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Maschinenbau
Ein Lehrbuch
für das ganze Bachelor-Studium
2. Auflage
Maschinenbau
TUNAP INDUSTRY
TUNAP steht seit mehr als 40 Jahre für Leidenschaft und Kompetenz im Bereich
chemischer Produkte. Als Spezialist für chemisch-technische Anwendungen liegen
unsere Stärken insbesondere im Bereich der Schmierfette, -öle und -pasten sowie
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Werner Skolaut
(Hrsg.)
Maschinenbau
Ein Lehrbuch für das ganze
Bachelor-Studium
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte biblio-
grafische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Springer Vieweg
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2014, 2018
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tigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen
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Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk
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Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer
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Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany
Geleitwort
Der Maschinenbau – mit allen seine Branchen und Technologien – ist für die Bundesrepublik
Deutschland Wirtschaftsmotor Nummer eins. Der Erfolg der Firmen, ob Klein-, Mittel- oder
Großunternehmen, wird Jahr für Jahr an den Exportzahlen und dem Exportüberschuss, den
Deutschland dadurch erwirtschaftet, jedem deutlich.
Die Position im internationalen Wettbewerb, die besonders durch die Leistungen des In-
genieurfachpersonals in den Unternehmen erreicht wurde, muss für die Zukunft gesichert
werden. Dieses Ziel lässt sich am besten und vorausschauend realisieren, besonders auch
mit einem hohen Wirkungsgrad und überschaubaren Investitionsleistungen, wenn die Inge-
nieursausbildung weiterhin auf höchstem Niveau erfolgt.
Die Umstellung an den Hochschulen auf Bachelor- und Masterabschluss hat der Qualität
der Ausbildung aufgrund des Verantwortungsbewusstseins der Lehrenden gegenüber den
Studierenden und deren beruflicher Zukunft bisher keinen messbaren Schaden zugefügt.
Dieser Umstand ist auch dem Angebot an begleitendem Lehrmaterial geschuldet.
Normen, VDI-Richtlinien und die studienbegleitenden Lehrbücher werden für die Studie-
renden inhaltlich abgestimmt und kontinuierlich mit neuestem Fachwissen erweitert, so
dass die Absolventinnen und Absolventen der technischen Ausbildungsberufe, Ingenieur-
akademien und Hochschulen sich den neuesten Technologiestand in Kombination mit den
jeweiligen Lehreinheiten aneignen können.
Das vorliegende Springer Lehrbuch Maschinenbau bietet den Studierenden eine hervorra-
gende Möglichkeit, sich Wissen eigenständig zu erarbeiten, erlerntes Wissen zu vertie-
fen bzw. studienbegleitend in Übungen und Seminaren anzuwenden. Darüber hinaus ist
der erläuternde Text in Verbindung mit den vielfältigen, sehr eindrucksvoll dargestellten
Konstruktions- und Berechnungsbeispielen für eine Auffrischung der Thematiken des Ma-
schinenbaus sehr hilfreich. In Kombination, z. B. mit dem DUBBEL – Taschenbuch für den
Maschinenbau oder der grundlagenorientierten HÜTTE – beide ebenfalls aus dem Springer
Verlag – wird den Lesern der umfassende, gefestigte und wissenschaftlich nachgewiesene
Technologiestand geboten.
Von den Autoren des Springer-Lehrbuchs Maschinenbau ist unter der Leitung des Heraus-
gebers eine eindrucksvolle Studienliteratur in der nun vorliegenden 2. aktualisierten und
überarbeiteten Auflage erarbeitet worden, die sich in die oben genannte Zielsetzung des
deutschen Maschinenbaus, die Technologieführerschaft für Deutschland zu sichern, nahtlos
und überzeugend einbringt.
V
Vorwort zur zweiten Auflage
In der vorliegenden aktuellen 2. Auflage des Lehrbuches wurden alle Kapitel von den
Autoren überarbeitet, aktualisiert und, da wo notwendig, erweitert. Ermuntert durch die
zahlreichen positiven Reaktionen der Rezensenten wurde das didaktische Konzept mit Leit-
beispiel, Vertiefungen, gerechneten Aufgaben, Anwendungsbeispielen und Übersichten in
Kästen vom Text abgegrenzt und mit verschiedenen Farben verdeutlicht, festgehalten. Die
Stilelemente mit den Farben blau für Beispiele, violett für vertiefende Darstellungen und
gelb für Übersichten sowie die gelb unterlegten Merksätze sind geblieben. Verständnisfragen
im Text sind weiterhin zur Selbstkontrolle des Gelernten vorhanden. Erweitert wurden die
Querverweise zwischen den Kapiteln, speziell was die Abhängigkeit zwischen Materialei-
genschaften, Konstruktion und Fertigung betrifft. Besonders wurden die genannten Normen
sowie alle weiteren Quellen auf Aktualität geprüft und auf den neuesten Stand gebracht;
speziell der geometrischen Produktspezifikationen, die als besonders wichtig für die globa-
le Ausrichtung des Maschinenbaus gelten. Zukunftsweisend wurde die additive Fertigung
aufgenommen und der Teil zur Industrie 4.0 detaillierter dargestellt. Ebenso widmet sich ei-
ne Übersicht den Speichern elektrischer Energie im Teil Elektrotechnik. Dankenswerterweise
sind die gleichen 20 Autoren aus Universitäten und Fachhochschulen wieder beteiligt, deren
ergänzte Kurzbiografien am Ende des Buches zu finden sind. Dort befinden sich auch die
Danksagungen der Autoren.
Als Herausgeber möchte ich mich an dieser Stelle bei den Autoren für die erneute Mitwir-
kung und hervorragende Zusammenarbeit sowie die Termintreue bedanken. Weiterhin gilt
mein Dank le-tex publishing services GmbH, insbesondere Frau Steffi Siebert-Hohensee und
Herrn Julian Meyer. Mein besonderer Dank gilt auch Herrn Günther Hippmann von der
Hippmann GbR, für die fachkundige und zuverlässige Gestaltung der Abbildungen. Er hat
als Grafiker einen besonderen Anteil am Aussehen des Buches. Bedanken möchte ich mich
zusammen mit den Autoren bei allen Beteiligten des Springer-Verlages und besonders bei
Frau Hestermann-Beyerle und Frau Kollmar-Thoni von Springer Vieweg. Ganz besonderer
Dank gilt auch meiner Frau, die die Zeit bis zum Erscheinen der zweiten Auflage wieder
ermunternd begleitet hat.
Werner Skolaut
VII
Vorwort zur ersten Auflage
Seit der Umsetzung des Bologna-Prozesses als europäische Hochschulreform hat sich das
klassische Maschinenbaustudium durch Einführung spezieller Profile in eine große Anzahl
eigenständiger Studiengänge aufgefächert. Daher findet man heute eine Vielfalt an Unter-
gliederungen in der Organisation der Maschinenbau-Fakultäten. Aus der Perspektive der
Studierenden stehen andere Probleme im Vordergrund. Zunächst ist die Interdisziplinari-
tät des Maschinenbaus zu nennen. Es gilt, viele Wissensgebiete parallel zu erschließen, wie
zum Beispiel Technische Mechanik, Werkstoffkunde oder Thermodynamik, die wiederum
mit dem Grundlagenwissen aus Mathematik, Physik und Chemie verknüpft sind. Zu diesen
Wissensgebieten lassen sich hervorragende einzelne Lehrbücher finden – meist verfasst von
mehreren Autoren aus dem jeweiligen Fachgebiet und versehen mit Aufgaben zur Verdeut-
lichung des Stoffes und dessen Anwendung. Ein umfassendes Lehrbuch, das einführend die
gesamten Grundlagen des Maschinenbaus enthält, fehlte bisher.
Das vorliegende Lehrbuch des Maschinenbaus schließt diese Lücke. Alle Kapitel wurden
von Autoren verfasst, die als Professoren Lehrerfahrung in ihren jeweiligen Fachgebieten
besitzen. Versehen mit vielen Beispielen, ausführlichen Berechnungen und in die Tie-
fe gehenden Darstellungen wichtiger Hintergründe werden alle Fachgebiete ausführlich
behandelt. Ein Thema zieht sich durch das gesamte Buch: der Antriebsstrang. Als ein kom-
plexes System zur Übertragung von Energie zur Fortbewegung, bestehend aus zahlreichen
Elementen mit unterschiedlichen Funktionen, werden daran Funktionsweisen und Prinzipi-
en, Fertigungsverfahren sowie Materialeigenschaften demonstriert. Wie und welche dieser
Elemente in den einzelnen Kapiteln genutzt werden, ist im ersten Kapitel beschrieben.
Symbolisiert wird dieses Anwendungsbeispiel durch einen Kasten mit einem stilisierten An-
triebsstrang auf grünem Hintergrund. Andere Stilelemente haben ebenfalls eigene Farben:
blau sind Beispiele, violett vertiefende Darstellungen und gelb Zusammenfassungen.
Insgesamt sind 20 Autoren aus Universitäten und Fachhochschulen beteiligt, deren Kurz-
biografien am Ende des Buches zu finden sind. Dort finden sich auch die Danksagungen der
Autoren.
Als Herausgeber möchte ich mich an dieser Stelle bei den Autoren für die hervorragende
Zusammenarbeit, geprägt von vielen Diskussionen und auch Kompromissen bezüglich des
Inhalts und einer möglichst widerspruchsfreien Nomenklatur, bedanken. Weiterhin gilt mein
Dank le-tex publishing services GmbH, insbesondere Frau Dana Minnemann und Frau An-
ne Strohbach zusammen mit den Grafikern Herrn Wolfgang Zettlmeier, Frau Valentina Ansel
und Herrn Günther Hippmann, die dem Buch das Aussehen gegeben haben. Ganz beson-
ders bedanken möchte ich mich aber zusammen mit den Autoren bei allen Beteiligten des
Springer-Verlages für die Unterstützung und besonders für die kreative und umsichtige Pro-
jektleitung durch Frau Hestermann-Beyerle von Springer Vieweg. Ganz besonderer Dank
gilt auch meiner Frau, die die letzte, doch sehr arbeitsintensive Zeit der Endkorrekturen
ebenso ermunternd begleitet hat wie die Zeit der Vorbereitung.
Werner Skolaut
IX
Inhaltsverzeichnis
Teil II Werkstoffkunde
Teil IV Strömungsmechanik
Teil V Maschinenelemente/Konstruktionslehre
Teil VI Fertigungstechnik
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1130
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1132
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1156
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1158
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1178
XX Inhaltsverzeichnis
37 Motoren und Generatoren – wie von 0 auf 300 km/h beschleunigt wird . . 1247
37.1 Physikalische Grundlagen von Motoren und Generatoren . . . . . . . . 1248
37.2 Typen, Randbedingungen und Einsatzgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . 1253
37.3 Gleichstrommaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1254
37.4 Asynchronmaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1259
37.5 Synchronmaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1261
Weiterführende Literatur für die Kapitel 34 bis 37 . . . . . . . . . . . . . . . . . 1266
Antworten zu den Verständnisfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1267
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1268
Inhaltsverzeichnis XXI
Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1389
Autorenbiographien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1405
Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1411
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1417
Autoren
XXIII
Maschinenbau – seine
Vielfalt und die Motivation
1
für dieses Lehrbuch
Was erwartet Sie im
Maschinenbaustudium?
Wie ist das Buch
aufgebaut?
Welche didaktischen
Elemente erleichtern das
Lernen?
Für optimalen Lesefluss sehen wir im gesamten Buch von der Nen- Auch wenn die Frage nach der „richtigen“ Struktur des
nung weiblicher und männlicher Formen der Berufsbezeichnungen Faches zuweilen heftig diskutiert wird, erscheint sie doch
(Ingenieure und Ingenieurinnen) ab. Ebenso verzichten wir auf die mit etwas Abstand betrachtet als nicht so elementar wich-
Benutzung des Kunstwortes IngenieurIn. Sämtliche Personenbe- tig. Viel wichtiger ist ein anderer Aspekt, der aus der
zeichnungen gelten für beide Geschlechter. Perspektive des Studierenden betrachtet manchmal pro-
blematisch ist: das Fach Maschinenbau ist interdiszipli-
Auf die Frage, was denn nun das Besondere sei am Be- när, viele Wissensgebiete spielen eine wichtige Rolle, und
ruf des Ingenieurs, erhält man häufig die Antwort: „Dem es ist schwer, sich anhand von Literatur und Lehrbüchern
Ingenieur ist nichts zu schwer!“. Und in der Tat sind es einen Überblick zu verschaffen. Es gibt hervorragende
dieser Optimismus und die Begeisterung für die vielfäl- Lehrbücher zu einzelnen Fächern, wie z. B. Werkstoffkun-
tigen beruflichen Herausforderungen, die für Viele die de, Technische Mechanik, Thermodynamik, usw., und es
Faszination dieses Berufsfeldes ausmachen. In seinem In- ist jedem Studierenden nur zu raten, die entsprechende
genieurlied, dem die oben zitierte Zeile entnommen ist, Literatur kennenzulernen und möglichst viele der ein-
beschreibt Heinrich Seidel (1842–1906) die Situation am schlägigen guten Fachbücher zu studieren.
Ende des 19. Jahrhunderts, zu einer Zeit, als es noch kei- Aber bisher fehlte ein einführendes Lehrbuch, in dem
ne Computertechnik gab, und viele der Dinge, die heute die Grundlagen des Maschinenbaus zusammenfassend
alltäglich sind, noch unvorstellbar waren. Heute sind die- dargestellt sind. Das vorliegende Lehrbuch des Maschi-
se Technologien Bestandteil der Ingenieurwissenschaften nenbaus schließt diese Lücke. Es enthält (mit Ausnahme
und prägen insbesondere auch den Maschinenbau. der Mathematik) die Grundlagen aller Lehrfächer, die
typischerweise Gegenstand eines Bachelor-Studiums an
Der Maschinenbau hat sich als eigenständiges Studien-
Universitäten und Fachhochschulen sind und bietet da-
fach mit der zunehmenden Entwicklung von Technik und
mit einen idealen Einstieg in dieses Studium.
Wissenschaft seit Ende des 18. Jahrhunderts herausge-
bildet. Ferdinand Redtenbacher (1809–1863) in Karlsruhe
und Karl Karmarsch (1803–1879) in Hannover sind be-
kannte Persönlichkeiten, die den Maschinenbau in der
Mitte des vorletzten Jahrhunderts als Studienfach an
1.1 Berufsfeld
den damals entstehenden Technischen Hochschulen in Maschinenbau-Ingenieur
Deutschland begründeten (Abb. 1.1).
Meist wird das Fach Maschinenbau in die Einzeldiszi- Das Berufsfeld des Maschinenbau-Ingenieurs ist extrem
plinen Konstruktion und Entwicklung, Produktion und breit. Maschinenbau-Ingenieure arbeiten an der Konzi-
Logistik sowie Energie- und Verfahrenstechnik unter- pierung neuer Produkte, erstellen Machbarkeitsstudien
teilt. Diese klassische Struktur findet man dementspre- zu Fertigungstechnologien, treffen Entscheidungen über
chend heute in der Organisation vieler Maschinenbau- Produktions- und Lieferketten, gestalten Fabriken und
Fakultäten wieder. Aber natürlich gibt es auch andere Anlagentechnik, optimieren den Wirkungsgrad von Pro-
Möglichkeiten, für eine Differenzierung. So kann man zessen, analysieren funktionale Zusammenhänge in tech-
das Fach z. B. in Fahrzeugtechnik, Luft- und Raumfahrt- nischen Systemen, führen Gespräche mit Kunden und
technik, Schiffs- und Meerestechnik, Medizintechnik, und Lieferanten, um Anforderungen an Bauteile und Systeme
weitere Bereiche gliedern. zu klären, verhandeln über Preise und Lieferkonditionen,
a b c
1.2 Der Produktentstehungsprozess 3
Tab. 1.1 Ingenieurbranchen und volkswirtschaftliche Indikatoren. Ergebnisse der fünf Branchen mit dem höchsten Anteil der Ingenieure an allen Erwerbstätigen
Erwerbstätige erwerbstätige Innovations- Ausfuhr und Überschuss bei
Ingenieure ausgaben Einnahmen aus Ausfuhr und
in Mrd. Euro Dienstleistungen in Dienstleistungen
Mrd. Euro in Mrd. Euro
Fahrzeugbau 1.296.000 163.000 33,68 225,7 108,7
Maschinenbau 1.123.000 148.000 11,81 161,2 90,8
Elektroindustrie 824.000 109.000 13,62 151,1 18,8
Technische/F&E-Dienstleistungen 652.000 231.000 3,41 10,4 2,7
EDV/Telekommunikation 682.000 72.000 10,47 13,4 1,6
fünf Ingenieurbranchen gesamt 4.579.000 723.000 72,99 561,8 222,6
Volkswirtschaft gesamt 41.550.000 1.603.000 121,26 1252,8 151,6
Quellen: Institut der deutschen Wirtschaft Köln; eigene Berechnungen auf Basis von FDZ der statistischen Ämter des Bundes und der Länder;
Mikrozensus 2009; ZEW Innovationserhebung 2011 (Datenstand 2010); Statistisches Bundesamt 2012; Deutsche Bundesbank, 2012
nehmen Anlagen in Betrieb, überwachen den Zustand si- Produkt entstehen zu lassen. Der Produktentstehungs-
cherheitskritischer Bauteile, führen Berechnungen durch, prozess lässt sich, einem Leitfaden der Wissenschaftlichen
um die Verlässlichkeit technischer Systeme zu beurteilen, Gesellschaft für Produktentwicklung (WiGeP) folgend,
und treffen unternehmerische Entscheidungen. Die Lis- grob in die Phasen
te könnte noch weiter fortgesetzt werden, und bringt uns
doch nur zu einem Ergebnis: Die Vielfalt der späteren Be- Produktplanung (Bedarfsermittlung, Ideenfindung,
rufstätigkeit ist enorm (Tab. 1.1). So schwierig dies die Machbarkeitsstudie),
Orientierung bei der Frage „In welchem dieser Bereiche Produktentwicklung (Auslegung, Design),
will ich später einmal tätig werden?“ macht, vermittelt Produktion (Fertigungsplanung, Fertigung, Montage,
dieser Umstand doch aber auch gleichzeitig die Zuver- Inbetriebnahme)
sicht, dass im Grunde jeder Studierende die Möglichkeit
hat, im späteren Berufsfeld eine Aufgabe zu finden, die zu gliedern. Er ist damit Teil des Produktlebenszyklus, der
ihm und seinen persönlichen Neigungen passt. über die Produktentstehung hinaus noch den Betrieb,
Nach einer Studie des Verbands Deutscher Ingenieure die Instandhaltung und die Entsorgung oder die Wieder-
VDI waren in Deutschland im Jahr 2013 ca. 1,6 Millionen verwendung bzw. die Wiederverwertung des Produktes
Ingenieure erwerbstätig. Nur gut die Hälfte davon ist aber umfasst.
in einem traditionellen Ingenieurberuf in der Industrie In der ersten Phase des Produktentstehungsprozesses
beschäftigt. Die andere Hälfte übt eine Tätigkeit im Ma- wird unter Berücksichtigung der Marktbedingungen, der
nagement, im öffentlichen Dienst oder als Selbständiger Wettbewerbsposition des Unternehmens sowie technolo-
aus. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, gischer und gegebenenfalls politischer Randbedingungen
dass der häufigste Bildungshintergrund von Geschäfts- der Bedarf an einem neuen oder verbesserten Produkt
führern in der Industrie ein Studienabschluss in den In- bestimmt. Darauf aufbauend werden verschiedene Pro-
genieurwissenschaften ist und fast 10 % aller Ingenieure duktideen generiert, deren Machbarkeit und Rentabilität
als Unternehmensleiter, Geschäftsführer oder Bereichslei- untersucht wird. Am Ende steht dann die Entscheidung
ter tätig sind. für ein oder mehrere Produkte und die Ermittlung von
Anforderungen, die als Grundlage für die nachfolgende
Die wirtschaftliche Bedeutung der Branchen Fahrzeug-
Phase der Produktentwicklung dienen.
und Maschinenbau ist in den letzten Jahren in Deutsch-
land noch weiter gestiegen. So betrug der Umsatz der Im Rahmen der Produktentwicklung erfolgt zunächst in
deutschen Firmen im Fahrzeugbau im Jahr 2016 ca. 320 der Regel eine Beschreibung (Modellierung) der Funk-
Mrd. €. Im Maschinenbau lag er bei 220 Mrd. €. tionen, die von dem zu entwickelnden Produkt erfüllt
werden müssen. In der Regel gibt es mehrere Funktions-
strukturen, mit denen die Anforderungen an das Produkt
erfüllt werden können; deshalb erfolgt meist auch eine
1.2 Der Produktentstehungsprozess Optimierung, um die für das Produkt besonders wich-
tigen Ziele möglichst gut zu erreichen. Dieses Vorgehen
wird auch als Design for X bezeichnet, wobei es sich
Um einen Eindruck von der Komplexität des modernen bei X z. B. um minimale Kosten, möglichst geringes Ge-
Maschinenbaus zu vermitteln, werden wir im Folgenden wicht, maximale spezifische Leistung, minimalen Ener-
den Produktentstehungsprozess betrachten, mit dem die gieverbrauch oder Ähnliches handeln kann. In gleicher
Schritte bezeichnet werden, die notwendig sind, um ein Weise wie bei der Modellierung der Funktionsstruktur
4 1 Maschinenbau – seine Vielfalt und die Motivation für dieses Lehrbuch
wird auch die Gestalt des Produktes modelliert und op- und produktionstechnische Randbedingungen berück-
timiert. Man spricht hier von funktionsorientiertem Ent- sichtigt.
wurf (logische Funktionsanalyse) und gestaltorientiertem Typische Berufsbilder von Maschinenbauingenieuren in
Entwurf (Synthese der physikalischen Baustruktur). Die der Produktion sind:
damit verbundenen Arbeitsschritte sind vielfältig und
haben zur Herausbildung verschiedener typischer Berufs- Fertigungsplaner: Projektierung von Fertigungsstätten,
bilder des Maschinenbauingenieurs in der Produktent- Festlegen von Arbeitsabläufen, Auswahl von Produk-
wicklung geführt, wie z. B.: tionsmaschinen und Fertigungseinrichtungen, Ge-
staltung von Montagelinien,
Konstrukteur: Modellieren von Funktionen, Festlegen Technologe: Optimierung und ständige Verbesserung
der Gestalt, Auswahl der Werkstoffe, Dimensionie- der eingesetzten Fertigungstechnologien, Entwick-
rung von Bauteilen und Komponenten, Klären der lung neuer Produktionsverfahren,
fertigungstechnischen Randbedingungen für die spä- Qualitätsmanager: Überwachung der laufenden Ferti-
tere Produktion, gung, Sicherstellung gleichbleibend hoher Produkt-
Berechnungsingenieur: rechnerische Bestimmung der in qualität, Analyse von Risikofaktoren und Schwach-
Bauteilen auftretenden Beanspruchungen, Berech- stellen im Produktionsprozess,
nung von Eigenfrequenzen, rechnerische Bestim- Produktionssteuerer: Kapazitätsplanung, Sicherstellen,
mung von Strömungs- und Temperaturfeldern, dass Liefertermine eingehalten werden.
Versuchsingenieur: experimentelle Validierung von Re-
chenmodellen und Bestimmung der darin auftreten- Auch diese Aufzählung ist lediglich ein Auszug, nicht
den Parameter, Durchführung von Versuchen zur vollständig. Und auch in der Produktion gibt es viele un-
Ermittlung von Verschleiß und zur Vorhersage der terschiedliche Ausprägungen der Organisationsstruktur
Lebensdauer, Bewertung von Produkteigenschaften in den verschiedenen Industrieunternehmen.
in Testfahrten und Probandenversuchen,
Patentingenieur: Prüfen des Neuheitsgrades technischer Zur Erfüllung der vielfältigen Anforderungen in der be-
Entwicklungen, Formulieren und Anmelden von ruflichen Praxis brauchen Maschinenbauingenieure, die
gewerblichen Schutzrechten, Verteidigung eigener im Bereich der Produktentstehung arbeiten, eine sehr gu-
Schutzrechte und Überwachung fremder Schutzrech- te Ausbildung. Niemand kann in allen oben genannten
te, Vergabe und Erwerb von Lizenzen. Tätigkeitsfeldern ein Spezialist sein. Arbeiten im Team
ist ein wesentliches Merkmal des Produktentstehungs-
prozesses. Dabei sind die Teams nicht nur abteilungs-,
Diese Aufzählung ist nicht vollständig; die genannten sondern oft auch unternehmensübergreifend und interna-
Tätigkeiten sind nur typisch und keineswegs strikt wört- tional zusammengesetzt. Deshalb werden bei Ingenieuren
lich zu verstehen. Große Unterschiede bestehen auch in in der Regel auch sehr hohe Anforderungen an die Kom-
der betrieblichen Organisation des Produktentwicklungs- munikationsfähigkeiten und gute Fremdsprachenkennt-
prozesses. In vielen Unternehmen gehören zur Organi- nisse gefordert.
sationseinheit Produktentwicklung verschiedene Unter-
einheiten, wie z. B. Forschung und Vorentwicklung, Kon- Der hier näher betrachtete Prozess der Produktentste-
struktion, Berechnung, Prototypenbau, Versuch, Produkt- hung ist eines der Haupttätigkeitsfelder von Ingenieuren.
datenmanagement. Zur Unterstützung der dort tätigen Es gibt darüber hinaus aber sehr viele weitere Berei-
Ingenieure werden zahlreiche Werkzeuge eingesetzt, zu che, in denen Ingenieure tätig sind, auf die hier nicht
denen beispielweise Datenverarbeitungs- und Visualisie- näher eingegangen wurde. Zu diesen zählen Führungs-
rungsprogramme wie CAD (Computer Aided Design) und Leitungsaufgaben in Unternehmen, Aus- und Weiter-
oder VR (Virtual Reality), Berechnungs- und Optimie- bildung, Vertrieb, Service und Instandhaltung sowie Tä-
rungsprogramme wie CAE (Computer Aided Enginee- tigkeiten als Unternehmensberater oder Sachverständige.
ring), sowie Rapid Prototyping oder Hardware-in-the- Auch wenn all diese Berufsbilder im Detail ganz unter-
Loop zählen. schiedliche Kompetenzen erfordern, haben sie doch auch
viele Gemeinsamkeiten und erfordern einen Mindest-
Am Ende des Produktentwicklungsprozesses steht die umfang an technischem Fachwissen, die Fähigkeit zum
Produktdokumentation, zu der auch die Erstellung der strukturierten und zielorientierten Arbeiten sowie ein ge-
Fertigungsunterlagen gehört. Es wäre nun aber falsch wisses Maß an Sozialkompetenz.
anzunehmen, dass die dritte Phase des Produktentste-
hungsprozesses, die Produktion, strikt von den ersten
beiden Phasen getrennt sei. In den meisten Fällen spie-
len Fragestellungen zur in der Produktion eingesetz- 1.3 Bachelor-Studium Maschinenbau
ten Fertigungstechnik eine wichtige Rolle bei der Pro-
duktentwicklung. Dies gilt insbesondere bei Fragen zu Im Zuge der Bologna-Reform haben die meisten Univer-
Herstellkosten, Produktionsmengen und Qualität. Häufig sitäten und Fachhochschulen die traditionellen Diplom-
werden sogar schon in der Produktplanung fertigungs- Studiengänge auf Bachelor- und Master-Studiengänge
1.3 Bachelor-Studium Maschinenbau 5
Forschungs- und
fachwissenschaftliche planerische Beurteilungs- Selbst- und
Problemlösungs-
Kompetenz Kompetenzen kompetenzen Sozialkompetenzen
kompetenzen
Formulieren,
Zusammenfassen,
Kontextualisierung
von Ergebnissen
umgestellt. Während in den Diplom-Studiengängen das Promotion abgeschlossen haben. Damit lag die Anzahl
Vordiplom typischerweise nach vier Semestern und das der Absolventen insgesamt bei ca. 38.000.
Diplom nach zehn Semestern der Regelstudienzeit er- Trotz großer Bedenken in weiten Teilen der Hochschul-
reicht wurde, sind typische Bachelor-Studiengänge auf landschaft haben sich die neuen Abschlüsse am Arbeits-
sechs Semester und typische Master-Studiengänge auf markt durchgesetzt und auch dazu beigetragen, die Dis-
weitere vier Semester Regelstudienzeit ausgelegt. Mit die- kussion über die Qualität von Studiengängen an Uni-
ser Umstellung der Studiengänge waren weitreichende versitäten und Fachhochschulen zu beleben. Eine nahezu
Veränderungen in der Struktur der Studiengänge ver- gleiche Akzeptanz von Absolventen aus Fachhochschu-
bunden, die jedoch in den meisten Fällen keine Aus- len und Absolventen aus Universitäten spiegelt sich in
wirkungen auf die Fächer hatten, die zum klassischen den Einstiegsgehältern wieder. So hängt nach einer Studie
Kanon des Vordiploms gehörten und heute oft zusam- des VDI aus dem Jahr 2012 die Höhe der Einstiegsgehäl-
menfassend als Grundlagen des Maschinenbaus bezeichnet ter stärker von der Größe der Unternehmen ab als von der
werden. Herkunft der Ingenieure oder ihrem jeweiligen Abschluss
Im Jahr 2015 haben im Fachbereich Maschinenbau und (Bachelor, Master, Diplom).
Verfahrenstechnik ca. 10.500 Studierende einen Masterab- Hatte es Ilse Knott-ter Meer (1899–1996) (Abb. 1.1a),
schluss, ca. 22.500 Studierende einen Bachelor-Abschluss die erste deutsche Diplom-Ingenieurin und später erstes
erreicht. Hinzu kamen ca. 3300 Studierende, die einen Di- weibliches Mitglied im Verein Deutscher Ingenieure, in
plomabschluss erlangt und knapp 2000 Personen, die eine ihrem Studium an den Technischen Hochschulen in Han-
6 1 Maschinenbau – seine Vielfalt und die Motivation für dieses Lehrbuch
nover und München noch schwer, liegt heute der Anteil petenz, wie z. B. die Fähigkeit, die Grenzen der Gültigkeit
weiblicher Absolventen im Maschinenbau bei über 20 %. von Theorien und Lösungen zu erkennen oder Lösungen
Dieser Anteil ist deutlich niedriger als in anderen Län- auf neue Anwendungsfelder zu übertragen, ist in uni-
dern. Es ist jedoch zu hoffen, dass sich dies in Zukunft versitären Studiengängen in der Regel deutlich höher als
ändert und noch mehr Frauen sich für ein Studium des in Studiengängen an Fachhochschulen. Demgegenüber
Maschinenbaus entscheiden. steht an Fachhochschulen oft ein größerer Stoffumfang in
speziellen, für die Praxis besonders relevanten Anwen-
dungsfeldern.
1.4 Maschinenbaustudium an Die Breite des Wissens, im Sinne der Stoffauswahl, ist
in den Grundlagenfächern des Maschinenbaus an Fach-
Fachhochschule und Universität hochschulen und Universitäten nahezu gleich. Die Tiefe
der Durchdringung des Wissens ist jedoch an Universi-
Es mag erstaunen, dass ein Buch den Anspruch erhebt, täten meist wesentlich stärker, was sich z. B. darin zeigt,
sowohl für Studierende an Universitäten als auch an dass Theorien in Lehrveranstaltungen nicht nur prä-
Fachhochschulen gleichermaßen geeignet zu sein. Aber sentiert, sondern auch in ihrer Entwicklung diskutiert
bei näherer Betrachtung des Faches und der Lehrpläne werden, bis hin zu dem Punkt, an dem die Studieren-
kommt man zu dem Ergebnis, dass es nur wenige Un- den in die Lage versetzt werden, selbst wissenschaftliche
terschiede im Stoffumfang gibt. Daraus darf jedoch nicht Theorien zu entwickeln (Abb. 1.3). Die stärkere Vermitt-
der Schluss gezogen werden, das Studium an Universitä- lung dieser wissenschaftlich orientierten Kompetenzen
ten und Fachhochschulen sei vergleichbar. Im Gegenteil! hat zwar enorme Auswirkungen auf die Art der Wis-
Der methodische Anspruch und die vermittelten Kompe- sensvermittlung in den Grundlagenfächern, aber meist
tenzen unterscheiden sich deutlich (Abb. 1.2). nur geringe Auswirkungen auf die zur Unterstützung
der Lernprozesse genutzten Lehrmaterialien. Die Autoren
Betrachtet man die in der Abb. 1.2 dargestellten Kom- des vorliegenden Buches lehren zum Teil an Fachhoch-
petenzfelder von Studiengängen des Maschinenbaus, so schulen und zum Teil an Universitäten. Sie haben dieses
zeigen sich Unterschiede zwischen Studiengängen an Lehrbuch für Studierende an beiden Bildungseinrichtun-
Fachhochschulen und an Universitäten: Der Anteil der gen geschrieben und darauf geachtet, dass die Inhalte der
Forschungs- und Problemlösungskompetenzen, wie z. B. heute in Bachelor-Studiengängen des Maschinenbaus ge-
die Fähigkeit zur Abstraktion und zum Umgang mit Mo- lehrten Grundlagenfächer in hoher didaktischer Qualität
dellvorstellungen, sowie der Anteil der Beurteilungskom- dargestellt wurden.
beschreibbar, völlig
neue Technologie
Universität
relativ neues
Produkt,
Technologie in
Entwicklung
etabliertes
Produkt,
ausgereifte
Technologie Fachhochschule
1.5 Aufbau dieses Lehrbuches müssen sie das Anforderungsprofil möglichst gut erfüllen
und haben eine effiziente Funktionalität zum Ziel. Da-
zu sind ökologische Randbedingungen zu beachten, die
Grundlegende theoretische Konzepte haben eine lange einen möglichst geringen Materialeinsatz erfordern, so-
Halbwertszeit – sie tragen durch ein ganzes langes In- wohl bei der Herstellung als auch im Einsatz und in der
genieursberufsleben. Auch wenn es vielen Studierenden Nachnutzung, bzw. beim Rezyklieren.
als sehr abstrakt und theoretisch erscheint, hat es sich
als sinnvoll erwiesen, dass man von den vielen Gebieten Die Effizienz von Maschinen wird durch deren Wir-
des Maschinenbaus im ersten Studienjahr vor allem Tech- kungsgrad beschrieben. Die Umwandlung von Energie
nische Mechanik unterrichtet. Dieses Fach ist nicht nur ist elementar für Bau und Betrieb von Maschinen und
deshalb wichtig, weil die Technische Mechanik die Ba- Anlagen. Die dabei auftretenden Prozesse werden durch
sis für viele weiterführende Fächer, wie z. B. Konstruktion Gesetze der Thermodynamik beschrieben. Es ist daher
und Maschinenelemente ist, sondern vor allem, weil man konsequent, dass die Kapitel der Thermodynamik und
daran den Prozess der Abstraktion und Modellbildung Strömungsmechanik folgen (Kap. 17–22).
lernt, der typisch ist für die Ingenieurwissenschaften.
Dazu werden gute Kenntnisse der Mathematik vorausge- Nach den Grundlagen folgen die Fachgebiete Konstrukti-
setzt, wobei sich beide Fächer durchaus ergänzen und die on und Maschinenelemente (Kap. 23–28) gefolgt von der
Lösung der Aufgaben der Technischen Mechanik das Ver- Fertigungstechnik (Kap. 29–33). Diese Kapitel sind unter-
ständnis mathematischer Inhalte erhöhen kann. einander eng verzahnt. Sie unterliegen, obwohl es sich
Erfahrungsgemäß haben es Studierende des Maschinen- um etablierte Fachgebiete handelt, einem steten Wandel.
baus in den ersten Semestern damit nicht leicht. Die Das zeigt Kap. 24, das die Normen zur Geometrischen
Mathematik, die benutzt wird, ist zwar zum größten Teil Produktspezifikation und -prüfung (GPS) beschreibt. GPS
bekannt, ihre Anwendung ist aber neu. Die Angebote, die hat eine international einheitliche Symbolsprache festge-
Mathematik zu wiederholen, sind für die ersten Semes- legt, um Toleranzen in technischen Zeichnungen eindeu-
ter an allen Universitäten und Fachhochschulen vielfältig, tig festzuhalten und vollständig zu beschreiben. In den
sodass wir in diesem Lehrbuch gänzlich auf Kapitel dazu Kap. 23 bis 33 wird deshalb großer Wert auf die Nennung
verzichtet haben. Auch wäre der Umfang dieses Lehrbu- und Erläuterung der zu berücksichtigenden Normen ge-
ches sicherlich stark angewachsen. legt. In der Fertigungstechnik gilt die Aufmerksamkeit
in letzter Zeit verstärkt auch der Nachhaltigkeit, wobei
In diesem Buch bilden die Kap. 2 bis 21 die Grundlage die besonderen Eigenschaften der Werkstoffe (Kap. 14–
für das Verständnis des gesamten Stoffes. Sie stellen die 16) eine entscheidende Rolle spielen. Das führt dazu, dass
Basis für alle weiteren Kapitel dar. So ist der Maschinen- vertiefende Darstellungen zu den Materialeigenschaften
bau ohne das grundlegende Verständnis der wirkenden eingeflochten sind.
Kräfte und Momente zur Erklärung der Bewegungs- und
Beanspruchungsarten nicht vorstellbar (Kap. 2–11). Die Elektrotechnik und Maschinenbau waren schon immer
Beschreibung und Analyse der Bewegung von Körpern eng verzahnt. Der Elektrotechnik kommt heute jedoch
durch Gleichungen und Methoden zur Berechnung dieser eine zunehmende Bedeutung im Maschinenbau zu. Zu-
komplexen Vorgänge verlangt nach effizienten Algorith- grunde liegen die Fortschritte in der Halbleiterelektronik
men (Kap. 11). Periodische Vorgänge und Schwingungen und Kommunikationstechnik. Aber auch die zunehmen-
sind dabei für einen Großteil der Fragestellungen relevant de Leistungsfähigkeit sowohl der Schaltungs- als auch
(Kap. 12 und 13). der Leistungselektronik ist von großer Relevanz. Kap. 34
bis 37 widmen sich den Grundlagen elektrischer Bau-
Die Auswahl der Materialien, die im Maschinenbau für
elemente, linearer Netze, der Halbleiterelektronik sowie
einen bestimmten Zweck verwendet werden, verlangt
Motoren und Generatoren. Auch die Verknüpfung dieser
eine eingehende Beschäftigung mit den Materialeigen-
Elemente, z. B. in Regelkreisen, wird hier behandelt, so-
schaften. Dabei spielen sowohl innere Struktur, physi-
dass die Kapitel zur Regelungstechnik (Kap. 38–41) den
kalische aber auch chemische Eigenschaften eine Rolle.
Abschluss des Lehrbuches bilden. Die Regelungstechnik
Häufig ergeben sich Lösungen für innovative und nach-
beschäftigt sich mit der gezielten Beeinflussung des Ver-
haltig einsetzbare Maschinen und Systeme auf Grund
haltens von technischen Systemen und ist Grundlage der
neuer oder weiterentwickelter Materialien. Daher folgen
Automatisierungstechnik. Sie wiederum steht in engem
den Kapiteln der Technischen Mechanik die Kapitel der
Zusammenhang mit der Fertigungstechnik aber auch der
Werkstoffkunde (Kap. 14–16).
Elektrotechnik.
Werkstoffe sind ein Innovationsmotor. Viele Errungen-
schaften wären ohne neue oder verbesserte Materialien Dieser kurze Abriss zeigt, wie der Aufbau des Lehr-
nicht möglich gewesen. Das Angebot an neuen Mate- buches die einzelnen Fachgebiete inhaltlich miteinander
rialien steigt ständig, ebenso wie die Anforderungen an verzahnt, unterstützt durch zahlreiche Querverweise in
bestehende Werkstoffe. Zur Realisierung von Maschinen den einzelnen Kapiteln.
8 1 Maschinenbau – seine Vielfalt und die Motivation für dieses Lehrbuch
Abb. 2.7 Person auf Sprungbrett (oben ) und zugehöriges Freikörperbild (un-
Nach den nummerierten Hauptüberschriften folgen un- ten )
nummerierte Überschriften, deren Abschnitte einen wich-
tigen Teilbereich behandeln. Sie sind als Satz formuliert Wir sehen das Sprungbrett als einen Balken an und er-
und stellen eine Lerneinheit in dem Hauptabschnitt dar. setzen Person und Lager wie folgt: Das Lager A, das das
Sprungbrett ausschließlich in vertikale Richtung abstützt,
durch die Lagerkraft Ay , das Lager B, das das Sprungbrett
in horizontaler und vertikaler Richtung abstützt, durch
Verständnisfragen, Merksätze und Beispiele die Lagerkräfte Bx und By , und die Person durch eine nach
erleichtern das Lernen unten gerichtete Kraft des Betrags 900 N. Damit ergibt
sich das abgebildete Freikörperbild, mit dessen Hilfe wir
nun die Kräfte berechnen könnten, die von den Lagern
Es ist sinnvoll, am Ende einer Lerneinheit das Gelernte zu auf das Sprungbrett ausgeübt werden. In den folgenden
rekapitulieren, wobei die Verständnisfragen unterstützen Kapiteln wird gezeigt, wie das geht.
(Abb. 1.4). Die Lösungen dazu finden Sie am Ende des
jeweiligen Kapitels. Abb. 1.6 Kleine Beispiele sind in den Text integriert
1.6 Didaktische Elemente 9
Zur Verdeutlichung neuer Begriffe, Ergebnisse oder Vor- Es gibt Themen, die den zu lernenden Inhalt stark auswei-
gehensweisen haben die Autoren zahlreiche Beispiele im ten und damit den Lese- und Lernfluss unterbrechen wür-
Text integriert. Diese Beispiele beginnen mit der blauen den. Für das Verständnis des großen Zusammenhangs
Überschrift Beispiel und enden mit einem kleinen blauen sind sie aber beim ersten Lesen nicht unbedingt erforder-
Dreieck (Abb. 1.6). lich und können auch später noch unabhängig studiert
werden. Diese Themen sind in Vertiefungs-Kästen unter-
gebracht (Abb. 1.8).
Niederhalterkraft
Flansch σz
σr σt
σt
σr
σz σz
σt
σt Ziehstempel-
σz kraft
Wand
Boden
a b
Abb. 1.10 Farbige Darstellung nach Farbschema verbessert das Verständnis; a Werkstück (gelb ) und Bewegung (grün ); b Werkstück (gelb ) und Kraft (rot )
Der Antriebsstrang in einem Kraftfahrzeug ist die Abfolge aller Elemente, die dafür ver- 13
antwortlich sind, das Antriebsmoment des Motors zum Reifen-Fahrbahn-Kontakt zu
übertragen, wo es letztlich als Antriebskraft seine Wirkung entfaltet. Elemente eines An-
triebsstrangs sind Wellen, die häufig als torsionselastisch zu betrachten sind, drehende
Massen wie Schwungräder und Zahnräder sowie weitere Bauteile wie Kupplungen und
Gelenke. Den Abschluss des Antriebsstrangs bilden die Räder mit elastischen Reifen. Ein
Antriebsstrang ist aufgrund der darin verbauten Abfolge von elastischen und trägen Ele-
menten ein schwingungsfähiges System.
Technische Mechanik
I
Inhaltsverzeichnis
17
Grundbegriffe und
2
Technische Mechanik
Kraftgruppen – der Einstieg
in die Technische Mechanik
Was ist eigentlich eine
Kraft?
Warum würde ein
einachsiger Anhänger an
einer gelenkig am
Anhänger gelagerten
Deichsel wackeln?
Wie aus einer Büroklammer
ein rasanter Kreisel wird.
2.1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2.2 Ebenes Kräftegleichgewicht am Punkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.3 Statisches Gleichgewicht am ebenen starren Körper . . . . . . . . . . 26
2.4 Räumliche Kraftsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
2.5 Reibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
2.6 Schwerpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Antworten zu den Verständnisfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Die Statik ist das Teilgebiet der Technischen Mechanik, das sich mit
dem Einfluss von Kräften und Momenten auf ruhende oder gleich-
Technische Mechanik
Technische Mechanik
Zum anderen, weil man Kräfte in der Statik starrer Kör-
per nicht mehr als gebundene Vektoren auffassen muss,
sondern, wie wir gleich sehen werden, sie entlang ihrer
Wirkungslinie verschieben darf.
Frage 2.1
Nennen Sie zwei technische Strukturen, die sich nicht als
starre Körper ansehen lassen.
Abb. 2.3 Wirken Kräfte auf deformierbare Körper, so erzeugen sie bei einer
Welche Auswirkung hat die Modellvorstellung des star- Verschiebung entlang ihrer Wirkungslinie unterschiedliche Verformungszustän-
ren Körpers nun auf die Bedeutungen von Kraftangriffs- de und sind somit nicht mehr linienflüchtig
punkt und Wirkungslinie in der Statik? Sehen wir uns
hierzu an einem Beispiel an, was passiert, wenn eine Kraft
entlang ihrer Wirkungslinie verschoben wird.
Verschiebbarkeit von Kräften
Beispiel Auf einen starren Körper wirkende Kräfte können
entlang ihrer Wirkungslinie verschoben werden, oh-
ne dass dies Einfluss auf das statische Gleichgewicht
1000 N des Körpers hat.
Einheit
Abb. 2.2 Für die Statik des abgebildeten starren Trägers ist es gleichgültig, ob
die angreifende Kraft auf dem Träger liegt oder unter ihm aufgehängt ist. In der Die Einheit der Kraft ist das Newton (Formelzeichen N,
Statik darf man auf starre Körper wirkende Kräfte entlang ihrer Wirkungslinie
nach Sir Isaac Newton, 1643–1727). Es setzt sich nach dem
verschieben
zweiten Newton’schen Axiom „Kraft gleich Masse mal
Beschleunigung“ aus den Einheiten von Weg, Masse und
Eine Gewichtskraft von 1000 N soll von einem Träger Zeit zusammen als:
getragen werden, und zwar im ersten Fall, indem das Ge-
wicht mittig auf den Träger gelegt wird, und im zweiten
Fall, indem das Gewicht an einer Schnur mittig unter den Definition der Krafteinheit Newton
Träger gehängt wird (Abb. 2.2). Mechanisch gesehen ent-
spricht die unterschiedliche Positionierung des Gewichts m
1 N = 1 kg .
einer Verschiebung des Kraftangriffspunktes entlang der s2
Kraftwirkungslinie, und diese Verschiebung ist für die
Statik des Trägers – die Lagerkräfte an linker und rech-
ter Trägerseite – ohne irgendeine Auswirkung, denn die Auf der Erdoberfläche, wo die Erdbeschleunigung g mit
Lagerkräfte betragen in beiden Fällen jeweils 500 N. 9,81 m/s2 in etwa konstant ist, gilt für die Gewichtskraft G
22 2 Grundbegriffe und Kraftgruppen – der Einstieg in die Technische Mechanik
Fy = Fsinα F3
Technische Mechanik
F
α
F2
Fx = Fcosα
R
Abb. 2.4 Kräfte lassen sich mit den geeigneten Winkelfunktionen in ihre Kom-
ponenten zerlegen
F1
Komponentenzerlegung
Es ist vielfach zweckmäßig, eine Kraft in ihre Komponen-
ten zu zerlegen, bei ebenen Problemen beispielsweise in F1x + F2x + ... + Fnx = Rx ,
die x- und y-Komponente. Hierzu brauchen wir die geeig- F1y + F2y + ... + Fny = Ry und
nete Winkelfunktion, und es stellt sich die Frage „Sinus
F1z + F2z + ... + Fnz = Rz .
oder Kosinus?“. Zwei Möglichkeiten gibt es vorzugehen
(Abb. 2.4).
Für die Variante 1 müssen Sie die Definition von Sinus-
Grafisch werden Kraftvektoren zur Resultierenden R ad-
und Kosinusfunktion kennen: Sinus = Gegenkathete/ diert, indem man die zu addierenden Kräfte durch Paral-
Hypothenuse und Kosinus = Ankathete/Hypothenuse. lelverschiebung nach dem Muster „Startpunkt des neuen
Da in Abb. 2.4 die Horizontalkomponente Fx am Winkel α
Vektors an den Endpunkt des vorhergehenden“ aneinan-
angreift, muss Fx über die Ankathete, also den Kosinus derreiht (Abb. 2.5).
definiert sein. Und Fy muss, da gegenüber von α lie-
gend (nämlich dann, wenn man Fy zwischen die beiden Greifen alle zu addierenden Kräfte im selben Punkt an
anderen Pfeilspitzen nach rechts verschiebt) über die Ge- (bzw. treffen sich alle Kraftwirkungslinien in einem ein-
genkathete, also den Sinus definiert sein. zigen Punkt), so greift auch die Resultierende in diesem
Die Variante 2 funktioniert ohne diese Definitionen, da- Punkt an. Kreuzen sich die Wirkungslinien der zu addie-
für müssen Sie aber die grafischen Verläufe von Sinus- renden Kräfte hingegen nicht in einem einzigen Punkt, so
und Kosinusfunktion vor Augen haben. Wir merken uns: ist die Wirkungslinie der Resultierenden so zu legen, dass
Für 0° sind sin 0◦ = 0 und cos 0◦ = 1, und für 90° sind die Momentenwirkung der Kräfte erhalten bleibt. Mit der
sin 90◦ = 1 und cos 90◦ = 0. So wie der Winkel α in Momentenwirkung von Kräften werden wir uns in Ab-
Abb. 2.4 gegeben ist, liegt er näher an 0° als an 90°. Wir schn. 2.3 näher befassen.
stellen uns daher vor, was aus den Komponenten Fx und
Fy würde, wenn α tatsächlich gegen 0° ginge. Fx würde
genauso groß wie F werden, wir benötigen für Fx also ei- Statisches Gleichgewicht
ne Winkelfunktion, die für 0° den Wert 1 annimmt, das
Statisches Gleichgewicht liegt immer dann vor, wenn ein
ist der Kosinus. Und Fy würde zu null werden, wir brau-
Körper nicht beschleunigt wird, also insbesondere dann,
chen für Fy also eine Winkelfunktion, die für 0° den Wert
wenn ein Körper ruht. Alle auf den Körper wirkenden
0 annimmt, also den Sinus.
Kräfte und Momente gleichen sich dann zu null aus.
Achtung Sehen Sie zu, dass Sie die Winkelfunktionen
aus dem „Effeff“ beherrschen. Sie werden Sie in sehr
vielen Aufgaben der Technischen Mechanik anwenden Balken
müssen.
In technischen Anwendungen werden Kräfte sehr oft
von schlanken Trägern aufgenommen. Ein Träger, dessen
Kräfteaddition
Querschnittsabmessungen deutlich kleiner als seine Län-
Die Addition von Kräften geschieht nach den Gesetzen ge sind, wird allgemein als Balken bezeichnet. So würde
der Vektoraddition. Rechnerisch werden also schön ge- man beispielsweise ein Stuhlbein, einen Schlagbaum, aber
trennt alle x-, y- und gegebenenfalls z-Koordinaten der zu auch ein Sprungbrett oder die Fahrbahn einer Brücke in
addierenden Kräfte F 1 bis F n zur entsprechenden Koordi- der Terminologie der Technischen Mechanik als Balken
nate der Resultierenden R addiert. bezeichnen.
2.1 Grundbegriffe 23
Technische Mechanik
dass alle an einen Körper angreifenden Kräfte als Pfeile
eingezeichnet sind, dann kann man mit diesen Kräften
rechnen. Wir könnten beispielsweise die Resultierende
R dieser Kräfte berechnen oder – wie das in den Ab-
schn. 2.2 und 2.3 erklärt ist – Lagerreaktionen ermitteln.
Aber die Realität ist anders: In der technischen Praxis ist
die zu analysierende Struktur eben nicht nur durch aller-
10 kg
lei Kraftpfeile belastet, sondern auch durch Lagerungen
und Festhaltungen in ihrer Umgebung verankert. Um die
angreifenden Kräfte dann analysieren zu können, müssen
wir diese Lagerungen erst durch die von ihnen ausgeüb-
ten Kräfte ersetzen.
Damit sind wir beim Prinzip des Freischneidens: Alles,
was auf den betrachteten Körper eine Kraft oder ein Mo-
ment ausübt, wird durch eben diese Kraft (bzw. dieses
Moment) ersetzt. In der Regel betrifft dies alle Lager,
Festhaltungen, Personen, Rollen, das im Schwerpunkt an-
zunehmende Eigengewicht eines Körpers etc.
Das Ergebnis eines Freischnitts ist ein Freikörperbild.
Abb. 2.6 Durch reibungsfrei drehbar gelagerte Rollen werden Kräfte nur um-
gelenkt. Auf beiden Seiten der Rolle ist die Kraft im Seil gleich groß Ein Körper ist immer dann ordnungsgemäß freigeschnit-
ten, wenn er im Freikörperbild völlig losgelöst „in der
Luft schwebt“ und nur noch durch verschiedene Kräf-
te, Momente und dergleichen belastet wird. In ein gutes
Stäbe und Seile
Freikörperbild sind auch alle wichtigen Abmessungen
Ein Stab ist ein Spezialfall eines Balkens. Ein Balken wird einzuzeichnen, sodass sich eine Aufgabe der Technischen
immer dann als Stab bezeichnet, wenn er an beiden Seiten Mechanik schließlich vollkommen auf Basis des Freikör-
gelenkig eingespannt ist und nur an den Einspannstellen perbildes und ohne weiteres Nachschlagen in der Aufga-
belastet wird. Ein Stab kann nur Kräfte in Stabrichtung benstellung lösen lässt.
aufnehmen, und zwar entweder Zug- oder Druckkräfte.
Beispiel Eine 900 N schwere Person steht auf einem
Frage 2.2 Sprungbrett (Abb. 2.7). Zu zeichnen ist das Freikörper-
bild.
Nennen Sie Beispiele für die technische Anwendung von
Stäben.
Ähnlich wie ein Stab kann auch ein straff gespanntes Seil
nur Kräfte in Längsrichtung aufnehmen, wobei aber die
Fähigkeit zur Kraftübertragung beim Seil auf Zugkräfte
beschränkt ist.
3m 2m
Reibungsfrei drehbar gelagerte Rollen
Wird ein Seil über eine reibungsfrei drehbare Rolle ge- 900 N
führt, so lenkt die Rolle die Richtung der Seilkraft nur Bx
um, ohne dabei den Betrag der Seilkraft zu ändern. So
muss die in Abb. 2.6 am Seil ziehende Person das 10 kg Ay By
3m 2m
schwere Gewicht mit eben dieser Gewichtskraft 10 kg ·
9,81 m/s2 = 98,1 N festhalten, damit es nicht zu Boden Abb. 2.7 Person auf Sprungbrett (oben ) und zugehöriges Freikörperbild (un-
fällt. Durch die drehbare Rolle ändert sich somit nur ten )
die Richtung der erforderlichen Haltekraft. Müsste die
Haltekraft ohne die Rolle senkrecht nach oben ausgeübt Wir sehen das Sprungbrett als einen Balken an und er-
werden, so ist sie nun aufgrund der Umlenkrolle nach setzen Person und Lager wie folgt: Das Lager A, das das
links unten orientiert. Sprungbrett ausschließlich in vertikale Richtung abstützt,
24 2 Grundbegriffe und Kraftgruppen – der Einstieg in die Technische Mechanik
Die Technische Mechanik ist ein typisches Textaufga- Zweifelsfall lieber zu groß als zu klein. Denken Sie
benfach. Bitte beherzigen Sie die folgenden einfachen daran: Das Freikörperbild ist Ihr Lösungsansatz. Oh-
Ratschläge, die Ihnen wesentlich dabei helfen werden, ne korrektes Freikörperbild keine richtige Lösung.
die Übersichtlichkeit einer Berechnung zu erhöhen und Rechnen Sie so lange wie möglich mit Formelzei-
die Fehleranfälligkeit zu verringern. chen Setzen Sie konkrete Zahlenwerte erst zum
Schluss der Rechnung ein. Sie reduzieren so den
Zeichnen Sie Freikörperbilder liebevoll Der Schreibaufwand, erhöhen die Übersichtlichkeit und
Schlüssel zur Lösung jeder Textaufgabe ist der richti- minimieren unnötige Flüchtigkeitsfehler.
ge Ansatz, und für die weitaus meisten Aufgaben der Rechnen Sie immer mit Einheiten Wenn Sie
Technischen Mechanik ist der Ansatz das Freikörper- konkrete Zahlenwerte einsetzen, vergessen Sie die
bild. Zeichnen Sie Freikörperbilder also stets sorgfäl- Einheiten nicht. Die Kontrolle, ob die Einheit Ih-
tig und groß genug, um alle Pfeile, Formelzeichen res Ergebnisses passt, ist immer eine wichtige erste
und Bemaßungen bequem eintragen zu können. Im Kontrolle des Ergebnisses auf Richtigkeit.
durch die Lagerkraft Ay , das Lager B, das das Sprungbrett In der Statik interessiert die Frage, wie groß die angrei-
in horizontaler und vertikaler Richtung abstützt, durch fenden Kräfte sein müssen, bzw. in welche Richtung sie
die Lagerkräfte Bx und By , und die Person durch eine nach wirken müssen, damit sich der betrachtete Körper im sta-
unten gerichtete Kraft des Betrags 900 N. Damit ergibt tischen Gleichgewicht befindet. Die Beantwortung dieser
sich das abgebildete Freikörperbild, mit dessen Hilfe wir Frage kann rechnerisch oder grafisch erfolgen.
nun die Kräfte berechnen könnten, die von den Lagern
auf das Sprungbrett ausgeübt werden. In den folgenden
Kapiteln wird gezeigt, wie das geht. Rechnerische Bestimmung
Einheiten Befindet sich ein Körper im statischen Gleichgewicht,
Mit Einheiten kann man wie mit Zahlen rechnen. Und so müssen sich die an ihm angreifenden Kräfte in ih-
Sie sollten dies auch tun, denn eine falsche, weil gerate- rer Summe zu null ergänzen, denn andernfalls würde
ne Einheit bedeutet, dass das Ergebnis (grob) falsch ist. der Körper dem 2. Newton’schen Axiom F = m · a gemäß
Eine Anwendung für das Rechnen mit Einheiten ist das beschleunigt werden. Für Vektoren heißt das, dass alle
Umrechnen von Einheiten, wie im folgenden Beispiel. Komponenten, jeweils für sich aufsummiert, null ergeben.
Wir erhalten somit als
Beispiel In Großbritannien und der Vereinigten Staa-
ten wird der Luftdruck oft in psi („pounds per square
inch“) angegeben. Hierbei entsprechen 1 lbf = 4,448 N Gleichgewichtsbedingungen in ebenen Problemen
und 1 in = 25,4 mm. Wie vielen Pascal entspricht ein psi?
→ ∑ Fix = 0 und
Zur Umrechnung der Einheiten denken wir uns die
anglo-amerikanischen Einheiten jeweils eingeklammert ↑ ∑ Fiy = 0 .
und ersetzen sie durch die SI-Einheiten. Wir erhalten
lbf 4,448 N N
1 psi = 1 = = 6894 = 6894 Pa. Für räumliche (dreidimensionale) Fragestellungen käme
in2 (25,4 (0,001 m))2 (m)2 als dritte Gleichgewichtsbedingung noch das Kräfte-
gleichgewicht in z-Richtung hinzu. Die Pfeile vor den
Summenzeichen zeigen an, welche Kraftrichtung jeweils
als positiv gewertet wird. Beispiel x-Richtung: Horizonta-
2.2 Ebenes Kräftegleichgewicht le Kraftkomponenten, die von links nach rechts wirken,
am Punkt gehen mit positivem Vorzeichen und solche, die von
rechts nach links wirken, mit negativem Vorzeichen in die
Kräftebilanz ein.
Wir betrachten in diesem Kapitel Körper, an denen ver-
schiedene Kräfte so angreifen, dass sich ihre Wirkungs- Wie diese Gleichgewichtsbedingungen anzuwenden sind,
linien in einem Punkt schneiden. Ebenfalls gebräuchlich erschließt sich am besten an einem Beispiel, wie es in der
sind die Begriffe zentrales Kräftesystem oder zentrale Box Freischneiden und Anwendung der Gleichgewichtsbedin-
Kraftgruppe. gungen zu finden ist.
2.2 Ebenes Kräftegleichgewicht am Punkt 25
Technische Mechanik
Eine Straßenbeleuchtung mit dem Gewicht G = 80 N S1
S2
ist wie skizziert an zwei Seilen befestigt, die um die α = 20° β = 25°
Winkel α = 20◦ und β = 25◦ zur Horizontalen geneigt
sind. Bestimmen Sie die Kräfte in den Seilen.
Seil 1, Seil 2,
α = 20° β = 25° G
Grafische Methode Startpunkt von G). Wir erhielten dann ein Krafteck, das
links (und nicht rechts) von G liegt, aber die gleichen
Technische Mechanik
S1
der Schraubenschlüssel an beiden Hebelarmen mit gleich Kraftangriffspunkt und Momentenbezugspunkt. Wir er-
großen, entgegengesetzt gerichteten Kräften – einem so- innern uns: In der Statik starrer Körper ist der Kraftan-
Technische Mechanik
genannten Kräftepaar – belastet. Da sich offensichtlicher griffspunkt völlig unerheblich, viel wichtiger ist die Lage
Weise alle Kraftkomponenten jeweils zu null ausgleichen, der Kraftwirkungslinie. Folgerichtig ist der Hebelarm ei-
herrscht Kräftegleichgewicht. Aber der Schraubenschlüs- ner Kraft definiert als der Abstand der Kraftwirkungslinie
sel befindet sich trotzdem nicht im statischen Gleichge- zum betrachteten Momentenbezugspunkt (Abb. 2.10).
wicht, denn er wird ja gedreht.
Achtung Wenn Sie Schwierigkeiten haben, den Hebel-
Zur Beschreibung des statischen Gleichgewichts eines arm einer Kraft zu bestimmen: Zeichnen Sie in das
starren Körpers reichen also die Kräftegleichgewichte al- Freikörperbild einfach zu jedem Kraftpfeil auch die Wir-
lein nicht aus. Es wird noch eine weitere Bedingung kungslinie ein, dann geht’s ganz einfacher.
benötigt, die die Drehwirkung der angreifenden Lasten
beschreibt. Mit dem Momentengleichgewicht als dritter Bedingung
erhalten wir die folgenden
Aus Erfahrung wissen wir: Je weiter außen ein solcher
Schraubenschlüssel angefasst wird, desto leichter lässt
sich die Schraube einschrauben. Die Drehwirkung der an- Gleichgewichtsbedingungen für den ebenen starren
greifenden Kräfte hängt also von ihrem Hebelarm ab. Die Körper
diese Erfahrung beschreibende physikalische Größe ist
→ ∑ Fix = 0 ,
das Moment bzw. Drehmoment.
Ein Moment ist ein Vektor, dessen Richtung der Richtung ↑ ∑ Fiy = 0 und
entspricht, um die das Moment dreht. Physikalisch kor-
rekt ist das von einer Kraft bzgl. eines Punktes ausgeübte ∑ M(O)
i =0.
Moment definiert als Vektorprodukt aus Orts- und Kraft-
vektor, eine Definition, auf die wir im Kapitel Räumliche
Statik zurückkommen werden. Bei den hier betrachteten Diese Gleichungen haben recht anschauliche Bedeutun-
ebenen Problemen reicht es aus, wenn wir uns auf die Be- gen. Sie besagen, dass ein Körper im statischen Gleichge-
träge der Momente beschränken. wicht
Abb. 2.10 Der Hebelarm einer Kraft ist definiert als der Abstand der Kraftwir- Man kann also bei der Wahl des Bezugspunktes nichts
kungslinie zum betrachteten Momentenbezugspunkt grundfalsch machen – jeder Bezugspunkt ist erlaubt –,
28 2 Grundbegriffe und Kraftgruppen – der Einstieg in die Technische Mechanik
Leitbeispiel Antriebsstrang
Technische Mechanik
In Hubkolbenmotoren werden die Gaskräfte aus der Damit zu den Kräften. Auf den Kolben wirken:
Kraftstoffverbrennung vom Kolben über den Kolben-
Die Kolbenkraft FK , welche im Wesentlichen aus der
bolzen, die Pleuelstange und den Kurbelzapfen auf die
Gaskraft durch die Kraftstoffverbrennung sowie in
Kurbelwelle übertragen, wo sie schließlich das Dreh-
kleinerem Maße aus der Trägheitskraft des Kolbens
moment des Motors erzeugen. Welche Kräfte wirken
besteht.
dabei auf die einzelnen Bauteile im Motor, und wel-
Die Reaktionskraft der Zylinderwand, welche, da
cher Zusammenhang besteht zwischen der Gaskraft
der Kolben durch den Schmierfilm zwischen Zylin-
am Kolben und dem Drehmoment an der Kurbelwelle?
derwand und Kolben weitgehend reibungsfrei läuft,
Verschaffen wir uns zunächst einmal einen Überblick senkrecht zur Zylinderwand wirkt. Sie ist deswegen
über die für unsere Fragestellung wichtigen Abmes- als Normalkraft FN bezeichnet.
sungen sowie die an den genannten Bauteilen wirken- Die Pleuelstangenkraft FP . Diese wirkt, da die Pleu-
den Kräfte. Hierzu sind in der folgenden Abbildung elstange in Kolbenbolzen und Kurbelzapfen jeweils
alle am Kolben sowie alle am Kurbelzapfen angreifen- gelenkig gelagert ist und auch nur dort belastet
den Kräfte eingezeichnet. wird, die Pleuelstange also aus mechanischer Sicht
ein Stab ist, genau in Richtung der Pleuelstange.
Die Wirkungslinien dieser drei Kräfte müssen sich
in einem einzigen Punkt schneiden, denn andernfalls
Kolbenbolzen würde der Kolben in Drehung versetzt werden, was
Kolben
FK
aufgrund seiner Führung im Zylinder nicht passieren
FN kann. Aus den Gleichgewichtsbedingungen für zentra-
le Kraftgruppen erhalten wir
FP ↑ ∑ Fiy = −FK + FP cos β = 0
FK
l
β
=⇒ FP =
Pleuel- cos β
stange
FP sowie
Kurbelzapfen → ∑ Fix = FN − FP sin β = 0
=⇒ FN = FP sin β = FK tan β .
α
α FT Damit hätten wir die am kolbenseitigen Ende der Pleu-
FR
elstange wirkenden Kräfte berechnet. Am anderen En-
Kurbel-
wange de der Pleuelstange, dem Kurbelzapfen, wirken nun:
r
Ebenfalls die Pleuelstangenkraft FP , welche genau
in die entgegengesetzte Richtung wie am Kolben-
bolzen wirkt. (Wenn die Pleuelstange am einen En-
de eine Kraft nach oben ausübt, dann muss sie am
Die Geometrie des Hubkolbenantriebs ist gegeben anderen Ende eine Kraft nach unten ausüben, um im
durch die Pleuellänge l, den Kurbelradius r und den statischen Gleichgewicht zu sein.)
Kurbelwinkel α. Aus diesen drei Abmessungen ergibt Die Kraft zwischen Kurbelwange und Kurbelzap-
sich der Pleuelwinkel β über den Sinussatz zu β = fen, die wir zweckmäßiger Weise in eine Radialkraft
arcsin( rl · sin α). FR und eine Tangentialkraft FT aufspalten.
2.3 Statisches Gleichgewicht am ebenen starren Körper 29
Natürlich schneiden sich auch die Wirkungslinien der mit den Lösungen
drei auf den Kurbelzapfen wirkenden Kräfte in einem
FR = FP (cos α cos β − sin α sin β) = FP cos(α + β)
Technische Mechanik
Punkt, und wir erhalten
und
→ ∑ Fix = FR sin α − FT cos α + FP sin β = 0
FT = FP (sin α cos β + cos α sin β) = FP sin(α + β) .
und Das auf die Kurbelwelle übertragene Drehmoment er-
gibt sich – ein kleiner Vorgriff auf Abschn. 2.3 – aus der
↑ ∑ Fiy = FR cos α + FT sin α − FP cos β = 0 , Tangentialkraft FT schließlich als FT · r.
Frage 2.3
Weswegen müssen die Stäbe in Mobiles (siehe Abb. 2.11)
nach unten gebogen sein, damit das Mobile das Gleichge-
wicht halten kann?
vertikale Kraft, die Aufstandskraft. Das Lager übt nur Kraftrichtung in der Pendelstütze ist bekannt, denn sie
eine Lagerreaktion aus (hier Fy ); man sagt dann, es hat kann nur in Stabrichtung verlaufen.
die Wertigkeit 1. Auch ein straff gespanntes Seil ist ein einwertiges
Auch die Pendelstütze ist ein Lager der Wertigkeit 1. Lager, wobei beim Seil im Gegensatz zu den ande-
Unter einer Pendelstütze versteht man einen beidseitig ren einwertigen Lagerarten bereits die Richtung der
gelenkig gelagerten abstützenden Stab, beispielsweise Kraft bekannt ist, nämlich eine Zugkraft in Seilrich-
den Hubzylinder zur Ladefläche eines Kipplasters. Die tung.
2.4 Räumliche Kraftsysteme 31
Technische Mechanik
innere Spannungen zur Folge. Aber statisch bestimmt ge-
lagerte Systeme können die entstehende Längenänderung
ungehindert mitmachen.
Abbildung 2.12 zeigt am Beispiel des unten rechts ab-
gebildeten Trägers übrigens auch, dass die Bedingung
„Zahl der Lagerwertigkeiten = Zahl der Gleichgewichts-
Abb. 2.12 Beispiele statisch bestimmt, statisch überbestimmt und statisch un- bedingungen“ keine hinreichende Bedingung für stati-
terbestimmt gelagerter Träger sche Bestimmtheit ist, denn der Träger ist zwar mit in
Summe drei Lagerwertigkeiten (aus drei Loslagern) ge-
lagert, doch in horizontale Richtung ist er trotzdem frei
Bei einem Festlager, z. B. der Lagerung eines Schlag-
verschiebbar, sodass statische Unbestimmtheit vorliegt.
baums, werden beide translatorischen Bewegungen
Wir erhalten also:
(horizontal und vertikal) unterbunden, die Rotation
um das Lager hingegen zugelassen. Ein Festlager übt
somit zwei Lagerreaktionen aus – eine Kraft Fx , die die Notwendige Bedingung für statische Bestimmtheit in
horizontale Bewegung unterbindet, und eine Kraft Fy , der Ebene
die die vertikale Bewegung unterbindet.
Eine verschiebbare Hülse unterbindet die Drehung sowie Zahl der Zahl der
die Bewegung der gelagerten Struktur senkrecht zur Lagerwertig- = Gleichgewichts- = 3
Hülse, übt somit zwei Lagerreaktionen aus und hat die keiten bedingungen
Wertigkeit 2.
Bei der festen Einspannung, z. B. dem einbetonierten
Fuß einer Ampel, werden alle drei in der Ebene mögli- Wichtig ist außerdem:
chen Bewegungsrichtungen durch die Lagerreaktionen
Fx , Fy und das Einspannmoment M unterbunden. Die
Wertigkeit der festen Einspannung ist somit 3. Woran erkennt man statische Bestimmtheit?
Ob statische Bestimmtheit oder Unbestimmtheit
vorliegt, ist einzig eine Frage der Lagerung des Trag-
Statische Bestimmtheit werks, die äußere Belastung spielt keine Rolle.
Stellen wir uns die Frage, warum die Aufgabe mit dem
Klappbrett aus der Beispielbox Berechnung von Lagerreak-
tionen überhaupt lösbar war, sich also alle Unbekannten
aus den Gleichgewichtsbedingungen berechnen ließen. 2.4 Räumliche Kraftsysteme
Aus mathematischer Sicht war dies der Fall, weil die
Zahl der Unbekannten – die drei Lagerreaktionen Ax , Ay Nun lassen sich zahlreiche Probleme der Statik als ebene
und S – der Zahl der Gleichgewichtsbedingungen ent- Probleme auffassen und mit den im vorigen Kapitel be-
spricht. schriebenen drei Gleichgewichtsbedingungen lösen. Das
dort betrachtete Klappbrett ist ein derartiges Beispiel.
Derartige Systeme, bei denen sich die Lagerreaktionen
Wenn aber ein wirklich dreidimensionales Problem vor-
aus den Gleichgewichtsbedingungen bestimmen lassen,
liegt, eines das sich nicht ohne Weiteres auf eine ebene
heißen statisch bestimmt gelagert. Alle anderen Systeme
Fragestellung zurückführen lässt, dann müssen wir drei-
werden als statisch unbestimmt gelagert bezeichnet, wo-
dimensional rechnen.
bei ebene Systeme mit weniger als drei Lagerwertigkei-
ten beweglich sind und statisch unterbestimmt genannt
werden, und ebene Systeme mit mehr als drei Lagerwer-
tigkeiten in sich verspannt sein können und als statisch Statik in drei Dimensionen
überbestimmt bezeichnet werden. Abbildung 2.12 zeigt
Beispiele von statisch bestimmt und statisch unbestimmt
gelagerten Tragwerken. Die räumliche Statik beinhaltet aber nichts wirklich Neu-
es, die Gesetzmäßigkeiten der ebenen Statik werden ein-
Wesentlicher Vorteil statisch bestimmt gelagerter Trag- fach auf die dritte Dimension erweitert. Dabei stehen uns
werke ist, dass in ihnen keine zusätzlichen Verspannun- zwei gleichermaßen zum Ziel führende Vorgehensweisen
gen entstehen, wenn sich der Träger im Laufe der Zeit zur Verfügung: zum einen die vektorielle Beschreibung
beispielsweise durch Wärmeausdehnung, Kriechen, Ma- des statischen Gleichgewichts, zum anderen die kompo-
terialveränderungen (z. B. Abbinden von Beton) o. Ä. ein nentenweise Beschreibung des statischen Gleichgewichts.
32 2 Grundbegriffe und Kraftgruppen – der Einstieg in die Technische Mechanik
Zu berechnen sind die Lagerreaktionen in einem Schritt 3, Aufstellen und Lösen der Gleichgewichtsbe-
Klappbrett des Gewichts G, das durch ein Scharnier dingungen: Es hieß, man könne sich beim Lösen
drehbar gelagert und am gegenüberliegenden Ende der Gleichgewichtsbedingungen geschickt oder unge-
durch zwei Seile gehalten wird. schickt anstellen. Die ungeschickte – wenn auch nicht
minder richtige – Variante zuerst:
Problemanalyse und Strategie: Die Schritte zur Berech-
Wir beginnen mit dem Kräftegleichgewicht in
nung der Lagerreaktionen sind (1) das Abbilden des
x-Richtung,
realen Problems als mechanisches Modell, (2) Frei-
schneiden und (3) die Berechnung der Unbekannten. → ∑ Fix = Ax + S · cos 45◦ = 0 ,
Besonderes Augenmerk wollen wir dabei auf das Mo-
mentengleichgewicht legen und zeigen, wie man sich setzen dann das Kräftegleichgewicht in y-Richtung,
bei diesem mehr oder weniger geschickt anstellen kann. ↑ ∑ Fiy = Ay − G + S · sin 45◦ = 0 ,
Lösung: an und kommen schließlich zum Momentengleichge-
Schritt 1, mechanische Modellbildung: Zur Bildung des wicht, für das ein Bezugspunkt zu wählen ist. Der
mechanischen Modells ersetzen wir das Scharnier Bezugspunkt kann frei gewählt werden, z. B. in der
durch ein Loslager, da dieses die Rotation des Brettes Brettmitte.
zulässt, aber beide Translationen an dieser Stelle ver-
Für das Momentengleichgewicht erhalten wir dann:
hindert.
l l
∑ M(Brettmitte)
i = −S · sin 45◦ + Ay · = 0 .
2 2
Wir haben es also mit drei Gleichungen zur Bestim-
mung der drei Unbekannten Ax , Ay und S zu tun.
Nach längerer Rechnerei – z. B. mit dem Gauß’schen
Eliminationsverfahren oder ähnlichem – erhalten wir
als Lösung:
G G G
45° Gewicht G Ax = − , Ay = und S= .
45° 2 2 2 sin 45◦
A
Das war die ungeschickte Variante. Ungeschickt, weil
l l aus keiner der drei Gleichgewichtsbedingungen un-
mittelbar ein Ergebnis folgte und wir deshalb das kom-
plette System aus drei gekoppelten Gleichungen lösen
Schritt 2, Freischneiden und Freikörperbild: Beim Frei- mussten. Aber dem lässt sich mit einer besser durch-
schneiden des Brettes entfernen wir alles, was in ir- dachten Wahl des Momentenbezugspunktes abhelfen.
gendeiner Art mit dem Brett verbunden ist und erset-
zen es durch die jeweiligen Kräfte oder Momente. Im Wo platziert man den Momentenbezugspunkt am ge-
Einzelnen sind dies: schicktesten? Am besten so, dass das Momentengleich-
gewicht zu einer handlichen, übersichtlichen Glei-
das Festlager, welches durch die Lagerreaktionen Ax chung mit wenigen, möglichst nur einer Unbekann-
und Ay ersetzt wird, ten wird. Der Momentenbezugspunkt sollte deshalb
die Seile, welche durch die Seilkraft S ersetzt wer- auf möglichst vielen Wirkungslinien der unbekannten
den, und schließlich Lagerkräfte liegen, da diese dann aus dem Momen-
das Brett selbst, das wir durch seine Gewichtskraft tengleichgewicht verschwinden. Das Lager A ist ein
G ersetzen, die wir im Schwerpunkt des Brettes, al- solcher sinnvoller Momentenbezugspunkt (keine He-
so in der Brettmitte, angreifen lassen. belarme für Ax und Ay ).
Wir tragen noch alle wichtigen Abmessungen ein und Das Momentengleichgewicht lautet dann
erhalten als Freikörperbild:
l
∑ M(A)
i = −S · l sin 45◦ + G · =0,
S 2
wodurch wir unmittelbar S = G/2 sin 45◦ erhalten.
45° G Dieses Ergebnis in die beiden Kräftegleichgewichte
Ax
eingesetzt ergibt dann ebenso schnell die Ergebnis-
Ay
se für die beiden verbleibenden Unbekannten, Ax =
l/2 l/2
−G/2 und Ay = G/2.
2.4 Räumliche Kraftsysteme 33
Technische Mechanik
Die allermeisten Aufgaben der Technischen Mechanik stand des Kraftangriffspunktes, sondern der Abstand
beginnen mit einem Freikörperbild. Wie schneidet man der Wirkungslinie zum Momentenbezugspunkt.
richtig frei, und wie geht man am geschicktesten mit ei-
nem Freikörperbild um?
Geschicktes Rechnen mit den Gleichgewichtsbedingungen
∑ Fi = 0 ∑ Mi
(O)
und =0
M (O) = r × F
Der Drehsinn des Momentenvektors ist durch die Rechts- Komponentenweises Vorgehen
schraubenregel festgelegt: Dreht man eine Rechtsschrau-
be so, dass sie sich in Richtung des Momentenvektors Setzen wir die beiden vektoriellen Gleichgewichtsbedin-
bewegt, so entsprechen sich der Drehsinn der Schraube gungen skalar für jede Koordinatenrichtung an, so erhal-
und der Drehsinn des Momentes. ten wir die folgenden sechs skalaren Gleichgewichtsbe-
dingungen:
Über die aus der analytischen Geometrie bekannte geo-
metrische Deutung des Vektorproduktes wollen wir uns
diese Definition zunächst veranschaulichen, um dann zu Skalare Gleichgewichtsbedingungen der räumlichen
sehen, wie sie mit der Momentendefinition der ebenen Statik
Statik – „Kraft mal Hebelarm“ – in Einklang steht.
Das Vektorprodukt zweier Vektoren – hier der Ortsvektor ∑ Fix = 0, ∑ Fiy = 0 und ∑ Fiz = 0
r und der Kraftvektor F – lässt sich in Bezug auf den Be-
trag und die Richtung sehr schön anschaulich deuten. Das sowie
Vektorprodukt F × r ergibt einen Vektor M (Abb. 2.13)
∑ Mix ∑ Miy ∑ Miz
(O) (O) (O)
= 0, = 0 und =0.
mit einer Richtung, die senkrecht auf r und F steht, und
mit einem Betrag |M | = |r| · |F | · sin ϕ, wobei ϕ der von
r und F eingeschlossene Winkel ist. Hierbei bedeuten die Indizes Folgendes:
Achtung Welche der beiden Methoden – vektoriell oder angesprochene und im Übrigen recht einfach anzuwen-
komponentenweise – führt in Aufgaben schneller zum dende Prinzip zur Ermittlung, welche Reaktionen von
Technische Mechanik
Ziel? einem bestimmten Lager ausgeübt werden, an folgender
kurzen Selbstfrage:
Die vektorielle Vorgehensweise verlangt kein gehobenes
räumliches Vorstellungsvermögen, sondern lediglich die
sichere Beherrschung des Vektorproduktes. Diese lässt Frage 2.4
sich mit ein wenig Übung aber gut erlernen. Zu merken Welche Lagerreaktion kann das abgebildete Scharnier
brauchen Sie sich nur die Bildungsregel ausüben?
⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞
ax bx ay bz − az by z
a × b = ⎝ay ⎠ × ⎝by ⎠ = ⎝ az bx − ax bz ⎠ .
az bz ax by − ay bx y
x
Für das abgebildete Klappbrett sind die Lagerreaktio- Momentengleichgewichts um die x-Achse seien die Zu-
nen zu berechnen. sammenhänge deshalb noch einmal in Ruhe erläutert.
x F
α A freigeschnittene Brett im negativen Drehsinn um die
l
F
l
Tab. 2.2 Übersicht über die wichtigsten Verbindungselemente in mehrteiligen Beispiel Betrachten wir als Beispiel für die Ermitt-
Systemen lung von Lager- und Verbindungsreaktionen das abge-
Technische Mechanik
Verbindungselement: Sinnbild: Reaktionen: bildete Gespann aus PKW und einachsigem Anhänger
Pendelstütze (Abb. 2.14):
(Wertigkeit 1)
Zunächst schneiden wir das Gelenksystem als Gan-
Gelenk zes frei. Es ist also unter dem Gespann die Fahrbahn
(Wertigkeit 2) zu entfernen und durch die entsprechenden Kräfte
zu ersetzen. Dies sind die vertikalen Achslasten Ay
(Anhänger), Hy (PKW-Hinterachse) und Vy (PKW-
Hülsenführung Vorderachse) sowie – unter der Annahme, dass nur die
(Wertigkeit 2) Hinterachse des PKWs gebremst ist – die Horizontal-
kraft Hx .
Jetzt folgt der Freischnitt mitten durch das Gelenk.
Hierdurch erhalten wir zwei getrennte Systeme, An-
hänger sowie PKW, auf die im Gelenk jeweils die
Die Frage nach der Art der in einem Verbindungselement Gelenkkräfte Gx und Gy wirken.
wirkenden Kräfte und Momente beantworten wir so, wie
wir es schon bei den Lagern getan haben: In jede Rich-
tung, in die sich die verbundenen Systeme ungehindert 5 kN
zueinander bewegen können, übt das Verbindungsele- 15 kN
ment keine Kraft (bzw. bei Rotationen: kein Moment) aus.
Umgekehrt übt das Verbindungselement in jede Rich-
tung, in die es die Relativbewegung der Körper unterbin- A H V
det, sehr wohl eine Kraft (bzw. ein Moment) aus. Diese 4 kN 8,9 kN 7,1 kn
Kraft (bzw. dieses Moment) unterbindet nämlich gerade 0,25m 1m 1m 1,4 m 1,4 m
die entsprechende Relativbewegung.
Beachten Sie bei Aufgaben zu gelenkigen Systemen die prüfung der Ergebnisse wie folgt aus:
folgenden zwei Hinweise:
5 kN
Beginnen Sie bei der Berechnung von Lager- 15 kN
und Gelenkreaktionen beim einfachsten der beiden
(oder mehr) Freikörperbilder. Beim danach folgen-
den schwierigeren Freikörperbild sind dann in aller
Regel schon die Gelenkkräfte bekannt und die Rech- 4 kN 8,9 kN 7,1 kN
nerei wird deutlich einfacher. 0,25 m 2m 1,4 m 1,4 m
Die berechneten Ergebnisse lassen sich an einem
Freikörperbild des Gesamtsystems, also ohne einen
Schnitt durch das Gelenk, überprüfen. In dieses Man kann sich leicht davon überzeugen, dass das
Freikörperbild werden die berechneten Lagerreak- Kräftegleichgewicht in y-Richtung exakt aufgeht
tionen eingezeichnet, und es wird überprüft, ob die und dass auch das Momentengleichgewicht mit
Kräfte- und Momentengleichgewichte auch tatsäch- kleiner Ungenauigkeit durch das Runden der Er-
lich aufgehen. In unserem Beispiel sähe die Über- gebnisse aufgeht.
Technische Mechanik
den Schnee zu ziehen als einen
leichten
Die Beträge von Gewichtskraft G und Normalkraft FN so- Ansatz zur Lösung ist wie immer das Freikörperbild.
wie die Beträge von äußerer Kraft F und Reibungskraft Hierzu ersetzen wir den Körper des Kindes durch die Ge-
FR sind, wenn keine Beschleunigungen auftreten, aus wichtskraft G, und wir entfernen die Rutsche, welche wir
Gründen des Kräftegleichgewichts jeweils gleich groß. Bei durch die Normalkraft FN und die Gleitreibungskraft FR
genauerer Messung würden wir feststellen, dass wir zum ersetzen. Dabei setzen wir FN und FR nicht irgendwie an,
Ziehen eines beispielsweise fünfmal schwereren Schlit- sondern in die Richtungen, in die sie tatsächlich auftreten.
tens eine fünfmal größere Zugkraft benötigen. Normal- Die Normalkraft ist senkrecht zur Rutschbahn orientiert,
kraft FN und Reibungskraft FR sind also zueinander pro- die Gleitreibungskraft gegen die Bewegungstendenz, also
portional, es gilt der folgende entlang der Rutsche nach oben gerichtet (Abb. 2.18).
x
mit dem dimensionslosen Gleitreibungskoeffizienten μ. FN
α
Die Größe des Gleitreibungskoeffizienten hängt von den
aneinander reibenden Werkstoffen – über Schnee zieht
es sich leichter als über Asphalt – und von der Rauheit Abb. 2.18 Das Freikörperbild des rutschenden Kindes
40 2 Grundbegriffe und Kraftgruppen – der Einstieg in die Technische Mechanik
Für die Gleitreibungskraft gilt FR = μFN . Wir erhalten so- Tab. 2.3 Übersicht über die Haft- und Gleitreibungskoeffizienten einiger wich-
mit für das Kräftegleichgewicht in Richtung der Rutsch- tiger Materialparungen
Technische Mechanik
bahn Materialpaarung: μ0 : μ:
Stahl-Stahl 0,45–0,8 0,4–0,7
∑ Fix = −μFN + G sin α = 0 Stahl-Grauguss 0,18–0,24 0,17–0,24
Lederdichtung-Metall 0,6 0,2–0,25
und für das Kräftegleichgewicht quer dazu Holz-Metall 0,5–0,65 0,2–0,5
Holz-Holz 0,4–0,65 0,2–0,4
Leitbeispiel Antriebsstrang
Technische Mechanik
Der Keilriemen:
. . . ein eleganter Trick zur Verstärkung der Reibung
Keilriemen sind Antriebsriemen mit trapezförmigem gleichgewicht in vertikale Richtung ergibt sich
Querschnitt. Ihr Vorteil liegt in der im Vergleich zu
Flachriemen wesentlich höheren Reibung an den um FD
FN = ,
einen Winkel α geneigten Riemenflanken (siehe auch 2 sin α
Abschn. 27.5). Sehen wir uns die auf einen Keilriemen
sodass die maximal übertragbare Haftkraft
wirkenden Kräfte einmal näher an.
μ0
FR0,max = 2μ0 FN = · FD
sin α
FD
beträgt. Beschreibt man die Kraftübertragung eines
Keilriemenantriebs in Form der bekannten Gleichung
α FR0,max = μ0,eff FN über einen effektiven haftreibungs-
koeffizienten μ0,eff , so beträgt dieser effektive Haftko-
FN FN effizient
μ0
μ0,eff =
sin α
und liegt für einen typischen Flankenwinkel von α =
19◦ beim Dreifachen des tatsächlichen Haftkoeffizien-
ten. Das bedeutet, dass ein Keilriemen im Vergleich
zu einem gleich stark vorgespannten Flachriemen ein
Die Kraft, mit der der gespannte Keilriemen in die Rie- dreimal so großes Drehmoment übertragen kann, bzw.
menscheibe gedrückt wird, sei mit FD bezeichnet. Ihr dass ein Keilriemen für das Übertragen eines gegebe-
entgegen wirken die Normalkräfte FN an den beiden nen Drehmoments nur ein Drittel der Vorspannkraft
um den Winkel α geneigten Flanken. Aus dem Kräfte- eines vergleichbaren Flachriemens benötigt.