länderspezifische Rahmenbedingungen für internationale
Logistikprozesse ...............................................................................341
Abb. E.7 Logistikziele in internationalen Vergleich........................................344
Abb. E.8 Modell der Wertkette........................................................................346
Abb. E.9 Möglichkeiten des internationalen Markteintritts .............................347
Abb. E.10 Rahmen globaler Logistikanforderungen .........................................353
Abb. E.11 Ländercluster in Europa aus Sicht der Logistik ................................355
Abb. E.12 Zentralisierung der LEGO-Distributionszentren ..............................358
Abb. E.13 Ablauf beim Dokumentenakkreditiv.................................................360
Abb. E.14 Confirming und Faktoring im Zusammenhang mit Beschaffungs-
und Distributionslogistik ..................................................................362
A Grundlagen der betriebswirtschaftlichen
Logistik

A Grundlagen der betriebswirtschaftlichen Logistik

2 Charakterisierung der
1 Logistikbegriff 3 Bedeutung der Logistik
Logistikkonzeption

1.1 Logistiksysteme im 2.1 Wert- und 3.1 Betriebswirtschaft-


Systemverbund der nutzenorientiertes liche Entwicklungs-
Gütertransformation Denken tendenzen

1.2 Logistikprozesse
und Arten der 2.2 Systemdenken 3.2 Kostendruck
Gütertransformation

1.3 Begriffliche
2.3 Gesamt- oder
Abgrenzung der 3.3 Marktdruck
Totalkostendenken
Logistik

1.4 Betrachtungsebenen
3.4 Stellenwert im
und Umfang von 2.4 Servicedenken
Unternehmen
Logistiksystemen

2.5 Logistisches
Effizienzdenken

2.6 Konsequenzen des


Logistikdenkens
Die Darstellung der Grundlagen der betriebswirtschaftlichen Logistik beginnt mit
einer Diskussion des Logistikbegriffes. Die Definition der Logistik ist hierbei ein-
gebettet in eine inhaltliche Konkretisierung von Logistiksystemen und -prozessen.
Daran schließt sich eine Charakterisierung der Logistikkonzeption, der logisti-
schen Betrachtungsweise von Problemen im Unternehmen, an. Das spezifische
Denken bei der Analyse und Gestaltung von Logistiksystemen und von Logistik-
prozessen wird mit seinen verschiedenen Komponenten beschrieben. Die Konse-
quenzen dieses Logistikdenkens für das Unternehmen werden aufgezeigt. Das
Kap. A schließt mit einer ausführlichen Begründung der zunehmenden Bedeutung
der Logistik als Instrument zur Rationalisierung und Erringung von Wettbewerbs-
vorteilen und des daraus resultierenden hohen Stellenwertes der Logistik im Un-
ternehmen.

1 Logistikbegriff

1.1 Logistiksysteme im Systemverbund der


Gütertransformation

Systeme der Gütertransformation


In einer Wirtschaft können die in Abb. A.1 aufgeführten Systeme (Sektoren) der
Veränderung von Gütern – im Sinne von physischen Gütern, Sachgütern, Realgü-
tern – unterschieden werden.1 Die Güterbereitstellung erfolgt durch Produktions-
prozesse (Gewinnungs-, Verarbeitungs- und Bearbeitungsprozesse) in Industrieun-
ternehmen. Die Güter werden hierbei qualitativ verändert. Ebenfalls qualitativ
verändert werden die Güter bei der Güterverwendung. Durch Konsumtionsprozes-
se (Gebrauchs- und Verbrauchsprozesse) i. w. S. werden Güter in Haushalten,
aber auch in Industrie-, Handels- oder Dienstleistungsunternehmen verbraucht

1 Zur Herleitung der Transfer- oder Überbrückungsbedarfe und -leistungen aus der Arbeitstei-
ligkeit, der Dislozierung und der Zeitstrukturen der Sektoren der Güterbereitstellung und Gü-
terverwendung vgl. Ihde, 2001, S. 1f. und S. 57.
4 A.1 Logistikbegriff

Güterbereitstellung Güterverteilunga Güterverwendung

System zur qualitativen System zur raumzeitlichen System zur qualitativen


Gütertransformation: Gütertransformation Gütertransformation:
Produktionsprozesse (Logistiksystem): Konsumtionsprozesse
Transferprozesse
(Logistikprozesse)

in in in

Industrieunternehmen Logistikunternehmen Haushalten


(Raum-Zeitüberbrückung ist
Unternehmenszweck dieser Art
von Dienstleistungs-
unternehmen)

oder oder

Industrie-, Handels-, Industrie-, Handels-,


Dienstleistungsunternehmen Dienstleistungsunternehmen
(Raum-Zeitüberbrückung ist
Teilaufgabe)

Güterfluss

Produktionswirtschaftliche Logistiktechnologische Bedarfsorientierte


Rahmenbedingungen für und -institutionelle Rahmenbedingungen für
Logistikprozesse: Rahmenbedingungen für Logistikprozesse:
•logistische Logistikprozesse: •Nutzen der Raum-Zeit-
Produkteigenschaften •Verkehrsgeographie Überbrückung für die
technologischer und •Verkehrsinfrastruktur Güterverwendung
ökonomischer Art •Verkehrsmittel- und •Gütermengen
•Gütermengen Verkehrshilfsmitteltechnologie •räumliche Struktur der
•räumliche Struktur der •politisch-rechtliche Bedingungen Güterverwendung
Güterbereitstellung •Entwicklungsstand der •zeitliche Struktur der
•zeitliche Struktur der Logistikkonzeption Güterverwendung
Güterbereitstellung

a
Die rechtliche Transformation der Güter bei der Güterverteilung bleibt in der Darstellung unberücksichtigt.

Abb. A.1 Systeme der Gütertransformation

oder abgenutzt. Die Verknüpfung zwischen der Güterbereitstellung und der Gü-
terverwendung bildet die Güterverteilung. Sie vollzieht sich durch Transformati-
onsprozesse (Bewegungs- und Lagerprozesse), die die Güter nicht qualitativ, son-
dern raumzeitlich verändern. Systeme zur raumzeitlichen Gütertransformation
sind Logistiksysteme; die in ihnen ablaufenden Prozesse demnach Logistikprozes-
se. Sie laufen in sogenannten Logistikunternehmen ab. Das sind Dienstleistungs-
unternehmen, deren Unternehmenszweck Raum- und Zeitüberbrückung ist. Sie
laufen aber auch in Industrie-, Handels- oder Dienstleistungsunternehmen ab, bei
denen die Raum- und Zeitüberbrückung lediglich eine Teilaufgabe zur Erfüllung
des eigentlichen Unternehmenszweckes darstellt.
1.1 Logistiksysteme im Systemverbund der Gütertransformation 5

Durch Logistikprozesse wird der Güterfluss hervorgerufen, der die Systeme der
Güterbereitstellung und Güterverwendung miteinander verbindet. In allen drei
Systemen gibt es Rahmenbedingungen, die auf den Ablauf der Logistikprozesse
großen Einfluss haben. Beispielsweise werden sich die Logistikprozesse bei der
Produktion von Schütt- oder Stückgütern, bei der Verteilung von Gütern in einem
Land mit einem gut oder schlecht ausgebauten Straßennetz oder bei einer Güter-
verwendung, für die eine schnelle Raumüberbrückung von großer oder von gerin-
ger Bedeutung ist, jeweils sehr unterscheiden.

Grundstrukturen von Logistiksystemen


Charakteristisch für Logistiksysteme ist das Ineinandergreifen von Bewegungs-
und Lagerprozessen. Graphisch lässt sich das Zusammenspiel von Bewegungs-
und Lagerprozessen – letztere lassen sich allgemeiner als Speicherprozesse be-
zeichnen – durch ein Netzwerk darstellen, in dem Knoten durch Kanten miteinan-
der verbunden sind. 2 Durch dieses Netzwerk werden Objekte bewegt. An den
Knoten werden die Objekte vorübergehend festgehalten (gespeichert) oder auf ei-
nen anderen durch das Netzwerk führenden Weg übergeleitet. Die verschiedenen
Knotenverbindungen (Kanten) stellen die unterschiedlichen Möglichkeiten dar,
wie ein Objekt durch das Netzwerk bewegt werden kann. Unabhängig davon, wel-
che Objekte (Sachgüter, Energie, Informationen oder Menschen) durch ein solches
Netzwerk strömen, liegen Logistiksysteme vor.
Das vorliegende Buch befasst sich allerdings lediglich mit Logistiksystemen,
deren Objekte Sachgüter sind. Die in solchen Logistiksystemen auftretenden In-
formationsströme sind nicht Selbstzweck, sondern vom physischen Güterfluss ab-
geleitet.
Geht man vom Netzwerkgedanken aus, so lassen sich die in Abb. A.2 darge-
stellten Grundstrukturen von Logistiksystemen unterscheiden.3 In einem einstufi-
gen System erfolgt die Raum- und Zeitüberbrückung durch einen direkten Güter-
fluss zwischen dem Lieferpunkt, an dem die Güter bereitgestellt werden und der
allgemein auch als Quelle bezeichnet werden kann und dem Empfangspunkt, an
dem die Güter verwendet werden und den man allgemein auch als Senke bezeich-
nen kann. Ganz offensichtlich hat ein solches einstufiges System den Vorteil, dass
der Güterfluss zwischen Liefer- und Empfangspunkt nicht unterbrochen wird, also
keine zusätzlichen Lagerprozesse und/oder Bewegungsprozesse zur Überleitung
des Gutes auf andere Wege stattfinden.

2 Vgl. Ballou, 2004, S. 41ff.


3 Vgl. Bowersox/Smykay/LaLonde, 1968, S. 120ff.; Poth, 1973, S. 15; Brauer/Krieger, 1982,
S. 34; Bowersox/Closs, 1996, S. 90ff.
6 A.1 Logistikbegriff

Auflösungspunkt
(Break-bulk point)
Lieferpunkt Empfangspunkt
(Güter- (Güter-
bereitstellung) verwendung)

direkter Güterfluss
einstufiges System Lieferpunkt Empfangspunkte

Konzentrationspunkt
(Consolidation point)

Lieferpunkt Empfangspunkte Lieferpunkte Empfangspunkt

direkter und indirekter Güterfluss indirekter Güterfluss


kombinierte Systeme mehrstufiges System

Abb. A.2 Grundstrukturen von Logistiksystemen

In einem mehrstufigen System erfolgt die Raum- und Zeitüberbrückung durch


einen indirekten Güterfluss zwischen Liefer- und Empfangspunkt. Der Güterfluss
wird also wenigstens an einem weiteren Punkt unterbrochen, an dem dann zusätz-
liche Lager- und/oder Bewegungsprozesse stattfinden müssen. Die Aufgabe dieses
Unterbrechungspunktes ist die Auflösung oder Konzentration (Bündelung) des
Güterflusses. In einem Auflösungspunkt treffen die Güter in großen Mengen von
einem Lieferpunkt ein und verlassen ihn in kleinen Mengen (Break Bulk Point) an
verschiedene Empfangspunkte. Das Auflösen besteht entweder in einer reinen
Verkleinerung der Mengeneinheiten eines bestimmten Gutes, um den Güterfluss
im Hinblick auf Empfangspunkte auszurichten, deren Bedarf nicht in großen, son-
dern nur in kleinen Mengen befriedigt werden kann. Das Auflösen kann aber auch
in einem Aussortieren bestehen. In diesem Fall ist der Güterfluss von einem Lie-
ferpunkt zum Auflösungspunkt nicht homogen, besteht nicht aus großen Mengen
eines bestimmten Gutes, sondern er ist heterogen. Die großen Gütermengen setzen
sich beim heterogenen System aus verschiedenen Gütern zusammen. Der hetero-
gene Güterfluss wird am Auflösungspunkt in kleinere homogene Güterflüsse zu
1.2 Logistikprozesse und Arten der Gütertransformation 7

verschiedenen Empfangspunkten aufgelöst. Der Unterbrechungspunkt bei einem


mehrstufigen System kann aber auch ein Konzentrationspunkt (Consolidation
Point) sein, in dem Güter gebündelt (gesammelt oder einer Sortimentierung unter-
zogen) werden. Im Falle des Sammelns trifft ein Gut in kleinen Mengen von ver-
schiedenen Lieferpunkten im Konzentrationspunkt ein und wird zu größeren ho-
mogenen Einheiten zusammengefasst. Eine andere Ausprägungsform des
Konzentrierens bildet die Sortimentierung. Bei der Sortimentierung treffen von
den verschiedenen Lieferpunkten unterschiedliche Güter am Konzentrationspunkt
ein und werden dort zu Sortimenten zusammengefasst. In diesem Fall sind also die
am Konzentrationspunkt eingehenden Güterflüsse jeweils homogen, die an die
Empfangspunkte ausgehenden Güterflüsse dagegen heterogen zusammengesetzt.
Von kombinierten Systemen spricht man dann, wenn direkte und indirekte Gü-
terflüsse nebeneinander möglich sind.
Einstufige Systeme haben den Vorteil, dass die an den Unterbrechungspunkten
notwendigen zusätzlichen Logistikprozesse vermieden werden. Voraussetzung ist
allerdings, dass auch bei großen Entfernungen zwischen Liefer- und Empfangs-
punkt der Güterfluss so schnell ist, dass die Bedürfnisse am Empfangspunkt recht-
zeitig befriedigt werden können. Ist dies nicht möglich, so werden mehrstufige
Systeme erforderlich, in denen beispielsweise der Auflösungspunkt den Charakter
eines Auslieferungslagers annimmt, mit dem man sich möglichst nahe an einen
regionalen Teilmarkt begibt, um von ihm die bei den Kunden dieses Marktes auf-
tretenden Bedürfnisse schnell befriedigen zu können. Für mehrstufige Systeme
kann aber auch die Überlegung sprechen, dass die Wirtschaftlichkeit des Güter-
flusses im Allgemeinen direkt mit dem Volumen dieses Stromes zusammenhängt.4
Das Auslieferungslager ist dann sinnvoll, weil es einen Güterfluss von einer Pro-
duktionsstätte zu einem regionalen Teilmarkt in großen Mengeneinheiten erlaubt.
Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass in einem mehrstufigen System immer
zusätzliche Logistikprozesse in den Unterbrechungspunkten entstehen, die die
Vorteile eines großvolumigen Güterflusses zwischen Liefer- und Unterbrechungs-
punkt bzw. zwischen Unterbrechungs- und Empfangspunkt wieder zunichte ma-
chen können. Die Logistikprozesse sollen im Folgenden detaillierter behandelt
werden.

1.2 Logistikprozesse und Arten der Gütertransformation

Güterfluss und Informationsfluss


Die Grundfunktion von Logistiksystemen ist die raumzeitliche Veränderung von
Gütern. Wie aus den Ausführungen des ersten Abschnitts hervorgeht, ist mit der
Erfüllung dieser Grundfunktion häufig auch die Funktion der Mengen- und Sor-
tenänderung der Güter verbunden.5 Letztlich gehört es ebenfalls zur Funktion lo-

4 Vgl. Bowersox/Smykay/LaLonde, 1968, S. 379.


5 Diese Funktion wird auch als Ordnungsfunktion bezeichnet, vgl. Ihde, 2001, S. 2f.
8 A.1 Logistikbegriff

gistischer Systeme, die genannten Arten der Gütertransformation zu erleichtern.


Erfüllt werden diese Funktionen durch:
x Transport-, Umschlags- und Lagerprozesse (Kernprozesse des Güterflusses),
x Verpackungs- und Signierungsprozesse (Unterstützungsprozesse im Güter-
fluss).
Der Güterfluss zwischen Liefer- und Empfangspunkt fließt nicht von allein,
sondern setzt den Austausch von Informationen zwischen beiden Punkten voraus.
Die Informationen lösen den Güterstrom vorauseilend aus, begleiten ihn erläu-
ternd und folgen ihm bestätigend oder nicht bestätigend nach. Zu Logistikprozes-
sen gehören deshalb nicht nur solche Prozesse, die den Güterfluss, sondern auch
solche, die den entsprechenden Informationsfluss bewerkstelligen. Erfüllt wird
diese Informationsfunktion von Logistiksystemen durch
x Auftragsübermittlungs- und Auftragsbearbeitungsprozesse (Informationsfluss).
In der Matrix der Abb. A.3 erfolgt eine Zuordnung von Logistikprozessen und
den durch sie bewirkten Arten der Gütertransformation. Der Begriff des Um-
schlagens zur Kennzeichnung von Logistikprozessen ist hierbei weit gefasst. Er
bezeichnet sowohl das Handhaben der Güter, z. B. bei der Einlagerung von Gütern
in ein Regal, das Zusammenfassen oder Auflösen von Gütern, z. B. im Zusam-
menhang mit Paletten, als auch das Sortieren der Güter im Rahmen der Kommis-
sionierung. Die Zuordnung der Gütertransformationsarten zu Lagern, Transportie-
ren und Umschlagen liegt auf der Hand. Durch das Verpacken wird bei vielen
Gütern das Transportieren, Umschlagen und Lagern erleichtert oder sogar erst er-
möglicht. Durch das Signieren der Verpackung können wichtige Hinweise für die
Art des Transports, des Umschlags und des Lagerns gegeben werden, die diese
Prozesse erleichtern. Durch die Übermittlung und Bearbeitung von Aufträgen
(Auftragsabwicklung) wird ein Gut vom logistisch indeterminierten/unbestimmten
zum logistisch determinierten/bestimmten Gut. Ein Gut ist mehr logistisch deter-
miniert, je umfangreichere und genauere Informationen bezüglich der Art des Gü-
terflusses gemacht werden. Wird z. B. in einem Auftrag lediglich vermerkt, dass
ein Gut in der 22. Woche beim Empfänger anzuliefern ist, so ist es wesentlich
schwächer logistisch determiniert, als wenn der Auftrag die Information enthielte,
dass das Gut in der 22. Woche am Mittwoch um 9.00 Uhr an der Rampe 3 des
Empfängers anzuliefern ist.
Die genannten Logistikprozesse sind Aufgaben, deren Ausführung die Güter-
und Informationsflüsse realisieren. Neben diesen Realisierungsaufgaben gehören
zu den Logistikaufgaben selbstverständlich die mit ihnen verbundenen Planungs-,
Steuerungs- und Kontrollaufgaben.
1.2 Logistikprozesse und Arten der Gütertransformation 9

Logistikprozesse

Um-
Transpor-
Gütertransformation schlagen Aufträge
tieren, Umschla-
(Zusam- Verpacken, übermitteln
Lagern Umschla- gen
menfassen Signieren und
gen (Hand- (Sortieren)
und bearbeiten
haben)
Auflösen)

Zeitänderung

Raumänderung

Mengenänderung

Sortenänderung

Änderung der
Transport-, Umschlags-
und Lagereigen-
schaften

Änderung der
logistischen
Determiniertheit des
Gutes

Güterfluss Informations-
fluss

Abb. A.3 Logistikprozesse und die durch sie bewirkte Gütertransformation (Quelle: Ent-
nommen mit Änderungen und Ergänzungen aus Jünemann, 1980, S. 2)

Logistische Aufgabenbereiche
Um einen Eindruck von den Logistikaufgaben zu bekommen, die im Zusammen-
hang mit der Planung, Steuerung, Realisierung und Kontrolle von Logistikprozes-
sen wahrzunehmen sind, sind in der Abb. A.4 wichtige logistische Entscheidungs-
tatbestände zusammengestellt. In Anlehnung an die ablaufenden Logistikprozesse
werden hierbei logistische Aufgabenbereiche unterschieden. Beim Lagern werden
die Entscheidungstatbestände, die die Lagerbestände betreffen, unter dem Begriff
Lagerhaltung zusammengefasst. Der Begriff Lagerhaus beinhaltet die Entschei-
dungstatbestände, die festlegen, wo gelagert und wie ein- oder ausgelagert wird.
10 A.1 Logistikbegriff

Auftrags- • Form der Auftragsübermittlung


abwicklung • Form der Auftragsbearbeitung
• Analyse des Auftrags als Informationsquelle
• Weiterleitung der Auftragsinformation
Lagerhaltung • Anzahl der zu lagernden Artikel (selektive Lagerhaltung, ABC-
Prinzip)
• Bestellmenge und Bestellpunkt zur Wiederauffüllung der
Lagerbestände
• Sicherheitsbestand
• Lagerbestandskontrolle
• kurzfristige Bedarfsprognose
Lagerhaus • Kauf oder Miete von Lagerhaus und –ausrüstung
• Anzahl, Standorte, Kapazitäten und Liefergebiete der Lagerhäuser
• Eigen- oder Fremdbetrieb der Lagerhäuser
• Technische Einrichtungen für Magazinierung und
Kommissionierung im Lagerhaus
• Lagerorte im Lagerhaus
• Lagermethode (Gestaltung des Stapelplatzes)
• Gestaltung der Laderampe
• Abfertigen der Transportmittel
• Organisation der Kommissionierung
• Effizienz beim Einsatz des Lagerhauspersonals
Transport • Art der Transportmittel
• Eigen- oder Fremdbetrieb der Transportmittel
• Kauf oder Miete der Transportmittel
• Kombination der Transportmittel
• Organisation der Transportabwicklung (optimale Transportwege,
Einsatzpläne und Beladung der Transportmittel usw.)
Verpackung • Erfüllung der logistischen Funktionen der Verpackung (Schutz-,
Lager-, Transport-, Manipulations- und Informationsfunktion)
• Bildung logistischer Einheiten (Lager-, Lade-, Transporteinheiten
usw.) als Voraussetzung für rationelle Transportketten

Abb. A.4 Kennzeichnung logistischer Aufgabenbereiche

Entscheidungstatbestände bezüglich der Umschlagsprozesse finden sich sowohl


im Aufgabenbereich Lagerhaus als auch im Aufgabenbereich Transport. Denn
Umschlagsprozesse verbinden verschiedene Lager-, verschiedene Transport- so-
wie Lager- und Transportprozesse. Die hier genannten logistischen Aufgabenbe-
reiche werden im zweiten Kapitel inhaltlich weiter konkretisiert.6

6 Zu einer ähnlichen Unterscheidung logistischer Aufgabenbereiche vgl. Stock/Lambert, 2001,


S. 19ff. Zu einem weiteren Überblick über Entscheidungstatbestände in logistischen Syste-
men vgl. auch Kirsch u. a., 1973, S. 294ff.; Krulis-Randa, 1977, S. 200ff.; Bowersox/Closs,
1996, S. 25ff.; Vahrenkamp, 2007, S. 7ff.; Arnold u. a., 2008, S. 6.
1.3 Begriffliche Abgrenzung der Logistik 11

1.3 Begriffliche Abgrenzung der Logistik

Ursprung des Wortes Logistik


Nachdem Logistiksysteme und Logistikprozesse einführend dargestellt worden
sind, wird sich der nächste Abschnitt mit einer Definition der Logistik befassen.
Das Wort Logistik bringt in der Deutschen Sprache verschiedene Bedeutungsan-
sätze mit sich. Es erscheint daher notwendig, kurz auf diese unterschiedlichen An-
sätze aufmerksam zu machen, da der Gebrauch des Begriffes Logistik im wirt-
schaftlichen Bereich Deutschlands sowohl in der Theorie als auch in der Praxis
noch oft missverstanden wird.
In der Wissenschaft von der Logik wird Logistik zum Teil synonym mit ma-
thematischer Logik und symbolischer Logik verwendet. In jüngerer Zeit ist aller-
dings die Verwendung des Begriffes Logistik in diesem Sinne zugunsten der Syn-
onyme zurückgetreten.7
Mathematische Funktionen, die als modifizierte Exponentialfunktionen defi-
niert werden können, bezeichnet man als logistische Funktionen.8 Solche logisti-
schen Funktionen werden beispielsweise zur Beschreibung des Wachstums der
Bevölkerung oder zur Darstellung des Lebenszyklus eines Produktes von der
Markteinführung bis zur Marktsättigung verwendet.
Im militärischen Bereich wird Logistik als Sammelbegriff für die Aufgaben
benutzt, die der Unterstützung der Streitkräfte dienen.9 Der Begriff Logistik wird
in diesem Fall vom französischen Wort „loger“ abgeleitet. Die Militärlogistik um-
fasst sowohl den Transport, die Quartierung und die Versorgung der Truppen als
auch den Transport, die Lagerung und die Wartung militärischer Güter.
Aus dem militärischen Bereich hat der Ausdruck Logistik Eingang in die wirt-
schaftswissenschaftliche Literatur gefunden. Im Unterschied zum militärischen
Bereich, in dem sich die Logistik auf Truppen und Güter bezieht, wird der Begriff
der Logistik im wirtschaftlichen Bereich heute in erster Linie auf Güter bezogen.
Im Gegensatz zur militärischen Logistik gehört außerdem die Wartung – z. B. von
Produktionsanlagen – in Unternehmen nicht allgemein zur Logistik. Ein anderer
wesentlicher Unterschied ist, dass sich die logistischen Entscheidungen im militä-
rischen Bereich an Zielsetzungen orientieren, die politisch-militärisch motiviert
sind, während die logistischen Entscheidungen im wirtschaftlichen Bereich auf der
Grundlage technologischer, ökonomischer, ökologischer und sozialer Zielsetzun-
gen getroffen werden.

7 Vgl. Behrendt, 1977, S. 21 und die dort aufgeführte Literatur.


8 Vgl. Oppitz/Nollau, 2003, S. 200ff.
9 Zur Militärlogistik vgl. Gerber, 1977; Krulis-Randa, 1977, S. 39ff.; Kapoun, 1981, S. 123ff.;
Ihde, 2001, S. 23f.
12 A.1 Logistikbegriff

Definition der Logistik


Es gibt eine Vielzahl von Definitionen für den Begriff Logistik oder andere Beg-
riffe, die an seiner Stelle verwendet werden.10 An dieser Stelle mag es genügen,
drei Definitionen vorzustellen.
Der erste Definitionsansatz kann als flussorientierte Definition der Logistik be-
zeichnet werden. Sie baut auf der inhaltlichen Konkretisierung des Logistikbegrif-
fes in den beiden ersten Abschnitten auf und lautet wie folgt:
Zur Logistik gehören alle Tätigkeiten, durch die die raumzeitliche Gütertrans-
formation und die damit zusammenhängenden Transformationen hinsichtlich der
Gütermengen und -sorten, der Güterhandhabungseigenschaften sowie der logisti-
schen Determiniertheit der Güter geplant, gesteuert, realisiert oder kontrolliert
werden. Durch das Zusammenwirken dieser Tätigkeiten soll ein Güterfluss in
Gang gesetzt werden, der einen Lieferpunkt mit einem Empfangspunkt möglichst
effizient verbindet.
Schon an dieser Stelle kann darauf hingewiesen werden, was effizient bedeutet.
Hierzu kann auf die vier R zurückgegriffen werden, die zur Charakterisierung der
Anforderungen an die Logistik genannt werden:11
Die Logistik hat dafür zu sorgen, dass ein Empfangspunkt gemäß seines Be-
darfs von einem Lieferpunkt mit dem richtigen Produkt (in Menge und Sorte), im
richtigen Zustand, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort zu den dafür minimalen
Kosten versorgt wird.
Eine flussorientierte Definition stammt auch von der amerikanischen Logistik-
gesellschaft COUNCIL OF SUPPLY CHAIN MANAGEMENT PROFESSIONALS (CSCMP)
– früher COUNCIL OF LOGISTICS MANAGEMENT (CLM) – und ist in den USA weit
verbreitet. Die Definition lautet:
„Logistik ist der Prozess der Planung, Realisierung und Kontrolle des effizien-
ten, kosteneffektiven Fließens und Lagerns von Rohstoffen, Halbfabrikaten und
Fertigfabrikaten und den damit zusammenhängenden Informationen vom Liefer-
zum Empfangspunkt entsprechend den Anforderungen des Kunden.“12
Ebenfalls flussorientiert ist die Definition der europäischen Dachgesellschaft
der nationalen logistischen Gesellschaften in Europa, der EUROPEAN LOGISTICS
ASSOCIATION (ELA). Sie lautet:
Logistik ist „die Organisation, Planung, Kontrolle und Durchführung eines Gü-
terflusses von der Entwicklung und vom Kauf durch die Produktion und die Dist-

10 Vgl. Pfohl, 1972, S. 17ff.; Behrendt, 1977, S. 23ff.; Kapoun, 1981, S. 123ff.; Schary, 1984,
S. 7ff.; Kummer, 1992, S. 20ff.; Dogan, 1994, S. 25ff.; Isermann, 1998a, S. 21ff. und die
dort aufgeführte Literatur.
11 Vgl. Pfohl, 1972, S. 28ff.
12 Council of Supply Chain Management Professionals, o. J., S. 2. Übersetzung durch den Ver-
fasser.
1.3 Begriffliche Abgrenzung der Logistik 13

ribution bis zum endgültigen Kunden mit dem Ziel der Befriedigung der Anforde-
rungen des Marktes bei minimalen Kosten und minimalem Kapitalaufwand.“13
Ein zweiter Definitionsansatz kann als lebenszyklusorientierte Definition der
Logistik bezeichnet werden. Sie baut auf dem Lebenszyklus eines Erzeugnisses im
Sinne seiner Lebensdauer auf.14 Dem Begriff des Lebenszyklus liegt der Gedanke
zugrunde, dass ein Produkt – allgemeiner ein System – durch Maßnahmen der
Planung, des Entwurfs und der Entwicklung entsteht und nach einer Periode des
Betriebs schließlich stillgelegt oder verschrottet wird. Als Lebenszyklusphasen
werden z. B. die Initiierungs-, Planungs-, Realisierungs-, Betriebs- und Stillle-
gungsphase unterschieden. Logistische Aktivitäten beziehen sich dann auf die Un-
terstützung der Transformationsaktivitäten in den verschiedenen Lebenszyklus-
phasen. Die international tätige Logistikgesellschaft THE INTERNATIONAL
SOCIETY OF LOGISTICS (SOLE) – früher SOCIETY OF LOGISTICS ENGINEERS – de-
finiert dementsprechend:
Logistik ist „das unterstützende Management, das während des Lebens eines
Produkts eine effizientere Nutzung von Ressourcen und die adäquate Leistung lo-
gistischer Elemente während aller Phasen des Lebenszyklus sicherstellt, so dass
durch rechtzeitiges Eingreifen in das System eine effektive Steuerung des Res-
sourcenverbrauchs gewährleistet wird.“15
Ein dritter Definitionsansatz kann schließlich als dienstleistungsorientierte De-
finition der Logistik bezeichnet werden. Sie baut auf dem Gedanken auf, dass eine
Dienstleistung einem Kunden nur optimal zur Verfügung gestellt werden kann,
wenn alle Aktivitäten zur Produktion in koordinierter Weise erbracht werden. Die
Definition lautet:
Logistik ist „der Prozess zur Koordination aller immateriellen Aktivitäten, die
zur Erfüllung einer Dienstleistung in einer kosten- und kundeneffektiven Weise
vollzogen werden müssen.“16 Der Schwerpunkt dieser Aktivitäten liegt in den fol-
genden drei Gebieten: Minimierung der Wartezeiten (der Auftragsabwicklungszei-
ten), Management der Dienstleistungskapazität und Bereitstellung der Dienstleis-
tung durch einen Distributionskanal.17

13 European Logistics Association, 1993, S. 1. Übersetzung durch den Verfasser. Diese Defin-
tion wird heute von der ELA zur Definition des Supply Chain Managements genutzt.
14 Zu diesem Begriff vgl. Pfohl/Wübbenhorst, 1983, S. 144ff. Siehe dazu ebenso Fin-
kelstein/Guertin, 1988.
15 Coyle/Bardi/Langley, 1992, S. 8. Übersetzung durch den Verfasser.
16 Arthur D. Little/The Pennsylvania State University, Center of Logistics Research, 1991, S.
XXII. Übersetzung durch den Verfasser.
17 Vgl. Arthur D. Little/The Pennsylvania State University, Center of Logistics Research, 1991,
S. 34ff. Einen anderen, umfassenderen dienstleistungsorientierten Begriff der Logistik ver-
treten die Banken, die unter logistischer Führung die Schaffung einer zweckmäßigen Infra-
struktur verstehen, mit der das gesamte Versorgungssystem in den Dienst der Führung der
Geschäftsfront gestellt wird. Die Logistik umfasst neben der Erfüllung von Dienstleistungs-
funktionen auch die Hilfegewährung für alle anderen Bereiche. Zur logistischen Führung ei-
ner Bank gehören das finanzielle und betriebliche Rechnungswesen, Informatik und EDV,
Kontrolle und Revision, bankeigene Forschung und Entwicklung, Immobilien und Sicherheit
14 A.1 Logistikbegriff

Den folgenden Ausführungen liegt der in Wissenschaft und Praxis am meisten


verbreitete flussorientierte Definitionsansatz zugrunde. Die lebenszyklusorientier-
te Definition kann sich lediglich dann als zweckmäßig erweisen, wenn Logistik im
Zusammenhang mit der Kalkulation, der Analyse und dem Entwurf der Lebens-
zykluskosten diskutiert wird. Lebenszykluskosten sind die totalen Kosten, die ein
System während seiner gesamten Lebensdauer verursacht. Der dienstleistungsori-
entierte Definitionsansatz kann sich in den Fällen als zweckmäßig erweisen, in
denen logistische Leistungen in engem Zusammenhang mit anderen Dienstleis-
tungen erbracht werden. Ein Beispiel für diesen Ansatz ist die Bereitstellung eines
Ersatzteils beim Kunden zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kundendienstmonteur In-
standhaltungsaktivitäten an einer Maschine beim Kunden vornimmt.
Nachdem der Inhalt des Logistikbegriffs geklärt ist, sollen im folgenden Ab-
schnitt wichtige, in der Realität vorkommende Logistiksysteme unterschieden
werden.

1.4 Betrachtungsebenen und Umfang von Logistiksystemen


Eine Unterscheidung verschiedener Logistiksysteme ist notwendig im Hinblick
auf die Unterschiede in den Problemen, die sich bei der Gestaltung eines Logistik-
systems ergeben. Einen großen Einfluss auf diese Probleme werden der Umfang
und die Betrachtungsebene (Aggregationsebene) des definierten logistischen Sys-
tems haben. Im Hinblick auf diese beiden Merkmale lassen sich Logistiksysteme
sowohl unter institutionellen als auch unter funktionellen Gesichtspunkten abgren-
zen. Institutionell unterscheiden sich die Logistiksysteme nach Art und Anzahl der
im System betrachteten Institutionen, funktionell nach Art und Anzahl der im Sys-
tem betrachteten Funktionen.

Institutionelle Abgrenzung von Logistiksystemen


In Abb. A.5 wird eine institutionelle Abgrenzung von Logistiksystemen ver-
sucht.18 In Anlehnung an die in der Volkswirtschaftslehre übliche Unterscheidung
von Aggregationsebenen lassen sich Makro-, Mikro- und Metalogistik unterschei-
den. Systeme der Makrologistik sind gesamtwirtschaftlicher Art. Ein makrologisti-
sches System ist beispielsweise das Güterverkehrssystem in einer Volkswirtschaft.
Systeme der Mikrologistik sind einzelwirtschaftlicher Art. Zur Mikrologistik zäh-
len die logistischen Systeme einzelner öffentlicher oder privater Organisationen,
beispielsweise der Fuhrpark eines Unternehmens. Systeme der Metalogistik19 lie-
gen auf einer Betrachtungsebene zwischen Makro- und Mikrologistik. Ein metalo-

sowie Personalführung und Ausbildung. Zum Logistikbegriff der Banken vgl. Lohmann,
1998, S. 76ff.; Pfohl, 2003.
18 Vgl. Pfohl, 1974, S. 73ff. und die dort zitierte Literatur sowie die Ansätze zur institutionellen
Abgrenzung bei Felsner, 1980, S. 18; Endlicher, 1981, S. 29.
19 Der Meta-Begriff wird hier nicht im Sinne einer Meta-Wissenschaft gebraucht, vgl. Raffée,
1995, S. 17ff.
1.4 Betrachtungsebenen und Umfang von Logistiksystemen 15

Logistik

Makrologistik Mikrologistik Metalogistik

Logistik
Krankenhaus- Unternehmens-
Militärlogistik sonstiger
logistik logistik
Organisationen

Dienst- Kooperation
Industrie- Handels- Kooperation Kooperation Logistikunter-
leistungs-
logistik logistik verladende Logistik- nehmen und
logistik
Wirtschaft unternehmen verladende
Wirtschaft

Logistik sonst.
inner- zwischen- inner- zwischen- Logistik-
Dienst-
betriebliche betriebliche betriebliche betriebliche unter-
leistungs-
Logistik Logistik Logistik Logistik nehmen
unternehmen

Abb. A.5 Institutionelle Abgrenzung von Logistiksystemen

gistisches System umfasst beispielsweise nicht den gesamten Güterverkehr in ei-


ner Volkswirtschaft, aber auch nicht nur den Güterverkehr einer einzelnen Organi-
sation, sondern etwa den Güterverkehr der in einem Absatzkanal zusammenarbei-
tenden Organisationen, beispielsweise eines industriellen Lieferanten, eines als
Zwischenhändler eingeschalteten Großhändlers, eines Einzelhändlers sowie der
eingeschalteten Spedition. Mikrologistische Systeme sind also immer intraorgani-
satorische Systeme, deren größter Umfang durch die rechtlichen Grenzen einer
Organisation festgelegt ist. Metalogistische Systeme sind dagegen interorganisato-
rische Systeme, die über die rechtlichen Grenzen von Einzelorganisationen hi-
nausgehen und eine Kooperation mehrerer Organisationen (Institutionen) im Gü-
terfluss beinhalten.
Systeme der Mikrologistik lassen sich zunächst nach der Art von Organisatio-
nen mit unterschiedlichen Zielsetzungen unterscheiden. In diesem Buch interessie-
ren nur solche Organisationen, deren Zielsystem wesentlich durch wirtschaftliche
Ziele geprägt ist. Derartige Organisationen sollen als Unternehmen bezeichnet
16 A.1 Logistikbegriff

werden. Die Unternehmenslogistik lässt sich nach der von einem Unternehmen am
Markt zu erfüllenden Aufgabe (Unternehmenszweck, Betriebszweck) in Indust-
rie-, Handels- und Dienstleistungslogistik untergliedern. Zwischen den Begriffen
Unternehmen und Betrieb wird häufig die Unterscheidung getroffen, dass man mit
Unternehmen die rechtliche, finanzielle Einheit einer Betriebswirtschaft und mit
Betrieb die technische Einheit bezeichnet in der die Produktions- und Logistikpro-
zesse ablaufen. Ein Unternehmen kann demnach durchaus mehrere Betriebe ha-
ben. Bei der Industrie- und Handelslogistik ist es sinnvoll, noch zwischen einer
innerbetrieblichen und einer zwischenbetrieblichen Logistik zu unterscheiden. Die
Dienstleistungslogistik ist in Abhängigkeit davon weiter zu untergliedern, ob die
hauptsächlich von einem Unternehmen am Markt zu erfüllende Aufgabe, seine
Primärleistung, eine logistische Leistung ist (z. B. im Falle von Speditionen oder
Verpackungsunternehmen) oder ob die Logistikleistungen, wie auch im Fall von
Industrie- und Handelsunternehmen, lediglich Sekundärleistungen sind, die im
Zusammenhang mit der Erfüllung der eigentlichen Marktaufgabe erbracht werden
müssen (wie z. B. im Falle von Banken oder Versicherungen).20 Die Unterneh-
men, bei denen wie im ersten Fall der Hauptzweck in der Erbringung logistischer
Leistungen besteht, somit also logistische Funktionen dominieren, 21 bezeichnet
man als logistische Betriebswirtschaften oder Logistikunternehmen oder auch – da
häufig zwischen Unternehmen und Betrieben nicht unterschieden wird – als Lo-
gistikbetriebe oder aber als logistische Dienstleister.
Systeme der Metalogistik können danach unterschieden werden, welche Unter-
nehmen bei der Erfüllung logistischer Aufgaben kooperieren. Eine Kooperation ist
möglich unter Unternehmen der verladenden Wirtschaft. Beispielsweise können
Verlader aus verschiedenen Branchen, aber auch derselben Branche ein gemein-
sames Warenverteilsystem benutzen. Die Kooperation zwischen Logistikunter-
nehmen kann z. B. zwischen regional spezialisierten Speditionen oder zwischen
Straßentransportunternehmen und der Bahn erfolgen. Eine Kooperation zwischen
Logistikunternehmen und der verladenden Wirtschaft liegt z. B. vor, wenn ein
Verlader die Auslieferung seiner Produkte einem Logistikunternehmen überträgt.

Funktionelle Abgrenzung von Logistiksystemen


Eine erste Möglichkeit zur Unterscheidung funktioneller Subsysteme der Logistik
ergibt sich, wenn man den verschiedenen Phasen eines Güterflusses vom Beschaf-
fungsmarkt durch ein Industrieunternehmen zum Absatzmarkt und von dort wie-
der zurück bis zum Beschaffungsmarkt folgt. Man erhält dann die phasenspezifi-
schen Subsysteme der Logistik. Wie aus Abb. A.6 ersichtlich ist, geht die erste
Phase des Güterflusses, bestehend aus Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, Kaufteilen
sowie möglicherweise Handelsware und gelieferten Ersatzteilen, vom Lieferanten
am Beschaffungsmarkt bis zum Beschaffungs- oder Eingangslager eines Indust-

20 Vgl. Frodl, 1998, S. 12ff.


21 Vgl. Kirsch u. a., 1973, S. 84.
1.4 Betrachtungsebenen und Umfang von Logistiksystemen 17

rieunternehmens. Zwischen dem unmittelbar bei der Produktionsstätte liegenden


Beschaffungslager und dem Beschaffungsmarkt kann noch ein Zulieferungslager
liegen, das z. B. Aufgaben des Sammelns oder des Sortierens wahrzunehmen hat.
Selbstverständlich ist auch ein Güterfluss direkt vom Beschaffungsmarkt in den
Produktionsprozess möglich. Das Logistiksystem, das sich mit der ersten Phase
des Güterflusses befasst, nennt man Beschaffungslogistik, teilweise auch Versor-
gungslogistik oder physisches Versorgungssystem.22
In der zweiten Phase fließen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie gelieferte
Ersatzteile und Kaufteile vom Beschaffungslager in den Produktionsprozess, in
dem Halbfertigfabrikate zwischengelagert werden können. Aus der Produktion
fließen Fertigfabrikate und auch Halbfertigfabrikate sowie für die Kunden be-
stimmte Ersatzteile zum Absatzlager. Dieses logistische Teilsystem heißt Produk-
tionslogistik. Beschaffungslogistik und Produktionslogistik zusammen werden
teilweise auch als Materiallogistik bezeichnet.
In der dritten Phase besteht der Güterfluss aus Fertigfabrikaten, Halbfertigfab-
rikaten – diese haben dann die Funktion von Ersatzteilen – und möglicherweise
auch Handelswaren. Der Güterfluss geht hierbei vom bei der Produktionsstätte
liegenden Absatzlager über regionale Auslieferungslager an die Kunden im Ab-
satzmarkt. Selbstverständlich ist auch in diesem Fall eine direkte Belieferung der
Kunden vom Absatzlager oder sogar auch aus dem Produktionsprozess möglich.
Die Logistik in dieser dritten Phase des Güterflusses bezeichnet man als Distribu-
tionslogistik. Der früher hierfür gebräuchliche Begriff Marketinglogistik 23 wird
heute eher zur Kennzeichnung der beiden marktverbundenen Logistiksysteme Be-
schaffungs- und Distributionslogistik benutzt24, die früher auch unter dem Begriff
physische Distribution zusammengefasst wurden.25
In der vierten Phase schließlich fließt der Güterstrom in einer umgekehrten
Richtung. Er besteht dann aus Rückständen, die in Sekundärrohstoffe (Wertstoffe)
und Abfälle unterschieden werden können. Während die Abfälle zu entsorgen
sind, werden Sekundärrohstoffe einer Wieder- bzw. Weiterverwendung oder -
verwertung zugeführt. Somit können zu den Rückständen auch beschädigte oder
falsch ausgelieferte Güter, die von Kunden an den Lieferanten zurückgehen (Re-
touren), zurückzuführendes Leergut, die bei Investitions- und Gebrauchsgütern zu-
rückzuführenden Austauschaggregate sowie gebrauchte Behälter und Verpackun-
gen gerechnet werden. Dieser Teil der Logistik kann als Entsorgungslogistik
bezeichnet werden. Es findet sich auch der Begriff der Logistik in der Nachkauf-
phase, wozu allerdings neben der Entsorgungslogistik auch ein Teil der Ersatzteil-
logistik gehört.26 Die Ersatzteillogistik kann für ein Unternehmen in Verbindung

22 Zu letzterem vgl. Kirsch u. a., 1973, S. 269.


23 Vgl. Pfohl, 1972.
24 Vgl. Ihde, 1978, S. 1f.
25 Vgl. Pfohl, 1974, S. 77.
26 Vgl. Hallbauer/Knödel, 1980.
18 A.1 Logistikbegriff

mit der Instandhaltung auf der Beschaffungsseite und dem Kundendienst auf der
Distributionsseite von Bedeutung sein.
Die hier aufgeführten Logistiksysteme können unter dem Begriff Unterneh-
menslogistik zusammengefasst werden. Die Unternehmenslogistik ist in Abb. A.6
am Beispiel eines Industrieunternehmens untergliedert. Im Falle eines Handelsun-
ternehmens ist die Produktionslogistik nicht vorhanden und der Güterfluss besteht
lediglich aus Handelsware und Betriebsstoffen. In Dienstleistungsunternehmen
schließlich gibt es nur eine Beschaffungslogistik und der Güterfluss besteht nur
aus Betriebsstoffen.
Zu einer weiteren funktionellen Abgrenzung von Logistiksystemen kann auf
die Abb. A.4 zurückgegriffen werden. Die dort aufgeführten logistischen Teilsys-
teme sind in Abb. A.7 nochmals zusammengefasst. Sie geben die verrichtungsori-
entierten Inhalte der Aufgaben wieder, die im Logistiksystem zu erfüllen sind.27
Man erhält dann die verrichtungsspezifischen Subsysteme der Logistik. Diese sind
betriebswirtschaftliche Teilsysteme wie andere betriebswirtschaftliche Teilsyste-
me (man spricht auch von betriebswirtschaftlichen Funktionen wie etwa Absatz,
Produktion, Forschung und Entwicklung, Einkauf, Finanzierung, Personalwesen,
Informationswesen), in denen Produktionsfaktoren zum Zweck der betrieblichen
Leistungserstellung und -verwertung eingesetzt werden. Der bewertete Einsatz an
Produktionsfaktoren in Logistiksystemen stellt die Logistikkosten dar. Kosten sind
als Systeminput betriebswirtschaftlich immer nur dann gerechtfertigt, wenn ihnen
entsprechende Leistungen als Systemoutput gegenüberstehen. Der Output des Lo-
gistiksystems lässt sich durch die im vorangegangenen Abschnitt erwähnten vier R
der Logistik charakterisieren, nämlich das richtige Gut, im richtigen Zustand, zur
richtigen Zeit, am richtigen Ort zur Verfügung zu stellen. Die von einem Logistik-
system zu erzeugende Leistung wird auch als Service bezeichnet. Sind es Roh-,
Hilfs- und Betriebsstoffe oder Kaufteile, die für den Produktionsprozess zur Ver-
fügung gestellt werden müssen, dann ist die Logistikleistung der Versorgungsser-
vice. Sind es Fertigfabrikate, Ersatzteile oder Handelsware, die beim Kunden zur
Verfügung zu stellen sind, bezeichnet man die Logistikleistung als Lieferservice.
Die Pfeile zwischen den einzelnen logistischen Teilsystemen sollen deutlich
machen, dass bei der Erfüllung der Logistikaufgaben die Interdependenzen zwi-
schen diesen Teilsystemen zu beachten sind. Damit ist schon die Charakterisie-
rung der Logistikkonzeption angesprochen.

27 Zu einer verrichtungsorientierten Gliederung logistischer Subsysteme vgl. Dogan, 1994, S.


104ff.
Abb. A.6
Unternehmenslogistik

Marketinglogistik

Materiallogistik
1.4

Beschaffungslogistik Produktionslogistik Distributionslogistik

Roh-, Hilfs-, Betriebs- Roh-, Hilfs-, Betriebsstoffe, Fertigfabrikate, Handes-


stoffe, Kaufteile, Kaufteile, Halb- und ware, Ersatzteile
Handelsware, Ersatzteile Fertigfabrikate, Ersatzteile (Halbfertigfabrikate)

Beschaf- Produktionsprozess Beschaf-


Zulieferungs- Beschaffungs- Auslieferungs-

am Beispiel eines Industrieunternehmens


fungs- lager lager Absatzlager lager fungs-
markt Zwischenlager markt

Güterfluss

Entsor-
gungs-
markt

Rückstände (Sekundärrohstoffe und Abfälle): ge- und verbrauchte


Produkte, Austauschaggregate, Retouren, Leergut, Verpackung

Entsorgungslogistik
Betrachtungsebenen und Umfang von Logistiksystemen
19

Funktionelle Abgrenzung von Logistiksystemen nach den Phasen des Güterflusses


20 A.2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

Produktionsfaktoren Versorgungs-/Lieferservice
(Arbeit, Betriebsmittel, (das richtige Gut, im richtigen
Material einschließlich Zustand, zur richtigen Zeit,
Energie, Informationen) am richtigen Ort)
Logistiksystem

Lagerhaltungssystem

Lagerhaussystem
Transportsystem

Auftrags-
Input Output
abwicklungssystem

Verpackungssystem

Logistikkosten Logistikleistungen

Abb. A.7 Funktionelle Abgrenzung von Logistiksystemen nach den Inhalten von Logistik-
aufgaben

2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

2.1 Wert- und nutzenorientiertes Denken

Wert- und Nutzenarten


Der Wirtschaftsprozess dient der Bedürfnisbefriedigung. Wie in Abb. A.8 darge-
stellt, kann er in drei Teilbereiche aufgegliedert werden und zwar in Bereitstellung
(Produktion), Verteilung und Verwendung von Gütern. Jede wirtschaftliche Tätig-
keit ist zunächst aus der Sicht des Teilbereiches der Verwendung zu betrachten.
Wirtschaftliche Güter werden letzten Endes ver- oder gebraucht. Das setzt voraus,
dass sie Bedürfnisse von Menschen befriedigen. Diese Befriedigung der Bedürf-
nisse geschieht nicht durch die wirtschaftliche Tätigkeit an sich, sondern durch die
mit ihr verbundene Nutzenstiftung.
Wie Abb. A.8 zeigt, lassen sich fünf Arten von Nutzen unterscheiden, die mit
wirtschaftlicher Tätigkeit entstehen: Gestaltnutzen, Nutzen aus dem Recht am
2.1 Wert- und nutzenorientiertes Denken 21

Wirtschaftliche Tätigkeit

Bereitstellung Verteilung Verwendung

Gestalt- Informations- Ort- Zeit- Nutzen aus Bedürfnis-


nutzen + nutzen + nutzen + nutzen + Recht am Gut = befriedigung

Logistik

Abb. A.8 Beitrag der Logistik zur Bedürfnisbefriedigung

Gut, Informationsnutzen, Ortnutzen und Zeitnutzen.28 Der Gestaltnutzen entsteht


im wirtschaftlichen Teilbereich der Bereitstellung und bezieht sich auf Form und
Qualität des wirtschaftlichen Gutes. Der Nutzen aus dem Recht am Gut, Informa-
tionsnutzen, Ortnutzen und Zeitnutzen entstehen im Bereich der Verteilung. Eine
in Stuttgart erzeugte Maschine (Gestaltnutzen) kann in München ein Bedürfnis
erst befriedigen, wenn man in München weiß, dass es diese Maschine in Stuttgart
gibt (Informationsnutzen), wenn sie nach München geschickt wird (Ortnutzen)
und zwar zum Zeitpunkt, zu dem sie benötigt wird (Zeitnutzen). Außerdem muss
dem Verwender in geeigneter Weise das Recht am Gut übertragen werden (Nut-
zen aus dem Recht am Gut durch Eigentum, Leasing oder Miete), aufgrund dessen
er über das Gut disponieren kann. Der Ort- und Zeitnutzen sowie teilweise auch
der Informationsnutzen (durch die dem Güterfluss vorauseilenden Informationen
der Auftragsabwicklung) werden im Logistiksystem erzeugt.
Das Erkenntnisinteresse der Wirtschaftswissenschaften ist nicht auf die Gestal-
tung des Gutes selbst mit seinen natürlichen Eigenschaften gerichtet,29 sondern auf
die Schöpfung der Werteigenschaften von Gütern - jenen Eigenschaften also, die
Nutzen stiften. Der Zweck von Unternehmen besteht demnach in der Wertschöp-
fung, indem Güter mit jenen Werteigenschaften erzeugt werden, die eine Befriedi-
28 Die vier Nutzenarten „form, possession, place and time“ unterscheiden Converse, 1958, S.
116; Bowersox/Smykay/LaLonde, 1968, S. 20; Langley/Holcomb, 1992, S. 1; No-
vack/Rinehart/Wells, 1992, S. 236. Zu einer Gliederung des Nutzens unter anderen Ge-
sichtspunkten vgl. Corsten, 2007, S. 157f. und die dort aufgeführte Literatur. Zu einem enge-
ren Nutzenbegriff vgl. Large, 1995, S. 34f. Die Zuordnung von Ort- und Zeitnutzen zur
Logistik findet sich auch bei Morgenstern, 1955, S. 130.
29 Das ist das Elementarinteresse der Ingenieurwissenschaften.
22 A.2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

gung der Bedürfnisse (Lösung der Probleme) beim Kunden bewirken.30 Für die
Wertschöpfung ist der in Abb. A.9 dargestellte Unterschied von Eignungs- und
Gebrauchswert eines Gutes von Bedeutung. Ein Gut hat erst dann Gebrauchswert
im System der Güterverwendung, wenn es sich nicht nur für die Befriedigung ei-
nes Bedürfnisses eignet, sondern auch dort verfügbar ist. Die Verfügbarkeit eines
Gutes unterscheidet den Eignungswert vom Gebrauchswert. Um Wert im System
der Güterverwendung zu bekommen, muss ein Gut also über zwei Eigenschaften
verfügen: Erstens muss es die im System der Güterbereitstellung erzeugte Eignung
zur Bedürfnisbefriedigung (Problemlösung) beim Kunden haben. Zweitens muss
die Verfügbarkeit beim Kunden gewährleistet sein. Die im System der Verteilung
erzeugte Verfügbarkeit hat zwei Dimensionen, die faktische und die rechtliche
Verfügbarkeit. Die faktische Verfügbarkeit ist gegeben, wenn ein Gut im System
der Güterverwendung zum gewünschten Zeitpunkt am gewünschten Ort genutzt
werden kann. Die rechtliche Verfügbarkeit ist gegeben, wenn der Kunde das für
den speziellen Gebrauch des Gutes notwendige Verfügungsrecht erhält. Ist die
rechtliche, aber nicht die faktische Verfügbarkeit gegeben, so liegt der zugesicher-
te Gebrauchswert eines Gutes vor. Der Kunde hat dann ein Verfügungsrecht im
Sinne eines Anspruchs auf die Erzeugung und Bereitstellung eines Gutes. Der zu-
gesicherte Gebrauchswert im Sinne eines Leistungsversprechens ist insbesondere
für Dienstleistungen von Bedeutung, auf deren Erzeugung im Folgenden noch nä-
her eingegangen wird.
Die Ausführungen zum Wertschöpfungsdenken zeigen, dass Logistikaktivitäten
zur Erzeugung des Gebrauchswertes eines Gutes notwendig sind. Der Gebrauchs-
wert kann nicht nur durch eine bessere Eignung der Güter, sondern auch durch ei-
ne bessere Verfügbarkeit der Güter erhöht werden. Die faktische Verfügbarkeit
kann verbessert werden, indem die Leistung bei den schon bisher vom Anbieter
eines Gutes wahrgenommenen Logistikaktivitäten verbessert oder durch ihn zu-
sätzliche Logistikaktivitäten vom Kunden übernommen werden. Abb. A.10 zeigt
ein Beispiel für die Übernahme solcher bisher vom Kunden wahrgenommenen
wertschöpfenden Aktivitäten.
Die Übernahme solcher wertschöpfenden Aktivitäten durch das anbietende Un-
ternehmen ist dann sinnvoll, wenn die bisher vom Kunden erbrachten Logistikleis-
tungen zu niedrigeren Logistikkosten angeboten werden oder bei gleichen Logis-
tikkosten höhere Leistungen erbracht werden können.31

30 Zu dieser Sichtweise von Unternehmen und zu den im Folgenden diskutierten Werteigen-


schaften vgl. Large, 1995, S. 3ff. und S. 33ff. Diese Sicht hat in der Betriebswirtschaft eine
alte Tradition und ist neuerdings unter dem Begriff der Wertkette „wiederentdeckt“ worden,
vgl. Porter, 1999, S. 63ff.
31 Siehe dazu Abb. A.7 in Kap. A, Abschn. 1.4.
2.1 Wert- und nutzenorientiertes Denken 23

faktische Verfügbarkeit faktische Verfügbarkeit


gegeben nicht gegeben

Rechtliche
Zugesicherter
Verfügbarkeit Gebrauchswert
Gebrauchswert
gegeben

Rechtliche
Verfügbarkeit Eignungswert Eignungswert
nicht gegeben

Abb. A.9 Verfügbarkeit als konstituierende Eigenschaft des Gebrauchswertes (Quelle: Mit
geringfügigen Änderungen entnommen aus Large, 1995, S. 27)

1 Warenannahme Prozesse des Kunden

2 Wareneingangskontrolle

Materialzusammenstellung/
Lieferant

3
-bereitstellung

4 Freigabe für die Produktion

5 Abruf von Zulieferungen

6 Beschaffungsmanagement

Stufen der Übernahme:

Stufe 1: Transport zum Kunden


Stufe 2: Transport direkt zur Wareneingangskontrolle des Kunden
Stufe 3: Transport über die Anlieferungsrampe bis ins Lager
(Voraussetzung: Qualitätszertifizierung)
Stufe 4: Transport direkt an die Produktionslinie des Kunden
Stufe 5: Übernahme des Bestandsmanagements des Kunden
Stufe 6: Beschaffung anderer Einsatzfaktoren für den Kunden – One-Stop-Shop

Abb. A.10 Übernahme wertschöpfender Logistikaktivitäten des Kunden durch den Lieferanten
(Quelle: In Anlehnung an Gopal/Cypress, 1993, S. 197)
24 A.2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

Dienstleistungscharakter der Wertschöpfung


Logistische Wertschöpfungsaktivitäten haben Dienstleistungscharakter, was gro-
ßen Einfluss auf die Gestaltung dieser Aktivitäten hat.32 Reale Dienstleistungen
lassen sich durch die Merkmale Immaterialität und Integration des externen Fak-
tors charakterisieren. Das kommt in folgenden drei Definitionsvorschlägen zum
Ausdruck.33
Potentialorientiert ist unter Dienstleistung die Fähigkeit und Bereitschaft zu
verstehen, eine Dienstleistung zu erbringen. Dienstleistung ist in dieser Sichtweise
ein Leistungsversprechen und somit immateriell. Dieses Leistungsversprechen
entspricht dem zugesicherten Gebrauchswert in Abb. A.9 Unter Prozessorientier-
ter Dienstleistung versteht man den Leistungserstellungsprozess, in den vom
Dienstleistungsnachfrager (entweder interner oder externer Kunde) ein Produkti-
onsfaktor eingebracht wird, den der Dienstleistungsanbieter nicht uneingeschränkt
selbst disponieren kann und der deshalb als externer Faktor bezeichnet wird. Ist
der Dienstleistungsanbieter beispielsweise ein Logistikunternehmen, so umfasst
der externe Faktor etwa die Güter, die für einen Kunden zu transportieren und zu
lagern sind. Ergebnisorientiert versteht man unter Dienstleistung das immaterielle
Ergebnis dieses Leistungserstellungsprozesses, das sich am externen Faktor kon-
kretisiert. Im Falle der Logistik sind das die in Abb. A.3 aufgeführten Arten der
Gütertransformation.
Charakteristisch für die Dienstleistungsproduktion ist die Unterscheidung zwi-
schen Vor- und Endkombination der Produktionsfaktoren.34 Ziel der Vorkombina-
tion ist der Aufbau eines Leistungspotentials, das generell als Kapazität, in seiner
situativen Verfügbarkeit aber als Leistungsbereitschaft bezeichnet wird. Ziel der
Endkombination ist es, durch den Einsatz der Leistungsbereitschaft, weiterer in-
terner Produktionsfaktoren sowie des externen Faktors die nachgefragte Dienst-
leistung zu produzieren.
Die Planung der Leistungsbereitschaft hat in Erwartung der Nachfrage nach der
Dienstleistung (der durchzuführenden Endkombination) zu erfolgen und wird
durch die Abhängigkeit vom externen Faktor erschwert. Im Gegensatz zur Sach-
güterproduktion können auftretende Nachfrageschwankungen nicht durch Lager-
haltung ausgeglichen werden, weshalb die Leistungsbereitschaft prinzipiell vor-
handen sein muss, bevor die Dienstleistung am Markt angeboten wird. Das mit der
notwendigen Vorhaltung einer bestimmten Leistungsbereitschaft verbundene
Hauptproblem sind die damit verbundenen fixen Kosten, die in Zeiten geringer
Nachfrage zu Leerkosten werden. Gemildert wird dieses Problem einerseits da-

32 Vgl. Meffert, 1994, S. 521f. Zu berücksichtigen ist, dass die folgenden Ausführungen für
den größten Teil der Dienstleistungen zutreffen. Es gibt aber auch Dienstleistungen, die we-
gen ihrer Eigenschaften ähnlich wie Sachgüter produziert werden. Ebenso gibt es Sachgüter,
die sehr den hier charakterisierten Dienstleistungen ähneln.
33 Vgl. Corsten, 1993, Sp. 765f.
34 Vgl. Corsten, 1993, Sp. 767f. Zur Charakterisierung des logistischen Leistungsprozesses als
zweistufigen Kombinationsprozess vgl. Isermann, 1998a, S. 26ff.
2.2 Systemdenken 25

durch, dass man möglichst Kapazitäten mit solchen Eigenschaften aufbaut, welche
die quantitative, zeitliche und intensitätsmäßige Anpassung an die möglichen
Nachfrageschwankungen erleichtern. Andererseits wird der Leistungsbereitschaft
auch zugebilligt, einen Nutzen zu stiften, der sich in die Komponenten Beanspru-
chungsnutzen und Bereitstellungsnutzen untergliedern lässt. „Während der Bean-
spruchungsnutzen über die Inanspruchnahme der abgegebenen Leistung entsteht
und folglich für den Abnehmer greifbar ist, stellt das Empfinden des Bereitstel-
lungsnutzens ein latentes Problem dar, das dem potentiellen Nutzer häufig erst
durch negative Erfahrungen bewusst wird, nämlich dann, wenn die Leistungsbe-
reitschaft zum Zeitpunkt der Nachfrage nicht oder nicht in ausreichender Menge
oder Qualität vorhanden ist.“35
Aufgrund des immateriellen Charakters von Dienstleistungen und der Tatsache,
dass der Produktionsakt im Sinne der Endkombination und der Konsumakt zur
Bedürfnisbefriedigung zusammenfallen, kann der Kunde die Qualität der Leistung
vor dem Kauf nicht beurteilen. Daraus resultiert der Vertrauenscharakter von
Dienstleistung und eine Veränderung der Risikowahrnehmung beim Kunden in
Richtung Erhöhung des wahrgenommenen Risikos. Beide Faktoren erklären die
überragende Bedeutung psychographischer Zielgrößen wie Image und Kompetenz
beim Angebot von Dienstleistungen.36

2.2 Systemdenken

Ganzheitliche Betrachtungsweise
Die im ersten Abschnitt unter dem Begriff Logistik zusammengefassten Aufgaben
werden selbstverständlich schon immer in einem Unternehmen wahrgenommen
und nicht erst, seit es den Logistikbegriff gibt. Insofern stellt sich die Frage, ob
Logistik lediglich ein Modewort ist und Logistiker damit beschäftigt sind, alten
Wein in neue Schläuche abzufüllen. Eine Frage übrigens, die immer beim Auftau-
chen neuer Konzeptionen in der Betriebswirtschaftslehre gestellt wird, so z. B. bei
der Marketingkonzeption und der Controllingkonzeption. Bei der Beantwortung
dieser Frage ist davon auszugehen, dass es nicht darauf ankommt, ob Aufgaben im
Unternehmen schon immer wahrgenommen wurden oder nicht, sondern nur dar-
auf, wie diese Aufgabe wahrgenommen werden. Eine neue Konzeption beinhaltet
eine neue Betrachtungsweise der Probleme in Unternehmen und ermöglicht neue
Problemlösungen.
Grundlegend für die Logistikkonzeption ist die systemtheoretische Betrach-
tungsweise oder kürzer das Systemdenken. 37 Das Systemdenken hat seinen Ur-
sprung in der Biologie und wurde von dort in die Wirtschaftswissenschaften über-

35 Corsten, 1993, Sp. 768.


36 Vgl. Meffert, 1994, S. 525f.
37 Vgl. Pfohl, 1974, S. 70ff.; Rüegge, 1975, S. 23ff.; Behrendt, 1977, S. 30ff.; Krulis-Randa,
1977, S. 34ff. und S. 130ff.
26 A.2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

nommen. Man versteht allgemein unter einem System eine Menge von miteinan-
der in Beziehung stehenden Elementen. Kennzeichnend für das Systemdenken ist
die ganzheitliche Betrachtungsweise sowie die Erkenntnis, dass für die Erklärung
der Ganzheit die Erklärung ihrer Elemente nicht ausreicht, sondern dass dazu die
Erklärung der Beziehungen zwischen den Elementen treten muss. Systemdenken
ist ein Denken in komplexen, vernetzten Zusammenhängen. Bei der Koordination
der Elemente bzw. Subsysteme werden als Grundtypen die Interaktionsmodelle
lose Kopplung, Kooperation und Vereinigung unterschieden.38
Bei der losen Kopplung beeinflussen sich die miteinander agierenden Subsys-
teme gegenseitig nicht oder nur sehr gering. Sie handeln weitgehend autark, ob-
wohl sie voneinander abhängig sind. Die Kommunikation zwischen den Subsys-
temen ist schwach ausgeprägt, was letztlich zu einem suboptimalen Einsatz von
Ressourcen und Unstimmigkeiten im Gesamtsystem führt. Bei der Kooperation
wird diese Schwäche durch eine verbesserte Abstimmung der aus den individuel-
len Zielen der beteiligten Subsysteme resultierenden Ressourcen- und Infrastruk-
turbedarfe ausgeglichen. Dazu wird auch das Informations- und Kommunikati-
onsverhalten verbessert, so dass die einzelnen Interaktionspartner jeweils besser
über die Erfordernisse der übrigen Subsysteme informiert sind. Bei der Vereini-
gung geben die Subsysteme ihre Eigenständigkeit vollständig auf. Es kommt zur
Abstimmung der langfristigen Ziele und Visionen. Ziel ist es, gemeinsame Res-
sourcen und Infrastruktur optimal zu nutzen und auf individuelle Reservekapazitä-
ten zu verzichten.
Die Zusammenhänge zwischen den Elementen eines Systems lassen sich prin-
zipiell als Input-Output-Beziehungen interpretieren, durch die die Beziehungs-
struktur, z. B. des Netzwerkes eines Logistiksystems, hergestellt wird. Betont man
den Prozesscharakter dieser Beziehungen beim Austausch der Objekte zwischen
den Systemelementen, so kommt der Zeit als Systemdimension eine besondere
Bedeutung zu. Die Dimension Zeit unterscheidet die Prozessstruktur von der Be-
ziehungsstruktur der Systeme. KLAUS sieht in dem im Systemansatz der Logistik
allerdings schon enthaltenen Prozessansatz eine Erweiterung des Denkrahmens
der Logistik. Entsprechend des Prozessansatzes betrachtet er Logistiksysteme als
ein „Gewebe von Flüssen und Prozessen.“39 Dieses Fließprinzip wird aber neben
dem Prinzip der ganzheitlichen Betrachtungsweise bereits lange explizit als Inhalt
der Logistikkonzeption genannt.40
Der von WEBER41 der Logistikkonzeption als das eigentliche Neue zugeordnete
Koordinationsansatz ist ebenfalls schon im Systemansatz enthalten. Die abge-
stimmte, koordinierte Gestaltung von Güterflüssen ist die grundlegende Forderung
der theoretischen Logistikkonzeption, unabhängig von ihrer Umsetzung in der

38 Vgl. Merkel, 1995, S. 75ff. und S. 95ff.


39 Klaus, 1998, S. 66f.
40 Siehe dazu die Charakterisierung der Philosophie der Logistik bei Fey, 1989, S. 32ff.
41 Weber, 1992.
2.2 Systemdenken 27

Praxis.42 Das Management von Interdependenzen wird z. B. neben dem Manage-


ment von Material- und Informationsflüssen explizit zur Charakterisierung des
Logistikmanagements herangezogen.43 Allerdings lässt sich Logistikmanagement
nicht auf das Management von Interdependenzen beschränken, da dieses Mana-
gement die Kenntnis der spezifischen Eigenschaften logistischer Leistungsprozes-
se voraussetzt.
Die Anwendung des Systemdenkens stellt die Behandlung logistischer Proble-
me auf eine neue Grundlage, was ein wesentlicher Grund dafür sein dürfte, dass
man heute nach einer langen Periode der Vernachlässigung diesen Problemen so-
wohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis wachsende Beachtung schenkt.
Denn es werden dadurch neue Aussagen terminologischer (definitorischer), de-
skriptiver (beschreibender), theoretischer (erklärender) und praxeologischer (ges-
taltender) Art möglich.

Leistungsfähigkeit des Systemdenkens


Definitorische Aussagen: Auf der Grundlage des Systemdenkens lassen sich Beg-
riffe bilden und bestimmen, die eine exakte Erfassung logistischer Probleme er-
lauben. Den Kern einer solchen Begriffsbildung und -bestimmung bildet die im
ersten Abschnitt unter Heranziehung des Systembegriffes gegebene Logistikdefi-
nition. Die darauf aufbauende Definition verschiedener logistischer Teilsysteme
ist beispielsweise von Bedeutung für die Durchführung organisatorischer Aufga-
benanalysen. Die systemorientierte Logistikdefinition ist aber auch grundlegend
für die Durchführung von Kostenanalysen, da durch sie bestimmt wird, welche
Kosten als Logistikkosten zu betrachten sind.
Beschreibende Aussagen: Für die Beschreibung realer Güterflüsse bietet das Sys-
temdenken zwei Vorteile: Der erste Vorteil liegt darin, dass die auf ihm basieren-
de Logistikdefinition es möglich macht, die verschiedenen Logistiksysteme in ei-
ner einheitlichen Terminologie zu beschreiben. Dadurch bietet sich die Chance,
bisher nicht gesehene Gemeinsamkeiten der Probleme und Problemlösung etwa in
der Militärlogistik und Unternehmenslogistik oder der Beschaffungs- und Distri-
butionslogistik zu erkennen. Der zweite Vorteil besteht darin, dass man bei der
Beschreibung von Logistiksystemen gezwungen wird, die komplexen logistischen
Systemzusammenhänge zu erfassen. Man wird beispielsweise nicht mehr Auf-
tragsabwicklung, Lagerung, Transport usw. isoliert beschreiben, sondern ihr Zu-
sammenwirken bei der Realisierung des Güterflusses. Selbst wenn man sich auf
die Beschreibung eines logistischen Subsystems konzentriert, wird die Aufmerk-
samkeit auf die Beschreibung der Schnittstellen mit den anderen Subsystemen ge-
lenkt.

42 Zur Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis vgl. Meyer, 1993, S. 269.
43 Vgl. Fey, 1989, S. 111ff.
28 A.2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

Erklärende Aussagen: Das Systemdenken ermöglicht das Erkennen von Zusam-


menhängen, die man sonst nur sehr schwer oder überhaupt nicht erkannt hätte.
Denn konsequent angewandt sollte dieser Denkansatz zur Folge haben, dass all-
gemein übliche Denkansätze zerstört und einige ganz neue Wege des Denkens ge-
gangen werden. 44 Mangelndes Systemdenken verhinderte lange Zeit logistische
Systeme als eine tatsächlich Ganzheit zu betrachten und die Beziehungen zwi-
schen den einzelnen Systemelementen zu erfassen.
Da das Systemdenken das Erkennen der Beziehungen zwischen den einzelnen
Systemelementen in den Vordergrund rückt, wird die Entscheidung bezüglich ei-
nes Elementes nur noch unter dem Aspekt seines Beitrags zur Leistung des ganzen
Systems erfolgen. Eine Nichtbeachtung dieses Aspekts kann zu Fehlentscheidun-
gen führen. Eine isolierte Entscheidung bezüglich des Wechsels von einem Trans-
portmittel zu einem anderen Transportmittel mit unterschiedlichen technischen
Eigenschaften oder Transportgeschwindigkeiten kann beispielsweise nicht vorher-
gesehene Anforderungen an die Verpackung oder eine beträchtliche Erhöhung der
Lagerbestände zur Folge haben. Das Systemdenken deckt diese Zusammenhänge
auf. Denn es zwingt dazu, die Wirkungen einer Veränderung in einem logistischen
Teilsystem auf die anderen logistischen Teilsysteme zu erfassen. In gleicher Wei-
se wird man beim Auftreten von Problemen in einem logistischen Teilsystem die
Problemursachen nicht nur in diesem Teilsystem, sondern auch in allen anderen
Teilsystemen suchen.45
Gestaltende Aussagen: Durch gestaltende Aussagen sollen den Entscheidenden
Anweisungen für ihr Handeln gegeben werden. Logistische Entscheidungen be-
treffen den Aufbau von Logistiksystemen und den Ablauf von Logistikprozessen.
Ausgehend von den definitorischen, beschreibenden und erklärenden Aussagen
lassen sich unter Einbeziehung der anzustrebenden Ziele zur Unterstützung dieser
Entscheidung Modelle entwickeln, die auf dem Systemansatz basieren. Bei den
Entscheidungshilfen, die durch diese Modelle gegeben werden, sind die logisti-
schen Interdependenzen in wesentlich größerem Umfang berücksichtigt, als dies
durch andere Modelle möglich wäre. Dadurch ist eine bessere Grundlage zur Be-
wertung der zur Verfügung stehenden Entscheidungsalternativen gegeben, so wird
die rationale Auswahl der optimalen Alternativen erleichtert.

Ressourcen- und Prozessinterdependenzen


Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Systemdenken dazu beiträgt, bei
logistischen Entscheidungen durch Berücksichtigung von Ressourcen- und Pro-
zessinterdependenzen 46 suboptimale Insellösungen zu vermeiden und optimale
Gesamtlösungen anzustreben.

44 Vgl. Churchman, 1970, S. 20.


45 Zur in diesem Zusammenhang wichtigen Systemabgrenzung vgl. Pfohl, 1981b, S. 53f.
46 Siehe die Unterscheidung von Ressourcen- und Prozessstrategien bei Fey, 1989, S. 8ff.
2.3 Gesamt- oder Totalkostendenken 29

Wenn durch die Analyse der Beziehungsstruktur eines Systems die sachlichen
Zusammenhänge zwischen verschiedenen logistischen Teilsystemen erfasst wer-
den, hat dies zur Folge, dass Logistikentscheidungen unter Berücksichtigung der
Ressourceninterdependenzen, also bestehender Engpässe (knappe Logistikkapazi-
täten quantitativer und qualitativer Art) oder freier Potentiale (freie Logistikkapa-
zitäten quantitativer und qualitativer Art) getroffen werden können. Das System-
denken ermöglicht es also, Engpass- und Synergieeffekte in die Entscheidungen
einzubeziehen.
Wenn durch die Analyse der Prozessstruktur des Systems die zeitlichen Zu-
sammenhänge zwischen den verschiedenen Abschnitten der logistischen Kette des
Güterflusses erfasst werden, hat das zur Folge, dass Logistikentscheidungen unter
Berücksichtigung der Prozessinterdependenzen, also bestehender Autonomiekos-
ten (Abpufferung der Teilabschnitte der logistischen Kette durch Bestände schafft
Dispositionsfreiräume in diesen Abschnitten) und Koordinationskosten (Kopplung
der Teilabschnitte der logistischen Kette durch Informationsaustausch – Kommu-
nikationsbeziehungen – fördert die Berücksichtigung der Abhängigkeiten zwi-
schen den Abschnitten aufgrund von Leistungsverflechtungen), getroffen werden
können. Das Fluss- oder Prozessdenken ermöglicht durch Substitution von Auto-
nomiekosten durch Koordinationskosten kurze Durchlaufzeiten der Güter in der
Logistikkette und damit flexible Reaktionen auf Lieferserviceanforderungen. Das
Flussdenken als Ausprägung des Systemdenkens betont die Dimension der Zeit
gegenüber der Dimension der Kapazität im Logistiksystem.
Eng mit dem Systemdenken verbunden sind das Gesamtkosten- oder Totalkos-
tendenken und das Servicedenken. Denn wie aus Abb. A.7 hervorgeht, können die
Logistikkosten als Systeminput und der Service als Systemoutput aufgefasst wer-
den. Logistikentscheidungen sind im Hinblick auf die Input- und Outputwirkung
zu treffen.

2.3 Gesamt- oder Totalkostendenken

Gesamt- oder Totalkosten


Die gleiche Interdependenz, die zwischen den Elementen des Logistiksystems be-
steht, ist auch bei den Kosten vorhanden, die durch diese Elemente verursacht
werden. Die Senkung der Kosten in einem logistischen Teilsystem kann zu einem
Ansteigen der Kosten in anderen Teilsystemen und – wenn die Kostensenkung ge-
ringer ist als die Kostensteigerung – zu einem Kostenanstieg für das gesamte Lo-
gistiksystem führen. So mag eine Transportkostensenkung ohne Berücksichtigung
einer damit möglicherweise verbundenen Kostensteigerung bei der Verpackung
oder Lagerhaltung ein Ansteigen der Auslieferungskosten zur Folge haben. Das
Gesamt- oder Totalkostendenken fordert deshalb die Erfassung aller für eine Lo-
gistikentscheidung relevanten Logistikkosten. Der Begriff Gesamtkosten wird
hierbei lediglich zur Kennzeichnung der Forderung nach Erfassung aller relevan-
ten Logistikkosten benutzt und ist nicht zu verwechseln mit seinem ebenfalls in
30 A.2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

der Kostenrechnung üblichen Gebrauch im Sinne von Selbst- oder Vollkosten. Als
relevant für eine Entscheidung sind die Kosten zu bezeichnen, die nur dann anfal-
len, wenn eine Entscheidungsalternative realisiert wird und wegfallen, wenn diese
Entscheidungsalternative nicht realisiert wird.
Abb. A.11 gibt einen Überblick über die aufgrund des logistischen Gesamt-
oder Totalkostendenkens zu berücksichtigenden Kosten. Dies sind zunächst die in
den – wie in Abb. A.4 und Abb. A.7 zusammengestellt und gekennzeichnet –
funktionellen logistischen Subsystemen entstehenden Logistiksystemkosten.47 Sie
werden verursacht durch den Einsatz von Produktionsfaktoren in den logistischen
Subsystemen. Die Produktionsfaktoren können als primäre Kostenarten und die
logistischen Subsystemkosten als sekundäre Kostenarten bezeichnet werden. Zu-
sätzlich zu diesen Logistiksystemkosten müssen aber noch Kosten berücksichtigt
werden, die mit den Logistiksystemkosten unmittelbar zusammenhängen. Zum ei-
nen gehören dazu die Serviceniveaukosten, die durch ein niedrigeres Serviceni-
veau verursacht werden. Im Falle eines zu niedrigen Lieferserviceniveaus gehören
dazu z. B. die in Form von Fehlmengenkosten erfassten verlorengegangenen Auf-
träge und Kunden oder die bei der Bearbeitung von Reklamationen entstehenden
Kosten. Im Falle eines zu niedrigen Versorgungsservice sind es die durch Be-
triebsunterbrechungen oder Umrüsten entstehenden Kosten. Zum anderen gehören
dazu die Loskosten, die mit der Anzahl der von der Produktion zu fertigenden
oder vom Lieferanten zu liefernden Lose variieren. Im Falle von Produktionslosen
sind es die in der Produktion entstehenden auflagenfixen Rüstkosten. Im Fall von
Bestelllosen ist es der dem Einkauf – und nicht der logistischen Auftragsabwick-
lung – zuzurechnende Anteil der Bestellkosten.

Zielkonflikt
Das Gesamt- oder Totalkostendenken ist für Logistikentscheidungen von großer
Bedeutung, weil Logistiksysteme von einer Vielzahl von Kostenkonflikten ge-
kennzeichnet sind. Kostensenkungen in einem Teilsystem bewirken deshalb häu-
fig Kostensteigerungen in einem anderen Teilsystem. So führen beispielsweise
niedrigere Lagerbestandskosten zu höheren Transportkosten, weil häufiger gelie-
fert werden muss. Weiter Beispiele für Zielkonflikte sind:48
x Verpackungskosten und Kosten durch Transportschäden,
x Auftragsabwicklungskosten und Transportkosten durch ungünstige Routenpla-
nung,
x Lagerbestandskosten und Produktionskosten durch kleine Losauflagen,
x Lagerbestandskosten und Kosten des Einkaufs durch häufigere und kleinere
Bestellungen.

47 Eine andere Klassifikation der Logistiksystemkosten wäre die im vorangegangenen Ab-


schnitt angesprochene Unterscheidung von Autonomie- und Koordinationskosten.
48 Vgl. Poruks/Sitta, 1970.
2.3 Gesamt- oder Totalkostendenken 31

Serviceniveau-
kosten

Auftrags-
Lagerbestands-
abwicklungs-
kosten
kosten
unmittelbar zusammen zu
mit den Logistikkosten

Logistiksystemkosten
betrachtende Kosten

Verpackungs-
kosten

Transport-
Lagerhauskosten
kosten

Loskosten

(Auftragsabwicklungskosten + Lagerbestandskosten + Lagerhauskosten +


Verpackungskosten + Transportkosten ) + (Serviceniveaukosten + Loskosten)
= Gesamt- oder Totalkosten

Abb. A.11 Zusammensetzung der Gesamtkosten im Logistikprozess (Siehe dazu auch


Stock/Lambert, 2001, S. 29)

Abb. A.12 stellt beispielhaft einige Kostenverläufe mit Zielkonflikten in Logis-


tiksystemen dar. Logistisches Denken setzt die Kenntnis der in einem System
herrschenden Kostenkonflikte voraus. Hat man eine grundlegende Vorstellung
von solchen tendenziellen Kostenverläufen, so weiß man, welche Kosten in einer
konkreten Entscheidungssituation in einer detaillierten Kostenanalyse zu erfassen
sind.
Das Gesamt- oder Totalkostendenken ist wohl zum ersten Mal auf logistische
Probleme in Zusammenhang mit der Luftfracht angewendet worden.49 Betrachtet

49 Vgl. Lewis/Culliton/Steele, 1956, S. 64ff.; Heskett/Glaskowsky/Ivie, 1973, S. 530.


32 A.2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

Entscheidung über einzusetzende Entscheidung über die Anzahl


Transportmittel der Auslieferungslager
Kosten Kosten
Gesamtkosten Gesamtkosten

Transportkosten Lager-, Transportkosten


zur Versorgung der
Lagerkosten (inkl. Lagerhäuser
Kosten für
Unterwegsbestände) Transportkosten der
Auslieferung
Schiene Straße Luft
Anzahl der Lagerhäuser
Transportmitteleigenschaft
(höhere Schnelligkeit und größere Zuverlässigkeit)

Entscheidung über den Entscheidung über die zu


Sicherheitsbestand fertigende Losgröße
Kosten Kosten
Gesamtkosten Gesamtkosten

Lagerhaltungskosten Lagerhaltungskosten

Fehlmengenkosten Rüstkosten

Lagerbestand Fertigungslosgröße

Abb. A.12 Typische Kostenverläufe im Logistiksystem (Quelle: Siehe auch Ballou, 2004,
S. 46)

man z. B. allein die Frachtkosten, so ist die Verwendung von Luftfracht sicher nur
für sehr wenige Güter gerechtfertigt. Berücksichtigt man jedoch die Wirkung der
Luftfracht auf die gesamten Logistikkosten, so ergibt sich für ihren Einsatz ein
wesentlich günstigeres Bild.
Wie aus Abb. A.7 hervorgeht, ist jedoch Logistikdenken niemals nur Kosten-,
sondern auch Leistungsdenken. Das Entstehen von Logistikkosten ist nur dann ge-
rechtfertigt, wenn sie durch entsprechende Logistikleistungen verursacht werden.
Den Forderungen nach niedrigen Logistikkosten stehen Forderungen nach hohen
Logistikleistungen gegenüber.

2.4 Servicedenken

Kundenorientierung
In den 90er Jahren rückte mit der Kundenorientierung ein eigentlich altes Schlag-
wort in den Blickpunkt der betriebswirtschaftlichen Forschung und Lehre. Durch
ständig steigende Kundenanforderungen auf vielen Märkten wurde es für anbie-
tende Unternehmen immer wichtiger, sich beim Angebot von Produkten und
Dienstleistungen zunehmend an den Wünschen und Forderungen der Kunden zu
2.4 Servicedenken 33

orientieren. Neben dem Preis, ehemals wichtigstes Entscheidungskriterium für die


Käufer, wurde die Erfüllung komplexer Kundenwünsche zu einem wesentlichen
Wettbewerbskriterium.50
Kundenzufriedenheit ist in fast allen Unternehmen zum Unternehmensziel ge-
worden, da durch sie eine dauerhafte Kundenbindung erreicht werden kann. Zu-
friedene Stammkunden bringen den Unternehmen auf lange Sicht mehr Gewinne
ein, als immer wieder zu gewinnende Neukunden.51 Ein wesentliches Mittel, sol-
che Dauer- oder Stammkunden dem eigenen Kundenstamm zu erhalten, ist die
Kundennähe. Sie wird durch einen engen Kontakt mit dem Kunden erreicht, um
schnell Veränderungen der Kundenwünsche zu erkennen. Bei der Erfüllung der
Kundenanforderungen wird zwischen drei Anforderungsbereichen unterschie-
den:52
Die Grundanforderungen müssen unbedingt erfüllt werden. Ihre Erfüllung wird
vom Kunden als selbstverständlich erachtet. Entsprechend hat die Nichterfüllung
dieser Anforderungen äußerste Kundenunzufriedenheit zur Folge.
Die Leistungsanforderungen sind in der Regel explizit vereinbart. Sie gehen
über die branchenüblichen Anforderungen hinaus und werden in der Regel auch
nicht von allen Anbietern zu erfüllen sein. Im Gegensatz zu den Grundanforde-
rungen wird die Erfüllung der Leistungsanforderungen vom Kunden normalerwei-
se wahrgenommen und positiv bewertet.
Die Begeisterungsanforderungen sind keine Anforderungen im eigentlichen
Sinne. Sie werden nie ausdrücklich erwartet, noch vermisst, wenn sie nicht erfüllt
werden. Eine Erfüllung der Begeisterungsanforderungen wird jedoch vom Kunden
äußerst positiv bewertet.
In einer Zeit, in der sich viele Produkte kaum von Konkurrenzprodukten unter-
scheiden, gewinnen logistische Leistungen, die über die Grundanforderungen hi-
nausgehen, zunehmend an Bedeutung. Sie stellen eine Möglichkeit dar, sich von
Konkurrenten zu differenzieren und die Zufriedenheit der Kunden sicherzustellen.

Dienstleistung Versorgungs- und Lieferservice


Logistische Leistungen als der Output von Logistiksystemen sind Dienstleistun-
gen, die im Zusammenhang mit der Versorgung eines Unternehmens mit Material
(Versorgungsservice) bzw. mit der Auslieferung von Waren an Kunden (Liefer-
service) erbracht werden. Unter dem Gesichtspunkt der Lieferanten-Kunden-
Beziehung sind Versorgungs- und Lieferservice zwei Seiten derselben Medaille.
Denn der Lieferservice des Lieferanten hat den Versorgungsserviceanforderungen
des Kunden zu entsprechen. Unter dem Gesichtspunkt des Güterflusses durch ein
Unternehmen bezieht sich der Lieferservice auf den Warenfluss zum Kunden,
während sich der Versorgungsservice auf den Materialfluss vom Lieferanten zum

50 Vgl. Pfohl, 1998, S. 3ff.


51 Vgl. Simon/Homburg, 1995, S. 18; Hinterhuber/Handlbauer/Matzler, 2003, S. 7.
52 Vgl. Pfohl, 1998, S. 14.
34 A.2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

Beschaffungslager (im Falle eines Handels- oder Dienstleistungsunternehmens)


bzw. in den Produktionsprozess (im Falle eines Industrieunternehmens) bezieht. In
beiden Fällen lässt sich die Dienstleistung durch die bei der Definition der Logis-
tik genannten vier R charakterisieren. Es geht jeweils um die Sicherstellung der
Verfügbarkeit des Gutes.
Die Serviceanforderungen hängen zum einen von den Bedürfnissen des Kun-
den ab, zum anderen von den Bedürfnissen der eigenen Produktion. Im Folgenden
genügt es, das Servicedenken am Beispiel des Lieferservice zu diskutieren. Die
Problematik des Versorgungsservice ist im Wesentlichen dieselbe. Man muss sich
lediglich an Stelle des externen Kunden die eigene Produktion als internen Kun-
den vorstellen. Der Service ist letztlich das Ergebnis der logistischen Gütertrans-
formation, über die Abb. A.3 Auskunft gibt.

Lieferservice als Primär- und Sekundärleistung


Der Lieferservice ist eine der Dienstleistungen, die von Industrie- und Handelsun-
ternehmen mit dem Verkauf von Sachleistungen zusätzlich angeboten werden.53
Die Sachleistungen lassen sich als Haupt- oder Primärleistungen und die zusätzli-
chen Dienstleistungen als Sekundärleistungen bezeichnen. Letztere sind dadurch
zu charakterisieren, dass der Lieferant zusätzlich zu dem Angebot seiner Produkte
noch Funktionen übernimmt, die auch durch den Kunden im Prozess der Leis-
tungserstellung erfüllt werden können. Grundlegend für die Sekundärleistung ist
also die Übernahme von zusätzlichen Funktionen und damit meistens von Kosten,
die den Prozess zur Produktion der Leistung beim Kunden betreffen. Für die Defi-
nition der Sekundärleistung ist es dabei unerheblich, ob der Anbieter die Sekun-
därleistungskosten über eine gesonderte Preisforderung oder über den Produkt-
preis abzudecken versucht, wobei der zur Kostendeckung notwendige Mehrerlös
im zweiten Fall sowohl über einen höheren Produktpreis als auch über eine gestie-
gene Absatzmenge erzielt werden könnte.
Der Lieferservice umfasst die Sekundärleistung, durch die von der Distributi-
onslogistik des Lieferanten Funktionen übernommen werden, die ansonsten von
der Beschaffungs- bzw. Materiallogistik des Kunden zu erfüllen wären. Zur Erfül-
lung dieser Dienstleistungen kann zwischen Lieferanten und Kunden auch ein Lo-
gistikunternehmen eingeschaltet werden. Aufgabe des Logistikunternehmens ist
es, dem Lieferanten (Versender) den erforderlichen Lieferservice bzw. dem Kun-
den (Empfänger) den erforderlichen Versorgungsservice anzubieten. Diese Dienst-
leistung ist dann die Primärleistung des Logistikunternehmens. Zur Systematisie-
rung der möglichen Erscheinungsformen dieses Service erscheint es zweckmäßig,
vier Servicekomponenten zu unterscheiden.

53 Vgl. Pfohl, 1977, S. 241 und die dort aufgeführte Literatur.


2.4 Servicedenken 35

Servicekomponenten
Der Lieferservice setzt sich im Wesentlichen aus Lieferzeit, Lieferzuverlässigkeit,
Lieferungsbeschaffenheit und Lieferflexibilität zusammen.54
Unter Lieferzeit (Auftragsperiode) ist die Zeitspanne zwischen der Ausstellung
des Auftrags durch den Kunden bis zum Erhalt der Ware zu verstehen. Sie ist für
den Kunden wichtig, weil kürzere Lieferzeiten bei ihm niedrigere Lagerbestände
und eine kurzfristigere Disposition ermöglichen. In Abb. A.13 wird ein Beispiel
für die Zusammensetzung der Lieferzeit gegeben.55 Alle dort angegebenen Teilzei-
ten – auch die Zeiten für Tätigkeiten, die nicht vom Lieferanten oder einem Drit-
ten, sondern vom Kunden selbst ausgeführt werden – kann der Lieferant beein-
flussen. Er kann etwa durch geeignete Auftragsformulare auf die Zeit für die
Ausfertigung des Auftrags durch den Kunden Einfluss nehmen. Die Zeit für die
Einlagerung der Ware beim Kunden ist insofern vom Lieferanten beeinflussbar,
als durch eine Abstimmung der Transport-, Verpackungs- und Lagererfordernisse
zwischen Lieferanten und Kunden die Warenannahme und -prüfung, der Transport
ins Kundenlager und die Unterbringung im Kundenlager sehr erleichtert werden
können.
Der Begriff Lieferzeit wird hier zur Bezeichnung des Outputs von Logistiksys-
temen, also im Sinne einer allein von der Logistik abhängigen Lieferzeit, ge-
braucht. Davon zu unterscheiden ist die Lieferzeit, für deren Länge nicht die Lo-
gistik allein, sondern auch andere Unternehmensbereiche, wie z. B. die
Produktion, verantwortlich sind.56
Unter Lieferzuverlässigkeit (Liefertreue, Termintreue) versteht man die Zuver-
lässigkeit (Wahrscheinlichkeit), mit der die Lieferzeit eingehalten wird. Sie ist für
den Kunden wichtig, weil sie niedrigere Lagerbestände ermöglicht und Störungen
im Betriebsablauf vermeiden hilft. Die Lieferzuverlässigkeit hängt von folgenden
zwei Einflussfaktoren ab:
x Zuverlässigkeit des Arbeitsablaufs,
x Lieferbereitschaft.
Die Einhaltung der zugesagten Lieferzeit wird zunächst dadurch bestimmt, wie
zuverlässig die Teilzeiten eingehalten werden, aus denen sie sich zusammensetzt.
Die in den einzelnen Phasen der Lieferzeit anfallenden Arbeitsabläufe müssen
planmäßig in der dafür vorgesehenen Zeit realisiert werden. Bei der Auftragsbear-
beitung kann es etwa geschehen, dass eingehende Aufträge unbearbeitet liegen-
bleiben oder beim Transport ist es möglich, dass ein Spediteur die versprochenen
Transportzeiten nicht einhält. Die Zuverlässigkeit der Lieferzeit wird also von ih-
rer unzuverlässigsten Phase bestimmt!

54 Vgl. Pfohl, 1972, S. 177ff. und 1977, S. 241f.; Bender, 1976; LaLonde/Zinszer, 1976,
S. 148; Havighorst 1980, S. 58ff.; Stock/Lambert, 2001, S. 117f.
55 Vgl. Heskett/Glaskowsky/Ivie, 1973, S. 246f.
56 Vgl. Wagner, 1978b. Auf die Lieferzeit wird außerdem in Kap. C, Abschn. 2.3 zu Subsyste-
men der Produktionslogistik in eingegangen.
36 A.2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

Prozesszeit Kumulierte Zeit


(in Tagen)
Kunde
Ausfertigen und
1 1 übermitteln des
Auftrags
regionales
Verkaufsbüro 1 2
des Lieferanten

1 3 Auftrag bearbeiten

zentrale Auftragsbearbeitung ½ 3½
½ 4

2 6
Zusammenstellen
Auslieferungslager und verpacken

beladen ½ 6½

2 8½ Verladen und
Transportmittel transportieren

entladen ½ 9
Einlagern der Ware
Kunde 1 10 beim Kunden

Abb. A.13 Beispiel für den zeitlichen Verlauf einer 10-tägigen Lieferzeit

Andererseits wird die Lieferzuverlässigkeit bei der Einhaltung der Lieferzeit


ganz wesentlich von der Lieferbereitschaft abhängen. Sie gibt an inwieweit der
Lieferant in der Lage ist vom Lager zu liefern. Trifft ein Auftrag in einem Auslie-
ferungslager auf Fehlmengen, so kann im Allgemeinen die normale Lieferzeit
nicht eingehalten werden. Es sei denn, man hat die Möglichkeit, den Kunden in
diesem Falle mit Hilfe schnellerer Transportmittel direkt vom Zentral- oder einem
anderen Auslieferungslager aus zu beliefern.
Die Lieferbereitschaft wird normalerweise durch Prozentangaben gemessen,
denen allerdings sehr unterschiedliche Definitionen zugrunde liegen. Abb. A.14
gibt einen Überblick über häufig herangezogene Maße der Lieferbereitschaft. Aus
den möglichen Definitionen hat jeder Lieferant die für seine Situation zweckmä-
ßige auszuwählen. Beispielsweise kann es sinnvoll sein, lediglich die Häufigkeit
des Auftretens von Fehlmengen in die Definition mit einzubeziehen, die Größe der
auftretenden Fehlmengen aber unberücksichtigt zu lassen. In anderen Fällen mag
es dagegen zweckmäßig sein, gerade die Größe der auftretenden Fehlmengen als
Grundlage der Definition der Lieferbereitschaft zu nehmen. Es wird dann nicht als
2.4 Servicedenken 37

relevant angesehen, wie häufig die Nachfrage nicht vom Lager befriedigt werden
kann, sondern es ist wesentlich, welcher Prozentsatz der Nachfrage nicht vom La-
ger zu erfüllen ist. Die Nachfrage kann hierbei mengen- oder wertmäßig erfasst
werden. Mengenangaben sind im allgemein jedoch nur sinnvoll, wenn der Wert
der verschiedenen Artikel eines Auslieferungslagers ungefähr gleich ist. Jedes Un-
ternehmen wird letztlich die Definition zu wählen haben, in der das Auftreten von
Fehlmengen in der Weise berücksichtigt wird, wie es ihrer Wirkung auf den Ab-
satz auch tatsächlich entspricht.57
Durch die Lieferungsbeschaffenheit wird erfasst, inwieweit die Lieferung selbst
dem Kunden Grund zur Beanstandung gibt. Das hängt wiederum von zwei Fakto-
ren ab:
x Liefergenauigkeit,
x Zustand der Lieferung.
Durch die Liefergenauigkeit wird angegeben, inwieweit die bestellten Produkte
in gewünschter Art und Menge ausgeliefert werden. Kann der Lieferant das be-
stellte Produkt nicht liefern, so sollte er dem Kunden ersatzweise nur dann ein an-
deres Produkt ausliefern, wenn er zuvor dessen Zustimmung eingeholt hat. Ande-
renfalls riskiert der Lieferant, den Kunden zu verärgern und u. U. zu verlieren.
Außerdem können ihm zusätzliche Kosten für die Behandlung der Kundenbe-
schwerde und der Rücknahme der Ware entstehen. Der Kunde hat auch die von
ihm bestellte Menge zu erhalten. Denn wenn größere Mengen als die bestellten
angeliefert werden, erhöhen sich die Lagerkosten des Kunden. Werden kleinere
Mengen angeliefert, so können dadurch Fehlbestände im Kundenlager entstehen.
Der Zustand der Lieferung hängt im Wesentlichen davon ab, in welchem Um-
fang die Verpackung ihrer Schutzfunktion bei der Auslieferung der Güter gerecht
wird. Eine Beschädigung der Güter während der Auslieferung führt zu Kundenbe-
schwerden und/oder zu zusätzlichen Kosten durch Retouren bzw. zu gewährende
Preisnachlässe.
Die Lieferungsbeschaffenheit wird daran gemessen, wie oft die Lieferungen
von Kunden beanstandet werden und kann damit ebenfalls durch Prozentangaben
erfasst werden.
Unter Lieferflexibilität ist zu verstehen, ob das Auslieferungssystem des Liefe-
ranten es gestattet auf besondere Bedürfnisse des Kunden einzugehen oder ob sich
der Kunde mit seiner Beschaffungslogistik nach starr vorgegebenen Regeln der
Distributionslogistik des Lieferanten zu richten hat. Die Lieferflexibilität hängt im
Wesentlichen von folgenden drei Einflussfaktoren ab:
x Auftragsmodalitäten,
x Liefermodalitäten,
x Information des Kunden.

57 Vgl. Pfohl, 1972, S. 181ff.


38 A.2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

1 auf Grund der Anzahl der Bestellungen


erfüllte Bestellungen ˜ 100
1.1 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
eingegangene Bestellungen
ab Lager erfüllte Bestellungen ˜100
1.2 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
erfüllte Bestellungen
ab Lager erfüllte Bestellungen ˜100
1.3 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
eingegangene Bestellungen
verlorene Bestellungen
1.4 Maß für Lieferbereitschaft =
erfüllte Bestellungen
1.5 Maß für Lieferbereitschaft = verlorene Bestellungen pro Zeitperiode
1.6 Maß für Lieferbereitschaft = zurückgestellte Bestellungen pro Zeitperiode
1.7 Maß für Lieferbereitschaft = verlorene + zurückgestellte Bestellungen pro Zeitperiode
2 auf Grund der Nachfrage
gelieferte Menge ˜100
2.1 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
nachgefragte Menge
2.2 bis 2.7 sinngemäß wie 1.2 bis 1.7 (statt Mengen können auch Werte verglichen werden)
3 auf Grund des Zeitmaßes (z.B. Tage)
Teilperioden mit Lagerbestand ˜ 100 330 ˜ 100
3.1 Lieferbereitschaftsgrad (%) = z.B. = 90,5%
gesamte Periode 365
Teilperioden ohne verlorene Bestellungen oder Rückstellungen ˜ 100
3.2 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
gesamte Periode
4 auf Grund der Beobachtungsintervalle
Intervalle mit Lagerbeständen über Sicherheitsbestand ˜ 100
4.1 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
gesamte Anzahl der Intervalle
Intervalle ohne Lagerbestände über Sicherheitsbestand ˜ 100
4.2 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
gesamte Anzahl der Intervalle
Intervalle ohne verlorene Bestellungen ˜100
4.3 Lieferbereitschaftsgrad (%) =
gesamte Anzahl der Intervalle
4.4 Maß für Lieferbereitschaft = Häufigkeit, mit welcher der Sicherheitsbestand während einer
Zeitperiode angetastet werden mußte
4.5 Maß für Lieferbereitschaft = Häufigkeit, mit welcher während einer Zeitperiode Fehlmengen auftreten
4.6 Maß für Lieferbereitschaft = Häufigkeit, mit welcher während einer Zeitperiode Bestellungen verloren
gehen
5 auf Grund von Lieferverspätungen
Anzahl der Tage mit Lieferverspätung
5.1 Maß für Lieferbereitschaft =
erfüllte Bestellungen

5.2 Maß für Lieferbereitschaft =


¦ Verspätungstage ˜ bestellte Mengen
gelieferte Mengen

Abb. A.14 Formeln zur Berechnung der Lieferbereitschaft (Quelle: Steinbrüchel, 1971, S. 27)
2.5 Logistisches Effizienzdenken 39

Durch die Auftragsmodalitäten werden die Auftragsgröße, die Abnahmemenge,


der Zeitpunkt der Auftragserteilung sowie die Art der Auftragserstellung und Auf-
tragsübermittlung festgelegt. Je weniger die Entscheidungsfreiheit des Kunden be-
züglich dieser Auftragsmodalitäten eingeschränkt wird, desto höher ist das Niveau
dieser Lieferservicekomponente. Eine Vielfalt in den Auftragsmodalitäten belastet
jedoch das System der Distributionslogistik beim Lieferanten und verursacht im
Allgemeinen höhere Logistikkosten. Die Festlegung von Mindestauftragsgrößen,
Mindestabnahmemengen und vorgegebenen Zeitpunkten zu denen ein Auftrag er-
teilt sein muss, damit die zugesagte Lieferzeit eingehalten werden kann sowie eine
Standardisierung der Auftragserstellung und -übermittlung sind Möglichkeiten,
die Auftragsmodalitäten zu fixieren.
Beziehen sich die Auftragsmodalitäten auf den Informationsfluss zwischen Lie-
ferant und Kunde, so beziehen sich die Liefermodalitäten auf den Güterfluss.
Durch die Liefermodalitäten werden insbesondere die Art der Verpackung, die zu
benutzende Transportvariante sowie die Möglichkeit der Lieferung auf Abruf
festgelegt. Zur Transportvariante gehört auch die Regelung der Selbstabholung.
Zur Lieferflexibilität zählt schließlich auch eine exakte und rasche Information
des Kunden über die Liefermöglichkeiten, den Stand der Abfertigung des Auftra-
ges, vorauszusehende Lieferverzögerungen sowie die Behandlung von Beschwer-
den über mangelhafte Auslieferung.
Im Gegensatz zu den ersten drei Servicekomponenten ist das Niveau bei der
Lieferflexibilität nur begrenzt zu quantifizieren. Doch hat auch diese Komponente
Auswirkungen auf die Logistikkosten beim Lieferanten und die Zufriedenheit des
Kunden. Wie bei den anderen Servicekomponenten wird es auch hier einen Ziel-
konflikt zwischen dem Streben nach Minimierung der Logistikkosten und dem
Streben nach Maximierung des Lieferservice geben. Dieser Zielkonflikt ist auf der
Grundlage des logistischen Effizienzdenkens zu lösen.

2.5 Logistisches Effizienzdenken

Effizienzdenken
Logistiksysteme sind effizient, wenn bei ihrer Gestaltung die Logistikkosten (In-
put) und die Logistikleistungen (Output) als Gestaltungsziele berücksichtigt wur-
den. Das Effizienzdenken verlangt bei der Lösung logistischer Probleme weder
eine einseitige Ausrichtung an dem Ziel der Kostenminimierung noch eine einsei-
tige Ausrichtung am Ziel der Servicemaximierung, sondern einen Kompromiss
zwischen diesen Zielen.
Das Effizienzziel entspricht zunächst dem bekannten Produktivitätsziel, das
durch das Verhältnis Output/Input (z. B. Anzahl der umgeschlagenen Palet-
ten/Arbeitsstunde) gemessen wird. Das Effizienzdenken ist also auf die technolo-
gische Dimension des Logistiksystems anzuwenden, die ein Denken in Mengen
40 A.2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

und Qualitäten verlangt.58 Dieses Denken befasst sich mit Problemen der Leis-
tungsfähigkeit (quantitative und qualitative Kapazität sowie betriebstechnische
Elastizität) und mit Problemen der Leistungsbereitschaft (Störanfälligkeit und Be-
nutzerfreundlichkeit) von Logistiksystemen. Zur Leistungsbereitschaft i. w. S.
zählt auch die Zeit für die Planung und Realisierung des Logistiksystems. Denn es
ist häufig besser, Systeme mit befriedigender Leistungsfähigkeit rechtzeitig im
Einsatz zu haben, als Systeme mit maximaler Leistungsfähigkeit erst nach langer
Zeit im Einsatz zu haben. Häufig wird noch als besonderes Problem die Flexibili-
tät im Sinne der Anpassungsfähigkeit von Systemen herausgestellt. So wird z. B.
unterschieden zwischen der kurzfristigen Effizienz als Produktivität unter konstan-
ten Bedingungen und der Anpassungsfähigkeit als Produktivität unter wechseln-
den Bedingungen.59 Die Anpassungsfähigkeit ist für Logistiksysteme insofern von
großer Bedeutung, als Veränderungen in der Höhe, Zusammensetzung und geo-
graphischen Verteilung der Nachfrage zu Güterflüssen führen, die sehr unter-
schiedlichen Anforderungen an die Logistiksysteme stellen.
Das Effizienzdenken kann sich jedoch auch auf die ökonomische Dimension
des Unternehmens beziehen. Diese verlangt ein Denken in Werten. In ihrem Mit-
telpunkt stehen Probleme der Preise sowie von Umsatz und Kosten. Neben der be-
sonderen Problematik der Zurechnung von Logistikkosten zu Logistikleistungen,
die wegen der einseitigen Ausrichtung der Kosten- und Leistungsrechnung in vie-
len Unternehmen ungelöst ist, stellt sich hier auch das Problem der Erfassung der
Auswirkung des Lieferservice auf den Umsatz. In Abb. A.15 sind typische Kos-
ten- und Marktreaktionsfunktionen über dem Serviceniveau aufgetragen. Eine
eingehende Diskussion dieser Kurven erfolgt in dem Band Logistikmanagement
dieser Reihe. Hier genügt es, darauf zu verweisen, dass der stark progressive Kos-
tenanstieg mit steigendem Serviceniveau grundsätzlich charakteristisch für Logis-
tiksysteme ist. Die Verbesserung eines schon sehr guten Serviceniveaus um noch
einige wenige Prozent verursacht – wenn man von einer Verschiebung der Kos-
tenkurve durch Prozessinnovation absieht – einen weit überproportionalen Kos-
tenanstieg. Für die Umsatzerlöskurve lassen sich keine in gleicher Weise empi-
risch abgesicherten Aussagen machen. Doch hat sich in einigen Fällen der
Kurvenverlauf der Abb. A.15 nachweisen lassen. Interessant ist hier vor allem das
auch bei anderen Marktreaktionsfunktionen zu beobachtende Sättigungsphäno-
men. Die Erhöhung eines bereits guten Lieferservice um einige Prozent führt nur
noch zu einem stark unterproportionalen Anwachsen des Umsatzes. Daraus ergibt
sich, dass der größte Gewinnbeitrag des Lieferservice keineswegs bei einem ma-
ximalen Serviceniveau liegt. Auf der ökonomischen Ebene entspricht also das Ef-
fizienzdenken dem bekannten Rentabilitätsziel, das durch die Relation Ge-
winn/Kapital gemessen wird. Die Inputgröße ist in diesem Fall das Kapital, das in
Logistiksystemen gebunden ist, die Outputgröße der Gewinnbeitrag, der von Lo-
gistiksystemen geleistet wird.

58 Vgl. im Folgenden Pfohl/Stölzle, 1997, S. 84f.


59 Vgl. Ulrich/Fluri, 1995, S. 164.
2.5 Logistisches Effizienzdenken 41

Umsatzerlöse/
Kosten/
Gewinnbeitrag

Umsatzerlöse

Kosten

Gewinnbeitrag

93 95 100
Serviceniveau in %

Abb. A.15 Auswirkung des Serviceniveaus auf den Gewinn (Quelle: Mit Änderungen ent-
nommen aus Buxton, 1975, S. 35)

Technisch-wirtschaftliches Denken
Bei der Erläuterung des Effizienzdenkens wurde deutlich, dass das Effizienzden-
ken sowohl technisch als auch wirtschaftlich orientiert ist. Damit soll jedoch nicht
ausgedrückt werden, dass die soziale und ökologische Dimension des Unterneh-
mens im Logistikbereich keine Rolle spielen würde. Soziale Ziele wie etwa die
Zufriedenheit oder die langfristige Erhaltung der Gesundheit der Mitarbeiter ha-
ben für den Logistikbereich dieselbe Bedeutung wie für die anderen Bereiche des
Unternehmens. Das gilt auch für die ökologischen Ziele zum Schutz der Umwelt.
Insofern unterscheidet sich der Logistikbereich bezüglich des sozialen und ökolo-
gischen Denkens nicht von den übrigen Unternehmensbereichen. Dagegen ist die
besondere Verquickung technischen und wirtschaftlichen Denkens, wie sie für die
Logistik charakteristisch ist, für die anderen Unternehmensbereiche nicht immer
in gleicher Weise typisch.
Die Logistik liefert ein ausgezeichnetes Beispiel für einen Unternehmensbe-
reich, in dem sich technische und wirtschaftliche Probleme überschneiden. Ein
Logistikmanager muss in der Lage sein, die Möglichkeiten, die der technische
Fortschritt im Verpackungs-, Transport- und Lagerwesen für den Güterfluss eröff-
net, zu beurteilen und auszunutzen. Er muss aber auch dazu fähig sein, Kosten und
Service gegeneinander abzuwägen und mit den oft nur entweder in wirtschaftli-
chem oder in technischem Denken geschulten Führungskräften der Bereiche Be-
schaffung, Produktion und Absatz zusammenzuarbeiten. Führungspositionen im
Logistikbereich verlangen also in besonderem Maße eine Kombination von wirt-
schaftlichem und technischem Denken. Damit sind aber auch schon die Konse-
quenzen des Logistikdenkens für das Unternehmen angesprochen.
42 A.2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

2.6 Konsequenzen des Logistikdenkens


Zur Analyse möglicher Konsequenzen des Logistikdenkens ist es zweckmäßig, ei-
ne funktionelle, eine instrumentelle und eine institutionelle Dimension der Logis-
tikkonzeption zu unterscheiden.60 Funktionelle Konsequenzen ergeben sich, wenn
man die Logistik als einen gedanklich abgrenzbaren Aufgabenkomplex im Unter-
nehmen sieht. Hier wäre zu untersuchen, ob die Logistik als eine neue betriebs-
wirtschaftliche Funktion zu betrachten ist. Instrumentelle Konsequenzen beziehen
sich auf den Einsatz von Soft- und Hardwaretechnologien. Zu fragen wäre hier
nach möglichen Veränderungen bei den einzusetzenden Techniken zur Unterstüt-
zung der Informationsverarbeitung und zur Erleichterung des Güterflusses. Institu-
tionelle Konsequenzen betreffen die Organisation eines Unternehmens und die
Organisation der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen. Aufzudecken wären
hier mögliche Veränderungen der Organisationsstruktur eines Unternehmens
(intraorganisatorische Konsequenzen) oder der Zusammenarbeit zwischen Unter-
nehmen (interorganisatorische Konsequenzen) infolge des Logistikdenkens.

Funktionelle Konsequenzen
Das für die Logistikkonzeption charakteristische Systemdenken verlangt, die lo-
gistischen Aufgaben im Gesamtzusammenhang, die Logistik als einen in sich ge-
schlossenen Aufgabenbereich des Unternehmens zu sehen. In der Betriebswirt-
schaftslehre kennzeichnet man häufig einen solchen Aufgabenbereich als eine
betriebswirtschaftliche Funktion, die in jedem Unternehmen wahrgenommen wer-
den muss. Die Logistik tritt damit als Funktion neben die anderen im Unterneh-
men zu verrichtenden Funktionen, wie etwa Beschaffung oder Finanzierung. Nach
herrschender Meinung geht man dabei vom Querschnittscharakter oder übergrei-
fenden Charakter der Logistikfunktion aus.61
Betrachtet man die unmittelbar aus der Marktaufgabe abzuleitenden Funktio-
nen Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Produktion und Absatz als be-
triebswirtschaftliche Grundfunktionen62, so lassen sich aus ihnen eine Reihe be-
triebswirtschaftlicher Querschnittsfunktionen (Servicesleistungen) ableiten, die
notwendigerweise neben diesen Grundfunktionen wahrgenommen werden müs-
sen. Außer der Logistikfunktion zählt man dazu insbesondere die in Abb. A.16
aufgeführten Funktionen, die sich mit Personal, Finanzen und Informationen be-
fassen. Bezeichnet man diese Funktionen als Serviceleistungen, so hebt man ihren
dienenden Charakter gegenüber den betriebswirtschaftlichen Grundfunktionen
hervor. Spricht man dagegen von Querschnittsfunktionen, so wird damit betont,
dass sie die betriebswirtschaftlichen Grundfunktionen durchdringen. Schon an
dieser Stelle ist hervorzuheben, dass mit dem Begriff Serviceleistungen keine

60 Vgl. Pfohl, 1980a, S. 1201f.


61 Vgl. Pfohl, 1983, S. 726 und die dort zitierte Literatur.
62 Die Entsorgung wird auch als betriebswirtschaftliche Grundfunktion angesehen, vgl. Pfohl,
1993c, S. 214ff.
2.6 Konsequenzen des Logistikdenkens 43

Betriebswirtschaftliche Grundfunktionen
Forschung
und Beschaffung Produktion Absatz Entsorgung
Entwicklung
Betriebswirtschaftliche Querschnittsfunktionen

Personal
(Serviceleistungen)

Finanzen

Information

Logistik

Abb. A.16 Logistik als betriebswirtschaftliche Querschnittsfunktion

Wertung dieser Funktionen gegenüber einer betriebswirtschaftlichen Grundfunkti-


on verbunden ist. Welche Funktionen für den Erfolg eines Unternehmens von grö-
ßerer Bedeutung sind, hängt von der vorhandenen Wettbewerbs- und Kostensitua-
tion ab.
Sieht man die Logistik als eine betriebswirtschaftliche Funktion, so folgt dar-
aus, dass sich bei einer funktionellen Gliederung der Betriebswirtschaftslehre eine
spezielle Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre mit den spezifischen logisti-
schen Entscheidungstatbeständen zu befassen hat. 63 Wie bei den anderen be-
triebswirtschaftlichen Funktionen folgt daraus jedoch keineswegs notwendiger-
weise, dass die Logistik in einer organisatorischen Einheit im Unternehmen
institutionalisiert werden muss.

Instrumentelle Konsequenzen
Verbindet man mit der Logistikkonzeption eine instrumentelle Dimension, so wird
die Logistik zunächst als ein Instrument zur Planung, Steuerung und Kontrolle von
Güterflüssen verstanden. Das Logistikdenken kann Auswirkungen auf viele Berei-
che dieser als Softwaretechnologie zu bezeichnenden Instrumente der Informati-
onsverarbeitung haben, sowohl bei der Unterstützung der logistischen Entschei-
dungsprozesse als auch bei den Auftragsabwicklungsprozessen, der
Materialsteuerung oder dem Bestandsmanagement. Beispielsweise legt es das Lo-
gistikdenken nahe, schwerpunktmäßig nicht Optimierungsmodelle des Operations

63 Vgl. Kirsch/Esser, 1976.


44 A.2 Charakterisierung der Logistikkonzeption

Research zu entwickeln, mit denen Insellösungen in logistischen Teilsystemen ge-


funden werden, sondern eher Simulationsmodelle, mit denen sich komplexere Lo-
gistikzusammenhänge abbilden lassen. Solche Modelle erlauben es, die Auswir-
kungen von Veränderungen der unbeeinflussbaren oder beeinflussbaren Variablen
bei der Gestaltung von Logistiksystemen aufzuzeigen. Ein Beispiel hierfür wäre
die interaktive Planung des innerbetrieblichen Materialflusses mit Hilfe einer Si-
mulationssoftware. Bei der Auftragsabwicklung, der Materialflusssteuerung oder
bei dem Bestandsmanagement wirkt sich dann der Einsatz des Instrumentariums
der elektronischen Datenverarbeitung aus. Ohne EDV-Unterstützung lassen kom-
plexe Logistiksysteme sich weder planen, noch steuern, noch kontrollieren.
Konsequenzen bezüglich des Einsatzes von Methoden lassen sich am Beispiel
der Kosten- und Leistungsrechnung aufzeigen. Diese ist methodisch so umzustel-
len, dass sie auf der Basis einer detaillierten Kostenartenerfassung eine Zurech-
nung von Kostenarten auf logistisch relevante Bezugsgrößen erlaubt. Das können
einerseits Kostenstellen sein, die eine aussagekräftige Kontrolle der Logistikver-
antwortlichen ermöglichen. Es können aber auch Aufträge sein, die die Funktio-
nen von Kostenträgern übernehmen oder Lieferservicekomponenten, denen verur-
sachungsgerechte Logistikkosten zugerechnet werden sollen.
Instrumentelle Konsequenzen des Logistikdenkens sind jedoch auch im Be-
reich der Hardwaretechnologie, worunter die Transport-, Umschlags-, Lagerungs-
und Verpackungstechnik verstanden werden soll, möglich. Insbesondere kommt
dies zum Ausdruck, wenn den Schnittstellen (Interfaces) zwischen diesen Tech-
nikbereichen (etwa zwischen Transport- und Umschlagstechnik) erhöhte Auf-
merksamkeit gewidmet wird. Denn diese Schnittstellen sind typischerweise
Schwachstellen in der Technik von Logistiksystemen. Die technische Entwicklung
in den verschiedenen Teilsystemen muss aufeinander abgestimmt sein. Die techni-
schen Systeme haben miteinander kompatibel zu sein. Diese Erkenntnis hat z. B.
auch zur Folge, dass beim Kauf technischer Systeme immer mehr die Forderung
„alles aus einer Hand“ gestellt wird. Die Investitionsgüterhersteller kommen die-
sem Bedürfnis ihrer Kunden zunehmend durch das entsprechende Systems Selling
entgegen.

Institutionelle Konsequenzen
Der Einsatz neuer Instrumente bedingt im Allgemeinen im Unternehmen zunächst
nur ablauforganisatorische Veränderungen. Nicht immer lässt sich jedoch die Lo-
gistikkonzeption ohne institutionelle Veränderung, d. h. ohne intraorganisatori-
sche Änderung der bestehenden Verteilung von Aufgaben, Kompetenzen, Ver-
antwortung und Macht in Systemen der Mikrologistik realisieren. Denn bei einer
Aufsplitterung logistischer Aufgaben in der Organisationsstruktur sind erstens die
logistischen Systemzusammenhänge schwerer zu erkennen. Zweitens wird die
Verfolgung von Logistikzielen durch die Interessengegensätze der verschiedenen
Organisationseinheiten, die Logistikaufgaben wahrnehmen, erschwert. Offensicht-
2.6 Konsequenzen des Logistikdenkens 45

lich kann also eine organisatorische Zusammenfassung logistischer Aufgaben die


Realisierung der Logistikkonzeption erleichtern.
Kennzeichnend für das Systemdenken ist unter anderem die Erkenntnis, dass
das Systemverhalten stark von der Systemumwelt abhängig ist. Das Systemdenken
legt deshalb nahe, Teile dieser Umwelt nicht als unbeeinflussbare Variablen (Da-
ten) hinzunehmen, sondern durch Ausdehnung der Systemgrenzen zu beeinfluss-
baren Variablen zu machen. Damit kann die Logistikkonzeption auch zu veränder-
ten Formen der interorganisatorischen Zusammenarbeit zwischen verschiedenen
Unternehmen in Systemen der Metalogistik führen. Es kommt dann zu einer ver-
änderten Verteilung von Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung und Macht zwi-
schen verschiedenen Unternehmen. Beispielsweise kann es sinnvoll sein, dass
zwei Industrieunternehmen zumindest teilweise ein gemeinsames Logistiksystem
nutzen oder dass ein Industrieunternehmen seine Distributionslogistik einem spe-
zialisierten Logistikunternehmen überträgt.

Hindernisse für die Realisierung der Logistikkonzeption


Für eine Steigerung der Effizienz des Unternehmens als Folge der Realisierung
der Logistikkonzeption in funktioneller, instrumenteller und institutioneller Hin-
sicht gibt es viele Beispiele.64 Effizienzsteigerungen werden erreicht durch Sen-
kung der Logistikkosten, Beschleunigung des Kapitalumschlags, Erhöhung des
Serviceniveaus, Verbesserung der Entscheidungsprozesse, den Abbau von Kon-
flikten in der Unternehmensorganisation sowie einer verbesserten Zusammenar-
beit zwischen verschiedenen Unternehmen.
Trotz dieser offensichtlich bestehenden Chancen zur Effizienzsteigerung gibt
es eine Vielfalt von Hindernissen für eine Realisierung der Logistikkonzeption.
Insbesondere lassen sich folgende Haupthindernisse für eine Realisierung der Lo-
gistikkonzeption nennen:
x Das Fehlen durchsetzungsfähiger logistikorientierter Manager (z. B. mangelnde
Durchsetzungsfähigkeit gegenüber einem starken Vertrieb),
x das Fehlen entscheidungsrelevanter Informationen (z. B. fehlende Informatio-
nen aus der Kostenrechnung),
x die Existenz intraorganisatorischer Grenzen im Unternehmen (z. B. fehlende
Absprachen bei der Lösung logistischer Probleme auf der Beschaffungsseite
und auf der Absatzseite eines Unternehmens),
x die Existenz interorganisatorischer Grenzen zwischen Unternehmen (z. B.
mangelhafte Kommunikation zwischen Versender, Versandspediteur, Emp-
fangsspediteur und Empfänger).
Im folgenden Abschnitt wird auf die Bedeutung der Logistik für das Unter-
nehmen eingegangen, von der es letztlich abhängt, ob es sich lohnt, die aufgezeig-
ten Hindernisse zu überwinden.

64 Vgl. Pfohl, 1983, S. 721; Pfohl, 2004a, S. 54ff. und die dort aufgeführte Literatur.

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