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Die Metallurgie des Schweißens

Günter Schulze

Die Metallurgie
des Schweißens
Eisenwerkstoffe - Nichteisenmetallische
Werkstoffe

4., neu bearbeitete Auflage

13
Professor Dr.-Ing. Günter Schulze
dokschu@t-online.de

ISBN 978-3-642-03182-3 e-ISBN 978-3-642-03183-0


DOI 10.1007/ 978-3-642-03183-0
Springer Heidelberg Dordrecht London New York

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© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010, korrigierter Nachdruck 2010


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Vorwort V

Vorwort zur vierten Auflage

Ein Schwerpunkt der Neubearbeitung war die extrem mühsame und langwierige Anpassung
an neue europäische (EURO-Normen) und internationale Normen, soweit sie für Deutsch-
land Bedeutung haben bzw. wichtig sind. Man merkt den Normen vielfach an, dass sehr
viele Nationen und Fachleute an ihrer Bearbeitung beteiligt sind. Daher ist eine gewisse
Inkonsequenz in vielen Normen – vor allem der »wichtigen« – nicht zu übersehen. Außer-
dem ist die Vielzahl und der extrem gesteigerte Umfang der neuen bzw. der überarbeiteten
Normen für den in der Praxis stehenden Ingenieur häufig verwirrend. Ihre Anwendung ist
daher oft unangemessen und mühsam. Von der angestrebten Harmonisierung im europäi-
schen Raum kann also noch längere Zeit nicht die Rede sein.

Neuere Normen sind bis etwa Juli 2009 berücksichtigt worden.

Neu hinzugekommen sind Hinweise zu


– verschiedenen neueren Stahlnormen (Baustähle nach DIN EN 10025, Vergütungsstähle
nach DIN EN 10025-6 und DIN EN 10 083, verschiedene hochlegierte Stähle nach DIN
EN 10 088),
– Zusatzwerkstoffen zum Schweißen von Stählen nach DIN EN ISO 2560. Hier wurde
erstmals in der Schweißtechnik die Systematik des »Kohabitationsgesetzes« angewen-
det. Ebenso findet man Hinweise zu Zusatzwerkstoffen zum Schweißen von Aluminium
und seinen Legierungen, Kupfer und Kupferlegierungen,
– Fülldrähten zum Schweißen für das UP-Verfahren und die Schutzgasschweißverfah-
ren,
– sowie zu Zusatzwerkstoffen zum Auftragschweißen (DIN EN 14 700).
– Unregelmäßigkeiten der Schweißverbindung und Empfehlungen für die Auswahl von
Bewertungsgruppen nach DIN EN ISO 5817.

Außerdem wurden verschiedene sachliche Fehler, Schreibfehler und sprachliche Ungenau-


igkeiten sowie Formulierungsschwächen beseitigt. Schließlich wurde eine große Anzahl von
Bildern und Tabellen um- bzw. neugezeichnet.

Berlin, Juli 2009 G. Schulze

Vorwort zur ersten Auflage

Mit dem vorliegenden Buch sollen dem Studenten des Maschinenbaus wesentliche Grundla-
gen des ständig an Bedeutung zunehmenden Fügeverfahrens Schweißen in einer möglichst
anschaulichen Form präsentiert werden. Darüber hinaus wird es auch dem bereits in der
Praxis stehenden Ingenieur helfen, theoretische Grundlagen aufzufrischen und zu vertie-
fen. Wegen der Vielfalt und des Umfangs der beteiligten Wissensgebiete musste der Stoff auf
wichtige Themen begrenzt werden. Die Auswahl ist damit naturgemäß subjektiv. Die Ver-
fasser haben sich bemüht, in einem Band die erforderlichen Grundlagen in einer dem Stu-
denten angemessenen und verständlichen Form darzustellen. Dabei wurden gewisse Redun-
danzen bewusst in Kauf genommen, die nach der Erfahrung der Autoren den Lernerfolg in
vielen Fällen günstig beeinflussen.
VI Vorwort

Die Autoren strebten eine anschauliche und nicht übermäßig theoretische Darstellung an,
die im Bereich der Bruchmechanik zwangsläufig nur teilweise gelang. Diesem Ziel dienen
u. a. eine große Anzahl Skizzen, Schaubildern und Tabellen sowie ein sehr ausführliches
und aufwändiges Sachwortverzeichnis. Gefügeaufnahmen sind i. Allg. in einer Größe abge-
bildet, die ein Verständnis des Bildinhalts ermöglicht bzw. erleichtert. Die sehr ausführli-
chen Bildlegenden erlauben in den meisten Fällen eine sofortige Interpretation der Darstel-
lung. Für weitergehende Informationen des Lesers dient ausgewähltes Schrifttum, das am
Ende des jeweiligen Kapitels aufgeführt ist.

Als Problem während der Bearbeitung erwies sich die Umstellung der nationalen auf die
häufig erheblich geänderten europäischen Normen. Aus redaktionellen Gründen konnten
lediglich die bis Ende 1991 als Weißdruck erschienenen EURO-Normen berücksichtigt wer-
den. Die häufig fehlenden Querverbindungen zu anderen (noch nationalen) Normen führten
in einigen Fällen zu einer inkonsistenten Darstellungsweise.

Entsprechend der Tatsache, dass »der Werkstoff die Schweißbedingungen diktiert«, wird
den werkstofflichen Grundlagen beim Schweißen der größte Platz eingeräumt. Erfahrungs-
gemäß bereiten die Besonderheiten der Schweißmetallurgie der verschiedenen (Stahl-)Werk-
stoffe dem Lernenden oft Schwierigkeiten. Um den Umfang des Buches in Grenzen zu hal-
ten, ist nur die Metallurgie der Stahlschweißung ausführlicher behandelt. Eine Beschrän-
kung, die mancher Leser vielleicht bedauernd zur Kenntnis nehmen mag. Die Beschreibun-
gen über das Verhalten der unlegierten, legierten und hochlegierten Stähle beim Schwei-
ßen sind um knappe, einführende Kapitel zur klassischen Werkstoffkunde ergänzt. In ih-
nen werden im wesentlichen einige zum Verständnis der Schweißmetallurgie der Stähle er-
forderliche wichtige Grundlagen besprochen, die in der vergleichbaren Literatur meist nicht
mit dem wünschenswerten Bezug zur Schweißtechnik abgehandelt sind.

Gemäß der Zielsetzung wurde nur eine begrenzte Anzahl typischer schweißmetallurgischer
Probleme behandelt, diese aber verhältnismäßig ausführlich. Dazu gehören die Schweiß-
eignung, die Zusatzwerkstoffe, der Einfluss der Wärmequelle auf die Eigenschaften der Ver-
bindung und die Schweißmetallurgie der wichtigsten Stähle.

Im Kapitel 5 werden wichtige technologische Einflussgrößen auf die Tragfähigkeit ge-


schweißter Bauteile untersucht, weil die Auswahl der Schweißelemente neben der Gebrauchs-
fähigkeit hauptsächlich aufgrund einer ausreichenden Tragfähigkeit erfolgt. Unter Berück-
sichtigung der Grundprinzipien der Gestaltung gelingen dem Anwender so leichter »tragfä-
hige« Entwürfe geschweißter Konstruktionen.

Aus der Vielzahl der gegenwärtig vorhandenen Berechnungsverfahren für geschweißte Bau-
teile sind die aktuellsten der beiden wichtigsten Vorschläge, die DIN 18800-1 (November
1990) und die DIN 15018-1 (November 1984), in der gebotenen Kürze dargestellt und ihre
Anwendung mit einfachen Berechnungsbeispielen erklärt.

Die Darstellung der Prüfung von Schweißverbindungen und ihrer praktischen Anwendung
im Kapitel 6 ist als Ergänzung zu den Grundkenntnissen der Werkstoffprüfung für den Stu-
denten und Ingenieur und als Nachschlagwerk für den Schweißpraktiker gedacht. Wegen
des begrenzten Umfangs wurden nur einige und besonders wichtige Prüfverfahren ausge-
wählt. Im wesentlichen sind dies Verfahren zur Werkstoff- und Strukturanalyse, die mecha-
nisch-technologischen Prüfverfahren und schließlich einige bruchmechanische Prüfverfah-
ren und Versagenskonzepte. Besonders hervorgehoben sind die Anwendungsmöglichkeiten
und -grenzen.
Vorwort VII

Die Vielfältigkeit und der Umfang der Werkstoffprüftechnik erforderten vielfach die Beant-
wortung von Fragen zu Details durch die Fachkollegen von Herrn Dr. Krafka in der Bun-
desanstalt für Materialprüfung und -forschung Berlin (BAM). Dem Präsidenten der BAM,
Herrn Prof. Dr. rer. nat. G. W. Becker danken der Verfasser und der Herausgeber für die
Erlaubnis, diesen Abschnitt schreiben und Bild- und Untersuchungsmaterial der BAM ver-
wenden zu dürfen. Herr Dr. Krafka dankt besonders seinen Kollegen, den Herren Dipl.-Ing.
K. Wilken und Dr. V. Neumann, die ihm Unterlagen überließen und für Diskussionen zur
Verfügung standen. Frau Ball dankt er für die Anfertigung zahlreicher metallografischer
Aufnahmen und Herrn Dipl.-Ing. B. Abassi für die Herstellung der Zeichnungen zu diesem
Kapitel.

Ganz besonderen Dank schuldet der Herausgeber Herrn Dipl.-Ing. I. Tanyildiz, dem Ge-
schäftsführer der OTA-Gruppe Berlin, für die großzügige finanzielle und sachliche Unter-
stützung dieses Projektes.

Berlin, April 1992 G. Schulze


VIII Inhalt

Inhalt

Häufig benutzte Symbole XVIII


Abkürzungen XX

1 Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion 1

1.1 Schweißtechnik erfordert die Werkstoffkunde 1

1.2 Aufbau metallischer Werkstoffe 2


1.2.1 Bindungsformen der Metalle 2
1.2.1.1 Metallische Bindung 4
1.2.1.2 Ionenbindung (heteropolare Bindung) 5
1.2.1.3 Atombindung (kovalente Bindung) 5
1.2.2 Gitteraufbau der Metalle 6
1.2.2.1 Gitterbaufehler (Realkristalle) 7
1.2.3 Gefüge, Korn, Kristallit, Korngröße 12

1.3 Mechanische Eigenschaften der Metalle 15


1.3.1 Verformungsvorgänge in Idealkristallen 15
1.3.2 Verformungsvorgänge in technischen Metallen 16
1.3.3 Verfestigung der Metalle 18
1.3.4 Einfluss der Korngrenzen 19

1.4 Phasenumwandlungen 22
1.4.1 Phasenumwandlung flüssig-fest 24
1.4.1.1 Primärkristallisation von (reinen) Metallen 24
1.4.1.2 Primärkristallisation von Legierungen 27
1.4.2 Phasenumwandlungen im festen Zustand 30
1.4.2.1 Diffusionskontrollierte Phasenumwandlungen 32
Ausscheidungsumwandlung 32
Ordnungsumwandlung 33
Massivumwandlung 33
Polymorphe Umwandlung 34
1.4.2.2 Diffusionslose Phasenumwandlungen (Martensitbildung) 34

1.5 Thermisch aktivierte Vorgänge 38


1.5.1 Diffusion 38
1.5.1.1 Nichtstationäre Diffusionsvorgänge 40
1.5.2 Erholung und Rekristallisation 42
1.5.3 Warmverformung 45

1.6 Grundlagen der Legierungskunde 46


1.6.1 Aufbau und Eigenschaften der Phasen 46
1.6.1.1 Mischkristalle 46
Substitutionsmischkristalle 46
Einlagerungsmischkristalle 48
Inhalt IX

1.6.1.2 Intermediäre Verbindungen 48


1.6.2 Zustandsschaubilder 49
1.6.2.1 Zustandsschaubild für vollkommene Löslichkeit
im flüssigen und festen Zustand 50
1.6.2.2 Eutektische Systeme 51
1.6.2.3 Systeme mit begrenzter Löslichkeit 53
1.6.2.4 Systeme mit intermediären Phasen 53
1.6.2.5 Systeme mit Umwandlungen im festen Zustand 55
1.6.3 Nichtgleichgewichtszustände 55
1.6.3.1 Kristallseigerung 55
1.6.3.2 Entartetes Eutektikum 57
1.6.4 Aussagefähigkeit und Bedeutung der Zustandsschaubilder
für das Schweißen 57
1.6.4.1 Abschätzen des Schweißverhaltens 57
1.6.4.2 Mechanische Gütewerte 58
1.6.5 Dreistoffsysteme 59
1.6.5.1 Ternäre Schaubilder in ebener Darstellung 61
Isothermische Schnitte 61
Vertikalschnitte 62
Quasibinäre Schnitte 62

1.7 Grundlagen der Korrosion 63


1.7.1 Definitionen und Begriffe 64
1.7.2 Elektrochemische Vorgänge 65
1.7.3 Korrosionsmechanismen in wässrigen Lösungen 68
1.7.3.1 Wasserstoffkorrosion (Säurekorrosion) 69
1.7.3.2 Sauerstoffkorrosion 70
1.7.3.3 Das Korrosionsverhalten beeinflussende Faktoren 71
Ionenkonzentration 71
Sauerstoffgehalt 74
Elektrolyttemperatur 75
Strömungsgeschwindigkeit 76
Medienkonzentration 77
1.7.4 Elektrochemische Polarisation 77
1.7.4.1 Stromdichte-Potenzial-Kurven 78
1.7.4.2 Aktivierungspolarisation 78
1.7.4.3 Konzentrationspolarisation 80
1.7.5 Passivität 81
1.7.6 Korrosionsarten 83
1.7.6.1 Korrosionsarten ohne mechanische Beanspruchung 83
1.7.6.1.1 Kontaktkorrosion 84
1.7.6.1.2 Lochkorrosion (Lochfraß) 84
1.7.6.1.3 Spaltkorrosion (Berührungskorrosion) 86
1.7.6.1.4 Selektive Korrosion 87
1.7.6.1.5 Korrosionsvorgänge in besonderen Umgebungen 88
Atmosphärische Korrosion 88
Mikrobiologische Korrosion 90
1.7.6.2 Korrosionsarten mit mechanischer Beanspruchung 91
1.7.6.2.1 Spannungsrisskorrosion (SpRK) 91
1.7.6.2.2 Kavitation(skorrosion) 93
1.7.6.2.3 Erosion(skorrosion) 94
1.7.6.2.4 Reibkorrosion (»Fressen«) 94
X Inhalt

1.7.7 Gestaltungsrichtlinien; Werkstoffwahl 94


1.7.7.1 Spalt-, Berührungskorrosion 98
1.7.7.2 Konzentrationselemente 98
1.7.7.3 Wasserlinienkorrosion, atmosphärische Korrosion 98
1.7.7.4 Kontaktkorrosion 99
1.7.7.5 Spannungsrisskorrosion (SpRK) 99
1.7.7.6 Besonderheiten beim Schweißen 100
1.7.8 Hinweise zum Korrosionsschutz 101
1.7.8.1 Aktive Schutzverfahren 101
Inhibitoren 101
Kathodischer Korrosionsschutz 103
Anodischer Korrosionsschutz 105
1.7.8.2 Passive Schutzverfahren 106
Organische Beschichtungen 106
Anorganische Überzüge 106
Metallische Überzüge 107

1.8 Aufgaben zu Kapitel 1 110

1.9 Schrifttum 121

2 Stähle – Werkstoffgrundlagen 123

2.1 Allgemeines 123

2.2 Einteilung der Stähle 124

2.3 Stahlherstellung 125


2.3.1 Erschmelzungsverfahren 125
2.3.1.1 Sekundärmetallurgie 128
2.3.2 Vergießungsverfahren; Desoxidieren 130
2.3.2.1 Vergießen und Erstarren des Stahles 131
2.3.2.2 Unberuhigt vergossener Stahl; Kennzeichen FU (U) 132
2.3.2.3 Beruhigt vergossener Stahl; Kennzeichen (R) 132
2.3.2.4 Besonders beruhigt vergossener Stahl; Kennzeichen FF (RR) 133

2.4 Das Eisen-Kohlenstoff-Schaubild (EKS) 133

2.5 Die Wärmebehandlung der Stähle 136


2.5.1 Glühbehandlungen 138
2.5.1.1 Spannungsarmglühen 138
2.5.1.2 Normalglühen 139
2.5.2 Härten und Vergüten 140
2.5.2.1 Härten 140
2.5.2.2 Vergüten 143
2.5.3 Die Austenitumwandlung im ZTU- und ZTA-Schaubild 145
2.5.3.1 ZTU-Schaubilder für kontinuierliche Abkühlung 148
2.5.3.2 ZTU-Schaubilder für isothermische Wärmeführung 150
2.5.3.3 Möglichkeiten und Grenzen der ZTU-Schaubilder 150
2.5.3.4 Anwendbarkeit der ZTU-Schaubilder auf Schweißvorgänge 152
Allgemeines Verfahren 154
Inhalt XI

Isothermisches Schweißen 154


Stufenhärtungsschweißen 155
2.5.3.5 ZTA-Schaubilder 155
Isothermische ZTA-Schaubilder 156
Kontinuierliche ZTA-Schaubilder 157

2.6 Festigkeitserhöhung metallischer Werkstoffe 157


2.6.1 Prinzip der Festigkeitserhöhung 157
2.6.2 Abschätzen der maximalen Festigkeit 158
2.6.2.1 Theoretische Schubfestigkeit 158
2.6.2.2 Theoretische Kohäsionsfestigkeit 159
2.6.3 Methoden zum Erhöhen der Festigkeit 159
2.6.3.1 Kaltverfestigung 159
2.6.3.2 Mischkristallverfestigung 160
2.6.3.3 Ausscheidungshärtung 161
2.6.3.4 Korngrenzenhärtung 165
2.6.3.5 Martensithärtung 165
2.6.3.6 Thermomechanische Behandlung 167

2.7 Unlegierte und (niedrig-)legierte Stähle 167


2.7.1 Wirkung der Legierungselemente 167
2.7.2 Unlegierte Baustähle nach DIN EN 10025-2 168
2.7.3 Stähle für den Maschinen- und Fahrzeugbau 171
2.7.3.1 Vergütungsstähle 174
2.7.3.2 Einsatzstähle 175
2.7.4 Warmfeste Stähle 177
2.7.5 Kaltzähe Stähle 182
2.7.6 Feinkornbaustähle 184
2.7.6.1 Normalgeglühte Feinkornbaustähle 188
Terrassenbruch 189
2.7.6.2 Thermomechanisch gewalzte Feinkornbaustähle 190
Metallkundliche Grundlagen; Stahlherstellung 191
Eigenschaften und Verarbeitung 192
2.7.6.3 Vergütete Feinkornbaustähle 197

2.8 Korrosionsbeständige Stähle 200


2.8.1 Erzeugen und Erhalten der Korrosionsbeständigkeit 200
2.8.2 Korrosionsverhalten der Stähle in speziellen Medien 202
Korrosion in Wässern 202
Korrosion durch chemischen Angriff 202
2.8.3 Werkstoffliche Grundlagen 203
2.8.3.1 Die Zustandsschaubilder Fe-Cr, Fe-Ni 203
2.8.3.2 Das Zustandsschaubild Fe-Cr-Ni 204
2.8.3.3 Einfluss wichtiger Legierungselemente 205
Nickel 205
Kohlenstoff 206
Stickstoff 206
Molybdän 207
Silicium 207
Wasserstoff 207
2.8.3.4 Ausscheidungs- und Entmischungsvorgänge 208
2.8.3.4.1 Interkristalline Korrosion (IK) 208
XII Inhalt

Gegenmaßnahmen 210
2.8.3.4.2 Sigma-Phase (s -Phase) 210
2.8.3.4.3 475 °C-Versprödung 211
2.8.4 Einteilung und Stahlsorten 214
2.8.4.1 Martensitische Chromstähle 215
2.8.4.2 Ferritische Chromstähle 215
2.8.4.3 Austenitische Chrom-Nickel-Stähle 217
Stickstofflegierte austenitische Stähle 220
2.8.4.4 Austenitisch-ferritische Stähle (Duplexstähle) 221

2.9 Aufgaben zu Kapitel 2 224

2.10 Schrifttum 235

3 Einfluss des Schweißprozesses auf


die Eigenschaften der Verbindung 237

3.1 Schweißbarkeit – Begriff und Definition 237


3.1.1 Schweißeignung 238
3.1.2 Schweißsicherheit 238
3.1.3 Schweißmöglichkeit 238
3.1.4 Bewertung und Folgerungen 239

3.2 Schweißeignung der Stähle 239


3.2.1 Unlegierte Stähle 239
3.2.1.1 Erschmelzungs- und Vergießungsart 239
3.2.1.2 Chemische Zusammensetzung 240
3.2.2 Legierte Stähle 243

3.3 Wirkung der Wärmequelle 244


3.3.1 Temperatur-Zeit-Verlauf 245
3.3.2 Eigenspannung; Schrumpfung, Verzug 249
3.3.2.1 Querschrumpfung 252
3.3.2.2 Winkelschrumpfung 252
3.3.2.3 Längsschrumpfung 253
3.3.2.4 Haupteinflüsse auf Schrumpfungen und Spannungen 253
Wärmemenge und Schweißverfahren 253
Werkstoffeinfluss 254
Konstruktionseinfluss 254
3.3.3 Metallurgische Wirkungen des Temperatur-Zeit-Verlaufs 254
3.3.3.1 Sauerstoff 256
3.3.3.2 Stickstoff 257
3.3.3.3 Wasserstoff 258

3.4 Das Sprödbruchproblem 261


3.4.1 Werkstoffmechanische Grundlagen 261
3.4.2 Probleme konventioneller Berechnungskonzepte 263
3.4.3 Sprödbruchbegünstigende Faktoren 265
3.4.3.1 Werkstoffliche Faktoren 266
3.4.3.2 Konstruktive Faktoren 267
3.4.4 Maßnahmen zum Abwenden des Sprödbruchs 268
Inhalt XIII

3.5 Fehler in der Schweißverbindung 268


3.5.1 Metallurgische Fehler 269
3.5.1.1 Die Wirkung der Gase 270
Verhindern der Gasaufnahme 271
3.5.1.2 Fehler beim Schweißbeginn und Schweißende 271
3.5.1.3 Probleme des Einbrands 273
3.5.1.4 Einschlüsse; Schlacken 274
3.5.1.5 Zündstellen 275
3.5.1.6 Rissbildung im Schweißgut und in der WEZ 276
3.5.2 Bewertung der Fehler 286

3.6 Aufgaben zu Kapitel 3 289

3.7 Schrifttum 296

4 Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe 299

4.1 Aufbau der Schweißverbindung 299


4.1.1 Vorgänge im Schweißbad 300
4.1.1.1 Die Primärkristallisation der Schweißschmelze 300
4.1.1.2 Massentransporte im Schweißbad 307
4.1.2 Werkstoffliche Vorgänge in der Wärmeeinflusszone 309
4.1.3 Die WEZ in Schweißverbindungen aus
umwandlungsfähigen Stählen 310
4.1.3.1 Der Einfluss des Nahtaufbaus; Einlagen-, Mehrlagentechnik 316
4.1.3.2 Eigenschaften und mechanische Gütewerte 318
Härteverteilung 319
Mechanische Eigenschaften des Schweißguts 322
Mechanische Eigenschaften der Wärmeeinflusszone 325
4.1.3.3 Vorwärmen der Fügeteile 327
4.1.3.4 Einfluss der Stahlherstellungsart und der
chemischen Zusammensetzung 333
Seigerungen 333
Alterungsprobleme 334
4.1.4 Verbinden unterschiedlicher Werkstoffe 334

4.2 Zusatzwerkstoffe und Hilfsstoffe zum Schweißen


unlegierter Stähle und von Feinkornbaustählen 336
4.2.1 Konzepte der Normung 336
4.2.2 Metallurgische Betrachtungen 337
4.2.3 Schweißzusätze für Stähle mit einer
Mindeststreckgrenze bis 500 N/mm2 337
4.2.3.1 Umhüllte Stabelektroden für das Lichtbogenhandschweißen
(DIN EN ISO 2560) 337
4.2.3.1.1 Aufgaben der Elektrodenumhüllung 338
4.2.3.1.2 Metallurgische Grundlagen 339
4.2.3.1.3 Eigenschaften der wichtigsten Stabelektroden 341
Sauer-umhüllte Stabelektroden (A) 341
Rutil-umhüllte Stabelektroden (R) 342
Basisch-umhüllte Stabelektroden (B) 342
Zellulose-umhüllte Stabelektroden (C) 344
XIV Inhalt

4.2.3.1.4 Bedeutung des Wasserstoffs 344


4.2.3.1.5 Normung der umhüllten Stabelektroden 349
4.2.3.2 Schweißzusätze für das Schutzgasschweißen 353
WIG-Schweißen 353
MSG-Schweißen 355
4.2.3.3 Schweißzusätze für das UP-Schweißen 363
4.2.3.3.1 Drahtelektroden 363
4.2.3.3.2 Schweißpulver 366
Schmelzpulver 368
Agglomerierte Pulver 368
Metallurgisches Verhalten der Schweißpulver 369
4.2.4 Schweißzusätze für Stähle mit einer
Mindeststreckgrenze über 500 N/mm2 374

4.3 Schweißen der wichtigsten Stahlsorten 374


4.3.1 Unlegierte niedriggekohlte C-Mn-Stähle 374
4.3.1.1 Baustähle nach DIN EN 10025-2 379
Gütegruppen (Stahlgütegruppen) 382
Wahl der Gütegruppe 383
4.3.2 Feinkornbaustähle; normalgeglüht und
thermomechanisch behandelt 384
4.3.2.1 Allgemeine Konzepte 384
4.3.2.2 Einfluss der Abkühlbedingungen auf die
mechanischen Gütewerte der Verbindung 385
4.3.2.3 Fertigungstechnische Hinweise 389
Nahtvorbereitung 389
Wärmebehandlung 390
Schweißtechnologie 392
Risserscheinungen 392
4.3.2.4 Schweißzusatzwerkstoffe 393
Stabelektroden 393
Drahtelektroden; Schweißpulver (UP-Schweißen) 395
Drahtelektroden; Schutzgase (MSG-Schweißen) 398
4.3.3 Feinkornbaustähle; vergütet 398
4.3.4 Höhergekohlte Stähle 402
4.3.5 Warmfeste Stähle 406
4.3.5.1 Ferritische Stähle (ferritisch-perlitisch) 407
4.3.5.2 Ferritische Stähle (ferritisch-bainitisch) 407
4.3.5.3 Ferritische Stähle (martensitisch) 409
4.3.5.4 Austenitische Stähle 411
4.3.5.5 Versprödungs- und Rissmechanismen 411
Wiedererwärmungsriss (Ausscheidungsriss) 411
Anlassversprödung 412
4.3.6 Kaltzähe Stähle 413
4.3.7 Korrosionsbeständige Stähle 414
4.3.7.1 Einfluss der Verarbeitung auf das Korrosionsverhalten 414
4.3.7.2 Konstitutions-Schaubilder 417
4.3.7.3 Martensitische Chromstähle 422
4.3.7.4 Ferritische und halbferritische Stähle 425
4.3.7.5 Austenitische Chrom-Nickel-Stähle 431
Primärkristallisation 433
Heißrissbildung 433
Inhalt XV

Messerlinienkorrosion 436
Metallurgie des Schweißens 437
4.3.7.6 Austenitisch-ferritische Stähle (Duplexstähle) 440
4.3.8 Verbinden/Auftragen unterschiedlicher Werkstoffe 446
4.3.8.1 Austenit-Ferrit-Verbindungen 446
4.3.8.2 Schweißplattieren 448
4.3.8.3 Schweißpanzern 451

4.4 Eisen-Gusswerkstoffe 456


4.4.1 Stahlguss (G, GS, GE, GX) 456
4.4.1.1 Stahlguss für allgemeine Verwendung 456
Fertigungsschweißen 457
Instandsetzungsschweißen 460
Konstruktionsschweißen 460
4.4.1.2 Hochfester schweißgeeigneter Stahlguss 460
4.4.1.3 Legierter Stahlguss 462
4.4.2 Gusseisen (EN-GJL, alt: GG; EN-GJS, alt: GGG; ISO/JV, alt: GJV) 462
4.4.2.1 Gusseisen mit Lamellengrafit (EN-GJL, alt: GG) 463
Artgleiches Schweißen (Gusseisenwarmschweißen) 466
Artfremdes Schweißen (Gusseisenkaltschweißen) 467
4.4.2.2 Gusseisen mit Kugelgrafit (EN-GJS, alt: GGG) 467
Artgleiches/artähnliches Schweißen 471
Artfremdes Schweißen 471
Schweißverfahren 471
Legiertes (austenitisches) Gusseisen mit Kugelgrafit 473
4.4.3 Temperguss (EN-GJMW, alt: GTW; EN-GJMB, alt: GTS) 474
4.4.3.1 Weißer Temperguss (EN-GJMW, alt: GTW) 474
4.4.3.2 Schwarzer Temperguss (EN-GJMB, alt: GTS) 475

4.5 Aufgaben zu Kapitel 4 478

4.6 Schrifttum 495

5 Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe 503

5.1 Die WEZ in Schweißverbindungen aus Nichteisenmetallen 503


5.1.1 Einphasige Werkstoffe 504
5.1.2 Mehrphasige Werkstoffe 505
5.1.3 Ausscheidungshärtende Legierungen 505
5.1.4 Hochreaktive Werkstoffe 507
5.1.5 Kaltverfestigte Werkstoffe 508

5.2 Schwermetalle 508


5.2.1 Kupfer und Kupferlegierungen 509
5.2.1.1 Hinweise zum Schweißen 511
5.2.1.1.1 Kupfer 511
5.2.1.1.2 Kupferlegierungen 515
Kupfer-Zink-Legierungen (Messinge) 516
Kupfer-Zinn-Legierungen (Zinnbronzen) 518
Kupfer-Aluminium-Legierungen (Aluminiumbronzen) 518
Kupfer-Nickel-Legierungen 519
XVI Inhalt

5.2.2 Nickel und Nickellegierungen 520


5.2.2.1 Einfluss der Legierungselemente auf das Schweißverhalten 524
5.2.2.2 Schweißmetallurgie 525
5.2.2.2.1 Allgemeine Werkstoffprobleme 525
Nickel-Chrom-(Eisen-)Legierungen 526
Molybdänhaltige Nickelbasis-Legierungen 526
Ausscheidungshärtende Nickelbasis-Legierungen 527
5.2.2.3 Schweißpraxis 529

5.3 Leichtmetalle 531


5.3.1 Aluminium und Aluminiumlegierungen 531
5.3.1.1 Lieferformen 533
5.3.1.2 Bezeichnungsweise 533
5.3.1.3 Metallurgisch bedingte Schweißnahtdefekte 535
Heißrisse 535
Spannungsrisse 536
Poren 536
5.3.1.4 Aluminium-Knetlegierungen 536
5.3.1.5 Aluminium-Gusslegierungen 537
5.3.1.6 Ausscheidungshärtende Aluminiumlegierungen 537
5.3.1.7 Aluminium-Sonderlegierungen 543
Aluminium-Lithiumlegierungen 543
Aluminium-Druckgusslegierungen 543
Dispersionshärtende Aluminiumlegierungen 544
5.3.1.8 Schweißzusatzwerkstoffe 545
5.3.1.9 Schweißpraxis 547
5.3.1.9.1 Vorbereitende Maßnahmen 547
5.3.1.9.2 Schweißverfahren 548
Wolfram-Inertgasschweißen (WIG) 548
Metall-Inertgasschweißen (MIG) 550
Laserschweißen 550
5.3.2 Magnesium und Magnesiumlegierungen 551
5.3.3 Beryllium 553

5.4 Hochschmelzende und hochreaktive Werkstoffe 553


5.4.1 Titan und Titanlegierungen 554
5.4.1.1 Eigenschaften und Schweißverhalten der Titanwerkstoffe 556
Unlegiertes Titan 557
Alpha- und Nah-Alpha-Legierungen 557
Alpha-Beta-Legierungen 558
Beta-Legierungen 559
Titan-Sonderlegierungen 559
5.4.1.2 Metallurgisch bedingte Schweißnahtdefekte 560
5.4.1.3 Schweißpraxis 561
5.4.2 Molybdän und Molybdänlegierungen 562
5.4.3 Zirkonium und Zirkoniumlegierungen 563
5.4.4 Tantal und Tantallegierungen 564

5.5 Aufgaben zu Kapitel 5 566

5.6 Schrifttum 574


Inhalt XVII

6 Anhang (spezielle Werkstoffprüfverfahren) 579

6.1 Prüfung auf Heißrissanfälligkeit 579


6.1.1 Verfahren mit Selbstbeanspruchung der Probe 580
6.1.2 Verfahren mit Fremdbeanspruchung der Probe 580

6.2 Prüfung auf Kaltrissanfälligkeit 583


6.2.1 Implant-Test 583
6.2.2 Der Pellini-Versuch 586

6.3 Der Kerbschlagbiegeversuch (DIN EN 10045) 587


Prüfung von Proben mit Schweißnaht 591

6.4 Der instrumentierte Kerbschlagbiegeversuch 591

6.5 Das COD-Konzept von Cottrell und Wells 594

6.6 Schrifttum 596

7 Sachwortverzeichnis 597
XVIII Symbole und Abkürzungen

Häufig benutzte Symbole


a Gitterkonstante
2a bzw. a Risslänge (2a) bzw. halbe Risslänge (a)
ak Kerbschlagzähigkeit
A Bruchdehnung
A Aufschmelzgrad
Aw Schweißnahtquerschnitt
a Wärmeausdehnungskoeffizient
ak Formzahl (auch elastischer Spannungskonzentrationsfaktor Ks genannt)
b Burgers-Vektor
c Konzentration
c spezifische Wärme
d mittlerer (»quadratischer«) Korndurchmesser nach DIN EN ISO 643
d Korndurchmesser
d Werkstückdicke (auch t und s)
D0 Diffusionskonstante
D Diffusionskoeffizient
'j0 Urspannung
E Elastizitätsmodul
E Potenzial einer elektrochemischen Reaktion (allgemein)
E Streckenenergie (E U¹I/v)
E0 Standardpotenzial (gemessen gegen die Standardwasserstoffelektrode)
e Dehnung (allgemein)
F Faradaykonstante
F Kraft (allgemein)
F Anzahl der Freiheitsgrade in einem metallurgischen System
Fg Grenzlast einer gekerbten oder ungekerbten Probe (Bauteil)
Fk Kohäsionskraft
G Schubmodul
G freie Enthalpie
G Korngrößen-Kennzahl
G Temperaturgradient
H Enthalpie
h Überspannung (h E - E0)
j Verformungsgrad
g Oberflächenenergie
k thermischer Wirkungsgrad
k Korngrößenwiderstand
K Anzahl der Komponenten eines metallurgischen Systems
K Kerbschlagarbeit (allgemein)
Kf größte Abkühlzeit, unterhalb der sich nach der Austenitumwandlung kein
Ferrit mehr gebildet hat
Km größte Abkühlzeit, unterhalb der aus dem Austenit vollständig Martensit ge-
bildet wird
Kp kleinste Abkühlzeit, oberhalb der aus dem Austenit ausschließlich Gefüge
der Perlitstufe (Ferrit und Perlit) entstehen
KU Kerbschlagarbeit, gemessen mit Charpy-U-Proben
KV Kerbschlagarbeit, gemessen mit Charpy-V-Proben
l Wärmeleitfähigkeit
l mittlerer Teilchenabstand (Ausscheidungshärtung)
M Mehrachsigkeitsgrad der Spannungen
Symbole und Abkürzungen XIX

n Querkontraktionszahl (Poissonsche Zahl)


p Druck (allgemein)
P Anzahl der Phasen in einem metallurgischen System
QA Aktivierungsenergie
Q Wärmeeinbringen beim Schweißen (Q k ¹ E)
r Keimradius
rk Keimradius kritischer Größe
R Gaskonstante
R Kristallisationsgeschwindigkeit
RE Ausbringung, effektive
ReH Streckgrenze
Rm Zugfestigkeit
Rp Dehngrenze (allgemein)
Rp0,2 0,2%-Dehngrenze
r Kerbradius, Rissradius
r Dichte
s Werkstückdicke (auch d und t)
S Abschmelzleistung
S Entropie
S Querschnittsfläche
s1, s2, s3 Hauptnormalspannungen (s1 > s2 > s3 )
s Normalspannung
sf Bruchspannung (auch RBr )
sF Fließgrenze
t Zeit
t Werkstückdicke (auch d und s)
t8/5 Abkühlzeit zwischen 800 ’C und 500 ’C
t12/8 Abkühlzeit zwischen 1200 ’C und 800 ’C
T Temperatur (allgemein)
TA Austenitisierungstemperatur
Tm Haltetemperatur
Ti Zwischenlagentemperatur
TRk Rekristallisationstemperatur
TS Schmelztemperatur
Tp Vorwärmtemperatur zum Schweißen (in Gleichungen auch T0)
t Schubspannung
v, vab Abkühlgeschwindigkeit (allgemein)
vok, vuk obere bzw. untere kritische Abkühlgeschwindigkeit des Austenits
vum Umwandlungsgeschwindigkeit des Austenits
xm mittlerer Diffusionsweg
Z Brucheinschnürung (Zugversuch)
XX Symbole und Abkürzungen

Abkürzungen
A Austenit
a a-Ferrit (allgemein metallografische Phasen)
B Bainit
d d -Ferrit (allgemein metallografische Phasen)
EKS Eisen-Kohlenstoff-Schaubild
EMK Einlagerungsmischkristall
ESZ ebener Spannungszustand
EVZ ebener Verzerrungszustand
F Ferrit
FF vollberuhigter Stahl (Bezeichnung nach DIN EN 10027-1)
FN nicht unberuhigter Stahl (nach DIN EN 10027-1, nach DIN 17006
unbekannt)
FU unberuhigter Stahl (Bezeichnung nach DIN EN 10027-1)
hdP hexagonal dichteste Packung
HB Brinellhärte
HV Vickershärte
g Austenit (allgemein metallografische Phasen)
iV intermediäre Verbindung (auch V)
IK interkristalline Korrosion
kfz kubisch-flächenzentriert
krz kubisch-raumzentriert
M Martensit
Ms, Mf Martensitstart- bzw. Martensitfinishing-Temperatur
N normalgeglüht (Bezeichnung nach DIN 17006)
P Perlit
R beruhigter Stahl (alte Bezeichnung nach DIN 17006, nach DIN 10027-1
unbekannt)
REM Rasterelektronenmikroskop
RR besonders beruhigter Stahl (alte Bezeichnung nach DIN 17006, neue: FF)
RT Raumtemperatur
SMK Substitutionsmischkristall
SpRK Spannungsrisskorrosion
SRC Stress Relief Cracking (Wiedererwärmungsriss)
trz tetragonal-raumzentriert
TEM Transmissionselektronenmikroskop
TM thermomechanische Behandlung
U unberuhigter Stahl (alte Bezeichnung nach DIN 17006, neue: FU)
V intermediäre Verbindung (auch iV)
WEZ Wärmeeinflusszone
ZTA Zeit-Temperatur-Ausscheidungs-Schaubild
ZTA Zeit-Temperatur-Austenitisierungs-Schaubild
ZTU Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Schaubild
1 Grundlagen der Werkstoffkunde
und der Korrosion

1.1 Schweißtechnik erfordert keit und Härte. Sie ist die für die Bauteilsi-
cherheit geschweißter Konstruktionen wich-
die Werkstoffkunde tigste Eigenschaft. Art und Umfang der Än-
derungen sind wie bei jeder Wärmebehand-
Vor allem bei Schmelzschweißprozessen ent- lung von deren Temperatur-Zeit-Führung ab-
stehen im hängig. Für ein tieferes Verständnis ist aller-
dings die Einsicht nötig, dass die Tempera-
Schweißgut und in der tur-Zeit-Verläufe bei den unterschiedlichen
Wärmeeinflusszone (WEZ) Schweißverfahren z. T. beträchtlich von denen
üblicher technischer Wärmebehandlungen
die vielfältigsten Werkstoffänderungen. Das abweichen, Bild 1-1.
Schweißverfahren und die Schweißparame-
ter bestimmen weitestgehend die Ausdeh- Die Aufheizgeschwindigkeiten beim Schwei-
nung und die Eigenschaften der WEZ. Die ßen mit den unterschiedlichen Verfahren be-
Zähigkeit der WEZ nimmt praktisch immer tragen etwa 400 K/s bis 1000 K/s, die Abkühl-
ab, oft verbunden mit einer höheren Festig- geschwindigkeiten einige 100 K/s und die
Haltedauer (Abschn. 4.1.2, S. 309) beträgt
T < TS nur wenige Sekunden. Die Wärmeeinflusszo-
ne wird also nur höchstens einige zehn Sekun-
1
den thermisch beeinflusst. Bei technischen
Temperatur T

Wärmebehandlungen bleibt das Werkstück


Temperatur T

T < Ac1 2 aber mindestens mehrere zehn Minuten auf


der erforderlichen Temperatur. Die werkstoff-
lichen Änderungen beim Schweißen laufen
also immer in Richtung extremer Ungleich-
t1 t2
Abstand x Zeit t gewichtszustände.
I II
WEZ: Wärmeeinflusszone
GW: Grundwerkstoff Daher sind Vorhersagen über die zu erwar-
GW SG: Schmelzgrenze tenden Gefüge, Gefügeänderungen bzw. die
I, II: Position der
WEZ SG Thermoelemente mechanischen Gütewerte mit Methoden der
a) b) »konventionellen« Werkstoffprüfung oft un-
genau. Die Gefüge der Schweißverbindung
Bild 1-1 weichen aus diesem Grunde häufig und in über-
Temperaturverteilung in der Schweißverbindung, ge-
raschender Weise von denen des unbeeinfluss-
messen während des Schweißens mit Thermoelemen-
ten, die an verschiedenen Stellen (I, II) im Abstand ten Grundwerkstoffs ab. In den meisten Fäl-
x von Schweißnahtmitte angebracht wurden. len bildet die Wärmeeinflusszone ein Konti-
a) Verlauf der jeweils erreichten Maximaltemperatur nuum unterschiedlichster Gefüge und Eigen-
in Abhängigkeit vom Abstand x von Schweißnaht- schaften. Für eine fachgerechte Beurteilung
mitte, TS = Schmelztemperatur. der Schweißnahtverbindung ist die Kennt-
b) Verlauf der Temperatur an bestimmten Orten ne-
nis dieser Zusammenhänge wichtig. In Ab-
ben der Schweißnaht (Kurve 1 und 2). Beachte,
dass die Maximaltemperaturen an den verschiede- schn. 4.1, S. 299, werden die Eigenschafts-
nen Punkten nach unterschiedlichen Zeiten erreicht und Gefügeänderungen in der WEZ und des
werden: t1 < t2 ! Schweißgutes ausführlicher besprochen.
2 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Das Gefüge des Schweißguts (Abschn. 4.1.1.1, Die sich beim Schweißen ergebenden werk-
S. 300) ist wegen der extrem raschen Abküh- stofflichen Änderungen sind praktisch im-
lung typisch transkristallin (anisotrop). Die mer das Ergebnis einer extremen metallurgi-
Gefügeausbildung in der Wärmeeinflusszone schen Ungleichgewichtsreaktion. Die Beschrei-
(WEZ) ist außerdem abhängig von der chemi- bung und Deutung dieser Vorgänge ist mit
schen Zusammensetzung des Grundwerk- dem Instrumentarium der »üblichen« Werk-
stoffs und meistens sehr komplex und unüber- stoffkunde nicht einfach. In den meisten Fäl-
sichtlich. Die Gefüge der Wärmeeinflusszo- len sind zusätzliche schweißspezifische Kennt-
ne sind bei den unterschiedlichen Werkstof- nisse erforderlich.
fen durch verschiedene Besonderheiten ge-
kennzeichnet:
– Als Folge der großen Wärmeleitfähigkeit 1.2 Aufbau metallischer
metallischer Werkstoffe kühlt der schmelz- Werkstoffe
grenzennahe Bereich der WEZ z. T. sehr
schnell ab. Daher besteht z. B. bei der 1.2.1 Bindungsformen der Metalle
Werkstoffgruppe »umwandlungsfähiger
(und höhergekohlter, legierter) Stahl« die In einem Metall sind die Atome periodisch
Gefahr, dass sich harte, spröde, d. h. riss- regelmäßig nach einem geometrischen »Mus-
anfällige Gefügebestandteile bilden (hö- ter« kristallin angeordnet. Das Gefüge der
hergekohlter Martensit). Durch Vorwär- Metalle besteht aus Kristallen (genauer Kris-
men (Abschn. 4.1.3.3, S. 327) der Fügetei- talliten). Flüssigkeiten, Gläser und z. T. die
le oder (und) erhöhte Energiezufuhr beim Kunststoffe sind im Gegensatz zu den Metal-
Schweißen muss die Abkühlgeschwindig- len amorph, ihre Atome bzw. Moleküle sind
keit soweit verringert werden, dass mög- also regellos angeordnet.
lichst kein Martensit entsteht bzw. die Bau-
teilsicherheit gewährleistet ist. Die Art des Atomaufbaus (Mikrostruktur) so-
– Die hohe Temperatur begünstigt z. B. die wie die Bindungsart bestimmen die Festig-
Bildung eines grobkörnigen Gefüges, das keits- und Zähigkeitseigenschaften. Die un-
i. Allg. eine deutlich geringere Zähigkeit terschiedlichen Mechanismen der atomaren
besitzt als der Grundwerkstoff. Bindung hängen von der Atomart, bzw. von
– Ausscheidungen aller Art im Schweißgut ihrer Elektronegativität ab.
und vor allem in der WEZ setzen die me-
chanischen Gütewerte herab und verrin- Für ein erstes Verständnis dieser komplizier-
gern die Korrosionsbeständigkeit. ten Einzelheiten ist die Bohrsche Theorie
– Einige Werkstoffe, in erster Linie die sog. hinreichend. Danach besteht jedes Atom aus
hochreaktiven Metalle, wie z. B. Titan, Tan- einem positiv geladenen Kern, um den eine
tal, Molybdän, Zirkonium, nehmen schon negativ geladene Atomhülle angeordnet ist,
bei Temperaturen über etwa 300 ’C atmo- in der sich die Elektronen nach bestimmten
sphärische Gase (H2, O2, N2) auf, die die Gesetzmäßigkeiten auf bis zu sieben räumli-
Schweißverbindung völlig verspröden kön- chen Schalen (Energieniveaus) befinden. Die
nen. Die über 300 ’C erwärmten Berei- Schalen werden von innen nach außen als
che der Schweißverbindung müssen da- 1., 2., 3., ... n. Schale (Schale der Hauptquan-
her beim Schweißen großflächig vor einem tenzahl n 1, 2, 3, ...) oder mit den Buchsta-
Luftzutritt geschützt werden. ben K, L, M, N, ... bezeichnet. Jede Schale
– Verbindungs- und Auftragschweißungen kann maximal 2 ¹ n2 2 Elektronen aufneh-
unterschiedlicher Werkstoffe sind kom- men, die K-Schale also 2 ¹ 12, die L-Schale
plexe metallurgische Prozesse. Es entste- 2 ¹ 22 8 Elektronen. Die Anzahl der Elektro-
hen häufig und oft in unvorhergesehenem nen auf der äußersten Schale kann nur zwi-
Umfang Gefüge mit extremer Härte und schen 1 und 8 liegen.
Sprödigkeit. Die Sicherheit des Bauteils
bzw. seine Gebrauchseigenschaften sind Die Eigenschaften eines Festkörpers sind
dann nicht gewährleistet. durch seine Bindungsart vorgegeben. Die
Abschn. 1.2: Aufbau metallischer Werkstoffe 3

elektrische Anziehung zwischen negativ ge- nen an, die der positiven Kernladung Z (Pro-
ladenen Elektronen und den positiv gelade- tonenzahl) entspricht. Innerhalb einer Grup-
nen Atomkernen ist die einzige Ursache für pe sind wegen der gleichen Zahl der Außen-
den Zusammenhalt des Festkörpers. Sie be- elektronen jeweils chemisch ähnliche Elemen-
stimmt daher in der Hauptsache sein Verhal- te angeordnet. In den sieben Perioden (waa-
ten bei mechanischer Beanspruchung. Die gerechte Reihen) werden die Schalen aufge-
wichtigsten Eigenschaften eines Festkörpers, füllt. Die Außenelektronen befinden sich hier
wie das chemische Reaktionsverhalten, die aber immer auf der gleichen Schale. Die Zif-
Festigkeits- und Zähigkeitseigenschaften wer- fer der jeweiligen Periode entspricht damit
den von diesen Außenelektronen bestimmt. der Anzahl der Elektronenschalen des betref-
fenden Elements.
Die periodische Wiederkehr vieler Eigen-
schaften ermöglicht die Einordnung der Ele- Die Außenelektronen der Metalle sind rela-
mente in das Periodensystem. Die Elemente tiv locker an das Atom gebunden, da bei ih-
lassen sich in acht große Gruppen (senkrech- nen die Anziehungskraft des Atomkerns am
te Spalten) einteilen. Die Gruppennummer kleinsten ist. Der leichte Verlust dieser Elekt-
(I bis VIII) gibt die Zahl der Außenelektro- ronen ist die Ursache für die geringe Korro-
sionsbeständigkeit der Gebrauchsmetalle.
Das chemische Verhalten der Elemente wird
durch Zahl und Anordnung der Außenelektro-
nen bestimmt. Die Systematik des Perioden-
systems gibt diese Besonderheit sehr deut-
lich und anschaulich wieder.

Der metallische Charakter nimmt innerhalb


der Perioden von rechts nach links, inner-
halb der Gruppen von oben nach unten zu.
Die typischen Metalle findet man daher im
Periodensystem links unten, die typischen
Nichtmetalle rechts oben. Diese Tatsachen
beruhen darauf, dass innerhalb einer Periode
der Atomradius wegen der wachsenden An-
ziehung des positiven Kerns auf die Elektro-
nenhülle mit zunehmender Kernladung ab-
nimmt. Innerhalb einer Gruppe nimmt dage-
gen der Atomradius von oben nach unten
zu, da jeweils eine Elektronenschale hinzu-
kommt. Der metallische Charakter ist also
bei Elementen mit großem Atomdurchmes-
ser und geringer Ladung des Atomrumpfes
besonders ausgeprägt. Bild 1-2 zeigt diese
Zusammenhänge sehr anschaulich.

Das (unter »normalen« Bedingungen vorhan-


Bild 1-2 dene) Unvermögen der Edelgase, chemische
Atomaufbau (Anordnung der Elektronenschalen, Atom- Verbindungen einzugehen, beruht auf der be-
durchmesser) ausgewählter Elemente im Periodensys- sonders großen Stabilität der mit acht Außen-
tem (3. Periode). Der metallische Charakter nimmt elektronen besetzten Schalen. Danach lassen
von rechts nach links und von oben nach unten zu,
sich chemische Reaktionen anschaulich durch
der nichtmetallische von links nach rechts und von
unten nach oben. Beachte, dass die Atomdurchmesser ihr Bestreben verstehen, Verbindungen mit
der Metallionen kleiner, die der Nichtmetallionen äußeren Elektronenschalen zu bilden, die die
aber größer sind als die der Elemente! stabile »Edelgaskonfiguration« besitzen.
4 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Bild 1-2 zeigt schematisch, dass die im Perio- – beide links,


densystem linksstehenden Elemente Elektro- – beide rechts,
nen abgeben, rechtsstehende Elemente Elekt- – eins links, eins rechts im Periodensystem
ronen aufnehmen, um den stabilen Edelgas- stehen.
zustand zu erreichen. Der hierfür notwendige
Elektronenausgleich kann daher grundsätz- Die Festigkeit eines Werkstoffes, d. h., auch
lich auf drei verschiedene Arten erreicht wer- die chemische Affinität beruht auf den anzie-
den, je nachdem ob die Bindung zwischen zwei henden (und abstoßenden) Kräften zwischen
Elementen erfolgen soll, die den Atomen. Bild 1-3 zeigt schematisch den
Verlauf der Kräfte (bzw. der potenziellen Ener-
gie) zwischen zwei Atomen, in Abhängigkeit
von ihrem Abstand. Danach ergeben sich die
resultierenden Kräfte (potenzielle Energien)
aus dem Gleichgewicht der anziehenden und
der abstoßenden Kräfte (potenzielle Ener-
gien). Die anziehenden Kräfte, die den Atom-
verband erzeugen, wirken im Wesentlichen
zwischen dem Atomkern und der Elektronen-
hülle des anderen Atoms. Bei genügender
Annäherung zieht also der Kern nicht nur
seine Elektronenschale an, sondern auch die
des benachbarten Atoms. In bestimmten Fäl-
len können locker gebundene Elektronen ei-
nes Atoms dann vollständig vom anderen ge-
bunden werden.

Bild 1-3
Verlauf der Kräfte (a) bzw. potenziellen Energien (b)
in einem aus zwei Atomen bestehenden System in Bild 1-4
Abhängigkeit von ihrem Abstand. Metallische Bindung, schematisch.
a) 1 = Anziehende Kräfte zwischen zwei Atomen.
2 = Abstoßende Kräfte der sich zunehmend nä-
hernden positiv geladenen Atomkerne. 1.2.1.1 Metallische Bindung
3 = Resultierende Kräfte F, Fk = Kohäsionskraft. Metalle besitzen nur eine geringe Anzahl
b) 1 = Verlauf der potenziellen Energie der zwei sich schwach gebundener Außenelektronen, die
zunehmend nähernden Atome (alleinige Wirkung im Metallverband praktisch frei beweglich
der anziehenden Kräfte). sind ( Valenzelektronen). Die Metallbindung
2 = Energieverlauf als Folge der abstoßenden Wir-
entsteht durch die Coulombsche Anziehungs-
kung der Atomkerne.
3 = Resultierender Verlauf der potenziellen Ener- kraft zwischen den negativen Elektronen
gie, W0 = Energie, die zum vollständigen Tren- und den positiven Metallionen, wie in Bild
nen der beiden Atome erforderlich ist. 1-4 gezeigt wird.
Abschn. 1.2: Aufbau metallischer Werkstoffe 5

Die anziehenden Kräfte sind nicht gerichtet, unterschiedlich geladenen Teilchen (Ionen)
d. h. nicht nur auf zwei Atome beschränkt, bewirkt ihren Zusammenhalt. Daher wird
sie erfassen vielmehr den gesamten Atom- diese Bindungsform auch heteropolar ge-
verband. Als Folge dieser allseitig wirken- nannt.
den Kräfte ordnen sich die Atomrümpfe in
einem dicht gepackten nach geometrischen Die von den Ionen ausgehenden Kräfte wir-
Gesetzmäßigkeiten aufgebauten Gitterver- ken allseitig. Die Ionen sind daher wie bei
band an. Da die einzelnen Atomrümpfe völ- der Metallbindung regelmäßig in einem Io-
lig gleichwertig sind, erzeugt ihre gegenseiti- nengitter angeordnet, Bild 1-5b. Heteropolar
ge Verschiebung keine wesentlichen Änderun- gebundene Stoffe können nicht plastisch ver-
gen des Gitterzusammenhangs. Metalle kön- formt werden, da sich bei Verschiebungen um
nen daher plastisch verformt werden, ohne nur einen Atomabstand gleichnamig gelade-
dass die metallische Bindung zerstört wird. ne Teilchen gegenüber stünden. Die entste-
Eine weitere Konsequenz dieser Bindungs- henden großen abstoßenden Kräfte würden
art ist die Möglichkeit, zwei oder mehr Atom- den Kristall ohne jede plastische Verformung
sorten in einem Metallgitter zu »verbinden«. trennbruchartig zerstören.
Es muss also nicht ein bestimmtes charakte-
ristisches Atomverhältnis vorliegen wie bei 1.2.1.3 Atombindung
einer »echten« chemischen Verbindung. Diese (kovalente Bindung)
Tatsache ist die Grundlage der »Legierungsbil- Bei dieser Form der Bindung, die vor allem
dung« (Abschn. 1.6). bei Nichtmetallen und Gasen auftritt, kann
der Edelgaszustand der Außenschale weder
1.2.1.2 Ionenbindung durch Elektronenaufnahme noch -abgabe er-
(heteropolare Bindung) reicht werden. Den im Periodensystem rechts
Diese Art der Bindung ist typisch für die Re- stehenden Nichtmetallen fehlen nur wenige
aktion eines Metalles mit einem Nichtmetall. Elektronen, um die stabile Edelgasschale bil-
Der stabile Edelgaszustand der Außenscha- den zu können. Die Bindung ist möglich, in-
len wird erreicht, indem die wenigen schwach dem sich zwei Atome ein Elektron oder meh-
gebundenen Valenzelektronen des Metalls rere Elektronen gemeinsam teilen, je nach-
von dem sehr stark elektronegativen Nichtme- dem wieviel Elektronen zum Auffüllen der
tall angezogen werden, Bild 1-5. Das Metall Achterschale fehlen.
wird also durch Elektronenabgabe negativ
geladen. Die elektrostatische Anziehung der Bei der Atombindung gleicher Atome fällt
der Schwerpunkt der negativen und positi-
ven Ladung zusammen. Bei unterschiedli-
chen Atomen wird die Atomsorte mit der grö-
ßeren positiven Ladung die gemeinsamen
Elektronen stärker anziehen als die andere
und gleichzeitig dessen positiven Kern stär-
ker abstoßen. Das Molekül wird polar, (»Di-
pol«) d. h., die Atombindung hat dann hete-
ropolare Anteile.

Eine genauere Untersuchung zeigt, dass bei


Bild 1-5 den meisten Stoffen derartige Übergangs-
Entstehung der Ionenbindung. Die in Klammern ste- bindungen vorliegen. Die Bindungen entste-
henden Werte geben die Anzahl der Elektronen auf hen also in den meisten Fällen durch die ge-
der K-, L- und M-Schale von Na bzw. Cl an. meinsame Wirkung der Atom-, Ionen- und
a) Durch Elektronenabgabe (Na Æ Na+ + e-) und Elekt-
Metallbindung. Die durch diese Bindungsfor-
ronenaufnahme (Cl Æ Cl+ + e-) entsteht die Verbin-
dung durch die Wirkung der Coulombschen Anzie- men entstehenden Stoffe werden auch inter-
hungskräfte. mediäre Verbindungen genannt. Damit wird
b) Anordnung der Ionen im NaCl-Gitter. ausgedrückt, dass die vorliegende Bindungs-
6 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

form zwischen (engl. intermediate) der Atom- Bild 1-6 zeigt die für Metalle wichtigsten Git-
und der Ionenbindung liegt. tertypen. Das kubisch-flächenzentrierte Git-
ter (kfz) und das Gitter mit der hexagonal
Man beachte, dass die plastische Verformbar- dichtesten Packung (hdP) unterscheiden sich
keit eines Werkstoffes mit zunehmendem bei allerdings unterschiedlicher Packungs-
metallischem Bindungsanteil größer, und dichte nur durch die Reihenfolge der sie auf-
mit zunehmendem Anteil der Ionen- bzw. bauenden »Schichten« (Netz- oder Atomebe-
Atombindung kleiner wird. nen). Dieser scheinbar geringfügige Unter-
schied ist die Ursache für die große Anzahl
dichtest gepackter Netzebenen im kfz Gitter
1.2.2 Gitteraufbau der Metalle und das Vorhandensein nur einer einzigen
(Basisebene) im hdP Gitter. Die hervorragen-
Die zwischen den Metallionen und der sie de Verformbarkeit und die grundsätzlich gu-
umgebenden Elektronenwolke herrschen- te Schweißeignung der kfz Werkstoffe, z. B.
den allseitig wirkenden Coulombschen An- Aluminium, Kupfer, Nickel, lassen sich we-
ziehungskräfte erzwingen eine regelmäßige nigstens z. T. damit erklären.
räumliche Anordnung der Atome. Diese Grup-
pierung nennt man Raum- oder Kristallgit- Der Gitteraufbau einiger Metalle weicht er-
ter. Das kleinste Element, das die Art des Git- heblich von der für Metalle typischen kubi-
teraufbaus eindeutig kennzeichnet, ist die schen Packungsanordnung ab. Antimon, Bis-
Elementarzelle. mut und Gallium z. B. kristallisieren in der

Bild 1-6
Die wichtigsten Arten von Elementarzellen bei Metallen und ausgewählte Gitterebenen. akrz , akfz = Gitterkons-
tanten des krz bzw. kfz Gitters, R = Atomradius, VAtom = Atomvolumen: VAtom = 4p ◊ R3/3 .
a) Kubisch-raumzentriert: krz, Packungsdichte Pkrz = 2 ◊ VAtom/a3krz = 0,68, s. a. Aufgabe 1-2 und 1-3, S. 110;
b) kubisch-flächenzentriert: kfz, Packungsdichte Pkfz = 4 ◊ VAtom/a3kfz = 0,74;
c) hexagonal dichteste Packung: hdP.
Beachte die sehr unterschiedliche Massenbelegung (»Packungsdichte«) der herausgehobenen Gitterebenen! Nur
die vier zueinander nicht parallelen »Oktaederebenen« des kfz Gitters und eine Basisebene des hdP Gitters
sind dichtest gepackt. G1 , G2 , G3 sind bevorzugte Gleitrichtungen in dichtest gepackten Gitterebenen.
Abschn. 1.2: Aufbau metallischer Werkstoffe 7

sog. offenen Struktur. Mit dieser Bezeich- 0-dimensionale (Punktfehler):


nung wird angedeutet, dass die theoretische z. B. Leerstellen, Fremdatome, Einlage-
dichteste Packung nicht annähernd erreicht rungs-, Substitutionsatome,
wird. Bei diesen Metallen ist daher z. B. auch
das spezifische Volumen im flüssigen Zu- 1-dimensionale (Linienfehler):
stand kleiner als im festen. z. B. Versetzungen,

Der fehlerfreie aus Elementarzellen aufge- 2-dimensionale (Flächenfehler):


baute Kristall wird Idealkristall genannt. z. B. Korngrenzen, Zwillingsgrenzen,
Diese Anordnung ist bei technischen Werk-
stoffen nicht vorhanden. Diese sind vielmehr 3-dimensionale (räumliche Fehler):
in bestimmter Art »fehlgeordnet«, d. h., sie z. B. Poren, »Löcher«, Ausscheidungen.
enthalten verschiedene Gitterbaufehler mit
einem unterschiedlichen Energiegehalt, die Die Anzahl der Leerstellen (nicht besetzte Git-
die Eigenschaften der Werkstoffe entschei- terplätze) nimmt mit der Temperatur stark
dend ändern. Mit Hilfe der Vorstellung des zu. Ihre Dichte beträgt bei Raumtemperatur
idealen, fehlerfreien Gitters lassen sich die etwa 10 12, d. h., von einer Billion Gitterplät-
strukturunempfindlichen Eigenschaften (z. zen (das ist etwa eine 1 mm2 große Gitter-
B. E-Modul, Schmelzpunkt, Dichte, Anisotro- ebene!) ist ein Platz nicht besetzt. Im Bereich
pie) erklären, die strukturempfindlichen (z. der Schmelztemperatur steigt sie aber auf
B. Festigkeits- und Zähigkeitseigenschaften) 103 bis 104. Leerstellen können sich im Kris-
nur, wenn der Einfluss bestimmter Unregel- tall im thermodynamischen Gleichgewicht
mäßigkeiten im Aufbau des Gitters berück- befinden. Durch rasches Abkühlen bleibt die
sichtigt wird. große Leerstellenkonzentration aber weitge-
hend erhalten, wodurch Gleitbewegungen
1.2.2.1 Gitterbaufehler (Realkristalle) Z K
Jede Abweichung vom Idealkristall wird Git-
terbaufehler genannt. Die Gesamtheit aller
L
möglichen Defekte im Gitter ist das Fehlord- S

nungssystem. Die Defekte verspannen das


Gitter in ihrer näheren Umgebung in einer B
für sie charakteristischen Weise, wodurch
der Energiegehalt der Kristallite zunimmt. S
Gitterstörungen können im Gefüge durch ver- B

schiedene Prozesse erzeugt werden. Die wich- L


tigsten sind: Z K P
– Kristallisationsvorgänge, G
– elastische und vor allem plastische Ver-
formung,
– Kernstrahlung (z. B. Neutronenbeschuss),
G
– Aufheiz- und Abkühlbedingungen, die
während der Herstellung oder Weiterver-
arbeitung (z. B. Schweißen) der Werkstof-
fe zu ausgeprägten Gleichgewichtsstörun- Bild 1-7
gen führen, Die wichtigsten mikrostrukturellen Gitterbaufehler,
– Reaktionen im Festkörper, z. B. die Was- dargestellt in einem Gefüge geordneter Substitutions-
serstoffrekombination: mischkristalle, schematisch nach Hornbogen und
Petzow.
H  H  H 2. Es bedeuten: L = Leerstelle, B = Zwischengitteratom,
S = Fremdatome, A = Versetzung, Z–Z = Zwillingsgren-
Nach der räumlichen Ausdehnung und der ze, K–K = Kleinwinkelkorngrenze, G–G = Großwinkel-
Anordnung der Atome im Bereich der Git- korngrenze, P = kohärente Phasengrenze, entstanden
terfehler unterscheidet man, Bild 1-7: durch Scherung.
8 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

merklich erschwert werden. Defektreiche Ge- zwischen verunreinigenden und damit die
füge sind daher härter und weniger verform- Werkstoffeigenschaften nachteilig beeinflus-
bar als die defektärmeren, gleichgewichtsna- senden Elementen und absichtlich zugesetz-
hen Gefüge, s. a. Beispiel 5-1, S. 513. ten ( güteverbesserndes Legierungselement)
unterschieden werden.
Die Zahl der Leerstellen n steigt exponen-
tiell mit der Temperatur T gemäß einer ein- Versetzungen sind linienförmige Gitterfehler
fachen Arrhenius-Funktion: unterschiedlicher Bauart (Stufen- und Schrau-
benversetzungen) im Kristall. Sie sind für
Ê Q ˆ
n = N ◊ exp Á - L ˜ . [1-1] das Verständnis der Festigkeits- und Zähig-
Ë RT¯
keitseigenschaften von großer Bedeutung.
In Gl. [1-1] bedeuten N die Anzahl der Gitter- Der Rand einer in den Kristall eingeschobe-
plätze in m3, QL die (Aktivierungs-)Energie nen Halbebene, E-F in Bild 1-8a, wird als Ver-
zum Erzeugen einer Leerstelle und R die Gas- setzung, genauer als Stufenversetzung be-
konstante ( 8,31 J / mol ¹ K). zeichnet. Die zweite Form ist die Schrauben-
versetzung. Der Kristall besteht im Bereich
Leerstellen beeinflussen entscheidend den
Ablauf und das Ergebnis der diffusionsgesteu-
erten Platzwechselvorgänge z. B. bei
– Wärmebehandlungen (Rekristallisation,
Glühbehandlungen) oder
– Hochtemperaturbeanspruchungen (Krie-
chen).

Interstitielle Defekte entstehen, wenn ande-


re Atome in bestimmte Positionen im Gitter
(Tetraeder- oder Oktaederlücken, s. Abschn.
1.6.1.1) eingefügt werden. Die Folge sind z.
T. extreme Gitterverzerrungen, die meistens
zu einer erheblichen Härtezunahme und na-
hezu immer zu einer außerordentlich großen
Zähigkeitsabnahme führen. Kohlenstoff und
Wasserstoff sind wegen ihres kleinen Atom-
durchmessers typische Elemente, die diese
Defektart erzeugen. Man beachte, dass der
Begriff »Defekt« lediglich auf einen geome-
trisch nicht exakten Gitteraufbau hinweist. Bild 1-8
Keinesfalls ist mit dieser Bezeichnung ein Schematische Darstellung von Versetzungen.
»mangelhaftes« Gefüge bzw. »unbrauchba- a) Reine Stufenversetzung (E–F), Symbol A. Das
rer« Werkstoff oder Gefügezustand gemeint. ist die Spur E –F der eingeschobenen Halbebene
Allerdings können verunreinigende Elemen- E–F–G–H: bA V. Der Gleitschritt beträgt b.
te verschiedene Werkstoffeigenschaften sehr Es wird die Anordnung der Atome im Bereich der
eingeschobenen Halbebene E–F–G–H gezeigt. In
verschlechtern, absichtlich als Legierungsele-
der Gleitebene A–B–C –D wurde der über ihr lie-
ment zugesetzte diese aber erheblich verbes- gende Werkstoffbereich um den Betrag des Bur-
sern, s. genauer Abschn. 1.6. gers-Vektors b plastisch verformt.
b) Reine Schraubenversetzung (A–B), Symbol __.
Substitutionelle Defekte entstehen, wenn Git- Die Verformung erfolgt auf der zufälligen Gleit-
teratome ( Matrixatome) durch andere Ato- ebene A–B–C–D: b __ V. Der Gleitschritt beträgt b.
c) Gemischte Versetzung (A–B–C), bei A ist es eine
me ausgetauscht werden. Die Gitterverspan-
reine Schraubenversetzung (b __ V), bei C eine rei-
nungen sind im Allgemeinen wesentlich ge- ne Stufenversetzung (b AV). Man beachte, dass die
ringer als die, die durch interstitielle Defek- Verformung immer parallel zur Richtung des Bur-
te hervorgerufen werden. Auch hier muss gers-Vektors verläuft.
Abschn. 1.2: Aufbau metallischer Werkstoffe 9

der Versetzungslinie nicht aus parallel aufge- rakteristische Wechselwirkungen zwischen


bauten Netzebenen, sondern aus einer Ebe- den von ihnen erzeugten Spannungsfeldern,
ne, die sich spiralförmig um die Versetzungs- die von großer Bedeutung für die Werkstoff-
linie windet, Bild 1-8b. eigenschaften sind.

Ein Maß für die Größe und Richtung der Eine Versetzung entsteht, wenn eine Halbebe-
durch die Versetzung erzeugten Gitterver- ne in das Gitter eingeschoben wird. Oberhalb
zerrung ist der Burgers-Vektor b. Bild 1-9 der Gleitebene G – G erzeugt die Versetzung
enthält Einzelheiten für seine Ermittlung. daher Druck- unterhalb Zugspannungen, Bild
Danach steht bei der Stufenversetzung der 1-10. Das Bild zeigt die Richtungen der Kräf-
Burgers-Vektor b senkrecht auf der Verset- te in den einzelnen Quadranten, die eine Stu-
zungslinie V (bAV), bei der Schraubenverset- fenversetzung auf gleichartige Versetzungen
zung liegt b parallel zu ihr (b __ V). Versetzun- als Folge der Wechselwirkung ihrer Spannungs-
gen können nur an der Oberfläche bzw. an felder ausüben. Danach können sich bei Ver-
geeigneten Störstellen im Inneren des Kris- setzungen, die in den Sektoren B angeordnet
talls enden (z. B. Ausscheidungen, Poren, sind, die Druck- und Zugspannungen annä-
verankerte Versetzungen). Es können auch hernd ausgleichen. Wenn genügend Energie
geschlossene Ringe bzw. netzförmige Anord- zugeführt wird, dann nähern sich die Verset-
nungen entstehen. zungen. Sie ordnen sich dabei etwa »senk-
recht« übereinander an, weil durch diese Verset-
zungsumlagerung der Energieinhalt des Ge-
füges abnimmt. Diese metallphysikalischen
Vorgänge spielen auch bei der Vorstufe der
Rekristallisation, Abschn. 1.5.2 – der Polygoni-
sation – eine wichtige Rolle.

Versetzungslinien sind meistens beliebig ge-


krümmt, d. h., sie enthalten alle Übergänge
zwischen reinen Stufen- und reinen Schrau-
Bild 1-9 benversetzungen, Bild 1-8c. Ihre wichtigste
Zur Bestimmung des Burgers-Vektors. Eigenschaft ist die sehr leichte Beweglich-
a) Der Gefügebereich, der die Stufenversetzung ent- keit in der durch den Burgers-Vektor und
hält (A), wird mit gleichen Beträgen auf gegenüber- der Gleitebene aufgespannten Fläche, Ab-
liegenden Seiten umlaufen. Das für einen vollstän-
schn. 1.3.2. Die Bewegung einer Schrauben-
digen Umlauf fehlende Wegstück ist der Burgers-
Vektor b. Er steht senkrecht auf der Versetzungs- versetzung ist nicht an eine bestimmte Ebe-
linie V = E–F: bAV, Bild 1-8a.
b) Bei der Schraubenversetzung ergibt ein ähnlicher
Umlauf, dass b parallel zu der Versetzungslinie V
(V = A–B, s. a. Bild 1-8b) liegt: b __V. Man beachte,
dass bei der Stufenversetzung die Gleitebene die
durch b und V aufgespannte Ebene ist. Bei der
Schraubenversetzung ist wegen b __V eine bestimm-
te Gleitebene nicht definierbar, d. h., die Anzahl
der Gleitrichtungen ist beliebig groß.

Die Versetzungsdichte wird als Länge der


Versetzungslinien je Volumeneinheit ange-
geben. In einem gleichgewichtsnahen Gefü-
Bild 1-10
ge beträgt sie etwa 105...6 cm/cm3, nach einer Kraftwirkungen zwischen gleichartigen Versetzungen
Kaltverformung steigt sie auf 1010...12 cm/cm3 als Folge ihrer wechselwirkenden Spannungsfelder.
(Abschn. 1.3 und 1.5.2). Durch die große An- Felder A: Die Versetzungen stoßen sich ab.
zahl der Versetzungen wird die Gitterener- Felder B: Die Versetzungen ziehen sich an und kön-
gie deutlich erhöht. Außerdem entstehen cha- nen sich übereinander anordnen.
10 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

ne gebunden, da in diesem Fall ( b __ V ) keine Da durch die Zwillingsbildung eine Orien-


definierte Ebene beschrieben wird. Die Be- tierungsänderung der Kristallbereiche ent-
wegung kann daher in jeder beliebigen Ebe- steht, können neue zur angreifenden Kraft
ne erfolgen. günstiger verlaufende Gleitebenen aktiviert
werden, die ein weiteres Abgleiten ermögli-
Der wichtigste zweidimensionale Gitterbau- chen bzw. erleichtern. Das bekannte »Zinn-
fehler ist die Korngrenze. Je nach dem Grad geschrei« beruht z. B. auf einer spontanen Bil-
der Kohärenz zwischen den sie trennenden dung von (Verformungs-)Zwillingen.
Kristallbereichen unterscheidet man die fol-
genden Varianten:
– Zwillingsgrenzen,
– Kleinwinkelkorngrenzen,
– Großwinkelkorngrenzen.

Die Zwillingsgrenze (Z – Z in Bild 1-11) ist


frei von Gitterverzerrungen. Die beiden Kris-
tallbereiche liegen spiegelsymmetrisch zu
ihr. Die Zwillingsgrenze ist kohärent, weil
die Gitter dieser Bereiche gleichartig sind.
Bild 1-11 zeigt, dass die für die Zwillingsbil-
dung erforderlichen Verschiebungen der Ato-
me nur sehr klein sind. Diese Bewegung kann
also im Gegensatz zum Abgleitprozess sehr
rasch erfolgen.

Bild 1-12
Glühzwillinge in Kupfer, V = 200 :1.

Die meisten Metalle bestehen aus Kristalli-


ten, die voneinander durch Korngrenzen ge-
trennt sind (Abschn. 1.4.2). Das sind Berei-
che mit einer relativ großen Fehlanpassung
der Atome, Bild 1-7. Als Folge der hohen Fehl-
stellendichte (insbesondere Leerstellen und
Versetzungen) ist hier die Konzentration ge-
Bild 1-11 löster Atome, z. B. Verunreinigungen aller
Schematische Darstellung der Zwillingsbildung. Man Art, besonders groß. Die Phasengrenzflächen
beachte die nur geringe erforderliche Verschiebung der »Korngrenzen« befinden sich in einem nicht
Atome in den drei gezeichneten Netzebenen. Ein Um- stabilen Zustand, weil die der Oberfläche an-
klappen von a) nach b) ist also keinesfalls notwendig.
gehörenden Atome nicht wie die im Kristall-
tz = Die zum Erzeugen von Zwillingen erforderliche
Schubspannung. inneren allseitig von Nachbaratomen umge-
= Position der Atome vor, ben sind. An der Oberfläche fehlen die nach
= Position der Atome nach der Zwillingsbildung. außen gerichteten Kräfte. Die Folge ist eine
in Richtung des Kristallinneren weisende re-
Zwillinge können durch mechanische (meist sultierende Kraft Fres, die die Oberfläche »zu-
schlagartige) Verformung ( Verformungszwil- sammenhält«. Kenngröße dieser Eigenschaft
linge) entstehen oder nach dem Glühen eines ist die Oberflächenenergie g (genauer freie
kaltverformten Werkstoffes. Die Glühzwil- Enthalpie) bei festen Grenzflächen, bei flüssi-
linge, Bild 1-12, sind breiter und i. Allg. ge- gen Grenzflächen wird sie auch Oberflächen-
rade verlaufend, im Gegensatz zu den meis- spannung genannt. Ihr Wert wird meistens in
tens gekrümmten Verformungszwillingen. J/cm2 angegeben.
Abschn. 1.2: Aufbau metallischer Werkstoffe 11

Die Oberflächenenergie der Großwinkelkorn- Gleichgewichtsbedingungen für drei inein-


grenze in Eisen beträgt z. B. g Fe O 800 J/cm2, ander laufende Korngrenzen bzw. Phasen er-
sie ist damit größer als die jedes anderen Git- geben für das metastabile Gleichgewicht die
terbaufehlers. Eine Gitterkohärenz ist also nicht Beziehungen a1 a2 a3 120 ’, Bild 1-13a.
vorhanden. Diffusions-, Ausscheidungs-, Um- Der Begriff »metastabil« wird genauer in Auf-
wandlungs-, Korrosionsvorgänge d. h., Pha- gabe 1-10, S. 115, erläutert.
senänderungen jeder Art beginnen bevor-
zugt an den Korngrenzen, weil hier die Ak- In heterogenen Gefügen besitzen die Phasen
tivierungsenergie für die Keimbildung der u. U. sehr unterschiedliche Oberflächenener-
neuen Phase am geringsten ist. Mit ungüns- gien. Gemäß Bild 1-13b beträgt die Energie
tiger werdenden Diffusionsbedingungen – z. der Korngrenzen z. B. g AA, die der Phasengren-
B. große Abkühlgeschwindigkeit, bestimm- ze g AB. Die Gleichgewichtsbedingungen an
te Legierungselemente, zunehmende Korn- einem Knotenpunkt ergeben:
größe des umwandelnden Gefüges – erfolgt
g AA 2 ¹ g AB ¹ cos (b /2). [1-2]
die Phasenänderung bzw. -umwandlung zu-
nehmend auch im Korninneren bzw. an an- Die Größe des Winkels b bestimmt weitge-
deren energieärmeren Gitterbaufehlern. hend die Form der Phase. Zwei Sonderfälle
sind wichtig:
Die Oberflächenenergien der Phasengren-
zen bestimmen die Form einer im Korngren- β → 0 °, damit wird Gl. [1-1]: 2¹gAB A gAA.
zenbereich einer Phase oder innerhalb der Die Phase »B« breitet sich filmartig an
Phase ausgeschiedenen weiteren Phase. Die den Korngrenzen der Matrix aus. Dieses

Bild 1-13
Einfluss der Oberflächenenergie (Oberflächenspannung) an Phasengrenzen auf die Form und Anordnung von
Phasen, die sich im metastabilen Gleichgewicht befinden. Siehe auch Aufgabe 1-10, S. 115.
a) Die Winkel a zwischen den Korngrenzen dreier sich in einem Punkt treffender Körner bzw. beliebiger Pha-
sen (A, B, C) betragen im Gleichgewicht a1 = a2 = a3 = 120 ∞; es gilt: gBC/sin a 1 = gAC/sin a 2 = gAB/sin a 3 .
b) Die unterschiedlichen Oberflächenenergien der Korngrenze (gAA ), und der Phasengrenzfläche (gAB ) bestim-
men die Form der an der Korngrenze ausgeschiedenen Phase B. Es gilt: gAA = 2◊ gAB cos (b/2).
c) Die sich in der Matrix (A) gebildete Phase (B) bzw. inkohärente Ausscheidung hat die Form einer Kugel.
d) Der Winkel b , d. h., die Oberflächenenergie der ausgeschiedenen Phase bestimmt weitgehend deren Form.
b Æ 0 ∞: Phase breitet sich filmartig an den Korngrenzen aus: sie »filmt« die Körner ein.
b Æ 180 ∞: Phase liegt kugelförmig an den Korngrenzen.
e) Anwendung auf technische Benetzungsvorgänge der ausgeschiedenen Phase, z. B. Löten (s. a. Aufgabe 3-4):
b Æ 0 ∞: hervorragende Benetzbarkeit (Lot verläuft als einmolekulare Schmelzenschicht!),
b Æ 180 ∞: Benetzen nicht möglich, oder Werkstückoberfläche entnetzt, Löten ist unmöglich.
12 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

häufig bei niedrigschmelzenden Phasen 1.2.3 Gefüge, Korn, Kristallit,


anzutreffende Verhalten ist eine wichtige Korngröße
Ursache für den Heißriss, Abschn. 1.6.3.1.
Die meisten Werkstoffe bestehen aus Körnern
β→ 180°, damit wird Gl. [1-1]: 2¹gAB S gAA. (Kristalliten), die voneinander durch Korn-
Die Phase »B« wird kugelförmig einge- grenzen getrennt und in bestimmter Weise
formt, ein Ausbreiten ist nicht möglich. fehlgeordnet sind. Sie enthalten Leerstellen,
Versetzungen, Korn- bzw. Phasengrenzen
Es ist bemerkenswert, dass die Festigkeits- und andere Gitterbaufehler. Deren Menge
und Zähigkeitseigenschaften der vielkristal- und Verteilung ist weitgehend von der Vorge-
linen technischen Werkstoffe trotz der Anwe- schichte des Werkstoffes abhängig: Kalt-,
senheit der energiereichen weitgehend fehl- Warmverformung, Schweißen, Gießen usw.
geordneten Korngrenzen in den meisten Fäl- Diese meistens nur mit dem Licht- oder Elekt-
len außerordentlich verbessert werden (Ab- ronenmikroskop sichtbare Anordnung der
schn. 1.3.4). Kristallite wird Gefüge genannt.

Wird die Orientierungsdifferenz der Netz-


ebenen benachbarter Kristallbereiche nicht
größer als etwa 15 ’, dann entstehen Klein-
winkelkorngrenzen, die durch Reihen von
Stufenversetzungen gebildet werden, Bild 1-
14. Zwischen ihnen liegen kohärente Berei-
che (Teilkohärenz). Der relativ geringe Ener-
giegehalt dieses Gitterbaufehlers ist die Ursa-
che für seine geringe Anätzbarkeit, d. h., in
einem Mikroschliff sind sie nur in besonde-
ren Fällen erkennbar. Sie werden auch als
Subkorngrenzen bezeichnet, weil sie jedes
Korn in Subkörner oder Mosaikblöckchen
unterteilen.

Bild 1-15 zeigt eine elektronenoptische Auf-


nahme eines perlitarmen Baustahls, in der
Subkorngrenzen (S), Stufenversetzungen (V)
und Mosaikblöckchen (M) deutlich erkenn- Bild 1-14
bar sind. Mit zunehmender Dichte der Sub- Kleinwinkelkorngrenze, schematisch.
korngrenzen und der Großwinkelkorngren-
zen im Gefüge werden die mechanischen Gü- Der vielkristalline, technische Werkstoff zeigt
tewerte – vor allem die Festigkeit (genauer wegen der im Allgemeinen völlig regellosen
die Fließgrenze) und die Zähigkeit des metal- Kornverteilung (im Gegensatz zum Einkris-
lischen Werkstoffs – erheblich erhöht 1), s. tall) kein anisotropes Verhalten, er verhält
Abschn. 2.6.3.1, S. 159. sich quasiisotrop.

1)
Die Korngröße (d) liegt für viele Werkstoffe
Das kann z. B. durch Kaltverformen und anschlie- zwischen einigen Pm und etwa 1 mm. Quanti-
ßendes Erwärmen auf Temperaturen unterhalb
der Rekristallisationstemperatur erreicht wer- tativ wird sie bzw. die Kornfläche in der Pra-
den. Dabei entsteht abhängig vom Grad der Kalt- xis genügend genau mit Hilfe von Vergleichs-
verformung ein Gefüge mit hoher Subkorngren- bildern ermittelt, die z. B. durch optischen
zendichte. Eine weitere, wirtschaftlich und tech- Vergleich unter dem Mikroskop bei einer Ver-
nisch sehr wichtige Methode ist die Verringerung
der Sekundärkorngröße durch spezielle Maßnah-
größerung von i. Allg. V 100:1 dem Werk-
men bei der Stahlherstellung: Feinkornstähle, s. stoff zugeordnet werden (DIN EN ISO 643).
Abschn. 2.7.6, S. 184. Der Zusammenhang zwischen der mittleren
Abschn. 1.2: Aufbau metallischer Werkstoffe 13

Anzahl der auf einer Fläche von 10000 mm2


der Schliffebene bei V 100:1 gezählten Kör-
ner m und der Korngrößen-Kennzahl G lau- V
tet nach DIN EN ISO 643, Tabelle 1-1 (s. a.
Aufgabe 1-1, S. 110):
m 8 ¹ 2 G 2 3 ¹ 2 G 2 G  3, d = 1/ m . [1-3]
S
Die Korngröße lässt sich mit Hilfe verschieden-
artiger Maßnahmen beeinflussen:
– Lenkung der Erstarrung: langsames bzw.
schnelles Abkühlen, der Keimgehalt der M
Schmelze wird geändert. V
– Umformvorgänge: z. B. Kalt-, Warmverfor-
men.
Bild 1-15
– Wärmebehandlungen: z. B. Normalglü-
Subkorngrenzen (S), Stufenversetzungen (V) und Mo-
hen, rekristallisierendes Glühen oder die saikblöckchen (M) in einem perlitarmen Baustahl,
extremen Aufheiz- und Abkühlvorgänge entstanden durch Erholungsvorgänge beim Anlassglü-
in der WEZ von Schweißverbindungen, hen. V = 40 000 :1 (TEM-Aufnahme), BAM.
verbunden mit Temperaturen, die dicht
unter der Schmelztemperatur des Werk- dem thermodynamischen Gleichgewicht, ge-
stoffs liegen. kennzeichnet durch die kleinste freie Enthal-
pie G. Die Korngrenze(nfläche) ist ein nur ei-
Bei höheren Temperaturen finden im Werk- nige Atomlagen dicker in bestimmter Weise
stoff in der Regel Platzwechselvorgänge statt. fehlgeordneter Bereich, der die höchste Ober-
Dann besteht prinzipiell eine Neigung zum flächenenergie aller bekannten Gitterdefek-
Kornwachstum, weil durch das Verschwin- te besitzt.
den von Korngrenzen der Energiegehalt des
Werkstoffs abnimmt. Er nähert sich damit Die Korngröße ist für die mechanischen Güte-
werte von großer Bedeutung. Das extreme
Tabelle 1-1 Kornwachstum kann im schmelzgrenzenna-
Kennwerte zum Bestimmen der Korngröße (G) nach hen Bereich von Schweißverbindungen in vie-
DIN EN ISO 643. Das in der Praxis weit verbreite-
te Verfahren nach ASTM E 102-77 ergibt Korngrö-
len Fällen zu einer erhöhten Versagenswahr-
ßen-Kennzahlen G (ASTM-Werte), die weitgehend scheinlichkeit der Konstruktion führen, weil
den G-Werten nach DIN EN ISO 643 entsprechen. insbesondere die Zähigkeit, aber auch Härte
und Festigkeit mit zunehmender Korngröße
G m mittlerer (»quadratischer«) merklich abnehmen 2).
Körner/mm2 Korndurchmesser d
bei V = 1:1 d = 1/m in mm
Bei höheren Temperaturen wird die Diffu-
–3 1 1 sion im Korngrenzenbereich sehr erleichtert,
–2 2 0,707 d. h., hier gelten also die Versagensmecha-
–1 4 0,500
nismen des Kriechens. Oberhalb der Tempe-
0 8 0,354
1 16 0,250 ratur, bei der Körner und Korngrenzen glei-
2 32 0,177 che Festigkeit besitzen, der äquikohäsiven
3 64 0,125
4 128 0,088 2)
5 256 0,063 Bei dem wichtigen Sonderfall der härtbaren Stäh-
6 512 0,044 le wird die Härte in diesen Bereichen als Folge
7 1024 0,031 der hohen Abkühlgeschwindigkeit praktisch im-
2048 0,022 mer größer als die des unbeeinflussten Grund-
8
werkstoffs, s. a. Abschn. 4.1.3, S. 310. Die Härte
9 4096 0,016
des schmelzgrenzennahen Bereichs dickwandi-
10 8192 0,011
ger gasgeschweißter Kupferverbindungen ist aller-
11 16384 0,008
dings immer geringer als die des Grundwerkstoffs,
12 32768 0,006 s. Abschn. 5.2.1, S. 509.
14 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Temperatur, wird der Werkstoff durch eine zu- Die Wirksamkeit elementarer Verunreinigun-
nehmende Korngrenzenfläche ( feinkörni- gen hängt u. a. vom Grad ihrer Löslichkeit
ges Gefüge) zunehmend geschädigt. Hitzebe- in der Matrix ab. Je größer die Löslichkeit
ständige Werkstoffe werden daher meistens der Elemente ist, desto geringer ist die Wahr-
grobkörnig erschmolzen. Außerdem sind die scheinlichkeit, sie im Korngrenzenbereich
mechanischen Gütewerte auch von der Art, »ausgeschieden« zu finden.
Menge und Verteilung der Korngrenzensub-
stanz abhängig. Grundsätzlich gilt, dass mit Niedrigschmelzende (meistens) eutektische
abnehmender Korngröße (große Korngrenzen- Verbindungen verursachen bei gleichzeitiger
fläche) die Wirkung der Korngrenzensubstanz Einwirkung von Zugspannungen den gefähr-
wegen der dann geringeren Belegungsdichte lichen Heißriss (Abschn. 1.6.3.1), der das
abnimmt. Die verwickelten Zusammenhänge Bauteil ohne aufwändige Reparaturmaßnah-
sollen in folgender sehr vereinfachter Form men unbrauchbar macht. Die zulässigen Men-
dargestellt werden.

Die Korngrenzensubstanz besteht aus Fremd-


atomen aller Art (P, S, Sn, As, andere Stahl-
begleiter, Sb in Kupfer), niedrigschmelzen-
den, meist eutektischen Verbindungen (z. B.
FeS in Stahl, Cu2O in Kupfer) und (oder) Aus-
scheidungen, die sich z. B. während einer Wär-
mebehandlung (Glühprozesse, Wirkung der
Schweißwärme in der Wärmeeinflusszone
usw.) gebildet haben. Durch Korngrenzenbe-
läge wird die Zähigkeit z. T. extrem verschlech-
tert, das Bruchgeschehen (interkristalliner,
transkristalliner Bruch, Zähbruch, Trenn-
bruch) verändert, d. h. die Bauteilsicherheit
beeinträchtigt. Die extreme Versprödung als
Folge der Eisenbegleiter Phosphor, Zinn, Kup-
fer, die in Form von Verbindungen oder elemen-
tar auf den Korngrenzen liegen, wird durch
die sehr starke Abnahme der Korngrenzen-
Oberflächenenergie hervorgerufen.

Beispiel 1-1:
Bei einer Vergrößerung von V = 200:1 wurden in einer
Schlifffläche von AS = 10 000 mm2 280 Körner gezählt.
Die Korngrößen-Kennzahl G des Werkstoffs gemäß
Gl. [1-3] und der mittlere quadratische Korndurch-
messer d sind zu bestimmen (s. Tabelle 1-1), s. a. Auf-
gabe 1-1, S. 110.
Bild 1-16
Die Anzahl (m) der Körner/mm2 werden bei V = 100:1
Verformungs- und Bruchvorgänge in einem idealen
aus einer Gesamtmessfläche AS = 10 000 mm2 ermittelt.
Kristallgitter.
Damit wird m (bei V = 1:1!) bzw. G und d:
a) Vorgänge beim Spalten bei makroskopischer und
2
Ê 200 ˆ K örner atomarer Betrachtungsweise. Für die Schaffung
m= Á ◊ 280 = 4 ◊ 280 = 1120 = 2G + 3
Ë 100 ˜¯ mm 2 der Spaltbruchflächen ist bei spröden Werkstoffen
log 1120 = ( G + 3 ) ◊ log 2 , daraus folgt G = 7,17 die Bruchflächenenergie 2◊g (zwei Bruchflächen!),
bei zähen die um die plastische Verformungsarbeit
und damit wird d :
erhöhte Bruchflächenenergie erforderlich.
1 1 b) Vorgänge beim »Gleiten« bei makroskopischer und
d= = O 0,03 mm.
m 1120 bei atomarer Betrachtungsweise.
Abschn. 1.3: Mechanische Eigenschaften der Metalle 15

gen dieser Substanzen können im Bereich legungen im Vordergrund, z. B. ausreichen-


von einigen 0,01 % und weniger liegen. Diese de Korrosionsbeständigkeit, bestimmte elek-
Größenordnung trifft z. B. für die bei etwa trische oder thermische Eigenschaften oder
650 ’C schmelzende Verbindung NiS zu. Sie geringe Masse bei hoher Werkstofffestigkeit
macht Nickel und Nickellegierungen extrem (Leichtbauweise). Die Erfahrung zeigt aber,
heißrissanfällig. dass für die Bauteilsicherheit geschweißter
Konstruktionen ein ausreichendes Verfor-
Die Art der Verteilung der Korngrenzensub- mungsvermögen der Wärmeeinflusszonen
stanz beeinflusst ebenfalls die mechanischen und des Schweißgutes besonders wichtig ist.
Gütewerte des Werkstoffs. Grundsätzlich ist Das ist in sehr vielen Fällen fertigungs- und
ein zusammenhängender »Film« wesentlich schweißtechnisch nicht einfach realisierbar,
kritischer als diskrete Partikel. Diese sind weil die Zähigkeit dieser Werkstoffbereiche
u. U. mit einer Glühbehandlung einstellbar. durch die thermische Wirkung des Schweiß-
Die flächenförmigen Chromcarbidausschei- prozesses grundsätzlich und oft ganz erheb-
dungen an den Korngrenzen vieler hochlegier- lich abnimmt. Die mechanischen Eigenschaf-
ter Stähle, entstanden z. B. durch eine falsche ten werden maßgeblich von folgenden Fak-
Wärmebehandlung oder fehlerhafte Schweiß- toren bestimmt:
technologie (Abschn. 2.8.3.4.1, S. 208), kön- – Dem Gittertyp (Werkstoffe mit kfz Gitter
nen durch Glühen in nicht mehr zusammen- sind i. Allg. gut schweißgeeignet);
hängende, rundliche Teilchen überführt wer- – dem Gefüge (z. B. Korngröße, Kornform,
den (koagulieren). Korngrenzensubstanz);
– den Verunreinigungen (Menge, Art und
Zusammenfassend ist der Einfluss der Korn- Verteilung), die nach dem Grad ihrer Lös-
grenzenbereiche auf die mechanischen Gü- lichkeit im Werkstoff in den Formen lös-
tewerte wie folgt beschreibbar: lich bzw. unlöslich vorliegen können:
lösliche Verunreinigungen:
Die mechanischen Gütewerte werden ent- Änderungen der Eigenschaften sind in
scheidend von der Korngrenzensubstanz und vielen Fällen gering, in anderen (z. B. ge-
der geometrischen Fehlordnung im Bereich löste Gase) aber extrem groß,
der Korngrenzen bestimmt. Die Korngren- unlösliche Verunreinigungen:
zensubstanz ist in unterschiedlicher Form, Schlacken, Einschlüsse in den Körnern,
(gelöste Atome, Verbindungen) Menge und an den Korngrenzen und (oder) die Korn-
Verteilung (koaguliert, als Korngrenzenfilm) grenzensubstanz (oft niedrigschmelzende
vorhanden und wirkt grundsätzlich gütemin- Eutektika) meist geringer Größe können
dernd, die Fehlordnung der Korngrenzenbe- entstehen.
reiche nur bei höherer Betriebstemperatur
(• 400 ’C), bei niedrigen (… 20 ’C) ist sie i.
Allg. stark güteverbessernd (s. a. Abschn. 1.3.1 Verformungsvorgänge in
1.3.4). Die Wirkung der Fehlordnung und der Idealkristallen
Korngrenzensubstanz kann kaum getrennt
angegeben werden, weil jeder Werkstoff eine Eine äußere Beanspruchung F kann im Werk-
bestimmte Menge Verunreinigungen und stoff Längenänderungen (Dehnungen e) oder
(oder) Legierungselemente enthält. Winkeländerungen (Schiebungen g ) hervor-
rufen. Im fehlerfreien Idealkristall sind nur
elastische, reversible Formänderungen mög-
1.3 Mechanische Eigenschaf- lich. Eine Abstandsänderung benachbarter
ten der Metalle Netzebenen durch Normalspannungen s er-
fordert die Überwindung der atomaren Bin-
Festigkeit und Zähigkeit sind die wichtigs- dungskräfte. Ein Überschreiten der Kohäsi-
ten Gebrauchseigenschaften der (Bau-)Stäh- onskraft Fk (Bild 1-3 und Bild 1-16) führt aber
le. Für die fachgerechte Anwendung von NE- längs bestimmter Spaltebenen zum Bruch
Metallen stehen möglicherweise andere Über- des Kristalls.
16 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Eine Abschätzung dieser theoretischen Trenn- freie Oberfläche erreicht hat oder auf ein
festigkeit st ergibt z. B. für Stahl einen Wert Hindernis stößt, Bild 1-17d, 1-17e, (z. B. Groß-
von etwa st O 21 000 N/mm2 (Abschn. 2.6.2, winkelkorngrenzen, Zwillingsgrenzen, Aus-
S. 158). Die Bruchfestigkeiten technischer scheidungen, Poren oder unbewegliche Verset-
Werkstoffe liegen mindestens eine Größenord- zungen). Hier entsteht eine Gleitstufe, deren
nung, meistens zwei niedriger. Größe dem Betrag des Burgers-Vektors b ent-
spricht, siehe Bild 1-17e.
Bei der plastischen Verformung müssten zwei
benachbarte Kristallblöcke entlang der Gleit- Die makroskopisch sichtbare bzw. messbare
ebene gleichzeitig als Ganzes abgleiten, wenn Verformung entsteht durch das Abgleiten
die äußere Schubspannung größer als die the- einer Vielzahl von z. T. dichtest benachbar-
oretische Schubfestigkeit wird, Bild 1-16b. ter Werkstoff bereiche entlang paralleler
Diese Spannung beträgt nach der Ableitung Gleitebenen. Dieser Vorgang verläuft diskon-
in Abschn. 2.6.2 bei einem Idealkristall ange- tinuierlich, weil durch Verfestigungsvorgän-
nähert tt O G/10. Für die Stähle ergibt sich ge (Abschn. 1.3) das Gleiten auf einigen Ebe-
z. B. mit G 80 000 N/mm2 tt O 8000 N/mm2, nen verhindert bzw. erschwert wird. Für eine
ein Wert, der 100 bis 1000 Mal größer ist als weitere plastische Verformung müssen da-
bei realen Werkstoffen beobachtet wird. her neue Gleitebenen aktiviert werden. Das
Ergebnis der Verformungsprozesse ist auf
der Werkstückoberfläche in Form von Gleit-
1.3.2 Verformungsvorgänge in linienbändern gut erkennbar. Sie sind auch
technischen Metallen die Ursache für das Mattwerden ursprüng-
lich glänzender Metalloberflächen nach einer
Die erheblichen Diskrepanzen zwischen der plastischen Verformung.
Festigkeit idealer und realer Werkstoffe sind
auf die Anwesenheit bestimmter Gitterbau- Um Gleitverformungen zu erzeugen, ist im
fehler (insbesondere Versetzungen, aber auch Gegensatz zur extrem schnellen Zwillingsbil-
Korngrenzen) zurückzuführen. Bild 1-17a dung eine gewisse Beanspruchungsdauer er-
zeigt die Atomanordnungen in unmittelba- forderlich. Die Bildung von Zwillingen ist da-
rer Nähe einer Stufenversetzung. Zwischen her der typische Verformungsmechanismus
einem Endatom B, der eingeschobenen Ebe- bei großer Beanspruchungsgeschwindigkeit
ne und den Atomen A und C bestehen aus (vor allem bei kubisch raumzentrierten und
Symmetriegründen gleiche Bindungskräfte. hexagonal dichtest gepackten Metallen), nied-
In erster Näherung sind daher nur sehr klei- riger Temperatur und (oder) einer mehrachsi-
ne Schubspannungen erforderlich, um Atom gen Beanspruchung. Er ist in erster Linie für
B in den Anziehungsbereich von C bzw. von kubisch flächenzentrierte Metalle charakte-
A zu bringen, Bild 1-17b, 1-17c. Die Verset- ristisch. Die Anwesenheit von (Glüh-)Zwil-
zung bewegt sich also auf der Gleitebene mit lingen bei Metallen ist ein nahezu untrügli-
der »Schrittweite« Atomabstand, bis sie eine cher Hinweis auf ihren kfz Gitterauf bau.

Bild 1-17
Plastische Verformung durch Versetzungsbewegung, s. a. Bild 1-8a.
a) Unverformtes Gefüge mit einer Stufenversetzung (A),
b) Schubspannung t verformt den Kristall,
c) Versetzung wird um einen Atomabstand verschoben,
d), e) Versetzung ist durch den Kristallbereich gelaufen. An der Oberfläche bildet sich eine Gleitstufe b.
Abschn. 1.3: Mechanische Eigenschaften der Metalle 17

Das Abgleiten, d. h., die Versetzungsbewe- Der Ablauf der Verformung in einem korn-
gung erfolgt nicht auf allen Gitterebenen grenzenfreien Werkstoff (er besteht aus ei-
gleich leicht. Die geringsten Schubspannun- nem Korn, enthält aber die für jeden techni-
gen für eine Bewegung der Versetzungen schen Werkstoff typischen Gitterbaufehler!)
sind auf dichtest gepackten Ebenen erforder- lässt sich mit den bisherigen Kenntnissen
lich, weil hier der »Gleitwiderstand« im Ver- wie folgt beschreiben, Bild 1-18. In einem mit
gleich zu den lockerer geschichteten deutlich der Zugkraft F1 belasteten Stab, Bild 1-18a,
geringer ist. Je kleiner die Packungsdichte werden Schnittebenen gelegt, in denen Nor-
der Netzebene ist, desto unwahrscheinlicher mal- und Schubspannungen entstehen s M,tM.
wird damit ihre Funktion als Gleitebene. Es kann gezeigt werden, dass auf den unter
Verformbarkeit und Festigkeit sind daher in 45 ’ zur wirkenden Kraft orientierten Ebe-
unterschiedlichen Richtungen verschieden nen die maximal mögliche Schubspannung
(Anisotropie). Die Anzahl der dichtesten Ebe- der Größe tmax s/2 entsteht (s. a. Bild 3-18).
nen hängt ausschließlich vom Gittertyp ab, Bei kfz Metallen wird daher wegen der gro-
wie Bild 1-6 zeigt. Auf Grund geometrischer ßen Anzahl der vorhandenen Gleitsysteme
Gegebenheiten sind auf dichtest gepackten das Abgleiten auf Ebenen in etwa diesem Nei-
Ebenen grundsätzlich drei Gleitrichtungen gungsbereich stattfinden. Das Abgleiten in
vorhanden, Bild 1-6b. Damit ergeben sich bei hdP Metallen hängt wegen der begrenzten
kfz Metallen mit vier unterschiedlich orien- Gleitmöglichkeiten sehr stark von der Orien-
tierten dichtesten Ebenen 4¹3 12 Gleitmög- tierung der dichtest gepackten Basisebene
lichkeiten (Gleitsysteme), bei hdP Metallen in der Zugprobe ab. Die kritische Schubspan-
aber nur 1 ¹3 3 Gleitsysteme. Das ist die nung t0 ist daher bei hdP Metallen je nach
wichtigste Ursache für die schlechte Verform- Lage der Basisebene zur angreifenden Kraft
barkeit der hdP Metalle im Vergleich zu der außerordentlich klein bzw. groß, bei kfz Me-
hervorragenden der kfz Metalle. tallen dagegen immer relativ gering.

F1 t max = t j (j = 45 ° ) = s1 2 kfz Metalle F1


tj l t max

s1
Ft t0
Fs F1 Sj F2 s1/2
s2 F2
x hdP Metalle
t ma
t max s2 /2
45°

S0
j

tj

F1 F1
Verformung beginnt,
wenn in der Gleitebene wird:
F1 Fs Ft s1 - s2
s1 = sj = tj = t = tmax = tj (j = 45° ) ³ t 0 t max = t j (j = 45 ° ) =
S0 Sj Sj 2

a) b) c)

Bild 1-18
Vorgänge bei der plastischen Verformung in realen Werkstoffen (hier Beispiel »Zugprobe«).
a) Normal- und Schubspannungen bei einachsiger Zugbeanspruchung in verschiedenen Schnittebenen: tj , sj .
b) Verformung beginnt, wenn tj auf einer (dichtest gepackten) Gitterebene größer als die kritische Schubspan-
nung t0 wird. Wegen der geringen Anzahl von Gleitsystemen in hdP Metallen ist die Aktivierung der dichtest
gepackten Basisebene nur dann mit geringem t0 möglich, wenn diese in Richtung der tmax(j = 45∞) orientiert
ist. Anderenfalls ist t0 wesentlich größer, d. h., ein Abgleiten ist unmöglich oder sehr erschwert.
c) Bei mehrachsig beanspruchten Proben beträgt die für ein Abgleiten wirksame maximale Schubspannung
(bei j = 45∞) nur noch tmax = (s1 - s2 )/2. Die plastische Verformung wird also erschwert bzw. unmöglich, da die
Gleitbedingung tj > t0 nicht erfüllbar ist. In diesem Fall sind nur verformungslose Trennbrüche möglich.
18 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Bemerkenswert ist, dass durch eine mehrach- Anzahl dichtest gepackter Netzebenen im
sige Beanspruchung das Abgleiten erheblich Werkstoff zu. Jede metallurgische Maßnah-
erschwert wird (Verformungsbehinderung), me, die die Versetzungsbewegung behindern
Bild 1-18c. Die für den Verformungsprozess kann, führt demnach ganz allgemein zu einer
notwendige Schubspannung t kann so klein Erhöhung der Festigkeitswerte. Die technisch
werden, dass die Gleitbedingung t M t0 nicht wichtigsten »Hindernisse« sind (beschrieben
mehr erfüllbar ist. Diese Erscheinung wird in Abschn. 2.6.3, S. 159):
daher auch als Spannungsversprödung be- – Fremdatome (z. B. Mischkristall- und Mar-
zeichnet. Sie ist bei Schweißkonstruktionen, tensithärtung),
in denen außer Last- auch in unterschiedli- – Teilchen (z. B. Ausscheidungshärtung),
chen Richtungen wirkende Eigenspannun- – Gitterverzerrungen (z. B. Mischkristall-,
gen vorhanden sind, sehr zu beachten (Abschn. Martensithärtung, Kaltverformung, ther-
3.4.1, S. 261). momechanische Behandlung).

Die kfz bzw. die hdP Metalle besitzen wegen


1.3.3 Verfestigung der Metalle ihrer unterschiedlichen Anzahl von Gleitsys-
temen auch ein sehr unterschiedliches Ver-
Mit zunehmender plastischer Verformung festigungsvermögen, das in Fließkurven dar-
wird der Werkstoff verfestigt, d. h., für die Be- gestellt wird, Bild 1-19. Die Unterschiede las-
wegung der Versetzungen sind ständig höhe- sen sich übersichtlich für Einkristalle be-
re Spannungen erforderlich. Die Ursache sind schreiben. Die Verformung ist für alle t < tI
Wechselwirkungen zwischen Versetzungen elastisch, der kfz Werkstoff ist noch nicht
und anderen Gitterbaufehlern. Die Anzahl der verfestigt, Bild 1-19a. Der Anstieg der Gera-
Versetzungen steigt als Folge der Kaltverfor- den entspricht dem Schubmodul G. Mit Be-
mung von etwa 106 cm/cm3 auf 1011...12 cm/cm3 ginn der plastischen Verformung, Bereich I,
im stark verformten Zustand. Sie bilden z. ist die Anzahl der Versetzungen noch gering,
T. dichte Netzwerke, die ihre Beweglichkeit die von ihnen zurückgelegten Wege bis zum
erheblich einschränken. Außerdem wechselwir- Auftreffen auf Hindernisse sind relativ groß.
ken sie mit anderen »sesshaften« Gitterdefek- Der Verfestigungseffekt ist demnach gering.
ten (z. B. Fremdatomen, Ausscheidungen). Es Im Bereich II werden in kfz Metallen viele
entstehen »blockierte« Versetzungen, die die Gleitebenen gleichzeitig aktiviert, die sich ge-
Festigkeit des Werkstoffes erhöhen. Eine fort- genseitig schneiden bzw. beeinflussen. Da-
schreitende Verformung wird weiterhin durch durch nimmt die Gleitlinienlänge erheblich
Schneiden mehrerer aktivierter Gleitebenen ab. Der Verfestigungseffekt ist also im Ge-
erschwert. Die Verformungsbehinderung, d. gensatz zu den hdP Metallen mit nur einer
h., die Verfestigung nimmt damit mit der Gleitebene sehr ausgeprägt, Bild 1-19b. Im

dt dt ds
= G l G = E
dg dg 300 de
Schubspannung t

wahre Norm.spannung s w
Schubspannung t

III sF
t III
II
t II
I
tI

Schiebung g Schiebung g wahre Dehnung e


a) b) c)

Bild 1-19
Fließkurven
a) kfz Einkristall,
b) hdP Einkristall,
c) vielkristalliner technischer (metallischer) Werkstoff.
Abschn. 1.3: Mechanische Eigenschaften der Metalle 19

Bereich III sind die Schubspannungen so Als grobe Faustformel kann dem Praktiker
hoch, dass die Versetzungen den Hindernis- der Hinweis dienen, dass eine Kaltverfor-
sen ausweichen können. Der Werkstoff ver- mung von zehn Prozent die Übergangstem-
formt sich bei gleicher Lastzunahme stärker peratur (DVM-Proben, 35 J/cm2) um 25 ’C bis
als im Bereich II. 30 ’C erhöht. Die Auswirkung der Kaltver-
festigung auf die Erhöhung der Übergangs-
Mit zunehmendem Kaltverformungsgrad j temperatur ist überraschenderweise bei sehr
nimmt die Kerbschlagzähigkeit des Werk- vielen Baustählen ähnlich. Diese Zusammen-
stoffs in der Hochlage ab und die Übergangs- hänge sind in Bild 1-21 dargestellt.
temperatur deutlich zu, der Werkstoff wird
spröder. In Bild 1-20a ist die Abhängigkeit
der Kerbschlagzähigkeit von der Prüftempe- 1.3.4 Einfluss der Korngrenzen
ratur mit dem Parameter (Kalt-)Verformungs-
grad j für den schweißgeeigneten Baustahl Verformungsvorgänge in technischen Werk-
S355J2  N (St 52-3 N) dargestellt. Bild 1-20b stoffen werden entscheidend durch die Eigen-
zeigt die Ergebnisse für einen unberuhigten schaften und das Verhalten der Großwinkel-
Baustahl USt 37 und einen besonders beru- korngrenzen bestimmt. Die Fließkurve eines
higten S235J2  N (St 37-3 N). Bemerkens- polykristallinen Werkstoffs ist der Ausdruck
wert ist die erhebliche Zunahme der Über- des Werkstoffwiderstandes, der sich aus
gangstemperatur bereits durch alleiniges Er- dem Zusammenwirken aller Einflüsse auf
höhen der Versetzungsdichte (»K« Kaltver- die Festigkeit des Werkstoffs ergibt, Bild 1-
formung). Der freie Stickstoff, d. h., im We- 19c. Es ist die aus der Werkstoffprüfung be-
sentlichen die Art der Einsatzstoffe und der kannte Abhängigkeit Zugspannung als Funk-
Stahlherstellung, übt einen zusätzlich ver- tion der Dehnung. Die Fließgrenze ( Streck-
sprödenden Effekt aus (»A« Alterung). Diese grenze) ist wegen der deutlich stärkeren Ver-
zeitabhängigen Vorgänge werden genauer in festigung viel größer als bei Einkristallen.
Abschn. 3.2.1, S. 239, besprochen, sie sind Die Wirkung der Großwinkelkorngrenzen in
die Grundlage der Verformungsalterung (frü- einem beanspruchten Werkstoff beruht in
her Reckalterung genannt). der Hauptsache auf zwei Faktoren:
200 80
kalt verformt
K kalt verformt + gealtert: 250 ° C, 30 min/Luft
J St 52 - 3 N 60
Änderung der Übergangstemperatur

Verformungsgrad: St 37 - 3 N
A
Kerbschlagarbeit K

160
40
0%
5%
20
K

120
10%
0
20% 80
80 USt 37 - 1
A

30% 60

40
40
K

20

0 0
- 100 - 75 - 50 - 25 0 25 ° C 50 0 3 6 9 % 12
Prüftemperatur J Verformungsgrad j
a) b)

Bild 1-20
Einfluss der Versetzungsdichte (Kaltverformung) auf das Zähigkeitsverhalten unlegierter Baustähle.
a) Kerbschlagarbeit-Temperatur-Verlauf eines S355J2 + N (entspricht einem St 52-3 N: 0,15 % C; 1,4 % Mn).
b) Änderung der Übergangstemperatur der Kerbschlagarbeit von Warmbreitband aus einem unberuhigten
S235JRG1 (entspricht USt 37: 0,08 % C; 0,009 % N) und einem besonders beruhigten S235J2 + N (entspricht
St 37-3 N; 0,14 % C; 0,1 % Al; 0,006 % N). »A« kennzeichnet den Einfluss der Alterung, »K« den einer Kaltver-
formung auf die Lage der Übergangstemperatur, nach Straßburger, Schauwinhold, Dahl.
20 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

– Aufstau der Versetzungen an den Korn-


grenzen.
Versetzungen laufen auf die Korngrenze
auf, wobei sich gleichartige abstoßen,
Bild 1-10. Sie bilden an den Korngrenzen
einen Aufstau, der auf sie die Kraft
F n ¹ b ¹ t ausübt, s. Gl. [A2-3], S. 229.
n Anzahl der auf die Korngrenzen
aufgelaufenen Versetzungen,
b Burgers-Vektor,
t wirksame Schubspannung in der
aktivierten Gleitebene.

– Überwindung der Korngrenzen durch auf-


Bild 1-22
gestaute Versetzungen. Versetzungsaufstau an Korngrenzen in einem hochle-
Bei hinreichend großer Schubspannung gierten austenitischen Chrom-Nickel-Stahl, V = 25000:1
überwinden die Versetzungen die Korn- (TEM-Aufnahme), BAM.
grenze, d. h., sie können im Nachbarkorn
auf einer im Allgemeinen unterschiedlich In der Regel müssen viele Gleitsysteme
orientierten Gleitebene Versetzungen be- aktiviert werden, weil der Zusammenhalt
wegen, die dann ein weiteres Abgleiten zwischen den Körnern erhalten bleibt. Das
auslösen (können). führt zum Verbiegen und zu einem teilwei-
sen Drehen der Gleitebenen. Das ist der
Stahl bzw. Stahlgruppe:
20 1
wichtigste Grund für die im Vergleich zu
°C
Einkristallen starke Verfestigung techni-
2 scher Werkstoffe. Bild 1-22 zeigt sehr ein-
- 0
Übergangstemperatur Tü,35

drucksvoll den Aufstau zahlreicher Ver-


3
setzungen an den (Großwinkel-)Korngren-
- 20 4
zen eines austenitischen Stahles.

- 40 In einem grobkörnigen Werkstoff, Bild 1-23a,


5
entsteht wegen der größeren freien Weglän-
- 60
6
ge an der Korngrenze ein wesentlich größe-
rer Versetzungsaufstau als in einem feinkörni-
- 80 gen Stahl. Die Fließgrenze feinkörniger Werk-
stoffe ist wesentlich größer, Bild 1-23b, s. a.
- 100 8
Aufgabe 2-7, S. 229, weil mit abnehmender
Korngröße die zusätzliche Spannung szus zum
7 Überwinden der Korngrenzen ( Abgleiten)
- 120
zunimmt. Dieser Zusammenhang wird mit
der Hall-Petch-Beziehung beschrieben, die
- 140
0 2 4 6 8 % 10 die Abhängigkeit der Fließgrenze sF von dem
Verformungsgrad j Korndurchmesser d angibt:
Bild 1-21 1
Abhängigkeit der Übergangstemperatur der Kerb- sF = s0 + k ◊ . [1-4]
schlagzähigkeit (DVM-Proben) vom Verformungsgrad d
für verschiedene Stähle bzw. Stahlgruppen. s0 Reibungsspannung ist die Spannung,
1 und 2 = unlegierte Kesselbleche; 3 = besonders be- bei der ein Werkstoff mit sehr großem
ruhigter (allgemeiner) Baustahl; 4 = legierter Feinkorn-
Korn fließt (d  ‡),
baustahl, normalgeglüht; 5 = unlegierter Feinkornbau-
stahl, normalgeglüht; 6 und 7 = legierte Feinkornbau- k Korngrenzenwiderstand ( Konstante),
stähle, vergütet; 8 = legierter kaltzäher Stahl, nach er gibt den Einfluss der Korngrenzen
Degenkolbe und Müsgen. zahlenmäßig an.
Abschn. 1.3: Mechanische Eigenschaften der Metalle 21

Bemerkenswert ist der große Einfluss der Werkstoffen, vor allem aber von (Feinkorn-)
Korngrenzen auf die Zähigkeitseigenschaf- Stählen, in großem Umfang eingesetzt (Ab-
ten, Bild 1-23. Die häufige Ab- und Umlen- schn. 2.7.6, S. 184).
kung der Gleitebenen an den Korngrenzen
eines feinkörnigen Werkstoffs erfordert eben- Bild 1-24 zeigt beispielhaft die Hall-Petch-
so wie ihr Verbiegen und Verdrehen einen zu- Beziehung für einen unterschiedlich wärmebe-
sätzlichen Energiebetrag, der der auf das Werk- handelten (Korngröße!) Stahl C10E (Ck 10)
stück durch die äußere Beanspruchung über- in Abhängigkeit vom Grad der Kaltverfor-
tragenen Schlagenergie entnommen wird. mung. Mit zunehmender Kaltverformung
Die für die Sicherheit wichtige Eigenschaft wird naturgemäß der Einfluss der Korngrö-
»Schlagzähigkeit« ist daher bei einem feinkör- ße verdeckt, bzw., er macht sich erst bei einem
nigen Werkstoff deutlich größer als bei einem geringeren Korndurchmesser als fließgrenzen-
konventionellen gleicher chemischer Zusam- erhöhender Einfluss bemerkbar.
mensetzung. Die Korngrenzenhärtung wird
zur Festigkeitssteigerung von metallischen Auf weitere Eigenschaften soll hier nicht wei-
ter eingegangen werden. Einige für die Bau-
Grobkorn: Fstreck = Ft + FG + Fzus,G teilsicherheit wichtige Gütewerte sind in Ab-
( FV = FG )
tV
schn. 6, S. 579, (Anhang) aufgeführt.

Q
t Beispiel 1-2:
Versuche haben ergeben, dass die Streckgrenze eines
G
t
unlegierten Stahls mit einem mittleren Korndurchmes-
( Ft ) ser d1 = 0,25 mm sF.1 = 180 N/mm2 und mit d2 = 0,04 mm
a) sF.2 = 250 N/mm2 beträgt. Welcher Korndurchmesser dx
ist erforderlich, wenn eine Streckgrenze von 350 N/mm2
Feinkorn: Fstreck = Ft + FF + Fzus,F gewünscht wird. Der Festigkeitsanstieg soll ausschließ-
( FV = FF ) lich mit dem Mechanismus der Korngrenzenhärtung
tV
erreicht werden, s. Abschn. 2.6.3.4, S. 165.
Q Gemäß der Hall-Petch-Beziehung, Gl. [1-4], ist:
t
1
( Ft ) σ F.i = σ 0 + k ⋅ .
b) di
Bild 1-23 Für d1 = 0,25 mm und sF.1 = 180 N/mm2 wird:
Einfluss der Korngröße auf die mechanischen Gütewer-
1
te technischer Metalle. Fstreck = Ft + FV + Fzus ist die für den 180 = σ 0 + k ⋅ = σ 0 + 2 ⋅ k.
Beginn der Verformung erforderliche Kraft. Ft (= t) = 0,25
Schubspannungskomponente der äußeren Kraft (F) Für d2 = 0,04 mm und sF.2 = 250 N/mm2 ergibt sich:
in Richtung der Gleitebene G-G. Ft aktiviert in der
Gleitebene die Versetzungsquelle Q. Versetzungen (An- 1
250 = s0 + k ◊ = s0 + 5 ◊ k
zahl n) werden an den Korngrenzen aufgestaut und 0,04
erzeugen ein Spannungsfeld, das auf die Korngren- s0 = 250 - 5 ◊ k = 180 - 2 ◊ k , daraus folgt:
zen zusätzlich zur äußeren (F) die Kraft F V = n◊ b◊t
k = 23, 3 und s 0 = 123 N/mm 2 .
ausübt, (s. Aufgabe 2-7, S. 229).
a) In einem grobkörnigen Stahl ist FV = FG sehr viel
Damit lässt sich der für die gewünschte Streckgrenze
größer als
erforderliche Korndurchmesser dx berechnen:
b) in einem feinkörnigen, FV = FF , d. h. FG >> FV .
1
Zum Überwinden der Korngrenzen bei gleichzeitigem 350 = 123 + 23,3 ⋅
Aktivieren weiterer Gleitprozesse in den angrenzen- dx
den Körnern ist bei a) daher nur noch eine erheblich 23,3
dx = = 0,103 mm d. h. dx = 0,011 mm.
geringere zusätzliche äußere Kraft Fzus (= szus ) erfor- 350 - 123
derlich als bei b). Die Fließgrenze eines feinkörnigen
Stahles ist also größer als die eines grobkörnigen. Da- Die mittlere Korngrößen-Kennzahl G des Stahles be-
zu s. a. Bild 1-24. trägt damit nach Tabelle 1-1 etwa G O 10.
22 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

1.4 Phasenumwandlungen Kristallwachstum durch thermisch aktivier-


te Platzwechselvorgänge der Atome. Bei ih-
Technische Werkstoffe bestehen aus Kristal- nen sind die neue Phase und die Matrix zu
liten, die durch Korngrenzen voneinander jeder Zeit einzeln nachweisbar. Die neue Pha-
getrennt sind. Homogene Werkstoffbereiche se beginnt sich nach Unterschreiten der Gleich-
werden als Phasen bezeichnet, sie sind durch gewichtstemperatur (Primärkristallisation:
Phasengrenzen (z. B. Korngrenzen) von der Tflüssig  Tfest, bzw. Sekundärkristallisation:
Umgebung getrennt. In den meisten Fällen Tfest,1  Tfest,2 ) an Keimen zu bilden und wächst
ist das Gefüge aus mehreren Bestandteilen durch Bewegung der den Keim umgebenden
aufgebaut, die unterschiedliche Eigenschaf- Oberfläche in die metastabile Matrix.
ten besitzen. Der Werkstoff ist ein Phasenge-
misch, er ist heterogen, Bild 1-25.

Die Eigenschaften der Werkstoffe werden


außer vom Gefügeaufbau, von der Menge
und Art der beteiligten Phasen bzw. Bestand-
teile und der chemischen Zusammensetzung
entscheidend von Phasenumwandlungen (
Zustandsänderungen) bestimmt. Diese lau-
fen nach unterschiedlichen Mechanismen in
unterschiedlichen Temperaturbereichen ab.
Die meisten Phasenänderungen lassen sich
technisch einfach und in hohem Maße repro-
duzierbar mit Hilfe von Wärmebehandlun-
gen erzeugen.
Bild 1-25
Mikroaufnahme eines unlegierten, rein perlitischen
Die weitaus größte Anzahl aller Phasenum-
Stahles (C = 0,8 %), bestehend aus Ferrit und Zemen-
wandlungen sind heterogen, d. h., sie erfol- tit, als Beispiel eines zweiphasigen Werkstoffs.
gen über die Teilvorgänge Keimbildung und Helle Fläche = Ferrit, lamellenförmige, dunkle Phase
= Zementit (= Fe3C), V = 500 :1, Nital.
500
j (%):
MPa
20 Die technisch weitgehend bedeutungslosen
10
Fließspannung s F

400 homogenen Phasenumwandlungen erfordern


keine Keimbildung. Lediglich die spinoda-
5
len Umwandlungen und einige Ordnungs-
300
2,5 umwandlungen entstehen homogen.
0
200
Zu unterscheiden sind die folgenden Phasen-
umwandlungen:

100 Flüssig − fest: Kristallisation metallischer


Prüftemperatur der Schmelzen (Primärkristallisation) und
Zugproben - 70 ° C
0
0 1 2 3 4 5 mm- 1/2
7 fest − fest: Umwandlungen im festen Zu-
Korndurchmesser 1/ d stand (Sekundärkristallisation):
– diffusionskontrollierte und
1 0,5 0,2 0,1 0,06 0,04 mm 0,02
Korndurchmesser d
– diffusionslose Phasenänderungen.
Bild 1-24
In Tabelle 1-2 sind einige charakteristische
Einfluss der Korngröße (Korndurchmesser d) auf die
untere Fließgrenze (sF ) eines unterschiedlich wärme- Merkmale der wichtigsten heterogenen Pha-
behandelten Stahls C10E (Ck 10) in Abhängigkeit vom senumwandlungen (Kennzeichen: Keimbil-
Kaltverformungsgrad j, nach Aurich und Wobst. dung und Wachstum) zusammengestellt.
Abschn. 1.4: Phasenumwandlungen 23

Tabelle 1-2
Charakteristische Merkmale von Phasenumwandlungen, gekennzeichnet durch Keimbildung und Wachstum
der neuen Phase, nach Christian.

Art der Phasenumwandlung


Charakteristikum
militärisch zivil

Einfluss Temperatur-
athermisch thermisch aktiviert
änderung

Art der gleitfähig nicht gleitfähig


Phasengrenze (kohärent oder (kohärent, semikohärent, inkohärent, flüssig/fest oder flüssig/dampfförmig)
semikohärent)
Zusammensetzung
von Matrix und gleich gleich unterschiedlich
Umwandlungsprodukt
Art der keine nur Diffusion im
Diffusion über große Gitterbereiche
Diffusionsvorgänge Diffusion Phasengrenzennähe
Bewegung der phasengren- phasengrenzen- vorwiegend phasen- vorwiegend diffusions-
gemischt kontrolliert
Phasengrenze zenkontrolliert kontrolliert grenzenkontrolliert kontrolliert
massive Umwandlung,
Ordnungsvorgänge, Ausscheidung,
Ausscheidung,
Martensit, Polymorphie, Lösen,
Beispiele Ausscheidung, Lösen,
Zwillinge Rekristallisation, Eutektoid,
Bainit Erstarren,
Kornwachstum, zelluläre
Schmelzen
Kondensation, Ausscheidung
Verdampfen

Die homogene Keimbildung erfordert keine In den meisten Fällen erfolgt die Keimbil-
fremden Oberflächen. Die wachstumsfähi- dung heterogen, d. h., der Keim bildet sich
gen Keime und ihre Oberflächen müssen in an energiereichen Gitterdefekten (z. B. an
der metastabilen Phase gebildet werden. Die nicht aufgelösten Carbiden, Nitriden, Leer-
hierfür erforderliche Arbeit wird dem Ener- stellen, Korngrenzen, Stapelfehlern, freien
gievorrat der Phase (z. B. Schmelze) entnom- Oberflächen) oder schon festen Teilchen
men. Die Schmelze muss also um einen be- (durch thermische Fluktuation z. B. in der
stimmten Betrag 'T unterkühlt werden, wo- Schmelze gebildeten) bestimmter Größe. Da
durch die benötigte freie Enthalpie 'G zur die »Oberflächen« der Keime z. T. vorhanden
Verfügung steht, Bild 1-26. Die homogene sind, ist die für ihre Bildung aufzuwenden-
Keimbildung ist in der Praxis sehr selten. de Energie sehr viel geringer als bei der ho-
mogenen Keimbildung. Die erforderliche Un-
terkühlung 'T und die Aktivierungsenergie
'GA können daher bis auf Null abnehmen,
D G

Bild 1-27, Kurve 2.


freie Enthalpie G

Die Phasengrenzen können gleitfähig oder


nicht gleitfähig sein, Tabelle 1-2. Die gleit-
fähigen Grenzflächen bewegen sich auf Grund
G Kristall bestimmter Versetzungsanordnungen, wo-
durch der Phasenübergang außerordentlich
D T = TS - T1 rasch erfolgen kann. Ihre Bewegung ist na-
G Schmelze hezu temperaturunabhängig und wird des-
T1 TS halb auch athermisch genannt. Wegen der
Temperatur T
»reglementierten«, koordinierten Art der da-
Bild 1-26
bei erfolgenden Bewegung der Atome über
Abhängigkeit der freien Enthalpie G der Schmelze
und der Kristallite im Bereich der Schmelztemperatur die Phasengrenze wird diese Phasenumwand-
TS. Bei der Unterkühlung DT beträgt die treibende lung, die keine Diffusion erfordert, militärisch
Energie der Keimbildung DG. genannt. Da außerdem die Atomanordnung
24 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

der Phasen im Wesentlichen nicht geändert kontinuierliche Ausscheidung). Bei unterschied-


wird, müssen beide Phasen die gleiche che- licher Zusammensetzung sind weitreichende
mische Zusammensetzung haben. Im Gegen- Diffusionsprozesse erforderlich (sog. Ferndif-
satz zu der sehr viel häufigeren isothermi- fusion). Wenn diese ausreichend rasch verlau-
schen Umwandlung erfolgt bei der athermi- fen, dann spricht man von einem diffusions-
schen eine Phasenumwandlung nur bei einer kontrollierten Wachstum (kontinuierliche Aus-
Unterkühlung 'T, nicht aber bei T konst. scheidung), Abschn. 1.4.2.1.
Die Martensitbildung ist das bekannteste Bei-
spiel einer militärischen Umwandlung. Nähe- Die treibende »Kraft« jeder Phasenänderung
re Einzelheiten sind in Abschn. 1.4.2.2 zu fin- ist die Differenz der freien Enthalpie 'G zwi-
den. schen der sich bildenden Phase und der meta-
stabilen Matrixphase. Der Phasenübergang
Die nahezu unkoordinierten Atombewegun- erfolgt erst dann, wenn die Gleichgewichts-
gen bei Phasenänderungen, die durch nicht temperatur TG um den Betrag 'T ( Unter-
gleitfähige Phasengrenzen eingeleitet wer- kühlung) unter- bzw. überschritten wurde,
den und durch umfangreiche und weitrei- d. h. nicht bei T TG. Nur in diesem Fall kann
chende Diffusionsvorgänge (Ferndiffusion) die freie Enthalpie G abnehmen, siehe z. B.
gekennzeichnet sind, werden zivile Umwand- Bild 1-26. G wird durch folgende Beziehung
lungen genannt. definiert:

Bei gleicher Zusammensetzung von umge- G H - T ¹ S. [1-5]


wandelter Phase und Matrix (z. B. die (g  a )-
Umwandlung in reinem Eisen) entspricht die H Enthalpie,
Wachstumsgeschwindigkeit der Phase der S Entropie,
Geschwindigkeit, mit der die Atome die Pha- T Temperatur in K.
sengrenze überschreiten können. Diese Um-
wandlung heißt grenzflächenkontrolliert (dis-
1.4.1 Phasenumwandlung
T < TS D GO = 4 p r 2 g flüssig-fest
+

1.4.1.1 Primärkristallisation
freie Enthalpie D G

D G = - D G V + D GO
von (reinen) Metallen
D GA

Der Phasenübergang flüssig/fest wird als


0
rk
Primärkristallisation und das dabei entste-
r
hende Erstarrungsgefüge als Primärgefüge
bezeichnet. Die genaue Kenntnis der hier ab-
1 laufenden Vorgänge ist für das Verständnis
der Primärkristallisation und der mechani-
schen Gütewerte von Schweißgütern (Ab-
- D GV =
4 3
p r D gV
schn. 4.1.1.1, S. 300) wichtig. Außerdem sind
- 2 3
diese Vorgänge von großer Bedeutung für
Bild 1-27 die Eigenschaften z. B. von Kokillengussstü-
Abhängigkeit der freien Enthalpie DG vom Keimradius cken, strang vergossenen Halbzeugen oder
r bei der Keimbildung. gerichtet erstarrten Werkstücken.
Kurve 1:
Für die Bildung homogener Keime mit dem Radius rk Die Kristallisation der (theoretisch) nur aus
ist die Aktivierungsenergie DGA erforderlich. einer Atomart bestehenden Schmelze be-
Kurve 2: ginnt unterhalb der Schmelztemperatur TS
Für die epitaktische Kristallisation und die Keimbil-
an Kristallisationszentren, den Keimen. Das
dung bei kohärenten Umwandlungen ist keine Akti-
vierungsenergie erforderlich, weil für die Keimbildung sind kleine, schon oder noch feste Partikel,
bereits perfekt passende Oberflächen vorhanden sind, die in der Schmelze bereits vorhanden wa-
d. h., der Oberflächenterm DGO in Gl. [1-6] ist Null. ren (Fremdkeime: Carbide, Nitride, Oxide)
Abschn. 1.4: Phasenumwandlungen 25

oder sich im Bereich der Schmelztempera- sen. Für die Bildung von Keimen kritischer
tur durch Anlagern »langsamer« schwingen- Größe ist die Arbeit ( Aktivierungsenergie)
der Atome bilden konnten (Eigenkeime). Aus 'GA aufzuwenden.
energetischen Gründen ist für die Bildung
wachstumsfähiger Eigenkeime eine Unter- Die homogene Keimbildung ist äußerst sel-
kühlung 'T TS  T notwendig. Je größer 'T ten, weil in jeder technischen Schmelze aus-
ist, umso kleinere Teilchen sind als Keime reichend viele Oberflächen vorhanden sind,
wirksam. von denen aus die Kristallisation beginnen
kann, s. Aufgabe 1-6, S. 112.
Ein (Stoff-)System befindet sich im thermo-
dynamischen Gleichgewicht, wenn die freie Bei der heterogenen Keimbildung sind in der
Enthalpie G ihr Minimum erreicht hat. Bild Schmelze bereits bestimmte wachstumsfähi-
1-26 zeigt den Verlauf der Zustandsgröße G ge Partikel in Form von »Oberflächen« enthal-
in Abhängigkeit von der Temperatur in der ten. Die für die Keimbildung aufzuwenden-
Nähe der Schmelztemperatur TS. Nach dem de Aktivierungsenergie 'GA ist kleiner, weil
Abkühlen unter TS wird GSchmelze > 'GKristall, der zur Schaffung der Keimoberflächen auf-
d. h., die kristalline Phase wird thermodyna- zubringende Energieanteil 'GO geringer ist.
misch stabiler. Die Energiedifferenz 'G wird Die Kristallisation kann daher schon bei
für die Keimbildung verwendet, die mit einer sehr geringen Unterkühlungen 'T erfolgen,
Änderung der freien Enthalpie G verbunden Bild 1-28.
ist. Die bei der Kristallisation des Keims frei-
werdende Umwandlungswärme ( 'GV) ver- In einigen wenigen Fällen liegen Teilchen mit
ringert die freie Enthalpie G. Diese treibt »Oberflächen« vor, deren Gitter nahezu per-
den Umwandlungsvorgang also an, während fekt mit dem der kristallisierenden Phase
die für die Bildung der Keimoberfläche erfor- übereinstimmt, wodurch sehr geringe Kohä-
derliche rücktreibende Energie ( 'GO) G ver- renzspannungen entstehen. Die notwendige
größert wird, wie Bild 1-27 zeigt. Daraus er- Unterkühlung 'T bzw. die Aktivierungsener-
gibt sich die für eine homogene Keimbildung gie 'GA ist daher Null bzw. sehr gering, Bild
charakteristische Energiebilanz 'G: 1-27, Kurve 2. Ein wichtiges und kennzeichnen-
des Beispiel einer derartigen Keimbildung ist
'G  'GV  'GO. [1-6]
die epitaktische Erstarrung von Schweiß-
Nimmt man in erster Näherung kugelförmi- schmelzen, Abschn. 4.1.1.1, S. 300. Hier lie-
ge Teilchen mit dem Radius r an, dann ist gen bereits metallphysikalisch perfekt passen-
'GV dem Volumen und 'GO der Oberfläche de »Keime« in Form der aufgeschmolzenen
der aus der Schmelze wachsenden (kristalli- Werkstückoberflächen vor.
sierenden) Teilchen proportional. Mit der
Oberflächenspannung der Schmelze g und Die Keimzahl und die Kristallisationsge-
der auf die Volumeneinheit bezogenen freien schwindigkeit nehmen mit zunehmender Un-
Enthalpie der festen Phase 'gV wird: terkühlung zu, wie die Bilder 1-28 und 1-26
4 3 schematisch zeigen. An die Keimbildungspha-
D G(r) = - π r ◊ D gV + 4 π r 2 ◊ g . [1-7] se schließt sich die Phase des Kristallwachs-
3 tums an. Die Korngröße des Gefüges hängt
Bild 1-27 zeigt den Verlauf der Funktion dabei entscheidend von der Keimzahl und der
' G(r). Danach ist bei kleinen Keimradien Kristallisationsgeschwindigkeit der Schmel-
der Energiebedarf zum Schaffen der Keim- ze ab. Für Baustähle wird wegen der besse-
oberfläche größer als die freiwerdende Kris- ren Zähigkeitseigenschaften ein möglichst
tallisationswärme, d. h., die Keime sind nicht feinkörniges Gefüge angestrebt, das aber in
wachstumsfähig, sie schmelzen wieder auf, den meisten Fällen mit einer Wärmebehand-
und der Kristallisationsprozess kann nicht lung bzw. besonderen metallurgischen Maß-
beginnen. Erst oberhalb des kritischen Keim- nahmen (z. B. über Erhöhen der Keimzahl in
radius rk nimmt 'G(r) ab, d. h., der Keim ist der Schmelze) eingestellt wird, s. Feinkorn-
stabil und kann unter Abnahme von G wach- baustähle, Abschn. 2.7.6, S. 184.
26 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Durch verschiedene Maßnahmen bzw. Vorgän-


ge – z. B. Kaltverformen mit anschließendem
Rekristallisieren, Warmformgebung oder poly-
morphe Umwandlungen – kristallisiert das
Gefüge ein weiteres Mal um, es entsteht das
Sekundärgefüge. Dieses besitzt meistens deut-
lich bessere Zähigkeitseigenschaften als das
primäre Gussgefüge. Das durch die Wärme
des Schweißprozesses in der Wärmeeinfluss-
zone von Mehrlagen-Schweißungen aus Stäh-
len umgekörnte Gefüge besitzt z. B. wesent-
lich bessere Gütewerte (Abschn. 4.1.3, S. 310)
als das nicht umgekörnte der Wärmeeinfluss- Bild 1-29
zone und des Schweißguts einlagig geschweiß- Dendritisches Gefüge eines CrMo-legierten Stahles,
ter Verbindungen. Oberhoffer-Ätzung, V = 5 :1, BAM.

Das durch die Erstarrung erzeugte »Grund- sig/fest aus in Richtung Schmelze abnimmt,
muster« des Gussgefüges bleibt weitgehend Bild 1-30. Bei diesen Temperaturbedingun-
erhalten. Die Eigenschaften lassen sich na- gen geraten wachsende Keime in den »Sog«
türlich durch die verschiedenartigsten Maß- der unterkühlten Schmelze und wachsen ihr
nahmen der Warm- und Kaltformgebung än- als stängelförmige Dendriten entgegen. Sehr
dern, kaum aber die »Erbanlage«. Sie lässt ähnliche Vorgänge laufen bei erstarrenden
sich durch entsprechende Ätzmittel in vielen Legierungen ab. Die dendritische (bzw. zellu-
Fällen sichtbar machen. läre) Erstarrung wird hier aber unabhängig
von der Größe der thermischen Unterküh-
Das Wachsen des Kristalls beim Erstarren lung durch die konstitutionelle Unterküh-
erfolgt bei Metallen mit krz Gitter bevorzugt lung erzwungen (Abschn. 1.4.1.2).
senkrecht zu den Würfelflächen der Elemen-
tarzellen. Daraus ergibt sich eine räumliche Die Kornform hängt neben anderen Einflüs-
Anordnung des Kristalls, die als Dendrit oder sen sehr stark von der Art der Wärmeabfuhr
Tannenbaumkristall bezeichnet wird, Bild ab. Bei einer allseitig gleichmäßigen Abküh-
1-29. Allerdings muss betont werden, dass lung der Schmelze entstehen rundliche Ȋqui-
die dendritische Erstarrung bei reinen Werk- axiale« Körner. Wird die Wärme vorwiegend
stoffen nur entstehen kann, wenn die tatsäch- in eine Richtung abgeleitet, dann wächst der
liche Temperatur von der Phasengrenze flüs- Kristall von der Phasengrenze flüssig/fest ent-
gegen dem Temperaturgefälle sehr schnell,
K het
in der dazu senkrechten Richtung aber deut-
lich langsamer, s. Aufgabe 1-7, S. 113. Die
Kristallisationsgeschwindigkeit R

K hom
R het
entstehenden länglichen Stängel kristalle
sind z. B. für die Primärkristallisation einla-
R hom gig hergestellter bzw. großvolumiger Schweiß-
güter typisch, Bild 4-20b, S. 319. Bild 1-31
zeigt die ausgeprägte Stängelkristallbildung
Keimzahl K

(Transkristallisation) in einer NiCrAl-Guss-


legierung.

Unterkühlung D T In den meisten Fällen (vor allem wegen aus-


reichender Zähigkeit! und hoher Streckgren-
Bild 1-28
zen!) ist ein feinkörniges Gefüge erwünscht.
Einfluss der Unterkühlung DT metallischer Schmelzen
auf die Keimzahl K und die Kristallisationsgeschwin- Es kann bei der Primärkristallisation durch
digkeit R der Schmelze, bei homogener und heteroge- folgende Maßnahmen erreicht bzw. begüns-
ner Keimbildung, schematisch. tigt werden:
Abschn. 1.4: Phasenumwandlungen 27

– Die Gießtemperatur sollte nicht wesent- – Durch Zugabe hochschmelzender Legie-


lich über der Schmelztemperatur liegen, rungselemente, die als keimähnliche Sub-
weil anderenfalls die in technischen Legie- stanzen wirken. Der Werkstoff für Alumi-
rungen stets vorhandenen Fremdkeime nium-Schweißstäbe wird danach mit ei-
(z. B. Carbide, Nitride) weitgehend aufge- nigen zehnteln Prozent Titan legiert, wo-
löst würden. durch das Kornwachstum des hocherhitz-
– Mit zunehmender Abkühlgeschwindigkeit ten, flüssigen Schweißguts merklich be-
wächst die Keimzahl und damit die An- hindert wird.
zahl der Körner des Primärgefüges. Diese
Methode ist allerdings nur mit Vorsicht 1.4.1.2 Primärkristallisation
einsetzbar, weil z. B. bei härtbaren Stäh- von Legierungen
len härtere, sprödere martensitische Ge- Legierungen – also Werkstoffe, die aus min-
füge und ein rissbegünstigender Eigen- destens zwei Atomsorten bestehen – kristal-
spannungszustand entstehen können. Au- lisieren auf Grund charakteristischer Entmi-
ßerdem nehmen mit der Abkühlgeschwin- schungsprozesse an der Phasengrenze flüs-
digkeit die Temperaturdifferenzen zwi- sig/fest in einer komplizierten Weise. Die ent-
schen Rand und Kern zu, d. h. auch die stehenden vielfältigen Erstarrungsgefüge
(Abkühl-)Spannungen und die Rissgefahr hängen von der Legierungszusammenset-
werden größer. zung und den Abkühlbedingungen ab. Der
– Durch Impfen werden kurz vor Erreichen hierfür maßgebliche Mechanismus – die kons-
der Schmelztemperatur der Legierung titutionelle Unterkühlung – wurde erst in den
(meistens) artfremde Keime zugegeben. Fünfziger Jahren des 20. Jh.s von Rutter und
Diese Methode wird vorwiegend bei NE- Chalmers aufgeklärt.
Metallen, z. B. AlSi-Legierungen ange-
wendet.
Erstarrungsfront

TS
D T
Temperatur T

Temperatur T

D T

TS

Kristall Schmelze Kristall Schmelze

Abstand x Abstand x
a) b)

Bild 1-30
Einfluss des Temperaturgradienten D T/dx auf die
Form der entstehenden Kristallite. Die Schmelze be- Bild 1-31
steht aus einer Atomsorte ( DT = Unterkühlung). Stängelkristalle in einer NiCrAl-Gusslegierung.
a) dT/dx > 0:
Normaler Temperaturgradient in der Schmelze.
Die zum Kristallisieren erforderliche Temperatur- Man beachte, dass selbst technisch »reine«
abnahme erfolgt durch Wärmeableitung an der Werkstoffe, bedingt durch die Art ihrer Her-
Phasengrenze flüssig/fest. Die Kristallisation er- stellung (Art des Herstellprozesses, Art der
folgt in Form einer ebenen Erstarrungsfront. Erze usw.), verschiedene (verunreinigende)
b) dT/dx < 0: Elemente in unterschiedlicher Menge enthal-
Thermische Unterkühlung ( D T = T - TS £ 0) der
ten, die die Eigenschaften in unterschiedli-
Schmelze. Die in Richtung unterkühlte Schmelze
wachsenden (»einschießenden«) Kristallite können cher Weise beeinflussen. Für die folgenden
stängelförmige Dendriten bzw. andere Erstarrungs- Betrachtungen sind daher die meisten Werk-
strukturen (z. B. Zellgefüge) sein. stoffe als »legiert« anzusehen.
28 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Die an der Erstarrungsfront ablaufenden Vor- schung beruhende Erscheinung als konsti-
gänge lassen sich sehr anschaulich mit Hil- tutionelle Unterkühlung.
fe von Zustandsschaubildern (Abschn. 1.6.1)
erklären. Die Legierung L1, Bild 1-32a, schei- Je nach der Abkühlgeschwindigkeit, d. h.
det beim Unterschreiten der Liquidustempe- der Größe des realen Temperaturgradienten
ratur T0 feste Mischkristalle mit einem sehr G in der Schmelze und der Kristallisations-
geringen B-Gehalt (c1) aus. Die in die Schmel- geschwindigkeit R, entstehen Erstarrungsge-
ze zurückgedrängten B-Atome verteilen sich füge mit erheblich voneinander abweichen-
nach den Gesetzen der Diffusion direkt nach den Eigenschaften. Mit zunehmender Kris-
der Ausscheidung nicht gleichmäßig in der tallisationsgeschwindigkeit R nimmt die zum
Schmelze, sondern gemäß einer zeitabhän- Abbau des Konzentrationsstaus an der Pha-
gigen Verteilungsfunktion. In einem schma- sengrenze flüssig/fest zur Verfügung stehen-
len Bereich an der Phasengrenze bildet sich de Zeit ab, d. h., die konstitutionelle Unter-
dadurch in der Schmelze entsprechend Bild kühlung wird größer, Bild 1-33a.
1-32b ein Aufstau von B-Atomen.
Bei rascher Wärmeabfuhr und einer sehr ge-
Von der Phasengrenze fällt der B-Gehalt von ringen Menge gelöster Legierungselemente
cs auf c0. Die Folge ist eine kontinuierliche Ab- entsteht kein unterkühlter Schmelzenbereich,
nahme der Liquidustemperatur, wie Bild 1- sondern eine ebene Erstarrungsfront, Bild
32a zeigt. Die tatsächliche (reale) Tempera- 1-33a. Diese Erstarrungsform wird bei tech-
tur TReal ist in einer dünnen Schmelzenschicht nischen Schmelzen (üblicher Reinheit) prak-
'x stets geringer als TLi, Bild 1-32c. Dieser tisch nie beobachtet.
Schmelzenbereich ist also unterkühlt. Man
bezeichnet diese auf der Schmelzenentmi- Eine kleinere konstitutionell unterkühlte
cs Zone 'x begünstigt die Bildung gerichteter
L1 Zellstrukturen bzw. führt zu einem aus Dendri-
T0 ten und Stängelkristallen bestehenden Misch-
Gehalt an B

c0
Temperatur T

gefüge unterschiedlicher Regellosigkeit der


Anordnung, Bild 1-33a. Die Kristallite wach-
c1 sen beschleunigt und gerichtet in Richtung
des Schmelzeninneren durch den konstituti-
onell unterkühlten Schmelzenbereich hin-
A c1 c0 durch. Die glatte Erstarrungsfront wird insta-
Gehalt an B bil, es entstehen in die Schmelze »einschie-
a) b)
ßende« dendritische Stängelkristalle. Das ist
TReal
der für die Dendritenbildung entscheidende
T0
Mechanismus.
Temperatur T

TLi

Die Gefügeausbildung wird von der Größe


des vor der Erstarrungsfront liegenden kons-
titutionell unterkühlten Bereiches 'x beein-
D x
flusst. Mit zunehmender Größe ' x ändern
MK Schmelze sich einige wichtige metallphysikalische Ei-
c)
genschaften:
Bild 1-32 – Die dendritische Struktur wird ausgepräg-
Vorgänge bei der konstitutionellen Unterkühlung me- ter,
tallischer Schmelzen. – die Anordnung der Dendriten im Gefüge
a) Zustandsschaubild einer beliebigen Legierung, wird regelloser, und
b) Verlauf der Konzentration c des Elementes B an
– der Erstarrungsablauf kann sich grund-
der Phasengrenze flüssig/fest,
c) Verlauf der Temperatur T im Bereich der Phasen- sätzlich ändern, wenn sich durch heteroge-
grenze flüssig/fest. Dx ist die Dicke der konstitutio- ne Keimbildung eine zweite Erstarrungs-
nell unterkühlten Schmelzenschicht. front infolge einer großen konstitutionel-
Abschn. 1.4: Phasenumwandlungen 29

len Unterkühlung bildet. In der Mitte von Der Konzentrationsunterschied der Elemen-
Schweißnähten kann dadurch ebenso wie te bzw. Verunreinigungen ist innerhalb der
im Bereich der sog. »thermischen Mitte« stängelförmigen Dendriten ( Primärseige-
von Metallschmelzen eine feinkörnige(re) rung) – vor allem im Korngrenzenbereich –
Zone entstehen, wie es die Bilder 1-31 und im Vergleich zu den Zellstrukturen erheb-
4-3c deutlich zeigen. lich größer, Bild 1-33b und 33c.

Mit abnehmender Größe des konstitutionell Sind die an den Korngrenzen vorhandenen
unterkühlten Bereiches bilden sich Zellstruk- Legierungselemente nicht in der Matrix lös-
turen. Diese Gefügeausbildung ist für krz lich, dann ist die Heißrissneigung eines zel-
Metalle weniger typisch. Sie entsteht bei kfz lulären Gefüges geringer als die einer aus
Metallen häufiger, allerdings unter bestimm- dendritischem Gefüge (stängelförmiges oder
ten Bedingungen. globulitisches) bestehenden Matrix.

Ausbildung der Erstarrungsfront


Metallphysikalischer Konstitutionell unter-
Kristallform
Zusammenhang Parallel zur Wachs- Senkrecht zur Wachs- kühlter Bereich , x
tumsrichtung tumsrichtung

Dendriten, Dendriten, Dendriten, E


äquiaxial säulenförmig äquiaxial
Menge der Elemente in der Legierung

A B C D
Dendriten, D
säulenförmig

T
Zellen, E
dendritisch Zellen, C
dendritisch
D x
Zellen, B
Zellen, gerichtet
gerichtet x
ebene A
Erstarrung
ebene Erstarrung

G/ R
a)

Schmelze Schmelze

Dendriten Zellstruktur

a a a a

c max
Konzentration c
Konzentration c

c max
c0 c0
c1
c1

b) c)
Bild 1-33
Zur Entstehung der wichtigsten Erstarrungsstrukturen, vereinfacht nach Savage, Nippes und Miller.
a) Einfluss der Kristallisationsgeschwindigkeit R und des Temperaturgradienten G (bzw. der konstitutionell
unterkühlten Zone Dx) auf die Art der entstehenden Primärgefüge in Abhängigkeit von der Menge der gelös-
ten Legierungselemente.
b) Typische Verteilungsform der Legierungselemente (Primärseigerung) in dendritischen Strukturen, cha-
rakteristisch für die Erstarrung von Schweißgütern aus krz Werkstoffen.
c) Typische Verteilungsform der Legierungselemente in Zellstrukturen, charakteristisch für eine mittlere kons-
titutionelle Unterkühlung (häufiger bei kfz Werkstoffen, siehe z. B. Bild 4-98, S. 430).
30 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

1.4.2 Phasenumwandlungen Bei der weitaus häufigeren heterogenen Keim-


im festen Zustand bildung werden verschiedene Gitterbaufeh-
ler als Keim verwendet. Die keimbildende
Die Mehrzahl aller Phasenumwandlungen Wirkung dieser Defekte nimmt zu mit deren
im festen Zustand erfolgt durch thermische Energieinhalt ('GDef ):
Aktivierung (s. Abschn. 1.5) der beteiligten
'G  'GV  'GO  'GH  'GDef . [1-9]
Atomsorten. Die Umordnung der am Aufbau
der neuen Phase beteiligten Atome, d. h., die Wenn bei der Keimbildung Gitterdefekte »zer-
Keimbildung beginnt an Orten, die einen stört« werden, wird die Aktivierungsenergie
überdurchschnittlich hohen Energiegehalt der Keimbildung um diesen Energiebetrag
besitzen. ('GDef ) verringert.

Die für die homogene Keimbildung bei einer Die Form des (inkohärenten) Keims und des
Umwandlung mit Änderung der Kristall- Umwandlungsprodukts wird von der Größe
struktur erforderliche freie Bildungsenthal- der Verzerrungsenergie und der Oberflächen-
pie beträgt: energie des Keims bestimmt. Sind die Gitter-
konstanten von Keim und Matrix ähnlich,
'G  'GV  'GO  'GH. [1-8]
d. h. die Verzerrungsenergie klein und die
Hierbei ist 'GH die elastische Verzerrungs- Oberflächenenergie groß, dann entstehen
energie, die bei unterschiedlichen Gitterstruk- meistens kugelförmige Keime. Die Verzer-
turen von auszuscheidender Phase und Ma- rungsenergie ist bei scheibenförmigen Teil-
trix aufzubringen ist. Gl. [1-8] entspricht da- chen am kleinsten. Diese Keimform wird da-
mit bis auf den Verzerrungsanteil 'GH der her häufig bei kohärenten Ausscheidungen
für die Erstarrung von Schmelzen gültigen und GP-Zonen beobachtet.
Beziehung Gl. [1-6]. Der Oberflächenanteil
'GO kann zwischen sehr geringen Werten (z. Die Reihenfolge zunehmender Eignung ver-
B. bei kohärenten Ausscheidungen, Zwil- schiedener Gitterdefekte (d. h. zunehmen-
lingsgrenzen) und sehr großen (inkohären- der freien Enthalpie 'GDef ) für Orte einer he-
te Phasengrenzen, z. B. Großwinkelkorngren- terogenen Keimbildung lautet:
zen) variieren. – Leerstellen,
– Versetzungen,
Die homogene Keimbildung bei Umwandlun- – Stapelfehler,
gen im festen Zustand ist ähnlich wie beim – Korngrenzen bzw. Phasengrenzflächen,
Phasenübergang flüssig/fest sehr selten. Vor- – freie Oberflächen.
aussetzung ist die möglichst genaue Über-
einstimmung der Kristallgitter der sich aus- Korngrenzen sind besonders wirksame Be-
scheidenden Phase und der Matrix, anderen- reiche für eine Keimbildung, d. h., in feinkör-
falls wären elastische Verzerrungsenergien nigen Werkstoffen erfolgen Umwandlungs-
(sog. Kohärenzspannungen) die Folge, die die vorgänge – zumindest bei hohen Tempera-
Phasenumwandlung erschweren. Diese Be- turen – deutlich rascher als in grobkörnigen.
dingungen sind nur bei kohärenten Phasen- Versetzungen setzen die Grenzflächenener-
grenzen vorhanden, wie z. B. bei der Entste- gie nicht merklich herab. Allerdings können
hung der metastabilen GP-Zonen in ausschei- durch partielle Versetzungen Stapelfehler ent-
dungshärtenden Legierungen, s. Abschn. stehen, die als perfekt passende Netzebenen
2.6.3.3, S. 161. Ein weiteres wichtiges Bei- die Keimbildung verzerrungsfrei einleiten
spiel ist die nahezu homogene Keimbildung können.
der für Nickel-Superlegierungen wichtigen
g ’-Ausscheidung (Ni3Al, s. Abschn. 5.2.2.2.1, In Bild 1-34 sind einige diffusionskontrol-
S. 525). Die Gitterfehlanpassung beträgt hier- lierte Umwandlungen im festen Zustand und
bei nur maximal 2 % und die Oberflächen- ihre charakteristischen Kennzeichen und
energie ist sehr wahrscheinlich geringer als Merkmale an Hand geeigneter Zustands-
30 mJ/m2. schaubilder zusammengestellt.
Zustandsschaubild Reaktion Charakteristische Kennzeichen der Phasenumwandlung

Bei Ausscheidungsumwandlungen scheidet sich aus einem übersättigten Mischkristall


S S a a ’ eine stabile oder metastabile Phase b aus. Metastabile Phasen entstehen als Vorstu-
fen von Gleichgewichtsphasen (Nahentmischungen, Guinier-Preston-Zonen). Sie ha-
a a+ b
Ausscheidungsumwandlung: ben die gleiche Kristallstruktur wie die Matrix und bei unterschiedlicher Zusammenset-
b b
zung kohärente Phasengrenzflächen mit ihr. Zonen können nur entstehen, wenn die Bil-
a a+ b dung der Gleichgewichtsphase durch rasches Abkühlen unterdrückt wird. Ein folgen-
a+ b a’ ® a+ b
b des Auslagern ermöglicht die Entstehung der Zonen, wobei die Keimbildung der
Gleichgewichtsphase durch thermische Aktivierung noch nicht erreicht wird.
A BA BA B

Die eutektoide Umwandlung erfolgt diskontinuierlich. Diese Art der Umwandlung ent-
g z. B. Perlit steht, wenn die Keimbildungsgeschwindigkeit für eine kontinuierliche Umwandlung zu
gering ist. Da die beiden Phasen - z. B. des Umwandlungsgefüges Perlit a und Fe3C -
Eutektoide Umwandlung: sehr unterschiedliche Kohlenstoffgehalte haben, bilden sich im Korngrenzenbereich
a b
g® a+ b mit seinem höheren Kohlenstoffgehalt bevorzugt Zementitkeime bzw. in der unmittel-

l
baren (kohlenstoffverarmten) Umgebung Ferritkeime. Der Perlit entsteht durch eine ge-
g® a + Fe3C (Perlitreaktion) koppelte Bildung zweier neuer Phasen, wobei die Diffusionswege des Kohlenstoffs im
a+ b
ehemalige Austenit- Austenit nicht lang sind. Der Lamellenabstand l hängt von der Unterkühlung D T ab.
A B korngrenze Mit zunehmender D T wird l kleiner, d. h. die Härte des Gefüges größer.

In verschiedenen Legierungen liegen die Atome nur bei hohen Temperaturen annä-
a S hernd statistisch ungeordnet vor. Mit abnehmender Temperatur bilden sich in be-
T0
stimmter Weise geordnete, atomare Verteilungen. Nahentmischungen sind Anhäufun-
b Ordnungsumwandlung: gen gleicher Atome (Cluster sind ungeordnete, Zonen sind Orte geordneter Anhäufun-
a
gen). In Überstrukturen liegen die Atomsorten geometrisch geordnet vor. Sie bilden
a ungeordnet ® a’geordnet sich bei langsamer Abkühlung, wenn zwischen den Atomen A und B chemische An-
a’ ziehungskräfte herrschen. Je größer diese sind, um so weniger ausgeprägt sind die
b’
durch die metallische Bindung bestimmten Eigenschaften der Legierung: Der Werk-
A BA B stoff ist hart und spröde, d. h. als Bauwerkstoff wenig geeignet.

Bei verschiedenen Legierungssystemen (vor allem Cu - Zn - Legierungen) wird bei ra-


S b scher Abkühlung die Ausscheidung der a - Phase unterdrückt. Die b - Phase wandelt im
a - Feld ohne Konzentrationsänderung in die a - Phase um, ohne dass sich im Zweipha-
Massivumwandlung: senfeld (a + b ) a ausscheiden kann. Das Ergebnis wird als massive Umwandlung be-
a
zeichnet. Die a - Phase wächst sehr schnell in die umgebende Matrix, womit auch ihre
bc ® ac unregelmäßigen Phasengrenzflächen erklärt werden können. Da beide Phasen die
a b gleiche Zusammensetzung haben, sind Ferntransporte nicht erforderlich. Die Umwand-
lung wird durch thermisch aktivierte Sprünge an der a / g - Grenzfläche eingeleitet. Sie
A c B A B kann daher auch als eine diffusionslose zivile Umwandlung bezeichnet werden.
Abschn. 1.4: Phasenumwandlungen

Bild 1-34
31

Zusammenstellung einiger diffusionskontrollierter Phasenumwandlungen.


32 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

1.4.2.1 Diffusionskontrollierte Ausscheidungsumwandlung


Phasenumwandlungen Diese Phasenumwandlung kann nur erfol-
Der Ablauf einer diffusionskontrollierten gen, wenn in einem Mischkristall a die Lös-
Umwandlung lässt sich übersichtlich in Zeit- lichkeit einer Atomart B mit abnehmender
Temperatur-Umwandlungs-Schaubildern Temperatur abnimmt. Nach Unterschreiten
(ZTU) darstellen. Bild 1-35 zeigt diese Zusam- der Löslichkeitslinie (Segregatlinie) scheidet
menhänge beispielhaft für das Umwandlungs- sich aus den B-armen a-Mischkristallen eine
verhalten der g -MK.e in Eisen-Kohlenstoffle- B-reiche b-Phase aus, siehe z. B. Bild 1-64.
gierungen, charakterisiert durch die Umwand- Die hier ablaufenden Vorgänge sind für die
lungsgeschwindigkeit vum. Diese wird durch die Ausscheidungshärtung von großer Bedeu-
Unterkühlung 'T und den Massentransport tung. Genauere Hinweise hierzu sind in Ab-
als Folge von Diffusionsvorgängen bestimmt. schn. 2.6.3.3, S. 161, zu finden.
In der Nähe der Gleichgewichtstemperatur
können Diffusionsvorgänge leicht stattfin- b
den, die Umwandlungsneigung ist aber we- b a a’

gen der kleinen Unterkühlung 'T gering. Mit a

zunehmender Unterkühlung nimmt die Trieb-


c B,b c B, b
kraft der Umwandlung zwar zu, die Umwand-
lungsneigung ist aber ebenfalls gering, weil
Konzentration cB

die Platzwechselvorgänge der Atome nahe- c B,0 c B,0


zu eingefroren sind. Durch die gegenläufige
Wirkung der beiden Einflüsse entsteht ein c B,a c B,a
für die meisten Stähle im Bereich von etwa Abstand Phasengrenze x x
500 ’C ( T3) liegendes Maximum der Um- a) b)
wandlungsgeschwindigkeit. Diese Vorgänge
sind für das Verständnis der Umwandlungs- Bild 1-36
Konzentrationsverlauf bei der
vorgänge in Stählen von größter Bedeutung
a) kontinuierlichen,
(Abschn. 2.5.3, S. 145). b) diskontinuierlichen Ausscheidung, nach Schatt.
T1 Es bedeuten:
TA A1 g - MK cB,0 = Ausgangskonzentration der Matrixphase,
a - MK cB,a = Endkonzentration (B) der Matrixphase,
T1 cB,b = Endkonzentration der entstehenden Phase(n).
Temperatur T

(+ Fe3C)
D T

v1: »Gleichgewichtsperlit«
T2
T2
Die Ausscheidung erfolgt kontinuierlich oder
diskontinuierlich. Die b -Phase wächst bei
T3
der kontinuierlichen Ausscheidung wegen
der erforderlichen Ferntransporte der beteilig-
v2: feinstreifiger Perlit ten Atomarten meistens sehr langsam, Bild
T3 1-36a. Die Ausscheidungsphase kann sich
überall in der Matrix bilden, vorzugsweise
Ms
aber an Gitterdefekten (Versetzungen, Korn-
v1 v2 v3
grenzen), wobei sich an diesen Orten die Ma-
v3: feinststreifiger Perlit
trixzusammensetzung zeitabhängig kontinu-
Umwandlungsgeschwindigkeit v um
ierlich ändert.
Bild 1-35
Einfluss der Unterkühlung DT auf Gefügeform und Ausscheidungen, vor allem die an Korngren-
Umwandlungsgeschwindigkeit vum des (g Æ a)-Pha- zen, bilden sich nicht immer in allotriomor-
senübergangs eines eutektoiden Stahles (0,8 % C). Er pher (»nicht von eigenen Kristallflächen be-
wandelt bei T1 isothermisch in den »Gleichgewichts-
grenzt«), Widmannstättenscher oder nadelför-
perlit«, bei T2 in feinstreifigen, bei T3 in feinststreifigen
Perlit um. Mit zunehmender Umwandlungsgeschwin- miger Form, sondern vereinzelt auch diskon-
digkeit werden die Zementitlamellen feiner, die Härte tinuierlich, Bild 1-36b. Morphologisch ähnelt
der Umwandlungsgefüge wird größer. diese sehr der eutektoiden Reaktion. Das cha-
Abschn. 1.4: Phasenumwandlungen 33

rakteristische Kennzeichen dieser Umwand- Ordnungsumwandlung


lung ist die Bewegung der Korngrenzen mit Bei verschiedenen Legierungen sind die Ato-
den wachsenden lamellenförmigen Ausschei- me in der Matrix nur bei höheren Temperatu-
dungen a und b in die metastabile, übersät- ren statistisch verteilt. Unterhalb bestimm-
tigte Matrix a’. Die Ausscheidungen entste- ter Temperaturen erfolgt in den Legierun-
hen durch heterogene Keimbildung an den gen entweder eine Nahentmischung, oder es
Korngrenzen, nicht durch diskrete Keimbil- entstehen Überstrukturen, die durch eine re-
dung einzelner b-Kristallite. Die notwendi- gelmäßige geometrische Verteilung der ein-
gen Konzentrationsänderungen finden nur zelnen Atomarten gekennzeichnet sind, Ab-
an den inkohärenten Phasengrenzen a/b und schn. 1.6.2.5. I. Allg. ist das Auftreten von
Korngrenzen a’/a statt. Der Verlauf der Kon- Überstrukturen mit einer merklichen Erhö-
zentration an der Phasengrenze ist demnach hung der Festigkeit und Härte und einer oft
diskontinuierlich. Die diskontinuierliche Um- extremen Verringerung der Zähigkeit verbun-
wandlung erfolgt wegen der sehr viel größe- den. In technischen Konstruktionswerkstof-
ren Diffusionsgeschwindigkeit an Phasen- fen sind sie daher sehr unerwünscht bzw. sie
grenzflächen im Vergleich zur Gitterdiffusion müssen vermieden werden. Allerdings sind
sehr viel rascher. für ihre Bildung – sie entstehen bei tiefen Tem-
peraturen im festen Zustand, Bild 1-66a, S.
Die Form der Gleichgewichtsausscheidun- 54 – sehr lange Zeiten erforderlich.
gen ist von der Art des Gleichgewichts zwi-
schen der Korngrenzenenergie und der Ober- Massivumwandlung
flächenenergie der Phase abhängig, Häufig In verschiedenen Legierungen vor allem des
bilden sich linsenförmige Teilchen, Bild 1- Eisens, Kupfers, Silbers, Nickels u. a. tritt
13b. Bei einer kleinen Oberflächenenergie bei beschleunigter Abkühlung die sog. massi-
und einer ausreichend niedrigen Schmelz- ve Umwandlung auf, Bild 1-34 und Bild 1-37.
temperatur breitet sich die Phase großflä- Die Vorgänge hängen sehr stark von der Ab-
chig entlang der Korngrenzen aus, wodurch kühlgeschwindigkeit ab. Bei zunehmender
Heißrissigkeit, Korngrenzenkorrosion und Abkühlung entstehen bei diesen Legierungs-
(oder) Versprödung auftreten können. systemen nacheinander Korngrenzenausschei-
dungen ➊, platten- oder nadelförmige Um-
wandlungsgefüge (Widmannstättensche Mor-
phologie) ➋, massive ➌ und schließlich marten-
Temperatur T

massive
Umwandlung sitische Umwandlungsgefüge ➍.

Gemäß Bild 1-34 geht bei der massiven Um-


Martensit- wandlung die b -Phase ohne Änderung der
bildung
Zusammensetzung in die a-Phase über. Die-
Ausscheidung ser Vorgang erfordert lediglich die Bildung
einer anderen Kristallstruktur, er ähnelt da-
Ms mit dem Rekristallisationsprozess, nur läuft
er um Größenordnungen rascher ab. Die neue
Mf
Phase bildet sich an den Korngrenzen und
➍ ➌ ➋ ➊ wächst in die umgebende Matrix. Da beide
Zeit t Phasen gleiche Zusammensetzung haben,
Bild 1-37 müssen die Atome nur kleine thermisch akti-
ZTU-Schaubild eines Werkstoffs, der in massiver Weise vierte Sprünge über die Phasengrenze voll-
umwandelt. Die Abkühlgeschwindigkeit nimmt von ➊ ziehen. Die Bildung der neuen Phase, d. h.,
in Richtung ➍ zu. die Bewegung der Phasengrenzflächen er-
➊: Äquiaxiale (Korngrenzen-)Ausscheidung, folgt daher sehr schnell. Das ist auch die Ur-
➋: Widmannstättensche Morphologie der Ausschei-
dung (Platten, Nadeln), sache für die glattrandigen, aber irregulären
➌: massive Umwandlung, Korngrenzen der massiv gebildeten Phase.
➍: martensitische Umwandlung. Damit lässt sich diese Form der Umwand-
34 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

lung als diffusionslose thermisch aktivierte 1.4.2.2 Diffusionslose Phasenumwand-


Umwandlung definieren. Werkstoffe, die in lungen (Martensitbildung)
massiver Form umwandeln, können i. Allg. Der wirksamste Mechanismus einer Festig-
bei erhöhter Abkühlgeschwindigkeit auch keitserhöhung von kohlenstofflegierten Eisen-
martensitische bzw. martensitähnliche Gefü- werkstoffen ist die Martensitbildung (Um-
ge bilden, z. B. Bild 1-37, Kurve ➍. wandlungshärtung). Das martensitische Ge-
füge ist das härteste (bei höheren Kohlenstoff-
Polymorphe Umwandlung gehalten auch das sprödeste!) und damit auch
Manche Elemente und Legierungen können das am wenigsten verformbare aller metalli-
je nach Temperatur (und Druck) in unter- schen (Konstruktions-)Werkstoffe, wenn des-
schiedlichen Kristallstrukturen, sog. allotro- sen Kohlenstoffgehalt über etwa 0,2 % bis
pen Modifikationen, vorliegen. Diese Erschei- 0,3 % liegt. Auf der Eigenschaft »Härtbarkeit«
nung wird übergeordnet als Polymorphismus, beruht die herausragend wichtige Stellung
bei reinen Metallen gewöhnlich als Allotro- dieser Werkstoffe in der Praxis.
pie, die Phasenumwandlung als polymorphe
(allotrope) Umwandlung bezeichnet. Manche Für die Martensitbildung müssen die folgen-
Legierungen lassen sich durch eine sehr ra- den werkstofflichen und verfahrenstechni-
sche Abkühlung soweit unterkühlen, dass die schen Voraussetzungen erfüllt sein:
polymorphe Umwandlung nicht mehr über ❐ Der Werkstoff muss in zwei allotropen Mo-
Diffusionsvorgänge, sondern nur noch über difikationen vorliegen.
den diffusionslosen Umwandlungsmechanis- ❐ Die Löslichkeit der bei höherer Tempera-
mus (s. Martensitbildung, Abschn. 1.4.2.2) tur existierenden Phase für Legierungsele-
ablaufen kann. mente – in erster Linie Kohlenstoff – muss
größer sein als die Löslichkeit der bei der
Die wichtigste polymorphe Umwandlung ist niedrigeren Temperatur stabilen Phase.
zweifellos die (g  a )-Umwandlung in Eisen ❐ Die Abkühlung muss so schnell erfolgen,
bzw. Stahl. Bei überkritischer Abkühlung ent- dass keine Platzwechselvorgänge, insbe-
steht aus dem Austenit das technisch über- sondere der Kohlenstoff- und Eisenatome,
aus wichtige martensitische Gefüge, das ab- erfolgen können. Das geschieht, wenn die
hängig vom Kohlenstoffgehalt des Austenits sog. kritische Abkühlgeschwindigkeit vk
sehr hart sein kann, s. Abschn. 1.4.2.2. überschritten wird, Bild 1-38. Bei der wich-
tigen Werkstoffgruppe »Stahl« unterschei-
1000
det man die
°C
s – vuk: untere (Martensit entsteht erst-
800 mals in nachweisbaren Mengen) und
krit. Abkühlgeschwindigkeit vk

vok – vok: die obere kritische Abkühlge-


schwindigkeit (der Austenit wandelt
vuk
600 vollständig in Martensit um).

Die kritische Abkühlgeschwindigkeit wird


400 durch Kohlenstoff und nahezu alle anderen
Legierungselemente erniedrigt, weil die Mar-
tensitbildung erschwert wird, wie Bild 1-38
200
zeigt. Legierungselemente haben meistens
einen wesentlich größeren Atomdurchmes-
0
ser als Kohlenstoff, sie behindern also in ers-
0 0,4 0,8 1,2 1,6 % ter Linie dessen Beweglichkeit im Gitter. Mit
Kohlenstoffgehalt zunehmender Umwandlungsträgheit des Aus-
tenits wird die Härtbarkeit des Stahles verbes-
Bild 1-38
Abhängigkeit der oberen (vok ) und unteren (vuk ) kriti- sert (genauer die »Einhärtungstiefe« nimmt
schen Abkühlgeschwindigkeit vom Kohlenstoffgehalt zu), da seine kritische Abkühlgeschwindig-
in reinen Fe-C-Legierungen, nach Houdremont. keit verringert wird.
Abschn. 1.4: Phasenumwandlungen 35

Die in der Härtereitechnik erwünschte gro- Eisen-Kohlenstoff-Legierungen erfolgt dif-


ße Härtbarkeit der Stähle verringert aber ent- fusionslos und extrem schnell über eine koope-
scheidend ihre Schweißeignung, weil der aus- rative Scherbewegung von Atomgruppen bei
tenitisierte Teil der Wärmeeinflusszone beim tiefen Temperaturen (beginnend bei der Tem-
Abkühlen leicht in harten, rissanfälligen Mar- peratur T … Ms), d. h. großer Unterkühlung.
tensit umwandeln kann. Die Abkühlgeschwin- Die von den einzelnen Atomen während der
digkeit der austenitisierten Bereiche der Wär- Martensitbildung zurückgelegte Weg ist klei-
meeinflusszonen von Schweißverbindungen ner als die Gitterkonstante. Der Martensit
(Abschn. 4.1.3, S. 310) kann dann in den meis- hat daher die gleiche Zusammensetzung wie
ten Fällen wesentlich größer werden als die der Austenit.
kritische Abkühlgeschwindigkeit des Stah-
les, und die Martensitbildung ist unvermeid-
bar. In vielen Fällen ist damit eine ausgepräg-
te Rissbildung in der WEZ verbunden.

Der Bildungsmechanismus des Martensits


ist außerordentlich komplex und bis heute
noch nicht in allen Einzelheiten geklärt. Das
gilt vor allem für die Entstehung des Lanzett-
martensit. Die Umwandlung des kfz Auste-
nits in den (annähernd krz) Martensit bei

Bild 1-40
Entstehung des Martensitgitters aus dem kfz Gitter
nach Bain.
a) Die im kfz Gitter »vorgezeichnete« rz Zelle
b) wird durch Stauchen in der z- und Dehnen in den
x- und y-Richtungen
c) in die trz – nicht krz! – des Martensits überführt,
weil der eingelagerte C das raumzentrierte (rz)
Gitter in z-Richtung aufweitet (cMart > aMart ).

Der im kfz Gitter gelöste Kohlenstoff bleibt


nach der Umwandlung im Gitter des Marten-
sits zwangsgelöst und erzeugt zusammen
mit der niedrigen Umwandlungstemperatur
erhebliche (Umwandlungs-)Spannungen, d.
h. hohe Härten, Bild 1-39. Das Martensitgit-
ter wird durch den eingelagerten Kohlen-
stoff verzerrt, es ist also nicht mehr kubisch-,
sondern tetragonal-raumzentriert (trz), Bild
1-40. Wie in Abschn. 2.6.3.2, S. 160, beschrie-
ben, kann der beobachtete extreme Härte-
anstieg aber nicht allein mit dieser »Mischkris-
tallverfestigung« erklärt werden. Die eigent-
Bild 1-39
Lage des im tetragonal verzerrten a -Gitters zwangs- liche Ursache der Martensithärte sind Vor-
gelösten Kohlenstoffs bei der Martensitbildung in gänge während der Umwandlung, die weiter
Fe-C-Legierungen, nach Lipson und Parker. unten beschrieben werden.
36 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Eine der ältesten Theorien zur Martensitbil- gen notwendig (Gleitung oder Zwillingsbil-
dung ist der sehr anschauliche Bain-Mecha- dung), die der treibenden Kraft der Umwand-
nismus, Bild 1-40. Man erkennt, dass im kfz lung entgegenwirken, Bild 1-41. Das Ergeb-
Gitter bereits eine raumzentrierte Zelle (rz) nis ist vor allem bei den höher gekohlten Stäh-
»virtuell« vorgebildet ist. Die Abmessungen len ein stark fehlgeordnetes Gefüge (Zwillin-
des krz Martensitgitters lassen sich durch ge, Versetzungen), das die entscheidende Ur-
Stauchen des Gitters in der z-Richtung (et- sache für die beobachtete, extreme Martensit-
wa 20 %) und Dehnen in den anderen (etwa härte ist.
12 %) erreichen. Die gitterverändernde Verfor-
mung bei der Umwandlung des Austenits in Die gebildete Martensitmenge ist bei diesem
den Martensit ist mit dem Bain-Modell zu- athermischen, d. h. thermisch nicht aktivierba-
treffend beschreibbar. ren Umwandlungsmechanismus daher nur
von der Größe der Unterkühlung abhängig.
Aus geometrischen Gründen muss weiter- Diese erzeugt die für eine weitere Umwand-
hin während der Umwandlung an der Pha- lung notwendige plastische Verformung (s. a.
sengrenze Austenit/Martensit eine Gitterebe- Abschn. 1.5.2).
ne unverzerrt und ungedreht (invariant) blei-
ben. Diese sog. Habitusebene ist aber bei der M
einfachen Bain-Umwandlung nicht vorhan-
D GA ®
freie Enthalpie G

den! Die bei der gitterverändernden Defor-


mation an der Phasengrenze Austenit/Mar-
tensit entstehenden Verformungen müssten
zu einer makroskopisch sichtbaren Gestalt-
änderung (nicht Volumenänderung!) führen, GM
die aber tatsächlich nicht beobachtet wird.
Es sind also formerhaltende Gitterverzerrun-
D T = TG - Ms
GA

Ms TG Temperatur T
GM (GA) Volumenenthalpie des Martensits (Austenits)
TG Gleichgewichtstemperatur (Martensit/Austenit)
D T Unterkühlung
Ms Martensitstarttemperatur
a) b)
Bild 1-42
Abhängigkeit der freien Enthalpie der Phasen Auste-
nit und Martensit eines Stahls von der Temperatur,
schematisch, nach Vöhringer und Macherauch.

Dieses für die Martensitbildung typische Um-


wandlungsverhalten lässt sich mit Hilfe der
c) d) freien Enthalpie sehr anschaulich darstel-
len, Bild 1-42. Keimbildung und Keimwachs-
Bild 1-41
tum des Martensits erfolgen erst nach der Be-
Verformungsvorgänge bei der Martensitbildung, nach
Bilby und Christian. reitstellung einer entsprechend großen Ener-
a) Kfz Gitterebene mit eingezeichneter Elementarzel- gie 'GA  M, d. h. nach einer erheblichen Unter-
le, unverformt. schreitung der Gleichgewichtstemperatur TG
b) Das trz Gitter ist nicht allein durch eine homogene, um 'T bei Ms.
elastische Scherung erzeugbar.
c) Zum Erzeugen der Habitusebene und zum Erhal-
Die Martensitbildung beginnt bei einer be-
ten der Form sind Verformungen erforderlich, die
entweder durch Gleitprozesse oder stimmten Temperatur und endet bei einer von
d) durch den Mechanismus der Zwillingsbildung er- der chemischen Zusammensetzug abhängi-
zeugt werden können. gen bestimmten Temperatur:
Abschn. 1.4: Phasenumwandlungen 37

– Ms Martensite starting temperature – Legierungselemente und Kohlenstoff ver-


(Beginn), ringern die kritische Abkühlgeschwindig-
– Mf Martensite finishing temperature keit, Bild 1-38, d. h., sie erhöhen die Gefahr
(Ende). einer Martensitbildung in den austeniti-
sierten Bereichen der Wärmeeinflusszo-
Mit zunehmendem Kohlenstoff- und Legie- nen von Schweißverbindungen.
rungsgehalt im Austenit wird die Martensit- – Bei unlegierten Stählen mit niedrigem
bildung erschwert, da die aufzuwendende Kohlenstoffgehalt (… 0,2 %) sind die kri-
plastische Verformung für die erforderliche tischen Abkühlgeschwindigkeiten i. Allg.
Gitterstauchung von etwa 20 % wegen der wesentlich größer, als die bei halbwegs
größer werdenden tetragonalen Verzerrung fachgerechten Fertigungsbedingungen
zunimmt. Ebenso wie vok muss also auch die entstehenden Abkühlgeschwindigkeiten
Ms-Temperatur abnehmen. im Schweißteil. Eine Martensitbildung
ist daher ebenso wie die Entstehung von
Die Martensithärte, d. h., die Höchsthärte Kaltrissen praktisch ausgeschlossen.
des Stahles, hängt ausschließlich von der Sollte sich durch ungeeignete Einstellwer-
Menge des zwangsgelösten Kohlenstoffs ab, te oder eine falsche Wärmebehandlung (z.
Bild 1-43. Legierungselemente erniedrigen B. keine Vorwärmung!) bei diesen Stäh-
die kritische Abkühlgeschwindigkeit, erleich- len Martensit gebildet haben, so ist ein
tern demnach den technischen Härteprozess, Versagen durch Rissbildung trotzdem un-
beeinflussen aber im großen Umfang das Um- wahrscheinlich, da dieser zwar hart, aber
wandlungsverhalten des Austenits d. h. die erstaunlich risssicher ist. Diese Tatsache
Art und die Menge und damit auch die Eigen- ist die Grundlage für die Entwicklung der
schaften der entstehenden Gefügebestand- schweißgeeigneten vergüteten Baustäh-
teile (Abschn. 2.5.3, S. 145). le, Abschn. 2.7.6.3, S. 197.

Aus den bisherigen Ergebnissen lassen sich


einige wesentliche Informationen über das zu
erwartende Schweißverhalten umwandlungs-
fähiger Stähle ableiten:
– Die Härte (Fehlordnungssystem, Gitterver-
spannung) und damit die Rissneigung ei-
nes martensitischen Gefüges nimmt mit
dem Kohlenstoffgehalt zu, Bild 1-43.
80
Martensit
100 %
Rockwellhärte HRC

99,5 %
60
95 %
50 %

40

20
Bild 1-44
Mikroaufnahme eines martensitischen Gefüges. Werk-
0
stoff: CuAl12, Wärmebehandlung: 900 ∞C/30’/Eis-
0 0,2 0,4 0,6 0,8 % 1,0 wasser, V = 250 :1, Eisenchlorid, BAM.
Kohlenstoffgehalt
Martensitische Umwandlungen werden auch
Bild 1-43
Einfluss des Kohlenstoffgehaltes auf die Höchsthärte in anderen Legierungen beobachtet, z. B. bei
unlegierter und legierter Stähle für unterschiedliche Ti, Fe-Ni, Cu-Sn, Cu-Al, Bild 1-44. Eine wich-
Martensitgehalte, nach Burns, Moore, Archer. tige Besonderheit der martensitischen Ge-
38 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

füge ist ihre bei kleineren Kohlenstoffgehal- Die Bezeichnung metastabiler Zustand ist
ten lanzettenförmige, Bild 2-17, S. 142, bei nicht gleichzusetzen mit geringer Stabilität.
höheren plattenförmige Erscheinungsform, Diese ist ausschließlich von der Größe der
Bild 1-45. Sie beruht auf der bei tiefen Tem- Aktivierungsenergie abhängig, also von der
peraturen ablaufenden athermischen Bil- Neigung des Körpers, seinen gegenwärtigen
dung des Martensits, die zu einem extrem Zustand ändern zu wollen. Ein typisches Bei-
schnellen, »schlagartigen« Wachstum der Mar- spiel ist die metastabile Verbindung Fe3C.
tensitnadeln führt. Die Aktivierungsenergie zum Erzeugen des
stabilen Zustandes »Kohlenstoff« ist so groß,
dass sich bei den meisten technischen Anwen-
1.5 Thermisch aktivierte dungsfällen die Verbindung als ausreichend
Vorgänge stabil erweist.

1.5.1 Diffusion Die für jede Zustandsänderung notwendi-


gen Platzwechselvorgänge werden daher als
Jede Zustandsänderung in einem festen Kör- thermisch aktiviert bezeichnet. Mit Ausnah-
per verläuft unter Abnahme der (freien) En- me der Martensitbildung sind bei praktisch
thalpie G. Sie erreicht im thermodynamischen allen Phasenänderungen Platzwechsel der
Gleichgewicht ein Minimum, Bild 1-46. Meta- beteiligten Atomsorten erforderlich, Abschn.
stabile Zustände sind durch relative Energie- 1.4. Diese stark temperaturabhängige Wan-
minima gekennzeichnet. Es ist bemerkens- derung der Atome, Ionen und anderer Teil-
wert, dass Zustandsänderungen (z. B. von x1 chen wird Diffusion genannt.
nach x2) das Überschreiten einer Energiebar-
riere erfordern. Dem Körper muss also eine Die Diffusion verläuft in homogenen Werk-
bestimmte Energie QA zugeführt werden, um stoffen richtungslos. Diese statistisch unge-
den Vorgang zu aktivieren. Die Größe QA wird ordnete Bewegung wird Selbstdiffusion ge-
daher auch Aktivierungsenergie genannt, s. nannt. In inhomogenen Körpern entsteht
Abschn. 1.4.1.1. Sie kann z. B. durch Tempe- aber durch das Bestreben nach einem Kon-
raturerhöhung oder Kaltverformung aufge- zentrationsausgleich eine gerichtete Teilchen-
bracht werden. bewegung (= stationär), die in der Regel mit
einem merklichen Massentransport verbun-
den ist. Quantitativ wird dieser Vorgang mit
dem ersten Fickschen Gesetz beschrieben:
d mA dc
J= = − D ⋅ A ⋅ S. [1-10]
dt dx
J ist der auf die Zeiteinheit bezogene Materi-
alfluss der Teilchen A (d mA / dt = m ˙ A ) , der
durch eine Fläche (S) senkrecht zur Diffusions-
richtung bei einem Konzentrationsgefälle
(dcA /dx) wandert, Bild 1-47. D ist der für das
Metall charakteristische, konzentrationsun-
abhängige Diffusionskoeffizient, für den die
Arrhenius-Gleichung gilt:
⎛ Q ⎞
D = D0 ⋅ exp ⎜ − A ⎟ . [1-11]
⎝ R T⎠
D0 Diffusionskonstante,
Bild 1-45
QA Aktivierungsenergie des Diffusions-
Mikroaufnahme eines »nadelförmigen« Martensits mit
größeren Anteilen von Lanzettmartensit, s. a. Bild vorganges in J / mol,
2-17, S. 142. Werkstoff C60, Wärmebehandlung: R Gaskonstante 8,314 J/K¹mol,
830 ∞C/25’/Wasser, V = 1000:1, BAM. T Temperatur in K.
Abschn. 1.5: Thermisch aktivierte Vorgänge 39

Die Aktivierungsenergie ist ein Maßstab für Mechanismus könnte auch in völlig »fehler-
die Schwierigkeit, den Diffusionsvorgang ein- freien« Werkstoffen ablaufen. Damit wird z.
zuleiten. D0 ist die Diffusionskonstante, die B. auch die extreme Wirkung des Wasser-
die Schwingungsfrequenz, d. h. die Eigenbe- stoffs wenigstens z. T. verständlich. Wasser-
weglichkeit der Atome kennzeichnet. stoff besitzt den kleinsten Atomdurchmesser
aller Elemente, es kann daher bei gegebener
Temperatur und Zeit größere Bereiche des
Werkstoffs durchdringen (und damit schädi-
freie Enthalpie G

gen) als jede andere Atomsorte.


QA
Bei sonst gleichen Bedingungen wird die Dif-
fusion der Atome mit abnehmender Aktivie-
rungsenergie erleichtert. Aus diesem Grund
ist die Beweglichkeit der Atome auf Netzebe-
x1 x2 nen im Gitterverband gering, im Korngren-
Zustandsänderung x zenbereich größer und auf freien Oberflächen
am größten. Auf dieser Tatsache beruht z. B.
Bild 1-46
die Möglichkeit, Ausscheidungen und Verun-
Abhängigkeit der freien Enthalpie G von der Zustands-
änderung x, QA = Aktivierungsenergie. QA ist erforder- reinigungen im Bereich der Korngrenzen mit
lich, um die Zustandsänderung z. B. von x1 nach x2 einer Wärmebehandlung lösen zu können, oh-
einzuleiten, d. h. sie zu aktivieren. ne dass die Eigenschaften des Gefüges merk-
lich verändert werden. Die möglichst gleich-
Die Platzwechselmechanismen der Atome in mäßige Verteilung der Korngrenzensubstanz
Festkörpern sind in Bild 1-48 dargestellt. in der Matrix verbessert die Gütewerte des
Danach ist der direkte Platzwechsel (z. B. in Werkstoffs erheblich 4).
einem idealen Gitter) aus energetischen Grün-
den unwahrscheinlich, weil die Aktivierungs-
energie für diesen Vorgang zu groß ist. Ein-
facher kann eine Atomumordnung über Leer-
stellen erfolgen. Ihre Anzahl und die Schwin-
gungsweiten der Atome nehmen mit der Tem-
peratur zu, die Diffusion wird erleichtert.
Der Zwischengittermechanismus ist umso
wirksamer, je kleiner die Durchmesser der
eingelagerten Atome im Vergleich zu den Ma-
Bild 1-48
trixatomen sind. Eine Diffusion nach diesem
Platzwechselmechanismen im Gitter.
D cA = cA2 - cA1 < 0 a) Direkter Platzwechsel,
D x = x2 - x 1 > 0 b) Leerstellenmechanismus,
D cA c) Zwischengittermechanismus.
Konzentration cA

cA1 < 0
D x
D cA

Es ist verständlich, dass die Packungsdichte


Daher steht in Gl. [1-10]
cA2
ein Minuszeichen, um
die Beweglichkeit der Atome im Gitter ent-
Dx positive Materialflüsse J scheidend beeinflusst. Die Selbstdiffusion
zu erhalten
x1 x2 und die Diffusion von Legierungselementen
Diffusionsrichtung x ist im kfz g -Fe größenordnungsmäßig um
S

4)
Die Vorgänge laufen in der beschriebenen Form
allerdings nur dann ab, wenn die Korngrenzensub-
Bild 1-47 stanz bei der gewählten Glühtemperatur löslich
Zur Ableitung des durch Diffusionsvorgänge entste- ist. Anderenfalls tritt eine Koagulation ein, wo-
henden Materialflusses J. cA ist die Konzentration der durch die Gütewerte in den meisten Fällen aber
diffundierenden Substanz »A«. auch verbessert werden.
40 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

den Faktor 100 bis 1000 kleiner als im krz Beispiel 1-4:
a-Fe. Bei hohen Betriebstemperaturen ist Es ist die maximale Eindringtiefe des Nickels (sie ist ge-
daher die Verwendung der thermisch weni- ringer als die Hälfte der sog. Diffusionsschichtdicke,
s. a. Aufgabe 3-4, S. 291) beim Löten (Arbeitstempera-
ger stabilen krz Werkstoffe nicht empfehlens-
tur TA O 1000 ’C) eines austenitischen Cr-Ni-Stahls mit
wert, da bei ihnen thermisch aktivierte Platz- einem Nickelbasislot (z. B. NI 103) abzuschätzen. Mit
wechsel, d. h. Kriechvorgänge, sehr viel leich- QA(Ni Æ kfz Fe) = 267 900 J/mol und der Diffusionskons-
ter stattfinden können. tanten D0(Ni Æ kfz Fe) = 4,1 cm2/s ergibt sich bei einer Löt-
dauer von 120 s der Wert D für die Diffusion von Ni
Den »mittleren« Diffusionsweg xm kann man im kfz Eisengitter nach Gl. [1-11] zu:
mit der Beziehung abschätzen: Ê 267 900 ˆ
D = 4, 1 ◊ exp Á - = 4,17 ◊ 10 - 11 cm 2/s.
Ë 8,314 ◊ 1273 ˜¯
xm = D◊ t. [1-12]
2
Aus Gl. [1-13] ergibt sich xmax zu:
D Diffusionskoeffizient in cm /s,
t Glühzeit in s. cm 2
xmax = 3 ◊ D ◊ t = 3 ◊ 4,17 ◊ 10 - 11 ◊ 120 s
s
Es ist beachtenswert, dass die maximale Ein- xmax = 3 ◊ 71 ◊ 10 - 6 -6
cm = 3 ◊ 0,71 ◊ 10 m O 2 m m .
dringtiefe grundsätzlich nicht mehr als eini-
ge D ⋅ t beträgt. Für Die Eindringtiefe der Atome liegt beim (Hart-)Löten
erfahrungsgemäß im Bereich einiger m m. Der berech-
xmax ≥ 3 ⋅ D ⋅ t ≥ 3 ⋅ xm [1-13] nete Wert gibt die zu erwartende Größenordnung für
xmax damit näherungsweise »richtig« an.
bleibt z. B. abhängig von der Glühzeit t, dem
Diffusionskoeffizienten D – und damit auch
der Temperatur T – die Konzentration c des
diffundierenden Elementes annähernd kons-
tant, d. h., in größeren Tiefen als xmax finden
praktisch keine Diffusionsvorgänge mehr 1.5.1.1 Nichtstationäre Diffusionsvorgänge
Dynamische, d. h., nichtstationäre Vorgänge lassen
statt, s. a. Bild 1-49. sich mit dem wesentlich komplizierteren zweiten
Fickschen Gesetz, Gl. [1-14], beschreiben:
∂c ∂2c
= D⋅ 2 . [1-14]
Beispiel 1-3: ∂t ∂x
Es ist die mittlere Eindringtiefe xm des Kohlenstoffs Für verschiedene nichtstationäre Prozesse existieren
in g -Eisen beim Aufkohlen (TAufk = 1000 ∞C, Glühzeit Lösungen der Differentialgleichung Gl. [1-14] unter
t = 10 h) zu berechnen. Der Diffusionskoeffizient im Berücksichtigung prozesstypischer spezieller Rand-
g -Eisen beträgt bei 1000 ∞C etwa 4◊10-7 cm2/s. bedingungen. Eine für den Aufkohlungsprozess von
Stählen gültige Lösung ist z. B.:
Bei einer Glühzeit von 10 h (O4 ◊ 10 4 s) ergibt sich xm
gemäß Gl. [1-12] zu: cs − cx,t ⎛ x ⎞
= erf ⎜ ⎟ = erf (ζ ). [1-15]
2 cs − c0 ⎝ 2 ⋅ D⋅ t ⎠
-7 cm
xm = 4 ◊ 10 ◊ 4 ◊ 10 4 s O 0,13 cm.
s In Gl. [1-15] bedeuten:
In einem Abstand von xmax ≥ 3◊ xm O 0,39 cm (gemessen cs Konstante Ausgangskonzentration der Atom-
von der Phasengrenze aufkohlendes Mittel/Werkstück) sorte A an der Werkstückoberfläche,
bleibt die dort vorhandene Kohlenstoffkonzentration c0 gleichmäßige Konzentration der diffundie-
bei einer Glühtemperatur von 1000 ∞C und einer Glüh- renden Atome A im Werkstoff,
zeit von £ 4◊10 4 s völlig ungeändert. cx,t Konzentration der Atomsorte A im Abstand
Bei Kenntnis von D0 und QA lässt sich der Diffusions- x von der Werkstückoberfläche zur Zeit t,
koeffizient D nach Gl. [1-11] in Abhängigkeit von der erf (z ) nichtelementares Gausssches Fehlerintegral
Temperatur genauer berechnen. ( Errorfunktion, liegt tabelliert vor).
Mit aus Tabellenwerken entnehmbaren Werten für Damit lässt sich die Konzentration einer diffundie-
QA = 137 700 J/mol und D0 = 0,23 cm2/s, ergibt sich D renden Substanz im Bereich der Oberfläche in Ab-
bei T = 1000 + 273 = 1273 K zu: hängigkeit vom Abstand x und der Zeit t berechnen.
Voraussetzung für die Gültigkeit ist die Konstanz
Ê 137 700 ˆ des Diffusionskoeffizienten D und der Konzentratio-
D = 0, 23 ◊ exp Á - = 5,14 ◊ 10 - 7 cm 2/s.
Ë 8,314 ◊ 1273 ˜¯ nen cs und c0.
Abschn. 1.5: Thermisch aktivierte Vorgänge 41

Beispiel 1-5: In manchen Fällen ist die Kenntnis der zum Homoge-
Die Oberfläche eines unlegierten Kohlenstoffstahls nisieren einer inhomogenen Legierung erforderli-
(c0 = 0,1 % C) soll in einer kohlenstoffhaltigen Atmosphä- chen Zeit notwendig. Die Änderung der Konzentra-
re mit cs = 1,1 % C bis zu einer Tiefe von angenähert tion cA des Legierungselements A im Gefüge lässt sich
xa = 1 mm = 0,1 cm auf cx,t = 0,5 % C aufgekohlt werden. im einfachsten Fall mit einem sinusförmigen Ver-
Der Prozess soll bei verschiedenen Temperaturen statt- lauf beschreiben, Bild 1-50.
finden. Aus Gl. [1-15] ergibt sich:
cA - Verlauf für t = 0
cs - cx , t 1,1 - 0,5 Ê 1 ◊ 10 - 1 ˆ
= = 0,6 = erf Á = erf ( z ). cA - Verlauf für t = t
cs - c0 1,1 - 0,1 Ë 2 ◊ D ◊ t ¯˜

c0
Konzentration cA
⎛ 0,5 ⋅ 10 − 1 ⎞
Aus erf (ζ ) = 0,6 folgt ζ = ⎜ ⎟ = 0,5912.
cm
⎝ D⋅t ⎠

0, 25 ◊ 10 - 2 0,714 ◊ 10 - 2 l
Damit wird : = 0,35 ; D = .
D◊t t
Ortskoordinate x
Für Kohlenstoff in g -Eisen ist D0 = 0,23 cm2/s und
QA = 137 700 J/mol. Damit wird gemäß Gl. [1-11]: Bild 1-50
Konzentrationsänderung bei einem sinusförmigen Ver-
Ê 16 562 ˆ lauf der Konzentration cA .
D = 0,23 ◊ exp Á - 2
˜ cm / s.
Ë T ¯
Durch Gleichsetzen der beiden Beziehungen für D er- Zur Zeit t 0 ist das Konzentrationsprofil cA der Atom-
gibt sich die gesuchte Abhängigkeit t = f ( T) zu: sorte A durch die Beziehung gegeben:

0,714 ◊ 10 - 2 ⎛ π x⎞
Ê 16 562 ˆ cA = cm + c0 ⋅ sin ⎜ ⎟ . [1-16]
= 0,23 ◊ exp Á - ˜ ⎝ λ ⎠
t Ë T ¯
Ê 16 562 ˆ Hierin bedeuten cm die mittlere Konzentration, c0 die
t = 0,031 ◊ exp Á s.
Ë T ˜¯
Amplitude der ursprünglichen Konzentration und
l die halbe »Wellenlänge«. 2 ¹ l entspricht etwa dem
Mit diesen Angaben können verschiedene Wärmebe- mittleren Dendritenabstand. Unter der Annahme,
handlungsvorschriften (aber Entstehung von Grob- dass D DA unabhängig von der Konzentration ist,
korn beachten!) ermittelt werden, z. B.: ergibt die Lösung der Gl. [1-14] für diesen Fall:
T = 900 ’C = 1173 K, t = 42007 s = 11,67 h, ⎛ π x⎞ ⎛ − t⎞
cA = cm + c0 ⋅ sin ⎜ ⎟ ⋅ exp ⎜ ⎟ . [1-17]
T = 1100 ’C = 1373 K, t = 5372 s = 1,49 h. ⎝ λ ⎠ ⎝ τ ⎠
Der Konzentrationsverlauf in Abhängigkeit von der In Gl. [1-17] ist t eine Konstante, die auch als Rela-
Aufkohlungstiefe bei verschiedenen Wärmebehand- xationszeit bezeichnet wird. Für diese gilt:
lungszeiten ti ist in Bild 1-49 dargestellt. λ2
τ= . [1-18]
π2 ⋅ DA
cs Die maximale Amplitude des Konzentrationsverlaufs
t1 < t2 < t3 T = konst.
cmax ergibt sich für x l/2 zu:
Konzentration c

xm = D t× 1 ⎛ − t⎞
c0 = cmax = exp ⎜ ⎟ . [1-19]
⎝ τ ⎠
cs + c0
2 Nach einer Glühzeit von z. B. t t wird gemäß Gl.
[1-19] cmax 1/e 1/2,71 0,37, für eine Glühzeit von
xm t1 t2 t3 t 2¹t wird cmax 1/e2 0,14. Der Verlauf für t t ist in
Bild 1-50 als gestrichelte Linie dargestellt. Gl. [1-18]
c0 lässt erkennen, dass der Prozess der Homogenisie-
x max l 3 × x m rung quadratisch von der »Wellenlänge« l des Konzen-
trationsprofils abhängt. Ein Konzentrationsausgleich
Ortskoordinate x ist daher bei den großvolumigen Blockseigerungen
wirtschaftlich nicht erreichbar.
Bild 1-49
Konzentrationsverläufe des diffundierenden Kohlen-
toffs (Beispiel 1-5) für drei unterschiedliche Zeiten Beispiel 1-6:
t1 < t2 < t3 bei T = konst. in einem halbunendlichen Die Ni-Cu-Legierung NiCu60 soll bei 1250 ’C homo-
Stab. Die Oberflächenkonzentration beträgt während genisiert werden (s. Bild 5-18, S. 519). Aus Schliff-
des gesamten Prozesses c = cs. bildern wird ein mittleres l von 0,1 mm = 0,01 cm ent-
42 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

nommen. Es ist die Glühzeit für t = 2 ◊ t zu berechnen. 1.5.2 Erholung und Rekristallisation
Die Amplitude der Cu-Konzentration soll also auf et-
wa 14 % der ursprünglichen Höhe (c0 ) abnehmen.
Die z. T. extreme Zunahme der Anzahl der
Zunächst ist der Diffusionskoeffizient DCuÆNi von Cu Versetzungen als Folge einer Kaltverformung
in Ni zu bestimmen. Aus Tabellenwerken entnimmt (Kaltverfestigung) führt zu einschneidenden
man QA = 257 500 J/mol und D0 = 0,65 cm2/s. Damit
erhält man mit T = 1250 + 273 = 1523 K aus Gl. [1-11]
Änderungen vieler Werkstoffeigenschaften.
den Diffusionskoeffizienten DCuÆNi: Die sehr wichtige technologische Eigenschaft
Schweißeignung z. B. wird in erster Linie
Ê 257 500 ˆ cm2
DCuÆ Ni = 0,65 ◊ exp Á - = 9,57 ◊ 10 - 10 . durch den starken Anstieg der Festigkeit und
Ë 8,314 ◊ 1523 ¯˜ s
Härte und den erheblichen Abfall der Zähig-
Das gesuchte t wird aus Gl. [1-18] berechnet zu: keitswerte beeinträchtigt.
λ2 10 − 4 ⋅ 10 10
τ= = = 1,06 ⋅ 10 4 s ≈ 3 h.
π 2 ⋅ DCu→ Ni 9,87 ⋅ 9,57 Beim Schweißen kaltverformter Werkstoffe
werden daher in bestimmten Bereichen ne-
Der gewünschte Verlauf der Cu-Konzentration ergibt ben der Schweißnaht die Eigenschaften des
sich nach einer Glühzeit von t = 2◊t = 6 h. Bei einem l
von nur 1 mm ergäbe sich der völlig unrealistische Wert
kaltverformten Werkstoffes durch die Rekris-
von t = 600 h! tallisation weitgehend verändert (s. Abschn.
1.3). Im Wesentlichen beruhen die Schweißpro-
Die Diffusionsvorgänge im Bereich der »Bindestelle« bleme also auf der Entstehung eines Gefüge-
einer stoffschlüssigen Verbindung aus zwei unter-
schiedlich zusammengesetzten Werkstoffen mit den
kontinuums mit extrem unterschiedlichen
Konzentrationen c1 und c2 werden mit der folgenden und ungünstigen mechanischen Gütewerten.
speziellen Lösung der Gl. [1-14] berechnet: Bei unlegierten Stählen muss außerdem mit
dem Auftreten der zähigkeitsvermindernden
Êc +c ˆ Êc -c ˆ Ê x ˆ
c ( x; t ) = Á 1 2 ˜ - Á 1 2 ˜ ◊ erf Á . [1-20] Verformungsalterung gerechnet werden (Ab-
Ë 2 ¯ Ë 2 ¯ Ë 2 ◊ D ◊ t ˜¯ schn. 3.2.1.2, S. 240).

Als Folge der plastischen Verformung wird


Energie im Werkstoff gespeichert, die im We-
Beispiel 1-7:
sentlichen aus der Verformungsenergie und
Ein Stab aus Armco-Eisen (c2 = 0 %) wird mit einem
Stab aus Vergütungsstahl (c1 = 0,4 %) verschweißt.
der Verzerrungsenergie der Versetzungen be-
Welchen C-Gehalt hat der Armco-Stab bei x = 1 mm steht. Nach einer ausreichenden thermischen
nach einer Glühbehandlung T = 1273 K; t2 = 10 h? Aktivierung (z. B. Erhöhen der Temperatur)
Mit D = 5,14 ◊ 10 - 7 cm2/s aus dem Beispiel 1-3, S. 40, wird nach Überschreiten einer Schwellentem-
erhält man mit Gl. [1-20] bei x = 0,1 cm und t2 = 10 h peratur der Energiegehalt des instabilen Ge-
= 36000 s die Konzentration c(0,1; 36000) = cM : füges abgebaut. Der Werkstoffzustand nä-
⎛ 0,1 ⎞ hert sich dadurch dem thermodynamischen
cM = 0,2 − 0,2 ⋅ erf ⎜ ⎟ = 0,12 %. Gleichgewichtszustand. Sämtliche durch das
−3
⎝ 2 ⋅ 5,14 ⋅ 3,6 ⋅ 10 ⎠
Kaltverformen hervorgerufenen Änderungen
Den Verlauf der C-Konzentration zeigt Bild 1-51. der Eigenschaften werden rückgängig ge-
c1 t= 0 t1 < t2
macht. Das geschieht in mehreren Stufen:
– Erholung,
%
– Rekristallisation,
Konzentration c

t1
0,12 %
– Kornwachstum.
cM t2 = 10 h = 36 000 s
c2 Während der Erholung werden die mechani-
schen Gütewerte kaum geändert, die physi-
0 x = 0,1 cm
kalischen Eigenschaften erreichen im We-
Ortskoordinate x
sentlichen die vor der Kaltverformung vor-
Bild 1-51
handenen Werte. Die Zahl der Versetzungen
Konzentrationsverläufe c1 und c2 eines diffundierenden
Elementes in zwei halbunendlichen Stäben (verbunden bleibt weitgehend erhalten, sie lagern sich
z. B. durch Schweißen) für zwei unterschiedliche Zeiten aber durch thermisches Aktivieren in ener-
t1 < t2. Zahlenwerte s. Text zu Beispiel 1-7. gieärmere Zustände um (Abschn. 1.2.2.1).
Abschn. 1.5: Thermisch aktivierte Vorgänge 43

Die mechanischen Gütewerte ändern sich Körner des rekristallisierenden Gefüges er-
erst oberhalb der Rekristallisationstempera- setzt, ähnlich wie bei der Primärkristallisa-
tur TRk, bei der sich neue, unverformte (also tion die Schmelze durch Kristallite. Der Vor-
weiche), energiearme Körner zu bilden be- gang ist beendet, wenn sich die Körner gegen-
ginnen. Bild 1-52 zeigt schematisch die Än- seitig berühren.
derung der Bruchdehnung und der Zugfes-
tigkeit von Reinkupfer in Abhängigkeit vom
Kaltverformungsgrad j und der Glühtem-
peratur T.

Die treibende Kraft der der Primärkristallisa-


tion vergleichbaren Rekristallisation ist die
Verzerrungsenergie der Versetzungen, deren
Anzahl dabei auf den Wert vor der Kaltverfor-
mung fällt. Eine genauere Untersuchung
zeigt, dass die auf das Werkstück übertrage-
ne Arbeit die maßgebende Größe der Rekris-
tallistion ist. Da der Werkstoff nicht gleichmä-
ßig verformt wird, wirken die besonders stark
verformten Bereiche (»Kerne«) als Keime für
den Rekristallisationsvorgang, Bild 1-53. Ih-
re Anzahl nimmt mit steigendem Verformungs-
grad zu. Ausgehend von diesen Kernen wird Bild 1-53
das verformte Gefüge durch die wachsenden Zellartige Versetzungsanordnung in einem kaltver-
formten Stahl Ck 10, j = 10 %, V = 35 000 :1, BAM.
j = 87,5 %
400
N 75 % Korngröße und Kornform des rekristallisier-
mm2 50 %
ten und des kaltverformten Gefüges können
Bruchdehnung A, Zugfestigkeit R m

300 sich erheblich voneinander unterscheiden.


Rm Die komplizierte, noch nicht in allen Einzel-
heiten geklärte Bewegung der Korngrenzen
200
während des Rekristallisierens ist für die
entstehende Gefügeform der entscheidende
A
Vorgang.
40
%
20 Aus den bisherigen Erkenntnissen ergeben
j = 87,5 % 75 % 50 %
sich einige wesentliche Hinweise über den
0 Ablauf und das Ergebnis der Rekristallisa-
60 80 100 120 140 160 °C 200 tion:
TRk ❐ Die Rekristallisation beginnt erst, wenn
Glühtemperatur T
die gespeicherte Energie einen Schwellen-
Bild 1-52 wert, gekennzeichnet durch den kritischen
Einfluss der Glühtemperatur T auf die Zugfestigkeit
Verformungsgrad j krit, überschritten hat:
Rm und die Bruchdehnung A von kaltverformtem
Kupferdraht, Glühzeit t = 1 h, nach Smart, Smith und j > j krit.
Phillips. Als Beispiel wurde die Rekristallisationstem- ❐ Die geringe Triebkraft der Rekristallisa-
peratur TRk für j = 87,5 % eingetragen. tion in der Nähe des kritischen Verfor-
TRk kann mit verschiedenen Kriterien definiert bzw. mungsgrades führt zu einer sehr gerin-
ermittelt werden: gen Wachstumsgeschwindigkeit der rekris-
1) Die ersten rekristallisierten Körner sind z. B. me-
tallisierenden Körner. Da außerdem die
tallografisch nachweisbar.
2) Die Differenz der Festigkeit (Härte) im verformten Anzahl der Kerne gering ist, entsteht ein
und nichtverformten Werkstoff ist auf die Hälfte in der Regel unerwünschtes, extrem grob-
gefallen. Diese Methode wurde hier angewendet. körniges Gefüge, s. Bild 1-54a.
44 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

❐ Bei sehr großen Verformungsgraden ent- wichtiger Faktor für die hervorragenden
steht wegen der damit verbundenen erheb- mechanischen Gütewerte der thermome-
lichen Triebkraft ein sehr feinkörniges chanisch gewalzten Feinkornbaustähle
Gefüge, und der Beginn der Rekristallisa- (Abschn. 2.7.6.2, S. 190).
tion wird zu niedrigeren Temperaturen ❐ Bei einphasigen Werkstoffen (z. B. hoch-
verschoben. Da das Gefüge technischer legierten Stählen, Ni, Al) ist Kaltverfor-
Werkstoffe in den meisten Fällen feinkör- men mit einem anschließenden Rekristal-
nig sein soll, muss der zu rekristallisieren- lisieren die einzige Möglichkeit, die Korn-
de Werkstoff möglichst stark kaltverformt größe gezielt verändern zu können.
werden, wobei natürlich keine Anrissbil- ❐ In Werkstoffen mit interstitiell gelösten
dung erfolgen darf. Atomen (vor allem C, N, aber auch P) kann
❐ Die chemische Zusammensetzung, insbe- nach einem Kaltverformen die sehr uner-
sondere aber die an den Korngrenzen aus- wünschte Verformungsalterung (Reckal-
geschiedenen Teilchen bzw. Elemente, be- terung) entstehen. Technisch bedeutsam
einflussen das Rekristallisationsverhalten ist die Verformungsalterung aber nur bei
erheblich. Die Beweglichkeit der Korngren- un- und (niedrig-)legierten Stählen (z. B.
zen während des Rekristallisierens wird Bild 1-21). Im Wesentlichen werden da-
durch sie merklich beeinträchtigt. Diese durch die Festigkeitswerte mäßig erhöht,
Rekristallisationsverzögerung ist z. B. ein die Zähigkeitswerte aber z. T. erheblich
verringert. Die durch das Kaltverformen
j1
t = konst. t = konst. erzeugte große Zahl der Versetzungen er-
T1 < T2 < T 3 j1 < j 2 < j 3
leichtert das Diffundieren der interstitiell
d

j2
gelösten Atome zu den Versetzungsker-
j3 nen. Dadurch werden die Versetzungen
T3 d
wirksam und schnell blockiert. Stickstoff
d0
T2
0
ist wegen seiner größeren Löslichkeit und
T1 Diffusionsfähigkeit wesentlich gefährli-
j krit,3 j TRk,3 TRk,1 T cher als Kohlenstoff.
a) b) ❐ Bei gegebenem Verformungsgrad nimmt
die Rekristallisationstemperatur zu mit:
j = konst. t = konst.
– Zunehmender Korngröße des zu ver-
formenden Werkstoffs,
T
d

– zunehmender Temperatur, bei der die


Kaltverformung erfolgte,
d0
TRk,min – abnehmender Aufheizgeschwindig-
d1
keit beim Rekristallisieren.

t1 t j Alle genannten Einflüsse führen dazu, dass


c) d) die im Werkstoff gespeicherte Energie zu Be-
Bild 1-54 ginn der Rekristallisation geringer, d. h. die
Einfluss des Kaltverformungsgrades j, der Tempe- Rekristallisationsschwelle angehoben wird.
ratur T und der Glühzeit t auf die Rekristallisation Die Rekristallisationsschaubilder zeigen sche-
(Rekristallisationsschaubild), schematisch.
matisch die wichtigsten Zusammenhänge,
a) Abhängigkeit der Korngröße d des rekristallisier-
ten Gefüges vom Grad der Kaltverformung j und Bild 1-54.
der Temperatur T. Die Rekristallisation beginnt
bei j ≥ j krit,3. Die Bildfolge Bild 1-55 zeigt Mikroaufnah-
b) Mit zunehmendem Verformungsgrad j beginnt die men unterschiedlich stark kaltverformter
Rekristallisation früher (TRk,3 < TRk,2 < TRk,1 ) und Proben aus dem Baustahl S235 (St 37) im
das Kornwachstum später.
Vergleich zum unbeeinflussten Grundwerk-
c) Mit zunehmender Glühzeit t nimmt die Größe des
rekristallisierenden Kornes grundsätzlich zu. stoff. Die Härtezunahme (Zähigkeitsabnah-
d) Die geringste, physikalisch mögliche Rekristallisa- me!) ist bemerkenswert. Man beachte die er-
tionstemperatur beträgt etwa TRk,min = 0,4 ◊TS . hebliche Streckung der Kristallite.
Abschn. 1.5: Thermisch aktivierte Vorgänge 45

a) b) c)
Bild 1-55
Mikroaufnahmen unterschiedlich kaltverformter Proben aus S235 (St 37), V = 500 :1, 3 % HNO3.
a) Unbeeinflusster Grundwerkstoff, Härte = 120 HV 1 (Originalgröße 5,4 cm x 7,8 cm, s. Aufgabe 1-1, S. 110),
b) 20 % kaltverformt, Härte = 200 HV 1,
c) 45 % kaltverformt, Härte O 250 HV 1.

1.5.3 Warmverformung Gussgefüge in ein feinkörniges Gefüge um,


Bild 1-56. Die hierfür entscheidenden Vor-
Nach der metallkundlichen Definition wird gänge sind die dynamische Verfestigung und
jede Verformung metallischer Werkstoffe Entfestigung während des Rekristallisie-
oberhalb der Rekristallisationstemperatur rens. Die Oberflächenqualität der verzunder-
TRk als Warm-, darunter als Kaltverformung ten, warmumgeformten Bauteile ist deutlich
bezeichnet. Eine Warmverformung oberhalb geringer als die von kaltumgeformten. Die
der Rekristallisationstemperatur beseitigt Halbwarmumformung erfolgt bei Tempera-
die Verfestigung, erhöht die Verformbarkeit turen, bei denen die Vorteile des Kaltumfor-
wieder auf die Werte des unverformten Werk- mens (hohe Oberflächengüte) mit denen des
stoffes und wandelt ein evtl. vorliegendes Warmumformens (hohes Formänderungsver-
mögen) verbunden werden. Die wichtigsten
Walzgut auf Warmform- Kornneubildung durch Kornwachstum
gebungstemperatur Rekristallisation Beginn Ende Warmumformverfahren sind Warmwalzen,
Schmieden und Strangpressen.

Wegen der grundsätzlichen Gefahr eines Korn-


wachstums sollte die Warmverformung mög-
lichst knapp über der Rekristallisationstem-
peratur erfolgen. Bei umwandlungsfähigen
Stählen wird z. B. die Warmverformung in
einem engen Temperaturbereich dicht über
dem A3-Punkt durchgeführt.

Eine unangenehme Folge des Walzprozesses


Bild 1-56
ist die deutliche Anisotropie der Zähigkeits-
Schematische Darstellung der Gefügeänderungen
während einer Warmformgebung metallischer Werk- eigenschaften Sie ist außerdem stark abhän-
stoffe: Kornneubildung (Rekristallisation), Korn- gig von der Art und Menge der Ausscheidun-
wachstum. gen und dem Verformungsgrad. Die Kerb-
46 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

schlagarbeit in Walzrichtung kann vor allem 1.6.1 Aufbau und Eigenschaften der
im Bereich der Hochlage bis zu zweimal grö- Phasen
ßer sein als quer dazu. Dieser Unterschied
wird i. Allg. mit zunehmendem Warmverfor- 1.6.1.1 Mischkristalle
mungsgrad und zunehmender Plastizität der Jedes Metall nimmt in unterschiedlichen Men-
Einschlüsse größer. Aus diesem Grunde wer- gen andere Atomsorten auf, die im Gitter nach
den Stähle heutzutage mit Elementen ent- zwei verschiedenen Mechanismen »gelöst«
schwefelt, die spröde, unverformbare Sulfide werden können. Derartige »atomare« Mischun-
bilden (s. Abschn. 2.7.6.2, S. 190), z. B. Cer gen werden Mischkristalle (MK) oder auch
(CeS), Titan (TiS), Zirkonium (ZrS). Die Plas- Lösungsphasen, im englischen Schrifttum
tifizierbarkeit der Mangansulfide, die zu in sehr anschaulich solid Solutions (feste Lö-
Walzrichtung lang gestreckten Einschlüs- sungen) genannt. Man unterscheidet die fol-
sen führt, ist eine Hauptursache für die Zä- genden Mischkristallarten, Bild 1-57:
higkeitsanisotropie konventioneller Kohlen- – Substitutionsmischkristalle (SMK ) und
stoff-Mangan-Stähle (s. a. Bild 2-61, S. 194). – Einlagerungsmischkristalle (EMK ).

1.6 Grundlagen der


Legierungskunde
Legierungen sind metallische Werkstoffe,
denen absichtlich Elemente zugesetzt wer-
den, um gewünschte Eigenschaften zu erzeu-
gen bzw. zu verstärken (z. B. Härtbarkeit)
oder unerwünschte zu beseitigen bzw. zu
mildern (z. B. Heißrissanfälligkeit).

Die Legierungselemente können in sehr un-


terschiedlicher Art in der Matrix des »Wirts-
gitters« verteilt sein. Die wichtigsten Legie-
Bild 1-57
rungstypen sind: Aufbau der Mischkristalle.
– Mischkristalle, a) Substitutionsmischkristall (SMK ),
z. B. alle Cu-Ni-Legierungen im thermo- b) Einlagerungsmischkristall (EMK ).
dynamischen Gleichgewicht,
– intermediäre Verbindungen, Substitutionsmischkristalle
z. B. Fe3C, Al2Cu, Bei den Substitutionsmischkristallen (SMK)
– Kristallgemische, werden Atome des Wirtsgitters durch eine
z. B. Eutektikum, Eutektoid, bzw. Gemi- unterschiedliche Menge von Legierungsato-
sche aus zwei oder mehreren Phasen. men ausgetauscht (substituiert).

6)
Die aus Mischkristallen bestehenden Legierun-
5) gen sind wegen der bei ihrer Herstellung i. Allg.
Für eine lückenlose Mischbarkeit müssen Wirts-
atome und Legierungsatome den gleichen Gitter- angewendeten großen Abkühlgeschwindigkeit
typ aufweisen, und ihre Durchmesser ihrer Atome meistens kristallgeseigert (s. Abschn. 1.6.3.1, S.
dürfen sich um nicht mehr als 14 % voneinander 55), also inhomogen. Sie liegen demnach nur nach
unterscheiden. Außerdem müssen sie gleiche Wer- einer relativ aufwändigen Wärmebehandlung –
tigkeit und möglichst gleiche Elektronegativität die in der Praxis aus wirtschaftlichen Gründen da-
besitzen, anderenfalls wird die Bildung intermedi- her kaum angewendet wird – wirklich homogen
ärer Verbindungen begünstigt. vor, s. a. Beispiel 1-6, S. 41.
Abschn. 1.6: Grundlagen der Legierungskunde 47

Die Substitution ist bei Erfüllung verschiede- als Zonen, der Vorgang ihrer Bildung als Nah-
ner Voraussetzungen sehr weitgehend, u. U. entmischung oder einphasige Entmischung
kann jedes Atom des Wirtsgitters durch ein bezeichnet.
Legierungsatom ausgetauscht werden 5). In
diesem Fall entsteht eine lückenlose Misch- Mit zunehmender Affinität der ungleicharti-
kristallreihe. Die bekanntesten Legierungs- gen Atomsorten entsteht durch die Wirkung
systeme dieser Art sind Cu-Ni, Fe-Ni, Fe-Cr. der anziehenden Kräfte eine geordnete Struk-
Alle Legierungen dieser Systeme bestehen tur, die Überstruktur, Bild 1-58b. Sie kann
ausschließlich aus Mischkristallen, es sind sich nur bei bestimmten Anteilen der gelös-
einphasige, aber oft inhomogene Werkstof- ten Atome und unterhalb bestimmter Tempe-
fe 6), vor allem bei den charakteristischen gro- raturen bilden, s. Abschn. 1.4.2.1. Als Folge
ßen Abkühlgeschwindigkeiten beim Schwei- der abnehmenden Anziehungskräfte wird
ßen (Schweißgut!). Sie besitzen i. Allg. ausrei- der ungeordnete Zustand mit zunehmender
chende Festigkeits- und hervorragende Zä- Temperatur thermodynamisch wahrschein-
higkeitseigenschaften (z. B. Cu-Ni-Legierun- licher.
gen), verbunden mit guter Korrosionsbestän-
digkeit. Wegen ihrer großen Zähigkeit ist die Die Einstellung des Ordnungszustandes er-
Schweißeignung dieser aus (inhomogenen) fordert Platzwechsel, er kann sich daher aus
Mischkristallen bestehenden Werkstoffe in ordnungsfähigen Mischkristallen erst bei
den meisten Fällen gut, sie nimmt aber häu- höheren Temperaturen und typischerweise
fig bei einem in der Regel geringen Anteil ei- nach sehr langen Zeiten bilden.
ner zweiten Phase im Gefüge meistens deut-
lich zu, wenn eine Phase für die im Werkstoff Die Festigkeit (und Härte) der Überstruktu-
vorhandenen Verunreinigungen eine höhere ren ist i. Allg. deutlich höher und ihre Zähig-
Löslichkeit aufweist, s. Abschn. 5.1.2, S. 503. keitseigenschaften sind merklich schlechter
als die der ungeordneten Phase, weil die Bin-
Wenn zwischen den am Aufbau des MK.s be- dungskräfte nicht mehr rein metallischer Art
teiligten Atomsorten keine Anziehungskräf-
te herrschten, müssten die Legierungsatome
im Gitter statistisch verteilt sein, Bild 1-58a.
Tatsächlich sind die gelösten Atome B in rea-
len, technischen Werkstoffen nicht statistisch
regellos, sondern in bestimmter und nicht zu-
fälliger Weise angeordnet. In der Regel er-
gibt sich die sog. Nahbereichsordnung, Bild
1-58c. Die gelösten Atome B sind hier vor-
zugsweise von Atomen A umgeben, weil die
durch sie verursachten Gitterverzerrungen
ein direktes Nebeneinanderliegen unwahr-
scheinlicher macht.

Durch geeignete Wärmebehandlungen kann


in bestimmten Konzentrationsbereichen ei-
ne geordnete bzw. ungeordnete Anreiche-
rung von B Atomen erzeugt werden. Voraus-
scheidungszustände mit ungeordneter Kon-
zentration (Cluster) sind ebenso wie die mit Bild 1-58
geordneter und konzentrierter Anordnung Mögliche Atomanordnungen in einem Substitutions-
Mischkristall, s. a. Bild 2-37, S. 162.
der Atome, Bild 1-58d, für die Eigenschaf-
a) B-Atome im A-Gitter statistisch verteilt,
ten ausscheidungshärtender Werkstoffe von b) Überstruktur (Fernordnung, long range order),
großer Bedeutung (Abschn. 2.6.3.3, S. 161, c) Nahbereichsordnung (short range order),
Bild 2-37a, S. 162). Letztere werden auch d) einphasige Entmischung (Zonenbildung).
48 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

sind. Diese Eigenschaftsänderungen sind Bor Einlagerungsmischkristalle. Als Folge


bei den technischen Werkstoffen sehr uner- der bei der Bildung der EMK.e entstehenden
wünscht, weil ein Bauteilversagen als Folge größeren Gitterverzerrungen ist ihre Festig-
einer Rissbildung sehr wahrscheinlich wird. keit deutlich größer, ihre Zähigkeit in der Re-
Die 475 °C-Versprödung bei den ferritischen gel aber sehr viel geringer als die der SMK.e.
Chromstählen (Abschn. 2.8.3.4.3, S. 211) be- Ingenieurmäßig verwendbare, d. h. bruchzä-
ruht z. B. auf der Bildung einer Überstruk- he (Bau-)Werkstoffe sind daher überwiegend
tur bzw. von Nahordnungszuständen. aus Substitutionsmischkristallen bestehen-
de Legierungen.
Mit zunehmender Affinität entstehen durch
die starken anziehenden Kräfte der beteilig- 1.6.1.2 Intermediäre Verbindungen
ten Atomsorten intermediäre Verbindungen, Die mechanischen Eigenschaften vieler me-
Abschn. 1.6.1.2. tallischen Phasen werden neben kovalenten
und (oder) heteropolaren Bindungsformen
Einlagerungsmischkristalle wenigstens z. T. von metallischen Bindekräf-
In die Tetraeder- bzw. Oktaederlücken (s. a. ten bestimmt. Die in derartigen metallischen
Aufgabe 1-2 und Bild A1-1, S. 110) lassen sich Phasen wirksamen Bindekräfte liegen da-
Atome mit einem hinreichend kleinen Durch- mit zwischen (s. Abschn. 1.2) der metalli-
messer einlagern, d. h. interstitiell lösen. Die schen und den chemischen Bindungsformen.
auf diese Weise in der Matrix lösbare Atom- Intermediäre Phasen können (sehr selten)
menge ist wegen der sehr begrenzten Größe eine exakte stöchiometrische Verbindung von
der zur Verfügung stehenden »Lücken« nor- der allgemeinen Form A xBy sein oder häufi-
malerweise sehr gering. g -Fe löst z. B. bei ger in einem bestimmten Konzentrationsbe-
1145 ’C maximal 2,06 % Kohlenstoff, a-Fe bei reich A bzw. B existieren, siehe z. B. Bild 1-
723 ’C sogar nur 0,02 %. 65 oder Bild 5-5, S. 506. Als Folge der gro-
ßen Anziehungskräfte der Atome bilden sie
In die Oktaederlücken des kfz Eisens lassen meistens sehr komplizierte aus vielen Ato-
sich Atome mit einem maximalen Radius von men aufgebaute von der Matrix des Grund-
rokt 0,052 nm, in die Tetraederlücken solche werkstoffs abweichende Gitter.
mit rtet 0,028 nm einlagern. Entsprechend
»passen« in die Tetraederlücken des krz Ei- In reiner Form sind sie als (Bau-)Werkstoffe
sens Atome mit einem größtmöglichen Ra- wegen ihrer großen Härte und Sprödigkeit
dius von rtet 0,036 nm und in die Oktaederlü- völlig unbrauchbar. In vielen Fällen führen
cken Atome mit rokt 0,019 nm. In kfz Gittern Gehalte von wenigen zehnteln Prozent im
werden gewöhnlich die Oktaederlücken von Werkstoff – vor allem wenn sie filmartig an
den (Legierungs-)Atomen besetzt. Obwohl den Korngrenzen liegen, s. Abschn. 1.6.2.4
die Tetraederlücken im krz Gitter wesentlich – zu seiner völligen Versprödung. Aus die-
größer sind, werden trotzdem die Oktaeder- sem Grunde ergeben sich (vor allem) beim
lücken bevorzugt, weil Atome, die nur gering- Schmelzschweißen unterschiedlicher Werk-
fügig größer sind als die Tetraederlücke, vier stoffe, die beim Erstarren intermediäre Ver-
nächste Nachbaratome verschieben müss- bindungen bilden, erhebliche Schwierigkei-
ten, im Fall der Oktaederlücke aber nur zwei, ten. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die
s. Bild A1-1, S. 110. Ein Einlagern in die klei- praktisch nicht vorhandene Schmelzschweiß-
nere Oktaederlücke ist daher mit geringeren barkeit der Metalle Kupfer mit Aluminium.
Gitterverzerrungen verbunden. Neben den sehr unterschiedlichen Schmelz-
temperaturen ist die Bildung der intermediä-
Außer von geometrischen Bedingungen ist ren (intermetallischen) Phase Al2Cu die wich-
die Bildung interstitieller Phasen noch von tigste Ursache der vollständigen Versprö-
verschiedenen chemischen und metallphysi- dung der Schweißverbindung. Die in der Re-
kalischen Gesetzmäßigkeiten abhängig. Vor gel hohen Anteile chemischer Bindungsar-
allem Eisen, Chrom, Titan, Vanadium bil- ten sind die Ursache der großen Härte und
den mit Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sprödigkeit dieser Verbindungen.
Abschn. 1.6: Grundlagen der Legierungskunde 49

1.6.2 Zustandsschaubilder für die Praxis wichtigen Zweistoffsysteme


besprochen. In Abschn. 1.6.5 wird auf eini-
Zustandsschaubilder geben in Abhängigkeit ge grundlegende Zusammenhänge der we-
von der Temperatur T und der Konzentration sentlich komplizierteren Dreistoffsysteme
c eine vollständige Übersicht über die mögli- hingewiesen, soweit sie für die Besonderhei-
chen Zustandsänderungen der Gefüge aller ten der Schweißmetallurgie von Bedeutung
Legierungen, die sich aus den Komponenten sind.
A und B bilden können.
Die chemisch homogenen und kristallogra-
Eine Legierung besteht aus mindestens zwei phisch unterscheidbaren Bestandteile glei-
Elementen (= Komponenten) und zeigt über- cher Zusammensetzung des Systems werden
wiegend metallischen Charakter. Sie ist bei Phasen genannt. Folgende Phasen können
technischen Werkstoffen aus Körnern aufge- in einem System auftreten:
baut, die durch Korngrenzen voneinander – Schmelzen SA, SB, ...,
getrennt sind. – reine Metalle A, B, ...,
– Mischkristalle a, b, g, d. h. atomare »Mi-
Der Gefügezustand der Legierung wird ein- schungen« aus A und B und
deutig bestimmt durch: – intermediäre Verbindungen V AmBn. In
– Temperatur T, den meisten Fällen lieg keine »echten«
– Druck p, chemischen Verbindung vor, d. h., A und B
– Konzentration c. verbinden sich nicht nach den bekannten
stöchiometrischen Gesetzmäßigkeiten.
Die meisten metallurgischen Prozesse wäh-
rend der Werkstoffherstellung laufen ab bei Die weitaus meisten technisch wichtigen
p 1 bar konst. Jeder Werkstoffzustand ist Werk stoffe bestehen aus Mischkristallen
demnach durch die Variablen T und c eindeu- bzw. Mischkristall-Gemischen, z. B.:
tig festgelegt. – Stahl:
z. B. Perlit (a  Fe3C),
Der Zustand des Gefüges ändert sich, bis (hoch-)legierter Stahl: z. B. ferritischer
das von der Temperatur und der Zeit abhängi- Chromstahl (d ), austenitischer Chrom-
ge thermodynamische Gleichgewicht erreicht Nickel-Stahl (g ), austenitisch-ferritischer
ist. Die hierfür erforderlichen Zeiten sind Duplexstahl (d  g ),
häufig sehr lang (Stunden bis Wochen). Die – Messing:
in realen Werkstoffen während ihrer Her- z. B. a, b, a  b,
stellung, Wärmebehandlung oder auch bei – Zinnlot:
Schweißprozessen ablaufenden Vorgänge füh- z. B. reines Eutektikum E oder E  a,
ren daher in den meisten Fällen zu Nichtgleich- – AlSi-Gusslegierung:
gewichtsgefügen. Aus diesem Grunde sind z. B. reines Eutektikum.
die aus üblichen Gleichgewichtsschaubildern
entnehmbaren Informationen nur mit großer Besteht zwischen A und B im flüssigen und
Vorsicht auf reale Systeme (bzw. Werkstof- festen Zustand keinerlei Löslichkeit, dann
fe) übertragbar, also auf technische Werkstof- liegt ein aus den Elementen A und B aufge-
fe, die wesentlich »schneller« hergestellt bzw. bauter Werkstoff vor, der durch die Wirkung
wärmebehandelt werden. Im besonderen Ma- der Schwerkraft meistens »geschichtet« ist
ße gilt das für die sehr kurzzeitigen Schweiß- (diese »Schwerkraftseigerung« zeigt z. B. Blei
prozesse, bei denen oft extreme Ungleichge- und Eisen). Derartige Werkstoffe haben kei-
wichtsgefüge entstehen. ne praktische Bedeutung. Dieses metallur-
gische Verhalten wird aber genutzt, um z.
Nach der Anzahl der das metallurgische Sys- B. flüssiges Blei in Eisenpfannen zu transpor-
tem aufbauenden Komponenten unterschei- tieren. Letztere werden durch das Blei nicht
det man Ein-, Zwei-, Drei- oder Mehrstoffsys- angegriffen bzw. in irgendeiner Weise metal-
teme. Hier werden nur die Grundlagen der lurgisch beeinflusst. Aus dem gleichen Grund
50 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

lässt sich Eisen (Stahl) mit reinen Bleiloten 1.6.2.1 Zustandsschaubild für
nicht »verbinden«. vollkommene Löslichkeit im
flüssigen und festen Zustand
F=K P+1 Die Elemente bilden eine lückenlose Misch-
K = Anzahl der Komponenten (2), P = Anzahl der Phasen
➊: z. B. L2, Bild 1-61a kristallreihe, d. h., bei jeder beliebigen Kon-
➋: z. B. L1, Bild 1-60 zentration c entstehen bei Raumtemperatur
➌: z. B. L1, Bild 1-61a ausschließlich Mischkristalle a. Legierun-
➊ ➋ ➌ gen derartiger metallurgischer Systeme sind
Se ® A+ B Se ® a + SB Se ® A + SB (F = 1) meistens hinreichend schweißgeeignet, weil
Temperatur T

Se ® A Se ® A + B (F = 0)
das Schweißgut unabhängig vom Grad der
F= 0 Vermischung Grundwerkstoff/Zusatzwerk-
F= 1 F= 1 stoff nur aus den verhältnismäßig zähen, ein-
D T

phasigen – aber in der Regel kristallgeseiger-


F= 0 ten – Mischkristallen besteht.

Zeit t
Die bei langsamer Abkühlung stattfinden-
den Vorgänge bei der Erstarrung sind an-
Bild 1-59 hand der Legierung L1 in Bild 1-60 schema-
Abkühlkurven reiner Metalle und Legierungen, dar- tisch dargestellt. Legierungen besitzen keinen
gestellt mit dem Gibbsschen Phasengesetz.
Schmelzpunkt, sondern ein Schmelzintervall.
Kurve 1, Freiheitsgrad F = 0:
Haltepunkte beim Erstarren reiner Metalle (K = 1,
L1
P = 2) und Eutektika, Peritektika (K = 2, P = 3). TS.A S
1
Kurve 2, F = 1: T1
Temperatur T

a1
Knickpunkte beim Erstarren von Legierungen (Misch- 2 3
T2
a2 S+ a
kristalle, K = 2, P = 2) in Zweiphasengebieten mit dem S3
5 4
Erstarrungsintervall DT. T3
S4 Li
Kurve 3, F = 1, F = 0:
Knick- und Haltepunkte beim Erstarren der Schmelze a So
TS.B
nach einer primären Kristallisation (Mischkristalle,
F = 1) und anschließender Umwandlung in ein Eutek- a b
tikum (F = 0).
A c1 c2 c0 c3 c4 B
Zustandsschaubilder sind grafische Darstel- Konzentration c
lungen der Phasenbeziehungen in heteroge-
nen Systemen. Sie sind ohne spezielle Kennt-
nisse vielfach nicht einfach zu »lesen«. Im
Folgenden werden nur die wichtigsten binä-
ren Typen dieser Schaubilder besprochen.
Die Phasengrenzlinien in diesen T-c-Schau- a
bildern werden meistens mit der sog. thermi- A (60 % A, 40 % B) B

schen Analyse bestimmt. Sie beruht auf der


Bild 1-60
bei jeder Phasenumwandlung stattfinden-
Zustandsschaubild für vollständige Löslichkeit im
den Änderung des Energiegehalts der Be- flüssigen und festen Zustand.
standteile, der sich durch charakteristische Beispiel für die Anwendung des Hebelgesetzes: Die
Unstetigkeiten in den Abkühlkurven äußert: Legierung L1 scheidet nach Unterschreiten der Tem-
die Knickpunkte und die Haltepunkte. Bild peratur T1 den A-reichen MK.en a1 der Zusammenset-
1-59 zeigt die Vorgänge beim Abkühlen ver- zung c1 aus. Bei T2 besteht das System aus MK a 2 (c2 )
schiedener Legierungen an Hand des für der- und Restschmelze S3 (c3 ). Die Mengen der sich im Gleich-
gewicht befindenden Phasen werden mit dem Hebel-
artige Aufgaben unentbehrlichen Gibbsschen
gesetz berechnet: ma = b/(a + b) = 100 %, mS = 100 - ma .
Phasengesetzes, das in der Bildlegende und Die Kristallisation ist nach Unterschreiten von T3 mit
ausführlicher in der Aufgabe 1-8, S. 114, er- dem Erstarren der Restschmelze S4 (c4 ) beendet. Siehe
läutert wird. aber auch Bild 1-68.
Abschn. 1.6: Grundlagen der Legierungskunde 51

Die Erstarrung beginnt unterhalb der Liqui- 1.6.2.2 Eutektische Systeme


duslinie (L1 bei T1) mit dem Auskristallisie- Durch Ausscheiden reiner (Lösungsmittel-)
ren der ersten a-MK.e. Der Schnittpunkt der Kristalle A oder B aus einer Lösung nimmt
Waagerechten (T1) mit der zu diesem Pha- deren Schmelztemperatur kontinuierlich ab
senfeld (S  a) gehörenden Phasengrenze er- (Raoultsches Gesetz). Dieser Zusammenhang
gibt ihre Zusammensetzung ( c1). Der B-Ge- bestimmt den Verlauf der Liquidustempera-
halt der kristallisierenden a-MK.e ist also tur in eutektischen Systemen, Bild 1-61.
wesentlich geringer als der der ursprüngli-
chen Legierung L1 (c0). Mit abnehmender Eine Voraussetzung für die Gültigkeit des
Temperatur nimmt die Menge der kristallisie- Raoultschen Gesetzes ist u. a. das Vorliegen
renden a-MK.e zu, die der Restschmelze ab. einer homogenen Schmelze, aus der sich rei-
Die Zusammensetzung der MK.e ändert sich ne Kristalle (keine Mischkristalle!) ausschei-
dabei entsprechend dem Verlauf der Solidus- den. Die Liquiduslinie besteht danach aus
linie, die der Restschmelze gemäß der Liqui- zwei von der Schmelztemperatur der Kompo-
duslinie. Diese Diffusionsvorgänge werden
durch die dick ausgezogenen Linien in Bild L1 L2
TS.A Li
1-60 anschaulich dargestellt.
Temperatur T

S
Während der Konzentrationsausgleich in der 1

Schmelze ausreichend schnell erfolgen kann, 2’ 2 TS.B


erfordert er in den festen Mischkristallen S+ A Li

wegen der sehr erschwerten Diffusionsbedin-


S+ B
gungen wesentlich längere Zeiten. Bei höhe- So 3
Te
ren Abkühlgeschwindigkeiten (z. B. beim Her- 4 e
stellen technischer metallischer Werkstoffe
A+ E E B+ E
oder beim Schweißen, anderen Wärmebehand-
lungen) muss daher mit ausgeprägten Ent-
mischungserscheinungen (Abschn. 1.6.3.1) A 20 c1 40 60 ce 80 % B
gerechnet werden. Bei T2 besteht die Legie- Konzentration c
a)
rung L1 aus Mischkristallen a2 mit einem B- L1 L2
Gehalt von c2 und Restschmelze S3 mit c3 an
L1: 36 % B, 64 % A L 2: 64 % B, 36 % A
B. Man beachte, dass kurz vor der vollstän- 100
digen Erstarrung (T3) Restschmelze S4 vor-
43,7

handen ist, die besonders reich an B (c4) bzw.


Mengenanteil

anderen in der Legierung vorhandenen nied- %


A E= A+ B B
56,3

rigschmelzenden Bestandteilen ist. Diese in


jeder Legierung während der Kristallisation 0
ablaufenden Entmischungsvorgänge sind die A L1 L2 B
Ursache der Heißrissbildung, z. B. Abschn.
1.6.3.1.

Bei einer gleichgewichtsnahen Erstarrung


100 % A 43,7 % A 100 % E 100 % B
können die Mengen der in der Legierung vor- 56,3 % E (64 % B, 36 % A)
handenen Phasen mit Hilfe des sog. Hebel- b)

gesetzes aus dem Zustandsschaubild ermit- Bild 1-61


telt werden. Bild 1-60 zeigt die Einzelheiten Zustandsschaubild für vollständige Löslichkeit im flüs-
der Berechnung. Es ist zu beachten, dass das sigen und vollständige Unlöslichkeit im festen Zu-
Hebelgesetz mit größer werdender Abkühlge- stand.
a) Zustandsschaubild,
schwindigkeit und weiteren Legierungsele-
b) Gefügerechteck, es enthält die nach dem Hebel-
menten nicht mehr bzw. nur sehr stark einge- gesetz berechenbaren Mengenanteile der Phasen
schränkt gilt, weil sich Art und Menge der bzw. Gemenge jeder Legierung im thermodynami-
Bestandteile sehr stark verändern. schen Gleichgewichtszustand.
52 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

– Die eutektischen Bestandteile sind geo-


metrisch regelmäßig und hinsichtlich be-
stimmter metallografischer Gitterrichtun-
gen bzw. -ebenen orientiert angeordnet,
Bild 1-62.

Mit dem in Bild 1-61 dargestellten Gefüge-


rechteck lassen sich die Mengen der in der
Legierung vorhandenen Phasen berechnen.
Eine völlige Unlöslichkeit der Komponenten
im festen Zustand, Bild 1-61, existiert bei
realen Systemen allerdings relativ selten.
Sehr viel häufiger besteht eine gewisse Lös-
lichkeit der Komponenten ineinander. Diese
Bild 1-62 Systeme werden in Abschn. 1.6.2.3 näher be-
Übereutektisches Gusseisen mit Primärzementit (weiße schrieben.
Nadeln) und Eutektikum (Ledeburit), V = 200 :1.
Wegen des niedrigen Schmelzpunktes, der
nenten A und B ausgehenden abfallenden Äs- geringen Schmelzenviskosität (Fließfähig-
ten, die sich im eutektischen Punkt e schnei- keit, Formerfüllung durch sehr geringes Er-
den. Das bei der konstanten Temperatur Te starrungsintervall) und der i. Allg. guten me-
aus der Schmelze (L2 ) kristallisierende Ge- chanischen Gütewerte werden eutektische
menge wird Eutektikum oder eutektische Legierungen in der Praxis häufig als Guss-
Legierung genannt. Das Eutektikum besitzt bzw. Lotwerkstoffe verwendet. Diese Eigen-
die niedrigste Schmelztemperatur aller Legie- schaften macht z. B. die eutektische Blei-
rungen des Systems. Je nach Lage der Legie- Zinn-Legierung S-Sn63Pb37P mit einem
rungen bezogen auf den eutektischen Punkt Schmelzpunkt von 178 ’C als Weichlot her-
(ce ) unterscheidet man untereutektische und vorragend geeignet, Bild 1-63. Pb-Sn-Legie-
übereutektische Legierungen. Sie enthalten rungen mit ungefähr 20 % bis 30 % Zinn – z.
außer eutektischen Anteilen noch in unter- B. das Lot S-Pb78Sn20Sb2 – sind zweckmä-
schiedlichen Mengen A- bzw. B-Primärkris- ßiger, wenn eine gewisse Modellierbarkeit
talle. des Lotes erwünscht ist, z. B. beim Kabellö-
ten oder für Klempnerarbeiten. Das große
Bei der eutektischen Temperatur Te erstar- Erstarrungsintervall erzeugt die erwünsch-
ren die beiden Metalle A und B gleichzei- te »Teigigkeit« des »breiigen« Lotes ( Wisch-
tig. Das Eutektikum besteht demnach aus lot oder Schmierlot).
den bei der konstanten Temperatur rasch
kristallisierenden und sich dabei gegensei- ° C
S-Pb78Sn20Sb2
tig behindernden A- und B-Körnern, s. a. 327 S
Temperatur T

300
Bild 1-34.
S-Sn63Pb37P
Als Folge ihrer werkstofflichen und metall- 200 S+ a S+ b
physikalischen Besonderheiten besitzen die 183 a

eutektischen Legierungen folgende charak- b


Eutektikum

teristischen Eigenschaften: 100


– Durch die niedrige Schmelztemperatur Eutektikum + a Eutektikum + b

ist die Unterkühlung, d. h. die Anzahl der


0
gebildeten Keime und damit die Kristal-
Pb 20 40 60 80 % Sn
lisationsgeschwindigkeit groß. Das Gefü- Zinn
ge ist daher in der Regel sehr feinkörnig
und somit deutlich härter und fester als Bild 1-63
das von A und B. Blei-Zinn-Zustandsschaubild.
Abschn. 1.6: Grundlagen der Legierungskunde 53

1.6.2.3 Systeme mit Die Löslichkeit der Matrix für eine Atomsor-
begrenzter Löslichkeit te nimmt normalerweise mit höherer Tem-
In den meisten Fällen sind die Komponenten peratur zu. Beim Abkühlen (L1) muss sich
A und B des Legierungssystems weder voll- also unterhalb einer von der Zusammenset-
ständig unmischbar noch vollständig misch- zung abhängigen Temperatur TSeg (1) wenigs-
bar, sondern begrenzt mischbar. A kann also tens ein Teil der in der A-Matrix ( a-MK)
eine bestimmte Menge B, B eine bestimmte gelösten B-Atome in Form fester Teilchen
Menge A lösen. Der Konzentrationsbereich, (b Seg) ausscheiden (2), Bild 1-64. Feste Aus-
in dem mehrere Phasen auftreten, wird Mi- scheidungen aus festen Phasen werden Se-
schungslücke M genannt, Bild 1-64. Siehe gregate, die Linien, unterhalb der der Ausschei-
auch Aufgabe 1-9, S. 115. dungsvorgang beginnt, Segregatlinien oder
Löslichkeitslinien (Linie a-b) genannt.
TS.B
L1
TS.A
Platzwechselvorgänge im festen Zustand,
Temperatur T

S
Abschn. 1.5.1, sind nur noch begrenzt mög-
lich, d. h., die Teilchen sind meistens sehr
S+ a S+ b klein (einige tausend nm bis einige tausends-
tel mm). Aus energetischen Gründen beginnt
a b
TLös b e
die Ausscheidung nicht in der »fehlerfreien«
E= a+ b
Matrix, sondern bevorzugt an (Großwinkel-)
1
TSeg 2 Korngrenzen bzw. Orten mit höherem Ener-
a b giegehalt (z. B. Leerstellen, Versetzungen,
+ a + E + bSeg b + E + a Seg +
bSeg a Seg Grenzflächen, Einschlüssen, Zwillingen, s.
a
Abschn. 1.4.2).
A c0 c 1 20 c 2 40 ce 60 80 c 3 % B
Konzentration c
Die Bildung der Ausscheidungen kann durch
Mischungslücke M
a) schnelles Abkühlen wirksam unterdrückt wer-
den. Die bei Raumtemperatur vorliegenden
Mischkristalle sind dann übersättigt. Die
100 zwangsgelösten Atome führen zu Gitterver-
a+ b spannungen, die durch eine anschließende
94

% a b Wärmebehandlung noch erheblich erhöht wer-


den. Diese Vorgänge sind die Grundlage der
0 Ausscheidungshärtung. Genauere Einzelhei-
bSeg a Seg
ten zu diesem Mechanismus sind in Abschn.
6

2.6.3.3, S. 161, zu finden.


L1
Abkühlgeschwindigkeit ist so gering, dass sich
das thermodynamische Gleichgewicht einstel- 1.6.2.4 Systeme mit
len kann: Ausscheidung von Segregaten ( b Seg ). intermediären Phasen
Gefüge besteht aus 94 % a - Mk und 6 % b Seg.
In den meisten Fällen führt schon die Anwe-
a bSeg
senheit von einigen hundertsteln bis tausends-
Abkühlgeschwindigkeit ist deutlich größer, Se- teln Prozent zu einer ausgeprägten Versprö-
gregatbildung wird unterdrückt: Gefüge besteht dung des Werkstoffs. Diese Situation kann
aus übersättigten a - Mischkristallen (a übers ).
b) a übers sehr leicht bei dem metallurgischen Prozess
Schweißen unterschiedlicher Werkstoffe ent-
Bild 1-64
stehen. Risse im Schweißgut sind dann kaum
Zustandsschaubild mit vollständiger Löslichkeit im
flüssigen und begrenzter Löslichkeit im festen Zustand vermeidbar. Das Schweißverhalten von Legie-
(eutektisches System). rungen mit intermediären Phasen (iV) oder
a) Zustandsschaubild, solchen Werkstoffpaarungen, bei denen diese
b) Gefügerechteck. entstehen, ist daher sehr schlecht. Der tatsäch-
Angaben für Abschn. 2.6.3.3, S. 161: a - b = Löslich- liche Risseintritt bzw. die Form des Versagens
keitslinie, TLös = Lösungsglühtemperatur. hängt allerdings entscheidend von der Art,
54 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Größe und Verteilung dieser Phasen ab (Ab- Cu-Zn (Messinge) mit mehreren iV.en.
schn. 1.2.2). In der Regel ist ihre Schadenswirk- Die wichtigste ist die g -Phase mit der un-
samkeit am größten, wenn sie auf den Korn- gefähren Zusammensetzung Cu5Zn8. Sie
grenzen flächig (filmartige, geschlossene Be- bildet sich bei Legierungen mit mehr als
läge) angeordnet sind. Mit einer Wärmebe- 50 % Zink, Bild 5-14, S. 516.
handlung ist die schädigende Wirkung in ei- Cu-Sn (Bronzen) mit mehreren iV.en.
nigen Fällen zu beseitigen oder zu verringern, Die wichtigste ist die d -Phase Cu 31Sn 8,
wenn sie zum Lösen oder wenigstens zum Bild 5-16, S. 517.
Koagulieren der intermediären Korngrenzen- Fe-Cr (legierte korrosionsbeständige
phase führt. Stähle) mit der Sigma-Phase, sie ent-
spricht etwa der Zusammensetzung FeCr,
Bild 1-65 zeigt beispielhaft das Zustands- Abschn. 2.8.3.4.2, Bild 2-66, S. 203.
schaubild Al-Mg. Die ungefähre Zusammen-
setzung (meistens als chemische Formel an- Bei den korrosionsbeständigen, legierten, fer-
gegeben) und die Lage der intermediären ritischen Chromstählen treten abhängig von
Phase werden in der Regel mit einem Pfeil der Anzahl und Art der Legierungselemen-
gekennzeichnet. te normalerweise sehr viele intermediäre Pha-
700 sen auf. Die wichtigsten sind Chromcarbide
660
S und die Sigma-Phase. Die beim Schweißen
Al3Mg2

600 zu beachtenden metallurgischen Schwierig-


Temperatur T

° C keiten, und die durch sie hervorgerufenen


S+ a
500 korrosionstechnischen Probleme sind erheb-
450
lich, sie werden in Abschn. 4.3.7.4, S. 425,
400
a a+ b b
S S
300
Temperatur T

S+ a
Temperatur T

S+ a
200
a a
100 T1 T1

a+ s a+ s
0 a’ s
Al 10 20 30 % Mg
A c0 c1 B A c0 c1 B
Magnesiumgehalt
Konzentration c Konzentration c
Bild 1-65 a) b)
Teil-Zustandsschaubild des Systems Aluminium-
S
Magnesium, nach J. L. Murray. S

S+ a
Temperatur T

Temperatur T

Insbesondere beim Schmelzschweißen unter- S+ a


schiedlicher Werkstoffe – vor allem bei mehr- a
a
fach legierten Werkstoffsystemen – besteht
b g
grundsätzlich die Gefahr, dass sich intermedi-
aA aA + a B aB E= b+ g
äre Verbindungen bzw. andere spröde Bestand-
c0 c1
teile bilden. Bei folgenden in der Schweißpra- A B A B
Konzentration c Konzentration c
xis häufiger verwendeten Legierungssyste- c) d)
men treten intermediäre Phasen auf, die zu ei- Bild 1-66
ner erheblichen Verschlechterung der Schweiß- Zustandsschaubilder von Systemen mit Umwand-
eignung führen: lungen im festen Zustand.
Al-Mg mit der iV Al3 Mg2. In schweißge- a) Bildung einer Überstruktur a ’ aus a-Mischkristal-
eigneten AlMg-Legierungen muss der len: a Æ a ’,
b) Bildung einer intermediären Phase s aus a-Misch-
Mg-Gehalt daher … 5 % sein, Bild 1-65.
kristallen: a Æ s,
Al-Cu mit der iV Al 2Cu, die ein Schmelz- c) Entmischung eines Mischkristalls: a Æ aA + a B ,
schweißen binärer Al-Cu-Legierungen d) Zerfall eines Mischkristalls in zwei Phasen, hier
praktisch unmöglich macht. in das Eutektoid E: a Æ b + g (= E).
Abschn. 1.6: Grundlagen der Legierungskunde 55

bzw. in Abschn. 2.8.3.4, S. 208, besprochen. 1.6.3 Nichtgleichgewichtszustände


Diese Werkstoffe zählen, auch wegen der ex-
trem geringen Zähigkeit der Wärmeeinfluss- Die üblichen Zustandsschaubilder beschrei-
zonen, zu den am schlechtesten schweißge- ben Phasenänderungen in den Legierungs-
eigneten Werkstoffen. systemen beim Abkühlen bzw. Aufheizen rich-
tig, wenn sie sich im thermodynamischen
Die Ausscheidungsgeschwindigkeit dieser Gleichgewicht befinden. Dieses stellt sich na-
Phasen aus der Matrix ist bei den weniger türlich nur bei sehr geringen Abkühl- und
dicht gepackten krz Metallen meistens um ei- Aufheizgeschwindigkeiten ein. Diese Bedin-
nige Größenordnungen größer als bei den gungen liegen aber bei der Herstellung tech-
Werkstoffen mit der dichtesten kfz Packung. nischer Werkstoffe nie vor. Insbesondere Zu-
Intermediäre Phasen bleiben wie Überstruk- standsänderungen im festen Zustand, z. B.
turen bzw. andere lösliche Phasen nach einem die technisch wichtige (g  a )-Umwandlung
Glühen über T1 (Bild 1-66a und b) mit anschlie- bei Stählen, lassen sich sehr leicht unterküh-
ßendem raschem Abkühlen in der Matrix ge- len. Zum Abschätzen der Werkstoffeigenschaf-
löst und verlieren damit ihre schädigende ten und des Schweißverhaltens ist die Kennt-
Wirkung. nis der Art und des Umfangs der Gleichge-
wichtsstörungen erforderlich, die bei der Her-
1.6.2.5 Systeme mit Umwandlungen im stellung und Weiterverarbeitung entstanden
festen Zustand sind.
In manchen Legierungen können im festen
Zustand (Mischkristall) verschiedenartige 1.6.3.1 Kristallseigerung
Umwandlungen ablaufen, die mit Platzwech- Die Legierung L1, Bild 1-67a, scheidet nach
selvorgängen verbunden sind. Die wichtigs- Unterschreiten der Liquiduslinie bei T1 A-rei-
ten sind: che Mischkristalle a 1 aus. Im Verlauf der Ab-
– Bilden einer Überstruktur: kühlung, z. B. bei T2 , sollten alle bisher ausge-
a  a ’, Bild 1-66a. schiedenen Mischkristalle die Zusammenset-
– Ausscheiden einer intermediären Phase zung a 2 haben. Dazu müssen die sich bisher
s aus einem Mischkristall a : gebildeten Mischkristalle eine bestimmte
a  s, Bild 1-66b. Menge A ausscheiden und die gleiche Men-
– Entmischung eines Mischkristalls a :
a  aA  a B, Bild 1-66c.
– Eutektoider Zerfall eines Mischkristalls
a in zwei feste Phasen:
a  b  g , Bild 1-66d.
Das technisch wichtigste Eutektoid ist
der Perlit im Fe-C-System, der aus dem
Mischkristall Ferrit (a ) und der interme-
diären Phase Zementit (Fe3C) besteht.

Überstrukturen und vor allem intermediäre


Verbindungen (Abschn. 1.6.1.2 und Abschn.
1.4.2.1) sind in Konstruktionswerkstoffen
wegen ihrer Sprödigkeit, d. h. extremen Riss- Bild 1-67
neigung sehr unerwünscht (nicht aber z. B. Zur Entstehung der Kristallseigerung in Zweistoffle-
in Werkzeugstählen!), weil sie ihre Härte und gierungen.
ihre sehr geringe Verformbarkeit auf die ge- a) Zustandsschaubild.
samte Legierung übertragen. Die Gefährlich- b) Aufbau eines geseigerten Kornes: Der B-Gehalt
nimmt vom Korninneren (c1 = minimaler B-Gehalt)
keit solcher aus Reaktionen im festen Zu-
zur Korngrenze (c4 = cmax ) zu.
stand entstandener Phasen sollte aber nicht c) Die Korngrenzenbereiche können die Zusammen-
überbewertet werden, da die Zeiten für ihre setzung der zuletzt erstarrenden Restschmelze S4
Bildung in aller Regel sehr lang sind. (= c4 ) haben, schematisch.
56 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

ge B aufnehmen. Diese im festen Zustand gungen, eutektische Schmelzenreste, die in


ablaufenden Massentransporte können bei konzentrierter Anordnung grundsätzlich Ei-
rascher Abkühlung nicht mehr vollständig genschaftsverschlechterungen zur Folge ha-
erfolgen, d. h., die ausgeschiedenen Mischkris- ben.
talle haben keine dem Verlauf der Solidusli-
nie entsprechende konstante Zusammenset- Diese »Entmischung« ist die wichtigste Ur-
zung a2, sondern sie sind geschichtet aufge- sache der Heißrisse. Die stark verunreinigte
baut. Um den Kristallkern (a1) sind Schich- niedrigschmelzende Restschmelze umgibt die
ten angeordnet, deren Zusammensetzung nahezu vollständig erstarrten Kristallite mit
sich kontinuierlich von a1 bis a’2 ändert. Man einem dünnen Flüssigkeitsfilm. Die beim Ab-
bezeichnet diese Kristallite als Zonenmisch- kühlen (z. B. Schweißnaht, bei der Wärmebe-
kristalle, die Erscheinung als Kristallseige- handlung, im Walzgut) entstehenden Eigen-
rung, Bild 1-68. Diese lässt sich durch eine bzw. Schrumpfspannungen erzeugen die voll-
Glühbehandlung dicht unter der Solidustem- ständig interkristallin verlaufende Werkstoff-
peratur weitgehend beseitigen. Wegen der trennungen. Diese bei hohen Temperaturen
dann sehr geringen Werkstofffestigkeit (er- entstehende Rissform ist leicht an den ange-
hebliche Änderungen der Abmessungen sind laufenen, bzw. an den matten (Verunreinigun-
die Folge!) und der bei den meisten Legierun- gen!) Rissflächen erkennbar. Weitere Hinwei-
gen unwirtschaftlich langen Glühzeit (s. Ab- se sind in Abschn. 4.1.1.1, S. 300, und in Auf-
schn. 1.5.1.1, S. 40, und vor allem Beispiel gabe 1-11, S. 117, zu finden.
1-6, S. 41) wird diese Wärmebehandlung höchs-
tens für geometrisch einfach geformte Halbzeu- Der Umfang der Kristallseigerung und ihre
ge (z. B. Bleche) angewendet. Auswirkungen nehmen zu mit
– der Größe des Erstarrungsintervalls;
Bei der Solidustemperatur T3 ist durch die- – abnehmender Diffusionsfähigkeit der be-
se Solidusverschleppung noch eine gewisse teiligten Atomsorten;
Menge Restschmelze S3 vorhanden, die oft – zunehmender Abkühlgeschwindigkeit.
eine von L1 deutlich unterschiedliche Zusam- Allerdings erfolgt sowohl bei extrem lang-
mensetzung hat und die die niedrigschmel- samer als auch bei sehr schneller Abküh-
zenden Bestandteile der Legierung enthält. lung keine Entmischung, d. h., es entste-
Diese sind in den meisten Fällen Verunreini- hen homogene Mischkristalle;
– zunehmender Größe bzw. Schärfe der riss-
auslösenden (Schweißeigen-)Spannungen.
Man beachte, dass für eine Rissauslösung
in jedem Fall Spannungen (genauer Arbeit)
ausreichender Größe erforderlich sind.

Große Erstarrungsintervalle begünstigen we-


gen der längeren Aufenthaltsdauer in diesem
Bereich die Kristallseigerung, aber vor allem
die Heißrissgefahr, Abschn. 4.1.1.1, S. 300.

Das Schweißen kristallgeseigerter Legierun-


gen ist i. Allg. problemlos. Ihr Schweißverhal-
ten entspricht weitgehend dem der homoge-
nen Legierungen. Allerdings können die ge-
seigerten Bereiche heißrissanfällig sein bzw.
unterschiedliche Wärmeausdehnungskoeffi-
zienten besitzen. Größere Probleme können
Bild 1-68 allerdings bei geseigerten korrosionsbean-
Das a + (a + d )-Eutektoid in einer Cu-Sn-Gussbronze, spruchten Werkstoffen entstehen. Für diese
starke Kristallseigerung im a -MK, BAM. Beanspruchungsart ist grundsätzlich der Ein-
Abschn. 1.6: Grundlagen der Legierungskunde 57

satz homogener, einphasiger Legierungen – Technische Werkstoffe bestehen meistens


optimal, Abschn. 1.7. Aus diesem Grunde ist aus mehr als zwei Komponenten, dadurch
auch das wegen der großen Abkühlgeschwin- ändert sich der quantitative und qualitati-
digkeiten beim Schweißen immer kristallge- ve Ablauf der metallurgischen Reaktio-
seigerte Schweißgut meistens der Ort für ei- nen erheblich. Vor allem die »Werkstoffver-
nen bevorzugten Korrosionsangriff. unreinigungen« (z. B. Korngrenzensubs-
tanzen, niedrigschmelzende Phasen) kön-
1.6.3.2 Entartetes Eutektikum nen die mechanischen Gütewerte entschei-
Enthält die erstarrende Legierung neben dend verändern, Abschn. 1.3.
primären Kristalliten, z. B. A, nur einen ge-
ringen Anteil eutektischer Schmelze, und ist Bei Berücksichtigung dieser Einschränkun-
die Keimbildung der bereits primär vorhan- gen lassen sich für jeden Mischungsgrad von
denen A-Phase im Eutektikum erschwert, A mit B (Grundwerkstoff A und Zusatzwerk-
dann kristallisiert diese Phase aus der eutek- stoff B oder Grundwerkstoff A und B) we-
tischen Schmelze direkt an die bereits in gro- nigstens Art und Menge der entstehenden
ßer Menge vorhandenen Primärkristalle. Das Gefügearten und damit annähernd die Eigen-
»Eutektikum« besteht dann nur aus erstarr- schaften des Schweißguts abschätzen. Ein
ten B-Kristalliten. Die Kennzeichen des nor- weiterer Vorteil besteht darin, dass das Auftre-
malen Eutektikums 7) fehlen völlig. ten der unerwünschten intermediären Verbin-
dungen sehr leicht erkennbar ist, z. B. Bild
Von technischer Bedeutung sind die entarte- 1-65. Aus ihrer Zusammensetzung – vor al-
ten Eutektika z. B. der Systeme Ni-NiS (Ni- lem aber aus ihrer Lage im Zustandsschau-
ckel und Nickellegierungen) und Fe-FeS (un- bild – lässt sich in vielen Fällen eine erfolgver-
/legierte Stähle). Der niedrige Schmelzpunkt sprechende Schweißtechnologie ableiten.
(TS,NiS O 650 ’C, TS,FeS O 1000 ’C) dieser an den
Korngrenzen vorhandenen »eutektischen Fil- Die Schweißeigenschaften heterogener Le-
me« ist die Ursache für die Heißrissbildung gierungen hängen vom Schweißverhalten
im Stahl und Nickel(-legierungen). der einzelnen Phasen (bzw. Bestandteile, z. B.
Verunreinigungen!) und vor allem von einer
unterschiedlichen Löslichkeit der Verunreini-
1.6.4 Aussagefähigkeit und Bedeu- gungen in den einzelnen Bestandteilen der Le-
tung der Zustandsschaubilder gierung ab. Genauere Hinweise sind in Abschn.
für das Schweißen 5.1.2, S. 506, zu finden. Ein unvorhersehbares
Verhalten ist damit nahezu ausgeschlossen.
1.6.4.1 Abschätzen des Die Anwesenheit intermediärer Phasen (vor
Schweißverhaltens allem an den Korngrenzen!) bildet allerdings
Aus den Zustandsschaubildern sind bei Be- eine bemerkenswerte Ausnahme. Wie schon
achtung einiger einschränkender Faktoren mehrfach erwähnt, wird die Schweißeignung
eine Reihe bemerkenswerter Informationen der Werkstoffe in vielen Fällen bereits durch
über den Ablauf der Schmelzschweißprozes- geringste Mengen (einige hundertstel Pro-
se ableitbar. Die Aussagefähigkeit wird aber zent!) intermediärer Phasen sehr verschlech-
durch verschiedene Faktoren begrenzt: tert, s. a. Abschn. 1.6.1.2, S. 48.
– Sie gelten nur für Abkühlbedingungen,
die dem thermodynamischen Gleichge-
wicht entsprechen, also für »unendlich«
kleine Abkühlgeschwindigkeiten. Diese 7)
Die Merkmale eines metallkundlich »normalen«
entscheidende Voraussetzung trifft bei Eutektikums sind die gleichzeitige Bildung der
Schmelzschweißprozessen nie zu. Jede Kristallarten, zwischen denen charakteristische
aus diesen Schaubildern abgeleitete In- metallografische Orientierungsbeziehungen be-
stehen. Das Gefüge ist bei höherer Festigkeit (im
formation muss daher vor diesem Hinter- Vergleich zur Festigkeit der es aufbauenden Be-
grund gesehen und fachgerecht interpre- standteilen) gewöhnlich sehr fein (körnig oder
tiert werden. lamellenförmig), s. Abschn. 1.6.2.2.
58 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Nur aus Mischkristallen bestehende Werk- Unerwartete Eigenschaften sind daher nicht
stoffe sind i. Allg. gut bis sehr gut schweißge- möglich. Technisch bedeutsam sind z. B. die
eignet. Mehrphasige Legierungen werden bei niedrigster Temperatur schmelzenden
aber häufig dann vorgezogen, wenn die Lös- eutektischen Legierungen, die daher vorzugs-
lichkeit der einzelnen Phasen für Verunreini- weise als Guss- und Lotwerkstoffe eingesetzt
gungen sehr unterschiedlich ist, Abschn. werden. Ihre Eigenschaften werden von denen
5.1.2, S. 505. Als Beispiel seien die Cu-Ni-Le- der Komponenten und des mechanischen Ge-
gierungen, die kupferreichen Messingsorten misches Eutektikum bestimmt. Wegen der in
und die austenitischen Cr-Ni-Stähle genannt, der Regel sehr feinen Gefügeausbildung ist
die ohne eine zweite Phase z. T. extrem heiß- die Härte und Festigkeit des echten – d. h.
rissanfällig sind. Daher werden wegen der nicht entarteten – Eutektikums häufig we-
grundsätzlichen Heißrissgefahr von »gegos- sentlich größer als nach der »Mischungsre-
senen« Schweißgütern für Zusatzwerkstoffe gel« erwartet werden kann (»Korngrenzen-
meistens mehrphasige Werkstoffe, d. h. Le- härtung«). Allerdings ist die durch den Schweiß-
gierungen, verwendet. prozess entstehende mögliche andersartige
Verteilung der Verunreinigungen (z. B. bevor-
Die Schweißeignung hängt außerdem sehr zugt an den Korngrenzen des Schweißguts
stark von der Kristallstruktur ab. Sie ist bei bzw. in ungünstiger Form in den schmelz-
den zähen, praktisch nicht versprödbaren grenzennahen hocherhitzten Bereichen in
Werkstoffen mit kfz Gitter (z. B. Kupfer, Alu- rundlicher oder filmartiger Form!) und der
minium, Nickel) am besten, bei den spröde- Gusszustand des Schweißguts zu beachten.
ren mit krz Gitter (z. B. unlegierte Stähle,
ferritische Chromstähle) schlechter. Die sprö- Die Eigenschaften von Legierungen, die voll-
den hdP Metalle (z. B. Magnesium und Zink) ständig aus Mischkristallen bestehen, kön-
sind so schlecht schweißgeeignet, dass von nen sich dagegen in unvorhergesehener Wei-
einem Schweißen im Allgemeinen abgeraten se in einem extrem großen Bereich ändern.
werden muss. Durch die Aufnahme von Legierungsatomen,
die in der Regel nicht statistisch im Gitter
Abgesehen von diesen sehr vereinfacht dar- verteilt sind, Abschn. 2.6.3.2, S. 160, entste-
gestellten Zusammenhängen beeinflussen hen außer einer merklichen Gitterverspan-
außerdem die nung spezielle Anordnungen der Legierungs-
– Art (oxidisch, sulfidisch), Menge, Form atome (z. B. Nahbereichsordnung, Clusterbil-
(rundlich, filmartig, nadelförmig, koagu- dung) die oft zu einer deutlichen Festigkeits-
liert) und Lage (Korngrenzen, Matrix) der erhöhung führen, verbunden mit einer über-
Verunreinigungen, der raschend hohen Zähigkeit.
– Wärmebehandlungszustand des Grund-
werkstoffs (normalgeglüht, lösungsge- 8)
Im thermodynamischen Gleichgewicht besteht
glüht, gehärtet) und die zwischen der Anzahl der Komponenten (K), der
– Gefügeform und Gefügeart (Guss-, Walz-, Zahl der Phasen (P) und dem Freiheitsgrad (F)
Vergütungsgefüge), das nach Gibbs benannte Phasengesetz (s. a. Bild
1-59, S. 50, und Aufgabe 1-8, S. 114):
– Korngröße (WEZ und Schweißgut) und
F = K + 2 – P.
Kornform sowie die
– Art und Menge der Gefügebestandteile Der Freiheitsgrad gibt die Zahl der möglichen
das Schweißverhalten in einer quantitativ oft Zustandsänderungen (p, T, c) im Gleichgewichts-
fall an, ohne dass sich der Zustand des Systems
nicht zuverlässig beschreibbaren bzw. be-
durch Verschwinden oder Neubilden von Phasen
kannten Weise. ändert. Da die metallurgischen Reaktionen bei
metallischen Werkstoffen bei p konst. ablaufen,
1.6.4.2 Mechanische Gütewerte verringert sich F um 1:
Die Eigenschaften der aus mehreren Phasen F = K + 1 – P.
bestehenden heterogenen Legierungen wer- Zum Festlegen eines ternären Eutektikums (K 3,
den von den Teileigenschaften und den Men- P 1) sind danach drei Zustandsgrößen erforder-
genanteilen der einzelnen Phasen bestimmt. lich, das sind: c1, c2 und T.
Abschn. 1.6: Grundlagen der Legierungskunde 59

1.6.5 Dreistoffsysteme Die Phasengleichgewichte werden nach Gibbs


in einem gleichseitigen Dreieck dargestellt,
Technische Werkstoffe sind meistens Mehr- Bild 1-69. Die Eckpunkte entsprechen den rei-
stofflegierungen, d. h., sie bestehen aus drei nen Komponenten A, B und C. Die Seiten A-
oder mehr Legierungselementen. Die grafi- B, B-C, C-A stellen die drei Zweistoffsyste-
sche Darstellung der Gleichgewichtszustän- me dar. Innerhalb der Dreiecksfläche reprä-
de ist bei aus drei Komponenten bestehenden sentiert jeder Punkt eine Dreistofflegierung.
Legierungen mit Hilfe von Dreistoffsyste- Die Ermittlung der chemischen Zusammen-
men (ternäre Systeme) noch relativ einfach setzung (nicht Menge und Art der sie aufbau-
überschaubar. Vierstoffsysteme werden we- enden Phasen) der Legierung L wird in Bild
gen ihrer Komplexität und schwierigen Inter- 1-69a gezeigt.
pretation in der Praxis kaum angewendet.
Sie sind auch nur für einige Werkstoffe (über- Mit der auf der Dreiecksfläche senkrecht ste-
wiegend reine Metalle) verfügbar. henden Temperaturachse wird das »Zustands-
schaubild« zu einem keilförmigen räumlichen
Die Praxis zeigt, dass bei einigen plausiblen Gebilde. Nach dem hier nicht zu besprechen-
Annahmen und Vereinfachungen aus den den Gibbsschen Phasengesetz 8) (s. aber Auf-
Dreistoffsystemen für technische Mehrstoff- gabe 1-8, S. 114) entstehen für p konst.
werkstoffe eine Vielzahl bemerkenswerter, beim Übergang vom Zweistoff- zum Dreistoff-
anderweitig kaum beschaffbarer Informatio- system die in Tabelle 1-3 gezeigten Änderun-
nen gewonnen werden kann. Ein typisches gen. Bild 1-70 zeigt die einfachste Variante
Beispiel sind die hochlegierten Cr-Ni-Stähle. eines ternären Schaubildes, das aus drei bi-
Die aus dem Dreistoffsystem Fe-Cr-Ni (Bild nären eutektischen Systemen mit vollstän-
2-68, S. 205) »ablesbaren« Erkenntnisse sind diger Löslichkeit im flüssigen und vollstän-
nur schwerlich mit anderen Hilfsmitteln der- diger Unlöslichkeit im festen Zustand be-
art einfach erreichbar. steht.
C L = 20 % A + 15 % B + 65 % C C
0 100 L 1 = 50 % A + 40 % B + 10 % C
L2 = 80 % B + 20 % C

20 % A 80

L L
65 % C
40 60
A
%

60 40
%
C

P P
L2 K
80 20
L1

A B A B
0 20 40 60 80 100
15 % B %B 15 % B 65 % C 20 % A

a) b)

Bild 1-69
Konzentrationsdreieck zum Darstellen der chemischen Zusammensetzung von Dreistofflegierungen.
a) Zusammensetzung der Legierung L.
b) Legierungen mit konstantem Gehalt eines Legierungsbestandteiles (hier C) liegen auf einer Parallelen (P-P)
der diesem Element gegenüberliegenden Dreiecksseite (hier A-B).
Legierungen mit einem konstanten Verhältnis zweier Legierungselemente (hier B/C = 4 ) liegen auf einer
Geraden (hier A-K ), die durch den Eckpunkt der dritten Komponente geht (hier A ).
60 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Die Liquidusfläche besteht aus drei Teilflä- ist aber konstant, denn ihre Massenanteile
chen, Bild 1-70c, die durch die eutektischen bleiben unverändert. Die Zusammensetzung
Rinnen voneinander getrennt sind. Das sind der Restschmelze SR ändert sich entlang der
die bei den eutektischen Punkten der binä- Geraden C - Z (s. a. Bild 1-69b, Linie A - K)
ren Eutektika E1, E2, E3 beginnenden räum- und erreicht bei der Temperatur T4 den Punkt
lich gekrümmten Linien im ternären Raum, Z auf der eutektischen Rinne (E1 - Et).
die bis zu ihrem Schnittpunkt Et, dem ter-
Bei T3 besteht L aus C und Schmelze S3:
nären Eutektikum abfallen. L - S3
mC /mS.3 = T1
C- L L
T3
C
T4 S3
T1
E1
T2 L Z
T3 C
S3
Raum der primären T4 E1 Et
Kristallisation E3
Z
C A Et B

A B A
E2
B a) b)
a)
T1 Bild 1-71
Zur Kristallisation ternärer Legierungen.
a) Primärkristallisation reiner C-Kristalle aus der
Raum der binären Legierung L. Die Zusammensetzung der Restschmel-
eutektischen
T = T1 Kristallisation ze SR ändert sich dabei gemäß dem Linienverlauf
T = T1 C-Z. Sie hat nach Erreichen der eutektischen Rinne
bei T4 die Zusammensetzung Z.
b) Die sekundäre Kristallisation der Schmelze SR
C A
erfolgt gemäß Linie Z-Et und endet mit ihrer Er-
starrung zu ternärem Eutektikum Et.
Schnitte für T = konst.
B
b) Die sekundäre Kristallisation der Schmelze
E3
C A SR erfolgt weiter gemäß Linie Z - Et, es ent-
eutektische Rinnen
steht das binäre Eutektikum: SR  B  C,
Bild 1-71b. Die Restschmelze kristallisiert
Et E2
E1 bei Te konst. zum ternären Eutektikum Et:
E 1, E 2, E 3 SR  A  B  C (tertiäre Kristallisation).
binäre Eutektika

c) B
Tabelle 1-3
Phasenänderungen beim Übergang vom Zweistoff-
Bild 1-70 zum Dreistoffsystem.
Ein aus drei eutektischen Zweistoffsystemen aufge-
bautes Dreistoffsystem. Freiheitsgrad Phasenzahl Art des Phasen-
a) Schaubild mit eingezeichnetem Raum der primä- gebietes
F P
ren Kristallisation: S Æ S + B,
b) Raum der binären eutektischen Kristallisation:
Zweistoffsysteme (F = 3 – P)
S Æ B + C,
c) Schmelzflächenprojektion S auf die Konzentra- 0 3 Dreiphasenlinie
tionsebene mit den drei eutektischen Rinnen Ei-Et 1 2 Zweiphasenfläche
und dem ternären eutektischen Punkt Et. 2 1 Einphasenfläche

Dreistoffsysteme (F = 4 – P)
Während der Primärkristallisation der Le-
gierung L, Bild 1-71a, wird die Liquidusflä- 0 4 Vierphasenebene
che bei T1 durchstoßen. Dabei scheiden sich 1 3 Dreiphasenraum
C-Kristalle aus, wodurch die Restschmelze 2 2 Zweiphasenraum
3 1 Einphasenraum
A- und B-reicher wird. Das Verhältnis B/A
Abschn. 1.6: Grundlagen der Legierungskunde 61

Ein tieferes Verständnis der Schaubilder er- – Quasibinäre Schnitte sind bei Legierungs-
fordert genauere Kenntnisse der Vorgänge systemen mit bestimmten metallurgischen
bei der binären eutektischen Kristallisation, bzw. metallkundlichen Voraussetzungen
Bild 1-70b und Bild 1-71. Diese Räume ha- möglich, z. B. Bild 1-74c. Die Interpreta-
ben die Form einer »Pflugschar«. Sie werden tion dieser Schaubilder kann dann wie bei
daher auch häufig als »Dreikantröhren« be- einem Zweistoffsystem erfolgen.
zeichnet. Es ist notwendig, sich den Verlauf
und den geometrischen Aufbau dieser »Röh- Isothermische Schnitte
ren« vorstellen zu können. Sie sind ein typi- In diesen Ebenen können bei konstanter Tem-
sches Kennzeichen aller Dreistoffsysteme und peratur sämtliche Legierungen vollständig
für das Verständnis dieser Systeme absolut beschrieben werden. Folgende Angaben sind
notwendig. ablesbar bzw. ermittelbar:
– Mengenverhältnisse der Phasen mit dem
1.6.5.1 Ternäre Schaubilder in ebener Hebelgesetz. Diese Berechnungen sind
Darstellung aber nur in isothermischen Schnitten
Die räumliche Darstellung komplizierter Drei- möglich,
stoffsysteme ist in den meisten Fällen unüber- – Zusammensetzung und Grenzen der betei-
sichtlich und schwer interpretierbar. Einzel- ligten Phasen.
ne Zustandspunkte lassen sich nicht exakt
bestimmen, weil Punkte im Raum erst durch Die Art und der Verlauf von Phasenänderun-
drei Koordinaten eindeutig bestimmt sind. gen können in Abhängigkeit von der Tempe-
Daher verwendet man in der Praxis meis- ratur mit Hilfe verschiedener isothermischer
tens bestimmte, sehr viel einfachere, ebene Schnitte ermittelt werden. Bild 1-72 zeigt
Darstellungen: eine Reihe isothermischer Schnitte in einem
– Schmelzflächenprojektionen auf die Kon- einfachen eutektischen Dreistoffsystem bei
zentrationsebene, z. B. Bild 1-70c. drei Temperaturen.
– Isothermische Schnitte (Horizontalschnitte)
sind Ebenen parallel zur Konzentrations- Bei dem bisher besprochenen Dreistoffsys-
ebene bei konstanter Temperatur, z. B. tem scheiden sich nach Unterschreiten der
Bild 1-72. Liquidusfläche die reinen Komponenten in
– Vertikalschnitte (Temperatur-Konzentra-
tionsschnitte). Bei ihnen bleibt eine Kon-
zentration oder ein Konzentrationsverhält- 9)
Eine Konode verbindet in Zweiphasenfeldern mit-
nis konstant, z. B. Bild 1-69b, Linie P-P einander im Gleichgewicht (d. h. T konst.) ste-
und A-K. hende Phasen.

Schnitt bei T1 Schnitt bei T2 Schnitt bei T £ Te


T1 A B A B A B
S+ A S+ B S+ A+ B
S+ A S+ B
S
T2 Et = A + B + C
S
C
S+

B+
A+

Te
S+
C

A B S+ C
S+ C
C C C
C
a) b) c) d)

Bild 1-72
Isothermische Schnitte durch ein eutektisches Dreistoffsystem bei drei verschiedenen Temperaturen.
a) Eutektisches Dreistoffsystem.
b) Erstarrung im Bereich der primären Kristallisation, Schnitt bei T1 , z. B.: S Æ S + A.
c) Primäre und sekundäre eutektische Kristallisation, Schnitt bei T2 , z. B.: S Æ S + A + B.
d) Tertiäre eutektische Erstarrung unterhalb Te zum ternären Eutektikum, Schnitt bei T £ Te: S Æ A + B + C.
62 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

fester Form aus. Die zur Mengenbestimmung der Linie Li im Gleichgewicht sein. Die tat-
notwendigen Konoden 9) sind dann gerade Li- sächlichen Konoden lassen sich aber nur ex-
nien, die die im Gleichgewicht stehenden Pha- perimentell mit einem erheblichen Aufwand
sen (kristallisierende feste Komponente und bestimmen und werden dann in die isothermi-
die Restschmelze) verbinden. In Bild 1-71a schen Schnitte eingetragen. Ist ihr Verlauf
verbindet z. B. die Konode C - Z die sich bei nicht bekannt, dann sind Mengenberechnun-
T4 im Gleichgewicht befindlichen Phasen C gen mit dem Hebelgesetz nur annähernd mit
und die Restschmelze SR der Zusammenset- dem im Bild 1-73b dargestellten Verfahren
zung Z. möglich.

Die Vorgänge ändern sich merklich, wenn Vertikalschnitte


aus der Schmelze Mischkristalle auskristalli- Vertikalschnitte stehen senkrecht auf der
sieren, also Phasen mit nicht konstanter Zu- Konzentrationsebene. Sie werden in der Re-
sammensetzung. Ohne auf nähere Einzelhei- gel parallel zu einer Dreiecksseite (ein Legie-
ten einzugehen, sollen einige Vorgänge pau- rungselement ist dann konstant, wie Bild 1-
schal an Hand des Bildes 1-73 besprochen 69b zeigt) oder durch einen der Eckpunkte
werden. des Dreiecks gelegt. Hierbei bleibt das Mas-
senverhältnis zweier Komponenten dann kons-
C C
tant. Diese Schaubilder gestatten es ledig-
g g lich, das metallurgische Verhalten der Legie-
S+ g a S+ g a
Li Li rung in Abhängigkeit von der Temperatur zu
L L beschreiben bzw. annähernd zu beurteilen.
So So
b b
Keinesfalls sind die Zusammensetzungen
S S
und die Mengen der miteinander im Gleichge-
A B A B wicht vorliegenden Phasen bestimmbar, weil
die Phasenänderungen im Allgemeinen nicht
a) b)
nur in der betreffenden Ebene ( das ist ein
Bild 1-73 Vertikalschnitt), sondern auch in den davor
Isothermischer Schnitt aus einem Dreistoffschaubild oder dahinter liegenden Phasenräumen statt-
mit Mischkristallbildung. Bestimmung der Mengen- finden können.
anteile der Phasen S und g mit
a) experimentell ermittelten Konoden:
mg = (L - b)/(a - b) ◊ 100 %; mS = 100 % - mg , mit
Die Bilder 1-74a und 1-74b zeigen Beispiele
b) unbekanntem Konodenverlauf. Angenähert lässt für die beiden wichtigsten Typen der Vertikal-
sich der Konodenverlauf durch die Linie C - b dar- schnitte (Schnitt parallel zur Achse A-B und
stellen. Schnitt durch den Eckpunkt A).

In diesem Zustandsschaubild existiert eine Quasibinäre Schnitte


Liquidusfläche und eine Solidusfläche, die Diese Schnittflächen verhalten sich wie nor-
durch einen Erstarrungsraum voneinander male Zweistoffsysteme. Sämtliche für die bi-
getrennt sind. Li ist die Spur der Liquidusflä- nären Systeme geltenden Gesetzmäßigkei-
che, So die der Solidusfläche auf der Isother- ten (u. a. auch die Anwendbarkeit des Hebel-
menfläche, L die Zusammensetzung der er- gesetzes) gelten daher bei den quasibinären
starrenden Legierung. In dem Zweiphasen- Schnitten. Diese damit verbundene Vereinfa-
feld [(S  g ), Bild 1-73] des Dreistoffsystems chung ternärer Systeme ist ihr entscheiden-
ist bei konstanter Temperatur noch ein Frei- der Vorteil.
heitsgrad vorhanden, d. h., die Zusammenset-
zung kann verändert werden, ohne dass das A und C bilden eine intermediäre Verbindung
thermodynamische Gleichgewicht des Sys- V, die sich wie eine weitere System-Kompo-
tems gestört würde. nente verhält, wie aus Bild 1-74c zu erken-
nen ist. Nur in diesem Fall sind quasibinä-
Sämtliche auf der Linie So liegenden Misch- re Schnitte möglich, anderenfalls entstehen
kristalle können daher mit allen Schmelzen normale Vertikalschnitte.
Abschn. 1.7: Grundlagen der Korrosion 63

C C
5 C
1
4
3
I
V
2
2
9 6 1
8 5
7 4 8
II 1 2 3 III 7
6

A B A B A B

8 5 1
6 TS.B
9 S S S

2
S+C S+ B 5 S+A 1 S+C S+V S+B
8 7 4 2

S+C+A S+B+C S+B+A S+A+C S+C+B


7 4 6 3 V+E E B+V
1 A+B+C 3 A+B+C 2

II III A I V B
a) b) c)

Bild 1-74
Vertikalschnitte durch ein eutektisches Dreistoffsystem.
a) Schnitt parallel zur A-B-Achse: II-III, der C-Gehalt ist in allen Legierungen des Systems II-III konstant.
b) Schnitt durch den Eckpunkt A: A-I, das Mengenverhältnis B/C aller in dieser Schnittfläche liegenden
Legierungen ist konstant.
c) Quasibinärer Schnitt.

1.7 Grundlagen der Korrosion ❐ Fehlerhafte Ver- und (oder) Bearbeitung


des Werkstoffs. Dazu gehört z. B.:
Ein häufig örtlicher Korrosionsangriff ist oft – Beschädigung der Werkstückoberflä-
die Ursache für die Zerstörung von Bauteilen chen (Kratzer, Riefen, Schleifspuren,
aus metallischen Werkstoffen bzw. die ka- Ablagerungen aller Art),
tastrophale Verringerung ihrer Lebensdau- – Kaltverformung (Bohren, Biegen, me-
er. Meistens sind die Ursachen und der Schä- chanische Bearbeitung),
digungsmechanismus nur ungenau bekannt. – Erzeugen unerwünschter metallischer
Sie müssen mit Hilfe aufwändiger Untersu- Kontakte (z. B. Einschleppen von Fremd-
chungsmethoden und erfahrener Fachleute metallspänen aller Art in die Ober-
festgestellt werden. Der Jahr für Jahr entste- fläche oder der direkte galvanische
hende volkswirtschaftliche Schaden macht Kontakt mit anderen Metallen).
die ingenieurmäßige Durchdringung der Kor-
rosionserscheinungen und der Korrosionsme- ❐ Wartungsmängel. Mit geeigneten betrieb-
chanismen, aber auch der Korrosionsabwehr lichen Maßnahmen muss für einwandfreie,
erforderlich. möglichst glatte, kratzerfreie Oberflächen
gesorgt werden. Oberflächenablagerun-
Eine vielfach praxiserprobte Erfahrung be- gen aller Art (z. B. organischer Bewuchs,
sagt, dass die Ursache des Korrosionsscha- Fremdrost, leitende, nichtleitende Belä-
dens meistens nicht eine ungenügende Kor- ge oder Gegenstände, »Totwasserecken«,
rosionsbeständigkeit des Werkstoffs ist. Viel- stagnierende Medienströme) sollten ver-
mehr sind für das Bauteilversagen die fol- mieden bzw. möglichst rückstandslos be-
genden Gründe häufig entscheidender: seitigt werden.
64 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

❐ Konstruktive Mängel. Eine nicht korro- reich 2). Dieses kann gasförmig (Verzundern)
sionsschutzgerechte Gestaltung des Bau- oder flüssig (wässrige Lösungen: z. B. Säu-
teils ist eine sehr häufige Versagensursa- ren, Basen, Salze sowie Wässer aller Art)
che (z. B. Medium kann nicht ablaufen, sein. Tabelle 1-4 zeigt schematisch die dabei
Spalten, fehlende Zugänglichkeit für In- ablaufenden Vorgänge.
spektion und Reparatur!). »Die Korrosions-
beständigkeit beginnt am Reißbrett«. Diese Die Ursache aller Korrosionserscheinungen
plakative korrosionstechnische »Binsen- ist die thermodynamische Instabilität der
wahrheit« wird aber häufig nicht genü- Metalle gegenüber Oxidationsmitteln, wie
gend beachtet. Nähere Hinweise sind im (wasserdampfhaltige) Luft oder wässrigen
Abschn. 1.7.7 zu finden. Medien. (Unedle) Metalle haben daher grund-
sätzlich das Bestreben, mit den sie umgeben-
Zum Verständnis des Phänomens »Korrosi- den Medien Verbindungen aller Art einzuge-
onsbeständigkeit« gehört also die Einsicht, hen, d. h. einen thermodynamisch wesent-
dass der Einsatz von korrosionsbeständigen lich stabileren Zustand einzunehmen. Viele
Werkstoffen noch keine Garantie für die Her- Metalle sind schon bei Raumtemperatur in-
stellung korrosionsbeständiger geschweiß- stabil, d. h., sie reagieren mit Sauerstoff bzw.
ter Bauteile ist! Weitere Einzelheiten wer- sauerstoffabgebenden Substanzen, wenn die
den im Abschn. 4.3.7, S. 414, besprochen. Reaktion kinetisch nicht gehemmt ist.

Bei der chemischen Reaktion reagieren


1.7.1 Definitionen und Begriffe die Metalle unmittelbar miteinander ohne
Anwesenheit eines Elektrolyten. Der Elektro-
Die Zerstörung metallischer Werkstoffe durch nenaustausch erfolgt direkt, ein Elektronen-
chemische oder elektrochemische Reaktionen fluss findet nicht statt. Diese Korrosionsform
mit ihrer Umgebung bezeichnet man als Kor- ist im Vergleich zur elektrochemischen von
rosion. Nach DIN EN ISO 8044 versteht man weitaus geringerer Bedeutung. Die angreifen-
unter Korrosion die Reaktion eines metalli- den Agenzien können aggressive – meistens
schen Werkstoffs mit seiner Umgebung, die heiße – Gase sein, aber auch Säuren, Basen
eine messbare Veränderung des Werkstoffs und Salze. Die wirksame Substanz ist in al-
bewirkt und zu einer Beeinträchtigung der ler Regel Sauerstoff, der das Metall in sein
Funktion eines metallischen Bauteils oder Oxid überführt, z. B.:
eines ganzen Systems führen kann.
4¹ Al  3 ¹ O2 2 ¹Al2O3.
Korrosionsvorgänge sind ohne Ausnahme In den meisten Fällen geht die chemische
Grenzflächenreaktionen zwischen der Ober- Korrosion durch die allgegenwärtige Luft-
fläche des Werkstoffs (Bereich 1) und dem feuchtigkeit in die wesentlich gefährlichere
ihn umgebenden korrosiven Medium (Be- elektrochemische über.

Tabelle 1-4
Grenzflächenvorgänge bei den wichtigsten Korrosionserscheinungen an Metallen, nach Schatz.

Bereich 1 Bereich 2 Korrosionsbestimmende Reaktion


(korrodierender Werkstoff) (Korrosionsmittel) (elektrochemische, chemische)

Elektrolytlösungen
Metall Säuren, Basen, Salzlösungen und Elektrochemische Reaktion
natürlicheund technische Wässer
Feuchte Gase
Metall Elektrochemische Reaktion
Atmosphäre
Metall Trockene und heiße Gase Chemische Reaktion
Nichtelektrolyte
Metall Chemische Reaktion
nichtleitende organische Flüssigkeiten
Abschn. 1.7.2: Elektrochemische Vorgänge 65

Tabelle 1-5
Beständigkeitsstufen für Stahl, nach Wendler-Kalsch.

Beständigkeitsstufe h / mm g / m2 h mm / a

I = vollkommen beständig > 262 ¹ 103 < 0,03 < 0,033


II = beständig 78 bis 262 ¹ 10
 3 0,03 bis 0,1 0,033 bis 0,11
III = verwendbar 26 bis 78 ¹ 103 0,1 bis 0,3 0,11 bis 0,33
IV = bedingt verwendbar 7,8 bis 26 ¹ 103 0,3 bis 1 0,33 bis 1,1
V = wenig beständig (unbrauchbar) 2,6 bis 7,8 ¹ 103 1 bis 3 1,1 bis 3,3
VI = unbeständig > 2,6 ¹ 103 >3 > 3,3

Der durch Korrosionsvorgänge verursachte vorgänge durch Wasser und den darin gelös-
Schaden wird überwiegend von der Korro- ten (bzw. in Ionen aufgespaltenen) Bestand-
sionsgeschwindigkeit 10) bestimmt, d. h. von teilen hervorgerufen.
der in der Zeiteinheit abgetragenen Werkstoff-
masse. Die Korrosionsbeständigkeit wird häu- Das chemische Verhalten einer wässrigen Lö-
fig als reziproke lineare Korrosionsgeschwin- sung wird im Allgemeinen durch ihren pH-
digkeit definiert und in h/mm angegeben. Wert angegeben, d. h. durch die Konzentra-
Wendler-Kalsch unterscheidet sechs Bestän- tion der H3O -Ionen 11) (pH  7) und der OH -
digkeitsstufen, Tabelle 1-5. Als in der Pra- Ionen (pH ! 7). Lösungen mit
xis gut verwendbare Schätzung für die Kor-
rosionsbeständigkeit eines Werkstoffs wird pH < 7 verhalten sich sauer, ihr Gehalt
meistens 0,1 mm/a angenommen. an H3O -Ionen beträgt ! 10 7 mol / l;
pH > 7 verhalten sich basisch, ihr Gehalt
an OH -Ionen beträgt ! 10 7 mol / l;
1.7.2 Elektrochemische Vorgänge pH = 7 sind chemisch neutral.

Bei der weitaus wichtigsten Korrosionsform, Die grundlegenden elektrochemischen Re-


der elektrochemischen Korrosion, ist für aktionen können an einer Halbzelle 12) unter-
den Transport der Ladungen außerhalb der sucht werden, deren Elektrolyt die Ionen des
Metalle ein Elektrolyt erforderlich. Elektroly- Metalls enthält. Zwischen dem Metall und
te sind Lösungen von Stoffen, die in der wäss- den Metallionen entstehen an der Phasen-
rigen Lösung je nach ihrem Dissoziations- grenze Elektrolyt/Metall folgende wechsel-
grad in unterschiedlicher Menge in Ionen- wirkenden Reaktionen, Bild 1-75:
form vorliegen. Die Stärke eines Elektrolyten
wird von der Anzahl der Ionen und deren Wer- Anodische Reaktion: Me Æ Me n + + n ◊ e - ,
tigkeit bestimmt. Kathodische Reaktion: Me n + + n ◊ e - Æ Me.

Nahezu jede Flüssigkeit ist im Sinne der Kor- Der für die Korrosion entscheidende Vorgang
rosionsbeanspruchung ein Elektrolyt. Die ist die elektrolytische Auflösung des Metalls
Korrosion in wässrigen Lösungen ist da- an der Grenzfläche Metall/Elektrolyt. Die
her von größter praktischer Bedeutung. In positiv geladenen Metallionen verlassen das
der Mehrzahl der Fälle werden Korrosions- Metall, wobei abhängig von dessen Wertig-

10)
Diese Aussage betrifft nur die gleichmäßig abtra-
11)
Das »Wasserstoffion« (H ) kommt in wässrigen Lö-
gende Korrosion, die berechenbar ist und hinrei- sungen nicht vor, weil es nach seiner Entstehung
chend genau durch die Abnahme der Werkstückdi- mit Wasser reagiert: H   H2O  H3O. Der Ein-
cke beschreibbar ist. Sie betrifft nicht die Auswir- fachheit halber wird im Folgenden aber mit H 
kung lokaler Korrosionsformen (Lochkorrosion), gearbeitet.
12)
bei denen durch einen nur örtlichen Angriff die Das aus Elektrolyt und einem darin eintauchen-
Gebrauchsfähigkeit des Bauteils vollständig ver- den Metallstück ( Elektrode) bestehende Sys-
loren gehen kann. tem wird auch als Halbzelle bezeichnet.
66 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

keit »n« n Elektronen im Werkstück zurück- bei einem Kondensator gegenüber (»elektro-
bleiben. Diese anodische Metallauflösung ist lytische Doppelschicht«), Bild 1-75. Diese Po-
ein Oxidationsvorgang, weil Elektronen ab- tenzialdifferenz ist die treibende »Kraft« der
gegeben werden. Sie ist mit einem positiven Metallauflösung und Maßstab für das Bestre-
(anodischen) Stromfluss verbunden. Bei dem ben der Metalle, anodisch in Lösung zu ge-
Übergang der Metallionen vom Elektrolyten hen. Danach zeichnen sich die unedlen Metal-
zum Metall werden Elektronen aufgenommen. le durch ihre Neigung aus, verstärkt in Lö-
Dieser Prozess entspricht demnach einer (ka- sung zu gehen. Sie haben nach Nernst einen
thodischen) Reduktion. hohen »Lösungsdruck«. Ihre chemische Bestän-
digkeit ist umso geringer (größer), je negativer
Mit fortschreitender Metallauflösung wird (positiver) die Urspannung ist, d. h. je stär-
an der Phasengrenze Metall/Metallionen die ker ihre Tendenz ist, sich negativ (positiv) auf-
anodische Reaktion durch die sich im Elekt- zuladen.
rolyten aufstauenden Metallionen verlang-
samt, während die kathodische Reaktion als Die elektrolytische Doppelschicht erschwert
Folge der erhöhten Anzahl der im Metall an- den Übergang der Elektronen an die reduzie-
gehäuften Elektronen beschleunigt wird. Im rende Substanz ( kathodischen Bereiche).
Gleichgewichtszustand ist die anodische (iA) Der Ablauf dieser Reaktionen wird daher
gleich der kathodischen (iK) Teilstromdich- häufig von Aktivierungsprozessen bestimmt
te, Bild 1-75. Diese Größe wird auch Austausch- (Abschn. 1.7.4), weil diese Barriere durch Zu-
stromdichte i0 genannt. Bei der dann herr- fuhr einer Aktivierungsenergie überwunden
schenden Urspannung 'j0 stehen sich die ne- werden muss. Art und Beschaffenheit dieser
gativen Ladungsträger im (unedlen) Metall elektrolytischen Doppelschicht sind für den
und die positiven im Elektrolyten ähnlich wie Korrosionsablauf von großer Bedeutung. An
der Phasengrenze Metall/Elektrolyt wird zu-
erst eine Schicht der stark polaren H2O-Mole-
küle (Dipole) adsorbiert. Die positiv gelade-
nen Metallionen ziehen ebenfalls Wasserdi-
pole an (Hydratation). Sie können sich der
negativ geladenen Metalloberfläche damit
nur bis auf einen gewissen Mindestabstand
nähern. Die durch diesen äquidistanten Ab-
stand von der Metalloberfläche repräsentier-
te Ebene wird die äußere Helmholtzsche Ebe-
ne genannt, Bild 1-75c.

Eine vollständige Zerstörung (die Auflösung


des Metalls) kann in einer Halbzelle nicht er-
folgen, weil die zum fortlaufenden Aufrecht-
erhalten der anodischen Metallauflösung er-
forderliche Reaktion fehlt, d. h. der ständige
»Verbrauch« der Elektronen. Der kontinuier-
liche elektrolytische Werkstoffabtrag erfor-
dert demnach einen geschlossenen Strom-
kreis, der aus einem Elektronenstrom im Me-
Bild 1-75 tall und einem Ionenstrom im Elektrolyten
Die Urspannung Dj 0 ist eine Folge der Struktur der ( Korrosionsmedium) besteht. Diese Anord-
äußeren Helmholtzschen Ebene. Skizziert sind die nung – z. B. realisierbar durch zwei unter-
Vorgänge in der Halbzelle eines
schiedliche Metalle, die sich in einem Elektro-
a) unedlen und eines
b) edlen Metalls im Gleichgewichtszustand, d. h. lyten befinden – wird als galvanisches Ele-
iA = iK = i0 bei dem Potenzial E = Dj 0, Bild 1-87. ment oder Korrosionselement bezeichnet, s.
c) Struktur der äußeren Helmholtz-Ebene. Bild 1-76.
Abschn. 1.7.2: Elektrochemische Vorgänge 67

Die Urspannung 'j0 kann an einer Halbzelle Das unter genormten Bedingungen gemes-
nicht direkt gemessen werden, weil sich die sene Potenzial ist das Standardpotenzial des
0
elektrochemischen Verhältnisse merklich än- jeweiligen Metalls (Me) EMe n+
/ Me
. Dieser Wert
dern, wenn die metallische Messspitze in ei- unterscheidet sich vom wahren Lösungspo-
nen Elektrolyten eintaucht. Dies gelingt erst tenzial lediglich um einen konstanten, aber
mit einer zweiten Bezugselektrode, für die nicht bestimmbaren Betrag. Die Anordnung
häufig die Standardwasserstoffelektrode ver- der Metalle, geordnet nach ihren Standardpo-
wendet wird, der man willkürlich den Span- tenzialen, bezeichnet man als elektrochemi-
nungswert 0 V zuordnet 13). sche Spannungsreihe. Tabelle 1-6 zeigt die
Standardpotenziale einiger Metalle. Diese
Werte beruhen auf der 1953 in Stockholm ge-
troffenen (IUPAC-)Konvention, nach der die
Reduktionsreaktion als konventionelle Rich-
tung einer elektrochemischen Reaktion an-
gesehen wird:
Ox  n¹ e   Red. [1-21]
In der Gl. [1-21] bedeuten Ox ein Oxidations-
mittel, Red ein Reduktionsmittel. Die mit der
oben angegebenen elektrochemischen Reak-
tion verbundenen Änderung der freien Ener-
gie 'G beträgt:
'G  n¹ F¹ E, [1-22]
Bild 1-76
Galvanisches Element. Tabelle 1-6
0
Standardpotenziale EMe n+
/Me
einiger wichtiger Metalle
(Me), gemessen gegen die Standardwasserstoffelekt-
Die das Korrosionselement bildenden anodi- rode, nach der Stockholmer Konvention von 1953.
schen und kathodischen Bereiche können
durch örtlich unterschiedliche Werkstoffeigen- Reaktion Standard- Potenzial
Ox + n · e – → Red potenzial (pH ≠ 0) 1)
schaften (unterschiedliche chemische Zusam-
mensetzung, Kaltverformung) oder durch Kon- V V
zentrationsunterschiede im Elektrolyten ent- Mg + 2 e → Mg
2+ −
− 2,40
stehen. Werkstoffbereiche, die dem thermody- Al3+ + 3 e− → Al − 1,66 − 0,7 c)
namischen Gleichgewicht näher sind, bilden 2 H2O + 2 e− + H2 → 2 OH− − 0,83
i. Allg. die kathodischen Bereiche. Innerhalb Zn2+ + 2 e− → Zn − 0,76 − 0,3 c)
des Werkstoffes können Korrosionselemente Cr3+ + 3 e− → Cr − 0,74 − 0,3 c)
z. B. entstehen zwischen Fe2+ + 2 e− → Fe − 0,44 − 0,3 c)
❐ kaltverformten – nicht verformten Berei- Ni2+ + 2 e− → Ni − 0,25 + 0,04 c)
chen, Sn2+ + 2 e− → Sn − 0,14

❐ unterschiedlichen Phasen, z. B. a -Messing 2·H + + 2·e – → H2 ±0 − 0,44 c)


und b -Messing,
Cu2+ + 2 e− → Cu + 0,34 + 0,1 c)
❐ geseigerten – nicht geseigerten Berei-
O2 + 2 H2O + 4 e− → 4 OH− + 0,40 a)
chen,
Fe3+ + e− → Fe2+ + 0,77
❐ homogenen – nicht homogenen Berei- Ag+ + e− → Ag + 0,80 + 0,15 c)
chen, O2 + 2 H2O + 4 e− → 4 OH− + 0,82 b)
❐ Kornmitte – Korngrenzen. O2 + 4 H+ + 4 e− → 2 H2O + 1,23
Cl2 + 2 e− → 2 Cl− + 1,36
Au3+ + 3 e− → Au + 1,50 + 0,2 c)
13)
Die Standardwasserstoffelektrode ist die am häu-
1)
figsten verwendete Bezugselektrode. Sie besteht Keine Standardzustände, sie wurden lediglich für
aus einem Platinblech, das von Wasserstoff um- Referenzzwecke aufgeführt. Das Fußnotensymbol
spült wird und in eine Lösung von H -Ionen der »a« kennzeichnet Potenziale für pH = 14, »b« solche
für pH = 7 und »c« Potenziale für pH = 7,5.
Aktivität »1« (1-molar) eintaucht.
68 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

wobei n die Anzahl der bei der Reaktion aus- 1.7.3 Korrosionsmechanismen in
getauschten Elektronen, F die Faradaykons- wässrigen Lösungen
tante und E das Halbzellenpotenzial sind.
Durch die elektrisch leitende Verbindung
Der Vorteil der Stockholmer Konvention be- zweier unterschiedlicher Metalle 14) entsteht
steht darin, dass positive Halbzellenpotenzi- in Anwesenheit eines Elektrolyten ein Korro-
ale E negative Werte für 'G ergeben, d. h. sionselement. An den anodischen Berei-
spontane (also von »selbst« ablaufende) Reak- chen wird das Metall durch Oxidationsvor-
tionen anzeigen. Je negativer (positiver) das gänge in Ionenform überführt und zerstört.
Standardpotenzial ist, umso größer (kleiner) Die freiwerdenden Elektronen fließen durch
ist das Lösungsbestreben, d. h. die Neigung den metallischen Leiter zur Kathode und
des Metalls zu Korrosionsprozessen. Jedes werden für die kathodische Reaktion (Reduk-
»unedle« Metall, das in eine Lösung »edlerer« tion der hier befindlichen Substanzen) »ver-
Ionen eintaucht, geht danach in Ionenform braucht«. Das Gleichgewichtspotenzial kann
in Lösung, während sich das edlere Metall also ohne die kathodische Teilreaktion nicht
metallisch abscheidet. Die unedlen Metalle erreicht werden. Die fortschreitende anodi-
sind starke Reduktionsmittel (sie geben leicht sche Zerstörung des Metalls wird erst durch
Elektronen ab), die edlen starke Oxidatoren die Reduktionsreaktionen an der Kathode er-
(sie nehmen leicht Elektronen auf). möglicht. Daraus ergibt sich ein sehr wichti-
ger Zusammenhang aller elektrolytischen Kor-
Diese Zusammenhänge bedeuten weiterhin, rosionserscheinungen: Die Anzahl der an der
dass Säuren – also H -haltige Lösungen – Anode »freigesetzten« Elektronen muss der
normalerweise nur Metalle auflösen (korro- an der Kathode »verbrauchten« entsprechen.
dieren) können, die ein negativeres Standard- Mit der Zunahme der an der Kathode redu-
potenzial als Wasserstoff besitzen. Das sind zierten Elektronen steigt daher auch im glei-
gemäß Tabelle 1-6 z. B. Zinn, Nickel, Eisen, chen Maße die Anzahl der an der Anode frei-
Zink, s. hierzu auch Beispiel 1-8, S. 73. gesetzten Elektronen. Der Korrosionsangriff
wird damit stärker, der Materialverlust durch
Aussagen zum tatsächlichen Korrosionsver- Korrosion ist größer. Auf diese Zusammen-
halten der Metalle mit Hilfe der Spannungs- hänge wird weiter unten in diesem Abschnitt
reihe sind aber nur tendenziell möglich bzw. noch genauer eingegangen.
unsicher, weil:
– Die Korrosionsbedingungen in der Praxis Die Voraussetzung für die Bildung von Kor-
i. Allg. erheblich von den Standardbedin- rosionselementen ist demnach die elektronen-
gungen (Elektrolyt, Konzentration, Tem- leitende und die ionenleitende Verbindung
peratur, Strömungsgeschwindigkeit des der anodisch und der kathodisch wirkenden
Mediums) abweichen, Werkstoffbereiche.
– selten reine Metalle, sondern meistens Le-
gierungen verwendet werden, Das Maß der Zerstörung ist von der wirksa-
– reaktionshemmende Vorgänge (Deckschich- men Potenzialdifferenz und dem Gesamtwi-
ten, Überspannungen, Abschn. 1.7.4) den derstand abhängig. Dieser setzt sich aus dem
Korrosionsablauf erheblich behindern. Widerstand des metallischen Leiters und dem
inneren Widerstand des Elektrolyten zusam-
14)
men.
Ein Korrosionselement liegt auch in Werkstoffbe-
reichen mit unterschiedlicher chemischer Zusam-
mensetzung (z. B. Seigerungen, mehrphasige In Bild 1-77 sind die wichtigsten Korrosions-
Werkstoffe) oder in Bereichen mit unterschied- formen bzw. -mechanismen in wässrigen Lö-
licher Annäherung an den thermodynamischen sungen dargestellt. Die Zerstörung des n-
Gleichgewichtszustand (z. B. kaltverformte Berei- wertigen Metalls Me1 durch anodische Oxida-
che in homogenen Werkstoffen) vor. Gleiches gilt
für homogene Werkstoffe, die mit einem Elektro-
tion, also Elektronenentzug, kann durch un-
lyten unterschiedlicher Zusammensetzung be- terschiedliche Vorgänge erfolgen, die im Fol-
netzt werden. genden näher erläutert werden:
Abschn. 1.7.3: Korrosionsmechanismen in wässrigen Lösungen 69

Tabelle 1-7
Zusammenstellung der wichtigsten kathodischen Reduktions-Reaktionen bei Korrosionsvorgängen.

Kathodische Reaktion Kennzeichen

Wasserstoffentwicklung ist eine weitverbreitete kathodische Reak-


2 . H + + 2 . e– → H2 tion, weil saure Lösungen sehr häufig in der Praxis anzutreffen sind.
Die Wasserstoffkorrosion ist i. Allg. erst bei pH … 5 zu beachten.

Sauerstoffreduktion in sauren (H -haltig) oder neutralen Lösungen


O2 + 4 . H + + 4 . e – → 2 . H 2O (überwiegend aus neutralem Wasser bestehend) ist die wichtigste ka-
O2 + 2 . H 2O + 4 . e – → 4 . OH – thodische Reaktion. Sauerstoff ist damit die entscheidende die Korrosion
fördernde und beschleunigende Substanz.

Reduktion von Metallionen ist bei Korrosionsprozessen relativ selten,


Me 3+ + e – → Me 2+ häufiger in chemischen Prozessdämpfen.

Durch geringste Dissoziation der Wassermoleküle extrem geringe


2 . H 2O + 2 . e – → H 2 + 2 . OH – Reaktionsgeschwindigkeit und Elektronenverbrauch. In sauerstoff-
freien Lösungen entsteht daher nahezu kein Korrosionsangriff.

Fremdstromkorrosion: 1.7.3.1 Wasserstoffkorrosion


Eine äußere Spannungsquelle entzieht (Säurekorrosion)
der Anode (bzw. den anodischen Berei- Bei dieser Korrosionsform wird das Metall
chen des Werkstoffs) Elektronen. in sauerstofffreien, nichtoxidierenden Säu-
Wasserstoffkorrosion: ren unter Entwicklung von Wasserstoff auf-
Wasserstoffionen (Protonen, H ) entzie- gelöst, Bild 1-77. Mit der anodischen
hen dem Metall Elektronen (Säurekorro-
Me  Me n   n ¹ e  [1-23a]
sion).
Sauerstoffkorrosion: und der kathodischen Teilreaktion
Der gelöste Sauerstoff reagiert mit den
Elektronen und bildet in neutralen Lösun- 1. Fremdstromkorrosion
gen Hydroxydionen (OH ), in sauren Lö-
Oxidation (= Korrosion)
sungen Wasser (H2O). Reduktion
Redoxkorrosion: (Prinzip der »Opferanode«,
e- Elektrolyt
Mn3+-Ionen werden durch Aufnahme ei- s. Abschn. 1.7.8.1.2, S. 103)

nes Elektrons zu Mn2 -Ionen reduziert.


Kontaktkorrosion:
Der notwendige Elektronenstrom wird Men1 + (Anode)

durch die Potenzialdifferenz zwischen un-


terschiedlichen Werkstoffen (bzw. Werk- H+
e-
stoffbereichen) erzeugt. H+
2. Wasserstoffkorrosion
2 × H+ + 2 × e- ® H2
H2
Damit lassen sich zusammenfassend alle Kor- 3. Sauerstoffkorrosion
e- O2
rosionsreaktionen mit der anodischen Metall- O2 + 2 × H2O + 4 × e- ® 4 × OH-
OH -
auflösung (Oxidation) O2 + 4 × H+ + 4 × e- ® 2 × H2O

Me  Me n   n ¹ e  e- Mn3+ 4. Redoxkorrosion
Mn2+ Mn3+ + e- ® Mn2+
und kathodischen Reduktionsvorgängen be- Me 1
schreiben, bei der die freigesetzten Elektro- Me 2 5. Kontaktkorrosion
nen »verbraucht« werden. In Tabelle 1-7 sind e- Ox
Me2 ist edler als Me1
Red
die wichtigsten kathodischen Reduktions-Re- (siehe auch Bild 1-94)

aktionen aufgeführt, auf die in den folgenden Bild 1-77


Abschnitten noch ausführlicher eingegan- Elektrochemische Korrosionsformen in wässrigen
gen wird. Lösungen.
70 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion
n
n ◊ H+ + n ◊ e - Æ ◊ H2 [1-23b] Metallauflösung:
2 Me ® Men + + n × e-
i Korr(0)
ergibt sich die Gesamtreaktion:

Stromdichte i
i Korr = f (pH) i Korr(1)

n i
Me + n ◊ H + Æ Me n + + ◊ H2 .
Korr(2)
[1-24] i
2 i Korr(4)
Korr(3)

i Korr(5)
Die Bedeutung der Wasserstoffkorrosion ist
in der Praxis im Allgemeinen gering, erst bei 0
E Me/Me n+ Potenzial
einem höheren Gehalt von Wasserstoffionen
H (d. h. für pH … 5) ist sie zu beachten, s. a. pH = 5

Bild 1-78. pH = 4

Der Angriff reduzierender Säuren (z. B. HCl,


H2SO3) führt in der Regel nicht zur Bildung
der korrosionshemmenden Passivschichten
Wasserstoffreduktion:
bzw. kann sie sogar zerstören. Oxidierende pH = 3 2 1 0 2 × H+ + 2 × e- ® H2
Säuren (z. B. HNO3, H2SO4, H3PO4) verstär-
ken bei unedlen, aber passivierbaren Metal-
Bild 1-79
len die für die Korrosionsbeständigkeit not- Abhängigkeit der Korrosionsgeschwindigkeit eines
wendige Passivschicht. Die Stärke des Korro- unter Wasserstoffentwicklung korrodierenden Metalls
sionsangriffs ist aber nicht nur von der Art vom pH-Wert, nach Baldewig.
des Mediums abhängig. In vielen Fällen sind
Art und Menge bestimmter Verunreinigun- Die zum Verständnis dieser Zusammenhän-
gen im Elektrolyten weitaus wichtiger für ge notwendigen Grundlagen werden in Ab-
die Stärke eines Angriffs. schn. 1.7.4.1 besprochen. Erst bei geringeren
Wasserstoffionenkonzentrationen (pH • 5)
Schützende Deckschichten können sich we- wird die Korrosion abhängig von der Diffusi-
gen der großen Löslichkeit der Korrosions- on, die dann der geschwindigkeitsbestimmen-
produkte im Medium nicht bilden. Die Ge- de Vorgang ist.
schwindigkeit, mit der die Wasserstoffionen
(H) die elektrolytische Doppelschicht durch- 1.7.3.2 Sauerstoffkorrosion
dringen können (Abschn. 1.7.2), ist der lang- Dieser Korrosionsmechanismus ist wesent-
samste Teilschritt und potenzialabhängig, lich wichtiger als die Wasserstoffkorrosion.
wie Bild 1-79 zeigt. Korrosionsvorgänge in neutralen und alkali-
schen sauerstoffhaltigen Lösungen (z. B. ver-
0,75
schiedene Prozesswässer und Seewasser) sind
mm typische Beispiele der Sauerstoffkorrosion.
Korrosionsgeschwindigkeit

Jahr In sauren Lösungen lautet die kathodische


0,50 Teilreaktion:
O2 + 4 ◊ H + + 4 ◊ e - Æ 2 ◊ H2O.
Wasserstoffbildung beginnt
(Wasserstoffkorrosion) Fe - Passivierung [1-25]
In neutralen Lösungen führt die kathodische
0,25 Reaktion zur Bildung von (OH)-Ionen:
Sauerstoffkorrosion
O2  2 ¹ H2O  4 ¹ e   4 ¹ OH . [1-26]
Die Korrosionsgeschwindigkeit hängt im We-
0
2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
sentlichen von der Menge des für die katho-
pH - Wert dische Reaktion erforderlichen Sauerstoffs
an der Phasengrenze Metall/Elektrolyt ab.
Bild 1-78
Einfluss des pH-Wertes auf die Korrosion von Eisen Dieser kann entweder durch Diffusion oder
in belüftetem (sauerstoffhaltigem) Wasser, nach Whit- durch die Reduktionsfähigkeit der Lokalka-
man, Russel u. Altieri. thodenflächen (oft oxidische Deckschichten)
Abschn. 1.7.3: Korrosionsmechanismen in wässrigen Lösungen 71

nachgeliefert werden. Die reine Sauerstoff- hen, wenn z. B. durch Zerstören der Passiv-
korrosion wird also durch Entfernen des Sau- schicht (Lokalelementbildung durch »Krat-
erstoffs aus dem angreifenden Medium voll- zer« oder andere mechanische Zerstörung)
ständig vermieden. die Korrosionsbeständigkeit örtlich verloren
geht (s. Abschn. 1.7.6.1.2).
Bild 1-80 zeigt, dass bis zu einem Grenz-
wert mit zunehmender Sauerstoffmenge die 1.7.3.3 Das Korrosionsverhalten
Korrosionsgeschwindigkeiten und die Ruhe- beeinflussende Faktoren
potenziale (Abschn. 1.7.4.1) größer werden (s.
a. Bild 1-83). Da die Diffusion potenzialunab- Ionenkonzentration
hängig ist, verlaufen die kathodischen Teil- Die in Tabelle 1-6 aufgeführten Elektroden-
stromkurven im Wesentlichen parallel zur potenziale gelten nur für die in Fußnote 13
Achse des Potenzials. genannten Standardbedingungen. Insbeson-
dere erreicht die Ionenaktivität der an den
Aus Hydroxidionen und Metallionen entste- Korrosionsvorgängen beteiligten Ionen prak-
hen als meistens feste Korrosionsproduk- tisch nie den den Tabellenwerten zugrunde
te Metallhydroxide, die die Oberfläche be- liegenden Wert »1«. Mit Hilfe der Nernstschen
decken: Gleichung lassen sich die oft erheblich geän-
derten Potenziale bei von 1 abweichenden Io-
Me n   n ¹ OH   Me(OH)n. [1-27]
nenaktivitäten berechnen. Ausgehend von
Die anodische Teilreaktion kann damit nur der allgemeinen Form der Redoxreaktion ge-
in den Poren der Deckschichten stattfinden mäß Gl. [1-21]:
und führt häufig zur Bildung der gefürchte-
Ox  n ¹ e   Red
ten Lokalkorrosionsformen.
kann die Nernstsche Gleichung mit Hilfe ther-
Die hochlegierten korrosionsbeständigen modynamischer Berechnungen abgeleitet wer-
Stähle erfordern Sauerstoff zum Erzeugen den. Mit ihr lässt sich das aktivitätsabhängi-
und Aufrechterhalten der passivierenden Ei- ge Potenzial E einer Redoxreaktion berech-
genschaften (Abschn. 2.8.1, S. 200). Die Sau- nen, Gl. [1-28]:
erstoffkorrosion kann bei ihnen nur entste-
RT c RT c
E = E0 + ◊ ln Ox = E0 + 2, 3 ◊ ◊ log Ox .
Metallauflösung:
nF cRed nF cRed
Me ® Men + + n × e-
Hierin bedeuten E0 das Standardpotenzial
Stromdichte i

(V), n die Anzahl der bei der Reaktion ausge-


i Korr = f (iGr)
i Korr tauschten Elektronen, cOx bzw. cRed die Mas-
senwirkungsprodukte der Konzentrationen
(genauer ihrer Aktivitäten) der Reaktionsteil-
nehmer, R die allgemeine Gaskonstante (
0 0 0
E Me (1)
E Me (2)
E Me (Gr) Potenzial 8,314 J/K¹mol) und F die Faradaykonstante
0
E Me/Me n+ E O0 - ( 96500 C/mol). Mit T 273  25 298 K
2 / OH
wird 2,3¹(RT/F) 0,059 V. Mit diesen Anga-
i Gr (1) ben ergibt sich:
0,059 c
E = E0 + ⋅ log Ox . [1-29]
i Gr (2) n cRed
In die Nernstsche Gleichung, Gl. [1-28] bzw.
Diffusionsgrenzstromdichte
der O2 - Reaktion in die vereinfachte Form Gl. [1-29], werden die
Konzentrationen reiner, fester Körper, Flüs-
i Gr O2 + 2 × H2O + 4 × e- ® 4 × OH-
sigkeiten und Gase gleich 1 gesetzt (aber nur,
Bild 1-80 wenn pGas 1 bar ist!), oder sie sind schon in
Einfluss der Sauerstoffkorrosion auf die Korrosions- den Standardpotenzialen, Tabelle 1-6, S. 67,
geschwindigkeit, nach Baldewig. berücksichtigt.
72 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Für die wichtige Reaktion der Sauerstoffre- Das von Pourbaix entwickelte Schaubild gilt
duktion in neutralen oder alkalischen Lösun- für die Korrosion von Metallen in wässrigen
gen, Gl. [1-26]: Lösungen, Bild 1-81. Die Gleichgewichtsli-
nien wurden mit Hilfe der Nernstschen Glei-
O2 + 2 ◊ H2O + 4 ◊ e - Æ 4 ◊ OH -
chung, Gl. [1-28], für alle chemisch möglichen
bzw. die äquivalente Reaktion in sauren Lö- Reaktionen berechnet. Das Pourbaix-Schau-
sungen, Gl. [1-25]: bild ist damit die grafische Darstellung der
Nernstschen Gleichung. Von besonderem In-
O2 + 4 ⋅ H+ + 4 ⋅ e− → 2 ⋅ H2O
teresse sind dabei die Bedingungen, unter
ergibt sich mit log cOx log (H )  pH und denen Korrosionserscheinungen thermody-
pO2 = 1 bar: namisch überhaupt möglich sind. Wie bei al-
len thermodynamischen Berechnungen gibt
EO2 /H2O = EO0 2 /H2O − 0,059 ⋅ pH. [1-30] das Pourbaix-Schaubild aber lediglich die sich
im Gleichgewicht einstellenden Phasen und
Damit sind die folgenden pH-abhängigen Po- die Reaktionsrichtung an, keinesfalls kann
tenziale berechenbar: damit die Geschwindigkeit der Korrosions-
reaktionen bestimmt werden. Diese lässt sich
– Für den Standardzustand gemäß Tabelle nur mit reaktionskinetischen Methoden ab-
1-6 in 1-molarer H  -Lösung (pH 0): schätzen.
EO2 /H2O = EO0 2 /H2O = +1,23 V,
Mit Hilfe dieser Schaubilder lassen sich vor
– in reinem Wasser (pH 7): allem die Richtung einer spontanen Reak-
EO2 /H2O = 1,23 V − 0,059 ⋅ 7 = + 0,82 V, tion, die Zusammensetzung von Korrosions-
produkten und die Maßnahmen abschätzen,
– in 1-molarer OH-Lösung (pH 14): mit denen Korrosionserscheinungen vermie-
EO2 /H2O = 1,23 V − 0,059 ⋅ 14 = + 0,40 V. den werden können.
+ 1,6
Die oxidierende Wirkung dieser Reaktion
V Passivierung (II)
nimmt also mit abnehmendem pH-Wert stark
Potenzial E

+ 1,2 Fe(OH)3
zu. In einer 1-molaren sauerstoffhaltigen H-
Fe3+ (O2)
Lösung (pH 0) geht z. B. jedes Metall in Lö- + 0,8
sung, dessen Standardpotenzial E   1,23 V
ist. Dabei wird O2 gemäß + 0,4 Korrosion
1
O2 + 4 ⋅ H+ + 4 ⋅ e− → 2 ⋅ H2O
0 (H2O)
zu H2O reduziert. In »neutralem«, belüftetem
Wasser (pH 7) werden daher alle Metalle - 0,4
Fe2+
oxidiert (korrodiert), deren Standardpoten- - 0,6
Fe(OH)2
-
a
zial E   0,82 V ist, wobei die freigesetzten - 0,8
HFeO2

Elektronen nach der Reaktion 2


Korrosionsbeständig (I)
- -
O2 + 2 ◊ H2O + 4 ◊ e Æ 4 ◊ OH - 1,2
(H2)
an der Kathode verbraucht werden. - 1,6
- 2- 1 0 2 4 6 8 10 12 14 16
Der entscheidende Einfluss des pH-Wertes pH - Wert
auf den Korrosionsprozess macht es wünschens- Bild 1-81
Vereinfachtes Potenzial-pH-Schaubild für das System
wert, die Abhängigkeit der chemisch mögli-
Eisen/wässrige Lösung bei 25 ’C bei einer Konzentra-
chen Reaktionen (Passivierung, Oxidation tion von cFe n+ = 10 –6 mol Fen+/l, nach Pourbaix. Die
Korrosion, Beständigkeitsbereiche) vom pH- eingezeichneten Linien 1 und 2 repräsentieren folgende
Wert eines (Korrosions-)Mediums für ein Me- Abhängigkeiten:
tall in einem elektrochemischen System zu 1: EO /H O = EO0 /H O − 0,059 ⋅ pH, d. h. Gl. [1-30],
2 2 2 2

kennen. 2: EH / H + = − 0,059 ⋅ pH, d. h. Gl. [1-33].


2
Abschn. 1.7.3: Korrosionsmechanismen in wässrigen Lösungen 73

Wegen der »Unanschaulichkeit« thermodyna- EH + = - 0,059 ◊ pH. [1-33]


2 /H
mischer Überlegungen soll im Folgenden bei-
spielhaft der Verlauf der Linie »a« in Bild 1- Bei kleineren Potenzialen als den durch Gl.
81 mit Hilfe der Nernstschen Gleichung be- [1-33] vorgegebenen Werten ist Wasserstoff,
rechnet werden. bei größeren Spannungswerten Wasser ther-
modynamisch beständig.
Die anodische Reaktion des sich zweiwertig
in Ionenform lösenden Eisens lautet: Für aktive Korrosionsschutzmaßnahmen (Ab-
schn. 1.7.9.1) sollten die anzuwendenden Schutz-
Fe  Fe  2 ¹ e .
2 -
[1-31a]
potenziale im Existenzbereich des Wassers
Damit ergibt sich aus Gl. [1-29] das pH-unab- liegen, andernfalls sind sehr hohe Schutzströ-
hängige Potenzial EFe/Fe2 +: me erforderlich, es bilden sich Gase oder die
Mediumzusammensetzung ändert sich.
0, 059
EFe/Fe2+ = EFe/Fe
0
2+ + ◊ log ( cFe2+ ). [1-31b]
2 Eisen verhält sich in alkalischen Lösungen
−6 relativ stabil, weil sich auf seiner Oberfläche
Mit E 0
Fe/Fe2+
= − 0,44 V und cFe2+ = 10 wird:
schützende Deckschichten [z. B. Fe(OH)3] bil-
den können, wie Bild 1-81 zeigt. Deren Schutz-
EFe/Fe2+ = − 0,44 + 0,0295 ⋅ log (10− 6 )
wirkung ist allerdings sehr stark von der Be-
= − 0,44 − 0,0295 ⋅ 6 = − 0,62 V. schaffenheit der Deckschicht (z. B. durchläs-
sig, undurchlässig porös) und der Anwesen-
Pourbaix-Schaubilder beschreiben die in Was- heit bestimmter korrosionsfördernder Stoffe
ser ablaufenden Gleichgewichtsreaktionen (z. B. Chloride) abhängig. Bei pH-Werten un-
eines metallischen Systems. Daher muss auch ter 4 entsteht ein starker Korrosionsangriff
in jedem System das elektrochemische Ver- (s. hierzu Bild 1-78). Eisen, das in eine Lö-
halten des Wassers, d. h. dessen E-pH-Schau- sung von Eisenionen mit der Konzentration
bild enthalten sein. cFen + = 10 -6 mol Fen/ l eintaucht, ist bei Poten-
zialen unter – 0,62 V thermodynamisch be-
Je nach pH-Wert und Potenzial kann Was- ständig, Bild 1-81, s. hierzu auch Aufgabe 1-
ser, Wasserstoff oder Sauerstoff vorliegen. 14, S. 119.
Aus der Gleichgewichtsbeziehung des Sauer-
stoffs in einer sauren Lösung:
Beispiel 1-8:
O2  4 ¹ H   4 ¹ e   2 ¹ H2O [1-32a]
Ein Streifen Nickel taucht in eine saure, entlüftete wäss-
bzw. aus der gleichwertigen in neutralen rige Lösung (pH = 1). Die Korrosionsvorgänge sind
oder alkalischen Lösungen: mit dem Pourbaix-Schaubild darzustellen.
Das Medium soll 10 - 4 mol Ni 2+/l enthalten, der Druck
O2  2 ¹ H2O  4 ¹ e   4 ¹ OH  [1-32b] im Korrosionssystem beträgt 1 bar. Mit diesen Anga-
ben ist der für die Aufgabe erforderliche Teil des Pour-
ergibt sich nach Nernst für diese Reaktion
baix-Schaubildes ermittelbar, Bild 1-82.
die pH-Abhängigkeit der bei edleren Poten-
zialen ablaufenden Reaktion, Gleichung [1- An der Phasengrenze Metall/Medium laufen zwei elekt-
rochemische Reaktionen ab:
30], Linie 1, Bild 1-81:
1) Ni Ni 2+ + 2 · e –.
EO2 /H2O = EO0 2 /H2O − 0,059 ⋅ pH.
Mit E = − 0,25 V und cNi2+ = 10 − 4 erhält man
0
Ni / Ni 2+
Eine ähnliche Gleichgewichtsbeziehung gilt gemäß Gl. [1-29]:
zwischen Wasserstoff und sauren (bzw. neu- ENi/Ni2+ = - 0, 25 + 0,03 ◊ log (cNi2+ )
tralen oder basischen) Lösungen:
= - 0, 25 + 0,03 ◊ log (10 - 4) = - 0,37 V .
2 ¹ H   2 ¹ e   H2 (sauer), Das Nickelpotenzial ist also unabhängig vom
2 ¹ H2O  2 ¹ e


 


H22 ¹ OH  (neutral), pH-Wert, Linie a, Bild 1-82.

für die sich nach Nernst die Gl. [1-33], d. h. 2) 2 · H + + 2 · e – H2 .


Linie 2, Bild 1-81, ergibt: Nach Gl. [1-33] ist für pH = 1 EH /H + = − 0,06 V .
2
74 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Die E-pH-Abhängigkeit wird durch Linie 2 in Bild 1- Sauerstoffgehalt


82 (s. a. Bild 1-81) dargestellt. Für pH = 1 ist das Nickel- Der pH-Wert beeinflusst die Korrosionsnei-
potenzial niedriger als das des Wasserstoffs, d. h., die
gung metallischer Werkstoffe extrem, s. Ab-
vom negativeren Ni 2+ zum positiveren H + fließenden
Elektronen werden von H+ aufgenommen. Nickel oxi- schn. 1.7.3.2. Bild 1-78 zeigt diesen Einfluss
diert (korrodiert) also unter diesen Bedingungen. Dies auf die Korrosion von Eisen in belüftetem
geschieht demnach bei einem (Misch-)Potenzial ER, Wasser (s. a. Bild 1-80). Die anodische Reak-
das zwischen  0,06 V und  0,37 V liegt. Mit zuneh- tion ist für alle pH-Werte gleich:
mendem pH-Wert wird die Korrosionsneigung gerin-
ger, weil die treibende Potenzialdifferenz linear ab- Fe  Fe 2  2 ¹ e -.
nimmt. Lösungen zwischen pH = 6 und 8 greifen Ni-
ckel nicht mehr an. Bei pH-Werten über 8 bilden sich Die Korrosionsgeschwindigkeit vKorr ist aber
schützende Oxidschichten, die den Korrosionsprozess sehr von der Art und der Geschwindigkeit
erheblich verlangsamen können. Bei sehr starken al- der kathodischen Reaktion abhängig. Im pH-
kalischen Lösungen (pH > 14) korrodiert Nickel eben- Bereich zwischen 4 und 10 ist vKorr annähernd
falls, weil sich HNiO2- bildet. Nickel wird demnach konstant und abhängig von der gleichmäßi-
bei kleinen und großen pH-Werten angegriffen. Die-
ses Verhalten zeigen in typischer Weise amphotere
gen Diffusion des gelösten Sauerstoffs an die
Metalle (z. B. Aluminium, Blei, Zinn). Sie bilden in Werkstückoberfläche.
sauren Lösungen Kationen und in basischen Anio-
nen, Aufgabe 1-13, S. 118. Auf der mit einer porösen Eisenoxidschicht
+ 2,0 bedeckten Oberfläche wird der Sauerstoff in
V neutralen Lösungen gemäß
+ 1,6 NiO2
O2 + 2 ⋅ H2O + 4 ⋅ e− → 4 ⋅ OH−
Potenzial E

+ 1,2
Ni2O3 zu OH  reduziert. In sauren Lösungen wird
+ 0,8 Ni 2+ der Sauerstoff wegen der größeren H-Kon-
Korrosion Ni3O4
zentration zu H2O reduziert:
+ 0,4
1
O2 + 4 ◊ H + + 4 ◊ e - Æ 2 ◊ H2O.
0 - 0,06 V
Ni(OH)2
ER Passiv wirkende Fe(OH)2-Schichten bilden
HNiO2-

- 0,4 a
- 0,37 V sich bei pH-Werten über 9. Sie verzögern
- 0,8
den Korrosionsvorgang erheblich.
Korrosionsbeständig
2
- 1,2 In sauerstofffreien wässrigen Lösungen ist
- 2- 1 0 1 2 4 6 8 10 12 14 16
pH - Wert
die Korrosionsgeschwindigkeit sehr gering,
Bild 1-83, weil die einzig mögliche kathodi-
Bild 1-82
sche Reaktion
Vereinfachtes Pourbaix-Schaubild für das System
Ni/wässrige Lösung, mit einer Ionenkonzentration 2 ◊ H2O + 2 ◊ e - Æ H2 + 2 ◊ OH-
von 10 - 4 mol Ni 2+/l bei 25 ’C. Zur Bedeutung der
Linien 1 und 2 siehe Bild 1-81.

Beispiel 1-9:
Korrosionsgeschwindigkeit

Konzentrationselemente (-zellen) bestehen aus zwei


gleichartigen Elektroden, die sich im Kontakt mit
einem Elektrolyten unterschiedlicher Zusammenset-
zung (El I, El II, Konzentration c1 < c2 ) befinden.
Welche Elektrode bildet die Anode?
Gemäß Gl. [1-28] sind die Halbzellenpotenziale:
RT RT
E1 = E0 + ⋅ ln (c1 ) E2 = E0 + ⋅ ln (c2 ).
nF nF
Sauerstoffgehalt
E2 ist positiver als E1, weil c2 > c1 – d. h., Elektronen
fließen von E1 (El I) nach E2 (El II) – wird die Elektro- Bild 1-83
de, die in den verdünnteren (c1) Elektrolyten El I ein- Einfluss des Sauerstoffgehalts auf die Korrosionsge-
taucht, anodisch aufgelöst. schwindigkeit von Metallen, schematisch.
Abschn. 1.7.3: Korrosionsmechanismen in wässrigen Lösungen 75

Einfluss von Umgebungsfaktoren auf das Korrosionsverhalten

Oxidationsmittel (Ox) Strömungsgeschwindigkeit Elektrolyttemperatur Elektrolytkonzentration

1 2 3 C 1 2
Korr

Korr

Korr
Korr B
v

v
v

1 2
B B

A A A

Gehalt an Ox Geschwindigkeit v Temperatur T Konzentration c

Beispiele

1: Monel in HCl + O2 A: A: CrNi-18-8 in HNO3 A:


Cu in H2SO4 + O2 1: Fe in H2O + O2 Monel in HF 1: Ni in NaOH
Fe in H2O + O2 Cu in H2O + O2 Ni in NaOH CrNi - 18 - 8 in HNO3
1-2: CrNi -18 - 8 in H2SO4 + Fe 3 + B: CrNi -18 - 8 in H2SO4 Hastelloy B in HCl
1-2: CrNi -18 - 8 in H2SO4 + Fe 3 +
Ti in HCl + Cu2+ Ta in HCl
Ti in HCl + Cu 2+ Ni in HCl
Fe in HF 1-2: Monel in HCl
2: CrNi -18 - 8 in HNO3 B: Fe in verdünnter HCl Pb in H2SO4
2-3: CrNi -18 - 8 in HNO3 + Cr2O3 CrNi -18 - 8 in H2SO4
B: Al in HNO3
1-3: CrNi -18 - 8 in konz. H2SO4 + C: Pb in verdünnter H2SO4 CrNi - 18 - 8 in H2SO4
HNO3 - Mischungen bei hö- Fe in konz. H2SO4 Fe in H2SO4
heren Temperaturen
a) b) c) d)

Bild 1-84
Einfluss einiger Umgebungsfaktoren auf die Korrosionsgeschwindigkeit vKorr , vereinfacht, nach Fontana.

extrem langsam verläuft. Außerdem entfällt len, deren Korrosionsbeständigkeit auf der
die Möglichkeit zur Bildung korrosionshem- Existenz einer chemisch beständigen Oxid-
mender Oxidschichten. Kesselspeisewasser schicht beruht (siehe hierzu Passivität, Ab-
wird daher immer sauerstofffrei aufbereitet. schn. 1.7.5), wie z. B. bei den korrosionsbestän-
Das kann mit verschiedenen Methoden er- digen Chrom-Nickel-Stählen, Abschn. 2.8.1,
reicht werden: S. 200, die ständige (Neu-)Bildung der schüt-
– Mechanische Mittel zenden Oxidschicht erforderlich ist. Diese
Durch Erwärmen des Wassers auf etwa notwendigen chemischen Vorgänge sind na-
80 ’C, nimmt die Sauerstofflöslichkeit türlich nur bei einem kontinuierlichen und
stark ab, Bild 1-83. Geeignete im Gegen- ausreichenden Sauerstoffangebot möglich,
strom geführte Gase verringern ebenfalls Bild 1-84a.
sehr wirksam den Sauerstoffgehalt.
– Chemische Mittel Elektrolyttemperatur
Mit ihnen gelingt es, die Restsauerstoff- Mit zunehmender Elektrolyttemperatur wer-
gehalte auf sehr kleine Werte zu verrin- den chemische Reaktionen nach den Geset-
gern. Häufig werden Natriumsulfit oder zen der chemischen Reaktionstheorie, also
Hydrazin verwendet, die gemäß der folgen- auch (bestimmte) Korrosionsvorgänge, in der
den Beziehungen den gelösten Sauerstoff Regel beschleunigt. Die Korrosionsgeschwin-
in sehr kurzer Zeit binden können: digkeit vKorr nimmt gemäß einer Arrhenius-
Funktion exponentiell mit der Temperatur T
Na 2SO3  0,5 ¹ O2  Na2SO4, aber nur dann zu, wenn sie ausschließlich
N2H4  O2  N2  2 ¹ H2O. von der Metalloxidation, d. h. einem rein che-
mischen Prozess, bestimmt wird (zur Bedeu-
Allerdings ist zu beachten, dass bei Metal- tung der Bezeichnungen s. Gl. [1-11], S. 38):
76 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

⎛Q ⎞
vKorr = v0 ⋅ exp ⎜ A ⎟ . [1-34] Ein weiterer oft übersehener Einfluss ist die
⎝ R T⎠ Abnahme des pH-Wertes – d. h. die Erhö-
hung der Wasserstoffionen-Konzentration
Der Einfluss der Temperatur auf die Korro- – mit zunehmender Temperatur.
sionsgeschwindigkeit lässt sich beschreiben,
indem die Gl. [1-34] für zwei Temperaturen Strömungsgeschwindigkeit
(T2 ! T1 ) ausgewertet wird: Korrosionsvorgänge, eingeleitet durch die
Aktivierungspolarisation, Abschn. 1.7.4.2,
⎛v ⎞ Q ⎛1 1⎞ werden durch die Geschwindigkeit des Me-
ln ⎜ Korr.2 ⎟ = A ⋅ ⎜ − ⎟ . [1-35]
⎝ vKorr.1 ⎠ R ⎝ T1 T2 ⎠ diums nicht beeinflusst, Kurve B in Bild 1-
84b. Im Gegensatz dazu übt die Geschwindig-
Der einfache Zusammenhang nach Gl. [1- keit bei der diffusionskontrollierten Konzen-
35] gilt z. B. für die Korrosion von Eisen in trationspolarisation, s. Abschn. 1.7.4.3, einen
Salzsäure oder Eisen in Natriumsulfat. Siehe erheblichen Einfluss auf die Korrosionsge-
hierzu auch die Aufgabe 1-12, S. 117. schwindigkeit aus, Bild 1-86. Die Kurven 1
bis 6 repräsentieren die maximale Korrosions-
Die Variable Temperatur bestimmt außer- stromdichte für die Mediengeschwindigkeit
dem häufig die Löslichkeit von Substanzen,
die den Korrosionsablauf entscheidend beein- 6
flussen. Ein bekanntes Beispiel ist die Korro-
5
sion von Stahl in Anwesenheit von Sauerstoff
Stromdichte log i

in offenen und geschlossenen Korrosionssyste- 4


C
men. In letzteren bleibt der Sauerstoffgehalt 3
des Elektrolyten unverändert, d. h., die Korro- 2
B

sionsgeschwindigkeit vKorr nimmt mit der Tem- 1


A
peratur zu. In offenen Systemen nimmt vKorr n+
e
oberhalb 80 ’C bis 100 ’C wegen der dann ab- ®
M
e
nehmenden Sauerstofflöslichkeit des erwärm- M i 0.Ox
i 0.Me
ten Wassers stark ab, Bild 1-85. In der Pra-
xis verursacht z. B. kondensierender Wasser- 0
dampf durch die Bildung von Belüftungsele- Überspannung h
a)
menten (Konzentrationselement: unterschied-
licher Sauerstoffgehalt im Bereich Tropfen/ 6
Umgebung, s. Beispiel 1-9, S. 74) an Kesselan- 5
Stromdichte log i

lagen und Heißdampfleitungen z. T. extreme


4
Korrosionserscheinungen. C
3
0,75 B
2
mm A
Jahr 1
Korrosionsgeschwindigkeit

System geschlossen
Me n +

0,50

i
®
Me

0.Ox
System offen i 0.Me
0,25
0
b) Überspannung h
0
Bild 1-86
0 20 40 60 80 100 120 140 160 ° C
Einfluss der Strömungsgeschwindigkeit des Mediums
Temperatur
(von 1 nach 6 zunehmend) auf das elektrochemische
Bild 1-85 Verhalten von Metallen unter dem Einfluss diffusions-
Einfluss der Elektrolyttemperatur auf die Korrosions- kontrollierter Kathodenprozesse (Konzentrationspola-
geschwindigkeit von Eisen in belüftetem (sauerstoffhal- risation), nach Fontana.
tigem) Wasser, in offenen und geschlossenen Systemen, a) Nicht passivierbares Metall,
nach Speller. b) passivierbares Metall.
Abschn. 1.7.4: Elektrochemische Polarisation 77

1 bis 6. Bei nicht passivierbaren Metallen den bei einem stark strömenden Medium kor-
steigt die Stromdichte i bis Punkt C bei der rosionsbeständiger, weil durch das verstärkte
Geschwindigkeit 3. Mit weiter zunehmender Heranführen von Sauerstoff an die Werkstück-
Geschwindigkeit bleibt ab Punkt D die Korro- oberfläche die oxidische Passivschicht erhal-
sionsgeschwindigkeit ( Stromdichte i) kons- ten bleibt.
tant, weil die Reduktionsreaktionen aktivi-
tätskontrolliert werden, Bild 1-86a. Allerdings kann ein mit sehr großer Geschwin-
digkeit strömendes Medium, das feste, feinver-
Bei passivierbaren Werkstoffen, wie z. B. aus- teilte Partikel enthält, Erosion(skorrosion)
tenitischem Cr-Ni-Stahl oder Titan, Bild 1- hervorrufen, s. Kurve C in Bild 1-84b und Ab-
86b, nimmt die Stromdichte von A  B  C schn. 1.7.6.2.3.
zu. Oberhalb der Geschwindigkeit 3 erfolgt
der Übergang vom aktiven in den passiven Medienkonzentration
Zustand, Punkt D. Passivierbare Metalle wer- Korrosionserscheinungen an passivierbaren
Werkstoffen sind in der Regel in weiten Gren-
h1 Metallauflösung: zen unabhängig von der Medienkonzentra-
Me ® Me n + + n × e - tion, Kurve A, Bereich 1, Bild 1-84d. Der Kor-
(= anodischer Teilstrom i A)
i 1
rosionsangriff von Säuren, die in Wasser lü-
i A,0 = i K,0 = i 0
ckenlos lösbar sind, lässt sich häufig mit der
Kurve B, Bild 1-84d, beschreiben. Mit zuneh-
E0 E1 mender Medienkonzentration steigt zunächst
i i
die Menge der H-Ionen, wodurch die Korro-
Stromdichte i

A,0 A
sionsgeschwindigkeit zunimmt. Weil der Dis-
i K,0
Potenzial E soziationsgrad aber mit zunehmender Säure-
i K
stärke abnimmt, verringert sich auch der Kor-
rosionsangriff. Der Angriff sehr starker (nicht
Summen - Stromdichtekurve verunreinigter Säuren!) ist daher oft überra-
schend gering.
Metallabscheidung:
Me n + + n × e - ® Me
(= kathodischer Teilstrom i K) 1.7.4 Elektrochemische Polarisation
a)
Die elektrochemischen Reaktionen werden
durch verschiedene chemische, physikalische
Tafelgerade: h = a + b× log i und Einflüsse der Umgebung [z. B. Beschaffen-
Stromdichte log i

heit der »Reaktionsoberfläche(n)«] verzögert


bzw. polarisiert. Im Gleichgewicht ist bei Au-
ßenstromlosigkeit iA iK i0, Bild 1-75. Stoff-
umsätze können aber nur dann stattfinden,
Me n + + n × e - ® Me Me ® Me n + + n × e - wenn das Potenzial E der stromdurchflosse-
nen Elektrode das Gleichgewichtspotenzial
E0 über- oder unterschreitet. Diese Spannungs-
i 0

- 0 + differenz bezeichnet man als Überspannung


Überspannung h h. Sie ist ein Maßstab für die Größe der Polari-
b)
sation:
Bild 1-87
h E  E 0. [1-36]
Stromdichte-Potenzial-Kurve (Polarisationskurve) für
einen anodischen Metallauflösungs- (Me Æ Men+ + n◊ e-) Die Polarisationserscheinungen teilt man
und einen kathodischen Metallabscheidungsprozess
ein in die
(Men+ + n◊ e- Æ Me), ermittelt mit potenziostatischen
Messmethoden, schematisch. – Aktivierungspolarisation, die
a) Abhängigkeit i = f(E), s. a. Bild 1-90, – Konzentrationspolarisation und die
b) Abhängigkeit log i = f(h), Tafelgerade. – Widerstandspolarisation.
78 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Zum Verständnis der Polarisationserschei- Im Gleichgewichtszustand ist die Austausch-


nungen ist die Kenntnis der Stromdichte- stromdichte i0 ein Maßstab für die elektroche-
Potenzial-Kurven erforderlich. Sie werden mische Reaktionsfähigkeit. Wird das Gleich-
im Folgenden zunächst beschrieben. gewichtspotenzial E0 auf E1 erhöht, dann steigt
die anodische (Korrosions-)Stromdichte auf
1.7.4.1 Stromdichte-Potenzial-Kurven i1. Korrosionsvorgänge, oder ganz allgemein
Die Abhängigkeit Überspannung h von der Stoffumsätze, können daher nur bei positi-
Korrosionsstromdichte i wird Polarisations- veren Potenzialen als dem Gleichgewichts-
kurve genannt. Sie wird als Summen-Strom- potenzial bzw. bei Abweichungen vom Gleich-
dichte-Potenzial-Kurve mit Hilfe der hier nicht gewichtspotenzial entstehen. Dieser Vorgang
besprochenen potenziostatischen Messme- ist die weiter oben (Abschn. 1.7.4) beschrie-
thoden ermittelt. Mit diesen Methoden kön- bene Polarisation.
nen die anodischen und kathodischen Teil-
stromdichten abhängig von den eingestellten Bild 1-88 zeigt die Stromdichte-Potenzial-
Abweichungen vom Ruhepotenzial ermittelt Kurven für die an jeder Säurekorrosion be-
werden. Eine typische Polarisationskurve teiligten zwei verschiedenen Elektrodenpro-
zeigt Bild 1-87a. Im Gleichgewicht, also nach zesse im außenstromlosen Zustand. Eine ho-
Einstellen des Gleichgewichtspotenzials E0, mogene Mischelektrode ist vorhanden, wenn
fließt kein messbarer Strom, d. h., Korrosions- die Korrosionsstromdichte an jeder Stelle
erscheinungen können nicht auftreten. Tat- der Elektrodenoberfläche gleich groß ist. In
sächlich ist bei diesem dynamischen Gleich- der Korrosionspraxis sind die Teilströme we-
gewicht aber der anodische Auflösungsstrom gen nicht vermeidbarer Unterschiede im Me-
iA,0 gleich dem kathodischen Abscheidungs- dium oder im Werkstoff (inhomogene Berei-
strom iK,0, gleich der Austauschstromdichte che, z. B. Kristallseigerungen) meistens un-
i0, s. Bild 1-75. terschiedlich. In diesem Fall spricht man von
einer heterogenen Mischelektrode oder einem
Metallauflösung: H2 ® 2 × H+ + 2 × e -
Korrosionselement.
Me ® Me n + + n × e -

Die Korrosion des Metalls Me lässt sich aus


(1) (3)
den Teilstromdichte-Kurven (1) – entspricht
i Korr der anodischen Metallauflösung – und (4) – ent-
spricht der kathodischen Reduktion des Was-
serstoffs – in Form der Summen-Stromdich-
0
E Me/Me E H0 +
tekurve (gestrichelt in Bild 1-88) beschrei-
Stromdichte i

n+
2 / 2H

ER Potenzial ben. Ihr Schnittpunkt mit der x-Achse kenn-


zeichnet das Korrosionspotenzial ER, das zwi-
schen beiden Gleichgewichtspotenzialen liegt.
(2) (4) Dieses Mischpotenzial wird auch als Ruhepo-
tenzial bezeichnet. Hier ist die anodische Kor-
Summen - Stromdichtekurve rosionsstromdichte gleich der kathodischen
Wasserstoffentwicklung: als Folge der Wasserstoffreduktion:
2 × H+ + 2 × e - ® H2
2 ¹ H   2 ¹ e   H2.
Bei E = E R (= Ruhepotenzial) ist i A,R = i K,R = i Korr
Das Bild 1-88 lässt auch die Grundidee des
Bild 1-88 kathodischen Korrosionsschutzes (Abschn.
Stromdichte-Potenzial-Kurven für eine homogene 1.7.8.1) erkennen. Mit abnehmendem Poten-
Mischelektrode: Metall [Metallauflösung (1)/Metall-
abscheidung (2)] und eine Redoxreaktion [Oxidation
zial wird der anodische Teilstrom, also auch
(3), Reduktion (4)]. Im außenstromlosen Zustand ist der Korrosionsangriff, verringert.
iA,R = iK,R = iKorr . Als Beispiel kann die Metallauflösung
in einer nichtoxidierenden Säure unter Wasserstoff- 1.7.4.2 Aktivierungspolarisation
entwicklung dienen: Aktivierungspolarisation liegt vor, wenn die
n
Me + n ◊ H + Æ Men+ + ◊ H 2 . elektrochemischen Vorgänge an der Phasen-
2
Abschn. 1.7.4: Elektrochemische Polarisation 79

grenze Metall/Elektrolyt – d. h. der Ladungs- Danach betragen die Teilstromdichten iA, iK:
trägeraustausch – durch einen oder einige
(langsamere!) Teilvorgänge kontrolliert wer- Ê a nF ˆ
iA = i0 ◊ exp Á ◊h , [1-37a ]
den. Die Metallauflösung geschieht z. B. nach Ë R T ˜¯
der Reaktionsfolge:
Ê (1 - a ) ◊ n F ˆ
n+
MeGitter Æ MeOberfl n+ iK = i0 ◊ exp Á - ◊ h˜ . [1-37b]
äche Æ Me Lösung . Ë RT ¯
Die Metallatome (MeGitter ) werden von ihren
Gitterplätzen in Ionenform an die Metallober- Im Gleichungssystem [1-37] ist R die Gaskons-
n+
fläche (MeOberfläche ) und von hier in die wässri- tante, T die absolute Temperatur und a der
ge Lösung (MeLn+ösung ) befördert. Symmetriekoeffizient, der die Art der Ener-
giebarriere des Ladungsträgertransports be-
Die kathodische Reduktion des Wasserstoffs schreibt. In den meisten Fälle kann für a 0,5
geschieht z. B. bei Zink (in saurer Lösung) angenommen werden, d. h., die geometrische
durch eine Reihe möglicher Reaktionsschrit- Form der beiden Teilstromdichtekurven sind
te, die experimentell nicht notwendigerweise annähernd gleich.
nachweisbar sind, Bild 1-89. Nach der Adsorp-
tion der Wasserstoffionen an der Metallober- Bei der Aktivierungspolarisation ergibt sich
fläche (1) erfolgt der Elektronenübergang auf durch Umformen der Gl. [1-37a und b] die Be-
die Wasserstoffionen (2), die Bildung moleku- ziehung zwischen der Überspannung h und
laren Wasserstoffs (3) und die abschließende der Korrosionsstromdichte i zu:
Entstehung von Wasserstoffblasen (4). Die
h hA  hK a  b¹ log i. [1-38]
langsamste Teilreaktion bestimmt im Wesent-
lichen die Reaktionszeit, d. h. die Korrosions- Diese Gleichung ist auch als Tafelsche Be-
geschwindigkeit. ziehung bekannt, mit b als »Tafelneigung«
und a  b¹log i0, Bild 1-87b.
Die Polarisationskurve, d. h. die Abhängig-
keit der (Korrosions-)Stromdichte i von der Bei Überspannungen h ≥ 50 mV kann im
Überspannung h ist gemäß der Butler-Vol- Gleichungssystem Gl. [1-37] entweder der
mer-Beziehung i f (h ) berechenbar: erste oder der zweite Term vernachlässigt
werden. Damit ergibt sich die anodische (hA )
i f (h ) iA iK.
bzw. kathodische Teilspannung (hK ) verein-
facht zu:
i i
hA = ba ◊ log A , hK = - bk ◊ log K . [1-39a, b]
i0 i0
Bei einer anodischen Überspannung ist hA
und ba positiv, bei einer kathodischen Pola-
risation ist h K und b k negativ. Die Werte für
die Tafelneigung b a ( b k ) liegen gewöhnlich
im Bereich, Bild 1-87 und Bild 1-90:

0 ,03 bis 0 ,2 È V ˘
ba (b k ) =
1 Größenordnung ÍÎ Stromdichte ˙˚

und sind oft auch nicht für die kathodischen


und anodischen Reaktionen identisch. Als
brauchbare Schätzwerte haben sich für b a
bzw. b k die Werte  0,1 und  0,1 erwiesen.
Bild 1-89
Mögliche Reaktionen bei der Reduktion des Wasser- Der große praktische Vorteil der Tafelbezie-
stoffs unter der Einwirkung der Aktivierungspolari- hung ist ihre einfache grafische Darstellbar-
sation, nach Fontana. keit. In einem halblogarithmischen Koordi-
80 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

natensystem besteht zwischen der Korrosions- reduzierenden Substanz aus dem Medium
stromdichte und der Überspannung ein linea- zur Phasengrenze Medium/Metalloberflä-
rer Zusammenhang, Bild 1-90 (s. a. Darstel- che bestimmt. Bei sehr großen Reduktionsge-
lung Bild 1-87b). schwindigkeiten wird c0 0. In diesem Fall
ist die Korrosionsstromdichte iKorr auf den
Die Aktivierungspolarisation ist in höherkon- folgenden Maximalwert imax begrenzt:
zentrierten Medien meistens der wirksame
n F D ◊ (cL - c0 )
»Verzögerungsmechanismus« der elektrolyti- iKorr = , [1-40a]
schen Reaktionen d. h. der Korrosionsreak- d
tionen. für c0 = 0 wird:
n F D cL
1.7.4.3 Konzentrationspolarisation iKorr = imax = . [1-40b]
Bisher wurde angenommen, dass die Korro- δ
sionsgeschwindigkeit vom anodischen oder Im Gleichungssystem [1-40] bedeuten n die
kathodischen Ladungsträgertransport be- Anzahl der an der Korrosions-Reaktion be-
stimmt wird. Wenn die kathodisch reagieren- teiligten Elektronen, F die Faradaykonstan-
de Substanz – z. B. H – in ungenügender te, D der Diffusionskoeffizient und d die Di-
Menge zur Verfügung steht, dann wird der cke der Diffusionsschicht, die in der Regel
Massentransport dieser Substanz der ge- zwischen 0,1 mm und 0,5 mm liegt.
schwindigkeitsbestimmende Vorgang. Bei ei-
nem großen Umsatz der zu reduzierenden Me-
tallionen kann die Konzentration des Reduk-
tionsmittels an der Metalloberfläche im Ex-
tremfall bis auf Null abnehmen. Der Korro-
sionsprozess wird dann nur durch den diffu-
sionsabhängigen Massentransport bestimmt.
Im Allgemeinen fällt aber die Konzentration
cL der reduzierenden Substanz in der Diffu-
sionsschicht der Dicke d bis auf die von Null
verschiedene Konzentration an der Blechober-
fläche c0, Bild 1-91. Die Korrosionsgeschwin-
digkeit wird zumindest teilweise von dem dif-
fusionskontrollierten Massentransport der
Reduktion Oxidation
Stromdichte log i

100 2× -
H+

e
+
2× + +
e-

® H
10 H
2
®
H2

i0
H2 / H+
1
Bild 1-91
Darstellung der Konzentrationspolarisation am Bei-
0,1 spiel der Wasserstoffreduktion, nach Fontana.

Die Konzentrationspolarisation ist bei Korro-


- 0,3 - 0,2 - 0,1 0 0,1 V 0,2 sionsvorgängen hauptsächlich bei kathodi-
Überspannung h schen Reduktionsvorgängen zu erwarten,
Bild 1-90 weil bei der anodischen Metallauflösung nor-
Aktivierungspolarisation, dargestellt in Form einer malerweise unbegrenzt viele Metallionen ge-
Tafelgeraden für eine Wasserstoffelektrode. liefert werden können.
Abschn. 1.7.5: Passivität 81

Die Beziehung für die Überspannung hK an 1.7.5 Passivität


der Kathode bei der Konzentrationspolari-
sation in Abwesenheit der Aktivitätspolari- Passivität entsteht bei verschiedenen (meis-
sation ist: tens sehr unedlen) Metallen wie Chrom, Ni-
RT ⎛ i ⎞ ckel, Titan, Kobalt, Eisen, Aluminium durch
ηK = 2,3 ⋅ ⋅ log ⎜1 − ⎟. [1-41] die Bildung sehr dünner (1 bis 10 nm), schwer
nF ⎝ imax ⎠ löslicher, porenfreier, festhaftender Oxid-
Bild 1-92a zeigt diesen Zusammenhang. Die schichten unter oxidierenden Bedingungen.
Konzentrationspolarisation macht sich erst Diese schützenden Schichten verbessern die
bemerkbar, wenn die kathodische Stromdich- Korrosionsbeständigkeit z. T. um den Faktor
te im Bereich von imax liegt. 103 bis 106 und zeichnen sich durch eine gerin-
ge Ionenleitfähigkeit aus. Die Passivschich-
Jeder Vorgang im Korrosionssystem, der die ten können sich natürlich bilden oder elekt-
Diffusionsbedingungen verbessert, erhöht rochemisch erzeugt bzw. verstärkt werden.
demnach die Korrosionsgeschwindigkeit. Je-
de Bewegung des Korrosionsmediums ver- i max.3

ringert die Dicke der Diffusionsschicht d und


Stromdichte log i

erhöht so die Stromdichte i, wie Bild 1-86 bei-


i max.2
spielhaft zeigt. Das Gleiche gilt für die Tem-

zunehmende v Medium

zunehmende cMedium
peratur T (erhöht sehr stark die Diffusions-

zunehmende T
fähigkeit) und gemäß Gl. [1-40] für die Kon- i max.1
zentration c.

In den meisten Korrosionsfällen treten die - +


0
Aktivierungs- und die Konzentrationspola- Überspannung h
a)
risation gemeinsam auf. Die gesamte kathodi- hAkt
sche Polarisation hges,K ist dann die Summe
der kathodischen und anodischen Überspan- hKonz
nung, Gl. [1-42]:
Stromdichte log i

i RT ⎛ i ⎞
η ges,K = − β k ⋅ log K + 2,3 ⋅ ⋅ log ⎜1 − K ⎟ . hges,K = hAkt + hKonz
i0 nF ⎝ imax ⎠
i
Bild 1-92b zeigt die grafische Darstellung 0

der Beziehung Gl. [1-42]. Bei geringen Kor- - 0 +


rosionsgeschwindigkeiten wird der Korro- b)
Überspannung h

sionsprozess in der Regel durch die Aktivie-


rungspolarisation bestimmt, bei größeren Bild 1-92
Abhängigkeit der Überspannung (kathodischer Pro-
überwiegend durch die Konzentrationspola-
zess) von der Stromdichte log i bei der
risation. a) Konzentrationspolarisation (hKonz ) und bei
b) gleichzeitiger Wirkung der Konzentrations- und Ak-
Die Konzentrationspolarisation herrscht i. tivierungspolarisation (hges,K ).
Allg. vor, wenn die zu reduzierenden Substan-
zen in geringer Menge vorliegen, z. B. bei ver- Abhängig von der Art der Metalle werden
dünnten Säuren und Salzlösungen. Passivschichten ( Oxide) mit unterschiedli-
chen physikalischen und chemischen Eigen-
In manchen Fällen ist auch die sog. Wider- schaften gebildet:
standspolarisation zu beachten, bei der durch – Metalle, die elektronenleitende Oxide bil-
zusätzliche ohmsche Widerstände eine Wider- den: z. B. Eisen, Chrom, nichtrostender
standsüberspannung h : auftritt. Ähnliche Stahl und Kupferbasiswerkstoffe.
Überspannungen können bei behinderten – Metalle, die nicht oder sehr schlecht elektro-
Reaktionsabläufen verschiedener Prozesse nenleitende Oxide bilden: z. B. Aluminium,
(Hydratation, Komplexbildung) entstehen. Titan, Zirkonium, Tantal. In diesen Fällen
82 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

ist weder ein Stoff- noch Ladungsträger- örtlicher Zerstörung der meistens sehr sprö-
austausch über die Passivschichten mög- den und dünnen Passivschicht – kann der
lich. Werkstoff allerdings sehr rasch durch Formen
der Lokalkorrosion zerstört werden. Bekann-
Passivierbare Metalle müssen einen bestimm- te Beispiele für derartige Werkstoffe sind die
ten Verlauf der (anodischen) Stromdichte-Po- hochlegierten Chromstähle und die austeni-
tenzial-Kurve aufweisen, Bild 1-93. Danach tischen Chrom-Nickel-Stähle, die in Anwe-
fällt nach Überschreiten des von einer äuße- senheit vor allem von Chloridionen durch die
ren Spannungsquelle aufgeprägten Passivie- Spannungsriss- (Abschn. 1.7.6.2.1) und Loch-
rungspotenzials Ep, die anodische Teilstrom- korrosion (Abschn. 1.7.6.1.2) schnell und inten-
dichte von imax auf die wesentlich geringere siv angegriffen werden.
Passivstromdichte ip. Zum Aufrechterhalten
der Passivität muss eine der Passivstromdich-
te ( passive Reststromdichte) äquivalente ka-
thodische Stromdichte ständig durch Oxida-
tionsmittel im Elektrolyten aufgebracht wer-
den. Anderenfalls wird das Metall aktiviert.

Oberhalb des Durchbruchpotenzials Ed bil-


Beispiel 1-10:
det sich im Bereich der Transpassivität au-
Ein Stahlbehälter ist im Kontakt mit einem korrosi-
ßerhalb der Passivschicht Sauerstoff, der die ven Medium, das den Werkstoff gleichmäßig korro-
Metallauflösung wieder einleitet: diert. Die Kontaktfläche beträgt S = 1 m2 = 10000 cm2.
Aus vergleichbaren Fällen kann für den Korrosions-
4 ◊ OH- Æ O2 + 2 ◊ H2O + 4 ◊ e - . strom ein Wert von I = 0,10 A angenommen werden.
Diese Reaktion kann nur bei elektronenlei- Der Werkstoffverlust mv innerhalb eines Jahres und
tenden oxidischen Passivschichten ablaufen, die Abtragrate x in cm/a sind zu berechnen. Siehe a.
Aufgabe 1-17, S. 120.
weil sie die erforderlichen metallischen bzw.
Halbleiter-Eigenschaften besitzen. Die Menge mv des durch elektrochemische Reaktionen
in Ionenform umgewandelten Werkstoffs (Fe) lässt sich
mit Hilfe des Faradayschen Gesetzes ermitteln:
Die Korrosionsbeständigkeit der Metalle, die
Passivschichten bilden, kann bei Bedingun- I ◊ t ◊ MFe s g mol I ◊ t ◊ MFe
mv = A◊ ◊ ◊ = g/a .
gen, die die lokalen Korrosionsarten begüns- n◊ F a mol A ◊ s n◊ F
tigen empfindlich verringert werden. Sie sind Es bedeuten t (s/a) die Korrosionsdauer, MFe (g/mol)
bei gleichmäßigem Korrosionsangriff sehr be- die Molmasse des Eisens, n die Anzahl der bei der elekt-
ständig, bei lokalem Angriff – vor allem nach rochemischen Reaktion ausgetauschten Elektronen
und F = 96500 (C/mol = A◊s/mol) die Faradaykons-
tante. Mit den gegebenen Werten erhält man:
aktiver passiver transpassiver
Zustand Zustand Zustand s h d
t = 3600 ◊ 24 ◊ 365 O 31 ◊ 10 6 s / a .
h d a
A

i max
anodische Teilstromdichte i

Daraus ergibt sich der jährliche Werkstoffverlust mit


n = 2 (Fe Æ Fe 2+ + 2 ◊ e-) und MFe = 56 g/mol zu:
I ◊ t ◊ MFe 0,10 ◊ 31 ◊ 10 6 ◊ 56
mv = = O 900 g / a .
n◊ F 2 ◊ 96 500
Die jährliche Abtragrate x in cm/a ergibt sich mit der
ip
Dichte von Eisen rFe = 7,9 g/cm3 zu:
cm g
x ◊ S ◊ rFe ◊ cm 2 ◊ = 900 g / a
a cm3
E p’ Ep Ed 900 900 g 1 cm3
Potenzial E x= = ◊ ◊ O 0,01 cm / a .
S ◊ rFe 10 000 ◊ 7,9 a cm 2 g
Bild 1-93
Anodische Teilstromdichte-Potenzial-Kurve eines pas- Gemäß Tabelle 1-5 ist dieser Werkstoff bei den gege-
sivierbaren Metalls. benen Korrosionsbedingungen »beständig«.
Abschn. 1.7.6: Korrosionsarten 83

1.7.6 Korrosionsarten Örtlich begrenzte Korrosionserscheinungen


sind sehr schwer überwachbar und damit er-
Aus praktisch-technischen Gründen und we- heblich gefährlicher. Das gilt für die Entde-
gen der unterschiedlichen Schädigungsme- ckung, für die meist aufwändigen Reparatur-
chanismen werden nach DIN 50900 die Kor- maßnahmen (teure Stillstandzeiten) und für
rosionsarten und ihre Erscheinungsformen evtl. Folgeschäden (z. B. an der Umwelt und
eingeteilt in weiteren Betriebseinrichtungen durch auslau-
– Korrosionsarten ohne und fende, aggressive Medien).
– mit zusätzlicher mechanischer Beanspru-
chung, überwiegend in Form von Zug- Korrosionselemente mit sehr kleinen anodi-
spannungen (Last-, Eigen-, Verformungs- schen oder kathodischen Flächenbereichen
spannungen). werden Lokalelemente genannt. Die Korro-
sionsgeschwindigkeit ist daher wegen der
1.7.6.1 Korrosionsarten ohne örtlich extrem begrenzten Zerstörung des
mechanische Beanspruchung Metalls in der Regel weniger entscheidend.
Der Verlauf der relativ ungefährlichen gleich- Von großer technischer Bedeutung ist viel-
mäßig abtragenden Flächenkorrosion ist ver- mehr die Kenntnis der Bedingungen, unter
hältnismäßig einfach (z. B. Faradaysches Ge- denen lokale Korrosionsformen entstehen
setz) berechenbar, ihre Auswirkungen auf bzw. vermieden werden können.
die Bauteilsicherheit sind damit hinreichend
genau bekannt bzw. abschätzbar. Als Maß- Lokale Korrosionsformen d. h., Korrosions-
stab für den Grad der Korrosionsbeständig- elemente können bei sehr unterschiedlichen
keit können die in Tabelle 1-5 genannten Wer- betrieblichen und korrosionstechnischen Be-
te der Abtragraten dienen. dingungen entstehen:

Wegen der großen praktischen Bedeutung ❐ Passivschichten werden örtlich durch


werden im Folgenden nur die auf der Bildung – das angreifende Medium (Lochkorro-
von Lokalelementen beruhenden Korro- sion, Lochfraß, Pitting, vorwiegend
sionsarten beschrieben. durch Chloridionen) oder durch
– mechanische Beanspruchung (Gleit-
prozesse durch Kaltverformen: span-
gebende Fertigung: Fräsen, Bohren,
Hammerschläge, Handlingsvorgänge,
s. Abschn. 1.7.7) örtlich zerstört (Span-
nungsrisskorrosion).

❐ Zwischen zwei verschiedenen Metallen


besteht metallischer Kontakt (Kontakt-
korrosion). Der Korrosionsangriff nimmt
mit der Größe der Potenzialdifferenz zwi-
schen den Metallen zu, Bild 1-94.

❐ Es bestehen örtliche Unterschiede in der


Zusammensetzung des
– Korrosionsmediums:
Konzentrationselement, z. B. Spalt-
korrosion oder das Belüftungselement
als Folge unterschiedlichen Sauerstoff-
gehalts an verschiedenen Orten des
Bild 1-94 Mediums oder des
Das Korrosionselement bei der Kontaktkorrosion, – Werkstoffs (De LaRive-Element ):
schematische Darstellung. Bei dieser selektiven Korrosion wer-
84 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

den bestimmte Gefügebestandteile, Le- wichtige Rolle. Erfahrungsgemäß sind »Fehl-


gierungselemente oder korngrenzen- stellen« in Überzügen nur sehr schwer voll-
nahe Bereiche bevorzugt angegriffen ständig vermeidbar. Wird nur der unedlere
[z. B. interkristalline Korrosion bei Bereich der galvanisch gekoppelten Metalle
den hochlegierten Stählen oder der be- beschichtet, dann entstehen im Falle von Be-
vorzugte Angriff der b-Phase in den schichtungsfehlern sehr kleine anodische Be-
(a  b)-Messingen]. reiche. Die Folge sind sehr große anodische
Ströme, d. h., das unedle Metall wird sehr
1.7.6.1.1 Kontaktkorrosion rasch angegriffen bzw. zerstört. Diese Situa-
Die zwischen zwei unterschiedlichen Me- tion ist in Bild 1-96a schematisch dargestellt.
tallen vorhandene Potenzialdifferenz, Tabel- Daraus ergibt sich die auf den ersten Blick
le 1-6, ist in Anwesenheit eines wässrigen überraschende Richtlinie für das korrosions-
Elektrolyten treibende »Kraft« für Korrosions- technisch korrekte Beschichten von Konstruk-
vorgänge. Das unedlere Metall wird hierbei tionen, die aus unterschiedlichen, galvanisch
anodisch aufgelöst, Bild 1-94. Die Korrosions- gekoppelten Metallen bestehen:
geschwindigkeit kann sich im Laufe der Zeit
durch Reaktionsprodukte auf der Anode oder Das edlere Metall muss beschichtet
der Kathode merklich verringern (Polarisa- werden, auf keinen Fall das unedlere,
tion). Bild 1-96b!

Bemerkenswert ist der große Einfluss des 1.7.6.1.2 Lochkorrosion (Lochfraß)


Verhältnisses der anodischen zur kathodi- Bei dieser Form der Lokalkorrosion entste-
schen Fläche auf die Intensität des Korro- hen mulden- bzw. nadelstichförmige Vertie-
sionsangriffs. Bei einer kleinen anodischen fungen auf Werkstoffen, die mit porösen oder
Fläche (Schweißgut) ist die anodische Strom- beschädigten korrosionshemmenden Passiv-
dichte sehr hoch, d. h. die Metallauflösung schichten bedeckt sind, Bild 1-97. Die nur in
also sehr intensiv, Bild 1-95a. Die große An- Anwesenheit von Chlorid- und Bromidionen
zahl der freiwerdenden Elektronen kann an auftretende Nadelstichkorrosion wird auch
der großen, gut belüfteten Kathodenfläche als Chloridionenkorrosion oder Pitting be-
(Grundwerkstoff) leicht entladen werden, s.
unlegierter Baustahl (Anode)
a. Beispiel 1-11, S. 99.
Schäden in der Beschichtung: es entstehen klei-
ne Anodenflächen, d. h. große anodische Strom-
Diese Zusammenhänge spielen z. B. bei kor- dichten, die den unlegierten Baustahl rasch zer-
stören.
rosionsbeständigen Beschichtungen (Anstri-
chen, metallischen Überzügen, Lacken) eine
Korrosionsmedium ? Beschichtung
Me n + O2

O2 O2 Me n + Me n +
CrNi - 18 - 8 - Plattierung !

Kathode Anode Anode Kathode a) b)

Das Verhältnis V der Anoden- (A A ) zur Kathodenfläche (A K ) ist: Bild 1-96


ungünstig, wenn V << 1 günstig, wenn V >> 1 Korrosionsvorgänge in beschichteten, galvanisch ge-
a) b)
koppelten Metallen.
a) Fehler in der Beschichtung des unedlen Metalls
Bild 1-95 erzeugen kleine anodische Flächen, d. h. einen
Einfluss des Verhältnis V = Anodenfläche/Kathoden- großen Werkstoffverlust durch Korrosion.
fläche auf die Intensität der Kontaktkorrosion, dar- b) Daher muss der edlere Werkstoff beschichtet wer-
gestellt an einer Schweißverbindung. den, s. a. Beispiel 1-11, S. 99.
Abschn. 1.7.6: Korrosionsarten 85

Bild 1-97 Bild 1-98


Lochkorrosion an einer Rohrleitung aus unlegiertem Spaltkorrosion an 2 mm dicken Blechen aus austeni-
Stahl, BAM. tischem Cr-Ni-Stahl, BAM.

zeichnet. Diese schwer entdeckbare und sehr Alle für die Lochkorrosion anfälligen Metal-
schlecht beobachtbare Korrosionsform ist ex- le sind auch besonders empfindlich für die
trem gefährlich, weil in kurzer Zeit verheeren- Spaltkorrosion. Der umgekehrte Schluss gilt
de Schäden entstehen. Sie lässt sich mit La- nicht allgemein.
boruntersuchungen nur unzuverlässig vor-
hersagen. Die Neigung des gewählten Werk- Die Lochkorrosion kann nur oberhalb eines
stoffs zur Lochkorrosion sollte in Feldversu- bestimmten Grenzpotenzials (Lochfraßpoten-
chen unter möglichst praxisnahen Bedingun- zial) und nach Überschreiten der kritischen
gen ermittelt werden. Diese Korrosionsform Konzentration der wirksamen Ionen entste-
kann bei allen üblichen (metallischen) Werk- hen. Die Größe des Lochfraßpotenzials, das
stoffen entstehen. ein zuverlässiger Maßstab der Lochfraßbestän-
digkeit darstellt, wird von verschiedenen Fak-
Die korrosionsbeständigen austenitischen toren bestimmt:
Cr-Ni-Stähle sind für Lochkorrosion anfälli- – Dem Korrosionsmedium, insbesondere
ger als jede andere Stahlart. Selbst unlegier- der Chlorid- und Bromid-Ionenmenge,
te C-Mn-Stähle sind beständiger! Daher muss – der chemischen Zusammensetzung des
diese Korrosionsform, die bei diesen Stählen Werkstoffs und
von großer praktischer Bedeutung ist, sehr – dem Oberflächenzustand.
intensiv kontrolliert werden.
Die die Lochkorrosion stark begünstigenden
Lochkorrosion entsteht bei den Cr-Ni-Stäh- Chloridionen sind praktisch in jedem wäss-
len in chloridionenhaltigen Medien mit pH- rigen Elektrolyten enthalten. Zusätzlich vor-
Werten vorwiegend  7. Die Korrosionsge- handene, stark oxidierende Metallionen (z.
schwindigkeit hängt von der nicht vorhersag- B. in Form von CuCl2 oder FeCl3, die zu Cu2,
baren Bewegung der korrodierenden Substan- Fe3 dissoziieren) führen zu einem extrem
zen von und zu den Vertiefungen ab. Ins- aggressiven Angriff, s. a. Tabelle 1-6. Diese
besondere bei tieferen Löchern muss mit Scha- Metallionen lassen sich auch ohne Sauerstoff
densvorgängen gerechnet werden, wie sie auch kathodisch reduzieren:
bei der Spaltkorrosion auftreten. Dazu ge- Cu2  2 ¹ e  Cu,
hört vor allem das Ansäuern des Elektrolyten
durch Hydrolyse (pH 1,5 bis 1!, Bild 1-99) Fe3  e  Fe2.
und das Entstehen von Sauerstoff-Konzent- CuCl2 und FeCl3 greifen selbst die korrosions-
rationselementen. beständigsten Werkstoffe an.
86 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Zuverlässigen Schutz bieten molybdänlegier- Die Korrosion beginnt gleichmäßig im Spalt


te korrosionsbeständige Stähle (s. Abschn. und der Umgebung. Der für die anodische
2.8.3.3, S. 205) sowie das Beseitigen von Ab- Metallauflösung notwendige Sauerstoff ge-
lagerungen auf der Werkstückoberfläche langt aus der Umgebung durch Diffusion in
durch Beizen und Passivieren. Auch das Re- das Korrosionsmedium. In den Spaltenraum
duzieren der Medienaggressivität ist sehr dringt mit fortschreitendem Korrosionspro-
wirksam, aber meistens aus technisch-wirt- zess nur das Medium, kaum aber frischer
schaftlichen Gründen nicht realisierbar. Be- Sauerstoff ein. Die kontinuierliche Metall-
sondere Beachtung verdient die korrosions- auflösung im Spalt führt zu einer Erhöhung
schutzgerechte Gestaltung der Bauteile. Hier der Konzentration der Metallionen (Me). Sie
ist vor allem darauf zu achten, dass stagnie- begünstigen das Nachströmen der Anionen
rende Medienströme, »Totwasserecken« und (Cl, Br ). In den meisten Fällen ändern die
unvollständiges Entleeren von Behältern ver- im Spalt entstehenden und dort verbleiben-
mieden werden. In Sonderfällen kann das den Korrosionsprodukte den pH-Wert er-
kaum zur Lochkorrosion neigende, aber sehr heblich durch die Hydrolyse der Korrosions-
teure Titan eingesetzt werden. Der kathodi-
Korrosionsmedium
sche Schutz hat sich ebenso bewährt wie die O2, OH-, Cl- O2, OH-, Cl-
Zugabe von Ionen, die Wasserstoffionen bin-
den (z. B. OH - und NO3- -Ionen).
e- e-
1.7.6.1.3 Spaltkorrosion
(Berührungskorrosion)
Diese Korrosionsart entsteht in engen Spal-
ten (z. B. unter Schrauben, Sicherungsschei- Korrosionsbeginn Fortgeschrittener
ben sowie Ablagerungen aller Art, z. B. Far- Korrosionsprozess
ben, Beläge, Bewuchs) als Folge eines Kon-
Sauerstoffkonzentration
zentrationselementes durch behinderte Diffu-
sion, vor allem des Sauerstoffs, Bild 1-98. ist in Umgebung und Spalt gleich. Mit zunehmender Korrosionsdauer
Der Spalt wird gebildet zwischen dem korro- wird Diffusion des Sauerstoffs in den
Spalt zunehmend erschwert: Sauer-
dierenden Metall und einer stoff nimmt in Richtung Spaltende
– zweiten nicht angreifbaren metallischen kontinuierlich ab.

Phase. Die Vorgänge werden dann von Korrosionsangriff


elektrochemischen Reaktionen überlagert ist wegen gleicher Menge an Sau- Wegen geringerer Belüftung des Spal-
(Kontaktkorrosion ); erstoff und korrodierender Anionen tes Nachlassen der kathodischen Re-
im Spalt und Umgebung annähernd aktionen, ohne dass die anodische
– zweiten nichtmetallischen Substanz wie gleich. Metallauflösung aufhört. Entladung
z. B. Kunststoffüberzügen, Ablagerungen der entstehenden Elektronen erfolgt
in kathodischen Bereichen außerhalb
oder den Korrosionsprodukten (Berüh- des Spaltes. Hohe Konzentration der
Metallionen begünstigt Eindiffundie-
rungskorrosion ). ren der Anionen (z. B. Cl - , B - ).

pH-Wert
Der Spalt muss so breit sein, dass das Korro-
ist in Umgebung und Spalt kons- Korrosionsprodukte (z. B. Me+ Cl - )
sionsmedium eindringen kann ( einige hun- tant, z. B. 7 (neutrales Medium). werden zu Metallhydroxid und Säu-
re hydrolysiert:
dertstel Millimeter), aber schmal genug, um Me + Cl - + H2O ® Me + OH - + H + Cl - .
einen stagnierenden Medienstrom erzeugen Starke Ansäuerung des Mediums,
zu können (… 2 mm bis 3 mm). pH-Werte bis etwa 3 möglich.
a) b)

Der Korrosionsmechanismus beruht nicht Bild 1-99


wie häufig angenommen wird auf einer unter- Vorgänge bei der Spaltkorrosion.
schiedlichen Sauerstoff- bzw. Metallionen- a) Bei Korrosionsbeginn besteht gleiche Sauerstoff-
konzentration im Spalt und seiner Umgebung.
Konzentration im Spalt und in der Spaltum-
b) Mit fortschreitender Korrosion entsteht eine zu-
gebung (oder in den Ablagerungen), sondern nehmende Sauerstoffverarmung im Spalt. Durch
in einer Ansäuerung des Elektrolyten durch Hydrolyse der Korrosionsprodukte ist Ansäuern
Hydrolyse. des Elektrolyten auf pH von 5 bis 3 möglich.
Abschn. 1.7.6: Korrosionsarten 87

produkte (Me Cl ) gemäß der folgenden Re- – Festkörperteilchen sind, wenn dies wirt-
aktionsgleichung: schaftlich vertretbar ist, aus dem strömen-
Me+Cl - + H2O Æ Me +OH- + H+Cl - . den Medium zu entfernen.
– Nichthygroskopische Dichtungen (z. B.
Die Spaltwirkung besteht also in der Ansäue- Teflon) verwenden. Anderenfalls entste-
rung des Elektrolyten (freie H-Ionen ernied- hen unkontrollierbare »Elektrolyte«.
rigen den pH-Wert bis auf 3!), wodurch das
Aktivierungspotenzial merklich erniedrigt 1.7.6.1.4 Selektive Korrosion
wird. Bild 1-99 zeigt schematisch die Vorgän- Unter dem Einfluss eines korrosiven Medi-
ge bei der Spaltkorrosion. ums werden inhomogene Bereiche des Gefü-
ges, das unedlere Element, häufiger die uned-
Der geschilderte Mechanismus macht die lere Phase, anodisch aufgelöst.
Möglichkeiten verständlich, diese gefährliche
und in der Praxis aufwändig zu bekämpfen- Ein bekanntes Beispiel ist das Entzinken
de Korrosionsart zu vermeiden: der (a  b)-Messinge. Die Potenzialdifferenz
– Die Oberflächen nichtrostender Stähle zwischen der unedleren b-Phase und der edle-
müssen frei von Ablagerungen jeder Art ren a-Phase führt zur Auflösung der b-Pha-
sein (z. B. Farbschichten, Anlauffarben, se in Form von Kupfer- und Zinkionen. Das
Oberflächenbeläge aller Art). Dies ist mit gelöste Cu2 wird sofort kathodisch reduziert,
Hilfe von Inspektionen in angemessenen d. h. metallisch abgeschieden, während die
Zeiträumen sicherzustellen. unedlen Zinkionen (Zn2) gelöst bleiben. Weil
– Bewegte Flüssigkeiten erschweren die metallisches Zink nicht mehr vorhanden ist,
Bildung von Ablagerungen und verzögern bilden sich lediglich poröse Kupferpfropfen,
das Ansteigen des pH-Wertes. Sie erleich- die das Werkstück zerstören, Bild 1-100.
tern aber die Diffusion des Sauerstoffs
zu den kathodischen Bereichen, Abschn. Diese Korrosionsform tritt nicht nur bei
1.7.3.2. mehrphasigen Legierungen auf. In a- oder
– Kratzer, (Schleif-)Riefen, »Toträume«, die b-Messingen wird das Zink offenbar selek-
die freie Strömung und damit den An- tiv aufgelöst. Der Angriff wird durch oxidie-
transport von Sauerstoff erschweren, sind rende Medien bzw. Zusätze erheblich ver-
zu vermeiden. stärkt (z. B. CuCl2, FeCl3).

Bild 1-100 Bild 1-101


Entzinkung an einem Messingrohr (CuZn42) nach Interkristalline Korrosion in einem nichtstabilisierten
der Einwirkung eines chloridionenhaltigen Mediums. austenitischen Cr-Ni-Stahl.
88 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Die metallphysikalischen Grundlagen der rend der Grafit, die Carbide und die Nitride
interkristallinen Korrosion (IK), die vor als sprödes Gerüst zurückbleiben. Der Kor-
allem bei korrosionsbeständigen austeniti- rosionsangriff wird entscheidend vom Sauer-
schen und ferritischen Stählen und Nickel- stoffgehalt des Mediums bestimmt. Mit zu-
legierungen, aber auch bei un- und niedrigle- nehmender Sauerstoffmenge wird die Fe(II)-
gierten Stählen entsteht, werden in Abschn. Oxidschicht zu der wesentlich dichteren und
2.8.3.4.1, S. 208, ausführlicher beschrieben. damit beständigeren Fe(III)-Oxidschicht oxi-
Hier soll der Hinweis genügen, dass die Bil- diert. Der Korrosionsangriff nimmt dadurch
dung von Chromcarbiden die IK einleitet. deutlich ab.
Die Carbide scheiden sich bevorzugt an den
Korngrenzen in einem Temperaturbereich 1.7.6.1.5 Korrosionsvorgänge in
zwischen 450 ’C und 850 ’C aus. Der chemi- besonderen Umgebungen
sche Angriff ist ausschließlich auf die Korn- Die korrosionsfördernden Einflüsse der na-
grenzenbereiche beschränkt. Bild 1-101 zeigt türlichen Atmosphäre (ländliche, industriel-
den Verlauf der IK in einem unstabilisierten le Atmosphäre und Seewasserbedingungen)
austenitischen Cr-Ni-Stahl. und der industriellen Umgebung (Luftbeschaf-
fenheit, Feuchtegehalt, Art und Menge von
Die sehr unterschiedliche Diffusionsfähig- Verunreinigungen) werden im Folgenden
keit der Chrom- und Kohlenstoffatome ist die kurz angesprochen.
Ursache einer ausgeprägten Chromverar-
mung der Korngrenzenbereiche bis unter die Atmosphärische Korrosion
Resistenzgrenze, d. h. für deren Korrosions- Diese Korrosionsform entsteht im Gegensatz
anfälligkeit in Anwesenheit eines Korrosions- zu den bisher besprochenen Formen nicht in
mediums, Bild 2-71, S. 208. Das Maß der An- wässrigen Lösungen, sondern in der wasser-
fälligkeit ist vom Kohlenstoffgehalt des Stah- dampfhaltigen Atmosphäre, die mit den ver-
les und seinem Wärmebehandlungszustand schiedensten Bestandteilen verunreinigt ist.
(erzeugt durch den Hersteller oder z. B. durch Ihr typisches Kennzeichen ist der ungefähr-
den Schweißprozess) abhängig. liche, weil berechenbare gleichmäßig abtra-
gende Verlauf der Korrosion. Das Sauerstoff-
Die Spongiose (Grafitierung) ist ein weite- angebot bestimmt entscheidend die Korro-
res Beispiel für einen selektiven Angriff, der sionsgeschwindigkeit.
ausschließlich an grauem Gusseisen auftritt.
Ferrit und Perlit werden dabei aufgelöst, wäh- Aus dem Wasserdampf der Atmosphäre bil-
det sich nach Überschreiten des Sättigungs-
1 atmosphärische 1
Korrosion
dampfdrucks auf der Werkstückoberfläche
ein kondensierter Feuchtigkeitsfilm, der für
die elektrochemischen Korrosionsvorgänge
erforderlich ist und sehr dünn sein kann.
2 Spritzzone über Der Luftsauerstoff wird durch diesen Film
Wasserlinie 2
sehr viel leichter an die Oberfläche transpor-
mittlere tiert als durch das große Volumen eines voll-
Gezeitenhöhe
ständig in eine Flüssigkeit eingetauchten
3
Werkstücks.
3 Bereich unter
Wasserlinie Diese Tatsache erklärt auch den typischen
Verlauf des Korrosionsangriffs auf teilweise
in eine Flüssigkeit eingetauchte Körper, Bild
4 sauerstoffarme 4
Zone 1-102. Im Spritzwasserbereich (2) kann sich
Wanddickenabnahme der Sauerstoff leicht anreichern, außerdem
Bild 1-102 wird die Konzentration der Chloride durch
Einfluss der Eintauchtiefe in Seewasser auf das Kor- Trocknung und Kondensation erhöht. Der Kor-
rosionsverhalten von Stahl, nach LaQue. rosionsangriff ist hier auch wegen der sehr
Abschn. 1.7.6: Korrosionsarten 89

unterschiedlich belüfteten Bereiche (Wasser- und verzögert weiterhin die Bildung von mo-
tropfen neben nahezu trockenen Oberflächen) lekularem Wasserstoff an der Werkstückober-
am stärksten. Weiter oberhalb der Wasser- fläche gemäß der folgenden Reaktion:
linie entsteht die normale atmosphärische
H  H  H2 .
Korrosion. Die Bereiche dicht unter der Was-
serlinie werden noch so gut belüftet, dass sie Dadurch wird die Beständigkeitsdauer des
sich gegenüber der Zone 3 ( Anode) katho- atomaren Wasserstoffs verlängert, d. h., al-
disch verhalten. In größeren Tiefen ist wegen le auf der Wirkung des Wasserstoffs beruhen-
der geringen Sauerstoffzufuhr der Angriff den, vielfältigen Schäden (Fischaugen, SpRK,
deutlich geringer und gleichmäßig. Kaltriss, Druckwasserstoff, Abschn. 3.5.1.1,
S. 270, und Abschn. 3.5.1.6, S. 276) werden
Der für die elektrolytischen Vorgänge notwen- erheblich verstärkt.
dige Flüssigkeitsfilm kann sich erst oberhalb
einer von der Art der Luftverunreinigung ab- Die Abtragrate (m) nimmt im Laufe der Zeit
hängigen relativen Feuchte j bilden. Für die ab. Sie lässt sich in Abhängigkeit von der
sehr häufig anzutreffende Verunreinigung Zeit (t) mit dem folgenden einfachen Potenz-
Schwefeldioxid (SO2) muss j 60 % sein wie gesetz beschreiben:
Bild 1-103 zeigt. Die verschärfende Wirkung
m = K ⋅ t−n .
der Luftverunreinigungen beruht auf der
Bildung hygroskopischer Salze, die die Kon- K und n sind experimentell zu bestimmen-
densation der Luftfeuchtigkeit bei j-Werten de Konstanten. Der Wert für n liegt zwischen
kleiner als 1 ermöglichen. 0,3 (poröse und wenig haftende Rostschicht)
und 0,5 (dichte und gut haftende Rostschicht).
120
mg Die Abtragrate kann also nicht (wie fälschli-
dm2 cherweise häufig vorausgesetzt wird) mit
100
Massenverlust

nur einem Parameter, z. B. einem mittleren


Gewichtsverlust, beschrieben werden.
80

60 kg
m2 Jahr

40 1,0
0,9
0,8
Massenverlust

20 0,7
0,6
A n:
0 0,5
0 20 40 60 80 % 100 0,32
0,4
0,29
Relative Luftfeuchtigkeit j
0,3 0,40
Bild 1-103
Einfluss der relativen Luftfeuchtigkeit auf den Mas-
senverlust von Eisen bei einem SO2-Gehalt von 0,01 %. 0,2
Punkt »A« entspricht dem Gewichtsverlust in einer 0,49
SO2-freien Atmosphäre nach 55 Tagen, nach Brown
und Masters.
0,1
Zu den wichtigsten die Korrosion begünsti- 1 2 4 8 Jahr
Lagerdauer
genden Luftverunreinigungen gehören neben
NaCl der bei der Verbrennung fossiler Brenn- Stahl 1 mit 0,10 % Cu
Stahl 2 mit 0,18 % Cu
stoffe entstehende Schwefelwasserstoff (H2S), Stahl 3 mit 0,27 % Cu
Stahl 4 mit 0,34 % Cu; 0,13 % P; 0,85 % Cr; 0,01 % S
Schwefeldioxyd (SO2) und in geringerem Ma-
ße Kohlendioxyd (CO2). Schwefelwasserstoff Bild 1-104
ist extrem aggressiv. Er säuert den Flüssig- Mittlere Massenverluste Cu- und CuCr-legierter Stähle
keitsfilm auf pH-Werte von mindestens 4 an in Industrieluft, nach Rahmel und Schwenk.
90 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Die Beständigkeit der Stähle gegen atmosphä- men unterschiedlichster Formen und Arten
rische Korrosion lässt sich durch Zugabe von sind in allen natürlichen Wässern vorhan-
0,2 % bis 0,3 % Kupfer oder von 0,5 % Chrom den. Sie können in Medien mit pH-Werten
verbessern. Diese in DIN EN 10025-5 ge- zwischen 0 und 11 und bei Temperaturen
normten Stähle werden als wetterfest (nicht zwischen 0 ’C und 55 ’C existieren.
korrosionsbeständig!) bezeichnet. Der Erfolg
dieser Maßnahme beruht auf der Bildung et- In Anwesenheit anaerober Bakterien, die
was stabilerer Rostschichten auf der Werkstück- zum Aufrechterhalten ihrer Lebensfunktio-
oberfläche, Bild 1-104. nen also keinen Sauerstoff benötigen, kann
die Korrosionsgeschwindigkeit aber beträcht-
Mikrobiologische Korrosion liche Werte annehmen. Es wird angenom-
Un- und hochlegierte Stähle, Aluminium- men, dass sulfatreduzierende anaerobe Bak-
und Kupferlegierungen werden durch die Mit- terien (Desulfovibrio desulfuricans) den den
wirkung von Mikroorganismen in annähernd Korrosionsfortschritt entscheidend beschleu-
neutralen (pH etwa 4 bis 9), vorwiegend unbe- nigenden Sauerstoff gemäß der folgenden
wegten Wässern, meistens örtlich angegrif- Beziehung zu liefern imstande sind:
fen. Pustelähnliche Ausblühungen – oft ge-
SO42- æSulfatreduzierende
ææææææææ Bakterien
Æ S2- + 4 ◊ O.
füllt mit schleimähnlichen Reaktionsproduk-
ten und filmartigen Ablagerungen und Ver- Die aeroben (sauerstoffverbrauchenden) Bak-
krustungen – sind typische äußere Kennzei- terien können Eisen, Schwefel und schwefel-
chen dieser Korrosionsform. Mikroorganis- haltige Verbindungen oxidieren. Dabei entste-
Tabelle 1-8
Kombinationen Werkstoff/Korrosionsmedium, die oberhalb T zur SpRK neigen, RT Raumtemperatur.

Werkstoff Korrosionsmedium Temperatur T (°C)

NaOH-Lösungen > 50
NaOH-NaSiO2-Lösungen > 255
Calcium-, Ammonium- und Natriumnitrat-Lösungen Siedetemperatur
C-Stahl Nitriersäure (H2SO4-HNO3); entwässerter, flüssiger RT
Ammoniak (NH3); Carbonate; Bicarbonate
saure H2S-Lösungen; Meerwasser; CO/CO2-Lösungen warm
angesäuerte NCN-Lösungen; Amine alle
Hochfeste
wässrige Elektrolyte, insbesondere wenn sie H2S enthalten RT
Stähle
heiße konzentrierte Chloridlösungen (MgCl2, BaCl2, CaCl2); 60 bis 200
Meerwasser
Austenitische
konzentrierte Laugen; NaOH-H2S-Lösungen; mit Chlorid- > 120
Cr-Ni-Stähle
ionen verunreinigter kondensierender Prozessdampf
heißes Druckwasser mit • 2 ppm gelöstem Sauerstoff 300
wie austenitische Stähle, aber wesentlich beständiger;
Duplexstähle
völlig beständig gegen H2S2On-Säuren
Ferritische
H2S; NH4Cl; NH4NO3; Hypochlorite
Cr-Stähle
Hoch-Ni-haltige
alkalische Lösungen > 260
Legierungen
α-Messing Ammoniaklösungen; Amine; Nitrite in Wasser RT
Al-Legierungen Luft mit Wasserdampf; Meerwasser; NaCl-Lösungen RT
rote rauchende HNO3 RT
heiße Salze; geschmolzene Salze > 260
Ti-Legierungen
N2O4 30 bis 75
Methanol RT
Abschn. 1.7.6: Korrosionsarten 91

hen schleimartige Reaktionsprodukte und


schweflige Säure. Der Sauerstoff kann unter
die Schleimpusteln nur schwer diffundieren.
Die dadurch entstehenden Belüftungsele-
mente sind sehr aktive Lokalelemente, die
z. B. bei den austenitischen Cr-Ni-Stählen
die Lochkorrosion stark begünstigen. Die Mi-
kroorganismen erzeugen also keine neuen
Korrosionsformen, sondern beeinflussen in
oft unerwarteter Weise die Geschwindigkeit
und den Ablauf des Korrosionsangriffs.

In entlüfteten Wässern ist die Korrosionsge-


schwindigkeit meistens sehr gering, weil dann
die einzig mögliche kathodische Reaktion:
2 ◊ H2O + 2 ◊ e - Æ H2 + 2 ◊ OH-
außerordentlich langsam verläuft.
Bild 1-105
Spannungsrisskorrosion in der Grobkornzone einer
Diese Korrosionsform kann mit Beschich- Schweißverbindung aus einem normalgeglühten Fein-
tungen, z. B. Asphalt, Plastik, Emaille, ver- kornbaustahl P460NL1 (TStE 460), BAM.
hältnismäßig wirksam vermieden werden.
Diese Form der Zerstörung ist in der Praxis
1.7.6.2 Korrosionsarten mit mechani- sehr gefürchtet, weil sie ohne erkennbare An-
scher Beanspruchung zeichen und ohne irgendwelche sichtbare Kor-
rosionsprodukte auftritt und erst nach Ein-
1.7.6.2.1 Spannungsrisskorrosion tritt des Schadenfalls bemerkt wird. Sie ent-
(SpRK) steht bei zähen, homogenen und heteroge-
Eine der gefährlichsten Korrosionsformen nen deckschichtenbildenden Werkstoffen, wie
ist die Spannungsrisskorrosion (SpRK), Bild z. B. den niedrig- und hochlegierten Stäh-
1-105. Sie entsteht nur, wenn alle folgenden len, Aluminium, Magnesium und deren Le-
Voraussetzungen erfüllt sind: gierungen. Reine Metalle sind relativ bestän-
– Zugspannungen (gleichgültig ob Last- oder dig gegen die Spannungsrisskorrosion, oh-
Eigenspannungen), ein ne vollständig immun zu sein. Die Zerstö-
− spezifisch wirkendes Korrosionsmedium rung der Passivschicht ist Voraussetzung für
und die das Entstehen der SpRK. Im Verlauf der
− Neigung des Werkstoffs zur Spannungs- Stromdichte-Potenzial-Kurve zeichnen sich
risskorrosion. deutlich zwei Empfindlichkeitsbereiche ab
(aktiver, passiver Zustand), Bild 1-106.
Für die Praxis ist die Erkenntnis wichtig,
dass es weder SpRK-empfindliche Werkstof- Der Rissverlauf ist bei Aluminium-Legierun-
fe noch die SpRK erzeugende Medien gibt. gen typischerweise interkristallin, bei un-
Entscheidend ist vielmehr die Existenz einer und niedriglegierten Stählen ist der interkris-
bestimmten Kombination Werkstoff/Korro- talline Rissverlauf charakteristischer, bei hö-
sionsmedium. Tatsächlich sind die meisten heren Beanspruchungen entsteht häufig auch
in der Praxis verwendeten metallischen Werk- die transkristalline Form. Der Rissverlauf
stoffe in für sie charakteristischen Medien ist bei den austenitischen Chrom-Nickel-Stäh-
SpRK-empfindlich. Die Empfindlichkeit steigt len überwiegend transkristallin. Die Span-
bei jedem Werkstoff mit zunehmender Fes- nungsrisskorrosion wird bei ihnen in chlo-
tigkeit. Tabelle 1-8 zeigt einige in der Praxis ridhaltigen Lösungen (und in Anwesenheit
wichtige Kombinationen Werkstoff/Medium, oxidierender Stoffe) bei Grenztemperaturen
bei denen die SpRK auftritt. über etwa 50 ’C hervorgerufen.
92 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

In sehr vielen Fällen fällt die Unterscheidung Der Rissverlauf ist extrem lokalisiert und die
schwer, ob die Risse auf der Wirkung des Was- Rissspitzenbereiche sind stark versprödet.
serstoffs ( wasserstoffinduzierte Kaltrisse, Die Rissfortschrittsraten sind sehr gering (ty-
s. Abschn. 3.5.1.6, S. 276) beruhen oder ein pisch z. B. 106 m/s). Zum Auslösen der Span-
Phänomen der SpRK sind. Im letzteren Fall nungsrisskorrosion sind verhältnismäßig klei-
sind sie meistens stark verästelt, Bild 1-105, ne Spannungen erforderlich, sie liegen oft un-
im ersteren meistens unverzweigt und in vie- ter der (einachsigen) Streckgrenze des Werk-
len Fällen transkristallin, Bild 4-73, S. 393. stoffs, können aber abhängig von der Art des
Auf den Bruchflächen sind oft die charakte- angreifenden Mediums in einem sehr großen
ristischen von eingeschlossenen Wasserstoff- Spannungsbereich liegen. Die beim Schwei-
blasen herrührenden Mikroporen zu erken- ßen der un- und (niedrig-)legierten Stähle ent-
nen, Bild 3-40. Eine kathodische Wasserstoff- stehenden Eigenspannungen sollten bei Be-
beladung verstärkt die wasserstoffinduzier- triebsbedingungen, die die Spannungsriss-
te Rissbildung und verhindert sie aber bei der korrosion begünstigen, durch ein Spannungs-
Spannungsrisskorrosion. armglühen bei hohen Temperaturen (• 650 ’C)
beseitigt werden. Ebenfalls bewährt hat sich
Die erforderliche untere Grenzspannung ist das Kugelstrahlen, mit dem im Oberflächen-
bei den Cr-Ni-Stählen sehr niedrig oder mög- bereich Druckeigenspannungen erzeugt wer-
licherweise nicht vorhanden. Sie liegt bei et- den, die die Zugspannungen aufheben.
wa 20 N/mm2, also deutlich unter der Streck-
Risse keine Risse
grenze. Die in Schweißverbindungen vorhan- Zahlen geben Anzahl der Proben an
denen Eigenspannungen oder unvorsichtiges 1000
Sauerstoffgehalt

Beschleifen (Kaltverformung!) des Bauteils ppm


5
2 2
können den Riss auslösen. 100
11
2 2
1 2 4
Der Mechanismus der Rissbildung ist noch 2 2 1 2
2
nicht vollständig geklärt. Es existiert eine 10
Vielzahl möglicher Erklärungen. Nach den Risse 2
Vorstellungen der sehr anschaulichen, älte- 1
1
ren Theorie erzwingen die Zugspannungen 2 4 2
2 2
2 3
lokale Gleitvorgänge, die die Deckschicht 2 1
keine Risse 3
(Passivschicht) an den Austrittsstellen der 0,1
3
Gleitlinien örtlich zerstören. Das spezifische 1
3
Angriffsmedium verhindert die Neubildung
0,01
der Deckschicht und ermöglicht damit die ört- 1 10 100
0,1 ppm 1000
liche anodische Auflösung des Metalls. Chloridgehalt

aktiv passiver Zustand Lochkorrosion Bild 1-107


SpRK
Einfluss des Gehaltes an gelöstem Sauerstoff und der
anodische Teilstromdichte iA

Chloridkonzentration alkalischen Kesselspeisewassers


z. B. C - Stähle in z. B. austenitische bei intermittierendem Dampf-Kondensationsbetrieb
heißer Carbonat / Cr - Ni - Stähle in
Bicarbonat - Lösung MgCl 2 - Lösung auf die Neigung zur SpRK austenitischer Stähle, nach
W. L. Williams.

Oxidierende Stoffe begünstigen ähnlich wie


Chloride sehr stark die Spannungsrisskor-
rosion der austenitischen Cr-Ni-Stähle, Bild
1-107. Man beachte, dass für die Rissauslö-
Potenzial E
sung bereits Gehalte von nur einigen ppm
ausreichend sind. Diese Korrosionsbedin-
Bild 1-106
Empfindlichkeitsbereiche im Verlauf der anodischen gungen sind als verhältnismäßig »mild« zu
Teilstromdichte-Potenzialkurve für die Entstehung bezeichnen und werden daher häufig unter-
der SpRK, schematisch. schätzt.
Abschn. 1.7.6: Korrosionsarten 93

Die meisten korrosionsbeständigen auste- tenitischen Chrom-Nickel-Stählen existiert


nitischen Cr-Ni-Stähle (vor allem die unstabi- hier eine definierte Grenzspannung, unter-
lisierten und die nicht mit Molybdän legier- halb der keine Risse entstehen. In ähnlicher
ten) werden in chloridionenhaltigen Medien Weise wird kaltverformtes Messing von Am-
oder konzentrierten alkalischen Lösungen moniak, aber nicht von Chloridionen angegrif-
durch die SpRK meistens sehr stark ange- fen (»Season Cracking«).
griffen. Der Einfluss der Temperatur auf den
Umfang der SpRK ist erheblich. Die folgen- Bei dynamischer Belastung kann bei entspre-
de Erfahrungstatsachen gelten für die in der chenden Werkstoff/Medium-Systemen die
Praxis wichtigen Kombinationen austeniti- dehnungsinduzierte SpRK innerhalb bestimm-
scher Cr-Ni-Stahl/chloridionenhaltige Me- ter Dehngeschwindigkeiten entstehen. Im Be-
dien: reich sehr hoher Dehngeschwindigkeiten er-
– Unter  50 ’C und über  200 ’C tritt die folgt der Bruch nach Überschreiten der Bruch-
SpRK seltener auf, spannung, ohne Auftreten von Korrosionsvor-
– sie erfordert wässrige, sauerstoffhaltige gängen, weil diese verhältnismäßig langsam
Medien oder oxidierende Agenzien, ablaufen. Bei sehr geringen Dehngeschwin-
– sie entsteht bei sehr geringen Zugspannun- digkeiten bleibt die Schutzwirkung durch
gen (… 20 N/mm2). Ein Spannungsarm- das Ausheilen der Deckschicht nach einer
glühen ist daher häufig keine ausreichen- Schädigung erhalten.
de vorbeugende Maßnahme.
Mit metallurgischen Maßnahmen ist bisher
Die ferritischen Chromstähle mit 13 % bis kein absolut spannungsrisskorrosionsbestän-
17 % Chrom (Abschn. 2.8.4.2, S. 215) sind ge- diger Stahl herstellbar, weil trotz intensivs-
gen die SpRK verhältnismäßig unempfind- ter Forschungsarbeit der Schädigungsmecha-
lich. Allerdings ist ihre Neigung zur SpRK nismus noch nicht ausreichend geklärt ist.
sehr von der Menge und Art der Stahlbeglei- Sehr bewährt haben sich mit Aluminium be-
ter und ihrer Verteilung im Gefüge abhän- sonders beruhigte niedriggekohlte und (nied-
gig. Vor allem auf Korngrenzen segregierter rig-)legierte Chrom-Molybdän-Stähle.
Phosphor erhöht die Korrosionsneigung sehr
stark. Der Rissverlauf ist überwiegend inter- 1.7.6.2.2 Kavitation(skorrosion)
kristallin. In schnellströmenden (korrosiven), vor allem
aber turbulenten Flüssigkeiten, bilden sich
Aus der Wechselwirkung zwischen Wasser- durch Druckänderungen im flüssigkeitsfüh-
stoff und metallischen Werkstoffen entsteht renden System Gasblasen. Nach Unterschrei-
die metallphysikalische Form der Spannungs- ten des Dampfdrucks entstehen durch Kon-
risskorrosion, die auch als wasserstoffindu- densation Blasen, die die Werkstoffoberflä-
zierte Rissbildung bezeichnet wird. Ein be- chen mit starken Stößen schlagartig beanspru-
kanntes Beispiel ist die Schädigung un- und chen. Die Passivschicht und damit der darun-
(niedrig-)legierter ferritischer Stähle durch ter liegende aktive Werkstoff werden mecha-
Druckwasserstoffangriff bei Temperaturen nisch und (oder) chemisch durch die Bildung
über 200 ’C (Abschn. 3.3.3.3, S. 258). unterschiedlich geformter kraterähnlicher
(lochfraßähnlicher) Vertiefungen deformiert
Bei unlegierten und niedriglegierten Stäh- oder (und) zerstört. Beispiele hierfür sind
len ist die SpRK seit langem bekannt. Sie Pumpenlaufräder, Turbinenschaufeln, Flüs-
wurde an Nietverbindungen (Kaltverformung sigkeitspumpen und Schiffspropeller. Diese
an Bohrlochrändern!) in Dampfkesseln beob- Korrosionsform ist abgesehen von den fehlen-
achtet. Die Ursache dieser interkristallin ver- den flüssigen (festen) Bestandteilen im strö-
laufenden Risse ist die Anreicherung von Na- menden Medium der Erosion(skorrosion) sehr
tronlauge durch verdampfendes Kesselspei- ähnlich.
sewasser im Bereich der Nieten. Damit wird
die Bezeichnung Laugensprödigkeit verständ- Abhilfe kann mit beständigeren (meistens
lich. Im Vergleich zu den hochlegierten aus- härteren) Werkstoffen oder solchen mit be-
94 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

ständigeren Passivschichten erreicht wer- Die Schäden entstehen durch Adhäsionsver-


den. Vor allem lässt sich die Kavitationsbe- schleiß. Dabei bilden sich Oxide, die durch
ständigkeit aber mit Hilfe konstruktiver Maß- die mechanische Beanspruchung zerkleinert
nahmen verbessern. Dazu gehören in erster werden. Diese Oxide und die Aktivität des frei-
Linie möglichst geringe Druckunterschiede gelegten Werkstoffs erhöhen zusätzlich den
im System. Ebenso bewährt hat sich der ka- Verschleiß.
thodische Schutz. Weitere Einzelheiten fin-
det man in Abschn. 1.7.8.1. Der Verschleiß gegen Reibkorrosion ist auch
mit speziellen »geeigneten« Werkstoffen kaum
1.7.6.2.3 Erosion(skorrosion) auszuschließen, vielmehr muss das tribologi-
Schnellströmende (korrosive) Flüssigkeiten sche System geändert werden, z. B. durch fol-
oder Gase, die i. Allg. feste oder flüssige Par- gende Maßnahmen:
tikel enthalten, können durch die mitgeführ- – Ausreichendes Schmieren der sich berüh-
te kinetische Energie Deck- oder Passivschich- renden Flächen. Das ist die wohl wirk-
ten angreifen und dadurch den freigelegten, samste Methode.
aktiven Werkstoff mechanisch und (oder) che- – Reduzieren der mechanischen Beanspru-
misch zerstören. Es entstehen typische sehr chung zwischen den sich berührenden
verschiedenartig geformte furchenartige Ver- Flächen.
tiefungen. – Vermeiden oder Vermindern der Relativ-
bewegung.
Dieser erosive Werkstoffabtrag darf nicht mit
abrasivem Verschleiß verwechselt werden,
da in beiden Fällen unterschiedliche Schadens- 1.7.7 Gestaltungsrichtlinien;
mechanismen wirksam sind, die unterschied- Werkstoffwahl
liche Werkstoffe erfordern.
Der Kampf gegen die Korrosion beginnt am
Abhilfe kann durch verschiedene Maßnah- Reißbrett! Die Schäden nahezu jeder Korro-
men geschaffen werden: sionsform können durch eine optimierte, der
– Verwendung geeigneterer Werkstoffe. Art der Korrosionsbeanspruchung angepass-
Diese Methode ist für die meisten Fälle ten Gestaltgebung minimiert werden. Mit ak-
die wirtschaftlichste Lösung, tiven und passiven Schutzmöglichkeiten (Ab-
– Beschichten oder Hartauftragen, schn. 1.7.8) können die elektrochemischen
– Verringern der Strömungsgeschwindig- Bedingungen verändert bzw. die korrosiven
keit und evtl. der Medienturbulenzen, Reaktionen von der Werkstückoberfläche fern-
– größere Krümmungsradien und Durch- gehalten werden. Bild 1-108 zeigt anschaulich
messer der medienführenden Systeme, die Häufigkeit verschiedener Schadensursa-
– allmähliche Querschnittsübergänge, und chen für ein Bauteilversagen im chemischen
eine »stromlinienförmige« Konstruktion Apparatebau. Der überragende Einfluss einer
verringern die Beanspruchung, fehlerhaften Gestaltung ist deutlich zu er-
– Entfernen von Festkörperteilchen aus dem kennen.
strömenden Medium, wenn wirtschaftlich
vertretbar, Die Beständigkeit der Konstruktion unter den
– leicht auswechselbare Verschleißteile (z. gegebenen Korrosionsbedingungen hängt u.
B. Krümmer) vorsehen. a. von folgenden Faktoren ab:
– Der Verwendung eines für den vorliegen-
1.7.6.2.4 Reibkorrosion (»Fressen«) den Fall ausreichend chemisch beständi-
Diese Erscheinungsform ist eine Variante gen Werkstoffs;
der Erosion(skorrosion), die durch sich be- – der korrosionsschutzgerechten Konstruk-
rührende Körper entsteht, die bei überhöh- tion;
ter tribologischer Beanspruchung oft nur sehr – der Herstellung und Qualitätskontrolle (z.
geringe, meistens oszillierende Bewegungen B. Schweißpläne, Zusatzwerkstoffe, Aus-
gegeneinander ausführen. bildung der Schweißer);
Abschn. 1.7.7: Gestaltungsrichtlinien; Werkstoffwahl 95

– der Qualität und dem Umfang der periodi- Die fachgerechte Werkstoffwahl erfordert die
schen Wartungsarbeiten (Beseitigen von möglichst genaue Kenntnis der Korrosions-
Ablagerungen, Bewüchsen aller Art, Kon- bedingungen (Art und Menge der Angriffsme-
trolle von »Totwasserecken« usw.); dien einschließlich von »Spurenelementen«)
– der Reparaturmöglichkeit und damit der und der Betriebsbedingungen bzw. -abläufe
Zugänglichkeit, die gewöhnlich durch die (Betriebsparameter wie Temperaturen, Drü-
Konstruktion geschaffen wird; cke, Fließgeschwindigkeiten, intermittierende
– dem betrieblichen Ablauf des Korrosions- Betriebszustände, Produktreinheit, Medien-
prozesses (gleichbleibende Verfahrenspa- konzentration).
rameter und Zusammensetzung des Medi-
ums); Die Zusammenstellung einer Auswahlliste
– den Umgebungseinflüssen (z. B. Luft- geeigneter Werkstoffe kann geschehen mit
feuchte, Temperatur, Art und Menge der Hilfe von:
Luftverunreinigungen). – Erfahrungen aus dem Bau ähnlicher An-
lagen,
Man beachte, dass mit korrosionsbeständi- – Literaturauswertung und
gen Werkstoffen keineswegs auch korrosions- – Spezifikationen, Regelwerken, Werksnor-
beständige Bauteile hergestellt werden kön- men, Herstellervorgaben.
nen! Weil der Konstrukteur meistens weder
über ausreichende Kenntnisse der korrosions- Der nach technischen und wirtschaftlichen
beständigen Werkstoffe, noch über ausrei- Gesichtspunkten gewählte Werkstoff sollte
chende Kenntnisse der Korrosionsmecha- möglichst unter den späteren Betriebsbedin-
nismen und der Korrosionsabwehr verfügt, gungen geprüft werden. Insbesondere ist die
sollte er mit dem Werkstofffachmann, dem Verwendung der wirklichen Angriffsmedien
Fertigungsspezialisten und dem Korrosions- (nicht »ähnliche« Laborlösungen!) dringend
fachmann eng zusammenarbeiten. angeraten. Während des späteren Betriebs
sind periodische Inspektionen der kritischen
60
Bereiche durch fachkundiges Personal not-
% wendig. Auch die periodische Kontrolle von
Fehlerhäufigkeit

50 Materialstreifen, die in die Anlage an kriti-


schen Orten eingebracht werden, liefert wich-
tige Rückschlüsse auf das Korrosionsverhal-
40
ten des gewählten Werkstoffs.

30 Im Folgenden wird auf einige Konstruktions-


elemente zum Vermeiden der in der Praxis
gefährlichsten Korrosionsformen hingewie-
20
sen, und an Hand von Beispielen werden die
speziellen korrosionstechnischen Probleme
10 der Fertigungstechnologie »Schweißen« dar-
gestellt, Bild 1-109:
0
– Spalt-, Berührungskorrosion,
1 2 3 4 5 6 7 8 9 – Konzentrationselemente,
Bild 1-108 – Kontaktkorrosion,
Häufigkeit verschiedener Schadensursachen für das – Wasserlinienkorrosion, atmosphärische
Versagen von Bauteilen des chemischen Apparatebaus, Korrosion,
nach Elliott. – Spannungsrisskorrosion (SpRK),
1 = Konstruktionsfehler, 2 = Anwendung der Schutzbe- – Besonderheiten beim Schweißen.
handlung fehlerhaft, 3 = unvorhergesehene Betriebsbe-
dingungen, 4 = Fehler in der Prozesskontrolle, 5 = Werk-
stofffehler, 6 = Bedienungsfehler im weitesten Sinn, Die Aufteilung der Konstruktionsempfehlun-
7 = Unterschätzen der Korrosionsgefahr, 8 = Produkt- gen für die verschiedenen Korrosionsformen
verunreinigung, 9 = fehlerhafte Instrumente. geschieht nur aus Gründen der besseren
96 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Beispiele Bemerkungen

Die von konstruktiv bedingten (oder durch Unachtsam-


keit erzeugten) Spalten ausgehende Korrosionsform
Spaltkorrosion ist in der Praxis sehr häufig anzutref-
? fen. Beachte daher die sehr wirksamen, aber nur un-
? ! wirtschaftlich zu realisierenden Richtlinien, Bild a) bis e):

? Spalten jeder Art müssen vermieden werden:


a) b) geschlossene Nähte vorsehen,
Badschutzsicherungen erzeugen meistens schwer
zugängliche Spalten,
Wurzelfehler erfordern Überwachung und Repara-
tur.
? ? ?
c) d) e) Berührungskorrosion entsteht zwischen Metall und ei-
ner nicht angreifbaren, nichtmetallischen Substanz als
? Folge eines Konzentrationselementes (häufig ein Belüf-
? ? ? ? tungselement, d. h. unterschiedliche Sauerstoffkonzen-
tration an den kathodischen und anodischen Berei-
chen) als Folge behinderter Diffusion. Befinden sich
zwei gleiche Metalle im Kontakt, dann entsteht die
1 2 3 Spaltkorrosion, bei zwei unterschiedlichen Metallen
? die Kontaktkorrosion. Im letzteren Fall werden die Vor-
f) g) h) gänge von elektrochemischen Reaktionen überlagert.

Vorsicht beim Walzen (Biegen) korrosionsbe- f) Berührungskorrosion durch Späne, Ablagerungen


ständiger Stähle auf Anlagen, die z. B. nur (1), Dichtungen, Beschichtungen (2) und anderen
zum Bearbeiten »schwarzer« Stähle verwendet Oberflächenbelägen (3).
? werden. Walzen sollten vor dem Biegen mit g) Bei unter mechanischen Kräften stehenden Verbin-
Kunststoff bezogen werden, um das Eindrü- dungen kann zusätzlich Spannungsrissskorrosion ent-
cken von Fremdmetallspänen und anderen Sub- stehen.
? ? stanzen in die weiche Oberfläche des Werk-
stoffes zu verhindern.
h) Metallischer Kontakt führt zur Kontaktkorrosion oder
zu Fremdmetallkorrosion bzw. zum örtlichen Zerstö-

i)
? ren der Passivschicht (i).

Stagnierende Medienströme, nicht- bzw. nicht vollstän-


? ? ? ! dig ablaufender Elektrolyt, ungeeignete Prozessdampf-
! ? bzw. Medienführung führen zur Kondensation und zum
! teilweisen Verdampfen des Wassers. Dadurch Erhö-
hen der Medienkonzentration, der Korrosionsangriff
wird also stärker (Konzentrationselement).
? Bei den Korrosionsformen Lochkorrosion bzw. Spalt-
korrosion sind folgende Faktoren zu beachten:
j) Flüssigkeiten bzw. Dämpfe können nicht vollständig
ablaufen oder bilden Kondensatfilme (Spaltkorro-
j) k) l) sion);
k) schräge Flächen begünstigen das Ablaufen des Me-
diums und das Abtrocknen der Flächen;
l) Flüssigkeitsstau und Spaltkorrosion an waagerech-
ten Flächen möglich;
m) Ablauf an tiefster Stelle des Behälters vorsehen;
n) stagnierende Medienreste bleiben nach Entleeren
zurück;
? ? o) ungünstig geführte wasserdampfhaltige Medienströ-
? me prallen auf kältere Behälterwand, dadurch ent-
steht Gefahr der Kondensation. An kälterer, nicht
! oder schlechter isolierter Behälterwand kann durch
Unterschreiten des Taupunktes ebenfalls Feuchtig-
m) n) o) ? keit kondensieren (Taupunktkorrosion).

Mikrobiologische Kor- Kondensatfilm auf Leichteres Ablaufen Zum Bekämpfen der Wasserlinienkorrosion ist das
rosion erzeugt schleim- waagerechten Flä- und Abtrocknen des periodische Beseitigen der Bewüchse und Ablagerun-
artige Ablagerungen chen, siehe auch Kondensatfilms durch gen (Konzentrationselemente!) mit anschließendem Rei-
und damit Belüftungs- Bilder j) bis n). schräge Flächen. nigen der Bereiche sehr empfehlenswert. Dafür muss
? elemente (Lochkorro-
sion).
das Bauteil gut zugänglich sein (p1).

Die atmosphärische Korrosion erfordert Feuchtig-


! keit (j > 60 %) und Luftverunreinigungen (z. B. SO2,
H2S, Stickoxide). Zusätzliche mikrobiologische Korro-
? ? sion kann Lochkorrosion und Lokalelemente erzeu-
gen. Abhilfe durch Trocknen des Kondensatfilms, Ver-
wenden witterungsbeständiger Stähle und vor allem
geeigneter Beschichtungen (p2, p3, p4).
p1) p2) p3) p4)
Abschn. 1.7.7: Gestaltungsrichtlinien; Werkstoffwahl 97

Beispiele Bemerkungen

Alle konstruktiven Maßnahmen, die Eigen- und Kerb-


spannungen verringern, minimieren auch die Gefahr
des Entstehens der Spannungsrisskorrosion. Dazu ge-
hören das Vermeiden kerbbedingter Spannungsspit-
zen und ein möglichst gleichmäßiger Kraftflussverlauf.

? ! Grundsätzlich begünstigen alle Faktoren die SpRK, die


zum örtlichen Zerstören der Oberflächenschichten (Pas-
sivschichten, Reaktionsprodukte des Korrosionsvorgan-
ges, »entlegierte« Oberflächenbereiche, z. B. Anlauffar-
ben beim Schweißen) führen. Bei Werkstoffen, deren
q) Korrosionsbeständigkeit auf der Bildung von Passiv-
schichten beruht, ist die SpRK daher typisch und weit ver-
Pendellage breitet.
? Zugraupe
!
q) Schweißnähte so legen, dass Schweißeigenspan-
nungen und kerbbedingte Spannungen sich nicht
addieren.
r) Eigenspannungen durch geeignete Schweißfolgen
r) und -Technologien gering halten: Mehrlagen- statt
Hammerschläge Zugraupentechnik. Engspaltschweißungen (es ent-
steht wenig Schweißgut!) kühlen i. Allg. wesentlich
? schneller ab als andere Schweißverbindungen.
s) Kaltverformungen (j ) prinzipiell vermeiden, z. B.
? kaltumgeformte Bleche, Hammerschläge.
! t) Sand- oder Kugelstrahlen beseitigt im Oberflächen-
j bereich z. T. die gefährlichen Zugeigenspannungen.

Kugel-, Sandstrahlen
s) t)

eingedrückte Schweiß- Schweißgut muss chemisch Durch den Schweißprozess und den damit verbunde-
Späne spritzer edler sein als der Grundwerkstoff nen Handlingsvorgängen können verschiedene »Störun-
? gen« entstehen, die den Korrosionsvorgang einleiten
oder sogar erheblich beschleunigen:

! u) Eingedrückte Späne können durch örtliches Zerstö-


ren der Passivschicht zu Lochkorrosion führen, auf
der Werkstückoberfläche angeschmolzene Spritzer
u) v)
zu Belüftungselementen, d. h. zur Lokalkorrosion.
v) Wegen der i. Allg. im Vergleich zur Blechoberfläche
kleinen Schweißgutfläche muß das Schweißgut edler
Kratzer durch Schleifen auf- Anlauffarben sein, d. h. sich kathodisch verhalten.
geraute Oberfläche w) Durch nachlässige Werkstoffbehandlung können
Kratzer und durch ungeeignete Schleifmittel oder zu
große Andruckkräfte Riefen in der Oberfläche ent-
? ? stehen (Spaltkorrosion, Lochkorrosion).
x) Bildung von Anlauffarben muß sicher (z. B. mit For-
? miergas) verhindert werden. Nachträgliches Besei-
tigen durch mechanische (Schleifen, Bürsten) oder
besser chemischen Methoden (Beizen) möglich, aber
nicht empfehlenswert.
w) x) y) Wurzeln müssen aus fertigungstechnischen, metal-
lurgischen (nicht oder schlecht zusammenlaufendes
F = Formiergas 1, 2 = Dichtböden
! ? Rohrabschnitt Bad, Oxidschichten) und korrosionstechnischen Grün-
den (Anlauffarben) mit Formiergas (F) geschützt wer-
den.

F
F

1 2

y) z)

Bild 1-109
Zusammenstellung einiger typischer Konstruktionsempfehlungen, die für den Entwurf korrosionsbeständiger
Werkstücke beachtet werden sollten. Die grau angelegten Flächen deuten mögliche Korrosionsorte an.
? = zeigt die korrosionstechnisch weniger empfehlenswerte Detaillösung,
! = zeigt die korrosionstechnisch zweckmäßigere Lösung.
98 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Übersichtlichkeit. Grundsätzlich sollten alle Anwesenheit von Chlorid- und H-Ionen diese
bei jeder Form eines Korrosionsangriffs be- Oxidschicht leicht zerstören.
achtet werden. In vielen Fällen sind selbst bei
einer »alle« betrieblichen und korrosionstech- 1.7.7.2 Konzentrationselemente
nischen Gegebenheiten erfassenden Konstruk- Die Konstruktion sollte so beschaffen sein,
tion die Vielzahl der möglichen Korrosions- dass sich möglichst keine stagnierenden Me-
formen nur schwer erkennbar. dienströme, »Toträume« oder nicht bzw. nur
unvollständig ablaufender Elektrolyt oder
1.7.7.1 Spalt-, Berührungskorrosion Kondenswasser bilden können. Die einfache
Diese allgegenwärtige Korrosionsform, die Reinigung der medienseitigen Wände, ver-
auch in die extrem gefährliche Lochkorro- bunden mit guter Zugänglichkeit ist hierfür
sion übergehen kann, ist nur durch Schlie- neben konstruktiven Maßnahmen eine wich-
ßen jedes Spaltes auf der Angriffsseite zu tige Voraussetzung. Die Bilder 1-109j bis 1-
vermeiden. Konstruktiv nicht vermeidbare 109n zeigen einige konstruktive Beispiele.
Spalten sind zu vergrößern (• 2 mm bis 3 mm) In diesen Bereichen entstehen durch Kon-
oder mit geeigneten Massen (z. B. elastische densation und (oder) Verdampfen häufig hö-
oder dauerplastische Werkstoffe) für das Me- here Medienkonzentrationen oder Konzen-
dium unzugänglich zu machen, Bilder 1-109a trationselemente, die den Korrosionsangriff
bis 1-109e. Durch Schweißen bzw. Löten las- oft sehr verstärken.
sen sich Spalten fertigungstechnisch einfach
vermeiden bzw. sie können meistens mit ei- Die an kalten oder schlecht isolierten Behäl-
nem vertretbarem Aufwand geschlossen wer- terwandungen einsetzende Taupunktunter-
den. Ein Entfernen der aggressiven Ionen ist schreitung führt zur Feuchte- oder Medien-
nur in den seltensten Fällen (wirtschaftlich) kondensation (z. B. Säuren!), d. h. zur Tau-
möglich. punktkorrosion. Bild 1-109o zeigt ein prakti-
sches Beispiel.
Sind die beiden sich berührenden Teile Me-
talle, dann werden die chemischen Vorgänge 1.7.7.3 Wasserlinienkorrosion,
von elektrochemischen Reaktionen überla- atmosphärische Korrosion
gert. Diese Kontaktkorrosion lässt sich nur Die Wasserlinienkorrosion lässt sich mit kons-
mit Hilfe einer in aller Regel teuren, vollstän- truktiven Maßnahmen kaum vermeiden. Sie
digen elektrischen Isolation der Metalle ver- wird durch den Sauerstoffgehalt, der Strö-
hindern, Bild 1-110. Hierbei muss beachtet mungsgeschwindigkeit, der Temperatur und
werden, dass das Isolationsmittel bzw. die verschiedene mikrobiologische Reaktionen
Dichtung keine Feuchtigkeit aufnehmen darf hervorgerufen. Das periodische Beseitigen
und dadurch zu einem Elektrolyten werden der Ablagerungen und Bewüchse im Bereich
kann. Sehr bewährt haben sich Dichtungen der Wasserlinie kann diese Korrosionsform
aus Tef lon und anderen Kunststoffen. in Grenzen halten, Bild 1-109p. Beschichtun-
gen und kathodische Schutzmaßnahmen wer-
Für das Verhindern der Berührungskorro- den ebenfalls angewendet.
sion gelten prinzipiell ähnliche Überlegun-
gen. Ablagerungen, örtlich beschädigte Be- Das Ausmaß der atmosphärischen Korrosion
schichtungen und beim Schweißen entstan- hängt ausschließlich von der Art der Atmo-
dene Anlauffarben, Spritzer, Schlackenrück- sphäre und vor allem von ihrem Gehalt an
stände führen zu Konzentrationselementen Verunreinigungen ab. Natriumchlorid und
und damit zu einer meistens sehr starken, Schwefelverbindungen sind die wichtigsten
örtlich begrenzten Schädigung. Die Bilder Luftverunreinigungen. Wetterfeste Stähle,
1-109f bis 1-109i zeigen einige typische Bei- Beschichtungen und Konstruktionen, die ein
spiele zu einigen Korrosionsformen. Ansammeln und (oder) Kondensieren von
Flüssigkeiten erschweren, sind die wichtigs-
Sehr anfällig sind deckschichtenbildende Me- ten Schutzmaßnahmen, Bilder 1-109p2 bis
talle (z. B. die üblichen Cr-Ni-Stähle), die in 1-109p5.
Abschn. 1.7.7: Gestaltungsrichtlinien; Werkstoffwahl 99

1.7.7.4 Kontaktkorrosion Beispiel 1-11:


Konstruktionen, bei denen die unterschiedli- Eine Schweißverbindung aus Cr-Ni-Stahl wird kor-
chen metallischen Werkstoffe galvanisch ge- rosiv beansprucht. Es wird eine kathodische Korro-
sionsstromdichte von etwa iK = 0,0005 A/cm2 ermittelt.
koppelt sind (Schweißen, Löten, metallischer
Der Werkstoffverlust im Jahr (t O 31◊106 s) unter fol-
Kontakt), korrodieren auf Grund der zwischen genden Bedingungen ist zu berechnen:
den Metallen bestehenden Potenzialdifferenz.
a) Cr-Ni-Stahl ist Kathode: Fläche SK.a = 10 4 cm2,
Die Stärke des Korrosionsangriffs ist im We-
Schweißgut ist Anode: Fläche SA.a = 10 2 cm2.
sentlichen abhängig von der Spannung und b) Cr-Ni-Stahl ist Anode: Fläche SA.b = 10 4 cm2,
dem Verhältnis Anodenfläche/Kathodenflä- Schweißgut ist Kathode: Fläche SK.b = 10 2 cm2.
che (siehe Bild 1-94 und Bild 1-95), die beide Der Korrosionsstrom I in A ist das Produkt aus katho-
die Größe des anodischen Stromflusses be- discher (anodischer) Stromdichte iK (iA ) und kathodi-
stimmen. scher (anodischer) Berührungsfläche SK (SA ):
I = iK ◊ SK = iA ◊ SA.
Die wichtigsten Gegenmaßnahmen bestehen
Für die kleine Schweißgutanode ergibt sich nach Fa-
darin, die sich berührenden metallischen raday mit MFe = 56 g/mol mit den im Beispiel 1-10,
Werkstoffe elektrisch vollständig voneinan- S. 82, eingeführten Bezeichnungen:
der zu isolieren (auch Schrauben und Bolzen
A
müssen von ihrer Umgebung isoliert wer- I = iK ◊ SK.a = 0,0005 ◊ 10 4 cm 2 = 5 A,
cm 2
den, anderenfalls entsteht ein sehr typischer I ◊ t ◊ MFe 5 ◊ 31 ◊ 10 6 ◊ 56
Fehler!) und geeignete Beschichtungen vor- mv = = O 45 kg / a.
n◊ F 2 ◊ 96 500
zusehen, Bild 1-110. In den meisten Fällen
nimmt der Angriff im Laufe der Zeit ab, weil Für die große Werkstückanode ergibt sich:
sich korrosionshemmende Reaktionsproduk- A
I = iK ◊ SK.b = 0,0005 ◊ 10 2 cm 2 = 0,05 A,
te bilden. Besonders zu beachten ist, dass Dich- cm 2
tungen und Hülsen vollständig feuchtigkeits- I ◊ t ◊ MFe 0,05 ◊ 31 ◊ 10 6 ◊ 56
mv = = O 0,45 kg / a.
abweisend (z. B. aus Teflon bestehend) sein n◊ F 2 ◊ 96 500
müssen. Anderenfalls können sehr leicht Kon-
Die Unterschiede sind extrem! Vergleiche auch die Bil-
zentrationselemente entstehen, die zu schwer der 1-94 und 1-95 mit diesen Ergebnissen. Das Ergeb-
erkennbaren und gravierenden Korrosions- nis macht auch die Notwendigkeit verständlich, solche
schäden führen. Es sollten leicht auswechsel- Schweißgüter zu wählen, die edler als der Grundwerk-
bare (anodisch wirkende!) Teile vorgesehen stoff sind, s. a. Abschn. 4.3.7.5, S. 431.
werden.
isolierende Scheibe Führungsbuchse isolierende Scheibe
1.7.7.5 Spannungsrisskorrosion (SpRK)
Gemäß den Voraussetzungen für die Entste-
hung der SpRK bestehen die konstruktiven
Abwehrmaßnahmen überwiegend im Vermei-
den bzw. Beseitigen innerer (Zug-)Eigenpan-
nungen zumindest in kritisch beanspruchten
Bauelementen. Vor allem die durch Kerben
und Querschnittssprünge erzeugten zusätz-
lichen Formspannungen müssen klein ge-
halten werden und sollten in keinem Fall im
Bereich der Schweißnaht liegen, Bild 1-109q.
Dazu gehört das unbedingte Vermeiden kalt-
Werkstoff A Werkstoff B
verformter Bereiche bzw. der Einsatz kalt-
umgeformter Bauteile, Bild 1-109r bis 1-109s.
Mit dem Kugelstrahlen können ebenfalls sehr
Dichtung (feuchtigkeitsabweisend, z. B. Teflon) wirksam die Zugspannungen beseitigt wer-
den, Bild 1-109t. Für geschweißte Konstruk-
Bild 1-110
Kontaktkorrosion lässt sich zuverlässig nur durch ei- tionen hat sich das Spannungsarmglühen be-
ne elektrisch vollständige Isolierung der beiden un- währt, obwohl die verbleibenden Restspan-
terschiedlichen Metalle erreichen. nungen nicht in jedem Fall – vor allem bei
100 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

den austenitischen Cr-Ni-Stählen – die SpRK – Schweißspritzer, (Konzentrationsele-


ausschließen. Der kathodische Schutz, Abs- ment) Bilder 1-109u, 1-109w, 1-109x.
chn. 1.7.8.1, ist ebenfalls sehr wirksam. Die
kathodischen Ströme führen aber zur raschen ❐ Die Bildung von Anlauffarben muss aus
Zerstörung des Bauteils, wenn der Korro- metallurgischen und korrosionstechni-
sionsangriff durch Wasserstoff hervorgeru- schen Gründen prinzipiell vermieden wer-
fen wurde, Abschn. 1.7.6.2.1. den. In der Praxis wird daher
– die Schweißverbindung geschliffen,
In manchen Fällen führen auch unsachge- – zum Schweißen Formiergas verwen-
mäß angeordnete bzw. montierte Isolierun- det
gen zu Lochkorrosion und SpRK. Die häufigs- – oder besser, aber deutlich teurer, nach
te Schadensursache sind nicht dicht schlie- dem Schweißen gebeizt, Bild 1-109y.
ßende oder hygroskopische (Elektrolyt!) Iso- Mit zunehmender Bildungstempera-
lierungen. tur der Anlauffarben ändert sich der
Farbton. Dunkelblaue Bereiche sind
Allerdings muss berücksichtigt werden, dass am korrosionsanfälligsten, hellgelbe
der Schadensmechanismus noch nicht voll- können oft unbehandelt bleiben.
ständig aufgeklärt ist. Die gewählten Maß-
nahmen sind daher nicht in jedem Fall geeig- ❐ Der manchmal als Badschutz in die zu ver-
net, die Spannungsrisskorrosion zuverlässig bindenden Rohre eingelegte Rohrabschnitt,
abzuwenden, vor allem dann, wenn die Korro- Bild 1-109z, kann Spaltkorrosion, Loch-
sionsbedingungen nicht in vollem Umfang korrosion und (oder) Medienturbulenzen
bekannt sind. hervorrufen und Ursache schwer zu besei-
tigender Anlauffarben sein.
1.7.7.6 Besonderheiten beim Schweißen
Beim Schweißen der korrosionsbeständigen ❐ Das deutlich kristallgeseigerte Schweiß-
Stähle und den damit verbundenen Verarbei- gut kann unter ungünstigen Bedingungen
tungs- und Handlingsvorgängen (z. B. Ober- zur Lochkorrosion bzw. zu selektiven Kor-
flächenzustand, Kaltverformungen, Quali- rosionsformen führen. Die Energiezufuhr
tät der Schweißzusatzwerkstoffe) können viel- beim Schweißen muss daher begrenzt, und
fältige »Störungen« entstehen, die den Korro- die Zusatzwerkstoffe müssen sorgfältig ge-
sionsvorgang einleiten oder ihn sogar erheb- wählt werden (Mo!). Die Kristallseigerung
lich beschleunigen. Selbstverständlich sind ist nicht zu vermeiden und mit vertretbarem
außer den im Folgenden genannten schweiß- Aufwand auch nicht zu beseitigen, s. Ab-
technischen Besonderheiten auch die meis- schn. 1.5.1.1, S. 40.
ten der in der Bildfolge 1-109 aufgeführten
Hinweise zu beachten. ❐ Schweißspritzer und Schlackenreste auf
der Naht führen vor allem bei chloridio-
Die schweißtechnischen Verarbeitungsricht- nenhaltigen Medien sehr rasch zur Berüh-
linien sind in Abschn. 4.3.7, S. 414, einige rungskorrosion oder (und) zur Lochkorro-
werkstoffliche Fragen in Abschn. 2.8.1, S. sion.
200, zu finden. In der Hauptsache sind folgen-
de Punkte zu beachten: ❐ Mikrorisse, vor allem die bei diesen Stäh-
len leicht entstehenden Heißrisse bzw.
❐ Beschädigungen der Werkstückoberflä- Wiederaufschmelzrisse, können Loch- und
che möglichst vermeiden: Spaltkorrosion hervorrufen.
– Eingepresste Späne aus Fremdmetal-
len (Kontaktkorrosion, Zerstören der ❐ Kaltverformungen jeder Art müssen we-
Passivschicht), gen der extremen Gefahr der SpRK ver-
– durch Schleifen aufgeraute Oberflä- mieden werden: Kaltumgeformte Bleche,
chen, (Spaltkorrosion, evtl. Lochkor- Hammerschläge, Scherenschnitte, Bohr-
rosion), lochränder. Unter ungünstigen Bedingun-
Abschn. 1.7.8: Hinweise zum Korrosionsschutz 101

gen kann sogar die mit einer spangeben- ren Strömungsgeschwindigkeiten beständi-
den Bearbeitung (z. B. Bohren, Fräsen, Fei- ger als bei stagnierenden Medienströmen.
len, auch Fremdmetalleinschlüsse wahr- Wird der Korrosionsprozess durch die Akti-
scheinlich) verbundene Kaltverformung vierungspolarisation kontrolliert, dann hat
zur SpRK führen, Bild 1-109s. die Strömungsgeschwindigkeit keinen Ein-
fluss auf den Korrosionsablauf.
❐ Die Schweißzusatzwerkstoffe müssen um-
sichtig gewählt werden. Das Schweißgut Das Entfernen des Sauerstoffs und anderer
muss elektrochemisch edler (Kathode) oxidierender Agenzien ist für un- und niedrig-
sein als der Grundwerkstoff (Anode), s. legierte Stähle eine sehr wirksame Methode.
Bild 1-95 und Beispiel 1-11, S. 99. Diese Maßnahme ist aber für die deckschicht-
bildenden hochlegierten Stähle ebenfalls nicht
❐ »Schwarz-Weiß«-Verbindungen sind bei zu empfehlen, weil bei diesen Werkstoffen für
korrosiver Beanspruchung grundsätzlich den Auf bau der Passivschicht Sauerstoff er-
zu vermeiden. forderlich ist.

Geübte Schweißer und umfangreiche quali- Die Medienkonzentration hat bei passivier-
tätssichernde Maßnahmen sind zum Reali- baren Metallen in großen Bereichen eben-
sieren der genannten schweißtypischen Er- falls nur einen geringen Einfluss auf das Kor-
fordernisse notwendig. rosionsverhalten. Wenn bei sehr hohen Kon-
zentrationen die sich bildende Deckschicht
gelöst wird, ist in der Regel mit starkem An-
1.7.8 Hinweise zum griff zu rechnen. Im anderen Fall nimmt er
Korrosionsschutz ab, weil wegen des nicht mehr vorhandenen
Wassergehaltes (H) in der Säure, die Metall-
Im Wesentlichen sind folgende Maßnahmen auf lösung praktisch aufhört.
bekannt:
– Konstruktive Maßnahmen (Abschn. 1.7.7), Inhibitoren
– aktive Schutzverfahren, Inhibitoren sind dem Medium – meist in sehr
– passive Schutzverfahren. geringer Menge – zugesetzte chemische Sub-
stanzen, die die Geschwindigkeiten elektroly-
1.7.8.1 Aktive Schutzverfahren tischer Teilreaktionen verringern. Man unter-
Die Verfahren, mit denen die Korrosionsum- scheidet die anodischen und die kathodischen
gebung, die Korrosionsbedingungen und (oder) Inhibitoren. Erstere unterdrücken die anodi-
das Korrosionsmedium günstig beeinflusst schen (Metallauflösung wird verzögert), letz-
werden können, sollten wirtschaftlich und ef- tere behindern die kathodischen Reaktionen
fektiv sein. Sie erfordern aber meistens ein- (z. B. die Sauerstoffreduktion wird verzögert).
gehende spezielle praktische und theoretische Ihre Wirksamkeit besteht demnach in einem
Kenntnisse des gesamten Korrosionsablau- Abflachen der jeweiligen Teilstromdichte-Po-
fes. tenzial-Kurve, Bild 1-111.

In den meisten Fällen führt eine Senkung der Bei der anodischen Inhibition wird das Ruhe-
Arbeitstemperatur zu einer deutlichen Abnah- potenzial UR in positive Richtung verscho-
me der Korrosionsgeschwindigkeit, weil che- ben. Im Falle einer unvollständigen Inhibitor-
mische Prozesse mit zunehmender Tempe- menge oder anderer Störungen kann daher
ratur prinzipiell schneller ablaufen. ein sehr rascher, oft verheerender Korrosions-
angriff bzw. Lochkorrosion entstehen (iAl’).
Ähnliches gilt für die Strömungsgeschwin- Die anodischen Inhibitoren sind meistens we-
digkeit des Mediums. Allerdings sind Werk- sentlich wirksamer als die kathodischen, aber
stoffe, die passive Deckschichten bilden (z. weniger sicher anwendbar als diese. Letztere
B. hochlegierte Chrom- und Chrom-Nickel- verschieben das Ruhepotenzial zu negativeren
Stähle, Titan und -Legierungen) bei höhe- Werten (UR  UA).
102 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Die Wirkungsweise der Inhibitoren ist sehr Medium von der Werkstückoberfläche fern-
komplex und noch nicht in allen Einzelhei- hält. Bekannt ist die »natürliche« Inhibitor-
ten bekannt. Sie wirken an der Phasengrenz- wirkung von Ca2 in hartem Wasser durch
fläche Medium/Metall und bilden korrosions- die Bildung von CaCO3 gemäß folgender Be-
vermindernde in der Regel sehr dünne Ad- ziehungen:
sorptionsfilme oder Passiv- bzw. Deckschich-
ten. Die Zugabe von Inhibitoren ist ein preis- Ca2  2 ¹ HCO3  Ca(HCO3 )2
wertes und einfaches Verfahren des aktiven Ca(HCO3 )2  CaCO3  CO2  H 2O.
Korrosionsschutzes. Sie können sowohl die
Geschwindigkeit der anodischen, der katho- Inhibitoren sind für nahezu jedes Medium
dischen als auch beider Teilreaktionen verzö- und jeden Werkstoff einsetzbar. Besonders
gern. Man unterscheidet: empfehlenswert ist ihre Anwendung aus Kos-
tengründen in geschlossenen (d. h. in aller
Physikalische Inhibitoren, die sich an Regel unzugänglichen!) Systemen. Sie dür-
der Metalloberfläche anlagern (Physisorp- fen keine Ablagerungen bilden, müssen in
tion) und so die aktiven Bereiche der Ober- einem weiten Bereich der Temperatur, der
fläche schützen. Zu ihnen gehören die sog. Wasserqualität und des pH-Wertes wirksam
Dampfphaseninhibitoren, die aus organi- bleiben, dürfen nicht umweltbelastend sein
schen Verbindungen mit einem mittleren und keine toxischen Wirkungen haben.
Dampfdruck bestehen. Diese Substanzen
ohne
verdampfen oder sublimieren und wer- i A’
den auf dem Metall als monomolekulare
Stromdichte i

Schichten adsorbiert. Sie bieten nur einen mit


anodisch

temporären Schutz, der vor allem für me- iA Inhibitor


tallische Teile genutzt wird, die gelagert
oder transportiert werden. i AI

UA UR U RI UK
Chemische Inhibitoren, sie bilden mit Potenzial
kathodisch

dem Metall Verbindungen (Chemisorp-


tion) oder reagieren mit den (aggressi-
ven) Bestandteilen des Mediums. Im Ein-
zelnen werden unterschieden: a)
– Passivatoren, die Passiv- bzw. Deck-
schichten bilden (z. B. Na 2CrO4 bei
un- und niedriglegierten Stählen).
iA
Stromdichte i

– Deckschichtbildner, die schwerlösli-


anodisch

che, möglichst porenfreie, festhaften-


de und damit korrosionshemmende i AI
Korrosionsprodukte bilden (z. B. Phos-
phate). UA U RI UR UK
– Destimulatoren, wie z. B. Hydrazin
kathodisch

Potenzial
und Natriumsulfit, Abschn. 1.7.3.3, mit
die den für die kathodische Reaktion Inhibitor
erforderlichen Sauerstoff entfernen. i K’
– Neutralisatoren, sie verringern den ohne
Korrosionsangriff durch Reduzieren b)
der Wasserstoffionenmenge, z. B. Am-
moniak (NH3) und Natriumhydroxid Bild 1-111
Einfluss von Inhibitoren auf den Verlauf der Strom-
(NaOH).
dichte-Potenzial-Kurven bei einer
a) anodischen Inhibition, Passivierung,
Kathodische Inhibitoren bilden bei höheren b) kathodischen Inhibition,
pH-Werten einen unlöslichen Film, der das nach Rahmel und Schwenk.
Abschn. 1.7.8: Hinweise zum Korrosionsschutz 103

Kathodischer Korrosionsschutz schließlich an der Anode. Abhängig von der


Das Prinzip dieses häufig in der Praxis ange- Art, wie der von außen aufgeprägte kathodi-
wendeten Korrosionsschutzverfahrens be- sche Schutzstrom erzeugt wird, unterschei-
steht darin, das zu schützende Werkstück det man den passiven und den aktiven katho-
zur Kathode einer galvanischen Zelle zu ma- dischen Korrosionsschutz.
chen. Die Korrosionsvorgänge erfolgen aus-
Passiver kathodischer Schutz
Durch Auflösen einer elektrochemisch uned-
Opferanode (z. B.
Al uminiumbarren), direkt leren Anode (z. B. Mg, Al, Zn) wird das Werk-
am Bauteil befestigt
stück kathodisch geschützt, Bild 1-112a. Die-
Stahlrohr
ses gelingt nur, wenn die Metalle nicht nur
elektronenleitend, sondern über den Elektro-
lyten auch ionenleitend miteinander verbun-
den sind. Die Schutzwirkung dieser Opfer-
a)
anoden ist umso besser, je unedler der Ano-
denwerkstoff gegenüber dem zu schützenden
isoliertes Cu - Kabel 4 × e- Objekt ist.

z. B. granulierter Koks
Die notwendige galvanische Kopplung von
Metall und Opferanode kann durch direkten
Mg - Anode

4 × OH- 2 × Mg+ +
Kontakt – z. B. Aluminiumbarren an Schiffs-
Stahlrohr
körpern, Bild 1-112a – oder durch ihre leiten-
de Verbindung mittels niederohmiger, isolier-
2 × Mg+ + + 4 × OH- ® 2 × Mg (OH)2
ter Kupferkabel geschehen, Bild 1-112b.
O2 + 2 × H2O + 4 × e- ® 4 × OH- 2 × Mg ® 2 × Mg+ + + 4 × e-
Aktiver kathodischer Schutz
b) Der für einen aktiven kathodischen Schutz
hochohmiges Referenzelektrode erforderliche Schutzstrom wird mit Fremd-
Voltmeter z. B. Cu/CuSO4 stromschutzanlagen erzeugt (z. B. Gleichrich-
ter). Die Fremdstromanoden bestehen im Ge-
E Cu/CuSO gensatz zu den Opferanoden aus sich nicht
4
verzehrenden Werkstoffen wie Silicium-Guss-
eisen (FeSi), Grafit oder Magnetit. Zum Erhö-
hen der Lebensdauer werden sie in leitfähi-
gen, granulierten Koks eingebettet.
Stahlrohr
Bild 1-113a zeigt schematisch eine Fremd-
stromanlage zum Schutz erdverlegter Roh-
re. Zu beachten ist, dass hier immer die tech-
c)
nische Stromrichtung – der Strom fließt im
Bild 1-112 äußeren Stromkreis von Plus nach Minus –
Kathodischer Korrosionsschutz erdverlegter Rohre angegeben wird und nicht die physikalisch
mit »Opferanoden«.
korrekte Richtung des Elektronenflusses.
a) Opferanode ist mit dem Bauteil direkt galvanisch
gekoppelt, die Anode wird galvanisch aufgelöst. Der kathodische Schutz ist demnach nur dann
b) Opferanode (z. B. Magnesium, Aluminium) ist vorhanden, wenn der Strom vom Elektrolyten
über Kupferkabel mit dem Bauteil gekoppelt. Es in das Bauteil eintritt. Der negative Pol der
ist zu beachten, dass nicht die technische Strom- Stromquelle muss mit dem Objekt ( Katho-
richtung, sondern die Richtung des Elektronen- de) verbunden sein, Bild 1-113a.
stroms angegeben wurde.
c) Messanordnung zum Feststellen des Potenzials (z.
B. Röhrenvoltmeter) zwischen dem zu schützen- Der kathodische Schutz wird in der Hauptsa-
den Bauteil und der in der Praxis häufig verwende- che für Offshore-Konstruktionen und erdver-
ten Cu/CuSO4- Referenzelektrode. legte bereits mit Schutzschichten versehe-
104 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

nen Rohrleitungen aus unlegierten Kohlen- Der Entwurf, die fachgerechte Installation
stoffstählen bei nicht zu starkem Korrosions- und der zuverlässige Betrieb kathodischer
angriff verwendet. Da die häufig dicken Be- Schutzanlagen sind vielfach nicht wissen-
schichtungen immer Poren oder andere Be- schaftlich »korrekt« durchzuführen. In den
schädigungen enthalten, ist der erforderliche meisten Fällen hilft nur die »Trial and Er-
Schutzstrom gering und das Verfahren wirt- ror-Technik« und begründete Erfahrung! Da-
schaftlich, weil nur diese in geringerer An- her sollten diese Aufgaben nur zuverlässi-
zahl vorhandenen »freiliegenden« anodischen gen Firmen übertragen werden, die nach-
Rohrbereiche vor Korrosionsangriff zu schüt- weislich über das erforderliche Fachwissen
zen sind. verfügen.

Stromquelle Von entscheidender Bedeutung für die ord-


nungsgemäße Funktion der Fremdstroman-
lagen ist die Kenntnis des von der Stromquel-
le aufzubringenden Schutzpotenzials Es. Das
schematische Pourbaix-Schaubild, Bild 1-81,
zeigt, dass z. B. unterhalb des Gleichgewichts-
Anode

zu
schützendes potenzials EH - 0,6 V (dem entspricht Kur-
Bauteil venzug »a«) die Korrosion stark verringert
wird (ECu/CuSO4 = - 0 ,6 V - 0 ,32 V = - 0 ,92 V!),
so dass von einer technisch völlig ausreichen-
Stahlrohr den Korrosionsbeständigkeit gesprochen wer-
den kann. Das Schutzpotenzial Es wird da-
örtlicher Korrosionsangriff
her nach DIN 50927 (und DIN 30676) als Po-
tenzialgrenzwert definiert, bei dem eine Kor-
a) rosionsgeschwindigkeit praktisch vernachläs-
sigbar wird, d. h., es muss werden:
E … Es.
Stromquelle
Bei starker kathodischer Polarisation kann
der entstehende Wasserstoff allerdings zu
Korrosionsschäden führen. In diesen Fällen
darf die Schutzspannung das in Tabelle 1-9
aufgeführte Grenzpotenzial Es’ nicht über-
Anode
Anode

zu
schützendes schreiten.
Bauteil
Die vorhandenen Potenziale lassen sich mit
der in Bild 1-112c schematisch dargestellten
Stahlrohr Messanordnung feststellen. In vielen Fällen
wird hierfür die sehr robuste und einfach zu
isolierte Verbindung
handhabende Cu/CuSO4-Referenzelektrode
verwendet. Der Zusammenhang mit den z. B.
b) in Pourbaix-Schaubildern verwendeten auf
Bild 1-113 die Standardwasserstoffelektrode EH bezo-
Verlauf und Wirkung von Streuströmen beim katho- genen Standard-Potenzialen lautet:
dischen Schutz mit Fremdstromanlagen.
ECu/CuSO4 = EH - 0 , 32 V . [1-44]
a) Ungeeignete Anordnung der Anode und fehlerhaf-
te elektrische Schaltung des Bauteils erzeugen durch In Tabelle 1-9 sind die freien Korrosions- und
Streuströme hervorgerufene Korrosion des Rohrstran-
Schutzpotenziale sowie die Grenzpotenziale ei-
ges im Bereich der Streustrom-Austrittsstelle in
das Erdreich. niger wichtiger metallischer Werkstoffe im Erd-
b) Eine geeignete »Streustromableitung« schützt das boden, in Süß- sowie in Salzwasser nach der
Bauteil und den Rohrstrang, nach Fontana. zurückgezogenen DIN 30676 aufgeführt.
Abschn. 1.7.8: Hinweise zum Korrosionsschutz 105

Bei unsachgemäßer Installation der Fremd- Anodischer Korrosionsschutz


stromeinrichtung werden benachbarte me- Das ist eine relativ neue – in den fünfziger
tallische Bauteile an der Austrittsstelle der Jahren entwickelte – Methode, metallische
Streuströme in den Elektrolyten stark korro- Bauteile vor Korrosionsangriff zu schützen.
diert, Bild 1-113a. Die Verwendung isolieren- Sie ist nur bei passivierbaren Werkstoffen
der Beschichtungen der Bauteile scheidet we- anwendbar, deren Korrosionsbeständigkeit
gen der immer vorhandenen Fehler (z. B. Po- auf der Bildung schützender (Passiv-)Schich-
ren) aus. Eine effektive Methode besteht in ten beruht. Die Metalle müssen also den in
der Ableitung der Streuströme wie z. B. in Bild 1-90 gezeigten Stromdichte-Potenzial-
Bild 1-113b gezeigt wird. Das zu schützende Verlauf besitzen. Das aufzubringende Schutz-
Bauteil und die in der Nähe befindlichen me- potenzial muss im passiven Bereich zwischen
tallischen Körper werden durch ein isolier- Ep und dem Durchbruchspotenzial Ed liegen,
tes, niederohmiges Kupferkabel miteinander in dem der Korrosionsangriff vernachlässig-
verbunden, d. h. auf gleiches Potenzial ge- bar wird, Abschn. 1.7.5. Wegen dieser stark
bracht. Dazu gehört auch die nicht immer ein- einschränkenden elektrochemischen Bedin-
fache korrosionstechnische und logistische gungen ist der anodische Schutz daher nur
Zusammenarbeit der Betreiber (Eigentümer) bei wenigen Werkstoff/Elektrolyt-Systemen
der unterschiedlichen Anlagen! anwendbar.
Tabelle 1-9
Freie Korrosions- und Schutzpotenziale im Erdboden, in Süß- und Salzwasser, nach der ersatzlos zurück-
gezogenen DIN 30676 (Auszug).

Werkstoff bzw. System Freies Korrosionspotenzial Schutz- Grenz-


(ohne Elementbildung), Anhaltswert potenzial ES potenzial E S’

Bedingungen V V V

> 40 °C − 0,65 bis − 0,40 − 0,85 entfällt

Un- und (niedrig-)legierte > 60 °C − 0,80 bis − 0,50 − 0,95 entfällt 1)


Eisenwerkstoffe in anaeroben Bereichen − 0,80 bis − 0,65 − 0,95 entfällt

in Sandböden > 500 Ω − 0,50 bis + 0,30 − 0,75 entfällt

Nichtrostende Stähle mit < 40 °C − 0,20 bis + 0,50 − 0,10 entfällt


Cr > 16 % für Erdboden
und Süßwasser > 60 °C − 0,20 bis + 0,50 − 0,30 entfällt

Nichtrostende Stähle mit entfällt


− 0,20 bis + 0,50 − 0,10
Cr > 16 % für Salzwasser entfällt

in Süßwasser − 1,00 bis − 0,50 − 0,80 entfällt


Aluminium
in Salzwasser − 1,00 bis − 0,50 − 0,90 entfällt

Kupfer,
− 0,20 bis ± 0,00 − 0,20 entfällt
Kupfer-Nickel-Legierungen

Stahl in Beton − 0,60 bis − 0,10 − 0,75 − 1,3

Verzinkter Stahl − 1,10 bis − 0,90 − 1,20 entfällt

1)
Die Gefahr einer NaOH-induzierten Spannungsrisskorrosion ist zu beachten!
Die Potenzialangaben beziehen sich auf die Cu/CuSO4 -Bezugselektrode ECu/CuSO = EH - 0,32 V . Die aus
4
Pourbaix-Schaubildern entnommenen auf die Standardwasserstoffelektrode bezogenen Potenzialwerte
sind daher mit der angegebenen Beziehung umzurechnen! Siehe auch DIN 50927.
106 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Das erforderliche Schutzpotenzial wird mit Vor jeder Beschichtung muss als wichtigste
aufwändigen elektronischen Regeleinrich- vorbereitende Maßnahme die Werkstückober-
tungen erzeugt und konstant gehalten. Diese fläche sorgfältig von Fetten, Ölen, Rost bzw.
Schutzmethode kann im Gegensatz zum ka- von jedem Oberflächenbelag gereinigt wer-
thodischen Schutz auch bei stärkstem Korro- den. Das gilt in besonderem Maße für Konver-
sionsangriff angewendet werden, wobei der sionsschichten, weil anderenfalls die »Metall-
erforderliche Schutzstrom im Allgemeinen umwandlung« nicht vollständig gelingt und
sehr gering ist. Die anzuwendenden Maßnah- die Haftung der Schichten unzureichend ist.
men sind hinreichend genau in Laboruntersu- Die Haftung der Schichten und Anstriche
chungen ermittelbar, weil die wissenschaft- lässt sich auch durch haftvermittelnde Über-
lichen Grundlagen dieser Methode seit länge- züge (z. B. Phosphatschichten) wesentlich
rer Zeit bekannt und ihre Ergebnisse reprodu- verbessern. Die hierbei anzuwendenden Emp-
zierbar sind. fehlungen bzw. Richtlinien sind beispielswei-
se in DIN EN ISO 12944 zu finden.
1.7.8.2 Passive Schutzverfahren
Auf das Werkstück aufgetragene Schutz- Organische Beschichtungen
schichten sehr unterschiedlicher Beschaffen- Für die Schutzschichten – auf den Werkstoff
heit und Wirkungsweise trennen das angrei- in flüssiger, pulveriger oder pastöser Form
fende Medium von dem zu schützenden Bau- aufgebracht – werden in der Hauptsache Ep-
teil. Die Schichten müssen dicht, porenfrei, oxidharze (EP), Vinylester (VE) und Polyure-
nicht zu dünn, aber vor allem möglichst un- thane (PUR) verwendet. Bei ihnen entsteht
durchlässig für Wasser und Sauerstoff sein. die Schutzschicht durch Polymerisation bei
Diese Schutzschichten werden abhängig von Raumtemperatur. Pulverbeschichtungen – z.
dem jeweiligen Bildungsmechanismus einge- B. Polyethylen (PE), Polyamid (PA) – werden
teilt in: auf die vorgewärmten Teile aufgesintert oder
flammgespritzt.
❐ Beschichtungen sind ein allgemeiner Sam-
melbegriff für eine oder mehrere in sich Wegen der immer vorhandenen Poren oder
zusammenhängende Schichten auf einem Verletzungen sollte die Beschichtung aus
Grundwerkstoff, die aus nicht vorgefertig- mindestens zwei Grundbeschichtungen und
ten Stoffen hergestellt sind und deren zwei Deckbeschichtungen bestehen. Die Grund-
Bindemittel meistens organischer Natur beschichtungen enthalten Korrosionsschutz-
ist (DIN EN ISO 12944). Sie haften auf pigmente, die die Korrosionsvorgänge lang-
der Oberfläche durch Adhäsion und Neben- zeitig inhibieren (z. B. Bleimennige oder Zink-
valenzen. Die zum Korrosionsschutz von staub für Stahl), Deckbeschichtungen, Pig-
Metallen häufiger verwendeten Ausklei- mente und Füllstoffe, die das Eindringen von
dungen (organische Halbzeuge) sind da- Wasser und/oder Luft möglichst wirksam be-
nach keine Beschichtungen. hindern.

Im Folgenden wird unabhängig von dem Anorganische Überzüge


jeweils wirksamen Bildungsmechanismus Wegen ihrer herausragenden Eigenschaften
von Schichten gesprochen, wenn nicht die sind Konversionsschichten von großer techni-
Gefahr einer Verwechselung besteht. scher Bedeutung. Sie werden durch elektro-
lytisches oder fremdstromloses Abscheiden
❐ Überzüge sind im Allgemeinen festhaf- mit Hilfe einer chemischen Umwandlung der
tende Schichten, die mit dem zu schützen- Metalloberfläche (Konversion) erzeugt. Diese
den Werkstoff chemisch reagiert haben. Bezeichnung bringt zum Ausdruck, dass ein
Es werden anorganische (glasige oder Teil der Grundwerkstoffatome in der Schicht
kristalline Substanzen auf keramischem, als in Metallionen umgewandelte (»konver-
glasigem oder metallischem Untergrund), tierte«) Teilchen vorliegt. Für niedriglegierte
galvanische und metallische (Zn, Cr, Ni) Stähle werden meistens Phosphatschichten
Überzüge unterschieden verwendet (Phosphatieren, Firmenbezeich-
Abschn. 1.7.8: Hinweise zum Korrosionsschutz 107

nung »Bondern«). Die wichtigsten Verfahren setzt werden konnte. Die während des Ein-
sind das Zinkphosphatierverfahren und das brennprozesses entstehenden Gase, vor al-
Alkaliphosphatierverfahren. Diese einige Pm lem das sich aus dem Kohlenstoff des Stahls
dicken relativ korrosionsbeständigen Schich- durch Oxidation gebildete CO, können die
ten haften sehr fest auf dem Untergrund, langsam erstarrende Emailschmelze nur z.
wobei ihre mikroporige Beschaffenheit auch T. verlassen und erzeugen Poren in der Email-
eine sehr feste Bindung der folgenden Schich- schicht. Aus diesem Grund sind für diese Ar-
ten und das Einlagern von Schmierstoffen beiten sehr kohlenstoffarme (C … 0,1 %) Stäh-
ermöglicht. Ihr hoher elektrischer Wider- le erforderlich.
stand macht sie auch für Anwendungen im
Elektromaschinenbau sehr geeignet. Beson- Die in letzter Zeit entwickelten Glaskerami-
dere Anforderungen an die zu beschichten- ken besitzen nicht die Sprödigkeit der Email-
den Stähle hinsichtlich ihrer chemischen Zu- lierungen. Durch gesteuertes Kristallisie-
sammensetzung sind nicht zu stellen. ren thermodynamisch instabiler Gläser lässt
sich ein teilkristalliner Überzug mit wesent-
Emaillierungen sind amorph erstarrende, lich besseren mechanischen Eigenschaften
glasartige aus Quarz und anderen Oxiden be- herstellen.
stehende Überzüge, die durch partielles oder
unvollständiges Schmelzen auf die Werk- Metallische Überzüge
stückoberfläche aufgebracht werden. Sie ver- Diese Schichten werden häufig außer zum
bessern vor allem die Korrosionsbeständig- Korrosionsschutz auch zum Schutz gegen
keit der unlegierten Stähle (Haushaltswa- Verschleiß und für dekorative Zwecke ver-
ren, chemische und pharmazeutische Indus- wendet.
trie). Bei dem konventionellen Verfahren wird
der Stahl mit einer Grund- und einer Deck- Beim Schmelztauchen wird das gereinigte
email durch ein doppeltes Einbrennen bei und flussmittelbenetzte (aus Zink-, Ammo-
800 ’C bis 850 ’C beschichtet. Daneben wird nium- und Alkalichloriden bestehende Salz-
im großen Umfang das einschichtige Direkt- gemische zum Vermeiden der Oxidation der
emaillieren verwendet, mit dem die Schicht- Stahloberflächen) Werkstück in die Schmel-
dicke auf etwa 0,2 mm bis 0,3 mm herabge- ze des Überzugsmetalls getaucht. Hierfür
450 werden Zink und Zinklegierungen, Alumini-
m m um, Zinn und Blei verwendet. Dieses Verfah-
400 ren bietet eine Reihe von Vorteilen. Es ver-
Schichtdicke

bindet Wirtschaftlichkeit vor allem mit der


350
Möglichkeit, auch schwer zugängliche Orte
300 vollständig mit einer Metallschicht überzie-
hen zu können. Die niedrige Schmelztempe-
250 ratur des Überzugmetalls und die möglichen
A
200
Änderungen der mechanischen Eigenschaf-
ten (Rekristallisieren, Erholen, Altern) wäh-
150 rend des Tauchprozesses sind die größten
B Nachteile. Der Prozess wird mit Breitband
100
(… 2000 mm) und Bandgeschwindigkeiten bis
50
200 m/min auch kontinuierlich nach dem Ver-
fahren von Sendzimir durchgeführt. Hierbei
0 sind auf der Vorder- und Rückseite des Ble-
0 0,1 0,2 0,3 0,4 % 0,5
Siliciumgehalt ches unterschiedliche Zinkschichtdicken ein-
stellbar.
Bild 1-113
Einfluss des Siliciumgehaltes des Stahls und der
Tauchzeit (A = 9 min, B = 3 min) auf die Schichtdicke Beim Feuerverzinken von Stahl, das bei Tem-
feuerverzinkter Bauteile bei einer Badtemperatur von peraturen zwischen 440 ’C und 465 ’C durch-
460 ’C, nach Horstmann. geführt wird, entstehen an der Phasengrenze
108 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

– ähnlich wie beim Löten – Legierungszonen Die Bauteile müssen konstruktiv so vorberei-
(dichte Fe-Zn-Legierungsschichten), deren tet werden, dass das Reinigungsmittel und
Zusammensetzung aus dem Zustandsschau- die Zinkschmelze sämtliche zu behandeln-
bild der Metalle Fe-Zn abgeschätzt werden den Oberflächen der Teile benetzen können.
kann. Die Schichtoberfläche besteht aus wei- Das ist mit Bohrungen und Öffnungen an »ge-
chem Zink. Die Bildung verschiedener uner- eigneten« Stellen erreichbar.
wünschter, spröder intermediärer Phasen
beim Feuerverzinken von Stahl lässt sich Hohlräume jeder Art müssen auch wegen der
durch Zugabe von 0,05 % bis 0,1 % Alumini- sonst entstehenden explosionsartigen Zerstö-
um zum Zink-Schmelzbad modifizieren bzw. rung dieser geschlossenen Räume unbedingt
unterdrücken. Von der gleichzeitig entste- vermieden werden. Die während des Prozes-
henden Hemmwirkung des Aluminium auf ses freiwerdenden Schweißeigenspannungen
die Reaktion zwischen Eisen und Zink macht sind eine wichtige Ursache dieser Zerstö-
man beim Durchlaufverzinken von Bändern rung. In Spalten können die Reinigungsmit-
Gebrauch, weil sich nur dadurch eine sehr tel eindringen und Bedingungen erzeugen,
dünne, gut verformbare Legierungsschicht die zur Dampfbildung und hohen Drücken
herstellen läßt. Beim Stückverzinken muss führen können. Bei komplizierten Bauteilen
der Aluminiumgehalt … 0,03 % sein, weil sich ist daher eine vorherige Absprache mit der aus-
aus Aluminium und der Feuchtigkeit des Fluss- führenden Firma sehr zu empfehlen.
mittels Al2O3 bildet, das eine Benetzung der
Oberfläche verhindert. Beim Schweißen feuerverzinkter Halbzeu-
ge ist eine Reihe von werkstoffspezifischer
Das Feuerverzinken ist für Eisen und Stahl Besonderheiten zu beachten:
ein technisch und wirtschaftlich sehr wich- – Heißrissähnliche Defekte bilden sich, wenn
tiges Schmelztauchverfahren. Die sinnvol- flüssiges Zink in das Schweißgut eindringt
len Schichtdicken liegen zwischen 20 Pm und (Lötrissigkeit). Aus diesem Grunde sollte
etwa 100 Pm. Ihre Qualität und Beschaffen- die Zinkschicht im Bereich der Schweiß-
heit hängen sehr stark von der chemischen naht entfernt werden.
Zusammensetzung des Stahles ab. Vor al- – Der Siliciumgehalt des Schweißguts sollte
lem der Siliciumgehalt (neben Phosphor) übt möglichst gering sein, daher sind z. B. ru-
einen großen Einfluss aus, Bild 1-113. Sili- til-umhüllte Stabelektroden besser geeig-
cium begünstigt danach sehr stark die Bil- net als basisch-umhüllte.
dung aufgelockerter, dicker und spröder zum – Das Schweißgut neigt wegen des niedri-
Abplatzen neigender d. h. unbrauchbarer gen Zinkdampfdrucks zu einer deutlichen
Schichten. Vor allem bei Siliciumgehalten im Porenanfälligkeit, Abschn. 5.2.1.1.2, S.
Grundwerkstoff zwischen 0,03 % und 0,12 %, 515. Die Schmelze muss daher ausgasen
wie sie bei Pfannenstählen oder halbberuhig- können.
ten Stählen vorkommen, entstehen dickere,
aufgelockerte Schichten. Diese Erscheinung Beim Plattieren werden unterschiedliche Me-
wird nach dem Entdecker dieses Phänomens tallschichten i. Allg. bei höheren Temperatu-
»Sandelin-Effekt« genannt. Beim Feuerverzin- ren und (oder) Druck durch Walz-, Spreng-
ken können diese dickeren Überzüge wegen oder Schweißplattieren (Abschn. 4.3.8.2, S.
der im Allgemeinen nur geringen Tauchdauer 448) zu einem Verbundwerkstoff vereinigt.
der Erzeugnisse kaum entstehen. Allerdings Die Verbindung entsteht durch Diffusionswir-
muss beispielsweise bei der Stückverzinkung kung, oder durch mechanische Verzahnung.
und dem Verzinken von Einzelteilen mit der Da die Schweißplattierungen meistens mit
Bildung verhältnismäßig dicker Schichten dem UP-Bandauftragschweißen hergestellt
gerechnet werden. Die Zinkschichten auf dem werden, entstehen im Gegensatz zu den mit
in der Regel höher siliciumhaltigen Schweiß- einer wesentlich höheren Leistungsdichte ar-
gut neigen daher aus diesem Grunde häufi- beitenden Laser- bzw. Elektronenschweißver-
ger zum Abplatzen und weisen eine dunkle- fahren umfangreiche metallurgische Reaktio-
re Färbung auf. nen. Diese Vorgänge sind sorgfältig zu kon-
Abschn. 1.7.8: Hinweise zum Korrosionsschutz 109

trollieren, weil bei der normalerweise sehr weder sehr fein verteilt vorliegen bzw. vollstän-
unterschiedlichen Zusammensetzung von dig unterdrückt werden. Der große Tempe-
Grund- und Plattierungswerkstoff die Bil- raturgradient begünstigt grundsätzlich epi-
dung spröder intermediärer Phasen sehr taktische Erstarrungsstrukturen (Abschn.
wahrscheinlich ist, wenn nicht mit Pufferla- 4.1.1.1, S. 300), die zu einer texturähnlichen
gen gearbeitet wird. Anordnung der Körner und der Korngren-
zen führt, Bild 1-114a.
Ein dem Schweißplattieren metallurgisch
umgeschmolzene Laserstrahl
ähnlicher Prozess ist das Randschichtum- Randschicht
schmelzen bzw. Randschichtumschmelzlegie-
ren, Bild 1-114. Diese Schichten bilden sich
im Gegensatz zu den mit Hilfe chemischer Re-
aktionen entstandener Konversionsschichten
als Folge metallurgischer Reaktionen. Die Ge-
füge der Schichten weichen wegen der für ih- Grundwerkstoff
re Erzeugung verwendeten extremen Ener-
giequellen (Energie- oder Partikelstrahlung) a)
in ihren Eigenschaften oft extrem von denen
des Grundwerkstoffs ab. Die Schichten wer- umschmelzlegierte Laserstrahl aufgebrachte
Randschicht Legierungsschicht
den entweder durch die hier nicht näher be-
sprochene Technik der »Ionenimplantation«
(Physical Vapour Deposition: PVD- bzw.
Chemical Vapour Deposition: CVD-Verfah-
ren) oder mit dem Laserstrahl hergestellt.
Grundwerkstoff
Mit dem Laserstrahlverfahren sind folgen-
de Modifikationen der Werkstückoberfläche
b)
erreichbar:
– Martensithärtung bei Vergütungsstählen
Bild 1-114
als Folge der verfahrenstypischen extrem
Oberflächenmodifikation durch Aufschmelzen der
hohen Abkühlgeschwindigkeit. Randschicht.
– Umschmelzen der Oberflächenbereiche a) Randschichtumschmelzen,
(Randschichtumschmelzen) führt bei den b) Randschichtumschmelzlegieren.
nichtpolymorphen Werkstoffen neben ei-
ner (mäßigen) Härtesteigerung vor allem
zu einem sehr feinen Erstarrungsgefüge,
Bild 1-114a.
– Umschmelzen der Oberflächenbereiche,
wobei sich aber mit zusätzlich aufgebrach-
ten Schichten (erzeugt durch Vakuumab-
scheidung, Spritzen, Streichen), die Legie-
rungselemente enthalten, praktisch jede
gewünschte metallurgische Wirkung er-
reichen lässt (Randschichtumschmelzle-
gieren), Bild 1-114b.

Die sehr großen Abkühlgeschwindigkeiten


(O 107 K/s) und steilen Temperaturgradienten
(O 105 K/cm) begünstigen die Bildung extre-
mer Ungleichgewichtsgefüge und vergrößern
die Löslichkeitsgrenzen der beteiligten Pha-
sen, wodurch (Ausscheidungs-)Phasen ent-
110 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Die Zahl der Körner m bei V 1:1 ist bei ei-


1.8 Aufgaben zu Kapitel 1 ner Messfläche von AMess 10 000 mm2:
2
Ê 500 ˆ AMess ◊ n 25 ◊ 10 ◊ 44
4
m=Á ˜ ◊ = = 2611 .
Ë 100 ¯ A 0, 4212 ◊ 104
Aufgabe 1-1:
Es ist die Korngrößen-Kennzahl G des Ge- Daraus ergibt sich die Korngrößen-Kenn-
füges in Bild 1-55a zu ermitteln. zahl G nach Gl. [1-3], S. 13, zu:

Die Korngröße wird nach DIN EN ISO 643, È Körner ˘


2G + 3 = 2611 Í , d. h. G O 8 , 35.
s. Abschn. 1.2.3, S. 12, mikroskopisch bei Î mm ˙˚
2

einer Vergrößerung von i. Allg. V 100:1 auf


einer Kreisfläche von AK 5000 mm2 ermit- Nach Tabelle 1-1 ergibt sich mit m 2611
telt. Die je Quadratmillimeter (bei V 1:1!) der mittlere quadratische Korndurchmes-
vorhandene Körnerzahl m nach Tabelle 1-1, ser d = 1/ m O 0 ,02 mm .
S. 13, ergibt sich danach aus der bei V 100:1
festgestellten Kornzahl n100 zu: Aufgabe 1-2:
m 2¹n 100 (weil AMess 2¹AK 2¹5000 mm ). 2 Es ist die maximale Größe der interstitiellen
Hohlräume im krz Eisen (Gitterkonstante akrz
Aus Bild 1-55a wird eine mittlere Kornzahl = 0,287 nm, Atomradius R) und kfz Eisen (akfz
von n 44 bei V 500 :1 bestimmt. Die Bild- = 0,357 nm) zu berechnen. Welche Gitter-lü-
fläche A beträgt im Original etwa: cken eignen sich im krz bzw. kfz Eisen be-
A 54 mm ¹78 mm 4212 mm2. vorzugt für die Aufnahme von Kohlenstoff?

Im krz und kfz Eisen existieren die Tetra-


eder- und Oktaederlücken, Bild A1-1.

Der Radius der Tetraederlücke rtet im krz Ei-


sen ergibt sich mit den Beziehungen gemäß
Bild A1-2a zu:

3
R= ◊ akrz ,
4
2 2

( R + rtet ) = ÊÁ krz ˆ˜ + ÊÁ krz ˆ˜ = ◊ a2krz ,


2 a a 5
Ë 4 ¯ Ë 2 ¯ 16

rtet =
a krz
4
⋅ ( )
5 − 3 = 0,0362 nm. [A1-1a]

Der Radius der Oktaederlücke rokt im krz Ei-


sen ergibt sich gemäß Bild A1-2a zu:
2 ⋅ R + 2 ⋅ rokt = akrz ,
3
⋅ akrz + 2 ⋅ rokt = akrz ,
2
Bild A1-1
Lage der interstitiellen Hohlräume in Eisen.
a
4
(
rokt = krz ⋅ 2 − 3 = 0,019 nm. ) [A1-1b]

a) Kfz Eisen: Oktaederlücken (a1) und Tetraeder-


In die Oktaederlücke des kfz Eisens können
lücken (a2),
b) krz Eisen: Oktaederlücken (b1), Tetraederlücken Atome (ohne Gitterspannungen!) mit dem ma-
(b2). Es wurden beispielhaft jeweils nur einige ximalen Durchmesser von 2¹rokt eingelagert
Hohlräume kenntlich gemacht. werden. Aus Bild A1-2b folgt:
Abschn. 1.8: Aufgaben zu Kapitel 1 111

2
R= ◊ a kfz Aufgabe 1-3:
4 Der Diffusionskoeffizient des Kohlenstoffs im
2 krz (Dkrz ) und kfz Eisen (Dkfz ) bei der A3-Tem-
2 ◊ R + 2 ◊ rokt = a kfz = ◊ a kfz + 2 ◊ rokt
2 peratur (912 ’C = 1185 K) ist zu berechnen.
rokt =
a kfz
4
( )
◊ 2 - 2 = 0,0
0523 nm. [A1-2] Zum Lösen der Gl. [1-11] sind erforderlich:
QA,krz 87 500 J /mol, QA,kfz 137 700 J /mol,
Die Hohlräume im kfz Eisen sind merklich D0,krz 1,1 ¹ 10 2 cm2 /s, D0,kfz 0,23 cm2 /s.
größer als die im krz Eisen. Die Menge ge-
löster interstitieller Atomsorten – z. B. Koh- Damit ergeben sich:
lenstoff mit RC 0,071 nm – ist beim kfz Eisen
Ê Q ˆ
sehr viel größer als die im krz Eisen. Dkrz = D0 ,krz ◊ exp Á - A ,krz ˜
Ë RT ¯
Ê 87500 ˆ
Dkrz = 1 ,1 ◊ 10 - 2 ◊ exp Á -
Ë 8 , 314 ◊ 1185 ˜¯
Dkrz = 1 , 53 ◊10 - 6 cm 2 /s . [A1-3a]

Ê 137700 ˆ
Dkfz = 0 , 23 ◊ exp Á -
Ë 8 , 314 ◊ 1185 ˜¯
Dkfz = 0 ,195 ◊ 10 - 6 cm 2 /s < Dkrz . [A1-3b]

Als Folge der geringeren Packungsdichte P


können die Kohlenstoffatome im krz Eisen
Bild A1-2 (Pkrz 0,68) deutlich schneller diffundieren
Größe und Lage der interstitiellen »Hohlräume« in
als im kfz Gitter (Pkfz 0,74). Wie in Aufga-
Eisen. In die Gitterlücken können Fremdatome mit
einem maximalen Radius von r eingelagert werden. be 1-2 gezeigt wurde, ist aber die Löslichkeit
a) Tetraeder- und Oktaederlücken im krz Eisen, interstitieller Atome in krz Metallen erheb-
b) Oktaederlücken im kfz Eisen. lich geringer als in kfz Metallen, s. a. Bild
1-6, S. 6.
Im krz Eisen müssen Atome, deren Durch-
messer etwas größer sind als die des Hohl-
raumes im Fall der Tetraederlücken vier Ei-
senatome verschieben, im Fall der Oktaeder-
lücken aber lediglich zwei. Daher haben die
im krz Eisen interstitiell eingelagerten Atome
wegen der geringeren Gitterverspannung
trotzdem die Neigung, sich in die kleineren
Oktaederlücken einzulagern.

Die Gitterverzerrungen sind daher aniso-


trop, d. h. statt der kubischen Symmetrie Aufgabe 1-4:
entsteht eine tetragonale (s. Martensitbil- Ein unlegierter Werkzeugstahl mit einem Koh-
dung, S. 35). Eine weitere Konsequenz der lenstoffgehalt von C = 1,1 % (c0 = 1,1 %) wird
tetragonalen Symmetrie ist die Änderung in einer sauerstoffhaltigen Atmosphäre 20 h
der Verteilung der interstitiell gelösten Atome lang bei 1100 ’C entkohlend geglüht. Der C-
als Folge einer äußeren Spannung. Diese Gehalt in der Oberfläche ist danach bis auf
spannungsinduzierte Umlagerung der Atome Null abgefallen (cs = 0). In welcher Tiefe x0,15
in andere (durch die Spannung vergrößerte!) beträgt der C-Gehalt noch 0,15 %?
Oktaederlücken verursacht außerdem eine
erhebliche Änderung der inneren Reibung x0,15 erhält man aus Gl. [1-15] mit cs 0,
(Snoek-Effekt). c0 1,1 und cx,t 0,15 zu:
112 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

0 - 0,15 Ê x0 ,15 ˆ Die freien Enthalpien der Schmelze (GS) und


= 0,1364 = erf Á , d. h .
0 - 1,1 Ë 2 ◊ D ◊ t ˜¯ der festen Phase (GK) betragen bei der Tem-
peratur T TS:
x0 ,15
= 0,122 , d.h.: x0 ,15 = 0,122 ◊ 2 ◊ D ◊ t .
2◊ D◊t GS HS  T ¹ SS, [A1-4a]
GK HK  T ¹ SK. [A1-4b]
Aus Gl. [1-11] wird D mit QA 137700 J/mol, Damit erhält man aus dem Gleichungssys-
D0 0,23 cm2/s, T 1372 K berechnet: tem Gl. [A1-4] ' G zu :
Ê Q ˆ 'G (HS  HK )  T ¹ (SS  SK )
D = D0 ◊ exp Á - A ˜
Ë R T¯ 'H  T ¹ 'S. [A1-5]
Ê 137700 ˆ Im Gleichgewichtsfall, d. h., für T TS gilt
D = 0 , 23 ◊ exp Á - 'G 0, daraus folgt:
Ë 8 , 314 ◊ 1372 ˜¯
D = 1 , 315 ◊ 10 - 6 cm 2 /s. 'G 'H  TS ¹ 'S 0.
Hierbei ist 'S die Schmelzentropie und 'H
Mit t 20 h 7,2 ¹ 10 4 s ergibt sich: die auf die Volumeneinheit bezogene laten-
te Schmelzwärme HF:
D ◊ t = 1 , 315 ◊ 10 - 6 ◊ 7 , 2 ◊ 104 = 0, 308 cm.
Δ H HF
Zusammen mit der oben abgeleiteten Bezie- ΔS = = . [A1-6]
hung für x0,15 ergibt sich schließlich: TS TS
Für kleine Unterkühlungen 'T kann der Un-
x0,15 = 0,122 ◊ 2 ◊ D ◊ t O 0, 75 mm.
terschied der spezifischen Wärmen der flüs-
sigen (cp.S) und der festen Phase (cp.K) vernach-
lässigt werden, d. h., 'H und 'S sind annä-
Aufgabe 1-5: hernd temperaturunabhängig. Aus Gl. [A1-5]
Es ist die antreibende »Kraft« ' G für den und Gl. [A1-6] wird damit:
Kristallisationsprozess metallischer Schmel-
T T -T
zen zu bestimmen. DG O HF - ◊ HF = HF ◊ S .
TS TS
Die freie Enthalpie einer um 'T TS  T1 un- Daraus folgt schließlich:
terkühlten Schmelze nimmt um den Betrag
DT
'G ab, Bild A1-3. 'G ist die treibende Kraft DG O HF ◊ . [A1-7]
der Kristallisation. TS
Gl. [A1-7] ist für die Berechnungen in Auf-
GK = HK - T × S K gabe 1-6 erforderlich.
GS = HS - T × S S
D G
freie Enthalpie G

GK

GS Aufgabe 1-6:
D T = TS - T1
Die Erstarrung metallischer Schmelzen be-
ginnt, wenn feste Teilchen (Keime) mit dem
T1 TS Temperatur T
kritischen Radius rk in der Schmelze vorhan-
den sind (homogene Keimbildung), s. Abschn.
Bild A1-3
1.4.1 und Bild 1-27, S. 24. Aus der Beziehung
Abhängigkeit der freien Enthalpie G von der Tempe-
ratur im Bereich des Schmelzpunktes. Der Verlauf [1-7], S. 25, ist der von der Unterkühlung der
der Kurven wurde der Einfachheit halber als linear Schmelze DT abhängige kritische Keimradius
angenommen, s. a. Bild 1-26, S. 23. rk zu berechnen.
Abschn. 1.8: Aufgaben zu Kapitel 1 113

Bei r rk besitzt die Abhängigkeit ' G f (r) Folge eine große Anzahl von Keimen, die ein
– Gl. [1-7], S. 25, – eine waagerechte Tan- sehr feines, äquiaxiales Gefüge erzeugen,
gente, d. h., die Ableitung 'G nach r wird Bild A1-4, Bereich 1. Anschließend kristalli-
Null: siert die Schmelze vorzugsweise in Richtung
Blockmitte durch die Schmelze »hindurch«.
d[ Δ G(r = rk )]
= − 4 π ⋅ rk2 ⋅ Δ G V + 8 π ⋅ rk ⋅ γ = 0. Das Ergebnis sind lange, stängelförmige, den-
dr dritische Kristallite. Dieser Vorgang wird als
Daraus ergibt sich rk zu: Transkristallisation bezeichnet, Bild A1-4,
2⋅γ Bereich 2. Die niedriger schmelzenden Phasen
rk = . [A1-8a] werden vor den Kristallisationsfronten der
ΔGV
Stängelkristalle hergeschoben. Sie liegen da-
Die für die Keimbildung erforderliche Akti- her im Bereich der Blockmitte in konzentrierter
vierungsenergie QA erhält man durch Einset- Form vor. Diese häufig als Keime wirkenden
zen von r rk in Gl. [1-7], S. 25: Bestandteile und die hier vorhandene sehr
16 π ⋅ γ 3 große konstitutionelle (aber geringe thermi-
ΔG( r = rk ) = QA = 2.
[A1-9a] sche!) Unterkühlung (Bild 1-33a) sind die Ur-
3 ⋅ ( ΔGV )
sache für die (oftmals) feinkörnige Erstar-
Mit der in Aufgabe 1-5 abgeleiteten Bezie- rung der Restschmelze, Bild A1-4, Bereich
hung Gl. [A1-7] ergeben sich die rechnerisch 3, s. a. Bild 1-31.
einfacher handhabbaren Gleichungen:
⎛ 2 ⋅ γ ⋅ TS ⎞ 1 Die reale Gefügeausbildung ist aber sehr
rk = ⎜ ⎟⋅ , [A1-8b] stark von den Gießbedingungen und der ab-
⎝ HF ⎠ ΔT kühlenden Wirkung der Kokillenwandung ab-
⎛ 16 π ⋅ γ 3 ⋅ TS2 ⎞ 1 hängig. Bei hohen Gießtemperaturen wird
QA = ⎜ ⎟⋅ . [A1-9b] ein größerer Anteil der (heterogenen) Keime
⎝ 3 ⋅ HF2 ⎠ ( ΔT )
2
gelöst und die kühlende Wirkung der Kokillen-
Es ist zu beachten, dass rk und QA mit zuneh- wände erheblich verringert. Dadurch schmel-
mender Unterkühlung 'T abnehmen. zen die wandnahen Körner wieder auf. Nach
dem erneuten Beginn der Kristallisation ent-
Der kritische Keimradius rk bei einer homo- stehen wegen der verringerten Abkühlung
genen Erstarrung einer Eisenschmelze be- als Folge der erwärmten Kokillenwandung
trägt z. B. mit TS 1538 ’C, HF 1740 J/cm3 und der nur geringen Keimzahl sofort in das
und g 20 ¹ 10 7 J/cm2 für eine typische Un-
terkühlung von ' T O 400 K:
3
Ê 2 ◊ 20 ◊ 10 -7 ◊ 1810 ˆ 1 -8
rk = Á ˜¯ ◊ 400 O 10 cm.
Ë 1740

Aufgabe 1-7:
Es ist schematisch das bei Kokillenguss me- 1
tallischer Schmelzen entstehende Primärge- Kokillenwand
füge zu interpretieren und zu skizzieren, s. a.
Bild 1-31, S. 27. Bild A1-4
Schematische Darstellung des in einer Kokille ent-
stehenden Primärgefüges.
Die rasche Abkühlung der Schmelze an der 1) Äquiaxiales, feines Korn in der Randzone,
Kokillenwandung erzeugt eine große ther- 2) transkristalline Erstarrung,
mische Unterkühlung der Schmelze und als 3) äquiaxiales Korn in Blockmitte.
114 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Blockinnere wachsende Stängelkristalle, oh- Legierung L1 , T = T2 :


ne dass sich die feinkörnige Randzone bil- Bei T2 existieren Schmelze und Mischkris-
det. Eine geringere konstitutionelle Unter- talle gleichzeitig, Mit K 2, P 2 wird:
kühlung, z. B. erzeugt durch eine zusätzli-
F 221 1.
che Wasserkühlung, kann die feinkörnige
Erstarrung der Restschmelze verhindern, In heterogenen Zustandsgebieten existiert
wodurch die Stängelkristalle bis zur Block- nur der Freiheitsgrad »Temperatur«. Bei der
mitte wachsen können. Temperatur T2 konst. ist demnach die Zu-
sammensetzung der beiden Phasen Schmel-
ze und Mischkristalle festgelegt, weil nur
Aufgabe 1-8: noch ein Freiheitsgrad vorhanden ist. Die
Für die Legierung L1 sollen bei T1, T2 und T3 Konzentrationen der Phasen sind demnach
die Freiheitsgrade, für die Legierung L2 bei T3 durch die Schnittpunkte der Waagerechten
der Freiheitsgrad F gemäß dem Gibbsschen T konst. ( Konode) mit der Liquidus- (cL)
Phasengesetz bestimmt werden, Bild A1-5. bzw. der Soliduslinie (cS) festgelegt.
Siehe a. Abschn. 1.6.2 und Bild 1-59.
Legierung L1 , T = T3 :
Der Freiheitsgrad ist die Anzahl der frei wähl- Bei T3 existiert nur eine Phase (a ), d. h.:
baren Zustandsgrößen (Temperatur, Konzen-
F 211 2.
tration, Druck), die unabhängig voneinander
geändert werden können, ohne dass sich die Der Zustand der festen Phase wird daher
Anzahl der Phasen ändert. durch die Temperatur und die Zusammen-
setzung festgelegt.
Legierung L1 , T = T1 :
Bei der Temperatur T1 existiert nur die Pha- Legierung L2 , T = T3 :
se Schmelze, d. h. K 2, P 1. Gemäß dem Bei T3 existieren drei Phasen (Schmelze, Eu-
in Bild 1-59 angegebenen Gibbsschen Pha- tektikum und Mischkristalle), d. h.:
sengesetz wird für p konst.:
F 231 0.
F KP1 211 2.
Der Freiheitsgrad ist Null, d. h., das Eutek-
Danach können im Gebiet der homogenen tikum kann nur bei T3 und der Zusammen-
Schmelze (auch des homogenen Mischkris- setzung ce existieren. Hier kann weder die
talls, s. unten) die Freiheitsgrade Temperatur Temperatur noch die Zusammensetzung ge-
T und die Zusammensetzung c geändert wer- ändert werden, ohne dass sich die Anzahl der
den, ohne dass sich der Zustand ändert. Phasen ändert.
L1
T1 1 L
S S
Temperatur T
Temperatur T

2
T2 cS cL
c S.1 c L.1
T1 S+ b
S+ a L2 S+ b a S+ a

a Te b
e
E= a + b

T3 b
3
c2
E= a+ b

T2 c3

a b
+ a + E + b Seg b + E + a Seg +
b Seg a Seg

A c 1 20 40 ce 60 80 % B Ac 20 c 4 c L 40 c e 60 80 c 5 % c 6 B
0
Konzentration c Konzentration c

Bild A1-5 Bild A1-6


Zustandsschaubild zu Aufgabe 1-8. Zustandsschaubild für Aufgabe 1-9.
Abschn. 1.8: Aufgaben zu Kapitel 1 115

Aufgabe 1-9: b Seg.P 83,33 ¹ 0,1765 14,71 %.


Die Mengen der bei T1 und T2 vorhandenen
Phasen sind für die Legierung L gemäß dem Die im Eutektikum meistens schwer nach-
Hebelgesetz zu berechnen. Die Legierung soll weisbaren Segregate sollen hier nicht zahlen-
so langsam abkühlen, dass sich das thermo- mäßig berücksichtigt werden, s. Bild 1-64.
dynamische Gleichgewicht einstellen kann.
Das Gefüge besteht also bei T2 aus 68,62 % pri-
Die Berechnung nach dem Hebelgesetz, s. mären a -MK.en, in denen sich 14,71 % b Seg.P
Legende zu Bild 1-61, S. 51, ergibt: ausgeschieden haben und 16,67 % Eutekti-
kum ( ma.E 8,335 % und mb.E 8,335 %).
Temperatur T1 :
Es liegen Schmelze mS mit der Konzentra- Bei rascher Abkühlung kann allerdings die
tion cL.1 40 % B und Mischkristalle ma mit Segregatbildung praktisch vollständig unter-
cS.1 15 % B in den Mengen vor, Bild A1-6: drückt werden (s. Abschn. 2.6.3.3, S. 161), d.
h., Ausbildung, Art und Anzahl der Gefügebe-
30 - 15 standteile, vor allem aber ihre berechneten
mS = ◊ 100 % = 60 % und
40 - 15 Mengen, weichen dann merklich von denen
ma = 100 - mS = 40 %. des Gleichgewichtszustandes ab.

Temperatur T2 :
Nach Unterschreiten der eutektischen Tem-
peratur Te liegen primär ausgeschiedene Aufgabe 1-10:
Mischkristalle a P – eingebettet in Eutekti- Es ist der Mechanismus der thermisch akti-
kum E (a E  b E ) – in den Mengen vor: vierten Korngrenzenbewegung zu beschrei-
ben, s. a. Abschn. 1.3.4, S. 19.
ce - cL
ma .P = ◊ 100 % = 83, 33 %
ce - c4 Ein polykristallines Gefüge ist wegen der An-
mE = 100 - ma .P = 100 - 83, 33 = 16 ,67 %. wesenheit verschiedener Gitterbaufehler –
vor allem der Großwinkelkorngrenzen – nicht
Das Eutektikum E besteht aus aE und bE in im thermodynamischen Gleichgewicht. Wäh-
den Mengen: rend einer Wärmebehandlung stellt sich als
Folge von Korngrenzenbewegungen ein meta-
c5 - ce
ma .E = ◊ 100 % = 50 % stabiles Gleichgewicht ein.
c5 - c4
mb .E = ma = 100 - ma .E = 100 - 50 = 50 %. Ist die Korngrenzenenergie unabhängig von
der Orientierung (d. h. frei von Torsionskräf-
Bei Te liegen demnach mengenmäßig vor: ten), dann verhalten sich die Korngrenzen
ma.P 83,33 %, ma.E 8,335 %, mb.E 8,335 %.
Aus 100 % a ( c4) scheidet sich bei der Tem-
peratur T2 die maximal mögliche Menge an
b -Segregaten (bmax), aus 100 % b ( c5) die ma-
ximal mögliche Menge an a -Segregaten (amax)
aus:
c4 - c2 25 - 10
bmax = = ◊ 100 % = 17, 65 % Bild A1-7
c3 - c2 95 - 10 Größe der Oberflächenspannungen g auf Korngren-
c3 - c5 95 - 85
5 zen unterschiedlicher geometrischer Form.
a max = = ◊ 100 % = 11, 76 %. a) Auf eine zylinderförmige Korngrenze mit dem Ra-
c3 - c2 95 - 10 dius r wirkt die Kraft g/r.
b) Auf einer ebenen Fläche ist die Resultierende g = 0.
Aus den 83,33 % primären a -MK.en scheidet c) Auf einer mit gleichem Radius entgegengesetzt
sich bei T2 die Menge an bSeg.P aus: doppelt gekrümmten Fläche ist g = 0.
116 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

wie Seifenhäute. In diesem Fall muss für die tems, also im wesentlichen die Korngrenzen-
Existenz eines metastabilen Gleichgewichts energie, abnehmen muss. Bild A1-7b zeigt
an der Verbindungsstelle dreier Körner bzw. die Verhältnisse bei alleiniger Wirkung der
Phasen – die flüssig, gasförmig oder fest sein Oberflächenspannung. Auf Körner mit mehr
können – die Oberflächenspannung Null wer- als sechs Grenzflächen wirken Kräfte ein,
den (Bezeichnungen s. Bild 1-13a, S. 11): die das Korn vergrößern, weil das Zentrum
γ BC γ γ der Biegung außerhalb des Kornes liegt, Bild
= AC = AB . [A1-10] A1-8c.
sin α 1 sin α 2 sin α 3
Für g AB g AC g BC wird a 1 a2 a3 120 ’. Diese Vorgänge sind die metallphysikalische
Grundlage des Kornwachstums (Grobkorn-
Ein aus Körnern aufgebautes Gefüge ist nur bildung) metallischer Werkstoffe.
dann im metastabilen Gleichgewicht, wenn
die Oberflächenspannungen der Phasengrenz-
flächen im Gleichgewicht sind.

Auf eine zylinderförmige Korngrenze wirkt


in Richtung Zylindermitte eine Oberflächen-
spannung der Größe g /r, Bild A1-7a. Die Korn-
grenzen sind demnach nur dann oberflächen-
spannungsfrei, wenn die Phasengrenzfläche
eben (r 0) oder mit gleichem Radius r je-
weils in entgegengesetzter Richtung gebo-
gen ist, Bild A1-7b und c.

In technischen Werkstoffen sind die Korngr-


enzen i. Allg. in einer Richtung gebogen, d.
h., die auf sie einwirkenden Kräfte sind von
Null verschieden. Das Gefüge ist grundsätz-
lich instabil. Durch thermisches Aktivieren
können sich daher die Korngrenzen als Fol-
ge der einwirkenden Kräfte im Gefüge be-
wegen.

Der Einfachheit halber soll angenommen


werden, dass im Gleichgewicht die Winkel
zwischen den Korngrenzenflächen 120 ’ be-
Bild A1-8
tragen. Die Bewegung eines zweidimensio- Korngrenzenbewegung in einem zweidimensionalen
nalen Korngrenzensystems zeigt schema- System bei einer Wärmebehandlung. Die Pfeilsymbole
tisch Bild A1-8. geben die Richtung an, in der sich die Korngrenzen
bewegen. Angaben zu Aufgabe 1-10.
Wenn die Anzahl der Phasengrenzflächen a) AP < 6: Die Körner werden kleiner bzw. verschwin-
den, wenn die Anzahl der Phasengrenzflächen AP
(AP) eines Kornes kleiner als sechs ist, entste-
eines Kornes kleiner als 6 ist.
hen während der Wärmebehandlung Kräf- b) AP = 6: Die Phasengrenzflächen sind eben und me-
te, die die Korngrenzenfläche verkleinern tastabil. Die Oberflächenspannungen sind im Mit-
oder das Korn sogar zum Verschwinden brin- tel Null. Die notwendige Abnahme der Korngren-
gen, Bild A1-8a. Auf die Phasengrenzflächen zenenergie bei thermischer Aktivierung führt aber
von (größeren) Körnern mit sechs Grenzflä- in jedem Fall zum Kornwachstum.
c) AP > 6: Die Phasengrenzflächen sind nach außen
chen wirken im Durchschnitt keine Oberflä-
gekrümmt, d. h., der Mittelpunkt der gekrümmten
chenspannungen ein. Trotzdem wachsen sie Phasengrenzflächen liegen innerhalb der Körner,
aber bei einer ausreichenden thermischen s. Bild A1-7a. Die Oberflächenspannungen vergrö-
Aktivierung, weil die freie Enthalpie des Sys- ßern die Körner.
Abschn. 1.8: Aufgaben zu Kapitel 1 117

Aufgabe 1-11: sind die mit der Warmverformung verbunde-


Es sind die durch Kristallseigerungen her- ne Neubildung der Korngrenzen (Rekristal-
vorgerufenen Eigenschaftsänderungen von lisation), die Neuverteilung und die evtl. Zer-
(Guss-)Werkstoffen zu beschreiben und zu kleinerung zusammenhängender Korngren-
analysieren. zenbeläge.

Die Kristallseigerung (Abschn. 1.6.3.1, S.


55) entsteht innerhalb kürzester Distanzen,
je nach Erstarrungsmorphologie zwischen
Kornrand und Kornzentrum bzw. zwischen
den Dendritenstämmen und der Restschmel-
ze. Die Größe der entmischten Bereiche liegt
damit in der Größenordnung üblicher Korn-
durchmesser, Dendritenlängen lD, bzw. Ab-
stände benachbarter sekundärer Dendriten-
arme lS, Bild A1-9b. Die Korngrenzen- und
Bild A1-9
die Restschmelzenbereiche zwischen den Den- Erstarrungsformen in Gussgefügen.
dritenarmen sind reich an niedrigschmelzen- a) Globulitische Erstarrung, z. B. im Randbereich
den Verunreinigungen. Zusammen mit be- einer Kokille, s. a. Aufgabe 1-7,
stimmten interdendritischen »Schwächen« b) Dendritische (säulenförmige) Erstarrung.
(Poren, Mikrolunker) haben Gusswerkstoffe Es bedeuten: lD = Dendritenlänge, ls = Abstand neben-
daher in den meisten Fällen ungünstigere me- einander liegender sekundärer Dendritenarme.
chanische Eigenschaften als analysenähnli-
che Walzwerkstoffe. Folgende Eigenschafts-
verschlechterungen können in kristallgesei-
gerten Werkstoffen entstehen:
– In Bereichen, die niedrigschmelzende Ver-
bindungen enthalten, entsteht in Anwe-
senheit ausreichender Eigenspannungen
(beim Schweißen als Folge der hohen Ab- Aufgabe 1-12:
kühlgeschwindigkeit vorhanden!) eine aus- Es ist der Einfluss der Reaktionstemperatur
geprägte Heißrissigkeit. (T1 = 20 ’C, T2 = 120 ’C) auf die Korrosionsge-
– Die unterschiedliche chemische Zusam- schwindigkeit abzuschätzen, wenn der Korro-
mensetzung führt bei thermischer Bean- sionsprozess nur durch chemische Reaktionen
spruchung zu unterschiedlicher Wärme- hervorgerufen wird (s. hierzu auch Abschn.
ausdehnung der entsprechenden Berei- 1.7.3.3, S. 75).
che bzw. zu deren Rissbildung.
– Vor allem die Zähigkeitseigenschaften Die Aktivierungsenergie QA für diesen Vor-
dieser »entmischten« und mit erstarrungs- gang liegt etwa zwischen 40 ¹10 3 J / mol und
typischen Ungänzen behafteten Werkstoffe 80 ¹10 3 J / mol. Mit einem mittleren Wert von
sind vielfach unzureichend. Häufig be- QA 50 ¹10 3 J / mol ergibt sich aus Gl. [1-35],
steht Versprödungsgefahr. S. 76:
Êv ˆ 50 ◊ 103 Ê 1 1 ˆ
Die mechanischen Gütewerte kristallgesei- ln Á Korr.2 ˜ = ◊Á - = 5, 22
gerter Werkstoffe lassen sich durch ein Homo- Ë vKorr.1 ¯ 8, 314 Ë 293 393 ˜¯
genisieren deutlich verbessern (s. Beispiel 1- vKorr.2
6, S. 41). Wenn der Werkstoff trotz der nach- = exp 5, 22 O 185.
vKorr.1
teiligen Eigenschaften (Heißrissanfälligkeit,
Verspröden, Stängelgefüge, Poren) ein Warm- Die Korrosionsgeschwindigkeit bei einer um
umformen rissfrei zulässt, dann können die hundert Grad höheren Reaktionstemperatur
Zähigkeitswerte kristallgeseigerter Werkstof- vKorr.2 ist demnach etwa um den Faktor 150
fe erheblich verbessert werden. Die Ursachen bis 200 größer.
118 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Aufgabe 1-13: in denen sich dichte, nicht lösliche Oxide bil-


Mit Hilfe der Pourbaix-Schaubilder, Bild A1- den, ist der Werkstoff sehr wahrscheinlich
10 und Bild A1-11, ist das Korrosionsverhal- beständig. In Bereichen, in denen nur die re-
ten von (reinem) Kupfer und (reinem) Alumi- duzierte Form des Werkstoffs stabil ist, ist
nium in (entlüftetem) Wasser in Abhängig- das Metall unter den für die Aufstellung des
keit vom pH-Wert zu beschreiben. Der Gehalt Schaubildes verwendeten Bedingungen ab-
löslicher Ionen im Wasser (z. B. Al3+, Cu2+) solut korrosionsbeständig. »Passivierungsbe-
beträgt jeweils 10 - 6 mol/l. S. a. Beispiel 1-8, reiche« zeigen lediglich an, dass ein Oxid bzw.
S. 73. Hydroxid bei den vorliegenden Bedingungen
thermodynamisch stabil ist. Das Passivie-
Einleitende Hinweise rungsvermögen hängt aber sehr stark von
Pourbaix-Schaubilder sind Gleichgewichts- der Art des Oxids und den Eigenschaften des
Schaubilder, die alle möglichen chemischen realen Korrosionssystems ab.
Reaktionen und stabilen Reaktionsproduk-
te i. Allg. reiner Metalle bei unterschiedli- Ein Metall Me kann in wässrigen Lösungen
chen Potenzialen in Abhängigkeit vom pH- durch eine oder mehrere der folgenden Reak-
Wert eines wässrigen (reines Wasser) elekt- tionen anodisch »zerstört« werden:
rochemischen Systems grafisch darstellen.
Die Reaktionsgeschwindigkeiten lassen sich Oxidation zu wässrigen Kationen:
aber weder berechnen noch zuverlässig ab- Me  Men  n¹ e,
schätzen. Es kann lediglich bestimmt wer- Metallhydroxide oder Metalloxide:
den, welche Reaktionen (thermodynamisch) Me  n¹H2O Me(OH)n  n¹ H  n¹ e,
nicht möglich sind. Oxidation zu wässrigen Anionen:
Me  n¹ H2O MeOnn  2 n¹ H  n¹ e .
  

Danach kann Korrosion eines Metalls in den


Bereichen (E-pH) des Pourbaix-Schaubildes Gemäß Bild A1-10 ist die Korrosion von Kup-
entstehen, in denen lösliche Ionen existieren. fer in entlüftetem Wasser sehr unwahrschein-
Der Werkstoff wird aber unter technischen lich, weil das Cu/Cu2-Gleichgewichtspoten-
Gesichtspunkten als »beständig« bezeichnet, zial immer positiver ist als das H/H2-Gleich-
wenn die Reaktionsgeschwindigkeit aus ver- gewichtspotenzial, Bild A1-10, Linie a.
schiedenen Gründen gering ist. In Bereichen,
Im Wasser gelöster Sauerstoff ist die Ursa-
+ 1,8
che der O2/H2O-Reduktion, deren Gleichge-
V
Cu2 + CuO wichtspotenzial edler ist als das der Cu/Cu2-
+ 1,6
Reaktion, Bild A1-10, Linie b. Die ablaufen-
Potenzial E

+ 1,2 den elektrochemischen Reaktionen


CuO22 -

b
+ 0,8 O2 + 4 ◊ H + + 4 ◊ e - Æ 2 ◊ H2O,
Korrosion
Cu Æ Cu2+ + 2 ◊ e -
+ 0,4

0 Cu2O
finden an der Phasengrenze Metall / Elektro-
a
lyt bei einem (Misch-)Potenzial ER statt.
- 0,4 Cu
Korrosionsverhalten von Aluminium
- 0,8 Korrosionsbeständig Wie Bild A1-11 zeigt, ist Aluminium sowohl
in Säuren (Al3) als auch in Basen (AlO2) lös-
- 1,2
- 2- 1 0 1 2 4 6 8 10 12 14
lich. Dieses Verhalten ist für amphotere Me-
pH - Wert talle typisch. Zwischen pH 4 und 8,6 verhält
sich Aluminium – ähnlich wie Titan, Tantal
Bild A1-10
Vereinfachtes Pourbaix-Schaubild für das System und Niob – auf Grund der spontan gebilde-
Cu/wässrige Lösung mit einer Ionenkonzentration ten, sehr dichten, nichtleitenden Oxidhaut
von 10 - 6 mol lösliche Ionenart/l bei 25 ’C. Al2O3 in sehr vielen Medien passiv.
Abschn. 1.8: Aufgaben zu Kapitel 1 119

+ 1,6
V
aus der angegebenen Beziehung [A1-11a]
+ 1,2 mit EFe 0
3+
/ Fe2+
= 0,77 V (Tabelle 1-6, S. 67), n 1
und cFe3+ = cFe2+ = 10− 6 mol / l berechnet:
Potenzial E

+ 0,8

+ 0,4
Korrosion c 3+
Passivierung EFe3+ /Fe2+ = EFe 0
3+
/ Fe2+
+ 0,06 ⋅ log Fe = 0,77 V.
cFe2+
0
Korrosion
- 0,4 Bei großen pH-Werten (! 12,5) existieren im
Gleichgewicht Eisen mit zwei- und dreiwer-
- 0,8
Al 3+ tigen Hydroxiden, Gl. [A1-12a, b, c]:
- 1,2 Al2O3 × 3 H2O

AlO2- Fe (OH)2 + H2O  HFeO2- + H3O+ ,


- 1,6

- 2,0
HFeO2- + 3 ◊ H+ + 2 ◊ e -  Fe + 2 ◊ H2O,
- 2,4
Korrosionsbeständig
Fe (OH)3 + e -  HFeO2- + H2O.
- 2- 1 0 1 2 4 6 8 10 12 14 16 Korrosion ist in Bereichen zu erwarten, in
pH - Wert
denen sich lösliche Ionen bilden; Korrosions-
beständigkeit in Bereichen, in denen feste
Bild A1-11
Vereinfachtes Pourbaix-Schaubild für das System Substanzen (metallische Phasen oder deck-
Al/wässrige Lösung, mit einer Ionenkonzentration schichtbildende Oxide bzw. Hydroxide) ent-
von c = 10 - 6 mol lösliche Ionenart/l bei 25 ∞C. stehen.

Danach korrodiert Eisen in sauren Medien


mit pH-Werten kleiner 9 und größer 12,5. In
Medien 9  pH  12,5 bilden sich stabile Deck-
schichten, die das Eisen »korrosionsbestän-
dig« machen. Ebenfalls erkennbar ist die Mög-
Aufgabe 1-14: lichkeit, Eisen in sauren Lösungen mit pH ! 4
Das Korrosionsverhalten von Eisen ist mit chemisch bzw. elektrochemisch passivieren
Hilfe des vereinfachten Pourbaix-Schaubil- zu können.
des gemäß Bild A1-12 zu beschreiben. Siehe
hierzu auch S. 73. + 1,6
V Passivierung (II)
+ 1,2
Das Pourbaix-Schaubild des Eisens ist für Fe(OH)3
Potenzial E

das Verständnis der Korrosionsvorgänge al- Fe3+ (O2)


+ 0,8
ler technischen Eisenlegierungen (unlegier-
ter, aber auch hochlegierter korrosionsbestän- + 0,4 Korrosion
diger Stähle) von großer Bedeutung. 1

0 (H2O)
In sauren Lösungen können sich gemäß den
Fe2+
folgenden Gleichgewichtsbeziehungen zwei - 0,4
Fe(OH)2 -
Eisenionenarten (Fe3+, Fe2+) bilden: - 0,6 a HFeO2
- 0,8
2
Fe3  e Fe2, [A1-11a] Korrosionsbeständig (I)
- 1,2
Fe2  2 ¹e  Fe. [A1-11b] (H2)
- 1,6
Die zugehörigen Potenziale, gemessen ge- - 2- 1 0 2 4 6 8 10 12 14 16
gen die Standardwasserstoffelektrode bei pH - Wert

25 ’C und einer Ionenkonzentration von Bild A1-12


Vereinfachtes Potenzial-pH-Schaubild für das System
cFen + = 106 mol Fen+ / l , betragen:
Eisen/wässrige Lösung bei 25 ’C bei einer Ionenkon-
zentration von cFe n+ = 10 – 6 mol Fe n+/l, nach Pourbaix.
EFe2+ /Fe = − 0,62 V , gemäß Gl. [1-31b], S. 73. Zur Bedeutung der Linien 1 und 2 siehe Bild 1-81,
EFe3+ /Fe2+ wird mit der Nernstschen Gleichung S. 72.
120 Kapitel 1: Grundlagen der Werkstoffkunde und der Korrosion

Aufgabe 1-15: Hierin bedeuten cx die Konzentrationen der


In 1 l Wasser liegen mSn2+ = 12 g Zinnionen beteiligten Stoffe (A, H, B und H2O) im
gelöst vor. Die Molmasse von Zinn beträgt Elektrolyten. Setzt man die Konzentration
MSn = 118,69 g/mol. Es ist das Elektrodenpoten- des Wassers in wässrigen Lösungen gleich 1,
zial der Zinn-Halbzelle zu berechnen. dann wird mit cH+ = log ( H+ ) = − pH:

Die Konzentration des Elektrolyten beträgt: 0,059 ⎛ ca ⎞ h


E = E0 + ⋅ log ⎜ Ab ⎟ − ⋅ 0,059 ⋅ pH.
m 2 + g mol 12 mol n ⎝ cB ⎠ n
cSn2 + = Sn ◊ = = 0 ,10 .
MSn l g 118 ,69 l
Aus der Gl. [1-29], S. 72, ergibt sich mit
0
ENi 2+
/Ni
= − 0,14 V (Tabelle 1-6, S. 67) ENi2+ /Ni :
0,059
ENi2+ /Ni = − 0,14 + ⋅ log (0,10) = − 0,18 V.
2
Aufgabe 1-17:
Als Folge einer fehlerhaften Montage eines
200 cm langen Verbindungsrohrs aus Kupfer
(Da O 5,6 cm, Di O 5,0 cm, Wanddicke t = 3 mm)
mit der elektrischen Anlage des Betriebes fließt
Aufgabe 1-16: in dem Rohr ein Strom von I = 0,08 A. Es ist
Das Potenzial einer Zn2+/H2O-Halbzelle be- die Zeit t bis zum Eintreten einer Leckage un-
trägt EZn2+/Zn = - 0,80 V. Es ist die Zinkmen- ter der Annahme einer gleichmäßigen Korro-
ge zu berechnen, die einem Liter Wasser zugege- sion abzuschätzen.
ben werden muss, um dieses Potenzial zu er-
zeugen. Eine Leckage tritt auf, wenn die gesamte
Rohrmasse mv durch Korrosion in Ionenform
Gemäß Tabelle 1-6, S. 67, beträgt das Standard- vorliegt. Die hierfür erforderliche Zeit t kann
0
potenzial EZn 2+
/ Zn
= - 0 ,76 V und die Molmas- mit Hilfe des Faradayschen Gesetzes berech-
se MZn 65,38 g/mol. Aus Gl. [1-29] erhält net werden. Die Masse des Rohres beträgt
man mit n 2 die Menge Zink xZn, die einem mit rCu 8,95 g/cm3:
Liter Wasser zuzugeben ist: p
0 ,059 x 4
( )
mv = VR ◊ rCu = ◊ 5 ,62 - 5,02 ◊ 200 ◊ 8,95;
EZn2+ /Zn = - 0 ,80 = - 0 ,76 + ◊ log Zn mv = 8 937 g.
2 65 , 38
xZn 0 ,04 ◊ 2 Nach Faraday – s. a. Beispiel 1-10, S. 82  er-
log =- = - 1 , 356
65 , 38 0 ,059 gibt sich die erforderliche Zeit t mit MCu 63,5
xZn g/mol, F 96500 A¹s/mol, I 0,08 A und n 2
= 0 ,044 zu:
65 , 38
m ◊ n ◊ F 8 937 ◊ 2 ◊ 96 500
xZn = 2 ,88 g Zink/l Wasser . t= v = = 3 , 40 ◊ 108 s ,
I ◊ MCu 0 ,08 ◊ 63 ,5
Hinweis: t = 10 ,97 a .
Die Nernstsche Gleichung für komplexere Der Korrosionsschaden wird wohl sehr viel
elektrochemische Reaktionen als die gemäß früher eintreten, weil sich im Laufe dieser
Gl. [1-21], S. 67, von der Art: langen Zeit sicherlich bevorzugte Orte für lo-
a◊ A  h◊ H   n◊ e   b◊ B  c◊ H2O [A1-13] kale Korrosionsformen bilden werden. Die
berechnete Zeit kann damit als die maximal
lautet (s. a. Gl. [1-28] bzw. Gl. [1-29], S. 71): zu erwartende Lebensdauer des Rohres ange-
sehen werden, bei einem durch Fremdstrom
0,059 ca ⋅ c h +
E = E0 + ⋅ log bA cH . [A1-14] ausgelösten Bauteilversagen (Korrosions-
n cB ⋅ cH2O schaden).
Abschn. 1.9: Schrifttum 121

1.9 Schrifttum

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2 Stähle – Werkstoffgrundlagen

2.1 Allgemeines ist, dass die Schweißverbindung die Last-


und Eigenspannungen über die vorgesehene
Das erfolgreiche Schweißen metallischer Werk- Beanspruchungszeit rissfrei erträgt. Abweich-
stoffe erfordert u. a. eingehende Kenntnisse end von allen anderen Fügeverfahren spie-
über deren Verhalten unter der Einwirkung len also die durch den Schweißprozess hervor-
der für Schweißverfahren typischen extremen gerufenen Eigenschaftsänderungen des Werk-
Temperatur-Zeit-Zyklen. Sie führen häufig stoffes eine entscheidende Rolle. Selbst bei
im Schweißgut, vor allem aber in der Wär- annähernd gleichen Festigkeitseigenschaften
meeinflusszone zu Gefügen, die in dieser Form und gleicher chemischer Zusammensetzung
nicht, bzw. nicht in diesem Umfang Ergeb- kann sich die Zähigkeit und damit die Schweiß-
nis üblicher technischer Wärmebehandlungen eignung der Stähle erheblich voneinander un-
sind. Die Gefüge sind in den meisten Fällen terscheiden.
wesentlich härter d. h. weniger verformbar
(zäher) als der Grundwerkstoff. Ihre potenziel- Bild 2-1 zeigt beispielhaft den großen Ein-
le Rissneigung bei Belastung muss daher wäh- fluss des Gefüges, der Wärmebehandlung
rend der (schweißtechnischen) Fertigung mini- und der Menge der Verunreinigungen auf die
miert und prüftechnisch sorgfältig überwacht Kerbschlagarbeit eines Stahles S235 (St 37)
werden. bei verschiedenen Temperaturen. Die Über-
180
Die für die notwendigen metallurgischen Re- 2
J
aktionen (Desoxidieren, Denitrieren, Aufle-
gieren) im Schweißbad zur Verfügung ste- 150
Kerbschlagarbeit K

3
hende Zeit ist um Größenordnungen gerin-
ger als bei der Stahlherstellung. Die fehlen- 120
de Reaktionszeit wird daher in den meisten
Fällen gemäß dem Massenwirkungsgesetz 90
1

durch eine erhöhte Konzentration der erfor-


derlichen Legierungselemente kompensiert. 4
Die chemische Zusammensetzung der Zusatz- 60

werkstoffe muss aus diesem Grunde selbst


bei einem artgleichen Schweißgut von der
5
30
des Grundwerkstoffes abweichen. Bei der
Herstellung der Zusatzwerkstoffe sind diese 0
- 40 ° C
Besonderheiten durch metallurgische Maßnah- - 80 0 40 80
Prüftemperatur T
120

men zu berücksichtigen.
1: RSt 37- 2, Walzzustand (GB) 4: USt 37- 2, Walzzustand (FS)
2: RSt 37- 2, normalgeglüht (GB) 5: USt 37- 1, Walzzustand (FS)
Die wichtigste Forderung zum Herstellen be- 3: St 37- 3, normalgeglüht (GB)
triebssicherer Schweißverbindungen ist eine
ausreichende Schweißeignung des Grundwerk- Bild 2-1
Kerbschlagarbeit-Temperatur-Kurven (DVM-Längs-
stoffes (Abschn. 3.1.1, S. 238). Diese im We-
proben) von Proben aus Baustählen S235 (St 37) ver-
sentlichen werkstoffabhängige Eigenschaft schiedener Gütegruppen (also unterschiedlichem Ge-
besitzt ein Stahl nur dann, wenn die Bruch- halt an Verunreinigungen!) und Wärmebehandlungs-
zähigkeit in der Wärmeeinflusszone so groß zuständen. GB = Grobblech, FS = Formstahl.
124 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

gangstemperatur Tü ist ein sehr aussagefä- – Unterscheidung nach den Herstellverfah-


higer Gütewert des Werkstoffs und eine pra- ren, d. h. nach den Erschmelzungs- und
xisnahe Kenngröße für die Charakterisie- Vergießungsverfahren. Diese Methode der
rung der Sprödbruchempfindlichkeit und der Klassifizierung ist weitgehend unzurei-
Schweißeignung. Die Tü,27-Werte (Übergangs- chend. Die geforderten mechanischen Gü-
temperatur bei einer Kerbschlagarbeit von tewerte des Stahles können durch geeig-
27 J) liegen zwischen  60 ’C [S235J2 + N (nor- nete Prüfverfahren nachgewiesen wer-
malgeglühter St 37-3)] und  20 ’C (USt 37-1, den, die bei der Bestellung vereinbart wer-
Walzzustand). den (können). Der Stahlhersteller ist al-
so für die Qualität seiner Produkte verant-
Die Bewertung und Beurteilung der durch wortlich, die Wahl der Herstellverfahren
Schweißen entstandenen Gefüge und der sich muss daher in seiner Verantwortlichkeit
daraus ergebenden mechanischen Gütewer- bleiben.
te ist eine wichtige Aufgabe des Bauteil-Her- – Unterscheidung nach den geforderten Ge-
stellers, der Qualitätssicherung und nicht brauchseigenschaften. In der neueren DIN
zuletzt des Schweißingenieurs. Dafür sind EN 10020 (7/2000) werden nur noch die
eingehende Kenntnisse über Hauptgüteklassen Qualitätsstähle und
– das Werkstoffverhalten beim Schweißen Edelstähle unterschieden. Die frühere
(Aufhärtungsverhalten, Gaslöslichkeit, Hauptgüteklasse Grundstähle wurde we-
Zähigkeitsabfall), gen ihrer geringen technischen Bedeu-
– die Möglichkeiten und Grenzen einer ge- tung (ihre nur mäßigen mechanischen Gü-
zielten Gefügeänderung der Schweißver- tewerte sind für die Anforderungen an neu-
bindung durch Wärmebehandlungen, zeitliche Konstruktionen völlig unzurei-
– und die Wirkung der Legierungselemen- chend!) mit den unlegierten Qualitätsstäh-
te und Verunreinigungen auf die mechani- len zusammengelegt.
schen Gütewerte
erforderlich. Also: Qualitätsstähle sind Stähle, für die i. Allg.
kein gleichmäßiges Ansprechen auf eine Wär-
mebehandlung 15) gefordert wird. Die höheren
Schweißen ist angewandte
Anforderungen an ihre Gebrauchseigenschaf-
Werkstoffwissenschaft
ten (z. B. Zähigkeit, Korngröße und/oder Um-
formbarkeit) erfordern aber eine besondere
Sorgfalt bei ihrer Herstellung, vor allem hin-
sichtlich der Oberflächenbeschaffenheit, des
2.2 Einteilung der Stähle Gefüges und der Sprödbruchunempfindlich-
keit.
Als Stahl werden Eisenwerkstoffe bezeich-
net, die i. Allg. für eine Warmformgebung geeig- Für die Schweißpraxis wichtige legierte Qua-
net sind. Mit Ausnahme einiger weniger chrom- litätsstähle sind z. B. verschiedene Kernreak-
reicher Sorten enthält er höchstens 2 % Koh- torstähle und Stähle zum Herstellen von Dräh-
lenstoff (DIN EN 10020). Durch die Wärme- ten für Schweißzusatzwerkstoffe. Feinkorn-
behandlung Härten und Anlassen ( Vergü- baustähle mit Rp0.2,min  380 N/mm2 , einschließ-
ten) lässt sich seine Festigkeit erheblich er- lich Stähle für Druckbehälter und Rohre sind
höhen, bei hoher Anlasstemperatur sogar ent- legierte Qualitätsstähle, Feinkornbaustähle
scheidend die Zähigkeit. Wegen der großen mit Rp0.2,min ! 380 N/mm2 sind wegen ihres hö-
Vielfalt technischer Stähle ist eine sinnvol- heren Legierungsgehalts gewöhnlich legier-
le und widerspruchsfreie Einteilung, die we- te Edelstähle. Siehe hierzu genauer die Fest-
sentliche technische und wirtschaftliche Ge- legungen zur chemischen Zusammensetzung
sichtspunkte berücksichtigt, nur schwer mög- in DIN EN 10020.
lich. In der Praxis werden viele Prinzipien
der Einteilung nebeneinander verwendet. 15)
Glühbehandlungen werden im Sinne dieser Ein-
Die wichtigsten sind: teilung nicht als Wärmebehandlung bezeichnet.
Abschn. 2.3: Stahlherstellung 125

Edelstähle sprechen auf Wärmebehandlun- Eisenbegleiter Kohlenstoff, Phosphor, Schwe-


gen 15) sehr gleichmäßig an. Sie sind daher fel, z. T. auch Mangan und Silicium schon im
meist für eine Vergütung oder Oberflächen- Roheisen auf sehr geringe Werte gesenkt wer-
härtung bestimmt. Wegen ihrer besonders den. Ihre (Sauerstoff-)Affinität und ihre von
sorgfältigen Herstellbedingungen (z. B. ge- der Temperatur und dem Druck abhängige
naue Einstellung der chemischen Zusammen- Löslichkeit in der Stahlschmelze bestimmen
setzung) weisen sie einen größeren Reinheits- den erreichbaren Mindestgehalt im Stahl.
grad auf als die Qualitätsstähle. Vor allem
Tabelle 2-1
ihr Gehalt an nichtmetallischen Einschlüs- Für die Abgrenzung der unlegierten von den legier-
sen ist deutlich geringer. Diese Eigenschaf- ten Stählen maßgebenden Gehalte der Legierungs-
ten, die i. Allg. in Kombination und in eng elemente (Schmelzenanalyse), nach DIN EN 10020.
eingeschränkten Grenzen (z. B. Streckgren-
zenwerte) auftreten, schließen manchmal die Legierungselement Grenzgehalt
Eignung zum Kaltumformen oder Schwei- in Massen-%
ßen ein. Aluminium 0,10
Bismut 0,10
Blei 0,40
Nach der chemischen Zusammensetzung un- Bor 0,0008
terscheidet man weiter unlegierte und legier- Chrom 0,30
te Stähle (weiteres siehe Abschn. 2.7). Nach Kobalt 0,30
DIN EN 10020 gelten Stähle als legiert, wenn Kupfer 0,40
Lanthanoide (einzeln gewertet) 0,10
ein Legierungselement die in Tabelle 2-1 Mangan 1,65 1)
angegebenen Werte überschreitet. Molybdän 0,08
Nickel 0,30
Niob 0,06
Selen 0,10
2.3 Stahlherstellung Silicium 0,60
Tellur 0,10
2.3.1 Erschmelzungsverfahren Titan 0,05
Vanadium 0,10
Wolfram 0,30
Die Herstellbedingungen beeinflussen die Zirkonium 0,05
Stahleigenschaften in hohem Maße. Die Kennt- Sonstige (mit Ausnahme von Koh-
nisse über die metallurgischen und techno- lenstoff, Phosphor, Schwefel und 0,1
logischen Einflüsse vor allem auf die Schweiß- Stickstoff) jeweils

eigenschaften des Stahles ist für den in der 1)


Falls für Mangan nur ein Höchstwert festgelegt ist,
Schweißtechnik tätigen Ingenieur von großer ist der Grenzwert 1,80 % und die sog. 70 %-Regel gilt
nicht. Diese besagt, falls für die Elemente, außer Man-
Bedeutung. Dieses Wissen befähigt ihn gan, in der Erzeugnisnorm oder Spezifikation nur
– die großen Unterschiede in der Schweiß- ein Höchstwert für die Schmelzenanalyse festgelegt
eignung der Stähle, abhängig von der Er- ist, ist ein Wert von 70 % dieses Höchstwertes für die
Einteilung zu verwenden.
schmelzungs- und Vergießungsart und
weiteren (Sonder-)Behandlungen, zu er-
kennen und zu nutzen und Aber auch durch den Stahlherstellungspro-
– den »richtigen«, d. h. den technisch und zess selbst können zusätzlich in unterschiedli-
wirtschaftlich geeigneten Stahl für den cher Menge Verunreinigungen in den Stahl ge-
Verwendungszweck auszuwählen. langen. In erster Linie geschieht das durch:

Das im Hochofen gewonnene Roheisen ist 16)


Eine typische Zusammensetzung von Roheisen
als Konstruktionswerkstoff unbrauchbar, da ist z. B.: 3%...4,5 % C; 0,2%...1,2 % Si; 0,3%...1,5 %
es insbesondere durch die hohen Kohlenstoff-, Mn; 0,02 %...0,12% S und (abhängig vom P-Ge-
Phosphor- und Schwefelgehalte hart und sprö- halt der Erze) 0,06 %...2% P und unterschiedliche
de ist 16). Hohe Zähigkeit bzw. ein hohes Ver- Mengen nicht durch Frischen zu beseitigender
Elemente, wie z. B. Cu. Die Menge dieser Ele-
formungsvermögen ist aber für die Bauteilsi- mente ist nur sehr begrenzt durch das Verfah-
cherheit von ausschlaggebender Bedeutung. ren, gut durch die Zusammensetzung der Ein-
Daher müssen die versprödend wirkenden satzstoffe beeinflussbar.
126 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

– Reaktionen der Desoxidationsmittel (z. B. Die unerwünschten Elemente, die bei dem
Mangan, Silicium, Aluminium, Magnesi- Frischprozess entfernt werden, zeigen ein
um, Calcium) mit den Verunreinigungen sehr unterschiedliches Verhalten. Sie kön-
der Einsatzstoffe, die nichtlösliche exoge- nen in folgenden Formen vorliegen:
ne Einschlüsse (Schlacken) bilden (z. B. – In gasförmiger Form entweichen, z. B.
SiO2, Al2O3). Kohlenstoff, Zink, Wasserstoff, Stickstoff,
– Lösen der atmosphärischen Gase (Sauer- z. T. Schwefel;
stoff, Stickstoff, Wasserstoff), die wäh- – vollständig in Form von Oxiden in die
rend der Stahlherstellung in die Schmel- Schlacke übergehen, z. B. Silicium, Alu-
ze eindringen können. minium, Niob;
– in der Schmelze verbleiben, wie z. B. Kup-
Die Roheisenschmelze muss also durch die fer, Nickel, Zinn, Bismut, Antimon, Se-
Verfahren der Stahlherstellung raffiniert (Be- len, Molybdän.
seitigen der Verunreinigungen) und auf die
gewünschte chemische Zusammensetzung Das Frischen erfolgt in birnenförmigen (Kon-
(legiert) gebracht werden. Ein großer Teil verter) oder in flachen, wannenförmigen (Herd)
der sauerstoffaffinen Verunreinigungen wird Behältern. In der Hauptsache wird das Rohei-
durch Frischen, d. h. Oxidation mit festen sen zu Sauerstoffblasstahl und in zunehmen-
(z. B. Erze, Fe2O3) oder gasförmigen (über- der Menge zu Elektrostahl, in sehr geringen
wiegend reiner Sauerstoff) Stoffen beseitigt. Mengen auch noch zu Siemens-Martin-Stahl
Durch das Frischen lassen sich nur Elemen- verarbeitet. Die im Konverter erzeugten Stäh-
te entfernen, deren Sauerstoffaffinität bei der le haben normalerweise noch nicht die gefor-
Reaktionstemperatur größer ist als die des derten Eigenschaften, insbesondere ihre Rein-
Eisens. Danach können Zinn, Molybdän, Ko- heit (vorwiegend silicatische und oxidische
balt, Nickel, Kupfer grundsätzlich nicht ent- Einschlüsse) genügt in den meisten Fällen
fernt werden. Hierfür eignen sich die Verfah- nicht den Anforderungen der Stahlverarbeiter.
ren der Sekundärmetallurgie (z. B. Vakuum- Sie werden daher mit den zunehmend wich-
metallurgie), die in Abschn. 2.3.1.1, S. 128, tiger werdenden sekundärmetallurgischen
besprochen werden. Methoden nachbehandelt.
Sauerstofflanze

Schlacke

Flüssiger
Stahl

Propan

Rührgas Sauerstoff
a) b)

Bild 2-2
Frischen des Roheisens nach dem LD-Verfahren beim
a) Aufblasen des Sauerstoffs,
b) Durchblasen (bodenblasend) des Konverters mit Sauerstoff (z. B. OBM-Verfahren).
Abschn. 2.3: Stahlherstellung 127

Thomasstahl wird in bodenblasenden Kon- te des Stahles lassen sich außerdem durch
vertern mit Luft als Sauerstoffträger im Blas- gleichzeitiges Homogenisieren des Stahlba-
stahlwerk erschmolzen. Wegen seiner ext- des entscheidend verbessern. Diese Überle-
rem schlechten mechanischen Gütewerte (und gungen führten zur Entwicklung der kom-
der erheblichen Umweltbelastung!) wird er binierten Blasverfahren, die in vielfältigen Va-
in der Bundesrepublik Deutschland seit Mit- rianten angewendet werden und zu den Ver-
te der Sechziger Jahre, weltweit seit etwa fahren der Sekundärmetallurgie (Abschn.
1980 nicht mehr hergestellt. Die typischen 2.3.1.1) gehören. Die Baddurchmischung wird
extremen Gehalte an Phosphor (bis 0,09 %) durch Aufblasen von Sauerstoff und gleichzei-
und Stickstoff (bis 0,025 %) können den Stahl tiges Bodenblasen mit Frisch- oder Rührga-
bis zur Unbrauchbarkeit verspröden. sen 17) verbessert. Es ergeben sich die folgen-
den Vorteile:
Grundsätzlich sollte bei Reparatur- und Um- – Die metallurgischen Reaktionen nähern
bauarbeiten an Konstruktionen aus T-Stahl sich weitgehend dem thermodynamischen
(wahrscheinlich, wenn sie vor 1960 in Betrieb Gleichgewicht, wodurch eine wirtschaft-
genommen wurden!) besonders sorgfältig und liche Herstellung und eine weitgehende
umsichtig vorgegangen werden, vor allem, Entkohlung des Stahles möglich ist.
wenn geschweißt werden muss. Die schlech- – Der Gehalt an Verunreinigungen (Phos-
te Schweißeignung dieser Stähle erfordert phor, Schwefel, Sauerstoff) ist deutlich
Zusatzwerkstoffe, die ein ausreichend ver- geringer als beim normalen Sauerstoff-
formbares Schweißgut ergeben. Als besonders aufblasverfahren.
gut geeignet erweisen sich basisch-umhüllte – Der Schrott wird schnell aufgelöst und da-
Stabelektroden, s. Abschn. 4.2.3.1.3, S. 341. durch die Schmelze frühzeitig homogeni-
Die Zähigkeit der (rissanfälligen) WEZ ist siert.
allerdings noch geringer als die des Grund-
werkstoffs, s. hierzu Aufgabe 4-4, S. 480. Die Homogenisierung der Schmelze, ihre
gleichmäßigere Durchmischung und eine
Das Sauerstoffaufblasverfahren (LD-Ver- Verringerung der Prozesszeiten lassen sich
fahren) ist weltweit das weitaus wichtigs- durch Bodenblasen mit Sauerstoff weiter
te Stahlherstellungsverfahren. In der Bun- verbessern. Hierfür sind allerdings Konver-
desrepublik Deutschland wird etwa 85 % der ter besonderer Bauart erforderlich. Die Ge-
gesamten Roheisenproduktion nach diesem fahr des Aufschmelzens der Konverterboden-
Verfahren verarbeitet. auskleidung wird durch Kühlgase (z. B. Pro-
pan, Methan) beseitigt, die zusätzlich kon-
Auf das Roheisenbad wird durch eine was- zentrisch um den Sauerstoffstrahl angeord-
sergekühlte Lanze Sauerstoff geblasen, Bild net sind. Das Kühlgas verhindert die direkte
2-2a. Bei Roheisensorten mit höherem Phos- Bodenberührung des Sauerstoffs. Diese Ver-
phorgehalt wird zusammen mit dem Sauer-
stoff Kalkstaub in das Bad geblasen (LDAC-
17)
Verfahren). Die Verwendung von reinem Sau- Verwendet werden bei den auch als Lanzen-Boden-
blasen/-rühren bekannten Verfahren Sauerstoff-
erstoff ermöglicht die Herstellung sehr stick- Inertgas-, Sauerstoff-CaO-Gemische, Inertgas-
stoffarmer und verunreinigungsarmer Stäh- gemische und eine Vielzahl weiterer Gas-Fest-
le (… 0,002 % N; 0,0016 % P; 0,002 % S, in Son- stoff-Gemische. Ein bekanntes Konverterverfah-
derfällen … 0,001 %). Der flüssige Stahl kommt ren ist: AOD Argon-Oxygen-Dekarburierung,
im Wesentlichen nur beim Vergießen mit der vorwiegend für die Herstellung hochlegierter kor-
rosionsbeständiger Stähle. Wenn durch die Roh-
Luft in Berührung. eisenvorbehandlung S, P, Si bereits vorher ent-
fernt wurden, kann fast ohne Schlacke nur noch
Durch intensives Mischen der Stahlschmel- entkohlt werden. Das VOD-Verfahren (Vakuum-
ze mit der Schlacke werden die Reaktions- Oxygen-Dekarburierung) entspricht weitgehend
dem AOD-Verfahren. Es wird zum Herstellen hoch-
abläufe erheblich beschleunigt und dem ther- legierter Stähle mit extrem geringem Kohlen-
modynamischen Gleichgewichtszustand be- stoff- und Stickstoff-Gehalt verwendet. Siehe auch
liebig genähert. Die mechanischen Gütewer- Abschn. 2.3.1.1.
128 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

fahrensvariante ist das OBM-Verfahren 18), »sekundäre« Einheiten verlegt. Mit diesen
das das LD-Verfahren wegen seiner erhebli- Verfahren werden die Schmelzen nach dem
chen technischen und wirtschaftlichen Vor- Abstich in der Pfanne weiter behandelt, um
teile weitgehend verdrängt hat, Bild 2-2b. die Stahlqualität den unterschiedlichsten An-
forderungen anzupassen. Die Stahlschmelze
In zunehmendem Umfang werden in diesen wird in der Regel beim Abstich desoxidiert
Blasstahlwerken Anlagen der Pfannenmetal- (Abschn. 2.3.2).
lurgie und Vakuummetallurgie betrieben.
Wie weiter unten beschrieben, lassen sich die Durch die Trennung der ofengebundenen pri-
Stahleigenschaften mit Hilfe dieser Maßnah- märmetallurgischen von den unter günsti-
men deutlich verbessern. geren Bedingungen ablaufenden sekundär-
metallurgischen Maßnahmen kann die Quali-
Bei den Elektrostahl-Verfahren wird die tät der Erzeugnisse in jeder gewünschten
zum Schmelzen erforderliche Wärme mit Hilfe bzw. erforderlichen Weise verbessert und die
elektrischer Energie (überwiegend Lichtbo- Wirtschaftlichkeit der Stahlherstellung er-
gen, Induktionswirkung) erzeugt. Gefrischt höht werden. Diese Verfahren dienen zum Her-
wird mit eingeblasenem Sauerstoff oder Erz. stellen von Stählen mit höchsten Qualitätsan-
Verunreinigungen durch Flammgase (Schwe- forderungen.
fel) entstehen nicht. Der Kohlelichtbogen er-
zeugt eine leicht reduzierende Atmosphäre, Zu den Verfahren der Sekundärmetallur-
d. h., der Sauerstoffgehalt des Stahles ist ge- gie gehören die
ring. Die metallurgische Qualität ist hervor- ❐ Pfannenverfahren ohne Vakuum, die
ragend (aber abhängig von der der Einsatz- ❐ Vakuumverfahren und die
stoffe) und der Abbrand gering. Mit basisch ❐ Umschmelzverfahren.
zugestellten Öfen lassen sich sehr geringe
Phosphor- und Schwefelgehalte (je … 0,005 %) Mangan Silicium Sauerstoff
erreichen. Der Stickstoffgehalt der nach dem 60
%
Lichtbogenverfahren erschmolzenen Stähle 40
wird durch die erleichterte Dissoziation der 20
Luft geringfügig erhöht. 0

Wegen der umfangreichen gütesteigernden


Möglichkeiten der Pfannenmetallurgie wird
Verlust des Elementes

Aluminium Schwefel Wasserstoff


60
der Elektrolichtbogenofen heute meist nur %
als reine Einschmelzeinheit betrieben. Sei- 40

ne Aufgabe besteht darin, den festen Einsatz 20


einzuschmelzen und das Bad auf die erforder- 0
liche Abstichtemperatur zu erhitzen. Danach
werden die gewünschten pfannenmetallurgi-
Kupfer Antimon Stickstoff
schen Maßnahmen durchgeführt. 60
%
40
2.3.1.1 Sekundärmetallurgie
Seit einigen Jahren wird zunehmend von der 20

früher ausschließlich praktizierten Methode 0

abgegangen, den gesamten Stahlherstellungs- Elektroschlacke-Umschmelzverfahren


Vakuumlichtbogen-Verfahren
prozess in einem Gefäß (Pfanne) ablaufen zu Elektronenstrahl-Verfahren
lassen. Danach werden alle »primären« metal-
lurgischen Prozesse, außer Schmelzen, Ent- Bild 2-3
Gegenüberstellung der zu erwartenden Änderungen
kohlen und Entphosphorn in nachgeschaltete
der chemischen Zusammensetzung während des Um-
schmelzens nach dem Elektroschlacke-Umschmelz-,
Vakuumlichtbogen- und Elektronenstrahl-Verfahren,
18)
OBM Oxygen Bottom Blown Maxhütte nach Baumann.
Abschn. 2.3: Stahlherstellung 129

Zu den pfannenmetallurgischen Verfah- Vakuum betreibbaren Umschmelzprozess


ren gehört die Spülung der Schmelze mit In- kann der Lichtbogen, der Elektronenstrahl
ertgas in der basisch zugestellten Pfanne, wo- oder eine flüssige Schlackenschicht dienen.
durch die Legierungsmittel homogener ver- Die gut stromleitende Schlacke mit einer
teilt und der Gehalt an Verunreinigungen Temperatur von 1700 ’C bis 1900 ’C ermög-
verringert werden. Bei den Injektionsverfah- licht gezielte metallurgische Reaktionen mit
ren wird der Schwefelgehalt durch Einbla- der Schmelze. Insbesondere der Schwefelge-
sen von Calciumsilicium oder Magnesium halt kann auf sehr geringe Werte reduziert
mittels einer Lanze auf sehr geringe Werte werden. Mit unter Vakuum arbeitenden Ver-
verschlackt (… 0,002 %). fahren (Lichtbogen- und Elektronenstrahl-
öfen) können Elemente mit hohem Dampf-
Bei besonders hohen Anforderungen an die druck (z. B. Mangan, Chrom, Kupfer, Zinn)
Reinheit und Gleichmäßigkeit vor allem bei wirksam entfernt werden. Eine schemati-
Edelstählen und schweren Schmiedestücken sche Darstellung des Elektroschlacke-Um-
(mehrere Hundert Tonnen Stückgewichte) schmelzverfahrens zeigt Bild 2-4.
werden die Vakuumverfahren und (oder) die
Stahl-Umschmelztechnik verwendet.

Mit den Vakuumverfahren lässt sich der Beispiel 2-1:


Gasgehalt (Wasserstoff, Sauerstoff, Stick- Nach der Herstellung beträgt der Stickstoffgehalt in
stoff) der Stahlschmelze entscheidend ver- einem Stahl 0,01 %. Mit Hilfe der Vakuummetallur-
ringern. Man unterscheidet u. a. folgende gie soll dieser aus Qualitätsgründen auf 0,001 % re-
Verfahrensvarianten: duziert werden. Wie groß muss der Stickstoff-Par-
N 2 über dem Vakuumgefäß sein?
tialdruck pvac
– Vakuumbehandlung in der Pfanne:
Durch den sehr geringen Gaspartialdruck Das erforderliche Vakuum lässt sich mit Hilfe des Sie-
vertsschen Gesetzes abschätzen, s. Abschn. 3.3.3, Gl.
über der Schmelze ergeben sich sehr ge-
[3-9], S. 255, s. a. Aufgabe 2-6, S. 228:
ringe Gasgehalte.
– Gießstrahlentgasung: È cN ˘ = N1 [ % ] = K ◊ p1N .
Î 1˚ 2

Im Vakuumgefäß befindet sich eine Ko- vac


Daraus ergibt sich der erforderliche Druck pN 2 zu:
kille, in die der Gießstrahl über eine Zwi-
schenpfanne vergossen wird. Die starke N1 [ % ] 0,01 K ◊ pN12 1
= = 10 = =
»Zerstäubung« des flüssigen Stahls beim Nvac [ % ] 0,001 K ◊ pNvac2 pNvac
2

Eintritt in das Vakuumgefäß sorgt für ei- 1 -2


= 10 2, daraus folgt: pvac
N2 = 10 bar .
ne intensive Entgasung der Schmelze. pNvac2

Der erforderliche geringe Stickstoffgehalt kann auch


Die Stahl-Umschmelzverfahren werden
mit Hilfe von Desoxidationsmitteln (z. B. Al, Ti, V)
für die Edelstahlerzeugung nach den Schmelz- eingestellt werden. Allerdings sind bei qualitativ hoch-
und Gießverfahren angewendet. Es lassen sich wertigen Stählen die Desoxidationsprodukte in vie-
sehr reine Stähle mit erheblich besseren me- len Fällen unerwünscht (Kerbwirkung!).
chanischen Gütewerten herstellen. Bild 2-3
zeigt qualitativ die mit den Umschmelzver- Die Vakuumverfahren bzw. allgemein die Va-
fahren zu erwartenden Änderungen der chemi- kuum-Metallurgie bieten eine Reihe bemer-
schen Zusammensetzung (Legierungselemen- kenswerter Vorteile:
te und Verunreinigungen). – Unerwünschte Reaktionen der Atmosphä-
re bei hohen Temperaturen können nicht
Feste Einsatzstoffe – meistens Abschmelz- stattfinden. Die Herstellung der hochreak-
elektroden – werden in wassergekühlten, tiven Werkstoffe wie z. B. Ti, Zr, Mo ist oh-
kupfernen Kokillen umgeschmolzen. Das Er- ne diese Technologie wirtschaftlich nicht
gebnis ist ein meist gerichtet erstarrter Guss- möglich.
block, der nahezu frei von Innenfehlern, Kris- – Entfernen schädlicher Bestandteile aus
tallseigerungen, Lunkern und Verunreinigun- der Schmelze. Elemente mit niedrigem
gen ist. Als Wärmequelle für den auch unter Dampfdruck (z. B. Zn und Cd aus NE-
130 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

Legierungen) und vor allem Gase (insbe- Je mehr Kohlenstoff die Stahlschmelze ent-
sondere Wasserstoff). Die Desoxidation hält, desto größer ist die Menge des gebilde-
gelingt ohne Bildung fester Desoxidations- ten Kohlenmonoxids, d. h., umso geringer ist
produkte gemäß der Gleichung: der Sauerstoffgehalt des Stahles. Dieser Zu-
sammenhang lässt sich anschaulich mit Hil-
Cgelöst  Ogelöst  COgas.
fe der Beziehung C¹O konst. beschreiben.
Die metallurgische Reinheit des Stahles, d. Niedriggekohlte Stähle (… 0,1 %) enthalten
h., seine Freiheit von Einschlüssen ist z. B. daher nach dem Frischen erhebliche Men-
für hoch- und höchstfeste Stähle hinsichtlich gen Sauerstoff. Die z. B. bei Tiefziehblechen
ihrer Wirkung als potenzielle Rissstarter geforderten niedrigen C- und O-Gehalte sind
wichtig. nur mit sekundärmetallurgischen Maßnah-
men wirtschaftlich erreichbar.

2.3.2 Vergießungsverfahren; Das Entfernen des Sauerstoffs aus der Stahl-


Desoxidieren schmelze bezeichnet man als Desoxidation.
Der Vorgang beruht auf der gegenüber Eisen
Nach dem Frischen ist der Sauerstoffgehalt höheren Affinität bestimmter Elemente zu
und der Gehalt verschiedener anderer Ver- Sauerstoff:
unreinigungen in der Stahlschmelze sehr
Mn – V – C – Si – Ti – B – Zr – Ca – Al.
hoch. Wegen seiner stark schädigenden Wir-
kung (Versprödung, Alterungsanfälligkeit, Bei dieser Behandlung wird abhängig von
Rotbrüchigkeit) muss er auf möglichst gerin- der Art der zugegebenen Desoxidationsmit-
ge Werte begrenzt werden. Der Sauerstoff tel auch der gefährliche Stickstoff (TiN,
liegt in der Stahlschmelze in Form von FeO BN, AlN) bzw. Kohlenstoff und Stickstoff in
vor. In Anwesenheit von Kohlenstoff reagiert Form von Carbonitriden [Ti(C,N), B(C,N),
FeO mit Kohlenstoff, wobei das entweichen- Nb(C,N)] gebunden. Der für das Auftreten
de Gas das Bad zum »Kochen« bringt gemäß der Heißrissigkeit verantwortliche Schwefel
der Beziehung: kann mit Mangan und anderen schwefelaffi-
nen Elementen (Calcium, Titan, Cer, Zirko-
nium) beseitigt werden. Die schon bei etwa
1000 ’C schmelzende Verbindung FeS wird z.
B. durch das Element Mangan in die Verbin-
dung MnS überführt, deren Schmelzpunkt
deutlich höher ist als der des FeS:
FeS Mn  MnS.
MnS schmilzt erst bei O 1440 ’C. Es scheidet
sich schon primär aus der Schmelze aus und
kann daher nicht als flüssiger Film an den
Korngrenzen erhalten bleiben. Dadurch wird
die Heißrissbildung verhindert (Abschn. 1.2.3,
S. 12). Bei der Warmformgebung werden die-
se Schwefelverbindungen in Walzrichtung
deutlich stärker verformt als quer dazu, weil
sie plastisch verformbar sind. Eine ausgepräg-
te Anisotropie, vor allem der Zähigkeit, ist
die Folge. Für viele Anwendungsfälle, z. B.
bei Bauteilen, die durch Kaltverformung als
Fertigungsverfahren hergestellt werden, sind
Bild 2-4 diese Zähigkeitsunterschiede nicht zulässig.
Schematische Darstellung des Elektroschlacke-Um- Elemente, die nicht auswalzbare, spröde Reak-
schmelzverfahrens. tionsprodukte liefern, wie z. B. CeS, TiS oder
Abschn. 2.3: Stahlherstellung 131

ZrS, verringern die Anisotropie der Zähig- – Das Ausbringen ist größer als beim Kokil-
keit ganz erheblich (nähere Informationen s. lenguss, da der »verlorene« Kopf nur ein-
Abschn. 2.7.6.2). mal im Strang vorhanden ist.
– Das Herstellen von endabmessungsnahen
2.3.2.1 Vergießen und Erstarren des Flachprodukten verringert die Umform-
Stahles arbeit in den Walzwerken und erhöht da-
Der flüssige Stahl wird als Standguss in Form mit die Wirtschaftlichkeit.
von Blöcken oder in heutiger Zeit wesentlich
häufiger als Strangguss vergossen. In weni- Strangvergossener Stahl muss beruhigt ver-
gen Fällen ist allerdings der Standguss noch gossen werden, weil die beim unberuhigten
immer erforderlich, z. B. für: Stahl an der Strangoberfläche entstehenden
– Stähle für Bauteile, deren Oberflächen CO-Blasen eine nicht tolerierbare Porigkeit
emailliert werden, müssen sehr kohlen- im Produkt erzeugen würden, die sich nur
stoff- und verunreinigungsarm sein, wie z. sehr aufwändig, d. h. extrem unwirtschaft-
B. die Speckschicht unberuhigter Stähle lich – z. B. mit Flammstrahlen – beseitigen
(moderner ist die Vakuumentkohlung im ließe. Strangguss ist dem Standguss in den
flüssigen oder die Offenbund-Glühung im meisten Fällen überlegen.
festen Zustand),
– hochlegierte Werkzeugstähle, Stähle für hoch beanspruchte Konstruktio-
– spezielle Edelstähle und verschiedene nen werden in zunehmendem Umfang vaku-
NE-Metalle, umvergossen, bzw. sekundärmetallurgisch
– große Schmiedestücke müssen wegen der verarbeitet. Der außerordentlich geringe Ge-
notwendigen Steuerung der Erstarrungs- halt an Gasen, Schlacken und anderen Ver-
vorgänge in besonders geformten Kokil- unreinigungen und ist die Ursache für ihre
len abgegossen werden. her vor ragenden mechanischen Gütewerte
(insbesondere die Schlagzähigkeit).
Bei dem früher üblichen Standguss wird der
Stahl in Kokillen fallend oder steigend ver-
Konverter bzw.
gossen. Je nach dem Sauerstoffgehalt in der Pfanne mit Schmelze
Stahlschmelze, d. h., abhängig von dem Grad
der Desoxidation, unterscheidet man mit den Schmelze
Bezeichnungen der DIN EN 10027 den unbe-
ruhigt FU (U), nicht unberuhigt FN (R beru- Kühlwasser (ein)
higt, die Behandlungsart FU ist in der älte-
ren DIN 17006 unbekannt und entspricht nicht wassergekühlte
dem bisherigen beruhigten Stahl!) und beson- Kupferkokille
ders beruhigt FF (RR) vergossenen Stahl. In
Klammern sind die bisher gültigen Bezeich- Kühlwasser (aus)
nungen nach DIN 17006 angegeben.
Gussstrang
Beim Stranggießen wird die Stahlschmelze
in einer wassergekühlten Kupferkokille als gerichtete
Erstarrung
kontinuierlicher Strang vergossen. In der
Bundesrepublik Deutschland wird etwa 95 % Treibrollen
der Rohstahlproduktion als Strangstahl her-
gestellt. Bild 2-5 zeigt die wichtigste Bauform,
die Bogen-Stranggießanlage. Das Verfahren Strang wird z. B. auf Bogen-
bietet gegenüber dem Standguss eine Reihe Stranggießanlage fortgeführt
und als Vorband, Dünnbram-
wesentlicher Vorteile: me oder Vorbramme auf
– Durch die hohe Abkühlgeschwindigkeit Länge geschnitten

werden homogene, seigerungsfreie, fein- Bild 2-5


körnige Stähle erzeugt. Bogen-Stranggießanlage, schematisch.
132 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

2.3.2.2 Unberuhigt vergossener Stahl; Die geseigerten Werkstoffbereiche eines Halb-


Kennzeichen FU (U) zeugs werden an den Orten an die Oberfläche
Kennzeichen dieser Vergießungsart ist der »gedrückt«, wo die Verformung der Halbzeu-
in der Schmelze hochsteigende CO-Gasstrom, ge durch die Kaliberwalzen am größten war,
der aus der erneuten Reaktion des Kohlen- d. h. im Bereich der kleinsten Verformungsra-
stoffs mit dem FeO entsteht und die Ursa- dien (Hohlkehlen). Daher sind alle Schweißar-
che für die charakteristische Badunruhe des beiten an Profilen aus unberuhigten Stäh-
unberuhigt erstarrten Stahles ist. Als Fol- len (Reparaturen!) in den Hohlkehlen nicht
ge verschiedener komplizierter Vorgänge ist oder nur mit großer Vorsicht durchzuführen.
das Gleichgewicht an der Phasengrenze Ko- Bild 2-6 zeigt Phosphorseigerungen in einem
killenwand/Schmelze gestört. Die primäre Schienen-Profil aus einem unberuhigt vergos-
Erstarrung der Schmelze an den Kokillenwan- senen Stahl.
dungen führt zu sehr kohlenstoff- und verun-
reinigungsarmen Mischkristallen, während 2.3.2.3 Beruhigt vergossener Stahl;
sich die restliche Schmelze im Verlauf der Ab- Kennzeichen (R)
kühlung mit Kohlenstoff und anderen nied- Durch Zugabe von Silicium (und Mn) liegt
rigschmelzenden Verunreinigungen anrei- der Sauerstoff nicht mehr als FeO, sondern
chert. Die Legierungselemente und Verun- als nicht mehr von Kohlenstoff reduzierba-
reinigungen sind beim unberuhigten Stahl res SiO2 abgebunden vor. Die durch das hoch-
im Bereich des Blockrandes und der Block- steigende CO hervorgerufene Badunruhe des
mitte sehr ungleichmäßig verteilt. Diese Ent- unberuhigten Stahles unterbleibt. In dem »ru-
mischung bezeichnet man als Blockseige- hig«, also ohne größere Badbewegungen er-
rung, den entmischten Stahl als geseigert. starrenden Stahl, entstehen nur unwesentli-
Die Gehalte an Phosphor und Schwefel in der che Entmischungen. Der Umfang der Seigerun-
Seigerungszone können drei- bis viermal grö- gen ist demnach gering. Die chemische Zu-
ßer sein als der Durchschnittsgehalt. Diese sammensetzung und damit die Eigenschaf-
Vergießungsart ist heutzutage sehr selten, ten sind über dem Erzeugnisquerschnitt na-
da der größte Anteil des flüssigen Stahls hezu gleich.
strangvergossen wird, Abschn. 2.3.2.1.
Die Folge der blasenfreien Erstarrung in be-
Die saubere, verunreinigungsarme Randzo- ruhigten (nicht strangvergossenen) Stählen
ne wird »Speckschicht« genannt, Bild 2-6. sind größere, meistens zusammenhängende
Schwindungslunker. Werden diese im Block-
walzwerk nicht abgetrennt, dann entstehen
beim Auswalzen im Halbzeug die gefürchte-
ten Dopplungen. Das sind großflächige Werk-
stofftrennungen, die das Walzprodukt prak-
tisch unbrauchbar machen. Dopplungen kön-
nen in strangvergossenen Stählen nicht ent-
stehen.

Die Desoxidationsprodukte (z. B. Mangan-


Silicate) sind vor allem bei hohen Auswalz-
graden die Ursache einer leicht »runzeligen«
Blechoberfläche (»Apfelsinenhaut«, z. B. in der
Automobilindustrie unzulässig), die sich vor
allem bei Tiefziehblechen sehr unangenehm
bemerkbar macht. Diese werden daher aus
unberuhigten, niedriggekohlten (C … 0,05 %),
Bild 2-6 besonders beruhigten oder in heutiger Zeit
Phosphorseigerungen in einem Schienen-Profil aus aus mit sekundärmetallurgischen Methoden
unberuhigtem Stahl. erzeugten Stählen hergestellt.
Abschn. 2.4: Das Eisen-Kohlenstoff-Schaubild (EKS) 133

Abgesehen vom Strangguss muss der Stahl Die Folge ist die Zunahme der Heißrissanfällig-
in den folgenden Fällen beruhigt vergossen keit (Liquation Cracking, s. hierzu auch Ab-
werden: schn. 5.1.3, S. 506) in den Wärmeeinflusszonen
Stahlguss: Fertigteile aus Stahlguss wer- von Schweißverbindungen. Die Reaktions-
den nicht mehr mit Verfahren der Warm- schlacken sind weiterhin die (Haupt-)Ursache
formgebung weiterbehandelt. Die z. B. für für die beim Schweißen der Feinkornbaustäh-
einen unberuhigten Stahl typischen Gas- le entstehenden Terrassenbrüche (s. Abschn.
einschlüsse lassen sich damit auch nicht 2.7.6.1).
mehr beseitigen.
Hartstahl: In den höhergekohlten Stäh-
len (• 0,25 %) und bei Anwesenheit be-
stimmter Legierungselemente ist die gebil-
dete CO-Menge gemäß C¹O konst. so ge-
ring, dass das Gas die Schmelze entgegen
ihrem statischen Druck nicht mehr voll- s
ständig verlassen kann. Diese Rest-CO-
Menge ist durch Beruhigen zu beseitigen, a) b)
im anderen Fall wären Poren bzw. Randbla-
sen im Halbzeug die Folge. Bild 2-7
Entstehung von Werkstofftrennungen in Stählen mit
Legierter Stahl: In diesen Stählen müs-
sehr hohem Einschlussgehalt unter der Wirkung von
sen die Legierungselemente möglichst ho- Schweißeigenspannungen,
mogen verteilt sein, um hinreichend gleich- a) bei einer Stumpfnaht,
mäßige Eigenschaften über den gesamten b) bei einer Kehlnaht.
Querschnitt zu erreichen.
Die möglichen Werkstofftrennungen, die
2.3.2.4 Besonders beruhigt durch Verflüssigen der niedrigschmelzen-
vergossener Stahl; den Reaktionsschlacken entstehen, machen
Kennzeichen FF (RR) sich in der Hauptsache bei den besonders be-
Durch die zusätzliche Zugabe von Alumini- ruhigten Stählen unangenehm bemerkbar.
um (auch andere Elemente wie Titan, Niob, Diese Eigenschaft wird auch als Spaltfreu-
Vanadium werden verwendet) wird der rest- digkeit bezeichnet, Bild 2-7.
liche Sauerstoff zu Al2O3 und der atomare
Stickstoff zu AlN abgebunden. Die Stick-
stoffabbindung reduziert die Auswirkung 2.4 Das Eisen-Kohlenstoff-
der Verformungsalterung (Abschn. 3.2.1.2, Schaubild (EKS)
S. 240), verbessert die Tieftemperaturzähig-
keit und erhöht die Sprödbruchsicherheit. Das Eisen-Kohlenstoff-Schaubild beschreibt
Die AlN-Teilchen wirken über einen kompli- als Gleichgewichts-Schaubild das Umwand-
zierten Mechanismus als Keime, die die Se- lungsverhalten in realen Stahl-Werkstoffen
kundärkorngröße des Stahles (genauer des nur mit begrenzter Genauigkeit. Es gilt an-
Ferrits) wesentlich verringern. Das Ergebnis nähernd nur für die unlegierten Kohlenstoff-
dieser Behandlung sind hochwertige, sehr stähle. Die erhebliche Wirkung der Legie-
verunreinigungsarme, sprödbruchsichere rungselemente und einer größeren Abkühlge-
und gut schweißgeeignete Feinkornbaustäh- schwindigkeit ist nicht erkennbar. Hierfür
le (Abschn. 2.7.6.1). sind die ZTU-Schaubilder (Abschn. 2.5.3) ent-
wickelt worden, die den Einfluss der Abkühl-
Die Zähigkeitseigenschaften werden maßgeb- geschwindigkeit und der Legierungselemente
lich vom Gehalt atomarer Gase beeinflusst. erfassen. Trotzdem ist das Eisen-Kohlenstoff-
Dieser lässt sich vor allem durch eine Vaku- Schaubild ein grundlegendes Hilfsmittel zum
umbehandlung wirksam verringern. Die Men- Abschätzen des Erstarrungs- und Umwand-
ge an Reaktionsschlacken z. B. MnS, Man- lungsverhaltens und für den Praktiker von
gansilicate, Al2O3 u. a. ist dagegen relativ groß. besonderer Bedeutung.
134 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

Mit den in Abschn. 1.6.1, S. 46, besproche- – Zunehmende Abkühlgeschwindigkeit (Bild


nen Grundtypen der Zustandsschaubilder 2-14) und Menge an Legierungselementen
ist das relativ schwer »lesbare« Eisen-Koh- (Bild 2-24) verschieben die Haltepunkte
lenstoff-Schaubild vollständig erfaßbar. z. T. extrem zu tieferen Werten.
– Das Covolumen (das nicht von Atomen
ausgefüllte Volumen der Elementarzel-
le) des a -Fe ist wegen der geringeren Pa-
ckungsdichte größer als das des g -Fe. Es
ist in Form weniger, aber größerer Teilvo-
lumina aufgeteilt, daher ist die Löslich-
keit emk-bildender Legierungselemente
etwa 100 bis 1000 Mal größer als im a -
Gitter. Bild 2-8 zeigt einige wahrschein-
liche Zwischengitterplätze für den Koh-
lenstoff in der krz und kfz Elementarzel-
le des Eisens.
1600
Schmelze + d - MK
d - MK A (1536 ° C)
1500 H B (1493 ° C) Schmelze
J
°C
Bild 2-8 g + d - MK
Abkühl- und Aufheizkurven von reinem Eisen. In den 1400
N (1392 ° C)
Temperatur T

Schmelze + g - MK
Elementarzellen des a - und g -Gitters sind einige Ok-
taederlücken (1) und Tetraederlücken (2) eingezeich- 1300
net. Vgl. hierzu auch Aufgabe 1-2, S. 110.
1200
Die Gitteränderungen von reinem Eisen beim E

Erwärmen bzw. Abkühlen sind schematisch 1100


g - MK (Austenit)
in Bild 2-8 dargestellt. Danach ergeben sich
folgende eigenschaftsbestimmende thermo- 1000
dynamische und werkstoffliche Zusammen-
hänge: 900
G (911 ° C)

– Eisen ändert nach der Erstarrung beim


Abkühlen mehrmals seine Gitterstruktur. 800 a - MK + g - MK + Sekundärzementit
O
Diese Gitterumwandlungen sind die Ursa- M
g - MK S 723 ° C
che für die herausragenden Eigenschaften 700 P
Perlit

des Werkstoffs »Stahl«. Für die Martensit- a - MK


(Ferrit)
a - MK + Perlit Sekundärzementit + Perlit
bildung in Stählen, aber auch für die meis- 600 Q
ten Stahleigenschaften ist die (g  a )-Um- Fe 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 % 2,0
Kohlenstoffgehalt
wandlung der entscheidende Vorgang. Ge-
nauere Hinweise hierzu sind in Abschn. Reineisen
1.4.2.2, S. 34 zu finden. Unlegierte Baustähle (z. B. DIN EN 10025)
– Die beim Erwärmen (Ac) 19) auftretenden
Feinkornbaustähle (z. B. DIN EN 10025-3)
0,1 0,5 Warmfeste Stähle (z. B. DIN EN 10028-2)
Haltepunkte unterscheiden sich von denen
Vergütungsstähle (DIN EN 10083)
beim Abkühlen (Ar) 19). Diese Erscheinung 0,25 0,8
wird als thermische Hysterese bezeichnet, Werkzeugstähle
Bild 2-8. unter- über-
eutektoide Stähle
£ 0,2
Stähle mit guter Schweißeignung

Bild 2-9
19)
A Arrêt Stillstand, c chauffage Erwärmen, Ausschnitt des Eisen-Kohlenstoff-Schaubildes (EKS)
r refroidissement Abkühlen. für metastabile (Fe-Fe3C) Ausbildung des Kohlenstoffs.
Abschn. 2.4: Das Eisen-Kohlenstoff-Schaubild (EKS) 135

– Die Beweglichkeit der Atome (Dif- Untereutektoide Stähle,


fusion) ist dagegen von der Pa- (C ≤ 0,8 %)
ckungsdichte abhängig. Sie ist Ihr Gefüge besteht (z. B. nach einem Normalglühen
im »lockerer« geschichteten a-Fe oder Weichglühen) aus Ferrit und Perlit. Mit zuneh-
größenordnungsmäßig um den mendem Gehalt des harten aus a-MK.en und Fe3C be-
Faktor 100 bis 1000 größer als stehenden Kristallgemisches Perlit (dieser Gefüge-
im dichter gepackten g -Fe. Das bestandteil wird metallkundlich als Eutektoid bezeich-
ist die wichtigste Ursache für die
grundsätzlich höhere thermische g 0,8 ® a + Fe3C = Perlit S4,3 ® g + Fe3C = Ledeburit

Stabilität der kfz austenitischen L3

Temperatur T
Cr-Ni-Stähle (Abschn. 2.8.2.3) S+ g S4,3 S + Fe3C
1
im Vergleich zu den krz ferriti- L1 L2 2
schen Chromstählen (Abschn. g
2.8.2.2). 1
2

Ledeburit
1 g + g + Ledeburit 1 + Ledeburit 1 (= L1) +
a2 g 0,8 Fe3C Sekundärzementit
2 Primärzementit
Der Kohlenstoff ist das wichtigste a3 3 3 3
Legierungselement des Stahles. Er 4 4
P+ Perlit + Ledeburit +
4
Ledeburit (= L) +
Perlit

ist im a-, g - und d-Eisen auf Zwi- Fe3C Sekundärzementit Primärzementit

schengitterplätzen eingelagert. Sei- Fe 0,4 0,8 1,5 2 2,06 3 4 4,3 5 % 6


ne Löslichkeit ist daher sehr be- a b Kohlenstoffgehalt
grenzt. Lediglich das g -Fe kann bis
zu 2,06 % Kohlenstoff lösen, Bild 2- Umwandlungsgefüge der Legierungen L1, L2 und L3:
9, Punkt E, die anderen Ferritmodi- Punkt L1 L2 L3
fikationen weniger als 0,1 %. Kohlen-
1: 1: 1:
stoff liegt in den meisten Stählen
als Fe3C vor, d. h. in der metastabi-
len Form und nicht in der thermody-
namisch beständigsten Form Kohlen- g 0,4 g 1,5 S4,3 g 2,06

stoff. Allerdings ist er in den ferri- 2: 2: 2:


tisch-perlitischen Gusseisensorten,
Abschn. 4.4.2.1, S. 463, als Grafit
anzutreffen.
a2 Fe3C S4,3 ® g 2,06 + Fe3C (= L1)

Technische Eisen-Legierungen 3: 3: 3:
enthalten bis ca. 5 % Kohlenstoff
(Gusslegierungen). Höhere Gehal-
te werden wegen der vollständigen g 0,8
a3 g 0,8 L1 L
Versprödung durch den Zementit
technisch nicht genutzt. Kohlen- 4: 4: 4:

stoff erweitert den g -Bereich, ist P


also austenitstabilisierend, Bild 2-
9, Punkt E und Bild 2-42. a3 P
Schalenzementit
g 0,8 ® a + Fe3C (= P) g 0,8 ® a + Fe3C (= P) g 0,8 ® a + Fe3C (= P)
Die während der Abkühlung ent- Beispiel für die Berechnung der Gefügeanteile mit Hilfe des Hebelgesetzes für Legie-
stehenden Gefügeänderungen sind rung 1 bei Raumtemperatur (die Ausscheidung geringer Mengen Tertiärzementit wurde
nicht berücksichtigt):
in Bild 2-10 für drei ausgewählte b
Perlit (P): a × 100 % = 50 %, Ferrit (F): × 100 % = 50 %
Legierungen L1, L2, L3 dargestellt. a+ b a+ b

Bild 2-10
Die Einteilung der Fe-C-Legierun-
Umwandlungsvorgänge in drei ausgewählten Fe-C-Legierun-
gen kann nach folgenden werkstoff- gen, L1 , L2 , L3 beim Abkühlen. Die Gefügeskizzen sind stark sche-
lich begründeten Überlegungen er- matisiert. Die Indizes in Sx und g y geben den Kohlenstoffgehalt
folgen: dieser Phasen an.
136 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

net, s. Bild 1-66d) nimmt die Stahlfestigkeit 2.5 Die Wärmebehandlung


zu. Stähle mit C … 0,20 % sind wegen ihrer her-
der Stähle
vorragenden Zähigkeitseigenschaften i. Allg.
sehr gut schweißgeeignet, Bild 2-9.
Wärmebehandlungen sind in Anlehnung an
Übereutektoide Stähle, DIN EN 10052 Verfahren oder auch die Kom-
(0,8 % < C ≤ 2,06 %) bination mehrerer Verfahren, bei denen ein
Ihr Gefüge besteht je nach Wärmebehand- Werkstück im festen Zustand einer oder meh-
lung aus Perlit und Sekundärzementit, der rerer Temperatur-Zeit-Folgen und gegebe-
entweder eingelagert (weichgeglüht) oder als nenfalls zusätzlich anderen physikalischen
Schalenzementit (normalgeglüht) vorliegt. In und (oder) chemischen Einwirkungen ausge-
martensitischen Gefügen entsteht der Zemen- setzt wird, um durch gezielte Gefügeänderun-
tit durch Anlassen, in bainitischen Gefügen gen die gewünschten Verarbeitungs- und Ge-
als Folge der Bildungsbedingungen, d. h. der brauchseigenschaften einzustellen. Die fol-
Abkühlung sowie der chemischen Zusammen- genden Werkstoffeigenschaften lassen sich
setzung der Stähle. mit Wärmebehandlungen ändern:
– Erhöhen der Festigkeit oder Verbessern
Diese Stähle sind wegen ihres hohen Kohlen- des Verformungsvermögens (z. B. Härten,
stoffgehalts extrem schlecht schweißgeeig- Normalglühen, Weichglühen).
net. Typische Vertreter sind die Vergütungs- – Beseitigen des Eigenspannungszustandes,
stähle nach DIN EN 10083, Abschn. 2.7.3.1, z. B. Spannungsarmglühen, Normalglü-
und die Werkzeugstähle. hen.
– Beseitigen der Auswirkung einer Kaltver-
Gusslegierungen, formung, z. B. Rekristallisations-, Span-
(2,06 % < C < 5 %) nungsarm-, Normalglühen.
Sie liegen meist im Bereich des Eutektikums – Verändern der Korngröße, z. B. Normal-
Ledeburit, mit einem Kohlenstoffgehalt von glühen, Rekristallisationsglühen.
4,3 %. Mit dem Auftreten des harten, sprö- – Einstellen bestimmter erwünschter Ge-
den Ledeburits ist nicht einmal ein Warmver- fügezustände, z. B. Härten, Normalglühen,
formen mehr möglich. Diese Werkstoffe be- Rekristallisationsglühen.
zeichnet man definitionsgemäß als Gusslegie-
rungen und nicht mehr als Stähle, Bild 2-11. Mit Wärmebehandlungen lassen sich in vie-
Die hochgekohlten, spröden Eisen-Gusswerk- len Fällen zahlreiche Eigenschaften einer ge-
stoffe sind erwartungsgemäß sehr schlecht schweißten Konstruktion ändern, die durch
schweißgeeignet (Abschn. 4.4.2, S. 462). die prozesstechnischen Besonderheiten beim
Schweißen erzeugt wurden:
– Verringern der Härte in den wärmebeein-
flussten (schmelzgrenzennahen) Bereichen
der Schweißverbindung als Folge einer
hohen Abkühlgeschwindigkeit. Die Mar-
tensitbildung und damit die Kaltrissgefahr
wird mit dieser Wärmebehandlung wirk-
sam vermindert (Abschn. 3.5.1.6, S. 276).
– Verbessern der Zähigkeitseigenschaften
der WEZ, wichtig vor allem bei spröd-
bruchbegünstigender Beanspruchung.
– Wirksames Vermindern des (atomaren)
Wasserstoffgehaltes im Schweißgut und
der WEZ.
Bild 2-11
Untereutektisches Gusseisen mit primär in Perlit zer- – Mildern des sprödbruchbegünstigenden
fallenen g -MK.en und Ledeburit II, V = 200:1, 2 % Eigenspannungszustandes.
HNO3. – Vermindern des Bauteilverzuges.
Abschn. 2.5: Die Wärmebehandlung der Stähle 137

Die Wärmebehandlungsverfahren teilt man Solltemperatur ist physikalisch nicht mög-


je nach der Art ihrer Temperatur-Zeit-Ver- lich, wenn das Bauteil durch Wärmeüber-
läufe und ihrer eigenschaftsändernden Wirk- tragung erwärmt wird, Bild 2-12a. Die Fol-
samkeit ein in die zwei Hauptgruppen ge dieser unvermeidbaren Temperaturdif-
ferenzen zwischen Bauteilrand und Bauteil-
Glühen, kern sind rissbegünstigende Eigenspan-
Härten (und Vergüten). nungszustände.
– Mit zunehmendem Legierungsgehalt
Die Glühbehandlungen verändern das Ge- nimmt die Wärmeleitfähigkeit der Stäh-
füge und die Eigenschaften des Werkstoffs le merklich ab. Die Rissanfälligkeit wird
in Richtung des thermodynamischen Gleich- dadurch bei jeder Wärmebehandlung deut-
gewichts. Die Abkühlung von der Wärmebe- lich größer. In kritischen Fällen muss da-
handlungstemperatur muss daher ausrei- her die Erwärmungs- und Abkühlgeschwin-
chend langsam erfolgen. digkeit auf Werte von etwa 30 ’C/h bis
50 ’C/h begrenzt werden.
Beim Härten (Abschn. 2.5.2.1) dagegen wird
der austenitisierte Stahl mit der von seiner Bei Wärmebehandlungen, deren Solltempe-
chemischen Zusammensetzung abhängigen raturen über Ac3 liegen (z. B. Normalglühen,
oberen (bzw. unteren) kritischen Abkühlge- Härten), ist eine ausreichende Haltedauer
schwindigkeit abgekühlt, wodurch das Här- tH für die notwendige Homogenisierung des
tegefüge Martensit entsteht. Austenits wichtig. Sie lässt sich für die Pra-
xis genügend genau mit folgender Beziehung
Ein wichtiges Kennzeichen jeder Wärmebe- abschätzen:
handlung ist die oft sehr genau einzuhalten- tH s
de Temperatur-Zeit-Führung. Sie ist schema- = 20 + . [2-1]
min 2 ◊ mm
tisch in Bild 2-12 dargestellt.
Für eine Werkstückdicke von z. B. s 80 mm
Bei technischen Wärmebehandlungsverfah- ergibt sich danach eine Haltezeit tH von:
ren lassen sich alle den Temperatur-Zeit-Zy- tH (20  40) min 1 h.
klus bestimmenden Größen (Aufheiz-, Ab-
kühlgeschwindigkeit, Haltezeit) hinreichend Erwärmen

genau einstellen, bei der »Wärmebehand- Rand


tR
Kern
tK
Halten
tH
Abkühlen
t ab
Temperatur T

Temperatur T

lung« Schweißen ist das weitgehend unmög- Ac3


Ac3
lich bzw. nicht erwünscht, Bild 2-12. Tempe-
raturänderungen in der Schweißverbindung
sind wirksam nur durch Wärmevor- bzw. tA

nachbehandlungen herbeizuführen, die we-


Zeit t Zeit t
sentlich kürzere »Haltezeit« lässt sich dage- a) b)
gen kaum verändern. Bild 2-12
Temperaturführung beim Wärmebehandeln im weite-
Die Temperatur-Zeit-Führung bei der Wär- ren Sinn, schematisch.
mebehandlung muss werkstoff- und bauteil- a) Temperaturführung bei technischen Wärmebehand-
lungsverfahren (Beispiel für Stahl und einem Ver-
gerecht erfolgen. Aus wirtschaftlichen Grün-
fahren, bei dem die Solltemperatur über Ac3 liegt:
den sollte die Wärmebehandlung möglichst z. B. Normalglühen, Härten): die Haltezeiten tH liegen
rasch erfolgen. In den meisten Fällen sind im Bereich von einigen zehn Minuten, die Aufheiz-
aber aus sicherheitstechnischen Gründen und Abkühlgeschwindigkeiten müssen abhängig
sehr geringe Aufheiz- und bei Glühbehand- vom Verfahren in der Regel sehr genau eingehalten
lungen auch geringe Abkühlgeschwindigkei- werden. Sie sind außer beim Härten meistens sehr
gering.
ten anzuwenden. Folgende Besonderheiten
b) Typische Temperaturführung beim Schweißen: Die
müssen zusätzlich beachtet werden: »Austenitisierungszeiten« (tA) liegen im Bereich von
– Die erwünschte gleichzeitige Erwärmung Sekunden, die Aufheiz- und Abkühlgeschwindigkei-
von Rand und Kern auf die erforderliche ten oft bei einigen 100 K/s.
138 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

2.5.1 Glühbehandlungen – Härteabnahme in der WEZ von Stahl-


schweißverbindungen (»Anlassglühen«).
2.5.1.1 Spannungsarmglühen – Verringern des Gehalts an atomarem Was-
Temperaturdifferenzen innerhalb eines Bau- serstoff, wenn die Wärmebehandlung un-
teils erzwingen örtliche plastische Verfor- mittelbar nach dem Schweißen erfolgt
mungen und damit (Eigen-)Spannungszu- (Abschn. 3.5.1.1, S. 270 und 3.5.1.6).
stände, die zu Verzug, einschneidenden Än- – Beseitigen der Auswirkungen eventueller
derungen der mechanischen Gütewerte des Kaltverformungen (Versprödung, s. Ab-
Werkstoffs oder zu Werkstofftrennungen füh- schn. 1.3.3, S. 18).
ren können (Abschn. 3.3.2, S. 249). Die beim – Abnahme der Empfindlichkeit gegenüber
Schweißen entstehenden zum Teil extremen der Spannungsrisskorrosion.
örtlichen Temperaturdifferenzen erzeugen – Zunahme der Zähigkeit – z. B. der Bruch-
insbesondere bei dickwandigen Konstruktio- zähigkeit – und damit des Risswiderstan-
nen die unerwünschten dreiachsigen Span- des der Konstruktion.
nungen, die eine wesentliche Voraussetzung
für das Entstehen spröder, instabiler Brüche Die Wirksamkeit des Verfahrens beruht auf
(Abschn. 3.4, S. 261) sind. der Abnahme der Festigkeitswerte mit zuneh-
mender Temperatur, Bild 2-13, wodurch der
Spannungsarmglühen geschweißter Bautei- Spannungsabbau durch Plastifizieren im Mi-
le bietet demnach folgende Vorteile: krobereich ermöglicht wird. Nach dem Span-
– Der sprödbruchbegünstigende dreiach- nungsarmglühen bleiben daher im Bauteil
sige Spannungszustand wird wirksam ab- lediglich Eigenspannungen zurück, deren Grö-
gebaut. ße die von der Glühtemperatur abhängige ge-
– Bei hohen Anforderungen an die zulässi- ringe Warmstreckgrenze nicht überschreitet.
gen Toleranzen bei spangebender Bear- Die wichtigste verfahrenstechnische Voraus-
beitung müssen die geschweißten Teile setzung ist daher ein durchgreifendes Erwär-
ebenfalls spannungsarmgeglüht werden. men bei ausreichend hohen Temperaturen.
Das zunächst bestehende Gleichgewicht
zwischen den Druck- und Zug-Eigenspan- Unlegierte C-Mn-Stähle werden zwischen
nungen würde sonst durch Abarbeiten 600 ’C und 650 ’C je mm Wanddicke 2 min
zusammenhängender Werkstoffbereiche durch Flammwärmen, Induktionswärmen
gestört, d. h., das Bauteil verformt sich oder mit Wärmestrahlern spannungsarmge-
während der Bearbeitung. glüht. Die Erwärmungsgeschwindigkeit soll-
te einstellbar und die Ofenatmosphäre mög-
lichst neutral sein.
Zugfestigkeit Rm, Streckgrenze R p0,2

Rm In der Regel werden geschweißte Verbindun-


gen aus un- und (niedrig-)legierten Stählen
Einschnürung Z, Dehnung A

spannungsarmgeglüht. Mit zunehmender Le-


gierungsmenge besteht die Gefahr, dass wäh-
R eH rend der Wärmebehandlung Ausscheidungen
Z entstehen, die die Zähigkeit beeinträchtigen.
A In vanadiumlegierten Stählen können sich
außerdem Wiedererwärmungsrisse (»reheat
Tsp cracking«, Abschn. 4.3.5.5, S. 411) bilden.
Grundsätzlich wird der Spannungsabbau mit
0 100 200 300 400 500 600 ° C 700 zunehmender Temperatur vollständiger, aber
Temperatur T die metallurgische Qualität nimmt tendenzi-
ell ab. Die höherfesten normalgeglühten, ins-
Bild 2-13
Abhängigkeit verschiedener Werkstoffkennwerte von besondere aber die vergüteten Feinkornbau-
der Temperatur, schematisch. Tsp ist die Spannungs- stähle werden aus diesen und anderen Grün-
armglühtemperatur. den zwischen 550 ’C und 580 ’C geglüht.
Abschn. 2.5: Die Wärmebehandlung der Stähle 139

Die Glühdauer ist wie bei allen Wärmebe- Ein örtlicher Spannungsabbau ist möglich,
handlungsverfahren weniger kritisch als die wenn ein ausreichend breiter Werkstoffbe-
Glühtemperatur. Sie ist dem der betreffenden reich erwärmt wird. Für Rundnähte im Kes-
Fertigung zugrunde liegenden Regelwerk sel- und Apparatebau muss die Breite B der
zu entnehmen. Für den Bereich des Kessel- erwärmten Zone betragen:
baus gilt z. B. die von der Erzeugnisdicke [2-2]
B ≥ 5⋅ R⋅ t
(und dem Werkstoff) abhängige Glühdauer,
Tabelle 2-2. R mittlerer Radius des Behälters,
t Wanddicke.
Die nach VdTÜV-Merkblatt 451-03-3 anzu-
wendenden Glühtemperaturen für eine Rei- 2.5.1.2 Normalglühen
he artgleicher Schweißverbindungen sind Als Ergebnis dieser Wärmebehandlung ent-
in Tabelle 2-3 zusammengestellt. steht unabhängig von der thermischen und
Tabelle 2-2 der verarbeitungstechnischen Vorgeschichte
Glühdauer in Abhängigkeit von der Stahlsorte und des Werkstoffs ein neues, sehr feinkörniges Ge-
der Bauteildicke, nach VdTÜV-Merkblatt 451-03/3. füge, das als das »normale« Gefüge jedes um-
wandlungsfähigen Stahles angesehen wird.
Stahlsorte Erzeugnisdicke Glühdauer
Sämtliche durch Härten, Überhitzen, Schwei-
mm min ßen, Kalt- und Warmverformung (Pressen,
Walzen, Schmieden, Stauchen) erzeugten Ge-
unlegierte und ≤ 15 mind. 15
(niedrig-)legierte > 15 bis ≤ 30 mind. 30 füge- und Eigenschaftsänderungen werden
Stahlsorten > 30 ca. 60 damit rückgängig gemacht.

Tabelle 2-3 Abgesehen vom Vergüten (Abschn. 2.5.2), bei


Glühtemperaturen für Schweißverbindungen art- dem i. Allg. noch höhere mechanische Güte-
gleich, nach VdTÜV-Merkblatt 451-03/3 (Auswahl).
werte (Festigkeitswerte und Tieftemperatur-
Stahlsorte Glühtemperatur zähigkeit) erreicht werden (siehe. z. B. Bild
2-18), erzielt man mit dem Normalglühen bei
°C
den unlegierten Stählen hohe Streckgren-
C22.3
520 bis 600 zenwerte verbunden mit hervorragender Zä-
P250GH
higkeit. Diese erwünschten Eigenschaftsän-
P195GH – P235GH – P265GH
520 bis 580 derungen beruhen in erster Linie auf der er-
P295GH – P355GH
zeugten Feinkörnigkeit des Gefüges.
16Mo3 530 bis 620
13CrMo4-5 600 bis 700 Untereutektoide Stähle werden auf Tempe-
10CrMo9-10
raturen erwärmt, die nur wenig über Ac3 lie-
11CrMo9-10
650 bis 750 gen. Das Abkühlen geschieht je nach Werk-
15CrMoV5-10 710 bis 740
stückgröße an ruhender Luft oder mit beweg-
ter Luft. Die Wirksamkeit des Normalglühens
14MoV6-3 690 bis 730
beruht also auf dem zweimaligen Umkörnen
X20CrMoV11-1 720 bis 780 des Gefüges beim Aufheizen a  g und Ab-
12MnNiMo5-5 kühlen g  a. Die beim Erwärmen unvoll-
13MnNiMo5-4 530 bis 590 ständig gelösten Zementitlamellen des Per-
11NiMoV5-3
lits wirken keimbildend und erzeugen so ein
15NiCuMoNb5-6-4 530 bis 620 feinkörniges austenitisches Gefüge, aus dem
Feinkornbaustähle (nach verschiedenen Normen) während der beim Abkühlen stattfindenden
Umwandlung g  a das gewünschte feinkör-
WStE255 nige ferritisch-perlitische Gefüge entsteht.
P275NH
P355NH
WStE380
530 bis 580
Wie bei jeder über Ac3 erfolgenden Wärme-
P420NH behandlung muss ein Wachsen der g -Kör-
P460NH
ner durch:
140 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

– Überhitzen (die Glühtemperatur ist deut- 2.5.2 Härten und Vergüten


lich größer als Ac3 ) und (oder)
– Überzeiten (die notwendige Haltezeit wird 2.5.2.1 Härten
wesentlich überschritten) Nach DIN EN 10052 (DIN 17014) ist Härten
möglichst vermieden werden. eine Wärmebehandlung, bei der von Tempe-
raturen oberhalb Ac3 mit einer Geschwindig-
Da das Normalglühen erhebliche Kosten ver- keit abgekühlt wird, dass oberflächlich oder
ursacht, zum Verzundern des Glühguts führt durchgreifend eine erhebliche Härtesteige-
und aufwändiges Unterbauen geometrisch rung, in der Regel durch Martensitbildung
komplexer bzw. dünnwandiger Bauteile erfor- erfolgt.
dert, wird es in der Praxis nur in begrenztem
Umfang angewendet. Mit zunehmender Abkühlgeschwindigkeit
des Austenits wird die Diffusion der Legie-
Stahl(form)guss wird wegen seiner relativ rungselemente, aber vor allem des Kohlen-
schlechten mechanischen Gütewerte – vor stoffs zunehmend, erschwert. Die Bildung der
allem seiner Zähigkeitseigenschaften – ver- Gleichgewichtsgefüge gemäß dem Eisen-Koh-
bunden mit grobem Widmannstättenschem lenstoff-Schaubild (Bild 2-9) ist nicht mehr
Gefüge fast immer normalgeglüht. Das gilt möglich. Es entsteht abhängig von der Ab-
vorzugsweise für Stahlguss, der geschweißt kühlgeschwindigkeit (also vom Umfang der
wird. Große Schmiedestücke und dickwandi- Diffusionsbehinderung) eine erhebliche An-
ge Walzwerkserzeugnisse, die als Folge einer zahl der verschiedenartigsten Nichtgleichge-
langsamen Abkühlung oder (und) eines zu ge- wichtsgefüge, die z. T. wesentlich härter und
ringen Durchschmiedungsgrades grobkör- spröder, aber auch zäher sein können als die
nig geworden sind, werden ebenfalls normal- Gleichgewichtsgefüge, s. a. Bild 2-14. Mit zu-
geglüht. In besonderen Fällen müssen auch nehmender Abkühlgeschwindigkeit des Aus-
hoch beanspruchte Schweißkonstruktionen tenits entstehen folgende Ungleichgewichts-
des Kessel- und Apparatebaus nach bestimm- gefüge:
ten Behandlungen (z. B. Kaltverformung oder – Perlitische Gefüge mit abnehmender Dicke
Wärmebehandlung bei zu niedrigen Tempe- der Zementitlamellen.
raturen) oder konstruktiven Gegebenheiten – Bainitische Gefüge (oberer, unterer, kör-
(z. B. Wanddicke t • 30 mm) gemäß den Vor- niger Bainit). Diese Gefügeart bildet sich
schriften der Abnahme- und Klassifikations- (allerdings abhängig von der Legierungs-
gesellschaften normalgeglüht werden. Diese art und -menge) im Temperaturbereich
Wärmebehandlung ist aber sehr teuer (hohe zwischen der Perlit- und der Martensitstufe.
Temperatur, Verzundern, Bauteil muss im Aus diesem Grunde wurde es vor allem
Ofen unterbaut werden, großer Verzug). im deutschsprachigen Raum anschaulich
als Zwischenstufe bezeichnet. Die interna-
tionale Bezeichnung für diese Gefügeform
Ar3
a+ g
ist bereits seit längerer Zeit Bainit.
– Martensit.
Temperatur T

Ar1
Ar ’
Ms
Ar B Das Härtegefüge Martensit entsteht nach
Ms unterkritischer Abkühlung (vuk) erstmals bei
Mf
der nur von der chemischen Zusammenset-
Fe 0,5 0,8 % vuk vF vok
zung des Stahles abhängigen Ms-Temperatur
Kohlenstoffgehalt Abkühlgeschwindigkeit vab
zusammen mit bainitischen oder (und) perli-
tischen Gefügen. Oberhalb der oberen kriti-
Bild 2-14 schen Abkühlgeschwindigkeit vok besteht das
Einfluss der Abkühlgeschwindigkeit auf das Umwand-
Gefüge nur noch aus Martensit. Ausführliche-
lungsverhalten eines unlegierten Stahles (0,5 % C). Be-
achte die Verschiebung der Umwandlungstemperatur re Hinweise zu einigen metallphysikalischen
bei der g /a-Umwandlung zu immer tieferen Tempera- Grundlagen der Martensitbildung sind im
turen: Ar3 Æ Ar’ Æ ArB Æ Ms Æ Mf. Abschn. 1.4.2.2, S. 34, zu finden.
Abschn. 2.5: Die Wärmebehandlung der Stähle 141

Das typische Umwandlungsverhalten eines grenze mit einigen hundert K/s, in den auf
unlegierten Stahls ist vereinfacht in Bild 2- Ac1 erwärmten Bereichen ist sie ungefähr
14 dargestellt. Mit zunehmender Abkühlge- eine Größenordnung geringer. In den schmelz-
schwindigkeit werden grundsätzlich die Um- grenzennahen Bereichen der Wärmeeinfluss-
wandlungspunkte zu tieferen Temperaturen zone bilden sich daher in der Regel Ungleich-
verschoben: gewichtsgefüge, die Entstehung von (meis-
tens sprödem) Martensit ist somit leicht mög-
Ar3  Ar’  ArB  Ms  Mf ,
lich, Abschn. 4.1.3.2, S. 318.
wobei Ar3 deutlich stärker fällt als Ar1. Bei
der Abkühlgeschwindigkeit vab • vF bildet sich Die Neigung umwandlungsfähiger Stäh-
demnach ein ferritfreies, sehr feinstreifiges, le, nach einem beschleunigten Abkühlen
im Lichtmikroskop kaum auflösbares perliti- zu härten, bezeichnet man als Härtbarkeit.
sches Gefüge. Vergleichbare Umwandlungsvor- Dieser Begriff enthält die beiden wichtigen
gänge laufen auch in der WEZ von Schmelz- Teileigenschaften
schweißverbindungen aus Stahl ab (s. Abschn. – Aufhärtbarkeit und
4.1.3, S. 310). Der austenitisierte Teil der Wär- – Einhärtbarkeit.
meeinflusszone kühlt abhängig vom Abstand
von der Schmelzgrenze mit sehr unterschied- Die Aufhärtbarkeit ist ein Maßstab für die
lichen Geschwindigkeiten ab: an der Schmelz- nur vom Kohlenstoffgehalt abhängige Höchst-
härte (»Ansprunghärte«), Bild 2-15 (s. a. Bild
3 1-43, S. 37). Diese lässt sich annähernd nach
1000 der Formel berechnen:
2
Härte

HV10
HVmax 930 ¹ C  283. [2-3]
800

1
In der Wärmeeinflusszone einer Schweiß-
600 verbindung aus dem gut schweißgeeigneten
Baustahl S355J2 + N (St 52-3; C O 0,2 %) kön-
400
nen demnach bei einem nur aus Martensit
bestehendem Gefüge (sehr schwer realisier-
200
bar, da die obere kritische Abkühlgeschwin-
digkeit beim Schweißen kaum erreicht wird)
40 Härtewerte von etwa 470 HVmax entstehen.
Vol-%
30 Härterisse und (oder) wasserstoffinduzier-
te Kaltrisse (s. Abschn. 3.5.1.6, S. 276) wä-
Restaustenit

20
ren in diesem Fall nahezu unvermeidbar.
10

0 Die Einhärtbarkeit wird meistens durch


0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 % 1,4 die Einhärtetiefe (ET) und den vom Rand-
Kohlenstoffgehalt abstand einer gehärteten Probe abhängigen
Bild 2-15 Härteverlauf gekennzeichnet. Sie wird über-
Einfluss des Kohlenstoffgehaltes auf die Maximalhär- wiegend von den Legierungselementen, we-
te und den Restaustenitgehalt reiner FeC-Legierun- sentlich weniger vom Kohlenstoff beeinflusst.
gen nach üblicher Härtung (Stähle mit C £ 0,8 %,
Mit zunehmendem Legierungsgehalt der
20 ’C bis 30 ’C über Ac3, Stähle mit C > 0,8 %, 20 ’C
bis 30 ’C über Ac1 ). S. a. Bild 1-43, S. 37. Stähle sinkt die kritische Abkühlgeschwin-
1) Abschrecken aus dem g -Gebiet auf 0 ’C (gesamter digkeit und die Ms-Temperatur, die Folge ist
C-Gehalt ist gelöst!). Mit zunehmendem Gehalt an eine abnehmende Schweißeignung.
Restaustenit fällt die Härte.
2) Abschrecken aus dem (g + Fe3C)-Gebiet auf 0 ’C. Man bezeichnet daher (härtbare) Stähle auch
Die Härte wird überwiegend durch die Martensit-
nach der Höhe ihrer kritischen Abkühlge-
härte bestimmt, weniger durch die eingelagerten
Fe3C-Teilchen. schwindigkeit, d. h. nach dem für eine (voll-
3) Der gesamte C wird im g -MK gelöst. Durch Ab- ständige) Härtung erforderlichen Abschreck-
schrecken unter Mf entsteht 100 % Martensit. mittel als:
142 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

Wasserhärter
(Randhärter oder Schalenhärter)
Unlegierte Stähle, die zum Härten in der Re-
gel in Wasser abgeschreckt werden müssen.
Wegen der sehr hohen kritischen Abkühlge-
schwindigkeit wird nur eine dünne Rand-
schicht von etwa 5 mm Dicke martensitisch.
Ihr Gehalt an Kohlenstoff ist gering, daher
sind diese Stähle in aller Regel gut schweiß-
geeignet, s. a. Aufgabe 2-8, S. 230.

Ölhärter
(Niedrig-)legierte Stähle erlauben das Härten
in Härteölen, die eine deutlich geringere Ab-
schreckwirkung haben. Verzug, Härtespan- Bild 2-17
Mikrogefüge eines niedriggekohlten Lanzettmarten-
nungen und damit die Rissneigung werden
sits, 505 HV 10. Beachte die typische 60 ’- bzw. 120 ’-
geringer. Anordnung der Lanzettpakete! Werkstoff: niedrigle-
gierter Feinkornbaustahl mit 0,03 % Kohlenstoff,
Lufthärter V = 500:1, 3 % HNO3 .
Das sind hochlegierte Stähle, deren kriti-
sche Abkühlgeschwindigkeit im Bereich der Nahezu alle Legierungselemente – vor allem
Abkühlgeschwindigkeit in ruhender oder be- aber der Kohlenstoff – setzen die Ms-(Mf-)
wegter Luft liegt. Bei einem entsprechenden Temperatur (Bild 2-16 und 2-24) und die kriti-
Kohlenstoffgehalt (C • 0,20 % bis 0,25 %) ist sche Abkühlgeschwindigkeit herab (Bild 1-
damit ihre Schweißeignung schlecht bis ex- 38, S. 34). Die Martensitbildung legierter und
trem schlecht. (oder) höhergekohlter Stähle erfordert eine
größere Unterkühlung (Ms tiefer!), anderer-
In dem mit vok abgekühlten Austenit beginnt seits nimmt durch Behindern der Kohlenstoff-
die Martensitbildung bei Ms, bei Mf ist sie diffusion die kritische Abkühlgeschwindig-
beendet. Das Gefüge besteht dann vollstän- keit ab. Bild 2-16 zeigt den großen Einfluss
dig aus Martensit und besitzt seine maxi- des Kohlenstoffgehalts auf die Ms- bzw. Mf-
mal mögliche Härte (und Sprödigkeit!), s. a. Temperatur.
Bild 1-43, S. 37.
Für niedrig- und mittellegierte Stähle kann
800 nach Stuhlmann die Ms-Temperatur annä-
➊ Lanzettmartensit (massiver Martensit)
°C
➋ Plattenmartensit (nadelförmiger Martensit) hernd mit der folgenden Formel berechnet
➌ Lanzett- und Plattenmartensit treten werden, in die die Elemente in Massenprozent
Temperatur T

600
zusammen auf
einzusetzen sind:
400
Ms [’C] 550  350 ¹ C  40 ¹ Mn  [2-4]
200 20 ¹ Cr  10 ¹ Mo  17 ¹ Ni 
10 ¹ Cu  15 ¹ Co  30 ¹ Al.
RT Ms
0
Mf Beispiel 2-2:
- 200 ➊ ➌ ➋ Für den Feinkornbaustahl P690QL mit der Schmel-
zenanalyse 0,19 % C; 0,26 % Si; 0,75 % Mn; 0,70 % Cr;
Fe 0,4 0,8 1,2 1,6 % 2,0 0,38 % Mo; 2,25 % Ni; 0,12 % V ergibt sich nach dem
Kohlenstoffgehalt ZTU-Schaubild, Bild 4-77, S. 398, Ms= 400 ’C.
Die Beziehung nach Stuhlmann, Gl. [2-4], liefert:
Bild 2-16
Einfluss des C-Gehalts auf die Größe der Ms- und Mf- Ms = 550 - 350 ◊ 0,19 - 40 ◊ 0,75 - 20 ◊ 0,70 - 10 ◊ 0,38
Temperatur bei reinen C-Stählen und auf die Ausbil- - 17¹ 2,25 = 398,5 ’C.
dungsformen des Martensits, nach Eckstein. Die Übereinstimmung ist sehr zufriedenstellend.
Abschn. 2.5: Die Wärmebehandlung der Stähle 143

Die Ms-Temperatur kann bei Stählen mit be- Festigkeits-, Zähigkeits- und auch Schweiß-
stimmter Zusammensetzung als Richtgröße eigenschaften sind der Grund für die zu-
für eine werkstofflich begründete Wahl der nehmende Verwendung hochfester niedrig-
Vorwärmtemperatur beim Schweißen dienen gekohlter Stähle für dynamisch hoch bean-
(Abschn. 4.1.3.3, S. 327). spruchte Konstruktionen. Ihr Gefüge be-
steht aus hochangelassenem Martensit
Die mit abnehmendem Kohlenstoffgehalt (Abschn. 2.7.6.3, S. 197). Bild 2-17 zeigt
stark zunehmende Ms-Temperatur, Bild 2- das Mikrogefüge eines niedriggekohlten
16, führt bei niedriggekohlten Stählen schon Martensits, der im Gegensatz zum höher-
während der Martensitbildung zu einem be- gekohlten nadelförmigen Plattenmartensit
grenzten Anlasseffekt (»Selbstanlassen«), des- (Bild 1-45, S. 38) auch als Lanzettmarten-
sen günstige Wirkung (die Martensithärte sit oder massiver Martensit, Bild 2-16, be-
wird nicht reduziert!) aber nicht überschätzt zeichnet wird.
werden darf (Abschn. 4.3.3, S. 398). – Mit zunehmendem Legierungsgehalt sin-
ken die Ms- und Mf-Temperatur, der Rest-
Durch das Selbstanlassen liegt ein (geringer) austenitgehalt nimmt kontinuierlich zu,
Teil des im Martensit gelösten Kohlenstoffs Bild 2-15. Bei den schweißgeeigneten (weil
bereits in Form ausgeschiedener Carbide niedriggekohlten) Stählen ist der Restaus-
vor, Bild 2-17. Das Mikrogefüge des niedrig- tenit relativ bedeutungslos. Die Eigenschaf-
gekohlten Martensits wird daher wegen der ten der Vergütungs- und Werkzeugstäh-
zahlreichen feinsten Carbidausscheidungen le werden aber durch die Anwesenheit die-
»dunkel« angeätzt, im Gegensatz zum hoch- ser sehr weichen Phase sehr stark geschä-
gekohlten, der im Schliffbild wegen der feh- digt, s. Aufgabe 2-4, S. 226.
lenden Carbidausscheidungen wesentlich hel-
ler erscheint. 2.5.2.2 Vergüten
Der gehärtete Stahl ist wegen seiner extre-
Im Vergleich zu hochgekohltem Martensit men Härte (»Glashärte«) und Sprödigkeit
ist der niedriggekohlte deutlich geringer ver- nicht verwendbar. Der zwangsgelöste Koh-
spannt, d. h. sehr viel zäher und deutlich lenstoff kann durch eine Anlassen genann-
weniger rissanfällig: te Wärmebehandlung unter Ac1 erneut diffun-
– Die im Martensit eingelagerte Kohlenstoff- dieren und das tetragonal verspannte Mar-
menge, also die rissbegünstigende Gitter- tensitgitter in Form feinster Carbidausschei-
verspannung, ist geringer. Die günstigen dungen verlassen. Als Folge dieser Wärme-
behandlung nehmen Festigkeit und Härte ab,
100
Prüftemperatur: - 20°C die Zähigkeit z. T. stark zu. Der Martensit
J + 20°C vergütet
wird in Richtung eines gleichgewichtsnähe-
Kerbschlagarbeit (DVM - Probe) K

80
ren Gefüges überführt.

60 Die kombinierte Wärmebehandlung Härten


normal-
und anschließendes Anlassen wird als Ver-
40 geglüht güten bezeichnet.
warm- weich-
gewalzt geglüht
20
Bemerkenswert ist der große Einfluss des Ge-
füges auf die Zähigkeit. Bild 2-18 zeigt deut-
0
lich den Einfluss unterschiedlicher mit ver-
R m: 730 600 700 800 schiedenen Wärmebehandlungen eingestell-
R p 0,2: 380 300 415 540 ter Gefüge auf die Kerbschlagarbeit eines
R p 0,2 /Rm: 0,52 0,50 0,59 0,68 unlegierten Stahles C45E (Ck 45). Die Über-
legenheit des vergüteten Gefüges – selbst im
Bild 2-18
Einfluss des Gefüges (erzeugt mit verschiedenen Wär- Vergleich zum normalgeglühten – in dem die
mebehandlungen) auf einige mechanische Gütewerte Gefügebestandteile extrem fein verteilt vor-
des Stahles C45E (Ck 45), nach Vetter. liegen, ist offensichtlich. Die Feinheit des Ge-
144 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

füges hängt aber in entscheidendem Maße beständigkeit unlegierter Stähle ist dahe
von den Bauteilabmessungen ab, d. h. von gering. In Stählen, die starke Carbidbildne
der Art der wirksamen bzw. technisch mögli- wie z. B. Chrom, Molybdän, Vanadium, Wol
chen Temperaturführung. ram enthalten, scheiden sich bis etwa 400 ’
ebenfalls überwiegend Fe3C-Teilchen au
Die während des Anlassens bei verschiede- Bei weiterer Temperaturzunahme nimmt abe
nen Temperaturen stattfindenden Änderun- die Beweglichkeit der Carbidbildner sowe
gen der mechanischen Gütewerte eines gehär- zu, dass sich die nun thermodynamisch stab
teten Vergütungsstahles werden in Vergü- leren Sondercarbide in sehr feiner, d. h. fe
tungsschaubildern dargestellt, Bild 2-19. Die tigkeitssteigernder Form ausscheiden. Di
für die Bauteilsicherheit wichtigen (Schlag-) ser Vorgang ist mit der Auflösung der berei
Zähigkeitseigenschaften sind nur dann in gebildeten Eisencarbide verbunden. Die seh
vollem Umfang vorhanden, wenn das Gefü- geringe Diffusionsfähigkeit der Carbidbild
ge des Stahls nach dem Härten vollständig ner ist damit die Ursache für die hervorragen
martensitisch ist. Enthält das Vergütungs- de Anlassbeständigkeit und Warmfestigke
gefüge auch nur geringe Mengen anderer Ge- (s. genauer Abschn. 2.7.3) der mit Sonderca
fügebestandteile (Perlit, Bainit und vor al- bidbildnern legierten (Vergütungs-)Stähl
lem Ferrit), dann fällt die Zähigkeit z. T. er- s. Aufgabe 2-3, S. 225.
heblich. Das kann z. B. durch eine unter der
2200
oberen kritischen Abkühlgeschwindigkeit
liegenden Abkühlung oder zu tiefe Härtetem- N
peraturen geschehen. mm2
Zugfestigkeit R m, 0,2%-Dehngrenze R p 0,2

1800
Je nach Werkstoff und gewünschter Kombi-
nation von Festigkeit und Zähigkeit für das 1600
Bauteil liegt die Anlasstemperatur zwischen
Rp0,2 Rm
550 ’C und 650 ’C. Mit dieser Behandlung 1400
wird ein hohes Streckgrenzenverhältnis ver-
bunden mit einer hohen Zähigkeit erreicht, 1200
Bild 2-19.
1000
Die genaue Einhaltung der Anlasstemperatur
ist wesentlich entscheidender als die der An- 800
600 ° C 7
lasszeit, die im Bereich einiger Stunden liegt. 0 100 200 300 400 500

Als Ergebnis einer Vergütung entsteht ein a)


Anlasstemperatur T

– wasservergüteter, 70
– ölvergüteter oder
J
– luftvergüteter Stahl,
Kerbschlagarbeit K

je nachdem, welches Härtemittel verwen- 55

det wurde.
40
Die Betriebstemperatur eines aus einem ver-
güteten Stahl gefertigten Bauteils muss un-
terhalb der Anlasstemperatur liegen. Ande- 25
0 100 200 300 400 500 600 ° C 7
renfalls ist ein von der Zeit abhängiger Fes- Anlasstemperatur T
tigkeitsabfall die Folge, der umso rascher b)

eintritt, je schneller sich der Kohlenstoff aus Bild 2-19


dem Martensitgitter ausscheiden kann. Die Vergütungsschaubild des hochfesten Vergütungssta
les 38NiCrMoV7-3,
große Beweglichkeit des Eisens und vor al-
Wärmebehandlung: 850 ’C/Öl/2 h Anlassen.
lem des Kohlenstoffs ist die Ursache für die a) Verlauf der Festigkeitseigenschaften,
frühe Bildung und Ausscheidung des unle- b) Verlauf der Kerbschlagarbeit (DVM-Probe), nac
gierten Fe3C in gröberer Form. Die Anlass- Vetter.
Abschn. 2.5: Die Wärmebehandlung der Stähle 145

Das Vergütungsergebnis, d. h., die Vergü- versprödung genannt wird. Die Ursache
tungsfestigkeit und die Vergütungszähigkeit sind im ersten Fall Ausscheidungen, im zwei-
hängen von dem beim Härten erreichten Mar- ten Legierungselemente, die sich auf den
tensitgehalt ab. Dieser ist abhängig von der Korngrenzen anreichern (seigern). Vor allem
Einhärtbarkeit, dem Abschreckmedium und sind das Phosphor, aber auch Antimon, Zinn
der Werkstückdicke. Zum Bestimmen des und Arsen. Lange Glühzeiten und (oder) lang-
Martensitgehaltes hat sich in der Praxis der sames Durchlaufen des kritischen Tempera-
Härtungsgrad bewährt. Er ist das Verhältnis turbereiches sind für diese Entmischungs-
der erreichten zur maximal möglichen Här- vorgänge verantwortlich. Bild 2-20 zeigt bei-
te. In dickwandigen Werkstücken ist das ge- spielhaft den sehr großen Einfluss des Phos-
wünschte Härtegefüge im Kern meistens phors auf das Ausmaß der Anlassversprö-
nicht oder nur mit höherlegierten Stählen dung, die durch die starke Zunahme der Über-
einstellbar. Die hier vorliegenden Mischgefü- gangstemperatur nachgewiesen wurde.
ge sind aber in der Regel »anlassfähig«, d. h.,
sie ändern ihre Eigenschaften durch Carbid- Die Anlassversprödung kann durch die fol-
ausscheidungen. Wenn kein voreutektoider genden Maßnahmen beseitigt bzw. ihre Wir-
Ferrit vorliegt, entstehen in der Regel An- kung vermindert werden:
lassgefüge mit zufriedenstellenden Eigen- – Rasches Durchlaufen des kritischen Tem-
schaften. Diese intensiv zeitabhängigen Um- peraturbereichs, der zwischen 450 ’C und
wandlungsvorgänge des Austenits (nicht aber 550 ’C liegt. Bei dickwandigen Schmiede-
die Anlassvorgänge!) lassen sich sinnvoll nur stücken ist diese Maßnahme aber wegen
mit Hilfe der ZTU-Schaubilder beschreiben, der entstehenden erheblichen Abkühlspan-
s. Abschn. 2.5.3. nungen kaum anwendbar.
– Zulegieren von Molybdän oder Wolfram re-
Beim Anlassen, vor allem Chrom-, Chrom- duziert die Anlassversprödung auf ein ver-
Mangan- und Chrom-Nickel-legierter Stäh- nünftiges Maß, ohne sie aber vollständig
le, entsteht im Temperaturbereich um 300 ’C zu beseitigen.
(300 ’C-Versprödung) und 500 ’C (475 ’C-Ver-
sprödung) häufig ein ausgeprägter Zähig-
keitsabfall, der zusammenfassend Anlass- 2.5.3 Die Austenitumwandlung
im ZTU- und ZTA-Schaubild
150

°C Anlasstemp.: 480 °C Die bisher behandelten Zustandsschaubil-


der, also auch das EKS, beschreiben nur die
Übergangstemperatur (Charpy-V) Tü

100
sich gemäß dem thermodynamischen Gleich-
gewicht ergebenden Phasenänderungen. Ei-
50 ne befriedigende Aussage über die Eigen-
schaften der nach einer technischen Wärme-
behandlung mit ihren weit vom Gleichgewicht
0
liegenden Aufheiz- und Abkühlgeschwindig-
650 °C
keiten (z. B. Schweißen, Härten) entstande-
50 nen Umwandlungsgefüge ist also nicht oder
nur ungenau möglich.
100
0 0,01 0,02 0,03 0,04 0,05 % 0,06 0,07 Für eine gezielte Anwendung technischer Wär-
Phosphorgehalt mebehandlungen ist daher eine genaue Kennt-
Bild 2-20 nis der zeit- und temperaturabhängigen Um-
Einfluss des Phosphors auf die Anlassversprödung – wandlungsvorgänge erforderlich. Ähnliches
ermittelt durch Ändern der Tü, Charpy-V-Proben – für
gilt für die austenitisierten Bereiche der Wär-
zwei Anlasstemperaturen bei einem Vergütungsstahl
34CrMo4 mit der mittleren chemischen Zusammen- meeinflusszone von Schweißverbindungen,
setzung: 0,33 % C; 0,20 % Si; £ 0,025 % P; 0,62 % Mn; die extrem hohen »Austenitisierungstempe-
1,09 % Cr; 0,18 % Mo, nach Erhart u. a. raturen« und geringsten Haltedauern ausge-
146 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

setzt waren (Abschn. 4.1.3, S. 310). Die Aus- Die Austenitumwandlung kann je nach der
wirkungen dieser völlig untypischen Wärme- angewendeten Temperatur-Zeit-Führung
behandlungsbedingungen auf die Eigenschaf- eingeleitet werden durch eine
ten der dabei entstehenden Umwandlungs- – kontinuierliche Abkühlung in einem ge-
gefüge sind mit konventionellen Mitteln nur eigneten Abkühlmedium oder durch
schwer nachweisbar. – isothermisches Halten unter der Gleichge-
wichtstemperatur, Bild 1-35.
Für die quantitative Beschreibung des Um-
wandlungsverhaltens muss die temperatur- Daraus ergeben sich je nach Art der in Bild
und zeitabhängige Diffusion des Kohlenstoffs 2-21 dargestellten Temperaturführung für
und der Legierungselemente bekannt sein. die Austenitumwandlung folgende Möglich-
Die Verteilung des Kohlenstoffs in den Gefü- keiten der bildlichen Darstellung:
gebestandteilen ist für ihre Eigenschaften
entscheidend. Die Vorgänge sind aber wegen ZTU-Schaubilder für kontinuierliche
der im festen Zustand bei relativ niedrigen Abkühlung und
Temperaturen ablaufenden (g  a)-Umwand-
lung z. T. sehr kompliziert. Die Folge sind ZTU-Schaubilder für isothermische
leicht unterkühlbare Phasenumwandlungen Wärmeführung.
(sie erfolgen deutlich unterhalb der Gleichge-
wichtstemperatur), die zu einer extrem gro- Die bei der Austenitumwandlung auftreten-
ßen Anzahl unterschiedlichster Umwandlungs- den temperatur- und zeitabhängigen Umwand-
gefügen mit unterschiedlichsten mechani- lungspunkte bzw. -temperaturen werden an
schen Eigenschaften führen. Proben mit sehr geringer Masse dilatome-
trisch oder metallografisch festgestellt. Mas-
Wie das Bild 2-14 exemplarisch zeigt, werden searme Proben sind erforderlich, weil in ih-
mit zunehmender Abkühlgeschwindigkeit nen die notwendigen Temperaturänderun-
die Umwandlungstemperaturen des Auste- gen hinreichend rasch erfolgen müssen. Beim
nits zu tieferen Werten verschoben. Übertragen der aus den ZTU-Schaubildern
entnommenen Informationen auf reale tech-
TA nische Wärmebehandlungen von Bauteilen
Ac 3
mit großer Masse muss man diese Tatsache
berücksichtigen.
Temperatur T

Ac1

Auf Grund unvermeidlicher Messungenau-


igkeiten und von Messfehlern wird als Um-
wandlungsbeginn die Zeit angegeben, nach
T1 der sich 1 %, als Umwandlungsende nach der
T2 sich 99 % des neuen Gefüges gebildet hat.
T3 Um den versuchstechnischen Aufwand zu be-
grenzen, wird außerdem mit folgenden Ver-
einfachungen gearbeitet:
– Die Umwandlungslinie für das Ende der
voreutektoiden Ferritausscheidung wird
vab.1 vab.2 vab.3
nicht angegeben.
Zeit t
– Die Bainitbildung unterhalb der Ms-Tem-
Bild 2-21 peratur wird nicht festgestellt.
Temperaturführung bei der kontinuierlichen und iso-
thermischen Austenitumwandlung in ZTU-Schaubil- Das Ende der Martensitbildung (Mf ) ist in
dern.
den meisten Fällen nur angenähert zu bestim-
a) T1, T2, T3: Austenitumwandlung bei isothermischer
Versuchsführung (T = konst.), men und wird daher i. Allg. nicht angegeben.
b) vab.1 , vab.2 , vab.3 : Austenitumwandlung bei kontinu- Es hat sich in vielen Fällen als zweckmäßig
ierlicher Abkühlung. erwiesen, die Abkühlbedingungen nicht durch
Abschn. 2.5: Die Wärmebehandlung der Stähle 147

die meistens nur ungenau feststellbare Ab- keit) aber gering. Im Temperaturbereich
kühlkurve, sondern durch die Abkühlzeit zwi- zwischen 550 ’C und 650 ’C ist die Unter-
schen 800 ’C und 500 ’C bzw. zwischen Ac3 kühlung ausreichend groß und die Diffu-
und 500 ’C zu beschreiben. Dieser wichtige sionsbedingungen sind noch günstig. Die
Wert wird t8/5 genannt. Umwandlungszeit des Austenits ist hier
also kleiner als bei jeder anderen Tempe-
Die Diffusionsmöglichkeiten und der Diffu- ratur, siehe z. B. Bild 2-24a.
sionsverlauf der Legierungselemente im Die C-Form der Linien für den Umwand-
Werkstoff bestimmen weitgehend die grundle- lungsbeginn ist damit die Folge der diffu-
gende Form und Aussehen dieser Schaubil- sionsgesteuerten Austenitumwandlung
der. Die Phasenumwandlung ist abhängig und charakteristisch für alle ZTU-Schau-
von der mit der Temperatur zunehmenden bilder.
Beweglichkeit der Atome und der Größe der
Unterkühlung. Die Umwandlungsgeschwin- Man beachte, dass die in den ZTU-Schaubil-
digkeit ist das Ergebnis der gegenläufigen dern enthaltenen Informationen durch eine
Wirkung von Diffusion und der Austenitun- bestimmte Versuchstechnik gewonnen wur-
terkühlung: den. Sie sind daher keine x, y-Darstellungen
– Bei hohen Temperaturen ist die Diffusion bzw. grafische Darstellungen im üblichen
groß, die Umwandlungsneigung ist aber mathematischen Sinn, sondern sie sind das
wegen der geringen Größe der »Triebkraft« Ergebnis der für ihre Ermittlung angewen-
Unterkühlung klein. deten Messvorschrift. Gemäß der in Bild 2-
– Bei niedrigen Temperaturen ist die Um- 21 dargestellten Versuchstechnik sind diese
wandlungsneigung wegen der erhebli- Schaubilder, bzw. die auftretenden Umwand-
chen Unterkühlung zwar sehr groß, die lungsvorgänge, also immer in bestimmter
Atombeweglichkeit ( Diffusionsfähig- Weise zu deuten:

1000 Werkstoff: 41Cr4,


°C Ausgangsgefüge: 25 % Ferrit /75 % Perlit,
900 Austenitisierungstemperatur TA: 840 ° C
Temperatur T

TA
800
Ac3
Ac1
38
700 62
8
A P
600
F 50

500
B
400
Ms

300 40
M
200

100
HV 10 720 U3 350 U2 225 U1
0
1 10 102 103 104 s 105
Zeit t

Die kontinuierliche Abkühlung des Austenits gemäß den eingetragenen Abkühlkurven führt zu den Umwandlungsgefügen:
U1: 38 % Ferrit, 62 % Perlit (ferritisch-perlitischer Stahl), 225 HV 10
U2: 8 % Ferrit, 50 % Perlit, 40 % Bainit, 2 % Martensit, 350 HV 10
U3: Rein martensitisches Gefüge (= 100 % Martensit), 720 HV 10

Bild 2-22
Kontinuierliches ZTU-Schaubild des Vergütungsstahles 41Cr4, nach Atlas zur Wärmebehandlung der Stähle.
148 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

– Das kontinuierliche ZTU-Schaubild, be- unten noch erläutert wird) im weitesten Sinn
ginnend bei TA und ausschließlich entlang nutzen. Die Methode soll an Hand von Bild
der eingetragenen Abkühlkurven, 2-22, das die Austenitumwandlung des Ver-
– das isothermische, beginnend bei TA mit gütungsstahles 41Cr4 für drei Abkühlkur-
möglichst rascher Abkühlung (theore- ven zeigt, exemplarisch erläutert werden:
tisch unendlich schnell!) auf die Untersu- – Die Mengenanteile und Arten der Um-
chungstemperatur T1 und ausschließlich wandlungsgefüge. Am Schnittpunkt der
entlang dieser Isothermen in Richtung Abkühlkurve mit der unteren Grenzlinie
zunehmender Zeiten. des gerade durchlaufenen Gefügeberei-
ches ist die prozentuale Menge dieses Ge-
Jeder andere »Ableseversuch« entspricht nicht füges angegeben.
den Messvorschriften und führt zwangsläu- Beispiel, Abkühlkurve B: Das Umwand-
fig zu falschen Ergebnissen. lungsgefüge besteht aus 8 % Ferrit, 50 %
Perlit, 40 % Bainit und 2 % Martensit (nicht
2.5.3.1 ZTU-Schaubilder für ablesbar, ergibt sich aus der Differenz zu
kontinuierliche Abkühlung 100 %!).
Der Werkstoff wird von der Austenitisie- – Die Härte des Umwandlungsgefüges. Sie
rungstemperatur TA nach Maßgabe bestimm- wird am Ende der Abkühlkurve in HV 10
ter Temperatur-Zeit-Kurven abgekühlt. Das oder HRC angegeben.
kann mit technischen Abkühlmedien [z. B. Beispiel: Das gemäß Kurve B entstehende
Härteölen, Wasser, (Press-)Luft] oder mit Gefüge hat eine Härte von 350 HV 10.
der intensiven Wärmeleitung in der Wärme- – Die Ms-Temperatur, die für die werkstoff-
einflusszone einer Schmelzschweißverbin- gerechte Abschätzung der Vorwärmtem-
dung erfolgen. peratur zum Schweißen herangezogen
werden kann.
Eine Ablesung entlang der eingezeichneten Beispiel: Die Ms-Temperatur des Stahles
Abkühlkurven liefert grundsätzliche Informa- 41Cr4 beträgt etwa 360 °C.
tionen zum Umwandlungsverhalten des Stah- – Die Inkubationszeit ti, d. h. die Zeit der ge-
les. Sie lassen sich für Wärmebehandlungen ringsten Austenitstabilität. Sie ist umge-
(auch für den Schweißprozess, wie weiter kehrt proportional der kritischen Abkühl-
geschwindigkeit vok. Für den im Bild 2-22
Ac3 oder 800 °C dargestellten Vergütungsstahl beträgt die
Inkubationszeit ti O11 s. Die Abkühlkur-
800

A
ve C schneidet gerade noch keinen Um-
Temperatur T

P
°C
wandlungsbereich, sondern »taucht« nur
F
in das Martensitgebiet ein. Dieser Tempe-
500 ratur-Zeit-Verlauf entspricht gerade der
B (oberen) kritischen Abkühlung. Es ent-
Ms steht ein rein martensitisches Gefüge.

Begründet durch die Bedürfnisse der Praxis


M werden vor allem für Wärmebehandlungen,
aber auch für Schweißvorgänge, verschie-
dene charakteristische Abkühlzeiten t8/5 an-
0 gegeben, die zu bestimmten Gefügeformen
102 103
1
Km
10
Zeit t
s
bzw. -mengen führen. Sie werden in Bild 2-23
K 30 beschrieben:
Kf – Km (K30, K50 ) ist die längste Abkühlzeit,
Kp
unterhalb der noch 100 % (bzw. 30 %, 50 %)
Martensit gebildet wird. Sie ist damit der
Bild 2-23 oberen kritischen Abkühlgeschwindigkeit
Zur Definition wichtiger Abkühlkennwerte. umgekehrt proportional.
Abschn. 2.5: Die Wärmebehandlung der Stähle 149

– Kp ist die kürzeste Abkühlzeit, oberhalb her früher anschaulich auch als »Zwischen-
der nur Gefüge der Perlitstufe (Ferrit und stufe« bezeichnet). Bainit ist aus diesem
Perlit) gebildet werden. Diese Zeit ist da- Grund (neben Martensit) die typische Ge-
mit der unteren kritischen Abkühlgeschwin- fügeform legierter Stähle.
digkeit umgekehrt proportional.
– Kf ist die längste Abkühlzeit, unterhalb Die Bildfolge 2-24 zeigt schematisch die
der sich kein Ferrit mehr bildet. grundsätzliche Wirkung der Legierungsele-
mente auf den Verlauf der Umwandlungsli-
Die Form der ZTU-Schaubilder (Lage, Art nien und der Art der Umwandlungsgefüge
und Ausdehnung der Gefügefelder), d. h., das an Hand schematischer isothermischer ZTU-
Umwandlungsverhalten ist von allen Fakto- Schaubilder. Mit Hilfe von Darstellungen die-
ren abhängig, die die temperatur- und zeit- ser Art kann das Umwandlungsverhalten be-
abhängige Diffusion des Kohlenstoffs und liebiger Stähle und damit ihr vermutliches
der Legierungselemente beeinflussen. In der Verhalten z. B. bei der »Wärmebehandlung«
Hauptsache sind die folgenden Faktoren zu Schweißen ausreichend genau abgeschätzt
nennen: werden.
– Die Austenitumwandlung wird durch Koh-
lenstoff und Legierungselemente grund- Die Austenitisierungstemperatur TA und die
sätzlich verzögert, d. h. zu längeren Zei- Haltezeit bei TA beeinflussen die Anzahl der
ten und meistens auch zu tieferen Tempe- vorhandenen Keime, d. h. die Korngröße des
raturen verschoben. Die Inkubationszeit Austenits und damit seine Umwandlungsnei-
ti nimmt also zu, d. h. die kritische Ab- gung. Diese Werte sind daher in ZTU-Schau-
kühlgeschwindigkeit nimmt ab. bildern als Referenz anzugeben.
– Die Austenitstabilität wird mit zunehmen-
dem Legierungsgehalt größer. Die Bil- Bild 2-25 zeigt vereinfacht den Einfluss me-
dung von Ferrit und Perlit, die bei hohen tallurgischer und legierungstechnischer Maß-
Temperaturen innerhalb kürzerer Zeiten nahmen (Art und Menge der Legierungsele-
entstehen, wird zu Gunsten des Bainits mente) auf das Umwandlungsverhalten des
zurückgedrängt. Bainit (oberer, unterer, Austenits. Eine sehr genaue Übersicht liefert
körniger) bildet sich bei tieferen Tempe- die Darstellung Bild 2-26. Die ZTU-Schau-
raturen und i. Allg. längeren Zeiten zwi- bilder der zum Schweißen geeigneten Stahl-
schen der Perlit- und Martensitstufe (da- typen sind grau unterlegt.

ti F
Temperatur T

P P P K
F F P P

B B
B
Ms B
M M M M M
Zeit t Zeit t Zeit t Zeit t Zeit t
a) b) c) d) e)

Mit zunehmendem Legierungsgehalt ändert sich das Umwandlungsverhalten des Stahls gemäß den sehr schematischen Umwandlungsschaubildern
a) bis e). Folgende Besonderheiten sind je nach der chemischen Zusammensetzung des Stahles typisch für die Wirkung einer zunehmenden
Legierungsmenge:
Inkubationszeit t i nimmt zu
Bainit und Martensit werden zunehmend bevorzugte, Ferrit und Perlit zurückgedrängte Gefügeformen
M s -Temperatur nimmt ab
Zwischen der Perlit- und Bainitstufe entsteht ein umwandlungsfreier (-träger) Bereich, Teilbild d), e)

Bild 2-24
Allgemeine Wirkung der Legierungselemente auf das Umwandlungsverhalten von Stählen, dargestellt in (iso-
thermischen) ZTU-Schaubildern, sehr vereinfacht. Der Legierungsgehalt nimmt vom Teilbild a) bis e) zu.
150 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

2.5.3.2 ZTU-Schaubilder für tenit in einen aus O 23 % Bainit und O77 %


isothermische Wärmeführung Perlit bestehenden Stahl (= Umwandlungs-
Von der Austenitisierungstemperatur TA wird gefüge) um, der eine mittlere Vickershärte
möglichst rasch (die Austenitumwandlung von O 315 HV besitzt. Die Bainitbildung im
darf nicht schon während des Abkühlens be- unterkühlten Austenit beginnt nach O 6 s,
ginnen!) auf die Untersuchungstemperatur die Bildung des Perlits beginnt nach O 100 s.
T1 abgekühlt und bis zur vollständigen Um- Nach O 7000 s ist die gesamte Austenitum-
wandlung gehalten. Die Umwandlungsnei- wandlung in Bainit und Perlit beendet.
gung kann mit der Umwandlungsgeschwin-
digkeit vum beschrieben werden. Die antreiben- Die isothermische Umwandlung führt bei
de Kraft der Umwandlung ist die Unterküh- diesem Stahl bei einer Temperatur von etwa
lung ' T, s. a. Abschn. 1.4.2, S. 30. 650 ’C in der kürzest möglichen Zeit (unge-
fähr 130 s) zu einem Umwandlungsgefüge,
Das Bild 2-27 zeigt das isothermische ZTU- das aus etwa 5 % Ferrit und 95 % extrem fei-
Schaubild eines Vergütungsstahles 41Cr4 so- nem, d. h. sehr festem, aber auch hinreichend
wie die Gefügemengenkurven und die Här- verformbarem Perlit besteht.
te der Umwandlungsgefüge.
Der Verlauf der Umwandlungslinien in iso-
Im eingezeichneten Beispiel wandelt sich der thermischen und kontinuierlichen ZTU-
von 840 ’C rasch auf 545 ’C abgekühlte Aus- Schaubildern muss prinzipiell ähnlich sein,
da in beiden unabhängig von der Art der Ver-
TA
suchsführung das Diffusionsverhalten des
Ar 3
Ar1 geringe Keimzahl (= grobes Korn) Kohlenstoffs und der Legierungselemente
durch hohe TA, langes Halten, gro-
bes Austenitkorn, C < 0,9 %, Mn, Ni,
beschrieben wird. Trotzdem gibt es grund-
Mo, Cr sätzliche Unterschiede, wie z. B. der gleich-
mäßige Abfall der Ms-Temperatur im Bainit-
Perlitstufe
bereich. Der Grund sind voreutektoide Fer-
Temperatur T

ritausscheidungen und die teilweise Umwand-


große Keimzahl (= feines Korn) durch
niedrige TA, kurzes Halten, feines Aus-
lung in der oberen Bainitstufe, die zu einer
tenitkorn, C > 0,9 % Kohlenstoffzunahme des restlichen Austenits
führen und damit zu einer Abnahme der Ms-
Cr, V, Mo Temperatur, s. Bild 2-22.

C, Cr, Mn, Ni, Mo, hohe TA, Ferritaus- Während einer Austenitumwandlung mit iso-
scheidung in der Perlitstufe
thermischer Wärmeführung ist im Vergleich
Bainitstufe
zu einer kontinuierlichen Abkühlung bei Ti
die maximal mögliche Unterkühlung sofort,
Niedrige TA (Sondercarbide!), Ver-
schlagen des Austenits oberhalb der d. h. schon zu Beginn der Wärmeführung vor-
Bainitstufe handen ('T TA  Ti). Jede Umwandlung bei
Ms einer kontinuierlichen Abkühlung erfolgt al-
C, Mn, Cr, Ni, Mo, V, hohe TA so im Vergleich zur isothermischen Wärme-
Martensit- und Vorausscheidung in der Co, Al
stufe Bainitstufe erniedrigen Ms erhöhen Ms führung abhängig von der Größe der Abkühl-
geschwindigkeit später und in aller Regel bei
Mf
niedrigeren Temperaturen.
Zeit t
2.5.3.3 Möglichkeiten und Grenzen der
Bild 2-25
Wirkung metallurgischer und legierungstechnischer ZTU-Schaubilder
Einflüsse auf die Lage der wichtigsten Umwandlungs- ZTU-Schaubilder beschreiben die Austenit-
linien im ZTU-Schaubild, nach Kroneis. umwandlung bei jedem möglichen Tempe-
Die Pfeilsymbole geben die Richtung an, in der die ratur-Zeit-Verlauf. Sie sind daher für eine
Umwandlungslinien unter der Wirkung des entspre- abschätzende Vorausschau des Werkstoff-
chenden Einflusses verschoben werden. bzw. Umwandlungsverhaltens bei Wärme-
Abschn. 2.5: Die Wärmebehandlung der Stähle 151

behandlungen unverzichtbare Hilfsmittel. – Das ZTU-Schaubild gilt nur für einen be-
Die Genauigkeit der Aussagen hängt von fol- stimmten Stahl. Analysentoleranzen, un-
genden Faktoren ab: terschiedliche thermische und gefügemä-
Schaubild-Typ X1 Y1 Z1

800 800 800


A A A P
°C °C P ° C
P
400 400 400
B B B

M M M
0 0 0
Temperatur T

X2 Y2 Z2

800 800 800


A A A P
F P
° C °C °C
Temperatur T

Temperatur T
F P B
400 400 400
B B
M M
M
0 0 0
1 10 102 103 104 105 s
Zeit t Y3 Z3

800 800
A A
F P P
°C °C
B
400 400
M B
M
0 0
1 10 102 103 104 105 s
Zeit t Z4

800
A P
° C

400
B
M

0
1 10 102 103 104 105 s
Zeit t

Kohlenstoffgehalt L = % Mn + % Cr + % Mo + % V + 0,3 × (% Ni + % W + % Si)

L < 1,7 1,7 < L < 3 3 < L < 10 L > 10

mehr als 0,75 % C X1 Y1 Z1 Z1

0,57% C Z2
Z2
Y2
0,75 % C bis 0,2 % C X2 0,31% C
0,25% C Z3 Z4
Y3

weniger als 0,2 % C X2 Y2 Z4 Z4

Bild 2-26
Charakteristische Grundformen isothermischer ZTU-Schaubilder, dargestellt für unterschiedliche Wirksum-
men L der Legierungselemente, vereinfacht nach Peter und Finkler. Die ZTU-Schaubilder der schweißgeeigneten
Stähle (C £ 0,2 %) und die Felder ihrer Wirksummen sind grau unterlegt.
152 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

ßige Vorgeschichte (z. B. Wärmebehand- Bild 2-22, in dem die Abkühlbedingun-


lungszustand, Erschmelzungs- und Ver- gen für ein dickwandiges zylindrisches
gießungsverfahren, Gefügeanteile, Korn- Bauteil eingetragen sind.
größe, Austenitisierungstemperatur und – Die Austenitisierungsbedingungen in der
-dauer bzw. -Haltezeit, Seigerungen) füh- Wärmeeinflusszone von Schmelzschweiß-
ren zu merklichen Abweichungen. verbindungen weichen extrem von denen
– Das Umwandlungsverhalten wird an Pro- einer technischen Wärmebehandlung ab
ben mit sehr geringer Masse festgestellt. (Abschn. 2.5.3.4).
Die Übertragung auf das Verhalten eines
großen Bauteils ist daher nur begrenzt 2.5.3.4 Anwendbarkeit der
möglich. Der Abkühlverlauf an der Ober- ZTU-Schaubilder auf
fläche und im Kern muss bekannt sein. Schweißvorgänge
Als Folge der erheblichen Unterschiede Die Übertragbarkeit der aus üblichen ZTU-
der Abkühlgeschwindigkeiten entstehen Schaubildern gewonnenen Informationen auf
sehr unterschiedliche Umwandlungsge- die Vorgänge bei der »Wärmebehandlung«
füge. Bild 2-28 zeigt diese Vorgänge ver- durch Schweißprozesse ist nur bei Beachtung
einfacht an Hand des kontinuierlichen einiger schweißtechnischer Besonderheiten
ZTU-Schaubildes für den Stahl 41Cr4, hinreichend genau möglich.

Werkstoff: 41Cr4, Ausgangsgefüge: 25 % Ferrit / 75 % Perlit, Austenitisierungstemperatur TA: 840 °C

Nach Abschrecken von TA auf 545 ° C erfolgt der Umwandlungsbeginn nach


➊ l 6 s: Beginn Bainitbildung, nach
➋ l 100 s: Ende Bainit-, Beginn Perlitbildung, nach
➌ l 7000 s: Ende Perlitbildung, d. h. Umwandlungsende
Härte HV 10
Umwandlungsgefüge: l 23 % Bainit, l 77 % Perlit, Härte: 315 HV 10
0 200 400 600
1000
° C
900
Temperatur T

TA
800 Ac3
Ac1

700
A F P F P
600
B
➊ ➋ ➌
500
B
Härte
400 Ms
M B

300

200
M
100

0
1 10 102 103 s 104 0 20 40 60 80 % 100
Zeit t Gefügeanteil

6s 100 s 7000 s
a) b)

Bild 2-27
ZTU-Schaubild des Stahles 41Cr4 für isothermische Wärmeführung, nach Atlas zur Wärmebehandlung der
Stähle. Siehe auch das kontinuierliche ZTU-Schaubild des gleichen Stahls, Bild 2-22.
a) ZTU-Schaubild,
b) Gefügemengenkurven.
Abschn. 2.5: Die Wärmebehandlung der Stähle 153

Das typische Kennzeichen der Wärmebe- Verteilung der Legierungselemente wird


handlung der WEZ beim Schweißen ist der dadurch verringert.
verfahrensabhängige und damit sehr unter-
schiedliche nicht bzw. schwer reproduzier- Diese Mängel versucht man durch die Auf-
bare Temperatur-Zeit-Verlauf. Im Gegensatz nahme von ZTU-Schaubildern zu beheben,
zu dem einer üblichen Wärmebehandlung die den gesamten thermischen Zyklus des
zeigt er charakteristische Unterschiede: Schweißprozesses berücksichtigen. Sie be-
– Die »Austenitisierungstemperatur« TA in schreiben das reale Umwandlungsgesche-
der Wärmeeinflusszone liegt mehrere hun- hen in der WEZ relativ genau, sind zzt. aber
dert Grad über der Ac3-Temperatur des nur für wenige Stähle verfügbar.
Stahles, s. a. Bild 2-12b. Die Folge ist ein
extremes Kornwachstum, das außerdem Trotz dieser erheblichen Einschränkun-
die Austenitumwandlung verzögert, Bild gen liefern übliche (für die Härtereitechnik
2-25. entwickelten!) ZTU-Schaubilder eine Reihe
– Die »Austenitisierungsdauer« tA und die bemerkenswerter Informationen:
Erwärmungsdauer liegen im Bereich ei- – Bei Kenntnis des Abkühlverlaufes (oder
niger Sekunden. Die Homogenität des näherungsweise der Abkühlzeit t8/5) kann
Austenits, d. h., die für die Austenitum- die Höchsthärte in der WEZ verhältnismä-
wandlung vorausgesetzte gleichmäßige ßig zuverlässig abgeschätzt werden.
– Die bildliche Darstellung des gesamten
800
Kern Umwandlungsgeschehens ermöglicht dem
°C
Rand
Ingenieur eine schnelle »Über-Alles-Über-
sicht« des zu erwartenden Schweißverhal-
Temperatur T

P
600
F
A
tens des Stahles und die Ausarbeitung ei-
B ner erfolgversprechende Schweißtechno-
400 Ms
logie. Diese quantitativ kaum beschreib-
M
baren Informationen sind für den kundi-
200 gen Anwender von großer Bedeutung und
mit anderen Hilfsmitteln nur schwer be-
0
HV 10 720 350
schaffbar.
1 10 10 2 10 3 s 10 4 – Die aus den genannten Gründen nicht
Zeit t
sehr zuverlässig bestimmbaren Gefügear-
t 8/5.Rand = 6 s t 8/5.Kern = 200 s
a)
ten und -mengen sowie die zu erwartende
Höchsthärte in der WEZ geben trotzdem
R verwertbare Hinweise auf eine erfolgver-
600 200 sprechende Schweißtechnologie.
HV 10
– Die Aufhärtbarkeit und Einhärtbarkeit,
Härte HV 10

s
400
K 100 d. h., einige für das Schweißverhalten ent-
200
Das austenitisierte Rundmaterial
wird gleichmäßig abgekühlt. Die
scheidende Eigenschaften lassen sich aus
der Martensithärte und der Inkubations-
t 8/5

unterschiedlichen Abkühlzeiten
0 0 (t8/5.Rand = 6 s, t8/5.Kern = 200 s) zeit ti bzw. der Zeit Km recht zuverlässig
führen zu folgenden sehr unter-
schiedlichen Härten in den Rand- abschätzen.
(R) und Kernbereichen (K): – Die Ms-Temperatur ist bei Stählen mit ei-
R = Randhärte (720 HV 10)
ner bestimmten Zusammensetzung [hö-
K = Kernhärte (350 HV 10) hergekohlte und (oder) höherlegierte Stäh-
b)
le] als werkstofflich begründete Vorwärm-
Bild 2-28 temperatur eine sehr geeignete Größe (Ab-
Einfluss unterschiedlicher Abkühlzeiten t8/5 im Rand- schn. 4.1.3.3, S. 327).
(t8/5. Rand ) und Kernbereich (t8/5. Kern ) dickwandiger Bau-
teile auf die Härte der Umwandlungsgefüge (b), darge-
stellt an Hand des kontinuierlichen ZTU-Schaubilds Mit diesen Informationen lassen sich einige
eines Vergütungsstahls 41Cr4 (a), s. Bild 2-22, S. 147, schweißmetallurgische Probleme bei Stäh-
schematisch. len erkennen und lösen, die
154 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

– leicht aufhärten, z. B. höhergekohlte Ver- Allgemeines Verfahren


gütungsstähle oder Die grundsätzliche Methode der Auswertung
– die zum Herstellen risssicherer Verbindun- ist in Bild 2-29 dargestellt. Sie erfordert die
gen eine aufwändige und ohne diese Schau- Kenntnis eines charakteristischen Tempe-
bilder nicht erkennbare Wärmeführung ratur-Zeit-Verlaufes, der z. B. mit einem Ther-
erfordern: z. B. vergütete (Feinkornbau-) moelement (bzw. einem Temperatur-Zeit-
Stähle, Werkzeugstähle. Schreiber) festgestellt werden kann. Nach
dem punktweisen Übertragen der T-t-Kurve
Die folgenden Verfahrensvarianten werden in das ZTU-Schaubild, können Gefügeart und
in der Praxis für die vorgenannten in der Re- -menge (10 % Ferrit, 15 % Perlit, 60 % Bainit,
gel sehr schlecht schweißgeeigneten Stähle 15 % Martensit) und die Härte des in der WEZ
verwendet. entstandenen Gefüges (35 HRC) abgelesen
werden.
Th

Isothermisches Schweißen
Risssicherheit und ausreichende Zähigkeit
Tmax
der WEZ sind für die Bauteilsicherheit ent-
scheidende Eigenschaften. In den meisten
Fällen ist die Entstehung rissanfälliger und
TA Ac 3 (oder) spröder Zonen durch ein Vorwärmen
Ac 3
Ac 1 der Fügeteile vermeidbar. Die Wirksamkeit
F dieses Verfahrens besteht in der Verringe-
10
15
P rung der Abkühlgeschwindigkeit. Mit Hilfe
der ZTU-Schaubilder lassen sich die zu ergrei-
Temperatur T

B
fenden Maßnahmen aber sehr viel einfacher
tH
M
60
erkennen.
HRC 35

a)
Zeit t
b)
Umwandlungszeit log t Bild 2-30 zeigt das kontinuierliche ZTU-
Schaubild eines schlecht schweißgeeigneten
Aufheizen Abkühlen
Vergütungsstahles. Ein Schweißen ohne Vor-
GW ® g g ® U wärmung (Abkühlkurve 1) erzeugt ein nahe-
Temperatur T
Temperatur T

zu vollständig martensitisches Gefüge mit


GW einer Härte über 500 HV (s. a. Bild 1-43).
Rissbildung in der WEZ ist damit unvermeid-
Zeit t g U Zeit t
lich. Andererseits verringert ein Vorwärmen
c) d) auf 380 ’C (Kurve 2) bei einer Ms-Tempera-
Eigenschaften der beim Schweißen austenitisierten Bereiche der WEZ tur von etwa 350 ’C zwar den Martensitan-
nach der Umwandlung g ® U (Teilbild b): teil und die Härte, die Rissanfälligkeit als
Härte: 35 HRC Folge des spröden hochgekohlten Martensits
Gefüge der WEZ besteht aus: 10 % Ferrit, 15 % Perlit,
60 % Bainit, 15 % Martensit
bleibt aber weitgehend bestehen. Bei Kennt-
nis des Umwandlungsverhaltens des Stah-
Bild 2-29 les ist die Wärmeführung gemäß Abkühlkur-
Näherungsweises Bestimmen einiger Kennwerte (Här-
ve 3 am sinnvollsten. Das Halten bei der
te, prozentuale Mengenanteile der einzelnen Gefüge-
sorten) der WEZ von Schmelzschweißverbindungen über Ms liegenden Vorwärmtemperatur wäh-
mit Hilfe üblicher, konventioneller (kontinuierlicher) rend der gesamten Schweißzeit bietet folgen-
ZTU-Schaubilder, schematisch. de Vorteile:
a) Der gemessene Temperatur-Zeit-Verlauf beim Schwei- – Die zähen austenitisierten bzw. in Bainit
ßen wird in das umgewandelten Bereiche der Wärmeein-
b) ZTU-Schaubild des Stahles punktweise übertra-
flusszone bauen die Eigenspannungen
gen.
c) Umwandlungsvorgänge in der WEZ während der durch Plastifizieren gewöhnlich leichter
Aufheizphase und der ab als der wenig verformbare, d. h. wenig
d) Abkühlphase. schweißgeeignete Grundwerkstoff.
Abschn. 2.5: Die Wärmebehandlung der Stähle 155

– Das Gefüge der Wärmeeinflusszone be- austenitisierte Werkstoff kann die entstehen-
steht nach der Umwandlung (etwa 10 bis den Schweißeigenspannungen durch Verfor-
12 min, Zeit tz in Bild 2-30) vollständig men abbauen und damit die Rissneigung er-
aus dem wesentlich besser verformbaren heblich verringern. Bei Verwendung artglei-
und weniger rissanfälligen Bainit. cher (!) Zusatzwerkstoffe ist das Werkstück
nach dem Abkühlen oder einem erneuten Aus-
Stufenhärtungsschweißen tenitisieren mit anschließendem Härten und
Dieses Verfahren wurde zum Schweißen der Vergüten rissfrei und vorschriftsmäßig wär-
extrem schlecht schweißgeeigneten Werk- mebehandelt.
zeug- und Vergütungsstähle entwickelt. Es
setzt allerdings ein spezielles Umwandlungs- 2.5.3.5 ZTA-Schaubilder
verhalten des Austenits voraus, das aus Bild Ähnlich wie die Art der Abkühlung beein-
2-24d erkennbar ist. Die für diese Technolo- flusst auch der Temperatur-Zeit-Verlauf beim
gie entscheidende Voraussetzung ist die Exis- Aufheizen des Stahles den Ablauf und das
tenz eines umwandlungsfreien Bereichs zwi- Ergebnis der Austenitbildung. Die dabei statt-
schen der Perlit- und der Bainitstufe. Wäh- findenden werkstofflichen Änderungen las-
rend des Aufenthaltes in der umwandlungs- sen sich in den Zeit-Temperatur-Austeniti-
trägen Zone kann verhältnismäßig sicher ge- sierungs-Schaubildern (ZTA) sehr anschau-
schweißt werden. lich beschreiben.

Das auf Härtetemperatur erwärmte Werk- Die daraus ableitbaren Informationen las-
stück wird auf die etwa zwischen 500 ’C und sen sich in folgenden Teilschaubildern dar-
550 ’C liegende Stufentemperatur abgekühlt stellen:
und während der gesamten Schweißdauer – ZTA-Schaubilder, sie zeigen in Abhängig-
bei dieser Temperatur gehalten. Der zähe, keit von der Aufheizgeschwindigkeit bzw.
der Haltezeit die Eigenschaften des Aus-
900 tenits (z. B. Korngröße, Grad der Homo-
° C genität) und den Verlauf der Austenitauf-
lösung;
Temperatur T

800
F
– ZTA-Kornwachstum-Schaubild;
P
700 – ZTA-Abschreckhärte-Schaubild;
Ac3
– ZTA-Martensitbeginn-Schaubild;
600 – ZTA-Carbidauflösung-Schaubild.
g WEZ ®
500
U
Die Austenitauflösung wird vor allem durch
Carbide – besonders wenn sie kohlenstoffaf-
Tp = 380 ° C
B fine Legierungselemente enthalten – stark
400
Tp verzögert. Die gewünschte Homogenität des
Ms Austenits, d. h., die gleichmäßige Verteilung
300
des Kohlenstoffs und der Legierungselemen-
te in den geseigerten Bereichen lässt sich
200 demnach erst nach sehr langer Haltedauer
erreichen. Häufig sind die hierfür erforder-
100 lichen Zeiten so groß, dass nicht der metall-
M 1 2 3 kundlich homogene, sondern nur der tech-
0 nisch homogene Austenit erreichbar ist.
1 10 102 t z 10
3
104 s 105
Zeit t
Außer der chemischen Zusammensetzung
Bild 2-30
bestimmt auch das Ausgangsgefüge und des-
Einfluss der Vorwärmtemperatur Tp auf die Art des
Umwandlungsgefüges in der WEZ beim isothermi- sen Korngröße das Austenitisierungsverhal-
schen Schweißen eines Vergütungsstahles mit 0,25 % ten. Ein Ungleichgewichtsgefüge (Martensit,
Kohlenstoff und 5 % Chrom, nach Cabelka. Bainit) wandelt bei sonst gleichen Bedin-
156 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

gungen schneller und bei niedrigeren Tempe- dern zusätzlich zu den mit A gekennzeich-
raturen in Austenit um als ein gleichgewichts- neten Umwandlungstemperaturen weitere
nahes. Die im Ungleichgewichtsgefüge ge- mit dem Index »c« (c chauffage; Erwärmen,
speicherte höhere Energie ist Ursache und siehe Fußnote 19, S. 134) gekennzeichnete
treibende »Kraft« dieser beschleunigten Aus- verwendet:
tenitauflösung. Ac1b Temperatur, bei der die Bildung des
Austenits beginnt (es liegt noch 1 %
Die Austenitbildung während des Erwärmens Austenit vor).
lässt sich durch eine kontinuierliche oder iso- Ac1e Temperatur, bei der die Bildung des
thermische Temperaturführung erreichen. Austenits endet (es liegen noch 1 %
Daraus ergeben sich die folgenden Typen der Carbide vor).
ZTA-Schaubilder: Accm Temperatur, bei der die Auflösung des
Zementits im Austenit übereutektoi-
Kontinuierliche ZTA-Schaubilder, der Stähle endet.
sie beschreiben die Wirkung unterschied- Acc Temperatur, bei der die Auflösung von
licher Aufheizgeschwindigkeiten auf die Carbiden im Austenit legierter Stäh-
Vorgänge während der Austenitbildung le endet.
(z. B. Schweißen, Randschichtkurzzeit-
härten, Induktionshärtung). Der sich nach Einstellung des thermodyna-
mischen Gleichgewichts ergebende Existenz-
Isothermische ZTA-Schaubilder, bereich des Austenits wird durch das Eisen-
sie sind für Wärmebehandlungen wesent- Kohlenstoff-Schaubild dargestellt, Bild 2-9.
lich wichtiger. Mit ihnen ist die zeitabhän- Dieses Schaubild wird mit Proben ermittelt,
gige Austenitbildung bei einer konstan- die »unendlich langsam« (etwa 3 K/min) auf
ten (isothermischen) Erwärmungstempe- die Solltemperatur erwärmt werden.
ratur darstellbar.
Isothermische ZTA-Schaubilder
Nach dem Eisen-Stahl-Prüfblatt 1680 wer- In rasch auf die Untersuchungstemperatur
den in diesen Ungleichgewichts-Schaubil- aufgeheizten Proben (vAuf O 130 K/s) wird der
Ablauf der Austenitbildung abhängig von der
1000
720 HV 760 HV
Haltezeit im Austenitbereich festgestellt. Bild
°C 2-31 zeigt das isothermische ZTA-Schaubild
950
700 HV
eines Stahles C45E (Ck 45). Im Bereich des
Temperatur T

inhomogenen Austenits sind zusätzlich Li-


Ac3 g inhom g hom nien gleicher Härte eingetragen. Sie wur-
900
den mit Proben ermittelt, die durch schnel-
Ac1e
les Abkühlen in Martensit umwandelten. Je
850 größer die Härte, umso größer ist daher die
Ac1b a+ g im Austenit gelöste Kohlenstoffmenge, d. h.
800 auch seine Homogenität.
a + g + M3C
Das folgende Beispiel verdeutlicht die mit
a + M3C
diesen Schaubildern mögliche Auswertung.
700 In einer mit vAuf O 130 K/s auf 800 ’C aufge-
0,1 1 10 102 103 104 s 105 heizten Probe beginnt nach etwa 0,4 s die Aus-
Zeit t tenitbildung (Ac1b), Bild 2-31. Nach 9 s sind
Bild 2-31 die Carbide gelöst (Ac1e) und das Gefüge be-
Isothermisches ZTA-Schaubild eines Stahles C45E steht nur noch aus Ferrit und Austenit. Nach
(Ck 45). Die gestrichelte Linie trennt die Bereiche des
etwa 1600 s wird Ac3 überschritten, d. h., das
inhomogenen (g inhom ) und des homogenen (g hom ) Auste-
nits. In Bereich des inhomogenen Austenits sind Linien Gefüge besteht aus inhomogenem Austenit,
gleicher Härte von Proben angegeben, die in Salzwas- der nach einem Abschrecken nur eine Marten-
ser abgeschreckt wurden, nach Hougardy. sithärte von 720 HV aufweist. Der sich nach
Abschn. 2.6: Festigkeitserhöhung metallischer Werkstoffe 157

10 000 s bildende homogene Austenit hat den Die Umwandlungspunkte werden mit zuneh-
maximalen Gehalt an gelöstem Kohlenstoff mender Aufheizgeschwindigkeit vAuf zu höhe-
und daher auch die maximal mögliche Här- ren Temperaturen verschoben, weil sich nach
te von 760 HV. den Diffusionsgesetzen eine geringe Zeit nur
durch eine erhöhte Temperatur ausgleichen
Bei technischen Wärmebehandlungen wird lässt. In dem z. B. mit vAuf 100 K/s aufgeheiz-
daher wegen der gleichmäßigen Verteilung ten Wälzlagerstahl 100Cr6 beginnt über 790 ’C
der Legierungselemente d. h. der größeren die Austenitbildung und ist bei etwa 870 ’C
Gleichmäßigkeit des Gefüges und damit der abgeschlossen. Die höchste Härte von etwa
mechanischen Eigenschaften in den meisten 900 HV ergibt sich nach einem Austenitisie-
Fällen ein homogener Austenit angestrebt. ren bei ungefähr 980 ’C. Das Gefüge besteht
Die Austenitisierungsbedingungen müssen aus Martensit und eingelagerten Carbiden.
allerdings so gewählt werden, dass es nicht
zu der sehr unerwünschten Vergröberung Der unerwünschten Vergröberung des Aus-
des Kornes kommt. Das wird mit ZTU-Schau- tenitkorns bzw. der Korngröße des Umwand-
bildern erreicht, in denen Linien gleicher lungsgefüges kann wirksam durch Begren-
Korngröße eingetragen sind. Mit diesen Anga- zen der Austenitisierungstemperatur, vor al-
ben lassen sich Wärmebehandlungsparame- lem aber mit Hilfe nicht gelöster Partikel in
ter wählen, mit denen eine gewünschte Auste- der Matrix (z. B. Carbide, Nitride), begegnet
nitkorngröße sicher einstellbar ist. werden.

Kontinuierliche ZTA-Schaubilder
Die von der im Allgemeinen großen Aufheiz- 2.6 Festigkeitserhöhung
geschwindigkeit abhängigen werkstofflichen metallischer Werkstoffe
Vorgänge bei der Austenitumwandlung sind
z. B. bei der Induktionshärtung und bei den 2.6.1 Prinzip der
meisten Schweißprozessen von Bedeutung, Festigkeitserhöhung
Bild 2-32.
Für das Verständnis der Wirkungsweise der
Aufheizgeschwindigkeit vAuf (K /s):
festigkeitserhöhenden Mechanismen sind
2400 1000 300 100 30 10 3 1 0,22
1300 Kenntnisse der metallphysikalischen Vor-
°C Acc gänge während der plastischen Verformung
1200 und deren Auswirkungen auf die Werkstoff-
Temperatur T

g inhom g hom eigenschaften von Metallen erforderlich. Die


Fähigkeit metallischer Werkstoffe, sich unter
1100
HVAb: der Wirkung äußerer Spannungen zu verfor-
750 men, ist für die spanlosen Fertigungsverfah-
g + Carbide
1000 ren (Walzen, Pressen, Schmieden, Stauchen,
Ac1e
Ziehen) besonders wichtig. Für die Funktions-
900
850 sicherheit geschweißter Bauteile ist außerdem
900 die Eigenschaft Zähigkeit »lebensnotwendig«,
Ac1b 700
800 a + g + Carbide weil kurzzeitige, örtlich begrenzte Überlas-
tungen durch plastische Verformungen un-
a + Carbide
700
wirksam gemacht werden können.
0,1 1 10 102 103 s 104
Zeit t Der Beginn der Versetzungsbewegung (Ab-
schn. 1.2.2.1, S. 7) bedeutet, dass die Bean-
Bild 2-32
Kontinuierliches Abschreckhärte-ZTA-Schaubild des
spruchung im Werkstoff die Streckgrenze
Wälzlagerstahles 100Cr6. örtlich erreicht hat. Damit beruht der prinzi-
HVAb = Härte von Proben, die von Temperaturen im Aus- pielle Wirkmechanismus jeder Maßnahme,
tenitgebiet in Salzwasser abgeschreckt wurden (= Ab- die die Festigkeit metallischer Werkstoffe er-
schreckhärte). höht, auf folgenden Grundtatsachen:
158 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

Die Versetzungen müssen blockiert bzw. ihre 2.6.2 Abschätzen der maximalen
Bewegung erschwert werden. Hierfür ste- Festigkeit
hen eine Reihe unterschiedlich geeigneter
Methoden zur Verfügung: 2.6.2.1 Theoretische Schubfestigkeit
Die zum plastischen Verformen eines idea-
Kaltverfestigung: len Gitters erforderliche kritische Schubspan-
Die Versetzungsdichte wird erhöht: Ver- nung tmax kann angenähert aus den Bindungs-
setzungshärtung. kräften der Atome im Gitter berechnet wer-
Mischkristallverfestigung: den. Bild 2-33 zeigt schematisch die geomet-
Die Versetzungsbewegung wird durch ge- rischen Einzelheiten der Ermittlung.
löste Atome erschwert.
Ausscheidungshärtung: Das Verschieben der Atomebene I über II
Die Versetzungsbewegung wird durch erfordert die Schubspannung t, deren Ver-
Teilchen erschwert: Teilchenhärtung. lauf in erster Näherung sinusförmig ange-
Korngrenzenhärtung: nommen werden kann 20).
Die Versetzungsbewegung wird durch die
x 2π x
Hindernisse »Korngrenzen« erschwert. t = G ◊g O G ◊ O t max ◊ . [2-5]
Martensithärtung: b a
Die Versetzungsbewegung wird durch Nach dem Hookeschen Gesetz gilt weiter-
übersättigte Mischkristalle und hohe Ver- hin:
setzungsdichte erschwert: Versetzungshär-
tung und Mischkristallverfestigung. 2π x 2π x
t = t max ◊ sin O t max ◊ . [2-6]
Thermomechanische Behandlung: a a
Die Versetzungsbewegung wird durch die
a
Ausscheidungs- und Versetzungshärtung Mit b = ◊ 3 folgt aus Gl. [2-5]:
erschwert. 2
G a G 1 G G
t max = ◊ = ◊ O ... . [2-7]
Die technische Nutzung der hier vorgestell- 2π b π 3 8 10
ten festigkeitssteigernden Methoden wird
durch deren additive Wirkung (d. h. die ge- Für Eisen-Einkristalle ergibt sich z. B. da-
samte Festigkeitssteigerung ist die Summe raus mit G 118 000 N/mm2 in der [111]-
der einzelnen beteiligten festigkeitserhöhen- Richtung:
den Mechanismen!) sehr erleichtert.
t max O 12 000 N/mm2 bis 14 500 N/mm2 ,

Bild 2-33
Zur Ableitung der theoretischen (maximalen) Schub-
festigkeit eines idealen Gitters.

20)
Um das Atom 1 (Bild 2-33) der Atomebene I in Bild 2-34
den Zustand 1’ zu bringen, muss die Schubspan- Abhängigkeit der Spannung s von der Verschiebung
nung t den skizzierten annähernd sinusförmigen z bei Änderung des Abstandes zwischen zwei Atomen,
Verlauf haben. nach Dieter, s. a. Bild 1-3a, S. 4.
Abschn. 2.6: Festigkeitserhöhung metallischer Werkstoffe 159

während bei realen (technischen) Eisenwerk- Daraus ergibt sich mit Gl. [2-10] die theoreti-
stoffen Werte von etwa 20 N/mm2 gemessen sche Kohäsionsfestigkeit der Metalle ange-
werden. Man erkennt, dass die theoretische nähert zu:
Schubspannung etwa um den Faktor 100 bis E ◊g
1000 größer ist als die gemessene, d. h. die smax = . [2-12]
tatsächlich vorhandene. Diese erhebliche Ab- a
weichung von den theoretischen Voraussagen Für Eisen- bzw. Stahlwerkstoffe ergibt sich
lässt sich mit der Anwesenheit bestimmter z. B. smax mit E 21¹106 N/cm2, a 3¹108 cm
Gitterstörstellen – hauptsächlich Versetzun- und g 102 N/cm ein Wert von smax O E/8.
gen – und verschiedener rissähnlicher De-
fekte in realen Metallen erklären. Als grober Schätzwert wird für Metalle ge-
wöhnlich angenommen:
2.6.2.2 Theoretische Kohäsionsfestigkeit E
Der Gleichgewichtsabstand zwischen zwei smax O . [2-13]
Atomen a lässt sich durch Aufbringen einer 10
äußeren Spannung s vergrößern, Bild 2-34.
Die Form und Aussehen der Kurve ist das
Ergebnis der anziehenden und abstoßenden 2.6.3 Methoden zum Erhöhen der
Kräfte zwischen den Atomen, Bild 1-3, S. 4. Festigkeit
Die Atombindung wird bei Erreichen der the-
oretischen Kohäsionsfestigkeit smax zerstört. 2.6.3.1 Kaltverfestigung
Eine weitere Vergrößerung der Verschiebung Im weichgeglühten Zustand beträgt die Ver-
z bzw. x führt dann zu einer Abnahme der setzungsdichte (das ist die Gesamtlänge der
Spannung. Versetzungslinien in jedem cm3 Werkstoff)
106 cm/cm3 bis 108 cm/cm3. Je nach dem Grad
Die theoretische s-z-Kurve lässt sich ange- der Kaltverformung erhöht sich die Verset-
nähert in Form einer Sinusfunktion darstel- zungsdichte auf 1010 cm/cm3 bis 1012 cm/cm3
len. Für hinreichend kleine Verschiebungen (Abschn. 1.3.3, S. 18, Verfestigung). Die Fol-
x z - a, d. h. sin x O x, gilt dann: ge der steigenden Versetzungsdichte ist eine
zunehmende Behinderung der Versetzungs-
2π x 2π x
s = smax ◊ sin O smax ◊ . [2-8] bewegung, d. h., die für eine plastische Verfor-
l l mung erforderliche Schubspannung nimmt
Nach dem Hookeschen Gesetz ist: ständig zu. Die Festigkeit und Härte steigen
x (Kaltverfestigung!), und die Verformungs-
s = E◊e = E◊ . [2-9] bzw. Zähigkeitskennwerte nehmen erheblich
a ab, Bild 2-35.
Daraus ergibt sich smax zu:
Rm
s ◊l E◊l
smax = = . [2-10]
2π x 2πa
Kerbschlagarbeit K
Zugfestigkeit R m

Die durch die Zerstörung der atomaren Bin-


Dehnung A

dungen entstehenden Bruchflächen erfor-


dern für ihre Bildung die Oberflächenener-
gie der Größe U 2¹g. Sie wird durch die Flä-
che unter der s-z-Kurve repräsentiert, sie- A, K
he Gl. [2-11]:
a + l/2
2π x
Ú
2 ◊ g = smax ◊ sin
a
l
dx
Bild 2-35
Kaltverformungsgrad j

a + l/2 Einfluss der Kaltverformung (j) auf Zugfestigkeit


l 2π x smax (Rm) und Zähigkeitseigenschaften (A, K) metallischer
= - smax ◊ ◊ cos = l◊ .
2π l a π Werkstoffe, schematisch.
160 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

Diese Methode wird üblicherweise für NE- verteilt, sondern es entstehen praktisch im-
Metalle angewendet, bei Stahl ist sie wegen mer bestimmte »nicht zufällige« Atomanord-
der damit verbundenen erheblichen Abnahme nungen (Abschn. 1.6):
der (Schlag-)Zähigkeit weniger gebräuchlich. – Die Atome liegen gehäuft und geordnet
Außerdem wird beim Schweißen der über die bzw. gehäuft und ungeordnet in bestimm-
Rekristallisationstemperatur erwärmte Be- ten Gitterbereichen vor: Zonenbildung
reich der Wärmeeinflusszone durch Rekris- oder einphasige Entmischung mit geord-
tallisationsvorgänge entfestigt. Die Ent- neter Konzentration der gelösten Atome
festigung nimmt mit der Höhe der Kaltver- oder Clusterbildung mit ungeordneter
formung, der Glühtemperatur und der Ver- Konzentration der gelösten Atome. Die-
weilzeit zu, beim Schweißen mit der Größe se Form der Atomanordnung findet man
des Wärmeeinbringens Q und der Vorwärm- vorwiegend als Vorausscheidungszustän-
temperatur Tp. de bei der Ausscheidungshärtung nach
einer thermischen Aktivierung.
2.6.3.2 Mischkristallverfestigung – Zwischen ungleichen Atomen (A-B) wirken
In Mischkristallen sind wegen der unter- stärkere anziehende Kräfte als zwischen
schiedlichen Größe der Matrixatome und der den gleichartigen (A-A, B-B). Es entsteht
gelösten Atome Gitterverspannungen vorhan- die geordnete Atomanordnung, die Über-
den. Sie sind eine Ursache für die höhere Fes- struktur (Fernordnung).
tigkeit und Härte legierter Werkstoffe im – Die Atomart A wird bevorzugt von B-Ato-
Vergleich zu legierungsfreien d. h. »reinen« men umgeben, das ist die Nahordnung
Metallen. Bei Annahme einer völlig statisti- (short range order).
schen Verteilung der gelösten Atome in der – Die Atome lösen sich bevorzugt an Ver-
Matrix werden Versetzungen von den Span- setzungen, Korngrenzen und anderen Git-
nungsfeldern gleich oft angezogen wie abgesto- terstörstellen.
ßen. In erster Näherung wird die für die Ver-
setzungsbewegung erforderliche Schubspan- Nach Cottrell kann damit die Mischkristall-
nung also nicht erhöht. Die Festigkeitszunah- verfestigung durch die Wechselwirkung ge-
me durch gelöste Atome wäre bei alleiniger löster Atome in Form von »Wolken« mit Ver-
Wirkung des Größenunterschiedes der Ato- setzungen beschrieben werden. Die in den
me und ihrer gleichmäßigen Verteilung in Versetzungskernen angehäuften Atome er-
der Matrix nicht zutreffend beschreibbar, schweren die Versetzungsbewegung erheb-
Bild 2-36. Tatsächlich sind aber die gelösten lich, weil zum Losreißen der Versetzung von
Atome nicht statistisch regellos im Gitter den sie umgebenden »Atomwolken« große
Schubspannungen erforderlich sind. Diese
Vorgänge sind im übrigen auch die Ursache
der ausgeprägten Streckgrenze, eine bei un-
legierten niedriggekohlten Stählen charak-
teristische Erscheinung. Das Losreißen der
Atomwolken (Kohlenstoff- und Stickstoff-
atome) von den Versetzungen führt bei Zug-
versuchen zu Kraft-Verlängerungs-Schau-
bildern, die den typischen diskontinuierli-
chen Verlauf im Bereich der Streckgrenze
zeigen.

Diese Methode wird überwiegend zur Festig-


keitserhöhung von NE-Metallen, aber auch
Bild 2-36
für die höherfesten thermomechanisch be-
Die Bewegung einer Versetzungslinie durch einen
Misch kristall erfordert nur geringfügig größere handelten Stähle (Abschn. 2.7.6.2) verwen-
Schubspannungen als in einer Matrix, die nur aus ei- det. Bei anderen Stählen ist der legierungs-
ner Atomsorte besteht. technische Aufwand zu groß und (oder) die
Abschn. 2.6: Festigkeitserhöhung metallischer Werkstoffe 161

erreichbaren mechanischen Eigenschaften der Ausscheidungen und ihr mittlerer Ab-


sind unzureichend. Stähle auf der Basis »Ein- stand l, d. h., die mechanischen Eigenschaf-
lagerungsmischkristall« (H, O, N, C) sind ten sind abhängig von der Menge des Legie-
zwar z. T. extrem fest, aber meistens auch rungselementes und der Temperatur-Zeit-
spröde bis zur Unbrauchbarkeit. Führung beim Auslagern.

2.6.3.3 Ausscheidungshärtung Das Legierungssystem bzw. die Legierungs-


Ausscheidungshärtende Legierungen müs- zusammensetzung muss so gewählt werden,
sen bestimmte werkstoffliche und konstitu- bzw. so beschaffen sein, dass beim Auslagern
tionelle Bedingungen erfüllen, Bild 1-64: möglichst rundliche Teilchen aus harten,
– Die Legierungen müssen mit abnehmen- möglichst intermediären Verbindungen ent-
der Temperatur eine abnehmende Lös- stehen. Mit zunehmender Teilchenfestigkeit
lichkeit für das Legierungselement B be- nimmt auch die Festigkeit des Werkstoffs zu,
sitzen (alle Legierungen mit einem B-Ge- weil die Wahrscheinlichkeit geringer wird,
halt von c0 % bis c2 % sind geeignet). dass die wandernden Versetzungen die Teil-
– Durch rasches Abkühlen von TLös wird nach chen »schneiden«, also durchtrennen, d. h.
Unterschreiten der Löslichkeitslinie a-b unwirksam machen können.
die Ausscheidung der bseg unterdrückt, d.
h., es werden übersättigte, also lösungs- Der Ausscheidungsvorgang besteht aus ei-
verfestigte Mischkristalle erzeugt. ner Folge sehr komplizierter metallphysika-
– Mit einer anschließenden Wärmebehand- lischer Prozesse. Vor der Bildung der eigent-
lung ( Auslagern, auch Aushärten genannt) lichen Ausscheidung kommt es abhängig von
muss die gewünschte Größe d. h. im We- der Zusammensetzung der Legierung meis-
sentlichen die Kohärenzspannungen, Form tens zu einer Reihe von Vorausscheidungs-
und Verteilung der Ausscheidungen ein- zuständen aus dem übersättigten Mischkris-
stellbar sein (Aufgabe 5-2, S. 567). tall, die für die mechanischen Gütewerte be-
reits von großer Bedeutung sind. Man bezeich-
Die Ausscheidungshärtung erfordert dem- net diese Bereiche beginnender Ansammlun-
nach die nachstehende Folge von Wärmebe- gen der Legierungsatome auch häufig als
handlungen, Bild 1-64, S. 53: Guinier-Preston-Zonen (GP-Zonen). In der
– Lösungsglühen bei TLös, Regel werden beim Auslagern mit zunehmen-
– Abschrecken auf Raumtemperatur zum der Auslagerungstemperatur diese Zustän-
Erzeugen der übersättigten Mischkristal- de (aber abhängig vom Legierungssystem)
le, in der Reihenfolge
– Auslagern im Bereich der Raumtempera- – Cluster (ungeordnete Konzentration der
tur oder bei vom Legierungstyp abhängi- gelösten Atome),
gen höheren Temperaturen. Bei dieser – Zone (geordnete Konzentration),
Behandlung entstehen kohärente bzw. in- – kohärente Ausscheidung,
kohärente Ausscheidungen unterschied- – inkohärente Ausscheidung
licher Größe und Verteilung. In der Pra- durchlaufen, Bild 2-37.
xis wird die bei niedrigen Temperaturen
erfolgende Behandlung häufig noch, aber Cluster und Zonen sind Vorausscheidungs-
nicht korrekt als »Kaltauslagern«, die bei zustände, die bereits zu einer merklichen Ver-
höheren als »Warmauslagern« bezeichnet spannung der Matrix in unmittelbarer Nähe
(s. Fußnote 21, S. 165). der vorgebildeten »Ausscheidung« führen,
weil die hier konzentrierten Legierungsato-
Die Bewegung der Versetzungen wird durch me entweder größer oder kleiner als die Ma-
Ausscheidungen bzw. durch die von ihnen trixatome sind, Bild 2-37a und 2-37b. Die Hö-
erzeugten Spannungsfelder (Verzerrungsfel- he der Verspannung hängt also u. a. von geo-
der) erheblich behindert, der Widerstand metrischen Größen (Teilchengröße, Teilchen-
gegen plastische Verformung d. h. die Fes- zahl) und den von ihnen verursachten Verzer-
tigkeit also erhöht. Form, Größe, Verteilung rungsfeldern ab.
162 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

Die Gitterparameter der kohärenten Ausschei- größer als bei jeder anderen Ausscheidungs-
dungen weichen nur wenig vom Matrixgitter form, wie die Bilder 2-37c, 2-37f und 2-38a
ab. Dieses kann daher geometrisch nahezu anschaulich zeigen.
vollkommen in das Gitter der Ausscheidung
übergehen; die Phasengrenzen sind kohärent. Das Maß der Festigkeitssteigerung bei der
Ihre räumliche Ausdehnung ist in der Regel Ausscheidungshärtung hängt ab von:
sehr viel größer als die der Zonen. Die resul- – der Teilchenfestigkeit,
tierende Gitterverspannung und damit auch – dem (mittleren) Teilchenabstand l und
die mögliche Festigkeitssteigerung ist daher – der Teilchengröße.

Bild 2-37
Möglichkeiten beim Auslagern ausscheidungshärtbarer Legierungen, die mit B-Atomen übersättigt sind.
a) und b) Vorausscheidungszustände: Guinier-Preston-Zonen,
a) ungeordnete Konzentration von B-Atomen: Cluster,
b) geordnete Konzentration von B-Atomen: Zonen,
c) kohärente Ausscheidung,
d) inkohärente Ausscheidung,
e) Struktur der Phasengrenzen,
f) Darstellung der von den Phasengrenzen ausgehenden Verzerrungsfelder in der Matrix.
Abschn. 2.6: Festigkeitserhöhung metallischer Werkstoffe 163

In Anwesenheit von Hindernissen wird die den die durchlaufenden Versetzungen


Versetzungslinie durch die äußere Spannung die Teilchen. Der hierfür aufzubringende
um den Radius R gekrümmt, Bild 2-38. Um
eine Versetzung zwischen zwei Hindernis- Nachfolgende Versetzungen
können Gleitebene, in der sich
sen (z. B. Teilchen) mit dem Abstand l 2 ¹R geschnittenes Teilchen befin-
zu treiben, ist die Schubspannung t erforder- det, leichter durchlaufen als
benachbarte Gleitebenen: Ver-
lich, s. Aufgabe 2-7, S. 229: formung ist auf wenige Gleit -
ebenen beschränkt:
G G

tc
t = konst. ◊ = konst. ◊ . [2-14] Grobgleitung.
l 2◊ R Dadurch Gefahr der Mikroriss-
bildung durch große Gleitstu-
Eine ausscheidungshärtende Legierung ent- fe an der Oberfläche.
hält meistens nur eine geringe Menge gelös- a)
ter Atome, mit denen eine große Anzahl kleins-
ter Teilchen oder wenige große Partikel er- Beim Orowan-Mechanismus
verringern die die Teilchen um-
zeugt werden können. Abhängig von der Grö- gebenden Versetzungsringe
ße und dem mittleren Abstand der Teilchen den wirksamen Teilchenab-
stand l auf l ’. Der Bewegung
l lassen sich folgende Fälle unterscheiden, nachfolgender Versetzungen
Bild 2-39, s. a. Bild 2-38: wird daher zunehmender Wi-
l’ derstand entgegengesetzt. Bei
weiterer Plastifizierung wird ei -
Feinstverteilte Teilchen, ( l A R ). ne größere Anzahl benachbar-
Die von den sehr kleinen Teilchen bzw. Ato- R
ter Gleitebenen aktiviert:

men ( Mischkristallverfestigung) erzeug- Feingleitung.

ten Spannungsfelder sind zu gering, um


die Versetzungslinie gemäß der Teilchenzahl l
biegen zu können. Die Versetzungen »über-
rennen« teilweise die schwachen Span-
t

nungsfelder der Teilchen. Daraus ergibt b)


sich ein relativ großer Krümmungsradius Grobgleitung
l << R. Die verfestigende Wirkung ist ge-
evtl. Riss
ring, Bild 2-39a. Nach Cottrell ergibt sich Schneiden Umgehen
für diesen Verfestigungsmechanismus
Streckgrenzen-
erhöhung D s

eine Streckgrenzenerhöhung t MK von:


Feingleitung
t MK = 2 ◊ G ◊ e ◊ c. [2-15]
In Gl. [2-15] bedeuten e die Kohärenzdeh- Keimbildung
nungen, die zwischen der Ausscheidung Anlassdauer t
und der Matrix entstehen (s. Bild 2-37e), c)

G der Schubmodul und c die Konzentra- Bild 2-38


tion der Legierungsatome. Diese Bezie- Versetzungsreaktionen bei plastischer Verformung
hung beschreibt in Übereinstimmung ausscheidungsgehärteter Legierungen. Es bedeuten:
mit experimentellen Befunden, dass die tc = Schubspannung, erforderlich zum Schneiden der
Teilchen,
Mischkristallverfestigung proportional l = Teilchenabstand, siehe auch Bild 2-37f,
der Legierungsmenge ist. R = Krümmungsradius, erzeugt durch die angreifen-
de Schubspannung t in der Versetzungslinie.
Kohärente oder semikohärente Teil- a) Schneiden der Teilchen bei kohärenten bzw. semi-
chen, ( l O R , l O 100 nm bis 1000 nm). kohärenten Ausscheidungen (Schneidemechanis-
Die einzelnen Kurventeile der Versetzung mus),
können sich unabhängig voneinander be- b) Umgehen der Teilchen bei inkohärenten Ausschei-
dungen (Orowan-Mechanismus),
wegen und biegen. Die Krümmungsradien
c) Maß der Streckgrenzenerhöhung in Abhängigkeit
der Versetzungen R sind kleiner als bei von der Auslagerzeit, d. h. von der Art der sich
jeder anderen Ausscheidungsform, Bild ausbildenden Phasengrenzflächen Matrix/Aus-
2-38a und 2-39b. In vielen Fällen schnei- scheidung (kohärent, inkohärent).
164 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

Arbeit stellt neben den Spannungsfeldern Überalterung. Um die Versetzung zwischen


um die Ausscheidungen einen wesentli- den Hindernissen hindurch zu treiben, ist
chen Beitrag der festigkeitssteigernden die Spannung t erforderlich:
Wirkung der kohärenten Teilchen dar, Bil- G
der 2-37a, 2-37b, 2-39b. Die mittlere Teil- t L ReH = konst. ◊ . [2-17]
chengröße für eine maximale Aushärtung l
beträgt etwa 2 bis 4 nm. Wenn die für den Die verfestigende Wirkung dieses Aus-
Schneideprozess erforderliche Arbeit un- scheidungszustandes ist so gering, dass er
berücksichtigt bleibt, dann lässt sich der technisch nicht genutzt wird, Bild 2-38b,
streckgrenzenerhöhende Beitrag tMK ko- 2-39c. Die zurückbleibenden Versetzungs-
härenter Ausscheidungen nach Mott und ringe verringern den wirksamen Teilchen-
Nabarro beschreiben: abstand von l ( 2¹R) auf l’, wodurch der
Bewegung der nachfolgenden Versetzun-
t MK = 2 ,5 ◊ G ◊ e 4 /3 ◊ c . [2-16a]
gen ein zunehmender Widerstand entge-
Bemerkenswert ist, dass tMK vom Teilchen- gengesetzt wird. Bei einem weiteren Plasti-
abstand unabhängig ist. Wenn die Matrix fizieren wird eine größere Anzahl benach-
sich in diesem Zustand befindet, dann ist barter Gleitebenen aktiviert (Feingleitung),
ihre maximal mögliche Härte erreicht. Bild 2-38b.
Der Teilchenabstand l min und damit der
Krümmungsradius R der Versetzungslinie Die Zähigkeit ausscheidungsgehärteter Le-
sind für diesen kritischen Zustand dann gierungen ist meistens zufriedenstellend.
kleinstmöglich. l min wird gemäß Gl. [A2- Sie nimmt aber mit der Teilchengröße (Über-
6], S. 230 (mit a 0,5), und Gl. [2-16a]: alterung) und Festigkeit metallphysikalisch
bedingt ab. Die Schweißeignung ist häufig
G◊b b
lmin = = . [2-16b] schlecht, Abschn. 5.1.3, S. 505.
t MK 2, 5 ◊ e 4 / 3 ◊ c
Mit e 0,2; c O 0,02 wird l min O 170 ¹ b. Als
grober Schätzwert kann demnach für lmin
ein Wert von etwa (150 bis 200) ¹ b ange-
nommen werden.

Große Teilchen, ( l S R ).
Eine weitere Erhöhung der Auslagerungs-
temperatur ermöglicht die Bildung größe-
rer Teilchen durch Koagulieren kleinerer
(Überaltern). Die für die Wirkung entschei-
dende Größe der Ausscheidungen und ihr
mittlerer Abstand nehmen dadurch rasch
zu. Zwischen den Teilchen und der Matrix
bildet sich eine normale (Großwinkel-)Korn-
grenze. Die Folge der Koagulation der Teil-
chen ist ein erheblicher Festigkeitsabfall,
oft verbunden mit einer starken Zähigkeits-
abnahme. Das Auftreten inkohärenter Aus- Bild 2-39
scheidungen wird gewöhnlich als die Gren- Versetzungsbewegung in Bereichen mit Hindernissen
ze zwischen dem Kalt- und dem Warmaus- unterschiedlicher Größe und Verteilung.
lagern 21) angesehen. a) Sehr kleine Teilchen bzw. gelöste Atome, l << R,
b) optimaler Ausscheidungszustand (kohärente Berei-
che, Schneidemechanismus), l OR. Die grau ange-
Die Teilchen sind groß und ihre Anzahl
legten Bereiche stellen die Spannungsfelder (Kohä-
ist klein, d. h., die Versetzungen umge- renzspannungen) der Ausscheidungen dar.
hen sie (Orowan-Mechanismus). Diesen c) Ausscheidungen größer als optimal, l >> R (Oro-
Teilchenzustand bezeichnet man auch als wan-Mechanismus).
Abschn. 2.6: Festigkeitserhöhung metallischer Werkstoffe 165

2.6.3.4 Korngrenzenhärtung Die Höhe der Gitterspannung ist von der Men-
Korngrenzen behindern die Versetzungsbe- ge des gelösten Kohlenstoffs und der Legie-
wegung. Die Versetzungen laufen solange rungselemente abhängig. Sie bestimmt die
an den Korngrenzen auf, bis sie sich im Nach- Härte des Martensits und seine Rissneigung.
barkorn weiter ausbreiten können. Meistens Ein höhergekohlter Stahl (C • 0,25 %) ist sehr
wird in polykristallinen Gefügen Mehrfach- rissempfindlich. Die Rissentstehung muss
gleiten erzwungen, wodurch das Gefüge in daher beim Schweißen durch entsprechen-
hohem Maß spannungsverfestigt wird. Ne- de Maßnahmen vermieden werden. Die wirk-
ben der verfestigenden Wirkung dämpfen die samste Methode ist ein ausreichend hohes
Korngrenzen durch die vielfache Um- und Ab- Vorwärmen der Fügeteile (Abschn. 4.1.3.3, S.
lenkung der Gleitebenen die dem Werkstück 327). Niedriggekohlter Martensit (C … 0,2 %)
zugeführte Schlagenergie sehr stark, Bild 1- ist dagegen relativ wenig verspannt, seine
23, S. 21. Diese Tatsache ist die wichtigste Rissneigung ist daher bemerkenswert ge-
Ursache für die hervorragende Schlagzähig- ring. Außerdem liegt der Kohlenstoff – der
keit der Feinkornbaustähle. Bild 2-40 zeigt »Träger« der Festigkeit – nicht in Form gro-
sehr vereinfacht das Verhalten metallischer ber, harter Zementitlamellen, sondern atomar
Werkstoffe bei einer schlagartigen Beanspru- vor. Er wird durch die immer erforderliche
chung. Anlassbehandlung in Form feinster Carbide
ausgeschieden. Dieses durch Feinstausschei-
Diese Methode ist eine der wirksamsten und dungen in der krz Matrix gekennzeichnete
wirtschaftlichsten zum Erhöhen der Festig- Gefüge besitzt eine sehr große Sprödbruch-
keit metallischer Werkstoffe. Korngrenzen sicherheit (Abschn. 3.4, S. 261).
sind ähnlich wie andere Gitterbaufehler (Zwil-
linge, Versetzungen, Leerstellen usw.) Berei- Bild 1-43 (S. 37) zeigt den Einfluss des Kohlen-
che mit erheblichen geometrischen Fehlanpas- stoffgehalts auf die Martensithärte. Danach
sungen des Gitters. Ihre Oberflächenenergie kann selbst bei schweißgeeigneten unlegier-
(Abschn. 1.2, S. 2) ist wegen der extrem gro- ten Stählen mit C … 0,2 % im schmelzgrenzen-
ßen Fehlanpassung daher von allen Gitterbau- nahen Bereich der WEZ Martensit eine »unzu-
fehlern am größten. lässige« Härte von etwa 500 HV entstehen,
wenn die sehr große kritische Abkühlgeschwin-
2.6.3.5 Martensithärtung digkeit dieser Stähle überschritten wird. Das
Durch Abschrecken mit der von der chemi- ist bei halbwegs qualifizierten Fertigungsbe-
schen Zusammensetzung des Stahles abhän- dingungen aber nahezu ausgeschlossen.
gigen kritischen Abkühlgeschwindigkeit ent-
steht aus dem Austenit durch einen diffusions-
losen Umwandlungsvorgang das Ungleichge-
wichtsgefüge Martensit (Abschn. 1.4.2.2, S.
34). Der im trz Gitter zwangsgelöste Kohlen-
stoff und die Verformungen zum Erhalten der
Gitterform (Gleitung, Zwillingsbildung) füh-
ren zu großen Gitterverspannungen, die die
augenscheinlichste Ursache für die z. T. ext-
reme Festigkeit dieser Gefügeform sind.
Bei schlagartiger Beanspruchung ist bei Stählen mit einem Gefüge aus:
Grobkorn: Verformungsgeschwindigkeit geringer
Dämpfung der Schlagenergie geringer
Feinkorn: Verformungsgeschwindigkeit größer
21) Dämpfung der Schlagenergie größer
Die anschaulichen, aber irreführenden Bezeich-
nungen »Kaltauslagern« und »Warmauslagern« Bild 2-40
sollten durch die metallphysikalisch korrekten Verhalten metallischer Werkstoffe mit unterschiedli-
Begriffe »Ausscheidung durch Teilchen mit ko- cher Korngröße bei schlagartiger Beanspruchung.
härenten bzw. inkohärenten Phasengrenzen« er- Man beachte die deutliche Überlegenheit feinkörni-
setzt werden. ger Werkstoffe.
Verformung Thermomechanische Behandlung mit Umwandlung in der Charakteristische Anwendungsbeispiele
166
Perlitstufe Bainitstufe Martensitstufe
1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.2.1: (Kontrolliertes Walzen), Warmverformen unter TRk erzeugt verfestigten
T TRk
A3 T T Austenit, der in extrem feinstreifiges perlitisch - ferritisches Gefüge umwan-
A1 delt. In ähnlicher Weise kann die Austenitumwandlung im Bainitgebiet er-
zwungen werden, wodurch ebenfalls das Gefüge feiner wird und damit
eine Verbesserung der mechanischen Gütewerte eintritt (1.2.2). Zu dieser

Tu > TRk
Wärmebehandlung rechnet man auch das in der Praxis wichtige normali-
sierende Walzen, mit dem mechanische Eigenschaften erreichbar sind, die
lg t einem Normalglühen gleichwertig sind.
lg t lg t
1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.3: (Hochtemperatur-TMB), durch Rekristallisieren (Tu < TRk ) des Gefüges ent-
T T T steht nach einem Umformen bei höheren Temperaturen (< 1100 ° C) ein

stabilen Gebiet
feines Austenitkorn und eine starke Verfestigung nach Endwalzen bei 800
bis 850 ° C. Nach Abschrecken entsteht sehr feines, zähes martensitisches
Gefüge.

Tu < TRk
lg t lg t lg t
Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.2: Eine Warmumformung im Temperaturbereich des metastabilen Austenits

vor der Phasenumwandlung im


T T T 1.3.3: (Tu < A 3 ), wird als Austenitformhärten (Ausforming) bezeichnet, weil das
Umwandlungsgefüge meistens martensitisch (1.3.3) oder bainitisch(-mar-
tensitisch) ist (1.3.2). Die erreichbaren hohen Gütewerte beruhen auf der
hohen Verfestigung und der stark verzögerten Rekristallisation des Auste-
nits. Voraussetzung ist ein ausreichend umwandlungsträger Austenit. Diese

metastabilen
Gebiet
Eigenschaft ist nur bei (höher-)legierten Stählen vorhanden.
lg t lg t lg t
2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.1: Findet die Umformung während der Umwandlung statt, dann wird der
T T T Umwandlungsprozess als Isoforming bezeichnet, insbesondere, wenn fer-
ritisch - perlitische Umwandlungsgefüge entstehen. Das sehr feine ferritische
Gefüge mit eingeformten Carbiden bildet sich hier durch die umwand-
lungsbeschleunigende Wirkung der Verformung(senergie).

während der
Phasen-
umwandlung
2.1.3: Austenitische und halbaustenitische Stähle werden bei T < Md verformt
lg t lg t lg t (Zerorolling). Die örtliche Verfestigung wird sofort durch den entstehenden
sehr feinen Martensit abgebaut, eine lokale Einschnürung entsteht daher
3.1.1 3.1.2 3.1.3 nicht. Die gleichmäßig über den Querschnitt verteilte Dehnung hat auch
T T T eine höhere Gleichmaßdehnung zur Folge. Dieses Verfahren ist die me-
tallphysikalische Grundlage der TRIP - Stähle (= Tr ansformation i nduced
p lasticity). Hier wird der Stahl bei T > Md verformt (= Ausforming) und auf
Raumtemperatur abgeschreckt. Das nun austenitisch-martensitische Gefü-
ge besitzt eine größere Gleichmaßdehnung und ist zusätzlich verfestigt.

nach der
Phasen-
umwandlung
lg t lg t lg t

Bild 2-41
Zur Klassifikation thermomechanischer Behandlungen, Tu = Umformtemperatur, TRk = Rekristallisationstemperatur, nach Dahl u. a.
Abschn. 2.7: Unlegierte und (niedrig-)legierte Stähle 167

2.6.3.6 Thermomechanische ein. Diese Festlegung dient aber lediglich


Behandlung dem Zweck einer einfacheren Namensgebung
Eine relativ neue Möglichkeit, die Gütewer- und verfolgt nicht etwa die Absicht, den Be-
te metallischer Werkstoffe auf möglichst kos- griff legierter Stahl festzulegen. Diese Ein-
tengünstige Weise zu verbessern, ist die ther- teilung soll auch im Folgenden beibehalten
momechanische Behandlung (TM-Stahl). Sie werden:
besteht darin, dem Endprodukt durch eine
gezielte Kontrolle der Temperatur- und Um- Niedriglegierte Stähle:
formbedingungen Eigenschaften zu verleihen, Der Gehalt keines Legierungselementes
die mit konventionellen Fertigungsschritten überschreitet 5 %.
bzw. -methoden bei diesem Werkstoff nicht
erreichbar wären. Hochlegierte Stähle:
Der Gehalt eines Elementes beträgt min-
Die Wirkung dieser Behandlung, bei der die destens 5 %. Diese korrosionsbeständigen
Verformung vor, während oder nach der Um- Stähle werden in Abschn. 2.8 behandelt.
wandlung erfolgen kann, beruht in vielen
Fällen auf der Erzeugung eines stark ver- Für die sichere schweißtechnische Verarbei-
spannten, also energiereichen Gefüges, das tung ist in erster Linie der Kohlenstoffge-
eine sehr große Anzahl Gitterbaufehler (vor halt und die Menge und Art der Verunreini-
allem Versetzungen) enthält. Die g -Umwand- gungen maßgebend.
lung wird daher sehr stark beschleunigt und
ergibt zusammen mit der hohen Keimzahl (
Dichte der Gitterbaufehler) als Folge der ge- 2.7.1 Wirkung der
ringen Umwandlungszeit ein extrem feines Legierungselemente
Gefüge mit hervorragenden mechanischen
Gütewerten. Legierungselemente haben die Aufgabe, be-
stimmte Eigenschaften im Stahl zu erzeu-
Die zahlreichen Methoden der thermome- gen und unerwünschte abzuschwächen.
chanischen Behandlungen sind in Bild 2-41
zusammengestellt. Die für hochfeste Stähle Die wichtigsten Eigenschaften der niedrig-
wichtigsten Methoden sind das wegen der legierten Stähle sind:
hohen Kosten nur in Sonderfällen angewen- – Die wesentlich verbesserte Härtbarkeit
dete Austenitformhärten (engl. Ausforming im Vergleich zu den unlegierten Stählen.
austenite forming) und eine Reihe von Maß- Vergütungsstähle sind daher meistens
nahmen (vor allem die Erzeugung eines mit legiert, vor allem, wenn sie für dickwan-
anderen Methoden kaum erreichbaren fein- digere Bauteile verwendet werden.
körnigen Gefüges!), die bei den thermomecha- – Die erhöhte Anlassbeständigkeit von Ver-
nisch behandelten Stählen (Abschn. 2.7.6.2) gütungsstählen z. B. durch Chrom und
im Einzelnen besprochen werden. Molybdän. Sie bilden Carbide, die ther-
misch wesentlich beständiger sind als Ze-
mentit.
– Die erhöhte Warmfestigkeit der warmfes-
2.7 Unlegierte und ten und hitzebeständigen Stähle z. B.
(niedrig-)legierte Stähle durch Molybdän und Chrom.
– Bestimmte physikalische Eigenschaften
Ein Stahl ist unlegiert, wenn kein Legierungs- mit Extremwerten, z. B. das Wärmeaus-
element die in Tabelle 2-1 angegebenen Wer- dehnungsverhalten, der elektrische Wi-
te überschreitet. Nach DIN EN 10027-1 wer- derstand.
den lediglich unlegierte und legierte Stähle
unterschieden. Die legierten Stähle teilt man Hochlegierte Stähle werden in den meisten
in der betrieblichen Praxis zzt. noch häufig Fällen verwendet, weil die unlegierten und
in die niedriglegierten und hochlegierten niedriglegierten Stähle über die erforderli-
168 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

chen Eigenschaften nicht, oder nur in unzu- Zusammenhänge lassen sich aus den ZTU-
reichendem Umfang verfügen, z. B.: Schaubildern entnehmen (s. Abschn. 2.5.3.1).
– Korrosionsbeständigkeit, Bild 2-26 zeigt z. B. den Einfluss der Legie-
– Zunderbeständigkeit, rungselemente auf das Umwandlungsgesche-
– Dauerstandfestigkeit, hen des Austenits. Das skizzierte Verhalten
– Schneidfähigkeit bei hohen Temperatu- beruht im Wesentlichen auf der Verringerung
ren. bzw. Änderung der Diffusionsgeschwindig-
keit des Kohlenstoffs in den verschiedenen
Die Wirkung der Legierungselemente be- Gitterformen des Eisens.
ruht weitestgehend auf ihrer im Stahl vor-
liegenden Form und Verteilung:
– Nicht gelöst, d. h. elementar. Die Wirk- 2.7.2 Unlegierte Baustähle nach
samkeit dieser »Legierungsform« ist ge- DIN EN 10025-2
ring und wird bei Stahlwerkstoffen da-
her nicht verwendet. Die unlegierten Baustähle bilden mengen-
– Als intermediäre Verbindungen. Tech- mäßig den größten Anteil an der Gesamt-
nisch wichtig sind vor allem die Carbi- stahlerzeugung. Sie sind ferritisch-perlitisch
de, die z. B. in Werkzeug- und Feinkorn- und werden im warmgeformten Zustand,
stählen (Abschn. 2.7.6.1) weitgehend ver-
wendet werden.
– In der Matrix gelöst, d. h. als Mischkristal- d
le. Aufgrund metallphysikalischer Gesetz- d
Temperatur T

mäßigkeiten lösen sich bestimmte Elemente A4


A4

bevorzugt im krz Gitter, andere bevorzugt g


im kfz Gitter. In erster Linie bestimmt die- A3
g
A3

ses Verhalten die Fähigkeit der Elemente,


die A3- bzw. A4-Punkte der Eisen-Kohlen- a
stoff-Legierungen zu verändern (anzuhe- a
ben, abzusenken). In Bild 2-42 ist diese Fe %X Fe %X
Wirkung schematisch dargestellt. Danach Konzentration c Konzentration c
begünstigen die Elemente offenes g - Gebiet, heterogenes Zustandsfeld
z. B.: Ni, Mn, Co, begrenzt g - Gebiet,
z. B.: C, N, Cu, Zn
Cr – Al – Ti – Ta – Si – Mo – V – W a)

die Entstehung des krz Ferrits und


d
A4
Ni – C – Co – Mn – N
Temperatur T

die Entstehung des kfz Austenits.


g
A4
Ferritstabilisierende Elemente ermöglichen
die Bildung der ferritischen Stähle, austenit- g a (bzw. d)
stabilisierende Elemente die der austeniti- A3 a
schen Stähle. Als in der Praxis wichtige Stahl- A3

gruppen seien die ferritischen Chrom- bzw. Fe %X Fe %X


Konzentration c Konzentration c
die austenitischen Cr-Ni-Stähle genannt, die
in Abschn. 2.8 näher besprochen werden. geschlossenes g - Gebiet
(»g - Schleife«),
heterogene Zustandsfelder
begrenzen g - Gebiet,
z. B.: Cr, Al, Ti, Si, Mo, V, W z. B.: Nb, Ta, Zr
Außer ihrer verfestigenden Wirkung beein- b)

flussen die Legierungselemente den zeitli-


Bild 2-42
chen Ablauf der temperaturabhängigen Aus-
Einfluss der Legierungselemente auf die Art der Ver-
tenitumwandlung und damit in hohem Maße schiebung der Umwandlungspunkte A3 und A4.
die Eigenschaften des Umwandlungsproduk- a) Austenitstabilisierende Elemente,
tes in einem entscheidenden Umfang. Diese b) ferritstabilisierende Elemente.
Tabelle 2-4
Chemische Zusammensetzung (Schmelzenanalyse) und gewährleistete Kerbschlagarbeit warmgewalzter Erzeugnisse aus unlegierten Baustählen nach
DIN EN 10025-2 (4/2005): Im Vergleich sind die älteren Bezeichnungen nach EU 25-72 und die der Vorgängernorm DIN 17100 nach DIN 1706 angegeben.

Stahlsorte (Kurzname) nach Desoxida- Chemische Zusammensetzung in Massenprozent, max. KV, min.
tionsart 1) bei Temperatur T °C,
EN 10027-1 EU 25-72 DIN 17006 C für Erzeugnis-Nenndicken t in mm P 3) S 3), 4) N 5) angegeben als J/T für

EN 10025-2 EN 10025 EN 10025 >


DIN 17100 < 16 16 < 40 > 40 2) für t 150 mm
(2005) (1995+A1) (1990)
S185 S185 Fe 310-0 St 33 freigestellt − − − − − − −
– (S235JR) (Fe 360 B) (St 37-2) (FN) (0,17) (0,17) (0,20) (0,035) (0,035) (0,012) (27/20 °C)
– (S235JRG1) (Fe 360 BFU) (USt 37-2) (FF) (0,17) (0,17) (−) (0,045) (0,045) (0,007) (27/20 °C)
S235JR S235JRG2 Fe 360 BFN RSt 37-2 FN 0,17 0,17 − 0,045 0,045 0,009 27/20 °C
S235J0 S235J0 Fe 360 C St 37-3 U FN 0,17 0,17 0,17 0,030 0,030 0,012 27/0 °C
S235J2 + N S235J2G3 Fe 360 D1 St 37-3 N FF 0,17 0,17 0,17 0,035 0,035 − 27/− 20 °C
S235J2 S235J2G4 Fe 360 D2 − FF 0,17 0,17 0,17 0,025 0,025 − 27/− 20 °C
S275JR S275JR Fe 430 B St 44-2 FN 0,21 0,21 0,22 0,035 0,035 0,012 27/20 °C
S275J0 S275J0 Fe 430 C St 44-3 U FN 0,18 0,18 0,18 0,030 0,030 0,012 27/0 °C
– (S275J2G3) (Fe 430 D1) (St 44-3 N) (FF) (0,18) (0,18) (0,18) (0,035) (0,035) (−) (27/− 20 °C)
S275J2 S275J2G4 Fe 430 D2 − FF 0,18 0,18 0,18 0,025 0,025 − 27/− 20 °C
S355JR S355JR Fe 510 B − FN 0,24 0,24 0,24 0,045 0,045 0,012 27/20 °C
S355J0 S355J0 Fe 510 C St 52-3 U FN 0,20 0,20) 0,22 0,040 0,040 0,012 27/0 °C
S355J2 + N S355J2G3 Fe 510 D1 St 52-3 N (FF) (0,20) (0,20) (0,22) (0,035) (0,035) (−) (27/− 20 °C)
S355J2 S355J2G4 Fe 510 D2 − FF 0,20 0,20 0,22 0,035 0,035 − 27/− 20 °C
– (S355K2G3) (Fe 510 DD1) (−) (FF) (0,20) (0,20) (0,22) (0,035) (0,035) (−) (40/− 20 °C)
S355K2 S355K2G4 Fe 510 DD2 − FF 0,20 0,20 0,22 0,035 0,035 − 40/− 20 °C
S450J0 − − − FF 0,20 0,20 0,20 0,030 0,030 0,025 27/0 °C
E295 E295 Fe 490-2 St 50-2 FN − − − 0,045 0,045 0,012 −
E335 E335 Fe 590-2 St 60-2 FN − − − 0,045 0,045 0,012 −
E360 E360 Fe 690-2 St 70-2 FN − − − 0,045 0,045 0,012 −

1)
FN: Unberuhigter Stahl nicht zulässig, FF: Vollberuhigter Stahl.
2)
Bei Profilen mit einer Nenndicke > 100 mm ist der Kohlenstoffgehalt zu vereinbaren.
3)
Für Langerzeugnisse dürfen die Gehalte an Phosphor und Schwefel um 0,005 % höher sein.
4)
Für Langerzeugnisse kann zwecks verbesserter Bearbeitbarkeit der Höchstgehalt an Schwefel um 0,015 % angehoben werden, falls der Stahl zwecks Änderung der Sulfid-
Abschn. 2.7.2: Unlegierte Baustähle nach DIN EN 10025-2

ausbildung behandelt wurde und die chemische Zusammensetzung mindestens 0,0020 % Ca aufweist.
5)
Der Höchstwert für den Stickstoffgehalt gilt nicht, wenn der Stahl einen Gesamtgehalt an Aluminium von mindestens 0,020 % oder einen Gehalt von säurelöslichem Al
169

von mindestens 0,015 % oder genügend andere Stickstoff abbindende Elemente enthält. Diese sind in der Prüfbescheinigung anzugeben.
Tabelle 2-5

170
Technologische Eigenschaften der unlegierten Baustähle nach DIN EN 10025-2 (4/2005): Im Vergleich sind die älteren Bezeichnungen dieser Stähle gemäß
DIN 17006 und EU 25-72 angegeben.

Stahlsorte (Kurzname) nach Eignung zum

EN 10027-1 und CR 10260 EU 25-72 DIN 17006


Abkanten Walzprofilieren Kaltziehen
1) 2)
EN 10025-2 (2005) EN 10025 (1995+A1) DIN 10025 (1990) DIN 17100 1) 3)

S235JRC S235JRC Fe 360 B St 37-2 x x x


– S235JRG1C Fe 360 BFU USt 37-2 x x x
– S235JRG2C Fe 360 BFN RSt 37-2 x x x
S235J0C S235J0C Fe 360 C St 37-3 U x x x
– S235J2G3C Fe 360 D1 St 37-3 N x x x
S235J2C S235J2G4C Fe 360 D2 − x x x
S275JRC S275JRC Fe 430 B St 44-2 x x x
S275J0C S275J0C Fe 430 C St 44-3 U x x x
Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

– S275J2G3C Fe 430 D1 St 44-3 N x x x


S275J2C S275J2G4C Fe 430 D2 − x x x
– S355JRC Fe 510 B − − − x
S355J0C S355J0C Fe 510 C St 52-3 U x x x
– S355J2G3C Fe 510 D1 St 52-3 N x x x
S355J2C S355J2G4C Fe 510 D2 − x x x
– S355K2G3C Fe 510 DD1 − x x x
S355K2C S355K2G4C Fe 510 DD2 − x x x
E295GC E295GC Fe 490-2 St 50-2 − − x
E335GC E335GC Fe 590-2 St 60-2 − − x
E360GC E360GC Fe 690-2 St 70-2 − − x

1)
Kurzbezeichnungen der Stähle – bisher genormt in DIN EN 10025-2 (2005+A1) und (in der nicht mehr gültigen) DIN 17100 – nach den bisher gültigen Bezeichnungs-
systemen EU 25-72 und DIN 17006.
2)
In der Stahlbezeichnung sind die Kennbuchstaben KQ (Abkanten), KP (Walzprofilieren) bzw. KZ ( Kaltziehen) anzugeben, z. B.: Fe 510 C KQ.
3)
Der Stahlbezeichnung ist ein Q (Abkanten), ein K (Walzprofilieren) bzw. ein Z (Kaltziehen voranzustellen, z. B.: Q St 37-3 N, Z St 44-2.
Abschn. 2.7.3: Stähle für den Maschinen- und Fahrzeugbau 171

nach einem Normalglühen bzw. einem nor- ❐ Die mechanischen und technologischen
malisierenden Walzen oder nach einer Kalt- Eigenschaften werden bis zu Dicken von
umformung in den verschiedensten Berei- 400 mm (J2, K2) garantiert.
chen eingesetzt.
❐ Der Biegeversuch und der Aufschweiß-
Eine wichtige Eigenschaft unlegierter Bau- biegeversuch wurden gestrichen.
stähle ist eine ausreichende Schweißeignung.
Erfahrungsgemäß darf die Maximalhärte in Die für die Eignung zum Kaltbiegen, Walz-
der Wärmeeinflusszone von Schweißverbin- profilieren und Stabziehen geeigneten Stähle
dungen etwa 350 HV nicht übersteigen, um und ihre Bezeichnung auch nach der bishe-
bei einer praxisüblich ordnungsgemäßen Fer- rigen DIN EN 10027 und DIN 17006 sind in
tigung die Kaltrissbildung auszuschließen Tabelle 2-5 zusammengestellt.
(Abschn. 4.1.3.2, S. 318). Dieser Grenzwert
wird bei Stählen mit einem Kohlenstoffgehalt
von etwa 0,25 % erreicht, wenn der Martensit- 2.7.3 Stähle für den Maschinen-
anteil im Gefüge etwa 50 % beträgt, Bild 1- und Fahrzeugbau
43, S. 37.
Wegen ihrer hervorragenden Eignung für
Die Baustahlnorm DIN 17100 wurde zwi- den Bereich des Maschinen- und Fahrzeug-
schen 1991 und 2005 mehrmals durch die in baus, zusammen mit hoher dynamischer Be-
vielen Einzelheiten sehr viel weitergehende anspruchbarkeit und eine der Verwendung
DIN EN 10025-2 ersetzt. Die wichtigsten Än- angepassten Wärmebehandlung, ist es aus
derungen sind in Tabelle 2-4 vorgestellt: praktischen Erwägungen sinnvoll, die
– Vergütungsstähle,
❐ Sorteneinteilung und Festlegungen der – Stähle zum Randschichthärten und die
Desoxidationsart: – Einsatzstähle
– Einführung der Gütegruppe J0 bei den zusammenfassend zu beschreiben.
Baustahlsorten S235, S275, S335 und
S450. Diese entspricht der Gütegruppe Vergütungsstähle müssen abhängig von der
3 nach DIN 17100 ( Kerbschlagarbeit, Werkstückdicke und dem Verwendungs-
min. 27 J bei 0 ’C) im warmgeformten zweck nach dem Austenitisieren und einem
bzw. unbehandelten Zustand (3U). Für sich daran anschließenden beschleunigten
sie ist aber nicht wie in der DIN 17100 Abkühlen (Abschrecken) Martensit und (oder)
die Desoxidationsart FF (RR) vorge- Bainit bilden können.
schrieben.
– Die Gütegruppe J2 (3 nach DIN 17100) Vor dem Randschichthärten, das in der Re-
wird nicht mehr mit unterschiedlichen gel nur eine teilweise Härtung anstrebt, wird
Festlegungen für die Lieferart und die das Bauteil in den meisten Fällen vergütet.
Geltung der mechanischen Gütewerte Diese Stähle entsprechen also in ihrer chemi-
in J2G3 und J2G4 unterteilt. schen Zusammensetzung sehr den Vergü-
– Aufnahme der in der bisher gültigen tungsstählen. Auch die Nitrierstähle werden
DIN 17100 nicht enthaltenen Stahlsor- vor der Oberflächenbehandlung mit Stick-
te S450J0 mit einem festgelegten Min- stoff (Nitrieren) »vergütet«.
destwert der Kerbschlagarbeit von 27 J
bei  0 ’C. Die Einsatzstähle werden nach dem Aufkoh-
len einer einigen zehntel Millimeter dicken
❐ Senkung der Höchstwerte für den P- und Oberflächenschicht im gehärteten Zustand
S-Gehalt (Schmelzenanalyse) abhängig verwendet. Die sehr harte, verschleißfeste
von der Gütegruppe auf je: Oberfläche erfordert einen zähen Kern. Der
JR: 0,035 %, Kohlenstoffgehalt dieser Stähle ist daher auf
JO: 0,030 %, 0,3 % begrenzt und damit niedriger als der
J2, K2: 0,025 %. der Vergütungsstähle.
172
Tabelle 2-6
Chemische Zusammensetzung (Schmelzenanalyse) der Vergütungsstähle (Qualitäts- und Edelstähle) nach DIN EN 10083 Teil 2 und 3 (Auswahl).

Stahlsorte Legierungstyp Mech. Eigenschaften bei Raumtemperatur im


Chemische Zusammensetzung in Massenprozent 1), 2)
Kurzname vergüteten Zustand (+QT) 3)

Mn P S Cr Mo Ni Re, min. Rm, min. A, min. Z, min.


max. max. max. max. MPa MPa % %

Unlegierte Qualitätsstähle (DIN EN 10083-2)

C35 0,50 bis 0,80 0,045 ≤ 0,045 0,40 0,10 0,40 430 630 bis 780 17 40
C45 0,50 bis 0,80 0,045 ≤ 0,045 0,40 0,10 0,40 490 700 bis 850 14 35
C-Stahl
C55 0,60 bis 0,90 0,045 ≤ 0,045 0,40 0,10 0,40 550 800 bis 950 12 30
C60 0,50 bis 0,90 0,045 ≤ 0,045 0,40 0,10 0,40 580 850 bis 1000 11 25
Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

Edelstähle (DIN EN 10083-2 und 3)

C22E max. 0,035


0,40 bis 0,70 0,025 0,40 0,10 0,40 340 500 bis 650 20 50
C22R 0,020 bis 0,040
C35E max. 0,035
0,50 bis 0,80 0,025 0,40 0,10 0,40 430 630 bis 780 17 40
C35R 0,020 bis 0,040
C40E max. 0,035
0,50 bis 0,80 0,025 0,40 0,10 0,40 460 650 bis 800 16 35
C40R 0,020 bis 0,040
C45E max. 0,035
C-Stahl 0,50 bis 0,80 0,025 0,40 0,10 0,40 490 700 bis 850 14 35
C45R 0,020 bis 0,040
C50E max. 0,035
0,60 bis 0,90 0,025 0,40 0,10 0,40 520 750 bis 900 13 30
C50R 0,020 bis 0,040
C55E max. 0,035
0,60 bis 0,90 0,025 0,40 0,10 0,40 550 800 bis 950 12 30
C55R 0,020 bis 0,040
C60E max. 0,035
0,60 bis 0,90 0,025 0,40 0,10 0,40 580 850 bis 1000 11 25
C60R 0,020 bis 0,040
28Mn6 C-Mn-Stahl 1,30 bis 1,65 0,025 max. 0,035 0,40 0,10 0,40 590 800 bis 950 13 40
Tabelle 2-6, Fortsetzung.

Stahlsorte Legierungstyp Mech. Eigenschaften bei Raumtemperatur im


Chemische Zusammensetzung in Massenprozent 1),
Kurzname vergüteten Zustand (+QT)

Mn P S Cr Mo Ni Re, min. Rm, min. A, min. Z, min.


max. MPa MPa % %

Legierte Edelstähle (DIN EN 10083-3), ohne Bor

38Cr2 0,50 bis 0,80 0,025 max. 0,035 0,40 bis 0,60 − − 550 800 bis 950 14 35
46Cr2 0,50 bis 0,80 0,025 max. 0,035 0,40 bis 0,60 − 650 900 bis 1100 12 35
34Cr4 max. 0,035
C-Cr-Stahl 0,60 bis 0,90 0,025 0,90 bis 1,20 − − 700 900 bis 1100 12 35
34CrS4 0,020 bis 0,040
41Cr4 max. 0,035
0,60 bis 0,90 0,025 0,90 bis 1,20 − − 800 1000 bis 1200 11 30
41CrS4 0,020 bis 0,040
25CrMo4 max. 0,035
0,60 bis 0,90 0,025 0,90 bis 1,20 0,15 bis 0,30 − 700 900 bis 1100 12 50
25CrMo4S4 0,020 bis 0,040
42CrMo4 C-Cr-Mo-Stahl max. 0,035
0,60 bis 0,90 0,025 0,90 bis 1,20 0,15 bis 0,30 − 900 1100 bis 1300 10 40
42CrMoS4 0,020 bis 0,040
50CrMo4 0,50 bis 0,80 0,025 max. 0,035 0,90 bis 1,20 0,15 bis 0,30 − 900 1100 bis 1300 9 40
30CrNiMo8 0,30 bis 0,60 0,025 max. 0,035 1,80 bis 2,20 0,30 bis 0,50 1,80 bis 2,20 1050 1250 bis 1450 9 40
39NiCrMo3 C-Cr-Ni-Mo-Stahl 0,30 bis 0,60 0,025 max. 0,035 1,80 bis 2,20 0,30 bis 0,50 0,70 bis 1,00 785 980 bis 1180 11 40
30NiCrMo16-6 0,30 bis 0,60 0,025 max. 0,025 1,60 bis 2,00 0,25 bis 0,45 3,3 bis 4,3 880 1080 bis 1230 10 45
51CrV4 C-Cr-V-Stahl 0,70 bis 1,10 0,025 max. 0,035 0,90 bis 1,20 − − 900 1100 bis 1300 9 40

Legierte Edelstähle (DIN EN 10083-3), mit Bor

20MnB5 1,10 bis 1,40 0,025 max. 0,035 − − − 700 900 bis 1050 14 55
C-B-Stahl
39MnCrB6-2 1,40 bis 1,70 0,025 max. 0,035 0,30 bis 0,60 − − 900 1100 bis 1350 12 50
1)
In dieser Tabelle nicht aufgeführte Elemente dürfen dem Stahl, außer zum Fertigbehandeln der Schmelze, ohne Zustimmung des Bestellers nicht absichtlich zugesetzt
werden. Es sind alle angemessenen Vorkehrungen zu treffen, um die Zufuhr solcher Elemente aus dem Schrott oder anderen bei der Herstellung verwendeten Stoffen zu
Abschn. 2.7.3: Stähle für den Maschinen- und Fahrzeugbau

vermeiden, die die Härtbarkeit, die mechanischen Eigenschaften und die Verwendbarkeit beeinträchtigen.
173
174 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

2.7.3.1 Vergütungsstähle bei hoher Vergütungsfestigkeit und Beanspru-


Im Gegensatz zu den in Abschn. 2.7.6.3 be- chung ist bei hohen Ansprüchen an die Zähig-
handelten schweißgeeigneten niedriggekohl- keit der Reinheitsgrad und die Homogenität
ten (C … 0,20 %) vergüteten Feinkornbaustäh- des Stahles von größter Bedeutung für die
len ist der Kohlenstoffgehalt der u. a. in der mechanischen Gütewerte. Selbst Einschlüs-
DIN EN 10083 genormten Vergütungsstäh- se geringster Größe sind mit zunehmender
le (C • 0,25 % ... 0,5 %) wesentlich höher, Ta- Vergütungsfestigkeit in vielen Fällen Aus-
belle 2-6. gangspunkte von Dauerbrüchen.

Die werkstofflichen Grundlagen und die not- Bei geringerer Beanspruchung können Stäh-
wendige Wärmebehandlung dieser Stähle le mit ferritisch-perlitischem Gefüge bzw. sol-
(Härten, Vergüten) sind im Abschn. 2.5.2 zu che mit geringerem Härtungsgrad verwen-
finden. Die Stähle werden vorwiegend im Ma- det werden. Hierfür sind die in Tabelle 2-6 auf-
schinen- und Fahrzeugbau bei hoher dynami- geführten unlegierten Stähle gut geeignet.
scher Beanspruchung eingesetzt. Die speziel-
len Gebrauchseigenschaften müssen durch Vergütungsstähle werden häufig wegen ihres
eine dem Verwendungszweck angepasste Wär- hervorragenden Verschleißwiderstandes ein-
mebehandlung erzeugt werden. Für höchste gesetzt, der im Wesentlichen von ihrer Zug-
dynamische Beanspruchbarkeit ist vor dem festigkeit (bzw. Härte) abhängt. In vielen Fäl-
Anlassen ein rein martensitisches Gefüge len wird die oft komplizierte Form der Bau-
(evtl. Martensit und Bainit) erforderlich bzw. teile durch spangebende Bearbeitungsver-
zweckmäßig. Die Möglichkeit der Martensit- fahren hergestellt. Die technologische Eigen-
bildung ist nur davon abhängig, ob die Abkühl- schaft Zerspanbarkeit ist daher eine wichtige
geschwindigkeit im Kern des Bauteils die kri- technologische Eigenschaft. Sie ist abhän-
tische Abkühlgeschwindigkeit des Werkstoffs gig von der Zugfestigkeit im vergüteten Zu-
erreicht. Die hierfür notwendige chemische stand und wird durch Schwefel und andere
Zusammensetzung wird daher weitestge- Elemente (z. B. Blei, Selen) verbessert. Der
hend von der Werkstückdicke bestimmt. Im erforderliche Schwefelgehalt wird aus wirt-
gegenwärtigen deutschen Normenwerk wer- schaftlichen Gründen als Spanne von etwa
den mechanische Gütewerte bis zu einer Werk- 0,020 % bis 0,035 % angegeben.
stückdicke von 250 mm gewährleistet.

Außer den Festigkeitseigenschaften sind


insbesondere ausreichende Zähigkeitseigen-
schaften erforderlich. Bild 2-18 zeigt über-
zeugend die überlegenen Zähigkeitswerte
vergüteter Gefüge, deren Ursache das sehr
gleichmäßige, feine Gefüge ist, Bild 2-43.
Selbst die mechanischen Eigenschaften eines
normalgeglühten Gefüges sind nicht mit de-
nen eines vergüteten vergleichbar. Der Ver-
gütungszustand wird meistens mit den Er-
gebnissen von Zug- und Kerbschlagbiege-
prüfungen beurteilt.

Der Härtungsgrad, d. h. das Verhältnis der


durch das Härten erreichten zur maximal
möglichen Härte, muss bei hoher Beanspru-
chung bei • 90 % liegen. Abhängig von der
Werkstückdicke wird eine ausreichende Ein- Bild 2-43
härtbarkeit durch die chemische Zusammen- Mikrogefüge eines niedriglegierten Vergütungsstahls
setzung des Stahles sichergestellt. Vor allem 50CrMo4 im angelassenen Zustand, V = 400:1.
Abschn. 2.7.3: Stähle für den Maschinen- und Fahrzeugbau 175

Durch die immer häufiger verwendete Kons- mender Härtbarkeit (zunehmender Legie-
truktionsschweißung vorgefertigter Teile ist rungsmenge) aufgeführt sind:
die Eigenschaft Schweißeignung von gewisser – Stähle mit Mangan bzw. Mangan und Bor
Bedeutung. Als Beispiel kann die Herstellung (evtl. geringe Chromzusätze), z. B.:
geschweißter Rundstahlketten dienen. Die 28Mn6 und 30MnB5. Bor verbessert in
hierfür verwendeten Werkstoffe besitzen Koh- gelöster Form bereits in geringsten Men-
lenstoffgehalte bis etwa 0,30 % (z. B. 27MnSi5 gen (s. Tabelle 2-1) die Härtbarkeit. Die
nach DIN 17115). Sie sind demnach hinrei- erst 1996 genormten borlegierten Vergü-
chend schweißgeeignet, s. a. Aufgabe 4-5, S. tungsstähle sind in der DIN EN 10083-3
481. aufgeführt.
– Stähle mit Chrom bzw. Chrom und Molyb-
Die Einteilung der Vergütungsstähle nach dän, z. B.:
ihrer Leistungsfähigkeit ist kaum möglich, 41Cr4, 42CrMo4.
weil allseits anerkannte und widerspruchs- – Mehrfach mit Cr, Ni, Mo legierte Stähle
freie Bewertungskriterien fehlen. Ihre Eigen- höchster Leistungsfähigkeit, z. B.:
schaften hängen weitgehend von dem nach 30NiCrMo16-6.
dem Härten vorliegenden Gefüge ab, das vor
allem von der 2.7.3.2 Einsatzstähle
– Härtbarkeit, dem Diese Stähle werden für Bauteile verwendet,
– Vergütungsquerschnitt und dem die in der Regel oberflächlich auf 0,8 % bis
– Härtemittel 0,9 % aufgekohlt, anschließend gehärtet und
bestimmt wird. Die Härtbarkeit hängt aus- bei niedrigen Temperaturen (etwa bis 200 ’C)
schließlich von der chemischen Zusammen- angelassen werden. Die nur wenige zehntel
setzung ab. Sie wird mit zunehmender Legie- Millimeter starke, gehärtete Randschicht ist
rungsmenge besser, Tabelle 2-6. Die Vorteile aufgrund ihrer hohen Härte extrem verschleiß-
der höherlegierten Vergütungsstähle (Zugfes- fest, der sehr viel zähere Kern kann hohe sta-
tigkeit und Brucheinschnürung steigen) sind tische, dynamische und schlagartige Lasten
aus Bild 2-44 zu erkennen. rissfrei aufnehmen.
60
Stahlart:
Die niedrige Anlasstemperatur ist notwendig,
% um die Härte der martensitischen Oberflä-
Mindestwert der Brucheinschnürung

Ck - Reihe chenschicht nicht unzulässig zu verringern.


Außer der für die Gebrauchseigenschaften
50
1 - 2 % Cr,
0,2 - 0,4 % Mo,
1 - 2 % Ni
entscheidenden Härtbarkeit ist ein möglichst
1% Cr ,
0,25 % Mo
geringes Austenitkornwachstum bei den
40 Temperaturen des Aufkohlungsprozesses (z.
1% Cr T. über 900 ’C) ein weiteres wichtiges Kri-
terium der Einsatzstähle. Diese Eigenschaf-
30 ten lassen sich mit Stählen erreichen, die ein
ausreichend schmales Härtbarkeitsstreuband
C - Reihe
und eine möglichst konstante Korngröße be-
20 sitzen. Der Härteverlauf wird durch die sog.
400 600 800 1000 1200 N/mm2 Einsatzhärtungstiefe (Eht) beschrieben. Sie
Mindestwert der Zugfestigkeit wird nach DIN EN ISO 2639 (DIN 50190)
durch die dem Härtegrenzwert 615 HV zu-
Bild 2-44
Abhängigkeit der Zugfestigkeit und Brucheinschnü- geordnete Einhärtungstiefe definiert.
rung (Mindestwerte) von den Stahlreihen der (nicht
mehr gültigen) DIN 17200 im vergüteten Zustand. Die Phosphor- und Schwefelgehalte sind wie
für wärmebehandelbare Stähle üblich sehr
Von den in Tabelle 2-6 aufgeführten Stäh- gering. Die Legierungselemente (vorwie-
len haben sich vor allem die folgenden Legie- gend Mn, Cr, Mo, Ni) bestimmen die Härt-
rungssysteme bewährt, die in Richtung zuneh- barkeit des Stahls, d. h. die Beanspruchbar-
Tabelle 2-7 176
Chemische Zusammensetzung (Schmelzenanalyse) der Einsatzstähle nach DIN EN 10084 (6/2008).

1), 2), 3)
Stahlsorte (Kurzname) nach Chemische Zusammensetzung in Massenprozent

EN 10027-1 EN 10027-2 DIN 17006 C Si Mn S Cr Mo Ni

C10E 1.1121 Ck 10 ≤ 0,035


0,07 bis 0,30 ≤ 0,40 0,30 bis 0,60 − − −
C10R 1.1207 Cm 10 0,020 bis 0,040
C15E 1.1141 Ck 15 ≤ 0,035
0,12 bis 0,18 ≤ 0,40 0,30 bis 0,60 − − −
C15R 1.1140 Cm 15 0,020 bis 0,040
17Cr3 1.7016 17 Cr 3 0,14 bis 0,20 ≤ 0,40 0,60 bis 0,90 ≤ 0,035 0,70 bis 1,00 − −

20Cr4 1.7030 20 Cr 4 ≤ 0,035


Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

0,24 bis 0,31 ≤ 0,40 0,60 bis 0,90 0,90 bis 1,20 − −
20CrS4 1.7036 20 CrS 4 0,020 bis 0,040

16MnCr5 1.7131 16 MnCr 5 ≤ 0,035


0,14 bis 0,19 ≤ 0,40 1,00 bis 1,30 0,80 bis 1,10 − −
16MnCrS5 1.7139 16MnCrS 5 0,020 bis 0,040
20MnCr5 1.7147 20 MnCr 5 ≤ 0,035
0,17 bis 0,23 ≤ 0,40 1,10 bis 1,40 1,00 bis 1,30 − −
20MnCrS5 1.7149 20 MnCrS 5 0,020 bis 0,040
20MoCr4 1.7321 20 MoCr 4 ≤ 0,035
0,17 bis 0,23 ≤ 0,40 0,70 bis 1,00 0,60 bis1,00 − 0,80 bis 1,00
20MoCrS4 1.7323 20 MoCrS 4 0,020 bis 0,040
15CrNi13 1.5752 15 CrNi 13 0,14 bis 0,20 ≤ 0,40 0,40 bis 0,70 ≤ 0,035 0,60 bis 0,90 − 3,00 bis 3,50
17NiCrMo6-4 1.6566 17 NiCrMo 6 4 ≤ 0,035
0,14 bis 0,20 ≤ 0,40 0,60 bis 0,90 0,80 bis 1,10 0,15 bis 0,25 0,15 bis 1,50
17NiCrMoS6-4 1.6569 17 NiCrMoS 6 4 0,020 bis 0,040

1)
In dieser Tabelle nicht aufgeführte Elemente dürfen dem Stahl außer zum Fertigbehandeln der Schmelze ohne Zustimmung des Bestellers nicht absichtlich zugesetzt wer-
den. In Zweifelsfällen sind die Grenzgehalte nach DIN EN 10020, s. Tabelle 2-1 (entspricht der alten EURONORM 20-74) maßgebend.
2)
Außer bei den Elementen Phosphor und Schwefel sind geringfügige Abweichungen von den Grenzen für die Schmelzenanalyse zulässig, wenn eingeengte Streubänder der
Härtbarkeit im Stirnabschreckversuch bestellt werden.
3)
Der Phosphorgehalt beträgt bei allen Stahlqualitäten ≤ 0,35 %.
Abschn. 2.7.4: Warmfeste Stähle 177

keit des Bauteils. Der Stahl 17CrNiMo6 be- der Betriebstemperaturen reicht von 300 ’C,
sitzt die höchste Härtbarkeit, die geringste über 500 ... 550 ’C (z. B. Frischdampftempe-
der niedriglegierten Stähle der Stahl 17Cr3. raturen bei Dampfturbinen), 700 ’C (z. B. Gas-
Die un- und (niedrig-)legierten Einsatzstäh- turbinen) bis zu der zzt. maximal beherrsch-
le nach DIN EN 10084 sind in Tabelle 2-7 baren von etwa 1100 ’C, die bei Flugtriebwer-
aufgeführt. ken entsteht.

Diese verunreinigungsarmen Stähle sind im Eine mechanische Beanspruchung bei höhe-


nicht aufgekohlten Zustand gut schweißge- ren Temperaturen führt zum Kriechen des
eignet. Von einem Schweißen bereits einge- Werkstoffes. Darunter versteht man die ste-
setzter Stähle ist wegen des hohen Kohlen- tige Zunahme der Verformung bei einer kons-
stoffgehalts und der damit verbundenen ex- tanten Belastung. Der zeitabhängige Span-
tremen Rissgefahr abzuraten. nungsabfall bei konstanter Verformung wird
als Relaxation bezeichnet. Diese Erschei-
nung ist vor allem bei Federwerkstoffen und
2.7.4 Warmfeste Stähle Werkstoffen für Schrauben von großer tech-
nischer Bedeutung.
Bauteile, die bei erhöhten Temperaturen me-
chanischen (meistens auch korrosiven) Be- Der unzureichende Kriechwiderstand der
anspruchungen ausgesetzt sind, werden aus unlegierten Stähle lässt sich durch Legie-
warmfesten Stählen hergestellt. Die Spanne rungselemente erhöhen, die die Warmfestig-

e = konst.
log Spannung s
Spannung s

tB

t 0,2

log Beanspruchungsdauer t log Beanspruchungsdauer t


a) c)

de
T = konst. s1 > s 2 > s 3 e=
dt
Dehnung e

log Dehngschwindigkeit e

s1
e B (3)
s1 s2 s3
s2
e

s3
e 0,2

t 0,2 t B (3) e 0,2 e B (3)

Beanspruchungsdauer t log Dehnung e


b) d)

Bild 2-45
Mögliche Auswertungen von Kriechversuchen.
a) Relaxationsversuch: zeitabhängige Spannungsabnahme bei konstanter Dehnung,
b) Zeitstandversuch: Zeit-Dehnungs-Kurven für konstante Spannungen, hieraus c) und d) ermittelbar,
c) Zeitstandversuch: Zeitstand-Schaubild mit eingetragener Zeitbruchlinie (tB ) und Zeitgrenzlinie für 0,2 %
plastischer Dehnung bis zum Brucheintritt (t0,2 ),
d) Schaubild zum Bestimmen der Dehnungsgeschwindigkeit e = de / dt.
178 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

keit der Matrix erhöhen. Die Wirksamkeit Bild 2-45 zeigt schematisch das Verhalten
dieser Maßnahmen beruht auf dem Erschwe- der Werkstoffe unter Kriech- bzw. Relaxa-
ren der Versetzungsbewegung, d. h. der Gleit- tionsbedingungen und die verschiedenen
prozesse. Diese Mischkristallhärtung kann Möglichkeiten der Versuchsauswertung von
bereits mit Mangan erreicht werden. Wesent- Kriechversuchen.
lich effektiver sind fein verteilte möglichst
kohärente Ausscheidungen, die bei den Be- Bei den Zeitstandversuchen (DIN EN 10291)
anspruchungstemperaturen nicht koagulie- werden die bis zum Erreichen bestimmter
ren bzw. in Lösung gehen. Besonders geeig- plastischer Dehnungen bzw. bis zum Bruch
net sind die temperaturbeständigen Sonder- der Probe vergangenen Belastungsdauern
carbide der Elemente Molybdän, Chrom und ermittelt. Die Auswertung von Kriechversu-
Vanadium, die erst bei hohen Temperaturen chen ergibt die für die Bauteil-Bemessung
ihre Hinderniswirkung verlieren, d. h. gelöst wichtigen Festigkeitswerte, wie z. B. in Bild
werden. Bei Langzeitbeanspruchungen ober- 2-45c schematisch dargestellt ist:
halb 550 ’C müssen die Stähle für eine aus- – Die Zeitstandfestigkeit ist die bei bestimm-
reichende Zunderbeständigkeit mit Chrom le- ter Prüftemperatur ertragene Spannung,
giert werden. Für Beanspruchungen bei die- die nach einer festgelegten Beanspru-
sen hohen Temperaturen werden gewöhnlich chungsdauer zum Bruch führt. Rm/105/550
austenitische Cr-Ni-Stähle verwendet. kennzeichnet die Zeitstandfestigkeit bei
100
550 ’C für 100 000 h.
% – Die Zeitdehngrenze ist die bei bestimmter
4 Prüftemperatur ertragene Spannung, die
Zugbeanspruchung (N/mm2): 180
nach einer bestimmten Beanspruchungs-
bleibende Dehnung

170 100 80
2
210
10
dauer zu einer festgelegten plastischen
6 Dehnung führt. Rp1/104/500 kennzeichnet
4 die 1%-Zeitdehngrenze bei einer Tempe-
2 ratur von 500 ’C für 10 000 h.
1
0,6 Für den Stahl X12CrCoNi21-20 zeigt das
700 ° C
0,4 Bild 2-46 die Auswertung von Zeitstandver-
0,2 suchen. Die extrem aufwändige Ermittlung
0,1 dieser Kenngrößen (100 000 h 12 Jahre!) ist
1 10 102 103 104 h 105 notwendig, weil Extrapolationen aus den Er-
a)
Beanspruchungsdauer gebnissen von Kurzzeitversuchen zzt. noch
nicht mit der erforderlichen Genauigkeit mög-
400 lich sind.
15
N 36
mm2 26
25 Statisch beanspruchte, warmgehende Bau-
100 42
teile werden abhängig von der Höhe der Be-
6 triebstemperatur mit unterschiedlich ermit-
Beanspruchung

0,2%-Zeitdehngrenze 1%-Zeitdehngrenze Zeitbruchlinie


4
telten Festigkeitskennwerten berechnet:
2 – Die Warmstreckgrenze ist für niedrige
10
Betriebstemperaturen der Berechnungs-
1 10 102 103 104 h 105 kennwert.
b)
Beanspruchungsdauer – Bei hohen Temperaturen sind die Ergeb-
nisse aus Langzeitversuchen erforderlich,
Bild 2-46 d. h. Zeitdehngrenzen oder die Zeitstand-
Auswertung von Zeitstandversuchen an dem hoch-
festigkeit. Der Schnittpunkt der von der
warmfesten austenitischen Stahl X12CrCoNi21-20.
a) Zeit-Dehnungslinien für T = 700 ’C,
Temperatur abhängigen Kurve der Warm-
b) Zeitstand-Schaubild. Die Zahlenwerte an der Zeit- streckgrenze mit der der Zeitfestigkeit
bruchlinie sind die gemessenen Zeitbruchdehnun- (105 h) dient gewöhnlich als Grenzwert für
gen, nach Steinen. den Einsatz der Berechnungskennwerte.
Abschn. 2.7.4: Warmfeste Stähle 179

Ausreichende Zähigkeitsreserven sind für tenitischen Stähle ist dann gering, aber ihre
die Betriebssicherheit von (geschweißten) Schweißeignung wegen der Gefahr der Heiß-
Bauteilen aus warmfesten Stählen von gro- rissbildung im Schweißgut schlechter. Mit
ßer Bedeutung. Sie sind zum Spannungsab- Schweißzusatzwerkstoffen, die zu etwa 5 %
bau in der Nähe konstruktiv bedingter Ker- bis 10 % (primären!) d -Ferrit im Schweißgut
ben im Bauteil und vor allem in den schmelz- führen, lassen sich Heißrisse relativ sicher
grenzennahen Orten der WEZ erforderlich. vermeiden, allerdings kann es dann durch
Weiterhin muss der Werkstoff beim Durch- die Bildung der Sigma-Phase stark versprö-
fahren der z. T. extremen Temperaturdiffe- den. Der borlegierte Stahl X8CrNiMoB16-16
renzen so verformbar bleiben, dass eine Riss- höchster Zeitstandfestigkeit ist wegen des
bildung ausgeschlossen ist. Die Zähigkeits- Entstehens eines borreichen Eutektikums –
eigenschaften werden in zunehmendem Um- vorwiegend an den Korngrenzen – nicht mehr
fang durch die NDT-Temperatur (s. Abschn. (schmelz-)schweißgeeignet.
6.2.2, S. 586) bestimmt, deren Wert unter-
halb der Raumtemperatur liegen muss.

In Tabelle 2-8 sind einige wichtige warmfes-


te Stähle und Stahlgusssorten aufgeführt.
Die warmfesten Feinkornbaustähle sind bis
etwa 400 ’C einsetzbar (s. auch Tabelle 2-11,
S. 186). Sie werden im normalgeglühten, ther-
momechanisch behandelten oder im wasser-
vergüteten Zustand verwendet. Die wichtigs-
te technologische Forderung ist eine gute
Schweißeignung. Sie wird durch Begrenzen
des Kohlenstoffgehalts auf 0,2 %, eine beson-
ders hohe Reinheit und die ausgeprägte Fein-
körnigkeit dieser Stähle erreicht.

Die (niedrig-)legierten warmfesten Stähle sind Bild 2-47


im Dauerbetrieb bis ungefähr 450 ’C (15Mo3, Ferritisch-bainitisches Gefüge des legierten warm-
13MnMoNi5-4, 22NiMoCr3-7), der ferriti- festen Stahls 13CrMo4-5, V = 800:1, 2 % HNO3.
sche Chromstahl X20CrMoV12-1 ist bis ma-
ximal 590’C einsetzbar. Die im Kessel- und Die Entwicklungstendenz ist wegen der stän-
Apparatebau sehr häufig verwendeten warm- dig zunehmenden Sicherheitsanforderungen
festen Stähle 13CrMo4-5 und 10CrMo9-10 und der zum Teil erheblichen Wanddicken der
sind sehr gut schweißgeeignet. Der bis 560 ’C warmgehenden Bauteile eindeutig die Ver-
im Dauerbetrieb einsetzbare Stahl 14MoV6-3 besserung der Schweißeignung der Stähle,
ist wie jeder ausscheidungsgehärtete Werk- weniger die Steigerung der Warmfestigkeit.
stoff nur bei Beachtung besonderer Vorsichts- Die hierfür angewendeten metallurgischen
maßnahmen schweißbar. Bild 2-47 zeigt das Maßnahmen verbessern gleichzeitig die Zä-
ferritisch-bainitische Mikrogefüge des (nied- higkeit. Diese Eigenschaft ist vor allem bei
rig-)legierten warmfesten Stahls 13CrMo4-5. Stählen erforderlich, die für Reaktorsicher-
heitsbehälter verwendet werden. Das Absen-
Betriebstemperaturen über etwa 600 ’C erfor- ken des Schwefelgehaltes und das Abbinden
dern den Einsatz austenitischer Stähle, s. des Schwefels zu kugeligen, nicht verformba-
Tabelle 2-9. Im Vergleich zu den korrosions- ren Sulfiden – vorzugsweise geschieht dies
beständigen Cr-Ni-Stählen (Abschn. 2.8.2.3) mit pfannenmetallurgischen Maßnahmen
wird zum Erhöhen der Austenitstabilität der (Umschmelztechnik), mit der auch wegen der
Chromgehalt auf etwa 16 % abgesenkt, der raschen Erstarrung ein feinkörniges Gefü-
Nickelgehalt auf 13 % erhöht. Die Ausschei- ge herstellbar ist – haben sich als sehr wirk-
dungsneigung (Sigma-Phase!) dieser vollaus- sam erwiesen.
Tabelle 2-8

180
Chemische Zusammensetzung (Schmelzenanalyse) warmfester ferritischer Stähle und Stahlgusssorten nach verschiedenen Normen und Regelwerken.

Stahlsorte Chemische Zusammensetzung in Massenprozent (Schmelzenanalyse)

C Si Mn Cr Mo Ni V

Ferritische Stähle für Bleche und Rohre (DIN EN 10028-2)

17Mn4 0,14 bis 0,20 ≤ 0,40 0,90 bis 1,40 ≤ 0,25 ≤ 0,10 ≤ 0,30 ≤ 0,03
19Mn6 0,15 bis 0,22 0,30 bis 0,60 1,00 bis 1,60 ≤ 0,025 ≤ 0,10 0,30 −
15Mo3 0,12 bis 0,20 0,10 bis 0,35 0,40 bis 0,80 − 0,25 bis 0,35 − −
13CrMo4-5 (13 CrMo 4 4) 3) 0,10 bis 0,18 0,10 bis 0,35 0,40 bis 0,70 0,70 bis 1,10 0,45 bis 0,65 − −
10CrMo9-10 0,08 bis 0,15 ≤ 0,50 0,40 bis 0,70 2,00 bis 2,50 0,90 bis 1,20 − −
14MoV6-3 0,10 bis 0,18 0,10 bis 0,35 0,40 bis 0,70 0,30 bis 0,60 0,50 bis 0,70 − 0,22 bis 0,32
12CrMo19-5 ≤ 0,15 ≤ 0,50 0,30 bis 0,60 4,0 bis 6,0 0,45 bis 0,65 − −
X20CrMoV12-1 0,17 bis 0,23 ≤ 0,50 ≤ 1,00 10,00 bis 12,50 0,80 bis 1,20 0,30 bis 0,80 0,25 bis 0,35

Ferritische Stahlgusssorten (DIN EN 10213-2)


Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

GP240GH (GS-C 25) 3) 0,18 bis 0,23 0,30 bis 0,60 0,50 bis 0,80 ≤ 0,30 − − −
G20Mo5 (GS-22 Mo 4) 3) 0,18 bis 0,23 0,30 bis 0,60 0,50 bis 0,80 ≤ 0,30 0,35 bis 0,45 − −
G17CrMo5-5 0,15 bis 0,20 0,30 bis 0,60 0,50 bis 0,80 1,20 bis 1,50 0,45 bis 0,55 − −
GX8CrNi12 0,06 bis 0,10 0,10 bis 0,40 0,50 bis 0,80 11,5 bis 12,5 ≤ 0,50 0,80 bis 1,50 −

Tabelle2-9
Chemische Zusammensetzung (Schmelzenanalyse) einiger austenitischer hochwarmfester Stähle.

Stahlsorte Chemische Zusammensetzung in Massenprozent (Schmelzenanalyse)

C Cr Mo Ni V Ti B Nb 1) Sonstige

Austenitische hochwarmfeste Stähle (DIN EN 10088, DIN EN 10302)

X6CrNi18-11 0,06 18,0 ≤ 0,50 11,0 − − − − −


X6CrNiMo17-13 0,06 17,0 2,25 13,0 − − − − −
X8CrNiMoNb16-16 0,07 16,5 1,8 16,5 − − − 10 ⋅ %C 2)
O

X10NiCrMoTiB-15-15 0,10 15,0 1,15 15,5 − 0,45 0,005 − −
X12CrCoNi21-20 0,12 21,0 3,0 20,0 − − − 1,0 20 Co; 0,15 N; 2,5 W
X5NiCrTi26-15 ≤ 0,08 14,5 1,25 26,0 0,30 2,1 0,007 − ≤ 0,08 Al

1)
Die Werte geben die Summe Nb % + Ta % an.
2)
Zusätzlich gilt die Bedingung: Nb ≥ 10 C % + 0,4 % ≤ 1,2 %.
3)
Ältere Stahlbezeichnungen (nach DIN 17006) sind in Klammern angegeben, wenn sie wesentlich von den neuen nach DIN EN 10027-1 abweichen.
Tabelle 2-10
Chemische Zusammensetzung (Schmelzenanalyse) kaltzäher Stähle und hoch nickelhaltiger Werkstoffe nach verschiedenen Normen und Regelwerken.

Stahlsorte Chemische Zusammensetzung in Massenprozent (Schmelzenanalyse)

C Si Mn P S Cr Mo Ni V
1)
P275NL2 ≤ 0,16 ≤ 0,40 0,80 bis 1,50 ≤ 0,025 ≤ 0,015 ≤ 0,30 ≤ 0,08 ≤ 0,50 ≤ 0,05
P460NL2 1) ≤ 0,20 ≤ 0,60 1,10 bis 1,70 ≤ 0,025 ≤ 0,015 ≤ 0,30 ≤ 0,10 ≤ 0,80 ≤ 0,20
P265NL 2) ≤ 0,20 ≤ 0,40 0,60 bis 1,40 ≤ 0,025 ≤ 0,020 ≤ 0,030 ≤ 0,08 ≤ 0,30 ≤ 0,05
11MnNi5-3 2) 3) ≤ 0,14 ≤ 0,50 0,70 bis 1,50 ≤ 0,025 ≤ 0,015 − − 0,30 bis 0,80 ≤ 0,05
13MnNi6-3 2) 3) ≤ 0,16 ≤ 0,50 0,85 bis 1,70 ≤ 0,025 ≤ 0,015 − − 0,30 bis 0,85 ≤ 0,05
15NiMn6 2) ≤ 0,18 ≤ 0,35 0,80 bis 1,50 ≤ 0,025 ≤ 0,015 − − 1,30 bis 1,70 ≤ 0,05
12Ni14 2) ≤ 0,15 ≤ 0,35 0,30 bis 0,80 ≤ 0,020 ≤ 0,010 − − 3,25 bis 3,75 ≤ 0,05
11MnNi5-3 2) ≤ 0,14 ≤ 0,50 0,70 bis 1,50 ≤ 0,025 ≤ 0,010 − − 0,30 bis 0,80 ≤ 0,05
X12Ni5 2) ≤ 0,15 ≤ 0,35 0,30 bis 0,80 ≤ 0,020 ≤ 0,010 − − 4,75 bis 5,25 ≤ 0,05
X7Ni9 2) ≤ 0,10 ≤ 0,35 0,30 bis 0,80 ≤ 0,015 ≤ 0,005 − 0,10 8,5 bis 10,00 ≤ 0,05
X8Ni9 2) ≤ 0,10 ≤ 0,35 0,30 bis 0,80 ≤ 0,020 ≤ 0,010 − ≤ 0,1 8,0 bis 10,0 ≤ 0,05
X10Ni9 2) ≤ 0,13 0,15 bis 0,35 0,30 bis 0,80 ≤ 0,020 ≤ 0,010 − ≤ 0,015 0,30 bis 0,80 ≤ 0,02
X5CrNi17-7 4) ≤ 0,07 ≤ 1,00 ≤ 2,00 ≤ 0,045 ≤ 0,030 77,0 bis 18,0 ≤ 0,80 6,0 bis 8,0 −
X3CrNiN18-10 4) 5) ≤ 0,04 ≤ 1,00 ≤ 2,00 ≤ 0,045 ≤ 0,030 17,0 bis 19,0 ≤ 0,50 9,0 bis 11,5 −
X6CrNiNb18-10 4) 6) ≤ 0,08 ≤ 1,00 ≤ 2,00 ≤ 0,045 ≤ 0,030 17,0 bis 19,0 ≤ 0,50 9,0 bis 12,0 −
X6CrNiTi18-10 4) 7) ≤ 0,08 ≤ 1,00 ≤ 2,00 ≤ 0,045 ≤ 0,030 17,0 bis 19,0 ≤ 0,50 9,0 bis 12,0 −
X2CrNiMo17-12-5 4) 5) ≤ 0,04 ≤ 1,00 ≤ 2,00 ≤ 0,045 ≤ 0,015 16,8 bis 18,5 2,00 bis 2,50 10,0 bis 12,5 −
X3CrNiCu18-9-5 4) ≤ 0,04 ≤ 1,00 ≤ 2,00 ≤ 0,045 ≤ 0,015 17,0 bis 19,0 − 8,5 bis 10,5 −
Ni36 8) ≤ 0,07 ≤ 1,00 ≤ 0,50 ≤ 0,030 ≤ 0,030 − − 35,0 bis 37,0 −
2)
X2CrNi18-9 ≤ 0,030 ≤ 1,00 ≤ 2,00 ≤ 0,045 ≤ 0,030 17,5 bis 19,5 − 8,00 bis 11,00 −
NiCr20TiAl 2) 0,04 bis 0,10 ≤ 1,00 ≤ 1,00 ≤ 0,020 ≤ 0,015 18,00 bis 21,00 − ≥ 65 −

1)
Beispiel für einen (kaltzähen) Stahl nach DIN EN 10028-3 (Flacherzeugnisse aus Druckbehälterstählen).
2)
Weitere Einzelheiten s. DIN EN 10028-4, DIN EN 10216-4, DIN EN 10217-4/-6, DIN EN 10269.
3)
Niobgehalt bis max. 0,05 %.
4)
Weitere Einzelheiten s. DIN 17440, DIN EN 10028-7, DIN EN 10088 (11/2001).
5)
Außerdem 0,10 % bis 0,18 % Stickstoff.
6)
Niobgehalt bis max. 1,0 %.
7)
Titangehalt bis max. 0,8 %.
8)
Weitere Einzelheiten siehe DIN 17745 (9/2002).
Abschn. 2.7.4: Warmfeste Stähle
181
182 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

In diesem Zusammenhang ist auch die Ver- Bild 2-48 zeigt den Anwendungsbereich ver-
sprödung bei Langzeitbeanspruchung und schiedener kaltzäher Baustähle in der Flüs-
die in Abschn. 2.5.2 besprochene Anlassver- siggas-Technologie. Der Begriff Tieftempera-
sprödung zu beachten. Beide Versprödungs- turtechnik (Kryogenik) sollte nach dem Natio-
formen werden durch Spurenelemente (P, nal Institute of Standards and Technology
As, Sb, Sn) hervorgerufen, die sich auf Korn- für Temperaturen unter 150 °C angewendet
grenzen anreichern. Die ferritischen Stähle, werden. In Tabelle 2-10 sind die mechani-
Tabelle 2-8, sind daher außer zum Erreichen schen Gütewerte einiger wichtiger kaltzäher
der geforderten Warmfestigkeit zum Unter- Stähle nach verschiedenen Normen und Re-
drücken der Anlassversprödung mit etwa gelwerken zusammengestellt.
0,5 % Molybdän legiert. Schweißverbindun-
gen aus molybdänfreien, warmfesten Stäh- Die Temperaturabhängigkeit der mechani-
len neigen daher beim Spannungsarmglühen schen Gütewerte dieser Stähle muss für ihren
zur Anlassversprödung, die aber mit einer fachgerechten Einsatz bekannt sein. Versprö-
geeigneten Wärmeführung in Grenzen gehal- dungserscheinungen im Schweißgut und der
ten wird. Wärmeeinflusszone sind ein zentrales Pro-
blem und dürfen bei der Betriebstemperatur
2.7.5 Kaltzähe Stähle noch nicht entstehen. Grundsätzlich steigen
mit abnehmender Temperatur die Festigkeits-
Stähle, die bei tiefen Temperaturen (etwa un- werte bei gleichzeitiger Verringerung der Zä-
terhalb  10 ’C) eingesetzt werden können, higkeitswerte, Bild 2-49. Die Dimensionie-
bezeichnet man als kaltzäh. Ihre wichtigste rung der Bauteile aus kaltzähen Stählen er-
Eigenschaft ist eine ausreichende Zähigkeit folgt aber mit den wesentlich niedrigeren Fes-
bei der Betriebstemperatur. Sie werden z. B. tigkeitskennwerten bei Raumtemperatur.
in der Kälteindustrie, der Petrochemie und Bei den austenitischen Stählen wird in vie-
der Kernforschung zum Herstellen von Ap- len Fällen für die Berechnung auch die 1%-
paraten, Transport- und Vorratsbehältern Dehngrenze verwendet, mit der die extreme
verwendet. Die Betriebstemperaturen dieser Verformbarkeit dieser Stähle berücksichtigt
Konstruktionen erreichen Werte bis zu 2 K. d. h. nutzbar gemacht wird.

Stahlsorte Streck- Kerbschlag- Anwendung in der Technologie von


grenze arbeit KV 1)
bei RT min.
Wasser-
Kohlen-

Methan
Propen
Propan

Helium
Sauer-

Argon
dioxid
Butan

Äthen
Äthan

Stick-

min.
stoff
stoff

stoff

Prüftem- mit einer Siedetemperatur von


peratur
N/mm2 °C J ± 0 °C – 42 °C – 47 °C – 78 °C – 89 °C – 104°C – 164°C – 183°C – 186 °C – 196 °C – 253 °C – 269 °C

S275NL bis 275 bis


- 50 27
S460NL 460

11MnNi5-3 285 - 60 41

13MnNi6-3 355 - 60 41

10Ni14 345 - 100 27

10Ni14V 390 - 120 27 Anwendungsbereich

12Ni19 420 - 140 35

X7NiMo6 490 - 170 39

X8Ni9 490 - 196 39

austenitische 240 bis


- 196 55
Cr-Ni-Stähle 340
1)
Mittelwert aus drei Einzelversuchen (Charpy - V - Proben, entnommen in Längsrichtung)

Bild 2-48
Anwendungsbereich kaltzäher Baustähle in der Flüssiggas-Technologie. Chemische Zusammensetzung s. Ta-
belle 2-10, nach Degenkolbe und Haneke.
Abschn. 2.7.5: Kaltzähe Stähle 183

Das Verformungsverhalten bzw. die Schlag- – Hoher Reinheitsgrad (nichtmetallische Ein-


zähigkeit wird überwiegend mit dem Kerb- schlüsse). Insbesondere die Phosphor- und
schlagbiegeversuch, s. Abschn. 6.3, S. 587, Schwefelgehalte sollten möglichst niedrig
festgestellt. sein (je etwa … 0,025 %).
– In den meisten Fällen ist eine gezielte
Die zum Erreichen der Tieftemperaturzähig- Wärmebehandlung der Stähle sehr wirk-
keit entscheidenden metallurgischen Maß- sam. Die Zähigkeit der (niedrig-)legierten
nahmen sind: Stähle und die Gleichmäßigkeit ihres Ge-
– Erzeugen eines feinkörnigen ferritischen füges lassen sich durch ein Normalglühen
Gefüges mit den in Abschn. 2.7.6.1 be- stark verbessern. Legierte Stähle werden
schriebenen Maßnahmen (s. a. Abschn. 1.3, meistens vergütet. Das hierbei entstehen-
Einfluss der Korngrenzen, S. 15). Grund- de martensitische bzw. martensitisch-bai-
sätzlich wird eine weitgehende allgemeine nitische Gefüge besitzt wesentlich bes-
Gefügeverfeinerung angestrebt, die durch sere Zähigkeitseigenschaften als das nor-
verschiedene Legierungselemente erreicht malgeglühte bei gleichzeitig hohen Festig-
wird. Die Ursache ist meistens die Abnah- keitswerten.
me der Umwandlungstemperatur des Auste-
nits, die zu einer starken Verzögerung der Die kaltzähen Stähle lassen sich in drei gro-
Diffusionsvorgänge während der Umwand- ße Gruppen einteilen:
lung führt. Die Folge ist eine geringere Se-
kundärkorngröße und die sehr feinstreifi- 1. (Niedrig-)legierte Feinkornstähle
ge Ausbildung des Perlits. Als sehr effek- Die manganlegierten Tieftemperaturstähle
tiv haben sich Manganzusätze bis 2 % er- z. B. nach DIN EN 10028-3 (Tabelle 2-12,
wiesen. Höhere Gehalte sind ungünstig, Abschn. 2.7.6.1) sind bekannte Beispiele für
weil sich wegen der stark erniedrigten Um- diese bis etwa – 50 ’C einsetzbaren Stähle.
wandlungstemperatur der die Zähigkeit
verringernde Bainit bildet. 2. Ni- bzw. Ni-Mn-legierte
vergütete Feinkornstähle
1000
Ein Einsatz bei tieferen Betriebstemperatu-
ren als etwa  50 ’C erfordert außer Mangan
900
N
Streckgrenze Rp1,0

mm2 das hierfür besonders geeignete Legierungs-


700 element Nickel, das zwischen 1 % und 9 %
600
X8Ni9 zugesetzt wird, z. B. nach DIN EN 10028-4.
Bei geringen Gehalten besteht die Wirkung
500 des Nickels in der Absenkung der Umwand-
X12Ni5 lungstemperatur, bei höheren in der Erzeu-
400
12Ni14 gung martensitischer (Vergütungs-)Gefüge.
Die wasservergüteten Nickelstähle sind ex-
P275NL1 trem schlagzäh. Sie erreichen Übergangstem-
300 peraturen (Charpy-V) bis zu  200 ’C, Bild
11MnNi5-3 2-48. Den erhebliche Einfluss des Nickels
X10CrNiTi18-10
auf die Zähigkeit kaltzäher Stähle zeigt sche-
matisch Bild 2-50.
200
70 100 200 300 K 400 500 3. Austenitische Stähle
Temperatur T
Für Betriebstemperaturen unter  200 ’C
- 200 - 150 - 100 - 50 0 50 100 ° C müssen austenitische Cr-Ni-Stähle verwen-
Temperatur J det werden. Sie zeigen nicht den für die krz
ferritischen Stähle typischen Steilabfall der
Bild 2-49
Abhängigkeit der Streckgrenze Rp1,0 verschiedener Kerbschlagzähigkeit, sondern eine in der Re-
kaltzäher Stähle (s. Tabelle 2-10) von der Tempera- gel gleichmäßige und geringe Zähigkeitsab-
tur, in Anlehnung an Haneke und Müsgen. nahme mit sinkender Temperatur. Der Stahl
184 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

mit 13 % Ni in Bild 2-50 zeigt deutlich dieses 2.7.6 Feinkornbaustähle


Verhalten. Voraussetzung für diese extreme
Zähigkeit ist das kfz Gitter. Ein Umwandeln Diese Stähle gehören zu der großen Gruppe
des metastabilen austenitischen Gefüges die- der Baustähle, die z. B. im Hoch-, Tief-, Was-
ser Stähle bei tiefen Betriebstemperaturen ser-, Brücken-, Maschinen- und Schiffbau ver-
führt aber zu einer teilweisen Martensitbil- wendet werden. Sie werden hauptsächlich
dung und damit zu einer einschneidenden aufgrund ihrer Festigkeitseigenschaften und
Verschlechterung der Zähigkeitseigenschaf- ihrer sehr guten Schweißeignung verwendet,
ten und des Korrosionsverhaltens. Diese Si- weil der Kohlenstoffgehalt dieser Stähle fast
tuation lässt sich durch Energiezufuhr in das immer unter 0,2 % liegt. Daher ist eine Eintei-
Gefüge (z. B. Kaltverformen) herbeiführen. lung in normalfeste und hochfeste Baustäh-
Die in Martensit umgewandelte Austenitmen- le naheliegend.
ge hängt außer von der chemischen Zusam-
mensetzung des Stahls von der Energiemen- Normalfeste Stähle haben bei Raumtempe-
ge und den die Umwandlung »antreibenden« ratur eine Mindeststreckgrenze, die größer
Kräften ab. Die Austenitumwandlung wird als 355 N/mm2 ist. Sie werden im Walzzu-
damit von der Größe der Kaltverformung stand oder im normalgeglühten Zustand ver-
und der Unterkühlung bestimmt, d. h. direkt wendet. Wenn die Mindeststreckgrenze die-
von der Betriebstemperatur. Als Maßstab ser Stähle bei Raumtemperatur • 355 N/mm2
für die Umwandlungsneigung austenitischer ist, werden sie vereinbarungsgemäß als hoch-
Stähle wird z. B. die Temperatur gewählt, fest bezeichnet. Sie sind feinkörnig erschmol-
bei der sich nach einer 30%igen Kaltverfor- zen und werden im normalgeglühten, ther-
mung … 50 % Martensit gebildet hat (Md30). momechanisch behandelten oder vergüteten
Sie wird nach der Gleichung Gl. [2-18] berech- Zustand eingesetzt.
net, in die die Legierungselemente in Massen-
prozent einzusetzen sind: Höhere Werkstoffbeanspruchungen (Maschi-
Md30[’C] 413  462 ¹ (C  N)  9,2 ¹ Si  8,1¹ Mn nen-, Fahrzeug-, Leicht-, Druckbehälterbau),
 13,7 ¹ Cr  9,5 ¹ Ni  18,5 ¹ Mo. und eine zunehmende Ausrichtung der kons-
truktiven Gestaltung zum Leichtbau erfor-
dern Stähle mit höherer Festigkeit. Sie müs-
250
sen ähnlich gut ver- und bearbeitbar sein wie
J 2 % Ni die konventionellen Stähle, d. h. als wichtigs-
Kerbschlagarbeit KV

200
3,5 % Ni te technologische Eigenschaft eine ausrei-
chende Schweißeignung besitzen (Abschn.
8,5 % Ni 3.2, S. 239).
150
13 % Ni Feinkornstähle sind grundsätzlich vollbe-
ruhigt (FF) und durch ihren Gehalt an Ele-
100
menten gekennzeichnet, die fein verteilte,
erst bei hohen Temperaturen (T • 1000 ’C)
50
in Lösung gehende Ausscheidungen, vor al-
lem von Nitriden und (oder) Carbiden bzw.
0 % Ni Carbonitriden, enthalten. Diese Ausscheidun-
0 gen behindern sehr wirksam das Wachstum
- 200 - 160 - 120 - 80 - 40 ° C 40
0
der Austenitkörner während einer Wärmebe-
Prüftemperatur T
handlung bzw. beim Schweißen und sind die
Bild 2-50 Ursache des feinen Korns im Anlieferzustand
Einfluss des Nickelgehalts auf den Verlauf der Kerb- (ASTM-Ferritkorngröße i. Allg. 8 bis 11). Des-
schlagarbeit-Temperatur-Abhängigkeit verschiedener
halb weisen die Feinkornstähle auch eine sehr
Stähle:
Stähle mit 3,5 % bis 13 % Ni, 0,01 % C, hohe Sprödbruchsicherheit auf, d. h., ihre
Stahl mit 2 % Ni, 0,15 % C, Übergangstemperatur Tü der Kerbschlag-
Stahl mit 0 % Ni, 0,20 % C, nach Armstrong. arbeit liegt meistens deutlich unter  40 ’C.
Abschn. 2.7.6: Feinkornbaustähle 185

Als Ergebnis einer in den Fünfziger Jahren Gruppe 3


begonnenen Entwicklung zeichnen sich drei Ultrahochfeste Stähle, deren Festigkeits- und
Gruppen schweißgeeigneter Feinkornbau- Zähigkeitseigenschaften auf der Wirksam-
stähle ab: keit verschiedener Festigkeitsmechanismen
beruhen. Die wichtigsten Mechanismen sind
Gruppe 1 neben der Korngrenzenhärtung die Marten-
Normalgeglühte und (oder) thermomechanisch sithärtung, die Ausscheidungshärtung und
behandelte Stähle mit Streckgrenzen bis et- das Martensitformhärten.
wa 500 N/mm2. Wegen der geringen Mengen
charakteristischer Legierungselemente (Car- Typische – und zurzeit noch sehr teure – Ver-
bid/Nitridbildner, z. B. Al, Ti, V, Nb) werden treter sind die ausscheidungshärtenden, ex-
diese Stähle auch als mikrolegiert, die Elemen- trem niedriggekohlten (C … 0,05 %) und da-
te als Mikrolegierungselemente bezeichnet. mit gut schweißgeeigneten martensitaushär-
tenden Stähle (Maraging Steel), die Streck-
Diese Stähle wurden in den letzten Jahren grenzenwerte von etwa 2500 N/mm2 errei-
für eine Vielzahl von Anwendungsbereichen chen. Bild 2-51 zeigt das Mikrogefüge des von
genormt. Die wichtigsten sind die Feinkorn- der Schweißwärme unbeeinflussten Grund-
baustähle für die Herstellung von hoch bean- werkstoffs X2NiCoMo18-9-5.
spruchten geschweißten Bauteilen aus dem
Stahlbaubereich z. B. für Brücken, Lagerbe- Hochfeste Stähle bieten folgende Vorteile:
hälter, Wassertanks nach DIN EN 10025-3, – Deutlich größere zulässige Querschnitts-
die thermomechanisch behandelten nach belastung,
DIN EN 10025-4, die feinkörnigen Druck- – geringere Werkstückdicken (geringere Ei-
behälterstähle nach DIN EN 10028-5, sowie genspannungen),
ISO 9328-3 und ISO 9328-5. Die Stähle sind – geringeres Bauteilgewicht,
in den Tabellen 2-11 bis 2-14 aufgeführt. – geringere Kosten für den Werkstofftrans-
port,
Gruppe 2 – größere Sprödbruchsicherheit trotz höhe-
Wasser-, seltener ölvergütete Stähle mit Streck- rer Streckgrenze.
grenzen bis etwa 1400 N/mm2 bei Zugfestig-
keiten bis etwa 1600 N/mm2. Für ihren technisch sinnvollen Einsatz sind
aber verschiedene Voraussetzungen zu erfül-
len und werkstoffliche Besonderheiten zu
beachten:
– Die Bauteile sollten möglichst nur auf
Zug beansprucht werden. Das Stabilitäts-
verhalten wird außer von der Streckgrenze,
vor allem vom E-Modul bestimmt, der
nahezu unabhängig von der Stahlart ist.
– Einer Verringerung der Wanddicke sind
durch Witterungseinflüsse Grenzen ge-
setzt. Die Abrostrate dieser Stähle ent-
spricht der der konventionellen Stähle.
Die kupfer- und chromlegierten wetterfes-
ten Stähle nach DIN EN 10025-5 mit et-
wa 0,3 % bis 1,2 % Chrom und 0,25 % bis
0,55 % Kupfer werden daher in Zukunft
stärker an Bedeutung gewinnen.
Bild 2-51
– Die Dauerfestigkeit steigt nicht proportio-
Mikrogefüge eines ausgehärteten martensitaushärt-
baren Stahls X2NiCoMo18-9-5, V = 600 :1, 10%ige nal mit der Streckgrenze (u. U. überhaupt
wässrige Chromsäure, elektrolytisch und mit V2A- nicht!). Wegen der mit zunehmender Fes-
Beize geätzt. tigkeit zunehmenden Kerbempfindlichkeit
186

Tabelle 2-11
Chemische Zusammensetzung, Höchstwerte des Kohlenstoffäquivalents CEV und Mindestwerte der Kerbschlagarbeit (Charpy-V-Längsproben) der normal-
geglühten/normalisierend gewalzten Feinkornbaustähle nach DIN EN 10025-3.

Stahlsorte (Kurzname) nach Chemische Zusammensetzung in Massenprozent CEV 1) Kerbschlagarbeit KV in J bei einer Prüftemperatur T in 2C

EN 10027-1 EU 25-72 C P S N Nb V % +120 0 – 10 – 20 – 30 – 40 – 50


(DIN 17102) 2)

S275N StE 285 0,18 0,035 0,030 0,015 0,05 0,05 0,40 55 47 43 40 − − −

S275NL TStE 285 0,16 0,030 0,025 0,015 0,05 0,05 0,40 63 55 51 47 40 31 27

S355N StE 355 0,20 0,035 0,030 0,015 0,05 0,12 0,43 55 47 43 40 − − −
Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

S355NL TStE 355 0,18 0,030 0,025 0,015 0,05 0,12 0,43 63 55 51 47 40 31 27

S420N StE 420 0,20 0,035 0,030 0,025 0,05 0,20 0,48 55 47 43 40 − − −

S420NL TStE 420 0,20 0,030 0,025 0,025 0,05 0,20 0,48 63 55 51 47 40 31 27

S460N StE 460 0,20 0,035 0,030 0,025 0,05 0,20 − 55 47 43 40 − − −

S460NL TStE 460 0,20 0,030 0,025 0,025 0,05 0,20 − 63 55 51 47 40 31 27

1)
CEV = Kohlenstoffäquivalent (nach Schmelzenanalyse), die angegebenen Werte gelten für Stähle mit den Nenndicken ≤ 63 mm.
CEV wird nach folgender Formel berechnet:
Mn Cr+Mo+V Ni+Cu
CEV = C + + +
6 5 15
2)
Stahlbezeichnung nach Vorgängernorm DIN 17102 (10/1983).
3)
Bei Langerzeugnissen beträgt der Kohlenstoffgehalt max. 0,15 % für S275 und max. 0,16 % für S355.
4)
Für Langerzeugnisse aus S420 und S460 beträgt der Kohlenstoffgehalt max. 0,18 %.
Tabelle 2-12
Chemische Zusammensetzung, Höchstwerte des Kohlenstoffäquivalents CEV und Mindestwerte der Kerbschlagarbeit (Charpy-V-Längsproben, Erzeugnisdi-
cke 5 mm bis 250 mm, für die Stahlsorten P460NH, P460NL1, P460NL2 bis 100 mm Erzeugnisdicke) der normalgeglühten Feinkornbaustähle (Druckbehäl-
terstähle nach DIN EN 10028-3).

Stahlsorte (Kurzname) nach Stahl- Chemische Zusammensetzung in Massenprozent 1) CEV 3) Kerbschlagarbeit KV in J bei einer
sorte 2) Prüftemperatur T in 2C (Längsproben)

EN 10027-1 EU 25-72 C P S N Nb V % + 20 0 –120 – 40 – 50


(DIN 17102) 1) max. max. max. max. max. max.

P275NH WStE 285 UQ 75 65 45 − −


0,025 0,015
P275NL1 TStE 355 UQ 0,16 0,012 0,05 0,05 0,40 80 70 50 40 30

P275NL2 EStE 355 UE 0,020 0,010 85 75 55 45 42

P355N StE 355 UQ 75 65 45 − −

P355NH WStE 355 UQ 0,025 0,015 75 65 45 − −


0,18 0,012 0,05 0,10 0,43
P355NL1 TStE 355 UQ 80 70 50 40 30

P355NL2 EStE 355 UE 0,020 0,010 85 75 55 45 42

P460NH WStE 460 LE 75 65 45 − −


0,025 0,015
P460NL1 TStE 460 LE 0,20 0,025 0,05 0,20 0,53 80 70 50 40 30

P460NL2 EStE 460 LE 0,020 0,010 85 75 55 45 42

1)
Stahlbezeichnung nach Vorgängernorm DIN 17102 (10/1983).
2)
UQ = unlegierter Qualitätsstahl; UE = unlegierter Edelstahl; LE = legierter Edelstahl.
3)
CEV = Kohlenstoffäquivalent (nach Schmelzenanalyse), die angegebenen Werte gelten für Nenndicken ≤ 60 mm. CEV wird nach folgender Beziehung berechnet:
Mn Cr+Mo+V Ni+Cu
CEV = C + + +
6 5 15
Abschn. 2.7.6: Feinkornbaustähle
187
188 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

wirken selbst kleinste Kerben bzw. De-


fekte (Korngrenzen, Poren, Einschlüsse,
konstruktiv bedingte Kerben usw.) riss-
begünstigend, d. h., die Dauerfestigkeit
nimmt ab. Die viel größere Streckgrenze
lässt sich bei dynamischer Beanspruchung
vor allem bei zunehmendem Spannungs-
verhältnis k Oberspannung/Unterspan-
nung (k so /su) der Belastung ausnut-
zen, wie Bild 2-52 zeigt. Außerdem müs-
sen innere und äußere Kerben im Bereich
der Schweißnaht möglichst vollständig be-
seitigt werden. Günstig sind Beanspru-
chungen im hohen Zeitfestigkeitsgebiet
mit geringen dynamischen Spannungs-
amplituden (»quasistatische« Beanspru-
chung).
Bild 2-53
2.7.6.1 Normalgeglühte Mikrogefüge eines normalgeglühten Feinkornbau-
Feinkornbaustähle stahls, V = 200:1, 2 % HNO3.
Die attraktiven mechanischen Eigenschaften
der Feinkornbaustähle verbunden mit ihrer im Wesentlichen durch die DIN EN 10028-3
guten Schweißeignung sind die Ursache für (Druckbehälterstähle) und DIN EN 10025-3
ihre immer stärker zunehmende Anwendung (normalisierend gewalzte Feinkornbaustäh-
z. B. im Stahlbau, Druckbehälterbau, Rohr- le) ersetzt worden.
leitungsbau und Maschinenbau.
In Tabelle 2-11 und 2-12 sind die chemische
Die angebotenen Stahlqualitäten sind zzt. Zusammensetzung, das Kohlenstoffäquiva-
noch in zahlreichen Normen- und Regelwer- lent sowie die Kerbschlagarbeit dieser Stähle
ken beschrieben. Die bisher wichtigste natio- bei verschiedenen Prüftemperaturen zusam-
nale Norm DIN 17102 ist im Rahmen der eu- mengestellt.
ropäischen Harmonisierungsbestrebungen
Die Stähle werden – wenn nicht anders ver-
1000
einbart – im normalgeglühten Zustand bzw.
N
mm2 k= 0 0,25 0,50 0,75 1,00 normalisierend gewalzt geliefert. Das nor-
malisierende Walzen ist ein Walzverfahren
Oberspannung so

800

k = - 0,5
mit einer Endumformung in einem bestimm-
600 ten Temperaturbereich, das zu einem Werk-
stoffzustand führt, der dem nach einem Nor-
Zugfestigkeit

1
400 malglühen gleichwertig ist. Die Sollwerte der
2 mechanischen Eigenschaften werden dem-
200
3 nach auch nach einem zusätzlichen Normal-
glühen eingehalten.
k = - 1,00
0
- 400 - 200 0 200 400 600 N/mm2 1000 Die Vorteile dieser Behandlung sind der Fort-
Unterspannung s u fall des Normalglühens (Energieeinsparung!)
und die nicht mit Glühzunder behaftete bes-
1: Grundwerkstoff geschliffen
2: Grundwerkstoff mit Walzhaut sere Oberfläche. Als großer Nachteil ist al-
3: Stumpfnahtschweißverbindung, überschliffen lerdings die merklich geringere Leistung der
Bild 2-52 Walzstraße zu nennen, da das Halbzeug an
Dynamische Festigkeitseigenschaften des Stahles Luft (etwa 0,5 K/s) auf die Endwalztempera-
P690QL (StE 690), nach Beratungsst. f. Stahlverw. tur abkühlen muss.
Abschn. 2.7.6: Feinkornbaustähle 189

Eine weitere effektive Möglichkeit, die Gefü- Terrassenbruch


geausbildung des Stahles günstig zu beein- Diese besonders beruhigten Stähle besitzen
flussen, ist die zu den thermomechanischen einen relativ hohen Gehalt nichtmetallischer
Verfahren zählende Intensivkühlung. Hierbei Einschlüsse, das sind im Wesentlichen die Re-
wird das Blech nach dem Walzen mit Wasser- aktionsprodukte der Desoxidationsvorgänge.
brausen auf etwa 550 ’C gekühlt. Die Vortei- Die Schlackenmenge ist daher relativ groß,
le sind ein deutlich feinkörnigeres und vor al- obwohl der Gehalt der atomar gelösten Ver-
lem gleichmäßigeres Gefüge, Bild 2-53, das unreinigungen (z. B. P, N – die die Schlagzä-
auch wegen seiner homogeneren Kohlenstoff- higkeit erheblich herabsetzen – viel niedri-
verteilung eine deutlich geringere Neigung zur ger ist als der in konventionellen Stählen.
Bildung wasserstoffinduzierter Risse zeigt. Mit Hilfe der Vakuum-Metallurgie (Abschn.
2.3.1.1) und ausgewählten sekundärmetall-
Die normalgeglühten Feinkornbaustähle nach urgischen Maßnahmen lassen sich die Verun-
DIN EN 10028-3 werden abhängig von der reinigungen aber soweit verringern, dass die
Art der Betriebsbeanspruchung in vier Rei- Anfälligkeit gegen Terrassenbruch gering ist,
hen geliefert, Tabelle 2-12: ohne sie vollständig zu beseitigen.

Grundreihe, z. B. P275N, Die Schlacken sind wegen der sehr geringen


warmfeste Reihe, z. B. P355NH, Korngröße dieser Stähle meistens in Zeilen-
kaltzähe Reihe, z. B. P460NL1, form angeordnet. Verbunden mit einer gerin-
kaltzähe Sonderreihe, z. B. P355NL2. gen Zähigkeit in Dickenrichtung ist diese
Gefügebesonderheit bei dickwandigen ge-
Die im Zugversuch ermittelten Festigkeitsei- schweißten Konstruktionen (t 20 mm ...
genschaften bei Raumtemperatur (Rm, Rp.02,
A, Biegewinkel) gelten jeweils für sämtliche
Stähle mit gleicher gewährleisteter Mindest- S

streckgrenze (z. B. P275N, P275NH, P275NL1,


P275NL2). Die Gewährleistungswerte für die
0,2%-Dehngrenze bei erhöhten Temperaturen
und für die Kerbschlagzähigkeit unterschei-
den sich aber erheblich, Tabelle 2-12. a) b)

Die Stähle der kaltzähen Sonderreihe wer-


den für Bauteile verwendet, an die sehr hohe
Zähigkeitsanforderungen (Längs- und Quer-
richtung, Terrassenbruchunempfindlichkeit)
gestellt werden. Dazu müssen diese Stähle ei-
nen sehr geringen Schwefel- und Phosphor-
gehalt haben und entgast sein. c) d)

Bild 2-54
Eine übermäßige Wärmebehandlung nach Einige Schweißverbindungen aus Feinkornbaustählen,
dem Schweißen kann die mechanischen Güte- bei denen die Gefahr des Terrassenbruchs besteht.
a) Etwa »parallel« zu den Walzzeilen verlaufende
werte verschlechtern. Wenn beim Spannungs-
Schmelzgrenze (S) ist ungünstig, weil konstant
armglühen (TS) der Parameter P große Schweißeigenspannungen im Bereich von
P TS¹ (20  lg t) ¹10  3 (mit TS in K, t in h) S den Terrassenbruch leicht auslösen können.
b) Schweißnaht »parallel« zu Walzzeilen des dicke-
den kritischen Wert von Pcrit 17,3 überschrei- ren Blechs erzeugt hier hohe Eigenspannun-
tet, sollte der Hersteller prüfen, ob nach einer gen, die auch wegen der mit zunehmender Werk-
stückdicke abnehmenden Verformbarkeit in Di-
derartigen Wärmebehandlung die in dieser
ckenrichtung Risse auslösen können.
Europäischen Norm festgelegten mechani- c), d) Je größer die Schweißnahtquerschnitte sind
schen Eigenschaften noch als gültig zu be- [bei d) größer als bei c)], umso größer werden
trachten sind. die rissauslösenden Spannungen.
190 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

30 mm) häufig Ursache für die Schadens- – Bei den fertigungstechnischen Maßnah-
form Terrassenbruch (lamellar tearing). men wird mit zähen Pufferlagen (eine,
Die Bezeichnung beschreibt die Erschei- besser zwei Pufferlagen), Bild 2-54c, bzw.
nungsform der Risse: längere, parallel zur wirtschaftlicher mit einer Raupenfolge
Oberfläche verlaufende Rissteile (terrace gearbeitet, die einem örtlichen Puffern
fracture) werden von kürzeren annähernd entspricht, Bild 2-54b. Die zähe Puffer-
senkrecht zu diesen verlaufenden Risssprün- schicht kann die rissauslösenden Eigen-
gen (shear walls) unterbrochen. Die Bildfol- spannungen wenigstens z. T. durch plasti-
ge 2-54 zeigt einige terrassenbruchempfind- sche Verformung abbauen und damit ei-
liche Verbindungsformen. Da diese Rissart ne Rissbildung vermeiden.
meist außerhalb der WEZ auftritt, ist Was-
serstoff als Ursache auszuschließen. Bild 2-56 zeigt eine typische Terrassenbruch-
fläche.
Der Terrassenbruch lässt sich mit verschie-
denen Möglichkeiten bekämpfen: 2.7.6.2 Thermomechanisch
– Die werkstofflichen Maßnahmen bestehen gewalzte Feinkornbaustähle
außer im Entschwefeln mit Hilfe sekun- Die Forderung nach einer hinreichend gu-
därmetallurgischer Maßnahmen (Zufüh- ten Schweißeignung wird im Wesentlichen
ren von Calcium) im Wesentlichen darin, durch einen geringen C-Gehalt (C … 0,2 %)
die Desoxidationsprodukte nicht in der und möglichst geringe Gehalte der Verunrei-
unerwünschten flächigen Form, sondern nigungen (P, S, As, u. a.) erreicht. Gleichmä-
als rundliche Einschlüsse zu erzeugen (Ab- ßigkeit der Werkstoffeigenschaften (z. B.
schn. 2.7.6.2, Eigenschaften und Verarbei- Zähigkeitseigenschaften in Längs- und Quer-
tung). Das Ergebnis dieser Behandlung richtung) sind besonders bei Erzeugnissen
ist eine deutlich geringere Zähigkeitsan- der Massenfertigung erforderlich.
isotropie und eine in Dickenrichtung we-
sentlich verbesserte Schlagzähigkeit. Nach Ausreichende mechanische Gütewerte soll-
den Stahl-Eisen-Lieferbedingungen 096 ten bei unlegierten Baustählen aus Kosten-
werden drei Güteklassen mit unterschied- gründen bereits im Walzzustand oder nach
lichen gewährleisteten Brucheinschnürun- einem Normalglühen erreichbar sein. Bei
gen Z (Zmittel 15 %, 25 %, 35 %, in der Kern- den thermomechanisch gewalzten Stählen
technik 45 %) in Dickenrichtung angebo- werden außerdem die festigkeitserhöhen-
ten. Bei Z-Werten, die größer als 25 % sind, den Mechanismen Korngrenzenhärtung
ist erfahrungsgemäß die Neigung zum Ter- (Kornfeinung) und Ausscheidungshärtung
rassenbruch gering. (Teilchenhärtung) ausgenutzt.
– Die konstruktiven Maßnahmen sollten
grundsätzlich ergriffen werden. Dabei
sind die Schweißnähte so anzuordnen, dass
die (Eigen-)Spannung senkrecht zur Blech-
oberfläche d. h. die Verformung bzw. die
Verformungswege in Dickenrichtung mög-
lichst gering bleiben, Bild 2-55. Das ge-
lingt konstruktiv durch den Anschluss
aller »Schichten« des Erzeugnisses. Die a) b) c)
Schmelzgrenzen müssen daher möglichst Bild 2-55
»senkrecht« zum Zeilenverlauf liegen, Bild Maßnahmen zum Vermeiden des Terrassenbruchs in
2-55a, nie »parallel« zu ihnen, Bild 2-54a. Schweißverbindungen aus Feinkornbaustählen.
Ein kleineres Nahtvolumen erzeugt ge- a) Schmelzgrenze etwa »senkrecht« zu den Walzzeilen
verlaufend schließt alle »Schichten« an.
ringere Schrumpfwege, d. h. es erfordert
b) Besondere Schweißtechnologie (entspricht einem
vom Werkstoff geringere Formänderun- örtlichen Puffern) oder
gen, vgl. Bild 2-54c und 2-54d, aber in al- c) vor dem Schweißen mit zähem Zusatzwerkstoff
ler Regel größere Eigenspannungen. Puffern (sehr aufwändig und teuer!).
Abschn. 2.7.6: Feinkornbaustähle 191

Metallkundliche Grundlagen; tallisation um den Faktor 100 im Vergleich


Stahlherstellung zu üblichen Kohlenstoff-Mangan-Stählen ein-
Die mechanischen Gütewerte dieser Stähle tritt. Die Rekristallisation kann soweit verzö-
werden durch das feine Ferritkorn und Aus- gert werden, dass die Kornneubildung mit
scheidungen in der Matrix bestimmt. Diese der Austenitumwandlung zusammenfällt.
werden durch Zugabe geeigneter Legierungs- Dadurch wird eine hohe Störstellendichte im
elemente in i. Allg. geringer Menge (»Mikrole- Austenit erzeugt. Diese treibende »Kraft« ist
gierungselemente«) und einer sehr genau ein- die Ursache für das sehr feine Umwandlungs-
zuhaltenden Wärmebehandlung erzeugt (Ab- gefüge, das während der »Quasi-Kaltverfor-
schn. 1.6.1, S. 46, und Abschn. 2.6.3.6). Die mung« des Austenitkorns entsteht, wie Bild
wichtigsten Elemente sind Niob, Vanadium, 2-58 zeigt.
Titan. Mit Niob wird Kornfeinung und eine
Ausscheidungshärtung erreicht, mit Vana- Wesentlich für die mechanischen Gütewerte
dium im Wesentlichen nur die Ausscheidungs- sind Vorausscheidungsvorgänge (Clusterbil-
härtung. dung) im Temperaturbereich zwischen 550 ’C
und 650 ’C. Diese mit der Matrix kohärenten
Größe, Form und Verteilung der Ausschei- »Bereiche« führen in der Regel zu den höchs-
dungen bestimmen die mechanischen Güte- ten Festigkeitswerten, verbunden mit guter
werte (Abschn. 2.6). Die bei hohen Tempera- Zähigkeit (Abschn. 2.6.3.3).
turen im g-Mk ausgeschiedenen inkohären-
ten Carbonitride sind relativ groß. Ihre ver- 1000
Verformungsgrad vor
festigende Wirkung ist daher gering. Die wäh- °C der Haltezeit in %

rend und nach der (g  a)-Umwandlung aus- 950


Temperatur T

geschiedenen Teilchen sind mit der a-Matrix 60 40


kohärent. Sie sind neben der Korngrenzen- 900
härtung entscheidend für die Festigkeit die-
ser Werkstoffe.
850
a)
Ein großer Vorteil des Mikrolegierungsele- 40
mentes Niob ist die Verzögerung der Rekris- 800
60
tallisation durch gelöstes Niob und (oder) b)
feinste Nb(C,N)-Teilchen bei der Warmform- 750
102 103
gebung, Bild 2-57. Man erkennt, dass bei 1 10
Zeit t
s

900 ’C eine zeitliche Verzögerung der Rekris-


Bild 2-57
Linien beginnender Rekristallisation in Abhängig-
keit vom Verformungsgrad für isothermische Versuchs-
führung bei Baustahl mit/ohne Niob.
a) 0,18 % C; 0,33 % Si; 1,49 % Mn; 0,042 % Nb,
b) 0,18 % C; 0,33 % Si; 1,51 % Mn, nach IRSID.

Die (Ferrit-)Korngröße bestimmt entschei-


dend die mechanischen Gütewerte, vor allem
die Schlagzähigkeit (und damit die Schweiß-
eignung) und die Streckgrenze (Abschn. 1.3,
S. 15). Inkohärente Teilchen (100 nm bis et-
wa 1000 nm) verfeinern das Austenitkorn
bzw. behindern dessen Wachstum. Bild 2-59
zeigt die stark kornfeinende (Ferritkorngrö-
ße!) Wirkung des Niobs.
Bild 2-56
Makroaufnahme einer Terrassenbruchfläche in einer
geschweißten Kreuzzugprobe aus einem niedriglegier- Die komplexen werkstofflichen Vorgänge in
ten Feinkornbaustahl, BAM. diesen thermomechanisch behandelten Stäh-
192 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

– Abkühlen auf Haspeltemperatur (550 ’C


bis 650 ’C) erzeugt die gewünschten ko-
härenten Ausscheidungen. Diese Walzbe-
dingungen sind im Gegensatz zu den be-
trieblich meistens vorgegebenen Größen
(Stoßofentemperatur, Endverformungs-
grad) weitgehend veränderbar.

Eigenschaften und Verarbeitung


Die Einstellung des optimalen Vorausschei-
dungszustandes (Cluster) ist großtechnisch
nur bei Beachtung verschiedener Bedingun-
gen wirtschaftlich realisierbar. Vanadium
und Titan wirken grundsätzlich ähnlich wie
Niob, nur ist ihre verfestigende Wirkung ge-
Bild 2-58
Mikrogefüge eines thermomechanisch gewalzten Fein- ringer. Andererseits ist die durch eine Aus-
kornbaustahls S460ML (TStE 460 TM), V = 200 :1, scheidungshärtung maximal erreichbare Fes-
s. a. Bild 2-53, nach Thyssen Stahl AG. tigkeitserhöhung wegen der damit verbun-
denen merklichen Zunahme der Sprödbruch-
len erfordern bei ihrer Herstellung eine ge- empfindlichkeit in den meisten Fällen nicht
nau einzuhaltende Verformungs- und Tem- nutzbar.
peratur-Zeitfolge, die nachstehend näher er-
läutert wird, Bild 2-60: Die Methoden zum Erhöhen der Festigkeit
– Vorwärmen der Bramme im Stoßofen auf sind daher nicht nur aufgrund ihrer streck-
so hohe Temperaturen, dass ausreichend grenzenerhöhenden Wirkung zu bewerten,
viel Niob gelöst wird. Zu hohe Temperatu- sondern vor allem hinsichtlich ihrer Beein-
ren sind allerdings wegen der unerwünsch- flussung der Übergangstemperatur. Als Maß-
ten Vergröberung des Austenitkorns in stab hierfür ist die Versprödungskennzahl K
der Bramme ungünstig. Die nicht gelös- geeignet:
ten Carbidreste behindern sehr wirksam
K 'Tü /'Rp0,2. [2-18]
das Wachsen der Austenitkörner.
– Vorwalzen bei höheren Temperaturen 'Tü Veränderung der Übergangstempera-
( 950 ’C). Vor Beginn des Fertigwalzens tur durch eine festigkeitserhöhende Maß-
erfolgt wegen der dann nur geringen Aus- nahme, die zu der Streckgrenzenerhöhung
scheidungsneigung spontanes und gleich- ' Rp0,2 führt.
mäßiges Rekristallisieren.
120
– Unterbrechen des Walzens und Halten an m m2
Luft zum Erreichen des rekristallisations- 100
trägen Bereiches.
Korngröße

– Fertigwalzen im rekristallisationsträgen 80
Bereich (800 ’C bis 900 ’C) bei erhöhter Ver-
formung. Diese »Quasi-Kaltverformung« 60

führt zu einem sehr feinkörnigen, zeilenför-


40
mig angeordneten Austenit. Die anschlie-
ßende Umwandlung ergibt wegen des fei- 20
nen Austenitkornes und der starken Git-
terverzerrung ein extrem feinkörniges End- 0
0 0,02 0,04 0,06 0,08 % 0,10
gefüge. Es ist anzunehmen, dass als Fol- Niobgehalt
ge der starken Gitterverspannung die Aus-
Bild 2-59
tenitumwandlung, die Rekristallisation Ausmaß der Kornfeinung in normalgeglühten nioble-
und die Ausscheidung der Nb(C,N)-Teil- gierten Stählen mit 0,08 % C; 0...0,4 % Si; 0,9 % Mn;
chen gleichzeitig ablaufen. 0,08 % Al; 0,0023 %...0,006 % N, nach Meyer u. a.
Abschn. 2.7.6: Feinkornbaustähle 193

K [’C/(N/mm2)] bewegt sich zwischen etwa n) oder anderen technologischen Prüfverfah-


ren (z. B. der nicht mehr zu verwendende
– 60 bei der Kornfeinung und Tiefziehversuch nach Erichsson) gemessen
+ 35 bei der Ausscheidungshärtung. werden kann. Für die spanlose Verformung
(Ziehen, Drücken, Stauchen usw.) ist vor al-
K-Werte größerals1 weisen auf eine erhöh- lem eine ausreichend hohe Kaltumformbarkeit
te Sprödbruchanfälligkeit hin, Werte kleiner (Duktilität) erforderlich, eine Eigenschaft, die
als 1 bedeuten zunehmende Sicherheit gegen die Fähigkeit kennzeichnet, Kaltumformun-
spröde Brüche. Eine Streckgrenzenerhöhung gen rissfrei zu ertragen.
ist dann sinnvoll, wenn die Sprödbruchsicher-
heit nicht oder nur unwesentlich verringert Wegen ihrer guten mechanischen Gütewer-
wird. Die stark kornfeinende Wirkung des te, der hervorragenden Kaltumformbarkeit
Niobs ist zusammen mit anderen Wirkungen und der guten Schweißeignung werden diese
dieses Elements im Vergleich zu anderen Mi- Stähle vor allem im Fahrzeugbau (kaltumge-
krolegierungselementen eine wichtige Ursa- formte Träger, Radschüsseln, Hinterachs-
che für die Überlegenheit der thermomecha- trichter) und im Großrohrleitungsbau verwen-
nisch behandelten Stähle. det. Eine weitere wichtige Eigenschaft dieser
Stähle ist ihre sehr gute Feinschneidbarkeit.
Hohe Sprödbruchunempfindlichkeit ( gro- Mit bestimmten Werkzeugbauarten können
ße Schlagzähigkeit) bedeutet nicht zwangsläu- vollkommen glatte Schnittflächen erzeugt wer-
fig auch eine große plastische Verformbarkeit den. Als Ursache werden die hervorragende
wie sie z. B. mit dem Zugversuch (senkrechte Kaltumformbarkeit und der sehr geringe Per-
Anisotropie r und der Verfestigungsexponent litanteil angesehen.
Warmbreitbandstraße

Stoßofen Vorstraße Fertigstaffel Kühlstrecke Coil


Übergangstemperatur

Re
Streckgrenze

Vorwärmtemperatur Verformung im rekristalli- Verformung im nicht rekristalli- Abkühlgeschwindigkeit


sierenden Bereich sierenden Bereich

Grobblechstraße

Stoßofen Vorgerüst Fertiggerüst Grobblech

Gefügeänderungen

g g U Nb (C, N) - Ausscheidungen

grobkörniger Austenit durch »Quasi-Kaltverformung« bei niedrigen Temperaturen und Rekristalli-


hohe Verformungstemperatur sationsbehinderung führen zu extrem feinem, in Walzrichtung ge-
strecktem Umwandlungsgefüge. Ausscheiden von Nb(C, N) im Coil.

Bild 2-60
Vorgänge beim thermodynamischen Walzen (Warmbreitband- und Grobblechstraße).
194 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

In der Zwischenzeit sind für viele Bereiche Das kontinuierlich gewalzte Warmbreitband
thermomechanisch behandelte Stähle entwi- zeigt wegen seiner streng einsinnigen Ver-
ckelt, zugelassen und genormt worden, Ta- formung bei der Herstellung eine ausgepräg-
belle 2-13 und 2-14. te Zeilenanordnung (Walzzeiligkeit). Die in
Walzrichtung angeordneten carbidischen und
Alle Prüfverfahren, die die Grenze der riss- oxidischen Einschlüsse, vor allem aber die
freien Umformung festzustellen gestatten, plastifizierbaren sulfidischen Bestandteile
sind grundsätzlich zur Kennzeichnung der führen zu einer unerwünschten Anisotropie
Umformbarkeit geeignet. Bewährt haben der Zähigkeitseigenschaften in Längs-und
sich z. B. Kerbschlagbiegeproben, entnom- Querrichtung. Bild 2-61 zeigt beispielhaft
men quer zur Walzrichtung, die auf den ab- den Einfluss der Probenlage auf das Aus-
nehmenden Perlitanteil bzw. eine kürzere maß der Zähigkeitsanisotropie bei einem un-
Sulfidlänge empfindlich reagieren oder die legierten Baustahl. Das Verhältnis der Kerb-
sog. »Taschentuchfaltprobe«, die im »Falten- schlagarbeit von Längs- zu Querproben ver-
bereich« eine extreme, rissbegünstigende hält sich etwa wie 2:1, die Übergangstempera-
zweiachsige Verformung erzeugt. tur der Kerbschlagarbeit wird aber nicht we-
sentlich geändert.
250
J L
200
Die Mangansulfide sind außerdem die Ursa-
che des Terrassenbruchs (Abschn. 2.7.6.1).
Kerbschlagarbeit KV

150 Die Verringerung des Schwefelgehaltes ge-


lingt mit den heute zur Verfügung stehen-
100 Q den sekundärmetallurgischen Maßnahmen
S (im Wesentlichen Zuführen von Calcium) auf
50 ein früher nicht vorstellbares Maß. Damit
0
sind Werte unter 0,001 % erreichbar. Auch
- 100 - 50 0 50 100 ° C die Zugabe schwefelaffiner Elemente, die die
Prüftemperatur T Sulfidform günstig beeinflussen – statt ver-
formbarer, rundlicher sulfidischer Einschlüs-
Anordnung und Lage der Mangansulfide in der Bruchfläche se entstehen durch Zugaben von Zirkonium,
Probe ist zur Walzrichtung:
Längs (L) Quer (Q) Senkrecht (S)
Cer, Titan und anderer seltener Erden sprö-

95
Summenhäufigkeit

Lage der Sulfide


50

1 2 3 4 5

S 5

L Walz-
richtung 0 10 20 30 40 50 60 70 % 80
Q Brucheinschnürung in Dickenrichtung

1: 0,015 % bis 0,054 % S; n = 256


2: £ 0,010 % S; n = 437
3: £ 0,006 % S; n = 297
4: 0,003 % bis 0,011 % S; n = 310 (mit Sulfidformbeeinflussung)
Bild 2-61 5: 0,002 % S; n = 165 (mit Sulfidformbeeinflussung)
Einfluss der Lage der Mangansulfide und der Proben-
lage von Charpy-V-Proben auf die Form der Kerb- Bild 2-62
schlagarbeit-Temperatur-Kurve für Versuchsschmel- Einfluss des Schwefelgehaltes und der Sulfidform auf
zen aus S355J2 + N (St 52-3) mit 0,015 % Schwefel, die Brucheinschnürung in Dickenrichtung von Ble-
nach Dahl, Gammal und Lorenz. chen aus S355N (StE 355), nach Degenkolbe u. a.
Abschn. 2.7.6: Feinkornbaustähle 195

de Einschlüsse – ist eine weitgehend verwen- (DIN EN 10208-1) und die Qualitätsstufen »B«
dete Methode. Bild 2-62 zeigt den Einfluss (DIN EN 10208-2) und »C« (DIN EN 10208-3)
des Schwefelgehaltes und der Sulfidform auf unterschieden. Die Ausgangswerkstoffe für
die für das Vermeiden von Terrassenbrüchen die Rohrherstellung sind abhängig von der
wichtigen Brucheinschnürung Z in Dicken- Festigkeit normalgeglühte, thermomecha-
richtung. Mit den geschilderten Maßnahmen nisch gewalzte oder vergütete Stähle.
lässt sich die Zähigkeitsanisotropie praktisch
vollständig beseitigen. Die Bezeichnung der Stähle lautet für die Qua-
litätsstufe »A« z. B.:
Thermomechanisch gewalzte Feinkornbau- – L210;
stähle sind in DIN EN 10028-5 und DIN EN für die Qualitätsstufe »B« z. B.:
10025-4 genormt. Nach DIN EN 10027-1 wer- – L240NB (normalgeglüht),
den Stähle für den allgemeinen Stahlbau mit – L360MB (thermomechanisch gewalzt),
S (S Structural steels) und Druckbehälter- – L550QB (vergütet).
stähle für Flacherzeugnisse mit P bezeich-
net, (P Steels for Pressure purpose) Ta- Beispiel 2-3:
belle 2-13 und Tabelle 2-14. Letztere waren Die höherfesten warm- oder kaltgewalzten Dualpha-
bisher in den Stahl-Eisen-Werkstoffblättern sen-Stähle sind »Verbundwerkstoffe«, die aus Ferrit
SEW 083/84 genormt und für den Einsatz in mit inselartig in die ferritische Matrix eingelagertem
Stahlkonstruktionen bestimmt. Ähnlich zu- Martensit (20 % bis 30 %) bestehen. Sie verbinden he-
sammengesetzte Stähle haben sich seit Jah- rausragende Kaltumformbarkeit mit hoher Festigkeit
(Rm bis 1000 N/mm2, abhängig vom Martensitanteil)
ren für Ferngasleitungen bewährt, sie sind
und einem niedrigen Streckgrenzenverhältnis S von
in DIN EN 10208 genormt. 0,4 bis 0,6 [S = Streckgrenze (Rp0,2)/Zugfestigkeit (Rm)].
Der niedriggekohlte (C £ 0,1 %), hervorragend kalt-
Die Mindeststreckgrenze der thermomecha- umformbare und eine große Versetzungsdichte (resul-
nisch gewalzten Stähle nach DIN EN 10028-5 tierend aus der Volumen- und Formänderung bei der
liegt zwischen 355 N/mm2 und 550 N/mm2. Die Austenit-Martensitumwandlung) aufweisende Ferrit
wird durch Substitutionselemente verfestigt. Ein wei-
Bezeichnung der in zwei Reihen lieferbaren
terer Vorteile ist das Fehlen einer ausgeprägten Streck-
Sorten lautet für die Stähle der grenze, die die wichtigste Voraussetzung für Fließfi-
– Grundreihe z. B. P355M, für die der gurenfreiheit und ein starkes Verfestigungsvermögen
– kaltzähen Reihe z. B. P460ML. im Bereich kleiner Verformungsgrade ist. Diese Stäh-
le sind meistens mit Chrom, Silicium und Mangan
Die Kerbschlagzähigkeit der Stähle der Grund- legiert, um die für eine wirtschaftliche Herstellung
wichtige kritische Abkühlgeschwindigkeit zu reduzie-
reihe wird bis  20 ’C, die der kaltzähen Rei- ren und das Umwandlungsverhalten in gewünschter
he bis  50 ’C garantiert, falls keine anderen Weise zu beeinflussen (die Perlitbildung muss ausrei-
Vereinbarungen zwischen Hersteller und Ver- chend stark unterdrückt werden). Bei einer Wärme-
braucher getroffen wurden. behandlung im Durchlaufofen kann wegen der hier
möglichen raschen Abkühlung die Menge der Legie-
Die im Vergleich zur DIN 17172 wesentlich rungselemente geringer sein.
umfassendere DIN EN 10208 gibt die techni- Es ist an Hand des EKS, z. B. Bild 2-9, für einen unle-
gier ten Stahl mit C = 0,1 %, der einen Martensitge-
schen Lieferbedingungen für nahtlose und ge-
halt von 30 % haben soll, die Wärmebehandlung zu
schweißte Rohre an, die für den Transport ermitteln, die zu einem im geschilderten Sinn aufge-
und die Verteilung brennbarer Flüssigkeiten bauten »Dualphasen-Stahl« führt.
(z. B. für Erdöl/Erdölerzeugnisse) und verdich- Der Stahl (C = 0,1 %) wird aus dem Zweiphasenfeld
teter und verflüssigter Gase vorgesehen sind. (g + a) von einer Temperatur Tx abgeschreckt, bei der
Nach DIN EN 10027-1 werden Stähle für den 30 % Austenit (entspricht 30 % Martensit) vorhanden
Rohrleitungsbau mit dem Symbol L gekenn- ist. Der Hebelarm für Austenit muss etwa 30 %, der
zeichnet (L Steels for Linepipes). Erstmals für Ferrit etwa 70 % betragen. Aus Bild 2-9, S. 134, ent-
nimmt man für Tx = 830 ’C. Der nach dieser Behand-
wurden Leitungsrohre genormt, an die sehr
lung erzeugte »dualphasenähnliche« Stahl besitzt be-
unterschiedliche Anforderungen hinsichtlich merkenswerte mechanische Eigenschaften: Streckgren-
Qualität und Werkstoffprüfumfang gestellt ze Rp0,2 = 420 N/mm2, Zugfestigkeit Rm = 610 N/mm2,
werden. Es werden die Grundqualität »A« Bruchdehnung A5 = 9 % und Einschnürung Z = 51 %.
Tabelle 2-13

196
Mechanische Eigenschaften thermomechanisch gewalzter schweißgeeigneter Feinkornbaustähle nach DIN EN 10025-4.

Mindeststreckgrenze, ReH in MPa Kohlenstoffäquivalent (CEV) in Prozent, max., Mindestwert der Kerbschlagarbeit in J
Bezeichnung
für Erzeugnisdicke in mm für Erzeugnisdicke in mm bei der Prüftemperatur in °C 1)

nach EN 10027-1 nach EN 10027-2 < 16 > 16 > 40 < 16 > 16 > 40 + 20 – 20 – 50
und CR 10260 < 40 < 63 < 40 < 63

S275M 1.8818 275 265 255 0,34 0,34 0,35


S355M 1.8823 355 345 335 0,39 0,39 0,40
55 40 2) −
S420M 1.8825 420 400 390 0,43 0,45 0,46
S460M 1.8827 460 440 430 0,45 0,46 0,47
S275ML 1.8819 275 265 255 0,34 0,34 0,35
S355ML 1.8834 355 345 335 0,39 0,39 0,40
63 47 27
S420ML 1.8836 420 400 390 0,43 0,45 0,46
S460ML 1.8838 460 440 430 0,45 0,46 0,47
1)
Werte gelten für Spitzkerb-Längsproben
Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

2)
Dieser Wert enspricht 27 J bei − 30°C

Tabelle 2-14
Mechanische Eigenschaften thermomechanisch gewalzter schweißgeeigneter Feinkornbaustähle nach DIN EN 10028-5.

Bezeichnung Mindeststreckgrenze, ReH in MPa Kohlenstoffäquivalent (CEV) in Prozent, max., Mindestwert der Kerbschlagarbeit in J
für Erzeugnisdicke in mm für Erzeugnisdicke in mm bei der Prüftemperatur in °C 1)

nach EN 10027-1 nach EN 10027-2 < 16 > 16 > 40 < 16 > 16 > 40 + 20 – 20 – 50
und CR 10260 < 40 < 70 < 40 < 70

P355M 1.8821 355 345 335 0,39 0,39 0,40 55 40 −


P355ML 1.8833 355 345 335 0,39 0,39 0,40 100 65 30
P420M 1.8824 420 400 390 0,43 0,45 0,46 55 40 −
P420ML 1.8835 420 400 390 0,43 0,45 0,46 100 65 30
P460M 1.8826 460 440 430 0,45 0,46 0,47 55 40 −
P460ML 1.8837 460 440 430 0,45 0,46 0,47 100 65 30
P550M 1.8830 550 530 520 0,47 0,47 − 55 40 −
1)
Werte gelten für Spitzkerb-Längsproben
Abschn. 2.7.6: Feinkornbaustähle 197

Die Kohlenstoffgehalte der Stähle der Quali- Ein weiterer Vorteil der niedriggekohlten Ver-
tätsstufe »A« reichen von 0,21 % (L210) bis gütungsstähle besteht darin, dass wegen des
0,22 % (L360), die der thermomechanisch be- niedrigen Kohlenstoffgehaltes und der be-
handelten (Qualitätsstufe »B«) von nur 0,12 % grenzten Legierungsmenge die Ms-Tempera-
(L290MB) bis 0,16 % (L550MB). tur dieser Stähle relativ hoch liegt. Dadurch
erfolgt beim Abkühlen von der weit über Ac3
2.7.6.3 Vergütete Feinkornbaustähle liegenden Temperatur nach Unterschreiten
Stähle mit Mindeststreckgrenzen über etwa der Ms-Temperatur eine Art Selbstanlassen
510 N/mm2 werden im Allgemeinen mit der (Abschn. 2.5.2.1) der schmelzgrenzennahen,
Wärmebehandlung Vergüten erzeugt. Das aufgehärteten (martensitischen) Bereiche.
martensitische Gefüge besitzt die maximal Ms sollte also möglichst hoch sein. Die dabei
erreichbaren Festigkeiten metallischer Werk- entstehenden feinstdispersen Carbidausschei-
stoffe. Niedriggekohlter Martensit ist we- dungen verringern die Gitterspannung und
gen seiner ausgezeichneten Festigkeits- und damit die Rissneigung. Der Selbstanlass-
(Schlag-)Zähigkeitseigenschaften das Gefü- effekt ist zwar sehr erwünscht, seine Wirkung
ge, das bis zu höchsten Werkstofffestigkei- sollte aber nicht überbewertet werden, Bild
ten gewählt wird. Sogar ihre Unempfindlich- 4-75, S. 396.
keit gegenüber Sprödbruch ist größer als die
der ferritisch-perlitischen C-Mn-Stähle. Die- Aus wirtschaftlichen Gründen werden die-
se Eigenschaften beruhen auf folgenden Ursa- se Stähle praktisch ausschließlich wasserver-
chen: gütet. Da sie zur Sicherung einer ausreichen-
– Der Bruch entsteht bei Schlagbeanspru- den Schweißeignung einen niedrigen C-Ge-
chung hauptsächlich im Ferrit. halt (C … 0,2 %) besitzen müssen, wird die er-
– Die Kerbschlagzähigkeit steigt i. Allg. mit forderliche kleine kritische Abkühlgeschwin-
abnehmender Größe der »Struktureinheit« digkeit durch Zugabe geeigneter Legierungs-
(z. B. Korngröße, Paketbreite, Größe/Brei- elemente in ausreichender Menge erreicht.
te der Martensitnadeln usw.), s. Aufgabe Die Eigenschaften dieser Werkstoffe hängen
2-4, S. 226. also im Gegensatz z. B. zu den nicht vergüte-
– Mit abnehmendem Kohlenstoffgehalt wer- ten Feinkornbaustählen – bei ihnen werden
den die während der Martensitbildung ent- die Gütewerte außer von der chemischen Zu-
stehenden rissbegünstigenden Umwand- sammensetzung durch (beschleunigtes) Ab-
lungsspannungen geringer, und die Mar- kühlen an Luft nach dem Walzen oder einem
tensithärte nimmt ab.
– Mit abnehmendem Kohlenstoffgehalt steigt 1
140
die kritische Abkühlgeschwindigkeit, d. J
h., die Martensitbildung beim Schweißen
Kerbschlagarbeit KV

2
120
wird zunehmend erschwert.
100

Mit der gewählten Temperatur-Zeit-Führung 3


80
der Wärmebehandlung (z. B. bei der Herstel-
lung des Stahles oder beim Schweißen!) muss 60
ein martensitisches bzw. martensitisch-bai-
nitisches Gefüge erzeugbar sein. Das Ent- 40

stehen von voreutektoidem Ferrit (bzw. ande- 1: Angelassener Martensit


20 2: Martensit und angelassener Bainit
rer weicherer Gefügebestandteile) muss in 3: Martensit und angelassener Perlit
jedem Fall verhindert werden, da dieser die 0
- 80 - 40 ° C 120
Zähigkeitseigenschaften entscheidend ver- 0 40 80
Temperatur T
schlechtert. Bild 2-63 zeigt anschaulich die
Bild 2-63
hervorragenden Zähigkeitswerte vergüteter
Einfluss des Gefüges auf die Kerbschlagzähigkeit
Stähle. Sie sind aber nur vorhanden, wenn (Charpy-V-Proben) eines niedriggekohlten Vergütungs-
das Gefüge vollständig aus angelassenem stahles, der durch unterschiedliche Wärmebehand-
Martensit besteht, Bild 2-64. lungen erzeugt wurde.
198 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

Cr − Mn − Ni − Mo.

Die werkstofflichen und schweißtechnischen


Besonderheiten der wasservergüteten Fein-
kornbaustähle lassen sich wie folgt zusam-
menfassen:

Kohlenstoffgehalt
Der niedrige C-Gehalt (C … 0,2 %), verbun-
den mit einem geringen Legierungsge-
halt (meistens deutlich unter 5 %), ergibt
eine relativ hohe Ms-Temperatur von oft
über 400 ’C. Der entstehende Martensit
ist relativ wenig verspannt und daher er-
staunlich (schlag-)zäh. Aus diesem Grun-
Bild 2-64 de ist die Schweißeignung gut. Die Kaltriss-
Mikroaufnahme eines vergüteten Feinkornbaustahls neigung ist bei Beachtung der üblichen
P690QL (StE 690) im Anlieferzustand, V = 800 :1. Vorsichtsmaßnahmen beherrschbar (Ab-
schn. 4.3.2, S. 384). Bei einem martensiti-
Normalglühen bestimmt – erheblich von den schen Gefüge ist aber die schädliche Wir-
jeweiligen im Blechinneren ( Wanddicken- kung selbst geringster Mengen Wasser-
einfluss) herrschenden Abkühlbedingungen stoff zu beachten. Diese Forderung ist
ab. beim Schweißen der niedriggekohlten,
schweißgeeigneten Vergütungsstähle un-
Diese bemerkenswerten Eigenschaften be- bedingt zu berücksichtigen.
sitzen die Stähle aber erst im vergüteten Zu-
stand. Sie werden zwischen 620 ’C und 720 ’C Chemische Zusammensetzung
angelassen, also bei deutlich höheren Tempe- Legierungselemente sollen
raturen als die üblichen Vergütungsstähle z. – für eine angemessene Durchhärtung
B. nach DIN EN 10083 (DIN 17200), Abschn. sorgen, d. h. die kritische Abkühlge-
2.7.3.1. Selbst bei niedrigeren Anlasstempera- schwindigkeit soweit verringern, dass
turen sind die Zähigkeits- und Festigkeitsei- wasserhärtbare Stähle entstehen, die
genschaften der (niedrig-)legierten wasserver- – Anlassbeständigkeit verbessern und
güteten Feinkornbaustähle hervorragend. Die – die Ms-Temperatur möglichst wenig sen-
von der Anlasstemperatur abhängigen mecha- ken. Außerdem muss sichergestellt sein,
nischen Gütewerte zeigt schematisch das Ver- dass bei praxisnahen Schweißbedin-
gütungsschaubild Bild 2-65. gungen die austenitisierten Bereiche
der WEZ beim Abkühlen in Martensit
Den Legierungselementen kommt außer der oder besser in Martensit und Bainit
Erhöhung der Festigkeit und Zähigkeit die (nicht in Perlit!) umwandeln können,
Aufgabe zu, die Anlassbeständigkeit so zu s. Abschn. 4.3.3, S. 398.
verbessern, dass in den beim Schweißen über
die Anlasstemperatur erwärmten Bereichen Flüssigkeitsvergütete Stähle sind bisher un-
der WEZ kein unzulässiger »Härtesack« ent- ter anderen in der DIN EN 10028-6 (vergüte-
steht. Optimale Eigenschaften sind von den te Druckbehälterstähle), in DIN EN 10025-6
Elementen zu erwarten, die eine maximale An- (Flacherzeug nisse mit höherer Streckgren-
lassbeständigkeit – das sind die in Abschn. ze im vergüteten Zustand) und in ISO 9328-6
2.5.2.2 näher besprochenen Sondercarbidbild- (Flacherzeugnisse aus Stahl für Druckbean-
ner, wie Chrom, Molybdän, Wolfram – mit ge- spruchungen) genormt. Die Streckgrenzen-
ringstem Abfall der Ms-Temperatur verbin- werte liegen zwischen 460 N/mm2 (P460Q,
den. Daraus ergibt sich folgende Reihenfolge S460Q) und 890 N/mm2 (P690Q, S890Q), Ta-
zunehmender Eignung: belle 2-15 und 2-16.
Tabelle 2-15
Mechanische Eigenschaften vergüteter schweißgeegneter Feinkornbaustähle nach DIN EN 10028-6 (Auszug).

Mechanische Eigenschaften
Bezeichnung Mindeststreckgrenze, ReH in MPa Zugfestigkeit, Rm in MPa Mindestwerte der Kerbschlagarbeit in J für Erzeugnisdicken
für Erzeugnisdicke in mm für Erzeugnisdicke in mm zwischen 10 mm und 70 mm bei der Prüftemperatur in °C 1)

nach EN 10027-1 nach < 50 > 50 > 100 < 100 > 100 0 – 20 – 40 – 60
und CR 10260 EN10027-2 < 100 < 150 < 150

P460Q 1.8870 40 30 − −
P460QL 1.8871 460 440 400 550 bis 720 500 bis 670 40 30 − −
P460QL1 1.8872 60 50 40 30
P500Q 1.8873 40 30 − −
P500QL 1.8874 500 480 440 590 bis 770 540 bis 720 40 30 − −
P500QL1 1.8875 60 50 40 30
P550Q 1.8876 40 30 − −
P550QL 1.8877 550 530 490 640 bis 820 590 bis 770 40 30 − −
P550QL1 1.8878 60 50 40 30
1)
Werte gelten für Spitzkerb-Längsproben

Tabelle 2-16
Mechanische Eigenschaften vergüteter Stähle mit höherer Streckgrenze nach DIN EN 10025-6 (Auszug).

Mechanische Eigenschaften
Bezeichnung Mindeststreckgrenze, ReH in MPa Zugfestigkeit, Rm in MPa Mindestwerte der Kerbschlagarbeit (Spitzkerb-Längsproben)
für Erzeugnisdicke in mm für Erzeugnisdicke in mm in J bei der Prüftemperatur in °C

nach EN 10027-1 nach > 3 > 50 > 100 > 3 > 50 0 – 20 – 40 – 60


und CR 10260 EN10027-2 < 50 < 100 < 150 < 50 < 100

S460Q 1.8821 30 27 − −
S460QL 1.8833 460 440 400 550 bis 720 35 30 27 −
S460QL1 1.8824 40 35 30 27
S620Q 1.8914 30 27 − −
S620QL 1.8927 620 580 560 700 bis 890 35 30 27 −
S620QL1 1.8987 40 35 30 27
Abschn. 2.7.6: Feinkornbaustähle

S890Q 1.8940 30 27 − −
940 bis 880 bis
S890QL 1.8983 890 830 − 35 30 27 −
1100 1100
S890QL1 1.8925 40 35 30 27
199
200 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

2.8 Korrosionsbeständige Die chemische Beständigkeit (Resistenz) be-


Stähle ruht auf der spontanen Bildung einer extrem
dünnen (1 bis 20 nm), porenfreien, mechanisch
und chemisch sehr beständigen Chromoxid-
2.8.1 Erzeugen und Erhalten der schicht auf der Werkstoffoberfläche 22). Der
Korrosionsbeständigkeit aktive Zustand des Metalls geht dadurch in
den beständigen passiven (Abschn. 1.7.5) über.
Korrosionsbeständige Stähle enthalten min- Die Korrosionsbeständigkeit erfordert dem-
destens 11 % Chrom, der in der Matrix (krz nach die ständige Bildung der schützenden
oder kfz Gitter) gelöst – also z. B. nicht in Chromoxid-Deckschicht, was nur bei einem
Form von Chromcarbid abgebunden – vorlie- ausreichenden Sauerstoffangebot möglich
gen muss. Mit zunehmendem Chromgehalt ist. Unter reduzierenden Bedingungen, z. B.
wird der chemische Angriff auf einen oft ver- schweflige Säure, Salzsäure, ist der Aufbau
nachlässigbaren Wert herabgesetzt. Mit wei- der Deckschicht erschwert oder u. U. unmög-
teren Legierungselementen, wie z. B. Nickel, lich. Der Angriff erfolgt dann in diesen Fäl-
Molybdän, Kupfer u. a., lassen sich die vielfäl- len flächenmäßig.
tigsten Gebrauchseigenschaften einstellen
und die chemische Beständigkeit oft extrem Eine allumfassende Korrosionsbeständig-
verbessern. keit im Sinne des Wortes ist allerdings nie
gegeben. Ein Werkstoff ist bestenfalls gegen-
Diese legierungstechnischen Maßnahmen über einigen wenigen Medien oder Medien-
machen sie gegen Angriffsmedien wie z. B. gruppen beständig. In vielen Fällen gilt dies
– Luftsauerstoff, auch nur bei bestimmten Betriebs- und Kor-
– Wässer aller Art (belüftete, unbelüftete, rosionsbedingungen:
stehende Wässer, Brackwässer), – Betriebstemperatur und -Druck,
– chemische Produkte (Säuren, Alkalien) – mechanische Beanspruchung,
»beständig«. – Konzentration des Mediums.
1000 100
N/mm2
Rm
Rp0,2
% Häufig führen nur geringfügig geänderte An-
800 80 griffs- bzw. Umgebungsbedingungen zu einer
drastischen Abnahme oder Zunahme der
Verformungswerte

600 60
Z Korrosionsbeständigkeit.
Festigkeitswerte

400 40
Unter einem praxisnäheren Gesichtspunkt
200
A
20
können die Anforderungen an die chemische
0 0 Beständigkeit der Werkstoffe technisch sinn-
720 ° C
600 640 680 760
voller formuliert werden:
Anlasstemperatur T
– Das Abtragen des Werkstoffs sollte gleich-
200
mäßig, d. h. mit den bekannten Methoden
Prüftemperatur - 60 ° C
J/cm2 berechenbar und in flächenförmiger Form
150 erfolgen, wenn Korrosionserscheinungen
Kerbschlagzähigkeit a k

nicht oder nur mit einem nicht vertretba-


100 ren Aufwand vermieden werden können.
Jeder lokale, also begrenzte Angriff, beein-
trächtigt die Sicherheit und die Betriebsbe-
50
reitschaft des Bauteils (s. hierzu Abschn.
1.7.6.1, S. 83).
0
600 640 680 720 ° C 760
Anlasstemperatur T 22)
Eine andere Theorie besagt, dass durch Sättigen
Bild 2-65 der freien Valenzen der Oberflächenatome mit
Vergütungsschaubild eines niedriglegierten wasser- Sauerstoff das Metall Edelmetall-Charakter an-
vergüteten Feinkornbaustahles P690QL (StE 690). nimmt und dadurch unlöslich wird.
Abschn. 2.8.1: Korrosionsbeständige Stähle (Erzeugen und Erhalten der Korrosionsbeständigkeit) 201

Abgesehen von den sehr gefährlichen loka- – Kaltverformungen begünstigen die


len Korrosionsformen, gilt ein Stahl bei flä- Spannungsrisskorrosion bzw. ande-
chenförmigem Angriff als chemisch bestän- re lokale Korrosionsformen (Abschn.
dig, wenn die Abtragrate die Richtgröße von 1.7.6.2.1, S. 91). In bestimmten Fällen
etwa 0,05 g/m2h nicht überschreitet, Tabelle bildet sich durch Verformen austeni-
1-5, S. 65. Aber z. B. in der Lebensmittelindus- tischer Stähle der krz Schiebungsmar-
trie oder der Pharmazie sind selbst gerings- tensit. Die entstehende Potenzialdiffe-
te Mengen Metallionen unzulässig. renz (zweiphasiges Gefüge!) begüns-
tigt ebenso wie der höhere Energiege-
Das Korrosionsverhalten der Stähle bzw. der halt des Martensits lokale Korrosions-
aus ihnen hergestellten Bauteile, ist von ver- formen.
schiedenen Faktoren abhängig:
❐ Dem Oberflächenzustand des Werkstoffs.
❐ Der chemischen Zusammensetzung. Er ist besonders wichtig, seine Bedeutung
wird aber in der Praxis häufig unterschätzt.
❐ Dem angreifenden Medium, seiner Kon- Grundsätzlich ist die Korrosionsbestän-
zentration, den Betriebsbedingungen (Tem- digkeit bei höchster Oberflächengüte am
peratur, Druck, Mediengeschwindigkeit), besten, d. h. im polierten Zustand. Raue,
der Art und Menge der Verunreinigungen, nicht glatte Oberflächen nehmen leichter
evtl. zusätzlich korrosiv wirkende Sub- Verunreinigungen, Salze und Feuchtigkeit
stanzen (Erosionskorrosion). auf, wodurch vor allem die gefährlichen
lokalen Korrosionsformen stark begüns-
❐ Der korrosionsschutzgerechten Konstruk- tigt werden:
tion. Wichtige Einzelheiten sind in Abschn. – Riefen, Kratzer, Oberflächenschichten
1.7.7, S. 94, zusammengestellt. [(Anlauf-)Farben, organischer Bewuchs,
Beläge aller Art, Öle, Fette] zerstören
❐ Dem mit einer Wärmebehandlung (aber örtlich die Passivschicht oder bilden Be-
auf keinen Fall Sensibilisieren!) häufig lüftungselemente und begünstigen so
beeinflussbaren Gefüge, das möglichst die Spalt-, Loch- und Spannungsriss-
einphasig, homogen und gleichgewichts- korrosion. Daher sollten die Oberflä-
nah sein sollte. In der Praxis sind aller- chen der Werkstücke vor jeder Ver- oder
dings nur heterogene und (oder) inhomo- Bearbeitung sorgfältigst (chemisch, me-
gene Werkstoffe anzutreffen: chanisch) gesäubert werden. Eine aus-
Werkstoffe mit einem heterogenen Gefüge reichende Oberflächengüte wird über-
bestehen aus mehreren Phasen oder Pha- wiegend durch die fachgerechte Ver-
se(n) und unerwünschten Einschlüssen/ und Bearbeitung der Werkstoffe und
Ausscheidungen, z. B.: eine periodische Überwachung und
– austenitischer Chrom-Nickel-Stahl Wartung durch qualifiziertes Personal
mit geringem d -Ferritanteil, sichergestellt.
– ferritischer Chromstahl mit Anteilen
von Sigma-Phase. ❐ Von Handlingsvorgängen während der
Ver- und Bearbeitung der Werkstoffe.
Werkstoffe mit einem inhomogenen Gefü- – Fremdstoffe – z. B. in die Oberfläche
geaufbau oder solche, die sich nicht im eingepresste Metallspäne, Kunststoff-
thermodynamischen Gleichgewichtszu- teilchen, Schleifstaub – begünstigen
stand befinden, z. B.: ebenfalls den lokalen Angriff, z. B. durch
– Geseigerte Grundwerkstoffe oder we- Bilden von galvanischen Elementen,
sentlich häufiger, kritischer und in der Konzentrationselementen (Belüftungs-
Praxis kaum vermeidbar, Kristallsei- elementen), das Beschädigen der Pas-
gerungen im Schweißgut. Elektroche- sivschicht oder die Entstehung der Be-
mische Korrosionserscheinungen kön- rührungskorrosion durch Kontakt mit
nen die Folge sein. nichtmetallischen Stoffen.
202 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

Die Werkstückoberfläche muss von Verunrei- Dazu gehört die möglichst vollständige Kennt-
nigungen aller Art – vor allem vor Wärmebe- nis des Korrosionssystems: Art und Konzen-
handlungen – mit geeigneten Mitteln befreit tration des Mediums, Strömungsgeschwin-
werden. Die mit Werkzeugen (Bohren, Fei- digkeit, pH-Wert, Art und Menge der Verun-
len, Schleifen), Spannvorrichtungen (z. B. die reinigungen, Medientemperatur. Weiterhin
Befestigungsschrauben des Erdanschlusses sind die mechanischen Gütewerte und die
am Fügeteil oder Schweißtisch!), Abkanten, Möglichkeiten und Grenzen der Herstellung
Drücken und Verformen in die Oberfläche ein- festzulegen und zu beachten.
gepressten Fremdmetallpartikel lassen sich
zuverlässig nur mit chemischen Mitteln be- Korrosion in Wässern
seitigen. Sandstrahlen muss mit eisenfreien Die Art der (industriellen) Wässer ist ext-
(extreme Oxidationswirkung!) Strahlkörpern rem unterschiedlich. Sie können hochrein,
erfolgen. Die sicherste Methode zum Beseiti- chemisch behandelt, Frischwasser (Menge
gen von Fremdmetallspänen und schwer ent- der Chloridionen beträgt gewöhnlich … 600 ppm)
fernbaren Oberflächenschichten ist das Pas- oder Meerwasser sein und gelöste Stoffe (z.
sivieren. Diese Methode besteht aus einem B. Chloridionen, O2) in unterschiedlicher Men-
Reinigen, einer Behandlung in einer Lösung ge enthalten. Vor allem in chloridionenhalti-
bestehend aus 20 Vol % 50%iger HNO3, Rest gen Wässern kann bei Betriebstemperatu-
Wasser (oft mit Zusätzen von oxidierenden ren über 50 ’C die SpRK entstehen.
Salzen, z. B. Na2Cr2O7¹2 H2O zum Verstärken
der Chromoxidschicht) und dem abschließen- In Frischwasser sind alle üblichen austeniti-
den Reinigen, s. a. Tabelle 4-37, S. 415. Das schen Cr-Ni-Stähle weitestgehend beständig.
Passivieren ist zum Erzeugen der Passiv- In Meerwasser ebenso, wenn die Strömungs-
schicht nicht erforderlich. Diese bildet sich geschwindigkeit • 1,5 m/s ist. Bei stagnieren-
spontan, selbst in Anwesenheit sehr gerin- dem Meerwasser sind höherlegierte Stähle
ger Sauerstoffmengen. erforderlich, weil das verringerte Sauerstoff-
angebot den Aufbau der Passivschicht sehr
erschwert.
2.8.2 Korrosionsverhalten der
Stähle in speziellen Medien Korrosion durch chemischen Angriff
Hier sind die Vorgänge besonders unüber-
Die korrosionsbeständigen Stähle werden sichtlich und komplex und die Auswahl kor-
nahezu ausschließlich durch Schweißen ver- rosionsbeständiger Werkstoffe nur mit gro-
bunden. Die schweißtechnischen und werk- ßer Erfahrung zuverlässig möglich. Selbst
stofflichen Besonderheiten und Erfordernis- wenn ein entsprechender Werkstoff bekannt
se werden ausführlicher in den Abschnitten ist, können z. B. die allgegenwärtigen Chlorid-
1.7.7.6, S. 100, und 4.3.7.1, S. 414, besprochen. ionen zur Spannungsrisskorrosion führen.
Die beim Schweißprozess entstehenden Span- Eine unzureichende Belüftung, unkontrollier-
nungszustände und verschiedene werkstoff- te Streuströme, oder die Kontaktkorrosion
liche Probleme – vor allem des geseigerten können Wasserstoffversprödung oder die was-
Schweißguts – können die Korrosionseigen- serstoffinduzierte Korrosion auslösen. Übli-
schaften geschweißter Bauteile außerordent- che Tests (möglichst unter Einbeziehung des
lich verschlechtern. gesamten »Korrosionssystems«!) liefern eben-
so wie die Datenblätter des Werkstoffherstel-
Die korrosionsbeständigen Stähle werden lers entscheidende Hinweise auf das Korro-
bevorzugt durch die Spannungsrisskorro- sionsverhalten des Stahls.
sion, Lochkorrosion, Spaltkorrosion und die
Kontaktkorrosion angegriffen. Anorganische Säuren
Die chemische Zusammensetzung des Stahls
Die Auswahl geeigneter Stähle wird von der zusammen mit dem Wasserstoffionengehalt
geforderten Korrosionsbeständigkeit be- und der Oxidationsfähigkeit der Säure be-
stimmt (Einzelheiten s. Abschn. 1.7.7, S. 94). stimmen seine Korrosionsbeständigkeit.
Abschn. 2.8.3: Korrosionsbeständige Stähle (Werkstoffliche Grundlagen) 203

Die meisten austenitischen Cr-Ni-Stähle, die (Wässrige) Flusssäure greift alle korrosions-
hochsiliciumhaltigen Gusseisensorten und beständigen Stähle durch Lochkorrosion sehr
vor allem das Titan (Abschn. 5.4.1, S. 554), stark an. Für Konzentrationen größer 60 %
sind in der stark oxidierenden Salpetersäu- bis 100 % können unlegierte Stähle und hoch
re (HNO3) in Konzentrationen zwischen 0 % nickelhaltige Legierungen (z. B. Hastelloy C,
und 65 % bis zum Siedepunkt beständig. Mit Ni-Cu-Legierungen, z. B. Monel) verwendet
zunehmender Korrosionsschärfe oder höhe- werden.
ren Temperaturen sind größere Chromgehal-
te im Stahl erforderlich. Organische Säuren
Sie sind in der Regel wesentlich weniger ag-
Die ferritischen Chromstähle sind in Schwe- gressiv, weil sie in einem viel geringeren Um-
felsäure (H2SO4) wenig, die Superferrite sehr fang dissoziieren, d. h., der Anteil an Wasser-
gut beständig. Die normalen austenitischen stoffionen im Medium ist kleiner.
Cr-Ni-Stähle können für sehr verdünnte und
hochkonzentrierte Schwefelsäure (101 %) ver-
wendet werden. Für Konzentrationen größer 2.8.3 Werkstoffliche Grundlagen
70 % werden im großen Umfang unlegierte
Kohlenstoffstähle verwendet. Die austeniti- Einige wichtige und grundlegende Informa-
schen Stähle werden in der Regel nur für die tionen über die z. T. komplexen werkstoff-
101%ige Säure eingesetzt und wenn Eisen- lichen Vorgänge lassen sich aus den üblichen
verunreinigungen in der Säure unzulässig Zwei- und Dreistoff-Schaubildern ableiten.
sind. Höhere Nickel- und Kupfergehalte ver- Insbesondere das Fe-Cr-Ni-Schaubild liefert
bessern die Beständigkeit erheblich. verschiedene wichtige Hinweise. Da die Stäh-
le aber meistens hoch und mit mehreren Ele-
Die üblichen korrosionsbeständigen Stähle menten legiert sind, ist die Aussagefähigkeit
sind selbst in verdünnter Salzsäure nicht dieser Gleichgewichts-Schaubilder wie schon
verwendbar. Geringe Mengen an Verunreini- mehrfach angesprochen deutlich begrenzt.
gungen – besonders oxidierende Substanzen Der Einfluss einer beschleunigten Abkühlung
und Belüftung – führen zu unübersichtlichen, auf die Umwandlungs- und Ausscheidungs-
z. T. extremen Korrosionserscheinungen. vorgänge – ebenso wie die Wirkung der Legie-
Tantal und spezielle Gläser sind absolut be- rungselemente – können nur sehr angenä-
ständig. Tantal wird aber wegen seines hohen hert abgeschätzt werden.
Preises nur eingesetzt, wenn z. B. selbst ge-
ringste Verunreinigungen nicht zulässig sind, 2.8.3.1 Die Zustandsschaubilder
s. Abschn. 5.4.4, S. 564. Fe-Cr, Fe-Ni
Die für das Verständnis der werkstofflichen
2000
Zusammenhänge grundlegenden Systeme
°C
S S+ d
sind das Fe-Cr- und das Fe-Ni-Zustandsschau-
bild, Bild 2-66 und 2-67. Gemäß Fe-Cr-Schau-
Temperatur T

1600
bild, Bild 2-66, wird bei mehr als 12 % Chrom
1200
das g-Gebiet vollständig abgeschnürt, eine
g g + d d g/a-Umwandlung kann also nicht mehr statt-
finden. Chrom gehört demnach zu den Elemen-
800 ten, die den ferritischen Zustand stabilisieren,
s+ d s s + d’
d’
Bild 2-42. Diese bis unter Raumtemperatur
d
400 umwandlungsfreien Werkstoffe werden kor-
rosionsbeständige ferritische Chromstäh-
0
le genannt (Abschn. 2.8.4.2).
Fe 20 40 60 80 % Cr
Chromgehalt Üblicherweise bezeichnet man den sich aus
Bild 2-66 der Schmelze und aus dem Austenit bilden-
Das Zustandsschaubild Fe-Cr, nach Kubaschewski. den Ferrit als d -Ferrit (primärer). Aus ver-
204 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

schiedenen Gründen sollte der aus der peri- Selbst geringe Kohlenstoffmengen (C … 0,1 %)
tektischen Reaktion entstehende Ferrit d - beeinflussen das Umwandlungsgeschehen
Ferrit (wie bei unlegierten Stählen), der aus stärker als jedes andere Legierungselement
dem Austenit entstehende Ferrit a -Ferrit ge- (außer Stickstoff!). Aus den hochlegierten g -
nannt werden, s. a. Aufgabe 2-9, S. 232. Die- Mischkristallen entstehen nach Durchlaufen
se unterschiedlichen Ferritsorten sind auch der g-Schleife kohlenstoffhaltige krz a-Um-
mit metallografischen Hilfsmitteln unter- wandlungsgefüge. Das sind die korrosions-
scheidbar. beständigen (lufthärtenden) martensiti-
schen Stähle.
Unter 820 ’C beginnt bei höheren Chromge-
halten gemäß Bild 2-66 die Ausscheidung Im Gegensatz zu Chrom erweitert das Le-
der spröden intermediären Sigma-Phase aus gierungselement Nickel den Austenitbereich
dem d(a)-Ferrit (Abschn. 2.8.3.4.2). Da sie sehr stark, wie das Fe-Ni-Zustandsschaubild
etwa 45 % Chrom enthält, kann außer einer Bild 2-67 zeigt. Hierauf beruht die Möglich-
Versprödung des Werkstoffs auch eine uner- keit, korrosionsbeständige austenitische
wünschte Chromverarmung an der Phasen- Chrom-Nickel-Stähle herzustellen. Sie sind
grenze Matrix/Ausscheidung entstehen. In ähnlich wie die ferritischen Chromstähle im
Legierungen mit Chromgehalten zwischen gesamten Temperaturbereich umwandlungs-
etwa 10 % und 85 % entmischt sich der Fer- frei (sie bestehen nur aus g -Mischkristallen)
rit bei Temperaturen unter 600 ’C. Es entste- und damit im klassischen Sinne nicht mehr
hen sehr chromreiche d’-Mischkristalle und wärmebehandelbar, d. h. weder härtbar noch
chromarme d-Mischkristalle. Auf diesem Vor- normalglühbar.
gang beruht die so genannte 475 ’C-Versprö-
dung der ferritischen bzw. der ferrithaltigen 2.8.3.2 Das Zustandsschaubild
korrosionsbeständigen Chromstähle (s. Ab- Fe-Cr-Ni
schn. 2.8.3.4.3). Dieses Dreistoffsystem ist für das Verständ-
nis der werkstofflichen Vorgänge ein unver-
Eine weitere Unzulänglichkeit der Zweistoff- zichtbares Hilfsmittel, Bild 2-68. Aus den
Schaubilder besteht darin, dass sich der Ein- Teil-Zweistoff-Schaubildern Fe-Cr, Fe-Ni
fluss des wichtigen Legierungselementes und Ni-Cr wird der Verlauf der wichtigen
Kohlenstoff (und auch jedes anderen Elemen- eutektischen Rinne (Linie I-II in Bild 2-68)
tes) nicht quantitativ erfassen lässt. Hierfür verständlich. Oberhalb dieser Phasengrenze
sind sogar die relativ komplizierten Dreistoff- scheiden sich beim Abkühlen aus der Schmel-
Schaubilder nur bedingt geeignet (Abschn. ze nach dem Durchstoßen der Liquidusflä-
1.6.5, S. 59). che primäre d (a )-Kristalle, unterhalb dieser
Fläche primäre g -Kristalle aus. Der Existenz-
2000
bereich dieser beiden Mischkristallarten ist
° C
S+ d S+ g S
durch einen Dreiphasenraum (»Dreikantröh-
re«, »Pflugschar«, s. Abschn. 1.6.5, S. 59) ge-
Temperatur J

1600

d trennt, in dem d (a), g und Schmelze gleichzei-


1200
d+ g tig existieren.

g Der Verlauf der beiden Teil-Liquidus- bzw.


Solidusflächen ist für die Neigung zur Heiß-
FeNi3

800

rissbildung der Stähle (Schweißgut) neben


a a+ g
400 anderen Faktoren von entscheidender Bedeu-
FeNi3 tung. Bild 2-68 lässt erkennen, dass der Tem-
0
peraturgradient im Bereich der primären g-
Fe 20 40 60 80 % Ni Ausscheidung wesentlich flacher verläuft als
Nickelgehalt im Gebiet der primären d (a )-Ausscheidung.
Bild 2-67 Dieses Werkstoffverhalten begünstigt die
Das Zustandsschaubild Fe-Ni, nach Kubaschewski. Schmelzenentmischung, die Bildung niedrig-
Abschn. 2.8.3: Korrosionsbeständige Stähle (Werkstoffliche Grundlagen) 205

schmelzender Phasen und damit die Heißriss- 2.8.3.3 Einfluss wichtiger


bildung, wie z. B. aus Bild 1-67, S. 55, deutlich Legierungselemente
wird. Bild 4-8, S. 305, zeigt, dass außerdem
die an den Korngrenzen vorhandene nied- Nickel
rigschmelzende Restschmelze die Heißriss- Nickel ist ein starker Austenitbildner, d. h.,
bildung erleichtert. Diese vorzugsweise bei es erniedrigt die A3- und erhöht die A4-Tempe-
austenitischen Stählen auftretende Schadens- ratur, Bild 2-42. Dadurch werden die mecha-
form lässt sich z. B. mit einer geeigneten Zu- nischen Gütewerte und die Verarbeitbarkeit
sammensetzung des Stahles vermeiden. In wesentlich verbessert. Es ist neben Chrom
erster Linie ist hierfür ein Ausscheiden von das wichtigste Legierungselement und in aus-
primärem d (a)-Ferrit aus der Schmelze erfor- tenitischen Cr-Ni-Stählen zwischen 8 % und
derlich, weil die Löslichkeit der den Heißriss 30 % enthalten. In erster Linie verbessert Ni-
verursachenden Elemente im Austenit we- ckel die Korrosionsbeständigkeit in normaler
sentlich geringer ist als im Ferrit. Der aus Atmosphäre, Frischwässern und entlüfteten
Gründen einer besseren Heißrissbeständig- nichtoxidierenden Säuren sowie alkalischen
keit notwendige geringe Ferritanteil muss Medien. Nickelgehalte über 30 % machen den
aber primär aus der Schmelze, nicht aber als Werkstoff in praktisch allen Angriffsmedien
Folge einer hierfür wirkungslosen Sekundär- SpRK-beständig. Die Beständigkeit gegen-
kristallisation aus den g -Mischkristallen über Schwefel und schwefelhaltigen Medien
entstanden sein (Abschn. 4.3.7.5, S. 431). ist dagegen geringer.

Cr
a
S+
Cr

20 80
a
S+

40 60
d (a)
S+

II
+ g
g

)
d(a
60 S+ 40
S

A g
80 20
18
00

00
18

°C

Fe

°C
16
00

00
16

14
00

00

Fe
14

I 20 40 60 80 Ni Ni
1400 g
S+ g
a

°C S
S+a
1600

Bild 2-68
Ternäres Fe-Cr-Ni-Zustandsschaubild mit eingezeichneten Teil-Zweistoff-Schaubildern Fe-Ni, Fe-Cr, Ni-Cr.
Die Linie »A« entspricht dem Konzentrationsschnitt für einen konstanten Eisengehalt von 70 %, vergleiche auch
Bild 2-82.
206 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

Technisch bedeutsam ist die durch Nickel Im Gegensatz zum unlegierten Austenit löst
verursachte Änderung der Form des g -Rau- der mit Chrom und Nickel legierte erheblich
mes. Mit zunehmendem Nickelgehalt wird weniger Kohlenstoff (… 0,006 % bei Raum-
er zu größeren Chromgehalten und tieferen temperatur), d. h., auch austenitische Stäh-
Temperaturen verschoben, Bild 2-69. Dieses le scheiden noch bei Kohlenstoffgehalten, die
Werkstoffverhalten zusammen mit sehr ge- ähnlich gering sind wie die der ferritischen
ringen Kohlenstoffgehalten (… 0,05 %) ermög- Stähle Chromcarbide aus. Die Ausscheidungs-
lichte die Entwicklung der schweißgeeigne- kinetik ist aber wegen der sehr unterschied-
ten, praktisch deltaferritfreien und extrem lichen Lösungsfähigkeit der krz und kfz Git-
kohlenstoffarmen weichmartensitischen tertypen und der sehr unterschiedlichen Dif-
Stähle fusionseigenschaften der Atome in ihnen sehr
unterschiedlich.
Kohlenstoff
Kohlenstoff begünstigt ähnlich wie Stickstoff Die Diffusionsgeschwindigkeit des Kohlen-
sehr wirksam den austenitischen Zustand. stoffs im Ferrit ist etwa um den Faktor 100
Selbst geringste Mengen erweitern erheb- bis 1000 größer als im Austenit, seine Lös-
lich die (g  d)-Schleife des Fe-Cr-Schaubil- lichkeit ist dagegen wesentlich geringer. Bei-
des erheblich, Bild 2-70. Alle Legierungen, de Faktoren begünstigen die Carbidausschei-
die den (g  d)-Bereich durchlaufen, wandeln dung aus dem Ferrit und erschweren sie aus
daher beim Abkühlen in einen aus Ferrit und dem Austenit (s. Fußnote 23, S. 208). Die fer-
weiteren Gefügen bestehenden Stahl um, ritische Matrix ist damit thermisch sehr viel
der auch als halbferritischer Stahl be- unbeständiger als die austenitische und neigt
zeichnet wird (Abschn. 2.8.4.2). in größerem Maße zu Ausscheidungen aller
Art. Hochwarmfeste, aber auch die korrosions-
In ferritischen Chromstählen scheiden sich beständigsten Stähle müssen daher das ther-
bereits ab 0,01 % Kohlenstoff Carbide aus, misch stabile (voll-)austenitische Gefüge be-
deren Chromgehalt zwischen 40 % und 65 % sitzen.
liegen kann. Die dadurch hervorgerufene
Chromverarmung der Matrix ist die Ursa- Stickstoff
che für die Entstehung der interkristallinen Ähnlich wie Nickel und Kohlenstoff ist Stick-
Korrosion (Abschn. 2.8.3.4.1). Die Carbidbil- stoff ein sehr starker Austenitbildner und be-
dung ist wegen der sehr großen Affinität des einflusst daher weitgehend die Art der Aus-
Chroms zu Kohlenstoff nahezu unvermeid- tenitumwandlung. Die Löslichkeit dieses bei
lich, s. a. Aufgabe 4-16, S. 494. un- und (niedrig-)legierten Stählen sehr uner-
Nickel in %: 0 1 4 6
wünschten »Stahlschädlings« ist im hochle-
1200 gierten Austenit wesentlich größer als die
°C des Kohlenstoffs. Der Stickstoff scheidet sich
1100 nach Überschreiten der Löslichkeitsgrenze
Temperatur T

g in Form von Cr2N aus. Der Beginn aller Aus-


1000 scheidungen, die keinen Stickstoff lösen kön-
nen, z. B. die Sigma-Phase und das Carbid
900 Me23C6, wird daher grundsätzlich behindert.
Diese allgemein gültige Gesetzmäßigkeit be-
800 ruht darauf, dass die Bildung der Ausschei-
d dung erst dann erfolgen kann, wenn in dem
700 entsprechenden Gefügebereich kein gelöster
Beginn der g ® d - Umwandlung Stickstoff mehr vorliegt. Dieser diffusions-
600 kontrollierte Vorgang erfordert längere Zei-
Fe 5 10 15 20 % 25
ten. Die Ausscheidung dieser unerwünschten
Chromgehalt
Bild 2-69 Phasen wird durch Stickstoff also stark ver-
Einfluss, des Nickels auf die Form der g - bzw. (g + d )- zögert. Daher werden vor allem die austeni-
Schleife im System Fe-Cr, nach Kunze. tischen Stähle häufig mit Stickstoff legiert.
Abschn. 2.8.3: Korrosionsbeständige Stähle (Werkstoffliche Grundlagen) 207

Diese sehr geringe Neigung zu gütevermin- mit Eisen verschiedene intermediäre Pha-
dernden Ausscheidungen ist vor allem bei sen, die die Korrosionsbeständigkeit und die
Austeniten wichtig, die mit Molybdän, Sili- mechanischen Eigenschaften merklich beein-
cium und anderen Elementen legiert sind. trächtigen. Die wichtigsten sind die Laves-
Derartige Stähle neigen meistens zum Aus- Phase Fe2Mo, die ungefähr 45 % Molybdän
scheiden verschiedener, sehr unerwünschter, enthält und die Chi-Phase (c-Phase) mit der
weil güteverschlechternder intermediärer Summenformel Fe36Cr12Mo10. Mit der Bildung
Phasen (z. B. die Chi- und die Laves-Phase, der Laves-Phase muss bei mehr als 2 % ... 3 %
verschiedene Carbidmodifikationen). Molybdän gerechnet werden. Höhere Tempe-
raturen und längere Zeiten erleichtern sehr
Der entscheidende Vorteil stickstofflegierter stark ihre Entstehung.
austenitischer Stähle ist aber die deutliche
Erhöhung der jeder Bauteilberechnung zu- Silicium
grunde liegenden Streckgrenze bei nur ge- Silicium (4 % ... 5 %) erhöht die Beständigkeit
ringfügig verminderten Zähigkeitseigenschaf- austenitischer Chrom-Nickel-Stähle gegen-
ten, Tabelle 2-17. Die Korrosionsbeständigkeit über konzentrierter Salpetersäure und ver-
und vor allem die Schweißeignung dieser bessert erheblich ihre Zunderbeständigkeit.
Stähle sind gut. Die Neigung zur Bildung der Sigma-Phase
und verschiedener niedrigschmelzender Pha-
Molybdän sen wird allerdings deutlich vergrößert. Die
Dieses wichtige Legierungselement begüns- Heißrissgefahr vor allem der vollausteniti-
tigt die Ferritbildung, erhöht die Beständig- schen Stähle wird dadurch merklich erhöht
keit gegenüber Lochkorrosion und reduzie- (Abschn. 2.8.4.3).
renden Korrosionsmedien, verbessert die
Festigkeitseigenschaften bei höheren Tempe- Wasserstoff
raturen und verschiebt den Existenzbereich Wasserstoff hat den kleinsten Atomdurch-
der Sigma-Phase zu geringeren Chromgehal- messer aller Elemente (Abschn. 3.3.3.3, S.
ten und zu höheren Temperaturen und be- 258), sein Diffusionsvermögen ist daher grö-
schleunigt ihre Ausscheidung. Es bildet aber ßer als das jedes anderen Elements. Die Was-
serstofflöslichkeit der kfz Metalle ist um ei-
1500
B A
nige Zehnerpotenzen größer als die der krz
°C Metalle. Nickel kann besonders viel Wasser-
stoff lösen, d. h., seine Neigung, beim Schwei-
Temperatur T

1400

ßen (Wasserstoff-)Poren zu bilden, ist sehr


1300 groß und muss fertigungstechnisch beach-
1 2 3 4 tet werden, Abschn. 5.2.2.2, S. 525.
1200
g g+ d d Bei den kfz Metallen besteht wegen der gro-
1100 ßen Wasserstofflöslichkeit und der extremen
Verformbarkeit keine Gefahr der wasserstoff-
1000 induzierten Kaltrissigkeit, Abschn. 3.5.1.6,
S. 276. Große Vorsicht ist aber bei den poly-
900 morphen Stählen geboten, weil bei ihnen in
der Wärmeeinflusszone die g/a-Umwandlung
800
Fe 5 10 15 20 25 % 30
stattfindet. Ist diese Umwandlung mit einer
Chromgehalt Martensitbildung verbunden (g  Martensit),
1: C % + N % = 0,005 % 2: C % + N % = 0,03 % dann ist die Bildung von Kaltrissen kaum
3: C % + N % = 0,07 % 4: C % + N % = 0,13 % zu vermeiden. Daher sind die 13%igen Chrom-
stähle, die weichmartensitischen CrNi-13-4-
Bild 2-70
Einfluss des Kohlenstoffs und Stickstoffs auf Lage Stähle, vor allem aber die martensitischen
und Ausdehnung des (g + d )-Raumes im System Fe-Cr, korrosionsbeständigen Stähle für diese Riss-
nach Schmidt und Jarleborg. form besonders anfällig.
208 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

2.8.3.4 Ausscheidungs- und Bild 2-71 zeigt schematisch die bei der Aus-
Entmischungsvorgänge scheidung von Chromcarbiden ablaufenden
Vorgänge. Das für die Carbidbildung erforder-
2.8.3.4.1 Interkristalline Korrosion (IK) liche Chrom wird zunächst der unmittelba-
Die mehrfach legierten korrosionsbeständi- ren Nähe der Ausscheidung entzogen, d. h.,
gen Stähle zeigen abhängig von der Art der die Chromverteilung in der Matrix zeigt den
Legierungselemente und ihrer Menge sowie in Bild 2-71a skizzierten muldenförmigen Ver-
ihrem Gittertyp eine ausgeprägte Neigung lauf. Das Nachströmen der sehr trägen, diffu-
zur Bildung unerwünschter Ausscheidun- sionsunwilligen Chromatome aus dem Korn-
gen, die die Korrosionsbeständigkeit, das inneren ist ein diffusionskontrollierter Pro-
Schweißverhalten und (oder) die mechani- zess, also temperatur- und zeitabhängig. Un-
schen Eigenschaften sehr beeinträchtigen terschreitet der Chromgehalt in der »Mulde«
können.

Chromcarbide sind die weitaus gefährlichs-


ten Ausscheidungen. Sie sind die Ursache der
interkristallinen Korrosion (»Kornzerfall«, s.
a. Abschn. 1.7.6.1.4, S. 88). Die austenitischen
Stähle werden daher grundsätzlich im lösungs-
geglühten und abgeschreckten Zustand gelie-
fert. Durch eine Erwärmung auf 1050 ’C bis
1150 ’C mit einem nachfolgenden möglichst a)
schnellem Abkühlen bleiben diese Elemente
t £ t1 t £ t2 t ³ t3
zwangsgelöst, d. h., ein Ausscheiden dieser
Phasen unterbleibt. Eine Wärmebehandlung
(z. B. Schweißen) kann in diesem Ungleichge-
wichtsgefüge aber erneut Diffusionsvorgänge
auslösen, die wiederum zu Ausscheidungen
b1) b2) b3)
führen. Cr > CrRe
t1 < t < t2 t 2 < t < t3 t ³ t3
Die Kohlenstofflöslichkeit der austenitischen
Stähle ist gering (… 0,03 % bei Raumtempe-
ratur), die der ferritischen Chromstähle noch
geringer (… 0,01 %). Die die Löslichkeitsgren-
ze übersteigende Kohlenstoffmenge wird als c1) c2) c3)
Chromcarbid ausgeschieden, das bis zu 65 %
Bild 2-71
Chrom enthalten kann, Bild 2-71a. Dadurch
Zum Mechanismus der Chromverarmungstheorie.
sinkt in der umgebenden Matrix u. U. der a) Chromprofil in der Nähe der Chromcarbidaus-
Chromgehalt unter die Resistenzgrenze, und scheidungen bei verschiedenen Haltezeiten ti.
der Stahl wird korrosionsanfällig. Zum Ver- b) Bei niedrigerem C-Gehalt des Stahles ist direkt
ständnis und zur Erklärung dieses für die nach Bildung des Carbids (t1, t2) die Chromverar-
hochlegierten Stähle wichtigen Mechanis- mung der Matrix gering. Eine zusammenhängen-
de, chromverarmte Zone entlang der Korngrenzen
mus muss die sehr unterschiedliche Diffu-
kann nicht entstehen. Nach Ablauf der Zeit t3 sind
sionsfähigkeit der Kohlenstoff- und Chrom- diese Bereiche mit aus dem Korninneren nachströ-
atome berücksichtigt werden 23). menden Chrom auf Werte über der Resistenzgrenze
aufgefüllt. Kornzerfall entsteht nicht.
c) Bei höherem C-Gehalt des Stahles scheiden sich die
Chromcarbide in größerer Menge und perlschnur-
artig aus. Bei einer Verweilzeit t2 < t < t3 sinkt der
Chromgehalt im Bereich der Korngrenzen unter
23)
Bei 800 ’C beträgt der Diffusionskoeffizient D 12 %. Kornzerfall kann entstehen. Nach Ablauf der
von Chrom im g -Eisen nur 10 18 cm2/s, von Koh- Zeit t3 ist die »Chrommulde« aufgefüllt, d. h., Korn-
lenstoff aber 10  8 cm2/s. zerfall kann nicht entstehen.
Abschn. 2.8.3: Korrosionsbeständige Stähle (Werkstoffliche Grundlagen) 209

den für die Passivität erforderlichen Wert von sionskoeffizienten DCr (s. Fußnote 23, S.
12 %, dann wird der Stahl in diesem Bereich 206) sehr rasch.
korrosionsanfällig. Diese Vorgänge finden – Die kfz Stähle werden durch ein Glühen im
überwiegend an den energiereichen »Stör- Bereich 600 ’C bis 800 ’C am schnellsten
stellen« Korngrenzen statt. Entstehen hier sensibilisiert, also IK-anfällig gemacht.
nichtzusammenhängende Ausscheidungen, Die Annahme liegt nahe, dass die IK-An-
dann ist der chemische Angriff in der Regel fälligkeit bei diesen Stählen eine andere
vernachlässigbar, Bild 2-71b. Ursache hat als bei den ferritischen Chrom-
stählen.
Wenn die Resistenzgrenze durch eine konti-
nuierliche Folge von Ausscheidungen in der Dieses sehr unterschiedliche Verhalten ist
unmittelbaren Nähe der Korngrenzen unter- aber lediglich eine Folge der unterschiedli-
schritten wurde, dann wird dieser Bereich chen Diffusions- und Löslichkeitsbedingun-
durch einen Korrosionsangriff zerstört, und gen der Legierungselemente in den krz und
der Kornverbund zerfällt. Diese nur auf die kfz Gittern. Bild 2-73 zeigt schematisch die
Korngrenzenbereiche beschränkte Form der temperatur- und zeitabhängige Ausschei-
Korrosion wird interkristalline Korrosion dung der Chromcarbide aus einem ferriti-
(IK) oder auch anschaulich Kornzerfall ge- schen Chromstahl und einem austenitischen
nannt. Bemerkenswert ist, dass die Ursache Chrom-Nickel-Stahl.
der IK nicht die Menge ausgeschiedener Carbi-
de ist, sondern ein bestimmter Ausscheidungs- Der eingezeichnete für eine Lichtbogen-
zustand, bei dem die Chromverarmung der schweißung typische Abkühlverlauf (Linie
Matrix ein Maximum erreicht. Daher bezeich- »A«) gibt die Unterschiede sehr deutlich wie-
net man die der interkristallinen Korrosion der. Beim Schweißen des ferritischen Stah-
zugrunde liegenden werkstofflichen Vorgän- les ist die Carbidausscheidung beim Abküh-
ge als Chromverarmungstheorie. len nicht unterdrückbar, der Stahl wird also
sofort nach dem Schweißen kornzerfallsan-
Die bisher geschilderten Ausscheidungsvor- fällig. Der gleiche Vorgang erfordert bei den
gänge lassen sich sehr anschaulich in Zeit- austenitischen Stählen eine sehr viel länge-
Temperatur-Ausscheidungs-Schaubildern
(ZTA-Schaubild) darstellen, Bild 2-72. Die 1100
Ausscheidung von Chromcarbiden (Linien 1 °C
und 4) ist noch nicht gleichbedeutend mit der 1000
Temperatur T

3 4 TL
Neigung zum Kornzerfall bzw. zu seinem Be-
ginn. Dies geschieht erst dann, wenn der in 900

Bild 2-71b skizzierte Zustand erreicht ist. M23C6


TK
Bei Temperaturen oberhalb der vom Kohlen- 800
(kein Kornzerfall) 2
stoffgehalt abhängigen Löslichkeitstempe-
ratur TL ist eine Carbidausscheidung nicht 700
t min
mehr möglich. Kornzerfall
600
Die IK-Anfälligkeit kann durch Auffüllen der übersättigter
Austenit
1
»Chromsenken« in den Korngrenzenberei- 500
chen auf die Resistenzgrenze von 12 % besei-
tigt werden, wie Bild 2-71c schematisch zeigt. 400
0,01 0,1 1 10 100 h
Die hierfür erforderlichen Temperaturen und Zeit t
Zeiten sind in erster Linie vom Gittertyp des
Stahles abhängig: Bild 2-72
Zeit-Temperatur-Ausscheidungs-Schaubild (M23C6)
– Bei den thermisch relativ instabilen krz
eines austenitischen Cr-Ni-Stahles X5CrNi18-9 mit
Stählen ist ein Glühen bei 750 ’C/1 h aus- eingetragenem Bereich des Kornzerfalls. Wärmebe-
reichend. Das Auffüllen der Chromsenken handlung: Lösungsglühen 1050 ’C/Abschrecken, nach
geschieht wegen des sehr großen Diffu- Herbsleb, Schüller und Schwaab.
210 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

re Zeit; er ist aber sehr stark von der Menge ❐ Zugabe von Sondercarbidbildnern. Die
an Kohlenstoff und anderen Legierungsele- große Affinität der Elemente Ti, Ta, Nb
menten abhängig, Bild 2-74. Ein Kornzerfall führt zum Abbinden des Kohlenstoffs in
direkt nach dem Schweißen ist unwahrschein- Form stabiler Carbide als TiC, TaC, NbC.
lich, s. a. Bild 4-101, S. 432. Der Kohlenstoff wird stabilisiert. Die we-
niger stabilen, unerwünschten Chromcar-
Gegenmaßnahmen bide können sich nicht mehr bilden, d. h.,
Zum Abwenden der gefährlichen IK sind ver- Kornzerfall ist weitgehend ausgeschlos-
schiedene Methoden bekannt, deren Wirksam- sen. Abhängig vom Kohlenstoffgehalt des
keit z. T. von der Stahlsorte abhängt. Die fol- Stahles beträgt die Menge der erforderli-
genden Maßnahmen werden in der Praxis chen Stabilisatoren genannten Sonder-
angewendet. carbidbildner:
Ti • 5 ¹ C, Nb (Ta) • (10 bis 12) ¹ C.
❐ Lösungsglühen und Abschrecken.
Die Ausscheidungen werden gelöst und Diese Mengen sind größer als dem stö-
ihr Wiederausscheiden durch rasches Ab- chiometrischen Verhältnis entspricht, weil
kühlen verhindert. Diese Methode wird sie als stickstoffaffine Elemente auch den
in der Praxis kaum (wohl aber vom Stahlher- im Stahl immer enthaltenen Stickstoff ab-
steller!) angewendet. Die erforderlichen binden.
hohen Temperaturen führen zu erhebli-
chen Bauteilverzügen (Festigkeit ist ge- Diese Stähle werden stabilisierte Stähle ge-
ring!), verzunderten Oberflächen und ver- nannt, weil bei ihnen der Kohlenstoff fest (sta-
ursachen hohe Kosten. bil) abgebunden ist.

❐ Absenken des Kohlenstoffgehalts unter 2.8.3.4.2 Sigma-Phase (σ-Phase)


die temperaturabhängige Löslichkeits- Alle Ausscheidungsvorgänge im Gefüge der
grenze des Stahles. hochlegierten Stähle entstehen im festen Zu-
Dieser C-Gehalt beträgt etwa bei den stand. Sie erfordern daher sehr lange Zei-
– ferritischen Cr-Stählen < 0,01 %,
900
bzw. C  N  0,015 %. Sie werden da-
her auch ELI-Stähle 24) genannt. We- ° C
Temperatur T

gen der größeren Kohlenstofflöslich- 800


A M 23C 6 M 23C 6

keit beträgt er bei den


– austenitischen Stählen ” 0,03 %.
700

Bei höheren als den angegebenen Anteilen


scheidet sich der überschüssige Kohlenstoff Ferrit Austenit
600
als Carbid (Me23C6) aus. Das Einstellen die-
ser extrem geringen Kohlenstoffgehalte
gelang erst mit dem Aufkommen neuerer 500
Stahlherstellungsverfahren (Abschn. 2.3).
Diese austenitischen Werkstoffe bezeichnet
man auch als ELC-Stähle bzw. ULC- 0,001 0,01 0,1 1 10 100 h 1000
Stähle 25). Zeit t

Bild 2-73
Einfluss der Gitterform auf die M23C6 -Ausscheidung
24)
ELI = Extra Low Interstitial, d. h. ein Stahl mit und die IK-Anfälligkeit eines ferritischen Chromstah-
einem sehr geringen Gehalt interstitiell gelöster les (C = 0,05 %, Cr = 17 %) und eines austenitischen
Elemente. Diese Stähle werden auch als Super- Cr-Ni-Stahles (C = 0,05 %, Cr = 18 %, Ni = 8 %), geprüft
ferrite bezeichnet (Abschn. 2.8.4.2, S. 215). im Strauss-Test. Die eingetragene Abkühlkurve »A«
25)
ELC = Extra Low Carbon, also ein Stahl mit ei- entspricht den Schweißbedingungen: Wärmeeinbrin-
nem sehr geringen Kohlenstoffgehalt. gen 5 kJ/cm, Blechdicke 20 mm, Vorwärmtemperatur
ULC = Ultra Low Carbon. 300 ’C, nach Bäumel.
Abschn. 2.8.3: Korrosionsbeständige Stähle (Werkstoffliche Grundlagen) 211

ten und beginnen erst bei höheren Tempe- kann. Die Ausscheidung der Sigma-Phase
raturen. Es entstehen meistens intermediä- kann daher erst dann erfolgen, wenn der Ge-
re Verbindungen, die die halt dieser Elemente an den Orten beginnen-
– mechanischen Gütewerte, insbesondere der Ausscheidung gegen Null geht. Diese Zu-
die Zähigkeitseigenschaften und die sammenhänge gelten nur für atomar im Git-
– Korrosionsbeständigkeit z. T. extrem ver- ter gelösten Kohlenstoff und Stickstoff. In
schlechtern. stabilisierten Stählen ist Kohlenstoff fest,
Stickstoff z. T. gebunden. Bei diesen Stäh-
Die Sigma-Phase ist eine intermediäre Ver- len ist daher die ausscheidungshemmende
bindung mit der Näherungsformel FeCr. Sie Wirkung des Kohlenstoffs nur noch in einem
setzt die Zähigkeit herab, häufig auch die Kor- geringen Umfang vorhanden.
rosionsbeständigkeit. Bild 2-66 zeigt, dass
in reinen Eisen-Chrom-Legierungen die Aus- Kohlenstoff scheidet sich im Gegensatz zu
scheidung der Sigma-Phase ab 15 % Chrom Stickstoff relativ leicht in Form von Carbi-
unter 800 ’C beginnt. Ihre Bildung wird u. a. den aus. Die Löslichkeit des Stickstoffs im
durch Molybdän, Niob, Silicium, Titan, Va- (hochlegierten) kfz Gitter ist deutlich größer
nadium erleichtert, durch Nickel und Kobalt als die des Kohlenstoff, daher ist auch seine
erschwert. Molybdän begünstigt sehr stark ausscheidungshemmende Wirkung wesent-
die Bildung der Sigma-Phase. Es verschiebt lich größer.
ihren Bildungsbereich zu niedrigeren Chrom-
gehalten und höheren Temperaturen. Die Die Sigma-Phase scheidet sich aus dem Fer-
Lösungsglühtemperatur molybdänlegierter rit grundsätzlich schneller aus als aus Auste-
Stähle muss daher mit etwa 1150 ’C deutlich nit. Dies geschieht beim d-Ferrit im Tempera-
höher liegen als die der molybdänfreien (ca. turbereich zwischen 600 ’C und 900 ’C und
1050 ’C). führt zu einer sehr erheblichen Versprödung.
Durch Glühen bei 950 ’C wird die Sigma-Pha-
Die Ausscheidungskinetik der Sigma-Phase se gelöst und ihre versprödende Wirkung be-
ist wegen der unterschiedlichen Lösungsfä- seitigt. Besonders nachteilig ist ihre Bildung
higkeit für bestimmte Legierungselemente in den austenitisch-ferritischen Duplexstäh-
und ihrer unterschiedlichen Diffusionsmög- len, die ungefähr 50 % d-Ferrit enthalten (Ab-
lichkeit im kfz bzw. krz Gitter sehr stark vom schn. 2.8.4.4).
Gittertyp abhängig. Kohlenstoff und Stick-
stoff verzögern die Bildung der Sigma-Pha- 2.8.3.4.3 475 °C-Versprödung
se stark, da sie beide Elemente nicht lösen Die Versprödung beruht auf einer Nahent-
mischung des d -Ferrits, der sich in Stäh-
900
len mit mehr als 12 % Chrom und sehr lan-
°C gen Glühzeiten (einigen tausend Stunden)
Kohlenstoffgehalt in %:
unterhalb 500 ’C in eine sehr chromreiche
Temperatur T

800
d’- und eine chromarme d -Phase entmischt.
Bei den austenitisch-ferritischen Stählen
0,09

700 (Duplexstählen) setzt die Versprödung aller-


0,06
dings schon nach einigen Minuten Aufent-
0,04
haltsdauer im kritischen Temperaturbereich
600 ein (Bild 2-84). Im Zweistoff-System Fe-Cr,
0,03 Bild 2-66, sind diese werkstofflichen Vorgän-
0,02
ge schematisch dargestellt.
500
0,01 0,1 1 10 102 103 104 h 105
Zeit t Mit zunehmendem Chromgehalt wird die-
ser Entmischungsvorgang stark beschleu-
Bild 2-74
Einfluss des Kohlenstoffgehalts auf die IK-Anfälligkeit nigt und seine versprödende Wirkung grö-
eines nichtstabilisierten austenitischen Stahles vom ßer. In ferritfreien Stählen tritt diese Erschei-
Typ CrNi-18-9, nach Rocha. nung nicht auf.
Tabelle 2-17

212
Mechanische Eigenschaften ausgewählter nichtrostender Stähle für die Erzeugnisform C, Werkstückdicke 6 mm [(auch P und H für Werkstückdicken
12 mm (H) bzw. 75 mm (P)], nach DIN EN 10088-2, Auswahl (9/2005).

Stahlsorte Wärmebehand- R p0,2 2) R m 2) Bruchdehnung, KV (Charpy-V) Beständigkeit


lungszustand 1), 2) (quer) A 80 (quer) > 10 mm gegen IK (nach
t > 3 mm 3) EURONORM 114)
längs quer
2 2
Kurzname Werkst. Nr. N/mm N/mm % J J Liefer. 4) sens. 4)

Austenitische Stähle

X10Ni18-8 1.4310 AT 250 600 ... 950 40 − − nein nein


X2CrNiN18-7 1.4318 AT (H/12 5)) 330 650 ... 850 35 90 60 ja ja
X2CrNi18-9 1.4307 AT (H/12 5)) 200 520 ... 670 45 90 60 ja ja
X2CrNi19-11 1.4306 AT (H/12 5)) 200 500 ... 650 45 90 60 ja ja
X5CrNi18-10 1.4301 AT (H/12 5)) 210 520 ... 720 45 90 60 ja nein
X6CrNiTi18-10 1.4541 AT (H/12 5)) 200 520 ... 720 40 90 60 ja ja
Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

X4CrNi18-12 1.4303 AT 220 500 ... 650 45 − − ja nein


X1CrNi25-21 1.4335 AT (H/12 5)) 200 400 ... 600 45 90 60 ja ja
X2CrNiMo17-12-2 1.4404 AT (H/12 5)) 220 530 ... 680 40 90 60 ja ja
X2CrNiMoN17-11-2 1.4406 AT (H/12 5)) 280 580 ... 780 40 90 60 ja ja
X1CrNiMoN25-22-2 1.4466 AT (P/75 5)) 250 540 ... 780 40 90 60 ja ja
X6CrNiMoNb17-12-2 1.4580 AT (P/75 5)) 220 520 ... 720 40 90 60 ja ja
X2CrNiMoN17-13-3 1.4429 AT (H/12 5)) 280 580 ... 780 35 90 60 ja ja
X3CrNiMo17-13-3 1.4436 AT (H/12 5)) 220 550 ... 700 40 90 60 ja ja
X1CrNiSi18-15-4 1.4438 AT (H/12 5)) 220 550 ... 700 35 90 60 ja ja
X12CrMnNiN18-9-5 1.4372 AT (H/12 5)) 330 750 ... 950 45 90 60 ja nein
X2CrNiMoN17-13-5 1.4439 AT (H/12 5)) 270 580 ... 780 35 90 60 ja ja
X2CrNiMoN18-12-4 1.4434 AT (H/12 5)) 270 570 ... 770 35 90 60 ja ja
X2CrNiMo18-15-4 1.4438 AT (H/12 5)) 270 570 ... 770 35 90 60 ja ja
X2CrMnNiN17-7-5 1.4372 AT (H/12 5)) 330 750 ... 950 45 90 60 ja nein
X1CrNiMoCuN25-25-5 1.4537 AT (P/75 5)) 290 600 ... 800 40 90 60 ja ja
X1NiCrMoCuN25-20-7 1.4529 AT (P/75 5)) 270 600 ... 800 25 90 60 ja ja

Austenitisch-ferritische Stähle (Duplexstähle)

X2CrNiN23-4 1.4362 AT (H/12 5)) 490 600 ... 850 20 90 60 ja ja


X2CrNiMoN27-5-2 1.4460 AT (H/12 5)) 460 620 ... 880 20 90 60 ja ja
X2CrNiMoN22-5-3 1.4462 AT (H/12 5)) 460 660 ... 950 25 90 60 ja ja
X2CrNiMoCuN25-6-3 1.4507 AT (H/12 5)) 490 690 ... 940 17 90 60 ja ja
X2CrNiMoN25-7-4 1.4410 AT (H/12 5)) 530 750 ... 1000 15 90 60 ja ja
X2CrNiMoCuWN25-7-4 1.4501 AT (P/75 5)) 530 730 ... 930 25 90 60 ja ja
Stahlsorte Wärmebehand- R p0,2 2) R m 2) Bruchdehnung, KV (Charpy-V)) Beständigkeit
lungszustand 1), 2) (längs) A 80 (quer) t > 10 mm gegen IK (nach
t > 3 mm 3) EURONORM 114)
längs quer

Kurzname Werkst. Nr. N/mm2 N/mm2 % J J Liefer. 4) sens. 4)

Ferritische Stähle
X2CrNi12 1.4003 A 280 450 ... 650 20 − − nein nein
X6CrNiTi12 1.4516 A 280 450 ... 650 23 − − nein nein
X6Cr13 1.4000 A 240 400 ... 600 19 − − nein nein
X6Cr17 1.4016 A 260 450 ... 600 20 − − ja nein
X3CrNb17 1.4511 A 230 420 ... 600 23 − − ja ja
X6CrMo17-1 1.4113 A 260 450 ... 630 18 − − ja nein
X2CrTi17 1.4520 A 180 380 ... 530 24 − − ja ja
X6CrNi17-1 1.4017 A 480 650 ... 750 12 − − ja ja
X2CrTiNb18 1.4509 A 230 430 ... 630 18 − − ja ja
X1CrMoTi29-4 1.4592 A 430 550 ... 700 20 − − ja ja

Martensitische Stähle
6)
X12Cr13 1.4006 QT550 (P/75 5)) 400 550 ... 750 15 − − −
6)
X20Cr13 1.4021 QT650 (P/75 5)) 450 650 ... 850 12 − − −
X30Cr13 1.4028 QT800 (P/75 5)) 600 800 ... 1000 10 − − − −
X39Cr13 1.4031 QT − − 12 − − − −
X46Cr13 1.4034 A − max. 780 12 − − − −
X50CrMoV15 1.4116 A − max. 850 12 − − − −
X39CrMo17-1 1.4122 A − max. 900 12 − − − −
Weichmartensitische Stähle
X3CrNiMo13-4 1.4313 QT780 (P/75 5)) 650 780 ... 980 14 70 min. − − −
X4CrNiMo16-5-1 1.4418 QT840 (P/75 5)) 680 840 ... 980 14 55 min. − − −
Ausscheidungshärtende Stähle

X5CrNiCuNb16-4 1.4542 P900 700 ≥ 900 6 − − − −


X7CrNiAl17-7 1.4568 P1450 1310 ≥ 1450 2 − − − −
X8CrNiMoAl15-7 1.4532 P1550 1380 ≥ 1550 2 − − − −

1)
A = Geglüht, AT = lösungsgeglüht, Pwxyz = ausscheidungsgehärtet auf Zugfestigkeit wxyz, SR = spannungsarmgeglüht, QTwxyz = vergütet auf Zugfestigkeit wxyz.
2)
Gilt für Werkstückdicken s = 6 mm und die Erzeugnisform C = altgewalztes Band (andere Erzeugnisformen sind P = warmgewalztes Blech, H = warmgewalztes Band).
3)
Die Werte gelten für Proben mit einer Messlänge von 80 mm und einer Breite von 20 mm.
Abschn. 2.8.3: Korrosionsbeständige Stähle (Werkstoffliche Grundlagen)

4)
Liefer. = IK-Beständigkeit im Lieferzustand, sens. = IK-Beständigkeit im geschweißten Zustand.
5)
Die Zahl nach dem Schrägstrich gibt die für diese Fälle geltenden von s = 6 mm abweichenden Werkstückdicken an.
6)
213

Nach Vereinbarung.
214 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

2.8.4 Einteilung und Stahlsorten testen Beispiele sind die von DeLong,
Schaeffler und vom WRC entwickelten
Je nach chemischer Zusammensetzung wird Chrom- und Nickeläquivalente (Abschn.
eine Vielzahl korrosionsbeständiger Stäh- 4.3.7.2, S. 417).
le mit unterschiedlichsten Gefügen und für
unterschiedlichste Anwendungsbereiche bzw. Aus dem bisher Gesagten wird die folgende
Korrosionsmedien hergestellt. In Tabelle 2- Einteilung der korrosionsbeständigen Stäh-
17 sind einige Stahlsorten mit ihren kenn- le verständlich:
zeichnenden mechanischen Eigenschaften
zusammengestellt. Perlitisch-martensitische
Chromstähle
Das Entstehen der möglichen Gefügeformen Cr 12 % bis 18 %, C 0,15 % bis 1,2 %.
der Stähle lässt sich vereinfacht mit den Zwei- Stähle mit C • 0,20 % sind in der Regel
stoff-Zustandsschaubildern Fe-Cr und Fe-Ni Luft- bzw. Ölhärter.
erklären. Die Legierung A (B) in Bild 2-70
erstarrt bei einem Kohlenstoffgehalt … 0,13 % Ferritische und halbferritische
(… 0,03 %) rein ferritisch. Ist die Menge des Chromstähle
stark austenitstabilisierenden Kohlenstoffs Cr 12 % bis 30 %, C … 0,2 %.
gering (C … 0,1 %), dann bilden sich überwie- Die Zusammensetzung dieser Stähle ist
gend ferritische Stähle mit geringeren Antei- so beschaffen, dass sie während der Ab-
len von Umwandlungsprodukten. Diese Werk- kühlung den (g  d)-Raum durchlaufen, z.
stoffe werden daher »halbferritische« Stähle B. Legierung B in Bild 2-70. Das aus der
genannt. Bei größeren Kohlenstoffgehalten g -Umwandlung entstehende überwiegend
(C ! 0,10 % ... 0,20 %) entstehen nach einer Aus- martensitische Gefüge ist der Grund für
tenitumwandlung die martensitischen korro- diese Bezeichnung.
sionsbeständigen (Vergütungs-)Stähle.
Austenitisch-ferritische Stähle
Austenitische bzw. austenitisch-ferritische (Duplexstähle)
Stähle entstehen nur, wenn außer dem aus Cr 20 % bis 25 %, Ni 5 % bis 7 %, bis 4 %
Gründen der Korrosionsbeständigkeit im- Mo und geringe Mengen N.
mer erforderlichen Chrom noch weitere auste- Das Gefüge dieser Stähle besteht aus
nitstabilisierende Elemente vorhanden sind. etwa 50 % Ferrit und 50 % Austenit.
In jedem Fall wird hierfür – neben anderen
Legierungselementen – Nickel verwendet. Austenitische Chrom-Nickel-Stähle
(oft mit bis zu 10 % Ferrit), Cr 14 % bis
Die Art des entstehenden Gefüges dieser 30 %, Ni 6 % bis 36 %, C … 0,1 %.
Stähle hängt in komplizierter Weise von ih- 100
rem Legierungssystem ab. Als Gedächtnis- g Anlasstemperatur :
m2h 700 ° C 650 ° C
hilfe können folgende selbstverständlich er- 80
550 ° C 500 ° C

scheinende Hinweise dienen:


Massenverlust

– Das Gefüge der 12 % bis 13 % Chrom ent- 60


haltenden Stähle ist ferritisch (ferritisch-
martensitisch) bzw. bei höherem Kohlen- 40
stoffgehalt martensitisch. Die Zugabe wei-
terer Legierungselemente »verschiebt« das 20
Gefüge dieses »Standardstahles« in eine
Richtung, die von ihrer austenit- bzw. fer- 0
10 102 103 104 min 105
ritbegünstigenden Wirkung abhängt. Anlassdauer t

Bild 2-75
Die ferrit- bzw. austenitbildende Fähigkeit Korrosionsverhalten des Stahles X40Cr13 in Abhän-
der Elemente wird häufig in Form von gigkeit von der Anlasstemperatur in siedender 5%iger
»Wirksummen« festgestellt. Die bekann- Essigsäure, nach Bäumel.
Abschn. 2.8.4: Korrosionsbeständige Stähle (Einteilung und Stahlsorten) 215

2.8.4.1 Martensitische Chromstähle rix nachströmendem Chrom aufgefüllt, die


Die Schweißeignung dieser höhergekohlten Chromanreicherung im Carbid kommt zum
(C • 0,15 % bis etwa 1,2 %) bis etwa 650 ’C Stillstand, d. h., der Gewichtsverlust nimmt
warmfesten und mäßig korrosionsbeständi- wieder ab.
gen Chromstähle mit sehr hoher Zugfestig-
keit (… 900 N/mm2) ist schlecht, Tabelle 2- 2.8.4.2 Ferritische Chromstähle
17. Von einem Schweißen ist grundsätzlich Wegen ihrer gegenüber vielen Angriffsme-
abzuraten. Hinzu kommt die extreme Gefahr dien ausreichenden Korrosionsbeständigkeit
der Bildung wasserstoffinduzierter Kaltris- werden die rein ferritischen Chromstähle
se in den hochaufgehärteten, versprödeten mit 12 % bis 17 % Cr und C … 0,1 % für nicht
Zonen der WEZ. Die Schweißeigenschaften allzu aggressiv beanspruchte Bauteile häu-
und vor allem die Zähigkeitswerte lassen fig verwendet. Ihre Streckgrenzen sind im
sich aber durch Herabsetzen des Kohlen- Vergleich zu den austenitischen Cr-Ni-Stäh-
stoff- und Anheben des Nickelgehaltes auf len deutlich höher und können durch geeig-
4 % bis 6 % erheblich verbessern. nete Wärmebehandlungen in weiten Gren-
zen eingestellt werden. Die Übergangstem-
Diese Entwicklung führte zu den niedrigge- peratur der Kerbschlagzähigkeit liegt aber
kohlten (C … 0,05 %, siehe Tabelle 2-17) weich- in den meisten Fällen über der Raumtempe-
martensitischen Stählen, die stets im ver- ratur, ihre Zähigkeitseigenschaften und da-
güteten (angelassenen) Zustand eingesetzt mit ihre Schweißeignung sind daher erwar-
werden. Die große thermische Hysterese des tungsgemäß sehr schlecht. Ein entscheiden-
Ac3-Punktes beim Aufheizen bzw. Abkühlen der Vorteil ist ihre Beständigkeit gegen die
dieser Nickelmartensite erleichtert ihr ein- durch chloridionenhaltige Angriffsmedien
faches und sehr wirksames Aushärten, Bild hervorgerufenen lokalen Korrosionsformen
4-91. Ein weiterer Vorteil ist das nahezu d - wie die Spannungsrisskorrosion. Bild 2-76
ferritfreie Vergütungsgefüge dieser Stähle, zeigt das Mikrogefüge eines rein ferritischen
wenn ihre chemische Zusammensetzung ge- Chromstahles.
nau abgestimmt wird.
Sie werden grundsätzlich im geglühten Zu-
Im gehärteten (kaum verwendbaren) Zu- stand (750 ’C/1...2 h/Luft) eingesetzt. Diese
stand ist die Korrosionsbeständigkeit dieser Wärmebehandlung sorgt für das Auffüllen
Stähle am besten. Nach einer Anlassbehand- der Chromsenken und macht den Stahl IK-
lung liegt ein Teil des ausgeschiedenen Koh- beständig. Das Gefüge besteht aus Ferrit mit
lenstoffs als Chromcarbid vor, wodurch die eingelagerten Carbiden. Als Folge der gerin-
Entstehung der interkristallinen Korrosion gen Löslichkeit und der um ein Vielfaches
(Abschn. 2.8.3.4.1) sehr begünstigt wird. Ge- größeren Diffusionskoeffizienten der Elemen-
mäß den Ergebnissen der Chromverarmungs- te im krz Gitter ist der Ferrit thermisch sehr
theorie ist die IK eine Folge der Chromcar-
bidausscheidungen, des Umfangs der damit
verbundenen Chromverarmung der Matrix
und der Möglichkeit des zeit- und tempera-
turabhängigen Nachströmens des Chroms
aus der Umgebung.

Bild 2-75 zeigt die Verhältnisse für den Mes-


serstahl X40Cr13. Der Verlauf der Massen-
verlustkurven (g/m2h) zeigt die typischen
Werkstoffänderungen beim Anlassen. Mit
zunehmender Anlasstemperatur wird das
Maximum der Abtragrate in immer kürze- Bild 2-76
ren Zeiten erreicht. Bei noch längeren Zei- Mikrogefüge eines ferritischen Chromstahles
ten werden die »Mulden« von aus der Mat- X6CrTi17, V = 500:1, Vilella-Ätzung.
216 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

instabil, d. h., die Stähle neigen zu Ausschei- dung durch Carbid- bzw. Nitridbildung hin-
dungen aller Art. zu. Wegen dieser temperaturabhängigen
Versprödungsformen sollte die Betriebstem-
Je nach Zusammensetzung unterscheidet peratur von aus diesen Stählen hergestellten
man: Bauteilen auf etwa 250 ’C begrenzt werden.

Rein ferritische Stähle, d. h., die resul- Die Korrosionsvorgänge sind bei den 17%-
tierende Wirkung der ferrit- und austenit- igen ferritischen Chromstählen durch ver-
stabilisierenden Elemente verschiebt die schiedene werkstoffliche Besonderheiten sehr
Legierung in den reinen Ferritbereich, z. unübersichtlich. Wie Bild 2-70 zeigt, durch-
B. die Legierung A in Bild 2-70. Die Stäh- laufen die Stähle bei einer Wärmebehandlung
le sind umwandlungsfrei. (z. B. Schweißen, Abschn. 4.3.7.4, S. 425) das
Halbferritische Stähle, d. h., sie durch- Zweiphasenfeld (g  d). Aus Bild 2-77 erkennt
laufen beim Abkühlen den (g  d)-Phasen- man, dass sich über 900 ’C Austenit zu bil-
raum. Ein größerer Teil der g-MK.e wan- den beginnt, dessen Menge bis etwa 1100 ’C
delt in Martensit (oder Bainit) um. Die Le- zunimmt. Mit steigender Temperatur geht
gierung B in Bild 2-64 durchläuft den Zwei- ein Teil der Carbide in Lösung. Der freiwer-
phasenraum z. B. dann, wenn C  N ! 0,03 % dende Kohlenstoff wird bevorzugt vom Aus-
ist. tenit aufgenommen, da er eine wesentlich grö-
ßere Lösungsfähigkeit für dieses Element be-
Die ferritischen Stähle werden durch Chrom sitzt. Im Bereich des Zweiphasenfeldes exis-
und in noch größerem Umfang durch Molyb- tieren also gleichzeitig der chromärmere Aus-
dän versprödet. Die Ursache ist die Ausschei- tenit und der wesentlich chromreichere d-Fer-
dung der Sigma-Phase oberhalb 550 ’C und rit. Durch schnelles Abkühlen wandelt der
die 475 ’C-Versprödung (Abschn. 2.8.3.4.2). Stahl in kohlenstoffreichen Martensit und
Bei nichtstabilisierten Stählen kommt außer kohlenstoffarmen, chromreichen d-Ferrit um,
der IK-Anfälligkeit auch noch die Versprö- der nicht zu Chromcarbidausscheidungen
neigt. In einem korrosiven Medium wird da-
1500
B her nur der Martensit flächenförmig (sehr
°C
viel ungefährlicher!) angegriffen. Die Stär-
Temperatur T

1400 ke des Korrosionsangriffs nimmt also mit zu-


d nehmender Wärmebehandlungstemperatur
1300 stark zu. Oberhalb 1100 ’C wird der Austenit-
g+ d anteil zunehmend geringer, d. h., der d -Fer-
ritanteil nimmt zu. Die sich aus dem Ferrit
1200
an den Korngrenzen ausscheidenden Carbi-
de verstärken den Korrosionsangriff entschei-
1100 g d g dend. Beim Schweißen sind diese Vorgänge
ebenfalls zu beachten. Weitere Hinweise sind
1000 in Abschn. 4.3.7.4, S. 425, zu finden.

Dieser Zusammenhang ist die Ursache für


900
die komplizierte Abhängigkeit der interkris-
tallinen Korrosion von der Höhe des Kohlen-
800 stoffgehalts bei den 17%igen Chromstählen.
Fe 5 10 15 20 % 25
Chromgehalt
Bei den einphasigen austenitischen und fer-
ritischen Stählen ist die Neigung zur IK pro-
Bild 2-77 portional der Höhe des Kohlenstoffgehalts.
Vorgänge bei der Wärmebehandlung 17%iger Chrom-
Die IK-Anfälligkeit der 17%igen Chromstäh-
stähle, z. B. Legierung B in Bild 2-70 mit etwa 17 %
Cr und 0,07 % C, Kurve 3. Bei 1100 ’C besteht der le ist in einem extrem weiten Bereich (bis
Stahl aus g und d-Ferrit mit Anteilen gemäß den ein- ungefähr C … 0,2 %) nahezu unabhängig vom
gezeichneten Hebelarmen. Kohlenstoffgehalt, wie auch Bild 2-77 zeigt.
Abschn. 2.8.4: Korrosionsbeständige Stähle (Einteilung und Stahlsorten) 217

Die (nichtstabilisierten) ferritischen Stähle enthalten etwa 28 % Chrom und 5 % Molyb-


müssen wegen der kaum unterdrückbaren dän. Sie werden auch als Superferrite be-
Ausscheidungsvorgänge und der Gefahr des zeichnet. Ihre herausragende Eigenschaft
Kornwachstums aus der Walzhitze genügend ist die hervorragende Beständigkeit gegen
schnell abgekühlt werden. Daher ist ein mög- die in wässrigen, chloridionenhaltigen Lö-
lichst feinkörniges Gefüge für ausreichende sungen hervorgerufenen lokalen Korrosions-
Zähigkeitswerte von großer Bedeutung, weil formen (Loch-, Spannungsriss-, Spaltkorro-
mit abnehmender Korngröße die Belegungs- sion). Die Stähle können ohne eine Wärme-
dichte der Korngrenzen mit Ausscheidungen vor- und nachbehandlung geschweißt wer-
geringer wird. Der zähigkeitsmindernde Ein- den, weil sie über eine hervorragende Zähig-
fluss der Korngrenzenbeläge nimmt damit keit verfügen und eine Martensitbildung bei
deutlich ab. ihnen ausgeschlossen ist.

Zum Stabilisieren dieser Stähle werden die Interstitielle Verunreinigungen, die z. B. wäh-
sehr kohlenstoffaffinen Elemente (Sondercar- rend des Schweißprozesses aufgenommen
bidbildner) verwendet (Abschn. 2.8.3.4): werden, Abschn. 4.3.7.4, S. 425, verspröden
die Superferrite extrem.
Ti • 5 ¹ C, Nb (Ta) • (10 bis 12) ¹ C.
Die sehr schlechte Schweißeignung der ferri- 2.8.4.3 Austenitische
tischen Chromstähle (Abschn. 4.3.7.4, S. 425) Chrom-Nickel-Stähle
beruht im Wesentlichen auf ihrem zu ho- Diese Stähle sind die bei weitem wichtigs-
hen Gehalt an Kohlenstoff und Stickstoff, ten korrosionsbeständigen Werkstoffe. Sie
der zu unerwünschten Ausscheidungen in sind unmagnetisch und bei höchsten Korro-
der WEZ führt. Die Zähigkeitseigenschaf- sionsbeanspruchungen einsetzbar, Bild 2-78.
ten und damit das Schweißverhalten dieser Sie sind wegen der fehlenden Allotropie (Poly-
Stähle kann aber erheblich verbessert wer- morphie) ähnlich wie die rein ferritischen
den, wenn C  N … 0,015 % wird. Mit den mo- Stähle im klassischen Sinn nicht wärmebe-
dernen Stahlherstellungsverfahren (Vaku- handelbar. Im Vergleich zu den ferritischen
umtechnik, AOD-Verfahren) sind diese Ge- Chromstählen sind sie aber gegen schwefel-
halte erreichbar. haltige Gase unter reduzierenden Bedingun-
gen oberhalb 650 ’C weitaus empfindlicher.
Diese extrem sauberen bei allen Temperatu- Sie besitzen eine relativ geringe Streckgren-
ren austenitfreien, rein ferritischen Stähle ze von etwa 190 N/mm2 bis 220 N/mm2, her-
vorragende Zähigkeitseigenschaften, vor al-
lem bei tiefen Temperaturen, s. Tabelle 2-17,
und sind aufgrund ihres Gitteraufbaus sehr
stark kaltverfestigbar. Diese Möglichkeit der
Festigkeitserhöhung kann wegen der laten-
ten Gefahr der Spannungsrisskorrosion (Ab-
schn. 1.7.6.2.1, S. 91) nur in den seltensten Fäl-
len genutzt werden. Die Festigkeit dieser ein-
phasigen Werkstoffe lässt sich technisch sinn-
voll nur durch die Verfahren der Kaltverfes-
tigung, Mischkristallverfestigung und Aus-
scheidungshärtung erhöhen.

Fertigungstechnisch notwendige Kaltverfor-


mungen (z. B. spangebende Bearbeitung) kön-
nen vor allem austenitische Stähle, die bei
Bild 2-78 höheren Temperaturen zu Ausscheidungen
Mikrogefüge eines austenitischen Cr-Ni-Stahles, neigen, erheblich verspröden. Bild 2-79 zeigt
V = 300 :1, Mischsäure. ein durch Kaltverformung und hohe Betriebs-
218 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

temperaturen durch spannungsinduzierte


Ausscheidung von Chromcarbiden und Sig-
ma-Phase versprödetes austenitisches Gefü-
ge (X15CrNiSi20-12).

Werkstoffe mit einem kfz Gitter sind nicht


versprödbar und wegen der wesentlich ge-
ringeren Diffusionskoeffizienten der Elemen-
te im kfz Gitter thermisch wesentlich stabiler
als solche mit jedem anderen Gittertyp. Sie
sind daher grundsätzlich für Beanspruchun-
gen bei hohen Temperaturen (• 550 ’C) ein-
zusetzen.

Die für das Schweißverhalten wichtigen phy- Bild 2-79


sikalischen Werkstoffeigenschaften Wärme- Versprödungserscheinung in einem austenitischen
ausdehnungskoeffizient a und Wärmeleitfä- Werkstoff X15CrNiSi20-12 durch spangebende
Bearbeitung und hohe Betriebstemperaturen (525 ’C).
higkeit l unterscheiden sich ganz erheblich
Die Gleitlinien zeigen eine dichte Belegung mit Ausschei-
von denen der unlegierten Baustähle, wie Ta- dungen (Carbide und Sigma-Phase), hervorgerufen
belle 2-18 zeigt. Der 60 % größere Wärmeaus- durch Kaltverformung (spannungsinduzierte Ausschei-
dehnungskoeffizient ist zusammen mit der dungen) und thermische Wirkung, V = 500:1.
geringeren Wärmeleitfähigkeit die Ursache
für den erheblichen Verzug und die (bei krz Korrosionsverhalten des klassischen auste-
Metallen) sehr viel größere Rissneigung der nitischen Stahls vom Typ CrNi-18-8. Die wich-
geschweißten Bauteile. tigsten Ergebnisse sind:
– Zunehmender Chromgehalt verbessert
Die Festigkeit kann vor allem durch einlage- prinzipiell die Korrosionsbeständigkeit.
rungsmischkristallbildende Elemente sehr – Verwenden von ULC-Stählen ( Ultra Low
wirksam erhöht werden. Außer Kohlenstoff, Carbon), mit Kohlenstoffgehalten  0,03 %
der aber wegen seiner Neigung zur IK nicht (sie sind auch für schwere Kaltumformar-
in Frage kommt, wird vorzugsweise Stick- beiten geeignet), oder (und) Abbinden mit
stoff verwendet. Diese stickstofflegierten aus- Stabilisatoren (Titan, Niob) erhöht die
tenitischen Stähle werden im nächsten Ab- IK-Beständigkeit.
schnitt ausführlicher besprochen. – Nickel (Molybdän) verbessert die Bestän-
digkeit gegenüber Spannungsrisskorro-
Zum Verbessern der Korrosionseigenschaf- sion (Lochkorrosion), vor allem in chlorid-
ten werden dem Stahl weitere Legierungs- haltigen Medien.
elemente zugesetzt. Bild 2-80 zeigt schema-
tisch und vereinfacht ihre Wirkung auf das Zu beachten ist aber, dass sich mit zunehmen-
dem Legierungsgehalt in der Regel weitere
Tabelle 2-18 (vor allem Mo- und Nb-haltige) Ausscheidun-
Physikalische Eigenschaften (hoch-)legierter Stähle
gen bilden. Das Schweißverhalten wird un-
im Vergleich zum unlegierten Stahl.
günstiger und die Langzeitbeanspruchung bei
Werkstoff Wärmeleit- Wärmeausdehnungs- höheren Temperaturen deutlich geringer.
fähigkeit λ koeffizient α

W/ (m · K) 10-6 m /m °C Die zulässigen maximalen Betriebstempera-


turen werden durch die mögliche Entstehung
unlegierter Stahl 50 10 bis 12
der interkristallinen Korrosion bestimmt. Da-
ferritischer
30 10 bis 12 nach können die stabilisierten austenitischen
Cr-Stahl
Stähle bis etwa 400 ’C, die niedriggekohlten
austenitischer
15 16 bis 19 (C … 0,05 %) bis ca. … 300 ’C langzeitig bean-
Cr-Ni-Stahl
sprucht werden.
Abschn. 2.8.4: Korrosionsbeständige Stähle (Einteilung und Stahlsorten) 219

17-12-2,5Nb Ni-Cr-Fe, 18-8S Bild 2-80


Ni-Basis Wirkung wichtiger Legierungsele-
+ Mo Lkr mente auf das Korrosionsverhalten
+ Ni + Ni K, T des CrNi-18-8-Stahles. Die Zahlen-
SpRK
folgen x-y-z geben die Elemente in
18-8Nb 23-12, 25-20 + S (Se) bessere
Bearbeitbarkeit der Reihenfolge Cr-Ni-Mo an, nach
+ Cr
Folkhard.
K, ox
17-12-2,5Ti + Nb IK + Ni
Es bedeuten:
+ Mo Lkr K = erhöhte Korrosionsbeständigkeit
+ Ni
+ Ti in oxidierender (ox), bzw. in reduzie-
18-8Ti
IK render (red) Umgebung. Die Menge
18 - 8 + Cr, + Mo, - Ni, - C Duplexstahl
K, SpRK, IK 22/5/3 des Elementes wird erhöht (+) bzw.
- C
18-8L
IK
verringert (- ).
+ Mo Lkr Die Beständigkeit gegen folgende Kor-
+ Ni
+ Mo Lkr rosionsformen wird durch die Wirkung
- C - C, + Cr, + Ni der angegebenen Legierungselemente
17-12-2,5L
IK
17-12-2,5
K, red, IK
25-22-2,5L erhöht:
+ Mo Lkr + Mo Lkr + Ni
+ N SpRK + Nb K, H2SO4 Lochkorrosion (Lkr ),
+ Cu
interkristalline Korrosion (IK ),
- C, + Mo, + N Spannungsrisskorrosion (SpRK ).
17-13-5LN 18-16-3,5 23-27-2,8-Nb Cu
IK, Lkr, SpRK
+ Cr Lkr + Ni K Die zusätzlichen Buchstaben haben
+ Ni SpRK + Mo Lkr
+ Mo + Nb SpRK folgende Bedeutung:
+ N
T = erhöhte Temperatur,
+ Ni, + Cr, + Mo, + Nb Ni-Cr-Mo, L = C < 0,03 %,
20-25-6LN K, Lkr, SpRK Ni-Basis N = stickstofflegiert.

Je nach dem Gefüge unterscheidet man die Die Gefahr der Erstarrungsrisse kann ver-
folgenden Austenitformen: hältnismäßig leicht mit Zusatzwerkstoffen
beseitigt werden, die die Entstehung einiger
Stabilen Austenit (Vollaustenit), der Prozent primär erstarrten Ferrits im auste-
vollständig aus g-Mischkristallen besteht nitischen Schweißgut ermöglichen. Die aus-
und den tenitischen Chrom-Nickel-Stähle gelten als
labilen Austenit (metastabil), mit einem die am besten schweißgeeigneten korrosions-
d -Ferritanteil bis etwa zehn Massenpro- beständigen Stähle. Weitere Einzelheiten zu
zent (FN … 10). den die Schweißmetallurgie betreffenden Fra-
gen sind in Abschn. 4.3.7.5, S. 431, zu fin-
Die vollaustenitischen Stähle sind extrem den.
verformbar, hitze- und korrosionsbeständig,
sie neigen aber vor allem beim Schweißen Ebenso wie die ferritischen Chromstähle nei-
zu ausgeprägter Heißrissbildung. gen auch die austenitischen Chrom-Nickel-
Stähle zur Chromcarbidausscheidung und
Nach den in Abschn. 1.6.2.1, S. 50, besproche- damit zur IK bei Temperaturen zwischen
nen Grundlagen sind die Ursache niedrig- 500 ’C und 850 ’C. Die Gegenmaßnahmen
schmelzende, vor allem eutektische Schmel- werden in Abschn. 2.8.3.4.1 besprochen.
zen, die im Korngrenzenbereich kurz vor
dem Erstarrungsende filmartig konzentriert 26)
Die auch Wiederaufschmelzrisse (Liquation cracks)
sind. Die zu diesem Zeitpunkt schon vorhan- genannten Trennungen entstehen unmittelbar
denen Zugspannungen des schrumpfenden neben der Schmelzgrenze in der Wärmeeinfluss-
Schweißguts führen zu dieser gefürchteten zone in dem partiell verflüssigten Bereich durch
Rissbildungsform, die sowohl im Schweiß- Aufschmelzen der hier vorhandenen Einschlüs-
se/Schlacken oder nach dem Mechanismus der
gut als auch in der WEZ 26) auftreten kann. konstitutionellen Verflüssigung, Abschn. 5.1.3,
Bild 4-105, S. 435, zeigt einen typischen Heiß- S. 505. Sie sind in den meisten Fällen nur einige
riss in einem austenitischen Schweißgut. zehntel Millimeter lang.
220 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

Stickstofflegierte austenitische Stähle


Ein gravierender Nachteil der austenitischen
Cr-Ni-Stähle ist ihre verhältnismäßig niedri-
ge 0,2%-Dehngrenze von etwa 190 N/mm2 bis
220 N/mm2, Tabelle 2-17. Sie können annä-
hernd 0,2 % Stickstoff interstitiell lösen, wo-
durch die Dehngrenze auf etwa 300 N/mm2
erhöht, die Zähigkeit aber nur geringfügig
verringert und die Korrosionsbeständigkeit
aus bisher nicht ganz geklärten Gründen deut-
lich verbessert wird.
Bild 2-81
In letzter Zeit ist es gelungen, Stahl unter er-
Mikrogefüge eines hochlegierten austenitisch-ferriti-
schen Stahles (»Duplexstahl«). höhtem Stickstoffdruck umzuschmelzen. Mit
dunkel umrandete Bänder = d -Ferrit, diesem Druckelektroschlackeumschmelzen
helle Flächen = Austenit, V = 250:1. (DESU) genannten Verfahren kann der Stick-
stoffgehalt im Stahl auf mehr als 1 % erhöht
Die austenitischen Cr-Ni-Stähle sind die pro- werden. Diese Stähle besitzen Streckgrenzen
totypischen korrosionsbeständigen Werk- (Rp0.2 O 700 N/mm2 bei N O 1 %), die bisher als
stoffe schlechthin. Es muss aber nachdrück- unerreichbar galten. Stähle mit mehr als
lichst beachtet werden, dass die »Korrosions- 0,3 % Stickstoff werden als HNS (High Nitro-
beständigkeit« des Bauteils in keinem Fall gen Steels) bezeichnet.
bereits durch die Wahl eines korrosionsbe-
ständigen Werkstoffs sichergestellt ist (s. ge- Stickstoff ist ein sehr wirksamer Austenit-
nauer Abschn. 2.8.1). bildner und behindert daher intensiv die
Ausscheidung der sehr unerwünschten Sig-
Diese Stähle sind z. T. extrem empfindlich ma-Phase und des Chromcarbids (Abschn.
für verschiedene lokale Korrosionsformen 2.8.3.4.2).
(Spannungsriss-, Spalt-, Lochkorrosion). Das
Vermeiden dieser Lokalkorrosion ist daher 1600
S+ d L S S+ d+ g S+ g
die wichtigste, aber am schwersten gezielt
°C
zu lösende Aufgabe bei der Werkstoffwahl,
Temperatur T

die technisch ausreichend und wirtschaft- 1400


lich vertretbar sein muss. Hinzu kommt, dass Einfluss N
die »Korrosionsbeständigkeit« sehr stark be-
einträchtigt werden kann durch werkstoffli-
che und konstruktive Gegebenheiten: 1200
– Die Güte der Konstruktion (korrosions-
schutzgerecht!),
d+ g
– die Ver- und Bearbeitung (z. B. Handlings- d g

vorgänge, Schweißen), 1000

– den Oberflächenzustand der Werkstoffe,


– die Qualität der Überwachung und
– kaum zu vermeidende Änderungen der 800
Betriebs- (z. B. Temperatur, Druck, Luft- Ni
Cr
5
25
10
20
15
15
20
10
feuchtigkeit) und Angriffsbedingungen
(z. B. Konzentration, Sauerstoff-, Chlorid- Bild 2-82
ionengehalt). Konzentrationsschnitt im Dreistoff-Schaubild Fe-Cr-
Ni bei 70 % Fe (Linie A in Bild 2-68). Das Umwand-
lungsverhalten der Legierung L (zum Beispiel im
Weitere Einzelheiten, die die Korrosionsvor- Text) ähnelt dem des Stahls X2CrNiMoN22-5-3. Der
gänge und -mechanismen betreffen, sind in Einfluss des Stickstoffs auf das Umwandlungsver-
Abschn. 1.7, ab S. 63, zu finden. halten wird durch die gestrichelte Linie dargestellt.
Abschn. 2.8.4: Korrosionsbeständige Stähle (Einteilung und Stahlsorten) 221

2.8.4.4 Austenitisch-ferritische Stähle (z. B. bei nahezu allen Schweißverfahren)


(Duplexstähle) sehr erwünscht, weil sich trotz erschwerter
Die austenitischen Cr-Ni-Stähle ändern bei Diffusion bei hohen Temperaturen eine ausrei-
der Wärmebehandlung und den erforderli- chend große Austenitmenge bilden kann, s.
chen Fertigungsmaßnahmen im Vergleich Bild 2-83 und Bild 4-110, S. 441.
zu den thermisch nur wenig stabilen ferriti-
schen Chromstählen ihre Eigenschaften nur Aus dem durch die Primärkristallisation ent-
geringfügig. Andererseits besitzen sie eini- standenen Ferrit scheidet sich bei Tempera-
ge bemerkenswerte Nachteile: turen unterhalb 1250 ’C in den Körnern –
– In chloridionenhaltigen Lösungen nei- vor allem aber an den Korngrenzen – Austenit
gen auf Zug beanspruchte Bauteile zur aus, dessen Anteil mit abnehmender Tempe-
Spannungsrisskorrosion. ratur zunimmt. Bei Raumtemperatur ist das
– Sie zeigen eine nur mäßige Beständigkeit gewünschte Gefüge vorhanden, bestehend
gegen Lochkorrosion.
– Die 0,2%-Dehngrenze ist mit maximal 1400
A4 = 1390 ° C
250 N/mm2 verhältnismäßig niedrig. Temperatur T
°C d
1200
Diese Eigenschaften forcierten die Entwick- d+ g
lung der niedriggekohlten hochlegierten Stäh- 1000
le, deren Gefüge aus etwa 50 % Ferrit und
50 % Austenit besteht (»Duplex«), Bild 2-81, 800
und die die günstigen Eigenschaften beider d - Ferrit
Stahlgruppen in sich vereinen. Diese zwei- in % (RT) 74 65 42 37 33

phasigen Stähle haben 0,2%-Dehngrenzen 20


von über 450 N/mm2, Zähigkeitseigenschaften, 1 10 10 2 10 3 s

die mit denen der austenitischen vergleich- a) Zeit t

bar sind und ein Korrosionsverhalten, das 100

dem der austenitischen Stähle meistens über- %


legen ist, Tabelle 2-17. Ihre Schweißeignung 80
Deltaferritgehalt

liegt zwischen der der ferritischen und der


austenitischen Cr-Ni-Stähle. Sie lässt sich 60
vor allem durch Stickstoff verbessern, Ab-
schn. 4.3.7.6, S. 440. 40
Schweißsimulator
Die verhältnismäßig komplexen, temperatur- 20
Heiztischmikroskop

abhängigen Gefügeänderungen bei diesen


Stählen lassen sich näherungsweise mit ei- 0
nem Vertikalschnitt des Fe-Cr-Ni-Schaubil- 0 10 20 30 40 50 K / s 60
des bei 70 % Eisen erklären. Das Umwandlungs- Abkühlgeschwindigkeit v12/8

verhalten der Legierung L in Bild 2-82 ent- ¥ 40 20 13,33 10 8 s 6,67


spricht angenähert dem des Duplexstahls Abkühlzeit t 12 / 8
X2CrNiMoN22-5-3. Der diesen Stählen im- b)

mer zulegierte stark austenitisierende Stick- Chemische Zusammensetzung der Stähle, Massenprozent:
a) 30,0 % Cr; 14,2 % Ni; Haltezeit bei 1400 ° C: 30 s bis 45 s.
stoff verschiebt die Phasengrenze zwischen
b) 0,02 % C; 23 % Cr; 7,6 % Ni.
dem Existenzbereich der d -Phase und dem
Zweiphasengebiet (d  g ) im oberen Tempe- Bild 2-83
raturbereich zu höheren Temperaturen, Bild Einfluss der Abkühlbedingungen auf den d -Ferritge-
2-82. Die Menge des ausgeschiedenen Aus- halt von zwei austenitisch-ferritischen Duplexstählen,
nach Mundt und Hoffmeister.
tenits nimmt deutlich zu, weil bei höheren Tem-
a) Kontinuierliches ZTU-Schaubild mit beginnender
peraturen Diffusionsvorgänge wesentlich (g + d)-Umwandlung,
schneller ablaufen. Diese Eigenschaft ist vor b) Abhängigkeit des d -Ferritgehalts von den Abkühl-
allem bei großen Abkühlgeschwindigkeiten bedingungen (t12/8 bzw. v12/8 ).
222 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

aus etwa 50 % Austenit und 50 % Ferrit. Die- Lösungsfähigkeit des Austenits für diese Ele-
se im festen Zustand ablaufenden Vorgänge mente überschritten wird, dann scheiden sie
sind stark unterkühlbar. Die mit zunehmen- sich in Form der stark versprödenden Nitrid-
der Abkühlgeschwindigkeit zunehmende Be- (Cr2N), Carbidteilchen (Me23C6) sowie ande-
hinderung der Diffusionsvorgänge führt zu rer Bestandteile (z. B. Chi- und Sigma-Pha-
immer geringeren Austenitmengen. Bild 2- se) extrem schnell aus der ferritischen Ma-
83 zeigt beispielhaft den großen Einfluss der trix aus. Diese Ausscheidungen sind auch
Abkühlbedingungen für zwei austenitisch- nach einerschroffster Abkühlung zum größ-
ferritische Stähle. ten Teil nicht unterdrückbar.

Der für die mechanischen und korrosions- Die ferritstabilisierenden Elemente Chrom
technischen Eigenschaften dieser Stähle ent- und Molybdän scheiden sich dagegen aus dem
scheidende Austenitanteil bildet sich überwie- Ferrit bereits nach relativ kurzen Zeiten in
gend im Temperaturbereich zwischen 1200 ’C Form der Sigma- und der Chi-Phase aus.
und 800 ’C. Aus diesem Grunde wird die Ab- Beide Elemente sind in der Sigma-Phase lös-
kühlzeit t12/8 bei allen Wärmebehandlungen lich und erweitern deren Existenzbereich
und Schweißprozessen als charakteristischer hinsichtlich der Konzentration und der Tem-
Kennwert verwendet. Die schweißmetallur- peratur. Die Bildung dieser Phase erfolgt da-
gischen Zusammenhänge werden ausführli- her in diesen hoch chrom- und molybdänhalti-
cher in Abschn. 4.3.7.6, S. 440, besprochen. gen Stählen deutlich schneller als in den rei-
nen ferritischen Chromstählen. Danach führt
Der hohe Ferritanteil dieser Stähle erfordert eine Wärmebehandlung (auch Schweißen!)
eine genau einzuhaltende Temperatur-Zeit- im Temperaturbereich zwischen 700 ’C und
Führung beim Wärmebehandeln und Schwei- 900 ’C sehr rasch zur Bildung dieser stark
ßen. Anderenfalls muss bei höheren Betriebs- versprödenden Ausscheidungen. Nach Nors-
temperaturen mit den für den Ferrit typi- tröm erzeugt bereits ein Prozent Sigma-Pha-
schen Versprödungserscheinungen 475 ’C- se im Gefüge einen Abfall der Kerbschlag-
Versprödung und Sigma-Phase gerechnet zähigkeit um etwa 50 %. Im ZTA-Schaubild,
werden. Aus diesen Gründen sind die Du- Bild 2-84, sind stellvertretend für diese Stäh-
plexstähle nur für Betriebstemperaturen bis le einige wichtige Ausscheidungsphasen des
maximal 250 ’C zugelassen. Stahls X2CrNiMoN22-5-3 dargestellt.
1000
Bei den Duplexstählen sind wegen der wesent-
°C
lich größeren Kohlenstoff- und Stickstoff lös- Cr2N s - Phase
800
Temperatur T

lichkeit des Austenits diese Elemente über- c - Phase, M23C6


700
wiegend im Austenit gelöst. Sie scheiden
sich nach längerem Glühen im Temperatur- 600
bereich zwischen 550 ’C und 850 ’C in Form
500
von Carbiden (Me23C6) bzw. Nitriden (Cr2N) 475 ° C - Versprödung
aus. Im Vergleich zum Austenit ist die Lös-
400
lichkeit des Kohlenstoffs und Stickstoffs im
Ferrit aber sehr viel geringer. Die Menge der
ausgeschiedenen Carbide und Nitride ist da- 300
her nur gering, der Ausscheidungsprozess ver-
läuft aber wegen der großen Diffusionskoeffi-
zienten (Kohlenstoff im Ferrit, bzw. Stickstoff
im Ferrit) extrem schnell. Eine Zunahme der 200

Ferritmenge, z. B. als Folge einer erhöhten 2 min 6 min 20 min 1h 3h 10 h 30 h


Abkühlgeschwindigkeit beim Wärmebehan- Zeit t
Bild 2-84
deln oder Schweißen, Bild 2-83, führt da- Zeit-Temperatur-Ausscheidungsschaubild des Duplex-
her zu einer Erhöhung des Stickstoff- und stahls X2CrNiMoN22-5-3 (Wkst. Nr.: 1.4462), nach
Kohlenstoffgehaltes im Austenit. Wenn die Schwaab.
Abschn. 2.8.4: Korrosionsbeständige Stähle (Einteilung und Stahlsorten) 223

Die meisten Ausscheidungen lassen sich licht-


mikroskopisch nicht oder nur zweifelhaft
identifizieren. Für Grundsatzuntersuchun-
gen sollte daher die Transmissionselektronen-
mikroskopie herangezogen werden. Bild 2-
85 zeigt die möglichen Ausscheidungsformen
in einem schematischen ZTA-Schaubild, ab-
hängig von der spezifischen Wirkung typi-
scher Legierungselemente.

1000 Mo, W, Si

° C
Temperatur T

M7C3- Carbide, CrN in der WEZ


Sigma-Phase
Cr
Mo Cr2N
W c - Phase
Si R - Phase
g 2 - Phase
M23C6 - Carbide

Cr p - Phase
Mo e - Phase (Cu)
Cu a´- Phase (475°C -Versprödung)
W G - Phase

300
Cr, Mo, Cu, W
Zeit t
Bild 2-85
Ausscheidungsphasen in Duplexstählen, abhängig
von typischen Legierungselementen, dargestellt in einem
schematischen ZTA-Schaubild, nach J. Charles.
224 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

Abschrecktemperatur T3 = 800 ’C:


2.9 Aufgaben zu Kapitel 2 Die Menge des Austenits ( Martensit) mit
einem C-Gehalt von etwa 0,39 % beträgt un-
gefähr:
0,2
Aufgabe 2-1: mγ800 = mMart = ⋅ 100 = 51 %.
Eine unlegierte Fe-C-Legierung mit 0,2 % 0,39
Kohlenstoff wird gemäß Bild A2-1 auf die Die Martensithärte beträgt etwa 54 HRC.
Temperaturen T1, T2, T3, T4 erwärmt und mit
jeweils oberer kritischer Abkühlgeschwindig- Abschrecktemperatur T4 = 750 ’C:
keit bis unter Mf abgeschreckt. Es ist der je- Die Austenitmenge (C 0,63 %) beträgt:
weilige Anteil des Martensits und seine Här-
0, 2
te nach Bild 1-43, S. 37, zu bestimmen. m750
g = mMart = ◊ 100 = 32 %.
0, 63
Die Martensithärte beträgt etwa 64 HRC.
Abschrecktemperatur T1 = 850 ’C: Die angegebenen Härtewerte sind nur er-
Das Gefüge wurde vollständig austenitisiert reichbar, wenn die Umwandlung der jewei-
(T • Ac3), daher wandelt es »vollständig« in ligen Austenitmengen in Martensit vollstän-
Martensit um. Die Härte beträgt gemäß Bild dig gelingt, s. a. Beispiel 2-3, S. 195.
1-43 für einen Martensitanteil von 99,5 % et-
wa 44 HRC.

Abschrecktemperatur T2 = 825 ’C:


Das teilaustenitisierte Gefüge enthält nach Aufgabe 2-2:
dem Hebelgesetz annähernd (der Hebelarm Die in Bild A2-2 mit L1, L2, L3, L4 bezeich-
für die g -MK.e wurde vereinfacht mit 0,2 % neten Legierungen sollen auf ihre Eignung
angenommen) einen Austenit- bzw. Marten- für ein Ausscheidungshärten untersucht
sitanteil von: werden.
0,2
mγ825 = mMart = ⋅ 100 = 74 %. L1 L2 L3 L4
0,27
800
Die Härte des Martensits mit 0,27 % C be-
trägt nach Bild 1-43 etwa 48,5 HRC.
Temperatur T

600

400
b F
900
L a
200 b
Temperatur T

T1
850
T2 g - MK (Austenit) 0
825 a
T3 A c1 c2 c3 c4 B
800 Konzentration c
a+ g
T4
750 Bild A2-2
a Hypothetisches Zustandsschaubild A-B für die Auf-
700 gabe 2-2.

a+ P
Perlit

Die Härtesteigerung einer Legierung durch


0,27 0,39 0,63
Ausscheidungshärten ist nur möglich, wenn
600 sich während einer geeigneten Wärmebe-
Fe 0,2 0,4 0,6 0,8 % 1,0 handlung aus einer möglichst einphasigen
Kohlenstoffgehalt Matrix Teilchen bestimmter Größe, Vertei-
Bild A2-1 lung, Anordnung und Festigkeit (intermediä-
EKS für die Angaben zu Aufgabe 2-1. re Verbindungen!) ausscheiden können.
Abschn. 2.9: Aufgaben zu Kapitel 2 225

Legierung L1 : diffundieren kann. Zementitausscheidungen


Unterhalb der Segregatlinie a-b scheidet bilden sich bei Anlasstemperaturen zwischen
sich aus dem a-MK die intermediäre Phase 250 ’C und 700 ’C. Sie werden mit zunehmen-
) aus. Diese Legierung hat alle metallphysi- der Temperatur sehr schnell größer. Gefüge,
kalischen Eigenschaften für eine Ausschei- die nur Fe3C-Ausscheidungen enthalten, sind
dungshärtung. Die Wärmebehandlung be- daher kaum anlassbeständig, d. h., ihre me-
steht aus einem Lösungsglühen bei Tempe- chanischen Eigenschaften ändern sich er-
raturen (TL) unterhalb der eutektischen Tem- heblich mit zunehmender Anlasstemperatur,
peratur (220 ’C … TL … 300 ’C) und einem an- Bild A2-3.
schließenden Auslagern bei Temperaturen
TA … 220 ’C. In legierten Stählen, die das carbidbildende
Element Me enthalten, entstehen gewöhnlich
Legierung L2 : die im Vergleich zum Zementit beständige-
Die Legierung besteht bei Raumtemperatur ren Mischcarbide (Fe, Me)3C.
aus primären a-MK.en, eingebettet in Eutek-
tikum, das etwa zu 50 % aus der spröden in- Der Ausscheidungsmechanismus der Carbi-
termediären Phase ) besteht. Die verfestigen- de ändert sich merklich, wenn der Stahl mit
de Wirkung der Ausscheidungen ist gering, ausreichenden Mengen Sondercarbidbild-
die ausscheidungsgehärtete Legierung ist we- nern (V, Nb, Mo, Ti, Ta, Hf) legiert ist. Bei
gen ihrer spröden Matrix technisch weitest- Anlasstemperaturen oberhalb 500 ’C wird
gehend unbrauchbar. die Beweglichkeit der substituierenden Le-
gierungselemente so groß, dass die sehr stabi-
Legierung L3 : len Sondercarbide entstehen. Diese sind sehr
Aus einer Legierung, die aus spröder Pha- fein, z. T. semikohärent und ersetzen den we-
se ) besteht, scheiden sich bei der erforderli- niger stabilen Zementit. Ihre festigkeitsstei-
chen Wärmebehandlung weiche a-Segrega- gernde Wirkung ist wesentlich größer als die
te aus. Die Legierung ist für das Ausschei- des groben Zementits. Der durch sie verursach-
dungshärten völlig ungeeignet. te Festigkeitsanstieg wird als Sekundärhär-
te bezeichnet, Bild A2-3. Als Folge der gro-
Legierung L4 : ßen Bildungsenthalpie der Carbide und der
Die Legierung ist bei allen Temperaturen ein- »Unbeweglichkeit« der sie aufbauenden Ele-
phasig, ein Ausscheidungshärten ist nicht mente, sind Stähle mit Sondercarbidbildnern
möglich. sehr anlassbeständig.
60
Härte HRC

50
Aufgabe 2-3:
Es sind die unterschiedlichen metallphysika-
lischen Vorgänge beim Anlassen gehärteter 40
unlegierter und legierter Vergütungsstähle zu 0,35 % C
beschreiben. 0,50 % Cr 5 % Mo
30

Martensit kann als eine stark mit Kohlen-


stoff übersättigte ferritische Phase (trz) an- 20
gesehen werden. Während des Anlassens
wird bei unlegierten Vergütungsstählen (z. H 200 300 400 500 600 ° C 700
B. C45) der Kohlenstoff in Form des Carbids Anlasstemperatur TA
Fe3C ausgeschieden. Die Bildung des Fe3C
Bild A2-3
erfordert lediglich die Diffusion des intersti- Einfluss der Anlasstemperatur und des Molybdänge-
tiell eingelagerten Kohlenstoffs, der wegen haltes (Sekundärhärte) auf die Härte zweier vergüteter
seines kleinen Atomdurchmessers sehr rasch Stähle. H = Härte im gehärteten Zustand.
226 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

Aufgabe 2-4: Die wachsenden Nadeln werden sehr wirk-


In welcher Weise beeinflusst die Austenitkorn- sam von den Austenitkorngrenzen aufge-
größe die Martensitbildung bzw. die mechani- halten, weil zwischen den Martensitnadeln
schen Eigenschaften des Martensits? und dem ihn umgebenden Austenit eine ge-
wisse Kohärenz besteht. Die Nadellänge ist
Die Martensitnadeln haben oft die Form von damit direkt von der Korngröße abhängig.
Linsen. Sie bilden sich unter Ms innerhalb von Mit zunehmender Nadellänge werden die
etwa 10 7 s und breiten sich über das gesamte Umwandlungsspannungen größer, die zu er-
Austenitkorn aus, Bild A2-4a. Die weiteren heblichen elastischen Spannungen zwischen
Martensitnadeln entstehen zwischen der den Körnern führen. Die Folge können Korn-
ersten und der Korngrenze, bzw. zwischen grenzenbrüche (Härterisse) sein. In feinkör-
den bereits vorhandenen. Sie werden damit nigen Stählen ist die Länge der Martensitna-
immer kürzer, Bild A2-4b. deln wesentlich kleiner. Die geringeren Span-
nungen, verbunden mit den sehr viel kürze-
Austenitkorn Martensitnadel
ren Martensitnadeln (Structure Unit, s. Ab-
schn. 4.1.3.2, S. 318) ergeben ein deutlich zä-
heres, risssichereres und festeres Gefüge.

Aufgabe 2-5:
Es ist der Bildungsmechanismus der im Se-
kundärgefüge warmverformter, untereutektoi-
der Stähle häufig auftretenden Gefügezeilig-
a) b)
keit ( Walzzeiligkeit, Sekundärzeiligkeit) zu
Bild A2-4 erklären. Bild 2-53 zeigt diese typische Fer-
Vorgänge bei der Martensitbildung, schematisch. rit-Perlit-Zeiligkeit im Gefüge eines Feinkorn-
a) Martensit (»Linsen«) beginnt sich zu bilden. Die baustahls.
erste Martensitnadel wächst durch das Austenit-
korn. Ihre Länge entspricht etwa dem mittleren
Die während der Primärerstarrung entste-
Austenitkorndurchmesser.
b) Die weiteren Martensitnadeln wachsen zwischen henden primären Kristallseigerungen (Pri-
der ersten und der Korngrenze. Sie werden somit märseigerung, Abschn. 1.4.1.2, S. 27) können
immer kleiner. vor allem bei polymorphen Werkstoffen zu
einer Kohlenstoffentmischung im festen Zu-
Die Umwandlung des Austenits zum Mar- stand führen. Die Stahlschmelze kristalli-
tensit (s. Packungsdichte, Aufgabe 1-3, S. 111 siert in Form von in die Schmelze einschie-
und Bild 1-6, S. 6) ist mit einer erheblichen ßender Dendriten gemäß dem Mechanismus
Volumenvergrößerung, d. h. Umwandlungs- der konstitutionellen Unterkühlung, Abschn.
spannung verbunden. Die Umwandlungsnei- 1.4.1.2, S. 27. Wie Bild 1-33b zeigt, sind die
gung des zwischen den Martensitnadeln ein- Dendritenstämme sehr viel legierungsärmer
geschlossenen Austenits ist daher wegen der als die zwischen den Dendriten eingeschlos-
hohen Spannungen gering. Das größere Vo- sene Restschmelze. Durch die Warmformge-
lumen des Martensits kann nicht durch Ver- bung werden beide Bereiche in Verformungs-
formen des sehr harten Martensits erzeugt richtung gestreckt, so dass die typische zei-
werden, d. h., entweder entstehen Risse im lenförmige Anordnung von nebeneinander
Martensit oder der Austenit wird nicht umge- liegenden Dendriten und Restschmelzenbe-
wandelt. Mit zunehmendem Kohlenstoffge- reichen entsteht.
halt wird das Martensitvolumen größer, d. h.,
die Menge dieses sehr unerwünschten Rest- Der voreutektoide Ferrit wird aus homoge-
austenits (Festigkeitseigenschaften!) nimmt nem Austenit nach Unterschreiten der A3-Tem-
noch weiter zu. peratur an den Austenitkorngrenzen aus-
Abschn. 2.9: Aufgaben zu Kapitel 2 227

geschieden. Das Umwandlungsverhalten des stabilisierende Si in höheren Gehalten vor,


primärgeseigerten, inhomogenen Austenits dann bildet sich hier zuerst voreutektoider
wird aber in hohem Maße von der Art und Ferrit. Der ursprünglich homogen verteilte
der Richtung der Kohlenstoffentmischung Kohlenstoff diffundiert in die dendritischen
bestimmt, Bild A2-5. Zeilen, die nach der Austenitumwandlung
aus Perlit bestehen. Diese Form der Zeilig-
Die Ursache des Zeilengefüges beruht auf keit wird auch als Siliciumzeiligkeit bezeich-
der unterschiedlichen Höhe der A3-Tempe- net, Bild A2-6a. Weil sich Einschlüsse überwie-
ratur der primärgeseigerten Zeilen (Berei- gend in der Restschmelze bilden, ist bei in
che der Dendritenstämme und Restschmel- Ferritzeilen liegenden Einschlüssen eine Si-
zenbereiche), hervorgerufen durch den Ein- liciumzeiligkeit anzunehmen, Bild A2-5. Aus-
fluss der unterschiedlichen Gehalte an Legie- tenitbildner senken A3, so dass die Ferritbil-
rungselementen in den primärgeseigerten dung jetzt in den Zeilen beginnt, in denen
Zeilen, Bild A2-5. A3 am größten ist, d. h. in den dendritischen
Bereichen (Manganzeiligkeit), Bild A2-6b.
Austenitbildner (z. B: Mn, Ni) erweitern das
g-Gebiet, d. h., sie senken mit zunehmender A3 1
L Ferritstabilisierende Elemente
wie Si, Cr, Al, Ti, Mo, V verengen
Menge zunehmend die A3-Temperatur. Fer- das g - Gebiet, d. h. Erhöhen die
Temperatur T

R
2 Ac3 - Temperatur.
ritbildner (z. B. Si, Cr, Al, Ti) schnüren das D
Die Ferritbildung beginnt daher
g-Gebiet ab, d. h., sie erhöhen A3. Liegt z. B. in den Restschmelzenbereichen
in den Restschmelzenbereichen das ferrit- R, (1) der Perlit entsteht anschlie-
ßend in den Zeilen, die die Den-
dritenstämme D bilden (2).
a)

Austenitstabilisierende Elemente
L wie Mn, Ni, Co erweitern das g -
A3
1 Gebiet, d. h. Erniedrigen die Ac3 -
Temperatur T

D Temperatur.
2 R Die Ferritbildung beginnt daher
in den Bereichen der Dendriten-
stämme D (1), der Perlit entsteht
anschließend in den Restschmel-
zenbereichen R (2).
b)

Bild A2-6
Zur Entstehung der Ferrit-Perlit-Zeiligkeit.
a) Siliciumzeiligkeit,
b) Manganzeiligkeit.

Die Gefügezeiligkeit erzeugt eine meistens


unerwünschte Anisotropie der Werkstoff-
eigenschaften (z. B. Zerspanbarkeit, mecha-
nische Eigenschaften quer und senkrecht zur
Walzrichtung). Ein zeilenfreies Gefüge ist nur
durch die Kombination von Ferritbildnern
und einer darauf abgestimmten gegenläu-
fig wirkenden Menge austenitstabilisieren-
Bild A2-5 der Elemente erreichbar. Ähnlich wirkt ein
Zur Entstehung eines Zeilengefüges bei kontinuierli- ausreichend rasches Abkühlen des inhomo-
cher Abkühlung infolge einer Siliciumseigerung in genen Austenits (weitgehende Zeilenfreiheit
den zwischen den Dendritenstämmen liegenden Rest- nach dem Härten!). Die Temperaturführung
schmelzenbereichen, nach Pitsch. muss aber so gewählt werden, dass die Fer-
Es bedeuten:
ritbildung in der umwandlungsträgeren Zeile
F = Ferrit,
P = Perlit, einsetzt, bevor eine Kohlenstoffanreicherung
D = Bereiche primärer Dendriten, aus dem Bereich einer umwandlungsfreudi-
R = Bereiche ehemaliger Restschmelze. geren Zeile wegen der fortgeschrittenen Fer-
228 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

ritbildung erfolgt. Bei kontinuierlicher Ab- In Gl. [A2-1] bedeuten ca die Konzentration,
kühlung muss die Abkühlgeschwindigkeit mG,atom die Menge des im Metall atomar gelös-
so gewählt werden, dass die Kohlenstoffdif- ten Gases G und pG,mol der Druck des mole-
fusion genügend stark behindert wird, der kularen Gases G über der Schmelze. Das Sie-
Stahl aber schon in der Ferrit- und Perlits- vertssche Gesetz ist für O2, N2, H2 bei gerin-
tufe umwandelt. gen Gaskonzentrationen unter 1 % anwend-
bar.

Aus der Sievertsschen Beziehung ist erkenn-


Aufgabe 2-6: bar, dass sich mit einer Vakuumbehandlung
Es sind die Wirkungen von im Werkstoff ge- die Menge der in der Schmelze gelösten Ga-
lösten Gasen und die metallphysikalischen se erheblich reduzieren lässt (Beispiel 2-1,
Grundlagen des Entgasens metallischer S. 129). Die Wirksamkeit dieser Methode be-
Schmelzen zu beschreiben, siehe hierzu auch ruht auf einer ausreichenden Diffusionsfä-
Abschn. 2.3.1.1, S. 128. higkeit der zu beseitigenden Gase. Danach
lassen sich Wasserstoff und Stickstoff gut,
Im Werkstoff gelöste Gase können Poren ver- Sauerstoff dagegen nur unzureichend mit ei-
ursachen und die mechanischen Gütewerte, ner Vakuumbehandlung aus der Schmelze
vor allem die Zähigkeit, extrem herabsetzen, entfernen.
Abschn. 3.3.3, S. 254. Die »einfachen« Gase
O2, N2, H2, werden in atomarer Form (O, N, Das Spülen der Schmelze mit inerten Ga-
H) in der Schmelze gelöst. sen ist ähnlich wirksam. Die in der Schmel-
ze gelösten Gase können vom flüssigen Me-
Komplexe Gase, wie CO2, SO2, CO, H2O ent- tall in die Inertgasblase diffundieren, weil
stehen durch Reaktionen von in der Schmel- der Partialdruck der Gase in der Blase Null
ze gelöstem O, C oder S, bzw. durch metallur- ist. Die hochsteigenden Inertgasblasen ver-
gische Reaktionen von Schweißpulver, Um- ringern so erheblich den Gehalt der schäd-
hüllungsbestandteilen der Stabelektroden lichen Gase in der Schmelze.
oder der Atmosphäre mit dem Schweißbad.
Die Bildung von Poren wird durch den gro- Desoxidationsmittel sind Elemente, die mit
ßen Löslichkeitsunterschied des festen und dem Sauerstoff der Schmelze reagieren und
flüssigen Zustandes und große Abkühlge- in der Regel Oxide bilden. Die freie Reaktions-
schwindigkeiten der Schmelze sehr begüns- enthalpie dieser Oxidations-Reaktion ist nega-
tigt, siehe z. B. Bild 3-18, S. 255. tiver als jede, die mit den Legierungselemen-
ten der Schmelze und Sauerstoff möglich sind,
Die einfachen Gase lösen sich in den meis- s. a. Abschn. 2.3.2, S. 130. Je negativer die
ten Metallen durch eine endotherme Reak- Reaktionsenthalpie des jeweiligen Desoxida-
tion, d. h. mit abnehmender Schmelzentem- tionsmittels mit Sauerstoff ist, desto vollstän-
peratur die Gaslöslichkeit abnimmt. Die- diger kann die Reaktion ablaufen, d. h., um-
se Tatsache begünstigt die Einschlussnei- so vollständiger wird der atomare Sauerstoff
gung des Gases während der Erstarrung, aus der Schmelze entfernt. Ein weiterer Maß-
d. h. die Porenbildung. In einigen Metallen stab für die Wirksamkeit des Desoxidations-
lösen sich Gase exotherm, z. B. Wasserstoff prozesses ist die Menge, Form und Größe der
in Titan, Zirkon, Niob. Die Wasserstofflös- Desoxidationsprodukte. Die Menge der nicht-
lichkeit dieser Metalle nimmt also zu mit ab- metallischen Desoxidationsprodukte (feste
nehmender Schmelzentemperatur. oder flüssige Oxide) hängt bei gegebener Sau-
erstoffmenge im Wesentlichen von ihrer Auf-
Die einfachen Gase lösen sich in der Metall- stiegsgeschwindigkeit vauf in der Metallschmel-
schmelze gemäß dem Sievertsschen Gesetz, ze und ihrer Form (z. B. kugelig, »filmartig«)
Gl. [3-9], S. 255: ab. Aus physikalischen Gründen ist die Kugel-
form die zweckmäßigste. Danach lässt sich
[c ] = m
a G,atom = K ◊ pG,mol . [A2-1] mit dem Stokeschen Gesetz vauf abschätzen:
Abschn. 2.9: Aufgaben zu Kapitel 2 229

2 g r ⋅ ( ρ Schmelze − ρ Produkt) t¹L¹b F ¹ L, d. h. F t ¹ b. [A2-3]


2
vauf = ⋅ . [A2-2]
9 η
Versetzungslinien besitzen ähnlich wie Flüs-
In Gl. [A2-2] bedeuten g die Fallbeschleuni- sigkeiten (Oberflächenspannung g ) eine Li-
gung im Vakuum, r der Radius des Desoxi- nienspannung T, die sie ohne Einwirkung
dationsprodukts, rSchmelze, rProdukt die Dichten äußerer Kräfte als möglichst gerade Linie
der Schmelze bzw. des Desoxidationspro- erhalten will. Äußere Spannungen krümmen
dukts und h die Viskosität der Schmelze. Die die Versetzungslinie, wobei der Krümmungs-
Beziehung belegt den großen Einfluss des Teil- radius R beträgt. Abhängig von der Größe
chenradius r auf die Aufstiegsgeschwindig- von R entsteht die rücktreibende Kraft der
keit. Damit wird auch die sehr große Anzahl Linienspannung T, die zu dem Zentrum der
der z. B. in mit basisch-umhüllten Stabelektro- Krümmung weist und die Größe hat:
den hergestellten Schweißgütern nachweisba-
FT T/R.
ren Mikroschlacken verständlich. Die sehr
umfangreichen Desoxidationsreaktionen ver- Diese Beziehung entspricht der, die auch für
bunden mit einer extremen Abkühlgeschwin- die Biegung zylinderförmiger Flächen (z. B.
digkeit erzeugen vorwiegend kleine, d. h. im Korngrenzen) mit der Oberflächenspannung
Schmelzbad langsam hochsteigende Schla- g und dem Radius r gilt (F g/r), s. hierzu
cken. Ein weiterer Einfluss auf die Aufstiegs- genauer Aufgabe 1-10, S. 115.
geschwindigkeit ist die Grenzflächenenergie
g S/D zwischen Schmelze und Desoxidations- Für T, mit der Maßeinheit [Energie/Einheits-
produkt. Je größer (geringer) g S/D ist, desto länge der Versetzung], lässt sich die Bezie-
geringer (größer) ist ihre gegenseitige Benet- hung ableiten:
zung, d. h., das Aufsteigen der Desoxidations- T = a ◊ G ◊ b2 . [A2-4]
produkte wird erleichtert (erschwert).
In Gl. [A2-4] bedeutet a ein Faktor, der zwi-
schen 0,5 und 1 liegt, für den i. Allg. 0,5 ange-
Aufgabe 2-7: nommen wird. Die Versetzungslinie bleibt
Es ist die Beziehung Gl. [2-14], S. 163, ab- nur dann gekrümmt, wenn auf sie eine äuße-
zuleiten und die Größe des konstanten Fak- re Schubspannung t einwirkt. Daraus er-
tors »konst.« zu bestimmen. gibt sich aus dem Gleichgewicht der krüm-

Für die Lösung der Aufgabe ist es notwen-


dig, die auf Versetzungen einwirkenden
Kräfte quantitativ zu erfassen. Diese sind Fläche 1 Versetzung Fläche 2

dem Burgers-Vektor b der Versetzungslinie V

proportional. Bild A2-7 zeigt Kristallberei-


che der Dicke »1«, die durch die Bewegung
einer Stufenversetzung von der Fläche 1 zur
Fläche 2 plastisch verformt wurden. Mit F, t
der auf die Längeneinheit der Versetzung b
V t
bezogenen Kraft, ist die hierfür aufzubrin-
gende Arbeit W1 F ¹ L. Die in der Gleitebe- 1

ne durch die äußere Schubspannung t ent-


stehende Kraft leistet durch die Verschie- L
bung um b die Arbeit:
Bild A2-7
W2 t ◊ Gleitfläche ◊ b t ¹1 ¹ b t ¹ L ¹ b. Zur Berechnung der auf eine Stufenversetzung V–V
einwirkenden Kraft. Die Versetzung hat sich unter dem
Die zum Erzeugen der Verschiebung b not-
Einfluss der Schubspannung t von der Fläche 1 zur
wendige Arbeit W2 muss gleich der zum Ver- Fläche 2 bewegt. Der grau angelegte Bereich kennzeich-
schieben der Versetzungslinie erforderlichen net einen Zwischenzustand in der Versetzungsbewe-
W1 sein, daraus ergibt sich: gung, s. a. Bild 1-8, S. 8.
230 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

menden (Wirkung von t) Kräfte FW (die Län- Der unlegierte Stahl wandelt beim Abkühlen
ge der Versetzungslinie ist nicht 1, sondern von der Austenitisierungstemperatur TA na-
dS, Bild A2-8) und der entgegengesetzt ge- hezu unabhängig von der wirksamen Abkühl-
richteten Kraft FT (aus der Linienspannung geschwindigkeit in ein ferritisch-perlitisches
T) die Beziehung: Gefüge um, wie Bild A2-9a zeigt. Stähle die-
ser Art werden daher weder wärmebehandelt

τ ⋅ b ⋅ dS = 2 T ⋅ sin . [A2-5] (nur Walzzustand bzw. unbehandelt) gelie-
2 fert oder eingesetzt. Wegen der sehr großen
Für kleine Winkel 4 wird sin 4 4 und es oberen kritischen Abkühlgeschwindigkeit vok
ist d4/dS 1/R. Damit ergibt sich die Schub- (s. Bild 1-38, S. 34) der unlegierten C-Mn-
spannung t, die zum Krümmen der Verset- Stähle (Wasserhärter) ist selbst bei schroffs-
zungslinie mit dem Biegeradius R führt, zu- ter Abkühlung nicht mit merklichen Marten-
sammen mit Gl. [A2-4] und der üblichen Ab- sitmengen zu rechnen, ebenso gering ist bei
schätzung a 0,5 zu, Gl. [A2-6]: diesen Stählen erwartungsgemäß der An-
teil an (unterem) Bainit. Als Maßstab für
T G◊b G◊b G vok ist in den ZTU-Schaubildern die Inkuba-
t = =a◊ O = konst. ◊ .
b◊ R R 2◊ R 2◊ R tionszeit ti ( 1 s) eingetragen, für die die Be-
ziehung gilt:
Daraus folgt: b konst.
1
ti μ konst. ◊ . [A2-7]
T T = a × G × b2 T vok
Tx In den Bildern A2-9a, b, c ist der bei den
R Handschweißverfahren zu erwartende Be-
reich der Abkühlgeschwindigkeiten als grau
b t b
unterlegte Fläche eingetragen. Bei einem an-
dS
dQ

F
genommenen Kohlenstoffgehalt von 0,22 %
für alle Stähle besteht das Gefüge der WEZ
aus Ferrit und Perlit mit geringen Anteilen
Martensit (geschätzt bis 15 %). Daraus ergibt
Ft = t × b × dS FT = 2 Tx = 2 T × sin (dQ /2)
T T sich ein Schätzwert für die maximale Härte
a) b) der Wärmeeinflusszone von Schweißverbin-
dungen aus dem unlegierten C-Mn-Stahl von
Bild A2-8
Zur Berechnung der Schubspannung t, die in der Ver- etwa 200 ... 220 HV. Die Kaltrissneigung ist
setzungslinie einen Krümmungsradius R erzeugt. damit gering und die Schweißeignung gut.
b = Burgers-Vektor, F ist die durch die äußere Schub- Außerdem wird der Martensit wegen der re-
spannung t auf die Versetzungslinie ausgeübte Kraft, lativ hohen Ms-Temperatur von etwa 420 ’C
die immer senkrecht auf ihr angreift. bei seiner Bildung »selbstangelassen«, d. h.
a) Ohne die Wirkung einer äußeren Schubspannung
in geringerem Umfang bereits entspannt, s.
bleibt die Versetzungslinie als Folge der Linien-
spannung T gerade. Abschn. 2.5.2.1, S. 140. Ein geringes Vorwär-
b) Die zusätzliche Schubspannung t erzeugt in der Ver- men ist abhängig von der Werkstückdicke
setzungslinie eine Krümmung mit dem Radius R. empfehlenswert, Abschn. 4.3.1, S. 374, s. a.
Aufgabe 3-1, S. 290.

Der niedriglegierte Stahl besteht nach einer


Aufgabe 2-8: Abkühlung aus dem Austenitgebiet aus Mar-
Es sind schematisch die (kontinuierlichen) ZTU- tensit bzw. überwiegend Martensit und Bai-
Schaubilder eines unlegierten, (niedrig-)legier- nit, weil die Inkubationszeit ti bei diesen »Öl-
ten und hochlegierten Stahles zu skizzieren härtern« wesentlich größer ist (etwa 8 s) als
und die charakteristischen Unterschiede im bei den »Wasserhärtern«. Wegen des höheren
Umwandlungsverhalten, Gefügeaufbau und Gehalts an Legierungselementen ist außer-
das zu erwartendes Schweißverhalten abzu- dem die Ms-Temperatur mit 350 ’C deutlich
schätzen. geringer. Beim Schweißen ist mit einer na-
Abschn. 2.9: Aufgaben zu Kapitel 2 231

1000 hezu vollständig martensitischen WEZ zu


° C rechnen, deren Härte dann gemäß Bild 1-43,
TA
S. 37, etwa 450 HV beträgt.
Temperatur T

800
A F

Ohne Vorwärmen, sorgfältiges Säubern des


600
P
Schweißnahtbereiches (vor allem von feuch-
Ms tehaltigen Verunreinigungen) und die Verwen-
400
B
dung trockener Zusatzwerkstoffe bzw. »was-
serstoffarmer« Schweißverfahren ist die Ent-
M stehung von Kaltrissen praktisch unvermeid-
200
lich, s. a. Aufgabe 3-2 und Aufgabe 3-3, S.
291.
0
1 10 102 103 s 104
ti = 1 s Zeit t Der hochlegierte lufthärtende Stahl (ti O 2
a)
min), Bild A2-9c, wandelt vollständig in Mar-
1000 tensit um. Dies trifft aber nur dann zu, wenn
° C nach der Umwandlung kein Restaustenit zu-
TA rückbleibt. Die sehr geringe Ms-Temperatur
Temperatur T

800
(O 240 ’C) und die geringe Beweglichkeit der
A P
Legierungsatome machen einen gewissen
600
F
Restaustenitgehalt jedoch sehr wahrschein-
lich. Bei einer vollständigen Martensitbil-
400 M
B
dung ist mit Höchsthärten in der WEZ von
350
s
etwa 500 HV zu rechnen. Kaltrisse in der
WEZ sind damit ohne weitere vorsorgliche
200
M
Maßnahmen (vor allem sind möglichst was-
serstoffarme Schweißbedingungen zu schaf-
0 fen) sehr wahrscheinlich. Nach dem Schwei-
1
ti = 8 s
10 102 103
Zeit t
s 104 ßen sollte das Werkstück – wenn dies werk-
b) stoffabhängig ohne Probleme möglich ist, s.
1000
Absatz unten – aus der Schweißwärme sofort
° C anlassgeglüht werden. Ein Vorwärmen ver-
TA F ringert zwar kaum die Härte, reduziert aber
Temperatur T

800 sehr wirksam den Gehalt des Wasserstoffs


im Schweißgut und in der WEZ und damit
600 P die für diese Stähle charakteristische, extre-
A me Kaltrissgefahr.
400
Weitere Schwierigkeiten können durch güte-
Ms verschlechternde Ausscheidungen aller Art
B
240
200 entstehen, vor allem im Bereich der WEZ.
M
Ein typisches Beispiel ist der warmfeste
0
martensitische Stahl X20CrMoVW12-1, s.
1 10 102 103 s 104 Abschn. 4.3.5.3, S. 409. Durch eine unsach-
t i = 2 min Zeit t
gemäße, aber zunächst sehr naheliegende
c)
Wärmebehandlung nach dem Schweißen, ver-
Bild A2-9 sprödet der Stahl nahezu vollständig durch
Umwandlungsverhalten und Gefügeausbildung sche- Chromcarbidausscheidungen bei den Wär-
matisch dargestellt in kontinuierlichen ZTU-Schau-
mebehandlungstemperaturen an den Korn-
bildern für einen
a) unlegierten C-Mn-Stahl, C O 0,2 %, grenzen und verschiedenen damit zusam-
b) (niedrig-)legierten Stahl, C O 0,2 %, menhängenden Vorgängen. Bild 4-88, S. 410,
c) hochlegierten Stahl, C O 0,2 %. zeigt einige dieser werkstoffabhängigen Pro-
232 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

bleme teilweise. Insbesondere ist die bei Legierung L1 (7 % Chrom):


650 ’C schon nach einigen Minuten einsetzen- Nach der Erstarrung besteht das Gefüge aus
de Ausscheidung der versprödenden Chrom- d-Ferrit, der bei etwa 1300 ’C in g umzuwan-
carbide zu beachten. deln beginnt und unter 1250 ’C vollständig
aus Austenit besteht. Bei 850 ’C ist die er-
neute Umwandlung des Austenits in a-Fer-
rit abgeschlossen. Bis Raumtemperatur bleibt
Aufgabe 2-9: das rein ferritische Gefüge unverändert. Wär-
Die wichtigsten Gefügeänderungen im Fe- mebehandlungen im klassischen Sinn der
Cr-Zustandsschaubild, Bild A2-10, sind an- Werkstoffgruppe »umwandlungsfähige Stäh-
zugeben und zu bewerten. Der Einfluss der le«, die die Umwandlung g  a erfordern, lie-
stark austenitisierenden Elemente C und N ßen sich demnach durchführen. Ihre Anwen-
auf den Verlauf der Umwandlungslinien und dung ist aber bei den Zweistofflegierungen
der Einfluss auf die entstehenden Gefüge ist Fe-Cr wenig sinnvoll, weil alle weiteren für
schematisch zu beurteilen. eine Wärmebehandlung erforderlichen Merk-
male der Stähle fehlen (unterschiedliche Lös-
Für das Verständnis der folgenden Ausfüh- lichkeit eines dritten Elements, z. B. Kohlen-
rungen ist die Einsicht wesentlich, dass das stoff, in den beiden Mischkristallarten a und
Fe-Cr-Zustandsschaubild, Bild A2-10, ein g ).
übliches Gleichgewichts-Zweistoffsystem ist.
Der Einfluss anderer Elemente und die Wir- Legierung L2 (17 % Chrom):
kung einer erhöhten Abkühlgeschwindigkeit Die Schmelze erstarrt zu d -Ferrit, aus dem
kann daher bestenfalls abgeschätzt werden. sich unter etwa 650 ’C die spröde interme-
In das Schaubild wurde die erwartete Wir- diäre etwa 45 % Chrom enthaltende Sig ma-
kung des stark austenitisierenden Kohlen- Phase s (FeCr) auszuscheiden beginnt. Durch
stoffs, s. Bild 2-70, S. 207, durch die strich- ihren großen Chromgehalt kann außer einer
lierte Kurve »C« dargestellt. Die g -Schleife Werkstoffversprödung auch eine Chromver-
und damit der Existenzbereich des Auste- armung der sie umgebenden Matrix auftre-
nits werden vergrößert. Mit dieser Maßnah- ten, wodurch die Korrosionsbeständigkeit be-
me lässt sich das Verhalten chromlegierter einträchtigt werden kann (Abschn. 2.8.3.4.2,
(korrosionsbeständiger) Stähle angemessen S. 210). Nach Abkühlen auf 480 ’C ist der
beschreiben. Chromgehalt des d -Ferrits dadurch von 17 %
auf 8 % gesunken. Die Menge an Sigma-Pha-
L1 L2 L3
2000 se mV beträgt nach dem Hebelgesetz:
°C 17 - 8
S S+ d ms = ◊ 100 % = 24 , 3 %.
45 - 8
Temperatur T

1600

c Unter 480 ’C entmischt sich der d -Ferrit in


1200
g g+ d d einen chromarmen (d ) mit etwa 8 % Chrom
und einen sehr chromreichen (d ’ ) mit 85 %
800 Chrom. Dieser Vorgang ist die Ursache der
s+ d s s + d’ 475 °C-Versprödung (Abschn. 2.8.3.4.3, S.
d d’ 211). Sie kann nur in ferritischen Gefügen
400
(ferritische, austenitisch-ferritische, in gerin-
gerem Maße auch weichmartensitische Stäh-
0 le) entstehen. In allen üblichen 12%igen
Fe 20 40 60 80 % Cr
Chromgehalt Chromstählen sind allerdings für ihre Bil-
dung sehr lange (Glüh-)Zeiten im Bereich
Bild A2-10
von 105 h erforderlich. Mit zunehmendem
Gefügeumwandlungen im Zustandsschaubild Fe-Cr
dargestellt für drei Legierungen L1, L2, L3. C stellt Chromgehalt wird ihre Entstehung stark
den Verlauf der (g + d)-Schleife dar, wenn das System beschleunigt und das Ausmaß der Versprö-
außer Cr und Fe noch Kohlenstoff enthält. dung vergrößert. Die strichlierte Linie in
Abschn. 2.9: Aufgaben zu Kapitel 2 233

Bild A2-10 ist die obere Begrenzungslinie zum Verbessern der mechanischen Eigen-
für das Auftreten der 475 °C-Versprödung. schaften und zum Verringern des in marten-
sitischen Stählen sehr unerwünschten voreu-
Enthält die Legierung L1 außerdem noch Koh- tektoiden Ferrits zulegiert.
lenstoff, dann ändert sich das Umwandlungs-
verhalten. Die g -Schleife wird etwa gemäß Ihr großer Legierungsgehalt macht sie luft-
Linie »C« in Bild A2-10 selbst bei geringeren härtend. Die Martensitbildung in der WEZ
Kohlenstoffgehalten relativ stark aufgewei- ist als Folge der großen Abkühlgeschwindig-
tet. Diese Fe-Cr-C-Legierung wandelt nach keiten beim Schweißen praktisch nicht unter-
Unterschreiten von »C« bei einer Gleichge- drückbar, Abschn. 2.8.4.1, S. 213, und Abschn.
wichtsabkühlung in kohlenstoffhaltigen a- 4.3.7.3, S. 422.
MK.en, bei technischen Abkühlgeschwindig-
keiten aber in lufthärtenden Martensit (Ver- Die 13%igen Chromstähle können innerhalb
gütungsstahl!) um. Bei martensitischen kor- eines großen Kohlenstoffbereiches (• 0,1 % bis
rosionsbeständigen Stählen, Abschn. 2.8.4.1, etwa 0,6 %) austenitisiert, d. h. gehärtet wer-
S. 215, laufen die gleichen Vorgänge ab. 1600
S
°C S+ d
Legierung L3 (45 % Chrom): S+ d+ g
1400
Diese Legierung hat keinerlei technische Be-
Temperatur T

d d+ g S+ g
deutung. Sie wandelt unter 820 ’C vollstän- g
dig in Sigma-Phase um und zerfällt unter 1200

480 ’C in den chromarmen d -Ferrit und den g + C2


chromreichen d ’-Ferrit. Die Vorgänge laufen 1000
g + C1
in der geschilderten Form nur bei einer ex-
a a + g + C1 g + C1 + C2
trem langsamen Abkühlung ab. Die für tech- 800
nische Wärmebehandlungen typischen we- a + C1

sentlich größeren Abkühlgeschwindigkeiten 600


a + C1 + C2

machen die Bildung der bei niedrigeren Tem- 0 0,2 0,4 0,6 % 0,8

peraturen im festen Zustand entstehenden Kohlenstoffgehalt

Ausscheidungen unmöglich. Bild A2-11


Vertikalschnitt in dem Dreistoffsystem Fe-Cr-C bei
13 % Cr, nach Castro und Tricot.
Es bedeuten: C1 : M23C6, C2 : M7C3.

Aufgabe 2-10: 1600


Es sind anhand Bild A2-11 und Bild A2-12 °C
S

einige wichtige werkstofflichen Grundlagen 1400


S+ d
S+ d+ g
Temperatur T

und schweißtechnischen Verarbeitungshin- d S+ g

weise der martensitischen korrosionsbestän- d+ g g


digen Chromstähle aufzuzeigen. S. a. Auf- 1200
g + C2
gabe 4-13, S. 491, und Aufgabe 2-9. g + C1
1000
d + g + C1 g + C1 + C2
Der Kohlenstoffgehalt der martensitischen
Chromstähle liegt etwa zwischen 0,15 % und 800
1,2 %, bei einem Chromgehalt über 11,5 % a + C1

bis ca. 18 %, Tabelle 2-17. Der Chromgehalt 600


der höhergekohlten Stähle beträgt … 18 %, 0 0,2 0,4 0,6 % 0,8
um die Korrosionsbeständigkeit (durch er- Kohlenstoffgehalt
höhte Chromcarbidbildung wird der Matrix Bild A2-12
zu viel Chrom entzogen!) sicherzustellen. Mo- Vertikalschnitt in dem Dreistoffsystem Fe-Cr-C bei
lybdän (… 1,5 %) wird zum Verbessern der 17 % Cr, nach Castro und Tricot.
Korrosionsbeständigkeit, Nickel (… 2,5 %) Es bedeuten: C1 : M23C6, C2 : M7C3.
234 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

den, wie Bild A2-11 zeigt. Bei den 17%igen sentlich größer ist als die der krz Werkstof-
Chromstählen ist der g -Bereich vergleichswei- fe, Abschn. 4.3.4, S. 402. Der während des
se sehr viel kleiner (0,4 % bis etwa 0,5 %), wie Schweißens gelöste Wasserstoff, der immer
aus Bild A2-12 entnommen werden kann. Der und unabhängig von der Qualität der Säube-
Härteprozess (Austenitisierungstemperatur rung der Werkstückoberflächen und Schweiß-
und erforderlicher Kohlenstoffgehalt) muss da- mittel vorhanden ist, verbleibt im Schweiß-
her sehr sorgfältig kontrolliert werden, wo- gut. Der Wasserstoff kann nicht mehr in die
durch der Aufwand erheblich steigt. WEZ diffundieren und zur Kaltrissigkeit
führen.
Bei den höhergekohlten Stählen ist wegen ih-
rer niedrigen Ms- (ca. 300 ’C) bzw. Mf-Tempe-
raturen (ca. 200 ’C) insbesondere beim Schwei-
ßen bei Raumtemperatur in der WEZ mit
merklichen Mengen an Restaustenit zu rech-
nen. Dieser Gefügebestandteil ist in gehärte-
ten Stählen äußerst unerwünscht, s. Abschn.
2.5.2.1, S. 143. In diesen Fällen ist eine meis-
tens aufwändige Wärmenachbehandlung (z.
B. doppeltes Anlassen) erforderlich, um die
gewünschten mechanischen Gütewerte der
Schweißverbindung zu erzielen.

Die Vorwärmtemperatur lässt sich recht ge-


nau mit Hilfe der Ms-Temperatur berechnen,
Abschn. 4.1.3.3, S. 327, die für derartige Stäh-
le mit der vom Institute of Welding entwickel-
ten Formel berechnet werden kann:
Ms = 540 - 497 ◊ C - 6 , 3 ◊ Mn - [A2-8]
36 , 3 ◊ Ni - 10 ,8 ◊ Cr - 46 ,6 ◊ Mo.
In Gleichung [A2-8] sind die Elemente in
Massenprozent einzusetzen.

Die niedriggekohlten korrosionsbeständigen


Chromstähle sollten auf Temperaturen un-
ter der Mf-Temperatur (etwa 250 ’C) vorge-
wärmt werden, die höhergekohlten (• 0,2 %)
auf Werte über der Ms-Temperatur. Ursache
sind die bei Temperaturen … 150 ’C entste-
henden Kaltrisse (s. Abschn. 3.5.1.6, S. 276)
durch Wasserstoff, die sich bei den höherge-
kohlten Chromstählen besonders leicht bil-
den, vor allem im (hoch-)gekohlten Marten-
sit. Ein isothermes Schweißen über der Ms-
Temperatur hält den in der WEZ gebildeten
Austenit während der gewählten Haltedau-
er solange in diesem Zustand, bis ausrei-
chend viel Wasserstoff effundiert ist. Aus
diesem Grunde werden auch häufig nicht
artgleiche kubisch-raumzentrierte, sondern
austenitische Zusatzwerkstoffe verwendet,
weil deren Löslichkeit für Wasserstoff we-
Abschn. 2.10: Schrifttum 235

2.10 Schrifttum

Atlas zur Wärmebehandlung der Stähle, he- Teil 5: Technische Lieferbedingungen für wet-
rausgegeben vom Max-Planck-Inst. f. Eisen- terfeste Baustähle, 2/2005.
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Verlag Stahleisen m. b. H., Düsseldorf, 1954/ Flacherzeugnisse aus Stählen mit höherer
1976. Streckgrenze im vergüteten Zustand, 2/2005.
Bäumel, A., Horn, E-M., u. G. Siebers: Ent- DIN EN 10027: Bezeichnungssysteme für
wicklung, Verarbeitung und Einsatz des stick- Stähle.
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Brezina, P.: Martensitische Chrom-Nickel- behälterstählen.
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Wyss Mitt. (1980), S. 218/236, Zürich. Teil 2: Unlegierte und legierte Stähle mit
Dahl, W.: Werkstoffliche Grundlagen zum festgelegten Eigenschaften bei erhöhten Tem-
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Teil 4: Nickellegierte kaltzähe Stähle, 2003.
dungen von Stählen, Bd. 2. Verlag der Augus-
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tinus Buchhandlung, Aachen, 1993.
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Entstehungsbedingungen der verschiedenen le, vergütet, 10/2003.
Sulfideinschlußformen. Stahl u. Eisen 86 Teil 7: Nichtrostende Stähle, 6/2000.
(1966), S. 782/795.
DIN EN 10079: Begriffsbestimmungen für
Degenkolbe, J., u. B. Müsgen: Schweißen Stahlerzeugnisse, 6/2007.
hochfester vergüteter Baustähle - Untersu-
chungen an Chrom-Molybdän-Zirkon-legier- DIN EN 10083: Vergütungsstähle.
ten Stählen. Schw. u. Schn. 17 (1965), S. Teil 1: Allgemeine technische Lieferbedin-
343/353. gungen, 10/2006.
Teil 2: Technische Lieferbedingungen für un-
DIN 17115: Stähle für geschweißte Rundstahl- legierte Stähle, 10/2006.
ketten; Technische Lieferbedingungen, 2/ Teil 3: Technische Lieferbedingungen für le-
1987. gierte Stähle, 1/2007.
DIN EN 10020: Begriffsbestimmungen für DIN EN 10084: Einsatzstähle – Technische
die Einteilung der Stähle, 7/2000. Lieferbedingungen, 6/2008.
DIN EN 10025: Warmgewalzte Erzeugnisse
DIN EN 10088: Nichtrostende Stähle.
aus unlegierten Baustählen, 2/2005.
Teil 1: Verzeichnis der nichtrostenden Stäh-
Teil 1: Allgemeine Lieferbedingungen, 4/
le, 9/2005.
2005.
Teil 2: Technische Lieferbedingungen für
Teil 2: Allgemeine Lieferbedingungen für
Blech und Band für allgemeine Verwendung,
unlegierte Baustähle, 2/2005.
9/2005.
Teil 3: Technische Lieferbedingungen für
Teil 3: Technische Lieferbedingungen für
nor malgeglühte/normalisierend gewalzte
Halbzeug, Stäbe, Walzdraht und Profile für
schweißgeeignete Feinkornbaustähle, 3/
allgemeine Verwendung, 9/2005.
2005.
Teil 4: Technische Lieferbedingungen für DIN EN 10130: Kaltgewalzte Flacherzeug-
thermomechanisch gewalzte schweißgeeig- nisse aus weichen Stählen zum Kaltumfor-
nete Feinkornbaustähle, 4/2005. men, 2/2007.
236 Kapitel 2: Stähle – Werkstoffgrundlagen

DIN EN 10208: Stahlrohre für Rohrleitun- Hougardy, H. P.: Die Darstellung des Um-
gen für brennbare Medien – Technische Lie- wandlungsverhaltens von Stählen in ZTU-
ferbedingungen. Schaubildern. Härterei-Tech. 33 (1978), S.
Teil 1: Rohre der Anforderungsklasse A, 7/ 63/70.
2009.
Teil 2: Rohre der Anforderungsklasse B, 7/ ISO 9328: Flacherzeugnisse aus Stahl für
2009. Druckbeanspruchungen – Technische Lie-
ferbedingungen.
DIN EN 10216: Nahtlose Stahlrohre für Druck- Teil 1: Allgemeine Anforderungen, 11/2003.
beanspruchungen – Technische Lieferbedin- Teil 2: Unlegierte und legierte Stähle mit fest-
gungen. gelegten Eigenschaften bei erhöhten Tempe-
Teil 1: Rohre aus unlegierten Stählen mit raturen, 8/2004.
festgelegten Eigenschaften bei Raumtem- Teil 3: Schweißgeeignete Feinkornstähle, nor-
peratur, 7/2004. malisiert, 8/2004.
Teil 2: Rohre aus unlegierten und legierten Teil 4: Nickellegierte Stähle für tiefe Tempe-
Stählen mit festgelegten Eigenschaften bei raturen, 8/2004.
erhöhten Temperaturen, 7/2004. Teil 5: Schweißgeeignete Feinkornstähle, ther-
Teil 3: Rohre aus legierten Feinkornbaustäh- momechanisch gewalzt, 8/2004.
len, 7/2004. Teil 6: Schweißgeeignete Feinkornstähle, ver-
Teil 4: Rohre aus unlegierten und legierten gütet, 8/2004.
Stählen mit festgelegten Eigenschaften bei
tiefen Temperaturen, 7/2004. Krawietz, A.: Materialtheorie. Springer-Ver-
lag, Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo,
DIN EN 10327: Kontinuierlich schmelztauch- 1986.
veredeltes Band und Blech aus weichen Stäh-
len zum Kaltumformen – Technische Liefer- Van Vlack, L. H.: Elements of Materials Sci-
bedingungen, 7/2009. ence & Engineering. Addison-Wesley Long-
man, 1989.
DIN V 17006-100: Zurückgezogen und durch
DIN EN 10027-1/2 ersetzt. Verein Deutscher Eisenhüttenleute (Hrsg.):
Werkstoffkunde Stahl, Bd. 2. Springer-Verlag,
Eckstein, H. J.: Wärmebehandlung von Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo, Verlag
Stahl. Deutscher Verlag für Grundstoff- Stahleisen m.b.H., Düsseldorf, 1984.
industrie, Leipzig, 1973.
3 Einfluss des Schweißprozesses auf
die Eigenschaften der Verbindung

Der typische Temperatur-Zeit-Zyklus beim ternden mechanischen Gütewerte der WEZ


Schweißen ist gekennzeichnet durch: und des Schweißguts. Die Abnahme des Ver-
– Extreme Aufheiz- (400 bis 1000 K/s) und formungsvermögens ist der für die Bauteil-
Abkühlgeschwindigkeiten (einige hundert sicherheit entscheidende Vorgang. Der Um-
K/s), Bild 1-1. Die Folge sind abhängig fang der Zähigkeitsabnahme ist werkstoffab-
von der Werkstückdicke hohe (dreiach- hängig und wird von den Schweißbedingun-
sige) Spannungszustände. zum Schweißen (mit den verschiedenen Ver-
– Die Werkstoffbereiche neben der Schmelz- fahren) unterschiedlich gut geeignet.
grenze werden auf dicht unter Solidus lie-
gende Temperaturen erwärmt.
– Das Entstehen von Gleichgewichtsgefü- 3.1 Schweißbarkeit –
gen ist wegen der kurzen zur Verfügung Begriff und Definition
stehenden Reaktionszeiten unmöglich.
Grobkörnige, oft harte und meistens sprö- Der sehr komplexe Begriff Schweißbarkeit
de Gefügebestandteile sind für die WEZ wird in der DIN 8528-1 (Juni 1973) wie folgt
typisch. Dendritisches, in manchen Fällen beschrieben:
auch zelluläres, geseigertes Gussgefüge
ist kennzeichnend für das Schweißgut. Die Schweißbarkeit eines Bauteils aus me-
tallischem Werkstoff ist vorhanden, wenn
Diese extreme Wärmebehandlung ist die Ur- der Stoffschluss durch Schweißen mit einem
sache für die sich nahezu immer verschlech- gegebenen Schweißverfahren bei Beachtung
eines geeigneten Fertigungsablaufes erreicht
Schweißeignung werden kann. Dabei müssen die Schweißun-
Werkstoff gen hinsichtlich ihrer örtlichen Eigenschaf-
ten und ihres Einflusses auf die Konstruk-
tion, deren Teil sie sind, die gestellten Anfor-
derungen erfüllen 27).
Schweiß-
Der gedanklich unscharfe und teilweise nicht
eit

barkeit des
Sc Kon

hk

genau definierte Begriff Schweißbarkeit wird


hw

Bauteils
lic

durch die leichter überschaubaren Teileigen-


eiß ruktio

Fe mög
g
sic

schaften
un
st

eiß
rtig
he

– Schweißeignung,
hw
rh
n

– Schweißsicherheit und
eit

Sc

– Schweißmöglichkeit
ersetzt und beschrieben, Bild 3-1.
Bild 3-1
Abhängigkeit des Oberbegriffes Schweißbarkeit von
den Teilproblemen Werkstoff (Schweißeignung), Kons-
27)
truktion (Schweißsicherheit) und Fertigung (Schweiß- Dieser Text stimmt sinngemäß mit der Norm
möglichkeit), nach DIN 8528-1. ISO/TR 581 (2/2005) überein.
238 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

3.1.1 Schweißeignung 3.1.2 Schweißsicherheit

Diese Teileigenschaft ist überwiegend werk- Die Schweißsicherheit (konstruktionsbeding-


stoffabhängig. Sie ist vorhanden, wenn bei te Schweißsicherheit) wird nur in geringem
der Fertigung aufgrund der werkstoffgegebe- Umfang vom Werkstoff bestimmt. Sie hängt
nen chemischen, metallurgischen und physi- weitgehend von der schweißgerechten Kons-
kalischen Eigenschaften und Besonderheiten truktion ab. Die Schweißsicherheit ist vor-
des Werkstoffes eine den jeweils gestellten An- handen, wenn mit dem verwendeten Werk-
forderungen entsprechende Schweißung her- stoff das Bauteil aufgrund der vorgesehenen
gestellt werden kann. konstruktiven Gestaltung unter den vorgese-
henen Betriebsbedingungen funktionsfähig
Die Schweißeignung eines Werkstoffs ist um bleibt.
so besser, je weniger die werkstoffbedingten
Faktoren bei der schweißtechnischen Ferti- Die Schweißsicherheit eines vorgegebenen
gung einer Konstruktion beachtet werden Bauwerks oder Bauteils ist umso größer, je
müssen. weniger die konstruktionsbedingten Fakto-
ren bei der Auswahl des Werkstoffs für eine
Die Schweißeignung wird in der Hauptsa- bestimmte schweißtechnische Fertigung be-
che von folgenden Faktoren und Eigenschaf- achtet werden müssen.
ten bestimmt:
Diese konstruktionsabhängige Schweißsi-
Chemische Zusammensetzung, cherheit wird u. a. von folgenden Faktoren
sie beeinflusst z. B.: beeinflusst:
– Sprödbruchneigung (Gehalt der Verun- – Konstruktive Gestaltung [z. B. Kraftfluss,
reinigungen), (unterschiedliche) Werkstückdicken, Ker-
– Alterungsneigung (Gehalt vorwiegend ben aller Art], die entscheidend die Größe
des freien Stickstoffs), und Schärfe des Eigenspannungszustan-
– Härteneigung (Gehalt des Kohlen- des bestimmt,
stoffs), – Beanspruchungszustand (z. B. Art und
– Heißrissbildung (Schwefelgehalt, bzw. Größe der Spannungen im Bauteil; Mehr-
Menge an niedrigschmelzenden Ver- achsigkeitsgrad der (Eigen-)Spannungen;
unreinigungen), Beanspruchungsgeschwindigkeit; Span-
– Löslichkeit und Diffusionsfähigkeit nungsgradient; statische, dynamische Be-
von Gasen, anspruchung),
– Schmelzbadverhalten. – Betriebstemperatur.

Metallurgische Eigenschaften,
bedingt durch Herstellverfahren, Desoxi- 3.1.3 Schweißmöglichkeit
dationsart, Wärmebehandlung. Sie wer-
den z. B. beeinflusst von: Die Schweißmöglichkeit (fertigungsbedingte
– Seigerungen, Schweißsicherheit) in einer schweißtechni-
– Art, Form und Verteilung von Ein- schen Fertigung ist vorhanden, wenn die an
schlüssen, einer Konstruktion vorgesehenen Schweiß-
– Anisotropie der mechanischen Güte- arbeiten unter den gewählten Fertigungsbe-
werte, dingungen hergestellt werden können.
– Korngröße,
– Gefügeausbildung. Die Schweißmöglichkeit einer für ein bestimm-
tes Bauwerk oder Bauteil vorgesehenen Fer-
Physikalische Eigenschaften, z. B.: tigung ist umso besser, je weniger die ferti-
– Ausdehnungsverhalten, gungsbedingten Faktoren beim Entwurf der
– Wärmeleitfähigkeit, Konstruktion für einen bestimmten Werk-
– Erstarrungsintervall von Legierungen. stoff beachtet werden müssen.
Abschn. 3.2: Schweißeignung der Stähle 239

Die Schweißmöglichkeit wird u. a. von fol- 3.2 Schweißeignung der


genden Faktoren beeinflusst:
Stähle
– Vorbereitung zum Schweißen:
z. B. Schweißverfahren, Art der Zusatz-
werkstoffe und Hilfsstoffe, Stoßarten, Fu- 3.2.1 Unlegierte Stähle
genformen, Vorwärmen.
– Ausführen der Schweißarbeiten: Die Schweißeignung der Stähle hängt von
z. B. Lagenaufbau, Wärmeführung, Wär- folgenden Werkstoffeigenschaften ab, die
meeinbringen, Schweißfolge. entscheidend von der Art der Herstellung und
– Nachbehandlung: der chemischen Zusammensetzung des Stah-
z. B. Wärmenachbehandlung, Beizen, les bestimmt werden:
Richtarbeiten. – Eine geringe Aufhärtungsneigung in der
WEZ. Sie verhindert die gefährliche Kalt-
rissbildung (Abschn. 3.5.1.6). Das ist die
3.1.4 Bewertung und Folgerungen für eine gute Schweißeignung wichtigste
Eigenschaft.
Anders als bei jedem anderen Fertigungsver- – Eine geringe Neigung zur Entstehung
fahren ist für die Herstellung betriebssiche- spröder, rissanfälliger Gefüge in der Wär-
rer geschweißter Konstruktionen die Zusam- meeinflusszone und von Heißrissen im
menarbeit einer Vielzahl von Fachleuten er- Schweißgut.
forderlich. Der Schweißingenieur als Reprä-
sentant des Herstellers muss den gesamten Die Schweißeignung der unlegierten Bau-
Herstellprozess mit dem Werkstoffachmann, stähle, z. B. der nach DIN EN 10025-2, ist
dem Konstrukteur und u. U. dem Fertigungs- der wichtigste Werkstoffkennwert dieser
und dem Prüfspezialisten festlegen. überwiegend durch Schweißen weiterverarbei-
teten Stähle.
Die naheliegende Überlegung, die Teileigen-
schaften Schweißeignung, Schweißsicherheit Die Grundlagen der Stahlherstellung (Er-
und Schweißmöglichkeit zahlenmäßig zu be- schmelzungs- und Vergießungsverfahren)
werten, ist aus verschiedenen Gründen nicht und die Eigenschaften einiger wichtiger Stäh-
sinnvoll. Verschiedene Einflussfaktoren, die le sind in den Abschnitten 2.3, S. 125, und
beispielsweise für die Schweißeignung unle- 4.1.3.4, S. 333, beschrieben. Hier sollen nur ei-
gierter Stähle entscheidender sind (Härtenei- nige Besonderheiten der schweißtechnischen
gung, (Härte-)Rissneigung, nicht aber Sensi- Verarbeitung dargestellt werden.
bilisieren durch Chromcarbidausscheidung),
spielen bei den hochlegierten austenitischen 3.2.1.1 Erschmelzungs- und
(Korrosionsbeständigkeit, Ausscheidungsnei- Vergießungsart
gung) keine Rolle. Das Sauerstoffaufblasverfahren und die Elekt-
rostahlverfahren sind in der Bundesrepublik
Die für den Verwendungszweck ausreichend Deutschland die wichtigsten Verfahren der
belastbare und sichere Konstruktion muss Stahlherstellung. Der Gehalt und die Art der
möglichst kostengünstig herstellbar sein. Verunreinigungen sind in gewissen Grenzen
Das »richtige« Zusammenwirken der drei Teil- von der Erschmelzungsart abhängig. Die Qua-
eigenschaften bestimmt die Bauteilsicherheit, lität der Stähle kann aber nicht zuverlässig
d. h. die technische Wertigkeit der Konstruk- der Erschmelzungsart zugeordnet werden.
tion, aber auch die Wirtschaftlichkeit ihrer Entscheidend ist der gesamte Herstellpro-
Herstellung. Es ist demnach unsinnig, die zess einschließlich der Qualität der Erze und
Schweißbarkeit durch einen hervorragend des (Rücklauf-)Schrotts. Als zuverlässiger
schweißgeeigneten Werkstoff zu verbessern, Maßstab zum Beurteilen der metallurgischen
um sie durch eine nicht schweißgerechte Kons- Qualität der unlegierten Baustähle haben
truktion bzw. ungeeignete Fertigungsbedin- sich z. B. die Gütegruppen erwiesen (Abschn.
gungen gleichzeitig zu verschlechtern. 4.3.1.1., S. 379).
240 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

Der erzeugte Stahl wird seit einigen Jahren Unlegierte Stähle mit einem Kohlenstoff-
überwiegend im Strangguss vergossen. Die- gehalt ≤ 0,2 % sind erfahrungsgemäß sehr
se Technik erfordert aus verschiedenen Grün- gut schweißgeeignet (Abschn. 4.1.3, S. 310).
den ein Beruhigen der Schmelze. Die übli- Die Maximalhärte in der aufgehärteten Zone
chen Blockseigerungen und die damit ver- beträgt dann bei einer angenommenen Mar-
bundenen Probleme beim Schweißen entste- tensitmenge von 50 % etwa 300 HV, Bild 1-43,
hen also nicht. S. 37. Eine Rissbildung durch spröde Gefüge-
bestandteile ist bei diesen Härtewerten nicht
Das Schweißverhalten der beruhigten (Cal- zu befürchten. Selbst die für Zündstellen ty-
cium- und Silicium-Zugaben) und vor allem pischen extremen Aufheiz- und Abkühlbedin-
der besonders beruhigten Stähle (Calcium-, gungen führen bei diesen niedriggekohlten
Silicium- und z. B. Aluminium-Zugaben) ist Kohlenstoffstählen i. Allg. nicht zur Rissbil-
daher i. Allg. gut. Ihr Gehalt an Sauerstoff dung, weil die kritische Abkühlgeschwindig-
ist gering. Die besonders beruhigten Stähle keit vok dieser niedriggekohlten Stähle sehr
sind darüber hinaus noch weitgehend alte- groß ist (ca. 800 ... 1000 K/s), Bild 1-38, S. 34.
rungsbeständig, weil der Stickstoff als AlN Bei einer annähernd fachgerechten Schweiß-
abgebunden vorliegt. Ein weiterer Vorteil ist ausführung und Einhalten der üblichen Be-
die durch AlN bewirkte Feinkörnigkeit des dingungen für eine schweißgerechte Ferti-
Sekundärgefüges, die zu einem Ansteigen gung kühlen die austenitisierten Bereiche der
des Verformungsvermögens und der Schlag- WEZ wesentlich langsamer als vok ab.
zähigkeit und zu einer Abnahme der Über-
gangstemperatur führt. Als Folge der erhöh- C Si Mn P S Al
Stahl 1: 0,21 0,47 1,48 0,025 0,030 0,057
ten Umwandlungsneigung des Austenits (sie- Stahl 2: 0,22 0,41 1,42 0,031 0,019 0,001
he z. B. Bild 2-25, S. 150) entstehen in den 450
Wärmeeinflusszonen von Schweißverbindun-
gen zähere, risssicherere Gefüge. Bild 3-2
Härte HV 10

400
zeigt sehr anschaulich den Einfluss der Korn-
größe auf die maximale Härte in der Wärme-
einflusszone von Auftragschweißungen aus 350

einem normalen (feinkörnigen) S355J2 + N


und einem nicht mit Aluminium desoxidier- 300
ten (also nicht feinkörnigen) Stahl.

Die Schweißeignung der besonders beruhig- 250

ten Stähle ist i. Allg. sehr gut, weil der Ge-


halt an Verunreinigungen außerordentlich 200
gering ist (z. B. P und S je max. 0,025 % nach 0 10 20 30 40 mm 50

DIN EN 10025-2, s. a. Tabelle 2-4, S. 169). Werkstückdicke t

Bild 3-2
3.2.1.2 Chemische Zusammensetzung Einfluss der Korngröße auf die Maximalhärte in der
WEZ von Einlagenauftragschweißungen (Stabelekt-
Die Stahleigenschaften und damit auch die
rode 5 mm) in Abhängigkeit von der Blechdicke. Ver-
Schweißeignung hängen in der Hauptsache glichen wird ein S355J2 + N (St 52-3 N) mit einem
von den folgenden Einflüssen ab: nur beruhigten Stahl sehr ähnlicher Zusammenset-
– Kohlenstoff, der die Neigung zur Aufhär- zung, nach Folkhard.
tung, d. h. zur Bildung von Härte- bzw.
(wasserstoffinduzierten) Kaltrissen in koh- Stähle mit einem deutlich über 0,2 % liegen-
lenstofflegierten Eisenwerkstoffen be- den Kohlenstoffgehalt erfordern für die Her-
stimmt. stellung ausreichend betriebssicherer Bau-
– Verunreinigungen (z. B. P, S, O, N, H, Cu, teile z. T. wirtschaftlich aufwändige schweiß-
Sb, As), die die Zähigkeitseigenschaften und fertigungstechnische Maßnahmen. Da-
stark beeinträchtigen und die Heißriss- zu gehört eine Reihe von Methoden, von
bildung begünstigen (S). denen die wichtigsten sind:
Abschn. 3.2: Schweißeignung der Stähle 241

❐ Herabsetzen der Abkühlgeschwindigkeit – Warmformgebung in diesem Tempera-


z. B. durch Vorwärmen oder (und) Schwei- turbereich
ßen mit erhöhter Streckenenergie E. Da- führen zur Bildung von Heißrissen (z. B. Ab-
runter versteht man die von der Wärme- schn. 1.6.3.1, S. 55, und 3.5.1.6, S. 276).
quelle jedem Zentimeter Schweißnaht zu-
geführte Energie. Mit diesem für elektri- Schwefel erzeugt eine ausgeprägte Aniso-
sche Schweißverfahren einfach berechen- tropie der Zähigkeitswerte und verringert
baren Ausdruck lässt sich die thermische prinzipiell die Kerbschlagzähigkeit (Abschn.
Beeinflussung des Werkstoffs durch den 2.7.6.2, S. 190). Bei den gut schweißgeeigne-
Schweißprozess hinreichend genau beschrei- ten Qualitätsstählen nach DIN EN 10025-2
ben. Für elektrische Schweißverfahren (Gütegruppe J2 und K2) ist der Schwefelge-
wird E nach folgender Beziehung berech- halt auf 0,025 % begrenzt. Bei der Mehrzahl
net: der höherfesten niedriglegierten Stähle be-
U◊I V ◊ A ◊s J trägt er sogar weniger als 0,020 %.
E= in = . [3-1]
vs cm cm
Bei den höherfesten Feinkornbaustählen ist
Es bedeuten: die Brucheinschnürung von in Dickenrich-
U Schweißspannung in V, tung entnommenen Zugproben ein wichtiges
I Schweißstrom in A, Kriterium für ihre Neigung zum Terrassen-
vs Vorschubgeschwindigkeit der Wär- bruch. Die wirksamste Maßnahme zum Ver-
mequelle in cm/s. bessern dieses Kennwertes und Verringern
Die tatsächlich in das Werkstück einge- der Zähigkeitsanisotropie besteht darin, die
brachte Wärmemenge Q ( Wärmeeinbrin- Bildung der durch den Walzvorgang langge-
gen, Q k ¹ E) ist vom thermischen Wir- streckten, verformbaren MnS-Einschlüsse
kungsgrad k des Schweißverfahrens ab- zu vermeiden. Metallurgisch ist dieses Ziel
hängig, s. hierzu auch Abschn. 4.3.2.2, auf unterschiedliche Weise erreichbar (Ab-
S. 385. schn. 2.7.6.2, S. 190):
– Begrenzen des Schwefelgehaltes auf sehr
❐ Verbessern der Risssicherheit der Gefüge geringe Werte (… 0,01 %).
z. B. durch – Entschwefeln mit Cer, Calcium oder Zir-
– Wärmenachbehandlung oder (und) konium führt gleichzeitig zu einer güns-
– geeigneten Nahtaufbau (z. B. Pendel- tigen Form der Sulfide. Die Sulfide liegen
lagen-, Vergütungslagentechnik). nicht mehr in der schädlichen ausgewalz-
ten Form vor, sondern als harte, nicht ver-
❐ Erhöhen der Verformbarkeit des Schweiß- formbare Einschlüsse.
gutes. Die spröden Bereiche der WEZ
werden durch ein zähes Schweißgut ent- Phosphor ist einer der gefährlichsten Stahl-
lastet. Die Rissbildung wird so wirksam begleiter. Durch ihn werden insbesondere
unterdrückt. Besonders geeignet sind die Zähigkeitseigenschaften sehr verschlech-
die basischen Stabelektroden, mit denen tert. Die Übergangstemperatur der Kerb-
sehr zähe Schweißgüter herstellbar sind schlagzähigkeit wird um etwa 400 ’C/ Atom-
(Abschn. 4.2.3.1.3, S. 341). prozent Phosphor erhöht. Die Ursache die-
ser extremen Versprödung scheint auf einer
Schwefel bildet mit Eisen das bei 988 ’C entsprechenden Abnahme der Korngrenzen-
schmelzende entartete Fe-FeS-Eutektikum. Oberflächenenergie d. h. der Kohäsion zu
Kurz vor der Erstarrung der Legierung be- beruhen.
steht die Korngrenzensubstanz aus der noch
flüssigen, niedrigschmelzenden Phase FeS. Der durch Phosphor verursachte Bruch ist
Verformungen des Werkstoffs zu diesem Zeit- verformungsarm (kaltspröder Werkstoff) und
punkt z. B. durch entsteht vorzugsweise bei tieferen Tempera-
– Eigenspannungen, die beim Schweißen turen. Phosphor begünstigt also die Kaltriss-
entstehen oder durch eine neigung des Stahles.
242 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

Die starke Seigerungsneigung ist eine wei- Die Löslichkeit des Sauerstoffs im festen
tere unangenehme Eigenschaft des Phos- Eisen ist sehr gering. Sie hängt offenbar sehr
phors, die bei Schweißarbeiten an (den kaum stark vom Reinheitsgrad des Werkstoffs ab.
noch anzutreffenden) unberuhigten Stählen Sauerstoff kann im Stahl atomar gelöst oder
berücksichtigt werden muss. Mit basischen in Form von Oxideinschlüssen vorliegen (Ab-
Stabelektroden wird der Phosphoranteil im schn. 3.5.1.1, S. 270). Ähnlich wie andere Ga-
Schweißgut durch den hohen Calciumgehalt se wirkt Sauerstoff versprödend. Er begüns-
in der Umhüllung weitgehend verschlackt. tigt außerdem die Bildung des versprödend
wirkenden, unerwünschten groben, polygo-
Ähnlich wie bei Schwefel ist der Höchstge- nalen Hochtemperaturferrits. Die Folge ist
halt des Phosphors im Stahl zu begrenzen. eine merkliche Verringerung der Kerbschlag-
Die zugelassenen Grenzwerte entsprechen arbeit bei gleichzeitiger Zunahme der Über-
in der Regel denen des Schwefels. gangstemperatur.

Gelöster Stickstoff ist die Ursache für die 30


Kaltverformung: 3 ... 3,5 %
Abschreck- und Verformungsalterung, deren °C
Alterung: 250 ° C/1 h
Wirkung durch Kohlenstoff möglicherweise
Übergangstemperatur Tü,27

unterstützt wird. Die Abschreckalterung ent- 20


steht nach raschem Abkühlen eines stickstoff-
haltigen Stahls von Temperaturen um Ac1.
Im Gegensatz zur Verformungsalterung ist
die Abschreckalterung verhältnismäßig un- 10

gefährlich. Durch Zusatz von etwa 0,5 % Man- Si-Mn Nb

gan lässt sich ihre leicht versprödende Wir- Walzzustand


normalgeglüht
kung einfach beseitigen. Die Verformungsal- 0
terung im kaltverformten Werkstoff entsteht
durch die Wanderung des interstitiell gelös- 0 40 80 120 160 ppm 200
ten Stickstoffs in die Versetzungskerne (Ab- N frei = Nges - NAl
schn. 1.5.2, S. 42). Durch diese blockierten,
Bild 3-3
»bewegungsunwilligen« Versetzungen wird
Einfluss des Gehalts an freiem Stickstoff auf den An-
die Härte mäßig heraufgesetzt, die Zähig- stieg der Übergangstemperatur der Kerbschlagarbeit
keit bei gleichzeitiger Zunahme der Über- (Charpy-V-Proben) gealterter (3 %/250 ∞C/1 h) unle-
gangstemperatur erheblich herabgesetzt. gierter Baustähle, nach Düren und Schönherr.

Bild 3-3 zeigt den Einfluss des Gehalts an Bei großvolumigen Schweißgütern, wie sie
nicht gebundenem Stickstoff auf den Anstieg z. B. beim UP-Schweißen entstehen, sind al-
der Übergangstemperatur gealterter unle- lerdings bestimmte Mindest-Sauerstoffgehal-
gierter Baustähle in unterschiedlichen Wär- te erforderlich, weil für die Bildung des ge-
mebehandlungszuständen. wünschten feinkörnigen Nadelferritgefüges
heterogene, oxidische Keime notwendig sind
Nach einem Abbinden des Stickstoffs mit (Abschn. 4.2.3.3.2, S. 366). Die praktische Er-
starken Nitridbildnern (z. B. Al, Ti, Nb) ent- fahrung zeigt, dass der Sauerstoffgehalt im
stehen die alterungsunempfindlichen beson- Schweißgut etwa 300 ppm betragen sollte.
ders beruhigten Feinkornstähle. Der als Ni-
trid gebundene Stickstoff (z. B. AlN, TiN) Die schädliche Wirkung des Sauerstoffs lässt
kann aber im hocherhitzten Bereich der WEZ sich durch Desoxidation mit stark sauerstoff-
z. T. wieder gelöst werden. affinen Elementen beseitigen. Hierfür wer-
den z. B. Silicium und Aluminium verwen-
Der Stickstoffgehalt wird daher bei den unbe- det. Die entstehenden silicatischen Oxide
ruhigten und beruhigten Stählen begrenzt. verursachen abhängig von ihrer Größe und
Nach DIN EN 10025-2 wird für diese Stähle Verteilung ebenfalls eine Abnahme der Ver-
ein Höchstgehalt von 0,012 % zugelassen. formbarkeit.
Abschn. 3.2: Schweißeignung der Stähle 243

Die Erscheinungsformen der durch Wasser- kennzeichnet durch einen sehr hohen Rein-
stoff verursachten oder begünstigten Schä- heitsgrad, eine vorgeschriebene chemische
den sind außerordentlich vielfältig. Eine Ur- Zusammensetzung, eine sehr gleichmäßige
sache ist sicherlich sein sehr geringer Atom- Korngröße und eine ausreichend geringe
durchmesser. Die Beweglichkeit der Wasser- Überhitzungsempfindlichkeit (Abschn. 2.7.3.1,
stoffatome in der Matrix ist um einige Zeh- S. 175).
nerpotenzen größer als die jedes anderen Le-
gierungselementes. Wasserstoff kann daher Legierungselemente bewirken:
schon bei niedrigen Temperaturen und sehr – Herabsetzen der kritischen Abkühlge-
kurzen Zeiten sehr große Werkstoffbereiche schwindigkeit. Sie beeinflussen in hohem
durchdringen d. h. schädigen. Maße das Umwandlungsverhalten der
Stähle (Abschn. 2.5.3, S. 145). Bei gleichen
Der wasserstoffinduzierte Kaltriss ist die bei Schweißbedingungen und gleichem C-Ge-
weitem gefährlichste Schadensform des Was- halt ist die Maximalhärte in der WEZ
serstoffs (Abschn. 3.5.1.6). Mit zunehmender des legierten Stahles also merklich grö-
Werkstofffestigkeit nimmt die Kaltrissnei- ßer als in der des unlegierten. Die Härt-
gung zu. Beim Schweißen der vergüteten Fein- barkeit wird verbessert, die Schweißeig-
kornbaustähle (Abschn. 4.3.3, S. 398) ist der nung also verschlechtert. Die mit zuneh-
Wasserstoffgehalt des Schweißguts zwin- mender Legierungsmenge entstehenden
gend auf Werte unter 5 ppm zu begrenzen. Lufthärter lassen sich nur bei Beachtung
verschiedener Vorsichtsmaßnahmen zu-
Der Wasserstoffgehalt hochwertiger Stähle friedenstellend schweißen. Dazu gehören
kann z. B. mit Hilfe der Sekundärmetallur- z. B. hohe Vorwärmtemperaturen und Zu-
gie (Abschn. 2.3.1.1, S. 128) auf etwa 5 ppm satzwerkstoffe, mit denen zähe (wasser-
eingestellt werden. Der Wasserstoffgehalt der stoffarme!) Schweißgüter herstellbar sind.
mit trockenen basisch-umhüllten Stabelekt- In den meisten Fällen ist außerdem eine
roden hergestellten Schweißgüter liegt unter Wärmenachbehandlung erforderlich. Bei-
5 ppm, der mit dem WIG Schweißverfahren spiele sind die hochlegierten, martensi-
bei 1 ppm und der mit zellulose-umhüllten tischen, korrosionsbeständigen lufthär-
Stabelektroden bei 40 ppm bis 50 ppm (Ab- tenden Chromstähle (Abschn. 2.8.4.1, S.
schn. 4.2.3.1.3, S. 344). 215, und Abschn. 4.3.7.3, S. 422).
– Erhöhen der Festigkeitswerte durch ge-
ändertes Umwandlungsverhalten, Aus-
3.2.2 Legierte Stähle scheidungshärtung, Carbidbildung und
(oder) Mischkristallbildung.
Die Schweißeignung (hoch-)legierter Stähle – Erhebliche Verringerung der thermischen
ist grundsätzlich schlechter als die der unle- Leitfähigkeit. Bei einer zu geringen Vor-
gierten. Für eine werkstofflich begründete wärmtemperatur oder einem zu schnel-
Aussage ist die Einteilung in niedrig- und hoch- len Vorwärmen (Abkühlen) können die
legierte Stähle sinnvoll und ausreichend. großen Temperaturdifferenzen zwischen
Rand und Kern des Bauteils dann Ver-
Niedriglegierte Stähle werden meistens im formungen bzw. Risse erzeugen.
wärmebehandelten Zustand verwendet. Viel-
fach werden sie vergütet oder in definierter Bei den hochlegierten Stählen sind allgemein-
Weise wärmebehandelt (z. B. bainitisiert oder gültige Aussagen zur Schweißeignung nicht
mit einem anderen gewünschten Gefüge). möglich. Lediglich für die hochlegierten Ver-
Vergütungsstähle enthalten Elemente, die gütungsstähle (Öl- und Lufthärter) kann in
die Durchhärtbarkeit (z. B. Cr, Mo), die An- der Regel eine so extrem schlechte Schweiß-
lassbeständigkeit (z. B. Mo) und die mecha- eignung angenommen werden, dass von einem
nischen Gütewerte verbessern (z. B. Ni). We- Schweißen abgeraten werden muss. Das Aus-
gen des erforderlichen genauen Ansprechens maß der Rissbildung beim Schweißen ist aber
auf die Wärmebehandlung sind sie u. a. ge- in erster Linie vom Kohlenstoffgehalt des
244 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

Stahles, genauer von dem im Martensitgit- nachteilig für das Bauteil. Die Hauptursa-
ter zwangsgelösten Kohlenstoff abhängig. che ist der für den Schweißprozess charakte-
ristische extreme Temperatur-Zeit-Verlauf.
Die schweißtechnischen Probleme der kor- Er ist durch verschiedene Besonderheiten ge-
rosionsbeständigen Stähle sind äußerst viel- kennzeichnet, Bild 1-1, S. 1:
fältig und komplex. Sie werden gewöhnlich – Große Aufheizgeschwindigkeit. Sie be-
im wesentlich geringeren Umfang durch den trägt einige 100 K/s.
Kohlenstoffgehalt bestimmt. Die spezifischen – Große Abkühlgeschwindigkeit. Werte bis
Besonderheiten werden im Abschn. 4.3.7, S. zu 600 K/s werden erreicht.
414, ausführlich besprochen. Im Folgenden – Geringe »Austenitisierungsdauer«. Sie
sollen beispielhaft nur einige grundsätzliche liegt im Bereich einiger Sekunden.
Hinweise gegeben werden.
Der Temperatur-Zeit-Verlauf beim Schwei-
Austenitische Chrom-Nickel-Stähle ßen ist damit die Ursache für:
– Möglichkeit der Chromcarbidbildung ❐ Werkstoffänderungen. Art und Umfang
im Schweißgut und (oder) der WEZ bei werden für Eisen-Werkstoffe im Abschn.
gleichzeitigem weitgehendem Verlust 4.1, S. 299, für Nichteisen-Metalle im Ab-
der Korrosionsbeständigkeit und/oder schn. 5.1, S. 503, beschrieben.
der Zähigkeit. ❐ Maßänderungen der geschweißten Ver-
– Ausgeprägte Gefahr der Heißrissbil- bindung (Konstruktion). Sie entstehen als
dung durch verschiedene Verunreini- Folge der durch örtliche Temperaturdiffe-
gungen (z. B. B, P, S) bereits in sehr renzen hervorgerufenen Eigenspannun-
geringer Menge. gen.
– Seigerungsneigung z. B. der Elemente
1 Gasschweißen
Molybdän und Chrom, die die Korro- 2 E - Handschweißen
sionsanfälligkeit stark begünstigt und 3 Plasmaschweißen
Temperatur T

die Zähigkeitseigenschaften verrin-


gern.
Ferritische Chromstähle 3 2 1

– Schlechte Zähigkeitseigenschaften als Ac1

Folge ihres krz Gitters.


– Chromcarbidausscheidungen sind in
der WEZ unvermeidbar, wenn der Koh-
lenstoff nicht stabil abgebunden ist, Abstand von der Schweißnahtmitte x
s. Abschn. 2.8.4.2, S. 215.
Martensitische Chromstähle
– Je nach Kohlenstoffgehalt schlecht bis b3 b2 b1
extrem schlecht schweißgeeignet. WEZ 3 WEZ 2 WEZ 1
– Nach dem Anlassen verringerte Korro-
sionsbeständigkeit. HVmax,3
3
2 HVmax,100%M = maximal erreichbare Härte
Härte

HVmax,2
1
3.3 Wirkung der Wärmequelle HVmax,1

HVGW
Die verwendete Wärmequelle bewirkt wäh- HVGW = Grundwerkstoffhärte
rend des Schweißens eine Reihe von werkstoff-
Abstand von der Schweißnahtmitte x
lichen, chemischen und (metall-)physikali-
schen Änderungen der Schweißverbindung Bild 3-4
Einfluss der Leistungsdichte verschiedener Schweiß-
und maßlichen Abweichungen des geschweiß-
verfahren auf die Maximalhärte in der WEZ (HVmax,1 ,
ten Bauteils. Werkstoffänderungen treten im HVmax,2 , HVmax,3 ) und auf ihre Breite (b1 , b2 , b3 ), darge-
großen Umfang nur bei den Schmelzschweiß- stellt für unwandlungsfähige Stähle. Stark schema-
verfahren auf. Sämtliche Änderungen sind tisiert.
Abschn. 3.3: Wirkung der Wärmequelle 245

❐ Verminderung der Korrosionsbeständig- Tabelle 3-1


keit durch Eigenspannungen und Gefüge- Leistungsdichtenbereich einiger bekannter Schweiß-
verfahren.
änderungen (Abschn. 4.3.7, S. 414).
❐ Verschiedene chemische und physikalische Schweißverfahren Leistungsdichte
Prozesse vorwiegend in dem Bereich der
Schweißschmelze. Dazu gehören: W/cm2
– Lösen von Gasen (Schlacke, Atmosphä- E-Handschweißen 104 ... 5
re), wodurch Reaktionen im Gas-Me- Schutzgasschweißen 105 ... 6
tall-System oder mit in der Schmelze UP-Schweißen 105 ... 6
gelösten Elementen entstehen, Elektronenstrahlschweißen 107 ... 8
– Ausscheiden der Gase (Poren), Laserschweißen 108 ... 9
– Reaktionen mit Schweißpulver oder
der Schlacke. wird in der WEZ erreicht, wenn deren Gefü-
ge aus 100 % Martensit besteht.

3.3.1 Temperatur-Zeit-Verlauf Verfahren mit großer Leistungsdichte erzeu-


gen eine sehr schmale Wärmeeinflusszone
Die Leistungsdichte des Schweißverfahrens und führen nur zu einem sehr geringen Bau-
bestimmt den T-t-Verlauf, Tabelle 3-1. Bei teilverzug. Der oft entscheidende Nachteil
gleichen Bedingungen nimmt mit zunehmen- ist aber die sehr große Maximalhärte in der
der Leistungsdichte die Abkühlgeschwin- WEZ von Stahlschweißungen als Folge der
digkeit zu, die Breite der WEZ ab, und die sehr hohen Abkühlgeschwindigkeit.
Maximalhärte in der WEZ wird größer, Bild
3-4. Die maximal mögliche Härte HVmax,100%M Das entstehende Temperatur-Zeit-Feld ist
von der Leistungsdichte der Wärmequelle
x
abhängig. Die thermische Beeinflussung des
Werkstoffes kann mit dem mit Gl. [3-1] ein-
vs geführten Parameter Wärmeeinbringen Q
für praktische Bedürfnisse hinreichend ge-
y
nau beschrieben werden.

Der Verlauf der Isothermen in der Blechebe-


ne für einen bestimmten Zeitpunkt ist in
Bild 3-5 dargestellt. Bild 3-6 zeigt schema-
z tisch den zeitabhängigen Verlauf von vier
6 Temperaturzyklen, die mit unterschiedlich
cm Temperatur in ° C weit von der Schmelzlinie angebrachten Ther-
4 moelementen gemessen wurden (vgl. auch
Abstand von Mittellinie

Bild 1-1, S. 1). Die jeweils erreichte höchste


2 Temperatur wird Spitzentemperatur Tmax ge-
nannt.
1500 x
0
Der Temperaturverlauf kann experimentell
300 400 800
2 bestimmt, mit einigen Vereinfachungen und
200
Annahmen aber auch berechnet werden.
4
100 Es ist deutlich die Unmöglichkeit zu erken-
6 y nen, eine Abkühlgeschwindigkeit anzugeben.
Schweißrichtung Je nach Temperatur-Zyklus und Bezugs-
Bild 3-5 temperatur lassen sich beliebig viele sehr
Verlauf der Isothermen beim Lichtbogenhandschwei- unterschiedliche Werte angeben. Es erweist
ßen (Wärmeeinbringen Q = 42 kJ/cm), nach Rykalin. sich in der Praxis auch nicht als sinnvoll, die
246 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

Abkühlgeschwindigkeit durch die fehlerbe- gelöst. Die zurückbleibenden Carbidreste


haftete Tangentenkonstruktion (dT/dt) zu be- behindern das Wachstum der Austenitkör-
stimmen. Die werkstofflichen Vorgänge beim ner. Die nicht gelösten Legierungselemente
Abkühlen werden einfach und für die Praxis verändern das Umwandlungsverhalten
genügend genau durch die Abkühlzeit t8/5 zwi- des heterogenen (und inhomogenen) Aus-
schen 800 ’C und 500 ’C (bzw. Ac3 und 500 ’C) tenits.
bestimmt, Bild 3-7. In dem angegebenen Tem- – Als Folge der extremen Spitzentempera-
peraturbereich finden bei Stählen die wichtigs- tur unmittelbar neben der Schmelzgrenze
ten Gefügeumwandlungen statt. In manchen entsteht ein von anderen technischen Wär-
werkstofflichen Situationen erweisen sich mebehandlungen nicht bekanntes uner-
andere Abkühlzeiten als aussagefähiger. Für wünschtes, grobes Austenitkorn und da-
Untersuchungen des Kaltrissverhaltens wird mit auch ein grobes, d. h. wenig verform-
z. B. die Abkühlzeit t3/1 vorgezogen, weil die bares Umwandlungsgefüge.
Bildung und der Fortschritt der Kaltrisse im – Die geringe »Haltezeit« im Austenitgebiet
Wesentlichen unterhalb 300 ’C erfolgt. begünstigt zusätzlich die Austenithetero-
genität.
1 4 3 2 1
In vielen Fällen ist die rechnerische Ermitt-
lung der Abkühlgeschwindigkeit bzw. -zeit
der aufwändigen messtechnischen vorzuzie-
Temperatur T

hen. Die von Rykalin u. a. entwickelten Be-


ziehungen beruhen auf folgenden Annah-
men:
– Eine punktförmige Wärmequelle bewegt
2
Tmax sich mit konstanter Geschwindigkeit v
3
über die Blechoberfläche.
4
– Die physikalischen Eigenschaften, wie
Wärmeleitfähigkeit l, spezifische Wärme
cp sind temperaturunabhängig.
– Ein Wärmeaustausch Blech-Umgebung
Zeit t darf nicht stattfinden, d. h., das System
verhält sich adiabatisch.
Bild 3-6
Temperatur-Zeit-Verlauf an vier unterschiedlich weit – Die Plattenabmessungen müssen ther-
von der Schmelzlinie entfernten Orten, gemessen mit misch »unendlich« groß sein, d. h., die
Thermoelementen 1, 2, 3, 4. Wärme kann radial in alle Richtungen
mit gleicher Intensität abfließen.
Die Messung der Abkühlgeschwindigkeit vab
wird durch die experimentell viel leichter be- Tmax Abkühlzeit t 8/5 = t 500 - t 800
stimmbare Größe Zeit t8/5 ersetzt:
Temperatur T

800
DT 300 1
vab = = L in ∞C/s. [3-2]
t8/5 t8/5 t8/5
D T

Eine vollständige Beschreibung der thermi-


500
schen Ereignisse und Vorgänge beim Schwei-
ßen ist aber durch die alleinige Angabe der t 8/5
Abkühlzeit t8/5 nicht möglich. Bild 3-7 (s. a.
Bild 2-12, S. 137) zeigt schematisch die wich-
t 800 t 500
tigsten Zusammenhänge (s. auch Abschn.
Zeit t
4.1.3, S. 310):
– Durch das rasche Aufheizen werden die Bild 3-7
Gefügebestandteile nicht vollständig auf- Zur Definition der Abkühlzeit t8/5.
Abschn. 3.3: Wirkung der Wärmequelle 247

Die Erfahrung zeigt, dass die berechneten Für thermisch dünne Bleche gilt:
Abkühlzeiten bzw. -geschwindigkeiten trotz 2
dT Ê dˆ
= 2 p l r cp ◊ Á ˜ ◊ (T - T0 ) .
3
der in der Schweißpraxis oft nicht zutreffen- [3-4]
den Annahmen genügend genau sind. dt Ë Q¯
r Dichte des Werkstoffs in kg/m3,
Nach der Art der Wärmeabführung, Bild 3-8, cp spezifische Wärme in J/kg¹K,
unterscheidet man die beiden Fälle: d Werkstückdicke in m.

Zweidimensionaler Wärmefluss, Wie bereits erwähnt, wird die Abkühlzeit t8/5


d. h., die Wärme fließt nur in der Blechebe- als Maßstab für die Abkühlgeschwindigkeit
ne ab, nicht in Dickenrichtung. Die Tempe- in den meisten Fällen vorgezogen. Hierfür
raturverteilung über der Blechdicke muss ergeben sich für den dreidimensionalen Wär-
also annähernd konstant sein. Diese Si- mefluss:
tuation trifft z. B. für dünne Werkstücke Q Ê 1 1 ˆ
und beim Brennschneiden zu. t8/5 = ◊Á - [3-5]
2 p l Ë 500 - T0 800 - T0 ˜¯
Dreidimensionaler Wärmefluss, und für den Wärmefluss in zwei Richtun-
d. h., die Wärme kann in alle Richtungen gen, Gl. [3-6]:
abfließen. Diese Bedingungen liegen bei
Ê Q ˆ ÈÊ ˆ ˘
2 2
ˆ Ê
2
dicken Blechen vor. 1 1 1
t8/5 = Á ˜ Í - ÁË 800 - T ˜¯ ˙ .
4 p l cp r Ë d ¯ ÍÁË 500 - T0 ˜¯ ˙˚
Î 0
Für den dreidimensionalen Wärmefluss er-
gibt sich die Abkühlgeschwindigkeit zu:

dT 2 p l
◊ (T - T0 ) . [3-3]
2
=
dt Q

dT Abkühlgeschwindigkeit in der Mittel-


dt linie der Schweißnaht in K/h, Toben
l Wärmeleitfähigkeit in W/mK,
Q Wärmeeinbringen, Q k¹E k¹U I/v
in Wh/m, s. Abschn. 3.2.1.2. Diese un- Tunten
Isotherme
üblichen Einheiten resultieren aus der a)
Tatsache, dass die Vorschubgeschwin-
digkeit der Wärmequelle vs in m/h ange-
geben wird.
T0 Werkstücktemperatur, z. B. Vorwärm-
oder Raumtemperatur in K.

Die Abkühlgeschwindigkeit bei dreidimen-


sionalem Wärmefluss ist unabhängig von
der Werkstückdicke. Dieses Ergebnis darf
nicht zu dem Schluss verleiten, dass mit wei- Isotherme
ter steigender Blechdicke auch keine Eigen-
schaftsänderungen mehr stattfinden. Natür- b)

lich können die von der Abkühlgeschwindig- Bild 3-8


keit abhängigen werkstofflichen Änderungen Möglichkeiten des Wärmeflusses.
nicht auftreten. Der mit der Werkstückdicke a) Zweidimensionaler Wärmefluss (»dünne« Bleche),
die Isothermen verlaufen theoretisch senkrecht zur
schärfer werdende Eigenspannungszustand
Blechoberfläche: Toben = Tunten ,
begünstigt aber die Rissneigung und fördert b) dreidimensionaler Wärmefluss (thermisch »unend-
die Werkstoffversprödung (Spannungsver- lich dickes« Blech). Beachte den geänderten Verlauf
sprödung, s. Abschn. 3.4.1). der Isothermen.
248 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

T1 T1 Gleichmäßige Temperaturverteilung im
Stab.

D T
T0 T0

T0 1 Stab bei Anfangstemperatur T0 .

l D l

Der eingespannte Stab wird um den Be-


FS 2 trag D T = T1 - T0 auf die konstante Tem-
T1 peratur T1 erwärmt. Die Behinderung der
D l = a × l× D T FR Dehnung um D l erzeugt in den Auflagern
eine Druckkraft - FR.

FS 3 Der eingespannte, auf die konstante Tem-


peratur T1 erwärmte Stab kühlt auf die An-
T0
fangstemperatur T0 ab und erzeugt in den
FR Auflagern die Reaktionskraft + F R.
a) b)

Bild 3-9
Ausdehnung eines gleichmäßig erwärmten Stabes.
a) Stab bei unbehinderter Ausdehnung wird beim Erwärmen um D l = a ◊ l◊ (T1 - T0 ) länger, beim Abkühlen um
den gleichen Betrag kürzer. Der Stab bleibt völlig spannungsfrei.
b) Stab bei behinderter Ausdehnung (1) dehnt sich aus und versucht, die Widerlager wegzudrücken (2). Diese
müssen die dadurch entstehenden Reaktionskräfte - FR aufnehmen. Beim Abkühlen auf T0 zieht sich der
Stab um den gleichen Betrag D l = D lel + D lpl zusammen. Der plastische Anteil der Verformung erzeugt gemäß
Beziehung [3-8] die Reaktionskraft + FR und die gleichgroße Stabkraft FS (3).

Ungleichmäßige Temperaturverteilung im
Stab als Folge der punktförmigen Wärme-
quelle beim Schweißen.
D T
D T

T0 T0

D x D l D x
Die ungleichmäßige Temperaturverteilung
führt auch im frei aufliegenden Stab zu un-
FR 1 terschiedlichen Verformungen innerhalb je-
des Stababschnittes D x. Der Stab ist also
nicht mehr spannungslos, in ihm entste-
hen mehrachsige (Schweiß-)Eigenspannun-
gen.
l D l Querschnitt S
Nach dem Abkühlen sind im Stab Eigen-
FS 2 spannungen und die als Folge der behin-
FR
derten Verformung des eingespannten Sta-
bes zusätzlich entstehenden Reaktions-
spannungen s = FR / S vorhanden.
a)

Bild 3-10
Behinderte Ausdehnung einer geschweißten Verbindung.
a) Die frei aufliegende Schweißverbindung kann sich bei der für den Schweißprozess typischen ungleichmä-
ßigen Temperaturverteilung nicht frei ausdehnen, weil bei konstanten Wegdifferenzen D xi unterschiedliche
Temperaturdifferenzen D Ti und damit unterschiedliche Verformungen D li entstehen. Die ungleichmäßige
Temperaturverteilung ist auch die Ursache für das Entstehen der Eigenspannungen (nicht Reaktionsspannun-
gen!) und der Bauteilverzüge (Schrumpfung).
b) Bei der eingespannten Schweißverbindung (1) entstehen gemäß Bild 3-9b zusätzlich Reaktionskräfte FR (2),
die sich den hier nicht eingezeichneten Eigenspannungen überlagern (s. Bild 3-11).
Abschn. 3.3: Wirkung der Wärmequelle 249

Der Übergang vom zwei- zum dreidimensi- Ein frei beweglicher Stab mit der Länge l
onalen Wärmefluss geschieht bei der Über- und dem Wärmeausdehnungskoeffizienten a
gangsblechdicke dü, die durch Gleichsetzen wird nach einer Erwärmung um 'T um den
der Beziehungen [3-5] und [3-6] ermittelt Betrag 'l a ◊ l ◊ 'T länger. Wird die Ausdeh-
wird: nung vollständig behindert, dann entsteht
im Stab nach dem Hookeschen Gesetz folgen-
Q ⎛ 1 1 ⎞ de Spannung, Gl. [3-8]:
dü = ⋅⎜ + ⎟. [3-7]
2 cp ρ ⎝ 500 − T0 800 − T0 ⎠ F Dl a l DT
s = =e◊E= ◊E= ◊ E = a ◊ DT ◊ E.
S l l
Das Konzept der Abkühlzeiten erweist sich
vor allem bei den höherfesten (vergüteten) Die Verhältnisse bei einem auf die konstan-
Feinkornbaustählen als zuverlässiges Mittel te Temperatur T1 erwärmten frei beweglichen
zum Bestimmen bzw. Festlegen der erforder- Körper zeigt Bild 3-9a. Beim Erwärmen wird
lichen Abkühl-, d. h. der Schweißbedingun- der Stab kräftefrei um 'l länger, beim Abküh-
gen (d. h. Q). Für diese Stähle existieren len auf T0 um den gleichen Betrag kürzer. Er
verschiedene grafische Methoden und ma- ist nach dem Abkühlen völlig spannungs-
thematische Beziehungen, in denen die phy- los.
sikalischen Eigenschaften der Werkstof-
fe bereits zahlenmäßig berücksichtigt sind Die Ausdehnung des erwärmten fest einge-
(Abschn. 4.3.2.2, S. 385). Die Berechnung spannten Stabes ' l ' lel  ' lpl erfolgt zu-
bzw. Bestimmung wird dadurch erleichtert nächst elastisch ('lel), dann plastisch ('lpl).
und übersichtlich. Für die folgenden Betrachtungen soll ange-
nommen werden, dass der Stab frei von me-
chanischen Instabilitäten (z. B. Ausknicken)
3.3.2 Eigenspannung; bleibt. Die Ausdehnung des Stabes erzeugt
Schrumpfung, Verzug in den Widerlagern die Reaktionskraft FR
(Druck). Beim anschließenden Abkühlen ver-
Die Ursache und die Art der werkstofflichen sucht der Stab, um 'l kürzer zu werden. Bei
Änderungen beruhen auf dem typischen Tem- der vorausgesetzten festen Einspannung er-
peratur-Zeit-Verlauf beim Schweißen. Die zeugt der plastische Anteil gemäß der Bezie-
punktförmige und leistungsdichte Wärme- hung Gl. [3-8] im Auflager die Reaktions-
quelle erzwingt Eigenspannungen und Än- kraft FR epl ¹ E¹S, die die gleiche Größe hat
derungen der Bauteilabmessungen 'l. Eigen- wie die Stabkraft FS.
spannungen entstehen nicht wie Lastspan-
nungen durch die Einwirkung äußerer Kräf- In Schweißverbindungen entstehen aufgrund
te und Momente, sondern durch eine Reihe der nicht mehr konstanten Temperaturver-
von Faktoren, die zu ungleichmäßig verteil- teilung bei konstanten Wegstrecken 'x unter-
ten plastischen Verformungen im Bauteil schiedliche Temperaturdifferenzen 'T, d. h.
führen: auch unterschiedliche Verformungen, Bild
– Temperaturdifferenzen 'T, 3-10 zeigt nähere Einzelheiten. Diese un-
– Umwandlungsvorgänge, z. B. g  Mar- gleichmäßige Verformungsverteilung ist die
tensit, Ursache der Eigenspannungen im geschweiß-
– plastisches Verformen, ten Bauteil. In der Nähe der Schweißnaht
– Änderung des Stoffschlusses, z. B. durch entstehen wegen der hohen Temperaturen
unterschiedliche Wärmeausdehnungsko- überwiegend plastische, kaum aber elasti-
effizienten der zu verbindenden Werk- sche Verformungen.
stoffe.
In eingespannten Schweißverbindungen ent-
Die Temperaturdifferenzen sind die wichtigs- stehen zusätzlich Reaktionsspannungen, de-
te Ursache für die im geschweißten Bauteil ren Größe vom Grad der Einspannung ab-
entstehenden Eigenspannungen bzw. Defor- hängt, Bild 3-10b. Bei fester Einspannung
mationen. bildet sich durch das Zusammenwirken der
250 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

Eigen-, Last- und Reaktionsspannungen ein – Verringern der Steifigkeit der Kons-
sehr stark rissbegünstigender Beanspru- truktion.
chungszustand aus. Außerdem wird durch
den Mechanismus der Spannungsversprö- ❐ Die Reaktionsspannungen werden nur
dung die Bildung spröder Brüche sehr er- von der Größe der Verformungsbehinde-
leichtert. rung ' l, dem E-Modul und der Steifig-
keit der Konstruktion bestimmt.
Die Werkstückdicke und Verformbarkeit des
Werkstoffs bestimmen neben dem Grad der Grundsätzlich gilt, dass eine geschweißte
Einspannung weitgehend die Größe der Ei- Konstruktion weder eigenspannungsfrei noch
gen- und Reaktionsspannungen. Dünnere verzugsfrei hergestellt werden kann. Die Ur-
Werkstücke können der Last leichter durch sache beider Erscheinungen ist die nicht ver-
Beulen, Knicken oder plastische Verformung hinderbare Schrumpfung ' l der Fügeteile
ausweichen als dickere. Gefährliche Span- bzw. der Konstruktion. Daraus ergeben sich
nungszustände im Schweißteil entstehen in die folgenden Zusammenhänge:
der Regel nicht. Allerdings ist das Bauteil
deutlich stärker verformt. Je größer die Werk- In dünnwandigen, geschweißten Konstruk-
stoffzähigkeit ist, desto leichter werden Span- tionen entsteht als Folge der Schrumpfung
nungen durch plastische Verformungen abge- überwiegend Verzug (Verformungen, Maß-
baut. änderungen). Eigenspannungen können sich
nicht aufbauen. Dickwandige sind so steif,
Damit ergibt sich folgender wichtiger Zusam- dass die Schrumpfbewegung 'l nicht entste-
menhang: hen kann. Nach Hooke wird ' l vollständig
in Spannung »umgesetzt«.
❐ Größe und Verteilung der Eigenspannun-
gen werden ausschließlich von der Tempe- Der Verzug ist bei dünnwandigen Teilen mit
raturverteilung in der Schweißverbindung einer festen Einspannung und einer geeigne-
und der Steifigkeit der Konstruktion be- ten Schweißfolge weitgehend vermeidbar.
stimmt. Die Temperaturdifferenzen neh- Mit den folgenden praxiserprobten Metho-
men mit zunehmender Leistungsdichte den lassen sich die Wirkungen der prinzipi-
des Schweißverfahrens und abnehmender ell nicht verhinderbaren Schweißeigenspan-
Wärmeleitfähigkeit des Werkstoffs zu. Die nungen beseitigen bzw. klein halten:
Eigenspannungen lassen sich demnach – Wahl von Zusatzwerkstoffen, die ein zä-
verringern: hes, risssicheres Schweißgut ergeben. Die
– Durch Vorwärmen der Fügeteile, Schweißeigenspannungen werden dann
– mit einem weniger leistungsdichten durch plastische Verformung weitgehend
Verfahren, »abgebaut«.
– mit einem Werkstoff, der die Spannun- – Spannungsarmglühen ist das wirksamste,
gen durch Plastifizieren abbauen kann aber auch ein verhältnismäßig teures Ver-
und (oder) fahren.

Bild 3-11
Verteilung der Eigenspannungen
in einer Stumpfnaht.
a) Längseigenspannungen,
b) Quereigenspannungen. a) b)
Abschn. 3.3: Wirkung der Wärmequelle 251

Die Verteilung der im Werkstück entstehen- chanik, treten bei der Variante a) Reaktions-
den Eigenspannungen zeigt einige Beson- spannungen in der Stumpf- bzw. Kehlnaht
derheiten, Bild 3-11. Wichtiges Kennzeichen auf, Bild 3-12a, deren Größe mit dem Schweiß-
ist das Spannungs- und Momentengleichge- gutvolumen zunimmt. Die Anwendung leis-
wicht im Bauteil. Eine Störung des Gleichge- tungsdichter Verfahren, z. B. des Plasma-
wichts z. B. als Folge einer spangebenden Be- oder Elektronenstrahlschweißverfahrens,
arbeitung entfernt zusammenhängende Volu- führt bei der Konstruktion zu einer Verringe-
menbereiche, in denen Zug- oder Druckeigen- rung der Reaktionsspannungen, Bild 3-12b.
spannungen wirken. Durch das nun gestörte Bei konventionellen Verfahren muss häufig
Gleichgewicht wird das Bauteil in eine ge- die konstruktive Auslegung an die verfah-
mäß der resultierenden Spannung vorgege- renstechnischen Möglichkeiten bei Beach-
benen Richtung verzogen. Bei hohen Anforde- tung wirtschaftlicher Gesichtspunkte ange-
rungen an die Maßgenauigkeit müssen da- passt werden, wie z. B. Bild 3-12a zeigt.
her solche Schweißkonstruktionen vor der
spangebenden Bearbeitung spannungsarm Unabhängig von der gewählten Schweißtech-
geglüht werden. nologie besteht in großen Nahtbereichen eine
ausgeprägte Spannungsinhomogenität. Bei
Nahtvorbereitung für
unsymmetrischen Profilen bestimmen dann
konventionelle und z. B. für Els - Verfahren
die Steifigkeitsverhältnisse der einzelnen
Bauelemente und die Lage ihrer Schwerachse
(S) im geschweißten Bauteil die Verteilung
der Längsspannungsanteile im Gesamtsys-
a) b)
tem, Bild 3-13.

Bild 3-12 Die nahezu vollständige Durchwärmung des


Konstruktive Möglichkeiten einer Bohrungsverstär-
schwächeren Gurtes, Bild 3-13a, durch die
kung für:
a) Konventionelle Schweißverfahren, Halsnaht und damit das schnellere Auslösen
b) Verfahren mit hoher Leistungsdichte (z. B. Elekt- von plastischen Verformungen im Wurzel-
ronenstrahlschweißen). bereich des Steges führen mit dem größeren
Hebelarm zu konkaven Krümmungen. Der
Eigenspannungen in Dickenrichtung entste- dickwandige Gurt erwärmt sich dagegen lang-
hen erst bei größeren Werkstückdicken. Der samer, Bild 3-13b, und stellt im Verhältnis
dann vorliegende dreiachsige Eigenspan- zum Stegblech einen größeren Verformungs-
nungszustand ist wegen seiner verspröden- widerstand dar. Die Krümmung ist konvex.
den Wirkung gefürchtet (Abschn. 3.4.1). Ein
Spannungsarmglühen ist in den meisten Fäl-
len unerlässlich.

Reaktionsspannungen entstehen durch äu- S

ßere Einspannungen, die das Bauteil an der


Schrumpfbewegung hindern (z. B. Rippen, a)
Aussteifungen), wie bereits in Bild 3-10 erläu-
tert wurde. Wenn die einzelnen Schweiß- bzw.
Fügeteile durch eine fachgerechte Schweißfol-
ge frei schrumpfen können, dann werden die
S
Reaktionsspannungen entsprechend klein
sein. Konstrukteur und Fertigungsingenieur
beeinflussen durch die Gestaltung und die b)
Auswahl der Fugenform die Höhe der Re-
Bild 3-13
aktionsspannungen. Bei der Bohrungsver- Modellvorstellung von der Ausbildung von Schrump-
stärkung, Bild 3-12, einer klassischen festen fungen und Spannungen bei unterschiedlichen Aus-
Einspannung im Sinne der technischen Me- führungsformen eines T-Trägers.
252 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

Je nach Schrumpfart und -richtung unter- Die Querschrumpfung von Bauteilen, die
scheidet man die Längs-, Quer-, Dicken- und durch Kehlnähte an Rippen oder Aussteifun-
Winkelschrumpfung, Bild 3-14. Das Schrump- gen quer zur Richtung der Kehlnaht hervor-
fen beeinträchtigt kaum die Bauteilsicher- gerufen wird, ist hauptsächlich vom Verhält-
heit, wohl aber die Gebrauchseigenschaften nis Nahtdicke zu Werkstückdicke a/t abhän-
der Konstruktion. In diesem Fall muss der gig. Mit zunehmendem Verhältnis a/t wird
Verzug mit meistens aufwändigen Maßnah- die Querschrumpfung größer, wie Bild 3-16
men beseitigt werden. zeigt. Ursächlich hängt sie mit der thermi-
schen Wirkung des geschmolzenen Schweiß-
3.3.2.1 Querschrumpfung gutes zusammen. Um die Querschrumpfung
Die Querschrumpfung erfolgt senkrecht zur gering zu halten, muss entsprechend der
Schweißnaht. Der Hauptanteil der Gesamt- Werkstückdicke die günstigste Nahtdicke
schrumpfung (ca. 85 % bis 90 %) erfolgt in den festgelegt bzw. ermittelt werden.
hocherhitzten Werkstoffbereichen geringer
Festigkeit, die parallel unmittelbar neben 8
70 °
der Schmelzlinie verlaufen. Der Rest geht mm 2
auf das Schwinden des Schweißgutes zu-
Schrumpfung D l

6
rück. Man spricht auch von Parallelschrump-
fung. Die absolute Größe der Querschrump-
60 °
fung ist vom Nahtquerschnitt, der Naht- 4 1
form, der Nahtlänge, dem Schweißverfah- 10 °
3
ren und der Technologie der Ausführung (z.
3
B. Einlagen- Mehrlagentechnik, Größe des 2
Schweißstromes bzw. der Schweißgeschwin- 1 2

digkeit) abhängig. Zu dick ausgeführte oder


beim Schweißen der Wurzellage nicht genü- 0
0 20 40 60 80 mm 100
gend durchgewärmte Heftstellen können der Werkstückdicke t
Querschrumpfung entgegenwirken, aber die Bild 3-15
Unternahtrissigkeit begünstigen. Der domi- Querschrumpfung in Abhängigkeit von der Werkstück-
nierende Einfluss der Naht- oder Blechdicke dicke, nach Malisius.
bei Stumpfnähten geht z. B. aus Untersuchun-
gen von Malisius hervor, Bild 3-15. 3.3.2.2 Winkelschrumpfung
Mit der Querschrumpfung ist auch immer
eine Winkelschrumpfung verbunden. Der un-
symmetrische Nahtaufbau und das sich dar-
aus entwickelnde Temperaturfeld lösen nach
a) dem Erkalten außermittige Schrumpfkräfte
aus, die je nach Steifigkeit eine Winkelände-
rung hervorrufen. Das einlagige Schweißen
b) von Kehlnähten größerer Dicke sollte der
Mehrlagentechnik vorgezogen werden, wenn
geringe Winkelschrumpfungen gefordert bzw.
erwünscht sind. Im Dünnblechbereich, bei
dem in der Regel eine gute Durchwärmung
a

erreicht wird, ist die Winkelschrumpfung


c) d)
kleiner und muss in der Regel nicht beachtet
Bild 3-14 werden. Auch hier bestimmt das Verhältnis
Schrumpfarten und -richtungen in einer Schweißver- Nahtdicke zu Werkstückdicke die Höhe der
bindung.
Winkelschrumpfung. Bei den Stumpfnähten
a) Längsschrumpfung,
b) Querschrumpfung, sind dagegen Nahtöffnungswinkel, Nahtdi-
c) Dickenschrumpfung, cke und Lagenanzahl die entscheidenden
d) Winkelschrumpfung a. Einflussgrößen, Bild 3-17.
Abschn. 3.3: Wirkung der Wärmequelle 253

3.3.2.3 Längsschrumpfung 3.3.2.4 Haupteinflüsse auf Schrump-


Die Größe der Längsschrumpfungen ist in fungen und Spannungen
erster Linie von der Gesamtsteifigkeit der
Konstruktion abhängig. Je nach dem Ver- Wärmemenge und Schweißverfahren
hältnis Gesamtquerschnitt der Konstruktion Den größten Einfluss auf Dehnungen und
zu Schweißnahtquerschnitt kann die Längs- Schrumpfungen hat die in das Bauteil einge-
schrumpfung folgende geometrische Ände- brachte Wärmemenge bzw. der von ihr er-
rungen des Bauteils erzeugen: zeugte Temperaturgradient. Schweißverfah-
– Kürzung, ren mit geringer Leistungsdichte bewirken
– Krümmung, ein breites Temperaturfeld, wobei der inter-
– Verwerfungen und Beulung. essierende Isothermenbereich (bis 600 ’C) be-
sonders groß ist. Beim Gasschweißen z. B.
Eine Bauteilverkürzung ist besonders bei sym- wandert der größte Teil der Wärme in den
metrisch angeordneten sehr langen Nähten Werkstoff ab. Schrumpfungen und geringe-
zu beobachten. Im Allgemeinen rechnet man re Spannungen über größere Bereiche ent-
mit Werten von 0,1 bis 0,3 mm für jeden Me- wickeln sich deshalb stärker als beim E-
ter Schweißnahtlänge. Einlagig und durch- Schweißverfahren, Bild 3-5.
gehend geschweißte Halsnähte, z. B. von I-
Trägern, ergeben eine größere Längenver- Mit der Änderung der Elektrodenpolung än-
kürzung als unterbrochene oder mehrlagig dert sich auch die Temperatur im Lichtbo-
geschweißte Nähte. Bei letzteren wirkt sich genbrennfleck um einige hundert Grad Cel-
die bessere Durchwärmung günstiger auf die sius und folglich auch die Größe der Span-
Schrumpfwirkung aus. nungen und Schrumpfungen.

Die Größe des Temperaturfeldes hängt auch


von der Schweißgeschwindigkeit ab. Nimmt
sie zu, dann verkleinert sich das Isothermen-
feld und somit die Größe der Schrumpfun-
gen. Die Eigenspannungen nehmen wegen
des größeren Temperaturgradienten zu, ihre
Wirkung ist allerdings meistens geringer,
t

weil sie nur in kleineren Werkstoffbereichen


D l /2
wirksam sind. Hier zeigt sich das viel günsti-
a

gere Schrumpfungsverhalten der mechani-


a 2,5 5 6
Verhältnis
t 10 10 10
60 °
Querschrumpfung 0 0,3 0,5
ǻl in mm
t

Bild 3-16
Querschrumpfung durch Kehlnähte unterschiedlicher Werkstückdicke Elektrodenart Schrumpfungswinkel
Auslegungsart. t in mm Lagenzahl α in Grad

6 dickumhüllt 1
Außermittig liegende Schweißnähte bei un- 2 Lagen
symmetrischen Profilen können eine Krüm- 12 dünnumhüllt 1
3 Lagen
mung des Konstruktionselementes hervor-
12 dickumhüllt 3,5
rufen, wenn der Verformungswiderstand der 5 Lagen
Konstruktion zu gering ist. Die Größe der 18 dickumhüllt 6
Krümmung lässt sich durch gegenüberliegen- 7 Lagen
de oder unterbrochen angeordnete Schweiß-
Bild 3-17
nähte beseitigen bzw. verringern. Für dünn- Einfluss der Werkstückdicke und der Lagenzahl beim
wandige Bauteile sind Beulprobleme typisch Lichtbogenhandschweißen auf den Schrumpfungs-
und unangenehm. winkel a bei Stumpfnähten.
254 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

schen bzw. der Hochleistungsverfahren als Konstruktionseinfluss


Folge ihrer wesentlich größeren Schweißge- Die Entstehung der Schrumpfungen und Ei-
schwindigkeit. Die besonderen Vorteile der genspannungen sowie ihre Auswirkungen
Impulsschweißverfahren sind neben dem ver- werden in hohem Maße von der Art der Kons-
besserten Tropfenübergang und einer weit- truktion und der Schweißfolge bestimmt.
gehenden Spritzerfreiheit deshalb vor allem Die folgenden wechselwirkenden Einflüsse
die Reduzierung der eingebrachten Wärme- sind zu nennen:
menge (bis zu 30 %). – Steifigkeit der Konstruktionselemente,
– ihr Einspannungsverhältnis untereinan-
der,
Werkstoffeinfluss – ihr Verformungs- und Dehnungsvermö-
Die unterschiedlichen Schrumpfungs- und gen,
Spannungsreaktionen der Werkstoffe lassen – Nahtdicke, -lage, -länge sowie Nahtgeo-
sich zum größten Teil mit ihren physikali- metrie,
schen Eigenschaften erklären. Zu ihnen gehö- – Ausführungsreihenfolge der Nähte, Ein-
ren u. a. die temperaturabhängigen Größen satz von Schweißvorrichtungen.
wie die spezifische Wärme cp, die Dichte r,
die Wärmeleitfähigkeit l und der Wärmeaus- Die Minimierung der Schrumpfungen und
dehnungskoeffizient a, von denen die letzten Spannungen ist daher für die technische Be-
beiden für die genannten Prozesse die weit- währung des Bauteils von großer (wirtschaft-
aus größte Bedeutung haben. Vergleicht man licher) Bedeutung. Die analytische Beschrei-
das Schrumpfungs- und Spannungsverhalten bung der Schrumpfungseffekte ist, sofern
wichtiger Werkstoffgruppen mit denen der überhaupt vorhanden, sehr ungenau. Den
unlegierten Baustähle, dann findet man die- meisten Kenntnissen liegen experimentelle
se Tatsache bestätigt, Tabelle 2-18, S. 218. Ergebnisse auf der Basis von annähernd op-
timalen Schweißparametern zugrunde. Eine
Wegen ihres größeren Wärmeausdehnungs- Abschätzung der zu erwartenden Schrump-
koeffizienten schrumpfen hochlegierte Stäh- fungen und Spannungen muss deshalb bei
le (vor allem die austenitischen Cr-Ni-Stäh- jeder Konstruktion immer wieder von Fall
le) wesentlich stärker als die unlegierten Stäh- zu Fall vorgenommen werden.
le. Werkstoffe mit großen Wärmeausdehnungs-
koeffizienten werden daher – auch wegen ei-
niger metallurgischer Gründe (Abschn. 4.3.7, 3.3.3 Metallurgische Wirkungen des
S. 414, Abschn. 5.1, S. 503) – häufig »kälter« Temperatur-Zeit-Verlaufs
geschweißt, wenn die große Wärmeleitfähig-
keit des Werkstoffs ein Vorwärmen erforder- Die molekularen Gase (N2, H2, O2) können
lich macht. Das gilt z. B. für Aluminium und in den Werkstoff nur in atomarer Form ein-
dessen Legierungen vor allem dann, wenn die dringen. Die Löslichkeit nimmt praktisch
Schweißarbeiten an »geschlossenen« Bauteil- unabhängig von der Art des Gases mit der
gruppen, wie Rippen oder Gehäusewänden Temperatur stark zu. Bild 3-18 zeigt beispiel-
ausgeführt werden. Wegen der höheren spezi- haft den Verlauf der Wasserstofflöslichkeit
fischen Wärme cp und der Wärmeleitfähigkeit von Eisen und Aluminium in Abhängigkeit
l ist bereits bei Werkstückdicken ab 6 mm von der Temperatur. Bemerkenswert ist das
ein Vorwärmen erforderlich, wobei als Folge sehr unterschiedliche Lösungsvermögen der
der wesentlich intensiveren Schrumpfungs- krz (a und d ) und der kfz (g ) Eisenmodifika-
vorgänge nicht selten Spannungsrisse entste- tionen. Vor allem im schmelzflüssigen Zu-
hen. stand des Werkstoffs ist die Gaslöslichkeit
extrem groß ist. Bei seinem Schmelzpunkt
Allgemein gilt, dass mit der Fließgrenze des (1536 ’C) können 100 g Eisen 6 cm3 Wasser-
Werkstoffs die Eigenspannungen, aber auch stoff lösen. Beim Kristallisieren einer Eisen-
die Schrumpfungen (aber abhängig von l, schmelze, die mehr Wasserstoff enthält als
vom E-Modul und von a) ansteigen. 6 cm3/(100 g Eisenschmelze), muss sich also
Abschn. 3.3: Wirkung der Wärmequelle 255

der überschüssige Wasserstoff in Form von ses weitgehend durch das Sievertssche Ge-
Blasen (Poren) ausscheiden, wenn die Kristal- setz beschrieben:
lisationsgeschwindigkeit der Schmelze nicht [ca ] = pa = K ⋅ pm . [3-9]
größer ist als die »Aufstiegsgeschwindigkeit«
des Wasserstoffs. [ca ] Konzentration ( Druck) des atomar
gelösten Gases,
Beim Kristallisieren einer Aluminiumschmel- pa Druck des im Metall gelösten Gases,
ze, die bei ihrem Schmelzpunkt (660 ’C) le- pm Partialdruck des molekularen Gases,
diglich 0,05 cm3 H/100 g Schmelze lösen kann, K Gleichgewichtskonstante.
bleibt jede darüber hinausgehende Wasser-
stoffmenge zwangsgelöst im Gitter oder sie Für die Gleichgewichtskonstante K gilt die
wird molekular, d. h. in Form von Poren ausge- allgemeine Beziehung:
schieden. Das ist der wesentlichste Grund für
⎛ ΔG ⎞
die ausgeprägte Neigung zur Porenbildung K = exp ⎜ − ⎟. [3-10]
⎝ RT⎠
von Aluminium beim Schweißen, Abschn.
5.3.1, S. 531. Hierbei ist R die Gaskonstante, T die Tempe-
ratur in K und 'G die freie Lösungsenergie,
In den rasch erstarrenden Schweißschmel- die eine lineare Funktion der Temperatur
zen verbleibt demnach je nach dem Diffusions- ist:
vermögen des Gases ein Teil zwangsgelöst 'G A  B ¹ T. [3-11]
im Gitter oder an Werkstofffehlstellen (z. B.
Einschlüssen, Korngrenzen, Versetzungen, Damit wird mit den neuen Konstanten k1,
Mikrorissen) meistens in molekularer (Po- k2 die Gaslöslichkeit ca:
ren) oder sehr viel gefährlicher in der die Zä-
higkeit stark vermindernden atomaren Form, ⎛ c ⎞ k
ln ⎜ a ⎟ = − 1 − k 2 . [3-12]
s. Abschn. 3.5.1.6. ⎝ m⎠
p T

Die in der flüssigen Schweißschmelze ato- Die Löslichkeit cH von (atomaren) Wasser-
mar gelöste Menge (ca) eines unter dem (Par- stoff in einer Aluminiumschmelze wird mit
tial-)Druck pm stehenden molekularen Gases pm = pH2 z. B.:
wird bei den hier vorliegenden »verdünnten«
Ê c ˆ
Lösungen unabhängig von der Art des Ga- ln Á H ˜ = -
6355
+ 6 , 438 in
ml
.[3-13]
Ë pH2 ¯
T 100 g
30
Fe - Schmelze
Die unerwünschten die Zähigkeit vermin-
cm3
dernden atomaren Gase gelangen in das
Wasserstoffgehalt

100 g
Schweißgut als Folge verschiedener Vorgän-
20 ge bzw. Prozesse:
– Atmosphärische Gase,
15 – Schutzgase (O2, CO, CO2 ),
– Reaktionen vor allem oxidischer Schla-
10
cken im Lichtbogenraum und im Schweiß-
e
bad.
g -F
d - Fe
5
Al - Schmelze Die Schweißverfahren, bzw. die Beschaffen-
a - Fe heit der Lichtbögen üben einen großen Ein-
0
200 400 600 800 1000 1200 1400 ° C 1800
fluss auf die Neigung zur Gasaufnahme aus.
Temperatur J Die Lichtbogenlänge (Schweißspannung)
und die Lichtbogenturbulenz beeinflussen
Bild 3-18
Gleichgewichts-Löslichkeit von Wasserstoff in festem neben der chemischen Aktivität des Lichtbo-
und flüssigem Eisen und Aluminium bei p = 1 bar in genraums sehr stark die absorbierte Gasmen-
Abhängigkeit von der Temperatur. ge, Bild 3-19. Der sehr kurze, wenig turbulen-
256 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

te WIG-Lichtbogen (ein Eindringen atmosphä- z. B. stickstoffhaltige Schmelzenstrom nach


rischer Gase in den Lichtbogenraum ist rela- unten gedrückt wird. Erst wenn der Stick-
tiv unwahrscheinlich!) mit der vollständig iner- stoffpartialdruck pN den Umgebungsdruck
ten Schutzgasatmosphäre ergibt das gasärms- p erreicht – etwa 1 bar! – können sich auf-
te Schweißgut. wärts steigende Stickstoffblasen bilden. Der
0,15
Stickstoffgehalt der Schmelze ist bei einer
divergenten Strömung daher sehr viel gerin-
%
ger als bei der konvergenten, weil pN  p ist.
Mit dieser noch etwas spekulativen Theorie
Sauerstoffgehalt

lässt sich der in Bild 3-23 gezeigte Zusam-


0,10
UP menhang zwanglos deuten.

E - Hand pN im Lichtbogenraum sehr viel


MSG kleiner als der Umgebungsdruck p.
0,05 (Fülldraht) Der N-Gehalt im Schweißgut ist etwa
CO2
proportional zu p N !
N
Ar
WIG
0
0 0,02 0,04 0,06 0,08 % 0,10
Stickstoffgehalt

Bild 3-19
Typische Sauerstoff- und Stickstoffgehalte in mit aus- a)
gewählten Lichtbogen-Schweißverfahren hergestellten
Schweißgütern, nach Eagar. N-Gehalt im Schweißgut ist etwa proportional dem Umgebungsdruck p!

Der Gasgehalt im Schweißgut hängt nicht


nur vom Verlauf der geschilderten überwie-
gend chemischen Reaktionen ab, sondern
wird auch in einem bisher noch nicht quanti-
fizierbaren Umfang von den im Schmelzbad
stattfindenden Strömungen bestimmt, die
im Abschn. 4.1.1.2, S. 307, ausführlicher be-
b)
schrieben werden. Im Folgenden wird die Ab-
hängigkeit der Gaslöslichkeit für Stickstoff Bild 3-20
von in bestimmter Weise strömenden Schweiß- Einfluss der Richtung der Schmelzenströmung (ab-
hängig von Art und Menge der oberflächenaktiven
schmelzen bei gleichzeitiger Anwesenheit
Elemente) bzw. der durch sie erzeugten Schweißbad-
von Sauerstoff erläutert. form auf die im Schweißgut gelöste Menge Stickstoff.
a) Strömung in reinen Schmelzen,
In reinen Werkstoffen ergibt sich nach Bild b) in Anwesenheit oberflächenaktiver Stoffe.
4-12a, S. 308, (s. a. Abschn. 4.1.1.2, S. 307) eine
nach außen gerichtete divergente Schmelzen- Im Folgenden werden in aller Kürze vorzugs-
strömung. Die an Legierungselementen reiche weise die in Eisenwerkstoffen ablaufenden
strömende (Rest-)Metallschmelze kommt mit Gas-Metall-Reaktionen und ihre Wirkung auf
der Lichtbogenatmosphäre in Berührung, ausgewählte mechanische Eigenschaften der
deren Stickstoffpartialdruck (pN) wesentlich Schweißverbindung besprochen.
geringer ist als der in der Atmosphäre (p).
Es ist anzunehmen, dass der Stickstoffgehalt 3.3.3.1 Sauerstoff
der Schmelze etwa diesem Partialdruck ent- Im flüssigen Eisen gelöster Sauerstoff, der
spricht, Bild 3-20a. In Anwesenheit des sehr entweder aus der Lichtbogenatmosphäre,
oberflächenaktiven Sauerstoffs ändert sich aus Reaktionen mit der Schlacke oder den
die Richtung der strömenden Schmelze, Bild aktiven Komponenten der Schutzgase (O2,
3-20b, (s. a. Bild 4-12b, S. 308), wodurch der CO, CO2) stammt, verbindet sich zu FeO:
Abschn. 3.3: Wirkung der Wärmequelle 257

Fe + {O} → FeO. [3-14] 3.3.3.2 Stickstoff


Das Löslichkeitsverhalten des Stickstoffs in
Unterschreitet der Sauerstoffgehalt den tem- Eisen ist in Bild 3-22 dargestellt. Oberflächen-
peraturabhängigen Gleichgewichtswert, dann aktive Substanzen in der Schmelze, wie z. B.
bildet sich FeO. Porenbildung durch Sauer- Sauerstoff, erhöhen den Stickstoffgehalt er-
stoff ist bei Eisenwerkstoffen und den meis- heblich, Bild 3-23. Die Ursache beruht auf der
ten Metallen danach nicht möglich, weil er Richtungsänderung der strömenden Schmel-
im festen Metall nicht löslich ist, d.h., er wird ze, wie weiter oben bereits erwähnt wurde.
in Form von Oxiden ausgeschieden, Bild 3-
20. Im rasch erstarrenden Schweißgut bil- 10

den sich annähernd kugelige Oxideinschlüsse % O / Ni


mit einem Durchmesser bis zu etwa 10 Pm

Gasgehalt
1
und einer mittleren Anzahl auf jeden Qua-
dratmillimeter, die bei einigen 104 liegt. O / Fe
0,1
Die im Lichtbogenraum übergehenden direkt N / Fe
an der Elektrodenspitze befindlichen Werk- g - Fe
stofftröpfchen haben wegen der hier herr-
10 - 2

schenden maximalen Reaktionstemperatur d - Fe


Sauerstoffgehalte von bis zu 2000 ppm. Die -F
e
meisten sauerstoffaffinen Elemente verrin- a
N / Ni
10 - 3
gern den Gehalt an gelöstem Sauerstoff im °C
500 1000 1500 2000
Schweißgut merklich, Bild 3-21. Dieses ge- Temperatur T
wollte Verhalten der Desoxidationsmittel
Bild 3-22
macht es aber nahezu unmöglich, hochreakti- Gleichgewichts-Löslichkeit von Stickstoff und Sauer-
ve Elemente (Me) wie z. B. Zirkonium und Ti- stoff in Eisen und Nickel bei p = 1 bar in Abhängigkeit
tan über die Lichtbogenstrecke in das flüs- von der Temperatur.
sige Schweißgut zu transportieren, weil sie
durch den Sauerstoff gemäß folgender Bezie- Der Stickstoff- ebenso wie der Sauerstoffge-
hung abbindet (»verschlackt«) werden: halt der Schweißschmelze nimmt im Allge-
meinen mit zunehmender Schweißstromstär-
2 ¹ Me  O2  2 ¹ MeO. [3-15] ke ab, weil die Entgasungsbedingungen güns-

1 0,100

%
% Ni
Stickstoffgehalt

0,075
Sauerstoffgehalt

Mo
0,1
W
Si
Cr 0,050
Ti
10 - 2
V
0,025
Mn

10 - 3

0
Al 0 500 1000 1500 ppm 2000 2500
Sauerstoffgehalt
10 - 4

10 - 3
10 - 2 %
Bild 3-23
0,1 1 10
Einfluss des Sauerstoffgehalts auf den Stickstoffgehalt
Legierungselement
von Schweißschmelzen (bestehend aus Eisen mit un-
Bild 3-21 terschiedlichem Sauerstoffgehalt), die mit dem MAG-
Einfluss der Legierungselemente auf den Sauerstoff- Verfahren (Ar + 5 % N2 ) niedergeschmolzen wurden,
gehalt von Eisen-Schweißgut, nach Kasamatsu. nach Uda und Ohno.
258 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

tiger werden. Dies gilt nicht für Verfahren, Zur Deutung der durch den Wasserstoffan-
die mit stark turbulenten (unruhigen!) Licht- griff hervorgerufenen unterschiedlichen Schä-
bögen arbeiten, z. B. das Lichtbogenhand- digungsformen bzw. Schädigungsmechanis-
schweißen. Bei den Metall-Schutzgas-Verfah- men existiert eine Vielzahl der unterschied-
ren mit Fülldrähten nimmt der Stickstoffge- lichsten Theorien. Bisher kann keine allein
halt des Schweißguts mit der Stromstärke die vielfältigen Erscheinungsformen der Schä-
zu, siehe z. B. Bild 3-19. digungsphänomene metallphysikalisch rich-
tig beschreiben.
Die stark versprödende Wirkung des Stick-
stoffs (Verformungsalterung) wurde bereits in Wasserstoff verursacht folgende Werkstoff-
den Abschnitten 2.3.2.4, S. 133, und 3.2.1.2, schädigungen:
S. 240, besprochen. – Entfestigen und Entkohlen durch Druck-
wasserstoff.
3.3.3.3 Wasserstoff – Fischaugen und Beizsprödigkeit.
Stahl kann bei Korrosionsvorgängen in neu- – Bildung spröder Hydride in hochreakti-
tralen und sauren Medien als Folge der katho- ven Werkstoffen (z. B. Titan, Tantal, Zir-
dischen Abscheidung Wasserstoff aufneh- konium) durch Eindiffundieren von ato-
men. Die sich an der Stahloberfläche einstel- maren Wasserstoffs bei Temperaturen
lende Wasserstoffaktivität steigt mit zuneh- • 250 ’C.
mender Wasserstoffionenkonzentration d. h. – Wasserstoffinduzierte Kaltrisse (Abschn.
fallendem pH-Wert. Durch Hydrolyse (Hy- 3.5.1.6).
dratation) des anodisch in Lösung gegan-
genes Metall (z. B. Eisen, Chrom; Abschn. In verfahrenstechnischen Anlagen kann hoch-
1.7.6.1.3, S. 86) kann in (Riss-)Spalten der gespannter Wasserstoff (bis 1000 bar) den
pH-Wert des Mediums auf 3 bis 4 fallen und Werkstoff bei hohen Prozesstemperaturen
damit zu einem unterkritischem Risswachs- (bis 600 ’C) gemäß folgender Reaktion stark
tum führen. schädigen:
Fe3C + 4 ◊ { H} Fe Æ 3 ◊ Fe + CH4 . [3-16]
Wasserstoff schädigt den Werkstoff in einer
komplexen, heute immer noch nicht ganz Nach dieser Beziehung werden die Carbide
verstandenen sehr vielfältigen Weise. Das zersetzt und der Werkstoff entkohlt, d. h. ent-
Ausmaß der Schädigung hängt entscheidend festigt. Das sich an Gitterfehlstellen unter ho-
von der Werkstofffestigkeit (Gefügeart und hem Druck ansammelnde Methan führt durch
-menge) und der Form ab, in der der Was- die entstehende erhebliche »Sprengwirkung«
serstoff im Gitter vorliegt: zu Werkstofftrennungen. Diese Schadensform
– Mit zunehmender Werkstofffestigkeit lässt sich weitgehend mit Werkstoffen ver-
nimmt die Schadenswirksamkeit der in meiden, die mit starken Carbidbildnern (z.
Abschn. 3.5.1.6 genauer besprochenen B. Cr, Mo) legiert sind. Die sich dabei bilden-
wasserstoffinduzierten Kaltrisse sehr stark den sehr stabilen Sondercarbide werden bei
zu. Besonders gefährdet sind martensiti- den vorliegenden Betriebsbedingungen nicht
sche, d. h. harte, wenig verformbare Gefü- mehr vom Wasserstoff reduziert.
ge. Die schweißgeeigneten Vergütungs-
stähle (Abschn. 2.7.6.3, S. 197, und 4.3.3, Wasserstoff kann auf vielfältige Weise in
S. 398) und die höhergekohlten Vergü- den Werkstoff gelangen:
tungsstähle sind hierfür typische Bei-
spiele. ❐ Während des metallurgischen Prozesses
– Gelöst auf Zwischengitterplätzen. der Herstellung.
– Wechselwirkend mit verschiedenen Git- ❐ Während des Schweißens bzw. während
terdefekten oder einer Wärmebehandlung in wasserstoff-
– in Hohlräumen und Gitterdefekten als haltiger Atmosphäre:
molekularer Wasserstoff ausgeschieden, – Das hocherhitzte Schweißgut kann aus
der zu Poren und Schlacken führt. der Atmosphäre, aus
Abschn. 3.3: Wirkung der Wärmequelle 259

– Oberflächenablagerungen, wie z. B. Had Æ Hab . [3-18]


Fett, Farbe, Öl, Rost, Beschichtungen
aller Art und anderen vergasbaren Sub- Im thermodynamischen Gleichgewicht be-
stanzen, aus steht zwischen dem im Gitter gelösten (Hab)
– Schweißpulvern, Stabelektrodenum- und dem molekularen Wasserstoff (H2) an
hüllungen, Schutzgasen, Verunreini- der Phasengrenze Werkstoff/Umgebung die
gungen, metallischen Überzügen von Beziehung nach Sieverts, Gl. [3-9]:
Drahtelektroden und Schweißstäben
Wasserstoff aufnehmen.
[cH.ab ] = pH.ab = K ◊ pH2 .
❐ Bei verschiedenen Betriebs- und Verar- Sie bestätigt, dass der Wasserstoff ebenso
beitungsbedingungen, wie z. B. in wasser- wie jedes andere molekulare Gas nur im ato-
stoffhaltiger Umgebung, beim Beizen in maren Zustand gelöst wird. Diese Beziehung
säurehaltigen Medien, bei bestimmten lässt ebenfalls erkennen, dass der Druck (
Oberflächenbehandlungen (z. B. Verzin- die Menge) des atomaren Gases proportio-
ken, Elektroplattieren) und in großem Um- nal der Quadratwurzel des (Partial-)Drucks
fang bei Korrosionsprozessen, bei denen des molekularen Gases ist. Der Druck z. B.
durch die kathodische Reduktion von Was- im Inneren einer mit molekularem Wasser-
serstoff oder Wasser molekularer Wasser- stoff gefüllten Pore kann also beträchtliche
stoff entsteht: Werte erreichen. Diese Zusammenhänge bil-
2 ◊ H+ + 2 ◊ e - Æ H 2 den die Grundlagen der ältesten und ein-
fachsten Modellvorstellung über die Wirkung
2 ◊ H2O + 2 ◊ e - Æ H2 + 2 ◊ OH - . des Wasserstoffs im Werkstoff. Mit dieser
Die Wasserstoffaufnahme gemäß obiger Drucktheorie genannten Hypothese lässt sich
Beziehung hängt außer vom Zustand der z. B. der Bildungsmechanismus der Beizbla-
Werkstückoberfläche (spezielle Verunrei- sen und Fischaugen durch die Einwirkung
nigungen sind hierfür erforderlich!) von von Wasserstoff physikalisch korrekt erklä-
der Zusammensetzung des Gases ab. Ge- ren, nicht aber der Wirkmechanismus der
löste Bestandteile, wie z. B. Arsen, Anti- wasserstoffinduzierten Kaltrissbildung, siehe
mon, Schwefel, Cyanidionen und vor allem hierzu Abschn. 3.5.1.6.
Schwefelwasserstoff (H2S) verzögern die
Bildung von molekularem Wasserstoff an Atomarer Wasserstoff kann (bei Raumtem-
der Werkstückoberfläche erheblich (»Pro- peratur) in weiche, unlegierte Stähle eindif-
motoren«). Dadurch wird die für das Ein- fundieren und sich an dicht unter der Oberflä-
diffundieren des atomaren Wasserstoffs che liegenden Poren oder Mikrorissen mole-
zur Verfügung stehende Zeit verlängert, kular ausscheiden. Der dabei gemäß der Be-
d. h. der durch Wasserstoff hervorgerufe- ziehung von Sieverts entstehende sehr hohe
ne Schaden verstärkt. Eine Verringerung innere Druck des dabei gebildeten molekula-
des Schwefelwasserstoffgehaltes in der At- ren Wasserstoffs führt an der Rissspitze zu
mosphäre oder der Prozessdämpfe unter einer großen mehrachsigen Beanspruchung,
50 ppm erhöht die Beständigkeit gegen die zum weiteren Rissfortschritt bzw. zum
Wasserstoffschäden (insbesondere Ver- Aufreißen der »Blase« führt.
sprödung und Rissbildung) bei unlegier-
ten und (niedrig-)legierten Stählen sehr Beim Beizen von Halbzeugen – hierbei wer-
stark. den (wasserstoffhaltige!) Säurelösungen, be-
stehend aus Schwefel-, Salz- und Salpeter-
Nach dem Dissoziieren des molekularen und säure, z. T. auch Laugen bei Temperaturen
Adsorbieren des atomaren Wasserstoffs (Had) von 20 ’C bis 80 ’C verwendet – kann Blasen-
an der Werkstückoberfläche gemäß bildung entstehen und ist deshalb in der Pra-
xis als Beizsprödigkeit bekannt. Die Rissflä-
H2 Æ 2 ◊ Had [3-17]
chen zeigen meistens ein überwiegend duk-
wird der atomare Wasserstoff im Kristall- tiles Verhalten. Die Wirkung des Wasser-
gitter absorbiert (gelöst): stoffs wird häufig mit dem strapazierten Be-
260 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

griff Wasserstoffversprödung beschrieben. Zwischen dem im Gitter gelösten Wasser-


Diese Einschätzung ist metallphysikalisch stoff und den Spannungsfeldern der Gitterfehl-
nicht korrekt und sollte daher nicht verwen- stellen (z. B. Versetzungen, Leerstellen, Aus-
det werden. scheidungen) bestehen erhebliche Wechsel-
wirkungen. Diese Orte stellen für den wan-
Auf dem gleichen Mechanismus beruht auch dernden Wasserstoff »Fallen« (Traps) dar, die
das Phänomen der Fischaugen 28) in Schweiß- seine Bewegung (Diffusion) durch das Gitter
gütern von Schweißverbindungen aus wei- merklich behindern. In Bild 3-24 ist der Dif-
chen Stählen. Der an Poren und Schlacken fusionskoeffizient D von Wasserstoff in fer-
in molekularer Form ausgeschiedene Was- ritischen und austenitischen Eisenwerkstof-
serstoff erzeugt in einem etwa kugelförmigen fen dargestellt. Mit zunehmendem Gehalt an
Volumen um die Fehlstelle große, mehrachsi- Verunreinigungen des ferritischen Werk-
ge Eigenspannungen. Diese führen aber nur stoffs nimmt die Anzahl der Defekte zu, d.
selten zu einem Aufreißen dieses im Inne- h., die Diffusionsfähigkeit des Wasserstoffs
ren des Schweißguts liegenden dreiachsig be- wird um einige Zehnerpotenzen geringer.
anspruchten hinreichend verformbaren Werk-
stoffbereichs. Durch äußere zum Bruch des Entsprechend der Größe der Wechselwir-
Bauteils führende Belastungen entsteht ei- kungsenergie Wasserstoff/»Falle« wird der
ne Bruchfläche, in der sich der mehrachsig Wasserstoff fester oder weniger fest an die
beanspruchte relativ kleine Bereich (Abmes- Hindernisse (Traps) gebunden. Je größer der
sungen meistens im Millimeterbereich) als Anteil des fest gebundenen Wasserstoffs ist,
helle, glänzende, kreisförmige Fläche mit desto geringer ist die zu den Rissspitzen dif-
der in ihrem Zentrum liegenden Pore/Schla- fundierende Wasserstoffmenge, d. h., die Ge-
cke abzeichnet. Dieses einem Auge gleichen- fahr einer wasserstoffinduzierten Rissbil-
de Bruchbild hat zu der Bezeichnung Fisch- dung nimmt i. Allg. ab (Abschn. 3.5.1.6).
auge geführt. 10 - 3

cm 2
Der Wasserstoff kann in der Regel nicht genü- s
gend schnell aus der Umgebung in das Poren-
» Überalles« - Diffusionskoeffizient D

10 - 4
zentrum nachdiffundieren, weil die Bean-
spruchung beim Ziehen oder Biegen i. Allg. ion
iffus
verhältnismäßig rasch aufgebracht wird. Ob- Gitt
erd
10 - 5
wohl im Schweißgut gelegentlich Mikroris-
se entstehen – vor allem bei nicht sehr zähen
Schweißgütern – wird die Auswirkung auf
10 - 6
die Bauteilsicherheit aber als gering einge- ferritische austenitische
schätzt. Diese Erscheinung wird in der Praxis 1 Werkstoffe Werkstoffe
häufig lediglich als Indiz dafür gewertet,
10 -
dass die Schweißarbeiten hinsichtlich der
7

Wasserstoffaufnahme sorglos durchgeführt 2


wurden und nicht als typische »Versagens-
form«. Eine entsprechende Belehrung des 10 - 8

Schweißers ist dann angebracht.


10 - 9

20 70 100 200 ° C 400 700 1535


Temperatur T

Bild 3-24
Der Diffusionskoeffizient D des Wasserstoffs in krz
und kfz Eisenwerkstoffen in Abhängigkeit von der
28)
im englischen Sprachraum wird diese Erschei- Temperatur und dem Reinheitsgrad des Werkstoffs.
nung birdeye, im amerikanischen meistens fish- In Richtung 1 wird die Zahl der »Fallen« (Verunreini-
eye genannt. gungen) kleiner, in Richtung 2 größer.
Abschn. 3.4: Das Sprödbruchproblem 261

In stark kaltverformtem Eisen wird z. B. die 3.4 Das Sprödbruchproblem


Diffusion des Wasserstoffs durch die große,
bewegungshemmende Versetzungsdichte er-
heblich erschwert, d. h. seine Aufenthaltsdau- 3.4.1 Werkstoffmechanische
er im Gitter ( Schädigungsdauer) verlängert. Grundlagen
Die Folge sind damit deutliche Versprödungs-
erscheinungen. Eine Reihe spektakulärer Schadensfälle an
geschweißten Konstruktionen in den Dreißi-
Die Voraussetzung für jede durch Wasser- ger und Vierziger Jahren des 20. Jh.s mach-
stoff hervorgerufene Schädigung ist also ei- te auf eine bis dahin nicht oder nicht in die-
ne lokal ausreichend hohe Konzentration von sem Umfang bekannte Schadensform auf-
Gitterfehlstellen, in die der Wasserstoff zeit- merksam 29). Kennzeichen dieser Versagens-
abhängig diffundieren kann. Mit zunehmen- form ist ein weitgehend verformungsloser
der Fehlstellenkonzentration wird der Um- Bruch, entstanden durch die Wirkung von
fang der Versprödung größer. Normalspannungen bei sehr geringen Nenn-
spannungen (30...50 N/mm2). Die Rissfort-
Die stärkste und für die Eigenschaftsände- schrittsgeschwindigkeit beträgt hierbei in der
rungen entscheidende Wechselwirkung zeigt Regel einige 1000 m/s, d. h., Sicherheitsvor-
der Wasserstoff aber mit inneren »Oberflä- kehrungen jeder Art können nicht mehr ver-
chen«, wie z. B. Poren, Rissen und Phasen- anlasst werden. Im englischen Schrifttum
grenzflächen. Hier wird er chemisorbiert, er wird diese Versagensform daher auch sehr
ist also an chemischen Reaktionen beteiligt. anschaulich und treffend catastrophic failu-
Dadurch wird die für die Bildung weiterer Riss- re genannt. Diese Bruchform wird als Spröd-
oberflächen erforderliche Energie erniedrigt, bruch oder Trennbruch bezeichnet.
d. h., die Kohäsion und damit die Trennfes-
tigkeit nehmen ab. Diese Zusammenhänge Als Ursache dieser meist nur auf Schweiß-
bilden die Grundlagen der Dekohäsionstheo- konstruktionen beschränkten Bruchform sind
rie von Oriani. Sie ist die für das Verständ- die durch den Schweißprozess erzeugten
nis der gefährlichsten durch Wasserstoff aus- Schweißeigenspannungen anzusehen. Diese
gelösten Schadensform – die wasserstoffin- lassen sich nur relativ unzuverlässig im Ober-
duzierten Kaltrisse – wichtigste Modellvor- flächenbereich des Werkstücks durch aufwän-
stellung (Abschn. 3.5.1.6). dige, teure und damit in der Praxis kaum an-
wendbare Methoden (z. B. Röntgenfeinstruk-
Neben dieser anschaulichen Theorie sind turuntersuchungen) feststellen. Selbst wenn
noch einige weitere Modellvorstellungen be- ihr Verlauf hinreichend bekannt wäre, exis-
kannt, mit denen die Art der Wechselwir- tiert zzt. keine verlässliche Methode, diese
kung zwischen Wasserstoff und den Gitter- mehrachsigen Spannungen im Festigkeits-
fehlstellen beschrieben werden kann. Mit kei- nachweis zu berücksichtigen.
ner Theorie lassen sich allerdings alle beob-
achteten Erscheinungen und Phänomene des Für die Entstehung des Sprödbruchs ist der
Wasserstoffs richtig deuten. mehrachsige (Eigen-)Spannungszustand ei-
ne entscheidende Voraussetzung, der wie im
Wasserstoff ist in vieler Hinsicht das die me- Folgenden beschrieben, zu einer vollständi-
chanischen Eigenschaften (vor allem der Zä- gen Versprödung des Werkstoffs bzw. des
higkeit und der Kaltrissneigung) des Schweiß- Bauteils führen kann.
guts und der WEZ von Schweißverbindun-
gen aus unlegierten Kohlenstoffstähle, vor
allem aber aus vergüteten (Feinkorn-)Bau-
29)
stählen am stärksten schädigende Element. Die bekanntesten Schadensfälle sind die Brüche
an der Brücke am Bahnhof Zoo in Berlin und die
Ausführlichere Einzelheiten hinsichtlich der extensiven Brucherscheinungen an den Schiffen
wasserstoffinduzierten Kaltrissigkeit sind der amerikanischen Handelsflotte (Liberty-Klas-
in Abschn. 3.5.1.6 zu finden. se) im zweiten Weltkrieg.
262 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

Der Werkstoff verformt sich plastisch, wenn Die Verformung des Bauteils ist nicht mehr
die in einer bestimmten Gleitebene vorhande- möglich, seine Zerstörung daher nur durch
ne äußere Schubspannung t größer ist als Normalspannungen möglich. Diese Erschei-
die kritische t0 (Abschn. 1.3, Bild 1-18, S. 17). nung wird als Spannungsversprödung be-
Bei einer einachsigen Beanspruchung (s1) ist zeichnet. Sie ist Voraussetzung für das Ent-
die unter 45 ’ zur Last wirkende Schubspan- stehen spröder Brüche. In Bild 3-25 sind sche-
nung maximal und beträgt: matisch die verschiedenen Beanspruchungs-
zustände mit Hilfe des anschaulichen Mohr-
σ1
′1 ′
τ max = τ ϕ (ϕ = 45°) = . [3-19] schen Spannungskreises beschrieben.
2
Plastische Verformungen finden statt, wenn Die Werkstoffbeanspruchung in Form der
Mohrschen Spannungskreise lässt sich über-
σ1
′1 ′
τ max = > τ0 [3-20] sichtlich mit Hilfe der Leonschen Hüllpara-
2 bel darstellen. Alle Spannungszustände füh-
wird. Bei mehrachsigen Beanspruchungen ren demnach zum Versagen, deren Kreise in-
(s1, s3) kann die für eine plastische Verfor- nerhalb dieser parabolischen Hüllkurve lie-
mung erforderliche Schubspannung so klein gen. In Bild 3-26 sind auch die Versagens-
werden, dass die Gleitbedingung t M ! t0 nicht grenzlinien nach der Hauptschubspannungs-
mehr erfüllbar ist. Für die gefährlichste drei- hypothese eingetragen.
achsige Beanspruchung gilt:
Mit zunehmendem Mehrachsigkeitsgrad
σ1 − σ3
′ 3′
τ max = τ ϕ (ϕ = 45°) = . [3-21] (»Räumlichkeit«) der Spannungen M, der
2 durch die Beziehung
s1 s1 s1 ⎧σ σ ⎫
M = ⎨ 3 ; 2 ;1⎬ [3-22]
s2 s2 ⎩σ 1 σ 1 ⎭
s2 angegeben wird, werden die Hauptnormal-
s2 spannungen si zunehmend größer. Der durch
s3 sie repräsentierte Mohrsche Spannungskreis,
s1 s1 s1 z. B. C in Bild 3-26, wandert auf der Abszisse
in Richtung Scheitelpunkt S der Leonschen
s1 s1 s1
Hüllparabel. Mit dieser Darstellung lassen
sich diese Beanspruchungsbedingungen sehr
tmax anschaulich deuten. Nach Erreichen des
tmax
s2 s3
tmax Punktes S ist die eine plastische Verformung
45°
auslösende Schubspannung Null. Bei diesem
s1 s1 - s 2 s1 - s 3
t max =
2
t max =
2
t max =
2
theoretischen Grenzfall wird s1 s2 s3 sT.
Die Trennfestigkeit σT beträgt etwa:
t t t
sT (2 ... 3) ¹ Rm. [3-23]
s s s
Hierbei ist Rm die Zugfestigkeit. Das Bauteil
wird unter diesen Spannungsbedingungen
s3
s2
ausschließlich durch Normalspannungen zer-
s1 s2
s1 s1 stört. Die Werkstoffbereiche in der Nähe der
a) b) c)
Rissufer zeigen keinerlei Verformungen, der
Makro-Bruchverlauf ist spröde (Sprödbruch).
Bild 3-25 Die für die Bruchentstehung erforderliche Nor-
Darstellung verschiedener Spannungszustände und malspannung liegt (theoretisch) zwischen ei-
der mit ihnen verbundenen maximalen Schubspan-
nigen 10 N/mm2 und dem Grenzwert Trennfes-
nungen mit Hilfe des Mohrschen Spannungskreises.
a) einachsige Zugbeanspruchung, tmax = s1/2, tigkeit des Werkstoffs. Der Bruch in einem
b) zweiachsige Zugbeanspruchung, tmax = (s1- s2 )/2, (geschweißten) Bauteil kann also in einem
c) dreiachsige Zugbeanspruchung, tmax = (s1- s3 )/2. sehr großen Spannungsbereich entstehen.
Abschn. 3.4: Das Sprödbruchproblem 263

3.4.2 Probleme konventioneller für die meisten zähen (verformbaren) Werk-


Berechnungskonzepte stoffe zu, für sprödbruchanfällige Konstruk-
tionen allerdings nicht mehr. Die Zähigkeits-
Unter Bedingungen, die zu spröden, instabi- werte werden in diesen Fällen ausreichend
len Brüchen führen können, zeigen die konven- praxisgenau mit dem Kerbschlagbiegever-
tionellen Berechnungskonzepte bemerkens- such nachgewiesen. Kennzeichen der nahe-
werte Unzulänglichkeiten. Im Allg. geht man zu verformungslosen, instabilen Brüche ist
von den folgenden nicht immer zutreffenden ihr Entstehen bei Spannungen weit unter-
Voraussetzungen aus: halb der Fließgrenze (sie liegen im Bereich
– Gestaltänderungen des Bauteils treten von etwa 30 N/mm2 ... 50 N/mm2, Bild 3-27b),
nicht auf, da die Beanspruchung im Bau- wenn die Betriebstemperatur die Übergangs-
teil unter der Fließgrenze Rp0,2 bleibt. temperatur des Bauteils unterschreitet.
– Die Werte für die Fließgrenze Rp0,2 werden
üblicherweise bei Raumtemperatur ermit-
R Br Rm
Rm
telt, obwohl sich die mechanischen Eigen- R p0,2

schaften bei höheren Betriebstemperatu- Spannung s


ren (Dampf- und Gasturbinen) erheblich,
bei tiefen (Flüssiggastechnik) extrem än- 2
R p0,2 s × e R p0.2
dern können. Dieses Verhalten wird z. B. W=
2
=
2× E
im Kerbschlagbiegeversuch (genauere
Hinweise s. Abschn. 6.3, S. 587) anschau-
lich wiedergegeben. R Br
– Örtliches Fließen in der Nähe von Diskon-
tinuitäten (Kerben, Poren, Einschlüsse,
Werkstoffungänzen, z. B. Korngrenzen) Dehnung e Dehnung e
wird zugelassen. a) b)

Bild 3-27
In jedem Fall wird angenommen, dass die Spannungsverhältnisse beim Bruch.
Bruchfestigkeit RBr größer ist als die Fließ- a) zäher Werkstoff: RBr >> Rp0,2 ,
grenze Rp0,2, Bild 3-27a. Diese Annahme trifft b) spröder Werkstoff: RBr << Rp0,2 .
t
Bei einachsiger Beanspruchung und hinrei-
PA
chend zähen Werkstoffen tritt der Bruch bei
PB RBr ! Rp0,2 ein, Bild 3-28 30). Die Bruchverfor-
tA tB mung e1 ist hoch und größtenteils plastisch.
A
- s1
B
s1
D C
sH s 2
S
sT
s
Diese Beanspruchungssituation (des Werk-
tH stoffs und der Spannungsverhältnisse im
Bauteil) ist mit den konventionellen Berech-
PH nungsmethoden zweifelsfrei bestimmbar, d.
h., das Bauteil kann »sicher« dimensioniert
Versagen gemäß Hauptschub-
spannungshypothese werden.

A: einachsiger Druck, Versagen bei s = - s1, t = t A, Punkt PA


B: einachsiger Zug, Versagen bei s = s 1, t = t B, Punkt PB
C: zweiachsiger Zug, Versagen bei s = s 1 = s T, Punkt S
30)
D: Versagen nach Hauptschubspannungshypothese Die Bruchspannung RBr darf nicht mit der im Zug-
bei s = sH = Rp0.2, t = tH = Rp0.2 /2, Punkt PH. versuch ermittelten Zugfestigkeit Rm verwechselt
werden. RBr ist die zum Entstehen des Risses er-
Bild 3-26 forderliche Spannung. Rm hat für den metallphysika-
Verschiedene Grenzspannungszustände in der Mohr- lischen Prozess der Rissentstehung keine werk-
schen Darstellung, eingeschrieben in die Leonsche stoffmechanische Bedeutung. Dieser Wert ist le-
Hüllparabel, im Vergleich zu den Versagensbedingun- diglich Ausdruck und Ergebnis einer unter be-
gen gemäß der Hauptschubspannungshypothese (sH, stimmten Versuchsbedingungen ermittelten Span-
tH, Punkt PH), nach Gl. [3-24], sT = Trennfestigkeit. nung.
264 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

Die Vorgänge bei einer mehrachsigen Bean- Der Konstrukteur sollte daher beachten:
spruchung werden mit elastischen und plasti- – Der Werkstoff kann durch verschiedene
schen Instabilitäten beschrieben, d. h. mit Vorgänge (z. B. Spannungsversprödung,
Schubspannungen. Die Wirkung mehrachsi- Kaltverformung, Aufhärtung in der WEZ)
ger Beanspruchungen lässt sich mit der nur verspröden. Ein Festigkeitsnachweis mit
für zähe Werkstoffe gültigen, anschaulichen konventionellen Berechnungsmethoden ist
Hauptschubspannungshypothese beschrei- dann nicht möglich und auch nicht sinn-
ben (siehe aber auch Bild 3-26!). Nach dieser voll, weil mit ihnen die Versagensform
Festigkeitshypothese tritt Versagen ein, wenn Sprödbruch quantitativ nicht erfasst wer-
die Schubspannung bei dreiachsiger Beanspru- den kann.
chung gleich der bei einachsiger Belastung – Eine sichere Maßnahme, den Sprödbruch
als kritisch erkannten Schubspannung ist: in geschweißten, mit mehrachsigen Eigen-
¢1 ¢ ¢3¢ spannungen behafteten Konstruktionen
t max = t max . [3-24]
zu vermeiden, besteht in der Wahl schlag-
Durch Gleichsetzen der Beziehungen Gl. [3- zäher Werkstoffe mit ausreichend niedri-
20] und Gl. [3-21] folgt: gen Übergangstemperaturen. Diese Mög-
¢1¢ lichkeit der »Selbsthilfe« zäher Werkstof-
Rp0,2 R¢3¢ - s3
= p0,2 . [3-25] fe wird vom Konstrukteur oft nicht genü-
2 2 gend beachtet oder unterschätzt.
Daraus ergibt sich die Streckgrenze bei
dreiachsiger Beanspruchung ( Tresca-Kri- Die sich im Bereich von (Konstruktions-)Ker-
terium) zu: ben aufbauende mehrachsige Spannung ist
¢3¢ ¢1¢ für die Entstehung des Sprödbruchs bzw. des
Rp0,2 = Rp0,2 + s3 . [3-26]
Bauteilversagens von größter Bedeutung.
Die Verformung bei Brucheintritt ist rein Bild 3-29a zeigt die Kerbgeometrie und be-
elastisch und viel geringer als bei einach- schreibt die Definitionen der Spannungen
siger Belastung: e3 A e1, Bild 3-28. Die die und Spannungsrichtungen. Die in der Rich-
Plastizität u. U. völlig erschöpfenden Eigen- tung der angreifenden Kräfte entstehende
spannungszustände entstehen insbesondere (Kerb-)Spannung syy ist abhängig von der
beim Schweißen dickwandiger Bauteile. Kerbschärfe größer als die Nennspannung.
s1 - s3
Mit Hilfe der Formzahl ak kann die Wirkung
➋ ➋ t ’3’
tmax =
2 der Kerbe auf die Größe der elastischen Span-
nungen mit folgender Beziehung ermittelt
Spannung s

’3’
R p0,2 ’3’
R p0,2 = Rp0,2 + s 3
werden:
s
siehe auch Gl. [3-25] smax = syymax = a k ◊ sn . [3-27]
s3

R Br ➊
s2
Hierbei ist smax die maximale Spannung im
s1
Kerbgrund und sn die mit den Methoden der
elastischen Festigkeitstheorie berechenbare
’1’
R p0,2 s1
mittlere (Nenn-)Spannung. Es bauen sich au-
➊ t ’1’
tmax =
2 ßerdem Zugspannungen in der x- (sxx) und
der z-Richtung (szz) auf, weil eine Einschnü-
rung in Dickenrichtung mit zunehmender
s Werkstückdicke t zunehmend behindert wird.
sxx erreicht in den Bereichen der Kerbumge-
bung ein Maximum, in denen durch die Span-
s1
nungsverteilung die Dehnungsbehinderung
e3
Dehnung e
e1
am größten wird, Bild 3-29b. Die Spannung
in der x-Richtung verschwindet auf den Kerb-
Bild 3-28
Einfluss dreiachsiger Spannungszustände auf das oberflächen (S), die Spannung in z-Richtung
Verformungsverhalten (dargestellt durch die im Zug- auf den freien Probenoberflächen, Bilder 3-
versuch ermittelte Dehnung). 29b und 3-29c.
Abschn. 3.4: Das Sprödbruchproblem 265

Der an der Oberfläche existierende zweiach- Die Größe der Rissfortschrittsgeschwindig-


sige Spannungszustand (szz 0) wird ebener keit wird u. a. von der zum Erzeugen neuer
Spannungszustand (ESZ), der im Inneren Rissoberflächen verfügbaren Energie be-
dicker Proben herrschende dreiachsige wird stimmt. In geschweißten Konstruktionen ist
ebener Verzerrungszustand (EVZ) genannt, die Rissfortschrittsenergie im Wesentlichen
weil eine Verformung in z-Richtung (ezz 0) die gespeicherte elastische Energie der Eigen-
verhindert wird. spannungen. Ihr maximaler Wert Wmax wird
gemäß Bild 3-27 für s Rp0,2 erreicht:
s yy
2
e ◊s s2 Rp0,2
Wmax = = = . [3-28]
s xx
2 2◊ E 2◊ E
s
s zz Die Rissfortschrittsenergie nimmt danach
s zz für r = konst.

t /2 mit dem Quadrat der Streckgrenze zu.


y
x z= 0
z
- t /2
3.4.3 Sprödbruchbegünstigende
S
r t Faktoren
Einschnürung
a
W
Das Entstehen des Sprödbruchs wird außer
s
durch schweißtechnische Gegebenheiten
a) c)
(Abschn. 4, S. 299) begünstigt durch
– werkstoffliche und
– konstruktive Faktoren.
s

ebener Spannungszustand: szz = 0


ebener Verzerrungszustand: s zz = n × (s xx + s yy) s max

R p0,2
s yy s max
s xx
R p0,2
r

b)

Bild 3-29
Spannungsverhältnisse in einem »dicken« gekerbten
Blech (ebener Verzerrungszustand, e zz = 0).
a) Definitionen und Kerbgeometrie, s s
b) Spannungsverlauf in x- und y-Richtung ( z = 0 ), r
c) in z-Richtung für r = konst.

Der Radius r der Kerbe wird mit zunehmender Spannung s


Bild 3-30 zeigt schematisch den Einfluss der abgestumpft (»blunting«) nicht abgestumpft
Werkstoffzähigkeit auf das Bruchgeschehen Der Riss entsteht bzw. pflanzt sich Nach Überschreiten einer oft ge-
zäher und spröder Werkstoffe. Der gekerbte erst fort, wenn durch Lasterhö-
hung die plastische Verformung in
ringen Beanspruchung (s l 30
bis 50 N/mm2 ) entsteht der sprö-
Stab aus einem ausreichend zähen Werkstoff Kerbgrundnähe vergrößert wird. de, instabile Sprödbruch, der sich
kann die Rissgefahr durch Plastifizieren des Große plastische Zone; Restquer-
mit einigen 1000 m/s ausbreitet.
Das Bauteil wird durchschlagen.
Querschnitts und Abstumpfen des Kerbra- schnitt wird durchplastifiziert; mil-
der kerbbedingter Spannungszu- Scharfer kerbbedingter Span-
dius (»Blunting«) sehr wirksam vermindern. stand, smax ist nur gering. nungszustand aufgrund behinder-
Im spröden (oder durch den Schweißprozess plastisch verformte Zone
ten Fließens, verbunden mit gro-
ßer smax.
versprödeten) Werkstoff entsteht der Riss
a) b)
bei sehr niedrigen (20 N/mm2 ... 50 N/mm2)
Bild 3-30
Spannungen und läuft instabil und mit gro-
Einfluss der Werkstoffzähigkeit auf die Rissart bei
ßer Geschwindigkeit durch das Bauteil, d. a) einem zähen (große plastische Zone!),
h., die »Selbsthilfe« des Werkstoffes ist nicht b) spröden Werkstoff (kleine plastische Zone, scharfer
mehr vorhanden. kerbbedingter Spannungszustand).
266 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

Für seine Auslösung müssen die folgenden 6, S. 579) zum Bestimmen der Sprödbruch-
Voraussetzungen erfüllt sein: empfindlichkeit des Grundwerkstoffs (aber
nicht der Schweißkonstruktion!) bewährt.
❐ Der Werkstoff muss versprödbar sein. Alle Dieser Versuch verbindet
krz (hdP) Metalle verspröden beim Errei- – scharfe, mehrachsige, sprödbruchbegüns-
chen bestimmter Betriebs- bzw. Werkstoff- tigende Beanspruchungen in gekerbten
bedingungen nahezu schlagartig: Proben,
– Die Betriebstemperatur ist kleiner als – schlagartige Beanspruchung und
die nach verschiedenen Prüfverfah- – Prüfen bei beliebig tiefen Temperaturen
ren feststellbare Übergangstempera- – mit Praxisnähe und Wirtschaftlichkeit.
tur der Zähigkeit.
– Der vorhandene Spannungszustand Das Ergebnis einer Auswertung zeigt Bild
führt zur Spannungsversprödung. 3-31. Als Bewertungskriterien werden ver-
– Die zu geringe (Schlag-)Zähigkeit des wendet:
Grundwerkstoffs ist Ursache für das – Die Übergangstemperatur z. B. Tü,27 oder
Verspröden der WEZ und damit der Tü,40,
Verbindung. – die Kerbschlagarbeit in der Hochlage K.

❐ Der Werkstoff muss die für die Entstehung Die Erfahrung aus vielen Schadensfällen
des Sprödbruchs erforderlichen mechani- zeigt, dass zum Vermeiden eines spröden
schen oder metallurgischen Kerben ent- Bruches eine Mindest-Kerbschlagarbeit von
halten. Die hier vorhandenen Spannungs- 27 J, bei den heutzutage geforderten höhe-
spitzen führen zum Anriss. ren Werten bzw. höheren Beanspruchungen
eine von 40 J (bzw. 47 J) erforderlich ist. Die
❐ Die im Bauteil gespeicherte Energie muss zugehörigen Prüftemperaturen werden Über-
für die instabile Fortpflanzung des Ris- gangstemperaturen Tü,27 bzw. Tü,40 genannt.
ses ausreichend sein. Diese sind wegen ihrer im Vergleich zur Pro-
be völlig andersartigen Beanspruchung, Werk-
3.4.3.1 Werkstoffliche Faktoren stückdicke, Kerbschärfe (und Anzahl der Ker-
Ausreichende (Schlag-)Zähigkeitseigenschaf- ben und Größe) nicht mit der Versprödungs-
ten des Werkstoffs und vor allen Dingen der temperatur geschweißter Bauteile identisch.
WEZ sind Voraussetzungen für sprödbruch- Der Kerbschlagbiegeversuch erlaubt trotzdem
sichere Konstruktionen. Alle werkstofflichen eine zuverlässige Einordnung und Einschät-
Veränderungen, die die Verformbarkeit der zung der Stähle hinsichtlich ihrer Sprödbruch-
wärmebeeinflussten Zone (und des Schweiß- sicherheit. Als Bewertungsmaßstab der Sicher-
guts) verringern, begünstigen grundsätzlich heit gegen Sprödbruch ist die Übergangstem-
den Sprödbruch. peratur aus verschiedenen Gründen wesent-
lich besser geeignet als die Kerbschlagarbeit
Die Sprödbruchempfindlichkeit kann erfah- in der Hochlage, Bild 3-31.
rungsgemäß nicht mit Prüfverfahren beur-
teilt werden, die statische Zähigkeitseigen- Als Folge der hohen metallurgischen Quali-
schaften feststellen. Das gilt z. B. für die im tät der heutigen Stähle ist ein Versagen durch
Zugversuch ermittelten Werte der Bruchdeh- Sprödbruch selten, wenn die bekannten Stan-
nung und Einschnürung. dards und Empfehlungen beachtet werden.
Große Vorsicht ist allerdings bei Reparatur-
Die Sprödbruchneigung des Bauteils kann schweißungen an Bauteilen aus früheren
bisher nicht mit der wünschenswerten Zu- Jahren geboten.
verlässigkeit bestimmt werden. Die Vielzahl
der existierenden Verfahren kann nur be- Die Sprödbruchanfälligkeit wird durch alle
stimmte Teilaspekte dieser komplexen Werk- Faktoren größer, die auch die Schweißeig-
stoffeigenschaft feststellen. In der Praxis nung verschlechtern. In erster Linie sind zu
hat sich der Kerbschlagbiegeversuch (Abschn. nennen:
Abschn. 3.4: Das Sprödbruchproblem 267

– Die Elemente P, N und C begünstigen die 3.4.3.2 Konstruktive Faktoren


Versprödung (P, N, C) bzw. Aufhärtung (C) Die gespeicherte elastische Energie der mehr-
der wärmebeeinflussten Zonen. In diesem achsigen Eigenspannungen ist nach dem
Sinn müssen auch die (angeschnittenen) Stand unserer Kenntnisse Hauptursache für
Seigerungen in unberuhigten Stählen be- das Entstehen des Sprödbruchs in geschweiß-
achtet werden. ten Konstruktionen. Sie begünstigt und er-
– Korngröße, Art, Menge und Anordnung leichtert nicht nur die Werkstoffversprödung,
der Korngrenzensubstanz. Das Gefüge sondern liefert auch die erforderliche (große)
der WEZ ist häufig grobkörnig und da- Rissfortschrittsenergie, ohne die ein Spröd-
her meist deutlich weniger verformbar bruch nicht entstehen bzw. sich fortpflanzen
als der Grundwerkstoff. Ausscheidungen könnte.
innerhalb der Körner oder wesentlich ge-
fährlicher auf den Korngrenzen sind für Danach sind die folgenden vom Konstruk-
manche Stähle typisch. teur beeinflussbaren Faktoren zu beachten:
– Kaltverformte Werkstoffe können nach – Im Bereich scharfer geometrischer (Wand-
dem Schweißen altern und grobkörnig dickenunterschiede, rissähnlich wirken-
werden, wenn im Bereich des kritischen de innere oder äußere Defekte) oder metal-
Verformungsgrads (etwa 3 % ... 10 %) kalt- lurgischer (Korngrenzenbeläge, Einschlüs-
verformt wurde. Hierzu sind die Richtli- se, Korngröße, Mikrodefekte) Kerben ent-
nien gemäß DIN 18800-1 zu beachten (s. stehen örtliche Spannungskonzentratio-
Abschn. 4.1.3.4, S. 333). nen mit einem hohen Mehrachsigkeits-
grad.
Die Sprödbruchunempfindlichkeit und da- – Mit zunehmender Wanddicke wird der Ei-
mit die Schweißeignung lässt sich relativ zu- genspannungszustand und seine Schärfe
verlässig durch eine Mindestkerbschlagzä- (Mehrachsigkeitsgrad) größer. Gemäß Bild
higkeit oder besser die Übergangstempera- 3-30 kann ein zäher Werkstoff Spannun-
tur der Stähle angeben. Darauf beruht das gen durch Plastifizieren abbauen. Auf die-
Konzept der Gütegruppen für unlegierte ser Eigenschaft beruht die große Überle-
Baustähle, das in Abschn. 4.3.1.1., S. 379, aus- genheit verformbarer Stähle. Das Entste-
führlicher behandelt wird. hen spröder Brüche ist bei ihnen selbst
im geschweißten Zustand nahezu ausge-
Tieflage: Steilabfall: Hochlage: schlossen. Ein Spannungsarmglühen nach
Spröbrüche Mischbrüche Verformungsbrüche dem Schweißen hat die gleiche Wirkung,
J weil die Eigenspannungen weitgehend be-
seitigt werden.
– Der Einfluss der Betriebstemperatur ist
Kerbschlagarbeit K

nach Bild 3-31 bei versprödbaren Werkstof-


fen außerordentlich groß. Ein Betreiben
der Konstruktion unterhalb ihrer Über-
gangstemperatur Tü.Bauteil führt schon bei
40
geringsten Beanspruchungen (20 N/mm2
bis etwa 50 N/mm2) unweigerlich zum Ent-
27 stehen des Sprödbruchs. Das Bauteil ist
also bei T ! Tü.Bauteil zu betreiben.
– Der Werkstoff kann nur dann plastisch
verformt werden, wenn die Geschwindig-
Tü,27 Tü,40
Prüftemperatur T keit der Lastaufbringung kleiner ist als die
Verformungsgeschwindigkeit. Die Gleitbe-
Bild 3-31
wegungen verlaufen im Gegensatz zur Zwil-
Typischer Verlauf einer Kerbschlagarbeit-Temperatur-
Kurve mit den charakteristischen Bewertungskriterien lingsverformung verhältnismäßig lang-
Mindestarbeit K (z. B. 27 J und 40 J) und den zugeord- sam. Ist diese Bedingung nicht erfüllt,
neten Übergangstemperaturen Tü (z. B. Tü,27 oder Tü,40 ). dann ist der Sprödbruch unvermeidlich.
268 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

3.4.4 Maßnahmen zum Abwenden 3.5 Fehler in der


des Sprödbruchs Schweißverbindung
Das Entstehen des Sprödbruchs wird in ers-
ter Linie durch Wahl ausreichend zäher Werk- Die in einer Schweißverbindung vorhande-
stoffe vermieden. Außerdem steht dem Kons- nen Fehler können sehr unterschiedliche Ur-
trukteur und dem Verarbeiter eine Reihe wir- sachen haben. Im Folgenden sollen lediglich
kungsvoller Maßnahmen zur Verfügung, die einige grundlegende Tatsachen mitgeteilt
beachtet werden sollten. werden, eine auch nur annähernd vollständi-
ge Darstellung ist nicht möglich.
Der Konstrukteur kann die bauteilabhängi-
gen Betriebsbedingungen nicht beeinflus- Die in Schweißverbindungen aus metalli-
sen. Lediglich Größe und Schärfe ungünsti- schen Werkstoffen vorkommenden Fehler
ger, weil sprödbruchbegünstigender (meis- sind in der DIN EN ISO 6520 (DIN 8524-3)
tens dreiachsiger) Spannungszustände kann zusammengestellt und klassifiziert. Eine Be-
er begrenzen. Dazu gehören u. a. folgende wertung der Fehler hinsichtlich ihrer mögli-
Maßnahmen: chen Auswirkungen auf das Bauteilverhal-
– Kerben, d. h. Steifigkeitssprünge vermei- ten erfolgt nicht. Abhängig von der Art und
den. dem Zeitpunkt der Fehlerentstehung wäh-
– Wanddicken begrenzen oder Fügeteil(e) rend des Herstellprozesses des Bauteils un-
in dünnere Lamellen auflösen. terscheidet man folgende Fehlerarten:
– Kaltverformungen vermeiden oder geeig-
nete Stahlqualitäten wählen (z. B. Fein- Fertigungsfehler
kornbaustähle oder thermomechanisch be- Das sind im Wesentlichen (vermeidbare)
handelte Feinkornstähle nach DIN EN Handhabungsfehler, deren Auftreten und
10025-3/4 bzw DIN EN 10028-3/5). Umfang allerdings von fertigungstech-
– Nachgiebig konstruieren. Starres Einspan- nischen und werkstofflichen Besonder-
nen der Fügeteile vermeiden. heiten sowie von konstruktiven Mängeln
– Kräfte »breitbandig«, nicht »punktförmig« beeinflusst werden. Für die folgende Dis-
einleiten, vgl. Stab- und Flächentragwer- kussion werden sie in mechanische und
ke. metallurgische Fehler eingeteilt.
– Anhäufungen von Schweißnähten vermei-
den, z. B. Nahtkreuzungen oder »Angstla- Zu den mechanischen (Handhabungsfeh-
schen«. lern) gehören z. B:
– Naht- bzw. Wurzelüberhöhung.
Die Aufgabe des Schweißingenieurs besteht – Zündstellen, Heftnähte, Einbrandker-
u. a. darin, die Verformbarkeit des (schweiß- ben, Wurzelfehler, Kantenversatz sind
geeigneten) Werkstoffs in der Wärmeeinfluss- fast immer Bereiche mit starker geo-
zone und dem Schweißgut durch den Schweiß- metrischer bzw. metallurgischer Kerb-
prozess möglichst wenig herabzusetzen. Hier- wirkung. Sie sind meistens die Folge
zu lässt sich eine Reihe von Maßnahmen an- einer nicht verantwortungsbewussten
wenden: (häufig schlampigen) Arbeitsweise des
– Seigerungszonen nicht anschmelzen oder Schweißers und einer nicht kontrollier-
geeignete Zusatzwerkstoffe wählen, z. B. ten und nicht schweißgerechten Ferti-
basisch-umhüllte Stabelektroden. gung.
– Bei Temperaturen über  5 ’C schweißen – Verunreinigungen, die aus der Umge-
oder Fügeteile evtl. auf »Handwärme« an- bung (Gase aus der Atmosphäre, Fette,
wärmen. Farben, Rost, Beschichtungen, Abla-
– Bei großen Wanddicken vorwärmen. gerungen aller Art auf der Werkstück-
– Fügeteile durch Wahl einer geeigneten oberfläche) aufgenommen werden. Sie
Schweißfolge möglichst lange frei beweg- sind Ursachen von Poren und festen
lich lassen (Eigenspannungen!). Einschlüssen.
Abschn. 3.5: Fehler in der Schweißverbindung 269

Fehler mit überwiegend metallurgischem Konstruktive Fehler


Charakter sind: Durch ungeeignete Nahtformen oder eine
– Risse (Heiß-, Kalt-, Endkraterrisse, unzweckmäßige Gestaltung können hohe
Risse im Schweißgut und der Wärme- Eigenspannungszustände, gefährliche
einflusszone), Bindefehler, Kaltstellen. Spannungsspitzen, Spannungsversprö-
Die rissähnlichen Defekte entstehen dung und (oder) große Bauteilverzüge ent-
in der Regel als Folge unzureichender stehen.
Handfertigkeit des Schweißers, kön-
nen aber oft bei einem entsprechend Der Anwender muss sich aber bewusst
schlecht schweißgeeigneten Werkstoff sein, dass nicht jede geometrische Abwei-
mit einem wirtschaftlich vertretbaren chung der Schweißnaht von dem »Ideal«
Aufwand nicht vermieden werden. Die- der Zeichnung ein Fehler in dem beschrie-
se planaren Fehler beeinträchtigen die benen Sinn darstellt. Nach den Grundla-
Tragfähigkeit stärker als jeder ande- gen der statistischen Qualitätskontrolle
re, sie müssen daher in jedem Fall fach- wird aus einer »Diskontinuität« erst nach
gerecht beseitigt werden (s. aber »kons- Überschreiten einer festgelegten oder ver-
truktive Fehler«!). einbarten Toleranzgrenze ein zu beseiti-
Unzulässiger Aufschmelzgrad (Vermi- gender Fehler. Im Übrigen führt das Repa-
schung mit dem oft schlechter schweiß- rieren »fehlerbehafteter« Schweißverbin-
geeigneten Grundwerkstoff ist zu groß) dungen häufig nicht zu der beabsichtigten
erzeugt sprödes oder (und) heißrissan- Fehlerfreiheit, sondern zu weiteren, even-
fälliges Schweißgut. tuell sehr viel schwerwiegenderen Defek-
– Poren, Porennester, Schlauchporen, ten. Der wichtigste Grund sind die abhän-
Startporosität. Ursachen dieser Feh- gig von der Werkstückdicke entstehenden
lerart sind meistens Handhabungs- erheblichen Eigenspannungszustände,
fehler, aber auch z. B. eine entspre- die bei nicht fachgerechter Ausführung
chend große Porenneigung des Werk- zur Rissbildung führen können. Auch die
stoffs bzw. des Zusatzwerkstoffs kön- häufig sehr begrenzte Zugänglichkeit der
nen eine Rolle spielen. In diesem Fall Schweißstelle ist zu beachten.
muss der Schweißingenieur die Pro-
bleme durch entsprechende Maßnah- Nachstehend werden nur die metallurgischen
men (Zusatzwerkstoffwahl, Einstell- Fehler behandelt, da die anderen Fehlerar-
werte, Probeschweißung, Schweißer- ten bereits in verschiedenen Abschnitten die-
qualifikation) klären. ses Buches erwähnt wurden.
– Anschneiden von Seigerungszonen in
unberuhigten Stählen.
3.5.1 Metallurgische Fehler
Werkstofffehler
Vor dieser Fehlerart kann sich der An- Eine eindeutige Unterscheidung zwischen
wender hinreichend sicher durch Wahl metallurgischen und mechanischen Fehlern
eines für den Verwendungszweck geeig- ist kaum möglich, in den meisten Fällen
neten Werkstoffs schützen. Die hierfür auch nicht erforderlich. Eine größere An-
entscheidende Eigenschaft ist eine ausrei- zahl der unterschiedlichsten, vorwiegend
chende Schweißeignung. Trotzdem müs- auf bestimmten Werkstoffeigenschaften be-
sen nachstehende Probleme grundsätzlich ruhenden Fehler, wurden in den verschiede-
beachtet werden: nen Abschnitten schon ausführlicher bespro-
– Terrassenbruchempfindlichkeit der chen, z.B. Abschn. 3.3.3 (Einfluss der Gase
Feinkornbaustähle (Abschn. 2.7.6.1, auf die mechanischen Eigenschaften). An
S. 189), dieser Stelle sollen nur einige Hinweise auf
– Heißrissempfindlichkeit, bzw. Neigung wichtige charakteristische metallurgische
zu Wiederaufschmelzrissen, Fehler und den Mechanismus der Porenbil-
– Kaltrissempfindlichkeit. dung gegeben werden.
270 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

3.5.1.1 Die Wirkung der Gase – Der Größe des Diffusionskoeffizienten D.


Die Gase können im Werkstoff in atomarer Der geschädigte Werkstoffbereich ist in
oder molekularer Form vorhanden sein und der Regel umso größer, je schneller sich
die Werkstoffeigenschaften in sehr unter- das Gas durch ihn bewegen kann. Aller-
schiedlicher Weise in jedem Fall negativ be- dings ist diese große Beweglichkeit auch
einflussen: nützlich, weil sich das Gas schon bei ver-
– Das atomar im Gitter gelöste Gas beein- hältnismäßig niedrigen Temperaturen
trächtigt die mechanischen Gütewerte in leicht aus dem Werkstoff austreiben lässt.
der Regel sehr viel stärker als Gas in mo- Wasserstoff mit dem kleinsten Atomdurch-
lekularer Form. In erster Linie wird die messer aller Gase zeigt dieses Verhalten
(Bruch-)Zähigkeit z. T. extrem herabge- in typischer Weise.
setzt, d. h. die Rissneigung erhöht. Die- – Der Fähigkeit, Verbindungen zu bilden.
ses komplexe Verhalten trifft vor allem für In gebundener Form, d. h., in Form von
das in vielen Beziehungen gefährlichste festen Teilchen, also Schlacken und Ein-
Gas Wasserstoff zu. schlüssen, wirken die Gase hauptsächlich
Die metallurgische Wirkung der Gase Sau- als mechanische Kerben im Sinne der
erstoff, Wasserstoff und Stickstoff wurde Neuberschen Kerbspannungslehre. Ihr
bereits ausführlicher in Abschn. 3.3.3 be- Einfluss auf die mechanischen Gütewerte
sprochen und wird hier daher nicht mehr wird als relativ gering eingeschätzt und
erörtert. hängt vorwiegend von der Kerbwirkung,
– Das gelöste Gas kann bei Löslichkeitssprün- Größe, Art und Verteilung der Einschlüsse
gen (z. B. Gitterumwandlung, Übergang ab. Sauerstoff und Stickstoff werden leicht
flüssig/fest), begünstigt durch große Ab- von entsprechenden desoxidierenden bzw.
kühlgeschwindigkeiten der Schmelze und denitrierenden Elementen (z. B. Mn, Si,
eine große Schmelzenviskosität, (Aufgabe Al, Ti, Nb) gebunden, die Verbindungs-
2-6, S. 228) den Werkstoff nicht verlassen neigung von Wasserstoff (Hydrid) ist da-
und rekombiniert überwiegend an Gitter- gegen deutlich geringer. Daher lässt sich
störstellen zu molekularem Gas. Es entste- Wasserstoff aus Metallschmelzen kaum
hen die oft ungefährlicheren Poren. Bild mit Desoxidationsmitteln (Metallen), son-
3-32 zeigt eine sich über die gesamte Län- dern sehr viel effektiver mit einer Vakuum-
ge einer UP-geschweißten Wurzel aus- behandlung, s. Abschn. 2.3.1.1, S. 128,
dehnende Schlauchpore. Ihre Entstehung entfernen. Wasserstoff schädigt den Werk-
kann darauf zurückgeführt werden, dass stoff daher überwiegend in gasförmiger,
die nachfließende Schmelze nicht mehr besonders stark in atomarer Form.
das durch die hohe Schweißgeschwindig-
keit geschaffene Schweißgutvolumen auf-
füllen konnte.

Die Wirkung auf das mechanische Verhalten


der Werkstoffe hängt von einer Reihe phy-
sikalischer und chemischer Eigenschaften
der Gase ab:
– Der Größe der Löslichkeit des Gases im
flüssigen und der Größe des Löslichkeits-
unterschieds im flüssigen und festen Zu-
stand. Mit zunehmender Menge des ge-
lösten Gases nimmt die Wahrscheinlich-
keit der Porenbildung (vor allem bei ra-
scher Abkühlung) ebenso zu wie der im
festen Werkstoff zwangsgelöste Anteil, d.
h. auch dessen schädigende Wirkung wird Bild 3-32
größer. Schlauchpore in einer UP-geschweißten Wurzel.
Abschn. 3.5: Fehler in der Schweißverbindung 271

Verhindern der Gasaufnahme Die Viskosität der Schmelze ist im


Mit zunehmender Festigkeit und zunehmen- großen Umfang verantwortlich für die
dem Kohlenstoffgehalt des Werkstoffs ist Neigung zur Porenbildung und wird
die rigorose Begrenzung des in das Schweiß- in erster Linie von ihrem Sauerstoffge-
gut gelangenden Wasserstoffs und der ande- halt bestimmt. Sie ist demnach von der
ren Gase zwingend erforderlich. chemischen Charakteristik der Umhül-
lung der Stabelektroden sowie der
Folgende Möglichkeiten der Gasaufnahme Schweißpulver abhängig.
sind in der Schweißpraxis bedeutsam und
bekannt. Sie sollten beachtet und kontrol- Der wichtigste Wasserstofflieferant ist das
liert werden: von den Umhüllungen und Schweißpulvern
❐ Umgebungsfeuchtigkeit oder mit Schich- aus der Atmosphäre aufgenommene und in
ten aller Art bedeckte Blechoberflächen. ihnen chemisch gebundene Kristall- bzw.
Öl, Rost, Farbe, Fette und Feuchtigkeit Konstitutionswasser (OH-Gruppen). Grund-
sind vergasbare Bestandteile, die erheb- sätzlich sollte der Feuchtegehalt der zum
liche Gasmengen erzeugen können. Sie Schweißen höherfester Vergütungsstähle
lassen sich durch Anwärmen, mit mecha- verwendeten basischen Stabelektroden und
nischen Verfahren (z. B. Schleifen, Bürs- basischen Schweißpulvern durch Trocknen
ten) oder mit geeigneten Lösungsmittel möglichst gering sein. Das gilt aber nur für
beseitigen. basische Stabelektroden. Die Umhüllung je-
❐ Ziehfettrückstände, Rost oder andere Ver- der anderen Stabelektrodenart muss zum Sta-
unreinigungen (Fette, Farben, Schmutz) bilisieren und Konditionieren des Lichtbo-
auf den Oberflächen von Drahtelektroden gens sowie für einen gerichteten Werkstoff-
und Schweißstäben. übergang einen bestimmten Feuchtegehalt
❐ Feuchtigkeit in Schutzgasen, Stabelekt- aufweisen. Zellulose-umhüllte Stabelektro-
roden und Schweißpulvern. den müssen zum Erzeugen eines stabilen
❐ Falsche Handhabung des Schweißgerätes Lichtbogens z. B. bis 4 % Feuchtigkeit enthal-
und eine nicht fachgerechte Schweißtech- ten. Weiterführende Einzelheiten sind im
nologie. Hierzu gehören z. B.: Abschn. 4.2.3.1.3, S. 341, zu finden.
– Zu langer Lichtbogen: Luft kann in
den Lichtbogenraum gelangen. In kri- 3.5.1.2 Fehler beim Schweißbeginn
tischen Fällen kann der Lufteinbruch und Schweißende
auch durch Wahl von Verfahren ver- Bei einigen Zusatzwerkstoffen – vor allem
hindert bzw. behindert werden, deren bei Stabelektroden – besteht die Neigung,
Lichtbogen kurz, wenig turbulent und zu Beginn der Schweißarbeiten im Anfangs-
chemisch nicht aktiv ist. Das WIG-Ver- krater (Ansatzstelle) des Schweißguts eine
fahren ist hierin besonders sicher, Bild deutliche Porenbildung zu erzeugen. Die Ur-
3-19. sache ist eine unzureichende Desoxidation
– Falsche Führung des Schweißbrenners der Schmelze. Die notwendige metallurgi-
beim Gas- und Schutzgasschweißen: sche Reinigung der Schmelze muss mit Des-
Anstellwinkel zu groß/klein; Injektor- oxidationselementen in der Umhüllung er-
wirkung; der helleuchtende Kegel der folgen, weil der Kernstab von Stabelektro-
Gasflamme taucht in die Schmelze den zum Schweißen unlegierter Stähle unbe-
ein, die dann Kohlenstoff und Wasser- ruhigt ist. Kernstäbe der zum Schweißen
stoff aufnimmt. hochfester Stähle verwendeten Stabelektro-
– Falsche Einstellwerte: eine zu große den enthalten aber nur geringe Mengen Si-
Vorschubgeschwindigkeit erzeugt ho- licium, weil dieses Element die Zähigkeits-
he Abkühlgeschwindigkeiten und er- eigenschaften beeinträchtigt.
schwert das Ausgasen des Schweiß-
guts. Diese Tatsache wird oft als Ur- Die Menge des in der Umhüllung enthalte-
sache für eine deutliche Porenbildung nen Ferrosiliciums ist für eine vollständige
unterschätzt. Desoxidation unzureichend, weil die zur Ver-
272 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

fügung stehende Reaktionszeit bei Schweiß- Ähnliche metallurgische Probleme wie bei
beginn zu kurz ist. Porenbildung ist dann un- den Nahtansatzstellen findet man auch im
vermeidlich, Bild 3-33a Bereich des Endkraters. Sie machen sich vor
allem bei den Handschweißverfahren mit ih-
Diese Erscheinung kann durch spezielle rem häufigen Stabelektroden- bzw. Schweiß-
Schweißtechnologien vermieden werden: stabwechsel unangenehm bemerkbar.
– Verwenden von Vorschweißblechen. Der
Anfangskrater, d. h., die ersten 2 cm bis Folgende metallurgische Fehler können am
3 cm der Schweißnaht werden nach dem Nahtende entstehen, wenn die Wärmequel-
Schweißen abgetrennt, Bild 3-33b. le zu schnell vom Schweißbad fortgerissen
– Wählen einer besonderen Elektrodenfüh- wird:
rung, Bild 3-33c. Die Elektrode wird etwa – Endkraterrisse und Endkraterporen. Das
2 cm bis 3 cm in der Fuge vor dem Naht- Nahtende kühlt wegen der fehlenden Wär-
ende gezündet (S) und in Richtung des mezufuhr der Wärmequelle sehr rasch
Nahtendes geführt (S  1). Nach dessen ab, und die Zufuhr flüssigen Zusatzwerk-
Aufschmelzen wird die Schweißrichtung stoffs unterbleibt schlagartig. Die Folge
umgekehrt und dadurch der Bereich des ist ein eingefallenes (Endkrater), schlecht
eigentlichen Nahtbeginns erneut aufge- desoxidiertes (Porenbildung wegen zu ge-
schmolzen (1  S). Durch die jetzt höhere ringer Reaktionszeit) Nahtende, in dem
Reaktionstemperatur, die verlängerte Re- sich wegen der hohen thermischen Span-
aktionszeit und die größere zur Verfügung nungen und dem hohen Gehalt an Verun-
stehende Siliciummenge wird dieser Be- reinigungen in der hier erstarrenden Rest-
reich vollständiger desoxidiert und damit schmelze häufig auch noch heißrissähnli-
die Porenbildung unterbunden. che Werkstofftrennungen bilden (Endkra-
terrisse).
– Aufnahme atmosphärischer Gase durch
Startporosität
den weitgehend fehlenden Schutzgas-
schleier.

Vor allem beim Schweißen der zur Heißris-


sigkeit neigenden Legierungen – vor allem
a) bestimmte NE-Metall-Legierungen – entste-
hen bevorzugt Endkraterrisse. Auch diese
Defekte lassen sich durch geeignete Füh-
rung des Zusatzwerkstoffs und apparative
Ergänzungen bzw. speziellen Hilfsmitteln
der Schweißeinrichtung vermeiden. In ers-
ter Linie sind zu nennen:
b) – Verwenden einer Kraterfülleinrichtung
bei Schutzgasschweißverfahren. Diese
Einrichtung schaltet den Schweißstrom
S
nicht sofort ab. Der Strom fällt kontinu-
2 1
ierlich oder wird mit Hilfe geeigneter Re-
geleinrichtungen nach Maßgabe bestimm-
ter, einstellbarer Strom-Zeit-Folgen aus-
c)
geschaltet. Die Zugabe des flüssigen Zu-
satzwerkstoffs wird somit allmählich be-
Bild 3-33 endet. Die Abkühlgeschwindigkeit ist ge-
Fertigungstechnische Möglichkeiten zum Vermeiden
ringer, der Endkrater wird aufgefüllt, d.
a) der »Startporosität«, (Poren im Anfangskrater),
b) Verwenden von Vorschweiß- bzw. Auslaufblechen, h., die Rissbildung wirksam behindert.
c) spezielle Elektrodenführung (»Back-Start-Stepping«: – Geeignete Führung der Zusatzwerkstoffe.
S Æ 1 Æ S Æ 2). Beim Lichtbogenhandschweißen wird der
Abschn. 3.5: Fehler in der Schweißverbindung 273

Lichtbogen vom Endkrater auf die Flan- – Die ungünstige Form der Primärkristal-
ke geführt und im Kurzschluss »ausge- lisation des Schweißguts (Bild 4-8 und
drückt«. Für bestimmte hochlegierte (aus- Abschn. 4.1.1.1, S. 300), die die Heißriss-
tenitische Cr-Ni-Stähle) Stähle ist diese bildung stark begünstigt, und der
Maßnahme wegen der großen Heißrissge- – große Aufschmelzgrade, d. h. der Umfang
fahr häufig auch nicht ausreichend. Ein der Vermischung von Grundwerkstoff und
sorgfältiges Ausschleifen des Endkraters Zusatzwerkstoff, Bild 3-34b, der verbunden
ist dann unumgänglich. mit der normalerweise großen Schweiß-
– Verwenden von Auslaufblechen, Bild 3- gutmenge grundsätzlich stark (heiß-)riss-
33b. Die Schweißnaht wird auf ein außer- begünstigend wirkt.
halb der Naht liegendes angeheftetes Blech
geführt, das man wie das Vorschweißblech Das Verformungsvermögen des Schweißguts
nach dem Ende der Schweißarbeiten ab- nimmt i. Allg. mit zunehmendem Grundwerk-
trennt. stoffanteil ab, weil die metallurgische Rein-
heit der Zusatzwerkstoffe – zumindest bei
3.5.1.3 Probleme des Einbrands konventionellen Stählen – deutlich größer ist
In den meisten Fällen ist ein tiefer Einbrand als die der Grundwerkstoffe.
aus werkstofflichen Gründen unerwünscht
(Abschn. 4.1.1, S. 300), Bild 3-34a. Die ent- Aus technischen Gründen ist eine große Ein-
scheidenden Nachteile sind: brandtiefe nicht erforderlich, sie wird aber in
der Schweißpraxis oft wegen ihrer Fähigkeit
E geschätzt, Anpassungenauigkeiten der Naht-
vorbereitung »auszugleichen«. Beim Verbin-
W

Zur Definition des Einbrandes: dungs-, vor allem aber beim Auftragschwei-
W = Wurzeleinbrand
E = Flankeneinbrand ßen unterschiedlicher Werkstoffe ist wegen
der fast immer zu erwartenden metallurgi-
a) schen Unverträglichkeiten und anderer Prob-
leme ein geringer Aufschmelzgrad erforder-
lich (Abschn. 4.1.1.1, S. 300).

Im Stahlbau und im Schiffbau werden (aus


wirtschaftlichen Gründen) häufig in einer
Lage hergestellte Kehlnähte mit sehr tiefem
Einbrand verwendet, weil unter bestimmten
Aufschmelzgrad 80 % bis 90 % Aufschmelzgrad 30 % bis 40 %
Umständen die Hälfte der »zusätzlichen« Ein-
b)
brandtiefe z in der statischen Berechnung be-
rücksichtigt werden darf, Bild 3-34c. Wegen
der hohen Abkühlgeschwindigkeit (siehe z.
B. Bild 4-23, S. 321) und der ungünstigen Kris-
tallisationsbedingungen sollte die Unbedenk-
lichkeit dieser Technik durch Versuche nach-
gewiesen werden.
a

c)
z
d)
Bei der z. B. im Schiffbau vielfach angewen-
deten Doppel-Kehlnahtschweißung, Bild 3-
Bild 3-34 34d, kann durch das gleichzeitige Schweißen
Einbrandverhältnisse bei Stumpf- und Kehlnähten. der Kehlnähte mit Automaten der Steg in kei-
a) Zur Definition des Einbrandes, ne Richtung schrumpfen. Dieses hier durch-
b) Einfluss der Fugenform (und des Schweißverfah-
aus beabsichtigte Ergebnis führt aber zu gro-
rens) auf den Aufschmelzgrad,
c) zusätzlicher Einbrand z bei Kehlnähten, ßen Schrumpfspannungen in den erstarren-
d) verstärkte Heißrissneigung bei gleichzeitig doppel- den Nähten und damit in den meisten Fällen
seitig geschweißten Kehlnähten. zur Heißrissbildung.
274 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

3.5.1.4 Einschlüsse; Schlacken


Nach der Art ihrer Entstehung im Schweiß-
gut unterscheidet man die
– exogenen und die
– endogenen Schlacken.

Exogene Schlacken gelangen durch Handha-


bungsfehler des Schweißers in die Schmelze.
Das kann beispielsweise durch in die Schweiß-
schmelze eingespülte, abgeplatzte Teile der
Umhüllung oder durch Einschwemmen ge-
schmolzener Schlacke in das Metallbad als
Folge einer fehlerhaften Führung der Elekt-
roden oder Elektrodenbehandlung (nicht ge-
trocknet!) geschehen, Tabelle 3-2.

Aber auch die unkontrollierten Reaktionen


beliebiger Verunreinigungen in Fugennähe
können zu unerwünschten festen/flüssigen
Bild 3-36
Schlacken (bzw. Poren) führen, die nicht in die Mikroaufnahme eines durch einen Einschluss in einer
Schlackendecke aufsteigen. In der Fertigung 30 mm dicken Schweißverbindung aus dem Stahl 15Mo3
häufig anzutreffende Verunreinigungen sind entstandenen Risses, V = 100 :1.
z. B. Öle, Fette, Farben, Rost, Walzhaut, Be-
schichtungen und grafithaltige Schmiermit- nigungen verursachten Probleme nehmen
tel (Kohlenstoff!). Die durch diese Verunrei- mit zunehmender Schweißgeschwindigkeit
meistens stark zu, Abschn. 4.1.1.1, S. 300.
Kaltstellen entstehen bei Handschweißverfahren,
Schlackeneinschlüsse bei tiefeinbrennenden Schweißverfahren weil: Endogene Schlacken sind das erwünschte
a
Ergebnis der Reaktionen der Desoxidations-
mittel (z. B. Mn, Si, Al, Abschn. 2.3, S. 125)
Öffnungswinkel αzu klein: mit den zu beseitigenden Verunreinigungen
Schlackenreste in Nahtflanken,
Ausschleifen erforderlich
(z. B. O, N, S, P). Wegen der hohen Reaktions-
a) temperaturen in der Schmelze und ihrer gro-
ßen Abkühlgeschwindigkeit sind sie in der
Stegabstand c zu klein: Regel sehr klein. Eine Beeinträchtigung der
Bindefehler an Nahtflanken, mechanischen Gütewerte durch diese Schla-
Schlacken, Wurzelfehler
b)
cken ist ebensowenig zu erwarten wie bei den
c
desoxidierten Grundwerkstoffen. Diese Aussa-
Falsche Elektrodenführung:
ge gilt uneingeschränkt allerdings nur für
Blaswirkung erzeugt Wurzel in konventionelle niedrigfeste Stähle. Mit zu-
»Osterei«-Form. Ohne Ausschlei-
fen erzeugen festgekrallte, schwer
nehmender Werkstofffestigkeit wirken auch
aufschmelzende Einschlüsse kleinere Schlacken (Poren) zunehmend riss-
Schlacken nach nächster Lage
auslösend, d. h. tragfähigkeitsvermindernd.
c)
Größere, und vor allem flüssige Schlacken
Bild 3-35 können das Schmelzbad prinzipiell einfacher
Einfluss der Nahtvorbereitung und der Elektroden- verlassen.
führung auf die Entstehung von Schlacken und Kalt-
stellen im Schweißgut. Die durch fehlerhafte Handhabung entstan-
a) Einfluss des Öffnungswinkels a und des Schweiß-
denen exogenen Einschlüsse sind in den meis-
verfahrens,
b) Einfluss des Stegabstands, ten Fällen wesentlich größer als die endoge-
c) Einfluss falscher Elektrodenführung beim Schwei- nen und gewöhnlich nicht mehr rundlich,
ßen der Wurzel. sondern sehr häufig eckig. Sie sind damit
Abschn. 3.5: Fehler in der Schweißverbindung 275

deutlich gefährlicher, und ihre Beseitigung entstehen auch hier Schlackeneinschlüsse.


ist daher im Gegensatz zu den endogenen Weitere Hinweise über die Wirkung der
meistens erforderlich bzw. nach den Regelwer- Schmelzbadströmungen findet man im
ken bindend vorgeschrieben. Abschn. 4.1.1.2, S. 307.
– Der Stegabstand ist zu gering. Neben der
»Vermeidbare« Schlacken und Schlackennes- größeren Gefahr der Bildung von Binde-
ter entstehen auch häufig durch eine falsche fehlern, Bild 3-35b, muss auch mit Schla-
Elektrodenführung, durch Schweißen in be- ckeneinschlüssen gerechnet werden. Die
stimmten (manuell schwer ausführbaren) Po- Handhabung für den Schweißer wird sehr
sitionen und durch eine fehlerhafte Nahtvor- erschwert.
bereitung. Die wichtigsten Ursachen sind – Schweißen in bestimmten Positionen.
danach: Beim Schweißen z. B. in der PE-Position
– Die beim Schweißen der Wurzel besonders (ü-Pos) ist das Aufsteigen der Reaktions-
starke Blaswirkung wird vom Schweißer schlacken und evtl. der Gase grundsätz-
nicht beachtet, Bild 3-35c. Die Schmelze lich erschwert. Schlackeneinschlüsse und
wird bei falscher Elektrodenhaltung auf eine gewisse Porigkeit sind daher charak-
die bereits geschweißte Naht »geblasen« teristisch für diese Schweißtechnologie.
und erstarrt dann in der charakteristischen
Eiform (»Osterei«). Die Wärme der nachfol- Die Mikroaufnahme Bild 3-36 zeigt sehr an-
genden Lage kann die an den Fugenflan- schaulich die rissauslösende Wirkung einer
ken meistens fest verkrallten Schlacken- im Bereich der Schmelzgrenze entstande-
reste meistens nicht zuverlässig aufschmel- nen Schlacke.
zen. Einschlüsse sind nur vermeidbar,
wenn die Schlackenreste vorher ausgeschlif- 3.5.1.5 Zündstellen
fen wurden. Ähnliche Probleme ergeben Dieser Handhabungsfehler entsteht beim
sich bei Schweißnähten mit zu geringem Zünden des Lichtbogens neben der Schweiß-
Öffnungswinkel, die mit Hochleistungs- nahtfuge (nicht im Schweißgut!) überwie-
verfahren hergestellt werden. Die Schla- gend bei Handschweißverfahren. Seine Ursa-
cke der weit in die Nahtflanken einbren- che ist also nicht eine mangelhafte Handfer-
nenden Naht lässt sich i. Allg. nur durch tigung, sondern Nachlässigkeit und (oder)
intensives Schleifen evtl. auch mit Nadel- eine unzureichende Kontrolle des Schweißers
werkzeigen beseitigen. Unterbleibt dieser bzw. des Fertigungsablaufs.
Arbeitsschritt bzw. wird die festgeklammer-
te Schlacke nicht restlos entfernt, dann Der Bereich der etwa kreisförmigen Zünd-
stelle besteht aus einer geringen Menge ex-
1
trem schnell aufgeheizten und erstarrten flüs-
sigen Werkstoffs, umgeben von einer sehr
rasch abgekühlten WEZ. In dem häufig in
2
3 Martensit umgewandelten austenitisierten
Teilbereich entstehen bei größeren Kohlen-
4 Ac 3 stoffgehalten im Grundwerkstoff leicht Ris-
8
se, begünstigt durch den scharfen Eigen-
4 5 spannungszustand. Schleifspuren neben den
6 Schweißnähten weisen häufig auf nur ober-
7 flächlich beseitigte Zündstellen hin, die im-
mer noch »zugeschmierte« Risse enthalten.
1 Endkraterriss 5 Kaltriss in der WEZ
Eine Prüfung mit dem Farbeindringverfah-
2 Querriss im Schweißgut 6 Bindefehler ren oder anderen geeigneten Verfahren ist
3 Querriss in der WEZ
daher sehr empfehlenswert.
7 Wurzelriss
4 Längsriss im Schweißgut 8 Kantenriss

Bild 3-37
Einteilung der Rissarten nach dem Ort der Entstehung Eine ähnliche Wirkung besitzen zu kurze
in Schweißverbindungen, schematisch. Heftstellen. Ihre Aufgabe ist es, die Fügetei-
276 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

le rissfrei zu fixieren. Dies gelingt aber nur Rissart Entstehungs- Rissverlauf Skizze
dann, wenn die Heftstellen ausreichend dicht ort(e)
liegen [(20 ... 30)¹Blechdicke d] und genügend
lang sind (O 20 bis 40 mm), Abschn. 4.1.3.2, Aufhärtungsriss WEZ
S. 318. Unternahtriss transkristallin
g® M Riss

3.5.1.6 Rissbildung im Schweißgut


und in der WEZ wasserstoff-
induzierter WEZ und transkristallin
und (oder)
Rissbildung im Schweißgut und der WEZ ist Riss Schweißgut
interkristallin
Riss
die wohl gefürchtetste und am schwersten
gezielt zu vermeidende Fehlerart. Eine Repa- Riss
ratur ist unumgänglich. Die Rissbildungsme- Terrassen-
bruch WEZ
parallel zur
Walzrichtung
chanismen sind meistens sehr komplex und
die Rissursachen häufig nicht genügend be-
kannt oder nur mit großem Aufwand feststell- Bild 3-39
bar. Damit ist die Wahl entsprechender Gegen- Klassifizierung des Schweißfehlers Kaltriss.
maßnahmen erschwert und oft nur mit gro-
ßer Erfahrung und ohne Garantie für eine Bild 3-37 zeigt die wichtige Rissentstehungs-
erneute Rissbildung möglich. orte in einer schematischen Übersicht.

Risse entstehen nach örtlicher Überschrei- Die Definitionen und Klassifizierungen der
tung der Festigkeit durch eine irreversible Rissarten geschieht gemäß Bild 3-38:
Trennung des atomaren Zusammenhalts un-
ter Bildung von Rissoberflächen. ❐ In Abhängigkeit von dem Temperaturbe-
reich, in dem die Rissbildung erfolgt un-
Abhängig vom Entstehungsort in Schweißver- terscheidet man
bindungen unterscheidet man die folgenden – Heißrisse und
Risstypen: – Kaltrisse. Nach DIN EN ISO 6520 wer-
– Risse im Schweißgut, den Kaltrisse in Schweißverbindungen
– Risse im Bereich der Schmelzgrenze und nach Risslage und Ausbildungsform
– Risse im restlichen Bereich der WEZ. eingeteilt in Aufhärtungs-, Wurzel-,
Kerb-, Schrumpf- und Lamellenrisse
Schweißen Spannungsarmglühen (Terrassenbruch, Abschn. 2.7.6.1, S.
Grobkornzone 188). Bild 3-39 gibt einige Hinweise
zur Klassifikation der Kaltrisse.
Temperatur T

1500
❐ Je nach Risslänge werden unterschieden
Heißrisse

°C

1200
– Mikrorisse. Deren Länge liegt häufig
im Bereich eines Korndurchmessers.
Sie sind daher nur mit mikroskopi-
900 Ac3
Relaxationsrisse
schen (metallografischen) Verfahren
Ausscheidungen Relaxationsversprödung erkennbar und die
600 – Makrorisse, die bereits mit unbewaff-
Kaltrisse netem Auge erkennbar sind.
Abkühlung verzögert ❐ Gewaltbrüche treten als
300
Arb.-temperatur
– Verformungsbrüche und als
– Sprödbrüche auf. Sie verlaufen kristal-
RT lin oder interkristallin und entstehen
5 - 50 sec Stunden 0,5 - 6 h durch Spalten (Trennen) der Kristall-
Tage
Zeit t ebenen im Korn (Spaltbruch, Trenn-
Bild 3-38 bruch). Diese Risse erscheinen makro-
Rissbildung beim Schmelzschweißen, nach MPA skopisch verformungslos, obwohl ihre
Stuttgart. Entstehung eine bestimmte Plastizi-
Abschn. 3.5: Fehler in der Schweißverbindung 277

tät im Mikrobereich voraussetzt (Mi- Die Bildung der Kaltrisse erfolgt in folgenden
kroplastizität), Bild 3-40b. Schritten:
– Entstehung von Mikrorissen an Gitterde-
Die gefährlichste Schadensform ist der was- fekten nach einer bestimmten Inkuba-
serstoffinduzierte Kaltriss (s. auch Abschn. tionszeit. Sie sind im Lichtmikroskop
3.5.1.1). Da er nach der Wasserstoffbeladung nicht nachweisbar.
u. U. erst nach Tagen entsteht, wird er im – Langsames Wachsen der Mikrorisse bis
englischen Sprachraum auch als delayed frac- eine kritische Länge erreicht ist. Dabei
ture (engl.; delayed verzögert) bezeichnet. sammelt sich zeitabhängig atomarer (dif-
Daher wird noch gelegentlich die Bezeichnung fusibler) Wasserstoff an. Anschließend er-
verzögerter Riss verwendet. Bild 3-40 zeigt folgt durch Verminderung der Kohäsions-
die Bruchfläche eines typischen Kaltrisses kräfte der Übergang zum
in makroskopischer und rasterelektronenmi- – instabilen Rissfortschritt.
kroskopischer Darstellung.
Der im Werkstoff vorhandene atomare Was-
serstoff diffundiert, sicherlich begünstigt
durch größere Spannungsgradienten, in Be-
reiche mit hoher Fehlstellendichte, die i. Allg.
bereits Zonen erniedrigter Trennfestigkeit
sind. Der Wasserstoff reichert sich in dem
durch die Wirkung des dreiachsigen Span-
nungszustandes hydrostatisch gedehnten
Bereiches vor der »Rissspitze« an. Dadurch
wird die Trennfestigkeit soweit erniedrigt,
dass sich Mikrorisse bilden.

Der Riss läuft in der Regel durch Werkstoff-


bereiche mit kritischer Wasserstoffkonzen-
tration und bleibt dann stehen. Ein Weiterwach-
sen kann erst dann erfolgen, wenn an sei-
a) ner Rissspitze erneut die kritische Wasserstoff-
konzentration und der kritische Spannungs-
zustand erreicht ist. Der diffusionskontrol-
lierte (Wasserstoff!) Fortschritt des Risses
erfordert daher längere Zeiten, d. h., der voll-
ständige Bruch tritt erst nach Stunden bzw.
einigen Tagen auf.

Die Auslösung des Schadens hängt von der


Möglichkeit ab, dass sich am Rissort eine kri-
tische Kombination von Beanspruchung und
Wasserstoffgehalt einstellen kann. Das Aus-
b) maß der Versprödung wird daher sehr stark
Bild 3-40 von der Betriebstemperatur bestimmt, die die
Bruchflächenaufnahmen eines wasserstoffinduzierten Diffusionsfähigkeit des Gases bestimmt. Bei
Kaltrisses in einer Implantprobe aus dem Werkstoff hohen Temperaturen kann sich wegen der ver-
C15 (C 15), BAM. besserten Diffusionsbedingungen kein kri-
a) Makroaufnahme, die helleren Flächen sind die tischer Wasserstoffgehalt einstellen, bei nied-
Kaltbruchflächen.
rigen sehr spät oder überhaupt nicht. Die Tem-
b) REM-Aufnahme. Die Bruchfläche zeigt außer
sprödflächigen Anteilen auch Bereiche mit deut- peratur maximaler Schädigung liegt etwa
licher Mikroplastizität und die für diese Rissart im Bereich üblicher Umgebungstemperatu-
typischen Mikroporen. ren ( 30 ’C bis  30 ’C).
Tabelle 3-2

278
Zusammenstellung wichtiger metallurgischer Fehler beim Schweißen.

Fehlerart Entstehung Maßnahmen zu ihrer Vermeidung

Risse Kaltrisse gelten als die gefährlichste Rissform. Sie entstehen überwie- Mit zunehmender Werkstofffestigkeit (d. h. Martensitanteil und/oder Koh-
gend durch Wasserstoff, begünstigt durch große Härte des Gefüges: was- lenstoffmenge) nimmt die durch Wasserstoff verursachte Kaltrissneigung
serstoffinduzierte Kaltrisse. Bei Maximalhärten in der WEZ über 350 extrem zu. In den meisten Fällen sind nur einige cm3 H/100 g Schweißgut
... 400 HV ist ihre Bildung wahrscheinlich. Nach der Lage der Risse wer- ausreichend, um ihn auszulösen.
den sie auch manchmal (vor allem in der Praxis) als Unternahtrisse Die wichtigste, sehr rigoros einzuhaltende Fertigungsmaßnahme besteht bei
(neben der Schmelzlinie in der WEZ verlaufend) bezeichnet. Der Rissver- hochfesten Stählen darin, alle wasserstoffhaltigen Substanzen dem Schmelz-
lauf kann trans- oder interkristallin sein. bad möglichst vollständig fernzuhalten.
Mit zunehmendem C-Gehalt nimmt die Rissbildungswahrscheinlichkeit Neben der Luftfeuchtigkeit und anderen vergasbaren Substanzen auf der
grundsätzlich zu, da Härte und Rissempfindlichkeit des extrem fehlge- Werkstückoberfläche sind das in die Zusatzwerkstoffe (Stabelektroden-Um-
ordneten (vor allem des höhergekohlten) Martensits (Versetzungen, Zwil- hüllung, Schweißpulver) absorptiv eingedrungene und das chemisch ge-
linge) stark zunehmen. bundene Wasser (Kristall- und Konstitutionswasser) die entscheidenden
Kaltrisse können sofort nach dem Schweißen oder erst nach einigen Ta- Wasserstofflieferanten. Die Verwendung wasserstoffkontrollierter basisch-
gen entstehen. Ihr Nachweis mit zerstörungsfreien Prüfverfahren ist umhüllter Stabelektroden ist zwingend. Ihre Verarbeitung erfordert aber
nicht immer zuverlässig möglich. Die Kaltrissneigung läßt sich hinrei- Schweißer, die mit deren Besonderheiten vertraut sind.
chend einfach mit dem Implant-Test feststellen. Stabelektroden und Schweißpulver müssen vor dem Verschweißen nach den
Nach DIN 8524 unterscheidet man in Schweißverbindungen nach Riss- Angaben der Hersteller sorgfältig getrocknet werden. Meistens wird nach
lage und Ausbildungsform die Kaltrissarten: dem Schweißen das Bauteil mindestens bei 250 ° C bis 350 ° C/2h wasser-
Aufhärtungs-, Schrumpf-, Kerb- und Lamellenrisse (Terrassen- stoffarmgeglüht (»Soaken«), besser ist ein Spannungsarmglühen.
bruch). Eigenspannungen und Kerben aller Art (konstruktiv bedingte, vom Schwei-
In Schweißverbindungen aus bestimmten ausscheidungshärtenden (warm- ßer erzeugte mechanische Fehler, wie z. B. Nahtüberhöhung, Kantenver-
festen) Stählen können in der WEZ beim Spannungsarmglühen Wieder- satz, Schlacken, Poren, Zündstellen) begünstigen grundsätzlich die Riss-
erwärmungsrisse (Stress Relief Cracking) auftreten. Dies sind Mikro- entstehung. Mit zunehmender Werkstofffestigkeit müssen daher auch »harm-
risse, die überwiegend interkristallin verlaufen. Sie entstehen durch Korn- los« erscheinende Fehler beseitigt werden.
grenzengleitung als Folge der »Versteifung« der Körner durch Ausschei-
dungen, die sich beim Spannungsarmglühen gebildet haben.

Grobkorn Schweißspezifischer »Fehler«, der in Schmelzgrenzennähe (Grobkornzone) Die Korngröße läßt sich bei umwandlungsfähigen Stählen sehr wirksam
in der WEZ der WEZ als Folge der extrem hohen Temperatur unvermeidlich ist und durch die Mehrlagentechnik (Pendellagentechnik) beeinflussen. In kri-
Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

nur bei umwandlungsfähigen Stählen durch eine Wärmenachbehandlung tischen Fällen - z. B. bei Feinkornbaustählen und verschiedenen NE-Me-
bzw. durch die Mehrlagentechnik beseitigt werden kann. tallen - sind Wärmeeinbringen und Vorwärmtemperatur zu begrenzen.
Die Korngröße nimmt zu mit dem Wärmeeinbringen Q und der Höhe
der Vorwärmtemperatur Tp. Das Kornwachstum ist bei krz Werkstof-
fen bei gleichen Bedingungen stärker als bei kfz Metallen.
Mit zunehmender Korngröße nimmt die Festigkeit und Zähigkeit ab.
Fehlerart Entstehung Maßnahmen zu ihrer Vermeidung

Poren Das gelöste Gas kann wegen der raschen Abkühlung nicht das Schweiß- Saubere, trockene Werkstückoberflächen z. B. durch mechanische Verfahren
bad verlassen, sondern scheidet sich im Werkstoff in molekularer Form im Bereich der Schweißnaht (z. B. Bürsten, Schleifen) und Anwärmen auf et-
als Poren aus. wa 100 ° C (Adsorptionswasser wird beseitigt!) erzeugen.
Umgebungsfeuchtigkeit oder vergasbare Ablagerungen auf den Werkstück- Zusatzwerkstoffe nach Herstellervorschrift trocknen (Stabelektroden, Schutz-
oberflächen können Poren erzeugen, wie z. B.: gase, Schweißpulver).
Feuchte, Rost, Farben, metallische Überzüge (z. B. Zink). Naht sorgfältig vorbereiten (Öffnungswinkel, Stegabstand, Steghöhe fachge-
Schweißspezifische Feuchtelieferanten, wie z. B.: recht wählen, Kantenversatz vermeiden), dadurch werden handhabungsbe-
Feuchtigkeit in Schweißgasen, Kristall- und Konstitutionswasser dingte Mängel ausgeschlossen bzw. verringert. Schweißstelle mit Windschutz
in Elektroden-Umhüllungen und Schweißpulvern, Ablagerungen versehen.
auf Stab- und Drahtelektroden, Schweißstäben. Einfluss der Poren wird nach Regelwerk häufig zu konventionell beurteilt.
Als Folge von Fertigungs- bzw. Handhabungsfehlern, wie z. B.: Bei statischer Beanspruchung sind mindestens 6 % Poren zulässig. Repara-
turen erzeugen häufig noch schwerwiegendere Fehler: hoher Eigenspannungs-
falsche Einstellwerte, Lichtbogen zu lang, Vorschubgeschwindig-
zustand, Kerben, Schlackeneinschlüsse, neue Risse.
keit der Wärmequelle zu groß.

Schlacken Unterscheide: Kaltstellen entstehen bei Handschweiß- Nur exogene Schlacken sind i.
exogene (von außen i. Allg. durch Handhabungsfehler in die Schmelze verfahren, Schlackeneinschlüsse bei tief- Allg. bedenklich, sie müssen
gelangende Schlacke, z. B. Umhüllungsbestandteile werden in die Schmel- einbrennenden Schweißverfahren, weil: häufig beseitigt werden.
ze geschwemmt) und
a Nahtvorbereitung (Öffnungs-
endogene Schlacken, die durch die notwendigen Desoxidationsreaktio- Offnungswinkel = zu klein: winkel, Stegabstand, Steghö-
nen entstehen müssen, da sie den ordnungsgemäßen Ablauf der Desoxi- Schlackenreste in Nahtflan- he, Kantenversatz) sorgfältig
dation anzeigen. ken, Ausschleifen erforderlich. durchführen, Handhabungsbe-
Es entstehen oft rundliche, sehr kleine nichtmetallische Verbindungen, dingte Mängel werden damit
Stegabstand c zu klein: ausgeschlossen bzw. verrin-
die z. T. in die Schmelze steigen, z. T. im erstarrenden Schweißgut einge- Bindefehler an Nahtflanken, gert. Zwischenlagen, vor allem
schlossen werden. Die als Folge der notwendigen Desoxidation entstehen- Schlacken, Wurzelfehler.
den Schlacken beeinträchtigen i. Allg. die Tragfähigkeit in einem nur bei einer »Baustellenschwei-
c
geringen Umfang (aber große Vorsicht bei hochfesten Vergütungsstäh- Ungeeignete Elektroden- ßung«, überschleifen.
len!). führung:
Blaswirkung erzeugt Wurzel
Sie entstehen in einem nicht tolerierbaren Umfang durch unzureichende in »Osterei«-Form. Ohne Aus-
Handfertigkeit des Schweißers und Fertigungsfehler, z. B. durch: schleifen erzeugen die festge- Ausbildung der Schweißer
Ungeeignete Elektrodenführung (»Osterei« in der Wurzel) und Hal- krallten, schwer aufschmelz- und laufende Qualitätskon-
tung des Stabelektrodenhalters, Öffnungswinkel und (oder) Steg- baren Einschlüsse Schlacken trolle sind Voraussetzung für
abstand zu klein oder durch ungeeignete Einstellwerte. nach nächster Lage. eine kontrollierte Fertigung.

Zündstellen Zünden des Lichtbogens außerhalb der Schweißnaht erzeugt Zündstellen. Ein Problem der Qualifikation des Schweißers und seines Verantwortungs-
Abhängig vom Kohlenstoffgehalt, der Werkstückdicke und Abkühlge- bewußtseins, der Qualitätskontrolle und der Schweißaufsicht. Es ist beson-
schwindigkeit entsteht aus dem austenitisierten Bereich der WEZ harter, ders auf angeschliffene Bereiche der Oberfläche zu achten: Durch das Schlei-
spröder, rissanfälliger Martensit. Hohe Eigenspannungen begünstigen fen nicht beseitigte, sondern nur »verschmierte« Risse können Probleme be-
Abschn. 3.5: Fehler in der Schweißverbindung

die Rissbildung selbst bei gut schweißgeeigneten Stählen. reiten. Diese sind durch Farbeindringprobe nachweisbar.
Daher: Nur in der Naht zünden.
279
Fehlerart Entstehung
280
Maßnahmen zu ihrer Vermeidung

»Start- Beim Beginn der Schweißarbeiten kann insbesondere bei verschiedenen Abhilfe prinzipiell durch Verlängern
porosität« Stabelektrodentypen eine ausgeprägte Porosität im Anfangskrater bzw. S ta r tp o r o s itä t der für die vollständige Desoxidation
Endkrater entstehen. Die Ursache sind die nur begrenzten Mengen Ferro- erforderlichen Reaktionszeit möglich.
silicium in der Umhüllung (der Kernstab ist bei unlegierten Stählen un- Die sicherste Methode ist bei empfind-
beruhigt!), weil Si > 0,35 % im Schweißgut die Zähigkeitseigenschaften ver- lichen Werkstoffen eine besondere
mindert. Zu Beginn sind die zur Verfügung stehenden Reaktionszeiten zu S c h w e iß b e g in n b e i S b is 1 , z u r ü c k
n a c h 2 , S w ir d e r n e u t a u fg e s c h m o lz e n
Schweißtechnologie: Starten etwa 1
gering, die Temperatur noch nicht hoch genug, die Desoxidation also noch bis 2 cm vor dem eigentlichen Schweiß-
unvollständig. Ähnliches gilt für den Endkrater, wenn der Lichtbogen beginn (S), Elektrode in Richtung
S
plötzlich erlischt. Nahtbeginn (1) führen und Schweiß-
2 1
richtung umkehren.

Einbrandtiefe Kein Fehler im eigentlichen Sinn, ein zu großer Einbrand kann aber zu b Vor allem bei mechanisierten Verfah-
erheblichen metallurgischen Problemen führen. ren mit ihrem meistens großen Ein-
N a h t f o r m v e r h ä l t n i s j: brand und ihrer großen Abschmelz-

t
In Einlagenschweißungen mit einer großen Einbrandtiefe kristallisiert
j = b/ t leistung ist die Kontrolle der Ein-
das Schweißgut in einer sehr unerwünschten Weise. Der ungünstige Naht-
formfaktor erleichtert die Heißrissneigung erheblich. Bei tiefeinbrennen- brandtiefe bzw. des Nahtformverhält-
den Schweißverfahren (z. B. UP) wird daher häufig die hohe Vorschubge- nisses wichtig. Das kann einfach und
schwindigkeit, nicht so sehr die große Abschmelzleistung genutzt. zu- verlässig mit metallographischen
Methoden geschehen.
Aus werkstofflichen Gründen wäre ein Schweißverfahren mit der Ein-
j< < 1 j> 1 Ein größerer Einbrand ist in der Pra-
brandtiefe »Null« optimal und festigkeitsmäßig völlig ausreichend. Me-
xis häufig erwünscht, da Anpassunge-

metallurgische Fehler
tallurgische Probleme beim Verbindungs- bzw. Auftragschweißen unter- H e iß r is s w a h r - H e iß r is s u n w a h r s c h e in -
schiedlicher Werkstoffe sind dann ausgeschlossen. Aus fertigungstechni- nauigkeiten der Nahtvorbereitung leich-
s c h e in lic h lic h , V e r u n r e in ig u n g e n
schen Gründen muss aber wegen der Gefahr von Bindefehlern (Kaltstel- ter »ausgeglichen« werden können.
s te ig e n in d ie S c h la -
len) ein definierter Einbrand vorhanden sein. c k e . Bei Verbindungs- oder Auftragschwei-
Z u g e r i n g e r E in b r a n d ßungen sollte der Einbrand so klein
fü h r t z u B in d e - u n d wie nötig sein.
W u r z e lf e h le r n (K ).

Risse Risse sind die gefährlichste und am unzuverlässigsten zu vermeidende 1


Vermeiden der Heißrisse ist oft einfa-
Fehlerart. Sie entstehen durch Last- oder Eigenspannungen durch ört- cher:
liches Überschreiten der Festigkeit und irreversibler Trennung des ato- 2 Verunreinigungen auf Blechoberflä-
3
Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

maren Zusammenhalts. Man unterscheidet Mikrorisse (Risslänge im Be- che beseitigen,


4
reich der Korndurchmesser, meistens nicht mit bloßem Auge erkennbar)
und Makrorisse. Nahtformverhältnis beachten,
4 Zusatzwerkstoffe wählen, die niedrig-
Abhängig vom Temperaturbereich der Rissentstehung unterscheidet man 5
6 7 schmelzende Verunreinigungen ver-
Kaltrisse (wichtigstes rissauslösendes Element ist der Wasserstoff!) und
Heißrisse (entstehen durch niedrigschmelzende, meist eutektische, flüssi- schlacken können (am Sichersten sind
1 E n d k r a te r r is s 2 Q u e r r is s im S B-Elektroden),
ge Filme an den Korngrenzen, d. h. interkristalliner Rissverlauf!).
3 Q u e r r is s in W E Z 4 L ä n g s r is s im S
5 K a ltr is s in W E Z 6
B in d e fe h le r Schweißbadgröße und Schweißei-
7 W u r z e lr is s S = S c h w e i ß g u t genspannungen begrenzen.
Abschn. 3.5: Fehler in der Schweißverbindung 281

Bei großen Beanspruchungsgeschwindigkei- Der Wirkmechanismus dieser Rissart macht


ten kann der Wasserstoff ebenfalls nicht ge- gleichzeitig eine in der Schweißpraxis häu-
nügend rasch diffundieren, d. h., ein entste- fig verwendete sehr effektive Abwehrmaß-
hender Bruch kann nur die Folge einer zu nahme verständlich. Der an Gitterstörstel-
großen mechanischen Belastung sein, nicht len örtlich konzentrierte atomare Wasser-
aber auf der Wirkung des Wasserstoffs beru- stoff wird durch das zwischen nur 250 ’C
hen. Aus diesem Grunde kann diese Form und 350 ’C/1 h ... 2 h wirtschaftlich durch-
der Werkstoffversprödung auch nicht mit führbare Wasserstoffarmglühen (»Soaken«)
dem Kerbschlagbiegeversuch nachgewiesen so schnell aus dem Werkstoff ausgetrieben,
werden. Hierfür sind grundsätzlich Prüfver- dass er sich nicht mehr an den »Wasserstofffal-
fahren erforderlich, mit denen die Last in len« im Gefüge anlagern kann. Diese Behand-
Proben mit definierten Bereichen hoher Span- lung wird gewöhnlich sofort direkt nach dem
nungskonzentration (große mehrachsige Span- Schweißen aus der Schweißwärme durchge-
nungen sind erforderlich!) ausreichend lang- führt. Die Bildung von Kaltrissen ist daher
sam aufgebracht werden kann. Der Zugver- nicht mehr möglich. Bild 3-41 zeigt beispiel-
such mit scharfgekerbten Proben und gerin- haft die Wirkung dieser Wärmebehandlung
ger Belastungsgeschwindigkeit oder besser bei einem legierten Vergütungsstahl. Der
der Implantversuch (Abschn. 6.2.1, S. 583) kathodisch mit Wasserstoff beladene Stahl
sind geeignete Prüftechniken zum Nachweis wurde bei 150 ’C unterschiedlich lange ge-
der Wasserstoffversprödung. glüht. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass
mit zunehmender Glühzeit, also abnehmen-
Das Aussehen und der Verlauf dieser Riss- dem Gehalt atomaren Wasserstoffs, die er-
art ähnelt der Spannungsrisskorrosion (Ab- tragene Spannung sehr stark zunimmt.
schn. 1.7.6.2.1, S. 91). Der Rissverlauf ist aber
bei der SpRK deutlich verzweigter und wesent- Tabelle 3-2 zeigt in einer zusammenfassen-
lich häufiger interkristallin verlaufend als den Übersicht Hinweise zur Entstehung und
im Fall der Kaltrisse. Kathodische Polarisa- Vermeidung der wichtigsten metallurgischen
tion ruft Kaltrissigkeit hervor, unterdrückt Fehler beim Schweißen.
aber die SpRK.
2250
Der wasserstoffinduzierte Kaltriss ist beim N
mm2
Schweißen hochfester Vergütungsstähle be- 2000 unbeladen
ertragene Spannung s

sonders zu beachten und gefährlich. Abhängig


von der Werkstofffestigkeit ist mit seinem 1750
Auftreten bei Wasserstoffgehalten im Schweiß-
18 h
gut schon ab 2 cm3/100 g (etwa oberhalb einer 1500
Streckgrenze von Rm 1000 N/mm2) zu rech-
nen. Der sich in der WEZ bildende Marten- 1250
sit ist die für diese Rissart anfälligste Gefüge-
form, Bild 4-73, S. 393. Risse entstehen dann 1000
bei Beanspruchungen weit unterhalb der
Trennfestigkeit, weil ein Spannungsabbau 750
durch Plastifizieren nicht möglich ist. Daher 7h

wird durch Wahl geeigneter Schweißpara- 500


0,5 h

meter bei Schweißverbindungen aus diesen 350


Stählen in der rissgefährdeten WEZ ein Ge- 0,01 0,1 1 10 100 h 1000
füge angestrebt, das aus Bainit und Marten- Bruchzeit t
sit besteht (Abschn. 4.3.3, S. 398). Mit zu-
Bild 3-41
nehmender Härte des Gefüges, also zuneh-
Bruchverhalten kathodisch mit Wasserstoff beladener
mendem Martensitgehalt, wird die Kaltriss- Proben aus einem Vergütungsstahl (Typ CrMoV mit
bildung daher grundsätzlich begünstigt (Bild 0,4 % Kohlenstoff) bei 150 ’C in Abhängigkeit von der
4-66, S. 385). Glühzeit, nach Troiano.
282

Tabelle 3-3
Grenzwerte für Unregelmäßigkeiten, nach DIN EN ISO 5817, Auswahl.
Es bedeuten: a = Sollmaß der Kehlnahtdicke, b = Breite der Nahtüberhöhung, d = Porendurchmesser, h = Höhe der Unregelmäßigkeit (Höhe und Breite),
l = Länge der Unregelmäßigkeit, s = Nennmaß der Stumpfnahtdicke, t = Wanddicke.

t Grenzwerte für die Unregelmäßigkeiten bei Bewertungsgruppe


Unregelmäßigkeit
Nr. Bemerkungen
Benennung
mm D C B

1 Oberflächenunregelmäßigkeiten

1.1 Riss ³ 0,5 Nicht zulässig Nicht zulässig Nicht zulässig

1.2 Endkraterriss ³ 0,5 Nicht zulässig Nicht zulässig Nicht zulässig

1.3 Oberflächenpore Größtmaß einer Einzelpore für


- Stumpfnähte 0,5 bis 3 d £ 0,3 × s Nicht zulässig Nicht zulässig
- Kehlnähte d £ 0,3 × a
Größtmaß einer Einzelpore für
- Stumpfnähte >3 d £ 0,5 × s, aber max. 3 mm d £ 0,2 × s, aber max. 2 mm Nicht zulässig
- Kehlnähte d £ 0,5 × a, aber max. 3 mm d £ 0,2 × a, aber max. 2 mm

1.5 Bindefehler
(unvollständige Nicht zulässig Nicht zulässig Nicht zulässig
Bindung)
³ 0,5
Mikro-Bindefehler Nur nachzuweisen anhand einer
Zulässig Zulässig Nicht zulässig
mikroskopischen Untersuchung

1.6 Ungenügender Nur für einseitig geschweißte ³ 0,5 Kurze Unregelmäßigkeit: Nicht zulässig Nicht zulässig
Wurzeleinbrand Stumpfnähte
Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

h £ 0,2 × t, aber max. 2 mm

h
Tabelle 3-3, Fortsetzung.

t Grenzwerte für die Unregelmäßigkeiten bei Bewertungsgruppe


Unregelmäßigkeit
Nr. Bemerkungen
Benennung
mm D C B

1.7 Durchlaufende Weicher Übergang wird verlangt. 0,5 bis 3 Kurze Unregelmäßigkeit: Kurze Unregelmäßigkeit: Nicht zulässig
Einbrandkerbe Wird nicht als systematische Unregel- h £ 0,2 × t h £ 0,1 × t,
Nichtdurchlaufende mäßigkeit angesehen.
Einbrandkerbe >3 h £ 0,2 × t, aber max. 1 mm h £ 0,1 × t, h £ 0,05 × t,

h
aber max. 0,5 mm aber max. 0,5 mm

t
h
t
1.8 Wurzelkerbe Weicher Übergang wird verlangt 0,5 bis 3 h £ 0,2 mm + 0,1 × t Kurze Unregelmäßigkeit: Nicht zulässig
h £ 0,1 × t

h
>3 Kurze Unregelmäßigkeit: Kurze Unregelmäßigkeit: Kurze

t
h £ 0,2 × t, aber max. 2 mm h £ 0,1 × t, aber max. 1 mm Unregelmäßigkeit:
h £ 0,05 × t,
aber max. 0,5 mm

1.9 Zu große Weicher Übergang wird verlangt ³ 0,5 h £ 1 mm + 0,25 × b, h £ 1 mm + 0,15 × b, h £ 1 mm + 0,1 × b,
Nahtüberhöhung aber max. 10 mm aber max. 7 mm aber max. 5 mm

h
b
(Stumpfnaht)
Abschn. 3.5: Fehler in der Schweißverbindung
283
Tabelle 3-3, Fortsetzung.

t Grenzwerte für die Unregelmäßigkeiten bei Bewertungsgruppe 284


Unregelmäßigkeit
Nr. Bemerkungen
Benennung
mm D C B

1.16 Übermäßige In Fällen, bei denen eine symmetrische ³ 0,5 h £ 2 mm + 0,2 × a h £ 2 mm + 0,15 × a h £ 1,5 mm + 0,15 × a
Asymmetrie der Kehlnaht festgelegt worden ist
Kehlnaht (über- h
mäßige Ungleich-

z2
schenkligkeit

a
z1

1.17 Wurzelrückfall Weicher Übergang wird verlangt 0,5 bis 3 h £ 2 mm + 0,2 × a Kurze Unregelmäßigkeit: Nicht zulässig

>3 Kurze Unregelmäßigkeit: Kurze Unregelmäßigkeit: Kurze

t
h £ 0,2 × t, aber max. 2 mm h £ 0,1 × t, aber max. 1 mm Unregelmäßigkeit:
h £ 0,05 × t,
aber max. 0,5 mm

1.18 Wurzelporosität Schwammige Ausbildung der Naht- ³ 0,5 Örtlich zulässig Nicht zulässig Nicht zulässig
wurzel als Folge von Blasenbildun-
gen des Schweißgutes bei der Erstar-
rung (z. B. mangelnder Gasschutz
der Wurzel)

1.19 Ansatzfehler ³ 0,5 Zulässig Nicht zulässig Nicht zulässig


Die Grenze hängt von der
Art der Unregelmäßigkeit
ab, die beim Wiederbeginn
auftritt.
Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

1.22 Zündstelle ³ 0,5 Zulässig, wenn die Eigen- Nicht zulässig Nicht zulässig
schaften des Grundwerk-
stoffes nicht beeinflusst
werden.
Tabelle 3-3, Fortsetzung.

t Grenzwerte für die Unregelmäßigkeiten bei Bewertungsgruppe


Unregelmäßigkeit
Nr. Bemerkungen
Benennung
mm D C B

2 Innere Unregelmäßigkeiten

2.1 Riss Alle Risstypen außer Mikrorisse und ³ 0,5 Nicht zulässig Nicht zulässig Nicht zulässig
Endkraterrisse

2.2 Mikroriss Ein Riss, der gewöhnlich nur unter dem ³ 0,5 Zulässig Die Zulässigkeit hängt ab von der Art des Grund-
Mikroskop sichtbar ist (50x) werkstoffes und vor allem von der Rissanfälligkeit

2.3 Pore, Porosität Folgende Bedingungen und Grenzwerte für


(gleichmäßig verteilt) Unregelmäßigkeiten müssen erfüllt werden:

a1) Größtmaß der Flache der Unregelmäßig- ³ 0,5 einlagig: £ 2,5 % einlagig: £ 1,5 % einlagig: £ 1 %
keit (einschließlich systematischer Un- mehrlagig: £ 5 % mehrlagig: £ 3 % mehrlagig: £ 2 %
regelmäßigkeit) bezogen auf die proji-
zierte Fläche
Anmerkung: Die Porosität in der Abbil-
dungsfläche hängt von Lagenanzahl ab

a2) Größtmaß der Unregelmäßigkeit in der ³ 0,5 £ 2,5 % £ 1,5 % £ 1%


Querschnittsfläche (einschließlich syste-
matischer Unregelmäßigkeit) bezogen
auf die gebrochene Oberfläche (nur in
der Produktion, bei Schweißer- und Ver-
fahrensprüfungen anwendbar)

b) Größtmaß einer einzelnen Pore für ³ 0,5


- Stumpfnähte d £ 0,4 × s, aber max. 5 mm d £ 0,3 × s, aber max. 4 mm d £ 0,2 × s (max. 3 mm)
- Kehlnähte d £ 0,4 × a, aber max. 5 mm d £ 0,3 × a, aber max. 4 mm d £ 0,2 × a (max. 3 mm)
Abschn. 3.5: Fehler in der Schweißverbindung
285
286 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

3.5.2 Bewertung der Fehler Bei der Angabe der Grenzwerte für die Unre-
gelmäßigkeiten unterscheidet man:
Die Bewertung von Unregelmäßigkeiten in – Kurze Unregelmäßigkeit: eine oder mehrere
Lichtbogenschweißverbindungen aus Stahl, Unregelmäßigkeiten mit einer Gesamt-
Nickel, Titan und deren Legierungen erfolgt länge nicht größer als 25 mm von jeweils
mit der in der Praxis schon seit Jahren weit- 100 mm der Schweißnaht oder höchstens
gehend eingeführten DIN EN ISO 5817 (die 25 % der Gesamtlänge einer Schweißnaht,
Vorgängernorm DIN EN 25817 wurde be- die kürzer als 100 mm ist. Der Bereich
reits 1992 der Öffentlichkeit vorgestellt) mit mit den meisten Unregelmäßigkeiten ist
Hilfe der Bewertungsgruppen. Sie haben die zugrunde zu legen.
Funktion von Referenznormen, mit denen – Systematische Unregelmäßigkeit: Unre-
»Festlegungen zum Bewerten von Schweiß- gelmäßigkeiten, die sich in regelmäßigen
nähten sowohl für die verschiedenen Anwen- Abständen in der Schweißnaht über die
dungsgebiete, z. B. für den Stahlbau, Druck- untersuchte Schweißnahtlänge wiederho-
behälterbau, Maschinenbau als auch für Prü- len; dabei liegen die Abmessungen der ein-
fungsnachweise, z. B. für die Prüfung der zelnen Unregelmäßigkeiten innerhalb der
Schweißer, Verfahrensprüfung« geschaffen Zulässigkeitsgrenzen der Unregelmäßig-
werden. Damit wird auch der Festlegung an- keiten nach Tabelle 3-3.
wendungsbezogener, in Umfang, Auswahl und
Bewertung abweichender, die schweißtech- Die Bewertungsgruppen decken die Mehr-
nische Fertigung belastender Regelungen vor- zahl der praktischen Anwendungen ab. Sie
gebeugt. werden durch die Anwendernorm (geregel-
ter Bereich) oder den verantwortlichen Kons-
Die mechanischen »Fehler« werden in dieser trukteur zusammen mit dem Hersteller und/
Norm als Unregelmäßigkeiten bezeichnet. oder Anwender vor Fertigungsbeginn im An-
Mit dieser Benennung wird der falschen Vor- gebots- oder Bestellstadium festgelegt. In
stellung vorgebeugt, dass jede Abweichung Sonderfällen der Beanspruchung, z. B. bei
von den Zeichnungsmaßen ein zu beseitigen- dynamischer Belastung oder bei geforderter
der Fehler darstellt. Lecksicherheit, können weitere zusätzliche
Anforderungen spezifiziert werden. Metallur-
Mit der Norm DIN EN ISO 5817 werden Un- gische Besonderheiten bzw. Defekte (z. B.
regelmäßigkeiten definiert, die in einer »nor- Korngröße, Art und Härte des Gefüges) wer-
malen« Fertigung erwartet werden können. den von dieser Norm nicht erfasst. Es soll-
Sie kann in einem Qualitätssystem für die ten aus technischen, organisatorischen und
Herstellung von werkstattgeschweißten Ver- wirtschaftlichen Gründen nicht alle aufge-
bindungen benutzt werden. In der Norm wer- führten Unregelmäßigkeiten berücksichtigt
den drei mit D, C und B bezeichnete Bewer- werden, sondern nur die, die für das gewähl-
tungsgruppen für die Unregelmäßigkeiten te Schweißverfahren und das Bauteil wich-
an Schweißverbindungen aus Werkstoffen tig sind. Die Grenzwerte für einige Unregel-
im Dickenbereich von 3 mm bis 63 mm fest- mäßigkeiten nach DIN EN ISO 5817 sind in
gelegt, aus denen eine Auswahl für eine be- Tabelle 3-3 angegeben.
stimmte Anwendung getroffen werden kann.
Die Größe der zulässigen Unregelmäßigkei- Grundsätzlich gelten alle Hinweise nur für
ten ist in der Gruppe D am höchsten, in der das »Maschinenelement« Schweißverbindung.
Gruppe B am geringsten. Objektspezifische Besonderheiten [z. B. Art
der Beanspruchung (stoßartig, statisch, dy-
Bewertungsgruppen sind vorgesehen, um namisch], Höhe der Betriebstemperatur, Scha-
Grundbezugsdatenzur Verfügung zu stellen densgefährlichkeit, Werkstückdicke und Ei-
und beziehen sich nicht auf eine spezielle genspannungszustand) müssen durch Wahl
Anwendung. Sie gelten für die Schweißnäh- der entsprechenden Bewertungsgruppe oder
te in der Fertigung und nicht auf das ganze durch zusätzliche Forderungen berücksich-
Erzeugnis oder Bauteil. tigt werden.
Abschn. 3.5: Fehler in der Schweißverbindung 287

Die Bewertungsgruppen werden im geregel- Bei statischer Belastung werden je nach Aus-
ten Bereich abhängig vom jeweiligen Anwen- nutzung der zulässigen Spannungen die Be-
dungsfall in dem betreffenden Regelwerk anspruchungen nach dem DVS-Merkblatt
festgelegt. Für den zzt. noch ungeregelten Be- 0705 (ohne Ersatz zurückgezogen) einge-
reich werden die Bewertungsgruppen abhän- stuft in
gig von der Beanspruchungsart und -höhe – etwa 50 % (vorh s … 0,5¹ zul s),
des geschweißten Bauteils vom Hersteller – etwa 75 % (0,5 ¹zul s  vorh s … zul s),
(Auftraggeber) festgelegt. Bei der Beanspru- – bis zu 100 % (0,75¹zul s  vorh s … zul s).
chungsart unterscheidet man die
– vorwiegend ruhende Belastung (statisch) Ein entscheidender Faktor für die Wahl der
– und die nicht vorwiegend ruhende (dyna- Bewertungsgruppe bei dynamischer Bean-
mische: schwellende, wechselnde) Bean- spruchung ist hierbei das Ermüdungsver-
spruchung. halten der Schweißverbindung. Die Auswahl

Tabelle 3-4
Empfehlungen für die Auswahl von Bewertungsgruppen nach DIN EN ISO 5817 (DIN EN 25817) für Stumpf-
und Kehlnähte bei vorwiegend ruhender (statischer) Beanspruchung, nach DVS-Merkblatt 0705.

Nr. Unregelmäßigkeit Bewertungsgruppe bei Ausnutzung


Benennung der zulässigen Spannung, zul σ

etwa 50 % etwa 75 % etwa 100 %

1 Risse nicht zulässig nicht zulässig nicht zulässig


2 Endkraterriss D nicht zulässig nicht zulässig
3 Porosität und Poren D C B
4 Porenneat D C B
5 Gaskanal, D C B
6 Schlauchporen D C B
7 Feste Einschlüsse (außer Kupfer) nicht zulässig nicht zulässig nicht zulässig
8 Kupfer-Einschlüsse D nicht zulässig nicht zulässig
9 Ungenügende Durchschweißung D C B
10 Schlechte Passung (Kehlnaht) D C B
11 Einbrandkerbe D C B
12 Zu große Nahtüberhöhung (Stumpfnaht) D D D
13 Zu große Nahtüberhöhung (Kehlnaht) D D D
14 Nahtdickenüberschreitung (Kehlnaht) D D D
15 Nahtdickenüberschreitung (Stumpfnaht) D B B
16 Zu große Wurzelüberhöhung D D D
17 Örtlicher Vorsprung D C B
18 Kantenversatz D C B
19 Decklagenunterwölbung – Verlaufenes Schweißgut D C B
20 Übermäßige Ungleichschenkligkeit (Kehlnaht) D C C
21 Wurzelrückfall; Wurzelkerbe D C B
22 Schweißgutüberlauf D nicht zulässig nicht zulässig
23 Ansatzfehler D nicht zulässig nicht zulässig
24 Zündstelle X X X
25 Schweißspritzer X X X
26 Mehrfachunregelmäßigkeiten im Querschnitt D C B

Vorschlag für die Auswahl ei- ohne Sonderbestimmungen C C B


ner einheitlichen Bewertungs-
gruppe für Unregelmäßigkei-
ten mit Sonderbestimmungen D*

X: Zulässigkeit hängt von der Anwendung ab (z. B. Werkstoff, Korrosionsschutz oder Funktion). Sonder-
bestimmung für D*: Bei Unregelmäßigkeit Nr. 11 (Einbrandkerbe) ist bei Ausnutzung von etwa 50 %
die Bewertungsgruppe C zu wählen.
288 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

der Bewertungsgruppe wird durch das DVS- dungen aus Aluminium und seinen schweiß-
Merkblatt 0705 (ohne Ersatz zurückgezogen) geeigneten Legierungen nach DIN EN ISO
sehr erleichtert. 10042 (DIN EN 30042) vorgenommen. Sie
ist ebenfalls als Referenznorm für Festlegun-
Tabelle 3-4 zeigt beispielhaft die Empfehlun- gen zum Bewerten von Schweißnähten so-
gen für die Auswahl von Bewertungsgrup- wohl für die verschiedenen Anwendungsge-
pen für Schrumpf- und Kehlnähte nach DIN biete (Stahlbau, Druckbehälterbau), als auch
EN ISO 5817 bei vorwiegend statischer Be- für Prüfungsnachweise (Verfahrensprüfung,
lastung gemäß DVS-Merkblatt 0705. Schweißerprüfung) vorgesehen.

Die Richtwerte für die zulässigen Spannun- Die Norm DIN EN ISO 10042 legt die Anfor-
gen für die Schweißverbindungen (zul s) derungen für die mit B, C, D bezeichneten Be-
sind bei: wertungsgruppen von Unregelmäßigkeiten
– Stumpfnähten zul s gleich der zulässigen für Schweißnahtdicken größer als 0,5 mm
Spannung des Grundwerkstoffs, fest. Die Bewertungsgruppen sind ebenfalls
– Kehlnähten (Quer- und Längs-Kehlnähte) nicht objektspezifisch, sondern beziehen sich
zul s gleich 65 % der zulässigen Spannung ausschließlich auf Schweißnahtarten und
des Grundwerkstoffs. nicht auf das gesamte Erzeugnis oder Bauteil.
Mit ihnen wird die Fertigungsqualität und
Bei dynamischer Beanspruchung wird ein nicht die Gebrauchstauglichkeit beurteilt.
Netz von Wöhlerlinien empfohlen, in das die Die Bewertungsgruppen für strahlgeschweiß-
jeweiligen Kerbfälle der Schweißverbindun- te Verbindungen sind in ISO 13919-2 zu fin-
gen und geschweißten Bauteile eingeordnet den.
werden. Die Kerbfälle werden durch zulässi-
ge Schwingbreiten der Spannungen (bei Einzelheiten über die für den Nachweis und
Schwingspielzahlen N 106) angegeben und Größenbestimmung der Unregelmäßigkeiten
durch Schwingfestigkeitsklassen gekenn- zu verwendenden Prüfverfahren werden in
zeichnet, deren Größe für die Wahl der Bewer- der Norm nicht genannt.
tungsgruppe bestimmend ist. Wegen der
grundsätzlich geringeren Belastbarkeit dyna-
misch beanspruchter Bauteile, wird meistens
die Bewertungsgruppe B gewählt.

Diese Norm wird als Qualitätssicherungs-


system zum Herstellen von Schweißverbin-
dungen mit gewünschten oder geforderten
300
Eigenschaften vorteilhaft verwendet. Über N Schwellbeanspruchung k = 0

den tatsächlichen Einfluss einer bestimm- mm2


Betriebsbeanspruchung s

ten Unregelmäßigkeit auf die Tragfähigkeit 200

eines geschweißten Bauteils sind natürlich 150


V

keine Informationen möglich, da sie bauteil-


spezifisch sind und durch Experiment festge- W
100
stellt werden müssen. Bild 3-42 zeigt als Bei-
spiel den Einfluss der Porenmenge, darge- Z Y X

stellt durch die Qualitätsbereiche V, W, X, Y 60


5 6
104 10 10 107
und Z, auf die zulässige dynamische Betriebs- Lastspielzahl N
beanspruchung bei k 0 (Schwellbelastung)
für Stahl nach Harrison und Young. Bild 3-42
Einfluss der Porenmenge – dargestellt durch die Qua-
litätsbereiche V, W, X, Y, Z – auf die ertragbare Le-
Ähnlich wie bei der für Stahl gültigen DIN bensdauer von Schweißverbindungen aus Stahl mit
EN ISO 5817 wird die Bewertung von Unregel- Zugfestigkeiten bis 780 N/mm2, nach Harrison und
mäßigkeiten für Lichtbogenschweißverbin- Young.
Abschn. 3.6: Aufgaben zu Kapitel 3 289

Die in der Praxis einzig bedeutsame Versa-


3.6 Aufgaben zu Kapitel 3 gensform des Schweißguts sind neben der
Porenbildung die Entstehung von Heiß-
rissen vorwiegend durch Schwefel, haupt-
sächlich bei unberuhigten Stählen.

Aufgabe 3-1: Die WEZ besteht in der Regel aus Gefü-


Es ist das Schweißverhalten (Schweißeig- gen der Perlitstufe, in geringen Mengen
nung) unlegierter niedriggekohlter (£ 0,2 %) auch Bainit, mit Seitenplattenferrit und
C-Mn-Stähle zu beurteilen. (oder) Ferrit in Widmannstättenscher An-
ordnung. Die maximale Härte in der WEZ
Der geringe Kohlenstoffgehalt dieser unle- beträgt etwa 200 HV ... 250 HV, d. h., sie
gierten Baustähle macht eine Martensitbil- liegt weit unterhalb der Härte, die gewöhn-
dung im schmelzgrenzennahen Bereich der lich zugelassen wird (300 HV bis 320 HV).
WEZ wegen ihrer sehr großen kritischen Ab- Werden die Schweißarbeiten in Mehrla-
kühlgeschwindigkeit nahezu unmöglich. Die gentechnik (Pendellagentechnik) ausge-
Schweißeignung ist daher gut bis sehr gut, führt, dann ist das (bei Stählen!) weitge-
weil die wichtigste die Schweißeignung be- hend umgekörnte Gefüge der schmelz-
einträchtigende Versagensform Kaltrissbil- grenzennahen Bereiche auch ausreichend
dung praktisch ausgeschlossen ist. feinkörnig.

Das Schweißverhalten, d. h. die Neigung des


Werkstoffs beim Schweißen in der Verbin-
dung Defekte – vor allem Risse in der WEZ Aufgabe 3-2:
– zu erzeugen, wird außer vom Kohlenstoff- Es ist das Schweißverhalten (Schweißeig-
gehalt in geringerem Umfang von folgenden nung) der höhergekohlten (> 0,2 %) ( Vergü-
Faktoren bestimmt: tungs-)Stähle zu beurteilen. Hinweise zur Mar-
– Gehalt an Verunreinigungen (vorwiegend tensitbildung sind in Abschn. 1.4.2.2, S. 34,
S und P). einige Werkstoffgrundlagen zu den Vergü-
Der Gehalt an Verunreinigungen wird tungsstählen in Abschn. 2.7.3.1, S. 174, und
im Wesentlichen durch den Grad der Be- wichtige Schweißempfehlungen in Abschn.
ruhigung bzw. der Gütegruppe, Abschn. 4.3.4, S. 402, zu finden.
4.3.1.1, S. 379) vorgegeben, in Richtung
FU (U)  R  FF (RR) nimmt die Reinheit Wegen der vom Kohlenstoffgehalt abhängi-
des Stahles und damit die Kerbschlagar- gen u. U. sehr geringen kritischen Abkühl-
beit d. h. die Schweißeignung zu. geschwindigkeit muss das Entstehen kriti-
– Werkstückdicke. scher Martensitmengen in der WEZ mit Hil-
Mit der Werkstückdicke steigt die Abkühl- fe meistens unüblich hoher Vorwärmtempera-
geschwindigkeit, die Schärfe des Eigen- turen (• 200 ’C ... 300 ’C) verhindert werden.
spannungszustandes und damit die Spröd- Der höhergekohlte, stark verzwillingte, im
bruchanfälligkeit. Ein Vorwärmen der Fü- nicht angelassenen Zustand extrem spröde
geteile auf »Handwärme« ist erst bei Werk- Martensit ist wegen der bei der Austenit/Mar-
stückdicken über 30 mm sinnvoll. tensitbildung entstehenden großen Umwand-
– Zähigkeitseigenschaften von WEZ und lungsspannungen extrem kaltrissanfällig.
Schweißgut. Die beträchtlichen Schweißeigenspannungen
Die Zähigkeit der Schweißverbindung wirken zusammen mit der sehr geringen Ver-
wird bei diesen Stählen überwiegend vom formbarkeit des aufgehärteten Bereichs der
Gefüge der WEZ bestimmt, denn die Zä- WEZ und dem immer anwesenden Wasser-
higkeit des Schweißguts ist bei den heut- stoff zusätzlich rissbegünstigend. Daraus er-
zutage zur Verfügung stehenden hochwer- geben sich die folgenden Schweißempfehlun-
tigen Zusatzwerkstoffen in den meisten gen für ein erfolgreiches Schweißen der hoch-
Fällen besser als die des Grundwerkstoffs. gekohlten Stähle:
290 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

– Hohe Vorwärmtemperaturen verringern Diese umwandlungsfreien, nicht härtbaren


die Abkühlgeschwindigkeit und das Span- austenitischen Stähle besitzen eine hervorra-
nungsgefälle in den schmelzgrenzenna- gende (Tieftemperatur-)Zähigkeit, sind nicht
hen Bereichen der WEZ. Die Bildung des versprödbar, unmagnetisch und weitgehend
Martensits wird ebenso erschwert wie die unempfindlich gegenüber Wasserstoff (frei
der wasserstoffinduzierten Kaltrisse. von wasserstoffinduzierten Kaltrissen!), d.
– Zusatzwerkstoffe, die hinreichend zähe h., sie besitzen alle Voraussetzungen für ei-
Schweißgüter ergeben, ermöglichen einen ne exzellente Schweißeignung.
merklichen Spannungsabbau in der WEZ
durch Plastifizieren des Schweißguts und Die Gefahr von güteverschlechternden bzw.
verringern damit die Gefahr der Kaltriss- die Korrosionsbeständigkeit beeinträchtigen-
bildung. Als besonders geeignet erweisen den Ausscheidungen ist kaum zu befürch-
sich basisch-umhüllte Stabelektroden, Ab- ten bzw. nur unter fertigungs- und schweiß-
schn. 4.2.3.1.3, S. 341. technisch i. Allg. selten vorhandenen Voraus-
– Das Wasserstoffangebot muss so gering setzungen. Trotzdem müssen für fehlerfreie
wie möglich sein, weil selbst Gehalte im und sichere Schweißverbindungen eine Rei-
ppm-Bereich schon kaltrissauslösend wir- he von Besonderheiten beachtet werden.
ken, Abschn. 4.2.3.1.4, S. 344.
– Wenn wirtschaftlich vertretbar, ist ein Die im Vergleich zu unlegierten Stählen deut-
Wasserstoffarmglühen (»Soaken«) des lich kleinere Wärmeleitfähigkeit l hat eine
Bauteils nach dem Schweißen bei etwa wesentlich geringere Abkühlung der Schweiß-
200 ’C bis 300 ’C direkt aus der Schweiß- verbindung zur Folge. Der dadurch entste-
hitze sehr zu empfehlen. Mit dieser Be- hende Wärmestau kann bei unvorsichtigen
handlung lässt sich der atomare Wasser- Schleifarbeiten zu Brandstellen führen, die
stoff aus dem Schweißgut und der WEZ Mikrorisse erzeugen können.
sehr zuverlässig austreiben.
Der sehr große Wärmeausdehnungskoeffi-
Mit zunehmendem Legierungsgehalt neh- zient a ist die Ursache für große Schweißver-
men die Schweißprobleme in der Regel sehr züge, wenn die Fügeteile nicht fest gespannt
stark zu. Die kritische Abkühlgeschwindig- werden oder (und) oft geheftet wird.
keit nimmt mit der Legierungsmenge ab
(Lufthärter, s. Abschn. 4.3.7.3, S. 422). Die Erfahrungsgemäß ist zum Vermeiden der
Schweißwärme bewirkt außerdem häufig gü- Heißrissbildung (Erstarrungsrisse und Wie-
teverschlechternde, durch die Schweißferti- deraufschmelzrisse) die chemische Zusam-
gung kaum beeinflussbare Gefügeänderun- mensetzung so einzustellen, dass in den Stäh-
gen. Ein typisches Beispiel hierfür sind die len, vor allem aber im Schweißgut, ein d -Fer-
rissbegünstigenden Carbidausscheidungen ritgehalt von etwa 5 % bis 10 % vorhanden
beim Anlassen von Schweißverbindungen aus ist. Aus dem d -Ferrit dieser metastabilen
dem warmfesten Stahl X20CrMoVW12-1 di- Austenite kann sich aber die stark versprö-
rekt aus der Schweißhitze, wie in Abschn. dende Sigma-Phase ausscheiden.
4.3.5.3, S. 409, ausführlicher besprochen wur-
de. Wegen der Gefahr der Sensibilisierung durch
Ausscheiden von Chromcarbiden auf den
Korngrenzen (IK, Abschn. 1.7.6.1.4, S. 87)
werden zum Schweißen oft stabilisierte Stäh-
Aufgabe 3-3: le bevorzugt, Abschn. 4.3.7.5, S. 431.
Es ist das Schweißverhalten (Schweißeig-
nung) der hochlegierten Cr-Ni-Stähle zu be- Wie bei allen (hoch) nickelhaltigen Legierun-
urteilen. Hinweise zu einigen Werkstoffgrund- gen ist die Schweißschmelze relativ dickflüs-
lagen sind in Abschn. 2.8.3, S. 203, wichtige sig, Abschn. 5.2.2.3, S. 529, wodurch das Be-
Schweißempfehlungen in Abschn. 4.3.7.5, S. netzen der Schmelze und ihr Ausgasen er-
431, zu finden. schwert werden.
Abschn. 3.6: Aufgaben zu Kapitel 3 291

Die Auswahl der Zusatzwerkstoffe wird von diger Benetzung ist j 0, d. h., der Tropfen
der Notwendigkeit bestimmt, Schweißgüter breitet sich als einmolekularer Flüssigkeits-
zu erzeugen, deren primärer d -Ferritgehalt film auf der Oberfläche aus, s. a. Bild 1-13,
• 5 % beträgt. Dies gelingt zuverlässig mit S. 11. Dieser theoretische Zustand ist beim
Hilfe der üblichen Konstitutions-Schaubil- Löten nicht erreichbar. Er liegt nach Bild
der (DeLong, WRC-1992, Abschn. 4.3.7.2, S. A3-1 vor, wenn gilt:
417). Die Vermeidung von Heißrissen (Schweiß- γ 1,3 ≥ γ 1,2 + γ 2,3 . [A3-2]
gut und WEZ) ist neben den vielfältigen Mög-
lichkeiten der Beeinträchtigung der Korrosions- Nach DIN 8514 ist eine ausreichende Benetz-
beständigkeit der geschweißten Konstruktion barkeit eine der wichtigsten Forderungen an
(Abschn. 4.3.7.1, S. 414) das wichtigste zu lö- die Eigenschaft Löteignung. Im Gegensatz
senwde Problem. zu den sehr komplexen Werkstoffanforde-
rungen an die Schweißeignung, findet ein
Benetzen bereits statt, d. h., die Löteignung
ist bereits weitgehend vorhanden, wenn Lot
Aufgabe 3-4: und Grundwerkstoff Mischkristalle oder in-
Es sind die metallurgischen Unterschiede termediäre Verbindungen bilden, wobei die
des Fügeverfahrens Löten im Vergleich zum Löslichkeit sehr gering sein kann. Nur bei
Schweißen aufzuzeigen. Die werkstoffabhän- völliger Unlöslichkeit der Metalle werden de-
gige Eigenschaft Löteignung (DIN 8514-1) ren Oberflächen nicht benetzt oder das Lot
– die begrifflich und gedanklich weitestge- »entnetzt«, d. h., der bei höheren Tempera-
hend dem Begriff Schweißeignung entspricht turen noch existierende Lottropfen zieht sich
– ist zu diskutieren. beim Abkühlen kugelförmig zusammen (z. B.
flüssiges Silber auf Stahloberflächen) Nicht
Beim Löten wird im Gegensatz zum Schwei- benetzende Lotschmelzen sind daher in der
ßen nicht die Schmelz- bzw. Solidustempera- Praxis sehr selten. Technisch wichtig sind
tur des Grundwerkstoffs erreicht. Die Ver- Bleischmelzen ( reine Bleilote), die Stahlober-
bindung entsteht durch Reaktionen eines flächen nicht benetzen. Mit reinen Bleiloten
flüssigen Lots mit dem auf Arbeitstempera- lassen sich Stahlteile daher nicht löten.
tur erwärmten Grundwerkstoffs an der Pha-
sengrenze flüssiges Lot / Grundwerkstoff. Die metallurgischen Anforderungen an den
Die Löteignung wird im Wesentlichen be- Grundwerkstoff und das hierfür geeignete
stimmt durch: Lot sind sehr gering, weil die metallurgischen
– Benetzungs- und Ausbreitungsvorgänge Reaktionen an der Phasengrenze Grundwerk-
von Lot und Flussmittel sowie die stoff/Lot unter den sehr erschwerten Diffu-
– wechselseitige Diffusion von Lot- und sionsbedingungen fest/flüssig und nicht wie
Grundwerkstoffatomen während des Pro- bei Schweißprozessen flüssig/flüssig statt-
zesses der Bindung. finden. Metallurgische Reaktionen können

Die für den Lötprozess entscheidenden Vor-


gänge der Benetzung und Ausbreitung des 3
2
3
g 2,3 2
flüssigen Lottropfens eines auf die Arbeits- j
g 2,3
temperatur erwärmten Werkstoffs lassen
sich gemäß Bild A3-1 mit Hilfe der Grenz- g 1,3 g 1,2
1 1
g 1,3 g 1,2
flächenspannungen g beschreiben:
Benetzbarkeit: groß gering
γ 1,3 = γ 1,2 + γ 2,3 ⋅ cos ϕ
[A3-1] Lötbarkeit: gut gering
γ 1,3 − γ 1,2 = γ 2,3 ⋅ cos ϕ .
Bild A3-1
Beziehungen zwischen den Grenzflächenspannungen
Die Grenzflächenspannungen und der Be- an den Phasengrenzen Grundwerkstoff (1), flüssiges
netzungswinkel j sind die den Benetzungs- Lot (2), Atmosphäre, d. h. Flussmittel, Schutzgas,
vorgang bestimmenden Größen. Bei vollstän- Vakuum (3).
292 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

daher nur in einer extrem dünnen Schicht Aufgabe 3-5:


(Schichtbreite DLeg … 0,5 P m bis 20 P m!) an Die Schweißfehler Rissbildung (im Grund-
der Phasengrenze erfolgen, Bild A3-2. Die werkstoff und WEZ), Poren und Einschlüsse
Bauteilsicherheit gelöteter Verbindungen sind in tabellarischer Form aufzuzählen und
wird daher selbst durch die Anwesenheit in- die wichtigsten Maßnahmen zu ihrer Vermei-
termediärer Phasen in der Regel nicht beein- dung anzugeben. Es sind vorzugsweise die
trächtigt. Damit sind – sehr im Gegensatz Gegenmaßnahmen für den Werkstoff unle-
zum Schweißen – metallurgische Überlegun- gierter Kohlenstoff-Manganstahl anzuge-
gen für die Auswahl »geeigneter« Lote von ben.
untergeordneter Bedeutung. Die geringen
metallurgischen Probleme erlauben in der Tabelle A3-1 zeigt in einer schematischen
Regel auch Lötverbindungen zwischen Werk- Übersicht die wichtigsten Maßnahmen zum
stoffen mit extremen werkstofflichen »Inkom- Vermeiden der genannten Fehler beim Schwei-
patibilitäten«. ßen üblicher Eisenwerkstoffe. Sie wurden
weitgehend aus verschiedenen im gesamten
Wesentlicher ist die richtige Wahl der Lot- Buch zu findenden Hinweise zusammenge-
Flussmittel-Kombination. Die erforderlichen tragen. Spezielle Defekte, wie sie bei NE-me-
chemisch-physikalischen Reaktionen des tallischen Werkstoffen und hochlegierten
Flussmittels (Reduzieren der noch vorhande- Stählen entstehen können, wurden hierbei
nen/neugebildeten Oxide) bzw. des Lots (Be- nicht berücksichtigt. Über diese kann sich
netzen und Ausbreiten des Lots) müssen in der Leser an den entsprechenden Stellen im
einem engen Bereich um die Arbeitstempe- Buch informieren.
ratur ablaufen. Die Eigenschaften der ver-
wendeten Lot-Flussmittel-Kombination sind
daher aufeinander abzustimmen. Die che-
mische Aggressivität des Flussmittels muss
außerdem an die Art (Bildungsenthalpie) Aufgabe 3-6:
der zu lösenden Grundwerkstoffoxide ange- Erkläre den Schadensmechanismus des was-
passt werden. serstoffinduzierten Kaltrisses. Welche Voraus-
D setzungen müssen für sein Auftreten erfüllt
DL DGW sein? Welche Gefügeform ist für diese Riss-
form am anfälligsten? Es sind einige Maß-
nahmen zur Abwehr dieser Schadensform zu
beschreiben.

Die werkstoffphysikalischen Grundlagen sind


in den Abschnitten 3.3.3.3 und 3.5.1.6, einige
A GW A Lot
Hinweise zum Auftreten und zu anfälligen
Werkstoff in Abschn. 2.7.6.3, S. 197, und Ab-
schn. 4.3.7.3, S. 422.

Wasserstoff schädigt den Werkstoff in vielfäl-


tiger, in vielen Fällen in einer äußerst kom-
Lot, Legierungszone D (Bildung Grundwerkstoff,
erstarrt von MK und (oder) inter- auf Arbeitstempe- plizierten und bis heute noch nicht ganz ver-
mediären Verbindungen) G ratur TA erwärmt standenen Weise. Ein Grund ist sein extrem
Bild A3-2 kleiner Atomdurchmesser, der es ihm ermög-
Legierungszone DLeg = DL + DGW an der Phasengrenze licht, in sehr unterschiedlicher Weise (gelöst
(G) Grundwerkstoff/flüssiges Lot bei einer (Hartlöt-) auf Zwischengitterplätzen, wechselwirkend
Verbindung.
mit Gitterdefekten, in molekularer Form aus-
DL Diffusionszone im Lot,
DGW Diffusionszone im Grundwerkstoff, geschieden als Pore) wirksam zu werden und
AGW Grundwerkstoffatome. in kürzesten Zeiten in den Werkstoff eindrin-
ALot Lotatome. gen zu können, d. h. diesen zu schädigen.
Abschn. 3.6: Aufgaben zu Kapitel 3 293

Tabelle A3-1
Typische Schweißfehler und die wichtigsten Gegenmaßnahmen in einer schematisierenden Übersicht.

Ursache und Erscheinung Gegenmaßnahmen

Rissbildung im Schweißgut

Schwefel im GW oder aus der Zusatzwerkstoff wählen, der S (P) binden (z. B. B-Elektrode) oder (und) Oberflä-
Umgebung aufgenommen chenschichten (Rost, Farben, Öl, Beläge) beseitigen kann.
Kraterfülleinrichtung verwenden, Zusatzwerkstoffe und (oder) Einstellwerte än-
Kraterrisse
dern (Q reduzieren!), Krater mit Hand auffüllen.
Große Verspannung der Füge- Vorwärmen, durch entsprechende Schweißfolge sind Eigenspannungen klein zu
bzw. Bauteile halten.
Zusatzwerkstoffe wechseln, B-Elektroden, UP-Schweißpulver sind zu trocknen
Zusatzwerkstoffe defekt bzw. un-
(min. 250 °C/2 h, bzw. nach Herstellerangaben), Schweißstäbe von Flugrost be-
geeignet
freien (Schleifleinen!), Drahtelektroden sauber halten, nicht knicken.
Unzulässige Aufnahme von Le- Ändern der Einstellwerte, der Polarität, evtl. anderes Verfahren wählen, Auf-
gierungselementen aus GW schmelzgrad möglichst gering halten.
Einstellwerte ändern (I größer, v kleiner), Zusatzwerkstoffe mit größerem Durch-
Schweißgutvolumen zu gering
messer oder leistungsfähigeres Schweißverfahren wählen.
Handfertigkeit des Schweißers überprüfen, Einstellwerte und Führung des
Bindefehler, Kaltstellen
Lichtbogens überwachen, Schweißnahtvorbereitung kontrollieren.

Rissbildung im Grundwerkstoff (GW) und der WEZ

Wasserstoff in Schweißatmo- Wasserstoffinduzierter Kaltriss (auch Unternahtriss, Härteriss). Wasserstoffar-


sphäre (aus Luft, Schutzgas, men Zusatzwerkstoff (unbedingt trocknen!) oder »wasserstofffreien« Prozess
Zusatzwerkstoff). (WIG, MIG) verwenden, hohe Vorwärmung oder (und) Wärmezufuhr.
Vor dem Schweißen Lösungsglühen (evtl. rekristalliserend Glühen), Zusatzwerk-
Spröde Phasen
stoff fachgerecht wählen (evtl. artfremd), Probeschweißung.
Schweißer aufklären bzw. schulen, ausschleifen, evtl. Farbeindringprüfverfah-
Zündstellen, kurze Heftnähte
ren einsetzen um Risse aufzudecken.
Rissbildung während des Auf- Vorwärmen vermeiden, Wärmeeinbringen reduzieren, schneller schweißen. Be-
heizens oder Schweißens sonders bei (hoch)legierten Stählen (Wärmeleitfähigkeit!) zu beachten.
Durch Ausscheiden spröder Phasen in der WEZ während bzw. wesentlich häufi-
ger nach einem Spannungsarmglühen (vor allem in Mo-V- und Mo-B-legierten
Wiedererwärmungsrisse
warmfesten Stählen) durch Korngrenzengleitung erzeugte Risse. Bei möglichst
(Stress Relief Cracking)
geringen Temperaturen Spannungsarmglühen (550 °C), zähes Schweißgut an stre-
ben, Kerben d. h. Spannungsspitzen vermeiden.
In WEZ verschiedener (hoch-)legierter Eisenwerkstoffe und NE-metallischer
Werkstoffe durch Mechanismus der konstitutionellen Verflüssigung und (oder)
Wiederaufschmelzrisse
Verflüssigen niedrigschmelzender, eutektischer Bestandteile entstanden. Abhil-
(Liquation cracks)
fe schwer, weitgehend vom GW abhängig. Bewährt haben sich sehr saubere
GW.e mit feinkörnigem Gefüge und geringes Wärmeeinbringen.
Vorwärmen, Einstellwerte ändern (Q größer), zähen, wasserstoffarmen Zusatz-
Aufhärtungsgefahr
werkstoff wählen, evtl. Wärmenachbehandlung (Anlassglühen).
Sprödbruchgefahr durch große Vorwärmen, zähen, wasserstoffarmen Zusatzwerkstoff wählen, mit Schweißfol-
Wanddicke und hohen Verspan- geplan arbeiten, konstruktiv bedingte Kerben vermeiden, um Eigenspannungen
nungsgrad klein zu halten, Spannungsarmglühen sehr wirksam.

Poren und Einschlüsse

Schützende Atmosphäre des Verfahrens, Werkstückoberflächen oder (und) Schwei-


H-, O-, N-Einschlüsse ßer kontrollieren. Verfahren wechseln (WIG). Zusatzwerkstoffe müssen ausrei-
chend desoxidiert (Ti, Si) und getrocknet sein.
Verunreinigungen aller Art Fett, Farben, Kreide, Anstriche, Oberflächenschichten jeder Art beseitigen.
Schweißstäbe, Drahtelektroden mit fehlerhafter Oberfläche zurückweisen, oder
Zusatzwerkstoffe verunreinigt
mit Schleifleinen, Lösungsmitteln säubern.
Schweißbad erstarrt zu schnell Vorwärmen, größere Energiezufuhr, langsamer schweißen.
Handfertigkeit unzureichend Probeschweißungen, Arbeitsproben, Schweißerschulung und -überwachung.

Fehler
294 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

Der dissoziierte und an der Werkstückober- ne kritische Spannungs-/Wasserstoffkonzen-


fläche adsorbierte Wasserstoff wird im Kris- tration gebildet hat, Bild A3-3b. Die Rissbil-
tallgitter gemäß dung erfordert also eine diffusionskontrollier-
te Wasserstoffbewegung, sie ist abhängig
Had  Hab [A3-3]
von der Betriebstemperatur stark zeitabhän-
gelöst. Die Theorie lehrt, dass für jede durch gig. Der vollständige Bruch entsteht meis-
Wasserstoff hervorgerufene Schädigung ei- tens erst nach vielen Stunden bzw. Tagen,
ne lokal ausreichend hohe Konzentration an Bilder A3-3c und 3d. Im englischen Sprach-
Gitterfehlstellen (Versetzungen, Leerstellen, raum wird diese Schadensform daher auch
Ausscheidungen) notwendig ist, in die der als delayed fracture ( verzögerter Riss) be-
Wasserstoff zeitabhängig diffundieren kann. zeichnet.
Zwischen den Fehlstellen und dem gelösten
Wasserstoff bestehen Wechselwirkungen und Bei hohen Betriebstemperaturen kann sich
damit abhängig von der Art der Fehlstelle wegen der guten Diffusionsbedingungen kein
eine unterschiedlich große Wechselwirkungs- kritischer Wasserstoffgehalt einstellen, bei
energie. niedrigen sehr spät oder überhaupt nicht.
Die Temperatur maximaler Schädigung liegt
Die stärkste Wechselwirkung entsteht zwi- daher etwa im Bereich üblicher Umgebungs-
schen Wasserstoff und inneren Oberflächen temperaturen ( 30 ’C bis  30 ’C).
(Poren, Risse, Phasengrenzflächen), an de-
nen er chemisorbiert wird, d. h. an chemi-
schen Reaktionen beteiligt ist. Nach der De-
kohäsionstheorie von Oriani wird hierdurch
die für die Bildung weiterer Rissoberflächen
erforderliche Energie erniedrigt, d. h. die Ko-
häsion und die Trennfestigkeit nehmen in
diesen Bereichen ab. Der atomare Wasser-
stoff wandert, begünstigt durch große Span-
nungsgradienten, in diese hydrostatisch ge-
dehnten Bereiche mit verringerter Kohäsion
und erzeugt hier Mikrorisse. Dieser Vorgang
wird durch die versprödende Wirkung der
dreiachsigen Spannung sehr erleichtert, Ab-
schn. 3.4.1, Bild A3-3a. In zähen Werkstoffen
können sich die Eigenspannungen durch Plas-
tifizierung des Kerbgrundes abbauen, d. h.
eine Rissbildung ist dann unwahrscheinlich.
In spröden oder versprödeten ist das nicht Bild A3-3
mehr möglich. Demnach sind nur Werkstof- Zum Entstehungsmechanismus der wasserstoffindu-
fe bzw. Gefüge mit einer vernachlässigbaren zierten Risse, schematisch.
Verformbarkeit anfällig. In martensitischen a) Im dreiachsig verspannten Bereich entsteht an
(Vergütungs-)Stählen – zunehmend mit stei- inneren Oberflächen ein Mikroriss, nachdem sich
hier die kritische Wasserstoffmenge/Spannungs-
gendem Kohlenstoffgehalt – entsteht diese
zustand gebildet hat. Das erzeugte »Rissvolumen«
Schadensform besonders leicht, Abschn. 2.7.3, baut die Spannung und den Wasserstoffgehalt auf
S. 171, Abschn. 4.3.4, S. 402, Abschn. 4.3.7.3, wieder unkritische Werte ab.
S. 422. b) Nach Ablauf einer Zeit t1 erneuter Aufbau des für
ein weiteres Risswachstum erforderlichen kritischen
Der Riss kann nur durch Bereiche mit einer Spannungs-/Wasserstoffzustandes.
c) Erneutes Risswachstum nach Ablauf von t2 .
kritischen Kombination von (mehrachsiger)
d) Nach Ablauf der Gesamtzeit t1 + t2 + t3 wird der
Spannung und Wasserstoffkonzentration Querschnitt getrennt: verzögerte Rissbildung.
laufen. Ein Weiterwachsen ist erst dann mög- ●: mehrachsig beanspruchter Bereich an der Riss-
lich, wenn sich an der Rissspitze erneut ei- spitze
Abschn. 3.6: Aufgaben zu Kapitel 3 295

Bei großen Beanspruchungsgeschwindigkei- – Vorwärmen auf • 120 ’C (bzw. Hersteller-


ten kann sich kein kritischer Spannungszu- vorgaben oder andere Spezifikationen) be-
stand einstellen, weil der Wasserstoff wäh- seitigt zuverlässig das Adsorptionswasser
rend der kurzen Zeit nicht in kritischer Men- auf den Werkstückoberflächen, vermindert
ge an die Rissspitze diffundieren kann. die Abkühlgeschwindigkeit der Schweiß-
verbindung: die vollständige Bildung des
Besonders gefährdet sind Vergütungsstäh- extrem rissanfälligen Martensits wird da-
le (vor allem die legierten Lufthärter mit hö- mit verhindert. Das entstehende martensi-
herem Kohlenstoffgehalt, Abschn. 4.3.7.3, S. tisch-bainitische Gefüge in der Wärmeein-
422). Bei ihnen kann ein Wasserstoffgehalt flusszone ist erfahrungsgemäß deutlich
von … 2 cm3/100 g im Schweißgut zum Kalt- weniger rissanfällig.
riss im (teilweise) nichtangelassenen marten- – Der im Gitter gelöste atomare Wasserstoff
sitischen Gefüge der WEZ führen. Das Gefü- kann wirtschaftlich durch das zwischen
ge der grobkörnigen, nichtangelassenen, d. nur 250 ’C und 350 ’C durchzuführende
h. besonders rissanfälligen WEZ ist auch we- Wasserstoffarmglühen (»Soaken«) ausge-
gen des hier vorliegenden hohen dreiachsi- trieben werden. Meistens wird diese Wär-
gen Spannungszustandes besonders kaltriss- mebehandlung direkt im Anschluss an das
gefährdet. Die Risse entstehen vorzugswei- Schweißen aus der Vorwärmtemperatur
se in der partiell aufgeschmolzenen Zone na- durchgeführt.
he der Schmelzgrenze. Die z. T. verflüssigten
Korngrenzenfilme stellen bevorzugte Pfade
für die Diffusion des Wasserstoffs aus dem
Schweißgut dar, weil flüssiges Eisen etwa 3
bis 4 Mal mehr atomaren Wasserstoff lösen
kann als festes. Nach dem raschen Erstarren
bilden diese mit Wasserstoff angereicherten
Bereiche die bevorzugten Orte der Kaltriss-
entstehung.

Als Element mit dem kleinsten Atomdurch-


messer kann Wasserstoff schon bei mäßigen
Temperaturen sehr schnell in den Werkstoff
eindringen. Vor allem bei der schweißtech-
nischen Verarbeitung o. g. Werkstoffe muss
daher große Sorgfalt hinsichtlich eines aus-
reichend geringen Wasserstoffangebots auf-
gewendet werden, weil in vielen Fällen schon
ein Gehalt von einigen ppm im Schweißgut
für die Kaltrissentstehung ausreichend ist.
Im Einzelnen ist zu beachten:
– Verunreinigungen im Bereich der Schweiß-
naht, an Schweißstäben/-drähten (Zieh-
fett!) sind rückstandslos zu beseitigen.
Hierzu gehören: Feuchtigkeit, Fette, Far-
ben, (Fett-)Kreide, Rost, Anstriche, organi-
sche Substanzen aller Art: Haare (Schweiß-
nahtbürsten!), Bewüchse.
– »Wasserstoffarme« Schweißverfahren
(Schutzgasschweißverfahren, vor allem
WIG), getrocknete, basische Stabelektro-
den/UP-Pulver, evtl. Schutzgase mit herab-
gesetztem Taupunkt wählen.
296 Kapitel 3: Einfluss des Schweißprozesses auf die Eigenschaften der Verbindung

3.7 Schrifttum

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4 Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Die zum Schweißen verwendeten nahezu Die im Schweißbad ablaufenden metallurgi-


punktförmigen, konzentrierten Wärmequel- schen Vorgänge sind identisch mit denen bei
len beeinflussen und verändern in charakte- der Stahlherstellung. Die zur Verfügung ste-
ristischer Weise das Schweißgut und einen hende Reaktionszeit beträgt beim Schmelz-
gewöhnlich nur höchstens einige Millimeter schweißprozess aber nur einige Sekunden,
breiten Bereich des Grundwerkstoffes unmit- bei der Stahlherstellung mindestens zehn
telbar neben der Schmelzgrenze, der als Wär- Minuten. Nach dem Massenwirkungsgesetz
meeinflusszone (WEZ) bezeichnet wird. muss für ein gleichartiges metallurgisches
Das Ausmaß der entstandenen Gefügeände- Ergebnis die fehlende Reaktionszeit durch
rungen und damit der Eigenschaftsänderun- eine größere Masse der Reaktionspartner aus-
gen in den schmelzgrenzennahen Bereichen geglichen werden. Damit ergeben sich erheb-
ist im Wesentlichen abhängig von: liche qualitative und quantitative Unterschie-
– dem Temperatur-Zeit-Verlauf in diesen de im Vergleich zur Metallurgie der Stahlher-
Bereichen, d. h. von der Werkstückdicke, stellung.
dem gewählten Schweißverfahren, den
Einstellwerten (Schweißstrom, Schweiß-
spannung und Vorschubgeschwindigkeit
der Wärmequelle) und der Höhe der Vor- 4.1 Aufbau der
wärmtemperatur und Schweißverbindung
– der Art des Nahtaufbaus (Ein-, Mehrla-
gentechnik, Pendellagen, Zugraupen). Die für Schmelzschweißverfahren typischen
sehr intensiven nahezu punktförmig wirken-
Die Folge sind Eigenschaftsänderungen in den Wärmequellen (z. B. Lichtbogen, Plas-
der WEZ und dem Schweißgut, die bis zur ma, Elektronenstrahl) führen zu großen Ab-
völligen Unbrauchbarkeit der Schweißver- kühlgeschwindigkeiten der Schweißnaht, vor
bindung führen können, z. B.: allem aber der benachbarten hocherhitzten
– Extreme Grobkornbildung im Bereich der Bereiche. Als Folge dieser »Wärmebehand-
Schmelzgrenze, abhängig von der Art des lung« ändern sich verschiedene Werkstoff-
Grundwerkstoffs (kfz, krz) und der Grö- eigenschaften, wodurch die Sicherheit ge-
ße des Wärmeeinbringens. schweißter Konstruktion ganz erheblich be-
– Aufnahme atmosphärischer Gase bei hoch- einträchtigt werden kann.
reaktiven Werkstoffen (z. B. Titan, Zirko-
nium, Molybdän) mit der Folge einer voll- Die mechanischen Gütewerte, d. h., das Ver-
ständigen Versprödung. halten und die Bauteilsicherheit von Schweiß-
– Aufhärtung der schmelzgrenzennahen verbindungen, werden von folgenden Fakto-
Bereiche der WEZ bei härtbaren, d. h. vor ren bestimmt:
allem bei höhergekohlten Stählen. – Die chemische Zusammensetzung des
– Abnahme der Korrosionsbeständigkeit Schweißguts, die von der Art der Zusatzstof-
durch geseigertes Schweißgut, Eigenspan- fe (Drahtelektrode, Stabelektrode, Schweiß-
nungen (SpRK) und (oder) andere metal- stab, Pulver, Schutzgas), dem Grundwerk-
lurgische Veränderungen in der WEZ (z. stoff (abhängig von der Art der Nahtvor-
B. Chromcarbidbildung). bereitung und dem gewählten Schweiß-
300 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

verfahren, dem Aufschmelzgrad, d. h. der 4.1.1 Vorgänge im Schweißbad


Vermischung mit dem Grundwerkstoff)
abhängig ist. 4.1.1.1 Die Primärkristallisation der
– Die in der Wärmeeinflusszone und im Schweißschmelze
Schweißgut entstehenden Gefüge. Sie wer- Die aus Grund- und Zusatzwerkstoff beste-
den im Wesentlichen von verfahrensabhän- hende Schweißschmelze kühlt von hohen Tem-
gigen Parametern (von ihnen hängen weit- peraturen vorwiegend durch Wärmeleitung
gehend die Abkühlgeschwindigkeit ab: sehr rasch (einige hundert Grad Kelvin in der
Verfahren, Nahtvorbereitung, Einstellwer- Sekunde) ab.
te, Pendel-, Zugraupentechnik, Wärme-
vor- bzw. nachbehandlung) und der chemi- Wie fast jede Phasenänderung besteht auch
schen Zusammensetzung von Grund- und die Kristallisation aus den Teilvorgängen
Zusatzwerkstoff bestimmt. Keimbildung und dem anschließenden Kris-
– Die Möglichkeiten der erwünschten, aber tallwachstum. Ausführlichere Informationen
i. Allg. nicht gezielt einsetzbaren »Wärme- über die Vorgänge bei der Primärkristallisa-
behandlung« durch die Mehrlagentech- tion findet man in Abschn. 1.4.1.2, S. 27. Das
nik, vor allem bei Stahlschweißungen (Ab- Entstehen homogener Keime durch die spon-
schn. 4.1.3.1). Ein Teil des nicht erwünsch- tane Bildung wachstumsfähiger Teilchen als
ten Primärgefüges (dendritisches Guss- Folge einer Schmelzenunterkühlung ist un-
gefüge) wird dabei durch »Umkörnen« be- wahrscheinlich. Als äußerst wirksame hete-
seitigt. Darunter versteht man die stark rogene Keime bieten sich die aufgeschmolze-
kornfeinende Wirkung der beim Erwär- nen Körner der Schmelzgrenze (Phasengren-
men über Ac3 erfolgenden doppelten Um- ze flüssig/fest) an. Diese epitaktische Kristal-
kristallisation: a  g . lisation wird weiter unten in diesem Abschnitt
– Der durch die typischen extremen Tem- ausführlicher beschrieben (s. a. Abschn. 1.4.1,
peraturgradienten in der WEZ und im S. 24).
Schweißgut entstehende Eigenspannungs-
zustand, der Verzug und die gefährliche Die Erstarrungsvorgänge in der Schweiß-
Spannungsversprödung hervorruft. schmelze, die Form des Schweißbades, die
– Die hohe Temperatur in den schmelzgren- Art des entstehenden Primärgefüges (äqui-
zennahen Bereichen, die dicht unter der axial, dendritisch, zellulär, stängelförmig,
Solidustemperatur liegt. Als Folge bildet eben), sind von der Größe der konstitutionel-
sich unabhängig von der Art des zu schwei- len (und der thermischen) Unterkühlung der
ßenden Werkstoffs eine ausgeprägte Grob- Schmelze abhängig. Die konstitutionelle Un-
kornzone. Bei Stahlwerkstoffen können terkühlung (s. Abschn. 1.4.1.2, S. 27) wird
u. U. rissanfällige (martensitische) Zonen von dem Temperaturgradienten G, der Kris-
entstehen, bei hochlegierten Stählen kann tallisationsgeschwindigkeit R und der Men-
der Verlust der Korrosionsbeständigkeit ge der in der Schmelze gelösten Legierungs-
die Folge sein. elemente bestimmt, wie Bild 1-33a, S. 29,
– Die Art, Menge und Verteilung der exoge- zeigt. Diese Zusammenhänge sind in Bild 4-
nen und endogenen Schlacken im Schweiß- 1b dargestellt.
gut (Abschn. 3.5.1.4, S. 274).
– Die manuelle Fertigkeit, dem Leistungs-
willen und dem Verantwortungsbewusst-
sein des ausführenden Schweißers. Binde-
fehler, Schlackeneinschlüsse, Poren, Kan-
tenversatz, unzulässige Naht- und Wurzel- 31)
Die Temperatur fällt, beginnend an der Schmelz-
überhöhung, Zündstellen und andere »Feh- grenze, in Richtung des maximalen Temperatur-
ler« sind bei einem kontrollierten Ferti- gradienten am schnellsten. In diese Richtung der
maximalen Wärmeableitung ( Schmelzbadiso-
gungsablauf weitgehend vermeidbare »Dis- thermen) wachsen daher die Kristallite bevor-
kontinuitäten«. Weitere Einzelheiten sind zugt in Form ausgeprägter Stängelkristalle, bzw.
in Abschn. 3.5, S. 268, zu finden. Zellen, s. Bild 4-1b.
Abschn. 4.1: Aufbau der Schweißverbindung (Primärkristallisation der Schweißschmelze) 301

Die Vorschubgeschwindigkeit der Wärme- Die Kristallisation beginnt an den Orten mit
quelle v beeinflusst die Kristallisationsge- der höchsten Abkühlgeschwindigkeit, d. h. an
schwindigkeit R, die Schweißbadform und der Schmelzgrenze. Die Kristalle wachsen we-
damit die Heißrissneigung. Die auch aus prak- gen der stark gerichteten Wärmeabfuhr von
tischen Gründen erforderliche gleichmäßige der Schmelzgrenze senkrecht zu den Erstar-
geometrische Form des Schweißbades ist nur rungsisothermen – aber natürlich nicht senk-
erreichbar, wenn die aufgeschmolzene Werk- recht zur Schmelzgrenze! – mit der jeweiligen
stoffmenge gleich der kristallisierten ist. Zwi- ortsabhängigen Kristallisationsgeschwin-
schen R und v muss aus geometrischen Grün- digkeit R v ¹ cos b, Bild 4-1b 31).
den folgende Beziehung bestehen, Bild 4-1a:
R
R v ¹ cos b. [4-1] G

vs
Dabei ist b der Winkel zwischen der jeweili-
gen Schmelzflächennormalen und der Rich- Erstarrungsisotherme
tung der Vorschubgeschwindigkeit. x

Eine bemerkenswerte Konsequenz der unter-


schiedlichen Kristallisationsgeschwindigkei-
ten R an jedem Ort der Schweißbadisother-
men ist auch das von R (und von dem Tem-
peraturgradienten G) abhängige Mikrogefü-
ge des Schweißguts, s. Bild 1-33a, S. 29. x
Nach Bild 4-1a ist G an der Schmelzgrenze am
größten, in der Schweißnahtmitte am kleins-
ten, R steigt dagegen von der Schmelzgren-
ze bis zur Schweißnahtmitte auf einen der Bild 4-2
Vorschubgeschwindigkeit der Wärmequelle Verteilung des Parameters R/G entlang der Erstar-
v entsprechenden Wert. Daraus lässt sich für rungsisotherme eines Schweißbades, nach Wittke.
die Schweißnahtoberfläche entlang der Er-
starrungsisothermen die Verteilung des der Solange die größte Kristallisationsgeschwin-
konstitutionellen Unterkühlung entsprechen- digkeit Rmax größer oder gleich der Vorschub-
den Parameters R/G berechnen, Bild 4-2. geschwindigkeit v ist, bleibt die ellipsenförmi-

äquiaxiale
R groß, Dendriten
R= v C R G klein

R = v× cos b
R klein, säulenförmige
G groß Dendriten
b
R= v

Grundwerkstoff (Grobkornzone) Zellen ebenes Gefüge

a) b)

Bild 4-1
Einfluss der Schweißgeschwindigkeit v auf die
a) Kristallisationsgeschwindigkeit R an ausgewählten Punkten der Schweißbadisothermen. Bei A und B ist
R = 0, bei C ist R = Rmax = v; v = Vorschubgeschwindigkeit der Wärmequelle, nach Savage.
b) Art des entstehenden Schweißgutgefüges als Folge unterschiedlicher Kristallisationsgeschwindigkeit R an
jedem Punkt der Schweißbadisothermen. Die unterschiedlichen Erstarrungsstrukturen hängen gemäß Bild
1-33a von dem Parameter ab, d. h. von einer Größe, die ein Maßstab der konstitutionellen Unterkühlung
der Schmelze ist, s. a. Bild 4-2, nach Matsuda, Hashimoto, Senda. S. a. Aufgabe 5-3, S. 567.
302 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

ge Gestalt des Schweißbades erhalten, Bild gleichmäßige Verteilung der Legierungsele-


4-1b. Wenn v ! Rmax wird, dann bleibt die erstar- mente innerhalb der dendritischen Stängel-
rende Schweißschmelze »zurück«, d. h., das kristalle (Bild 1-33b) im Vergleich zu den Zell-
flüssige Schweißgut wird »länger« und schma- strukturen (Bild 1-33c) nachteilig.
ler, die Kontur also tropfenförmig. Wegen
des nun sehr viel geringeren Radius’ des Trop- Schweißgut Schmelzgrenze WEZ

fens werden beim Kristallisieren die Verunrei-


nigungen konzentriert im Bereich der »Trop-
fenspitze« ausgeschieden, wodurch die Heiß-
rissgefahr deutlich zunimmt, Bild 4-3b. Bei
noch größerem Wärmeeinbringen Q und grö-
ßerer Schweißgeschwindigkeit v können im
Bereich der Mittellinie durch heterogene
Keimbildung feinkörnige Dendriten entste-
hen. Wegen der großen Anzahl der Korngren-
zen nimmt ihre Ver unreinigungsdichte ab,
a) b)
d. h., die Heißrissgefahr wird reduziert.
Bild 4-4
Die mechanischen Eigenschaften von Gefü- Epitaktische Erstarrung von Schweißschmelzen.
gen mit stängelförmigen Dendriten sind a) Bei nichtpolymorphen Metallen beginnt die Kris-
stark anisotrop. Außerdem ist die sehr un- tallisation der Schmelze auf den Gitterebenen der
WEZ (Epitaxie), die Korngröße der WEZ bestimmt
die des Schweißguts.
Q klein, v klein b) Bei polymorphen Metallen ändert sich durch die
Sekundärkristallisation (z. B. g Æ a bei Eisen) die
elliptisches Korngröße des Gefüges der WEZ, die epitaktische
Schmelzbad
Kristallisation der Schmelze ist daher nicht mehr
erkennbar.
a)
Q groß, v groß
Bei nichtpolymorphen Metallen beginnt das
Verunreini-
gungen Kristallwachstum an der Schmelzgrenze ent-
tropfenförmiges
sprechend der Orientierung der Gitterebenen
Schmelzbad der hier angeschmolzenen Körner. Dieser
b) Mechanismus wird als epitaktisches Wachs-
Q sehr groß,
v sehr groß tum bezeichnet. Für diesen Vorgang ist kei-
heterogene Keim- ne Aktivierungsenergie oder thermische Un-
bildung erzeugt terkühlung erforderlich, Abschn. 1.4.1.1, S.
Feinkornzone in
Nahtmitte 24. Die Korngröße des Schweißgutgefüges
c) hängt bei nicht polymorphen Metallen direkt
Bild 4-3 von der der WEZ ab, Bild 4-4a, s. a. Abschn.
Das Erstarrungsgefüge ist abhängig von der Größe 5.1. Polymorphe Metalle (z. B. Stahl) »kristal-
der konstitutionellen Unterkühlung bzw. von der Größe lisieren« während der Abkühlung auch im
des Parameters R/G (nach Bild 4-2) bzw. von G / R festen Zustand (das ist die Sekundärkristal-
(nach Bild 1-33a, S. 29).
lisation g  a), wodurch sich bei Stahl die
a) Das »normale« elliptische Schweißbad entsteht,
wenn das Wärmeeinbringen Q und die Schweißge- Korngröße ändert, Bild 4-4b.
schwindigkeit v ausreichend niedrig sind.
b) Große Q- und v-Werte ergeben ein tropfenförmiges Als Ergebnis der Kristallisation entstehen
Schweißbad, bei dem sich im Bereich des Tropfen- bei krz Metallen häufig längliche, schmale
endes die Verunreinigungen aus der Restschmelze Stängelkristalle, deren Kristallisationsfron-
bevorzugt und konzentriert ausscheiden. Es besteht
ten in der Nahtmitte aufeinandertreffen. Die
erhöhte Heißrissgefahr.
c) In Nahtmitte können bei sehr großem Q und v, hier erstarrende Restschmelze enthält den
gemäß Bild 1-33a durch heterogene Keimbildung größten Anteil der im Stahl bereits vorhande-
feinkörnige, äquiaxiale Dendriten entstehen. nen niedrigschmelzenden, nichtlöslichen Ver-
Abschn. 4.1: Aufbau der Schweißverbindung (Primärkristallisation der Schweißschmelze) 303

unreinigungen (besonders Schwefel- und Phos- Die Bildung der Heißrisse erfordert Span-
phorverbindungen, mit einer Erstarrungstem- nungen – bzw. Dehnungen – und niedrig-
peratur von etwa 1000 ’C) oder solche, die schmelzende Verbindungen an Korngren-
als Folge metallurgischer Reaktionen wäh- zen oder zwischen wachsenden Dendriten.
rend des Schweißens zugeführt wurden (z. B. Bedeutsam ist dabei die Geschwindigkeit,
durch Anschneiden von Seigerungen, Über- mit der die Spannung (Dehnung) aufgebaut
schweißen von Anstrichen, organischen/anor- wird. Rasches Erstarren und Abkühlen führt
ganischen Oberflächenbelägen). Während daher zu einem schnellen Ansteigen der riss-
der weiteren Abkühlung können in ungünsti- auslösenden Spannung, die der Werkstoff
gen Fällen die Schrumpfspannungen Heißris- durch Kriechprozesse nicht mehr abbauen
se in der Schweißnahtmitte im Bereich der kann. Die Heißrissempfindlichkeit ist daher
Restschmelze erzeugen, Bild 4-5. Man unter- unter diesen Bedingungen groß.
scheidet dabei die bei der Kristallisation der
Schweißschmelze entstehenden Erstarrungs- Bei gegebenem Werkstoff lässt sich die Nei-
risse und die sich in der Wärmeeinflusszone gung zur Heißrissigkeit daher nur durch Fer-
unmittelbar neben der Phasengrenze flüs- tigungs- und Schweißbedingungen verrin-
sig/fest bildenden Wiederaufschmelzrisse. gern, die die Schweißspannungen klein hal-
Letztere werden ausführlicher in Abschn. ten. In erster Linie sind folgende Maßnah-
5.1.3, S. 505, besprochen. men zu nennen:

Metallurgische Eigenschaften des


Nahtform Erstarrungsmuster
Schweißgutes

Nahtformen (bzw. Schweißparameter!),


I - Naht
die zu annähernd » parallelen« Schmelz-
grenzen führen, begünstigen stark die
Heißrissbildung. Die vor den Kristalli-
b sationsfronten hergeschobenen niedrig-
schmelzenden, schmelzflüssigen Verun-
Verfahren mit tiefem reinigungen werden in Schweißnahtmit-
te konzentriert. Sie sind zusammen mit
t

Einbrand j = b / t < 1
Last-, und (oder) Eigenspannungen Ur-
sache der Heißrisse.
Ähnliche Vorgänge entstehen bei tiefein-
brennenden Verfahren. Mit dem UP-Ver-
Steilflankennaht fahren hergestellte Schweißgüter neigen
wegen der besonderen Einbrandverhält-
nisse und der verfahrenstypischen Naht-
niedrigschmelzende geometrie häufig zur Heißrissbildung (z.
Verunreinigungen B. die Wurzel einer Y-Naht). Mit der Naht-
Y - Naht (mit Wurzel, form und häufig auch dem Nahtquer-
UP - geschweißt) schnitt lassen sich aber diese Besonder-
heiten berücksichtigen.

Je weniger » parallel« die Schmelzgrenzen


V - Naht verlaufen, desto größer ist der Anteil der
Verunreinigungen, der in Richtung Deck-
lage abgedrängt wird und damit metallur-
gisch unwirksam ist.
Diese Nahtform lässt sich mit Verfahren
Verfahren mit flachem
und Einstellwerten erreichen, die flache,
Einbrand j = b / t > 1
breite Schweißnähte erzeugen.

Bild 4-5
Zur Primärkristallisation von Schweißschmelzen in einlagig hergestellten Schweißnähten. Es wird schematisch
der Einfluss des Schweißverfahrens und der Nahtvorbereitung auf die Art der Erstarrung gezeigt.
304 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

– Nahtformen und Einstellwerte wählen, – Dem Gehalt an Verunreinigungen, die aus


die ausreichend große Schweißnahtquer- dem aufgeschmolzenen Grundwerkstoff
schnitte erzeugen. oder von außen in die Schmelze gelangen.
– Eigenspannungen klein halten. Der Aufschmelzgrad, d. h., das Maß der
– Schweißgeschwindigkeit kontrollieren. Vermischung des sehr reinen Zusatzwerk-
stoffs mit dem Grundwerkstoff, ist abhän-
Die Heißrissanfälligkeit ist vor allem bei Ein- gig von dem Schweißverfahren (vor allem
lagenschweißungen und Werkstoffen mit ei- die mögliche Einbrandtiefe), den Einstell-
nem hohen Gehalt an Verunreinigungen (z. B. werten beim Schweißen (Größe des einstell-
die Seigerungszonen unberuhigter Stähle) baren Schweißstroms) und der Art der
ein gravierendes Problem, das sorgfältig be- Nahtvorbereitung (z. B. I-Naht mit einem
achtet werden muss. Aufschmelzgrad von etwa 70 % bis 80 %
oder V-Naht mit 25 % bis 35 %), Bild 4-5.
Die Heißrissanfälligkeit nimmt zu mit: – Zunehmender »Parallelität« der Schmelz-
– Abnehmender Zahl und zunehmendem grenzen. Die in Richtung der Schweißbad-
Querschnitt der Schweißlagen. Großvolu- mitte wachsenden Dendriten stoßen senk-
mige Schweißgüter zeigen in besonders recht aufeinander, Bild 4-5. Die vor den
hohem Maße »Gusseigenschaften«. Kristallisationsfronten vorhandenen film-
artigen Verunreinigungen können nicht
in Richtung der Nahtoberfläche in die
TLi
Schlackendecke geschwemmt werden,
Bild 1-67, S. 55.
D T

TLi
Temperatur T
Temperatur T

D T

TSo – Der Schärfe des mechanischen Beanspru-


TSo chungszustandes (Last-, Schrumpf-, Eigen-
spannungen), der mit der Werkstückdi-
cke erheblich zunimmt.
c1 c 0 cmax c1 c0 cmax
Bewegung der Schmelzlinien mit der Zeit
a) b)
TLi
TSo TSo TLi
Schweiß-
richtung v
c1
cmax

a1) b1) a)
Richtung des Kristallwachstums Ts

b)
a2) b2)
Bild 4-7
Bild 4-6 Einfluss der Schweißgeschwindigkeit v auf die Heiß-
Einfluss der Größe des Erstarrungsintervalls DT auf rissneigung, s. a. Bild 4-3b.
die Primärkristallisation und die Art des entstehen- a) Die Kristallite wachsen mit zunehmender Krüm-
den (Primär-)Gefüges in einlagig geschweißten Verbin- mung in Schweißrichtung. Die Verunreinigungen
dungen, schematisch. werden in das Schweißbad gedrückt und können
a) Zustandsschaubild mit großem DT und a1) zuge- in die Schlacke steigen.
ordnetem Erstarrungsmuster: dendritische Erstar- b) Bei großer Schweißgeschwindigkeit und geringem
rung mit ausgeprägter Kristallseigerung und a2) Wärmeeinbringen Q prallen die Kristallisations-
Heißrissentstehung in Nahtmitte. fronten in Nahtmitte zusammen. Die sich aus der
b) Zustandsschaubild mit kleinem DT und b1) zuge- kristallisierenden Schmelze ausscheidenden, nied-
ordnetem Erstarrungsmuster: dendritische Erstar- rigschmelzenden Verunreinigungen konzentrieren
rung mit deutlich geringerer Kristallseigerung und sich in Nahtmitte und begünstigen so erheblich die
b2) Heißrissneigung. Beachte aber auch Bild 4-5. Heißrissbildung.
Abschn. 4.1: Aufbau der Schweißverbindung (Primärkristallisation der Schweißschmelze) 305

– Der Breite des Erstarrungsintervalls, des- Um die Heißrissbildung zu vermeiden, muss


sen Einfluss bei un- und niedriglegierten aus metallurgischen Gründen die Wanddi-
Stählen leicht beherrschbar ist, bzw. kei- cke für in einer Lage auszuführende Schweiß-
ne Rolle spielt, bei hochlegierten austeni- arbeiten begrenzt werden. In der Praxis liegt
tischen Stählen (Abschn. 4.3.7.5) aber sehr
kritisch werden kann.
– Der Schweißgeschwindigkeit, Bild 4-3b
und Bild 4-7.

Bild 4-6 zeigt schematisch den Einfluss des


Erstarrungsintervalls auf die Neigung zur
(Kristall-)Seigerung und Heißrissbildung.
Bei sonst gleichen thermischen Bedingun-
gen ist die Verweilzeit im Erstarrungsinter-
vall und die mögliche Spannweite der Kon-
zentrationen 'c (cmax  c1) ein Maßstab für
das Ausmaß der Kristallseigerung und der
Heißrissneigung.

Die Heißrissneigung hängt außerdem in ho-


hem Maße von der Schweißgeschwindigkeit
a)
ab. Bild 4-3 und Bild 4-7 zeigen die Orien-
tierung der wachsenden Kristallite bezüg-
lich der Schmelzlinie. Wachsen die Kristalli-
te mit zunehmender Krümmung in Richtung
Nahtmitte, dann werden die niedrigschmel-
zenden Verunreinigungen überwiegend in
die Schmelze abgedrängt, sie sammeln sich
in der Schweißschlacke und sind dann metal-
lurgisch praktisch unwirksam, Bild 4-7a. Bei
großen Schweißgeschwindigkeiten besteht
diese Möglichkeit aber nicht, wie Bild 4-7b
deutlich zeigt. Die nichtmetallischen Verun-
reinigungen werden in der Nahtmitte kon-
zentriert und begünstigen den Heißriss. Die-
se Verhältnisse findet man häufig bei großvo-
lumigen (UP-)Schweißgütern, die mit gro-
ßen Vorschubgeschwindigkeiten hergestellt
wurden.
b)
Bei sehr großen Kristallisationsgeschwin-
digkeiten und einem großen Wärmeeinbrin- Bild 4-8
Heißriss in einer UP-geschweißten Verbindung, Werk-
gen können sich gemäß Bild 1-33a, S. 29,
stückdicke t = 25 mm.
äquiaxiale Dendriten bilden. Durch die nun a) Makroaufnahme der Wurzel. Die von der Schmelz-
vorhandene große Korngrenzenfläche ist de- grenze aus wachsenden Stängelkristalle schieben
ren Belegungsdichte mit den heißrissauslö- die niedrigschmelzenden Verunreinigungen vor
senden Substanzen klein, die Heißrissgefahr sich her bis sie in Nahtmitte konzentriert zusammen-
also deutlich geringer. Dieses Kristallisations- treffen, V = 2:1.
b) REM-Aufnahme der Bruchfläche einer Kerbschlag-
gefüge lässt sich bei Eisenwerkstoffen prak-
biegeprobe, entnommen aus Schweißnahtmitte
tisch nicht gezielt erreichen, bei Aluminium- einer UP-geschweißten Verbindung. Beachte den
legierungen (Abschn. 5.3.1.5, S. 537) dagegen glatten Rissverlauf und die Struktur der Körner
sehr viel leichter. und Korngrenzen, V = 2000:1.
306 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

der Grenzwert für diese sehr »wirtschaftli- dingungen der Elemente Schwefel und Phos-
che« Schweißtechnologie bei etwa 8 mm bis phor im Ferrit bzw. Austenit, der Art der Pri-
10 mm. Je geringer der Gehalt an Verunreini- märkristallisation und dem Ausmaß der da-
gungen im Stahl ist, desto unbesorgter kann bei entstehenden Seigerung bestimmt. Der
diese Technik angewendet werden. Auf je- erhebliche Einfluss des Kohlenstoffs beruht
den Fall sollte die Einlagenschweißung aber auf der Art der bei der Primärkristallisation
nicht für hoch beanspruchte Bauteile ange- entstehenden Gefüge. In Stählen mit Kohlen-
wendet werden. Die Kerbschlagzähigkeit (ge- stoffgehalten unterhalb 0,10 % bildet sich pri-
messen mit Kerblage in Schweißnahtmitte) mär d -Ferrit, dessen Löslichkeit für Schwe-
ist meistens selbst bei geringen Beanspru- fel und Phosphor wesentlich größer ist als
chungen unzureichend. die des Austenits. Bei C • 0,1 % entsteht bei
T 1493 ’C durch die peritektische Reaktion
Erfahrungsgemäß neigen die mit dem UP- (d  S  d  g , s. Bild 4-9) Austenit, dessen
Schweißen hergestellten großvolumigen Löslichkeit für die genannten Elemente sehr
Schweißgüter zur Heißrissbildung. Bild 4-8a gering ist. Damit besteht die Möglichkeit,
zeigt einen Heißriss in der Mitte einer UP-ge- dass sich Phosphor und Schwefel an den pri-
schweißten Wurzel. Die REM-Aufnahme der mären Austenitkorngrenzen anreichert. Bild
Bruchfläche einer aus Schweißnahtmitte ent- 4-9 zeigt, dass bei Kohlenstoffgehalten über
nommenen Kerbschlagbiegeprobe einer nicht 0,1 % der zum Unterdrücken der Heißrissbil-
gerissenen in einer Lage geschweißten Ver- dung erforderliche Mn-Gehalt stark zunimmt,
bindung, Bild 4-8b, enthüllt die typische glat- s. a. Aufgabe 4-11, S. 488. Phosphor segre-
te Rissfläche und den charakteristischen in- giert in Korngrenzenbereichen und setzt die
terkristallinen Rissverlauf. Die sehr geringe Schmelztemperatur der »Korngrenzensubs-
Kerbschlagarbeit konnte kaum ermittelt wer- tanz« oder (und) die Kohäsion zwischen den
den. Die »Qualität« dieser Verbindung kommt Kristalliten herab.
der einer schlechten Klebverbindung sehr na-
he! Durch Wahl eines geeigneten Nahtaufbaus Außer den genannten Einflüssen ist für die
und entsprechender Einstellwerte kann die Heißrissneigung auch die von der Führung
Heißrissbildung UP-geschweißter Verbin- des Lichtbogens abhängige Oberflächen-
dungen unterdrückt werden, ohne die Heiß- spannung der Schweißschmelze von Bedeu-
rissneigung aber vollständig zu beseitigen. tung (s. a. Abschn. 4.1.1.1). Bild 4-10 zeigt
die Wirkung unterschiedlicher Oberflächen-
Bild 4-5 zeigt, dass mit fertigungstechni- spannungen, erzeugt mit unterwölbt bzw.
schen Mitteln (Schweißverfahren, Nahtvor-
50
bereitung, Einstellwerten) die Heißrissbil-
1536 A
dung verhindert, in jedem Fall aber gemin- °C d+ S
S
Mn / S - Verhältnis

dert werden kann. Die wirksamste Gegenmaß- 40


1493 d
H J B
nahme besteht in der Wahl von Zusatzwerkstof- d+ g S+ g
fen, die die niedrigschmelzenden eutektischen
30 g
Filme metallurgisch unschädlich machen, d. 1400 N keine
Risse
h. »verschlacken« können. Der basische Elekt- 0,10 0,16 0,51 C%
rodentyp (Abschn. 4.2.3.1.3) erweist sich als 20
besonders gut geeignet. Eine sorgfältige vi-
suelle Prüfung auf Heißrissfreiheit der Ver- 10
bindung, verbunden mit einer zerstörenden
Prüfung (z. B. Falt-, Biege-, Zug-, Kerbschlag- Risse
0
biegeproben) ist in jedem Fall anzuraten. 0 0,10 0,12 0,14 % 0,16
Kohlenstoffgehalt
Außer den genannten werkstofflichen und
Bild 4-9
fertigungstechnischen Einflüssen wird ins- Einfluss des Mn/S-Verhältnis und des Kohlenstoffge-
besondere bei den Eisenwerkstoffen die Heiß- halts auf die Heißrissneigung von unlegiertem Schweiß-
rissneigung von den speziellen Lösungsbe- gut, nach Lancaster.
Abschn. 4.1: Aufbau der Schweißverbindung (Primärkristallisation der Schweißschmelze) 307

überwölbt hergestellten Schweißlagen, auf dern ändern auch den Wärmetransport, die
die Heißrissneigung des Schweißguts und Temperaturgradienten, die Einfluss auf das
die Schlackenentfernbarkeit. Mikrogefüge und den Eigenspannungszu-
stand haben, verschiedene »Unregelmäßigkei-
4.1.1.2 Massentransporte im ten« der Schweißverbindung [u. a. Einbrand-
Schweißbad kerben, Einbrandformen (flach, tief, breit,
Auf die flüssige Schweißschmelze wirken fingerförmig), Schuppenform und -art der
eine Vielzahl unterschiedlicher Kräften ein, Nahtoberfläche, sowie das in Abschn. 3.5.1.4,
die sehr schnelle Flüssigkeitsströmungen er- S. 274, näher beschriebene »Hochblasen« der
zeugen können. Die Größe des Schweißbades, Wurzel (»Osterei«)].
also auch der Nahtform, hängt damit nicht
nur von den Schweißparametern und der phy- Die Schmelzenströmung wird durch verschie-
sikalischen und chemischen Charakteristik dene Kräfte erzwungen bzw. beeinflusst, die
des schützenden Gases ab, sondern in einem bei den einzelnen Schweißverfahren unter-
erstaunlich großen Umfang von diesen Badbe- schiedlich groß d. h. wirksam sind. Die wich-
wegungen. Die Flüssigkeitsströme – genau- tigsten sind:
er die sie erzeugenden Kräfte – beeinflussen – Die von Oberflächenspannungs-Tempera-
nicht nur die Schweißnahtgeometrie, son- turgradienten (dg /dT ) in der Schweißbad-
oberfläche erzeugten Kräfte,
– Elektromagnetische oder Lorentz-Kräfte,
die quadratisch von der Schweißstrom-
? ! stärke abhängen,
– Aerodynamische Kräfte, die bei der Bewe-
gung eines Plasmastrahls über die Schweiß-
badoberfläche entstehen und
– Buoyancy-Kräfte (engl.; buoyancy Trag-
Oberflächenspannung erzeugt Überwölbte Schmelzbad- kraft, Auftrieb), die aufgrund der Tempe-
Zugspannung in unterwölbter oberfläche ist praktisch
Schmelzbadoberfläche zugspannungsfrei raturunterschiede ( Dichteunterschiede)
a) b) zwischen dem Schweißbadrand und der
Schweißbadmitte entstehen. Ihre Wirkung
auf die Badbewegung ist normalerweise
verhältnismäßig gering.

Lagen zu breit, Lagen zu hoch und Leicht überwölbte, Bei Schweißverfahren, die mit großen Schweiß-
Schlacke schlecht unterwölbt: schmalere Lagen,
entfernbar, unterwölb- Heißrissgefahr Schlacke gut entfern-
strömen betrieben werden – z. B. das UP-
te Naht: Heißrissgefahr bar, geringe Heißriss- und das MSG-Schweißverfahren – ist die Lo-
neigung
rentz-Kraft die die Massentransporte prak-
c) d) e) tisch allein bestimmende Größe. Sie erzeugt
Bild 4-10 den für diese Verfahren charakteristischen
Einfluss der Form der Oberfläche der Schweißschmelze tiefen Einbrand aus dem sich die in Bild 4-11
auf die Heißrissneigung (und andere Eigenschaften). dargestellten Strömungsverhältnisse in der
a) Die Schweißschmelze unterwölbter Schweißnäh- Schmelze ergeben.
te erzeugt Zugspannungen in der Schmelzbadober-
fläche: Heißrissneigung,
b) die Schweißschmelze überwölbter Schweißnäh- Bei den Schutzgasverfahren – insbesondere
te ist im Wesentlichen zugspannungsfrei, dem mit relativ geringen Schweißströmen
c) unterwölbte, breite Lagen sind daher nicht empfeh- arbeitenden WIG-Verfahren – ist die Lorentz-
lenswert, sie begünstigen den Heißriss und erschwe- Kraft i. Allg. so gering, dass sie keinen Krater
ren den Schlackenabgang, im Schmelzbad erzeugen kann. Massentrans-
d) hohe, unterwölbte Lagen begünstigen ebenfalls
porte und Schmelzenströmungen entstehen
den Heißriss,
e) leicht überwölbte Lagen, die auch die Schlacken- hier vorwiegend durch die Wirkung von Kräf-
entfernbarkeit begünstigen, sind anzustreben, nach ten, die auf den Oberflächenspannungs-Gra-
Lincoln Electric Company. dienten in der Schmelze beruhen, Bild 4-12.
308 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

In reinen Werkstoffen und einer Reihe von Le- wieder erhöht. Die resultierende Kraft und
gierungen nimmt die Oberflächenspannung damit auch die konvergente Schmelzenströ-
mit zunehmender Temperatur ab, Bild 4-12a, mung ist jetzt nach innen gerichtet und er-
d. h., der Oberflächenspannungs-Tempera- zeugt ein tiefes, deutlich schmaleres Schweiß-
turgradient dg /dT ist negativ. Die Oberflä- bad, Bild 4-12b. Diese auf Gradienten der
chenspannung ist dann an den verhältnismä- Oberflächenspannung beruhende Bewegung
ßig kalten Schweißbadrändern am größten. der Flüssigkeit bezeichnet man auch als Ma-
Bei einem Temperaturgradienten über die rangoni-Strömung.
Schmelzenoberfläche von dT/dr – mit r als
Abstand vom »Mittelpunkt« der Wärmequel- Metallschmelzen haben Oberflächenspan-
le – ergibt sich die ent stehende bezogene nungen von etwa 0,5 N/m bis 2 N/m, dabei
Kraft zu: liegt Eisen mit etwa 2 N/m an der Spitze. Das
Ê d g ˆ Ê d T ˆ dg N
ÁË - ˜ ◊Á- ˜=
dg dg
in 2 . < 0 > 0
dT ¯ Ë d r ¯ d r m dT dT

g
Diese positive, d. h. nach außen gerichtete
Kraft ist die Ursache einer Strömung, die
man als divergent bezeichnet. Die durch die r r
intensive divergente Strömung an die Rän-
Massenstrom ist
der des Schweißbads transportierte Wärme divergent konvergent
erzeugt eine breite, flache Schweißnaht mit
einem Nahtformverhältnis j ( Nahtbreite b
zu Nahttiefe t) von etwa 3 ... 5.

1 Pulsierende Kaverne 4 flüssige Schlacke


2 aufgeschüttetes Pulver 5 feste Schlacke
3 strömende Schmelze 6 erstarrtes Schweißgut

Bild 4-11
Typisches Einbrandverhalten und Schmelzenströ-
mung beim UP-Schweißen, schematisch.

Verschiedene oberflächenaktive Elemente,


die im Werkstoff gelöst vorhanden sein müs- a) b)

sen, segregieren im Oberflächenbereich der Bild 4-12


Schmelze und setzen die Oberflächenspan- Richtung des Massenstroms (Marangoni-Strömung)
nung oft extrem herab. Zu den im Bereich in Schweißbädern.
von einigen ppm wirksamen Elementen ge- a) Divergenter Massenstrom: Gradient Oberflä-
hören bei Stählen z. B. Sauerstoff, Schwefel chenspannung g /Temperatur T < 0, diese Verhält-
nisse sind für reine Metalle typisch.
und Arsen. Durch eine Temperaturerhöhung
b) Konvergenter Massenstrom: Gradient Oberflä-
wird aber die Löslichkeit dieser Spurenele- chenspannung g /Temperatur T > 0, diese Verhält-
mente in der Schmelzenoberfläche verrin- nisse sind für Schweißschmelzen typisch, die ober-
gert und damit die Oberflächenspannung flächenaktive Elemente enthalten (z. B. S, O, As).
Abschn. 4.1: Aufbau der Schweißverbindung (Werkstoffliche Vorgänge in der WEZ) 309

ist wenigstens z. T. die Ursache für die ext- Das in Abschn. 3.5.1.4, S. 274, beschriebene
remen Unterschiede der Schmelzenviskosität »Hochblasen« der Wurzel wird hauptsächlich
von Stählen mit unterschiedlichen Gehalten durch Lorentz-Kräfte verursacht, die quad-
oberflächenaktiver Elemente. Geringe Men- ratisch mit der Stromstärke zunehmen, d.
gen dieser Stoffe erzeugen daher beim WIG- h. vorwiegend bei großen Strömen entste-
Verfahren (bei den kratererzeugenden Ver- hen. Sind die Lorentz-Kräfte größer als die
fahren ist die Lorentz-Kraft für das Erzeu- Oberflächenspannung der Schmelze, dann
gen der Schmelzenströmung die bei weitem ist die Entstehung dieses Fehlers wahrschein-
wichtigste Kraft!) extreme Unterschiede des lich. Die Auswirkungen der Lichtbogenkräf-
Einbrands und der Nahttiefe. Für Präzisions- te lassen sich durch Wahl einer geeigneten
schweißungen sollte daher die Menge der Elektrodenführung meistens gering halten.
oberflächenaktiven Spurenelemente sehr ge- Allerdings ist mit erheblichen und kaum be-
nau kontrolliert werden. Dies gilt vor allem hebbaren Schwierigkeiten zu rechnen, wenn
dann, wenn aus unterschiedlichen Schmel- infolge größere Mengen oberflächenaktiver
zen hergestellte Stähle an einem Stoß verbun- Elemente im Werkstoff die Oberflächenspan-
den werden, s. Aufgabe 4-1, S. 478. nung der Schmelze kleiner als die Lorentz-
Kraft wird.

4.1.2 Werkstoffliche Vorgänge


°C in der Wärmeeinflusszone
°C
Die Eigenschaften der Wärmeeinflusszonen
Ac1 Ac1
von Schmelzschweißverbindungen und jede
hier stattfindende Werkstoffänderung wer-
Q Q den im Wesentlichen von der Größe des Wär-
meeinbringens Q und den davon abhängigen
charakteristischen Temperatur-Zeit-Verläu-
fen bestimmt, die diese Gefügebereiche wäh-
b b rend des Schweißens »wärmebehandeln«. Das
Ausmaß der Veränderungen in der WEZ ist
größer Wärmeeinbringen Q kleiner demnach von vielen Faktoren abhängig. Die
Vorwärmtemperatur Tp wichtigsten sind die
sehr groß Breite b der WEZ deutlich geringer – Schweißparameter (U, I, v), d. h. Q, die
größer Korngröße in der kleiner
– Werkstückabmessungen, die
Grobkornzone – Geometrie der Nahtform, der
ungefährlicher Eigenspannungs- gefährlicher – Eigenspannungszustand und die
zustand – chemische Zusammensetzung des Grund-
kleiner Abkühlgeschwin- größer werkstoffs und der Zusatzwerkstoffe.
digkeit in der WEZ

kleiner Härte in der WEZ deutlich größer Bild 4-13 zeigt vereinfacht die wichtigsten
(Stahl)
in der Wärmeeinflusszone von Schweißver-
größer Bauteilverzug kleiner bindungen aus Stahl entstehenden Werkstoff-
i. Allg. geringer, Rissneigung i. Allg. deutlich grö-
bzw. Eigenschaftsänderungen, abhängig von
aber von einer ßer, aber u. a. abhän- der Größe des Wärmeeinbringens und der
Vielzahl anderer gig von der chem.
Faktoren abhängig Zusammensetzung, Vorwärmtemperatur.
(z. B. Heißrissigkeit, Werkstückdicke und
Wiederaufschmelzrisse) der Beanspruchung
Unabhängig von der chemischen Zusammen-
setzung des Werkstoffs und seinem Wärme-
Bild 4-13
Einfluss der »Wärmezufuhr« (Q und Tp ) auf einige behandlungszustand ist prinzipiell mit den
Eigenschaften der WEZ von Stahlschweißverbindun- nachstehenden Änderungen des Werkstoffs
gen, sehr vereinfacht. in der WEZ zu rechnen:
310 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

❐ Als Folge der sehr hohen Temperatur ent- – Thermodynamisch mögliche Ausschei-
steht in den schmelzgrenzennahen Werk- dungsprozesse – vor allem in der Wär-
stoffbereichen ein ausgeprägtes Korn- meeinflusszone von Schweißverbin-
wachstum. Mit zunehmender Korngröße dungen – können nicht oder nicht in
des Gefüges dieser »Grobkornzone« wer- der gewünschten Weise (z. B. unvoll-
den die mechanischen Gütewerte (vor al- ständig oder bevorzugt an den Korn-
lem die Schlagzähigkeit, Abschn. 1.3.4, grenzen) ablaufen. In den meisten Fäl-
S. 19) ungünstiger. Das Ausmaß des Korn- len werden hierdurch die mechani-
wachstums ist abhängig von schen Eigenschaften verschlechtert.
– den Diffusionsbedingungen, d. h. der
Verweildauer (die maximale Tempera- Die Rissanfälligkeit ist allerdings in hohem
tur ist nahezu konstant und liegt im Maße vom Kohlenstoffgehalt abhängig.
Bereich der Schmelztemperatur),
– dem Wärmeeinbringen Q, der Vorwärm- Die besondere Art der Wärmeführung beim
temperatur Tp. Beide Faktoren verlän- Schweißen erzeugt bei einer Reihe von Werk-
gern die Verweildauer, d. h. begünsti- stoffen spezifische Eigenschaftsänderungen
gen die Diffusionsvorgänge, in der WEZ und im Schweißgut:
– der Gitterstruktur. Die thermisch be- – Lösen und Wiederausscheiden von Teil-
ständigen kfz Metalle neigen mit zu- chen, z. B. bei den ausscheidungshärten-
nehmender Temperatur zu einem we- den Werkstoffen (Abschn. 5.1.3, S. 506). In
sentlich geringeren Kornwachstum als vielen Fällen sind ein Zähigkeitsverlust
die krz Metalle (Abschn. 2.8.4.3, S. und (oder) eine verringerte Korrosions-
217). beständigkeit die Folge, Bild 4-14.
– Hochreaktive Werkstoffe wie Ti, Mo u. a.
❐ Die Abkühlgeschwindigkeit ist oft extrem nehmen häufig schon bei Temperaturen
groß, (einige hundert K/s sind verfahrens- im Bereich um 250 ’C ... 300 ’C atmosphä-
typisch!) und der Temperaturgradient 32) rische Gase auf, die diese Zonen vollstän-
sehr steil. Eine Reihe von speziellen werk- dig verspröden (Abschn. 5.1.4, S. 507).
stoffabhängigen Problemen ist die Folge:
– Abhängig von der Werkstückdicke und Der Schweißprozess ändert damit die Werk-
den Einstellwerten können hohe und stoffeigenschaften der Wärmeeinflusszone
vor allem dreiachsige Spannungszu- und damit das Bauteilverhalten grundsätz-
stände entstehen, die zu Änderungen lich in nachteiliger Weise.
der Bauteilabmessungen (Schrumpfen,
Verzug) und Zähigkeitsverlust (Folgen:
Sprödbruchneigung, Spannungsver- 4.1.3 Die WEZ in Schweißverbin-
sprödung, Abschn. 3.4, S. 261) führen. dungen aus umwandlungs-
– Der austenitisierte Bereich der WEZ fähigen Stählen
von Schweißverbindungen aus Stählen
härtet merklich auf, wodurch meistens Die werkstofflichen Vorgänge in der WEZ
die Verformbarkeit und die Schlagzä- von Schweißverbindungen aus Stahl sind ver-
higkeit empfindlich abnehmen. Nach hältnismäßig komplex und wegen der viel-
Überschreiten der oberen kritischen fältigen Phasenänderungen z. T. unübersicht-
Abkühlgeschwindigkeit entsteht ein lich. Als Folge der leichten Austenitunter-
rein martensitisches Gefüge. kühlbarkeit kann eine große Anzahl lichtmi-
kroskopisch schwer beschreibbarer Gefüge
mit sehr unterschiedlichen mechanischen Ei-
genschaften entstehen, die die Interpretation
32)
Der Temperaturgradient kennzeichnet die Tem- weiter erschwert. In erster Linie wird die
peraturänderung bezogen auf eine Ortskoordina-
te mit der Maßeinheit [K/cm], die Abkühlgeschwin-
für die Bauteilsicherheit wichtige Eigenschaft
digkeit kennzeichnet die Temperaturänderung (Bruch-)Zähigkeit dieses Gefügekontinuums
bezogen auf die Zeit mit der Maßeinheit [K/s]. verringert.
Abschn. 4.1: Aufbau der Schweißverbindung (WEZ in umwandlungsfähigen Stählen) 311

Zusatzwerkstoff Z (z. B. Stabelektrode)


Wärmequelle (z. B. Lichtbogen)
Schmelzgrenze: Phasengrenze zwischen flüssigem Schweißgut
S und festem Grundwerkstoff GW

Schweißgut S = aufgeschmolzener GW + Z.
Die jeweiligen Anteile hängen hauptsächlich von der Nahtvorbe-
reitung, dem Schweißverfahren und den Einstellwerten ab.

Durch den Schweißprozess wird S = GW + Z extrem schnell aufge-


Einlagen- schmolzen und erstarrt i. Allg. auch rasch. Es entsteht das typi-
? technik sche Gussgefüge (stark gerichtetes Stängelgefüge, anisotropes Ver-
halten) mit ungünstigen mechanischen Gütewerten. Bei umwand-
lungsfähigem Stahl wirkt die Mehrlagentechnik (besonders effek-
tiv die Pendellagentechnik) stark güteverbessernd, weil im Gegen-
Mehrlagen-
satz zur Einlagentechnik alle Lagen bis auf die Decklage und die
! technik nicht über Ac3 erwärmten Bereiche der Wurzel »umgekörnt« wer-
den, siehe auch Bild 4-19.
WEZ
Die Wärmewirkung des Schweißprozesses beeinflusst einen be-
stimmten Bereich des GW. Diese Zone, in der vom GW abweichen-
GW
de Eigenschaften (Gitterumwandlungen, Korngrößenänderungen,
Ausscheidungen, mechanische Eigenschaften) entstanden sind,
wird Wärmeeinflusszone (WEZ) genannt. In Schmelzgrenzennähe
umwandlungsfreier Werkstoff (Grobkorn und entsteht bei allen metallischen Werkstoffen ein Gefüge mit i. Allg.
evtl. Ausscheidungen in der WEZ) sehr grobem Korn (»Grobkornzone«). Bei dem wichtigen Sonderfall
»härtbarer Stahl« kann außerdem der beim Erwärmen austeniti-
WEZ
sierte Bereich der WEZ abhängig vom Kohlenstoffgehalt des Stah-
les in harten, spröden Martensit umwandeln. Dadurch starker Här-
GW
teanstieg und Gefahr der Kaltrissbildung.

Die mechanischen Gütewerte der schmelzgrenzennahen Bereiche


Stahl (evtl. Aufhärtung, d. h. Zähigkeitsver- der WEZ sind i. Allg. schlechter als die jedes anderen Bereiches
lust und (Kalt-)Rissgefahr in der WEZ) der Schweißverbindung.

Atmosphärische Gase dringen sehr leicht in


den Werkstoff ein

Die sog. hochreaktiven Werkstoffe (z. B. Ti, Ta, Mo, Zr) nehmen
schon bei Temperaturen > 600 K atmosphärische Gase auf, wenn
diese Bereiche nicht großflächig vor Luftzutritt geschützt werden.
GW Die Folge ist eine vollständige Versprödung dieser Zonen.

T > 600 K

In ausscheidungshärtenden Werkstoffen koagulieren die Ausschei-


GW dungen in der WEZ, d. h., sie werden größer (Überaltern), z. T. ge-
löst und beim Abkühlen oft in einer ungünstigen Form wieder ausge-
schieden. Die Folgen sind vor allem Abnahme der Zähigkeit und u.
Ausscheidungen U. Heißrissanfälligkeit durch niedrigschmelzende Ausscheidungen.

In einigen Stählen -- insbesondere den (hoch-)legierten -- bilden sich


in der WEZ durch die Wirkung der Schweißwärme Ausscheidun-
GW
gen, z. B. Chromcarbide oder intermediäre Verbindungen. In bei-
den Fällen werden die Zähigkeit und vor allem die Korrosionsbe-
Chromcarbide ständigkeit der Verbindung erheblich verringert.

Bild 4-14
Typische Werkstoffänderungen im Schweißgut und der Wärmeeinflusszone von Schmelzschweißverbindungen,
schematisch.
312 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Bei Schweißverbindungen aus unlegierten – sehr gleichgewichtsnahen, d. h. sehr lang-


Stählen gibt das Eisen-Kohlenstoff-Schau- samen Abkühlung (die werkstofflichen
bild grundsätzliche Hinweise. Allerdings sind Vorgänge werden mit dem Eisen-Kohlen-
die Auskünfte von begrenztem Wert, da sie stoff-Schaubild noch ausreichend zuver-
nur die Phasenänderungen beschreiben, die lässig beschrieben 33)),
gemäß dem thermodynamischen Gleichge- – und einer für Schweißbedingungen rea-
wicht möglich sind. listischeren rascheren Abkühlung (ZTU-
Schaubild mit drei unterschiedlichen Ab-
In Bild 4-15 sind die Gefügeänderungen in kühlkurven)
der WEZ bei einer schematisch dargestellt.

1000 L

°C 1 1500 1
°C

Temperatur T
Temperatur T
Temperatur T

800
F 2 °C 2
75

25
600 P
g - MK (Austenit)
10
B
30 Ac3 3 900 3 a - MK +
400 g - MK
4 4
Ac1
M 723
200 160 5 5
a - MK

Perlit
460 300
a - MK+ Perlit

1 10 10 2 103 s 10 4 Ortskoordinate x Fe 0,2 0,4 0,6 0,8 %


Zeit t C
1 2 3 4 5

Ac1
unbeeinflusster
Grundwerkstoff

g® U WEZ

Vorgänge in der WEZ nach einer Abkühlung von der jeweils erreichten Austenitisierungstemperatur, beschrieben mit dem:
kontinuierlichen ZTU-Schaubild Eisen-Kohlenstoff-Schaubild

Bereich des partiellen Schmelzens Zone 1 Bereich des partiellen Schmelzens


Grobkornzone, je nach Abkühlgeschwindigkeit besteht z. B. aus Zone 2 Grobkornzone, besteht aus grobstreifigem Perlit (20 %)
- Ferrit (75 %) und Perlit (25 %), 160 HV 10 und Ferrit (80 %)
- Ferrit (10 %), Bainit (30 %), Martensit (60 %), 300 HV 10 oder
- Martensit (100 %), 460 HV 10, siehe auch Bild 4-17

Feinkornzone, besteht abhängig von der Abkühlgeschwindigkeit Zone 3 Feinkornzone, besteht aus feinstreifigem Perlit und Ferrit
aus Ferrit, feinstreifigem Perlit, Bainit und/oder Martensit

Teilaustenitisierter Bereich, besteht aus in Ferrit eingebettetem Zone 4 Teilaustenitisierter Bereich, besteht aus Ferrit und Perlit
Martensit oder Bainit bzw. Perlit
Zone 5
Unbeeinflusster Grundwerkstoff, aber je nach Stahl (unlegiert, legiert) und Behandlungszustand (vergütet, kaltverformt) sind bestimmte
Eigenschaftsänderungen möglich, z. B. Alterung, Ausscheidungen, Anlasseffekte.

Bild 4-15
Vorgänge in der Wärmeeinflusszone einer Schweißverbindung aus dem umwandlungsfähigen Stahl S355J2 + N
(St 52-3), dargestellt in einem schematischen ZTU-Schaubild und dem Eisen-Kohlenstoff-Schaubild für eine
Fe-C-Legierung L mit 0,2 % Kohlenstoff. Beachte, dass mit dem EKS der Mangangehalt des S355 nicht berück-
sichtigt werden kann!
Abschn. 4.1: Aufbau der Schweißverbindung (WEZ in umwandlungsfähigen Stählen) 313

Je nach der Höhe der in der WEZ erreichten – Gemäß der Hall-Petch-Beziehung, Gl. [1-
»Austenitisierungstemperaturen« lassen sich 4], S. 20, nehmen die Zähigkeit und (oh-
bei Stahlwerkstoffen mit dem unzureichen- ne eine festigkeitserhöhende allotrope Um-
den Hilfsmittel Fe-C-Schaubild fünf sehr un- wandlungen) auch die Festigkeit ab.
terschiedlich beeinflusste Bereiche der WEZ – Die Austenitumwandlung wird verzögert,
unterscheiden, Bild 4-15. d. h. die Bildung des unerwünschten, ver-
sprödenden, polygonalen Hochtempera-
Bereich 1 (TLi ≥ T ≥ TSo ) turferrits begünstigt, Bild 2-25.
partiell aufgeschmolzene Zone – Die geringere Korngrenzenfläche erhöht
Die sich unmittelbar an die Schmelzgrenze ihre Belegungsdichte mit Verunreinigun-
anschließende Zone wird teilweise aufge- gen, d. h. vergrößert die Neigung zu Wie-
schmolzen, d. h., die Temperatur liegt zwi- deraufschmelzrissen.
schen der Solidus- u nd Liquidustempera-
tur. Wie Bild 1-67, S. 55, zeigt, enthält die Da die Abkühlgeschwindigkeit an der Pha-
zuletzt erstarrte Restschmelze (S4 in Bild 1- sengrenze flüssig/fest ebenfalls einen Maxi-
67) – vor allem nach einem raschen Abküh- malwert erreicht, ist dieses Gefüge gekenn-
len – den Großteil der niedrigschmelzenden zeichnet durch die Eigenschaften:
Phasen, die sich im Bereich der Korngren- – Gefügekontinuum mit in Richtung der
zen konzentrieren. Diese seigerungsähnli- Schmelzgrenze extrem zunehmender Korn-
che »Entmischung« kann in bestimmten Fäl- größe.
len die Heißrissneigung begünstigen. Die – Größte Härte, meistens verbunden mit
Breite dieser Zone beträgt in der Regel nur gering(st)er Zähigkeit (Abschn. 4.1.3.2).
einige hundertstel Millimeter.
Die mechanischen Gütewerte der Grobkorn-
Bereich 2 (TSo ≥ T >> Ac3 ) zone sind daher ungünstiger als die jedes an-
Grobkornzone deren Gefügebereichs der WEZ. Bild 4-16
Trotz der nur geringen Haltezeit ist (bei Ein-
lagenschweißungen) bei Temperaturen ober-
halb 1050 ’C ... 1150 ’C mit einem extremen nichtgelöste
Carbide
Kornwachstum zu rechnen. Die Temperatu-
Temperatur T

ren erreichen in diesem Bereich Werte bis g a= Ferrit


TSo (etwa 1450 ’C). Die Korngröße ist im We- P= Perlit
g = Austenit g
sentlichen von der chemischen Zusammen- B= Bainit
Ac 3
setzung des Stahles, vom Wärmeeinbringen M= Martensit
a
Q und von der Vorwärmtemperatur Tp abhän- +
MB
gig, s. a. Aufgabe 4-11, S. 488. g g
Ac 1 +
B
Die mit dem Kornwachstum verbundenen a Ms
Eigenschaftsänderungen sind ein direkter + M
Maßstab für die Schweißeignung des Stah- P +
B
les. Grobkörnige Gefüge besitzen eine Rei-
he entscheidender Nachteile: Aufheizen T >> Ac 3 Abkühlen

a+ P® g g® M+ B

Bild 4-16
33)
Man beachte, dass die aus dem Eisen-Kohlenstoff- Zeit-Temperatur-Verlauf in der Grobkornzone der
Schaubild ablesbaren Informationen nur für eine Wärmeeinflusszone einer Stahlschweißverbindung
»unendlich« langsame Abkühlung gelten. Dieser mit Zuordnung der Gefügeänderungen beim Aufhei-
Zustand kann näherungsweise z. B. durch das zen und Abkühlen. Die Abkühlung dieser Einlagen-
Gasschweißen als erreicht angesehen werden. schweißung erfolgte mit vok ≥ vab ≥ vuk.
314 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

zeigt schematisch die werkstofflichen Ände- Martensit. Diese aus einer weichen Ferritma-
rungen in diesem Bereich der Wärmeeinfluss- trix mit eingebetteten harten Bestandteilen
zone während des Aufheizens und Abküh- bestehende Anordnung ähnelt den Dualpha-
lens. Dieser Darstellung liegt die plausible sen-Stählen (s. Beispiel 2-3, S. 195), die bemer-
Annahme zugrunde, dass dieser Teilbereich kenswerte Festigkeits- und und vor allem Zä-
mit vok • vab • vuk abgekühlt wurde. higkeitseigenschaften besitzen. Eine Beein-
trächtigung der Bauteilsicherheit durch die-
Bereich 3 (T ≥ Ac3 ) se Gefüge besteht nicht. Beachte aber die
Feinkornzone sehr viel komplexeren Gefügeänderungen in
In diesem Bereich der WEZ wurde etwa die diesem Bereich bei Mehrlagenschweißungen,
Normalglühtemperatur erreicht. Trotz der Abschn. 4.1.3.1.
sehr geringen Haltezeit, siehe z. B. Bild 2-
12, S. 137, bewirkt das doppelte Umkristalli- Bereich 5 (T ≤ Ac1 )
sieren eine erhebliche Kornfeinung. Diese keine Gefügeänderungen nach EKS
Möglichkeit der Umkörnung ist bei umwand- Änderungen des Gefüges sind nach dem Fe-
lungsfähigen Stählen eine sehr wirksame C-Schaubild unter Ac1 nicht mehr möglich.
Methode, um bei Mehrlagenschweißungen Trotzdem können bei bestimmten Stählen
die Korngröße in den Grobkornzonen der ein- bzw. Wärmebehandlungszuständen folgen-
zelnen Lagen ohne eine aufwändige Wärme- de Gefügeänderungen entstehen:
behandlung sehr stark verringern zu kön-
nen (Abschn. 4.1.3.1). ❐ Durch Rekristallisieren kaltverformter
Fügeteile im Temperaturbereich um TRk
Bereich 4 (Ac3 ≥ T ≥ Ac1 ) O 650 ’C. Die Folgen sind unerwünschte
teilaustenitisierte Zone – Entfestigung und Grobkornbildung,
Die Vorgänge sind verhältnismäßig unüber- wenn im Bereich des j krit verformt
sichtlich und hängen stark von den Aufheiz- wurde (Abschn. 1.5.2) oder (und)
bzw. Abkühlbedingungen ab. Das Bild 4-17 – Alterungsneigung, vor allem bei stick-
zeigt schematisch die Gefügeänderungen für stoffhaltigen Stählen (Abschn. 3.2.1.2,
einen knapp über Ac1 erwärmten Bereich, S. 240) durch Ausscheiden von Eisenni-
der rasch (Kurve 1) bzw. langsam (Kurve 2) triden. Bei der Qualität der heute herge-
abkühlte. Beim Erwärmen werden die Per- stellten Stähle ist die Auswirkung
litkolonien in eine Vielzahl g -Körner der Zu- einer evtl. Alterung als relativ gering
sammensetzung g1 umgewandelt (Keimwir- einzuschätzen. Nach DIN 18800-1 müs-
kung der Zementitlamellen!). Abhängig von sen allerdings bestimmte Vorausset-
der Abkühlgeschwindigkeit entsteht aus den zungen erfüllt sein, wenn in kaltver-
sehr C-reichen g1-Körnern erneut Perlit oder formten Bereichen geschweißt wird

g - MK (Austenit) Grundwerkstoff wird aufge- teilaustenitisierter Bereich kühlt je nach Schweißver-


900 heizt und teilaustenitisiert fahren mit unterschiedlicher Geschwindigkeit ab (Kur-
ve 1 und 2) und wird dadurch in unterschiedliche Ge-
°C füge umgewandelt
Temperatur T

a1 g +a g1 g1
723 g1

2 a1 1 2
Perlit

M P

1 P
a1
Fe 0,2 0,4 0,6 0,8 %
C P® g1 g1 ® M g1 ® P

Bild 4-17
Gefügeänderungen in Bereichen der Wärmeeinflusszone von Stahlschweißungen, die beim Schweißen auf
Temperaturen knapp über der Ac1-Temperatur erwärmt wurde. Schematisch dargestellt sind die Vorgänge für
Schweißverfahren mit großer (Kurve 1), geringer Leistungsdichte (Kurve 2).
Abschn. 4.1: Aufbau der Schweißverbindung (WEZ in umwandlungsfähigen Stählen) 315

a) b)

c) d)
Bild 4-18
Typische Mikrogefüge aus der Wärmeeinflusszone von Stahlschweißungen, Werkstoff S355J2 + N (St 52-3),
V = 500:1, 2 % HNO3.
a) Grundwerkstoff mit ausgeprägter Sekundärzeiligkeit. Beachte die ausgewalzten MnS-Einschlüsse im Perlit.
b) Um Ac1 erwärmter Bereich. Die stattgefundene Perlitauflösung und anschließende Wiederbildung (»retrans-
formierter Perlit«) ist ebenso wie die beginnende Feinkornbildung deutlich zu erkennen, s. a. Bild 4-17.
c) Gefüge im Grobkornbereich nahe der Schmelzgrenze. Typisch für diesen Bereich ist ein ausgeprägtes, sehr
grobkörniges Widmannstättensches Gefüge mit voreutektoiden Ferritausscheidungen an den Korngrenzen.
d) Umgekörntes (Mehrlagenschweißung!) Schweißgutgefüge (oberer Bainit mit nadelförmigem Ferrit) aus dem
Bereich der Wurzellage mit ausgeprägten Ferritbändern an den Korngrenzen, s. a. Bild 4-24.

(Abschn. 4.1.3.4). Deshalb sind Repa- Anlassbeständigkeit des Stahles und der
raturarbeiten an den hoch stickstoff- Länge der Einwirkzeit bestimmt.
haltigen Thomasstählen sehr sorgfäl-
tig und überlegt durchzuführen. ❐ Bildung und Wachstum von Ausscheidun-
Das Ausmaß dieser diffusionskontrol- gen vor allem bei mehrfach legierten Stäh-
lierten Eigenschaftsänderungen ist al- len, die sich gütemindernd auswirken kön-
so temperatur- und zeitabhängig. Lan- nen.
ge Verweilzeiten (z. B. Gasschweißen)
begünstigen die Entfestigung und Al- Wie in Bild 4-15 dargestellt, können mit ZTU-
terung. Schaubildern die Umwandlungsvorgänge in
der WEZ ausschließlich für die vollständig
❐ Beim Schweißen vergüteter Stähle kön- austenitisierten Bereiche der WEZ beschrie-
nen die über Anlasstemperatur erwärm- ben werden (Abschn. 2.5.3.4, S. 152). In dem
ten Bereiche zusätzlich erweichen. Diese vereinfachten für Härtereizwecke entwickel-
ungewollte Anlasswirkung wird von der ten ZTU-Schaubild für einen Stahl S355,
316 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

sind drei charakteristische, realistische Ab- schen Chrom-Nickel-Stähle oder die eben-
kühlkurven eingetragen. Mit folgenden Um- falls nicht umwandlungsfähigen ferritischen
wandlungsgefügen Ui ist zu rechnen: Chromstähle sind bekannte Beispiele für der-
artige Werkstoffe (Abschn. 2.8, S. 200).
U1: 75 % Ferrit, 25 % Perlit mit einer Härte
von 160 HV 10. Dieses Gefüge, entstan- Meistens wird aber in der Praxis das Wärme-
den nach einer t8/5-Zeit von etwa 3000 s, einbringen auch zum Schweißen der NE-Me-
entspricht etwa dem nach dem Eisen- talle begrenzt, weil prinzipiell erhebliche me-
Kohlenstoff-Schaubild entstehenden tallurgische Schwierigkeiten (wie z. B. Heiß-
Gleichgewichtsgefüge. rissgefahr, Ausscheidungsneigung, Kornver-
gröberung, breite Wärmeeinflusszonen) er-
U2: 10 % Ferrit, 30 % Bainit, 60 % Marten- wartet werden können.
sit, Härte 300 HV 10, t8/5-Zeit etwa 6 s.
Das Gefüge der WEZ realer Schweißver- Die güteverbessernde Wirkung der Mehrla-
bindungen entsteht etwa bei diesen Ab- gentechnik bei den umwandlungsfähigen
kühlbedingungen. Stählen beruht auf einer Reihe von Ursa-
chen:
U3: 100 % Martensit, Härte 460 HV 10, t8/5- – Die Gefüge der Grobkornzone und das der
Zeit etwa 1 s. Schweißbedingungen, die jeweils darunter liegenden Lage(n) des
zu einem harten martensitischen Gefü- Schweißguts werden durch die doppelte
ge führen, sind aus Gründen einer ausrei- Umkristallisation beim Erwärmen bzw.
chenden Risssicherheit zumindest bei Abkühlen (a  g ) sehr stark gefeint. Der
konventionellen Stählen zu vermeiden. gleiche Mechanismus ist auch die Ursache
Dies gelingt einfach und zuverlässig mit für das beim Normalglühen entstehende
einem Vorwärmen der Fügeteile. Mit sehr feine Korn (Abschn. 2.5.1.2, S. 139).
dieser Maßnahme wird die Abkühlge- – Die mitgeführte Wärme jeder Lage verrin-
schwindigkeit herabgesetzt und die Bil- gert die Härte in der WEZ und im Schweiß-
dung weicherer Gefügebestandteile er- gut (»Anlassglühen«) und mildert den Ei-
möglicht bzw. erleichtert, s. ZTU-Schau- genspannungszustand.
bilder Abschn. 2.5.3, S. 145. – Durch die im Vergleich zur Einlagentech-
nik wesentlich geringere Wärmezufuhr
Die Bildfolge 4-18 zeigt Mikroaufnahmen ty- der einzelnen Lagen, werden die Korngröße
pischer Gefüge des Grundwerkstoffs und der in der Grobkornzone und die Breite der
WEZ einer Schweißverbindung aus dem un- WEZ deutlich verringert.
legierten Baustahl S355J2  N (St 52-3). Man – Die Abkühlgeschwindigkeit wird durch
beachte die sehr verschiedenartigen Gefüge- den »Vorwärmeffekt« der einzelnen Lagen
arten, die auch zu sehr unterschiedlichen Ei- geringer, aber deutlich größer als bei ein-
genschaften in den einzelnen Bereichen der lagig hergestellten Verbindungen.
WEZ führen.
Allerdings sind die Vorteile der Mehrlagen-
4.1.3.1 Der Einfluss des Nahtaufbaus; technik nur nutzbar, wenn die beim Schwei-
Einlagen-, Mehrlagentechnik ßen eingebrachte Wärme ausreichend groß
Der durch den z. T. extremen Temperatur- ist, d. h. ein Umkörnen der Grobkornzone(n)
Zeit-Verlauf beim Schweißen entstehende un- möglich ist.
günstige Gefügezustand der WEZ – vor allem
das grobkörnige Gefüge – lässt sich mit der Bild 4-19 zeigt in einer zusammenfassenden
Mehrlagentechnik erheblich verbessern. schematischen Übersicht die in der WEZ und
Dies trifft aber nur für die umwandlungsfä- im Schweißgut von Stahlschweißungen statt-
higen Stähle zu. Nichtpolymorphe Werkstof- findenden Gefügeänderungen. Der Umfang
fe sind durch keine Wärmebehandlung gefü- der Kornfeinung nimmt mit der Breite des
gemäßig veränderbar, s. Abschn. 5.1, S. 503. über Ac3 erwärmten Bereiches der WEZ zu.
Die nicht umwandlungsfähigen austeniti- Bei geeigneten (durch Versuch festgestellten)
Abschn. 4.1: Aufbau der Schweißverbindung (WEZ in umwandlungsfähigen Stählen) 317

Schweißparametern kann nahezu die gesam- Verzug des Bauteils nimmt in der Regel er-
te Grobkornzone feinkörnig gemacht werden. heblich zu.
Die hierfür erforderliche Wärmeführung wird
gewöhnlich als Pendellagentechnik bezeich- Diese Technik des Nahtaufbaus ist nicht mit
net. Durch die zunehmende Breite der Grob- der Zugraupentechnik zu verwechseln.
kornzone kann allerdings bei thermisch emp- Bei dieser Methode wird mit so geringen Wer-
findlichen Werkstoffen die Zähigkeit abneh- ten des Wärmeeinbringens gearbeitet, dass
men, es können sich Ausscheidungen in der ein merkliches Umkörnen oder Umschmel-
Wärmeeinflusszone und im Schweißgut bil- zen der darunterliegenden Lage nicht erfol-
den, es können Heißrisse entstehen, und der gen kann. Diese unwirtschaftliche Arbeits-

Lagenaufbau und Ge- Gefügeänderungen in der Bemerkungen


fügeänderungen im WEZ
Schweißgut (Sekundärkristallisation)
(Primärkristallisation)

Mehrlagentechnk (allgemein)
Ac3 Ac1 Der über Ac3 erwärmte Bereich der WEZ und des
Schweißgutes werden umgekörnt. Die Stängelkristalle
des Schweißgutes und die groben Körner der schmelz-
grenzennahen Bereiche wandeln in globulares Gefüge
um. Das Maß der Umkristallisation hängt von dem Wär-
meeinbringen ( Q ) der einzelnen Lagen ab. Mit zuneh-
b
mendem Q steigt der Anteil an umgekörntem Gefüge
Ac3 Ac1 und die mechanischen Gütewerte werden meistens besser.

Ac1 Ac3 1. Lage Mehrlagentechnik (Pendellagentechnik)


Q der 1. Lage ist so groß, dass im Wesentlichen die gesam-
te durch das Schweißen der Wurzel erzeugte Grobkorn-
zone und das Schweißgut umgekörnt werden. Die Breite
der WEZ ( b) und die Korngröße in der Grobkornzone neh-
men im Vergleich zur Einlagentechnik ( bE ) wegen des ge-
b
Wurzel
ringeren Wärmeeinbringens pro Lage deutlich ab. Die
Ac1 Wärme der einzelnen Lagen erzeugt deutliche Anlassef-
fekte und verringert merklich den Eigenspannungszu-
Ac3
stand. Außerdem wird die Abkühlgeschwindigkeit durch
den » Vorwärmeffekt« der verschiedenen Lagen verringert.

Die Einstellwerte für diese Technik müssen durch Ver-


bE such ermittelt werden.

Mehrlagentechnik (Zugraupentechnik)
Ac1 2. Lage
1. Lage Q der 1. (und der folgenden) Lage(n) ist so gering, dass
praktisch kein Umkörnen stattfinden kann. Wegen der
kurzen zeitlichen Einwirkung sind die Korngrößen, die
Breite der Grobkornzone und der WEZ ( b ) geringer als
bei jedem anderen Nahtaufbau. Die Abkühlgeschwindig-
keit im schmelzgrenzennahen Bereich der WEZ ist da-
gegen am größten. Die Härte dieser Zone ist daher grö-
ßer als die jedes anderen Bereichs, die Zähigkeit dagegen
b Wurzel
Ac3 Ac1 ist in der Regel am geringsten.

Dieser Lagenaufbau muss gewöhnlich für Schweißarbei-


ten in Zwangslage angewendet werden.

Bild 4-19
Schematische Darstellung der Gefügeänderungen im Schweißgut und der Wärmeeinflusszone von Stahlschweiß-
verbindungen bei der Mehrlagentechnik (Pendellagen- und Zugraupentechnik).
318 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

weise muss aber bei allen Schweißaufgaben reich und in der Forschung angewendeten
angewendet werden, die ein kleines Schmelz- »Simulationstechnik« werden größere, d. h.
badvolumen erfordern, z. B.: einfach untersuchbare Prüfstücke mit einem
– Wurzeln in Stumpfnähten, Schweißtemperatur-Zyklus wärmebehandelt.
– Dünnblechschweißen, Die Prüfung kann so an Proben mit einer weit-
– Zwangslagenschweißen, gehend homogenen Mikrostruktur erfolgen,
– Auftragschweißen. die Ergebnisse sind daher leichter interpre-
tierbar. Ihre Übertragbarkeit auf das Verhal-
Bild 4-20 zeigt einen fertigungstechnischen ten bzw. die Eigenschaften geschweißter Bau-
Sonderfall der Pendellagentechnik, der z. B. teile ist aber ebenfalls unsicher.
beim UP-Tandem-Schweißen auftreten kann.
Die von der »hinteren« Drahtelektrode beim Als eine weitere, in der betrieblichen Praxis
Schweißen der zweiten Lage erzeugte Ac3- leicht durchzuführende Prüfmethode hat sich
Isotherme erreicht das Schweißgut und die die Härteprüfung erwiesen. Sie ist eine rela-
WEZ der ersten Lage (Wurzel) noch im auste- tiv zuverlässige Methode zum Feststellen der
nitischen Zustand, d. h., ein Umkörnen der (wasserstoffinduzierten) Kaltrissneigung der
grau angelegten über Ac3 erwärmten Zone in Wärmeeinflusszone (Abschn. 4.1.3.2) und ge-
der Wurzellage, Bild 4-20a, kann zu diesem stattet ebenfalls (mit Hilfe von Umrechnungs-
Zeitpunkt nicht stattfinden. Diese Vorgänge beziehungen) eine hinreichend selektive Ermitt-
sind in der Makroaufnahme, Bild 4-20b, sehr lung der Eigenschaft »Festigkeit«.
deutlich zu erkennen.
Die Bauteilsicherheit geschweißter Konstruk-
4.1.3.2 Eigenschaften und tionen wird demnach außer von den Grund-
mechanische Gütewerte werkstoffeigenschaften weitestgehend von
Die Bauteilsicherheit geschweißter Konst- den Festigkeits-, aber vor allem den Zähigkeits-
ruktionen lässt sich mit Werkstoffprüfver- eigenschaften und dem Verhalten des Gefüge-
fahren ermitteln und bewerten, die die mecha- kontinuums
nischen Eigenschaften des meistens schma-
GW – WEZ – Schweißgut – WEZ – GW
len Gefügekontinuums »WEZ« und des Schweiß-
guts festzustellen in der Lage sind. Die »Gefü- bestimmt. Folgende Eigenschaftsänderun-
gegradienten« sind in der WEZ sehr steil und gen bzw. verfahrenstechnischen Besonder-
die Breite der Zonen mit annähernd gleichen heiten können abhängig von der Werkstoff-
oder ähnlichen Eigenschaften sehr schmal, art (krz, kfz Metalle), der Schweißtechnolo-
Abschn. 4.1.3. Mit den gewählten Prüfverfah- gie (Verfahren, Einstellwerte, Wärmevor-
ren müssen also die Eigenschaften sehr dicht bzw. nachbehandlung, Zusatzwerkstoffe) in
nebeneinander liegender, extrem schmaler unterschiedlichem Umfang und unterschied-
Werkstoffbereiche ermittelbar sein. licher Wirkung auftreten:

Die wichtige Kenngröße Zähigkeit wird mit ❐ Art und Umfang der werkstofflichen Än-
der Kerbschlagbiegeprüfung oder der schwer derungen:
handhabbaren CTOD-Prüfung (Abschn. 6.5, – Entstehen des spröden Umwandlungs-
S. 594) festgestellt. In beiden Fällen kann gefüges Martensit, das die Kaltrissnei-
die Kerbe recht genau in dem zu prüfenden gung extrem begünstigt.
Bereich positioniert werden. Allerdings wird – Durch Gasaufnahme aus der Atmo-
der Werkstoff im Bereich des Kerbgrunds sphäre Verspröden bestimmter Teilbe-
bei den meisten Stählen plastisch verformt, reiche (z. B. hochreaktive Werkstoffe
so dass der Einfluss der daneben liegenden wie Ti, Ta, Zr).
Bereiche in den meisten Fällen »mitgeprüft« – Entstehen von Ausscheidungen bzw.
wird. Mit derartigen Untersuchungen lässt versprödenden (intermediären) Phasen
sich daher nur das Verhalten größerer Be- (Chromcarbide; Ausscheidungsrisse
reiche der WEZ feststellen. Mit der bisher beim Spannungsarmglühen chrom-mo-
überwiegend nur im wissenschaftlichen Be- lybdän-legierter Stähle).
Abschn. 4.1: Aufbau der Schweißverbindung (WEZ in umwandlungsfähigen Stählen) 319

❐ Korngröße und Korngrößenverteilung vor Härteverteilung


allem in der Grobkornzone. Während des Aufheizens wird ein schmaler
Bereich der Wärmeeinflusszone dicht neben
❐ Breite der thermisch beeinflussten Zone. der Schmelzgrenze vollständig austenitisiert.
Sie ist abhängig von der Größe des Wär- Abhängig von der Abkühlgeschwindigkeit
meeinbringens Q und der Vorwärmtem- wandelt dieser Austenit in ein merklich härte-
peratur Tp. res Umwandlungsgefüge (U) um. Wird die
kritische Abkühlgeschwindigkeit des Stah-
❐ Eigenschaften des Schweißguts und dessen les überschritten, dann entsteht sogar der in
Beeinflussbarkeit durch den Schweißpro- den meisten Fällen unerwünschte (abhängig
zess sind abhängig von: vom Kohlenstoffgehalt), oft rissanfällige Mar-
– Der chemischen Zusammensetzung tensit. Die Härtewerte werden gewöhnlich
des Zusatzwerkstoffs und des Grund- quer und (oder) senkrecht zur Schweißnaht in
werkstoffs. einem Abstand von etwa 1 mm von der Blech-
– Dem Grad der Aufmischung zwischen oberfläche gemessen.
Grundwerkstoff und abgeschmolze-
nem Zusatzwerkstoff. Der Gehalt der Die Abkühlgeschwindigkeit ist an der Phasen-
Verunreinigungen im Grundwerkstoff grenze flüssig/fest am größten, d. h., die Här-
ist häufig der qualitätsbestimmende te des hier entstehenden Umwandlungsge-
Faktor. füges ist größer als die jedes anderen Gefü-
– Dem Lagenaufbau (Einlagen-, Mehr- ges der Schweißverbindung.
lagentechnik).
– Der Art, Menge und Ausbildung des Die Maximalhärte in der Wärmeeinflusszo-
dendritischen, bei schweißgeeigneten ne, Bild 4-21, ist bei konventionellen niedrig-
Stahlwerkstoffen überwiegend ferriti- gekohlten Stählen ein Maß für die Rissnei-
schen Gussgefüges: Umfang der Um- gung dieser Bereiche. Bei den hoch- und hö-
körnung, Größe der Dendriten, Art des herfesten Stählen sind andere Eigenschaften
Ferrits (Widmannstättenscher, nadel- wichtiger (Abschn. 4.3.2 und Abschn. 4.3.3).
förmiger, bainitischer). Die bei diesen Stählen immer zu beachten-

Ac1 Ac3 Ac3

a) b)
Bild 4-20
Ein zu geringer Abstand der zweiten Drahtelektrode (z. B. beim UP-Tandem-Schweißen) von der ersten hat
zur Folge, dass durch sie der über Ac3 erwärmte Bereich der Wurzellage nicht umgekörnt werden kann, weil
das Gefüge der Wurzellage sich noch immer im austenitischen Zustand befindet, wenn die Wärme der zweiten
Lage die Wurzellage erreicht.
a) Der grau angelegte Teil der Wurzel wurde durch die Wärme der Decklage wegen der geschilderten Be-
dingungen bei der zeitlichen Folge der zu schweißenden Lagen nicht umgekörnt, obwohl in diesem Bereich
die Temperatur Ac3 überschritten wurde, schematische Skizze,
b) Makroaufnahme einer UP-Tandem-Schweißverbindung.
320 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

de Kaltrissbildung erfolgt erfahrungsgemäß – Der Wasserstoff ist für die bei den höher-
oberhalb bestimmter Härtegrenzwerte, d. h. gekohlten (C • 0,25 %) und vor allem den
vorzugsweise bei martensitischen bzw. mar- hochfesten vergüteten Feinkornbaustäh-
tensitisch-bainitischen Gefügen in der WEZ. len auftretende Kaltrissbildung entschei-
Die die (Kalt-)Rissbildung begünstigenden dend. Diese Rissform wird daher auch was-
und untereinander wechselwirkenden Fak- serstoffinduzierter Kaltriss genannt.
toren sind:
– Der C-Gehalt, d. h. die von ihm abhängi- Die Höhe der Höchsthärte in der Wärmeein-
ge Maximalhärte des Werkstoffs, die z. flusszone wird damit zumindest für konven-
B. mit folgender Näherungsformel berech- tionelle C-Mn-Stähle in der Praxis als erprob-
net werden kann (Bild 1-43, S. 37): ter und vielfach verwendeter Maßstab für
die Neigung zur Kaltrissbildung verwendet.
HVmax 930 ¹ C  283.
Nach verschiedenen Regelwerken und Spe-
Mit zunehmender Härte wird die Wahr- zifikationen muss die Höchsthärte für eine
scheinlichkeit der (Kalt-)Rissbildung grö- genügende Betriebssicherheit der geschweiß-
ßer, weil durch die damit verbundene ge- ten Konstruktion daher auf bestimmte zuläs-
ringe statische Zähigkeit die Schweißei- sige Maximalwerte in der WEZ begrenzt wer-
genspannungen nicht mehr durch plasti- den. Tabelle 4-1 zeigt die in der Schweißpra-
sche Verformung abgebaut werden kön- xis anerkannten zulässigen Höchstwerte für
nen. verschiedene »Betriebszustände«.
– Eigenspannungen oder äußere Beanspru-
chungen sind notwendig, um die für die Die von der Höchsthärte und dem Wasser-
Bildung der Rissoberflächen erforderliche stoffgehalt abhängige Kaltrissneigung ist
Bruchflächenenergie bereitzustellen. auch bei folgenden »Schweißfehlern« zu be-
HVmax
achten:
geschweißt mit
Q1
HVU Q2 »Zündstellen« sind vom Lichtbogen auf
der Werkstückoberfläche durch Antippen
erzeugte extrem schnell aufgeheizte und
HV

abgekühlte kleinste Werkstoffbereiche.


HVGW Ihre WEZ kann (abhängig vom C-Gehalt
des Werkstoffs) aus hartem, sprödem,
S = GW + Z
rissanfälligem Martensit bestehen.
Heftstellen, d. h. zu kurze oder mit zu
geringem Wärmeeinbringen geschweißte
gM gU
S Nähte haben die gleiche Wirkung.
M M

GW GW Mit einer geeigneten Wärmeführung beim


Ac 1,U
Schweißen und/oder einem Vorwärmen, Ab-
Ac 1,M
gU ® U: mit der Höchsthärte HVU schn. 4.1.3.3, können die nachteiligen Eigen-
gM ® M: mit der Maximalhärte HVmax schaften aufgehärteter Gefüge der Wärme-
(= 100 % Martensit!)
einflusszonen im Decklagenbereich weitge-
Bild 4-21
hend beseitigt werden. Entsprechende Maß-
Härteverteilung quer zu einer mehrlagigen Schweiß-
verbindung aus einem umwandlungsfähigen Stahl, nahmen sind insbesondere beim Schweißen
geschweißt mit unterschiedlichem Wärmeeinbringen der vergüteten Stähle (z. B. niedriggekohlte
Q (Q1 < Q2). Die Härtehöchstwerte sind abhängig von schweißgeeignete Vergütungsstähle) sinn-
der Abkühlgeschwindigkeit der austenitisierten Berei- voll, da ohne eine anschließende Wärmebe-
che der WEZ. Sie liegen zwischen der maximal mög- handlung im Schmelzgrenzenbereich leicht
lichen HVmax (= 100 % Martensit!) und der des von der
ein vollständig martensitisches Gefüge ent-
jeweiligen Abkühlgeschwindigkeit abhängigen Um-
wandlungsgefüges U (HV U). M-M ist die Messgerade stehen kann. Die hierfür erforderliche Schweiß-
für die Härtemessung, schematisch. Der angelegte Be- technologie wird i. Allg. als Vergütungsla-
reich ist die vollständig austenitisierte Zone der WEZ. gentechnik bezeichnet. Bild 4-22 zeigt, dass
Abschn. 4.1: Aufbau der Schweißverbindung (WEZ in umwandlungsfähigen Stählen) 321

Tabelle 4-1 Fügeteile (Stumpf-, Kehlnaht, Bild 4-


Zusammenhang zwischen der Höchsthärte in der 23), den thermisch-physikalischen Ei-
WEZ und der Kaltrissneigung bei un- und niedrig-
genschaften des Stahles und dem
legierten Stählen, nach R. Müller.
– Nahtaufbau (Einlagen-, Mehrlagen-
Höchsthärte Kaltrissneigung technik). Die Härte in der WEZ mehr-
lagengeschweißter Verbindungen ist
HV 10 deutlich geringer als in der WEZ von
400 Rissbildung wahrscheinlich Einlagenschweißungen. Die Ursachen
350 ... 400 Rissbildung möglich sind die wiederholte Umkörnung (»Aus-
350 Rissbildung unwahrscheinlich tenitisierung«) der einzelnen Lagen und
Genügende Betriebssicherheit ihre »Anlassbehandlung« der jewei-
280 ohne Wärmebehandlung ligen darunter liegenden Lagen.
vorhanden
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass eine
insbesondere die Lage der Schweißraupen Kehlnaht bei gleichen Bedingungen (Werk-
von Bedeutung ist. stückdicke und Einstellwerte) wesentlich
schneller abkühlt als eine Stumpfnaht. Die
Die Wirksamkeit dieser speziellen Schweiß- Maximalhärten in der WEZ von Stumpfnäh-
nahtfolge beruht darauf, dass bei geeigne- ten sind daher deutlich geringer als die in
ten Einstellwerten – im Wesentlichen ist ein Kehlnähten.
ausreichend großes Wärmeeinbringen erfor-
derlich – die von der Vergütungslage auf über In der Praxis kann durch geeignete Schweiß-
Ac3 erwärmten aufgehärteten, grobkörnigen bedingungen und Schweißtechnologien die
Bereiche der Wärmeeinflusszonen der Lagen Abkühlgeschwindigkeit in der Regel auf unkri-
1 und 2 in ein sehr viel feineres Gefüge umge- tische Werte herabgesetzt werden. Die wichtigs-
körnt (»Normalisierungseffekt«) werden. Das ten Maßnahmen sind das in Abschn. 4.1.3.3
feine Korn weist meist eine wesentlich höhe- besprochene Vorwärmen der Fügeteile und ein
re Zähigkeit auf, s. a. Abschn. 2.7.6, S. 184. zweckmäßiger Lagenaufbau.
Vergütungslage (= letzte Lage) HVmax,s

Lage 1 Lage 2 Die Wärme kann nur in


zwei Richtungen
abfließen

bs
Durch die Vergütungslage a)
erzeugte Ac3 - Isotherme
Jede Lage der Stumpf-
und der Kehlnaht wurde
mit dem gleichen Wärme-
HVmax,k einbringen geschweißt!
bk
Bild 4-22
Schematische Darstellung der Vergütungslagentech- Die Wärme fließt in drei
nik. Richtungen ab, d. h., vab
und damit auch die Här-
te in der WEZ werden grö-
Die maximal mögliche Höchsthärte in der Wär- ßer als bei der Stumpfnaht
meeinflusszone ist nur vom Kohlenstoffge- b)
halt, die beim Schweißen tatsächlich erreich- Bild 4-23
te aber abhängig vom: Wärmefluss in einer
❐ Kohlenstoffgehalt und der chemischen Zu- a) Stumpfnaht,
sammensetzung des Stahles und der b) Kehlnaht, dargestellt durch die Richtungen der
❐ Abkühlgeschwindigkeit (bzw. Abkühlzeit Pfeile. Die Maximalhärte in der WEZ einer Stumpf-
naht HVmax,s ist also bei gleichen Bedingungen
t8/5 ). Sie wird bestimmt von der
(Werkstoff, Werkstoffdicke, Wärmeeinbringen) klei-
– Werkstückdicke, der Vorwärmtempe- ner als die in der WEZ einer Kehlnaht HVmax,k. Die
ratur, den Schweißparametern (I, U, Breite der WEZ der Kehlnaht bk ist geringer als
v), der geometrischen Anordnung der die der Stumpfnaht.
322 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Die naheliegende Überlegung, die »richtige« laufenden metallurgischen Vorgänge (Zu-


Abkühlgeschwindigkeit ausschließlich mit brand und Abbrand von Legierungselemen-
einem großen Wärmeeinbringen Q erreichen ten, Desoxidationselemente) und ihr Ein-
zu wollen, ist aus verschiedenen werkstoff li- fluss auf die entstehende Poren- und Schla-
chen und fertigungstechnischen Gründen ckenmenge im Schweißgut.
nur begrenzt möglich bzw. schweißtechnisch
nicht sinnvoll, weil die folgenden Nachteile Den größten Einfluss auf die mechanischen
bzw. Besonderheiten berücksichtigt werden Gütewerte der Schweißverbindung (Wärme-
müssen: einflusszone und Schweißgut) hat die Korn-
– Die thermische Empfindlichkeit mancher größe, die bei konventionellen Kohlenstoff-
Werkstoffe (z. B. korrosionsbeständige Mangan-Stählen weitgehend von der ehema-
Cr-Ni-Stähle, viele NE-Metalle) für ver- ligen Austenitkorngröße abhängt. Bei nadel-
schiedenen Versagensformen bzw. me- förmigen Gefügen (nadelförmiger Ferrit, Bai-
tallurgischen Mängeln, z. B. der Heißriss- nit, Martensit) wird die sog. »Structure Unit«
bildung oder dem Abbrand von Desoxida- als Maßstab für die Korngröße angesehen.
tions- oder (und) Legierungselementen Sie repräsentiert die kleinste existierende
führt. Gefügeeinheit, die als »Korngröße« im Gefü-
– Die Breite der Grobkornzone und die Korn- ge wirksam ist, d. h., im Wesentlichen ist
größe der schmelzgrenzennahen Bereiche das die Breite der Nadeln. Die Zähigkeit des
zunehmen bzw. Versprödungserschei- Schweißguts ist aber nicht hinreichend zuver-
nungen und andere unerwünschte Eigen- lässig mit der Korngröße korrelierbar, weil
schaftsänderungen (z. B. Ausscheidun- sie auch durch die Morphologie des Ferrits
gen, Wiederaufschmelzrisse) die Folge (Widmannstättenscher, nadelförmiger, Korn-
sein können. grenzenferrit) und die Verteilung der Carbi-
– Die Schweißarbeiten wegen der großen de beeinflusst wird, zwei für die Zähigkeitsei-
Schweißgutmenge sich ausschließlich in genschaften wichtige Faktoren.
den Normallagen ausführen lassen.
Die Festigkeit und Härte von Schweißgütern
Abgesehen von der unerwünschten Härte- in Schweißverbindungen aus üblichen schweiß-
steigerung der austenitisierten Bereiche der geeigneten Kohlenstoff-Mangan-Stählen, her-
Wärmeeinflusszone entstehen als Folge der gestellt mit artähnlichen Zusatzwerkstoffen,
großen Temperaturgradienten außerdem kri- ist in den meisten Fällen höher als die der
tische mehrachsige Eigenspannungszustän- Grundwerkstoffe, z. B. Bild 4-21. Die Ursa-
de. Sie sind die Ursachen für die Spannungs- che ist die sehr große Versetzungsdichte im
versprödung und den gefährlichen Spröd- Schweißgut und die verfahrenstypische sehr
bruch (Abschn. 3.4, S. 261). hohe Abkühlgeschwindigkeit beim Schwei-
ßen. Dieser leicht entstehende Härteanstieg
Mechanische Eigenschaften des muss wegen der dann deutlich verringerten
Schweißguts Verformbarkeit und Kerbschlagzähigkeit des
Die Schweißguteigenschaften sind von fol- Schweißguts kontrolliert werden.
genden Faktoren abhängig:
– Chemische Zusammensetzung des Grund- Die Zähigkeitswerte im Wurzelbereich dick-
und der Zusatzstoffe (Zusatzwerkstoffe, wandiger Schweißverbindungen sind meis-
Schutzgase, Hilfsstoffe); tens geringer als die im Bereich der Deckla-
– Nahtaufbau (Einlagen-, Mehrlagen-, Zug- ge. Die Ursache ist in einigen Fällen sicherlich
raupentechnik); der mit der größeren Aufmischung im Wur-
– Art und Ablauf der Primärkristallisation zelbereich verbundene größere Gehalt an Ver-
(dendritisches, zelluläres Gefüge); unreinigungen. Entscheidender ist aber si-
– Nahtform und ihr Einfluss auf die Heiß- cher die in der Wurzel durch plastische Ver-
rissneigung; formung und Erwärmen auf 200 ’C bis 300 ’C
– Art und Vollständigkeit der in den über- auftretende Verformungsalterung (Abschn.
gehenden Tropfen und im Schweißbad ab- 3.2.1.2, S. 240).
Abschn. 4.1: Aufbau der Schweißverbindung (WEZ in umwandlungsfähigen Stählen) 323

PF

PF
NF

NF

Bild 4-24 Bild 4-25


Polygonaler »allotriomorpher« Ferrit (PF) und nadelför- Voreutektoide Ferritausscheidung (Widmannstätten-
miger Ferrit (NF) in der WEZ einer Schweißverbindung sche Art, Seitenplatten) an den Korngrenzen in der
aus einem normalgeglühten Feinkornbaustahl. WEZ einer Schweißverbindung aus E360 (St 70-2).

Das Schweißgutgefüge der schweißgeeigne- zeit t8/5, dem Sauerstoffgehalt, d. h. dem Ge-
ten Stähle (z. T. auch der Wärmeeinflusszo- halt der als Keime wirkenden silicatischen
ne) besteht wegen des sehr kohlenstoffarmen Einschlüsse (Abschn. 4.2.3.3.2) und den die
Zusatzwerkstoffs aus ferritischem Gefüge. Umwandlung beschleunigenden plastischen
Ferrit kann in sehr unterschiedlichen For- Dehnungen bestimmt.
men vorliegen und damit auch sehr unter-
schiedliche Eigenschaften besitzen. Die zu- Das Gefüge des Schweißguts ist üblicher-
nächst naheliegende Annahme eines wei- weise ein Gemisch aus primärem (Korngren-
chen, zähen ferritischen Gefüges kann sich zenferrit, polygonaler Ferrit) und Widmann-
als gefährlicher Fehlschluss erweisen. stättenschem Ferrit. Beim Abkühlen bildet
sich aus dem Austenitgebiet zuerst der Korn-
Für eine sinnvolle Diskussion müssen die grenzenferrit (polygonaler Ferrit oder Hoch-
einzelnen Gefüge zweifelsfrei identifiziert temperaturferrit), Bild 4-24, der auch allo-
werden können. Geeignete im Bereich der triomorpher Ferrit genannt wird. Die Bezeich-
Schweißmetallurgie häufiger verwendete ge- nung bringt zum Ausdruck, dass dieser Fer-
fügebeschreibende Systeme sind die von Du- rit »formlos« ist, d. h., seine Gestalt spiegelt
bé (für Walzstahl) und Abson, Duncan und nicht die kristallographische Symmetrie wie-
Pargeter entwickelten Schemata. Mit ihnen der, die z. B. der Widmannstättensche (Na-
lassen sich die unterschiedlichen Ferritgefü- deln, Platten) oder der nadelförmige Ferrit
ge relativ einfach und zuverlässig klassifizie- aufweist. Bei tieferen Bildungstemperaturen
ren und unterscheiden und einordnen. – hervorgerufen z. B. durch rasches Abkühlen
oder die Zugabe von Legierungselementen
Für das Verständnis der verschiedenen kom- – entsteht der bekannte Widmannstätten-
plexen Erscheinungsformen des Ferrits muss sche Ferrit, der in Form seitlicher »Platten«
bedacht werden, dass Ferrit vorzugsweise oder »sägezahnförmig« angeordnet ist, Bild
an Korngrenzen, aber auch an (meistens si- 4-25. Diese Ferritform ist für rasch abgekühlte
licatischen) Einschlüssen durch heterogene Schweißgüter, die hocherhitzten Bereiche
Keimbildung entsteht. der Wärmeeinflusszone und Gussgefüge cha-
rakteristisch.
Das Umwandlungsverhalten des Schweiß-
guts (s. a. Abschn. 2.5.3, S. 145) wird von der Im Inneren der Austenitkörner entsteht bei
chemischen Zusammensetzung des Stahls noch tieferen Temperaturen der sich vor-
und des Zusatzwerkstoffs, dem Wärmeein- wiegend an Einschlüssen bildende und von
bringen, d. h. der davon abhängigen Abkühl- dort in unterschiedlichen Richtungen wach-
324 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

sende nadelförmige Ferrit, Bild 4-24. Diese Zwischen den zusammenstoßenden Ferrit-
»chaotische« Anordnung der sehr kleinen, platten des nadelförmigen Ferrits bilden sich
nadelförmigen Ferritplatten ist die Ursache feinverteilte »Mikrophasen«. Diese entstehen
für die hervorragende Zähigkeit dieses Gefü- durch die (teilweise) Umwandlung der zwi-
ges. Die Bildung des nadelförmigen Ferrits
erfordert einen

t8/5
Sauerstoffgehalt
Austenitkorngröße
Gehalt an Legierungselementen
2
– gewissen Gehalt silicatischer Einschlüsse,
d. h. einen Sauerstoffgehalt von ungefähr
300 “ 50 ppm (s. Abschn. 4.2.3.3.2),
a) 3
– eine bestimmte Legierungsmenge,
– eine bestimmte Austenitkorngröße und
– eine ausreichende Abkühlzeit t8/5.
b) 1
In einem aus nadelförmigem Ferrit bestehen-
den Gefüge wird der fortschreitende Bruch
am häufigsten gezwungen, seine Richtung
zu wechseln, d. h., die bei der Kerbschlagbiege-
prüfung aufzubringende Arbeit ist am größ- c) Bainit
ten. Der Einfluss der z. B. durch den Sauer-
stoffgehalt ( als Keime wirkende silicatische Lage des Nadel-Ferrit - Feldes ist u. a. von der Größe, Men-
ge und Verteilung der silicatischen Einschlüsse abhängig
Einschlüsse) im Schweißgut erzeugten Men-
ge nadelförmigen Ferrits auf die Übergangs-
Temperatur T

1
temperatur der Kerbschlagarbeit zeigt bei- 2
spielhaft Bild 4-26.
3
P
In der Bildfolge Bild 4-27a bis 27c ist der Ein-
fluss der Abkühlgeschwindigkeit, der Men-
B
ge der Legierungselemente, des Gehalts der
silicatischen Einschlüsse (d. h. des Sauerstoff- M
gehaltes) und der Austenitkorngröße auf die Zeit t
Ausbildung der Ferritgefüge dargestellt. Die 1 Voreutektoider Korngrenzenferrit (= allotriomorpher Ferrit)
Entstehung der unterschiedlichen Ferritfor- 2 Widmannstätten scher Seitenplattenferrit
3 Nadelförmiger Ferrit
men lässt sich an Hand des schematischen
d)
kontinuierlichen ZTU-Schaubildes, Bild 4-
27d, verfolgen. Bild 4-27
Zum Bildungsmechanismus der verschiedenen Ferrit-
50 gefüge im unlegierten C-Mn-Schweißgut, nach Bha-
deshia u. Svensson.
°C WEZ
a) An den Austenitkörnern bildet sich eine gleichmäßi-
Übergangstemperatur Tü,28

0
ge Belegung von allotriomorphem Ferrit, gefolgt
von Widmannstättenschem Ferrit mit anschließen-
der Bildung von nadelförmigem Ferrit.
b) Der Widmannstättensche Ferrit kann sich wegen
- 50 erschwerter Diffusionsbedingungen nicht mehr
über das ganze Austenitkorn ausbreiten. Die sili-
catischen Einschlüsse innerhalb der Austenitkör-
- 100 ner wirken als Keime für die anschließende Bildung
0 200 400 600 ppm 800 nadelförmigen Ferrits.
c) Bei höherem Gehalt an Legierungselementen und
Sauerstoffgehalt im Schweißgut
zunehmender Austenitkorngröße wird die Bildung
Bild 4-26 des allotriomorphen Ferrits im Wesentlichen unter-
Einfluss des Sauerstoffgehalts auf die Übergangstem- drückt, wodurch die Entstehung des oberen Bainits
peratur Tü,27 der Kerbschlagzähigkeit (Charpy-V-Pro- aus dem restlichen Austenit möglich wird.
ben) von C-Mn-Schweißgut im Vergleich zu dem für d) Entstehung der verschiedenen Ferritgefüge, dar-
die WEZ ermittelten Wert, nach Ahlblom. gestellt im ZTU-Schaubild, nach Dolby.
Abschn. 4.1: Aufbau der Schweißverbindung (WEZ in umwandlungsfähigen Stählen) 325

Die werkstofflichen Vorgänge in der WEZ


von Mehrlagenschweißungen und deren Ei-
genschaften sind deutlich komplexer und un-
übersichtlicher. Bild 4-29 zeigt schematisch
den typischen Verlauf der Zähigkeit in der
WEZ konventioneller Kohlenstoff-Mangan-
Stähle und schweißgeeigneter Vergütungs-
stähle nach der vom IIW vorgeschlagenen
OB Versuchstechnik mit Kerbschlagbiegepro-
ben. Der in manchen Fällen mit dem Kerb-
schlagbiegeversuch nicht nachweisbare Zä-
higkeitsabfall lässt sich aber eindeutig mit
der CTOD-Methode (Abschn. 6.5, S. 594) er-
fassen, z. B. Bild 4-31.
OB
Nach Bild 4-30 lassen sich bei allen Schweiß-
verbindungen aus aufhärtendem Stahl durch
Bild 4-28
Paketförmig angeordnete Ferritplatten (oberer Bainit, die thermische Wirkung der aufeinanderfol-
bainitischer Ferrit, OB) in der Wärmeeinflusszone ei- genden Lagen prinzipiell vier unterschied-
ner Schweißverbindung aus einem Feinkornbaustahl. lich beeinflusste Zonen unterscheiden:

Grobkornzone
Schweiß- Zone möglicher
schen den Ferritplatten vorhandenen aufge- gut Versprödung
kohlten Austenitinseln – entstanden als Fol-
Kerbschlagzähigkeit

ge der Ferritbildung – in höhergekohlten Mar-


tensit. Aus diesem Grunde ist ein hoher Ge-
halt an nadelförmigem Ferrit (etwa 70 %) sehr vergüteter
erwünscht, noch höhere Mengen sind kaum FK - Baustahl
erzeugbar. Sie verringern überdies durch die
schädigende Wirkung der »Mikrophasen« die
Zähigkeit erheblich. Mit weiter steigender Le-
gierungsmenge oder einem zu geringen Ge-
halt an silicatischen Einschlüssen wird die
Bildung des allotriomorphen Ferrits zuneh-
C - Mn - Stahl
mend unterdrückt, so dass sich der in Plat-
tenpaketen angeordnete obere bainitische Fer-
rit an den Austenitkorngrenzen bilden kann,
Bild 4-27c. Seine Zähigkeit ist wie die aller
lamellaren Gefüge deutlich geringer. Bild 4-
Schmelzgrenze
Schweißgut

28 zeigt ein typisches bainitisches Mikroge-


1200 ° C

füge mit paketförmigen Ferritplatten (OB).


900 ° C

600 ° C

200 ° C
750 ° C

400 ° C

Mechanische Eigenschaften der


Ac1
Wärmeeinflusszone
Der gefügemäßige Aufbau und einige Ei-
genschaften der Wärmeeinflusszone (Grob-
kornzone, Feinkornzone, teilaustenitisierte
Zone) bei Einlagenschweißungen wurden in
Abschn. 4.1.3 besprochen. Die Grobkornzone
Bild 4-29
ist im Allgemeinen der Bereich mit der ge-
Typischer Verlauf der Kerbschlagarbeit in der (erwei-
ringsten Zähigkeit. Aber auch der unter Ac1 terten) Wärmeeinflusszone von Schweißverbindungen
erwärmte Bereich kann durch Alterungsvor- aus konventionellen C-Mn-Stählen und vergüteten
gänge verspröden. Feinkornbaustählen, nach Hrivnák.
326 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Bereich 1: unveränderte Grobkornzone, Obwohl bisher noch kein Fall bekannt wur-
die entweder nicht oder erneut auf über de, bei dem diese örtlich versprödeten Berei-
1200 ’C erwärmt wurde. che die Ursache eines Bauteilversagens wa-
Bereich 2: Die Grobkornzone wurde durch ren, sollte durch die Wahl einer geeigneten
Temperaturen T • Ac3 umgekörnt, d. h. Schweißtechnologie die Breite dieser Zone
sie wurde feinkörnig. möglichst gering gehalten werden. Das kann
Bereich 3: Die Grobkornzone wurde auf wirtschaftlich z. B. mit einer auf dieses Ziel
Temperaturen Ac1  T  Ac3 erwärmt. abgestimmten Mehrlagentechnik, Abschn.
Bereich 4: Die Grobkornzone wurde auf 4.1.3.1, oder bei dickwandigen Bauteilen mit
Temperaturen T  Ac1 erwärmt. der ähnlich wirkenden Mehrdrahttechnik
geschehen.
Bild 4-31 zeigt Ergebnisse von Proben aus Bereich 1 4 3 2 1
einem niedriglegierten hochfesten Stahl, die
schweißsimulierend mit einem konstanten 1,0
Temperaturzyklus (Tmax 1400 ’C; t8/5 20 s) mm
und einen zweiten, mit geänderter Spitzen- CTOD - Wert
0,5
temperatur beaufschlagt wurden. Die CTOD-
Werte der auf Temperaturen gemäß Bereich
3 erwärmten Proben weisen auf eine ausge-
0,2
prägte Versprödung hin, die sich allerdings
nur auf einen sehr schmalen Bereich der
WEZ erstreckt. Die Ursache beruht wie bei 0,1
den Einlagenschweißungen (s. Abschn. 4.1.3)
auf der Bildung örtlich stark mit Kohlenstoff
0,05
angereicherten Martensits in diesem teilaus-
tenitisierten Bereich der WEZ.

Bereich 1 0,02

Ac3
1
Ac1 0,01
Schweißgut
RT 400 600 800 1000 1200 ° C
Spitzentemperatur, Zyklus 2 Tmax,2
Bereich 2
3 Bild 4-31
Ac3 Abhängigkeit der CTOD-Werte schweißsimulierend
Ac1
mit zwei Temperaturzyklen wärmebehandelter Proben
aus einem hochfesten niedriglegierten Stahl. Dem ers-
ten konstanten Zyklus (Tmax = 1400 ’C; t8/5 = 20 s) folg-
Bereich 3 te der zweite mit unterschiedlicher Spitzentemperatur.
In das Bild wurden die in Bild 4-30 eingeführten vier
Ac3
2 Bereiche (1 bis 4) der Wärmeeinflusszone eingetra-
Ac1 gen, nach Haze und Aihara.

4
Bereich 4
Der Schweißprozess kann auch die Korrosi-
onsbeständigkeit nicht nur der aus korrosions-
Ac3
beständigen Stählen bestehenden Schweiß-
Ac1 Ac3 GW Ac1 konstruktionen beeinträchtigen (Anlauffar-
ben, Eigenspannungen, Gefügeänderungen
in der WEZ, Spannungsspitzen durch Kerbwir-
Bild 4-30 kung, Schweißspritzer). Auch unlegierte Stäh-
Typische Gefüge in der Wärmeeinflusszone mehrlagig
le werden außer durch Spannungsrisskorro-
geschweißter Verbindungen, schematisch. Bei umwand-
lungsfähigen Stählen können prinzipiell vier verschie- sion vor allem in Anwesenheit bestimmter
den »wärmebehandelte« Bereiche unterschieden wer- schwefelhaltiger Verbindungen (in erster Li-
den, nach Haze und Aihara. nie sind H2S-haltige saure Lösungen zu nen-
Abschn. 4.1: Aufbau der Schweißverbindung (WEZ in umwandlungsfähigen Stählen) 327

Tabelle 4-2 der WEZ ermittelt und im Spitzentempera-


Nach IIW empfohlene Vorwärmtemperatur Tp , die tur-Abkühlzeit-Eigenschafts-Schaubild
von der Größe des nach Gl. [4-2] berechneten Kohlen-
(STAZE) dargestellt werden, Bild 4-32. Die-
stoffäquivalents Ceq abhängig ist.
se Schaubilder erlauben grundlegende Aus-
Ceq Vorwärmtemperatur Tp
sagen über den Einfluss der Schweißpara-
meter und der Werkstoffe auf die Eigenschaf-
% °C ten der WEZ.
< 0,45 ≥ 100
0,45 bis 0,60 100 ... 250 4.1.3.3 Vorwärmen der Fügeteile
> 0,60 250 ... 350 (evtl. höher) Die Härte der neben der Schmelzgrenze ent-
stehenden Umwandlungsgefüge ist von der
chemischen Zusammensetzung (C-Gehalt!)
nen, vor allem »Sauergas«) angegriffen, wenn und der Abkühlgeschwindigkeit des auste-
die Härte der WEZ 240 HV bis 280 HV über- nitisierten Werkstoffs abhängig. Bei gegebe-
steigt. nem Stahl lässt sich die Härte demnach nur
durch Verringern der Abkühlgeschwindig-
Die in dem austenitisierten Teil der WEZ keit des über Ac3 erwärmten Teils der Wär-
entstehenden Gefügearten sind auch mit dem meeinflusszone herabsetzen. Diese Aufgabe
Spitzentemperatur-Abkühlzeit-Schau- übernimmt das Vorwärmen der Fügeteile.
bild (STAZ) bestimmbar. Es entsteht durch Das ist eine Wärmebehandlung, bei der die
die Kombination verschiedener bei unter- Fügeteile möglichst gleichmäßig und span-
schiedlichen Austenitisierungstemperaturen nungsarm auf die erforderliche Vorwärm-
aufgenommener ZTU-Schaubilder. Aus die- temperatur Tp (p preheat) erwärmt und
sen Darstellungen lassen sich die in der WEZ während des Schweißens i. Allg. mindestens
entstehenden Gefüge abhängig von der er- auf dieser Temperatur gehalten werden. Die
reichten Spitzentemperatur und vor allem Abkühlgeschwindigkeit wird dadurch abhän-
die Gefügegradienten ablesen. Werden die gig von der Höhe der Vorwärmtemperatur
zum Ermitteln des Schaubildes erforderli- herabgesetzt und die Bildung aufgehärteter,
chen größeren Proben schweißsimulierend spröder und damit rissanfälliger Gefüge ver-
wärmebehandelt, dann können mit ihrer Hil- mieden. Bei Mehrlagenschweißungen darf
fe verschiedene mechanische Eigenschaften bei aufhärtungsempfindlichen Stählen die

1400 - 40 - 60 - 20 + 10 ±0 Bild 4-32


°C Spitzentemperatur-Abkühlzeit-Eigenschafts-
1300 450 400 300 250 200 Schaubild (STAZE) eines FK-Baustahls,
Spitzentemperatur T

nach Van Adrichem und Kas.


1200
M M+B F+B
1100
Beispiel:
- 70 - 60 - 50 - 70 - 40 Bei einer Abkühlzeit t8/5 = 10 s ergeben sich
1000 folgende aus dem Schaubild ablesbaren
mechanischen Eigenschaften der WEZ. Das
900 - 80 - 60 - 50 - 80 - 45 Ac 3 Gefüge dicht neben der Schmelzgrenze,
Tmax = 1400 ’C, hat eine Härte von ungefähr
800 400 HV 30 und eine Übergangstemperatur
Ac 1 Tü,21 O  40 ’C. Das auf Tmax O 900 ’C erhitz-
700 te Gefüge der WEZ hat eine Härte von 290
HV 30 und Tü,21 O  60 ’C. Diese Auswertung
600 beruht auf der Erfahrung, dass die t8/5-Wer-
te für alle Temperaturen Tmax ≥ 900 ’C prak-
500
10 - 1
1 10 10 2 s 10 3 tisch konstant sind.
Abkühlzeit t 8/5 Es ist zu beachten, dass diese Darstellungen
im Gegensatz zu den üblichen kontinuierli-
- 40 Übergangstemperatur (° C) des Umwandlungsgefüges Tü,21 (Charpy - V - Proben) chen ZTU-Schaubildern entlang t8/5 = konst.
450 Härte des Umwandlungsgefüges in HV 30 gelesen werden müssen!
328 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Vorwärmtemperatur nicht unter die Zwischen- nigungen usw.) des Werkstoffs, der
lagentemperatur Ti (i interpass) fallen. Da – Werkstückdicke, den
die Werkstücktemperatur in der Regel von – Zusatzwerkstoffen, dem
Lage zu Lage zunimmt, wird sie im Normal- – Verspannungszustand der Konstruktion,
fall als höchste Temperatur angegeben, wie – dem Schweißverfahren und
es in DIN EN ISO 13916 beschrieben wird. – der Temperatur des Werkstücks vor dem
Die Temperaturen Tp und Ti bestimmen neben Schweißen.
der Abkühlzeit t8/5 weitgehend die Gefügeaus-
bildung und die Heißrissneigung. Lediglich die Wirkung der werkstoffabhän-
gigen Faktoren ist bei Inkaufnahme verschie-
Die Unternahtrissigkeit bzw. Kaltrissanfäl- dener Vereinfachungen quantitativ z. B. mit
ligkeit (s. Abschn. 6.2, S. 583) entsteht vor Hilfe des Kohlenstoffäquivalents bestimm-
allem bei den höhergekohlten Stählen und bar. Der Einfluss der übrigen Faktoren ist nur
praktisch bei allen höherfesten – vor allem aufgrund von Erfahrungen beschreibbar bzw.
den vergüteten – Feinkornbaustählen. Sie wird durch Regelwerke aufgrund von Erfah-
lässt sich durch Vorwärmen der Fügeteile rungen »vorgegeben«.
und Wahl wasserstoffkontrollierter Zusatz-
werkstoffe, s. Abschn. 4.3.3, S. 398, ferti- Die Wirkung der Legierungselemente auf die
gungstechnisch sicher vermeiden. Dabei ist (Kalt-)Rissneigung der aufgehärteten Zonen
aber zu beachten, dass unabhängig von even- lässt sich zahlenmäßig z. B. mit dem Koh-
tuellen Schweißunterbrechungen eine nied- lenstoffäquivalent Ceq angeben.
rigste (Vorwärm-)Temperatur einzuhalten
ist, die nach DIN EN ISO 13916 als Haltetem- Diese Methode beruht auf der durch die
peratur Tm (m preheat maintenance tempe- Schweißpraxis begründeten Erfahrung, wo-
rature) bezeichnet wird. nach die Rissneigung eines Gefüges nicht
nur vom Kohlenstoffgehalt, sondern auch in
Mit Hilfe des Vorwärmens wird das Aufhär- unterschiedlichem Umfang von verschiede-
ten der schmelzgrenzennahen Bereiche wirk- nen Legierungselementen bestimmt wird.
sam verhindert bzw. behindert. Die erreichte Der Einfluss der wichtigsten Legierungsele-
Höchsthärte in der WEZ ist nur vom Kohlen- mente im Stahl wird durch experimentell er-
stoffgehalt und dem Gehalt der Legierungs- mittelte Faktoren ( Äquivalentzahlen) be-
elemente abhängig, die zusammen die kriti- schrieben, die ein wahrscheinlicher Maßstab
sche Abkühlgeschwindigkeit bestimmen. für ihre rissbegünstigende Wirkung bezogen
auf den Kohlenstoff sind.
Niedriggekohlte Stähle (C … 0,2 %) erfordern
wegen ihrer geringen Aufhärtungsneigung Es existieren einige Dutzend Formeln zum
häufig erst bei größeren Werkstückdicken Berechnen des Kohlenstoffäquivalents. Sie
ein Vorwärmen. Höhergekohlte (C ! 0,25 %) gelten aber jeweils nur für Stähle, deren che-
Stähle müssen grundsätzlich vorgewärmt mische Zusammensetzung in einem bestimm-
werden, weil die Neigung zur Kaltrissbildung ten Bereich liegt. Eine für C-Mn-Stähle häu-
harter Gefügebestandteile in der Regel mit fig verwendete Beziehung ist die für länge-
der Höhe der Höchsthärte zunimmt. re Abkühlzeiten (t8/5 10 s) geltende IIW-For-
mel, die auch in einigen Produktnormen – z.
Die werkstofflich »richtige« Vorwärmtempe- B. der Baustahlnorm DIN EN 10025-2, hier
ratur ist abhängig als CEV bezeichnet – Eingang gefunden hat,
– in der Hauptsache von der chemischen Gl. [4-2]:
Zusammensetzung des Werkstoffs, in er-
Mn Cr + Mo + V Ni + Cu
ster Linie also von der Höhe des Kohlen- Ceq = C + + + in %.
stoffgehalts und damit vor allem von sei- 6 5 15
ner Kaltrissanfälligkeit, Danach wird abhängig von der Größe des
– von der Art (Gefüge, Ausscheidungen, Ceq-Wertes z. B. die in Tabelle 4-2 angegebe-
Menge, Art und Verteilung der Verunrei- ne Vorwärmtemperatur empfohlen.
Abschn. 4.1: Aufbau der Schweißverbindung (WEZ in umwandlungsfähigen Stählen) 329

Feinkornbaustähle und höherfeste Stähle ❐ Wichtige Faktoren, die die Rissneigung in


werden meistens mit einem geringeren Wär- unterschiedlichem Umfang bestimmen,
meeinbringen und einer niedrigeren Vorwärm- werden nicht oder unzureichend berück-
temperatur geschweißt als die konventionel- sichtigt:
len C-Mn-Stähle (s. Abschn. 4.3.2.2). Sie dür- – Gefügeart, Gefügeausbildung, Korn-
fen daher nur mit einer deutlich geringeren größe, Desoxidationszustand, Art ei-
Zeit t8/5 abgekühlt werden. Nach IIW gilt für ner vorangehenden Wärmevor- und
zwischen 2 und 6 Sekunden liegenden t8/5- nachbehandlung, Menge, Art und Ver-
Zeiten ein Ceq (in Prozent), Gl. [4-3]: teilung der Verunreinigungen im Stahl;
Mn Mo Ni Cr V Cu Si – Werkstückdicke, z. B. der Eigenspan-
Ceq = C + + + + + + + . nungszustand;
20 15 40 10 10 20 25
– Schweißbedingungen: Schweißverfah-
Danach ist bei niedriggekohlten, mikrolegier- ren, Zusatzwerkstoff(e), Fugenform, La-
ten Stählen mit Ceq  0,25 % ein Vorwärmen genaufbau (Pendellagen-, Zugraupen-
nicht erforderlich, wenn mit basischen Stab- technik), Werkstücktemperatur, Vor-
elektroden geschweißt wird. Bei Werkstück- wärmtemperatur;
dicken ! 20 mm und Ceq ! 0,25 % sollte die – der für die Kaltrissneigung entscheiden-
Vorwärmtemperatur errechnet (z. B. mit Hil- de Gehalt des atomaren Wasserstoffs
fe von Gl. [4-19] und Tabelle 4-31) oder mit in der WEZ und im Schweißgut.
den Ergebnissen von Implantversuchen (Ab-
schn. 6.2.1, S. 583) bestimmt werden. Die Höhe der Maximalhärte in der WEZ hat
sich als ein einfach zu handhabender und
Die Bedeutung und Wirksamkeit dieser Ceq- relativ zuverlässiger Maßstab zum Bestim-
Methode ist aus werkstofflicher Sicht aus men der vor allem bei den höherfesten Fein-
verschiedenen Gründen zweifelhaft, d. h. an- kornbaustählen wichtigen Kaltrissneigung
fechtbar: erwiesen, Abschn. 4.3.2.3. Davon völlig un-
❐ Kohlenstoff als Maß für die Aufhärtbar- berührt bleibt allerdings die Notwendigkeit,
keit wird zu einer die Einhärtbarkeit be- in diesen Bereichen eine ausreichende Bruch-
stimmenden Legierungskennzahl addiert. zähigkeit sicherzustellen. Diese Eigenschaft
Ein werkstofflich fragwürdiges Vorgehen, lässt sich allein mit Härtemessungen in den
das aber in Teilbereichen durch Versuchs- meisten Fällen nicht ausreichend zuverlässig
ergebnisse bestätigt wird. nachweisen.
240
Das Bild 4-33 zeigt einen bisher häufiger
° C verwendeten Zusammenhang zwischen der
200 für die Unterdrückung der Kaltrissbildung
Vorwärmtemperatur Tp

erforderlichen Vorwärmtemperatur und dem


160 Kohlenstoffäquivalent Ceq (in Prozent):
Mn Cr Mo Si Ni
120 Ceq = C + + + + + . [4-4]
6 5 4 24 40
Die zum Vermeiden der wasserstoffinduzier-
80
ten Risse (Kaltrisse) erforderliche Vorwärm-
temperatur (Tp , in °C) lässt sich damit mit
40
Mn Cr Mo Si Ni
der folgenden Beziehung abschätzen:
Ceq = C + + + + +
0
6 5 4 24 40
Tp O 200 ¹ Ceq. [4-5]
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 % 1,4
Kohlenstoffäquivalent Ceq
Vor allem in Japan wird häufig die Ito-Bes-
syo-Beziehung Pcm verwendet, ursprünglich
Bild 4-33
Die zum Vermeiden von Kaltrissen in der WEZ erfor- entwickelt zur Charakterisierung der Kalt-
derliche Vorwärmtemperatur (Streubereich) in Abhän- rissneigung, wird sie aber auch zum Kenn-
gigkeit vom Kohlenstoffäquivalent, nach Winn. zeichnen der Härtbarkeit der Stähle verwen-
330 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

det. Sie gilt gewöhnlich als zuverlässiger als korn- sowie der Feinkornzone in der WEZ
die IIW-Beziehung: von Schweißverbindungen. Danach beträgt
der Martensitanteil in der Wärmeeinflusszo-
Si Mn + Cu + Cr Ni ne bei Pcm ! 0,24 % bereits mehr als 50 %.
Pcm = C + + + + [4-6]
30 20 60
Mo V t H Von Yurioka und Oshita wurde das Kohlen-
+ + 5◊ B+ + . stoffäquivalent CEN vorgeschlagen, das die
15 10 600 60
Ito-Bessyo-Beziehung und die IIW-Beziehung
In dieser Beziehung bedeuten: berücksichtigt. Für niedriggekohlte Stähle
t in mm, Erzeugnisdicke, mit C  0,17 % ähnelt sie der Ito-Bessyo-Bezie-
H in cm3/100 g, H-Gehalt im Schweißgut. hung, während sie bei höhergekohlten Stäh-
len weitgehend der IIW-Beziehung (Gl. [4-3])
Die Kaltrissneigung nimmt bei Pcm ! 0,3 % entspricht, Gl. [4-7]:
schlagartig zu. Oberhalb dieses Grenzwer-
⎡ Si Mn Cu Ni Cr + Mo + Nb + V ⎤
tes ist vorzuwärmen. Dieser Wert gilt für die CEN = C + A(C) ⎢ + + + + + 5B⎥.
⎣ 24 6 15 20 5 ⎦
(niedrig-)legierten Feinkornbaustähle. Die
konventionellen C-Mn-(Bau-)Stähle sind erst Hierbei ist A(C) der nur vom Kohlenstoffge-
bei einem kritischen Wert Pcm ! 0,35 % vor- halt abhängige Anpassungsfaktor:
A(C) = 0,75 + tan [20 ⋅ (C − 0,12)].
zuwärmen.

Bild 4-34 zeigt die Abhängigkeit des Kohlen- Die Härte in der WEZ hängt aber nicht nur
stoffäquivalents Pcm vom Martensitgehalt von der chemischen Zusammensetzung des
schweißsimulierend wärmebehandelter Pro- Stahles ab, sondern auch von der Abkühlzeit
ben aus einem niedriglegierten Feinkornbau- t8/5. Für eine Abkühlung, die zu einem rein
stahl mit Spitzentemperaturen von 1350 ’C martensitischen Gefüge führt, ist das Kohlen-
und 1000 ’C. Diese Bedingungen entsprechen stoffäquivalent einfach Ceq C.
etwa dem thermischen Geschehen in der Grob-
100 Die Härte der vollmartensitischen schmelz-
1 Tmax = 1350 ° C
grenzennahen Bereiche beträgt dann etwa:
% t 8/5 = 3 s HVmax 930 ¹ C  283.
Martensitgehalt in der WEZ

1
2 Tmax = 1350 ° C
75 t 8/5 = 13 s Für Abkühlgeschwindigkeiten kleiner als
die obere kritische – das Gefüge besteht aus
Martensit und Bainit – lässt sich die Härte
HVWEZ in der WEZ mit folgender Beziehung
50 abschätzen, Gl. [4-8]:

HVWEZ = 2019 ◊ ÈÎC ◊ (1 - 0, 5 ◊ log t8 / 5 ) +


3
3 Tmax = 1000 ° C Ê Si Mn Cu Cr Ni Mo V ˆ ˘
25
t 8/5 = 3 s 0, 3 ◊ Á + + + + + + ˜˙+
2 Ë 11 8 9 5 17 6 3¯˚
4 Tmax = 1000 ° C
t 8/5 = 13 s 66 ◊ (1 - 0, 8 ◊ log t8 / 5 ).
4
0
0,16 0,20 0,24 % 0,28 Mit zunehmendem Bainitanteil, d. h. abneh-
Kohlenstoffäquivalent Pcm mendem Martensitanteil, nimmt die Wirkung
Bild 4-34 des C-Gehaltes ab, die der Legierungselemen-
Einfluss des nach Gl. [4-6] berechneten Kohlenstoff- te zu. Bei rein bainitischen Gefügen werden
äquivalents Pcm auf die Martensitmenge von schweiß- die Faktoren außer von C in großem Umfang
simulierend bei Spitzentemperaturen von 1350 ’C
von der Art und Menge der Legierungsele-
(Grobkornzone) und 1000 ’C (etwa Feinkornzone) und
unterschiedlichen Abkühlzeiten t8/5 wärmebehandel- mente bestimmt. Die Härte rein bainitischer
ten Proben aus einem Feinkornbaustahl, nach Grong Gefüge hängt vom Ceq (in Prozent) nach Bild
und Akselsen. 4-35 in folgender Weise ab, Gl. [4-9]:
Abschn. 4.1: Aufbau der Schweißverbindung (WEZ in umwandlungsfähigen Stählen) 331

Si Mn Cr Mo Ni Cu V bei den höhergekohlten Vergütungsstählen,


Ceq = C + + + + + + + .
11 8 5 6 17 9 3 Abschn. 4.3.4 – auch höher, wie Tabelle 4-2,
S. 327, zeigt.
Bei aus Martensit und Bainit bestehenden
Gefügen liegen diese Faktoren zwischen de- Eine bestechend einfache und elegante Me-
nen für reinen Martensit und reinen Bainit. thode zum Bestimmen der Vorwärmtempe-
ratur beruht auf den Gesetzmäßigkeiten der
Die bisher beschriebenen Beziehungen für Martensitbildung (Abschn. 2.5.3.4, S. 152).
das Kohlenstoffäquivalent beruhen bis auf Sie beginnt bei der kritischen Abkühlung
die von Ito, Bessyo sowie Yurioka und Oshi- und dem Unterschreiten der Ms-Temperatur.
ta auf Untersuchungen zur Härtbarkeit. Sie Ein Vorwärmen der Fügeteile über die Ms-
kennzeichnen die Kaltrissneigung lediglich Temperatur des Werkstoffs verhindert da-
durch den Parameter Höchsthärte. Diese mit während des Schweißens die Bildung
Annahme trifft aber nicht allgemein zu. Das des Martensits unabhängig von der Größe
Kaltrissverhalten wird nicht nur von der che- der Abkühlgeschwindigkeit.
mischen Zusammensetzung des Grundwerk-
stoffs und des Schweißguts bestimmt, son- Bild 4-36 zeigt schematisch die bereits in
dern auch vom Wasserstoffgehalt, der Werk- Abschn. 2.5.3.4 besprochenen werkstofflichen
stückdicke, dem Wärmeeinbringen beim Vorgänge. Abhängig vom Umwandlungsver-
Schweißen und den Eigenspannungen. Nach halten des Stahles entsteht in jedem Fall bei
neueren Untersuchungen ist z. B. das Koh- Tp ! Ms ein martensitfreies Gefüge, im ge-
lenstoffäquivalent CET nach Uwer und Höh- zeigten Beispiel ein bainitisches Gefüge.
ne (s. Gl. [4-18] in Abschn. 4.3.2.3) wesent-
lich aussagefähiger hinsichtlich des Kaltriss-
verhalten als die nur die Härtbarkeitseigen-
Temperatur T
P
Temperatur T

schaften beschreibenden üblichen Kohlen-


stoffäquivalente.
Tp B
Die in der Schweißpraxis angewendeten Vor- Ms

wärmtemperaturen liegen zwischen etwa M

100 ’C und 350 ’C, in Sonderfällen – wie z. B. Abstand x Zeit t


a) b)
C-Äquivalent für ein Gefüge bestehend aus reinem:
Martensit Bainit
Si Mn Cr Mo Ni Cu V
Ceq = C Ceq = C + + + + + + +
11 8 5 6 17 9 3
800

700
Härte HV 10

600
sit
rten g®
500 % Ma B
100 c)
400
Bild 4-36
300 Werkstoffliche Vorgänge beim Schweißen mit Vor-
200
wärmtemperaturen Tp > Ms.
init
100 % Ba a) Temperaturverteilung einer auf Tp vorgewärmten
100 Schweißverbindung,
0 b) Abkühlkurve des schmelzgrenzennahen Bereichs
0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 % 0,6
dargestellt im ZTU-Schaubild,
Kohlenstoffäquivalent Ceq c) V-Naht mit in Bainit umgewandelter WEZ.
Bild 4-35 Der austenitisierte Bereich der WEZ wandelt in kei-
Härte des Martensits und des Bainits in der Wärmeein- nem Fall in Martensit um, sondern abhängig vom
flusszone von Stahl-Schweißverbindungen in Abhängig- Umwandlungsverhalten des Stahls in ein martensit-
keit vom Kohlenstoffäquivalent Ceq , nach Lorenz und freies Gefüge. Im gezeigten Beispiel entsteht ein rein
Düren. bainitisches Gefüge.
332 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Der Vorteil dieser Methode beruht nicht nur 2) Für einen mikrolegierten Stahl mit Ceq = 0,3 % (er-
auf dem martensitfreien Gefüge in der WEZ, rechnet nach Gl. [4-2]) und einer Werkstückdicke
von 30 mm soll die Vorwärmtemperatur gemäß
sondern auch auf der Verringerung der Ei- Tabelle 4-35 bestimmt werden. Es wird mit ba-
genspannungen und der Abnahme des Ver- sisch-umhüllten Stabelektroden geschweißt, die ein
zuges. Während der Schweißzeit befindet Schweißgut mit weniger als 5 cm3 H/100 g liefern.
sich die über Ac3 erwärmte Zone im austeni- Aus Tp = 826◊Ceq - 158 = 826◊0,3 - 158 = 90 ’C ergibt
tischen bzw. teilaustenitisierten Zustand (ein sich eine Vorwärmtemperatur von etwa 90 ’C.
Teil des Austenits kann während des Schwei- Aus der in Abschn. 4.3.2.3 angegebenen Beziehung
ßens umwandeln!). Der zähe Austenit kann von Uwer und Höhne, Gl. [4-18], ermittelt man für
diesen Stahl mit Q O 1 kJ/mm und einem Wasser-
durch plastische Verformung die Eigenspan-
stoffgehalt von 5 [cm3/100 g Schweißgut] eine Vor-
nungen wesentlich leichter abbauen als das wärmtemperatur von O 84 ’C. Die Übereinstimmung
krz Umwandlungsgefüge. Die Kaltrissnei- ist zufriedenstellend.
gung ist erheblich geringer.
3) Der Stahl S355J2 + N (St 52-3) hat eine Ms -Tempe-
ratur von etwa 420 ’C. Ein Vorwärmen wegen der
Diese werkstofflich überzeugende Methode Gefahr einer eventuellen Aufhärtung ist nicht er-
ist nicht für alle Stähle sinnvoll einsetzbar. forderlich. Trotzdem werden dickwandige Füge-
In Abschn. 2.5.2, S. 140, (s. a. Bild 2-25) wird teile (etwa ≥ 30 mm) zum Schweißen auf 100 ’C bis
gezeigt, dass Ms mit zunehmender Legie- 150 ’C vorgewärmt. Diese Maßnahme dient aber
im Wesentlichen dazu, die sprödbruchbegünstigen-
rungsmenge und zunehmendem Kohlenstoff-
den dreiachsigen Eigenspannungszustände zu mil-
gehalt kontinuierlich abnimmt. Unlegierte, dern. Durch eine nicht fachgerechte Schweißaus-
kohlenstoffarme d. h., gut schweißgeeignete führung (z. B. bei Zündstellen oder bei Verwen-
Stähle besitzen demnach eine hohe Ms-Tempe- dung zu dünner Draht- oder Stabelektroden) kann
ratur und eine sehr große kritische Abkühl- nach kritischer Abkühlung allerdings eine Höchsthär-
geschwindigkeit (Bild 1-38, Bild 2-16). Ein te entstehen von:
HRCmax = 30 + 50 ¹ C % = 45 HRC O 450 HV.
Vorwärmen ist bei ihnen nicht, nur bei gro-
ßen Werkstückdicken oder nicht in dieser Hö- 4) Der Stahl X20CrMoVW12-1 mit einer Ms-Tempera-
he erforderlich. Die Wahl der Vorwärmtempe- tur von etwa 270 ’C, Bild 4-88, wird (auch aus
anderen Gründen) auf etwa 400 ’C vorgewärmt.
ratur mit Hilfe der Ms-Temperatur ist daher
nur sinnvoll, wenn diese genügend niedrig, 5) Der Stahl 51CrV4 (Ms O 300 ’C) wird auf etwa
der Stahl also ausreichend legiert d. h. unge- 350 ’C vorgewärmt. Bei einer Gesamthaltedauer
eignet zum Schweißen ist. Diese Grenztem- von etwa 1000 s O 17 min (diese Angaben sind aus
dem ZTU-Schaubild des Stahles zu entnehmen!)
peratur kann bei etwa 300 ’C bis 350 ’C ange- wandelt der gesamte austenitisierte Bereich der
nommen werden. Die Ms-Temperaturen sind WEZ in Bainit um.
aus den ZTU-Schaubildern (s. Abschn. 2.5.3,
S. 145) direkt ablesbar. Kehlnähte:
a) Verfahren mit geringem Ein-
brand schmelzen die Seige-
In DIN EN 1011-1 sind allgemeine Anleitun- ! ? rungszonen nicht auf.
gen für das Schmelzschweißen metallischer b) Tiefeinbrennende Schweißver-
fahren (z. B. UP) sind prinzi-
Werkstoffe zu finden. piell nicht zum Schweißen ge-
seigerter Stähle geeignet: Gro-
ßer Aufmischungsgrad begüns-
tigt Heißrissbildung.

Beispiele 4-1: a) b)
Stumpfnähte:
1) Für den Stahl 51CrV4 (C O 0,5%; Cr O 1%; Mn O 1%; Seigerung c) Aufschmelzen der geseigerten
V O 0,15 %) ist die Vorwärmtemperatur Tp zum Bereiche nicht vermeidbar. Zu-
Schweißen mit dem Kohlenstoffäquivalent gemäß satzwerkstoffe wählen, die Ver-
unreinigungen (z. B. P und S)
Gl. [4-2] und Tabelle 4-2 zu bestimmen. Aus den verschlacken können, z. B. ba-
gegebenen Werten erhält man Ceq = 0,9 %. Damit er- sisch-umhüllte Stabelektroden.
gibt sich Tp O 300 ’C ... 350 ’C. Die Werkstückdicke, c)
die Art des Zusatzwerkstoffs und der Wasserstoff-
gehalt des Schweißguts wurden mit dieser älteren Bild 4-37
Beziehung nicht berücksichtigt. Die »ermittelte« Tp Aufschmelzen der geseigerten Bereiche während des
ist daher nur mit Vorsicht anzuwenden. Sie reprä- Schweißens unberuhigter Stähle bei Kehlnähten und
sentiert in aller Regel den Maximalwert. Stumpfnähten, schematisch.
Abschn. 4.1: Aufbau der Schweißverbindung (WEZ in umwandlungsfähigen Stählen) 333

4.1.3.4 Einfluss der Stahlherstellungsart Seigerungen


und der chemischen Die Schwefel- und Phosphorgehalte in Seige-
Zusammensetzung rungszonen unberuhigt vergossener Stähle
Die Menge und Art der Stahlbegleiter – das sind etwa zwei- bis dreimal größer als der
sind hauptsächlich die Verunreinigungen Durchschnittsgehalt. Schwefelgehalte über
Stickstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Schwefel etwa 0,05 % machen den Stahl durch die Bil-
und Phosphor – bestimmen weitgehend die dung des bei ca. 1000 ’C schmelzenden FeS
mechanischen Gütewerte des Stahles, ins- heißrissanfällig. Selbst geringe Phosphorge-
besondere aber seine Zähigkeitseigenschaf- halte (… 0,05 %) begünstigen sehr stark die
ten. Die metallurgische Qualität der Stähle Kaltrissneigung (Bild 2-6, S. 132).
wird also neben anderen Faktoren im Wesentli-
chen von den Erschmelzungs- und Vergießungs- Der größte Teil aller Stähle wird seit etwa
verfahren bestimmt (Abschn. 2.3, S. 125). Mitte der achtziger Jahre nach dem Strang-
gussverfahren vergossen. Diese Stähle müs-
Im Folgenden werden nur die für eine fachge- sen beruhigt vergossen werden, d. h., sie sind
rechte schweißtechnische Verarbeitung wich- nicht geseigert. Vorsicht ist allerdings bei Re-
tigsten Einflüsse besprochen. paraturschweißungen an Bauten aus Thomas-
stählen und allen »älteren« Stählen geboten.
durch Schweißen aufge- Die in den Schweißgütern von Stumpf- und
schmolzene Seigerung Kehlnähten ablaufenden metallurgischen Vor-
Z gänge zeigt Bild 4-37 schematisch. Je größer
Z
die Aufmischung ist, umso größer ist gewöhn-
lich der Anteil des im Vergleich zum Zusatz-
werkstoff stärker verunreinigten Grundwerk-
stoffs. Die Gefahr der Heißrissbildung (S)
und Versprödung (P) des Schweißguts nimmt
zu. Ein tiefer Einbrand ist also oft mit metal-
lurgischen Nachteilen verbunden.
a)
Sehr ähnliche Probleme entstehen beim Ein-
schweißen von Stegblechaussteifungen in
Schweißgut vermischt mit Profile aus geseigertem Stahl, Bild 4-38. Die
aufgeschmolzenem, gesei-
gertem Grundwerkstoff. Konstruktion gemäß Teilbild »a« ist wegen
des hohen Eigenspannungszustandes im Be-
Ausklinken der Stegausstei-
fung verhindert S - und P - An- reich der Hohlkehle besonders rissgefährdet
reicherung des Schweißgu- (Heiß-und Kaltrisse!). Bei hohem Schwefel-
tes. Variante b) brauchbar, c)
konstruktiv besser (teurer), gehalt im Grundwerkstoff besteht außerdem
weil durch »Schließen« der Porengefahr durch die SO2 -Bildung gemäß
Steg- und Gurtnähte keine
Anfangs- und Endkrater ent- folgender Beziehung:
stehen können.
b) c) 2 ◊ FeO + FeS Æ 3 ◊ Fe + SO2 .
Bild 4-38 Die konstruktive Lösung dieses Problems
Stegaussteifungen in einem T-Profil aus unberuhig-
besteht in einem genügend weiten Ausklin-
tem Stahl.
a) Hohe Eigenspannungszustände und stark verun- ken der Stegblechaussteifungen gemäß Bild
reinigtes Schweißgut durch Anschneiden der Sei- 4-38b und c. Die Variante »c« ist konstruktiv
gerungen begünstigen Heißrissbildung und Ver- wesentlich zweckmäßiger, aber auch teurer.
sprödung. Durch die fertigungstechnische Möglichkeit,
b) Ausklinken der Bleche verhindert die unerwünsch- die Schweißnähte schließen zu können, ent-
te Vermischung.
fallen die End- bzw. Anfangskrater, die die
c) Umlaufende Schweißnähte verbessern die Bestän-
digkeit gegen Spaltkorrosion und verringern die Spaltkorrosion begünstigen und Orte hoher
Kerbwirkung durch Ausrunden der Stegblechaus- Gehalte an Verunreinigungen und großer
steifungen. Spannungskonzentrationen sind.
334 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Alterungsprobleme 4.1.4 Verbinden unterschiedlicher


Stickstoff in kaltverformten Stählen führt Werkstoffe
oberhalb 0,001 % durch Blockieren von Ver-
setzungen zur Verformungsalterung, (früher Die metallurgischen Vorgänge im Schweiß-
als Reckalterung bezeichnet) die mit einer gut und im schmelzgrenzennahen Bereich
nur mäßigen Festigkeits- und Härtezunah- der Wärmeeinflusszone bei Verwendung art-
me, aber einer erheblichen Abnahme der Zä- fremder Zusatzwerkstoffe oder bei der Verbin-
higkeit verbunden ist (Abschn. 3.2.1.2, S. dung unterschiedlicher Grundwerkstoffe GW1,
240). Diese Versprödungserscheinung ist vor GW2, Bild 4-39a, können sehr komplex, Bild
allem bei den älteren (also höher stickstoff- 4-39b2, aber auch sehr übersichtlich und un-
haltigen) Stählen – das gilt vor allem für die problematisch sein, Bild 4-39b1.
Thomasstähle – anzutreffen. Obwohl diese
Versprödungsart bei den heutigen in aller Re- Das werkstoffliche Problem gemäß Bild 4-
gel sehr verunreinigungsarmen Stählen be- 39b2 besteht darin, dass durch Mischen un-
herrschbar erscheint, enthalten verschiede- terschiedlicher Mengen GW1, bzw. GW2 mit
ne Regelwerke noch Bedingungen für das dem Zusatzwerkstoff Z unerwünschte meis-
Schweißen an kaltverformten Bauteilen. tens intermediäre Phasen (spröde!) entste-
hen. Hinzu kommt, dass der extreme Tempe-
In Tabelle 4-3 sind die Bedingungen für das ratur-Zeit-Verlauf beim Schweißen die Bil-
Schweißen nach der DIN 18800-1 aufgeführt. dung von Wiederaufschmelzrissen begüns-
Danach darf in kaltverformten Bauteilen ein- tigt. Ohne gesicherte Werkstoffkenntnisse
schließlich der angrenzenden Flächen von der sind solche Verbindungen in den wenigsten
Breite 5 ¹t geschweißt werden, wenn die ange- Fällen betriebssicher herzustellen, s. hierzu
gebenen Werte für die Dehnung e oder bei Bie- auch Aufgabe 4-3, S. 479.
geverformungen die für Biegeradius der inne-
ren Dehnung zur Werkstückdicke r/t einge- Als wichtige Konsequenz dieser Überlegung
halten sind. Dabei werden Kaltverformungs- ist festzuhalten, dass zuverlässig Verbindun-
grade j … 2 %, mit denen infolge des Walzvor- gen bzw. Auftragschichten nur herzustellen
gangs oder nicht vermeidbarer Fertigungs- sind, wenn mit dem angewendeten Schweiß-
maßnahmen – z. B. Richten, bzw. andere Ver- verfahren und den Schweißparametern aus-
formungsvorgänge – immer zu rechnen ist, reichend kleine Aufschmelzgrade realisiert
nicht berücksichtigt. werden können. Die möglichen metallurgi-
schen Reaktionen müssen demnach möglichst
Die Bedingungen nach DIN 18800-1 müssen begrenzt werden.
nicht eingehalten werden, wenn die Teile vor
dem Schweißen normalgeglüht werden. Mit Hilfe eines geschätzten Aufschmelzgra-
Tabelle 4-3
des A (GW/Z) ¹ 100 % O 20 % ... 40 % für eine
Bedingungen für das Schweißen an kaltverformten V-Naht ergibt sich z. B. ein Schweißgutge-
Bauteilen (Kaltverformung e) nach DIN 18800-1. füge S, das im Bereich A 20 % bis 40 % liegt,
Bild 4-39b2. Der große Anteil der spröden
ε r/t zul. t Konstruktive
Anordnung
Phase V macht eine Rissbildung wahrschein-
% mm lich.
<2 ≥ 25 alle 5t
Zusatzwerkstoffe, die sich zum Verbinden
t

<5 ≥ 10 ≤ 16 1) unterschiedlicher Grundwerkstoffe GW1 und


r

GW2 eignen, müssen mit jedem Werkstoff me-


≤ 12 ≥3 ≤ 12 tallurgisch »verträglich« sein, d. h., es dür-
5t

≤ 14 ≥ 1,5 ≤8 fen sich keine spröden Phasen wie interme-


diäre Verbindungen oder (und) höhergekohlter
1)
t ≤ 16 mm gilt für jede Gütegruppe Martensit bilden. Der Zusatzwerkstoff Z in
t > 16 mm gilt für die Gütegruppe JR und jede Bild 4-39d ist z. B. für GW2 geeignet, für GW1
höhere.
nicht. Zum Auswählen geeigneter Zusatz-
Abschn. 4.1: Aufbau der Schweißverbindung (Verbinden unterschiedlicher Werkstoffe) 335

werkstoffe für das Auftrag- bzw. Verbindungs- schmelzgrad klein zu halten. Es kann Z
schweißen sind folgende Maßnahmen und oder ein spezieller Puffer-Zusatzwerkstoff
Methoden bekannt: (P) verwendet werden. Als Folge der ge-
– Wahl von Zusatzwerkstoffen, die mit den ringen Aufmischung ist die entstehende
Legierungselementen keine spröden Ver- Menge der spröden Phase dann so gering,
bindungen bilden können. Besonders ge- dass das Schweißgut nahezu aus Z (P) be-
eignet sind hoch nickelhaltige Zusatzwerk- steht und in vielen Fällen rissfrei bleibt,
stoffe. Nickel bildet mit den meisten Ele- Bild 4-39d. Der restliche Nahtquerschnitt
menten eine lückenlose Mischkristall- wird mit der üblichen Technik des Naht-
reihen bzw. ausgedehnte Mischkristallberei- aufbaus hergestellt. Die verwendeten Zu-
che, selten intermediäre Verbindungen und satzwerkstoffe müssen sich metallurgisch
ist extrem zäh (Abschn. 1.6.2.1, S. 50). mit P und GW »vertragen«. Diese Metho-
– Auftragen von Pufferlage(n) auf eine (oder de ist sehr zuverlässig, aber wegen des
beide) Nahtflanke(n) mit einem möglichst langsamen Arbeitsfortschritts beim Puf-
geringem Wärmeeinbringen, um den Auf- fern extrem teuer.
Z = Zusatzwerkstoff Z
(artfremd oder GW1 bzw. GW2)

S GW1 Z1 S Z2 GW2

GW1 S = Z + GW GW2 S

Zustandsschaubild b1): Z1 Z2
Schweißgut S besteht unabhängig von A aus verformbarem, weitge- WEZ WEZ
hend rissfreiem, einphasigem a ! Wiederaufschmelzrisse in der WEZ
Erstarrungsriss
können aber je nach Beschaffenheit der GW entstehen.
Zustandsschaubild b2): V
Für A = 20 % besteht das Schweißgut S aus 100 % V, für A = 40 %
Wiederaufschmelz- Wiederauf-
besteht das Schweißgut bei der eutektischen Temperatur aus
riss möglich schmelzriss
etwa 37 % a und 63 % E. E besteht aus etwa 5 % a und 95 % V.
c)
Voraussetzung für die Gültigkeit dieser Berechnung ist eine
annähernd gleichgewichtsnahe Abkühlung. V = Z x GWy
S S
a)

Z oder P S+ a
S+ a
Temperatur T
Temperatur T

P = Pufferlage(n) a

a a+ V E V

GW1 GW2
GW1 20 40 60 80 % Z GW2 20 40 60 77 80 % Z
Massenprozent Massenprozent
d) b1) b2)

Bild 4-39
Bei Verwendung artfremder Zusatzwerkstoffe (Z) oder beim Verbinden unterschiedlicher Werkstoffe (GW1 mit
GW2 ) können je nach Aufschmelzgrad A = (GW/Z)◊100 % verschiedene metallurgische Probleme entstehen.
a) Für A = 20 % ... 40 % (entspricht etwa den Verhältnissen bei einer V-Naht) und einem angenommenen
b) Zustandsschaubild mit lückenloser Mischbarkeit (b1) und einem mit einer intermediären Phase V (b2)
können die werkstofflichen Vorgänge nachvollzogen werden.
c) Unterschiedliche Grundwerkstoffe GW1 und GW2 werden mit Z verbunden. Das aus Z und GW1 (Zustands-
schaubild b1) bestehende Schweißgut S ist rissfrei, Wiederaufschmelzrisse können aber entstehen. Das aus
GW2 und Z bestehende Schweißgut enthält intermediäre Phasen V (Zustandsschaubild b2), die das Schweiß-
gut vollständig verspröden können. Erstarrungs- und Wiederaufschmelzrisse sind ebenfalls möglich.
d) Puffern des Grundwerkstoffs (der sich nicht mit dem Zusatzwerkstoff Z verträgt), mit zähem Zusatz- (Z)
oder einem anderen geeigneten Pufferwerkstoff P (z. B. Ni) verhindert in der Regel die Rissbildung, wenn
der Aufschmelzgrad A sehr gering ist (£ 5 %).
336 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

– Wahl von Schweißverfahren, die keine tur- und zeitabhängiger Diffusionsvorgang.


Schmelze erzeugen, z. B. Kaltpressschwei- Die einzig mögliche Maßnahme besteht da-
ßen oder Reibschweißen. mit in einem Verkürzen der für das Korn-
– Wahl geeigneter Lötverfahren, mit denen wachstum zur Verfügung stehenden Zeit.
sich die metallurgischen Vorgänge auf ei- Dieses Ziel ist nur mit Verfahren erreichbar,
ne einige zehn Pm dicke Schicht begren- die mit großer Leistungsdichte und (oder) ho-
zen lassen. her Schweißgeschwindigkeit betrieben wer-
den können. Grundsätzlich ist ein »schnel-
Außer den genannten Faktoren sind noch wei- les« und »kaltes« Schweißen bei allen ther-
tere Einflüsse zu beachten, die die Gebrauchs- misch empfindlichen Werkstoffen aus metallur-
eigenschaften der Schweißverbindung beein- gischen Gründen empfehlenswert und aus
trächtigen: wirtschaftlichen Gründen anzustreben.
– Die Metalle sollten ähnliche Schmelztem-
peraturen haben, weil anderenfalls das
niedriger schmelzende überhitzt wird oder 4.2 Zusatzwerkstoffe und
das Schmelzbad durchbricht. Eine Verbin-
Hilfsstoffe zum Schweißen
dung ist dann kaum möglich.
– Unterschiedliche Wärmeleitfähigkeit der unlegierter Stähle und von
Metalle – z. B. Stahl mit Kupfer – muss Feinkornbaustählen
mit einer geeigneten Wärmeführung beim
Schweißen (selektives Vorwärmen) aus- 4.2.1 Konzepte der Normung
geglichen werden.
– Unterschiedliche Wärmeausdehnungsko- Die Zusatzwerkstoffnormen sind für die
effizienten erzeugen beim Abkühlen in ei- Schweißpraxis von überragender Bedeutung.
nem Fügeteil Zug- im anderen Druckspan- Trotzdem waren die bis Anfang der neunzi-
nungen. Im dem mit Zugspannungen be- ger Jahre verabschiedeten Normen in ihrer
anspruchten Teil können Heißrisse oder Bezeichnungsweise (welche Eigenschaften
unzulässige Bauteilverzüge bzw. Kaltris- werden ausgewiesen?) und ihrer inneren Lo-
se entstehen. Aus diesem Grunde ist die gik nicht zwingend und vor allem nicht kon-
Wahl von Zusatzwerkstoffen mit einem sistent. Es existieren werkstoffbezogene Nor-
den Werkstoffen vergleichbaren Wärme- men, die Zusatzwerkstoffe für bestimmte
ausdehnungskoeffizienten sehr wichtig, Werkstoffe bzw. Werkstoffgruppen beschrei-
s. hierzu auch Abschn. 4.3.8. ben und verfahrensbezogene Normen, in denen
– Die Korrosionsbeständigkeit eines derar- die Zusatzwerkstoffe nur bestimmten Schweiß-
tigen »galvanischen Elementes« ist oft un- verfahren zugeordnet werden.
zureichend (Kontaktkorrosion, s. Abschn.
1.7.6.1.1, S. 84). Im Rahmen der europäischen Normung er-
wies es sich als notwendig, die bisherigen na-
Eine wertvolle Informationsquelle über die tionalen Normen und Regelwerke durch euro-
zu erwartenden werkstofflichen Schwierig- päische »Regeln« zu ersetzen. Im Bereich der
keiten stellen die üblichen (binären) Gleich- Zusatzwerkstoffnormen wurde dabei strikt
gewichtsschaubilder der beteiligten Haupt- das ausschließlich werkstoffbezogene Kon-
legierungselemente dar. Als grundsätzliche zept gewählt. Schweißhilfsstoffe (z. B. Schutz-
Erkenntnis kann in diesem Zusammenhang gase, Schweißpulver) werden dabei in separa-
gelten, dass die Bildung selbst geringer Men- ten Normen getrennt erfasst.
gen intermediärer Phasen die Rissneigung
der Verbindung erheblich begünstigt. Als weitere Vereinfachung, die vor allem die
Übersicht erhöht, werden die Schweißzusatz-
Man beachte, dass die Grobkornbildung im werkstoffe für alle Lichtbogen-Schweißver-
schmelzgrenzennahen Bereich unvermeid- fahren und Stähle mit einer Mindeststreck-
bar bzw. nur in geringem Umfang beeinfluss- grenze bis 500 N/mm2 nach einem einheitli-
bar ist. Das Kornwachstum ist ein tempera- chen System bezeichnet, Abschn. 4.2.3.
Abschn. 4.2: Zusatzwerkstoffe und Hilfsstoffe zum Schweißen unlegierter Stähle ... 337

4.2.2 Metallurgische Betrachtungen 4.2.3 Schweißzusätze für Stähle mit


einer Mindeststreckgrenze bis
Die Zusammensetzung der Zusatzwerkstof- 500 N/mm2
fe entspricht in der Regel der der zu schweißen-
den Grundwerkstoffe. Das niedergeschmolze-
ne Schweißgut ist artgleich, wenigstens aber 4.2.3.1 Umhüllte Stabelektroden für das
artähnlich. In Sonderfällen werden auch aus Lichtbogenhandschweißen
Gründen der metallurgischen »Verträglich- (DIN EN ISO 2560)
keit« artfremde Zusatzwerkstoffe (z. B. bei Aus verfahrenstechnischen Gründen (leichte-
praktisch allen Auftragschweißungen, Verbin- res Zünden, stabiler Lichtbogen) und wegen
dungsschweißungen unterschiedlicher Werk- metallurgischer Eigenschaften (deutlich bes-
stoffe, sowie verschiedene nichteisenmetalli- sere Gütewerte, Heißrissfreiheit, Poren-, Gas-
sche Werkstoffe) gewählt. und Einschlussarmut) werden zum Lichtbo-
genhandschweißen praktisch ausschließlich
Durch diese Maßnahme werden bei einem umhüllte Stabelektroden verwendet. Die
»ordnungsgemäßen« Ablauf der metallurgi- Umhüllung wird um den Kernstab gepresst
schen Reaktionen (Pressmantelelektroden). Die in früherer Zeit
– mechanische Gütewerte (Tragfähigkeit verwendeten »getauchten« oder nicht umhüll-
und Zähigkeit) und ein ten (»nackten«) Stabelektroden werden aus
– Korrosionsverhalten des Schweißguts er- diesen Gründen nicht mehr hergestellt.
reicht,
die mit dem Grundwerkstoff vergleichbar Wegen der sehr schädlichen Wirkungen, die
sind. Der naheliegende Versuch, die metallur- durch dissoziierte bzw. ionisierte Feuchtig-
gischen Reaktionen beim Schweißen mit keit im Lichtbogenraum entsteht, werden
denen bei der Werkstoffherstellung (z. B. Er- die Elektroden vor dem Verpacken bei un-
schmelzen, Desoxidieren, Legierungsarbeit, terschiedlichen Temperaturen getrocknet 34).
Raffinieren für den Werkstoff Stahl) verglei- Bild 4-40 zeigt das Verfahrensprinzip des
chen zu wollen, ist nur zulässig bei Berück- Lichtbogenhandschweißens.
sichtigung der jeweiligen sehr unterschied-
lichen Reaktionsbedingungen, d. h. den sehr
viel höheren Reaktionstemperaturen und den
erheblich kürzeren Reaktionszeiten.

Während für die Stahlherstellung mit der


»Hüttenmetallurgie« mindestens einige zehn
Minuten erforderlich sind, muss das Schweiß-
gut wegen der spezifischen Besonderheiten
des Schweißprozesses (punktförmige Wärme-
quelle, große Leistungsdichte, hohe Auf heiz-
und Abkühlgeschwindigkeiten) innerhalb ei-
niger Sekunden desoxidiert und (oder) aufle-
giert werden. Allerdings sind für das Ergeb-
nis der metallurgischen Prozesse die Höhe
der Reaktionstemperaturen entscheidender
als die Länge der Reaktionszeiten. Sie sind
meistens um einige hundert Grad größer als Bild 4-40
bei der Werkstoffherstellung. Insgesamt kann Verfahrensprinzip des Lichtbogenhandschweißens
daher davon ausgegangen werden, dass das mit umhüllten Stabelektroden.
entstehende Primärgefüge nicht soweit vom
thermodynamischen Gleichgewichtszustand
entfernt ist, wie aufgrund der geschilderten 34)
Saure und rutil-saure werden bei etwa 100 ’C,
Zusammenhänge vermutet werden könnte. basische bei etwa 350 ’C getrocknet.
338 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

4.2.3.1.1 Aufgaben der Die Umhüllung besteht aus Erzen, sauren


Elektrodenumhüllung sowie basischen und organischen Stoffen.
Die Elektrode besteht aus einem metallischen Sie bestimmt das Verhalten des Schweißguts
Kern, dem Kernstab und der umpressten Um- bzw. der Elektrode (z. B. die Schmelzenvisko-
hüllung. Die chemische Zusammensetzung sität, also das Verschweißbarkeitsverhalten,
des Kernstabs ist bei allen unlegierten Stab- d. h. die Zwangslagenverschweißbarkeit und
elektroden der DIN EN ISO 2560 in der Re- die Spaltüberbrückbarkeit) und die mechani-
gel gleich. Der Kohlenstoffgehalt und vor al- schen Gütewerte der Schweißverbindung.
lem die Gehalte der stark zähigskeitsvermin-
dernden Verunreinigungen wie Schwefel und Die Umhüllung hat folgende Aufgaben:
Phosphor müssen auf extrem niedrige Wer-
te begrenzt werden (C … 0,1 %; S … 0,03 % und Stabilisieren des Lichtbogens
P … 0,02 %). Durch Stoffe, die eine geringe Elektronen-
austrittsarbeit haben (z. B. die Salze der
Die Stabelektroden werden in der Praxis nach Alkalien Na, K und der Erdalkalien Ca,
der Art der chemischen Charakteristik der Um- Ba), wird die Ladungsträgerzahl im Licht-
hüllung, dem Anwendungsgebiet (z. B. Elekt- bogen wesentlich erhöht, d. h. die Leit-
roden für das Verbindungs-, Auftragschwei- fähigkeit der Lichtbogenstrecke verbes-
ßen) und zum Teil nach der Umhüllungsdi- sert. Der Bogen zündet leichter und brennt
cke eingeteilt (Abschn. 4.2.3.1.3). In der neue- stabiler.
ren Normung (DIN EN ISO 2560 und die äl-
tere DIN EN 499) wird die Umhüllungsdicke Bilden eines Schutzgasstroms
nicht mehr explizit mit Kurzzeichen bezeich- Das Schmelzbad und der Lichtbogenraum
net. Lediglich die Bezeichnung des Umhül- müssen zuverlässig vor dem Zutritt der
lungstyps »RR« weist noch direkt auf eine Luft geschützt werden, da sonst ein star-
dick-rutil-umhüllte Elektrode hin. Für diese ker Abbrand der Legierungselemente und
gilt ein Verhältnis von Umhüllungs- zu Kern- die Aufnahme von Stickstoff und anderen
stabdurchmesser von 1 zu 1,6 ( 160 %). Die Gasen, verbunden mit einer entscheiden-
dünn-umhüllten und die mitteldick-umhüll- den Verschlechterung der mechanischen
ten Stabelektroden werden im Normenwerk Gütewerte, die Folge wären. Durch Schmel-
nicht mehr erwähnt, obwohl sie noch herge- zen und Verdampfen der Umhüllung ent-
stellt werden. steht die Gasatmosphäre. Sehr wirksam
ist das aus Carbonaten – z. B. CaCO3 –
Mit der Umhüllungsdicke ändern sich die entstehende Kohlendioxid CO2:
Schweißeigenschaften und die Gütewerte CaCO3 Æ CaO + CO2 .
des Schweißguts erheblich. Mit zunehmen-
der Menge an Umhüllungsbestandteilen, d. Die Umhüllung aller Stabelektroden ent-
h. mit zunehmender Umhüllungsdicke, lau- hält in sehr unterschiedlichen Mengen
fen die notwendigen metallurgischen Reaktio- Wasser 35), das im Lichtbogen in Wasser-
nen, wie z. B. Auflegieren, Desoxidieren und stoff und Sauerstoff aufgespalten wird.
Entschwefeln, vollständiger ab, d. h., die Güte-
werte, besonders die Zähigkeit, nehmen zu. Bilden einer metallurgisch
Der Gasschutz ist wegen der großen Menge wirksamen Schlacke
der entwickelten »schützenden« Gase sehr Die den Lichtbogenraum durchlaufenden
gut. Die Viskosität der Schmelze nimmt we- Werkstofftröpfchen sind von einem Schla-
gen der zunehmenden Wärmemenge aus den ckenfilm umgeben, der den schmelzflüssi-
exothermen Verbrennungsvorgängen der Des-
oxidationsmittel Mangan und Silicium (evtl.
35)
auch der Legierungselemente) ab, d. h., das Zum Verringern der Reibung der Umhüllung an
der Pressdüsenwand werden jedem Elektroden-
Schweißgut wird zunehmend dünnflüssiger typ Gleitmittel zugesetzt. In der Hauptsache wird
(= schlechte Zwangslagenverschweißbarkeit) dafür wasserhaltiges Natron- oder Kaliwasser-
und der Werkstoffübergang feintropfiger. glas (K 2SiO3 bzw. Na2SiO3) verwendet.
Abschn. 4.2: Zusatzwerkstoffe und Hilfsstoffe zum Schweißen unlegierter Stähle ... 339

gen Werkstoff zuverlässig vor Luftzutritt flüssige Schweißnaht sehr wirksam und
schützt. Das Auflegieren bzw. Desoxidie- reduziert so die Gefahr entstehender Ker-
ren erfolgt im Wesentlichen über den Schla- ben erheblich.
ckenfilm, weil die Legierungselemente und
die Desoxidationsmittel dem Schweißgut 4.2.3.1.2 Metallurgische Grundlagen
meistens über die Umhüllung (seltener Legierungselemente können dem Schweiß-
über den Kernstab) in Form feinverteilter bad aus dem Kernstab und (oder) der Umhül-
Vorlegierungen zugeführt werden. lung zugeführt werden. Bei komplizierten
metallurgischen Systemen, vor allem bei hoch-
Wie bei der Stahlherstellung muss das legierten Stählen, werden in der Regel kern-
Schweißgut »gereinigt« (raffiniert, d. h. stablegierte Elektroden bevorzugt (homoge-
desoxidiert, entschwefelt usw.) werden. ne Schmelze ist leichter erzeugbar!). Die me-
Die Sauerstoff-, Schwefel-, Phosphor-, Stick- tallurgischen Reaktionen finden überwiegend
stoffmengen sowie die Gehalte anderer Ver- an der Phasengrenze Schlacke/flüssiger Me-
unreinigungen sind also auf Werte zu be- talltropfen statt. Ein Teil der zugeführten Des-
grenzen, die sich nicht mehr schädlich auf oxidations- und Legierungselemente geht als
die mechanischen Gütewerte auswirken. Folge verschiedener physikalischer und me-
Auch diese metallurgischen Aufgaben tallurgischer Prozesse verloren:
übernimmt die (flüssige) Schlacke. Das – Verdampfen im Lichtbogenraum. Dieser
Entgasen und Entschlacken ( Reaktions- Anteil nimmt zu mit abnehmender Ver-
produkte der Desoxidationsbehandlung!) dampfungstemperatur (Schmelztempe-
der Schmelze werden durch die flüssige, ratur) der Elemente.
schlecht wärmeleitende Schlackendecke – Verschlacken sauerstoffaffiner Elemente
erleichtert. Der Sauerstoffgehalt in der wie z. B. Bor, Titan, Zirkonium, Alumini-
Schlacke bestimmt in großem Umfang die um in der meist sauerstoffhaltigen Licht-
Viskosität der Schmelze, d. h. die Tropfen- bogenatmosphäre. Die entstehenden Oxi-
größe und die Tropfenzahl. de können andererseits weniger stabile
Die thermisch isolierende Schweißschla- Verbindungen (z. B. MnO) reduzieren und
cke verringert die Abkühlgeschwindigkeit damit den Legierungshaushalt des Schweiß-
deutlich und damit auch die Härtespitzen guts empfindlich stören. Mit zunehmen-
in den Wärmeeinflusszonen. Schließlich der Sauerstoffaffinität der Elemente wird
formt und stützt die Schlackendecke die ihr Abbrand grundsätzlich größer.
Tabelle 4-4
Wichtige Umhüllungsbestandteile von Stabelektroden, eingeteilt nach ihrer metallurgischen Wirksamkeit.

Chemische Wirkung der Umhüllungsbestandteile

Basisch Sauer Oxidierend Reduzierend


(desoxidierend)

BaCO3 1) SiO2 2) Fe2O3 1) Al


K2CO3 1) TiO2 5) Fe3O4 3) Mn
CaO 4) ZrO2 MnO2 Si
CaCO3 4) Verbindung der TiO2 Ti
MgO 1) Eisenbegleiter C
MgCO3 1), MnO P und S
CaF2 6)

Hinweise zur Wirkung einzelner Umhüllungsbestandteile


1)
Schutzgas- und Schlackebildner
2)
erhöht Strombelastbarkeit, dient zum Verdünnen der Schlacke
3)
feinerer Tropfenübergang, lichtbogenstabilisierend
4)
wie Fußnote »1«, verringert die Lichtbogenspannung
5)
erleichtert das Wiederzünden des Lichtbogens und den Schlackenabgang
6)
verdünnt die Schlacke bei basisch-umhüllten Elektroden
340 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Der Hauptort der metallurgischen Reaktio- gilt etwa die schematische, vereinfachte Re-
nen ist die Elektrodenspitze (5), Bild 4-41, aktionsgleichung:
weil hier die Temperaturen am größten sind.
MeO  Fe  FeO  Me.
Der Umfang der Reaktionen im deutlich küh-
leren Schweißbad ist daher meistens vernach- Das aufzulegierende Element Me liegt als
lässigbar. Bei Fülldrahtelektroden (Abschn. Oxid MeO in der flüssigen Schlacke vor.
4.2.3.2) schmilzt allerdings der stromführen-
de Metallmantel vor den Füllstoffen. Hier er- Das chemische Verhalten der geschmolzenen
folgen die metallurgischen Prozesse daher Elektrodenumhüllungen – der Schlacken,
zum größten Teil erst im Schweißbad. nicht der Umhüllungsbestandteile! – be-
schreibt die metallurgische Qualität der Stab-
Die unerwünschte Oxidation der Legierungs- elektroden sehr genau. Je nach Zusammenset-
elemente erfolgt im Lichtbogenraum im We- zung verhalten sich die Schlacken chemisch
sentlichen durch freien Sauerstoff: sauer, neutral oder basisch.
Fe  O2  2 ¹ FeO
Die Verbindungen des Schwefels und Phos-
Mn  O2 
2
 ¹ MnO phors verhalten sich chemisch sauer. Sie kön-
oder durch oxidische Schlacken: nen daher nur durch die Reaktion mit basi-
Fe2O3  Fe  3 ¹ FeO schen Schlacken aus dem Schweißgut ent-
fernt (»verschlackt«) werden. Basisch-umhüll-
SiO2  2 ¹ Cr  2 ¹ CrO  Si. te Stabelektroden liefern demnach neben dem
Die Desoxidation der Schmelze erfolgt mit WIG-Schweißen sehr verunreinigungsarme,
Elementen, die eine größere Affinität zum d. h. extrem zähe Schweißgüter.
Sauerstoff haben als Eisen. Die Vollständig-
keit des Auflegierens wird von der Oxidations- Die Umhüllungsbestandteile der Stabelekt-
neigung der Elemente bestimmt, d. h. von roden teilt man je nach ihrem chemischen
deren Sauerstoffaffinität. Für den Vorgang Verhalten ein in
– saure,
– basische,
– oxidierende (sauerstoffabgebende) und
– reduzierende (sauerstoffbindende) Stoffe.

Außer dem Sichern der mechanischen Güte-


werte muss die Umhüllung eine Reihe weite-
rer Aufgaben (z. B. Schlackeverdünner, Be-
einflussen der Lichtbogenspannung, Wieder-
zündfähigkeit des Lichtbogens) übernehmen,
Tabelle 4-4. Die folgenden Erfahrungswerte
bzw. Grundtatsachen sind hier zu beachten:
– Nichtmetalloxide (z. B. SiO2 , F2O) und
Metalloxide mit hohen Oxidationszahlen
(z. B. CrO3) reagieren überwiegend sauer.
Desoxidations- und Die Acidität der Metalloxide nimmt inner-
Oxidationsvorgänge Legierungsvorgänge halb einer Periode von links nach rechts
durch freien Sauerstoff: durch Kohlenstoff: zu, Bild 1-2, S. 3.
1: Fe + O ® FeO 3: FeO + C ® Fe + CO
Mn + O ® MnO
– Metalloxide mit niedrigen Oxidationszah-
durch oxidische Schlacken:
durch oxidische Schlacken: 4: SiO2 + 2 × Fe ® 2 × FeO + Si
len (z. B. CaO, BaO) reagieren basisch.
2: SiO2 + 2 × Cr ® 2 × CrO + Si MnO + Fe ® FeO + Mn – Ampholyte (amphoterios griechisch bei-
Fe 2O3 + Fe ® 3 × Fe 5: MeO + Fe ® FeO + Me des) reagieren je nach Reaktionspartner
Bild 4-41 basisch oder sauer (z. B. Al2O3, ZrO2, TiO2).
Metallurgische Vorgänge beim Schweißen mit um- In den Formeln zum Berechnen des Ba-
hüllten Stabelektroden, stark vereinfacht. sizitätsgrades bei UP-Schweißpulvern (z.
Abschn. 4.2: Zusatzwerkstoffe und Hilfsstoffe zum Schweißen unlegierter Stähle ... 341

B. Gl. [4-12a]) wird ihre Wirkung daher – Die chemische Charakteristik der Schla-
nur zur Hälfte eingesetzt. cke bestimmt die Art und den Umfang
der Verunreinigungen im Schweißgut. Die
Abhängig von dem chemischen Verhalten stark güteschädigende Verunreinigung
der den Metalltropfen einfilmenden Schla- Phosphor kann im Schweißgut z. B. nur
cke unterscheidet man folgende Grundtypen mit basischen Schlacken, d. h. basischen
der Stabelektroden: Elektroden verschlackt werden.
– sauer-umhüllte (Kurzzeichen A),
– rutil-umhüllte (Kurzzeichen R), 4.2.3.1.3 Eigenschaften der wichtigsten
– basisch-umhüllte (Kurzzeichen B), Stabelektroden
– zellulose-umhüllte (Kurzzeichen C). Die mechanischen Gütewerte und die Ver-
schweißbarkeitseigenschaften der Stabelekt-
Je nach Art der Umhüllung und der Umhül- roden werden bestimmt durch das
lungsdicke ergeben sich also sehr unter- – chemische und physikalische (Schlacken-
schiedliche Eigenschaften der Schweißschla- und Schmelzenviskosität) Verhalten der
cken und damit der Schweißgüter: Schweißschlacke: sauer, neutral, basisch
– Die Viskosität (Maß für innere Reibung und die
in Flüssigkeiten) der Schlacke ist im We- – Art der Lichtbogenatmosphäre: Oxidie-
sentlichen temperaturabhängig. Die Um- rend, desoxidierend (reduzierend). Bild
hüllung der Stabelektroden-Typen ent- 4-42 (s. auch Aufgabe 4-2, S. 478) zeigt
hält unterschiedliche Mengen sauerstoff- schematisch das Verhalten der Schweiß-
abgebender Verbindungen. Die zusätzli- schlacke in der Lichtbogenatmosphäre.
che Verbrennungswärme (Einfluss der
Umhüllungsdicke!) erhöht die Schlacken- Im Folgenden werden die Umhüllungstypen,
temperatur und verringert so die Viskosi- eingeteilt nach Streckgrenze und Kerbschlag-
tät. Sauerstoff ist einer der stärksten Re- arbeit von 47 J, gemäß DIN EN ISO 2560,
gulatoren der Schmelzenviskosität. Systematik »A« besprochen.
– Der Sauerstoffgehalt der Schlacke beein-
flusst das Abbrandverhalten, die mecha- Sauer-umhüllte Stabelektroden (A) 36)
nischen Gütewerte des Schweißguts und Ihre Umhüllung enthält große Anteile von
die Tropfengröße. Vor allem die Schweiß- Schwermetalloxiden (typisch ca. 50 % Fe3O4,
eignung legierter Stähle hängt vom Sauer- Fe2O3, SiO2, Ferromangan). Der Gehalt an
stoffgehalt der Schweißschlacke ab. freiem Sauerstoff und oxidischen Schlacken
im Schweißgut ist mit etwa 0,1 % größer als
100 desoxidierend bei jeder anderen Elektrodentype. Das ist
Verhalten der Licht-
bogenatmosphäre

auch der Grund für die relativ schlechten me-


%
chanischen Gütewerte und den weitgehen-
den Abbrand der Desoxidationsmittel, vor
50 B-Typ
allem von Mangan (»Manganfresser«), aber
auch Silicium.
sauer A- und R- basisch
Typen
Die frei werdende Verbrennungswärme und
100 50 50 % 100
der hohe Sauerstoffgehalt in der Lichtbogen-
Verhalten der atmosphäre bestimmen weitgehend die Eigen-
Schlacke
50
schaften der A-Elektroden:
– Die Viskosität der Schmelze ist wegen ihres
großen Sauerstoffgehalts sehr gering. Die
sehr dünnflüssige, heiße Schmelze be-
100 oxidierend günstigt einen sprühregenartigen, fein-
Bild 4-42 tropfigen Werkstoffübergang. Die Zwangs-
Verhalten der Schweißschlacke und der Lichtbogen-
36)
atmosphäre bei den A-, R- und B-Elektroden. englisch: acid; sauer, Säure.
342 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

lagenverschweißbarkeit ist daher einge- eigenschaften und der erreichbaren mechani-


schränkt und die Spaltüberbrückbarkeit schen Gütewerte zu einem weiteren Grund-
(Wurzel!) schlecht. typ entwickelt.
– Der große Sauerstoffgehalt führt zu ei-
nem erheblichen Abbrand der Legierungs- R-Elektroden werden in allen drei Umhüllungs-
elemente und Desoxidationsmittel und dicken (dünn-, mitteldick-, dick-umhüllt) her-
damit zu einer beträchtlichen Zunahme gestellt. Die Zwangslagenverschweißbarkeit
der Menge der Reaktionsprodukte (Aus- und Spaltüberbrückbarkeit sind bei den mit-
scheidungen, Schlacken!). Daher ist es we- teldick-umhüllten Elektroden sehr gut, die
der technisch noch wirtschaftlich sinn- Heißrissempfindlichkeit ist aber geringer.
voll, legierte A-Elektroden herzustellen. Sie wird vorwiegend zum Schweißen der Wur-
zellagen (dickflüssigeres Schweißgut!) verwen-
Die Nahtoberfläche ist glatt und feingezeich- det, wenn die damit erzielbaren Gütewerte
net, Einbrandkerben entstehen kaum. Die ausreichen.
mechanischen Gütewerte des Schweißguts
sind aber wegen des hohen Sauerstoffgehalts Das mit dick-umhüllten R-Elektroden herge-
nur mäßig. Der Anwendungsbereich ist da- stellte Schweißgut besitzt gute bis sehr gu-
her auf sehr verunreinigungsarme Werkstof- te mechanische Gütewerte.
fe und auf Bauteile begrenzt, die dünnwan-
dig sind, geringer und statisch beansprucht Basisch-umhüllte Stabelektroden (B) 38)
werden, oder bei denen das Nahtaussehen Die Umhüllung besteht aus etwa 80 % Cal-
im Vordergrund steht. Stärker verunreinigte ciumoxid (CaO) und Calciumfluorid (CaF2).
oder geseigerte Stähle sollten vornehmlich Diese basisch wirkenden Bestandteile kön-
mit basisch-umhüllten Elektroden geschweißt nen kaum Sauerstoff in der Lichtbogenatmo-
werden. sphäre abspalten. Diese ist neutral bis redu-
zierend, Bild 4-42, und weitgehend frei von
Rutil-umhüllte Stabelektroden (R) 37) Wasserstoff und Sauerstoff. Der Abbrand
Der Hauptbestandteil TiO2 wirkt im Licht- von Legierungselementen ist daher gering.
bogen wesentlich schwächer oxidierend als
die Schwermetalloxide der A-Elektrode. Die Die Schweißschlacke ist basisch, d. h., die
Lichtbogenatmosphäre ist annähernd neu- chemisch sauren Verunreinigungen können
tral, der Legierungsabbrand gering, aber die
60
Schweißschlacke ist sauer. Wegen der hohen ml Vorwärmtemperatur °C
elektrischen Leitfähigkeit der Schlacke ist ih- 100 g 20 80 100
Gehalt an diffusiblem H im Schweißgut

50
re (Wieder-)Zündfähigkeit besser als bei al-
zellulose-umhüllte
len anderen Elektrodentypen. Stabelektrode
40

R-Elektroden werden in zahlreichen Misch-


30
typen hergestellt. Man unterscheidet solche
mit sauer (Kennzeichen RA) bzw. basisch wir-
20
kender (RB) Umhüllungscharakteristik. Ih- basisch-umhüllte Stabelektrode
re Eigenschaften variieren daher in einem
10
weiten Bereich. Sie sind der universellste und
am häufigsten verwendete Elektrodentyp.
Der rutil-saure Elektrodentyp RA hat sich im 0 100 200 300 400 s 500
Laufe der letzten Jahre wegen seiner güns- Abkühlzeit t 8 /1
tigen Kombination der Verschweißbarkeits-
Bild 4-43
Einfluss der Vorwärmtemperatur auf die Abkühlzeit
37)
Diese Bezeichnung leitet sich von Rutil (TiO2), t8/1 und den Wasserstoffgehalt von Schweißgütern,
dem Hauptbestandteil und wichtigsten titanhal- hergestellt mit basisch- und zellulose-umhüllten Stab-
tigen Erz ab elektroden bei einem mittleren Wärmeeinbringen von
38)
englisch: basic; basisch. 8 kJ/cm bis 9 kJ/cm, nach Düren.
Abschn. 4.2: Zusatzwerkstoffe und Hilfsstoffe zum Schweißen unlegierter Stähle ... 343

daher (nur) mit B-Elektroden beseitigt (ver- ij ≤ 50 %: Die Feuchtigkeitsaufnahme ist


schlackt) werden. Das auch aus verschiede- sehr gering.
nen anderen Gründen sehr reine Schweiß- ij ≤ 70 %: Bei vielen Elektroden kann die
gut ist der wichtigste Grund für die prinzipi- aufgenommene Feuchtigkeitsmenge noch
elle Überlegenheit dieses Elektrodentyps. toleriert werden.
ij > 70 %: Die erhebliche aufgenommene
Die mechanischen Gütewerte, die Sicherheit Wasserstoffmenge begünstigt die Kaltriss-
gegen Kaltrisse in der Wärmeeinflusszone neigung extrem. In der DIN EN ISO 3690
und Erstarrungsrisse im Schweißgut sind (DVS 0504) werden daher als Lagerbedin-
hervorragend. Mit keinem anderen Stabelekt- gungen j  60 % bei einer Temperatur von
rodentyp lassen sich Schweißgüter mit nied- mindestens 18 ’C angegeben.
rigeren Übergangstemperaturen der Kerb-
schlagarbeit (Tü,27 •  70 ’C, Charpy-V-Proben) Diese bemerkenswerten Vorteile sind aber
und geringeren Wasserstoffgehalten erzeu- nur dann erreichbar, wenn einige Besonder-
gen. Mit trockenen (getrockneten!) Elektro- heiten im Umgang mit der B-Elektrode be-
den sind leicht Werte von • 5 cm3 Wasserstoff/ achtet werden:
100 g Schweißgut erreichbar. Diese Eigen- ❐ Wegen der reduzierenden Lichtbogenat-
schaft macht die basisch-umhüllten Elektro- mosphäre muss vom »Reaktionsraum«
den zum Schweißen der niedriggekohlten, Lichtbogen jede Spur von Feuchtigkeit
niedriglegierten, schweißgeeigneten vergü- ferngehalten werden. Anderenfalls wird
teten Feinkornbaustähle hervorragend geeig- Wasserdampf zu atomarem Wasserstoff
net, s. Aufgabe 2-7, S. 229. Bild 4-43 zeigt die reduziert, der in das Schweißgut gelangt
sehr unterschiedlichen Wasserstoffgehalte und es versprödet. Der in die WEZ eindrin-
in Schweißgütern, hergestellt mit zellulose- gende diffusible Wasserstoff kann zur Kalt-
umhüllten und mit basisch-umhüllten Stab- rissbildung führen. Daher müssen die fol-
elektroden, abhängig von der Abkühlzeit t8/1 genden Verarbeitungshinweise strikt ein-
und der Vorwärmtemperatur Tp. gehalten werden:
– Die Elektrode ist kurz und steil zu
Die von der Umhüllung aufgenommene Was- halten (sonst besteht die Gefahr der
serstoffmenge hängt hauptsächlich von der Lufteinwirbelung),
Größe der relativen Luftfeuchtigkeit j des – Pendeln möglichst vermeiden (Gefahr
Lagerraumes ab, Bild 4-44. Als grundsätzli- der Feuchteaufnahme und Porenbil-
che Regel für viele basische Typen gilt: dung),
– Die Elektroden vor dem Schweißen in
1,2 jedem Fall trocknen: Nach Hersteller-
%
j = 90 % angaben oder mindestens 250 ’C/2 h.
1,0
Damit wird nicht nur das adsorptiv auf-
Wassergehalt der Umhüllung

genommene, sondern vor allem auch


0,8
das in der Umhüllung vorhandene che-
0,6
misch gebundene Wasser (Kristall- und
Konstitutionswasser) beseitigt.
j = 70 %
0,4 ❐ Die Schweißschmelze (und die Schweiß-
j = 50 %
schlacke!) ist sehr »zähflüssig«, ihr Ausga-
0,2 sen daher prinzipiell erschwert. Häufig
j = 35 %
müssen – vor allem bei Schweißungen in
0
0 1 2 3 4 5 6 7 Tage 8
Zwangslage – größere Öffnungswinkel bei
Auslagerzeit t der Nahtvorbereitung gewählt werden.
Für V-Nähte wird z. B. oft ein Öffnungswin-
Bild 4-44
kel von etwa 70 ’C angewendet.
Einfluss der Auslagerzeit t auf die Wasseraufnahme
einer basisch-umhüllten Stabelektrode bei 18 ’C und ❐ Die reinbasische Elektrode muss am Plus-
unterschiedlicher relativer Feuchtigkeit j der Luft, pol der Schweißstromquelle verschweißt
nach Weyland. werden.
344 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

❐ Die Schweißer müssen diese Besonderhei- 4.2.3.1.4 Bedeutung des Wasserstoffs


ten kennen und beachten. Sie sind sorgfäl- Atomarer Wasserstoff setzt neben Stickstoff
tig in die spezielle Arbeitstechnik einzuwei- die (Kerbschlag-)Zähigkeit der Metalle schon
sen. Die Schweißnähte sind öfter und sorg- in geringsten Mengen am stärksten herab.
fältiger zu kontrollieren. Einige ppm sind für diese extrem schädigen-
de Wirkung schon ausreichend. Seine zähig-
Zellulose-umhüllte Stabelektroden (C) 39) keitsvermindernde Wirkung beruht auf der
Diese Stabelektroden enthalten einen hohen Abnahme der Kohäsion in der plastisch ver-
Anteil an verbrennbaren Substanzen (Zel- formten Zone vor Rissen und Kerben bzw.
lulose). Sie werden nahezu ausschließlich für anderen rissähnlichen Defekten (Abschn.
Schweißarbeiten in Fallnahtposition verwen- 3.5.1.6, S. 276). Vor allem bei den hochfesten
det. Hierfür muss die Elektrode, die zum Kon- vergüteten (Feinkorn-)Baustählen führt Was-
ditionieren des Lichtbogens eine bestimmte serstoff zu den gefürchteten wasserstoffin-
Feuchtemenge in der Umhüllung erfordert duzierten Kaltrissen, Abschn. 4.3.3.
(Behälter sind luftdicht verlötet!), die folgen-
den Anforderungen erfüllen: Für die basisch-umhüllten Stabelektroden
– Die Menge der entstehenden Schlacke muss garantieren die Hersteller einen Wasserstoff-
gering sein, weil die in Schweißrichtung gehalt  5 ml/100 g Schweißgut. Das DVS-
vorlaufende Schlacke den Schweißprozess Merkblatt 0504 (s. auch DVS-Merkblatt 0957)
empfindlich stören würde. vereinheitlicht und regelt das Verschweißen
– Wegen der großen Schweißgeschwindig- und Trocknen der basisch-umhüllten Stab-
keit sollte der Einbrand möglichst tief elektroden. Die Kenntnis der möglichen Was-
sein, weil die Blechkanten sicher aufge- serstoffquellen und ihre zuverlässige Besei-
schmolzen werden müssen, um Wurzelfeh- tigung ist die Voraussetzung für eine kalt-
ler zu vermeiden. rissfreie Schweißverbindung.

Als Folge der erreichbaren großen Schweiß- Die wichtigsten Wasserstoffquellen, die beim
geschwindigkeit und Abschmelzleistung erge- Schweißen zu beachten sind, werden im Fol-
ben sich wesentliche wirtschaftliche Vortei- genden beschrieben:
le. Das Verarbeiten dieser stark spritzenden, – Wasserstoffverbindungen in der Umhül-
große Mengen Qualm und Rauch entwickeln- lung, die bei der Fertigungstrocknung nicht
den Elektroden ist aber lästig und unbequem. entfernt werden können. Vor allem ist hier
Außerdem muss der Schweißer zum Erler- das Bindemittel Wasserglas zu nennen.
nen der schwierigen manuellen Technik be- Diese Wasserstoffverbindungen erzeugen
sonders geschult werden. Zellulose-umhüllte den für die jeweilige Stabelektrode umhül-
Elektroden werden vorzugsweise für Wurzel- lungstypischen Grundwasserstoffgehalt
schweißungen von Rohrleitungen eingesetzt, der Umhüllung. Nach dem DVS-Merkblatt
vor allem beim Verlegen von Pipelines. 0504 wird dieser als Ausgangsfeuchtig-
keit der Stabelektrode bezeichnet. Die Aus-
Bild 4-45 zeigt in einer Zusammenfassung gangsfeuchtigkeit ist der Wassergehalt
das Verhalten beim Schweißen und die wich- der Umhüllung unmittelbar vor dem Verpa-
tigsten Eigenschaften der A-, R- und B-Stab- cken der Elektroden.
elektroden. – Die Umgebungsfeuchtigkeit, die von dem
Wasserstoffpartialdruck, d. h. von der re-
Die Umhüllungstypen, eingeteilt nach Zugfes- lativen Feuchte und der Temperatur der
tigkeit und Kerbschlagarbeit von 27 J, ge- umgebenden Luft abhängig ist. Sie wird
mäß DIN EN ISO 2560, Systematik »B«, sol- je nach der Beschaffenheit der Umhül-
len lediglich anhand Tabelle 4-5 mitgeteilt lung zeitabhängig in die Umhüllung aufge-
werden. Für genauere Hinweise sei auf die nommen und kann durch mangelnde Hand-
DIN-Norm verwiesen, Abschn. 4.2.3.1.5. fertigkeit oder/und Unachtsamkeit des
Schweißers auch in den Lichtbogenraum
39)
englisch: cellulose; Zellulose. eindringen.
Stabelektrodentyp sauer-umhüllt (A) rutil-umhüllt (R) basisch-umhüllt (B)

Merkmal

Lichtbogenatmosphäre Gehalt an freiem und gebundenem O annähernd neutral neutral bis reduzierend
sehr groß.

Abbrand der Legierungs- Desoxidationsmittel (Mn, Si) nahezu geringfügig, für legierte Elektroden klein, aber Verlust durch Verdamp-
elemente: vollständig: » Manganfresser« , daher gut geeignet. fen, Spritzer. Für legierte Elektroden
grundsätzlich nicht für legierte Elek- daher gut geeignet.
Me + O MeO Q V troden geeignet.

Schmelzenviskosität sehr groß durch zusätzliche Verbren- geringer bis größer, abhängig vom am geringsten, weil QV sehr gering.
nungswärme QV. Sauerstoffgehalt im Lichtbogenraum.

Tropfengröße sehr klein, sprühregenartiger Werk- mittel bis groß, abhängig von Um- groß, grobtropfiger Werkstoffübergang
stoffübergang (» heißgehende« Elekt- hüllungsdicke und Schmelzenvisko- ( » kaltgehend« ).
rode). sität.

mechanische Gütewerte schlechter, weil im Schweißgut der gut bis sehr gut, die mit B-Elektro- am besten, Übergangstemperatur des
Gehalt an O, N, H und silicatischen den möglichen Gütewerte in keinem Schweißgutes bis - 70 ° C, Wasser-
Schlacken größer ist als bei jeder an- Fall erreichbar. stoffgehalte im Schweißgut < 5 ppm
deren Elektrodenart. leicht erreichbar.

Besonderheiten mit hohem Strom schweißen; sehr in allen Umhüllungsdicken (d, m, s) Trocknen mind. 250 ° C/2h erforder-
glatte, feingezeichnete Nahtoberflä- lieferbar, d. h. breites Spektrum der lich; Lichtbogen kurz, Elektrode steil
che, aber wegen schlechterer mecha- mechanischen Eigenschaften und halten; kann meist nur mit Gleich-
nischer Gütewerte nur für unterge- des Verschweißbarkeitsverhaltens; strom am Pluspol verschweißt wer-
ordnete Schweißkonstruktionen an- sehr leichtes Wiederzünden; für alle den; i. Allg. nicht für Fallnaht ver-
wendbar; schlechter für Zwangsla- Positionen möglich; universellste wendbar; große manuelle Anforde-
gen geeignet; Nahtübergänge ker- Stabelektrode. rung erfordert besondere Ausbildung
benfrei. des Schweißers.
Abschn. 4.2: Zusatzwerkstoffe und Hilfsstoffe zum Schweißen unlegierter Stähle ...

Bild 4-45
345

Vergleichende Übersicht einiger Eigenschaften der wichtigsten Stabelektrodentypen, schematisch.


346 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Tabelle 4-5
Umhüllungstypen von Stabelektroden, Einteilung nach Zugfestigkeit und Kerbschlagarbeit von 27 J (Auswahl).

Umhüllungstyp Eigenschaften der Umhüllung

Diese Stabelektroden enthalten ein Gemisch aus Titandioxid (Rutil) und Calciumcarbonat (Kalk), so
03 dass sie einige charakteristische Eigenschaften von rutil-umhüllten Stabelektroden und einige
basisch-umhüllter Stabelektroden besitzen. Siehe Umhüllungstyp 13 und 16.
Diese Stabelektroden enthalten in der Umhüllung einen hohen Anteil an verbrennbaren organischen
Substanzen, insbesondere Zellulose. Auf Grund ihres intensiven Lichtbogens eignen sie sich besonders
10 für das Schweißen in Fallposition. Der Lichtbogen wird vorwiegend mit Natrium stabilisiert, so dass
die Stabelektroden überwiegend für das Schweißen mit Gleichstrom geeignet sind, üblich ist positive
der Elektrodenpolung.
Diese Stabelektroden enthalten in der Umhüllung einen hohen Anteil an verbrennbaren organi-
schen Substanzen, insbesondere Zellulose. Auf Grund ihres intensiven Lichtbogens eignen sie sich
11 besonders für das Schweißen in Fallposition. Der Lichtbogen wird vorwiegend mit Kalium stabi-
lisiert, so dass die Stabelektroden für das Schweißen sowohl mit Wechsel- als auch mit Gleichstrom,
Elektrode positiv, geeignet sind.
Diese Stabelektroden enthalten in der Umhüllung einen hohen Anteil von Titandioxid (üblicherweise in
12 Form des Minerals Rutil). Auf Grund ihres weichen Lichtbogens sind sie zum Überbrücken breiter
Spalte bei schlechter Nahtvorbereitung geeignet, d. h. gute Zwangslagenverschweißbarkeit.
Diese Stabelektroden enthalten in der Umhüllung hohe Anteile von Titandioxid (Rutil) und Kalium.
13 Sie besitzen bei niedrigerer Schweißstromstärke im Vergleich zu Stabelektroden des Umhüllungs-
typs 12 einen weichen, ruhigen Lichtbogen und sind besonders für dünne Bleche geeignet.
Diese Stabelektroden enthalten in der Umhüllung hohe Anteile von Titandioxid (Rutil) und Kalium.
14 Sie besitzen bei niedrigerer Schweißstromstärke im Vergleich zu Stabelektroden des Umhüllungs-
typs 12 einen weichen, ruhigen Lichtbogen und sind besonders für dünne Bleche geeignet.
Diese Stabelektroden besitzen eine hochbasische Umhüllung, die zu großen Teilen aus Kalk und
Flussspat besteht. Der Lichtbogen wird hauptsächlich durch Natrium stabilisiert; sie sind in der Re-
15
gel nur zum Schweißen mit Gleichstrom (+) geeignet. Sie liefern ein Schweißgut hoher metallurgi-
scher Güte mit einem niedrigen Gehalt an diffusiblen Wasserstoff.
Diese Stabelektroden besitzen eine hochbasische Umhüllung, die zu großen Teilen aus Kalk und
Flussspat besteht. Die Lichtbogenstabilisierung durch Kalium macht sie zum Schweißen mit Wech-
16
selstrom geeignet. Sie liefern ein Schweißgut hoher metallurgischer Güte mit einem niedrigen Gehalt
an diffusiblen Wasserstoff.
Die Umhüllung dieser Stabelektrode enthält Titan- und Eisenoxide, üblicherweise vereint im Mineral
19 Ilmenit. Obwohl sie nicht basisch-umhüllt sind, d. h. einen niedrigen Wasserstoffgehalt liefern, erge-
ben sie ein Schweißgut mit einer relativ hohen Zähigkeit.
Die Umhüllung dieser Stabelektrode enthält hohe Anteile an Eisenoxid. Die Schlacke ist sehr
20 dünnflüssig, so dass im Allgemeinen das Schweißen nur in waagrechter und horizontaler Position
möglich ist. Die Stabelektroden sind in erster Linie für Kehl- und Überlappnähte vorgesehen.
Diese Stabelektroden besitzen eine Umhüllung wie der Umhüllungstyp 14, aber die Umhüllung ist di-
24 cker und weist einen höheren Gehalt an Eisenpulver auf. Sie sind im Allgemeinen zum Schweißen
nur in waagrechter und horizontaler Position geeignet, hauptsächlich für Kehl- und Überlappnähte.
Diese Stabelektroden besitzen eine Umhüllung wie der Umhüllungstyp 20, aber ihre Umhüllung ist
dicker und besitzt hohe Anteile an Eisenpulver zusätzlich zum Eisenoxid des Umhüllungstyps 20.
27
Stabelektroden des Umhüllungstyps 27 sind zum Schweißen von Kehl- und Überlappnähten mit
hoher Geschwindigkeit vorgesehen.
Diese Stabelektroden besitzen eine Umhüllung wie der Umhüllungstyp 18, aber ihre Umhüllung ist
dicker und enthält mehr Eisenpulver. Dadurch ist ihre Anwendung im Allgemeinen auf die waage-
28
rechte und horizontale Schweißposition beschränkt. Sie ergeben ein Schweißgut hoher metallurgi-
scher Güte mit niedrigem Gehalt an diffusiblem Wasserstoff.

Die Gesamtfeuchtigkeit der Umhüllung ist – Ziehfette (z. B. Schweißstäbe, Drahtelekt-


die Summe aus Ausgangsfeuchtigkeit und roden), und andere Kohlenwasserstoff-
Umgebungsfeuchtigkeit. Wasserstoff kann verbindungen (z. B. Öle, Fettkreiden).
auch durch zahlreiche äußere Quellen in – Wasserstoff aus der Verkupferung bzw.
das Schmelzbad gelangen, z. B. durch: Vernickelung der Drahtelektroden.
Abschn. 4.2: Zusatzwerkstoffe und Hilfsstoffe zum Schweißen unlegierter Stähle ... 347

Für basisch-umhüllte Elektroden erweist es Diese ist wesentlich weniger fest an die Um-
sich als notwendig, die Neigung der Umhül- hüllung gebunden als die chemisch gebundene
lung zu definieren, während der Lagerung Ausgangsfeuchtigkeit und wird z. T. während
Feuchtigkeit aufzunehmen. Der Grad der Was- des Schweißens durch Widerstandserwärmung
seraufnahmefähigkeit wird Feuchteresistenz aus der Umhüllung ausgetrieben, ehe sie das
genannt. Die Vorschriften für ihre Ermitt- Schweißgut schädigen kann.
lung sind in DIN EN ISO 14372 genormt.
Sie wird durch die Zeit bestimmt, innerhalb Die über den Lichtbogen praktisch immer
der die Elektrode während der Lagerung in eindringende Feuchtigkeit ist in hohem Ma-
definierten Befeuchtungsräumen eine be- ße von der Lichtbogenlänge, also der Schweiß-
stimmte Wasserstoffaufnahme nicht über- spannung abhängig.
schreitet. Je größer diese Zeitspanne ist, des-
to unkritischer verhält sich diese Elektrode Bei der Entwicklung der extrem wasserstoff-
bei einer nicht vorschriftsmäßigen Lagerung/ armen Elektroden sind einige physikalische
Trocknung durch den Verarbeiter. Hinweise Gesetzmäßigkeiten zu beachten. In erster Li-
auf die Eigenschaften und Verarbeitung der nie ist zu berücksichtigen, dass der Einfluss
feuchteresistenten Elektroden gab das DVS- der Umgebungsfeuchtigkeit umso größer ist,
Merkblatt 0944 (ersatzlos zurückgezogen!). je niedriger der zu messende Wasserstoffge-
halt im Schweißgut ist. Die Messung des auf-
Die qualitätsbestimmenden Eigenschaften genommenen Wasserstoffs für nur ein »Norm-
basisch-umhüllter Stabelektroden hinsicht- klima« ist daher nicht ausreichend. Für alle
lich des Wasserstoffs sind demnach: Schweißarbeiten unter anderen klimatischen
– Der Gehalt an diffusiblem Wasserstoff im Bedingungen müssen die von der Luftfeuchte
Schweißgut. Der Wasserstoffgehalt wird abhängigen – meistens größeren –Wasser-
nach DIN EN ISO 3690 bestimmt. stoffgehalte bekannt sein. Schweißungen z.
– Die Feuchteresistenz der Umhüllung. B. an Konstruktionen im Offshorebereich
oder in anderen Gebieten mit hoher Luftfeuch-
Aufgrund neuerer Entwicklungen auf dem tigkeit sind Beispiele für extreme klimati-
Gebiet der Stahlherstellung (vergütete Fein- sche Bedingungen.
kornbaustähle!) besteht der Wunsch, Elekt-
roden mit Wasserstoffgehalten  3 ml/100 g Der Wasserstoffgehalt in mit basisch-umhüll-
Schweißgut zur Verfügung zu haben. ten Stabelektroden hergestellten Schweißgü-
tern setzt sich aus einem umhüllungstypi-
Die Vorteile dieser extrem wasserstoffarmen schen konstanten Anteil H0 und dem luftfeuch-
Elektroden sind: teabhängigen Anteil HL zusammen. HL ist
– Keine (bzw. geringe) Vorwärmung. nach dem Sievertsschen Gesetz:
– Kein Rücktrocknen der Elektroden, wenn E ⋅ pH O .
Verpackungen zur Verfügung stehen, die 2

keine Feuchtigkeit durchlassen. H0 und E sind konstant und nur von der Art
– Kein Rücktrocknen der Elektroden erfor- der Stabelektrodenumhüllung abhängig. Da-
derlich, da sie Feuchtigkeit aus der Atmo- mit ergibt sich:
sphäre nur langsam aufnehmen können. Hges = H0 + E ⋅ pH O . [4-10]
Damit entfällt die Notwendigkeit, für die 2

rückgetrockneten Elektroden beheizte Hges hängt nach Gl. [4-10] also nur vom Was-
(aufwändig, unwirtschaftlich) Köcher zur serdampfpartialdruck pH O ab.
2
Verfügung stellen zu müssen.
Sehr anschaulich lässt sich der Gehalt des
Bei gleicher Umhüllungsfeuchtigkeit ( Ge- diffusiblen Wasserstoffs im Schweißgut als
samtfeuchtigkeit) hat die Ausgangsfeuchtig- Funktion der Luftfeuchte mit dem von Ruge
keit einen größeren Einfluss auf den Wasser- entwickelten Schaubild vorhersagen, Bild 4-
stoffgehalt des Schweißguts als die durch ka- 46. Im Teilbild a ist der Wasserdampfpar-
pillare (adsorptive) Kräfte aufgenommene. tialdruck in Abhängigkeit von der Tempera-
348 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

tur aufgetragen mit der relativen Luftfeuch- nannten Zusammenhang, wonach mit abneh-
tigkeit als Parameter. Zum Bestimmen der mendem Wasserstoffgehalt im Schweißgut
den entsprechenden Kurven zugehörenden der Einfluss der Umgebungsfeuchtigkeit
Partialdrücken ist die Kenntnis des tempera- stark zunimmt, weil die Neigung der Linien
turabhängigen Sättigungsdrucks ps (hPa) er- konstanten diffusiblen Wasserstoffgehalts
forderlich. Aus der Beziehung für die relati- hier wesentlich größer ist. Daraus ergeben
ve Luftfeuchtigkeit j: sich wichtige, manchmal nicht genügend be-
pH O achtete Konsequenzen beim Verschweißen
j = p2 ◊ 100 in %. [4-11] sehr wasserstoffarmer basisch-umhüllter
s
Elektroden in vom Herstellort der Elektro-
ergibt sich der Wasserstoffpartialdruck zu de abweichenden Gegenden.
j ◊ ps
pH O = in hPa. Die Möglichkeit der Wasseraufnahme (Ad-
2
100 sorption) von Stabelektroden durch Unter-
Für den in Bild 4-46 eingetragenen »Klima- schreiten des Taupunktes 40) wird häufig unter-
punkt« ➊ (j 60 %, T 20 ’C) wird z. B. schätzt. Dies gilt vor allem unter Baustellen-
bedingungen. Bei den in Bild 4-46 angegebe-
60 ⋅ 23,33 nen klimatischen Bedingungen j 60 % und
pH O = = 14,00 hPa, d.h.
2
100 T 20 ’C beginnt die Kondenswasserbildung
auf den Elektroden bei Temperaturen unter
pH O = 3,74 hPa.  12 ’C. Sie dürfen daher z. B. nicht in der
2
Nacht bei den oft stark abnehmenden Tempe-
Bild 4-46b zeigt sehr deutlich den oben ge- raturen im Freien gelagert werden.
relative Luftfeuchte j in %: 100
8 90
80
hPa
7 70
pH O

60
2

50 B
6 2
Wasserdampfpartialdruck

40
5
30

4 20
1 A

3
10

0 10 20 30 ° C 40 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Temperatur T Wasserstoff (diffusibel) im Schweißgut in ml /100 g
a) b)

Bild 4-46
Abhängigkeit des diffusiblen Wasserstoffgehalts im Schweißgut von der relativen Luftfeuchte j, nach Ruge.
a) Bei dem Ausgangsklima ➊, gekennzeichnet durch das Wertepaar j = 60 %, T = 20 ’C, wird im Schweißgut
ein Wasserstoffgehalt von H0 = 4,3 ml/100 g gemessen (nicht etwa berechnet oder angenommen!). Diese Wer-
te ergeben
b) den Klimapunkt A. Der Wasserstoffgehalt im Schweißgut für geänderte klimatische Bedingungen (mit der
gleichen Elektrode wird an einem anderen Ort geschweißt!), gekennzeichnet durch das Klima ➋ (j = 80 %
und T = 30 ’C) beträgt dann 6 ml/100 g, Punkt B. Dieser Wert kann beim Schweißen der empfindlichen
vergüteten Stählen bereits zur Bildung der wasserstoffinduzierten Kaltrisse führen.
Abschn. 4.2: Zusatzwerkstoffe und Hilfsstoffe zum Schweißen unlegierter Stähle ... 349

Tabelle 4-6
Kennziffern für Streckgrenze, Festigkeit und Dehnung des reinen Schweißguts, nach DIN EN ISO 2560.

Kennziffer Mindeststreckgrenze 1) Zugfestigkeit Mindestdehnung 2)

2 2
N/mm N/mm %
35 355 440 bis 570 22
38 380 470 bis 600 20
42 420 500 bis 640 20
46 460 530 bis 680 20
50 500 560 bis 720 18
1)
Es gilt die untere Streckgrenze (Rel). Bei nicht ausgeprägter Streckgrenze ist die 0,2%-Dehngrenze
(Rp0.2) zu wählen.
2)
L0 = 5 ⋅ d.

4.2.3.1.5 Normung der umhüllten Teil 1


Stabelektroden Schweißverfahren, Schweißzusatz.
Die DIN EN ISO 2560 ist unter Anwendung
des sog. Kohabitationsprinzips (lat.: co habe- E Lichtbogenhandschweißen,
re zuammenwohnen; ungeschickte Wort- G Metall-Schutzgasschweißen,
wahl, denn »Kohabitation« ist auch die älte- T Schweißen mit Fülldrahtelektroden,
re Bezeichnung für Geschlechtsverkehr!) er- W Wolfram-Inertgasschweißen,
arbeitet worden. Hierbei werden für densel- S Unterpulverschweißen.
ben Gegenstand der Normung zwei Merk-
malbeschreibungen »A« und »B« festgelegt. Teil 2
Die Einteilung nach dem System »A« ent- Mechanische Eigenschaften des Schweißguts
spricht dabei weitgehend den europäischen bzw. der Legierungstyp.
Festlegungen, d. h. im Wesentlichen der Vor-
gängernorm DIN EN 499. Die Einteilung Die Festigkeitseigenschaften werden durch
nach dem System »B« beruht überwiegend die Mindeststreckgrenze des Schweißguts
auf Normen, die im Pazifikraum gelten. Im gekennzeichnet. Jedem Mindeststreckgren-
Folgenden werden überwiegend die Festle- zenwert ist ein »erlaubter« Festigkeitsbereich
gungen des europäischen Systems »A« be- und eine Mindestdehnung zugeordnet, Ta-
schrieben. Nur in Einzelfällen (vorwiegend belle 4-6.
für Vergleichszwecke) werden Hinweise zur
Merkmalbeschreibung »B« gegeben. Schweißzusätze, die für das Einlagen- bzw.
Lagen/Gegenlagen-Schweißen geeignet sind,
Das in Abschn. 4.2.1 skizzierte Konzept des werden durch ein Symbol gekennzeichnet,
europäischen Normungssystems sieht für das sich auf die Mindeststreckgrenze des
alle Lichtbogen-Schweißverfahren einen ein- Stahles bezieht, für den der Zusatzwerkstoff
heitlichen Aufbau der Bezeichnungsweise geeignet ist.
vor. Es besteht aus vier Teilen:
Die Kerbschlagzähigkeit des Schweißguts
wird wegen der ständig zunehmenden Anfor-
40)
Wird ein ungesättigtes Gas-Dampf-Gemisch bei derungen an die Zähigkeitseigenschaften
konstantem Gesamtdruck abgekühlt, dann bleibt nur noch durch die der Kennziffer für 47 J ent-
auch der Partialdruck pD des Dampfes konstant. sprechenden Prüftemperatur angegeben, die
Bei einer bestimmten Temperatur TT – der Tau- Kennziffer für 28 J entfällt. Dieses »offene Sys-
punkttemperatur oder kurz Taupunkt – wird pD
gleich dem Sättigungsdruck ps. Das Gemisch ist
tem« kann für tiefere Temperaturen, z. B. für
gesättigt, und die Bildung des ersten Kondensats die erhöhten Anforderungen der hochfesten
beginnt. Stähle, beliebig erweitert werden, Tab. 4-8.
350 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Tabelle 4-7
Anforderungen an die mechanischen Gütewerte des reinen Schweißguts (Einteilung nach Zugfestigkeit
und Kerbschlagarbeit von 27 J, gemäß Systematik »B« nach DIN EN ISO 2560 (Auswahl).

Temperatur für die Mindest-


Einteilung Zugfestigkeit Rm 1) Streckgrenze R p0,2 1) Bruchdehnung A5 1)
Kerbschlagarbeit 2)

N/mm2 N/mm2 % °C

E4303 430 330 20 0


E4310 430 330 20 − 30

E4311 430 330 20 − 30


E4312 430 330 16 NS
E4318 430 330 20 − 30
E4319 430 330 20 − 20
E4320 430 330 20 NS
E4324 430 330 16 NS
E4340 430 330 20 0
E4903 490 400 20 0
E4912 490 400 16 NS
E4916 490 400 20 − 30
E4919 490 400 20 − 20
E4924 490 400 16 NS
E4927 490 400 20 − 30
E4928 490 400 20 − 30
E5728 570 490 16 − 20
E4927-1M3 490 400 20 NS
E5517-3M3 550 460 17 − 50
E4916-N1 490 400 20 − 40
E4916-N2 490 400 20 − 40
E5516-3N3 550 460 17 − 50
E5518-N5 550 460 17 − 60
E5717-NC 570 490 16 0
E4903-CC 490 390 20 0
E5716-CC 570 490 16 0
E4903-NCC 490 390 20 0
E4903-NCC1 390 390 20 0
E4918-NCC2 490 420 20 − 20
1)
Einzelwerte sind Mindestwerte.
2)
NS = keine Vorgabe (Not Specified).

Teil 3 – Schutzgas zum Metallschutzgas-Schwei-


Die mit dem jeweiligen Zusatzwerkstoff ver- ßen,
wendeten Schweißhilfsstoffe. – Füllung und (oder) das Schutzgas beim
– Die Art der Umhüllung (chemische Wirk- Fülldrahtschweißen,
samkeit) der Stabelektrode, – Schweißpulver beim UP-Schweißen.
Abschn. 4.2: Zusatzwerkstoffe und Hilfsstoffe zum Schweißen unlegierter Stähle ... 351

Teil 4 nem Schweißgut im nicht wärmebehandelten


Kennziffer für erforderliche zusätzliche An- Zustand ermittelt. Die Gütewerte des Schweiß-
gaben. guts sollen denen des Grundwerkstoffs ent-
sprechen. Selbst bei völliger Übereinstim-
Je nach Schweißzusatz werden unterschied- mung der Gütewerte des Proben-Schweiß-
liche Eigenschaften beschrieben, z. B. Hin- guts und des Schweißguts in den Nähten des
weise über das Ausbringen und die Strom- Bauteils ist ein Versagen des Bauteils aus
eignung (Stabelektroden) oder Angaben über folgenden Gründen nicht auszuschließen:
den Drahtelektrodentyp als Bestandteil der – Schweißfehler (z. B. Risse, Kerben, Binde-
bezeichneten Draht/Schutzgas- oder Draht/ fehler) sind z. T. nicht bekannt und auch
Pulverkombination. mit Hilfe einer noch so hochwertige Schweiß-
nahtausführung nicht vollständig vermeid-
Die bisher gültige DIN EN 499 wurde 2006 bar und prüftechnisch auch nicht vollstän-
durch die DIN EN ISO 2560 ersetzt. Diese dig aufdeckbar.
Norm legt die Anforderungen fest zur Eintei- – Aussagen über die Eigenschaften der Wär-
lung umhüllter Stabelektroden und des (rei- meeinflusszone sind nicht möglich.
nen) Schweißgutes im Schweißzustand und – Die für die Bauteilsicherheit entscheidende
nach einer Wärmenachbehandlung für das Werkstoffzähigkeit ist keine Konstante,
Lichtbogenhandschweißen von unlegierten sondern hängt von der Werkstückdicke,
Stählen und von Feinkorn(-bau)stählen mit d. h. im Wesentlichen vom Eigen- und
einer Mindeststreckgrenze bis zu 500 N/mm2 vom Lastspannungszustand ab.
oder mit einer Mindestzugfestigkeit bis zu – Die Art des Nahtaufbaus (Einlagen-, Mehr-
670 N/mm2. Mit ihrer Hilfe wird die Auswahl lagentechnik), abweichende Zusatzwerk-
und Anwendung erleichtert und ein rationel- stoffe und Wärmebehandlungen werden
les Abschätzen der Qualität der Schweißver- nicht berücksichtigt.
bindung und z. T. der Wirtschaftlichkeit (z.
B. Ausbringung nach DIN EN 22401 festge- Die Bezeichnungen nach DIN EN ISO 2560
stellt) der Stabelektrode ermöglicht. (DIN EN 499) sind aussagefähiger und anwen-
derfreundlicher. Im Folgenden werden über-
Die mechanischen Gütewerte werden an rei- wiegend die Merkmale nach dem Bezeich-
nungssystem »A« (europäische Festlegungen)
Tabelle 4-8 beschrieben. Hinweise zu System »B« kön-
Kennziffern der Kerbschlagarbeit des reinen Schweiß- nen der Originalnorm entnommen werden.
guts, nach DIN EN ISO 2560 (und DIN EN 757).

Kennbuchstabe/ Temperatur für Mindest- Die Bezeichnung besteht aus den folgenden
Kennziffer kerbschlagarbeit KV = 47 J Teilen (s. a. Abschn. 4.2.1).
°C – Kurzzeichen für das Schweißverfahren
(E Lichtbogenhandschweißen).
Z Keine Anforderung
– Kennziffer für die Festigkeit und Dehnung
A + 20
0 ±0 des Schweißguts, Tabelle 4-6. Die Anforde-
2 − 20 rungen an die mechanischen Gütewerte
3 − 30 des Schweißguts gemäß den Spezifikatio-
4 − 40 nen nach DIN EN ISO 2560, Systematik
5 − 50 »B« zeigt z. B. Tabelle 4-7.
6 − 60
– Kennziffer für die Mindestkerbschlagar-
7 − 70 1) beit (KV) des Schweißguts, Tabelle 4-8.
8 − 80 1) – Kurzzeichen für die chemische Zusammen-
9 − 90 1)
setzung des Schweißguts, Tabelle 4-9.
10 − 100 1)
– Kurzzeichen für die Art der Umhüllung,
1)
Die Werte gelten für die erhöhten Anforderun- die mit Hilfe der folgenden z. T. schon be-
gen an die Stabelektroden nach DIN EN 756 bzw. kannten Buchstaben bzw. Buchstaben-
DIN EN 757 (hochfeste Stähle, s. Abschn. 4.3.3).
gruppen gebildet werden:
352 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Tabelle 4-9 A sauer-umhüllt


Kurzzeichen für die chemische Zusammensetzung des Schweiß- C zellulose-umhüllt
guts mit Mindeststreckgrenzen bis zu 500 N/mm2, nach
DIN EN ISO 2560.
R rutil-umhüllt
RR dick-rutil-umhüllt
Legierungs- Chemische Zusammensetzung % 1) RC rutil-zellulose-umhüllt
kurzzeichen RA rutil-sauer-umhüllt
Mn Mo Ni
RB rutil-basisch-umhüllt
kein 2,0 − − B basisch-umhüllt.
Mo 1,4 0,3 bis 0,6 −
MnMo 1,4 bis 2,0 0,3 bis 0,6 − – Kennziffer für Ausbringung (sie
ist abhängig von der Umhüllung)
1Ni 1,4 − 0,6 bis 1,2
2Ni 1,4 − 1,8 bis 2,6 und die Stromart, Tabelle 4-10.
3Ni 1,4 − 2,6 bis 3,8
Mn1Ni 1,4 bis 2,0 − 0,6 bis 1,2 – Kennziffer für die Schweißposi-
1NiMo 1,4 0,3 bis 0,6 0,6 bis 1,2 tion, die für eine Stabelektrode
empfohlen wird. Sie wird wie folgt
Jede andere vereinbarte chemische Zusam-
Z
mensetzung angegeben:
1: alle Positionen
1)
Falls nicht festgelegt: Mo < 0,2 %, Ni < 0,3 %, Cr < 0,2 %, 2: alle Positionen, außer Fallpo-
V < 0,08 %, Nb < 0,05 %, Cu < 0,3 %. sition
3: Stumpfnaht, Wannenposition;
Tabelle 4-10 Kehlnaht, Wannen-, Horizon-
Kennziffern für die Ausbringung und die Stromart, nach tal-, Steigposition
DIN EN ISO 2560.
4: Stumpfnaht, Wannenposition
Zusätziche Ausbringung Stromart 1) 5: wie 3, aber auch für Fallposi-
Kennziffer tion empfohlen.
%
1 < 105 Wechsel- und Gleichstrom – Kennzeichen für wasserstoffkon-
2 < 105 Gleichstrom trollierte Stabelektroden, gemäß
Tabelle 4-11. Zum Einhalten der
3 > 105 ≤ 125 Wechsel- und Gleichstrom
Wasserstoffgehalte, muss der Her-
4 > 105 ≤ 125 Gleichstrom
steller die empfohlene Stromart
5 > 105 ≤ 125 Wechsel- und Gleichstrom und die Trocknungsbedingungen
6 > 105 ≤ 125 Gleichstrom bekannt geben.
7 > 160 Wechsel- und Gleichstrom
Die (effektive) Ausbringung RE und
8 > 160 Gleichstrom
die Abschmelzleistung S sind nach
1)
Um die Eignung für Gleichstrom nachzuweisen, müs- DIN EN 22401 Kenngrößen, mit de-
sen die Prüfungen mit einer Leerlaufspannung von max. nen die Wirtschaftlichkeit der Stab-
65 V durchgeführt werden. elektrode beurteilt wird:
– Abschmelzleistung S mD /ts ,
Tabelle 4-11 – Ausbringung RE mD /mCE ¹100.
Kennzeichen für den diffusiblen Wasserstoffgehalt im Schweiß- mD Masse des aufgetragenen
gut, nach DIN EN ISO 2560.
Metalls,
Kennzeichen Wasserstoffgehalt im Schweißgut mCE Kernstabmasse in kg,
max. ts reine Schweißzeit in h.
cm3/100g Beispiel 4-2:
H5 5 Eine basisch-umhüllte Stabelektrode (B) für
das Lichtbogenhandschweißen (E), die ein
H10 10 Schweißgut mit einer Mindeststreckgrenze
von 460 N/mm2 (46) aufweist und für das
H15 15
eine Mindestkerbschlagarbeit von 47 J bei
Abschn. 4.2: Zusatzwerkstoffe und Hilfsstoffe zum Schweißen unlegierter Stähle ... 353

 30’C (3) erreicht wird. Das Schweißgut ist mit 1,1 % finieren) der Schmelze nur mit der in dem
Nickel legiert (1Ni). Die Stabelektrode kann mit Wech- massiven Schweißstab untergebrachten we-
sel- und Gleichstrom (5) für Stumpf- und Kehlnähte sentlich geringeren Desoxidationsmittelmen-
in Wannenposition (4) geschweißt werden und ist dick-
ge (z. B. Mn, Si) erfolgen muss. Während des
umhüllt mit einer Ausbringung von 140 % (5). Der Was-
serstoff darf 5 cm3/100 g im Schweißgut nicht über- Schweißens können daher keine »zusätzli-
schreiten (H5). Für diese Stabelektrode lautet der ver- chen« Reinigungsvorgänge ablaufen, wie sie
bindliche Teil der Normbezeichnung: z. B. beim Gasschweißen (reduzierende Zone),
E 46 3 1Ni B, der nicht verbindliche: beim Lichtbogenhandschweißen (Reaktio-
5 4 H5. nen der Umhüllungsbestandteile) oder beim
Die vollständige Bezeichnung, die auf Verpackungen UP-Schweißen (Draht-Pulverkombination)
und in den technischen Unterlagen (Datenblätter) des möglich sind, siehe Aufgabe 4-9, S. 486. Der
Herstellers angegeben ist, lautet: WIG-Schweißstab wird dem Schmelzbad wie
DIN EN ISO 2560 – E 46 3 1Ni B 5 4 H5. beim Gasschweißen mit Hand (d. h. strom-
los) zugeführt, Bild 4-47. Eine wassergekühl-
4.2.3.2 Schweißzusätze für das te WIG-Anlage zeigt Bild 4-48.
Schutzgasschweißen
Die metallurgische Qualität und damit die In der Handhabung ähnelt das WIG-Verfah-
mechanischen Eigenschaften des Schweiß- ren dem Gasschweißen, auch die Zusatzwerk-
guts werden außer von der chemischen Zu- stoffe sind äußerlich gleich. Allerdings ent-
sammensetzung des Grund- und Zusatzwerk- halten die Gasschweißstäbe wegen der redu-
stoffs, der Aufmischung, den Einstellwerten, zierenden Zone in der Gasflamme (CO, H2)
der Art des Lagenaufbaus (Einlagen-, Mehr- eine deutlich geringere Desoxidationsmittel-
lagen- Zugraupentechnik), einer evtl. Wärme- menge als die für den gleichen Werkstoff ver-
vor- und Wärmenachbehandlung auch in er- wendeten WIG-Schweißstäbe. Diese können
heblichem Umfang von der Art des Schutzga- daher bei gleichen Legierungssystemen nor-
ses, d. h. von dessen chemischen (Abbrand malerweise zum Gasschweißen ohne Proble-
als Folge der Schutzgasaktivität) und weite- me verwendet werden. Wegen der zu gerin-
ren physikalischen Eigenschaften (Viskosi- gen Desoxidationsmittelmenge entstünden
tät des Schweißbads, Tropfengröße, Art und im umgekehrten Fall Poren und andere metal-
Größe der auf die Tropfen einwirkenden Kräf- lurgische Probleme im Schweißgut, weitere
te) bestimmt. Einzelheiten s. Aufgabe 4-8, S. 485.

WIG-Schweißen
Der Schutz der Schmelze unter inerten Ga-
sen (Ar, He und deren Gemische) ist vollkom-
men, die metallurgische Qualität des Schweiß-
guts und die mechanischen Gütewerte sind
hervorragend. Unerwünschte Reaktionen je-
der Art sind nicht möglich, wenn alle Verun-
reinigungen (Rost, Farbe, Öl) im Schweißbe-
reich durch teure, d. h. unwirtschaftliche fer-
tigungstechnische Maßnahmen restlos besei-
tigt wurden. Bei Einhaltung der genannten
Bedingungen ist der »Edelgaslichtbogen« ei-
ne »reine« Wärmequelle ohne Dämpfe, Schla-
cken und sonstige Verunreinigungen. Der
Lichtbogen ist weitgehend frei von Turbulen-
zen, d. h. Lufteinbrüche sind unwahrschein-
lich. Ein geeigneter Zusatzwerkstoff und eine
fachgerechte Ausführung sind natürlich vo-
rausgesetzt. Außerordentliche Sauberkeit ist Bild 4-47
besonders wichtig, weil das »Reinigen« (Raf- Verfahrensprinzip des WIG-Schweißverfahrens.
354 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Tabelle 4-12
Chemische Zusammensetzung (Auswahl) der Stäbe und Drähte zum WIG-Schweißen von unlegierten Stählen
und Feinkornstählen, Einteilung nach Streckgrenze und Kerbschlagarbeit von 47 J, nach DIN EN ISO 636.

Kurz- Chemische Zusammensetzung (Prozent Massenanteil) 1)


zeichen
C Si Mn P S Mo Ni Sonstige
W0 Jede andere in dieser Norm nicht angegebene chemische Zusammensetzung.
W2Si 0,06 − 0,14 0,50 − 0,80 0,90 − 1,30 0,025 0,025 0,15 0,15 Cr ≤ 0,15
W3Si1 0,06 − 0,14 0,70 − 1,00 1,30 − 1,60 0,025 0,025 0,15 0,15 Cr ≤ 0,15
W4Si1 0,06 − 0,14 0,80 − 1,20 1,60 − 1,90 0,025 0,025 0,15 0,15 Cr ≤ 0,15
W2Ti 0,06 − 0,14 0,40 − 0,80 0,90 − 1,40 0,025 0,025 0,15 0,15 Τi ≤ 0,25
W3Ni1 0,06 − 0,14 0,50 − 0,90 1,00 − 1,60 0,020 0,020 0,15 0,80 − 1,50 Cr ≤ 0,15
W2Ni2 0,06 − 0,14 0,40 − 0,80 0,80 − 1,40 0,020 0,020 0,15 2,10 − 2,70 Cr ≤ 0,15
W2Mo 0,08 − 0,12 0,30 − 0,70 0,90 − 1,30 0,020 0,020 0,40 − 0,60 0,15 Cr ≤ 0,15
1)
Einzelwerte in der Tabelle sind Höchstwerte.

In Tabelle 4-12 sind die für das WIG-Schwei- Beispiel 4-3:


ßen der unlegierten Stähle und der Feinkorn- Bezeichnung eines Schweißgutes für das WIG-Schwei-
baustähle mit einer Mindeststreckgrenze bis ßen (W), mit einer Mindeststreckgrenze von 460 N/mm2
(46, Tabelle 4-7) und für das eine durchschnittliche
500 N/mm2 nach DIN EN ISO 636 genormten
Mindestkerbschlagarbeit von 47 J bei - 30 ’C (3, Ta-
Zusatzwerkstoffe (Drähte, Schweißstäbe) und belle 4-6) erreicht wird, hergestellt mit Schutzgas
die chemische Zusammensetzung der damit Argon I1, nach DIN EN ISO 14175., (es wird nur ein
hergestellten Schweißgüter aufgeführt. Die Schutzgas für die Einteilung verwendet, daher enthält
Norm bezeichnet Stäbe und Drähte mit Hil- die Normbezeichnung kein Kurzzeichen für das Schutz-
fe der Streckgrenze des (reinen) Schweißguts gas!), unter Verwendung des Stabes W3Si1 (Tabelle
4-12):
im Schweißzustand und legt die Anforderun-
gen für die Einteilung der Zusatzwerkstoffe Stab EN ISO 636 – W 46 3 W3Si1.
und des Schweißguts fest. Das Schweißgut Der Schweißstab kann auch einzeln als Produkt be-
wird gemäß DIN EN ISO 14175 mit dem zeichnet werden:
Schutzgas I1 hergestellt. Stab EN ISO 636 – W3Si1.

6
Schweißstromquelle Kühlwasser - Austritt 4

3 Steuerleitung
5
Elektronisch geregelte Kühlwasser - Eintritt
Stromquelle (= ) Schlauchpaket
2
7
Gleichrichter (= )
Transformator (l )

9 1
Schweißstab von
Hand zugeführt

8
inertes Schutzgas
Werkstück

1 Schweißbrenner 4 Impulsgenerator (nur f. Wechselstrom) 7 Schutzdrossel (zum Abschirmen der HF)


2 Magnetventil für Schutzgas 5 Wassermangelsicherung 8 Schutzkondensator (zum Abschirmen der HF)
3 Magnetventil für Kühlwasser 6 Siebkondensator (nur f. Wechselstrom) 9 Schutzgasflasche mit Druckminderer und Gasmengenmesser

Bild 4-48
Wassergekühlte WIG-Schweißanlage, schematisch. Die Positionen 7 und 8 sind nur erforderlich, wenn die
nicht mehr zugelassenen Hochfrequenz-Zündeinrichtungen verwendet werden.
Abschn. 4.2: Zusatzwerkstoffe und Hilfsstoffe zum Schweißen unlegierter Stähle ... 355

Die Art (inert/aktiv) und die Zusammenset-


zung (Art und Menge der Gasbestandteile)
der Schutzgase bestimmen ihr metallurgi-
sches (Abbrand, Menge der oxidischen Ein-
schlüsse bestimmen Erstarrungsbedingun-
gen, Wechselwirkung mit Grundwerkstoff)
und metallphysikalisches (Art des Werkstoff-
übergangs, Tropfengröße, -zahl, -viskosität,
Lichtbogenform) Verhalten. Daher müssen
diese Faktoren bei der Wahl des Schutzga-
ses zum Schweißen der verschiedenen Werk-
stoffe beachtet werden.

Die physikalischen und chemischen Eigen-


schaften der Schutzgase bestimmen den Bil-
dungsmechanismus des Lichtbogens und sein
Verhalten beim Schweißen. Tabelle 4-13 zeigt
wichtige Eigenschaften verschiedener zum
Schweißen verwendeter Schutzgase.

Die Ionisierungsspannung Ui ist ein Maßstab


für den Aufwand, ein Elektron aus dem neu-
Bild 4-49 tralen Atom zu entfernen. Mit abnehmender
Verfahrensprinzip der MSG-Schweißverfahren. Ui (z. B. Argon) wird das Zünden erleichtert
und die Stabilität des Lichtbogens erhöht.
Die große Ionisierungsspannung unter Heli-
MSG-Schweißen um erschwert das Zünden des deutlich weni-
Der mit konstanter Vorschubgeschwindigkeit ger stabil brennenden Lichtbogens.
geförderte Zusatzwerkstoff (Drahtelektrode)
wird im Lichtbogen unter einem extern zu- Die sehr geringe radiale Wärmeleitfähigkeit
geführten Schutzgas abgeschmolzen, s. Bild des Argon-Lichtbogens ist die Ursache für
4-49. Bild 4-50 zeigt eine wassergekühlte den durch das konzentrierte Plasma entstehen-
MSG-Schweißanlage. den tiefen, fingerförmigen primären Einbrand

A V

Kühlwasser - Austritt
2g 2f 2h
2 2e
Schweißstromquelle 2a 2d
Schlauchpaket
Elektronisch geregelte 2b
Stromquelle (= ) 2c
Kühlwasser - Eintritt
Gleichrichter (= )

1
inertes (MIG) oder aktives
(MAG) Schutzgas Vorschubeinrichtung

Werkstück

1 Schweißbrenner 2b Magnetventil für Kühlwasser 2e Drahtelektrode auf Rolle


2 Drahtvorschubgerät 2c Wassermangelsicherung 2f Drahtrichtrollen
2a Magnetventil für Schutzgas 2d Antrieb für Drahtvorschubrollen 2g Drahtzulauf-, Drahteinlaufdüse (2h)

Bild 4-50
Wassergekühlte MSG-Schweißanlage, schematisch.
356 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Tabelle 4-13
Physikalische Eigenschaften einiger für das Schutzgasschweißen verwendeter Schutzgase.

Gas Dichteρ1) Molare Ionisierungs- Reinheit Taupunkt Wärmeleit-


Masse M spannung Ui fähigkeit λ2)
kg/m3 g/mol eV Vol.-% °C W/(m•K)
Argon 1,784 39,95 15,7 99,995 − 60 0,018

Helium 0,178 4,00 24,5 99,99 − 50 0,15

Wasserstoff 0,090 2,016 13,5 99,5 − 50 0,18

CO2 1,978 44,01 14,4 99,7 − 35 0,016

Stickstoff 1,25 28,01 14,5 99,7 − 50 0,026

Sauerstoff 1,43 32,00 13,2 99,5 − 50 0,026


1)
Bei 273 K und 1001,3 hPa
2)
Bei 293 K

und den von der »Lichtbogenaureole« erzeug- gebenden Nahtfor men. Spezielle oder ge-
ten flachen und breiteren Sekundäreinbrand. wünschte Nahtformverhältnisse bzw. Einbrand-
Mit zunehmender radialer Wärmeleitfähigkeit formen lassen sich danach mit geeigneten Ga-
wird die Wärme gleichmäßiger über den Licht- sen bei Beachtung des zusätzlichen Einflus-
bogenraum verteilt, d. h., der Einbrand wird ses der Schweißparameter »konstruieren«.
tiefer. Diese Einbrandform ist für Helium, He-
lium-Argon und CO2-Argon charakteristisch. Mehratomige Gase, wie z. B. CO2, H2, wer-
Die Bilder 4-51 zeigen schematisch die sich den im Lichtbogen aufgespalten. Die hierfür
bei den einzelnen Gasen (Gasgemischen) er- erforderliche Dissoziationsenergie Q wird
dem Energievorrat des Lichtbogen entnom-
Argon:
vorwiegend für NE - Metalle: Al, men. Beim Auftreffen der Gasbestandteile
Mg, Cu, Ti; leichtes Zünden, sta- auf die relativ kühle Werkstückoberfläche
biler Lichtbogen, erzeugt tiefen,
fingerförmigen Einbrand. erfolgt die Rekombination der Gasatome. Die
Argon / Sauerstoff: freiwerdende Wärme vergrößert merk lich
O2 verbessert LB - Stabilität, ver-
ringert Oberflächenspannung, für die Einbrandtiefe.
legierte Stähle, aber Abbrand be-
Ar Ar + O2 achten.
Aktive oxidierende Gaskomponenten (z. B.
O2, CO2) brennen Legierungselemente ab, er-
Helium/Argon: höhen die Stabilität des Lichtbogens, ändern
hohe Wärmeleitfähigkeit erzeugt
tiefen Einbrand und erlaubt ho- den Werkstoffübergang und verringern erheb-
he Vorschubgeschwindigkeit be-
vor Porenbildung entsteht; für gro-
lich die Oberflächenspannung der Schweiß-
ße Querschnitte aus Al, Cu und schmelze. Die sehr große Anzahl der mikro-
Legierungen. Argon verändert ab-
hängig von Menge stark die Ein- skopisch kleinen, oxidischen Schlacken kann
He He + Ar brandform (Sekundäreinbrand). außerdem die Erstarrungsbedingungen ent-
scheidend beeinflussen, Abschn. 4.1.3.2.
Argon/CO2:
Für C- und niedriglegierte, kaum Beim MSG-Schweißen von Eisen-Werkstof-
für hochlegierte Stähle; bis 20 %
CO2 Sprühlichtbogen, über 18 %
fen unter inerten Gasen ergibt sich ein unru-
bis 20 % Kurzlichtbogen bei sehr higer zur Spritzerbildung neigender Lichtbo-
geringer Spritzerbildung, wenn
dünne Drahtelektroden (£ 1,2 mm) gen. Die Oberflächenspannung des Schweiß-
CO2 Ar + CO2 verwendet werden. guts ist extrem groß und die Benetzungsfä-
higkeit gering. Das Schweißgut ist dickflüs-
Bild 4-51
Einfluss der Schutzgase und Schutzgasgemische auf sig, porös, d. h. völlig unbrauchbar. Sauer-
die Nahtform von Verbindungen, die mit dem MSG- stoff- (1 % bis 15 %) und (oder) CO2-Zusätze
Verfahren geschweißt wurden, sehr vereinfacht. (bis 50 %) stabilisieren den Lichtbogen und
Abschn. 4.2: Zusatzwerkstoffe und Hilfsstoffe zum Schweißen unlegierter Stähle ... 357

verringern die Schmelzenviskosität so weit, schweißenden Werkstoffen muss daher die


dass die unlegierten (Kohlenstoff-)Stähle oh- Menge der aktiven Bestandteile im Schutz-
ne Probleme geschweißt werden können. Bei gas abnehmen. Daraus ergibt sich die wich-
hochlegierten Stählen lassen sich die Schmel- tige Erkenntnis, dass für eine optimale metal-
zenviskosität und damit die Größe der Werk- lurgische Qualität der Schweißverbindung
stofftröpfchen wesentlich wirksamer und me- eine auf die chemische Zusammensetzung
tallurgisch unbedenklicher mit der Impuls- des Grundwerkstoffes abgestimmte Zusatz-
lichtbogentechnik beeinflussen. werk stoff-Schutzgaskombination gewählt
werden muss. Einige Eigenschaften der wich-
Der Zusatz aktiver Gase (O2, CO2) führt vor tigsten Schutzgase und ihre Anwendungsbe-
allem zu einem Abbrand der sauerstoffaffi- reiche sind aus Tabelle 4-14 zu entnehmen.
nen Legierungselemente Me (Cr, Al, V, Mn,
Si) gemäß: Von großer Bedeutung für das Schweißver-
halten ist die Art des Werkstoffübergangs,
2◊ Me + O2 Æ 2 ◊ MeO.
der hauptsächlich bestimmt wird von dem
Mit zunehmendem Gehalt aktiver Gase wer- – Schutzgas, Tabelle 4-15 und 4-14, dem
den der Abbrandverlust und die Menge der – Schweißstrom und der
Reaktionsprodukte (MeO) im Schweißgut grö- – chemischen Zusammensetzung der Draht-
ßer. Ein Teil dieser (Mikro-)Schlacken bleibt elektrode.
im Schweißgut zurück und verringert insbe-
sondere die Zähigkeit. Gasförmige Reaktions- In Tabelle 4-15 sind der Werkstoffübergang
produkte können außerdem Poren erzeugen, und das Lichtbogenverhalten bei den MSG-
wenn sie nicht entweichen können. Der nega- Verfahren in Abhängigkeit vom verwende-
tiven Wirkung des Sauerstoffs muss daher ten Schutzgas aufgeführt. Tabelle 4-16 zeigt
durch ausreichende Zugaben von Desoxida- die für das MSG-Schweißen gebräuchlichen
tionsmitteln (Mn, Si) begegnet werden. Mit Schutzgase nach DIN EN ISO 14175 (DIN
zunehmender Legierungsmenge in den zu EN 439).
Tabelle 4-14
Anwendungsbereiche der wichtigsten Schutzgase beim MSG-Schweißen. Die Bezeichnungen in Klammern
entsprechen den Kurzbezeichnungen der Schutzgase nach DIN EN ISO 14175, Tabelle 4-16.

Chemisches Anwendung
Schutzgas
Verhalten

Al, Mg, Cu, Ti, (Ti nur I1) Ni und deren Legierungen sowie andere
Ar stark oxidierende Metalle. Hervorragend zum Schweißen der zähen,
inert
(I1, I2, I3) korrosionsbeständigen, Oxidschichten bildenden Metalle geeignet (»Rei-
nigungswirkung«): Al, Mg, Ti.
Ae-He Al, Mg, Cu, Ni und deren Legierungen. He erhöht Temperatur und ver-
inert
20/80 bis 50/50 größert Einbrand, erlaubt höhere Schweißgeschwindigkeiten, ohne
dass Einbrandkerben entstehen. Für hochlegierte Stähle geeignet,
1 % bis 3 % O2 wenn O2-Zusatz gering, wesentlich besser geeignet ist aber die Impuls-
oxidierend
(M13) technik.
Für Kurzlichtbogentechnik > 5 % CO2, für unlegierte Stähle 10 % bis 25 %
Ar-CO2
CO2 erforderlich. Standardgemisch ist Ar + 18 % CO2, in bestimmten Fäl-
(M11, M12, oxidierend
len auch für hochlegierte Stähle anwendbar, aber nur bei geringer
M21, M31)
Korrosionsbeanspruchung empfehlenswert.
Ar-CO2-O2 Mit CO2-Anteilen bis 15 % und O2-Anteilen bis 6 % für un- und (niedrig-)
(M23, M24, oxidierend legierte Stähle, auch FK-Stähle (Rp0.2 ≥ 500 N/mm2). Bei geringer Korro-
M33) sionsbeanspruchung auch für hochlegierte Stähle anwendbar.
Für die meisten unlegierten und viele (niedrig-)legierte Stähle sowie für
CO2 normalgeglühte und thermomechanisch behandelte Feinkornbaustähle
oxidierend
(C1)
geeignet, aber nicht für höhergekohlte Stähle.
358 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Tabelle 4-15
Werkstoffübergang und Lichtbogenverhalten beim MSG-Schweißen, abhängig von den verwendeten Schutzga-
sen, stark vereinfacht.

Art des Werkstoff- Bemerkungen


übergangs

He Helium: Schwach gerichteter Tropfenstrom, heißer Lichtbogen, Einbrand brei-


ter und flacher als bei Argon. Einbrandkerben entstehen erst bei einer um 40 %
höheren Schweißgeschwindigkeit im Vergleich zu Argon. Geeignet für mechani-
sche Schweißverfahren und größere Werkstückdicken. Gute Reinigungswirkung.

Argon: Stark gerichteter Tropfenstrom, kurzschlussfreier, feinsttropfiger Werk-


stoffübergang, typischer fingerförmiger Einbrand, daher Vorsicht bei Wurzel-
schweißungen (Schmelzbad kann »durchfallen«). Bei höherer Schweißgeschwin-
digkeit Neigung zu Einbrandkerben, weil Bereiche am Decklagenauslauf nicht
mehr mit Schmelzeaufgefüllt werden können. Beste Reinigungswirkung aller
Gase, stabiler, nicht zum »Wandern« neigender Lichtbogen, geringer Spannungs-
Ar abfall in der Lichtbogensäule, daher wegen annähernd konstanter Lichtbogenleis-
Einbrand- tung gut geeignet für Handschweißverfahren.
kerbe
Lichtbogenform Sprühlichtbogen:
Feinsttropfiger, kurzschlussfreier, wenig zum »Spritzen« neigender Werkstoff-
übergang durch überwiegenden Einfluss des Pinch-Effekts. Für viele Werkstoffe
geeignet, besonders für NE-Metalle.

Mischgase: Ar + CO2 + O2 Noch feintropfiger, kurzschlussfreier Werkstoffübergang, günstige Einbrand-


form, gut geeignet zum Schweißen un- und (niedrig-)legierter Stähle. Aktive Be-
standteile (CO2, O2) im Lichtbogenraum bewirken Legierungsabbrand. Draht-
elektroden müssen daher entsprechend legiert und desoxidiert sein. Nicht ge-
eignet zum Schweißen hochlegierter Stähle und NE-Metalle (Sauerstoff!).

Lichtbogenform Sprühlichtbogen

CO2 Wenig gerichteter, grobtropfiger Werkstoffübergang durch überwiegende Wir-


kung der Schwerkraft, relativ tiefer Einbrand, deutliche Spritzerbildung und
merklicher Abbrand von Legierungs- und Desoxidationselementen. Daher nur
für unlegierte und bestimmte (niedrig-)legierte Stähle zu empfehlen. Es sind
hochdesoxidierte Drahtelektroden (z. B. G4Si, G3Si2) erforderlich. Billiges
Spritzer
Schutzgas. Für Kurzlichbogenvariante besonders geeignet.

Lichtbogenform Langlichtbogen:
Gröbere, häufig um die Elektrodenspitze rotierende Tröpfchen mit gelegent-
lichen Kurzschlüssen.

CO2 und hoch CO2-haltige Durch erzwungene, periodische Kurzschlüsse sind energiearme (»kältere«) Trop-
Gase fen erzeugbar. Für Schweißarbeiten zweckmäßig, die ein geringes Wärmeein-
bringen erfordern: Wurzelschweißungen, Dünnbleche, Zwangslagen, Auftrag-
schweißungen. Nur für CO2 und hoch CO2-haltige Mischgase anwendbar. Es
sind Schweißstromquellen mit einer Mindestinduktivität erforderlich.

Lichtbogenform Kurzlichtbogen:
Kleinere, kältere Tröpfchen, die durch gesteuerte (gewollte) Kurzschlüsse mit
einer für diesen Prozess geeigneten Schweißstromquelle erzeugt werden. Die
hohen Kurzschlussströme müssen mit Induktivitäten begrenzt werden.

Inerte und hoch argonhal- Durch Überlagern eines Grundstroms (Gleichstrom) mit Stromimpulsen (Fre-
tige Gase quenz und Amplitude sind vom Anwender nahezu beliebig einstellbar) kann
praktisch jede gewünschte Tropfengröße, Tropfenzahl und Viskosität der über-
gehenden Tropfen unabhängig von der Art des Schutzgases erzeugt werden.
Nur unter inerten und hoch argonhaltigen Schutzgasen möglich, weil der Pinch-
Effekt erforderlich ist.

Lichtbogenform Impulslichtbogen
Tabelle 4-16
Einteilung der Schutzgase für das Lichtbogenschweißen und Schneiden, nach DIN EN ISO 14175.

Haupt- Unter- Komponenten in Volumengehalt (Prozent) Übliche Anwendung Bemerkungen


gruppe gruppe (chemisches Verhalten)
oxidierend inert reduzierend reaktionsträge

CO2 O2 Ar He H2 N2

1 − − 100 − − − WIG, MIG


I 2 − − − 100 − − Plasmaschweißen Inert
3 − − Rest 1) ≥ 0,5 bis ≤ 95 − − Wurzelschutz
1 ≥ 0,5 bis ≤ 5 − Rest 1) − ≥ 0,5 bis ≤ 5 − Schwach oxidierend
2 ≥ 0,5 bis ≤ 5 − Rest 1) − − −
M1
3 − ≥ 0,5 bis ≤ 3 Rest 1) − − −
4 ≥ 0,5 bis ≤ 5 ≥ 0,5 bis ≤ 3 Rest 1) − − −
0 ≥ 5 bis ≤ 15 − Rest 1) − − −
1 ≥ 5 bis ≤ 25 − Rest 1) − − −
2 − ≥ 3 bis ≤ 10 Rest 1) − − −
M2 3 ≥ 0 bis ≤ 5 ≥ 3 bis ≤ 10 Rest 1) − − − MAG-Schweißen Stärker oxidierend
4 ≥ 5 bis ≤ 15 ≥ 0,5 bis ≤ 3 Rest 1) − − − (MAGM)
5 ≥ 5 bis ≤ 15 ≥ 3 bis ≤ 10 Rest1) − − −
6 ≥ 15 bis ≤ 25 ≥ 0,5 bis ≤ 3 Rest 1) − − −
1 ≥ 25 bis ≤ 50 − Rest 1) − − −
2 − ≥ 10 bis ≤ 15 Rest 1) − − −
M3 3 ≥ 5 bis ≤ 50 ≥ 2 bis ≤ 10 Rest 1) − − −
4 ≥ 5 bis ≤ 50 ≥ 10 bis ≤ 15 Rest 1) − − −
5 ≥ 25 bis ≤ 50 ≥ 10 bis ≤ 15 Rest 1) − − − Stark oxidierend
1 100 − − − − − CO2-Schweißen
C Stark oxidierend
2 Rest ≥ 0 bis ≤ 30 − − − − (MAGC)
WIG
1 − − Rest 1) − ≥ 0,5 bis ≤ 15 − Plasmaschweißen
R Reduzierend
2 − − Rest 1) − ≥ 15 bis ≤ 50 − Plasmaschneiden
Wurzelschutz
1 − − − − − 100
2 − − Rest 1) − − ≥ 0,5 bis ≤ 15
Wurzelschutz
N 3 − − Rest 1) − − ≥ 5 bis ≤ 50 Reaktionsträge
»Formiergas«
4 − − Rest 1) − ≥ 0,5 bis ≤ 10 ≥ 0,5 bis ≤ 5
5 − − − − ≥ 0,5 bis ≤ 50 Rest
1)
Abschn. 4.2: Zusatzwerkstoffe und Hilfsstoffe zum Schweißen unlegierter Stähle ...

Für diese Einteilung darf Argon teilweise oder vollständig durch Helium ersetzt werden.
Beispiel: Die Bezeichnung eines Schutzgases der Hauptgruppe M2 mit 7 % Volumengehalt CO2 und 4 % Volumengehalt O2 (Rest Argon), Untergruppe 5:
Schutzgas ISO 14175 – M25.
359
360

Tabelle 4-17
Kurzzeichen für die chemische Zusammensetzung von Drahtelektroden zum MSG-Schweißen von unlegierten Stählen und Feinkornbaustählen, nach
DIN EN ISO 17632.

Kurzzeichen Chemische Zusammensetzung in Massenprozent 1), 2), 3) Hinweise zur Verwendung

C Si Mn Ni Sonstige

G0 Jede andere vereinbarte Zusammensetzung


G2Si1 0,06 bis 0,14 0,50 bis 0,80 0,90 bis 1,30 0,15 Mo: 0,15 Massivdrahtelektroden zum Schweißen der unlegierten Bau-
G3Si1 0,06 bis 0,14 0,70 bis 1,00 1,30 bis 1,60 0,15 Mo: 0,15 stähle (DIN EN 10025-2), der Einsatzstähle (DIN EN 10084),
der niedriglegierten warmfesten Stähle (z. B. DIN EN 10028-2),
G4Si1 0,06 bis 0,14 0,80 bis 1,20 1,60 bis 1,90 0,15 Mo: 0,15 den normalgeglühten und thermomechanisch gewalzten Fein-
kornbaustählen (z. B. DIN EN 10025-3, DIN EN 10028-5).
G3Si2 0,06 bis 0,14 1,00 bis 1,30 1,30 bis 1,60 0,15 Mo: 0,15 Nicht besonders gut geeignet zum Schweißen höhergekohlter
G2Ti 0,04 bis 0,14 0,40 bis 0,80 0,90 bis 1,40 0,15 Mo: 0,15 Stähle (z. B. DIN EN 10083).
Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

G3Ni1 0,04 bis 0,14 0,50 bis 0,90 1,00 bis 1,60 0,80 bis 1,50 Mo: 0,15
Geeignet zum Schweißen der warmfesten (Mo) und kaltzähen
G2Ni2 0,04 bis 0,14 0,40 bis 0,80 0,80 bis 1,40 2,10 bis 2,70 Mo: 0,15 (Ni) niedriglegierten Stähle. Umfang der metallurgischen Re-
G2Mo 0,08 bis 0,12 0,30 bis 0,70 0,90 bis 1,30 0,15 Mo: 0,40 bis 0,60 aktionen ist begrenzt. Daher sind höchste Gütewerte z. B. mit
Lichtbogenhand- oder WIG-Verfahren erreichbar.
G4Mo 0,06 bis 0,14 0,50 bis 0,80 1,70 bis 2,10 0,15 Mo: 0,40 bis 0,60

Al-Gehalt erzeugt feinkörnigeres Schweißgut. Vor allem sinn-


Mo: 0,15
G2Al 0,08 bis 0,14 0,30 bis 0,50 0,90 bis 1,30 0,15 voll für großvolumige Schweißgüter (Einlagenschweißung!)
Al: 0,35 ... 0,75
und zum Schweißen der normalgeglühten Feinkornbaustähle.
1)
Falls nicht festgelegt: Cr ≤ 0,15 %; Cu ≤ 0,35 % und V ≤ 0,03 %. Der Anteil an Kupfer im Stahl plus Umhüllung darf 0,35 % nicht überschreiten.
2)
Einzelwerte in der Tabelle sind Höchstwerte.
3)
Die Phosphor- und Schwefelgehalte betragen bei jedem Drahtelektrodentyp jeweils ≤ 0,25 %.
Abschn. 4.2: Zusatzwerkstoffe und Hilfsstoffe zum Schweißen unlegierter Stähle ... 361

CO2 ist das einzige aktive Schutzgas, das Beispiel 4-4:


nicht gemischt mit anderen (Edel-)Gasen ver- Bezeichnung eines Schweißguts, das unter Mischgas
wendet werden kann. Im Lichtbogen wird (M) [es werden für die Prüfungen entweder M2 oder
CO2 (= C) verwendet, s. Tabelle 4-16] mit einer Draht-
das CO2 dissoziiert. Die hierfür erforderliche
elektrode G3Si1 (Tabelle 4-17) durch Metall-Schutz-
Energie (QD.1) wird dem Energievorrat des gasschweißen (G) hergestellt wurde und das eine Min-
Lichtbogens entnommen: deststreckgrenze von 460 N/mm2 (46, Tabelle 4-7) so-
wie eine Mindestkerbschlagarbeit von 47 J bei  30 ’C
CO2 → CO + 0,5 ⋅ O2 + QD.1 . (3, Tabelle 4-8) aufweist:
Die hohen Lichtbogentemperaturen führen EN 440 – G 46 3 M G3Si1
zu einer weiteren Dissoziation des Kohlen- Die Drahtelektrode kann auch getrennt als genormtes
monoxids CO gemäß: Produkt bezeichnet werden:
CO → C + O + QD.2 . EN 440 – G3Si1.

Diese Reaktion befindet sich abhängig von Neben den Massivdrahtelektroden werden
der Temperatur im (dynamischen) Gleichge- in zunehmendem Maße Fülldrahtelektro-
wicht. Enthält das metallurgische System den nach DIN EN ISO 17632 (DIN EN 758)
(Schweißgut  C  CO) z. B. wenig Kohlen- verwendet, die unter CO2 , verschiedenen
stoff, dann verläuft die Reaktion nach rechts, Mischgasen oder schutzgaslos verschweißt
d. h., durch »Zerfall« weiterer CO-Moleküle werden, Tabelle 4-18. Sie bestehen aus einem
wird das Schweißgut aufgekohlt. Dieser me- verschiedenartig geformten Stahlmantel
tallurgische Prozess ist vor allem bei den hoch- (Röhrchendraht oder gefalzter Draht) und
legierten Cr-Ni-Stählen von Bedeutung. Ihre aus (sieben) Füllsystemen, die den Umhül-
Korrosionsbeständigkeit nimmt sehr stark lungsbestandteilen (bzw. der metallurgischen
mit dem Kohlenstoffgehalt im Schweißgut Wirkungsweise) der umhüllten Stabelektro-
ab. Schon geringste Mengen CO2 im Schutz- den bzw. den UP-Schweißpulvern entspre-
gas führen zu einem erheblichen Anstieg des chen. Sie werden nicht mehr – wie in der frü-
Kohlenstoffgehaltes im Schweißgut. Aus die- heren DIN 8559, in der auch nur zwei Typen
sem Grund ist das MAG-Schweißen dieser (SG R1 und SG B1) genormt wurden – ge-
Werkstoffe mit CO2 oder Schutzgasen mit meinsam mit den Massivdrahtelektroden ge-
CO2-Anteilen, zumindest bei hoher Korrosions- normt.
beanspruchung, nicht zu empfehlen.

Die grundsätzlichen Empfehlungen für die


Wahl der Drahtelektroden sind:
– An den Grundwerkstoff anpassen, d. h.
artgleiche oder artähnliche Drahtelektro-
den wählen. Beispiel 4-5:
– Mit zunehmender Aktivität des Schutzga- Ähnlich wie in der DIN EN ISO 2560 ist auch hier
ses (Sauerstoff und CO2) ist eine zuneh- die Schweißgutanalyse Bestandteil der Bezeichnung
mende Legierungs- bzw. Desoxidations- (Tabelle 4-7), wenn das Schweißgut mehr als 2 % Mn
mittelmenge in der Drahtelektrode erfor- enthält.
derlich. Eine Fülldrahtelektrode (T) für das Schutzgasschwei-
ßen mit einer basischen Füllung (B, Tabelle 4-18), ge-
Die Drahtelektrode muss also in Abhängig- schweißt unter Mischgas (M) [es werden für die Prü-
keit von dem Abbrandverhalten des verwen- fungen entweder M2 ohne He, oder CO2 (= C), Tabel-
le 4-16, verwendet], erzeugt ein Schweißgut mit 1 %
deten Schutzgases ausgewählt werden. Die
Ni (1Ni, Tabelle 4-9) und 1,4 % Mn, einer Streckgren-
Gütewerte des reinen Schweißguts werden ze von mindestens 460 N/mm2 (46, Tabelle 4-7) und
von der Drahtelektrode, vom Grundwerkstoff einer Mindestkerbschlagarbeit von 47 J bei - 30 ’C (3,
und vom Schutzgas bestimmt. In Tabelle 4-17 Tabelle 4-8). Der Draht ist für die horizontale Posi-
sind die Massivdrahtelektroden zum MSG- tion geeignet (4). Das erzeugte Schweißgut besitzt we-
Schweißen von unlegierten Stählen und Fein- niger als 5 ml Wasserstoff/100 g Schweißgut (H5):
kornstählen zusammengestellt. EN 758 – T 46 3 1Ni B M 4 H5.
362
Tabelle 4-18
Die wichtigsten Eigenschaften und Anwendungsbereiche sowie Kennzeichen für die Zusammensetzung und die Eigenschaften der Füllung von Fülldrahtelek-
troden, nach DIN EN 758.

Kenn- Eigenschaften (S) Einlagen-, Schutz- Eigenschaften und Anwendung der Fülldrahtelektroden
buchstabe der Füllung (M) Mehrlagen- gas
Schweißung

Feintropfiger Werkstoffübergang und geringe Spritzerverluste. Schlacke bedeckt vollständig die


Naht. Für Ein- und Mehrlagenschweißungen in Wannen- und Horizontal-Vertikalposition. Diese
Rutilbasis, langsam
R S und M Fülldrahtelektrode wird allgemein unter CO2 verschweißt, aber sie eignet sich auch für Argon-CO2-
erstarrende Schlacke
Mischgase, wenn vom Hersteller empfohlen. Damit Verbessern des Werkstoffübergangs und Redu-
zieren der Spritzerbildung.

Vorzugsweise in Wannen- und Horizontal-Vertikalposition mit CO2 angewendet, weil sie einen
grobtropfigen Werkstoffübergang besitzt. Sie ergibt eine basische Schlacke (Fluoride und Oxide der
B Basische Schlacke S und M
Erdalkalimetalle) erzeugt ein Schweißgut mit bester Kerbschlagarbeit und niedrigstem Gehalt an
diffusiblen Wasserstoff.

erforderlich
Sehr feintropfiger Werkstoffübergang und sehr dünne Schlackenschicht. Die Füllung besteht im
Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Wesentlichen aus Metall-Legierungen, Eisenpulver und lichbogenstabilisierenden Bestandteilen.


M Metallpulver-Füllung S und M Dadurch entsteht eine hohe Abschmelzleistung und ein tiefer Einbrand.Vorzugsweise in Wannen-
und Horizontal-Vertikalposition mit Argon-CO2-Mischgasen verwendet. Andere Positionen mit
Kurzlichtbogen- und Impulstechnik möglich.

Selbstschützend, mit einem grob- bis feintropfigen Werkstoffübergang. Rutiles oder fluorid-basi-
sches Schlackensystem ergibt Bereich von langsamer (bevorzugt für Einlagenschweißung von ver-
Rutil- oder
V S zinkten, aluminierten oder anders beschichteten Blechen in allen Positionen) bis schneller Schla-
Fluoridbasis
ckenerstarrung (bevorzugt für automatisches Schweißen mit hoher Schweißgeschwindigkeit, vor
allem in Wannen- und Horizontal-Vertikalposition).

Selbstschützend, grobtropfiger Werkstoffübergang. Das fluorid-basische Schlackensystem ermög-

nicht erforderlich
Fluoridbasis, langsam licht hohe Abschmelzleistungen. Aufgrund des sehr niedrigen Schwefelgehalts ergibt sich ein sehr
W S und M
erstarrende Schlacke risssicheres Schweißgut. Geeignet für Ein- und Mehrlagenschweißungen in Wannen- und Horizon-
tal-Vertikalposition.

Z Andere Typen Alle Fülldrahtelektroden, die durch die vorstehende Beschreibungen nicht erfasst werden.
Abschn. 4.2: Zusatzwerkstoffe und Hilfsstoffe zum Schweißen unlegierter Stähle ... 363

Die Füllstoffe ermöglichen umfangreichere – Dem Anteil an aufgeschmolzenem Grund-


metallurgische Reaktionen als die massiven werkstoff, der bei Verbindungsschweißun-
Drahtelektroden und erzeugen eine größere gen etwa 60 % bis 70 % betragen kann und
Lichtbogenstabilität. Die Schlackendecke durch seinen mehr oder weniger großen
schützt die Schweißnaht und verbessert ihre Gehalt an Verunreinigungen die Bildung
Oberfläche. Die Fülldrahtelektroden bieten von Heißrissen begünstigt und besonders
folgende Vorteile: die Zähigkeit des Schweißguts beeinträch-
– Über das Pulver können dem Schmelz- tigt.
bad größere Mengen verschiedenartiger – Den Abkühlbedingungen, die vom Naht-
Legierungselemente zugeführt werden. aufbau, den Einstellwerten, der Werk-
Sie können mit zusätzlichem Schutzgas stückdicke und -temperatur abhängen.
betrieben werden, sind aber bei entspre- In der Regel sind die Abkühlgeschwindig-
chender Rezeptur auch selbstschützend. keiten klein, die Gefahr der Porenbildung
– Wegen der im Vergleich zu Massivdräh- also gering. Feuchte Schweißpulver kön-
ten wesentlich höheren Stromdichte – der nen aber zu hohen Wasserstoffgehalten
Strom fließt nur im Stahlmantel, nicht im im Schweißgut (Kaltriss) führen.
schlecht stromleitenden Pulverkern – ist
die Abschmelzleistung größer und der 4.2.3.3.1 Drahtelektroden
Einbrand tiefer. Das sind unlegierte und legierte Runddräh-
– Bei hohem basischem Pulveranteil kön- te oder Flachbänder. Die chemische Zusam-
nen qualitativ hochwertige Schweißverbin- mensetzung entspricht weitgehend der der zu
dungen auch an schlecht schweißgeeig- schweißenden Stahlsorten; die Drahtelekt-
neten Werkstoffen erzielt werden. roden erzeugen ein artgleiches oder ein hin-
– Wegen des besseren Schutzes des Bades reichend artähnliches Schweißgut. Die Draht-
und der übergehenden Werkstofftröpfchen elektroden und die Draht-Pulver-Kombina-
sind sie für Schweißarbeiten auf Baustel- tionen sind in DIN EN 756 für das UP-Schwei-
len gut geeignet. ßen von unlegierten Stählen und Feinkorn-
stählen genormt, Tabelle 4-19.
4.2.3.3 Schweißzusätze für das
UP-Schweißen Die Sicherung des UP-Schweißguts gegen
Ähnlich wie bei den MSG-Verfahren muss beim Heißrisse ist von großer Bedeutung und ei-
UP-Schweißen die Drahtelektrode und das ne der wichtigsten Forderungen an eine »si-
Schweißpulver für eine bestimmte Schweiß- chere« Schweißverbindung. Daher ist es na-
aufgabe getrennt ausgewählt werden, Bild
4-52. Die Zusammensetzung des Schweiß-
guts und damit die Gütewerte der Schweiß-
verbindung werden von den folgenden Fak-
toren bestimmt:
– Der metallurgischen Wirksamkeit der ge-
wählten Drahtelektroden-Pulver-Kombi-
nation. Sie bestimmt die Metallurgie der
Legierungs-, Desoxidations- und Oxida-
tionsvorgänge, das Entschwefeln und die
Porenfreiheit des Schweißguts. Durch die
zuverlässige Pulverabdeckung ist der Stick-
stoffgehalt im flüssigen Schweißgut sehr
gering. Der Sauerstoffgehalt ist allerdings
sehr stark von der Pulvercharakteristik
(sauer, basisch, neutral), der Wasserstoff-
gehalt von der vorschriftsmäßigen Trock-
nung des Schweißpulvers abhängig, Ta- Bild 4-52
belle 4-34. Verfahrensprinzip des UP-Schweißens.
364
Tabelle 4-19
Chemische Zusammensetzung von Massivdrahtelektroden zum Unterpulverschweißen, nach DIN EN 756.

Kurzzeichen Chemische Zusammensetzung in Prozent (m /m) 1), 2), 3) Hinweise zur Anwendung

C Si Mn Mo Ni

SZ Jede vereinbarte chemische Zusammensetzung

S1 0,05 bis 0,15 0,15 0,35 bis 0,60 0,15 0,15


Drahtelektroden zum Schweißen der unlegierten
S2 0,07 bis 0,15 0,15 0,80 bis 1,30 0,15 0,15 Baustähle (z. B. nach DIN EN 10025-2). Auswahl
sollte nur zusammen mit dem Schweißpulver erfol-
S3 0,07 bis 0,15 0,15 > 1,30 bis 1,75 0,15 0,15
gen, da nur die gewählte Drahtpulver-Kombina-
S4 0,07 bis 0,15 0,15 > 1,75 bis 2,25 0,15 0,15 tion die metallurgischen und mechanischen Eigen-
schaften bestimmt.
S 1Si 0,07 bis 0,15 0,15 bis 0,50 0,35 bis 0,60 0,15 0,15
Je mehr Mn ein Draht enthält, desto größer wird
S 2Si 0,07 bis 0,15 0,15 bis 0,40 0,80 bis 1,30 0,15 0,15 auch der Si-Gehalt im Schweißgut.

S 2Si2 0,07 bis 0,15 0,40 bis 0,60 0,80 bis 1,30 0,15 0,15 Si-zubrennende Drähte sind i. Allg. unerwünscht,
weil Si die (Kerbschlag-)Zähigkeit herabsetzt. Für
S 3Si 0,07 bis 0,15 0,15 bis 0,40 > 1,30 bis 1,85 0,15 0,15 verrostete Werkstücke sind Drahtelektroden mit
höherem Si-Gehalt aber häufig zweckmäßig.
Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

S 4Si 0,07 bis 0,15 0,15 bis 0,40 > 1,85 bis 2,25 0,15 0,15

S 1Mo 0,05 bis 0,15 0,05 bis 0,25 0,35 bis 0,60 0,45 bis 0,65 0,15
Vor allem zum Schweißen der warmfesten Stähle
S 2Mo 0,07 bis 0,15 0,05 bis 0,25 0,80 bis 1,30 0,45 bis 0,65 0,15 (Mo erhöht entscheidend die Warmfestigkeit). Nied-
rig siliciumhaltige (hoch)basische Pulver haben sich
S 3Mo 0,07 bis 0,15 0,05 bis 0,25 > 1,30 bis 1,75 0,45 bis 0,65 0,15 besonders bewährt. Wegen der Gefahr der Vermi-
schung sind I-Nähte unzweckmäßig.
S 4Mo 0,07 bis 0,15 0,05 bis 0,25 > 1,75 bis 2,25 0,45 bis 0,65 0,15

S 2Ni1 0,07 bis 0,15 0,05 bis 0,25 0,80 bis 1,30 0,15 0,80 bis 1,20 Vor allem zum Schweißen der warmfesten und der
S 2Ni2 0,07 bis 0,15 0,05 bis 0,25 0,80 bis 1,30 0,15 > 1,80 bis 2,40 kaltzähen Stähle (Nickel verbessert entscheidend
die Kaltzähigkeit) vorgesehen. Die große Aufmi-
S 2Ni3 0,07 bis 0,15 0,05 bis 0,25 0,80 bis 1,30 0,15 > 2,80 bis 3,70 schung kann bei vielen Stählen metallurgische
Probleme hervorrufen: Falls Si und Ni in größerer
S 2Ni1Mo 0,07 bis 0,15 0,05 bis 0,25 0,80 bis 1,30 0,45 bis 0,65 0,80 bis 1,20 Menge in das Schweißbad gelangt, dann wird das
S 3Ni1Mo 0,07 bis 0,15 0,05 bis 0,25 > 1,30 bis 1,80 0,45 bis 0,65 0,80 bis 1,20 Schweißgut sehr heißrissanfällig.

1)
Chemische Zusammensetzung des Fertigproduktes, Kupfer einschließlich Kupferüberzug ≤ 0,30 %; Al ≤ 0,30 %.
2)
Einzelwerte in der Tabelle sind Höchstwerte.
3)
Der Phosphor- und der Schwefelgehalt beträgt allen Massivdrahtelektroden max. 0,025 %, der Chromgehalt max. 0,20 %.
Tabelle 4-20
Typische chemische Zusammensetzung und Bestandteile, die wichtigsten Eigenschaften und Anwendungsbereiche sowie Kennzeichen
für den Schweißpulvertyp, nach DIN EN 760.

Kennzeichen Chemische Zusammensetzung, Eigenschaften und Anwendung der Schweißpulver


Hauptbestandeile und Grenzwerte

Hoher Mn-Zubrand im Schweißgut, d. h. mit niedrig Mn-haltigen Drahtelektroden verwendbar.


MS MnO (min. 50 %)
Hoher Si-Zubrand ergibt meistens eingeschränkte Zähigkeit, z. T. auf hohen Sauerstoffgehalt im
Mangan-Silicat CaO (max. 15 %)
Schweißgut zurückführbar.
Die sauren Typen haben höchste Strombelastbarkeit aller Pulver und bewirken hohen Si-Zubrand.
CS CaO + MgO + SiO2 (min. 55 %)
Strombelastbarkeit sinkt mit zunehmendem Basizitätsgrad. Für Lage/Gegenlageschweißen dicker
Calcium-Silicat CaO + MgO (min. 15 %)
Bleche geeignet, wenn geringe Anforderungen an mechanische Eigenschaften.
Mittlere Mn- und Si-Zubrände. Durch hohe Schlackenviskosität gutes Nahtaussehen und hohe
AR Schweißgeschwindigkeit bei sehr guter Schlackenentfernbarkeit (besonders bei Kehlnähten) mög-
Al2O3 + TiO2 (min. 40 %)
Aluminat-Rutil lich. Zum Schweißen dünnwandiger Behälter und Rohre, von Kehlnähten bei Stahlkonstruktionen
und im Schiffbau geeignet.
Mittlerer Mn-Zubrand. Hoher Al2O3-Anteil erzeugt »kurze« Schlacke. Besonders beim Schweißen
Al2O3 + CaO + MgO (min. 40 %)
AB von Lage und Gegenlage gute Zähigkeitswerte erreichbar. Zum Schweißen von unlegierten und
Al2O3 (min. 20 %)
Aluminat-basisch niedriglegierten Baustählen für die unterschiedlichsten Anwendungsfälle einsetzbar. Für Gleich-
CaF2 (max. 22 %)
und Wechselstrom.
Meist neutrales metallurgisches Verhalten, aber Mn-Abbrand ist möglich, daher vorzugsweise mit
Al2O3 + SiO2 + ZrO2 (min. 40 %) S3-Drahtelektroden-Typen (1,5 % Mn!) angewendet. Durch hohe Schlackenbasizität entsteht sau-
AS
CaF2 + MgO (min. 30 %) beres, niedrig sauerstoffhaltiges Schweißgut. Wie die FB-Typen, besonders bei hohen Zähigkeits-
Aluminat-Silicat
ZrO2 (min. 5 %) anforderungen, vor allem für hochfeste Feinkornbaustähle im Druckbehälterbau, für Nuklear- und
Offshore-Bauteile geeignet.
AF Vorwiegend mit legierten Drahtelektroden zum Schweißen nichtrostender Stähle und Nickellegie-
Al2O3 + CaF2 (min. 70 %)
Aluminat-Fluoridbasisch rungen verwendet. Durch hohen Fluoridanteil gute Benetzungsfähigkeit und gutes Nahtaussehen.
Weitgehend neutrales metallurgisches Verhalten. Höchste Zähigkeitswerte bis zu sehr tiefen Tem-
CaO + MgO + CaF2 + MnO (min. 50 %)
FB peraturen erreichbar. Durch basische Schlackencharakteristik begrenzte Strombelastbarkeit und
SiO2 (max. 20 %)
Fluoridbasisch Schweißgeschwindigkeit. Für Mehrlagenschweißen bei hohen Anforderungen an die Zähigkeit, vor
CaF2 (min. 15 %)
allem für hochfeste Feinkornbaustähle, aber auch für nichtrostende Stähle empfohlen.
Z Andere Typen Alle Schweißpulver, die durch diese Beschreibungen nicht erfasst werden.
Abschn. 4.2: Zusatzwerkstoffe und Hilfsstoffe zum Schweißen unlegierter Stähle ...
365
366 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

heliegend, die Drahtelektroden nach ihrem 4.2.3.3.2 Schweißpulver


Mangangehalt einzuteilen. Man unterschei- Die mechanischen Gütewerte der Schweiß-
det nach DIN EN 756 u. a. die folgenden Qua- verbindung werden im Wesentlichen von der
litäten: chemischen Zusammensetzung des Schweiß-
guts und den Eigenschaften der Wärmeein-
S1 – S1Si – S2 – S2Si – S3 – S3Si – S4.
flusszonen bestimmt, d. h. von der Drahtelekt-
Ihr mittlerer Mangangehalt entspricht annä- rode, dem Schweißpulver und dem Anteil an
hernd dem Produkt, das sich aus der Multi- aufgeschmolzenem Grundwerkstoff.
plikation von 0,5 und der nach dem Symbol
»S« stehenden Ziffer ergibt. Der Mangan- Die Schweißgutzusammensetzung von Ein-
gehalt der Drahtelektrode S4 beträgt also: lagenschweißungen wird wegen des großen
Aufschmelzgrades im Wesentlichen vom An-
4 ¹ 0,5 O 2 %.
teil des aufgeschmolzenen Grundwerkstof-
In vielen Fällen brennt abhängig von der Art fes bestimmt. Bei Mehrlagenschweißungen
des gewählten Schweißpulvers und der che- hängt sie praktisch ausschließlich von der
mischen Zusammensetzung der Drahtelekt- Draht-Pulver-Kombination ab. Allerdings
rode Silicium zu. Die Folge des unerwünscht sind auch die Größe des Öffnungswinkels
hohen Siliciumgehaltes ist eine merkliche und die Einbrandverhältnisse zu beachten.
Abnahme der Kerbschlagzähigkeit. Daher Bild 4-53 zeigt die genannten Einzelheiten.
muss der Siliciumzubrand in der Regel be- Mit zunehmendem Aufschmelzgrad A neh-
grenzt werden. men der Reinheitsgrad und damit die mecha-
nischen Gütewerte des Schweißguts meis-
Die Drahtelektroden werden zum Verbes- tens ab. Insbesondere Schweißverfahren, die
sern des Stromübergangs und zum mäßigen großvolumige Schweißbäder erzeugen, eig-
Schutz gegen atmosphärische Korrosion ver- nen sich daher nur sehr bedingt für die Ein-
kupfert. Sie müssen sorgfältig aufgespult lagentechnik (s. a. Abschn. 4.1.3.1, S. 316).
(sonst Drahtförderschwierigkeiten!), kreis-
rund (Draht passiert nicht ruckfrei die kup- Ein wichtiges Kennzeichen der Schweißpul-
ferne, kalibrierte Stromführungsdüse) und ver ist ihr Herstellungsverfahren. Nach der
fettfrei (metallurgische Probleme, wie Gasbil- DIN EN 760 (bisher DIN 32522) unterschei-
dung, Abbrand von Legierungselementen!) det man folgende Pulversorten:
sein. F (fused) Schmelzpulver,
A (agglomerated) agglomerierte Pulver,
M (mixed) Mischpulver.
Die Mischpulver werden vom Herstel-
Beispiel 4-6: ler (nicht vom Anwender!) aus zwei
Bisher waren die genormten Drahtelektroden nach oder mehreren Pulversorten gemischt.
einer Verfahrensprüfung austauschbar. Nach der jetzt
gültigen DIN EN 756 müssen Drahtelektroden verschie- A l 70 % bis 80 % A l 30 %
dener Hersteller mit gleicher Bezeichnung gemäß den
Vorschriften der neuen Norm geprüft werden.
Bezeichnung einer Draht-Pulver-Kombination (S) für
das Mehrlagen-Unterpulverschweißen, deren Schweiß-
gut eine Mindeststreckgrenze von 460 N/mm 2 (46,
Tabelle 4-7) und eine Mindestkerbschlagarbeit von
47 J bei - 30 ’C (3, Tabelle 4-8) aufweist, hergestellt
mit einem aluminat-basischen Pulver (AB, Tabelle a) b)
4-20) und einer Drahtelektrode S2 (Tabelle 4-19):
Bild 4-53
Draht-Pulver-Kombination EN 756 – S 46 3 AB S2. Einfluss der Fugenform bzw. der Nahtvorbereitung
Die Drahtelektrode S2 kann auch getrennt bezeichnet auf den Aufschmelzgrad A von Stumpfschweißungen,
werden: schematisch.
a) I-Naht,
Drahtelektrode EN 756 – S2. b) V-Naht.
Abschn. 4.2: Zusatzwerkstoffe und Hilfsstoffe zum Schweißen unlegierter Stähle ... 367

Tabelle 4-21 stoffes. Dieses metallurgische Verhalten wird


Kennziffern für das metallurgische Verhalten von durch verschiedene Kennziffern gemäß Ta-
Schweißpulvern der Klasse 1, nach DIN EN 760. belle 4-21 beschrieben.
Metallurgisches Kennziffer Massenanteil
Verhalten Die für die verschiedenen Werkstoffe ver-
% wendbaren Pulversorten können aus den Pul-
1 > 0,7 verklassen (Klasse 1 bis 3) entnommen wer-
2 > 0,5 bis 0,7 den. Tabelle 4-22 gibt Hinweise für den An-
Abbrand
3 > 0,3 bis 0,5
wendungsbereich und die Anzahl und Art der
4 > 0,1 bis 0,3
anzugebenden Elemente in der Pulverbezeich-
Zu- und/oder nung.
5 0 bis 0,1
Abbrand
6 > 0,1 bis 0,3 Für das Schweißen der höherfesten bzw. der
7 > 0,3 bis 0,5 höhergekohlten (Vergütungs-)Stähle ist ein
Zubrand
8 > 0,5 bis 0,7
wasserstoffarmes Schweißgut eine der wich-
9 > 0,7
tigsten Forderungen. Wasserstoffkontrollier-
te Pulver werden nach Tabelle 4-11 entspre-
Das metallurgische Verhalten der Pulver chend ihrem Gehalt an diffusiblen Wasser-
wird außer von den Schweißparametern nur stoff im Schweißgut durch die Kennziffern
von ihrer chemischen Zusammensetzung H5, H10 oder H15 bezeichnet. Üblicherwei-
– d. h. ihrer chemischen Wirksamkeit – und se sind für diese Stähle nur Schweißgüter
ihrem mineralogischen Aufbau bestimmt. zulässig, deren Wasserstoffgehalt kleiner als
Tabelle 4-20 zeigt die chemische Zusammen- 5 cm3/100 g ist. Für Vergleichszwecke und zu-
setzung der in der DIN EN 760 genormten sätzliche Information des Anwenders kön-
Schweißpulversorten. nen die Strombelastbarkeit und der Korngrö-
ßenbereich des Pulvers angegeben werden.
Das Legierungsverhalten eines Schweißpul- In der Pulverbezeichnung sind diese Angaben
vers ist durch den Zu- und (oder) Abbrand aber nicht enthalten.
der Legierungselemente gekennzeichnet. Zu-
bzw. Abbrand ist die Differenz zwischen den Tabelle 4-23 zeigt ein vollständiges Bezeich-
Gehalten der Legierungselemente des reinen nungsbeispiel eines UP-Schweißpulvers nach
Schweißguts und des Schweißzusatzwerk- DIN EN 760.
Tabelle 4-22
Klasseneinteilung und Anwendungsbereich der UP-Schweißpulver, nach DIN EN 760.

Klasse Ziffern und Reihenfolge der Elemente Anwendungsbereich

Für ein Pulver der Klasse 1 kann das Für unlegierte und niedriglegierte Stähle (allg. Bau-
metallurgische Verhalten durch Kenn- stähle, hochfeste und warmfeste Stähle). Pulver enthal-
ziffern nach Tabelle 4-21 ausgedrückt ten i. Allg. außer Mangan und Silicium keine Legie-
werden. Zum Ermitteln des Zu- und Ab- rungselemente. Sie eignen sich für Verbindungs- und Auf-
1
brandverhaltens wird nach DIN EN 756 tragschweißen. Meist auch für Mehrlagen- sowie Ein-
eine Drahtelektrode S2 verwendet. Zu- lagen- und (oder) zum Lage-/Gegenlagenschweißen an-
und Abbrand wird in der Reihenfolge Si- wendbar.
licium Mangan angegeben
Der Zubrand von Legierungselemen- Für Verbindungs- und Auftragschweißen von nicht-
ten, außer Silicium und Mangan, wird rostenden und hitzebeständigen Chrom- und Chrom-
2
mittels des entsprechenden chemischen Nickel-Stählen und (oder) Nickel und Nickellegierun-
Symbols angegeben (z. B. Cr). gen.
Der Zubrand wird durch die entspre- Schweißpulver, bevorzugt zum Auftragschweißen, die
chenden chemischen Symbole angege- durch Zubrand von Legierungselementen − Kohlenstoff,
3
ben (z. B. Cr). Chrom oder Molybdän − dem Pulver ein verschleißfestes
Schweißgut ergeben.
368 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Schmelzpulver Allerdings muss die adsorptive Feuchte-


Die Pulverbestandteile – vorwiegend Oxide aufnahme der Pulverteilchen wegen ihrer
der Elemente Al, Ba, Ca, K, Mn, Na, Zr – wer- extrem großen Gesamtoberfläche beach-
den zerkleinert und bei 1500 ’C bis 1800 ’C tet werden.
geschmolzen. Die glasartige Schmelze wird – Geringe Neigung zur Entmischung und
danach durch Wassergranulieren oder Schäu- geringer Abrieb aufgrund der glasartigen
men »körnig« gemacht. Die Teilchen werden Struktur der Körner.
nach dem Mahlen auf die gewünschte Kör- – Geringer Staubanteil im Pulver während
nung ausgesiebt. der Verarbeitung.

Die homogenen, glasartigen Schmelzpulver Agglomerierte Pulver


sind Vielstoffsysteme, d. h., ihre Bestandteile Sie bestehen aus feinstgemahlenen Bestand-
können nicht mehr einzeln reagieren. Da die teilen, die mit einem Bindemittel eingedickt
Ofentemperatur deutlich größer sein muss und durch Mischen bei Prozesstemperaturen
als die Schmelztemperatur des am höchsten zwischen 50 ’C und 80 ’C zu größeren Kör-
schmelzenden Bestandteils, geht beim Her- nern vereinigt (agglomeriert) werden. Dabei
stellprozess ein Teil des »Reaktionsvermö- wird die Schmelztemperatur des am niedrigs-
gens« des Pulvers verloren. Den Schmelzpul- ten schmelzenden Gemengebestandteils nicht
vern können daher temperaturempfindliche überschritten.
Stoffe nicht zugegeben werden, d. h. fast al-
le Legierungselemente. Sie eignen sich da- Agglomerierte Pulver sind heterogene Sub-
her weniger zum Schweißen der legierten stanzen, deren Einzelbestandteile ihren ur-
Stähle. Es sind daher die typischen Pulver sprünglichen Zustand behalten haben. Die
zum Schweißen der un- und (niedrig-)legier- metallurgischen Reaktionen im Schweißbad
ten Stähle. sind sehr intensiv. Ihre Reaktionsfähigkeit
bleibt im Gegensatz zu den Schmelzpulvern
Die Vorteile dieser Pulver sind demnach: fast vollständig erhalten. Desoxidationsmit-
– Geringe Neigung zur Feuchtigkeitsabsorp- tel und Legierungselemente können daher
tion als Folge der glasartigen Struktur. wirtschaftlich zugegeben werden. Sie eignen

Tabelle 4-23
Vollständige Bezeichnung eines UP-Schweißpulvers, nach DIN EN 760.

Pulver EN 760 — A FB 1 65 DC H5

Herstellungsart:
A = Agglomeriert

Pulvertyp (Tabelle 4-18):


FB = Fluorid-basisch

Pulverklasse (Tabelle 4-20):


1 = Zum Schweißen unlegierter und (niedrig-)legierter Stähle

Legierungsverhalten (Tabelle 4-19):


6 = Zubrand an Si bis 0,3 %
5 = Neutrales Mn-Verhalten

Kennzahl für Stromart:


DC = Geeignet für Gleichstrom

Kennzahl für wasserstoffkontrollierte Schweißpulver (z. B. Tabelle 4-9):


H 5 = Max. 5 ml H/100 g Schweißgut
Abschn. 4.2: Zusatzwerkstoffe und Hilfsstoffe zum Schweißen unlegierter Stähle ... 369

sich daher bevorzugt zum Schweißen der le- bestimmbar sein. Dies geschieht in der Re-
gierten Stähle. Im Gegensatz zu den Schmelz- gel mit dem Basizitätsgrad, der meistens mit
pulvern ist aber die starke Neigung der porö- der Formel von Tuliani, Boniszewski und Ea-
sen Teilchen(oberflächen) zur Feuchtigkeits- ton berechnet wird, in die die Bestandteile
aufnahme ihr größter Nachteil. Ein Trock- in Massenprozent eingesetzt werden, Gl. [4-
nen ist daher immer erforderlich. Auch die 12a]:
geringe Abriebfestigkeit der Pulverteilchen
CaO + MgO + BaO + Na 2O + K 2O
(großer Staubanteil!) kann Anlass zu Schwie- B= +
rigkeiten geben. SiO2 + 0,5 ⋅ (Al2O3 + TiO2 + ZrO2 )
Li2O + CaF2 + 0,5 ⋅ (MnO + FeO)
Zum Herstellen der hochwertigen agglome- .
rierten Pulver werden ausschließlich Substan- SiO2 + 0,5 ⋅ (Al2O3 + TiO2 + ZrO2 )
zen eingesetzt, die hochgeglüht oder sogar Die Summe der basisch wirkenden Bestand-
geschmolzen sind, d. h. keine Wasser(stoff)- teile wird durch die Summe der sauer wir-
quellen darstellen. Lediglich das als Binde- kenden dividiert. Danach ergibt sich eine auf
mittel erforderliche Wasserglas enthält che- der chemischen Wirksamkeit beruhende Ein-
misch gebundenes Kristallwasser. Durch das teilung der Schweißpulver:
in jedem Fall notwendige Trocknen bei 300 ’C
bis 500 ’C, Tabelle 4-35, ergeben sich typi- B ! 1 basische (! 0 nach Mori),
sche Wassergehalte im Pulver von ca. 0,02 %, B O 1 neutrale (O 0 nach Mori),
die zu Wasserstoffgehalten von 3 ppm bis B  1 saure Schweißpulver ( 0 nach Mori).
4 ppm im Schweißgut führen.
Bei dem von Mori entwickelten Basizitäts-
Metallurgisches Verhalten der index BI werden die Komponenten als Molen-
Schweißpulver bruch angegeben, Gl. [4-12b]:
Die Kenntnis des metallurgischen Verhal-
tens des Pulvers, d. h., sein Zu- und Ab- BI = 6,05 ⋅ CaO + 4,8 ⋅ MnO + 4,0 ⋅ MgO +
brandverhalten ist für die zuverlässige Ab- 3,4 ⋅ FeO − 6,31 ⋅ SiO2 − 4,97 ⋅ TiO2 −
schätzung der mechanischen Gütewerte der 0,2 ⋅ Al2O3 .
Schweißverbindung und seines Schweißver-
haltens unerlässlich.

Die Methoden, mit denen das metallurgische


Verhalten des Schweißpulvers ermittelt wird,
Beispiel 4-7:
müssen berücksichtigen, dass die Zusammen-
Berechnung des Basizitätsgrades nach Mori und Bo-
setzung des Schweißguts von den folgenden niszewski für ein FB-Schweißpulver, Tabelle 4-20,
Faktoren abhängt: dessen Zusammensetzung in Massenprozent lautet:
– Dem Grundwerkstoff, dem 5 % SiO2 , 20 % MnO, 45 % CaO, 20 % CaF2.
– Schweißpulver, der Die Stoffmengen in mol werden berechnet, indem die
– Drahtelektrode, den jeweilige Masse durch ihre Molmasse dividiert wird.
– Einstellwerten beim Schweißen (Auf- Ê g ˆ
Die Stoffmengen in n(x) = Á = n(x) [mol] für
schmelzgrad!) und der Ë g / mol ˜¯
– Anzahl der geschweißten Lagen. die einzelnen Bestandteile sind danach (gerundet):
n(SiO2 ) = 15/60 = 0,25 mol,
Während bei den Stabelektroden das metal- n(MnO) = 20/71 = 0,28 mol,
lurgische Verhalten durch die Art der Umhül- n(CaO) = 45/56 = 0,80 mol,
lung festliegt, ist beim UP-Schweißen die me- n(CaF2 ) = 20/80 = 0,25 mol.
tallurgische Wirksamkeit durch Wahl der ver- Die Gesamtstoffmenge n(Ges) = S n(x) beträgt 1,58
schiedenen Pulversorten (und der Drahtelekt- mol. Daraus ergeben sich für die Molenbrüche
roden) in weiten Grenzen frei änderbar. Sie nx = n(x)/n(Ges) folgende Werte:
sollte für den gezielten Einsatz der Zusatz- n(SiO2 ) = 0,16; n(MnO) = 0,18; n(CaO) = 0,50;
werkstoffe mit einer geeigneten Kenngröße n(CaF2 ) = 0,16.
370 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Nach Mori, Gl. [4-12b], ergibt sich ein BI von: ver besitzen ähnlich wie sauer-umhüllte Stab-
BI = 6,5◊ n(CaO) + 4,8◊ n(MnO) - 6,31◊n(SiO2 ) = 3,11; elektroden eine hohe Schmelzenviskosität,
das Pulver ist demnach hochbasisch.
d. h., sie erzeugen glatte, kerbenfreie Nähte,
Nach Boniszewski, Gl. [4-12a], ergibt sich B zu:
ergeben hohe Abschmelzleistungen und er-
B = 45/15 = 3,0; d. h., das Pulver ist hochbasisch.
möglichen große Schweißgeschwindigkeiten.
Die mechanischen Gütewerte der mit ihnen
Wegen der hohen Schmelzbadtemperaturen hergestellten Schweißgüter, vor allem die Zä-
laufen aber statt der vorauszusetzenden che- higkeit, sind in jedem Fall schlechter als die
mischen Reaktionen überwiegend Ionenreak- mit basischen Pulvern hergestellten. Die Vis-
tionen ab. Die oben angegebene (theoretische) kosität der Schlacken beeinflusst aber auch
Einteilung ist daher etwa gemäß Bild 4-54 die für das Entgasen der Schmelze und die
zu korrigieren. Diese Pulvereinteilung und Legierungsarbeit notwendigen Massentrans-
die grundlegenden Eigenschaften sind ver- porte innerhalb der Schmelze. Mit zunehmen-
gleichbar mit den für die Stabelektroden be- der Schlackenviskosität (dickflüssiger!) wird
kannten Bezeichnungen. der Einbrand zwar tiefer, aber die Fähigkeit
des flüssigen Schweißguts zum Entgasen
Mit dem Basizitätsgrad lässt sich allerdings nimmt zunehmend ab.
sehr viel genauer das Sauerstoffpotenzial,
Bild 4-54, als das chemische Verhalten des
50
Pulvers beschreiben. Saure Komponenten (z.
J
B. SiO2, TiO2) sind nicht nur weniger stabil,
Schlagenergie (Izod - Probe)

40
sie spalten im Lichtbogen auch wesentlich
mehr Sauerstoff ab als basische (z. B. MgO,
30
MnO). Als Folge entstehen aus den Desoxi-
dations- und Legierungselementen Oxide,
20 Izod - Probe
die teilweise als Oxideinschlüsse im Schweiß- 7,6 x 7,6 mm
gut eingelagert sind. Ihre Menge, Art und
10
Verteilung sind stark abhängig vom Sauer-
stoffpotenzial des verwendeten Pulvers, d. 0
h. von dessen Basizitätsgrad. 30 40 50 60 70 % 80
Anteil nadelförmiger Ferrit im Schweißgut
Die Reinheit des Schweißguts hinsichtlich
der nichtmetallischen Einschlüsse wird i. Bild 4-55
Allg. mit zunehmendem Basizitätsgrad B grö- Einfluss des Gehalts an nadelförmigem Ferrit im
UP-Schweißgut einer Verbindung aus einem vergü-
ßer. Nach Gl. [4-12a] als sauer bewertete Pul-
teten Feinkornbaustahl (Mn-Mo-Nb-Typ, Q = 30 kJ/cm)
auf die Schlagenergie (gemessen mit nicht genormten
1000 Izod-Proben, Querschnitt 7,6 mm x 7,6 mm, Prüftem-
ppm peratur - 40 ’C), nach Fleck u. a.
800
Sauerstoffgehalt

Durch ihre Keimwirkung beeinflussen die sau-


600 erstoffhaltigen Einschlüsse im Schweißgut
entscheidend das Umwandlungsverhalten des
400 Austenits und vor allem die Form des voreu-
tektoiden Ferrits. Ein mittlerer Sauerstoffge-
200 halt im Schweißgut von 300 (“ 100) ppm führt
saure Pulver basische Pulver zu optimalen Umwandlungsbedingungen,
0
1 1,7 2 3 4
wenn er als Aluminium-Mangan-Silicat vor-
Basizitätsgrad B liegt. Besonders wichtig ist die Ausbildung
des Ferrits in Form des bei tieferen Tempe-
Bild 4-54
Einfluss des Basizitätsgrades auf den Sauerstoffgehalt raturen entstehenden Nadelferrits, nicht aber
des Schweißguts UP-geschweißter Verbindungen, nach als grober Korngrenzenferrit, Abschn. 4.1.3.2.
Boniszewski (modifiziert). Sauerstoffgehalte über 600 ppm begünstigen
Abschn. 4.2: Zusatzwerkstoffe und Hilfsstoffe zum Schweißen unlegierter Stähle ... 371

die Bildung des unerwünschten Widmann- Die Wirkung des für die Schweißguteigen-
stättenschen Gefüges. schaften wichtigen Sauerstoffs lässt sich da-
mit zusammenfassend beurteilen:
Mit der Menge an nadelförmigem Ferrit – Brennt Legierungselemente ab,
steigt die Zähigkeit des Schweißguts erheb- – erzeugt (oxidische) Einschlüsse,
lich an, wie Bild 4-55 beispielhaft zeigt (s. a. – begünstigt die Porenbildung,
Abschn. 4.1.3.2). Die Größe der silicatischen – reduziert die Härtbarkeit.
Einschlüsse liegt überwiegend im Bereich
von einigen zehnteln Pm. Die Teilchen sind Die mechanischen Gütewerte der Mehrlagen-
damit in der Lage, das Wachsen der Auste- schweißungen sind weitestgehend von der
nitkörner während der Aufheizphase und Draht-Pulver-Kombination abhängig, da der
damit die Grobkornbildung wirksam zu be- Einfluss des aufgeschmolzenen Grundwerk-
hindern, wie Bild 4-56 zeigt. Mit steigendem stoffanteils mit zunehmender Lagenzahl ver-
Sauerstoffgehalt nimmt die Teilchenmenge nachlässigbar wird. Bild 4-57 zeigt beispiel-
zu, also auch die Anzahl der Orte für eine haft den Einfluss der Lagenzahl auf den Man-
bevorzugte Ferritbildung. gangehalt im Schweißgut. Die Legierungs-
vorgänge nähern sich bereits nach der vier-
110
ten Lage dem metallurgischen Gleichgewicht,
m m d. h., Zu- und Abbrandvorgänge finden nicht
mehr statt. Jede Draht-Pulver-Kombination
Austenitkorngröße

100
ergibt abhängig von den gewählten Einstell-
werten ein charakteristisches (dynamisches)
Gleichgewichtsniveau der Legierungselemen-
90 te, das nach unterschiedlicher Lagenzahl er-
reicht wird.
80
Das metallurgische Verhalten der Schweiß-
pulver wird durch Auftragschweißversuche
70 nach DIN EN ISO 6847 (ISO 6847) festge-
stellt. Die zu untersuchenden Pulver werden
0,010 0,020 0,030 0,040 % 0,050
aber nur mit der Drahtelektrode S2 kombi-
Sauerstoffgehalt im Schweißgut niert. Aussagen über das Zu- und Abbrand-
Bild 4-56 verhalten mit anderen Drahtelektroden sind
Einfluss des Sauerstoffgehalts auf die Austenitkorngrö- nicht oder nur unzuverlässig möglich.
ße des Schweißguts (s. Bild 4-55), nach Fleck u. a.
Das Legierungsverhalten einer beliebigen
Nach Bild 4-54 hängt der Sauerstoffgehalt Draht-Pulver-Kombination wird daher meis-
im Schweißgut bei sauren und neutralen Pul- 1,5
vern (B 1,5… 1,7) sehr stark vom Basizitäts-
%
grad B des Schweißpulvers ab. Damit ergibt
Mn-Gehalt im Schweißgut

sich eine sehr wirksame Methode, das die 1,0


Zähigkeitseigenschaften des Schweißguts
entscheidend bestimmende Sauerstoffpoten-
zial über den Basizitätsgrad des Pulvers zu 0,5
steuern. Der gesamte aktive Sauerstoffan- Mn GW MnGW = Mangangehalt im
Grundwerkstoff
teil im Schweißgut ist aber auch von der che-
mischen Zusammensetzung der Drahtelekt-
01 2 3 4 10 20 30 40
rode und in einem nur ungenau abzuschät- Anzahl der Schweißlagen
zenden Umfang (Aufschmelzgrad!) auch von
Bild 4-57
der des Grundwerkstoffs abhängig ist. Pro- Einfluss der Lagenzahl auf den Mangangehalt im
beschweißungen sind daher zum Erreichen Schweißgut, hergestellt mit einer bestimmten Draht-
höchster Zähigkeitswerte unumgänglich. Pulver-Kombination, schematisch.
372 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

tens mit der im DVS-Merkblatt 0907 vorge- Beispiel ➊:


schlagenen Versuchstechnik bestimmt. Acht- Mit einer Draht-Pulver-Kombination S1/
lagen-Auftragschweißungen, Bild 4-58, wer- P1 wird ein Manganzubrand erreicht von
den mit dem zu untersuchenden Pulver und ' Mn O 0,6 %. Der Mn-Gehalt im reinen
den Drahtelektroden S1 bis S4 mit konstanten Schweißgut beträgt:
Einstellwerten hergestellt. Die chemische 0,5 %  0,6 % 1,1 %.
Zusammensetzung des Schweißguts, d. h. Beispiel ➋:
des Zu- und Abbrandverhaltens, wird aus Mit dem Pulver P3 soll ein Mn-Gehalt im
der obersten Lage ermittelt, die weitgehend Schweißgut von 1 % erreicht werden. Mit
der chemischen Zusammensetzung des rei- welcher Drahtelektrode lässt sich das er-
nen Schweißguts entspricht. Die Ergebnisse reichen? Diese Aufgabe ist nur durch Pro-
lassen sich sehr anschaulich in Abhängig- bieren und normalerweise nie »genau«
keit vom Legierungsgehalt der Drahtelektro- lösbar, weil die Abszissenwerte nicht be-
de in Schaubildern darstellen, Bild 4-58. In liebig wählbar sind, sondern nur als diskre-
vielen Fällen schneiden die Legierungsgera- te Werte existieren, die einem Vielfachen
den die Abszisse. Diese Schnittpunkte wer- von 0,5 (der Mn-Stufung der Drahtelektro-
den neutrale Punkte genannt, weil für eine ge- den!) entsprechen. S3 und P3 ergeben in
gebene Draht-Pulver-Kombination weder Zu- diesem Fall einen Mn-Abbrand von 0,4 %,
noch Abbrand entsteht. Das metallurgische d. h. ungefähr den geforderten Mn-Ge-
Verhalten ist also von der gewählten Draht- halt im Schweißgut von:
Pulver-Kombination abhängig; ein neutrales 1,5 % 0,4 %  1,1 %.
Pulver gibt es nicht. Beispiel ➌:
Das Pulver P2 verhält sich nur mit der
Mit Hilfe dieser Schaubilder lassen sich wich- Drahtelektrode S2 neutral, jede andere
tige Erkenntnisse über das metallurgische Kombination führt zum Mn-Zubrand oder
Verhalten des Schweißguts gewinnen. Dies -Abbrand.
sei an Hand von Bild 4-58 erläutert:
Das Legierungsverhalten der Pulver hängt
0,8
Spanentnahme (x) sehr stark von ihrem Basizitätsgrad ab. Si-
%
licium wird in der Regel zulegiert. Erfah-
Zubrand D Mn

0,6
rungsgemäß brennen basische Pulver sehr
wenig, saure relativ viel Silicium zu.
0,4 ➊
0,2
Die Ergebnisse der Darstellung nach DVS-
➌ Merkblatt 0907-1 gelten streng nur für die
0
% S4 P1
festgelegten Schweißparameter 41). Der gro-
S1 S2 S3
Mn Dr ße Einfluss geänderter Einstellwerte kann
0,2 also nicht erfasst werden. Bild 4-59a zeigt
Abbrand D Mn

schematisch den Verlauf der Legierungsli-


0,4 ➋ P2 nien für Mn-zubrennende, das Bild 4-59b
den Verlauf für Mn-abbrennende Schweiß-
D Mn = Mn Sch - Mn Dr
0,6
P3
pulver für von den Standardwerten abwei-
% Mn Sch: Mangangehalt im Schweißgut
Mn Dr : Mangangehalt in der Drahtelektrode chende Schweißströme. Mit zunehmender
0,8
Stromstärke wird der Zubrand bzw. der Ab-
Bild 4-58 brand geringer, weil die Viskosität der Schmel-
Zu- und Abbrandverhältnisse beim UP-Schweißen ze und damit die Größe der Tropfen kleiner
mit verschiedenen Schweißpulvern (P1, P2, P3) in werden.
Abhängigkeit vom Mangangehalt der Drahtelektroden
(S1, S2, S3, S4), gemäß DVS-Merkblatt 0907-1, sche- 41)
Geschweißt wird mit 4 mm ¨ Drahtelektroden,
matisch. Für die Ermittlung der chemischen Zusam- einem Schweißstrom von 580 “ 20 A, einer Schweiß-
mensetzung des Schweißguts wurden Späne aus der spannung von 29 “ 1 V, einer Vorschubgeschwin-
obersten Lage (x) einer achtlagigen Auftragschweißung digkeit der Wärmequelle von 55 “ 5 cm/min, und
verwendet. einer Zwischenlagentemperatur von 150 “ 50 ’C.
Abschn. 4.2: Zusatzwerkstoffe und Hilfsstoffe zum Schweißen unlegierter Stähle ... 373

1
Der Einfluss der Schweißspannung auf das lB = k1 ◊ U + k2 ◊ . [4-13]
Zu- und Abbrandverhalten ist für mangan- I
zubrennende Schweißpulver in Bild 4-59c, Die Stromstärke beeinflusst darüber hinaus
für manganabbrennende in Bild 4-59d dar- durch Ändern der Schmelzenviskosität, d.
gestellt. Mit zunehmender Spannung wird h. der Tropfengröße und der Aufenthaltsdau-
die Lichtbogenlänge, d. h. die Reaktionszeit er der Tropfen im Lichtbogenraum die me-
( Verweildauer im Lichtbogenraum) länger. tallurgischen Reaktionen in einem allerdings
Der Zubrand (Abbrand) wird demgemäß grö- nicht quantifizierbaren Umfang. Eine Verrin-
ßer. gerung der Tropfengröße beschleunigt die
metallurgischen Reaktionen, eine geringere
Die in Bild 4-59 dargestellten Ergebnisse be- Aufenthaltsdauer im Lichtbogenraum ver-
legen, dass das metallurgische Verhalten des langsamt sie.
Schweißpulvers nicht so sehr von der den
Tropfen umgebenden Schlackenmenge, son- 400 A/36 V Reaktionsfähigkeit
dern in erster Linie von der Reaktionszeit ➊ maximal: Imin, Umax

+ D Mn
und damit vor allem von der Lichtbogenlänge ➋ minimal: Imin, Umax

lB bestimmt wird. Diese hängt gemäß der


Ayrtonschen Beziehung von der Lichtbogen- ➋
spannung U und dem gegensinnig wirken- 800 A/25 V
0
den Schweißstrom I mit den Konstanten k1 1 2 3 4
und k2 ab: Mn Dr

a) 580 A/29 V

450 A U = 29 V = konst.
580 A v = 55 cm/min = konst.
+ D Mn
+ D Mn

400 A/36 V
800 A
Mn Dr Mn Dr
0 0
+ D Si

1 2 3 1 2 3
580 A/29 V
- D Mn

- D Mn

800 A 800 A/25 V


0
580 A 0,1 0,2 0,3 0,4
U = 29 V = konst. Si Dr
v = 55 cm/min = konst. 450 A b)
a) b)
Bild 4-60
Grenzkurven für den Einsatz eines Mn-zu-/abbren-
29 V I = 580 A = konst. nenden und Si-zubrennenden Schweißpulvers.
36 V v = 55 cm/min = konst.
a) Mn-Zubrand/Abbrand,
+ D Mn

+ D Mn

b) Si-Zubrand.

25 V Mn Dr
0
MnDr
0
Zum Bestimmen der Zu- und Abbrandgren-
1 2 3 1 2 3 zen eines Schweißpulvers werden achtlagige
- D Mn

Auftragschweißungen mit Einstellwerten her-


- D Mn

25 V
gestellt, die extreme Reaktionsbedingungen
29 V
I = 580 A = konst. ergeben und in der schon bekannten Weise
v = 55 cm/min = konst. 36 V
ausgewertet. Die gewählten Grenzwerte der
c) d)
Einstellparameter sind in der Praxis aber noch
Bild 4-59 anwendbar. Nach Bild 4-59 entsteht durch
Einfluss der Schweißstromstärke auf den Mangan- Kombinieren von Imax und Umn der minimal
Zu- bzw. Abbrand im UP-Schweißgut bei einem mögliche, durch Kombination von Imin und Umax
a) Mn-zubrennenden (MnO-haltig) Schweißpulver,
der maximal mögliche Reaktionsumfang. In
b) Mn-abbrennenden (MnO-frei) und der Schweiß-
spannung bei einem Bild 4-60 sind beispielhaft die Grenzkurven
c) Mn-zubrennenden, für den Mangan- und Silicium-Abbrand eines
d) Mn-abbrennenden Schweißpulver. Pulvers dargestellt.
374 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

4.2.4 Schweißzusätze für Stähle mit 4.3 Schweißen der


einer Mindeststreckgrenze wichtigsten Stahlsorten
über 500 N/mm2
4.3.1 Unlegierte niedriggekohlte
In DIN EN 757 werden die basisch-umhüll- C-Mn-Stähle
ten Stabelektroden mit Hilfe der Mindest-
streckgrenze des Schweißguts bezeichnet. Die wichtigsten unlegierten niedriggekohl-
Erfahrungsgemäß sind mit basisch-umhüll- ten C-Mn-Stähle sind:
ten Stabelektroden die hohen Anforderun- ❐ Baustähle nach DIN EN 10025-2,
gen an die Festigkeit und vor allem an die ❐ verschiedene warmfeste Stähle nach DIN
Zähigkeit des Schweißguts hinreichend zu- EN 10028-2, DIN EN 10216-2, DIN EN
verlässig erreichbar. Von größter Bedeutung 10217-2, SEW 081,
für die Bauteilsicherheit ist dabei ein mög- ❐ Einsatzstähle (aber nicht einsatzgehär-
lichst geringer Wasserstoffgehalt im Schweiß- tet!) nach DIN EN 10084.
gut. Weitere Einzelheiten sind in Abschn.
4.3.3 zu finden. Das Konzept der Normung Die Schweißeignung der oben genannten
wurde bereits in Abschn. 4.2.1 besprochen. Stähle ist ähnlich. Sie lassen sich mit allen
Lediglich einige Besonderheiten der vergü- Lichtbogenschweißverfahren verbinden. Die
teten Stähle müssen bei der Normbezeich- Wahl des Verfahrens wird von wirtschaftli-
nung zusätzlich berücksichtigt werden. chen und den hier im Vordergrund stehen-
den (schweiß-)technischen und werkstoffli-
Tabelle 4-24 gibt die mechanischen Eigen- chen Gesichtspunkten bestimmt. Im Folgen-
schaften, Tabelle 4-25 die chemische Zusam- den werden daher das Schweißverhalten und
mensetzung des reinen Schweißguts wieder. die fertigungs- und schweißtechnischen Ver-
Sie entspricht in ihrem Aufbau Tabelle 4-7, arbeitungshinweise dieser Stähle gemein-
die die Schweißguteigenschaften der Stab- sam beschrieben. Die wichtigsten Besonder-
elektroden nach DIN EN ISO 2560 beschreibt heiten der schweißtechnischen Verarbeitung
(Abschn. 4.2.3.1.5). Das zusätzliche Kurzzei- aufgrund spezieller Werkstoffeigenschaften
chen »T« ist zu verwenden, wenn die Festig- werden in eigenen Abschnitten dargestellt.
keits- und Zähigkeitseigenschaften für den Empfehlungen zum Schweißen dieser Stäh-
spannungsarm geglühten Zustand (560 ’C le sind in DIN EN 1011-2 enthalten.
bis 600 ’C/1 h) gelten, s. Beispiel 4-8.
Das Schweißverfahren verursacht eine Rei-
In DIN EN 12534 sind Drahtelektroden und he werkstofflicher Änderungen in der Wärme-
Schweißgut für das MSG-Schweißen genormt, einflusszone und im Schweißgut bzw. beein-
in DIN EN 14295 Drähte, Fülldrahtelektro- flusst viele wichtige Eigenschaften der Verbin-
den und UP Draht-Pulverkombinationen. dung:
– Es bestimmt zusammen mit der Vorwärm-
temperatur, das angewendete/mögliche
Beispiel 4-8:
Wärmeeinbringen, d. h. die Abkühlge-
Basisch-umhüllte (B) Stabelektrode zum Lichtbogen-
handschweißen (E), deren Schweißgut nach einem
schwindigkeit, die Breite, die Korngrößen-
Spannungsarmglühen (T) eine Mindeststreckgrenze verteilung und z. B. die Ausscheidungsnei-
von 620 N/mm2 aufweist (62, Tabelle 4-24), eine Min- gung in der Wärmeeinflusszone sowie im
destkerbschlagarbeit von 47 J bei  70 ’C erbringt (7, Schweißgut. Je »einfacher« der Werkstoff
Tabelle 4-8) und eine Zusammensetzung außerhalb ist – z. B. unlegierte Baustähle – desto
der in Tabelle 4-25 enthaltenen Grenzen hat (Z), an
unbesorgter, also »wirtschaftlicher«, kann
Wechsel- und Gleichstrom verschweißbar ist, eine Aus-
bringung von 120 % hat (3, Tabelle 4-10), für Kehl- und mit großem Wärmeeinbringen geschweißt
Stumpfnähte in Wannenposition geeignet ist (4) und werden. Komplexe, vor allem legierte Werk-
dessen Wasserstoffgehalt im Schweißgut 5 ml/100 g stoffe und NE-Metalle erfordern nahezu
nicht überschreitet (H5, Tabelle 4-11): immer ein begrenztes Wärmeeinbringen,
EN 757 – E 62 7 Z B T 3 4 H5. weil anderenfalls die Breite und die Korn-
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Unlegierte/niedriglegierte C-Mn-Stähle) 375

Tabelle 4-24
Kennzeichen für Streckgrenze, Festigkeit und Dehnung des reinen Schweißguts, hergestellt mit umhüllten
Stabelektroden, mit Mindeststreckgrenzen über 500 N/mm2, nach DIN EN 757 (5/97).

Kennziffer Mindeststreckgrenze 1) Zugfestigkeit Mindestdehnung 2)

N/mm2 N/mm2 %

55 550 610 bis 780 18


62 620 690 bis 890 18
69 690 760 bis 960 17
79 790 880 bis 1080 16
89 890 980 bis 1180 15
1)
Es gilt die untere Streckgrenze (Rel). Bei nicht ausgeprägter Streckgrenze ist die 0,2%-Dehngrenze
(Rp0.2) anzuwenden.
2)
Die Messlänge ist gleich dem fünffachen Probendurchmesser (L0 = 5 ⋅ d).

größe der Wärmeeinflusszone unzuläs- zen, nahezu laminar und sehr gleichmä-
sig zunähmen, die mechanischen Eigen- ßig strömenden Lichtbogen des WIG-Ver-
schaften vermindert würden und (oder) fahrens!).
unerwünschte werkstoffliche Änderungen – Das Schweißverfahren, die Einstellwer-
(z. B. Ausscheidungen, Phasenänderungen te und die Nahtform bestimmen weitge-
aller Art) einträten. hend die Größe der Aufmischung. Stark
– Der Grad der schützenden Wirkung der aufschmelzende Verfahren sind meistens
im Lichtbogen entwickelten/vorhandenen unerwünscht, weil sie oft metallurgische
Schutzgase ist vom Schweißverfahren ab- Komplikationen erzeugen, die mit geeig-
hängig. Je stabiler und kürzer der Licht- neten Prüfmethoden kontrolliert werden
bogen, und je weniger bewegt der Plasma- müssen (teuer!). Das Schweißgut kann z.
strom ist, umso geringer ist im Allgemei- B. Verunreinigungen aus dem Grundwerk-
nen die Gasaufnahme aus der Atmosphäre stoff (P, S) aufnehmen, wodurch vor al-
(vgl. den »turbulenten« Lichtbogen beim lem UP-Schweißgüter extrem heißriss-
Handschweißen mit dem stabilen, kur- anfällig werden, Abschn. 4.2.3.3.

Tabelle 4-25
Kurzzeichen für die chemische Zusammensetzung des Schweißguts mit Mindeststreckgrenzen über
500 N/mm2, nach DIN EN 757 (5/97). Einzelwerte in der Tabelle sind Höchstwerte.

Legierungskurzzeichen Chemische Zusammensetzung (Prozent Massenanteil) 1)

Mn Ni Cr Mo

MnMo 1,4 bis 2,0 − − 0,3 bis 0,6

Mn1Ni 1,4 bis 2,0 0,6 bis 1,2 − −

1NiMo 1,4 0,6 bis 1,2 − 0,3 bis 0,6


1,5NiMo 1,4 1,2 bis 1,8 − 0,3 bis 0,6
2NiMo 1,4 1,8 bis 2,6 − 0,3 bis 0,6
Mn1NiMo 1,4 bis 2,0 0,6 bis 1,2 − 0,3 bis 0,6
Mn2NiMo 1,4 bis 2,0 1,8 bis 2,6 − 0,3 bis 0,6

Mn2NiCrMo 1,4 bis 2,0 1,8 bis 2,6 0,3 bis 0,6 0,3 bis 0,6
Mn2Ni1CrMo 1,4 bis 2,0 1,8 bis 2,6 0,6 bis 1,0 0,3 bis 0,6

Z Jede andere vereinbarte Zusammensetzung


1)
Falls nicht festgelegt: Mo < 0,2 %, Ni < 0,3 %, Cr < 0,2 %, V < 0,08 %, Nb < 0,05 %, Cu < 0,3 %.
Tabelle 4-26

376
Hinweise zur Wahl einiger Lichtbogenschweißverfahren.

Eigenschaften Lichtbogenhandschweißen MSG-Schweißen WIG-/Plasmaschweißen UP-Schweißen

Sehr anpassungsfähig, in allen Po- In allen Positionen anwendbar. In allen Positionen anwendbar, für Bau- Nur in w- und h-Position an-
sitionen verarbeitbar. Leichte Naht- Werkstoffübergang und damit stellenbetrieb kaum geeignet. Angewen- wendbar, fast immer mechani-
zugänglichkeit und Verfügbarkeit, physikalische Eigenschaften det für Blechdicken von 0,1 mm (Mi- siert und oft mit aufwändigen,
einfaches, robustes, preiswertes Ver- des Lichtbogens und mechani- kroplasma) mm bis etwa 10 mm (Wur- meist teuren Vorrichtungen be-
fahren, hervorragend für nicht wie- sche des Schweißguts durch zelschweißung, vor allem an Rohren). trieben. Ab etwa 3 mm bis zu
derkehrende Arbeiten und Repara- Sprühlicht-, Kurzlicht- und Im- WIG-Schweißen für komplizierte Schwei- größten Dicken einsetzbar. Sehr
turen einsetzbar, nicht mechanisier- pulslichtbogen sowie vielfäl- ßungen (z. B. Wurzel, Zwangslage, hohe Schweißgeschwindigkeit mög-
Anwendbarkeit
bar. tigst wirksamer Schutzgase in schlechte Passung) besonders gut geeig- lich.
weiten Grenzen änderbar. Für net, weil »Wärme« und Zusatz mit zwei
Blechdicken von 0,5 mm bis ca. Händen getrennt einstellbar. Wie das
30 mm anwendbar. Unter Bau- MIG-Verfahren hervorragend für Leicht-
stellenbedingungen unzweckmä- metalle anwendbar (Beseitigen des Oxid-
ßig: Schutzgas verweht. Ein- films durch »Reinigungswirkung«).
fach mechanisierbar.
Gut, aber stark von Handfertigkeit Gut, aber meist auf Handha- Extrem hohe Qualität erreichbar, wenn Hohe Qualität möglich, aber sehr
des Schweißers abhängig. Rauche, bungsfehler beruhende Porosi- Nahtbereich metallisch blank ist, da von fachgerecht gewählter Draht-
Dämpfe, Verbrennungsgase im Licht- tät und Bindefehler können Lichtbogen »reine« Wärme darstellt, oh- Pulver-Kombination und Ein-
bogenraum und stark bewegter Gas- Probleme verursachen. Anfälli- ne Gütewerte beeinträchtigende Gase stellwerten abhängig. Sehr hoher
Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Erreichbare schutz begrenzen erreichbare Quali- ger gegenüber Rost und Ober- und Reaktionsprodukten. Kleine Naht- Aufschmelzgrad möglich (Stumpf-
tät. Bindefehler, Poren, Einschlüsse flächenbelägen als Verfahren, querschnitte erzeugen feineres Korn in nähte ohne Vorbereitung). Weni-
Qualität sind typische Fehlerarten. In Mehr- die mit Pulver/Umhüllung ar- und geringere Breite der WEZ. ger empfindlich für Rost und Blech-
lagentechnik (Umkörnen der unte- beiten. In Schmelze aufgenom- ablagerungen (basische Pulver).
ren Lagen bei Stahlwerkstoffen!) mene O- und N-Mengen kön- Nur sehr geringe Mengen an N
und basischen Elektroden sehr hohe nen sehr gering sein. werden aufgenommen, aber O
Zähigkeit erreichbar. aus Pulver.
Preiswertes Verfahren (> 2500 € bis Teureres Verfahren (> 3000 € Sehr teures Verfahren (> 50000 €). We- Abschmelzleistung kann sehr hoch
5000), hoher Ausbildungsstand des bis 15000 bei Impulsanlagen), gen geringer Abschmelzleistung (3 bis 4 sein (> 25 kg/h). Verfahren und
Schweißers erforderlich. Abschmelz- Abschmelzleistung > 20 kg/h, kg/h) überwiegend für hochwertigste fast immer erforderliche Vorrich-
Wirtschaftlichkeit leistung bis 6 kg/h, geringe Schweiß- hohe Schweißgeschwindigkeit Schweißarbeiten angewendet. tung teuer (> 30000 €). Meistens
geschwindigkeit, für Blechdicken über (bis 2 m/min unter CO2). teure Nahtvorbereitung erforder-
20 bis 30 mm i. Allg. unwirtschaftlich. lich, weil große Menge (dünn-)
flüssiger Schmelze vorhanden.
Geringes Wärmeeinbringen (Zünd-, Geringes bis sehr großes Wär- Relativ geringes Wärmeeinbringen kann Das häufig große Wärmeeinbrin-
Heftstellen) führt zu hoher Abkühl- meeinbringen je nach Verfah- hohe Abkühlgeschwindigkeit erzeugen, gen erzeugt breite WEZ (Grob-
ge-schwindigkeit (Härtesteigerung in rens-Variante einstellbar. Sehr extrem geringer H-Gehalt im Schweiß- korn), geringe Abkühlgeschwindig-
Wirkung auf den WEZ bei Stahlwerkstoffen, mehrach- geringer H-Gehalt im Schweiß- gut möglich. keit (leichtes Ausgasen), große
Grundwerkstoff sige Eigenspannungen). Umhüllung gut möglich. Aufmischung, d. h. evtl. metallur-
stellt »Speicher« für Wasserstoff dar, gische Probleme.
daherB-Stabelektroden trocknen.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Unlegierte/niedriglegierte C-Mn-Stähle) 377

– Vor allem bei den höhergekohlten Stäh- – Heißrisse entstehen meistens durch
len (C • 0,2 %) muss das Schweißgut mög- Schwefel und Phosphor bevorzugt in
lichst wenig Wasserstoff enthalten. Hier- großvolumigen Schweißgütern (UP)
für sind geeignete Technologien (Vorwär- und bei großen Schweißgeschwindig-
men), Schweißverfahren bzw. Zusatzwerk- keiten, die tropfenförmige Schweißgü-
stoffe zu wählen. ter erzeugen, Abschn. 4.1.1.1.
– Terrassenbrüche entstehen überwie-
In der Tabelle 4-26 sind für einige wichtige gend in Schweißverbindungen aus
Schweißverfahren Hinweise für eine fachge- Feinkornbaustählen (Abschn. 4.3.2).
rechte Auswahl (technische und wirtschaft- Die besonders beruhigten Stähle mit
liche Gesichtspunkte) zusammengestellt. ihrer ausgeprägten Walzzeiligkeit nei-
gen aber bei größeren Wanddicken eben-
Die Schweißeignung wird von vielen Fakto- falls zu dieser Versagensform.
ren bestimmt (Abschn. 3.2, S. 239):
❐ Der Werkstückdicke. Mit zunehmender
❐ Dem Kohlenstoffgehalt des Werkstoffs. Dicke ändern sich einige für die Bauteil-
Er beträgt bei den meisten der genann- sicherheit wichtige Eigenschaften:
ten Werkstoffe … 0,2 % (Abschn. 4.1.3), d. – Der Mehrachsigkeitsgrad und die Hö-
h., gravierende Probleme beim Schwei- he der Schweißeigenspannungen wer-
ßen sind in keinem Fall zu erwarten: den größer, und damit wächst die Ge-
– Die Kaltrissneigung ist als gering ein- fahr der Kaltrissneigung und Span-
zustufen, obwohl sie nicht völlig auszu- nungsversprödung.
schließen ist, s. Aufgabe 2-8, S. 230. – Die Abkühlgeschwindigkeit nimmt zu,
– Die mechanischen Eigenschaften des wodurch ungünstige Gefüge (härter
hocherhitzten Teils der Wärmeeinfluss- und spröder) vor allem in der WEZ,
zone sind selbst bei sorgloser Ferti- aber auch im Schweißgut entstehen.
gung meistens ausreichend. – Die mechanischen Gütewerte werden
bei diesen konventionellen Stählen im
❐ Dem Gehalt der Verunreinigungen. Die Gegensatz z. B. zu den Feinkornbau-
wichtigsten Elemente sind Phosphor, stählen (Abschn. 4.3.2) schlechter, vor
Schwefel und die atmosphärischen Ga- allem quer zur Walzrichtung. Der ge-
se. Ihre Menge, Art und Verteilung sind ringere Durchschmiedungsgrad und
entscheidend für die Zähigkeit, die Nei- Verunreinigungen aller Art bewirken
gung zu verschiedenen Defekten (Poren, oft eine unzureichende Gleichmäßig-
Heiß- und Kaltrisse) und damit für die keit des Gefüges (Zähigkeitsanisotro-
Sicherheit des geschweißten Bauteils: pie) und eine ungünstigere Verteilung
– Die Zähigkeit der Stähle lässt sich pra- der Einschlüsse.
xisnah und relativ zuverlässig mit der
Übergangstemperatur der Kerbschlag- Von größter Bedeutung für die mechanischen
arbeit Tü,40, also z. B. mit dem Konzept Eigenschaften, vor allem für die Zähigkeit,
der Gütegruppen beschreiben (s. Bau- ist Art und Menge der im Stahl vorhande-
stähle nach DIN EN 10025-2, Abschn. nen Verunreinigungen. Aus Gründen der bes-
4.3.1.1). seren Übersicht sollen sie in lösliche (in der
– Poren (Abschn. 3.5.1.1) entstehen im Matrix statistisch verteilt oder als oberflächen-
Schweißgut vor allem durch Gase (CO, aktive in Korngrenzenbereichen segregiert:
N, H), die beim Schweißprozess gebil- z. B. B, P, Sn, Pb) und nichtlösliche (Ausschei-
det oder aufgenommen wurden (Atmo- dungen, Einschlüsse, z. B. Sulfide, Carbide,
sphäre, Rost, Beschichtungen, Fette, Oxide) unterteilt werden. Außer ihrer zähig-
Öle, organische Substanzen). Unberu- keitsvermindernden Wirkung können sie bei
higte Stähle enthalten nur eine gerin- einer unzureichenden thermischen Stabili-
ge Desoidationsmittelmenge, sie sind tät Anlass zur Porenbildung und zur Ent-
daher besonders empfindlich. stehung der Wiederaufschmelzrisse (liquati-
378 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

on cracks) geben. Ausscheidungen besitzen DIN EN ISO 2560:


aber auch eine Reihe bemerkenswerter Vor- Umhüllte Stabelektroden zum Lichtbo-
teile: genhandschweißen unlegierter und mikro-
– Durch Abbinden des interstitiell vorhan- legierter Stähle (Abschn. 4.2.3.1).
denen Stickstoffs werden Alterungser-
scheinungen wirksam unterdrückt, d. h. DIN EN ISO 636:
die Zähigkeitseigenschaften verbessert. Schweißstäbe zum WIG-Schweißen unle-
Die Bildung von Carbiden vermindert den gierter und mikrolegierter Stähle, Tabelle
Gehalt an gelöstem Kohlenstoff im Auste- 4-12.
nit, wodurch die Schweißeignung des Stah-
les günstig beeinflusst wird. DIN EN ISO 14341 und
– Sie erhöhen die Festigkeit, wenn ihr mitt- DIN EN ISO 17632:
lerer Durchmesser im Bereich einiger hun- Massivdraht- und Fülldrahtelektroden
dert nm liegt (Dispersionshärtung). zum MSG-Schweißen unlegierter und
– Sie behindern sehr wirksam (bis etwa 0,5 niedriglegierter (Feinkorn-)Stähle, Tabelle
nm) die Korngrenzenbewegung beim Re- 4-17 und Tabelle 4-18.
kristallisationsvorgang und erschweren
somit auch das Kornwachstum in der Grob- DIN EN 756 und DIN EN 760:
kornzone von Schweißverbindungen. Sie Massivdrahtelektroden und Schweißpul-
dienen außerdem als heterogene Keime ver zum UP-Schweißen, Tabelle 4-19 und
für die Bildung des in Schweißgütern be- Tabelle 4-20.
vorzugten nadelförmigen Ferrits.
– Die vor allem an der Phasengrenze Matrix/ Weitere Einzelheiten über die metallurgische
Ausscheidung vorhandenen »Hohlräume« Wirksamkeit und einige Eigenschaften der
stellen Fallen (»traps«) für den atomaren Schweißzusatzwerkstoffe sowie der Hilfs-
Wasserstoff dar (Abschn. 3.3.3.3, S. 258). stoffe sind in Abschn. 4.2 zu finden.
Die Neigung zur wasserstoffinduzierten
Rissbildung wird deutlich geringer. Mit zunehmender Werkstückdicke werden
Zusatzwerkstoffe verwendet, die ein mög-
Abhängig von der Zusammensetzung des lichst verformbares, risssicheres und wasser-
Schweißguts kann die Heißrissneigung (von stoffarmes Schweißgut ergeben. Der Abbau
UP-Schweißgütern) mit dem von Bailey und mehrachsiger Spannungen im Schweißnaht-
Jones entwickelten Heißrissparameter PHR bereich durch plastische Verformung wird er-
abgeschätzt werden, Gl. [4-14]: leichtert, d. h. die Kaltrissbildung in dem auf-
gehärteten schmelzgrenzennahen Bereich
PHR = 230 ◊ C + 190 ◊ S + 75 ◊ P + 45 ◊ Nb - deutlich erschwert. Besonders gut geeignet
12,3 ◊ Si - 5,4 ◊ Mn - 1. sind daher die basisch-umhüllten Stabelekt-
roden (Abschn. 4.2.3.1.3), die auch die Kalt-
PHR … 10: Heißrissgefahr ist gering, rissneigung der aufgehärteten Bereiche der
PHR • 30: Heißrissbildung ist wahr- WEZ (ermöglicht durch die hervorragende
scheinlich, Verformbarkeit des sehr zähen Schweißguts!)
10  PHR  30: die Heißrissentstehung wird vermindern. Aus wirtschaftlichen Gründen
entscheidend von den Ein- (Abschmelzleistung!) werden sie allerdings
stellwerten und der Art des nur bis zu Werkstückdicken von etwa 15 mm
Lagenaufbaus beeinflusst. bis 20 mm verwendet. Die MSG-, und vor al-
lem das UP-Verfahren sind für größere Di-
Die Schweißeignung dieser Stähle ist in der cken der Fügeteile wirtschaftlicher.
Regel für alle Schmelzschweißverfahren gege-
ben. Die Auswahl geeigneter Schweißzusät- Ein Vorwärmen der Fügeteile ist i. Allg. bei
ze ist noch unproblematisch. Die fachgerech- Werkstückdicken über 20 … 30 mm erforder-
te Wahl der Zusatzwerkstoffe wird durch fol- lich, vor allem bei verspannten Konstruktio-
gende Normen erleichtert bzw. ermöglicht: nen. Die Vorwärm- bzw. die Zwischenlagen-
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Baustähle) 379

temperaturen liegen zwischen »Handwärme« 4.3.1.1 Baustähle nach DIN EN 10025-2


und 200 ’C. Sie werden in der Regel durch Diese mengenmäßig bei weitem wichtigsten
Spezifikationen, Regelwerke oder Werksvor- Werkstoffe sind unlegiert und werden auf-
schriften festgelegt und können im ungere- grund ihrer Zugfestigkeit und Streckgren-
gelten Bereich z. B. experimentell oder mit ze (bei Raumtemperatur) im warmgeformten
Hilfe des Kohlenstoffäquivalents ermittelt Zustand nach einem Normalglühen oder nor-
werden (Abschn. 4.1.3.2). malisierenden Walzen oder nach einer Kalt-
umformung im Hochbau, Tiefbau, Brücken-
Dickwandige Konstruktionen (t • 30 mm) wer- bau, Behälterbau, z. T. Rohrleitungsbau und
den gemäß einschlägiger Regelwerke häufi- im Fahrzeug- und Maschinenbau verwendet.
ger spannungsarmgeglüht. Die erforderlichen Sie werden überwiegend durch Schweißen
Glühtemperaturen sind aus Tabelle 2-3, S. weiterverarbeitet.
139, bzw. den Regelwerken zu entnehmen.
Ein Normalglühen kann bei Werkstückdi- Das Gefüge dieser Stähle ist ferritisch-perli-
cken über 30 mm erfolgen. Aus wirtschaft- tisch. Die Bildfolge 4-61 zeigt Aufnahmen
lichen und technischen Gründen wird diese der Mikrogefüge der Stähle S235 (St 37),
teure Wärmebehandlung aber nur angewen- S355J2  N (St 52-3) und E335 (St 60). Der
det, wenn sie nach den Regelwerken oder nach mit zunehmendem C-Gehalt zunehmende Per-
(schweiß-)technischem Verständnis erforder- lit- (bzw. Bainit-)Anteil ist deutlich zu erken-
lich ist. nen, ebenso die für manganlegierte Stähle cha-
rakteristische Walzzeiligkeit bei dem Bau-
Besonders beruhigte Stähle, vor allem aber stahl S355J2  N (St 52-3). Der Kohlenstoff-
die normalgeglühten Feinkornbaustähle, nei- gehalt liegt etwa zwischen 0,17 % (S235JR)
gen bei größeren Wanddicken (t • 20 mm) und 0,35 % bis 0,40 % (E360), Tabelle 2-4.
und hohem Verspannungsgrad der Konstruk-
tion als Folge der zeilenförmigen Anordnung Die Stähle der Gütegruppen JR, JO, K2 sind
der Desoxidationsprodukte (z. B. SiO2, Al2O3, zum Schweißen nach allen Verfahren geeig-
MnS) zum Terrassenbruch. Die zum Ab- net. Die Schweißeignung (und die Zähigkeits-
wenden dieser Versagensform angewende- eigenschaften) verbessert sich bei jeder Sor-
ten verschiedenartigen Maßnahmen sind in te von der Gütegruppe JR bis zur Gütegrup-
Abschn. 2.7.6.1, S. 189, beschrieben. pe K2, Tabelle 2-5. Für die Stähle ohne Gü-

a) b) c)
Bild 4-61
Mikroaufnahmen der Gefüge verschiedener Baustähle nach DIN EN 10025-2 (DIN 17100), 2 % HNO3.
a) S235JR (St 37), V = 500:1, b) S355J2 + N (St 52-3), V = 800:1, c) E335 (St 60), V = 500 :1.
Tabelle 4-27

380
Schweißeignung der unlegierten Baustähle nach DIN EN 10025-2. Die Angaben gelten jeweils für die gleiche Erzeugnisdicke. Die Wertigkeit der Kreuze ist
für die einzelnen Faktoren unterschiedlich. Versuch einer Einordnung gemäß DIN 8528-1. Einzelheiten zur chemischen Zusammensetzung und mechanische
Eigenschaften s. Tabelle 2-4.

Gruppe Stahlsorte (Kurzname) nach Desoxidati- Beachten von 3):


onsart 1, 2)
EN 10027-1 EU 25-72 DIN 17006
Sprödbruch- Alterungs- Härtungs- Seigerungs-
EN 10025-2 EN 10025 EN 10025 DIN 17100 neigung neigung neigung verhalten
(2005) (1995+A1) (1990)

– S235J2G4 Fe 360 D2 (−) (FF) (−) (−) (−) (−)


S235 + N 2) S235J2G3 Fe 360 D1 St 37-3 N FF − − − −
– S275J2G4 Fe 430 D2 (−) (FF) (−) (−) (−) (−)
S275J + N S275J2G3 Fe 430 D1 St 44-3 N FF − − − −
– S355K2G4 Fe 510 DD2 (−) (FF) (−) (−) (x) (−)
– S355K2G3 Fe 510 DD1 (−) (FF) (−) (−) (x) (−)
– S355J2G4 Fe 510 D2 (−) (FF) (−) (−) (x) (−)
S355 + N S355J2G3 Fe 510 D1 St 52-3 N FF − − x −
1 S235JO St 37-3 U x
S235JO Fe 360 C FF x − −
S275JO S275JO Fe 430 C St 44-3 U FF x x − −
Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

S355JO S355JO Fe 510 C St 52-3 U FF x x x −


S355K2 S355K2G4 Fe 510 DD2 − FF − − − −

– S235JRG2 Fe 360 BFN RSt 37-2 (FN) (xx) (x) (−) (−)
– S235JRG1 Fe 360 BFU USt 37-2 (FU) (xx) (x) (−) (x)
S235JR S235JR Fe 360 B St 37-2 FN x x − −
S275JR S275JR Fe 430 B St 44-2 FN xx x x −

2 S185 S185 Fe 310-0 4) St 33 freigestellt xxx xx xxx xx

E295 E295 Fe 490-2 St 50-2 FN xxx xx xxx −


3 E335 E335 Fe 590-2 St 60-2 FN xxx xx xxx −
E360 E360 Fe 690-2 St 70-2 FN xxx xx xxx −

1)
FN: unberuhigter Stahl nicht zulässig, FF: vollberuhigter Stahl.
2)
Sollen die Erzeugnisse im normalgeglühten/normalisierend gewalzten Zustand geliefert werden, dann ist an die Stahlbezeichnung +N anzufügen. Dadurch wurden
die Kennzeichen für den Lieferzustand (G3, G4) überflüssig. Da auch unberuhigte Stähle in der Norm nicht mehr enthalten sind, wurden auch die Kurzzeichen für
die Desoxidationsart (G1, G2) überflüssig.
3)
−: bedeutet, diese Eigenschaft ist bei den Stählen nicht zu beachten,
x: Mit zunehmender Anzahl der Kreuze wird der Einfluss des betreffenden metallurgischen Einflusses auf die Schweißeignung größer.
4)
Nur in Nenndicken ≤ 25 mm lieferbar.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Baustähle) 381

tegruppen (S185, E295, E335 und E360) wer- Fülldrähte bei einer Vorwärmtemperatur
den keine Angaben zur Schweißeignung ge- von Tp 300 ’C hergestellt wurde. Das Gefü-
macht und keine Kerbschlagarbeiten gewähr- ge der Wärmeeinflusszone ist bainitisch-per-
leistet. litisch (feinststreifig) mit Anteilen von Mar-
tensit und geringen Mengen voreutektoiden
Die Kennzeichen für die Desoxidationsart ( allotriomorphen) Korngrenzen- und Seiten-
(G1, G2) sind seit dem Erscheinen der neue- plattenferrits. Das Schweißgut besteht im
ren DIN EN 10025 (4/2005) überflüssig, Ta- Bildausschnitt überwiegend aus nadelförmi-
belle 2-4, weil unberuhigte Stähle nicht mehr gem Ferrit und größeren Ferritblöcken. Die
enthalten sind. Der Lieferzustand der Erzeug-
nisse bleibt, wenn nicht anders vereinbart,
dem Hersteller überlassen. Sollten die Erzeug-
nisse im normalgeglühten/normalisierend
gewalzten Zustand geliefert werden, dann ist
an die Stahlbezeichnung  N anzufügen. Da-
durch werden die Kennzeichen für den Liefer-
zustand (G3, G4) ebenfalls überflüssig. Be-
stellbar ist auch der Lieferzustand  AR ( As
Rolled »wie gewalzt« d. h. der Stahl wird
ohne jegliche besondere Walz- und/oder Wär-
mebehandlungsbedingungen hergestellt).

Bei der Bestellung ist für die Stähle aller Gü-


tegruppen (JR, JO, J2, K2) ein Höchstwert
für das nach der Formel Gl. [4-2] zu berechnen-
de Kohlenstoffäquivalent CEV einzuhalten:
Mn Cr + Mo + V Ni + Cu
CEV = C + + + [%].
6 5 15 a)
Diese vom International Institute of Welding 500
(IIW) empfohlene Beziehung gilt für Stähle
mit mehr als 0,18 % Kohlenstoff. Für CEV-
400
Werte … 0,40 % ist eine Kaltrissbildung aus-
Härte HV 1

zuschließen. In diesem Fall sind die in der


300
Formel genannten Elemente in der Bescheini-
gung über Materialprüfungen anzugeben.
200

Die Tabelle 4-27 zeigt in der Darstellungsart


der (ersatzlos zurückgezogenen) DIN 8528-1 100

die Schweißeignung der unlegierten Baustäh-


le nach DIN EN 10025-2. Die wichtigsten 0
- 15 - 10 - 5 0 5 10 mm 15
Faktoren, die die Schweißeignung beeinflus- Abstand von Nahtmitte (= 0) x
sen, sind durch Kreuze gekennzeichnet. Mit
b)
zunehmender Zahl der Kreuze wachsen die
Schwierigkeiten und der Aufwand bei der Bild 4-62
schweißtechnischen Fertigung. Verbindungsschweißung an einem E360 (St 70) bei
einer Vorwärmtemperatur von Tp = 300 ’C.
Bild 4-62a zeigt beispielhaft das Mikrogefü- a) Mikroaufnahme aus dem Schmelzgrenzenbereich
(oben rechts Schweißgut: überwiegend nadelförmi-
ge des Schmelzgrenzenbereichs einer Verbin-
ger Ferrit, unten links WEZ: perlitisch-bainitisches
dungsschweißung aus einem höhergekohlten Gefüge). V = 800:1; 2 % HNO3.
(C O 0,40 %) Stahl E360 (St 70), die mit dem b) Härteverteilung (HV 1), gemessen 1 mm unter der
MAG-Verfahren unter Verwendung basischer Oberfläche.
382 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Eigenspannungszustand

niedrig mittel hoch

Bild 4-63
Beispiele zum Beurteilen des Eigenspannungszustandes einiger geschweißter Elemente, nach DASt-Richtlinie
009 und Anpassungsrichtlinie zur DIN 18800-1/A1.

maximale Härte in der Nähe der Schmelz- Gütegruppen (Stahlgütegruppen)


grenze beträgt ca. 350 HV 1. Die Bauteilsi- Ein günstiges Schweißverhalten (Zähigkeits-
cherheit ist damit wohl sichergestellt, wenn eigenschaften, (Kalt-)Rissfreiheit der Verbin-
für diese nicht noch andere Eigenschaften dung) ist die wohl wichtigste Eigenschaft der
erforderlich sind. schweißgeeigneten Baustähle. Allgemein ak-
zeptierte und bewährte Kennwerte sind die
Ohne Vorwärmen ergab sich eine Maximal- Kerbschlagarbeit K und (oder) besser die Über-
härte von etwa 650 HV 1, bei Tp 100 ’C eine gangstemperatur Tü,27 bzw. Tü,40. Beide Werk-
von 580 HV 1 und bei Tp 200 ’C immerhin stoffkennwerte bestimmen in schweißtech-
noch eine Härte von 480 HV 1. Man erkennt nischer Hinsicht die Qualität des Stahles, die
nicht nur die Bedeutung des Vorwärmens, durch seine Gütegruppe angegeben wird.
sondern vor allem die Notwendigkeit, höher-
gekohlte Stähle sehr hoch vorwärmen zu In der letzten Ausgabe der DIN EN 10025-2
müssen, s. Abschn. 4.3.4. Die Verwendung (4/2005) werden nur noch vier technisch und
basisch wirkender Zusatzwerkstoffe ist sehr wirtschaftlich völlig ausreichende Gütegrup-
empfehlenswert. pen unterschieden, Tabelle 2-5, S. 170:
JR – JO – J2 – K2.
Die fachgerechte Auswahl des Stahls muss
nach technischen und wirtschaftlichen Über- Die Gütegruppen werden durch nachstehen-
legungen erfolgen. Ein sehr wichtiges Krite- de Festlegungen beschrieben:
rium ist seine Schweißeignung. Das Schweiß-
verhalten der un- und (niedrig-)legierten Bau- Gütegruppe, keine Angabe
stähle kann recht zuverlässig und praxisnah Es bestehen keine Anforderungen an die
mit Hilfe der Gütegruppen bestimmt wer- chemische Zusammensetzung des Stahles,
den 42). (S185, E295, E335, E360). Angaben über
die Schweißeignung sind dann in der Regel
nicht möglich oder unsicher. Werte für K
und Tü,27 können nicht angegeben werden.
42)
In der bis 1991 gültigen DIN 17100 als Stahlgü- Die Stahlqualität, d. h., die Verformbar-
tegruppe bezeichnet. keit ist gering.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Baustähle) 383

Gütegruppe JR bis K2 Wahl der Gütegruppe


Die Schweißeignung verbessert sich bei Die Auswahl eines hinreichend sprödbruch-
jeder Sorte von der Gütegruppe JR bis zur sicheren Stahls für eine zu schweißende Kons-
Gütegruppe K2. truktion ist abhängig von der Art, der Anzahl
Zunehmende Qualität (Sprödbruchsicher- und der Schärfe der sprödbruchwirksamen
heit, Schweißeignung) des Stahles, also Faktoren. In der DASt-Richtlinie 009 »Emp-
eine höhere Gütegruppe, ist gekennzeich- fehlungen zur Wahl der Gütegruppen für ge-
net durch eine zunehmende gewährleis- schweißte Bauteile« und der Anpassungs-
tete Kerbschlagarbeit, meistens verbun- richtlinie zur DIN 18800 werden die Fakto-
den mit einer abnehmenden Übergangs- ren verwendet:
temperatur der Kerbschlagzähigkeit, und – Spannungszustand (hoch, mittel, nied-
einem abnehmendem Gehalt ab Verun- rig),
reinigungen (Schwefel, Phosphor, Stick- – Bedeutung des Bauteils,
stoff), Tabelle 2-4, S. 169. – Temperatur,
– Werkstückdicke und der
Die Schweißeignung des Stahles S185 (St 37) – Kaltverformung(sgrad).
ist damit nicht gewährleistet, obwohl er für
untergeordnete Zwecke in der Regel ohne Der Spannungszustand wird mit drei Grup-
Probleme geschweißt werden kann. Schweiß- pen beurteilt:
arbeiten an den Stählen E295 (St 50), E335 – niedrig: z. B. Schotte, Aussteifungen,
(St 60) und E360 (St 70) sollten wegen ihrer – mittel: z. B. Knotenbleche an Zuggurten,
hohen Kohlenstoffgehalte (im Allgemeinen – hoch: z. B. scharfe Querschnittssprünge.
• 0,35 %) nur sehr überlegt erfolgen. Ohne Einige Konstruktions-Beispiele zeigt Bild
aufwändige, die Wirtschaftlichkeit stark be- 4-63.
lastende vorbereitende Maßnahmen (Vorwär-
men, Säubern, Zusatzwerkstoffwahl, Wär- Je nach der Bedeutung unterscheidet man
menachbehandlung, qualifizierte Schweißer Bauteile 1. Ordnung (die Beanspruchung ist
und umfangreiche qualitätssichernde Maß- z. B. ständig größer als 70 % der zulässigen)
nahmen) sind rissfreie bzw. betriebssichere und 2. Ordnung (bei einem örtlichen Versa-
Schweißverbindungen sehr schwer herstell- gen bleibt die Gebrauchsfähigkeit des Ge-
bar. Daher werden Schweißarbeiten an die- samt-Bauwerks erhalten), Tabelle 4-28. Die
sen Stählen mit nicht gewährleisteter Schweiß- angeführten Temperaturbereiche berücksich-
eignung nur in Notfällen (z. B. bei Repara- tigen die tiefste Temperatur in geschlosse-
turen, wenn eine Neubeschaffung nicht mehr nen Hallen (bis  10 ’C) und die tiefste Au-
möglich oder zu teuer ist) durchgeführt. ßentemperatur (bis  30 ’C).
Tabelle 4-28
Bestimmung der Klassifizierungsstufen nach der DASt-Richtlinie 009.

Spannungs- Bedeutung Beanspruchung bei Gebrauchslast


zustand/ des Bauteils
Konstruktions- Druck Zug
faktor K
Temperatur im Gebrauchszustand in °C

bis – 10 von – 10 bis – 30 bis – 10 von – 10 bis – 30


1. Ordnung IV III II I
Hoch ≥ 0,75 2. Ordnung V IV II II
0,6
1. Ordnung V IV III II
Mittel bis
2. Ordnung V V IV III
0,74
1. Ordnung V V IV III
Niedrig ≤ 0,59 2. Ordnung V V V IV
384 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Beim Schweißen kaltverformter Bauteile ist die Schweißeignung der Feinkornbau-


müssen die Bedingungen der DIN 18800-1 stähle gut bis sehr gut. Die TM-Stähle haben
berücksichtigt werden, Tabelle 4-3. im Vergleich zu gleichfesten normalgeglühten
Feinkornbaustählen einen deutlich geringe-
Aus der Bewertung der sprödbruchwirksa- ren Kohlenstoffgehalt. Ihre Schweißeignung
men Einflüsse ergeben sich die Klassifizie- ist daher sehr gut. Tabelle 2-11 bis 2-14 zeigt
rungsstufen I bis V gemäß Tabelle 4-28. Die die chemische Zusammensetzung der Stäh-
Gütegruppe ist dann nach Bild 4-64 zu be- le nach DIN EN 10025-3, DIN EN 10028-3
stimmen. (Feinkornstähle), DIN EN 10025-4, DIN EN
10028-5 (Feinkornstähle, thermomechanisch
gewalzt), die normalgeglüht und thermome-
4.3.2 Feinkornbaustähle; chanisch behandelt geliefert werden. Bedingt
normalgeglüht und thermo- durch die Art ihrer Herstellung (s. Abschn.
mechanisch behandelt 2.7.6.2, S. 190) dürfen Wärmebehandlungen
aller Art entweder nicht oder nur sehr umsich-
4.3.2.1 Allgemeine Konzepte tig vorgenommen werden (Gefahr des Lösens
Die Auswahl der Zusatzwerkstoffe ist bei den der gütebestimmenden Ausscheidungen be-
hervorragend schweißgeeigneten normalge- stimmter Größe und Verteilung). Normaler-
glühten Feinkornbaustählen noch unproble- weise ist nur das Spannungsarmglühen bei
matisch, bei den rissempfindlicheren wasser- niedrigeren Glühtemperaturen zulässig. Die
vergüteten deutlich kritischer. Die Stähle las- Schweißparameter sind sorgfältig zu wäh-
sen sich mit allen üblichen Verfahren schwei- len. In der Regel ist die Wärmezufuhr zu be-
ßen, bevorzugt aber mit dem grenzen (kontrollierte Wärmezufuhr).
– Lichtbogenhandschweißen, den
– Schutzgasschweißverfahren und dem Die Eigenschaften der normalgeglühten Fein-
– Unterpulverschweißverfahren. kornbaustähle beruhen im Wesentlichen auf
ihrer Feinkörnigkeit, die während der Sekun-
Grundsätzliche Hinweise für die Verarbei- därkristallisation durch als Keime wirken-
tung der normalgeglühten (bzw. thermomecha- de Teilchen [AlN, VN, Nb(C,N)] erzeugt wur-
nisch behandelten) Feinkornbaustähle ent- de. Durch den Schweißprozess sollten daher
hält das Stahl-Eisen-Werkstoffblatt 088-93. die die Feinkörnigkeit bewirkenden Ausschei-
Bei Beachtung einiger werkstoffspezifischer dungen in der Wärmeeinflusszone in einem
Besonderheiten und der Regeln der Technik möglichst geringen Umfang gelöst werden.

Klassifizierungs- zulässige Werkstückdicke t (mm) bis einschließlich


stufe 1) 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70

II

III JR JO J2 K2

IV

1) gemäß DASt - Richtlinie 009

Bild 4-64
Wahl der Gütegruppen für Stähle nach DIN EN 10025-2.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Feinkornbaustähle) 385

Die Wärmezufuhr beim Schweißen ist daher 4.3.2.2 Einfluss der Abkühlbedingungen
zu kontrollieren, genauer zu begrenzen, um auf die mechanischen Gütewerte
die Menge an gelösten Teilchen gering zu der Verbindung
halten. Die hierfür erforderliche Temperatur- Das Umwandlungsverhalten des abkühlen-
führung lässt sich am einfachsten mit dem den Austenits im Temperaturbereich zwi-
Lichtbogenhand-, dem Schutzgas- und dem schen 800 ’C bis 500 ’C beeinflusst die Stahl-
Unterpulverschweißen realisieren. eigenschaften am stärksten. Während die-
ser Abkühlzeit t8/5 finden praktisch alle für
Selbst mit einer geeigneten Temperaturfüh- die Eigenschaften des Stahles entscheiden-
rung kann nicht vermieden werden, dass ein den Umwandlungsvorgänge des Austenits
Teil der Ausscheidungen in der WEZ gelöst statt. Sie können daher weitgehend mit der
und beim Abkühlen z. T. in einer nachteili- Abkühlzeit t8/5 beschrieben und beurteilt wer-
gen Form (z. B. spießig, nadelförmig, bevor- den, d. h. mit einem Parameter, Bild 4-65.
zugt an den Korngrenzen und hier zusammen-
hängend) wieder ausgeschieden wird, wo- Der Temperatur-Zeit-Verlauf an beliebi-
durch ein erheblicher Zähigkeitsabfall entste- gen Orten der WEZ wird von den Schweißbe-
hen kann. Der Verlust an Zähigkeit ist bei dingungen (Wärmeeinbringen, Vorwärmtem-
einlagig geschweißten Verbindungen deut- peratur, Werkstückdicke, d. h. der Art der
lich größer als bei mehrlagigen. Die Ursa- Wärmeabfuhr: zwei- bzw. dreidimensionale
chen dürften auf dem »Normalisierungsef- Wärmeableitung, Nahtform, Art des Lagen-
fekt« der folgenden Lagen und dem günstige- aufbaus) bestimmt. Die Höhe der Spitzentem-
ren Ausscheidungszustand in mehrlagig ge- peratur ist abhängig von der Lage des Mess-
schweißten Verbindungen beruhen. punktes innerhalb der WEZ.

Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, den


Einfluss dieser komplexen metallurgischen Härte
Vorgänge auf die mechanischen Eigenschaf-
Übergangstemperatur Tü

ten zuverlässig beschreiben zu können. Als


gut geeignet hat sich hierfür die Abkühlge-
schwindigkeit bzw. einfacher und genauer die
Abkühlzeit t8/5 erwiesen (siehe Abschn. 3.3.1, I II III
Härte

S. 245). Mit der Abkühlzeit t8/5 wird das ther-


mische Geschehen im Bereich der Schweiß-

naht grundsätzlich zuverlässiger beurteilt als
mit dem Wärmeeinbringen Q.
Zeit t 8/5
Tmax Abkühlzeit t 8/5 = t 500 - t 800
Sprödbruchge-
Kaltrissgefahr
Temperatur T

Optimaler Bereich fahr durch zu ho-


800 durch zu große
der Abkühlzeit he Übergangs-
Härte
temperatur
D T

Bild 4-66
500
Abhängigkeit der Übergangstemperatur der Kerb-
schlagzähigkeit und der Härte in der wärmebeein-
t 8/5 flussten Zone von der Abkühlzeit t8/5 , schematisch.

Bild 4-66 zeigt schematisch die grundsätzli-


t 800 t 500
che Abhängigkeit der Härte und der Über-
Zeit t
gangstemperatur des Gefüges der WEZ von
Bild 4-65 der Abkühlzeit t8/5. Bei kleinen t8/5 -Werten
Zur Definition der Abkühlzeit t8/5 in einem für das ist die Übergangstemperatur zwar sehr ge-
Schweißen typischen Temperatur-Zeit-Zyklus. ring und damit die Sprödbruchsicherheit
386 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

groß, aber die sehr hohe Härte (Bereich I, Tabelle 4-29


überwiegend Martensit) erhöht die Gefahr Thermischer Wirkungsgrad k üblicher Schweißver-
fahren. Er ist das Verhältnis des Wirkungsgrades
der Kaltrissbildung erheblich. Die maxima-
des in Betracht kommenden Schweißverfahrens zu
le Härte muss zwar aus diesem Grund be- demjenigen des Unterpulverschweißens, Hinweise
grenzt werden, sie liegt aber mit etwa 350 nach DIN EN 1011-1.
bis 400 HV deutlich höher als bei den kon- Es ist einfacher, die Abkühlzeit nach den Gleichungen
ventionellen Stählen, Bild 4-67. Sehr große [4-15] und [4-16] zu berechnen. Der größere so ermit-
Abkühlzeiten führen andererseits zu deutlich telte Wert gibt die Art der vorliegenden Wärmeablei-
geringeren Härten, aber die Kerbschlagzähig- tung an, Bild 4-69. Es ist grundsätzlich zu beachten,
keit wird durch die Bildung weicherer Gefü- dass die den Gleichungen zugrunde liegenden Annah-
gebestandteile (Bereich III, Ferrit!) ebenso men (Wärmeableitungsverhältnisse, punktförmige
Wärmequelle) häufig nicht genau erfüllt sind. Daraus
stark verringert wie die Übergangstempe- ergeben sich Abweichungen von den wahren Werten
ratur der Zähigkeit erhöht wird. Die Schweiß- von etwa 10 %. In kritischen Fällen ist es daher rat-
bedingungen müssen daher so gewählt wer- sam, den t8/5-Wert zu messen.
den, dass die t8/5-Werte innerhalb bestimm-
ter zulässiger Grenzwerte bleiben, Bereich k Schweißverfahren
II). Diese sind von der chemischen Zusammen-
setzung des Stahles, der Art des Lagenauf- 1,0 Unterpulverschweißen
baus und der Vorwärmtemperatur abhängig. 0,8 Lichtbogenhandschweißen
Daraus ergibt sich das Konzept der kont- 0,8 MIG-Schweißen
rollierten Wärmeführung beim Schwei- 0,8 MAG-Schweißen
ßen: Die Abkühlung darf nicht zu langsam, 0,8 MSG-Schweißen mit Fülldraht bzw.
aber auch nicht zu schnell erfolgen. Untersu- metallgefüllter Drahtelektrode
chungen ergaben, dass für das Schweißen 0,6 WIG-Schweißen
von Vergütungsstählen t8/5-Zeiten zwischen 0,6 Plasmaschweißen
10 und 25 Sekunden zweckmäßige Abkühlbe-
dingungen sind (s. a. Abschn. 4.3.2.2).
zwischen der zwei- und dreidimensionalen
Die Abkühlzeiten lassen sich mit einigem ver- Wärmeableitung zu unterscheiden (Abschn.
suchstechnischen Aufwand experimentell 3.3.1, S. 245). Unter Berücksichtigung der
ermitteln oder sehr viel einfacher und für die Zahlenwerte für die physikalischen Eigen-
Praxis genügend genau berechnen. Dabei ist schaften der Stähle ergibt sich für die drei-
unzulässige
dimensionale Wärmeableitung folgende Be-
Schweißbedingungen ziehung:
480

( )
Arbeitstemperatur (° C):
440
t8 /5 = 0,67 − 5 ⋅ 10− 4 ⋅ Tp ⋅ Q ⋅ [4-15]
Höchsthärte in der WEZ HV 10

20 100
200 ⎛ 1 1 ⎞
⎜ 500 − T − 800 − T ⎟ ⋅ F3 [s].
400
⎝ p⎠
300
p
100
360
20 20
100 Die Abkühlzeit t8/5 ist im Bereich der dreidi-
300
320 200
Wärmeeinbringen 200 400 mensionalen Wärmeableitung von der Werk-
Q (kJ/cm): 300
280 12 400 stückdicke unabhängig. Bei der zweidimen-
24 sionalen Wärmeableitung ist sie der Größe
36
240 1/ d2 proportional, also stark wanddickenab-
- 120 - 100 - 80 - 60 - 40 - 20 0 20 ° C 40
hängig. Es gilt:
Übergangstemperatur Tü,27
2
Ê Qˆ
Bild 4-67
Einfluss der Höchsthärte in der WEZ von Einlagen-
( )
t8/5 = 0 , 043 - 4 , 3 ◊ 10 - 5 ◊ Tp ◊ Á ˜ ◊
Ë d¯
[4-16]
schweißungen aus dem hochfesten vergüteten Fein-
kornbaustahl P690QL (StE 690), Werkstückdicke ÈÊ 1
2
ˆ Ê 1 ˆ ˘
2

20 mm, auf die Übergangstemperatur der Kerbschlag-


ÍÁ ˜ Á- ˜ ˙ ◊ F2 [s] .
Í Ë 500 - Tp ¯ Ë 800 - Tp ¯ ˙
arbeit Tü,27 (Charpy-V-Proben), nach Thyssen. Î ˚
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Feinkornbaustähle) 387

Tabelle 4-30
Einfluss der Nahtformen (F2 , F3 ) auf die nach den Gleichungen [4-15] und [4-16] zu berechnenden t8/5 -Werte.

Nahtfaktor für
Nahtart
zweidimensionale dreidimensionale
Wärmeableitung F2 Wärmeableitung F3

Auftragraupe 1 1

Fülllagen eines Stumpfstoßes 0,9 0,9

1)
Einlagige Kehlnaht am Eckstoß 0,9 bis 0,67 0,67

1)
Einlagige Kehlnaht am T-Stoß 0,45 bis 0,6 0,67

1) Der Nahtfaktor F2 ist abhängig vom Verhältnis Wärmeeinbringen zu Werkstückdicke. Mit zunehmender Annäherung an die Übergangsdicke
dü wird F2 der einlagigen Kehlnaht am Eckstoß kleiner, bei der einlagigen Kehlnaht am T-Stoß größer.

In Gl. [4-15] und Gl. [4-16] bedeuten: Der Übergang von der drei- zur zweidimen-
sionalen Wärmeableitung erfolgt bei der
t8/5 Abkühlzeit, in s, Übergangsdicke dü , die durch Gleichsetzen
k thermischer Wirkungsgrad des Schweiß- der Beziehungen [4-15] und [4-16] und Auf-
verfahrens, Tabelle 4-29, lösen nach d = dü berechnet oder aus Bild 4-
Q Wärmeeinbringen, Q k ¹ E, in J/cm, 68 entnommen wird.
E Streckenenergie, E U ¹ I/v, in J/cm,
Tp Vorwärmtemperatur, in °C, Damit ergeben sich die Wärmeableitungs-
F2 Nahtfaktor bei zweidimensionaler, bedingungen wie folgt:
F3 Nahtfaktor bei dreidimensionaler Wär-
meableitung, Tabelle 4-30, d > dü , die Wärmeableitung ist dreidi-
d Werkstückdicke in cm. mensional, d. h., es gilt Gl. [4-15].
Arbeitstemperatur Tp (° C):
50 250
d < dü , die Wärmeableitung ist zweidi-
mm
Bereich
200 mensional, d. h., es gilt Gl. [4-16].
40 150
dreidimensionaler 100
Übergangsblechdicke d ü

Wärmeableitung
30
20 Der fachgerechte Ablauf des Schweißprozes-
ses und die Sicherstellung ausreichender me-
20
chanischer Gütewerte wird durch die Größe
des t8/5 -Wertes bestimmt. Er lässt sich be-
15
Bereich
rechnen bzw. grafisch ermitteln:
zweidimensionaler – Der sich aus den Beziehungen Gl. [4-15]
Wärmeableitung
10 und Gl. [4-16] ergebende größere Zahlen-
9
8
wert ist der korrekte, Bild 4-69. Damit
7 ist gleichzeitig die Art der Wärmeablei-
5 10 15 20 kJ/cm 30 40 50
Wärmeeinbringen Q
tung festgestellt.
Erfahrungsgemäß muss dieser Wert bei
Bild 4-68
den normalgeglühten Feinkornbaustäh-
Blechdicke dü für den Übergang von der zweidimen-
sionalen (II) zur dreidimensionalen (III) Wärmeab- len etwa zwischen 10 s und 30 s, bei den
leitung in Abhängigkeit vom Wärmeeinbringen Q und vergüteten Feinkornbaustählen etwa zwi-
der Arbeitstemperatur Tp , nach SEW 088. schen 5 s und 20 s liegen. Anderenfalls
388 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

sind die mechanischen Gütewerte – ins- ratur Tp ) oder die erforderliche/gewünschte


besondere die Zähigkeitswerte – nicht aus- Abkühlzeit t8/5 nach einem der folgenden Ver-
reichend. Daher sind meistens Korrektu- fahren berechnet werden:
ren der gewählten Schweißparameter er- – Die Schweißbedingungen, d. h. im Wesent-
forderlich. Diese praxiserprobten Erfah- lichen das Wärmeeinbringen Q 43) (Ein-
rungswerte werden dann verwendet, wenn stellwerte U, I, v), die Arbeitstemperatur
keine genaueren Angaben – z. B. experi- Tp und die Werkstückdicke d sind bekannt.
mentell ermittelte Daten, s. Bild 4-79 – ver- Mit diesen Vorgaben wird die Abkühlzeit
fügbar sind. t8/5 ermittelt.
– Die im Folgenden besprochene grafische – Die Abkühlzeit t8/5 ist vorgegeben. Das
Auswertemethode nach SEW 088 ist oft- Wärmeeinbringen Q (also die Schweiß-
mals einfacher, anschaulicher und über- parameter U, I, v und die Arbeitstempera-
sichtlicher, sie wird daher häufig der rech- tur Tp ) müssen bestimmt werden.
nerischen vorgezogen.
Zunächst sind die Wärmeableitungsbedingun-
Je nach den Vorgaben bzw. dem gewünsch- gen mit Hilfe des Bildes 4-68 oder mit den Be-
ten praktischen Fertigungsablauf können ziehungen Gl. [4-15] und Gl. [4-16] festzustel-
mit dieser grafischen Methode geeignete len. Dazu müssen das Wärmeeinbringen Q
Schweißbedingungen (Wärmeeinbringen Q des gewählten Schweißverfahrens gemäß Ta-
Einstellwerte U, I, v und die Arbeitstempe- belle 4-29 (berücksichtigt den thermischen
Wirkungsgrad k des Schweißverfahrens) und
die Nahtform nach Tabelle 4-30 (berücksich-
Wärmeableitung tigt andere Nahtformen als die Auftragraupe)
zweidimensional dreidimensional korrigiert werden. Abhängig von diesem Er-
Abkühlzeit t 8/5

gebnis ist die Bestimmung der zu wählenden


Schweißbedingungen (U, I, v, die Arbeitstem-
peratur Tp und die Werkstückdicke d) bzw.
der Abkühlzeit t8/5 bei Beachtung der Fußno-
te 43 dann in folgender Weise möglich:
III II 1 Arbeitstemperatur Tp (° C): 250
t 8/5 = konst. t 8/5 ~
d2 50 200
s
40 150
Abkühlzeit t 8/5

dü Werkstückdicke d 100
30
20
Bild 4-69
Die Abkühlzeit t8/5 ist immer der größere der nach den
Gleichungen [4-15] bzw. [4-16] berechneten Werte. 20

15
43)
Das Wärmeeinbringen für die Referenz-Auftrag-
schweißraupen gemäß den Bildern 4-68, 4-70, 4-71
wird mit Q oder QRef bezeichnet. Bei beliebigen 10
Nahtanordnungen (F3, F2) muss entsprechend ih- 9
rer unterschiedlichen thermischen Wirksamkeit 8
das gewählte/gesuchte Wärmeeinbringen QRef 7
korrigiert werden, um in den Bildern 4-68, 4-70, 5 10 15 20 kJ/cm 30 40 50
4-71 verwendet werden zu können. Dieser Wert
Wärmeeinbringen Q
wird als Qtherm,äq bezeichnet und ist in den Gl. [4-15],
[4-16] und den genannten grafischen Darstellun- Bild 4-70
gen zu berücksichtigen: Abkühlzeit t8/5 von Auftragschweißungen bei dreidi-
mensionaler Wärmeableitung in Abhängigkeit vom
Qtherm,äq,III = QRef ⋅ F3 und
Wärmeeinbringen Q und der Arbeitstemperatur Tp ,
Qtherm,äq,II = QRef ⋅ F2 . nach SEW 088.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Feinkornbaustähle) 389

Dreidimensionale Wärmeableitung, Für andere als in Bild 4-71 dargestellte


Bild 4-70. Werte der Wanddicke (dBauteil ) im Gel-
– Q ( k ¹ E) und Tp sind gegeben, t8/5 wird tungsbereich der Gl. [4-16] (dBild ) gilt
gesucht: für gleiches Wärmeeinbringen Q und
Die Nahtform (F3, Tabelle 4-30) muss gleicher Vorwärmtemperatur Tp:
berücksichtigt werden, d. h., Q ist mit 2
F3 zu multiplizieren. Mit diesem Wert ⎛ d ⎞
t8/5(Bauteil) = t8/5(Bild) ⋅ ⎜ Bild ⎟ . [4-17]
Qtherm,äq,III ermittelt man aus Bild 4-70 ⎝ dBauteil ⎠
den gesuchten Wert t8/5.
– t8/5 ist gegeben, Q und Tp werden ge- 4.3.2.3 Fertigungstechnische Hinweise
sucht:
Aus Bild 4-70 entnimmt man mit einer Nahtvorbereitung
gewählten Arbeitstemperatur Tp das Die Nahtvorbereitung erfolgt in der Regel
Wärmeeinbringen Qtherm,äq,III, das divi- durch spangebende Verfahren oder thermi-
diert durch F3 den gesuchten Wert Q sches Schneiden. Bis zu Werkstückdicken
QRef ergibt. von etwa 30 mm ist ein Vorwärmen zum ther-
mischen Trennen nicht erforderlich, wenn
Zweidimensionale Wärmeableitung, die Werkstücktemperatur über  5 ’C liegt.
Bild 4-71. Anderenfalls sind 100 mm breite Werkstoff-
– Q ( k ¹E) und Tp sind gegeben, t8/5 wird bereiche neben der Schnittfläche auf mindes-
gesucht: tens Handwärme zu erwärmen. Werden die
Q ist mit F2 zu multiplizieren. Mit Schnittkanten während des Weiterverarbei-
diesem Qtherm,äq,II ergibt sich aus Bild tens umgeformt (z. B. Abkanten), dann ist der
4-71 die Zeit t8/5. umgeformte Bereich in einer Breite von et-
– t8/5 ist gegeben, Q und Tp werden ge- wa 100 mm auf etwa 200 ’C vorzuwärmen.
sucht:
Das aus Bild 4-71 bei einer gewählten Wegen der grundsätzlichen Gefahr des Ter-
Arbeitstemperatur Tp entnommene rassenbruches sollten die Schnittflächen in
Wärmeeinbringen Qtherm,äq,II ergibt di- jedem Fall z. B. durch eine Sichtkontrolle
vidiert durch F2 den korrekten Wert oder Farbeindringprüfung auf Trennungen
Q QRef . untersucht werden.
Arbeitstemperatur Tp (° C): 200 150 100 20 Arbeitstemperatur Tp (° C): 200 150 100 20
50 50
s s
40 40
Abkühlzeit t 8/5
Abkühlzeit t 8/5

30 30

20 20

15 15
Werkstückdicke Übergang zu drei- Werkstückdicke
dimensionaler
d = 10 mm d = 20 mm
Wärmeableitung
10 10
9 9
8 8
7 7
5 10 15 20 kJ/cm 30 40 50 5 10 15 20 kJ/cm 30 40 50
Wärmeeinbringen Q Wärmeeinbringen Q
Bild 4-71
Abkühlzeit t8/5 von Auftragschweißungen bei zweidimensionaler Wärmeableitung in Abhängigkeit vom Wärme-
einbringen Q und der Arbeitstemperatur Tp für Werkstückdicken von 10 mm und 20 mm, nach SEW 088.
390 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Wärmebehandlung guts, von der Höhe des Wärmeeinbringens


Die für diese Stähle wichtigsten Wärmebe- beim Schweißen und der Schärfe und dem
handlungen sind das Mehrachsigkeitsgrad der Eigenspannungen
– Vorwärmen, der Schweißkonstruktion, d. h. im Wesentli-
– Wasserstoffarmglühen und das chen von dem Grad ihrer Verspannung, bzw.
– Spannungsarmglühen. einem fachgerechten Schweißfolgeplan, der
Werkstückdicke und evtl. bestehenden Regel-
Die Vorteile des Vorwärmens sind zusam- werken, die eine bestimmte Vorwärmtempe-
mengefasst: ratur bindend vorschreiben.
– Geringere und gleichmäßiger verteilte
Eigenspannungen. Nach SEW 088 sollten bei einer Werkstück-
– Der Gehalt des unerwünschten Wasser- temperatur T
stoffs ist sehr viel geringer. Daher ist es
ratsam, z. B. die durch Wasserstoff be- T < + 5 °C in jedem Fall die Nahtbereiche
sonders gefährdeten vergüteten Feinkorn- in einer Breite von mindestens
baustähle immer – d. h. unabhängig von 100 mm beiderseits der Naht
den in Tabelle 4-31 genannten Grenzdi- auf Handwärme, wenn
cken – auf etwa 120 ’C vorzuwärmen.
(Das gilt besonders für die wasservergü- T > + 5 °C dann sollte abhängig von der
teten Feinkornbaustähle). Höhe des Kohlenstoffäquiva-
– Als Folge der stark verringerten Abkühl- lents CET, gemäß den Bedin-
geschwindigkeit kann die vor allem durch gungen in Tabelle 4-31,
Wasserstoff und eine unzulässige Härte vorgewärmt werden.
in der WEZ verursachte Kaltrissbildung
sicher und wirtschaftlich einfach vermie- Das Kohlenstoffäquivalent CET nach Uwer
den werden. und Höhne beschreibt zuverlässig die Kalt-
rissneigung (s. Abschn. 4.1.3.2) des Stahls,
Die Vorwärmtemperaturen liegen abhängig Gl. [4-18]:
von der chemischen Zusammensetzung des Mn + Mo Cr + Cu Ni
Grundwerkstoffes, dem Wärmeeinbringen CET = C + + + [%].
10 20 40
und der Werkstückdicke etwa zwischen 50 ’C
und 250 ’C. Die Höhe der Vorwärmtempera- In der Tabelle 4-31 sind in Abhängigkeit vom
tur für kaltrisssichere Schweißverbindun- Kohlenstoffäquivalent CET Grenzwerte der
gen hängt ab von der chemischen Zusammen- Werkstückdicke angegeben, bis zu denen oh-
setzung des Grundwerkstoffs und des Schweiß- ne ein Vorwärmen geschweißt werden kann.
guts, vom Wasserstoffgehalt des Schweiß- Dies gilt für eine Zone mit einer Breite von
4¹(Erzeugnisdicke) beidseitig neben der Naht.
Tabelle 4-31 Voraussetzung sind »übliche« Schweißbedin-
Anhaltswerte der Grenzdicke für das Vorwärmen gungen, d. h. eine ausreichende Sauberkeit
zum Schweißen unter üblichen Bedingungen in Ab- der Schweißnahtbereiche, ein Wasserstoff-
hängigkeit vom Kohlenstoffäquivalent CET (nach
Gl. [4-18]) des Grundwerkstoffs, nach SEW 088.
gehalt im Schweißgut von HD O 5 cm3/100 g
und ein Wärmeeinbringen von O 0,5 kJ/mm
Kohlenstoffäquivalent CET Grenzdicke bis 1 kJ/mm beim Lichtbogenhandschweißen
und etwa 1,5 kJ/mm bis 4 kJ/mm beim Unter-
% mm
pulverschweißen.
0,18 60
0,22 50 Die Mindestvorwärmtemperatur Tp (p pre-
0,26 40 heat) bzw. die höchste Zwischenlagentempe-
0,31 30 ratur Ti (i interpass), s. Abschn. 4.1.3.3,
0,34 20 lässt sich bei Bedingungen, die von Tabelle
0,38 12
4-31 nicht erfasst werden, mit folgender For-
0,40 8
mel zuverlässig berechnen, Gl. [4-19]:
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Feinkornbaustähle) 391

Ê dˆ
Tp = 700 ◊ CET + 160 ◊ tanh Á ˜ + sauber ist. Besonders bei UP-geschweißten
Ë 35 ¯ Bauteilen aus Stählen mit Streckgrenzen von
62 ◊ HD0,35 + ( 53 ◊ CET - 32) ◊ Q - 330. mehr als 460 N/mm2 und Werkstückdicken
• 30 mm ist zum Erhöhen der Kaltrisssicher-
Hierin bedeuten: heit direkt aus der Schweißwärme ein Was-
serstoffarmglühen bei 200 ’C bis 280 ’C/
Tp, Ti Mindestvorwärm- oder höchste Zwi- mind. 2 h (auch als »Soaken« bezeichnet) sehr
schenlagentemperatur in ’C, zu empfehlen (diffusibler Wasserstoff, s. Ab-
CET Kohlenstoffäquivalent in %, Gl. [4-18], schn. 3.3.3.3, S. 258). Die Zwischenlagentem-
d Werkstückdicke in mm, peratur Ti darf während der gesamten Schweiß-
HD Wasserstoffgehalt im Schweißgut nach zeit nicht unter die sog. Haltetemperatur Tm
DIN EN ISO 3690 in cm3/100 g, (Abschn. 4.1.3.3, S. 327) fallen. Sie sollte an-
Q Wärmeeinbringen Q k ¹ E in kJ/mm. dererseits etwa 220 ’C auch nicht überschrei-
ten.
Beispiel 4-9:
Nach dem Schweißen ist ein Spannungsarm-
Es ist die Vorwärmtemperatur Tp zum Schweißen ei-
nes Feinkornbaustahls zu ermitteln. Gegeben sind:
glühen in folgenden Fällen zweckmäßig bzw.
CET = 0,40 %, ermittelt nach Gl. [4-18], erforderlich:
Werkstückdicke d = 30 mm. – Die Werkstückdicke ist so groß, dass die
Die gewählten Fertigungsbedingungen sind: Gefahr der Spannungsversprödung oder
Zusatzwerkstoff, der ein Schweißgut mit einem der Spannungsrisskorrosion besteht.
Wasserstoffgehalt von HD £ 5 cm3/100 g ergibt, – Die Härte in der WEZ muss wegen der
Q = 1,5 kJ/mm. Gefahr der Kaltrissbildung verringert wer-
Daraus wird nach Gl. [4-19] eine Vorwärmtemperatur den. Diese Behandlung wird üblicherwei-
von Tp (O Ti ) = 150 ’C berechnet. se als »Anlassglühen« bezeichnet.
– Für bestimmte Konstruktionen ist diese
Behandlung nach den gültigen Regelwer-
Die Gl. [4-19] beschreibt zuverlässig die Er- ken vorgeschrieben.
gebnisse der Kaltrissversuche, wenn die Ei-
genspannungen die Größe der Streckgrenze Die Glühtemperaturen sollten zwischen
des Grundwerkstoffs nicht überschreiten. 530 ’C und 580 ’C liegen, die Haltezeit soll
mindestens 30 min, aber bei Mehrfachglü-
Die erforderliche Vorwärmtemperatur lässt hungen nicht mehr als 150 min betragen.
sich mit dem Kohlenstoffäquivalent annä- Das Aufheizen bzw. Abkühlen muss ausrei-
hernd abschätzen, wenn zusätzlich die Bean- chend langsam erfolgen, damit keine rissbe-
spruchung und der Wasserstoffgehalt des günstigenden Temperaturunterschiede, d. h.
Schweißguts bekannt sind. Tabelle 4-35 zeigt Spannungen entstehen. Bei Temperaturen
z. B. die Ergebnisse von Implantversuchen über 300 ’C betragen die Abkühlgeschwindig-
(s. genauer Abschn. 6.2.1, S. 583) an unter- keiten 50 K/h bis 100 K/h.
schiedlich hoch mit Wasserstoff beladenen
und bis zur Streckgrenze belasteten Proben Die Feinkörnigkeit dieser Stähle beruht auf
aus einem hochfesten vergüteten (Bau-)Stahl Ausscheidungen, die durch das Spannungs-
(P690QL). armglühen in keinem Fall gelöst oder verän-
dert (Korngrenzenausscheidungen!), insbe-
Für die normalgeglühten Feinkornbaustäh- sondere vergröbert werden dürfen. Deshalb
le mit Mindeststreckgrenzen ! 460 N/mm2 – werden die Haltezeiten und vor allem die Tem-
vor allem aber für die wasservergüteten Fein- peraturen begrenzt. Bei verschiedenen Stäh-
kornbaustähle – sind Wasserstoffgehalte im len – es sind vor allem die vanadiumlegierten
Schweißgut von … 5 ppm erforderlich. Außer – können die Zähigkeitseigenschaften in der
den entsprechenden Zusatzwerkstoffen (hoch- Wärmeeinflusszone durch Spannungsarm-
getrocknetes Pulver) ist vor allem darauf zu glühen als Folge von Ausscheidungsvorgän-
achten, dass der Nahtbereich trocken und gen erheblich beeinträchtigt werden.
392 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Schweißtechnologie 188, wurde bereits beschrieben, dass die Fein-


Außer der kontrollierten Wärmeführung körnigkeit und damit die mechanischen Güte-
beim Schweißen (Abschn. 4.3.2.2) ist die Art werte dieser Stähle auf der Wirksamkeit von
des Lagenaufbaus für die Zähigkeitseigen- Ausscheidungen beruhen, die aus den Mikrole-
schaften des Schweißguts und der WEZ von gierungselementen (z. B. Al, Ti, Nb) und Koh-
großer Bedeutung. Insbesondere soll in die- lenstoff und (oder) Stickstoff bestehen. Die
sem Zusammenhang die Einlagen- bzw. La- über etwa 1000 ’C in Lösung gehenden Teil-
ge-Gegenlagentechnik im Vergleich zur Mehr- chen scheiden sich während der undefinier-
lagentechnik verstanden werden. Die bei der ten Abkühlung in einer unkontrollierten und
Einlagentechnik entstehenden werkstoffli- ungünstigen Form (nadelförmig, spießig, an
chen Eigenschaftsänderungen sind nicht al- den Korngrenzen) z. T. in der Wärmeeinfluss-
lein mit dem Prinzip »kontrollierte Wärmefüh- zone wieder aus, wodurch die Zähigkeit die-
rung« beschreibbar. ser Gefügebereiche (siehe a. Abschn. 5.1.3,
S. 505) empfindlich abnimmt. In Bild 4-72 ist
Die Kerbschlagarbeit einlagiger Schweißver- der Verlauf der Kerbschlagarbeit in der Wär-
bindungen ist grundsätzlich wesentlich ge- meeinflusszone einer Einlagenschweißung
ringer als die mehrlagiger. Die Ursachen sind aus einem normalgeglühten Feinkornbau-
die bei dieser Technik entstehenden großen stahl (hier ein MnNiCr-Typ) dargestellt. In
Schweißgutvolumina, das Fehlen jeglicher gü- der Grobkornzone fällt die Zähigkeit auf Wer-
teverbessernder Umwandlungen im Schweiß- te von etwa 20 J. Bei geringer Ausdehnung
gut und der Wärmeeinflusszone (Grobkorn). dieser versprödeten Zone wird durch die stüt-
Der entscheidende Faktor ist allerdings die zende Wirkung der benachbarten zähe(re)n
nachteilige Änderung des Ausscheidungszu- Bereiche die Bauteilsicherheit erfahrungs-
standes in der WEZ. In Abschn. 2.7.6.1, S. gemäß nicht nachweisbar beeinträchtigt.
x
Risserscheinungen
Die Gefahr der Heißrissbildung ist bei den
Feinkornbaustählen verhältnismäßig gering.
S Ac 1
Ähnliches gilt für den Terrassenbruch, al-
100 lerdings nur, wenn sich durch konstruktive
(z. B. DAST 014) und (oder) fertigungstechni-
J
sche Maßnahmen die Schweißeigenspannun-
Kerbschlagarbeit KV

75 gen in Dickenrichtung wirksam verringern


lassen. In schwierigen Fällen sollten Stähle
nach DIN EN 10164 verwendet werden, die
D KV

50 in Dickenrichtung eine wesentlich größere


Brucheinschnürung besitzen (siehe Stahl-Ei-
sen-Lieferbedingungen 096).
25
Ac 1
Die metallphysikalischen Grundlagen zur
S
Entstehung der Terrassenbrüche, die werk-
0 stoff lichen, die konstruktiven und die ferti-
0 5 10 mm 15
gungstechnischen Möglichkeiten zu seiner
Abstand Schweißnahtmitte von Kerbgrund x
Vermeidung wurden in Abschn. 2.7.6.1, S.
Bild 4-72 189, eingehender besprochen . Bild 2-56, S.
Einfluss der Kerblage auf die Kerbschlagarbeit (Prüf- 191, zeigt eine Terrassenbruchfläche, die in
temperatur  20 ∞C, Charpy-V-Proben) einlagig ge- einem auf Zug beanspruchten geschweißten
schweißter Verbindungen aus einem normalgeglühten
Feinkornbaustahl (MnNiCr-Stahl).
Kreuzstoß entstanden ist.
Erläuterung: DKV ist der Bereich der gemessenen Kerb-
schlagarbeit des unbeeinflussten Grundwerkstoffs. Die ausgeprägte Kaltrissanfälligkeit ist
In dem durch Ac1 gekennzeichneten Bereich erreichte bei Schweißarbeiten an hochfesten Stählen
die Temperatur etwa die Höhe von T = Ac1. eine immer zu beachtende Gefahr. Die Kalt-
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Feinkornbaustähle) 393

tens 100 ’C, oberhalb 25 mm auf mindestens


150 ’C vorzuwärmen. Montagehilfen z. T.
auch Heftschweißungen – sie sollten länger
als 50 mm sein – werden häufig mit unlegier-
ten (basischen) Zusatzwerkstoffen ausge-
führt, die ein möglichst zähes Schweißgut
ergeben.

4.3.2.4 Schweißzusatzwerkstoffe
Die grundlegenden werkstofflichen und fer-
tigungstechnischen Hinweise sind in Abschn.
4.2 zu finden. An dieser Stelle werden nur
die für die höherfesten Feinkornbaustähle
geltenden Besonderheiten der Zusatzwerk-
stoffe genannt.

Stabelektroden
Alle in Abschn. 4.2.3 aufgeführten Zusatz-
werkstoffe sind zum Schweißen der normalge-
glühten mikrolegierten Feinkornbaustähle
und der TM-Stähle mit Mindeststreckgren-
zen bis 500 N/mm2 geeignet. Der im Wurzel-
Bild 4-73
Wasserstoffinduzierter Kaltriss in einer UP-geschweiß- bereich des Schweißguts entstehende größte
ten Verbindung aus dem Stahl 20MnMo5-5. Aufschmelzgrad führt meistens zu einer uner-
V = 50:1, 2 % HNO3 . wünschten Festigkeitssteigerung. Aus die-
sem Grunde werden für die Wurzellagen bei
rissneigung hängt von der Festigkeit der Stäh- Schweißverbindungen aus Feinkornbaustäh-
le, dem Wasserstoffgehalt des Schweißguts, len mit Rp0,2 ! 460 N/mm2 häufig zähe, niedri-
der chemischen Zusammensetzung des Grund- ger legierte Zusatzwerkstoffe (vorwiegend
werkstoffs und des Schweißguts und der Grö- basisch-umhüllte Stabelektroden) gewählt
ße der Schweißeigenspannungen ab. Eine Zu- als für Füll- und Decklagen.
nahme der Legierungsmenge, der Wanddi-
cke, des Wasserstoffgehalts im Schweißgut Bei der Wahl der Zusatzwerkstoffe muss au-
und der (Schweißeigen-)Spannungen erhöht ßerdem der Umfang und die Art der Wär-
die Kaltrissgefahr. Ein größeres Wärmeein- mevor- bzw. nachbehandlungen berücksich-
bringen vermindert sie. tigt werden. In der Regel werden durch ein
Normal- und (oder) Spannungsarmglühen
Bild 4-73 zeigt die Mikroaufnahme eines was- die Festigkeitswerte geringer. Einige Werk-
serstoffinduzierten Kaltrisses in Schmelzgren- stoffe neigen zu zähigkeitsvermindernden
zennähe einer UP-geschweißten Stumpfnaht- Ausscheidungen in den Wärmeeinflusszonen
verbindung (Werkstoff: 20MnMo5-5), s. auch der Schweißverbindung, wenn bestimmte
Bild 4-80. Glühtemperaturen überschritten wurden.
Besonders kritisch verhalten sich in dieser
Besondere Aufmerksamkeit erfordert die Re- Beziehung die vanadiumlegierten FK-Stäh-
paraturschweißung. Nach sorgfältigem Aus- le [z. B. V(C,N)].
schleifen der defekten Bereiche (Einbrand-,
Wurzelkerben, Montagehilfen, Risse, Zünd- Zum Abwenden der gefährlichen Kaltrissbil-
stellen) mit nicht zum Brennen neigenden dung eignen sich besonders gut Zusatzwerk-
Schleifscheiben bei mäßigem Anpressdruck stoffe, die ein zähes, sehr wasserstoffarmes
und anschließender Risskontrolle durch Sicht- Schweißgut ergeben. Diese Forderung erfüllt
oder Farbeindringprüfung ist bei Wanddi- zuverlässig das Lichtbogenhand- und das Un-
cken zwischen 12 mm und 25 mm auf mindes- terpulverschweißen mit basischen Schweiß-
394 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Tabelle 4-32 Ein großes Problem ist die Wasseraufnahme


Bewertung des Gehaltes an diffusiblem Wasserstoff der Umhüllungsbestandteile während der
im mit basisch-umhüllten Stabelektroden hergestell-
tem Schweißgut.
Lagerung oder des Transportes trotz Verpa-
ckung in Kunststoffhüllen. Bei allen nichtba-
Gehalt an diffusiblem Bewertung sischen Stabelektroden ist die aufgenomme-
Wasserstoff im Schweißgut 1) ne Feuchte weniger kritisch, da der Wasser-
stoff hauptsächlich aus verschiedenen wasser-
ml/100 g
haltigen organischen Verbindungen der Um-
> 15 hoch hüllung stammt. Außerdem ist bei einigen
≤ 15 bis > 30 mittel nicht-basischen Stabelektroden ein bestimm-
≤ 10 bis > 5 niedrig ter Feuchtegehalt in der Umhüllung für ein
≤5 sehr niedrig einwandfreies Schweißverhalten erforderlich
1) (s. hierzu zellulose-umhüllte Stabelektroden,
Nach DIN EN ISO 3690
Abschn. 4.2.3.1.3). Bei basisch-umhüllten
Stabelektroden ist die aus der Atmosphäre
zusätzen. In Tabelle 4-32 ist die Bewertung aufgenommene Feuchtigkeit die wichtigste
der Wasserstoffgehalte in Schweißgütern zu- Wasserstoffquelle. Über die Bedeutung und
sammengestellt, die mit basisch-umhüllten Problematik des Wasserstoffs im Schweiß-
Stabelektroden hergestellt wurden. gut sei auf Abschn. 4.2.3.1.4 verwiesen.

Danach ist ein Wasserstoffgehalt im Schweiß- Für die Praxis bedeutsam ist die Neigung
gut von 15 ml/100 g die oberste Grenze für ba- mancher basisch-umhüllter Stabelektroden
sisch-umhüllte Stabelektroden, der aber für und basischer UP-Pulver, schon in den ers-
diesen Elektrodentyp sehr untypisch wäre. ten Stunden nach ihrer Herstellung relativ
Die gemäß dieser Vorgabe höchste Qualität viel Feuchtigkeit aufzunehmen. Die Entwick-
umhüllter Stabelektroden mit … 5 ml Wasser- lung und Produktion ausreichend feuchte-
stoff/100 g Schweißgut lässt sich mit den ba- resistenter Stabelektroden ist für eine wirt-
sisch-umhüllten Elektroden relativ leicht schaftliche und qualitätsbewußte Fertigung
erreichen. Sie spielen daher in Normen- und ein wesentliches Ziel der Zusatzwerkstoff-
Regelwerken eine bevorzugte Rolle. Forschung.

A B C D Basisch-umhüllte Stabelektroden müssen vor


der Verarbeitung rückgetrocknet werden,
250
um die nach ihrer Herstellung vorhandene
J
Prüftemperatur (° C):
optimale Qualität wieder herzustellen. Die
Trocknungstemperatur hängt von der Kalt-
Kerbschlagarbeit KV

200
+ 20
rissneigung der Stähle ab, d. h. von ihrer Fes-
150 - 20 tigkeit. Wenn der Hersteller nichts anderes
vorschreibt, dann können die in Tabelle 4-
- 40
33 zusammengestellten Angaben als erster
100 Anhalt dienen.
- 50

- 60 Basisch-umhüllte Stabelektroden haben da-


50
- 70
mit die entscheidenden Vorteile, die sie zum
0
Schweißen der höherfesten Stähle hervorra-
0 0,5 1,0 1,5 % 2,0 gend geeignet machen. Das mit ihnen herge-
Mangangehalt im Schweißgut stellte Schweißgut
– ist extrem verformbar und schlagzäh, d.
Bild 4-74
h. risssicher,
Einfluss des Mangangehalts im Schweißgut auf die
Kerbschlagarbeit reiner Schweißgüter A, B, C, D, die – besitzt eine hohe Kerbschlagzähigkeit, ver-
sich nur durch ihren Mangangehalt unterscheiden, bunden mit sehr tiefen Übergangstempe-
nach Weyland. raturen (bis  75 ’C),
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Feinkornbaustähle) 395

– hat einen sehr geringen Gehalt an diffu- Drahtelektroden; Schweißpulver


siblem Wasserstoff. Es können Gehalte (UP-Schweißen)
von … 5 ml/ 100 g Schweißgut relativ ein- Die mechanischen Gütewerte der Schweißver-
fach erreicht werden. bindung werden von der Drahtelektrode-Pul-
verkombination, den Schweißparametern
Schweißgüter mit Mn-Gehalten von maximal (Schweißstrom, Schweißspannung, Vorschub-
1,2 % besitzen bei  40 ’C eine Kerbschlagar- geschwindigkeit des Lichtbogens) und den
beit von höchstens 47 J. Diese Werte wurden Fertigungsbedingungen (Einlagen-, Mehrla-
von den in der alten DIN 1913 aufgeführten gentechnik, Wärmevorbehandlung, Wärme-
basisch-umhüllten Elektroden sicher erfüllt. nachbehandlung, Variante des Schweißver-
Für hochfeste (Feinkorn-)Stähle sind deut- fahrens, Nahtform) bestimmt. Mit den in der
lich geringere Übergangstemperaturen (und DIN EN 756 genormten Drahtelektroden, Ta-
höhere Kerbschlagzähigkeiten) erforderlich. belle 4-19, lassen sich Feinkornbaustähle mit
Die in der DIN EN ISO 2560, Tabelle 4-9, ge- einer Mindeststreckgrenze bis zu 500 N/mm2
normten Stabelektroden zum Schweißen hö- schweißen.
herfester Stähle haben daher Mangangehal-
te von 1,4 % bis 2,0 %, mit denen Übergangs- Die metallurgische Qualität der Schweißpul-
temperaturen des Schweißguts bis zu  60 ’C ver wird im Allgemeinen mit dem Basizitäts-
erreichbar sind, Bild 4-74. Für noch höhere grad nach der Formel von Boniszewski be-
Anforderungen (bis  80 ’C), wie sie z. B. für schrieben (Abschn. 4.2.3.3.2). Danach haben
die hochfesten vergüteten (legierten) Fein- die aluminat-basischen Pulver (Kennzeichen
kornbaustähle gestellt werden, sind höherle- AB nach DIN EN 760) einen Basizitätsgrad
gierte Zusatzwerkstoffe erforderlich. Sie ha- von 1 bis 2, die fluorid-basischen einen von 2
ben Nickelgehalte bis zu 3 %, Chromgehalte bis 3. Pulver mit Basizitätsgraden größer 3
bis 1 % und Molybdängehalte bis 0,6 %, Ta- haben ein sehr schlechtes Schweißverhalten
belle 4-25. DVS-Merkblatt 0956 gibt Hinwei- und werden daher nicht hergestellt. Hohe
se für die Auswahl und Anwendung von Stab- mechanische Gütewerte können i. Allg. nur
elektroden nach DIN EN ISO 2560. mit fluorid-basischen Pulvern und darauf ab-
Tabelle 4-33
Trocknung und Zwischenlagerung basisch-umhüllter Stabelektroden, nach SEW 088.

Mindestwerte der Streckgrenze Trocknung Zwischenlagerung im


des Grundwerkstoffs Trockenschrank und (oder) Köcher

Temperatur Dauer Temperatur Dauer

N/mm2 °C h °C Tage
250 bis 300 2 bis 24 100 bis 150 ≤ 30
≤ 355
300 bis 350 2 bis 10 150 bis 200 ≤ 14
> 355 300 bis 350 2 bis 10 150 bis 200 ≤ 14

Tabelle 4-34
Trocknung und Zwischenlagerung von fluorid-basischen Schweißpulvern, nach SEW 088.

Herstellungsart Trocknung Zwischenlagerung


1)
Temperatur Dauer Temperatur Dauer

°C h °C Tage

agglomeriert 300 bis 400


2 bis 10 rd. 150 ≤ 30
erschmolzen 200 bis 400
1)
Bei Verwendung von Umwälzöfen ist eine kürzere Trocknungsdauer zulässig.
396 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

gestimmten Drahtelektroden erreicht wer- Um die im Wesentlichen durch Schwefel her-


den. Besonders wichtig ist bei diesen Pulvern vorgerufenen Heißrisse auszuschließen, muss
– ähnlich wie bei den basisch-umhüllten Stab- das Schweißgut mindestens 1,5 % Mangan
elektroden, Abschn. 4.2.3.1.3, S. 341 – das enthalten. Neben der prinzipiell vorhandenen
Rücktrocknen (Gefahr der Wasserstoffaufnah- Heißrissneigung vor allem der großvolumigen
me und damit der Versprödung!). Nach dem Schweißgüter ist die oft unzureichende Kerb-
SEW 088 soll die Trocknung und Zwischenla- schlagarbeit eines vorwiegend mit wenigen
gerung bei den in der Tabelle 4-34 angegebe- Lagen hergestellten Schweißguts ein weite-
nen Temperaturen erfolgen, wenn vom Herstel- res Problem. Die Kerbschlagarbeit hängt un-
ler des Pulvers keine anders lautenden Anga- ter anderem sehr stark vom Sauerstoffgehalt
ben gemacht werden. des Schweißguts ab (Abschn. 4.2.3.3.2).

a) t8/5 = 4 s, 420 HV 1, KV ( 20 ’C) = 8 J. b) t8/5 = 10 s, 416 HV 1, KV ( 20 ’C) = 16 J.

c) t8/5 = 80 s, 290 HV 1, KV ( 20 ’C) = 5 J. d) t8/5 = 816 s, 280 HV 1, KV ( 20 ’C) = 4 J.


Bild 4-75
Mikrogefüge von schweißsimulierend wärmebehandelten Proben aus dem hochfesten Vergütungsstahl P690QL
(StE 690). Bei einer konstanten Spitzentemperatur Tmax = 1350 ’C und einer konstanten Aufheizzeit = 8 s wurde
die Abkühlzeit t8/5 des Temperatur-Zeit-Verlaufs geändert, V = 500 :1.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Feinkornbaustähle) 397

A: Austenitumwandlung durch Wärmebehandlung (Härten) C: Austenitumwandlung durch Vergüten


B: Austenitumwandlung durch Schweißsimulation: D: Austenitumwandlung durch Schweißsimulation
1350 Schweißzyklus mit Tmax = 950 ° C (Einlagentechnik) 1350 (Mehrlagentechnik)

°C B, D °C A, C

D
B A Ac3
C
950 g® M, bzw. 950 g® M
g® M+ B
670

Zeit t Zeit t

a) Wärmebehandlung: 950 ’C/10’/H2O, 400 HV 1, c) Wärmebehandlung: 950 ’C/10’/H2O + 670 ’C/


KV ( 20 ’C) = 54 J, (A). 20’/Luft, 280 HV 1, KV ( 20 ’C) = 110 J, (C).

b) Temperaturzyklus: 950 ’C mit t8/5 = 4 s, d) Temperaturzyklus: 1350 ’C + 950 ’C + 670 ’C,


390 HV 1, KV ( 20 ’C) = 57 J, (B). 340 HV 1, KV ( 20 ’C) = 35 J, (D).

Bild 4-76
Mikrogefüge bei unterschiedlichen Spitzentemperaturen schweißsimulierend wärmebehandelter Proben (B
und D) im Vergleich zu den nach üblicher Wärmebehandlungspraxis (gehärtet und angelassen) entstehenden,
Werkstoff P690QL (StE 690), V = 500:1.
398 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Drahtelektroden; Schutzgase 2 ml/100 g Schweißgut). Ein Rücktrocknen


(MSG-Schweißen) ist bei geschlossenem Metallmantel in der
Die Gütewerte der Schweißverbindung wer- Regel nicht erforderlich.
den neben den bekannten Faktoren (z. B. Ein-
stellwerte, Lagenaufbau, Wärmevor- und Wär-
menachbehandlung) von der Drahtelektrode 4.3.3 Feinkornbaustähle; vergütet
und dem Schutzgas bestimmt. Für die normal-
geglühten bzw. thermomechanisch behandel- Der in der WEZ von Schweißverbindungen
ten Feinkornbaustähle mit Mindeststreck- entstehende von hohen Temperaturen (bis
grenzen bis zu 500 N/mm2 wird die Drahtelekt- Solidustemperatur 1400 ’C) abgeschreckte
rode G4Si1 (G3Ni1) in Verbindung mit Misch- grobkörnige Austenit wandelt in grobkörni-
gas empfohlen. gen, nichtangelassenen, spröden Martensit
um. Wenn dieser durch einen zweckmäßigen
Fülldrahtelektroden erlangen zunehmende Lagenaufbau von den nachfolgenden Schweiß-
Bedeutung zum Schweißen der hochfesten lagen nicht ausreichend umgekörnt bzw. an-
Stähle, DIN EN 12535. Die Ursachen beru- gelassen wird, ist die Entstehung von Kalt-
hen auf ihren vielfältigen metallurgischen rissen sehr wahrscheinlich. Vergütete Fein-
Reaktionen (Desoxidieren, Zubrand von Le- kornbaustähle sind in DIN EN 10025-6 und
gierungselementen) und ihrer relativen Un- DIN EN 10028-6 genormt, siehe S. 197.
empfindlichkeit hinsichtlich Porenbildung.
Als Schutzgase werden überwiegend CO2 und Die Mikroaufnahmen, Bildfolge 4-75, geben
Zweikomponentengase mit möglichst hohen den Einfluss der extrem hohen »Austenitisie-
CO2-Anteilen verwendet. Die Anwesenheit rungstemperatur« beim Schweißen einlagi-
von freiem Sauerstoff begünstigt die Gefahr ger Verbindungen anschaulich wieder. Die
der Mikroschlackenbildung. Mit basischen Proben wurden mit einem Temperatur-Zeit-
Fülldrahtelektroden lassen sich extrem was- Zyklus, s. Bild 4-65, bei einer Spitzentempe-
serstoffarme Schweißgüter erzeugen (1 bis ratur von 1350 ’C schweißsimulierend wärme-

Chemische Zusammensetzung, Massenprozent:


C Si Mn P S Al Cr Mo Zr
0,17 0,54 0,84 0,019 0,011 0,031 0,89 0,40 0,09

1000 Stahl: P690QL (StE 690)


° C Ac 3 Werkstückdicke: 15 mm
900 Anlieferzustand: gewalzt
Temperatur T

Austenitisierungstemperatur: 950 °C
800 Ac 1 Haltezeit: 30 min

700
(F)
A
600 Mit der Bildung von Ferrit muss erst
gerechnet werden, wenn die Abkühl-
500 geschwindigkeit des Austenits t8/5 größer
Ms B als 2000 s wird.
85
400
85

300 85
M
200

100
HV 10 423 375 345 295
0
0,1 1 10 102 10 3 s 10 4
Zeit t

Bild 4-77
Kontinuierliches ZTU-Schaubild eines hochfesten vergüteten Feinkornbaustahls P690QL (StE 690) mit ein-
getragenem, grau unterlegtem Bereich der »zulässigen« Abkühlverläufe beim Schweißen.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Feinkornbaustähle) 399

behandelt. Diese thermischen Bedingungen möglichst geringen Umfang erfolgt (s. ge-
entsprechen weitgehend denen in einer rea- nauer Abschn. 4.3.2.3). Diese Stähle las-
len Einlagen-Schweißverbindung. Unabhän- sen sich mit allen bekannten Schweißver-
gig von der Größe der Abkühlzeit t8/5 sind fahren verbinden. Die Auswahl geeigne-
sämtliche Umwandlungsgefüge versprödet. ter Schweißzusatzwerkstoffe ist nicht pro-
Eine günstige Wirkung des Selbstanlassens blematisch.
ist nicht erkennbar bzw. wird vollständig vom
negativen Einfluss der extremen »Austeniti- Feinkornbaustähle; vergütet
sierungstemperatur« überdeckt. Aus diesen Die typischen Kennzeichen des niedrig-
Gründen wird in der Praxis ausschließlich gekohlten hoch angelassenen (600 ’C bis
die Mehrlagentechnik angewendet, bei der 680 ’C) Martensits sind die Feinkörnig-
das bei hohen Temperaturen austenitisierte keit und die hervorragenden Festigkeits-
Gefüge umgekörnt bzw. angelassen wird. und Zähigkeitseigenschaften. Die im Fol-
genden besprochenen werkstofflichen Be-
Die Bildfolge 4-76 zeigt die stark güteverbes- sonderheiten und die fertigungstechni-
sernde Wirkung des Umkörneffektes durch schen Probleme ihrer schweißtechnischen
das zweimalige Passieren der Ac3-Temperatur. Verarbeitung bzw. Umsetzung in der Pra-
Der ungünstige und entscheidende Einfluss xis sind erheblich größer als bei den normal-
der sehr hohen Austenitisierungstempera- geglühten Feinkornbaustählen. Sie er-
tur beim Schweißen (vgl. Bild 4-75a und Bild schweren aus vielerlei Gründen die Her-
4-76b) und das durch sie hervorgerufene ex- stellung (kalt-)rissfreier und betriebssiche-
treme Kornwachstum lässt sich offenbar nur rer Verbindungen:
durch die »Mehrlagentechnik« beseitigen, – Die Schlagzähigkeit und damit die
wie der Vergleich der Bilder 4-75a und 4-76d Sprödbruchsicherheit ist zwar groß,
belegt. Die gewählte Wärmeführung (Wärme- aber die z. B. im Zugversuch gemesse-
einbringen Q und Vorwärmtemperatur Tp ) ne »statische« Verformbarkeit vor al-
sollte das Umkörnen der gesamten Grobkorn- lem der schmelzgrenzennahen Berei-
zone ermöglichen. Die mit dieser Schweiß- che ist relativ gering. Die unzureichen-
technologie erreichbare Kerbschlagarbeit de Duktilität erschwert den Abbau der
(35 J bei  20 ’C) liegt aber noch deutlich un- rissbegünstigenden dreiachsigen Ei-
ter der des angelassenen Grundwerkstoffes genspannungen erheblich. Diese (und
(110 J bei  20 ’C). Die aufgehärteten Bereiche auch ihr Mehrachsigkeitsgrad) sind we-
in der WEZ der letzten Lage können mit der gen der höheren Streckgrenzen dieser
Vergütungslagentechnik (s. Abschn. 4.1.3.2) Stähle sehr viel größer als die der nor-
umgekörnt und »angelassen« werden. malfesten. Die Gefahr der wasserstoff-
induzierten Kaltrissbildung nimmt da-
Die wichtigsten werkstofflichen und verfah- durch erheblich zu.
renstechnischen Unterschiede beim Schwei- – Nur der hoch angelassene Werkstoff
ßen der normalgeglühten (thermomechanisch besitzt die hervorragende Sprödbruch-
behandelten) und der wasservergüteten Fein- sicherheit, die für die niedriggekohlten
kornbaustähle werden im Folgenden etwas Vergütungsstähle charakteristisch ist
ausführlicher beschrieben: (Bild 2-63, S. 197). Mit der gewählten
Schweißtechnologie muss daher dieser
Feinkornbaustähle; normalgeglüht, Gefügezustand in der WEZ erzeugbar
thermomechanisch behandelt sein. In erster Linie sind dafür die Mehr-
Sie sind abgesehen von einigen warmfes- lagentechnik und Einstellwerte erfor-
ten Sorten ähnlich gut schweißgeeig net derlich, die den gebildeten grobkörni-
wie die konventionellen niedriggekohlten gen Martensit möglichst vollständig
C-Mn-Stähle. Die wichtigste Schweißemp- umkörnen, Bildfolge 4-75 und Bildfolge
fehlung ist die Wahl einer kontrollierten 4-76 zeigt nähere Einzelheiten.
Wärmeführung, mit der die Lösung der – Schweißen mit zu großer Wärmezu-
Ausscheidungen in der WEZ nur in einem fuhr und (oder) Arbeitstemperatur hat
400 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

geringe Abkühlgeschwindigkeiten zur 4.2.3.1.4 und 4.2.3.3.2) bzw. basischer


Folge. Damit wird das Entstehen wei- Pulver, Tabelle 4-34, und trockene
cherer Bestandteile (Ferrit, Perlit) be- Werkstückoberflächen.
günstigt. Die Bildung voreutektoiden
Ferrits während der Abkühlung führt – Da die Bauteile nach dem Schweißen vor
zu einer Anreicherung des Kohlenstoffs allem aus wirtschaftlichen Gründen nie
im restlichen Austenit und damit zu neu vergütet werden, muss insbesondere
einer Umwandlung in härteren und das »gegossene« Schweißgut annähernd
spröderen Martensit und (oder) Bainit. ähnliche Gütewerte aufweisen wie der
Durch dieses Mischgefüge entsteht Grundwerkstoff. Diese Forderung lässt
ein extremer Zähigkeitsverlust. Ande- sich im Wesentlichen mit (hochgetrock-
rerseits darf die Abkühlung nicht so neten!) basisch-umhüllten Stabelektroden
rasch erfolgen, dass Kaltrisse in den zuverlässig und wirtschaftlich erfüllen.
dann aufgehärteten Bereichen entste-
40
hen, Bild 4-66. In dem ZTU-Schaubild zweidimensionale Tp = 20 °C
Wärmeableitung
des bekannten Vergütungsstahles kJ
cm
P690QL (StE 690), Bild 4-77, sind die
thermischer Wirkungsgrad k
Tp = 100 °C
30
Abkühlverläufe, die beim Schweißen
Wärmeeinbringen Q

noch zu ausreichenden mechanischen Tp = 150 °C


25
Gütewerten führen, grau unterlegt ein-
Tp = 200 °C
getragen. Bei t8/5-Werten unter 10 Se- 20
kunden muss mit zunehmender Menge
15
an Martensit d. h. mit der Bildung von dreidimensionale
Wärmeableitung
Kaltrissen gerechnet werden. 10
– Wegen der Gefahr der Kaltrissneigung
muss der Wasserstoffgehalt auf kleins- 5

te Werte begrenzt und jede Möglich- 0


keit der Wasseraufnahme ausgeschal- 0 10 20 30 40 mm 50
Werkstückdicke d
tet werden. Dazu gehört z. B. die Ver-
wendung ausreichend getrockneter ba- Bild 4-79
sisch-umhüllter Elektroden (s. Abschn. Abhängigkeit des maximal zulässigen Wärmeeinbrin-
gens von der Werkstückdicke d und der Vorwärmtem-
Ac1
peratur Tp bei der Abkühlzeit t8/5 = 20 s = konst. beim
£ 0,5
20 UP-Schweißen von Stumpfnähten aus dem wasserver-
°C güteten Feinkornbaustahl P690QL (StE 690 CrMoZr),
Übergangstemperatur Tü,27

0 nach Thyssen.

- 20 Im Gegensatz zu den normalgeglühten Fein-


kornbaustählen sind bei den vergüteten Stäh-
- 40 len Maßnahmen zum Sicherstellen einer aus-
reichenden Trennbruchsicherheit wichtiger
- 60 und aufwändiger.
- 80
Die Zähigkeit der WEZ wird häufig mit der
üblichen Kerbschlagbiegeprüfung (Abschn.
- 100
6.3, S. 587) ermittelt. Dieses Prüfverfahren
0 10 20 30 40 s 50 erfasst aber nicht einige wesentliche Fakto-
Abkühlzeit t 8/5
ren, die die Versagensform Sprödbruch maß-
Bild 4-78 geblich bestimmen. Daher lassen sich die Er-
Einfluss der Schweißbedingungen (Abkühlzeit t8/5)
gebnisse dieses Prüfverfahrens nur mit eini-
auf die Übergangstemperatur Tü,27 (Charpy-V-Probe,
quer) des Gefüges der Wärmeeinflusszone einer Mehr- ger Vorsicht auf das Sprödbruchverhalten
lagenschweißung aus einem wasservergüteten Feinkorn- geschweißter Konstruktionen (deutlich grö-
baustahl P690QL (StE 690 CrMoZr), nach Thyssen. ßere Abmessungen als Probe!) übertragen.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Feinkornbaustähle) 401

Ein gut bestätigtes Ergebnis einer Vielzahl stähle meistens zu lang sind. Bei diesen Stäh-
von Untersuchungen ist die Erkenntnis, dass len lässt sich eine ausreichende Zähigkeit nur
die Abkühlzeit t8/5 beim Schweißen der Vergü- mittels einer hohen Härte der Umwandlungs-
tungsstähle zwischen etwa 5 s und 20 s, die gefüge der WEZ erreichen, d. h. mit gerin-
der normalgeglühten zwischen etwa 10 s und gen Abkühlzeiten. Für eine raschere Abküh-
30 s liegen muss. Bild 4-78 zeigt exempla- lung mit t8/5-Zeiten zwischen 2 s und 6 s be-
risch das Zähigkeitsverhalten der WEZ von schreibt Gl. [4-18] und die IIW-Beziehung,
Schweißverbindungen aus einem wasserver- Gl. [4-3] den Zusammenhang zwischen Kalt-
güteten CrMoZr-Stahl mit einer Streckgren- rissneigung und Ceq (in Prozent) genauer:
ze von 700 N/mm2.
Mn Mo Ni Cr V Cu Si
Ceq = C + + + + + + + .
Die Auswahl geeigneter Schweißparameter 20 15 40 10 10 20 25
wird durch Schaubilder der Art gemäß Bild Die Beziehung Gl. [4-3] gilt für Stähle mit Le-
4-79 erheblich erleichtert. Für die (in diesem gierungselementen in den in Massenprozent
Fall konstante) Abkühlzeit t8/5 20 s und einer angegebenen Bereichen:
betriebsüblichen Schwankung der Vorwärm-
temperatur Tp zwischen z. B. 100 ’C und C 0,02 bis 0,22 Mn 0,4 bis 2,1
150 ’C ergibt sich für Stumpfnähte bei einer Si 0 bis 0,5 Cr 0 bis 0,5
Werkstückdicke von 30 mm ein maximal zu- Ni 0 bis 3,5 Mo 0 bis 0,5
lässiges Wärmeeinbringen von Q/k O 26 kJ/ Cu 0 bis 0,6 Nb 0 bis 0,1
cm. Daraus lassen sich einfach die aktuellen V 0 bis 0,1.
Einstellwerte U, I und v berechnen. Dabei ent-
sprechen die Festigkeitseigenschaften der Wär- Tabelle 4-35 zeigt die Ergebnisse von Im-
meeinflusszone den Gewährleistungswerten plant-Versuchen (Abschn. 6.2.1, S. 583) an
des Grundwerkstoffs, und die Kerbschlag- 20 mm dicken geschweißten Blechen aus ei-
arbeit (Charpy-V) beträgt bei  40 ’C mindes- nem hochfesten Stahl P690QL. Angegeben
tens 28 J. Man beachte, dass derartige Schau- ist die zum Vermeiden von Kaltrissen erfor-
bilder genauere Informationen liefern, als derliche Vorwärmtemperatur Tp in Abhängig-
die in Abschn. 4.3.2.2 beschriebene allgemei- keit von der Beanspruchung s Rp0,2 und dem
ne Methode, die nicht auf Prüfergebnissen Wasserstoffgehalt, bei dem die Proben riss-
beruht. frei bleiben. Danach müssen die hochfesten
wasservergüteten Feinkornbaustähle vorge-
Die erforderliche Vorwärmtemperatur zum wärmt werden, wenn bei einer Werkstückdi-
Vermeiden der Kaltrissigkeit kann mit dem cke ! 20 mm Ceq ! 0,25 % ist.
Kohlenstoffäquivalent Ceq berechnet werden.
Wie in Abschn. 4.1.3.2 bereits geschildert, Von entscheidender Bedeutung für den Er-
gilt die IIW-Beziehung Gl. [4-2] für Abkühl- folg jeder Schweißung ist die rigorose Begren-
zeiten, die für die vergüteten Feinkornbau- zung des angebotenen Wasserstoffgehalts.
Tabelle 4-35
Schweißverfahren Wasserstoff- Vorwärmtemperatur Tp Vorwärmtemperaturen Tp in Ab-
gehalt HD Tp = f(Ceq) hängigkeit von dem nach Gl. [4-3]
cm3/100 g °C berechneten Kohlenstoffäquivalent
Ceq bei t8/5 -Werten zwischen 2 s und
Zellulose-umhüllte Tp = 416 ⋅ log (100 ⋅ Ceq) − 456
40 6 s für verschiedene Wasserstoffge-
Stabelektrode Tp = 678 ⋅ Ceq − 52
halte, gültig für warmgewalzte, nied-
Tp = 490 ⋅ log (100 ⋅ Ceq) − 596 riggekohlte, niedriglegierte Stähle.
10 Es wurde mit Streckenenergien zwi-
Basisch-umhüllte Tp = 739 ⋅ Ceq − 104
schen 8 und 9 kJ/cm geschweißt.
Stabelektrode Tp = 597 ⋅ log (100 ⋅ Ceq) − 784
5 Dargestellt sind die Ergebnisse von
Tp = 826 ⋅ Ceq − 158 Implant-Tests (Blechdicke 20 mm,
Tp = 764 ⋅ log (100 ⋅ Ceq) − 1064 Bleche aus dem Stahl P690QL, bei
Schutzgasschweißen 3 einer Beanspruchung von s Rp0,2 ),
Tp = 994 ⋅ Ceq − 233
nach Düren und Schönherr.
402 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

stoffe nicht zur Verfügung stehen. Schweißar-


beiten an diesen Stählen werden daher wie
weiter unten noch begründet wird, mit Zusatz-
werkstoffen ausgeführt, die in erster Linie
für eine rissfreie Verbindung aus diesen sehr
schlecht schweißgeeigneten Stählen sorgen
(Schweißgut muss ausreichend zäh und was-
serstoffarm sein). Schweißarbeiten werden
daher normalerweise nur in »Notfällen« (Re-
paraturen) an diesen Stählen vorgenommen;
Konstruktions(schmelz-)schweißungen sind
noch relativ selten, obwohl sie Vorteile bö-
ten. Die folgenden Hinweise sollen in diesem
Sinn verstanden werden, sie geben im Wesent-
lichen den werkstofflichen Hintergrund zum
fachgerechten Schweißen dieser Stähle.

Die wichtigsten höhergekohlten Stähle sind


Bild 4-80 die z. B. in der DIN EN 10083 genormten Ver-
Kaltriss in der WEZ einer Schweißverbindung aus gütungsstähle (Abschn. 2.7.6.3, S. 197). Ihr
dem Vergütungsstahl C45 (C 45), V = 200:1, 2 % HNO3. Kohlenstoffgehalt beträgt meistens deutlich
mehr als 0,2 %, Tabelle 2-6. Die Schweißeig-
Trotz der Abnahme der Abkühlgeschwindig- nung ist daher schlecht. Die Kaltrissbildung
keit ist daher ein Vorwärmen auf etwa 120 ’C im schmelzgrenzennahen, aufgehärteten Be-
bis 200 ’C sehr empfehlenswert. Durch diese reich der WEZ ist sehr wahrscheinlich, wenn
Maßnahme wird wenigstens der adsorbierte nicht vorgewärmt wird. Mit zunehmendem
Wasserstoff zuverlässig beseitigt. Geschweißt Kohlenstoffgehalt des Stahles ändern sich fol-
wird mit kontrolliertem Wärmeeinbringen gende für die Schweißeignung entscheiden-
– meist mit Zugraupen – unter Anwendung den Werkstoffeigenschaften:
der Vergütungslagentechnik (Abschn. 4.1.3.2). – Die Härte des Martensits steigt, Bild 1-43,
Häufig hat sich ein Halten nach jeder Lage S. 37, und damit nimmt seine (Kalt-)Riss-
zum Erleichtern der Wasserstoffeffusion als neigung zu,
zweckmäßig erwiesen. Das häufig angewen- – die kritische Abkühlgeschwindigkeit fällt,
dete Wasserstoffarmglühen (»Soaken«) bei et- d. h., die Martensitbildung im austeniti-
wa 250 ’C/1 ... 2 h nach dem Schweißen gilt sierten Bereich der WEZ beim Abkühlen
als Standardwärmebehandlung bei diesen der Schweißnaht wird zunehmend erleich-
Stählen. Stabelektroden zum Schweißen der tert,
vergüteten Baustähle sind in DIN EN 757 – die Martensitstart-Temperatur Ms nimmt
genormt, Abschn. 4.2.4. stark ab, Gl. [2-4], d. h., die günstige Wir-
kung des allerdings nicht zu überschät-
zenden Selbstanlasseffektes geht verloren
4.3.4 Höhergekohlte Stähle (Abschn. 2.5.2.1 und 2.7.6.3).

Höhergekohlte Stähle sind überwiegend Ver- Die Kaltrissigkeit ist die beim Schweißen
gütungsstähle. Sie werden im vergüteten, höherfester und hochgekohlter Stähle häu-
seltener im normalgeglühten Zustand ver- figste Versagensform. Martensitische Gefü-
wendet. Die zu wählenden Schweißzusatz- ge sind ganz besonders anfällig. Kaltrisse ent-
werkstoffe müssen daher auf die erforderli- stehen vorwiegend in der WEZ, aber auch
che Wärmebehandlung in gleicher Weise an- im Schweißgut beim Abkühlen unter Tempe-
sprechen wie die Grundwerkstoffe. Das ist in raturen von 300 ’C. Das Bild 4-80 zeigt einen
den meisten Fällen aber nicht möglich, weil Kaltriss in der WEZ einer Schweißverbin-
in aller Regel derartige spezielle Zusatzwerk- dung aus dem Vergütungsstahl C45 (C 45).
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Höhergekohlte Stähle) 403

Die extreme Neigung zur Bildung von Kalt- daher nicht sinnvoll, obwohl es wegen der
rissen ist die entscheidende Ursache für die hervorragenden mechanischen Gütewer-
schlechte Schweißeignung der höhergekohl- te vergüteter Gefüge technisch sehr wün-
ten Stähle. Die Entstehung des nahezu verfor- schenswert wäre.
mungslosen, extrem rissempfindlichen Mar- – Wasserstoffarmglühen (»Soaken«) direkt
tensits lässt sich zuverlässig nur mit einer aus der Schweißhitze bei etwa 200 ’C bis
ausreichend hohen Vorwärmung der Fügeteile 300 ’C ist eine sehr wirksame Methode zum
vermeiden. Außerdem sollten zusätzlich die Beseitigen des atomaren Wasserstoffs aus
folgenden fertigungstechnischen Maßnah- dem Schweißgut und den Wärmeeinfluss-
men beachtet werden, s. hierzu a. Aufgabe zonen und ist daher unbedingt zu empfeh-
4-5, S. 481: len.
– Verwenden von Zusatzwerkstoffen, die zu – Wahl geeigneter Schweißfolgepläne, die
einem möglichst geringen Wasserstoffge- es gestatten, eine möglichst wenig ver-
halt im Schweißgut führen. Die Gefahr spannte Konstruktion herzustellen.
der Entstehung von wasserstoffinduzier-
ten Kaltrissen (Abschn. 3.5.1.6, S. 276) Zum Ermitteln der »richtigen« Vorwärmtem-
wird sehr viel geringer. peratur Tp sind folgende Methoden anwend-
– Verwenden von Zusatzwerkstoffen, mit bar:
denen ein möglichst verformbares, zähes – Die Entstehung von Martensit in der WEZ
Schweißgut herstellbar ist. Die basisch- kann durch Vorwärmen über Ms vermie-
umhüllten Stabelektroden sind hierfür den werden. Die Umwandlung des Auste-
her vorragend geeignet (siehe Abschn. nits in den in der Regel wesentlich rissun-
4.2.3.1.3). Die rissbegünstigenden Eigen- empfindlicheren Bainit kann gewöhnlich
spannungen lassen sich dann durch plas- durch ausreichend langes Halten auf der
tisches Verformen des Schweißguts ab- Vorwärmtemperatur erzwungen werden.
bauen, d. h., die spröden, verformungslo- Die hierfür erforderliche Vorwärmtem-
sen, martensitischen Zonen bleiben ver- peratur und die Haltezeit werden aus dem
hältnismäßig unbelastet. Die Rissbildung ZTU-Schaubild des Stahles entnommen.
wird dadurch erheblich behindert. Die Ver- Diese Methode, die auch isothermisches
wendung artgleicher Zusatzwerkstoffe ist Schweißen genannt wird, ist ausführli-

a) b)
Bild 4-81
Aufnahmen des Mikrogefüges eines Vergütungsstahles C45 (C 45) nach unterschiedlicher Wärmebehandlung.
a) normalgeglüht, 220 HV 10, V = 800:1, 2 % HNO3 ,
b) vergütet, Anlasstemperatur 600 ’C, 250 HV 10, V = 500:1, 2 % HNO3 .
404 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

cher in Abschn. 2.5.3.4 beschrieben. Nähe- grenze zunimmt. Abhängig von der Höhe der
rungsweise lässt sich die Martensit-Start- Vorwärmtemperatur und dem Wärmeeinbrin-
temperatur mit der Beziehung Gl. [2-4] gen bildet sich beim Abkühlen ein mehr oder
berechnen. Diese Methode kann sinnvoll weniger hartes, grobkörniges, rissanfälliges
nur für Stähle angewendet werden, deren Umwandlungsgefüge. Eine hohe Vorwärmung
Ms-Temperaturen unter 300 ’C liegen. verringert zwar die Höchsthärte, vergrößert
– Die Berechnung des Kohlenstoffäquiva- aber die Breite der Wärmeeinflusszone und
lents mit Hilfe der verschiedenen Bezie- erhöht den Festigkeitsabfall in der »Anlass-
hungen (s. Abschn. 4.1.3.2) ermöglicht zone«.
ebenfalls eine recht genaue Abschätzung
der Vorwärmtemperatur. Die Bildfolge 4-83 zeigt den Einfluss einer
– Ein hohes Vorwärmen auf Temperaturen Vorwärmung auf die Maximalhärte in der
zwischen 250 ’C und 350 ’C gilt als allge- WEZ einer mit basischen Stabelektroden ge-
mein gültige, praxiserprobte Empfehlung schweißten Verbindung aus dem Vergütungs-
zum Schweißen der höhergekohlten Ver- stahl C45 (C 45). Sie beträgt ohne Vorwär-
gütungsstähle. Das Adsorptionswasser men 480 HV 1, eine Kaltrissbildung ist damit
auf den Fügeteilen wird dadurch eben- wahrscheinlich. Ein Vorwärmen auf etwa
falls zuverlässig beseitigt, s. Bild 4-62. 300 ’C verringert die Härte auf 300 HV 1. Die
Verbindung ist jetzt betriebssicher, wenn sie
Die Vergütungsstähle lassen sich im vergü- nicht schlagartig beansprucht wird. Die Er-
teten Zustand schweißen, aber wesentlich fahrung zeigt, dass mit einer ausreichenden
einfacher und risikoloser im verformbareren
normalgeglühten (bzw. weichgeglühten), Bild-
folge 4-81. In den meisten Fällen ist ein nach-
Temperatur T

trägliches Neuvergüten ( Härten und Anlas-


sen!) nicht möglich und wegen des weichen
Schweißguts technisch auch selten sinnvoll. A c3
Die vom Kohlenstoffgehalt abhängige oft ex-
treme Härte in der Wärmeeinflusszone lässt A c1
sich durch ein Anlassglühen entscheidend TAnl
herabsetzen.
A c3 A c1 TAnl
Bild 4-82 zeigt einige für die Wärmeeinfluss-
zone von Vergütungsstählen typische Gefü- 4 3 2 1
gebesonderheiten. In Bereichen, die bis zur
Anlasstemperatur TAnl des Stahles erwärmt
wurden, treten keine Gefügeänderungen auf.
Mit zunehmender Temperatur fällt die Här-
Härte

»Härtesack« HVGW,v
te (Festigkeit) merklich ab. Der maximale Ab-
fall der Härte um Ac1 wird als »Härtesack«
bezeichnet. Die Ursache ist die zunehmende
Beweglichkeit vorwiegend der Kohlenstoff-
atome und seine damit verbundene Ausschei-
dung als Fe3C. Wird der Kohlenstoff mit Son-
dercarbidbildnern (z. B. Cr, Mo) fest abgebun-
den, dann ist der Härteabfall in der Regel ver- 1: unbeeinflusster (vergüteter, HV = HVGW,v) Grundwerkstoff,T £ TAnl
nachlässigbar, s. Anlassbeständigkeit, Abschn. 2: Anlasstemperatur TAnl wird überschritten, Härte nimmt ab
3: maximale Härteabnahme bei T l Ac1
2.5.2.2, S. 143. 4: Werkstoff wird vollständig austenitisiert, Härtezunahme durch
zunehmende Abkühlgeschwindigkeit

Bei Temperaturen über Ac3 erfolgt eine voll- Bild 4-82


ständige Austenitisierung des Gefüges, des- Wirkung der Schweißwärme auf die Gefüge und Härte
sen Korngröße kontinuierlich bis zur Schmelz- der WEZ von Vergütungsstählen.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Höhergekohlte Stähle) 405

a) b)

Bild 4-83
Einfluss des Vorwärmens auf die Gefügeausbildung und Härte der schmelzgrenzennahen Bereiche bei einer
Schweißverbindung aus dem Vergütungsstahl C45 (C 45), Werkstückdicke 10 mm, V = 200 :1, 2 % HNO3.
a) Ohne Vorwärmung. Das Gefüge der aufgehärteten Zone besteht aus Martensit und Bainit mit Gefügen der
Perlitstufe, Maximalhärte 550 HV 10.
b) Vorwärmung Tp = 300 ’C. Das Gefüge besteht überwiegend aus Bainit, Perlit mit Ferritsäumen an den ehe-
maligen Austenitkörnern, Maximalhärte 300 HV 10.

a) b)

Bild 4-84
Gefügeausbildung einer mit der Stabelektrode vom Legierungstyp CrNiMn-18-8-6 geschweißten Verbindung
aus dem Vergütungsstahl C45 (C 45) in Schmelzgrenzennähe bei verschiedenen Vorwärmtemperaturen Tp.
a) Tp = 20 ’C, 610 HV 1, überwiegend martensitisches Gefüge, V = 1000 :1, 2 % HNO3.
b) Tp = 250 ’C, 340 HV 1, durch Diffusion entstandene legierungsreiche in Martensit umgewandelte Zone (grau),
V = 500:1, V2A-Beize.
406 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Vorwärmung und einem zähen, unlegierten Wärmenachbehandlungen ist auch aus ande-
Schweißgut risssichere Schweißverbindun- ren Gründen unzweckmäßig. Das große Kon-
gen herstellbar sind. zentrationsgefälle des Kohlenstoffs an der
Phasengrenze Schweißschmelze (kfz)/hoch-
Verschiedentlich werden zum Schweißen der erhitzte Grobkornzone (krz) führt zu einer
Vergütungsstähle aber auch austenitische Zu- deutlichen Kohlenstoffdiffusion in Richtung
satzwerkstoffe verwendet. Der wesentlichste Schweißgut. Der sich unmittelbar neben der
Vorteil ist ihre große Zähigkeit, verbunden Schmelzgrenze bildende dünne Carbidsaum
mit einer verhältnismäßig geringen Streck- versprödet die Verbindung.
grenze. Der Abbau der thermischen Spannun-
gen und der bei der Martensitbildung entste-
henden Umwandlungsspannungen wird er- 4.3.5 Warmfeste Stähle
leichtert. Die Verformbarkeit dieser mit aus-
tenitischem Zusatzwerkstoff hergestellten Je nach der Höhe der thermischen und me-
Schweißverbindung ist aber häufig deutlich chanischen Betriebsbeanspruchung (kons-
schlechter als die der mit basischen Elektro- tante oder wechselnde) werden für den Bau
den geschweißten Naht. Als Ursache ist die warmgehender Anlagen unterschiedliche
Vermischung des legierten Schweißguts mit Stähle eingesetzt.
dem martensitischen Grundwerkstoff an der
Schmelzgrenze anzunehmen. Der sich bil- ❐ Ferritische Stähle
dende legierte und höhergekohlte Martensit (ferritisch-perlitische, ferritisch-bainitische,
ist sehr hart und spröde. Die Breite dieser martensitische Stähle).
martensitischen Zone nimmt mit zunehmen- Für Betriebstemperaturen bis ungefähr
der Vorwärmtemperatur ebenso zu wie die 400 ’C genügen die warmfesten Feinkorn-
Rissneigung. baustähle mit ferritisch-perlitischem Ge-
füge nach DIN EN 10025-3 und DIN EN
Austenitische Zusatzwerkstoffe (vor allem 10025-4, (Tabelle 2-11 und Tabelle 2-8),
der CrNi-24-9-Typ) können allerdings eine DIN EN 10028-2 und DIN EN 10216-2. Hier-
sinnvolle Alternative für Reparaturschwei- zu gehören z. B. die niedriglegierten Stäh-
ßungen an höhergekohlten Stählen sein, die le P195, P2355, P355, 8MoB5-4 und der
aus betrieblichen Gründen (Vorwärmtempe- hochlegierte X10CrMoVNb9-1.
ratur gefährdet Bauteilsicherheit und Funk- Für den Zeitstandbereich müssen legierte
tion) nicht vorgewärmt werden können. Au- Stähle mit ferritisch-bainitisch-marten-
ßer dem rissunanfälligen Schweißgut ist vor sitischem Gefüge verwendet werden. Die
allem die wesentlich größere Wasserstofflös- wichtigsten sind die CrMo-legierten Stäh-
lichkeit des austenitischen Schweißguts, d. h. le, z. B. 13CrMo4-5, 10CrMo9-10. Durch
die geringere Kaltrissneigung der WEZ der die zusätzliche Wirkung einer Ausschei-
größte Vorteil. dungshärtung wird die Warmfestigkeit
bei dem Stahl 14MoV6-3 verbessert.
Bild 4-84 zeigt Mikroaufnahmen aus dem Der lufthärtende hochlegierte Vergütungs-
Bereich der Schmelzgrenze einer Verbindung stahl X20CrMoV12-1 wird zwischen 700 ’C
aus C45, hergestellt mit der sehr heißriss- und 750 ’C angelassen. In dem martensi-
sicheren Stabelektrode vom Legierungstyp tischen Gefüge sind feinstverteilte Sonder-
CrNiMn-18-8-6. In der nicht vorgewärmten carbide M23C6 eingelagert. Er ist im Dau-
Verbindung, Bild 4-84a, besteht das Gefüge erbetrieb bei Temperaturen bis etwa 600 ’C
der WEZ aus reinem Martensit mit der Här- (650 ’C) einsetzbar.
te von 610 HV 1. Durch Vorwärmen der Füge-
teile auf 250 ’C entsteht ein breiterer Strei- ❐ Austenitische Stähle
fen martensitischen Gefüges, der die Ver- Für Betriebstemperaturen über 600 ’C
formbarkeit der Verbindung deutlich verrin- müssen austenitische Stähle verwendet
gert, Bild 4-84b. Die Anwendung hoher Vor- werden, wie z. B. der X6CrNi18-11 oder
wärmtemperaturen und insbesondere von der X8CrNiMoNb16-16, Tabelle 2-9.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Warmfeste Stähle) 407

4.3.5.1 Ferritische Stähle sen Stählen daher grundsätzlich die Gefahr


(ferritisch-perlitisch) der Bildung von Härterissen, bei dickwandi-
Schweißprobleme sind bei den unlegierten gen Teilen auch die von Spannungsrissen.
Feinkornstählen z. B. nach DIN EN 10025-3
und den legierten nach DIN EN 10216-2 auf- Wegen der hohen Ms-Temperaturen dieser
grund ihrer chemischen Zusammensetzung Stähle (• 400 ’C) brauchen sie nur auf etwa
nicht zu erwarten. Lediglich bei dickwandi- 200 ’C bis 300 ’C vorgewärmt zu werden. Ein
gen Konstruktionen (t • 40 mm) ist ein Vor- Martensitgehalt bis zu 50 % kann man bei die-
wärmen zwischen 100 ’C und 150 ’C und sen niedriggekohlten Stählen erfahrungsge-
Spannungsarmglühen bei 600 ’C bis 650 ’C mäß in Kauf nehmen, ohne dass Rissbildung
zu empfehlen. In Tabelle 4-36 sind für das befürchtet werden müsste.
Schweißen der unlegierten und legierten
warmfesten Stähle einige Hinweise für eine Allerdings ist je nach Stahl ein Anlassglühen
erforderliche Wärmevor- und nachbehandlung zwischen 690 ’C und 780 ’C erforderlich. Ziel
zusammengestellt. dieser Behandlung ist das Beseitigen der Ei-
genspannungen und vor allem das Reduzie-
4.3.5.2 Ferritische Stähle ren der Härte in der WEZ durch Anlassen des
(ferritisch-bainitisch) hier entstandenen niedriggekohlten Marten-
Konstruktionen aus warmfesten Stählen sits. Durch die Anlassbehandlung darf der
werden nahezu ausschließlich durch Schwei- optimale Ausscheidungszustand hinsichtlich
ßen hergestellt. Eine ausreichende Schweiß- seiner Fähigkeit, die Warmfestigkeit zu er-
eignung ist damit die wichtigste zu fordern- höhen und die Kriechhemmung möglichst we-
de technologische Eigenschaft. Die niedrigle- nig herabzusetzen, nur wenig geändert wer-
gierten Stähle mit ferritisch-bainitisch-mar- den. Die größte kriechhemmende Wirkung
tensitischem Gefüge wandeln im austeniti- haben kohärente Ausscheidungen (Abschn.
sierten Bereich der WEZ in einem erhebli- 2.6.3.3, S. 161). Durch eine geeignete chemi-
chen Umfang in unerwünschten Martensit sche Zusammensetzung wird angestrebt,
um. Während des Abkühlens besteht bei die- dass die Warmfestigkeit durch Koagulieren

Werkstoff: 10CrMo9-10, Austenitisierungstemperatur: 980 °C, Haltedauer: 10 min, aufgeheizt in 3 min

Bild 4-85
Kontinuierliches ZTU-Schaubild des Stahles 10CrMo9-10, nach Atlas zur Wärmebehandlung der Stähle.
408
Tabelle 4-36
Anhaltsangaben zur Wärmebehandlung einiger warmfester Rohrstähle nach Merkblatt 328 der Beratungsstelle für Stahlverwendung, Düsseldorf.

Werkstoff nach Warmform- Wärmebehandlung


EN 10 027-1 gebung
(DIN 17 006) °C nach Warmformgebung nach Kaltformgebung vor dem Schweißen nach dem Schweißen

P235G1TH 1100 ... 850 Liegt die Temperatur der Endverformung an Nach starker Verformung ist Kein Vorwärmen. Bei Wanddicken über 20
(St 35.8) der oberen Grenze des Temperaturbereiches, so ein Spannungsarmglühen bei (10) mm Spannungsarmglü-
ist ein Normalglühen bei 900 (870) bis 930 600 bis 650 °C bei einer Hal- hen bei 600 bis 650 °C (Hal-
P255G1TH (900) °C bei einer Haltedauer von mind. 10 min tedauer von mind. 15 min tdauer mind. 15 min). Ab-
(St 45.8) durchzuführen. Abkühlen an Luft. durchzuführen. Abkühlen an kühlen an Luft.
Luft.
16Mo3 1100 ... 850 Liegt die Temperatur der Endverformung an Nach starker Verformung ist Bei Wanddicken über Bei Wanddicken über 10
(15 Mo 3) der oberen Grenze des Temperaturbereiches, so ein Spannungsarmglühen bei 10 mm Vorwärmen mm Spannungsarmglühen
1100 ... 850
ist ein Normalglühen bei 910 bis 940 °C bei ei- 600 bis 650 °C bei einer Hal- auf etwa 150 °C. bei 600 bis 650 °C (Halte-
16Mo5 ner Haltedauer von mind. 10 min durchzufüh- tedauer von mind. 15 min dauer mind. 15 min). Ab-
ren. Abkühlen an Luft. durchzuführen. Abkühlen an kühlen an Luft.
Luft.
13CrMo4-5 1100 ... 850 Liegt die Temperatur der Endverformung an Nach starker Verformung ist Bei Wanddicken über Anlassen bei 690 bis 720 °C
(13 CrMo 4 4) der oberen Grenze des Temperaturbereiches, so ein Anlassen bei 600 bis 650 10 mm Vorwärmen (Haltedauer mind. 15 min).
Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

ist ein Normalglühen bei 910 bis 940 °C bei ei- °C bei einer Haltedauer von auf 200 bis 300 °C. Abkühlen an Luft.
ner Haltedauer von mind. 10 min, anschließend mind. 15 min durchzuführen.
ein Abkühlen an Luft durchzuführen. Bei End- Abkühlen an Luft.
verformung an der unteren Temperaturgrenze ge-
nügt ein Anlassen.
14MoV6-3 1100 ... 850 Normalglühen bei 950 bis 980 °C bei einer Halte- Nach starker Verformung ist Bei Wanddicken ab 6 Anlassen bei 690 bis 720 °C
dauer von von mind. 60 min, anschließend ein ein Anlassen bei 670 bis 700 °C mm Vorwärmen auf (Haltedauer 60 bis 120 min).
Anlassen bei 690 bis 720 °C (Haltedauer 240 bis bei einer Haltedauer von min- etwa 200 bis 300 °C. Abkühlen an Luft.
60 min) durchzuführen. Abkühlen an Luft. destens 60 min durchzufüh-
ren. Abkühlen an Luft.
10CrMo9-10 1100 ... 850 Liegt die Temperatur der Endverformung an der Nach starker Verformung ist Bei Wanddicken ab Anlassen bei 730 bis 780 °C
oberen Grenze des Temperaturbereiches, so ist ein Anlassen bei 600 bis 650 °C 10 mm Vorwärmen auf (Haltedauer mind. 20 min).
ein Normalglühen bei 930 bis 960 °C bei einer Hal- bei einer Haltedauer von min- etwa 200 bis 300 °C. Abkühlen an Luft.
tedauer von mindestens 10 min, anschließend ein destens 20 min durchzufüh-
Anlassen bei 730 bis 780 °C (Haltedauer mindes- ren. Abkühlen an Luft.
tens 20 min) und ein Abkühlen an Luft durchzu-
führen. Bei Endverformung an der unteren Tem-
peraturgrenze genügt ein Anlassen.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Warmfeste Stähle) 409

der Teilchen bei höheren Temperaturen mög- keit abnehmen und eine deutliche Rissnei-
lichst wenig abnimmt. gung der schmelzgrenzennahen Bereiche auf-
tritt.
Aus dem kontinuierlichen ZTU-Schaubild z.
B. des Stahles 10CrMo9-10, Bild 4-85, lassen 4.3.5.3 Ferritische Stähle
sich einige für die schweißtechnische Verar- (martensitisch)
beitung wichtige Informationen ablesen. Da- Die lufthärtenden 12%igen Chromstähle ver-
zu gehört u. a. die Ms-Temperatur und die Art binden die höchsten Zeitfestigkeitswerte fer-
und Härte der sich bildenden Umwandlungs- ritischer Stähle mit einer sehr guten Zunder-
gefüge. Das für diesen Stahl typische ferri- beständigkeit. Sie werden im Kraftwerks- und
tisch-bainitische Grundwerkstoff-Gefüge zeigt Turbinenbau für Überhitzer- und Frischdampf-
Bild 4-86. leitungen bei den höchsten für ferritische Stäh-
le möglichen Arbeitstemperaturen zwischen
Die Warmfestigkeit der Cr-Mo-legierten 530 ’C und 560 ’C eingesetzt. Der hochlegier-
warmfesten Stähle lässt sich mit V – besser te Stahl X20CrMoVW12-1 ist der typische
mit V und Nb – erheblich verbessern. Ihre Vertreter, Bild 4-87.
Warmfestigkeit hängt von der Verteilung, Grö-
ße und dem mittleren Abstand der ausgeschie- Das Schweißen dieses Stahls erfordert beson-
denen Carbide und Nitride ab. Die Neigung dere Vorsichtsmaßnahmen und ist wegen der
der Niobcarbide zum Koagulieren und/oder umfangreichen Wärmebehandlungen sehr
Wiederauflösen ist besonders gering. Niob- aufwändig und teuer. Die für ein erfolgreiches
haltige Stähle behalten daher auch noch bei Schweißen benötigten Informationen über
höheren Temperaturen ihre kriechhemmen- das Werkstoffverhalten können überwiegend
de Wirkung. aus dem ZTU-Schaubild des Stahles entnom-
men werden, Bild 4-88. Die breite umwand-
Das Schweißverhalten dieser ausscheidungs- lungsfreie bzw. umwandlungsträge Zone des
härtenden Stähle ist ungünstiger. Durch die Austenits zwischen 300 ’C und 550 ’C zusam-
beim Schweißen entstehenden Temperatur- men mit der verhältnismäßig tiefliegenden
Zeit-Verläufe wird der optimale Ausschei- Ms-Temperatur von etwa 270 ’C (Mf 120 ’C)
dungszustand in der WEZ weitgehend verän- bestimmen die fertigungstechnisch anzuwen-
dert, wodurch die Zähigkeit und Warmfestig- dende aufwändige Schweißtechnologie.

Bild 4-86 Bild 4-87


Typisches Mikrogefüge eines Stahles 10CrMo9-10, Mikrogefüge eines Stahles X20CrMoVW12-1,
V = 400 :1, 2 % HNO3 . V = 400 :1.
410 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Abhängig von der Wanddicke werden die Fü-


geteile auf etwa 350 ’C bis 450 ’C vorgewärmt,
wobei die Zwischenlagentemperatur 450 ’C
nicht überschreiten soll. Dadurch wandelt
sich der austenitisierte Bereich der WEZ
während der gesamten Schweißzeit nicht voll-
ständig in Martensit, sondern z. T. in den
wesentlich zäheren Bainit um. Die Schrumpf-
spannungen werden damit durch plastische
Verformung leichter abgebaut. Eine Rissbil-
dung ist damit weitgehend ausgeschlossen.
Eine anschließende Wärmenachbehandlung
(z. B. Anlassglühen) ist wegen der extremen
Maximalhärte in den Wärmeeinflusszonen
von etwa 500 HV 1 und mehr sowie der Opti-
mierung der Warmfestigkeitseigenschaften
zwingend erforderlich.

Die naheliegende Überlegung, direkt aus der


Schweißhitze auf die erforderliche Temperatur Bild 4-89
Mikrogefüge aus dem Bereich der Schmelzgrenze einer
von 730 ’C bis 780 ’C zu erwärmen, ist aus
Schweißverbindung aus dem Stahl X20CrMoVW12-1
verschiedenen Gründen unzweckmäßig: (Rohr 38 x 5 mm). Vorwärmtemperatur 300 ’C mit
– Ein Teil des im Austenit des austenitisch- nachfolgender Abkühlung auf Raumtemperatur und
bainitischen bzw. -martensitischen Gefü- Anlassglühen 760 ’C/0,5 h/Luft.
ges der WEZ und im Schweißgut gelös-
ten Kohlenstoffs beginnt sich an den Korn- – Der Kohlenstoffgehalt des Austenits nimmt
grenzen in Carbidform auszuscheiden wie als Folge der Carbidausscheidung ab, d.
Bild 4-88 erkennen lässt. h., die Ms- und Mf-Temperatur des Restaus-
tenits werden dadurch größer. Bei der an-
900
° C Ac1 schließenden Abkühlung wandelt der Aus-
800 tenit in spröden, nicht angelassenen Mar-
Temperatur T

tensit um.
700
P
– Bei längeren Glühzeiten erfolgt eine Teil-
K
umwandlung des Austenits in perlitische
600
Gefügeformen, die sehr schlechte mecha-
500 nische Gütewerte aufweisen.

400 Die mechanischen Gütewerte der Verbindung


B – vor allem die Zähigkeitseigenschaften –
300 Ms
sind nach dieser Wärmebehandlung völlig
200
unzureichend.
Mf M
100 Daher wird aus der Schweißwärme zunächst
auf eine Temperatur zwischen 150 ’C und
0
1 10 102 103 min 104
100 ’C abgekühlt und etwa 2 Stunden gehal-
Zeit t
ten, d. h., der austenitisierte Teil der Wärme-
einflusszone wird nahezu vollständig in den
Austenitisierungstemperatur: 1020 ° C M s - Temperatur: 270 ° C
Ac1: 860 ° C (1 ° C/min) M f - Temperatur: 120 ° C in diesem Fall deutlich weniger rissanfälli-
Martensithärte: 610 HV 10 gen (niedriggekohlten) Martensit umgewan-
Bild 4-88 delt. Ein anschließendes Anlassglühen er-
Isothermisches ZTU-Schaubild des Stahles zeugt ein risssicheres Vergütungsgefüge mit
X20CrMoVW12-1, nach Kauhausen. einer Härte von etwa 300 HV 1.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Warmfeste Stähle) 411

Bild 4-89 zeigt das typische Mikrogefüge ei- während des Spannungsarmglühens in der
ner Schweißverbindung (X20CrMoVW12-1, WEZ meistens interkristallin verlaufende
Rohr 38 x 5 mm) in Schmelzgrenzennähe. Risse entstehen. Die Neigung zur Rissbil-
Wegen der geringen Wanddicke wurde in die- dung ist von der chemischen Zusammenset-
sem Fall aus der Schweißhitze auf Raumtem- zung des Stahls abhängig, nimmt mit zuneh-
peratur abgekühlt, da die Gefahr der Span- mender Wanddicke zu und ist auch von der
nungsrissbildung gering ist. Temperatur-Zeitführung der Wärmebehand-
lung abhängig.
4.3.5.4 Austenitische Stähle
Einige wichtige hochwarmfeste austeniti- Diese Erscheinung – sie ist phänomenolo-
sche Stahlsorten sind in Tabelle 2-9 aufge- gisch mit den Unterplattierungsrissen sehr
führt. Ein kennzeichnendes Merkmal ist ihr verwandt, Abschn. 4.3.8.2 – wird im engli-
vollaustenitisches, ferritfreies Gefüge. We- schen Schrifttum als Stress Relief Cracking
gen der thermischen Instabilität des Ferrits (SRC) oder reheat cracking bezeichnet. Als
ist dieser Gefügebestandteil bei den hoch- deutsche Bezeichnungen sind Wiedererwär-
warmfesten Stählen unerwünscht bzw. nicht mungsriss, Ausscheidungsriss oder Relaxa-
zulässig. tionsriss gebräuchlich. Grundsätzlich neigen
die meisten Stähle zu dieser besonderen Art
Das entscheidende Problem beim Schweißen der Versprödung. Cr, Cu, Mo, B, Nb und Ti
ist die deutliche Heißrissanfälligkeit dieser begünstigen diese Rissbildung. Mo-V- und
vollaustenitischen Stähle und ihre ausgepräg- Mo-B-Stähle sind besonders bei einem Vana-
te Neigung zur Bildung von Mikrorissen als diumgehalt ! 0,1 % stark rissgefährdet. Die
Folge örtlicher Seigerungen an den Korngren- tendenzielle Neigung zur Bildung von Wie-
zen. Sie lassen sich durch Zusatzwerkstoffe dererwärmungsrissen lässt sich mit den Be-
vermeiden, die zu einem Schweißgut mit et- ziehungen von Nakamura, Gl. [4-20], und von
wa 5 % d-Ferrit führen. Ihr Schweißverhalten Ito, Gl. [4-21], beschreiben:
entspricht weitgehend dem der korrosionsbe-
ständigen austenitischen Stähle. Für weite- PC Cr  3,3 ¹ Mo  8,1 ¹ V  10 ¹ C  2 [4-20]
re Hinweise sei daher auf Abschn. 4.3.7 ver- PSC Cr  Cu  2 ¹ Mo  10 ¹ V  [4-21]
wiesen. 7 ¹ Nb  5 ¹ Ti  2.

4.3.5.5 Versprödungs- und Die Beziehung von Ito, Gl. [4-21], gilt für
Rissmechanismen Stähle, deren chemische Zusammensetzung
Bei einer Reihe von niedriglegierten Stäh- in den Bereichen liegt:
len, vor allem bei den CrMo-legierten, ent- Cr 1,5 %, Mo 2,0 %,
stehen bei verschiedenen Betriebs- und Wär- Cu 1,0 %, Nb, V, Ti je 0,15 %.
mebehandlungsbedingungen folgende cha-
rakteristische Versagensformen: Stähle sind danach empfindlich für Wieder-
– Wiedererwärmungsrisse und die erwärmungsrisse, wenn die Parameter PC
– Anlassversprödung. bzw. PSC gleich oder größer Null sind.

Wiedererwärmungsriss Die oberflächenaktive Elemente, vorzugswei-


(Ausscheidungsriss) se Schwefel und Phosphor, gelten als sehr
Diese Rissart entsteht durch die Ausschei- stark rissbegünstigend. Obwohl Schwefel i.
dung spröder Phasen (Carbide, Carbonitri- Allg. im Gitter überwiegend abgebunden (z.
de) während des Schweißens oder häufiger B. FeS) vorliegt, kann sich ein geringer Teil
bei/während einer Wärmenachbehandlung noch in der Matrix in gelöster Form befinden.
überwiegend dickwandiger Bauteile. Ähnliches gilt für Phosphor, der im Korngren-
zenbereich segregieren kann und so die Ko-
In dickwandigen Schweißverbindungen aus häsion herabsetzt. Nach Tamaki muss dafür
warmfesten mit Sondercarbidbildnern (z. B. ein Grenzgehalt von 0,008 % überschritten
Mo, V) legierten Feinkornbaustählen können werden. Kupfer begünstigt nach Gl. [4-21]
412 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

den Wiedererwärmungsriss. Daher dürfen kornbaustahl 20MnMoNi5-5 eingesetzt, der


in keinem Fall verkupferte Drahtelektroden aufgrund seiner chemischen Zusammenset-
zum Schweißen (SG und UP) verwendet wer- zung keine Sondercarbide bildet.
den.
Anlassversprödung
Während des Schweißens hat sich im schmelz- Schweißverbindungen aus chrom-molybdän-
grenzennahen (Grobkorn-)Bereich der größ- legierten warmfesten Stählen können bei ei-
te Teil der die Warmfestigkeit erzeugenden ner langzeitigen Beanspruchung im Tempe-
Carbide/Carbonitride gelöst, beim Abkühlen raturbereich zwischen 400 ’C und 600 ’C ver-
aus der Schweißwärme aber nur zum Teil wie- spröden. Die Zähigkeitsabnahme beruht ähn-
der ausgeschieden. Die Ursache dieser nur lich wie bei der Anlassversprödung auf Ver-
bei sehr dickwandigen (t • 50 mm) Bauteilen unreinigungen von Arsen, Antimon, Zinn und
auftretenden Rissform sind die durch den Phosphor, die sich an den Korngrenzen ange-
Abbau der Eigenspannungen entstehenden reichert haben. Die Neigung der Grundwerk-
plastischen Verformungen und die sich im stoffe zu dieser Langzeitversprödung wird
Bereich der Spannungsarmglühtemperatur mit dem J-Faktor nach Watanabe beschrie-
wieder ausscheidenden Sondercarbide oder ben, der unter 150 bzw. besser unter 100 lie-
Carbonitride. Diese versteifen die Matrix gen sollte:
und behindern so die normale Gittergleitung,
J (Si  Mn) ¹ (P  Sn) ¹ 104. [4-22]
Bild 4-90. Die notwendigen Relaxationsvor-
gänge können nur über die weniger festen Die Angabe der Elemente Mangan und Sili-
Korngrenzenbereiche (Korngrenzengleitung) cium berücksichtigt ihre Neigung, mit Phos-
erfolgen, die zu den genannten überwiegend phor und Zinn versprödende Verbindungen
interkristallinen Trennungen führen. Beson- einzugehen. In dem sehr rasch abkühlenden
ders anfällig sind naturgemäß martensiti- Schweißgut können sich diese Ausscheidun-
sche Gefüge der Grobkornzone von Schweiß- gen nicht bilden. Die für das Schweißgut zu-
verbindungen. treffenden Versprödungsbedingungen las-
sen sich zuverlässiger mit der Beziehung von
Diese Versagensform lässt sich verhindern, Bruscato beurteilen:
wenn die Bedingungen für die Ausscheidungs-
Spannungsarmglühen
bildung beim Spannungsarmglühen nicht er-
reicht werden. In der Praxis glüht man anfäl- ohne mit

lige Stähle bei entsprechend niedrigeren Tem-


peraturen (etwa 550 ’C bis 580 ’C). Der da- Z Z
durch erzeugte Ausscheidungszustand ver-
ringert deutlich weniger die Relaxationshem-
mung. Weitere Maßnahmen bestehen im Be-
seitigen konstruktiv oder schweißtechnisch C
bedingter Kerben und in der Wahl zäher Zu-
Z Z
satzwerkstoffe, die verformbare Schweißgü- M
s s
ter erzeugen. Durch ein Plastifizieren des
Schweißguts ist der Abbau der rissauslösen-
den Spannungen möglich, wodurch die spröde-
ren Grobkornbereiche entlastet werden. austenitisierter Bereich der WEZ Wiederausgeschiedene Sondercar-
wandelt vorzugsweise in Marten- bide (C) versteifen Matrix, Gitter-
sit (M) um, Carbidausscheidung gleitung wird stark vermindert. Die
Kritische Grenzgehalte der Sondercarbide unterbleibt wegen großer Abkühl- Eigenspannungen (s ) erzwingen
sind damit ursächlich für das Entstehen der geschwindigkeit in der WEZ. vorwiegend Korngrenzengleitung.

Ausscheidungsrisse in der Wärmeeinfluss-


Bild 4-90
zone beim Spannungsarmglühen. Für größe-
Vorgänge in der WEZ von Schweißverbindungen aus
re Wanddicken und Betriebstemperaturen warmfesten Stählen, die während des Spannungs-
bis etwa 400 ’C wird daher bei erhöhten Anfor- armglühens zu Ausscheidungsrissen neigen, stark
derungen häufig der wasservergütete Fein- vereinfacht.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Kaltzähe Stähle) 413

10 ⋅ P + 5 ⋅ Sb + 4 ⋅ Sn + As macht sich besonders beim Schweißen der


L= . [4-23]
100 Wurzellage sehr störend bemerkbar. Abhil-
fe kann der Werkstoff-Hersteller durch Ent-
Der nach Gl. [4-23] berechnete Wert soll klei- mag netisieren der Halbzeugteile auf unge-
ner als 20 sein, wobei die Gehalte der Ele- fähr 1600 A/m (entsprechend 20 Oe) schaf-
mente in ppm einzusetzen sind. fen. Die gewünschte magnetische Feldstär-
ke sollte in einer Prüfbescheinigung verein-
bart werden. Die während der Verarbeitung
4.3.6 Kaltzähe Stähle entstehenden größeren Magnetfelder können
u. a. durch eine geeignete Positionierung ei-
Das Schweißen der un- bzw. niedriglegierten nes Gegenpoles oder durch einige aufgesetz-
Tieftemperaturstähle z. B. nach DIN EN te Permanentmagnete geschwächt werden.
10028-3, DIN EN 10028-4, DIN EN 10216-4, Die Verwendung von Wechselstrom stellt eben-
DIN EN 12217-4/6, siehe auch Tabelle 2-10, falls eine in der Praxis bewährte Gegenmaß-
S. 181, wurde in Abschn. 4.3.2 besprochen. nahme dar.
Die Verwendung trockener, möglichst wasser-
stoffarmer Zusatzwerkstoffe ist eine der wich- Für Stähle mit Nickelgehalten bis zu 5 % wer-
tigsten Forderungen, die für betriebssichere, den sowohl ferritische (2,5 % Nickel) als auch
rissfreie Schweißverbindungen aus kaltzä- austenitische Zusatzwerkstoffe (Elektroden,
hen Stählen zu erfüllen ist. Stäbe) vom Typ CrNiMn-18-12-8 verwendet.
Eine Wärmenachbehandlung ist bei Verwen-
Alle in Tabelle 2-10 aufgeführten mangan- dung austenitischer Zusatzwerkstoffe nicht
und nickellegierten und austenitischen kalt- zu empfehlen, da der Kohlenstoff aus dem
zähen Stähle sind gut schweißgeeignet. Die Grundwerkstoff an die Schmelzgrenze dif-
Fugenflanken und deren Umgebung müssen fundiert und hier durch intensive Chromcar-
frei von Rost, Zunder und Oberflächenbele- bidbildung versprödend wirkt.
gungen sein. Jede Art von Verunreinigung
vermindert die Zähigkeitswerte und erhöht Grundwerkstoffe mit einem Nickelgehalt
die Übergangstemperatur der Kerbschlagar- über 5 % werden mit den üblichen austeniti-
beit. Aus dem gleichen Grunde wird ein ho- schen Zusatzwerkstoffen des Typs CrNi-18-8
her Reinheitsgrad (oxidische, sulfidische, nicht- oder mit hoch nickelhaltigen der Zusammen-
metallische Einschlüsse) des Grundwerkstoffs setzung NiCr15FeNb nach DIN EN ISO 14172
und des Schweißguts gefordert. Der Schwefel- und DIN EN ISO 18274 (z. B. Incoweld A) ge-
gehalt im Schweißgut sollte unter 0,02 % lie- schweißt. Die Wärmezufuhr beim Schweißen
gen. Der Gefahr von Kaltrissen muss mit Hil- muss wegen der grundsätzlichen Heißrissge-
fe geringster Wasserstoffgehalte im Schweiß- fahr begrenzt sein, d. h., die Zwischenlagen-
gut und in der WEZ begegnet werden. Er- temperatur sollte 150 ’C nicht überschrei-
schwerend in diesem Zusammenhang ist die ten, und der Nahtaufbau muss mit der Strich-
große Wasserstofflöslichkeit nickellegierter raupentechnik erfolgen.
(Schweiß-)Schmelzen. Sie wird mit zunehmen-
dem Nickelgehalt größer. Die Vorwärmtem- Der 9%ige Nickelstahl X8Ni9 verbindet hohe
peratur muss bei den höherlegierten Nickel- Festigkeit (Rp0,2 500 N/mm2, Rm 600 N/mm2
stählen wegen der zunehmenden Heißriss- bis 800 N/mm2) mit der höchsten Kaltzähig-
gefahr auf etwa 80 ’C begrenzt werden. keit aller (hochlegierten) ferritischen Stähle
(Tü etwa  200 ’C). Diese Eigenschaften er-
Eine unangenehme Erscheinung der höher hält er durch
nickellegierten kaltzähen Nickelstähle – das ❐ Wasservergüten bei 800 ’C mit anschlie-
gilt vor allem für den X8Ni9 – ist ihre Nei- ßendem Anlassen bei 570 ’C und Abkühlen
gung zum Aufbau oftmals sehr starker magne- an Luft oder durch
tischer Felder und die damit verbundene er- ❐ doppeltes Normalglühen bei 900 ’C und
hebliche Blaswirkung des Lichtbogens. Die- 790 ’C mit anschließendem Anlassen bei
se unkontrollierte Ablenkung des Lichtbogens 570 ’C und Abkühlen an Luft.
414 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Nach dieser Wärmebehandlung besitzt der ❐ Kratzer, Riefen, Oberflächenbeschädigun-


Stahl ein weiches (C 0,08 %) martensitisch- gen. Hierzu gehören auch Anstriche, Belä-
bainitisches Gefüge mit geringen Anteilen ge aller Art (anorganische Beschichtun-
von Austenit. Der Austenit hat sich während gen bzw. organischer Bewuchs). Die beim
der Anlassbehandlung wegen der extremen Schwei ßen entstehenden Anlauffarben
thermischen Hysterese der a /g-Umwandlung müssen durch eine mechanische oder bes-
bei der Erwärmung bzw. Abkühlung neu ge- ser chemische Nachbehandlung (Beizen)
bildet. Bild 4-91 zeigt schematisch diese Vor- beseitigt werden. Beschädigungen der
gänge an Hand des Fe-Ni-Schaubildes. Oberflächen können zum Belüftungsele-
ment (Spaltkorrosion, Abschn. 1.7.6.1.3,
Wegen der Gefahr der Austenitbildung in der S. 86), d. h. zu einem sehr unterschiedli-
Wärmeeinflusszone wird in Strichraupentech- chen Sauerstoffangebot an den anodisch
nik geschweißt und nicht vorgewärmt, um und kathodisch wirkenden Bereichen der
die Dauer der zeitlichen Einwirkung mög- Werkstückoberfläche führen.
lichst klein zu halten. Wenn ein Spannungs-
armglühen bei dickwandigen Konstruktionen ❐ Kaltverformungen (z. B. Hämmern, Bie-
erforderlich erscheint, dann muss die niedrige- gen, Randbereiche von Bohrlöchern) kön-
re zulässige Glühtemperatur gewählt werden. nen bei austenitischen Stählen zur Bil-
Anderenfalls entsteht ein merklicher Festig- dung des sog. (krz) Schiebungsmartensits
keitsabfall durch Teilaustenitisierung des führen, der wesentlich korrosionsanfäl-
Werkstoffs. Zum Schweißen werden die be- liger ist als der Cr-Ni-Austenit.
reits erwähnten austenitischen oder hoch ni-
ckelhaltigen Zusatzwerkstoffe verwendet. ❐ Eingepresste Fremdmetallteilchen begüns-
tigen selektive Korrosionsformen, wie z.
B. die Kontakt- oder die Lochkorrosion
4.3.7 Korrosionsbeständige Stähle durch Zerstören der Passivschicht. Wäh-
rend der schweißtechnischen Verarbeitung
4.3.7.1 Einfluss der Verarbeitung auf kann diese Situation besonders leicht ent-
das Korrosionsverhalten stehen, so z. B.:
Die Wahl eines für ein bestimmtes Angriffs-
medium korrosionsbeständigen Stahls ist 900
° C
noch keine ausreichende Garantie für die che- 800
mische Beständigkeit der daraus hergestell- g
Temperatur T

700
ten geschweißten Konstruktion. In den Scha-
denstatistiken der chemischen Industrie wird 600
als Ursache für das Versagen der Bauteile
500
in der Mehrzahl aller Fälle ein Korrosionsan- Erwärmung:
a Æg
griff genannt! Weitaus am häufigsten wird 400
dabei die Schweißnaht angegriffen. Mecha-
300
nische Beanspruchungen sind relativ selten
für das Bauteilversagen verantwortlich. 200

100
Die Korrosionsbeständigkeit ist u. a. vom a
Oberflächenzustand abhängig (Abschn. 2.8.1, 0
Abkühlung:
S. 200). Sie ist grundsätzlich bei einer polier- - 100
g Æa

ten Werkstoffoberfläche am höchsten. Diese


- 200
Tatsache wird in der betrieblichen Praxis oft Fe 5 10 15 20 25 30 35 40 45 % 50
unterschätzt bzw. nicht genügend beachtet. Nickelgehalt
Die Oberflächengüte kann während der Be- Bild 4-91
und Verarbeitung des Halbzeugs durch ver- Fe-Ni-Schaubild. Man beachte die extreme thermische
schiedene Faktoren beeinträchtigt bzw. her- Hysterese der a/g -Umwandlung bei der Erwärmung
abgesetzt werden: des a - und der Abkühlung des g -Gefüges.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Korrosionsbeständige Stähle) 415

Tabelle 4-37
Empfehlungen für das Herstellen von Oberflächen, die denen der Walzprodukte entsprechen,
nach Strassburg.

Nr. Arbeitsfolge Bemerkung Empfohlenes Körnung


Bezeichnung Schleifmittel

Voroperation für raue Schweißnähte;


Vorzugsweise Schleif-
nur für sehr grobe Arbeiten, Nachar-
1a Putzschleifen scheibe in Hartgummi- 24/36
beit entsprechend Arbeitsfolge 1b oder
oder Kunstharzbindung
60er Korn wird empfohlen
Schleifscheibe in Hart-
gummi- oder Kunstharz- Wenn 36er Korn
Anfangsoperation an dicken Blechen, bindung erforderlich ist,
1b Vorschleifen warmgewalzten Blechen oder glatten muss mit 60er
Pließtscheibe
Schweißnähten. Korn nachgeschlif-
Schleifband, wenn es die fen werden
Form zulässt
Schwabbelscheibe
Pließt- oder Gummi-
Übliche Vorarbeit für kaltgewalztes
2 Fertigschleifen scheibe. 80/100
Blech oder Band
Schleifband, wenn es die
Form zulässt
Die Oberflächengüte entspricht etwa Pließtscheibe
derjenigen von Walzwerkprodukten nach 120/150
3a Schleifband, wenn es die
Verfahren IV, DIN EN 10088-3. Form zulässt

Vorbereitungsmaßnahme für das Her- Pließtscheibe


3b stellen normaler Politur im Anschluss Schleifband, wenn es die 180
Feinschleifen an Arbeitsfolge 3a Form zulässt

Polierscheibe 240er Fertig-


Zwischenarbeitsgang für das Herstel-
schleifpaste für
3c len normaler Politur im Anschluss an Schleifband, wenn es die Pließtscheibe oder
Arbeitsfolge 3b Form zulässt 240er Schleifband
Zum Herstellen eines glatten, matten
Paste aus Bims-
Seidenglanzes. Durch Bürsten im An-
steinpulver oder
schluss an eines der Feinschleifverfah-
Quarzmehl mit Öl.
ren erhält man eine Oberflächengüte,
Je nach gewünsch-
die dem Zustand »satiniert« entspricht. Tampico
4 Bürsten ter Oberflächegü-
Durch Bürsten feiner vorbereiteter, z. B. 1G oder 2G
te können auch an-
hochglanzpolierter Oberflächen sind
dere feinkörnige
besondere Effekte erzielbar. Oberflä-
Schleifmittel ver-
chengüte von der Bürstengeschwindig-
wendet werden
keit und dem Schleifmittel abhängig.
Letzter Arbeitsgang für das Herstellen Poliermittel für
Polieren oder normaler Politur im Anschluss an Ar- nichtrostende
5 Polierscheibe
Läppen beitsfolge 3c (nach dem Läppen sind Stähle in Stab-
noch feine Schleifriefen vorhanden). oder Kuchenform
320 ... 400er Fer-
Vorbereitungsmaßnahme für das Her-
tigpoliermittel in
stellen hochglanzpolierter Oberflächen Polierscheibe
Stab- oder Kuchen-
6a Polieren im Anschluss an Arbeitsfolge 3c
form
Vorbereitungsmaßnahme für das Her-
Polierband 320
stellen von hochglanzpoliertem Band
Poliermittel für
Letzter Arbeitsgang zum Herstellen
Hochglanz- nichtrostende
6b hochglanzpolierter, riefenfreier, spie- Polierscheibe
polieren Stähle in Stab-
gelblanker Oberflächen.
oder Kuchenform
Fertigoperation für das Herstellen einer
Glasperlen
7 Strahlen matten, nicht richtungsorientierten Verschieden
eisenfreier Quarzsand
Oberflächenstruktur.
416 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

– Bearbeiten mit Werkzeugen, die schon genannten Gründen zuverlässig beseitigt bzw.
für »schwarze« Werkstoffe verwendet ihre Entstehung verhindert werden. Daher
wurden oder aus »schwarzen« Werkstof- sollte schon bei der Konstruktion des Bau-
fen (unlegierter Stahl jeder Art) beste- teils die Möglichkeit für eine möglichst beid-
hen, z. B. Bohren, Feilen, mechanische seitige Zugänglichkeit der Schweißnähte vor-
Bearbeitung, Schleifen mit Schweiß- gesehen werden.
bürsten aus »schwarzem« Stahl, Schleif-
leinen (!), Topfbürsten. Anlauffarben sind Oxidschichten, die sich
– Durch Transport- oder Handlingsvor- nur in Anwesenheit oxidierender Medien (z.
gänge werden auf dem Hallenboden B. Sauerstoff, oxidierende Säuren) bilden.
liegende »schwarze« Späne in die Ober- Ihre Dicke und Farbe werden von der Höhe
fläche der relativ weichen Stähle ein- des Sauerstoffangebotes bestimmt. Mit zuneh-
gepresst. mender Schichtdicke, d. h. zunehmender Kor-
rosionsneigung des Werkstoffs, ändert sich
Bei einer umfangreichen »weißen« Fertigung der Farbton von hell (gelb) zu dunkel (blau,
muss mit den genannten Problemen in ganz bräunlich). Für anlauffarbenfreie Schweiß-
besonderem Maße gerechnet werden. Am si- nähte muss der Sauerstoff im Nahtbereich
chersten, aber auch am aufwändigsten ist vollständig von einem sauerstofffreien Schutz-
die rigorose räumliche und logistische Tren- gas verdrängt werden. Die Erfahrung zeigt
nung des »weißen« von dem »schwarzen« Fer- aber, dass die Bildung von Anlauffarben nur
tigungsbereich. bei hoher Oberflächengüte der Fügeteile zu-
verlässig verhindert wird. Durch mechani-
Von besonderer Bedeutung sind in diesem sche Reinigungsmethoden (Bürsten, Schlei-
Zusammenhang die Anlauffarben im Bereich fen, Feilen) entsteht leicht eine aufgeraute
der Schweißnaht. Ihre Bildung ist ohne die Oberfläche, in der sich der Sauerstoff sehr
Anwendung spezieller Technologien (Spülen einfach und relativ schwer beseitigbar ad-
mit Formier- oder Edelgas) nicht vermeid- sorptiv anlagern kann, d. h. vom Schutzgas
bar. Die Anlauffarben müssen aus den oben nicht mehr vollständig verdrängt wird.
30 Grundwerkstofftyp (s. Tabelle 2 - 13)
22/5/3: X2CrNiMoN22 - 5 - 3
t
rri
Fe
0%
Nickeläquivalent = Ni + 30 × C + 0,5 × Mn

% 25/20
5% Zusatzwerkstofftyp (s. Tabelle 4 - 37)
%
10 25/20: (Wkst.Nr.: 1.4842)
Austenit
20 %
20 29/9: (Wkst.Nr.: 1.4337)
Austenit+ %
Martensit 2 40 19/9: (Wkst.Nr.: 1.4302)
A
13: (Wkst.Nr.: 1.4309)
80%
F 29/9 13/4: (Wkst.Nr.: 1.4351)
1 19/9
10 22/5/3
Martensit Austenit+Ferrit
A+M+F
13/4
Ferrit + Martensit
13 M+F Ferrit

0
0 10 20 30 % 40
Chromäquivalent = Cr + Mo + 1,5 × Si + 0,5 × Nb + 2 × Ti

Bild 4-92
Das Schaeffler-Schaubild. Eingetragen sind die Toleranzfelder der chemischen Zusammensetzung einiger
Schweißgutsorten (von Stabelektroden nach DIN EN ISO 14343 und des Grundwerkstoffs X2CrNiMoN22-5-3.
Die in den grau unterlegten Symbolen stehenden Ziffern a/b/c geben die prozentualen Gehalte in der Reihenfolge
Cr, Ni, Mo an. Die Grenzlinie 1-2 trennt die Bereiche primärer Austenit- von primärer d -Ferriterstarrung.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Korrosionsbeständige Stähle) 417

Das Herstellen der geforderten Oberflächen- bestimmt. Vor allem beim Auftrag- und
güte geschieht durch Vor- und Fertigschlei- Verbindungsschweißen unterschiedlicher
fen mit Bändern und Scheiben verschiedener Werkstoffe ist der Erfolg von den mecha-
Körnung vorzugsweise in Kautschukbindung. nischen Gütewerten des entstehenden
In Tabelle 4-37 sind einige Empfehlungen Schweißgutgefüges abhängig.
zum Herstellen der unterschiedlicher Oberflä-
chengüten zusammengestellt. ❐ Die Art und Menge der Gefügesorten be-
stimmen maßgeblich die mechanischen
Mit dem elektrolytischen Polieren (Elektro- Eigenschaften und das Korrosionsverhal-
polieren) erreicht man Orte, die mit mechani- ten, z. B.:
schen Verfahren nicht mehr zugänglich sind. – Ein d -Ferritgehalt von 5 % bis 10 % in
Dazu wird das Bauteil in einem Elektrolyse- der Schweißschmelze, der während
gefäß anodisch geschaltet, d. h., die oberflä- der Erstarrung primär ausgeschieden
chennahen Schichten werden abgetragen. wurde, ist für die Heißrisssicherheit
des Schweißguts erforderlich. Unab-
Die chemische Behandlung in Beizbädern hängig von der Art der Nahtvorberei-
oder mit Beizpasten ist wesentlich wirksa- tung, der Schweißtechnologie und den
mer als die mechanische (Bürsten, Schleifen, Einstellwerten muss der vorhandene
Polieren). Säurereste müssen aber vollstän- d -Ferritgehalt im Schweißgut einfach
dig beseitigt werden, da die in Spalten und überprüfbar sein. Vor allem beim Ver-
Hohlräumen durch Verdunsten des Wassers bindungsschweißen unterschiedlicher
entstehende konzentrierte Säure lokalen Kor- Werkstoffe A und B mit einem Zusatz-
rosionsangriff einleiten kann. Nach dem Bei- werkstoff Z ist der d -Ferritgehalt im
zen wird daher mit basischen Lösungen (evtl. Schweißgut mit anderen Mitteln nur
reicht auch Spülen mit Wasser) neutralisiert. sehr aufwändig (chemische Analyse!)
Die Beizbäder können so eingestellt werden, feststellbar.
dass die den Korrosionsschutz bewirkende – Die beim Verbindungs- und Auftrag-
Oxidschicht verstärkt wird. Diese künstli- schweißen unterschiedlicher Werkstof-
che Passivierung ist gewöhnlich nicht erfor- fe häufig entstehenden spröden Gefü-
derlich, da sich die Oxidschicht in sauerstoff- ge (z. B. Martensit, intermediäre Pha-
haltiger Atmosphäre ausreichend schnell bil- sen aller Art, in bestimmten Fällen d -
det. Sie ist aber die einzige Methode, mit der Ferrit) können erkannt und dann häu-
sich eingepresste Fremdmetallspäne besei- fig vermieden werden.
tigen lassen.
Die sich in Abhängigkeit von der chemischen
4.3.7.2 Konstitutions-Schaubilder Zusammensetzung der hochlegierten Stäh-
Aus verschiedenen Gründen (Art der Primär- le und Schweißgüter einstellenden Gefüge
erstarrung, Gehalt an d - Ferrit, zu erwarten- sind näherungsweise mit einer Reihe von
des Schweißverhalten) ist es wünschenswert, Schaubildern feststellbar. Die erste Ende der
die Gefüge der korrosionsbeständigen Stäh- Vierziger Jahre entwickelte Darstellung war
le und der erzeugten Schweißgüter mit mög- das Schaeffler-Schaubild, Bild 4-92. Es
lichst einfachen Methoden feststellen zu kön- wurde für die thermischen Bedingungen des
nen: Handschweißens mit Stabelektroden ermit-
telt 44) und gilt für alle üblichen austeniti-
❐ Die Zusammensetzung des Schweißguts
und damit die Ausbildung des Mikrogefü-
ges hängt nicht nur von der chemischen 44)
Die sich einstellenden Gefüge gelten strenggenom-
Zusammensetzung des Zusatzwerkstoffes men nur für das Lichtbogenhandschweißen mit
ab, sondern auch von dem Aufschmelzgrad, Stabelektroden mit 5 mm Durchmesser an etwa
12 mm dicken Blechen. Die Erfahrung zeigt, dass
d. h. dem Umfang der Vermischung mit es auch für die Abkühlbedingungen bei der Grund-
dem Grundwerkstoff. Dieser wird von dem werkstoff-Herstellung genügend genaue Ergeb-
Schweißverfahren und den Einstellwerten nisse liefert.
418 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

schen Schweißgüter und Cr-Ni-Stähle. Die- den Stickstoff und unterschätzt die d -Ferrit-
ses Schaubild ist demnach kein Gleichge- menge in hoch manganlegierten Stählen bzw.
wichts-Schaubild, sondern wurde mit realen Schweißgütern erheblich und systematisch.
Temperatur-Zeit-Verläufen beim Schweißen Außerdem wird die Ferritmenge in der un-
ermittelt. Es wird aus verschiedenen weiter genauen Einheit Prozent und nicht in der
unten besprochenen Gründen überwiegend sehr viel präziser und einfacher messbaren
nur noch als (zusätzliche) Informationsquel- Einheit Ferrit-Nummer FN angegeben.
le verwendet, wenn unterschiedliche Werkstof-
fe verschweißt werden müssen. Das Schaeff- Allen Konstitutions-Schaubildern ist die Be-
ler-Schaubild macht keine Aussagen über wertung der Legierungselemente hinsicht-
den Einfluss des stark austenitbegünstigen- lich ihrer Wirkung auf die genannten Gefü-

Werkstoffpaarung Verbindung Äquivalentzahlen

Geometrie Mischungsverhältnisse Werkstoff Cräqu Ni äqu

G1: S235 M G1 0 30 × 0,1 = 3


G2: X6CrNiTi18-10 50 % G1 + 50 % G2 = M G2 18 + 1 = 19 10 + 30 × 0,06 = 12,4
G1
M = 50 % G1+50 % G2
G2

G1: S235 Z G1 0 30 × 0,1 = 3


50 % G1 + 50 % G2 = M
G2: X6CrNiTi18-10 G2 18 + 1 = 19 10 + 30 × 0,06 = 12,4
Z: X2CrNi23-12 G1 G2 Z 23 12 + 30 × 0,02 = 12,6

M = 50 % G1+50 % G2 G1 G2
15 % G1 + 70 % Z + 15 % G2 = S

S = 15 % G1+15 % G2 + 70 % Z G1 G2

30
t
rri
Nickeläquivalent = Ni + 30 × C + 0,5 × Mn

Fe

%
0%

5%
%
10
A
20 %
20
%
40

A+M
80%
G2
Z

10 S
M M A + d -F
A+M+F

G1 M+a -F M+d - F d -F

0
0 10 20 30 % 40
Chromäquivalent = Cr + Mo + 1,5 × Si + 0,5 × Nb + 2 × Ti
Bild 4-93
Bestimmen der Schweißgutzusammensetzung mit Hilfe des Schaeffler-Schaubildes. Beispiele:
1) Die Werkstoffe G1: S235 (St 37), G2: X6CrNiTi18-10 werden z. B. durch Punktschweißen verbunden. Die
Schweißlinse M besteht aus 50 % G1 und 50 % G2, ihr Gefüge ist rein martensitisch.
2) G1 und G2 werden mit dem Zusatzwerkstoff (Z) X2CrNi23-12 verbunden. Aus den aufgeschmolzenen glei-
chen Grundwerkstoffanteilen ergibt sich die Zusammensetzung M. Das Schweißgut S besteht aus etwa 1 %
G1, 15 % G2 und 70 % Z. Die Zusammensetzung von S liegt demnach auf der z. B. in zehn Teillängen ge-
teilten Verbindungslinie M-Z drei Längenanteile von Z entfernt.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Korrosionsbeständige Stähle) 419

gemerkmale mit Hilfe von sog. Wirksummen – Die Werkstoffe A und B werden im schmelz-
gemeinsam. flüssigen Zustand ohne Zusatzwerkstoff
verbunden. Diese Situation kennzeichnet
Auf der x-Achse ist die Wirksumme der fer- z. B. das Punktschweißen.
ritisierenden Elemente (Chromäquivalent – Die Werkstoffe A und B werden mit dem
= Cräq), auf der y-Achse die der austenitisie- Zusatzwerkstoff Z verbunden. Informa-
renden (Nickeläquivalent = Niäq) aufge- tionen über die Art der entstehenden Ge-
tragen. Die Wirksummen lassen sich mit fol- füge sind mit anderen Methoden nur sehr
genden Beziehungen, Gl. [4-24] und Gl. [4-25] schwer beschaffbar.
berechnen, Angaben in Prozent:
Eine homogene Mischung der beteiligten Teil-
Cräq = Cr + Mo + 1,5 · Si + 0,5 · Nb + 2 · Ti, schmelzen ist die wichtigste Voraussetzung
Niäq = Ni + 30 · C + 0,5 · Mn. für die Anwendbarkeit des Schaeffler-Schau-
bildes. Diese häufig nicht genau zutreffende
Damit wird das Schweißgut (der Stahl) im Annahme ermöglicht dann die »korrekte« Er-
Schaeffler-Schaubild durch einen Punkt (x, y) mittlung der Zusammensetzung des Schweiß-
(Cräq, Niäq) dargestellt. Die Lage des Punk- guts mit Hilfe der sog. Mischungsgeraden.
tes beschreibt eindeutig das Gefüge des Werk- Das ist die zwischen den Punkten Werkstoff
stoffs. Die einzelnen Felder kennzeichnen den A (Cräq(A), Niäq(A)) und Werkstoff B (Cräq(B), Ni-
Existenzbereich folgender Gefügearten hoch- äq(B)
) gezogene Verbindungslinie im Schaeff-
legierter Stähle: ler-Schaubild. Der Punkt A repräsentiert die
»Mischung« (100 % A, 0 % B), der Punkt B die
A: vollaustenitische Stähle, z. B. »Mischung« (100 % B, 0 % A). Danach wird
X1NiCrMoCuN25-20-6; eine beliebige Mischung auf dieser Geraden
A + F: austenitische Stähle mit einem durch einen dem Mischungsverhältnis ent-
geringen d -Ferritgehalt, z. B. sprechenden Punkt dargestellt.
X5CrNi18-10 oder austenitisch-
ferritische Duplexstähle, z. B. Die sich in einer Punktschweißverbindung
X2CrNiMoN22-5-3; aus dem unlegierten S235 (St 37) (G1) und
F: rein ferritische Stähle, z. B. dem hochlegierten Stahl X6CrNiTi18-10 (G2)
X6CrTi17; ergebende chemische Zusammensetzung der
M: martensitische Stähle, z. B. »Schweißlinse« (M) ist in Bild 4-93 darge-
X46Cr13; stellt. Das Gefüge ist rein martensitisch und
M + F: martensitisch-ferritische Stähle, kann damit abhängig von der Höhe des Koh-
z. B. der weichmartensitische lenstoffgehalts rissanfällig sein.
Stahl X4CrNi13-4.
Die Auswertung für eine Verbindungsschwei-
In Bild 4-92 sind einige bekannte hochlegier- ßung unterschiedlicher Werkstoffe A und B
te Schweißgutsorten und der Duplexstahl mit einem beliebigen Zusatzwerkstoff Z ist
X2CrNiMoN22-5-3 als rechteckige (Toleranz-) ähnlich, aber die formale Berechnung kompli-
Flächen eingetragen. zierter. Je nach Aufschmelzgrad, der von der
Nahtform, dem Verfahren und den Einstellwer-
Die Bedeutung der Konstitutions-Schaubil- ten abhängt, wird ein bestimmter Grundwerk-
der beruht aber nicht so sehr auf der Mög- stoffanteil beim Schweißen aufgeschmolzen.
lichkeit, das Gefüge eines gegebenen Werk- Für die in Bild 4-93 gewählte V-Naht kann
stoffs bestimmen zu können. Ihre besondere als realistische Schätzung 15 % G1 und 15 %
Leistungsfähigkeit besteht darin, auch die Ge- G2 angenommen werden. Wird ohne Zusatz-
füge von in beliebigem Verhältnis hergestell- werkstoff geschweißt, dann ergäbe sich also
ten (Legierungs-)Mischungen zu erkennen. der Punkt M. Aus diesen 30 % Grundwerk-
Diese Kenntnisse sind für die Beurteilung stoff entsteht mit 70 % Z das Schweißgut S.
verschiedener schweißmetallurgischer Pro- Dessen Zusammensetzung liegt damit auf
zesse besonders wichtig: der zwischen M und Z gezogenen Geraden
420 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

drei Teilstriche von Z entfernt, d. h. bei 70 % Das Schaeffler-Schaubild gilt in der ursprüng-
Z und 30 % M (Mischungsgerade). lichen Form nur für Stickstoffgehalte zwi-
schen 0,05 % und 0,10 %, einen Kohlenstoff-
Die in den meisten Fällen erforderliche »ge- gehalt • 0,03 % und einen Siliciumgehalt von
naue« Abschätzung des d -Ferritgehalts ist etwa 0,3 %.
bis zu einem Volumenanteil von 15 % mit ei-
ner Genauigkeit von “ 4 % möglich, s. Auf- Zum Bestimmen der Ferritmenge im Schweiß-
gabe 4-12. Bei höheren Ferritgehalten macht gut ist das DeLong-Schaubild wesentlich ge-
sich die starke Einfluss der Abkühlgeschwin- nauer, Bild 4-94. Die Genauigkeit des mit
digkeit auf die d /g -Umwandlung bemerkbar. metallografischen oder physikalischen (z. B.
Der Ferritanteil nimmt mit der Abkühlge- magnetische Waage bzw. auf dem Ferroma-
schwindigkeit erheblich zu (s. Bild 2-83, S. gnetismus beruhende Verfahren: magnetische
221). Man beachte, dass die 0 %-Ferritlinie Permeabilität) Methoden ermittelten d-Ferrit-
nicht die Grenze zwischen primärer d -Fer- gehaltes ist für die Erfordernisse der Schweiß-
rit- und primärer Austenitkristallisation dar- praxis oft zu gering, die Methoden zu seiner
stellt. Diese für die Heißrissbeständigkeit Bestimmung nicht reproduzierbar oder nicht
(Abschn. 4.3.7.5, S. 431) wichtige Grenze ist international genormt. DeLong führte daher
in Bild 4-92 als Linie 1-2 eingetragen. eine mit Ferrit-Standard-Eichproben arbei-
tende Messmethode ein, die den Ferritgehalt
Eine weitere Quelle der Unsicherheit sind mit einer wesentlich größeren Genauigkeit
die unvermeidlichen Analysenstreuungen bei definierten Messbedingungen festzu-
der Grundwerkstoff- und Zusatzwerkstoff- stellen gestattet. Die Ferritmenge wird nicht
Zusammensetzung wie sie z. B. in den Tole- mehr prozentual, sondern in Form der Fer-
ranzfeldern für die im Bild 4-92 angegebe- rit-Nummer FN angegeben. Die Ferritpro-
nen Schweißgutsorten und des Grundwerk- zentwerte stimmen mit der Ferrit-Nummer
stoffs X2CrNiMoN22-5-3 anschaulich zum bis etwa 8 % hinreichend genau überein.
Ausdruck kommt. Gleichzeitig wurde das stark austenitisieren-
de Element Stickstoff in das Nickel-Äquiva-
In manchen Fällen – vor allem bei den Zusatz- lent des DeLong-Schaubildes aufgenommen.
werkstoffen für die Duplexstähle, Abschn. Der Gültigkeitsbereich des Messverfahrens
4.3.7.6, S. 440 – sind zum Einhalten der ge- reicht von FN 2 bis FN 27. Für Stähle
wünschten mechanischen Eigenschaften sehr mit höherem Ferritgehalt (z. B. die Duplex-
kleine Analysenstreuungen, d. h. verhältnis- stähle mit etwa 50 % Ferrit) musste der Mess-
mäßig aufwendig herzustellende Zusatzwerk- bereich der FN erweitert werden. Mit der
stoffe erforderlich. EFN (Extended Ferrite Number) lässt sich
Bild 4-94
20
Das DeLong-Schaubild wird zum Be-
stimmen der Ferrit-Nummer FN in hoch-
Nickeläquivalent = Ni + 30 × C + 30 × N + 0,5 × Mn

% legierten Schweißgütern verwendet. Sind


er

Austenit die Stickstoffgehalte zum Berechnen des


m
um

18
Niäq nicht bekannt, dann wird für ein mit
tn

0
rri
Fe

Stabelektroden und dem WIG-Verfahren


4

6 hergestelltes Schweißgut N = 0,06 %,


16
1 8

und für ein mit dem MAG-Verfahren nie-


1 0

t
rri
14 2

Fe % dergeschmolzenes Schweißgut ein Stick-


0
18 6

%
1

L 2% stoffgehalt von 0,08 % angenommen. Zur


14 4%
6% Problematik der Ferritmengenbestim-
6% mung s. a. Aufgabe 4-12, S. 489.
7 , ,2%
9 ,7%
%
10 2,3 %
12 1 3,8
1 Austenit + d - Ferrit

10 L - L ist die aus dem Schaeffler-Schau-


16 18 20 L 22 %24 26 bild, Bild 4-92, übertragene obere Linie
Chromäquivalent = Cr + Mo + 1,5 × Si + 0,5 × Nb des ( A + M )-Bereichs.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Korrosionsbeständige Stähle) 421

der maximal mögliche Ferritgehalt feststel- Weiß-Verbindungen« vorteilhaft eingesetzt,


len, der für das ausschließlich aus Ferrit be- weil es als einziges Schaubild Hinweise auf
stehende Armcoeisen bei EFN 180 liegt. eine mögliche Martensitbildung gibt. Diese
Die Bestimmung der Ferrit-Nummer erfolgt Aussage wird durch die Erfassung des Man-
nach DIN EN ISO 8249. ganeinflusses im Nickeläquivalent möglich.
Mangan hat einen geringen Einfluss auf die
Das DeLong-Schaubild überbewertet die Fer- bei hohen Temperaturen erfolgende (d  g )-
rit-Nummer bei hochlegierten Schweißgü- Umwandlung, aber eine entscheidende Wir-
tern (z. B. CrNi-22-12) und unterschätzt eben- kung auf die während des Abkühlens bei tiefe-
so wie das Schaeffler-Schaubild systematisch ren Temperaturen ablaufende Reaktion g 
den Einfluss des Mangans auf den d -Ferrit- Martensit. Eine Martensitphasengrenze ist
gehalt des Schweißguts. Es eignet sich her- daher nur bei Berücksichtigung des Man-
vorragend zum Bestimmen des d -Ferritge- gans im Nickeläquivalent vorhanden.
halts in allen üblichen austenitischen Cr-Ni-
Stählen bzw. austenitischen Cr-Ni-Schweiß- Die zzt. genaueste Darstellung zum Ermit-
gütern. Es ist ungeeignet für Stähle, deren teln der d -Ferritmenge ist das WRC-1992-
chemische Zusammensetzung außerhalb sei- Schaubild (Welding Research Council), Bild
nes Gültigkeitsbereichs liegen, wie z. B. die 4-95. Mit ihm werden die meisten der vom
Duplexstähle. Hierfür eignet sich das WRC- Schaeffler- und vom DeLong-Schaubild be-
1992-Schaubild besonders gut. kannten Nachteile beseitigt. Die Angabe der
Ferritmenge erfolgt mit der Ferrit-Nummer
Das weiter unten besprochene WRC-1992- FN, bei Duplexstählen mit der EFN, die Ein-
Schaubild ermöglicht eine viel genauere Ab- schätzung des Mangans ist nicht mehr feh-
schätzung des d -Ferritgehalts hochlegierter lerhaft, und die systematische Überbewer-
Schweißgüter als das Schaeffler-Schaubild. tung der FN bei einem sehr hochlegiertem
Letzteres wird aber vor allem bei »Schwarz- Schweißgut wird beseitigt.
18 Aus den Gl. [4-26] und [4-27] werden
AF H die Cr - und die Ni - Äquivalente der
% beteiligten Werkstoffe berechnet.
Nickeläquivalent Ni äq = Ni + 35 × C + 20 × N + 0,25 × Cu

A
16 Werkstoff A (S235):
Cräq (A) = 0 %
Ni äq (A) = 35 × C = 35 × 0,1 = 3,5 %

24 30 40 50 60 70
12

18
2

Werkstoff B (X6CrNiTi18 - 10):


4
6
0

14
Cräq (B) = Cr = 18 %
80
Ni äq (B) = Ni + 35 × C = 10 + 2,1 = 12,1 %
FA 90
12 Zusatzwerkstoff Z (X2CrNi23 - 12):
H
F 100 Cr äq (Z) = Cr = 23 %
S Ni äq (Z) = Ni + 35 × C = 12 + 0,7 = 12,7 %

Schweißgut S:
10
Cr äq (S) = 0,7 × Cräq(Z) + 0,3 × Cräq(M) = 18,8 %
Ni äq (S) = 0,7 × Niäq(Z) + 0,3 × Niäq(M) = 11,2 %
18 20 22 24 26 28 % 30
Chromäquivalent C äq = Cr + Mo + 0,7 × Nb

Bild 4-95
Das WRC-1992-Schaubild, nach Kotecki und Siewert. Die dick ausgezogenen Linien repräsentieren Grenzli-
nien, die die Art der Primärerstarrung angeben. A = austenitische, AF = austenitisch-ferritische, FA = ferritisch-
austenitische, F = ferritische Primärerstarrung. Die mit H-H gekennzeichnete Linie trennt also die heißriss-
anfälligen von den heißrissfreien Legierungsbereichen. Der eingezeichnete Punkt S gibt die Chrom- und
Nickeläquivalente des Schweißguts im Textbeispiel an. Die im Schaubild angegebenen Zahlen sind Ferrit-
Nummern (FN) bzw EFN. Die Anwendung dieses Schaubildes auf Duplexstähle erfordert die Angabe der
Ferritmenge in Massenprozent. Als guter Näherungswert für die Umrechnung kann die folgende Beziehung
verwendet werden: 0,70 ◊ EFN = Ferritgehalt [%].
422 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Die Art der primären Erstarrung kann eben- die Wirksummen des daraus resultierenden
falls mit großer Genauigkeit abgelesen wer- Schweißguts errechnet. Die Cr- und Ni-Äqui-
den. Das Schaubild gilt ebenfalls für Stäh- valentzahlen der Mischung M ergeben sich
le, die … 10 % Mangan, … 3 % Molybdän, … 1 % mit den Werten in Bild 4-95 aus den Beziehun-
Silicium und nicht mehr als 0,2 % Stickstoff gen Gl. [4-26] und Gl. [4-27] zu:
enthalten, obwohl diese Elemente in den Be-
ziehungen für die Wirksummen nicht enthal- Cräq(M) 0,5 ¹ Cräq(B) 0,5 ¹ Cräq(A) 9 %,
ten sind. Besonders zu beachten ist, dass z. Niäq(M) 0,5 ¹ Niäq(B) 0,5 ¹ Niäq(A) 7,8 %,
B. durch Lichtbogenlängenänderungen der
stark austenitstabilisierende Stickstoff im die des Schweißguts (S) schließlich zu:
Schweißgut auf Werte bis zu 0,1 % steigen
kann. Die Ermittlung des d -Ferritgehalts Cräq(S) 0,7 ¹ Cräq(Z) 0,3 ¹ Cräq(M) 18,8 %,
mit Hilfe dieses Schaubilds wird dann recht Niäq(S) 0,7 ¹ Niäq(Z) 0,3 ¹ Niäq(M) 11,2 %.
fehlerhaft. Außerdem kann sich die Art der
Primärkristallisation ändern! Die durch diese Wirksummen repräsentier-
te Legierung ( Schweißgut) ist im Bild 4-95
Bild 4-95 lässt erkennen, dass die Trennli- durch »S« dargestellt. Sie enthält O 7,5 % (d.
nie (H – H) zwischen den Legierungsberei- h. FN O 7,5) primär erstarten Ferrits und ist
chen mit primärer ferritischer und primärer daher nicht heißrissanfällig. Aus dem Schaeff-
austenitischer Kristallisation nicht identisch ler-Schaubild, Bild 4-93, ergab sich ein ausrei-
ist mit der Null-Prozent-Ferritlinie. Mit zu- chenden Gehalt an Ferrit von 5 %, der gemäß
nehmendem Legierungsgehalt des Stahls dem Linienverlauf 1 – 2 in Bild 4-92 ebenfalls
(bzw. des Schweißguts) ist für eine primäre primär aus der Schmelze entstand.
Ferriterstarrung ein immer größerer Ferrit-
gehalt bei Raumtemperatur erforderlich. 4.3.7.3 Martensitische Chromstähle
Die Schweißeignung der martensitischen
Die Beziehungen für die Wirksummen lau- Chromstähle (Tabelle 2-17) nimmt mit zuneh-
ten für das WRC-1992-Schaubild: mendem Kohlenstoffgehalt extrem ab. Abhän-
gig von ihrer chemischen Zusammensetzung
Cräq = Cr + Mo + 0,7 · Nb, [4-26] sind sie meistens lufthärtend, aber auch öl-
Niäq = Ni + 35 · C + 20 · N + 0,25 · Cu. [4-27] härtend. Das Gefüge der Wärmeeinflusszone
besteht daher nahezu unabhängig von der
Im Folgenden soll die in Bild 4-93, Beispiel 2, Abkühlgeschwindigkeit beim Schweißen über-
mit dem Schaeffler-Schaubild ermittelte wiegend aus nicht angelassenem Martensit.
Schweißgutzusammensetzung mit dem WRC- Je nach der Höhe des Kohlenstoffgehaltes
1992-Schaubild, Bild 4-95, festgestellt wer- ist die Wärmeeinflusszone grundsätzlich kalt-
den. Die Punkte der Legierung für die Grund- rissgefährdet. Bild 1-43 zeigt, dass selbst bei
werkstoffe und den Zusatzwerkstoff Kohlenstoffgehalten von nur etwa 0,1 % be-
reits Härtewerte von 350 HV bis 400 HV ent-
– (A) S235 Cräq(A) , Niäq(A), stehen können.
– (B) X6CrNiTi18-10, Cräq(B) , Niäq(B),
– (Z) Zusatz: X2CrNi23-12, Cräq(Z) , Niäq(Z), Der im Vergleich zu den ferritischen Chrom-
stählen (Abschn. 2.8.4.2 und 4.3.6.3, Tabel-
liegen z. T. nicht mehr im Bereich des Schau- le 2-17) deutlich höhere Kohlenstoffgehalt
bildes. Sie können daher nicht abgelesen, son- der martensitischen Chromstähle ist auch die
dern müssen »mathematisch« berechnet wer- Ursache für ihre extreme Ausscheidungsnei-
den. Mit den angenommenen Mischungsver- gung der Chromcarbide im Temperaturbe-
hältnissen M werden mit den Massenprozen- reich zwischen 600 ’C und 700 ’C. Das isother-
ten G der Legierungsanteile mische ZTU-Schaubild, Bild 4-88, zeigt exem-
plarisch dieses Ausscheidungsverhalten für
M(A) (B) M(M) G(A) / G(B) 0,5 50 %, den hochlegierten, warmfesten, martensiti-
M(S) M(M) (Z) G(M) / G(Z) 0,3 30 % schen Stahl X20CrMoV12-1.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Korrosionsbeständige Stähle) 423

Zum Vermeiden von Kaltrissen ist ein Vorwär- der WEZ wirksam beseitigt. Die martensiti-
men unumgänglich. Bewährt hat sich das in schen warmfesten Stähle (Abschn. 4.3.5) wer-
Abschn. 2.5.3.4, S. 154, besprochene isother- den sehr ähnlich wärmebehandelt. Für ver-
mische Schweißen mit Vorwärmtemperaturen spannte, dickwandige Konstruktionen ist zum
knapp über der Ms-Temperatur, die bei die- Reduzieren der Eigenspannungen und Besei-
sen Stählen in erster Linie abhängig vom tigen des während des Schweißens aufgenom-
Kohlenstoffgehalt bei ungefähr 200 ’C bis menen atomaren Wasserstoffs eine Glühbe-
350 ’C liegt. Eine vollständige Umwandlung handlung im Bereich des umwandlungsträ-
in der Bainitstufe ist aber wegen der hierfür gen Bereich (400 ’C bis 500 ’C) vor der eigent-
erforderlichen sehr langen Zeit nicht mög- lichen Wärmenachbehandlung zweckmäßig.
lich und meistens auch nicht erwünscht bzw.
erforderlich. Bei den weniger rissanfälligen Wegen der extremen Kaltrissgefahr werden
niedriggekohlten Stählen (C … 0,2 %) wird häufig nicht artgleiche, sondern austeniti-
auch häufig im Bereich der Mf-Temperatur sche Zusatzwerkstoffe verwendet, die ein
vorgewärmt, die bei diesen Stählen etwa Schweißgut mit einer Ferritnummer FN 4
100 ’C unter Ms liegt. Der noch vorhandene bis 6 ergeben müssen. Mit Hilfe dieser Maß-
»weiche« Martensit ist erfahrungsgemäß nur nahme ist das Schweißgut in jedem Fall heiß-
wenig rissanfällig und kann selbst in größe- rissfrei und ausreichend verformbar, erreicht
ren Mengen toleriert werden. aber nicht die Festigkeit des Grundwerk-
stoffs. Außerdem löst der Austenit wesentlich
Aus der Schweißwärme erfolgt zunächst ei- mehr Wasserstoff als der Ferrit (bzw. Mar-
ne Zwischenabkühlung auf etwa 150 ’C bis tensit), wodurch der vom Schweißgut aufge-
200 ’C, durch die der Austenit nahezu voll- nommene Wasserstoff nicht mehr in die Wär-
ständig in Martensit umwandelt. Damit wird meeinflusszone diffundieren und im Umwand-
sichergestellt, dass aus dem evtl. wasserstoff- lungsgefüge Martensit dann kaum noch Kalt-
haltigen Austenit beim Abkühlen nicht der ex- risse erzeugen kann. Die Gefahr der Kaltriss-
trem kaltrissanfällige und nicht angelasse- bildung entsteht vorzugsweise bei artgleichen
ne Martensit entsteht. Bei den höhergekohl- Zusatzwerkstoffen. Der Wasserstoff im we-
ten martensitischen Stählen muss der durch nig verformbaren ferritischen Schweißgut
die Zwischenabkühlung erzeugte Martensit- diffundiert in die noch austenitischen Berei-
anteil geringer sein, weil er anderenfalls die che der WEZ. Der sich anschließend bilden-
Rissbildung stark begünstigt. Je höher der de wasserstoffreiche Martensit neigt zu ex-
Kohlenstoffgehalt ist, desto höher muss al- tremer Kaltrissigkeit. Für die Auswahl geeig-
so die zwischen Ms und Mf liegende Tempe- neter Zusatzwerkstoffe lässt sich vorteilhaft
ratur der Zwischenabkühlung sein. das WRC-1992-Schaubildes verwenden, das
ausführlich im Abschn. 4.3.7.2 besprochen
Ms kann aus ZTU-Schaubildern abgelesen wird.
oder z. B. nach der vom »The Welding Insti-
tute« entwickelten Beziehung berechnet wer- In schwierigen Fällen kann auch die Puffer-
den: lagentechnik verwendet werden, bei der die
Nahtflanken der Fügeteile mit austenitischem
Ms = 540 - 497 ◊ C - 6 , 3 ◊ Mn - [4-28] Zusatzwerkstoff aufgetragen, wärmebehandelt
36 , 3 ◊ Ni - 10 ,8 ◊ Cr - 46 ,6 ◊ Mo. und anschließend fertiggeschweißt werden.
Der Aufschmelzgrad (und damit die Rissge-
Durch ein anschließendes Anlassglühen bei fahr) ist bei dieser sehr teuren und damit äu-
650 ’C bis 750 ’C wandelt sich der noch vor- ßerst unwirtschaftlichen Methode wesent-
handene Austenit während des Abkühlens lich geringer.
in ein weniger sprödes, feines martensiti-
sches Gefüge um, und die nichtangelasse- In Tabelle 4-38 sind einige Zusatzwerkstof-
nen martensitischen Bereiche der WEZ wer- fe nach DIN EN ISO 14343 für die wichtigs-
den »vergütet«. Außerdem wird der diffusions- ten Lichtbogenschweißverfahren aufgeführt,
fähige Wasserstoff aus dem Schweißgut und s. a. Tabelle 4-39 und Tabelle 4-40.
Tabelle 4-38

424
Anhaltswerte über Schweißzusätze zum Lichtbogenhandschweißen der in Betracht kommenden Stähle sowie über die Wärmebehandlung nach dem Schweißen,
nach DIN EN ISO 14343 (5/2007), Auszug.

1)
Stahlsorte Geeignete Schweißzusätze Wärmebehandlung nach
dem Schweißen
Kurzname Werkst. Kurzzeichen des Schweiß- Schweißstäbe, Drahtelektroden, Schweißdrähte
Nr. gutes der umhüllten Stab-
elektroden Kurzzeichen Werkstoffnummer

Ferritische und martensitische Stähle 2)


3)
XCr13 1.4000 19 9, 19 9 Nb, 13 3) X5CrNi19-9, X5CrNiNb19-9, X8Cr14 1.4302, 1.4551, 1.4009 Glühen
3)
X10Cr13 1.4006 19 9, 19 9 Nb, 13 X5CrNi19-9, X5CrNiNb19-9, X8Cr14 1.4302, 1.4551, 1.4009 3)
X20Cr13 1.4021 19 9, 19 9 Nb, 13 3) X5CrNi19-9, X5CrNiNb19-9, X8Cr14 1.4302, 1.4551, 1.4009 3)
X30Cr13 1.4028 Anlassen
X46Cr13 1.4034 S-NiCr19 Nb, S-NiCr16FeMn S-NiCr20Nb 24.806
X45CrMoV15 1.4116
I. Allg. nicht erforderlich;
X6Cr17 4) 1.4016 19 9, 19 9 Nb, 17 3) X5CrNi19-9, X5CrNiNb19-9, X8CrTi18 3) 1.4302, 1.4551, 1.4502 3)
bei größeren Querschnitten
X6CrTi17 4) 1.4510 19 9, 19 9 Nb, 17 3) X5CrNi19-9, X5CrNiNb19-9, X8CrTi18 3) 1.4302, 1.4551, 1.4502 3)
Glühen bei 600 bis 800 °C.
X20CrNi17-2 1.4057 S-NiCr19Nb, S-NiCr16FeMn S-NiCr20Nb 2.4806 Anlassen 650 bis 700 °C
Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Austenitische Stähle
X5CrNi18-10 1.4301 19 9, 19 9 L, 19 Nb X5CrNi19-9, X2CrNi19-9, X5CrNiNb19-9 1.4302, 1.4316, 1.4551
X2CrNi19-11 1.4306 19 9 L, 19 9 Nb X2CrNi19-9, X5CrNiNb19-9 1.4316, 1.4551
X2CrNiN18-10 1.4311 19 9 L, 20 16 3 MnL X2CrNi19-9, X2CrNiMnMoN20-16 1.4316, 1.4455 I. Allg. nicht erforderlich
X6CrNiTi18-10 1.4541 19 9 Nb, 19 9 L X5CrNiNb19-9, X2CrNi19-9 1.4551, 1.4316
X6CrNiNb18-10 1.4550 19 9 Nb, 19 9 L X5CrNiNb19-9, X2CrNi19-9 1.4551, 1.4316
X2CrNiMo17-13-2 1.4404 19 12 3 L, 19 12 3 Nb X2CrNiMo19-12, X5CrNiMoNb19-12 1.4430, 1.4576
X2CrNiMoN17-12-2 1.4406 19 12 3, 20 16 3 MnL X2CrNiMo19-12, X2CrNiMnMoN20-16 1.4430, 1.4455
X6CrNiMoTi17-12-2 1.4571 19 12 3 Nb, 19 12 3 L X5CrNiMoNb19-12, X2CrNiMo19-12 1.4576, 1.4430 I. Allg. nicht erforderlich
X6CrNiMoNb17-12-2 1.4580 19 12 3 Nb, 19 12 3 L X5CrNiMoNb19-12, X2CrNiMo19-12 1.4576, 1.4430
X2CrNiMoN17-13-3 1.4429 19 12 3 L, 20 16 3 MnL X2CrNiMo19-12, X2CrNiMnMoN20-16 1.4430, 1.4455
X2CrNiMo18-14-3 1.4435 19 12 3 L, 19 12 3 Nb X2CrNiMo19-12, X5CrNiMoNb19-12 1.4430, 1.4576
X2CrNiMo18-16-4 I. Allg. nicht erforderlich
1.4438 18 16 5 X2CrNiMo18-16-5 1.4440
X2CrNiMoN17-13-5 1.4439 18 16 5 X2CrNiMo18-16-5 1.4440

1)
Weitere Angaben zu den Schweißzusätzen siehe DIN EN 1600, DIN EN ISO 14172 und DIN EN ISO 18274. Kursive Auszeichnung weist auf eine nur eingeschränkte
Bedeutung des betreffenden Schweißzusatzes hin.
2)
Nur unter Einhaltung bestimmter Maßnahmen schweißbar; über 0,25 % C ist Schweißeignung nur bedingt gegeben.
3)
Decklagen mit artähnlichen Schweißzusätzen.
4)
Stähle mit 17 % Cr sind vorwiegend zum Schweißen mit Verfahren geeignet, die ein geringes Wärmeeinbringen verursachen, wie Punkt- oder Rollennahtschweißen.
Schweißen mit Zusätzen stellt bei diesen Verfahren die Ausnahme dar.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Korrosionsbeständige Stähle) 425

4.3.7.4 Ferritische und ❐ Die Zähigkeit (vor allem die Kerbschlagzä-


halbferritische Stähle higkeit) des d -Ferrits ist gering. Das ist
Die ferromagnetischen ferritischen Chrom- die Ursache für seine erhebliche Spröd-
stähle sind krz und bestehen nach einer Ab- bruchanfälligkeit.
kühlung auf Raumtemperatur je nach der
chemischen Zusammensetzung aus d -Fer- ❐ Die ausgeprägte Neigung zur Grobkorn-
rit bzw. unterschiedlichen Anteilen von d- bildung und der große Martensitgehalt in
Ferrit und Martensit (Halbferrit). Ihr Koh- der WEZ verringern weiter die Zähigkeit, d.
lenstoffgehalt liegt i. Allg. unter 0,10 %, Ta- h. erhöhen die Gefahr der Rissbildung.
belle 2-17. Der d -Ferritgehalt beträgt bei
den 13%igen Chromstählen 20 % bis 30 %, ❐ Als Folge der thermischen Instabilität nei-
bei den 17%igen 80 % bzw. 100 % bei den rein gen diese mehrfach legierten Stähle zu ei-
ferritischen. Da der selbst nach einer Luft- ner Vielzahl von Ausscheidungen, die die
abkühlung entstehende Martensit verhält- Zähigkeit herabsetzen und (oder) die Kor-
nismäßig spröde ist, werden die 13%igen rosionsbeständigkeit vermindern. Die wich-
immer vergütet, die 17%igen vergütet oder tigsten sind:
meistens geglüht (750 ’C/1...2 h/Luft). In den – Bei Temperaturen zwischen 450 ’C und
schmelzgrenzennahen (meistens sehr grob- 550 ’C entsteht in Stählen mit mehr als
körnigen) Werkstoffbereichen der Wärme- 15 % Chrom die bei Raumtemperatur
einflusszone besteht das Gefüge daher un- stark zähigkeitsvermindernde 475 ’C-
abhängig von der Höhe der Vorwärmtem- Versprödung (Abschn. 2.8.3.4.3, S. 211,
peratur aus d -Ferrit und einem erheblichen und Bild 2-66, S. 203). Diese auf Nah-
Anteil rissanfälligen Martensits. entmischungsvorgängen beruhende Er-
scheinung lässt sich durch ein Glühen
Die rein ferritischen Stähle lassen sich nicht bei 700 ’C bis 800 ’C mit anschließen-
mit Verfahren wärmebehandeln, die die Pha- dem raschem Abkühlen sicher beseiti-
senumwandlung krz  kfz erfordern (Här- gen.
ten, Normalglühen). Eine Änderung des Ge- – Zwischen 600 ’C und 900 ’C scheidet
füges ist damit ebenso wie bei den austeniti- sich aus Stählen mit 13 % bis etwa 80 %
schen Cr-Ni-Stählen nicht mehr möglich. Die Chrom die Sigma-Phase aus, Bild 2-66,
Korngröße lässt sich nur durch Warmver- S. 203. Diese intermediäre Verbindung
formen oder ein rekristallisierendes Glühen mit der Näherungsformel FeCr schei-
verändern. Beide Methoden sind in der Pra- det sich nur aus dem d -Ferrit aus und
xis kaum anwendbar. Auch die mechanischen führt zu einer deutlichen Versprödung.
Gütewerte sind nur im geringen Umfang be- Durch Glühen bei etwa 950 ’C wird sie
einflussbar. Die Zähigkeit der Stähle ist ge- gelöst und damit ihre versprödende
ring, und die Übergangstemperatur der Kerb- Wirkung beseitigt.
schlagzähigkeit liegt im Bereich der Raum- Die Entstehung der 475 ’C-Versprödung
temperatur, bei den hochreinen Superferri- und der Sigma-Phase erfordert i. Allg.
ten etwa bei etwa  100 ’C. Die Gefahr des sehr lange Zeiten. Sie können beim fach-
nicht mehr zu beseitigenden Kornwachs- gerechten Schweißen nicht erreicht wer-
tums in der Grobkornzone der Wärmeein- den. Im Gegensatz dazu ist die Ausschei-
flusszone ist wegen der thermischen Instabi- dung von Chromcarbiden in der WEZ
lität der krz Werkstoffe größer als bei jeder von Schweißverbindungen aus nichtsta-
anderen Stahlart (s. Abschn. 2.8.4.2, S. 215), bilisierten ferritischen Chromstählen
s. a. Aufgabe 4-16, S. 494. selbst bei den für den Schweißprozess
typischen hohen Abkühlgeschwindig-
Die Schweißeignung und das Schweißver- keiten nicht vermeidbar, Bild 2-73. Der
halten der ferritischen Chromstähle ist er- Stahl ist bei einem Korrosionsangriff so-
wartungsgemäß verhältnismäßig schlecht. fort kornzerfallsanfällig. Die nichtstabi-
Sie wird von folgenden werkstoffabhängi- lisierten Stähle müssen daher nach dem
gen Gegebenheiten bestimmt: Schweißen etwa eine Stunde bei 750 ’C
426 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

geglüht werden. Die chromverarmten Diese werkstofflichen Besonderheiten ma-


Korngrenzenbereiche werden dadurch chen die für diese Stähle zu beachtenden sich
auf den für die Resistenzgrenze erfor- z. T. widersprechenden Schweißregeln bzw.
derlichen Gehalt von O 12 % aufgefüllt -empfehlungen verständlich:
(Abschn. 2.8.3.4.1). Der Kohlenstoff – Die Wärmezufuhr beim Schweißen muss
scheidet sich aus dem Ferrit und Auste- begrenzt werden. Damit lässt sich die Grob-
nit direkt in Form des hoch chromhalti- kornbildung und die Ausscheidungsnei-
gen Gleichgewichtscarbids M23C6 aus. gung am wirksamsten behindern. Für den
Bei den martensitischen Stählen läuft Lagenaufbau sollte die Zugraupentech-
die C-Ausscheidung über die Reak- nik mit dünnen Elektroden angewendet
tionsfolge: werden. Nahtkreuzungen und Schweiß-
M3C  M7C3  M23C6. technologien, die große Wärmemengen in
den Werkstoff einbringen (s-Position!) müs-
❐ Das martensitische Gefüge der WEZ und sen vermieden werden.
des Schweißguts ist die Ursache für die – Ein Vorwärmen auf 150 ’C bis 250 ’C er-
extreme Empfindlichkeit gegen wasser- zeugt einen wesentlich milderen Eigenspan-
stoffinduzierte Kaltrisse dieser Stähle. nungszustand und ist daher wegen der
geringen Zähigkeit des Grundwerkstoffs
Die Neigung der ferritischen Chromstähle sehr zu empfehlen.
zur Bildung von Heißrissen im Schweißgut – Die maximale Werkstückdicke bei Kons-
und von Wiederaufschmelzrissen in der WEZ truktionsschweißungen sollte auf 5 mm
ist verhältnismäßig gering. Der sehr viel ge- bis 6 mm begrenzt werden. Die Stähle soll-
ringere Wärmeausdehnungskoeffizient und ten nur bei geringen Anforderungen an
die wesentlich größere Löslichkeit für Schwe- die Zähigkeit der Verbindung – das gilt
fel und Phosphor dieser Stähle sind hierfür insbesondere für die 17%igen Chromstäh-
die Ursache. le – eingesetzt werden.
– Wegen der versprödenden Wirkung des
5 Wasserstoffs müssen Stabelektroden und
1400
° C
UP-Pulver sorgfältig nach Herstelleran-
Temperatur T

1 2 4 gaben getrocknet werden.


1300
3
In der Praxis werden artgleiche und auste-
1200
nitische Zusatzwerkstoffe verwendet. Letz-
tere werden oft bevorzugt, weil sie ein zähes
1100 Schweißgut ergeben, d. h., nur die WEZ kann
verspröden. Wegen der sehr ungünstigen Wir-
1000 kung des d-Ferrits wird die chemische Zusam-
mensetzung der »artgleichen« Zusatzwerk-
900 stoffe häufig modifiziert. Durch eine Erhö-
0 20 40 60 80 % 100
hung des Kohlenstoffgehalts auf nur 0,1 %
NbC - Anteil bezogen auf Gesamt - Nb - Gehalt
und eine leichte Absenkung des Chromge-
halts kann der d -Ferritgehalt im Schweißgut
1: Stahl X7CrNiMoNb16 - 25 - 2 (t H = 1 h)
2: Stahl X7CrNiNb16 - 16 (t H = 1 h)
verringert werden.
3: Stahl X7CrNiNb17 - 13 (t H = 1 h)
4: Stahl X6CrNiMoVNb16 - 13 -1 (t H = 0,5 h) Tabelle 4-39 zeigt für einige Zusatzwerkstof-
5: Schweißgut X4CrNiNb20 - 10 (t H = 5 sek) fe nach DIN EN 1600 die chemische Zusam-
t H = Haltezeit bei der angegebenen Temperatur mensetzung des Schweißguts von Stabelekt-
roden zum Lichtbogenhandschweißen. In der
Bild 4-96
Tabelle 4-40 ist die chemische Zusammenset-
Einfluss der Temperatur und der Haltezeit auf die Auf-
lösung von Niobcarbid bei verschiedenen hochlegierten zung von Schweißzusätzen für das Lichtbo-
Stählen und einem hochlegierten Schweißgut, nach genschweißen nichtrostender und hitzebestän-
Folkhard. diger Stähle nach DIN EN ISO 14343 angege-
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Korrosionsbeständige Stähle) 427

ben. Im Kurznamen für die chemische Zu- denen Menge an Titan (Niob) ist der Chroman-
sammensetzung des Schweißguts von Stab- teil wesentlich größer. Dadurch wird der mitt-
elektroden werden die Legierungsbestandteile lere Abstand zwischen den Chrom- und Koh-
in der Reihenfolge Chrom, Nickel, Molybdän lenstoffatomen zumindest örtlich geringer
hintereinander ohne das chemische Symbol als der zwischen den Ti- und C-Atomen. Die
aufgeführt. Der Zusatzbuchstabe L bedeu- teilweise Bildung der Chromcarbide wird da-
tet ein besonders niedriger Kohlenstoffge- mit reaktionskinetisch verständlich.
halt (L Low; englisch: niedrig).
Bild 4-96 zeigt den Umfang der Wiederauf-
Zum Schweißen der 17%igen Chromstähle wird lösung bereits ausgeschiedener NbC bei ver-
häufiger der austenitische Zusatzwerkstoff schiedenen Grundwerkstoffen und einem hoch-
X5CrNi19-9 (Werkst. Nr.: 1.4302) oder der art- legierten Schweißgut in Abhängigkeit von der
gleiche titanstabilisierte X8CrTi17 (Werkstoff Temperatur. Bei 1400 ’C liegt danach neben
Nr.: 1.4502) verwendet. In der Regel wird aber der Schmelzgrenze bereits die Hälfte des Ni-
aus bestimmten Gründen mit nichtstabilisier- obcarbids in gelöster Form vor.
ten Zusatzwerkstoffen eine größere IK-Bestän-
digkeit des Schweißguts erreicht, unabhän- Geht ein Teil des ferritstabilisierenden Ti
gig von der Art der stabilisierenden Elemen- durch Abbrand im Lichtbogen verloren, dann
te. Das Schweißgutgefüge wird von der Art entsteht nicht mehr ein rein ferritisches Ge-
und Menge der ferrit- bzw. austenitstabi- füge, sondern ein austenitisch-ferritisches.
lisierenden Elemente bestimmt. Das ferrit- Die Löslichkeit des Austenits für Kohlen-
stabilisierende Titan wird beim WIG-Verfah- stoff ist erheblich größer als die des Ferrits,
ren nicht, beim Lichtbogenhandschweißen da- d. h., der Kohlenstoff wird überwiegend vom
gegen fast vollständig abgebrannt. Das nicht Austenit aufgenommen. Die Phasenum-
sauerstoffaffine Niob brennt bei keinem Ver- wandlung aus dem Zweiphasenfeld (g  a)
fahren ab. In dem titan- bzw. niobhaltigen führt zu einem martensitisch-ferritischen
rein ferritischen Schweißgut scheidet sich Gefüge. Die martensitische, chromärmere
fast der gesamte gelöste Kohlenstoff in Form Phase (Abschn. 2.8.4.2, S. 215) wird flächen-
von TiC bzw. NbC und entgegen dem thermo- artig angegriffen. Der Korrosionsangriff bei
dynamischen Gleichgewicht auch Chromcar- martensitisch-ferritischen Stählen ist damit
bid aus. Im Vergleich zu der im Stahl vorhan- erheblich geringer als bei rein ferritischen,

Schweißverfahren Werkstoffliche Vorgänge


WIG-Schweißverfahren Lichtbogenhandschweißen
Ti brennt nicht ab Ti brennt ab F M Stabilisierendes Element brennt ab
Beim LB - Handschweißen brennt Ti vollständig
ab. Durch Verlust des ferritisierenden Ti erfolgt
die Umwandlung im Zweiphasenfeld (F + A). A
Ti
nimmt C der gelösten Ti - bzw. Nb - Carbide auf.
Stabilisierungselement

Cr - C (TiC) Nach Umwandlung ist die IK - Anfälligkeit gering,


Schweißgut ist ferritisch (F) - mar- weil durch M praktisch nur die ungefährliche flä-
Cr - C - und TiC - Ausscheidungen im tensitisch (M), C ist überwiegend
chenförmige Korrosion möglich ist.
rein ferritischen Schweißgut in Martensitinseln gelöst
Nb brennt nicht ab Nb brennt nicht ab Stabilisierendes Element brennt nicht ab
Beim LB - Handschweißen brennt Nb nicht ab,
beim WIG-Schweißen weder Ti noch Nb. Das
Schweißgut ist also rein ferritisch. Der gelöste C
Nb
scheidet sich aus dem stark übersättigten ferriti-
Cr - C (NbC) Cr - C (NbC)
schen Schweißgut außer in Form geringer Men-
gen NbC bzw. TiC entgegen dem thermodyna-
Cr - C - und NbC - Ausscheidungen im Cr - C - und NbC - Ausscheidungen im mischen Gleichgewicht vorwiegend als Chrom-
rein ferritischen Schweißgut rein ferritischen Schweißgut carbid (Cr - C) aus, die Folge ist IK - Anfälligkeit.

Bild 4-97
Zum Abbrandverhalten der Elemente Titan und Niob beim WIG- und Lichtbogenhandschweißen nichtstabili-
sierter 17%iger Chromstähle mit stabilisierten Zusatzwerkstoffen, schematisch.
Tabelle 4-39

428
Chemische Zusammensetzung und ausgewählte mechanische Eigenschaften des Schweißgutes der umhüllten Stabelektroden für das Lichtbogenhandschweißen
von nichtrostenden und hitzebeständigen Stählen nach DIN EN 1600 (10/1997), Auswahl.

Legierungs- Chemische Zusammensetzung des reinen Schweißgutes in % (m/m) 1), 2), 3), 4) Mechanische Eigenschaften Schweißgut
Kurzzeichen
C Si Mn Cr Mo Ni Sonstige R p0.2 (N/mm2) R m (N/mm2) A min (%)

13 0,12 1,0 1,5 11,0...14,0 − − − 250 450 15


13 4 0,06 1,0 1,5 11,0...14,5 0,4...1,0 3,0...5,0 − 500 750 15
17 0,12 1,0 1,5 16,0...18,0 − − − 300 450 15
19 9 0,08 1,2 2,0 18,0...21,0 − 9,0...11,0 − 350 550 30
19 9 L 0,04 1,2 2,0 18,0...21,0 − 9,0...11,0 − 320 510 30
19 9 Nb 0,08 1,2 2,0 18,0...21,0 − 9,0...11,0 Nb 3) 350 550 25
19 12 2 0,08 1,2 2,0 17,0...20,0 2,0...3,0 10,0...13,0 − 350 550 25
19 12 3 L 0,04 1,2 2,0 17,0...20,0 2,5...3,0 10,0...13,0 − 320 510 25
19 12 3 Nb 0,08 1,2 2,0 17,0...20,0 2,5...3,0 10.0...13,0 Nb 3) 350 550 25
19 13 4 N L 0,04 1,2 1,0...5,0 17,0...20,0 3,0...4,5 12,0...15,0 N 0,20 350 550 25
22 9 3 N L 0,04 1,2 2,5 21,0...24,0 2,0...4,0 7,0...10,5 N 0,08/0,20 450 550 20
25 7 2 N L 0,04 1,2 2,0 24,0...28,0 1,0...3,0 6,0...8,0 N 0,20 500 700 15
25 9 3 Cu N L 0,04 1,2 2,5 24,0...27,0 2,5...4,0 7,5...10,5 − 550 620 18
25 9 4 N L 5) 0,04 1,2 2,5 24,0...27,0 2,5...4,5 8,0... 10,5 − 550 620 18
Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

18 15 3 L 5) 0,04 1,2 1,0...4,0 16,0...19,5 2,5...3,5 14,0...17,0 − 300 480 25


18 16 5 NL 0,04 1,2 1,0...4,0 17,0...20,0 3,5...5,0 15,5...19,0 N 0,20 300 480 25
20 25 5 Cu N L 5) 0,04 1,2 1,0...4,0 19,0...22,0 4,0...7,0 24,0...27,0 Cu 1,0/2,0 320 510 25
27 31 4 Cu L 5) 0,04 1,2 2,5 26,0...29,0 3,0...4,5 30,0...33,0 Cu 0,6/1,5 240 500 25
18 8 Mn 5) 0,20 1,2 4,5...7,5 17,0...20,0 − 7,0...10,0 − 350 500 25
29 9 0,15 1,2 2,5 27,0...31,0 − 8,0...12,0 − 450 650 15
18 9 MnMo 0,04...0,14 1,2 3,0...5,0 18,0...21,5 0,5...1,5 9,0...11,0 − 350 500 25
16 8 2 0,08 1,0 2,5 14,5...16,5 1,5...2,5 7,5...9,5 − 320 510 25
19 9 H 0,04...0,08 1,2 2,0 18,0...21,0 − 9,0...11,0 − 350 550 30
25 4 0,15 1,2 2,5 24,0...27,0 − 4,0...6,0 − 400 600 15
22 12 0,15 1,2 2,5 20,0...23,0 − 10,0...13,0 − 350 550 25
18 36 5) 0,25 1,2 2,5 14,0...18,0 − 33,0...37,0 − 350 550 10

1)
Einzelwerte in der Tabelle sind Höchstwerte.
2)
In der Tabelle nicht aufgeführte umhüllte Stabelektroden sind ähnlich zu kennzeichnen, wobei der Buchstabe Z voranzustellen ist.
3)
Die Summe von P und S darf 0,050 % nicht übersteigen; dies gilt nicht für 25 7 2, 18 16 5 L, 18 8 Mn und 29 9.
4)
Der Schwefelgehalt jedes Schweißguts beträgt höchstens 0,025 %, der Phosphotgehalt höchstens 0,035 %.
5)
Das reine Schweißgut ist weitgehend vollaustenitisch und kann deshalb anfällig sein für Mikrorisse und Erstarrungsrisse. Das Auftreten von Rissen wird durch Erhöhen
des Mangananteils im reinen Schweißgut reduziert. Daher ist der Mangananteil für einige Legierungstypen höher.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Korrosionsbeständige Stähle) 429

Tabelle 4-40
Kurzzeichen für die chemische Zusammensetzung von Drahtelektroden, Drähten und Stäben zum Lichtbo-
genschweißen von nichtrostenden und hitzebeständigen Stählen nach DIN EN ISO 14343 (5/2007), Aus-
wahl.

Legierungs- Chemische Zusammensetzung in % (m/m) 1)


Kurzzeichen
C Si Mn Cr Ni Mo

Martensitisch/ferritisch

13 0,15 1,0 1,0 12,0 bis 15,0 − −


13 L 0,05 1,0 1,0 12,0 bis 15,0 − −
13 4 0,05 1,0 1,0 11,0 bis 14,0 3,0 bis 5,0 3,0 bis 5,0
17 0,12 1,0 1,0 16,0 bis 19,0 − −

Austenitisch

19 9L 2) 0,03 0,65 1,0 bis 2,5 19,0 bis 21,0 9,0 bis 11,0 −
19 9 Nb 2) 0,03 0,65 1,0 bis 2,5 19,0 bis 21,0 9,0 bis 11,0 −
19 12 3 L 2) 0,03 0,65 1,0 bis 2,5 18,0 bis 20,0 11,0 bis 14,0 2,5 bis 3,0
19 12 3 Nb 2) 0,03 0,65 1,0 bis 2,5 18,0 bis 20,0 11,0 bis 14,0 2,5 bis 3,0

Ferritisch-austenitisch (korrosionsbeständig)

22 9 3 NL 0,03 1,0 2,5 21,0 bis 24,0 7,0 bis 10,0 2,5 bis 4,0
25 7 2 L 0,03 1,0 2,5 24,0 bis 27,0 6,0 bis 8,0 1,5 bis 2,5
25 9 4 NL 0,03 1,0 2,5 24,0 bis 27,0 8,0 bis 10,5 2,5 bis 4,5

Vollaustentisch (hochkorrosionsbeständig)

18 15 3 L 3) 0,03 1,0 1,0 bis 4,0 17,0 bis 20,0 13,0 bis 16,0 2,5 bis 4,0
18 16 5 N L 3) 0,03 1,0 1,0 bis 4,0 17,0 bis 20,0 16,0 bis 19,0 3,5 bis 5,0
19 13 4 L 3) 0,03 1,0 1,0 bis 5,0 17,0 bis 20,0 12,0 bis 15,0 3,0 bis 4,5
20 25 5 Cu L 3) 0,03 1,0 1,0 bis 5,0 19,0 bis 22,0 24,0 bis 27,0 4,0 bis 6,0
20 16 3 Mn L 3) 0,03 1,0 5,0 bis 9,0 19,0 bis 22,0 15,0 bis 18,0 2,5 bis 4,5
25 22 2 NL 3) 0,03 1,0 3,5 bis 6,5 24,0 bis 27,0 21,0 bis 24,0 1,5 bis 3,0
27 31 4 Cu L 3) 0,03 1,0 1,0 bis 3,0 26,0 bis 29,0 30,0 bis 33,0 3,0 bis 4,5

Spezielle Typen

18 8 Mn 3) 0,20 1,2 5,0 bis 8,0 17,0 bis 20,0 7,0 bis10,0 −
20 10 3 0,12 1,0 1,0 bis 2,5 18,0 bis 20,0 8,0 bis 12,0 1,5 bis 3,5
23 12 L 2) 0,03 0,65 1,0 bis 2,5 22,0 bis 25,0 11,0 bis 14,0 −
23 12 Nb 0,08 1,0 1,0 bis 2,5 22,0 bis 25,0 11,0 bis 14,0 −
29 9 0,15 1,0 1,0 bis 2,5 28,0 bis 32,0 8,0 bis 12,0 −

Hitzebeständige Typen

16 8 2 0,10 1,0 1,0 bis 2,5 14,5 bis 16,5 7,5 bis 9,5 1,0 bis 2,5
19 9 H 0,04 bis 0,08 1,0 1,0 bis 2,5 18,0 bis 21,0 9,0 bis 11,0 −
19 12 3 H 0,04 bis 0,08 1,0 1,0 bis 2,5 18,0 bis 20,0 11,0 bis 14,0 2,0 bis 3,0
22 12 H 0,04 bis 0,15 2,0 1,0 bis 2,5 21,0 bis 24,0 11,0 bis 14,0 −
25 4 0,15 2,0 1,0 bis 2,5 24,0 bis 27,0 4,0 bis 6,0 −
25 20 3) 0,08 bis 0,15 2,0 1,0 bis 5,0 24,0 bis 27,0 18,0 bis 22,0 −
25 20 Mn 0,08 bis 0,15 2,0 2,5 bis 2,5 24,0 bis 27,0 18,0 bis 22,0 −
25 20 H 3) 0,35 bis 0,45 2,0 1,0 bis 2,5 24,0 bis 27,0 18,0 bis 22,0 −
18 36 H 3) 0,18 bis 0,25 0,4 bis 2,0 1,0 bis 2,5 15,0 bis 19,0 33,0 bis 37,0 −
1)
In der Tabelle nicht aufgeführte Drahtelektroden sind ähnlich, mit dem vorangestellten Buchstaben Z zu kenn-
zeichnen.
2)
Si ist an das Legierungs-Kurzzeichen anzuhängen, wenn Si > 0,65 bis 1,2 %.
3)
Das reine Schweißgut ist in den meisten Fällen vollaustenitisch und kann daher zu Mikrorissen und Heißrissen
neigen. Das Entstehen von Rissen wird durch Anheben des Mangangehalts im Schweißgut reduziert. Unter
Berücksichtigung dieser Tatsache wurde der Manganbereich für einige Sorten erweitert.
430 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

bei denen die mit Chromcarbiden belegten für den Angriff konzentrierter Salpetersäu-
Korngrenzen linienförmig wesentlich schnel- re – vor allem bei höherer Temperatur – geeig-
ler abgetragen werden. net (Abschn. 4.3.7.5).

Wenn »artgleiches« Schweißgut gefordert Die schlechte Schweißeignung der ferriti-


wird, dann sollten wegen der geschilderten schen Chromstähle führte in den siebziger
Zusammenhänge nichtstabilisierte Zusatz- Jahren des 20. Jahrhunderts zur Entwick-
werkstoffe verwendet werden. Ein anschlie- lung der höherchromhaltigen (bis 28 %) und
ßendes Glühen (750 ’C/1 h) ist bei nichtstabi- molybdänlegierten (etwa 5 %) Superferrite.
lisierten Stählen zwingend erforderlich. Das Die Verbesserung der Schweißeignung, d. h.
Bild 4-97 zeigt schematisch die geschilder- im Wesentlichen der Zähigkeitseigenschaf-
ten Vorgänge. ten, gelang durch extremes Verringern der
Menge der interstitiell gelösten Elemente
Eine unerwartete Erscheinung tritt bei al- Kohlenstoff, Stickstoff (und Sauerstoff) auf
len Schweißverbindungen aus titanstabilisier- Werte von C  N … 150 ppm bis etwa 500 ppm,
ten 17%igen Chromstählen auf. Die in dem s. Aufgabe 4-15, S. 493.
hocherhitzten, schmalen Bereich neben der
Schmelzgrenze während der Aufheizphase Dieser extrem geringe Gehalt an Verunreini-
gelösten TiC führen zu einer starken Über- gungen bestimmt sehr stark die Schweißtech-
sättigung des Ferrits. Beim Abkühlen schei- nologie und die Wahl der Schweißverfahren.
det sich aus dem Ferrit an den Korngrenzen Grundsätzlich muss ein dem Grundwerkstoff
ein zusammenhängendes Netzwerk von Niob- vergleichbares, extrem verunreinigungsar-
bzw. Titancarbiden aus. Durch einen star- mes Schweißgut herstellbar sein. Dazu sind
ken oxidierenden Angriff – z. B. durch kon- eine Reihe verschiedener Maßnahmen zu er-
zentrierte Salpetersäure – wird das TiC in greifen:
das weiße, nicht korrosionsbeständige TiO2 – Extreme Sauberkeit des Schweißnahtbe-
überführt. Niobstabilisierte Stähle werden reiches und der Zusatzwerkstoffe ist unab-
dagegen von Salpetersäure nicht angegriffen. dingbar, saubere Schweißerhandschuhe
Aus dem gleichen Grund sind auch titansta- verwenden, Schweißbrenner, -pistole vor
bilisierte austenitische Cr-Ni-Stähle nicht dem Schweißen reinigen.

Bild 4-98 Bild 4-99


Wabenförmig (Zellenstruktur) angeordneter d -Ferrit Netzartig angeordneter d -Ferrit – auch als skelettarti-
in einem austenitischen Cr-Ni-Stahl X6CrNiTi18-6, ger oder vermicularer Ferrit bezeichnet – ist ein nahezu
Querschliff. Anodisch geätzt mit 10%iger Oxalsäure, sicherer Hinweis auf eine primäre Ferritkristallisation
V = 200:1. eines austenitischen Schweißguts.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Korrosionsbeständige Stähle) 431

– Nur hochreines Schutzgas in ausreichen- ist gut. Sie werden zum Schweißen in der
der Menge (25 bis 30 l/min) verwenden. Regel weder wärmevorbehandelt noch nach
– Auf dichte Verbindungen im gesamten dem Schweißen wärmenachbehandelt. Etwa-
Schutzgassystem achten, um ein An-/Ein- ige die Korrosionsbeständigkeit beeinträch-
saugen von Luft zuverlässig zu vermeiden. tigenden oder die mechanischen Eigenschaf-
Dies lässt sich vor dem Schweißen mit ten verschlechternden Ausscheidungen sind
kreisförmigen Probeauftragschweißungen in der Regel nicht zu befürchten. Die nachste-
kontrollieren, die nach Schweißende (Strom hend aufgeführten werkstofflichen und fer-
aus!) einige Sekunden lang mit weiter tigungstechnischen Besonderheiten müssen
strömendem Schutzgas bespült werden. aber beachtet werden:
Es dürfen keine Verfärbungen entstehen, – Die Wärmeleitfähigkeit l ist etwa um den
d. h., das Schweißgut muss metallisch Faktor 3 geringer als die der unlegierten
blank sein. Stähle, Tabelle 2-18, S. 218. Die Abküh-
– Formiergase dürfen keinen Stickstoff ent- lung der Schweißverbindung erfolgt da-
halten, weil durch Stickstoffaufnahme das her merklich langsamer. Die Neigung
Schweißgut extrem verspröden kann. zum Wärmestau, z. B. beim Ausschleifen
– Brenner senkrecht zur Schweißnaht hal- von Schweißfehlern oder Beschleifen der
ten und nicht pendeln, um Einwirbeln der Nahtoberflächen, ist zu beachten. Ander-
Luft durch Injektorwirkung des ausströ- enfalls besteht die Gefahr von »Brand-
menden Gases zu vermeiden. stellen«, die häufig zu Mikrorissen füh-
– Schutzgasdüsen mit großem Innendurch- ren und damit die Neigung zur Spaltkor-
messer (etwa 20 mm) und Schutzgaslinse rosion begünstigen.
verwenden. – Der Ausdehnungskoeffizient a ist etwa
– Endkrater ausschleifen und mit Farbein- 50 % größer als der der unlegierten Stähle.
dringverfahren auf Risse prüfen, Schleif- Der Verzug geschweißter Bauteile ist also
stäube sorgfältigst beseitigen. erheblich. Bei geringeren Wanddicken
– Das Wärmeeinbringen ist ausreichend sind daher für maßstabstreue Bauteile
klein zu wählen, die Zwischenlagentem- häufig aufwändige Nacharbeiten erforder-
peratur sollte auf etwa 100 ’C begrenzt lich. Als Folge des starken »Arbeitens«
werden. der Schweißverbindung müssen die Füge-
teile fest gespannt und häufig geheftet
4.3.7.5 Austenitische werden.
Chrom-Nickel-Stähle – Die metastabilen austenitischen Stähle
Austenitische Stähle mit einem d -Ferritge- enthalten d -Ferrit, aus dem sich die stark
halt … 10 % bezeichnet man als metastabile versprödende Sigma-Phase ausscheiden
(labile) Austenite, die ferritfreien als Vollaus- kann (Abschn. 2.8.3.4.2, S. 210). Ihre ver-
tenite (stabile Austenite). Die stabilen Aus- sprödende Wirkung wird mit zunehmen-
tenite neigen beim Schweißen zur Heißriss- dem Chromgehalt größer.
bildung. Die Ausbildung des d -Ferrits kann – Die Entstehung der 475 ’C-Versprödung
abhängig von der chemischen Zusammen- ist in vollaustenitischen Stählen nicht zu
setzung und der Wärmebehandlung sehr un- befürchten, sie wird allerdings mit stei-
terschiedlich sein. Bild 4-98 zeigt eine zellar- gendem Chromgehalt bzw. d -Ferritgehalt
tige Anordnung im Grundwerkstoff, Bild 4- stark beschleunigt. Bis zu einer Ferrit-
99 eine skelettartige Form in einem auste- Nummer von 14 machen sich ihre Auswir-
nitischen Schweißgut. Sie wird auch als ver- kungen aber kaum bemerkbar.
micularer (»wurmförmiger« Ferrit; lat: ver- – Die Bildung von Chromcarbiden im Be-
miculus Würmchen) Ferrit bezeichnet, der reich der Korngrenzen führt bei nichtsta-
in den meisten Fällen durch Primärkristallisa- bilisierten Stählen zur IK, Bild 4-100, (Ab-
tion aus der Schmelze entstand. schn. 2.8.3.4.1, S. 208). Die Carbidausschei-
dung erfolgt am schnellsten bei Tempera-
Die Schweißeignung der umwandlungsfrei- turen zwischen 650 ’C und 750 ’C, aber
en, nicht härtbaren austenitischen Stähle um einige Größenordnungen langsamer
432 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

len. Nicht stabilisierte Cr-Ni-Stähle werden


bei einer ausreichenden Verweildauer im
Temperaturbereich zwischen etwa 650 ’C
und 850 ’C sensibilisiert. In Schweißnahtbe-
reichen, die auf mehr als etwa 850 ’C er-
wärmt wurden, können wegen der hier herr-
schenden großen Abkühlgeschwindigkeit kei-
ne Carbidausscheidungen mehr auftreten.
Bei den stabilisierten Cr-Ni-Stählen ist ein
Wiederausscheiden der gelösten Carbide dicht
neben der Schmelzgrenze, z. B. während ei-
nes Spannungsarmglühens möglich (Angriff
erfolgt dann als Messerlinienkorrosion, s. S.
436).

Im Folgenden werden einige für das Schweiß-


ergebnis wichtige werkstoffliche Probleme
näher beschrieben.
Bild 4-100
Interkristalline Korrosion neben der Schmelzgrenze IK IK
einer Schweißverbindung aus einem nichtstabilisier-
ten austenitischen Chrom-Nickel-Stahl. ferritischer Cr-Stahl, nicht stabilisiert:
Carbidausscheidungen neben der Schmelzgren-
ze sind nicht unterdrückbar, d. h. IK-anfällig
als bei den ferritischen Chromstählen. a)
Der während des Aufheizens beim Schwei- 650 ° C 850 ° C
ßen im Austenit gelöste Kohlenstoff kann
austenitischer Cr-Ni-Stahl, nicht stabilisiert:
sich beim Abkühlen gewöhnlich nicht in Carbidausscheidung im Sensibilisierungsbe-
Form von Chromcarbid ausscheiden, weil reich (650 ° C bis 850 ° C) ist möglich, wenn Ver-
weildauer ausreichend, d. h. IK-anfällig
die zur Verfügung stehenden Zeiten zu
b)
kurz sind. Dies geschieht erst nach einer
längeren Verweildauer bei Temperaturen M M austenitischer Cr-Ni-Stahl, stabilisiert:
zwischen 650 ’C und 750 ’C (s. a. Messer- Wiederausscheiden gelöster Carbide dicht ne-
ben der Schmelzgrenze z. B. während Span-
linienkorrosion weiter unten in diesem nungsarmglühen (650 ° C) möglich. Angriff dann
als Messerlinienkorrosion (M)
Abschnitt). Ein Zulegieren von Stickstoff
c)
verzögert den Beginn des Kornzerfalls
austenitischer Cr-Ni- Stahl, nicht stabilisiert:
erheblich. Durch Glühen im Sensibilisierungsbereich
– Die Schweißschmelze ist wie bei allen ni- (650 ° C bis 850 ° C) erfolgt Carbidausscheidung
im gesamten Bauteil, d. h. IK - anfällig (nicht un-
ckellegierten Werkstoffen verhältnismä- bedingt das Schweißgut!)
ßig dickflüssig, Abschn. 5.2.2.3, S. 529. d)
Die träge Schmelzbadbewegung erschwert Bild 4-101
die Benetzbarkeit der Schweißschmelze. Unterschiedliche Erscheinungsformen der auf Carbid-
Die Gefahr von Bindefehlern ist daher ausscheidungen beruhenden Korrosionsformen bei
sehr zu beachten. ferritischen Chromstählen und austenitischen Chrom-
Nickel-Stählen.
a) IK bei nicht stabilisierten ferritischen Chromstäh-
Aufgrund der unterschiedlichen Löslich- len,
keits- und Diffusionsbedingungen ist die Er- b) IK bei nicht stabilisierten austenitischen Chrom-
scheinungsform, aber nicht der Mechanismus Nickel-Stählen,
der IK bei den ferritischen Chromstählen c) Messerlinienkorrosion als Folge von wiederaus-
und den austenitischen Cr-Ni-Stählen schein- geschiedenen Chromcarbiden an der Schmelzgren-
ze z. B. während eines Spannungsarmglühens,
bar unterschiedlich. Bild 4-101 zeigt die La-
d) Spannungsarmglühen eines nicht stabilisierten
ge der durch die IK zerstörten Werkstoffbe- austenitischen Chrom-Nickel-Stahls sensibilisiert
reiche bei den austenitischen Cr-Ni-Stählen das gesamte Bauteil (nicht unbedingt das meistens
im Vergleich zu den ferritischen Chromstäh- chemisch edlere Schweißgut!).
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Korrosionsbeständige Stähle) 433

Primärkristallisation teile sind d -Ferrit, der braune die zu Auste-


Bei Stählen mit krz Gitter erstarrt das art- nit umgewandelte Restschmelze. Bei der üb-
gleiche Schweißgut primär überwiegend zu lichen Primärätzung lässt sich nur der wei-
einem Gefüge, das aus dendritischen Stän- ße Bestandteil als d -Ferrit identifizieren.
gelkristallen besteht (Abschn. 4.1.1.1). Bei
der Primärkristallisation nichtrostender aus- Heißrissbildung
tenitischer Schweißgüter entsteht bei übli- Die Neigung zur Bildung von Heißrissen im
chen Abkühlgeschwindigkeiten in einem er- Schweißgut und von Wiederaufschmelzris-
heblichen Umfang zelluläres Gefüge, wie Bild sen in der WEZ und zwischen einzelnen La-
4-102 schematisch zeigt. An Orten größter gen ist neben der Möglichkeit der Chromcar-
Abkühlgeschwindigkeit (an den Schmelz- bidbildung (IK) sicherlich das wichtigste werk-
grenzen, auch im Schweißgut möglich) bil- stoffliche Problem beim Schweißen austeniti-
det sich Zellgefüge, das mit abnehmender Ab- scher Stähle. Die Ursache sind niedrigschmel-
kühlung in gerichtete und stärker verzweig- zende Phasen bzw. Phasengemische (meis-
te bzw. völlig regellose dendritische Stängel- tens eutektische), die sich während des Erstar-
kristalle in der Decklage übergeht. rungsvorgangs an den Korngrenzen sammeln
und unter der Wirkung von Last- und (oder)
Die Primärkristallisation der hochlegierten Eigenspannungen reißen.
Schweißgüter beginnt abhängig von der che-
mischen Zusammensetzung mit der Bildung Die wichtigsten heißrissauslösenden Elemen-
von d -Ferrit oder Austenit. Die grundsätz- te sind Schwefel, Pb, B, Ni, Ti und Si. Sie bil-
lichen Zusammenhänge zeigt das Dreistoff- den mit den Legierungselementen des Stah-
Schaubild Fe-Ni-Cr, Bild 2-68, S. 205. Die pri- les (meistens) entartete niedrigschmelzende
märe Erstarrung zu d -Ferrit (Austenit) er- Eutektika. Als Beispiele seien die Eutektika
folgt bei allen Legierungen, die oberhalb Fe-FeS mit einem Schmelzpunkt von etwa
(unterhalb) der eutektischen Rinne liegen. 1000 ’C, Ni-NiS (650 ’C), Fe-Fe2B (1180 ’C) und
Der Konzentrationsschnitt im Dreistoff-Sys- Fe-Fe2Nb (1370 ’C) genannt. Bemerkenswert
tem bei 70 % Eisen (Linie A in Bild 2-68), ist der extrem große Einfluss von Bor auf die
Bild 2-82, S. 220, zeigt diese Vorgänge deut- Heißrissanfälligkeit, dessen Gehalt daher un-
licher. Alle links von der »Dreikantröhre« lie- ter 0,0050 % (50 ppm!) liegen sollte. Unterschrei-
genden Legierungen erstarren primär zu d - tet der primäre d -Gehalt in niobstabilisierten
Ferrit, alle rechts liegenden primär zu Au- Stählen 5 FN, dann entstehen ebenfalls nied-
stenit. Die Art der primären Erstarrung ist rigschmelzende, niobreiche Phasen, die zum
von entscheidender Bedeutung für das Heißriss- Heißriss führen. Die Rissneigung ist bei dick-
verhalten, wie weiter unten dargestellt wird. wandigen, nicht nachgebenden Konstruktio-
nen wegen der scharfen (Eigen-)Spannungs-
Wegen der wesentlich größeren Seigerungs- zustände besonders groß.
neigung der hochlegierten Stähle unterschei- 4
4
det sich in der Regel ihr primäres Gefüge
3
deutlicher von dem sekundären als dies bei 3
2
den un- und (niedrig-)legierten Stählen der 2
1 1
Fall ist. Die Seigerungsneigung ist auch für
die Wiederaufschmelzrisse (s. u.) verantwort- 1 2 3 4

lich, die für diese Stähle typisch sind.

Die Primärätzung erfolgt mit den relativ schwer


handhabbaren, aufwändigen, aber sehr aus- Bild 4-102
sagefähigen Farbniederschlagsätzungen, z. Kristallisationsformen bei korrosionsbeständigen
Schweißgütern.
B. nach Lichtenegger oder Beraha. Bild 4-103
1) Gerichtete Zellen,
zeigt das Primärgefüge eines ferritisch er- 2) gerichtete dendritische Stängelkristalle,
starrten Schweißguts vom Typ CrNi-20-10. 3) stärker verzweigte dendritische Stängelkristalle,
Die weiß und blau gefärbten Gefügebestand- 4) ungerichtete dendritische Stängelkristalle.
434 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Abhängig vom Entstehungsort unterschei- Bildung von Erstarrungsrissen. Danach ent-


det man zwei Heißrissarten: steht diese Rissart bevorzugt in vollausteni-
– die sich im Schweißgut bildenden Erstar- tisch erstarrtem Schweißgut. Bildet sich bei
rungsrisse, (englisch: Solidification cracks), der primären Erstarrung E-Ferrit, dann wird
s. a. Abschn. 4.1.1.1, S. 300, und das Kornwachstum und damit die Heißrissnei-
– die Wiederaufschmelzrisse (Liquation gung wirksam behindert. Sekundär aus H-MK
cracks) in der WEZ (Schmelzgrenze) und gebildeter Ferrit ist offenbar unwirksam im
zwischen aufeinanderfolgenden Lagen. Unterdrücken der Heißrissigkeit.

Die Länge der in der WEZ auftretenden Wie-


deraufschmelzrisse beträgt meistens nur ei-
wnige zehntel Millimeter. Sie entstehen ähn-
lich wie der Erstarrungsriss durch niedrig-
schmelzende Phasen, aber auch durch Korn-
grenzen-Seigerungen und nach dem Mecha-
nismus der konstitutionellen Verflüssigung,
Abschn. 5.1.3, S. 505. Das Bild 4-104 zeigt
schematisch ihren Bildungsmechanismus
nach der grundlegenden Theorie von Apblett
und Pellini. Diese Erscheinung wird auch
als »Mikrorissigkeit« bezeichnet.

Die Belegungsdichte der Korngrenzen, d. h.,


die Korngröße der Gefüge der WEZ und des
Schweißguts bestimmt außer der Anwesen-
Bild 4-104
heit verschiedener in der Matrix nicht lösli- Zur Entstehung von Wiederaufschmelzrissen in der
cher Elemente weitgehend die Neigung zur WEZ von Schweißverbindungen aus austenitischem
Cr-Ni-Stahl, nach Apblett und Pellini.

Die wichtigsten Gründe für die Heißrissan-


fälligkeit des austenitischen Gefüges sind:
– Die Löslichkeit der den Heißriss verursa-
chenden Elemente ist im Austenit wesent-
lich geringer als im Ferrit. Sie werden da-
her bereits bei geringen Gehalten im Stahl
ausgeschieden und bilden dann die niedrig-
schmelzenden Phasen.
– Die Seigerungsneigung der heißrissauslö-
senden Elemente ist bei der austenitischen
Erstarrung – begünstigt durch die vielfach
geringere Diffusionsfähigkeit der Elemen-
te im kfz Gitter – deutlich größer.
– Der Verlauf der Liquidus- und Solidus-
flächen ist im Bereich der primär zu Aus-
tenit erstarrenden Legierungen merklich
flacher als im Bereich der primären Ferrit-
erstarrung wie aus dem Dreistoff-Schau-
Bild 4-103 bild Fe-Ni-Cr erkennbar ist, Bild 2-68.
Mikroaufnahme eines Schweißguts vom Typ CrNi-
Dieses Werkstoffverhalten begünstigt die
20-10, das etwa 10 % primären E -Ferrit ( weiß),
primären Austenit ( blau) und sekundären Austenit Schmelzenentmischung, die Bildung nied-
(bräunlich) enthält. Farbniederschlagsätzung nach rigschmelzender Phasen und damit die
Lichtenegger, V  500:1, nach Sandvik. Heißrissbildung.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Korrosionsbeständige Stähle) 435

Das zum Schweißen dieser Stähle vielfach den. Im Wesentlichen ist sie nur durch rigo-
verwendete Schaeffler-Schaubild (Bild 4-92) roses Verringern der heißrissbegünstigenden
gibt keine Hinweise auf die Art der Ferritent- Elemente im Schweißgut und mit fertigungs-
stehung. Die 0 %-Ferritlinie entspricht nicht technischen Maßnahmen zu bekämpfen, die
dem Verlauf der eutektischen Rinne in dem Kerb- und Schrumpfspannungen herabset-
Gleichgewichts-Schaubild Bild 2-68. Vielmehr zen.
gibt die eingezeichnete Linie 1-2 angenähert
die Grenze der primären Ferrit- bzw. Auste- Mit geeigneten Schweißparametern oder
nitausscheidung an. Wesentlich genauer und (und) -bedingungen lässt sich die Entstehung
damit besser geeignet ist das WRC-1992- dieser Rissart fertigungstechnisch wirksam
Schaubild, Bild 4-95. vermeiden bzw. behindern. Die folgenden
grundsätzlichen Empfehlungen müssen da-
Der Nachweis der ferritischen Primärerstar- zu beachtet werden:
rung im Schweißgut kann sehr zuverlässig – Es sind Einstellwerte wählen, die zu einer
mit der Farbniederschlagsätzung nach Lich- möglichst kurzen Verweilzeit im Bereich
tenegger (Bild 4-103) oder rechnerisch, z. B. zwischen der Liquidus- und Solidustem-
mit der Formel von Suutala und Moisio er- peratur führen. Diese Forderung bedeu-
folgen, Gl. [4-28] und Gl. [4-29], Angaben in tet ein ausreichend geringes Wärmeeinbrin-
Prozent: gen, eine geringe Vorwärmtemperatur so-
wie eine hinreichend große Schweißge-
Cräq = Cr + 1,37 · Mo + 1,5 · Si + 2 · Nb + 3 · Ti , schwindigkeit. Schweißtechnologien, die
Niäq = Ni + 0,3 · Mn + 22 · C + 14,2 · N + Cu. viel Wärme einbringen, sind grundsätz-
lich zu vermeiden (z. B. in s-Position ge-
Danach erstarrt jedes mit praxisüblichen schweißte Nähte).
Verfahren »konventionell« niedergeschmolze- – Wegen der extrem stark austenitisieren-
ne Schweißgut primär ferritisch, wenn das den Wirkung des Stickstoffs muss der
Verhältnis Cräq/Niäq größer als 1,5 bis 1,6 ist. Lichtbogen möglichst kurz gehalten wer-
Dieses Verhältnis steigt allerdings sehr stark den, um einen Lufteinbruch zu verhin-
mit der Kristallisationsgeschwindigkeit. Die- dern. Die Folge wäre eine u. U. unzuläs-
se Bedingungen liegen z. B. beim Elektronen-
strahlschweißen vor. Hier sind Cräq/Niäq-Ver-
hältnisse von etwa 1,7 bis 1,9 erforderlich.
Ähnliche Bedingungen können bei Schweiß-
parametern entstehen, die tropfenförmige
Schweißbäder erzeugen, wie es in Abschn.
4.1.1.1, S. 300, ausführlicher erläutert wird
(s. a. Bild 4-1). Diese Situation tritt auf, wenn
die Vorschubgeschwindigkeit in Schweiß-
nahtmitte größer als die maximal mögliche
Kristallisationsgeschwindigkeit wird, Ab-
schn. 4.1.1.1. Die sich dabei bildende konzen-
trierte Ansammlung von Verunreinigungen
ist nicht nur die Ursache der Heißrissbil-
dung, sondern bewirkt unter bestimmten
Umständen auch einen Wechsel in der Art
der Primärkristallisation, s. a. Bild 4-3c. Bild
4-105 zeigt einen typischen Heißriss in einem
austenitischen Schweißgut.
Bild 4-105
In vollaustenitischem Schweißgut – vor al- Heißriss in einem austenitischen Schweißgut mit wa-
lem bei größeren Wanddicken – ist die Heiß- benförmig verteiltem d-Ferrit, anodisch geätzt (Oxal-
rissbildung reproduzierbar schwer zu vermei- säure), V = 400 :1.
436 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

sige Abnahme des primären d -Ferritge- stoffatomen. Die Bedingungen für eine che-
halts. Mit Versuchsschweißungen, deren mische Reaktion zwischen Chrom und Kohlen-
Schweißgut im einfachsten Fall z. B. mit stoff sind also wesentlich günstiger als die
einem Magneten abgetastet wird, kann zwischen Titan und Kohlenstoff.
sowohl die austenitisierende Wirkung ei-
ner zu großen Aufmischung als auch die Bei einem chemischen Angriff entsteht ein
einer geänderten Lichtbogenlänge hinrei- nur auf eine extrem schmale Zone neben der
chend genau bestimmt werden. Schmelzlinie begrenzter Kornzerfall. Diese
»wie mit einem Messer geschnittene« Korro-
Die Verfahren zum Prüfen der Heißrissnei- sionserscheinung wird in der englischen Lite-
gung werden ausführlicher in Abschn. 6.1, ratur daher als »Knife-Line-Attack«, im deut-
S. 579, besprochen. schen Sprachraum als Messerlinienkorrosion
bezeichnet, Bild 4-106.
Messerlinienkorrosion
Diese besondere Form der Korrosion tritt nur Bei nichtstabilisierten Stählen werden bei
in Schweißverbindungen aus stabilisierten der angegebenen Wärmebehandlung der ge-
austenitischen Stählen auf. Unmittelbar ne- samte Bereich der Schweißverbindung und
ben der Schmelzgrenze geht beim Aufheizen der Grundwerkstoff flächenförmig angegrif-
auf Temperaturen dicht unter Solidus ein merk- fen, Bild 4-101d. Abhilfe schafft ein Absen-
licher Teil des an Titan (Niob) gebundenen ken des Kohlenstoffgehalts auf … 0,04 % und
Kohlenstoffs in Lösung (Bild 4-96). Während ein Überstabilisieren des Stahles gemäß fol-
der anschließenden raschen Abkühlung wird gender Empfehlung:
nur ein geringer Teil des Kohlenstoffs als
TiC (NbC) ausgeschieden, der größere bleibt Nb • 8 ¹ C, Ti • 15 ¹ C.
zwangsgelöst im Austenit. Wird die Schweiß- Allerdings nimmt bei Niobgehalten über 1 %
verbindung aber bei Temperaturen zwischen die Heißrissneigung i. Allg. zu. Möglich, aber
550 ’C und 650 ’C wärmebehandelt, dann sehr aufwändig und daher in der Praxis nur
scheidet sich der Kohlenstoff entgegen dem selten angewendet, ist auch eine Glühbe-
thermodynamischen Gleichgewicht nicht als handlung bei etwa 1050 ’C. Bei diesen Tem-
TiC, sondern als Chromcarbid M23C6 aus. peraturen bilden sich nicht mehr Chrom-,
Wegen der im Vergleich zum stabilisierenden sondern die wesentlich stabileren Niob- bzw.
Element wesentlich größeren Chrommenge Titancarbide.
ist auch der mittlere Abstand zwischen den
Chrom- und den Kohlenstoffatomen kleiner Ungeeignete Schweißnahtquerschnitte oder
als der zwischen den Titan- und den Kohlen- eine ungeeignete Schweißfolge können eben-
falls die Messerlinienkorrosion auslösen. Die
Ti-(Nb-)Carbide im Schmelzgrenzenbereich

2 2 1
M

M
M 1 2
1
A A
Korrosionsmedium Korrosionsmedium
a) b)

Bild 4-107
Einfluss der Schweißfolge und des Schweißnahtquer-
schnitts auf die Messerlinienkorrosion, M = sensibi-
lisierte Bereiche, A = Korrosionsangriff.
Bild 4-106 a) Angriff (A) durch Sensibilisieren der WEZ,
Messerlinienkorrosion (Knife Line Attack) in einem b) kein Angriff durch zweckmäßige Schweißnaht-
austenitischen titanstabilisierten Cr-Ni-Stahl. folge oder angepaßte Schweißnahtquerschnitte.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Korrosionsbeständige Stähle) 437

der Lage 1, Bild 4-107a, werden gelöst. Der Allerdings ist die gewünschte Heißrisssicher-
frei werdende Kohlenstoff scheidet sich durch heit bei den oft als ausreichend erachteten
die Wärme der zweiten Lage in den auf et- FN-Werten • 5 aus folgenden Gründen nicht
wa 600 ’C bis 650 ’C erwärmten Bereichen immer vorhanden:
z. T. in Form von Chromcarbiden aus (ent- – Da die FN-Werte in Nahtmitte im Deckla-
spricht einem Sensibilisierungsglühen). Bild genbereich gemessen werden, sind bei
4-107b zeigt, wie z. B. durch Änderung der Mehrlagenschweißungen durch Wieder-
Schweißfolge bzw. der Größe der Schweiß- erwärmen im Bereich der Wurzel als Fol-
nahtquerschnitte der sensibilisierte Bereich ge der verlängerten Aufenthaltsdauer im
nicht mehr im Oberflächenbereich der Me- (d  g )-Gebiet deutlich geringere Ferrit-
dienseite liegt, d. h., ein Angriff kann nicht gehalte vorhanden, s. Bild 2-83.
mehr stattfinden. Bild 4-108 zeigt die unterschiedlichen d -
Ferritgehalte im austenitischen Schweiß-
Metallurgie des Schweißens gut einer Schweißverbindung im Bereich
Die austenitischen Cr-Ni-Stähle (Tabelle 2- der Wurzel im Vergleich zu dem deutlich
17) lassen sich mit allen üblichen Verfahren größeren Gehalt im Decklagenbereich.
sehr gut schweißen. Voraussetzung ist die Ver- – Durch eine unzureichende Handfertigkeit
wendung von Zusatzwerkstoffen, die 5 % bis des ausführenden Schweißers kann der
10 % primären d -Ferrit im Schweißgut erge- stark austenitbegünstigende Stickstoff
ben. Der Ferritgehalt muss in stabilisierten durch einen zu lang gehaltenen Lichtbo-
Stählen etwas größer sein, um die Heißrissbil- gen in das Schweißbad gelangen, wodurch
dung zu verhindern. Die Grundwerkstoffe die Ferritmenge abnimmt.
werden gewöhnlich mit FN 4 bis 8 herge-
stellt, um Rissbildung in den zu walzenden
Blöcken zu vermeiden. Weitere Hinweise
zum Schweißen der korrosionsbeständigen
Stähle sind in DIN EN 1011-3 zu finden.

Beim Walzen wandelt der nicht im Gleich-


gewicht befindliche Ferrit aber in Austenit
um, d. h., das Walzprodukt ist i. Allg. ferrit-
frei. Wenn I-Nähte ohne Zusatzwerkstoff ge-
schweißt werden, besteht das Schweißgut
aus reinem Grundwerkstoff, daher sollte der
tat sächlich vorhandene Ferritgehalt des
a)
Grundwerkstoffs an einer »Testschmelze«
festgestellt werden. Im allgemeinen wird sie
durch Aufschmelzversuche vor dem Schwei-
ßen (z. B. mit einem WIG-Lichtbogen) er-
zeugt. Das erstarrte Schweißgut hat dann
den (Gleichgewichts-)Ferritgehalt, der auf-
grund der chemischen Zusammensetzung
der Schmelze zu erwarten war. Bei FN-Wer-
ten  3 bis 4 ist die Verwendung ferrithalti-
ger Zusatzwerkstoffe wegen der geringeren
Heißrissgefahr zweckmäßiger.
b)
Der im Schweißgut tatsächlich vorhandene
Bild 4-108
d -Ferritgehalt wird meistens mit Hilfe des Unterschiedlicher d -Ferritgehalt im austenitischen
Schaeffler-Schaubildes oder genauer mit dem Cr-Ni-Schweißgut im Bereich der
DeLong-Schaubild bzw. dem WRC-1992- a) Wurzellage,
Schaubild bestimmt (Abschn. 4.3.7.2). b) Decklage.
438 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

– Bei erheblich von der »Norm« abweichen- Stabilisierte Stähle sollten mit niobstabili-
der Abkühlgeschwindigkeit der Schweiß- sierten 45) Zusatzwerkstoffen verarbeitet wer-
schmelze (z. B. kleine Abkühlgeschwin- den. Möglich ist auch die Verwendung nied-
digkeit beim Plattieren: geringe FN-Num- riggekohlter nichtstabilisierter Zusatzwerk-
mer, hohe Abkühlgeschwindigkeit beim stoffe. Allerdings darf dann die maximale Be-
Plasmaschweißen erzeugt u. U. einen un- triebstemperatur wegen der Gefahr des Korn-
zulässig großen Ferritgehalt) ergeben sich zerfalls etwa 300 ’C nicht überschreiten, d.
sehr unterschiedliche FN-Werte. h., sie ist rund 100 ’C niedriger als die bei sta-
bilisierten Stählen zulässige. Wegen der Ge-
Aus Korrosionsgründen werden die Stähle fahr der Chromcarbidbildung – auch in sta-
immer artgleich geschweißt, wobei die che- bilisiertem Schweißgut – werden die Zusatz-
mische Zusammensetzung der Zusatzwerk- werkstoffe in aller Regel überstabilisiert und
stoffe so abgestimmt wird, dass ein »edleres« mit einem sehr geringen Kohlenstoffgehalt
( höherlegiertes) Schweißgut entsteht. Die hergestellt.
nichtstabilisierten ELC-Stähle und die stick-
stofflegierten Stähle lassen sich mit stabilisier- Bild 4-109 zeigt den Schmelzgrenzenbereich
ten oder nichtstabilisierten Zusatzwerkstof- einer mit dem WIG-Verfahren geschweißten
fen schweißen. Wegen der stark austenitisie- Verbindung aus dem Stahl X10CrNiNb18-9.
renden Wirkung des Stickstoffs muss die Man erkennt deutlich den skelettartigen (»ver-
Aufmischung mit dem Grundwerkstoff aber micularen«) d -Ferrit im Schweißgut.
möglichst gering bleiben. Die nichtstabilisier-
ten Zusatzwerkstoffe haben im Vergleich zu
den stabilisierten einige Vorteile:
– Der Werkstoffübergang ist ruhiger und
weicher, die Neigung zur Spritzerbildung
daher geringer.
– Versprödende und heißrissbegünstigen-
de Ausscheidungen im Schweißgut wie
bei Verwendung stabilisierter Zusatzwerk-
stoffe als Folge ihres relativ hohen Niob-
gehalts (• 1 %) können nicht entstehen.
– Nichtstabilisiertes Schweißgut (Stahl) ist
hochglanzpolierfähig.

Bei den Stabelektroden ist eindeutig die Ten-


denz zu den kernstablegierten erkennbar. Die
hüllenlegierten sind mechanisch viel weniger
beanspruchbar. Durch ein örtliches Abplatzen
der Umhüllung kann sich die chemische Zusam-
mensetzung des Schweißguts örtlich ändern
und damit einen lokal begrenzten Bereich für
Bild 4-109
einen möglichen Korrosionsangriff schaffen. Mikroaufnahme aus dem Bereich der Schmelzgrenze
Wenn die Korrosionsbeständigkeit die entschei- einer mit dem WIG-Verfahren geschweißten Verbin-
dende Eigenschaft ist, die Anforderungen an dung aus X10CrNiNb18-9.
die Zähigkeit also begrenzt sind, werden meis-
tens rutil-umhüllte Stabelektroden verwen- Wird bei dickwandigen geschweißten Kons-
det. Diese ergeben gewöhnlich eine deutlich truktionen eine Wärmenachbehandlung im
glattere Nahtzeichnung und vermindern da- Sensibilisierungsbereich (650 ’C bis 750 ’C,
durch die Neigung zur Bildung von Ablagerun-
gen aller Art. Die empfohlenen genormten 45)
Wegen des starken Abbrandes von Titan im Licht-
Zusatzwerkstoffe sind in den Tabellen 4-36, bogen wird dieses Element zum Stabilisieren der
4-37 und 4-38 zusammengestellt. Zusatzwerkstoffe nicht verwendet.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Korrosionsbeständige Stähle) 439

diese Bedingungen liegen z. B. beim Span- – Nachgiebig konstruieren, um die Reak-


nungsarmglühen vor!) als notwendig erach- tionsspannungen möglichst klein zu hal-
tet, dann muss der Stahl wegen der Gefahr ten. Die Wanddicken sind zu begrenzen,
der Messerlinienkorrosion (s. Abschn. 4.3.7.5) um die Eigenspannungen zu verringern.
überstabilisiert werden. Da der Kohlenstoff Eine erhebliche Anhäufung von Schweiß-
in stabilisierten Stählen fest abgebunden ist, nähten ist grundsätzlich zu vermeiden.
neigen sie außerdem stärker zur Ausschei- – Möglichst »kalt« schweißen, d. h., das Wär-
dung der Sigma-Phase als die nichtstabili- meeinbringen ist zu begrenzen. Dazu ge-
sierten. Der Grund ist die vollständige Unlös- hört ein Lagenaufbau in Zugraupentech-
lichkeit des Stickstoffs in der Sigma-Phase. nik, die Verwendung dünner Elektroden
Man beachte, dass die Ausscheidung der Sig- und keine Wärmevor- bzw. nachbehand-
ma-Phase, also die örtliche Bildung der Pha- lung. Nahtkreuzungen sind zu vermeiden.
se FeCr, auch aus dem Austenit erfolgen Erfahrene und im Umgang mit diesen
kann, nur sind die hierfür erforderlichen Zei- Werkstoffen geschulte Schweißer sind ein-
ten deutlich länger. setzen.
– Ausschleifen der Endkrater und Ansatz-
Vollaustenitische Stähle sind unmagnetisch, stellen.
sehr beständig gegen Spalt-, Loch- und Span- – Als Formiergas reines Argon verwenden.
nungsrisskorrosion. Sie sind hochwarmfest Stickstoff, der aus dem Formiergas oder
und besitzen hervorragende (Tieftempera- aus der Atmosphäre durch unsachgemä-
tur-)Zähigkeitseigenschaften. Die Neigung ßes Schweißen in das Schweißgut gelangt,
zum Ausscheiden versprödender oder die Kor- kann den Ferritgehalt auf unzulässige
rosionsbeständigkeit vermindernder Phasen Werte herabsetzen.
als Folge der geringen Löslichkeit bestimmter
versprödender Elemente (z. B. Bor, Phosphor, In Bild 1-109 sind einige wesentliche konst-
Schwefel) ist sehr gering. Sie werden durch ruktive und fertigungstechnische Maßnah-
Anheben des Nickelgehalts und Zulegieren men zusammengestellt, die zum Sicherstel-
von Stickstoff erzeugt, der außerdem die len der Korrosionsbeständigkeit geschweißter
Streckgrenze erheblich erhöht (siehe auch Konstruktionen beachtet werden müssen. In
Abschnitt Stickstofflegierte Stähle, S. 220). erster Linie ist das Entstehen von Anlauffar-
Der Stahl X2CrNiMoN17-13-3 ist ein typi- ben – vor allem im Wurzelbereich – mit nicht
scher Vertreter der vollaustenitischen Stäh- sauerstoffhaltigen Formiergasen möglichst
le (Tabelle 2-17, S. 212). zu vermeiden, Bild 1-109y. Das Beseitigen
bereits vorhandener Anlauffarben geschieht
Vollaustenitisches Schweißgut mit Molyb- am wirksamsten mit chemischen Mitteln (Bei-
dängehalten über 4 % wird aber gewöhnlich zen). Mechanische Verfahren (Schleifen, Bürs-
mit Stickstoff legiert, um das Ausscheiden ten) sind bei hoher Korrosionsbeanspruchung
unerwünschter Phasen zu begrenzen. Glühbe- weniger empfehlenswert, weil die dadurch er-
handlungen im Temperaturbereich zwischen zeugte Rauigkeit der Oberflächen die Adsorp-
700 ’C und 1000 ’C führen mit zunehmen- tion von Sauerstoff erleichtert, d. h. die Bil-
dem Molybdängehalt zu einer starken Ver- dung der sehr unerwünschten Anlauffarben
sprödung des Schweißguts. ermöglicht. Außerdem besteht die Gefahr,
dass Reste der Anlauffarbenschicht in die
Wegen der primären Erstarrung zu Auste- Oberfläche eingeschmiert werden. Daher ist
nit ist der Vollaustenit aber wesentlich anfäl- ein Passivieren mit anschließendem sorgfäl-
liger für Heiß- und Wiederaufschmelzrisse tigem Spülen häufig unumgänglich, s. auch
als der d -ferrithaltige metastabile Austenit. Abschn. 2.8.1, S. 200.
Der Heißrissneigung der Vollaustenite ist
am wirksamsten durch Begrenzen der heiß- Lochkorrosion entsteht in den meisten Fäl-
rissfördernden Elemente zu begegnen. Un- len im kristallgeseigerten Schweißgut, vor
terstützend haben sich folgende Maßnahmen allem, wenn ohne Zusatzwerkstoff geschweißt
bewährt: wurde. Außerdem ist die sog. »unvermisch-
440 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

te« Zone direkt an der Phasengrenze flüssig/ 4.3.7.6 Austenitisch-ferritische Stähle


fest (s. Bild 5-24, S. 525) – ein aus aufgeschmol- (Duplexstähle)
zenem, unvermischtem Grundwerkstoff beste- Die im lösungsgeglühten und abgeschreck-
hender Bereich – korrosionsanfälliger als das ten Zustand verwendeten Duplexstähle verbin-
Schweißgut bzw. der (gewalzte/wärmebehan- den die meisten Vorteile der austenitischen
delte) Grundwerkstoff. Diese Zone ist die Ur- Chrom-Nickel-Stähle mit denen der ferriti-
sache für das sehr dickflüssige Schweißgut schen Chromstähle, s. a. Abschn. 2.8.4.4:
und die geringe Diffusionsfähigkeit, vor allem – Die Neigung zu der gefährlichen Span-
der Elemente Nickel, Chrom, Molybdän, s. a. nungsrisskorrosion ist gering, aber nicht
Abschn. 5.2.2.2.1, S. 521. so gering wie die der Superferrite, Abschn.
4.3.7.4. Die Lochfraßbeständigkeit ist gut.
Vor allem in chloridionenhaltigen Medien Ihre allgemeine Korrosionsbeständigkeit
besteht die Gefahr der Spalt- und Lochkorro- ist in der Regel besser als die der Chrom-
sion. Daher müssen Schlackenreste (vor al- Nickel-Stähle.
lem die Schlacke der sehr festhaftenden ba- – Die Streckgrenze erreicht Werte deutlich
sischumhüllten Stabelektroden) auf den ein- über 450 N/mm2. Sie ist etwa doppelt so
zelnen Lagen sowie Spritzer beseitigt, aber groß wie die der (stickstofffreien) austeni-
auch Heißrisse im Schweißgut rigoros ver- tischen Chrom-Nickel-Stähle.
mieden werden. – Die Zähigkeitseigenschaften sind mit de-
nen der Chrom-Nickel-Stähle vergleichbar,
in manchen Fällen sind sie sogar besser.
– Die Primärerstarrung zu d -Ferrit besei-
tigt die Heißrissgefahr.
– Die Neigung zur Grobkornbildung ist durch
die wachstumshemmende Wirkung des
Austenits wesentlich geringer als bei den
reinen ferritischen Chromstählen.
Beispiel 4-10:
Allerdings sind auch einige Nachteile der Du-
Auf verdichtetem Kies soll ein Wasserbehälter (etwa
8 m x 12 m) aus dem Werkstoff X6CrNiTi18-10 (Werkst. plexstähle zu beachten:
Nr.: 1.4541), mit Blechen 6 000 x 2 000 x 2 mm durch – Die schweißtechnische Verarbeitung ist
Schweißen hergestellt werden. Beschreibe die wichtigs- nicht ganz einfach. Sie erfordert kennt-
ten schweißtechnischen Maßnahmen. nisreiche Sorgfalt und eine den Werkstoff-
Der Metallgehalt im Kies muss möglichst gering sein eigenschaften angepasste (kontrollierte)
(Gefahr der Lochkorrosion!), er ist durch Bescheini- Wärmeführung.
gung (Gutachten!) zu bestätigen. Die Schweißarbeiten – Der Ferrit neigt – vor allem wegen seiner
erfolgen mit dem MSG-Impulsverfahren (Drahtdurch- sehr großen Legierungsmenge – zu ver-
messer 0,8 mm) durch Schweißer, die für die Aufgabe
(Bodenblechschweißer!) besonders geschult werden
schiedenen Arten von versprödenden und
müssen. Die aus den Einzelblechen geschweißten Strei- (oder) die Korrosionsbeständigkeit ver-
fen werden mit Überlappnähten verbunden (Stumpf- mindernden Ausscheidungen. Die Bildung
nähte erzeugen einen kaum tolerierbaren Verzug und der Sigma-Phase im Temperaturbereich
er-schweren durch die größere Anpassungenauigkeit zwischen 700 ’C...900 ’C erfordert nur ei-
die Fertigung!). Oft heften (Verzug, überlappte Bleche
nige Minuten wie das Bild 2-84 zeigt. Das
sollen sich möglichst wenig »öffnen«), von Blechmitte
nach Außen mit zwei Schweißern arbeiten. Blechrän- Maß der durch den Ferrit verursachten
der im Schweißnahtbereich mit Beizpaste bestreichen, Versprödung und Abnahme der Korrosi-
um Entstehen von Anlauffarben zu unterbinden. Spalt- onsbeständigkeit steigt mit dem Chrom-
korrosion ist erfahrungsgemäß nicht zu erwarten. Auf gehalt. Wegen der Gefahr der 475 ’C-Ver-
andere Gewerke achten, die möglicherweise »schwarze« sprödung beträgt die höchste zulässige
Späne einschleppen. Baustellenbereich daher nach
Betriebstemperatur nach VdTÜV-Werk-
Arbeitsschluss abdecken! Baustellenpersonal mit neu-
en Schuhen (nur auf Baustelle zu tragen!) ausrüsten, stoff blatt 480 nur 250 ’C. Die üblichen von
sonst werden unweigerlich Metallspäne in die Blech- unlegierten/legierten Stählen bekannten
oberfläche eingedrückt. Wärmebehandlungen (550 ’C und 650 ’C)
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Korrosionsbeständige Stähle) 441

dürfen daher in keinem Fall durchgeführt Bild 4-110. Das sehr grobkörnige Gefüge be-
werden. Ein Lösungsglühen bei Temperatu- steht damit ausschließlich aus Ferrit, der die
ren über 1050 ’C wird dagegen als Wärme- Legierungsbestandteile (z. B. C und N) in ge-
nachbehandlung geschweißter Bauteile löster Form enthält. Während der Abkühlung
häufiger angewendet. wandelt der d -Ferrit wegen der erheblichen
Unterkühlbarkeit der nur unvollständig in
Die Lochfraßbeständigkeit lässt sich verhält- das Phasengemisch (d  g ) um. Die mit zuneh-
nismäßig zuverlässig aus der chemischen Zu- mender Abkühlgeschwindigkeit zunehmende
sammensetzung des Stahls (vorzugsweise Diffusionsbehinderung führt also zu immer
erhöhen Chrom, Molybdän und Stickstoff in geringeren Austenitmengen, siehe hierzu
unterschiedlicher Wirksamkeit die Lochfraß- Bild 2-83, S. 219. In dieser Zone kann sich
beständigkeit) abschätzen. Sehr häufig wird das Ferrit-Austenitverhältnis bei nicht geeig-
dazu folgende Beziehung verwendet, in die neten Schweißbedingungen von ca. 50 %/50 %
die Elemente in Massenprozent einzusetzen bis auf 70 % ... 80 % / 30 %...20 % verschieben.
sind: Die Folge des hohen Ferritanteils ist zunächst
eine extreme Versprödung dieser Zone, d. h.
L Cr  3,3 ¹ Mo  16 ¹ N. [4-30]
der gesamten Verbindung.
Die Werte reichen von etwa 20 bei den ein-
fachen CrMo-25-4-Stählen bis über 40 bei Der für die mechanischen Gütewerte der Ver-
den gelegentlich auch als Super-Duplexstäh- bindung und ihr Korrosionsverhalten ent-
le bezeichneten CrMo-27-4-Typen mit erhöh- scheidende Austenitanteil bildet sich beim
tem Stickstoffgehalt, Tabelle 2-17. Abkühlen vorwiegend zwischen 1200 ’C und
800 ’C, Bild 4-110. Die Abkühlzeit t12/8 ist da-
Der für ausreichende Festigkeits- und Korro- her eine sehr aussagefähige Größe zum Be-
sionseigenschaften erforderliche Austenit- urteilen des Erfolges jeder Wärmebehand-
anteil von etwa 50 % wird bei den Grund- lung, d. h. auch des Schweißprozesses. Sie
und Zusatzwerkstoffen mit Hilfe eines aus- muss wegen des angestrebten Austenitan-
reichenden Stickstoff- und (oder) Nickel-Ge- teils von 50 % ausreichend groß, darf aber
haltes (Zusatzwerkstoffe enthalten etwa 8 % wegen der Gefahr der Grobkorn- und der s -
bis 10 % Nickel und oft  0,1 % Stickstoff) er- Phasenbildung (auch MeC und anderer Pha-
reicht. Stickstoff verringert dar über hinaus sen) in der WEZ auch nicht zu groß sein.
die Neigung zur Bildung der Sig ma-Phase
und erhöht die Temperatur der (d  g )-Um-
GW Z

wandlung, Bild 4-110. Die verbesserten Dif- 1600


S+ d S S+ d+ g S+ g
fusionsbedingungen erleichtern die Bildung Schweißnaht
° C
des Austenits und verringern die Breite der
Temperatur T

1400
WEZ, Abschn. 2.8.4.4, S. 219. Der Stickstoff- Hochtempe- Einfluss N
raturbereich
gehalt im Schweißgut sollte 0,12 % besser
d+ g
0,15 % nicht unterschreiten. 1200
Lösungsglüh- d g
bereich
Die beim Schweißen entstehenden komple-
xen Gefügeänderungen lassen sich annä- 1000
hernd anhand des Konzentrationsschnittes,
Bild 4-110, beschreiben. Die Aussagegenau- GW: 800
igkeit dieses Schaubildes ist begrenzt, weil 50 % g + 50 % d Ni 5 10 15 % 20
Cr 25 20 15 10
es nur für das thermodynamische Gleichge-
wicht gilt und die Wirkung verschiedener Le- Bild 4-110
gierungselemente, z. B. die des stark austeni- Zuordnung des beim Schweißen entstehenden Tempera-
turverlaufs zum Konzentrationsschnitt im Dreistoff-
tisierenden Stickstoffs nicht erfasst.
Schaubild Fe-Cr-Ni bei 70 % Fe (Linie A in Bild 2-68)
für den Stahl X2CrNiMoN22-5-3 (GW), der mit dem
Beim Schweißen wird der etwa über 1300 ’C mehr Nickel enthaltenden Zusatzwerkstoff vom Typ
erwärmte Bereich vollständig »ferritisiert«, CrNi-22-9 (Z) geschweißt wurde.
442 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Die Löslichkeit des Ferrits für Kohlenstoff Bild 4-111 zeigt die Mikroaufnahme einer
und Stickstoff ist um Größenordnungen ge- Schweißverbindung in Schmelzgrenzennä-
ringer als die des Austenits. Mit abnehmen- he, mit einer Abkühlzeit t12/8  10 s. Sehr deut-
der Austenitmenge bleibt der überwiegende lich sind die extreme Korngröße des Ferrits
Anteil dieser Elemente daher im Ferrit ge- und die Cr2N-Ausscheidungen (dunklere,
löst. Während der Abkühlung scheiden sie verschattete Bereiche) erkennbar. Die Ferrit-
sich daher in Form von versprödenden und menge beträgt etwa 75 %. Die Schweißverbin-
die Korrosionsbeständigkeit verringernden dung ist spröde und korrosionsanfällig.
Nitriden (Cr2N) und Carbiden (M23C6) aus,
Bild 2-83, S. 221. Bild 4-112 zeigt das Mikrogefüge einer durch
zu hohen Ferritgehalt und Cr2N-Ausscheidun-
Diese Werkstoffbesonderheiten erfordern da- gen stark versprödeten Wurzel. In Bild 4-113
her das Einhalten verschiedener fertigungs- ist ein annähernd optimales Schweißgutge-
und schweißtechnischer Maßnahmen sowie füge dargestellt, das mit einem Zusatzwerk-
bestimmter Schweißbedingungen: stoff vom Typ CrNi-22-9 und einer ausreichen-
– Wie für alle hochlegierten Stähle ist pein- den Vorwärmung hergestellt wurde.
liche Sauberkeit aller mit dem Lichtbo-
gen in Berührung kommenden Teile, wie Wegen des sehr hohen Ferritgehalts dieser
Werkstoffe, Zusatz- und Hilfsstoffe (Ga- Stähle ist die Anwendung des Schaeffler-
se, Pulver) oberstes Gebot. Der grund- und des DeLong-Schaubildes zum Ermitteln
sätzlich zu verwendende Wurzelschutz metallurgischer Zusammenhänge nur annä-
(besonders bei Rohren wichtig!) erfolgt hernd, das WRC-1992-Schaubild dagegen
mit Gasen, die Stickstoff (etwa ein Pro- gut brauchbar. Die Ferritgehalte dieser Stäh-
zent) enthalten, weil anderenfalls ein Stick- le werden meistens noch in Ferritprozenten
stoffverlust des Schweißgutes das Korro- angegeben. Die neuere auf den EFN-Werten
sionsverhalten und die Zähigkeitseigen- (Extended Ferrite Number, Abschn. 4.3.7.2)
schaften herabsetzen kann. beruhende Messmethode erlaubt die Ermitt-
– Die Abkühlzeit t12/8 sollte ! 10 s, besser lung größter Ferritgehalte in Form der EFN.
15 s sein. Dies wird durch ein angemesse- Als grobe Umrechnung wird häufig die Be-
nes Wärmeeinbringen (! 12 kJ/cm bis et- ziehung verwendet:
wa  25 kJ/cm) erreicht. Die Vorwärmtem-
peratur sollte auf 150 ’C begrenzt wer-
den, die Zwischenlagentemperatur 200 ’C
nicht überschreiten.
– Rasch abkühlende Schweißnähte wie Wur-
zellagen, Decklagen oder Nähte an stark
verspannten Konstruktionen (z. B. Stutzen-
schweißung) sollten mit höherer Vorwärm-
temperatur und (oder) Zusatzwerkstoffen
geschweißt werden, die einen höheren Ni-
ckel- bzw. Stickstoffgehalt haben. Diese
Elemente erhöhen den Austenitanteil und
damit das Verformungsvermögen der Ver-
bindung. Diese Maßnahme sichert vor al-
lem in der stärker aufgemischten Wurzel
einen ausreichenden Austenitanteil. Aus
diesem Grund sind auch I-Stöße grund-
sätzlich zu vermeiden. Wegen der sehr in-
Bild 4-111
tensiven austenitstabilisierenden Wir-
Mikroaufnahme aus dem Bereich Schmelzgrenze einer
kung des Stickstoffs muss das Analysen- Stumpfschweißverbindung, die mit t12/8 < 10 s her-
Toleranzfeld des Stahles entsprechend gestellt wurde, Werkstoff: X2CrNiMoN22-5-3, V =
klein sein, wie Bild 4-92 zeigt. 200:1, elektrolytisch mit Chromsäure geätzt.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Korrosionsbeständige Stähle) 443

0,70 ¹ EFN Ferritgehalt in Prozent. wa 1050 ’C/1 h bis 1150 ’C/1 h wärmebehan-
delt, gefolgt von rascher Abkühlung. In erster
Danach haben die Duplex-Schweißgüter EFN- Linie werden dadurch intermediäre Phasen
Werte zwischen 60 und 90. (z. B. Sigma-Phase, 475 ’C-Versprödung) ge-
löst, ein gewisser Ausgleich der chemischen
Als typische metallurgische Defekte treten Zusammensetzung erreicht und die Schweiß-
unter seltenen Betriebsbedingungen ledig- eigenspannungen beseitigt. Die hierfür ver-
lich Erstarrungsrisse im Schweißgut auf. wendeten Zusatzwerkstoffe müssen aber art-
Eine Rissbildung in der Wärmeeinflusszone gleich sein, weil anderenfalls der Austenitge-
wurde bisher kaum beobachtet. Allerdings halt des Schweißguts als Folge des höheren
können bei großen Wasserstoffgehalten was- Nickel- und (oder) Stickstoff-Gehalts wegen
serstoffinduzierte Risse im Schweißgut ent- der langen Aufenthaltsdauer im (d  g )-Ge-
stehen und bei einem geringerem Wasser- biet unzulässig zunehmen würde. Die Bautei-
stoffgehalt Zähigkeitsverluste auftreten. Das le sind sorgfältig zu unterbauen, weil bei die-
übliche Wasserstoffarmglühen ist im Gegen- sen Temperaturen die Kriechfestigkeit der
satz zu den rein ferritischen Stählen wenig Stähle sehr gering ist. Die sich hierbei bil-
effektiv, da die zeilenförmigen austenitischen denden sehr dichten und zähen Oxide müs-
Gefügebestandteile eine Barriere für den (he- sen aus Gründen einer optimalen Korrosions-
raus-)diffundierenden Wasserstoff darstel- beständigkeit mit Hilfe mechanischer Verfah-
len, d. h., für ein wirksames Beseitigen des ren oder besser durch Beizen mit anschließen-
Wasserstoffs sind sehr große, unwirtschaft- dem Waschen beseitigt werden.
liche Zeiten erforderlich.
Tabelle 4-41 zeigt in einer zusammenfassen-
In den meisten Fällen werden geschweißte den, vereinfachenden Darstellung einige für
Bauteile nicht wärmebehandelt. Geschweiß- das Schweißen der korrosionsbeständigen
te Schmiedeteile und reparaturgeschweißte Stähle bewährte und praxiserprobte Schweiß-
Werkstücke werden dagegen häufiger bei et- empfehlungen.

Bild 4-112 Bild 4-113


Mikrogefüge aus dem Wurzelbereich einer Stumpf- Mikrogefüge aus dem Wurzelbereich einer Stumpf-
schweißverbindung (Werkstoff: X2CrNiMoN22-5-3), schweißverbindung (Werkstoff: X2CrNiMoN22-5-3),
die mit t12/8 O 6 s ohne Vorwärmung hergestellt wurde. die mit t12/8 = 15 s bei einer Vorwärmung von 150 ’C
Der zu große Ferritanteil, zusammen mit erheblichen mit einer Stabelektrode vom Typ CrNi-22-9 hergestellt
Mengen an Cr2 N-Ausscheidungen führten zur Riss- wurde. Das Gefüge besteht etwa zur Hälfte aus Auste-
bildung, V = 200:1. nit und Ferrit, V = 200 :1.
Tabelle 4-41

444
Empfehlungen zum Schweißen der korrosionsbeständigen Stähle und die den Hinweisen zugrunde liegenden werkstofflichen Zusammenhänge, schematisch.

Schweißempfehlungen und Hinweise Werkstoffliche Vorgänge Wichtige Zusammenhänge

Duplexstähle, z. B.: X2CrNiMoN22-5-3 - X2CrNiMoCuWN25-7-4

1. Wärmezufuhr wählen, so dass t12/8 < 10, bes- 1. Verbinden Vorteile der ferritischen Cr- und austenitischen Cr-Ni-Stähle, GW Z
ser 15 s wird. ohne deren Nachteile: Hervorragende Korrosionsbeständigkeit (SpRK,
1600
2. Vorwärmen auf etwa 200 °C begrenzen. Lochkorrosion), hohe Streckgrenzen (über 450 N/mm2), Zähigkeit ent- Schweißnaht S+ d S S+ d + g S+ g
spricht fast der des Austenits, wegen Primärerstarrung zu d -Ferrit sehr °C
3. Zusatzwerkstoff mit höherem Ni- bzw. N- geringe Heißrissneigung. Aber leichtere Bildung der diese Stähle stark 1400
Gehalt wählen. versprödenden Sigma-Phase (700 °C bis 900 °C). Wegen der Gefahr der Hochtempe-
raturbereich
475 °C-Versprödung beträgt maximale Betriebstemperatur 250 °C.
d+ g
Temperatur T

Allgemeine Hinweise: 2. Mit zunehmender Abkühlgeschwindigkeit wird Bildung des aus dem d - 1200
Lösungsglüh- d g
N-Gehalt im Grundwerkstoff sollte 0,10 %, im Ferrit entstehenden Austenits stark behindert, Bild 2-83, S. 219. Außer- bereich
Schweißgut 0,12 % nicht unterschreiten. Me- dem Ausscheidung des versprödenden Cr2N aus dem Ferrit, dessen Lös-
chanische Bearbeitung nur mit Werkzeugen, lichkeit für N nur sehr gering ist. Der schmelzgrenzennahe Bereich ist 1000
die noch nicht mit » schwarzem« Werkstoff in daher stark ferritisiert (bis 80 %), starke Versprödung ist die Folge. Im
Berührung gekommen sind. Wurzellagen we- Schweißgut wird erforderliche Austenitmenge durch höheren Ni- und N- GW:
gen höherer Aufmischung mit höherlegierten Gehalt erreicht. 50 % g + 50 % d 800
Ni 5 10 15 20
Zusatzwerkstoffen schweißen. Cr 25 20 15 10
Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Austenitische Chrom-Nickel-Stähle, z. B.: X2CrNi19-11 - X6CrNiTi18-10 - X2CrNiMoN17-13-5

17-12-2,5Nb Ni-Cr-Fe 18-8S


1. Zusatzwerkstoff so wählen, dass FN = 5 bis 1. Unterscheide labile (metastabile) und stabile Austenite (Vollaustenit). Ni-Basis
10. Aufmischung gering halten: Schaeffler Labiler enthält d -Ferrit zum wirksamen Begrenzen der Heißrissigkeit. +Mo Lkr
+Ni K, T
+Ni
SpRK
oder besser WRC-1992-Schaubild verwenden. Austenit ist extrem zäh, nicht versprödbar, korrosionsbeständig; Vollaus-
18-8Nb 23-12, 25-20 +S (Se) bessere
stenit ist unmagnetisch, thermisch und in vielen Korrosionsmedien Bearbeitbarkeit
2. Jede Wärmebehandlung möglichst vermei-
(SpRK) extrem beständig. d -Ferrit kann bei Erwärmung zur Bildung der +Cr K, ox
den. Spannungsarmglühen nur nach Rück- 17-12-2,5Ti +Nb IK +Ni

sprache mit dem Stahlhersteller. Sigma-Phase und der 470 °C -Versprödung führen: Abnahme der Korro-
+Mo Lkr
sionsbeständigkeit und Verschlechtern der mechanischen Gütewerte. +Ni
3. Wärmezufuhr begrenzen, d. h., Zwischenla- 18-8Ti +Ti
IK
gentemperatur max 150 °C, Schweißen in s- 2. Wärmezufuhr begrenzen: Gefahr der Heißrissbildung und Lösen der +Cr, +Mo, - Ni, - C Duplex
18-8 K, SpRK, IK 22/5/3
Position vermeiden, Strichraupen schweißen. TiC (NbC) in der WEZ, wodurch IK-Anfälligkeit entsteht. Stabilisierte 18-8L
- C
IK
Stähle sind thermisch höher beanspruchbar (400 °C) als ELC-Stähle +Mo Lkr
4. Lichtbogen kurz halten. Evtl. Verlust von d - +Ni
(300 °C). +Mo Lkr
Ferrit mit Magnet überprüfen.
3. Wegen stark austenitisierender Wirkung des N ist der Lichtbogen mög- - C - C, +Cr, +Ni
17-12-2,5L 17-12-2,5 25-22-2,5L
5. Anlauffarben verhindern (Formiergas) oder IK - K, red, IK
lichst kurz zu halten, sonst Verlust an d -Ferrit. +Mo Lkr +Mo Lkr +Ni
+N SpRK +Nb K, H2SO4
Beseitigen (Schleifen, Beizen). Beim Schlei- +Cu

fen » Brandstellen« vermeiden. Ansatzstellen 4. Anlauffarben verringern entscheidend Korrosionsbeständigkeit, durch 17-13-5LN
- C, +Mo, +N
18-16-3,5 23-27-2,8-Nb Cu
IK, Lkr, SpRK
» Brandstellen« +Cr Lkr +Ni K
ausschleifen. +Ni SpRK +Mo Lkr
+Mo +Nb SpRK
+N
6. Ausgebildete und erfahrene Schweißer ein-
+Ni, +Cr, +Mo, +Nb Ni-Cr-Mo
setzen 20 25 6LN Ni B i
Tabelle 4-41, Fortsetzung.

Schweißempfehlungen und Hinweise Werkstoffliche Vorgänge Wichtige Zusammenhänge

Martensitische Chromstähle, z. B.: X20Cr13 - X46Cr13

1. Vorwärmen auf 30 °C bis 50 °C über Ms. 1. Hochgekohlt und hochlegiert, Lufthärter, extrem schlechte Schweißeig-
900 Ac
nung. Vorwärmen über Ms hält austenitisierten Teil der WEZ während 1
2. Nach dem Schweißen Zwischenabkühlen auf
des Schweißens im austenitischen Zustand. Kaltrissbildung in der WEZ 800
Tz = 150 °C bis 200 °C.

T
dann deutlich geringer. Versprödung durch Wasserstoff ist sehr zu be- °C
3. Gefolgt von anschließendem Anlassglühen von K P
achten, d. h., trockene Zusatzwerkstoffe verwenden, Wasserstoffquellen
Tz auf 650 °C bis 750 °C. 600
rigoros ausschalten.
4. Verwendung austenitischer Zusatzwerkstof- 2. Beim Zwischenabkühlen Umwandlung der austenitisierten Zonen der

Temperatur
fe ist (oft) zweckmäßig. 400
WEZ in Martensit. Dadurch geringere (Kalt-)Rissgefahr, weil Carbidaus- B
scheidung (an Korngrenzen des Austenits!) nach sofortigem Aufheizen Ms
auf Anlasstemperatur unterbleibt. 200
Mf M
Allgemeine Hinweise 3. Austenitischer Zusatzwerkstoff verringert Rissgefahr im Schweißgut und
Vom Schweißen ist i. Allg. abzuraten. Aufhei- in der WEZ, aber keine Wärmebehandlung nach dem Schweißen (Vergü- 0
zen auf Vorwärmtemperatur Tp mit 30 °C/h bis ten) möglich. 1 10 10 2 10 3 min 10 4
50 °C/h. Zeit t

Ferritische und halbferritische Chromstähle, z. B.: X6Cr17 - X6CrTi7 - X1CrTi15

1. Vorwärmen auf 150 °C bis 250 °C über Ms. 1. Geringe Zähigkeit, Übergangstemperatur im Bereich der Raumtempera-
tur, daher sprödbruchanfällig. Vorwärmen mildert Temperaturdifferenz 2000
2. Wärmezufuhr begrenzen: Nahtkreuzungen,
dicke Stabelektroden vermeiden, Zugraupen- im Schweißnahtbereich, verringert Eigenspannungen d. h. Rissanfällig- °C
keit. S S+ d
technik anwenden. 1600
3. Bei nichtstabilisiertem Werkstoff anschlie- 2. Thermisch instabil, weil krz Gitter geringere Packungsdichte als kfz Git-
ßendes Glühen bei 750 °C/1 h zwingend er- ter besitzt und Löslichkeit für die meisten Elemente um Größenordnun-
gen geringer, Diffusionskoeffizient aber um Größenordnungen größer ist 1200
forderlich. g g+ d d
Temperatur T

als im kfz Gitter. Daher Neigung zu Ausscheidungen aller Art:


4. Verwendung austenitischer Zusatzwerkstof-
fe u. U. zweckmäßig. 475 °C-Versprödung, Bildung der Sigma-Phase zwischen 600 °C und 900 °C, 800
Chromcarbidbildung (IK), ausgeprägte Grobkornbildung. Also Zeit für s+ d s s + d’
Ent-stehung von Ausscheidungen möglichst kurz halten. d d’
400
Allgemeine Hinweise 3. Nicht vermeidbare Chromcarbidausscheidungen erfordern bei nichtsta-
Schlechte Schweißeignung wegen sehr geringer bilisierten Stählen stabilisierendes Glühen Bei 750 °C (Auffüllen der Cr-
Mulden). 0
Zähigkeit und Neigung zu einer Vielzahl ver- Fe 20 40 60 80 % Cr
sprödender Ausscheidungen (Chromcarbide, Sig- 4. Austenitischer Zusatzwerkstoff verringert Rissgefahr in Schweißgut und Chromgehalt
ma-Phase, 475 °C-Versprödung). WEZ, vergrößert aber Korrosionsneigung (galvanisches Element).
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Korrosionsbeständige Stähle)
445
446 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

4.3.8 Verbinden/Auftragen – Auftragschweißen von Pufferschichten


unterschiedlicher Werkstoffe (Puffern ) mit Auftragwerkstoffen, die zwi-
schen nicht artgleichen Werkstoffen eine
Verbinden unterschiedlicher Werkstoffe mit- beanspruchungsgerechte Bindung her-
einander, und das Auftragen spezieller, hin- zustellen gestatten. Eine ausreichende
sichtlich der mechanischen und chemischen Zähigkeit ist damit die wichtigste Eigen-
Eigenschaften meistens sehr unterschiedli- schaft der Pufferschicht.
cher Werkstoffe auf in der Regel unlegierte – Auftragschweißen verschlissener Werk-
oder niedriglegierte Werkstoffe sind sehr stückbereiche mit vorwiegend schweißge-
häufig auszuführende Schweißarbeiten in eignetem Zusatzwerkstoff (Ergänzen).
der Praxis. In den meisten Fällen entstehen Diese Maßnahme dient aber nicht so sehr
metallurgische Unverträglichkeiten (inter- dem Zweck, eine verschleißfeste Oberflä-
mediäre Phasen, hochgekohlter Martensit) chenschicht zu erzeugen, sondern die ur-
aufgrund der sehr unterschiedlichen chemi- sprüngliche Form des Werkstücks wieder
schen Zusammensetzung der Partner. So- herzustellen (ergänzendes Schweißen).
wohl beim Auftrag- als auch beim Verbin-
dungsschweißen ist daher das Begrenzen 4.3.8.1 Austenit-Ferrit-Verbindungen
der Aufmischung zum Erzielen ausreichender Diese im Behälter- und Apparatebau häufig
Gebrauchseigenschaften die wichtigste zu angewendeten Schweißverbindungen sind
erfüllende Forderung. Diese Kenngröße ist von großer praktischer Bedeutung. Sie wer-
vom Schweißverfahren, den Einstellwerten den nach der Farbe der Metalle auch als
(U, I, v), der Vorwärmtemperatur und der »Schwarz-Weiß«-, nach ihrem Gefüge als Fer-
Art der Nahtvorbereitung abhängig. rit-Austenit-Verbindung bezeichnet. Ihr Kor-
rosionsbeständigkeit ist wegen des unbestän-
Einige der hier zu beachtenden schweißtech- digen »schwarzen« un- bzw. niedriglegierten
nischen und werkstofflichen Besonderheiten Stahles naturgemäß nur gering. Die mecha-
sind in Abschn. 4.1.5 bereits prinzipiell dar- nische Sicherheit der Verbindung ist stark
gestellt. abhängig von den physikalischen Eigenschaf-
ten und der chemischen Zusammensetzung
Nach DIN ISO 857-1 (DIN 1910-1) ist Auftrag- der Grundwerkstoffe und der Art, Menge
schweißen das Beschichten eines Werkstoffs und Eigenschaften der beim Schweißen ent-
durch Schweißen mit artgleichem Zusatz- stehenden Gefüge und Ausscheidungen:
werkstoff. – Als Folge des »metallurgischen« Prozes-
ses Schweißen können spröde interme-
In den meisten Fällen werden von der Auf- diäre Verbindungen, oft spröder Marten-
tragschicht spezielle Gebrauchseigenschaf- sit oder unerwünschte Ausscheidungen
ten gefordert, die nur mit artfremden Auf- entstehen. Häufig sind geringe Mengen
tragwerkstoffen erreichbar sind. In diesen spröder Phasen ausreichend, um das ge-
Fällen unterscheidet man: samte Schweißgut, d. h. die Schweißver-
– Auftragschweißen von Panzerungen bindung zu verspröden (Abschn. 1.6.2.4,
(Schweißpanzern, meistens örtlich relativ S. 53). Ihre Menge hängt vom Aufschmelz-
begrenzt) mit einem gegenüber dem Grund- grad, d. h. im Wesentlichen von den
werkstoff vorzugsweise verschleißfesten Schweißparametern ab. Beim Schweißen
Auftragwerkstoff. der mehrfach legierten Stähle entstehen
– Auftragschweißen von Plattierungen durch die Bildung niedrigschmelzender
(Schweißplattieren, meistens ein großflä- Phasen außerdem oft Heißrisse. Eine ers-
chiges Beschichten) mit einem gegenüber te Abschätzung der metallurgischen Re-
dem Grundwerkstoff vorzugsweise che- aktionen kann mit Hilfe geeigneter Zwei-
misch beständigen Auftragwerkstoff. Hier- stoff-Schaubilder vorgenommen werden.
für werden hauptsächlich austenitische In kritischen Fällen ist das Vorlegen einer
Chrom-Nickel-Stähle und Nickelbasis-Le- oder mehrerer Pufferlagen zweckmäßig,
gierungen verwendet. siehe hierzu Abschn. 4.3.8.3.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Austenit-Ferrit-Verbindungen) 447

– Bei unterschiedlichen thermischen Aus- Wurzellagen mit ihrer deutlich höheren Auf-
dehnungskoeffizienten der Grundwerk- mischung. Mit Zusatzwerkstoffen vom Typ
stoffe bzw. des Schweißguts entstehen ho- CrNiMn-18-8-6 lässt sich ein vollausteniti-
he zusätzliche Schubspannungen an den sches Schweißgut erzeugen, das aber wegen
Phasengrenzen Schweißgut/Grundwerk- des hohen Mangangehalts heißrisssicher ist
stoff, die vielfach stark rissbegünstigend und nicht zum Ausscheiden versprödender
wirken. Phasen neigt.

Die größte Schwierigkeit für das Erzeugen Außer den metallurgischen Problemen ist
rissfreier, zäher Schweißverbindungen ist der sehr unterschiedliche Wärmeausdeh-
das Auffinden eines metallurgisch »passen- nungskoeffizient der unlegierten ferritischen
den« Zusatz-Pufferwerkstoffes. Nickelbasis- und der hochlegierten austenitischen Stäh-
Zusatzwerkstoffe sind aus den folgenden le zu beachten (siehe Tabelle 2-18, S. 218).
Gründen besonders geeignet für viele Werk- Die Folge sind große temperaturinduzierte
stoffkombinationen: Spannungen an der Phasengrenze Ferrit/Aus-
– Nickel bildet mit den meisten Elementen tenit, die zu starkem Verzug und (oder) Riss-
ausgedehnte Mischkristallbereiche und bildung führen können, Bild 4-114. Besonders
nur sehr selten – z. B. mit Aluminium – kritisch sind in dieser Beziehung Zeit-Tem-
intermediäre Verbindungen. peratur-Wechselbeanspruchungen, für die
– Nickel behindert wirksam die Diffusion sich hoch nickelhaltige Sonder-Zusatzwerk-
des Kohlenstoffs. Sein unerwünschtes stoffe bewährt haben. Sie haben eine Reihe
Eindringen in das Schweißgut und damit entscheidender Vorteile:
dessen Versprödung wird weitgehend un- – Ihr Wärmeausdehnungskoeffizient ent-
terbunden. Allerdings kann sich dadurch spricht etwa dem der ferritischen Stähle.
im Schmelzgrenzenbereich ein stark ver-
sprödender Carbidsaum bilden. austenitischer Zusatzwerkstoff, a Austenit = 18 × 10 - 6

– Nickel verbessert in hohem Maße die Zä- unlegierter Stahl austenitischer Stahl
higkeit des Schweißguts, d. h. die Risssi-
cherheit der Verbindung und damit die Si-
cherheit des Bauteils. a Ferrit = 14 × 10 - 6
a Austenit = 18 × 10 - 6

Eine weitere wichtige Aufgabe des Zusatz- a)


werkstoffs zum Herstellen von »Schwarz- Zusatzwerkstoff: S - NiCr15Fe10Nb, a Zusatz = 14,5 × 10 - 6

Weiß«-Verbindungen ist das Erzeugen eines


unlegierter Stahl austenitischer Stahl
heißrisssicheren Schweißguts. Die kompli-
zierten metallurgischen Vorgänge im Schweiß-
gut lassen sich relativ einfach und übersicht- a Ferrit = 14 × 10 - 6
a Austenit = 18 × 10 - 6

lich mit dem Schaeffler- bzw. DeLong- oder


am zuverläs sigsten mit dem WRC-1992- b)
Schaubild untersuchen. Das Bild 4-92, Bei-
Bild 4-114
spiel 2, S. 416, zeigt die Auswertung für eine
Lage der temperaturinduzierten Schubspannungen
Verbindungsschweißung der Stähle S235 (St bei Ferrit-Austenitverbindungen in Abhängigkeit von
37) (G1) und X6CrNiTi18-10 (G2). Der in Bei- der Art der verwendeten Zusatzwerkstoffe.
spiel gewählte Zusatzwerkstoff X2CrNi23-12 a) Üblicher austenitischer Zusatzwerkstoff erzeugt an
(Z) führt zu einem Schweißgut, das etwa 5 % der Phasengrenze Ferrit/Schweißgut wegen der stark
(Primär-)Ferrit enthält, und damit nach gül- unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten
tiger Anschauung als heißrisssicher gelten (aFerrit, aAustenit) hohe Spannungen.
kann. b) Der Wärmeausdehnungskoeffizient des Zusatzwerk-
stoffs S-NiCr15Fe10Nb (aZusatz) entspricht etwa dem
unlegierter Stähle. Die entstehenden Temperatur-
Der Zusatzwerkstoff X2CrNiMo23-12-3 eig- spannungen werden von dem Bereich austenitischer
net sich zum Schweißen der molybdänlegier- Grundwerkstoff/Zusatzwerkstoff rissfrei aufgenom-
ten und der vollaustenitischen Stähle und von men.
448 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

– Der Grad der Aufmischung mit dem Grund- Hoch nickelhaltige Zusatzwerkstoffe unter-
werkstoff kann sehr hoch sein, bevor sich binden zwar das Eindiffundieren des Koh-
spröde Gefügebestandteile bilden. lenstoffs in das Schweißgut, aber der nun an
– Das Schweißgut neigt nicht zur Versprö- der Schmelzgrenze aufgestaute Kohlenstoff
dung. führt hier zur Bildung einer dünnen, sprö-
den Carbidschicht.
Der wichtigste Zusatzwerkstoff-Typ ist die
Legierung S-NiCr15Fe10Nb. Bild 4-114 zeigt, Bild 4-115 zeigt das Mikrogefüge einer span-
dass die Lage der Temperaturspannungen nungsarm geglühten Verbindung aus einem
abhängig ist vom Wärmeausdehnungsko- unlegierten, Baustahl (S235), geschweißt mit
effizienten des Schweißguts und der Grund- einem austenitischen Zusatzwerkstoff vom
werkstoffe. Der hochlegierte Zusatzwerkstoff Typ CrNi-19-9. Der massive Carbidsaum und
S-NiCr15Fe10Nb erzeugt demnach nur im die weitgehend entkohlte Grobkornzone auf
Schmelzgrenzenbereich Austenit/Schweiß- der »schwarzen« Baustahlseite sind deutlich
gut Schubspannungen, die aber von den zä- erkennbar.
hen austenitischen Werkstoffen rissfrei auf-
genommen werden. Alle Schweißverfahren, mit denen geringe
Aufschmelzgrade hinreichend einfach reali-
Bei höheren Betriebstemperaturen (größer sierbar sind, eignen sich für diese Aufgabe.
450 ’C) kann der Kohlenstoff leicht aus dem In kritischen Fällen hilft das sehr teure Ver-
ferritischen Werkstoff in das austenitische fahren des Pufferns einer oder aller Naht-
Schweißgut diffundieren. Die Folgen sind Ver- flanken, vorwiegend mit hoch nickelhaltigen
sprödung des Schweißguts und Entkohlen, Zusatzwerkstoffen.
d. h. Entfestigen der schmelzgrenzennahen
Bereiche der Ferritseite der Schweißverbin- 4.3.8.2 Schweißplattieren
dung. Diese Entfestigung führt vor allem bei Beim Plattieren wird auf einen un- bzw. nied-
zyklischer Temperaturbeanspruchung leicht riglegierten Trägerwerkstoff eine korrosionsbe-
zu thermischer Ermüdung der Verbindung. ständige (verschleißfeste) Werkstoffschicht
aufgetragen. In vielen Fällen wird auch hier
die Werkstückoberfläche zunächst »gepuffert«,
Abschn. 4.3.8.3, um eine zähe Zwischenschicht
zu erzeugen.

Die metallurgisch sehr unterschiedlichen


Werkstoffe beim Plattieren werden z. T. im
schmelzflüssigen Zustand verbunden. Die
folgenden Forderungen müssen daher erfüllt
werden:
– Wie bei allen (Verbindungs-)Schweißun-
gen an unterschiedlichen Werkstoffen muss
die Bildung versprödender Gefügebestand-
teile (z. B. Martensit oder intermediäre
Verbindungen) auf einen für die Gebrauchs-
eigenschaften der Plattierung ausreichen-
den Umfang begrenzt werden, s. a. Abschn.
4.1.4.
– Die Korrosionsbeständigkeit der Plattie-
Bild 4-115 rung darf nicht durch Aufmischung mit
Spannungsarmgeglühte (650 ’C/2 h) Verbindungs-
den Elementen des Grundwerkstoffs unzu-
schweißung aus S235, die mit Stabelektroden vom
Typ CrNi-19-9 hergestellt wurde. Carbidsaum an der lässig beeinträchtigt werden. Daher wer-
Schmelzgrenze. Schweißgut links, Grobkornzone den meistens zwei, besser, aber teurer,
(stark entkohlt!) etwa Bildmitte, V = 200:1. drei Plattierungslagen geschweißt.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Schweißplattieren) 449

Ein ausreichend geringer Aufschmelzgrad Die Bildung wasserstoffinduzierter Kaltris-


von 10 % bis 15 % gilt als optimal, bei geringe- se lässt sich durch Ausschalten aller Wasser-
ren Werten besteht die Gefahr von Bindefeh- stoffquellen beim Schweißen (Pulver, feuch-
lern. Hierfür werden abhängig von der Grö- te Werkstückoberfläche, Verunreinigungen
ße der Plattierung eine Reihe von Schweiß- aller Art) vermeiden. Bei einigen Werkstof-
verfahren und -technologien verwendet. Sehr fen muss die Neigung zu Unterplattierungsris-
gut geeignet sind das UP-Mehrdraht- (Gleich- sen beachtet werden. Der Rissbildungsme-
strom, Elektrode negativ gepolt) und vor al- chanismus ist vergleichbar dem des Ausschei-
lem das UP-Bandschweißen, bei dem Band- dungsrisses (Abschn. 4.3.5.5). Der Unterplat-
elektroden mit den Standardabmessungen tierungsriss entsteht direkt während des
0,5 mm x 60 mm verwendet werden. Mit die- Schweißens, wächst aber nach/bei einer Wär-
sem Verfahren sind Aufschmelzgrade von 5 % menachbehandlung. Die Rissentstehungs-
bis 10 % erreichbar. In den meisten Fällen orte sind in Bild 4-116 dargestellt. Danach
werden agglomerierte Pulver oder Fülldraht- sind die auf etwa 600 ’C bis 700 ’C durch die
elektroden (mit basischer Füllung) verwen- folgenden Lagen wiedererwärmten Bereiche
det. Die Einstellung der gewünschten chemi- der Grobkornzone in Anwesenheit von Zug-
schen Zusammensetzung der Plattierungs- spannungen die rissgefährdeten Zonen. Durch
schichten gelingt damit zuverlässiger und ein- ein geringeres Wärmeeinbringen beim Schwei-
facher. In Sonderfällen wird auch mit einer ßen wird die Breite der Grobkornzone, vor al-
auf dem Trägerwerkstoff aufgebrachten Me- lem aber die Korngröße in der Wärmeeinfluss-
tallpulverschicht gearbeitet. Mit dieser Maß- zone und damit die Rissneigung verringert.
nahme lässt sich die Vermischung erheblich Sicherer ist aber die Wahl von Stählen bestimm-
reduzieren und die geforderte chemische Zu- ter Zusammensetzung (besonders kritisch
sammensetzung der Plattierungsschicht wirt- verhalten sich die Elemente Nb, Ti, V!).
schaftlicher erreichen. Sehr bewährt hat sich
bei den MSG-Verfahren auch das Pendeln In Tabelle 4-42 sind kennzeichnende Bei-
der Drahtelektrode. spiele für die Arbeitsfolge beim Schweißplat-
tieren von V-Nähten angegeben. Als allge-
Die metallurgischen Vorgänge im Schweiß- meingültige Richtlinie kann die Empfehlung
gut und die zweckmäßige Wahl des Zusatz- gelten, den höherschmelzenden Werkstoff
werkstoffs lassen sich aus dem Schaeffler- zuerst zu schweißen. Mit dieser Reihenfolge
bzw. dem WRC-1992-Schaubild herleiten. In wird der Grad der Aufmischung deutlich ge-
erster Linie ist durch Wahl geeigneter Schweiß- ringer, d. h. auch der Umfang der nicht ge-
verfahren, Schweißparameter und vor allem wünschten metallurgischen Reaktionen. In
eines geeigneten Zusatzwerkstoffs für einen manchen Fällen erweist es sich als sinnvoll,
hinreichenden d -Ferritgehalt im Schweiß- auf den Grundwerkstoff zunächst eine hoch
gut zu sorgen, d. h. dessen Heißrisssicherheit nickelhaltige »Pufferschicht« aufzutragen.
sicherzustellen. Der normalerweise höhere Die Vorteile dieser teuren Maßnahme sind
Vermischungsgrad der ersten Lage darf au- Risssicherheit, hervorragende mechanische
ßerdem nicht zu rissanfälligem Mar tensit Gütewerte und eine nahezu perfekte Barrie-
führen. Die hierfür erforderlichen (Grenz-)
Bedingungen sind aus den genannten Schau-
bildern gut erkennbar. Die Kohlenstoffdiffu-
sion vom Trägerwerkstoff in Richtung des
sehr kohlenstoffarmen Plattierungswerk-
stoffs ist aus korrosionstechnischen Grün-
Grobkornzone Feinkornzone Ac 3 Ac 1
den sehr zu beachten (IK, Abschn. 2.8.3.4.1,
S. 208). Aus diesem Grund müssen i. Allg.
zwei, besser drei Lagen aufgebracht werden. Bereich der Unterplattierungsrisse

Die letzte Lage muss die für die vorliegende Bild 4-116
Korrosionsbeanspruchung erforderliche che- Entstehungsorte der Unternahtrisse beim Schweiß-
mische Zusammensetzung haben. plattieren, schematisch.
450
Tabelle 4-42
Beispiele für die Arbeitsfolge beim Schweißen plattierter Bleche, die eine V-Nahtvorbereitung haben, in Anlehnung an DIN EN ISO 9692-4 und
DIN EN 1011-5.

Ausführung für Plattierungs-


Bemerkungen für das Verbindungsschweißen von Stählen mit Plattierungen aus
werkstückdicken t

A B Nichtrostenden und hitzebeständigen Chrom- Nickel und Kupfer und


stählen und aus austenitischen Cr-Ni-Stählen Nickellegierungen

Arbeitsfolge
t < 5 mm t > 2,5 mm Kupferlegierungen

Schweißen des Schweißen des


Grundwerkstoffs (GW) Grundwerkstoffs (GW)

Schweißen des Grundwerkstoffs mit geeignetem Schweißzusatzwerkstoff. Beim Schweißen der Wurzel darf der
➊ Plattierungswerkstoff nicht angeschmolzen werden.

Plattierungs- Plattierungs-
GW werkstoff GW werkstoff

Wurzel so tief ausarbeiten, dass das fehler- Die Arbeitsfolge nach Ausfüh- Die Arbeitsfolge nach Ausfüh-
Plattierungsseite, Plattierungsseite,
hafte Schweißgut des Grundwerkstoffs erfasst rung B ist für Nickel und Ni- rung A ist für Kupfer und Kup-
Nahtvorbereitung und Nahtvorbereitung und wird. ckel-Legierungen nicht üblich. fer-Legierungen nicht üblich.
Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Schweißen der Kapplage Schweißen der Kapplage Kapplage entweder mit dem für den Grund- Wurzel so tief ausarbeiten, dass Kapplage bis Höhe Unterkante
werkstoff gewählten Schweißzusatzwerkstoff das fehlerfreie Schweißgut des der Plattierung mit einem dem

e
oder mit einem geeigneten hochlegierten, der Grundwerkstoffs erfaßt wird. Grundwerkstoff artgleichen Zu-
➋ Plattierung genügenden Schweißzusatzwerk- Kapplage mit einem dem Plattie- satzwerkstoff schweißen. Der
stoff schweißen. rungswerkstoff entsprechen-den Lötrissigkeit kann durch eine
Wird bei der Ausführung A die Kapplage mit dem Schweißzusatzwerkstoff schwei- Zwischenlage, z. B. aus Reinni-
für den Grundwerkstoff geeigneten Schweißzu- ßen. ckel [S Ni 2061 (NiTi3) nach
satzwerkstoff geschweißt, dann ist ein Sicher- DIN EN ISO 18274] begegnet
Plattierungs- Plattierungs-
GW werkstoff GW werkstoff heitsabstand e erforderlich, um ein Anschmel- werden.
zen des Plattierungswerkstoffs zu vermeiden.

Schweißen der Plattierung Schweißen der Plattierung Der Plattierungswerkstoff soll mit einem art- Der Plattierungswerkstoff ist mit Der Plattierungswerkstoff ist
gleichen oder höherlegierten Schweißzusatz- einem ihm entsprechenden Zu- mit einem ihm entsprechenden
werkstoff geschweißt werden; für die Auswahl satzwerkstoff zu schweißen. Zu- Zusatzwerkstoff zu schweißen.
des Schweißzusatzwerkstoffs ist maßgebend, satzwerkstoffe nach DIN EN Schweißzusatzwerkstoffe nach
dass die an die Plattierung gestellten Anforde- ISO 14343 bzw. DIN EN ISO DIN EN ISO 14343 bzw. DIN
➌ rungen auch von der Schweißnaht erfüllt wer- 24373 wählen. EN ISO 24373 wählen.
den. Geeignet sind Schweißzusatzwerkstoffe Die erste Lage ist als Zugraupe Die erste Lage ist als Zugraupe
Plattierungs- Plattierungs- nach DIN EN 1600 und DIN EN ISO 14343. mit möglichst niedriger Strom- mit möglichst niedriger Strom-
GW werkstoff GW werkstoff Angestrebt wird Schweißen in PA-(w-)Position. stärke zu schweißen. stärke zu schweißen.
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Schweißpanzern) 451

re für den Kohlenstoff, der nicht mehr in das ❐ Oberflächenzerrüttung: Gefügeänderun-


Auftragschweißgut diffundieren kann. gen und Rissbildung in der Oberfläche
als Folge dynamischer Beanspruchung.
4.3.8.3 Schweißpanzern ❐ Tribochemische Reaktionen: Chemische
Beim Schweißpanzern werden verschleißfes- Reaktionen – meistens Tribooxidationen
te (schlagartige, stoßende, reibende Beanspru- – die zwischen Körper und Gegenkörper
chung) Werkstoffschichten auf die Oberflä- ablaufen, bilden auf der Werkstoffoberflä-
che des beanspruchten Bauteils aufgetragen. che Reaktionsprodukte. Diese sind sehr
Die hierfür verwendeten Werkstoffe sind we- oft erwünscht, weil sie in vielen Fällen
gen der komplexen Verschleißerscheinungs- den verschleißfördernden Adhäsionspro-
formen meistens wesentlich komplizier ter zess erschweren.
zusammengesetzt, metallkundlich unüber-
sichtlicher und schweißtechnisch problema- Das Schweißpanzern erfolgt oft als Repara-
tischer als die Plattierungswerkstoffe (meis- turmaßnahme, aber wegen der großen wirt-
tens verformbare, korrosionsbeständige aus- schaftlichen und technischen Vorteile zuneh-
tenitische Werkstoffe, manchmal auch ferriti- mend auch als Fertigungsschritt bei neuen,
sche Chromstähle). Die werkstofflichen Pro- noch unbenutzten Werkstücken.
bleme beim Schweißen/Auftragen sind daher
meistens größer als bei jeder anderen Schwei- Die fachgerechte Auswahl des Zusatzwerk-
ßung unterschiedlicher Werkstoffe. stoffs erfordert genaue Kenntnisse des tribo-
logischen Systems (Beanspruchungsart: sto-
Unter Verschleiß versteht man einen fort- ßend, schlagartig, reibend; Verschleißsys-
schreitenden Materialverlust eines festen Kör- tem: Werkstoff/beanspruchender Körper; Um-
pers, hervorgerufen durch mechanische Ursa- gebungsbedingungen: Temperatur, zusätzli-
chen, d. h. Kontakt und Relativbewegung ei- che Korrosionswirkung). Entscheidend für
nes festen, flüssigen oder gasförmigen Kör- den Erfolg ist der Einsatz des für die jewei-
pers zu einem anderen. Die Verschleißvorgän- lige Beanspruchung geeigneten Panzerwerk-
ge können von einer zusätzlichen Korrosions- stoffs. Wegen der oft unübersichtlichen Zu-
beanspruchung überlagert sein (z. B. Ero- sammenhänge ist diese Wahl nur mit begründe-
sion, Kavitation, Abschn. 1.7.6.2.2 und 1.7.6.2.3). ter Erfahrung und meistens nach der »Trial-
Die Hauptverschleißmechanismen beruhen and-Error«-Methode zufriedenstellend zu tref-
auf den folgenden Vorgängen: fen. Außerdem müssen verschiedene wirt-
❐ Adhäsion: in der Kontaktfläche sich be- schaftliche Gesichtspunkte beachtet werden,
rührender Körper entstehen atomare Bin- denn die Panzerwerkstoffe – vor allem die
dungen (Mikroverschweißungen), die wie- hochlegierten – sind um ein Vielfaches teurer
der getrennt werden und dabei die Oberflä- als die gleiche Menge in Form von Gusswerk-
che des Werkstoffs zerstören. stoffen, s. a. Aufgabe 4-6, S. 482.
Abhilfe:
– Schmierfilm, Eine praxiserprobte Empfehlung besagt, dass
– Metall/Kunststoff- oder Metall/Kera- bei starkem abrasivem Verschleiß große Ober-
mikpaarungen. flächenhärten (weiche Matrix mit eingelager-
❐ Abrasion: Harte Partikel bzw. Oberflächen- ten harten Carbiden), bei hoher Druck-, Schlag-
rauheiten erzeugen durch Mikrospanen oder Stoßbeanspruchung zähe und vor allem
und Mikrobrechen im Oberflächenbereich stark verfestigbare Zusatzstoffe (Mangan-Aus-
Materialabtrag. tenite) zweckmäßig sind.
Abhilfe:
– Die Härte des beanspruchten Bauteils Zum Hartauftragen geeignete Schweißzusät-
muss größer sein als die der beanspru- ze nach DIN EN 14700, die Legierungskurz-
chenden Partikel, zeichen, ihre chemische Zusammensetzung
– Einlagern möglichst harter Partikel sowie umfangreiche Hinweise für ihren Anwen-
(Carbide, Laves-Phasen) in eine wei- dungsbereich sind in den Tabellen 4-43 und
che, zähe Matrix. 4-44 zusammengestellt.
452
Tabelle 4-43
Eignung der Schweißzusätze zum Hartauftragen für unterschiedliche Beanspruchungen, nach DIN EN 14700, Auswahl.

Legierungs- Anforderung Legierung/Gefüge Härtebereich


kurzzeichen
mechanisch thermisch chemisch riss- bearbeitbar
beständig
HB HRC
hohe Thermo-
Reibung Schlag Korrosion
Temperatur schock

A 3 und 4 2 und 3 4 4 4 1 1 ferritisch /martensitisch 150 bis 450 −

B 3 und 4 2 4 4 4 2 3 martensitisch − 30 bis 58

C 3 2 2 2 3 2 2 martensitisch (Carbide) − 40 bis 55


D 2 2 und 3 1 und 2 1 und 2 3 2 und 3 3 und 4 martensitisch + Carbide − 55 bis 65
E 2 2 1 und 2 1 und 2 1 und 2 1 1 und 2 ferritisch /martensitisch 250 bis 450 −
F 1 und 2 1 und 2 4 4 3 2 und 3 3 und 4 martensitisch + Carbide − 50 bis 65
Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

J 4 3 1 4 1 1 1 austenitisch 150 bis 250 −


K 1 4 2 4 4 4 4 martens./aust. + FeB − 55 bis 65
L 1 3 und 4 3 4 2 4 4 martens./aust. + Carbide − 40 bis 60
M 1 4 2 4 3 4 4 martens./aust. + Carbide − 55 bis 65
N 1 4 1 4 3 4 4 martens./aust. + Carbide − 60 bis 70
P 1 und 2 2 und 3 1 1 und 2 2 2 und 3 3 und 4 Co-Legierung − −
Q 1 2 2 4 2 1 und 2 4 W-Carbide in einer Matrix − −
S 2 und 3 2 1 1 2 1 2 Ni-Legierung 200 bis 400 −
T 3 und 4 2 und 3 4 4 1 2 und 3 2 CuAl-Legierung 200 bis 400 −
Eignungskriterien: 1: sehr gut, 2: gut, 3: geeignet, 4: nicht geeignet
1)
kaltverfestigungsfähig
Tabelle 4-44
Legierungskurzzeichen und chemische Zusammensetzung der Schweißzusätze für das Hartauftragen, nach DIN EN 14700, Auswahl.

Legierung- Eignung Chemische Zusammensetzung in Prozent (m/m)


kurzzeichen
C Cr Ni Mn Mo W V Nb andere Rest

A p ≤ 0,4 ≤ 0,3 − 0,5 bis 3 ≤1 ≤1 ≤ 1 − − Fe

C st 0,2 bis 0,5 1 bis 6 ≤5 0,5 bis 3 4 1 bis 10 0,1 bis 0,5 − Co Fe

D s t (p) 0,6 bis 1,5 2 bis 6 ≤4 0,5 bis 3 10 19 4 − Co Fe


E cprt ≤ 0,2 5 bis 30 ≤6 0,5 bis 3 2 − 1 1 − Fe
F gpt 0,2 bis 2 5 bis 18 − 0,5 bis 3 2 2 2 10 Si Fe
G k (n) p 0,3 bis 1,2 ≤ 17 ≤3 11 bis 18 2 − 1 − Ti Fe
I n z r (c) ≤ 0,3 18 bis 30 8 bis 20 0,5 bis 3 4 − − 1,5 − Fe
J c (n) z ≤ 0,08 17 bis 26 9 bis 26 0,5 bis 3 4 − − 1,5 − Fe
K g ≤ 1,5 ≤5 ≤4 0,5 bis 3 4 − − − B Fe
L g (r) 1,5 bis 4,5 25 bis 40 ≤4 0,5 bis 3 4 − − − − Fe
M g 4,5 bis 5,5 20 bis 40 ≤4 0,5 bis 3 2 − − 10 B Fe
O cktz ≤ 0,6 20 bis 30 ≤ 10 0,1 bis 2 10 15 − 1 Fe Co
P t z (c s) 0,6 bis 2,5 20 bis 35 ≤4 0,1 bis 2 − 4 bis 10 − − Fe Co
Q cgrtz Wolframcarbide (ungefähr 2400 HV 0,4) in einer NiCrBSi- oder Stahlmatrix
S ckptz ≤ 0,1 1 bis 25 Rest 0,3 bis 1 28 5 1 4 Co, Si, Ti Ni
T c (n) − − ≤6 ≤ 15 − − − − Al, Fe Cu

Eignung: c: korrosionsbeständig n: nicht magnetisierbar s: schneidhaltig


g: schmirgelbeständig p: schlagbeständig t: warmfest
k: kaltverfestigungsfähig r: rostbeständig z: hitzebeständig (zunderbeständig)
(): evt. nicht zutreffend für alle Legierungen dieser Einteilung
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Schweißpanzern)
453
454 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Die Auftragwerkstoffe können legierungssys- – Wegen des großen Wärmeausdehnungs-


tematisch nach DIN EN 14700, aber auch koeffizienten schrumpft die austenitische
nach verschleißtechnischen, mehr praxisbezo- Pufferschicht nach dem Schweißen des
genen Gesichtspunkten eingeteilt werden. Panzerwerkstoffs stärker als dieser und
Danach lassen sich die folgenden Auftrag- der Grundwerkstoff. Die sich dadurch auf-
werkstoffe unterscheiden: bauenden Druckspannungen können einen
❐ Legierungen zum Ergänzen verschlisse- Teil der gefährlichen rissbegünstigenden
ner Bauteile. Zug-Schweißeigenspannungen abbauen,
Hierfür eignen sich vorwiegend niedrig- ohne dass in der zähen Pufferschicht Ris-
legierte, niedriggekohlte Werkstoffe, die se entstehen.
eine gute Schweißeignung haben. Das Ge- – Das in den austenitischen Pufferschich-
füge des Schweißguts ist überwiegend ten enthaltene Legierungselement Nickel
(ferritisch-)perlitisch-bainitisch. verringert die metallurgischen »Unverträg-
❐ Legierungen für Metall/Metall-Verschleiß. lichkeiten« des Legierungssystems Grund-
Lufthärtende, martensitische, höhergekohl- werkstoff/Panzerwerkstoff in einem erheb-
te (… 0,7 % C) legierte Stähle mit Schweiß- lichen Umfang, wodurch sich verspröden-
guthärten zwischen 45 HRC und 60 HRC de Phasen nicht bilden bzw. ihre Entste-
eignen sich für diese Verschleißbeanspru- hung sehr erschwert wird, s. Abschn.
chung. 4.1.5.
❐ Legierungen für einen extremen Metall/ – Große Unterschiede der Wärmeausdeh-
Abrasionsverschleiß (Erdreich, Stein). nungskoeffizienten von Grundwerkstoff
Hochgekohlte (2 % bis 7 %) Chromstähle und Auftragwerkstoff können mit einer
(bis 40 % Cr) mit in die Matrix eingela- Pufferschicht ausgeglichen werden, deren
gerten Carbiden sind für diese Beanspru- Wärmeausdehnungskoeffizient zwischen
chungsform besonders gut geeignet. denen beider Werkstoffe liegt. Dies ist vor
❐ Legierungen für extremen abrasiven Ver- allem bei Beanspruchungen erforderlich,
schleiß. die thermisch induzierte Dehnungen er-
Wolframcarbid-Pulver in Stahlröhrchen, zeugen.
die mit einem Lichtbogenschweißverfah-
ren verschweißt werden, ergeben eine zä- Die Anwendung der sehr teuren, nur mit ge-
he Schweißgutmatrix (aus dem Stahlman- ringer Wärmezufuhr schweißbaren Puffer-
tel), in die Carbide (40 % bis 60 %) einge- schichten ist grundsätzlich dann erforder-
lagert sind, die durch den Schweißpro- lich bzw. sinnvoll, wenn zwischen dem Auf-
zess nicht verändert werden (dürfen). Zum trag- und dem Grundwerkstoff keine risssi-
Auftragen eignet sich aus diesem Grun- chere bzw. keine betriebssichere Verbindung
de das Gasschweißverfahren sehr gut, hergestellt werden kann. Im Folgenden sind
weil sich die »Wärme« und der »Zusatzwerk- einige Gründe aufgeführt, die das Vorlegen
stoff« in einfacher und zuverlässiger Wei- einer Pufferschicht aus werkstofflichen Grün-
se getrennt zuführen lassen. den notwendig machen können:

Wegen der komplexen werkstofflichen bzw. ❐ Bilden spröder Übergangszonen:


metallurgischen Wechselwirkungen zwischen – Beim Verbinden metallurgisch sehr
Auftragschicht und Grundwerkstoff wird auch unterschiedlicher Werkstoffe bilden
aus anderen Gründen häufig mit Pufferla- sich in der Wärmeeinflusszone harte,
gen gearbeitet. Meistens wird als Pufferschicht spröde Gefüge (Martensit, intermedi-
ein austenitischer, zäher (fast immer Nickel- äre Phasen, Ausscheidungen).
Basis-Werkstoffe) Werkstoff verwendet. Die – Der Grundwerkstoff neigt während des
Vorteile sind: Schweißens, z. B. wegen einer unzurei-
– Rissfreies Aufnehmen bzw. Abbauen der chenden Verformbarkeit, zur Rissbil-
Schweißeigenspannungen durch leichtes dung.
Plastifizieren der austenitischen Puffer- ❐ Die Wärmeausdehnungskoeffizienten von
schicht. Grund- und Panzerwerkstoff weichen er-
Abschn. 4.3: Schweißen der wichtigsten Stahlsorten (Schweißpanzern) 455

Werkstoffpaarung Eigenschaften der Pufferschicht bzw. des Verbundsystems

Puffern der Stahlseite mit S Ni 2061 (NiTi3). Das Eindringen des Cu


S Ni 2061 (NiTi3) CuSn1 in den Stahl (Lotbruch) wird damit sicher unterbunden. Bei einer
anderen Technik wird die Cu-Seite mit NiCu30Mn3Ti gepuffert. Durch
Stahl Cu
die geringere Wärmeableitung der gepuf fer ten Cu-Seite muss diese
anstatt auf 450 ’C bis 500 ’C nur auf 150 ’C bis 300 ’C vorgewärmt wer-
den. Möglich (teuer!) ist auch ein zweilagiges Puffern der Stahlseite
mit S Cu 1898 (CuSn1) oder S Cu 1897 (CuAg1).

Extreme metallurgische Unverträglichkeit zwischen Cu und Fe. Inten-


S Ni 2061 (NiTi3) NiTi3
sives Eindiffundieren des Cu erzeugt eine tiefe und extrem verästelte
Lötrissigkeit auf der CrNi-Stahlseite. Daher dürfen für die Verbindung
Cu CrNi - Stahl Cr-Ni-Stahl/Cu in keinem Fall Cu-Basis-Zusatzwerkstoffe verwendet
werden. Zwei Ni-Pufferschichten auf der Cu-Seite verhindern die Cu-
Diffusion und damit die Lötrissigkeit sehr zuverlässig.

S Ni 4060 (NiCu30Mn3Ti) S Ni 4060


Die Stahlseite wird mit zwei Pufferschichten S Ni 4060 (NiCu30Mn3Ti)
Stahl CuNi
versehen und anschließend mit Zusatzwerkstoff vom Typ CuNi30 fer-
tiggeschweißen.

z. B. CrNi-24-13 CrNi-18-18

Ohne Puffern ergibt sich abhängig vom Aufschmelzgrad ein härteriss-


und evtl. heißrissanfälliges Schweißgut. Mehrere Plattierungslagen
wegen ansonsten unzureichender Korrosionsbeständigkeit sind in jedem
Fall erforderlich.
Stahl

z. B. Stellit (C ³ 0,7 %) hochnickelhaltig


Bei höheren Betriebstemperaturen kann C vom hoch kohlenstoffhalti-
gen Stellit-Schweißgut in die WEZ des Grundwerkstoffs diffundieren
und zur Versprödung führen. Hoch nickelhaltige Pufferschichten ver-
hindern die C-Diffusion nahezu vollständig, Versprödungserscheinungen
Stahl treten nicht auf.

Bild 4-117
Werkstoffpaarungen, die ein Puffern des Grundwerkstoffs beim Verbindungs- bzw. Auftragschweißen unter-
schiedlicher Werkstoffe erforderlich machen können. Die in den Bildern verwendete Bezeichnung »Stahl«
bedeutet immer einen (niedriggekohlten) unlegierten oder (niedrig-)legierten Baustahl.

heblich voneinander ab. Die großen Span- ter unterschiedlicher Werkstoffe, bei denen
nungsgradienten an der Phasengrenze die Verwendung von Pufferschichten metal-
flüssig/fest können durch Plastifizierung lurgisch sinnvoll sein kann.
der zähen Pufferschicht leichter abgebaut
werden, s. a. Bild 4-112. Eine entscheidende Voraussetzung für das
❐ Eine hohe Stoß-, Schlag- oder Druckbean- Herstellen hochwertiger Schweißverbindun-
spruchung kann zum Abplatzen bzw. Aus- gen mit nickel- bzw. hoch nickelhaltigen Zu-
brechen der Panzerschicht führen. satzwerkstoffen ist die extreme Sauberkeit
❐ Die leicht plastifizierbare Pufferschicht der Schweißstelle. Außerdem muss der Grad
kann Stöße und Schläge rissfrei »aufneh- der Aufmischung des Schweißguts kontrol-
men«. liert werden, da anderenfalls das nickelhal-
tige Schweißgut durch den höheren Schwe-
Bild 4-117 zeigt einige Beispiele von Verbin- fel- und Phosphorgehalt des Grundwerkstoffs
dungs- und Auftragschweißungen bekann- heißrissanfällig wird.
456 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

4.4 Eisen-Gusswerkstoffe – Urformgebung bedeutet erhöhte wirt-


schaftliche Fertigung.
Die technische und wirtschaftliche Bedeu-
tung der einzelnen Eisen-Gusswerkstoffe lässt Stahlguss wird überwiegend im Induktions-
sich aus der von der Deutschen Gießerei-In- oder Lichtbogenofen hergestellt. Die in den
dustrie für das Jahr 2007 veröffentlichten letzten Jahren stark gestiegenen Anforde-
Statistik abschätzen. Danach entfallen bei ei- rungen an die mechanischen Eigenschaften
ner Jahresproduktion von 4,8 Millionen Ton- – vor allem die Zähigkeitseigenschaften –
nen 95 % auf Gusseisen (Gusseisen mit Lamel- und ihre Gleichmäßigkeit, den Reinheits-
lengrafit, EN-GJL; mit Kugelgrafit, EN-GJS; grad und die erforderlichen sehr engen Ana-
mit vermicularem Grafit, ISO/JV), 1 % auf lysengrenzen der Legierungselemente kön-
Temperguss [EN-GJMB/W, weißer W (Whi- nen mit den Methoden der Sekundärmetal-
te), schwarzer B (Black)] und 4 % auf Stahl- lurgie (Abschn. 2.3.1.1, S. 128) sicher erfüllt
guss (G, GS, GE, GX). Die Produktion und da- werden.
mit die Bedeutung der duktilen Gusssorten
(EN-GJS) nimmt zu, die der Stahlgusswerk- Stahlguss besitzt eine gute Schweißeignung,
stoffe und der Tempergusssorten dagegen die wie bei den Walz- und Schmiedestählen
kontinuierlich ab. mit einem ausreichend geringen Kohlenstoff-
( 0,23 %) und Verunreinigungsgehalt ereicht
Beim Fertigungsverfahren Gießen erfolgt wird. Allerdings sind bei Schweißarbeiten
die Formgebung von der Schmelze bis zur die in der Regel sehr viel größeren Wanddi-
Endform (entspricht häufig dem verwen- cken und der größere Kohlenstoff- und meis-
dungsfertigen Fertigteil) des Werkstücks in tens auch der größere Legierungsgehalt so-
einem Arbeitsschritt. Diese Tatsache ermög- wie die typischen Eigenschaften von Guss-
licht eine große, aber aus technisch-wirtschaft- gefügen (dendritisches (Widmannstätten-)
lichen Gründen eine nicht unbegrenzte Ge- Gefüge, insbesondere deutlich geringere Zä-
staltungsfreiheit der Gusskonstruktionen. higkeit im Vergleich zu einem analysenglei-
Aufgrund der in der Gießform einzuhalten- chen Walzstahl!) der Stahlgusswerkstoffe zu
den strömungstechnischen Erfordernisse müs- berücksichtigen.
sen bestimmte konstruktive Besonderheiten
bei einer Gusskonstruktion beachtet werden. 4.4.1.1 Stahlguss für allgemeine
Die gerichtete Erstarrung der Schmelze, das Verwendung
»Dichtspeisen« des Werkstücks und das Ver- Stahlguss für allgemeine Verwendung um-
meiden von großen Wanddickenunterschieden fasst die bisherigen nach DIN 1681, die nied-
sind absolut notwendige Forderungen an eine riglegierten nach DIN 17182, die bei gleichen
gießgerechte Konstruktion. Festigkeitseigenschaften über eine erhöhte
(Kerbschlag-)Zähigkeit und eine deutlich ver-
besserte Schweißeignung verfügen. Seit Er-
4.4.1 Stahlguss (G, GS, GE, GX) scheinen der DIN EN 10293 werden beide
genannten Normen zurückgezogen, s. Tabel-
Stahlguss ist in Formen gegossener Stahl mit le 4-45. Diese Stahlgusssorten werden in der
einem Kohlenstoffgehalt von meistens unter Hauptsache bei Betriebstemperaturen zwi-
1 %. Er ist mit allen Formverfahren herstell- schen  10 ’C und 300 ’C eingesetzt.
bar, wie z. B. dem Hand-, Maschinen, Mas-
ken- und Keramikformverfahren. Stahlguss Stahlguss wird vor allem aus werkstoffab-
zeichnet sich durch folgende technische und hängigen Gründen vor der Auslieferung prak-
wirtschaftliche Vorteile aus: tisch ausnahmslos wärmebehandelt. Man
– Nahezu freie Gestaltungsmöglichkeiten, unterscheidet die folgenden Wärmebehand-
– Wanddicke und Bauteilgröße sind kaum lungsverfahren:
begrenzt, – Vorbereitende: verschiedene vom Werk-
– praktisch isotrope mechanische Eigen- stoff bzw. vom Gießprozess abhängige
schaften des Bauteils, Nachteile werden beseitigt. Die angewen-
Abschn. 4.4: Eisen-Gusswerkstoffe (Stahlguss) 457

deten Wärmebehandlungsverfahren sind Fertigungsschweißen


das Normalglühen, das Weichglühen und Unter Fertigungsschweißen sind Schweiß-
das Spannungsarmglühen mit denen z. arbeiten zu verstehen, die zum Beseitigen
B. Kristallseigerungen in gewissem Um- fertigungsbedingter Fehlerstellen – z. B. Lun-
fang beseitigt werden und ein feineres Ge- ker, Risse, Oberflächenfehler – am Gussstück
füge für ein nachfolgendes Vergüten er- notwendig sind. Mit ihnen wird die gewünsch-
zeugbar ist. Für Schweißarbeiten ist vor te/erforderliche äußere und innere Beschaf-
allem das Umwandeln des für Gusswerk- fenheit des Gussstücks erreicht. Die Schweiß-
stoffe typischen Widmannstättenschen zusatzstoffe und die Schweißbedingungen
Gefüges in das feinkörnige normalgeglühte müssen so gewählt werden, dass ein mög-
von großer Bedeutung. lichst artgleiches Schweißgut herstellbar ist.
– Qualitätsbestimmende: das geforderte/ Hinweise zur Wahl geeigneter Zusatzwerk-
gewünschte Eigenschaftsprofil des Werk- stoffe enthält Tabelle 4-45.
stoffs ist nur mit besonderen Wärmebe-
handlungen erzeugbar. Diese qualitäts- Werkstoffe, deren Kohlenstoffgehalt unter
bestimmende Maßnahme muss daher in 0,15 % liegt, werden mit den in DIN 499 ge-
Normen, Regelwerken und (oder) Kunden- normten basischen Stabelektroden und bei
spezifikationen festgelegt sein. Angewen- Werkstückdicken über 30 mm mit den in Ta-
det werden die Wärmebehandlungen Nor- belle 4-45 angegebenen Vorwärmtempera-
malglühen (Einstellen eines feinkörni- turen geschweißt. Ein Normalglühen vor dem
gen, d. h. ausreichend zähen Gefüges), Schweißen ist wegen der schlechten Zähig-
Vergüten (Härtungsgrad möglichst 100 % keit des Widmannstättenschen Gussgefüges
bzw. Erzeugen eines nur aus Martensit dringend zu empfehlen und bei Kohlenstoffge-
und Bainit bestehenden Gefüges) sowie halten über 0,15 % in jedem Fall vorzusehen.
das Spannungsarmglühen [Beseitigen der Ein Vergleich der Bilder 4-118 und 4-119 zeigt
(Eigen-) Spannungen]. den außerordentlichen Einfluss des Normal-
glühens auf die Kerbschlagarbeit. Ein Span-
Schweißarbeiten an Stahlguss werden aus nungsarmglühen nach dem Schweißen soll
unterschiedlichen Gründen durchgeführt: bei Bauteilen aus normalgeglühten Sorten
– Fertigungsschweißen, bei 600 ’C bis 640 ’C und bei den aus vergü-
– Instandsetzungsschweißen, teten mindestens 20 K bis höchstens 50 K
– Konstruktionsschweißen. unter der Anlasstemperatur erfolgen.

Bild 4-118 Bild 4-119


Mikrogefüge eines Stahlgusswerkstoffs GE240 (GS-45) Mikrogefüge des Stahlgusswerkstoffs in Bild 4-118,
im Anlieferzustand, KV (Raumtemperatur) = 14 J, aber normalgeglüht, KV (Raumtemperatur) = 64 J,
HV 1 = 127, 2 % HNO3 , V = 500:1. HV 1 = 175, 2 % HNO3 , V = 500 :1.
458 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Tabelle 4-45
Mechanische Eigenschaften der Stahlgusssorten für allgemeine Verwendung, nach DIN EN 10293, Auswahl.

Mechanische Eigenschaften bei RT


Wärmenach-
Stahlgusssorten Wanddicke t
behandlung 1)
Rp0,2, min. Rm A5, min. KV, min. 2)

Kurzname Symbol mm N/mm2 N/mm2 % J

Unlegierte Stahlgusssorten

GE200 + N 3) ≤ 300 200 380 bis 530 25 27/RT 4)


GS200 + N 3) ≤ 100 200 380 bis 530 25 35/RT
GE240 + N 3) ≤ 300 240 450 bis 600 22 27/RT
GS240 + N 3) ≤ 100 240 450 bis 600 22 31/RT
≤ 30 300 600 bis 750 15 27/RT
GE300 + N 3)
> 30 bis ≤ 100 300 600 bis 750 18 31/RT

(Niedrig-)legierte Stahlgusssorten

27/−30
G17Mn5 + QT 3), 5) ≤ 50 240 450 bis 600 24
60/RT
+ N 3) ≤ 30 300 480 bis 620 20 27/−30
G20Mn5
+ QT 3), 5)
≤ 100 300 500 bis 650 22 27/−40
+ QT1 ≤ 50 550 700 bis 800 12 27/−20
G24Mn6 + QT2 3) ≤ 100 500 650 bis 800 15 27/−30
+ QT3 3) ≤ 150 400 600 bis 800 18 27/−30
+ N 3) ≤ 250 260 520 bis 670 18 27/RT
G28Mn6 + QT1 5) ≤ 100 450 600 bis 750 14 35/RT
+ QT2 5) ≤ 50 550 700 bis 850 10 31/RT
+ QT1 5)
≤ 50 700 850 bis 1000 10 27/RT
G15CrMoV6-9
+ QT2 5) ≤ 50 930 980 bis 1150 6 27/RT
G20Mo5 + QT 5) ≤ 100 245 440 bis 590 22 60/RT
G17CrMo5-5 + QT 3), 5) ≤ 100 315 490 bis 690 20 27/RT
G17CrMo9-10 + QT 3), 5)
≤ 150 400 590 bis 740 18 40/RT
G9Ni14 + QT 5) ≤ 30 380 550 bis 700 20 27/−90
G17NiCrMo13-6 + QT 3), 5) ≤ 200 600 750 bis 900 10 35/RT

Hochlegierte Stahlgusssorten

GX3CrNi13-4 + QT3 3) ≤ 300 500 700 bis 900 15 27/−120


+ QT1 3) ≤ 300 540 780 bis 980 15 60/RT
GX4CrNi16-4
+ QT2 3) ≤ 300 830 1000 bis 1200 10 27/RT
GX4CrNiMo16-5-1 + QT1 3) ≤ 300 540 760 bis 960 15 60/RT
GX23CrMoV12-1 + QT1 3), 5)
≤ 100 540 740 bis 880 15 27/RT

1)
+ N: Normalisieren; + QT: Abschrecken und Anlassen (Quench and Tempered)
2)
bei zwei Kerbschlagarbeiten
3)
Luftabkühlen (nur zur Information)
4)
J/RT = KV in J bei Raumtemperatur (31/RT) bzw. anderer Temperatur (27/−100)
5)
Flüssigkeitsabkühlen (nur zur Information)
Tabelle 4-46
Mechanische Eigenschaften (Mindestwerte bei Raumtemperatur) und Angaben zum Konstruktionsschweißen der hochfesten Stahlgusssorten nach
SEW 520, Auswahl.

Stahlgusssorte (Kurzname) nach Mechanische Eigenschaften Angaben zum Schweißen

EN 10027-1 DIN 17006 R p0,2 Rm A5 KV Geeigneter Schweißzusatz Vorwärm- und Glühtemperatur


nach DIN EN 757 1) Zwischenlagen- nach dem
temperatur 2) Schweißen 3)

N/mm2 N/mm2 % J °C °C

400 600 bis 750 18 60 EY 42 65 Mn B - EY 50 65 NiMo B 300 560


G24Mn7 GS-24 Mn 6
500 650 bis 800 15 50 EY 55 76 NiMoB 300 560
600 730 bis 880 12 40 EY 69 75 Mn 2 NiCrMo B H5 250 580
G17CrMnMo5-5 GS-17 CrMnMo 5 5
700 820 bis 970 12 50 EY 89 53 Mn 2 Ni 1 CrMo B 250 580
500 700 bis 850 18 50 EY 55 76 2 NiMo B 250 580
G19CrMo9-10 GS-19 CrMo 9 10
650 750 bis 900 15 40 EY 69 75 Mn 2 NiCrMo B 250 630

G12MnMo7-4 GS-12 MnMo 7 4 500 600 bis 750 16 50 EY 50 65 1 NiMo B 300 570

400 550 bis 700 16 55 EY 50 65 1 NiMo B 300 570


G20MnMoNi5-5 GS-20 MnMoNi 5 5
450 600 bis 750 16 45 EY 50 65 1 NiMo B 300 300

G14NiCrMo10-6 GS-14 NiCrMo 10 6 550 650 bis 800 16 90 EY 55 76 2 NiMo B H5 300 600
4)
550 760 bis 900 15 50 13 4 B 20 300 580
GX5CrNi13-4 G-X 5 CrNi 13 4
920 980 bis 1130 10 27 X 3 CrNi 13 4 4) 5) 300 420
1)
Falls nach dem Schweißen spannungsarm geglüht wird, sind Schweißzusätze zu wählen, die ein Schweißgut ergeben, das im spannungsarmgeglühten Zustand die erfor-
derlichen Werte der mechanischen Eigenschaften aufweist, z. B. DIN EN 757 - ESY 42 65 Mn B.
2)
Mindest-Werkstücktemperatur etwa 20 °C, die zweckmäßige Vorwärmtemperatur ist abhängig von der Wanddicke, Bauteilform und dem Eigenspannungsniveau.
3)
Soweit ein Glühen nach dem Schweißen erforderlich ist (siehe SEW 520, Abschn. 6.6.4).
4)
Schweißzusatz nach DIN EN 1600 bzw. DIN EN ISO 14343.
5)
WIG-Verfahren.
Abschn. 4.4: Eisen-Gusswerkstoffe (Stahlguss)
459
460 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Instandsetzungsschweißen – Große Bauteile lassen sich fertigungstech-


Betriebsschäden an Bauteilen durch das Ein- nisch einfacher, prüftechnisch besser und
wirken mechanischer und korrosiver Bean- mit erheblich geringerem Ausschuss her-
spruchungen werden durch das Instandset- stellen.
zungsschweißen beseitigt. Die hierbei zu be- – Die Lage der Schweißnähte lässt sich be-
achtenden schweißtechnischen und ferti- anspruchungs- und gießgerecht wählen,
gungstechnischen Maßnahmen sind ähnlich und die erforderlichen Nahtformen kön-
wie bei jeder anderen Reparaturschweißung nen bereits angegossen werden.
an Stahl. Dazu gehören das Ausarbeiten der – Die Herstellung wird erleichtert bzw. be-
fehlerhaften Stelle(n) und die Kontrolle auf schleunigt und die Wirtschaftlichkeit in
evtl. noch nicht vollständig beseitigte Risse der Regel verbessert.
mit zerstörungsfreien Prüfverfahren (das – Eine ausreichende Schweißeignung der
Farbeindringverfahren wird wegen seiner Werkstoffe kann einfach sichergestellt
einfachen Handhabung und leichten Verfüg- werden.
barkeit sehr oft verwendet) sowie die Fugen-
vorbereitung. Der Flankenwinkel der gewähl-
ten Naht sollte mindestens 15 ’ betragen,
Bild 4-120. Bei den Schweißarbeiten sind die
gleichen Maßnahmen und Überlegungen an-
zuwenden wie beim Fertigungsschweißen (z.
B. Wärmevor- bzw. -nachbehandlung, Zusatz-
werkstoffe).

Konstruktionsschweißen
Große Bauteile werden häufig aus kleineren
Einzelteilen, die aus gleichen oder unter-
schiedlichen Werkstoffen (z. B. Plattieren) be-
stehen können, durch das Schweißen her-
gestellt. Da im Gegensatz zum Fertigungs-
schweißen dieser Fertigungsablauf im vor-
Bild 4-121
aus festgelegt wird, lassen sich zum Errei- Pumpengehäuse (GX12Cr14) als Stahlguss-Verbund-
chen der im Folgenden genannten techni- Schweißkonstruktion. Die Schweißnähte werden
schen und wirtschaftlichen Vorteile optima- US-geprüft, nach Georg Fischer AG.
le Voraussetzungen schaffen:
– Verbundkonstruktionen mit einer hohen Bild 4-121 zeigt ein typisches Beispiel einer
Bauteilsicherheit, bestehend aus mit Guss- Stahlguss-Verbundkonstruktion. Das Guss-
teilen verschweißten Walzprofilen, Schmie- teil (GX12Cr14) des Pumpengehäuses für
destücken, Blechen und Rohren, sind wirt- den Sekundärkreislauf eines Wärmekraft-
schaftlich herstellbar. werks wird an beiden Vorschuhenden mit
nahtlosen Rohren und geschmiedeten Rin-
³
15
°
Riss gen aus artgleichen (Walz-)Werkstoffen durch
Schmelzschweißen verbunden.

4.4.1.2 Hochfester schweißgeeigneter


Stahlguss
Die Fortschritte der Sekundärmetallurgie
6

er möglichten die Entwicklung hochfester


a) b) schweißgeeigneter (vergüteter) Stahlguss-


werkstoffe, an deren Reinheit sehr viel grö-
Bild 4-120
Instandsetzungsschweißen an Stahlguss. ßere Anforderungen zu stellen sind als an die
a) Ausarbeiten der fehlerhaften Stelle, Sorten für allgemeine Verwendungszwecke.
b) instandgesetztes Bauteil. Der Werkstoff wird i. Allg. im Elektrolichtbo-
Abschn. 4.4: Eisen-Gusswerkstoffe (Stahlguss) 461

Tabelle 4-47
Mechanische Eigenschaften der nichtrostenden Stahlgusssorten nach DIN EN 10213, DIN EN 283 und
SEW 410 bei Raumtemperatur, Auswahl.

Stahlgusssorte Wanddicke Mechanische Eigenschaften


max.
0,2%-Dehn- 1%-Dehn- Zugfestig- Bruch- KV
grenze, grenze, keit dehnung (Charpy-V)
min. min. Rm A min.

Kurzname mm N/mm2 N/mm2 N/mm2 % J

Martensitische Sorten

GX12Cr12 1) 150 450 − ≥ 20 15 20


GX7CrNiMo12-1 1) 300 440 − ≥ 590 15 27
GX20Cr14 3) 150 440 − 590 bis 790 12 −
GX22CrNi17 3) 150 590 − 780 bis 980 4 −
GX4CrNi13-4 + QT1 2) 300 550 − ≥ 760 15 −
GX4CrNiMo16-5-1 2) 300 540 − ≥ 760 15 50
GX5CrNiCu16-4 + QT2 2) 300 1000 − ≥ 1100 5 20

Ferritisch-carbidische Sorten

GX70Cr29 3) 150 − − − − −
GX120Cr29 3) 150 − − − − −
GX120CrMo29-2 3) 150 − − − − −
GX40CrNi27-4 3) 150 − − − − −
GX40CrNiMo27-5 3) 150 − − − − −

Ferritisch-austenitische Sorten

GX2CrNiN26-7 2) 150 420 − ≥ 590 20 30


GX2CrNiMoN22-5 1), 2) 150 420 − 600 bis 800 20 30
GX2CrNiMoCuN24-6-5 3) 150 480 − 690 bis 890 22 50
GX2CrNiMoCuN24-6-2-3 3) 150 450 − 650 bis 850 23 60
GX2CrNiMoN25-6-3 2) 150 480 − ≥ 650 22 50
GX2CrNiMoCuN26-6-3 3) 200 480 − 650 bis 850 22 60
GX2CrNiMoCuN25-6-3-3 1), 2) 150 480 − 650 bis 850 22 50
GX2CrNiMoN25-7-3 3) 150 480 − ≥ 650 22 50
GX3CrNiMoWCuN27-6-3-1 3) 150 480 − 650 bis 850 22 60
GX2CrNiMoN26-7-4 1), 2) 150 480 − 650 bis 850 22 50

Austenitische Sorten

GX2CrNi19-11 1), 2) 150 185 210 440 bis 640 30 80


GX2CrNiMo19-11-2 1), 2) 150 195 220 440 bis 640 30 80
GX5CrNiMo19-11-2 1), 3) 150 185 210 440 bis 640 30 60
GX5CrNiMoNb19-11-2 2), 3) 150 185 210 440 bis 640 25 40
GX5CrNiMo19-11-3 2) 150 205 230 ≥ 440 30 60
GX2CrNiMoN17-13-4 2) 150 210 235 440 20 50

Vollaustenitische Sorten

GX2CrNiMoCuN20-18-6 2) 50 260 285 ≥ 500 35 50


GX1NiCrMoCuN25-20-5 3) 200 200 225 440 bis 640 20 60
GX2NiCrMoCuN25-20 3) 200 200 225 440 bis 640 20 60
GX2NiCrMoCu25-20-6 2) 50 210 210 ≥ 480 30 60

1)
Nach DIN EN 10213-1
2)
Nach DIN EN 10283
3)
Nach SEW 410
462 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

genofen vorgeschmolzen und in einem Kon- 4.4.1.3 Legierter Stahlguss


verter entweder unter einer Inertgasatmo- Ähnlich wie bei Walzstählen, Abschn. 2.8.4,
sphäre oder unter Vakuum nachbehandelt. S. 214, und Abschn. 4.3.7, unterscheidet man
Ein effektives Entgasen ist nur mit der Vaku- den
umbehandlung möglich. Die Folge ist in ers- – martensitischen,
ter Linie eine erhebliche Verbesserung der – ferritisch-carbidischen,
Zähigkeit und damit der Schweißeignung vor – austenitisch-ferritischen (Duplex),
allem bei den niedriggekohlten Stahlguss- – austenitischen Stahlguss, Tabelle 4-47.
sorten (z. B. G17Mn5). Die guten Zähigkeits-
werte in der WEZ bleiben bei diesen Sorten Von den martensitischen Stahlgusssorten
auch ohne eine Wärmenachbehandlung weit- sind vor allem die niedriggekohlten, delta-
gehend erhalten. ferritfreien weichmartensitischen Sorten (z.
B. GX12Cr12, GX4CrNiMo16-5-1) sehr gut
Die heute verfügbaren Sorten sind in den schweißgeeignet. Wegen ihrer guten Erosi-
Festigkeitseigenschaften und in der Schweiß- ons- und Kavitationsbeständigkeit werden
eignung mit den hochfesten Walzstählen (Ab- sie für Gebläse-, Pumpenräder und im Was-
schn. 2.7.6, S. 184, und 4.3.2) vergleichbar. serturbinenbau eingesetzt.
Die erforderlichen schweißtechnischen Maß-
nahmen entsprechen daher weitgehend de- Der austenitisch-ferritische-Stahlguss wird
nen, die auch bei den (normalgeglühten bzw. wegen seiner ausgezeichneten Festigkeits-
vergüteten) Walzstählen zu ergreifen sind. und Korrosionseigenschaften im Meerwas-
In jedem Fall sollten die Stähle aber eine wär- ser- und REA-Bereich angewendet. Die Loch-
menachbehandelt werden (Nor malglühen fraßbeständigkeit ist gut, weil der diese Ei-
oder Spannungsarm- bzw. Anlassglühen). genschaft beschreibende Parameter L
Sie werden wegen ihrer Vorzüge für Schweiß-
L Cr  3,3 ¹ Mo  16 ¹ N
verbundkonstruktionen in vielen Bereichen
der Technik eingesetzt (Brücken-, Berg-, zwischen 28 und 41, Gl. [4-30], liegt. Die beim
Fahrzeug-, Schienenfahrzeug-, Hochbau, Off- Schweißen zu ergreifenden Maßnahmen sind
shore-Bereich, hier z. B. die schweiß- und mit denen bei den gewalzten Duplexstählen
fertigungstechnisch extrem aufwändigen vergleichbar.
Knotenkonstruktionen!).
Die Schweißeignung der austenitischen Stahl-
Die mechanischen Eigenschaften und ver- gusssorten gilt als problemlos. Die metallurgi-
schiedene zum Schweißen erforderliche An- schen Vorgänge im Schweißgut können mit
gaben der auch nach SEW 520 genormten dem von Schoefer für Stahlguss entwickelten
hochfesten Stahlgusssorten sind in Tabelle Ferritschaubild ASTM A 800 beschrieben
4-46 zusammengestellt. werden.

Unter Vergütungsstahlguss (DIN EN 10293)


versteht man niedriglegierte, hochfeste ver- 4.4.2 Gusseisen (EN-GJL, alt: GG;
gütete Stahlgusssorten mit Mindeststreck- EN-GJS, alt: GGG;
grenzen von etwa 900 N/mm2 (z. B. die Sorte ISO/JV, alt: GJV)
G17NiCrMo13-6). Sie sind alle ebenso gut
schweißgeeignet wie die in SEW 520 genorm- Die Bezeichnung Gusseisen wird als Ober-
ten Sorten, Tabelle 4-46. Das gilt besonders begriff für Eisen-Kohlenstoff-Legierungen
dann, wenn Einschränkungen in der Wärme- mit lamellarem (EN-GJL), kugelförmigem
behandlung bestehen. Gerade bei hoch bean- (EN-GJS) und vermicularem (älter: GJV,
spruchten Konstruktionen erweist sich die neu: ISO/JV) Grafit verwendet.
Fertigungsmethode »Gießen« als vorteilhaft,
weil die verfahrensbedingte Gestaltungsfrei- Eutektische oder naheutektische Eisen-Koh-
heit eine beanspruchungsgerechte Formge- lenstoff-Legierungen bezeichnet man metall-
bung sehr erleichtert. kundlich als Gusseisen. Diese Legierungen
Abschn. 4.4: Eisen-Gusswerkstoffe (Gusseisen) 463

besitzen hervorragende Gießeigenschaften, sind. Damit entfällt die extreme Sprödigkeit


die aber sehr stark von der chemischen Zu- des lamellaren Gusseisens. Die Eigenschaf-
sammensetzung und der Abkühlgeschwin- ten dieses vermicularen Gusseisens liegen
digkeit abhängen. Je nach der Form des im etwa zwischen denen von Gusseisen mit La-
Gefüge vorliegenden Kohlenstoffs unterschei- mellenform und Gusseisen mit Kugelgrafit.
det man das weiß (metastabile System, Ab- Im englisch-amerikanischen Sprachraum
schn. 2.4, S. 133) und das grau (stabile Sys- wird er als »Compacted Graphite« (CG) be-
tem) erstarrte Gusseisen: zeichnet.
– Metastabile Erstarrung (weißes Gussei-
sen, Temperrohguss, Hartguss GH): Wegen des sehr hohen Kohlenstoffgehalts
Der Kohlenstoff liegt in der ledeburiti- aller Gusseisensorten ist mit erheblichen
schen Matrix als sprödes Eisencarbid Problemen beim Schweißen (extreme Riss-
Fe3C vor. neigung in der WEZ!) dieser Werkstoffe zu
– Stabile Erstarrung (Grauguss EN-GJL): rechnen.
Sie wird vor allem durch Kohlenstoff, Si-
licium und eine kleine Abkühlgeschwin- 4.4.2.1 Gusseisen mit Lamellengrafit
digkeit begünstigt. Der Kohlenstoff schei- (EN-GJL, alt: GG)
det sich in der Matrix als lamellenförmi- Gusseisen mit Lamellengrafit (Eisenguss)
ger Grafit aus. Dieser unterbricht die me- ist ein Eisen-Kohlenstoff-Gusswerkstoff, des-
tallische Matrix und wirkt, begünstigt sen als Grafit vorliegender Kohlenstoff weit-
durch die spitz auslaufenden Lamellenen- gehend lamellar ausgebildet ist ( DIN EN
den, als extreme Gefügekerbe. Die Folgen 1561), Bild 4-122. Eine für lamellares Gussei-
sind eine maximale Zugfestigkeit von nur sen typische Analyse ist etwa:
etwa 400 N/mm2 und eine bei Null liegende – C O 3 % bis 4 %,
plastische Verformbarkeit. Allerdings ist – P O 0,2 % bis 1,5 % zum Verbessern der
die für Gusseisen wesentlich wichtigere Gießbarkeit. Für Serienguss sind Phos-
Druckfestigkeit drei- bis viermal größer phorzugaben allerdings unbeliebt, weil
als die Zugfestigkeit. Außerdem zeichnen das Phosphor-Eutektikum die Spanbar-
sich die Gusseisensorten mit Lamellen- keit sehr stark einschränkt.
grafit durch eine hervorragende Gießbar-
keit, ein hohes Dämpfungsvermögen für
mechanische Schwingungen und eine exzel-
lente spangebende Bearbeitbarkeit aus.

Die extreme Kerbwirkung des lamellenför-


migen Grafits lässt sich durch Überführen in
eine annähernd kugelige Gestalt weitgehend
beseitigen. Dieses durch eine spezielle Schmel-
zenbehandlung erzeugbare Gusseisen mit Ku-
gelgrafit hat Verformungseigenschaften, die
mit denen von Stahl in vielen Fällen vergleich-
bar sind.

Durch verschiedene die Schmelze betreffen-


den Maßnahmen lässt sich eine zwischen der
Lamellen- und der Kugelform liegende Gra-
fitform herstellen, die als vermicular (vermi- Bild 4-122
culus: »Würmchen«) bezeichnet wird. Diese Ferritisch-perlitischer Grauguss. Die Grafitlamellen
durchziehen die Matrix netzartig. Die durch die spitz
ist nicht zusammenhängend wie die Lamel-
auslaufenden Lamellenenden erzeugte extreme Kerb-
lenform, sondern besteht aus diskreten »wurm- wirkung zusammen mit der geringen Eigenfestigkeit
ähnlichen« Teilchen, deren Enden nicht mehr der Grafitlamellen sind die Ursache der niedrigen Zug-
spitz zulaufen, sondern keulenartig verdickt festigkeit von lamellarem Grauguss, 4 % HNO3 .
464 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

– Si O 1 % bis 3 %. Silicium wirkt festigkeits- Grundsätzlich werden die folgenden bezüg-


mindernd und fördert sehr die eutektische lich der werkstofflichen Vorgänge und des
Grafitausscheidung, Bild 4-123. zu betreibenden schweiß- und fertigungstech-
nischen Aufwands sehr unterschiedlichen
Die Art der vom Kohlenstoff- und Silicium- Schweißtechnologien angewendet:
Gehalt und der Werkstückdicke abhängigen – Schweißen mit artgleichen Zusatzwerk-
Gusseisengefüge zeigt Bild 4-123. Ledeburit stoffen ( Gusseisenwarmschweißen ),
(Flächen I und IIa) darf in lamellarem Guss- – Schweißen mit artfremden Zusatzwerk-
eisen nicht entstehen, er gilt als Gießfehler stoffen (Gusseisenkaltschweißen ).
und wird als Weißeinstrahlung bezeichnet.
In DIN EN 1561 ist Gusseisen mit Lamellen- Die naheutektische Legierung Gusseisen hat
grafit genormt, Tabelle 4-48. praktisch kein Erstarrungsintervall, sondern
einen Schmelzpunkt, der bei etwa 1200 ’C
7
liegt. Anders als bei Legierungen (z. B. Stahl)
Bereich für Formguss geht der Werkstoff daher sofort in den flüs-
%
sigen Zustand über. Die Handhabbarkeit der
(C + Si) - Gehalt

Gusseisengefüge
I weiß dünnflüssigen Schmelze beim Schweißen ist
6 IIa meliert
II perlitisch damit selbst für den geübten Schweißer sehr
IIb perlitisch-ferritisch erschwert. Sie muss mit geeigneten Vorrich-
III ferritisch
tungen (z. B. Formkohle) vor einem unkon-
I IIa II IIb III trollierten Fortlaufen gehindert werden. Als
5
Folge der extrem geringen plastischen Ver-
formbarkeit von Grauguss müssen die vor,
beim oder nach dem Schweißen entstehen-
L L+ P Perlit + CG F + P + CG Ferrit + CG den Temperaturdifferenzen möglichst gering
4
0 10 20 30 40 50 60 mm 70 gehalten werden. Eine geringe Abkühlge-
Wanddicke t schwindigkeit während des (artgleichen)
Schweißens ist zwingend erforderlich, weil
Bild 4-123
Gusseisenschaubild mit dem für Formguss üblichen sie die Eigenspannungen und ganz entschei-
Bereich. CG bedeutet Kohlenstoff in Grafitform, dend die Menge des extrem rissanfälligen
L = Ledeburit, P = Perlit, nach Greiner-Klingenstein. ledeburitisch-martensitischen (L  M) Gefü-
ges im teilaustenitisierten Bereich der Wärme-
Gusseisen bietet wie die meisten Gusswerk- einflusszone verringert: S  g  L  M. Bild
stoffe eine weitgehende konstruktive Gestal- 4-124 zeigt schematisch die werkstoff lichen
tungsfreiheit. Die wichtigsten Ursachen sind Vorgänge in der Wärmeeinflusszone schmelz-
das gute Fließ- und Formfüllungsvermögen geschweißter Verbindungen bei sehr langsa-
des flüssigen Eisens und die sehr geringe Vo- mer Abkühlung, z. B. beim artgleichen Schwei-
lumenänderung bei der Erstarrung (im Be- ßen und schnellerem Abkühlen z. B. bei Ver-
reich von “ 0,5 %), die den speisungstechni- wendung artfremder Zusatzwerkstoffe (Guss-
schen Aufwand gering hält. eisenkaltschweißen).

Diese werkstofflichen Zusammenhänge sind Die Art der Beanspruchung des zu reparie-
ursächlich für die schlechte Schweißeignung renden Gussteils kann das Schweißverhal-
dieser Guss-Werkstoffe. Daher werden Kons- ten ebenfalls erheblich beeinträchtigen bzw.
truktionsschweißungen wie bei den anderen bestimmen. Unterschieden werden chemisch
Eisen-Gusswerkstoffen in keinem Fall durch- und thermisch beanspruchter sowie mit Öl
geführt. Allerdings ist die Reparaturschwei- verunreinigter Guss. Die sich bei der thermi-
ßung wegen der in den meisten Fällen un- schen Beanspruchung bildenden Oxidations-
möglichen Wiederbeschaffbarkeit des Bau- produkte haben ein größeres Volumen als das
teils weit verbreitet und erfahrungsgemäß unbeeinflusste Gusseisen. Diese als »Wach-
bei einigen werkstofflichen und schweißtech- sen« des Gusseisens bezeichnete Ausdehnung
nischen Kenntnissen auch erfolg reich. führt leicht zur Rissbildung.
Tabelle 4-48
Mechanische Eigenschaften bei Raumtemperatur von Gusseisen mit Lamellengrafit, nach DIN EN 1561 (8/1997).

Gusseisensorte (Kurzname) nach Mechanische Eigenschaften bei Raumtemperatur

DIN EN 1561 DIN 1691 Maßgebende 0,1%-Dehngrenze Zugfestigkeit Rm A5 Bruchzähigkeit KIc Brinellhärte
Wanddicke max. 1)

Kurzzeichen Nummer Kurzzeichen Nummer mm N/mm2 N/mm2 % N/mm3/2 HB 30

EN-GJL-100 EN-JL1010 GG-10 0.6010 5 bis 40 − 100 bis 200 2) − − 155


3)
EN-GJL-200 EN-JL1030 GG-20 0.6020 40 bis 80 200 bis 300 150 0,8 bis 0,3 400 195
EN-GJL-250 EN-JL1040 GG-25 0.6025 40 bis 80 250 bis 350 220 3) 0,8 bis 0,3 480 215
EN-GJL-300 EN-JL1050 GG-30 0.6030 40 bis 80 300 bis 400 220 3) 0,8 bis 0,3 560 235
3)
EN-GJL-350 EN-JL1050 GG-35 0.6035 40 bis 80 350 bis 450 260 0,8 bis 0,3 650 255

1)
Werte gelten für eine maßgebende Wanddicke von 40 bis 80 mm.
2)
Zugfestigkeit wird in getrennt gegossenen Probestücken ermittelt.
3)
Zugfestigkeit wird in angegossenen Probestücken ermittelt.
Abschn. 4.4: Eisen-Gusswerkstoffe (Gusseisen)
465
466 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Fertigungsschweißungen müssen vom Be- beim Lichtbogenschweißen werden zum Be-


steller genehmigt werden. Das Schweißver- seitigen der vorhandenen bzw. beim Schwei-
fahren und die Zusatzwerkstoffe sind der be- ßen neu gebildeten Oxide Flussmittel verwen-
stimmungsgemäßen Verwendung des Guss- det, die sich in der Elektrodenumhüllung be-
stücks anzupassen. Geeignete gütesichern- finden bzw. die man beim Gasschweißen auf
de Maßnahmen (z. B. Prüfen mechanischer das Schweißbad aufschüttet. Die Schweißstä-
Gütewerte, Schweißerprüfungen, Ultraschall- be (Stabelektroden) haben Durchmesser zwi-
und Röntgenprüfungen) sind zu ergreifen. schen 4 mm und 20 mm. Die mechanischen

Artgleiches Schweißen
(Gusseisenwarmschweißen)
Bei dieser Schweißtechnologie wird das voll-
ständig und sehr langsam auf etwa 650 ’C
vorgewärmte Bauteil mit artgleichen oder
artähnlichen Zusatzwerkstoffen geschweißt, Formkohle
Tabelle 4-49. Bei einem teilweisen (partiel-
len) Vorwärmen spricht man vom Halb-
warmschweißen.

Die Fehlstellen (Risse, Poren, Lunkerstellen,


verschlissene Bereiche) müssen vollständig Bild 4-125
beseitigt werden und der Schweißnahtbereich Unterteilung einer Schweißnaht an Gusseisen in meh-
muss frei von jeder Art Verunreinigung sein. rere Kammern, nach Grundmann.
Für die Rissfreiheit des Bauteils ist ein ausrei-
chend langsames Aufheizen (15 K/h bis et- Eigenschaften der ordnungsgemäß warmge-
wa 50 K/h bei dickwandigen, komplizierten, schweißten Verbindung entsprechen weitge-
50 K/h bis etwa 80 K/h bei einfachen, dünn- hend denen des unbeeinflussten Gusswerk-
wandigen Bauteilen) und Abkühlen von größ- stoffs. Der schweiß- und fertigungstechnische
ter Wichtigkeit. Die dünnflüssige naheutek- Aufwand ist aber in der Regel sehr hoch. Das
tische Schweißschmelze muss z. B. mit Form- Verfahren wird wegen der mit anderen Verfah-
kohleplatten an einem ungewollten Fortlaufen ren und Methoden nicht erzielbaren Vortei-
gehindert werden. Bild 4-125 zeigt die zu er- le bei Werkzeug maschinenbetten und Pres-
greifenden Maßnahmen. Beim Gas- und auch senständern aber immer noch angewendet.
Stabiles System (mit Si): Die rissgefährdetste Zone 2 besteht
°C 1 S beim Schweißen mit
S + Austenit 1 S
E 2 artgleichem Zusatzwerkstoff aus:
2 S + g ® Ferrit + CG
Temperatur

1150 Ferrit und Grafit,


3 g + CG ® Ferrit + CG
Austenit beim Schweißen mit
4 Ferrit + CG
artfremdem Zusatzwerkstoff aus:
900
Austenit + Fe3C 3 Ledeburit und Martensit.
(Austenit + CG,E + CG,Seg )
S
Metastabiles System: 1
Perlit + (Ferrit) + Fe3C 2
4 1 S
(Ferrit + CG )
2 S+ g ® L+ M 3
Fe 0,8 2,06 3 4 4,3 % 3 g + Fe3C ® M + Fe3C
4 (Grundwerkstoff)
Kohlenstoffgehalt 4 Perlit (+ Ferrit) + Fe3C
a) b)

Bild 4-124
Vorgänge in der WEZ schmelzgeschweißter Graugusswerkstoffe.
a) Umwandlungsvorgänge in der WEZ, dargestellt im Fe-C-Schaubild,
b) Umwandlungsprodukte in der WEZ nach stabilem und metastabilem System. Es bedeuten: L = Ledeburit,
M = Martensit, CG,E = eutektischer Grafit, CG,Seg = entlang der Linie E-S segregierter Grafit, CG = CG,E + CG,Seg ,
sehr vereinfacht.
Abschn. 4.4: Eisen-Gusswerkstoffe (Gusseisen mit Kugelgrafit) 467

Artfremdes Schweißen Bei Verwendung der üblichen hoch nickelhal-


(Gusseisenkaltschweißen) tigen Zusatzwerkstoffe wird die Spanbarkeit
Bei dieser Methode wird ohne Vorwärmen durch den sich immer bildenden hochgekohl-
(oder mit einer geringen Vorwärmung von ten Nickelmartensit stark beeinträchtigt.
100 ’C bis 200 ’C) mit artfremdem Schweiß- Dieser lässt sich auch durch eine Hochtem-
zusatz geschweißt. Im Gegensatz zum Warm- peraturglühung kaum beseitigen.
schweißen sind die mechanischen Eigenschaf-
ten der Schweißverbindung immer schlech- Zusatzwerkstoffe auf der Basis der austeniti-
ter als die des unbeeinflussten Gusswerk- schen Cr-Ni-Stähle sind nicht empfehlens-
stoffs. wert, weil sich spröde Chromcarbide bilden.
Außerdem begünstigt der große Unterschied
Wegen der großen Härte in der Wärmeein- in den Wärmeausdehnungskoeffizienten von
flusszone (bis 700 HV) werden Zusatzwerk- Schweißgut und Gusseisen sehr stark die
stoffe wie Nickel, Nickel-Eisen-Legierungen Rissbildung.
und Nickel-Kupfer verwendet, die ein mög-
lichst verformbares Schweißgut ergeben. Ta- 4.4.2.2 Gusseisen mit Kugelgrafit
belle 4-49 zeigt Zusatzwerkstoffe zum Schwei- (EN-GJS, alt: GGG)
ßen von Gusseisen. In jüngerer Zeit (10/2003) Gusseisen mit Kugelgrafit ist nach DIN EN
sind in DIN EN ISO 1071 Zusatzwerkstoffe 1563 ein Eisen-Kohlenstoff-Gusswerkstoff,
(Stabelektroden, Drähte, Stäbe, Fülldraht- dessen als Grafit vorliegender Kohlenstoff-
elektroden) genormt worden. Durch die leich- anteil nahezu vollständig in weitgehend ku-
te Plastifizierbarkeit des Schweißguts las- geliger Form im Gefüge vorliegt, Bild 4-126
sen sich die gefährlichen rissauslösenden Er besitzt gute Gießeigenschaften und zeich-
(Schweiß-)Eigenspannungen leichter abbauen. net sich gegenüber Gusseisen mit Lamellen-
Außerdem hat Nickel eine sehr geringe Lös- grafit nicht nur durch eine wesentlich größe-
lichkeit für Kohlenstoff (Abschn. 5.2.2.1, S. re Festigkeit, sondern vor allem durch eine
524) und bildet keine Carbide. Beim Erstar- sehr große Zähigkeit aus, Tabelle 4-50. In-
ren wird der Kohlenstoff daher in Form von zwischen beträgt der Anteil an Gusseisen
Grafit ausgeschieden und vergrößert dadurch mit Kugelgrafit an der Gesamteisengusser-
das Schweißgutvolumen, wodurch die Schrumpf- zeugung etwa 30 %. Seine hervorragenden
spannungen deutlich verringert werden und mechanischen Eigenschaften verbunden mit
die Neigung zur Rissbildung abnimmt. der sehr wirtschaftlichen Herstellung der
Gussteile sichern diesem Werkstoff ein brei-
Ein geringes Wärmeeinbringen führt zu sehr tes Anwendungsgebiet, auch bei Konstruk-
schmalen aufgehärteten Wärmeeinflusszo- tionsschweißungen. Etwa 75 % bis 80 % der
nen, erhöht also die Risssicherheit. Daher bisher geschmiedeten PKW-Kurbelwellen
werden basisch-umhüllte Stabelektroden
mit kleinen Durchmessern (3,25 mm Ø und
4 mm Ø) verwendet, die an der unteren Gren-
ze des zulässigen Stromstärkebereichs nach
der Zugraupentechnik verschweißt werden.
Die Länge der Schweißnaht darf nur etwa
20 mm bis 30 mm betragen, weil die Tempe-
ratur des Schweißteils nicht über »Handwär-
me« steigen sollte. Die Raupen werden ge-
wöhnlich durch Hämmern leicht gestreckt.
Diese Maßnahme dient dazu, die Spannun-
gen abzubauen. Vor allem bei Auftragschwei-
ßungen werden gelegentlich in den Grund-
werkstoff eingebrachte Gewindestifte ver-
wendet, die überschweißt eine bessere »Bin- Bild 4-126
dung« ergeben. Gusseisen mit Kugelgrafit, 4 % HNO3 , V = 100:1.
Tabelle 4-49 468
Artgleiche Zusatzwerkstoffe zum Schweißen von Gusseisen mit Lamellengrafit (GJL) und Kugelgrafit (GJV) sowie schwarzer Temperguss (GJMB),
nach DIN EN ISO 1071, Auswahl.

Anwendung und Eigenschaften


Kurz- Produkt-
Gefüge
zeichen form 1)
Anwendung Beschreibung und Eigenschaften

Verwendet als gegossene Stäbe und basisch-grafitisch umhüllte Stabelektroden mit gegossenem Kernstab aus
Gusseisen mit
FeC-1 E, R GJL GJL. Die Stäbe für das Gasschweißen können blank oder dünn mit Flussmittel umhüllt sein. Das Schweißgut
Lamellengrafit
besteht aus Gusseisen mit Lamellengrafit.
Verwendet als basisch-grafitisch umhüllte Stabelektroden und als selbstschützende Fülldrahtelektroden. Der
Gusseisen mit
FeC-3 E, T GJL Kernstab besteht entweder aus Gusseisen oder aus unlegiertem Stahl. Das Schweißgut besteht aus Gusseisen mit
Lamellengrafit
Lamellengrafit.
Die Zusatzwerkstoffe sind gegossene Stäbe zum Gasschweißen von GJL. Das Schweißgut fließt gut. Ein eisenoxid-
haltiges Flussmittel ist erforderlich, um ein fehlerfreies Schweißgut zu erhalten. In diesem Fall erreicht die
FeC-4 Lamellengrafit R GJL Zugfestigkeit der Verbindung (GJL) im unteren Bereich Werte von 150 MPa bis 250 MPa. Das Schweißgut ist
farbgleich und spanend bearbeitbar, wenn sich nicht wegen unzureichender Vermischung des Schweißzusatzes
mit dem Grundwerkstoff Eisenphosphid gebildet hat.
Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Die Zusatzwerkstoffe sind gegossene Stäbe zum Gasschweißen von GJL mittlerer Festigkeit. Es ergeben sich
FeC-5 Lamellengrafit R GJL
höhere Festigkeiten als mit FeC-4. Geeignet für GJL mit 250 MPa bis 300 MPa.
Grundgefüge Verwendet als basisch-grafitisch umhüllte Stabelektroden und als selbstschützende Fülldrahtelektroden. Der
FeC-GF E, T GJV
ferritisch, GJV Kernstab bzw. der Mantel besteht aus unlegiertem Stahl. Die Schweißzusätze ergeben ein Schweißgut aus Gussei-
sen mit Kugelgrafit. In Abhängigkeit von der Wärmeführung und der chemischen Zusammensetzung weist der
Grundgefüge Typ FeC-GF ein überwiegend ferritisches und der Typ FeC-GP2 ein überwiegend perlitisches Gefüge auf.
FeC-GP2 E, T GJV
perlitisch, GJV
Bevorzugte Anwendung ist das Schweißen von GJV und schwarzem Temperguss.
Die Zusatzwerkstoffe sind gegossene Stäbe zum Gasschweißen von GJV und GJL. In richtig ausgeführten Schwei-
ßungen ist der größte Teil des Grafits kugelig ausgebildet, es sei denn, Mg und Ce des Schweißstabes oxidierten
Grundgefüge
FeC-GP1 R GJV infolge ungünstiger Schweißparameter. Das Schweißgut besitzt im Vergleich zum FeC-4- und FeC-5-Typ eine
perlitisch, GJV
verbesserte Zähigkeit. Sie kann durch eine Wärmenachbehabdlung weiter erhöht werden. Festigkeitswerte von 400
MPa beim Gusseisen mit Kugelgrafit sind erreichbar.
Z − E, R, T Jede andere vereinbarte Zusammensetzung
1)
Kurzzeichen E: Umhüllte Stabelektrode
Kurzzeichen S: Drahtelektrode und Schweißstab
Kurzzeichen T: Fülldrahtelektrode
Kurzzeichen R: Gegossener Stab
Tabelle 4-49 (Fortsetzung).
Artfremde Zusatzwerkstoffe zum Schweißen von Gusseisen mit Lamellengrafit (GJL) und Kugelgrafit (GJV) sowie von weißem (GJMW)
und schwarzem Temperguss (GJMB), nach DIN EN ISO 1071, Auswahl.

Anwendung und Eigenschaften


Kurz- Produkt-
zeichen form 1)
Anwendung Beschreibung und Eigenschaften

Umhüllte Stabelektroden mit Sonderumhüllung, geeignet für einlagige Auftragschweißungen auf korrodierten oder verzunderten
Gussstücken (aber wenn möglich, Gussstück vor dem Schweißen säubern!), für Fülllagen wegen Aufhärtungsgefahr nicht geeig-
Fe-1 E, S, T GJWM
net. Für weißen Temperguss (GJMW) geeignet. Hierfür können auch basisch-umhüllte Stabelektroden nach DIN EN ISO 14341
und Fülldrahtelektroden nach DIN EN 758 verwendet werden.
Umhüllte Stabelektroden, die unlegiertes Schweißgut ergeben. Vorwiegend zum Ausbessern kleinerer Löcher und Risse in Guss-
St E, S, T GJL eisen verwendet. Durch Kohlenstoffaufnahme aus dem Grundwerkstoff ist Schweißgut weitgehend martensitisch (rissempfind-
lich) und schlecht bearbeitbar.
GJL, GJS, Umhüllte Stabelektroden und Fülldrahtelektroden. Hülle bzw. Füllung enthält Carbidbildner. Kernstab bzw. Mantel besteht
Fe-2 E, T GJMW, aus unlegiertem Stahl. Da Kohlenstoff von Carbidbildner weitgehend abgebunden, wird Martensitbildung weitgehend vermie-
GJMB den. Auftragschweißung an GJL, GJV und Temperguss.
GJL Umhüllte Stabelektroden, Drahtelektroden, Stäbe, ergeben Schweißgut mit hohem Nickelgehalt. Wenn Phosphorgehalt im Guss-
Ni-Cl E, S
GJS eisen groß ist, dann ist Schweißgut heißrissempfindlich. Ni-Cl-A ähnlich wie Ni-Cl, enthält aber mehr Aluminium, wodurch
Ni-Cl-A E GJL Schweißeigenschaften verbessert, aber Zähigkeit verringert werden (Aluminium löst sich im Schweißgut!).

Umhüllte Stabelektroden, Drahtelektroden, Fülldrahtelektroden. Festigkeit Schweißgut ist höher als beim Ni-Cl-Typ. Nur für
NiFe-1 E, S, T GJL
Einlagenschweißungen geeignet.
NiFe-2 E, S, T GJS, GJMB Umhüllte Stabelektroden, Drahtelektroden, Fülldrahtelektroden. Für Mehrlagenschweißungen an GJS und GJMB geeignet.
Umhüllte Stabelektroden. Schweißgut (40 bis 60 % Nickel) in Gusseisen mit höherem Phosphorgehalt ist heißrissbeständiger als
NiFe-Cl E GJL, GJS
eines mit höherem Nickelgehalt.
NiFe-Cl-A E GJL, GJS Wie NiFe-Cl-Typ, aber höherer Aluminiumgehalt bewirkt größere Porensicherheit, allerdings bei reduzierter Zähigkeit.
Umhüllte Stabelektroden, möglich auch Drähte und Stäbe nach DIN EN 18274 - S Ni 4060 (S NiCu30Mn3Ti). Bevorzugt für
GJL, GJS,
NiCu E, S Fülllagen von Mehrlagenschweißungen an großen Querschnitten aus GJL, GJS und GJMB. Gute Bindung an gealtertem Guss-
GJMB
eisen.
NiCu-A E, S Umhüllte Stabelektroden, Drähte, Stäbe. Es ergeben sich bei richtiger Verarbeitung ein flacher Einbrand. Schweißgut ist zähe
GJL, GJS
NiCu-B E, S und gut spanend bearbeitbar.

Z E, S, T Jede andere vereinbarte Zusammensetzung


Abschn. 4.4: Eisen-Gusswerkstoffe (Gusseisen mit Kugelgrafit)

1)
Kennziffern siehe Tabelle 4-47
469
Tabelle 4-50

470
Gewährleistete mechanische Eigenschaften von Gusseisen mit Kugelgrafit (GJV), nach DIN EN 1563.

Sorte (Kurzname) nach Gefüge Mechanische Eigenschaften, Mindestwerte

DIN 17006 Nummer R m 1) R p0.2 A5 Brinellhärte Kerbschlagarbeit KV (Charpy-V) J

2 2
N/mm N/mm % HB 30 bei – 20 °C bei – 20 °C
EN-GJS-350-22-LT EN-JS1015 ferritisch 350 220 22 unter 160 − 9
EN-GJS-400-18-LT EN-JS1025 ferritisch 400 240 18 130 bis 175 9 −
EN-GJS-400-15 EN-JS1030 ferritisch 400 250 15 135 bis 180 − −
EN-GJS-500-7 EN-JS1050 ferritisch-perlitisch 500 320 7 170 bis 230 − −
EN-GJS-600-3 EN-JS1060 perlitisch-ferritisch 600 370 3 190 bis 270 − −
EN-GJS-700-2 EN-JS1070 perlitisch 700 420 2 225 bis 305 − −
EN-GJS-800-2 EN-JS1080 perlitisch bzw. angelassener Martensit 800 480 2 245 bis 335 − −
EN-GJS-900-2 EN-JS1090 angelassener Martensit 900 600 2 270 bis 360 − −
1)
Gewährleistete Mindestwerte für getrennt gegossene Probestücke.
Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Tabelle 4-51
Mechanische Eigenschaften von austenitischem Gusseisen mit Kugelgrafit (GJLA), halbfett = gewährleistete Werte nach DIN EN 13836.

Sorte (Kurzname) Mechanische Eigenschaften, Mindestwerte

Rm R p0.2 A5 E-Modul Kerbschlagarbeit Brinellhärte

min. min. min. K (DVM-Probe) KV (Charpy-V)

N/mm2 N/mm2 % kN/mm2 J J HB 30

EN-GJLA-XNiMn13-7 390 bis 470 210 bis 260 15 bis 18 140 bis 150 − 16 120 bis 150
EN-GJLA-XNiCr20-2 370 bis 480 210 bis 250 7 bis 20 112 bis 130 14 bis 27 13 140 bis 200
EN-GJLA-XNiCrNb20-2 370 bis 480 210 bis 250 7 bis 20 112 bis 130 14 bis 27 13 140 bis 200
EN-GJLA-XNiCr20-3 390 bis 500 210 bis 260 7 bis 15 112 bis 133 12 − 150 bis 255
EN-GJLA-XNi22 370 bis 450 170 bis 250 20 bis 40 85 bis 112 21 bis 33 20 130 bis 170
EN-GJLA-XNi30-3 370 bis 480 210 bis 260 7 bis 18 92 bis 105 8 − 140 bis 200
EN-GJLA-XNiSiCr30-5-2 380 bis 500 210 bis 270 10 bis 20 130 bis 150 10 bis 16 − 130 bis 170
EN-GJLA-XNi35 370 bis 420 210 bis 240 20 bis 40 112 bis 140 20 − 130 bis 180
Abschn. 4.4: Eisen-Gusswerkstoffe (Gusseisen mit Kugelgrafit) 471

werden zurzeit aus diesem Werkstoff herge- Schweißverfahren


stellt! Es lassen sich kleinste Teile, aber auch Von großer technischer und wirtschaftlicher
Werkstücke mit Stückmassen bis etwa 200 t Bedeutung sind Gussverbund-Schweißkons-
herstellen. truktionen bestehend aus Baustahl und Guss-
eisen mit Kugelgrafit. Zunehmende Anwen-
Artgleiches/artähnliches Schweißen dung finden hier die Pressschweißverfahren,
Wie bei Gusseisen mit Lamellengrafit müs- Reibschweißen und das (Pressschweiß-)Ver-
sen die Fügeteile bei der Warmschweißung fahren mit magnetisch bewegtem Lichtbo-
auf 400 ’C bis 650 ’C vorgewärmt werden. gen (MBL-Verfahren, auch als Magnetarc-
Als Zusatzwerkstoff wird z. B. FeC-GF, Ta- Verfahren bekannt). Sie bieten die Vorteile,
belle 4-49, verwendet. Wegen der guten Duk- dass die zu verbindenden Teile fest einge-
tilität des Werkstoffs ist ein partielles Vor- spannt sind und die Pressung erst nach Errei-
wärmen im Schweißnahtbereich meistens chen der Schweißtemperatur erfolgt. Dadurch
ausreichend. Ohne Vorwärmung erfolgt die wird eine hohe Maßgenauigkeit des Schweiß-
Umwandlung nach dem metastabilen Sys- teils erreicht. Bei diesem Verfahren ist kein
tem, d. h., in der partiell aufgeschmolzenen Zusatzwerkstoff erforderlich. Die Schweißzei-
Zone der WEZ, Bild 4-124 – das ist der Be- ten liegen im Bereich von nur 10 s.
reich (S  g ) – entsteht ein rissanfälliges le-
deburitisch-martensitisches Gefüge. Mit dem Magnetarc-Verfahren lassen sich ge-
genwärtig Fügeteile bis etwa 200 mm Durch-
Der gegenwärtige Stand beim Schmelzschwei- messer und einer maximalen Wanddicke von
ßen von Gusseisen mit Kugelgrafit (Schwei- 6 mm, mit dem Reibschweißen Fügeteile bis
ßen mit artgleichen, artähnlichen und artfrem- 300 mm Durchmesser und 18 mm Wanddicke
den Zusatzwerkstoffen) nach DIN EN 1011-8 schweißen. Bei den meisten technisch bedeut-
ist in Tabelle 4-52 dargestellt. samen Anwendungen wird der Lichtbogen
zwischen zwei Rohren bewegt. Das Reibschwei-
Nach einer energie- und zeitaufwändigen, d. ßen und das Magnetarc-Verfahren bieten
h. sehr teuren Wärmenachbehandlung (bei eine hohe Seriensicherheit und sind leicht in
900 ’C/3 h wird der Ledeburit beseitigt und den Fertigungsprozess integrierbar. Ein Nach-
bei 700 ’C/16 h das Grundgefüge vollständig teil ist, dass die Wanddicken auf etwa 6 mm
ferritisiert), ist die Verformbarkeit zufrieden- begrenzt sind. Zur Zeit wird versucht, durch
stellend. Das anschließende Abkühlen kann Vorwärmen der Schweißteile die maximal
wegen der größeren Verformbarkeit dieser schweißbare Wanddicke auf 8 mm bis 10 mm
Werkstoffe schneller erfolgen als bei Gussei- zu erhöhen.
sen mit Lamellengrafit.
Die Pressschweißverfahren besitzen den ent-
Artfremdes Schweißen scheidenden Vorteil, dass die beim Schweiß-
Gemäß Tabelle 4-49 werden für das artfrem- prozess entstehende Schmelze vollständig
de Schweißen Zusatzwerkstoffe z. B. der Ty- aus dem Spalt herausgedrückt wird. Das
pen Fe-2, NiFe-1 oder NiFe-2 verwendet. Die Schweißgut bildet demnach ein artgleiches
Vorwärmtemperaturen liegen zwischen 100 ’C oder artähnliches Schweißgut. Metallurgi-
und 300 ’C, abhängig vom Eigenspannungs- sche Reaktionen der schmelzflüssigen Pha-
zustand, der Werkstückdicke und der Werk- se (S  g  Ledeburit bzw. Martensit) kön-
stofffestigkeit. Die Härte in den schmelzgren- nen also nicht entstehen. Aus diesem Grun-
zennahen Bereichen kann bis 650 HV betra- de muss ein Fügeteil rohrförmigen Quer-
gen. Zusammenhängende ledeburitisch-mar- schnitt haben, anderenfalls lässt sich die
tensitische Zonen lassen sich durch eine ge- Schmelze nicht aus dem Spalt drücken. Die
eignete Schweißtechnologie (geringes Wär- Schweißwärme führt auf der Stahlseite zu
meeinbringen, Zugraupen) verhindern. Wirk- einem etwa 0,1 mm breiten, grobstreifigen
samer ist allerdings eine Wärmenachbehand- Perlitsaum. Vereinzelt liegt auch sehr insta-
lung, mit der häufig auch das Vorwärmen biler Martensit vor, der bei einer Anlassglü-
entfallen kann. hung (730 ’C) vollständig zerfällt.
472 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Tabelle 4-52
Empfehlungen für das Schmelzschweißen von Gusseisen mit Kugelgrafit mit artgleichem, artähnlichem und
artfremdem Zusatzwerkstoff (DIN EN 1011-8), nach Konstruieren + Gießen, 2/2007.

Verfahren Methode Schweißen von Gussstücken mit artglei- Schweißen von Gussstücken mit
chem oder artähnlichem Schweißzusatz artfremdem Schweißzusatz

Vorbereitende Gusshaut von der Schweißfläche des Gussstücks und dem angrenzenden Bereich
Arbeiten entfernen und die Schweißfläche reinigen.

Nahtvorbereitung Plasmaschmelzschneiden; Pulverbrennschneiden (bedingt Lichtbogenschneiden;


thermische
autogenes Brennschneiden nicht geeignet).

mechanische Mechanisches Bearbeiten, Schleifen, Ausmeißeln.

Verwendung
Grafithaltiger Werkstoff, Lehm, Keramik,
von Schweiß-
Gusseisen mit Kugelgrafit, unlegierter Stahl.
unterlagen

Schweißen mit artgleichen Zusatzwerkstoffen;


Tp = 550 °C bis 700 °C (je nach Material und
(oder Verfahren).
Vorwärmen Schweißen mit artähnlichen Schweißzusätzen: Tp,max = 300 °C
Tp = 250 °C bis 550 °C, maximale Erwärmungs-
geschwindigkeit (je nach Gussteil oder Bau-
Empfehlungen für teil).
die thermische
Behandlung Schweißen mit artgleichen Zusatzwerkstoffen:
(Schweißen örtlicher außerhalb der Schweißfläche
Bereiche oder des Gussstücktem- TG ≥ 450 °C Zwischenlagentemperatur:
gesamten Gussteils) peratur beim
Schweißen mit artähnlichen Zusatzwerkstoffen: Ti = Tp + 50 K
Schweißen, TG
außerhalb der Schweißfläche
TG ≥ 250 °C

Je nach Komplexität des Gussteils oder Bau-


Abkühl-
teils von 450 °C bis 150 °C ≤ 50 K/h bei span- In ruhender Luft
geschwindigkeit
nungsempfindlichen Gussstücken.

Separate Wärme-
behandlung oder
Wärmenach- Je nach Grundwerkstoff, Größe und Form des Gussstücks und anderen Anforderun-
Nutzung der Rest-
behandlung gen kann jedes Wärmebehandlungsverfahren angewendet werden.
wärme beim
Schweißen

Gasschweißen mit
Sauerstoff-Acety- GJS-Stab Metallpulver
lenflamme (311)

GJS-Stabelektrode, umhüllt oder nicht umhüllt.


Lichtbogenhand- Umhüllte Stabelektrode aus Stahl, wahlweise Umhüllter Schweißstab,
schweißen (111) hüllenlegiert oder Umhüllung ohne Legierung, nach DIN EN ISO 1071.
umhüllter Schweißstab

Drahtelektroden, unlegiert oder legiert, nur Massivdrahtelektroden,


Metall-Schutzgas-
für Zwischenlagentemperatur ≤ 300 °C (um die umhüllte Drahtelektroden,
schweißen (13)
Schutzgaswirkung aufrecht zu erhalten). nach DIN EN ISO 1071.
Verwendung Schweißstäbe, Fülldrähte nur für Zwischenla- Massivstäbe, Schweißstäbe,
WIG-Schweißen
von Zusatz- gentemperatur ≤ 300 °C (um die Schutzgaswir- Massivdraht, Fülldraht,
werkstoffen (141)
kung aufrecht zu erhalten. nach DIN EN ISO 1071.

Metall-Lichtbogen-
schweißen mit Füll- Umhüllte Drahtelektroden,
Fülldraht: Schweißgut (GJS)
drahtelektrode ohne nach DIN EN ISO 1071.
Schutzgas (114)

Gießschweißen Schmelzgut GJS

Gießschmelz- Wie Gießschweißen, jedoch werden zusätzliche


schweißen Elektroden verwendet.

Plasmaschweißen
Mit wenig oder ohne Zusatzwerkstoff
(15)

Verwendung von Legiert oder unlegiert, kann zum Verbessern


Flussmitteln der Schweißbedingungen verwendet werden.
Abschn. 4.4: Eisen-Gusswerkstoffe (austenitisches Gusseisen mit Kugelgrafit) 473

Die wichtige Voraussetzung für den wirt-


schaftlichen Einsatz des gerätemäßig sehr
aufwändigen Reibschweißverfahrens ist die
Großserie. Für kleinere Stückzahlen ist das
MAG-Verfahren u. U. auch anwendbar. Ein
Vorwärmen kann in den meisten Fällen entfal-
len. Eine Wärmenachbehandlung ist aber not-
wendig, weil sich in der Regel ein stark riss-
begünstigender sehr schmaler ledeburitisch-
martensitischer Gefügebereich neben der
Schmelzgrenze bildet. Die Gütewerte sind
nicht mit denen vergleichbar, die beim Press-
schweißen erreichbar sind.

Bild 4-127 zeigt die Schweißverbindung eines


aus EN-GJS-400-15 bestehenden Gasschie-
Bild 4-128
bers mit Anschweißenden aus unlegiertem Mikrogefüge aus dem Bereich der Schmelzgrenze einer
Stahl, jeweils für das Magnetarc- und das Schweißverbindung aus EN-GJS-400-15 und einem
Schmelzschweißen. Das völlig martensitfreie unlegierten C-Mn-Stahl, nach Fa. Hundhausen.
Gefüge des schmelzgrenzennahen Bereichs
einer mit dem Magnetarc-Schweißverfahren Legiertes (austenitisches)
hergestellten Verbindung nach einem Anlass- Gusseisen mit Kugelgrafit
glühen zeigt Bild 4-128. Im Gegensatz zu Walzstählen ist der Nickel-
gehalt der austenitischen Gusseisensorten
Für beide Schweißverfahren sind sehr ge- wesentlich größer (mind. 12 %), der Chrom-
ringe Gehalte an Verunreinigungen (Schwe- gehalt sehr gering (1 % bis 5 %). Bei einem
fel und Phosphor) und Carbidbildner (Chrom, grafitischen Gusseisen muss der Chromge-
Vanadium, Titan, Niob u. a.) im Werkstoff halt so weit abgesenkt werden, dass die Bil-
erforderlich, weil sie die Entstehung des sprö- dung versprödender Chromcarbide weitge-
den Ledeburits begünstigen. hend unterbleibt. Außerdem verschlechtern
135
65
5

5
40
40

35 200 170 35

Magnetarc - Schweißen Schmelzschweißen

Bild 4-127
Gegossener Gasschieber aus EN-GJS-400-15 mit Anschweißenden aus unlegiertem C-Mn-Stahl, die mit dem
Magnetarc-Verfahren bzw. einem Schmelzschweißverfahren (MAG) verbunden werden. Die Maße sind gerun-
det und ohne Toleranzangaben angegeben, nach Fa. Hundhausen.
474 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

sich die Gießeigenschaften und das Speisungs- das Grafitisierungsglühen zum Beseitigen
verhalten erheblich. Wegen der im Vergleich vorhandener Carbide zwischen 950 ’C und
zum Gusseisen mit Lamellengrafit wesent- 1050 ’C durchgeführt.
lich besseren Festigkeits- und Zähigkeits-
eigenschaften haben die Sorten mit Kugel-
grafit nach DIN EN 13835 die weitaus grö- 4.4.3 Temperguss
ßere Bedeutung, Tabelle 4-51. (EN-GJMW, alt: GTW;
EN-GJMB, alt: GTS)
Verschiedene austenitische Gusseisensorten
mit Kugelgrafit neigen abhängig von ihrer Temperrohguss ist eine ohne Grafitausschei-
chemischen Zusammensetzung in der Wärme- dung weiß erstarrende untereutektische Ei-
einflusszone zur Rissbildung. Die Schweiß- sen-Kohlenstoff-Silicium-Legierung. Ihr Ge-
eignung der wichtigsten hochlegierten Sor- füge ist ledeburitisch, d. h. hart und spröde
te EN-GJLA-XNiCr20-2 wird durch Niob er- und für jede technische Anwendung – mit
heblich verbessert (EN-GJLA-XNiCrNb20-2), Ausnahme bei hoher Verschleißbeanspru-
sie hängt aber vom Phosphor-, Silicium- und chung als Hartguss (GH) einsetzbar – völlig
Magnesiumgehalt ab, wie Bild 4-129 zeigt. ungeeignet.

Der Temperrohguss wird durch Glühen (»Tem-


0,06 pern«) in oxidierender oder neutraler Ofen-
atmosphäre in weißen oder schwarzen Tem-
Phosphorgehalt

% Risse
perguss überführt. Beide Temperguss-Arten
0,04 sind duktil, sehr gut mechanisch bearbeit-
bar und dem Gusseisen mit Kugelgrafit ver-
gleichbar. Die Bedeutung des schwarzen Tem-
0,02 pergusses hat sehr stark abgenommen.
keine
Risse Die Eigenschaften der Tempergusssorten
0
beruhen auf dem beim Tempern entstehen-
- 2 0 2 4 6 % 8
Si + 64 × Mg - 35 × Nb
den Fe3C-Zerfall, der Entkohlung oberflä-
chennaher Randschichten und dem Einstel-
Bild 4-129
len des erforderlichen Grundgefüges.
Einfluss von Phosphor, Silicium, Magnesium und
Niob auf die Neigung zur (Härte-)Rissbildung beim
Schweißen von austentischem Gusseisen mit Kugel- 4.4.3.1 Weißer Temperguss
grafit EN-GJLA-XNiCrNb20-2, nach Stephenson. (EN-GJMW, alt: GTW)
Weißer Temperguss wird durch Glühen des
Mit einem geringen Wärmeeinbringen wird Temperroh(hart)gusses in oxidierender At-
die Versprödung der Wärmeeinflusszone mosphäre bei etwa 1060 ... 1070 ’C/50...70 h
durch Carbidausscheidungen und die Riss- hergestellt. Dabei zerfallen die eutektischen
neigung vermieden. Als Schweißzusatzwerk- Carbide und der Perlit gemäß
stoffe werden die üblichen Ni-Fe-Legierun-
Fe3C  3 ¹ Fe  C
gen bzw. Reinnickel empfohlen, s. Tabelle 4-
49 und Tabelle 4-52. Artgleiche Zusatzwerk- und die oberflächennäheren Bereiche wer-
stoffe erhöhen die Rissneigung. Die chrom- den durch CO2 und O2 entkohlt:
freien bzw. chromarmen Sorten wie z. B. EN-
C  CO2  2 ¹ CO,
GJLA-XNi22 lassen sich kaum rissfrei schwei-
ßen. In diesen Fällen kann ein Puffern der 2 ¹ C  O2  2 ¹ CO.
Nahtflanken empfehlenswert sein. Eine Wär- Die Ausbildung des Gefüges ist damit stark
menachbehandlung ist abhängig von der von der Wanddicke abhängig, Bild 4-130.
Stückgröße und dem Umfang der Schweiß-
arbeiten u. U. erforderlich. Das Spannungs- Alle Tempergusssorten sind grundsätzlich
armglühen wird zwischen 650 ’C und 680 ’C, schweißgeeignet, der schweiß- und fertigungs-
Abschn. 4.4: Eisen-Gusswerkstoffe (Temperguss) 475

technische Aufwand ist aber je nach gewünsch- bei Werkstückdicken bis 8 mm unter 250 HV,
ter Qualität unterschiedlich. Es werden da- womit eine Rissbildung ausgeschlossen ist.
her bei Tempergussschweißungen zwei Güte- Eine Wärmenachbehandlung ist daher auch
klassen unterschieden: nicht erforderlich.
❐ Güteklasse A
Die Eigenschaften der Schweißverbindung Die aus weißem Temperguss herstellbaren
sind denen des ungeschweißten Grund- Werkstücke haben nur eine sehr begrenzte
werkstoffs praktisch gleichwertig. Der Stückmassen (… 20 kg). Daher werden Kons-
sehr gut schweißgeeignete Temperguss truktionsschweißungen mit dem hierfür ent-
EN-GJMW-360-12W erfüllt die an die Gü- wickelten EN-GJMW-360-12W sehr häufig,
teklasse A gestellten Anforderungen. Reparaturschweißungen dagegen sehr sel-
❐ Güteklasse B ten durchgeführt.
Die Eigenschaften der Schweißverbin-
dung unterscheiden sich von denen des In Bild 4-131 ist eine Rohrgelenkwelle als Guss-
Grundwerkstoffs, sie erfüllen aber die ge- verbundkonstruktion dargestellt, die aus der
forderten Eigenschaften (»zweckbeding- Tempergusssorte EN-GJMW-360-12W und
te Güte«). Hierunter fallen Schweißarbei- einem Rohr aus unlegiertem Stahl besteht.
ten mit artfremdem Zusatzwerkstoff. Die umlaufende Schweißnaht wurde mit dem
MAG-Verfahren hergestellt.
Bei den schweißgeeigneten Tempergusssor-
ten EN-GJMW-360-12W (GTW-S 38-12) darf
der Kohlenstoffgehalt bis zu einer Wanddi-
cke von 8 mm im Querschnitt nur 0,3 % betra-
gen. Diese geringen Kohlenstoffgehalte wer-
den durch sehr lange Glühdauern von etwa
150 h bis 170 h erreicht, wodurch auch der
sehr viel höhere Preis des schweißgeeigneten
weißen Tempergusses verständlich wird. Die Stahlrohr P235G1TH (St 35.8) Gabelkopf GTW - S 38 - 12
Randzone ist bei diesen Werkstoffen über-
wiegend ferritisch. Bei dem hervorragend
Bild 4-131
schweißgeeigneten EN-GJMW-360-12W (wei- Rohrgelenkwelle als Verbundkonstruktion aus unle-
ßer Temperguss) bleibt die Härte in der WEZ giertem Stahl P235G1TH (St 35.8) und weißem Tem-
perguss EN-GJMW-360-12W, nach Georg Fischer
Kernzone: Perlit + (Ferrit) + Temperkohle
AG.
Übergangszone: Perlit + Ferrit + Temperkohle
Randzone: Ferrit
Weißer Temperguss mit Wanddicken bis et-
wa 10 mm lässt sich gut schweißen, weil das
Gefüge in einem Oberflächenbereich von et-
wa 5 mm bis 6 mm praktisch einem weichen
(C … 0,30 %) unlegierten Kohlenstoffstahl ent-
spricht. Allerdings kann sich wegen der Anwe-
senheit von Temperkohle, Bild 4-130, (das
gilt vor allem bei größeren Wanddicken!)
durch Rücklösen harter, sehr spröder Lede-
burit bilden, der sich aber durch ein nachträg-
liches Glühen bei 900 ’C ... 950 ’C beseitigen
lässt, Bild 4-132.

Tabelle 4-53 zeigt gewährleistete mechanische


Bild 4-130
Ausbildung des Gefüges bei weißem Temperguss, Eigenschaften einige der nach DIN EN 1562
schwarzer hat ein wanddickenunabhängiges Gefüge, genormten weißen und schwarzen Temper-
nach DIN EN 1562. gusssorten.
Tabelle 4-53

476
Gewährleistete mechanische Eigenschaften bei Raumtemperatur von weißem und schwarzem Temperguss, nach DIN EN 1562 (8/2006), Auswahl.

Tempergusssorte (Kurzname) nach Durchmesser Mechanische Eigenschaften, Mindestwerte Kennzeichnende Eigenschaften und
der Probe Gefügebestandteile
DIN EN 1562 DIN 17006 ISO 5922 d R p0,2 Rm A 3, 4 Brinellhärte

mm N/mm2 N/mm2 % (informativ)

Weißer Temperguss (EN-GJMW)

9 − 340 5 Kostengünstiger Werkstoff mit nicht sehr gro-


EN-GJMW-350-4 GTW-35-04 W 35-04 12 − 350 4 230 ßer Gleichmäßigkeit der Eigenschaften für nor-
15 − 360 3 male Beanspruchung.

9 170 320 15 gut schweißgeeignet, Restkohlenstoffgehalt bis


EN-GJMW-360-12W GTW-S 38-12 W 38-12 12 200 380 12 200 zu einer Wanddicke < 8 mm ≤ 0,30 %, ferriti-
15 210 400 7 sches Gefüge.

9 200 360 8 Besonders für dünnwandige Bauteile mit guten


EN-GJMW-400-5 GTW-40-05 W 40-05 12 220 400 5 220 Zähigkeitseigenschaften, ferritisch-perlitisches
15 230 420 4 Gefüge und Temperkohle.
Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

9 310 490 5 Körniger Perlit und Temperkohle, daher gute


EN-GJMW-550-4 GTW-55-4 W 55-04 12 340 550 4 250 spangebende Bearbeitung, aber Schweißeig-
15 350 570 3 nung nur mäßig.

Schwarzer Temperguss (EN-GJMB)

Ferrit mit eingelagerter feiner Temperkohle,


EN-GJMB-350-10 GTS-35-10 B 35-10 12 oder 15 200 350 10 max. 150
hervorragend zerspanbar.
Ferritisch-perlitisch mit Temperkohle, hervor-
EN-GJMB-450-6 GTS-45-06 P 45-06 12 oder 15 270 450 6 150 bis 200
ragend zerspanbar.

Perlit mit Temperkohle und geringer Ferrit-


EN-GJMB-550-4 GTS-55-04 P 55-04 12 oder 15 340 550 4 180 bis 230 menge, noch gut zerspanbar, für thermophy-
sikalische Härtung ideal geeignet.

EN-GJMB-650-2 GTS-65-02 P 65-02 12 oder 15 430 650 2 240 bis 260 Perlit mit Temperkohle, EN-GJMB-700 mit Ver-
gütungsgefüge. Festigkeit ist wichtiger als Zer-
spanbarkeit. Beide Werkstoffe gute Alterna-
EN-GJMB-700-2 GTS-70-02 P 70-02 12 oder 15 530 700 2 240 bis 290 tiven für Schmiedestähle gleicher Festigkeit.
Abschn. 4.4: Eisen-Gusswerkstoffe (Temperguss) 477

4.4.3.2 Schwarzer Temperguss Die Schweißeignung ist noch gut, allerdings


(EN-GJMB, alt: GTS) geht ein Teil der Temperkohle beim Schwei-
Schwarzer Temperguss wird in neutraler ßen im Austenit oder der Schmelze in Lö-
Ofenatmosphäre bei etwa 950 ’C und mit im sung, wodurch nach dem Abkühlen in der
Vergleich zum weißen Temperguss kürzeren WEZ ledeburitische bzw. martensitische Ge-
Haltezeiten (O 24 h) geglüht, weil keine Ent- füge entstehen können. Bei C-Gehalten über
kohlung durchzuführen ist. Der aus den zer- 0,3 % ist auf etwa 250 ’C bis 400 ’C vorzu-
fallenen eutektischen Carbiden und den Car- wärmen, wenn Güteklasse A gefordert wird.
biden des Perlits stammende Kohlenstoff Die Schweißverbindung muss wärmenach-
scheidet sich als Temperkohleknoten aus. behandelt werden. Bei Tempergusssorten
Das charakteristische Kennzeichen dieser mit höheren C-Gehalten ist eine der Sorte
Werkstoffe sind ihr weitgehend wanddicken- angepasste mehrstufige Wärmenachbehand-
unabhängiges Gefüge und damit auch ihre lung erforderlich. Geschweißt wird mit art-
wanddickenunabhängigen mechanischen Ei- fremden hoch nickelhaltigen Zusatzwerkstof-
genschaften. In einer zweiten Glühstufe wird fen, Tabelle 4-49. Auch hier lässt sich der im
das Werkstoffgefüge nach einer Luft- oder Öl- Bereich der WEZ gebildete Nickelmartensit-
abkühlung mittels Anlassen eingestellt, saum selbst durch eine Hochtemperaturglü-
Bild 4-132. Das Gefüge der B-Sorten (B hung nicht vollständig beseitigen.
Blackheart malleable Cast Iron, B 35-10;
nach DIN EN 1562) EN-GJMB-300-6 und Die Bedeutung des schwarzen Tempergus-
DIN EN-GJMB-350-10, Tabelle 4-53) besteht ses ist rückläufig. Die beiden mit ihm konkur-
aus Ferrit und Temperkohle, das der perliti- rierenden Werkstoffe der weiße Temperguss
schen P-Sorten (P Perlitic Malleable Cast und das Gusseisen mit Kugelgrafit sind we-
Iron, EN-GJMB-450-6 bis EN-GJMB-700-2) sentlich besser gießbar, weil ihr Erstarrungs-
aus einer Grundmasse mit steigenden Men- intervall deutlich kleiner ist. Diese Entwick-
gen an gebundenem Kohlenstoff und eingela- lungstentenz kommt auch in der DIN EN 1562
gerter Temperkohle. (8/1997) mit der Aufnahme der Temperguss-
sorte EN-GJMW-550-4 (GTW-55-04) zum
Vor dem Schweißen ist die einige zehntel Mil- Ausdruck. Mit dieser weißen Tempergusssor-
limeter dicke oxidische Randschicht (Tem- te wird der Anschluss an die höhere Festig-
perhaut) durch Schleifen abzuarbeiten. An- keit der schwarzen wieder hergestellt.
derenfalls können die Oxide mit dem Kohlen-
stoff des Grundwerkstoffs zu Kohlenmonoxid
(CO) reagieren und zu Poren im Schweißgut
führen.

Bild 4-132
Gefüge von weißem Temperguss EN-GJMW-400-5.
In die ferritisch-perlitische Grundmasse sind Temper-
kohleknoten eingelagert, V = 400:1.
478 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Voraussetzung für die Anwendbarkeit des


4.5 Aufgaben zu Kapitel 4 in der Folge gewählten Verfahrens ist
– die Kenntnis der erforderlichen chemischen
Zusammensetzung des Schweißguts,
– die Kenntnis des minimalen/maximalen
Aufgabe 4-1: Aufschmelzgrades,
Stumpfschweißverbindungen (I-Stoß) an Ble- – und die homogene Mischung der Zusatz-
chen aus CrNi-18-8-Stahl sollen mechanisch werkstoff- und der Grundwerkstoff-Teil-
mit dem MAG-Verfahren hergestellt werden. schmelzen.
Der Schwefelgehalt der aus zwei Chargen
stammenden Bleche ist extrem unterschied- Das Verfahren wird beispielhaft für das Le-
lich. Es ist die sich gemäß der Marangoni-Strö- gierungselement C vorgeführt, Bild A4-2 (s.
mung (Abschn. 4.1.1.2) ergebende Einbrand- a. Bild 5-35). Aus Erfahrung ist bekannt, dass
form abzuschätzen. der C-Gehalt im Schweißgut aus Festigkeits-
gründen CS.min • 0,05 %, aus Gründen ausrei-
Nach Bild A4-1 wird durch den unterschied- chender Risssicherheit aber CS.max … 0,13 %
lichen Gehalt oberflächenaktiver Stoffe in betragen muss. Aus Makroschliffen wurde er-
den Blechen am Stoß eine gleichgerichtete mittelt, dass im Wurzelbereich Aufschmelz-
Schweißgutströmung (die sich im Bild von grade von AS.max 60 %, im Decklagenbereich
links nach rechts bewegt und nicht vom Licht- solche von AS.min 20 % entstehen. Mit die-
bogenpunkt weg- bzw. zum Lichtbogenpunkt sen Werten ergibt sich das in Bild A4-2 einge-
hinweisend!) hervorgerufen, die eine extrem zeichnete, grau unterlegte Toleranzfeld. Bei
unsymmetrische Einbrandform erzeugt, s. einem C-Gehalt von CGW 0,16 % im Grund-
a. Bild 4-12, S. 308. Eine fehlerfreie Schweiß-
C im Grundwerkstoff GW
verbindung kann durch diesen Defekt, der ei- 0 0,05 0,10 CGW = 0,16 % 0,20 %
nem durch Blaswirkung hervorgerufenen GW
Schweißnahtfehler ähnelt, nicht hergestellt %
werden.
Aufschmelzgrad A

80

Gehalt oberflächenaktiver Stoff (z. B. S, As; O)


A S.max
groß gering 60

40

A S.min
20
Bild A4-1
Schematische Darstellung der Marangoni-Strömung Z
1 2
in der Schweißschmelze bei einer Stumpfschweißung, 0 CS.min 0,10 CS.max 0,20 %
die aus Blechen mit stark unterschiedlichem Gehalt CZ.min CZ.max
oberflächenaktiver Substanzen (z. B. Schwefel) herge- C im Zusatzwerkstoff Z
stellt wurde.
Bild A4-2
Schaubild zum Bestimmen der zulässigen Grenzge-
halte von Legierungselementen im Zusatzwerkstoff
bei gewünschter Zusammensetzung des Schweißguts.
Beispiel:
Aufgabe 4-2: Bei einem Kohlenstoffgehalt des Grundwerkstoffs von
Es sind die zulässigen Grenzgehalte verschie- 0,16 % (CGW ) und einem zwischen 20 % (= Decklagen-
dener Legierungselemente im Zusatzwerk- bereich) und 60 % liegenden Aufschmelzgrad (= Wur-
zel) muss der Kohlenstoffgehalt im Zusatzwerkstoff
stoff von WIG-Schweißstäben zu bestimmen.
zwischen ≥ 0,02 % (CZ.min ) und £ 0,08 % (CZ.max ) liegen,
Die erforderliche bzw. die gewünschte chemi- wenn der gewünschte Mindestkohlenstoffgehalt im
sche Zusammensetzung des Schweißguts ist Schweißgut 0,05 % (= CS.min ) bzw. der Maximalkohlen-
bekannt. stoffgehalt 0,13 % (= CS.max ) betragen soll.
Abschn. 4.5: Aufgaben zu Kapitel 4 479

werkstoff lassen sich damit die extremen Mi- Das Verfahren lässt auch sehr anschaulich er-
schungsgeraden 1 und 2 konstruieren. Sie kennen, dass bei großen Abweichungen der
verlaufen durch das Toleranzfeld und die fol- Schweißgut- von der Grundwerkstoffzusam-
genden Punkte: mensetzung geeignete Zusatzwerkstoffe u.
U. nicht mehr existieren. Bild A4-3 zeigt bei-
(CS.min; AS.min ) bzw. (CS.max; AS.max ).
spielhaft, dass bei der dargestellten Situation
Die Schnittpunkte der Mischungsgeraden nur ein Zusatzwerkstoff mit einer bestimmten
mit der Z-Achse ergibt den zulässigen Tole- Zusammensetzung für das Legierungselement
ranzbereich für C im Zusatzwerkstoff. Da- X XZ 0,02 % die vorgegebenen Bedingungen
nach muss der C-Gehalt in den Schweißstä- erfüllt. Für den Fall X • XGW 0,20 % exis-
be zwischen CZ.min ! 0,02 % und CZ.max  0,08 % tiert bei dem vorgegebenen Toleranzfeld kein
liegen. »passender« Zusatzwerkstoff mehr.

Die vorgestellte Methode ist vor allem dann


mit Erfolg anwendbar, wenn im Lichtbogen-
raum möglichst keine weiteren metallurgi-
schen Reaktionen (Verdampfen, Abbrand,
Zubrand aus Reaktionen z. B. der Elektro- Aufgabe 4-3:
denumhüllung, des UP-Schweißpulvers, usw.) Zum Verbindungsschweißen der Metalle A
stattfinden. Derartige reine Schmelz- und und B stehen als Zusatzwerkstoffe A und
Mischvorgänge sind vor allem für das WIG- B zur Verfügung. Welcher Zusatzwerkstoff
Verfahren typisch. sollte gewählt werden, wenn das metallurgi-
sche Verhalten der Metalle durch das binä-
X im Grundwerkstoff GW
re Zustandsschaubild, Bild A4-4, beschrie-
0 0,05 0,10 % XGW = 0,20 %
GW ben wird?
%
Aufschmelzgrad A

1 V 2
80
Temperatur T

60

40 a
E = V+a

A+V V+E E+a


20

A 10 20 30 40 50 60 ca 70 80 90 % B
Z Konzentration an B

0 XZ 0,05 0,10 0,15 0,20 %


X im Zusatzwerkstoff Z Bild A4-4
Hypothetisches Zustandsschaubild zweier metallischer
Bild A4-3 Komponenten A und B, Angaben für Aufgabe 4-3.
Bei entsprechenden Toleranzfeldern und sehr unter-
Bei einem Aufschmelzgrad von A = 10 % entsteht mit
schiedlicher Zusammensetzung von Grundwerkstoff
einen Zusatzwerkstoff A ein rissempfindliches, fast
und gewünschtem Schweißgut kann u. U. kein geeig-
nur aus intermediärer Phase V bestehendes Schweiß-
neter Zusatzwerkstoff gefunden werden.
gut (Legierung 1). Wird B als Zusatzwerkstoff gewählt,
Beispiel: dann ergibt sich ein risssicheres, zähes nur aus a -MK
Für die vorgegebene Größe des Toleranzfeldes, d. h. bestehendes Schweißgut (Legierung 2).
der gewünschten bzw. erforderlichen Schweißgutzu-
sammensetzung X S.min = 0,06 %, X S.max = 0,13 % und Bei Verbindungsschweißungen an unter-
den experimentell festgestellten Aufschmelzgraden
schiedlichen Werkstoffen sollte der Auf-
AS.max = 60 %, AS.min = 20 % ergibt sich bei einem X-Ge-
halt im Grundwerkstoff von XGW = 0,20 %, dass nur schmelzgrad A (siehe z. B. Abschn. 4.1.4, S.
ein einziger Zusatzwerkstoff mit X Z = konst. = 0,02 % 334) wegen zu erwartender metallurgischer
die vorgegebenen Bedingungen erfüllt. »Inkompatibilitäten« möglichst klein sein.
480 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Fertigungstechnisch sind A 10 % hinrei- Tabelle A4-1


chend einfach erreichbar. Bild A4-4 zeigt, Chemische Zusammensetzung typischer »Altstähle«,
Angaben für Aufgabe 4-4.
dass eine Mischung von 90 % A / 10 % B (Le-
gierung 1) zu einem überwiegend aus inter- Chemische Zusammensetzung
mediärer Phase V bestehenden, sehr sprö- Massenprozent
den, rissanfälligen Schweißgut führt, wäh-
rend die Mischung 10 % A / 90 % B ein voll- C Si Mn P S N

ständig aus Mischkristallen a bestehendes, 0,02 0,5 0,1 0,3 0,02 0,01
also weitgehend risssicheres, zähes Schweiß-
gut ergibt (Legierung 2). Daraus folgt, dass
nur die Wahl eines B-Zusatzwerkstoffs bei über der Raumtemperatur liegen. Der große
Einhaltung des Aufschmelzgrades von 10 % Gehalt an Verunreinigungen ist eine weitere
die geforderte Zusammensetzung der Schmel- Ursache der geringen (Schlag-)Zähigkeit und
ze sicherstellt. Hiermit kann bei einer abge- des für diese Stähle typischen »Besenbruchs«.
schmolzenen Menge von 90 % B sicher die Durch den äußerst geringen Kohlenstoffge-
erforderliche geringe Menge (10 %) an aufge- halt entsteht ein sehr kleines Erstarrungsin-
schmolzenem A erreicht werden. tervall, das zu einer sehr dünnflüssigen, hei-
ßen Schmelze führt. Schweißarbeiten in
Möglich ist auch die Wahl von Schweißzu- Zwangslagen sind daher kaum fachgerecht
satzwerkstoffen, die mit A und B metallur- durchzuführen.
gisch verträglich sind. Für diesen Zweck sind
z. B. für das Herstellen von »Schwarz-Weiß- Ein Schmelzschweißen führt zwar wegen des
Verbindungen« (Abschn. 4.3.8, S. 444) hoch geringen Kohlenstoffgehalts kaum zu einer
nickelhaltige Schweißzusatzwerkstoffe be- merklichen Härtespitze in der WEZ, erzeugt
sonders gut geeignet. aber wanddickenabhängige, sprödbruchbe-
günstigende Eigenspannungen in der WEZ
und im Schweißgut.

Bild A4-5 zeigt das Mikrogefüge aus dem


Bereich der Schmelzgrenze. Das vereinzelt
Aufgabe 4-4: im Bild erkennbare epitaktische Wachstum
Es sind einige für »Altstähle« typische Eigen- der Schweißgutkristallite (oben rechts im
schaften (mechanische, chemische Zusam- Bild) ist bei einem polymorphen Werkstoff
mensetzung) aufzuzählen und die wichtigs-
ten Gründe für ihre sehr schlechte Schweiß-
eignung anzugeben.

Unter »Altstahl« versteht man i. Allg. Stahl,


der vor 1945 vorzugsweise nach dem Tho-
mas- oder sogar dem Puddelverfahren her-
gestellt wurde. Aufgrund der sehr begrenz-
ten Möglichkeiten, hochwertige, saubere
Stähle produzieren zu können, sind diese
Werkstoffe durch einen hohen Einschluss-
bzw. Verunreinigungsgehalt, extrem große
Phosphor- und sehr geringe Kohlenstoffge-
halte gekennzeichnet, Tabelle A4-1.

Als Folge der hohen Phosphor- und Stick-


stoffgehalte sind diese Stähle alterungsan- Bild A4-5
fällig und extrem spröde (KV O 10 J bis 20 J) Mikrogefüge einer Schweißverbindung aus »Altstahl«
bei Übergangstemperaturen, die deutlich im Bereich der Schmelzgrenze. V = 200:1, 2 % HNO3.
Abschn. 4.5: Aufgaben zu Kapitel 4 481

nur dann verständlich, s. Abschn. 4.1.1.1, S. trolliert (z. B. mit Farbumschlagstiften) vor-
300, wenn angenommen wird, dass die das gewärmt und mit hochgetrockneten (!250 ’C)
Umwandlungsverhalten bestimmenden Ele- basisch-umhüllten Stabelektroden geschweißt.
mente im Stahl und im Schweißgut offenbar Wegen der hohen Vorwärmtemperatur und
annähernd gleich sind. Das Gefüge der sehr der damit verbundenen großen thermischen
weichen WEZ (untere Bildhälfte) besteht er- Belastung des Brenners und der sehr einge-
wartungsgemäß weitgehend aus Ferrit. schränkten Handhabung bzw. erschwerten
Zugänglichkeit ist das WIG-Verfahren (un-
Die mechanischen Gütewerte des Schweiß- ter Verwendung von W5-Drähten, Tabelle 4-
guts sind hervorragend, wenn mit trockenen 12, S. 354) nicht sehr empfehlenswert. Für
basischumhüllten Stabelektroden geschweißt den Erfolg ist wegen der extremen Kaltriss-
wird. Die Eigenschaften der WEZ – vor al- gefahr ein sehr geringer Wasserstoffgehalt
lem die Zähigkeit – sind noch schlechter als des Schweißguts und der WEZ unabdingbar,
die des (gealterten) Grundwerkstoffs. Wegen Abschn. 4.3.4.
der werkstoffbedingten großen Kaltsprödig-
220
keit der Schweißverbindung ist außer bei ge- 204
ringer mechanischer Beanspruchung und
dem Betrieb bei deutlich über Null liegen-
den Temperaturen von einem Schweißen
grundsätzlich abzuraten. 60°
60

8
4

Aufgabe 4-5: Verzahnung,


vor dem
Das in Bild A4-6 dargestellte Bauteil aus Schweißen
vergütet
dem Vergütungsstahl 42CrMo4 soll als viel-
fach aufgelegte Kleinserie (jeweils 20 Stück)
durch Schweißen gefertigt werden. Es sind 90

die wichtigsten schweiß- und fertigungstech-


nischen Maßnahmen zu erläutern. Bild A4-6
Schematische Skizze eines geschweißten Maschinen-
bauteils aus 42CrMo4. Die Fügeteile liegen im nor-
Das Schweißen der höhergekohlten Vergü- malgeglühten Zustand vor. Der Bereich der Verzah-
tungsstähle erfordert eine sehr genau ein- nung wurde nach dem Schweißen induktiv partiell
zuhaltende Schweißtechnologie – vor allem gehärtet.
eine ausreichende Vorwärmtemperatur ist
wegen der extremen Gefahr der wasserstoff- Das unlegierte, kohlenstoffarme Schweißgut
induzierten Kaltrissbildung für den Erfolg ist natürlich nicht wie der Grundwerkstoff
außerordentlich wichtig – und hinreichende vergütbar. Wegen der großen Zähigkeit des
Kenntnisse über das Verhalten des Werk- mit basisch-umhüllten Stabelektroden herge-
stoffs beim Schweißen. Vielfach wird die un- stellten Schweißguts ist die (Kalt-)Rissnei-
sinnige Meinung vertreten, dass diese Stäh- gung der Schweißverbindung trotz der gerin-
le grundsätzlich nicht »schweißbar« sind. Er- gen (Schlag-)Zähigkeit des Grundwerkstoffs
fahrungsgemäß lassen sich aber in der Pra- und der versprödenden Wirkung der Eigen-
xis geschweißte Bauteile aus Vergütungsstäh- spannungen gering. Die Schweißnähte sind
len bei entsprechender Sorgfalt betriebssi- daher in Bereiche zu legen, die weniger hoch
cher und auch wirtschaftlich herstellen. beansprucht sind. Die Verwendung von Zusatz-
werkstoffen, die ein dem Grundwerkstoff ver-
Die Fügeteile sind selbstzentrierend herge- gleichbares Schweißgut ergibt, ist technisch
stellt. Sie werden auf 250 ’C bis 300 ’C kon- frag würdig. Selbst wenn Zusatzwerkstoffe
482 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

dieser Zusammensetzung beschaffbar sein Aufgabe 4-6:


sollten (für Reparaturen sind Zusatzwerkstof- Auf den im Bild A4-8 gekennzeichneten Be-
fe mit einer üblichen Kalt- und (oder) Warm- reich eines Lochkorbs (Bauelement eines ther-
arbeitsstählen von einzelnen Herstellern er- misch und chemisch hoch beanspruchten Stell-
hältlich!), wäre von einem Schweißen wegen ventils) aus dem hitzebeständigen Werkstoff
der extremen Kaltrissneigung der Schweißver- X6CrNiMoTi17-12-2 soll eine verschleißfeste,
bindung und des Schweißguts eher abzura- schlagzähe, zunder- (£ 900 ’C) und korrosions-
ten. beständige Schicht mit Hilfe des WIG-Schweiß-
verfahrens aufgetragen werden. Es sind der
1000 Schweißzusatzwerkstoff festzulegen und die
° C wichtigsten Hinweise auf die Schweißtechno-
Temperatur T

800
logie zu geben.

Als Zusatzwerkstoff wird ein Stellit auf der


A F P
600 Basis Co-Cr-Mo (28 % Cr, 5 % Mo, 60 % Co)
mit etwa 0,3 % Kohlenstoff gewählt. Diese
Tp B gut schweißgeeigneten Werkstoffe sind ver-
400 schleißfest, schlagzäh, korrosionsbeständig,
Ms risssicher, gut bearbeitbar (viele anorganische
und organische Säuren) und bis etwa 900 ’C
200
M zunderbeständig. Das Schweißgut besitzt
eine Härte von 250 HV 0,3 bei 600 ’C, die für
0 den vorliegenden Fall ausreichend ist. Nach
1 10 102 t H 103 s 104
Zeit t
DIN EN 14700 (Tabellen 4-41 und 42, S. 450/
451) hat der gewählte Zusatzwerkstoff die
Bild A4-7 Bezeichnung:
Isothermes ZTU-Schaubild des Vergütungsstahls
41Cr4. Eingetragen ist der Verlauf der Abkühlung Schweißstab EN 14700 SO
bei einer Vorwärmtemperatur Tp = 400 ’C. Gemäß Bild
2-27, S. 152, hat das beim Abkühlen aus dem auste- in der die Kennzeichen die folgende Bedeu-
nitisierten Teil der WEZ entstandene bainitische Ge- tung haben:
füge eine Härte von annähernd 350 HV 10. S Produktform ist Schweißstab,
O Legierungskurzzeichen, Tabelle 4-43.
Aus dem isothermischen ZTU-Schaubild des Aus dem Kurzzeichen erkennt man auch,
ähnlichen Stahls 41Cr4 lässt sich eine den daß der gewählte Zusatzwerkstoff die fol-
Umwandlungseigenschaften angemessene- genden beanspruchungsmäßigen Anfor-
re Schweißtechnologie ableiten, Bild A4-7,
95
die auf den in Abschn. 2.5.3.4, S. 152, darge-
50
stellten Grundlagen des isothermischen Schwei-
ßens beruht. Danach wandelt die WEZ bei
einer Vorwärmtemperatur von Tp 400 ’C
30

vollständig in Bainit um, wenn die Haltezeit Auftrag-


schichten
bei der Vorwärmtemperatur ( Schweißzeit)
tH 600 s 10 min beträgt. Die mechanischen
130

Eigenschaften der WEZ – vor allem ihre Riss- Lochkorb


sicherheit – sind deutlich besser als bei der
oben geschilderte Schweißmethode des »Prak-
tikers«. Gemäß Bild 2-27, S. 152, hat das beim Werkstoff Lochkorb: X6CrNiMoTi17-12-2 (Wkst. Nr.: 1.4571)
Abkühlen aus dem austenitisierten Teil der Auftragwerkstoff: Schweißstab EN 14700 SO
WEZ entstandene Gefüge (Bainit) eine Här-
Bild A4-8
te von annähernd 350 HV 10. Die am Schliff Anordnung und Lage der Auftragschweißraupen in
gemessene Härte betrug 370 HV 1. Die Über- einem Lochkorb aus dem hitzebeständigen korrosions-
einstimmung ist zufriedenstellend. beständigen Stahl X6CrNiMoTi17-12-2.
Abschn. 4.5: Aufgaben zu Kapitel 4 483

derungen sehr gut erfüllt ( 1), siehe Ta- laubt Rückschlüsse auf die Art der Herstel-
belle 4-43: lung (Guss/Walzerzeugnis).
p schlagbeständig (1),
z hitzebeständig (1), Magnettest
r rostbeständig (1), Mit Hilfe eines Magneten lässt sich zuverläs-
rissbeständig (1). sig der Gittertyp (krz oder kfz) feststellen.
Stark magnetische Werkstoffe sind unlegier-
Da Stellite während des Abkühlens bereits te/legierte Stähle, Eisenlegierungen, reines
bei etwa 600 ’C ihre Endhärte annehmen, Nickel, martensitische nichtrostende Stäh-
ist bei größeren Bauteilen ein Vorwärmen le; schwach magnetisch sind Monel und Stäh-
auf 400 ’C bis 600 ’C und unabhängig von le von der Art CrNi-18-8. Die sich bei star-
der ihrer Größe ein sehr langsames Abküh- ken magnetischen Werkstoffen ergebenden
len erforderlich. Vorversuche ergaben, dass Kräfte können am sichersten an einem Stück
diese Auftragungen ohne Vorwärmen ge- bekannten »schwarzen« Stahls mit dem Prüf-
schweißt werden konnte. Damit entfiel auch magneten festgestellt werden. Mit diesen
die erhebliche thermische Beanspruchung »Hand-Referenzkräften« lassen sich schwä-
des WIG-Brenners durch die große Rück- cher magnetische Werkstoffe erfahrungsge-
strahlwärme. Mit Rücksicht auf die erhöhte mäß eindeutig erkennen.
Heißrissneigung des vollaustenitischen Grund-
werkstoffs wurde die Zwischenlagentempera- Härtetest
tur auf 200 ’C begrenzt. Die Auftrag raupen Mit transportablen (dynamischen) Härteprüf-
wurden in einer Drehvorrichtung mit konti- geräten – Schlaghärteprüfung nach Bau-
nuierlicher Einstellung der Umfangsgeschwin- mann, Poldihammer, Rücksprunghärteprü-
digkeit nahezu in PA-Position (w) in Form fung nach Shore, Equo-Verfahren – lässt sich
von Rundnähten geschweißt. die Härte schnell und einfach bestimmen.
Daraus kann mit einiger Sicherheit mit den
bekannten Umrechnungsformeln auf die
Aufgabe 4-7: Werkstofffestigkeit geschlossen werden. Mit
Ein gerissenes Bauteil, Bild A4-9, (Randriss, einer Feile kann ebenfalls, aber natürlich
Werkstückdicke 10 mm, von beiden Seiten zu- rein subjektiv, die Härte abgeschätzt und
gänglich) aus einem Werkstoff mit unbekann- mit einiger Erfahrung daraus auf die Art des
ter chemischer Zusammensetzung, muss aus Werkstoffs geschlossen werden.
betrieblichen Gründen möglichst schnell re-
1.
pariert werden. Werkstoffuntersuchungen sind 1. Rissende Rissende (evtl. mit Farbeindringver-
damit aus zeitlichen Gründen nicht durch- abbohren fahren feststellen), abbohren,
Bohrerdurchmesser Æ = 4 mm.
führbar. Die Art des Werkstoffs ist mit »Bord- Riss
mitteln« zu bestimmen. Es sind die Methoden 2. Nahtbereich 2.
zum Feststellen des zu erwartenden Schweiß- säubern Rissumgebung mit Lösungsmitteln,
Feilen, durch Schleifen, Schmirgeln,
verhaltens (Schweißeignung) und die Schweiß- o. ä. sorgfältig säubern.
technologie festzulegen.
3.
Riss ausschleifen, Nahtvorbereitung
Das Schweißverhalten lässt sich mit Hilfe 1 (X-Naht) mit Schleifen erzeugen,
Nahtflanken erneut auf evtl. noch
der folgenden Methoden für die Praxis aus- vorhandene Risse prüfen.
reichend genau abschätzen.
4.
3. Nahtvor- V Wenn möglich (abhängig vom
Farbe (Aussehen) bereitung Werkstoff) vorwärmen und mit
Der bloße Augenschein (Farbe!) erlaubt dem (X-Naht) trockenen B10-Elektroden (geübter
Schweißer!) evtl. mit Vorschweiß-
kundigen Verarbeiter in aller Regel hinrei- blech (V) Riss schweißen.
chend leicht die Unterscheidung Stahl oder
Bild A4-9
NE-Metall. »Schwarzer« Werkstoff ist (bei Vorbereitende Maßnahmen zum Schweißen eines ge-
möglichst sauberer Oberfläche!) von »wei- rissenen Bauteils aus niedriger gekohltem (niedrigle-
ßem« unterscheidbar. Die Bauteilform er- giertem) Stahl, Skizze für Aufgabe A4-7.
484 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Meißeltest geeignet und die angewendete Vorwärmtem-


Insbesondere das (dynamische!) Zähigkeits- peratur ausreichend, Bild A4-10b.
verhalten des Werkstoffs lässt sich mit Hil-
fe eines Meißels relativ gut beurteilen. Der Erfolgt der Riss in der Schmelzgrenze, dann
Aufwand zum Erzeugen des Spans gibt au- muss hier ein sprödes, rissanfälliges Gefü-
ßerdem Hinweise auf die Festigkeit. Konti- ge angenommen werden. Abhilfe schafft eine
nuierliche (kurze, brüchige) Späne sind Hin- ausreichend hohe Vorwärmtemperatur evtl.
weise auf zähe (spröde) Werkstoffe. ein zäherer Schweißzusatzwerkstoff.

Bruchtest Diese Methode ist nur anwendbar, wenn grö-


Wenn Proben entnommen werden können, ßere als Prüfstücke verwendbare Bleche ent-
dann lassen sich aus der zu ihrem Brechen nehmbar sind. Dies ist in der Regel bei Repa-
erforderlichen Kraft und vor allem aus dem raturschweißungen nicht möglich.
Aussehen der Bruchfläche Schlüsse auf die
Werkstofffestigkeit bzw. -zähigkeit ziehen. Der Einfachheit halber wird als Bauteilwerk-
stoff ein niedriger gekohlter (z. B. 0,2 % bis
Aufschmelztest 0,3 %), niedriglegierter Baustahl angenom-
Mit Hilfe eines Aufschmelztests können die men. Das Werkstück wird in Rissnähe sorg-
Schmelztemperatur abgeschätzt, das Ausse- fältig gesäubert (chemisch oder mechanisch).
hen, die Viskosität, eventuelle Bewegungen Mit dem Farbeindringprüfverfahren wird
(z. B. Kochen) und andere Reaktionen der die Lage des Rissendes ermittelt und dieses
Schmelze erkannt werden. anschließend abgebohrt. Durch diese Maß-
nahme wird ein unkontrolliertes Weiterwach-
Schleiffunkentest sen des Risses während der weiteren Bear-
Weitere Hinweise können aus einer Schleif- beitung verhindert. Bei beidseitiger Zugäng-
funkenprobe gewonnen werden, wenn sach- lichkeit ist eine X-Naht zu empfehlen, die ein
kundiges Personal vorhanden ist. einfacheres und sichereres Schweißen sowie
Ausschleifen im Falle fehlerhafter Schweiß-
Technologischer Schweißversuch
Einen einfachen, aber aussagefähigen tech- ³ 1
0 l 50
nologischen Schweißversuch zum Bestim-
men der Vorwärmtemperatur und des Schweiß-
verhaltens von Stahl zeigt Bild A4-10. Ein
Blechstück aus einem gut schweißgeeigne-
50

ten Werkstoff (50 mm x 50 mm x • 10 mm)


wird auf dem unbekannten Werkstoff (Platten-
abmessungen etwa 200 mm x 200 mm, wenn
derartig große Proben entnommen werden 35

können!) mit dem beabsichtigten Schweißzu-


satzwerkstoff, den Einstellwerten und der Vor-
wärmtemperatur mit Hilfe einer Kehlnaht
(Länge der Kehlnaht etwa 35 mm) aufge- F F F
schweißt. Nach dem Abkühlen wird das Blech-
stück gemäß Bild A4-10a durch Hammer-
schläge abgetrennt. Die Art der entstehen-
den Brüche lässt deutliche Rückschlüsse auf
das Schweißverhalten bzw. die anzuwenden- a) b) c)
de Vorwärmung zu.
Bild A4-10
Technologischer Schweißversuch, nach Sheeham.
Läuft der Bruch durch die Schweißnaht, a) Prüfnaht wird über die Wurzel gebrochen,
dann ist der schmelzgrenzennahe Bereich b) Bruch in der Schweißnaht,
ausreichend zähe, der Werkstoff schweiß- c) Bruch in der WEZ des Prüfwerkstoffs.
Abschn. 4.5: Aufgaben zu Kapitel 4 485

Tabelle A4-2
Bezeichnung und chemische Zusammensetzung von Schweißstäben und Schweißgut zum
a) Gasschweißen (Stäbe) von unlegierten und niedriglegierten Stählen (Auswahl), nach DIN EN 12536,
b) WIG-Schweißen (reines Schweißgut) von unlegierten und mikrolegierten Stählen (Auswahl) mit einer
Mindeststreckgrenze bis zu 500 N/mm2, nach DIN EN ISO 636, s. a. Tabelle 4-12, S. 354.

Kurzzeichen Chemische Zusammensetzung der Stäbe zum Gasschweißen in % (m/m) 1), 2), 3)

C Si Mn P S Mo Ni Cr

OZ Jede andere vereinbarte Zusammensetzung


OI 0,03 ... 0,12 0,02 ... 0,20 0,35 ... 0,65 0,030 0,025 - - -
O II 0,03 ... 0,20 0,05 ... 0,25 0,50 ... 1,20 0,025 0,025 - - -
O III 0,05 ... 0,15 0,05 ... 0,25 0,95 ... 1,25 0,020 0,020 - 0,35 ... 0,80 -
O IV 0,08 ... 0,15 0,10 ... 0,25 0,90 ... 1,20 0,020 0,020 0,45 ... 0,65 - -
OV 0,10 ... 0,15 0,10 ... 0,25 0,80 ... 1,20 0,020 0,020 0,45 ... 0,65 - 0,80 ... 1,20
O VI 0,03 ... 0,10 0,10 ... 0,25 0,40 ... 0,70 0,020 0,020 0,90 ... 1,20 - 2,00 ... 2,20

1)
Falls nicht anders festgelegt: Mo £ 0,3 %, Ni £ 0,15 %, Cu £ 0,35 % und V £ 0,03 %. Der Anteil an Kupfer im Stahl plus
Überzug darf 0,35 % nicht überschreiten.
2) Einzelwerte sind Höchstwerte.
3) Die Ergebnisse sind auf dieselbe Stelle zu runden wie die festgelegten Werte unter Anwendung von ISO 31-0,

Anhang B, Regel A.
a)

Kurzzeichen Chemische Zusammensetzung des reinen WIG-Schweißguts in % (m/m)

C Si Mn P S Mo Ni Cr

W2Si 0,06 ... 0,14 0,50 ... 0,80 0,90 ... 1,30 0,025 0,025 - - -
W3Si1 0,06 ... 0,14 0,70 ... 1,00 1,30 ... 1,60 0,025 0,025 - - -
W3Ni1 0,06 ... 0,14 0,50 ... 0,90 1,00 ... 1,60 0,020 0,020 - 0,80 bis 1,50 -

b)

lagen erlaubt, Bild A4-9. Es ist zu beachten, arm und extrem (schlag-)zäh. Damit ist die
dass Reparaturschweißungen häufig nur in Gefahr der Bildung wasserstoffinduzierter
Zwangslage in Zugraupentechnik durch ge- Kaltrisse gering und die Entstehung von
führt werden können. Schweißfehler sind Spannungsrissen wegen der leichten Plasti-
auch bei geübten Schweißern daher nicht aus- fizierung des Schweißguts praktisch ausge-
zuschließen. Wegen der in der Regel sehr ho- schlossen.
hen Eigenspannungen bei Reparaturschwei-
ßungen, werden grundsätzlich nur basisch-
umhüllte Stabelektroden und im Umgang Aufgabe 4-8:
mit diesen ausgebildete und geübte Schwei- Schweißarbeiten an einem unlegierten C-Mn-
ßer eingesetzt (Abschn. 4.2.3.1.3, S. 341 und Stahl sollen mit dem WIG-Verfahren durchge-
Abschn. 4.2.3.1.5, S. 349). Diese Zusatzwerk- führt werden. Es stehen allerdings für diesen
stoffe sind nur hochgetrocknet einzusetzen. Stahl nicht die erforderlichen WIG-Schweiß-
Je nach Zugänglichkeit kann ein Vorschweiß- stäbe W3Si1, Tabelle A4-2b, sondern nur
blech sinnvoll sein. Schweißstäbe für das Gasschweißen (O II
bzw. O III, Tabelle A4-2a) zur Verfügung. Wel-
Eine Vorwärmen ist sehr empfehlenswert. che schweißtechnischen und metallurgischen
Selbst wenn aus sicherheitstechnischen oder Probleme können entstehen?
anderen Gründen nur geringe Vorwärmtem-
peraturen anwendbar sind (»Handwärme ist Beim Gasschweißen wird der beim Schwei-
häufig schon ausreichend)«, werden die riss- ßen zugeführte Sauerstoff in der sog. ersten
begünstigenden Eigenspannungszustände Verbrennungsstufe gemäß folgender Bezie-
verringert. Mit basischen Elektroden herge- hung für eine unvollständige Verbrennung
stellte Schweißgüter sind sehr wasserstoff- verbraucht, Bild A4-11:
486 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

2 ⋅ C + H2 + O2 → 2 ⋅ CO + H2 − Q. Die Reinigungswirkung der Schweißschmel-


ze, hergestellt mit dick-umhüllten basischen
Wegen der in dieser Zone vorhandenen re- Stabelektroden, ist wegen der Art und Men-
duzierenden Gase (CO, H2) und der hier herr- ge der Desoxidationsmittel hervorragend.
schenden höchsten Flammentemperatur Das Schweißgut kann extrem wasserstoff-
(3400 K) wird der Werkstoff in diesem Be- arm (… 5 ppm) und schlagzäh (Tü – 70 °C bei
reich aufgeschmolzen, d. h. geschweißt. Als 47 J) sein. Folgende Faktoren beeinträchti-
Folge der reduzierende Wirkung dieses Flam- gen aber in systematischer Weise die mecha-
menbereichs ist die Menge an Desoxidations- nischen Gütewerte des Schweißguts:
mitteln in Gasschweißstäben deutlich gerin- – Der aus den Umhüllungsbestandteilen
ger als die in WIG-Schweißstäben, wie Ta- entwickelte Sauerstoff führt nicht nur zu
belle A4-2 zeigt. einem größeren Abbrand, auch die Men-
ge der aus den Desoxidationsreaktionen
3000 entstandenen Schlacken (Mikroschlacken)
°C
im Schweißgut ist größer als beim WIG-
Temperatur T

2000
Schweißen.
1000 – Die verglichen mit dem WIG-Verfahren
0 größere Feldstärke, der relativ ungeordne-
te Übergang der Werkstofftröpfchen, der
zusammen mit den elektrodynamischen
Kräfte im Lichtbogen für große Geschwin-
digkeiten der Tröpfchen im Lichtbogen-
2 bis 5 mm raum sorgt, führt zu erheblichen Turbu-
1 2 3 4 lenzen im Lichtbogen. Die Folge sind fast
Schweißbereich
1 kaltes C2H2 - Gemisch
unvermeidlich Lufteinwirbelungen mit
2 Acetylenzerfall:: 2 × C2H2 ® 4 × C + 2 × H2 all den damit entstehenden metallurgi-
3 1. Verbrennungsstufe (Schweißbereich) besteht in der schen Nachteilen. Diese Neigung wird
Hauptsache aus reduzierenden Flammgasen CO und H2:
2× C + H2 + O2 ® 2 × CO + H2
weiter durch Verbrennungsvorgänge al-
4 2. Verbrennungsstufe (»Streuflamme«): ler Art im Lichtbogenraum (Gasbildung,
4 × CO + 2 × H2 + 3 × O2 ® 4 × CO2 + H2O Dämpfe) begünstigt.
Bild A4-11
Verbrennungsvorgänge in der neutralen Acetylen-Sau- Im Gegensatz hierzu ist der Schutz der Schmel-
erstoff-Flamme, Angaben für Aufgabe 4-8. ze unter inerten Gasen vollkommen, die me-
tallurgische Qualität und die mechanischen
Die Verwendung der nur mäßig desoxidier- Gütewerte sind hervorragend. Unerwünsch-
ten Gasschweißstäbe zum WIG-Schweißen te Reaktionen sind nicht möglich, wenn alle
führt daher zur deutlichen Porenbildung im Verunreinigungen im Schweißbereich (Fet-
WIG-Schweißgut. WIG-Schweißstäbe kön- te, Farben, Öl, Rost) vollständig beseitigt
nen andererseits bedenkenlos zum Gasschwei- wurden. Unter diesen Bedingungen ist der
ßen verwendet werden, wenn die höherlegier- Edelgaslichtbogen eine reine Wärmequelle
te (Mn, Si) und damit merklich dickflüssi- ohne Schlacken, Dämpfe und sonstige Ver-
gere Schweißschmelze den Ablauf des Schweiß- unreinigungen. Der Lichtbogen ist ein nahe-
prozesses (z. B. erschwertes Entgasen) nicht zu laminar strömendes »Gas«, wodurch Luft-
stört. einwirbelungen bei fachgerechter Ausfüh-
rung praktisch ausgeschlossen sind. Der flüs-
sige Werkstoff fällt in das Schmelzbad nur
durch die Wirkung der Schwerkraft bzw. Ober-
Aufgabe 4-9: flächenspannungen. Der schlackenlose, saube-
Es ist die erreichbare metallurgische Quali- re Lichtbogenraum ist auch der Grund für
tät von Schweißgütern zu beurteilen, die mit die weitgehende und erfolgreiche Anwendung
hochwertigen Stabelektroden und mit dem dieses Verfahrens zum Schweißen der hoch-
WIG-Verfahren hergestellt wurden. reaktiven Werkstoffe, Abschn. 5.4, S. 553.
Abschn. 4.5: Aufgaben zu Kapitel 4 487

Der entscheidende Nachteil des Verfahrens Für die Entstehung von Erstarrungsrissen
ist die »apothekenhafte« Sauberkeit, die für ist ein »heißrissempfindliches« Gefüge und
höchste Anforderungen an die Gütewerte an- eine ausreichende (Schrumpf-)Spannung bzw.
zuwenden ist. Diese die Fertigung sehr belas- Dehnung erforderlich. Der Werkstoff ist außer-
tende Maßnahme ist erforderlich, weil das dem mit zunehmendem Spannungs- bzw. Deh-
Reinigen der Schmelze mit der wesentlich nungsgradient immer weniger in der Lage,
geringeren Desoxidationsmittelmenge erfol- diese mechanischen Beanspruchungen durch
gen muss, die in einem massiven Schweiß- Kriechprozesse abzubauen. Daraus folgt, dass
stab unterzubringen ist, s. a. Aufgabe 4-8. alle mit sehr großen Aufheiz- bzw. Abkühlge-
Mit basisch-umhüllten Stabelektroden sind schwindigkeiten arbeitenden Schweißverfah-
dagegen mit erheblich geringerem fertigungs- ren diese Rissform sehr begünstigen.
technischen Aufwand in der Regel ausrei-
chende Gütewerte erreichbar. Die Borlandsche Methode beschreibt den Ein-
fluss verschiedener werkstoffabhängiger Fak-
toren auf die Entstehung der Erstarrungsris-
se in Zweistofflegierungen. Sie geht von der
experimentell vielfach bestätigten Erfahrung
aus, dass die Heißrissneigung einer Legie-
rung mit der Größe ihres Erstarrungsinter-
valls 'T zunimmt, weil die akkumulierten
Aufgabe 4-10: Dehnungen proportional zu diesem sind. 'T
Von Borland wurde eine Methode entwickelt, wird hauptsächlich von der chemischen Zu-
mit der das Heißrissverhalten (binärer) Le- sammensetzung der Legierung bestimmt,
gierungen für die Schweißpraxis ausreichend ist also werkstoffabhängig.
genau quantitative beschreibbar ist. Diese ist
abzuleiten und zu kommentieren. Die Aufga- Für die im binären Zustandsschaubild (Aus-
be kann mit dem im Buch besprochenen Stoff schnitt) eingetragene Legierung L, Bild A4-
allein nicht gefunden werden, sie soll einige 12, gilt gemäß Gl. [A5-6], S. 568:
wichtige mehr theoretische Aspekte der Heiß- mS ⋅ c0 ⋅ ( k − 1)
risstheorie aufzeigen. Die erforderlichen werk- TL − TF = .
stofflichen und mathematischen Grundlagen k
sind in den Ausführungen zu Aufgabe 5-3, In dieser Gleichung bedeuten TL die Liqui-
S. 567, zu finden. dus-, TF die Solidustemperatur der Legie-
rung c0, k das Gleichgewichtsverteilungsver-
TS hältnis, das ist das Verhältnis c0 /cF bei einer
mS × c0

L
bestimmten Temperatur und mS die Neigung
TL der Liquiduslinie, Bild A4-12.
Temperatur T

m S × (c 0 /k)

Nach Borland ist der sog. RPF-Faktor (Re-


D T

a S+ a S lative Potency Factor) definiert als das Ver-


hältnis des Erstarrungsintervalls zum Mas-
TF senprozent der Legierungsmenge c0.
mF = Neigung der
Soliduslinie
TL − TF mS ⋅ ( k − 1)
RPF = = . [A4-1]
mS = Neigung der
c0 k
In Gl. [A4-1] ist k  1 (! 1) für mS  0 (! 0).
Liquiduslinie
A c0
Gehalt an B
Danach nimmt mit zunehmendem RPF die
Bild A4-12
Heißrissanfälligkeit zu. Aus der Beziehung
Hypothetisches Zweistoffsystem (Ausschnitt) zum Ab-
leiten des Borlandschen relativen Wirkfaktors (RPF wird außerdem deutlich, dass mit abnehmen-
= Relative Potency Factor), der ein quantitativer Maß- dem k cF/cS – dieser Faktor ist ein Maßstab
stab der Heißrissneigung ist. für die Neigung der Legierung zur Mikrosei-
488 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

gerung – die Heißrissneigung zunimmt. Mit In einfachen Kohlenstoff-Mangan-Stählen


größer werdender Neigung mS, d. h. zuneh- wird das feinere Korn in Schmelzgrenzennä-
mendem Abfall der Liquiduslinie, nimmt die he nicht beobachtet, weil hier lediglich die
Heißrissneigung ebenfalls zu. Danach sind Umwandlung g  g  S erfolgt, Bild 4-13b.
z. B. Schwefel in Eisen, Schwefel und Bor in Da in diesem Fall wegen der guten Diffusions-
Nickel extrem heißrissbegünstigend. Wich- bedingungen in der Schmelze die Möglich-
tig ist allerdings auch die Art der Verteilung keiten einer Entmischung (Korngrenzense-
der restlichen Schmelze an den Korngren- gregation) kaum vorhanden sind, ist auch ei-
zen. Schmelzen, die die Korngrenzen vollstän- ne Änderung der Zusammensetzung des Aus-
dig benetzen können (ihre Oberflächenspan- tenits im Schmelzgrenzenbereich im Ver-
nung g bzw. der Benetzungswinkel b ist sehr gleich zu dem weiter entfernten der WEZ we-
gering, s. Bild 1-13, S. 11), sind extrem, nicht nig wahrscheinlich. Die Körner an der Schmelz-
oder schlecht benetzende Schmelzen (g bzw. grenze sind daher wegen der hier vorliegen-
der Benetzungswinkel b ist groß) kaum heiß- den höheren Temperatur wie erwartet grö-
rissbegünstigend. ßer und weniger äquiaxial als in jedem ande-
ren Teil der beim Schweißen austenitisier-
ten Zone.

Die Neigung verschiedener Elemente zur


Korngrenzensegregation kann aufgrund der
Größe ihrer Löslichkeit in einer Phase abge-
Aufgabe 4-11: schätzt werden. Hierfür wird der Segrega-
Es sind die unterschiedlichen Eigenschaften tionsfaktor b Seg verwendet, der das Verhält-
der Umwandlungsgefüge im schmelzgrenzen- nis der Gleichgewichtskonzentration des Ele-
nahen Bereich von Schweißverbindungen ments im Korngrenzenbereich cK zu der in
aus Stählen zu beschreiben, bei denen die der Matrix cM ist und z. B. mit Hilfe der Auger-
Phasenumwandlung (d + g ) Æ g stattfindet elektronen-Spektroskopie ermittelt werden
bzw. nicht stattfindet. kann:
cK
Die beobachteten Unterschiede sind auf ein β Seg = .
geändertes Umwandlungsverhalten üblicher cM
unlegierter bzw. (niedrig-)legierter (vorwie-
gend Mangan) Baustähle zurückzuführen. S S
S+ d
Gemäß EKS, s. Abschn. 2.4, S. 133, besteht d
Temperatur T

Temperatur T

der Werkstoff während des Aufheizens an S+ g


d+ g g
der Schmelzgrenze aus dem Phasengemisch g
(S  d). Wegen der sehr geringen Löslichkeit
des d -Ferrits für die Austenitbildner Kohlen-
c0 = 0,15 % c0 = 0,15 %
stoff und Mangan reichern sich diese Elemen- C C+ Mn
te in den aufgeschmolzenen Korngrenzen-
bereichen an, Bild A4-13a. Während der
Schmelze S
Abküh lung er schweren die segregierten
Schmelze + d
Korngrenzenbereiche das Kornwachstum er-
S+ g
heblich und führen zu einer merklichen Än- d+ g

derung der Austenitzusammensetzung (Korn- g g


inneres Rand), d. h. beeinflussen auch die
Art der Umwandlungsprodukte. Dieses mehr a) b)
äquiaxiale Korn des schmelzgrenzennahen
Bild A4-13
Gefüges ist trotz der höheren Temperatur Umwandlungsgefüge im Schmelzgrenzenbereich von
merklich feiner als das der Grobkornzone, Schweißverbindungen aus Stählen, schematisch.
wie der Vergleich der Bilder A4-14a mit A4- a) Stähle mit (d + g ) Æ g -Phasenumwandlung,
14b zeigt. b) Stähle ohne (d + g ) Æ g -Phasenumwandlung.
Abschn. 4.5: Aufgaben zu Kapitel 4 489

a) b)

Bild A4-14
Einfluss der Umwandlungsvorgänge im auf die Korngröße im Bereich der WEZ bzw. Schmelzgrenze von
Schweißverbindungen aus unlegierten Stählen (TU St 37), bei denen die Umwandlung (d + g ) Æ g stattfindet,
V = 400:1, 2 % HNO3.
a) Mikrogefüge der Grobkornzone,
b) Mikrogefüge unmittelbar an der Schmelzgrenze (WEZ im Bild oben links, Schweißgut rechts unten).

Die Elemente, deren Segregationsfaktoren Eine bestimmte Ferritmenge im austeniti-


b Seg • 100 sind, neigen erfahrungsgemäß in schen Schweißgut ist ein wichtiges Krite-
vielen Fällen zur Versprödung des Werk- rium für dessen Heißrisssicherheit und Ver-
stoffs. Die Eisen am stärksten verspröden- sprödungsneigung. Der Ferritgehalt ist da-
den Elemente sind in der Reihenfolge abneh- mit ein entscheidendes Qualitätsmerkmal
mender Wirkung: und muss einfach (wirtschaftlich) und ausrei-
chend zuverlässig (Qualitätsmaßstab!) be-
S – C – B – P – N – Sb.
stimmbar sein. Ein zu geringer Ferritgehalt
In verschiedenen Fällen, z. B. bei den ferriti- (Heißrissneigung ausgeprägt) ist ebenso ge-
schen korrosionsbeständigen Chromstählen, fährlich wie ein zu großer (Versprödung durch
führt eine Korngrenzensegregation einzel- d -Ferrit).
ner Elemente auch zu einer erheblich ver-
minderten Korrosionsbeständigkeit, Abschn. Gemeinschaftsversuche, die von unabhängi-
4.3.7.4, S. 425, weil sich zwischen Korn und gen Institutionen bereits in den Sechziger
Korngrenze eine Potenzialdifferenz ausbil- Jahren durchgeführt wurden, zeigten, dass
den kann. Der korrosionschemisch unedlere die mit den üblichen zerstörungsfreien Me-
Korngrenzenbereich wird dabei anodisch auf- thoden zum Bestimmen der Ferritmengen in
gelöst. Stählen (z. B. Messung der magnetischen Sät-
tigung mit der Magnetwaage, Momentenspu-
le oder das Joch-Isthmus-Verfahren, metallo-
Aufgabe 4-12: grafische Verfahren: Punktzählokular, quan-
Es ist die Problematik der Ferritmengenbe- titatives Mikroskop, Auszählen von Treffpunk-
stimmung in austenitischem bzw. austeni- ten eines Rasters auf Gefügefotos) erreich-
tisch-ferritischem Schweißgut zu beschrei- baren Streuungen der Messwerte zu groß
ben. Die gegenwärtig vorhandenen Messme- sind. Die Ursachen beruhen im Wesentlichen
thoden sind auf ihre Eignung zur Ferritmen- auf den folgenden Schwierigkeiten:
genbestimmung zu bewerten. Diese Hinwei- – Aus Resultaten, die mit willkürlich verein-
se sind als Ergänzung zu den in Abschn. barten Messmethoden gewonnen wurden,
4.3.7.2, S. 417, dargestellten Zusammenhän- lassen sich kaum physikalisch gesicherte
gen und Problemen zu verstehen. Werte ableiten bzw. bestimmen;
490 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

– es fehlt eine international vereinbarte und Auf Grund dieser Tatsachen wurde das Kon-
weltweit anerkannte Messmethode, die zept der Ferrit-Nummer oder FN entwickelt.
ausreichend reproduzierbare Ergebnisse Hierbei handelt es sich um die Kennzeich-
liefert. nung des Deltaferritgehalts – aber nicht unbe-
dingt um die »wahre« Ferritmenge – nach ei-
Aus verschiedenen Gründen ist der tatsäch- nem genormten Verfahren. Aus Praktikabili-
liche (Volumen-)d -Ferritgehalt im Schweiß- tätsgründen entspricht allerdings die Ferrit-
gut zurzeit weder zerstörend noch zerstö- Nummer der Ferritmenge nur bis zu einem
rungsfrei bestimmbar. Ferritgehalt von etwa 10 %. Bei höheren FN-
Werten (z. B. die sehr viel größeren Ferritmen-
Die Kenntnis des wahren Ferritgehalts ist gen in Duplexstählen) sind die prozentualen
aber tatsächlich auch nicht notwendig. Es (Volumen-)Ferritmengen in der Regel deut-
ist lediglich ein ausreichend genaues Mess- lich geringer als die Ferrit-Nummern. Meis-
verfahren erforderlich, mit dem ein Mess- tens wird der folgende praxisbewährte Zu-
wert festgestellt werden kann, der den Fer- sammenhang angenommen, siehe hierzu Bild
ritgehalt genügend genau repräsentiert, weil 4-95, S. 421:
in der Praxis lediglich bestimmte Grenzwer-
FN (1,3 bis 1,4) ¹ d -Ferrit [%].
te des Ferritgehalts von Interesse sind. Die-
se Grenzen betreffen den Mindestgehalt zum Nur mit Verfahren, die mit magnetischer
Vermeiden von Heißrissen, den Maximalge- Sättigung arbeiten, lassen sich (Volumen-)
halt für eine noch zulässige Versprödung Ferritmengen ermitteln.
und den optimalen Gehalt hinsichtlich der
Korrosionsbeständigkeit. Bei dem international genormten FN-Eich-
verfahren wird die Abreisskraft eines Perma-
nentmagneten definierter Stärke und Größe
6,0
von einer Schweißgutprobe als Maßstab für
5,0 den Ferritgehalt gemessen. Der Zusammen-
Abreißkraft

4,0
hang zwischen der Abreisskraft und FN wird
g
durch sog. Erst-Bezugskörper (Primary Stan-
3,0
dards) hergestellt, die aus einem unlegier-
ten Stahl mit einem nichtmagnetischen Über-
2,5
zug (Kupfer) bestimmter Dicke d bestehen.
2,0 Die Messung bzw. Eichung erfolgt mit dem
in den USA weitverbreiteten Ferritmessgerät
1,5 Magne-Gage. Die Abreisskraft ist umso ge-
ringer, je dicker die Kupferschicht auf dem
Kalibrierstück ist. Bild A4-15 zeigt den Zu-
1,0
sammenhang zwischen der Abreisskraft und
0,8 den mit unterschiedlich dicken Kupferschich-
ten versehenen Kalibrierstücken. Die Ab-
0,6 hängigkeit der FN von der Schichtdicke d
wird durch die folgende Beziehung beschrie-
ben, wobei die Ferritnummer FN mit der Fer-
0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,8 1,0 mm 1,5 2,0
ritmenge in Prozent möglichst gut überein-
Dicke des nichtmagnetischen Überzugs stimmt, Gl. [A4-2]:
26,3 19,1 15 12,3 10,3 7,7 6,1 3,7 2,5 FN = exp [1, 8059 - 1,11886 ◊ ln d -
Ferritnummer FN
0,17740 ◊ (ln d)2 - 0, 03502 ◊ (ln d)3 -
Bild A4-15
Zusammenhang zwischen der Abreißkraft des Stan- 0, 00367 ◊ (ln d)4 ].
dardmagneten (Größe 3) von den Kalibrierstücken
mit Überzug. Die angegebenen FN-Nummern wurden Zum Messen des Deltaferritgehalts zwischen
mittels der Beziehung A4-2 ermittelt. 0 und etwa 30 FN – bedingt durch die Bau-
Abschn. 4.5: Aufgaben zu Kapitel 4 491

art kann mit dem normalen Magne-Gage-Ge- Erst-Bezugskörper sind nur für die FN-Be-
rät dieser Bereich gemessen werden – er ist stimmung auf Magne-Gage-Geräten geeig-
für nichtrostendes austenitisches Schweiß- net. Andere Ferritmessgeräte müssen mit
gut ausreichend genau – werden mindestens sog. Zweit-Bezugskörpern (Secundary Stan-
acht Kalibrierstücke mit unterschiedlich di- dards) kalibriert bzw. untereinander vergli-
cken Kupferüberzügen verwendet. Wenn der chen werden. Das sind Schweißproben un-
Deltaferritgehalt nicht mit Haftkräften auf terschiedlichen Ferritgehaltes, deren Ferrit-
dem Magne-Gage-Gerät gemessen oder ein Nummern mit einem Magne-Gage-Gerät zu-
vom Standard abweichender Magnet ver- vor ermittelt wurden. In ihnen sollte der Fer-
wendet wird, dann können irreführende bzw. rit möglichst fein verteilt sein, um die Mess-
fehlerhafte Ergebnisse die Folge sein. werte-Streuung ausreichend klein zu halten.
In Schweißgutproben, die mit dem UP-Band-
Für höhere Ferritgehalte – wie sie z. B. für plattieren hergestellt wurden, ist der Ferrit
Duplexstähle erforderlich sind – wird die besonders gleichmäßig und homogen verteilt,
Kalibrierung auf etwa 100 FN erweitert. Die sie eignen sich daher besonders gut als Zweit-
über FN • 28 hinausgehenden Werte wer- Bezugskörper. Mit dieser Messmethode ist
den als EFN (Extended Ferrite Number) be- bei Untersuchungen des Ferritgehalts von
zeichnet. Die mit zunehmendem Legierungs- Schweißgütern mit unterschiedlichen Ferrit-
gehalt (das gilt vor allem für Chrom!) abneh- messgeräten mit Abweichungen von max.
mende magnetische Sättigung des Ferrits “ 10 % zu rechnen. Bei einem Mittelwert von
wird aber bei der Ferritnummer FN nicht be- FN 10 werden demnach Werte zwischen
rücksichtigt. Diese Tatsache bedeutet aber FN 9 und FN 11 gemessen.
lediglich, dass die entsprechenden kritischen
Ferritgehalte bzw. die Ferritnummer für un-
terschiedliche Legierungsmengen unter-
schiedlich sind.
1600 S

°C
Temperatur T

1200
g g+ d Aufgabe 4-13:
Neigt der vollständig austenitisierte Bereich
d - Ferrit einer Schweißverbindung aus einem niedrig-
800 gekohlten einprozentigen Chromstahl zu ei-
a - Ferrit nem stärkeren Kornwachstum oder der einer
Verbindung aus einem 17%igen Chromstahl?
In beiden Fällen wurde mit den »gleichen«
400
Stahl 1: Stahl 2:
Stahl 2:
Schweißbedingungen gearbeitet.
17 % Cr
1 % Cr 17 % Cr
Im Gegensatz zu dem umwandlungsfähigen
0 einprozentigen fehlt die g  a -Umwandlung
Fe 10 20 30 % 40 bei dem 17%igen Chromstahl, Bild A4-16,
Chromgehalt
und damit die kornfeinende Wirkung dieser
Bereich der Stahl 1: g ® a einem Normalglühen ähnelnden Wärmebe-
g ® a - Umwandlung Stahl 2: umwandlungsfrei (d - MK)
handlung, d. h., das Korn im austenitisier-
Bild A4-16 ten Bereich der WEZ ist im letzteren Fall
Konstitution und Umwandlungsvorgänge eines einpro- erheblich größer. Diese Erscheinung ist eine
zentigen (Stahl 1) und eines 17%igen Chromstahls Ursache für die sehr schlechten Zähigkeits-
(Stahl 2), schematisch. Die Wirkung des Kohlenstoffs
(beide Stähle sind niedriggekohlt) und anderer Legie-
eigenschaften geschweißter Verbindungen
rungselemente wurde nicht berücksichtigt, s. a. Bild aus ferritischen Stählen, s. hierzu Abschn.
2-66, S. 201. 2.8.4.2, S. 215.
492 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Aufgabe 4-14 der sehr geringen thermischen Beständig-


Mit Hilfe des Vertikalschnittes des Dreistoff- keit der Ferritphase (aber abhängig von
schaubildes Fe-17Cr-C, Bild A4-17, sind die den Schweißbedingungen) extrem grob-
werkstofflichen Vorgänge in der WEZ von körnig ist. Der sich während der Abkühlung
Schweißverbindungen aus 17%igen Chrom- aus dem Austenit vorwiegend an den Korn-
stählen näher zu beschreiben. grenzen bildende Martensit ist daher und
wegen der großen Abkühlgeschwindigkeit
Die gefügemäßige Beschaffenheit der WEZ überwiegend nadelförmig. Die Anwesen-
und die Umwandlungsvorgänge in den nied- heit dieses nadelförmigen Martensits ist
riggekohlten (C O 0,5 %) korrosionsbestän- eine entscheidende Ursache für die sehr
digen ferritischen 17%igen Chromstählen schlechten Zähigkeitseigenschaften der
lassen sich sehr anschaulich mit dem in Bild WEZ.
A4-17 dargestellten Vertikalschnitt beschrei-
ben. Es muss an dieser Stelle aber darauf hin- Die Menge nadelförmigen Martensits lässt
gewiesen werden, dass diesen Schaubildern sich durch Zugaben von Ti (0,5 %) oder
lediglich entnommen werden kann, welche Ge- Nb (1 %) deutlich verringern, weil der d -
füge bei welchen Temperaturen vorhanden Ferritbereich vergrößert, und damit die
sind. Die Zusammensetzungen und Mengen Austenitbildung z. T. unterdrückt wird.
der miteinander im Gleichgewicht vorliegen- Ein ähnliches Ergebnis lässt sich mit gro-
den Phasen sind dagegen (Abschn. 1.6.5.1, ßen Abkühlgeschwindigkeiten erreichen,
S. 62) in keinem Fall bestimmbar! wodurch die stark unterkühlbare Umwand-
lung (feste Phase wandelt um in feste Pha-
Die WEZ besteht aus (mindestens) zwei un- se!) d  g u. U. vollständig unterdrückt
terscheidbaren Bereichen: wird. Das Bild A4-17 zeigt weiterhin, dass
– Zone a: Die Temperatur erreicht (1) den das Carbid M23C6 bei Temperaturen unter
Bereich (Ende 2) der Austenitbildung. Der 700 ’C beim Abkühlen selbst bei Kohlen-
Austenit bildet sich an energetisch güns- stoffgehalten unter 0,1 % aus dem a -MK
tigen Orten, d. h. entlang der Korngrenzen. ausgeschieden wird.
Er wandelt während der raschen Abküh-
lung beim Schweißen in Martensit um.
Das Kornwachstum in diesem Bereich ist Aufgabe 4-15:
relativ gering. Es sind die werkstofflichen Grundlagen und
– Zone b: Die Temperatur erreicht den Be- das Schweißverhalten der Superferrite zu be-
reich der d -Ferritbildung, der als Folge schreiben. In Abschn. 2.8.4.2, S. 215, werden
einige Werkstoffgrundlagen mitgeteilt, und
1600 in Abschn. 4.3.7.4 Hinweise zu ihrer schweiß-
S
°C technischen Verarbeitung gegeben.
S+ d
1400 S+ d+ g
Temperatur T

d Die Schweißeignung der ferritischen Chrom-


d+ g stähle ist sehr schlecht. Sie beruht im We-
1200
2 sentlichen auf der stark versprödenden Wir-
kung vor allem von Kohlenstoff und Stick-
1000
1 d + g + M23C6
stoff. Diese interstitiell gelösten Elemente
scheiden sich aus der thermisch außerordent-
800 lich instabilen krz Matrix selbst bei sehr ge-
a + M23C6
ringen Gehalten (• 0,01 %) und höchsten Ab-
600 kühlgeschwindigkeiten (wie beim Schwei-
0 0,1 0,2 0,3 0,4 % 0,5 ßen!) innerhalb eines sehr großen Tempera-
Kohlenstoffgehalt turbereiches (etwa von 450 ’C bis 900 ’C) in
Bild A4-17 Form extrem versprödender Zustände/Teil-
Vertikalschnitt im Dreistoffsystem Fe-Cr-C bei chen (z. B. 475 ’C-Versprödung, Sigma-Pha-
Cr = 17 %, nach Castro und Tricot. se, c-Phase) aus.
Abschn. 4.5: Aufgaben zu Kapitel 4 493

Die Zähigkeitseigenschaften lassen sich da- - Schweißbrenner möglichst senkrecht zur


mit erheblich verbessern, wenn Blechoberfläche führen, um Lufteinwirbeln
(Schutzgas, Schweißgut) durch Injektor-
C  N  0,015 % 150 ppm
wirkung zu vermeiden.
wird. Derartig geringe Gehalte der Verunreini- - Schutzgasdüsen mit großem Innendurch-
gungen lassen sich mit den modernen Stahl- messer (großflächiger Schutz!) • 20 mm
herstellverfahren (Vakuumtechnik, AOD-Ver- und Schutzgaslinsen (erzeugt laminaren
fahren) wirtschaftlich einstellen. Diese meist Schutzgasstrom und erleichtert zuverläs-
in Form dünnwandiger Rohre gelieferten siges Bespülen der Draht(elektroden)spit-
Werkstoffe eignen sich hervorragend für al- ze mit Schutzgas) verwenden. Schutzgas-
le Beanspruchungen durch die gefährlichen linsen sofort wechseln/säubern, wenn Sprit-
lokalen Korrosionsformen (Lochfraß, SpRK, zer an ihnen haften, anderenfalls könnten
Spaltkorrosion), z. B. für Wärmetauscher unkontrollierbare, turbulente Schutzgasströ-
oder wässrige, chloridhaltige Lösungen und mungen entstehen.
Seewasser. - Dichte Verbindungen im gesamten Schutz-
gassystem sicherstellen, um Einsaugen
Diese extrem sauberen, rein ferritischen von Luft zu vermeiden. Kontrolle mit kreis-
Stähle enthalten etwa 25 % bis 30 % Chrom förmigen Probeauftragschweißungen nach
(IK-Beständigkeit wird verbessert) und bis Schweißende (Strom aus!), die einige Sekun-
zu 5 % Molybdän (SpRK wird erhöht). Trotz den mit dem weiter strömenden Schutz-
der geringen Kohlenstoff- und Stickstoffge- gas bespült werden. Jede sichtbare Verfär-
halte wird einigen Stählen bis etwa 0,20 % bung des Schweißguts deutet auf ein un-
Niob oder (und) Titan zugesetzt, um den noch dichtes System.
vorhandenen gelösten Kohlenstoff zu stabili- - Formiergase dürfen anders als bei auste-
sieren. Anderenfalls wären sie bei bestimm- nitischen Cr-Ni-Stählen keine Spuren von
ten kritischen Korrosionsumgebungen im- Stickstoff enthalten.
mer noch IK-anfällig. - Endkrater sorgfältig und mit geringem
Druck ausschleifen und mit Farbeindring-
Die schweißtechnische Verarbeitung dieser verfahren auf Risse prüfen, Schleifstäube
Stähle ist »theoretisch« verhältnismäßig ein- sorgfältigst beseitigen. Anlauffarben auf
fach. In der Praxis sind aber eine Reihe ferti- der Wurzelseite von Stumpfnähten mög-
gungstechnischer, logistischer und qualitäts- lichst nicht mechanisch entfernen, besser
sichernder Maßnahmen erforderlich, die bei ist chemische Behandlung.
den meisten anderen Werkstoffen nicht oder - Das Wärmeeinbringen ausreichend klein
nicht in diesem Umfang notwendig sind und wählen, Mehrlagentechnik (Zugraupe) be-
die Verarbeitung erschweren und die Her- vorzugen, Zwischenlagentemperatur auf
stellung erheblich verteuern. In erster Linie etwa 100 ’C begrenzen. Beide Maßnahmen
müssen alle Vorkehrungen getroffen und ri- helfen, die Korngröße der WEZ zu kont-
goros eingehalten werden, um ein dem Grund- rollieren.
werkstoff vergleichbares, extrem verureini- - Bei hohen Schweißgeschwindigkeiten soll-
gungsarmes Schweißgut herstellen zu kön- te eine vorlaufende Schutzgasdüse ver-
nen. Hierfür sind u. a. folgende Maßnahmen wendet werden.
zu ergreifen:
- Nur hochreine Schutzgase (Ar, He oder Wasserstoff versprödet die stabilisierten hoch
deren Gemische, typisch 75 % Ar/25 % He) chrom- und molybdänlegierten ferritischen
in ausreichender Menge verwenden. Die Stähle in der Regel leichter als die Superfer-
Qualität von Standardschutzgasen ist meis- rite. Eine Wärmevorbehandlung ist nicht er-
tens nicht ausreichend. forderlich, weil diese Werkstoffe in der WEZ
- Extreme Sauberkeit des Schweißnahtbe- keinen Martensit bilden, eine Wärmenachbe-
reiches, der Zusatzwerkstoffe, der Schwei- handlung ebenso wenig, weil die Gefahr der
ßerhandschuhe, des Schweißbrenners, Sigma- bzw. der c-Phasenbildung besteht
-pistole ist unabdingbar. (500 ’C bis 900 ’C).
494 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

Aufgabe 4-16: scheinung ist ursächlich für die extreme Nei-


Es ist der Einfluss des Legierungselementes gung ferritischer Chromstähle zur IK, Abschn.
Kohlenstoff auf die mechanischen, korrosions- 2.8.4.2, S. 215.
technischen und werkstofflichen Eigenschaf-
ten der hochlegierten ferritischen Chrom- Die Form- und Lageänderung des Existenz-
bzw. austenitischen Chrom-Nickel-Stähle zu bereichs des Austenits in Cr-Ni-Austeniten
beschreiben. durch Kohlenstoff ist auch für die mechani-
schen und korrosionstechnischen Eigen-
Kohlenstoff ist eines der wichtigsten Legie- schaften der austenitischen Cr-Ni-Stähle
rungselemente im Stahl. Er bestimmt zu- und Schweißgüter von großer Bedeutung.
sammen mit verschiedenen anderen Elemen- Für viele Eigenschaften dieser Stähle ist das
ten die entstehenden Gefügeformen (Ferrit/ sehr unterschiedliche Lösungsvermögen des
Perlit, Bainit, Martensit), d. h. die Festig- unlegierten bzw. hochlegierten Austenits für
keits- und Zähigkeitseigenschaften. Mit Chrom Kohlenstoff und seine unterschiedliche Diffu-
bildet Kohlenstoff in korrosionsbeständigen sionsgeschwindigkeit im a- bzw. g-Gitter der
Stählen verschiedene Carbide Cr23C6, Cr7C3, Schlüssel zum Verständnis. Reines g-Eisen
wobei aber in den meisten Fällen Mischcar- löst bei höheren Temperaturen (etwa 2,0 %
bide (FeCr)23C6 entstehen, die allgemein als bei 1147 ’C, 0,8 % bei 723 ’C, s. Bild 2-9, S.
M23C6 bezeichnet werden. Als starker Auste- 134) verhältnismäßig viel Kohlenstoff, die
nitbildner erweitert Kohlenstoff (ähnlich wie im a-Mk dann sprunghaft auf 0,02 % (bei
Stickstoff!), die g-Schleife zu höheren Chrom- 723 ’C) abnimmt, s. hierzu Aufgabe 1-2, S.
gehalten, Bild A4-18, s. hierzu auch Abschn. 110. Die Kohlenstofflöslichkeit der hoch-
2.8.3.3, 205. legierten Cr-Ni-Austenite ist dagegen wegen
der starken Verminderung der Kohlenstoffak-
Der Vertikalschnitt im Dreistoffsystem Fe- tivität im Austenit durch Chrom wegen der
Cr-C bei 17 % Cr, Bild A4-17, zeigt, dass Koh- Neigung zur Bildung des Mischcarbids M23C6
lenstoff aus a-Ferrit unter 700 ’C schon bei sehr gering. Da dieses Carbid schon bei sehr
C-Gehalten um 0,01 % in Form des Mischcar- geringen Kohlenstoffgehalte entsteht, wird
bids M23C6 ausgeschieden wird. Diese Er- seine Löslichkeitsgrenze im Austenit stark
herabgesetzt. Sie liegt bei einer Eisenlegie-
rung mit 18 % Chrom bei 723 ’C im Bereich
1500
°C
von etwa 0,01 % bis 0,02 %. Diese Ergebnis-
1400
se bedeuten, dass sowohl in den ferritischen
Temperatur T

als auch den austenitischen Cr-Ni-Stählen


1300
die Ausscheidung des Mischcarbids M23C6
1 2 3 4 bei ähnlich geringen Kohlenstoffgehalten be-
1200
ginnt. Der entscheidende Unterschied in der
g g+ d d
Wirksamkeit dieses Vorgangs für das Korro-
1100
sionsverhalten ist die sehr viel größere Aus-
scheidungsgeschwindigkeit des Carbids aus
1000
dem a-Gitter, Abschn. 2.8.3.3, S. 205.
900
Kohlenstoff behindert die Ausscheidung je-
800
der intermediären Phase umso stärker, je
Fe 5 10 15 20 25 % 30 geringer ihre Löslichkeit für ihn ist, weil der
Chromgehalt Gefügebereich, in dem die Ausscheidung er-
1: C % + N % = 0,005 % 2: C % + N % = 0,03 % folgt, zuerst von Kohlenstoff »befreit« wer-
3: C % + N % = 0,07 % 4: C % + N % = 0,13 % den muss, ehe die Ausscheidung stattfinden
kann. Die Löslichkeit der Sigma-Phase für
Bild A4-18
Einfluss des Kohlenstoffs und Stickstoffs auf Lage Kohlenstoff ist sehr gering, daher wird ihre
und Ausdehnung des (g + d )-Raumes im System Fe-Cr, Ausscheidung durch Kohlenstoff erschwert,
nach Schmidt und Jarleborg. Abschn. 2.8.3.4.2, S. 210.
Abschn. 4.6: Schrifttum 495

4.6 Schrifttum

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file und Blankstahlerzeugnisse aus korro- pulver-Kombinationen für das Unterpulver-
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wendung, 9/2005. lung, 1/2004.
Abschn. 4.6: Schrifttum 497

DIN EN 14700: Schweißzusätze – Schweiß- Teil 1: Lichtbogenhandschweißen, Schutzgas-


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Teil 2: Unterpulverschweißen von Stahl,
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ausbringung und des Abschmelzkoeffizien-
Teil 3: Metall-Inertgasschweißen und Wolf-
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DIN EN ISO 636: Schweißzusätze – Stäbe,
DIN EN ISO 14172: Schweißzusätze – Um-
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gen – Einteilung, 05/2004.
DIN EN ISO 1071: Schweißzusätze – Umhüll- DIN EN ISO 14175: Schweißzusätze – Gase
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drahtelektroden zum Schmelzschweißen von ßen und verwandte Prozesse, 6/2008.
Gusseisen – Einteilung, 10/2003.
DIN EN ISO 14341: Schweißzusätze – Draht-
DIN EN ISO 2560: Schweißzusätze – Um- elektroden und Schweißgut zum Metall-
hüllte Stabelektroden zum Lichtbogenhand- Schutzgasschweißen von unlegierten Stäh-
schweißen von unlegierten Stählen und Fein- len und Feinkornstählen – Einteilung, 8/
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DIN EN ISO 3690: Schweißen und verwand- DIN EN ISO 14343: Schweißzusätze – Draht-
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serstoffgehaltes im ferritischen Schweißgut, be zum Schmelzschweißen von nichtrosten-
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DIN EN ISO 6847: Umhüllte Stabelektroden
für das Lichtbogenhandschweißen, Auftra- DIN EN ISO 14372: Schweißzusätze – Be-
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chemischen Zusammensetzung, 2/2002 den für das Lichtbogenhandschweißen durch
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DIN EN ISO 6848: Lichtbogenschweißen
und -schneiden – Wolframelektrode – Ein- DIN EN ISO 17632: Schweißzusätze – Füll-
teilung, 3/2005. drahtelektroden zum Metall-Lichtbogenschwei-
ßen mit und ohne Schutzgas von unlegier-
DIN EN ISO 8249: Bestimmung der Ferrit- ten Stählen und Feinkornstählen – Eintei-
Nummer in nichtrostendem austenitischem lung, 8/2008.
und ferritisch-austenitischem (Duplex-)
DIN EN ISO 17633: Schweißzusätze – Füll-
Schweißgut von Cr-Ni-Stählen, 10/2000.
drahtelektroden und Füllstäbe zum Metall-
DIN EN ISO 9692: Schweißen und verwand- Lichtbogenschweißen mit oder ohne Gas-
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vorbereitung. digen Stählen – Einteilung, 6/2006.
498 Kapitel 4: Schweißmetallurgie der Eisenwerkstoffe

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5 Schweißmetallurgie der
nichteisenmetallischen Werkstoffe

5.1 Die WEZ in Schweiß- metallischen Werkstoffen typisch sind. Die


werkstofflichen Änderungen sind hier oft
verbindungen aus
übersichtlicher und leichter verständlich als
Nichteisenmetallen bei umwandlungsfähigen Stählen. Das Bild
4-14, S. 311, kann hierfür als einführende
Die WEZ und das Schweißgut von Verbin- Übersicht dienen. Für diese Betrachtungen
dungen aus nichteisenmetallischen Werk- ist die nachstehende Einteilung der Werk-
stoffen reagieren in der Regel wesentlich stoffe bzw. der Behandlungszustände der
empfindlicher auf die Aufnahme atmosphä- Werkstoffe ausreichend:
rischer Gase beim Schweißen als Stähle. In – Einphasige Werkstoffe, z. B. Cu, Ni, Al,
den meisten Fällen wird die Zähigkeit ext- Ti, bzw. vollständig aus Mischkristallen
rem verringert. Der Schutz der Schmelze und bestehende Legierungen, z. B. Cu-Ni-Le-
der benachbarten hoch erhitzten Bereiche gierungen, a -Messing.
der Schweißnaht ist daher zum Sicherstel- – Mehrphasige Werkstoffe, z. B. (a b)-Mes-
len ausreichender mechanischer Gütewerte singe. Die einzelnen Phasen sind unter-
der Schweißverbindung von großer Bedeu- schiedlich gut schweißgeeignet.
tung. Als Schutzgase werden ausnahmslos – Ausscheidungshärtende Werkstoffe, z. B.
inerte Gase verwendet, die den gesamten er- AlMgZn-, CuBe- oder NiCrCo(AlTi)-Le-
wärmten ( T ! 600 K) Bereich großflächig ab- gierungen.
decken müssen. – Hochreaktive Werkstoffe, z. B. Ti, Zr, Mo.
– Kaltverfestigte Werkstoffe.
Im Folgenden sollen einige grundlegende me-
tallurgische Prozesse besprochen werden, Durch das Wärmeeinbringen beim Schwei-
die für das Schweißgut und die Wärmeein- ßen entsteht neben der Schmelzgrenze un-
flusszone von Verbindungen aus nichteisen- abhängig von der Werkstoffart in jedem Fall
ein thermisch beeinflusster Bereich. Seine
Breite und Korngrößenverteilung werden bei
gegebener Werkstückdicke nur von der Hö-
he des Wärmeeinbringens Q und der Vorwärm-
temperatur Tp bestimmt. Das Gefüge der
schmelzgrenzennahen Bereiche ist immer
grobkörnig. Das Kornwachstum ist unter glei-
chen Bedingungen bei den thermisch stabi-
leren kubisch-flächenzentrierten Werkstof-
fen geringer als bei den kubisch-raumzent-
rierten.

Bild 5-13 zeigt das Gefüge einer epitaktisch


kristallisierten Schweißschmelze und die WEZ
im Bereich der Schmelzgrenze einer Schweiß-
Bild 5-1 verbindung aus Cu-DHP (SF-Cu). Diese Er-
Mikroaufnahme eines kristallgeseigerten Cu-Schweiß- scheinung ist bei polymorphen Werkstoffen
guts (Zusatzwerkstoff CuAg1), V = 200:1. meistens schlecht erkennbar, weil sich die
504 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

Korngröße bei einer Phasenänderung (Se-


kundärkristallisation) normalerweise ändert
und damit auch der Verlauf der Korngren-
zen. Die Erstarrung der Schmelze beginnt
dabei an den festen Kristallebenen der Kör-
ner der Schmelzgrenze durch heterogene
Keimbildung, die keine thermische Unter-
kühlung erfordert (Abschn. 4.1.1.1, S. 300).

Die in der Regel unerwünschten Gefügeum-


wandlungen bzw. -änderungen während ei-
ner Wärmebehandlung (Aufheizen bzw. Ab-
kühlen) sind nur bei Werkstoffen mit folgen-
den Eigenschaften möglich:
– Der Werkstoff bildet allotrope Modifika-
tionen (z. B. Co und Ti-Legierungen).
– Der Werkstoff enthält bestimmte Verun-
Bild 5-3
reinigungen, beispielsweise solche, die
Interkristalline Werkstofftrennungen in der WEZ ei-
niedrigschmelzende (eutektische) Filme ner Schweißverbindung aus LC-Nickel unter der Ein-
(z. B. Nickel mit Spuren von Schwefel wird wirkung schwefelhaltiger Gase, V = 150:1, Mischsäu-
extrem heißrissanfällig) bzw. verspröden- re, s. Abschn. 5.2.2.
de Ausscheidungen bilden.
– In ausscheidungshärtenden Werkstoffen Eine Änderung der Korngröße und der häu-
entstehen in der WEZ in jedem Fall nach- fig unerwünschten Gefüge der WEZ und des
teilige Gefügeänderungen (Koagulieren, Schweißguts durch Umkörnen wie bei Stahl
Lösen und Wiederausscheiden der Teil- ist nur bei polymorphen Werkstoffen möglich.
chen). Daher bleibt das ungünstige dendritische,
– In Legierungen – vor allem solchen mit stängelförmiges Gussgefüge des Schweiß-
großem Erstarrungsintervall, sehr stark guts vollständig erhalten. Die Art des Naht-
z. B. bei CuSn-Bronzen – entstehen im auf baus (Ein-, Mehrlagentechnik) ist daher
Schweißgut ausgeprägte kristallgeseiger- nur zum Begrenzen der Heißrissigkeit von
te Bereiche, Bild 5-1. Bedeutung. Die Entstehung dieser bei vie-
len Legierungen beobachteten Rissart ist meis-
Zusatzwerkstoff entspricht GW (artgleich) tens mit einem kontrollierten (begrenzten)
GW
Wärmeeinbringen und geeigneten Zusatz-
WEZ
werkstoffen beherrschbar.
H

5.1.1 Einphasige Werkstoffe


W A G
Einphasige kfz Werkstoffe sind wegen ihrer
Schmelzgrenzenbereich: Beginn der WEZ: hervorragenden Zähigkeit i. Allg. sehr gut,
Grobkorn (G), Heißrisse im Schweiß- erstmals entstehende Gefüge-
gut (H), Wiederaufschmelzrisse in änderungen, z. B. Ausschei- krz Werkstoffe deutlich schlechter und hdP
der WEZ (W), Ausscheidungen (A), dungen werden gelöst, Korn Metalle extrem schlecht schweißgeeignet.
Zähigkeitsverlust möglich. beginnt zu wachsen.

Bild 5-2 In der WEZ einphasiger Metalle können au-


Vorgänge im Schweißgut und der WEZ einphasiger ßer Grobkorn Ausscheidungen und bei einer
NE-Metalle. Je nach Reinheitsgrad und chemischer ausreichenden Menge nichtlöslicher Verun-
Zusammensetzung können sich Ausscheidungen und
reinigungen auch Wiederaufschmelzrisse
(oder) Heißrisse in der WEZ (Wiederaufschmelzrisse)
und im Schweißgut (Erstarrungsrisse) bilden. Das entstehen, Bild 5-2. Einige Werkstoffe sind
Entstehen der Grobkornzone ist prinzipiell nicht ver- außerdem sehr empfindlich gegenüber be-
meidbar, schematisch. stimmten Elementen, z. B.:
Abschn. 5.1: Die WEZ in Schweißverbindungen aus Nichteisenmetallen 505

– Nickel bildet mit Schwefel das bei etwa diäre Phasen enthält oder diese sich beim
650 ’C schmelzende NiS. Nickel und ni- Schweißen bilden können. Häufig entstehen
ckellegierte Werkstoffe (z. B. hochlegierte sie bei mehrfach legierten Werkstoffen, weil
korrosionsbeständige Stähle, s. Abschn. die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass sich zwi-
4.3.7.5, S. 431) sind in Anwesenheit selbst schen den zahlreichen Legierungselementen
geringster Spuren Schwefel extrem heiß- wenigstens eine intermediäre Phase bilden
rissanfällig, Bild 5-3. kann. Als bekanntes Beispiel sei die Legie-
– In der WEZ von Schweißverbindungen rung AlMg5 genannt. Die bei unsachgemä-
aus sauerstoffhaltigen Kupfersorten (z. ßen Schweißbedingungen entstehende Pha-
B. Cu-ETP, Cu-FRHC ) wird der als Cu2O se Al3Mg2 kann zur Rissbildung führen.
vorliegende Sauerstoff durch Wasserstoff
(Gasschweißen!) gemäß folgender Bezie-
hung reduziert: 5.1.3 Ausscheidungshärtende
Legierungen
Cu2O + 2 ◊ H Æ 2 ◊ Cu + {H 2O}Dampf .
Der entstehende Wasserdampf »sprengt« Die Schweißeignung ausscheidungshärten-
den Werkstoff entlang der Korngrenzen. der Werkstoffe ist i. Allg. unbefriedigend. Die
Es bilden sich interkristalline Risse, s. Ursache sind die komplexen, zähigkeitsver-
Abschn. 5.2.1. mindernden Werkstoffänderungen beim Lö-
– Automatenmessing enthält bis 3 % Blei, sungs- und Wiederausscheidungsprozess in
(z. B. CuZn38Pb3), das in der Messing- der WEZ. Sie sind gekennzeichnet durch fol-
matrix nicht löslich ist. Die spangebende gende Besonderheiten, Bild 5-4:
Verarbeitbarkeit der Automatenmessinge – Die in einem schmalen Bereich neben der
wird erheblich verbessert. Das niedrig- Schmelzgrenze beim Erwärmen gelösten
schmelzende Blei führt aber beim Schwei- festigkeitserhöhenden Teilchen sind über-
ßen zur Bildung von Heißrissen. altert und (oder) scheiden sich während

Aufheizen Abkühlen

5.1.2 Mehrphasige Werkstoffe

Im Allgemeinen wird das Schweißverhalten


Temperatur T

TSeg
von der schweißungeeigneteren Phase be-
stimmt. Außerdem ist das Verformungsver-
mögen ebenso wie das Korrosionsverhalten
schlechter als das (homogener) einphasiger
Werkstoffe.
Weg x Weg x

Allerdings bieten mehrphasige Werkstoffe


auch häufig den Vorteil, dass sich die die Gü-
tewerte verschlechternden Elemente in einer
Phase lösen, in der anderen dagegen nicht.
Die nachteilige Wirkung dieser Bestandtei- 1.1 1.2 1.3 2.1 2.2 2.3
le entfällt dann weitgehend. Beispiele dafür 1. Vorgänge beim Aufheizen 2. Vorgänge beim Abkühlen
sind z. B. die im Vergleich zu den einphasi- 1.1 Grundwerkstoff, ausschei- 2.1 Wiederausscheiden der Teil-
gen a -Bronzen wesentlich weniger heißriss- dungsgehärtet, unbeeinflusst chen in ungünstiger Form

anfälligen (a  b )-Bronzen, Abschn. 5.2.1.1.2, 1.2 Beginn der Koagulation 2.2 Je nach Zusammensetzung
(= Beginn der WEZ) auch Wiederaufschmelzrisse
und die ohne d -Ferrit sehr zum Heißriss nei- und Heißrisse möglich
1.3 Ausscheidungen sind voll-
genden austenitischen Chrom-Nickel-Stäh- ständig gelöst (T > TSeg) 2.3 Grundwerkstoff, unbeeinflusst
le, s. Abschn. 4.3.7.5, S. 431.
Bild 5-4
Werkstoffliche Vorgänge in der WEZ ausscheidungs-
Von einem (Schmelz-)Schweißen ist in der Re- härtender Legierungen, Zustand ausgelagert, schema-
gel abzuraten, wenn der Werkstoff interme- tisch. (Bedeutung von TSeg s. Bild 1-64, S. 53).
506 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

des Abkühlens nicht vollständig oder in peratur vollständig aufgeschmolzenen Aus-


einer nachteiligen Form wieder aus. Die scheidungen relativ gering. Die durch die sog.
optimale Form, Anzahl und Verteilung der konstitutionelle Verflüssigung der Ausschei-
Ausscheidungen wird nicht annähernd dungen hervorgerufene Heißrissbildung in
erreicht. Die Folge ist eine Abnahme der unmittelbarer Nähe der WEZ ist dagegen
Härte und Festigkeit, vor allem aber der wesentlich kritischer. Durch diesen Mecha-
Zähigkeit. nismus werden Werkstoffbereiche um die
– Bei mehrfach legierten Werkstoffen ist Ausscheidungen bereits unter der Solidus-
die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass temperatur der Legierung verflüssigt, d. h.,
in der teilverflüssigten Zone neben der die Teilchenschmelze hat dann keine Verbin-
Schmelzgrenze niedrigschmelzende, oft dung mit der Schweißschmelze, Bild 5-5. Ein
eutektische Verbindungen entstehen bzw. »Ausheilen« der entstehenden Hohlräume
bereits vorhandene aufschmelzen. Bei ei- durch die nachströmende Schweißschmelze
nigen ausscheidungshärtenden Nickel- ist dann nicht mehr möglich.
legierungen (Hastelloy X, Inconel 600)
und austenitischen Chrom-Nickel-Stäh- Diese Form der Wiederaufschmelzrisse wird
len können sich z. B. Carbide, Sulfide oder durch den von Savage und Pete beschriebe-
die in mehrfacher Hinsicht unangeneh- nen Mechanismus der konstitutionellen Ver-
men Laves-Phasen bilden. Die Folge sind flüssigung hervorgerufen, bei dem sich an
bei gleichzeitiger Wirkung von Spannun- den Korngrenzen flüssige Filme unterhalb
gen die zu den Heißrissen gehörenden der Solidustemperatur der Legierung bilden
Wiederaufschmelzrisse in der WEZ. können. Dieser Mechanismus ist aber an be-
stimmte metallphysikalische Voraussetzun-
Die aufgeschmolzenen Partikel breiten sich gen des Legierungssystems gebunden, d. h.,
normalerweise an den Korngrenzen aus. Ge- er ist von der Konstitution der Legierung
schieht dies an der Schmelzgrenze, dann kann abhängig. Er kann außerdem nur bei rascher
der von der verflüssigten Ausscheidung er- Erwärmung in der WEZ, seltener in der par-
zeugte Raum von nachströmender Schmel- tiell verflüssigten Zone wirksam werden, wie
ze aus dem Reservoir des Schmelzbades aus- in dem hypothetischen Zustandsschaubild
gefüllt werden. Die Neigung zu Wiederauf- Bild 5-5 dargestellt wird.
schmelzrissen ist bei diesen gemäß dem Zu-
standsschaubild oberhalb der Liquidustem- In der entsprechend den thermodynamischen
konstitutionell
Gleichgewichtsbedingungen erwärmten Le-
Korngrenze
verflüssigter gierung L lösen sich nach Überschreiten der
Bereich
Segregatlinie bei T1 (Punkt a) die Ausschei-
Temperatur T

dungen A xBy in der a-Matrix. Bei einem ra-


L
AxBy schen Erwärmen über T2 steht für die voll-
S
ständige Lösung der Phase AxBy nicht die er-
forderliche Zeit zur Verfügung. Bei Tempera-
T2 b c d turen oberhalb der eutektischen Te ist jedes
a S+ a S + A x By AxBy-Teilchen von einem flüssigen Film unter-
Te
schiedlicher Zusammensetzung umgeben,
T1
a die von Punkt d an der A xBy-Grenzfläche bis
Punkt c an der Phasengrenze der a-Matrix
a + A x By
reicht. Ein örtliches Aufschmelzen ist dem-
nach bei rascher Aufheizung möglich, ohne
dass die Solidustemperatur der Legierung
A co Ax By
erreicht wurde.
B - Gehalt
Bild 5-5
Charakteristisches Zustandsschaubild eines Zwei- Eine allgemein gültige Schweißvorschrift
stoffsystems, das für die konstitutionelle Verflüssi- empfiehlt, das Wärmeeinbringen Q zu be-
gung erforderlich ist, nach Savage und Pete. grenzen, genauer zu kontrollieren:
Abschn. 5.1: Die WEZ in Schweißverbindungen aus Nichteisenmetallen 507

– Der Ausscheidungszustand in der WEZ Schweißen der Bauteile. Sie ist teuer und
sollte möglichst wenig geändert werden lässt sich häufig nicht anwenden (z. B. Bau-
und die Breite dieser Zone klein sein. Das teilgröße).
hierfür erforderliche geringe Wärmeein-
bringen kann aber in dem ausgehärteten, Bild 5-6 zeigt schematisch die Härtevertei-
wenig verformbaren Werkstoff hohe mehr- lung über die Schweißverbindung aus einem
achsige Eigenspannungszustände erzeu- ausscheidungsgehärteten (a) und einem lö-
gen, die leicht zur Rissbildung führen. sungsgeglühten Werkstoff (b).
– Ein zu großes Wärmeeinbringen zerstört
den optimalen Ausscheidungszustand über
große Bereiche und führt zu einer nicht to- 5.1.4 Hochreaktive Werkstoffe
lerierbaren Härte- und Festigkeitsabnah-
me und einer meistens unzureichenden Die extreme chemische Reaktionsfähigkeit
Zähigkeit in den schmelzgrenzennahen verschiedener Werkstoffe wie z. B. Titan, Zir-
Bereichen der Schweißnaht. Daraus er- konium, Molybdän, Beryllium ist zusammen
gibt sich das Konzept der kontrollierten mit ihrer oft leichten Versprödbarkeit die
Wärmeführung beim Schweißen aus- Ursache ihrer verhältnismäßig schlechten
scheidungshärtender Werkstoffe: Schweißeignung. Sie nehmen bereits bei Tem-
Das Wärmeeinbringen muss in einem be- peraturen über 600 K begierig die atmosphä-
stimmten experimentell ermittelten Be- rischen Gase Sauerstoff, Stickstoff und Was-
reich liegen. Geeignete Zusatzwerkstoffe serstoff auf, die zu mäßiger Aufhärtung des
sind außerdem von großer Bedeutung. Werkstoffs in der Wärmeeinflusszone, aber
zu einer nahezu vollständigen Versprödung
Die Rissneigung ist geringer, wenn im wei- von Schweißgut und Wärmeeinflusszonen
chen, lösungsgeglühten Zustand mit nicht führen, Bild 5-7.
ausscheidungshärtenden Zusatzwerkstoffen
geschweißt wird. Diese Methode erfordert zu- Ein erfolgreiches Schweißen ist daher nur
mindest bei hohen Ansprüchen an die mecha- möglich, wenn die Fügeteile weitestgehend
nischen Gütewerte der Schweißverbindung vor einem Luftzutritt geschützt werden. Das
eine vollständige Wärmebehandlung (Lösungs- kann mit verschiedenen unterschiedlich auf-
glühen, Abschrecken, Auslagern) nach dem wändigen Methoden realisiert werden:

b b
ausscheidungsgehärtet
(lösungsgeglüht + ausgelagert)
Härte

lösungsgeglüht

Beginn des Härteanstiegs


(Auslagern) durch
die Schweißwärme

Ausscheidungen beginnen sich Bereich, in dem beim Schweißen die optimale


zu koagulieren bzw. zu lösen Auslagerungstemperatur erreicht wurde
a) b)

Bild 5-6
Härteverlauf in der WEZ ausscheidungshärtender Werkstoffe, schematisch.
a) ausscheidungsgehärtet: Die Breite der WEZ entspricht der Breite der erweichten Zone (b). Sie ist stark
vom Wärmeeinbringen Q beim Schweißen abhängig,
b) lösungsgeglüht: Die Rissneigung beim Schweißen ist in der Regel geringer. Die Breite der WEZ (b) ent-
spricht dem Abstand: Beginn der Ausscheidungen (Härteanstieg!) = Schmelzgrenze. Diese Methode erfor-
dert aber nach dem Schweißen in der Regel eine erneute Wärmebehandlung (Lösungsglühen  Abschrecken  Ausla-
gern), sie ist daher nur in Sonderfällen vertretbar.
508 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

– Großflächiger Schutz aller von der Wär- stoff in Abhängigkeit vom Kaltverformungs-
mequelle aufgeheizten Bereiche. Das lässt grad j. Mit zunehmendem Wärmeeinbrin-
sich z. B. mit speziellen Schutzgasduschen gen Q wird die Breite der Wärmeeinflusszone
erreichen, Bild 5-52, größer und die Verweilzeit im rekristallisier-
– Austausch der Atmosphäre durch ein in- ten Bereich größer, d. h., der Abfall der Här-
ertes Gas oder te nimmt zu, und die Gebrauchseigenschaf-
– Durchführen des Schweißprozesses unter ten werden schlechter. Der Wiederanstieg
Vakuum. der Härte nach erfolgter Rekristallisation und
beginnendem Kornwachstum beruht auf der
zunehmenden Abkühlgeschwindigkeit mit
5.1.5 Kaltverfestigte Werkstoffe zunehmender Annäherung an die Schmelzgren-
ze. Um den Härteabfall zu begrenzen, sollte
Die mechanischen und die physikalischen mit geringem Wärmeeinbringen und (oder)
Eigenschaften kaltverfestigter (z. B. kaltver- schnell geschweißt werden.
formter) Werkstoffe nähern sich nach einem
rekristallisierenden Glühen denen des unver-
formten, gleichgewichtsnahen, weichen Werk- 5.2 Schwermetalle
stoffs, Abschn. 1.5.2, S. 42. Die treibende Kraft
dieses Kornneubildungsprozesses ist die im Diese Werkstoffe werden aufgrund verschie-
Werkstoff gespeicherte Verformungsenergie. dener Eigenschaften verwendet, die bei den
Das beim Glühen (vor allem bei höheren Tem- Eisenwerkstoffen nicht oder nicht im erfor-
peraturen und (oder) Zeiten) einsetzende derlichen Umfang vorhanden sind. In erster
Kornwachstum wird durch die Oberflächen- Linie sind zu nennen:
spannung der Korngrenzenflächen eingeleitet – Eine gegenüber vielen Medien verbesser-
und ermöglicht. Das Kornwachstum findet te Korrosionsbeständigkeit (z. B. Nickel,
also mit zunehmender Temperatur in jedem Kupfer);
Fall statt. – die hervorragende Tieftemperaturzähig-
keit der kfz Werkstoffe (z. B. Kupfer, Cu-Ni-
Mit zunehmender Temperatur und zuneh- Legierungen);
mendem Verformungsgrad nimmt die Rekris- – extreme physikalische Eigenschaften [z.
tallisationstemperatur TRk ab, siehe Bild 1- B. kleinster Wärmeausdehnungskoeffizi-
54, S. 44. Bild 5-8 zeigt schematisch die Härte- ent der Legierung mit Fe(64 %), Ni(36 %),
verteilung in der Wärmeeinflusszone einer höchste elektrische und thermische Leitfä-
schmelzgeschweißten Verbindung aus einem higkeit bei Kupfer];
einphasigen, nicht umwandelbaren Werk- – verbesserte Hitze- und Zunderbeständig-
keit (z. B. Nickelbasis-Werkstoffe).

Ihr gezielter technischer und wirtschaftli-


cher Einsatz erfordert vor allem die Kennt-
nis der folgenden Betriebs- und Korrosionsbe-
dingungen, die das Korrosionsverhalten ent-
scheidend bestimmen, s. a. Abschn. 1.7.7,
S. 94, und Bild 1-109, S. 96/97:
– Beschaffenheit und Art des angreifenden
Mediums, einschließlich Menge und Wir-
kung der Verunreinigungen;
– Betriebs- bzw. Medientemperatur;
– pH-Wert;
Bild 5-7
– Konzentration der Halogenionen;
Vorgänge in der WEZ von Schweißverbindungen aus
hochreaktiven Werkstoffen. Der über 600 K erwärm- – wenn möglich das Redoxpotenzial, das
te Teil der WEZ nimmt bereits atmosphärische Gase die oxidierende bzw. reduzierende Wir-
auf und versprödet dadurch erheblich. kung des wässrigen Mediums bestimmt.
Abschn. 5.2: Schwermetalle (Kupfer und Kupferlegierungen) 509

Tabelle 5-1
Physikalische Eigenschaften einiger Kupfersorten im Vergleich zum unlegierten niedriggekohlten Stahl.

Kurzzeichen Schmelzpunkt spez. Wärme Ausdehnungskoeffizient Wärmeleitfähigkeit


(20 °C bis 400 °C) (25 °C bis 300 °C) (bei 20 °C)

°C J/(g · K) 10– 6/K W/(m · K)

Kupfer-Knetwerkstoffe (DIN EN 1652)

Cu-DHP (SF-Cu) 1083 0,38 17 240 bis 360


Cu-ETP (E-Cu 58) 1083 0,38 17 ≤ 386
Cu-DLP (SW-Cu) 1083 0,38 17 ≤ 345
Cu-OF (OF-Cu) 1083 0,38 17 393
Cu-FRHC (E-Cu 58) 1083 0,38 17 ≤ 384

Kupfer-Gusswerkstoffe (DIN EN 1982)

G-Cul 35 1080 bis 1083 0,38 17 235


G-S Cul 50 1083 0,38 17 339

Stahl (0,05 % bis 0,12 % C; 0,2 % bis 0,4 % Mn, 0,14 % P + S)

Stahl O 1500 0,47 12 O 34

5.2.1 Kupfer und Kupferlegierungen In Tabelle 5-1 sind einige für das Schweißver-
halten wichtige physikalische Eigenschaften
Kupfer wird wegen seiner hervorragenden des Kupfers im Vergleich zum niedrigge-
thermischen und elektrischen Leitfähigkeit kohlten Stahl zusammengestellt.
sowie seiner guten Korrosionsbeständigkeit
in allen Bereichen vielfach verwendet. Kup- j1 >> j krit j2 l j krit
fer ist kfz, d. h., es besitzt eine hervorragen- HVj 1
de Verformbarkeit (Duktilität) und Tieftempera-
Härte

turzähigkeit. Durch Kaltverformen lässt sich HVj 2


HVGW
seine Festigkeit erheblich steigern. Kupfer
ist mit vielen Elementen legierbar (z. B. Ni,
Mn, Zn, Sn, Al, Fe, Be, Cr, Cd, Si), wodurch T1 < T2
eine Vielzahl neuer Legierungssysteme ver- T1 ³ TRk,j 1 T2 ³ TRk,j 2
fügbar ist. In den meisten Fällen entstehen
einphasige Legierungen.

Kupfer ist in Industrieatmosphären und Wäs-


sern aller Art sehr beständig. In Säuren ent- a) 1 b) 2
steht chemischer Angriff nur in Anwesenheit 1: Großer Verformungsgrad j1 ergibt bei geringerer TRk feineres
von Sauerstoff oder oxidierenden Substan- rekristallisiertes Gefüge
zen (z. B. HNO3), obwohl gemäß der Stellung 2: Kleiner Verformungsgrad j2 l j krit ergibt bei größerer TRk
des Kupfers in der Spannungsreihe, Tabel- gröberes rekristallisiertes Gefüge

le 1-6, S. 67, diese Wasserstoffkorrosion nicht Bild 5-8


auftreten sollte. Durch Legierungselemente Einfluss des Kaltverformungsgrads j auf die Härtever-
(z. B. Nickel) lässt sich die Korrosionsbestän- teilung in der WEZ schmelzgeschweißter Verbindun-
digkeit erheblich verbessern. Kupfer und sei- gen. Die Härte des Schweißguts wird abhängig vom
ne Legierungen werden in Ammoniak durch Aufschmelzgrad vom Zusatzwerkstoff bestimmt.
a) j >> j krit: Werkstoff mit der Ausgangshärte HVj1
die SpRK extrem angegriffen. In stärker re-
beginnt schon bei T1 zu rekristallisieren, das entste-
duzierenden Medien sind Kupferlegierungen hende Gefüge (Härte HVGW ) ist sehr feinkörnig.
häufig beständiger als austenitische Cr-Ni- b) j Oj krit: Werkstoff ( HVj 2 ) rekristallisiert erst bei
Stähle. T2 , das entstehende Gefüge ist sehr grobkörnig.
510 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

Je nach Verwendungszweck unterscheidet betragende Vorwärmtemperatur erforder-


man: lich. Das sich über sehr große Werkstoffbe-
– Die für elektrotechnische Zwecke verwen- reiche erstreckende Temperaturgefälle er-
deten schlecht schweißgeeigneten meist zeugt zusammen mit dem recht großen Wär-
sauerstoffhaltigen Kupfersorten (z. B. meausdehnungskoeffizienten ganz erhebli-
Cu-ETP, Cu-FRHC) und die che Bauteilverzüge, Bild 5-9.
– phosphordesoxidierten, sauerstofffreien
Kupfersorten (Cu-DHP, Cu-OF) für den Der Sauerstoffgehalt beträgt bei den sauer-
Apparatebau. Diese sind bei Beachtung stoffhaltigen Kupfersorten 0,005 bis 0,04 %.
der charakteristischen Eigenschaften des Er liegt i. Allg. im Grundwerkstoff als Cu2O ab-
Kupfers gut schweißgeeignet. gebunden vor, denn die Sauerstofflöslichkeit
des Kupfers ist bei Raumtemperatur extrem
1500
gering. Kupfer und Cu2O bilden ein eutekti-
°C
sches System, Bild 5-10. Beim Abkühlen ei-
Beginn des ner sauerstoffhaltigen Kupferschmelze ent-
Kornwachstums 1000
bei T ³ TK w Beginn der steht ein Gefüge, das aus primärem a(Cu)
Gefügeänderung
und dem aus der Restschmelze kristallisie-
Temperatur

bei T ³ Ac1
500 renden entarteten Eutektikum (a-)Cu2O be-
steht. Das an den Kupferkorngrenzen liegen-
T ³ T Kw T ³ A c1 de spröde Cu2O wird durch die Rekristallisa-
tion während der folgenden Warmformgebung
zerkleinert und neu verteilt. Beim Schweißen
Kupfer Stahl schmelzen die eutektischen Reste in den über
1065 ’C erwärmten Bereichen der Wärmeein-
b Cu b Stahl
flusszone aber erneut und sammeln sich im
Bereich der Korngrenzen. Hier erstarren sie
Bild 5-9
nach dem Abkühlen und bilden eine sehr sprö-
Vergleich der Temperaturverläufe beim Schweißen
von Kupfer und Stahl. Die Breite (bCu) und die Korn- de Korngrenzensubstanz, Bild 5-11.
größe des Gefüges der WEZ sind bei Kupfer wesent-
lich größer als bei Stahl (bStahl). In wasserstoffhaltigen Atmosphären, z. B.
beim Gasschweißen, versprödet sauerstoff-
Das Schweißverhalten des Kupfers wird im haltiges Kupfer außerdem durch die Wasser-
großen Umfang von folgenden Werkstoffei- stoffkrankheit genannte Erscheinung, Bild 5-
genschaften und metallpysikalischen Beson- 12. Der im reduzierenden Teil der Gasflam-
derheiten bestimmt:
Kupfer (I) - Oxid Cu2O
– Sauerstoffgehalt, 2,25 4,5 6,75 % 9,0
1200
– Wärmeleitfähigkeit, die durch verschie-
dene Verunreinigungen wie z. B. P, Fe, ° C
Co, Si, Cd, Ag stark beeinflusst wird,
Temperatur T

1160
– Wärmeausdehnung und die
– starke Neigung zur Gasaufnahme. S

1120
Die Wärmeleitfähigkeit des Kupfers ist bei
S + Cu2O
Raumtemperatur etwa sieben, bei 1000 ’C
aber bis zu 15 Mal größer als die der unlegier- 1080
S+ a
ten Stähle! Die beim Schweißen zugeführte 1065 a
Wärme wird daher sehr rasch in den Grund- < 0,07 % a + Cu2O
1040
werkstoff abgeleitet. Zum Einleiten und Auf- Cu 0,25 0,39 0,5 0,75 % 1,0
rechterhalten des Schmelzflusses ist daher Sauerstoffgehalt
eine sehr konzentrierte Wärmequelle (z. B. Bild 5-10
Elektronenstrahlschweißen) oder bei weniger Zustandsschaubild Cu-O bzw. Cu-Cu2O, nach Han-
intensiven Schweißverfahren eine bis zu 600 ’C sen u. Anderko.
Abschn. 5.2: Schwermetalle (Kupfer und Kupferlegierungen) 511

me vorhandene Wasserstoff kann in das fes-


te (über 1065 ’C erwärmte) Kupfer in atoma-
rer Form eindringen und das aufgeschmol-
zene sich an den Korngrenzen sammelnde
Cu2O zu Cu reduzieren:
Cu2O + 2 ◊ H Æ 2 ◊ Cu + {H 2O}Dampf .
Der entstehende Wasserdampf bleibt am Ent-
stehungsort, weil er im Kupfer unlöslich und
nicht diffusionsfähig ist. Das Wasserdampf-
volumen ist sehr viel größer als das des Was-
sers, daher wird das Gefüge entlang der Korn-
grenzen durch den großen Druck des Was-
serdampfs »gesprengt«. Die Auswirkungen
dieser Schadensform haben eine gewisse Ähn-
lichkeit mit der IK. Bei den Schutzgasverfah-
ren bilden sich an der Schmelzgrenze Gefüge-
säume aus sprödem Cu2O-Eutektikum, nicht
Bild 5-12
aber die Wasserstoffkrankheit.
Wasserstoffkrankheit in der WEZ einer gasgeschweiß-
ten Verbindung aus Cu-ETP (etwa E-Cu 58). Die inter-
Die beiden genannten Versprödungserschei- kristallin verlaufenden Risse sind z. T. durch Pfeile
nungen lassen sich mit phosphordesoxidier- gekennzeichnet, nach SLV Berlin-Brandenburg.
ten – also sauerstofffreien – Kupfersorten
vermeiden. Ein nicht an Sauerstoff gebunde- ihrer guten Schweißeignung im Apparate-
ner Restphosphorgehalt soll das Halbzeug bei und Wärmeübertragerbau sehr häufig ver-
der Warmformgebung und die Fügeteile beim wendet, Tabelle 5-2.
Schweißen vor einer Sauerstoffaufnahme
schützen. Diese Kupfersorten werden wegen 5.2.1.1 Hinweise zum Schweißen
der durch den Phosphor stark herabgesetzten
elektrischen Leitfähigkeit in der Elektrotech- 5.2.1.1.1 Kupfer
nik nicht eingesetzt, sie werden aber wegen Die beim Schweißen zu ergreifenden Maß-
nahmen werden diktiert von dem großen Wär-
Kupfer, gegossen Kupfer, Kupfer, geschweißt meausdehnungskoeffizienten, der extremen
Cu2O
warmgewalzt
T ³ 1065 ° C
Wärmeleitfähigkeit und der Neigung zur Sau-
erstoffaufnahme des Kupfers.

Vor allem dickwandige Werkstücke (s ! 5 mm


bis 6 mm) werden noch häufiger mit zwei
Durch Warmformgebung werden In den auf über 1065 °C erwärmten Schweißern gleichzeitig-beidseitig in senk-
Cu 2 O -Teilchen zerkleinert und be- Bereichen wird Eutektikum aufge- rechter Position gas- bzw. WIG-geschweißt.
finden sich nach dem Rekristallisi- schmolzen: Nach dem Abkühlen
Die in jedem Fall erforderliche hohe Vorwär-
sieren nicht mehr auf den alten befinden sich an Korngrenzen
Korngrenzen, Teilbild b) spröde Cu2O-Teilchen. mung der Fügeteile wird von dem »langsa-
men« Gasschweißverfahren mit übernommen.
a) b) c)
Die Wärmezufuhr beim Schweißen ist wegen
Bild 5-11 der großen Wärmeleitfähigkeit so groß, dass
Einfluss des Cu2O-Eutektikums auf das Schweißver- ein Vorwärmen auch bei jedem anderen Ver-
halten sauerstoffhaltigen Kupfers. fahren erforderlich ist. Eine Ausnahme bilden
a) Kupfer gegossen, einige extrem leistungsdichte Verfahren, wie
b) Kupfer im Anlieferzustand, warmgewalzt.
z. B. das Elektronenstrahlschweißen. Je nach
c) In den auf über 1065 ’C erwärmten Bereichen der
WEZ werden Eutektikumsreste aufgeschmolzen. Werkstückdicke werden die Fügeteile zum
Diese sammeln sich an den Korngrenzen und er- Gasschweißen auf 300 ’C (3 mm) bis 650 ’C
starren beim Abkühlen: die WEZ ist versprödet. (! 10 mm) vorgewärmt, s. auch Aufgabe 5-7.
512 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

Tabelle 5-2 Tabelle 5-1 zeigt, dass die Cu-DHP-Sorten


Schweißeignung und Verwendung der Kupfersorten, die geringste Wärmeleitfähigkeit aller Kup-
nach DIN EN 1652.
fersorten haben. Diese Tatsache, zusammen
Kurz- Schweiß- Verwendung mit ihrer Sauerstofffreiheit, ist die Ursache
zeichen eignung für ihrer hervorragenden Schweißeignung.
G W M L 1)
Reines Kupfer hat einen Schmelzpunkt und
Sauerstofffreies Kupfer, mit P desoxidiert
kein Schmelzintervall. Der Übergang vom fes-
Cu-DHP 2 1 1 3 2) Rohrleitung, Apparatebau, ten in den flüssigen Zustand erfolgt daher
Cu-DLP 3 2 2 4 Bauwesen plötzlich und ohne jede Farbänderung. Die
Schmelze ist außerdem extrem dünnflüssig,
Sauerstofffreies Kupfer, nicht desoxidiert
daher kann nur in Schweißpositionen gear-
Vakuumtechnik, beitet werden, die ihr Fortlaufen unmöglich
Cu-OF 3 2 2 5 machen bzw. erschweren. Danach ist z. B.
Elektronik
ein Schweißen der Wurzel in PA-(w-)Position
Sauerstoffhaltiges Kupfer kaum möglich, wohl aber in der beim Gas-
schweißen bevorzugten PF-(s-)Position.
Cu-FRTC 3 3 4 5 Elektrotechnik
1)
Es bedeuten: G = Gasschweißen, W = WIG-Schweißen, Die Schweißzusatzwerkstoffe sind aus die-
M = MIG-Schweißen, L = Lichtbogenhandschweißen.
sem Grund ausnahmslos Legierungen, de-
2)
Schweißeignung: 1 = ausgezeichnet, 2 = gut, ren Erstarrungsintervall eine gewisse Model-
3 = mäßig, 4 = wenig geeignet, 5 = nicht geeignet.
lierbarkeit der Schweißschmelze schafft. Der
Zusatzwerkstoff CuAg1 wird vorzugsweise
Als Folge der großen Wärmeausdehnung, der zum Gasschweißen verwendet, ist aber mit
großen erforderlichen Wärmezufuhr und der eingeengtem Phosphorgehalt auch für die
großen Wärmeleitfähigkeit muss das Schweiß- Schutzgasverfahren gebräuchlich. Für die-
teil großflächig erwärmt werden. Die gerin- se werden aber überwiegend CuSn1 und
gen Temperaturgradienten, Bild 5-9, erzeu- CuSi3Mn1 verwendet, Tabelle 5-3.
gen zusammen mit dem kleinen E-Modul des
Kupfers große Verzüge der Konstruktion, die Das Lösen der Kupferoxide, Verhindern ih-
sich nur sehr schwer (unwirtschaftlich!) be- rer Neubildung beim Schweißen, und die Her-
seitigen lassen. Die Bewegungen sind so erheb- stellung porenfreier, sauberer Schweißnähte
lich, dass ein Fixieren der Fügeteile beim Gas- wird mit Flussmitteln erreicht. Das sind ge-
schweißen mit Heftstellen wegen der Gefahr wöhnlich pastenförmige Substanzen, die aus
ihres Aufreißens in der Regel nicht sinnvoll Borverbindungen mit Zusätzen von oxidlö-
ist. Die Spaltverengung bei Stumpfnähten senden Metallsalzen bestehen. Es ist emp-
und das Positionieren der keilförmig zugeleg- fehlenswert, unabhängig von der Werkstück-
ten Fügeteile gegeneinander wird daher meis- dicke alle mit der Gasflamme in Berührung
tens mit mechanischen Mitteln (verschraub- kommenden Bereiche (Nahtfuge, Schweiß-
ten oder verkeilten Laschen) vorgenommen. stab) dünn zu bestreichen.
Tabelle 5-3
Schweißzusatzwerkstoffe (Massivdrähte und -stäbe) für Kupfer, in Anlehnung an DIN EN 14640 (Auszug).

Legierungskurzzeichen Wärmeleitfähigkeit Schmelzbereich Verwendung für 1)

Nummerisch Chemisch W/(m · K) °C Gas WIG MIG


2) 2)
S Cu 1897 CuAg1 220 bis 315 1070 bis 1080 2 2 1 2)
S Cu 1898 CuSn1 120 bis 145 1020 bis 1050 1 2 2

S Cu 6560 CuSi3Mn1 35 910 bis 1025 0 2 2


1)
Für den Einsatz der Schweißverfahren bedeuten: 0: nicht geeignet, 1: geeignet, 2: empfohlen.
2)
Zum Gasschweißen: P min. 0,02 %, zum Schutzgasschweißen P max. 0,05 %.
Abschn. 5.2: Schwermetalle (Kupfer und Kupferlegierungen) 513

Die Abkühlgeschwindigkeit des großflächig peraturen wesentlich geringer als beim Gas-
auf recht hohe Temperaturen erwärmten schweißen. Daher sind auch Heftstellen zu-
Bauteils ist gering. Die WEZ ist extrem breit lässig, da aufgrund des größeren Tempera-
und die Korngröße im Schmelzgrenzennähe turgefälles das »Arbeiten« des Schweißteils
sehr groß, d. h., in einer gasgeschweißten und damit die Rissgefahr geringer ist. Bei
Verbindung sind Härte und Festigkeit die- längeren Nähten empfiehlt sich aber wegen
ser Bereiche zu gering. Daher werden in den der großen Wärmeausdehnung in jedem Fall
meisten Fällen diese Zonen im rotwarmen die Klemmfixierung.
Zustand über 700 ’C verformt (»hammerver-
gütet«). Durch die während der Verformung Das MIG-Verfahren (Argon, bei größeren
einsetzende Rekristallisation entsteht ein Wanddicken auch Ar/He-Gemische, die ein
wesentlich feineres Korn, d. h. die gewünsch- heißeres Schmelzbad und einen breiteren
te erhebliche Festigkeitssteigerung. Einbrand ergeben) arbeitet mit einem kon-
zentrierteren Lichtbogen, es ist daher für
Die Mikroaufnahme, Bild 5-13, zeigt sehr größere Wanddicken wirtschaftlicher als das
deutlich die typische epitaktische Kristalli- WIG-Verfahren.
sation der Schweißschmelze bei einer gasge-
schweißten Verbindung aus Cu-DHP an der Beispiel 5-1:
Grenze Schweißgut/Wärmeeinflusszone, s. Berechne die Anzahl der Leerstellen im Bereich der
a. Abschn. 5.1.1. WEZ (≥ 1000 °C = 1273 K) in einer dünnwandigen,
rasch abkühlenden, d. h. nur gering vorgewärmten
SG-geschweißten Verbindung aus Kupfer, und einer
Die Schutzgasschweißverfahren sind für dickwandigen, gasgeschweißten, langsam abkühlen-
Kupfer die bei weitem wichtigsten. Die Gü- den Verbindung.
tewerte der mit ihnen hergestellten Schweiß-
Die Anzahl der Leerstellen n (s. Abschn. 1.2.2.1, S. 7)
nähte werden von keinem anderen Schmelz- wird mit einer Arrhenius-Beziehung berechnet:
schweißverfahren erreicht.
Ê Q ˆ
n = N ◊ exp Á - L ˜ .
Das einseitige WIG-Verfahren wird etwa für Ë RT ¯
Wanddicken bis 4 mm, darüber bis etwa 14 Hierin bedeuten N die Anzahl der Cu-Atome/m3, QL
mm das gleichzeitig-beidseitige Schweißen die Aktivierungsenergie für die Erzeugung einer Leer-
in s-Position eingesetzt. Wegen des konzen- stelle in Cu (= 83 700 J/mol). Die Gitterkonstante von
trierten Lichtbogens sind die Vorwärmtem- Cu ist aCu = 0,362 nm. Mit:
4 Cu - Atome/ Zelle È Cu - Atome ˘
N= 3 = 8,44 ◊ 10 28 Í ˙˚ .
(3,62 ⋅ 10 − 10 ) Î m3
erhält man daraus die bei langsamer Abkühlung bei
Raumtemperatur ( T298 = 298 K ) vorhandene (Gleich-
gewichts-)Leerstellenmenge n:
Ê 83700 ˆ
n = 8,44 ◊ 10 28 ◊ exp Á - = 2,07 ◊ 10 14.
Ë 8,31 ◊ 298 ˜¯
Bei rascher Abkühlung von 1273 K und der Annahme,
dass alle bei dieser Temperatur vorhandenen Leer-
stellen bis auf Raumtemperatur erhalten werden konn-
ten, erhält man:
Ê 83700 ˆ
n = 8,44 ◊ 10 28◊ exp Á - = 3,09 ◊ 10 25 .
Ë 8,31 ◊ 1273 ˜¯

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die berechnete Leerstel-


lendichte bei langsamer Abkühlung größer, bei rascher
Bild 5-13 Abkühlung kleiner ist als die tatsächlich vorhandene.
Mikroaufnahme einer gasgeschweißten Verbindung Die viel größere Leerstellendichte bei der raschen Ab-
aus Cu-DHP im Bereich der Schmelzgrenze. Beach- kühlung dünnwandiger Cu-Schweißverbindungen ist
te die epitaktische Kristallisation der Schweißschmel- die Ursache für die höhere Härte (und Festigkeit) der
ze (z. B. Kristallit im Bild unten rechts, Pfeil). WEZ und der geringeren Härte bei der wesentlich
Tabelle 5-4

514
Physikalische und mechanische Eigenschaften ausgesuchter Kupferlegierungen sowie Hinweise auf ihre Schweißeignung und Anwendung.

Werkstoff Mechanische und physikalische Eigenschaften Schweißeignung für 1) Hinweise zur Anwendung

Kurzzeichen R p 0,2 Rm λ α Gas WIG MIG

N / mm 2 N / mm 2 W/m · K 10 - 6/ K

Kupfer-Knetwerkstoffe (DIN EN 1652)

sauerstofffrei, sehr gute Schweißeignung, E-Technik, hohe elek-


Cu-DHP F20 ≤ 100 200 bis 250 313 bis 356 17 1 2 2
trische und thermische Leitfähigkeit
CuZn37 F30 max. 180 300 bis 370 121 20,2 2 1 2) 1 3) Hauptlegierung (CuZn37) für Kaltumformen, Kühlerbänder,
CuZn20Al2 F33 max. 90 min. 330 100 19,0 0 2 1 3) Schrauben, Druckwalzen, Seewasserleitungen

CuSn6 F35 max. 300 350 bis 420 75 18,5 1 2 2 Bleche für Apparatebau, Rohre, Federn, Gleitlagerbuchsen, ab-
CuSn8 F37 max. 300 370 bis 450 67 18,5 1 2 2 rieb- und korrosionsfest

CuNi10Fe1Mn F30 min. 100 min. 300 46 17,0 0 2 2 Apparatebau, Meerestechnik, Meerwasserentsalzung, Kondensa-
CuNi30Mn1Fe F35 min. 120 min. 350 29 16,0 0 2 2 toren, Wärmetauscher, kavitationsbeständig

CuAl8Fe3 F48 min. 210 min. 480 65 17 0 2 2 hohe Festigkeit, chemische Apparatebau
Kondensatorböden, Verschleißteile, Wellen, Lagerteile, Papier-
CuAl10Ni5Fe4 F63 min. 270 min. 630 38 17 0 2 2
industrie (Saugwalzen)

Kupfer-Gusswerkstoffe (DIN EN 1982)

G-CuZn34Al2 min. 250 min. 600 55 bis 59 19,0 0 1 2) 1 3) Ventilsitze, Steuerungsteile, Kegel
2) 3)
Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

G-CuZn15Si4 min. 230 min. 400 34 18 1 1 1 Maschinenbau, Schiffbau, Elektroindustrie


G-CuSn10 min. 130 min. 270 67 18,5 1 1 1 Armaturen, Pumpen, Gleitlager
G-CuSn10Zn min. 130 min. 260 56 18,8 0 1 1 Gleitlagerschalen, Schnecken
G-CuNi10 min. 150 min. 310 59 17,0 0 1 1 Chemische Industrie, Meerestechnik, Meerwasserentsalzung,
G-CuNi30 min. 230 min. 440 29 16,0 0 2 2 Pumpen
G-CuAl10Fe min. 180 min. 500 55 16/17 0 1 1 Schaltgabeln, Ritzel, Kegelräder
G-CuAl10Ni min. 270 min. 600 60 17/19 0 1 1 Schiffspropeller, Heißdampfarmaturen

1)
Für den Einsatz der Schweißverfahren bedeutet: 0 = nicht geeignet, 1 = geeignet, 2 = empfohlen.
2)
Zinkfreie Zusatzwerkstoffe empfohlen.
3)
Zinkfreie Zusatzwerkstoffe erforderlich.
Abschn. 5.2: Schwermetalle (Kupfer und Kupferlegierungen) 515

Tabelle 5-5
Schweißzusatzwerkstoffe (Massivdrähte und -stäbe) für Kupferlegierungen, nach DIN EN 14640 (Auszug).

Legierungskurzzeichen Chemische Zusammensetzung in Massenprozent 1)

Num-
Chemisch Cu Al Fe Mn Ni P Si Sn Zn
merisch

Kupfer – Silicium (Siliciumbronze)

S Cu 6511 CuSi2Mn1 Rest − − 0,9-1,1 − < 0,012 1,7-1,9 0,17-0,25 −


S Cu 6560 CuSi3Mn1 Rest 0,01 0,5 0,5-1,5 − 0,02 2,8-4,0 0,2 0,2

Kupfer – Zinn (einschließlich Phosphorbronze)

S Cu 5180 CuSn6P Rest 0,01 0,1 − − 0,1-0,4 − 4,0-7,0 0,1


S Cu 5210 CuSn9P Rest − 0,1 − − 0,1-0,4 − 7,0-9,0 0,2
S Cu 5211 CuSn10 Rest − − 0,2-0,35 − − 0,2-0,3 9,0-10,0 −
S Cu 5410 CuSn12P Rest 0,01 0,1 − − 0,4 − 11,0-13,0 0,1

Kupfer – Zink (Messing)

S Cu 4700 CuZn40 58,0-61,0 0,1 2) 2) 2)


− − − − Rest
S Cu 4701 CuZn40SnSiMn 58,5-61,5 0,01 0,01 0,05-0,25 − − 0,1-0,4 0,2-0,5 Rest
S Cu 6800 CuZn40Ni 56,0-60,0 0,01 0,01 0,5 0,2-0,8 − 0,2 0,8-1,1 Rest
S Cu 6811 CuZn40SnSi 58,0-62,0 0,01 0,01 0,3 − − 0,1-0,5 1 Rest
S Cu 7730 CuZn40Ni10 46,0-50,0 − − − 9,0-11,0 − 0,2 0,8-1,1 Rest

Kupfer – Aluminium (Aluminiumbronze)

S Cu 6061 CuAl5Mn1Ni1 Rest 4,5-5,0 − 0,5-1,0 0,5-1,0 − − − −


S Cu 6100 CuAl8 Rest 6,0-9,5 0,5 0,5 0,8 − 0,2 − 0,2
S Cu 6102 CuAl8Ni12 Rest 7,5-9,5 1,5-2,5 0,5-2,5 1,8- 3,0 − 0,2 − 0,2
S Cu 6180 CuAl10 Rest 8,5-11,0 0,5-1,5 1 1 − 0,1 − 0,02
S Cu 6240 CuAl11Fe Rest 10,0-11,5 2,0-4,5 − − − − − 0,01
S Cu 6328 CuAl9Ni5 Rest 8,5-9,5 3,0-5,0 0,6-3,5 4,0-6,0 − 0,2 − 0,1

Kupfer – Mangan

S Cu 6338 CuMn13Al7 Rest 6,5-8,0 1,5-4,0 11,0-14,0 1,5-3,0 − 0,1 − 0,15

Kupfer – Nickel

S Cu 7061 CuNi10 Rest − 1,0-2,0 0,5-1,5 9,0-11,0 0,02 0,2 − −


S Cu 7158 CuNi30 Rest − 0,4-1,0 0,5-1,5 29,0-32,0 0,02 0,25 − −
1)
Einzelwerte sind Höchstwerte, wenn nicht anders angegeben.
2)
Summe Al + Fe + Mn + Pb max. 0,5 %.

langsamer abkühlenden vorgewärmten, dickwandigen, 5.2.1.1.2 Kupferlegierungen


gasgeschweißten Verbindung. Legierungselemente setzen häufig schon in
Die Festigkeit in der WEZ ist das Ergebnis der gegenläu- geringsten Mengen die elektrische und thermi-
figen Wirkung zunehmender Korngröße und Fehlstel- sche Leitfähigkeit extrem herab. Daher sind
lendichte. Bei nichtpolymorphen und nicht ausschei- Legierungen normalerweise nicht oder nur mit
dungshärtenden Werkstoffen sind die Korngröße und wesentlich geringeren Temperaturen zum
das Fehlstellensystem die einzigen festigkeitsändern-
den Mechanismen. Kaltverformung als Möglichkeit der
Schweißen vorzuwärmen. Kupferlegierun-
Festigkeitserhöhung scheidet aus, weil die WEZ auf gen haben oft deutlich höhere Festigkeiten
deutlich höhere als die Rekristallisationstemperatur (z. B. CuAl), häufig bessere Korrosionseigen-
des Kupfers erwärmt wurde. schaften (z. B. CuNi) und eine höhere Warm-
Die langsam abgekühlte, extrem grobkörnige WEZ festigkeit (z. B. CuBe) als Kupfer. Sie sind
ist daher normalerweise wesentlich weicher als der wegen der geringeren Wärmeleitfähigkeit
unbeeinflusste Grundwerkstoff. und der desoxidierenden Wirkung verschie-
516 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

dener Legierungselemente (z. B. Mn, Si, Al) misch empfindliche Legierungen und zum
in den meisten Fällen schweißtechnisch ein- Auftragschweißen von Kupfer und Kupferle-
facher als Kupfer zu verarbeiten. Ein Vorwär- gierungen auf Eisenwerkstoffe sehr gut ge-
men ist erst bei größeren Wanddicken (etwa eignet.
s • 10 bis 15 mm) erforderlich.
Kupfer-Zink-Legierungen (Messinge)
In Tabelle 5-4 sind einige physikalische und Messinge enthalten nach DIN EN 1652 min-
mechanische Eigenschaften sowie Hinweise destens 50 % Kupfer und als Hauptlegie-
zur Verwendung ausgewählter Kupferlegie- rungselement Zink. Automatenmessinge sind
rungen zusammengestellt. zum Verbessern der Zerspanbarkeit mit bis
zu 3 % Blei legiert (z. B. CuZn38Pb3). Sie nei-
Die für Kupferlegierungen geeigneten Zu- gen beim Schweißen zur Bildung von Poren
satzwerkstoffe sind in Tabelle 5-5 aufgeführt. und Heißrissen und sollten daher nicht ge-
Ähnlich wie Kupfer sind für die meisten Kup- schweißt, sondern besser durch Hartlöten
ferlegierungen (außer für das MIG-Verfah- mit Silberloten verbunden werden. Bei Zu-
ren) Flussmittel erforderlich bzw. empfehlens- gabe weiterer Legierungselemente entste-
wert. Sie enthalten oxidlösende Metallsalze hen die so genannten Sondermessinge, mit
auf der Grundlage von Borverbindungen. denen bestimmte mechanische oder (und)
Für CuAl-Legierungen sind wegen der hoch- physikalische Eigenschaften verbessert bzw.
schmelzenden Aluminiumoxidhaut fluorid- geändert werden (z. B. Festigkeit, Korro-
haltige Sonderflussmittel erforderlich. sionsbeständigkeit, elektrische und physika-
lische Eigenschaften).
Kupfer-Zink-Legierungen werden noch in
vielen Fällen gasgeschweißt. Für alle ande- Wesentliche und für den Schweißprozess wich-
ren Kupferwerkstoffe werden vorwiegend die tige Informationen können aus dem binären
Schutzgasschweißverfahren (WIG; MIG) so- (Gleichgewichts-)Zustandsschaubild Cu-Zn
wie das Plasma- und das Mikroplasmaver- entnommen werden, Bild 5-14. Bis etwa 37,5 %
fahren verwendet. Das MIG-Impulslichtbo- Zink liegen einphasige kfz a-Mischkristalle
genschweißen (s. Tabelle 4-13) ist für ther- vor, zwischen 37,5 % und 46 % Zink ein aus
kfz a- und krz b-Mischkristallen bestehen-
1100 1083 ° C des Gemenge, zwischen 46 % und 50 % Zink
°C S+ a S
1000
reine b-Mischkristalle und über 50 % Zink
tritt die intermediäre g-Phase auf, die den
Temperatur T

900 Werkstoff bis zur Unbrauchbarkeit versprö-


S+ b
det. Von technischer Bedeutung sind nur die
800 a- und die (a  b)-Legierungen, d. h. Legie-
a a+ b b rungen über etwa 54 % Kupfer. Reine b-Le-
700
gierungen werden lediglich als (Hart-)Lote
600
verwendet.
b+ g g
500 Die kfz a-Legierungen sind hervorragend
Versprödungsgebiet
kaltumformbar. Bei Temperaturen zwischen
400 etwa 400 ’C und 520 ’C bildet sich bei größe-
b’ b’ + g
ren Zinkgehalten ein Versprödungsbereich
300
aus, der die Warmumformbarkeit erheblich
a + b’
200
verschlechtert, Bild 5-14. Blei und andere
niedrigschmelzende und in der Matrix nicht-
100 lösliche Verunreinigungen erzeugen eine ex-
Cu 10 20 30 40 50 % 60
treme Heißrissigkeit. Nur bei sehr geringen
Zinkgehalt
Bleigehalten (… 0,03 %) sind daher reine a-
Bild 5-14 Legierungen als gut schweißgeeignet zu be-
Kupferseite des Zustandsschaubilds Cu-Zn. zeichnen.
Abschn. 5.2: Schwermetalle (Kupfer und Kupferlegierungen) 517

Die (a  b)-Legierungen sind wesentlich fes- überschuss. Die flüssigen Tropfen und
ter und haben wegen des größeren Zinkge- das Schmelzbad überziehen sich mit ei-
halts eine geringere Wärmeleitfähigkeit als ner Oxidhaut, die ein Zinkausdampfen
die a-Legierungen. Ein Vorwärmen ist da- weitgehend verhindert. Die erforderliche
her in den meisten Fällen nicht erforderlich. Flammeneinstellung wird durch Auftrag-
Bei einem Korrosionsangriff (SpRK) sollte schweißungen mit unterschiedlichem Sau-
die Konstruktion zwischen 25 ’C und 370 ’C erstoffüberschuss festgestellt. Dieser ist
span nungsarmgeglüht werden. Bild 5-15 normalerweise ausreichend, wenn keine
zeigt eine Mikroaufnahme der Grobkornzone sichtbare Porigkeit auftritt. Der negativen
einer gasgeschweißten Verbindung aus der Wirkung des Sauerstoffs wird durch Fluss-
(a  b)-Legierung CuZn40. mittel begegnet.

Ein beim Schweißen aller CuZn-Legierungen Das WIG-Schweißen mit thorierten Wolfram-
zu beachtendes Problem ist das Ausdampfen elektroden hat sich sehr bewährt. Bei Verwen-
(»Entzinken«) des bei 907 ’C siedenden Zinks. dung von Wechselstrom ist das Schweißbad
Die Folge ist eine extrem große Porigkeit des »kälter«, und es entsteht außerdem die er-
Schweißguts. Dieser auf Diffusionsvorgän- wünschte Reinigungswirkung des Lichtbo-
gen des Zinks beruhende Prozess lässt sich gens. Bei einem Arbeiten mit Flussmitteln
mit verschiedenen Methoden verlangsamen: ist die Porenanfälligkeit in der Regel sehr
– Mit geringem Wärmeeinbringen arbeiten viel geringer als beim Gasschweißen. Ein Vor-
und schnell schweißen. Der auf die Diffu- wärmen (100 ’C bis 150 ’C) ist häufig zweck-
sionstemperatur erwärmte Bereich ist mäßig, weil die verringerte Aufheizgeschwin-
dann klein und die für den Diffusionspro- digkeit die relativ große Thermoschockemp-
zess verfügbare Zeit kurz. Mit den Schutz- findlichkeit dieser Werkstoffe reduziert und
gasschweißverfahren lassen sich diese die dadurch mögliche geringere Wärmezu-
Forderungen einfach erreichen. fuhr die Zinkausdampfung und die Porennei-
– Die Zinkausdampfung unterbleibt eben- gung verringern. Als Zusatzwerkstoffe wer-
falls beim Gasschweißen mit Sauerstoff-
1100
L1
°C
1000
Temperatur T

S
1
900
S+ a

800
S+ b
a+ b b
700
g S+ g
a e
b+ g
600
a+ g g+ d e+ g
2
500
a+ d d+ e
400
e+ h
300
a+ e h
200
Bild 5-15
Grobkornzone in der Schweißverbindung einer (a + b )- e + h’
100
Legierung CuZn40. Als Folge der raschen Abkühlung
Cu 10 20 30 40 50 % 60
ist der a-Gehalt wesentlich geringer als im Grundwerk- Zinngehalt
stoff. Nähere Einzelheiten zur Umwandlung b Æ a + b
sind aus dem Zustandsschaubild Cu-Zn, Bild 5-14, Bild 5-16
zu entnehmen. Zustandsschaubild Kupfer-Zinn.
518 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

den überwiegend die zinkfreien Legierun- Die maximale Heißrissneigung liegt bei et-
gen CuSn1, CuSn6P oder CuSi3Mn1 verwen- wa 2 % Sn. Sie nimmt mit dem Zinngehalt
det, Tabelle 5-5. (bis etwa 8 %) und dem Auftreten der b -Pha-
se ab. Die Verwendung des höher zinnhalti-
Kupfer-Zinn-Legierungen (Zinnbronzen) gen Zusatzwerkstoffs CuSn9P führt daher
Nach DIN EN 1652 enthalten die Kupfer- in der Regel zu heißrissfreien Verbindungen.
Zinn-Knetlegierungen 3,5 % bis 7 % Zinn als
Hauptlegierungselement. Ein Verdampfen des Zinns beim Schweißen
ist wegen der hohen Siedetemperatur von
Nach dem Zustandsschaubild Cu-Sn, Bild 5- 2450 ’C nicht zu erwarten.
16, sind alle Legierungen einphasige aus a-
MK bestehende Werkstoffe. Bemerkenswert Zwischen 400 ’C und 650 ’C zeigen a -Legie-
ist das sehr große Erstarrungsintervall, das rungen eine starke Verformungsabnahme,
die Ursache der ausgeprägten Kristallseige- die auf Verunreinigungen an den Korngren-
rung und der Heißrissanfälligkeit des Schweiß- zen zurückgeführt wird. Eigenspannungen
guts ist. Die in Bild 5-16 eingezeichnete Legie- können in diesem Temperaturbereich zu Ris-
rung L1 scheidet nach Unterschreiten der So- sen im Schweißgut und in der WEZ führen,
liduslinie sehr kupferreiche Mischkristalle wenn sie plastische Verformungen erzwin-
aus. Bei rascher Abkühlung kristallisiert der gen. Mit einem ausreichend hohen Vorwär-
sehr zinnreiche (15 % und mehr) Restschmel- men lässt sich der Aufbau der gefährlichen
zenfilm an den primären Korngrenzen we- Schrumpfspannungen und damit diese Riss-
gen des fehlenden Diffusionsausgleichs zu erscheinung verhindern.
b-Mischkristallen (Punkt 1), die später in die
spröde, intermediäre d -Phase (Cu31Sn8) um- Die sehr häufig auftretende Porenbildung
wandeln. Mit dem Auftreten dieser Phase beim WIG- und MIG-Schweißen der vielfach
nimmt die Kaltumformbarkeit sehr stark ab. verwendeten Cu-Sn-Legierung CuSn6 ist er-
Das große Erstarrungsintervall ist auch die fahrungsgemäß mit Zusatzwerkstoffen des
Ursache für grobe zu Mikrolunkern und an- Typs CuSn6P (mit P … 0,01 %) vermeidbar.
deren Schwächen neigenden Dendritenstruk- Ein Vorwärmen auf etwa 150 ’C bis 200 ’C
turen, die die (Heiß-)Rissbildung des Schweiß- wird empfohlen. Bei größeren Werkstückdi-
guts sehr begünstigen. cken (! 5 mm) erweist sich das gleichzeitig-
doppelseitige Schweißen als vorteilhaft.
1100
1083 ° C S 1037 ° C S+ b
° C Kupfer-Aluminium-Legierungen
S+ a (Aluminiumbronzen)
Temperatur T

8,5 %
1000
Aluminium ist das Hauptlegierungselement
a a+ b b
der CuAl-Legierungen, die in DIN EN 1652
900 genormt sind. Sie sind bis etwa 7,5 % einpha-
b + g1
sig (a) und zwischen 8 % und 14 % zweipha-
sig (a  b), wie Bild 5-17 zeigt. CuAl-Legierun-
800
gen enthalten meistens weitere Elemente (z.
B. Fe, Mn, Sn, Ni), die bestimmte Eigenschaf-
700
ten verbessern. Die sich auf der Werkstoff-
oberfläche spontan bildende Oxidhaut muss
b + g2 wie bei Aluminium und den Aluminiumlegie-
600
565 ° C
rungen mit Hilfe der Reinigungswirkung der
9,4 %
Schweißverfahren (WIG-Verfahren mit Wech-
a + g2
500 selstrom, MIG-Verfahren mit Drahtelektrode
Cu 2 4 6 8 10 12 % 14 positiv) beseitigt werden. Bei Minuspolung
Aluminiumgehalt der Elektrode sind sehr aggressive Sonder-
Bild 5-17 flussmittel erforderlich, die nach dem Schwei-
Zustandsschaubild Kupfer-Aluminium. ßen unbedingt zu beseitigen sind.
Abschn. 5.2: Schwermetalle (Kupfer und Kupferlegierungen) 519

Die homogenen, einphasigen, umwandlungs- Kupfer-Nickel-Legierungen


freien a-Legierungen sind gut kalt- und mä- Kupfer bildet mit Nickel eine lückenlose
ßig warmverformbar. Trotz des sehr gerin- Mischkristallreihe, Bild 5-18. Legierungen
gen Erstarrungsintervalls sind diese Werkstof- mit Nickelgehalten bis 45 % sind in DIN EN
fe extrem heißrissanfällig. Als Ursache wer- 1652 genormt. Einige enthalten Eisen und
den die ausgeprägte Neigung zum Kornwachs- Mangan zum Verbessern der Meerwasser-
tum in der Wärmeeinflusszone und Korn- beständigkeit. Die Werkstoffe sind kfz, d. h.
grenzenausscheidungen in Form aluminium- sehr gut verformbar und tieftemperaturzäh.
reicher Korngrenzenfilme angenommen, die Die Schweißeignung und die Korrosionsbe-
sich bei Temperaturen über 500 ’C extrem ständigkeit (Meerwasser) dieser Werkstoffe
spröde verhalten. Eine geringe Wärmezu- sind hervorragend.
fuhr, d. h. kleine Schweißbäder, schnelles
Schweißen ohne Pendeln, und Zusatzwerkstof- Die Schweißeignung ist besser als die des
fe mit erhöhtem Aluminiumgehalt sind emp- Kupfers. Die Wärmeleitfähigkeit ist ähnlich
fehlenswerte Maßnahmen zum Unterdrü- wie bei Stahl, Tabelle 5-1, ein Vorwärmen der
cken der Heißrisse. Fügeteile daher gewöhnlich nicht erforder-
lich. Sie sind aber wie alle nickellegierten
Die heterogenen Legierungen sind sehr gut Werkstoffe extrem empfindlich gegen nicht-
warmverformbar (z. B. durch Pressen oder lösliche niedrigschmelzende, oft eutektische
auch Gesenkschmieden). Mit dem Auftreten Verunreinigungen. Diese Korngrenzenfilme
der b-Phase nehmen die Festigkeit und die begünstigen die Heißrissneigung sehr. Be-
Schweißeignung aber erheblich zu. Nach ei- sonders kritisch ist das bei 650 ’C schmelzen-
nem raschen Abkühlen aus dem b-Bereich de Ni-NiS-Eutektikum, aber auch Blei, Phos-
entsteht die harte, nadelförmige, martensit- phor, Zink, Zinn, Bor und Silber bilden nied-
ähnliche b’-Phase, Bild 1-44, S. 37. Die b - rigschmelzende Korngrenzenfilme. Ein weite-
(Hochtemperatur-)Phase zerfällt bei einem res Problem ist die starke Porenneigung, weil
Anlassen oder sehr langsam bei kleinen Ab- mit zunehmendem Nickelgehalt die Wasser-
kühlgeschwindigkeiten unter 565 ’C in das stofflöslichkeit der Schweißschmelze stark
eutektoidische Gefüge (a  g2 ). zunimmt.

Einige zum Schweißen der bekanntesten Kup- Eine wichtige Voraussetzung für fehlerfreie
ferlegierungen (Siliciumbronze, Bronzen, Mes- Schweißungen ist die absolute Sauberkeit
singe, Aluminiumbronzen, Kupfer-Nickel-Le- der Fügeteile und der Zusatzwerkstoffe. Die
gierungen) sehr geeignete Zusatzwerkstoffe Walzhaut sollte vor dem Schweißen durch
(Schweißstäbe, Schweißdrähte, Drahtelekt-
roden, gemäß DIN EN 14640, sind in Tabel-
le 5-5 zusammengestellt.
1500 1453 ° C

°C
S+ a
Temperatur T

S
1300

1200

1100
1083 ° C
a
1000

900

800 Bild 5-19


Cu 20 40 60 80 % 100 Schmelzgrenzenbereich einer WIG-Schweißverbin-
Nickelgehalt dung aus NiCu30Fe, links oben Schweißgut (Zusatz-
Bild 5-18 werkstoff: SG-NiCu30MnTi), V = 200 :1, nach SLV
Zustandsschaubild Kupfer-Nickel. Berlin-Brandenburg.
520 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

Schleifen oder Ätzen beseitigt werden. Mit


Bürsten (von Hand) ist die sehr feste Oxid-
haut erfahrungsgemäß kaum bzw. nur un-
vollständig zu beseitigen. Bei den höher ni-
ckelhaltigen Legierungen entstehen leicht
zähflüssige Schlacken aus Nickeloxiden, die
den Schweißablauf erheblich beeinträchti-
gen. Die Anwendung geeigneter Flussmittel
bzw. anderer Zusatzwerkstoffe ist zu empfeh-
len. Alle Cu-Ni-Legierungen können mit dem
Zusatzwerkstoff CuNi30 geschweißt wer-
den.

5.2.2 Nickel und Nickellegierungen


Bild 5-20
Nickel ist kfz und damit bis zu tiefsten Tempe- WEZ im Bereich der Schmelzgrenze einer Schweißver-
raturen extrem verformbar. Es bildet lücken- bindung aus X10CrNiAlTi32-20. Das epitaktisch er-
starrte Schweißgut (unten rechts) zeigt Carbidausschei-
lose Mischkristallreihen oder ausgedehnte
dungen. Die Korngrenzen der kfz Mischkristalle in
Mischkristallbereiche mit mehr Metallen als der WEZ sind mit Carbiden belegt. Kornwachstum
jedes andere. In den meisten Fällen entstehen der schmelzgrenzennahen Bereiche ist nicht nachweis-
einphasige Legierungen, die wegen der gerin- bar, nach SLV Berlin-Brandenburg.
gen Diffusionsvermögen der beteiligten Legie-
rungselemente aber meistens kristallgesei- – Nickel-(Knet-)Legierungen. Sie sind meis-
gert sind. tens einphasig, nichtausscheidungshär-
tend und haben eine relativ geringe Fes-
Nickel und seine Legierungen besitzen eine tigkeit.
Reihe herausragender Eigenschaften, die – Die (meistens) ausscheidungshärtenden
in dieser Vollständigkeit kaum ein anderer Nickelbasis-Legierungen, auch als Ni-
Werkstoff in sich vereint: ckel-Superlegierungen bezeichnet, wer-
– Hervorragende Korrosionsbeständigkeit. den vorzugsweise für hohe Betriebstem-
– Hohe Warm- bzw. Zeitstandfestigkeit der peraturen bei meistens hoher Korrosions-
überwiegend ausscheidungshärtenden beanspruchung verwendet.
Nickellegierungen (Superlegierungen) mit
relativ hoher Festigkeit bei Raumtempera- Unter praktisch-technischen Gesichtspunk-
tur. ten lassen sich die Nickelwerkstoffe in sechs
– Extreme Verformbarkeit und Tieftempe- große Gruppen einteilen, Tabelle 5-6:
raturzähigkeit.
– Hervorragend geeignet für Puffer- und Ni, unlegiert;
Zusatzwerkstoffe zum (Auftrag-)Schwei- Ni-Cu-Legierungen, Bild 5-19;
ßen unterschiedlicher Werkstoffe. Ursa- Ni-Cr-Legierungen, Bild 5-20;
chen sind die guten Zähigkeitseigenschaf- Ni-Cr-Fe-Legierungen;
ten und die überwiegende Bildung von Ni-Mo-(Cr-)Legierungen und die aus-
Mischkristallen mit sehr vielen Metal- scheidungshärtenden Legierungen auf
len, Abschn. 4.3.8, S. 446. Nickel bildet der Basis
nur mit einer sehr geringen Anzahl von Ni-Cr-Co-Mo-Al-Ti.
Metallen spröde intermediäre Phasen (z.
B. Nickel-Aluminium). Die reinen Nickel-Werkstoffe werden über-
wiegend aufgrund ihrer Korrosionsbestän-
Aus werkstofflicher Sicht lassen sich die bei- digkeit – in normaler Atmosphäre, in natür-
den kubisch-flächenzentrierten Legierungs- lichem Frischwasser, in entlüfteten nichtoxi-
Hauptgruppen unterscheiden: dierenden Säuren und vor allem in reduzieren-
Abschn. 5.2: Schwermetalle (Nickel und Nickellegierungen) 521

Tabelle 5-6
Chemische Zusammensetzung einiger Nickelwerkstoffe (Knetwerkstoffe und ausscheidungshärtender Le-
gierungen) nach verschiedenen DIN-Normen und dem Bezeichnungssystem nach UNS (Auswahl).

Nickel-Werkstoff Chemische Zusammensetzung, Massenanteil in Prozent


(Ni-Basis, Knetwerkstoffe)

Kurzzeichen DIN Werkstofftyp Ni Cu Cr Fe Mo C

Ni99,7Mg 17740 99,7 min 0,03 max − 0,07 max − 0,05


LC-Ni99,6 17740 Nickel 201 99,6 min 0,1 max − 0,2 max − 0,02
Ni99,4Fe 17741 99,4 min 0,05 max − 0,2/0,6 − 0,05 max
NiMn1 17741 98 min 0,5 max − 0,5 max − 0,1 max
NiMn3Al 17741 94 min 0,1 max − 0,3 max − 0,05 max
NiMn5 17741 94 min 0,2 max − 0,3 max − 0,1 max
NiCr8020 17742 75 min 0,5 max 19/21 1,0 max − 0,15 max
NiCr7030 17742 60 min 0,5 max 29/32 0,5 max − 0,10 max
NiCr20AlSi 17742 73 min 0,1 max 19/21 1,0 max − 0,05 max
NiCr15Fe 17742 Inconel 600 72 min 0,5 max 14/17 6 ... 10 − 0,10 max
LC-NiCr15Fe 17742 72 min 0,5 max 14/17 6 ... 10 − 0,025 max
NiCr23Fe 17742 Inconel 601 58 ... 63 0,5 max 21/25 18 max − 0,10 max
NiCr20Ti 17742 Nichrome 80 72 min 0,5 max 18/21 1,5 max − 0,08/0,15
NiCu30Fe 17743 Monel 400 63 min 28/34 − 1,0/2,5 − 0,15 min
LC-NiCu30Fe 17743 63 min 28/34 − 1,0/2,5 − 0,04 max
NiCu30Al 17743 63 min 27/34 − 0,5/2,0 − 0,2 max
NiMo16Cr16Ti 17744 Hastelloy C-4 Rest 0,5 max 14/18 3,0 max 14/18 0,01 max
NiMo28 17744 Hastelloy B-1 Rest 0,5 max 1,0 max 2,0 max 26/30 0,01 max
NiCr21Mo14W − Hastelloy C-22 56 − 22,0 3,0 13,0 0,01 max
NiMo16Cr16W − Hastel. C-276 57 − 16,0 5 ,0 16,0 0,01 max
NiCr21Mo6Cu 17744 39/46 1,5/3,0 20/23 Rest 5,5/7,0 0,025 max
NiCr22Mo9Nb 17744 Inconel 625 Rest 0,5 max 20/23 3,0 max 8,0/10,0 0,10 max
NiCr21Mo 17744 Incoloy 825 38/46 1,5/3,0 19,5/23,5 Rest 2,5/3,5 0,025 max
NiFe15Mo 17745 78,5 min − − 14/17 3/5 0,05
NiFe45 17745 53 min − − 45/47 − 0,05
NiFe48Cr 17745 50 min − 0,7/1 47/49 − 0,05
Ni49 17745 48 min − 0,7/1 49/51 − 0,05

Nickel-Werkstoff Chemische Zusammensetzung, Massenanteil in Prozent


(ausscheidungshärtend)

Werkstofftyp UNS Nr. C Cr Ni Co Fe Mo Sonstige

Inconel 706 N09706 0,03 16,0 Rest − 37,0 − 1,8 Ti; 0,2 Al; 2,9 Nb
Inconel 718 N07718 0,04 18,0 Rest − 18,5 3,0 5,1 Nb; 0,9 Ti; 0,5 Al
Inconel X-750 N07750 0,04 15,5 Rest − 7,0 − 2,5 Ti; 0,7 Al; 1,0 Nb
Nimonic 80A N07080 0,06 19,5 Rest − − − 1,4 Al; 2,4 Ti
Nimonic 115 − 0,15 15,0 Rest 15,0 − 4,0 5,0 Al; 4,0 Ti
René 41 N07041 0,09 19,0 Rest 11,0 5,0 max 10,0 1,5 Al; 3,0 Ti; 0,006 B
Inconel 102 N06102 0,06 15,0 Rest − 7,0 3,0 3,0 W; 3,0 Nb; 0,4 Al; 0,6 Ti; 0,03 Zr
M252 N07252 0,15 20,0 Rest 10,0 − 10,0 1,0 Al; 2,6 Ti; 0,005 B
Udimet 630 − 0,03 18,0 Rest − 18,0 3,0 3,0 W; 6,5 Nb; 0,5 Al; 1,0 Ti
Inconel 100 N13100 0,15 10,0 Rest 15,0 − 3,0 5,5 Al; 4,7 Ti; 0,06 Zr; 1,0 V; 0,015 B
Waspaloy alloy N07001 0,08 19,0 Rest 14,0 − 4,3 1,5 Al; 3,0 Ti; 0,05 Zr; 0,006 B
Alloy 625 N07716 0,02 20,0 Rest − 5,0 9,0 5,0 Al; 4,3 Ti; 0,06 Zr; 0,02 B; 0,8 V
522 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

den Medien – im Chemie-Anlagenbau bei als die jedes anderen Elements. Es existiert
Temperaturen meistens unter 260 ’C verwen- daher eine wesentlich größere Anzahl (einpha-
det. Nickel ist aber in stark oxidierenden Me- siger) Nickellegierungen als austenitischer
dien (z. B. HNO3, H2SO4 in Konzentrationen Stähle. Diese Zusätze verbessern die Korro-
! 60 %) weniger beständig. Nickelwerkstof- sionsbeständigkeit (z. B. Kupfer, Molybdän,
fe gelten i. Allg. als beständig gegen SpRK. Wolfram gegenüber nichtoxidierende Säu-
Diese Beständigkeit nimmt ähnlich wie bei ren), die Zunderbeständigkeit (z. B. Chrom,
den austenitischen Cr-Ni-Stählen mit dem Niob, Tantal und Silicium in geringen Men-
Nickelgehalt zu. Die weitgehend historisch gen) oder die (Warm-)Festigkeit (z. B. Molyb-
»verbürgte« Tatsache einer vollständigen Im- dän, Aluminium gemeinsam mit Titan). Die-
munität der Nickelwerkstoffe gegenüber SpRK se größere Werkstoffvielfalt ist eine wichti-
ist bei der in den letzten Jahren extrem ge- ge Ursache für die korrosionstechnische Über-
stiegenen Anzahl von Angriffsmedien in al- legenheit der Nickelwerkstoffe verbunden mit
len Bereichen der chemischen Prozesstech- hervorragenden mechanischen Eigenschaf-
nik nicht mehr aufrecht zu erhalten. Vor al- ten (Zähigkeit, Kaltverformbarkeit).
lem die folgenden »Korrosionsumgebungen«
können die Spannungsrisskorrosion auslö- Verschiedene Nickelbasis-Legierungen wer-
sen: den häufig außer mit den genormten Kurz-
– Lösungen mit Halogenionen – insbeson- zeichen auch mit in der Praxis sehr bekann-
dere mit Chloridionen – bei Temperatu- ten Handelsnamen bezeichnet. Die z. B. als
ren über 210 ’C. Hastelloy (Haynes International) und Inco-
– Wässer bei hohen Temperaturen (Prozess- nel (International Nickel) bezeichneten Le-
wasser, Druckwasser-Reaktoren). gierungen sind von großer technischer Be-
– Kaustische Umgebungen bzw. kausti- deutung:
sches, belüftetes Hochtemperaturwasser
(ca. 300 ’C). Monel: Ni-Cu-70-30-Legierungen,
Inconel: Ni-Cr-, Ni-Cr-Fe- und Ni-Cr-Mo-
Die Löslichkeit des Nickels für sehr viele Le- Legierungen,
gierungselemente (hauptsächlich Chrom, Mo- Incoloy: Ni-Fe-Cr-Legierungen,
lybdän, Wolfram, Kupfer, Kobalt) ist größer Hastelloy: Ni-Mo-(Cr)-Legierungen.

Ni-Cr-Mo-Legierungen sind in oxidierenden


chloridhaltigen Medien extrem beständig
gegen Lochkorrosion.

Die ausscheidungshärtenden Nickellegie-


rungen enthalten in die kfz Matrix eingela-
gerte Ausscheidungen, deren Form, Größe
und Verteilung weitestgehend die mechani-
schen Eigenschaften der Legierung bestim-
men. Die wichtigste Ausscheidung ist die in
den meisten hochwarmfesten Nickellegie-
rungen vorhandene geordnete kubisch-flä-
chenzentrierte g ’-Phase Ni3(Al, Ti), Bild 5-21.
Ihr Gitterparameter weicht nur sehr gering-
Bild 5-21 fügig von dem des kfz Matrixgitters ab. Die
Mikrogefüge einer hochwarmfesten Nickel-(Super-) Phase kann sich daher sehr schnell über ei-
Legierung GX-NiCr16Co8TiAlWMo (In 738 LC). Das ne nahezu homogene Keimbildung bilden.
Bild zeigt feinere und gröbere g ’-Teilchen, eingelager-
Die g ’-Phase besitzt darüber hinaus eine Rei-
te Carbide MC (dunklere Flächen) und das g ’/g -Eu-
tektikum (hellere, größere Fläche im Bild oben links), he bemerkenswerter Eigenschaften:
V = 1000 :1, nach Siemens AG, Gasturbinenwerk – Die beim »Schneiden« der geordneten Pha-
(KWU) Berlin. se entstehenden Antiphasen-Korngren-
Abschn. 5.2: Schwermetalle (Nickel und Nickellegierungen) 523

zen erfordern für ihre Bildung zusätzliche beitung (z. B. Schweißen) bilden. Die Menge
Energien, wodurch die Verformbarkeit er- der Sekundärcarbide lässt sich durch Absen-
schwert, d. h. die Werkstofffestigkeit (»che- ken des Kohlenstoffgehalts und der den Aus-
mische Härtung«) erhöht wird. scheidungsmechanismus bestimmenden Tem-
– Mit zunehmender Betriebstemperatur peratur-Zeit-Führung beim Schweißen bzw.
steigt ihre Festigkeit. Wärmebehandeln beeinflussen.
– Sie besitzt im Gegensatz zu den meisten
anderen intermediären Verbindungen ei- Die Temperaturbeständigkeit der ausschei-
ne merkliche Verformbarkeit. dungshärtenden Nickellegierungen wird zu-
sätzlich durch die sehr aufwändige Herstell-
Zunehmende Ti- und Al-Gehalte erhöhen methode der gerichteten Erstarrung verbes-
zwar die Festigkeit dieser Phase, die Verar- sert. Mit diesem Verfahren gelingt es, die Be-
beitbarkeit der Knetlegierungen wird da- anspruchungsrichtung parallel zur Richtung
durch aber schlechter. Daher wird diese Maß- des Kristallwachstums zu orientieren. Die
nahme i. Allg. nur für Gusswerkstoffe ange- von der WEZ einer hochwarmfesten Legie-
wendet. Die Festigkeit ausscheidungshär- rung IN 792 DS (DS Directionally Solidi-
tender Nickelbasis-Werkstoffe lässt sich auch fied) – sie entspricht weitgehend dem Werk-
mit Ni3Nb-Ausscheidungen (g ’’-Phase) stei- stoff GX-NiCr12Co8TiAlWMoHf – ausgehen-
gern. Der Ausscheidungsprozess verläuft de, sehr deutlich erkennbare gerichtete Form
sehr viel träger als der der g ’-Phase. Ge- der Kristallite zeigt Bild 5-22.
schweißte Verbindungen aus diesen Werk-
stoffen neigen daher während des Aufhei-
zens zum Lösungsglühen wegen der fehlen-
den bzw. geringeren Menge an Ausscheidun-
gen nur in begrenztem Maße zur Rissbil-
dung, d. h., ihre Schweißeig nung ist deut-
lich besser, Abschn. 5.2.2.2.

Sehr unerwünscht in den Werkstoffen sind


die topologisch dicht gepackten Phasen (tcp
topological close packed) Sigma-Phase (Ab-
schn. 2.8.3.4.2), die Laves-Phasen (A2B) und
die nicht in Zweistoff-Nickellegierungen auf-
tretende m-Phase, weil sie die mechanischen
Gütewerte und oft auch die Korrosionseigen-
schaften verschlechtern.
Bild 5-22
Viele der sich in den korrosionsbeständigen WEZ einer WIG-geschweißten Verbindung aus der
Nickellegierungen bildenden Carbide sind hochwarmfesten, gerichtet erstarrten Nickel-Legie-
rung IN 792 DS, (DS = Directionally Solidified), ent-
schädlich, weil sie sich während des Schweiß-
sprechend GX-NiCr12Co8TiAlWMoHf. Im Bild oben
prozesses, einer Wärmebehandlung oder bei ist deutlich die gerichtete Erstarrung des Grundwerk-
der Betriebstemperatur im Bereich der Korn- stoffs erkennbar, V = 50:1, nach Siemens AG, Gastur-
grenzen oder an anderen Gitterdefekten aus- binenwerk (KWU) Berlin.
scheiden können und damit die interkristal-
line Korrosion hervorrufen oder (und) die Zä- Die sog. mechanisch legierten Nickelwerk-
higkeitseigenschaften beeinträchtigen. Zu stoffe besitzen einige entscheidende Vortei-
unterscheiden sind die interdendritischen le gegenüber den konventionellen hochwarm-
primären Carbide, die sich bei der Erstar- festen Werkstoffen. Bei ihnen werden die kom-
rung während des Werkstoff-Herstellprozes- binierten Vorteile der Ausscheidungshär-
ses gebildet haben und die sekundären, die tung und der Härtung durch Dispersoide
sich während der Betriebsbeanspruchung (Y2O3) genutzt. Ein Schmelzschweißen er-
oder der Werkstoffbearbeitung oder -verar- scheint bisher allerdings als nicht sinnvoll,
524 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

weil durch Agglomerieren der Dispersoide stabile Oxide und Nitride, d. h., die Neigung
die mechanischen Gütewerte erheblich ab- zur Porenbildung ist im Vergleich zu Rein-
nehmen. Daher werden Verbindungen über- nickel und Nickel-Kupfer-Legierungen deut-
wiegend mit mechanischen Mitteln oder mit lich geringer. Die Heißrissempfindlichkeit
Hilfe des Lötens hergestellt. der chromhaltigen Nickelbasis-Legierungen
ist in Anwesenheit anderer Elemente (insbe-
Alle Nickellegierungen – mit Ausnahme der sondere Silicium!) merklich größer als die an-
nicht schweißgeeigneten Ni-Zr-Legierungen derer hoch nickelhaltiger Legierungen. In Ni-
und einiger zur Rissbildung neigender aus- ckel-Basis-Schweißgütern muss z. B. der Si-
scheidungshärtender Legierungen – lassen liciumgehalt auf wenige Zehntel Prozent be-
sich gut bis sehr gut schweißen. grenzt sein, um die Bildung von Heißrissen
sicher auszuschließen. Silicium wird auch
Nickelbasis-Legierungen sind bei ihrer Be- Gusslegierungen zum Verringern der Schmel-
triebstemperatur austenitisch, weitgehend zenviskosität, d. h. zum Verbessern der Gieß-
frei von Ausscheidungen der versprödenden barkeit zugesetzt.
Sigma-Phase und neigen bei Nickelgehalten
über 40 % bis 45 % nicht zur Spannungsriss- Eisen
korrosion. Ni-Cr-Legierungen enthalten bis zu 18 % Ei-
sen in Form von Vorlegierungen, Tabelle 5-6.
Nickellegierungen sind als Walz- und Schmie- Dies geschieht nicht, um die Gütewerte oder
deteile schwierig herzustellen und auch zu die Schweißeignung zu verbessern, sondern
bearbeiten. Daraus resultiert die Tendenz, in erster Linie, um die Kosten dieser Werkstof-
Bauteile wenn möglich durch das konstruk- fe zu reduzieren. Mit zunehmendem Eisen-
tive, wirtschaftliche und anwendungstech- gehalt werden die Ni-Cr-Legierungen wegen
nische Vorteile bietende Gießen herzustel- der im Eisen sehr viel größeren Menge an
len. Verunreinigungen (z. B. S, P) allerdings im-
mer heißrissanfälliger.
5.2.2.1 Einfluss der Legierungselemente
auf das Schweißverhalten Kohlenstoff
Im Folgenden wird der Einfluss einiger Legie- Nickel und hoch nickelhaltige Legierungen
rungselemente auf die Schweißeignung und bzw. Schweißgüter enthalten 0,01 % bis etwa
das Schweißverhalten vorwiegend hoch ni- 0,15 % Kohlenstoff. Die Löslichkeit des Koh-
ckelhaltiger Legierungen beschrieben. lenstoffs im Temperaturbereich zwischen
370 ’C und 650 ’C beträgt nur etwa 0,02 %
Kupfer
2000
Kupfer bildet mit Nickel eine lückenlose 1880 ° C
Mischkristallreihe, Bild 5-18. Legierungen mit °C S+ a S
Temperatur T

15 % bis 40 % Kupfer verhalten sich metallur- 1600


S+ g 1453 ° C
gisch und schweißtechnisch wie reines Nickel. 1345 ° C
a
Auch ihre Empfindlichkeit für Schwefel ent-
1200
spricht der des reinen Nickels. Lediglich die
kaum vermeidbaren Kristallseigerungen re- a+ g g
duzieren die Korrosionsbeständigkeit gering- 800
fügig. 580 ° C

400
Chrom CrNi2

Der Chromgehalt der üblichen Nickelbasis-


Werkstoffe ist auf Werte begrenzt, die nur ein- 0
Cr 20 40 60 80 % Ni
phasige Legierungen mit ihrem sehr kleinen Nickelgehalt
Erstarrungsintervall entstehen lassen, Bild
5-23. Wegen der großen Affinität des Chroms Bild 5-23
zu Sauerstoff und Stickstoff bilden sich sehr Zustandsschaubild Cr-Ni, nach Hansen und Anderko.
Abschn. 5.2: Schwermetalle (Nickel und Nickellegierungen) 525

bis 0,03 %. Jede in der WEZ über der Löslich- zen vollständig zu beseitigen. Ein einfa-
keitsgrenze vorhandene Kohlenstoffmenge ches (manuelles) Bürsten ist erfahrungs-
bleibt wegen der raschen Abkühlung wäh- gemäß unzureichend.
rend des Schweißprozesses im Gitter zwangs- – Geringste Mengen niedrigschmelzender
gelöst. Betriebstemperaturen zwischen 370 ’C Verunreinigungen, wie z. B. Pb, P, Cd, Zn,
und 650 ’C führen zum Ausscheiden des Koh- Sn, B und S führen zu extremer Heißris-
lenstoffs in Form des versprödenden Korngren- sigkeit des Schweißguts und der WEZ (Li-
zengrafits. Aus diesem Grunde müssen auch quation cracking) und (oder) Versprödung
in diesem Temperaturbereich beanspruchte bei höheren Temperaturen.
handelsüblich reine Nickelwerkstoffe sehr – Die Oberflächenspannung des flüssigen
niedriggekohlt sein. Das sind die in Tabelle Nickels ist sehr viel größer als die der meis-
5-6 aufgeführten LC-Varianten (LC Low ten anderen Metallschmelzen. Es sind da-
Carbon) mit Kohlenstoffgehalten, die unter her größere Öffnungswinkel und Stegab-
0,02 % liegen. Schweißzusatzwerkstoffe ent- stände zu wählen, um den unbehinder-
halten einige zehntel Prozent z. B. des sehr ten Zugang des Lichtbogens zu den Fugen-
kohlenstoffaffinen Titans. flanken, d. h. dem (geprüften) Nickel-
Schweißer die erforderliche Bewegungs-
Schwefel und andere Elemente freiheit für den Zusatzwerkstoff zu ermög-
Vor allem Schwefel ist wegen seiner extrem lichen. Mit einem größeren Wärmeeinbrin-
geringen Löslichkeit im festen Zustand, der gen lässt sich zwar die Schmelzenviskosi-
sehr niedrigen Schmelztemperatur des Ni- tät verringern, dabei besteht aber die Ge-
NiS-Eutektikums von 650 ’C und der extrem fahr des unzulässigen Desoxidationsmit-
geringen schadenserzeugenden Menge be- telabbrands und anderer sehr unerwünsch-
sonders gefährlich. Er kann bei handelsübli- ter metallurgischer und thermischer Wir-
chem Reinnickel oberhalb von etwa 320 ’C, kungen.
bei Ni-Cr-Legierungen über 650 ’C außer-
dem aus dem Schweißgut in die WEZ diffun- Der Wärmeausdehnungskoeffizient der Ni-
dieren, Bild 5-3. Der Schwefel schädigt also ckelwerkstoffe liegt zwischen 14¹10 6/K (Ni)
Schweißgut und WEZ. Mit Magnesium und und etwa 16¹106/K (Ni-Cr-Fe-Legierung). Die
Mangan wird seine schädliche Wirkung be- Werte liegen zwischen denen der unlegierten
seitigt. Äußerste Sauberkeit der Fügeteile ist und der austenitischen Cr-Ni-Stähle. Nickel-
die wichtigste Schweißempfehlung, weil sehr basis-Zusatzwerkstoffe erzeugen daher bei
viele Substanzen Schwefel enthalten (Fette, den »Schwarz-Weiß-Verbindungen«, Abschn.
Kreiden, Öle) bzw. bei höheren Temperaturen 4.3.8.1, S. 446, an der Phasengrenze Schweiß-
freisetzen. gut/unlegierter Stahl wegen ihrer im Vergleich
zum unlegierten Stahl ähnlichen Wärmeaus-
Blei wirkt in gleicher Weise wie Schwefel, dehnungskoeffizienten nur sehr geringe zu-
auch die für die Heißrissbildung erforderli-
chen Mengen sind ähnlich. In der Schweiß- parziell aufgeschmolzene Zone Korrosionsangriff (K) möglich

praxis sind bleihaltige Verunreinigungen al- K K


lerdings sehr viel seltener anzutreffen als
schwefelhaltige.

5.2.2.2 Schweißmetallurgie

5.2.2.2.1 Allgemeine Werkstoffprobleme unbeeinflusster


Grundwerkstoff
Das Schweißverhalten von Nickel ähnelt
sehr dem der austenitischen Cr-Ni-Stähle.
wahre WEZ unvermischter Grundwerkstoff (Gusszustand!)
Folgende werkstoffabhängigen Besonder-
heiten sind aber zu beachten: Bild 5-24
– Die festhaftenden, hochschmelzenden Bereich des unvermischten Nickelgrundwerkstoffs im
Oxidfilme sind durch Schleifen oder Bei- Nickelbasis-Schweißgut, schematisch.
526 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

sätzliche Schubspannungen, d. h. eine nur peraturbereich), eine ausreichend geringe


geringe Rissneigung. Korngröße (die Belegungsdichte der Korn-
grenzen mit einer gleichbleibenden Menge
Heißrisse und Wiederaufschmelzrisse wer- heißrissauslösender Substanzen wird gerin-
den in erster Linie durch niedrigschmelzen- ger) und Verringern der Menge der rissauslö-
de Bestandteile, den Mechanismus der konsti- senden Elemente (Schwefel, Phosphor, Blei,
tutionellen Verflüssigung (Abschn. 5.1.3) und Antimon, Gold) vermeiden.
die bei diesen Werkstoffen meist ausgepräg-
te Kristallseigerung – vor allem im Schweiß- Die in einer Chrom-Nickel-Schweißschmelze
gut – hervorgerufen. entstehende Porenmenge ist wegen ihrer grö-
ßeren Stickstofflöslichkeit und der Fähigkeit
Der Schweißgutbereich unmittelbar neben des Chroms stabile Oxide und Nitride bilden
der Schmelzgrenze besteht bei Nickelbasis- zu können, geringer als die in einer Reinni-
Schweißgütern wegen der sehr geringen Be- ckel-Schmelze. Poren im Schweißgut sind da-
weglichkeit der Nickelschmelze aus weitge- her bei der grundsätzlichen Forderung nach
hend unvermischtem Grundwerkstoff, Bild einer angemessenen Sauberkeit während der
5-24. Die deutlich geringere Korrosionsbe- Fertigung kein größeres Problem.
ständigkeit dieses »Gusswerkstoffs« kann zu
einem bevorzugtem chemischem Angriff die- Molybdänhaltige Nickelbasis-Legierungen
ser Schweißgutzonen führen. Bei allen Nickelbasis-Werkstoffen – vor al-
lem den molybdänhaltigen – besteht die Ge-
Nicht erforderlich ist in der Regel eine Wär- fahr der IK durch Chromcarbidbildung in
menachbehandlung geschweißter Konstruk- der WEZ, s. Abschn. 2.8.3.4.1, S. 208. Im Ver-
tionen, die aus nicht ausscheidungshärten- gleich zu den austenitischen Cr-Ni-Stählen
den Werkstoffen bestehen. Sie ist aber bei sind die Kohlenstoffgehalte zwar sehr ge-
einem Angriff bestimmter Korrosionsmedien ring, aber die Kohlenstofflöslichkeit der Ni-
empfehlenswert. Dabei ist auf sauberste Werk- ckelwerkstoffe ist es ebenfalls.
stückoberflächen und Zusatzwerkstoffe zu
achten. Die Art der Ofenausmauerung muss Die erhebliche Seigerungsneigung vorwie-
die Bildung einer völlig schwefelfreien Ofen- gend des Molybdäns ist für die etwas gerin-
atmosphäre ermöglichen. Am Sichersten ist gere Korrosionsbeständigkeit des artgleichen
die Verwendung von Schutzgasöfen. Schweißguts verantwortlich.

Nickel-Chrom-(Eisen-)Legierungen Die Wärmeeinflusszone von Schweißverbin-


Heißrissigkeit (Mikrorissigkeit) in der WEZ dungen aus molybdänlegierten Nickelbasis-
von Schweißverbindungen aus Ni-Cr- und Werkstoffen neigt gewöhnlich nicht zur Bil-
Ni-Cr-Fe-Legierungen ist vor allem bei gro- dung von Wiederaufschmelzrissen durch Ver-
ßem Wärmeeinbringen ein erhebliches Pro- flüssigen primärer Carbide. Allerdings müs-
blem. Als wichtigste Ursachen sind zu nen- sen die folgenden metallurgisch bedingten
nen: Probleme beachtet werden:
– Korngrenzenverflüssigung, – Porenbildung im Schweißgut.
– konstitutionelle Verflüssigung und – Neigung zur Bildung von Erstarrungs-
– Seigerungen im Korngrenzenbereich, vor rissen.
allem Bor und Schwefel, – Einfluss der Segregatbildung auf die Kor-
– verschiedene rissauslösende Elemente, rosionsbeständigkeit.
wie z. B. Schwefel, Phosphor, Selen, Zir-
konium, Bor, Bismut. Die Ursachen der Porenbildung können Koh-
lenmonoxid, Stickstoff und Wasserstoff sein.
Das Auftreten dieser in der Regel nur eini- Wasserstoff kann leicht aus der Feuchtig-
ge zehntel Millimeter langen Risse lässt sich keit oder Kohlenwasserstoffen – vor allem
durch Reduzieren des Wärmeeinbringens wegen des sehr geringen Kohlenstoffgehalts
(Verringern der Verweilzeit im kritischen Tem- der molybdänlegierten Nickelbasis-Werk-
Abschn. 5.2: Schwermetalle (Nickel und Nickellegierungen) 527

stoffe – von der Schweißschmelze aufgenom- droht) sinnvoll sein. Besonders wichtig ist
men werden. Abhilfe schaffen die bekannten es, die Werkstückoberflächen vor einer Wär-
Maßnahmen zur Abwehr der Wasserstoffauf- mebehandlung sorgfältigst von vergasbaren
nahme, Abschn. 3.5.1.1, S. 270. Substanzen (Fette, Öle, Kreiden, Farben, orga-
nische Bewüchse und organische Substan-
Kohlenmonoxid kann bei einer ausreichen- zen) und Fremdmetallspänen zu befreien.
den Menge an Desoxidationsmitteln wie Si-
licium und Aluminium als Ursache ausge- Ausscheidungshärtende
schlossen werden, weil der restliche Sauer- Nickelbasis-Legierungen
stoffgehalt für die Bildung des Kohlenmon- Erwartungsgemäß ist die schweißtechnische
oxids zu gering ist. Verarbeitung der ausscheidungshärtenden
Legierungen am schwierigsten. Ursächlich
Die Heißrissempfindlichkeit steigt mit der für alle zu erwartenden Probleme sind die
Neigung zur Bildung primär erstarrter in- Eigenschaften und die Änderungen der aus-
termediärer Phasen im Schweißgut. Hastel- härtenden Phase (g ’ oder g ’’) während des
loy C-4 ist die am wenigsten heißrissanfäl- Schweißprozesses.
lige Legierung, Hastelloy C-276 die anfälligs-
te, Tabelle 5-6. Die ausscheidungshärtenden Nickelbasis-
(Super-)Legierungen werden wegen ihrer ho-
Das Segregieren gelöster Elemente – vor al- hen Festigkeit und hervorragenden Kor-
lem des Molybdäns – an den Korngrenzen rosionsbeständigkeit bei hohen Temperatu-
der zellulären Dendriten führt i. Allg. zu einer ren beim Bau von Wärmekraftanlagen viel-
geringfügigen Verringerung der Korrosions- fach eingesetzt. Sie enthalten Aluminium, Ti-
beständigkeit des Schweißguts im Vergleich tan oder Niob, die sich mit zunehmender Tem-
zu den deutlich homogeneren Grundwerk- peratur in zunehmender Menge in der auste-
stoffen. Dabei werden vorwiegend die molyb- nitischen Matrix (g ) lösen, Bild 5-25. Damit
dänärmeren Dendritenstämme angegriffen. ist die wichtigste Voraussetzung zum Erzeu-
Die Verwendung molybdänüberlegierter Zu- gen ausscheidungshärtender Legierungen
satzwerkstoffe schafft in den meisten Fällen gegeben, Abschn. 2.6.3.3, S. 161.
Abhilfe.
Die verfestigende Ausscheidung ist die ge-
Nach dem Schweißen ist eine Wärmebehand- ordnete kfz Phase g ’ oder g ’’, die in die Gleich-
lung nicht erforderlich. Ein Spannungsarm- gewichtsphase g Ni3(Al,Ti) bzw. Ni3Nb über-
glühen kann aber für kritische Korrosionsbe- geht. Durch die Bildung der Ausscheidun-
dingungen (z. B. wenn die Gefahr der SpRK gen werden der g-Matrix Aluminium und Ti-
tan entzogen, womit eine Abnahme der Git-
1200 terparameter verbunden ist. Die entstehen-
°C Ti / Al = 2:1 den Gitterverzerrungen behindern den Ab-
Temperatur T

1100 bau der Eigenspannungen in der WEZ und be-


günstigen so die mit einer Wärmenachbehand-
1000
lung (Lösungsglühen) sehr oft verbundene
g g + g’
900
Rissbildung.

800 Beim Schweißen der ausscheidungshärten-


den Nickelbasis-(Super-)Legierungen ist mit
folgenden werkstoffbedingten Schwierigkei-
0 2 4 6 % 8
ten zu rechnen:
Titangehalt
– Wiederaufschmelzrisse in der WEZ, ver-
Bild 5-25
ursacht durch Carbide der Form MC und
Temperatur-Löslichkeitsverlauf des Aluminiums in
einer NiCrCo-20-20-Legierung auf die Ausscheidung Laves-Phasen (MA 2 ),
der g ’-Phase aus der austenitischen Matrix g , nach – Rissbildung durch Wärmenachbehand-
Betteridge. lung des geschweißten Bauteils (z. B. Lö-
528 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

sungsglühen) in Anwesenheit ausreichend Vor allem die sich bei der Primärkristallisa-
großer (Eigen-)Spannungen. tion der Schweißschmelze bildenden Carbi-
de (MC) und Laves-Phasen (MA 2) können
Der Bildung der Wiederaufschmelzrisse nach während des Schweißprozesses den Wieder-
dem Mechanismus der konstitutionellen Ver- aufschmelzriss einleiten und sich entlang der
flüssigung bzw. durch Verflüssigen niedrig- Korngrenzen als flüssiger Film ausbreiten.
schmelzender eutektischer Bestandteile wur- Verunreinigungen, wie z. B. die Elemente
de bereits in Abschn. 5.1.3 ausführlicher be- Schwefel, Phosphor, Antimon, Arsen, Bismut
sprochen. Diese Risse können beim Schwei- und Zinn segregieren sehr häufig an den Korn-
ßen der ausscheidungshärtenden Nickelba- grenzen.
sis-(Super-)Legierungen zzt. praktisch nicht
verhindert werden. Einige zehntel Millime- Die Neigung zur Bildung der Wiederauf-
ter lange Risse müssen toleriert werden. Die schmelzrisse kann durch die genannte Kon-
Schweißnähte sind allerdings in weniger hoch zentration der Verunreinigungen aus ver-
beanspruchte Bereiche zu legen. Die Risslän- schiedenen Gründen wesentlich erhöht wer-
ge lässt sich im Wesentlichen nur durch die den:
Wahl sehr leistungsdichter Schweißverfah- – Sie können die Benetzungsfähigkeit der
ren begrenzen. Einige erfolgversprechende Korngrenzenschmelze erhöhen und damit
Versuche mit dem Laserstrahlverfahren z. B. ihre Beweglichkeit, d. h. ihre Schadens-
in den USA, bestätigen diese naheliegende wirksamkeit vergrößern.
Vermutung. Bild 5-26 zeigt den typischen – Sie können die Solidustemperatur her-
Verlauf der Wiederaufschmelzrisse in einer absetzen.
Auftragschweißung aus einer hochwarmfes- – Sie können niedrigschmelzende Ausschei-
ten Nickelbasis-(Super-)Legierung. In Bild dungen/Eutektika bilden.
5-27 sind Wiederaufschmelzrisse im Bereich – Sie können die Schmelzenmenge an den
der Schmelzgrenze einer Schweißverbindung Korngrenzen vergrößern.
aus einer Nickelbasis-Legierung dargestellt
(s. Pfeilsymbole). Die Benetzung der Korn- Die Gefahr der Bildung der sehr unerwünsch-
grenzen mit der aufgeschmolzenen Phase ist ten Wiederaufschmelzrissen lässt sich durch
deutlich zu erkennen. Wahl geeigneter Schweißparameter (vor al-

Bild 5-26
Wiederaufschmelzrisse im schmelzgrenzennahen Be- Bild 5-27
reich der WEZ einer Auftragschweißung, z. T. mit Pfei- Wiederaufschmelzrisse im schmelzgrenzennahen Be-
len gekennzeichnet (Zusatzwerkstoff: Inconel 625, reich einer Verbindungsschweißung aus einer Nickel-
Grundwerkstoff: GX-NiCr16Co8TiAlWMo), nach Sie- basis-Legierung, z. T. durch Pfeilsymbole kenntlich
mens AG, Gasturbinenwerk (KWU) Berlin, V = 12,5:1. gemacht, V = 200 :1.
Abschn. 5.2: Schwermetalle (Nickel und Nickellegierungen) 529

lem ein geringes Wärmeeinbringen ist ent- Eine Wärmenachbehandlung wird zum Be-
scheidend!) und eine Reihe metallurgischer seitigen der (Schweiß-)Eigenspannungen (et-
Maßnahmen klein halten: wa 100 ’C über der Betriebstemperatur) und
– Eine geringe Korngröße im Grundwerk- zum Erzielen der maximalen Festigkeitsei-
stoff und in der Wärmeeinflusszone ver- genschaften angewendet. Während des Lö-
ringert die Belegungsdichte der evtl. riss- sungsglühens (TLös 925 ’C bis etwa 1150 ’C)
auslösenden Bestandteile und reduziert durchlaufen die beim Schweißen während
damit die Rissgefahr. der Auf heizphase »lösungsgeglühten« (d. h.
– Der Schmelzpunkt der die Korngröße be- weitgehend ausscheidungsfreien weichen Be-
einflussenden Teilchen sollte im Bereich reiche!) die Auslagertemperatur, die etwa zwi-
der Temperatur der teilverflüssigten Zone schen 650 ’C und 980 ’C liegt. Ein Abbau der
liegen. Ein Ausheilen bereits entstande- Spannungen ist wegen des großen Kriechwi-
ner Risse aus dem Vorrat der Schweiß- derstandes und der geringen Kriechzähig-
schmelze ist dann möglich. keit kaum möglich. Die Folge ist eine erheb-
– Die Menge der Werkstoffverunreinigun- liche Festigkeitserhöhung dieser Zonen.
gen ist zu begrenzen.
– Nach dem Schweißen des lösungsgeglüh- Begünstigt durch die noch nahezu in voller
ten Werkstoffs sollte ausreichend schnell Höhe vorhandenen Eigenspannungen sind
abgekühlt werden, um ein Anreichern der diese Bereiche je nach vorhandenem Verfor-
Verunreinigungen im Korngrenzenbereich mungsvermögen relativ rissanfällig, Bild 5-
zu verhindern. 28. Die Zähigkeitseigenschaften werden au-
– Die Viskosität der aufgeschmolzenen Pha- ßerdem durch die Wirkung der Wiederauf-
se sollte möglichst groß sein, so dass ihr schmelzrisse und durch Versprödung der Korn-
Eindringen entlang der Korngrenzen mög- grenzen als Folge eindiffundierten Sauerstoffs
lichst erschwert wird. (sauerstoffhaltige Ofenatmosphäre!) verrin-
gert. Zugaben von Niob bei gleichzeitiger Re-
Schweißen Wärmenachbehandlung duzierung der Aluminium- und Titangehalte
Oft wird direkt nach dem Schweißen ohne verringern die Rissneigung erheblich, weil
ein Lösungsglühen bei TAus ausgehärtet die Bildung der niobhaltigen Ausscheidungen
Temperatur T

1150 ° C (g ” Ni3Nb) längere Zeiten erfordert. Die zum


TLös Durchlaufen des Auslagerungsbereichs zur
925 ° C Verfügung stehenden Zeiten sind für die Bil-
980 ° C
TAus
dung der g ”-Teilchen zu kurz.
1 2
650 ° C
5.2.2.3 Schweißpraxis
Nickelwerkstoffe lassen sich mit den meis-
Lösungs- Bereich des ten Verfahren schweißen. Besonders gut ge-
glühen Auslagerns
eignet sind die Schutzgasverfahren und das
Zeit t Lichtbogen-Handschweißen. Das Gasschwei-
ßen ist wegen der Gefahr des Abbrandes und
1 2
der Kohlenstoffaufnahme grundsätzlich un-
geeignet. Für die ausscheidungshärtenden
Legierungen wird gewöhnlich das WIG-Ver-
fahren gewählt, für die anderen sehr empfoh-
1 Nach dem Schweißen ist in Nähe der Schmelzgrenze eine schmale len. Der Schweißbrenner sollte senkrecht und
Zone vorhanden, in der die Ausscheidungen gelöst wurden.
der Lichtbogen möglichst kurz gehalten wer-
2 Während des Aufheizens zum Lösungsglühen wird ein Temperatur- den. Das Einsaugen von Luft durch die Injek-
bereich durchlaufen, in dem sich Ausscheidungen bilden. Zusam-
men mit den noch immer vorhandenen Eigenspannungen können torwirkung und eine Oxidation des Schmelz-
sich in diesem verformungsarmen Teil der WEZ Risse bilden. bades werden damit vermieden. Eine große
Bild 5-28 Schutzgasdüse verbessert den Schutz der
Vorgänge bei der Wärmenachbehandlung ausschei- Schweißschmelze, die Verwendung von Gas-
dungshärtender Nickelbasis-Werkstoffe, schematisch. linsen erschwert Gasturbulenzen.
530 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

Tabelle 5-7
Eigenschaften von nickellegierten Schweißstäben, Schweißdrähten, Drahtelektroden und Bandelektroden
sowie Beispiele für die Verwendung, nach DIN EN ISO 18274, 5/2005, Auswahl.

1)
Legierungs-Kurzzeichen Beispiele für die Verwendung zum SG- und UP-Schweißen der folgen-
den Grundwerkstoffe
Nummerisch Chemisch

LC-Ni99; Ni99,2; LC-Ni99,6; Ni99,6; sowie Verbindungsschweißen unter-


S Ni 2061 NiTi3
schiedlicher NE-Metall-Legierungen untereinander und mit Stählen.
NiCr15Fe, LC-NiCr15Fe, NiCr20Ti, NiCr20TiAl. Verbindungsschweißen
S Ni 6076 NiCr20 unterschiedlicher Ni-Legierungen (ausgenommen Ni-Cu-Legierungen) un-
S Ni 6082 NiCr20Mn3Nb tereinander und mit Stählen. Verbindungsschweißen kaltzäher NiStähle,
Schweißungen im Reaktorbau.
S Ni 6012 NiCr22Mo9 NiMo16Cr16Ti sowie Verbindungsschweißen dieser Legierungen mit
S Ni 1003 NiMo17Cr7 Stählen.
S Ni 6012 NiCr22Mo9 NiCr22Mo9Nb, NiCr21Mo, NiCr22Mo6Cu, NiCr22Mo7Cu, kaltzähe
S Ni 6525 NiCr22Mo9Nb Ni-Stähle.
S Ni 6017 NiCr22Co12Mo9
Schweißgeeignete hochwarmfeste NiCrCoMo-Legierungen.
S Ni 7090 NiCr20Co18Ti3
S Ni 6459 NiCr22Mo16Ti NiCr19NbMo
NiCu30Fe, LC-NiCu30Fe sowie Cu-Ni-Legierungen, z. B. CuNi30Mn1Fe,
S Ni 4060 NiCu30Mn3Ti
CuNi10Fe1Mn und Verbindungsschweißungen dieser Legierungen mit
S Ni 4061 NiCu30Mn3Nb
Stählen.
S Ni 5504 NiCu25Al3Ti NiCu30Al
1)
Schweißpulver zum UP-Schweißen nach DIN EN 760.

Tabelle 5-8
Eigenschaften nickellegierten Schweißguts von umhüllten Stabelektroden sowie Beispiele für die Verwen-
dung, nach DIN EN ISO 14172, 5/2004, Auswahl.

Legierungs-Kurzzeichen Beispiele für die Verwendung der Stabelektroden zum Lichtbogenhand-


schweißen folgender Grundwerkstoffe
Nummerisch Chemisch

LC-Ni99; Ni99,2; LC-Ni99,6; Ni99,6; sowie Verbindungsschweißen unter-


E Ni 2061 NiTi 3
schiedlicher NE-Metall-Legierungen untereinander und mit Stählen.
NiCr15Fe, LC-NiCr15Fe, NiCr20Ti, NiCr20TiAl, NiCr23Fe sowie Verbin-
E Ni 6452 NiCr19Mo15 dungsschweißungen unterschiedlicher Ni-Legierungen (ausgenommen sind
E Ni 6276 NiCr15Mo15Fe6W4 Ni-Cu-Legierungen) untereinander und mit Stählen. Verbindungsschwei-
E Ni 6082 NiCr20Mn3Nb ßungen kaltzäher Ni-Stähle, Schweißungen im Reaktorbau und dauerbe-
anspruchte Schweißungen bei hohen Temperaturen.
NiCr22Mo9Nb, NiCr21Mo, NiCr22Mo6Cu, NiCr22Mo7Cu, NiCr21Mo6Cu,
E Ni 6625 NiCr20Mo9Nb
kaltzähe Ni-Stähle.
E Ni 6231 NiCr22W14Nb
NiCr21Mo sowie Verbindungsschweißungen dieser Legierung mit Stählen.
E Ni 6024 NiCr26Mo14
Austenitische Stähle höchster Korrosionsbeständigkeit, z. B. Werkst. Nr.
E Ni 6205 NiCr25Mo16
1.4505; 1.4506; 1.4577; 1.4578; 1.4465.
E Ni 6059 NiCr23Mo16
E Ni 6617 NiCr22Co12Mo Schweißgeeignete hochwarmfeste NiCrCoMo-Legierungen.
NiCu30Fe, LC-NiCu30 Fe,NiCu30Al sowie Cu-Ni-Legierungen, z. B.
E Ni 4060 NiCu30Mn3Ti
CuNi30Mn1Fe, CuNi10Fe1Mn, Verbindungsschweißungen dieser Legie-
E Ni 4061 NiCu27Mn3MbTi
rungen mit Stählen.
Abschn. 5.3: Leichtmetalle (Aluminium) 531

Vorwärmen ist ebenso wie eine Wärmenach- wasser kann zur SpRK führen. Ein Span-
behandlung in den meisten Fällen nicht er- nungsarmglühen ist in diesen Fällen emp-
forderlich. Allerdings werden die im lösungsge- fehlenswert, um die SpRK mit Sicherheit aus-
glühten Zustand zu schweißenden ausschei- zuschließen. Ein Begrenzen der in Korngren-
dungshärtenden Legierungen nach dem Schwei- zenbereichen segregierenden Elementen hat
ßen erneut lösungsgeglüht und ausgelagert. sich zusätzlich als sehr wirksam erwiesen.
Entstehen während des Schweißens höhere
Eigenspannungszustände, dann ist ein Span- Die Zusatzwerkstoffe sollten aus korrosions-
nungsarmglühen vor dem Auslagern sehr emp- technischen Gründen artgleich gewählt wer-
fehlenswert. Geschweißte Bauteile aus alumi- den. Es ist allgemein zu beachten, dass durch
nium- und titanhaltigen Nickellegierungen die begrenzte Diffusionsfähigkeit der Legie-
müssen vor dem erneuten Lösungsglühen rungselemente – vor allem Nickel und Molyb-
spannungsarmgeglüht werden. Die Wärme- dän – das Schweißgut kristallgeseigert ist
behandlung sollte in Schutzgasöfen erfolgen, und damit in bestimmten Umgebungen kor-
um die Oxidation der Oberflächen gering zu rosionsanfällig werden kann. In Tabelle 5-7
halten. Der Aufwand zum Entfernen dieser sind Zusatzwerkstoffe für einige wichtige Ni-
Oxidschichten ist anderenfalls beträchtlich. ckelwerkstoffe, in Tabelle 5-8 die Eigenschaf-
Die Oxide sind aber aus korrosions- und schweiß- ten von mit umhüllten Stabelektroden nieder-
technischen Gründen unbedingt zu beseiti- geschmolzenem hoch nickelhaltigem Schweiß-
gen. gut (DIN EN ISO 14172) und von nickellegier-
ten Schweißstäben und Drahtelektroden
Von größter Wichtigkeit ist sorgfältigstes me- (DIN EN ISO 18274) zusammengestellt.
chanisches oder chemisches Reinigen der
vom Lichtbogen erfassten Werkstückoberflä-
chen. Metallisch völlig blanke Oberflächen 5.3 Leichtmetalle
sind erforderlich.
Leichtmetalle werden in vielen Bereichen der
Wegen der dickflüssigen Nickelschmelze sind Technik eingesetzt. Ihre herausragendsten
die Öffnungswinkel bei Stumpfnähten – vor Eigenschaften sind
allem beim Lichtbogen-Handschweißen – grö- – geringe Dichte r, die sie für den Leichtbau
ßer als für die meisten anderen Werkstoffe sehr geeignet macht;
zu wählen. Der Schweißer muss die Schmel- – hohe Festigkeit einiger legierter (ausschei-
ze dorthin bewegen, wo sie erforderlich ist. dungshärtender) Werkstoffe;
Dazu ist die Elektrode i. Allg. zu pendeln. Die – oft hervorragende Korrosionsbeständig-
Pendelbreite sollte nicht den dreifachen Elekt- keit, und die
rodendurchmesser überschreiten. Das Wär- – bei vielen Leichtmetallwerkstoffen mei-
meeinbringen ist zu begrenzen, und die Naht- stens gute bis hervorragende Schweißeig-
ansätze sollten wegen der Gefahr der Heißriss- nung, und einfache Formgebung, die die
bildung angeschliffen werden. Fertigung sehr erleichtert.

Die Schlacke auf den einzelnen Lagen ist


durch Schleifen oder Bürsten vollständig zu 5.3.1 Aluminium und
beseitigen. Anderenfalls könnten Schlacken- Aluminiumlegierungen
reste zu der gefährlichen Berührungskorro-
sion führen (Abschn. 1.7.6.1.3, S. 86). Die Kombination attraktiver Eigenschaften
macht Aluminium und seine Legierungen zu
Nickel und Nickellegierungen erfahren wäh- vielfältigst einsetzbaren Werkstoffen. Sie
rend des Schweißprozesses keine allotropen sind leicht (r 2,7 g/cm3), unmagnetisch, kfz
Änderungen, die die Korrosionsbeständig- und damit hervorragend verformbar und tief-
keit beeinträchtigen könnten. Der Angriff hei- temperaturzäh, abhängig vom Legierungs-
ßer (• 200 ’C), halogenhaltiger und alkali- typ verhältnismäßig korrosionsbeständig (s.
scher Medien sowie Hochtemperatur-Prozess- Aufgabe 1-13, S. 118), leicht verarbeitbar (Gie-
532 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

ßen, Strangpressen, Zerspanen), und als aus- Elektrische Leitfähigkeit


scheidungshärtende Legierungen erreichen Die elektrische Leitfähigkeit von Reinalumi-
sie mit üblichen Stählen vergleichbare Festig- nium beträgt etwa 60 % der des Kupfers. Da-
keitswerte. mit ist bei den Metall-Schutzgas-Schweißver-
fahren (MSG) die Wahl längerer Stromkon-
Einige physikalische und chemische Eigen- taktröhrchen möglich, weil sich der strom-
schaften können das Schweißverhalten des durchflossene Teil der Drahtelektrode (»freie
Aluminiums und der Aluminiumlegierungen Drahtlänge«) nicht mehr unzulässig erwär-
erheblich beeinflussen bzw. beeinträchtigen. men kann. Außerdem ergibt sich durch die
Ihre Auswirkungen müssen daher bekannt größere Anzahl der Kontaktpunkte zwischen
sein. Die wichtigsten werden im Folgenden dem Kontaktrohr und der Drahtelektrode ein
besprochen. sicherer und gleichmäßigerer Stromübergang.
Bei kurzen Kontaktrohren können wegen des
Aluminiumoxid hohen Übergangswiderstands der schlecht
Durch die hohe Sauerstoffaffinität bildet sich leitenden Oxidschicht »Schmorstellen«, d. h.
auf der Werkstoffoberfläche spontan eine extreme Drahtförderschwierigkeiten entste-
dichte, zähe, chemisch und thermisch sehr hen. Die Blaswirkung des Lichtbogens ist bei
beständige, hochschmelzende (TS 2050 ’C) Aluminiumwerkstoffen wegen ihrer nichtmag-
Oxidschicht (Al2O3). Sie ist einerseits ähn- netischen Eigenschaften sehr gering.
lich wie die Chromoxidhaut bei den korrosions-
beständigen Stählen für die Korrosionsbe- Wärmeleitfähigkeit
ständigkeit des Aluminiums verantwortlich, Die große Wärmeleitfähigkeit des Reinalumi-
andererseits aber die Ursache für eine unvoll- niums – sie ist etwa sechsmal größer als die
ständige Bindung (Kaltstellen) beim Schwei- von unlegiertem Stahl – erfordert Schweißver-
ßen, wenn sie nicht rückstandslos beseitigt fahren mit großer Leistungsdichte (Plasma-,
wurde. Die Oxidschicht muss daher mit ver- MIG-, WIG-, Laserschweißen). Trotz des ge-
schiedenen Methoden (»Reinigungswirkung« ringen Schmelzpunktes ist daher auch we-
des SG-Lichtbogens) vor dem Schweißen besei- gen der großen spezifischen Wärme eine sehr
tigt und ihre Neubildung während des Schwei- intensive Wärmequelle zum Schweißen erfor-
ßens zuverlässig verhindert werden. derlich. Schweißverfahren mit wenig konzen-
trierte Wärmequellen führen hauptsächlich
Wasserstofflöslichkeit bei Knetlegierungen und ausscheidungshär-
Flüssiges Aluminium löst große Mengen Was- tenden Legierungen zu breiten, entfestigten
serstoff. Die Löslichkeit im festen Zustand (weichen) und z. T. versprödeten (Lösen/Wie-
ist dagegen extrem gering, Bild 3-18, S. 255. derausscheiden der Teilchen) Wärmeeinfluss-
Jede über die Löslichkeitsgrenze im festen zonen und großem Verzug. Als Folge der ra-
Zustand hinausgehende Menge wird beim schen Wärmeabfuhr wird außerdem die Bil-
Kristallisieren molekular – d. h. in Form von dung von Poren (bzw. Rissen) sehr begüns-
Poren – ausgeschieden, wenn ein Verlassen tigt.
der Schmelze wegen einer zu großen Abkühl-
geschwindigkeit nicht möglich ist. Als Folge Wärmeausdehnungskoeffizient
der großen Sauerstoffaffinität reduziert Alu- Die Wärmeausdehnung von Aluminium ist
minium im Lichtbogenraum sehr leicht die etwa doppelt so groß wie die der (unlegier-
in großen Mengen verfügbare Luftfeuchte ten) Stähle. Zusammen mit der meistens gro-
gemäß ßen Schwindung und dem deutlich geringe-
ren E-Modul müssen vor allem dünnwandi-
2 ¹ Al  3 ¹ H2O  Al2O3  3 ¹ H2.
ge Bauteile aus Reinaluminium zum Schwei-
Die Luftfeuchtigkeit ist damit einer der »ef- ßen ausreichend fest gespannt und sehr oft
fektivsten« Wasserstofflieferanten und nahe- geheftet werden, um das »Arbeiten« (Verfor-
zu immer die Ursache der in Aluminium- men) des Schweißteils, d. h. den Verzug in
schweißgütern sehr schwer vollständig ver- erträglichen Grenzen zu halten. Ein Schweiß-
meidbaren Porenbildung. folgeplan ist nahezu unerlässlich.
Abschn. 5.3: Leichtmetalle (Aluminium) 533

5.3.1.1 Lieferformen EN gefolgt von einem Zwischenraum,


Aluminium-Werkstoffe werden in verschiede- dem Buchstaben A ( Aluminium),
nen Behandlungszuständen geliefert und ver- dem Buchstaben
arbeitet. Sie sind durch unterschiedliche me- W (Wrought Alloys): Knetlegierungen
chanische Eigenschaften, Herstellart und Le- nach DIN EN 573-5,
gierungsaufwand gekennzeichnet. Unterschie- C (Casting Alloys): Gusslegierungen,
den werden naturharte und ausscheidungshär- nach DIN EN 1706,
tende Legierungen, die sich weiter einteilen M (Master Alloys): Vorlegierungen,
lassen in: B (Blockmetall), einem Bindestrich,
– Knetlegierungen vier Ziffern für die chemische Zusammen-
Die Eigenschaften werden durch den Grad setzung, die im Einzelnen bedeuten:
der Kaltverformung und die chemische Zu- 1xxx Al (mit Al 99,00 %),
sammensetzung der Legierung bestimmt. 2xxx Al-Cu-(Mg, Pb)Legierungen,
Mit geeigneten Legierungselementen (Mn, 3xxx Al-Mn-(Mg)Legierungen,
Si, Zn, Mg, Cu) kann die Festigkeit des 4xxx Al-Si-Legierungen,
Aluminiums durch Mischkristallverfesti- 5xxx Al-Mg-(Mn)Legierungen,
gung zusätzlich erhöht werden. 6xxx Al-Mg-Si-Legierungen,
– Gusslegierungen 7xxx Al-Zn-(Mg, Cu)Legierungen,
Die Eigenschaften werden durch das Gieß- 8xxx Al-(Fe, Li, usw.)Legierungen,
verfahren (Sand-, Kokillen-, Druckguss) die nicht in den Gruppen 1xxx
und die chemische Zusammensetzung der bis 7xxx erfasst sind,
Legierung bestimmt. 9xxx nicht verwendete Gruppe.
– Ausscheidungshärtende Legierungen
Die Eigenschaften dieser Werkstoffe werden Daneben existiert eine ergänzende Bezeich-
durch das Ausscheidungshärten (das Ver- nungsweise, deren Grundlage – ähnlich wie
fahren wird genauer in Abschn. 2.6.3.3, bei der bisherigen Bezeichnungssystematik
S. 161 beschrieben) geeignet zusammen- – chemische Symbole sind. Für nähere Ein-
gesetzter Legierungssysteme bestimmt. zelheiten siehe Tabelle 5-9.
Für diese Wärmebehandlung sind üblicher-
weise Knet-, mit bestimmten Einschrän- Die Werkstoffzustände bzw. die Festigkeit
kungen aber auch Gusslegierungen geeig- von Knet- und Gusslegierungen werden nach
net. DIN EN 515 (12/93) durch eine Kombination
Die wichtigsten ausscheidungshärtenden von einem Großbuchstaben und Ziffern be-
Legierungssysteme sind Al-Cu, Al-Cu- zeichnet, die der Legierungsbezeichnung (bei
Mg, Al-Cu-Li, Al-Cu-Si, Al-Zn, Al-Zn-Mg, Bedarf) unabhängig vom verwendeten Be-
Al-Zn-Mg-Cu und Al-Li-Cu-Mg. zeichnungssystem (nummerisch oder nach
chemischer Zusammensetzung) nachgestellt
5.3.1.2 Bezeichnungsweise werden. Anders als bei der bisher gültigen
Im Rahmen der Neuordnung des europäi- DIN 17007 kann nur noch der Gefügezustand,
schen Normensystems wurde die Systema- aber nicht mehr die Festigkeit abgelesen wer-
tik der Kurzzeichen für den Aluminiumbe- den. Die Werkstoff- bzw. Wärmebehandlungs-
reich vollständig überarbeitet und neu fest- zustände werden wie folgt bezeichnet:
gelegt. Der Kern des Bezeichnungssystems
für Aluminium und Aluminium-Knetlegie- F Herstellungszustand für Erzeugnisse,
rungen ist eine aus vier Ziffern bestehende bei denen die thermischen Bedingungen
nummerische Anordnung, die der der interna- oder die Kaltverformung nicht kontrol-
tionalen Aluminium Association weitgehend liert werden (ohne festgelegte mechani-
entspricht. sche Eigenschaften),
O weichgeglüht,
Die Bezeichnung der Aluminium-Werkstof- H kaltverfestigt (bei Knetlegierungen),
fe setzt sich aus nacheinander folgenden Ele- H11 kaltverfestigt, 1/8-hart,
menten zusammen: H19 kaltverfestigt, extrahart,
534 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

Tabelle 5-9
Aluminium-Knetlegierungen nach DIN EN 573-5 und Aluminium-Gusslegierungen nach DIN EN 1706
(Auswahl). Den bisherigen DIN-Bezeichnungen wurden die neuen (nummerischen, chemisches Symbol)
nach DIN EN 573-3 gegenübergestellt.

Aluminiumlegierung (Kurzzeichen) nach Schweißverhalten, Anwendungshinweise

DIN 1725-1 DIN EN 573-3


DIN 1725-2
Chemisches Symbol Nummerisch

Aluminium-Knetlegierungen, nicht ausscheidungshärtend (DIN EN 573-5)

AlMn0,6 EN AW-Al Mn0,6 EN AW-3207 AlMn(Cu)-Legierungen haben verbesserte Be-


AlMn1 EN AW-Al Mn1 EN AW-3103 ständigkeit gegenüber leicht alkalischen Medien
AlMn0,5Mg0,5 EN AW-Al Mn0,5Mg0,5 EN AW-3105 und erhöhte Warmbeständigkeit durch rekristal-
AlMnCu EN AW-Al Mn1Cu EN AW-3003 lisationhemmende Wirkung des Mn. Sie sind gut
AlMn1Mg1 EN AW-Al Mn1Mg1 EN AW-3004 bis sehr gut schweißgeeignet und lötbar.

AlMg1 EN AW-Al Mg1(C) EN AW-5005A Mit zunehmendem Mg-Gehalt steigt die Festig-
AlMg1,8 EN AW-Al Mg2(B) EN AW-5051A keit und die Schweißeignung nimmt stark ab.
AlMg2,5 EN AW-Al Mg2,5 EN AW-5052 AlMg4,5 ist schweißrissempfindlich. Niedrigle-
AlMg3 EN AW-Al Mg3 EN AW-5754 gierte Sorten werden als Strangpressprofile an-
AlMg4Mn EN AW-Al Mg4 EN AW-5086 geboten. Zerspanbarkeit der höherlegierten Sor-
AlMg4,5 EN AW-Al Mg4,5 EN AW-5082 ten ist gut.
AlMg2Mn0,3 EN AW-Al Mg2 EN AW-5251 AlMgMn-Legierungen sind gut schweißgeeig-
AlMg2Mn0,8 EN AW-Al Mg2Mn0,8 EN AW-5049 net, zerspanbar und seewasserbeständig. Die
AlMg2,7Mn EN AW-Al Mg3Mn EN AW-5454 höchste Festigkeit aller nichtausscheidungshär-
AlMg4,5Mn0,7 EN AW-Al Mg4,5Mn EN AW-5083 tenden Al-Legierungen hat AlMg4,5Mn.

Aluminium-Knetlegierungen, ausscheidungshärtend (DIN EN 573-5)

Gut schweißgeeignet mit Zusatz S-AlSi5;


AlMgSi0,5 EN AW-Al MgSi EN AW-6060
AlMgSi0,5 ist hervorragend pressbar, AlMgSi0,7
AlMgSi0,7 EN AW-Al SiMg(A) EN AW-6005A
wird für Großprofile im Schienenfahrzeugbau
AlMgSi1 EN AW-Al Si1MgMn EN AW-6082
verwendet.
AlCuMg1 EN AW-Al Cu4MgSi(A) EN AW-2017A Am längsten bekannte ausscheidungshärtende
AlCuMg2 EN AW-Al Cu4Mg1 EN AW-2024 Legierungen, sie werden nur kaltausgelagert
AlCuSiMn EN AW-Al Cu4SiMg EN AW-2014 verwendet, schlechte Korrosionsbeständigkeit.

Noch gut schweißgeeignet, härtet nach Schwei-


AlZn4,5Mg1 EN AW-Al Zn4,5Mg1 EN AW-7020
ßen selbsttätig »kalt« aus.
– EN AW-Al Li2,5Cu1,5Mg1 EN AW-8090 Noch nicht genormte Legierungen höchster Fes-
– EN AW-Al Li2,5Cu2Mg1 EN AW-8091 tigkeit. Li erschwert das Schweißen erheblich.

Aluminium-Gusslegierungen (DIN EN 1706)

Legierungen für allgemeine Verwendung. Für


G-AlSi12 EN AC-Al Si12(a) EN AC-44200 dünnwandige, verwickelte, druckdichte und
G-AlSi10Mg EN AC-Al Si10Mg(Fe) EN AC-43400 schwingungsfeste Gussstücke bei sehr guter Kor-
G-AlSi9Cu3 EN AC-Al Si8Cu3 EN AC-46200 rosionsbeständigkeit. Hervorragend bis sehr gut
schweißgeeignet (G-AlSi12).
G-AlMg3 EN AC-Al Mg3(a) EN AC-51100 Legierungen für besondere Verwendung, vorwie-
– EN AC-Al Mg9 EN AC-51200 gend für korrosionsbeständige und (oder) oberflä-
G-AlMg5 EN AC-Al Mg5 EN AC-51300 chenzubehandelnde Gussstücke (anodische Oxida-
G-AlMg5Si EN AC-Al Mg5(Si) EN AC-51400 tion), ausgezeichnet zerspanbar.

Ausscheidungshärtende Legierungen mit hohen


G-AlSi9Mg EN AC-Al Si9Mg EN AC-43300
Festigkeiten. G-AlSi9Mg und G-AlSi7Mg sind
G-AlSi7Mg EN AC-Al Si7Mg EN AC-42000
ausgezeichnet, G-AlCu4Ti, G-AlCu4TiMg bedingt
G-AlCu4Ti EN AC-Al Cu4Ti EN AC-41000
schweißgeeignet. Für hohe Festigkeitsansprüche
G-AlCu4TiMg EN AC-Al Cu4MgTi EN AC-21000
des Luftfahrzeugbaus.
Abschn. 5.3: Leichtmetalle (Aluminium) 535

W lösungsgeglüht (instabiler Zustand), 5.3.1.3 Metallurgisch bedingte


T für Erzeugnisse, die zum Erzielen stabi- Schweißnahtdefekte
ler Zustände mit/ohne zusätzliche Kalt- Bei den verschiedenen Aluminiumlegierun-
verformung wärmebehandelt werden. gen können abhängig von ihrer chemischen
Die erste Ziffer nach dem Zeichen T dient Zusammensetzung und der Größe der Last-
der Kennzeichnung der spezifischen Rei- oder (und) Eigenspannungen im Schweißgut
henfolge der Grundbehandlungen. und der Wärmeeinflusszone einige überwie-
T1 abgeschreckt aus Warmformgebungs- gend werkstoffabhängige Defekte entstehen,
temperatur und kaltausgelagert, die die Bauteilsicherheit und das Verhalten
T2 abgeschreckt aus Warmformgebungs- dieser Werkstoffe beim Schweißen erheblich
temperatur, kaltumgeformt und kalt- beeinträchtigen.
ausgelagert,
T3 lösungsgeglüht, kaltumgeformt und Heißrisse
kaltausgelagert, Die nur bei Legierungen möglichen Erstar-
T4 lösungsgeglüht und kaltausgelagert, rungsrisse entstehen im Schweißgut und in
T5 abgeschreckt aus Warmformgebungs- den Endkratern während des Abkühlens im
temperatur und warmausgelagert, Bereich zwischen der Solidus- und Liquidus-
T6 lösungsgeglüht und warmausgela- temperatur bei Einwirkung von Zug(-Eigen-)
gert, Spannungen. Genauere Hinweise zum Ent-
T8 lösungsgeglüht, kaltumgeformt und stehungsmechanismus dieser sich bei allen
warmausgelagert, metallischen Werkstoffen in gleicher Weise
T9 lösungsgeglüht, warmausgelagert bildenden Rissart sind in Abschn. 4.1.1.1, S.
und kaltumgeformt. 300, zu finden.
700 700 700
660 ° C
° C S S + Si ° C S °C
S
Temperatur T

600 S+ a 577 ° C 600 600


S+ a
548 ° C
a a
S+ a
500 500 500
450 ° C
a + Si a + Eutektikum a

400 400 400

a+ b

350 350 350


1,65 % 12,5 % 5,7 % 16 %
0 10 20 % 30 0 10 20 % 30 0 10 20 % 30
Al Silicium Al Kupfer Al Magnesium
a)
Rissneigung

Rissneigung

Rissneigung

0 1 2 3 4 5 6 7%8 0 1 2 3 4 5 6 7%8 0 1 2 3 4 5 6 7% 8
Silicium Kupfer Magnesium
b)

Bild 5-29
Binäre Aluminium-Zustandsschaubilder und Heißrissneigung legierter Aluminium-Schweißgüter.
a) Al-Si, Al-Cu, Al-Mg, Ausschnitte.
b) Relative Rissempfindlichkeitskennziffer verschiedener Aluminium-Schweißgüter abhängig vom Legierungs-
gehalt: Al-Si, nach Singer und Jennings, Al-Cu, nach Pumphrey und Lyons, Al-Mg, nach Dowd.
536 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

Mit zunehmender Größe des Erstarrungsin- fe vermindert. Die verflüssigten eutektischen


tervalls und zunehmender Zugspannung – Bestandteile in der WEZ erstarren vor der
hervorgerufen durch rasche Abkühlung oder Schweißschmelze und verringern dadurch
verspannte, dickwandige Konstruktionen, die für die Rissentstehung erforderlichen
begünstigt durch den großen Wärmeausdeh- Spannungen.
nungskoeffizienten und die große Volumen-
änderung der Aluminiumschmelze beim Er- Spannungsrisse
starren (Schwindung) – wird die Heißrissbil- Diese unterhalb der Solidustemperatur ent-
dung wahrscheinlicher. In Bild 5-29 sind eini- stehenden Risse werden durch einen großen
ge bekannte Zweistoffsysteme und die von Wärmeausdehnungskoeffizienten, eine un-
der chemischen Zusammensetzung der Legie- geeignete Schweißfolge, große Schrumpfung,
rungen abhängige Heißrissneigung darge- die Blechdicke, das Schweißverfahren und
stellt. Die Schweißgüter der niedrig magnesi- die Festigkeit der Einspannung der Fügetei-
umhaltigen, nichtausscheidungshärtenden le sehr begünstigt.
Legierungen (z. B. AlMg3) sind bei hoher Ver-
spannung besonders heißrissanfällig. Bild 5- Poren
29b zeigt, dass bei Verwendung von Schweißzu- Poren können nur durch den in der Alumini-
satzwerkstoffen mit einem hohem Magnesium- umschmelze löslichen großen Gehalt an Was-
gehalt (! 5 %) diese Rissart sicher vermeid- serstoff entstehen, Bild 3-18, S. 255. Stick-
bar ist. stoff und Sauerstoff können nicht als atoma-
re Gase vorliegen, weil sie sehr stabile Nitri-
Der Erstarrungsriss ist eine bei Aluminium- de bzw. Oxide bilden. Porenbildung durch sie
legierungen sehr typische Versagensform, ist damit nicht möglich.
die sorgfältig zu kontrollieren ist. Grundsätz-
lich sind mehrfach legierte Legierungen (vor Die große Löslichkeitsdifferenz des Wasser-
allem die ausscheidungshärtenden!) sehr viel stoffs im flüssigen und festen Zustand ist da-
heißrissanfälliger als die einfachen Zweistoff- mit die wichtigste Ursache der Porenbildung
legierungen, weil bei ihnen die Wahrschein- in Aluminiumwerkstoffen. Mit zunehmender
lichkeit groß ist, dass sich mehrere heißrissbe- Schweißgeschwindigkeit wird das Ausgasen
günstigende Verbindungen bilden können. erschwert, d. h. die Porenmenge größer. Das
Gas kann am leichtesten in der senkrechten,
Der Wiederaufschmelzriss, eine Variante des am schwersten beim Schweißen in der zu ver-
Heißrisses, entsteht neben der Schmelzgren- meidenden Überkopf-Position das Schmelz-
ze im teilverflüssigten Bereich durch Auf- bad verlassen.
schmelzen niedrigschmelzender Bestandtei-
le (z. B. Eutektika oder Einschlüsse). Er ist Die wichtigsten Wasserstoffquellen beim
vor allem für ausscheidungshärtende Legie- Lichtbogenschweißen sind (s. a. Abschn.
rungen die typische Heißrissform, weil we- 3.3.3.3, S. 258):
gen der größeren Anzahl der Legierungsele- – Ablagerungen auf der Werkstückoberflä-
mente die Wahrscheinlichkeit für die Bildung che [Kohlenwasserstoffe, z. B. Fette, Far-
eutektischer Gemenge größer ist. Davon zu ben, Öle; Hydroxide, z. B. Fe(OH)3];
unterscheiden sind die durch die konstituti- – Ablagerungen auf der Oberfläche der
onelle Verflüssigung von Ausscheidungen in Drahtelektroden, z. B. Ziehfettreste, Hy-
bestimmten Legierungssystemen entstehen- droxide, Verunreinigungen;
den Wiederaufschmelzrisse, die sich nur bei – Feuchtigkeit im Schutzgas, aus der Atmo-
rascher Aufheizung bilden, Abschn. 5.1.3. sphäre in den Schutzgasraum eingedrun-
gene Luftfeuchte.
Ein großes Wärmeeinbringen beim Schwei-
ßen erhöht die Neigung zur Bildung beider 5.3.1.4 Aluminium-Knetlegierungen
Heißrissformen. In erster Linie wird die Die Aluminium-Knetlegierungen sind in DIN
Heißrissneigung durch Wahl geeigneter, vor EN 573, die Aluminium-Gusslegierungen in
allem niedrigschmelzender Zusatzwerkstof- DIN EN 1706 genormt, Einzelheiten zur Be-
Abschn. 5.3: Leichtmetalle (Aluminium) 537

zeichnung und zu Anwendungshinweisen Die eutektischen Legierungen erstarren prak-


können der Tabelle 5-9 entnommen wer- tisch ohne ein nennenswertes Erstarungsin-
den. tervall und ohne die bei anderen Werkstoffen
vorhandene Volumendifferenz beim Über-
Bei den Knetlegierungen ist das Formände- gang flüssig/fest (Schwindung). In diesem kri-
rungsvermögen, bei den Gusslegierungen das tischen Werkstoffzustand können daher nur
Formfüllungsvermögen die wichtigste techno- geringe Spannungen entstehen, die zusam-
logische Eigenschaft. men mit dem kleinen Erstarrungsintervall
zu einem weitestgehend heißrissfreien Gefü-
1500
ge führen. Ebenso ist ihre Neigung zur Bil-
° C dung von Mikrolunkern oder anderen inter-
dendritischen »Gussschwächen« gering. Ihre
Temperatur T

1300

1200
Schweißeignung ist damit hervorragend, und
die Bildung von Rissen jeder Art weitestge-
1100 hend ausgeschlossen.
S
1000

900
Bild 5-31 zeigt das Mikrogefüge des schmelz-
S+ b grenzennahen Bereichs einer Schweißverbin-
800
dung aus G-AlSi12. Im Bild links oben ist das
700 S+ a Schweißgut (SG-AlSi5) erkennbar. Das Eu-
600 577 ° C tektikum (a-Si) ist deutlich feiner ausgebil-
a 11,7 b det als im Grundwerkstoff.
500
a+ b
400 5.3.1.6 Ausscheidungshärtende
Al 20 40 60 80 % Si
Siliciumgehalt Aluminiumlegierungen
Diese Werkstoffe erhalten ihre Eigenschaf-
Bild 5-30 ten – vor allem eine vergleichsweise hohe
Zustandsschaubild Aluminium-Silicium. Festigkeit, verbunden mit einer häufig hohen
Korrosionsbeständigkeit – durch eine in Ab-
AlMg- und AlMgMn-Legierungen sind die schn. 2.6.3.3, S. 161, ausführlicher beschrie-
wichtigsten nicht ausscheidungshärtenden bene komplexe, mehrstufige Wärmebehand-
Knetlegierungen. Magnesium erhöht erheb-
lich die Festigkeit durch Mischkristallverfes-
tigung. Sie sind gut bis sehr gut schweißgeeig-
net. Mit zunehmendem Magnesiumgehalt
nimmt die Menge der intermediären b-Pha-
se Al3Mg2 zu und damit die Verformbarkeit
und die Schweißeignung extrem ab, Bild 1-
65. Die IK- und die SpRK-Beständigkeit wer-
den geringer, wenn die b-Phase als zusammen-
hängender Korngrenzenbelag vorliegt. Da-
her muss die gewünschte Anordnung der Teil-
chen in Form diskreter Partikel durch ein
Glühen bei etwa 200 ’C bis 250 ’C erzwungen
werden (Heterogenisierungsglühen).

5.3.1.5 Aluminium- Gusslegierungen


AlSi-Legierungen, Tabelle 5-9, sind die typi- Bild 5-31
Mikrogefüge aus dem schmelzgrenzennahen Bereich
schen Gusslegierungen, das trifft vor allem
einer MIG-Schweißverbindung aus G-AlSi12. Im
für die (nah-)eutektischen mit etwa 10 % bis Schweißgut links oben sind primäre a -MK in sehr
12 % Silicium zu, Bild 5-30. Sie besitzen ein feiner eutektischer Grundmasse eingebettet, nach SLV
hervorragendes Formfüllungsvermögen. Berlin-Brandenburg.
538 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

lung (Ausscheidungshärtung). Ihre Schweiß- Ähnlich wie bei den Al-Cu-Legierungen ist
eignung ist im Allgemeinen deutlich schlech- die Ausscheidungsfolge bei den oben genann-
ter als die der anderen, nichtausscheidungs- ten Legierungssystemen:
härtenden Aluminium-Werkstoffe, weil sie
abhängig von der chemischen Zusammen- AlCuMg
setzung zu einer ausgeprägten (Heiß-)Riss- MK  GP  S’ (Al2CuMg)’  S (Al2CuMg),
bildung neigen. AlMgSi
MK  GP  b ’ (Mg2Si)’  b (Mg2Si),
Aluminium-Zweistofflegierungen sind nicht AlZnMg
ausscheidungshärtend, weil die Ausscheidun- MK  GP  h ’ (MgZn2)’  h (MgZn2).
gen entweder nicht in der gewünschten Grö-
ße, Form oder Verteilung erzeugbar sind, Die Ausscheidungen S’, b ’, h ’ sind dabei die
ihre festigkeitserhöhende Wirkung im Ver- kohärenten Phasen der jeweiligen Gleichge-
gleich zum Aufwand zu gering ist oder die wichtsphasen S, b und h.
Verformbarkeit des ausscheidungsgehärte-
ten Werkstoffs unzureichend ist. Die Härte einer ausscheidungshärtenden Al-
Cu-Legierung abhängig von den Auslagerbe-
Ausscheidungshärtend sind Legierungen dingungen und dem sich daraus ergebenden
der folgenden Legierungssysteme: Ausscheidungszustand zeigt schematisch das
Bild 5-32. Die maximale Härte des Gefüges
AlCu (kaum verwendet), ergibt sich dann, wenn die größte Menge der
AlCuMg (AlCuSiMn), kohärenten 4”-Teilchen (GP II-Teilchen) im
AlMgSi, Gefüge vorhanden ist, die geringste, wenn
AlZnMg (AlZnMgCu). nur die sich bei höheren Auslagertemperatu-
ren (J • 170 ’C) bildenden inkohärenten Aus-
Die sich während des Auslagerns bildenden scheidungen 4 (Al2Cu) vorliegen.
Ausscheidungen durchlaufen bis zu ihrer in-
kohärenten Form eine Reihe von Zwischen- Der Ausscheidungszustand und damit die
zuständen, die die Festigkeits- und Zähig- mechanischen Eigenschaften werden durch
keitseigenschaften beeinträchtigen, s. a. Ab- den Schweißprozess weitgehend geändert.
schn. 1.4.2.1, S. 32, Aufgabe 5-1, S. 566.
140

Bei dem erstmals und sehr genau untersuch- 1


ten System Al-Cu entstehen aus dem über-
Härte HV 1

120
GP2
sättigten Mischkristall (MK) mit zunehmend
Q ’
verbesserten Diffusionsbedingungen, d. h. 100
GP1
zunehmender Auslagertemperatur nachein-
ander eine Reihe unterscheidbarer Zustän- 80
de und Phasen: Q ’
2
MK  GP I  GP II (4”)  4’  4 (Al2Cu). 60
Q
Die inkohärente 4-Phase ist die thermody-
40
namische Gleichgewichtsphase mit der che- 0,01 0,1 1 10 100 1000
mischen Zusammensetzung Al2Cu. Ihre fes- Auslagerzeit (Tage)
tigkeitserhöhende Wirkung ist daher nur ge-
ring. Die beiden kohärenten Phasen GP I Bild 5-32
und GP II (4’’) unterscheiden sich durch ihre Über den Einfluss der Auslagerbedingungen auf die
Härte einer bei zwei Temperaturen »warmausgela-
Größe und der Größe des von ihnen verspann- gerten« AlCu-Legierung (4 % Cu).
ten Gitterbereiches. Die festigkeitserhöhende 1: Auslagertemperatur TAus = 130 ’C,
Wirkung der semikohärenten Ausscheidun- 2: Auslagertemperatur TAus = 190 ’C.
gen (4’) ist ähnlich wie die der kohärenten, Ausscheidungsfolge bei Al-Cu-Legierungen:
s. Bild 5-32. MK Æ GP I Æ GP II (Q”) Æ Q’ Æ Q, nach Silcock u. a.
Abschn. 5.3: Leichtmetalle (Aluminium) 539

Im Bild 5-33b ist die Härteverteilung quer alterten« Bereich 2 ist der Härteanstieg dage-
zu einer Schweißverbindung aus einer aus- gen gering. Erst mit einem erneuten Lösungs-
scheidungsgehärteten Aluminiumlegierung glühen und anschließenden Auslagern las-
dargestellt. Mit zunehmender Annäherung sen sich die ursprünglichen Werte wieder
an die Schmelzgrenze nimmt der Anteil der herstellen.
4’-Phase (bei der AlCu-Legierung) bzw. der
S’-Phase (AlCuMg-Legierung) oder der b ’- Die AlZnMg-Legierungen haben eine wesent-
Phase (AlMgSi-Legierung) ständig ab. In lich geringere Neigung während des Ausla-
Bild 5-33a beginnt die Umwandlung der 4’- gerns zu überaltern, d. h. auch beim Schwei-
bzw. b ’-Phase in die jeweilige stabile Phase ßen. Als Folge ihrer geringen Abschreckemp-
bei TRev. Dieser Vorgang ist mit einem erheb- findlichkeit, zusammen mit einem großen
lichen Härte- und Festigkeitsabfall verbun- zulässigen Bereich für das Lösungsglühen
den, Kurve 3, Bild 5-33b. Die Härte der Be- (350 ’C bis 450 ’C) lagern sie bei üblichen
reiche in Schmelzgrenzennähe ist wegen der Umgebungstemperaturen »kalt« aus. Nach
vollständigen Lösungsglühung am gerings- Ablauf von etwa 20 Tagen wird in der Wär-
ten, Kurve 1. Der kontinuierliche Härteab- meeinflusszone nahezu die ursprüngliche
fall von 4 nach 1 (gemessen direkt nach dem Härte wieder erreicht. Das Auslagern kann
Schweißen!), ist damit die Folge der ständi- auch bei höheren Temperaturen durchge-
gen Abnahme der Phase S’ auf Kosten der führt werden. Bei 120 ’C sind etwa 24 h er-
S-Phase, die in ungeeigneter Form (zu groß) forderlich.
und Menge (zu gering) vorliegt.
Die AlZnMg-Legierungen neigen zur Rissbil-
1 Beginn S ’ ® S - oder
b ’ ® b - Umwandlung
A 4 dung, daher werden sie, wie auch alle ande-
ren ausscheidungshärtenden Legierungen,
Härte

2
Temperatur

i. Allg. mit geringer Wärmezufuhr und größe-


3
TRev ren Geschwindigkeiten geschweißt. Für die
3
2 10
4
%
B
9
Magnesiumgehalt

1/2"
1 (direkt nach dem
Schweißen) 8

Zeit Abstand Schmelzgrenze 7


a) b)
1"
Bild 5-33 6
Wirkung des Schweißprozesses auf die Härtevertei-
lung in Schweißverbindungen aus vor dem Schwei- 5
ßen ausgelagerten AlCuMg- ( S ’ ) oder AlMgSi-Legie-
2"
rungen ( b ’ ), schematisch. 4
a) Temperatur-Zeit-Zyklen, mit Angabe der Umwand-
3"
lungstemperatur TRev, bei der die kohärenten (S’,
3
b’) in die stabilen Gleichgewichtsphasen (S, b) über- 4"
gehen. 5"
b) Härteverteilung gemessen direkt nach dem Schwei- 2
6"
ßen (1), nach einem »Kaltauslagern« ( B ) und einem 7"
Auslagern bei erhöhter Temperatur ( A ). 1
8"
9"
0
Ein Auslagern bei Raumtemperatur nach 0 1 2 3 4 % 5
dem Schweißen führt gewöhnlich nur zu ei- Siliciumgehalt
ner sehr geringen Härtezunahme im lösungs-
Bild 5-34
geglühten Bereich, Bild 5-33b (B). Auslagern
Heißrissanfälligkeit (gemessen mit dem Ringgussver-
bei erhöhten Temperaturen (A) ergibt in die- such) von AlMgSi-Legierungen in Abhängigkeit von
sem Bereich einen sehr starken Härtean- der chemischen Zusammensetzung, nach Jennings,
stieg, in dem durch den Schweißprozess »über- Singer und Pumphrey.
540 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

Tabelle 5-10
Gruppeneinteilung für Aluminium und Aluminiumlegierungen, Beispiele für Knetaluminium, Aluminium-
knet- und Aluminiumgusslegierungen, in Anlehnung an DIN EN 1011-4 (2/2001) und DIN-Fachbericht
CEN ISO/TR 15608 (1/2006).

Gruppe Bezeichnung und Beschreibung der Werkstoffe

Chemische Bezeichnung Nummer

Reinaluminium
Reinaluminium 1,5 % Verunreinigungen oder Legierungsbestandteile

21 EN AW-Al 99,98 EN AW-1198


EN AW-Al 99,90 EN AW-1190
EN AW-Al 99,6 EN AW-1060
EN AW-Al 99,0 EN AW-1200
22 Nichtwarmaushärtende Legierungen

Aluminium-Magnesium-Legierungen 3,5 % Mg
EN AW-Al Mn1Cu EN AW-3003
EN AW-Al Mn1Mg1 EN AW-3004
EN AW-Al Mn1Mg0,5 EN AW-3005
22.1 EN AW-Al Mn0,5Mg0,5 EN AW-3105
EN AW-Al Mg2,5 EN AW-5052
EN AW-Al Mg3,5Mn0,3 EN AW-5154B
EN AW-Al Mg2 EN AW-5251
EN AW-Al Mg3 EN AW-5754
EN AW-Al Mg2Mn0,8Zr EN AW-5249
Aluminium-Magnesium-Legierungen mit 4 % < Mg 5,6 %
EN AW-Al Mg4,5Mn0,7 EN AW-5083
22.2 EN AW-Al Mg4 EN AW-5086
EN AW-Al Mg5Mn1(A) EN AW-5456A
EN AW-Al Mg5 EN AW-5056A
Warmaushärtende Legierungen

Aluminium-Magnesium-Silicium-Legierungen und Aluminium-Zink-Legierungen, die warmaushärtend


sind und eine kontrollierte Wärmeeinbringung und Wärmenachbehandlung oder Aushärtung nach
dem Schweißen erfordern
23 EN AW-Al Mg1SiCu EN AW-6061
EN AW-Al Mg0,7Si EN AW-6063
EN AW-Al Si0,9MgMn EN AW-6081
EN AW-Al Si1MgMn EN AW-6082
EN AW-Al Zn4,5Mg1 EN AW-7020
EN AC-Al Si5Cu3 EN AC-45 400
Aluminium-Silicium- und Aluminium-Silicium-Magnesium-Gusslegierungen mit 1 % Cu
EN AC-Al Si7Mg EN AC-42 000
EN AC-Al SiMg0,3 EN AC-42 100
24 EN AC-Al Si9Mg EN AC-43 300
EN AC-Al Si11 EN AC-44 000
EN AC-Al Si12(b) EN AC-44 100
EN AC-Al Si9 EN AC-44 400

Aluminium-Silicium-Kupfer-Gusslegierungen mit 1 % < Si 14 % und 1 % < Cu 5 %


25
EN AC-Al Si11Cu2(Fe) EN AC-46 100
EN AC-Al Si7Cu2 EN AC-46 600
Aluminium-Magnesium-Gusslegierungen mit 2 % < Mg 12 %

26 EN AC-Al Mg3(b) EN AC-51 000


EN AC-Al Mg5 EN AC-51 300
EN AC-Al Mg5(Si) EN AC-51 400
Tabelle 5-11
Empfohlene Schweißzusatzwerkstoffe für das MSG-Schweißen von Aluminium-Werkstoffen gleicher oder unterschiedlicher Zusammensetzung (die Typen der
Zusatzwerkstoffe sind in Tabelle 5-12 aufgeführt), nach DIN EN 1011-4 (2/2001).
Auswahl des Zusatzwerkstoffs innerhalb jedes Kastens Anmerkung: Wenn die Grundwerkstofflegierung etwa
Gruppen Nr. Bezeichnungs- > 2 % Mg enthalten und mit Zusatzwerkstoffen der Ty-
Erste Zeile: Optimale mechanische Eigenschaften
(nach CR 12 187, system Zweite Zeile: Optimaler Korrosionswiderstand pen AlSi5 oder AlSi10 geschweißt werden (oder wenn
Tabelle 2) Dritte Zeile: Optimale Schweißeignung die Grundwerkstoffe > 2 % Si enthalten und mit Zusatz-
werkstoffen der AlMg5-Typen geschweißt werden), kann
die Verbindung durch Mg2Si-Ausscheidungen versprö-
1xxx 4
den. Wenn diese Legierungskombination nicht vermeid-
Guss- und 1
bar ist, können Zusatzwerkstoffe der Typen AlMg5 oder
Knetlegierungen 4
AlSi5 verwendet werden.
21
1)
3xxx 4 4 Beim Schweißen ohne Zusatzwerkstoff sind diese
Knetlegierungen 1 1 oder 3 Legierungen für Erstarrungsrisse anfällig. Dieser Er-
ohne Mg 4 oder 3 4 scheinung kann durch eine Erhöhung des Mg-Ge-
haltes im Schweißbad über 3 % vorgebeugt werden.
3xxx 1) 4 oder 5 4 oder 5 4 oder 5 2)
Diese Legierungen sind für das Schweißen ohne Zu-
Knetlegierungen 1 oder 3 1 oder 3 1 oder 3
satzwerkstoff nicht zu empfehlen, weil sie kaltrissan-
mit Mg 4 4 4
fällig sind.
22.1
3)
5xxx 1) 4 oder 5 4 oder 5 4 oder 5 4 oder 5 Der Siliciumgehalt der Zusatzwerkstoffe sollte mög-
Knetlegierungen 5 5 oder 3 5 oder 3 5 oder 3 lichst genau demjenigen des Grundwerkstoffs ent-
mit Mg < 3 % 4 oder 5 4 oder 5 4 oder 5 4 oder 5 sprechen.
4)
Der Magnesiumgehalt der Zusatzwerkstoffe sollte
5xxx 5 5 5 5 5 möglichst genau demjenigen des Grundwerkstoffs
22.2 Knetlegierungen 5 5 5 5 5 entsprechen.
mit Mg > 3 % 5 5 5 5 5

4 oder 5 4 oder 5 4 oder 5 4 oder 5 4 oder 5 4 oder 5


6xxx 2) 5 5 5 5 5 5
Knetlegierungen 4 4 4 4 4 4
23
7xxx 2) 5 5 5 5 5 5 5
Guss- und 5 5 5 5 5 5 5
Knetlegierungen 5 5 5 5 5 5 5

4 4 4 4 4 4 4 oder 5 4
AlSi Gusslegierungen 3)
24/25 4 4 4 4 4 4 4 4
AlSiCu Gusslegierungen 3) 4 4 4 4 4 4 4 4

5 5 5 5 5 5 5 4 oder 5 5
26 AlMg Gusslegierungen 4) 5 5 5 5 5 5 5 4 5
5 5 5 5 5 5 5 4 5

Grundwerkstoff A 1xxx 3xxx 3xxx 1) 5xxx 1) 5xxx 7xxx 2)


6xxx 2) AlSi Gussleg. 3)
Guss- und Knetlegierungen Knetlegierungen Knetlegierungen Knetlegierungen Guss- und 3)
AlMg 4) Gussleg.
Knetlegierungen
Knetlegierungen ohne Mg mit Mg mit Mg < 3 % mit Mg > 3 % Knetlegierungen AlSiCu Gussleg.

Grundwerkstoff B 21 22.1 22.2 23 24/25 26


Abschn. 5.3: Leichtmetalle (Aluminium)
541
542 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

Tabelle 5-12
Kurzzeichen für die Zusatzwerkstoffe zum Schmelzschweißen der in Tabelle 5-10 aufgeführten Aluminium-
werkstoffe (Massivdrähte und Massivstäbe), in Anlehnung an DIN EN ISO 18273 (6/2004) und DIN EN 1011-4
(2/2001), Auswahl.

Legierungstyp Legierungskurzzeichen (EN ISO 18273) Hinweise zur Anwendung und ihrer werkstoffli-
chen Wirksamkeit
Nummerisch Chemisch

Al 1070 Al99,7
Al 1080A Al99,8(A)
Aluminium Al 1188 Al99,88
Titan, Chrom und Zirkonium verhindern Erstar-
(niedriglegiert) Al 1100 Al99,0Cu
rungsrisse (solidification cracking) in Schweißgü-
Al 1200 Al99,0
tern hoch beanspruchter Verbindungen durch Maß-
Al 1450 Al99,5Ti
nahmen der Kornfeinung.
Aluminium-
Al 2319 AlCu6MnZrTi
Kupfer

Aluminium-
Al 3103 AlMn1
Mangan

Al 4009 AlSi5Cu1Mg Diese Zusatzwerkstoffe oxidieren beim Anodisieren


Al 4010 AlSi7Mg oder durch atmosphärische Einwirkungen und er-
Al 4011 AlSi7Mg0,5Ti geben eine dunkelgraue, unansehnliche Verfär-
Al 4043 AlSi5 bung, deren Intensität mit größerem Siliciumgehalt
Aluminium- Al 4043A AlSi5(A) zunimmt. Derartige Zusatzwerkstoffe liefern keine
Silicium Al 4046 AlSi10Mg gute Farbanpassung zum Grundwerkstoff aus Knet--
Al 4047 AlSi12 legierungen.
Al 4047(A) AlSi12(A) Diese Legierungen werden angewendet, um Erstar-
Al 4145 AlSi10Cu4 rungsrisse in Schweißgütern mit großer Aufmi-
Al 4643 AlSi4Mg schung und hoher Beanspruchung vorzubeugen.
Wenn guter Korrosionswiderstand und die Farbanpas-
Al 5249 AlMg2Mn0,8Zr sung entscheidend sind, dann sollte der Magnesium-
Al 5554 AlMg2,7Mn gehalt des Zusatzwerkstoffes dem des Grundwerk-
Al 5754 AlMg3 stoffs gleichen. Wenn eine hohe Streckgrenze und
Al 5356 AlMg5Cr(A) eine hohe Bruchfestigkeit entscheidend sind, sollte
Aluminium- Al 5556 AlMg5Mn1Ti ein Zusatzwerkstoff mit einem Magnesiumgehalt
Magnesium Al 5556A AlMg5Mn von 4,5 % bis 5 % verwendet werden.
Al 5556B AlMg5Mn
Al 5183 AlMg4,5Mn0,7(A) Titan, Chrom und Zirkonium verhindern Erstarrungs-
Al 5087 AlMg4,5MnZr risse (solidification cracking) in Schweißgütern
Al 5187 AlMg4,5MnZr hoch beanspruchter Verbindungen durch Maßnah-
men der Kornfeinung.

bekannte ausscheidungshärtende Alumini- Die AlMgSi-Legierungen sind bei Verwen-


umlegierung AlZn4,5Mg1 (AW 7020) sind dung des Zusatzwerkstoffs SG-AlSi5 gut
die Schweiß-Zusatzwerkstoffe SG-AlMg5, schweißbar, d. h. frei von Wiederaufschmelz-
SG-AlMg4,5Mn und SG-AlMg4,5MnZr ge- rissen (Liquation cracks) in der WEZ, Bild
eig net. Gute mechanische Gütewerte sind 5-34. Diese Rissart ist weitgehend mit Zusatz-
mit SG-AlMg5Mn (AW-5556) erreichbar. werkstoffen vermeidbar, die eine niedrigere
Schmelztemperatur der Schweißschmelze
Zusatzwerkstoffe für die grundsätzlich zur ergeben als die des teilverflüssigten Bereichs.
Heißrissbildung neigenden ausscheidungs- Rissauslösende Spannungen können erst ent-
härtenden Aluminiumlegierungen sind ge- stehen, wenn die Schweißschmelze erstarrt
mäß der Einteilung für Aluminium und Alu- ist, d. h. nachdem der rissgefährdete Bereich
miniumlegierungen gemäß der Vornorm DIN der WEZ bereits kristallisiert ist.
V 1738 (Tabelle 5-10) in Tabelle 5-11 zusam-
mengestellt. Tabelle 5-12 zeigt einige Zusatz- Der gewünschte (erforderliche) Gehalt des Le-
werkstoffe (Massivdrähte, Massivstäbe) nach gierungselementes kann erheblich von dem
DIN EN ISO 18273 und DIN EN 1011-4. des Grund- und Zusatzwerkstoffs abweichen,
Abschn. 5.3: Leichtmetalle (Aluminium) 543

weil der Aufschmelzgrad von der Nahtform schmelzrisse muss bei diesen Werkstoffen
und den Schweißparametern bzw. dem Schweiß- sorgfältig beachtet werden.
verfahren abhängt. Bild 5-35 zeigt die Verhält-
nisse bei einer für diese Betrachtung ange- 5.3.1.7 Aluminium-Sonderlegierungen
nommenen homogenen Mischung von Grund- Außer den genannten Legierungen werden
und Zusatzwerkstoff in der Schweißschmel- eine Reihe von Sonderwerkstoffen verwen-
ze. Je nach Aufschmelzgrad ergeben sich det, die die Einsatzmöglichkeiten des Alu-
sehr erhebliche Unterschiede der Schweiß- miniums erheblich erweitern.
gutzusammensetzung, wie der Vergleich der
Beispiele 1 und 2 ergibt. Aluminium-Lithiumlegierungen
Diese Knetwerkstoffe werden zzt. überwie-
Die AlCuMg-Legierungen sind sehr rissemp- gend in der Luftfahrzeugindustrie verwen-
findlich, weil sich spröde, kupferhaltige, eutek- det. Die Al-Li-Mg- und Al-Li-Cu-Mg-Legie-
tische Bestandteile an den Korngrenzen der rungen sind die wichtigsten Werkstoffe:
schmelzgrenzennahen Gefüge bilden. Von ei-
nem Schmelzschweißen wird daher prinzipi- – Al-Li-Mg, mit der beim Auslagern entste-
ell abgeraten. henden verfestigenden Phase d ’ (Al3Li),
– Al-Li-Cu-Mg (S’ Al2CuMg, T1 Al2CuLi).
Grundsätzlich nimmt die Heißrissneigung des
Werkstoffs mit der Anzahl der Legierungs- Die Schweißeignung der Aluminium-Lithi-
elemente (und auch der Verunreinigungen!) umlegierungen wird durch deren extreme
sehr stark zu, weil die Wahrscheinlichkeit Porenneigung bestimmt. Im Schweißgut ge-
der Bildung mehrerer heißrissbegünstigen- löster atomarer Wasserstoff ist die bei wei-
der Verbindungen größer wird. Vor allem tem wichtigste Porenursache. Wasserstoff
die Entstehung der bereits in Abschn. 5.1.3 kann bei diesen besonders porenempfindli-
besprochenen Heißrisse und der Wiederauf- chen Aluminium-Lithiumlegierungen vor al-
lem durch Hydroxide, Kohlenwasserstoffe
Legierungsmenge im Zusatzwerkstoff und Beläge aller Art auf dem Grundwerk-
0 1 2 3 4 % 5 Z 6
0 stoff in das Schweißgut gelangen. Daher hat
es sich als sinnvoll erwiesen, die Blechober-
Naht-
formen
flächen bzw. Nahtflanken chemisch oder tro-
20 cken (!) spangebend zu bearbeiten und mög-
lichst sofort zu schweißen.

40 Der Sauerstoffgehalt üblicher zum Schwei-


2 ßen verwendeter Schutzgase kann bis 300
ppm betragen und damit ebenfalls Ursache
Aufmischung

60
der Porenbildung sein. Bei größeren Werk-
stückdicken sind außer den üblichen Reini-
1 gungsmaßnahmen (Werkstückoberflächen,
80
Zusatzwerkstoffe) Wurzelschutzgase zum
% Schweißen zu verwenden.
G 100
0 1 2 3 4 5 % 6 Aluminium-Druckgusslegierungen
Legierungsmenge im Grundwerkstoff
Das Druckgießen geeigneter Aluminiumle-
Bild 5-35 gierungen ermöglicht die Herstellung geo-
Abhängigkeit des Aufschmelzgrades von der Art der metrisch komplizierter Teile mit hoher Ober-
Nahtvorbereitung. Die Mischungsgrade Z-G verbin- flächengüte und engen Toleranzen. Die Form-
det den Legierungspunkt »Zusatzwerkstoff « Z (5,5 %)
füllzeiten liegen bei einigen hundertsteln Se-
mit dem Legierungspunkt »Grundwerkstoff « G (1 %).
Bei einer Lage-Gegenlageschweißung (1) ergibt sich kunden, wodurch die Verwendung von Sand-
ein Legierungsgehalt im Schweißgut von nur 2 %, bei kernen wegen der hohen Gießdrücke (bis zu
einer mehrlagigen V-Naht (2) einer von 3,3 %. 1000 bar) nicht möglich ist. Daher lassen
544 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

sich durch Druckgießen Hohlkörper nur mit Bei allen Schweißverfahren ist die absolute
Hilfe der sehr teuren und störanfälligen For- Sauberkeit des Schweißnahtbereichs (und
men mit Losteilen ( Metallkerne) und Kern- der Zusatzwerkstoffe!, d. h. Zusatzwerkstoff
schiebern herstellen. und Schutzgas) von besonderer Wichtigkeit.
Die Walzhaut und die Trennstoffrückstände
Beim Schweißen der konventionellen d. h. sind mit entfetteten Werkzeugen bzw. einer
der schweißungeeigneten Druckgusslegie- vorhergehenden Entfettung – z. B. mit rotie-
rungen, entsteht eine exzessive Porigkeit in renden Bürsten aus nichtrostendem Stahl,
der Wärmeeinflusszone und im Schweißgut. oder Beizen mit Gemischen aus Flusssäure,
Die Poren werden in erster Linie von dem un- Salpetersäure und destilliertem Wasser – voll-
ter hohen Druck eingeschlossenen Wasser- ständig zu entfernen.
stoff verursacht, dessen Volumen durch die
Schweißwärme extrem zunimmt. Der Wasser- Dispersionshärtende
stoff bildet sich z. B. gemäß der folgenden Re- Aluminiumlegierungen
aktion: Die Ausscheidungen in den konventionellen
ausscheidungshärtenden Aluminiumlegie-
2 ¹Al  3 ¹H2O  Al2O3  6¹H.
rungen verlieren ihre festigkeitserhöhende
Die Erfahrung zeigt, dass mit schweißtech- Wirkung mit zunehmender Temperatur durch
nischen Maßnahmen jeder Art keine poren- Koagulieren bzw. Lösen in der Matrix. Sie
freien Schweißverbindungen herstellbar sind. sind daher für Kriechbeanspruchungen nur
Untersuchungen in den letzten Jahren führ- sehr bedingt geeignet. Mit neueren pulverme-
ten aber zu einer grundlegenden Verbesse- tallurgischen Herstelltechnologien (»reakti-
rung der Schweißeignung der Druckgussle- vem« Mahlen und »mechanischem Legieren«)
gierungen. Die durch den Gießprozess im sind thermisch sehr beständige Teilchenver-
Druckgusswerkstoff eingeschleppte Gasmen- bundwerkstoffe herstellbar. Die Teilchen (Oxi-
ge muss danach auf unterkritische Werte de, Carbide) werden durch mechanisches
verringert werden. Dazu gehört eine mög- Legieren gleichmäßig verteilt. Diese sehr fes-
lichst effektive Entlüftung der Form, die re- ten, leichten und temperaturbeständigen (bis
lativ einfach realisierbar ist, sowie die Wahl etwa 350 ’C) Werkstoffe können die bisheri-
geeigneter Formtrenn- und Kolbenschmier- gen ausscheidungshärtenden Aluminium-
stoffe, sowie eine Spülgasbehandlung der und Titan-Legierungen in verschiedenen Be-
Aluminiumschmelze. Aluminiumwerkstoffe reichen des Flugzeug- und Gasturbinenbaus
mit Wasserstoffgehalten unter etwa 3 ppm sowie anderen extremen Leichtbaukonstruk-
lassen sich erfahrungsgemäß praktisch po- tionen ersetzen.
renfrei schweißen.
Die wichtigen Legierungssysteme sind über-
Alle Schweißverfahren, die den Werkstoff eutektische Aluminium-Eisen-Legierungen,
wenig erwärmen und aufschmelzen, aber das die auch Lanthanoide (auch als Metalle der
Schmelzbad möglichst gut entgasen lassen, seltenen Erden bezeichnet, z. B. Cer, Ytter-
sind zum Schweißen der Aluminiumwerk- bium, Neodym), Molybdän, Nickel, Vanadium
stoffe grundsätzlich geeignet. und Silicium enthalten. Diese Legierungszu-
sätze sind in der a-Matrix in sehr geringem
Danach sind das Elektronenstrahl- und vor Umfang löslich und im festen Zustand sehr
allem das mit sehr großer Leistungsdichte diffusionsträge, d. h., sie bilden sehr die fes-
arbeitende Laserschweißen zum Verbinden tigkeitserhöhenden, sehr stabilen Dispersoi-
dünnwandiger Druckgussteile sehr gut geeig- de (Oxide und/oder Carbide). Das für Al-Fe-Le-
net. Die üblichen Schutzgasverfahren (WIG-, gierungen typische große Erstarrungsinter-
MIG-Impuls-, insbesondere aber das WPL- vall führt bei der üblichen Herstellpraxis zur
Schweißen mit positiv gepolter Elektrode) Ausscheidung grober, primärer Al3Fe-Teil-
sind bei ausreichend geringem Wasserstoff- chen in der grobkörnigen a-Matrix. Mit einer
gehalt der Druckgusslegierung ebenfalls gut sehr raschen Schmelzenabkühlung und einer
anwendbar. daran anschließenden thermomechanischen
Abschn. 5.3: Leichtmetalle (Aluminium) 545

Behandlung gelingt die Erzeugung feinster – Verbinde Gleiches mit Gleichem, ausschei-
Dispersoide ( 1 Pm), die in einer sehr feinkör- dungshärtende Legierungen werden aber
nigen, d. h. ausreichend zähen a-Matrix einge- in der Regel nie artgleich geschweißt.
lagert sind. – SG-AlSi-Legierungen sind wegen ihres
kleinen Erstarrungsintervalls und der gro-
Aufgrund der metallurgischen Besonderhei- ßen Menge niedrigschmelzender eutekti-
ten, des Fehlens tauglicher Schweißzusatz- scher Schmelze (sie kann ähnlich wie ein
werkstoffe und der extremen Neigung zur »Steiger« beim Schweißen entstehende Hohl-
Bildung wasserstoffinduzierter Poren ist die räume auffüllen) in der Regel sehr risssi-
Auswahl geeigneter Schweißverfahren für chere Zusatzwerkstoffe. Sie eignen sich
diese Legierungen relativ begrenzt. Ihr gro- aber nicht für höher magnesiumhaltige
ßes Erstarrungsintervall erfordert den Ein- Al-Legierungen wegen der Bildung der
satz möglichst leistungsdichter Verfahren, spröden Verbindung Mg2Si.
weil sich anderenfalls grobe, gleichgewichts- – Gusslegierungen des Typs G-AlMg und
nahe und damit spröde Gefüge bilden. Als be- G-AlMgSi werden mit SG-AlMg5 oder
sonders zweckmäßig erweisen sich damit das SG-AlMg4,5Mn, alle anderen genormten
(Nd-YAG-)Laser- und das Elektronenstrahl- Gusslegierungen werden mit SG-AlSi12
schweißen. oder SG-AlSi5 geschweißt.
– Zum Schweißen unterschiedlicher Alumi-
Die Erfahrung zeigt, dass bei Wasserstoffge- niumlegierungen werden Zusatzwerkstof-
halten von nur 1 ml/100 g Werkstoff extreme fe verwendet, die für die niedriger schmel-
Porenbildung im Schweißgut entsteht. Da- zende Legierung geeignet sind.
her werden die Werkstoffe bei ihrer Herstel-
lung normalerweise vakuumentgast. Ohne Die Wahl des Zusatzwerkstoffs hängt damit
diese Behandlung enthalten die Legierungen vom Grundwerkstoff, dem Ausmaß der Ver-
etwa 1 ml bis 5 ml Wasserstoff/100 g. Sie las- mischung Grundwerkstoff/Zusatzwerkstoff,
sen sich dann nur durch Kaltpressschwei- Bild 5-35, der (Heiß-)Rissneigung und der ge-
ßen oder Löten verbinden. forderten bzw. gewünschten Korrosionsbe-
ständigkeit des Schweißguts ab.
5.3.1.8 Schweißzusatzwerkstoffe
Für die fachgerechte Auswahl der Schweiß- Werkstoffe mit kleinem Erstarrungsintervall,
zusatzwerkstoffe sind eine Reihe von Krite- wie z. B. Reinaluminium und die (nah-)eutek-
rien zu beachten bzw. zu erfüllen, um die ge- tischen Aluminium-Gusslegierungen, kön-
forderten Gebrauchseigenschaften und die nen auch ohne Zusatzwerkstoff heißrissfrei
mechanischen Gütewerte der Schweißver- geschweißt werden.
bindung sicherzustellen:
– Rissfreiheit des Schweißguts und der WEZ Vor allem in den Wärmeeinflusszonen von
ist die wichtigste Forderung; Schweißverbindungen aus ausscheidungs-
– ausreichende mechanische Eigenschaften härtenden Legierungen entstehen sehr leicht
(insbesondere die (Bruch-)Zähigkeit der Wiederaufschmelzrisse. Sie lassen sich ver-
WEZ) und Korrosionsbeständigkeit der hältnismäßig sicher mit Zusatzwerkstoffen
Schweißverbindung; vermeiden, deren Schmelzpunkt niedriger
– Ausgleichen metallurgischer Mängel des ist als der des Grundwerkstoffs. Die in der
Grundwerkstoffs, besonders hinsichtlich Wärmeeinflusszone aufgeschmolzenen Be-
der (Heiß-)Rissneigung; standteile können nahezu spannungslos und
– Farbgleichheit von Grundwerkstoff und damit rissfrei erstarren, weil das Schweiß-
Schweißgut nach einer chemischen Be- gut sich noch im flüssigen Zustand befindet
handlung (Anodisieren). und kaum Schrumpfspannungen in der Wär-
meeinflusszone aufbauen kann.
Die folgenden »Grundregeln« für die fachge-
rechte Zusatzwerkstoffwahl haben sich be- Vor allem Drahtelektroden müssen nach ih-
währt: rer Herstellung in einer geeigneten Verpa-
546 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

Werkstück- Naht- Stegab-


Nahtform (Stumpfnähte)
dicke form stand b

A b B b MIG-Verfahren

1,5 A 0

s
2,5 A 0

s /4
G 3

2s 3,5 A 0 - 2,5
Temporäre
Badsicherung B 0 - 1,5
6,5 F 0 - 2,5

5 H 3,2 - 6,5
60 ° , 90 ° , 110° C 10 C - 90 ° 0 - 2,5

c = 1,5 ... 2,5


60 ° , 90 °
c = 4 ... 5

F 0 - 2,5
C D
H 6,5 - 9,5
20 C - 60 ° 0 - 2,5
F 0 - 3,2
b

90 °
c = 1,5 ... 2,5

c = 1,5 ... 2,5

E F 60 °

WIG-Verfahren
1,5 A oder B 0 - 1,5
2,5 A oder B 0 - 2,5
b b 3,5 A oder B 0 - 2,5
5 D - 60 ° 0 - 2,5
6,5 D - 60 ° 0 - 3,2
10 D - 60 ° 0 - 3,2
60 °
b
G H
c = 1,5
s
e

40 40

Permanente Badsicherung bis s = 10 mm ist e = s, für s > 10 mm ist e = 10 mm

Integrale Badsicherung (Strangpressprofile)

wenn erforderlich, Gegenlage


schweißen

Bild 5-36
Typische Schweißnahtformen für das MIG- und WIG-Schweißen der Aluminium-Werkstoffe. Die angegebenen
Zahlenwerte (in mm) beziehen sich überwiegend auf das Schweißen in waagerechter und horizontaler Schweiß-
position, in Anlehnung an DIN EN ISO 9692-3.
Abschn. 5.3: Leichtmetalle (Aluminium) 547

ckung vor der Luftfeuchtigkeit geschützt Adsorbierte Feuchtigkeit lässt sich am si-
werden. Wenn nach dem Öffnen der Verpa- chersten durch kurzzeitiges Vorwärmen auf
ckung die Temperatur des Schweißstabes etwa 120 ’C beseitigen. Trockene Oberflä-
oder der Drahtelektrode etwa 10 ’C niedri- chen mit einer möglichst dünnen Oxidschicht
ger als die Umgebungstemperatur ist, dann sind unabdingbare Voraussetzung für hoch-
kann Luftfeuchtigkeit auf der Drahtoberflä- wertige Schweißverbindungen.
che kondensieren. Die sich außerordentlich
rasch bildenden Hydroxide [Al(OH)3] sind Bild 5-36 zeigt einige typische Nahtformen
dann Ursache einer exzessiven Porenbildung für das MIG- und WIG-Schweißen der Alumi-
beim Schweißen. Vor allem die Aluminium- niumwerkstoffe. Die Nahtvorbereitung ent-
Magnesium-Legierungen sind in dieser Hin- spricht danach ungefähr der, die auch für
sicht besonders empfindlich. Stahlwerkstoffe angewendet werden. Bei Ein-
seitenschweißungen ist aber zu beachten, dass
Die Zusatzwerkstoffe sind in DIN EN 1011-4 die Oxidschicht auf der wurzelseitigen Werk-
(2001), ISO/TR 17671-4 (2002), DIN EN ISO stückoberfläche sich nicht mit dem Schutz-
18273 (2004) genormt, Tabelle 5-11 und Ta- gaslichtbogen beseitigen lässt. Abhilfe schafft
belle 5-12. ein größerer Stegabstand, aber zuverlässi-
ger ist das großzügige Brechen der Stoßkan-
5.3.1.9 Schweißpraxis ten im Wurzelbereich, Bild 5-37.

5.3.1.9.1 Vorbereitende Maßnahmen Für das einseitige MIG-Schweißen sind tem-


Alle Oberflächenverunreinigungen sind zu poräre oder permanente Badsicherungen ge-
beseitigen, um Poren im Schweißgut zu ver- bräuchlich. Bei Schweißkonstruktionen aus
meiden. Das geschieht mit mechanischen [(ro- Strangpressprofilen können die Nahtform
tierende) Bürsten aus nichtrostendem Stahl, und die Badsicherung bereits berücksichtigt
Schleifen] und wesentlich effektiver, aber werden, Bild 5-36. Gleichzeitig lassen sich An-
umweltbelastender und teurer mit chemi- schläge zum Erleichtern des Ausrichtens der
schen (Ätzen, Lösungsmittel) Methoden. Nach Fügeteile und örtliche Querschnittsvergrö-
einem Ätzen oder Waschen mit schmutzlö- ßerungen zum Ausgleich des Festigkeitsab-
senden Mitteln müssen die Teile sorgfältig falls in der WEZ anbringen (integrale Bad-
gewaschen und getrocknet werden, damit sicherung).
keine Feuchtigkeit durch den Lichtbogen zu Wurzelkanten gebrochen
Wasserstoff reduziert werden kann. Schleif-
papiere sind nicht zu empfehlen, weil die Ge-
fahr besteht, dass durch nicht vollständig be-
seitigte Schleifkörper auf der Werkstück-
oberfläche Einschlüsse im Schweißgut ent-
stehen.

Ähnlich wie bei den korrosionsbeständigen


Stählen dürfen während dieser und weiterer
Behandlungen (Handlingsvorgänge zur Vor-
bereitung, mechanische Bearbeitung der Fü-
geteile) keine Fremdmetallspäne in die sehr
a) b)
weiche Oberfläche eingedrückt werden. Diese
lassen sich nur mit chemischen Reinigungs- Bild 5-37
verfahren beseitigen. Eine Maßnahme, die Beseitigen der Oxidschicht im Wurzelbereich von
für eine optimale Korrosionsbeständigkeit Stumpfnähten durch eine spezielle Behandlung der
Nahtflanken.
unerlässlich ist. Der beim Schleifen ausge-
a) Oxidschicht wird durch ungeeignete Behandlung
übte Anpressdruck darf nur so groß sein, der Fugenflanken nicht beseitigt,
dass die abgetragenen Oxide nicht in die b) Brechen der Wurzelkanten und breiterer Stegab-
Oberfläche »eingegraben« werden. stand erzeugen fehlerfreie Wurzel.
548 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

Bei zweiseitig hergestellten Schweißverbin- bis 150 ’C vorzuwärmen, wenn die Werkstück-
dungen ist eine entsprechend vergrößerte dicken 5 mm bis 6 mm (10 mm bis 12 mm)
Steghöhe oft wirtschaftlicher. Für größere überschreiten.
Wanddicken werden die Flanken auch häu-
fig als U-Naht vorbereitet, wobei für ein siche- 5.3.1.9.2 Schweißverfahren
res Handhaben des Schutzgasbrenners aus- Die mit inerten Schutzgasen arbeitenden
reichend große Abstände der Fügeteile von- Schutzgas-Schweißverfahren (WIG, MIG)
einander vorzusehen sind. sind wegen ihrer oxidlösenden Wirkung (Rei-
nigungswirkung) zum Schweißen der Alumi-
Die Fügeteile müssen wegen des großen Wär- niumwerkstoffe (und anderer deckschichten
meausdehnungskoeffizienten wesentlich häu- bildender Werkstoffe, z. B. Titanwerkstoffe)
figer als Eisenwerkstoffe geheftet werden. hervorragend geeignet. Die Reinigungswir-
Die Toleranzen der Nahtabmessungen soll- kung ist bei positiv gepoltem Schweißstab
ten zum Einhalten der erforderlichen Bauteil- (Drahtelektrode) am größten, bei negativ ge-
abmessungen ausreichend klein sein. Umfang- poltem am geringsten, bei Wechselstrom da-
reiche Schweißarbeiten (große niederzuschmel- zwischenliegend.
zende Schweißgutmengen oder viele Schweiß-
nähte) sind einfacher mit Hilfe von mecha- Wolfram-Inertgasschweißen (WIG)
nisch, hydraulisch oder elektrisch betriebe- Dieses Verfahren wird mit Wechselstrom für
nen Spannvorrichtungen durchzuführen, die Werkstückdicken bis etwa 5 mm in jeder
zweckmäßigerweise aus nichtmagnetischen Schweißposition angewendet, Bild 4-47, S.
Werkstoffen bestehen sollten, um eine Beein- 353, und Bild 4-48. Der Lichtbogen ist eine
flussung des Lichtbogens gering zu halten. »reine« Wärmequelle, ohne jegliche Verbren-
Ein zu festes Spannen ist allerdings zu vermei- nungsgase, Dämpfe, Verunreinigungen und
den, weil insbesondere beim Schweißen der weitgehend schlackefrei. Die mechanischen
ausscheidungshärtenden Werkstoffe die durch Gütewerte und die metallurgische Qualität
Dehnungsbehinderung entstehenden Span- des Schweißguts sind hervorragend. Der Um-
nungen Risse im Schweißgut und in der WEZ fang der metallurgischen Reaktionen (Desoxi-
erzeugen können. Bild 5-38 zeigt eine Spann- dations- und Legierungsreaktionen) ist im
vorrichtung zur Aufnahme vorwiegend dün- Vergleich zu den Schlacke erzeugenden Ver-
nerer Werkstücke. fahren (z. B. Lichtbogenhand-, UP-Verfahren)
aber begrenzt. Außerordentliche Sauberkeit
Wegen der großen Wärmeleitfähigkeit, aber der Nahtbereiche ist daher eine der wichtigs-
auch der großen spezifischen Wärme, vor al- ten Forderungen, weil Reinigungsvorgänge
lem des reinen Aluminiums, empfiehlt es des Schmelzbads nur mit den Desoxidations-
sich, beim WIG-(MIG-)Schweißen auf 100 ’C mitteln des (nicht umhüllten) Schweißstabes
möglich sind.
F F
Der Zusatzwerkstoff und die Wärmequelle
sind vom Schweißer einzeln manipulierbar,
d. h., der Schweißvorgang ist hervorragend
kontrollier- und beobachtbar. Diese Eigen-
schaft macht das Verfahren zum Schweißen
der Wurzelnähte sehr geeignet. Diese Naht-
form erfordert vor allem bei Rohrschweißun-
gen eine hohe Qualifikation des Schweißers.
Schutzgas für Wurzel

Bild 5-38 Als Schutzgas wird Argon verwendet. Für


Einfache Spannvorrichtung zum Schweißen von Alu-
größere Einbrandtiefen oder (und) höhere
minium (und korrosionsbeständigen Stählen). Die
Niederhalter drücken mit der Kraft F auf die Alumi- Schweißgeschwindigkeiten werden auch Ar-
niumbleche. Die Wurzel kann mit getrennt zugeführ- gon/Helium-Gemische benutzt, weil das we-
tem Schutzgas vor Luftzutritt geschützt werden. sentlich heißere Schmelzbad das Entgasen
Abschn. 5.3: Leichtmetalle (Aluminium) 549

erleichtert und damit die Porensicherheit er- – Der Einbrand ist tiefer als bei Wechsel-
höht. Diese Gasgemische werden hauptsäch- strom,
lich mit Gleichstrom und negativ gepolter – der Lichtbogen ist auch ohne zusätzliche
Wolframelektrode verwendet. Maßnahmen sehr stabil.

Die in jüngerer Zeit entwickelten Argon/ Die Nahtflanken bzw. der Nahtbereich müs-
Stickstoff-Gemische mit Stickstoffgehalten sen sehr sauber sein, weil die oxidbeseitigen-
von etwa 150 vpm ( Volumenanteil pro Mil- de Wirkung fehlt. Die Oxidhaut wird ledig-
lion 0,0001 %) bieten wesentliche schweiß- lich als Folge der großen Wärmekonzentra-
technische und wirtschaftliche Vorteile. Der tion durch die Oberflächenspannung aus der
im Lichtbogenraum dissoziierende zweiato- Schmelze gedrückt.
mige Stickstoff rekombiniert an der Werkstoff-
oberfläche und führt dem Schweißbad da- Wegen der unterschiedlichen Emissionsfä-
durch die Dissoziationswärme zusätzlich zu. higkeit der Wolframelektrode und des verhält-
Für das WIG- und das MIG-Schweißen erge- nismäßig kalten Werkstücks entsteht beim
ben sich daraus folgende Vorteile: Schweißen mit Wechselstrom ein sog. Gleich-
– Deutlich tieferer Einbrand durch zusätz- richtereffekt, durch den die reinigende, posi-
liche Dissoziationswärme, tive Halbwelle verkleinert wird. Diese Gleich-
– konzentrierter, ruhig und stabil brennen- stromkomponente sollte daher mit Hilfe von
der Lichtbogen, Sieb- oder Filterkondensatoren beseitigt (»aus-
– geringe Porosität, gesiebt«) werden.
– höhere Schweißgeschwindigkeit bei glei-
chen Nahtabmessungen, Oxideinschlüsse in der Wurzel lassen sich
– geringere Vorwärmtemperaturen und durch Brechen der Wurzelkanten vermeiden,
– geringere »Rußbildung« neben der Naht. Bild 5-37. Sehr häufig verwendet man zum
Schweißen Badsicherungen. Sie bieten eini-
Weitere Schutzgasgemische auf der Basis ge wesentliche fertigungstechnische Vorteile,
Ar-He-N2 – z. B. 0,015 % N2, 15 % bis 50 % He, Bild 5-36:
Rest Ar – bieten ähnliche Vorteile wie Ar-N2- – Das Schmelzbad kann nicht durchbre-
Gemische. chen, die damit verbundenen Stillstand-
und Reparaturzeiten werden vermieden.
Die Schweißstromquellen sind entweder nor- – Das Wärmeeinbringen und die Schweiß-
male Schweißtransformatoren, die einen si- geschwindigkeit können deutlich größer
nusförmigen Wechselstrom liefern – in die- sein.
sem Fall ist eine Zündhilfe (Impulsgenera- – Die sonst für Wurzelschweißungen not-
tor oder andere elektronisch arbeitende Ge- wendige hohe Qualifikation des Schwei-
räte) erforderlich – oder Square-Wave-Ma- ßers ist nicht erforderlich.
schinen, die mit einem rechteckförmigen
Verlauf der Spannung arbeiten. Bei ihnen Als Werkstoff für den Badschutzstreifen kann
ist die Differenz zwischen den Zeitpunkten: Aluminium, Kupfer oder ein austenitischer
Unterschreiten der Lichtbogenbrennspan- Chrom-Nickel-Stahl verwendet werden. Kup-
nung und Wiedererreichen der Zündspan- fer und Aluminium leiten die Wärme sehr
nung nach Passieren des Nulldurchgangs so rasch ab, sie eignen sich daher gut für dünn-
gering, dass die Ladungsträger nicht mehr wandige, verzugsanfällige Bauteile. Kupfer
rekombinieren können. darf normalerweise nicht in die Schweiß-
schmelze (WEZ) gelangen, weil die Korrosi-
Das Schweißen mit minusgepolter Wolfram- onsbeständigkeit verringert wird.
elektrode (aber nur mit den Schutzgasen He
oder He/Ar mit mind. 65 % He möglich) ge- Der Lichtbogen sollte wegen der Gefahr des
winnt aus verschiedenen Gründen – vor al- Auflegierens von Schmelzbad und Elektrode
lem beim mechanischen Schweißen – zuneh- mit Wolfram sowie der Gefahr des Abschmel-
mend an Bedeutung: zens der Wolframelektrode (Einschlüsse!)
550 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

nie im Schmelzbad, sondern immer auf einem fälligkeit ergeben. Die Bilder 4-49 und 4-50,
neben der Naht mitgeführten Kupferblech S. 355, zeigen das Verfahrensprinzip und die
gezündet werden. Einfacher, sicherer und schematische Darstellung einer wasserge-
heutzutage überwiegend verwendet, sind die kühlten MIG-Schweißanlage.
in elektronisch gesteuerten Schweißstrom-
quellen heute üblicherweise vorhandenen be- Für geringere Werkstückdicken werden vor-
rührungslosen Zündeinrichtungen. zugsweise Argon, wegen der sehr viel höhe-
ren Kosten seltener reines Helium, häufiger
Metall-Inertgasschweißen (MIG) (vor allem bei größeren Blechdicken) Argon/
Schweißarbeiten an dickeren Bauteilen (s • Stickstoff-, Argon/Helium/Stickstoff-Gemi-
5 bis 6 mm) werden vorzugsweise mit dem sche verwendet. Es ergeben sich die bereits
MIG-Verfahren durchgeführt. Es wird mit für das WIG-Verfahren beschriebenen Vor-
Gleichstrom (Drahtelektrode am Pluspol) teile. Die Schweißschmelze ist wegen der für
mit Stromdichten von etwa 120 A/mm2 bis den Helium-Lichtbogen erforderlichen we-
180 A/mm2 im Sprühlichtbogenbereich ge- sentlich größeren elektrischen Leistung sehr
schweißt. Die Reinigungswirkung ist hier- heiß und dünnflüssig, der Einbrand daher
bei kontinuierlich und wirkt nicht nur wie groß, die Neigung zu Bindefehlern – vor al-
bei dem WIG-Verfahren während der positi- lem in der Wurzel – und zur Porenbildung
ven Stromhalbwellen. Der Drahtführungs- gering.
schlauch muss aus Kunststoff bestehen. In
keinem Fall darf die für die üblichen »festen« Geeignete Zusatzwerkstoffe sind in Tabelle
Metalle vorgesehene Drahtspirale verwendet 5-12 aufgeführt.
werden, weil sie die weiche Drahtelektrode
beschädigen würde. Laserschweißen
Die extreme Leistungsdichte des Laser-
Mit der Impulslichtbogentechnik ist die Art schweißverfahrens erzeugt bei den hoch wär-
des Tropfenübergangs (Tropfengröße, Trop- meleitenden Aluminiumwerkstoffen nur ge-
fenzahl, Wärmeeinbringen) in weiten Gren- ringe metallurgische Änderungen des Werk-
zen einstellbar. Damit entfällt die Notwen- stoffs, verbunden mit sehr schmalen Wärme-
digkeit, dünne (1 mm bis 1,2 mm), teure und einflusszonen, großen Einbrandtiefen und ge-
störanfällige (mangelhafte Knicksteifigkeit!) ringem Verzug. Ein weiterer großer Vorteil
Drahtelektroden verwenden zu müssen. Der ist die verhältnismäßig einfache Automati-
»einstellbare« Tropfenübergang gestattet es, sierbarkeit des Werkzeugs »Lasers«, z. B. in
die wirtschaftlichen dickeren Zusatzwerkstof- Verbindung mit ausreichend bahngenauen
fe zu wählen, die die Drahtförderschwierigkei- Robotern.
ten beseitigen und eine geringere Porenan-
Der CO2-Gaslaser ist mit hoher Strahlleis-
Nd - YAG - Laser CO 2 - Laser
0,30 tung, einer Emissionswellenlänge von 10,6 Pm
Ag Cu und einer bewährten Maschinentechnik seit
0,25
längerer Zeit verfügbar, der Laserstrahl muss
Absorption A

0,20 aber mit einem aufwändigen System von Um-


Fe Stahl lenkspiegeln geführt werden. Eine für geome-
0,15
trisch kompliziert geformte Bauteile erforder-
0,10 Al
liche dreidimensionale Bahnführung des La-
Mo sers erfordert teure, störanfällige Anlagen.
0,05

0 Der Festkörper-Laser Nd-YAG (Neodym Yt-


0,1 0,2 0,3 0,5 0,81 2 4 5 8 10 m m 20 trium-Aluminium-Granat) kann im Gegen-
Wellenlänge l satz zur längerwelligen CO2-Laserstrahlung
Bild 5-39 aufgrund seiner Wellenlänge von 1,06 Pm in
Absorption verschiedener Werkstoffe in Abhängigkeit Lichtleitern geführt werden. Damit ist die
von der Wellenlänge der Laserstrahlung. Verwendung üblicher ausreichend bahnge-
Abschn. 5.3: Leichtmetalle (Magnesium) 551

nauer Roboter möglich. Außerdem absorbiert geringste (r 1,74 g/cm3) aller metallischen
Aluminium die Strahlung des Nd-YAG-La- Werkstoffe bei bemerkenswert hoher Festig-
sers sehr viel stärker als die des CO2-Lasers, keit. Gewalztes Magnesium hat eine Zugfes-
Bild 5-39, wodurch die Reflexions- und Ein- tigkeit von etwa 200 N/mm2.
koppelprobleme verringert werden. Der Zu-
satzwerkstoff wird wie beim WIG-Schwei- Magnesium wird von Meerwasser und allen
ßen seitlich zugeführt, Bild 5-40. Mineralsäuren relativ leicht angegriffen, es
ist aber in Flusssäure mit einer Konzentra-
tion größer als 5 % beständig. Die Ursache ist
5.3.2 Magnesium und die Bildung eines völlig unlöslichen Fluorid-
Magnesiumlegierungen films auf der Werkstoffoberfläche.

Magnesium wird überwiegend aus Meerwas- Ein Kontakt mit anderen Metallen führt we-
ser gewonnen (MgCl2), es hat einen Schmelz- gen der großen elektrochemischen Aktivität
punkt von 654 ’C und ist hexagonal dichtest sehr rasch zur anodischen Auflösung dieses
gepackt. Es ist daher bei Raumtemperatur auch als »Opferanode« verwendeten Werk-
sehr schlecht, zwischen 200 ’C und 300 ’C stoffs, Abschn. 1.7.8.1, S. 103. Nahezu alle Me-
allerdings hervorragend verformbar. Unle- talle verhalten sich kathodisch zum Magne-
giertes Magnesium wird selten verwendet. sium, Tabelle 1-6. Außerdem ist zu beachten,
Legierungen mit Aluminium, Zink und Lan- dass in Magnesium nichtlösliche Legierungs-
thanoiden (z. B. La, Ce, Nd, die stark redu- elemente – vor allem Eisen, Nickel und Kup-
zierend wirken und damit Porenbildung und fer – bzw. anderen Verunreinigungen als ex-
auch die Rissneigung reduzieren) erlangen trem aktive kathodische Bereiche wirksam
aber eine ständig zunehmende Bedeutung. werden, Bild 5-41. Diese Schwermetall-Ver-
Sie sind hervorragend zerspanbar und wer- unreinigungen führen auch zu ausgeprägter
den für Sand-, Kokillen- und zunehmend auch Lochkorrosion.
für Druckguss verwendet. Ihre Dichte ist die 40
mm Fe, Ni, Co
Jahr
Korrosionsgeschwindigkeit

30

Cu
20

Ag

10
Na, Si, Pb,
Sn, Mn, Al Zn
Cd
0
1 2 3 4 % 5
Element

Bild 5-41
Einfluss von Legierungselementen und metallischen
Verunreinigungen auf die Korrosionsgeschwindigkeit
von Magnesium, bestimmt durch alternierendes Eintau-
chen in 3 %ige NaCl-Lösung, nach Hanawalt u. a.

Der große Wärmeausdehnungskoeffizient


und die große Wärmeleitfähigkeit verursa-
chen beim Schweißen ähnliche Verzugspro-
Bild 5-40 bleme wie Aluminium. Die große Kerbemp-
Schnitt durch einen Schweiß-Laserkopf, nach Kamp- findlichkeit des Magnesiums ist vor allem
mann u. a. bei Schweißkonstruktionen mit ihren charak-
552 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

teristischen Querschnittssprüngen und kons- schweißrissempfindlich, d. h., ihre Schweiß-


truktionsbedingten Kerben zu berücksich- eignung ist sehr schlecht. Die Lanthanoide
tigen. Ein ausreichend hohes Vorwärmen re- (z. B. Y, La, Ce, Nd) reduzieren die Heißriss-
duziert die rissauslösenden Schweißspannun- gefahr und verbessern die Schweißeignung.
gen sehr wirksam.
Magnesiumwerkstoffe lassen sich sehr gut
Die Magnesium-Knetlegierungen sind in mit dem WIG- und MIG-Verfahren (Sprüh-
DIN 1729-1, die Magnesium-Gusslegierun- licht-, Kurzlicht- oder Impulslichtbogen, über-
gen in DIN EN 1753 genormt. Es werden wiegend unter Argon, seltener unter Helium)
zwei Haupt-Legierungsgruppen unterschie- in ähnlicher Weise wie die Aluminiumwerk-
den, Tabelle 5-13: stoffe schweißen. Die dünnflüssige Schmelze
erlaubt nur ein Schweißen in w-(PA-), h-(PB-)
MgAlZn-/MgAlMn-Legierungen und s-(PF-) Position. Die zinkhaltigen Legie-
Diese Legierungen enthalten 6 % bis 9 % rungen sind meistens vorzuwärmen (100 ’C
Aluminium und 0,2 % bis 3,5 % Zink. Alu- bis 350 ’C, abhängig von der Werkstückdi-
minium und Zink verbessern erheblich cke und dem Verspannungsgrad). Die Werk-
die sehr schlechte Verformbarkeit des rei- stückoberflächen und eine evtl. verwendete
nen Magnesiums. Aluminiumgehalte über Vorrichtung müssen rückstandslos gesäu-
1,5 % begünstigen die Spannungsrisskor- bert werden. Dies lässt sich wirtschaftlich
rosion, d. h., die Bauteile müssen span- mit Stahlwolle (Bürsten) aus austenitischem
nungsarmgeglüht werden. Cr-Ni-Stahl oder mit einer chemischen Behand-
lung (z. B. Lösung aus 35 g Na2CO3, 57 g NaOH
Mg-Legierungen mit Lanthanoiden in 4 l Wasser) erreichen. Dabei sind vor al-
[auch genannt RE = Rare Earths (= lem die korrosionsbegünstigenden Schwer-
Seltenerdmetall): z. B. Ce, Zr]. metalle sorgfältigst zu entfernen.
Zirkonium wirkt kornfeinend und damit
festigkeitserhöhend. Diese stark desoxi- Die Gusslegierungen werden häufig repara-
dierten (Ce, Zr), sehr sauberen Werkstof- turgeschweißt (Gussfehler, Lunker, andere
fe sind recht korrosionsbeständig. Oberflächenfehler). Hierfür sind die bekann-

Der Aluminiumgehalt der MgAlZn-Legierun- Tabelle 5-13


gen (bis 9 %) verbessert die Schweißeignung Magnesium-Knetlegierungen (DIN 1729-1) und Ma-
gnesium-Gusslegierungen (DIN EN 1753).
durch Kornfeinung, während Zinkgehalte
über ein Prozent die Heißrissneigung erheb- Kurzzeichen Nummer
lich begünstigen. Die höher zinkhaltigen
Magnesium-Knetlegierungen (DIN 1729-1)
Legierungen (z. B. MgZn4/6-Typen) sind sehr
50 MgMn2 3.5200
% Mittlerer Korndurchmesser: MgAl3Zn 3.5312
0,017 mm MgAl6Zn 3.5612
40
Bruchdehnung A

0,031 mm MgAl8Zn 3.5812


0,061 mm
30 Magnesium-Gusslegierungen (DIN EN 1753)

EN-MCMgAl8Zn1 EN-MC21110
20 EN-MCMgAl9Zn1(A) EN-MC21120
EN-MCMgAl2Mn EN-MC21210
10 EN-MCMgAl6Mn EN-MC21230
EN-MCMgAl4Si EN-MC21320
0 EN-MCMgZn6Cu3Mn EN-MC32110
0 100 200 300 400 500 600 700 ° C 800 EN-MCMgZn4RE1Zr 1) EN-MC35110
Temperatur T EN-MCMgRE2Ag2Zr EN-MC65210
Bild 5-42 EN-MCMgY5RE4Zr EN-MC95310
Einfluss der Temperatur auf die Bruchdehnung von EN-MCMgY4RE3Zr EN-MC95320
Beryllium in Abhängigkeit von der Korngröße, nach 1)
RE = Seltenerdmetall (= Rare Earths)
McDonald, Eaton und Wright.
Abschn. 5.4: Hochreaktive und hochschmelzende Werkstoffe 553

ten schweiß- und fertigungstechnischen Be- Besonders empfehlenswert ist das Elektro-
dingungen einzuhalten, s. Abschn. 3.5, S. nenstrahlschweißen. Gut geeignet sind auch
268, Aufgabe 4-7, S. 483. das WIG- und das MIG-Schweißverfahren
unter Verwendung eines aus fünf Teilen Heli-
um und einem Teil Argon bestehenden Schutz-
5.3.3 Beryllium gases. Als Zusatzwerkstoff hat sich die eutek-
tische Legierung S-AlSi12 bewährt. Die Oxid-
Beryllium ist ein hdP Metall mit mechani- haut bestimmt in hohem Maße die Schweiß-
schen und physikalischen Eigenschaften, bedingungen. Vor dem Schweißen müssen
die es für den Kernreaktorbau und die Luft- die Oberflächen mit 10%iger Salzsäure oder
fahrtindustrie zu einem wichtigen Werkstoff 40%iger Salpetersäure und 5%iger Flusssäu-
machen. Es hat einen sehr geringen Ein- re gereinigt werden. Das Wärmeeinbringen
fangquerschnitt für thermische Neutronen, ist wegen der Gefahr des Kornwachstums zu
eine Dichte von nur r 1,85 g/cm3 und einen begrenzen. Verunreinigungen können Aus-
E-Modul, der viermal größer ist als der des scheidungen an den Korngrenzen bilden.
Aluminiums. Beryllium wird überwiegend
durch Sintern hergestellt. Wegen der stark toxischen Berylliumdämp-
fe und der Gefahr der Sauerstoffaufnahme
Der hexagonal dichteste Gitteraufbau, die kann das Schweißen auch in argongefüllten
daraus resultierende sehr geringe, aber stark Kammern bzw. mit dem Elektronenstrahl-
korngrößenabhängige Zähigkeit, Bild 5-42, schweißen (ES) vorteilhaft durchgeführt wer-
die hohe Sauerstoffaffinität und die extreme den. Die Breite der Grobkornzone, vor allem
Toxizität (selbst bei Hautkontakt!) sind ur- aber die Korngröße und damit die Rissnei-
sächlich für die extrem schlechte Schweiß- gung werden verringert.
eignung und die aufwändigen Handlings-
und Fertigungsmaßnahmen, die für diesen Außer Beryllium wird in zunehmendem Um-
Werkstoff zu ergreifen sind. Weiterhin ist fang die Legierung Be-38Al verwendet. Sie
die Bildung spröder intermediärer Verbin- besitzt bei einem geringeren E-Modul eine
dungen mit fast allen Elementen (außer Al, deutlich bessere Verformbarkeit und Schweiß-
Si, Ge) sehr unangenehm. eignung als Beryllium.

Ähnlich wie Aluminium und Magnesium ist


auch Beryllium mit einer sehr extrem be-
ständigen Oxidhaut bedeckt. Verunreinigun- 5.4 Hochschmelzende und
gen aller Art sind vor dem Schweißen z. B. hochreaktive Werkstoffe
mit Aceton/Methylalkohol-Gemischen oder
durch elektrolytisches Polieren der Oberflä- Die hochschmelzenden Metalle (Ta, Mo, W,
che zu beseitigen. Mechanische Bearbeitungs- Re) verbinden höchste Schmelztemperatu-
vorgänge führen häufig zu extrem ausgepräg- ren mit den niedrigsten Dampfdrücken (au-
ten Verformungszwillingen, die als Rissent- ßer Os und Ir). Diese Werkstoffe versagen bei
stehungszentren während des Schweißens einem oxidierenden Angriff i. Allg. schon bei
wirken können. mäßigen Temperaturen, weil flüchtige oder
nichtschützende Oxide entstehen. Die Metal-
Die Heißrissneigung, verursacht durch Be- le Wolfram und vor allem Molybdän bilden
gleitelemente wie Eisen und Aluminium, und z. B. die sehr flüchtigen Oxide WO3 und MoO3,
das übermäßige Kornwachstum in der WEZ Niob und Tantal die nichtschützenden Oxi-
erschweren erheblich das Schweißen von Be- de Nb2O5 und Ta2O5. Ein Einsatz bei höhe-
ryllium. Die häufig auftretenden Querrisse ren Temperaturen in oxidierenden Atmosphä-
lassen sich durch langsames Abkühlen zwi- ren erfordert daher das Aufbringen geeigne-
schen 350 ’C und 550 ’C vermeiden. In die- ter Beschichtungen – z. B. aus der Dampfpha-
sem Temperaturbereich ist Beryllium am se aufgebrachte Silicide – oder TaAl3-Beschich-
verformbarsten, Bild 5-42. tungen.
554 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

S
°C S S+ g °C °C
S

Temperatur T
Temperatur T

Temperatur T
S+ b

A xB y
1700 1700 1700
S+ b
b+ g
b
S+ b
a+ b
b
b

885 885 885


a + A xB y
a+ b
a a+ g a
b + A xB y a a+ b

Ti Al, C Ti Fe, Mn, Cr, Co, Ni, Cu, Si Ti V, Nb, Ta, Mo


a) b) c)

Bild 5-43
Typische Titan-Me Zustandsschaubilder.
a) Titanlegierungen Ti-Me mit peritektoider Umwandlung, z. B. Me: Al, C,
b) Titanlegierungen Ti-Me mit eutektoider Umwandlung, z. B. Me: Fe, Mn, Cr, Co, Ni, Cu, Si, H,
c) Titanlegierungen Ti-Me mit begrenzter Löslichkeit, z. B. Me: V, Nb, Ta, Mo.

Das Schweißen der hochreaktiven Werkstof- 5.4.1 Titan und Titanlegierungen


fe erfordert besondere Sorgfalt und die Kennt-
nis ihrer Eigenschaften. Die extreme Reak- Die günstige Kombination der mechanischen
tionsfähigkeit mit der Atmosphäre (O, N, H) Eigenschaften (r 4,5 g/cm3 bei Festigkeits-
bei Temperaturen z. T. unter 400 ’C und die werten bis Rm 1300 N/mm2), verbunden mit
dadurch mögliche vollständige Versprödung einer hervorragenden Korrosionsbeständig-
des Werkstoffs sowie der Zwang zur extre- keit machen Titan und seine Legierungen für
men Sauberkeit der Schweißstelle und der den Leichtbau, Flugzeugbau und die Raum-
Schweißzusätze beeinträchtigen das Schweiß- fahrttechnik und den chemischen Apparate-
verhalten erheblich und erhöhen den ferti- bau hervorragend geeignet. Die Eigenschaf-
gungs- und schweißtechnischen Aufwand au- ten der Titanwerkstoffe lassen sich durch Le-
ßerordentlich. gieren, Verformungs- sowie Verarbeitungs-
prozesse weitgehend verändern.
Das WIG-Verfahren unter Verwendung hoch-
a- (a + b) - Legierung b - Legierung
reiner Schutzgase und entfetteter Schweiß- Leg. metastabil stabil
°C
stäbe ist in jedem Fall eine gute Wahl. I. Allg.
Temperatur T

885
sind spezielle verfahrens- und gerätetechni- b
sche Anpassungen (z. B. großflächiger Schutz
des Schweißnahtbereichs) an die Besonder-
a+ b
heiten des jeweiligen Werkstoffs erforderlich.
Ms
Berührungslos arbeitende Lichtbogen-Zünd-
einrichtungen sind sehr zu empfehlen. Mf
a

Alle hochreaktiven Metalle sind mit einer


dichten, zähen, hochschmelzenden und sich Gehalt an b - Stabilisatoren
TiAl6V6Sn2 Ti - 15Mo - Zr - 3Al
spontan neu bildenden Oxidschicht überzo- TiAl6V4 Ti - 13V - 11Cr - 3Al
gen. Sie ist die Ursache ihrer hervorragen- TiAl5Sn2,5 Ti - 10V - 2Fe - 3Al
den Korrosionsbeständigkeit. Bild 5-44
Einfluss b -stabilisierender Legierungselemente auf
Einige Hinweise zu den Vorgängen in der das Gefüge üblicher Titanlegierungen nach deutschen
WEZ sind in Abschn. 5.1.4 zu finden. und Normen der USA, schematisch, nach Collings.
Abschn. 5.4: Hochreaktive und hochschmelzende Werkstoffe (Titan) 555

Titan ist nicht toxisch, biokompatibel und ebenso zu extremer Lochkorrosion, wie Beiz-
wegen seiner hochschmelzenden, dichten lösungen, denen zum Reinigen der Werkstück-
Oxidhaut (TiO2) gegen außerordentlich viele oberfläche eine nicht ausreichende Inhibitor-
Medien korrosionsbeständig. Es wird weder menge zugesetzt wurde.
von Seewasser und anderen Chlorsalzlösun-
gen, Hypochloriten (ClO) und Salpetersäu- Seine Kriecheigenschaften sind trotz des ho-
re – auch der rauchenden – nicht angegrif- hen Schmelzpunkts von 1670 ’C nur mäßig.
fen. Oxidierende Salze, wie z. B. FeCl3 und Die maximal zulässigen Betriebstemperatu-
CuCl2, die bei den meisten metallischen Werk- ren liegen bei etwa 600 ’C.
stoffen extreme Lochkorrosion hervorrufen,
greifen Titan nicht an. Allerdings sind eini- Unlegiertes Titan (a-Phase) wird vorzugs-
ge Besonderheiten des Titans bei einer Korro- weise für korrosionsbeanspruchte Bauteile
sionsbeanspruchung zu beachten. Im Kon- (z. B. Wärmetauscher, Tanks, Entsalzungsan-
takt mit einem korrodierenden Metall absor- lagen) in Form von Blechen verwendet, Ta-
biert das die Kathode bildende Titan Wasser- belle 5-14. Titanlegierungen werden in der
stoff und versprödet. Nicht vollständig durch Regel bei hohen Festigkeitsanforderungen
Beizen beseitigte Fremdmetallspäne führen im Flugzeugbau eingesetzt.
Tabelle 5-14
Titan und Titanlegierungen nach DIN 17850 und DIN 17851 sowie nach Normen der USA.

Titanwerkstoff Werkstoff Nr. DIN Gefüge Hinweise zur Verarbeitung und Anwendung

Titan, unlegiert

Ti1 3.7025 α
Ti2 3.7035 α Hervorragende Korrosionsbeständigkeit, erzeugt durch schüt-
17850
Ti3 3.7055 α zenden TiO2-Film. Es ist beständig gegen: Seewasser und
Ti4 3.7085 α andere Chlorsalzlösungen, Hypochlorite, Salpetersäure, oxi-
dierende Salze (FeCl3, CuCl2). Nicht beständig gegen reine
Titan, niedriglegiert H2SO4 und HCl. Titan ist nicht toxisch und biokompatibel
(für orthopädische Anwendungen geeignet).
TiNi0,8Mo0,3 3.7105 α
Ti1Pd 3.7225 α Mechanische Gütewerte: Rm ≈ 240 bis 500 mm2,
17851
Ti2Pd 3.7235 α A ≈ 15 % bis 25 %.
Ti3Pd 3.7255 α

Titan, hochlegiert

TiAl6Sn2Zr4Mo2Si 3.7145 α+β Konstruktionswerkstoffe für Anwendungen, bei denen ge-


TiAl6V6Sn2 3.7175 α+β ringes Gewicht, hohe Festigkeit und gute Verarbeitbarkeit
TiAl6V4 3.7165 α+β gefordert werden, z. B. Flugzeugbau. Nur bis etwa 400 °C ein-
TiAl6Zr5Mo0,5Si 3.7155 α+β setzbar. Sonderlegierungen z. B. Ti-1100 (1100 F = 600 °C)
17851
TiAl5Fe2,5 3.7110 α+β bis maximal 600 °C.
TiAl5Sn2,5 3.7115 α
TiAl4Mo4Sn2 3.7185 α+β Mechanische Gütewerte: Rm ≈ 700 bis 1300 mm2,
TiAl3V2,5 3.7195 α+β A ≈ 8 % bis 22 %.

Titan, hochlegiert (nach US-amerikanischen Normen)

Ti-10V-2Fe-3Al β Metastabile β-Legierungen enthalten gringe Mengen α-sta-


Ti-13V-11Cr-3Al β bilisierender Elemente. Ausscheidungen von α-Segregaten
Ti-15V-3Al-3Sn-3Cr β erhöhen Festigkeit.

Sonderlegierungen (nach US-amerikanischen Normen)

Ti-1100 (6 Al; 2,75 Sn; 4 Zr; 0,4 Mo; 0,45 Si) α Verbesserte Kriecheigenschaften, bis 600 °C einsetzbar.
Corona 5 (4,5 Al; 5 Mo; 1,5 Cr) α+β Mittlere Festigkeit bei höchster Bruchzähigkeit.
Alpha-2-Legierung: Ti-24Al-11Nb α+β Ausscheidungen von TiAl3 (= Alpha-2-Phase), TiAl (= Gam-
Gamma-Legierung ma-Phase), Ti2AlNb (orthorhombische Phase) in (α + β)-Ma-
α+β trix verbessern erheblich die Kriecheigenschaften.
Orthorhombische Legierung (Ti-Al-Nb)
556 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

Titan hat bis TU 885 ’C eine hdP Gitterstruk- – (a  b )-Legierungen bestehen bei Raum-
tur (a-Phase), darüber ist es krz (b-Phase). temperatur aus der a -Legierung und ei-
Die mechanischen Eigenschaften, weniger nem b -Volumenanteil von 5 % bis 40 %.
die Korrosionseigenschaften, lassen sich durch Diese Legierungen härten nach einem Lö-
Legieren erheblich verbessern. Die Legie- sungsglühen dicht unter der b  b  a -
rungselemente bilden EMK.e (H, O, N, C) Umwandlungstemperatur, Bild 5-44, ge-
oder SMK.e (Al, Cr, Nb, Mn, Fe, Zr, V, Pd). folgt von einem Auslagern zwischen 480 ’C
Die Legierungselemente lassen sich weiter und 600 ’C aus. Außerdem ist eine merk-
in a-stabilisierende (O, N, Al, B, C) und b-sta- liche Festigkeitszunahme nach einem kri-
bilisierende (alle anderen) Elemente, eintei- tischen Abkühlen durch Entstehen einer
len. Zirkonium und Zinn verhalten sich legie- martensitähnlichen Struktur erreichbar,
rungstechnisch »neutral«. Alphastabilisieren- Abschn. 5.4.1.1.
de Elemente erhöhen die Temperatur der al- – b -Legierungen bestehen bei Raumtem-
lotropen Umwandlung TU, betastabilisieren- peratur unabhängig von der Abkühlge-
de Legierungselemente erniedrigen sie, wie schwindigkeit aus b -MK, Bild 5-43c. Die
Bild 5-43 zeigt. Die meisten Titanlegierungen metastabilen b -Legierungen scheiden
(nicht die a -Legierungen!) sind wärmebehan- nach einer Wärmebehandlung feine a -Se-
delbar. gregate aus, die zu einer erheblichen Härte-
steigerung führen. Bei den Nah-(near-)b -
Daraus ergeben sich abhängig von dem ent- Legierungen ist der Anteil der b -stabili-
stehenden Mikrogefüge grundsätzlich vier sierenden Elemente so groß, dass sich selbst
Legierungs-Grundtypen. Bild 5-44 zeigt die bei sehr schneller Abkühlung kein Marten-
schematische Einteilung: sit mehr bildet.
– Unlegiertes, handelsüblich reines oder
palladiumlegiertes (a -)Titan. 5.4.1.1 Eigenschaften und Schweiß-
– a-Legierungen sind durch Wärmebehan- verhalten der Titanwerkstoffe
deln nicht verfestigbar und enthalten meis- Die extrem große Affinität des Titans zu Sau-
tens Aluminium, Zinn und (oder) Zirkoni- erstoff ist die Ursache für die Bildung einer
um. Die Zugabe nur sehr geringer Men- stark gütevermindernden Oxidhaut bereits
gen b-stabilisierender Elemente führt zu bei Raumtemperatur. Über 500 ’C nimmt der
den sog. Nah-(near-)Alpha-Legierungen. Oxidationswiderstand des Titans extrem ab.
Bei rascher Abkühlung aus dem b-Gebiet Die Folge ist eine starke Versprödung durch
entsteht die charakteristische sägezahn- die nun mögliche interstitielle Aufnahme
förmige Form der Korngrenzen der a-Kör- von Sauerstoff, Stickstoff und Wasserstoff
ner, Bild 5-45. aus der Atmosphäre. Der Schweißprozess

Bild 5-45 Bild 5-46


Mikrogefüge der Titanlegierung TiCu2 mit sägezahn- Widmannstättensches Gefüge (»Korbflechtgefüge«)
artiger Ausbildung der Korngrenzen, polarisiertes eines aus dem b-Gebiet schnell abgekühlten Werkstoffs
Licht, V = 100:1, nach SLV Berlin-Brandenburg. TiAl6V4, V = 200:1, nach SLV Berlin-Brandenburg.
Abschn. 5.4: Hochreaktive und hochschmelzende Werkstoffe (Titan) 557

ist daher vollständig unter einer Schutzga- weil keine die die Feinkörnigkeit erzeugen-
satmosphäre oder unter Vakuum durchzufüh- den Keime in Gestalt der nicht gelösten Ze-
ren. mentitreste des Perlits oder vergleichbarer
Teilchen vorhanden sind.
Unlegiertes Titan
Es wird vor allem bei hoher Korrosionsbean- Bei langsamer Abkühlung eines einphasigen
spruchung und geringeren Festigkeitsanfor- a-Werkstoffs aus dem b-Gebiet liegt bei Raum-
derungen verwendet. Titan ist äußerst be- temperatur ein globulares a -Gefüge vor. Bei
ständig gegen oxidierende und Chloridionen schnellem Abkühlen entsteht ein sägezahn-
enthaltende Prozessdämpfe und die meisten förmiges Gefüge, Bild 5-45, bzw. bei Legierun-
mineralischen Säuren. gen, die b -stabilisierende Elemente enthal-
ten, ein Widmannstättensches Gefüge, das
Unlegierte Titan-Werkstoffe sind sehr gut auch als »Korbflechtgefüge« bezeichnet wird,
umformbar und bei Beachtung der werkstoff- Bild 5-46.
spezifischen Besonderheiten verhältnismä-
ßig gut schweißgeeignet. Die Festigkeitswer- Alpha- und Nah-Alpha-Legierungen
te liegen abhängig von der Menge gelöster Diese Legierungen enthalten Aluminium,
interstitieller Verunreinigungen (vor allem Zinn und (oder) Zirkonium. Sie sind vor al-
Sauerstoff und Eisen) zwischen 170 N/mm2 lem für Hochtemperatur- und kryogene (wenn
und 480 N/mm2. Sie werden mit unterschied- ELI-Qualität, dann behalten sie ihre Zähig-
lichen Gehalten interstitiell gelöster Bestand- keit auch bei kryogenen Temperaturen) An-
teile (und Verunreinigungen) eingestellt. Vor wendungen geeignet. Sie sind im Gegensatz
allem Sauerstoff und Eisen sind selbst in ge- zu den Alpha- und den Beta-Legierungen
ringsten Mengen stark festigkeitssteigernd. nicht wärmebehandelbar, d. h., ihre Festig-
Der Eisengehalt sollte aber unter 0,04 % lie- keits- und Zähigkeitseigenschaften lassen
gen, anderenfalls entstehen bei Angriff von sich nicht mit einer Wärmebehandlung än-
Salpetersäure Korrosionserscheinungen im dern. Sie sind aus diesem Grunde, wegen ih-
Schweißgut. rer guten Zähigkeitseigenschaften und der
Erscheinung der allotropen Modifikation,
Trotz der Erscheinung der Allotropie ist die die das Kornwachstum in der WEZ im Ver-
Korngröße des Titans mit Hilfe einer Wär- gleich zu anderen einphasigen Werkstoffen
mebehandlung – anders als durch ein Nor- begrenzt, gut schweißgeeignet. Diese Werk-
malglühen beim Stahl – nicht veränderbar, stoffe werden überwiegend im geglühten Zu-

b® a - Übergang b® a - Übergang
885

°C b °C b
Temperatur T

Temperatur T

GB a + b b® a+ b a+ b GB a + b b® a+ b a+ b

Intergranulares a Intergranulares a
M s ( a ’)

M s ( a ’’)
GB a + a ’
GB a + a ’’

Zeit t Zeit t
a) b)

Bild 5-47
Einfluss der Legierungselemente auf das Umwandlungsverhalten von Titanlegierungen mit unterschiedlichem
Gehalt b-stabilisierender Elemente, dargestellt im kontinuierlichen ZTU-Schaubild, nach Vishnu.
a) Geringer Gehalt der b -stabilisierenden Elemente, z. B. TiAl6V4,
b) größerer Gehalt der b -stabilisierenden Elemente, z. B. Corona 5, s. Tabelle 5-14.
558 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

Bild 5-48 Bild 5-49


Martensitisches Gefüge (übersättigter a -MK) einer Mikrogefüge einer Titanlegierung TiAl6V4. Primäre
Titanlegierung TiAl6V4, Hellfeld, V = 200 : 1, nach a -Kristalle in einem feinem Gemenge aus a - und b -
SLV Berlin-Brandenburg. Phase, V = 200 :1, nach SLV Berlin-Brandenburg.

stand geschweißt. Alpha-Legierungen mit Die Morphologie der a - und b -Phase in den
geringen Mengen betastabilisierender Ele- (a  b)-Legierungen hängt sehr stark von
mente werden als Nah-Alpha-Legierungen der thermomechanischen Behandlung (TM)
bezeichnet. während der Herstellung und der Wärmebe-
handlung ab. Die sich während einer TM-Be-
Alpha-Beta-Legierungen handlung im (a  b)-Feld ausscheidende kon-
Diese Werkstoffe sind ähnlich wie die um- tinuierlich verformte a-Phase bildet nach der
wandlungsfähigen Kohlenstoffstähle wegen Rekristallisation ein fast äquiaxiales, feinkör-
der Änderung der Gitterstruktur (a  b) wär- niges Gefüge. Die Menge an GB a ist wegen
mebehandelbar. Die bei höheren Tempera- der Vielzahl der durch die Verformung entstan-
turen stabile b-Phase wird bei einem raschen denen heterogenen Keime gering. In über TU
Abkühlen nach einem martensitähnlichen thermomechanisch behandelten Legierungen
Mechanismus, bei (sehr) langsamer Abküh- scheidet sich a während des Abkühlens als
lung über Keimbildungs- und Wachstums- GB a an den Korngrenzen und als Widmann-
prozesse in die a-Phase umgewandelt. Die stättensches a (nadelförmiges Gefüge oder
martensitische Phase hat bei Legierungen »Korbflechtgefüge«, Bild 5-46) innerhalb der
mit einer geringen Menge b-stabilisierender Körner aus. Dieses Gefüge liegt bei unter-
Elemente eine hdP Struktur (a’), bei größe- kritischer Abkühlung in der Regel auch in
ren Mengen eine orthorhombische Struktur der WEZ vor.
(a’’).
Im martensitischen Gefüge, Bild 5-48, schei-
Bild 5-47 zeigt, dass mit zunehmender Men- det sich nach einer anschließenden Wärme-
ge b -stabilisierender Elemente der Beginn behandlung zwischen 480 ’C und 600 ’C die
der Umwandlung b  intergranularer a zu a-Phase in sehr feiner Form aus der b-Ma-
längeren Zeiten verschoben wird, während trix aus. Die erzielbare Festigkeitserhöhung
die Bildung des allotriomorphen a [Korn- nimmt mit der Menge der die b-Phase stabili-
grenzen-a, meistens als GB a ( Grain Boun- sierenden Elemente zu. Es ist zu beachten,
dary) bezeichnet, s. auch Abschn. 4.1.3.2, S. dass die härtbaren (a  b)-Legierungen – ähn-
318] weitgehend unabhängig vom Legierungs- lich wie auch der umwandlungsfähige Stahl
gehalt ist. Legierungen mit einem größeren – abhängig von der Werkstückdicke und dem
Gehalt b -stabilisierender Elemente neigen Wärmeeinbringen vorgewärmt und im Allge-
daher zur Ausbildung eines aus GB a beste- meinen auch wärmenachbehandelt werden
henden Korngrenzennetzwerks. müssen.
Abschn. 5.4: Hochreaktive und hochschmelzende Werkstoffe (Titan) 559

Die Zähigkeit der meisten Alpha-Beta-Le- Kristallisation der Schmelze auch von der
gierungen ist verhältnismäßig gering. Die Korngröße des schmelzgrenzennahen Gefü-
häufig eingesetzte, fast als Standard gelten- ges ab. Die Anwesenheit selbst geringer b-
de a-nahe Legierung TiAl6V4, Bild 5-49, ist Mengen behindert das Wachsen der Kristal-
wegen des geringen b-Anteils die am besten lite entscheidend.
schweißgeeignete Alpha-Beta-Legierung. Au-
ßerdem ist zu beachten, dass der bei ihr ent- In letzter Zeit wurden intensive Versuche
stehende hdP a’-Martensit relativ weich und unternommen, das Kornwachstum der b -
die Härtbarkeit dieser Legierung gering ist. Phase in der Wärmeeinflusszone metallur-
Daher besteht das Gefüge selbst bei höheren gisch zu beeinflussen. Mit elektromagneti-
Abkühlgeschwindigkeiten aus größeren An- schen Rührtechniken und dem Zusatz »kühlen-
teilen der sehr erwünschten Widmannstätten- der« Partikel (seltene Erden und Titan, sie
schen a-Phase und b. Bei den höher b-stabi- werden auch als »Microcooler« bezeichnet)
lisierten Legierungen entsteht der wesent- ist es möglich, die erwünschte nicht epitakti-
lich sprödere orthorhombische a’’-Marten- sche und auf heterogener Keimbildung beru-
sit. hende Erstarrung zu erzwingen. Der Ein-
satz in der Schweißpraxis bereitet zzt. noch
Phasenumwandlungen (a  b ) in der WEZ erhebliche Schwierigkeiten.
und im Schweißgut sind die Ursache der
schlechten Verformbarkeit der Schweißverbin- Beta-Legierungen
dungen. Daher werden Zusatzwerkstoffe ver- Diese Legierungen sind metastabil, weil in
wendet, deren b -Anteil geringer ist als der dem bis Raumtemperatur erhaltenen Beta-
des Grundwerkstoffs. Damit ist natürlich nur Gefüge Ausscheidungen der Alpha-Phase
die Schweißgutzähigkeit beeinflussbar und mit Hilfe einer Wärmebehandlung zwischen
nicht die der WEZ. 450 ’C und 650 ’C (Auslagern) erzeugbar
sind. Die Folge sind erhebliche Festigkeits-
Die mechanischen Eigenschaften der Ver- steigerungen, die technisch genutzt werden.
bindung werden hauptsächlich von der Form Außerdem ist das Verformungsverhalten bei
und Größe der b-Körner des Grundwerkstoffs Raumtemperatur besser als das der a -Legie-
und dem wirksamen Temperaturzyklus beim rungen. Allerdings sind sehr enge Prozesspa-
Schweißen bestimmt. Die b-Korngröße des rameter erforderlich, um optimale Werte zu
Schweißguts hängt hauptsächlich vom Wär- erreichen.
meeinbringen Q und wegen der epitaktischen
Die Bruchzähigkeit dieser Legierungen ist
Aluminium, Atomprozent
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
bei ähnlichem Festigkeitsniveau größer als
1800 die der Alpha-Beta-Legierungen. Die meis-
°C ten Beta-Legierungen, Tabelle 5-12, lassen
1670 S
1600
sich im geglühten oder ausgelagerten Zu-
Temperatur T

b - Ti d stand gut schweißen. Die Zähigkeitseigen-


1400
Ti Al
schaften der Schweißverbindung sind gut,
1200 ihre Festigkeit in der Regel aber recht gering.
Durch eine Wärmenachbehandlung ist ein
1000 breites Spektrum mechanischer Eigenschaf-
Ti3Al Ti Al3
885 ten in der WEZ als Folge der stattfindenden
800
a - Ti
TiAl2
Ausscheidungsvorgänge einstellbar.
660
600
a -TiAl3 Titan-Sonderlegierungen
Ti 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Al Für Anwendungsfälle, die eine höhere Kriech-
Aluminium, Massenprozent beständigkeit (bis etwa 600 ’C Betriebstem-
Bild 5-50 peratur) und (oder) Bruchzähigkeit erfordern,
Zustandsschaubild Titan-Aluminium, nach T. B. sind eine Reihe von Sonderlegierungen ver-
Massalski. fügbar bzw. in der Entwicklung:
560 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

❐ Konventionelle Legierungen, d. h. Alpha-, Segregatbildung


Alpha-Beta- und metastabile Beta-Legie- Seigerungen beeinflussen wegen der hier
rungen. Tabelle 5-14 enthält verschiedene vorliegenden vom Grundwerkstoff abweichen-
Legierungen nach dem amerikanischen den chemischen Zusammensetzung haupt-
Bezeichnungssystem. sächlich das Umwandlungsverhalten des
❐ Ausscheidungshärtende Legierungen auf Werkstoffs. Vor allem in Beta-Legierungen
der Grundlage verschiedener intermedi- können in der WEZ Bereiche entstehen, de-
ärer Phasen, Bild 5-50: ren Gehalt an b -stabilisierenden Elementen
– Ti3 Al: Alpha-2-Legierungen, die 15 % (V, Cr) so gering ist, dass eine Umwandlung
bis 25 % Aluminium und b -stabilisie- in Martensit möglich wird.
rende Elemente wie Niob und Molyb-
dän enthalten. Erstarrungsrisse
– TiAl (+ Ti3 Al ): Gamma- bzw. Duplex- Verglichen z. B. mit einigen ausscheidungs-
Legierungen (TiAl  Ti3 Al). Sie ent- härtenden Aluminiumlegierungen und den
halten 45 % bis 52 % Al. Diese Legie- austenitischen Cr-Ni-Stählen ist die Heißriss-
rungen werden vorzugsweise verwen- neigung der Titanwerkstoffe als gering ein-
det wegen ihrer größeren Zähigkeit bei zuschätzen. Lediglich bei hohen Spannungs-
Raumtemperatur und ihres größeren zuständen sind Heißrisse in Nahtmitte und
Widerstands gegen Oxidation. an den Korngrenzen der säulenförmigen b-
– Ti2AlNb: Orthorhombische Legierun- Kristalle in der WEZ von (a  b)-Legierun-
gen enthalten größere Niobmengen, gen möglich. Als Folge der großen Werkstoff-
wodurch die b-Phase erheblich stabi- reinheit und dem weitgehenden Fehlen von
lisiert wird. Sie werden unterhalb TU Ausscheidungen sind auch Wiederaufschmelz-
geschmiedet und anschließend ausge- risse relativ selten.
lagert.
Wasserstoffversprödung
Die Schweißprobleme beruhen in erster Li- Der Mechanismus entspricht grundsätzlich
nie auf den sehr unerwünschten Gefügeän- dem in Abschn. 3.5.1.6, S. 276, geschilder-
derungen bei großem Wärmeeinbringen und ten. Ein für Titan als zutreffend anerkann-
hohen Abkühlgeschwindigkeiten. Diese für ter Rissbildungsprozess geht davon aus, dass
die meisten Schweißverfahren typischen ther- sich nach Erreichen der kritischen Wasserstoff-
mischen Bedingungen führen zu einem exzes- konzentration im Bereich der Rissspitze
sivem Wachstum der b-Körner in der WEZ, Titanhydride bilden, die u. U. brechen und
d. h. zu einer geringen Zähigkeit der Schweiß- damit zusammen mit dem Druckanstieg des
verbindung. Mit geeigneten Schweißtech- gleichzeitig entstehenden molekularen Wasser-
nologien sind diese Probleme bei den kon- stoffs den weiteren Rissfortschritt erleich-
ventionellen Sonderlegierungen beherrsch-
bar. Bei den »intermediären Legierungen« kristallisierende Schmelze
Dendriten
ist der Kenntnisstand zzt. noch sehr be-
grenzt. An der Entwicklung erfolgverspre-
chender Technologien wird aber intensiv ge-
arbeitet.
Mikropore
5.4.1.2 Metallurgisch bedingte
Schweißnahtdefekte
Eine Reihe vorwiegend werkstoffabhängiger
Defekte, die im Schweißgut und der WEZ
entstehen, können die Bauteilsicherheit er-
heblich beeinträchtigen, sie müssen daher
Bild 5-51
vermieden bzw. ihre Wirkung muss gering ge- Mechanismus der Mikroporenbildung zwischen b -
halten werden. Die wichtigsten werden im Titan-Dendriten während der Kristallisation, nach
Folgenden genannt. Baeslack III, Davis, Cross.
Abschn. 5.4: Hochreaktive und hochschmelzende Werkstoffe (Titan) 561

tern. Nach der Rissbildung lösen sich die Hy- 5.4.1.3 Schweißpraxis
dride und der freiwerdende Wasserstoff be- Die Titan-Werkstoffe können mit den meis-
ginnt wieder an die neugebildete Rissspitze ten Verfahren geschweißt werden. Ungeeig-
zu diffundieren. net sind Verfahren, die Pulver (freigesetzte
Gasmenge!) erfordern, wie z. B. das UP-Ver-
Wasserstoffkonzentrationen in der Größen- fahren, hervorragend geeignet ist das WIG-
ordnung von 200 ppm führen – andere inter- Verfahren. Abgesehen von dem weitaus größe-
stitiell gelöste Verunreinigungen verringern ren fertigungs-, gerätetechnischen und damit
allerdings diesen Grenzwert – zu einer Was- wirtschaftlichen Aufwand zum Fernhalten
serstoffversprödung. der Atmosphäre ähneln die Schweißeinrich-
tung und die Schweißvorschriften denen, die
Ductility Dip Cracking (DDC) auch bei den korrosionsbeständigen Stählen
Das Gefüge verschiedener vorwiegend der zu verwenden bzw. zu beachten sind, Abschn.
(a  b)-Legierungen ist nach einer Abküh- 4.3.7, S. 414.
lung aus dem b -Gebiet im Temperaturbe-
reich zwischen 750 ’C und 850 ’C merklich Unlegiertes Titan und alle a-Legierungen
versprödet. Es neigt bei gleichzeitig einwir- sind bei Beachtung der werkstofftypischen
kender hoher Spannung zur interkristalli- und metallurgischen Besonderheiten gut
nen Rissbildung. schweißgeeignet. Das gilt auch für die a-na-
he Legierung TiAl6V4. Mit zunehmendem
Diese Risserscheinung wurde allerdings bis- b-Anteil versprödet aber gravierend die Wär-
her nur bei Werkstoffuntersuchungen, nicht meeinflusszone, d. h., die Schweißeig nung
aber in Schweißverbindungen festgestellt. nimmt deutlich ab. Die Werkstoffe werden
Die in üblichen Schweißverbindungen entste- gewöhnlich im geglühten bzw. lösungsgeglüh-
henden Eigenspannungszustände sind für ten Zustand geschweißt. Die Zusatzwerkstof-
eine Rissentstehung offenbar unzureichend. fe (nach DIN 1737-1, DIN EN ISO 24034 bzw.
ISO 24034) sind artgleich zu wählen, Tabel-
Porenbildung le 5-15.
An der Phasengrenze Schweißschmelze/Den-
drit reichern sich die gelösten Gase (O, H) Das WIG-Schweißverfahren ist besonders
zwischen den kristallisierenden Dendriten gut geeignet. Der Taupunkt der Schutzgase
durch Ausscheiden aus den Dendriten an, (d. h. sein Feuchtgehalt) sollte bei  60 ’C lie-
Bild 5-51. Nach Erreichen einer kritischen gen. Es werden vorzugsweise Argon und Ar-
Konzentration bildet sich molekulares Gas, gon/Helium-Gemische (75 Ar/25 He) verwen-
das in den interdendritischen Zwischenräu- det, reines Helium wegen des schlechter kon-
men als Pore eingeschlossen ist oder an die trollierbaren und weniger stabilen Lichtbo-
Schweißnahtoberfläche aufsteigen kann. gens seltener. Die Schweißarbeiten können
Tabelle 5-15
Schweißzusatzwerkstoffe für Titan und Titan-Palladiumlegierungen, nach DIN EN ISO 24034.

Legierungs-Kurzzeichen Chemische Zusammensetzung in Prozent

Nummerisch Chemisch C O N H Fe Sonstige

S Ti 0100 Ti99,8 0,03 0,03 bis 0,10 0,012 0,005 0,08 –

S Ti 0130 Ti99,3 0,03 0,18 bis 0,32 0,025 0,008 0,25 –

S Ti 2253 TiPd0,06 0,03 0,03 bis 0,10 0,012 0,005 0,08 Pd: 0,04 bis 0,08

S Ti 2403 TiPd0,06A 0,03 0,08 bis 0,16 0,015 0,008 0,12 Pd: 0,04 bis 0,08

S Ti 4810 TiAl8V1Mo1 0,08 0,12 0,005 0,01 0,30 Mo: 0,75 bis 1,25

S Ti 6329 TiAl3V2,5 0,03 0,08 bis 0,12 0,020 0,008 0,25 –

S Ti 6400 TiAl6V4 0,05 0,12 bis 0,20 0,030 0,005 0,22 –


562 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

in Schutzgaskammern oder mit Vorrichtun- 5.4.2 Molybdän und


gen erfolgen, die die Werkstoffoberflächen si- Molybdänlegierungen
cher vor Gasaufnahme schützen, wie es Bild
5-52 beispielhaft zeigt. Der krz Gitteraufbau, der hohe Schmelzpunkt
(2610 ’C), die ausgeprägte Neigung zur Grob-
kornbildung in der Wärmeeinflusszone und
die sehr geringe Verformbarkeit erschweren
die schweißtechnische Verarbeitung von Mo-
lybdän erheblich. Bemerkenswert ist der sehr
große E-Modul, der bei etwa 340000 N/mm2
liegt.

Molybdän ist sehr beständig gegen Flusssäu-


re, Salzsäure und Schwefelsäure, ein Angriff
oxidierender Medien (z. B. HNO3) führt aber
zu seiner raschen Zerstörung.

Stickstoff, Kohlenstoff, und vor allem Sauer-


stoff verspröden Molybdän selbst in gerings-
ten Mengen ganz extrem wie Bild 5-53 an-
schaulich zeigt.
Bild 5-52
Schweißvorrichtung zum Schweißen hochreaktiver
Werkstoffe, wie z. B. Titan und Titanlegierungen, Wegen der großen Neigung zur Adsorption
siehe auch Bild 5-38. von bzw. Reaktion mit Sauerstoff und dem
damit verbundenen erheblichen Verlust der
Wie bei allen hochreaktiven Werkstoffen ist Zähigkeit können Molybdän und alle ande-
eine gründliche Reinigung aller beim Schwei- ren hochschmelzenden Metalle nur bei mäßi-
ßen auf mehr als etwa 200 ’C erwärmten Be- gen Temperaturen in nichtoxidierender Atmo-
reiche und der Zusatzwerkstoffe von größ- sphäre verwendet werden. Die Oxidation von
ter Wichtigkeit. Dieses kann mit chemischen Molybdän beginnt oberhalb 500 ’C, sie wird
(z. B. Beizen) oder mechanischen Mitteln über 778 ’C – der eutektischen Temperatur
(Bürsten aus Cr-Ni-Stahl oder Titan) gesche- von Mo2O-MoO – sehr stark beschleunigt.
hen. Die Beizen müssen so eingestellt wer-
den, dass weder Wasserstoff (Gefahr der Bil- Aus diesen Gründen wird Molybdän am si-
dung versprödender Titanhydride) noch Chlor chersten in Schutzgaskammern mit dem
(Spannungsrisskorrosion) aufgenommen wer- 300
den können.
°C
Sauerstoff
Übergangstemperatur (Biegung) Tü

200
Der Erfolg dieser abschirmenden Maßnah-
Stickstoff
men ist an der Anlauffarbe erkennbar. Eine
100
schwach gelbliche Färbung der Bereiche ne- Kohlenstoff
ben der Naht deutet im Allgemeinen auf eine
0
sehr geringe, eine zunehmende Dunkelfär-
bung (bläulich bis bräunlich) auf eine unzu-
lässige Gasaufnahme während des Schwei- - 100

ßens hin. Die daraus resultierende Versprö-


- 200
dung ist vereinfacht, aber ausreichend pra-
0 0,01 0,02 0,03 % 0,04
xisgerecht mit der Härtezunahme der schmelz- Menge
grenzennahe Bereiche beurteilbar. Als noch
Bild 5-53
zulässiger Härteanstieg in der Wärmeein- Einfluss von Sauerstoff, Stickstoff und Kohlenstoff
flusszone und im Schweißgut wird 35 HV bis auf die im Biegeversuch festgestellte Übergangstem-
50 HV angesehen. peratur von Molybdän, nach Olds und Rengstorff.
Abschn. 5.4: Hochreaktive und hochschmelzende Werkstoffe (Molybdän und Zirkonium) 563

WIG-Verfahren (Gleichstrom, minusgepolte 5.4.3 Zirkonium und


Elektrode) geschweißt. Verfahren mit großer Zirkoniumlegierungen
Leistungsdichte sind günstig, weil die für
die mechanischen Eigenschaften und die Zirkonium ähnelt in vielen Beziehungen dem
Rissneigung entscheidende Korngröße der Titan und den austenitischen Cr-Ni-Stäh-
schmelzgrenzennahen Gefüge begrenzt wird. len. Es hat bei Raumtemperatur ein hexa-
Beim Schweißen gesinterter Molybdänlegie- gonal dichtest gepacktes Gitter (a-Phase),
rungen werden Gase (z. B. Sauerstoff!) frei, das über 865 ’C in eine krz Gitterform (b-
die zur Porenbildung und extremer Versprö- Phase) umwandelt und zählt zu den Schwer-
dung führen, Bild 5-53. metallen. Trotz seiner kubisch-raumzentrier-
ten Gitterstruktur besitzt es eine große Zähig-
Wegen der Rissempfindlichkeit als Folge des keit, auch bei tiefen Temperaturen. Der Wär-
kubisch raumzentrierten Gitteraufbaus und meausdehnungskoeffizient gering, d. h. der
der im Bereich der Raumtemperatur liegen- Verzug beim Schweißen ist klein. Geringste
den Übergangstemperatur der Schlagzähig- Mengen gelösten Sauerstoffs und Stickstoffs
keit werden die Fügeteile häufig mäßig vorge- führen bei diesem hochreaktiven Werkstoff
wärmt, das Wärmeeinbringen muss dann zu einer oft extremen Versprödung. Die zum
aber möglichst gering sein, um das Kornwachs- Schweißen verwendeten Schutzgase müssen
tum in der Wärmeeinflusszone und im Schweiß- daher sehr rein sein (99,996 % Ar oder Tau-
gut zu begrenzen. Bild 5-54 zeigt einen Hori- punkt  65 ’C).
zontalschliff einer fehlerfreien elektronen-
strahlgeschweißten Verbindung (gepulster Als Folge des kleinen E-Moduls sind die beim
Strahl) aus 1 mm dicken Molybdänblechen. Schweißen entstehenden Eigenspannungen
gering, ebenso wie der Verzug wegen des klei-
nen Wärmeausdehnungskoeffizienten. Zir-
konium hat eine große Löslichkeit für seine
eigenen Oxide, daher sind Einschlüsse kaum
zu befürchten.

Zirkonium ist ein sehr sauerstoffaffines, hoch-


reaktives Metall, wodurch sich spontan dich-
te, selbstheilende Oxidschichten bilden, die
das Metall vor chemischen Angriff bis etwa
300 ’C schützen. Zirkonium ist daher gegen
die meisten Mineralsäuren, organischen Säu-
ren, nahezu alle Alkalien und geschmolzenen
Salze praktisch korrosionsbeständig. Es ist
gegen Salzsäure in allen Konzentrationen
bis oberhalb ihres Siedepunktes vollständig
beständig. In sauren Lösungen, die Chlorid-
ionen enthalten, ist Zirkonium (neben Tan-
Bild 5-54
Horizontalschliff einer elektronenstrahlgeschweißten tal) das spaltkorrosionsbeständigste Metall.
(gepulsten) Verbindung aus 1 mm dicken Molybdän- In der Verfahrenstechnik und der petrochemi-
blechen, V = 100:1. schen Industrie wird es daher trotz seines
hohen Preises zunehmend eingesetzt. Zirko-
Die wichtigsten Legierungstypen sind: nium wird aber von HF, FeCl3, CuCl2, Königs-
❐ Mo-0,5Ti, wasser und konzentrierter H2SO4 angegrif-
❐ Mo-0,5Ti-0,1Zr ist die bekannteste Legie- fen.
rung, die im amerikanischen auch TZM
[Tungsten ( Wolfram) – Zirconium – Mo- Im Kernreaktorbau werden Zirkoniumlegie-
lybdenum] genannt wird. rungen wegen ihres geringen Einfangquer-
❐ Mo-50Re. schnitts für thermische Neutronen verwen-
564 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

det. Diese auch Zircaloys genannten Werk- Zirkonium kann nur mit sich selbst oder an-
stoffe für den Reaktorbau, die als Hüllrohre deren hochreaktiven Metallen (z. B. Ti, Nb,
von Uranbrennstäben verwendet werden, Ta) verschweißt werden. Eine Verbindung
dürfen kein Hafnium enthalten, weil dieses mit den meisten anderen Werkstoffen ist
Element im Gegensatz zu Zirkonium einen nicht möglich, weil sich spröde intermediä-
sehr großen Einfangquerschnitt für thermi- re Phasen bilden. Daher ist auch die Anzahl
sche Neutronen hat. Die Gehalte an Hafnium geeigneter Legierungselemente (Hf, Nb) sehr
( 0,010 %) und Verunreinigungen sind daher begrenzt.
im Vergleich zu den handelsüblichen Quali-
täten sehr gering.
5.4.4 Tantal und Tantallegierungen
Diese Werkstoffe werden mit dem WIG-Ver-
fahren unter Verwendung thorierter Wolf- Tantal ist krz, erfährt keine allotropen Än-
ramelektroden geschweißt. Wegen der extre- derungen und hat einen Schmelzpunkt von
men Reaktionsfähigkeit des Zirkoniums muss 3000 ’C und zählt zu den Schwermetallen.
der Schweißbereich sorgfältig vor Luftzu- Trotz seines kubisch-raumzentrierten Gitter-
tritt geschützt werden. Die für Titan verwen- aufbaus bleibt Tantal bis zum Siedepunkt
deten Schweißvorrichtungen, Bild 5-49, sind des Heliums verformbar. Tantal ist vor allem
damit ebenfalls geeignet. Werkstoffbereiche, in starken Säuren bei Temperaturen bis zum
die während des Schweißens auf mehr als Siedepunkt – neben Zirkonium als nahezu
480 ’C erwärmt werden, sind vor der Berüh- einziges Metall sogar in HCl – hervorragend
rung mit Luft zu schützen. korrosionsbeständig. Der Grund ist die Bil-
dung eines extrem beständigen schützenden
Die Zusatzwerkstoffe sind artgleich. Sie soll- Oxidfilms (Ta2O5) bei anodischen bzw. oxi-
ten ebenso wie die Schweißstelle sorgfältig dierenden Bedingungen. Es oxidiert aber
gesäubert werden. Ein Vorwärmen ist we- bei Temperaturen über 350 ’C und verliert
gen der ausreichenden Verformbarkeit nicht dadurch seine Korrosionsbeständigkeit. Bild
erforderlich, gleiches gilt für eine Wärmenach- 5-55 zeigt stellvertretend das Korrosionsver-
behandlung. halten des Tantals in HCl im Konzentrations-
bereich von 1 % bis 35 % in Abhängigkeit
200 von der Temperatur. Die angelegten Felder
° C
entsprechen einer Korrosionsgeschwindig-
175
keit  0,025 mm/a.
Temperatur T

H-Versprö-
dung möglich
Wenn in diesem Bereich von T,c HCl bean-
150 sprucht, sind Korrosionstests erforderlich
Auf der Werkstoffoberfläche lässt sich ein
125
Siedepunktskurve
sichtbarer Oxidfilm durch anodisches Oxi-
dieren in verdünnter Phosphorsäure erzeu-
100 gen. Seine große Dielektrizitätskonstante
behindert extrem das Entstehen/Fließen von
75
Korrosionsströmen vom Tantal zum Elektro-
50
lyten, wenn das Metall Anode eines Korro-
In diesem Bereich von T und c HCl ist sionselementes ist. Die sehr große Stabilität
Tantal völlig korrosionsbeständig
25 des Oxidfilms und seine große Permittivität
macht Tantal sehr geeignet zum Herstellen
0 der sehr teuren »Tantalkondensatoren«.
0 5 10 15 20 25 30 % 35
Konzentration der HCl c HCl
Aufgrund seiner hervorragenden Korrosions-
Bild 5-55 beständigkeit gegenüber einer Vielzahl von
Korrosionsverhalten von Tantal in Salzsäure bei unter-
Medien in weiten Bereichen der Konzentra-
schiedlichen Temperaturen und Konzentrationen. Die
Korrosionsbedingungen in den grau angelegten Feld- tion und der Temperatur wird Tantal vor-
ern entsprechen einer Korrosionsgeschwindigkeit von wiegend als Konstruktionswerkstoff in der
< 0,025 mm/a, nach Stern und Bishop. Chemie-Technik verwendet.
Abschn. 5.4: Hochreaktive und hochschmelzende Werkstoffe (Tantal) 565

Die chemischen Eigenschaften des Tantals Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Was-
ähneln sehr denen von Glas. Es ist ähnlich serstoff bilden mit Tantal versprödende inter-
wie Glas gegen alle Säuren (außer konzen- mediäre Phasen. Der Gehalt der interstiti-
trierter HF!) beständig. Ergebnisse von Unter- ellen Elemente sollte unter 100 ppm liegen.
suchungen, die im Labor aus Elementen aus Die Schweißeignung von Tantal gilt als bes-
Glas durchgeführt wurden, lassen sich daher te aller hochschmelzenden Metalle.
auf die zu erwartenden Reaktionsabläufe
von aus Tantal bestehenden Bauteilen über- Das WIG-Schweißen in Schutzgaskammern
tragen. Es verhält sich wegen seiner elekt- ist das sicherste Verfahren, um mit dem Grund-
ropositiven Stellung im System der Standard- werkstoff vergleichbare mechanische Eigen-
potenziale im Kontakt mit anderen Metal- schaften der Schweißverbindung zu errei-
len meistens kathodisch. Der durch die ka- chen. Das Wärmeeinbringen sollte begrenzt
thodische Reduktion entstehende atomare werden, die Schweißgeschwindigkeit groß
Wasserstoff kann zur Wasserstoffversprö- sein. Ein Vorwärmen ist nicht erforderlich.
dung des Tantals vor allem bei einem Angriff Damit lässt sich die Bildung der sehr un-
durch Salzsäure (! 150 ’C) und Schwefelsäu- erwünschten großen, säulenförmigen Kör-
re (! 250 ’C) bei höheren Temperaturen füh- ner in der WEZ weitgehend vermeiden. We-
ren. Diese Form der Lokalkorrosion ist vor gen des hohen Schmelzpunktes von Tantal
allem bei hohen Betriebstemperaturen sehr und der damit verbundenen Gefahr ihres Auf-
gefürchtet und weit gefährlicher als die gleich- schmelzens sind Schweißbadsicherungen aus
mäßig abtragende Korrosion. Die Ursache Kupfer unzulässig.
ist die Bildung spannungsinduzierter Hyd-
ride. Tantal wird mit Wolfram, Molybdän und Haf-
nium legiert. Einige Tantallegierungen nach
In der Chemie-Technik muss daher in korro- US-amerikanischer Bezeichnungsweise sind
sionsbeanspruchten Mischkonstruktionen im Folgenden aufgeführt:
aus Tantal und einem anderen unedleren Me- – Ta-2,5W-0,15Nb (Tantaloy 63),
tall (z. B. unlegierter Stahl) das Tantal wegen – Ta-5W-2,5Mo,
der Gefahr der Wasserstoffversprödung die – Ta-10W,
Anode dieser galvanischen Zelle sein, was – Ta-9,6W-2,4Hf-0,01C.
durch entsprechende Maßnahmen sicherzu-
stellen ist. Das kann u. a. durch eine vollstän- Wolfram-, vor allem aber Molybdän- und Rhe-
dige elektrische Isolation der Tantal-/Metall- niumzusätze, verringern die Korrosionsge-
oberfläche, durch ein Anodisieren der Tantal- schwindigkeit (3 Tage in H2SO4 bei 250 °C)
oberfläche oder durch die Zugabe ausgewähl- und die Wasserstoffabsorption. Die Schweiß-
ter oxidierender Stoffe geschehen. Als zusätz- güter in Verbindungen aus Tantallegierun-
licher Schutz ist das Anschließen des Tan- gen mit einem Gesamtlegierungsgehalt un-
tals an den Pluspol einer Gleichstromquelle ter 10 % sind ausreichend zähe, solche mit
von etwa 15 V empfehlenswert. mehr als 13 % spröde.
566 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

kühlung von der Lösungsglühtemperatur bil-


5.5 Aufgaben zu Kapitel 5 dende sehr große Leerstellendichte, s. Bei-
spiel 5-1, S. 513. Sie bleibt bei der niedrigen
Bildungstemperatur ( Auslagertemperatur)
der GP-Zonen erhalten und kann so die Ent-
Aufgabe 5-1: stehung einer hohen Leerstellenkonzentra-
Es sind die Ausscheidungsvorgänge in übli- tion effektiv begünstigen.
chen ausscheidungshärtenden Al-Cu-Legie-
rungen (Cu £ 4 %) mit Hilfe des ZTU-Schau- Wegen der unterschiedlichen Atomdurchmes-
bildes, Bild A5-1, zu erklären. Einige metall- ser der Kupfer- und Aluminiumatome ent-
physikalische Grundlagen hierzu sind in Ab- stehen scheibenförmige GP-Zonen, die die ge-
schn. 5.3.1.6, S. 537, zu finden. ringsten Grenzflächenenergien aufweisen.
Bei gleichen Atomdurchmessern ergeben sich
Nach einem ausreichend raschen Abkühlen etwa kugelförmige GP-Zonen, wie z. B. bei
von der Lösungsglühtemperatur (O 540 ’C) Al-Ag-Legierungen.
ist die Legierung (L) mit Kupfer übersättigt.
Ein anschließendes Auslagern unter etwa Der mittlere Abstand der GP-Zonen vonein-
170 ’C führt sehr rasch zur Bildung kohä- ander beträgt l, s. Bild 2-37, S. 162, d. h., der
renter, kupferreicher GP-Zonen, Bild A5-1a, mittlere Diffusionsweg der gelösten Atome
die eine sehr geringe Grenzflächenenergie ist l /2. Daraus lässt sich ein Schätzwert des
besitzen. Diese Ausscheidungsform wird im effektiven Diffusionskoeffizienten Deff für die
deutschen Sprachraum meistens GP I-Zone sich in der Zeit t bildenden GP-Zonen berech-
genannt. Die GP-Zonen entstehen in kürze- nen. Mit Gl. [1-12], S. 40, ergibt sich für Deff:
ren Zeiten als jede andere Ausscheidungs- l l2
form, wie Bild A5-1b zeigt. Die Keimbildungs- xm = = Deff ◊ t , d.h. Deff = .
geschwindigkeit muss daher sehr groß, d. h. 2 4◊ t
die Teilchengröße sehr gering sein. Die Ur- Deff ist wesentlich größer als der Wert, der
sache ist die sich während der raschen Ab- sich auf Grund der Höhe der Auslagertempe-
L ratur (rechnerisch) ergeben würde. Der beob-
TLös
achtete Unterschied ist auf die stark diffu-
sionsbegünstigende Wirkung der großen Leer-
a T4 = 460 Q
stellendichte zurückzuführen. In der Pra xis
Temperatur T

Q °C
können sich bei größeren, geometrisch kom-
Q ’ T3 = 420 Q ’ pliziert geformten Bauteilen beim Abschre-
cken von der Lösungsglühtemperatur sehr
unterschiedliche Abkühlgeschwindigkeiten
Q ’’ T2 = 190 Q ’’
im Bauteil ergeben, d. h. sehr unterschiedliche
(GP II) Leestellendichten und damit unterschiedliche
Ausscheidungsbedingungen.

GP T1 = 150
(GP I) GP - Zonen Vor allem die geometrisch stark gestörten
Korngrenzenbereiche sind neben den Verset-
Al Cu Ausscheidungszeit t zungen Orte, die Leerstellen »vernichten«.
a) b)
In diesen Bereichen ist daher die Leerstel-
Bild A5-1 lendichte und damit die Ausscheidungsdich-
Ausscheidungsvorgänge in Al-Cu-Legierungen. te meistens merklich geringer als im Korn-
a) Al-Cu-Zustandsschaubild mit Löslichkeitslinien inneren.
der einzelnen metastabilen Phasen.
b) Isothermes Zeit-Temperatur-Umwandlungsschau-
Mit zunehmenden Auslagertemperaturen
bild (ZTU) für die Legierung L. Die Legierung wird
von TLös auf Raumtemperatur abgeschreckt und entstehen noch verschiedene Übergangspha-
anschließend bei verschiedenen Temperaturen Ti sen, bevor sich die Gleichgewichtsphase 4
ausgelagert. ( Al2Cu) bildet:
Abschn. 5.5: Aufgaben zu Kapitel 5 567

– 4” (GP II-Zonen) hat ein tetragonales Git- Die im Vergleich zu Bild 5-32 deutlich grö-
ter, ist kohärent und erzeugt damit eine ßere Auslagerzeit zeigt, dass beim Ausschei-
merkliche Gitterverzerrung. dungshärten außer der Diffusion noch weite-
– 4’ ist eine tetragonale, teilkohärente Nicht- re weitaus effektivere Transportmechanis-
gleichgewichtsphase mit der ungefähren men wirksam sein müssen. Die während des
Zusammensetzung Al2Cu. Abschreckens vorhandene große Leerstel-
lendichte begünstigt die Diffusion sicherlich
Die inkohärente Gleichgewichtsphase 4 hat am stärksten, s. a. Aufgabe 5-1.
ein kompliziertes, raumzentriertes tetrago-
nales Gitter. Sie entsteht vorwiegend an Korn-
grenzen oder an 4’/Matrix Phasengrenzflä- Aufgabe 5-3:
chen. Die festigkeitssteigernde Wirkung ist Das Erstarrungsintervall der Legierung AlMg3
in der Regel am größten, wenn ein bestimm- beträgt etwa 35 ’C, wie z. B. aus Bild 1-65,
tes Verhältnis von 4” und 4’ vorliegt, s. Bild S. 54, zu entnehmen ist. Die Schweißgeschwin-
5-32, S. 538. digkeit v soll etwa 0,5 cm/s betragen, der Diffu-
sionskoeffizient D = 3,5◊10-5 cm2/s. Es ist der
für eine ebene Erstarrung in Schweißnahtmit-
te erforderliche Mindest-Temperaturgradient
G (’C/cm) zu berechnen.

Die Lösung kann mit dem im Buch besproche-


Aufgabe 5-2: nen Stoff allein nicht gefunden werden. Im
Beim Ausscheidungshärten ist die Diffusion Folgenden werden die hierfür erforderlichen
der geschwindigkeitsbestimmende Vorgang. physikalisch-mathematischen Zusammenhän-
Die Auslagerzeit bei einer Al-Cu-Legierung ge abgeleitet. Siehe hierzu auch die Ausfüh-
(4 % Cu) zum Erreichen des Härtemaximums rungen zur konstitutionellen Unterkühlung,
beträgt t190 = 25 h bei einer Auslagertempera- Abschn. 1.4.1.2, S. 27.
tur von T190 = 190 ’C. Wie groß muss t130 bei
T130 = 130 ’C sein? S. a. Bild 5-32, S. 538. Bild A5-2a zeigt ein Teil-Zustandsschaubild
A-B. Die Temperatur der Legierung der Zu-
Gegeben sind: sammensetzung c0 beträgt an der Phasen-
QCu Al 142 000 J/mol, R 8,314 J/K ¹ mol. grenze flüssig/fest zu einem bestimmten Zeit-
Die Ergebnisse sind gleich, wenn gilt: punkt T T 0. Die A-reichen Mischkristalle
(F) erstarren mit der Geschwindigkeit R. Die
D130 ¹ t130 D190 ¹ t190 , d. h. Kristallisation führt zu einer Anhäufung der
B-Atome an der Phasengrenze mit dem Kon-
D190 zentrationsprofil cS (x), Bild A5-2b. Die Zu-
t130 = t190 ◊ . [A5-1]
D130 sammensetzung der festen bzw. flüssigen
Phase an der Phasengrenze beträgt cF0 bzw.
Mit Gl. [1-11], S. 38, cS0. Aus dem Verlauf der Gleichgewichtstempe-
raturen [TLi f(cS)] des Zustandsschaubildes,
Ê Q ˆ Bild A5-2a, lässt sich das Profil T(x) ermit-
D = D0 ◊ exp Á - CuÆ Al ˜
Ë RT ¯ teln, Bild A5-2c. Der wirkliche Verlauf der Li-
quidus- und Solidustemperatur wurde hier
erhält man aus Gl. [A5-1]: durch mathematisch leichter handhabbare
gerade Linien angenähert (die Begründung
È Q Ê 1 1 ˆ˘
t130 = t190 ◊ exp Í - CuÆ Al ◊ Á - s. weiter unten). Wenn an der Phasengren-
Ë ˜˙
Î R T190 T130 ¯ ˚ ze ein örtliches Gleichgewicht besteht und
keine Diffusion in der festen Phase stattfin-
È 142 000 Ê 1 1 ˆ˘
t130 = 25 ◊ exp Í ◊Á - ˜¯ ˙ det, kann man zeigen, dass der Temperatur-
Î 8 , 314 Ë 403 463 ˚ gradient G an der Phasengrenzfläche (x 0)
t130 = 25 ◊ exp (5 ,47) O 5937 h O 273 d. beträgt:
568 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

R ◊ mS 0 D 3,5¹105 cm2/s, 'T 35 ’C, v R 0,5 cm/s


d TLi ( x )
dx x =0
=G=-
D
( )
◊ cS - cF . [A5-2]
0
(gilt für Schweißnahtmitte, s. Abschn. 4.1.1.1,
S. 300, und Gl. [4-1], S. 301) den für eine ebe-
Eine konstitutionelle Unterkühlung unter- ne Erstarrung erforderlichen Mindest-Tem-
bleibt, wenn G bei x 0 Tangente an die Li- peraturgradienten G:
quidustemperaturkurve wird, Bild A5-2c:
DT 0, 5 ◊ 3 5 ◊ 105 È cm s ˘
G m
(
≥ - S ◊ cS - cF .
0 0
) [A5-3]
G ≥ R◊
D
=
3 ,5 ÍÎ s ◊ ∞C ◊ cm 2 ˙˚
R D
∞C
Mit dem sog. Gleichgewichtsverteilungsver- G ≥ 5 ◊ 105 .
cm
hältnis k, der bei einer bestimmten Tempe-
ratur das Verhältnis der Zusammensetzung Derartig große Temperaturgradienten sind
der festen zur flüssigen Phase ist beim Schweißen auch nicht annähernd er-
reichbar, d. h., bei den gegebenen Bedingun-
c0F Ê cF ˆ gen ist eine ebene Erstarrung in Schweißnaht-
k= ÁË = c ˜¯ [A5-4]
c0S S mitte nicht möglich. Die Beziehung Gl. [A5-7]
cS0
erhält man nach Erreichen des thermody- cS (x )
Gehalt an B

namischen Schmelzen-Gleichgewichts, bei


dem die Zusammensetzung der Kristallite
bzw. der Schmelze an der Phasengrenze fest/ c0
flüssig wird:
cF0
c0
c0F = c0 , c0S = . Abstand Phasengrenze x
k
Daraus folgt: Fest (F) R Schmelze (S)

G m ◊ c ◊ (1 - k) Phasengrenze flüssig/fest bei T = T 0


≥- S 0 . [A5-5]
R k◊ D b)
Tangenten-
neigung:
Unter der Annahme eines linearen Zusam- dTLi (x ) TS
menhangs des Verlaufs der Liquidus- (TLi ) dx x = 0 mS = Neigung der
Liquiduslinie
und der Solidustemperatur (TSo ) ist:
Temperatur T

TL

T
TLi = TS - mS ◊ c0 , TSo = TS - mF ◊ c0 . =
D T

Li
f (c
TLi (x ) S)
m
Mit mF = S wird: T0 T0
k
mF = Neigung der
mS konstitutionell TF Soliduslinie
TSo = TS - ◊ c0 , unterkühlter Bereich
k
und endlich, Gl. [A5-6]: Abstand x A cF0 c0 cS0
m ◊ c ◊ ( k - 1) c) a) Gehalt an B
TLi - TSo = TL - TF = DT = S 0 .
k Bild A5-2
Einfluss der konstitutionellen Unterkühlung auf die
Durch Einsetzen der Beziehung 'T TL TF Erstarrungsstrukturen von Legierungen, Hinweise
in Gl. [A5-5] erhält die gewünschte Gleichung für Aufgabe A5-3.
für G/R, gemäß: a) Hypothetisches Zustandsschaubild A-B, Aus-
schnitt,
b) Zusammensetzung der Schmelzenschicht an der Pha-
G m ◊ c ◊ (1 - k) TL - TF DT
≥- S 0 = = . [A5-7] sengrenze flüssig/fest direkt nach dem Ausschei-
R k◊ D D D den der festen Phase a,
c) konstitutionelle Unterkühlung, s. a. Bild 1-32,
Man erhält mit den vorgegebenen Werten: S. 28.
Abschn. 5.5: Aufgaben zu Kapitel 5 569

lässt außerdem erkennen, dass die ebene Er- den werden, die die Matrix versteifen. Die
starrung umso schwieriger erreichbar ist, je Festigkeits- und Zähigkeitseigenschaften der
größer das Erstarrungsintervall 'T und die Legierung hängen ab von
Schweißgeschwindigkeit v (entspricht R) sind. – dem mittleren Teilchenabstand l,
S. a. Aufgabe 4-10, S. 487. – der Teilchenfestigkeit,
– der Teilchenanzahl und -größe, der
– Teilchenart (kohärent bzw. inkohärent),
– dem Diffusionsvermögen der am Aufbau
Aufgabe 5-4: der Teilchen beteiligten Elemente, d. h.
Es sind einige grundsätzliche Probleme zu der Geschwindigkeit, mit der die Teilchen
schildern, die beim Schweißen ausscheidungs- gelöst bzw. ausgeschieden werden.
härtender Legierungen entstehen (bzw. kön-
nen). Welche Schweißtechnologie ist danach Während des Schweißens entstehen in die-
am aussichtsreichsten? Siehe hierzu auch die sen komplexen metallurgischen Systemen
Ausführungen in den Abschnitten 2.6.3.3, S. beim Lösungs- und Wiederausscheidungs-
161, (Grundlagen) und 5.1.3, S. 505, (Schweiß- prozess eine Reihe von Werkstoffänderungen
verhalten). (entscheidend sind vor allem die in der Wär-
meeinflusszone!), die die Schweißeignung die-
Die ausscheidungshärtenden Legierungen ser Legierungen überwiegend unbefriedigend
werden im lösungsgeglühten (seltener) oder machen. Bild A5-3 zeigt die werkstofflichen
im ausscheidungsgehärteten Zustand ge- Vorgänge in der WEZ ausscheidungshärten-
schweißt. Die Festigkeitserhöhung kann nur der Legierungen.
in geeigneten Legierungen (Abschn. 2.6.3.3,
S. 161) durch eine Folge bestimmter Wärme- Abhängig von der gewählten Streckenener-
behandlungen erreicht werden, bei denen gie Q und anderen Schweißbedingungen (Vor-
kohärente/inkohärente Teilchen ausgeschie- wärmtemperatur, Werkstückdicke, eventu-
ell Schweißverfahren) wird in einem schma-
Aufheizen Abkühlen len Bereich der optimale Ausscheidungszu-
stand ungünstig verändert (Koagulieren, Lö-
sen). Während des (raschen) Abkühlens nach
Temperatur T

TSeg dem Schweißen können sie sich nicht mehr


vollständig bzw. nur in einer nachteiligen
Form (nadelförmig, an Korngrenzen, nicht
mehr kugelig, nicht optimaler mittlerer Teil-
chenabstand l, Teilchengröße, s. Abschn.
2.6.3.3, S. 161) ausscheiden.
Weg x Weg x

Bei den normalerweise mehrfach legierten


Werkstoffen ist außerdem die Wahrscheinlich-
keit groß, dass in der partiell aufgeschmolze-
nen Zone niedrigschmelzende, meistens eu-
1.1 1.2 1.3 2.1 2.2 2.3 tektische Verbindungen entstehen, die zu Wie-
1. Vorgänge beim Aufheizen 2. Vorgänge beim Abkühlen deraufschmelzrissen (aushärtbare Nickelle-
1.1 Grundwerkstoff, ausschei- 2.1 Wiederausscheiden der Teil- gierungen) bzw. Heißrissen (Aluminium-Ma-
dungsgehärtet, unbeeinflusst chen in ungünstiger Form gnesium-Zink-Legierungen) führen können.
1.2 Beginn der Koagulation 2.2 Je nach Zusammensetzung Wiederaufschmelzrisse können auch nach
(= Beginn der WEZ) auch Wiederaufschmelzrisse
und Heißrisse möglich dem Mechanismus der konstitutionellen Un-
1.3 Ausscheidungen sind voll-
ständig gelöst (T > TSeg) 2.3 Grundwerkstoff, unbeeinflusst terkühlung hervorgerufen werden, die in Ab-
schn. 5.1.3, S. 505, genauer besprochen wur-
Bild A5-3
Werkstoffliche Vorgänge in der WEZ ausscheidungs- de. Die Neigung der aufgeschmolzenen Parti-
härtender Legierungen, Zustand ausgelagert, sche- kel zur Rissbildung wird von verschiedenen
matisch. (Bedeutung von TSeg s. Bild 1-64, S. 53). Faktoren bestimmt:
570 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

– Eine geringe Korngröße im Grundwerk- Die Wirkung der Verunreinigungen auf die
stoff und in der WEZ verringert die Be- mechanischen Gütewerte, sind von der Form
legungsdichte der rissauslösenden Be- abhängig, in der sie im Gefüge vorliegen. Als
standteile d. h. auch die Rissgefahr. Ausscheidungen wirken sie rein mechanisch
– Die Menge der Werkstoffverunreinigun- im Sinne einer Kerbe, sind aber abhängig
gen sollte möglichst gering sein. von ihrem Schmelzpunkt sehr häufig die Ur-
– Die Viskosität der aufgeschmolzenen Be- sache für Heißrissbildung in der WEZ und
standteile sollte so groß sein, dass ihr im Schweißgut. Interstitiell gelöst setzen sie
Eindringen entlang der Korngrenzen er- vor allem in krz Metallen die Zähigkeit oft
schwert bzw. unmöglich wird. extrem herab (z. B. N, P, As in ferritischen
Stählen).
Das Wärmeeinbringen beim Schweißen muss
begrenzt werden, weil anderenfalls der opti- Einphasige kfz Metalle sind wegen ihrer her-
male Ausscheidungszustand des Grundwerk- vorragenden Zähigkeit (die bei vielen Werk-
stoffs zerstört wird, die Breite der geschädig- stoffen bis zum absoluten Nullpunkt erhal-
ten WEZ und die Korngröße ihres Gefüges ten bleibt) in der Regel hervorragend schweiß-
zu groß würden. Andererseits darf es nicht geeignet. Allerdings spielt der Gehalt und die
zu klein sein, weil die scharfen Eigenspan- Art der Verunreinigungen eine große Rolle.
nungszustände in dem ausgehärteten, we- Es ist bekannt, dass gerade kfz Metalle be-
nig verformbaren Werkstoff leicht zur Riss- stimmte Verunreinigungen selbst in kleins-
bildung führen. Ganz allgemein kann festge- ten Mengen nicht lösen können (z. B. S, P).
stellt werden, dass das Schweißverhalten der Die Folgen sind z. B. Heißrissigkeit (S, P, B
ausscheidungshärtenden Legierungen um- in Nickel und Nickel-Legierungen; Pb in Au-
so besser ist, je schwerer ( je höher die tomatenmessingen; S, P, B in vollausteniti-
Lösungstemperatur ist!) die Ausscheidun- schen Stählen; Zr, B in Nickel), Werkstoff-
gen in Lösung gehen und je vollständiger sie trennungen (O2 in Kupfer). Die oft extreme
sich in globularer Form möglichst statistisch Verringerung der Zähigkeit, wie sie bei krz
verteilt im Korn (nicht an den Korngrenzen) Metallen beobachtet wird (z. B. durch H, N),
beim Abkühlen ausscheiden. entsteht nicht. Die Neigung zum Kornwachs-
tum in der WEZ ist wegen der großen ther-
mischen Beständigkeit dieser Werkstoffe ge-
ring. Härte- und Kaltrissbildung ist nicht
möglich.

Die Schweißeignung mehrphasiger Werkstof-


fe wird in der Regel von den Eigenschaften
der Phase mit der schlechteren Schweißeig-
Aufgabe 5-5: nung bestimmt.
Es ist das Schweißverhalten einphasiger krz
und kfz Werkstoffe bzw. Legierungen im Ver- Diese Werkstoffe bieten aber meistens den
gleich zu mehrphasigen zu beurteilen. Vorteil, dass sich die herstellbedingten Ver-
unreinigungen in einer Phase lösen, in der
Krz Metalle sind relativ wenig verformbar, anderen nicht. Damit entfällt die Gefahr ei-
besitzen eine bei Raumtemperatur oder dar- ner Heißrissbildung (niedrigschmelzender
über liegende Übergangstemperatur der Bestandteil erforderlich!) sowie die meisten
(Schlag-)Zähigkeit und sind thermisch we- anderen Nachteile. Die ohne einen d -Ferrit-
nig beständig. Das Ergebnis ist abhängig zusatz (etwa 10 %) extrem heißrissanfälligen
vom Wärmeeinbringen ein ausgeprägtes Chrom-Nickel-Stähle sind ein typisches Bei-
Grobkorn in der WEZ und wegen der i. Allg. spiel.
sehr geringen Löslichkeit eine extreme Nei-
gung zum Ausscheiden verschiedener güte- Von einem Schmelzschweißen muss abgera-
mindernder Phasen/Bestandteile. ten werden, wenn die Werkstoffe intermediä-
Abschn. 5.5: Aufgaben zu Kapitel 5 571

re Phasen enthalten oder diese sich beim durch Löten herstellbar sein, wenn die er-
Schweißen bilden. Versprödung, Heißrisse, zielbaren Festigkeitseigenschaften ausrei-
(Wiederaufschmelzrisse) sind nur schwer ver- chend sind. Bei diesem Fügeverfahren ist
meidbar, s. a. Aufgabe 5-6. Mit geeigneten der Umfang der metallurgischen Reaktionen
Zusatzwerkstoffen lassen sich häufig die Aus- äußerst gering, s. Aufgabe 3-4, S. 292.
wirkungen gering halten oder sogar die Riss-
bildung vermeiden, Abschn. 4.1.4, S. 334. Je Die wichtigste Forderung sind demnach die
geringer der Aufschmelzgrad beim Schwei- Wahl von Schweißparametern und Schweiß-
ßen ist, desto geringer ist die Menge der sich verfahren, mit denen möglichst geringe Auf-
bildenden intermediären Verbindungen, d. schmelzgrade realisiert werden können. Der
h. die Gefahr von Rissen. Durch Wahl eines Umfang der metallurgischen Reaktionen
geeigneten Lötverfahrens wird der Umfang muss demnach möglichst klein gehalten wer-
der metallurgischen Prozesse normalerwei- den. Die Zusatzwerkstoffe (C) müssen so be-
se soweit verringert, dass betriebssichere schaffen sein, dass sie weder mit A noch mit
Verbindungen herstellbar sein sollten. B intermediäre Phasen bilden. Als beson-
ders geeignet haben sich Nickel bzw. hoch
nickelhaltige Zusatzwerkstoffe erwiesen,
weil es als kfz Metall extrem zäh ist und mit
sehr vielen Elementen lückenlose Mischkris-
tallreihen oder ausgedehnte Mischkristall-
bereiche bildet.

Vor allem wegen der im Vergleich zu üblichen


Verbindungsschweißungen deutlich komple-
xeren metallurgischen Prozesse wird bei Auf-
tragschweißungen (Schweißpanzern) häufig
mit zähen, austenitischen Pufferlagen gear-
Aufgabe 5-6: beitet, die die folgenden Vorteile haben:
Es sind die metallurgischen Probleme sowie – Schweißeigenspannungen können durch
einige Möglichkeiten ihrer Lösung beim Ver- Plastifizieren leichter rissfrei aufgenom-
bindungs-/Auftragschweißen unterschiedli- men werden.
cher Werkstoffe zu schildern. Hierzu s. a. – Die zähe Pufferschicht kann Risse auffan-
Abschn. 4.1.4, S. 334, und Aufgabe 4-3, S. 479. gen, ohne dass das Bauteil zerstört wird.
Spezielle Hinweise zur Anwendung der Puf- Diese Fähigkeit ist z. B. bei Hartauftragun-
fertechnik sind in Abschn. 4.3.8.3, S. 451, gen die entscheidende Eigenschaft für
und Bild 4-117, S. 449, und Zusatzwerkstof- die Bewährung des Bauteils. Außerdem
fe zum Auftragschweißen in Tabelle 4-41, S. kann die Pufferschicht die Bildung sprö-
444, zu finden. der Gefüge (aus A und B) wirksam verhin-
dern.
Das Hauptproblem bei derartigen Verbin-
dungs- bzw. Auftragschweißungen besteht Für alle Schweißarbeiten mit Nickel- bzw.
darin, dass durch Mischen von Grundwerk- hoch nickelhaltigen Zusatzwerkstoffen ist
stoffanteilen A und B mit dem Zusatzwerk- die extreme Sauberkeit der Schweißstelle ei-
stoff (A, B oder C bzw. P), Bild A5-1, uner- ne entscheidende Voraussetzung. Außerdem
wünschte, also spröde Gefügebestandteile muss der Grad der Aufmischung mit den i.
(intermediäre Phasen, Martensit, niedrig- Allg. höher schwefel- und phosphorhaltigen
schmelzende Verbindungen) entstehen. Durch Grundwerkstoffen klein gehalten werden,
die typischen extremen Temperatur-Zeit- um die Heißrissigkeit des Nickelschweißguts
Zyklen wird außerdem in anfälligen Legie- gering zu halten. Die Schweißer müssen mit
rungen die Bildung von Wiederaufschmelz- den typischen Besonderheiten im Umgang
rissen begünstigt. Bei sehr kritischen Werk- mit Nickelzusatzwerkstoffen (extrem dick-
stoffkombinationen könnte die Verbindung flüssiges Schweißgut!) vertraut sein.
Tabelle A5-1

572
Metallurgische und verfahrenstechnische Möglichkeiten für das Verbindungs- und Auftragschweißen unterschiedlicher Werkstoffe.

Geometrische Anordnung Zustandsschaubilder Metallurgisches Verhalten, mechanische Eigenschaften

A, B Risssichere Schweißverbindungen sind nur herstellbar, wenn A und B beim Abkühlen keine
intermediären Verbindungen (iV) bilden. Eine lückenlose Mischkristallreihe zwischen A und
B ergeben eine hohe Risssicherheit des Schweißguts (a) und die günstigsten metallurgi-
schen Bedingungen.
a
A B Prinzipiell kann A oder B als Zusatzwerkstoff gewählt werden. Zweckmäßiger ist aber der
a mit dem kleineren Schmelzpunkt, weil die Vermischung des Grundwerkstoffs mit dem Zu-
A B
satzwerkstoff geringer ist.

V Eine möglichst geringe Vermischung zwischen A, B und dem Zusatzwerkstoff ist für alle
Verbindungs- und Auftragschweißungen wichtig. Die Fertigungsbedingungen und die
Schweißparameter sind entsprechend zu wählen.
Bilden sich iV.en oder sind A und B metallurgisch sehr unterschiedlich - z. B. unlegierter
a b Stahl und hochlegierter Stahl - dann sind folgende Methoden möglich:
Zusatzwerkstoff C wählen, der weder mit A noch B spröde Phasen bildet.
B A A C B Pufferwerkstoff wählen, der iV-freie oder iV-arme Pufferlagen (P) erzeugt. Dies gelingt
gemäß Zustandsschaubild mit B, der sehr B - reiche Zwischenschichten mit geringster
B-Pufferlage(n) B V Menge an iV erzeugt, wenn der Aufschmelzgrad begrenzt wird.
Nickel und hochnickelhaltige Pufferwerkstoffe bieten eine Reihe besonderer Vorteile.
B - Sie erzeugen extrem zähe, wenig rissanfällige Zwischenschichten.
A B
- Sie bilden mit vielen Metallen lückenlose Mischkristallreihen und ausgedehnte
Mischkristallbereiche.
P
A B
- Sie behindern sehr wirksam die Diffusion des Kohlenstoffs in das Schweißgut. Diese
Eigenschaft ist vor allem für Schweißarbeiten an unterschiedlichen Stählen bedeut-
sam.
Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

Ni - Cu
Ni - Fe
Ni - Co
Ni - Pd
a Ni - Pt
A Ni

Auftragschichten aus harten Werkstoffen (Schweißpanzern) sind vorwiegend verschleißbe-


ständig. Risse in der Panzerschicht sind praktisch nicht vermeidbar, völlige Fehlerfreiheit ist
aber aufgrund der Funktionsweise des Systems Grundwerkstoff - Panzerschicht auch nicht
erforderlich.
Die Auftragschicht kann ihre Aufgaben erfüllen, wenn sie durch die Verschleißbeanspru-
chung nicht abplatzt oder sich abschält und die Risse in der harten Auftragschicht sich
nicht in den (wärmebeeinflussten) Grundwerkstoff fortpflanzen. Bei hohen Härten (³ 55
HRC) ist daher häufig eine zähe, den Riss aufhaltende Zwischenschicht (P) aus z. B. Nickel
sinnvoll.
Abschn. 5.5: Aufgaben zu Kapitel 5 573

Aufgabe 5-7 Cu2O + 2 ◊ H Æ 2 ◊ Cu + {H 2O}Dampf .


Es sind die wichtigsten schweißtechnischen
Probleme und Besonderheiten der Kupfer- Der entstehende im Kupfer nichtlösliche und
schweißung zu erörtern. Genauere Hinwei- nicht diffusionsfähige Wasserdampf bleibt
se zum Schweißen sind in Abschn. 5.2.1 zu am Entstehungsort erhalten. Auf Grund sei-
finden. nes sehr großen Volumens (Wasserdampf hat
ein um den Faktor von etwa 1000 größeres
Es werden die folgenden Kupfersorten un- Volumen als Wasser!) wird das Gefüge ent-
terschieden: lang der Korngrenzen »gesprengt«.
– Die für elektrotechnische Zwecke verwen-
deten sehr schlecht schweißgeeigneten Beide Versprödungserscheinungen lassen
sauerstoffhaltigen Kupfersorten, z. B. Cu- sich mit phosphordesoxidierten (P2O5), also
ETP [Electrolytic Tough-Pitch Copper: saustofffreien Kupfersorten vermeiden, weil
elektrolytisch raffiniertes, sauerstoffhal- P2O5 nicht mehr vom Wasserstoff reduziert
tiges (zähgepoltes) Kupfer], Cu-FRHC werden kann.
[Fire-Refined High-Conductivity copper:
Feuerraffiniertes, sauerstoff haltiges (zäh- Wegen der extrem großen Wärmeleitfähigkeit
gepoltes) Kupfer]. [etwa 390 W/(m¹K) bei der Cu-Sorte Cu-OF,
– Die phosphorhaltigen, sauerstofffreien ! 240 W/(m¹K) bei der Cu-Sorte Cu-DHP, Ta-
Kupfersorten, z. B. Cu-DHP [phospho- belle 5-1] wird die beim Schweißen zugeführ-
rus-Deoxidized copper (High residual te Wärme sehr schnell in den umgebenden
Phosporus): Desoxidiertes Kupfer mit ho- Grundwerkstoff abgeleitet. Zum Aufrechter-
hem Restphosphorgehalt. halten des Schmelzflusses ist daher eine sehr
konzentrierte Wärmequelle (z. B. Elektronen-
Die folgenden Werkstoffeigenschaften und strahlschweißen) oder eine sehr hohe Vor-
metallphysikalischen Besonderheiten bestim- wärmtemperatur (bis 600 ’C) erforderlich.
men das Schweißverhalten des Kupfers:
– Sauerstoffgehalt des Kupfers, Als Folge der großen Wärmeausdehnung, der
– Wärmeleitfähigkeit, die durch verschie- großen Energiezufuhr und Wärmeleitfähig-
dene Verunreinigungen, wie z. B. P, Si, keit wird das Schweißteil großflächig er-
Ag sehr stark herabgesetzt wird, wärmt. Wegen des kleinen E-Moduls und der
– Wärmeausdehnung, geringen Temperaturgradienten ist der Bau-
– starke Neigung zur Gasaufnahme. teilverzug extrem groß. Beim Gasschweißen
ist daher ein Fixieren der Fügeteile mit Heft-
Der Sauerstoff (bei sauerstoffhaltigen Cu- stellen wegen der Gefahr des Aufreißens
Sorten … 0,04 %) liegt im Grundwerkstoff i. nicht sinnvoll. Die keilförmig zugelegten Fü-
Allg. als Cu2O abgebunden vor, weil die Sau- geteile werden daher meistens mit Laschen
erstofflöslichkeit des Kupfers bei Raumtem- verschraubt oder verkeilt.
peratur extrem gering ist. Das in der Cu-Ma-
trix fein verteilte Cu2O (eutektische Reste!) Der Übergang des Kupfers von dem festen
schmilzt in den über 1065 ’C erwärmten Be- in den flüssigen Zustand geschieht plötzlich
reichen der WEZ wieder auf und sammelt und ohne jede Farbänderung. Die Schweiß-
sich an den Korngrenzen, wo es spröde Korn- zusatzwerkstoffe sind aus diesem Grunde
grenzenfilme bildet. Legierungen (CuAg1, CuSn1), deren Erstar-
rungsintervall eine gewisse Modellierbarkeit
In wasserstoffhaltigen Atmosphären (Gas- der Schweißschmelze erzeugt.
schweißen) versprödet Kupfer außerdem durch
die Wasserstoffkrankheit genannte Erschei- Kupferoxide und ihre Neubildung lassen sich
nung. Der im reduzierenden Teil der Gasflam- mit Flussmitteln vermeiden. Alle von der Gas-
me vorhandene Wasserstoff dringt in in den flamme berührten Bereiche (Fugenflanken,
über 1065 ’C erwärmten Bereich der WEZ Schweißdraht) sollten daher dünn mit die-
und reduziert das flüssige Cu2O zu Cu: sen bestrichen werden.
574 Kapitel 5: Schweißmetallurgie der nichteisenmetallischen Werkstoffe

5.6 Schrifttum

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6 Anhang
(spezielle Werkstoffprüfverfahren)

6.1 Prüfung auf Heißrissanfälligkeit werkstoffbezogenen Faktoren,


z. B. die chemische Zusammensetzung
Die Verarbeitung schweißgeeigneter Werk- von Grund- und Zusatzwerkstoff, Konzen-
stoffe und die Qualitätssicherung geschweiß- trationsunterschiede (Seigerungen) im
ter Bauteile erfordern u. a. auch eine Bewer- Schweißgut, Grundwerkstoff, und von
tung der Heißrissanfälligkeit. Heißrissan- verfahrensbezogenen Faktoren,
fällig sind in mehr oder weniger großem Um- z. B. Schweißverfahren, Schweißparame-
fang die Mehrzahl aller Legierungen und vor ter (Schweißbedingungen) mit großer Emp-
allem vollaustenitische Stähle, Nickelbasis- findlichkeit und Reproduzierbarkeit,
legierungen, aber auch Baustähle mit ho- quantitativ erfassen sollen.
hem Schwefel- und Phosphorgehalt.
Je nach der Art der Beanspruchung (selbst-
Die Temperaturbereiche, in denen die ver- beanspruchte bzw. fremdbeanspruchte Pro-
schiedenen Rissarten entstehen, sind in DIN be) während der Prüfung wird unterschie-
EN ISO 6520 unter Bezug auf einen an der den zwischen Prüfungsverfahren mit:
Schmelzgrenze auftretenden Temperaturver- Selbstbeanspruchung
lauf gekennzeichnet, Bild 3-38. Rissentstehung in der Probe erfolgt wäh-
rend des Schweißens bei der Abkühlung
Die Entstehung von Heißrissen (Erstar- infolge behinderter Schrumpfung,
rungs- und Wiederaufschmelzrisse) er- Fremdbeanspruchung
folgt bei Temperaturen von 1550 ’C bis 1100 ’C Rissentstehung in der Probe wird durch
und basiert hauptsächlich auf metallurgi- äußere Belastung erzwungen.
schen Prozessen, Bild 3-38 und z. B. Bild 4-
3. Für die Beurteilung der Heißrissanfällig- Die Heißrissprüfverfahren werden in den
keit von Schweißverbindungen und Schweiß- Normen ISO 17641-1/2 beschrieben. Im Fol-
gütern sind mehrere Prüfverfahren entwi- genden wird ein Prüfverfahren aus der Grup-
ckelt worden, mit deren Hilfe Kenngrößen pe der Verfahren mit Selbstbeanspruchung
und Versagensbedingungen erhalten werden, beschrieben, die übrigen werden nur nament-
die den Einfluss von lich erwähnt.
12
80

25

25
0
12

80 90 90
12

a) b) c) d)

Bild 6-1
Proben für Heißrissprüfung mit Selbstbeanspruchung.
a) Zylinderprobe, nach DIN EN ISO 17641-2 (DIN 50129),
b) Doppelkehlnahtprobe, nach DIN EN ISO 17641-2,
c) Ringnut-Probe, nach VdTÜV-Merkblatt 1153,
d) Ring-Segment-Probe, nach VdTÜV-Merkblatt 1153.
580 Kapitel 6: Anhang (spezielle Werkstoffprüfverfahren)

6.1.1 Verfahren mit Selbst- 6.1.2 Verfahren mit Fremd-


beanspruchung der Probe beanspruchung der Probe

Die Proben erhalten ihre Beanspruchung Im Folgenden werden einige Prüfverfahren


durch die Wärmedehnung und -schrump- nur aufgezählt:
fung infolge des Schweißens. Sie eignen sich – HZ-Versuch (Heißzugversuch Gleeble-
nur zur Prüfung der Erstarrungsrissanfällig- versuch), nach Dahl.
keit des Schweißgutes von Lichtbogenhand- Ermittlung: Rissfaktor zum Beurteilen
schweißungen. In Bild 6-1 sind verschiedene der Wiederaufschmelzrissneigung; kriti-
Proben der Vertreter der selbstbeanspruch- sche Zugfestigkeit und kritische Bruchein-
ten Prüfverfahren dargestellt. schnürung bei charakteristischen Tempe-
raturen beim Erwärmen und Abkühlen.
Die Hakenrisszugprobe und die Längsbiege- – HDR-Versuch (Hot-Deformations Rate),
probe, Bild 6-2, gehören ebenfalls zu den Pro- nach Schmidtmann.
ben mit Selbstbeanspruchung. Die Proben- Ermittlung: kritische Verformungsge-
nahme erfolgt aus für Verfahrens- und Ar- schwindigkeit bzw. Zug-Biege-Verformung
beitsprüfungen hergestellten Schweißnähten bei Entstehung der Erstarrungsrisse im
aus dem Schweißgut in Längsnahtrichtung. Schweißgut.
Die Zug- oder Biegebelastung der Probe dient – PVR-Versuch (Programmierter Verfor-
nur zur visuellen Erkennung der durch das mungs-Riss-Test), nach Folkhard.
Schweißen entstandenen Schädigungen (Ris- Die Ermittlung der Heißrissanfälligkeit
se). Die Heißrisse haben meist die Form eines (Erstarrungs- und Aufschmelzrisse) des
großen L, daher auch der Name »Hakenriss« Schweißguts erfolgt zahlenmäßig. Die An-
bzw. Hakenrissprobe. Die Bewertung der zahl der Risse wird auf einer Schweißnaht-
Heißrissanfälligkeit des Schweißgutes erfolgt länge von 220 mm ermittelt. Die Auswer-
anhand der Anzahl der ermittelten Wiederauf- tung erfolgt in Abhängigkeit von der örtli-
schmelzrisse. Maßzahl der Bewertung der chen Dehngeschwindigkeit.
Heißrissneigung ist die Anzahl der Risse be-
zogen auf die Brucheinschnürung. Die Prü- Als vielseitiges und modernes Prüfverfahren
fung besteht aus einem ohnehin im Rahmen mit Fremdbeanspruchung hat sich der MVT-
der Qualitätsüberwachung durchgeführten Test (Modifizierte Varestraint-Transvare-
Zug- oder Biegeversuch und dem anschlie- straint-Test) von Wilken durchgesetzt.
ßenden Auszählen der Risse. Der MVT-Test hat zwei Varianten:
– den Varestraint-Test, Bild 6-3a, bei dem
Die Ergebnisse eignen sich nicht für eine die Beanspruchung in Längsrichtung der
quantitative Erfassung der Wiederaufschmelz- Schweißnaht erfolgt, und den
rissigkeit von Schweißgütern, weil die Einfluss- – Transvarestraint-Test, bei dem die Bean-
größen nicht eindeutig definiert sind. spruchung quer zur Schweißnaht erfolgt,
Bild 6-3b.

Der Anwendungsbereich der MVT-Tests ist


aus der Tabelle 6-1 zu ersehen. Zu unterschei-
den ist die Prüfung auf Erstarrungsrissan-
fälligkeit und Wiederaufschmelz-Rissanfäl-
ligkeit von heißrissgefährdeten Werkstoffen.
Wiederaufschmelzrisse können sowohl in der
Wärmeeinflusszone des Grundwerkstoffs als
auch in den wärmebeeinflussten Schweißgut-
bereichen bei Mehrlagenschweißungen auftre-
Bild 6-2
Probennahme für Verfahrensprüfung und zum Nach- ten. Erstarrungsrisse entstehen im Schweiß-
weis von Wiederaufschmelzrissen von Schweißgü- gut oberhalb oder unterhalb der Solidustem-
tern. peratur TSo des Schweißgutes.
Abschn. 6.1: Prüfung auf Heißrissanfälligkeit 581

Brennerstellung während
der Biegung
der Größe der Biegedehnung, von 0,25 % bis
Ende der Schweißung
5 % in 10 Stufen einstellbar, entstehen mehr
Probe
oder weniger viel Heißrisse. Die Biegegeschwin-
digkeit, mit der die Probe auf die Matrize he-
Dicke d
runtergebogen wird, ist bei Standard-Versuchs-
bedingungen hoch und konstant, sie beträgt
2 mm/s.
veränderliche
Biegegeschwindigkeit
Radius R l1
20 l1
a)

Gesamtriaalänge l ges
Ende der Schweißung
Brennerstellung ln
während der Biegung 15 ln

10 l ges = l 1 + l 2 ... + l n

Dicke d

veränderliche
Biegegeschwindigkeit Radius R
0
0 0,5 1 2 3 % 4
b) Dehnung

Bild 6-3 Bild 6-5


Varianten des MVT-Tests. Ergebnisse eines MVT-Tests, nach Wilken, BAM.
a) Varestraint-Test,
b) Transvarestraint-Test. Sie ist in weiten Grenzen stufenlos von 0,05
bis 4 mm/s einstellbar, ebenso die Schweiß-
Bei Standardversuchen wird auf der Pro- geschwindigkeit und die übrigen Schweiß-
benoberseite in Probenmitte mit einem WIG- parameter. Der Versuchsablauf ist vollauto-
Brenner maschinell eine Anschmelzraupe matisch. Versuchsdaten werden zeitsynchron
gelegt. Beim Passieren des Lichtbogens der registriert. Für eine Versuchsreihe werden
Probenmitte wird die Probe mittels Druck- üblicherweise 5 Proben benötigt. Für einen
stempel auf eine massive Matrize herunter- Stichversuch kann jedoch auch eine einzige
gedrückt. Die gewählte Werkzeugkombina- Probe ausreichend sein.
tion, Druckstempel/Matrize, bestimmt die
Biegedehnung auf der Probenoberseite. Durch Die Probenform (Abmessungen) ist an den
die Biegung werden in dem für die Heißriss- jeweiligen Anwendungsfall angepasst, Bild
bildung kritischen werkstoffspezifischen Tem- 6-4. Als Standardproben haben sich die Pro-
peraturbereich Heißrisse erzeugt. Je nach ben mit der Abmessung 10 x 40 x 100 mm

10°
5
10

40 10 15

a) b) c)
Bild 6-4
Abmessung der Standardproben zur Prüfung von a) Grundwerkstoff, b) Schweißgut und c) Zusatzwerkstoff.
582 Kapitel 6: Anhang (spezielle Werkstoffprüfverfahren)

Tabelle 6-1
Anwendungsbereich der MVT-Tests.

Ort der Standarduntersuchungen Sonderuntersuchungen


Untersuchung WIG-Anschmelztest ohne Zusatzwerkstoff Lichtbogenhand-, WIG-, MIG-, UP-
Schweißverfahren

Erstarrungsrisse Wiederaufschmelzrisse Erstarrungsrisse Wiederaufschmelzrisse

Varestraint – –
Grundwerkstoff Varestraint
Transvarestraint
Varestraint Varestraint
Reines Schweißgut Varestraint Varestraint
Transvarestraint Transvarestraint
Varestraint Varestraint
Schweißverbindung Varestraint Varestraint
Transvarestraint Transvarestraint

bewährt, bei Bedarf kann die Probendicke Die Biegedehnung eB wird wie folgt berech-
bis auf 2,5 mm und die Probenlänge bis auf net:
80 mm verringert werden. Für Sonderfälle
können auch andere Probenformen, z. B. mit e B = 100 ◊ d in %.
2◊ R
Y-Naht-Vorbereitung, angewendet werden.
d Probendicke in mm,
Versuchsauswertung, Ergebnisse R Matrizenradius in mm.
Zuerst werden in der Umgebung des Biege-
punktes der Probe die an der Probenober- Heißrisse in einer Probe aus einem vollaus-
fläche entstandenen Heißrisse mit dem Ste- tenitischem Schweißguts eines Varestraint-
reomikroskop bei 25-facher Vergrößerung in Tests an sehr heißrissanfälligem Material
ihrer Länge ausgemessen und addiert. Die so zeigt das Bild 6-6.
ermittelte Gesamtrisslänge, lges, wird zu der
an der Probenoberfläche in Abhängigkeit Beurteilungskriterium
vom Biegeradius der aufgebrachten Biege- Als Kriterium für die Heißrissneigung von
dehnung in Beziehung gesetzt. Grund- und Zusatzwerkstoffen ist die auf die
Probenbiegedehnung bezogene Gesamtriss-
In Bild 6-5 sind die Ergebnisse, die Gesamt- länge lges festgelegt worden. Gleichzeitig wird
risslänge auf der Ordinate und die Dehnung dabei auch der Einfluss des Wärmeeinbrin-
auf der Abszisse, dargestellt. gens Q (Schweißstrom I, Schweißspannung
U, Vorschub vs) des Schweißverfahrens (WIG,
MAG usw.), der Biegegeschwindigkeit und
vor allem der chemischen Zusammensetzung
von Grund- und Zusatzwerkstoff erfasst.

Anwendungsgrenzen
Der MVT-Test erlaubt eine schnelle und wirt-
schaftliche Prüfung der ganzen Schweißver-
bindung, die aus Schweißgut, Wärmeein-
flusszone und Grundwerkstoff besteht.

Sowohl Änderungen in der chemischen Zu-


sammensetzung der Werkstoffe als auch die
der Schweißparameter werden mit geringer
Streuung und großer Empfindlichkeit er-
Bild 6-6 fasst. Eine Übertragung der Ergebnisse auf
Heißrisse in austenitischem Schweißgut, V = 9:1, nach das Bauteilverhalten beim Schweißen ist
Wilken, BAM. noch nicht zweifelsfrei gesichert.
Abschn. 6.2: Prüfung auf Kaltrissanfälligkeit 583

6.2 Prüfung auf Kaltrissanfälligkeit fung oder durch Gefügeumwandlung einstel-


len. Bei fremdbeanspruchten Proben wird
Als Ursache für das Entstehen von Kaltris- die Zugspannung mit einer Belastungsvor-
sen in Schweißverbindungen wird das Zu- richtung aufgebracht, wobei sich diese mit
sammenwirken von den Eigenspannungen der Probe überlagert
– Wasserstoff, (Superpositionsprinzip, weil elastische Span-
– Härtungsgefüge und von nungen). Weitere Einflussgrößen sind die
– Spannungen angesehen. – Vorwärm- und Zwischenlagentempera-
tur, die
Prüfverfahren zum Bewerten der vom Was- – Streckenenergie und die
serstoffgehalt abhängigen Kaltrissneigung – Abkühlgeschwindigkeit beim Schweißen.
von Schweißverbindungen sollten deshalb
folgende Anforderungen erfüllen: Als Maß für die Abkühlgeschwindigkeit ist
– reproduzierbare, feinstufige Einstellung die Abkühlzeit für die Abkühlung von 800 ’C
von Kräften bzw. Dehnungen, Wärmemen- auf 500 ’C, t8/5, festgelegt worden, die auch
gen und Gasmengen auf die Probe, als Bezugsgröße für die Beurteilung des Um-
– Lieferung reproduzierbarer Ergebnisse, wandlungsverhaltens der WEZ dient (Ab-
wie Spannungen, Dehnungen, Wasser- schn. 3.3.1). Hierfür werden kontinuierliche
stoffgehalte und Temperaturen, ZTU-Schaubilder zu Hilfe genommen, die un-
– geringer Prüfaufwand. ter Schweißbedingungen aufgestellt wurden.
Mit ihnen lässt sich u. a. die Art der Gefüge-
Die Prüfergebnisse sollen auf Bauteile über- bestandteile, insbesondere der die Kaltriss-
tragbar sein und anzuwendende Fertigungs- neigung maßgebend beeinflussende Marten-
maßnahmen erkennbar machen. Des wei- sitgehalt in der WEZ, abschätzen.
teren soll auch die Kaltrissempfindlichkeit
von Stählen quantifiziert werden können.
6.2.1 Implant-Test
Die verwendeten Proben können selbsbean-
spruchend oder fremdbeansprucht sein. Bei Beim Implantversuch wird die mechanische
den selbstbeanspruchenden Proben wird die Beanspruchung der Probe durch eine dem
zur Erzeugung von Kaltrissen erforderliche Zeitstandversuch vergleichbare Belastungs-
kritische Zugspannung durch Eigenspan- vorrichtung aufgebracht (Fremdbeanspru-
nungen aufgebracht, die sich in der Probe chung). Die Prüfanordnung besteht aus drei
bei behinderter Ausdehnung oder Schrump- Systemeinheiten:

Bild 6-7
Der Implant-Test.
a) Querschnitt durch die Implantprobe und die Einschweißplatte nach dem Versuch,
b) Querschliff einer nichtgebrochenen Implantprobe mit Wendelkerbe. Die Wendelkerbe an der Schmelzlinie
ist mit einem Pfeil gekennzeichnet, nach V. Neumann, BAM.
584 Kapitel 6: Anhang (spezielle Werkstoffprüfverfahren)

– dem Implantprüfstand, bestehend aus der Bricht die Probe nicht während der Belas-
Belastungsvorrichtung, dem Messwertauf- tungszeit, kann die Probe auch auf Unternaht-
nehmer und der Schweißvorrichtung, risse (wasserstoffinduzierte Kaltrisse) ge-
– den Schweißzusatzwerkstoffen und Hilfs- prüft werden. Dazu wird die Probe zum Sicht-
stoffen, einschließlich ihrer Vorbehand- barmachen der Risse bei Temperaturen zwi-
lung, der Methode zum Bestimmen des schen 250 ’C und 300 ’C in oxidierender At-
Wasserstoffgehalts des Schweißguts, der mosphäre geglüht und anschließend metal-
Gehalte der Schweißgüter an diffusiblem lografisch untersucht.
Wasserstoff und
– den Proben einschließlich deren Herstel- Bei der Prüfung der Implantprobe erfolgt
lung und der Geometrie der Proben und die Ermittlung des Kaltrissverhaltens im Zu-
der Einschweißplatten und der Beanspru- sammenwirken mit der thermischen (durch
chung der Implantproben. das Schweißen), mit der chemischen (Einbrin-
gen des Wasserstoffs) und der mechanischen
Das Prinzip des Implantversuchs zeigt Bild (durch die konstante Zugkraft) Beanspru-
6-7. Die Rundprobe mit umlaufendem V-Kerb chung.
(Durchmesser 8 mm, Kerböffnungswinkel
40 ’, Kerbgrundradius 0,5 mm) wird in die Die mechanische Beanspruchung der Im-
Bohrung bündig zur Oberfläche der Ein- plantproben wird als Nettonennspannung
schweißplatte gesteckt und mit einer Auftrag- angegeben. Ihre Größe ist durch die Größe
raupe überschweißt. Nach dem Schweißen der Prüflast und durch den Kerbquerschnitt
wird die Probe mit einer konstanten Zug- gegeben. Berücksichtigt ist dabei die Aus-
kraft belastet, Bild 6-8. Festgestellt wird der wirkung des kerbbedingten Mehrachsigkeits-
Brucheintritt oder eine Anrissbildung. grades des Spannungszustandes, der stark
vom Kerbgrundradius der Wendelkerbe oder
Während des Versuchs werden die Schweiß- Ringnutkerbe abhängt. Nach Neumann lie-
parameter (U, I, v), der zeitliche Verlauf der gen in der Implantprobe drei verschiedene
Temperatur im Schweißgut, in der WEZ und Kerbfälle vor, und zwar:
der Belastung der Probe registriert, Bild 6-8. – Am Übergang von der Probe in die Ein-
Wird als Beurteilungskriterium der erste An- schweißplatte an der Schmelzlinie, Bild
riss in der Implantprobe angesehen, so kann 6-7b,
dieser an einem metallografischen Schliff – an der Ring- oder Wendelkerbe und
durch die Längsachse der Probe nach dem – am Übergang zur Schmelzlinie durch das
Versuch, Bild 6-7, mit einem empfindlichem Zusammenwirken von Ring- oder Wen-
Dehnungsmesser oder mit Hilfe der Schall- delkerbe. Dieser Bereich stellt eine extre-
emissionsanalyseverfahren während des Ver- me metallurgische und mechanische Ker-
suchs nachgewiesen werden. be dar.

Tmax N
Als Maßstab zur Kennzeichnung eines kerb-
bedingten Mehrachsigkeitsgrades des Span-
Last F

°C
Temperatur T

nungszustandes vor Kerben dienen der Kerb-


faktor a k nach Neuber oder der plastische
800 Spannungskonzentrationsfaktor Ksp, der im
500 Gegensatz zu a k für plastisches Werkstoff-
verhalten definiert ist.

150
100
Eine Möglichkeit der Charakterisierung der
t 8/5
Kaltrissanfälligkeit von Schweißverbindun-
Bruchzeit
gen ist die Ermittlung einer kritischen Span-
Bild 6-8 nung, unterhalb der die Probe nicht mehr
Implant-Test, zeitlicher Versuchsablauf, Schweißen bricht. Diese wird auch als statische Ermü-
– Lastaufbringung – Versuchszeit, nach Düren. dungsgrenze« bezeichnet. Hierbei sind die
Abschn. 6.2: Prüfung auf Kaltrissanfälligkeit 585

Vorwärmtemperatur, die Streckenenergie 200


und der Wasserstoffgehalt des Schweißguts 180

konstante Größen. Aber auch die Ermittlung

Vorwärmtemperatur ° C
160

von Vorwärmtemperatur und Streckenener- 140


120 ➊
gie bei konstanter Belastung und konstan-
100
tem Wasserstoffgehalt im Schweißgut ist
80
möglich, wenn der Bruch als Bewertungs- ➋
60
kriterium gewählt wird. Die Variation der 40 ➌
Einflussgrößen richtet sich nach der Zielset- 20 ➍
zung des Implantversuchs, wobei aber auch 0
8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38
reines Schweißgut geprüft werden kann. Je 0
Wärmeeinbringen Q kJ/cm
nach Versuchsdurchführung wird der Risswi-
derstand des Schweißguts oder der WEZ bei ➊
StE 460
3,25 ml H2 / 100 g ➌
StE 460 V
2,5 ml H2 / 100 g
lokaler mehrachsiger mechanischer, thermi-
StE 460 V St 52-3
scher und chemischer Beanspruchung ge- ➋ 6,68 ml H2 / 100 g ➍ 6 ml H2 / 100 g
prüft. Die Kaltrissprüfung ist im DVS-Merk-
Bild 6-10
blatt 1001 ausführlich beschrieben.
Einfluss der Streckgrenze und der Vorwärmtempera-
tur auf das Kaltrissverhalten verschiedener Feinkorn-
Die Ergebnisse können entweder als baustähle bei unterschiedlichem Wasserstoffgehalt im
– kritische Spannung über der Standzeit Schweißgut, nach V. Neumann, BAM.
(Bruchzeit), Bild 6-9, oder
– Vorwärmtemperatur über der Strecken- – oder einen Mischbruch aufweisen, bei dem
energie der gebrochenen und nicht gebro- der Bruchverlauf trans- oder interkristal-
chenen Proben, Bild 6-10, oder in Form lin sein kann, Bild 6-13.
– diffusibler Wasserstoffgehalt über der
Streckenenergie der gebrochenen und Zusammenfassung, Wertung
nicht gebrochenen Proben aufgetragen Der Implantversuch eignet sich für die Lö-
werden. sung folgender Aufgaben:
– Ermittlung der Kaltrissanfälligkeit von
1060 5,3 ml H2 / 100 g
N 6,9 ml H2 / 100 g
Schweißverbindungen, die mit praxisna-
mm2 hen Schweißparametern hergestellt wer-
Spannung s

980 gebrochene Probe


den. Die Kaltrissanfälligkeit nimmt mit
900 dem Wasserstoffgehalt im Schweißgut zu.
820
– Die an Implantproben erhaltenen Ergeb-
nisse erlauben zwar eine Beurteilung der
740 Schweißeignung von Werkstoffen und des
Schweißverhaltens von Zusatzwerkstof-
660
10 50 100 500 1000 min 5000 fen, aber nicht die Übertragung auf das
Zeit t

Bild 6-9
Einfluss der Beanspruchung auf die Bruchzeit von
Implantproben aus einem Feinkornbaustahl StE 460 für
unterschiedliche Wasserstoffgehalte im Schweißgut,
nach V. Neumann, BAM.

Die Bruchmechanismen sind aus dem Er-


scheinungsbild der Bruchflächen und aus dem
Verlauf der Kaltrisse in der Implantprobe zu
erklären. Die Bruchoberflächen können
– eine wabenartige Struktur (Verformungs- Bild 6-11
bruch), Bild 6-11 Wabenbruch in einem Einsatzstahl 16MnCr5 bei
– eine spaltflächige Struktur, Bild 6-12, Raumtemperatur, BAM.
586 Kapitel 6: Anhang (spezielle Werkstoffprüfverfahren)

Bild 6-12 Bild 6-13


Schädigung durch Wasserstoff. Quasispaltbruch, der bei einer Prüftemperatur von 80 K
Kaltriss im Stahl 41Cr4 nach Wasserstoffbeladung, in einem vergüteten Stahl erzeugt wurde, BAM.

Verhalten geschweißter Bauteile, weil der Temperatur (Nil Ductility Transition), ermit-
Größeneinfluss nicht erfaßbar ist. Hierfür telt, die als Werkstoffkenngröße eines Grenz-
sind Bauteilversuche an Großproben bes- temperatur-Versagenskonzeptes für Sicher-
ser geeignet. heit gegen Rissauffangen (Rissauffankonzept)
– Die Einstellung des Gefüges der WEZ dient.
ergibt sich aus der Streckenenergie und
den Bedingungen der Abkühlung, die mit Das Rissauffangkonzept begründet sich in
dem Kennwert t8/5 beschrieben wird. Die der Vorstellung, dass die Werkstoffzähigkeit
Menge des kaltrissbegünstigenden Mar- oder die der Schweißverbindung entspre-
tensits lässt sich unter Berücksichtigung chend groß sein muss, um einen instabil fort-
von t8/5 und der chemischen Zusammen- schreitenden Riss auffangen zu können. Das
setzung des Werkstoffs aus seinem konti- Rissauffangvermögen eines Werkstoffs ist
nuierlichen ZTU-Schaubild (Abschn. 2.5.3) besonders bedeutungsvoll für druckführen-
abschätzen. Die Eigenspannungen sind de Umschließungen, z. B. Rohre und Behäl-
bisher nicht berücksichtigt worden, sie ter mit Gas oder Flüssigkeit unter hohem
werden von der angelegten Zugspannung Druck, weil dadurch eine zusätzliche Be-
überlagert. triebssicherheit für den Fall eines sich aus-
breitenden Risses durch Rissauffangen (Riss-
Bei den eigenbeanspruchenden Kaltriss- stopp) gegeben ist.
tests gibt es strenggenommen nur Riss
oder Nichtriss in der Naht als Beurteilungs- Die Prüfung erfolgt an Flachproben (Abmes-
kriterium und keine Aussage über den sungen: 130 x 50 x 13 ... 25 mm) mit einsei-
Einfluss der Beanspruchungsgrößen. Auf tig aufgebrachter Auftragschweißraupe, die
diese weniger aussagefähigen selbstbe- quer zur Schweißrichtung mit einem Säge-
anspruchenden Verfahren wird deshalb schnitt gekerbt ist, Bild 6-14.
nicht näher eingegangen.
Der Sägeschnitt dient als »Rissstarter« vom
spröden Schweißgut aus. Die Prüfeinrich-
6.2.2 Der Pellini-Versuch tung besteht aus einem 3-Punkt-Biegetisch
mit einem die Durchbiegung begrenzenden
Der Fallgewichtsversuch (Drop-Weight- eingebauten Gegenlager, das eine definier-
Test) nach Pellini eignet sich zum Zähigkeits- te Durchbiegung der Probe zulässt, die so
nachweis dynamisch beanspruchter Konstruk- groß ist, dass an der Randfaser des Flach-
tionen und von Stumpfnahtschweißverbin- stückes die Streckgrenze gerade überschrit-
dungen mit Blechdicken über 13 mm. Mit die- ten wird. Die Energie wird mit einem Fall-
ser Prüfung wird eine Grenztemperatur, NDT- hammer zugeführt. Ihre Größe ist aus der
Abschn. 6.3: Der Kerbschlagbiegeversuch (DIN EN 10045) 587

Masse des Fallgewichts (25 bis 50 kg) und Das Verfahren ist in den Regelwerken
der Fallhöhe mit Hilfe des Fallgesetzes zu – ASTM E 208a,
berechnen und an die Streckgrenze (Re, Rp) – SEP 1325 und
des zu prüfenden Werkstoffs anzupassen. – VdTÜV-Merkblatt Werkstoffe 1256-07.80
Durch Prüfung bei verschiedenen Tempera- genannt.
turen wird die NDT-Temperatur erhalten,
das ist die Temperatur, bei der der von der Die Anwendung des Verfahrens dient zur:
gekerbten Schweißraupe ausgehende Riss – Qualitätssicherung und zum Zähigkeits-
vom Werkstoff nicht mehr aufgefangen wird nachweis von schweißgeeigneten Bau-
und die Probe noch bricht. stählen mit Hilfe der NDT-Temperatur,
die bis auf 3 K ermittelbar ist,
Kriterium für ihre Festlegung ist, dass zwei – Entwicklung und zur Erforschung des
weitere Proben des gleichen Werkstoffs bei Rissauffangvermögens von ferritischen
einer um 5 K höheren Prüftemperatur nicht Stählen.
brechen.
Abschließend ist festzuhalten, dass das Pel-
Im Rissauffang-Versagenskonzept kennzeich- lini-Prüfverfahren sehr wirtschaftlich ist,
net die NDT-Temperatur eine Grenztempe- das Ergebnis aber nur eine Ja-Nein-Entschei-
ratur, also einen Grenzzustand, bei dem klei- dung zulässt.
ne Risse bei einer Beanspruchung von sN L Re
und große Risse bei sN L 0,1 Re gerade noch
aufgefangen werden, wie aus dem Bruch- 6.3 Der Kerbschlagbiegeversuch
analysediagramm (FAD) nach Pellini hervor- (DIN EN 10045)
geht. Zu beachten ist dabei, dass die Rissauf-
fangtemperatur nicht nur von der Höhe der Die Prüfung erfolgt an speziell gekerbten
Nennspannung, sondern auch von der elas- Biegeproben, vorwiegend aus Baustahl, mit
tischen Energie des Bauteils, gegebenenfalls schlagartiger Beanspruchung, die mit Hilfe
auch vom Druckmedium abhängt. eines genormten Pendelschlagwerkes aufge-
bracht wird. Dabei wird die zur Erzeugung
Schweißraupe Sägeschnitt
des Bruches der Kerbschlagbiegeprobe ver-
19 ± 0,2

brauchte gesamte Arbeit (Kerbschlagarbeit


AS) meist in Abhängigkeit von der Tempera-
±1
50 tur gemessen.
130 ± 10

a) c) Die Ergebnisse sollen Aufschluss über das


Verhalten eines Werkstoffes oder eines Bau-
teils
Fallmasse – bei behinderter Verformung infolge des
kerbbedingten dreiachsigen Spannungs-
zustandes im Restquerschnitt vor der
a Abstand zwischen
Blech und Amboss Probe Kerbe und
– bei verschiedenen tiefen Temperaturen
a

geben.
Auflage

101,6 Daraus lassen sich dann Rückschlüsse


b) d)
– auf das Verformungs- und Bruchverhalten
und insbesondere
Bild 6-14 – auf den Übergang vom duktilen Verfor-
Zum Pellini-Versuch.
mungsbruch zum spröden Spaltbruch des
a) Pellini-Probe mit Sägeschnitt,
b) Versuchsanordnung, Werkstoffs ziehen, der sich u. a. durch
c) Probe gebrochen, die Übergangstemperatur kennzeichnen
d) Probe nicht gebrochen, nach Blumenauer. lässt.
588 Kapitel 6: Anhang (spezielle Werkstoffprüfverfahren)

Die Ergebnisse dienen vor allem zur Übergangstemperaturkonzept. Zu beachten


– Kontrolle der Güte und Gleichmäßigkeit ist dabei, dass jede Kerbform, Charpy-V- oder
des Werkstoffes (Werkstoffzustand, Be- DVM-Probe, eine »eigene« Übergangstempe-
handlungszustand), ratur liefert. Deshalb ist es unabdingbar, dass
– Einschätzung für die Neigung zum Spröd- zur Angabe der Übergangstemperatur Tü
bruch, auch
– bequemen wirtschaftlichen Produktions- – die Kerbform, Probenform, Probengröße
prüfung von Stahlprodukten und Schweiß- und
verbindungen. – die Art ihrer Festlegung mit angegeben
wird.
Die Ergebnisse sind aber nicht geeignet, den
Werkstoff hinsichtlich Die Standardabmessung der Kerbschlagbie-
– seiner Eigenschaften über der Wanddicke geprobe beträgt 55 x 10 x 10 mm, ihre Be-
(wenn die Erzeugnisdicke wesentlich grö- zeichnung bezieht sich auf die Kerbform und
ßer als die Probendicke ist), auf das zugrunde liegende Regelwerk. Bei
– seiner durch Schweißen eingebrachten den Standardproben hat sich die Probe mit
Eigenspannungen und Versprödung, V-Kerbe (Charpy-V) (DIN EN 10045) indus-
– seiner Belastbarkeit (Größe der Belastung trieweit durchgesetzt, Bild 6-15.
und Verformung),
– seines Risswiderstandes (Einfluss von Die Kerbformen unterscheiden sich in der
Rissform und -länge) Tiefe, im Kerbradius und im Kerböffnungs-
zu beurteilen. Hierzu sind größere Proben in winkel, die Probengrößen nach ihrer Breite
den Abmessungen der Erzeugnisdicke bes- und Höhe. Außer der Charpy-V-Probe wer-
ser geeignet. den z. B. die »Kleine Probe« des Deutschen
Verbandes für Materialprüfung (DVMK) und
Ferner liefert der Kerbschlagbiegeversuch die »Kleinstprobe« (KLST) verwendet.
nach DIN EN 10045 keinen Kennwert für
die Festigkeitsberechnung, sondern Über- Als Belastungseinrichtung dient ein Pendel-
gangstemperaturen, die den duktil-spröden schlagwerk, das nach seinem Arbeitsvermö-
Bruchübergang erfassen. gen, 300 oder 50 J, bezeichnet wird.

Die Übergangstemperaturen eignen sich für Die Auftreffgeschwindigkeit der Hammer-


die Bewertung des Sprödbruchverhaltens scheibe wird errechnet aus:
schweißgeeigneter Baustähle, z. B. mit dem
v = 2 gh = 2 gL ◊ (1 - cos a )
Y Z
das potenzielle Arbeitsvermögen aus Ap
X 10
F ¹h F ¹L ¹ (1 cos a ), und die verbrauchte
Schlagarbeit beträgt K Ap ¹Aü, wobei Aü die
X
Höhe
2

R0,25
10

Z
D

überschüssige Arbeit
W
F ¹ h1 F ¹ L ¹ (1  cos b ) bezeichnet.
Kerbtiefe N

45°
Breite Aü
55

Probe mit V - Form


Die verbrauchte Arbeit K kann auf der An-
zeigeeinrichtung des Pendelschlagwerkes
10 mit Hilfe eines Schleppzeigers direkt abge-
R1
lesen werden.
5
10

Zur Ermittlung der Kerbschlagarbeit K wird


55
die Probe im Pendelschlagwerk dynamisch
Probe mit U - Kerbe (schlagartig) belastet, und nach dem Bruch
Bild 6-15 wird die durch den Schleppzeiger auf einer
Abmessungen der Kerbschlagbiegeprobe (V-Form Skale angezeigte Kerbschlagarbeit K in J
und U-Form). abgelesen.
Abschn. 6.3: Der Kerbschlagbiegeversuch (DIN EN 10045) 589

Im Normalfall wird K bei Raumtemperatur Die Übergangstemperatur kennzeichnet die


und zur Ermittlung des Einflusses der Tem- Lage des Steilabfalls der K-T- bzw. ak-T-Kur-
peratur auf das Verhalten des Werkstoffs bei ve. Folgende Festlegungen der Übergangs-
schlagartiger Beanspruchung bei verschiede- temperatur Tü sind üblich:
nen Prüftemperaturen ermittelt. Dabei soll- – Tü 50 % der Hochlage,
ten bei jeder Temperatur wegen der prinzip- – Tü 27, 41 und 68 J Mindestwerte von K,
bedingten Messungenauigkeiten mindestens – Tü 50 % kristalliner Bruchanteil kf,
drei Proben geprüft werden. – Tü 0,4 mm und 0,9 mm laterale Breitung
(LB).
Aus der Auftragung der K-Werte in Abhän-
gigkeit von der Temperatur wird die K-T- Die »laterale Breitung« (LB) ist die Breite
Kurve erhalten, die für krz Baustähle eine der Kerbschlagbiegeprobe nach dem Bruch
S-Form aufweist, Bild 6-16. Wird der K-Wert infolge der dabei auftretenden plastischen
auf den Prüfquerschnitt bezogen, erhält man Verformung, Bild 6-16.
die Kerbschlagzähigkeit ak,
Weitere Festlegungen ergeben sich noch aus
K J
ak = in , dem instrumentierten Kerbschlagbiegever-
S cm 2 such (Abschn. 6.3.1).
die bei Abweichung von der Standardpro-
be zweckmäßiger sein kann als der K-Wert. Die Lage der Übergangstemperatur Tü wird
Dennoch ist der ak-Wert keine einwandfrei von folgenden Einflussgrößen bestimmt:
definierte Kenngröße, weil der Energieum- – Kerbform
satz auf eine Fläche und nicht auf das da- Mit zunehmender Kerbschärfe (abneh-
für zur Verfügung stehende Volumen bezo- mendem Kerbradius und Kerböffnungs-
gen wird. winkel) wird die AS-T-Kurve nach rechts
LB verschoben und die Streuung im Steilabfall
geringer.
– Probendicke
Mit zunehmender Probendicke wächst
die Formänderungsbehinderung in Di-
ckenrichtung der Probe, bis die Dehnung
Spaltbruch Mischbruch, Wabenbruch,
Waben- und Spalt- Scherlippen
in Dickenrichtung (z-Richtung) Null wird
bruch, kristalliner
Fleck; kf (Spalt-
Verformungs-
bereich
(ezz 0). Dieser Zustand wird »Ebener
bruchanteil) Verzerrungszustand«, EVZ, genannt, der
sich in Probenmitte (W/2) vor dem Kerb-
Tieflage Übergang Hochlage
Steilabfall grund im Restquerschnitt einstellt. Bei
dünneren Proben baut sich deshalb ein
Kerbschlagarbeit K

J geringerer Spannungszustand vor dem


Kerbgrund auf, was sich auf den Werk-
stoffwiderstand auswirkt. Die AS- T-Kurve
wird nach links zu tieferen Tü-Werten bis
zu einer Grenzdicke verschoben, bei der
27 sich ein ebener Spannungszustand ein-
stellen kann (szz 0).
– Größeneinfluss
T ü27 T ü50% K Bei Untersuchungen von Schadensfällen
Temperatur T oder von Halbzeugen, deren Erzeugnis-
dicke unterhalb der Dicke der Kerbschlag-
Bild 6-16
biegeprobe liegt, muss von der Standard-
K-T-Kurve eines ferritischen Baustahls, schematisch,
mit Kennzeichnung der drei charakteristischen T- abmessung abgewichen werden.
Bereiche zusammen mit Brucherscheinungen und den Ein Vergleich dieser Ergebnisse mit denen
Übergangstemperaturen Tü,27, Tü,50%. der gleichen Probenform (Standard-Norm-
590 Kapitel 6: Anhang (spezielle Werkstoffprüfverfahren)

Gekerbte Fläche parallel zur Oberfläche des Prüfstücks (S-Position)

Hinweis Mitte der Schweißnaht Hinweis Schmelzlinie/Bindezone

Bezeichnung Darstellung Bezeichnung Darstellung

b
VHS a/b
(Pressschweißnaht)

b
a

RL
Dicke
VWS a/b

b
a
VHS a/b
RL (Schmelzschweißnaht)

RL

Gekerbte Fläche senkrecht zur Oberfläche des Prüfstücks (T-Position)

b
b

VWT 0/b VWT 0/b


Dicke

b
b

VWT a/b VWT a/b


Dicke

a a
b

VWT 0/b VHT 0/b


a
RL
RL
b

VWT a/b VHT a/b

a a
RL RL
Die Bezeichnung basiert auf einem System, das aus Buchsta- 3. Zeichen
ben für die Art, Lage und Kerbrichtung und Ziffern besteht, die S = gekerbte Fläche parallel zur Oberfläche (entspricht der bei der bruchme-
den Abstand (mm) zu den Bezugslinien (RL) angeben. Die Pro- chanischen Prüfung benutzten Benennung »Oberflächenkerbe«)
ben sind so aus der Schweißverbindung zu entnehmen, dass T = Kerbe durch die Dicke
ihre Längsachsen rechtwinklig zur Schweißnahtlänge verlaufen. 4. Zeichen
Die Bezeichnung besteht aus den folgenden Zeichen: a = Abstand Kerbmitte von Bezugslinie (wenn a auf Mittellinie der Schweißnaht
1. Zeichen liegt, ist a = 0 und sollte aufgezeichnet werden)
U = Charpy -U-Kerbe 5. Zeichen
V = Charpy -V-Kerbe b = Abstand zwischen Oberseite der Schweißverbindung (bei Doppel-V, K-
2. Zeichen oder ähnlichen Schweißnähten ist die Oberseite die mit der größeren Naht-
W = Kerbe im Schweißgut (Bezugslinie ist Mittellinie der breite) zur nächstgelegenen Oberfläche der Probe (wenn b auf der Ober-
Schweißnaht an der Probenlage) fläche der Schweißnaht liegt, ist b = 0 und sollte aufgezeichnet werden)
H = Kerbe in der WEZ (Bezugslinie ist die Schmelzlinie)

Bild 6-17
Probennahme, Probenlage und Probenbezeichnung, aus schmelzgeschweißter Stumpfnaht nach DIN EN 875.
Abschn. 6.4: Der instrumentierte Kerbschlagbiegeversuch 591

probe) im AS -T-Diagramm ist unzweck- ben aus der HS-Lage zu entnehmen, liefert
mäßig, weil die Arbeitsbeträge zu unter- nur eine bedingt brauchbare Kerbschlagzä-
schiedlich sind. Bei der Auftragung als higkeit der WEZ.
ak-T-Diagramm wird der Größeneinfluss
z. T. unterdrückt, die Übergangstempe- Mehr Informationen über das lokale Werk-
raturen sind jedoch unterschiedlich. Des- stoffwiderstandsverhalten der WEZ wird mit
halb ist eine Übertragung von an Proben Hilfe einer metallografischen Gefügeunter-
gemessenen Übergangstemperaturen auf suchung im Bereich des Bruchausgangs er-
Bauteile zur Festlegung einer niedrigsten halten. Diese Methode ist aber meistens nur
Betriebstemperatur nicht möglich. für Forschungszwecke üblich.
– Prüfverfahren (DIN, ASTM und ISO)
Der Einfluss des Prüfverfahrens beruht Zusammenfassend ist festzustellen, dass mit
auf der unterschiedlichen Ausbildung der Hilfe des Kerbschlagbiegeversuches die Zä-
Hammerschneide, der Hammerscheibe higkeit der WEZ ermittelt werden kann. Die
und auf der unterschiedlichen Auftreffge- Ergebnisse beschreiben aber nicht allgemein
schwindigkeit der Hammerscheibe, die das WEZ-Verhalten, sondern sie sind abhän-
5,5 m/s (DIN) und 5,1 m/s (ASTM) beträgt. gig von:
Die Folge ist, dass im Vergleich zu ISO-Ver- – der Lage des Kerbgrundes in der WEZ,
fahren beim ASTM-Verfahren oberhalb von längs oder quer zur Schweißnaht (VWT-
60 J höhere AS-Werte gemessen werden. VWS-Lage),
– der Lage des Kerbgrundes in der WEZ,
Prüfung von Proben mit Schweißnaht ob in einem Grobkornzonen- oder Feinkorn-
Die Ergebnisse des Kerbschlagbiegeversuchs zonenbereich (Abstand von der Schmelz-
eignen sich vor allem für die Überwachung linie),
der Herstellung von Schweißverbindungen – der Breite der WEZ, wenn von den schweiß-
sowie für die Beurteilung von abnahme- technischen Einflüssen (Schweißverfah-
pflichtigen geschweißten Bauteilen für druck- ren, Lagenaufbau, Einstellwerte) abgese-
führende Umschließungen. Dazu ist die hen wird.
Probennahme aus dem Schweißgut, WEZ
und Grundwerkstoff erforderlich, die in DIN
EN 875 festgelegt ist, Bild 6-17. 6.4 Der instrumentierte
Kerbschlagbiegeversuch
Zur Qualitätssicherung von Mehrlagen-
schweißungen ist die Probennahme mit Kerb Zum Beurteilen des Verformungs- und Bruch-
in der S-Lage zu bevorzugen. Bei Einlagen- verhaltens, besonders bei teilplastischer Ver-
schweißungen (z. B. UP- oder Elektroschlacke- formung, aber auch bei plastischer Verfor-
schweißungen) ist das Ergebnis von der Lage mung im Temperaturbereich des Steilab-
des Kerbes (Nahtmitte, Nahtrand) abhängig. falls, ist es von Interesse, den Arbeitsanteil
Bei der häufig verwendeten Anordnung des bei der Risseinleitung und Rissausbreitung
Kerbgrundes in der WEZ ist das Gefüge der getrennt zu erfassen. Das ist mit dem instru-
WEZ und damit auch die Kerbschlagarbeit mentierten Kerbschlagbiegeversuch mög-
an jeder Stelle verschieden. Bei Mehrlagen- lich.
schweißungen gibt es Bereiche, die mehr-
mals umgekörnt worden sind, aber auch sol- Die Prüfung unterscheidet sich von dem Kerb-
che, wo nur Grobkorn (Grobkornzwickel) vor- schlagbiegeversuch nach DIN EN 10045 nur
liegt, Bild 6-17. Problematisch wird die Pro- dadurch, dass mit einer Instrumentierung
bennahme aus Stumpfnähten unter 30 mm der Prüfeinrichtung während des Versuchs
Dicke, weil meist nur eine Probe in WS-La- die Kraft-Zeit oder Kraft-Durchbiegung (Weg)
ge herausgearbeitet werden kann. Bei Stumpf- von Kerbschlagbiegeproben registriert wer-
nähten unter 12 mm Dicke mit einer U-, V- den können, Bild 6-18.
oder X-Nahtvorbereitung ist dies nicht mehr
möglich. Die alternative Möglichkeit, Pro- Die Instrumentierung der Versuchseinrich-
592 Kapitel 6: Anhang (spezielle Werkstoffprüfverfahren)

tung als Blockschaltbild ist in Bild 6-19 dar- Temperaturbereich II, T > Tgy, Über-
gestellt. Während des Versuchs wird die gang von Tieflage zum Steilabfall, Kraft-
Kraft in Abhängigkeit von der Zeit gemes- Weg-Kurve kennzeichnet die dynamische
sen. Die Schlagkraftmessung erfolgt mit Deh- Fließkraft Fgy, Kraft bei Erreichen der
nungsmessstreifen (DMS) an der als Dyna- Vollplastifizierung des Restquerschnitts
mometer ausgebildeten Hammerschneide, (Ligament) und die Maximalkraft Fm Fu,
die bis zu 40 kN kalibriert ist. Die Registrie- Bildung eines stabilen Anrisses vom Kerb-
rung erlaubt die Erfassung der bis in den Ps- grund aus, Spaltbruch.
Bereich reichenden dynamischen Vorgänge
beim Bruch, wobei die Bruchvorgänge von Temperaturbereich III, T ! Ti, Steilab-
denen der Prüfeinrichtung nur schwer zu un- fall, Kraft-Weg-Kurve kennzeichnet Fgy,
terscheiden sind. Fm, Fu und Fa, Bild 6-19,
Fu: Beginn der stabilen Rissausbreitung,
Fm
16
Fa: Rissauffangkraft, Verformungsbruch
Fu
nach Auffangen des von Fu ausgegange-
Kraft

kN nen Spaltbruchs (Mischbruch), bei Nicht-


auffangen ist Fa 0.
12 F  Fm, Bereich der Risseinleitung,
F gy
F ! Fm, Bereich des Rissfortschritts.

Temperaturbereich IV, T ! Td, Hochla-


8 ge der Kerbschlagarbeit, Kraft-Weg-Kurve
kennzeichnet Fgy und Fm, entspricht ver-
zögertem Lastabfall bis zum vollständigen
Fa Bruch,
4 Bruchart: Verformungsbruch, Waben-
bruch.

Des weiteren sind in Bild 6-19 in Abhängig-


0 keit von der Temperatur dargestellt:
0 4 8 mm
Weg – der Abstand der Spaltbruchausgangsstel-
le (Nukleus) vom Kerbgrund und die Län-
Bild 6-18
Ermittlung der kennzeichnenden Werte der Kraft
Weg

eines Kraft-Weg-Schriebes gemäß SEP 1315/Stahl-


Eisen-Prüfblätter.
Kalibrierung Digital-
Monitor
Referenzsignal Kraftanzeige
Die Fläche unterhalb der Kraft-Weg-Kurve Fdyn

entspricht der gesamten von der Kerbschlag-


Verstärker Tiefpaß
biegeprobe während des Versuchs verbrauch- DMS-Kraft-
DC - 1 MHz (wahlweise) Transient-
Recorder
ten Kerbschlagarbeit in J. Aufnehmer 10 MHz
(Finne) AD-Wandler
Brückenspeise-
Trigger
spannung
Für die Auswertung der Kraft-Weg-Kurve
ist das Auftreten ausgeprägter Kräfte Vor- Inkrementaler Zähler mit
Drucker
Digital-
aussetzung, Bild 6-18. Die Arten von Kraft- Drehgeber MIN-MAX-
Ausgang
Rechner
(Pendelachse) Speicher
Weg-Kurven und ihre Zuordnung zu den vier Plotter

Temperaturbereichen der AS-T-Kurve (I, II,


III, IV) sind in Bild 6-19 dargestellt: Bildschirm- Plattenspeicher
Terminal Anwender-Software

Temperaturbereich I, T < Tgy, Tieflage


Bild 6-19
der Kerbschlagarbeit, Kraft-Weg-Kurve Funktionsblöcke der Instrumentierung der Prüfein-
ist durch linearen Anstieg gekennzeich- richtung zur Ermittlung der Kraft in Abhängigkeit
net, Teilschlagarbeit gering, Spaltbruch. von der Zeit.
Abschn. 6.4: Der instrumentierte Kerbschlagbiegeversuch 593

Bild 6-19
Ergebnisse von Kerbschlagbiegeversuchen mit instrumentierter Prüfeinrichtung an Charpy-V-Proben aus
einem C-Stahl in der Auftragung über der Temperatur. Kennzeichnung charakteristischer Temperaturberei-
che I, II, III, IV, und Zuordnung von Brucherscheinungen zusammen mit den Kraft-Weg-Diagrammen, nach
Helms, BAM.

ge des stabilen Anrisses vom Kerbgrund, – die plastische (bleibende) Probendurch-


die beide auch als Maß für die Temperatu- biegung als Maß für das plastische Form-
rabhängigkeit der Zähigkeit eines Werk- änderungsvermögen eines Werkstoffs un-
stoffs anzusehen sind, ter schlagartiger Belastung,
594 Kapitel 6: Anhang (spezielle Werkstoffprüfverfahren)

– die Fließspannung sgy und die Bruchspan- tung erst nach makroskopisch messbarer
nung sf, die mit Hilfe des Ansatzes der plastischer Verformung an der Rissspitze ein-
elementaren Biegebalkentheorie für elasti- setzt. Das Konzept basiert auf dem Dugdale-
sches und plastisches Werkstoffverhalten Modell.
berechnet wurden, gemäß:
Der Bruchparameter, die Rissöffnungsver-
Ff (T ) ◊ S schiebung, engl. Crack Opening Displace-
sf = für T > Ti
B ◊ ÈÎW - ( a + as ) ˘˚
2
ment (COD), ist eine Länge (Verschiebung),
eine Grundgröße im physikalischen Maßsys-
für T < Ti ist as 0 und tem.

Fgy (T ) ⋅ S Instabile Rissausbreitung setzt danach ein,


σ gy = für T > Tgy
B ⋅ (W − a)
2
wenn die plastische Verzerrung (Verschie-
bung) an der Rissspitze, das Maß dafür ist
für vollplastischen Restquerschnitt. die Rissspitzenöffnungsverschiebung (CTOD
Crack Tip Opening Displacement), einen
Die charakteristischen Temperaturen kenn- kritischen Wert erreicht. Das Bruchkriteri-
zeichnen eindeutig physikalische Prozesse um lautet:
des Verformungs- und Bruchverhaltens von
CTOD CTODc oder d dc.
krz Stählen, sie stehen in keinem funktio-
nalen Zusammenhang zu den Übergangs- Die Größe des Bruchparameters CTOD ist
temperaturen der K-T-Kurve. vom Werkstoff, von der Art der Beanspru-
chung (Krafteinwirkung, Umgebungsmedi-
Grundsätzlich kann über die Rolle des Kerb- um, Temperatur) und der Proben- oder Bau-
schlagbiegeversuches mit Ermittlung von teilgeometrie abhängig. Das CTODc ist die
Kraft und Weg ausgesagt werden, dass er dazugehörige Werkstoffwiderstandsgröße
immer mehr an Bedeutung in der Werkstoff- (Bruchkennwert Werkstoffkennwert der
prüfung gewinnt. Hervorzuheben ist dabei Zähigkeit).
die Eignung zur Ermittlung der dynami-
schen Bruchzähigkeit an mit Rissen behaf- Je nach Werkstoffverhalten bei mechanischer
teten (angeschwungenen) Kerbschlagbiege- Belastung hat man als kritische Bruchkenn-
proben und zur Erforschung von Bruchvor- werte das:
gängen. Das Verfahren ist noch nicht ge- – CTODc oder dc für instabilen Rissfortschritt
normt, weshalb es für die Gütesicherung von (c critical),
Werkstoffen noch nicht allgemein zum Ein- – CTODi oder di für den Beginn des stabilen
satz kommt. Die Probleme des Prüfungsver- Rissfortschritts (i initiation),
fahrens bestehen zzt. bei der Messwertauf- – CTODR oder dR für stabilen Rissfortschritt
nahme beim Bruchvorgang, der in Ps abläuft, (R Resistance).
und in der Zuordnung der registrierten Si-
gnale zu Bruch- und Verformungsvorgängen Die Ermittlung der Zähigkeitskennwerte
in der Probe, weil diese vom Zusammenwir- (Bruchkennwerte) erfolgt an Laborproben bei
ken mit der Prüfeinrichtung herrühren und Einhaltung festgelegter Prüfbedingungen.
schwer zu trennen sind. Die Phasen des Bruchablaufes sind in Bild
6-20 dargestellt.

6.5 Das COD-Konzept von Als Basis des COD-Konzeptes für den An-
Cottrell und Wells wendungsbereich der linear-plastischen
Bruchmechanik (LPBM) (sy sy) dient die in
Die Rissspitzenöffnungsverschiebung d als Bild 6-20 dargestellte Rissspitzensituation:
Bruchparameter dient hier zum Beurteilen
sy Rp0,2 oder ReL.
des Sprödbruchversagens von rissbehafteten
Strukturen, bei denen instabile Rissausbrei- Für eine Zugscheibe mit Innenriss ergibt
Abschn. 6.5: Das COD-Konzept von Cottrell und Wells 595

sich für die Rissöffnungsverschiebung unter

D a
Berücksichtigung der plastischen Zonenkor- kein Versagen
rektur nach Irwin:

COD, d
4 ⋅σ ∞ ⋅ a
CODmax = 2 v =
E
und für die Rissspitzenöffnungsverschie-
Versagen
bung
di Kerbfläche
4σ∞ 4 K2
CTOD = 2 a rpl = π ⋅ . Schwingungsrissfläche
E Eσ y Beginn Rissfläche des stabilen Rissfortschritts
Restbruchfläche
Die Schwierigkeiten in der Anwendung des
COD-Konzeptes bestehen sowohl in der stabiler Rissfortschritt D a

– exakten Definition von d als auch in der Bild 6-21


– experimentellen Ermittlung kritischer R-Kurve (Widerstandskurve) COD in Abhängigkeit
Werte von d. von der Größe des stabilen Rissfortschritts.

gedachte Rissspitze nete Beanspruchungsgröße d muss kleiner


plastische Zone Y sein als der Rissinitiierungswert d i (Beginn
Rissufer r
stabiler Rissverlängerung), der als Grenz-
wert aus der Design-Kurve entnommen wird,
ähnlich wie in Bild 6-21.
COD = 2 n

Q X
CTOD = d

= r pl r pl
= eff = = + r pl

Bild 6-20
Rissspitzenöffnungsverschiebung (CTOD).

Die Ergebnisse belegen, dass das COD-Kon-


zept der EPBM vorwiegend ein empirisches
Konzept ist. Der d i-Wert ist nur unter den
Bedingungen des EVZ als Werkstoffkennwert
für den Beginn des Rissfortschrittes anzuse-
hen. Dadurch ist die Übertragbarkeit der an
Laborproben ermittelten Kenngrößen auf Bau-
teile zumindest problematisch. Die Rissspit-
zenkontur ist von der Art der Belastung ab-
hängig. Für die Qualitätssicherung im Be-
reich der Offshore-Technik wurde ein Wert
von d imin • 0,25 mm bei 10 ’C zugrunde ge-
legt.

Burdekin und Dawes leiteten aus dem COD-


Konzept ein bruchmechanisches Sicherheits-
konzept, den CTOD-Design-Curve-Approach,
ab. Die für das rissbehaftete Bauteil berech-
596 Kapitel 6: Anhang (spezielle Werkstoffprüfverfahren)

6.6 Schrifttum

ASTM E 208a: Fallgewichtsprüfung zur Be- DVS-Berichte, Band 168: Sicherung der Gü-
stimmung der Nil-Ductility-Temperature te von Schweißverbindungen im Europäi-
(höchste Temperatur, bei der eine Probe von schen Binnenmarkt, 1995.
dem Fallgewicht noch gebrochen wird) für Teil 1: Grundlagen und Vorgehensweise, 1982.
ferritische Stähle, 1995. Teil 2: Praktische Anwendung, 1989.

Blumenauer, W.: Werkstoffprüfung, 4. Auf- Folkhard, E., Rabensteiner, G., Schabereiter


lage. VEB Deutscher Verlag für Grundstoff- H., Fuchs, K. u. J. Tösch: Der PVR-Test, ein
industrie, Leipzig, 1987. neues Verfahren zur Ermittlung der Heißriß-
sicherheit von Schweißwerkstoffen mit ho-
DIN EN 875: Zerstörende Prüfung von Schweiß- her quantitativer Aussagekraft. Jubiläums-
verbindungen an metallischen Werkstoffen schrift »50 Jahre Böhler Schweißtechnik«,
– Kerbschlagbiegeversuch – Probenlage, Kerb- Kapfenberg: VEW 1977.
richtung und Beurteilung, 10/1995.
Heuser, A. G.: Beurteilung des Versagensver-
DIN EN 10045: Metallische Werkstoffe; Kerb- haltens von Schweißverbindungen hochfes-
schlagbiegeversuch nach Charpy. ter Baustähle mit Hilfe bruchmechanischer
Teil 1: Prüfverfahren, 4/1991. Methoden. Reihe 18: Mechanik/Bruchmecha-
Teil 2: Prüfung der Prüfmaschine (Pendel- nik, Nr. 48, VDI Verlag, Düsseldorf.
schlagwerk), 1/1993.
Schwalbe, K.-H.: Bruchmechanik metalli-
DIN EN ISO 6520: Schweißen und verwand- scher Werkstoffe. Carl Hanser Verlag, Mün-
te Prozesse – Einteilung von geometrischen chen, Wien, 1980.
Unregelmäßigkeiten an Metallen.
Teil 1: Schmelzschweißen (ISO 6520-1:1998), Wilken, K.: Heißrißprüfung mit dem MVT-
11/2007. und Heißzugversuch sowie Übertragbarkeit
Teil 2: Pressschweißungen (ISO 6520-2:2001), auf Bauteilverhältnisse. Schw. u. Schn. 32
4/2002. (1980), H.2, S. 71/74.

DIN EN ISO 17641: Zerstörende Prüfung von


Schweißverbindungen an metallischen Werk-
stoffen - Heißrissprüfungen für Schweißun-
gen - Lichtbogenschweißprozesse
Teil 1: Allgemeines, 10/2004
Teil 2: Selbstbeanspruchende Prüfungen,
9/2005
Teil 3: Fremdbeanspruchte Prüfungen,
10/2004.
7 Sachwortverzeichnis

Symbole

300 °C-Versprödung 145 -, Schweißnahtformen 546


475 °C-Versprödung 48, 145, 204, 211, 222 -, Schweißpraxis 547
232, 425 -, Schweißverfahren 548
-, Spannungsriss 536
-, Wärmeausdehnungskoeffizient 532
A -, Wärmeleitfähigkeit 532
-, Wasserstofflöslichkeit 532
Abbrand, beim Schweißen 322 -, Wiederaufschmelzriss 536
Abkühlgeschwindigkeit 237, 244 Aluminium-Gusslegierung 537
-, kritische 140 Aluminium-Knetlegierung 536
-, obere kritische (vok) 34 Aluminiumbronze 518
-, untere kritische (vuk) 34 Ampholyt 340
Abkühlzeit 2 Analyse, thermische 50
-, Kf 149 Anfangskrater 271
-, Km (K30, K50) 148 Angstlasche 268
-, Kp 149 Anisotropie 12, 17
-, t12/8 222, 441 Anlassbeständigkeit 167, 198, 225
-, t3/1 246 Anlassglühen
-, t8/5 246, 385, 586 -, ablaufende Vorgänge 225
Abschmelzleistung 352 -, beim Härten 138, 143
Abschreckalterung 242 -, beim Schweißen 316
Affinität, chemische 4 Anlassversprödung 145, 182, 412
agglomeriertes Pulver (UP) 368 Anlauffarbe 439
Aktivierungsenergie 8, 23, 38 anodischer Korrosionsschutz 105
Aktivierungspolarisation 77, 78 Ansprunghärte 141
Alterung Anziehungskraft, Coulombsche 4
-, Abschreck- 242 äquikohäsive Temperatur 13
-, s. a. Verformungsalterung Arbeitstemperatur 291
Altstahl 480 Arrhenius-Gleichung 8, 38, 75
Aluminium 531 -, Berechnungsbeispiel 513
-, Aluminiumoxid 532 ASTM A 800 462
-, ausscheidungshärtende Legierung 537 athermische Umwandlung 23
-, Badschutz 549 atmosphärische Korrosion 88
-, Bezeichnungsweise 533 Atombindung 5
-, dispersionshärtende Legierung 544 Aufhärtbarkeit 141
-, Druckgusslegierung 543 Aufhärtungsriss 276
-, elektrische Leitfähigkeit 532 Aufheizgeschwindigkeit 1, 244
-, Erstarrungsriss 535 Aufkohlen 40, 41
-, Gusslegierung 537 Aufschmelzgrad 273
-, Heißriss 536 Auftragschweißen 273
-, Knetlegierung 536 -, Ergänzen 446
-, Korrosionsbeständigkeit 531 -, Panzern 446
-, Korrosionsverhalten 118 -, Plattieren 446
-, Lieferformen 533 -, Puffern 446
-, Lithiumlegierung 543 Augerelektronen-Spektroskopie 489
-, naturharte Legierung 533 Ausbringung 352
-, Oberflächenverunreinigung 547 Aushärten, siehe Auslagern
-, Poren 536 Auslagern 161
-, Schweißeignung 531 Auslaufblech 273
598 Sachwortverzeichnis

Ausscheidung 154, 197, 320


-, allotriomorphe 32 -, unlegierter (DIN EN 10025-2) 141, 168, 379
-, Chi-Phase 207 Beanspruchung, mehrachsige 18
-, Chromcarbid 425 Beizen, korrosionsbeständiger Stahl 417
-, diskontinuierliche 24 Beizsprödigkeit 258, 259
-, im Stahl 14 Beryllium 553
-, inkohärente 161 Beschichtung, s. a. Korrosion 106
-, in Widmannstättenscher Form 32 Bewertungsgruppe 286
-, kohärente 161 binäres Eutektikum 60
-, kontinuierliche 24, 32 Bindefehler 275
-, Laves-Phase 207 Bindung
-, Mischcarbid 495 -, heteropolare (Ionenbindung) 5
-, Sigma-Phase 204, 210 -, kovalente (Atombindung) 5
Ausscheidungshärten 53, 161, 190 -, metallische 4
-, Legierungen geeignet für 224 -, polare 5
-, Teilchenabstand 164 Blasverfahren, kombinierte 127
Ausscheidungsriss, s. Wiedererwärmungsriss Blaswirkung 275, 413
Austauschstromdichte 66, 78 Blockseigerung 132
Austenit 35 Blunting 265
-, Homogenität 155 Bohr, Theorie der Atombindung 2
-, in WEZ 319 Bondern 107
-, Korngröße 157 Bor
-, labiler (metastabil) 219 -, Einfluss auf Härtbarkeit 175
-, stabiler (Vollaustenit) 219 -, Einfluss auf Heißrissneigung 433
-, Umwandlung 142 Bruch
-, Umwandlung in Schiebungsmartensit 414 -, instabiler 263
Austenitbildner 168, 205 -, interkristalliner 14
Austenitformhärten 167 -, transkristalliner 14
austenitisch-ferritischer Stahl (Duplexstahl) 221 -, Zäh- 14
-, Ausscheidungsphase 222 Bruchfestigkeit 16
-, Heißrissneigung 440 Buoyancy-Kraft 307
-, Lochfraßbeständigkeit 441 Burgers-Vektor (b) 9, 229
-, Lochkorrosion 221
-, Schweißen 440
-, stickstofflegierter 220 C
austenitischer Chrom-Nickel-Stahl 217, 431
-, Erstarrungsriss 434 chemische Härtung 523
-, Heißrissneigung 433 Chemisorption, s. a. Wasserstoff 102
-, interkristalline Korrosion 208 Chi-Phase 207
-, Korrosionsbeständigkeit 218 Chloridionenkorrosion (Pitting) 84
-, Lochkorrosion 85 Chromäquivalent 419
-, metastabiler (labiler) 431 Chromcarbid 54, 425
-, s. a. korrosionsbeständiger Stahl -, an Korngrenzen 208
-, Schweißen 437 Chromverarmungstheorie 208, 209
-, Zugraupentechnik 439 Cluster 47, 160, 192
-, stickstofflegierter 220 Coulombsche Anziehungskraft 4
Austenitisierungsdauer Crack Opening Displacement (COD) 594
-, beim Schweißen 244, 313 Crack Tip Opening Displacement (CTOD) 594
-, beim Wärmebehandeln 137 CTODc 594
CTODi 594
CTODR 594
B CVD-Verfahren 109

Bainit 140, 144, 149, 322, 400, 403


basisch-umhüllte Stabelektrode 342 D
Basizitätsgrad (UP-Pulver) 369
Basizitätsindex (UP-Pulver) 369 d -Ferrit 426
Baustahl -, primärer 219, 417, 490
-, Feinkorn-, normalgeglühter 133, 184, 329 -, vermicularer 431
-, Feinkorn-, vergüteter 139, 141, 142 Dampfphaseninhibitor 102
Sachwortverzeichnis 599

DASt-Richtlinie 009 383 DIN EN 10020 124, 125


DASt-Richtlinie 014 392 DIN EN 10025-2 171, 240, 380
Dekohäsionstheorie (Oriani) 261 -, Gütegruppe 384
Delayed fracture, s. a. Kaltriss 277, 294 -, mechanische Eigenschaften 170
-, Entstehungsmechanismus 277 DIN EN 10025-3 384, 406
DeLong-Schaubild, -, chemische Zusammensetzung 186
s. a. Konstitutions-Schaubild 420, 437, 447 DIN EN 10025-4 185, 195, 196, 384, 406
-, Anwendungsbeispiel 420 DIN EN 10025-5 90, 185
Dendrit, s. a. Kornform 26 DIN EN 10025-6 198
-, Bildung 28 -, mechanische Eigenschaften 199
-, Einfluss konstitutioneller Unterkühlung 28 DIN EN 10028-2 180, 374, 406
Desoxidieren 130 DIN EN 10028-3 185
-, Einfluss Sauerstoff 130 -, chemische Zusammensetzung 187
Dichtspeisen 456 DIN EN 10028-4 181, 183
Diffusion 38 DIN EN 10028-5 185, 195, 196
-, Aktivierungsenergie 39 DIN EN 10028-6 198, 398
-, Ermitteln des Konzentrationsverlaufs 38 -, mechanische Eigenschaften 199
-, nichtstationäre 40 DIN EN 10052 136
-, Selbst- 38 DIN EN 10083 172, 173, 174, 198, 402
-, stationäre 38 DIN EN 10084 176, 374
-, Zwischengittermechanismus 39 DIN EN 10088 180, 181
Diffusionskoeffizient (D) 38 -, mechanische Eigenschaften 212
-, Berechnen 111 DIN EN 10208-2 195
-, effektiver 566 DIN EN 10213 461
Diffusionskonstante (D0) 38 DIN EN 10216-2 374, 406
Diffusionsweg, mittlerer 40 DIN EN 10293 456
DIN 1681 456 DIN EN 12072, s. DIN EN ISO 14343
DIN 8524-3 268 DIN EN 13835 473
DIN 8528-1 237 DIN EN 13836 470
DIN 17115 175 DIN EN 14295 374
DIN 17850 555 DIN EN 14640 512
DIN 17851 555 DIN EN 14700 452
DIN 30676 104 DIN EN ISO 636 378, 354
DIN 50927 104 DIN EN ISO 1071 468
DIN EN 283 461 DIN EN ISO 2560 337, 338, 341, 344
DIN EN 439, s. DIN EN ISO 14175 349, 350, 351, 352, 378
DIN EN 440, s. DIN EN ISO 17632 DIN EN ISO 3690 343, 347, 394
DIN EN 499, s. DIN EN ISO 2560 DIN EN ISO 5817 282, 286, 287
DIN EN 573-3 534 DIN EN ISO 6520 579
DIN EN 573-5 533 DIN EN ISO 8249 421
DIN EN 756 363, 378, 364 DIN EN ISO 9692-3 546
DIN EN 757 351, 402 DIN EN ISO 9692-4 450
DIN EN 758, s. DIN EN ISO 17632 DIN EN ISO 13916 328
DIN EN 760 365, 378 DIN EN ISO 14172 424, 530
-, Anwendungsbereich der Pulver 367 DIN EN ISO 14175 357, 359
DIN EN 875 591 DIN EN ISO 14343 424, 429
DIN EN 1011-1 332, 386 DIN EN ISO 17632 361, 378
DIN EN 1011-4 540, 542 DIN EN ISO 18273 542
DIN EN 1011-5 450 DIN EN ISO 18274 424, 531
DIN EN 1011-8 472 DIN EN ISO 24034 561
DIN EN 1561 463, 465 DIN-Fachbericht CEN ISO/TR 15608 540
DIN EN 1562 476 Dissoziationsgrad 65
DIN EN 1563 470 Dopplung 132
DIN EN 1600 424, 426 Drahtelektrode
DIN EN 1652 512, 514 -, MSG-Schweißen 361
-, Kupfer-Aluminium-Legierung 518 -, UP-Schweißen 363
-, Kupfer-Nickel-Legierung 519 Dreistoffsystem 59
-, Kupfer-Zink-Legierung 516 -, ebene Darstellung 61
-, Kupfer-Zinn-Legierung 518 -, Fe-Cr-C 495
DIN EN 1982 509 -, Fe-Ni-Cr 434
600 Sachwortverzeichnis

-, isothermischer Schnitt 61 Elektrostahl-Verfahren 128


-, Konzentrationsdreieck 59 Elementarzelle 6
-, quasibinärer Schnitt 62 ELI-Stahl 210
-, Schmelzflächenprojektion 61 Emaillierung 107
-, ternäres Eutektikum 60 Endkrater 272
-, Vertikalschnitt 62 Endkraterriss 272
Drop-Weight-Test, s. Fallgewichtsversuch Enthalpie, freie 24
Druckelektroschlackeumschmelzen 220 Entkohlen 111
Drucktheorie (Wasserstoff) 259 Entmischung
Dualphasen-Stahl 195, 314 -, einphasige 47
Ductility Dip Cracking (DDC) 561 -, Seigerung, s. a. Kristallseigerung 132
Dugdale-Modell 594 Entzinken 87
Duplexstahl, s. a. aust.-ferritischer Stahl 214, 440 -, des Messings 517
Durchbruchpotenzial (Ed) 82 epitaktische Erstarrung 300
DVS-Merkblatt 0504, s. DVS-Merkblatt 0957 343 Erholung 42
DVS-Merkblatt 0705 (ersatzlos zurückgezogen) 287 Erosion(skorrosion) 94
DVS-Merkblatt 0907 372 Erschmelzungsverfahren 125
DVS-Merkblatt 0944 (ersatzlos zurückgezogen) 347 -, Einfluss auf Schweißverhalten 125
DVS-Merkblatt 0956 (ersatzlos zurückgezogen) 395 Erst-Bezugskörper 491
DVS-Merkblatt 0957 344 Erstarrung(sform), s. a. Kristallisation
DVS-Merkblatt 1001 585 -, Dendrit 26, 29
DVS-Merkblatt 1004 (ersatzlos zurückgezogen) 579 -, ebene 27, 300, 568
-, epitaktische 300
-, gerichtete 28, 456
E -, Stängelkristall 302
-, Zelle 29
ebener Spannungszustand (ESZ) 265 Eutektikum 52
ebener Verzerrungszustand (EVZ) 265 -, binäres 60
Edelgaskonfiguration 3 -, entartetes 57
Edelstahl, Definition 125 -, ternäres 60
Eigenkeim 25 eutektische Rinne 60
Eigenschaften, mechanische Eutektoid 135
-, strukturempfindliche 7 Extended Ferrit Nummer (EFN),
-, strukturunempfindliche 7 s. a. Ferrit-Nummer 442
Eigenspannung
-, der Mehrachsigkeitsgrad 262
-, dreiachsige 262 F
-, in der Schweißverbindung 261
-, mehrachsige 138 Fallgewichtsversuch (nach Pellini) 586
-, Räumlichkeit der 262 Faradaykonstante 68
-, Verteilung 250 Faradaysches Gesetz 82, 99, 120
Einbrand 273 Fehler in der Schweißverbindung 268
Einhärtbarkeit 141 -, Anfangskrater 272
Einhärtungstiefe (ET) 34 -, Bindefehler 275
Einkristall 12 -, Blaswirkung 275
Einlagerungsmischkristall (EMK) 46, 48 -, durch die Fertigung 268
Einsatzhärtungstiefe (Eht) 175 -, durch die Werkstoffe 269
Einsatzstahl 171, 175, 374 -, Einbrand 273
Einschluss 129, 130, 274 -, Einschlüsse, Schlacken 274
Eisen-Gusswerkstoffe 456 -, Endkrater 272
Eisen-Kohlenstoff-Schaubild (EKS) 133 -, Endkraterpore 272
ELC-Stahl 210 -, Endkraterriss 272
-, Schweißen 438 -, Gase 270
elektrochemische Korrosion 65 -, metallurgische Fehler (Tabelle) 280
elektrochemische Polarisation 77 -, metallurgischer Herkunft 269
-, Aktivierungspolarisation 77 -, »Osterei« 275
-, Konzentrationspolarisation 77 -, Rissbildung 276
-, Widerstandspolarisation 77 -, Schlacke 275
elektrolytische Doppelschicht 66 -, Schweißbeginn und -ende 271
Elektron 2 -, tabellarische Übersicht 293
Sachwortverzeichnis 601

-, Wasserstoff 258 Fertigungsschweißen 457


-, Zündstelle 275 Festigkeit, maximale
Fehlordnungssystem 7 -, Kohäsionsfestigkeit 159
Fehlstellendichte 10 -, Schubfestigkeit 158
Feingleitung 164 Festigkeitserhöhung
Feinkornbaustahl 183, 242 -, Ausscheidungshärtung 161
-, Drahtelektrode (MSG) 398 -, Dispersoide 523
-, Drahtelektrode (UP) 395 -, Kaltverfestigung 159
-, Einfluss des Niobs 191 -, Korngrenzenhärtung 165
-, Grundreihe 189 -, Martensithärtung 165
-, Kaltumformbarkeit 193 -, metallischer Werkstoffe 157
-, kaltzähe Reihe 189 -, Mischkristallverfestigung 160
-, kaltzähe Sonderreihe 189 -, Orowan-Mechanismus 163
-, Nahtvorbereitung 389 -, Rekristallisation 160
-, normalgeglühter 184, 188 -, Schneidemechanismus 163
-, Rissbildung 392 -, thermomechanische Behandlung 167
-, Schlagzähigkeit 165, 189 Feuerverzinken 107
-, Schweißeignung 399 Ficksches Gesetz, erstes 38
-, Schweißgutzähigkeit 395 -, Diffusion des Kohlenstoffs 40
-, Schweißtechnologie 392 Ficksches Gesetz, zweites 40
-, Schweißzusatzwerkstoffe 393 -, Homogenisieren von Legierungen 41
-, Spannungsarmglühen 391 Fischauge 258, 260
-, Sprödbruchsicherheit 184 Flächenkorrosion 82, 83
-, Terrassenbruch 189 Fließkurve 18
-, thermomechanisch behandelter 190 Flussmittel 512
-, vergüteter 387, 398 freie Enthalpie 112
-, Wärmebehandlung 390 Freiheitsgrad 58, 114
-, warmfeste Reihe 189 Fremdatom 7
-, Wiedererwärmungsriss 411 Fremdkeim 24
-, Zusatzwerkstoffe 393 Fremdstromkorrosion 69
Feinkornstahl, s. a. Feinkornbaustahl 183 -, Korrosionsschutz 103
Fernordnung 160 Frischen 126
Ferrit 55, 135 Fülldrahtelektrode 361
-, allotriomorpher 323, 325 -, MSG Schweißverfahren 361
-, bainitischer 325 -, normalgeglühter FK-Stahl 398
-, d-Ferrit 426
-, Schweißen austenitischer Cr-Ni-Stahl 437
-, Hochtemperatur- 242 G
-, im Schweißgut 323
-, Korngrenzen- 323 galvanisches Element 66
-, Mengenbestimmung 490 Gase
-, Nadel- 242 -, Diffusionskoeffizient (D) 270
-, nadeliger 324 -, im Aluminium 532, 543
-, polygonaler 323 -, im Kupfer 511
-, primärer 203, 219 -, im Schweißgut (Eisenwerkstoffe) 270
-, vermicularer 431 -, im Stahl 228
-, Widmannstättenscher 323 -, im Werkstoff 2
Ferrit-Nummer (FN) 420, 491 -, Löslichkeit der 270
-, extended (EFN) 420 -, Nickel(-legierung) 526
Ferritbildner 168 Gausssches Fehlerintegral 40
ferritischer Cr-Stahl, s. a. korrosionsbeständiger Gefüge 12
Stahl 215 -, dendritisches 237
-, IK-Beständigkeit 427 -, feinkörniges (FK-Stahl) 384
-, Korrosionsverhalten 215, 216 -, grobkörniges 2
-, Schweißen 425, 493 -, Guss- 26
-, Stabilisieren 217 -, primäres 113
-, Superferrit 493 -, Sekundär- 26
-, Vorgänge in der WEZ 492 -, Zellstruktur 28
fertigungsbedingte Schweißsicherheit 238 Gefügerechteck 52
Fertigungsfehler 268 Gefügezeiligkeit 226
602 Sachwortverzeichnis

Gewaltbruch 276 Gusseisenkaltschweißen 467


Gibbssches Phasengesetz 50, 59 Gusseisenwarmschweißen 464, 466
-, Berechnungsbeispiel 114 Gussgefüge 26
Gießstrahlentgasung 129 Gusslegierung
Gitter, s. a. Kristallgitter -, Aluminium- 537
-, Defekte im 7 -, Aluminium-, Bezeichnungsweise 533
-, hexagonal dichteste Packung (hdP) 6 -, Eisenwerkstoff 136
-, kubisch-flächenzentriert (kfz) 6 -, Kupfer (Tabelle) 509
-, kubisch-raumzentriert (krz) 6 Gusslegierung, hochnickelhaltige
-, tetragonal-raumzentriert (trz) 35 -, Einfluss Legierungselemente 524
Gitteraufbau 6 Gütegruppe 171, 267, 377, 382
Gitterbaufehler 7 Güteklasse 474
-, 0-dimensionaler 7
-, 1-dimensionaler 7
-, 2-dimensionaler 7, 8 H
-, 3-dimensionaler 7
-, interstitieller Defekt 8 Halbwarmschweißen 466
-, substitutioneller Defekt 8 Halbwarmumformung 45
Gitterverzerrung, formerhaltende 36 Halbzelle 65
Glashärte 143 Hall-Petch-Beziehung 20, 21
Glaskeramik 107 Haltepunkt 50
Gleichgewicht Haltetemperatur,
-, metastabiles 11 s. a. Vorwärmtemperatur 328, 391
-, thermodynamisches 7, 115 Hammervergüten, beim Kupfer 513
Gleichgewichtsschaubild 49 Härtbarkeit 35, 167
Gleichgewichtsverteilungsverhältnis (k) 488, 568 -, Einsatzstahl 175
Gleitebene 9 -, Vergütungsstahl 175
Gleiten 16 Härte, Einfluss auf Bauteilsicherheit 320
Gleitlinienbänder 16 Härten 137
Gleitrichtung 17 Härteriss, s. a. Kaltriss 226, 407
Gleitstufe 16 Härtesack 198, 404
Gleitsystem 17 Hartguss 463
Glühen 137 Härtungsgrad 145
Glühzwilling 10 Hastelloy 522
Grafit Hauptgüteklasse, Stahl 124
-, Einfluss auf mech. Gütewerte 463 -, Edelstahl, Definition 124
-, kugeliger 467 -, Grundstahl, s. unlegierter Qualitätsstahl
-, lamellarer 463 -, Qualitätsstahl, Definition 124
-, vermicularer 463 Hauptschubspannungshypothese 262
Grobkorn (WEZ) 2 hdP, hexagonal dichtesten Packung 6
-, Einfluss auf mech. Gütewerte 313 Hebelgesetz 51, 115
-, ferritischer Chromstahl 425 -, Beispiel für Anwendung 115
-, nichteisenmetallischer Werkstoff 503 Heftstelle, Einfluss auf Bauteilsicherheit 320
-, umwandlungsfähiger Stahl 310 Heißriss 12, 14, 29, 205, 207, 219, 276, 303
Grobkornzone (WEZ), s. Wärmeeinflusszone -, (Automaten-)Messing 516
Großwinkelkorngrenze 10 -, (Zinn-)Bronze 518
Grundstahl, s. unlegierter Qualitätsstahl -, Aluminiumbronze 519
Gruppe (im Periodensystem) 3 -, Aluminiumlegierung 536
Guinier-Preston-Zone 30, 161, 566 -, austenitisch-ferritischer (Duplexstahl) 440
Gusseisen -, austenitischer Cr-Ni-Stahl 290, 417, 433
-, artfremdes Schweißen 467 -, beeinflussende Faktoren 273, 304
-, artgleiches Schweißen 464 -, einphasiger Werkstoff 505
-, Dichtspeisen 456 -, Entstehungsmechanismus 241, 303
-, Gusseisenschaubild, -, Gegenmaßnahmen 303, 333, 449, 455
nach Kreiner-Klingenstein 464 -, kaltzäher Stahl 413
-, mit Kugelgrafit 467 -, Kupfer-Nickel-Legierung 519
-, legiertes 473 -, mehrphasiger Werkstoff 505
-, mit Lamellengrafit 463 -, RPF-Faktor nach Borland 488
-, mit vermicularem Grafit 463 -, unlegierter Stahl 313, 322
-, Weißeinstrahlung 464 -, Ursachen 12, 14, 56, 117
Sachwortverzeichnis 603

-, warmfester Stahl 179 ISO/TR 17671-4 547


-, Wiederaufschmelzriss ISO 6847 371
-, Aluminiumlegierung 536, 545 ISO 9328-3 185
-, ausscheidungshärtende Legierung 506 ISO 9328-5 185
-, Entstehungsmechanismus 506 ISO 9328-6 198
-, Nickelbasis-Legierungen 527 ISO 17641
Heißrissanfälligkeit Ito-Bessyo-Beziehung 329
-, metallurgische Einflüsse 304, 306, 433
-, Prüfen der 579
-, mit Fremdbeanspruchung 580 K
-, mit Selbstbeanspruchung 580
Heißrissparameter, von Bailey und Jones 378 Kaltriss, wasserstoffinduzierter 258, 402
Helmholtzsche Ebene, äußere 66 -, 20MnMo5-5 393
Heterogenisierungsglühen 537 -, Chromstahl, vergüteter 234, 422
heteropolare Bindung 5 -, Definition (DIN 8524) 276
High Nitrogen Steel (HNS) 220 -, Einfluss der Härte 141
hitzebeständiger Stahl -, Enstehungsmechanismus 277, 292
-, Schweißen -, FK-Baustahl 281, 344, 386
-, X6CrNiMoTi17-12-2 482 -, Gefahr bei kfz Metallen 207
Hochtemperaturferrit 242 -, Gegenmaßnahmen 292
Hohlraum -, Kaltsprödigkeit 240
-, interstitieller 110 -, Reparaturschweißen 485
Homogenisieren 41, 117 -, Stahl, legierter/unlegierter 239, 381
Hookesches Gesetz 249 Kaltrissanfälligkeit, Prüfen der 583
Hydratation 66 -, kritische Spannung (Kaltriss) 584
Hydrolyse 85, 258 -, statische Ermüdungsgrenze der Probe 584
Hysterese, thermische 134 Kaltrissneigung 329
Kaltverformung 9, 19
kaltzäher Stahl 182
I kathodischer Korrosionsschutz 103
Kavitation(skorrosion) 93
Idealkristall 7 Keim
Impfen (von Schmelzen) 27 -, Eigen- 25
Implant-Test 281, 583 -, Fremd- 24
-, Ergebnis der Auswertung 584 Keimbildung
Implantprobe 583 -, heterogene 23, 30
Incoloy 522 -, homogene 23, 30, 112
Inconel 522 -, Wirkung der Korngrenzen 30
Inhibitor (Korrosionsschutz) 101 Keimradius
-, chemisch wirkender 102 -, kritischer 25, 112
-, Deckschichtbildner 102 Kerbriss 276
-, Destimulator 102 Kerbschlagbiegeprobe 588
-, Neutralisator 102 Kerbschlagbiegeprüfung 266
-, physikalisch wirkender 102 -, instrumentierte 591
Injektionsverfahren 129 Kerbschlagbiegeversuch (DIN EN 10045) 587
Inkubationszeit 148, 230 -, Proben mit Schweißnaht 591
Instandsetzungsschweißen 460 Kerbschlagzähigkeit
Interkristalline Korrosion (IK) 88, 209 -, kaltverformter Stähle 19
-, austenitischer Cr-Ni-Stahl 218 Kernladung 3
-, Gegenmaßnahmen 210 kfz, kubisch-flächenzentriert 6
intermediäre Phase, s. a. Ausscheidung 207 Kleinwinkelkorngrenze 10, 12
-, Einfluss auf mechanische Gütewerte 211 Knickpunkt 50
intermediäre Verbindung 48, 446 Knife-Line-Attack 436
interstitielle Phase 48 Kohabitationsprinzip 349
Ionenbindung 5 Kohärenz 10
Ionengitter 5 Kohäsion 15
Ionenimplantation 109 Kohlenstoff 206
Ionenkonzentration 71 -, Definition Stahl 124
Ionisierungsspannung 355 -, Einfluss auf Eigenschaften
ISO/DIS 24034 561 korrosionsbeständiger Stähle 495
604 Sachwortverzeichnis

-, Einfluss auf Maximalhärte 141 -, äußere Helmholtzsche Ebene 66


-, Einfluss auf Ms und Mf 141, 142 -, Belüftungselement 76, 91
-, Einfluss auf Umwandlungsverhalten 146, 495 -, Besonderheiten beim Schweißen 100
-, in hochlegiertem Stahl 204 -, chemischer Angriff 202
-, Legierungselement 135 -, chemische Reaktion 64, 117
-, Martensitbildung 165 -, Einfluss der Anodenfläche 99
Kohlenstoffäquivalent 328, 381, 404 -, elektrochemische 65
Komponenten (einer Legierung) 49 -, elektrochemische Polarisation 77
konstitutionelle Unterkühlung 27, 28, 568 -, elektrolytische Doppelschicht 66
konstitutionelle Verflüssigung 506 -, Entzinken 87
Konstitutions-Schaubild -, Erosions- 94
-, ASTM A 800 462 -, Flächen- 83
-, Beispiel Auswertung 422 -, Fremdstromkorrosion 69
-, DeLong-Schaubild 420 -, galvanisches Element 66
-, Schaeffler-Schaubild 417, 435 -, Geschwindigkeit 117
-, WRC-1992-Schaubild 421 -, Gestaltungsrichtlinien 94
Konstitutionswasser, s. a. Kristallwasser 343 -, gleichmäßige 120
konstruktionsbedingte Schweißsicherheit 238 -, Grenzpotenzial 104
Konstruktionsschweißen 460 -, interkristalline 209
Kontaktkorrosion 69, 83, 84, 99 -, in Wässern 202
kontrollierte Wärmeführung 386 -, in wässrigen Lösungen 65, 68
Konversionsschicht 106 -, IUPAC-Konvention 67
Konzentration (Zustandsschaubild) 49 -, Kavitations- 93
Konzentrationselement 74, 83, 98 -, Kontakt- 69, 84
-, Anode 74 -, Konzentrationselement 83, 98
Konzentrationspolarisation 80 -, Konzentrationspolarisation 80
Konzentrationsverlauf nach Glühbehandlung 42 -, Kupfer 118
Kornform -, Loch- (Lochfraß, Pitting) 84
-, äquiaxiale (globulitische) 26 -, Lösungsdruck 66
-, dendritische 26 -, Messerlinien- 436
-, Stängelkristalle 26 -, mikrobiologische 90
-, zellartige 28 -, Mischpotenzial 78
Korngrenze 7, 19, 30 -, Nickel 73
-, Bewegung der 115 -, Passivator 102
-, Einfluss auf Streckgrenze 19 -, Polarisationskurve 78
-, Großwinkel- 10 -, Redoxkorrosion 69
-, Kleinwinkel- 10, 12 -, Reduktion 69
-, Sub- 12 -, Reib- (»Fressen«) 94
-, Wirkung auf Leerstelle 566 -, Ruhepotenzial 78
-, Zwillings- 10 -, Sauerstoff- 70
Korngrenzengleitung 412 -, Sauerstoffkorrosion 69
Korngrenzenhärtung 165, 190 -, selektive 87
Korngrenzensegregation 489 -, Spalt-, (Berührungs-) 86, 98
Korngrenzensubstanz -, Spannungsriss- 91, 217
-, Aufbau 14 -, Spongiose (Grafitierung) 88
-, Einfluss auf Gütewerte 14 -, Stromdichte-Potenzial-Kurve 78
Korngröße 12 -, Tafelsche Beziehung 79
Korngrößen-Kennzahl (G) 13, 14, 110 -, Überspannung 77
Kornwachstum 13, 45, 116 -, Wasserstoff- 69
-, bei ferritischem Chromstahl 492 -, Wasserstoffentwicklung 69
-, beim Rekristallisieren 42 Korrosionsart 83
-, metallurgische Einflüsse auf 153 korrosionsbeständiger Stahl
Kornzerfall, s. a. interkristalline Korrosion 208 -, Anlauffarbe 416
Korrosion 63 -, Ausscheidungen im 207
-, Abtragrate 82, 99, 120 -, austenitisch-ferritischer (Duplexstahl) 214, 440
-, Adhäsionsverschleiß 94 -, austenitischer Chrom-Nickel- 204, 214, 217
-, Aktivierungspolarisation 78 218, 431, 440
-, Aluminium 118 -, chemische Beständigkeit 200
-, Anwendung des Faradayschen Gesetzes 120 -, Einfluss der Verarbeitung 414
-, atmosphärische 88 -, ELC-Stahl 210
Sachwortverzeichnis 605

-, ELI-Stahl 210 Kriechen 13, 177


-, ferritischer Chromstahl 215 Kristall 2
-, halbferritischer 206 Kristallgemisch 49
-, Heißrissbildung 219 Kristallgitter 6
-, Heißrissneigung 431 Kristallisation
-, Herstellen von Oberflächen 415 -, epitaktische 25
-, martensitischer Chromstahl 204 -, gerichtete 523
-, Molybdän im 207 -, Keimbildung 112
-, Nickel im 205 -, primäre 22, 113
-, Silicium im 207 -, Schweißschmelze 300
-, Stabilisator 210 -, sekundäre 22
-, stabilisierter Stahl 210 -, sekundäre (Dreistoffsystem) 60
-, Stickstoff im 206 -, tertiäre (Dreistoffsystem) 60
-, stickstofflegierter austenitischer Stahl 220 -, Triebkraft 112
-, Streckgrenze der Austenite 207 Kristallisationsgeschwindigkeit (R) 28, 301, 567
-, Superferrit 217 Kristallisationswärme 112
-, ULC-Stahl 210 Kristallit, s. a. Korn 12
-, Vollaustenit 219, 431 Kristallseigerung 55, 117
-, Wasserstoff im 207 Kristallwasser 271, 343, 369
-, weichmartensitischer Stahl 206, 215 kritische Abkühlgeschwindigkeit 140
-, Zustandsschaubild 203 Kryogenik 182
Korrosionsbeständigkeit 3 kubisch-flächenzentriert, kfz 6
-, Beständigkeitsstufen 65 kubisch-raumzentriert, krz 6
-, Einfluss der Konstruktion 64 Kupfer 509
-, Einfluss der Ver- und Bearbeitung 63 -, Automatenmessing 516
-, Einfluss der Wartungsmängel 63 -, Entzinken (Messing) 517
-, Einfluss des Oberflächenzustands 414 -, hammervergütete WEZ 513
Korrosionselement 83 -, Korrosionsverhalten 118
Korrosionsgeschwindigkeit 65 -, Kupfer-Aluminium-Legierung 518
Korrosionsschutz -, Kupfer-Nickel-Legierung 519
-, aktive Schutzverfahren 101 -, Kupfer-Zink-Legierung (Messing) 516
-, anodischer 105 -, Kupfer-Zinn-Legierung (Bronze) 518
-, Auskleidung 106 -, Leerstellen in Cu-Schweißnaht 513
-, Beschichtung 106 -, sauerstofffrei 510
-, Dampfphaseninhibitor 102 -, sauerstoffhaltig 510
-, Deckschichtbildner 102 -, Schweißempfehlung 511
-, Destimulator 102 -, Schweißzusatzwerkstoffe 516
-, Emaillierung 107 -, Wärmeleitfähigkeit 510
-, Fremdstromschutzanlage 103 -, Wasserstoffkrankheit 510
-, Glaskeramik 107 Kupferlegierung 514
-, kathodischer 78
-, korrosionsschutzgerechte Gestaltung 201
-, metallischer Überzug 107 L
-, Opferanode 103
-, passive Schutzverfahren 106 Lagenaufbau
-, Phosphatieren 106 -, hochlegierter Stahl
-, Randschichtumschmelzlegieren 109 -, Zugraupentechnik 426
-, Referenzelektrode 103 -, Mehrlagentechnik 299
-, Schmelztauchen 107 -, Mehrlagentechnik (UP) 371
-, Schutzschicht 106 -, Pendellagentechnik 299, 329
-, Schweißplattieren 108 -, Pufferlagentechnik 423
-, Überzug 106 -, Strichraupentechnik 413
Korrosionsverhalten, Einfluss von -, Vergütungslagentechnik 320
-, Elektrolyttemperatur 75 -, Zugraupentechnik 299, 317
-, Ionenkonzentration 71 Längsschrumpfung 253
-, Medienkonzentration 77 Langzeitbeanspruchung 182
-, Sauerstoffgehalt 74 Lanthanoid 125, 544, 551
-, Strömungsgeschwindigkeit 76 Lanzettmartensit (massiver Martensit) 38, 143
kovalente Bindung (Atombindung) 5 Laugensprödigkeit 93
Kraterfülleinrichtung 272 Laves-Phase 207
606 Sachwortverzeichnis

LD-Verfahren 127 -, massiver 143


LDAC-Verfahren 127 -, nadelförmiger 493
Leerstelle 7, 513 -, Platten- (höhergekohlter) 143
Legierung 46 Martensitbildung
-, eutektische 51 -, Bain-Mechanismus 36
-, Gefügezustand 49 -, Einfluss Austenitkorngröße 226
-, Gibbssches Phasengesetz 50 -, nach Bilby und Christian 36
-, Hebelgesetz 51 Martensithärte 37
-, heterogene 58 martensitischer Chromstahl 215, 233
-, mechanische Gütewerte 58 -, Schweißen 422
-, mit begrenzter Löslichkeit 53 Massivumwandlung 33
-, mit intermediären Phasen 53 Mehrfachgleiten 165
-, mit Umwandlungen im festen Zustand 55 Mehrlagentechnik 316, 351
-, mit vollständiger Löslichkeit 50 -, vergüteter FK-Baustahl 399
-, Schweißen kristallgeseigerter 56 Mehrstoffsystem, s. a. Dreistoffsystem 49
-, übereutektische 52 Messerlinienkorrosion 432, 436
-, untereutektische 52 Messing 516
Legierung, ausscheidungshärtende Metall 3
-, Schweißen 505 metallischer Überzug 107
-, Schweißverhalten 569 metallurgisches Verhalten
Legierungselement -, aktives Schutzgas 357
-, austenitstabilisierendes 135, 168 -, Stabelektrode 338
-, ferritstabilisierendes 168 -, UP-Schweißpulver 369
-, Wirkung auf Schweißeignung 243 metastabil 38
Leichtmetall 531 -, Fe-C-System 134
Leistungsdichte (Schweißverfahren) 245 Mf-Temperatur 37
Leonsche Hüllparabel 262 mikrobiologische Korrosion 90
Liquiduslinie 51 Mikrolegierungselement 185, 191
Lochfraßpotenzial 85 Mikroplastizität 277
Lochkorrosion (Lochfraß, Pitting) 84, 202, 207 Mikroriss 276
Lokalelement, s. a. Korrosionselement 83 Mischcarbid 225, 495
Lorentz-Kraft 307 Mischelektrode
Lösungsdruck 66 -, heterogene (= Korrosionselement) 78
Lösungsglühen 161, 208 -, homogene 78
-, zum Ausscheidungshärten 53 Mischkristall 46, 49
-, zum Erzeugen der IK-Beständigkeit 210 -, Einlagerungs- 48
Lösungsphase 46 -, Substitutions- 46
Lot 11 Mischkristallreihe
Löteignung 291 -, lückenlose 47
Löten 11, 40 -, Mischungslücke 53
-, Arbeitstemperatur 291 Mischungsgerade 419
-, Eindringtiefe 40 Mischungslücke 53
-, Unterschiede zum Schweißen 291 Mohrscher Spannungskreis 262
Luftfeuchtigkeit 343 Molybdän 562
Lufthärter 142, 231 -, TZM-Legierung 563
Luftvergüten 144 Monel 522
Mosaikblöckchen 12
Ms-Temperatur 37, 142
M -, Berechnen der
-, (niedrig-)legierter Stahl 142
Magnesium 551 -, martensitischer Cr-Stahl 234, 423
-, -Legierungen (DIN 1729-1, DIN EN 1753) 552
-, mechanische Eigenschaften 551
Manganzeiligkeit 227 N
Maraging Stahl 185
Marangoni-Strömung 308, 478 Nadelferrit, s. a. Ferrit 242, 370
Martensit 34, 165 Nadelstichkorrosion 84
-, bei legierten Stahl 142 Nahbereichsordnung 47
-, Härte des 37, 224 Nahentmischung 33, 47
-, Lanzett- (niedriggekohlter) 38, 143, 197 Nahordnung 160
Sachwortverzeichnis 607

Nahtformverhältnis 308 Periode (im Periodensystem) 3


NDT-Temperatur 179, 586 Periodensystem 3
Nernstsche Gleichung 71, 120 Perlit 55, 135
Netzebene 6 pH-Wert 65, 258
Nichtmetall 3 Phase 11, 22, 49
Nickel 205, 520 -, interstitielle 48
-, ausscheidungshärtende Legierung 527 Phosphatieren 106
-, gerichtete Erstarrung 523 Phosphor 333
-, Heißrissigkeit 525 Physisorption 102
-, Korrosionseigenschaften 520 Plattenmartensit (nadelförmiger Martensit) 38
-, Korrosionsverhalten 73 Platzwechselmechanismus 39
-, Laves-Phase 523 Platzwechselvorgänge 38
-, Legierung 520 Polarisation, elektrochemische 84
-, Legierungstelemente u. Schweißeignung 524 -, Aktivierungs- 78
-, Schweißmetallurgie 525 -, Konzentrations- 80
-, Schweißpraxis 529 -, Widerstands- 81
-, Schweißzusatzwerkstoff 531 Polarisationskurve 78
-, Sigma-Phase 523 Polieren, elektrolytisches 417
-, Superlegierung 527 Polygonisation 9
-, Wiederaufschmelzriss 526 Polymorphie (Allotropie) 34, 302
Nickel-Chrom-(Eisen-)Legierungen 526 Poren 255, 270
Nickeläquivalent 419 -, Einfluss auf Bauteilsicherheit 255, 261
-, Berechnen des 419 Potenzialdifferenz 66, 303
Nickelbasis-Legierung 522 -, Berechnen der 120
-, ausscheidungshärtende 527 Pourbaix-Schaubild 72, 118
-, chemische Härtung 523 -, Eisen/wässrige Lösung 72, 119
-, molybdänhaltige 526 -, Korrosionsverhalten von Eisen 119
-, Rissbildung während -, Kupfer/wässrige Lösung 118
Spannungsarmglühen 529 -, Ni/wässrige Lösung 74
-, Wiederaufschmelzriss 528 Pressmantelelektrode 337
Normalglühen 139, 316 Primärgefüge 24, 113
-, Überhitzen 140 Primärkristallisation
-, austenitisches Schweißgut 433
-, bildliche Darstellung 303
O -, Einfluss Einbrandtiefe 273
-, ferritische 435
Oberflächenenergie 11, 165 -, ferritisches Schweißgut 300
Oberflächenspannung 10, 116, 489 -, Legierung 27
OBM-Verfahren 128 -, Metall 24
Oktaederlücke 48, 110 Primärseigerung 29
Ölhärter 142, 230 Promotor 259
Ölvergüten 144 Pufferlagentechnik 423, 571
Opferanode 103
Ordnungsumwandlung 33
Oriani, Theorie von 261 Q
Orowan-Mechanismus 163, 164
Oxidationsmittel 67 Qualitätsstahl, Definition 124
quasi-isotrop 12
Querschrumpfung 252
P

Packungsdichte 39, 111, 226 R


Passivator 102
passiver Korrosionsschutz 106 Randhärter 142
Passivieren 202, 417 Randschichthärten 171
Passivität 75 Randschichtumschmelzlegieren 109
Passivschicht 83 Raoultsches Gesetz 51
Passivstromdichte 82 Reaktionsspannung 250
Pellini-Versuch 586 Reckalterung, s. Verformungsalterung
Pendellagentechnik 317 Redoxkorrosion 69
608 Sachwortverzeichnis

Reduktion, kathodische 66 -, behindert 249


Reduktionsmittel 67 -, Einfluss Konstruktion 254
reheat cracking 138 -, Einfluss Wärmemenge 253
Reinigungswirkung, des SG-Lichtbogens 548 -, Einfluss Werkstoff 254
Rekristallisation 9, 42 -, frei (unbehindert) 249
Rekristallisationsschaubild 44 -, Längs- 253
Rekristallisationstemperatur (TRk) 43 -, Quer- 252
Rekristallisationsverzögerung 44, 191 -, Winkel- 252
Relaxation 177 Schubfestigkeit, theoretische 16
Relaxationsriss, s. a. Wiedererwärmungsriss 411 Schutzgase
Relaxationszeit 41 -, Physikalische Eigenschaften 356
Reparaturschweißen 269 »Schwarz-Weiß«-Verbindung 446
-, Altstahl 480 Schwefel 241, 333
-, Stahl unbekannt 483 Schweißeignung 6
-, Vorwärmen 485 -, Aluminium 532
Restaustenit 143, 226, 234 -, Aluminiumbronze 519
Rinne, eutektische 60 -, Aufschmelztest 484
Riss -, ausscheidungshärtende Legierung 505, 569
-, Schweißgut, s. a. Heißriss 276 -, ausscheidungshärtende Nickelbasis-Leg. 527
-, WEZ, s. a. Kaltriss 276, 320 -, austenitisch-ferritischer Stahl 440
Rissinstabilität 594 -, Baustahl
Rissöffnungsverschiebung 595 -, Aufschmelztest 484
Rissspitzenöffnungsverschiebung 595 -, Bruchtest 484
RPF-Faktor, s. a. Heißriss 488 -, Farbe (Aussehen) 483
Rücktrocknen -, Härtetest 483
-, basisch-umhüllte Elektrode 343 -, Magnettest 483
-, UP-Pulver 396 -, Meißeltest 484
Ruhepotenzial 71, 78 -, Schleiffunkentest 484
rutil-umhüllte Stabelektrode 342 -, Technologischer Schweißversuch 484
-, Bronze 518
-, Einfluss der chem. Zusammensetzung 238
S -, Einflüsse auf 377
-, einphasiger gegen
Sandelin-Effekt 108 mehrphasiger Werkstoffe 570
sauer-umhüllte Stabelektrode 341 -, einphasiger Werkstoff 504
Sauerstoff 242, 256 -, Farbe (Aussehen) 483
Sauerstoffaufblasverfahren 127, 239 -, ferritischer Cr-Stahl 425, 492
Sauerstoffkorrosion 69, 70 -, FK-Baustahl, normalgeglüht 184, 384
Säure -, FK-Baustahl, vergütet 399
-, nichtoxidierende 69 -, Härtetest 483
-, reduzierende 70 -, hochlegierter Cr-Ni-Stahl 290
Schaeffler-Schaubild 417 -, hochreaktiver Werkstoff 507
-, Mischungsgerade 419 -, höhergekohlter Stahl 289
-, Wirksumme 419 -, kaltverfestigter Werkstoff 42
Schiebungsmartensit 414 -, Kupfer 510
Schlacke (Einschluss) 274 -, Kupfer-Nickel-Legierung 519
-, Einfluss auf Gütewerte 274 -, legierter Stahl 243
-, endogene 274 -, Magnesium 551
-, exogene 274 -, Magnettest 483
Schlagzähigkeit -, martensitischer Cr-Stahl 409
-, feinkörniger Werkstoff 21 -, mehrphasiger Werkstoff 505, 570
-, TM Baustahl 190 -, Meißeltest 484
Schmelzentropie 112 -, Messing 516
Schmelzgrenze 313 -, Methoden zum Feststellen 483
Schmelzintervall 50 -, Molybdän 562
Schmelzpulver (UP) 368 -, Nickelwerkstoff 524
Schmelzschweißen 1 -, Schleiffunkentest 484
Schmelztauchen 107 -, Stahl, allgemein 123
Schmieden 45 -, Tantal 565
Schrumpfen, Schrumpfung 249 -, technologischer Schweißversuch 484
Sachwortverzeichnis 609

-, un(niedrig-)legierter Stahl 35, 289 -, chemische Charakteristik 340


-, unlegiertes Titan 561 Schweißschmelze (Schmelzbad)
-, Vergütungsstahl 289, 402, 481 -, austenitischer Cr-Ni-Stahl 432
-, warmfester Stahl 179 -, Benetzungswinkel 489
-, Zirkonium 564 -, Grundlagen 300
Schweißen -, Marangoni-Strömung 308, 478
-, Aluminium und Aluminiumlegierungen 531 -, Massentransporte 307
-, ausscheidungshärtende Legierung 505 -, Oberflächenspannung 489
-, Bedeutung des Wasserstoffs 344 -, Primärkristallisation
-, Beryllium 553 -, austenitischer Cr-Ni-Stahl 432
-, Einfluss des Nahtaufbaus 316 -, Grundlagen 300
-, einphasiger Werkstoff 504 -, Wirkung der Buoyancy-Kraft 307
-, FK-Stahl, normalgeglüht 384 -, Wirkung der Lorentz-Kraft 307
-, FK-Stahl, vergütet 398 Schweißverbindung
-, Gusseisen mit Kugelgrafit 467, 472 -, Aufbau der 299
-, Gusseisen mit Lamellengrafit 463 -, Einfluss Nahtaufbau 316
-, Härteverteilung (Stahl) 319 -, Fehler 268
-, hochreaktiver Werkstoff 507 -, Härteverteilung 319
-, höhergekohlter Stahl 402 -, mechanische Eigenschaften 318
-, kaltverfestigter Werkstoff 508 -, nichteisenmetallische Werkstoffe 503
-, kaltzäher Stahl 413 -, Pendellagentechnik 317
-, korrosionsbeständiger Stahl 414 -, Primärkristallisation 300
-, Anlauffarbe 439 -, unterschiedliche Werkstoffe 334, 440, 571, 572
-, Schweißempfehlungen 444, 445 -, Wärmeeinflusszone 309
-, Kupfer und Kupferlegierungen 509 -, Zugraupentechnik 317
-, Magnesium und Magnesiumlegierungen 551 Schweißverfahren
-, mehrphasiger Werkstoff 505 -, Lichtbogenhandschweißen 337
-, Nickel und Nickellegierungen 520 -, MSG-Schweißen 355
-, Schweißzusätze UP 363 -, UP-Schweißen 363
-, Stahlguss 456 -, WIG-Schweißen 353
-, Tantal und Tantallegierungen 564 -, zur Wahl des 376
-, Temperguss 474 Schweißzusatzwerkstoff
-, Titan und Titanlegierungen 554 -, Aluminium und -Legierungen 545
-, unlegierter C-Mn-Stahl 374 -, artähnlicher 337
-, Verbinden unterschiedlicher Werkstoffe 334 -, artfremder 334, 337
-, warmfester Stahl 406 -, Auftragschweißen 451, 482
-, WEZ, umwandlungsfähiger Stahl 310 -, austenitischer Cr-Ni-X-Stahl 423
-, Zirkonium und Zirkoniumlegierungen 563 -, Drahtelektrode (MSG) 355
-, Zusatzwerkstoffe Stahl 336 -, Drahtelektrode (UP) 363
Schweißgut 299 -, ELC-Stähle 438
-, Gase im 299 -, ferritischer, halbferritischer Cr-Stahl 426
-, mechanische Eigenschaften 322, 486 -, Grenzwerte 478
-, Schlacken im 300 -, hochfester Stahl 374
-, wasserstoffarm 393 -, hochnickelhaltiger 480
-, Wasserstoff im 347 -, martensitischer Chromstahl 423
Schweißmöglichkeit 238 -, nichtstabilisierter 427
Schweißpanzern 446, 451 -, Nickel und -Legierungen 531
-, Schweißzusatzwerkstoff (DIN EN 14700) 482 -, normalgeglühter FK-Stahl 393
Schweißplattieren 108, 446, 448 -, Schweißpulver (UP)
-, Aufschmelzgrad 446 -, Konstitutionswasser 271
Schweißpulver (UP) 366 -, Schweißstab (WIG) 353, 485
-, agglomeriertes Pulver 368 -, Grenzwerte 478
-, Anwendungsbereich 367 -, Stabelektrode 337
-, Herstellungsverfahren 366 -, Stabelektrode (Umhüllung)
-, metallurgisches Verhalten 369 -, Konstitutionswasser 271
-, Mischpulver 366 -, Kristallwasser 271
-, neutraler Punkt 372 -, Titan und Legierungen 561
-, Sauerstoffpotenzial des 370 -, unlegierter/legierter Stahl 336
-, Schmelzpulver 368 -, UP-Schweißen 363
Schweißschlacke -, vergüteter FK-Stahl 374
610 Sachwortverzeichnis

Schwermetall 508 -, kernstablegierte 438


Schwindungslunker 132 -, Kristallwasser 343
Season Cracking, s. a. Spannungsrisskorrosion 93 -, mechanische Eigenschaften 341
Segregatlinie 53 -, Mischtype 342
Seigerung 242, 333 -, Normbezeichnung 349
Sekundärgefüge 26 -, rutil-umhüllte 342
Sekundärhärte 225 -, sauer-umhüllte 341
Sekundärkristallisation 22 -, Schlacke 340
Sekundärmetallurgie 128, 456 -, Verschweißbarkeitsverhalten 338
Sekundärzeiligkeit 226, 315 -, zellulose-umhüllte 344
Selbstanlassen 143, 197, 399 Stabilisator 210
Selbstdiffusion 38 Stahl
selektive Korrosion 83, 255 -, (niedrig-)legierter 167
SEW 088 388 -, Alt- 480
-, Trocknung von Pulver/Elektrode 395 -, alterungsunempfindlicher 240, 242
SEW 410 461 -, beruhigt vergossener (–) 132
SEW 520 459 -, besonders beruhigt vergossener (FF) 133
Siebkondensator 549 -, Dualphasen- 195, 314
Siemens-Martin-Stahl 126 -, Duplex- 221, 420
Sievertssches Gesetz 129, 228, 259 -, Edelstahl, Definition 125
Sigma-Phase 54, 204, 206, 216, 222, 425 -, Einteilung 124
Siliciumzeiligkeit 227 -, Feinkorn- 183
Simulationstechnik 318 -, ferritischer Chrom- 93, 493
Snoek-Effekt 111 -, FK-Bau-, Einteilung 124
Soaken, s. Wasserstoffarmglühen 281 -, FK-Bau-, normalgeglühter 384
Soliduslinie 51 -, FK-Bau-, vergüteter 398
Solidusverschleppung 56 -, geseigerter 132
Sondercarbid 144 -, Gütegruppe 382
Sondercarbidbildner 225 -, halbferritischer Chrom- 425
Spalt-, Berührungskorrosion 86, 98 -, High Nitrogen Steel (HNS) 220
Spaltfreudigkeit (der FF-Stähle) 133 -, hochlegierter 167
Spaltkorrosion 86, 439, 440 -, hochwarmfester 180
Spaltüberbrückbarkeit 338 -, höhergekohlter 402
Spannungsarmglühen 138, 250, 391, 411 -, kaltzäher 182, 413
Spannungsreihe, elektrochemische 67 -, korrosionsbeständiger 71, 200, 482
Spannungsriss 407 -, Lufthärter 231
Spannungsrisskorrosion (SpRK) 91, 99, 217, 391 -, martensitaushärtender 185
Spannungsversprödung 18, 262, 266 -, martensitischer Chrom- 233
Spannungszustand -, mikrolegierter 185
-, ebener (ESZ) 265 -, nicht unberuhigt vergossener (FN) 131
Speckschicht 132 -, ölvergüteter 185
Spitzentemperatur 245 -, Qualitätsstahl, Definition 124
Spitzentemperatur-Abkühlzeit-Eigenschafts- -, Sauerstoff im 242
Schaubild (STAZE) 327 -, Schwefel im 241, 333
Spitzentemperatur-Abkühlzeit-Schaubild -, Stickstoff im 242
(STAZ) 327 -, thermomechanisch behandelter 185
Spongiose (Grafitierung) 88 -, übereutektoider 136
Sprödbruch, s. a. Trennbruch 261, 276, 322 -, Überhitzungsempfindlichkeit 243
-, begünstigende Faktoren 265 -, unberuhigt vergossener (FU) 132
-, Maßnahmen zum Abwenden des 268 -, unlegierter 374
Sprödbruchempfindlichkeit 266 -, Vergütungs- 171, 481
-, Einfluss des Werkstoffs 266 -, Verunreinigungen im 126
Stabelektrode -, verzinkt 107
-, Aufgabe der Elektrodenumhüllung 338 -, Wärmebehandlung 136
-, basisch-umhüllte 342, 378 -, warmfester 406
-, Feuchteresistenz 347 -, Anlassversprödung 412
-, Feuchtigkeit in der Umhüllung 394 -, Korngrenzengleitung 412
-, Grundwasserstoffgehalt der Umhüllung 344 -, warmfester austenitischer 411
-, hüllenlegierte 438 -, warmfester ferritischer 177
-, Kernstab 338 -, Anlassglühen 407
Sachwortverzeichnis 611

-, Wasserstoff im 243 -, schwarzer 475


-, wetterfester 90 -, weißer 474
Stahl-Eisen-Lieferbedingungen 096 190 Terrassenbruch 133, 189, 241, 276, 379
Stahl-Umschmelzverfahren 129 -, Abwehrmaßnahmen 190
Stahlbegleiter 14 tertiäre Kristallisation 60
Stahlguss 133, 456 Tetraederlücke 48, 110
-, Fertigungsschweißen 457 tetragonal-raumzentriert (trz) 35
-, für allgemeine Verwendung 456 thermisch aktivierter Vorgang 38
-, höherfester 460 thermische Analyse 50
-, Instandsetzungsschweißen 460 Thomasstahl 127
-, Konstruktionsschweißen 460 Tieftemperaturstahl 183
-, legierter 462 Tieftemperaturtechnik 182
-, Vorwärmtemperatur 457 Tiefziehblech 130, 132
-, Wärmebehandlung 456 Titan 554
Stahlherstellung 125 -, Alpha-Beta-Legierung 558
Standardpotenzial 67 -, Alpha- und Nah-Alpha-Legierung 557
Standardwasserstoffelektrode 67 -, Beta-Legierung 559
Standguss 131 -, Ductility Dip Cracking (DDC) 561
Stängelgefüge 2 -, Erstarrungsriss 560
Stängelkristall 26, 302 -, Porenbildung 561
Stellit, s. a. Auftragschweißen 482 -, Schweißpraxis 561
Stickstoff 206, 242 -, Schweißverhalten 557
Stokesches Gesetz 228 -, Schweißzusatzwerkstoff 561
Strangguss 131, 240 -, Segregatbildung 560
Streckenenergie (E) 241 -, unlegiert 557
Streckgrenze, s. a. Fließgrenze 19 -, Wasserstoffversprödung 560
Streustrom 105 Transkristallisation 26, 113
Strichraupentechnik 413 Transpassivität 82
Stromdichte-Potenzial-Kurve 78 Transvarestraint-Test 580
Struktureinheit (Structure Unit), Trennbruch 261
s. a. Korngröße 226, 322 Trennfestigkeit, theoretische 16, 262
Stufenhärtungsschweißen 155
Subkorngrenze 12
Substitutionsmischkristall (SMK) 46 U
Sulfidformbeeinflussung 194
Superferrit 217, 430, 493 Überaltern 164
übereutektisch 52
Übergangsblechdicke (dü) 249, 387
T Übergangstemperatur 266
Überhitzen 140
Tafelsche Beziehung 79 Überspannung 77
Tantal 564 Überstruktur 33, 47, 55, 160
-, Korrosionsverhalten 564 Überzeiten 140
-, Schweißen 565 ULC-Stahl 210
Taschentuchfaltprobe 194 Umwandlung (Phasenumwandlung)
Teilchenverbundwerkstoff 544 -, Aktivierungsenergie 25
Temperatur -, athermische 23, 36
-, äquikohäsive 13 -, Ausscheidungs- 32
-, Vorwärm- (bei Stahlwerkstoffen) 327 -, Austenitumwandlung 146
Temperatur-Zeit-Verlauf 1 -, diffusionskontrollierte 24, 30
-, bei der Wärmebehandlung 137 -, diffusionslose 34
-, beim Schweißen 244, 245, 299 -, flüssig/fest 24
-, in der Wärmeeinflusszone 385 -, grenzflächenkontrollierte 24
-, metallurgische Wirkung des 254 -, heterogene 22
-, Sauerstoffs 256 -, homogene 22
-, Stickstoffs 257 -, im festen Zustand 30
-, Wasserstoffs 258 -, Kohärenzspannung 30
Temperaturgradient (G) 301, 567 -, massive 33
Temperguss 474 -, militärische 24
-, Güteklasse 474 -, Ordnungs- 33
612 Sachwortverzeichnis

-, polymorphe (allotrope) 34 -, Linienspannung 229


-, Umwandlungsgeschwindigkeit 32 -, Schrauben- 8
-, unterkühlbare 146 -, Stufen- 8
-, zivile 24 Versetzungsdichte 9
Umwandlungshärtung 34 Verunreinigung 127, 129, 189, 202
untereutektisch 52 -, Einfluss auf Gütewerte 123
Unterkühlung 25 -, lösliche 15, 377
-, konstitutionelle 27, 28, 113, 568, 569 -, unlösliche 15, 377
-, thermische 300 Verzerrungszustand
Unterplattierungsriss 449 -, ebener (EVZ) 265
Urspannung 67 Verzug
-, austenitischer Cr-Ni-Stahl 431
-, Einfluss der Abkühlgeschwindigkeit 310
V -, Einfluss Leistungsdichte 245
-, Grundlagen 249
Vakuumverfahren 129 -, unlegierter Stahl 249
Valenzelektron 4 Vollaustenit 219, 431
Varestraint-Test 580 Vorausscheidung, s. a. Cluster 191
VdTÜV-Merkblatt 451 Vorschweißblech 272
-, Glühdauer 139 Vorwärmen 2
-, Glühtemperatur 139 -, austenitisch-ferritischer Stahl 442
Verbindung -, Baustahl 383
-, Austenit-Ferrit 446 -, ferritischer Chromstahl 426
-, eutektische 14 -, Gusseisen (EN-GJL) 466
-, intermediäre 5, 48 -, Gusseisen mit Kugelgrafit (EN-GJS) 471
-, unterschiedlicher Werkstoffe 446, 479, 568 -, höhergekohlter Stahl 403
Verfestigung 18, 20 -, martensitischer Chromstahl 423
Verformbarkeit, s. a. Zähigkeit 6, 15 -, normalgeglühter FK-Baustahl 390
Verformungsalterung, s. a. Alterung 19, 42, 322 -, Reparaturschweißen 485
-, Verformungsalterung 242 -, Stahl, (un-)legierter 241
Verformungsbruch 276 -, Stahlguss 457
Verformungsgrad -, vergüteter FK-Baustahl 401
-, Kalt- 43 -, Vergütungsstahl 290, 403
-, kritischer 43 -, Vorwärmtemperatur 247
Verformungsvorgänge -, warmfester ferritischer Stahl 407
-, im Idealkristall 15 -, warmfester martensitischer Stahl 410
-, in technischen Werkstoffen 16 Vorwärmtemperatur
Verformungszwilling 10 -, Bestimmen der 327, 332
Vergüten 143, 225 -, mit Kohlenstoffäquivalent 328
Vergütungsfestigkeit 145 -, mit Ms-Temperatur 234, 331
Vergütungsschaubild 198 -, nach Ito-Bessyo 329
Vergütungsstahl 171, 174, 402 -, nach Uwer und Höhne 331
-, Anlassen 225 -, nach Yurioka und Oshita 330
-, Schweißeignung 175
-, Schweißen 402, 481
-, Zerspanbarkeit 174 W
Vergütungsstahlguss 462
-, schweißtechnische Maßnahmen 462 Walzzeiligkeit 226
Vergütungszähigkeit 145 Wärmeableitung
Verschleiß -, dreidimensionale 247, 386
-, Pufferlage 454 -, Übergangsblechdicke 249
Verschleißmechanismus -, zweidimensionale 247, 386
-, Abrasion 451 Wärmeausdehnungskoeffizient 249
-, Adhäsion 451 -, ferritischer Chromstahl 426
-, Oberflächenzerrüttung 451 -, hochlegierter Stahl 218
-, tribochemische Reaktionen 451 -, unlegierter Stahl 218
Verschleißwiderstand 174 Wärmebehandlung 136
Versetzung 8, 30, 160 -, Ausscheidungshärten 161
-, blockierte 9, 18 -, Glühbehandlung 137
-, Kräfte auf 229 -, Härten 137
Sachwortverzeichnis 613

-, Normalglühen 139 -, vielkristalliner 19


-, Spannungsarmglühen 138 Werkstofffehler 269
-, Stahlguss 456 Werkstoffübergang (im Lichtbogen)
-, Vergüten 143 -, MSG-Verfahren 357, 358
Wärmeeinbringen (Q) 241 -, Stabelektrode 341
Wärmeeinflusszone (WEZ) 1, 14, 299 Widerstandspolarisation 81
-, Alterungsneigung der 314 Widmannstättensches Gefüge 140, 323, 371
-, ausscheidungshärtende Legierung 505 Wiederaufschmelzriss, s. a. Heißriss 303, 377, 569
-, einphasiger Werkstoff 504 -, ausscheidungshärtende Legierung 506
-, Feinkornzone 314 -, Entstehungsmechanismus 506
-, ferritischer Chromstahl 493 -, Nickelbasislegierung 527
-, Härteverteilung 319 Wiedererwärmungsriss 138, 411
-, hochreaktiver Werkstoff 507 Winkelschrumpfung 252
-, Höchsthärte 320 Wirksumme 419
-, im Vergütungsstahl 404 Wischlot (Schmierlot) 52
-, kaltverfestigter Werkstoff 508 WRC-1992-Schaubild 421
-, Korngröße 322 -, Anwendungsbeispiel 421
-, mechanische Gütewerte 300
-, mehrphasiger Werkstoff 505
-, nichteisenmetallische Werkstoffe 503 Y
-, un-, (niedrig-)legierter Stahl 310, 489
-, Vorgänge (bildliche Darstellung) 311 Yurioka-Oshita-Beziehung 330
-, werkstoffliche Vorgänge 309
Wärmeführung, kontrollierte 507
Wärmeleitfähigkeit 2 Z
-, (hoch-)legierter Stahl 218
-, Aluminium 532 Zähigkeit 1
-, des SG-Lichtbogens 355 Zeitdehngrenze 178
-, ferritischer Chromstahl 218 Zeitfestigkeit 409
-, Kupfer 509 Zeitstandfestigkeit 178
-, unlegierter Stahl 218 Zeitstandversuch 178
Wärmequelle zum Schweißen Zellstruktur 28
-, Wirkung der 244 zellulose-umhüllte Stabelektrode 344
warmfester Stahl 177 Zementit 55
Warmfestigkeit 167 Zinnbronze 518
Warmstreckgrenze 178 Zinngeschrei 10
Warmverformung 45 Zircaloy 564
Wasserglas 344 Zirkonium 563
Wasserhärter 142, 230 Zone, s. a. Nahentmischung 47, 161
Wasserlinienkorrosion 98 Zonenbildung 160
Wasserstoff 138, 207, 243 Zonenmischkristall 56
-, Bedeutung für Schweißgut 344 ZTA-Schaubild 145, 155
-, Dekohäsionstheorie 261 -, 100Cr6 157
-, diffusibler 395 -, C45E (Ck 45) 156
-, Drucktheorie 259 -, kontinuierliches 157
-, im Schweißgut 403 ZTU-Schaubild 145
-, Kaltriss, wasserstoffinduzierter 258, 402 -, 10CrMo9-10 407
-, Quellen 258 -, 41Cr4 (isothermisches) 152, 482
Wasserstoffarmglühen 281, 290, 391, 402 -, 41Cr4 (kontinuierliches) 147
Wasserstofffalle (»trap«) 260 -, Anwendung zum Schweißen 150, 152
Wasserstoffkorrosion 69 -, Austenitisierungstemperatur 148
Wasserstoffkrankheit 510, 573 -, Duplexstahl 221
Wasserstoffversprödung 260 -, Formen für schweißgeeignete Stähle 151
Wasservergüten 144 -, hochlegierter Stahl 231
Weichlot 52 -, Inkubationszeit (ti) 148, 230
weichmartensitischer Stahl 206, 215 -, isothermisches 150
Werkstoff -, kontinuierliches 148
-, einkristalliner 19 -, niedriglegierter Stahl 230
-, heterogener (Phasengemisch) 22 -, P690QL (St E 690) 398
-, homogener, s. a. Phase 22 -, unlegierter Stahl 230
614 Sachwortverzeichnis

-, Wirkung der Legierungselemente 149 -, Fe-Cr-C 493


-, X20CrMoVW12-1 410 -, Fe-Cr-Ni 204, 221, 441
Zugraupentechnik 439 -, Fe-Ni 203
Zunderbeständigkeit 168, 409 -, intermediäre Phasen 53
Zündstelle 275 -, Konode 62
Zustand -, Nichtgleichgewichtszustand 55
-, Gefüge 49 -, Pb-Sn 52
-, metastabiler 38 -, quasibinäre Schnitt 62
-, stabiler 38 -, Solidusfläche 62
Zustandsänderung 49 -, thermodynamisches Gleichgewicht 49
Zustandsschaubild 28, 49 -, Ti-Al 559
-, Al-Cu 535, 566 -, Ti-X 554
-, Al-Mg 54, 535 -, Umwandlungen im festen Zustand 55
-, Al-Si 535 -, Vertikalschnitt 62
-, begrenzte Löslichkeit 53 -, vollkommene Löslichkeit fest/flüssig 50
-, Cr-Ni 524 -, zum Schweißen 57
-, Cu-Al 518 Zwangslagenverschweißbarkeit 338
-, Cu-Ni 519 Zweistoffsystem, s. a. Zustandsschaubild 49
-, Cu-O 510 Zwilling 165
-, Cu-Sn 517 -, Glüh- 10
-, Cu-Zn 516 -, Verformungs- 10
-, Dreistoffsystem 59 Zwillingsgrenze 10
-, Eutektikum 51 Zwischengittermechanismus 39
-, Fe-C, Einschränkungen 145 Zwischenlagentemperatur,
-, Fe-Cr 203, 232, 495 s. a. Vorwärmtemperatur 328, 391
Zwischenstufe, s. Bainit
6 Anhang
(spezielle Werkstoffprüfverfahren)

6.1 Prüfung auf Heißrissanfälligkeit werkstoffbezogenen Faktoren,


z. B. die chemische Zusammensetzung
Die Verarbeitung schweißgeeigneter Werk- von Grund- und Zusatzwerkstoff, Konzen-
stoffe und die Qualitätssicherung geschweiß- trationsunterschiede (Seigerungen) im
ter Bauteile erfordern u. a. auch eine Bewer- Schweißgut, Grundwerkstoff, und von
tung der Heißrissanfälligkeit. Heißrissan- verfahrensbezogenen Faktoren,
fällig sind in mehr oder weniger großem Um- z. B. Schweißverfahren, Schweißparame-
fang die Mehrzahl aller Legierungen und vor ter (Schweißbedingungen) mit großer Emp-
allem vollaustenitische Stähle, Nickelbasis- findlichkeit und Reproduzierbarkeit,
legierungen, aber auch Baustähle mit ho- quantitativ erfassen sollen.
hem Schwefel- und Phosphorgehalt.
Je nach der Art der Beanspruchung (selbst-
Die Temperaturbereiche, in denen die ver- beanspruchte bzw. fremdbeanspruchte Pro-
schiedenen Rissarten entstehen, sind in DIN be) während der Prüfung wird unterschie-
EN ISO 6520 unter Bezug auf einen an der den zwischen Prüfungsverfahren mit:
Schmelzgrenze auftretenden Temperaturver- Selbstbeanspruchung
lauf gekennzeichnet, Bild 3-38. Rissentstehung in der Probe erfolgt wäh-
rend des Schweißens bei der Abkühlung
Die Entstehung von Heißrissen (Erstar- infolge behinderter Schrumpfung,
rungs- und Wiederaufschmelzrisse) er- Fremdbeanspruchung
folgt bei Temperaturen von 1550 ’C bis 1100 ’C Rissentstehung in der Probe wird durch
und basiert hauptsächlich auf metallurgi- äußere Belastung erzwungen.
schen Prozessen, Bild 3-38 und z. B. Bild 4-
3. Für die Beurteilung der Heißrissanfällig- Die Heißrissprüfverfahren werden in den
keit von Schweißverbindungen und Schweiß- Normen ISO 17641-1/2 beschrieben. Im Fol-
gütern sind mehrere Prüfverfahren entwi- genden wird ein Prüfverfahren aus der Grup-
ckelt worden, mit deren Hilfe Kenngrößen pe der Verfahren mit Selbstbeanspruchung
und Versagensbedingungen erhalten werden, beschrieben, die übrigen werden nur nament-
die den Einfluss von lich erwähnt.
12
80

25

25
0
12

80 90 90
12

a) b) c) d)

Bild 6-1
Proben für Heißrissprüfung mit Selbstbeanspruchung.
a) Zylinderprobe, nach DIN EN ISO 17641-2 (DIN 50129),
b) Doppelkehlnahtprobe, nach DIN EN ISO 17641-2,
c) Ringnut-Probe, nach VdTÜV-Merkblatt 1153,
d) Ring-Segment-Probe, nach VdTÜV-Merkblatt 1153.
580 Kapitel 6: Anhang (spezielle Werkstoffprüfverfahren)

6.1.1 Verfahren mit Selbst- 6.1.2 Verfahren mit Fremd-


beanspruchung der Probe beanspruchung der Probe

Die Proben erhalten ihre Beanspruchung Im Folgenden werden einige Prüfverfahren


durch die Wärmedehnung und -schrump- nur aufgezählt:
fung infolge des Schweißens. Sie eignen sich – HZ-Versuch (Heißzugversuch Gleeble-
nur zur Prüfung der Erstarrungsrissanfällig- versuch), nach Dahl.
keit des Schweißgutes von Lichtbogenhand- Ermittlung: Rissfaktor zum Beurteilen
schweißungen. In Bild 6-1 sind verschiedene der Wiederaufschmelzrissneigung; kriti-
Proben der Vertreter der selbstbeanspruch- sche Zugfestigkeit und kritische Bruchein-
ten Prüfverfahren dargestellt. schnürung bei charakteristischen Tempe-
raturen beim Erwärmen und Abkühlen.
Die Hakenrisszugprobe und die Längsbiege- – HDR-Versuch (Hot-Deformations Rate),
probe, Bild 6-2, gehören ebenfalls zu den Pro- nach Schmidtmann.
ben mit Selbstbeanspruchung. Die Proben- Ermittlung: kritische Verformungsge-
nahme erfolgt aus für Verfahrens- und Ar- schwindigkeit bzw. Zug-Biege-Verformung
beitsprüfungen hergestellten Schweißnähten bei Entstehung der Erstarrungsrisse im
aus dem Schweißgut in Längsnahtrichtung. Schweißgut.
Die Zug- oder Biegebelastung der Probe dient – PVR-Versuch (Programmierter Verfor-
nur zur visuellen Erkennung der durch das mungs-Riss-Test), nach Folkhard.
Schweißen entstandenen Schädigungen (Ris- Die Ermittlung der Heißrissanfälligkeit
se). Die Heißrisse haben meist die Form eines (Erstarrungs- und Aufschmelzrisse) des
großen L, daher auch der Name »Hakenriss« Schweißguts erfolgt zahlenmäßig. Die An-
bzw. Hakenrissprobe. Die Bewertung der zahl der Risse wird auf einer Schweißnaht-
Heißrissanfälligkeit des Schweißgutes erfolgt länge von 220 mm ermittelt. Die Auswer-
anhand der Anzahl der ermittelten Wiederauf- tung erfolgt in Abhängigkeit von der örtli-
schmelzrisse. Maßzahl der Bewertung der chen Dehngeschwindigkeit.
Heißrissneigung ist die Anzahl der Risse be-
zogen auf die Brucheinschnürung. Die Prü- Als vielseitiges und modernes Prüfverfahren
fung besteht aus einem ohnehin im Rahmen mit Fremdbeanspruchung hat sich der MVT-
der Qualitätsüberwachung durchgeführten Test (Modifizierte Varestraint-Transvare-
Zug- oder Biegeversuch und dem anschlie- straint-Test) von Wilken durchgesetzt.
ßenden Auszählen der Risse. Der MVT-Test hat zwei Varianten:
– den Varestraint-Test, Bild 6-3a, bei dem
Die Ergebnisse eignen sich nicht für eine die Beanspruchung in Längsrichtung der
quantitative Erfassung der Wiederaufschmelz- Schweißnaht erfolgt, und den
rissigkeit von Schweißgütern, weil die Einfluss- – Transvarestraint-Test, bei dem die Bean-
größen nicht eindeutig definiert sind. spruchung quer zur Schweißnaht erfolgt,
Bild 6-3b.

Der Anwendungsbereich der MVT-Tests ist


aus der Tabelle 6-1 zu ersehen. Zu unterschei-
den ist die Prüfung auf Erstarrungsrissan-
fälligkeit und Wiederaufschmelz-Rissanfäl-
ligkeit von heißrissgefährdeten Werkstoffen.
Wiederaufschmelzrisse können sowohl in der
Wärmeeinflusszone des Grundwerkstoffs als
auch in den wärmebeeinflussten Schweißgut-
bereichen bei Mehrlagenschweißungen auftre-
Bild 6-2
Probennahme für Verfahrensprüfung und zum Nach- ten. Erstarrungsrisse entstehen im Schweiß-
weis von Wiederaufschmelzrissen von Schweißgü- gut oberhalb oder unterhalb der Solidustem-
tern. peratur TSo des Schweißgutes.
Abschn. 6.1: Prüfung auf Heißrissanfälligkeit 581

Brennerstellung während
der Biegung
der Größe der Biegedehnung, von 0,25 % bis
Ende der Schweißung
5 % in 10 Stufen einstellbar, entstehen mehr
Probe
oder weniger viel Heißrisse. Die Biegegeschwin-
digkeit, mit der die Probe auf die Matrize he-
Dicke d
runtergebogen wird, ist bei Standard-Versuchs-
bedingungen hoch und konstant, sie beträgt
2 mm/s.
veränderliche
Biegegeschwindigkeit
Radius R l1
20 l1
a)

Gesamtriaalänge l ges
Ende der Schweißung
Brennerstellung ln
während der Biegung 15 ln

10 l ges = l 1 + l 2 ... + l n

Dicke d

veränderliche
Biegegeschwindigkeit Radius R
0
0 0,5 1 2 3 % 4
b) Dehnung

Bild 6-3 Bild 6-5


Varianten des MVT-Tests. Ergebnisse eines MVT-Tests, nach Wilken, BAM.
a) Varestraint-Test,
b) Transvarestraint-Test. Sie ist in weiten Grenzen stufenlos von 0,05
bis 4 mm/s einstellbar, ebenso die Schweiß-
Bei Standardversuchen wird auf der Pro - geschwindigkeit und die übrigen Schweiß-
benoberseite in Probenmitte mit einem WIG- parameter. Der Versuchsablauf ist vollauto-
Brenner maschinell eine Anschmelzraupe matisch. Versuchsdaten werden zeitsynchron
gelegt. Beim Passieren des Lichtbogens der registriert. Für eine Versuchsreihe werden
Probenmitte wird die Probe mittels Druck- üblicherweise 5 Proben benötigt. Für einen
stempel auf eine massive Matrize herunter- Stichversuch kann jedoch auch eine einzige
gedrückt. Die gewählte Werkzeugkombina- Probe ausreichend sein.
tion, Druckstempel/Matrize, bestimmt die
Biegedehnung auf der Probenoberseite. Durch Die Probenform (Abmessungen) ist an den
die Biegung werden in dem für die Heißriss- jeweiligen Anwendungsfall angepasst, Bild
bildung kritischen werkstoffspezifischen Tem- 6-4. Als Standardproben haben sich die Pro-
peraturbereich Heißrisse erzeugt. Je nach ben mit der Abmessung 10 x 40 x 100 mm

10°
5
10

40 10 15

a) b) c)
Bild 6-4
Abmessung der Standardproben zur Prüfung von a) Grundwerkstoff, b) Schweißgut und c) Zusatzwerkstoff.
582 Kapitel 6: Anhang (spezielle Werkstoffprüfverfahren)

Tabelle 6-1
Anwendungsbereich der MVT-Tests.

Ort der Standarduntersuchungen Sonderuntersuchungen


Untersuchung WIG-Anschmelztest ohne Zusatzwerkstoff Lichtbogenhand-, WIG-, MIG-, UP-
Schweißverfahren

Erstarrungsrisse Wiederaufschmelzrisse Erstarrungsrisse Wiederaufschmelzrisse

Varestraint – –
Grundwerkstoff Varestraint
Transvarestraint
Varestraint Varestraint
Reines Schweißgut Varestraint Varestraint
Transvarestraint Transvarestraint
Varestraint Varestraint
Schweißverbindung Varestraint Varestraint
Transvarestraint Transvarestraint

bewährt, bei Bedarf kann die Probendicke Die Biegedehnung eB wird wie folgt berech-
bis auf 2,5 mm und die Probenlänge bis auf net:
80 mm verringert werden. Für Sonderfälle
können auch andere Probenformen, z. B. mit e B = 100 ◊ d in %.
2◊ R
Y-Naht-Vorbereitung, angewendet werden.
d Probendicke in mm,
Versuchsauswertung, Ergebnisse R Matrizenradius in mm.
Zuerst werden in der Umgebung des Biege-
punktes der Probe die an der Probenober- Heißrisse in einer Probe aus einem vollaus-
fläche entstandenen Heißrisse mit dem Ste- tenitischem Schweißguts eines Varestraint-
reomikroskop bei 25-facher Vergrößerung in Tests an sehr heißrissanfälligem Material
ihrer Länge ausgemessen und addiert. Die so zeigt das Bild 6-6.
ermittelte Gesamtrisslänge, lges, wird zu der
an der Probenoberfläche in Abhängigkeit Beurteilungskriterium
vom Biegeradius der aufgebrachten Biege- Als Kriterium für die Heißrissneigung von
dehnung in Beziehung gesetzt. Grund- und Zusatzwerkstoffen ist die auf die
Probenbiegedehnung bezogene Gesamtriss-
In Bild 6-5 sind die Ergebnisse, die Gesamt- länge lges festgelegt worden. Gleichzeitig wird
risslänge auf der Ordinate und die Dehnung dabei auch der Einfluss des Wärmeeinbrin-
auf der Abszisse, dargestellt. gens Q (Schweißstrom I, Schweißspannung
U, Vorschub vs) des Schweißverfahrens (WIG,
MAG usw.), der Biegegeschwindigkeit und
vor allem der chemischen Zusammensetzung
von Grund- und Zusatzwerkstoff erfasst.

Anwendungsgrenzen
Der MVT-Test erlaubt eine schnelle und wirt-
schaftliche Prüfung der ganzen Schweißver-
bindung, die aus Schweißgut, Wärmeein-
flusszone und Grundwerkstoff besteht.

Sowohl Änderungen in der chemischen Zu-


sammensetzung der Werkstoffe als auch die
der Schweißparameter werden mit geringer
Streuung und großer Empfindlichkeit er-
Bild 6-6 fasst. Eine Übertragung der Ergebnisse auf
Heißrisse in austenitischem Schweißgut, V = 9:1, nach das Bauteilverhalten beim Schweißen ist
Wilken, BAM. noch nicht zweifelsfrei gesichert.
Abschn. 6.2: Prüfung auf Kaltrissanfälligkeit 583

6.2 Prüfung auf Kaltrissanfälligkeit fung oder durch Gefügeumwandlung einstel-


len. Bei fremdbeanspruchten Proben wird
Als Ursache für das Entstehen von Kaltris- die Zugspannung mit einer Belastungsvor-
sen in Schweißverbindungen wird das Zu- richtung aufgebracht, wobei sich diese mit
sammenwirken von den Eigenspannungen der Probe überlagert
– Wasserstoff, (Superpositionsprinzip, weil elastische Span-
– Härtungsgefüge und von nungen). Weitere Einflussgrößen sind die
– Spannungen angesehen. – Vorwärm- und Zwischenlagentempera-
tur, die
Prüfverfahren zum Bewerten der vom Was- – Streckenenergie und die
serstoffgehalt abhängigen Kaltrissneigung – Abkühlgeschwindigkeit beim Schweißen.
von Schweißverbindungen sollten deshalb
folgende Anforderungen erfüllen: Als Maß für die Abkühlgeschwindigkeit ist
– reproduzierbare, feinstufige Einstellung die Abkühlzeit für die Abkühlung von 800 ’C
von Kräften bzw. Dehnungen, Wärmemen- auf 500 ’C, t8/5, festgelegt worden, die auch
gen und Gasmengen auf die Probe, als Bezugsgröße für die Beurteilung des Um-
– Lieferung reproduzierbarer Ergebnisse, wandlungsverhaltens der WEZ dient (Ab-
wie Spannungen, Dehnungen, Wasser- schn. 3.3.1). Hierfür werden kontinuierliche
stoffgehalte und Temperaturen, ZTU-Schaubilder zu Hilfe genommen, die un-
– geringer Prüfaufwand. ter Schweißbedingungen aufgestellt wurden.
Mit ihnen lässt sich u. a. die Art der Gefüge-
Die Prüfergebnisse sollen auf Bauteile über- bestandteile, insbesondere der die Kaltriss-
tragbar sein und anzuwendende Fertigungs- neigung maßgebend beeinflussende Marten-
maßnahmen erkennbar machen. Des wei- sitgehalt in der WEZ, abschätzen.
teren soll auch die Kaltrissempfindlichkeit
von Stählen quantifiziert werden können.
6.2.1 Implant-Test
Die verwendeten Proben können selbsbean-
spruchend oder fremdbeansprucht sein. Bei Beim Implantversuch wird die mechanische
den selbstbeanspruchenden Proben wird die Beanspruchung der Probe durch eine dem
zur Erzeugung von Kaltrissen erforderliche Zeitstandversuch vergleichbare Belastungs-
kritische Zugspannung durch Eigenspan- vorrichtung aufgebracht (Fremdbeanspru-
nungen aufgebracht, die sich in der Probe chung). Die Prüfanordnung besteht aus drei
bei behinderter Ausdehnung oder Schrump- Systemeinheiten:

Bild 6-7
Der Implant-Test.
a) Querschnitt durch die Implantprobe und die Einschweißplatte nach dem Versuch,
b) Querschliff einer nichtgebrochenen Implantprobe mit Wendelkerbe. Die Wendelkerbe an der Schmelzlinie
ist mit einem Pfeil gekennzeichnet, nach V. Neumann, BAM.
584 Kapitel 6: Anhang (spezielle Werkstoffprüfverfahren)

– dem Implantprüfstand, bestehend aus der Bricht die Probe nicht während der Belas-
Belastungsvorrichtung, dem Messwertauf- tungszeit, kann die Probe auch auf Unternaht-
nehmer und der Schweißvorrichtung, risse (wasserstoffinduzierte Kaltrisse) ge-
– den Schweißzusatzwerkstoffen und Hilfs- prüft werden. Dazu wird die Probe zum Sicht-
stoffen, einschließlich ihrer Vorbehand- barmachen der Risse bei Temperaturen zwi-
lung, der Methode zum Bestimmen des schen 250 ’C und 300 ’C in oxidierender At-
Wasserstoffgehalts des Schweißguts, der mosphäre geglüht und anschließend metal-
Gehalte der Schweißgüter an diffusiblem lografisch untersucht.
Wasserstoff und
– den Proben einschließlich deren Herstel- Bei der Prüfung der Implantprobe erfolgt
lung und der Geometrie der Proben und die Ermittlung des Kaltrissverhaltens im Zu-
der Einschweißplatten und der Beanspru- sammenwirken mit der thermischen (durch
chung der Implantproben. das Schweißen), mit der chemischen (Einbrin-
gen des Wasserstoffs) und der mechanischen
Das Prinzip des Implantversuchs zeigt Bild (durch die konstante Zugkraft) Beanspru-
6-7. Die Rundprobe mit umlaufendem V-Kerb chung.
(Durchmesser 8 mm, Kerböffnungswinkel
40 ’, Kerbgrundradius 0,5 mm) wird in die Die mechanische Beanspruchung der Im-
Bohrung bündig zur Oberfläche der Ein- plantproben wird als Nettonennspannung
schweißplatte gesteckt und mit einer Auftrag- angegeben. Ihre Größe ist durch die Größe
raupe überschweißt. Nach dem Schweißen der Prüflast und durch den Kerbquerschnitt
wird die Probe mit einer konstanten Zug- gegeben. Berücksichtigt ist dabei die Aus-
kraft belastet, Bild 6-8. Festgestellt wird der wirkung des kerbbedingten Mehrachsigkeits-
Brucheintritt oder eine Anrissbildung. grades des Spannungszustandes, der stark
vom Kerbgrundradius der Wendelkerbe oder
Während des Versuchs werden die Schweiß- Ringnutkerbe abhängt. Nach Neumann lie-
parameter (U, I, v), der zeitliche Verlauf der gen in der Implantprobe drei verschiedene
Temperatur im Schweißgut, in der WEZ und Kerbfälle vor, und zwar:
der Belastung der Probe registriert, Bild 6-8. – Am Übergang von der Probe in die Ein-
Wird als Beurteilungskriterium der erste An- schweißplatte an der Schmelzlinie, Bild
riss in der Implantprobe angesehen, so kann 6-7b,
dieser an einem metallografischen Schliff – an der Ring- oder Wendelkerbe und
durch die Längsachse der Probe nach dem – am Übergang zur Schmelzlinie durch das
Versuch, Bild 6-7, mit einem empfindlichem Zusammenwirken von Ring- oder Wen-
Dehnungsmesser oder mit Hilfe der Schall- delkerbe. Dieser Bereich stellt eine extre-
emissionsanalyseverfahren während des Ver- me metallurgische und mechanische Ker-
suchs nachgewiesen werden. be dar.

Tmax N
Als Maßstab zur Kennzeichnung eines kerb-
bedingten Mehrachsigkeitsgrades des Span-
Last F

°C
Temperatur T

nungszustandes vor Kerben dienen der Kerb-


faktor a k nach Neuber oder der plastische
800 Spannungskonzentrationsfaktor Ksp, der im
500 Gegensatz zu a k für plastisches Werkstoff-
verhalten definiert ist.

150
100
Eine Möglichkeit der Charakterisierung der
t 8/5
Kaltrissanfälligkeit von Schweißverbindun-
Bruchzeit
gen ist die Ermittlung einer kritischen Span-
Bild 6-8 nung, unterhalb der die Probe nicht mehr
Implant-Test, zeitlicher Versuchsablauf, Schweißen bricht. Diese wird auch als statische Ermü-
– Lastaufbringung – Versuchszeit, nach Düren. dungsgrenze« bezeichnet. Hierbei sind die
Abschn. 6.2: Prüfung auf Kaltrissanfälligkeit 585

Vorwärmtemperatur, die Streckenenergie 200


und der Wasserstoffgehalt des Schweißguts 180

konstante Größen. Aber auch die Ermittlung

Vorwärmtemperatur ° C
160

von Vorwärmtemperatur und Streckenener- 140


120 ➊
gie bei konstanter Belastung und konstan-
100
tem Wasserstoffgehalt im Schweißgut ist
80
möglich, wenn der Bruch als Bewertungs- ➋
60
kriterium gewählt wird. Die Variation der 40 ➌
Einflussgrößen richtet sich nach der Zielset- 20 ➍
zung des Implantversuchs, wobei aber auch 0
8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38
reines Schweißgut geprüft werden kann. Je 0
Wärmeeinbringen Q kJ/cm
nach Versuchsdurchführung wird der Risswi-
derstand des Schweißguts oder der WEZ bei ➊
StE 460
3,25 ml H2 / 100 g ➌
StE 460 V
2,5 ml H2 / 100 g
lokaler mehrachsiger mechanischer, thermi-
StE 460 V St 52-3
scher und chemischer Beanspruchung ge- ➋ 6,68 ml H2 / 100 g ➍ 6 ml H2 / 100 g
prüft. Die Kaltrissprüfung ist im DVS-Merk-
Bild 6-10
blatt 1001 ausführlich beschrieben.
Einfluss der Streckgrenze und der Vorwärmtempera-
tur auf das Kaltrissverhalten verschiedener Feinkorn-
Die Ergebnisse können entweder als baustähle bei unterschiedlichem Wasserstoffgehalt im
– kritische Spannung über der Standzeit Schweißgut, nach V. Neumann, BAM.
(Bruchzeit), Bild 6-9, oder
– Vorwärmtemperatur über der Strecken- – oder einen Mischbruch aufweisen, bei dem
energie der gebrochenen und nicht gebro- der Bruchverlauf trans- oder interkristal-
chenen Proben, Bild 6-10, oder in Form lin sein kann, Bild 6-13.
– diffusibler Wasserstoffgehalt über der
Streckenenergie der gebrochenen und Zusammenfassung, Wertung
nicht gebrochenen Proben aufgetragen Der Implantversuch eignet sich für die Lö-
werden. sung folgender Aufgaben:
– Ermittlung der Kaltrissanfälligkeit von
1060 5,3 ml H2 / 100 g
N 6,9 ml H2 / 100 g
Schweißverbindungen, die mit praxisna-
mm2 hen Schweißparametern hergestellt wer-
Spannung s

980 gebrochene Probe


den. Die Kaltrissanfälligkeit nimmt mit
900 dem Wasserstoffgehalt im Schweißgut zu.
820
– Die an Implantproben erhaltenen Ergeb-
nisse erlauben zwar eine Beurteilung der
740 Schweißeignung von Werkstoffen und des
Schweißverhaltens von Zusatzwerkstof-
660
10 50 100 500 1000 min 5000 fen, aber nicht die Übertragung auf das
Zeit t

Bild 6-9
Einfluss der Beanspruchung auf die Bruchzeit von
Implantproben aus einem Feinkornbaustahl StE 460 für
unterschiedliche Wasserstoffgehalte im Schweißgut,
nach V. Neumann, BAM.

Die Bruchmechanismen sind aus dem Er-


scheinungsbild der Bruchflächen und aus dem
Verlauf der Kaltrisse in der Implantprobe zu
erklären. Die Bruchoberflächen können
– eine wabenartige Struktur (Verformungs- Bild 6-11
bruch), Bild 6-11 Wabenbruch in einem Einsatzstahl 16MnCr5 bei
– eine spaltflächige Struktur, Bild 6-12, Raumtemperatur, BAM.
586 Kapitel 6: Anhang (spezielle Werkstoffprüfverfahren)

Bild 6-12 Bild 6-13


Schädigung durch Wasserstoff. Quasispaltbruch, der bei einer Prüftemperatur von 80 K
Kaltriss im Stahl 41Cr4 nach Wasserstoffbeladung, in einem vergüteten Stahl erzeugt wurde, BAM.

Verhalten geschweißter Bauteile, weil der Temperatur (Nil Ductility Transition), ermit-
Größeneinfluss nicht erfaßbar ist. Hierfür telt, die als Werkstoffkenngröße eines Grenz-
sind Bauteilversuche an Großproben bes- temperatur-Versagenskonzeptes für Sicher-
ser geeignet. heit gegen Rissauffangen (Rissauffankonzept)
– Die Einstellung des Gefüges der WEZ dient.
ergibt sich aus der Streckenenergie und
den Bedingungen der Abkühlung, die mit Das Rissauffangkonzept begründet sich in
dem Kennwert t8/5 beschrieben wird. Die der Vorstellung, dass die Werkstoffzähigkeit
Menge des kaltrissbegünstigenden Mar- oder die der Schweißverbindung entspre-
tensits lässt sich unter Berücksichtigung chend groß sein muss, um einen instabil fort-
von t8/5 und der chemischen Zusammen- schreitenden Riss auffangen zu können. Das
setzung des Werkstoffs aus seinem konti- Rissauffangvermögen eines Werkstoffs ist
nuierlichen ZTU-Schaubild (Abschn. 2.5.3) besonders bedeutungsvoll für druckführen-
abschätzen. Die Eigenspannungen sind de Umschließungen, z. B. Rohre und Behäl-
bisher nicht berücksichtigt worden, sie ter mit Gas oder Flüssigkeit unter hohem
werden von der angelegten Zugspannung Druck, weil dadurch eine zusätzliche Be-
überlagert. triebssicherheit für den Fall eines sich aus-
breitenden Risses durch Rissauffangen (Riss-
Bei den eigenbeanspruchenden Kaltriss- stopp) gegeben ist.
tests gibt es strenggenommen nur Riss
oder Nichtriss in der Naht als Beurteilungs- Die Prüfung erfolgt an Flachproben (Abmes-
kriterium und keine Aussage über den sungen: 130 x 50 x 13 ... 25 mm) mit einsei-
Einfluss der Beanspruchungsgrößen. Auf tig aufgebrachter Auftragschweißraupe, die
diese weniger aussagefähigen selbstbe- quer zur Schweißrichtung mit einem Säge-
anspruchenden Verfahren wird deshalb schnitt gekerbt ist, Bild 6-14.
nicht näher eingegangen.
Der Sägeschnitt dient als »Rissstarter« vom
spröden Schweißgut aus. Die Prüfeinrich-
6.2.2 Der Pellini-Versuch tung besteht aus einem 3-Punkt-Biegetisch
mit einem die Durchbiegung begrenzenden
Der Fallgewichtsversuch (Drop-Weight- eingebauten Gegenlager, das eine definier-
Test) nach Pellini eignet sich zum Zähigkeits- te Durchbiegung der Probe zulässt, die so
nachweis dynamisch beanspruchter Konstruk- groß ist, dass an der Randfaser des Flach-
tionen und von Stumpfnahtschweißverbin- stückes die Streckgrenze gerade überschrit-
dungen mit Blechdicken über 13 mm. Mit die- ten wird. Die Energie wird mit einem Fall-
ser Prüfung wird eine Grenztemperatur, NDT- hammer zugeführt. Ihre Größe ist aus der
Abschn. 6.3: Der Kerbschlagbiegeversuch (DIN EN 10045) 587

Masse des Fallgewichts (25 bis 50 kg) und Das Verfahren ist in den Regelwerken
der Fallhöhe mit Hilfe des Fallgesetzes zu – ASTM E 208a,
berechnen und an die Streckgrenze (Re, Rp) – SEP 1325 und
des zu prüfenden Werkstoffs anzupassen. – VdTÜV-Merkblatt Werkstoffe 1256-07.80
Durch Prüfung bei verschiedenen Tempera- genannt.
turen wird die NDT-Temperatur erhalten,
das ist die Temperatur, bei der der von der Die Anwendung des Verfahrens dient zur:
gekerbten Schweißraupe ausgehende Riss – Qualitätssicherung und zum Zähigkeits-
vom Werkstoff nicht mehr aufgefangen wird nachweis von schweißgeeigneten Bau-
und die Probe noch bricht. stählen mit Hilfe der NDT-Temperatur,
die bis auf 3 K ermittelbar ist,
Kriterium für ihre Festlegung ist, dass zwei – Entwicklung und zur Erforschung des
weitere Proben des gleichen Werkstoffs bei Rissauffangvermögens von ferritischen
einer um 5 K höheren Prüftemperatur nicht Stählen.
brechen.
Abschließend ist festzuhalten, dass das Pel-
Im Rissauffang-Versagenskonzept kennzeich- lini-Prüfverfahren sehr wirtschaftlich ist,
net die NDT-Temperatur eine Grenztempe- das Ergebnis aber nur eine Ja-Nein-Entschei-
ratur, also einen Grenzzustand, bei dem klei- dung zulässt.
ne Risse bei einer Beanspruchung von sN L Re
und große Risse bei sN L 0,1 Re gerade noch
aufgefangen werden, wie aus dem Bruch- 6.3 Der Kerbschlagbiegeversuch
analysediagramm (FAD) nach Pellini hervor- (DIN EN 10045)
geht. Zu beachten ist dabei, dass die Rissauf-
fangtemperatur nicht nur von der Höhe der Die Prüfung erfolgt an speziell gekerbten
Nennspannung, sondern auch von der elas- Biegeproben, vorwiegend aus Baustahl, mit
tischen Energie des Bauteils, gegebenenfalls schlagartiger Beanspruchung, die mit Hilfe
auch vom Druckmedium abhängt. eines genormten Pendelschlagwerkes aufge-
bracht wird. Dabei wird die zur Erzeugung
Schweißraupe Sägeschnitt
des Bruches der Kerbschlagbiegeprobe ver-
19 ± 0,2

brauchte gesamte Arbeit (Kerbschlagarbeit


AS) meist in Abhängigkeit von der Tempera-
±1
50 tur gemessen.
130 ± 10

a) c) Die Ergebnisse sollen Aufschluss über das


Verhalten eines Werkstoffes oder eines Bau-
teils
Fallmasse – bei behinderter Verformung infolge des
kerbbedingten dreiachsigen Spannungs-
zustandes im Restquerschnitt vor der
a Abstand zwischen
Blech und Amboss Probe Kerbe und
– bei verschiedenen tiefen Temperaturen
a

geben.
Auflage

101,6 Daraus lassen sich dann Rückschlüsse


b) d)
– auf das Verformungs- und Bruchverhalten
und insbesondere
Bild 6-14 – auf den Übergang vom duktilen Verfor-
Zum Pellini-Versuch.
mungsbruch zum spröden Spaltbruch des
a) Pellini-Probe mit Sägeschnitt,
b) Versuchsanordnung, Werkstoffs ziehen, der sich u. a. durch
c) Probe gebrochen, die Übergangstemperatur kennzeichnen
d) Probe nicht gebrochen, nach Blumenauer. lässt.
588 Kapitel 6: Anhang (spezielle Werkstoffprüfverfahren)

Die Ergebnisse dienen vor allem zur Übergangstemperaturkonzept. Zu beachten


– Kontrolle der Güte und Gleichmäßigkeit ist dabei, dass jede Kerbform, Charpy-V- oder
des Werkstoffes (Werkstoffzustand, Be- DVM-Probe, eine »eigene« Übergangstempe-
handlungszustand), ratur liefert. Deshalb ist es unabdingbar, dass
– Einschätzung für die Neigung zum Spröd- zur Angabe der Übergangstemperatur Tü
bruch, auch
– bequemen wirtschaftlichen Produktions- – die Kerbform, Probenform, Probengröße
prüfung von Stahlprodukten und Schweiß- und
verbindungen. – die Art ihrer Festlegung mit angegeben
wird.
Die Ergebnisse sind aber nicht geeignet, den
Werkstoff hinsichtlich Die Standardabmessung der Kerbschlagbie-
– seiner Eigenschaften über der Wanddicke geprobe beträgt 55 x 10 x 10 mm, ihre Be-
(wenn die Erzeugnisdicke wesentlich grö- zeichnung bezieht sich auf die Kerbform und
ßer als die Probendicke ist), auf das zugrunde liegende Regelwerk. Bei
– seiner durch Schweißen eingebrachten den Standardproben hat sich die Probe mit
Eigenspannungen und Versprödung, V-Kerbe (Charpy-V) (DIN EN 10045) indus-
– seiner Belastbarkeit (Größe der Belastung trieweit durchgesetzt, Bild 6-15.
und Verformung),
– seines Risswiderstandes (Einfluss von Die Kerbformen unterscheiden sich in der
Rissform und -länge) Tiefe, im Kerbradius und im Kerböffnungs-
zu beurteilen. Hierzu sind größere Proben in winkel, die Probengrößen nach ihrer Breite
den Abmessungen der Erzeugnisdicke bes- und Höhe. Außer der Charpy-V-Probe wer-
ser geeignet. den z. B. die »Kleine Probe« des Deutschen
Verbandes für Materialprüfung (DVMK) und
Ferner liefert der Kerbschlagbiegeversuch die »Kleinstprobe« (KLST) verwendet.
nach DIN EN 10045 keinen Kennwert für
die Festigkeitsberechnung, sondern Über- Als Belastungseinrichtung dient ein Pendel-
gangstemperaturen, die den duktil-spröden schlagwerk, das nach seinem Arbeitsvermö-
Bruchübergang erfassen. gen, 300 oder 50 J, bezeichnet wird.

Die Übergangstemperaturen eignen sich für Die Auftreffgeschwindigkeit der Hammer-


die Bewertung des Sprödbruchverhaltens scheibe wird errechnet aus:
schweißgeeigneter Baustähle, z. B. mit dem
v = 2 gh = 2 gL ◊ (1 - cos a )
Y Z
das potenzielle Arbeitsvermögen aus Ap
X 10
F ¹h F ¹ L ¹ (1 cos a ), und die verbrauchte
Schlagarbeit beträgt K Ap ¹Aü, wobei Aü die
X
Höhe
2

R0,25
10

Z
D

überschüssige Arbeit
W
F ¹ h1 F ¹ L ¹ (1  cos b ) bezeichnet.
Kerbtiefe N

45°
Breite Aü
55

Probe mit V - Form


Die verbrauchte Arbeit K kann auf der An-
zeigeeinrichtung des Pendelschlagwerkes
10 mit Hilfe eines Schleppzeigers direkt abge-
R1
lesen werden.
5
10

Zur Ermittlung der Kerbschlagarbeit K wird


55
die Probe im Pendelschlagwerk dynamisch
Probe mit U - Kerbe (schlagartig) belastet, und nach dem Bruch
Bild 6-15 wird die durch den Schleppzeiger auf einer
Abmessungen der Kerbschlagbiegeprobe (V-Form Skale angezeigte Kerbschlagarbeit K in J
und U-Form). abgelesen.
Abschn. 6.3: Der Kerbschlagbiegeversuch (DIN EN 10045) 589

Im Normalfall wird K bei Raumtemperatur Die Übergangstemperatur kennzeichnet die


und zur Ermittlung des Einflusses der Tem- Lage des Steilabfalls der K-T- bzw. ak-T-Kur-
peratur auf das Verhalten des Werkstoffs bei ve. Folgende Festlegungen der Übergangs-
schlagartiger Beanspruchung bei verschiede- temperatur Tü sind üblich:
nen Prüftemperaturen ermittelt. Dabei soll- – Tü 50 % der Hochlage,
ten bei jeder Temperatur wegen der prinzip- – Tü 27, 41 und 68 J Mindestwerte von K,
bedingten Messungenauigkeiten mindestens – Tü 50 % kristalliner Bruchanteil kf,
drei Proben geprüft werden. – Tü 0,4 mm und 0,9 mm laterale Breitung
(LB).
Aus der Auftragung der K-Werte in Abhän-
gigkeit von der Temperatur wird die K-T- Die »laterale Breitung« (LB) ist die Breite
Kurve erhalten, die für krz Baustähle eine der Kerbschlagbiegeprobe nach dem Bruch
S-Form aufweist, Bild 6-16. Wird der K-Wert infolge der dabei auftretenden plastischen
auf den Prüfquerschnitt bezogen, erhält man Verformung, Bild 6-16.
die Kerbschlagzähigkeit ak,
Weitere Festlegungen ergeben sich noch aus
K J
ak = in , dem instrumentierten Kerbschlagbiegever-
S cm 2 such (Abschn. 6.3.1).
die bei Abweichung von der Standardpro-
be zweckmäßiger sein kann als der K-Wert. Die Lage der Übergangstemperatur Tü wird
Dennoch ist der ak-Wert keine einwandfrei von folgenden Einflussgrößen bestimmt:
definierte Kenngröße, weil der Energieum- – Kerbform
satz auf eine Fläche und nicht auf das da- Mit zunehmender Kerbschärfe (abneh-
für zur Verfügung stehende Volumen bezo- mendem Kerbradius und Kerböffnungs-
gen wird. winkel) wird die AS-T-Kurve nach rechts
LB verschoben und die Streuung im Steilabfall
geringer.
– Probendicke
Mit zunehmender Probendicke wächst
die Formänderungsbehinderung in Di-
ckenrichtung der Probe, bis die Dehnung
Spaltbruch Mischbruch, Wabenbruch,
Waben- und Spalt- Scherlippen
in Dickenrichtung (z-Richtung) Null wird
bruch, kristalliner
Fleck; kf (Spalt-
Verformungs-
bereich
(ezz 0). Dieser Zustand wird »Ebener
bruchanteil) Verzerrungszustand«, EVZ, genannt, der
sich in Probenmitte (W/2) vor dem Kerb-
Tieflage Übergang Hochlage
Steilabfall grund im Restquerschnitt einstellt. Bei
dünneren Proben baut sich deshalb ein
Kerbschlagarbeit K

J geringerer Spannungszustand vor dem


Kerbgrund auf, was sich auf den Werk-
stoffwiderstand auswirkt. Die AS- T-Kurve
wird nach links zu tieferen Tü-Werten bis
zu einer Grenzdicke verschoben, bei der
27 sich ein ebener Spannungszustand ein-
stellen kann (szz 0).
– Größeneinfluss
T ü27 T ü50% K Bei Untersuchungen von Schadensfällen
Temperatur T oder von Halbzeugen, deren Erzeugnis-
dicke unterhalb der Dicke der Kerbschlag-
Bild 6-16
biegeprobe liegt, muss von der Standard-
K-T-Kurve eines ferritischen Baustahls, schematisch,
mit Kennzeichnung der drei charakteristischen T- abmessung abgewichen werden.
Bereiche zusammen mit Brucherscheinungen und den Ein Vergleich dieser Ergebnisse mit denen
Übergangstemperaturen Tü,27, Tü,50%. der gleichen Probenform (Standard-Norm-
590 Kapitel 6: Anhang (spezielle Werkstoffprüfverfahren)

Gekerbte Fläche parallel zur Oberfläche des Prüfstücks (S-Position)

Hinweis Mitte der Schweißnaht Hinweis Schmelzlinie/Bindezone

Bezeichnung Darstellung Bezeichnung Darstellung

b
VHS a/b
(Pressschweißnaht)

b
a

RL
Dicke
VWS a/b

b
a
VHS a/b
RL (Schmelzschweißnaht)

RL

Gekerbte Fläche senkrecht zur Oberfläche des Prüfstücks (T-Position)

b
b

VWT 0/b VWT 0/b


Dicke

b
b

VWT a/b VWT a/b


Dicke

a a
b

VWT 0/b VHT 0/b


a
RL
RL
b

VWT a/b VHT a/b

a a
RL RL
Die Bezeichnung basiert auf einem System, das aus Buchsta- 3. Zeichen
ben für die Art, Lage und Kerbrichtung und Ziffern besteht, die S = gekerbte Fläche parallel zur Oberfläche (entspricht der bei der bruchme-
den Abstand (mm) zu den Bezugslinien (RL) angeben. Die Pro- chanischen Prüfung benutzten Benennung »Oberflächenkerbe«)
ben sind so aus der Schweißverbindung zu entnehmen, dass T = Kerbe durch die Dicke
ihre Längsachsen rechtwinklig zur Schweißnahtlänge verlaufen. 4. Zeichen
Die Bezeichnung besteht aus den folgenden Zeichen: a = Abstand Kerbmitte von Bezugslinie (wenn a auf Mittellinie der Schweißnaht
1. Zeichen liegt, ist a = 0 und sollte aufgezeichnet werden)
U = Charpy -U-Kerbe 5. Zeichen
V = Charpy -V-Kerbe b = Abstand zwischen Oberseite der Schweißverbindung (bei Doppel-V, K-
2. Zeichen oder ähnlichen Schweißnähten ist die Oberseite die mit der größeren Naht-
W = Kerbe im Schweißgut (Bezugslinie ist Mittellinie der breite) zur nächstgelegenen Oberfläche der Probe (wenn b auf der Ober-
Schweißnaht an der Probenlage) fläche der Schweißnaht liegt, ist b = 0 und sollte aufgezeichnet werden)
H = Kerbe in der WEZ (Bezugslinie ist die Schmelzlinie)

Bild 6-17
Probennahme, Probenlage und Probenbezeichnung, aus schmelzgeschweißter Stumpfnaht nach DIN EN 875.
Abschn. 6.4: Der instrumentierte Kerbschlagbiegeversuch 591

probe) im AS -T-Diagramm ist unzweck- ben aus der HS-Lage zu entnehmen, liefert
mäßig, weil die Arbeitsbeträge zu unter- nur eine bedingt brauchbare Kerbschlagzä-
schiedlich sind. Bei der Auftragung als higkeit der WEZ.
ak-T-Diagramm wird der Größeneinfluss
z. T. unterdrückt, die Übergangstempe- Mehr Informationen über das lokale Werk-
raturen sind jedoch unterschiedlich. Des- stoffwiderstandsverhalten der WEZ wird mit
halb ist eine Übertragung von an Proben Hilfe einer metallografischen Gefügeunter-
gemessenen Übergangstemperaturen auf suchung im Bereich des Bruchausgangs er-
Bauteile zur Festlegung einer niedrigsten halten. Diese Methode ist aber meistens nur
Betriebstemperatur nicht möglich. für Forschungszwecke üblich.
– Prüfverfahren (DIN, ASTM und ISO)
Der Einfluss des Prüfverfahrens beruht Zusammenfassend ist festzustellen, dass mit
auf der unterschiedlichen Ausbildung der Hilfe des Kerbschlagbiegeversuches die Zä-
Hammerschneide, der Hammerscheibe higkeit der WEZ ermittelt werden kann. Die
und auf der unterschiedlichen Auftreffge- Ergebnisse beschreiben aber nicht allgemein
schwindigkeit der Hammerscheibe, die das WEZ-Verhalten, sondern sie sind abhän-
5,5 m/s (DIN) und 5,1 m/s (ASTM) beträgt. gig von:
Die Folge ist, dass im Vergleich zu ISO-Ver- – der Lage des Kerbgrundes in der WEZ,
fahren beim ASTM-Verfahren oberhalb von längs oder quer zur Schweißnaht (VWT-
60 J höhere AS-Werte gemessen werden. VWS-Lage),
– der Lage des Kerbgrundes in der WEZ,
Prüfung von Proben mit Schweißnaht ob in einem Grobkornzonen- oder Feinkorn-
Die Ergebnisse des Kerbschlagbiegeversuchs zonenbereich (Abstand von der Schmelz-
eignen sich vor allem für die Überwachung linie),
der Herstellung von Schweißverbindungen – der Breite der WEZ, wenn von den schweiß-
sowie für die Beurteilung von abnahme- technischen Einflüssen (Schweißverfah-
pflichtigen geschweißten Bauteilen für druck- ren, Lagenaufbau, Einstellwerte) abgese-
führende Umschließungen. Dazu ist die hen wird.
Probennahme aus dem Schweißgut, WEZ
und Grundwerkstoff erforderlich, die in DIN
EN 875 festgelegt ist, Bild 6-17. 6.4 Der instrumentierte
Kerbschlagbiegeversuch
Zur Qualitätssicherung von Mehrlagen-
schweißungen ist die Probennahme mit Kerb Zum Beurteilen des Verformungs- und Bruch-
in der S-Lage zu bevorzugen. Bei Einlagen- verhaltens, besonders bei teilplastischer Ver-
schweißungen (z. B. UP- oder Elektroschlacke- formung, aber auch bei plastischer Verfor-
schweißungen) ist das Ergebnis von der Lage mung im Temperaturbereich des Steilab-
des Kerbes (Nahtmitte, Nahtrand) abhängig. falls, ist es von Interesse, den Arbeitsanteil
Bei der häufig verwendeten Anordnung des bei der Risseinleitung und Rissausbreitung
Kerbgrundes in der WEZ ist das Gefüge der getrennt zu erfassen. Das ist mit dem instru-
WEZ und damit auch die Kerbschlagarbeit mentierten Kerbschlagbiegeversuch mög-
an jeder Stelle verschieden. Bei Mehrlagen- lich.
schweißungen gibt es Bereiche, die mehr-
mals umgekörnt worden sind, aber auch sol- Die Prüfung unterscheidet sich von dem Kerb-
che, wo nur Grobkorn (Grobkornzwickel) vor- schlagbiegeversuch nach DIN EN 10045 nur
liegt, Bild 6-17. Problematisch wird die Pro- dadurch, dass mit einer Instrumentierung
bennahme aus Stumpfnähten unter 30 mm der Prüfeinrichtung während des Versuchs
Dicke, weil meist nur eine Probe in WS-La- die Kraft-Zeit oder Kraft-Durchbiegung (Weg)
ge herausgearbeitet werden kann. Bei Stumpf- von Kerbschlagbiegeproben registriert wer-
nähten unter 12 mm Dicke mit einer U-, V- den können, Bild 6-18.
oder X-Nahtvorbereitung ist dies nicht mehr
möglich. Die alternative Möglichkeit, Pro- Die Instrumentierung der Versuchseinrich-
592 Kapitel 6: Anhang (spezielle Werkstoffprüfverfahren)

tung als Blockschaltbild ist in Bild 6-19 dar- Temperaturbereich II, T > Tgy, Über-
gestellt. Während des Versuchs wird die gang von Tieflage zum Steilabfall, Kraft-
Kraft in Abhängigkeit von der Zeit gemes- Weg-Kurve kennzeichnet die dynamische
sen. Die Schlagkraftmessung erfolgt mit Deh- Fließkraft Fgy, Kraft bei Erreichen der
nungsmessstreifen (DMS) an der als Dyna- Vollplastifizierung des Restquerschnitts
mometer ausgebildeten Hammerschneide, (Ligament) und die Maximalkraft Fm Fu,
die bis zu 40 kN kalibriert ist. Die Registrie- Bildung eines stabilen Anrisses vom Kerb-
rung erlaubt die Erfassung der bis in den Ps- grund aus, Spaltbruch.
Bereich reichenden dynamischen Vorgänge
beim Bruch, wobei die Bruchvorgänge von Temperaturbereich III, T ! Ti, Steilab-
denen der Prüfeinrichtung nur schwer zu un- fall, Kraft-Weg-Kurve kennzeichnet Fgy,
terscheiden sind. Fm, Fu und Fa, Bild 6-19,
Fu: Beginn der stabilen Rissausbreitung,
Fm
16
Fa: Rissauffangkraft, Verformungsbruch
Fu
nach Auffangen des von Fu ausgegange-
Kraft

kN nen Spaltbruchs (Mischbruch), bei Nicht-


auffangen ist Fa 0.
12 F  Fm, Bereich der Risseinleitung,
F gy
F ! Fm, Bereich des Rissfortschritts.

Temperaturbereich IV, T ! Td, Hochla-


8 ge der Kerbschlagarbeit, Kraft-Weg-Kurve
kennzeichnet Fgy und Fm, entspricht ver-
zögertem Lastabfall bis zum vollständigen
Fa Bruch,
4 Bruchart: Verformungsbruch, Waben-
bruch.

Des weiteren sind in Bild 6-19 in Abhängig-


0 keit von der Temperatur dargestellt:
0 4 8 mm
Weg – der Abstand der Spaltbruchausgangsstel-
le (Nukleus) vom Kerbgrund und die Län-
Bild 6-18
Ermittlung der kennzeichnenden Werte der Kraft
Weg

eines Kraft-Weg-Schriebes gemäß SEP 1315/Stahl-


Eisen-Prüfblätter.
Kalibrierung Digital-
Monitor
Referenzsignal Kraftanzeige
Die Fläche unterhalb der Kraft-Weg-Kurve Fdyn

entspricht der gesamten von der Kerbschlag-


Verstärker Tiefpaß
biegeprobe während des Versuchs verbrauch- DMS-Kraft-
DC - 1 MHz (wahlweise) Transient-
Recorder
ten Kerbschlagarbeit in J. Aufnehmer 10 MHz
(Finne) AD-Wandler
Brückenspeise-
Trigger
spannung
Für die Auswertung der Kraft-Weg-Kurve
ist das Auftreten ausgeprägter Kräfte Vor- Inkrementaler Zähler mit
Drucker
Digital-
aussetzung, Bild 6-18. Die Arten von Kraft- Drehgeber MIN-MAX-
Ausgang
Rechner
(Pendelachse) Speicher
Weg-Kurven und ihre Zuordnung zu den vier Plotter

Temperaturbereichen der AS-T-Kurve (I, II,


III, IV) sind in Bild 6-19 dargestellt: Bildschirm- Plattenspeicher
Terminal Anwender-Software

Temperaturbereich I, T < Tgy, Tieflage


Bild 6-19
der Kerbschlagarbeit, Kraft-Weg-Kurve Funktionsblöcke der Instrumentierung der Prüfein-
ist durch linearen Anstieg gekennzeich- richtung zur Ermittlung der Kraft in Abhängigkeit
net, Teilschlagarbeit gering, Spaltbruch. von der Zeit.
Abschn. 6.4: Der instrumentierte Kerbschlagbiegeversuch 593

Bild 6-19
Ergebnisse von Kerbschlagbiegeversuchen mit instrumentierter Prüfeinrichtung an Charpy-V-Proben aus
einem C-Stahl in der Auftragung über der Temperatur. Kennzeichnung charakteristischer Temperaturberei-
che I, II, III, IV, und Zuordnung von Brucherscheinungen zusammen mit den Kraft-Weg-Diagrammen, nach
Helms, BAM.

ge des stabilen Anrisses vom Kerbgrund, – die plastische (bleibende) Probendurch-


die beide auch als Maß für die Temperatu- biegung als Maß für das plastische Form-
rabhängigkeit der Zähigkeit eines Werk- änderungsvermögen eines Werkstoffs un-
stoffs anzusehen sind, ter schlagartiger Belastung,
594 Kapitel 6: Anhang (spezielle Werkstoffprüfverfahren)

– die Fließspannung sgy und die Bruchspan- tung erst nach makroskopisch messbarer
nung sf, die mit Hilfe des Ansatzes der plastischer Verformung an der Rissspitze ein-
elementaren Biegebalkentheorie für elasti- setzt. Das Konzept basiert auf dem Dugdale-
sches und plastisches Werkstoffverhalten Modell.
berechnet wurden, gemäß:
Der Bruchparameter, die Rissöffnungsver-
Ff (T ) ◊ S schiebung, engl. Crack Opening Displace-
sf = für T > Ti
B ◊ ÈÎW - ( a + as ) ˘˚
2
ment (COD), ist eine Länge (Verschiebung),
eine Grundgröße im physikalischen Maßsys-
für T < Ti ist as 0 und tem.

Fgy (T ) ⋅ S Instabile Rissausbreitung setzt danach ein,


σ gy = für T > Tgy
B ⋅ (W − a)
2
wenn die plastische Verzerrung (Verschie-
bung) an der Rissspitze, das Maß dafür ist
für vollplastischen Restquerschnitt. die Rissspitzenöffnungsverschiebung (CTOD
Crack Tip Opening Displacement), einen
Die charakteristischen Temperaturen kenn- kritischen Wert erreicht. Das Bruchkriteri-
zeichnen eindeutig physikalische Prozesse um lautet:
des Verformungs- und Bruchverhaltens von
CTOD CTODc oder d dc.
krz Stählen, sie stehen in keinem funktio-
nalen Zusammenhang zu den Übergangs- Die Größe des Bruchparameters CTOD ist
temperaturen der K-T-Kurve. vom Werkstoff, von der Art der Beanspru-
chung (Krafteinwirkung, Umgebungsmedi-
Grundsätzlich kann über die Rolle des Kerb- um, Temperatur) und der Proben- oder Bau-
schlagbiegeversuches mit Ermittlung von teilgeometrie abhängig. Das CTODc ist die
Kraft und Weg ausgesagt werden, dass er dazugehörige Werkstoffwiderstandsgröße
immer mehr an Bedeutung in der Werkstoff- (Bruchkennwert Werkstoffkennwert der
prüfung gewinnt. Hervorzuheben ist dabei Zähigkeit).
die Eignung zur Ermittlung der dynami-
schen Bruchzähigkeit an mit Rissen behaf- Je nach Werkstoffverhalten bei mechanischer
teten (angeschwungenen) Kerbschlagbiege- Belastung hat man als kritische Bruchkenn-
proben und zur Erforschung von Bruchvor- werte das:
gängen. Das Verfahren ist noch nicht ge- – CTODc oder dc für instabilen Rissfortschritt
normt, weshalb es für die Gütesicherung von (c critical),
Werkstoffen noch nicht allgemein zum Ein- – CTODi oder di für den Beginn des stabilen
satz kommt. Die Probleme des Prüfungsver- Rissfortschritts (i initiation),
fahrens bestehen zzt. bei der Messwertauf- – CTODR oder dR für stabilen Rissfortschritt
nahme beim Bruchvorgang, der in Ps abläuft, (R Resistance).
und in der Zuordnung der registrierten Si-
gnale zu Bruch- und Verformungsvorgängen Die Ermittlung der Zähigkeitskennwerte
in der Probe, weil diese vom Zusammenwir- (Bruchkennwerte) erfolgt an Laborproben bei
ken mit der Prüfeinrichtung herrühren und Einhaltung festgelegter Prüfbedingungen.
schwer zu trennen sind. Die Phasen des Bruchablaufes sind in Bild
6-20 dargestellt.

6.5 Das COD-Konzept von Als Basis des COD-Konzeptes für den An-
Cottrell und Wells wendungsbereich der linear-plastischen
Bruchmechanik (LPBM) (sy sy) dient die in
Die Rissspitzenöffnungsverschiebung d als Bild 6-20 dargestellte Rissspitzensituation:
Bruchparameter dient hier zum Beurteilen
sy Rp0,2 oder ReL.
des Sprödbruchversagens von rissbehafteten
Strukturen, bei denen instabile Rissausbrei- Für eine Zugscheibe mit Innenriss ergibt
Abschn. 6.5: Das COD-Konzept von Cottrell und Wells 595

sich für die Rissöffnungsverschiebung unter

D a
Berücksichtigung der plastischen Zonenkor- kein Versagen
rektur nach Irwin:

COD, d
4 ⋅σ ∞ ⋅ a
CODmax = 2 v =
E
und für die Rissspitzenöffnungsverschie-
Versagen
bung
di Kerbfläche
4σ∞ 4 K2
CTOD = 2 a rpl = π ⋅ . Schwingungsrissfläche
E Eσ y Beginn Rissfläche des stabilen Rissfortschritts
Restbruchfläche
Die Schwierigkeiten in der Anwendung des
COD-Konzeptes bestehen sowohl in der stabiler Rissfortschritt D a

– exakten Definition von d als auch in der Bild 6-21


– experimentellen Ermittlung kritischer R-Kurve (Widerstandskurve) COD in Abhängigkeit
Werte von d. von der Größe des stabilen Rissfortschritts.

gedachte Rissspitze nete Beanspruchungsgröße d muss kleiner


plastische Zone Y sein als der Rissinitiierungswert d i (Beginn
Rissufer r
stabiler Rissverlängerung), der als Grenz-
wert aus der Design-Kurve entnommen wird,
ähnlich wie in Bild 6-21.
COD = 2 n

Q X
CTOD = d

a r pl r pl
a eff = a + r pl

Bild 6-20
Rissspitzenöffnungsverschiebung (CTOD).

Die Ergebnisse belegen, dass das COD-Kon-


zept der EPBM vorwiegend ein empirisches
Konzept ist. Der d i-Wert ist nur unter den
Bedingungen des EVZ als Werkstoffkennwert
für den Beginn des Rissfortschrittes anzuse-
hen. Dadurch ist die Übertragbarkeit der an
Laborproben ermittelten Kenngrößen auf Bau-
teile zumindest problematisch. Die Rissspit-
zenkontur ist von der Art der Belastung ab-
hängig. Für die Qualitätssicherung im Be-
reich der Offshore-Technik wurde ein Wert
von d imin • 0,25 mm bei 10 ’C zugrunde ge-
legt.

Burdekin und Dawes leiteten aus dem COD-


Konzept ein bruchmechanisches Sicherheits-
konzept, den CTOD-Design-Curve-Approach,
ab. Die für das rissbehaftete Bauteil berech-
596 Kapitel 6: Anhang (spezielle Werkstoffprüfverfahren)

6.6 Schrifttum

ASTM E 208a: Fallgewichtsprüfung zur Be- DVS-Berichte, Band 168: Sicherung der Gü-
stimmung der Nil-Ductility-Temperature te von Schweißverbindungen im Europäi-
(höchste Temperatur, bei der eine Probe von schen Binnenmarkt, 1995.
dem Fallgewicht noch gebrochen wird) für Teil 1: Grundlagen und Vorgehensweise, 1982.
ferritische Stähle, 1995. Teil 2: Praktische Anwendung, 1989.

Blumenauer, W.: Werkstoffprüfung, 4. Auf- Folkhard, E., Rabensteiner, G., Schabereiter


lage. VEB Deutscher Verlag für Grundstoff- H., Fuchs, K. u. J. Tösch: Der PVR-Test, ein
industrie, Leipzig, 1987. neues Verfahren zur Ermittlung der Heißriß-
sicherheit von Schweißwerkstoffen mit ho-
DIN EN 875: Zerstörende Prüfung von Schweiß- her quantitativer Aussagekraft. Jubiläums-
verbindungen an metallischen Werkstoffen schrift »50 Jahre Böhler Schweißtechnik«,
– Kerbschlagbiegeversuch – Probenlage, Kerb- Kapfenberg: VEW 1977.
richtung und Beurteilung, 10/1995.
Heuser, A. G.: Beurteilung des Versagensver-
DIN EN 10045: Metallische Werkstoffe; Kerb- haltens von Schweißverbindungen hochfes-
schlagbiegeversuch nach Charpy. ter Baustähle mit Hilfe bruchmechanischer
Teil 1: Prüfverfahren, 4/1991. Methoden. Reihe 18: Mechanik/Bruchmecha-
Teil 2: Prüfung der Prüfmaschine (Pendel- nik, Nr. 48, VDI Verlag, Düsseldorf.
schlagwerk), 1/1993.
Schwalbe, K.-H.: Bruchmechanik metalli-
DIN EN ISO 6520: Schweißen und verwand- scher Werkstoffe. Carl Hanser Verlag, Mün-
te Prozesse – Einteilung von geometrischen chen, Wien, 1980.
Unregelmäßigkeiten an Metallen.
Teil 1: Schmelzschweißen (ISO 6520-1:1998), Wilken, K.: Heißrißprüfung mit dem MVT-
11/2007. und Heißzugversuch sowie Übertragbarkeit
Teil 2: Pressschweißungen (ISO 6520-2:2001), auf Bauteilverhältnisse. Schw. u. Schn. 32
4/2002. (1980), H.2, S. 71/74.

DIN EN ISO 17641: Zerstörende Prüfung von


Schweißverbindungen an metallischen Werk-
stoffen - Heißrissprüfungen für Schweißun-
gen - Lichtbogenschweißprozesse
Teil 1: Allgemeines, 10/2004
Teil 2: Selbstbeanspruchende Prüfungen,
9/2005
Teil 3: Fremdbeanspruchte Prüfungen,
10/2004.
7 Sachwortverzeichnis

Symbole

300 °C-Versprödung 145 -, Schweißnahtformen 546


475 °C-Versprödung 48, 145, 204, 211, 222 -, Schweißpraxis 547
232, 425 -, Schweißverfahren 548
-, Spannungsriss 536
-, Wärmeausdehnungskoeffizient 532
A -, Wärmeleitfähigkeit 532
-, Wasserstofflöslichkeit 532
Abbrand, beim Schweißen 322 -, Wiederaufschmelzriss 536
Abkühlgeschwindigkeit 237, 244 Aluminium-Gusslegierung 537
-, kritische 140 Aluminium-Knetlegierung 536
-, obere kritische (vok) 34 Aluminiumbronze 518
-, untere kritische (vuk) 34 Ampholyt 340
Abkühlzeit 2 Analyse, thermische 50
-, Kf 149 Anfangskrater 271
-, Km (K30, K50) 148 Angstlasche 268
-, Kp 149 Anisotropie 12, 17
-, t12/8 222, 441 Anlassbeständigkeit 167, 198, 225
-, t3/1 246 Anlassglühen
-, t8/5 246, 385, 586 -, ablaufende Vorgänge 225
Abschmelzleistung 352 -, beim Härten 138, 143
Abschreckalterung 242 -, beim Schweißen 316
Affinität, chemische 4 Anlassversprödung 145, 182, 412
agglomeriertes Pulver (UP) 368 Anlauffarbe 439
Aktivierungsenergie 8, 23, 38 anodischer Korrosionsschutz 105
Aktivierungspolarisation 77, 78 Ansprunghärte 141
Alterung Anziehungskraft, Coulombsche 4
-, Abschreck- 242 äquikohäsive Temperatur 13
-, s. a. Verformungsalterung Arbeitstemperatur 291
Altstahl 480 Arrhenius-Gleichung 8, 38, 75
Aluminium 531 -, Berechnungsbeispiel 513
-, Aluminiumoxid 532 ASTM A 800 462
-, ausscheidungshärtende Legierung 537 athermische Umwandlung 23
-, Badschutz 549 atmosphärische Korrosion 88
-, Bezeichnungsweise 533 Atombindung 5
-, dispersionshärtende Legierung 544 Aufhärtbarkeit 141
-, Druckgusslegierung 543 Aufhärtungsriss 276
-, elektrische Leitfähigkeit 532 Aufheizgeschwindigkeit 1, 244
-, Erstarrungsriss 535 Aufkohlen 40, 41
-, Gusslegierung 537 Aufschmelzgrad 273
-, Heißriss 536 Auftragschweißen 273
-, Knetlegierung 536 -, Ergänzen 446
-, Korrosionsbeständigkeit 531 -, Panzern 446
-, Korrosionsverhalten 118 -, Plattieren 446
-, Lieferformen 533 -, Puffern 446
-, Lithiumlegierung 543 Augerelektronen-Spektroskopie 489
-, naturharte Legierung 533 Ausbringung 352
-, Oberflächenverunreinigung 547 Aushärten, siehe Auslagern
-, Poren 536 Auslagern 161
-, Schweißeignung 531 Auslaufblech 273
598 Sachwortverzeichnis

Ausscheidung 154, 197, 320


-, allotriomorphe 32 -, unlegierter (DIN EN 10025-2) 141, 168, 379
-, Chi-Phase 207 Beanspruchung, mehrachsige 18
-, Chromcarbid 425 Beizen, korrosionsbeständiger Stahl 417
-, diskontinuierliche 24 Beizsprödigkeit 258, 259
-, im Stahl 14 Beryllium 553
-, inkohärente 161 Beschichtung, s. a. Korrosion 106
-, in Widmannstättenscher Form 32 Bewertungsgruppe 286
-, kohärente 161 binäres Eutektikum 60
-, kontinuierliche 24, 32 Bindefehler 275
-, Laves-Phase 207 Bindung
-, Mischcarbid 495 -, heteropolare (Ionenbindung) 5
-, Sigma-Phase 204, 210 -, kovalente (Atombindung) 5
Ausscheidungshärten 53, 161, 190 -, metallische 4
-, Legierungen geeignet für 224 -, polare 5
-, Teilchenabstand 164 Blasverfahren, kombinierte 127
Ausscheidungsriss, s. Wiedererwärmungsriss Blaswirkung 275, 413
Austauschstromdichte 66, 78 Blockseigerung 132
Austenit 35 Blunting 265
-, Homogenität 155 Bohr, Theorie der Atombindung 2
-, in WEZ 319 Bondern 107
-, Korngröße 157 Bor
-, labiler (metastabil) 219 -, Einfluss auf Härtbarkeit 175
-, stabiler (Vollaustenit) 219 -, Einfluss auf Heißrissneigung 433
-, Umwandlung 142 Bruch
-, Umwandlung in Schiebungsmartensit 414 -, instabiler 263
Austenitbildner 168, 205 -, interkristalliner 14
Austenitformhärten 167 -, transkristalliner 14
austenitisch-ferritischer Stahl (Duplexstahl) 221 -, Zäh- 14
-, Ausscheidungsphase 222 Bruchfestigkeit 16
-, Heißrissneigung 440 Buoyancy-Kraft 307
-, Lochfraßbeständigkeit 441 Burgers-Vektor (b) 9, 229
-, Lochkorrosion 221
-, Schweißen 440
-, stickstofflegierter 220 C
austenitischer Chrom-Nickel-Stahl 217, 431
-, Erstarrungsriss 434 chemische Härtung 523
-, Heißrissneigung 433 Chemisorption, s. a. Wasserstoff 102
-, interkristalline Korrosion 208 Chi-Phase 207
-, Korrosionsbeständigkeit 218 Chloridionenkorrosion (Pitting) 84
-, Lochkorrosion 85 Chromäquivalent 419
-, metastabiler (labiler) 431 Chromcarbid 54, 425
-, s. a. korrosionsbeständiger Stahl -, an Korngrenzen 208
-, Schweißen 437 Chromverarmungstheorie 208, 209
-, Zugraupentechnik 439 Cluster 47, 160, 192
-, stickstofflegierter 220 Coulombsche Anziehungskraft 4
Austenitisierungsdauer Crack Opening Displacement (COD) 594
-, beim Schweißen 244, 313 Crack Tip Opening Displacement (CTOD) 594
-, beim Wärmebehandeln 137 CTODc 594
CTODi 594
CTODR 594
B CVD-Verfahren 109

Bainit 140, 144, 149, 322, 400, 403


basisch-umhüllte Stabelektrode 342 D
Basizitätsgrad (UP-Pulver) 369
Basizitätsindex (UP-Pulver) 369 d -Ferrit 426
Baustahl -, primärer 219, 417, 490
-, Feinkorn-, normalgeglühter 133, 184, 329 -, vermicularer 431
-, Feinkorn-, vergüteter 139, 141, 142 Dampfphaseninhibitor 102
Sachwortverzeichnis 599

DASt-Richtlinie 009 383 DIN EN 10020 124, 125


DASt-Richtlinie 014 392 DIN EN 10025-2 171, 240, 380
Dekohäsionstheorie (Oriani) 261 -, Gütegruppe 384
Delayed fracture, s. a. Kaltriss 277, 294 -, mechanische Eigenschaften 170
-, Entstehungsmechanismus 277 DIN EN 10025-3 384, 406
DeLong-Schaubild, -, chemische Zusammensetzung 186
s. a. Konstitutions-Schaubild 420, 437, 447 DIN EN 10025-4 185, 195, 196, 384, 406
-, Anwendungsbeispiel 420 DIN EN 10025-5 90, 185
Dendrit, s. a. Kornform 26 DIN EN 10025-6 198
-, Bildung 28 -, mechanische Eigenschaften 199
-, Einfluss konstitutioneller Unterkühlung 28 DIN EN 10028-2 180, 374, 406
Desoxidieren 130 DIN EN 10028-3 185
-, Einfluss Sauerstoff 130 -, chemische Zusammensetzung 187
Dichtspeisen 456 DIN EN 10028-4 181, 183
Diffusion 38 DIN EN 10028-5 185, 195, 196
-, Aktivierungsenergie 39 DIN EN 10028-6 198, 398
-, Ermitteln des Konzentrationsverlaufs 38 -, mechanische Eigenschaften 199
-, nichtstationäre 40 DIN EN 10052 136
-, Selbst- 38 DIN EN 10083 172, 173, 174, 198, 402
-, stationäre 38 DIN EN 10084 176, 374
-, Zwischengittermechanismus 39 DIN EN 10088 180, 181
Diffusionskoeffizient (D) 38 -, mechanische Eigenschaften 212
-, Berechnen 111 DIN EN 10208-2 195
-, effektiver 566 DIN EN 10213 461
Diffusionskonstante (D0) 38 DIN EN 10216-2 374, 406
Diffusionsweg, mittlerer 40 DIN EN 10293 456
DIN 1681 456 DIN EN 12072, s. DIN EN ISO 14343
DIN 8524-3 268 DIN EN 13835 473
DIN 8528-1 237 DIN EN 13836 470
DIN 17115 175 DIN EN 14295 374
DIN 17850 555 DIN EN 14640 512
DIN 17851 555 DIN EN 14700 452
DIN 30676 104 DIN EN ISO 636 378, 354
DIN 50927 104 DIN EN ISO 1071 468
DIN EN 283 461 DIN EN ISO 2560 337, 338, 341, 344
DIN EN 439, s. DIN EN ISO 14175 349, 350, 351, 352, 378
DIN EN 440, s. DIN EN ISO 17632 DIN EN ISO 3690 343, 347, 394
DIN EN 499, s. DIN EN ISO 2560 DIN EN ISO 5817 282, 286, 287
DIN EN 573-3 534 DIN EN ISO 6520 579
DIN EN 573-5 533 DIN EN ISO 8249 421
DIN EN 756 363, 378, 364 DIN EN ISO 9692-3 546
DIN EN 757 351, 402 DIN EN ISO 9692-4 450
DIN EN 758, s. DIN EN ISO 17632 DIN EN ISO 13916 328
DIN EN 760 365, 378 DIN EN ISO 14172 424, 530
-, Anwendungsbereich der Pulver 367 DIN EN ISO 14175 357, 359
DIN EN 875 591 DIN EN ISO 14343 424, 429
DIN EN 1011-1 332, 386 DIN EN ISO 17632 361, 378
DIN EN 1011-4 540, 542 DIN EN ISO 18273 542
DIN EN 1011-5 450 DIN EN ISO 18274 424, 531
DIN EN 1011-8 472 DIN EN ISO 24034 561
DIN EN 1561 463, 465 DIN-Fachbericht CEN ISO/TR 15608 540
DIN EN 1562 476 Dissoziationsgrad 65
DIN EN 1563 470 Dopplung 132
DIN EN 1600 424, 426 Drahtelektrode
DIN EN 1652 512, 514 -, MSG-Schweißen 361
-, Kupfer-Aluminium-Legierung 518 -, UP-Schweißen 363
-, Kupfer-Nickel-Legierung 519 Dreistoffsystem 59
-, Kupfer-Zink-Legierung 516 -, ebene Darstellung 61
-, Kupfer-Zinn-Legierung 518 -, Fe-Cr-C 495
DIN EN 1982 509 -, Fe-Ni-Cr 434
600 Sachwortverzeichnis

-, isothermischer Schnitt 61 Elektrostahl-Verfahren 128


-, Konzentrationsdreieck 59 Elementarzelle 6
-, quasibinärer Schnitt 62 ELI-Stahl 210
-, Schmelzflächenprojektion 61 Emaillierung 107
-, ternäres Eutektikum 60 Endkrater 272
-, Vertikalschnitt 62 Endkraterriss 272
Drop-Weight-Test, s. Fallgewichtsversuch Enthalpie, freie 24
Druckelektroschlackeumschmelzen 220 Entkohlen 111
Drucktheorie (Wasserstoff) 259 Entmischung
Dualphasen-Stahl 195, 314 -, einphasige 47
Ductility Dip Cracking (DDC) 561 -, Seigerung, s. a. Kristallseigerung 132
Dugdale-Modell 594 Entzinken 87
Duplexstahl, s. a. aust.-ferritischer Stahl 214, 440 -, des Messings 517
Durchbruchpotenzial (Ed) 82 epitaktische Erstarrung 300
DVS-Merkblatt 0504, s. DVS-Merkblatt 0957 343 Erholung 42
DVS-Merkblatt 0705 (ersatzlos zurückgezogen) 287 Erosion(skorrosion) 94
DVS-Merkblatt 0907 372 Erschmelzungsverfahren 125
DVS-Merkblatt 0944 (ersatzlos zurückgezogen) 347 -, Einfluss auf Schweißverhalten 125
DVS-Merkblatt 0956 (ersatzlos zurückgezogen) 395 Erst-Bezugskörper 491
DVS-Merkblatt 0957 344 Erstarrung(sform), s. a. Kristallisation
DVS-Merkblatt 1001 585 -, Dendrit 26, 29
DVS-Merkblatt 1004 (ersatzlos zurückgezogen) 579 -, ebene 27, 300, 568
-, epitaktische 300
-, gerichtete 28, 456
E -, Stängelkristall 302
-, Zelle 29
ebener Spannungszustand (ESZ) 265 Eutektikum 52
ebener Verzerrungszustand (EVZ) 265 -, binäres 60
Edelgaskonfiguration 3 -, entartetes 57
Edelstahl, Definition 125 -, ternäres 60
Eigenkeim 25 eutektische Rinne 60
Eigenschaften, mechanische Eutektoid 135
-, strukturempfindliche 7 Extended Ferrit Nummer (EFN),
-, strukturunempfindliche 7 s. a. Ferrit-Nummer 442
Eigenspannung
-, der Mehrachsigkeitsgrad 262
-, dreiachsige 262 F
-, in der Schweißverbindung 261
-, mehrachsige 138 Fallgewichtsversuch (nach Pellini) 586
-, Räumlichkeit der 262 Faradaykonstante 68
-, Verteilung 250 Faradaysches Gesetz 82, 99, 120
Einbrand 273 Fehler in der Schweißverbindung 268
Einhärtbarkeit 141 -, Anfangskrater 272
Einhärtungstiefe (ET) 34 -, Bindefehler 275
Einkristall 12 -, Blaswirkung 275
Einlagerungsmischkristall (EMK) 46, 48 -, durch die Fertigung 268
Einsatzhärtungstiefe (Eht) 175 -, durch die Werkstoffe 269
Einsatzstahl 171, 175, 374 -, Einbrand 273
Einschluss 129, 130, 274 -, Einschlüsse, Schlacken 274
Eisen-Gusswerkstoffe 456 -, Endkrater 272
Eisen-Kohlenstoff-Schaubild (EKS) 133 -, Endkraterpore 272
ELC-Stahl 210 -, Endkraterriss 272
-, Schweißen 438 -, Gase 270
elektrochemische Korrosion 65 -, metallurgische Fehler (Tabelle) 280
elektrochemische Polarisation 77 -, metallurgischer Herkunft 269
-, Aktivierungspolarisation 77 -, »Osterei« 275
-, Konzentrationspolarisation 77 -, Rissbildung 276
-, Widerstandspolarisation 77 -, Schlacke 275
elektrolytische Doppelschicht 66 -, Schweißbeginn und -ende 271
Elektron 2 -, tabellarische Übersicht 293
Sachwortverzeichnis 601

-, Wasserstoff 258 Fertigungsschweißen 457


-, Zündstelle 275 Festigkeit, maximale
Fehlordnungssystem 7 -, Kohäsionsfestigkeit 159
Fehlstellendichte 10 -, Schubfestigkeit 158
Feingleitung 164 Festigkeitserhöhung
Feinkornbaustahl 183, 242 -, Ausscheidungshärtung 161
-, Drahtelektrode (MSG) 398 -, Dispersoide 523
-, Drahtelektrode (UP) 395 -, Kaltverfestigung 159
-, Einfluss des Niobs 191 -, Korngrenzenhärtung 165
-, Grundreihe 189 -, Martensithärtung 165
-, Kaltumformbarkeit 193 -, metallischer Werkstoffe 157
-, kaltzähe Reihe 189 -, Mischkristallverfestigung 160
-, kaltzähe Sonderreihe 189 -, Orowan-Mechanismus 163
-, Nahtvorbereitung 389 -, Rekristallisation 160
-, normalgeglühter 184, 188 -, Schneidemechanismus 163
-, Rissbildung 392 -, thermomechanische Behandlung 167
-, Schlagzähigkeit 165, 189 Feuerverzinken 107
-, Schweißeignung 399 Ficksches Gesetz, erstes 38
-, Schweißgutzähigkeit 395 -, Diffusion des Kohlenstoffs 40
-, Schweißtechnologie 392 Ficksches Gesetz, zweites 40
-, Schweißzusatzwerkstoffe 393 -, Homogenisieren von Legierungen 41
-, Spannungsarmglühen 391 Fischauge 258, 260
-, Sprödbruchsicherheit 184 Flächenkorrosion 82, 83
-, Terrassenbruch 189 Fließkurve 18
-, thermomechanisch behandelter 190 Flussmittel 512
-, vergüteter 387, 398 freie Enthalpie 112
-, Wärmebehandlung 390 Freiheitsgrad 58, 114
-, warmfeste Reihe 189 Fremdatom 7
-, Wiedererwärmungsriss 411 Fremdkeim 24
-, Zusatzwerkstoffe 393 Fremdstromkorrosion 69
Feinkornstahl, s. a. Feinkornbaustahl 183 -, Korrosionsschutz 103
Fernordnung 160 Frischen 126
Ferrit 55, 135 Fülldrahtelektrode 361
-, allotriomorpher 323, 325 -, MSG Schweißverfahren 361
-, bainitischer 325 -, normalgeglühter FK-Stahl 398
-, d-Ferrit 426
-, Schweißen austenitischer Cr-Ni-Stahl 437
-, Hochtemperatur- 242 G
-, im Schweißgut 323
-, Korngrenzen- 323 galvanisches Element 66
-, Mengenbestimmung 490 Gase
-, Nadel- 242 -, Diffusionskoeffizient (D) 270
-, nadeliger 324 -, im Aluminium 532, 543
-, polygonaler 323 -, im Kupfer 511
-, primärer 203, 219 -, im Schweißgut (Eisenwerkstoffe) 270
-, vermicularer 431 -, im Stahl 228
-, Widmannstättenscher 323 -, im Werkstoff 2
Ferrit-Nummer (FN) 420, 491 -, Löslichkeit der 270
-, extended (EFN) 420 -, Nickel(-legierung) 526
Ferritbildner 168 Gausssches Fehlerintegral 40
ferritischer Cr-Stahl, s. a. korrosionsbeständiger Gefüge 12
Stahl 215 -, dendritisches 237
-, IK-Beständigkeit 427 -, feinkörniges (FK-Stahl) 384
-, Korrosionsverhalten 215, 216 -, grobkörniges 2
-, Schweißen 425, 493 -, Guss- 26
-, Stabilisieren 217 -, primäres 113
-, Superferrit 493 -, Sekundär- 26
-, Vorgänge in der WEZ 492 -, Zellstruktur 28
fertigungsbedingte Schweißsicherheit 238 Gefügerechteck 52
Fertigungsfehler 268 Gefügezeiligkeit 226
602 Sachwortverzeichnis

Gewaltbruch 276 Gusseisenkaltschweißen 467


Gibbssches Phasengesetz 50, 59 Gusseisenwarmschweißen 464, 466
-, Berechnungsbeispiel 114 Gussgefüge 26
Gießstrahlentgasung 129 Gusslegierung
Gitter, s. a. Kristallgitter -, Aluminium- 537
-, Defekte im 7 -, Aluminium-, Bezeichnungsweise 533
-, hexagonal dichteste Packung (hdP) 6 -, Eisenwerkstoff 136
-, kubisch-flächenzentriert (kfz) 6 -, Kupfer (Tabelle) 509
-, kubisch-raumzentriert (krz) 6 Gusslegierung, hochnickelhaltige
-, tetragonal-raumzentriert (trz) 35 -, Einfluss Legierungselemente 524
Gitteraufbau 6 Gütegruppe 171, 267, 377, 382
Gitterbaufehler 7 Güteklasse 474
-, 0-dimensionaler 7
-, 1-dimensionaler 7
-, 2-dimensionaler 7, 8 H
-, 3-dimensionaler 7
-, interstitieller Defekt 8 Halbwarmschweißen 466
-, substitutioneller Defekt 8 Halbwarmumformung 45
Gitterverzerrung, formerhaltende 36 Halbzelle 65
Glashärte 143 Hall-Petch-Beziehung 20, 21
Glaskeramik 107 Haltepunkt 50
Gleichgewicht Haltetemperatur,
-, metastabiles 11 s. a. Vorwärmtemperatur 328, 391
-, thermodynamisches 7, 115 Hammervergüten, beim Kupfer 513
Gleichgewichtsschaubild 49 Härtbarkeit 35, 167
Gleichgewichtsverteilungsverhältnis (k) 488, 568 -, Einsatzstahl 175
Gleitebene 9 -, Vergütungsstahl 175
Gleiten 16 Härte, Einfluss auf Bauteilsicherheit 320
Gleitlinienbänder 16 Härten 137
Gleitrichtung 17 Härteriss, s. a. Kaltriss 226, 407
Gleitstufe 16 Härtesack 198, 404
Gleitsystem 17 Hartguss 463
Glühen 137 Härtungsgrad 145
Glühzwilling 10 Hastelloy 522
Grafit Hauptgüteklasse, Stahl 124
-, Einfluss auf mech. Gütewerte 463 -, Edelstahl, Definition 124
-, kugeliger 467 -, Grundstahl, s. unlegierter Qualitätsstahl
-, lamellarer 463 -, Qualitätsstahl, Definition 124
-, vermicularer 463 Hauptschubspannungshypothese 262
Grobkorn (WEZ) 2 hdP, hexagonal dichtesten Packung 6
-, Einfluss auf mech. Gütewerte 313 Hebelgesetz 51, 115
-, ferritischer Chromstahl 425 -, Beispiel für Anwendung 115
-, nichteisenmetallischer Werkstoff 503 Heftstelle, Einfluss auf Bauteilsicherheit 320
-, umwandlungsfähiger Stahl 310 Heißriss 12, 14, 29, 205, 207, 219, 276, 303
Grobkornzone (WEZ), s. Wärmeeinflusszone -, (Automaten-)Messing 516
Großwinkelkorngrenze 10 -, (Zinn-)Bronze 518
Grundstahl, s. unlegierter Qualitätsstahl -, Aluminiumbronze 519
Gruppe (im Periodensystem) 3 -, Aluminiumlegierung 536
Guinier-Preston-Zone 30, 161, 566 -, austenitisch-ferritischer (Duplexstahl) 440
Gusseisen -, austenitischer Cr-Ni-Stahl 290, 417, 433
-, artfremdes Schweißen 467 -, beeinflussende Faktoren 273, 304
-, artgleiches Schweißen 464 -, einphasiger Werkstoff 505
-, Dichtspeisen 456 -, Entstehungsmechanismus 241, 303
-, Gusseisenschaubild, -, Gegenmaßnahmen 303, 333, 449, 455
nach Kreiner-Klingenstein 464 -, kaltzäher Stahl 413
-, mit Kugelgrafit 467 -, Kupfer-Nickel-Legierung 519
-, legiertes 473 -, mehrphasiger Werkstoff 505
-, mit Lamellengrafit 463 -, RPF-Faktor nach Borland 488
-, mit vermicularem Grafit 463 -, unlegierter Stahl 313, 322
-, Weißeinstrahlung 464 -, Ursachen 12, 14, 56, 117
Sachwortverzeichnis 603

-, warmfester Stahl 179 ISO/TR 17671-4 547


-, Wiederaufschmelzriss ISO 6847 371
-, Aluminiumlegierung 536, 545 ISO 9328-3 185
-, ausscheidungshärtende Legierung 506 ISO 9328-5 185
-, Entstehungsmechanismus 506 ISO 9328-6 198
-, Nickelbasis-Legierungen 527 ISO 17641
Heißrissanfälligkeit Ito-Bessyo-Beziehung 329
-, metallurgische Einflüsse 304, 306, 433
-, Prüfen der 579
-, mit Fremdbeanspruchung 580 K
-, mit Selbstbeanspruchung 580
Heißrissparameter, von Bailey und Jones 378 Kaltriss, wasserstoffinduzierter 258, 402
Helmholtzsche Ebene, äußere 66 -, 20MnMo5-5 393
Heterogenisierungsglühen 537 -, Chromstahl, vergüteter 234, 422
heteropolare Bindung 5 -, Definition (DIN 8524) 276
High Nitrogen Steel (HNS) 220 -, Einfluss der Härte 141
hitzebeständiger Stahl -, Enstehungsmechanismus 277, 292
-, Schweißen -, FK-Baustahl 281, 344, 386
-, X6CrNiMoTi17-12-2 482 -, Gefahr bei kfz Metallen 207
Hochtemperaturferrit 242 -, Gegenmaßnahmen 292
Hohlraum -, Kaltsprödigkeit 240
-, interstitieller 110 -, Reparaturschweißen 485
Homogenisieren 41, 117 -, Stahl, legierter/unlegierter 239, 381
Hookesches Gesetz 249 Kaltrissanfälligkeit, Prüfen der 583
Hydratation 66 -, kritische Spannung (Kaltriss) 584
Hydrolyse 85, 258 -, statische Ermüdungsgrenze der Probe 584
Hysterese, thermische 134 Kaltrissneigung 329
Kaltverformung 9, 19
kaltzäher Stahl 182
I kathodischer Korrosionsschutz 103
Kavitation(skorrosion) 93
Idealkristall 7 Keim
Impfen (von Schmelzen) 27 -, Eigen- 25
Implant-Test 281, 583 -, Fremd- 24
-, Ergebnis der Auswertung 584 Keimbildung
Implantprobe 583 -, heterogene 23, 30
Incoloy 522 -, homogene 23, 30, 112
Inconel 522 -, Wirkung der Korngrenzen 30
Inhibitor (Korrosionsschutz) 101 Keimradius
-, chemisch wirkender 102 -, kritischer 25, 112
-, Deckschichtbildner 102 Kerbriss 276
-, Destimulator 102 Kerbschlagbiegeprobe 588
-, Neutralisator 102 Kerbschlagbiegeprüfung 266
-, physikalisch wirkender 102 -, instrumentierte 591
Injektionsverfahren 129 Kerbschlagbiegeversuch (DIN EN 10045) 587
Inkubationszeit 148, 230 -, Proben mit Schweißnaht 591
Instandsetzungsschweißen 460 Kerbschlagzähigkeit
Interkristalline Korrosion (IK) 88, 209 -, kaltverformter Stähle 19
-, austenitischer Cr-Ni-Stahl 218 Kernladung 3
-, Gegenmaßnahmen 210 kfz, kubisch-flächenzentriert 6
intermediäre Phase, s. a. Ausscheidung 207 Kleinwinkelkorngrenze 10, 12
-, Einfluss auf mechanische Gütewerte 211 Knickpunkt 50
intermediäre Verbindung 48, 446 Knife-Line-Attack 436
interstitielle Phase 48 Kohabitationsprinzip 349
Ionenbindung 5 Kohärenz 10
Ionengitter 5 Kohäsion 15
Ionenimplantation 109 Kohlenstoff 206
Ionenkonzentration 71 -, Definition Stahl 124
Ionisierungsspannung 355 -, Einfluss auf Eigenschaften
ISO/DIS 24034 561 korrosionsbeständiger Stähle 495
604 Sachwortverzeichnis

-, Einfluss auf Maximalhärte 141 -, äußere Helmholtzsche Ebene 66


-, Einfluss auf Ms und Mf 141, 142 -, Belüftungselement 76, 91
-, Einfluss auf Umwandlungsverhalten 146, 495 -, Besonderheiten beim Schweißen 100
-, in hochlegiertem Stahl 204 -, chemischer Angriff 202
-, Legierungselement 135 -, chemische Reaktion 64, 117
-, Martensitbildung 165 -, Einfluss der Anodenfläche 99
Kohlenstoffäquivalent 328, 381, 404 -, elektrochemische 65
Komponenten (einer Legierung) 49 -, elektrochemische Polarisation 77
konstitutionelle Unterkühlung 27, 28, 568 -, elektrolytische Doppelschicht 66
konstitutionelle Verflüssigung 506 -, Entzinken 87
Konstitutions-Schaubild -, Erosions- 94
-, ASTM A 800 462 -, Flächen- 83
-, Beispiel Auswertung 422 -, Fremdstromkorrosion 69
-, DeLong-Schaubild 420 -, galvanisches Element 66
-, Schaeffler-Schaubild 417, 435 -, Geschwindigkeit 117
-, WRC-1992-Schaubild 421 -, Gestaltungsrichtlinien 94
Konstitutionswasser, s. a. Kristallwasser 343 -, gleichmäßige 120
konstruktionsbedingte Schweißsicherheit 238 -, Grenzpotenzial 104
Konstruktionsschweißen 460 -, interkristalline 209
Kontaktkorrosion 69, 83, 84, 99 -, in Wässern 202
kontrollierte Wärmeführung 386 -, in wässrigen Lösungen 65, 68
Konversionsschicht 106 -, IUPAC-Konvention 67
Konzentration (Zustandsschaubild) 49 -, Kavitations- 93
Konzentrationselement 74, 83, 98 -, Kontakt- 69, 84
-, Anode 74 -, Konzentrationselement 83, 98
Konzentrationspolarisation 80 -, Konzentrationspolarisation 80
Konzentrationsverlauf nach Glühbehandlung 42 -, Kupfer 118
Kornform -, Loch- (Lochfraß, Pitting) 84
-, äquiaxiale (globulitische) 26 -, Lösungsdruck 66
-, dendritische 26 -, Messerlinien- 436
-, Stängelkristalle 26 -, mikrobiologische 90
-, zellartige 28 -, Mischpotenzial 78
Korngrenze 7, 19, 30 -, Nickel 73
-, Bewegung der 115 -, Passivator 102
-, Einfluss auf Streckgrenze 19 -, Polarisationskurve 78
-, Großwinkel- 10 -, Redoxkorrosion 69
-, Kleinwinkel- 10, 12 -, Reduktion 69
-, Sub- 12 -, Reib- (»Fressen«) 94
-, Wirkung auf Leerstelle 566 -, Ruhepotenzial 78
-, Zwillings- 10 -, Sauerstoff- 70
Korngrenzengleitung 412 -, Sauerstoffkorrosion 69
Korngrenzenhärtung 165, 190 -, selektive 87
Korngrenzensegregation 489 -, Spalt-, (Berührungs-) 86, 98
Korngrenzensubstanz -, Spannungsriss- 91, 217
-, Aufbau 14 -, Spongiose (Grafitierung) 88
-, Einfluss auf Gütewerte 14 -, Stromdichte-Potenzial-Kurve 78
Korngröße 12 -, Tafelsche Beziehung 79
Korngrößen-Kennzahl (G) 13, 14, 110 -, Überspannung 77
Kornwachstum 13, 45, 116 -, Wasserstoff- 69
-, bei ferritischem Chromstahl 492 -, Wasserstoffentwicklung 69
-, beim Rekristallisieren 42 Korrosionsart 83
-, metallurgische Einflüsse auf 153 korrosionsbeständiger Stahl
Kornzerfall, s. a. interkristalline Korrosion 208 -, Anlauffarbe 416
Korrosion 63 -, Ausscheidungen im 207
-, Abtragrate 82, 99, 120 -, austenitisch-ferritischer (Duplexstahl) 214, 440
-, Adhäsionsverschleiß 94 -, austenitischer Chrom-Nickel- 204, 214, 217
-, Aktivierungspolarisation 78 218, 431, 440
-, Aluminium 118 -, chemische Beständigkeit 200
-, Anwendung des Faradayschen Gesetzes 120 -, Einfluss der Verarbeitung 414
-, atmosphärische 88 -, ELC-Stahl 210
Sachwortverzeichnis 605

-, ELI-Stahl 210 Kriechen 13, 177


-, ferritischer Chromstahl 215 Kristall 2
-, halbferritischer 206 Kristallgemisch 49
-, Heißrissbildung 219 Kristallgitter 6
-, Heißrissneigung 431 Kristallisation
-, Herstellen von Oberflächen 415 -, epitaktische 25
-, martensitischer Chromstahl 204 -, gerichtete 523
-, Molybdän im 207 -, Keimbildung 112
-, Nickel im 205 -, primäre 22, 113
-, Silicium im 207 -, Schweißschmelze 300
-, Stabilisator 210 -, sekundäre 22
-, stabilisierter Stahl 210 -, sekundäre (Dreistoffsystem) 60
-, Stickstoff im 206 -, tertiäre (Dreistoffsystem) 60
-, stickstofflegierter austenitischer Stahl 220 -, Triebkraft 112
-, Streckgrenze der Austenite 207 Kristallisationsgeschwindigkeit (R) 28, 301, 567
-, Superferrit 217 Kristallisationswärme 112
-, ULC-Stahl 210 Kristallit, s. a. Korn 12
-, Vollaustenit 219, 431 Kristallseigerung 55, 117
-, Wasserstoff im 207 Kristallwasser 271, 343, 369
-, weichmartensitischer Stahl 206, 215 kritische Abkühlgeschwindigkeit 140
-, Zustandsschaubild 203 Kryogenik 182
Korrosionsbeständigkeit 3 kubisch-flächenzentriert, kfz 6
-, Beständigkeitsstufen 65 kubisch-raumzentriert, krz 6
-, Einfluss der Konstruktion 64 Kupfer 509
-, Einfluss der Ver- und Bearbeitung 63 -, Automatenmessing 516
-, Einfluss der Wartungsmängel 63 -, Entzinken (Messing) 517
-, Einfluss des Oberflächenzustands 414 -, hammervergütete WEZ 513
Korrosionselement 83 -, Korrosionsverhalten 118
Korrosionsgeschwindigkeit 65 -, Kupfer-Aluminium-Legierung 518
Korrosionsschutz -, Kupfer-Nickel-Legierung 519
-, aktive Schutzverfahren 101 -, Kupfer-Zink-Legierung (Messing) 516
-, anodischer 105 -, Kupfer-Zinn-Legierung (Bronze) 518
-, Auskleidung 106 -, Leerstellen in Cu-Schweißnaht 513
-, Beschichtung 106 -, sauerstofffrei 510
-, Dampfphaseninhibitor 102 -, sauerstoffhaltig 510
-, Deckschichtbildner 102 -, Schweißempfehlung 511
-, Destimulator 102 -, Schweißzusatzwerkstoffe 516
-, Emaillierung 107 -, Wärmeleitfähigkeit 510
-, Fremdstromschutzanlage 103 -, Wasserstoffkrankheit 510
-, Glaskeramik 107 Kupferlegierung 514
-, kathodischer 78
-, korrosionsschutzgerechte Gestaltung 201
-, metallischer Überzug 107 L
-, Opferanode 103
-, passive Schutzverfahren 106 Lagenaufbau
-, Phosphatieren 106 -, hochlegierter Stahl
-, Randschichtumschmelzlegieren 109 -, Zugraupentechnik 426
-, Referenzelektrode 103 -, Mehrlagentechnik 299
-, Schmelztauchen 107 -, Mehrlagentechnik (UP) 371
-, Schutzschicht 106 -, Pendellagentechnik 299, 329
-, Schweißplattieren 108 -, Pufferlagentechnik 423
-, Überzug 106 -, Strichraupentechnik 413
Korrosionsverhalten, Einfluss von -, Vergütungslagentechnik 320
-, Elektrolyttemperatur 75 -, Zugraupentechnik 299, 317
-, Ionenkonzentration 71 Längsschrumpfung 253
-, Medienkonzentration 77 Langzeitbeanspruchung 182
-, Sauerstoffgehalt 74 Lanthanoid 125, 544, 551
-, Strömungsgeschwindigkeit 76 Lanzettmartensit (massiver Martensit) 38, 143
kovalente Bindung (Atombindung) 5 Laugensprödigkeit 93
Kraterfülleinrichtung 272 Laves-Phase 207
606 Sachwortverzeichnis

LD-Verfahren 127 -, massiver 143


LDAC-Verfahren 127 -, nadelförmiger 493
Leerstelle 7, 513 -, Platten- (höhergekohlter) 143
Legierung 46 Martensitbildung
-, eutektische 51 -, Bain-Mechanismus 36
-, Gefügezustand 49 -, Einfluss Austenitkorngröße 226
-, Gibbssches Phasengesetz 50 -, nach Bilby und Christian 36
-, Hebelgesetz 51 Martensithärte 37
-, heterogene 58 martensitischer Chromstahl 215, 233
-, mechanische Gütewerte 58 -, Schweißen 422
-, mit begrenzter Löslichkeit 53 Massivumwandlung 33
-, mit intermediären Phasen 53 Mehrfachgleiten 165
-, mit Umwandlungen im festen Zustand 55 Mehrlagentechnik 316, 351
-, mit vollständiger Löslichkeit 50 -, vergüteter FK-Baustahl 399
-, Schweißen kristallgeseigerter 56 Mehrstoffsystem, s. a. Dreistoffsystem 49
-, übereutektische 52 Messerlinienkorrosion 432, 436
-, untereutektische 52 Messing 516
Legierung, ausscheidungshärtende Metall 3
-, Schweißen 505 metallischer Überzug 107
-, Schweißverhalten 569 metallurgisches Verhalten
Legierungselement -, aktives Schutzgas 357
-, austenitstabilisierendes 135, 168 -, Stabelektrode 338
-, ferritstabilisierendes 168 -, UP-Schweißpulver 369
-, Wirkung auf Schweißeignung 243 metastabil 38
Leichtmetall 531 -, Fe-C-System 134
Leistungsdichte (Schweißverfahren) 245 Mf-Temperatur 37
Leonsche Hüllparabel 262 mikrobiologische Korrosion 90
Liquiduslinie 51 Mikrolegierungselement 185, 191
Lochfraßpotenzial 85 Mikroplastizität 277
Lochkorrosion (Lochfraß, Pitting) 84, 202, 207 Mikroriss 276
Lokalelement, s. a. Korrosionselement 83 Mischcarbid 225, 495
Lorentz-Kraft 307 Mischelektrode
Lösungsdruck 66 -, heterogene (= Korrosionselement) 78
Lösungsglühen 161, 208 -, homogene 78
-, zum Ausscheidungshärten 53 Mischkristall 46, 49
-, zum Erzeugen der IK-Beständigkeit 210 -, Einlagerungs- 48
Lösungsphase 46 -, Substitutions- 46
Lot 11 Mischkristallreihe
Löteignung 291 -, lückenlose 47
Löten 11, 40 -, Mischungslücke 53
-, Arbeitstemperatur 291 Mischungsgerade 419
-, Eindringtiefe 40 Mischungslücke 53
-, Unterschiede zum Schweißen 291 Mohrscher Spannungskreis 262
Luftfeuchtigkeit 343 Molybdän 562
Lufthärter 142, 231 -, TZM-Legierung 563
Luftvergüten 144 Monel 522
Mosaikblöckchen 12
Ms-Temperatur 37, 142
M -, Berechnen der
-, (niedrig-)legierter Stahl 142
Magnesium 551 -, martensitischer Cr-Stahl 234, 423
-, -Legierungen (DIN 1729-1, DIN EN 1753) 552
-, mechanische Eigenschaften 551
Manganzeiligkeit 227 N
Maraging Stahl 185
Marangoni-Strömung 308, 478 Nadelferrit, s. a. Ferrit 242, 370
Martensit 34, 165 Nadelstichkorrosion 84
-, bei legierten Stahl 142 Nahbereichsordnung 47
-, Härte des 37, 224 Nahentmischung 33, 47
-, Lanzett- (niedriggekohlter) 38, 143, 197 Nahordnung 160
Sachwortverzeichnis 607

Nahtformverhältnis 308 Periode (im Periodensystem) 3


NDT-Temperatur 179, 586 Periodensystem 3
Nernstsche Gleichung 71, 120 Perlit 55, 135
Netzebene 6 pH-Wert 65, 258
Nichtmetall 3 Phase 11, 22, 49
Nickel 205, 520 -, interstitielle 48
-, ausscheidungshärtende Legierung 527 Phosphatieren 106
-, gerichtete Erstarrung 523 Phosphor 333
-, Heißrissigkeit 525 Physisorption 102
-, Korrosionseigenschaften 520 Plattenmartensit (nadelförmiger Martensit) 38
-, Korrosionsverhalten 73 Platzwechselmechanismus 39
-, Laves-Phase 523 Platzwechselvorgänge 38
-, Legierung 520 Polarisation, elektrochemische 84
-, Legierungstelemente u. Schweißeignung 524 -, Aktivierungs- 78
-, Schweißmetallurgie 525 -, Konzentrations- 80
-, Schweißpraxis 529 -, Widerstands- 81
-, Schweißzusatzwerkstoff 531 Polarisationskurve 78
-, Sigma-Phase 523 Polieren, elektrolytisches 417
-, Superlegierung 527 Polygonisation 9
-, Wiederaufschmelzriss 526 Polymorphie (Allotropie) 34, 302
Nickel-Chrom-(Eisen-)Legierungen 526 Poren 255, 270
Nickeläquivalent 419 -, Einfluss auf Bauteilsicherheit 255, 261
-, Berechnen des 419 Potenzialdifferenz 66, 303
Nickelbasis-Legierung 522 -, Berechnen der 120
-, ausscheidungshärtende 527 Pourbaix-Schaubild 72, 118
-, chemische Härtung 523 -, Eisen/wässrige Lösung 72, 119
-, molybdänhaltige 526 -, Korrosionsverhalten von Eisen 119
-, Rissbildung während -, Kupfer/wässrige Lösung 118
Spannungsarmglühen 529 -, Ni/wässrige Lösung 74
-, Wiederaufschmelzriss 528 Pressmantelelektrode 337
Normalglühen 139, 316 Primärgefüge 24, 113
-, Überhitzen 140 Primärkristallisation
-, austenitisches Schweißgut 433
-, bildliche Darstellung 303
O -, Einfluss Einbrandtiefe 273
-, ferritische 435
Oberflächenenergie 11, 165 -, ferritisches Schweißgut 300
Oberflächenspannung 10, 116, 489 -, Legierung 27
OBM-Verfahren 128 -, Metall 24
Oktaederlücke 48, 110 Primärseigerung 29
Ölhärter 142, 230 Promotor 259
Ölvergüten 144 Pufferlagentechnik 423, 571
Opferanode 103
Ordnungsumwandlung 33
Oriani, Theorie von 261 Q
Orowan-Mechanismus 163, 164
Oxidationsmittel 67 Qualitätsstahl, Definition 124
quasi-isotrop 12
Querschrumpfung 252
P

Packungsdichte 39, 111, 226 R


Passivator 102
passiver Korrosionsschutz 106 Randhärter 142
Passivieren 202, 417 Randschichthärten 171
Passivität 75 Randschichtumschmelzlegieren 109
Passivschicht 83 Raoultsches Gesetz 51
Passivstromdichte 82 Reaktionsspannung 250
Pellini-Versuch 586 Reckalterung, s. Verformungsalterung
Pendellagentechnik 317 Redoxkorrosion 69
608 Sachwortverzeichnis

Reduktion, kathodische 66 -, behindert 249


Reduktionsmittel 67 -, Einfluss Konstruktion 254
reheat cracking 138 -, Einfluss Wärmemenge 253
Reinigungswirkung, des SG-Lichtbogens 548 -, Einfluss Werkstoff 254
Rekristallisation 9, 42 -, frei (unbehindert) 249
Rekristallisationsschaubild 44 -, Längs- 253
Rekristallisationstemperatur (TRk) 43 -, Quer- 252
Rekristallisationsverzögerung 44, 191 -, Winkel- 252
Relaxation 177 Schubfestigkeit, theoretische 16
Relaxationsriss, s. a. Wiedererwärmungsriss 411 Schutzgase
Relaxationszeit 41 -, Physikalische Eigenschaften 356
Reparaturschweißen 269 »Schwarz-Weiß«-Verbindung 446
-, Altstahl 480 Schwefel 241, 333
-, Stahl unbekannt 483 Schweißeignung 6
-, Vorwärmen 485 -, Aluminium 532
Restaustenit 143, 226, 234 -, Aluminiumbronze 519
Rinne, eutektische 60 -, Aufschmelztest 484
Riss -, ausscheidungshärtende Legierung 505, 569
-, Schweißgut, s. a. Heißriss 276 -, ausscheidungshärtende Nickelbasis-Leg. 527
-, WEZ, s. a. Kaltriss 276, 320 -, austenitisch-ferritischer Stahl 440
Rissinstabilität 594 -, Baustahl
Rissöffnungsverschiebung 595 -, Aufschmelztest 484
Rissspitzenöffnungsverschiebung 595 -, Bruchtest 484
RPF-Faktor, s. a. Heißriss 488 -, Farbe (Aussehen) 483
Rücktrocknen -, Härtetest 483
-, basisch-umhüllte Elektrode 343 -, Magnettest 483
-, UP-Pulver 396 -, Meißeltest 484
Ruhepotenzial 71, 78 -, Schleiffunkentest 484
rutil-umhüllte Stabelektrode 342 -, Technologischer Schweißversuch 484
-, Bronze 518
-, Einfluss der chem. Zusammensetzung 238
S -, Einflüsse auf 377
-, einphasiger gegen
Sandelin-Effekt 108 mehrphasiger Werkstoffe 570
sauer-umhüllte Stabelektrode 341 -, einphasiger Werkstoff 504
Sauerstoff 242, 256 -, Farbe (Aussehen) 483
Sauerstoffaufblasverfahren 127, 239 -, ferritischer Cr-Stahl 425, 492
Sauerstoffkorrosion 69, 70 -, FK-Baustahl, normalgeglüht 184, 384
Säure -, FK-Baustahl, vergütet 399
-, nichtoxidierende 69 -, Härtetest 483
-, reduzierende 70 -, hochlegierter Cr-Ni-Stahl 290
Schaeffler-Schaubild 417 -, hochreaktiver Werkstoff 507
-, Mischungsgerade 419 -, höhergekohlter Stahl 289
-, Wirksumme 419 -, kaltverfestigter Werkstoff 42
Schiebungsmartensit 414 -, Kupfer 510
Schlacke (Einschluss) 274 -, Kupfer-Nickel-Legierung 519
-, Einfluss auf Gütewerte 274 -, legierter Stahl 243
-, endogene 274 -, Magnesium 551
-, exogene 274 -, Magnettest 483
Schlagzähigkeit -, martensitischer Cr-Stahl 409
-, feinkörniger Werkstoff 21 -, mehrphasiger Werkstoff 505, 570
-, TM Baustahl 190 -, Meißeltest 484
Schmelzentropie 112 -, Messing 516
Schmelzgrenze 313 -, Methoden zum Feststellen 483
Schmelzintervall 50 -, Molybdän 562
Schmelzpulver (UP) 368 -, Nickelwerkstoff 524
Schmelzschweißen 1 -, Schleiffunkentest 484
Schmelztauchen 107 -, Stahl, allgemein 123
Schmieden 45 -, Tantal 565
Schrumpfen, Schrumpfung 249 -, technologischer Schweißversuch 484
Sachwortverzeichnis 609

-, un(niedrig-)legierter Stahl 35, 289 -, chemische Charakteristik 340


-, unlegiertes Titan 561 Schweißschmelze (Schmelzbad)
-, Vergütungsstahl 289, 402, 481 -, austenitischer Cr-Ni-Stahl 432
-, warmfester Stahl 179 -, Benetzungswinkel 489
-, Zirkonium 564 -, Grundlagen 300
Schweißen -, Marangoni-Strömung 308, 478
-, Aluminium und Aluminiumlegierungen 531 -, Massentransporte 307
-, ausscheidungshärtende Legierung 505 -, Oberflächenspannung 489
-, Bedeutung des Wasserstoffs 344 -, Primärkristallisation
-, Beryllium 553 -, austenitischer Cr-Ni-Stahl 432
-, Einfluss des Nahtaufbaus 316 -, Grundlagen 300
-, einphasiger Werkstoff 504 -, Wirkung der Buoyancy-Kraft 307
-, FK-Stahl, normalgeglüht 384 -, Wirkung der Lorentz-Kraft 307
-, FK-Stahl, vergütet 398 Schweißverbindung
-, Gusseisen mit Kugelgrafit 467, 472 -, Aufbau der 299
-, Gusseisen mit Lamellengrafit 463 -, Einfluss Nahtaufbau 316
-, Härteverteilung (Stahl) 319 -, Fehler 268
-, hochreaktiver Werkstoff 507 -, Härteverteilung 319
-, höhergekohlter Stahl 402 -, mechanische Eigenschaften 318
-, kaltverfestigter Werkstoff 508 -, nichteisenmetallische Werkstoffe 503
-, kaltzäher Stahl 413 -, Pendellagentechnik 317
-, korrosionsbeständiger Stahl 414 -, Primärkristallisation 300
-, Anlauffarbe 439 -, unterschiedliche Werkstoffe 334, 440, 571, 572
-, Schweißempfehlungen 444, 445 -, Wärmeeinflusszone 309
-, Kupfer und Kupferlegierungen 509 -, Zugraupentechnik 317
-, Magnesium und Magnesiumlegierungen 551 Schweißverfahren
-, mehrphasiger Werkstoff 505 -, Lichtbogenhandschweißen 337
-, Nickel und Nickellegierungen 520 -, MSG-Schweißen 355
-, Schweißzusätze UP 363 -, UP-Schweißen 363
-, Stahlguss 456 -, WIG-Schweißen 353
-, Tantal und Tantallegierungen 564 -, zur Wahl des 376
-, Temperguss 474 Schweißzusatzwerkstoff
-, Titan und Titanlegierungen 554 -, Aluminium und -Legierungen 545
-, unlegierter C-Mn-Stahl 374 -, artähnlicher 337
-, Verbinden unterschiedlicher Werkstoffe 334 -, artfremder 334, 337
-, warmfester Stahl 406 -, Auftragschweißen 451, 482
-, WEZ, umwandlungsfähiger Stahl 310 -, austenitischer Cr-Ni-X-Stahl 423
-, Zirkonium und Zirkoniumlegierungen 563 -, Drahtelektrode (MSG) 355
-, Zusatzwerkstoffe Stahl 336 -, Drahtelektrode (UP) 363
Schweißgut 299 -, ELC-Stähle 438
-, Gase im 299 -, ferritischer, halbferritischer Cr-Stahl 426
-, mechanische Eigenschaften 322, 486 -, Grenzwerte 478
-, Schlacken im 300 -, hochfester Stahl 374
-, wasserstoffarm 393 -, hochnickelhaltiger 480
-, Wasserstoff im 347 -, martensitischer Chromstahl 423
Schweißmöglichkeit 238 -, nichtstabilisierter 427
Schweißpanzern 446, 451 -, Nickel und -Legierungen 531
-, Schweißzusatzwerkstoff (DIN EN 14700) 482 -, normalgeglühter FK-Stahl 393
Schweißplattieren 108, 446, 448 -, Schweißpulver (UP)
-, Aufschmelzgrad 446 -, Konstitutionswasser 271
Schweißpulver (UP) 366 -, Schweißstab (WIG) 353, 485
-, agglomeriertes Pulver 368 -, Grenzwerte 478
-, Anwendungsbereich 367 -, Stabelektrode 337
-, Herstellungsverfahren 366 -, Stabelektrode (Umhüllung)
-, metallurgisches Verhalten 369 -, Konstitutionswasser 271
-, Mischpulver 366 -, Kristallwasser 271
-, neutraler Punkt 372 -, Titan und Legierungen 561
-, Sauerstoffpotenzial des 370 -, unlegierter/legierter Stahl 336
-, Schmelzpulver 368 -, UP-Schweißen 363
Schweißschlacke -, vergüteter FK-Stahl 374
610 Sachwortverzeichnis

Schwermetall 508 -, kernstablegierte 438


Schwindungslunker 132 -, Kristallwasser 343
Season Cracking, s. a. Spannungsrisskorrosion 93 -, mechanische Eigenschaften 341
Segregatlinie 53 -, Mischtype 342
Seigerung 242, 333 -, Normbezeichnung 349
Sekundärgefüge 26 -, rutil-umhüllte 342
Sekundärhärte 225 -, sauer-umhüllte 341
Sekundärkristallisation 22 -, Schlacke 340
Sekundärmetallurgie 128, 456 -, Verschweißbarkeitsverhalten 338
Sekundärzeiligkeit 226, 315 -, zellulose-umhüllte 344
Selbstanlassen 143, 197, 399 Stabilisator 210
Selbstdiffusion 38 Stahl
selektive Korrosion 83, 255 -, (niedrig-)legierter 167
SEW 088 388 -, Alt- 480
-, Trocknung von Pulver/Elektrode 395 -, alterungsunempfindlicher 240, 242
SEW 410 461 -, beruhigt vergossener (–) 132
SEW 520 459 -, besonders beruhigt vergossener (FF) 133
Siebkondensator 549 -, Dualphasen- 195, 314
Siemens-Martin-Stahl 126 -, Duplex- 221, 420
Sievertssches Gesetz 129, 228, 259 -, Edelstahl, Definition 125
Sigma-Phase 54, 204, 206, 216, 222, 425 -, Einteilung 124
Siliciumzeiligkeit 227 -, Feinkorn- 183
Simulationstechnik 318 -, ferritischer Chrom- 93, 493
Snoek-Effekt 111 -, FK-Bau-, Einteilung 124
Soaken, s. Wasserstoffarmglühen 281 -, FK-Bau-, normalgeglühter 384
Soliduslinie 51 -, FK-Bau-, vergüteter 398
Solidusverschleppung 56 -, geseigerter 132
Sondercarbid 144 -, Gütegruppe 382
Sondercarbidbildner 225 -, halbferritischer Chrom- 425
Spalt-, Berührungskorrosion 86, 98 -, High Nitrogen Steel (HNS) 220
Spaltfreudigkeit (der FF-Stähle) 133 -, hochlegierter 167
Spaltkorrosion 86, 439, 440 -, hochwarmfester 180
Spaltüberbrückbarkeit 338 -, höhergekohlter 402
Spannungsarmglühen 138, 250, 391, 411 -, kaltzäher 182, 413
Spannungsreihe, elektrochemische 67 -, korrosionsbeständiger 71, 200, 482
Spannungsriss 407 -, Lufthärter 231
Spannungsrisskorrosion (SpRK) 91, 99, 217, 391 -, martensitaushärtender 185
Spannungsversprödung 18, 262, 266 -, martensitischer Chrom- 233
Spannungszustand -, mikrolegierter 185
-, ebener (ESZ) 265 -, nicht unberuhigt vergossener (FN) 131
Speckschicht 132 -, ölvergüteter 185
Spitzentemperatur 245 -, Qualitätsstahl, Definition 124
Spitzentemperatur-Abkühlzeit-Eigenschafts- -, Sauerstoff im 242
Schaubild (STAZE) 327 -, Schwefel im 241, 333
Spitzentemperatur-Abkühlzeit-Schaubild -, Stickstoff im 242
(STAZ) 327 -, thermomechanisch behandelter 185
Spongiose (Grafitierung) 88 -, übereutektoider 136
Sprödbruch, s. a. Trennbruch 261, 276, 322 -, Überhitzungsempfindlichkeit 243
-, begünstigende Faktoren 265 -, unberuhigt vergossener (FU) 132
-, Maßnahmen zum Abwenden des 268 -, unlegierter 374
Sprödbruchempfindlichkeit 266 -, Vergütungs- 171, 481
-, Einfluss des Werkstoffs 266 -, Verunreinigungen im 126
Stabelektrode -, verzinkt 107
-, Aufgabe der Elektrodenumhüllung 338 -, Wärmebehandlung 136
-, basisch-umhüllte 342, 378 -, warmfester 406
-, Feuchteresistenz 347 -, Anlassversprödung 412
-, Feuchtigkeit in der Umhüllung 394 -, Korngrenzengleitung 412
-, Grundwasserstoffgehalt der Umhüllung 344 -, warmfester austenitischer 411
-, hüllenlegierte 438 -, warmfester ferritischer 177
-, Kernstab 338 -, Anlassglühen 407
Sachwortverzeichnis 611

-, Wasserstoff im 243 -, schwarzer 475


-, wetterfester 90 -, weißer 474
Stahl-Eisen-Lieferbedingungen 096 190 Terrassenbruch 133, 189, 241, 276, 379
Stahl-Umschmelzverfahren 129 -, Abwehrmaßnahmen 190
Stahlbegleiter 14 tertiäre Kristallisation 60
Stahlguss 133, 456 Tetraederlücke 48, 110
-, Fertigungsschweißen 457 tetragonal-raumzentriert (trz) 35
-, für allgemeine Verwendung 456 thermisch aktivierter Vorgang 38
-, höherfester 460 thermische Analyse 50
-, Instandsetzungsschweißen 460 Thomasstahl 127
-, Konstruktionsschweißen 460 Tieftemperaturstahl 183
-, legierter 462 Tieftemperaturtechnik 182
-, Vorwärmtemperatur 457 Tiefziehblech 130, 132
-, Wärmebehandlung 456 Titan 554
Stahlherstellung 125 -, Alpha-Beta-Legierung 558
Standardpotenzial 67 -, Alpha- und Nah-Alpha-Legierung 557
Standardwasserstoffelektrode 67 -, Beta-Legierung 559
Standguss 131 -, Ductility Dip Cracking (DDC) 561
Stängelgefüge 2 -, Erstarrungsriss 560
Stängelkristall 26, 302 -, Porenbildung 561
Stellit, s. a. Auftragschweißen 482 -, Schweißpraxis 561
Stickstoff 206, 242 -, Schweißverhalten 557
Stokesches Gesetz 228 -, Schweißzusatzwerkstoff 561
Strangguss 131, 240 -, Segregatbildung 560
Streckenenergie (E) 241 -, unlegiert 557
Streckgrenze, s. a. Fließgrenze 19 -, Wasserstoffversprödung 560
Streustrom 105 Transkristallisation 26, 113
Strichraupentechnik 413 Transpassivität 82
Stromdichte-Potenzial-Kurve 78 Transvarestraint-Test 580
Struktureinheit (Structure Unit), Trennbruch 261
s. a. Korngröße 226, 322 Trennfestigkeit, theoretische 16, 262
Stufenhärtungsschweißen 155
Subkorngrenze 12
Substitutionsmischkristall (SMK) 46 U
Sulfidformbeeinflussung 194
Superferrit 217, 430, 493 Überaltern 164
übereutektisch 52
Übergangsblechdicke (dü) 249, 387
T Übergangstemperatur 266
Überhitzen 140
Tafelsche Beziehung 79 Überspannung 77
Tantal 564 Überstruktur 33, 47, 55, 160
-, Korrosionsverhalten 564 Überzeiten 140
-, Schweißen 565 ULC-Stahl 210
Taschentuchfaltprobe 194 Umwandlung (Phasenumwandlung)
Teilchenverbundwerkstoff 544 -, Aktivierungsenergie 25
Temperatur -, athermische 23, 36
-, äquikohäsive 13 -, Ausscheidungs- 32
-, Vorwärm- (bei Stahlwerkstoffen) 327 -, Austenitumwandlung 146
Temperatur-Zeit-Verlauf 1 -, diffusionskontrollierte 24, 30
-, bei der Wärmebehandlung 137 -, diffusionslose 34
-, beim Schweißen 244, 245, 299 -, flüssig/fest 24
-, in der Wärmeeinflusszone 385 -, grenzflächenkontrollierte 24
-, metallurgische Wirkung des 254 -, heterogene 22
-, Sauerstoffs 256 -, homogene 22
-, Stickstoffs 257 -, im festen Zustand 30
-, Wasserstoffs 258 -, Kohärenzspannung 30
Temperaturgradient (G) 301, 567 -, massive 33
Temperguss 474 -, militärische 24
-, Güteklasse 474 -, Ordnungs- 33
612 Sachwortverzeichnis

-, polymorphe (allotrope) 34 -, Linienspannung 229


-, Umwandlungsgeschwindigkeit 32 -, Schrauben- 8
-, unterkühlbare 146 -, Stufen- 8
-, zivile 24 Versetzungsdichte 9
Umwandlungshärtung 34 Verunreinigung 127, 129, 189, 202
untereutektisch 52 -, Einfluss auf Gütewerte 123
Unterkühlung 25 -, lösliche 15, 377
-, konstitutionelle 27, 28, 113, 568, 569 -, unlösliche 15, 377
-, thermische 300 Verzerrungszustand
Unterplattierungsriss 449 -, ebener (EVZ) 265
Urspannung 67 Verzug
-, austenitischer Cr-Ni-Stahl 431
-, Einfluss der Abkühlgeschwindigkeit 310
V -, Einfluss Leistungsdichte 245
-, Grundlagen 249
Vakuumverfahren 129 -, unlegierter Stahl 249
Valenzelektron 4 Vollaustenit 219, 431
Varestraint-Test 580 Vorausscheidung, s. a. Cluster 191
VdTÜV-Merkblatt 451 Vorschweißblech 272
-, Glühdauer 139 Vorwärmen 2
-, Glühtemperatur 139 -, austenitisch-ferritischer Stahl 442
Verbindung -, Baustahl 383
-, Austenit-Ferrit 446 -, ferritischer Chromstahl 426
-, eutektische 14 -, Gusseisen (EN-GJL) 466
-, intermediäre 5, 48 -, Gusseisen mit Kugelgrafit (EN-GJS) 471
-, unterschiedlicher Werkstoffe 446, 479, 568 -, höhergekohlter Stahl 403
Verfestigung 18, 20 -, martensitischer Chromstahl 423
Verformbarkeit, s. a. Zähigkeit 6, 15 -, normalgeglühter FK-Baustahl 390
Verformungsalterung, s. a. Alterung 19, 42, 322 -, Reparaturschweißen 485
-, Verformungsalterung 242 -, Stahl, (un-)legierter 241
Verformungsbruch 276 -, Stahlguss 457
Verformungsgrad -, vergüteter FK-Baustahl 401
-, Kalt- 43 -, Vergütungsstahl 290, 403
-, kritischer 43 -, Vorwärmtemperatur 247
Verformungsvorgänge -, warmfester ferritischer Stahl 407
-, im Idealkristall 15 -, warmfester martensitischer Stahl 410
-, in technischen Werkstoffen 16 Vorwärmtemperatur
Verformungszwilling 10 -, Bestimmen der 327, 332
Vergüten 143, 225 -, mit Kohlenstoffäquivalent 328
Vergütungsfestigkeit 145 -, mit Ms-Temperatur 234, 331
Vergütungsschaubild 198 -, nach Ito-Bessyo 329
Vergütungsstahl 171, 174, 402 -, nach Uwer und Höhne 331
-, Anlassen 225 -, nach Yurioka und Oshita 330
-, Schweißeignung 175
-, Schweißen 402, 481
-, Zerspanbarkeit 174 W
Vergütungsstahlguss 462
-, schweißtechnische Maßnahmen 462 Walzzeiligkeit 226
Vergütungszähigkeit 145 Wärmeableitung
Verschleiß -, dreidimensionale 247, 386
-, Pufferlage 454 -, Übergangsblechdicke 249
Verschleißmechanismus -, zweidimensionale 247, 386
-, Abrasion 451 Wärmeausdehnungskoeffizient 249
-, Adhäsion 451 -, ferritischer Chromstahl 426
-, Oberflächenzerrüttung 451 -, hochlegierter Stahl 218
-, tribochemische Reaktionen 451 -, unlegierter Stahl 218
Verschleißwiderstand 174 Wärmebehandlung 136
Versetzung 8, 30, 160 -, Ausscheidungshärten 161
-, blockierte 9, 18 -, Glühbehandlung 137
-, Kräfte auf 229 -, Härten 137
Sachwortverzeichnis 613

-, Normalglühen 139 -, vielkristalliner 19


-, Spannungsarmglühen 138 Werkstofffehler 269
-, Stahlguss 456 Werkstoffübergang (im Lichtbogen)
-, Vergüten 143 -, MSG-Verfahren 357, 358
Wärmeeinbringen (Q) 241 -, Stabelektrode 341
Wärmeeinflusszone (WEZ) 1, 14, 299 Widerstandspolarisation 81
-, Alterungsneigung der 314 Widmannstättensches Gefüge 140, 323, 371
-, ausscheidungshärtende Legierung 505 Wiederaufschmelzriss, s. a. Heißriss 303, 377, 569
-, einphasiger Werkstoff 504 -, ausscheidungshärtende Legierung 506
-, Feinkornzone 314 -, Entstehungsmechanismus 506
-, ferritischer Chromstahl 493 -, Nickelbasislegierung 527
-, Härteverteilung 319 Wiedererwärmungsriss 138, 411
-, hochreaktiver Werkstoff 507 Winkelschrumpfung 252
-, Höchsthärte 320 Wirksumme 419
-, im Vergütungsstahl 404 Wischlot (Schmierlot) 52
-, kaltverfestigter Werkstoff 508 WRC-1992-Schaubild 421
-, Korngröße 322 -, Anwendungsbeispiel 421
-, mechanische Gütewerte 300
-, mehrphasiger Werkstoff 505
-, nichteisenmetallische Werkstoffe 503 Y
-, un-, (niedrig-)legierter Stahl 310, 489
-, Vorgänge (bildliche Darstellung) 311 Yurioka-Oshita-Beziehung 330
-, werkstoffliche Vorgänge 309
Wärmeführung, kontrollierte 507
Wärmeleitfähigkeit 2 Z
-, (hoch-)legierter Stahl 218
-, Aluminium 532 Zähigkeit 1
-, des SG-Lichtbogens 355 Zeitdehngrenze 178
-, ferritischer Chromstahl 218 Zeitfestigkeit 409
-, Kupfer 509 Zeitstandfestigkeit 178
-, unlegierter Stahl 218 Zeitstandversuch 178
Wärmequelle zum Schweißen Zellstruktur 28
-, Wirkung der 244 zellulose-umhüllte Stabelektrode 344
warmfester Stahl 177 Zementit 55
Warmfestigkeit 167 Zinnbronze 518
Warmstreckgrenze 178 Zinngeschrei 10
Warmverformung 45 Zircaloy 564
Wasserglas 344 Zirkonium 563
Wasserhärter 142, 230 Zone, s. a. Nahentmischung 47, 161
Wasserlinienkorrosion 98 Zonenbildung 160
Wasserstoff 138, 207, 243 Zonenmischkristall 56
-, Bedeutung für Schweißgut 344 ZTA-Schaubild 145, 155
-, Dekohäsionstheorie 261 -, 100Cr6 157
-, diffusibler 395 -, C45E (Ck 45) 156
-, Drucktheorie 259 -, kontinuierliches 157
-, im Schweißgut 403 ZTU-Schaubild 145
-, Kaltriss, wasserstoffinduzierter 258, 402 -, 10CrMo9-10 407
-, Quellen 258 -, 41Cr4 (isothermisches) 152, 482
Wasserstoffarmglühen 281, 290, 391, 402 -, 41Cr4 (kontinuierliches) 147
Wasserstofffalle (»trap«) 260 -, Anwendung zum Schweißen 150, 152
Wasserstoffkorrosion 69 -, Austenitisierungstemperatur 148
Wasserstoffkrankheit 510, 573 -, Duplexstahl 221
Wasserstoffversprödung 260 -, Formen für schweißgeeignete Stähle 151
Wasservergüten 144 -, hochlegierter Stahl 231
Weichlot 52 -, Inkubationszeit (ti) 148, 230
weichmartensitischer Stahl 206, 215 -, isothermisches 150
Werkstoff -, kontinuierliches 148
-, einkristalliner 19 -, niedriglegierter Stahl 230
-, heterogener (Phasengemisch) 22 -, P690QL (St E 690) 398
-, homogener, s. a. Phase 22 -, unlegierter Stahl 230
614 Sachwortverzeichnis

-, Wirkung der Legierungselemente 149 -, Fe-Cr-C 493


-, X20CrMoVW12-1 410 -, Fe-Cr-Ni 204, 221, 441
Zugraupentechnik 439 -, Fe-Ni 203
Zunderbeständigkeit 168, 409 -, intermediäre Phasen 53
Zündstelle 275 -, Konode 62
Zustand -, Nichtgleichgewichtszustand 55
-, Gefüge 49 -, Pb-Sn 52
-, metastabiler 38 -, quasibinäre Schnitt 62
-, stabiler 38 -, Solidusfläche 62
Zustandsänderung 49 -, thermodynamisches Gleichgewicht 49
Zustandsschaubild 28, 49 -, Ti-Al 559
-, Al-Cu 535, 566 -, Ti-X 554
-, Al-Mg 54, 535 -, Umwandlungen im festen Zustand 55
-, Al-Si 535 -, Vertikalschnitt 62
-, begrenzte Löslichkeit 53 -, vollkommene Löslichkeit fest/flüssig 50
-, Cr-Ni 524 -, zum Schweißen 57
-, Cu-Al 518 Zwangslagenverschweißbarkeit 338
-, Cu-Ni 519 Zweistoffsystem, s. a. Zustandsschaubild 49
-, Cu-O 510 Zwilling 165
-, Cu-Sn 517 -, Glüh- 10
-, Cu-Zn 516 -, Verformungs- 10
-, Dreistoffsystem 59 Zwillingsgrenze 10
-, Eutektikum 51 Zwischengittermechanismus 39
-, Fe-C, Einschränkungen 145 Zwischenlagentemperatur,
-, Fe-Cr 203, 232, 495 s. a. Vorwärmtemperatur 328, 391
Zwischenstufe, s. Bainit

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