Vieweg Handbuch
Vieweg Handbuch
Kraftfahrzeugtechnik
6. Auflage
ATZ
flage
Hans-Hermann Braess | Ulrich Seiffert (Hrsg.)
Vieweg Handbuch
Kraftfahrzeugtechnik
6., aktualisierte und erweiterte Auflage
Mit 1214 Abbildungen und 122 Tabellen
ATZ/MTZ-Fachbuch
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
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Die Abbildungen zur Gestaltung des Umschlags wurden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt von:
AVL-Trimerics, Hauptsitz Filderstadt (Simulation)
Bosch (Foto)
This book is based on the 2nd edition of the German book Fahrwerkhandbuch
edited by Bernd Heißing and Metin Ersoy.
1. Auflage 2000
2. Auflage 2001
3., vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage 2003
4., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2005
5., überarbeitete und erweiterte Auflage 2007
6., aktualisierte und erweiterte Auflage 2011
ISBN 978-3-8348-1011-3
Vorwort
Diese Neuauflage des Handbuches Kraftfahrzeugtechnik ist der Nachfolger des über viele
Jahrzehnte herausgegebenen Taschenbuches der Professoren Heinrich Buschmann und Paul
Koeßler. Dessen Erstausgabe erschien im Jahre 1940. Professor Koeßler gab im Jahre 1973 die
achte und damit letzte Auflage heraus. Fahrzeugingenieure benutzen noch heute die in diesem
Buch dargestellten Grundlagen für ihre Arbeit. Wir haben es deshalb als besondere Herausfor-
derung empfunden, an der vollständigen Neufassung dieses für Lehre, Forschung und Praxis
wichtigen Werkes als Herausgeber und Autoren mitwirken zu können. Das vorliegende Buch
beschreibt in umfassender Weise die faszinierende Welt des Automobils und seiner Entwick-
lung. Mehr als 100 namhafte Persönlichkeiten der Automobil- und Zulieferindustrie sind als
Mitautoren beteiligt. Damit ist dieses Handbuch auch ein Zeitdokument, welches den heutigen
hohen Stand und die rasante Weiterentwicklung des Kraftfahrzeuges beschreibt.
Ausgehend von den Bedürfnissen nach Mobilität werden die Anforderungen und die daraus
folgenden Zielkonflikte definiert, aus denen sich in Verbindung mit den physikalisch-tech-
nischen Grundlagen die Rahmenbedingungen für moderne Fahrzeuge ergeben. Das Design ist
ein ganz wesentliches Element für Kundengewinnung, Kaufentscheid und Kundenakzeptanz
und wird deshalb ausführlich behandelt. Das Kapitel Fahrzeugkonzepte und Package zeigt auf,
dass es, je nach konkreten Schwerpunktsetzungen, zu einer großen Vielfalt unterschiedlicher
Gesamtkonzepte und Varianten kommt. Ergänzend wird auf spezielle Aspekte und Konsequen-
zen alternativer Antriebskonzepte wie Elektroantrieb, Brennstoffzelle, Hybridantrieb und Gas-
turbine eingegangen.
Einen breiten Raum nimmt das Kapitel der „klassischen“ Antriebe ein. Moderne Hubkolben-
motor-Technik für Otto- und Dieselmotoren prägen neben der Elektromobilität die absehbare
Zukunft. Es wird deutlich, dass beide Motorarten weiterhin ein hohes Weiterentwicklungspo-
tenzial aufweisen. Abgasnachbehandlung, Aufladung und Optimierung der Nebenaggregate
sind weitere wichtige Themen. Die Getriebevarianten werden immer zahlreicher, wie die Bei-
spiele Doppelkupplungsgetriebe oder Allradantriebskonzepte zeigen. Auch wenn es um den
Zweitaktmotor wieder ruhig geworden ist, werden dennoch seine Chancen und Probleme analy-
siert. Langfristig von großer Bedeutung sind additive und alternative Kraftstoffe bzw. Antriebs-
energien, die im Vergleich behandelt werden. Der Fahrzeugaufbau wird ebenfalls immer an-
spruchsvoller und komplexer, wie schon die Anzahl der behandelten Themen zeigt. Diese rei-
chen von den Grundlagen selbsttragender Karosserien, Space-Frame-Techniken und Cabriolets
über Ergonomie und Komfort bis hin zu Kommunikations- und Navigationssystemen. Auch im
Fahrwerk steigt der Elektronik-Umfang weiter an – Stichworte sind „Drive by Wire“ und Fah-
rerassistenzsysteme. Damit ist schon angedeutet, dass fast alle Funktionen und Systeme im
Fahrzeug elektronische Komponenten beinhalten werden. Neu ist das umfassende Kapitel Fahr-
zeugsicherheit. In diesem werden die unfallvorbeugenden, die unfallfolgenmildernden Maß-
nahmen und die integrale Sicherheit dargelegt.
Die steigenden Anforderungen haben in den letzen Jahrzehnten zu deutlichen Erhöhungen der
Fahrzeuggewichte geführt. Werkstofftechnik, Fertigungsverfahren und Bauweisen der Zukunft
haben deshalb besonders der Forderung nach Leichtbau zu genügen, ohne dabei weitere Aspek-
te, wie das Recycling, zu vernachlässigen. Bei der damit zusammenhängenden steigenden
Komplexität der Fahrzeuge, ihrer Entwicklung, der Vernetzung der Fahrzeughersteller und ihrer
Systemlieferanten, weltweiter Fertigungsstätten usw. ist es zwangsläufig, dass der Optimierung
des Produktentstehungsprozesses eine immer größere Bedeutung zukommt. Verkürzung der
Entwicklungszeiten, Begrenzung der Entwicklungskosten bei steigenden Qualitätsansprüchen
zwingen zum systematischen Einsatz von Berechnungs-, Simulations-, Mess-/Versuchs- und
Qualitätssicherungsverfahren sowie „Virtual Reality“-Methoden; alle am Produktentste-
VI Vorwort
hungsprozess Beteiligten arbeiten, wie ausführlich gezeigt wird, von Anfang an zusammen
(„Simultaneous Engineering“).
Die sechste Auflage geht über Aktualisierungen und Erweiterungen, z.B. hinsichtlich der Fahr-
zeugsicherheit, Software und Wettbewerbsfahrzeuge, hinaus. Dies zeigt sich ganz besonders im
Hauptkapitel Elektrik, Elektronik und Software, das dem aktuellen Stand und den Entwick-
lungstendenzen entsprechend neu strukturiert und in wesentlichen Teilen neu bearbeitet wurde.
In diesem Zusammenhang sind besonders Telematik, Infotainment und Multimediaanwendun-
gen zu nennen.
Verschiedene Neuentwicklungen, aber auch die öffentlichen Diskussionen zur globalen CO2-
Situation, zum Feinstaub und Stickoxid haben einen starken Einfluss auf die Fahrzeugentwick-
lung. Die Aktualisierungen zeigen sich in praktisch allen Antriebskapiteln, vor allem bei den
Hybridantriebs-Konzepten und reinen Elektroantrieben sowie beim umfassenden Bordenergie-
Management. Wegen der rasanten Weiterentwicklung war es notwendig, alle relevanten Kapitel
zu überarbeiten und zu aktualisieren.
Bei der Erstellung dieses Handbuches stand das große Fachwissen vieler Experten aus wissen-
schaftlichen Einrichtungen und der gesamten deutschsprachigen Industrie zur Verfügung. Allen
Autoren sagen wir für ihre Beiträge herzlichen Dank, ebenso wie dem Vieweg+Teubner Verlag
für die Anregung, dieses Handbuch herauszubringen, und den Mitarbeitern, vor allem Frau
Elisabeth Lange und Herrn Ewald Schmitt sowie allen Lesern für die Hinweise, die zu den
Verbesserungen in der sechsten Auflage geführt haben.
2 Anforderungen, Zielkonflikte
2.1 Produktinnovation, bisherige Fortschritte Prof. Dr.-Ing. Ulrich Seiffert
2.2 Anforderungen durch den Gesetzgeber Ekhard Zinke
Hans-Jürgen Nettlau
2.2.8 Normen Egbert Fritzsche
2.3 Neue Technologien Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h.
Hans-Hermann Braess
3 Fahrzeugphysik
3.1 Grundlagen Prof. Dr.-Ing. Ulrich Seiffert
3.2 Aerodynamik Dr.-Ing. Heinz Mankau
3.3 Wärmetechnik Dr. Andreas Eilemann
Dr.-Ing. Thomas Heckenberger
Dr. Markus Wawzyniak
3.4 Akustik und Schwingungen Dipl.-Ing. Johannes Guggenmos
5 Antriebe
5.1 Grundlagen der Motorentechnik Prof. Dr. Dr. E.h. Franz Pischinger/
5.1.5 Ottomotoren Dr.-Ing. Philipp Adomeit
5.2 Dieselmotor Dipl.-Ing. Richard Dorenkamp
Dr. Klaus-Peter Schindler
5.3 Aufladung Prof. Dr.-Ing. Roland Baar
5.4 Triebstrang Dr. Jürgen Greiner
Dr.-Ing. Gerhard Gumpoltsberger
Dr. Christoph Sasse
Dipl.-Ing. Klaus Steinel
5.5 Allradantriebe, Brems- und Antriebsregelungen
5.5.1 Allradantriebs-Konzepte Dipl.-Ing. Heribert Lanzer
Ing. Hermann Pecnik
5.5.2 Antriebs- und Bremsregelung Gerhard Kurz
5.6 Abgasanlagen Dipl.-Ing. Martin Stüttem
5.7 Bordenergie-Management Dipl.-Ing. Markus Beck
5.8 Chancen und Risiken des Zweitaktmotors Dipl.-Ing. MSc Bert Pingen
5.9 Konventionelle und alternative Kraftstoffe Dr. rer. nat. Ingo Drescher
und Energieträger Dr.-Ing. Eckart Heinl
VIII Kapitel, Beiträge und Mitarbeiter
6 Aufbau
6.1 Karosseriebauweisen Dipl.-Ing. Lothar Teske
Dipl.-Ing. Helmut Goßmann
6.1.2 Space-Frame Dipl.-Ing. Heinrich Timm
6.1.3 Karosserie Stahlleichtbau-Studien Dr. rer. pol. Dipl.-Ing. Ludwig Hamm
Dipl.-Ing. Volker Peitz
6.1.4 Cabriolet Walter Pecho
6.1.5 Frontendmodule Prof. Dr.-Ing. Roland Lachmayer
6.2 Materialien der Karosserie Prof. Dr. Rudolf Stauber
Dr.-Ing. René Konorsa
6.3 Oberflächenschutz Dr. Klaus Werner Thomer
6.4 Fahrzeuginnenraum
6.4.1 Ergonomie und Komfort Thomas Herpel
Peer-Oliver Wagner
6.4.2 Kommunikationssysteme und Navigation Dipl.-Ing. Ernst Peter Neukirchner
6.4.3 Innenraumbehaglichkeit/Thermischer Dr. Markus Wawzyniak
Komfort
6.4.4 Fahrzeuginnenausstattung Georg Laukart
Dipl.-Ing. Thomas Vorberg
6.5 Wischer- und Wascheranlagen Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h.
Hans-Hermann Braess
7 Fahrwerk
7.1 Einführung Dr.-Ing. Axel Pauly
7.2 Bremssysteme Dipl.-Ing. Steffen Gruber
Dipl.-Ing. Norbert Ocvirk
Dipl.-Ing. James Remfrey
7.3 Reifen, Räder, Gleitschutzketten Dipl.-Phys. Heiner Volk
7.3.7 Räder Dipl.-Ing. Roman Müller
7.3.8 Gleitschutzketten Dr. Hansjörg Rieger
7.4 Fahrwerkauslegung Dr. Andreas Bootz
Dipl.-Ing. Oliver Hohenöcker
Dipl.-Ing. Johann Niklas
Dipl.-lng. Ludwig Seethaler
7.5 Beurteilungskriterien Dr.-Ing. Erich Sagan
Dipl.-Ing. Thomas Unterstraßer ()
7.6 Kraftstoffsystem Dipl.-Ing (FH) Martin Lauterbach
Maik Miklis
7.7 Kraftstoffversorgungsanlagen Dipl.-Ing. Gregor Fischer
für alternative Energieträger
8 Elektrik/Elektronik/Software
8.1 Bedeutung Elektrik/Elektronik/Software Dipl.-Ing. Bernd Kunkel
für das Automobil Dr.-Ing. Thomas Scharnhorst
Dr. Gabriel Schwab
8.2 Das Bordnetz Prof. Dr. rer. nat. Ludwig Brabetz
Prof. Dr.-Ing. Jürgen Leohold
8.3 Kommunikationsbordnetze Dr. Dirk Dudenbostel
Dipl.-Ing. Klaus Schneider
Dipl.-Ing. Thomas Volk
8.4 Elektromagnetische Verträglichkeit Dr. Wolfgang Pfaff
8.5 Funktionsdomänen
8.5.1 Einleitung
8.5.2 Beleuchtung Prof. Dr.-Ing. Roland Lachmayer
8.5.3 Cockpit-Instrumentierung Dr. Heinz-Bernhard Abel
Dr. Heinrich-Jochen Blume
8.5.4 Infotainment/Multimedia Dipl.-Ing. Gerhard Heyen
Dipl.-Ing. Markus Kreye
Kapitel, Beiträge und Mitarbeiter IX
9 Fahrzeugsicherheit
9.1 Allgemein Dr. Mark Gonter
9.2 Gebiete der Fahrzeugsicherheit Dr.-Ing. Thomas Schwarz
9.3 Ergebnisse aus der Unfallforschung Prof. Dr.-Ing. Ulrich Seiffert
Dr. rer. nat. Robert Zobel
9.4 Unfallvermeidende Sicherheit
9.5 Biomechanik und Schutzkriterien
9.6 Quasistatische Anforderungen an die Karosserie
9.7 Dynamische Fahrzeugkollision
9.8 Insassenschutz
9.9 Integrale Sicherheit
9.10 Rechnerunterstützung bei der Entwicklung von
Sicherheitskomponenten
9.11 Zusammenfassung
11 Produktentstehungsprozess
11.1 Simultaneous Engineering und Projekt- Dr.-Ing. Ulrich Widmann
management im Produktentstehungsprozess
11.2 Fahrzeugkonzeption in der frühen Ent- Dr.-Ing. Claus Ehlers
wicklungsphase Prof. Dr.-Ing. Thomas Breitling
11.3 Berechnung und Simulation in der Fahr- Dr.-Ing. Ulrich Widmann
zeugentwicklung
11.4 Mess- und Versuchstechnik Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h.
Hans-Hermann Braess
11.5 Qualitätsmanagement Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h.
Hans-Hermann Braess
11.6 Betrieb und Instandhaltung von Kraft- Norbert Grawunder
fahrzeugen Prof. Dr.-Ing. Volker Liskowsky
Autorenverzeichnis
Institutionenverzeichnis
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V., Prof. Dr.-Ing. Karsten Lemmer
Braunschweig
Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Prof. Dr.-Ing. Peter M. Knoll
Kraftfahrt-Bundesamt, Flensburg Ekhard Zinke
Hans-Jürgen Nettlau
NorCon Scientific Consulting, Esslingen Prof. Dipl.-Ing. Karl E. Noreikat
Technische Universität München Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Broy
Universität Kassel Prof. Dr. rer. nat. Ludwig Brabetz
Verband der Automobilindustrie e. V. (VDA), Berlin Egbert Fritzsche
Westsächsische Hochschule Zwickau Prof. Dr.-Ing. Volker Liskowsky
Zentralinstitut für Neue Materialien und Prozesstechnik Prof. Dr. Rudolf Stauber
der Universität Erlangen-Nürnberg
Inhaltsverzeichnis XVII
Inhaltsverzeichnis
1 Mobilität ..................................................................................................................................................... 1
1.1 Einleitung......................................................................................................................................... 1
1.2 Ursachen und Arten der Mobilität ................................................................................................... 2
1.2.1 Definitionen ........................................................................................................................ 2
1.2.2 Aktivitäten bestimmen Mobilität........................................................................................ 3
1.2.3 Transportsysteme für den Güterverkehr ............................................................................. 4
1.2.4 Einige spezielle Ausprägungen von Mobilität.................................................................... 4
1.3 Spannungsfelder und Auswirkungen der Mobilität ......................................................................... 4
1.4 Mobilitätsrelevante Anforderungen an Automobile ........................................................................ 5
1.4.1 Grundsätzliche Anforderungen........................................................................................... 5
1.4.2 Einige spezielle Anforderungen ......................................................................................... 6
3 Fahrzeugphysik .......................................................................................................................................... 33
3.1 Grundlagen....................................................................................................................................... 33
3.1.1 Definitionen ........................................................................................................................ 34
3.1.2 Fahrwiderstand und Antrieb ............................................................................................... 34
3.1.3 Kraftstoffverbrauch beeinflussende Maßnahmen............................................................... 36
3.1.4 Dynamische Kräfte ............................................................................................................. 37
3.1.5 Weitere Definitionen .......................................................................................................... 37
3.2 Aerodynamik ................................................................................................................................... 37
3.2.1 Grundlagen ......................................................................................................................... 37
3.2.2 Wirkungsbereiche............................................................................................................... 39
3.2.2.1 Luftwiderstand/Fahrleistung............................................................................... 39
3.2.2.2 Fahrsicherheit ..................................................................................................... 41
3.2.2.3 Benetzung und Verschmutzung.......................................................................... 42
3.2.2.4 Einzelkräfte......................................................................................................... 43
3.2.2.5 Kühlung/Bauteiltemperaturen ............................................................................ 44
3.2.2.6 Innenraumklima.................................................................................................. 44
3.2.2.7 Windgeräusche ................................................................................................... 45
3.2.3 Einordnung in die Gesamtentwicklung .............................................................................. 46
3.3 Wärmetechnik .................................................................................................................................. 46
3.3.1 Kühlung von Verbrennungsmotoren .................................................................................. 46
3.3.1.1 Auslegung von Kühlern...................................................................................... 48
3.3.1.2 Kühlerbauarten ................................................................................................... 49
3.3.1.3 Lüfter und Lüfterantriebe ................................................................................... 50
3.3.1.4 Kühlmodule ........................................................................................................ 50
3.3.1.5 Gesamtsystem Motorkühlung............................................................................. 50
3.3.2 Beheizen und Kühlen des Fahrgastraumes......................................................................... 51
3.3.2.1 Die Funktion Heizen und ihre Komponenten..................................................... 52
3.3.2.2 Die Funktion der Kälteanlage und ihre Komponenten....................................... 53
3.3.2.3 Verdichter und Regelung der Kälteleistung ....................................................... 55
3.3.2.4 Auslegung der Klimaanlage ............................................................................... 55
3.3.2.5 Kraftstoffmehrverbrauch durch die Klimaanlage............................................... 56
3.3.3 Komponenten und Systeme zur Heizung und Kühlung von Fahrzeugen
mit alternativen Antriebssystemen ..................................................................................... 57
3.3.3.1 Einführung .......................................................................................................... 57
3.3.3.2 Microhybride ...................................................................................................... 57
3.3.3.3 Milde Hybride und Batteriekühlung................................................................... 58
3.3.3.4 Vollhybride......................................................................................................... 59
3.3.3.5 Batteriebetriebene Elektrofahrzeuge .................................................................. 60
3.4 Akustik und Schwingungen ............................................................................................................. 62
3.4.1 Einleitung ........................................................................................................................... 62
3.4.2 Fahrgeräusche..................................................................................................................... 63
3.4.3 Antriebsgeräusch ................................................................................................................ 64
3.4.3.1 Luftschall ............................................................................................................ 65
3.4.3.2 Körperschall........................................................................................................ 67
3.4.4 Rollgeräusch ....................................................................................................................... 69
3.4.5 Windgeräusch ..................................................................................................................... 70
3.4.6 Mechatronische Geräusche................................................................................................. 72
3.4.6.1 Stellmotoren........................................................................................................ 73
3.4.6.2 Fahrzeugklimatisierung ...................................................................................... 73
3.4.6.3 Lüfter und Gebläse ............................................................................................. 74
Inhaltsverzeichnis XIX
6 Aufbau......................................................................................................................................................... 379
6.1 Karosseriebauweisen........................................................................................................................ 379
6.1.1 Selbsttragende Karosserie................................................................................................... 379
6.1.1.1 Entwicklungsanforderungen............................................................................... 379
6.1.1.2 Außenhaut........................................................................................................... 379
6.1.1.2.1 Design................................................................................................ 379
6.1.1.2.2 Aerodynamik und Aeroakustik ......................................................... 380
6.1.1.3 Package............................................................................................................... 381
6.1.1.4 Karosseriestruktur............................................................................................... 382
6.1.1.4.1 Unterbau ............................................................................................ 382
6.1.1.4.2 Aufbau............................................................................................... 384
6.1.1.4.3 Zusammenbau Seitenwand................................................................ 385
6.1.1.4.4 Dach .................................................................................................. 385
6.1.1.4.5 Anbauteile ......................................................................................... 385
6.1.1.4.6 Verbindungstechnik .......................................................................... 386
6.1.1.4.7 Materialauswahl und Leichtbau ........................................................ 386
6.1.1.4.8 Sicken und Verprägungen ................................................................. 388
6.1.1.5 Karosserieeigenschaften ..................................................................................... 388
6.1.1.5.1 Zusammenbautoleranzen................................................................... 388
6.1.1.5.2 Karosseriesteifigkeiten ...................................................................... 389
6.1.1.5.3 Aufprallverhalten .............................................................................. 390
6.1.1.6 Ausblick.............................................................................................................. 390
Inhaltsverzeichnis XXV
6.2.4.4
Kunststoffe.......................................................................................................... 423
6.2.4.4.1 Thermoplaste..................................................................................... 424
6.2.4.4.2 Duroplaste ......................................................................................... 425
6.2.5 Sortenreine Beispiele.......................................................................................................... 425
6.2.5.1 Stahl Seitenrahmen ............................................................................................. 425
6.2.5.2 Aluminium Seitentür .......................................................................................... 426
6.2.5.3 Magnesium Instrumententafelträger................................................................... 426
6.2.5.4 Hardtop als Sandwichkonstruktion..................................................................... 426
6.2.6 Mischbauweisen ................................................................................................................. 426
6.2.6.1 Mischbau in der Karosserie ................................................................................ 426
6.2.6.2 Mischbau im Innenraum (Cockpit) und Frontendmodule .................................. 428
6.2.7 Materialspezifische Aspekte der Fertigungstechnik........................................................... 430
6.2.7.1 Tailored products................................................................................................ 430
6.2.7.2 Superplastisches Umformen (SPF)..................................................................... 431
6.2.7.3 Innenhochdruckumformen (IHU)....................................................................... 431
6.2.7.4 Folientechnik als Alternative zur Nasslackierung .............................................. 432
6.2.7.5 Fügevefahren ...................................................................................................... 434
6.3 Oberflächenschutz............................................................................................................................ 434
6.3.1 Nutzen des Oberflächenschutzes ........................................................................................ 434
6.3.1.1 Korrosionsschutz ................................................................................................ 434
6.3.1.2 Oberflächenschutz .............................................................................................. 436
6.3.2 Entwicklung und Produktion des Oberflächenschutzes ..................................................... 436
6.3.2.1 Blechvorbeschichtung ........................................................................................ 436
6.3.2.2 Maßnahmen in der Karosseriekonstruktion........................................................ 436
6.3.2.3 Maßnahmen in der Produktion ........................................................................... 437
6.3.2.3.1 Kleben und Dichten........................................................................... 437
6.3.2.3.2 Vorbehandlung .................................................................................. 439
6.3.2.3.3 Elektrotauchlackierung...................................................................... 441
6.3.2.3.4 Grund- und Decklackierung .............................................................. 441
6.3.2.4 Hohlraumkonservierung und Unterbodenschutz ................................................ 443
6.3.2.4.1 Hohlraumkonservierung.................................................................... 443
6.3.2.4.2 Unterbodenschutz.............................................................................. 443
6.3.2.5 Transportschutz .................................................................................................. 444
6.3.3 Ausblick.............................................................................................................................. 444
6.4 Fahrzeuginnenraum.......................................................................................................................... 445
6.4.1 Ergonomie und Komfort..................................................................................................... 445
6.4.1.1 Ergonomische Anforderungen an das „Gesamtfahrzeug“.................................. 446
6.4.1.2 Ergonomische Grundauslegungen...................................................................... 448
6.4.1.3 Entwicklungsmethoden, Einbindung der Ergonomie
in den Produktentstehungsprozess...................................................................... 452
6.4.1.4 Neue Entwicklungen zur Mensch-Maschine-Interaktion ................................... 454
6.4.2 Kommunikationssysteme und Navigation......................................................................... 456
6.4.2.1 Ziele und Lösungen ............................................................................................ 456
6.4.2.2 Rundfunkempfang .............................................................................................. 456
6.4.2.2.1 Analoger Rundfunkempfänger.......................................................... 456
6.4.2.2.2 RDS (Radio Data System)................................................................. 458
6.4.2.2.3 TMC .................................................................................................. 458
6.4.2.3 Digitaler Rundfunkempfang ............................................................................... 458
6.4.2.3.1 DAB .................................................................................................. 458
6.4.2.3.2 DRM (Digital Radio Mondiale) ........................................................ 459
6.4.2.3.3 Satellitenradio.................................................................................... 459
6.4.2.4 Mobilfunk im Kfz............................................................................................... 459
6.4.2.4.1 UMTS................................................................................................ 460
6.4.2.4.2 Handys im Fahrzeug.......................................................................... 460
6.4.2.4.3 Internet Dienste im Fahrzeug ............................................................ 460
6.4.2.5 Bakenkommunikation......................................................................................... 460
6.4.2.6 Fahrzeug-Fahrzeug und Fahrzeug Infrastruktur Kommunikation...................... 461
6.4.2.7 Navigation .......................................................................................................... 461
Inhaltsverzeichnis XXVII
6.4.2.8
Digitale Karte ..................................................................................................... 462
6.4.2.8.1 Dynamische Navigation .................................................................... 462
6.4.2.8.2 Fahrerinformationssysteme ............................................................... 463
6.4.3 Innenraumbehaglichkeit/Thermischer Komfort ................................................................. 464
6.4.3.1 Komfortbedürfnisse der Fahrzeuginsassen......................................................... 464
6.4.3.2 Funktionen und Aufbau von Klimageräten ........................................................ 465
6.4.3.2.1 Funktionen des Klimagerätes – Luft fördern .................................... 466
6.4.3.2.2 Funktionen des Klimagerätes – Luft reinigen ................................... 467
6.4.3.2.3 Funktionen des Klimagerätes – Luft temperieren und entfeuchten .. 468
6.4.3.2.4 Funktionen des Klimagerätes – Luft verteilen .................................. 469
6.4.3.2.5 Bauformen von Klimageräten ........................................................... 469
6.4.3.2.6 Mehrzonigkeit und Zusatzgeräte....................................................... 470
6.4.3.3 Steuerung und Regelung von Klimaanlagen ...................................................... 470
6.4.3.3.1 Regelung und Automatisierungsgrade .............................................. 470
6.4.3.3.2 Bedienung.......................................................................................... 471
6.4.3.3.3 Aktuatorik, Sensorik.......................................................................... 472
6.4.4 Fahrzeuginnenausstattung .................................................................................................. 472
6.4.4.1 Zur Geschichte des Innenraums ......................................................................... 472
6.4.4.2 Anforderungen an Innenraum und Komponenten .............................................. 473
6.4.4.2.1 Optik.................................................................................................. 473
6.4.4.2.2 Olfaktorik .......................................................................................... 473
6.4.4.2.3 Ergonomie ......................................................................................... 474
6.4.4.2.4 Haptik ................................................................................................ 474
6.4.4.2.5 Akustik .............................................................................................. 474
6.4.4.2.6 Sicherheit........................................................................................... 474
6.4.4.2.7 Thermischer Komfort........................................................................ 475
6.4.4.3 Baugruppen des Innenraums .............................................................................. 475
6.4.4.3.1 Cockpit/Tunnelkonsole ..................................................................... 475
6.4.4.3.2 Sitze................................................................................................... 476
6.4.4.3.3 Tür-, Seitenverkleidungen................................................................. 477
6.4.4.3.4 Dachhimmel, Säulenverkleidung ...................................................... 478
6.4.4.3.5 Gepäckraum/Laderaum ..................................................................... 478
6.4.4.3.6 Bodenverkleidung, Akustik............................................................... 479
6.4.4.4 Entwicklungsablauf Innenraum.......................................................................... 479
6.4.4.4.1 Lastenheft .......................................................................................... 479
6.4.4.4.2 Berechnung/Digital Mockup ............................................................. 479
6.4.4.4.3 Teilekonstruktion .............................................................................. 480
6.4.4.4.4 Datenkontrollmodelle........................................................................ 480
6.4.4.4.5 Prototypen/Testing ............................................................................ 481
6.4.4.4.6 Serienproduktion/Montage................................................................ 481
6.4.4.4.7 Variantenmanagement....................................................................... 481
6.4.4.5 Ausblick.............................................................................................................. 481
6.5 Wischer- und Wascheranlagen ........................................................................................................ 482
9 Fahrzeugsicherheit..................................................................................................................................... 763
9.1 Allgemein......................................................................................................................................... 763
9.2 Gebiete der Fahrzeugsicherheit........................................................................................................ 764
9.3 Ergebnisse aus der Unfallforschung ................................................................................................ 764
9.3.1 Einleitung ........................................................................................................................... 764
9.3.2 Amtliche Straßenverkehrsunfallstatistik............................................................................. 765
9.3.3 Verkehrsunfalldaten der Versicherungen .......................................................................... 766
9.3.4 „In-Depth“ Unfallerhebungen ............................................................................................ 766
9.4 Unfallvermeidende Sicherheit ......................................................................................................... 769
9.4.1 Assistenzsysteme der Fahrzeugebene................................................................................. 769
9.4.2 Assistenzsysteme mit Umfeldsensorik................................................................................ 770
9.4.2.1 Systeme der Längsführung ................................................................................. 770
9.4.2.2 Systeme der Querführung................................................................................... 771
9.4.2.3 Nachtassistenz .................................................................................................... 772
9.5 Biomechanik und Schutzkriterien.................................................................................................... 773
9.5.1 Biomechanik....................................................................................................................... 773
9.5.1.1 Grundlagen ......................................................................................................... 773
9.5.1.2 Belastungsgrenzen .............................................................................................. 773
9.5.2 Schutzkriterien.................................................................................................................... 774
9.5.3 Simulationseinrichtungen ................................................................................................... 776
9.5.3.1 Kopf .................................................................................................................... 776
9.5.3.2 Bein, Hüfte.......................................................................................................... 776
9.5.3.3 Rumpf ................................................................................................................. 776
9.5.3.4 Gesamtkörper...................................................................................................... 776
9.6 Quasistatische Anforderungen an die Karosserie ............................................................................ 776
9.6.1 Sitz- und Sicherheitsgurtverankerungspunkttests............................................................... 776
9.6.2 Dachfestigkeit..................................................................................................................... 777
9.6.3 Seitenstruktur...................................................................................................................... 777
9.7 Dynamische Fahrzeugkollision........................................................................................................ 777
9.7.1 Frontale Kollision ............................................................................................................... 777
9.7.2 Seitliche Kollisionen........................................................................................................... 779
9.7.3 Heckkollision...................................................................................................................... 780
9.7.4 Fahrzeugüberschlag ............................................................................................................ 780
9.8 Insassenschutz.................................................................................................................................. 781
9.8.1 Fahrzeuginnenraum ............................................................................................................ 781
9.8.2 Rückhaltesysteme ............................................................................................................... 781
9.8.2.1 Sicherheitsgurte .................................................................................................. 782
9.8.2.2 Kinderrückhaltesysteme ..................................................................................... 782
9.8.2.3 Airbag-Systeme .................................................................................................. 783
9.8.2.4 Sitze, Sitzlehne und Kopfstütze.......................................................................... 785
9.8.3 Zusammenwirken von Rückhaltesystemen und Fahrzeug ................................................. 785
9.8.3.1 Unangegurteter Insasse....................................................................................... 785
Inhaltsverzeichnis XXXV
1500
Selbstzweck sein.
1000 Die Summe aller Bewegungen von Menschen und
500
Gütern wird als Verkehr bezeichnet. Zur Quantifizie-
rung physischer Mobilität dienen in verkehrswirtschaft-
0
2000 2005 2010 2020 2025
lichem Zusammenhang vor allem zwei Indikatoren:
Verkehrsaufkommen (Transportaufkommen): Im
Bild 1.1-4 Entwicklung und Prognose der Verkehrs- Personenverkehr werden damit die beförderten
leistung im motorisierten Individualverkehr in China Personen (Beförderungsfälle) bzw. im Güterver-
(Quelle: ProgTrans 2010) kehr die transportierten Tonnen pro Zeiteinheit in
einem definierten Gebiet oder am Querschnitt ei-
Die Zahl der Automobile beträgt weltweit heute etwa nes Verkehrsweges gemessen.
630 Millionen, wobei die Massen-Motorisierung Verkehrsleistung (Transportleistung): Sie ergibt
einiger großer und vieler kleiner Länder erst im sich durch Multiplikation des Verkehrsaufkom-
Anfang begriffen ist bzw. noch gar nicht begonnen mens mit den jeweils zurückgelegten Entfernun-
hat. Der motorisierte Individualverkehr ist in Ländern gen (Personenkilometer (pkm) bzw. Tonnenkilo-
wie China und Indien in den vergangenen Jahren meter (tkm)).
stark gewachsen und wird aller Voraussicht nach Zur weiteren Spezifizierung der physischen Mobilität
auch in den kommenden Jahren große Wachstumsra- von Personen dienen außerdem die drei folgenden
ten aufweisen (siehe Bild 1.1-4 nach [5]). Deshalb Indikatoren:
haben nicht nur die Vorteile, sondern auch die Nach- Anzahl der Wege pro Person und Zeiteinheit
teile des Straßenverkehrs, insbesondere Ressourcen-
(z.B. legte 2008 eine Person in Deutschland im
Verbrauch, Unfallgefahren und Umweltwirkungen in
Durchschnitt durchschnittlich 3,4 Wege pro Tag
Technik und Gesellschaft einen hohen Stellenwert.
zurück).
Dies führt immer wieder zu Diskussionen über reg- Zurückgelegte Streckenlänge pro Person und
lementierende Eingriffe der öffentlichen Hand, mit
Zeiteinheit (z.B. legte 2008 eine Person in
dem Ziel, die ungehinderte Nutzung des Automobils
Deutschland durchschnittlich 39 Kilometer pro
einzuschränken.
Tag zurück).
Man könnte durchaus sagen, dass der große Erfolg Für alle Wege benötigte Zeit pro Person und
des Automobils zum Teil als die Ursache des Pro-
Zeiteinheit (z.B. benötigte eine Person in
blems angesehen werden kann. Trotz der Nachteile
Deutschland durchschnittlich 1 h 20 min für die
muss man aber konstatieren, dass es in allen Politik-
Bewältigung der zurückgelegten Wege pro Tag,
bereichen und auf allen politischen Ebenen eine hohe
alles aus [4]).
Anzahl an Entscheidungen gibt, bei denen eine stei-
gende Verkehrsnachfrage überhaupt erst Vorausset- Die Bedeutung der individuellen Mobilität lässt sich
zung für die erfolgreiche Umsetzung der jeweiligen z.B. an der Entwicklung des Pkw-Bestandes ablesen
Entscheidung oder die Folge davon ist [3]. (Bild 1.2-1 nach [5]).
Eine unabdingbare Voraussetzung für jeden, der sich Personen- und Güterverkehr finden unimodal (mit nur
mit dem Verkehr im Allgemeinen und dem Auto- einem Verkehrsmittel) oder multimodal (unter Nut-
mobil im Speziellen beschäftigt, ist außerdem die Be- zung verschiedener Verkehrsmittel) von Quelle A zu
rücksichtigung der Erkenntnisse verschiedenster
Fachdisziplinen. So müssen die unterschiedlichsten
Technologiebereiche, aber auch Fachgebiete wie 50 000
Soziologie, Psychologie und Ökologie, direkt oder in- 45 000
40 000
direkt bei den Entwicklungen neuer Fahrzeuge be- 35 000
rücksichtigt werden. 30 000
25 000
20 000
1.2 Ursachen und Arten der Mobilität 15 000
10 000
1.2.1 Definitionen 5 000
0
Mobilität bedeutet allgemein Raumüberwindung, 2000 2005 2010 2020 2025
Erreichen von Zielen; teilweise wird unter Mobilität
bereits das Bedürfnis bzw. die Fähigkeit zur Ortsver- Bild 1.2-1 Pkw-Bestand in Deutschland: Entwicklung
änderung verstanden. Für den Soziologen ist Mobili- und Prognose (in Tausend) (Quelle: ProgTrans 2010)
1.2 Ursachen und Arten der Mobilität 3
130
Güter-
120 verkehr
BIP
110
100
Index 2009 = 100 Personen-
90 verkehr
80 Bild 1.2-2 Entwicklung
70 Wirtschaftsleistung und Ver-
60
kehrsleistung Personen-/Gü-
terverkehr in Deutschland im
50
Vergleich – mittleres ifmo-
40
1991 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 Szenario „Gereifter Fort-
schritt“ (Quelle: ifmo 2010)
Ziel B, gegebenenfalls mit Zwischenzielen, statt. ser Effekte durch physische Mobilität statt, die durch
Beispiele für den Personenverkehr wären: virtuelle Mobilität induziert wird, wenn man z.B. den
Facebook-Kontakt auch real treffen möchte [6].
Fahrt mit dem Auto zum Büro, nachmittags Auto-
fahrt zum Supermarkt, dann zum Kino, anschlie-
ßend wieder Autofahrt nach Hause; also eine uni- 1.2.2 Aktivitäten bestimmen Mobilität
modale Wegekette.
Fahrt mit dem Auto zum Bahnhof, von dort Fahrt
Die Mobilitätsnachfrage wird von zahlreichen Ein-
mit dem Zug in eine andere Stadt, dann mit einem flussfaktoren beeinflusst. Dies sind unter anderem
Call-a-Bike zu einem Geschäftstermin usw.; also Faktoren aus den Umfeldern Gesellschaft, Ökonomie,
eine multimodale Wegekette. Politik, Umwelt oder Technologie [7]. Die enge
Schon aus diesen wenigen Beispielen wird deutlich, Kopplung zwischen Wirtschafts- und Verkehrsleis-
wie unterschiedlich Mobilitätsformen sein können, tung der vergangenen Jahrzehnte scheint sich jedoch
und welch differierende Anforderungen an die ver- abzuschwächen, zumindest im Personenverkehr. Der
schiedenen Verkehrsmittel und ihr Zusammenwirken Güterverkehr ist in den letzten Jahren hingegen sogar
im Verkehrssystem (Intermodalität) daraus resultieren. deutlich überproportional zum Bruttoinlandsprodukt
In der Vergangenheit wurden immer wieder Erwar- gewachsen. Dieser Trend wird sich aller Voraussicht
tungen geäußert, dass durch die neuen Medien (z.B. nach in den kommenden Jahren fortsetzen (siehe Bild
Social Media, Video-Konferenzen) der Zuwachs an 1.2-2 nach [7]).
physischer Mobilität zumindest in seinem Wachstum Die wichtigsten Anlässe für Mobilität von Personen
gebremst werden könnte. sind in Deutschland Freizeit, Beruf und Einkauf [8]
Es sind jedoch nur in einigen wenigen Fällen Substi- (siehe Bild 1.2-3 nach [2]).
tutionseffekte von physischer durch virtuelle Mobili- Von besonderer Bedeutung ist der Freizeitverkehr
tät zu beobachten, wie beispielsweise beim Online- (z.B. [9, 10, 11]), der den höchsten Anteil an der
Banking. Tatsächlich findet eine Kompensation die- Verkehrsleistung aufweist.
350
300
250 Freizeit
Beruf
Mrd. pkm
200
Einkauf
150
Geschäft
100 Urlaub
50 Ausbildung
Bild 1.2-3 Entwicklung der
0 Verkehrsleistung im motori-
1992 1994 1996 1998 2000 2002* 2004 2006 2007 sierten Individualverkehr in
* Die ausgewiesenen Werte ab 2002 sind aufgrund geänderter Abgrenzungen Deutschland nach Verkehrs-
und Neuberechnungen nur eingeschränkt mit den Vorjahren vergleichbar.
zwecken (Quelle: DIW 2009)
4 1 Mobilität
Zudem stellt der Freizeitverkehr wegen seiner beson- haben große Auswirkungen auf den Güterverkehr.
deren Anforderungen, wie z.B. spezielle Zielorte, Transportqualität, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit
Zahl der Passagiere, spezielles Gepäck wie Sportge- sind wichtige Kriterien für die Auswahl des zu bevor-
räte besonders hohe Anforderungen an die dazu zugenden Verkehrsmittels.
geeigneten bzw. bevorzugten Verkehrsmittel.
Wie schon einleitend angedeutet, resultiert der insge- Rohrleitungen
samt hohe Anteil des motorisierten Individualver- 16 Mrd. tkm (2 %)
kehrs (MIV) aus den besonderen Vorteilen des Eisenbahnen
116 Mrd. tkm (17 %)
Automobils.
In Städten und Ballungsräumen, die über leistungsfä-
hige U-und S-Bahnen verfügen, ist der ÖPNV-Anteil
Binnenschifffahrt
deutlich höher (Bild 1.2-4). 64 Mrd. tkm (10 %)
Neben der schon angesprochenen, vorzugsweise
zweckorientierten Mobilität spricht man auch von Straßengüter-
sog. „Erlebnismobilität“. Hier steht die emotionale verkehr
Komponente des Unterwegssein im Vordergrund. Oft- 473 Mrd. tkm (71 %)
schöpfung führt ein Anstieg der Wirtschaftsleitung Einige Wirkungen haben vorwiegend oder aus-
vor allem im Güterverkehr zu einem weiteren Wachs- schließlich lokale oder regionale Bedeutung wie z.B.
tum. In Schwellenländern wie China und Indien ist Geräuschemissionen, Flächenbedarf für Infrastruktur.
aber bei weiteren Wohlstandszuwächsen auch weite- Andere Belastungen wie Ressourcenverbrauch oder
res Wachstum im Personenverkehr zu erwarten. CO2-Emissionen betreffen den gesamten Globus.
Mobilität ist aber auch Voraussetzung für das Wohl- Nicht alle Problembereiche haben allerdings den
befinden des Einzelnen und für seine Teilnahme am gleichen Kritikalitätsgrad. Als Beispiel für das Thema
sozialen Leben (z.B. Fahrten zur Ausbildung oder zur Ressourcenreichweite sei der Rohstoff-Sektor ge-
Arbeitsstelle, Besuch von Freunden oder anderen nannt. So kommen Eisenwerkstoffe weltweit in gro-
Ländern). ßem Umfang vor, während spezielle Materialien wie
Die hohe Bedeutung von Mobilität und die damit Edelmetalle für Katalysatoren oder seltene Erden für
verbundene hohe Nachfrage nach Mobilität brachten Magnete in Elektromotoren nur in beschränktem
aber schon immer auch Probleme mit sich. So erließ Umfang verfügbar sind.
schon Caesar aus Gründen der Geräuschreduzierung Eine wichtige Herausforderung an Wissenschaft und
eine Verordnung, welche Streitwagen zeitweise von Praxis ist die ständige Arbeit an den Herausforderun-
den Straßen Roms verbannte. Und vor der Erfindung gen der Zukunft. So gibt es Belastungen, die bis
des Automobils drohten Großstädte im Verkehr der heute bereits drastisch verringert werden konnten,
Pferdefuhrwerke zu ersticken. In Berlin gab es im wie z.B. Schadstoff-Emissionen der Verbrennungs-
Jahr 1875, also vor Erscheinen der ersten Automo- motoren oder umweltbelastende Effekte von Ferti-
bile, mehr Tote im Straßenverkehr als derzeit. gungsprozessen. Die weitere Reduktion des Ressour-
Heutzutage, bei einer Weltbevölkerung von knapp cenverbrauchs, vor allem bei fossilen Energieträgern
7 Milliarden Menschen, sind die Konsequenzen des stellt eine zentrale Herausforderung für die Zukunft
Verkehrs von Personen und Gütern zu einer globalen dar.
Herausforderung für Ballungsräume, Magistralen und Die Knappheit von Finanzmitteln für Infrastrukturin-
den Globus insgesamt geworden. vestitionen stellt für die Politik eine andere wesent-
Allgemein bekannt sind die direkten Auswirkungen liche Herausforderung für eine zukunftsorientierte
des Verkehrs, wie Gestaltung von Mobilität dar. Eine auf langfristige
Ressourcenbedarf strategische Zielsetzungen ausgerichtete Verkehrspo-
Emissionen litik wird damit für einen effektiven und effizienten
Unfälle Mitteleinsatz noch wichtiger [16].
die den verschiedenen Lebenszyklusabschnitten der Eine weitere Herausforderung liegt darin, Koopera-
Verkehrsmittel zugeordnet werden können (Bild 1.3-1 tionen zur Umsetzung vielfältiger Lösungen einzuge-
aus [14]). hen. Eine unternehmens- und verkehrsträgerübergrei-
In einer Untersuchung im Auftrag des Bundesamtes fende Zusammenarbeit gemeinsam mit Institutionen
für Raumentwicklung wurde in einer Abschätzung für der öffentlichen Hand ist sowohl zur Optimierung der
den gesamten Straßen- und Schienenverkehr in der Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern als
Schweiz ermittelt, dass der Gesamtnutzen größer als auch für eine effizientere Gestaltung des gesamten
die Gesamtkosten sind [15]. Allerdings sind Ergeb- Verkehrssystems zukünftig eine Notwendigkeit [7].
nisse solcher Untersuchungen stark davon abhängig, In einem Bereich allerdings gibt es zweifellos eine
unter welchen Annahmen die Berechnungen durchge- Grenze, die bei Null liegt: die Anzahl der im Verkehr
führt und welche Kriterien einbezogen wurden. Getöteten. Denn jeder Verkehrstote ist einer zuviel!
Bereits hier sei angedeutet, dass dieses Problem nicht
allein mit sichereren Automobilen zu lösen ist, aber
Lebens-
Rohstoff- auch der Verzicht auf Automobile stellt keine Lösung
zyklus Herstellung Betrieb Entsorgung
Betroffene
gewinnung dar. Erforderlich ist neben der technischen Weiter-
entwicklung im Hinblick auf die aktive und passive
Toxische
Verkehrs- Belastung von Sicherheit ein den gesamten Verkehrsbereich umfas-
Umwelt Boden und
emissionen
• Abgas Grundwasser sendes Verkehrsmanagement.
• Lärm
Industrie-
emissionen, Verkehrs-
Individuum
-abfälle, -abwässer infarkt
• Stau
1.4 Mobilitätsrelevante Anforderungen
(Mensch) • Parkraum
• Stress an Automobile
Automobile
Ressourcenverbrauch
• Materialrohstoffe
Strukturen
• Flächenbedarf
1.4.1 Grundsätzliche Anforderungen
• Energieerzeugung • Mobilitäts-
Gesellschaft bedarf Der automobil- und verkehrstechnische Fortschritt
(nach Berger/Servatius)
hat seit der Einführung der ersten Fahrzeuge Ende der
80er Jahre des neunzehnten Jahrhunderts eine un-
Bild 1.3-1 Negative Auswirkungen des Autos übersehbare Fülle an grundlegenden Verbesserungen
6 1 Mobilität
Energie- Recycling
verfügbarkeit
Komfort
Bild 2.1-3 Größenvergleich Smart und Maybach 62
Bild 2.1-1 Forderungen an das Automobil
Der Gesamtverkehr steigt in der Bedeutung [1], da
der Kunde die zurzeit wachsenden Verkehrsprobleme
auch der Automobilindustrie zuordnet bzw. einen
wesentlichen Beitrag zur Lösung derselben von ihr
erwartet. Bei Befragungen der Kunden (Zusammen-
fassung von mehreren Befragungen) direkt zum
Automobil ergeben sich für ein Mittelklassefahrzeug
die in Bild 2.1-2 gezeigten Antworten. Sicherheit und
Zuverlässigkeit, kein Liegenbleiben haben neben
niedrigem Kraftstoffverbrauch eine hohe Priorität.
Um die Wünsche der Kunden zu erfüllen, ist außer-
dem in den letzten Jahren die Angebotsvielfalt durch Bild 2.1-4 Audi R8 (Quelle: Audi AG)
Tabelle 2.1-1 Fahrzeugsegmentverteilung in Deutsch- len, dass in allen Ländern West-Europa’s die Anzahl
land 2009, Quelle KBA der tödlichen Unfälle und Unfälle mit Verletzungen als
Funktion der gefahrenen Kilometer deutlich zurückge-
Fahrzeugsegment Prozent
gangen ist. Das Bild 2.1-5, [8], [9] zeigt beispielhaft
Mini 4,79 für Deutschland den Rückgang der im Straßenverkehr
Kleinwagen 19,87 Getöteten als Funktion des Jahres pro gefahrenen
Kompaktklasse 27,86 Millionen Fahrzeugkilometer. Daraus ist zu erkennen,
wie notwendig die Aktivitäten waren und sind. Leider
Mittelklasse 26,11
sind weltweit sehr viel mehr Unfälle mit tödlichen
Obere Mittelklasse 5,91 Verletzungen, größer als 1 Million pro Jahr, zu ver-
Oberklasse 0,55 zeichnen. Die länderspezifischen Unterschiede sollten
Geländewagen 3,17 die „schlechteren“ Länder reizen, es den „besseren“
nachzutun. Dies gilt auch für andere Verkehrsträger
VAN’s 7,99
wie Eisenbahn, Öffentlicher Personennahverkehr und
Utilities 2,98 professionelle Airlines, die eine noch deutlich höhere
Sonstige 6,17 Sicherheit pro Personenkilometer aufweisen.
und der Leitungen und der Hinführung der Emis- ders die Stickoxide und die Partikel begrenzt. Im
sionen zu einem Aktivkohlebehälter, der vom Motor NEFZ für Dieselfahrzeuge die NOx auf 0,18 g/km
gereinigt wird, begrenzt. Beim Tanken werden die und Partikel auf 0,005 g/km.
aus dem Kraftstoffbehältereinfüllstutzen entweichen- Auch das Außengeräusch wurde reduziert. In dem
den Gase über geeignete Vorrichtungen an den Zapf- europäischen Zulassungsverfahren wird eine beschleu-
pistolen abgesaugt. Bei den Dieselmotoren wurden nigte Vorbeifahrt im 2. und 3. Gang simuliert. Heute
zunächst die Fortschritte durch motorinterne Maß- können mehr als 5 mal so viele Fahrzeuge diesen Test
nahmen erzielt, bis Ende der 80-er Jahre die Oxida- vollziehen und bleiben insgesamt noch unter dem
tionskatalysatoren einen weiteren Freiheitsgrad in der Grenzwert von 1975 mit 82 dB(A). Bei der momenta-
Reduzierung der Abgaskomponenten ergeben haben. nen Festlegung des Typprüfungswertes mit 74 dB(A)
Die Hochdruckeinspritzung hat weitere Erfolge ge- werden bereits ca. 50 Prozent des Geräusches durch
bracht. Partikelfilter, NOx-Speicherkatalysatoren und den Kontakt Fahrbahn/Reifen erzeugt, bei einer weite-
die SCR-Technologie sind in Serie. Besonders die ren Absenkung z.B. auf 72 dB(A) steigt dieser Wert
Stickoxide und die Partikel konnten deutlich verringert auf 75 Prozent. Die wesentlichen Aktivitäten müssen
werden, Kapitel 5.2. sich daher auf die Reduzierung des Geräusches Rei-
Derzeit wird intensiv an weiteren Verbesserungen für fen/Fahrbahn konzentrieren, Kapitel 3.4. Durch eine
beide Motorkonzepte gearbeitet. Sie lassen sich in besondere Fahrbahnoberfläche, dem „Flüsterasphalt“,
folgende Gruppen einteilen: Minimierung der Kalt- ist viel zu erreichen. Allerdings haben diese Fahr-
startemissionen, weitere Reduzierung der limitierten bahnoberflächen im Vergleich zur Standardbauweise
Abgaskomponenten und der Stickoxide bei Otto- und eine reduzierte Lebensdauer. Das Außengeräusch
Dieseldirekteinspritzern. Die gesetzlichen Forderun- erhält eine zunehmende Bedeutung seitens der Öffent-
gen in Kalifornien mit den ULEV (ULTRA LOW lichkeit. Bei kritischen Stimmen zum Automobil wird
EMISSION VEHICLE), SULEV (SUPER ULTRA es häufig gleichbedeutend mit Parkplatz- und Emis-
LOW EMISSION VEHICLE) und ZERO Emission sionsproblemen in der Stadt genannt.
(Null Emissionen) und die europäischen Ziele mit
Euro 5 + Euro 6 werden dafür sorgen, dass das Au- 2.1.3 Fahrzeugtechnik
tomobil bis auf die Kohlendioxidemission völlig aus
der Diskussion bezüglich der Umweltbelastung ver- Bei der Beurteilung der Fahrzeugtechnik kann man
schwindet. Als Beispiel demonstriert das Bild 2.1-6 feststellen, dass sich alle wesentlichen Eigenschaften
die Absenkungsschritte der Emissionswerte in Europa positiv verändert haben. Dies gilt für die Langlebigkeit,
seit. 1992 bis zum Einsatz von Euro 6. Die Abgaswerte z.B. verzinkte Karosserie und andere verbesserte Kor-
wurden im Schnitt um mehr als 98 Prozent in Rich- rosionseigenschaften (korrosionssicher bis zu 12 Jah-
tung Null gesenkt. Die EURO 5-Regelung hat beson- ren), die höhere Anmutungs- und Lebensdauerqualität,
Lenkradverstellung
Einparkassistent
Servolenkung
Sitzverstellung, Sitzheizung und -belüftung
automatisch schaltende Getriebe
El. Spiegelverstellung
Komfort Innenraumbehaglichkeit
(Klimaanlage, Temperaturregelung)
Gurtschlösser am Sitz
höhenverstellbare Verankerungspunkte
Geschwindigkeitsregelung und Abstandsradar
adaptive Dämpfer
Bremsassistent
ABS, EDS, ESP
ACC mit Bremseingriff
Automatische Notbremsung
Regensensor
Sichtfelder und Beleuchtung
(Scheinwerfer mit dynamischer Leuchtweiten-
regelung, dritte Bremsleuchte und automatisches
Sicherheit Kurvenlicht)
Fahrverhalten
Fahrbahneinhaltung
Spurwechselassistent
Kindersitz, normierte Befestigung und Sensierung
von Rückhaltesystemen und Insassen
C2C mit C2I
precrash-Funktionen
RDS, TMC
dynamische Navigation
Kommunikation Diebstahlschutz, Wiederauffinden der Fahrzeuge
Spracheingabe Bild 2.1-7 Beispiele für eine
Notruf
Fahrerunterstützung
die größere Verwindungssteifigkeit und die damit ver- 1978 bis 2003 auf im Durchschnitt 6,92 l/100 km (im
bundene Klapperfreiheit, eine verbesserte Ergonomie, NEFZ-Test) um 35 % gesenkt werden. Obwohl das
Sitzgestaltung sowie Lage und Betätigung von Bedien- Fahrzeuggewicht in den letzten Jahren im Mittel um
elementen und die wesentliche Verbesserung des mehr als 300 kg, von Ausnahmen abgesehen, gestie-
Schwingungsverhaltens und Geräuschniveaus im Fahr- gen ist, haben andere Innovationen und umgesetzte
zeuginnenraum. Die diesbezügliche Leistungsfähigkeit Maßnahmen im Wesentlichen diese Verbrauchsredu-
beurteilt der Kunde sowohl im Stand als auch beim zierung erzielt.
Fahren besonders hoch. Viele Detailoptimierungen: Durch viel Feinarbeit bezüglich der aerodynamischen
Entkopplung, Tilger, Dämpfung bis hin zur geregelten Formgebung wurde der Luftwiderstandsbeiwert cw,
Luftfeder haben für den Kunden wesentliche Verbesse- aber auch der Luftwiderstand selbst deutlich redu-
rungen erzielt. Dieser Trend wird sich fortsetzen. ziert. Der cw-Wert konnte seit 1960 um 40 Prozent
Einen Hauptanteil an den Verbesserungen hat die auf im Schnitt auf einen Wert von 0,3 [–] gesenkt
Karosserie. Sie bietet bei zwar absolut gestiegenem werden, Bild 2.1-8. Die Luftwiderstandsfläche (die
Gewicht eine wesentlich bessere Ausnutzung des Multiplikation von cW × Querschnittsfläche) liegt
Fahrgastraumes bezogen zur Gesamtverkehrsfläche. heute bei vielen Fahrzeugen unter 0,6 m2. Trotz der
Durch die Kompaktbauweise haben sich diese Werte größeren Querschnittsfläche durch den momentanen
in den letzten 10 Jahren um 10 Prozent verbessert. Designtrend – kürzer, breiter und höher – gab es eine
Dies gilt auch für die Verwindungssteifigkeit: teilt ständige Reduzierung des Luftwiderstandes und
man das Karosseriegewicht durch Verwindungsstei- damit des Fahrwiderstandes. Der Luftwiderstand trägt
figkeit und Aufstandsfläche, dann sind die heutigen auch bei den momentanen EG-Messzyklen für ein
Karossen um mehr als 50 Prozent besser. Interessant Mittelklassefahrzeug je nach Ausgangslage mit ca.
wird die Karosseriegestaltung im Zusammenhang mit 40 % zum Verbrauch bei. Allerdings schwankt dieser
den weltweiten Aktivitäten zur Elektrotraktion. Wert. Pro 10 % cw × A Änderung liegt die Einsparung
Für den Fahrzeugbetrieb haben inzwischen zahlreiche bei einem großen/schweren Fahrzeug bei 2,2 % und
Unterstützungssysteme in der Serie eingesetzt. Sie bei einem kleinen Fahrzeug, 4 % [11].
beinhalten beispielhaft die im Bild 2.1-7 dargestellten Auch bei der Reduzierung des Rollwiderstandes
Gebiete. Eine sehr gute Übersicht findet man auch im konnte durch neue Reifengenerationen u.a. mit Silika-
Handbuch für Fahrerassistenzsysteme [10]. technik der Rollwiderstandsbeiwert von 0,02 im Jahr
Ein ganz wichtiger Grund für den Kaufentscheid ist 1960 auf heute fr = 0,008 gesenkt werden. Zusätzlich
für die Kunden der Kraftstoffverbrauch. Dieser konn- werden auch alle weiteren den Rollwiderstand beein-
te für die von deutschen Herstellern in der Bundesre- flussenden Bauteile, wie Lager, Gelenke, Antriebs-
publik angebotenen Fahrzeuge in den Jahren von wellen, der Optimierung unterzogen.
2.1 Produktinnovation, bisherige Fortschritte 11
1,0
cw
0,8
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3 W
V
W Luftwiderstand
cw = r W r Luftdichte
2
0,2 2V A V Fahrgeschwindigkeit
A Stirnfläche
0,1
1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010
Modelljahr
Bild 2.1-8 Luftwiderstandsbeiwert als Funktion der Jahre (Schaukasten: Sönke Hucho)
Den größten Anteil an der Verbrauchsreduzierung kraftunterbrechnung, so dass erst mit den geregelten
und zur Steigerung des Komforts haben die An- Doppelkupplungsgetrieben der Marktdurchbruch ge-
triebsaggregate erzielt. Beim Ottomotor: Multipoint- lang [12]. Die kontinuierlich variablen Getriebe
einspritzung, kontaktfreie Zündung, Mehrventiler, haben noch nicht den prognostizierten Markterfolg
variable Ventilverstellung, Direkteinspritzung, be- erzielt. Abzuwarten ist der Einsatz im Zusammen-
darfsgesteuerte Kraftstoffpumpe, Zylinderabschaltung, hang mit Hybridantrieben (4.3.3). Hybridantriebe
Leichtbauweise, Kühlkreislaufoptimierung, mechani- steigern zunehmend ihren Marktanteil.
sche Aufladung zur Drehmoment- oder Leistungs- Durch die Verbesserung der Antriebsaggregate konn-
steigerung und trotzdem spezifische Verbräuche mit te die Verbrauchsverschlechterung, die durch die
minimalen Werten von 225 g/kWh. Beim Dieselmo- Erhöhung der Fahrzeugmasse eingetreten ist, mehr
tor Direkteinspritzung mit variabler Aufladung zur als wettgemacht werden. Dabei kann man beim Otto-
Drehmoment- und Leistungssteigerung, CommonRail kraftstoff überschlägig rechnen, dass 1 l verbrannter
und Pumpe/Düse mit Einspritzdrücken von mehr Kraftstoff ca. 2400 g CO2 emittiert, beim Diesel sind
als 1600 bar bzw. größer als 2000 bar und mit Vor- dies ca. 2640 g CO2 Die Aufgaben der Zukunft sind
einspritzung zur Geräusch- und Emissionsminderung. besonders intensiv bezüglich der weiteren Kraftstoff-
Die piezoelektrische Einspritzung erlaubt zahlreiche verbrauchsreduzierung. Die Eckpunkte der euro-
Optimierungen bezüglich des Einspritzvorgangs. Die päischen Regelung bis 2008 zeigt das Bild 2.1-9.
besten Motoren derartiger Ausführung liegen beim Diese Regelung wird durch Aktivitäten wie Steuerer-
spezifischen Verbrauch unter 200 g/kWh. leichterungen oder direkte Förderung beim Kauf von
Die Getriebe wurden ebenfalls bezüglich der Dreh- Fahrzeugen unterstützt [13]. Inzwischen werden für
momentenübertragung pro Getriebegewicht und -bau- 2020 95 g CO2/km und für 2050 20 g CO2/km gefor-
größe wesentlich verbessert. Bei den Schaltgetrieben dert.
führte dies zu 5- und 6-Gang-Getrieben, bei den Die Notwendigkeit die CO2-Emissionen zu reduzie-
Automatikgetrieben haben elektronische Regelung ren erfordert eine Vielzahl von Aktivitäten: verstärk-
und Steuerung mit dem Einsatz von 5 bis 8-Gang- ter Einsatz von alternativen Kraftstoffen, wie biofuel,
Getrieben erhebliche Verbrauchseinsparungen er- CNG, synfuel und Ausschöpfung des Potentials von
bracht. Die eingeführten mechanischen automatisier- Diesel- und Ottofahrzeugen, inklusive der Hybridisie-
ten Schaltgetriebe bis 7-Gänge, bei denen die Gang- rung. Das Bild 2.1-10 zeigt den Volkswagen Ablue
wahl sowohl vom Fahrer als auch automatisch vorge- Motion Polo, 3 Zylinder 1,2 l TDI mit Schaltanzeige,
nommen werden können, einschließlich des Stopp/ Start-Stopp, Bremsenergierückgewinnung, Verbrauch
Start-Systems, stellen einen wesentlichen Beitrag zur 3,3 l/100 km = 87 g CO2/km [14].
Verbrauchsreduzierung dar. Der Kunde erwartet aus Das andere Beispiel ist der Toyota Prius III mit einem
Komfort und Beschleunigungsgründen keine Zug- Normverbrauch von 3,9 l Ottokraftstoff entsprechend
12 2 Anforderungen, Zielkonflikte
Anlasser Radio/CD/Tape/Amplifier
Kraftstoffpumpe Infrarotschlossbetätigung
Zündung Navigation
Aktuator für Leerlaufbypassventil Diebstahlwarnanlage
Drosselklappenbetätigung geheizter Katalysator
ABS-Hydraulikpumpe elektrische Motorkühlung
Scheibenwischer vorne/hinten elektrische Wasserpumpe
Scheinwerfer-Waschanlage elektromagnetischer Ventiltrieb
elektrische Fensterheber vorne/hinten Komponenten für Hybridantrieb
elektrisches Schiebedach aktive Motorlager
elektrische Türverriegelung, auch Heckklappe aktives Fahrwerk
Kopfstützen und Sitzeinstellung Reifendruckwächter
elektrische Spiegel Bremsassistent
elektrische Antenne elektrische Bremse
Leuchten und Scheinwerfer elektrischer A/C-Kompressor
Heckscheibenheizung elektrischer Gangwechsel bei 5- und 6-Gang-
Sitzheizung getrieben
Windschutzscheibendüsenheizung geheizte Windschutzscheibe
geheizte l-Sonde verbesserte Nachtsicht
ECU, Motor-Getriebe Fahrbahnwechselsichtgerät
ABS, Anfahrhilfe, ESP Kurvenlicht
Geschwindigkeitsregelanlage Einparkassistent
elektrisch/mechanische bzw. hydraulische Automatische Abstandshaltung
Lenkung mit Bremseneingriff
Fahrbahneinhaltung Automatsiche Notbremsung
Instrumente intelligente Airbag-Sensoren
Airbag- und Gurtstrafferauslösung Telefon/Fax Bild 2.1-11 Elektrische/elek-
Notruf Stimmeingabe tronische Systeme im Fahr-
Klimaanlage Head up-Display
zeug [18]
2.1 Produktinnovation, bisherige Fortschritte 13
Automatische Notbremsung
lane keeping
Kurvenlicht
PRE-SAFE
Elektro-hydraulische Bremse EHB
Di-Ottomotor
Bremsassistent und ACC
Sequentielles M Getriebe
Elektronische Wegfahrsperre
Adaptive Getriebessteuerung
Dynamische Stabilitätskontrolle
Eigendiagnose mit Notlaufprogramm
Antriebs-Schlupf-Regelung
Elektronisches Gaspedal
Gemeinsame Steuerung von
Motorelektronik und Automatikgetriebe
Warmlauf Kennfeld
Kühlerthermostat Leerlaufdrehzahlregelung
Klopfregelung
Zündung mit lastabhängiger Unterdruckverstellung Digitale Motorelektronik
des Zündzeitpunktes
Dreiweg-Katalysator
Vergaser mit Beschleunigerpumpe mit Lambda-Sonde
Elektronische Einsprit-
Zündung mit drehzahlabhängiger
zung mit Kaltstart- und
Fliehkraftverstellung des Zündzeitpunktes
Warmlaufautomatik
Magnetzündung sowie Schubabschaltung
(konstanter Zündzeitpunkt) Elektronische
Ungesteuerte Benzineinspritzung
Glührohrzündung Transistor-
zündung
1886 1902 1910 1928 1936 1959 67 75 78 81 84 86 88 90 92 93 94 95 96 97 98 00 02 04 06 08
Bild 2.1-12 Bedeutende Meilensteine im Automobilbau am Beispiel Steuer- und Regelsysteme [16]
Der Kunde erwartet: zeigt sich z.B. in einem viel größeren Angebot von
1. Reiseinformationen Fahrzeugmodellen, erweiterten Serviceleistungen,
Reiseplanung, Verkehrsmittelwahl, -übergreifende neuartigen Leasingangeboten, Carsharingangeboten
Fahrtroutenplanung, Service und Dienstleistung, bis hin zu anderen Verkaufsorganisationen. Jeder
Buchungen und Reservierungen, Routenplanung Konzern versucht über zahlreiche Modelle sein Ange-
für Fußgänger, Touristikinformationen bot so attraktiv wie möglich zu machen, sei es inner-
Straßencharakteristik, Parkraumangebot, Ver- halb einer Marke selbst oder über verschiedene Mar-
knüpfung von Verkehrsmitteln, Straßenkarten ken in einem Konzern. Dies gilt auch für die Kommu-
Persönliche Kommunikation nikation mit den Kunden über Kundenkliniken, interne
Persönlicher Briefkasten, Notfallmeldung, Notruf und externe Befragungen, customer satisfaction index,
2. Managementsysteme im öffentlichen Nahverkehr Werkstatttests, Langzeittests durch Verbraucherorga-
Statische und dynamische Fahrtinformation, indivi- nisationen wie ADAC und TÜV, Crashtests und
duelle ÖV-Reiseplanung, Fahrscheinverkauf bzw. direkte Informationen über die Fachzeitschriften. Im
Fahrscheinersatz Vergleich zu früher ist der Kunde heute hervorragend
3. Parkraummanagement über das Produkt und die Marke informiert bzw. kann
Parkraumbelegung, dynamische Parkrauminforma- Informationen über das Internet abfragen.
tion, Parkleitempfehlung, Stellplatzreservierung Die erwähnte Recyclingfähigkeit hat sich in einer
4. Verkehrsinformation inzwischen vorhandenen Rücknahmekette etabliert.
Navigation, Routenführung individuell und kol- Im Sinne der Schonung von Ressourcen ist es außer-
lektiv, dynamische Information über Unfälle, all- dem notwendig, das wiederverwertbare Material einer
gemeine Verkehrszustände (Stau, Straßenarbeiten, erneuten Verwendung zuzuführen. Die Recycling-
Wettervorhersage, Umweltbedingungen, Sonder- richtlinie wurde inzwischen in Brüssel für die EU
veranstaltungen, örtliche Einschränkungen – Zu- rechtsgültig definiert [19].
fahrt, Durchfahrt) Das Automobil mit einem jährlichen Umsatz von
5. Management der Verkehrsnachfrage mehr als 1000 Milliarden EUR und der zusätzliche
car-pooling, Verknüpfung im Güterverkehr, City- Umsatz der Vertriebs- und Werkstattaktivitäten stellt
Logistik, Mauteinfluss. einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. Die konti-
Parallel mit der Automobiltechnik hat sich auch das nuierlich steigenden Herausforderungen müssen von
Angebot der Hersteller zum Kunden geändert. Dies der Automobilindustrie und ihren Zulieferanten be-
14 2 Anforderungen, Zielkonflikte
Technologieniveau Elektroantrieb
Elektrizität
Automatische Notbremsung
Hybridantrieb
Alternative Kraftstoffe
„drive by wire“
PRE-SAFE
„global CO2 warming“
Mechatronik,
Mikrosystemtechnik
Verkehrsinfarkt
Information,
Öffnung der Märkte Kommunikation
Hochkonjunktur Leichtbau,
zweite Ölkrise Verbrauch
Mikroelektronik Sicherheit, Airbag
Emissionsvor- Leistung, ABS
schriften USA
Kraftstoffverbrauch
Sicherheits-
gesetze USA CO, HC, NOx-Emission
Sicherheit, Frontaufprall
Komfort, Innengeräusch
Bild 2.1-13 Innovations-
1950 60 70 80 90 2000 Jahr
wellen im Automobilbau
2.2 Anforderungen Für die Fahrzeugklasse M1 zeigen Bild 2.2-1 die Ge-
nehmigungsverfahren und Tabelle 2.2-1 eine Übersicht
durch den Gesetzgeber über die Rechtsquellen. Fz der Klasse M1 sind Fz zur
Neben allgemeinen nationalen Vorschriften wird im Personenbeförderung, die außer dem Fahrersitz über
Folgenden speziell auf die europäischen Bestimmun- höchstens acht Sitzplätze verfügen.
gen eingegangen. Falls für einzelne Anforderungen
weltweit andere Regelungen gelten, wird dies in den 2.2.2 Die nationalen und supranationalen
Fachkapiteln abgehandelt. Rechtsquellen
2.2.2.1 Straßenverkehrsrecht mit StVZO
2.2.1 Zulassung zum Straßenverkehr § 6 StVG ermächtigt das Bundesministerium für
Nach § 1 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS),
müssen Kraftfahrzeuge (Kfz) und ihre Anhänger, die Rechtsverordnungen und allgemeine Verwaltungs-
auf öffentlichen Straßen in Betrieb gesetzt werden vorschriften über die Beschaffenheit, die Ausrüstung,
sollen, von der zuständigen Behörde (Zulassungs- die Prüfung und die Kennzeichnung der Fz mit Zu-
behörde) zum Verkehr zugelassen sein. Weiterhin be- stimmung des Bundesrates zu erlassen. § 38 Abs. 2
stimmt § 3 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV), und § 39 des Bundesimmissionsschutzgesetzes er-
dass Kfz mit einer durch die Bauart bestimmten mächtigen das BMVBS und das Bundesministerium
Höchstgeschwindigkeit von mehr als 6 km/h und ihre für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit mit
Anhänger auf öffentlichen Straßen nur in Betrieb ge- Zustimmung des Bundesrates entsprechende Vor-
setzt werden dürfen, wenn sie durch Erteilung einer schriften auf dem Gebiet des Umweltschutzes zu
Einzelgenehmigung oder einer EU-Typgenehmigung erlassen. Die von beiden Ministerien gemeinsam
und durch Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens für erlassenen Vorschriften sind Bestandteile der Stra-
Kfz oder Anhänger zum Verkehr zugelassen sind. ßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO). Die Bau-
Für reihenweise zu fertigende oder gefertigte Fahr- und Betriebsvorschriften für Fz beginnen mit § 30,
zeuge (Fz) der Klasse M1 kann dem Hersteller eine den Allgemeinen Vorschriften über die Beschaffen-
EU-Typgenehmigung erteilt werden. Vor Erteilung heit der Fz. Nach § 30 Abs. 1 StVZO müssen Fz so
der EU-Typgenehmigung muss der Antragsteller das gebaut und ausgerüstet sein, dass
Vorhandensein eines Qualitätssicherungssystems 1. ihr verkehrsüblicher Betrieb niemanden schädigt
gegenüber der Genehmigungsbehörde nach deren oder mehr als unvermeidbar gefährdet, behindert
Bestimmungen nachweisen. oder belästigt,
Betriebserlaubnis für
EU-Typgenehmigung
Einzelfahrzeuge
Straßenverkehrs- EU-/EG-/EWG-
Rechtsquellen Zulassungs- Richtlinie oder ECE- Regelungen
Ordnung (StVZO) Verordnung
Qualitätssichernde
Hersteller oder Maßnahmene
Antragsteller anderer gemäß Richtl.
Verfügungs- Hersteller
2007/46/EG,
berechtigter ECE-Überein-
kommen, ...
Zulassungs- Kraftfahrt-
Genehmigung
behörde Bundesamt
Tabelle 2.2-1
Lenkanlagen 70/311/EWG R 79 § 38
Bremsanlagen 71/320/EWG R13-H § 41
Austauschbremsbeläge 71/320/EWG R 90 § 22
Einrichtungen für Schallzeichen 70/388/EWG R 28 § 55
Sichtfeld 77/649/EWG R 125 § 35b
Entfrostungs- und Trocknungsanlagen für VO (EG) 672/2010 – § 35b
verglaste Flächen
Scheibenwischer und Scheibenwascher VO (EG) 1008/2010 – § 40
Einrichtungen für indirekte Sicht 2003/97/EG R 46 § 56
Heizungen 2001/56/EG R 122 § 35c
(Motorabwärme und Zusatzanlagen)
Beleuchtungsanbau, Warnblinklicht 76/756/EWG R 48 § 49a, 53a
Rückstrahler 76/757/EWG R3 § 53
Umrissleuchten, Begrenzungsleuchten, 76/758/EWG R7 § 51, 51b,
Schlussleuchten, Bremsleuchten 53
Seitenmarkierungsleuchten 76/758/EWG R 91 § 51a
Fahrtrichtungsanzeiger 76/759/EWG R6 § 54
Scheinwerfer für Fern- und/oder 76/761/EWG R 1, 8, 20, 112, 113 § 50
Abblendlicht
sowie ihre Lichtquellen 76/761/EWG R 37 § 22a
Gasentladungsscheinwerfer – R 98 –
sowie ihre Lichtquellen – R 99 –
adaptive Frontscheinwerfer – R 123 –
Nebelscheinwerfer 76/762/EWG R 19 § 52
Abbiegeleuchten – R 119 –
Nebelschlussleuchten 77/538/EWG R 38 § 53d
Rückfahrscheinwerfer 77/539/EWG R 23 § 52a
Parkleuchten 77/540/EWG R 77 § 51c
Beleuchtungseinrichtungen für das hintere 76/760/EWG R4 § 60
Kennzeichen
Rückwärtsgang und Geschwindigkeits- 75/443/EWG R 39 § 39, 57
messgerät
Innenausstattung (Symbole, Kontroll- 78/316/EWG R 121 § 30
leuchten)
Radabdeckungen VO (EG) 1009/2010 – § 36a
Profiltiefe der Reifen 89/459/EWG – § 36
Reifen und ihre Montage 92/23/EWG R 30 § 36
Reifen Nasshaftvermögen – R 117 –
Austauschräder – R 124 –
Anhängelast, Stützlast 92/21/EWG – § 42, 44
Verbindungseinrichtungen (Anhängekuppl.) 94/20/EG R 55 § 43
Pedalanordnung – R 35 § 30
Der EWG-Vertrag definiert als Hauptaufgabe die wurden.“ Die dem Übereinkommen angefügten Rege-
Errichtung eines Gemeinsamen Binnenmarktes durch lungen betreffen die Sicherheit, den Umweltschutz und
Abbau von Handelshemmnissen. Sichergestellt wird den Energieverbrauch.
dies u.a. dadurch, dass Fz, die die harmonisierten Am 24. März 1998 ist die Europäische Gemeinschaft
technischen Vorschriften erfüllen, an einem ungehin- dem geänderten Übereinkommen beigetreten. Japan,
derten Warenverkehr teilnehmen können. Bei der Australien, Neuseeland, Südafrika und Korea gehören
Erarbeitung der Vorschriften, den sog. Richtlinien, inzwischen ebenfalls dazu.
wird von einem hohen Niveau für Sicherheit und Die meisten der seit 1958 ca. 125 in Kraft getretenen
Umweltschutz ausgegangen. Regelungen wendet Deutschland an. Das Überein-
Der Rat der Europäischen Union hat insbesondere kommen und die Revisionen sind in Deutschland
gestützt auf Artikel 94 und auf Vorschlag der Kom- mittels Gesetz in Kraft gesetzt worden. Dieses Gesetz
mission zahlreiche Richtlinien für Straßenfahrzeuge ermächtigt das BMVBS nach Anhörung der Bun-
erlassen. Heute ist Artikel 95 a i.V.m. Artikel 14 des desländer die Regelungen durch Verordnungen in
Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemein- Deutschland in Kraft zu setzen. Neuere ECE-Rege-
schaft (EG) in der Fassung vom 02. Oktober 1997 lungen sowie Änderungen zu bestehenden ECE-Re-
Rechtsgrundlage für die Rechtsakte. Von der Sys- gelungen müssen nicht mehr per Verordnung in
tematik her werden die Rechtsakte in Rahmenricht- nationales Recht übernommen werden, da sie per
linien/-verordnungen und Einzelrichtlinien/-verord- EU-Annahmebeschluss in allen EU-Mitgliedstaaten
nungen eingeteilt. Drei Rahmenrichtlinien befassen angewendet werden können.
sich mit der Erteilung von Typgenehmigungen für Die technischen Vorschriften mehrerer ECE-Rege-
Kfz und Kfz-Anhänger (2007/46/EG), für land- lungen, insbesondere für lichttechnische Einrichtun-
oder forstwirtschaftliche Zugmaschinen auf Rädern gen, wurden durch Verweisungen in die entsprechen-
(2003/37/EG) und für zwei- und dreirädrige Kfz den EG-Richtlinien übernommen. Darüber hinaus
(2002/24/EG). Neben Fz können auch Systeme, sind zahlreiche ECE-Regelungen von der Europä-
Bauteile und selbstständige technische Einheiten eine ischen Gemeinschaft als bestimmten Richtlinien und
Typgenehmigung erhalten. Verordnungen gleichwertig anerkannt worden; Fahr-
Gemäß der Richtlinie 2007/46/EG werden die Kfz und zeughersteller können diese im Rahmen der EG-
ihre Anhänger, die vorgenannter Richtlinie unterliegen, Typgenehmigung für Fz alternativ anwenden. Mit der
in Klassen eingeteilt. Dabei steht M1 für Pkw, M2 und Verordnung (EG) Nr. 661/2009 über die allgemeine
M3 für Busse, N1 bis N3 für Lkw und O1 bis O4 für Sicherheit werden etwa 50 EG-Richtlinien zum
Anhänger. Mit Ausnahme der Pkw werden alle Klas- 01.11.2014 aufgehoben. Ersetzt werden diese Richt-
sen durch ihre zulässige Gesamtmasse (in einigen linien durch neue Verordnungen oder die verbind-
Richtlinien auch „Höchstmasse“ genannt) definiert. Bei liche Anwendung der entsprechenden ECE-Regelun-
geländegängigen Kfz wird dem Fz-Klassen-Symbol M1 gen.
bis N3 jeweils der Buchstabe G angefügt. Wohnmobile
sind M1-Fz mit besonderer Zweckbestimmung. 2.2.2.4 Weitere Maßnahmen zum Abbau
Je nach Aufbautyp – von Limousine über Kombi- von Handelshemmnissen
Limousine bis Mehrzweckfahrzeug – werden M1-Fz Ausgehend vom Transatlantischen Wirtschaftsdialog
zusätzlich differenziert. Mehrzweckfahrzeuge sind zwischen Europa und USA zur Stärkung der Wirt-
Kfz zur Beförderung von Fahrgästen und deren schaftsbeziehungen und zum Abbau von Handels-
Gepäck oder von Gütern in einem einzigen Innen- hemmnissen wurde im Rahmen der ECE ein Über-
raum. Damit diese Fz unter die Klasse M1 fallen, einkommen über die Festlegung globaler fahrzeug-
müssen zusätzliche Kriterien erfüllt sein. technischer Regelungen ausgearbeitet. Dieses Über-
einkommen soll das ECE-Übereinkommen von 1958
2.2.2.3 Regelungen der UN-Wirtschafts- nicht ersetzen, sondern neben diesem bestehen und
kommission für Europa wird auch als Parallelübereinkommen bezeichnet.
Auf der Grundlage des Übereinkommens vom Grundlage des Übereinkommens von 1958 ist die
20. 03. 1958 in der Fassung der Revision 2 vom 16. 10. gegenseitige Anerkennung von Genehmigungen auf
1995 befasst sich auch die UN-Wirtschaftskommission der Basis von ECE-Regelungen. Ziel des Parallel-
für Europa (Economic Commission for Europe, ECE) übereinkommens ist lediglich die Erarbeitung und
mit der Harmonisierung kraftfahrzeugtechnischer Festlegung von globalen technischen Regelungen
Vorschriften. Der Titel des Übereinkommens lautet: über die Sicherheit, den Umweltschutz, die Energie-
„Übereinkommen über die Annahme einheitlicher effizienz und die Diebstahlsicherung. Das Verfahren
technischer Bedingungen für Radfahrzeuge, Ausrüs- zur Anwendung der so harmonisierten Vorschriften
tungsgegenstände und Teile, die in Radfahrzeuge(n) bleibt den Vertragsparteien überlassen. Somit sind
eingebaut und/oder verwendet werden können, und die sowohl Typgenehmigungsverfahren als auch Verfah-
Bedingungen für die gegenseitige Anerkennung von ren der Selbstzertifizierung möglich. Die globalen
Genehmigungen, die nach diesen Vorschriften erteilt technischen Regelungen werden in den gleichen
2.2 Anforderungen durch den Gesetzgeber 19
Innenausstattung
(Symbole, Kontroll-Leuchten)
Geschwindigkeitsmessgerät
Lenkanlage
Scheiben Sichtfeld
Entfrostungs- und Einrichtungen für
Trocknungsanlage indirekte Sicht
Heizung Verbindungseinrichtung
Scheibenwischer
Anhängelast,
Scheibenwascher
Stützlast
Schallzeichen
Pedalanordnung
(nur ECE)
Bremsanlage, Reifen, Räder, Radabdeckungen
Bild 2.2-2 Vorschriften zur
aktiven Sicherheit
Scheinwerfer
für Fernlicht u. Bremsleuchten
Abblendlicht Begrenzungs- Schlussleuchten
Parkleuchten leuchten roteRückstrahler
(zulässig) Nebelschlussleuchte
Rückfahr-
adaptive scheinwerfer
Front-
schein- Kennzeichen-
werfer beleuchtung
Nebelscheinwerfer Parkleuchten
(zulässig)
Fahrtrichtungsanzeiger
(zulässig) Bild 2.2-5 Lichttechnische
Warnblinkanlage
Einrichtungen
aus einem verformbaren Bauteil. Die Fahrzeugbreite – Beinprüfkörper gegen den Stoßfänger
muss die Front der Barriere zu 40 % ± 20 mm überde- – Hüftprüfkörper gegen den Stoßfänger
cken. Anhand mehrerer Messwertaufnehmer in den – Hüftprüfkörper gegen die Fronthaubenvorderkante
Prüfpuppen werden die Belastungskriterien ermittelt, – Prüfkörper Kinderkopfform/kleine Erwachsenen-
die bestimmte Höchstwerte nicht überschreiten dürfen. kopfform auf die Fronthaubenoberseite
Neben Kopfbelastung werden Nacken-, Brust- sowie – Erwachsenenkopfform-Prüfkörper gegen die Wind-
Ober- und Unterschenkelbelastung beurteilt. schutzscheibe
– Kinder- und Erwachsenenkopfform-Prüfkörper auf
2.2.4.3 Insassenschutz bei Seitenaufprall
die Fronthaubenoberseite
Die Richtlinie 96/27/EG gilt für M1- und N1-Fz, bei
denen der R-Punkt des niedrigsten Sitzes nicht mehr Zusätzlich enthalten die Verordnungen (EG) 78/2009
als 700 mm über dem Boden liegt. Eine fahrbare, und (EG) 631/2009 Spezifikationen für Bremsassis-
verformbare Barriere prallt mit 50 km/h seitlich auf tenzsysteme (BAS) und für die Prüfung von Front-
die Fahrerseite des Fz auf. Auf dem Vordersitz dieser schutzsystemen. Massen und Aufprallgeschwindigkei-
Fahrzeugseite ist eine Prüfpuppe platziert. Während ten der Prüfkörper sind jeweils gesondert festgelegt.
der Prüfung darf sich keine Tür öffnen. Nach dem Die bei der Prüfung je nach Prüfkörper entstehenden
Aufprall muss es möglich sein, ohne Werkzeuge Verschiebungen, Beschleunigungen, Kräfte, Momente
ausreichend viele Türen zu öffnen, die für den norma- oder HPC-Werte dürfen die in der Verordnung (EG)
len Ein- und Ausstieg der Insassen bestimmt sind, 78/2009 genannten Grenzwerte nicht überschreiten.
erforderlichenfalls die Sitzrücklehnen oder Sitze so zu
verschieben, dass alle Insassen das Fz verlassen kön- 2.2.5 Anforderungen
nen, und die Prüfpuppe aus dem Fz herauszunehmen. an das Emissionsverhalten
Die Kopf-, Brustkorb-, Becken- und Bauchbelastung 2.2.5.1 Allgemeines
darf bestimmte Maximalwerte nicht übersteigen.
Die gesetzlichen Anforderungen an das Emissions-
2.2.4.4 Fußgängerschutz verhalten, insbesondere an das Abgasverhalten, stel-
Die Verordnungen (EG) 78/2009 und (EG) 631/2009 len für die Fz-Hersteller anspruchsvolle Herausforde-
gelten für die Frontpartie von M1-Fz bis zu 2,5 t rungen dar. Es ist deshalb von zentraler Bedeutung,
Gesamtmasse. Es werden folgende Aufprallprüfun- dass die in der näheren Zukunft geltenden Schad-
gen durchgeführt: stoffgrenzwerte mit den geänderten bzw. zusätzlichen
Fußgänger-
schutz
Front-
schutz-
systeme Seitenaufprall Behälter für
Frontal- Sicherheitsgurte flüssigen Kraftstoff
Türverriegelungen Rückhaltesysteme
aufprall Bild 2.2-6 Sicherheit, Un-
und Scharniere
fallfolgenmilderung
22 2 Anforderungen, Zielkonflikte
120
110
100
90
80 Grundstadt-
70 fahrzyklus
60
50
40
30
20
EP
10
0
195 195 195 195 400 Zeit (s)
BP 1180
Bild 2.2-7 Gesamtfahr-
BP: Beginn der Probenahme EP: Ende der Probenahme
zyklus für die Prüfung Typ I
Bei der Prüfung Typ 1 ist auf dem Fahrleistungsprüf- Die Verdunstungsverluste aus jeder dieser Phasen
stand ein Fahrzyklus zu durchfahren, der aus einem werden unter Verwendung der Ausgangs- und End-
Teil 1 (Stadtzyklus) und einem Teil 2 (außerstädti- werte der Kohlen-Wasserstoff-Konzentration, der
scher Fahrzyklus) besteht und in Bild 2.2-7 darge- Temperatur und des Luftdrucks sowie des Netto-
stellt ist. volumens der Kabine errechnet. Die Gesamtmenge
Die ermittelten Massen der gasförmigen Emissio- der emittierten Kohlenwasserstoffe ergibt sich aus der
nen und der Partikel müssen innerhalb der in Tabelle Summe der Menge der Kohlenwasserstoffemissionen
2.2-3 angegebenen Grenzwerte liegen. bei der Tankaufheizung und beim Heißabstellen.
Bei der Prüfung Typ 3 gilt das Fz als vorschrifts- Die Prüfung Typ 5 entspricht einer Alterungsprüfung
mäßig, wenn bei der Messung keine Gasemissionen über 160 000 km, die nach einer vorgegebenen Test-
aus dem Entlüftungssystem des Kurbelgehäuses in sequenz auf einer Prüfstrecke, auf der Straße oder auf
die Atmosphäre entweichen. Die Messungen werden einem Rollenprüfstand durchgeführt wird. Der Her-
bei drei unterschiedlichen Betriebsbedingungen auf steller kann die Alterungsprüfung und die durch diese
dem Prüfstand durchgeführt. Alterungsprüfung ermittelten individuellen Ver-
Die Prüfungen zur Messung des Schadstoffausstoßes schlechterungsfaktoren durch vorgegebene pauschale
sind umfangreich und verlangen ein außerordentlich Verschlechterungsfaktoren ersetzen und diese bei der
präzises Arbeiten. Kleinste Unaufmerksamkeiten Prüfung Typ 1 anwenden.
beim Prüfen können zum Abbruch und zur Wieder- Bei Fz mit Ottomotor werden mit der Prüfung
holung der Prüfung führen. (Typ 6) zusätzlich die Auspuffemissionen von CO
Am Beispiel der Prüfung Typ 4 soll der Aufwand und HC bei niedrigen Umgebungstemperaturen nach
dargestellt werden. Bestimmt wird der Verlust an einem Kaltstart ermittelt. Hierzu wird Teil 1 des
Kohlenwasserstoffen durch Verdunstung aus Kraft- Fahrzyklus Typ 1 (Bild 2.2-7) durchfahren. Bei einer
stoffsystemen bei Fz mit Ottomotor. Die Masse der Prüftemperatur von –7 °C müssen CO unter 15 g/km
Verdunstungsemissionen darf 2 g nicht übersteigen. und HC unter 1,8 g/km liegen.
Zur Messung der Verdunstungsemission ist u.a. eine Fz mit Dieselmotor werden einer Prüfung zur Be-
gasdichte, viereckige Messkammer mit ausreichen- stimmung der Trübung der Abgase unterzogen. Dazu
den Abmessungen erforderlich, um das Prüf-Fz zu wird mit einem Trübungsmessgerät der Absorptions-
umschließen. Das Fz muss von allen Seiten zugäng- koeffizient der Auspuffgase stetig gemessen. Die
lich sein. Die Kammer muss nach Verschluss gasdicht Messungen werden bei gleich bleibenden Drehzahlen
und die Innenflächen undurchlässig gegenüber Koh- und bei freier Beschleunigung durchgeführt. Letztere
lenwasserstoffen sein und dürfen nicht mit diesen Prüfung dient insbesondere dazu, einen Bezugswert
reagieren. Um die Volumenänderungen aufgrund von für die Nachprüfung im Betrieb befindlicher Fz zu
Kabinentemperaturschwankungen aufzufangen, kann erhalten. Bei Leerlauf des Motors ist das Fahrpedal
eine Kabine mit veränderlichem oder mit festem schnell und stoßfrei so durchzutreten, dass die größte
Volumen verwendet werden. Die Innenwandtempera- Fördermenge der Einspritzpumpe erzielt wird. Die
turen müssen während der gesamten Tankatmungsprü- Messung der Trübung der Abgase ist bei sechs ver-
fung zwischen 278 K (5 °C) und 328 K (66 °C) und schiedenen Drehzahlen mit Volllast durchzuführen.
während der gesamten Heißabstellprüfung zwischen Der dabei ermittelte Absorptionskoeffizient darf in
293 K (20 °C) und 325 K (52 °C) liegen. Abhängigkeit des Luftdurchsatzes bestimmte Grenz-
Die Luft innerhalb der Kammer wird mit einem werte nicht übersteigen.
Kohlenwasserstoff-Analysator vom Typ eines Flam- Die nach dem Prüfzyklus Typ 1 ermittelten Werte für
menionisations-Detektors (FID) überwacht. Ventila- CO2- und kohlenstoffbezogene Emissionen dienen
toren oder Gebläse müssen zum einen eine gründliche der rechnerischen Bestimmung des Kraftstoffver-
Durchmischung der Luft in der geschlossenen Kam- brauchs (innerorts, außerorts, kombiniert). Grenzwer-
mer sicherstellen, zum anderen für eine ausreichende te sind nicht vorgeschrieben.
Lüftung der geöffneten Kammer sorgen. Alle Fz müssen mit einem On-Board-Diagnosesystem
Der Ablauf der Prüfung ist in Bild 2.2-8 dargestellt. (OBD-System) ausgerüstet sein. OBD-Systeme haben
24 2 Anforderungen, Zielkonflikte
Beginn
Wiederholte Tagestemperatur-
Kraftstofftemperatur: 291 ± 8 K
gänge bis zum Durchbruch von Ablassen des Kraftstoffs
(18 ± 8 °C). 40 % ± 2 % der Nennka-
2 Gramm max 1 h und Wiederbefüllung des
pazität des Tanks. Umgebungsluft-
TAnf. = 293 K (20 °C) Kraftstoffbehälters
temperatur: 293 bis 303 K (20–30 °C)
ΔT = 15 K
Ende
Betrieb von Funk- und Telekommunikationsgerä- sein. U.a. muss auf dem Fabrikschild der Name des
ten sowie sonstiger Geräte möglich ist, Herstellers, die Nummer der EG-Typgenehmigung,
b) die Geräte eine angemessene Festigkeit gegen die Fahrzeug-Identifizierungs-Nr. und die amtlich
elektromagnetische Störungen aufweisen, sodass zulässige Gesamtmasse des Fz angegeben sein. Die
ein bestimmungsgemäßer Betrieb möglich ist. Fahrzeug-Identifizierungs-Nr. hat 17 Stellen und ist
Bei dieser Richtlinie handelt es sich um eine so außerdem auf dem Fahrgestell oder dem Rahmen
genannte „horizontale“ Richtlinie. Sie gilt mit weni- auf der rechten Hälfte des Fz unveränderbar anzu-
gen Ausnahmen für alle Geräte unabhängig vom bringen.
Einbauort. 2.2.6.4 Messung der Motorleistung
Werden in der Richtlinie 89/336/EWG festgelegte
Schutzanforderungen für bestimmte Geräte durch Die Messungen sind unter vorgegebenen Bedingun-
Einzelrichtlinien, sog. „vertikale“ Richtlinien harmo- gen mit einer ausreichenden Anzahl von Motor-
nisiert, so gilt diese Richtlinie nicht für diese Geräte drehzahlen durchzuführen, um die Lastkennlinie
und diese Schutzanforderungen. Die Richtlinie zwischen der vom Hersteller angegebenen Mindest-
72/245/EWG ist nun eine solche Einzelrichtlinie, die und Höchstdrehzahl genau und vollständig festlegen
bezogen auf Fz schärfere Anforderungen an die zu können. Dieser Drehzahlbereich muss die Dreh-
elektromagnetische Verträglichkeit und die elektro- zahl einbeziehen, bei der der Motor seine Nennleis-
magnetischen Störungsaussendungen vorschreibt. tung abgibt. Motorrelevante Hilfseinrichtungen wie
Grenzwerte sind für breitbandige und schmalbandige z.B. Wasserpumpe, Generator, Lader bleiben in
elektromagnetische Störaussendungen sowie für die Betrieb, andere Hilfseinrichtungen wie z.B. Klima-
Störfestigkeit von Fz gegenüber elektromagnetischen kompressor, Kompressor für Luftfederung werden
Feldern festgelegt. entfernt. Für die Messung der Motorleistung nach der
Richtlinie 80/1269/EWG wird bei Hybridfahrzeugen
2.2.6 Verschiedenes die Leistung des Elektromotors nicht berücksichtigt.
Zur Genehmigung des gesamten Fahrzeugtyps ist je-
2.2.6.1 Anbringung des hinteren Kennzeichens doch die Leistung des Elektromotors und das dabei
Für die Anbringung des hinteren Kennzeichens ist angewandte Messverfahren anzugeben.
eine ebene oder nahezu ebene rechteckige Fläche mit
folgenden Mindestabmessungen (Länge × Höhe) vor- 2.2.6.5 Massen und Abmessungen
zusehen: von Klasse M1-Fahrzeugen
520 mm und 120 mm oder Die technisch zulässige Höchstmasse des Fz darf
340 mm und 240 mm. nicht größer als die Summe der zulässigen Achslasten
sein und muss mind. der Summe aus der Masse des
Die Unterkante muss mind. 0,30 m über der Fahrbahn Fz in fahrbereitem Zustand (Kraftstoffbehälter zu
liegen. 90 % gefüllt, siehe Fußnote 0 in Anhang I der Richt-
linie 70/156/EWG) und 75 kg je Sitzplatz ent-
2.2.6.2 Sicherungseinrichtungen gegen unbefugte sprechen. Für die zulässige Anhängelast einschl. der
Benutzung, Wegfahrsperre, Diebstahlschutz tatsächlichen Stützlast gelten folgende Grenzwerte:
Die Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benut- Anhänger mit Bremse: zulässige Höchstmasse des
zung muss so beschaffen sein, dass sie zum Anlassen M1-Fz (Gelände-Fz das
des Motors durch die normale Betätigungseinrichtung 1,5fache), in keinem Fall
sowie zum Steuern, Führen oder Vorwärtsfahren des > 3,5 t
Fz mit eigener Kraft außer Betrieb gesetzt werden Anhänger ohne Bremse: Hälfte der Masse des Kfz in
muss. Zusätzlich sind M1-Fz mit einer Wegfahrsperre fahrbereitem Zustand, in kei-
auszurüsten. Diese Einrichtung ist dazu bestimmt, das nem Fall > 0,75 t
Wegfahren des Fz mit eigener Kraft durch Unbefugte
zu verhindern. Erreicht wird dies entweder durch 2.2.6.6 Altfahrzeuge, Recycling
Außerbetriebsetzung von mind. zwei getrennten Mit den Richtlinien 2000/53/EG und 2005/64/EG des
Fahrzeugstromkreisen, die für den Betrieb des Fz mit Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Sep-
eigener Antriebskraft erforderlich sind (z.B. Anlasser, tember 2000 soll u.a. die Umweltbelastung durch Alt-
Zündung, Kraftstoffversorgung) oder durch Eingriff fahrzeuge verringert und dadurch ein Beitrag zum
mittels eines Codes in mind. eine Steuerungseinheit, Schutz, zur Erhaltung und Qualitätsverbesserung der
die für den Betrieb des Fz erforderlich ist. Umwelt sowie zur Rohstoff- und Energieeinsparung
geleistet werden. In der Europäischen Gemeinschaft
2.2.6.3 Fabrikschild, Fahrzeugidentifizierungs- fallen derzeit jährlich zwischen acht und neun Millio-
nummer nen Tonnen Abfälle aus Altfahrzeugen an.
An einer gut sichtbaren und leicht zugänglichen In den Richtlinien sind Maßnahmen festgelegt, die
Stelle muss ein gut lesbares Fabrikschild angebracht vorrangig auf die Vermeidung von Fahrzeugabfällen
26 2 Anforderungen, Zielkonflikte
Elektrotechnik/Elektronik/
Allgemeine Normung Telekommunikation
Überarbeitungen zur Sicherstellung des Standes der tiert und unterliegen entsprechenden regional spezifi-
Technik. schen Normen. Entsprechend komplex ist die Kon-
d) bei der internationalen Harmonisierung: sensfindung für den elektromechanischen Anschluss
und die dazugehörige Kommunikation zur Steuerung
Die angemessene Vertretung der deutschen Interessen
des Ladeprozesses. Dazu kommt der historisch ge-
in den internationalen und europäischen Normungs-
wachsene unterschiedliche Ansatz bei der Normung.
gremien.
Während die elektrotechnische Normung nach dem
2.2.8.8 Normungsfelder „New Approach“ Festlegungen bis hin zu produkt-
Das Automobil ist ein Musterbeispiel für die Kom- spezifischen Details trifft, folgt die Normung in der
plexität der Technik und damit auch der Normungs- Automobilindustrie vielfach direkten technischen
aufgaben. Nicht nur einfache grundlegende normative Regelungen, die durch produktoffene Normen flan-
Festlegungen sind zu treffen, vielmehr gilt es die kiert werden.
zunehmende Komplexität und Vernetzung der Kom- Zusätzlich zu dieser, im Zuge der Nachhaltigkeit
ponenten und Systeme im Automobil durch entspre- nötigen, Normung rund um die alternativen Antriebs-
chende Normen zu flankieren. konzepte läuft die herkömmliche Normungsarbeit
Die zunehmende elektronische Vernetzung der elekt- weiter. Dazu gehören Projekte zur mechanischen und
rischen und elektronischen Systeme (E/E-Systeme) elektronischen Anbindung von Kindersitzen in Per-
im Fahrzeug zur Steuerung der Sicherheits- und sonenkraftwagen, zu ergonomischen Festlegungen,
Komfortfunktionen (z.B. ABS, ESP, Klimatisierung, zur Fahrdynamik und Fahrsituationen oder zur Dum-
Diagnose) erfordert Normen für die fahrzeuginterne mytechnik.
Datenkommunikation und die elektromagnetische Normen für „konventionelle“ Fahrzeugteile und -sys-
Verträglichkeit. Der Ausbau der On-Board-Diagnose teme (wie z.B. für Zündausrüstung, elektrische Lei-
und die Einbeziehung der Verkehrstelematik verlangt tungen und Steckverbinder, Sicherungen, Beleuch-
nach Kommunikationsschnittstellen vom Fahrzeug tungseinrichtungen, hydraulische und pneumatische
zur Außenwelt und der straßenseitigen Kommunika- Leitungssysteme, Kraftstoffleitungen, Filter für Kraft-
tionseinrichtungen. Ohne einen globalen Standard zur stoff, Schmieröl und Luft (Verbrennungsluft und
Funktionalen Sicherheit kann die komplexe Struktur Insassenraum), Verbindungseinrichtungen für An-
der E/E-Systeme sicherheitstechnische und haftungs- hängefahrzeuge, Diesel-Einspritzausrüstungsteile wie
relevant nicht mehr beherrscht werden. Pumpen und Düsen, Motorteile wie Kolbenringe und
Die Automobilindustrie setzt im Zuge der Nachhal- Kolbenbolzen) müssen nicht nur turnusmäßig auf
tigkeit auf alternative Antriebskonzepte. Neben dem Aktualität geprüft werden, sondern vielmehr oft auch
Einsatz von alternativen Kraftstoffen, wie Erdgas und an den aktuellen technischen Stand angepasst werden.
Biokraftstoffe oder dem Einsatz von „AdBlue©“, in
der Abgasnachbehandlung, wird der Antriebsstrang 2.2.8.9 Nutzen der Normung
zunehmend elektrifiziert. Hierfür braucht es neben Die aktive Teilnahme an Normungs- und Standardi-
Schnittstellennormen für Komponenten, Normen zu sierungsvorhaben bietet zahlreiche Vorteile, da
Betankungssystemen oder zur Kontrolle der Qualität ein Wissens- und Zeitvorteil im Forschungs- und
und Zusammensetzung der Kraftstoffe und Kraft-
Entwicklungsprozess geschaffen wird,
stoffzusätze. die Investitionssicherheit erhöht wird,
Nicht nur die Batteriesysteme zum Antrieb von elekt- Vertrauen und damit Marktakzeptanz für innova-
rischen Fahrzeugen erfordern entsprechende Prüf-
tive Produkte und Dienstleistungen erzeugt wird,
normen. Auch für die elektrischen und elektronischen die Sicherheit zum Schutz von Menschen, Tieren
Bestandteile dieser hoch komplexen Batteriesysteme
und Sachen garantiert wird und
bis hin zu modernen Lithium-Ionen Zellen für den das Innovationssystem stimuliert wird, da neue
automobilen Einsatz müssen Normen geschaffen
Lösungen am Markt immer honoriert werden.
werden. Parallel dazu wurden und werden Normen
für zukunftsweisende Systeme, wie für Wasserstoff Schließlich schafft Normung den gemeinschaftlichen
und Brennstoffzellen basierte Antriebe, erarbeitet. Erfolg durch die Stärkung einer schnellen Diffusion
Der Anschluss des Elektrofahrzeuges ans Stromnetz von Innovationen im Markt, die nach Meinung ver-
zum Aufladen der Antriebsbatterien ist ein typisches schiedener Experten wirksamer sein kann, als die
Schnittstellenthema. Die Herausforderung besteht durch Patente und Lizenzen.
hier nicht nur darin, hoch komplexe und mobile Neben Arbeitserleichterung und Kosteneinsparung
Fahrzeugtechnik mit der stationären, in der Umstruk- durch branchenübergreifende und branchenspezifische
turierung hin zum SmartGrid befindlichen, Elektro- Normen schaffen Normen auch Wettbewerb. Durch
technik zu verbinden. Während Fahrzeuge als inter- klare Definition der Anforderungen an Komponenten
nationale Produkte eine lange Tradition und eine und Schnittstellen, haben alle potentiellen Zulieferer
entsprechend international ausgerichtete Normung eine Chance, mitzubieten. Der dadurch erzeugte
haben, sind die Stromnetze noch oft national orien- Wettbewerbsdruck führt zu weiteren Kostensenkun-
30 2 Anforderungen, Zielkonflikte
gen. Der Markt der Wertschöpfungspartner weitet sich Verbesserung vorhandener Eigenschaften
damit aus, mit Chancen für alle Beteiligten. Erzielung bisher nicht möglicher Eigenschaften
Bewältigung von Zielkonflikten
Eine konkrete Bezifferung des gesamtwirtschaftli- Erhöhung der Wirtschaftlichkeit
chen Nutzens der Normung ist jedoch schwierig und Erreichung strategischer Ziele der Hersteller
Verbesserung der Nachhaltigkeit des Automobils und des
kann nur beispielhaft erfolgen. So wurde im Zusam- Straßenverkehrs
menhang mit dem Trend zur „Just-in-time“ Logistik ...
im Jahre 1986 im VDA die Notwendigkeit für eine
Behälterstandardisierung erkannt. Dies führte zu Bild 2.3-1 Gründe für den Einsatz neuer Technologien
entsprechenden Normungsaktivitäten, die mit Veröf-
fentlichung von Europäischen Normen für sogenann- notwendig, wenn bestimmte Gesetze und Vorschrif-
te Kleinladungsträger (DIN EN 13199) im Oktober ten (z.B. des Umweltschutzes) dies erfordern.
2000 ihren Abschluss fanden. Inzwischen sind rund Es gibt also eine Reihe von Gründen zum Einsatz
25 Millionen genormte Kleinladungsträger im Um- neuer Technologien (Bild 2.3-1). Konkrete Lösungen
lauf. Das entspricht einem Investitionsvolumen von können meist mehreren der genannten Kategorien
etwa 125 Mio. EUR. Der wirtschaftliche Nutzen des zugeordnet werden.
Systems liegt primär in der Kostenreduzierung durch Die Technologievielfalt kann in mehrere Bereiche
die Mehrfachverwendung. Die Mehrkosten für die zusammengefasst werden (Bild 2.3-2).
stabil gebauten Transportkästen haben sich bereits Schon heute sind Mikroelektronik und Software an der
nach etwa 6 bis 8 Umläufen amortisiert. Nach Erfah- gesamten Funktionserfüllung des Automobils in hohem
rungswerten können die Systemelemente mindestens Maße beteiligt. Zweck des weiter steigenden Einsatzes
100 Umläufe unbeschadet überstehen. So gilt für die ist es, das Fahrzeug mit all seinen Systemen optimal an
Kosteneinsparung ein Multiplikator von mindestens die jeweiligen Fahr- und Betriebssituationen sowie an
90. Nicht berücksichtigt dabei ist die Einsparung des die Wünsche der Insassen anzupassen. Darüber hinaus
früheren Aufwandes für die Einwegverpackungen, werden Telematiksysteme das Fahrzeug mit anderen
die gesammelt, sortiert und entsorgt hätten werden Fahrzeugen, der Infrastruktur und mit anderen Ver-
müssen. Dieses Beispiel eines einzelnen Normungs- kehrsträgern vernetzen, mit dem Ziel von mehr Sicher-
projektes zeigt, dass Normung ein Schlüssel zur Ra- heit, Umweltschutz, Verkehrseffizienz und Komfort.
tionalisierung ist. Für all diese Aufgaben steht der gesamte Funktionsum-
fang der Elektronik (einschl. vernetzbarer Technolo-
giebereiche) von der Informationsaufnahme bis zur
Literatur
selbstständigen Planung und Ausführung von Aktionen
Jens Kleinemeyer; Standardisierung zwischen Kooperation und Wett- zur Verfügung, was als „technische Intelligenz“ be-
bewerb – Eine spieltheoretische Betrachtung – Peter Lang/
Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main
zeichnet werden kann (Bild 2.3-3). Ein wichtiger Inno-
1998 vationstreiber ist hierbei das weite Gebiet der Sen-
Veit Ghiladi; Strategische Bedeutung der Normung, Daimler AG, sorik.
Intellectual Property Management/Standardisierung, FTP/N Wesentliche Zielrichtungen der anderen in Bild 2.3-2
70546 Stuttgart
FAKRA-Handbuch – Normen für den Kraftfahrzeugbau
genannten Kategorien sind, neben allen fahrzeug-
– Band 1: Allgemeine Kfz-Technik technischen Aspekten, grundsätzliche Verbesserun-
– Band 2: Motoren- und Triebwerkteile gen hinsichtlich Ressourcenschonung, Umweltschutz,
– Band 3: Räder und Reifen Wirtschaftlichkeit und damit Nachhaltigkeit des
– Band 4: Bremsausrüstung
– Band 5: Elektrische und elektronische Ausrüstung
Automobils.
Beuth Verlag GmbH, 10787 Berlin, Fax 030/2601 1260 Internet: Nur ein Teil der vielfältigen Zielkonflikte des Auto-
www.beuth/de mobils [3] lässt sich mit der geometrischen Ausle-
gung des Gesamtkonzeptes, seinen Werkstoffen und
Relevante Internetseiten: mit den Mitteln der „Mechanik“ lösen oder mildern.
Deutsche Normung: www.din.de
Wie aus Bild 2.3-4 ersichtlich, tragen elektronische
Internationale Normung: www.iso.ch Systeme hier ganz wesentlich zur Lösung bei. Damit
Europäische Normung: www.cenorm.be erhält auch die Software einen immer höheren Stel-
Allgemeine Normenanwendung: www.ifan-online.org
Automobilindustrie: www.vda.de
Produkttechnologien
Mikroelektronik, Software, Mechatronik, Telematik
Neue Werkstoffe, Oberflächen, Bauweisen
2.3 Neue Technologien Additive/alternative Energieträger und Antriebe
...
Muss das Rad immer wieder neu erfunden werden?
Neue Technologien sind nur in Sonderfällen Selbst- Prozesstechnologien
Fertigungs- und Recyclingverfahren
zweck. Manchmal sind sie ingenieurgetrieben („tech- Verfahren des Produktentstehungsprozesses
nology push“). Um letztlich erfolgreich zu sein, Qualitätssicherungsverfahren
...
müssen sie vor allem kundengetrieben sein („market
pull“). In einigen Fällen sind neue Technologien Bild 2.3-2 Bereiche neuer Technologien
2.3 Neue Technologien 31
Technische Machbarkeit
Wirksamkeit
Administrative/infrastruk-
turelle Voraussetzungen
Kosten
Juristische Fragen
Akzeptanz der Fahrer
men getroffen werden können), oder in der anfäng- [3] Eiletz, R.: Zielkonfliktmanagement bei der Entwicklung kom-
plexer Produkte am Beispiel Pkw-Entwicklung Diss. TU Mün-
lichen Beschränkung auf spezielle Kunden oder
chen 1999
Märkte. Hierzu gehören Hybrid- und Elektroautos. [4] Mehrere Autoren: Fahrzeugkonzepte für das 2. Jahrhundert
Bei aller Würdigung der Potentiale neuer Technolo- Automobiltechnik VDI-Ber. 1653, 2001
gien dürfen jedoch deren Grenzen nicht unerwähnt [5] Mehrere Autoren: Elektronik im Kraftfahrzeug VDI-Ber. 1653,
2001 und VDI-Ber. 1789, 2003
bleiben: [6] Indra, F.: Intelligent Simplicity – Follow up Fort.-Ber. VDI
Die physikalischen und chemischen Grundgesetze Reihe 12, Nr. 490, 2002, Bd. 1, S. 1 – 22
können auch durch noch so intelligente Werk- [7] Dais, S.: Hardware oder Software: Wer bestimmt Funktion und
Charakter eines Fahrzeugs? 11. Aachener Kolloquium Fahrzeug-
stoffe und noch so raffinierte Regelsysteme nicht und Motorentechnik 2002, Berichtbd. S. 29 – 33
übersprungen werden [8] VDA Techn. Kongresse 2001 bis 2010
Geometrische Zielkonflikte können nur teilweise [9] Braess, H.-H.: Das intelligente Auto auf der intelligenten Straße
mit anderen Konstruktionsprinzipien gelöst wer- – Was hat PROMETHEUS gebracht? 5. Int. Stuttgarter Sympo-
sium Kraftfahrwesen und Verbrennungsmotoren 2003, Tagungs-
den. Weil die „negative Wandstärke“ wohl auf bericht S. 608 – 627
Dauer Traum bleiben wird, kann es ein Auto „in- [10] Mehrere Autoren: 100 Jahre Fahrzeugtechnik im VDI Sonder-
nen größer als außen“ nicht geben. ausgabe der ATZ 2004
Neue Technologien müssen kompatibel sein. Das [11] Mehrere Autoren: Innovationsmotor Automobilindustrie VDA-
Forschungstag 2004, FAT Schrift 183
gilt sowohl auf der Komponenten- und System- [12] Mehrere Autoren: Fahrzeugelektronik im Fokus VDI-Ber. 1866,
ebene im Fahrzeug als auch bei der Integration des 2004, 1957 (2006), 2000 (2007), 2075 (2009)
Fahrzeugs in das Verkehrssystem. [13] Mehrere Autoren: 50 Jahre mot, Heft 1 + 2/2005
[14] Mehrere Autoren: Innovative Fahrzeugtriebe 2008, VDI-Ber. 2030
Da zudem mit steigender Komplexität der Technik [15] „Werkstoffe im Automobil“ ATZ extra, Januar 2007
grundsätzlich die Entwicklungszeiten, meist auch die [16] Mehrere Autoren: Jahrbücher VDI FVT Innovationen im Fahrzeug
Kosten, ansteigen, ist das „Genial-Einfache“ anzu- und Verkehr, ATZ extra 2008, 2009, 2010
[17] Mehrere Autoren: Kunststoffe im Automobilbau 2002 bis 2010,
streben, das letztlich ein besonders günstiges Nutzen- VDI-Gesellschaft Kunststofftechnik
Aufwand-Verhältnis aufweist, und damit hohe Wahr- [18] H. Winner et al.: Handbuch Fahrerassistenzsysteme, Vieweg
scheinlichkeit der Marktakzeptanz besitzt. Verlag 2009
[19] Mehrere Autoren: Fahrerassistenz und integrierte Sicherheit, VDI-
Ber. 2104, 2010
Literatur [20] Mehrere Autoren: Elektrisches fahren machbar machen, VDI-Ber.
[1] Seiffert, U.: The Automobile in the next Century FISITA-Kon- 2098, 2010
gress Prag, 1996, Paper K 0011
[2] Mehrere Autoren: Geschichte und Zukunft des Automobils
Sonderheft 100 Jahre ATZ, 1998
3 Fahrzeugphysik
Außenabmessungen
Raum-Management Nutzräume, Variabilitäten
Räume für Aggregate/Komponenten
Arbeitsplatz des Fahrers
Ergonomie-Management
Äußere Betätigungseinrichtungen
Außenströmungen (Luft, Wasser, Schmutz)
Strömungs-Management Innenströmungen
Wärmeerzeugung, Wärmeabfuhr,
Wärme-/Klima-Management -übertragung, -speicherung
Wärmeisolation
Diebstahlschutz
Unfallvermeidung
Sicherheits-Management Insassensicherheit
Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer
Verhalten nach dem Unfall
Vibrationen
Schwingungs- und Akustik-
Innenakustik, Radio-Sound
Management
(Außengeräusche)
Leuchten, Anzeigen
Elektrik-Management Bordnetz, Energiemanagement,
Datenbus-Systeme
EMV
Werkstoff-, Bauteil- und Werkstoffauswahl, Bauweisen
Gewichts-Management Korrosionsschutz
Herstellverfahren
Qualitäts- und Lebensdauer- Reparaturverhalten
Management Recycling
Betriebsfestigkeit
Kosten-Management Gebrauchstüchtigkeit
Bild 3.1-1 Physikalisch-technische Aufgaben der Fahrzeugentwicklung am Beispiel der Karosserie [1]
meter
Kühllufteintrittsfläche
Begrenzungsflächen
Bremsenbelüftungs-
Aggregatlagerung
Federungssystem
Kraftstoffsystem*)
Heizung, Lüftung,
Kraftübertragung
Fahrzeugelektrik
Geräuschkapsel
Zentralhydraulik
Schallisolierung
Nebeaggregate
Rohkarosserie-
Räder, Reifen
Bremssystem
eintrittsfläche
Abgasanlage
Vorderachse
Klimaanlage
Lenksystem
Hinterachse
Kühlsystem
Motorraum
Anforde-
Getriebe
rungen; Teil-
Motor
disziplinen der
Fahrzeugphysik
Aerodynamik X XX XX X X X**) XX X X X X X X X X X XX
Wärmetechnik XX XX XX X X XX XX X X X X XX X XX XX XX XX X XX XX X
Kraftstoffabhän- XX X X XX
gige Faktoren
Außengeräusche X XX XX XX XX X XX XX XX X XX X X
Pumpe Pumpe
Innengeräusche XX XX XX X XX XX XX XX XX XX X XX XX XX XX XX XX X XX X X X
Pumpe
Schwingungs- XX XX X X XX X X X XX XX XX XX XX XX XX XX XX
technik
Bild 3.1-2 Fahrzeugphysik als Vernetzung von Funktionen mit Systemen, Aggregaten und Bauteilen [2]
schen Grundgesetze und deren Auswirkungen auf die Anhängerfahrzeuge beinhalten die Starr- und Gelenk-
verschiedenen Teilgebiete sind bei der Auslegung des deichselanhänger. Die Fahrzeugkombinationen sind
Fahrzeuges besonders zu berücksichtigen. Analog gilt alle Zugfahrzeuge, Pkw und Nkw mit Anhänger.
dies auch für Fahrzeuge mit reinem Elektromotor Die Klasseneinteilung selbst unterscheidet in Klasse
(Batterie oder Brennstoffzelle). L, M, N und O.
Ein sehr aktuelles Beispiel ist der Verbrauch an elekt- L sind Kraftfahrzeuge mit weniger als 4 Rädern,
rischer Energie „on board“ des Fahrzeuges. Er kann M sind Kraftfahrzeuge zur Personenbeförderung mit
eine Größenordnung von einem Äquivalent von bis mindestens 3 oder 4 Rädern mit einem Gesamt-
zu 3 l/100 km annehmen. Die Fahrzeugphysik erfor- gewicht > 1 t
dert die vernetzte Betrachtung aller Anforderungen M1 ≤ 9 Personen,
innerhalb des Produktentstehungsprozesses. Dies gilt M2 > 9 Personen, < 5 t Gesamtgewicht,
verstärkt für die elektrisch/elektronischen Komponen- M3 > 9 Personen, > 5 t Gesamtgewicht
ten, wo neue Hard- und Softwarestrukturen nach dem N sind Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung mit
Motto, 1+1+Vernetzung ist leistungsfähiger als 2, im mindestens 3 oder 4 Rädern mit einem Gesamt-
Bordnetz einsetzen müssen. Nicht die Optimierung gewicht > 1 t
einer einzelnen Eigenschaft oder Größe, sondern die N1 ≤ 3,5 t Gesamtgewicht,
Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems entscheidet N2 > 3,5 t ≤ 12 t Gesamtgewicht,
über den Produkterfolg. N3 > 12 t Gesamtgewicht
O bedeutet Anhänger oder Sattelhänger
3.1.1 Definitionen O1 einachsige Anhänger ≤ 0,75 t Gesamtgewicht,
O2 > 0,75 t ≤ 3,5 t Gesamtgewicht,
Obwohl in den einzelnen Kapiteln spezielle Defini- O3 > 3,5 t ≤ 10 t Gesamtgewicht,
tionen erläutert werden, wird im Folgenden eine Ge- O4 > 10 t Gesamtgewicht
samtübersicht gegeben.
Die Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft [3, 4] 3.1.2 Fahrwiderstand und Antrieb
definieren die verschiedenen Fahrzeugklassen. All-
gemein wird unterteilt in Gesamtwiderstand
– Straßenfahrzeuge Der Gesamtfahrwiderstand (Bild 3.1-3) wird wie
– mit Anhängefahrzeugen (nicht selbstfahrend) folgt berechnet:
– als Fahrzeugkombination.
FW = FRo + FL + FSt
Innerhalb der Gruppen gibt es beispielhaft folgende
Die Fahrwiderstandsleistung entspricht PW = FW ⋅ v.
Unterteilung:
Straßenfahrzeuge mit der Untergruppe Kraftfahrzeu- Rollwiderstand
ge – hierzu gehören:
Der Rollwiderstand entsteht aus der Formänderungs-
– Krafträder (einspuriges mit 2 Rädern), z.B. Motor- arbeit zwischen Reifen und Fahrbahn:
rad, Motorroller mit Hilfsmotor
– Kraftwagen (mehrspuriges Kfz). Hier unterscheidet FRo = f ⋅ G = f ⋅ m ⋅ g
man in Personenkraftwagen (Pkw) und Nutzkraft-
wagen (Nkw). Nur im Gelände spielt der Verformungswiderstand
des Untergrunds eine Rolle, er kann bei weichem Bo-
Zu den Personenkraftwagen zählen Fahrzeuge, die den mehr als 15 % des Fahrzeuggewichts betragen.
max. 9 Personen befördern können, Limousine,
Coupé, Kabriolett, Kombi, Nkw-Kombi, spezielle
FL
Pkw’s wie Wohnmobile und Multipurpose-Fahrzeuge
(MPV), SUV Sport Utility Vehicle sowie Gelände-
wagen. Zu den Nutzfahrzeugen gehören Fahrzeuge
für den Transport von Personen und vorrangig Gü- FSt
tern, z.B. der Kraftomnibus (mehr als 9 Personen ≈ 1/2 FRo
inkl. Gepäck), Kleinbus (max. 17 Personen), Linien-
bus, Überlandbus, Reisebus, Gelenkbus und Spezial- G
≈ 1/2 FRo b
busse. Zu den Lastkraftwagen (Lkw), die für den
Transport von Gütern vorgesehen sind, gehören der FW = Fahrwiderstand v = Fahrgeschwindigkeit
Vielzweck-Lkw für alle Transportaufgaben und der FRo = Rollwiderstand f = Rollwiderstandsbeiwert
FL = Luftwiderstand g = Erdbeschleunigung
Spezial-Lkw. FSt = Steigungswiderstand m = Fahrzeugmasse
Zu den Zugmaschinen, die dem Ziehen von Anhän- PW = Fahrwiderstandsleistung
gern oder Geräten dienen, gehören die Anhänger- und
Sattelzugmaschine und der Traktor. Bild 3.1-3 Gesamtfahrwiderstand
3.1 Grundlagen 35
Auf befestigten Straßen ergibt sich der Rollwider- und einer schrägen Anströmgeschwindigkeit vA gibt
stand fast ausschließlich aus der Walkverlustarbeit dann:
des Reifens. Bestimmend sind die Walkamplitude
r 2
(Einfederung, Radlast, Reifeninnendruck) und Walk- FL = cT ⋅ A ⋅ vA
frequenz (Fahrgeschwindigkeit). Reibung im An- 2
triebsstrang erhöht den Rollwiderstand. Neue roll- Die Luftwiderstandsleistung PL beträgt:
widerstandsarme Reifen erreichen im unteren Ge-
PL = FL ⋅ v
schwindigkeitsbereich Werte von 0,008. Bei
150 km/h werden Werte von 0,017 erreicht. Bild 3.1-4 Antriebswiderstand
zeigt die Abhängigkeit des Rollwiderstandes als
Funktion der Fahrgeschwindigkeit. Da der FRo in Der Antriebswiderstand beträgt FA = (1 – h) P/v, er
Radlängsachse definiert ist, ist er vom Fahrwider- beinhaltet die mechanischen Verluste vom Motor
stand aus der Seitenkraft (Vorspurwiderstand) zu un- über Getriebe bis zu den Radnaben (h = h1h2h3 ... hn)
terscheiden. Bei Kurvenfahrt nimmt mit steigenden mit P als Leistung und v ≈ der Fahrgeschwindig-
Schräglaufwinkeln auch der Rollwiderstand zu (Kur- keit.
venwiderstand [5]). Steigungswiderstand
Der Steigungswiderstand Fst = m ⋅ g sin b mit der
0,020
Radial H, V, W, Z
Masse m, die Steigungsleistung beträgt:
Radial S, T
Pst = Fst ⋅ v
Rollwiderstandsbeiwert f
Radial Eco
0,015 Beschleunigungswiderstand
FB = mred dv/dt. Bei Vernachlässigung der rotierenden
Bauteile mit kleineren Trägheitsmomenten an Wellen
0,010 und im Getriebe sowie mit dem Ansatz konstanter
Rotationsenergie (J ⋅ w2 = const) ist:
J R+ i2 Jm
mred = m +
0,005 rstat ⋅ r dyn
0 50 100 km/h
Geschwindigkeit v
mit JR, JM den Massenträgsheitsmomenten der Räder
und des Motors, i der Übersetzung, rstat, rdyn den Rei-
Bild 3.1-4 Rollwiderstand als Funktion der Fahrge-
fenhalbmessern (statisch und dynamisch).
schwindigkeit [3]
Zugkraftausnutzung
Luftwiderstand Bei gegebener Zugkraft Fx an den Rädern ergibt sich
Der Luftwiderstand FL wird nach folgender Formel für die Beschleunigung und Steigung
berechnet: FB + FSt = Fx – (FR + FL)
v2
FL = cW A ⋅ r ⋅ Zugkraftdiagramm
2
r = Luftdichte Aus dem Motorkennfeld M(n) können unter Berück-
v = Anströmgeschwindigkeit sichtigung des inneren Widerstandes FI die Zug-
A = Querschnittsfläche kräfte, die in den verschiedenen Gängen verfügbar
cW = Luftwiderstandsbeiwert sind, als Funktion der Fahrgeschwindigkeit Fx(v) er-
Die Luftwiderstandsbeiwerte betragen beim Pkw cW = mittelt werden. Die Volllastkurven sollten sich mög-
0,25 bis 0,4. Beim Lkw cW = 0,4 bis 0,9, die Quer- lichst ohne große Lücken an die Grenzhyperbel aus
schnittsfläche A beim Pkw 1,5 bis 2,5 m2 und beim der maximalen Motorleistung Fx = Pmax/v anschmie-
Lkw 4 bis 9 m2. Der Luftwiderstand entsteht durch gen. Auf der anderen Seite stehen die Summe der
die Umströmung und Durchströmung des Fahrzeugs. Fahrwiderstände S Fw (v). Bild 3.1-5a ist ein Beispiel,
Durch intensive Forschungs- und Entwicklungsarbeit aus dem das Bild 3.1-5b, ein auf gleichen Daten be-
konnte er in den letzten Jahrzehnten deutlich redu- ruhendes Fahrleistungsdiagramm für ein 6-Gang-Ge-
ziert werden. Bei höheren Geschwindigkeiten be- triebe abgeleitet ist. Die Betriebspunkte, Steigungs-
stimmt der Luftwiderstand den Fahrwiderstand und und Beschleunigungsreserven können den Kurven
ist damit die dominierende Größe für den Kraftstoff- entnommen werden. Man kann auch für einen opti-
verbrauch. Bei Schräganströmung unter einen Winkel malen Kraftstoffverbrauch abstimmen. In der Praxis
e zur Fahrzeuglängsachse ändern sich die Wider- fahren die Kunden doch sehr häufig in den ver-
standswerte cT(e). Mit derselben Querschnittsfläche brauchsungünstigeren Gängen.
36 3 Fahrzeugphysik
(121) 51 40 32 21 16 13 8 4 0%
14000 150
Steigung %
12000 (121) 125
Fahrleistung in kW am Rad
10000 1. Gang
Zugkraft in N am Rad
100
8000
51
75
40
6000
32
21 50
4000
16 13
8 4
6. Gang 0% 25
2000
90 kW
30 kW
0 0
0 25 50 75 100 125 150 175 200 225 250 0 25 50 75 100 125 150 175 200 225 250
a) Geschwindigkeit in km/h b) Geschwindigkeit in km/h
Literatur
FSt = G sinb [1] Braess, H.-H.: Die Karosserie – Typisches Beispiel für Zielkon-
flikte und Zielkonfliktlösungen für Automobile, VDI-Bericht 968
FZV (1992), Entwicklungen im Karosseriebau, Düsseldorf
[2] Braess, H.-H.: nicht veröffentliche Unterlage
FZ = G cosb [3] Robert Bosch GmbH (Hrsg.): Kraftfahrtechnisches Taschenbuch,
G b
27. Auflage. Wiesbaden: Vieweg+Teubner, 1999
FZH
[4] Seiffert, U. in: Dubbel Taschenbuch für den Maschinenbau. Hei-
delberg: Springer-Verlag, 2001
Bild 3.1-6 a) und b) Statische und dynamische [5] Braess, H.-H., R. Stricker: Eigenlenkverhalten, Kurvenwiderstand,
Kraftstoffverbrauch – Ein weiterer Aspekt des Fahrzeugkonzeptes
Achslasten in der Ebene und in der Steigung und der Fahrwerksabstimmung, VDI-Ber. 418, 1981, „50 Jahre
Frontantrieb im Serienautomobilbau“, S. 275 – 280
Fahrdynamik und Fahrverhalten [6] ISO 8855 Road vehicles – Vehicle dynamics and road-holding
ability – Vocabulary, Dezember 1991
Bei der Fahrt in der Ebene, Bild 3.1-6 a), verändern [7] DIN 70000 Straßenfahrzeuge – Fahrzeugdynamik und Fahrverhal-
sich die Vertikalkräfte: ten – Begriffe, Januar 1994
dv h s
|ΔFz | = m ⋅
dt l
ΔFz = Veränderung der Vertikalkräfte
m = Fahrzeugmasse
dv/dt = Fahrzeugbeschleunigung, -bremsung
hS = Schwerpunkthöhe
l = Radstand 3.2 Aerodynamik
Die beschleunigte Fahrt bewirkt eine Veränderung
von ΔFz, die beim Antreiben zu einer Erhöhung der
3.2.1 Grundlagen
Achslast an der Hinterachse und beim Bremsen an Der Strömungswiderstand eines Körpers hängt von
der Vorderachse führt; diese Nickbewegungen müs- seiner Form, dem Medium, durch das er sich bewegt
sen bei der Fahrwerksauslegung berücksichtigt wer- und seiner Größe ab. Im Falle eines Pkw ist das Me-
den. Besonders störend werden im Fahrbetrieb die dium Luft, die in dem üblichen Geschwindigkeitsbe-
Längsschwingungen, die meistens mit Nickbewe- reich als inkompressibel angesehen werden kann. Ihre
gungen einhergehen, empfunden, so dass die Radauf- Stoffeigenschaften lassen sich durch die Dichte und
hängungen in Längsrichtung möglichst weich ange- die kinematische Zähigkeit beschreiben, die ihrerseits
bunden werden, ohne dass die anderen Steifigkeiten Funktionen des Luftdruckes und der Temperatur sind.
zu gering werden. Unter Normalbedingungen, p = 1013 mbar; t = 10 °C
Bei der stationären Fahrt greift der Fahrwiderstand Fw sind
in der Höhe hw am Fahrzeug an, damit ergibt sich
r = 1,225 kg/m3 n = 1,492 · 10–5 m2/s .
h
Δ Fz = Fw ⋅ w = Angriffspunkt der Widerstands- Die Dichte r ist die auf das Volumen bezogene Mas-
l kraft se der Luft und die Zähigkeit n (Viskosität) die Ei-
38 3 Fahrzeugphysik
+z +z
A A
T, W
W Widerstand
+x M L +y T Tangentialkraft
S A Auftrieb
S Seitenkraft
a s L Rollmoment
M Nickmoment
l N Giermoment
b Anströmwinkel
vS Seitenwindkomponente
vF Fahrgeschwindigkeit
T, W
+x N v∞
+b vS
–vF
S
+y
genschaft, zwischen verschiedenen Luftschichten stand als Folge der Durchströmung von Kühlern, Fu-
Spannungen übertragen zu können, d.h. die physikali- gen und Lüftungssystemen.
sche Ursache für das Auftreten eines Reibungswi- Die aerodynamische Güte eines Fahrzeugs äußert sich
derstandes. im Widerstandsbeiwert cW, der als dimensionsloser
Bei der Wärmeabfuhr im Kühler und an Bremsen ist Widerstand nach der Formel
die Wärmeleitfähigkeit der Luft von Bedeutung: cW = W/A · q
l = 0,0242 J/m s K . bestimmt wird. Es gelten:
Der Luftwiderstand des Fahrzeugs entsteht durch die W [N] = Widerstand
Relativbewegung zwischen Fahrzeugoberfläche und A [m2] = Bezugsfläche (beim Auto die Projek-
Luft, und es ist demnach physikalisch zunächst (bei tionsfläche quer zur Fahrtrichtung)
Vernachlässigung drehender Räder, Grenzschicht auf q [N/m2] = Staudruck = r · v2/2
der Fahrbahn usw.) ohne Belang, ob sich der Körper v [m/s] = Fahr-/Windgeschwindigkeit
durch die ruhende Luft bewegt, oder ob ein ruhender In analoger Weise werden Auftriebs- und Seiten-
Körper mit gleicher Geschwindigkeit angeblasen kraftbeiwerte gebildet. Für Windkanalmessungen und
wird, wie z.B. ein Fahrzeugmodell im Windkanal. Strömungsberechnung wurde ein Koordinatensystem
Das Fahrzeug muss auf der Vorderseite Luft beiseite- gemäß Bild 3.2-1 definiert. Die Momente um diese
schieben, wodurch diese aufgestaut wird. Auf der Achsen können im Windkanal in der Regel direkt
Rückseite können die Luftteilchen nicht störungsfrei gemessen werden. Als Bezugslänge für die Momen-
zusammenströmen, was Unterdruck hervorruft. Die tenbeiwerte wurde der Radstand gewählt.
Summe dieser Drücke bildet den Druckwiderstand ei- Die Windkräfte werden üblicherweise in Windkanä-
nes Fahrzeugs. Durch Reibung zwischen der Oberflä- len gemessen, wobei für die Beiwertbestimmung
che und der zähen Luft entsteht der Reibungswider- der Serienfahrzeuge Messungen an Originalfahrzeu-
stand und durch Erzeugung von Wirbeln der induzierte gen in entsprechend großen Windkanälen herangezo-
Widerstand. Bei einem Pkw beträgt der Reibungswi- gen werden. In der Entwicklungsphase kommen auch
derstand ca. 10 %. Die beiden anderen Anteile sind von maßstäbliche Modelle zum Einsatz. Dabei ist die
der Form abhängig. So erzeugt ein Vollheckfahrzeug Feststellung wichtig, ob die sinngemäße Übertragung
mit steiler Rückfront ein großes Gebiet mit abgelöster der Versuchsergebnisse kleiner geometrisch ähnlicher
Strömung und damit großem Druckwiderstand, wäh- Modelle auf die Großausführung möglich ist. Dies ist
rend ein Fließheckfahrzeug zwar einen kleinen Druck- dann zulässig, wenn die Strömungen mechanisch
widerstand, dafür aber intensive Wirbel und damit ei- ähnlich sind, und die dimensionslose Kennzahl (Rey-
nen hohen induzierten Widerstand aufweist. Ein weite- noldszahl) Re = v∞l/n eingehalten wird. Bei Messun-
rer Widerstandsanteil entsteht als innerer Luftwider- gen im Windkanal bedeutet dies, dass die Geschwin-
3.2 Aerodynamik 39
digkeit um den Maßstabsfaktor vergrößert werden widerstands auf den Verbrauch hängt neben anderen
muss. Da andererseits die Machzahl Ma = v∞/a∞ nicht Parametern besonders vom Einsatzprofil eines Fahr-
zu groß werden darf, um Kompressibilitätseffekte zeugs ab. Je höher der Schnellfahranteil (Autobahn),
auszuschließen, werden Modellversuche bei Windge- desto größer der Einfluss. Setzt man einen Autobahn-
schwindigkeiten zwischen 60 und 80 m/s mit Mo- anteil von 1/3 voraus, und nimmt jeweils angepasste
dellmaßstäben nicht unter 1/5 durchgeführt. Dieser Getriebe an, dann zeigen Verbrauchsrechnungen für
Maßstab reicht zur genauen Festlegung von Radien einen Mittelklassewagen eine Reduktion des Ver-
u.U. nicht mehr aus. brauchs um ca. 3 % bis 4 % bei einem um 10 % ab-
Seit Mitte der dreißiger Jahre ist bekannt, dass Wind- gesenkten Luftwiderstand. Gleichzeitig nimmt die
kanäle für Kraftfahrzeugmessungen zweckmäßiger- Höchstgeschwindigkeit um ca. 3 % zu. Die Trendaus-
weise einen annähernd rechteckigen Düsenquer- sage lässt sich auch auf andere Fahrzeuge übertragen.
schnitt aufweisen, und sich der Messstreckenboden Aus diesem Sachverhalt leitet sich das Bestreben her,
unmittelbar an Düse und Auffangtrichter anschließt. Fahrzeuge mit niedrigem Luftwiderstand und niedri-
Etwa genauso lang gilt die Simulation mit bewegtem gem cW zu entwickeln. Bild 3.2-2 veranschaulicht,
Messstreckenboden (Laufband) als die physikalisch wie sich die durchschnittlichen cW-Werte im Laufe
richtigere, aber auch als relativ aufwändig. Darüber der Zeit veränderten. Dieses Diagramm ist weniger
hinaus wird auch aus dem gleichen Grunde die vom Stand der Erkenntnisse geprägt, als von der Ak-
Grenzschichtbeeinflussung (Absaugen und Ausbla- zeptanz der Fahrzeugformen bei den Kunden. Der
sen) bzw. eine Kombination aus beidem zur Verbes- Unterschied der technisch möglichen Forschungs-
serung der Simulation angewandt. Bisher haben sich fahrzeuge zu den tatsächlich gebauten verdeutlicht
diese Techniken im Renn- und Sportfahrzeugbereich diesen Zusammenhang. Die Abhängigkeit vom Kun-
durchgesetzt; dies als Folge der geringen Bodenfrei- dengeschmack erschwert den Versuch, dieses Dia-
heiten. Für normale Pkw ist die Notwendigkeit bei gramm anhand von Forschungsergebnissen in die Zu-
den Entwicklern umstritten, und die Anwendung fir- kunft zu extrapolieren.
menspezifisch. Aus Bild 3.2-3 geht hervor, in welchem Bereich heu-
Die numerische Simulation (CFD) ist zu einem fest tige Fahrzeuge angesiedelt sind. Das Diagramm ent-
etablierten Bestandteil des Entwicklungsprozesses in hält im Wesentlichen Pkw, die in Deutschland ver-
der Automobilindustrie geworden. Sie wird insbeson- kauft werden. Alle Fahrzeuge wurden unter gleichen
dere in frühen Projektphasen eingesetzt, wenn noch Bedingungen im gleichen Windkanal gemessen. Im
keine qualitativ hochwertigen Versuchsträger zur Bereich der niedrigen cW-Werte finden sich nahezu
Verfügung stehen. CFD erlaubt aufgrund der Fort- ausschließlich Stufenheckfahrzeuge. Die hohen Wer-
schritte bei Hard- und Software mittlerweile ein brei- te gehören zu älteren Fahrzeugen und solchen, bei
tes Anwendungsspektrum, das neben dynamischen denen wegen einer festgeschriebenen Designaussage
Versuchsanordnungen (bewegter Boden, drehende keine Kompromisse hinsichtlich der Aerodynamik
Räder) auch die Betrachtung thermischer Aspekte gemacht wurden.
(Wärmeübergangsphänomene) beinhaltet. In der Vergangenheit wurden in der Literatur [1] zwei
Aufgrund der Komplexität der Strömungsfelder um Verfahren vorgestellt, anhand derer man Fahrzeuge
Automobile sind jedoch nur solche Rechenverfahren mit niedrigen cW-Werten entwickeln kann:
industriell einsetzbar, die einen relativ geringen Re-
– Die Formoptimierung, die ausgehend von einem
chenaufwand erfordern. Diese Verfahren arbeiten mit
Grundkörper geringen Widerstandes über Grund-
sogenannten Turbulenzmodellen, die das numerische
form und Grundmodell zum Serienfahrzeug führt
Problem durch Modellannahmen soweit vereinfa-
– Die Detailoptimierung, die von einem unbehandel-
chen, dass der rechnerische Aufwand in akzeptablen
ten Designmodell zu einem akzeptablen Serien-
Grenzen bleibt – trotzdem sind selbst bei Nutzung ei-
fahrzeug führt
niger hundert Prozessorkerne oftmals Berechnungs-
dauern von einem oder mehreren Tagen notwendig. Dabei wurde unterstellt, dass die Formoptimierung
Die Modellannahmen führen fast immer zu gewissen grundsätzlich niedrigere Luftwiderstandsbeiwerte er-
Abweichungen zwischen simuliertem und realem gibt. Heute wird in der Automobilindustrie, von Son-
Strömungsfeld. Deshalb wird CFD bis auf weiteres derfahrzeugen abgesehen, die Detailoptimierung ein-
die Durchführung von Experimenten ergänzen, aber gesetzt, wobei aber die Erfahrung der letzten Jahre
nicht vollständig ersetzen. dazu geführt hat, dass die Ausgangsmodelle der De-
signer mit deutlich niedrigeren cW-Werten starten, als
3.2.2 Wirkungsbereiche das zur Zeit der Entwicklung der beiden Verfahren
der Fall war. Die Detailoptimierung startet meistens
3.2.2.1 Luftwiderstand/Fahrleistung
mit einer Phase der Strömungsberechnung, der sich
Die Aerodynamik oder präziser der Luftwiderstand eine weitere mit zahlreichen Messungen im Windka-
ist einer der Faktoren, welche die Fahrleistung und nal anschließt. Auf Grund der vielfältigen Möglich-
den Verbrauch beeinflussen. Der Einfluss des Luft- keiten zur Auswertung der umfangreichen Ergebnis-
40 3 Fahrzeugphysik
1,2
cw [–]
0,9
0,6
0,3
0
1900 1920 1940 1960 1980 2000 2020
Jahr
>0,40
riationen dargestellt. Es muss allerdings beachtet
0,40 werden, dass diese Ergebnisse jeweils nur für die un-
0,39 Mittelwert tersuchten Modelle gelten und nicht beliebig übertra-
0,38 cw = 0,326
0,37
gen werden können. Die Effekte sind nicht allgemein
0,36 superponierbar. Dies hat auch zur Folge, dass Mes-
cw-Werte
doch Erfahrungen mit Vorgängermodellen benutzt, um zustände gibt, in denen im Fahrgastraum großer Un-
von den Windkanalergebnissen auf das Fahrverhalten terdruck herrscht, kann das Abgas ins Fahrzeuginnere
zu schließen. gesogen werden. Die Gefahr wächst mit dem Quadrat
der Geschwindigkeit. Gegenmaßnahmen sind zum ei-
3.2.2.3 Benetzung und Verschmutzung nen die vollständige und auch bei hohen Geschwin-
digkeiten sichere Abdichtung des Hecks und zum an-
Ein fahrendes Auto ist oft einer inhomogenen, d.h. deren eine geeignete Wahl des Abgasendrohres, die
partikelbehafteten Strömung ausgesetzt. Die Band- Abgas gar nicht erst in diese Wirbelstruktur gelangen
breite der Teilchen reicht von Gas, Staub über Wasser lässt. Als vorteilhaft haben sich nach unten abge-
bis zu Insekten und Steinen. Entsprechend ihrer His- kröpfte Endrohre erwiesen. Noch besser sind Endla-
torie ist die Flugbahn der Teilchen zunächst unter- gen, bei denen das Abgas hinter ein Hinterrad gebla-
schiedlich zu den Stromlinien der Luft. Diese Unter- sen wird.
schiede führen zu Relativgeschwindigkeiten, aus denen Staub folgt den im vorigen Abschnitt beschriebe-
wiederum Kräfte resultieren, welche die Flugbahn der
nen Gesetzmäßigkeiten und kann daher ebenfalls
Teilchen in Abhängigkeit von der Dichte beeinflussen.
ins Fahrzeug gesogen werden. Der von den Rä-
Während sich Abgase nach kurzer Übergangszeit na-
dern unter die Fahrzeugmitte geschleuderte Staub
hezu gleichförmig mit der Luftströmung bewegen,
gelangt durch die Heckwirbel auf das Fahrzeug-
fliegen Steinchen fast unbeeinflusst weiter. Demgemäß
heck. Gegen ein Eindringen ins Fahrzeuginnere
ist bei einer Betrachtung der Verschmutzung nach der
hilft nur ein geeignetes Dichtungssystem. Staub
Dichte der Teilchen zu unterscheiden:
gelangt aber auch aus den vorderen Radhäusern an
Gasförmige Stoffe folgen weitgehend der Luft- die Türfugen und dabei insbesondere an jene
strömung. Hier ist besonders das Abgas von Inte- oberhalb der Schweller. Im Falle großer Unterdrü-
resse, das nicht ins Fahrzeuginnere gelangen soll. cke im Fahrzeug, wie zum Beispiel bei angehobe-
Da die Abgaskonzentration in Bodennähe zu- nem Hubdach, kann der Staub durch die Türfugen
nimmt, sollten Lufteinlassöffnungen möglichst und durch Wasserablauflöcher ins Türinnere und
hoch angebracht werden. Aus diesem Grund wer- von da entlang der Scheibenführung in den Fahr-
den diese in der Regel im Windlauf vor der Wind- gastraum gelangen. Da die Druckverteilung ent-
schutzscheibe platziert. lang der äußeren Türfugen variiert, entsteht eine
Das Fahrzeug ist aber auch seiner eigenen Abgas- Strömung in den Schächten. Auf diese Weise kann
schleppe ausgesetzt. Bild 3.2-5 zeigt die für ein Voll- Staub unterhalb der hinteren Türen, z.B. vor den
heckfahrzeug typische Strömung am Heck. Sie ist da- hinteren Radläufen, in die Schächte gesogen und
durch charakterisiert, dass sich hinter dem Stoßfänger zur vertikalen Türfuge an der A-Säule hinter dem
ein Wirbel bildet, der Luft und Inhaltsstoffe von der Vorderrad oder oben zur Fuge an den C-Säulen
Stoßfängerunterkante etwa 0,5 m nach hinten und transportiert werden. Dieser Staubeintritt kann zu-
dann wieder zur Heckklappe zurücktransportiert. Da- verlässig nur durch ein umlaufendes Dichtungs-
rüber befindet sich ein Wirbel mit entgegengesetztem system außen an den Türfugen verhindert werden.
Drehsinn. Diese beiden Wirbel haben eine gemein- Wassertropfen sind nach ihrer Größe und Her-
same Mischzone, in der die Teilchen übergeben wer- kunft zu unterscheiden. Die von den Rädern auf
den. Der obere Wirbel trägt diese Teilchen dann bis nasser Fahrbahn unter das Fahrzeug geschleuder-
zur Abrisskante am Dach. Wird Abgas in den unteren ten Tropfen verhalten sich teilweise wie Abgas
Wirbel geblasen, dann breitet es sich durch diese und Staub. Leichte Tropfen werden wie Staub bis
Wirbel über die gesamte Heckfläche aus. Da es Fahr- oben an die Heckscheibe transportiert und mittel-
schwere erreichen nur die untere Heckfläche.
Schwere Tropfen können der Luftströmung nicht
folgen und bleiben im Strömungsnachlauf des
Fahrzeugs. Schmutzfänger hinter den Rädern ver-
stärken die Sprühwirkung in Richtung zur Fahr-
zeugmitte und sorgen damit eher für eine verstärk-
te Heckverschmutzung.
Regentropfen sind infolge ihres Gewichtes und ih-
rer Trägheit durch die Fahrzeugumströmung kaum
zu beeinflussen. Ein Freiblasen der Windschutz-
scheibe scheitert schon aus energetischen Grün-
den. Um das auf die Windschutzscheibe auftref-
fende und von den Scheibenwischern zu den A-
Säulen geschobene Wasser daran zu hindern, auf
die Seitenscheibe zu gelangen und dabei die Sicht
Bild 3.2-5 Heckströmung am Vollheck-Pkw auf die Außenspiegel zu behindern, werden oft
3.2 Aerodynamik 43
–1,5
a
cP b
c
–1
–0,5
0,5
1
0,2 0,4 0,6 0,8 x/l 1
a) b) c)
x
l
x
l
x
l Bild 3.2-6 Druckverteilung
im Längsmittelschnitt
44 3 Fahrzeugphysik
Fahrgeschwindigkeiten oft unerwünschte Schwin- Zweck deutlich besser geeignet, da Freistrahlen in-
gungen des Rückspiegelglases. Es wurde auch schon folge des zur Verfügung stehenden Druckgefälles oft
bei hohen Fahrgeschwindigkeiten Schwingen der nur eine geringe Reichweite haben und durch andere
Motorhaube beobachtet. Strömungen abgelenkt werden können.
Die aus den Windlasten resultierenden Formänderun- Die aerodynamische Optimierung der Kühlluftströ-
gen führen häufig zu kantigeren Außenkonturen und mung profitiert, wie die aerodynamische Optimierung
erhöhen damit noch Druckbelastungen. Schwingende selbst, vom Einsatz der neuen Bodensimulationstech-
Bauteile steuern zum Teil selbst die periodische niken [8].
Druckbelastung und verschärfen die Situation.
3.2.2.6 Innenraumklima
Diese Kräfte und Drücke sollten durch Windkanal-
versuche oder Strömungsberechnung möglichst früh- Das Heizungs-, Lüftungs- und Klimasystem eines
zeitig erfasst werden, um sie entweder durch Form- Fahrzeugs hat die Aufgabe, den Komfort und die Si-
änderung zu entschärfen oder in der konstruktiven cherheit der Passagiere, soweit sie von diesem System
Auslegung zu berücksichtigen. beeinflussbar sind, auf möglichst hohem Niveau zu
gewährleisten (siehe 6.4.3). Im relativ kleinen Pkw-
3.2.2.5 Kühlung/Bauteiltemperaturen Innenraum wirken folgende Größen auf die Passagiere:
Das Kühlsystem hat die Aufgabe, unter allen Be- – Temperatur und Temperaturschichtung
triebsbedingungen des Fahrzeugs Motor- und andere – Luftgeschwindigkeit und Verteilung
Bauteile so zu kühlen, dass keine Funktionsstörungen – Luftfeuchte
oder Beschädigungen auftreten. Weiter sollen die – Strahlung von Bauteilen
Heizung gut funktionieren, der Verschleiß minimiert – Direkte Sonneneinstrahlung
und der Verbrauch sowie die Leistung optimiert wer- – Luftinhaltsstoffe
den (Einzelheiten siehe 3.3).
Die Wärmeabfuhr geschieht entweder direkt vom Diese Parameter werden zum Teil durch den Luft-
Bauteil an die umgebende Luft, wie z.B. bei den strom im Fahrzeug beeinflusst. Die Luftströme sind
Bremsscheiben, oder über Kühlflüssigkeit (auch Öl) ihrerseits abhängig von beeinflussbaren Einstellungen
und durch Kühler. Ladeluftkühler unterscheiden sich der Lüfter, Ausströmer usw., der Plazierung der Zu-
aus aerodynamischer Sicht nicht von Wasserkühlern. und Abluftöffnungen und der Position von konstruk-
Alle Fälle setzen einen (Fahrzeug-)internen Luftstrom tiv und funktional nicht beabsichtigten Öffnungen
voraus. (Undichtigkeiten).
Um interne Luftströme zu erzeugen ist Energie not- Durch die Umströmung der Karosserie ergibt sich ei-
wendig. Bei schneller Fahrt wird bei den meisten ne Druckverteilung auf der Oberfläche, die beim Po-
Fahrzeugen das Druckgefälle zwischen Fahrzeugvor- sitionieren von Öffnungen ausgenutzt werden kann.
der- und Unterseite ausgenutzt, um die Luft durch die Austrittsöffnungen werden bevorzugt in Unterdruck-
Kühler bzw. durch den Motorraum zu leiten. Die gebiete gelegt. Dabei muss berücksichtigt werden,
Energie kann auch von Gebläsen aufgebracht werden, dass nicht im Falle starker Unterdrücke im Fahrzeug,
was insbesondere bei Langsamfahrt oder in Stand- wie bei geöffneten vorderen Seitenscheiben, Schad-
phasen erforderlich ist. Interne Strömungen erzeugen stoffe in den Fahrgastraum gesaugt werden. Liegen
wegen der größeren Widerstände grundsätzlich höhe- die Austrittsöffnungen zu nahe an den Ohren, können
re Verluste, als gleiche Volumenströme um das Auto Geräuschbelästigungen auftreten. Eintrittsöffnungen
herum. Dies äußert sich in einem Anstieg des Luftwi- werden oft in Überdruckgebiete gelegt um die not-
derstandes bzw. einem höheren cW-Wert. Im Interesse wendige Lüfterleistung zu minimieren. Andererseits
ist es von Vorteil, wenn der Heizungsbetrieb ge-
eines niedrigen Verbrauchs sind daher der Kühlluft-
schwindigkeitsunabhängig funktioniert. Aus diesem
anteil des Widerstandes und damit der Kühlluftvolu-
Grund wäre eine Position mit geringem Überdruck zu
menstrom auf das notwendige Minimum zu be-
schränken. Maßnahmen dazu sind: bevorzugen, Bild 3.2-7.
– Abschotten der Luftführung vom Eintritt bis zum Druckbeiwert cP
Kühler 1,0
– Eintrittsöffnung so positionieren und Strömungs-
0,5
kanal so formen, dass der Kühler gleichförmig
durchströmt wird 0,0
– Widerstandskörper und Ablösungen in der Luftfüh-
–0,5
rung vermeiden
– Kühlerquerschnitt anpassen –1,0
– Kühler mit hoher spez. Wärmeübertragungsleis-
–1,5
tung verwenden
Zur Bauteilkühlung wird oft ein Luftstrahl gezielt auf Bild 3.2-7 Druckverteilung auf der Oberfläche
das Teil gelenkt. Geschlossene Kanäle sind für diesen (Berechnung)
3.2 Aerodynamik 45
zwischen Gehäuse und Scheibe, durch die Umströ- fangrinnen an den A-Säulen, schon vorher zu treffen.
mung des Spiegelfußes und durch Undichtigkeiten Funktionstests im Windkanal erfolgen ebenfalls in
zwischen Spiegelfuß und Tür bzw. vom Spiegelfuß der Prototypenphase.
ins Fahrzeuginnere. Bei den heute üblichen kurzen Entwicklungszeiten
Turbulente Schwankungen in der fahrzeugnahen droht die Aeroakustik-Entwicklung zu spät einzuset-
Strömung, d.h. der Grenzschicht. Dieser Anteil ist zen. Sinnvolle Messergebnisse sind erst zu erwarten,
der nicht unterschreitbare Grenzwert, beim Fahr- wenn weitgehend seriennahe Prototypen mit richtigen
zeug aber von untergeordneter Größenordnung. Dichtungen und vollständiger Innenraumausstattung
zur Verfügung stehen. Zu diesem Zeitpunkt ist die
Die verschiedenen Geräuschursachen haben zur Fol- Entwicklung aber soweit fortgeschritten, dass bis zum
ge, dass eine aerodynamische Optimierung des Fahr- Serieneinsatz keine größeren Modifikationen mehr
zeugs die Geräuschsituation nur in Einzelfällen ver- möglich sind. Die aeroakustische Entwicklung muss
bessert. Die weitaus wichtigsten Geräuschquellen sind daher ebenfalls schon in der Designphase beginnen,
unvollkommene Dichtungssysteme, die wenig Rück- in der allerdings nur auf Erfahrungen mit Vorgän-
wirkung auf die Aerodynamik haben und dadurch germodellen zurückgegriffen werden kann.
auch wenig beeinflusst werden. Die in jüngster Zeit entwickelten Hybrid- oder Elekt-
rofahrzeuge unterscheiden sich hinsichtlich der Aero-
3.2.3 Einordnung dynamik, Aeroakustik usw. in keiner Weise von den
in die Gesamtentwicklung Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren. Die geschil-
Aerodynamische Erfordernisse haben direkten Ein- derten Betrachtungen, Verfahren und Forderungen
fluss auf die Außenform eines Fahrzeugs. Dement- gelten daher für sie in gleicher Weise.
sprechend muss die aerodynamische Entwicklung pa-
rallel zur Designphase verlaufen [4]. Die Strömungs- Literatur
berechnung ist dafür prädestiniert. Es hängt von [1] Hucho, W. H.: Aerodynamik des Automobils, Vieweg-Verlag,
den Firmengebräuchen ab, ob die Designmodelle im Wiesbaden, 2005
[2] Wäschle, A.: Numerische und experimentelle Untersuchung des
Windkanal optimiert, oder ob zusätzliche Wind- Einflusses von drehenden Rädern auf die Fahrzeugaerodynamik,
kanalmodelle eingesetzt werden. Im zweiten Fall ist Dissertation TU Stuttgart 2006
es unbedingt notwendig, die Parallelmodelle rechtzei- [3] Huber, L.: Die Fahrtrichtungsstabilität des schnellfahrenden
tig herzustellen und fortlaufend an den aktuellen De- Kraftwagens, DKF Heft 44, 1944
[4] Hucho, W. H.: Design und Aerodynamik – Wechselspiel zwi-
signstand anzupassen. Aerodynamische Anbauteile schen Kunst und Physik, in R.J.F. Kieselbach (Hrsg.) „The drive
sollten an Prototypen entwickelt oder zumindest to design – Geschichte, Ausbildung und Perspektiven im Auto-
überprüft werden. Im Regelfall ist es wenig hilfreich, design“ Stuttgart avedion, 1998
vorab Aerodynamikstudien anzufertigen, da sie vom [5] Wagner, A.: Ein Verfahren zur Vorhersage und Bewertung der
Fahrerreaktion bei Seitenwind, Dissertation TU Stuttgart 2003
konkreten Entwicklungsziel zu weit abweichen und [6] Riederer, S.: Strömungsphänomene im Bereich der vorderen Rad-
von den anderen Entwicklern nicht beachtet werden. häuser von Personenfahrzeugen, Dissertation TU München 2004
Ausnahme sind Sonderentwicklungen, bei denen sehr [7] Zivkov, V.: Experimentelle und numerische Untersuchungen der
niedrige cW-Werte hohe Priorität haben. aerodynamischen Kraftfahrzeugeigenverschmutzung, Dissertati-
on TU Karlsruhe 2004
Die für die Fahrsicherheit notwendigen Werte sollten [8] Kuthada, T.: Die Optimierung von Pkw-Kühlluftführungssyste-
vor Entwicklungsbeginn definiert sein und in der Ae- men unter dem Einfluss moderner Bodensimulationstechniken,
rodynamikentwicklung überprüft und sichergestellt Dissertation TU Stuttgart, 2006
werden. Dabei sind Auswirkungen auf die Form zu [9] Hucho, W.-H.: „Grenzwert-Strategie. Halbierung des Cw-Wertes
scheint möglich“. ATZ 2009, S. 16 – 23
erwarten. Nachträglich lassen sich diese Beiwerte nur [10] Fischer, A.: „Integration von Aerodynamik-Simulation in die
durch Spoiler und andere Anbauteile beeinflussen, Konzeptphase des Entwicklungsprozesses“. In: Faszination Ka-
was oft Probleme hinsichtlich der Akzeptanz durch rosserie. 4. Braunschweiger Symp. März 2009, S. 51 – 64
Designer, Konstrukteure, Finanzleute und vor allem
durch Kunden hervorruft.
Die Optimierung des Kühlluftanteils am Widerstand 3.3 Wärmetechnik
beginnt ebenfalls in der Designphase, in der auch die
3.3.1 Kühlung von Verbrennungsmotoren
Kühllufteinlässe gestaltet werden. Sie wird fortgesetzt
mit Versuchsträgern, bei denen neue Vorderwagende- Die Abwärme von Verbrennungsmotoren wird über
tails an aktuellen, ähnlich aufgebauten Serienwagen verschiedene Wege abgeführt. Während der Anteil im
getestet werden. Es folgt die Prototypenphase, in heißen Abgas direkt abgegeben wird, müssen die an
der Versuchsergebnisse weitere Modifikationen not- die Motorbauteile übertragenen Abwärmen indirekt
wendig machen. Erfahrungen mit Vorgängermodellen mittels eines flüssigen Mediums abgeführt werden.
beschleunigen den Entwicklungsprozess. Motorblock und Zylinderkopf werden dabei über das
Benetzung und Verschmutzung werden üblicherweise Kühlmittel gekühlt, das seinerseits die Abwärme über
in der Prototypenphase untersucht, jedoch sind einige den Kühlmittelkühler an die Umgebungsluft abgibt.
Entscheidungen, wie z.B. Verwendung von Wasser- Bild 3.3-1. Der Kolben wird dagegen durch das Mo-
3.3 Wärmetechnik 47
Heizkörper
Kühlung von Nebenaggregaten direkt an Luft oder
über Kühlmittel
Letztendlich wird die Abwärme immer an die Umge-
Kühler
bungsluft abgeführt.
Motor Die steigenden Anforderungen bezüglich Kraftstoff-
verbrauch, Gewicht, Abgasemissionen, Lebensdauer,
Thermostat Fahrkomfort und geringem Bauraum haben dazu ge-
Kühlmittelpumpe führt, dass moderne Kühlsysteme von Verbrennungs-
motoren im Kraftfahrzeug mit wenigen Ausnahmen
Bild 3.3-1 Kühlkreislauf mit Ausgleichsbehälter die folgenden Merkmale aufweisen:
Wasserkühlung der Motoren mit Zwangsumlauf
toröl heruntergekühlt. Bei Motoren höherer Leistung
reicht die Wärmeabfuhr über die Ölwanne nicht mehr des Kühlmittels durch eine über Riemen angetrie-
aus, so dass ein separater Ölkühler eingesetzt werden bene Kreiselpumpe
Betrieb des Kühlsystems bei bis zu 1,5 bar Über-
muss.
Dabei müssen die Temperatur und der Massenstrom druck
Einsatz einer Mischung von Wasser und Frost-
des Kühlmediums in jedem Betriebspunkt gewähr-
leisten, dass an keiner Stelle im Motor schädigende schutzmittel, meist Äthylenglykol mit einem Vo-
Überhitzungen entstehen. lumenanteil von 30 ... 50 % mit Inhibitoren gegen
Aufgeladene Motoren erfordern Ladeluftkühler, die Korrosion
Aluminium in korrosionsbeständigen Legierungen
die bei der Kompression im Turbolader oder Kom-
pressor entstehende Wärme abführen. Dadurch erhöht als dominierender Kühlerwerkstoff
Kunststoff als dominierender Werkstoff für Was-
sich die Dichte der Ladeluft (Dichterückgewinn) und
man erreicht eine höhere Zylinderfüllung und damit serkästen, Lüfter und Lüfterzarge
In vielen Fällen Vormontage aller Kühlungskom-
eine höhere spezifische Motorleistung. Die NOx-Ent-
stehung wird durch die einhergehende Absenkung der ponenten des Frontendbereichs in einer funktiona-
Verbrennungstemperatur vermindert. len Einheit, dem sog. Kühlmodul
Seit der Einführung schärferer Abgasvorschriften Die heutigen Entwicklungstendenzen gehen in Rich-
(EU4) ist die Kühlung des rückgeführten Abgases tung:
beim Dieselmotor weit verbreitet. Sie beeinflusst die Optimierung des Kühlluftstromes durch das Kühl-
Dieselruß- und NOx-Emission günstig [1]. modul und den Motorraum
Automatikgetriebe müssen ebenfalls gekühlt werden. Einführung einer getrennten bzw. regelbaren Küh-
Besonders hohe Anforderungen an die Getriebeöl- lung von Motorblock und Zylinderkopf zur schnel-
kühler stellen CVT-Getriebe. leren Erwärmung und damit Kraftstoffreduzierung
Weiterer Kühlbedarf entsteht an Nebenaggregaten durch Verminderung von Reibungsverlusten
wie Servoölpumpe, Kraftstoffpumpe und Kältekreis- Regelungseingriffe über Lüfterantrieb, Kühlmit-
lauf des Klimasystems. In Einzelfällen erfordern heu- tel-Thermostate (sog. Kennfeldthermostat) und
te auch schon Elektronikbauteile eine spezielle Küh- Ventile
lung, weil auch dort die Leistungsdichten zunehmen Einsatz von Elektropumpen zur Regelung des
und eine konvektive Luftkühlung nicht mehr aus- Kühlmittelstromes
reicht. Bei Hybridfahrzeugen ist dies für die Leis- Niedertemperaturkreisläufe mit einem Tempera-
tungselektronik bereits der Regelfall [32]. turniveau von ca. 60 °C zur Kühlung von Lade-
Die gängigen Übertragungswege der Abwärme für luft, Elektronik und anderer sensibler Bauteile
die einzelnen Kühlaufgaben sind nachfolgend zu- Integration von Ladeluft-Kühlmittelkühlern in das
sammengestellt: Ansauggehäuse zur Reduzierung des Ladeluftvo-
Motor über Kühlmittel und Kühlmittelkühler an lumens bzw. Ladeluftdruckabfalls [33, 34]
Luft Erhöhung der Kühlleistung durch zusätzliche Auf-
Motoröl über Öl-Kühlmittelkühler an Kühlmittel gaben wie weitere Abgaskühlung oder Kühlmit-
oder über Öl-Luftkühler direkt an Luft telkühlung des Abgaskrümmers [31, 32]
Luft oder Ladeluft über Ladeluft-Luftkühler direkt Verringerung der Bauhöhe der Kühler zur Erfül-
an Luft oder über Ladeluft-Kühlmittelkühler an lung der Vorschriften des Fußgängerschutzes
Kühlmittel (Niedertemperaturkreislauf ist dann er- Neben den zahlreichen Entwicklungsaktivitäten für
forderlich) [30] noch kompaktere, leichtere und effizientere Kompo-
48 3 Fahrzeugphysik
nenten bekommt vor allem das ganzheitlich konzi- Zur detaillierten Ermittlung der Kühlluftströmung
pierte Kühlsystem bzw. Thermomanagement immer durch den Fahrzeugvorderbau, die Wärmeübertrager
mehr Bedeutung im Hinblick auf die eingangs er- und den Motorraum kommen CFD-Methoden zum
wähnten Anforderungen [29, 32, 35]. Im Nutzfahr- Einsatz (Kap. 11.3). Mit ihrer Hilfe wird die Luft-
zeug gilt dies verstärkt, hier ist die Komplexität noch strömung dreidimensional berechnet. Dazu werden
größer. Neben zweistufiger Aufladung mit Zwischen- die geometrischen Daten des Fahrzeugs benötigt.
kühlung für die Ladeluft zeichnen sich weitere Mass- Man erhält die Geschwindigkeitsverteilung aus der
nahmen zur Nutzung der im Abgas verbliebenen sich Luftmassenströme und Druckverluste berechnen
thermischen Energie ab, die vornehmlich durch Wär- lassen. In der Kopplung mit der Strompfadmethode
meübetragung aus dem Abgas nutzbar gemacht wer- kann so bereits in der Konzeptphase der Einfluss in-
den kann [36]. homogener Anströmung auf das Verhalten des Kühl-
system ermittelt und geeignete Optimierungsschritte
3.3.1.1 Auslegung von Kühlern vorgeschlagen werden [16].
Grundsätzliches Ziel der Auslegung des Kühlsystems Die Auslegung des Kühlsystems orientiert sich am
ist, die geforderten Kühlleistungen mit möglichst Anforderungsprofil des Fahrzeuges. Thermisch kriti-
kompakten, leichten und kostengünstigen Kühlern in- sche Fahrzustände treten in der Regel bei maximaler
nerhalb des verfügbaren Bauraums zur Verfügung zu Motorleistung Pmax oder maximalem Drehmoment
stellen. Dafür ist ein Optimierungsprozess hinsicht- Mmax auf. Der Betriebsfall „Maximalgeschwindigkeit
lich der Anordnung und Dimensionierung der Wär- in der Ebene“ muss bei leistungsstarken Motoren zu-
meübertrager im Modul, der Auswahl der Rippen/ nehmend durch „mehrfache Vollbeschleunigung“ er-
Rohr-Geometrie der Kühler, der Leistungsaufnahme setzt werden, da bei Erreichen hoher Geschwindig-
des Lüfters, der Abstimmung auf die fahrzeugseitigen keiten die Motoren vielfach abgeregelt und nicht
Randbedingungen, oftmals auch des cW-Wertes und mehr unter Vollast betrieben werden. Das Zusam-
des Crashverhaltens durchzuführen. menspiel zwischen Kühlmittelkühler, Kühlmittelmas-
Gängiges Hilfsmittel für die Auslegung sind ana- senstrom (mechanisch angetriebene Pumpe) und die
lytische Programme zur Wärmeübertrager-Berech- Unterstützung des mangelnden Fahrtwindes durch
nung nach der eindimensionalen Stromfadentheorie den Lüfter in den Fahrzuständen „Schnelle Bergfahrt“
(Kap. 11.3). Bei Vorgabe der Kühlergeometrie, der oder „langsame Bergfahrt mit Anhänger“ sind für die
Wärmeübergangs-, Wärmeleitungs- und Druckabfall- Auslegung relevant. Ebenso werden Einsätze in Eu-
beziehungen sowie der Stoffströme können aus den ropa oder Heißländern unterschieden. Immer sind
Eintrittsgrößen Druck und Temperatur die gleichen Fahrgeschwindigkeit, Umgebungstemperatur, abzu-
Größen am Austritt des Wärmeübertragers berechnet führende Wärmemengen und die Sollwerte für maxi-
werden. Unterstützt mit empirischen Daten aus lang- mal zulässige Kühlmittel-, Ladeluft- und Öltempe-
jähriger Messerfahrung mit einer großen Bandbreite raturen vorgegeben. Leistungsminderung durch Alte-
von Ausführungen können mit diesen Simulations- rung wird in der Auslegung indirekt durch höhere
programmen im Rahmen der Ähnlichkeitstheorie fast Sollwerte berücksichtigt. Typische Faustformeln und
beliebige Rippen/Rohr-Varianten in beliebigen Ab- Sollwerte für die wesentlichen Pkw Kühlungsarten
messungen und für beliebige Betriebspunkte sehr sind in Tabelle 3.3-1 zusammengestellt.
zielgenau vorausberechnet werden.
Heute sind fast nur noch Auslegungen ganzer Kühl- Tabelle 3.3-1 Typische Faustformeln und Sollwerte
module mit Voll- und Teilüberdeckungen von Wär- zur Kühlauslegung
meübertragern, Lüftern und Zargen gefordert. Ent-
Kühlmitteltemperatur 100 °C – 120 °C
sprechend werden für diese Module sog. Topologie-
Kühlmittelvolumenstrom 5.000 ... 25.000 l/h
Modelle mit mehreren Strompfaden erstellt, von denen
jeder wieder nach der Stromfadentheorie berechnet
werden kann. Die gegenseitige Beeinflussung der Ladeluftmassenstrom 0,05 ... 0,6 kg/s
Komponenten wird dabei berücksichtigt [2, 16]. Maximal aus dem Kühlmittel
Schließlich wird dieses Hilfsmittel um Elemente wie abzuführendeWärmemengen
Fahrtwind, Lüfter und alle Druckverbraucher im beim Ottomotor 0,5 ... 0,6 Pmech
Fahrzeug wie z.B. Kühlergrill und Motorraumdurch- beim Dieselmotor IDI 1,0 Pmech
strömung ergänzt. Damit wird die iterative Berech- beim Dieselmotor DI 0,65 ...0,75 Pmech
nung des Kühlluftdurchsatzes im Fahrzeug und folg- Maximal zulässige Temperatur-
lich aller thermodynamischen Kenngrößen der Kühl- differenz:
anlage möglich. Gekoppelt mit einer breiten Erfah- Kühlmittel am Kühlereintritt zu ca. 80 K
rung aus Kühlleistungsmessungen im Windkanal er- Umgebungstemperatur
hält man ein sehr zuverlässiges und schnelles Simula-
tionshilfsmittel, das den Bedarf an Fahrzeugmessun- Ladeluft am Kühleraustritt ca. 35 K
gen deutlich reduziert. und Umgebungstemperatur
3.3 Wärmetechnik 49
3.3.1.2 Kühlerbauarten
Die verschiedenen Leistungsanforderungen wie sie
aus oben aufgeführten Daten hervorgehen und die un-
terschiedlichsten Bauraumanforderungen an Kühl-
mittel-, Öl- und Ladeluftkühler haben zu den unter-
schiedlichsten Kühlerbauarten geführt [4], eine Aus-
führung zeigt Bild 3.3-2.
So reichen z.B. die Systemtiefen (Erstreckung in
Kühlluftströmungsrichtung) für Kühlmittelkühler vom
kleinsten Pkw- bis zum größten Nkw-Kühler von
12 mm bis 55 mm, die kühlluftseitigen Stirnflächen
von 15 dm2 bis 85 dm2.
Für die Leistungsfähigkeit der Kühler ist in erster Li-
nie die Konstruktion der Rippen/Rohr-Geometrie, die
so genannte Kühlermatrix, entscheidend. Die in der
Vergangenheit vielfältig vorhandenen mechanisch ge-
fügten Systeme verlieren an Bedeutung und finden
sich heute vor allem noch im unteren Leistungsseg-
ment. Am Markt vorherrschend sind die gelöteten
Systeme, die durch stoffschlüssige Verbindung eine Bild 3.3-3 Gelötetes Flachrohrsystem
bessere Wärmeübertragung und damit höhere Leis-
tungsdichte ermöglichen. Bei Ladeluftkühlern reichen die Systemtiefen von ca.
Gelötete Systeme aus lotplattierten Flachrohren und 30 mm bis zu über 100 mm, die Stirnflächen von
gewalzten Wellrippen, Bild 3.3-3, werden heute übli- 3 dm2 bei Pkw bis zu 80 dm2 bei Nkw. Im Pkw sind
cherweise mit nur einem Rohr in der Systemtiefe ge- viele Anordnungen gebräuchlich: großflächig vor
fertigt, das zur Festigkeitssteigerung mit Sicken ver- dem Kühlmittelkühler, lang und schlank unter oder
sehen oder gefaltet sein kann. In beiden Fällen wer- neben dem Kühlmittelkühler oder ganz abseits des
den die Rohre in so genannten Böden in die Vertei- Moduls z.B. im Radlauf; daher die große Bandbreite
lerkästen geführt, in denen das Kühlmittel oder die in den Systemtiefen. Ladeluftkühler sind überwie-
Ladeluft auf die Rohre verteilt wird, Bild 3.3.2. gend gelötete Flachrohrkühler aus Aluminium und di-
Motorölkühler werden im Pkw bevorzugt motornah rekt von Kühlluft gekühlt. Zunehmend erfolgt die La-
untergebracht. Die Kühlung des Öls erfolgt dabei durch deluftkühlung auch motornah mit Kühlmittel [30].
das Kühlmittel. Daher werden hier Bauformen wie Dadurch entfällt die aufwändige Verschlauchung für
Flachrohr-, Rundscheiben- oder Stapelscheibenölküh- die Ladeluftführung vom Lader zur Fahrzeugfront
ler, Bild 3.3-4, aus Aluminium eingesetzt. Getriebeöl- und zurück. Als Bauarten finden wir bei der so ge-
kühler bei Pkw mit Automatikgetriebe können wiede- nannten indirekten Ladeluftkühlung heute Rippe/
rum luftgekühlte Flachrohr-Ausführungen sein oder sie Flachrohr-, Rippe/Scheibe-, aber auch Rohrbündel-
können als sehr schlanke, lang gestreckte Flachrohr- systeme mit kühlmittelseitigen Turbulenzeinlagen zur
kühler im Wasserkasten von Kühlmittelkühlern ein- Effizienzsteigerung, Bild 3.3-5.
gebaut sein, wo sie vom Kühlmittel gekühlt werden. Abgaskühler sind sehr hohen Temperaturen sowie
starker Korrosionsbeanspruchung ausgesetzt, daher
3 wird hier Edelstahl als Werkstoff bevorzugt. Als Füge-
5
4 1
3
2
1
1 Wasserkästen
2 Ölkühler (optional)
5 3 Dichtungen
4 Kühler-Netz
6 5 Seitenteile
6 Böden
Bild 3.3-2 Konstruktiver Aufbau eines Aluminium- Bild 3.3-4 Ölkühler in Stapelscheibenbauweise
Kühlmittelkühlers mit Kunststoffkästen (Werkbild Behr)
50 3 Fahrzeugphysik
BILD 3.3-5 Indirekter Ladeluftkühler in Rohrbün- Weniger Aufwand beim Fahrzeughersteller für
delbauweise (Werkbild Behr) Logistik und Montage, wenn das Modul vorgefer-
tigt angeliefert wird.
verfahren sind das Laser-Schweißen oder Nickel- In normalen Straßenfahrzeugen werden fast aus-
Löten üblich. Konstruktiv sind diese Kühler als Rohr- schließlich karosseriefeste Kühlmodule eingesetzt,
bündel ausgeführt, wobei die abgasführenden Rohre die an den fahrzeugseitig vorhandenen Längs- und
einfache Rundrohre oder Rohre mit speziellen leis- Querträgern befestigt werden. Meist dient einer der
tungssteigernden, aber verschmutzungsunanfälligen Wärmeübertrager als tragendes Modulelement, an
Strukturen sein können. seine Wasser- oder Luftkästen und Seitenteile werden
die anderen Komponenten mittels Rast-, Klemm-
3.3.1.3 Lüfter und Lüfterantriebe
oder Clipsverbindung befestigt. Zur Vereinfachung
Lüfter für die Motorkühlung werden heute fast aus- der Montage und im Falle hoher Variantenvielfalt
nahmslos in axialer Bauart in Kunststoff ausgeführt. kommen auch Tragrahmen zum Einsatz.
Zu der axialen Beschaufelung kommen je nach Be-
triebszuständen im Fahrzeug noch Mantelringe und 3.3.1.5 Gesamtsystem Motorkühlung
Einlaufdüsen an den Blattspitzen hinzu. Weitere typi-
Der Kühlungsbedarf ist vom momentanen Betriebs-
sche Lüftermerkmale können gesichelte Blätter und
zustand des Motors, der Nebenaggregate insbesonde-
ungleichmäßige Blatt-Teilung sein. Mit solchen Maß-
re Klimakreislauf und von der Umgebungstemperatur
nahmen kann der Lüfterwirkungsgrad gesteigert und
abhängig. Die erforderlichen Regelungseingriffe er-
die Geräuschemission vermindert werden.
folgen in gängigen Kühlsystemen heute noch durch
Beim Pkw werden Lüfter in einfacher oder doppelter
verhältnismäßig einfache Einrichtungen:
Anordnung meist saugend eingesetzt mit maximalen
Ein Thermostat, dessen wachsgefülltes Dehnelement
Lüfterdurchmessern von ca. 500 mm. Die als Lüfter-
auf die Temperatur des ihn umströmenden Kühlmit-
antrieb eingesetzten Elektromotoren nehmen bis zu
tels reagiert, lenkt den Kühlmittelstrom bei der ge-
850 W el. Leistung auf, wobei eine stufige Drehzahl-
wünschten „Öffnungstemperatur“ durch den Kühlmit-
variation über Regler, gegebenenfalls auch mit bürs-
telkühler hindurch. Bei tieferen Temperaturen wird
tenlosen Elektromotoren, vorgesehen wird. Direkt an-
der Kühler im Kurzschluss umgangen. So wird bei
getriebene, über eine Viskositätskupplung gesteuerte
sehr niedrigen Kühlmitteltemperaturen und im Kaltstart
Lüfter sind nur noch bei größeren Nutzfahrzeugen im
Kühlung weitgehend vermieden und bei sehr hohen
Einsatz.
Temperaturen für maximale Kühlung gesorgt.
3.3.1.4 Kühlmodule Elektrisch betriebene Lüfter werden in Abhängigkeit
der Kühlmitteltemperatur im Wasserkasten in verschie-
Kühlmodule sind vormontierte Baueinheiten, die aus denen Drehzahlstufen oder stufenlos zugeschaltet.
verschiedenen Komponenten des Kühlsystems und Alle weiteren Komponenten des Kühlsystems sind
dem Klimakondensator bestehen und eine Lüfterein- auf kritische Betriebsbedingungen ausgelegt, werden
heit mit Antrieb einschließen, Bild 3.3-6. Die Modul- dann aber ungeregelt betrieben. So wird die Kühlmit-
technik, bietet prinzipiell mehrere technische und telpumpe über einen Riementrieb von der Kurbel-
wirtschaftliche Vorteile [5]: welle angetrieben, Ladeluftkühlung erfolgt fast aus-
Optimale Auslegung und Abstimmung der Kom- nahmslos ungeregelt, Ölkühlung nur in Einzelfällen
ponenten, thermostatisch geregelt.
dadurch besserer Wirkungsgrad im Fahrzeug oder Solche Kühlsysteme waren bisher völlig ausreichend
kleinere, leichtere und kostengünstigere Kompo- und zeichnen sich durch einen sehr zuverlässigen Be-
nenten möglich. trieb aus. Die Zukunft wird aber auch hier, wie in vie-
3.3 Wärmetechnik 51
len anderen Systemen des Fahrzeugs, der elektroni- dem Fahrer ein wenig ermüdendes Umfeld bieten,
schen Regelung gehören. Über Sensoren, die den die Insassen vor unangenehmen Gerüchen und be-
thermischen Zustand von Motor und Kühlanlage er- lastenden Stoffen bewahren.
fassen, wird ein Steuergerät mittels der abgelegten
Die Klimatisierung trägt nicht nur zum Komfort bei.
Regelungsalgorithmen Eingriffe an Förderorganen
Sie leistet auch einen Beitrag zur Fahrsicherheit, da
(Lüfter, Pumpen) und Stellorganen (Ventile, Klappen,
die Konzentrationsfähigkeit des Fahrers in einem be-
Jalousien) auslösen, um über eine bedarfsorientierte
haglichen Klima signifikant höher ist als in heißer
Kühlung Antriebsenergie an Nebenaggregaten einzu-
oder kalter Umgebung (siehe hierzu auch Abschnitt
sparen, Abgas- und Geräuschemissionen günstig zu
6.4.3.1 und [8]). Eine sicherheitsrelevante und des-
beeinflussen und zur Komfortsteigerung und Ver-
halb gesetzlich geregelte Funktion [9] besteht darin,
schleißreduzierung Aufheizphasen verkürzen [35]. Da-
die Scheiben von Beschlag und Vereisung freizuhal-
für müssen alle Förder- und Stellorgane elektrisch
ten.
ansteuerbar sein, was heute schon bei el. Lüftern und
Fragen des Komforts und der Funktion des Klima-
Kühlmittelpumpen möglich ist. Der so genannte
geräts werden in Abschnitt 6.4.3 dieses Buches be-
Kennfeldthermostat ist in der Lage verschiedene Öff-
handelt. Der Fahrzeugklimatisierung kommt mit der
nungstemperaturen zu fahren. Damit kann das Tem-
zunehmenden Elektrifizierung des Antriebsstranges
peraturniveau des Kühlmittels an den Betriebszustand
eine zusätzliche Bedeutung zu, da der elektrische
des Motors angepasst werden. Weitere Nebenaggre-
Energiespeicher und die Leistungselektronik ausrei-
gate und Stellglieder des Kühlsystems werden zu-
chend gekühlt werden müssen. Ferner steht je nach
künftig elektrisch ansteuerbar sein [6, 7], [35].
Grad der Hybridisierung der Innenraumheizung deut-
Das Kühlsystem ist schon heute ein sehr komplexes
lich weniger Motorabwärme als bei herkömmlichen
System mit einer großen Zahl von Parametern, die
Fahrzeugen zur Verfügung. Im Falle des rein elektri-
sich gegenseitig beeinflussen. In Auslegung und Op-
schen Antriebs entfällt diese Wärme sogar vollstän-
timierung wird die virtuelle Kühlsystementwicklung
dig.
in zunehmenden Maße eingesetzt. ([16, 34], siehe
Damit die Klimaanlage ihre Funktion erfüllen kann,
auch Kap. 11.3).
muss sie durch den Heiz- und Kältekreislauf ausrei-
3.3.2 Beheizen und Kühlen chend versorgt werden. Die Komponenten dieser
des Fahrgastraumes Kreisläufe und ihre Wechselwirkungen zum Fahrzeug
werden hier erläutert.
Die Klimatisierung des Fahrgastraumes erfüllt mehre- Die Klimatisierung von Fahrzeugen erfolgt durch ei-
re Aufgaben: nen konditionierten Luftstrom, symbolisiert durch
freie Sicht durch die Scheiben gewährleisten, Pfeile in Bild 3.3-7, der durch Düsen an der Instru-
ein behagliches Klima für alle Insassen schaffen mententafel, im Fußraum und auch im Fondraum in
und dadurch die Kabine eintritt. Das Klimagerät (3) ist hinter der
3
4
Luftseitiger Druckverlust in Pa
gebläses (1) über einen Filter (2) angesaugt, im Klima- Heizleistung (200 l/h)
10 Luftseitiger Druckverlust 250
Heizleistung in kW
gerät zunächst durch den Verdampfer (4) geführt, in
dem die Luft gekühlt und dabei getrocknet werden 8 200
kann. Danach erwärmt sich die Luft am Heizkörper (5). 6 150
107
Elektrischer Widerstand R in Ω
106
105
105
104
103
102
RN Rmin
101
RRef = 2 Rmin
100
0 50 100 TRef 150 200 250 300
Temperatur T in °C
Kondensator mit
integriertem Sammler
Innerer
Wärmeüberträger
Expansionsventil
Verdampfer
Kompressor
den. Ab 2017 gilt diese Vorgabe dann für alle Neu- 3.3.2.4 Auslegung der Klimaanlage
fahrzeuge. Als mögliches Kältemittel wird R1234yf
Der Bedarf eines Fahrzeugs zur Beheizung oder Ab-
favorisiert, dessen GWP bei 4 liegt. Grundsätzlich
kühlung des Innenraums hängt von den fahrzeugsei-
wäre es thermodynamisch gesehen auch möglich,
tigen und den klimatischen Randbedingungen ab:
CO2 (Kohlendioxid, auch als R744 bezeichnet) als
Kältemittel einzusetzen. Fahrzeugseitige Randbedingungen:
Dem Kältemittel wird zur Schmierung des Verdich-
Masse und Wärmekapazität der Einbauten und
ters etwa 10 bis 20 % Öl zugemischt, dadurch müssen
Leistungseinbußen hingenommen werden. Umschließungsflächen
Größe der Fahrzeugkabine
Die in der Klimaanlage befindliche Menge an Kälte-
Wärmedämmung der Umschließungsflächen, z.B.
mittel ist in jedem Fahrzeug unterschiedlich und wird
wesentlich vom inneren Volumen der Bauteile, die Dach, Boden, Spritzwand
Abmessungen, Winkel und Strahlungseigenschaf-
flüssiges Kältemittel führen, bestimmt. Typische
Werte sind 600 bis 900 g R134a bzw. R1234yf. ten der Scheiben
Entlüftung und Durchströmung der Kabine, Leck-
3.3.2.3 Verdichter und Regelung luftströme durch Undichtigkeiten der Karosserie
der Kälteleistung Umströmung des Fahrzeugs, je nach Fahr-
geschwindigkeit ändern sich der Wärmeübergang
Der Verdichter der Kälteanlage befindet sich im Rie- außen und die Ansaugbedingungen
mentrieb des Motors. Mit bis zu 6 kW Antriebs-
leistung zählt er zu den größeren Verbrauchern von Klimatische Randbedingungen:
Hilfsenergie, die durch den Motor zur Verfügung ge- Außentemperatur
stellt werden muss. relative Luftfeuchtigkeit
Nahezu ausschließlich werden in Fahrzeugen heute Sonneneinstrahlung
Taumelscheibenverdichter eingesetzt. Eine schräg ste-
hende Scheibe wird durch die Verdichterwelle ange- Ausschlaggebend für die Auslegung der Fahrzeug-
trieben und bewegt über ihre Taumelbewegung meh- klimatisierung sind die Anfahrvorgänge, die ein
rere Kolben in kreisförmig angeordneten Zylinderboh- Mehrfaches der Leistung im Vergleich zur Erhaltung
rungen. Die Ansaugung und der Ausstoß des verdich- eines Beharrungszustandes erfordern. Eine Klimaan-
teten Gases erfolgt über Bohrungen mit Ventilen im lage im Fahrzeug wird üblicherweise so dimensio-
Zylinderkopf. In modernen Verdichtern lässt sich das niert, dass nach längerem Stillstand eine komfortable
Hubvolumen durch Neigung der Scheibe relativ zur Temperatur des Fahrgastraumes nach kurzer Zeit er-
Welle verändern. Dadurch kann man den Förderstrom reicht wird. Im Sommer bei vollem Sonnenschein
und somit die Leistung des Verdichters einstellen. In herrschen in einem parkenden Fahrzeug Temperatu-
Verdichtern mit unveränderlichem Hub (Fixed Displa- ren bis zu 70 °C. Typische Auslegungsbedingung ist
cement) wird die Leistungsanpassung durch periodi- 40 °C Außentemperatur, 40 % relative Luftfeuchtig-
sches Ein- und Ausschalten des Verdichters über eine keit und 1.000 W/m2 Sonneneinstrahlung.
Magnetkupplung erreicht. Der damit verbundene Ein- Im Winter kühlt sich der Fahrzeuginnenraum auf Au-
schaltruck muss besonders bei kleineren Motoren ßentemperatur ab. Man nimmt – 20 °C als Ausle-
über die Motorsteuerung kompensiert werden. gungswert an. Die Aufheizung mit optimalem Luft-
Als Vorteile für Taumelscheibenverdichter sind zu strom um 5 kg/min, der unter dem maximal mögli-
nennen: der gute Liefergrad im unteren Drehzahlbe- chen liegt, verläuft wie die obere Kurve in Bild 3.3-16
reich, die leicht realisierbare Leistungsregelung und zeigt. Die untere Kurve verdeutlicht die unkomfortab-
ein günstiges Verhalten im geregelten Bereich. le Situation für Fahrzeuge mit direkteinspritzendem
Der Trend geht zu geregelten Verdichtern mit verän- Dieselmotor ohne Zuheizer.
derlichem Hubvolumen. Zwischenzeitlich lösen be- Außer den klimatischen Bedingungen werden auch
reits die extern ansteuerbaren Verdichter diejenigen die Fahrzustände vorgeschrieben, typisch ist hier
mit interner Saugdruckregelung ab [17, 18]. Ziel der konstante Fahrt in der Ebene im 3. Gang mit 32 km/h
Regelung ist der Ausgleich der Drehzahländerung des oder 50 km/h. Zumeist wird auch das Verhalten des
Motors. Die externe Ansteuerung ist notwendige Klimasystems im Leerlauf des Motors betrachtet, da
Voraussetzung für kupplungslosen Betrieb. Der Ver- dieser Fahrzustand wegen der geringen Motordreh-
dichter wird dabei nicht mehr mechanisch getrennt, zahl zum Antrieb von Wasserpumpe und Klimaver-
sondern auf Nullhub geregelt, wenn der Kältekreis- dichter den ungünstigsten Fall sowohl für die Abküh-
lauf ausgeschaltet ist. Außerdem kann über eine ex- lung als auch für die Aufheizung des Fahrzeugs dar-
terne Regelung die Verdampfertemperatur so einge- stellt.
stellt werden, dass die Leistungsaufnahme am Ver- Eine typische Abkühlkurve für Betrieb in Umluft bei
dichter bedarfsgerecht erfolgt. Diese Maßnahme ver- voller Leistung des Radialgebläses erreicht Innen-
ringert den durch den Kältekreislauf verursachten raumtemperaturen von 25 °C nach 20 min und 23 °C
Kraftstoffmehrverbrauch. nach 60 min Betriebsdauer. Der zeitliche Tempera-
56 3 Fahrzeugphysik
30
–20 °C Umgebungstemperatur
25
20
Innenraumtemperatur [°C]
15
10
–5
Fahrzustand:
50 km/h@3. Fahrstufe
–10
Diesel-Fahrzeug mit el. Zuheizer
–15
Diesel-Fahrzeug ohne el. Zuheizer
–20
0 10 20 30 40 50 60 Bild 3.3-16 Aufheizkurve
Zeit [min] eines Fahrzeugs der Kom-
paktklasse
turverlauf mit maximaler Leistung der Klimaanlage und Temperaturen im Kältekreislauf. Dies bedeutet,
zeigt zu Beginn einen großen Gradienten, der in einen dass ein Kältekreislauf abschließend nur im Fahrzeug
Beharrungswert übergeht, siehe Bild 3.3-17. beurteilt werden kann.
Zu Beginn der Abkühlung treten am Verdampfer Zur Auslegung der Heiz- und Kältekreisläufe gewin-
Leistungen bis zu 8 kW auf, die jedoch in der Nähe nen Simulationsverfahren eine immer größere Bedeu-
eines Beharrungszustandes auf Werte um 2,5 kW fal- tung [16, 19, 22]. Dabei können stationäre Betriebs-
len. Der Luftstrom in den Fahrgastraum beträgt hier- zustände mit einer hohen Genauigkeit abgebildet wer-
bei zwischen 7 und 11 kg/min. den – dies gilt auch für die Aufheiz- und Abkühlvor-
Für die Beurteilung einer Kälteanlage sind folgende gänge der Fahrgastzelle, da diese bezüglich der Kreis-
Größen maßgebend: läufe mit ausreichender Genauigkeit als quasi-
Kälteleistung stationär betrachtet werden können. Methoden zur Si-
Wirkungsgrad mulation von dynamischen Vorgängen (z.B. Schalt-
Geräusch/Vibration stöße oder auch Massenverlagerungen im Kältekreis-
Regelverhalten lauf) sind in Entwicklung.
Dauerlauffestigkeit
3.3.2.5 Kraftstoffmehrverbrauch
Diese Größen werden von den Komponenten selbst
durch die Klimaanlage
sowie von der Systemumgebung beeinflusst – also
vom Verlauf und den Eigenschaften der Kältemittel- Der von der Klimaanlage verursachte Kraftstoff-
leitungen, von der Belüftung des Kondensators sowie Mehrverbrauch eines Fahrzeuges für die Kühlung des
von den Betriebsbedingungen vorgegebenen Drücken Innenraums [23] setzt sich zusammen aus: 1. der für
70
60 min passive Aufheizung Fahrzeug A
Fahrzeug B
60
Fahrzeug C
Innenraumtemperatur [°C]
50
40
30
20
45 °C Umgebungstemperatur
Fahrzustand:
40 % relative Luftfeuchte
10 50 km/h@3. Fahrstufe
1000 W/m2
ab 60 min. Idle
Sonneneinstrahlung
0
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Bild 3.3-17 Typische
Zeit [min] Abkühlkurve des Innen-
raums
3.3 Wärmetechnik 57
den Verdichterantrieb erforderlichen Motorleistung, Regional kommen dazu noch Bestrebungen zur Ver-
2. dem Mehrverbrauch aufgrund des höheren Fahr- ringerung der Abhängigkeit vom Öl.
zeuggewichtes und 3. der benötigten elektrischen Großes Augenmerk liegt deshalb auf der weiteren Ef-
Leistung für Lüfter und Gebläse. fizienzsteigerung des Verbrennungsmotors und der
Die Extremfälle der klimatischen Randbedingungen Komponenten des Antriebstrangs. Verbrauchseinspa-
bestimmen bei der Auslegung die notwendige Leis- rungen in der Größenordnung von 20 bis 30 % wer-
tung und somit die Größe der Komponenten in Heiz- den als realistisch angesehen. Darüber hinaus können
und Kältekreislauf. Für den Kraftstoffverbrauch des weitere Potenziale durch zunehmende Elektrifizierung
Klimatisierungssystems hingegen sind die am häu- gewonnen werden z.B. [38]. Die Elektrifizierung
figsten auftretenden Betriebspunkte, nämlich Teillast- reicht dabei von der Umstellung der Nebenaggregate
fälle, maßgeblich. Daher berechnet man den Mehr- auf besser regelbare Elektroantriebe über hybride An-
verbrauch im Jahresmittel mithilfe von Lastprofilen, triebssysteme bis zum reinen Elektroantrieb.
in denen der Kraftstoffverbrauch in mehreren Be- Als alternative Antriebe werden hier deshalb aus-
triebspunkten bei verschiedenen Außentemperaturen schließlich elektrifizierte Antriebsysteme einschließ-
und Fahrwerten nach ihrer Häufigkeit gewichtet wer- lich der Brennstoffzelle betrachtet. Alle anderen al-
den [24]. ternativen Antriebsarten wie z.B. Gasturbinen, Stir-
Am Beispiel eines ausgewählten Fahrzeuges wurde ling Motoren oder Dampfprozesse spielen keine nen-
die Leistungsaufnahme des Verdichters anhand eines nenswerte Rolle in der Pkw Entwicklung.
Lastprofils für mitteleuropäisches Klima gemittelt Aus der Sicht des Thermomanagement (TM) ergeben
und mit der jährlichen Betriebsdauer des Fahrzeugs sich auf dem Weg der zunehmenden Elektrifizierung
multipliziert. Die Betriebsstundenzahl ist durch die andere Randbedingungen bestehender Funktionen
Annahme einer Jahresfahrleistung von 15.000 km und gänzlich neue Aufgaben.
und durch die mittlere Geschwindigkeit des zugrunde Generell steht mit zunehmender Effizienz des An-
liegenden Fahrzyklus von 33,6 km/h (Durchschnitts- triebstrangs weniger Abwärme zur Verfügung. Es ent-
geschwindigkeit im NEFZ – Neuer Europäischer Fahr- steht dann bei kalten Temperaturen ein Heizleis-
Zyklus) festgelegt. Damit ergibt sich ein durchschnitt- tungsdefizit. Bereits heute werden deshalb in effizien-
licher jährlicher Kraftstoffbedarf von 0,5 l/100 km für ten Dieselfahrzeugen elektrische Zuheizer eingebaut
die Kühlung des Innenraums. Weitere Maßnahmen [39]. In reinen Elektrofahrzeugen steht zukünftig bei
zur Reduktion des Kraftstoffverbrauchs sind, nur so begrenztem Energieinhalt der Batterie die Klimatisie-
viel und so oft zu Kühlen, wie für Komfort, Fah- rung im Sommer oder die Heizung im Winter mit der
rerkondition und Fahrsicherheit nötig ist. Wichtige Reichweite in Konkurrenz [40]. Deshalb müssen neue
Punkte sind die richtige Regelung, die Verringerung Ansätze zur Heizung und Klimatisierung zum Einsatz
des Wärmeeintrags in die Kabine, des Stromver- kommen.
brauchs und der Verdichterantriebsleistung.
3.3.3.2 Microhybride
3.3.3 Komponenten und Systeme zur Hei- Ein Fahrzeug mit Microhybridantrieb ist eigentlich
zung und Kühlung von Fahrzeugen kein Hybridfahrzeug im strengen Sinne, weil es aus-
mit alternativen Antriebssystemen schließlich mit einem Verbrennungsmotor fährt. Sei-
ne Merkmale sind [41]:
3.3.3.1 Einführung
Reduktion sämtlicher parasitärer Energieverbräu-
Seit Bestehen von Kraftfahrzeugen wurden immer che
wieder Versuche unternommen, den klassischen Start-Stopp Funktion im Stadtverkehr
Hubkolbenverbrennungsmotor (ICE = Internal Com- intelligentes Lademanagement vorwiegend im
bustion Engine) durch andere Antriebsarten zu erset- Schubbetrieb
zen. Bislang blieben alle diese Versuche ohne flä- Bordnetz ausschließlich auf 12 V
chendeckenden Markterfolg, da die Kombination aus Energiequelle Kraftstoff
Verbrennungsmotor und hoher Energiedichte von riemengetriebener Klimakompressor
flüssigen Kraftstoffen die Erfordernisse der Individu- Das Fahrzeug besitzt ein konventionelles Motorkühl-
almobilität technisch und wirtschaftlich gut erfüllen. system abgestimmt auf den eingesetzten Verbren-
In jüngster Zeit richten sich jedoch das öffentliche In- nungsmotor. Die effiziente Betriebsweise verursacht
teresse und die politischen und gesetzlichen Vorga- jedoch bei kalter Witterung ein Heizleistungsdefizit,
ben auf den Kraftstoffverbrauch. Grund dafür sind die das durch elektrische oder kraftstoffbetriebenen Zu-
endlichen Ölvorkommen und die damit einhergehen- heizer ausgeglichen wird.
de Verteuerung fossiler Kraftstoffe und die Klima- Während der Stopp-Phase arbeitet der riemengetrie-
veränderungen bedingt durch den CO2 Ausstoß. Ein bene Klimakompressor nicht. Hier kann ein Speicher-
weiterer Treiber zur Suche nach emissionsfreien An- verdampfer [42] den Klimakomfort aufrecht erhalten
trieben ist die Smogbelastung in den Megastädten. und unangenehme Gerüche durch den feuchtwarmen
58 3 Fahrzeugphysik
25
konventioneller Verdampfer
20
Verdampfergeruch ab 15 °C
Ausblastemperatur [°C]
15
Komfortgrenze 11 °C Zeitgewinn 50 Sek.
10
Speicherverdampfer
5
Klimaverdampfer verhindern. Der Speicherverdamp- zur Motorkühlung. Darüber hinaus entsteht ein Kühl-
fer besitzt in einer zweiten Rohrreihe eine wachsarti- bedarf für die Batterie und für die Leistungselektro-
ge Substanz (PCM = Phase Change Material), das nik. Die abzuführenden Wärmeströme sind im Ver-
sich bei einer Temperatur von ca. 7 °C verfestigt. gleich zur Motorkühlung gering, da die Wirkungs-
Fehlt bei Motorstopp der Kältemittelnachschub kühlt grade dieser Komponenten hoch sind. Man benötigt
das PCM die Kabinenzuluft bis es wieder aufge- jedoch verschiedene Temperaturebenen der Kreis-
schmolzen ist. Damit kann ein Ampelstopp bis zu läufe:
50 Sekunden überbrückt werden. In der nachfolgen- ICE und Antriebsstrang mit E-Motor < 100 °C
den Fahrphase wird der PCM „Kältespeicher“ wieder Leistungselektronik < 60 °C
geladen. Li-Ion Batterie < 40 °C
In Bild 3.3-18 ist der Verlauf der Ausblastemperatur
Die Temperaturniveaus ergeben sich aus den Lebens-
an den Kabinenausströmern mit und ohne Speicher-
daueranforderungen der elektrischen Komponenten.
verdampfer dargestellt. Es wird dabei deutlich, dass
Leistungshalbleiter und Li-Ion Zellen unterliegen
bei Motor- und damit Kompressorstopp die Ausblas-
einem temperaturabhängigen Alterungsprozess und
temperatur bei Einsatz eines Speicherverdampfers
dürfen deshalb über die o.a. Temperaturen hinaus
deutlich schwächer ansteigt. Erst nach 50 Sekunden
nicht dauerhaft betrieben werden. Leistungselektroni-
wird der kritische Wert von 12 °C erreicht. Ab 15 °C
ken werden deshalb mit einem separaten Niedertem-
beginnt die Wahrnehmung eines unangenehm feuch-
peratur-Kühlmittelkreislauf bei ca. 60 °C gekühlt.
ten Geruchs.
Die Li-Ion Batterien benötigen bei hohen Außentem-
3.3.3.3 Milde Hybride und Batteriekühlung peraturen die Unterstützung durch das Klimasystem
des Fahrzeugs, da die treibende Temperaturdifferenz
Als milde Hybride werden Fahrzeuge bezeichnet, die zur Kühlung bei 40 °C nicht mehr ausreicht, s. dazu
einen elektrischen Zusatzmotor im Antriebsstrang mit auch [43 – 46]. Bild 3.3-19 zeigt die verschiedenen
ca. 10 bis 20 kW Leistung haben. Dieser dient zur Systemansätze zur Kühlung von Li-Ion Batterien mit
Unterstützung des Anfahr- und Beschleunigungsvor- Anbindung an den Kältekreislauf des Fahrzeugklima-
gangs (Boosten) und im Generatorbetrieb zur Reku- systems.
peration der Bremsenergie. Merkmale eines milden Dargestellt ist jeweils der Kältekreislauf des Fahr-
Hybriden sind: zeugklimasystems mit Kondensator, Kompressor und
Verdampfer zur Kabinenkühlung.
Start-Stopp Funktion s.o.
Bei der Luftkühlung fördert ein Gebläse Luft, die
Boosten
bei hohen Außentemperaturen über einen Zusatzver-
Bremsenergie rekuperieren
dampfer des Kältekreislaufs abgekühlt wird, in die
Bordnetz 12 V und >120 V (Li-Ion Batterie)
Batterie. Die einzelnen Zellen in der Batterie sind auf
Energiequelle Kraftstoff und Hochvoltbatterie
Abstand angeordnet und werden von der kalten Luft
Kühlbedarf für Batterie und Leistungselektronik
umspült.
I.d.R. kein elektr. Fahren und kein Nachladen an
Kompakter ist die Kühlung direkt mit Kältemittel aus
der Steckdose (plug-in)
dem Klimasystem. Die Batteriezellen sind dabei mit
Elektrisch angetriebener Klimakompressor
gutem Wärmekontakt auf einer Kühlplatte mit Kanä-
Da der Antrieb durch den ICE erfolgt und der E-Mo- len angeordnet. In diesen Kanälen verdampft das Käl-
tor lediglich unterstützende Funktion hat, besitzen temittel und kühlt so die Batteriezellen gleichmäßig.
solche Fahrzeuge in vollem Umfang die Infrastruktur Bild 3.3-20 zeigt eine solche Batteriekühlplatte.
3.3 Wärmetechnik 59
Kabine
Kondensator
Verdampfer
Verdampfer
Kondensator
Kondensator
Batteriekühler Bild 3.3-19 System-
varianten Batteriekühlung
Sonne extrem aufgeheiztem Fahrzeug der Fall sein. In da bei der BSZ keine Wärmeabfuhr über das Abgas
diesen Fällen wird die elektrische Energie für die Zu- erfolgt. Zudem beträgt das Temperaturniveau der
satzheizung bzw. den Klimakompressor benötigt. BSZ-Kühlung lediglich ca. 80 °C statt ca. 100 °C.
Will man jedoch größere elektrische Reichweiten (bis Damit wird die treibende Temperaturdifferenz zur
ca. 30 km) bei ausgeschaltetem Verbrennungsmotor Umgebung kleiner. Die Komponenten zur Antriebs-
immer gewährleisten, um z.B in ausgewiesenen städ- strangkühlung sind deshalb entsprechend leistungs-
tischen Zonen nur rein elektrisch zu fahren, zehrt die stark auszulegen, sind jedoch gleicher Art wie dieje-
notwendige Energie zum Heizen oder Kühlen der nigen für Verbrennungsmotoren.
Kabine an der Reichweite. Prinzipiell hat man zwar
die Möglichkeit über den ICE oder eine separate 3.3.3.5 Batteriebetriebene Elektrofahrzeuge
Brennstoffheizung thermischen Komfort sicherzustel- Elektrofahrzeuge (BEV = Battery Electric Vehicle)
len, ob dies jedoch vom Markt und dem Gesetzgeber unterscheiden sich aus energetischer Sicht in drei we-
akzeptiert wird, ist noch nicht entschieden. sentlichen Punkten von allen Hybridfahrzeugen.
Unter den Vollhybriden nehmen die Range Extender 1. Die in der Batterie gespeicherte Energie beträgt
Vehicles (REV) eine besondere Stellung ein. Der An- nur ein Bruchteil derer von flüssigem Kraftstoff.
triebsstrang ist dabei weitgehend elektrisch. Eine Ein- Deshalb ist der Zwang zur Energieeffizienz zum
heit aus Verbrennungsmotor und elektrischem Gene- Vortrieb und zum Thermomanagment sehr hoch.
rator lädt bei Bedarf die Batterie nach. Somit kann die 2. Es besteht prinzipiell die Möglichkeit zur thermi-
elektrische Reichweite (ca. 60 km) auf den Wert von schen Vorkonditionierung während des Ladevor-
konventionellen ICE-Fahrzeugen (ca. 400 km) erwei- gangs, wenn das Fahrzeug mit dem Stromnetz ver-
tert werden. Als Range Extender können in Zukunft bunden ist.
auch Brennstoffzellen dienen. 3. Die abzuführende Kühlleistung des Antriebstrangs
Bild 3.3-22 zeigt ein Kühlmodulaufbau eines REV. ist um Faktoren geringer (<1 kW im Durch-
Die Anordnung der Kühler entgegen der Fahrtrichtung schnitt). Dadurch steht aber auch zum Heizen so
entspricht der erforderlichen Temperaturlage Batterie gut wie keine Abwärme mehr zur Verfügung.
(ca. 40 °C) – Klimakondensator (ca. 50 °C) – Elektro-
nikkühlung (ca. 60 °C) – ICE-Kühlung (ca. 100 °C). Die wesentlichen Funktionsmerkmale eines Elektro-
Vollhybride und REV, die am Stromnetz aufgeladen fahrzeugs sind:
werden, können thermisch vorkonditionert werden. Start-Stopp Funktion systembedingt
D.h., Innenraum und temperatursensible Komponen- Bremsenergie rekuperieren, s.o.
ten werden vor Fahrtantritt auf die erforderliche Be- Bordnetz 12 V und >300 V (Li-Ion Batterie)
triebstemperatur gebracht. Dies gilt besonders für Energiequelle Hochvoltbatterie
Aufwärmung/Abkühlung des Innenraums und die Kühlbedarf für Batterie, Leistungswandler und E-
Vorkonditionierung der Batterie. Motor jedoch geringe Abwärmen
Wird als Range Extender statt eines ICE eine Brenn- Rein elektrisches Fahren
stoffzelle (BSZ) verwendet, ändern sich die Anforde- Laden an der Steckdose (plug-in)
rungen der Antriebsstrangkühlung dahingegehend, Sämtliche Hilfsaggregate rein elektrisch (z.B. Kli-
dass höhere Wärmeströme abgeführt werden müssen, makompressor)
Batteriekühler
Kondensator
Modulrahmen
Leistungselektronikkühler
Kühlmittelkühler
Lüfterzarge
Lüftermotoren
Die Infrastruktur zur Kühlung des Antriebsstranges Reichweitenreduktion eines Elektrofahrzeugs durch
beschränkt sich auf Batterie, Leistungswandler und einen Einsatz eines solchen Heizers bei einer Außen-
E-Motor mit sehr geringen Abwärmen im Durch- temperatur von 0 °C. Durch Einsatz einer Wärme-
schnitt deutlich unter 1 kW. Hier kommen die Kom- pumpe kann die Reichweite wieder auf 125 km er-
ponenten NT-Kühler und Batteriekühlplatten und je höht werden.
nach Systemwahl ein Chiller zum Einsatz, s. dazu Solche Wärmepumpensysteme kann man durch Mo-
Kap. 3.3.3.3. difikation des bestehenden Kältekreislaufs darstellen.
Die besondere Herausforderung des Thermomanage- Entsprechende Entwicklungen laufen bei Automobil-
ments bei BEV besteht in der Heizung und Kühlung herstellern und Zulieferern.
der Kabine. Der Leistungsbedarf dieser Funktionen
ist in der gleichen Größenordnung wie der des Vor- Literatur
triebs und die Funktionen müssen auch im Stillstand, [1] Lutz, R.; Kern, J.: Ein Wärmeübertrager für gekühlte Abgasrück-
wenn der E-Motor steht, betrieben werden. D.h., der führung; 6. Aachener Kolloquium Fahrzeug und Motorentechnik
1997
Energiebedarf wird durch die Betriebsdauer und [2] Eichelseder, W.; Marzy, R.; Hager, J.; Raup, M.: Optimierung
nicht durch die Fahrstrecke bestimmt. Dabei muss des Wärmemanagements von Kraftfahrzeugen mithilfe von
zumindest immer eine freie Sicht gewährleistet sein. Simulationswerkzeugen, Tagung Wärmemanagement, Haus der
Technik Essen, 9/98
Effizientes Heizen und Kühlen von E-Fahrzeugkabi-
[4] Kern, J.: Neue Konstruktion gelöteter Ganzaluminiumkühler für
nen beinhaltet deshalb ein ganzes Bündel von Maß- Kfz, ATZ 100, 9/98
nahmen. Passive Maßnahmen zielen darauf ab die [5] Löhle, M.; Kampf, H.; Kern, J.: Integrierte Systeme und Produk-
Wärmeverluste im Winter bzw. den Wärmeintrag im te zur Motorkühlung und Innenraumklimatisierung, ATZ Son-
derausgabe Systempartner 98
Sommer zu verringern z.B. über Isolierungsmaßnah-
[6] Martin, M.: Elektronisch geregelte elektromagnetische Visco-
men oder über die Veränderung der Strahlungseigen- Lüfterkupplungen für Nutzfahrzeuge, ATZ 95, 5/93
schaften von Scheiben. [7] Ambros, P.: Beitrag der Motorkühlung zur Reduzierung des
Eine weitere Zielrichtung ist, Wärme und Kälte ge- Kraftstoffverbrauchs, Tagung Wärmemanagement, Haus der
Technik Essen, 9/98
zielt nur dort einzusetzen, wo sie benötigt wird, z.B.
[8] Kampf, H.: Konditionssicherheit des Fahrers – die Klimaanlage
durch Sitzheizung, Scheibenheizung oder gezielte als Instrument der aktiven Sicherheit, Vortrag auf: VDA Techni-
Luftführung (Luftschleier). scher Kongress, Stuttgart 2002
Wie schon im vorigen Kapitel ausgeführt, können E- [9] Richtlinie EWG 79/317 oder US Sicherheitsnorm FMVSS 103
[10] Flik, M.; Löhle, M.; Wilken, H.; Humburg, M.; Vilser, L.: Behei-
Fahrzeuge während des Ladevorgangs thermisch vor- zung von Fahrzeugen mit verbrauchsoptimierten Motoren. Vor-
konditioniert werden. Damit wird der Energiebedarf trag auf dem Wiener Motorenkolloquium 1996
für Heizen und Kühlen auf die Erhaltung begrenzt. [11] Kampf, H.; Kunberger, O.; Weinbrenner, M.: Klimatisierung
Die Kälteerzeugung zur Klimatisierung/Kühlung er- von Fahrzeugen mit kraftstoffsparenden Motoren, in Schlenz, D.
(Hrsg.): Pkw-Klimatisierung II, Expert Verlag, Renningen, 2002
folgt weiterhin über den Kompressionkreislauf, aller- [12] Haubner, F.; Koch, F.: Zuheizerkonzepte zur Verbesserung der
dings mit elektrischem Verdichter, Verdampfer und Heizleistung in verbrauchsoptimierten Fahrzeugen, in Schlenz, D.
Kondensator. (Hrsg.): Pkw-Klimatisierung II, Expert Verlag, Renningen 2002
Erforderliche Antriebsleistungen liegen bei ca. 3 kW. [13] Nothen, M.: Brennerheizungen als Zu- und Standheizungen im
Pkw, in Schlenz, D. (Hrsg.): Pkw-Klimatisierung, Expert Verlag,
Zur Wärmeerzeugung wird ein elektrischer PTC-Hei- Renningen, 2000
zer verwendet, ähnlicher Art wie er bisher auch [14] Beetz, K.: Elektrische Zuheizsysteme – Innovative Lösungen, in
als Zuheizer in Dieselfahrzeugen zur Anwendung Schlenz, D. (Hrsg.): Pkw-Klimatisierung II, Expert Verlag, Ren-
kommt. Die max. Leistung beträgt 3 bis 5 kW. Er ningen, 2002
[15] Condensers of Automotive Air Conditioning Systems with a 3-D
wird mit Hochspannung (>300 V) betrieben und muss Cell Model, VTMS Tagung Indianapolis 1997
entsprechend sicher ausgeführt sein. An kalten Tagen [16] Heckenberger, Th.: Simulationsverfahren im Thermomanage-
reduziert ein rein elektrischer Heizer allerdings die ment von Fahrzeugen, Automotive Engineering Partners, 6/2003.
Reichweite von 146 auf 81 km. Bild 3.3-23 zeigt die [17] Reichelt, J.: Leistungsgeregelte Verdichter zur Pkw-Klimatisie-
rung, Karlsruhe, 1987
[18] Cullen, P.: Variable Stroke Compressor Developments for Im-
proved Air Conditioning Performance, Fuel Economy and Drive
180 Ability, VTMS4, London, 1999
160 146 km
140 125 km
[19] Brotz, F.; Mersch, T.; Morgenstern, S.; Taxis-Reischl, B.: Pro-
120 gress in the Optimized Application of Simulation Tools in Vehi-
100 81 km cle Air Conditioning, VTMS5, Nashville, 2001
80 [20] Austin, K.; Botte, V.: An Integrated Air Conditioning (AC) Cir-
60
cuit and Cooling Circuit Simulation Model, VTMS5, Nashville
40
20 2001
0 [21] Ellinger, M.; Schröder, K.; Wagner, S.: Simulation von Klima-
ohne PTC Wärmepumpe anlage und Fahrgastzelle, Automobiltechnische Zeitschrift, Nr. 2,
Heizen (COP = 1) (COP = 4,5)
2002
[22] Hirate, T.; Fujiwara, K.; Györög, T.: Verbesserung von Fahr-
zeug-Klimaanlagen, KI Luft- und Kältetechnik, Nr. 12, 1999
Bild 3.3-23 Reichweite eines E-Fahrzeugs ohne und [23] Feuerecker, G.; Kampf, H.; Krauß, H-J.; Parsch, W.; Rinne, F.;
mit Wärmepumpe bei 0 °C; COP = Coefficient of Walter, C.: CO2 als alternatives Kältemittel, in Schlenz, D.
Performance (Hrsg.): Pkw-Klimatisierung II, Expert Verlag, Renningen, 2002
62 3 Fahrzeugphysik
[24] Graz, M.; Kuhn, P.; Obrist, F.; Parsch, W.; Rinne, F.: Kohlen- ness) wesentlich verschärft [22]. Ursächlich dafür ist
dioxid-R744 als Kältemittel in Fahrzeug-Klimaanlagen, Auto-
sowohl der Wettbewerbsdruck als auch die Vorgaben
mobiltechnische Zeitschrift, Nr. 12, 2001
[25] Cucuz, S.; Fröhling, J.; Heyl, P.; Wieschollek, F.: Kühlen und des Gesetzgebers. Der erreichte Fortschritt lässt sich
Heizen mit natürlichem Kältemittel CO2, System Partners ATZ/ beispielhaft am Konstantfahrt-Geräuschpegel aufzei-
MTZ, Mai 2002 gen. Dieser hat sich bei der jeweils nachfolgenden
[26] Adiprasito, B.: COP Comparison R134a vs. CO2, SAE Alternate
Refrigerant Symposium Phoenix, 2000
Fahrzeuggeneration im Durchschnitt um ca. 1,5 –
[27] Fröhling, J.; Heyl, P.: Heizen und Kühlen mit CO2-Pkw-Klima- 2 dB(A) verringert und liegt mittlerweile bei moder-
anlagen, in Schlenz, D. (Hrsg.): Pkw-Klimatisierung II, Expert nen Limousinen der Oberklasse im Wertebereich um
Verlag, Renningen, 2002 60 dB(A) bei 100 km/h (Bild 3.4-1).
[28] Dohmen, J. et al.: „Virtuelle Kühlsystementwicklung“. MTZ
12/2006, S. 966 – 973
Die Absenkung von störenden Geräuschpegeln allei-
[29] Edwards, S. et. al.: „CO2-Minderung bei einem Turbo-DI-Otto- ne ist jedoch keine hinreichende Bedingung für die
motor durch optimiertes Thermomanagement“; MTZ 01/2008 Kundenakzeptanz eines Fahrzeugs. Vielmehr verliert
[30] Kramer, W.: „Indirekte Ladeluftkühlung bei Diesel- und Otto- ein Fahrzeug bei zu niedrig gewähltem Motoren-
motoren“; MTZ 02/2006
[31] Borrmann, D. et. al.: „Zylinderkopf mit integriertem Abgas-
Geräuschniveau rein subjektiv an Dynamik, ein Ef-
krümmer als Beitrag zu ottomotorischen Downsizing Konzep- fekt, der zumindest bei sportlich positionierten Fahr-
ten“, 17. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik zeugen nicht erwünscht ist. Insofern ist es eine Tat-
2008 sache, dass ein absolut leises Fahrzeug ein Vehikel
[32] Dietz, S.; Korfmann, S.; Kammler, T.: „Requirements on Vehicle
Cooling Systems due to Alternative Drive Train Concepts and
ohne Seele darstellen würde. Vielmehr erwartet der
CO2 Reduction Measures“, Stuttgarter Symposium 2009 Fahrer beim Betätigen des Fahrpedals neben der Be-
[33] Szengel, R. et. al.: „Der TSI Motor mit 90 kW“, MTZ 07/2007 schleunigung des Fahrzeugs auch eine angemessene
[34] Hummel, K. et. al.: „Ansaugmodul mit indirektem und integrier- akustische Response des Motors [18].
tem Ladeluftkühler“, MTZ 11/2010
[35] Metzner, F. et.al.: „Innovatives Thermomanagement am Beispiel
Aufgrund dieser Zusammenhänge stellt sich dem
des neuen Volkswagen Touareg“, 19. Aachener Kolloquium Akustikingenieur nicht nur die Aufgabe störende Ge-
Fahrzeug- und Motorentechnik 2010 räusche auf ein verträgliches Maß zu reduzieren,
[36] Flik, M.; Edwards, S.; Pantow, E.: „Emissionssenkung bei Nutz- vielmehr muss er einen Schwerpunkt seiner Arbeit
fahrzeugen durch Thermomanagement“, Wiener Motoren Sym-
posium 2009
auch auf das Geräuschdesign nach psychoakustischen
[37] Kemle, A.; Manski, R.; Weinbrenner, M.: Klimaanlagen mit er- Grundsätzen legen [2]. Er hat sicherzustellen, dass
höhter Energieeffizienz; Automobiltechn. Zeitschrift Nr. 9, 2009 jeder Fahrzeugtyp über eine wohl definierte Ge-
[38] Bohr, B.: Antriebsstrangvielfalt und Elektrifizierung: Herausfor- räuschkulisse verfügt, welche den Kundenerwartun-
derungen und Chancen für die Automobilindustrie, Vortrag
Wiener Motorensymposium 2010
gen entspricht. Ein Roadster muss eine sportlich
[39] Molt, K.: PTC Heizung, ATZ 1998-08 ausgerichtete, leistungsbetonte Geräuschcharakteris-
[40] Bloch, A.: Eiszapfen, Auto Motor Sport, 1/2011, S. 142 ff tik mit reichlich akustischem Feedback an den Fah-
[41] Liebl, J.: Fahrzeugenergiemanagement – der Schlüssel zur CO2- reraufweisen, während bei einer Luxuslimousine das
Reduzierung, VDA Technischer Kongress VDA 2007
[42] Manski R.; Weinbrenner, M.; Kerler B.; Heinle, D.: Speicher-
zu realisierende Geräuschambiente beim Innen- und
Klimatisierung für Hybridfahrzeuge mit Start-Stopp-Funktion, Außengeräusch Souveränität und Noblesse vermitteln
ATZ 2006-12 muss. Eine besondere Herausforderung stellt die
[43] Neumeister, D.; Wiebelt, A.; Heckenberger, Th.: Systemeinbin- akustische Gestaltung von Fahrzeugen mit Hybridan-
dung einer Li-Ion-Batterie in Hybrid- und Elektroautos, ATZ
2010-04
trieb dar. Dabei ist es nicht nur notwendig, eine Reihe
[44] Wiebelt, A.; Isermeyer, T.; Siebrecht, T.; Heckenberger, Th.: neuer Störgeräusche zu eliminieren, vielmehr muss
Thermomanagement von Li-Ion-Batterien, ATZ 2009-08 auch das weitgehend geräuschlose elektromotorische
[45] Brotz, F.; Isermeyer, T.; Pfender, C.; Heckenberger, Th.: Küh- Fahren mit dem verbrennungsmotorischen Betrieb zu
lung von Hochleistungsbatterien für Hybridfahrzeuge, ATZ
2007-12
einem homogenen akustischen Charakter integriert
[46] Herrmann, H.-G.; Neumeister, D.; Wiebelt, A.: Li-Ion Batterien werden.
richtig gekühlt, Automobilindustrie Sonderheft Insight, Dezem-
ber 2010
[47] Schmiederer, K.: Thermomanagement als Zukunftsaufgabe im
80
Automobilbau, ATZextra 04/2011, S. 66 – 70
Schalldruckpegel [dB(A)]
75 Kompakt-Klasse
70
65
Luxus-Klasse
60
3.4 Akustik und Schwingungen
3.4.1 Einleitung
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010
Während der letzten Dekaden haben sich die Anfor- Jahr der Markteinführung
derungen an die akustische und schwingungstechni-
sche Qualität von Fahrzeugen (im angelsächsischen Bild 3.4-1 Akustikniveau von Serienfahrzeugen bei
Sprachgebrauch NVH: Noise Vibration and Harsh- Konstantfahrt mit 100 km/h
3.4 Akustik und Schwingungen 63
Antrieb
Innengeräusch
• Standgeräusch
Luftschall- • Fahrgeräusch
Übertragungspfade • Betätigungsgeräusch
Rad/ • Störgeräusch
Fahrbahn
Um-
strömung Körperschall- Außengeräusch
Übertragungspfade • Standgeräusch
• Abfahrgeräusch
• Vorbeifahrgeräusch
Bild 3.4-2 Wesentliche
Mechatronik
Schallquellen, Übertra-
gungspfade und Geräusch-
phänomene
Werden solche Aspekte der Subjektivakustik konse- Störgeräusche zu großen Teilen von mechatronischen
quent über die gesamte Modellpalette eines Fahrzeug- Aktuatoren erzeugt werden. Die Geräusche werden
herstellers stimmig umgesetzt, so gelingt es, ähnlich in den Innenraum sowohl über Luftschall- als auch
wie beim geometrischen Design bereits seit langem über Körperschallpfade übertragen. Für das Außenge-
üblich, auch ein akustisches Markenzeichen zu prä- räusch sind Luftschallpfade dominant. In Bild 3.4-2
gen. Wie die Erfahrung zeigt, werden solche Maß- sind die Geräuschquellen, deren Übertragungspfade
nahmen der gezielten akustischen Gestaltung sowohl und die relevanten Geräuschphänomene schematisch
vom Kunden als auch von der Presse honoriert und dargestellt. Die Gliederung der folgenden Abschnitte
als kaufbeeinflussendes Differenzierungsmerkmal zum orientiert sich an dieser Prinzipstruktur.
Wettbewerb anerkannt.
Bei der akustischen Auslegung von Fahrzeugen muss 3.4.2 Fahrgeräusche
man deshalb unterscheiden zwischen Störgeräuschen, Das Fahrgeräusch bei Konstantfahrt ist mit Ausnah-
die am Besten unhörbar bleiben, Betätigungsgeräu- me des Langsamfahrbereichs durch Wind- und Roll-
schen, aus deren Klangbild auf die ordnungsgemäße geräusch dominiert. Erst beim Beschleunigungsvor-
Funktionsausführung geschlossen wird (Blinkerge- gang kommt durch die ansteigende Motorlast ein
räusch) und dem Fahrgeräusch, das dem Fahrzeug- hörbarer Anteil Motorgeräusch hinzu, der bei Volllast
charakter gemäß zu gestalten ist. Das Fahrgeräusch pegelbestimmend wird und sich im Klangbild signifi-
wird ursächlich vom Wind-Rollgeräusch und vom kant vom Wind-Rollgeräusch abhebt. Differenzie-
Motorgeräusch bestimmt, während Betätigungs- und rungspotenzial im Sinne von Soundgestaltung bietet
Innengeräusch [dB(A)]
Fahrgeräusch
bei Volllast
Wind-/Rollgeräusch
bei Konstantfahrt
Pegelsprung
bei Volllast
= subj. Dynamik
Fahrgeräusch Motorgeräusch
bei Konstantfahrt bei Konstantfahrt
10 dB
= Akustikkomfort
nur der Teil des Antriebsgeräusches, der sich aus dem 1. 2. 3. 4. 5. 6. Ordnung
Wind-Rollgeräusch abhebt. Er wird durch den Pegel- 6000 70
dB
sprung in Bild 3.4-3 charakterisiert. 1/min
Der akustische Komforteindruck im Fahrzeug-Innen- 60
5000
raum wird maßgeblich über das Konstantfahrtge-
räusch und damit vom Wind-Rollgeräusch bestimmt. 50
75
Charakterlose 100
Fahrzeuge Sportwagen 90
Artikulationsindex [%]
80
Satzverständlichkeit
70 Roadster 70
60
50
SUV’s Silbenverständlichkeit
40
65 Sport- 30
Coupe’s 20
Sportliche
Komfort- 10
Limousine
Limousine 0
60 40 60 80 100 120 140 160
1 5 10 15 Fahrzeuggeschwindigkeit [km/h]
Motorgeräusch, Pegelsprung bei 100 km/h [dB(A)]
Bild 3.4-6 Silben- und Satzverständlichkeit im Fond,
Bild 3.4-4 Akustische Positionierung von Fahrzeugen langsame Beschleunigung im längsten Gang
3.4 Akustik und Schwingungen 65
des zur Minimierung der vibroakustischen Emissio- werden neben der Mehrventiligkeit immer aufwän-
nen verbunden mit der gezielten Entkopplung aller digere variable Ventilsteuerungssysteme eingeführt.
relevanten Luft- und Körperschallpfade bei der Integ- Daraus resultieren in der Regel höhere bewegte Mas-
ration des Antriebs in das Fahrzeug machen gute sen. Deren Auswirkung auf die dynamischen Motor-
akustische Eigenschaften möglich. eigenschaften bedarf einer sorgfältigen Analyse und
Die schwingungstechnische Optimierung des Kurbel- eventuell geeigneter Kompensationsmaßnahmen, z.B.
triebs ist ein wesentliches Element der vibroakusti- durch Ausgleichsgewichte. Vom Ventiltrieb erzeugte
schen Auslegung einer Antriebseinheit. So sind u.a. Schwingungen besitzen im allgemeinen eine viel-
die Zylinderanordnung (Reihen- oder V-Motor), die fache Frequenz der 0.5ten Motorordnung, was einen
Zündfolge, das Lagerungskonzept der Kurbelwelle, subjektiv rauen Geräuscheindruck hervorruft, der oft
die Anzahl der Ausgleichsgewichte, die fundamenta- unerwünscht ist.
len Biege- und Torsionseigenfrequenzen der im Mo-
torblock verbauten Kurbelwelle sowie das Schub- 3.4.3.1 Luftschall
stangenverhältnis λ Parameter, die einen großen Ein- Der Luftschall eines Aggregats wird hauptsächlich
fluss auf die dynamischen Eigenschaften haben. (5.1) durch Schallabstrahlung der schwingenden Oberflä-
Hier gilt es, schon im Motorkonzept auf die akusti- chen erzeugt. Die Geräuschemission eines modernen
schen Belange Rücksicht zu nehmen. Bei Motorkon- Kfz-Verbrennungsmotors liegt bei Nennlast gemittelt
zepten ohne inneren Massenausgleich, z.B. bei R4 über die Hüllfläche in 1 m Abstand bei ca. 95 –
Motoren, sind Ausgleichswellen ein wirksames Mittel 100 dB(A). Der akustische Wirkungsgrad beträgt ca.
zur vibroakustischen Optimierung des Triebwerks –6
10 . Das entspricht einem Schalldruckpegel im Mo-
(Bild 3.4-7). torraum von bis zu 115 dB(A). Dieselmotoren sind
Von großem vibroakustischem Einfluss ist auch der im Teillastbereich tendenziell lauter, im Volllastbe-
Ventiltrieb. Aus Emissions- und Verbrauchsgründen reich leiser als vergleichbare Ottomotoren. Der Luft-
schall wird entweder über Öffnungen im Motorraum
nach außen emittiert oder über die Stirnwand und
Nebenwege in die Fahrgastzelle übertragen. Um die
Innenraumpegel auf Werte von 65 – 75 dB(A) zu be-
grenzen, muss die Einfügedämmung der Stirnwand
ca. 40 – 50 dB betragen.
Ventiltriebe mit vielen Variabilitäten, Aufladung und
Direkteinspritzung – auch beim Otto-Motor, führen
zunehmend zu hochfrequenter Schallabstrahlung ober-
halb der soundprägenden Motorordnungen. Diese
Spektralanteile verursachen ein unerwünscht hart und
metallisch klingendes Motorgeräusch. Die Schallab-
strahlung der Begrenzungsflächen des Motors muss
durch gezielte Versteifungsmaßnahmen auf ein erträg-
16000 liches Maß reduziert werden. Bei Bedarf ist auch der
Foszil = moszl lv2
l = s/2· l
Einsatz von Dämpfung durch Verbundblechkonstruk-
14000 tionen, z.B. bei der Ölwanne möglich. Die Abstrahlung
l =Pleuellänge
s = Hub des Ventiltriebs wird durch Abdeckungen aus Kunst-
12000 mosz = bewegte Masse
stoffträgermaterialien mit Absorbern motornah redu-
ziert. Auch die akustische Auslegung der Ansaug- und
freie Massenkraft [N]
Feder-Masse-System
Masse-Absorber-
10 dB
System
Stahlblech
80 % Leckagen
mit mehreren Dichtungsebenen (Bild 3.4-11), erge-
ben. 60 % Fläche 3
Bei der Konzeption von Luftschallpfaden hat sich die
statistische Energieanalyse (SEA) als rechnerische 40 %
Fläche 2
Methode im relevanten Frequenzbereich über 400 Hz
bewährt. Die rechnerische Betrachtung der Luftschall- 20 %
1000
800
1250
1600
2000
2500
3150
4000
5000
6300
10000
8000
sprechendem Modellierungsaufwand kann der Ener-
giefluss von den Eingangskavitäten im Motorraum Frequenz [Hz]
bis zum Innenraum der Fahrgastzelle genau beschrie-
ben werden. Im SEA-Modell lassen sich neben dem
2 Dämmungsebenen
F1 F2
F3
F4
Dichtebene 2 Dichtebene 1
Bild 3.4-12 SEA-Ergebnisse und Modell zur Luft-
Bild 3.4-11 Lenksäulenabdichtung schall-Übertragung vom Motorraum in den Innenraum
68 3 Fahrzeugphysik
ly
lx
MR
FL
MGW
3.4.5 Windgeräusch
Windgeräusche entstehen infolge von Wirbelbildung
Impedanz
80
75
70
Potenzial
Innengeräuschpegel [dB(A)]
Abdichtung/
65
Potenzial Exterieur
60 Karosserie
55
50
45
40
35
30
16 25 40 63 100 160 250 400 630 1k 1.6k 2.5k 4k 6.3k 10k
Frequenz [Hz]
Bild 3.4-23 Windgeräusch
72 3 Fahrzeugphysik
50
45 Akustisch abgestimmte
Durchgangsdämpfung [dB]
Verbundverglasung
40
Koinzidenz-
35 einbruch
30 Standard-
verglasung
25
20
15
10
80
100
125
160
200
250
315
400
500
630
800
1000
1250
1600
2000
2500
3150
4000
5000
6300
8000
10000
Frequenz [Hz]
Bild 3.4-24 Dämmungsver-
halten der Verglasung
Geräuschquellen E-Motor 60
l ag
g
n
n
ich
ich
la
he
he
ere
ere
sch
sch
rec
rec
ellb
ellb
Schalldruckpegel [dB(A)]
An
An
sb
sb
Elektromagnetisch Aerodynamisch Elektronisch
50
Lo
Lo
rst
rst
Ve
Ve
Stator Kühlung Regelung
40
Rotor Luftspalt Kommutierung
Magnetfeld
30 Senken Heben
Druckleitung Verdampfer
Expansionsventil
Saugleitung mit
Kondensator Muffler und
Kompressor Tilgermasse
Lenkung
3.4.6.6 Biegeschlaffe Leitungen
Biegeschlaffe Bauteile wie Schlauchleitungen von
Lenkhilfe Lenkgeometrie
hydraulischen Lenksystemen, elektrohydraulischen
Mechanisch Mechanisch Verdecken, Heiz/Klimaanlagen, Kühlwassersystemen
oder auch elektrische Kabelführungen stellen Schall-
Endanschlagimpuls Spielklappern übertragungswege dar. In Summe stellen die übertra-
Lagerspielklappern Lenkradvibrationen genen Teilschallleistungen aller Bauteile, welche eine
Verzahnungsgeräusche Lenkschlossklacken Verbindung vom Verbrennungsmotor bzw. akustisch
Hydraulisch Lenkradverstellsurren
aktiven Nebenaggregaten zur Karosserie haben, einen
erheblichen Anteil dar. In Bild 3.4-34 sind die wich-
Kinematik
Kavitationsklopfen tigsten biegeschlaffen Leitungen in der Silhouette ei-
Ventilzischen Systemschwingen ner Fahrzeugaußenkontur grafisch dargestellt. Deut-
lich erkennbar ist die Vielzahl der sich hieraus erge-
Lenkventilrattern Stößigkeit
benden Schallnebenwege.
Pulsationsheulen Fahrbahnrückmeldung
Leitungsresonanzen
Elektromechanisch
E-Motorlauf
Regelungsheulen
Verzahnung/Riemen
se sind dabei bis zu 1.000 relevante Kontaktstellen in Eine zusätzliche Geräuschquelle moderner direktein-
einem Fahrzeug zu betrachten. spritzender Motoren ist das Kraftstoff-Hochdruck-
Die Erfahrung zeigt, dass selbst bei systematischer system. Sowohl Injektoren als auch die Hochdruck-
Bündelung des vorhandenen Ingenieur-Wissens in pumpe emittieren aufgrund ihrer mechanischen Ar-
der präventiven Phase immer noch Restprobleme üb- beitsweise Schall im höherfrequenten Bereich, der
rig bleiben, die nicht bedacht wurden. Um diese Pro- sich auch über Anbauteile wie das Kraftstoffrail oder
bleme aufzudecken und Abhilfemaßnahmen zu be- die Grundmotorstruktur weiter ausbreiten kann.
werten sind Tests mit Hilfe geräuscharmer Gesamt- Bei immer rigideren gesetzlichen Anforderungen be-
fahrzeug- und Komponenten-Störgeräusch-Prüfein- züglich der Abgasemission ist der Spielraum für
richtungen notwendig. Zur objektiven Qualifizierung Akustikverbesserungen durch primäre Maßnahmen
der Störgeräusche wurden Methoden und Messsyste- am Motor geringer geworden. Hier greifen zunehmend
me zur Echtzeit-Erfassung, Analyse und Bewertung verschiedene passive Maßnahmen bei der Akustik-
von Störgeräuschen entwickelt [23, 24]. Die so ermit- optimierung von Fahrzeug und Antrieb.
telten Daten bilden auch die Grundlage für Qualitäts- Primär gilt es, die Motorstruktur selbst von Grund auf
vorgaben an Zulieferanten. unter akustischen Gesichtspunkten zu optimieren. Ei-
ne konstruktiv möglichst steife Gestaltung des Grund-
3.4.8 Außengeräusch motors, der Einsatz dämpfender Werkstoffe und eine
Optimierung mechanischer Komponenten sind Grund-
3.4.8.1 Standgeräusch voraussetzungen für eine effiziente quellenorientierte
Da im Stand und bei sehr geringen Fahrgeschwindig- Geräuschvermeidung.
keiten nahezu keine weiteren Geräuschquellen auftre- Übliche Kapselmaßnahmen in der Motorperipherie
ten, ist die Akustik des Antriebsstranges hier von be- und im Motorraum sind im Bereich der Injektoren die
sonderer Bedeutung. Injektorabdeckung sowie eine seitlich abgedichtete
Das Außenstandgeräusch ist einerseits erlebbar für Motorhaube mit innenliegendem Absorber. Im Be-
den Fahrer, sobald er bei laufendem Motor aus dem reich der Fahrzeugfront gilt der Einsatz von tempera-
Fahrzeug aussteigt oder z.B. an Parkschranken das turgesteuerten Klappen als Stand der Technik. An der
Seitenfenster öffnet. Andererseits ist auch die Wir- Fahrzeugunterseite sind vor allem als Schallquellen
kung auf Passanten entscheidend, beispielsweise bei die Ölwanne und das Getriebe, sowie Teile des Ab-
wartenden Fahrzeugen an Verkehrsampeln oder bei gaskrümmers, Abgasnachbehandlungssysteme und
langsam fahrenden Fahrzeugen auf Parkplätzen. Das der weiterführenden Abgasanlage, sowie Leckagen
Standgeräusch eines Fahrzeugs war bis vor kurzem des Motorraums durch Dämmungsmaßnahmen redu-
vor allem für Dieselfahrzeuge aufgrund ihrer „na- zierbar. Aus Gründen des Wärmemanagements sind
gelnden“ Verbrennungsgeräusche ein entscheidendes der vollständigen Kapselung jedoch Grenzen gesetzt.
Wertigkeitskriterium. Da sich Einspritzdrücke und Deshalb wird zusätzlich mit Absorptionsmaßnahmen
Zylinderdruckverlauf bei modernen Otto- und Die- im Motorraum, unter der Motorhaube und im Unter-
selmotoren aufgrund fortgeschrittener Brennverfah- bodenbereich des Innenraums gearbeitet. Auch Ab-
ren immer weiter annähern, ist das Außenstandge- sorptionsmaßnahmen auf der Außenfläche der Unter-
räusch inzwischen für beide Verbrennungsverfahren bodenverkleidungen und in den Radhäusern sind der-
ein wichtiger Gegenstand der Akustikentwicklung. zeit im Einsatz.
Der Druckgradient zwischen Brennbeginn und Druck-
3.4.8.2 Fahrgeräusche
maximum regt den mittleren Frequenzbereich des
emittierten Luftschalls an. Beim Druckabklingen bil- Das Vorbeifahrtgeräusch setzt sich im Wesentlichen
den sich Brennraumresonanzen aus, die wesentlich aus den zwei Teilschallquellen Antriebsgeräusch und
die höheren Frequenzen im Spektrum prägen. Ziel Reifen-Fahrbahngeräusch zusammen (Bild 3.4-35).
aus akustischer Sicht ist es, den Druckimpuls bzw. Als Ausdruck des langjährigen Entwicklungsfort-
die entstehenden Brennraumresonanzen abzuschwä- schrittes an den Aggregaten des Antriebsstranges zei-
chen. Dies kann bei Dieselmotoren durch neue Ein- gen sich die spektralen Anteile zweier vergleichbarer
spritztechnologien mit Piezoaktuatoren mittels geziel- Fahrzeuge deutlich verändert. Reduziert wurde vor
ter Vor- und Nacheinspritzungen erreicht werden. allem die Oberflächenabstrahlung des Motor-Getrie-
Brennraumresonanzen lassen sich durch Nachein- be-Verbunds und das Mündungsgeräusch der Abgas-
spritzung von Kleinstmengen in den Brennraum ab- anlage (Bild 3.4-36). Das R/F-Geräusch verbleibt in
schwächen. Bei Benzinmotoren sind die Stellhebel der Umgebung von 1 KHz als dominante Quelle und
Zündzeitpunkt und Einspritzzeitpunkt. Diese Maß- erschwert eine weitere Pegelabsenkung.
nahmen laufen aber teilweise dem Ziel der Effizienz-
steigerung und Abgasemissionsreduktion zuwider. 3.4.8.3 Vorbeifahrt nach ISO 362
Hier hilft eine differenzierte, drehzahlabhängige Ein- Die gesetzlichen Grenzwerte in der Außengeräusch-
spritzvorgabe, die speziell im Leerlauf für eine wei- Typprüfung sind durch ECE R51 bzw. durch ISO 362
chere Verbrennung sorgen kann. geregelt. Sie wurden seit 1980 schrittweise von 82
3.4 Akustik und Schwingungen 77
65
Lärmemissionen, wie sie bei Fahrzeugen im realen
innerstädtischen Verkehrsgeschehen auftreten. Eine
Antrieb gesetzlich verbindliche Einführung als ECE R51
55
(neu) ist ab 2013 zu erwarten.
In der z.Z. gültigen TP-Norm werden die Vorbei-
45 fahrtpegel unter Volllast ermittelt (Bild 3.4-37). Für
Fahrzeuge mit manuellen Getrieben werden Pegel-
35 werte des zweiten und dritten Ganges arithmetisch
–15 –10 –5 0 5 10 15 gemittelt, während automatische Getriebe in Stufe D
Weg [m]
gemessen werden. Eine Ausnahme stellen Fahrzeuge
Bild 3.4-35 Teilschallquellen Antriebsgeräusch und dar, die Hochleistungskriterien erfüllen; diese werden
Reifen-Fahrbahngeräusch in der beschleunigten Vor- nur im dritten Gang gemessen. In der Neufassung der
beifahrt TP-Norm „ISO362-neu“ ist die Geräuschemission ei-
nes Fahrzeugs bei v = 50 km/h unter Teillastkriterien
auf 74 dB(A) abgesenkt. Seit 1996 ist dieser Prozess zu ermitteln, die von dessen „power to mass-Ratio“
ausgesetzt, da erkannt wurde, dass die dadurch be- (PMR = Leistung/Gewicht in KW/t) abhängen. Dazu-
wirkte akustische Optimierung der Fahrzeuge sich erfolgen unter Auswahl geeigneter Gangstufen Vor-
unter den Bedingungen des realen Verkehrsgesche- beifahrten am Mikrofon bei Volllast (wot) und zu-
Gaswechsel R/F-Geräusch
80
BMW 1802 MJ ’74
BMW 318i MJ ’04
70
Schalldruckpegel pro Terz [dB(A)]
60
50
40
30
20
12,5
31,5
16
20
25
40
50
100
63
125
80
160
200
250
315
400
500
1000
630
1250
800
1600
2000
2500
3150
4000
5000
10000
6300
12500
8000
16000
20000
m/h
50 k
A
1,2 m
P 10 m A′
7,5
m
10 m 7,5
P′
m
B
B′
74 70
awot, i
73
Schalldruckpegel [dB(A)]
Schallpegel [dB(A)]
awot, i+1 65
72
Lwot, ref
71 60
Lurban
70
55
69
68 50
Lcruise aurban awot, ref
67 LGesamt LRoll LLast
0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 45
Beschleunigung [m/s2] 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0
Beschleunigung [m/s2]
Bild 3.4-38 Neues Messverfahren ISO 362
Bild 3.4-39 Roll- und Lastgeräusch eines Reifens
sätzlich Konstantfahrten (cruise) in diesen Gängen.
Die Mittelungsprozedur für die dabei gemessenen und Geräuscheigenschaften. Der R/F-Geräuschpegel
Pegel führt auf die Hilfspegel Lwot ref und Lcruise. Aus bei beschleunigter Vorbeifahrt setzt sich aus der
diesen wird der Typprüfpegel Lurban interpoliert, der Summe der Teilschallquellen für das Roll- und das
bei einer urbanen Beschleunigung aurban (vom PMR Lastgeräusch zusammen (Bild 3.4-39).
2
abhängig, und stets kleiner 2,0 m/s ) vorliegt. Der Al- Für Reifen traten 2003 zur Begrenzung der Reifen-
gorithmus ist aus Bild 3.4-38 nachvollziehbar. rollgeräusche die Regulierungen der Typprüfung
Im Rahmen einer COP-Prüfung (Conformity of Pro- 2001/43/EG in Kraft. Darin werden Grenzwerte bei
duction) wird die Einhaltung der Grenzwerte vom 80 km/h für das Rollgeräusch in Abhängigkeit von
Gesetzgeber auch in der laufenden Produktion gefor- der Reifenbreite festgelegt. Für verschiedene Reifen-
dert. Derzeit laufen Bestrebungen, Vorbeifahrtstyp- sätze sind in Bild 3.4-40 Rollgeräuschpegel über der
prüfungen auch in der Halle durchzuführen. Dabei Reifenbreite aufgetragen, zusammen mit den Grenz-
wird das Fahrzeug auf Rollen betrieben und die Vor- werten nach 2001/43/EG und Mittelwerten der Rei-
beifahrt über das sequentielle Durchschalten einer fenmessungen, die vor bzw. ab 2000 erfolgt sind. Es
Mikrofonreihe simuliert. Vorteil ist die wetter- und zeigt sich, dass die Pegel nur durch Bezug auf die
umfeldunabhänge Messung. Während des Entwick- Reifenbreite nicht ausreichend charakterisiert werden
lungsprozesses lässt sich die Zielerreichbarkeit mitt- können. Bei breiteren Reifen werden die gültigen ge-
lerweile gut über Berechnungsmethoden prognosti- setzlichen Grenzwerte bereits heute deutlich unter-
zieren. schritten. Mit ca. 2dB(A) hat die Reifenindustrie seit
ca. 2.000 erhebliche Verbesserungen im akustischen
3.4.8.4 Reifen/Fahrbahngeräusch Verhalten der Reifen erzielt.
In Bild 3.4-41 werden die relativen Anteile von R/F-
Das R/F-Geräusch tritt bereits ab ca. 30 – 40 km/h im Geräusch zum Motorgeräusch für ein typisches Fahr-
öffentlichen Verkehr dominant in Erscheinung. Es zeug abhängig vom gewählten Prüfverfahren aufge-
spielt auch bei den gesetzlichen Grenzwerten im zeigt. In den benutzten Gängen werden die Unter-
Rahmen der Typprüfung eine zunehmende Rolle schiede in den Geräuschanteilen hauptsächlich von
(siehe Abschnitt 3.4.8.3). Hier ergeben sich Zielkon- der Motordrehzahl bei Volllast geprägt, während sich
flikte bereits innerhalb der Komponente Reifen, z.B. im R/F-Geräusch das unterschiedliche Drehmoment
bei der gleichzeitigen Maximierung von Handlings- an den Rädern wenig auswirkt. Gegenüber dem Er-
80
Reifen bis 2000
Rollgeräusch [dB(A)] bei v = 80 km/h
79
Reifen ab 2000
78
77 Grenzwert nach RL 2001/43/EG
76
75
74
73
72 Mittelwert bis 2000
71
70 Mittelwert ab 2000
69
175 185 195 205 215 225 235 245 255 265 275 285
Bild 3.4-40 Rollgeräusch
Reifenbreite [mm] abhängig von der Reifen-
breite
3.4 Akustik und Schwingungen 79
Beschleunigung [m/s2]
3. Gang 40 60 3. Gang 22 78 Ruckeln
cruise Karosseriezittern
1 Stuckern
Bild 3.4-41 Anteile der Teilschallquellen Antrieb- Radunwucht
strang (ASG) und Reifen (RFG) im Vergleich der
Typprüfverfahren 0,1
Motorleerlauf
gebnis für das gültige TP-Verfahren erscheint im künf-
tigen Verfahren das R/F-Geräusch mit deutlich größe-
rem Anteil. Dies entspricht der realen Belästigungssi- 10 20 30 40
tuation in urbanen Bereichen, bedeutet aber auch, Frequenz [Hz]
dass weitere Absenkungen der Grenzwerte mit moto-
rischen Maßnahmen nur noch begrenzt möglich sind. Bild 3.4-42 Schwingungsphänomene
3.4.9 Schwingungskomfort
Nachstehend werden die verschiedenen Schwingungs-
Der Akustik- und der Schwingungskomfort eines phänomene in Abhängigkeit von den unterschied-
Fahrzeugs sind zwei eng miteinander verknüpfte Dis- lichen Anregungsmechanismen näher betrachtet.
ziplinen, da es sich in beiden Fällen um Körperschall-
Phänomene handelt, allerdings in verschiedenen Fre- 3.4.9.1 Motorerregte Schwingungen
quenzbereichen. Zielkonflikte zwischen beiden Fach-
gebieten resultieren im Allgemeinen aus unterschied- Zu den motorerregten Schwingungen gehören neben
lichen Anforderungen in Bezug auf das Schwin- den Leerlaufschwingungen die Phänomene Lastwech-
gungsverhalten einerseits und die Körperschall-Isola- selruckeln und Lastwechselschlag.
tionseigenschaften von Komponenten andererseits. Leerlaufschwingungen werden durch zyklische und
Die Empfindlichkeit eines Menschen auf Schwin- auch stochastische Anregungen aus dem Motor verur-
gungseinwirkung ist empirisch vielfältig abgesichert. sacht. Dabei kommt es im ungünstigen Fall dazu,
In [17] wird die Empfindlichkeit auf Schwingungs- dass die dominierende Motorordnung im Bereich der
einwirkung über den Sitz in Abhängigkeit von der globalen Gesamtfahrzeugeigenmoden liegt. Ist dies
Schwingungsamplitude und Frequenz angegeben. Aus der Fall, verschlechtert sich der Schwingungskom-
den Bewertungskurven kann gefolgert werden, dass fort im Leerlauf des Motors drastisch. In Bild 3.4-43
die Empfindlichkeit des Menschen bzgl. Schwingungs- wird dieser Zusammenhang über der Motordrehzahl
anregungen zwischen 5 und 10 Hz am größten ist. beispielhaft aufgezeigt.
Diese Empfindlichkeit resultiert aus der Tatsache, Dabei ist zu erkennen, dass beim 4-Zylinder-Motor
dass der Mensch im technischen Sinn ein Schwin- der Leerlauf unterkritisch bezüglich der 2. Motorord-
gungssystem darstellt, dessen einzelne Bestandteile, nung abgestimmt wird, während beim 6- und 8-Zy-
wie z.B. Kopf, Gliedmaßen, Magen, usw. im Fre- lindermotor eine überkritische Abstimmung des Leer-
quenzbereich zwischen 5 und 10 Hz zu Resonanz- laufs bezogen auf die 3. bzw. 4. Ordnung gewählt
schwingungen angeregt werden. Im Frequenzbereich wird. Damit es zu keiner Anregung der globalen Ge-
darüber und darunter nimmt die Empfindlichkeit auf samtfahrzeugeigenmoden durch die Motorordnung
Schwingungsanregung kontinuierlich ab. Störungen kommt, müssen die 1. Biegung und 1. Torsion in
durch Schwingungseinwirkung können daher in der einem Frequenzband zwischen 27 und 33 Hz liegen.
Regel nur zwischen ca.1 Hz (Aufbauschwingungen) Um unerwünschte Koppelschwingungen zu vermei-
und 50 Hz (Kribbeln) eintreten. den, sollte zwischen den beiden ersten globalen Ge-
Vor dem Hintergrund der Sensitivität des Menschen samtfahrzeugeigenmoden ca. 3 Hz Abstand bestehen.
gegenüber Schwingungsanregungen müssen zu Be- Da die Vorderwagentorsionsfrequenz über der 1. Tor-
ginn der Entwicklung eines neuen Fahrzeugs Grenz- sion liegt, sollte sie soweit oberhalb liegen, dass sie
werte für Frequenzlagen und Amplituden der system- auch oberhalb der 4. Motorordnung beim 8-Zylinder-
bedingten Schwingungsphänomene beim späteren Motor zu liegen kommt.
Serienprodukt definiert werden (Bild 3.4-42). Eine Zur Gruppe der motorerregten Schwingungen gehören
Schwierigkeit bei der Definition solcher Gesamtfahr- neben den Leerlaufschwingungen auch die Lastwech-
zeugziele besteht allerdings darin, das subjektive selschwingungen. Bei diesem Schwingungsphänomen
Empfinden eines Fahrzeuginsassen auf objektive Kri- wird unterschieden zwischen dem Lastwechselruckeln
terien zurückzuführen. Die Objektivierung der viel- und dem Lastwechselschlag. Beide Schwingungs-
fältigen Schwingungseinflüsse des Fahrzeugs auf den phänomene werden verursacht durch eine sprungför-
Menschen ist immer noch Gegenstand der Grundla- mige Drehmomentänderung im Antriebsstrang infolge
genforschung [20]. einer abrupten Fahrpedalbewegung.
80 3 Fahrzeugphysik
2. Torsion
40 (Vorderwagen)
4. Motor-
ordnung
Frequenz [Hz]
2. Motor-
ordnung
Beim Lastwechselruckeln, auch bekannt unter der nes ZMS bzw. dessen Kennlinie hat spürbare Auswir-
Bezeichnung „Bonanza-Effekt“, kann das Schwin- kungen auf den Lastwechselschlag (Kap. 5.4).
gungssystem als einfaches Feder-Masse-System be- 3.4.9.2 Fahrbahnerregte Schwingungen
schrieben werden. Die translatorische Masse bildet
die Karosserie als Starrkörper, die Feder ist bedingt Hier handelt es sich um Schwingungen im Fahrzeug,
durch die Elastizitäten im Antriebsstrangsystem, aus- welche über die Fahrbahn angeregt werden und da-
gehend von der Reifen-Fahrbahn-Kontaktfläche bis mit geschwindigkeitsabhängig sind. Zu dieser Gruppe
hin zu den Lagerelementen zwischen Karosserie und zählen die Phänomene Karosseriezittern, Motorstu-
Antriebsstrang. Dementsprechend ist es verständlich, ckern und Sitzreiten.
dass das Lastwechselruckeln in Abhängigkeit von Karosseriezittern tritt vor allem bei Fahrzeugen mit
der Antriebsstrangübersetzung (Gangwahl) bei unter- großer Dach- oder Hecköffnung sowie bei offenen
schiedlichen Eigenfrequenzen auftreten wird. Beson- Fahrzeugen (Cabriolets, Roadster) auf. Dabei kommt
ders störend treten Ruckelschwingungen bei niedri- es zur Überlagerung der Anregung aus der Radreso-
gen Drehzahlen im 1. und 2. Gang – mit Frequenzen nanz mit den Resonanzen aus den globalen Torsions-
zwischen 1.5 und 4 Hz – auf. Grund für die Lästigkeit eigenmoden des Fahrzeugs. Die Entstehung dieses
der Ruckelschwingungen sind vorrangig nicht die Schwingungsphänomens ist in Bild 3.4-44 schema-
Amplitudenwerte des von den Insassen wahrgenom- tisch dargestellt.
menen zeitlichen Verlaufs der Fahrzeuglängsbe-
schleunigung sondern vielmehr das mangelhafte Ab- relevanter
amplitude
klingverhalten. Frequenzbereich
Zitter-
Statische
der translatorischen Bewegung des Fahrzeugs zu ei- Steifigkeit
globale
Eigenfrequenzen
nem dumpfen, einmaligen Schlaggeräusch, welches der Karosserie
aus dem Anschlag der Lagerelemente des Hinter-
achsgetriebes resultiert. Daraus ergibt sich, dass bei
5 10 15 20 25 30
diesem Schwingungsphänomen die Schwingungs-
amplitude von primärer Bedeutung ist. Radresonanz
anregung
LL-Drehzahlband
Frequenz [Hz]
führt zu einem unsoliden Komforteindruck. Neue
g
vGrenzschwingungskomfort
Reifentechnologien (Runflatreifen) sowie straff ab- un
rdn
do
rdnung
gestimmte Fahrwerke verstärken das Problem. Fahr- 20 a
R
1.
zeuge mit sportlich straff abgestimmter Vertikaldyna-
ro
mik des Fahrwerks und hohen Radresonanzfrequen-
3. Moto
zen benötigen dementsprechend steifere Fahrzeug-
strukturen mit einer höherliegenden ersten globalen
Motordrehzahl [1/min]
Torsionseigenmode, um das Karosseriezittern ausrei- 10
chend zu begrenzen. 1000 2000 3000 4000 5000
50 100 150 180
Beim Motorstuckern kommt es durch gleichzeitige An- Fahrgeschwindigkeit [km/h]
regung der beiden Vorderräder zu einer Hubbewegung
des Gesamtfahrzeugs. Erfolgt diese Anregung im Bild 3.4-45 Karosserieauslegung nach den globalen
Frequenzbereich zwischen 5 Hz und 10 Hz, wird der Eigenformen
Motor-Getriebe-Verband zu einer entsprechenden Hub-
bewegung innerhalb seiner Lagergrenzen angeregt. Mensch-Eigenfrequenz zwischen 2,5 und 4 Hz anzu-
Dieses Schwingungsphänomen wird sehr störend als siedeln. Senkt man die Aufbaueigenfrequenz zu weit
Unruhe im Vorderwagen wahrgenommen. Um das ab, werden die Federwege zu groß. Wichtige Charak-
Motorstuckern zu reduzieren, ist das Lagerungskonzept teristika für die Aufbaueigenfrequenz sind neben der
von Motor und Getriebe von entscheidender Bedeu- Aufbaumasse die Lagersteifigkeiten und -dämpfun-
tung. Es muss gewährleisten, dass der Motor-Getriebe- gen. Steifigkeit und Dämpfung sind ebenfalls wichti-
Verband während einer gleichphasigen Anregung des ge Einflussgrößen für die Abstimmung der Sitzeigen-
Fahrzeugs an der Vorderachse nicht zuviel Schwin- frequenz.
gungsenergie aufbaut, die dazu führen kann, dass
der Motor-Getriebe-Verband bis an seine Anschläge 3.4.9.3 Raderregte Schwingungen
schwingt, was als deutlicher Ruck vom Fahrer wahr- Bei den raderregten Schwingungen handelt es sich
nehmbar ist. Deshalb ist eine ausreichend steife Lage- um Schwingungsphänomene die infolge von Radun-
rung zur Unterdrückung des Motorstuckerns notwen- wuchten entstehen. Diese regen u.a. die Karosserie zu
dig. Bei einer steifen Anbindung des Motor-Getriebe- geschwindigkeitsabhängigen Zitterschwingungen an.
Verbands an die Karosserie wird jedoch die Körper- Die Unwuchten können zum einen aus einer Unrund-
schallanregung aus dem Motor vermehrt in die Karos- heit der Reifen resultieren, zum anderen können un-
serie eingeleitet, was neben einer Verschlechterung des gleiche Massenverteilungen im Rad selbst die Un-
Schwingungskomforts im Leerlauf auch zu einer Ver- wucht verursachen. Für einen guten Schwingungs-
schlechterung der akustischen Übertragung führt. komfort bei höheren Geschwindigkeiten hat sich die
Diese gegensätzlichen Anforderungen lassen sich mit strukturdynamische Auslegung der Karosserie orien-
Hydrolagern auflösen, welche hochfrequent hohe Isola- tiert an der 1. Radordnung bewährt [9]. Diese ist di-
tion aufweisen und in der Stuckerfrequenz verhärten. rekt zur Fahrzeuggeschwindigkeit proportional. In
Schaltbare Hydrolager erlauben darüber hinaus über Bild 3.4-45 ist zu erkennen, dass die Leerlaufdreh-
ein Steuersignal sowohl eine dynamisch steife als auch zahl die obere Grenze des Frequenzbandes für die
eine weiche Lagerung einzustellen. Serienmäßig einge- 1. Biegung und 1. Torsion darstellt, während die un-
setzt werden diese Schwingungsisolationselemente vor tere Grenze durch die 1. Radordnung festgelegt wird.
allem bei Diesel-Fahrzeugen mit entsprechend hoher Je kleiner die Eigenfrequenzen der beiden Eigenfor-
Drehungleichförmigkeit des Antriebs im Leerlaufbe- men des Gesamtfahrzeugs sind, desto eher werden sie
trieb. Zur Reduzierung der Vibrationen in die Fahr- durch die 1. Radordnung angeregt und desto größer ist
gastzelle werden im leerlaufnahen Bereich die Lager- die Gefahr, dass es bei höheren Geschwindigkeiten zu
elemente auf „weich“ geschaltet. Im Fahrbetrieb findet einer Anregung der globalen Gesamtfahrzeugeigen-
dann das Umschalten in die Stellung „steif“ statt, wo- moden kommt.
durch das Stuckerverhalten positiv beeinflusst wird.
Beim Sitzreiten kommt es zur Kopplung der Aufbau-
3.4.10 Akustik und Schwingungen beim
schwingungen mit der Sitz-Mensch-Eigenfrequenz
zwischen 4 und 8 Hz, was zu starkem Unwohlsein des
Elektrischen Fahren
Fahrzeuginsassen führen kann. Aus diesem Grund ist Im Zuge der Hybridisierung und Elektrifizierung der
es notwendig, die Aufbaufederung unterhalb der Sitz- Fahrzeugantriebe ergeben sich über die in den einzel-
82 3 Fahrzeugphysik
nen Kapiteln beschriebenen Effekte und Maßnahmen Einsatz von Prototypen zur Konzeptabsicherung und
hinausgehend neue Phänomene und Aufgaben. Beim Detailoptimierung unverzichtbar. Wichtig ist dabei,
Hybridfahrzeug bleiben die Anregungen des Verbren- dass nur Prototypen oder Teilsysteme mit ausreichen-
nungsmotors erhalten, sobald dieser hinzugeschaltet dem Reifegrad die erforderliche Aussagefähigkeit be-
wird. Dabei wird auf ein möglichst wenig wahrnehm- sitzen. Zielführend ist in der Praxis meist eine hybri-
bares Aufstarten und Ablegen des Verbrenners Wert de Vorgehensweise aus Berechnung und Versuch.
gelegt. Geeignete Lagerungskonzepte und Schnell- Neu als Aufgabe ist auch die Auflösung des Zielkon-
startapplikationen erleichtern die Zielerreichung. Glei- fliktes zwischen der Wirksamkeit von Akustik- und
ches gilt im Prinzip für Fahrzeuge mit Motor-Start/ Schwingungsmaßnahmen und Leichtbau. Hier sind
Stop-Systemen. Standgeräusche entfallen völlig. Dies neue Ansätze zu wählen um Karosserien aus Leicht-
bedingt jedoch eine stärkere Wahrnehmbarkeit der metall oder Faserverbundwerkstoffen bzgl. Komfort
anderen Geräusche und Vibrationen im Stand und und Wertigkeit zu ertüchtigen.
rein elektrischen Fahren [28]. Für den Erhalt des Nicht unerwähnt bleiben darf jedoch, dass das Spezi-
Akustik- und Schwingungskomforts sind Rollge- fizieren der Akustikzielwerte wegen der Vielzahl von
räusch, Windgeräusch und die Mechatronikgeräusche Zielkonflikten zwischen den verschiedenen Eigen-
anspruchsvolleren Zielen zuzuführen, als dies bei schaften nicht losgelöst von konkurrierenden Anfor-
Fahrzeugen mit reinem verbrennungsmotorischem derungen erfolgen kann. Wichtig ist in diesem Zu-
Antrieb notwendig war. Während der Elektroantrieb sammenhang ein ausgewogenes Optimum über alle
selbst keine Drehungleichförmigkeiten verursacht, ist Fahrzeug-Eigenschaften hinweg anzustreben, denn
dafür Sorge zu tragen, dass typische Anregungen aus im Endeffekt wird nur ein in allen Disziplinen stim-
der elektromechanischen Wirkkette (Polzahl, Ansteu- miges Fahrzeug hohe Kundenakzeptanz finden.
erfrequenz, Eigenfrequenz E-Maschine) so gering wie
möglich ausfallen oder über geeignete Lager- und Literatur
Kapselkonzepte isoliert werden können. Der geringe-
ren Wahrnehmbarkeit im Straßenverkehr von Fahr- [1] Adam, T.: Untersuchung von Steifigkeitseinflüssen auf das Ge-
räuschübertragungsverhalten von Pkw-Karosserien, Dissertation
zeugen im Elektromode ggü. Verbrennermode be- am Institut für Kraftfahrwesen RWTH Aachen, Aachen, 2000
gegnen einige Länder mit gesetzlichen Regelungen, [2] Zwicker, E.; Fastl, H.: Psychoacoustics, Springer Verlag Berlin/
die die akustische Wahrnehmbarkeit durch künstlich Heidelberg/New York, 2nd Edition, 1999
erzeugte Klangbilder sicherstellen sollen. [3] FVV Forschungsvorhaben „Störgeräusch“, Beurteilung und Ka-
talogisierung von Störgeräuschen bei Verbrennungsmotoren,
Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen e.V. Frank-
3.4.11 Prozess Akustikentwicklung furt am Main, Heft 746, 2001
Zu Beginn einer Entwicklung ist es notwendig, die [4] FVV Forschungsvorhaben „Motorgeräuschgestaltung II“ Ge-
staltung des Geräusches von Verbrennungsmotoren zur Beein-
Positionierung des Fahrzeugs im Markt und damit flussung des Höreindrucks unter Berücksichtigung der Luft- und
auch die akustische und schwingungstechnische Ziel- Körperschallübertragung, Forschungsvereinigung Verbrennungs-
positionierung exakt festzulegen. Hier sind Vorgaben kraftmaschinen e.V., Frankfurt am Main, Heft 746, 2002
[5] Möser, M.; Kropp, W..: Körperschall, Springer Verlag Berlin, 2010
für alle kundenwertigen akustischen und schwin-
[6] Laschet, A.: Systemanalyse in der Kfz-Antr.-Techn. II Expert-
gungstechnischen Phänomene zu machen. Aus die- Verlag, 2003
sen Vorgaben muss ein schlüssiges akustisches und [7] Tonhauser, J.: Außengeräuschemission von Pkw – bisherige Fort-
schwingungstechnisches Konzept entwickelt werden. schritte und zukünftige Reduzierungspotentiale, VDA/WdK Infor-
mationsveranstaltung Straßenverkehrsgeräusche, Aschheim, 1999
Dieses ist wiederum die Basis für die Ableitung von
[8] Mitschke, M.; Wallentowitz, H.: Dynamik der Kraftfahrzeuge,
Subzielen für die wesentlichen eigenschaftsprägenden Springer Berlin, 4. Auflage, 2004
Subsysteme und Komponenten. Der Zielkatalog für [9] Freymann, R.: Strukturdynamische Auslegung von Fahrzeug-
akustische und schwingungstechnische Eigenschaften Karosserien, VDI-Berichte Nr. 968, S. 143 – 158, 1992
[10] Holzweißig, F.: Maschinendynamik – Schwingungslehre, Sprin-
ist damit grundsätzlich hierarchisch strukturiert. Aus-
ger Verlag Berlin, 5. Auflage 2004
gehend von den Gesamtfahrzeugzielwerten der Ebene [11] Sarradj, E.: Energy-based vibroacoustics: SEA and beyond,
0 werden zuerst die akustischen Kenndaten für die CFA/DAGA 2004, Strasbourg
drei wesentlichen Subsysteme der ersten Ebene (Ka- [12] Hucho, W. H.: Aerodynamik der stumpfen Körper, Vieweg Ver-
lag, 1. Auflage, 2002
rosserie, Antrieb und Antriebsstrang, Fahrwerk) fest-
[13] Zeller, P.: Psychoacoustic-based Sound Design in Vehicle Engi-
gelegt. In den nachfolgenden Ebenen 2, 3, . . . werden neering, JSAE Congress Yokohama, May 2005
dann – bei ständig zunehmender Anzahl – die Eigen- [14] Henn, H.; Sinambari, G. R.; Fallen, M.: Ingenieurakustik, Vie-
schaften von deren Subkomponenten mit fortschrei- weg Verlag, 3. Auflage, 2001
[15] Martens, T.: Matrix inversion technology for vibro-acoustic
tender Detaillierung beschrieben [21]. modeling application ISMA 23, 1998
Die Erarbeitung eines akustischen Konzeptes ist [16] ATZ, MTZ: Pkw Neuerscheinungen
gleichbedeutend mit der Ableitung von Komponen- [17] VDI-Richtlinien 2057: Einwirkungen mechanischer Schwingun-
teneigenschaften aus Gesamtfahrzeugzielen. Trotz gen auf den Menschen, Blatt 1 und 2, Beuth Verlag Berlin, 2002
[18] Birch, S.: Good Vibrations, AEI, September 2006, S. 46 – 50
großer Fortschritte, Eigenschaftsaussagen auf der Ba- [19] Sell, H.: Charakterisierung des dynamischen Verhaltens von elas-
sis von virtuellen Produktdaten zu machen, ist gerade tischen Bauteilen im Einbauzustand, Dissertation am Arbeitsbe-
bei Akustik- und Schwingungen auch heute noch der reich Mechanik I der TU Hamburg-Harburg, 2004[20]
3.4 Akustik und Schwingungen 83
[20] Lennert, S.: Zur Objektivierung von Schwingungskomfort in [25] Keller, W.; Wastl, W.: Neue Methoden und Konzepte zur Dre-
Personenkraftwagen – Untersuchung der Wahrnehmungsdimen- hungleichförmigkeits-Reduzierung. VDI-Tagung Getriebe in
sionen, Dissertation am Lehrstuhl für Maschinendynamik der Fahrzeugen, 2008
TU Darmstadt, 2008 [26] Kroll, J.; Kooy, A.; Seebacher, R.: Land in Sicht? – Torsions-
[21] Geib, W.: Akustik und Schwingungstechnik im Spannungsfeld schwingungsdämpfung für zukünftige Motoren, 9. Schaeffler
zwischen Komponenten- und Gesamtfahrzeugeigenschaften, Kolloquium, S. 28 – 39, 2010
VDI-Berichte Nr. 791, S. 1 – 37, 1990 [27] Zink, M.; Hausner, M.: Das Fliehkraftpendel – Anwendung, Leis-
[22] Zeller, P.: Handbuch Fahrzeugakustik, Vieweg + Teubner | GWV tung und Grenzen drehzahladaptiver Tilger, ATZ, Ausgabe 07-
Fachverlage GmbH, Wiesbaden, 2009 08/2009, S. 546 – 553, 2009
[23] Moosmayr, T.: Objektivierung von transienten Störgeräuschen im [28] Sellerbeck, P.: Enhancing Noise and Vibration Comfort of Hyb-
Fahrzeuginnenraum, Dissertation am Lehrstuhl für Mensch- rid/Electric Vehicles Using Transfer Path Models, Aachener
Maschine-Kommunikation der TU München, 2009 Akustik Kolloquium, 2010 [29] Fidlin, A.; Seebacher, R.: Simu-
[24] Kreppold, E.: A Modern Development Process to Bring Silence lationstechnik am Beispiel des ZMS – Die Stecknadel im Heu-
Into Interior Components, SAE World Congress & Exhibition, haufen finden, LUK-Kolloquium 2006
2007
4 Formen und neue Konzepte
Diese frühzeitige Zusammenarbeit ist daher äußerst Es geht darum in einem verschärften Wettbewerb
bedeutsam für die Effizienz der nachfolgenden Ent- seine Position auszubauen. Die wichtigsten Wettbe-
wicklungsprozesse, Bild 4.1-1. werbsfelder sind dabei Profitabilität und Wachstum.
Das heißt, Optimierung der Kostenstrukturen bei
Vernetzung der Subprozesse gleichzeitiger Steigerung der für den Kunden wahr-
nehmbaren Produktqualitäten.
Design ist dabei ein immer wichtiger werdendes
Produktion Entwicklung Qualitätsmerkmal.
Um dieses langfristig zu sichern, ist es notwendig
diese Qualität langfristig anzulegen, denn nur mit
kurzfristigen Einzelerfolgen kann die Wahrnehmung
Design einer der Marke zugeschriebenen Designqualität nicht
mehr erreicht werden.
Controlling Vertrieb
Im Vorfeld des eigentlichen Entwicklungs- und
Designprozesses steht daher die Erarbeitung der
jeweiligen Produktcharakteristik in Ableitung von der
Einkauf jeweiligen unternehmensspezifischen Produktgesamt-
strategie (Beispiele siehe Bild 4.1-2).
4.1.4 Der kreative Prozess
Bild 4.1-1 Vernetzung der Subprozesse
Nachdem Klarheit über den angestrebten Charakter des
neuen Fahrzeuges gewonnen, sowie ein verbindliches
Zielkonflikte während der eigentlichen Produktent- Maßkonzept erarbeitet ist, kann der eigentliche kreative
stehung (klassisches Beispiel der Konflikt zwischen Prozess auf breiter Ebene gestartet werden. Ziel dieser
Aerodynamik und Formgebung) sind in der Regel Entwicklungsphase ist es, ein möglichst breites Spekt-
sehr teuer und es ist deshalb anzustreben, diese schon rum an Ideen zu generieren. Über Wochen und Monate
im Vorfeld durch eine gemeinsam getragene Zielde- entstehen Hunderte von Skizzen, Zeichnungen und
finition zu lösen anstatt offene Zielkonflikte in die Konzeptbeschreibungen, Bild 4.1-3.
Umsetzungsphase zu tragen. Dieser Prozess ist ein Teamprozess, wobei die Inter-
Die Qualität dieser Zieldefinition ist entscheidend für aktion im Team hier äußerst dynamisch sein kann,
den weiterführenden Prozess. Alle hier definierten Bild 4.1-4.
Ziele sollten Elemente einer langfristig angelegten Ein wichtiges Element in dieser Phase ist das der
Produktstrategie sein, sowohl was die technischen Konkurrenz.
Qualitäten als auch die jeweilige Designausprägung Jeder Designer hat das Interesse, dass möglichst viel
betrifft. von seinen individuellen Ideen weitergeführt wird.
Es ist zu beobachten, dass die Anstrengungen des Wenn in irgend einer Form der Aspekt der künstleri-
Designs daher um den Aspekt einer langfristig angeleg- schen Selbstverwirklichung innerhalb des Design-
ten strategischen Planung erweitert werden musste. prozesses eine Rolle spielt, dann ist es in dieser
Die generellen Ziele aller Hersteller sind im Grund- Phase, in der zwar alle gemeinsam, aber doch jeder
satz sehr ähnlich: auch ganz individuell nur für sich agiert.
Identifikationsmerkmale
Rendering
Team Brainstorming
Insgesamt ist dieser Aspekt als Katalysator zu sehen, Bereits jetzt in dieser Phase wird dieser kreative
um einen möglichst breiten Ideenansatz zu entwi- Prozess durch die Spezialisten der technischen Absi-
ckeln, aber auch um die besten Ideen zum Zuge cherung begleitet.
kommen zu lassen. In früheren Zeiten setzte dieser Absicherungsprozess
Von sehr großer Bedeutung ist es hierbei, das dieser durch die jeweiligen Fachbereiche erst sehr viel später
Prozess klug gesteuert wird, sowohl offen genug, um ein, nämlich dann, wenn bereits die Gestaltungen sich
keine Ideen zu unterlassen, aber auch zielorientiert sehr weit konkretisiert hatten. Dies musste unweiger-
genug, um sich nicht zu verlaufen. lich zu Konflikten führen, da hier die technische Absi-
Schritt für Schritt werden dann die erfolgverspre- cherung nicht als Unterstützung und Beratung empfun-
chendsten Ideen und Konzepte in intensiven Teambe- den wurde, sondern als Störung der gestalterischen
sprechungen herausgefiltert und in die nächste Kon- Freiheit und Eingrenzung der Möglichkeiten.
kretisierungsstufe überführt. Die viel zitierte Gegnerschaft zwischen Ingenieuren
In dieser Phase der dreidimensionalen Umsetzung gilt und Designern hat seine Ursache in nicht abgestimm-
es, eine noch relativ große Anzahl formal stimmiger ten Zielpositionen und Prozessauffassungen.
Gesamtkonzepte zu konkretisieren. Gleichwohl wird Je besser diese Abstimmung im Vorfeld war, desto
bereits die technische Realisierbarkeit der Studien besser ist der Prozess insgesamt.
überprüft.
Modelle des Karosseriekörpers werden in verkleiner- Einflüsse durch Gesetze und Vorschriften
tem Maßstab aufgebaut, das Interieur wird sofort in Gesetzliche Vorgaben zum Bau und zur Zulassung
Originalgröße erstellt. von Automobilen haben in den letzten Jahren sehr
4.1 Design 87
Datenmodell Interieur
Manuelles Modellieren
Modell an dem Anforderungsprofil des neuen Auto- Natürlich ist ein maximales Ausweiten der Varianz
mobils gemessen wird. Nur die Modelle, bei denen immer vor dem Hintergrund der Produktionsanforde-
ein Realisierungspotential besteht, werden im Maß- rungen zu sehen, deren Zielsetzung eher einer großen
stab 1 : 1 weitergeführt, Bild 4.1-6. Vielfalt entgegensteht. Die Möglichkeiten einer
Sowohl die Exterieur- und Interieur-Modelle als auch modernen Logistik helfen hier den Produktionspro-
die Material- und Oberflächenkonzepte werden im zess trotz hoher Bauteilvarianz schlank zu halten,
ständigen Dialog mit den Experten aus Konstruktion, indem Lagerflächen vermieden werden bzw. zu den
Produktion, Vertrieb und Betriebswirtschaft weiter- Bauteilelieferanten verlagert werden.
entwickelt. Viele Hersteller sind zudem dazu übergegangen
Es liegt auf der Hand, dass es in dieser Phase fast besondere Formen der Individualisierung durch
unvermeidlich zu Problemfeldern kommt, die in der geschickte Paketierungskonzepte oder durch Submar-
Definitionsphase im Detail noch nicht erkannt werden ken zusätzlich anzubieten. Obwohl dies die Ziele
konnten. Hier ist dann eine sehr intensive Zusam- einer modernen Produktion eigentlich zu konterkarie-
menarbeit der technischen Experten, Kostenplaner ren scheint sind diese Konzepte wirtschaftlich für die
und Designer gefragt. Ziel ist es, diese Probleme Hersteller von großer Bedeutung, denn der Bedarf
immer zugunsten von Produktqualität und Kunden- nach Individualisierung und passgenauen Angeboten
nutzen zu lösen. scheint grenzenlos.
Schließlich ist die Auswahl des zu produzierenden Ein sehr gutes Beispiel für die Ausweitung der Indi-
Modells final zu treffen – eine Entscheidung, die auf vidualisierungsmöglichkeiten sind Räder. Hier gab es
Vorstandsebene gefällt wird. in früheren Zeiten sicherlich einige Möglichkeiten,
Erst dann werden Interieur und Exterieur zu einem jedoch sind diese in keiner Weise vergleichbar mit
detailliert ausgearbeiteten Einstiegsmodell vereint, dem, was heute angeboten wird.
mit dem sogar eine Erprobungsfahrt simuliert werden Für jedes Modell werden heute nicht nur Räder in
kann. unterschiedlichen Größen entwickelt, sondern auch in
Nach dem nächsten Meilenstein der Produktentwick- unterschiedlichen Designs. Der Bedarf scheint per-
lung, dem sogenannten Design-Entscheid, erfolgt die manent eher zu wachsen, die Bereitschaft für die
formelle Freigabe zur Serienentwicklung. Differenzierung durch unterschiedlich gestaltete
Permanente Design-Betreuung ist auch in dieser Räder hohe Aufwendungen zu akzeptieren ist vor-
Phase erforderlich. handen und sie wächst.
4.1.7 Color, Trim und Individualisierung
4.1.8 Designaktivitäten
Neben der Formgestaltung im Exterieur und Interieur in der Produktionsvorbereitung
stellt das Erstellen von Konzepten zur Farb- und
Materialgebung einen eigenständigen Prozess dar. Mit der Festlegung und Freigabe aller produktbe-
Zielsetzung ist es hier für den Kunden ein maximales stimmenden Form- und Materialdaten kann der ei-
Spektrum an Individualisierung zu bieten. gentliche Designprozess als abgeschlossen betrachtet
Neben den für den Kunden wählbaren technischen Aus- werden.
stattungen, sind es vor allem die Farbe und auch die Dennoch sind die Designer aus dem dann folgenden
Materialien und Farbgebungen der Innenausstattung, Prozess der Produktionsvorbereitung und der Reali-
mit denen sich diese Individualität erzeugen lässt. sierung des Produktes noch nicht entlassen.
4.1 Design 89
Was letztlich bleibt ist, dafür Sorge zu tragen, dass noch in ca. 20 Jahren im Straßenbild präsent und
die einmal getroffenen Festlegungen auch wirklich prägt immer noch die Wahrnehmung der Kunden.
erreicht werden. Eine derart lange Voraussage ist natürlich im Bereich
Feinkonzepte müssen erarbeitet, und gemeinsam mit des Unmöglichen.
den Experten der Produktion, Marktexperten des Zu bedenken ist außerdem, dass tragfähige Aussagen
Vertriebs und in engem Kontakt mit den Zulieferan- erst dann ermittelt werden können, wenn der Ent-
ten müssen die verschiedenen Farb-, Material- und wicklungsprozess schon soweit fortgeschritten ist,
Oberflächenkonzepte abgestimmt werden. dass Korrekturen am Design nur mit äußerst erhebli-
Das Ergebnis dieses Optimierungsprozesses, der chem finanziellen Aufwand darstellbar sind.
methodisch Kundenvorabbefragungen und Car- Ansätze, erheblich früher im Prozess Befragungen
Clinics einschließt, wird wiederum vom Vorstand von Kunden als Grundlage für Entscheidungen he-
diskutiert und entschieden. ranzuziehen sind aufwändig und führen in der Regel
In der Regel ist es ein kleines Team sehr erfahrener nicht zu genauen oder allenfalls sehr interpretie-
Designer, die hier verantwortlich zeichnen. Zahlrei- rungsbedürftigen Ergebnissen.
che Abstimmungen mit den jeweiligen Teilelieferan- Diese Methoden der Kundeneinbeziehung in den
ten sind tägliches Arbeitsprogramm. Entscheidungsprozess sind daher nur als flankierende
Letzlich geht es hier um die Qualität der Ausführung. Maßnahmen brauchbar. Sie können den Entschei-
Das Produkt muss in sich stimmig wirken, die unter- dungsprozess bestenfalls befruchten, aber letzlich
schiedlichen Lieferanten mit ihren zum Teil unter- nicht ersetzen.
schiedlichen Produktionsprozessen müssen koordi- Letztendlich ist die Qualität von Entscheidungen
niert werden. stark abhängig von der Kompetenz und der Erfahrung
Erst wenn das erste kundenfähige Produkt eine Frei- der entscheidenden Personen. Hierin ist die unter-
gabe erlangt hat, kann auch der Designprozess als nehmerische Qualität zu sehen, die letztlich zum
abgeschlossen betrachtet werden Erfolg führt oder auch nicht.
Schlüsselreize
Ausdruck
Die menschliche Wahrnehmung ist vor allem darauf Möglicherweise ist der Erfolg des Autos gerade auch
konditioniert andere menschliche Wesen wahrzu- in der Entsprechung dieses uns Menschen eigenen
nehmen. Wahrnehmungsmusters zu suchen.
Wissenschaftliche Versuche haben ergeben, dass Die Formgebung eines Autos, mit seinen Proporti-
dabei vor allem die Gestalt als ganzes und bestimmte onen und Reizmustern, wie Gesicht, Heck usw. hat
Bereiche, wie das Gesicht eine entscheidende Bedeu- einen starken reizauslösenden Charakter und wir
tung haben. bedienen uns hier der gleichen Wahrnehmungskanäle,
Es weist vieles darauf hin, dass sich dieses Wahr- wie wir das auch sonst tun, etwa bei den Wahrneh-
nehmungsmuster auch auf die Wahrnehmung von mungsvorgängen zwischen zwei Menschen.
Automobilen übertragen lassen. Die ewige Frage nach der Schönheit und wie sie
So wie seit Menschengedenken angeboren schauen funktioniert lässt sich nicht abschließend beantwor-
wir zuerst auf das Gesicht und auf die Figur. ten. Dennoch, es gibt Näherungen.
Das machen wir auch bei einem Auto so und gerade Man kann davon ausgehen, dass bestimmte Propor-
dieses sind die wichtigsten Bereiche, die uns bei der tionen von den meisten Menschen als angenehmer
Gestaltung am intensivsten beschäftigen. empfunden werden als andere, wobei es hier durchaus
Sie definieren den Charakter, den wir in erster Nähe- kulturelle Unterschiede zu beachten gilt.
rung einem Fahrzeug zusprechen, sie bewirken, ob wir Bestimmte Figürlichkeiten haben jedoch auch über
uns angezogen oder abgestoßen fühlen, sie bewirken, lange Zeiträume hinweg betrachtet in ihrer Wirkung
ob es so etwas wie eine emotionale Beziehung geben einen gewissen Ewigkeitswert.
wird und wie diese Beziehung sich gestalten wird.
4.1 Design 91
vor allem immer wie ein Mercedes aus. Die Marken- 4.2 Fahrzeugkonzept und Package
aussage hatte Vorrang vor allem anderen. Die Fahr-
zeuge waren zuerst Mercedes und erst dann ein 4.2.1 Einführung und Definition
Fahrzeug einer bestimmten Klasse. Wesentliche Aufgabe der Konzepterstellung und
Das haben wir, wie Sie unschwer erkennen können, Packageerarbeitung für ein Fahrzeug ist die konstruk-
etwas geändert. tive Zusammenführung, Verdichtung und Bewertung
Zwar ist ein Mercedes auch heute noch auf den ersten unterschiedlicher Anforderungen und Ziele, vgl. Bild
Blick als Mercedes zu erkennen, dennoch sind die 4.2-1.
Unterschiede zwischen den einzelnen Modellen Die Fahrzeugkonzept- und die Packageerstellung sind
größer geworden. Die Charaktere der Modelle sind im Fahrzeugentwicklungsprozess untrennbar mitei-
deutlicher herausgearbeitet. nander verknüpfte Aktivitäten. Die Begriffe werden
Der Grund dafür ist natürlich die Entscheidung zu in der Automobilindustrie daher auch nicht einheit-
unserer Modelloffensive, die Anfang der 90er Jahre lich verwendet. Eine sinnvolle Abgrenzung gelingt
getroffen wurde. über die zeitliche Abfolge der Aktivitäten und über
Wir wollen Kunden erreichen, die bisher nicht im die behandelten Schwerpunkte. Von der zeitlichen
Mittelpunkt unseres Interesses standen, und dazu Abfolge her wird im Entwicklungsprozess mit der
brauchen wir ein breit gefächertes Angebot. Fahrzeuggrundkonzeption begonnen. Das Grundkon-
Für die Marke Mercedes wiederum bedeutet diese zept wird dann durch ein ständig detaillierter werden-
Erweiterung der Erscheinungsformen eindeutig eine des Package untermauert. Aus diesem Package erge-
Bereicherung. ben sich unter Umständen Aspekte, die auch das
Über lange Zeit tradierte Werte sind zwar ein Segen, Fahrzeuggrundkonzept beeinflussen und ggf. einer
aber sie bergen auch in sich die Gefahr der Verkrus- zunächst favorisierten Lösung entgegenstehen.
tung und genau diese Gefahr galt es zu bannen.
Erweiterung der Ausdrucksformen heißt aber nicht Definition Fahrzeugkonzept
Aufweichung oder Überdehnung des Markenbildes.
Das Fahrzeugkonzept ist der konstruktive Entwurf
Wir sind uns bewusst, dass es hier Grenzen gibt, die
einer Produktidee mit dem die grundsätzliche Reali-
auszuloten uns natürlich reizt.
sierbarkeit abgesichert wird. Der Entwurf umfasst die
In einem Umfeld in dem die rein technischen Qualitä-
„Komposition“ bzw. Zusammenstellung der wesent-
ten von Fahrzeugen immer schwieriger zu kommuni-
lichen, die Fahrzeugeigenschaften und die Fahrzeug-
zieren sind und daher an Kommunikationsbedeutung
charakteristik beeinflussenden Parameter, Hauptmo-
verlieren, kommt dem Design als Differenzierungs-
dule und Komponenten. Der Schwerpunkt liegt dabei
merkmal eine immer größere Bedeutung zu.
auf der Festlegung und Gestaltung von:
Es kommt also besonders darauf an, durch das De-
sign die Eigenarten der Marken noch deutlicher Aufbauausprägung, Fahrzeuggrundform und zu-
hervorzuheben und zueinander zu profilieren. künftige Varianten,
Anzahl Sitzplätze, Raumbedarf Insassen,
Literatur und Abbildungen Stauraum und Volumina (z.B. Tank),
Hauptabmessungen sowie
Daimler Konzernarchiv
ATZ/MTZ-Sonderhefte: Pkw-Neuentwicklungen Motor- und Antriebskonzept.
Die wesentlichen Gestaltungsmöglichkeiten werden
in Abschnitt 4.2.2 aufgezeigt.
Sicherheits- -
Aerodynamik
konzept Konzept-
Styling
Segment
Motor+
Fertigung +
Antriebsstrang-
Kundendienst
konzept
Fahrzeugkonzept
und
Package
Außen-
Gesetze
abmessungen
Hauptziele und
Anforderungen
Fahrzeugkonzept
Bild 4.2-2 Gestaltungsfelder
der Fahrzeugkonzeption
A117
A116-1 A116-2
H157
L103
W101-2
4.2.2.2 Aufbauausprägungen
W103 und Konzeptsegmente
Die zu differenzierenden Aufbauausprägungen mit
Bild 4.2-4 Außenabmessungen in y-Richtung, Be- ihren Charakteristika sind in den ersten beiden Spal-
nennung gemäß [3] ten der Tabelle 4.2-2 dargestellt.
Tabelle 4.2-1 Einteilung in Fahrzeugklassen, Beispiele, konkrete Exterieurmaße einzelner Fahrzeuge (*Klasse
„Microcar“), Daten teilweise Vorgängermodelle aktueller Fahrzeuge
Fahrzeugklassen Minicar Compact Untere Mittelkl. Mittelklasse Obere Mittelkl. Luxusklasse Vans SUVs
Beispielfahrzeuge MCC Smart Toyota Yaris Mercedes A-Kl. Ford Mondeo BMW 5er BMW 7er Merc. V-Kl. BMW X5
unterstes Fahrzeug Toyota IQ Fiat Punto Ford Focus Mercedes C-Kl. Mercedes E-Kl. Mercedes S-Kl. Renault Espace Mercedes M-Kl.
dient im weitern Verlauf Fiat 500 Opel Corsa Opel Astra Audi A4 VW Phaeton Audi Q7
jeweils als Beispiel Ford Fiesta Audi A3 Opel Insignia
VW Lupo VW Polo VW Golf BMW 3er Audi A6 Audi A8 VW Sharan Porsche Cayenne
Sitzplätze
Normalzustand/mit
4/2 5/2 5/2 5/2 5/2 5/2 7/2 5/2
umgekl. Rückbank
Exterieurrmaße
Länge (L103) (1) in mm 2500–3600 3600–4000 4000–4400 4300–4600 4500–5000 4800–5200 4600–5000 4400–4900
3527 3970 4199 4580 4916 5137 4854 4846
Breite (W103) in mm 1500–1700 1550–1700 1670–1800 1670–1800 1770–1870 1800–1950 1800–1950 1800–1950
1639 1682 1786 1782 1855 1949 1904 1939
Höhe (H100-B) in mm 1330–1550 1350–1480 1330–1490 1360–1430 1360–1490 1400–1500 1500–2000 1650–1950
1460 1453 1480 1395 1459 1460 1720 1705
Radstand (L101) in mm 1800–2400 2350–2500 2400–2700 2500–2800 2600–2900 2700–3200 2700–3200 2700–3000
2323 2470 2578 2760 2843 2992 2919 2895
Bodenfreiheit (H157) 100–150 80–120 80–120 80–120 100–140 100–140 110–160 160–240
in mm 125 102 87 108 118 127 106 214
Überhang vorne (L104) 350–800 500–850 550–900 700–900 700–1050 700–1050 700–1000 850–1050
in mm 729 839 868 771 1001 1003 968 960
Überhang hinten (L105) 300–500 400–700 700–800 700–1100 800–1200 900–1300 800–1200 850–1050
in mm 475 661 753 1049 1072 1142 967 991
Böschungswinkel vorne 12–50 10–15 10–15 10–18 10–18 10–18 10–18 20–30
(H116-1) in ° 14 13 13 14 15 14 14 25
Böschungswinkel hinten 15–50 10–15 10–15 10–18 10–18 10–18 10–18 20–30
(H116-2) in ° 39 20 18 12 12 16 14 18
4.2 Fahrzeugkonzept und Package 95
Tabelle 4.2-2 Aufbauausprägungen und Anwendun- Die Zuordnung der Aufbauformen zu den Konzept-
gen der Aufbaukonzepte in unterschiedlichen Grö- segmenten stellt den aktuellen Stand der am Markt
ßenklassen (× = verbreitet, * = Einzelanwendung) befindlichen Fahrzeuge dar. Konzeptstudien deuten
Aufbau- Bemerkung darauf hin, dass eine Ausweitung verschiedener Auf-
Obere Mittelkl.
ausprägung bauausführungen in neue Klassen, sowie auch eine
Luxusklasse
Mittelklasse
Kompaktkl.
Kleinwagen
Vermischung der Aufbauformen verstärkt am Markt
Minicars
aufzufinden sein wird, vgl. Kap. 4.2.6.
Als Roadster (2-sitzig) 4.2.2.3 Fahrzeuggrundformen
oder Cabriolet (meist 4-
sitzig): Cabriolets häufig
von Stufenheck oder
× × × × * * Neben den Aufbauausprägungen wird zunehmend die
Offen Steilheckfahrzeugen Fahrzeuggrundform als Differenzierungsmerkmal ge-
abgeleitet
nutzt. Hierbei kann zwischen 1-, 2- und 3-Box-Aus-
„Klassisches Coupé“
oder Differenzierung führungen unterschieden werden, Tabelle 4.2-3.
× ×
von Stufenheck- oder Die 3-Box-Ausführung stellt die klassische Untertei-
Fließheck Steilheckkonzepten
lung in Motorraum, Raum für Insassen und Koffer-
Die klassische Ausprä- raum dar.
gung der Limousine * × × ×
(u. Klappdachcabrios) Fahrzeuge in 2-Box-Anmutung sind im Bereich der
Stufenheck
Kombis und der Coupés mit variabler Rückbank
In den unteren Fahrzeug-
segmenten als „Hatch- anzutreffen. Hier wird die Trennung zwischen Insas-
back“ in den oberen × × × × × sen und Gepäck aufgehoben oder variabel gestaltet.
Segmenten als Kombi-
Steilheck
fahrzeug Bei der 1-Box-Anmutung muss zwischen zwei
Auch als MPV bezeich- Ausrichtungen unterschieden werden. Zum einen eine
nete Fahrzeuge mit mehr
als 5 Sitzplätzen oder konventionelle 2-Box-Architektur, die stylistisch als
× × × *
vergrößertem Rauman- 1-Box ausgeführt ist, zum anderen eine wirkliche
Großraum gebot, große Fahrzeug-
höhe 1-Box-Ausführung, bei der für den Motorraum ein
Geländefahrzeuge, Sandwichboden genutzt wird und somit die klassi-
Hauptdifferenzierung
über Bodenfreiheit und
schen Trennungen zwischen den Bauräumen in x-
Böschungswinkel. × × × Richtung aufgehoben werden (Unterflurkonzepte).
Basis: höhergelegte
„SUV“ Steilheckfahrzeuge oder Insbesondere spät in bestimmte Segmente eintretende
eigenständige Konzepte Wettbewerber suchen nach Differenzierungspotential
Vor allem in den USA über die Fahrzeuggrundform. Der momentane Trend
verbreitete Aufbauform,
* × × in der Weltautomobilindustrie geht eindeutig von der
meist von SUVs oder
„Pickup“ Trucks abgeleitet klassischen 3-Box-Aufteilung hin zu variableren 1-
und 2-Box-Konzepten.
Durch Kombination der Aufbauausprägungen mit den Fahrzeuge mit 1-Box-Design und Sandwichboden sind
definierten Größenklassen ergeben sich vielfältige zudem konzeptionell gut geeignet, alternative Ener-
Konzeptsegmente. Die derzeit am Markt belegten gieträger wie beispielsweise Batterien oder Brenn-
Segmente sind in Tabelle 4.2-2 gekennzeichnet. stoffzellen zu integrieren, siehe Kapitel 4.3.
Das gesamte Fahrzeug wird als ein Volumen Aufteilung des Fahrzeuggrundkörpers in zwei „Klassische“ Aufteilung der Volumina des
wahrgenommen (one Box). Bereiche/Volumina. Fahrzeugs.
Tatsächlich findet jedoch eine Trennung zwischen Ein Bereich (zumeist der vordere) ist als Motor- Trennung zwischen Technik (Motorraum),
Insassen und Gepäck auf der einen Seite, sowie raum ausgeprägt, das zweite Volumen wird als Insassen und Gepäckraum. Zunehmend ist auch bei
Beschreibung Technik (Antriebsstrang, Motor, Getriebe, Tank) Insassen- bzw. Gepäckraum ausgestaltet. 3-Box-Ausführungen variable Trennung zwischen
auf der anderen Seite statt. Insassen und Gepäck vorzufinden.
Häufig wird diese Trennung über einen Sandwich-
boden und/oder einen tief liegenden Motorraum
vollzogen.
– Vans – Kombifahrzeuge – Limousinen
– Neue Kleinwagenkonzepte (Smart, A-Klasse) – SUVs – klassische Coupés
Anwendung
– Kompaktklasse („Golf-Klasse“) – Cabrios
– Roadster
– Geringe Verkehrsfläche – Große Variabilität zwischen Gepäck- und – Trennung der Nutzräume für Innengeräusch
– sehr gute Raumausnutzung Insassenraum möglich positiv
Vorteile – hohe Sitzposition – günstig für passive Sicherheit (Gepäckraum
getrennt)
– hohe Steifigkeit der Karosserie
– Große Fahrzeughöhe, dadurch große Stirnfläche – Großer Innenraum akustisch negativ – geringe Variabilität
– hoher Schwerpunkt fahrdynamisch nachteilig – cw-Wert (Abrißkante) stark vom Winkel des – Abrißkante an Dach oder Heckdeckel muss klar
Nachteile
Hecks abhängig definiert werden (Einfluss Aerodynamik auf
Formgebung)
96 4 Formen und neue Konzepte
L114 L50-2
H61-1 H61-2
H30-1
H5-1
L34 L51-2
V6- und V8-Motoren zeichnen sich durch eine kurze sentlichen Restriktionen unterscheiden sich je nach
Bauweise aus. Die Boxer-Motoren zeichnen sich Einbauort und -lage des Aggregats. Tabelle 4.2-5
durch eine geringe Bauhöhe, den damit konkurrenz- gibt einen Überblick über mögliche Aggregatanord-
los tiefen Schwerpunkt und die ausgewogenen nungen, die jeweiligen Restriktionen und verwendba-
Schwingungseigenschaften aus. Details zu den Bau- ren Aggregate.
formen und deren Spezifika finden sich in [5]. Für die Frontmotoranordnung ist noch ein genereller
Vorteil herauszuheben. Bei vielen Frontmotoran-
Aggregateanordnung
ordnungen stützt sich der Motor beim Frontalcrash
Die Aggregateanordnung kann in folgenden Parame- frühzeitig ab und muss nicht mit verzögert werden.
tern variiert werden: Ein genereller Vorteil von Heck- und Mittelmotor-
Längs- oder Quereinbau des Motors konzepten ist, dass die freie Crashlänge im Vorder-
Front-, Heck- oder Mittelmotor wagen nicht durch den Motor eingeschränkt ist. Bei
Konventionelle Anordnung oder Unterfluranord- Unterbringung des Tankes im Vorderwagen entstehen
nung hier ggf. andere Restriktionen.
Wegen der besonderen Anforderungen (in der Regel
Antriebskonzept und Triebstrang
eine geringe Fahrzeuglänge) haben sich für die Un-
terfluranordnung bisher nur quereingebaute Motoren Für die Kombinationen von Antriebsachsen und
durchsetzen können. Die Mittelmotorausführung ist Aggregateanordnung sind unterschiedliche Trieb-
bei Unterflurkonzepten bisher ebenfalls kaum in der strangkonzepte realisierbar, Tabelle 4.2-6 (Details in
Serie eingesetzt worden. Abschnitt 5.4 für den Triebstrang und Abschnitt 5.5
Die einzelnen Ausführungen weisen spezifische für Allradkonzepte).
Restriktionen bezüglich der zu verwendenden Moto- Ohne den detaillierten Darstellungen vorzugreifen,
ren auf. Die aus fahrzeugkonzeptioneller Sicht we- sollen am Beispiel der Frontmotoranordnungen mög-
Tabelle 4.2-6 Antriebsachsen und übliche Aggrega- Tabelle 4.2-7 Antriebsstrangkonzepte am Beispiel
teanordnungen Frontmotor
Antriebsachse Antriebs-
Prinzipdarstellung Vorteile Nachteile
art
Aggregate-
anordnung Getriebeintegriertes – viele Motorvarianten - langer Vorderwagen
Front Heck Allrad Längs-
Vorderachsengetriebe realisierbar – Achslast auf Vorder-
motor
– Allradantrieb leicht achse sehr hoch
+
Front-Quer ableitbar – tendenziell großer
Front- D G
keine bei großer Überhang vorn
üblich antrieb
Anwendung Motorleistung – breiter Tunnel vorn
– bessere Achslastvertei- – höheres Gewicht als
Front-Längs Standardantrieb lung und Traktion als Frontantrieb
bei großer beim Frontantrieb – höherer Tunnel
üblich Standard – kurzer Vorderwagen erforderlich
Motorleistung
– Sehr viele Motorvari- – Bauraumanspruch
G D
Längs- anten realisierbar Differential/Reserverad
Mitte-Quer motor führt zu Zielkonflikt in
keine keine + der Unterbringung
üblich
Anwendung Anwendung Heck- – sehr kurzer und flacher – höherer Boden hinten
antrieb Transaxle – Anordnung Vorderwagen möglich mit Einschränkung
Mitte-Längs – leichte Kardanwelle Kofferraum- bzw.
keine mit sehr großem – günstige Achslastver- Sitzplatzangebot
üblich
Anwendung Aufwand möglich G D teilung und gute – lange Schaltbetätigung
Traktion – keine Allradtauglich-
keit
Heck-Quer
keine keine – Zentraldifferential und – langer Vorderwagen
üblich
Anwendung Anwendung Vorderachsdifferential – großer Überhang
Getriebeintegriertes können mit dem Ge-
Vorderachsendifferential triebe in einen Block
Heck-Längs bei hohen zusammengefasst wer-
keine
üblich Performance- und den
Anwendung
Leistungsanford. D G D D – kostengünstig
Längs- – gute Achslastverteilung
motor – gute Traktion
+ – tiefe Motorlage
Allrad-
liche Antriebsstrangkonzepte näher angesprochen antrieb
möglich
werden, da sie auf die Gesamtfahrzeuggestaltung ei- Aus Standardantrieb – Nachträglich aus be- – relativ aufwendig
abgeleitetes Konzept stehendem Standard- – Bauraumproblematik
nen starken Einfluss haben. antrieb ableitbar im Vorderwagen
– kurzer Vorderwagen – sehr breiter Tunnel
G D – sehr günstige Achslast- erforderlich
Antriebsstrangkonzepte D
D
verteilung – hohe Motorlage wegen
– gute Traktion Abtrieb erforderlich
Tabelle 4.2-7 zeigt sämtliche gängigen Antriebs- – kompakter Vorder- – Achslast auf Vorder-
strangkonzepte für Frontmotoranordnungen. Die we- wagen
Motor in Reihe mit Getriebe, – gute Platzverhältnisse
achse sehr hoch
– wegen eingeschränk-
sentlichen, für das Gesamtfahrzeug relevanten Gestal- Quer- Differential seitlich
im Fahrgastraum vorne tem Bauraum nur rela-
motor
tungsmöglichkeiten liegen in der Anordnung des +
(Kein Tunnel für Ge-
triebe)
tiv kurze Motoren
möglich
Motors und der unterschiedlichen Lagen von Getrie- Front-
G D – relativ günstige Her- – Leistungs-/Dreh-
antrieb
stellung momentgrenze
be, Differential und Gelenkwellen. – sehr gute Vormontage-
möglichkeiten
Frontlängsmotor mit Frontantrieb Quer- Motor in Reihe mit Getriebe, – gute Auchslastvertei- – wegen eingeschränk-
Differentiale seitlich
motor lung tem Bauraum nur rela-
Der längs eingebaute Motor in Kombination mit + – gute Traktion tiv kurze Motoren
D möglich
Frontantrieb hat als wesentliche Restriktionen den Allrad-
antrieb
D
G D
1 Hochvolt-Nickel-Metallhydrid-Batterie
2 Zuluftkanal
3 Leistungselektronik
4 Hybridmodul
5 3,0-Liter-V6-Kompressormotor
5
1
4 2
Die Hybridtechnologie erlebt derzeit noch schnelle Zudem können durch ein Package die Unterhaltskos-
Innovationssprünge, insbesondere im Bereich Ener- ten positiv beeinflusst werden, beispielsweise durch
giespeicher. In den kommenden Jahren werden diese die Vermeidung der Anordnung von Bauteilen in Be-
Fortschritte zusätzliche Freiheitsgrade im Fahrzeug- reichen, die bei Einstufungstests der Versicherungs-
konzept ermöglichen. wirtschaft und bei Unfällen mit geringen Geschwin-
digkeiten („Parkplatzrempler“) belastet werden.
4.2.2.8 Fahrzeuggewicht
4.2.3.1 Gesetze und Vorschriften
Das Fahrzeuggewicht ist bei der Gestaltung von
Fahrzeugkonzepten eine der wesentlichen Zielgrößen. Einen detaillierten Überblick relevanter Vorschriften
Das Fahrzeuggewicht wird wesentlich durch die und Gesetze gibt Kapitel 2.2. Viele dieser Vorschrif-
folgenden Parameter beeinflusst: ten stellen für die Packageerarbeitung wesentliche
Fahrzeugklasse und Hauptabmessungen Anforderungen dar.
Aufbauausprägung und das Konzeptsegment Problematisch ist die Tatsache, dass die zu berück-
Grundarchitektur des Fahrzeugs sichtigen Gesetze, Standards und Regelungen nicht
Aggregate- und Antriebsstrangkonzept (inkl. international vereinheitlicht sind. Wesentliches Ziel
Hybridisierung) der Auslegung ist ein Package, das länderspezifische
Werkstoffkonzept Lösungen vermeidet.
Bei den packagerelevanten Gesetzen sind zweierlei
Während die ersten beiden Parameter durch die Fahr- Arten zu unterscheiden. Zum einen Gesetze, die be-
zeugpositionierung weitgehend vorgegeben sind, be- stimmte Maße direkt vorgeben. Zum anderen Geset-
einflussen die anderen das Fahrzeuggewicht, dessen ze, die indirekt (Funktionsvorschriften) berücksichtigt
Zielgröße schon zu Beginn der Produktdefinition fest- werden müssen.
gelegt wird. Im Zielbildungsprozess zum Gewicht Detaillierte gesetzliche Anforderungen werden insbe-
werden in der frühen Definitionsphase alternative sondere gestellt zu:
Konzeptansätze bewertet und gegenübergestellt. Mit
der Konzeptfestlegung wird das Zielgewicht unter Stoßfängerlage, Anbau und Lage der Leuchten
Berücksichtigung der zukünftigen Produktsubstanz Wischfelder, Sichtwinkel
definiert. Während des gesamten Entwicklungs- Innenraummaße, z.B. Pedalerie, Gurtfelder in
prozesses treten häufig nach Detailentscheidungen Abhängigkeit vom R-Punkt
Gewichtssteigerungen auf, die durch gezielte Maß- Kennzeichenlage
nahmen zu korrigieren oder zu akzeptieren sind. Den weitaus größten Teil der gesetzlich bedingten
Anforderungen beeinflussen das Package indirekt,
4.2.3 Einflussfaktoren indem entsprechende Vorschriften (z.B. zur Fahr-
und Gestaltungsfelder des Package zeugsicherheit) zu berücksichtigen sind (Kap. 9).
Hauptzielkonflikte und Gestaltungsfelder des Fahr-
zeugpackages sind: 4.2.3.2 Innenraummaßkonzeption
Berücksichtigung gesetzlicher Anforderungen Die Auslegung eines neuen Fahrzeugs beginnt in der
Anforderungen der Fahrzeugsicherheit: Crashlän- Regel von innen nach außen. Ausnahmen entstehen
gen, Fußgängerschutz, Seitenaufprall, Überroll- dann, wenn auf Basis eines bestehenden Fahrzeugs
schutz (insbesondere bei offenen Fahrzeugen) Anpassungen oder Derivatentwicklungen vorgenom-
Ergonomie und „Bauraumanspruch“ der Insas- men werden.
sen Der „Bauraumanspruch“ der Insassen stellt die zent-
Bauraumansprüche von Motor und Antriebs- rale Anforderung an das Fahrzeug dar. So stark sich
strang und Berücksichtigung des Wärmemanage- Fahrzeugkonzepte auch unterscheiden, so sind diese
ments doch für die gleichen Menschen (5 % Frau, 95 %
Berücksichtigung von Radhüllkurven und gesetz- Mann als gängige Mindestanforderung) auszulegen,
lichen Anforderungen an die Radabdeckung vgl. Kapitel 6.4.1. Dies wird auch bei der Analyse
Volumina, Variabilität und Zugänglichkeit von wesentlicher Innenraumabmessungen deutlich.
Stauräumen Die Auswirkung der Angabe wesentlicher Interieurma-
Anordnung von Beleuchtungseinrichtungen ße in Bezug auf den R-Punkt soll an einem Beispiel
Anforderungen der Fahrzeugaerodynamik: Grund- verdeutlicht werden. Die Datenbasis für alle folgenden
körper und Zusatzmaßnahmen wie beispielsweise Aussagen besteht aus 34 repräsentativen Fahrzeuge aus
Spoiler oder Verkleidungen den in Abschnitt 4.2.2.1 definierten Klassen.
Anforderungen des Designs an die Fahrzeug- Trägt man den Kopfraum vorne (H61) über dem Rad-
grundform stand (L101) als Bezugsgröße für die Fahrzeugklasse
Bauraumanspruch von Systemen, Modulen und auf, so wird deutlich, dass anhand dieser Daten kaum
Komponenten Differenzierungspotential zu finden ist, Bild 4.2-8.
102 4 Formen und neue Konzepte
1030
1020
Minicar
1010
Kleinwagen
1000
Kompaktklasse
990
Mittelklasse
H61
980
obere Mittelklasse
970
Oberklasse
960
Sportcoupé
950
Trendlinie
940
930 Bild 4.2-8 Kopfraum vorne in
2300 2400 2500 2600 2700 2800 2900 3000 Abhängigkeit von der Fahr-
L101
zeugklasse
Es wird deutlich, dass anhand der auf den R-Punkt Bauraumbedarfs für den Fahrer um ca. 40 mm er-
bezogenen Daten keine Abhängigkeit zwischen Rad- reicht werden. Die Verkürzung kann direkt in eine
stand und Kopfraum festgestellt werden kann. Das Verkürzung des Fahrzeugs umgesetzt werden, vgl.
Streuband hat eine Breite von ca. 50 mm, das beste hierzu auch [8].
Fahrzeug dieser Darstellung ist ein Minicar. Die Fahr- Diese Abhängigkeit wird bei verschiedenen Mini-
zeuge der Luxusklasse haben durchschnittliche Werte. und Kompaktfahrzeugen und bei Vans genutzt, um
Die gleiche Darstellung mit auf die Sitzposition durch eine hohe Sitzposition in Verbindung mit einer
„hinten unten“ normierten Daten zeigt Bild 4.2-9. großen Fahrzeughöhe eine relativ geringe Fahrzeug-
Erst mit dieser Normierung auf einen real messbaren länge zu erzielen. Im Umkehrschluss bedeutet diese
Punkt wird die erwartete Abhängigkeit zwischen Abhängigkeit, dass sehr tiefe Sitzpositionen mit einer
Kopfraum und Fahrzeugklasse deutlich. großen Innenraumlänge „erkauft“ werden.
Dieses einfache Beispiel verdeutlicht, dass die ur- Die Darstellung der Abhängigkeit zwischen L53 und
sprünglich angestrebte Lage des R-Punktes nur in L34 (Fußraum) verdeutlicht, dass eine Verkürzung
wenigen Ausnahmen gegeben ist. des L53-Maßes um 10 mm zu einer Reduzierung des
Für konstruktive Vergleichsuntersuchungen ist es daher Fußraumes in gleicher Höhe führt, Bild 4.2-11.
in der Regel sinnvoll, sich auf den Bezugspunkt „hin- Eine hohe Sitzposition führt somit zu einem reduzier-
ten unten“ zu beziehen, was für alle folgenden Dia- ten Fußraum und einer Sitzposition mit stärker ange-
gramme durch den Zusatz „hu“ verdeutlicht wird. winkelten Beinen.
Die Gestaltung des Fahrerplatzes geschieht im We- Die Abhängigkeiten für die hintere Sitzreihe sind für
sentlichen durch eine Variation der folgenden Para- die Maße H63, L50, L51 und das korrespondierende
meter: Höhenmaß (H31) ähnlich.
L53: R-Punkt bis Fersenpunkt
H30: R-Punkt bis Fersenebene 4.2.3.3 Konzeptbeeinflussende Maßketten
Wie Bild 4.2-10 verdeutlicht, kann durch eine um In Abhängigkeit vom gewählten Grundkonzept stel-
10 mm höhere Sitzposition eine Verkürzung des len sich bei der Erarbeitung der Maßkonzeption unter-
1140
1120
1100
Minicar
1080
Kleinwagen
1060 Kompaktklasse
H61hu
1040 Mittelklasse
1020 obere Mittelklasse
1000 Oberklasse
980 Sportcoupé
290
280 Minicar
270 Kleinwagen
260
Kompaktklasse
250
H30hu
240 Mitteklasse
230 obere Mittelklasse
220 Oberklasse
210
Sportcoupé
200
Trendlinie
190
800 850 900 950 1000
Bild 4.2-10 Abhängigkeit
L53hu
zwischen L53 und H30
1180
1160 Mincar
Kleinwagen
1140
Kompaktklasse
1120 Mittelklasse
L34hu
obere Mittelklasse
1100
Oberklasse
1080 Sportcoupé
Trendlinie
1060
1040
800 850 900 950 1000 Bild 4.2-11 Abhängigkeit
L53hu
von L53 und L34
schiedliche Maßketten als wesentlich heraus. Es ist Der Bereich L1 besteht aus Bugteil, Querträger und
im Rahmen dieses Kapitels nicht möglich, für alle ggf. Pralltöpfen und ist funktional zum einen so
Grundkonzepte (Antriebsanordnung, Aufbauform, auszulegen, dass für Unfälle mit sehr geringen Ge-
Grundform) die konzeptbeeinflussenden Maßketten schwindigkeiten (bis 6 km/h) Deformationen reversi-
aufzuzeigen, für Details vgl. z.B. [7]. Anhand ausge- bel sind und bis ca. 15 km/h eine lokale Deformation
wählter Beispiele sollen aber wesentliche Maßketten entsteht, die insbesondere eine Beschädigung der
in Fahrzeuglängsrichtung (x-Richtung), Fahrzeughö- Längsträger und der Einbauten im Bereich L2 verhin-
he (z-Richtung) und Fahrzeugbreite (y-Richtung) dert. Im Bereich L2 befinden sich Komponenten wie
aufgezeigt werden. Kühler, Scheinwerfer, Scheinwerferreinigungsanlage.
Die Länge L3 wird als freie Crashlänge bezeichnet.
4.2.3.3.1 Die Fahrzeuglänge Je nach Vorderwagenkonzept und Herstellerstandards
definierende Maßketten sind hier zwischen 500 – 700 mm vorzuhalten. Die
Die Fahrzeuglänge wird für die wesentlichen Einzel- freie Crashlänge befindet sich in der Praxis sowohl
längen am Beispiel eines Frontquermotorkonzeptes vor als auch hinter dem Aggregat. L3 ist jedoch nicht
mit zwei Sitzreihen aufgezeigt, Bild 4.2-12. als freie Länge sichtbar, wie immer dichter gepackte
L114
L1 L2 L3 L4-1 L4-2 L6 L53 L50 L7 L8 L9
L5
300
150 Mitteklasse
obere Mittelklasse
100
Oberklasse
Sportcoupé
50
Trendlinie Bild 4.2-13 Abhängigkeit
0 zwischen Abstand Fersen-
300 400 500 600 700 800 punkt zu Mitte Vorderrad und
L114-L53 Bodendicke
4.2 Fahrzeugkonzept und Package 105
Fersenpunkt vorne: Die Breite in dieser Ebene und Wartungsarmut der Verbrennungsmotoren zum
wird durch Radhaus mit Trägerstruktur, Fußstütze anderen führen zu immer komplexer aufgebauten
Kupplungsfuß, Breite Pedalerie und Tunnelbreite Motorräumen [4]. Erhöhte Produktinhalte wie ABS-
(insbesondere bei Fahrzeugen mit Längsmotor) Systeme, Scheinwerferreinigungssysteme u.s.w. er-
festgelegt. schweren die Verhältnisse zusätzlich.
R-Punkt vorne: Das y-Maß wird durch die Breite Durch diese anspruchsvollen Packageverhältnisse so-
der Tür (Seitencrashstrukturen und Airbags), die wie die vor allem bei Dieselmotoren vorhandenen
Schulterbreite der Insassen, und die Abstände Motorkapselungen zur Geräuschdämmung stellen sich
zwischen den Insassen und zu den Türen (Kom- wärmetechnische Aufgaben, bei denen system- und
fortziele, Breite Getriebe und somit Breite Mittel- bauteilbedingte Grenztemperaturen zu beachten sind.
konsole) definiert. Es ist daher die gezielte Belüftung und Durchströ-
R-Punkt hinten: Die Breite wird durch die Lage mung des Motorraums zu beachten.
des Radhauses hinten, den Türaufbau und die
Komfortansprüche für zwei bzw. drei Sitzplätze 4.2.3.4.3 Unterboden
bestimmt.
Antriebsstrang, Abgasanlage, Leitungen, Tank und
4.2.3.4 Ausgewählte Aspekte des Packages Achsen bestimmen die Gestaltung des Unterbodens
4.2.3.4.1 Karosseriestruktur (Bild 4.2-14).
Das Abgasnachbehandlungssystem stellt einen wichti-
Die mögliche Anordnung der Fahrzeugkomponenten, gen Teil der Abgasanlage dar, vgl. Kapitel 5.6. Es muss
der Innenraumbereich sowie die Gesamtfahrzeugab- zur schnellstmöglichen Erreichung seiner Funktions-
messungen werden durch den Raumbedarf der Karos- temperatur nach dem Kaltstart zumindest zu einem Teil
serieträgerstruktur wesentlich beeinflusst. möglichst motornah angeordnet werden. Eine in den
Die sich aus der Auslegungen für Struktursteifigkei- Drosselverlusten minimierte Abgasrohrführung (bei V-
ten (Torsion, Biegung) und Crashverhalten resultie- und Boxermotoren in der Regel zweiflutig [21, 22])
rende Trägerquerschnitte, -verläufe und Knotenaus- und ein ausreichendes Schalldämpfervolumen ist zur
bildungen stellen beim Package aufgrund ihrer hohen Erreichung eines niedrigen Abgasgegendrucks und
Bedeutung einen wesentlichen „Eckpfeiler“ dar. somit hoher Motoreffizienz und -leistung erforderlich.
Karosserieleichtbau (vgl. Kapitel 6) stellt eine we- Den größten Raumbedarf im Tunnel- und Heckbereich
sentliche Stellschraube zur Reduzierung des Gesamt- haben die Schalldämpfer.
fahrzeuggewichtes dar [7, 9]. Leichtbaustrukturen mit Zur Reduzierung des Luftwiderstands werden bei
ihren tendenziell größeren Querschnitten sind daher Fahrzeugen der höheren Preis- und Geschwindig-
ebenfalls konzeptbeeinflussend. keitsklasse Unterbodenverkleidungen eingesetzt, die
einen relativ glatten Unterboden realisieren. Neben-
4.2.3.4.2 Motorraum
effekte dieser Verkleidungen sind ein besserer Schutz
Härter werdende Forderungen zur Reduzierung der der Leitungen, aber in der Regel etwas schlechtere
Fahrzeugemissionen zum einen sowie die Effizienz thermische Verhältnisse.
4.2.3.4.4 Tank, Leitungen und Reserverad Beispiele großer Module sind Frontendmodul (vgl.
Kapitel 6.1.5), Cockpitmodul, Vorder- und Hinter-
Die Anordnung des Kraftstofftanks wird durch erfor- achse, Antriebsstrang (teilweise inkl. Achse(n)) und
derliche Crashschutzmaßnahmen geprägt. Charakte- bei Cabriolets das Verdeckmodul.
ristisch ist die Platzierung im crashgeschützten Be-
reich vor und im Bereich der Hinterachse bei Front- 4.2.3.5.2 Kundendienst
motorfahrzeugen, vgl. Kapitel 7.6.
Produktions- und sicherheitsrelevante Kriterien prä- Fahrzeugkonzeptbeeinflussende Forderungen sind in
gen das Leitungspackage der Benzin-, Hydraulik- und erster Linie maximal zulässige Zeitwerte zum Aus-
Elektrikleitungen. Eine crashsichere, kreuzungsfreie tausch von Fahrzeugkomponenten sowie eine Mini-
Verlegung muss durch sichere und verwechslungs- mierung etwaiger Reparaturkosten. Diese Forderun-
freie Schnellverbindungen eine hohe Produktionsqua- gen bedeuten während der Packageabsicherung Ein-
lität gewährleisten. Eine Minimierung der Verbin- und Ausbauuntersuchungen von Komponenten oder
dungsstellen kraftstoffführender Leitungen in Ver- Baugruppen und die theoretische Ermittlung der
bindung mit Werkstoffen, die eine geringstmögliche Zeitbedarfe.
Kraftstoffdiffusion ermöglichen, ist zur Minimierung Zweck dieser Optimierung ist eine Reduzierung der
der Kohlenwasserstoffemissionen erforderlich. Aus Wartungs-, Reparatur- und Versicherungskosten für
gleichem Grund werden Aktivkohlebehälter (Volu- den Kunden und damit eine Steigerung der Wettbe-
men 1,5 l bis ca. 5 l je nach Tankvolumen und Betan- werbsfähigkeit des Produkts, vgl. Kapitel 11.6.
kungsentlüftungssystem) zur Zwischenspeicherung
der im Fahrzeugbetrieb (z.B. Tankerwärmung, USA 4.2.3.6 Einfluss von Plattform und Baukästen
auch Betankungsvorgang) freiwerdenden Benzin-
Durch die Definition von Plattformen und Baukästen
dämpfe eingesetzt.
wird das Ziel verfolgt, viele unterschiedliche Fahr-
Ein voluminöses Bauteil ist das Reserve- oder Not-
zeugvarianten (z.B. Limousine 2-, 4-türig, Kombi,
rad, das – bei Frontmotorfahrzeugen im Heckbereich
Cabriolet) mit möglichst wenig variantenspezifischen
angeordnet – einen Bruttoraumbedarf von ca. 50 l
Bauteilen zu entwickeln.
(schmales Hochdrucknotrad) bis etwa 80 l (vollwerti-
Unter einer Plattform wird dabei ein großer Teil der
ges Reserverad) hat. Aus diesem Grund wird es
Bodengruppe (Trägerstrukturen einschließlich Stirn-
zunehmend durch platzsparende Reifenreparatur- und
wand, im Hinterwagenbereich meist längen-, oft auch
füllsysteme oder Reifen mit Notlaufeigenschaften
packagevariabel), der Antriebsstrang inkl. Kühlermo-
(vgl. Kapitel 7.3) ersetzt.
dul, die Achsen mit Lenkstrang, der Cockpitaufbau
ohne Verkleidung und aus diesen Merkmalen zumeist
4.2.3.5 Anforderungen aus Produktion ebenfalls die Sitzposition mindestens vorne verstan-
und Kundendienst den.
Da auf einer gemeinsamen Plattform unterschiedliche
4.2.3.5.1 Produktion und Modularisierung Fahrzeugtypen dargestellt werden, ist der gesamte
Eine durch ein rationelles Fertigungskonzept mit dem „Hut“ und somit die für den Kunden sichtbare Form
Ziel höchster Produktqualität und niedrigster Ferti- (sowohl Interieur wie Exterieur) nicht Inhalt einer
gungszeiten vorgegebene Montagereihenfolge beein- Plattform.
flusst den Fahrzeugentwurf, da z.B. Einbaurichtungen Unter einem Baukasten versteht man im Fahrzeugbau
(Beispiel: Motoreinbau von oben, vorne oder unten) Komponenten oder Baugruppen, die in verschiedenen
berücksichtigt werden müssen. Gleichbedeutend mit Baureihen und Typen zur Verwendung kommen, wie
räumlich großen Komponenten wie die Antriebsein- beispielsweise Aggregate (Motoren, Getriebe), Achs-
heit sind Einbaumodule, deren Montagemöglichkeit teile oder ganze Achsen, Kühler, Nebenaggregate
in das Fahrzeug erst über ihre Realisierbarkeit ent- (Lichtmaschine, Klimaanlagenkompressoren) sowie
scheidet. Heizungs- und Klimaanlage.
Der Trend zu einer stärkeren Modularisierung des Ziel von Plattformdefinition und Baukästen ist, mit
Fahrzeugs, d.h. Bildung größerer Vormontagebau- einem (gesamtheitlich gesehen) Minimum an Ent-
gruppen, hat folgende Ursachen z.B. [30]: wicklungs- und Investitionskosten ein Maximum an
verschiedenen Typen und Varianten darzustellen. Zu-
Entlastung des Fahrzeugmontagebandes von ar- sätzlich verbessern sich Einkaufsbedingungen und
beitsintensiven Umfängen Produktionskosten für die mit hoher Stückzahl produ-
Vereinfachung von Montagevorgängen am Band zierten Plattform- und Baukastenteile. Gängig ist
Variantenbildung und deren Vorprüfung außer- diese Strategie vor allem bei Automobilkonzernen,
halb des Fahrzeugmontagebandes die verschiedene Marken unter sich vereinigen, aber
Reduzierung von Taktverlustzeiten auch bei kleineren Herstellern, um niedrigere Fahr-
Möglichkeit zum Out-Sourcing größerer Umfän- zeugstückzahlen einzelner Typen in der Gesamtheit
ge wirtschaftlich darstellen zu können [4, 29].
4.2 Fahrzeugkonzept und Package 107